Erlanger Sportrechtstagungen 2018 und 2019 [1 ed.] 9783428581917, 9783428181919

Mit den Erlanger Sportrechtstagungen 2018 und 2019 fanden die traditionellen Interuniversitären Sportrechtstagungen der

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Erlanger Sportrechtstagungen 2018 und 2019 [1 ed.]
 9783428581917, 9783428181919

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Beiträge zum Sportrecht Band 59

Erlanger Sportrechtstagungen 2018 und 2019

Herausgegeben von

Klaus Vieweg

Duncker & Humblot · Berlin

KLAUS VIEWEG (HRSG.)

Erlanger Sportrechtstagungen 2018 und 2019

Beiträge zum Sportrecht Herausgegeben von Kristian Kühl, Udo Steiner und Klaus Vieweg

Band 59

Erlanger Sportrechtstagungen 2018 und 2019

Herausgegeben von

Klaus Vieweg

Duncker & Humblot · Berlin

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, für sämtliche Beiträge vorbehalten © 2021 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: L101 Mediengestaltung, Fürstenwalde Druck: CPI buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 1435-7925 ISBN 978-3-428-18191-9 (Print) ISBN 978-3-428-58191-7 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Mit den Erlanger Sportrechtstagungen 2018 und 2019 hat eine langjährige Tradition ihre Fortsetzung gefunden. Die acht bisher in dieser Schriftenreihe erschienenen Bände dokumentieren die insgesamt 115 Vorträge, die anlässlich der 16 Interuniversitären Sportrechtstagungen und der Tagung „Lex Sportiva“ gehalten wurden und damit wichtige Entwicklungen des Sportrechts in den Jahren 2002–2015 aufgriffen. Mit der organisatorischen Anbindung der im Jahre 2002 gegründeten Forschungsstelle für Deutsches und Internationales Sportrecht an den Lehrstuhl von Prof. Dr. Hans-Dieter Spengler und die Gründung des gleichnamigen Instituts als e. V. (IDISpoRt) wurde der erforderliche organisatorische Rahmen für eine Fortsetzung dieser akademischen Traditionsveranstaltungen geschaffen. Der vorliegende Band enthält die für die Veröffentlichung überarbeiteten Vorträge, die im Rahmen der Erlanger Sportrechtstagungen am 21./22. September 2018 und am 29. November 2019 im Juridicum der Friedrich-­ Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg gehalten wurden. Erlangen, im Juli 2020

Klaus Vieweg

Inhaltsverzeichnis Rudolf Streinz Kartellrechtliche Vorgaben des Unionsrechts für das Sportrecht?  . . . . . . . . . . 9 Peter W. Heermann Aktuelle Thesen zur zentralen Vermarktung der Medienrechte an der Fußball-Bundesliga im Lichte von Art. 101 Abs. 3 AEUV  . . . . . . . . . . . . . . . 29 Jacob Kornbeck Die Zukunft des Ein-Platz-Prinzips im Lichte der jüngeren kartellbehörd­ lichen Entscheidungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 Klaus Vieweg Ausschluss und Suspendierung nationaler durch internationale Sport­ verbände  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 Udo Steiner Die Autonomie des Sports im nationalen und europäischen Rechtsgefüge . . 103 Thomas Summerer Die Zukunft der Schiedsgerichtsbarkeit im Sport – Die Defizite des CAS und Reformvorschläge –  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 Hans Kudlich Der Fluch der guten Tat? – Zur strafrechtlichen Verantwortung von Ehrenamtlichen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 Hans-Dieter Spengler Der antike Prozess im Lichte des sportlichen Wettbewerbs*  . . . . . . . . . . . . . 145 Felix Engelsing und Monika Buhl Ist Dabeisein wirklich alles? Vermarktungsverbote für Teilnehmer der Olympischen Spiele  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 Tim Hülskötter Schiedsvereinbarungen im Berufssport – Ein kartellrechtlicher Ausschnitt  . . 201 Julien Zinnecker Audiovisuelle Medienrechte im Profisport  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217

8 Inhaltsverzeichnis Hendrik Pusch „e-Sport“ und die Regelungen des organisierten Sports  . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 Marius Mayer Polizeikosten im Profifußball  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 Herausgeber und Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277

Kartellrechtliche Vorgaben des Unionsrechts für das Sportrecht? Von Rudolf Streinz I. Aktualität des Themas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 II. Ansatzpunkte des EU-Kartellrechts hinsichtlich des Sports . . . . . . . . . . . . . . 11 1. Bosman als Grundsatzentscheidung zu Vorgaben des EU-Rechts für das Sportrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 2. Kartellrecht und Berufsfreiheit: Das grundlegende Urteil des EuGH im Fall Meca-Medina . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 III. Berücksichtigung der Besonderheiten des Sports (Art. 165 AEUV) bei der Anwendung des EU-Kartellrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 1. Rechtsnatur des Art. 165 AEUV: Keine Bereichsausnahme, aber Ansatz für generelle Berücksichtigung von Besonderheiten des Sports . . . . . . . . 16 2. Folgen für das Sportrecht allgemein und das Kartellrecht im Besonderen . 19 a) Aus Art. 165 AEUV herleitbare Anhaltspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 b) Bedeutung der Verbandsautonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 c) Besonderheiten des Wettbewerbs im Sport  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 d) Kartellrecht als Prüfungsmaßstab für die Schiedsgerichtsbarkeit  . . . . 21 3. Entwicklung eines „Sportkartellrechts“? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 IV. Die Praxis der EU-Kommission und des Gerichtshofs der EU (EuG und EuGH) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 V. Die Praxis nationaler Kartellbehörden und Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 VI. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27

I. Aktualität des Themas Angesichts der umfangreichen Rechtsprechung und Literatur dazu1 erstaunt es, dass das Thema „Kartellrechtliche Vorgaben des Unionsrechts für das Sportrecht“ mit einem Fragezeichen versehen wird. Jedoch hat der 1  Vgl. jüngst Erika Szyszcak, Application of EU competition rules to sport, in: Jack Anderson/Richard Parrish/Borja Garcia (Hrsg.), Research Handbook on EU Sports Law and Policy, 2018, S. 261–283. Eingehend dazu Stefan Horn, Die Anwendung des europäischen Kartellrechts auf den Sport, 2016.

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Rudolf Streinz

­ irektor des European Olympic Committees (EOC)-EU-Büros in Brüssel, D Folker Hellmund, es als „absurd“ bezeichnet, „wenn Sportverbände i. S. des Art. 101 AEUV als Kartelle eingestuft werden, deren Hauptaufgabe es ist, Wettbewerber aus dem Markt zu drängen“, und dabei zustimmend auf die Kritik des IOC-Präsidenten Bach anlässlich dessen Besuchs in Brüssel verwiesen2. Die von Hellmund durch die Anwendung des Kartellrechts auf Sportorganisationen bereits festgestellten erheblichen Probleme für diese und deren von ihm befürchtetes Potential, „das gesamte Europäische Sportmodell in Frage zu stellen“3, wurden durch den Beschluss der EU-Kommission, aufgrund von Kartellrechtsbeschwerden der niederländischen Eisschnell­ läufer Mark Tuitert und Niels Kersthold die sog. Loyalitätsklauseln des Internationalen Eislaufverbandes (International Skating Union – ISU) zu beanstanden, bestätigt. In Regel 102 der ISU, die den der ISU angeschlossenen Athleten die Teilnahme an ISU-fremden Wettbewerben auch außerhalb des ISU-Veranstaltungskalenders untersagt und bei Verstößen Sperren und den (unter Umständen sogar lebenslänglichen) Ausschluss von Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften androht, sah die EU-Kommission einen Verstoß gegen das EU-Kartellrecht. Dieses, im konkreten Fall Art. 101 AEUV, sei auf die ISU wegen deren marktbeherrschender Stellung anwendbar und die Maßnahme sei unverhältnismäßig4. An sich konnte dieser Beschluss der EU-Kommission nicht überraschen, da solche Loyalitätsklauseln bereits öfters nicht nur von nationalen Kartellbehörden, sondern auch von der EU-Kommission und vom Gerichtshof der Europäischen Union beanstandet worden sind5. Neu an diesem Fall ist aber, dass die Beschwerde nicht von Wettbewerbern, sondern von an das ISU-System gebundenen Athleten ausgeht. Bemerkenswert ist auch, dass die Verbände und hier die ISU die Anwendbarkeit des EU-Kartellrechts generell bestreiten6 und die ISU ihre gegen den Beschluss der Kommission gerichtete Klage zum Gericht (EuG) auch damit begründet7. Grund dafür dürfte sein, dass die ISU und die Verbände generell wegen der Beschwerden aus dem Bereich der an den eigenen 2  Folker Hellmund, Aus dem EU-Büro des Sports – Zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Der neue Arbeitsplan der europäischen Sportminister 2017–2020, SpuRt 2017, 145–146 (146). 3  Ebd. 4  Pressemitteilung der EU-Kommission vom 8.12.2017; Beschluss C(2017)8240 final. 5  Vgl. dazu Ben Van Rompuy, The role of EU competition law in tackling abuse of regulatory power by sports associations, Maastricht Journal of European and Comparative Law 22 (2015), 174–204 (17 ff.). 6  Vgl. dazu Jacob Kornbeck, ISU-Fall entschieden: Loyalitätsklauseln als Kartellrechtsverstoß, SpuRt 2018, 22–24 (24). 7  EuG, anhängige Rs. T-93/18  – ISU/Kommission (ABlEU Nr. C 142/55 v. 23.4.2018).



Kartellrechtliche Vorgaben des Unionsrechts für das Sportrecht?

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Verband gebundenen Athleten das „Ein-Platz-Prinzip“ als grundlegendes Element des Wettkampfsports8 gefährdet sehen9. Im Folgenden soll daher auch der Frage nachgegangen werden, ob dem angesichts der bestehenden kartellrechtlichen Vorgaben des Unionsrechts für das Sportrecht so ist und inwieweit das EU-Kartellrecht auf den Sport und damit das Sportrecht wegen zu berücksichtigender Besonderheiten des Sports (vgl. Art. 165 AEUV) differenziert gegenüber sonstigen Unternehmen angewendet werden muss. Hieran knüpft sich die Frage, ob insoweit das Postulat von Hellmund, „dass Sportverbände nicht nach rein ökonomischen Kriterien bewertet werden“ dürfen10, zutreffend ist.

II. Ansatzpunkte des EU-Kartellrechts hinsichtlich des Sports 1. Bosman als Grundsatzentscheidung zu Vorgaben des EU-Rechts für das Sportrecht „Bosman changed everything“11. In der Tat ist das Bosman-Urteil zwar nicht das erste Urteil des EuGH zum Sport, aber ein grundlegendes. Es wird deshalb als Wendepunkt gesehen, weil die von den Verbänden – jedenfalls in ihrem Ausmaß und vor allem in der dogmatischen Einschätzung als „Bereichsausnahme“ unzutreffend – aus dem Urteil Walrave und Koch12 hergeleitete „sporting exception“ angesichts der ökonomischen Aspekte des Sports 8  Eingehend dazu Isolde Hannamann, Kartellverbot und Verhaltenskoordinationen im Sport, 2001, S. 54 ff. Kritisch zum Begriff „Prinzip“ Paul Fischer, Die Rolle des Ein-Platz-Prinzips in der Autonomie der Sportfachverbände. Eine Untersuchung der exklusiven Organisationsstrukturen im Sport, 2018, S. 151 f., der die postulierte Verankerung und die Praxis der Ein-Platz-Regelung kritisch sieht, ohne für Verbands­ pluralität im Rahmen der Organisation einer Sportart zu plädieren, vgl. ebd., Thesen in § 9 sowie § 10. 9  Vgl. zu dieser möglichen Folge Jacob Kornbeck, Der ISU-Fall der Europäischen Kommission (Az. 40208 International Skating Union’s Eligibility rules) und die Zukunft des „Ein-Platz-Prinzips“, JKU Working Papers Nr. 8, 2018, S. 68 ff. 10  Hellmund (Fn. 2), SpuRt 2018, 146. 11  So Stephen Weatherill, Bosman Changed Everything: The Rise of EC Sports Law, in: Miguel Poiares Maduro/Loïc Azouali (Hrsg.), The Past and Future of EU Law: The Classics of EU Law Revisited on the 50th Anniversary of the Rome Treaty, 2010, S. 480–487. Zu den Folgen des Bosman Urteils siehe z. B. Klaus Vieweg, Das Bosman-Urteil und seine Folgewirkungen für den Sport in Europa, in: Udo Steiner/ Wolf-Dietrich Walker (Hrsg.), Von „Sport und Recht“ zu „Faszination Sportrecht“. Ausgewählte Schriften von Klaus Vieweg, 2016, S. 349–356; Rudolf Streinz, Der Fall Bosman: Bilanz und neue Fragen, ZEuP 2005, 341–364. 12  EuGH, Rs. 36/74 –Walrave und Koch, Slg. 1974, 1405.

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Rudolf Streinz

zurückgewiesen und die Regelungen der Verbände insoweit am Maßstab des Unionsrechts gemessen wurden. Grundlegend im Bosman-Urteil ist die, insoweit durchaus auf dem Urteil Walrave und Koch aufbauende, Bindung der privaten Verbände an die Grundfreiheiten des Binnenmarkts (Drittwirkung der Grundfreiheiten) als Diskriminierungs- und Beschränkungsverbote und die restriktive Konkretisierung von rein sportlichen Regelungen wie der Aufstellung von Nationalmannschaften, die vom Unionsrecht nicht erfasst werden13. Auf die Frage, ob die angegriffenen Regelungen auch gegen das EUKartellrecht verstoßen, musste der EuGH nicht mehr eingehen, da bereits der Verstoß gegen die Grundfreiheiten durchgriff. Ein daneben bestehender Verstoß gegen das Kartellrecht wurde aber eingehend von Generalanwalt Lenz geprüft und hinsichtlich eines Verstoßes gegen Art. 85 EGV/Maastricht (jetzt Art. 101 AEUV) bejaht, hinsichtlich Art. 86 EGV/Maastricht (jetzt Art. 102 AEUV) verneint14. Während vor dem Bosman-Urteil die EU-Kommission nur vier auf das Kartellverbot des Art. 101 AEUV gestützte Entscheidungen mit Bezügen zum Sport und dort hinsichtlich wirtschaftlicher Aktivitäten zur Gewinnung von Einnahmen traf, erfolgte zwischen 1996 und 1999 ein signifikanter Anstieg von Anzeigen und Beschwerden an die Kommission, der zu 60 sportbezogenen Wettbewerbsverfahren führte15. Soweit es um wirtschaftliche Aktivitäten der Sportvermarktung16 wie den Vertrieb von Eintrittskarten17 oder der Vermarktung von Fernsehübertragungsrechten18 geht, erfüllen Sportvereine und Sportverbände als Unternehmen oder Unternehmensvereinigungen sicher die Kriterien für Normadressaten des EU-Kartellverbots19. 13  EuGH,

Rs. C-415/93 – Bosman, Slg. 1995, I-4921 = SpuRt 1996, 59. Lenz, Schlussanträge vom 20.9.1995, Slg. 1995, I-4921/4932, Nr. 253–287. Die EU-Kommission hatte in ihrer schriftlichen Stellungnahme die Auffassung vertreten, dass hinsichtlich der beanstandeten Transferregelungen allein die Wettbewerbsvorschriften, nicht aber Art. 48 EWGV (jetzt Art. 45 AEUV) Anwendung finden sollte. GA Lenz sah aber zu Recht keinen Grund, warum nicht beides zugleich zur Anwendung kommen könne (ebd., Nr. 253). 15  Siehe dazu Van Rompuy (Fn. 5), S. 174 m.  w. N.; Szyszcak (Fn. 1), S. 263 f. m. w. N. 16  Zu wesentlichen Erscheinungsformen der wirtschaftlichen Sportverwertung vgl. Hannamann (Fn. 8), S. 114 ff. 17  Kommission, Entscheidung 92/521/EWG, Rn. 37, 53 hinsichtlich FIFA und italienischem Fußballverband anlässlich der Fußballweltmeisterschaft 1990. 18  Vgl. dazu bereits Martin Stopper, Ligasport und Kartellrecht: Die Bündelung von Fernsehübertragungsrechten durch den deutschen Fußball-Bund im Konflikt mit deutschem und europäischem Kartellrecht unter besonderer Heranziehung des amerikanischen Antitrust-Rechts, 1966. 19  Vgl. zu diesen Kriterien allgemein Thomas Eilmansberger/Tobias Kruis, in: Rudolf Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV-Kommentar, 3. Aufl. 2018, vor Art. 101 AEUV, Rn. 27–38. Zur Relativität des Unternehmensbegriffs hinsichtlich Verbänden und Vereinen angesichts der jeweiligen wirtschaftlichen Tätigkeit Horn (Fn. 1), S. 135 ff. 14  GA



Kartellrechtliche Vorgaben des Unionsrechts für das Sportrecht?

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Aber auch hier stellt sich die Frage, ob und inwieweit Besonderheiten des Wettbewerbs im Sport und Unterschiede zum Wettbewerb zwischen anderen Wirtschaftsunternehmen Modifikationen des allgemeinen Wirtschaftskartellrechts durch Berücksichtigung der Besonderheiten des Sports im Sinne des Art. 165 AEUV erfordern20.

2. Kartellrecht und Berufsfreiheit: Das grundlegende Urteil des EuGH im Fall Meca-Medina Bereits im Fall Bosman zeigt sich ein Zusammenhang zwischen Berufsfreiheit und Kartellrecht, der im grundlegenden Urteil des EuGH im Fall Meca-Medina21 und zuletzt im ISU-Fall bestätigt wurde22. Im Fall MecaMedina wendet der EuGH, der das Urteil des Gerichts (EuG, General Court)23 aufhob, das europäische Kartellrecht erstmals auf ein spezifisch sportliches Regelwerk an, nämlich die vom Weltschwimmverband FINA durch Sperren der Kläger angewandten Anti-Doping-Regeln des Internationalen Olympischen Komitees (IOC). Das Gericht (EuG) hatte die Nichtigkeitsklage (jetzt Art. 263 Abs. 4 Alt. 1 AEUV) gegen die Zurückweisung der auf Verstöße gegen die Dienstleistungsfreiheit und gegen das Kartellrecht (Art. 49 EGV und Art. 81 und 82 EGV/Amsterdam; jetzt Art. 56 und Art. 101 und 102 AEUV) gestützten Beschwerde durch die Kommission abgewiesen, weil es in den Anti-Doping-Regeln „rein sportliche Zwecke“ sah und diese wegen ihrer „rein sportlichen Natur“ vom Anwendungsbereich des Unionsrechts ausnahm24. Dies stieß auf zutreffende Kritik25, da das EuG die potentiellen wirtschaftlichen Auswirkungen einer Dopingsperre mit der angesichts der Realität des Berufssports merkwürdigen Begründung für unerheblich hielt, dass „das Sporttreiben seinem Wesen nach eine unentgeltliche, nichtwirtschaftliche Betätigung ist, auch wenn ihr der Athlet im Rahmen einer 20  Vgl. dazu jüngst Martin Stopper, Sportkartellrecht im Wirtschaftskartellrecht, SpuRt 2018, 190–192. Siehe dazu unten III. 21  EuGH, Rs. C-519/04 P  – Meca-Medina und Majcen/Kommission, Slg. 2006, I-6991 = SpuRt 2006, 195 mit Anmerkung Mark-E. Orth. Zur grundlegenden Bedeutung des Urteils vgl. Stefan Horn, Meca-Medina – Europäisches Kartellrecht und Sport, in: Klaus Vieweg (Hrsg.), Inspiration des Sportrechts, 2016, S. 274–306. 22  Vgl. dazu Rudolf Streinz, Europarecht und Sport: Berufsfreiheit und Kartellrecht, Editorial in SpuRt 2018, 45. 23  Nach der Auflösung des Fachgerichts für den Öffentlichen Dienst ist das EuG wieder ein Gericht erster Instanz. 24  EuG, Rs. T-313/02 – Meca-Medina und Majcen/Kommission, Slg. 2004, II3291, Rn. 44 ff. = SpuRt 2005, 20 mit Anmerkung Werner Schroeder. 25  Vgl. Werner Schroeder, SpuRt 2005, 23 (23 f.); Mark-E. Orth, Was hat Sport mit freiem Wettbewerb zu tun?, Causa Sport 2004, 195; zustimmend dagegen Ian Blackshaw, Doping is a Sporting, Not an Economic Matter, ISLJ 2005/3–4, 51.

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Rudolf Streinz

beruflichen Tätigkeit nachgeht“26. Der EuGH hat daher diesen Teil des Urteils des EuG zu Recht als „rechtsfehlerhaft“ aufgehoben27. Der EuGH bestätigte seine seit dem Urteil Walrave und Koch gefestigte und in Folgeurteilen präzisierte Rechtsprechung, dass die Ausübung des Sports vom Gemeinschaftsrecht (jetzt Unionsrecht) erfasst wird, soweit sie zum Wirtschaftsleben gehört, was bei professionellen oder semiprofessionellen Sportlern der Fall ist. Wegen der Drittwirkung der Grundfreiheiten unterliegen auch Maßnahmen der privaten Sportverbände der Prüfung am Maßstab der Personenverkehrsfreiheiten Freizügigkeit der Arbeitnehmer (jetzt Art. 45 AEUV), Dienstleistungsfreiheit (jetzt Art. 56 AEUV) und Niederlassungsfreiheit (jetzt Art. 49 AEUV). Dies betrifft die dadurch geschützten Athleten, aber auch Trainer und Spielervermittler. Das EU-Wettbewerbsrecht erfasst, soweit das Unionsrecht anwendbar ist28, die Vereine und Verbände des Sports als Unternehmen bzw. Unternehmensvereinigungen. Hinsichtlich des IOC war dies im Fall Meca-Medina bereits von der EU-Kommission und vom EuG beachtet worden, was von den Klägern missverstanden worden war29. Der Rechtsfehler des EuG bestand darin, aus der Einstufung der Doping-Regelung als „rein sportlichen Charakters“, weil sie der Integrität des Sports und der Chancengleichheit sportlicher Wettbewerbe dient, vorschnell den Ausschluss der ­Anwendbarkeit des Unionsrechts zu folgern30 und daher von einer Prüfung sowohl der EU-Grundfreiheiten sowie, daran anschließend, des EU-Wettbewerbsrechts gänzlich abzusehen31. Zwar hatte der EuGH, woran er im Urteil Meca-Medina anknüpfte32, bereits im Fall Donà entschieden, dass die Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts über die Freizügigkeit und den freien Dienstleistungsverkehr Regelungen und Praktiken nicht entgegenstehen, die aus nichtwirtschaftlichen Gründen, die mit dem spezifischen Charakter und Rahmen bestimmter Begegnungen zusammenhängen, gerechtfertigt sind33. Ausdrücklich genannt werden Begegnungen von Nationalmannschaften. In den Urteilen Bosman34 und Deliège35 hatte er aber dies präzisierend eingeschränkt, dass diese Beschränkung des Geltungsbereichs der Bestimmungen 26  EuG

(Fn. 24), Rn. 45. (Fn. 21), Rn. 33. 28  Dies ist entscheidend, vgl. EuGH (Fn. 21), Rn. 28, und war vom EuG zu Unrecht verneint worden. 29  EuGH (Fn. 21), Rn. 38. 30  Vgl. EuG (Fn. 24), Rn. 44 ff. 31  EuGH (Fn. 21), Rn. 33. 32  EuGH (Fn. 21), Rn. 26. 33  EuGH, Rs. 13/76 – Doná, Slg. 1976, 1333, Rn. 14 f. 34  EuGH (Fn. 13), Rn. 76. 35  EuGH, verb. Rs. C-51/96 und C-191/97 – Deliège, Slg. 2000, I-2549, Rn. 43 = SpuRt 2000, 148. 27  EuGH



Kartellrechtliche Vorgaben des Unionsrechts für das Sportrecht?

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des Unionsrechts nicht weiter gehen darf, als ihr Zweck es erfordert, und daher nicht herangezogen werden könne, um eine sportliche Tätigkeit im Ganzen vom Geltungsbereich des Unionsrechts auszuschließen. Der EuGH stellt klar: „Nach alledem führt der bloße Umstand, dass eine Regelung rein sportlichen Charakters ist, nicht dazu, dass derjenige, der die dieser Regelung unterliegende sportliche Tätigkeit ausübt, oder die Institution, die diese ­Regelung erlassen hat, nicht in den Geltungsbereich des EG-Vertrags fällt“35a. Damit wird deutlich, dass für den Sport an sich keine Bereichsausnahme vom Unionsrecht besteht. Die grundlegende Bedeutung des Urteils MecaMedina liegt in der unmissverständlichen Feststellung, dass die Einstufung einer Regelung als „rein sportlichen Charakters“ allein nicht dazu führt, sie vom Geltungsbereich des Unionsrechts auszunehmen36. Die Brisanz des Urteils wurde von Vertretern der Sportverbände erkannt, die den EuGH kritisierten37. Die Tragweite dieses Urteils zeigt sich auch darin, dass man sich darauf auch in Verfahren vor dem Court of Arbitration for Sport (CAS) berief und der CAS bei seinen Entscheidungen das EU-Kartellrecht anwandte, zuerst im ENIC Fall hinsichtlich der UEFA-Regel, die die Teilnahme von Fußballclubs, die vom selben Eigentümer kontrolliert werden, am selben Wettbewerb (z. B. UEFA Champions League oder Euro League) beschränkt38. Der Fall zeigt auch die begrenzte Leistungsfähigkeit der Unterscheidung zwischen „Spielregeln“ und „Rechtsregeln“ im Sport39 und des Kriteriums der „Wirtschaftlichkeit“. Auch Weltmeisterschaften und Olympische Spiele, bei denen 35a  EuGH

(Fn. 21) Rn. 27. Streinz, Europarechtliche Grenzen der Verbandsgerichtsbarkeit – Sport ist kein rechtsfreier Raum, in: Klaus Vieweg (Hrsg.), Lex Sportiva, 2015, S. 121 (138 f.). 37  So der damalige UEFA-Jurist und jetzige FIFA-Präsident Gianni Infantino, Meca-Medina: Ein Schritt zurück für das europäische Sportmodell und die Spezifität des Sports?, SpuRt 2007, 12 (12 ff.). Dagegen zutreffend Bernhard Pfister, MecaMedina, kein Schritt zurück!, SpuRt 2007, 58 (58 f.). Zur Kritik der Literatur, die sich gegen die Anerkennung nicht wettbewerblicher Ziele zur Rechtfertigung wettbewerbsbeschränkenden Verhaltens wendet, Horn (Fn. 1), S. 100 f. 38  CAS 98/200 AEK Athen und SK Slavia Prag/UEFA. Die Regel wurde als verhältnismäßig und gerechtfertigt angesehen, was die EU-Kommission bestätigte. Zur Anwendung des EU-Wettbewerbsrechts durch den CAS siehe Antoine Duval, The Court of Arbitration for Sport and EU Law. Chronicle of an Encounter, Maastricht Journal of European and Comparative Law 22 (2015), 224 (242 ff.). Die Anforderungen wurden gelockert, weshalb jetzt in der Euro League RB Leipzig auf RB Salzburg treffen konnte. 39  Kritisch dazu Burkhard Hess, in: Burkhard Hess/Wolf-Dieter Dressler, Aktuelle Rechtsfragen des Sports, 1999, S. 19 ff. Vgl. zu nötigen Differenzierungen Klaus Vieweg, Fairness und Sportregeln – Zur Problematik sog. Tatsachenentscheidungen im Sport, in: Festschrift für Volker Röhricht, 2005, S. 1255 (1260 ff.). Zum Problem der Abgrenzung und der Behandlung von „Sportregeln“ im Kartellrecht im Hinblick auf wirtschaftliche Folgen angesichts der Kommerzialisierung des Sports Hannamann (Fn. 8), S. 238 ff.; Peter W. Heermann, Verbandsautonomie versus Kartellrecht. Zu 36  Rudolf

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Nationalmannschaften gegeneinander antreten bzw. auf Nationen verteilte Teilnehmerkontingente bestehen, sind Veranstaltungen, bei denen Milliarden von Euro bewegt werden. Und Spielregeln, die die Anzahl der Spieler fest­ legen, haben eben wegen dieser Beschränkung „wirtschaftliche“ Folgen. Gleichwohl unterliegen sie zu Recht allein einer Willkürkontrolle durch staatliche bzw. europäische Gerichte40. Dagegen müssen Lizenzierungsregeln und Sperren wie die Dopingsperre im Fall Meca-Medina wegen ihrer Auswirkungen auf die unionsrechtlich gewährleistete Freizügigkeit tatbestandlich den EU-Grundfreiheiten und wegen des gemeinsamen Schutzziels der Verwirklichung des Binnenmarktes41 dem EU-Kartellrecht unterfallen. Entsprechende Regelungen der Sportverbände und ihre Anwendung können aber gerechtfertigt sein. Ob dies der Fall ist, unterliegt der Kontrolle des EuGH. Hier stellt sich die Frage, ob und inwieweit bei der Festlegung der Kontrollmaßstäbe und der Handhabung der Kontrolldichte Besonderheiten des Sports im Sinne des Art. 165 AEUV zu berücksichtigen sind.

III. Berücksichtigung der Besonderheiten des Sports (Art. 165 AEUV) bei der Anwendung des EU-Kartellrechts 1. Rechtsnatur des Art. 165 AEUV: Keine Bereichsausnahme, aber Ansatz für generelle Berücksichtigung von Besonderheiten des Sports Bis zum Vertrag von Lissabon kam der Begriff „Sport“ im EU-Primärrecht, d. h. in den Verträgen und in den Protokollen, die als deren Bestandteil denselben Rang haben, nicht vor. Gleichwohl wurde der Sport, wie spätestens der Fall Bosman deutlich machte, vom Gemeinschaftsrecht, jetzt Unionsrecht erfasst. Die Sportverbände, die dabei spezifische Aspekte des Sports nicht hinreichend gewürdigt und berücksichtigt fanden, forderten, dass dies zur Eindämmung der den Sport ökonomisch betrachtenden Grundfreiheiten und des Kartellrechts im Unionsrecht verankert wird. Zu diesen Aspekten des Sports zählten insbesondere seine auf freiwilligem Engagement beruhenden Strukturen, die im Breitensport übliche ehrenamtliche Tätigkeit – im Spitzensport wird die „Ehrenamtlichkeit“ der wirtschaftlichen Bedeutung entsprechend vergütet –, seine soziale und pädagogische Funktion und die VerVoraussetzungen und Reichweite der Anwendbarkeit der Art. 81, 82 EG auf Statuten von Sportverbänden, Causa Sport 2006, 345 (353 ff., 356 ff.). 40  Zur Willkürkontrolle hinsichtlich der Setzung und Anwendung von „reinen Sportregeln“ vgl. Heermann (Fn. 39), Causa Sport 2006, 363. 41  Siehe dazu Horn (Fn. 1), S. 94 ff., 97 f.: Konvergenz von Grundfreiheiten und Wettbewerbsregeln.



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bandsautonomie. Die Erklärung Nr. 29 der Regierungskonferenz zum Vertrag von Amsterdam42 unterstrich „die gesellschaftliche Bedeutung des Sports, insbesondere die Rolle, die dem Sport bei der Identitätsfindung und der Begegnung der Menschen zukommt“ und forderte die Berücksichtigung gerade der Besonderheiten des Amateursports. Daran knüpft die auf Vorschlag des Verfassungskonvents in den gescheiterten Verfassungsvertrag43 und schließlich in den Vertrag von Lissabon übernommene Bestimmung an. Gemäß Art. 165 Abs. 1 UAbs. 2 trägt die Union „zur Förderung der europäischen Dimension des Sports bei und berücksichtigt dabei dessen besondere Merkmale, dessen auf freiwilligem Engagement basierende Strukturen sowie dessen soziale und pädagogische Funktion“. Gemäß Art. 165 Abs. 2, Spiegelstrich 7 hat die Tätigkeit der Union das Ziel der „Entwicklung der europäischen Dimension des Sports durch Förderung der Fairness und der Offenheit von Sportwettkämpfen und der Zusammenarbeit zwischen den für den Sport verantwortlichen Organisationen sowie durch den Schutz der körperlichen und seelischen Unversehrtheit der Sportler, insbesondere der jüngeren Sportler“. Union und Mitgliedstaaten fördern die Zusammenarbeit mit dritten Ländern und den zuständigen internationalen Organisationen, insbesondere dem Europarat44. Als Beitrag zur Verwirklichung dieser Ziele können Europäisches Parlament und Rat im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren nach Anhörung des Wirtschafts- und Sozialausschusses und des Ausschusses der Regionen Fördermaßnahmen erlassen, allerdings unter Ausschluss jeglicher Harmonisierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten (Art. 165 Abs. 4 AEUV: Harmonisierungsverbot)45. Der Rat kann auf Vorschlag der Kommission Empfehlungen erlassen, die gemäß Art. 288 Abs. 5 AEUV nicht verbindlich sind. Die Sportorganisationen versprachen sich von der Einführung eines „Sportartikels“ ins Primärrecht der EU eine sog. Bereichsausnahme, d. h. einer Bestimmung, die den Sport vom Anwendungsbereich des Unionsrechts ausnimmt. Solche Bereichsausnahmen müssen deutlich formuliert sein, sind selten und werden vom EuGH, wie die Rechtsprechung zu Art. 45 Abs. 4 AEUV und Art. 51 AEUV zeigt46, sehr restriktiv interpretiert. Ge42  ABlEG

Nr. C 340/136 (v. 10.11.1997). EVV. Vgl. zum Vorschlag des Konvents und zur Aufnahme in den Verfassungsvertrag Matthias Niedobitek, in: Streinz (Fn. 19), Art. 165 AEUV, Rn. 46–47. 44  Art. 165 Abs. 3 AEUV. Zu Aktivitäten des Europarats im Sport und der diesbezüglichen Zusammenarbeit mit der EU s. Rudolf Streinz, Die Befassung des Europarats mit Sport, SpuRt 2018, 192–195 (193). 45  Typisierung der EU-Kompetenz in Art. 2 Abs. 5 AEUV. Erfassung der Materien in Art. 6 AEUV. Erwähnung des Sports in lit. e. 46  Vgl. Rechtsprechungsnachweise zu Art. 45 Abs. 4 AEUV bei Martin Franzen, in Streinz (Fn. 19), Art. 45 AEUV, Rn. 146, Fn. 592–594; zu Art. 51 Abs. 1 AEUV bei 43  Art. III-282

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messen an diesen Voraussetzungen, ist Art. 165 AEUV offensichtsichtlich keine Bereichsausnahme, auch wenn manche Sportfunktionäre dies glauben wollen47. Er ist auch, wie der Vergleich mit den bestehenden Querschnittsklauseln der Art. 8–10 AEUV48 zeigt, keine Querschnittsklausel. Daraus folgert ein Teil der Literatur, dass sich die Berücksichtigung der Eigenheiten des Sports nicht, wie von Querschnittsklauseln gefordert, auf die Unions­ politiken und Maßnahmen der Union insgesamt bezieht, sondern unmittelbar nur auf Maßnahmen, die nach Art. 165 AEUV getroffen werden49. Für eine bloße Konditionalität hinsichtlich der in Art. 165 AEUV genannten Maßnahmen könnte auch der Wortlaut („dabei“) sprechen. Damit käme den Vorgaben des Art. 165 AEUV, d. h. der Berücksichtigung der Besonderheiten des Sports, bei der Anwendung des Kartellrechts auf „Sportfälle“ keine Bedeutung zu50. Für eine weitergehende und damit die Politiken der Union insgesamt umfassende Berücksichtigungspflicht spricht aber das in Art. 7 AEUV verankerte Kohärenzprinzip, das Widersprüche zwischen den Zielen der Union, zu denen gemäß Art. 165 Abs. 2 AEUV Spiegelstrich 7 AEUV die Förderung der dort genannten Aspekte, insbesondere der Fairness, gehört, vermeiden möchte51. Dem entspricht auch die Praxis des gemäß Art. 19 Abs. 1 EUV für die Auslegung des Unionsrechts zuständigen EuGH, der bei der Prüfung, ob Beschränkungen der Grundfreiheiten durch Maßnahmen von Sportverbänden gerechtfertigt werden können, ausdrücklich auf die Erwähnung der dazu vorgebrachten Aspekte in Art. 165 Abs. 1 UAbs. 2 AEUV verwies52. Im Fall Football Association Premier League verwies der Peter-Christian Müller-Graff, in: Streinz (Fn. 19), Art. 51 AEUV, Rn. 3, Fn. 3; vgl. auch Streinz (Fn. 22). Beispiel: EuGH, Rs. 54/08 – Kommission/Deutschland, Slg. 2011, I-4355 (Notare). Siehe dazu Rudolf Streinz, JuS 2011, 851. 47  Vgl. z. B. Hellmund (Fn. 2), SpuRt 2018, 146. Siehe dazu auch Streinz (Fn. 22). 48  Diese können allenfalls spezielle Aspekte des Sports (Gleichstellung der Geschlechter, Bekämpfung von sozialer Ausgrenzung und von Diskriminierungen) mit betreffen, vgl. dazu Niedobitek (Fn. 43), Art. 165 AEUV, Rn. 48. 49  So Claus Dieter Classen, in: Hans von der Groeben/Jürgen Schwarze/Armin Hatje (Hrsg.), Europäisches Unionsrecht. Kommentar, 7. Aufl. 2015, Art. 165, 166 AEUV, Rn. 19. 50  Vgl. dazu die Nachweise bei Horn (Fn. 1), S. 106, Fn. 247. 51  Horn (Fn. 1), S. 107 ff.; ders. (Fn. 21), S. 300. Zur Tragweite des in Art. 7 AEUV verankerten Kohärenzgebots vgl. Frank Schorkopf, in: Eberhard Grabitz/ Meinhard Hilf/Martin Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union (Loseblatt, EL 68/2019), Art. 7 AEUV, Rn. 15–17; Rudolf Streinz, in: Streinz (Fn. 19), Art. 7 AEUV, Rn. 2. 52  EuGH (GK), Rs. C-325/08  – Olympique Lyonnais, Slg. 2010, I-2177 = SpuRt 2010, 110, Rn. 40: Förderung der Ausbildung junger Spieler als legitimer Zweck, der die Freizügigkeit der Arbeitnehmer beschränken kann (die konkrete Regelung wurde allerdings als unverhältnismäßig angesehen); EuGH (GK), verb. Rs. C-403/08 und C-429/08  – Football Association Premier League, Slg. 2011, I-9083 = SpuRt 2011,



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EuGH bei seiner kartellrechtlichen Würdigung des Falles auf seine Aus­ führungen zur (im konkreten Fall wegen Unverhältnismäßigkeit verneinten) Rechtfertigung der Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit53, was dafür spricht, dass Art. 165 AEUV auch bei der Anwendung des Kartellrechts zu berücksichtigen ist54.

2. Folgen für das Sportrecht allgemein und das Kartellrecht im Besonderen a) Aus Art. 165 AEUV herleitbare Anhaltspunkte Die vom EuGH durch den Verweis auf Art. 165 AEUV grundsätzlich an­ erkannte Berücksichtigung von „besonderen Merkmalen“ des Sports wirft die Frage auf, wie diese „besonderen Merkmale“ zu bestimmen sind und in welcher Intensität diese Berücksichtigung geschehen soll. Die Bestimmung des spezifischen Charakters des Sports mag „extremely difficult to define“55 sein. Gleichwohl liefert bereits Art. 165 AEUV Anhaltspunkte, an die angeknüpft werden kann und aus denen der EuGH auch mögliche Rechtfertigungsgründe hergeleitet hat, die in den konkreten Fällen allein am Maßstab der Verhältnismäßigkeit scheiterten. Eine in Art. 165 AEUV ausdrücklich genannte Besonderheit des Sports sind seine auf „freiwilligem Engagement basierende Strukturen“. Verbunden mit der sowohl durch die Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Art. 11 EMRK) als auch durch die EU-Grundrechtecharta (Art. 12 GRCh) geschützten Verbandsautonomie stellt sich die Frage, inwieweit darauf gestützt die bestehende pyramidale und hierarchische Struktur des Sports, die die Verbände durch das Ein-Verbands- und Ein-Platz-Prinzip durchsetzen, nicht nur anerkannt, sondern sogar geschützt werden soll. In ihrem Weißbuch Sport aus dem Jahr 2007 hat die EU-Kommission das Ein-Verbands-Prinzip als

245, Rn. 101 ff.: Schutz von Sportereignissen durch die Gesetzgebung eines Mitgliedstaates als legitimer Grund, die Dienstleistungsfreiheit zu beschränken (die konkrete Regelung wurde allerdings als unverhältnismäßig beanstandet, ebd., Rn. 105 ff.). Vgl. dazu zustimmend Horn (Fn. 1), S. 108 f.; kritisch dazu („systematisch nicht überzeugend“) Classen (Fn. 49), Art. 165, 166, Rn. 19. 53  EuGH (GK), verb. Rs. C-403/08 und C-429/08 (Fn. 52), Rn. 135 ff., Rn. 145. 54  Horn (Fn. 1), S. 109, sieht darin eine „Klarstellung“. 55  So Julien Zylberstein, The Specifity of Sport: A Concept under Threat, in: Roger Blanpain/Michele Colucci/Frank Hendrickx (Hrsg.), The Future of Sports Law in the European Union – Beyond the EU Reform Treaty and the White Paper, 2008, S. 95 (95). Siehe dazu auch Robert Siekmann, Is Sport „Special“ in EU Law and Policy?, ebd., S. 37–49.

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legitimes Ziel angesehen56. Dass dadurch aber nicht jede wettbewerbsbeschränkende Maßnahme gerechtfertigt werden kann, zeigt jüngst der Beschluss der Kommission gegen die ISU und deren zur Durchsetzung des Ein-Platz-Prinzips gerichtete Regelungen gegenüber der ISU verbundenen Athleten. Seitens der Sportverbände getroffene Regelungen können aber einschränkend auch gegenüber Dritten wirken, die nicht zu den unmittelbaren oder mittelbaren Verbandsmitgliedern gehören, aber in unterschiedlicher Weise auf den ökonomischen Erfolg des Sportbetriebs Einfluss nehmen. Hierzu zählen poten­tielle Sponsoren, Sportartikelhersteller, Spielervermittler, Investoren, Medien und – wie im ISU-Fall neben der Wirkung gegenüber den mit der ISU verbundenen Athleten – verbandsunabhängige Veranstalter von Sportwettkämpfen. Hier stellt sich die Frage, ob insoweit die Verbandsautonomie überhaupt ein die Anwendung des Kartellrechts beeinflussender Faktor sein kann57. b) Bedeutung der Verbandsautonomie Auf die Verbandsautonomie stützt sich auch die Auffassung, dass bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit von die Grundfreiheiten oder den Wettbewerb beschränkenden Regelungen der Sportverbände und deren Anwendung diesen Beurteilungsspielräume mit entsprechender Reduktion der Kontrolldichte seitens staatlicher oder europäischer Gerichte zukommen58. Dafür könnte die größere Expertise und Sachnähe der Verbände sprechen und eine Analogie zur den Gesetzgebungsorganen sowohl durch nationale Verfassungsgerichte als auch den EuGH und den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) konzedierten Einschätzungsprärogative. Gegen Letzteres spricht aber, dass es sich bei den Sportverbänden um privatrecht­ liche Organisationen ohne staatliche Legitimation handelt59. Dagegen kann der Aspekt der Sachnähe bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit einer Maßnahme insoweit berücksichtigt werden, als darauf abgestellt wird, ob die vorgebrachten Argumente plausibel und die getroffene Regelung kohärent, d. h. in sich schlüssig ist. Den Verbänden obliegt insoweit eine Darlegungslast. Eine darüber hinausgehende Einschätzungsprärogative mit entsprechender Reduktion der Kontrolldichte ist aber abzulehnen. 56  EU-Kommission, Weißbuch Sport, KOM(2007) final, S. 14. Vgl. dazu und zu in diese Richtung tendierend gesehene Ansätze in der Rechtsprechung des EuGH Horn (Fn. 1), S. 117 f. 57  Siehe dazu Peter W. Heermann, Verbandsautonomie im Verhältnis gegenüber Dritten – Kein Spiel ohne (kartell-)rechtliche Grenzen!, ZWeR 2017, 24 (32 ff.). 58  Vgl. dazu die Nachweise bei Horn (Fn. 1), S. 126 f. 59  Zutreffend Horn (Fn. 1), S. 128 f.



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c) Besonderheiten des Wettbewerbs im Sport Für das Kartellrecht ist besonders relevant, dass sich der Wettbewerb im Sport in einem Punkt grundlegend vom Wettbewerb zwischen sonstigen Unternehmen unterscheidet: Während dort die Verdrängung von Wettbewerbern ein Ziel von Unternehmen ist, dem das Kartellrecht entgegenwirkt, hängt der sportliche Wettbewerb davon ab, dass Wettbewerber existieren, mit denen man sich messen kann. Und sportlicher Wettbewerb bedarf der Organisation durch Sportverbände. Ökonomische Besonderheiten des Sports sind daher die sogenannte „inverted joint production“, d. h. die Gemeinschaftsproduktion durch wirtschaftlich unabhängige Unternehmen, und die „competitive balance“, d. h. das Erfordernis einer gewissen Ausgeglichenheit der Konkurrenten im Wettbewerb. Welche Folgen daraus zu ziehen sind und welche Maßnahmen, die nach allgemeinen Maßstäben wettbewerbsbeschränkend sind, wegen dieser Besonderheiten des Wettbewerbs im Sport gerechtfertigt werden können, ist aber umstritten und hängt auch von den Ergebnissen sportökonomischer Forschung ab60. d) Kartellrecht als Prüfungsmaßstab für die Schiedsgerichtsbarkeit Eine Besonderheit des Sports ist der Einsatz der Schiedsgerichtsbarkeit, mit dem CAS als „Weltsportgericht“61 an der Spitze62. Das Kartellrecht als insoweit relevanter Prüfungsmaßstab hat sich im Fall Pechstein gezeigt. Zwar kam insoweit allein deutsches Kartellrecht, nämlich § 19 GWB a. F., zum Einsatz. Um in den an das Unionsrecht gebunden Mitgliedstaaten vollziehbar zu sein, müssen aber, soweit auf den Fall das Unionsrecht anwendbar ist, Schiedssprüche des CAS63 sowohl dem Beschränkungsverbot der Grundfreiheiten als auch dem EU-Kartellrecht entsprechen64. Mit dem Fall Pechdazu Horn (Fn. 1), S. 113 ff. dazu Johannes Wittmann, Schiedssprüche des Court of Arbitration for Sport vor schweizerischen und deutschen ordentlichen Gerichten, 2015, S. 4 ff.; Klaus Vieweg, Faszination Sportrecht, in: Steiner/Walker (Fn. 11), S. 689 (724–728). 62  Vgl. dazu Szyszcak (Fn. 1), S. 266 ff. 63  Zur Pflicht auch von Schiedsgerichten, zwingendes Kartellrecht und damit auch das Recht der EU zu beachten, Fabian Stancke, Pechstein und der aktuelle Stand des Sportkartells, SpuRt 2015, 46 (46 f.); Jens Adolphsen, Sportschiedsgerichtsbarkeit Anfang 2016, SpuRt 2016, 46 (50) m. w. N. 64  Vgl. dazu Martin Zimmermann, Das Verhältnis von Kartellrecht und Sportgerichtsbarkeit, ZWeR 2016, 66 (77 f.). Speziell zum Fall Pechstein Stancke (Fn. 63), SpuRt 2015, 48 ff.; Friedrich Graf von Westphalen, Die Sportschiedsgerichtsbarkeit vor den Schranken der Klausel-Richtlinie 93/13/EWG – der Fall Pechstein, SpuRt 2015, 186 (186 ff.), der wegen der strukturellen Unterlegenheit des Athleten (hier: Pechstein) als „Verbraucher“ gegenüber dem Sportverband (hier: ISU) einen vom 60  Vgl. 61  Vgl.

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stein hätte der EuGH allein durch eine Vorlage der zuständigen deutschen Gerichte befasst werden können, wozu diese keinen Anlass sahen. Der BGH erwähnt immerhin Art. 102 AEUV, sieht insoweit aber eine Übereinstimmung mit § 19 GWB a. F.65 Wegen der anhängigen und nach der erfolglosen Beschreitung des Rechtswegs zulässigen Verfassungsbeschwerde zum BVerfG, mit der die fehlende Vereinbarkeit des BGH-Urteils mit Grundrechten gerügt werden muss, kann die Frage aktuell werden, ob der CAS wirklich, wie der BGH annahm66, den Anforderungen des Art. 6 Abs. 1 EMRK entspricht. Die EMRK ist auch ohne den in Art. 6 Abs. 2 EUV nicht nur vorgesehenen, sondern vorgeschriebenen, vom EuGH durch sein äußerst zweifelhaftes Gut­ achten aber blockierten Beitritt der Europäischen Union zur EMRK für das Unionsrecht von Bedeutung. Denn die Bestimmungen der EU-Grundrechtecharta, die der EMRK entsprechen, was bei Art. 47 GR-Charta (Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein unparteiisches Gericht) der Fall ist, haben die gleiche Bedeutung wie die Bestimmungen der EMRK, wobei allein ein weitergehender Schutz möglich ist. Die grundsätzliche Vereinbarkeit der internationalen Sportschiedsgerichtsbarkeit allgemein und speziell des CAS als „Weltsportgericht“ mit dem Verfassungsrecht, in Deutschland mit dem Grundgesetz, und mit dem Europarecht, insbesondere der EMRK, wurde in keiner der Instanzen im Fall Pechstein bestritten. Im Gegenteil, die Gerichte hoben die Erforderlichkeit eines internationalen Sportgerichts und dessen Vorzüge hervor. Diese Erforderlichkeit rechtfertigt auch grundsätzlich, dass die Teilnahme an Sportwettkämpfen von der Akzeptanz eines über alle mit diesem Sport zusammenhängenden Fragen verbindlich entscheidenden Gerichts abhängt, vorbehaltlich der notwendigen staatlichen und gegebenenfalls durch die europäischen Gerichte EuGH und EGMR erfolgenden Kontrolle über die Einhaltung rechtsstaatlicher Grundsätze. Diese Kontrolle über die Einhaltung eines Mindeststandards (ordre public) sowie der Verfahrensvorschriften des Schiedsgerichts ist notwendig, da der Rechtsstaat auch

BGH zu berücksichtigenden unionsrechtlichen Gesichtspunkt sieht. Trifft dies zu, wäre eine Vorlage an den EuGH gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV geboten gewesen, deren „willkürliche“ Unterlassung mit der auf Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG (Entzug des EuGH als gesetzlicher Richter) gestützte Verfassungsbeschwerde angegriffen werden könnte. 65  BGH, SpuRt 2016, 163 (170), Rn. 66. Vgl. dazu Peter W. Heermann, Die Sportgerichtsbarkeit nach dem Pechstein-Urteil des BGH, NJW 2016, 2224 (2227). Zur Vorlagepflicht (Art. 267 Abs. 3 AEUV) wegen der Bindung an die justiziellen Grundrechte aus Art. 47 EU-GRCh Sebastian J. M. Longrée/Dominik Wedel, Die Entscheidung über die Einrede der Schiedsvereinbarung nach § 1032 Abs. 1 ZPO als finaler verfassungs- und europarechtlicher Kontrollgegenstand – (K)ein Ende des Prozessmarathons im Fall Pechstein in Sicht?, SchiedsVZ 2016, 237 (241). 66  BGH, SpuRt 2016, 163 (169 f.), Rn. 64 f.



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insoweit die Einhaltung seiner elementaren Grundsätze gewährleisten muss67. Diese Kontrolle muss das rechte Maß zwischen der Wahrung dieser Grundsätze im Interesse der betroffenen Athleten, aber auch im Interesse der Allgemeinheit, und der Achtung der Autonomie der Sportverbände finden68. Nur dann lässt sich auch der sog. „Schiedszwang“69 aus sachlichen Gründen rechtfertigen und ist seine Akzeptanz den Athleten zumutbar. Dies stellt besondere Anforderungen an die Struktur und die Qualität der Schiedsgerichte, insbesondere an die Sicherung von deren Unabhängigkeit und Neutralität sowie an die Fairness des Verfahrens.70 Insoweit ist der CAS in einigen Punkten (Zusammensetzung des Gerichts, Verfahren) reformbedürftig71, was in (allerdings eher geringen) Ansätzen auch schon angegangen wurde.

3. Entwicklung eines „Sportkartellrechts“? Grundlegende Unterschiede des Wettbewerbs im Sport und der in ihm tätigen Unternehmen und Unternehmensvereinigungen gegenüber dem Wettbewerb zwischen sonstigen Unternehmen werfen die Frage auf, ob es eines „Sportkartellrechts“ bedarf72. Dabei kann es aber nicht um eine Bereichsausnahme des Sports vom allgemeinen Wirtschaftskartellrecht gehen, sondern allein um die differenzierte Berücksichtigung der „besonderen Merkmale“ des Sports bei dessen Anwendung. Differenziert deshalb, weil es auf Intensität, Intention und Folgen des wirtschaftlichen bzw. mit wirtschaftlichen Folgen verbundenen Handelns der Sportverbände ankommt. Ansätze dafür bestehen, insbesondere durch den letztlich an den nicht den Sport betreffenden

67  Vgl. zum gebotenen (wenngleich umstrittenen) Einfluss der EMRK auf die Schiedsvereinbarung Wittmann (Fn. 61), S. 62 ff. Am 2.10.2018 hat der EGMR die Beschwerde Nr. 67474/10 – Pechstein/Schweiz, SpuRt 2018, 253 mit der Anmerkung Tim Hülskötter weitgehend zurückgewiesen (Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des CAS bejaht; dagegen – zutreffend – Sondervotum Keller und Serghides) und lediglich wegen der Nichtöffentlichkeit der mündlichen Verhandlung 8.000 Euro Schadensersatz zugesprochen. Der Antrag auf Verweisung an die Große Kammer wurde am 4.2.2019 abgelehnt. 68  Vgl. dazu bereits Heinz Sonnauer, Die Kontrolle der Schiedsgerichte durch die staatlichen Gerichte, 1992, S. 7. 69  Auch das Schweizerische Bundesgericht spricht von einer „aufgezwungenen Schiedsgerichtsbarkeit“ („arbitrage forcé“), BGE 133 III 235 (243). 70  Vgl. zu den bei einer „aufgezwungenen“ Schiedsvereinbarung erhöhten Anforderungen Wittmann (Fn. 61), S. 68 f. 71  Vgl. dazu Thomas Summerer, Die Zukunft der Schiedsgerichtsbarkeit im Sport – Reformvorschläge für den CAS, SpuRt 2018, 197–200. 72  Siehe dazu Stopper (Fn. 20).

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Fall Wouters73 anknüpfenden, im Urteil des EuGH im Fall Meca-Medina erkennbaren Drei-Stufen-Test74. Zur Erhöhung der Rechtssicherheit wäre eine weitere Präzisierung und Systematisierung hilfreich75.

IV. Die Praxis der EU-Kommission und des Gerichtshofs der EU (EuG und EuGH) Auf die Praxis der EU-Kommission und des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH und EuG) kann hier nur durch Aufzeigen von Tendenzen und Leitlinien eingegangen werden. Die ersten von der EU-Kommission eingeleiteten Verfahren betrafen Aktivitäten der Verbände, die wegen des Ziels der Einnahmenerzielung ohne Zweifel wirtschaftlich und damit unionsrechtlich relevant waren. Aufgrund von Beschwerden wurde die EU-Kommission wie auch bis in jüngster Zeit mit Regelungen der Sportverbände befasst, die Auswirkungen auf Dritte haben76. Dies können die Hersteller von Sportartikeln sein, deren Produkte durch Vorgaben der Sportverbände nicht zum Einsatz kommen, Spielervermittler, die dem Verband gemeldet werden oder sogar von diesem lizenziert sein müssen, Unternehmen oder Sponsoren, die durch Werbebeschränkungen behindert werden, Investoren, die vom Engagement im Sport durch Regelungen wie das 50+1 Prinzip oder der Beschränkung einer Third-Party-Ownership an Spielern abgeschreckt oder gänzlich gehindert werden77. In einigen Fällen wurden die Verfahren eingestellt, nachdem die Verbände ihre Regelungen aufgrund der Beanstandungen der Kommission entsprechend angepasst hatten78. Der Fall Bosman zeigt ­allerdings, dass solche Vereinbarungen der Verbände mit der EU-Kommission – dort die sog. 3+2-Regelung – nur davor schützen, dass die EU-Kommission gegen die Verbände vorgeht, nicht aber davor, dass der im Vorabent­ scheidungsverfahren (Art. 267 AEUV) angerufene EuGH die Rechtslage anders beurteilt79. Wie noch der Fall Meca-Medina zeigt, war die Kommission bemüht, den Rechtsrahmen für die Erfassung von Regelungen der Verbände 73  EuGH, Rs. C-309/99 – Wouters u. a./Algemene Raad van de Nederlandse Orde van Advocaten, Slg. 2002, I-1577, Rn. 86 ff. (Wettbewerbsbeschränkung i. S. des EUKartellrechts), Rn. 97 ff. (Rechtfertigung). 74  Vgl. dazu Heermann (Fn. 57), ZWeR 2017, 42 ff. 75  Dies ist offensichtlich auch die Intention von Stopper (Fn. 20). 76  Übersicht über die den Sport betreffenden Kartellverfahren bei Kornbeck (Fn. 9), S. 96. 77  Vgl. dazu Heermann (Fn. 57), ZWeR 2017, 28 ff. 78  Vgl. die Mitteilung der EU-Kommission hinsichtlich der FIA-Formel 1 Weltmeisterschaft, ABl. 2001 Nr. C 169, S. 5. Siehe dazu Kornbeck (Fn. 9), S. 26 ff. 79  EuGH (Fn. 13).



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einschränkend zu präzisieren. Der sog. Helsinki-Bericht von 199980 unterschied daher zwischen Praktiken, die nicht den Wettbewerbsregelungen unterliegen sollen, wozu „sportbezogene Regelungen“ und insbesondere „Spielregeln“ gehören sollten, und Praktiken, die grundsätzlich durch Wettbewerbsregeln untersagt sind, wofür bestimmte wettbewerbswidrige Wirtschaftspraktiken aufgeführt und die Verbände entsprechend in die Pflicht genommen wurden81. Diese Unterscheidung bedarf seit dem Urteil Meca-Medina zumindest der Differenzierung. Spezifische Schutzgüter des Sports wie Jugendschutz, Fairness, Ansehen des Sports können beschränkende Maßnahmen rechtfertigen. Die EU-Kommission reagierte darauf in ihrem Weißbuch Sport von 2007 und Mitteilungen, die dieses erläutern82. Entscheidend ist die Verhältnismäßigkeit eines Maßnahme. Dabei kommt es auf die jeweilige konkrete Fallkonstellation an. Ein wesentlicher Aspekt ist dabei auch, wie zuletzt der ISU-Fall zeigt, ob die Verbände mit der Regelung auch eigene wirtschaftliche Interessen verfolgen. Für die Rechtsprechung des EuGH ist, wie gezeigt, nach dem Fall Bosman das Urteil Meca-Medina grundlegend, d. h. eine sog. „landmark decision“. Die Einbeziehung „sportbezogener Regelungen“ zur Rechtfertigung beschränkender Maßnahmen erfolgte seitens des EuGH bereits zuvor in den Fällen Bosman und Lehtonen, allerdings hinsichtlich Beschränkungen der Freizügigkeit, im Fall Lehtonen zur Rechtfertigung kohärenter und verhältnismäßiger Transferperioden, durch die Verzerrungen des sportlichen Wettbewerbs verhindert werden können83. Neben der Ausweitung der Rechtfertigungsgründe liefert das Urteil Meca-Medina mit dem sog. Drei-Stufen-Test ein grundsätzlich brauchbares Prüfungsschema. Dieser Test enthält die kumulativ zu bestehenden Prüfungsschritte legitime Zielsetzung der Regelung, untrennbare Verbindung zwischen der Verfolgung legitimer Zwecksetzung und Wettbewerbsbeschränkung und Verhältnismäßigkeit der Maßnahme84 sowie ferner Bewertungsspielräume, die der innerhalb dieser Prüfungsschritte eröffneten konkreten Fallkonstellation (z. B. Verfolgung eigener wirtschaft­ licher Interessen; Auswirkungen allein auf dem Verband angehörige oder mit ihm verbundene Personen oder Auswirkungen auf Dritte) angepasst sind. 80  KOM(1999)644

end. dazu Heermann (Fn. 39), Causa Sport 2006, 352 f. 82  Arbeitspapier der Kommissionsdienststellen – The EU and Sport: Background and Context – Accompanying document to the White Paper on Sport, SEC(2007)935; Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen – Entwicklung der europäischen Diomension des Sports, KOM(2011)12 endg. 83  EuGH (Fn. 13), Rn. 127; EuGH, Rs. C-176/96 – Lehtonen und Castors Braine, Slg. 2000, I-2681 = SpuRt 2000, 151, Rn. 53. 84  Siehe dazu Heermann (Fn. 57), ZWeR 2017, 42 ff. 81  Vgl.

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Rudolf Streinz

Dass die Verfolgung eigener wirtschaftlicher Interessen durch den regulierenden und zudem eine Monopolstellung einnehmenden Verband eine eingehende wettbewerbsrechtliche Prüfung erfordert, zeigt z. B. der Fall MOTOE, in dem der EuGH den Genehmigungsvorbehalt seitens des griechischen Automobil- und Reiseclubs ELPA einer rein wettbewerbsrechtlichen Analyse unterzog, offenbar weil legitime Zwecke ohnehin nicht erkennbar waren85.

V. Die Praxis nationaler Kartellbehörden und Gerichte Das EU-Kartellrecht ist gemäß Art. 3 Abs. 1 der EU-Kartellverfahrensordnung 1/200386 auch durch nationale Kartellbehörden und Gerichte anzuwenden, wenn durch die Vereinbarung, den Beschluss oder abgestimmte Verhaltensweisen der Unternehmen bzw. Unternehmensvereinigungen der Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigt werden kann. Die nationalen Kartellbehörden Italiens, Schwedens, Belgiens und Irlands haben auf Art. 101 AEUV gestützte Kartellverfahren gegen Verbände eingeleitet, die ähnlich wie die ISU durch sogenannte Loyalitätsklauseln ihre Mitglieder daran hinderten, an von ihnen nicht genehmigten – und als Konkurrenz empfundenen – Sportveranstaltungen teilzunehmen87. Die betroffenen Verbände des Automobilsports Italiens und Schwedens sowie die Swedish Bodybuilding and Fitness Federation haben daraufhin ihre Regelungen entsprechend angepasst und unverhältnismäßige Sanktionen beseitigt. Im belgischen Fall, der ein Regelung der Federation Equestre Internationale (FEI) und damit den Pferdesport betraf, wiesen die Gerichte die auf die Autonomie des Sports gestützten Argumente eines Verbands zurück, der selbst seine Veranstaltungen vermarktete und durch Exklusivitätsklauseln sichern wollte. Im irischen Fall wurde die Regelung der Show Jumping Ireland, die ihren Mitgliedern die Teilnahme an ihr nicht angegliederten Veranstaltungen untersagte, nur insoweit für zulässig gehalten, als die Einhaltung von hinreichenden Sicherheitsstandards gefordert wurde. In Deutschland wurden die Regelungen des DFB-Reglements für Spielervermittlung vom LG Frankfurt/Main88 und – etwas davon abweichend – vom OLG Frankfurt/Main89 wegen Verstoßes gegen 85  EuGH, Rs. C-49/07 – MOTOE/ELPA, Slg. 2008, I-4863 = SpuRt 2008, 193 mit Anmerkung Mark-E. Orth. Vgl. dazu Horn (Fn. 1), S. 130 f.; Szyszcak (Fn. 1), S. 272. 86  KartellVerfO. Zur Zulässigkeit strengerer Maßnahmen der Mitgliedstaaten siehe Art. 3 Abs. 2 KartellVerfO. 87  Siehe dazu Szyszcak (Fn.  1), S. 273  ff. Eingehend dazu Kornbeck (Fn. 9), S.  34 ff. 88  LG Frankfurt/Main, Urt. v. 29.4.2015, Causa Sport 2015, 248 mit Anmerkung Michael Becker. 89  OLG Frankfurt/Main, Urt. v. 2.2.2016, Causa Sport 2016, 29 mit Anmerkung Rafael Brägger.



Kartellrechtliche Vorgaben des Unionsrechts für das Sportrecht?

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Art. 101 AEUV beanstandet. Diese Regelungen des DFB gehen in den beanstandeten Punkten über das FIFA-Reglement vom April 2015 hinaus. Das ursprüngliche Reglement der FIFA war im Fall Piau nach dessen Beschwerde von der EU-Kommission und der dagegen erhobenen Klage vom EuG nach einer wettbewerbsrechtlichen Prüfung anhand Art. 101 AEUV als durch eine Ausnahme gemäß Art. 101 Abs. 3 AEUV gerechtfertigt und nicht gegen Art. 102 AEUV (Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung) verstoßend gebilligt worden90.

VI. Fazit Die Frage nach kartellrechtlichen Vorgaben des Unionsrechts für das Sport­recht ist eindeutig zu bejahen. Weniger eindeutig ist allerdings das konkrete Ausmaß. Jedoch hat der EuGH vor allem im Fall Meca-Medina mit dem sogenannten Drei-Stufen-Test einen Prüfungsmaßstab entwickelt, der die Grundlage für die Berücksichtigung legitimer Besonderheiten des Sports auch in der Anwendung des Kartellrechts bereitstellt. Dieser Prüfungsmaßstab lässt auch Raum für die gebotene differenzierte Anwendung je nach konkreter Fallkonstellation. Relevante Aspekte für eine differenzierte Anwendung sind z. B., inwieweit ein Verband durch seine Regelungen auch eigene wirtschaftliche Interessen verfolgt und insoweit die Regelung Auswirkungen auf nicht dem Verband angehörende, aber an der Tätigkeit des Verbandes anknüpfende und somit mittelbar beteiligte Dritte hat. Wie bereits der Fall Bosman gezeigt hat und zuletzt der ISU-Fall bestätigt, hängen Kartellrecht und Grundfreiheiten miteinander zusammen. Weitere Konkretisierungen legitimer Differenzierungen des Wirtschaftskartellrechts im Bereich des Sportrechts im so und nicht im Sinne einer Bereichsausnahme verstandenen „Sportkartellrechts“, die die Rechtssicherheit erhöhen, wären hilfreich91. Dies zu entwickeln ist aber allgemein eine Aufgabe juristischer Dogmatik.

90  EuG,

Rs. T-193/02 – Piau/Kommission, Slg. 2005, II-209 = SpuRt 2005, 102. zuletzt Martin Stopper, Der kartellrechtliche Prüfungsmaßstab im Sport, SpuRt 2020, 216. 91  Vgl.

Aktuelle Thesen zur zentralen Vermarktung der Medienrechte an der Fußball-Bundesliga im Lichte von Art. 101 Abs. 3 AEUV* Von Peter W. Heermann I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 II. Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 1. Grundfragen für die kartellrechtliche Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 a) Inhaber der Übertragungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 b) Abgrenzung der relevanten Märkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 c) (Potentielle) Wirtschaftliche Auswirkungen einer Intensivierung des Wettbewerbs auf den Märkten für Übertragungsrechte an der Fußball-Bundesliga für die Erfolgsaussichten deutscher Teams in europäischen Ligawettbewerben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 d) Stellenwert einer mittel- bis langfristigen, wirtschaftlichen und sportlichen Ausgeglichenheit innerhalb einer Sportliga (sog. competitive balance) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 2. Denkbare kartellrechtliche Anknüpfungspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 3. Art. 101 Abs. 3 AEUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 a) Grundlagen für Effizienzerwägungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 b) Effizienzvorteile und -nachteile einer Bündelung von Übertragungsrechten auf dem Übertragungsmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 c) Auswirkungen auf Endkunden der Gruppen 1 und 2, Rechteinhaber und Medienanbieter  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 d) Auswirkungen auf Endkunden der Gruppen 3 und 4 . . . . . . . . . . . . . 49 e) Effizienzvorteile und -nachteile einer exklusiven Veräußerung von Übertragungsrechten auf dem Rechtemarkt sowie auf dem Übertragungsmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 f) Gesamtökonomische Auswirkungen einer Intensivierung des Wettbewerbs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 4. Umsetzung neuer zusätzlicher Wettbewerbselemente . . . . . . . . . . . . . . . . 54 III. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 *  Der Vortrag des Verfassers mit dem Titel „Sportvermarktung und Kartellrecht – Perspektiven für die zukünftige Vermarktung der Medienrechte an der Fußball-Bundesliga“ hatte vereinbarungsgemäß seinen Beitrag in WRP 2018, 7–17 zur Grundlage. Der nochmalige unveränderte Abdruck erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Deutschen Fachverlags (dfv).

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I. Einleitung Die zentrale Vermarktung der Medienrechte an der Fußball-Bundesliga, aber auch an der UEFA Champions League hatte bislang bei allen Beteiligten für überwiegend zufriedene Gesichter gesorgt. Spätestens seit August 2017 haben indes deutsche Fußballfans, die regelmäßig Live-Bildübertragungen von Spielen der Fußball-Bundesligen verfolgen, mit einiger Überraschung zur Kenntnis genommen, dass der bisherige Platzhirsch Sky nicht länger „Alle Spiele, alle Tore!“ bietet. Wer in der Saison 2017/2018 sämtliche Bundesliga-Spiele seines Lieblingsclubs live im Fernsehen verfolgen möchte, benötigt nun ein weiteres Abonnement des Senders Eurosport.1 Noch härter wird es Fans deutscher Teilnehmer an der UEFA Champions League ab der Saison 2018/2019 treffen. Bislang konnten sie darauf vertrauen, dass die Spiele ihres Lieblingsclubs vereinzelt im (unter Vernachlässigung der Fernsehgebühren) frei empfangbaren Fernsehsender ZDF, zumindest aber vollständig und in voller Länge vom Bezahlsender Sky live übertragen werden. Künftig werden jedoch sämtliche Spiele in der UEFA Champions League (mit Ausnahme des Finales) ausschließlich von den Bezahlsendern Sky und Dazn live präsentiert werden. Durch ein ausgeklügeltes System der Rechte­ aufteilung ist sichergestellt, dass Fans nicht bei einem einzigen Sender allein sämtliche Spiele eines bestimmten Bundesliga-Teilnehmers an der UEFA Champions League live und in voller Länge werden verfolgen können, sondern zwei Abonnements von Sky und Dazn (dieses kostet derzeit, d. h. ohne die Champions League-Übertragungsrechte, bereits rund 10 EUR monatlich) benötigen werden.2 Angesichts der zuletzt deutlich gestiegenen Preise für die Übertragungsrechte an der Fußball Bundesliga und der UEFA Champions League mussten die an Live-Übertragungen interessierten Fußballfans damit rechnen, dass diese Preiserhöhungen an sie weitergegeben werden. Deutlich überraschender ist jedoch, dass ein erheblicher, in der Höhe freilich nicht konkret ermittelbarer Teil des Preisanstiegs auch darauf zurückzuführen ist bzw. sein wird, dass Fans für den bisher gewohnten Leistungsumfang nicht nur ein, sondern zwei oder gar drei Abonnements (werden) abschließen müssen. Muss also 1  Vgl. stellvertretend Scheler, zeit.de v. 04.08.2017 („Fast alle Spiele, fast alle Tore – Wer alle Spiele der Bundesliga live sehen will, braucht zum ersten Mal mehrere Abos. Die neue Saison hat schon jetzt einen Verlierer: den Fan am Fernseher.“), http://www.zeit.de/sport/2017-07/fussball-bundesliga-bezahlfernsehen-sky-eurosport (zuletzt abgerufen am 14.10.2017). 2  SPIEGEL ONLINE v. 17.06.2017 („Übertragung der Champions League: So wollen sich Sky und Dazn die Königsklasse teilen“), http://www.spiegel.de/sport/ fussball/champions-league-so-wollen-sich-sky-und-dazn-die-koenigsklasse-teilen-a1152430.html (zuletzt abgerufen am 14.10.2017).



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die von den Kartellbehörden durch Einführung von Alleinerwerbsverboten („No-single-buyer-Regeln“) bewirkte Intensivierung des Wettbewerbs letztlich zwangsläufig der Endkonsument, d. h. der Fernsehzuschauer zahlen? Dies läuft auf den ersten Blick der Intention des Kartellrechts zuwider und könnte – ebenso voreilig wie unnötig – den Nutzen dieses ohnehin komplexen Rechtsgebiets für viele Endkonsumenten infrage stellen. Früher veröffentlichte Erwägungen3 zum Ansatz der Monopolkommission für eine kartellrechtskonforme Gestaltung der Zentralvermarktung in der Fußball-Bundesliga fortführend, soll nachfolgend die Problemlage daraufhin analysiert werden, ob und inwieweit eine Rechtfertigung dieser Zentralvermarktungspraxis nach Art. 101 Abs. 3 AEUV aussichtsreich ist. Dabei werden zugleich – ergebnisoffen – verschiedene Wege aufgezeigt, wie die berechtigten Interessen der Endkonsumenten effektiver als in den eingangs genannten Beispielen geschützt werden könnten, ohne dass dies notwendigerweise zu Lasten der anderen Beteiligten, d. h. in erster Linie der Deutschen Fußball Liga, der Bundesliga-Clubs sowie der Medienanbieter, geht. Zu diesem Zweck werden im Luther-Jahr zwar nicht 95, sondern nur 55 Thesen vorgestellt, die – soweit die komplexe Rechtsproblematik dies zulässt – aufeinander aufbauen, jedoch aus Platzgründen nicht jeweils umfassend sowie unter Auswertung des gesamten Meinungsstands entwickelt werden können. Den Ausgangspunkt bilden die einschlägigen Erwägungen im XXI. Hauptgutachten der Monopolkommission vom 20.09.2016,4 die kritisch gewürdigt und weiterentwickelt werden.

II. Thesen 1. Grundfragen für die kartellrechtliche Bewertung a) Inhaber der Übertragungsrechte These 1: Es ist bislang ungeklärt, insbesondere nicht rechtskräftig entschieden, wer Inhaber der Übertragungsrechte an den Spielen der Fußball-Bundesligen ist.5

3  Heermann,

WuW 2017, 312, 315–319. XXI. Hauptgutachten v. 20.09.2016, Abschnitt: Zentralvermarktung in der Fußball-Bundesliga, S. 80–118 (Rn. 350–502), http://www.monopol kommission.de/images/HG21/HGXXI_Kap1_Zentralvermarktung.pdf (zuletzt abgerufen am 14.10.2017). 5  Monopolkommission (Fn. 4), Rn. 354–362. 4  Monopolkommission,

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These 2: Nach der Rechtsprechung des BGH ist neben dem jeweils ein Heimspiel im Europapokal austragenden Club der Fußball-Bundesliga der Deutsche Fußball Bund (DFB) – heute die DFL Deutsche Fußball Liga (DFL) – allenfalls als „Mitveranstalter“ einzustufen.6 Überträgt man diesen Ansatz auf die Übertragungsrechte hinsichtlich der Spiele der Fußball-Bundesliga, so könnten die jeweils 18  Clubs der Bundesliga und der 2.  Bundesliga sowie die DFL hinsichtlich der Inhaberschaft an den genannten Rechten als Rechtsgemeinschaft i. S. d. §§ 741 ff. BGB einzustufen sein.7 Dann wären freilich im Innenverhältnis die gesetzlichen Regelungen oder Vermutungen wie z. B. §§ 742 f. BGB hinsichtlich der Erlösverteilung von den Mitgliedern der Rechtsgemeinschaft modifiziert worden. Das schließt nicht aus, dass die Heimclubs oder die DFL auch jeweils allein zur Vermarktung bestimmter Übertragungsrechte ermächtigt sein können. Die dabei erzielten Einnahmen stehen nicht zwingend dem Veräußerer der Übertragungsrechte allein oder aber allen Mitgliedern der Rechtsgemeinschaft zu Bruchteilen zu, vielmehr kann ein anderer Verteilungsschlüssel festgelegt werden. These 3: Die Wahl zwischen einer Individualvermarktung durch die BundesligaClubs oder einer Zentralvermarktung durch die DFL sollte in einer Gesamtschau danach getroffen werden, ob der Bundesliga-Heimclub oder die DFL eine engere sachliche Beziehung zum Produkt aufweist (z. B. Live-Übertragungsrechte für die Spiele allein eines bestimmten Bundesliga-Clubs einerseits oder zeitversetzte Highlight-Berichterstattung über sämtliche Bundes­ ligaspiele eines Spieltags andererseits) und wer dieses effizienter vermarkten kann. b) Abgrenzung der relevanten Märkte These 4: Es ist von den Kartellbehörden (EU-Kommission, BKartA) noch nicht abschließend entschieden worden, wie hinsichtlich der Vermarktung von 6  Zum Status des Verbandes bzw. der Liga als sog. „Mitveranstalter“ vgl. BGH, 11.12.1997  – KVR 7/96, BGHZ 137, 297, 306 f. = WRP 1998, 188  – Europapokalheimspiele; BGH, 28.10.2010  – I ZR 60/09, BGHZ 187, 255 Rn. 26 = WRP 2011, 561 – Hartplatzhelden.de. Zuletzt hat das OLG München etwa den Bayerischen Fußball Verband als „(Mit-)Veranstalter“ eingestuft; vgl. OLG München, 23.03.2017 – 3 U 3702/16 Kart, SpuRt 2017, 121, 123. 7  So andeutungsweise Stopper, in: Stopper/Lentze (Hrsg.), Handbuch FußballRecht, 2012, Kapitel 7 Rn. 40; dagegen Horn, Die Anwendbarkeit des europäischen Kartellrechts auf den Sport, 2016, S. 212 f.



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Übertragungsrechten an Fußballligen die betroffenen relevanten Märkte abzugrenzen sind.8 These 5: Eine dauerhaft gültige, aber auch eine nur vorläufige Abgrenzung der betroffenen relevanten Märkte ist hier angesichts der Dynamik der sich ständig fortentwickelnden Übertragungsmöglichkeiten mit der Tendenz zu einer Konvergenz der Medien und der sich ändernden Sehgewohnheiten der Endkonsumenten sowie insbesondere in Ermangelung einschlägiger empirischer Studien nicht möglich.9 These 6: Zur Annäherung an die Bestimmung der relevanten Märkte ist in einem ersten Schritt zwischen dem Rechtemarkt (Rechteinhaber-Medienanbieter) und dem – nachgelagerten – Übertragungsmarkt (Medienanbieter-Endkonsument) zu differenzieren.10 These 7: Medienanbieter sind Sender, die eine kommentierte Bildübertragung (Fernsehsender, Web-TV, Streaming etc.) und/oder eine Radioberichterstattung (Antenne, Kabel, Internet etc.) auf unterschiedlichen Übertragungswegen anbieten. Aufgrund der zunehmenden Konvergenz der Medien ist davon auszugehen, dass die verschiedenen Möglichkeiten der Bildübertragung für die Endkunden auf dem Übertragungsmarkt (vgl. These 6) aufgrund steigender Umstellungsflexibilität substituierbar werden (oder bereits sind). Demgegenüber sind auf dem Rechtemarkt (vgl. These 6) die verschiedenen Übertragungswege aus Sicht der Rechteinhaber komplementär und aus der Perspektive der Medienanbieter nur bei vorhandener Umstellungsflexibilität austauschbar.11

8  Einen konzisen Überblick über die verschiedenen Ansätze bietet Monopolkommission (Fn. 4), Rn. 366–371 m. w. N. 9  So Monopolkommission (Fn. 4), Rn. 384 f. Im Hinblick darauf können auch die bisherigen, ebenso zahlreichen wie zumeist – zumindest angesichts der komplexen Problematik – oberflächlichen Stellungnahmen im vorrangig juristischen Schrifttum in kartellrechtlicher Hinsicht kaum Maßstäbe setzen. 10  Überzeugend Monopolkommission (Fn. 4), Rn. 374–385. Diese für eine kartellrechtliche Bewertung erforderliche Differenzierung ist im wissenschaftlichen Schrifttum in der bisherigen Diskussion oftmals vernachlässigt worden. 11  Monopolkommission (Fn. 4), Rn. 380–382.

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These 8: Endkonsumenten von Fußballübertragungen12 lassen sich auf dem Übertragungsmarkt in mindestens vier Gruppen zu unterteilen:13 – Gruppe  1: Fans eines bestimmten Bundesliga-Clubs, die nahezu ausschließlich Interesse an den Live-Übertragungen der Heim- und Auswärtsspiele dieses Bundesliga-Clubs haben („Follow Your Team“); – Gruppe 2: wie Gruppe 1, darüber hinaus besteht Interesse an Live-Übertragungen anderer ausgewählter Bundesliga-Fußballspiele („Follow Your Team“ und „Live-Bundesliga-Fußballspiele à la carte“); – Gruppe 3: fußballaffine Zuschauer mit geringer oder ohne Bindung an einen bestimmten Bundesliga-Club, die primär Interesse am Fußballgeschehen in den Bundesligen im Allgemeinen und nicht an dem Verfolgen von bestimmten Bundesliga-Fußballspielen haben („Highlights“ und evtl. „Live-Konferenz“); – Gruppe 4: fußballaffine Zuschauer mit geringer oder ohne Bindung an einen bestimmten Bundesliga-Club, die Interesse am Fußballgeschehen in der Bundesliga im Allgemeinen, aber auch an dem Verfolgen von ausgewählten Bundesliga-Fußballspielen haben („Highlights“, „Live-Konferenz“ und „Live-Bundesliga-Fußballspiele à la carte“). These 9: Insbesondere Medienanbieter audiovisueller Live-Übertragungen von Bundesliga-Fußballspielen erreichen hiermit spezifische Synergiewerte für die weiteren Angebote der jeweiligen Medienplattform, die sich üblicherweise mittel- bis langfristig mit der Live-Übertragung anderer (Liga-)SportEreignisse nicht erreichen lassen.14 These 10: Wegen des überragenden Aufmerksamkeitswertes, den Bundesliga-Fußball in Deutschland genießt, ist für Endkonsumenten, sofern sie den Gruppen 1, 2 und 4 angehören (These 8), zumindest die Live-Übertragung von BundesligaSpielen (unabhängig vom Übertragungsweg) nicht mit der Live-Übertragung anderer Sportarten und auch nicht mit einer zeitlich nachfolgenden HighlightBerichterstattung austauschbar. Denn wer ein besonderes Interesse an audiovisuellen Live-Übertragungen bestimmter Bundesliga-Fußballspiele hat, wird 12  Nachfrager auf dem Übertragungsmarkt, die ihrerseits die Live-Fernsehbilder von Bundesliga-Spielen zu kommerziellen Zwecken nutzen (z. B. Sportsbars), werden bei den nachfolgenden Betrachtungen weitgehend ausgeblendet. 13  Im Ansatz abweichend Monopolkommission (Fn. 4), Rn. 389, die allein die Gruppen 1 und 3 zugrunde legt. 14  Monopolkommission (Fn. 4), Rn. 378, 392.



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bei fehlendem Zugang zu einer Live-Bildberichterstattung eines bestimmten Spiels auf Live-Konferenzschaltungen oder aber andere Live-Informationsquellen (insbesondere Radio oder Internet) ausweichen und regelmäßig nicht stattdessen die zeitversetzte Highlight-Berichterstattung abwarten. Zwischen der Live-Bildberichterstattung und einer zeitlich nachfolgenden HighlightBerichterstattung von Spielen der Fußball-Bundesliga besteht also für die Gruppen 1, 2 und 4 ein abgestuftes Wettbewerbsverhältnis. Demgegenüber bilden für die Endkunden der Gruppe 3 audiovisuelle Live-Übertragungen von Bundesliga-Fußballspielen regelmäßig kein Substitut.15 These 11: Die Live-Übertragungsrechte von Spielen der Fußball-Bundesliga, des DFB-Pokals, der UEFA Champions League sowie der UEFA Europa League sind auf dem Rechtemarkt aus Sicht der Medienanbieter in gewissem Umfang austauschbar, zumeist jedoch nicht auf dem Übertragungsmarkt aus der Perspektive der Endkonsumenten.16 These 12: Zur exakten Bestimmung der relevanten Märkte wären – als Momentaufnahme innerhalb eines sich dynamisch fortentwickelnden Rechte- und Übertragungsmarktes – empirische Studien zu Präferenzen und Verhalten der Medienanbieter und Endkunden hilfreich.17 Aber auch ohne eine solche Marktabgrenzung lassen sich verschiedene Aussagen zur kartellrechtlichen Bewertung der zentralen Vermarktung der Medienrechte an der FußballBundesliga im Lichte von Art. 101 Abs. 3 AEUV treffen. c) (Potentielle) Wirtschaftliche Auswirkungen einer Intensivierung des Wettbewerbs auf den Märkten für Übertragungsrechte an der Fußball-Bundesliga für die Erfolgsaussichten deutscher Teams in europäischen Ligawettbewerben These 13: Das Modell der zentralen Vermarktung der Übertragungsrechte an der Fußball-Bundesliga durch die DFL stellt bislang den einzigen Umverteilungsmechanismus zwischen den Ligamitgliedern dar. Eine Umverteilung der sonstigen Einnahmen der Ligamitglieder (Ticketing, Hospitality, Sponsoring, Merchandising, Transfererlöse etc.) erfolgt grundsätzlich nicht. Eine 15  Monopolkommission

(Fn. 4), Rn. 379, 391, 463. a. A. hinsichtlich des Rechtemarkts Monopolkommission (Fn. 4), Rn. 383; wie hier hinsichtlich der zwischen deutschen Fußballvereinen ausgetragenen Wettbewerbe BKartA, 11.04.2016 – B6 – 32/15, WuW 2016, 384 Rn. 86, 89. 17  Monopolkommission (Fn. 4), Rn. 384 f.; vgl. auch schon oben These 5 a. E. 16  Tendenziell

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Ausnahme bilden etwa bei Spielertransfers vom Erwerber zu zahlende Ausbildungsentschädigungen, die aber nicht zwingend anderen Clubs der Fußball-Bundesligen, sondern vielfach (auch) Amateurvereinen zufließen. These 14: Ein im Inland zunehmender Wettbewerb bei der Vermarktung von nationalen Übertragungsrechten der Fußball-Bundesliga hat allenfalls unerhebliche negative Auswirkungen auf die sportliche Wettbewerbsfähigkeit deutscher Bundesliga-Clubs in anderen europäischen Vereinswettbewerben wie insbesondere der UEFA Champions League und der UEFA Europa League (vgl. auch Thesen 51 bis 53).18 Denn die deutschen Bundesliga-Clubs mit dem Potential für eine sportliche Qualifikation für europäische Ligawettbewerbe würden trotz zunehmenden Wettbewerbs bei der Vermarktung von nationalen Übertragungsrechten der Fußball-Bundesliga im Falle einer zulässigen Individualvermarktung zu einem erheblichen Teil höhere Einnahmen als bislang erzielen können. Darüber hinaus verfügen die an europäischen Ligawett­ bewerben teilnehmenden deutschen Bundesliga-Clubs ohnehin überwiegend19 über erhebliche zusätzliche Einnahmen (z. B. Ticketing, Hospitality, Merchandising), wobei diese Einnahmen wie auch diejenigen aus der (Zentral-) Vermarktung der (Live-)Übertragungsrechte der Spiele in den europäischen Ligawettbewerben im Wesentlichen den jeweiligen Bundesliga-Clubs verbleiben und nicht innerhalb der Bundesliga umverteilt werden. d) Stellenwert einer mittel- bis langfristigen, wirtschaftlichen und sportlichen Ausgeglichenheit innerhalb einer Sportliga (sog. competitive balance) These 15: Unter den in den Thesen 13 und 14 beschriebenen Umständen kann eine gewisse wirtschaftliche und damit mittel- bis langfristig vielleicht auch sportliche Ausgeglichenheit innerhalb der Fußball-Bundesliga (competitive balance) grundsätzlich nicht herbeigeführt werden.20 Den tendenziell anwachsenden wirtschaftlichen Abstand zwischen „armen“ und „reich(er)en“ LigaMonopolkommission (Fn. 4), Rn. 398 f. wenn schon wiederholt Bundesliga-Clubs – wie in der Saison 2017/2018 der SC Freiburg – in der Qualifikation zu europäischen Ligawettbewerben gescheitert sind, so handelt es sich insoweit doch um Ausnahmefälle. Zudem ist zu berücksichtigen, dass Bundesliga-Clubs, die in der Qualifikation zur UEFA Champions League scheitern, sodann regelmäßig in der UEFA Europa League startberechtigt sind. 20  So im Ansatz auch Monopolkommission (Fn. 4), Rn. 408 Rn. 59; a. A. Bagger, Die kartellrechtlichen Grenzen bei der Vergabe von Bundesligaübertragungsrechten, 2010, S.  98 ff., 234 ff. 18  A. A.

19  Auch



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mitgliedern werden vorrangig nur solche Bundesliga-Clubs aufholen können, die nicht an die rechtlich umstrittene21 sog. 50+1-Regel der DFL gebunden sind. These 16: Aus dem (sport-)ökonomischen Schrifttum und den zugrundeliegenden empirischen Studien kann eine eindeutige Evidenz der Annahme, dass zur Nachfrageoptimierung innerhalb einer Sportliga die Gewährleistung einer sog. competitive balance erforderlich ist, nicht abgeleitet werden.22 These 17: Es ist nicht Aufgabe von Kartellbehörden, eine sog. competitive balance einer Sportliga und ihren Mitgliedern zu oktroyieren. Vielmehr ist es, ausgehend von der Verbandsautonomie, Aufgabe einer Sportliga wie der DFL und ihrer Mitglieder zu entscheiden, ob und – wenn ja – in welcher Form und in welchem Umfang ein Finanzausgleich zwischen den Ligamitgliedern herbeigeführt werden soll.23 These 18: Im Gegensatz zu dem in den Thesen  13 und 14 dargestellten Status quo innerhalb der Fußball-Bundesliga verfolgen die U.S.-amerikanischen Major Leagues (NFL, NBA, NHL und MLB) mit unterschiedlichen Ansätzen in jeweils weit stärkerem Maße das Ziel, eine sog. competitve balance innerhalb dieser Ligen zu gewährleisten. So werden etwa in der NFL – neben anderen Umverteilungsinstrumenten – sämtliche Einnahmen aus der zentralen und individuellen Vermarktung der Medienrechte zu gleichen Anteilen auf die einzelnen NFL-Teams aufgeteilt.24

21  Vgl. aus dem monographischen Schrifttum stellvertretend Ph. Schaefer, Die Vereinbarkeit der „50+1“-Regel mit dem Europarecht, 2012, der von einer weitgehenden Rechtmäßigkeit der Klausel ausgeht; deutlich einschränkend Punte, Die Kapitalgesellschaft als Rechtsform professioneller Fußballklubs im Spannungsfeld von Verbandsautonomie und Europarecht, 2012; eine Rechtswirksamkeit der gesamten Klausel ausdrücklich ablehnend Esposito, Private Sportordnung und EU-Kartellrecht – Eine Untersuchung unter besonderer Berücksichtigung der „50+1“-Regel und der „Breakeven“-Rule im Profi-Fußball, 2014, S. 237 ff. 22  So i. E. Monopolkommission (Fn. 4), Rn. 404–406 m. w. N. zum Meinungsstand; zweifelnd auch Laier, Die Berichterstattung über Sportereignisse – eine rechtsvergleichende Untersuchung zur Existenz und Vermarktung von medialen Verwertungsrechten für den Hörfunk und die Neuen Medien, 2007, S. 327–330. 23  Heermann, Editorial: Sportlich ausgeglichene Wettbewerbe durch Kartellrecht?, WuW 2015 Heft 12; ähnlich Laier (Fn. 22), S. 330. 24  Heermann, CaS 2017, 191, 200.

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2. Denkbare kartellrechtliche Anknüpfungspunkte These 19: Die zentrale Vermarktung der Übertragungsrechte an den Spielen der Fußball-Bundesliga bietet in verschiedener Hinsicht Anknüpfungspunkte für eine kartellrechtliche Überprüfung. Dies betrifft – den Beschluss der Ligamitglieder über die nahezu ausschließliche Zentralvermarktung von Übertragungsrechten als potentielle horizontale Wettbewerbsbeschränkung (Art. 101 Abs. 1 AEUV),25 – die Vermarktungsverträge zwischen der DFL und den erfolgreichen Bietern als potentielle vertikale Wettbewerbsbeschränkungen (z. B. bei Verwendung von Exklusivitätsklauseln)26 sowie – die Durchsetzung der Vermarktungsbedingungen gegenüber Bietern (z. B. durch Festlegung eines Vorbehalts- bzw. Reservationspreises im Rahmen eines Ausschreibungsverfahrens) durch die über Marktmacht verfügende DFL als einseitiges unternehmerisches Verhalten, das den Missbrauchs­ regeln unterliegt (Art. 102 AEUV, § 19 GWB).27

3. Art. 101 Abs. 3 AEUV a) Grundlagen für Effizienzerwägungen These 20: Die Zentralvermarktung der Übertragungsrechte an der Fußball-Bundesliga auf dem Rechtemarkt ist nur dann kartellrechtlich zulässig, sofern sämtliche damit einhergehenden Wettbewerbsbeschränkungen durch die Erfüllung der in Art. 101 Abs. 3 AEUV aufgelisteten Tatbestandsvoraussetzungen (mindestens) aufgewogen werden:28 – Verbesserung der Warenerzeugung oder -verteilung auf dem Markt, auf dem der Wettbewerb beschränkt wird; – angemessene Beteiligung der unmittelbaren oder mittelbaren Marktgegenseite an dem entstehenden Gewinn; – Unerlässlichkeit dieser Wettbewerbsbeschränkung zur Verwirklichung dieser Ziele (Verhältnismäßigkeitsgrundsatz); 25  Monopolkommission

(Fn. 4), (Fn. 4), 27  Monopolkommission (Fn. 4), 28  Monopolkommission (Fn. 4), 26  Monopolkommission

Rn. 412 f. Rn. 414. Rn. 415, 461, 467 f., 470 (dritter Spiegelstrich). Rn. 421 f.



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– keine Ausschaltung des Wettbewerbs für einen wesentlichen Teil der betreffenden Waren. These 21: Den Prüfungsmaßstab für mögliche Effizienzen bilden die Marktbedingungen, die sich bei einer unterstellten Einzelvermarktung ergeben würden.29 These 22: Neben Effizienzgewinnen auf den relevanten Märkten müssen ergänzend auch Effizienzgewinne berücksichtigt werden, die auf einem anderen Markt eintreten, zumindest sofern dadurch zusätzliche Effizienzgewinne auf dem jeweiligen relevanten Markt eintreten. Dies betrifft beispielsweise den benachbarten Markt für den Einkauf professioneller Fußballspieler.30 These 23: Wettbewerbsbeschränkungen können aufgrund Effizienzsteigerungen grundsätzlich auch dann gerechtfertigt sein, wenn sie notwendig sind, um den besonderen Belangen des Sports Rechnung zu tragen.31 These 24: Zu den im Rahmen der Effizienzerwägungen berücksichtigungsfähigen Besonderheiten des Sports zählt auch das Ziel einer Sportliga, durch wettbewerbsbeschränkende Maßnahmen eine sog. competitive balance herbeizuführen oder zu gewährleisten (vgl. auch Thesen 15–18).32 These 25: Mit der derzeit von der DFL praktizierten Zentralvermarktung, die auf Verpflichtungszusagen gegenüber dem BKartA beruht, entfallen weitgehend rechtliche Unsicherheiten, die hinsichtlich des Inhabers der Übertragungsrechte bestehen (vgl. These 1).33 Aber auch ohne endgültige Klärung dieser umstrittenen Rechtsfrage lassen sich, anknüpfend an eine gemeinsame Rechteinhaberschaft von den Ligamitgliedern und der DFL (vgl. Thesen 2 f.), 29  Monopolkommission

(Fn. 4), Rn. 422. (Fn. 4), Rn. 423 m. w. N. 31  Monopolkommission (Fn. 4), Rn. 423. 32  Monopolkommission (Fn. 4), Rn. 423 Fn. 90. So auch in einem insoweit vergleichbaren Fall zum U.S.-amerikanischen Kartellrecht NCAA v. Board of Regents of University of Oklahoma, 468 U.S. 85, 117 (1984). Zweifelnd Laier (Fn. 22), S. 330, weil die Balance nicht schon durch den zentralen Verkauf, sondern erst durch die Aufteilung der Einnahmen hergestellt werde; das bedeute, dass die nachteilige Wettbewerbsbeschränkung und die vorgebrachten positiven Effekte auf zwei verschiedenen Ebenen lägen. 33  Monopolkommission (Fn. 4), Rn. 427. 30  Monopolkommission

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Aussagen zur kartellrechtlichen Bewertung der Zentralvermarktungsproblematik im Lichte von Art. 101 Abs. 3 AEUV treffen. b) Effizienzvorteile und -nachteile einer Bündelung von Übertragungsrechten auf dem Übertragungsmarkt These 26: Bei der Zentralvermarktung durch die DFL kann der Rechteanbieter die Übertragungsrechte in verschiedener Weise bündeln. Daraus können im Vergleich zur Einzelvermarktung (vgl. These 21) Effizienzen (vgl. Thesen 27, 28, 31, 36), aber auch Ineffizienzen (vgl. Thesen 28, 29, 30, 31, 36 (zweiter Spiegelstrich)) entstehen.34 These 27: Qualitätsvorteile einer Zentralvermarktung durch die DFL sowie der dadurch ermöglichten Bündelung von Übertragungsrechten ergeben sich im Hinblick auf eine Highlight-Berichterstattung sowie bei sog. Live-Konferenzen. Für das Angebot dieser Produkte ist die Zentralvermarktung unerlässlich.35 Hiervon profitieren unmittelbar jedoch nur die Endkunden der Gruppen 3 und 4, nicht jedoch diejenigen der Gruppen 1 und 2 (vgl. These 8). These 28: Die Auffindbarkeit des Senders oder die Gewöhnung der Zuschauer an eine Übertragung an bestimmten Wochentagen zu bestimmten Zeiten stellen aus Sicht der Medienanbieter einen Qualitätsvorteil dar.36 Das gilt jedoch nicht gleichermaßen für die Endkonsumenten der Gruppen 1 bis 4 (vgl. These 8), weil diese ohnehin schon daran gewöhnt sind, dass bestimmte Fußballspiele trotz gleichbleibender Anstoßzeiten in einer neuen Saison möglicherweise von einem anderen Sender übertragen werden (z. B. Live-Übertragung des Montagsspiels in der 2. Bundesliga, der Freitagsspiele in der Bundesliga und der Fußballländerspiele der A-Nationalmannschaft; dies wird ab der Saison 2018/2019 auch für die UEFA Champions League gelten). Zudem verschieben sich bei Bundesliga-Fußballspielen regelmäßig weder Sendetag noch Sendezeit einer Highlight-Berichterstattung oder einer LiveKonferenz, solange die DFL die Anstoßzeiten nicht verändert.

34  Monopolkommission 35  Monopolkommission

(Fn. 4), Rn. 428. (Fn. 4), Rn. 430, 432, 439, 444, 470 (erster und vierter

Spiegelstrich). 36  Monopolkommission (Fn. 4), Rn. 431.



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These 29: Eine Zentralvermarktung durch die DFL sowie die dadurch ermöglichte Bündelung von Übertragungsrechten (z. B. für eine Highlight-Berichterstattung und Live-Konferenz) können aber auf dem Übertragungsmarkt aus Sicht der Endkonsumenten der Gruppen 1 und 2 (vgl. These 8) auch mit erheblichen wirtschaftlichen Nachteilen verbunden sein. Dazu kann es kommen, wenn mehrere unterschiedliche Angebote gebündelt werden, für die verschiedene Kunden oder Kundengruppen gegenläufige Interessen besitzen.37 These 30: Nach dem derzeit auf dem deutschen Fernsehmarkt, d. h. auf dem Übertragungsmarkt, von Sky praktizierten Vermarktungsmodell umfasst das sog. Bundesliga-Paket für die Spielzeit 2017/2018 – insgesamt 572 Spiele der Bundesliga und der 2. Bundesliga der Saison 2017/18 live – einzeln und in der Konferenz, zuhause und unterwegs mit Sky Go;38 – ausführliche Vorberichte, exklusive Interviews, Expertenanalysen und Fußballtalks, Zusammenfassungen und Wiederholungen aller von Sky übertragenen Spiele in voller Länge; – einen Bundesliga Live-Ticker mit Kurzvideos von Highlights und Toren von den bei Sky laufenden Spielen als Push-Nachricht direkt auf das Smartphone.39 Endkunden der Gruppen 1 und 2 (vgl. These 8) werden bei einem derartigen Abonnement vorrangig an den Live-Übertragungen der Spiele nur eines bestimmten Bundesliga-Clubs interessiert sein, so dass sie von vornherein an über 500 Live-Übertragungen anderer Spiele kein Interesse haben und diese teilweise auch gar nicht parallel verfolgen könnten.40 Das übrige Leistungsangebot hat für Endkunden der Gruppen 1 und 2 (vgl. These 8) einen unterschiedlich stark ausgeprägten komplementären Charakter, diese zusätzlichen Angebote wären im Zweifelsfall verzichtbar. Sofern sich hingegen Endkunden der Gruppen 3 und 4 (vgl. These 8) über das aktuelle Geschehen in der Fußball-Bundesliga zeitnah (andernfalls könnten sie etwa – soweit noch 37  Monopolkommission

(Fn. 4), Rn. 433. hiervon umfasst sind die Freitagsspiele, Sonntagsspiele um 13.30 Uhr und die Montagsspiele in der Bundesliga sowie die Relegationsspiele zur Bundesliga und 2. Bundesliga, die allesamt exklusiv vom Sender Eurosport übertragen werden. 39  Die Informationen sind entnommen http://www.sky.de/bestellung/sky-fussballbundesliga-paket-2547 (abgerufen am 14.10.2017). 40  Anders könnte dies aus Sicht von Abonnenten zu beurteilen sein, die – wie z. B. Sportsbars (vgl. oben bereits Fn. 12) – die Live-Übertragungen ihrerseits auf mehreren Bildschirmen und rund um die Uhr für kommerzielle Zwecke nutzen. 38  Nicht

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vorhanden – eine Zweitverwertung der Fernsehbilder im öffentlich-recht­ lichen Fernsehen abwarten) informieren wollen, sind für diese Kundengruppe gerade die Live-Übertragungen der einzelnen Bundesliga-Spiele vollständig oder zumindest zum größten Teil verzichtbar. These 31: In dem bei These 30 geschilderten Vermarktungsmodell müssen also auf dem Übertragungsmarkt zwei Kundengruppen mit gegenläufigen Präferenzen – einerseits Endkunden der Gruppen 1 und 2, andererseits Endkunden der Gruppen 3 und 4 (vgl. These 8) – zwangsläufig das sog. Bundesliga-Paket und damit ein gebündeltes Produkt erwerben, das zum überwiegenden Teil für sie jeweils von allenfalls geringem oder gar keinem Interesse ist. Hierbei fordert Sky als Monopolanbieter der Live-Bilder im Fernsehen auf dem Übertragungsmarkt einen Bündelpreis, kann dabei den Kunden das jeweils präferierte Produkt entsprechend ihrer jeweiligen Zahlungsbereitschaften verkaufen und auf diese Weise versuchen, möglichst viele Endkunden zu bedienen und ihre Zahlungsbereitschaft abzuschöpfen. Ob die Zahlungsbereitschaft sämtlicher Endkundengruppen tatsächlich auf diese Weise (nahezu) vollständig abgeschöpft wird, kann hier in Ermangelung belastbarer empirischer Daten nicht abschließend beurteilt werden. These 32: Das bei These 30 geschilderte Vermarktungsmodell führt für den Medienanbieter auf dem Übertragungsmarkt nicht zwangsläufig zu einer Erlösmaximierung, insbesondere wenn Live-Fernsehbilder von Bundesliga-Fußballspielen, Live-Konferenzen und Highlight-Berichterstattung parallel auf anderen Übertragungswegen angeboten werden (was in dem konkreten Vermarktungsmodell aber aufgrund von Exklusivitätsklauseln weitgehend ausgeschlossen ist, vgl. unten Thesen 39 ff.). Es können unter den genannten Vo­ raussetzungen gesamtökonomische Effizienzen entstehen, wenn als Folge der vorgenommenen Preisdifferenzierung letztlich möglichst viele Endkunden das Produkt nutzen können und dadurch dessen Verbreitung optimiert wird.41 These 33: Anknüpfend an These 3, weisen die Bundesliga-Clubs eine größere Sachnähe zu den Live-Übertragungsrechten ihrer jeweiligen Heimspiele, aber auch Auswärtsspiele auf. Deshalb sind insoweit die Bundesliga-Clubs als vorrangige Rechteinhaber zur Individualvermarktung berechtigt. Zudem ist zu erwarten, dass eine solche beschränkte Individualvermarktung durch die Bundesliga-Clubs neben der verbleibenden beschränkten Zentralvermarktung durch die DFL (insbesondere hinsichtlich der Highlight-Berichterstattung 41  Vgl.

auch Monopolkommission (Fn. 4), Rn. 435; Laier (Fn. 22), S. 313 f.



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und der Live-Konferenzen) insgesamt zu größeren Effizienzvorteilen als eine ausschließlich von der DFL durchgeführte Zentralvermarktung sämtlicher Übertragungsrechte führt (vgl. nachfolgend Thesen 34–38).42 c) Auswirkungen auf Endkunden der Gruppen 1 und 2, Rechteinhaber und Medienanbieter These 34: Den größten Nutzen für Endkunden der Gruppe 1 (vgl. These 8) hätte eine Bündelung sämtlicher Heim- und Auswärtsspiele eines bestimmten Bundesliga-Clubs in einem separaten Rechtepaket,43 zu dem von den Endkunden auf dem Übertragungsmarkt bei Bedarf weitere Rechtepakete (z. B. HighlightBerichterstattung, evtl. einzelne Spiele anderer Bundesliga-Clubs) hinzugebucht werden könnten. These 35: Den größten Nutzen für Endkunden der Gruppe 2 (vgl. These 8) hätte eine Bündelung sämtlicher Heim- und Auswärtsspiele eines bestimmten Bundesliga-Clubs in einem separaten Rechtepaket, zu dem insbesondere einzelne Live-Übertragungen von anderen Bundesligaspielen nach freier Wahl und bei Bedarf weitere Rechtepakete (z. B. Highlight-Berichterstattung) hinzugebucht werden könnten.44 These 36: Für das Angebot eines allein sämtliche Heim- und Auswärtsspiele eines bestimmten Bundesliga-Clubs umfassenden Rechtepakets auf dem Übertragungsmarkt ist es nicht unerlässlich, dass eine Zentralvermarktung durch die DFL erfolgt.45 Denn ein solches Angebot kann durch eine weniger intensive Wettbewerbsbeschränkung erreicht werden.46 Zunächst sind die Bundesligaa. A. Monopolkommission (Fn. 4), Rn. 439 f. bereits Heermann, WuW 2017, 312, 316 f.; ähnlich Laier (Fn. 22), S. 317. Vgl. auch Monopolkommission (Fn. 4), Rn. 443 m. w. N., wonach neuere Untersuchungen von Preis- und Wohlfahrtseffekten bei Produktbündelung von TV-Angeboten dafürsprächen, dass ein Angebot ‚à la carte‘ für die Konsumenten eher von Vorteil sei. 44  Abonnenten, die – wie z. B. Sportsbars (vgl. oben bereits Fn. 12, 40) – die LiveÜbertragungen für kommerzielle Zwecke nutzen, würden – freilich zu anderen finanziellen Bedingungen als die nichtkommerziellen Endkunden – in der Mehrzahl vermutlich unter Beschränkung auf Bundesliga-Spiele weniger Spitzenclubs und Clubs aus der Region sowie auf Live-Konferenzen in ähnlicher Weise verfahren. 45  A. A. Monopolkommission (Fn. 4), Rn. 439 f.; siehe auch Rn. 444, 448, 458, 470 (fünfter Spiegelstrich). 46  Siehe zum Folgenden bereits Heermann, WuW 2017, 312, 316 f. 42  Tendenziell 43  So

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Clubs insoweit als vorrangige Rechteinhaber an ihren Heimspielen anzu­sehen (These 3). Damit sie ein vollständiges Rechtepaket inklusive auch sämtlicher Auswärtsspiele ihrer Mannschaft anbieten können, bedarf es nicht notwendigerweise separater Vertragsverhandlungen mit den 17 anderen BundesligaClubs. Vielmehr können alle Rechteinhaber gemeinsam verbandsintern festlegen, dass die Bundesliga-Clubs die Übertragungsrechte an ihren Heimspielen jeweils selbst vermarkten, dabei aber jeweils dem Gäste-Club eine (exklusive) Sublizenz hinsichtlich dieses konkreten Übertragungsrechts für dieses bestimmte Spiel einräumen. Auf diese Weise würde jeder BundesligaClub über ein exklusives Paket an Live-Übertragungsrechten hinsichtlich seiner gesamten Heim- und Auswärtsspiele verfügen. Ein solches horizontal zwischen den Ligamitgliedern vereinbartes, eingeschränktes Sublizenzierungsmodell wäre letztlich effizienter, als wenn ein Bundesliga-Club mit 17 weiteren Ligamitgliedern einzeln (und mit ungewissem Ausgang) um die Erteilung von Sublizenzen verhandeln müsste, was zudem Kollusionsrisiken begünstigen würde. These 37: Das in These 36 beschriebene Modell der Individualvermarktung sämtlicher Heim- und Auswärtsspiele durch den jeweiligen Bundesliga-Club führt zu Effizienzvorteilen für nahezu alle Beteiligten: – Den Endkunden der Gruppen 1 und 2 (vgl. These 8) würde auf dem Übertragungsmarkt ein auf ihre speziellen Bedürfnisse zugeschnittenes Rechtepaket angeboten.47 – Aus Sicht der Endkunden der Gruppen 1 und 2 (vgl. These 8) wäre auf dem Übertragungsmarkt die (sich in der Saison 2017/2018 bereits realisierende48) Gefahr ausgeschlossen, dass mehrere Abonnements mit unter47  Monopolkommission

(Fn. 4), Rn. 442. FAZ v. 15.07.2017, S. 31: „Unzufriedene Pay-TV-Kunden: Die Vergabe der Fernsehrechte der Fußball-Bundesliga auf mehrere kostenpflichtige Anbieter von Live-Übertragungen stößt unter den Pay-TV-Kunden auf Ablehnung. Nach einer Umfrage des Verbraucherportals ‚Aboalarm‘ ist für 85 Prozent der Befragten mit einem Sky-Abonnement die Neuverteilung der Übertragungsrechte ein Grund, ihr Abo zu kündigen, sollte der Sender seine Preise nicht anpassen oder seinen Kunden kein verbessertes Angebot unterbreiten. Knapp die Hälfte der befragten mit einem FußballAbo (47,2 Prozent) empfinden die neue Rechteverteilung gegenüber den Fans als unfair, über ein Viertel haben das Gefühl, den Überblick nach der Rechtevergabe verloren zu haben (26,2 Prozent). Mit der Saison 2017/2018 verliert Sky seine bisher exklusiven Übertragungsrechte im Fernsehen und muss sie sich künftig mit Eurosport teilen. Für 88,64 Prozent der Fußball-Abonnenten kommt laut Umfrage nicht in Frage, für die 45 Bundesligaspiele, die künftig bei Eurosport gezeigt werden, zusätzlich zu bezahlen. Die Preise für diese Spiele stehen noch nicht fest. An der Umfrage haben 715 Abonnenten von Sky teilgenommen.“ In der Folge lehnte der Pay-TVSender eine auf die Angebotsreduzierung gestützte Kündigung von Abonnenten ab, 48  Vgl.



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schiedlichen Medienanbietern abgeschlossen werden müssten, um sämt­ liche Heim- und Auswärtsspiele eines bestimmten Bundesliga-Clubs in Bewegtbildern live in voller Länge verfolgen zu können.49 Voraussetzung wäre freilich, dass ein Bundesliga-Club dieses Rechtepaket nicht wieder aufteilen und die dann entstehenden kleineren Rechtepakete (z. B. TopSpiele und sonstige Spiele) separat an verschiedene Medienanbieter vergeben darf. Wenn hingegen ein Medienanbieter das aus sämtlichen Heim – und Auswärtsspielen eines bestimmten Bundesliga-Clubs bestehende Paket etwa zusätzlich in Heim- und Auswärtsspiele aufteilen würde, so wäre Letzteres für diejenigen Endkunden, die über ein Jahresticket für die Heimspiele verfügen, vorteilhaft. – Einer weiteren Zersplitterung des Spieltages, wie sie in der spanischen Primera División oder ansatzweise in der englischen Premier League Football zu beobachten ist (teilweise ist jedem Spiel ein gesondertes Zeitfenster zugeordnet, um zeitliche Überschneidungen von Live-Übertragungen einzelner Spiele zu vermeiden und so die Erlöse der wenigen, am Markt tätigen Medienanbieter dieser Spiele zu maximieren), könnte entgegengewirkt werden. Dies wäre aus Sicht der Endkunden vermutlich eher vorteilhaft,50 es sei denn, sie hätten mehrere zeitgleich stattfindende Bundesliga-Spiele jeweils in voller Länge schauen wollen, was Endkunden der Gruppen 2 und 4 (These 8) betreffen könnte. Aus der Perspektive insbesondere der an Erlösoptimierung orientierten, bislang nur kleinen Anzahl von Medienanbietern, die auf dem Rechte- und Übertragungsmarkt tätig sind, wäre das beschriebene Modell der partiellen Individualvermarktung in wirtschaftlicher Hinsicht freilich nachteilig. Aus wettbewerbspolitischer Sicht würde die Einführung einer teilweisen Individualvermarktung allerdings den Markteintritt neuer Medienanbieter sowie ein Aufbrechen bestehender oligopolistischer oder gar monopolistischer Marktstrukturen begünstigen (vgl. auch unten These 39). – Es ist zu erwarten, dass sich die Zahl der Medienanbieter auf dem Übertragungsmarkt spürbar erhöhen und sich nicht länger nur auf nationale oder gar internationale „Big Player“ beschränken würde. Denn bei 18 Anbietern entsprechender, clubbezogener Live-Übertragungsrechte auf dem Rechtemarkt ist eher unwahrscheinlich, dass wegen des höchst untervgl. Mansholt, stern.de v. 28.08.2017 („Sky verbietet Bundesliga-Kündigung: So kam ein Kunde trotzdem aus seinem Vertrag“), https://www.stern.de/digital/homeentertainment/sky-verbietet-bundesliga-kuendigung--so-kam-ein-kunde-aus-seinem-vertrag-75 95954.html. 49  Damit wären zugleich die Befürchtungen der Monopolkommission (Fn. 4), Rn. 457 gebannt. 50  Dies gilt freilich nicht für Sportsbars, vgl. bereits Fn.12, 40, 45.

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schiedlichen Zuschauerinteresses und damit der Nachfrage nach diesen Paketen auf dem Übertragungsmarkt ein einzelner Anbieter alle oder auch nur nahezu sämtliche dieser Rechtepakete erwerben würde. Ergänzend könnte durch die Ausschreibungsbedingungen, welche die DFL bei Zulassung der partiellen Individualvermarktung durch die Bundesliga-Clubs (vgl. These 36) diesen im Rahmen der Lizenzierungsbedingungen vorgäbe, sichergestellt werden, dass nach erfolgter Ausschreibung die von verschiedenen Medienanbietern erworbenen Live-Übertragungsrechte nicht wieder bei einem Medienanbieter zusammengeführt und gebündelt werden.51 – Auf dem Übertragungsmarkt würde sich für das jeweilige Paket eines Bundesliga-Clubs ein nachfrageorientierter Preis ergeben. – Es ist zu erwarten, dass dieser Preis wegen des deutlich geringeren Leistungsumfangs im Vergleich zum Preis für das Sky-Bundesligapaket, das ab der Saison 2017/2018 exklusiv fast alle Live-Spiele der Fußball-Bundesligen mit zusätzlichen Angeboten umfasst (vgl. These 30), günstiger ausfallen würde. Unter diesen Umständen könnte letztlich gegenüber dem Status quo die Zahl der Endkunden ansteigen, die unmittelbaren Zugang zu Live-Übertragungen von Bundesliga-Fußballspielen haben. – Der logistische Aufwand für die Medienanbieter könnte reduziert und/oder optimiert werden. These 38: Das in These 36 beschriebene Modell der teilweisen Individualvermarktung sämtlicher Heim- und Auswärtsspiele durch den jeweiligen BundesligaClub führt zwar auch zu Effizienznachteilen, die jedoch deutlich hinter den zu erwartenden Effizienzvorteilen zurückbleiben: – Es ist davon auszugehen, dass bei der beschriebenen teilweisen Verlagerung des Rechts zur Vermarktung der Live-Übertragungsrechte an Bundesliga-Fußballspielen von der DFL als bisherigem alleinigem Zentralvermarkter auf die Bundesliga-Clubs die Einnahmen der DFL sinken würden.52 In diesem Zusammenhang sind freilich folgende Gesichtspunkte zu berücksichtigen: – Schon bisher hat die DFL den größten Teil ihrer Einnahmen aus der Zentralvermarktung der Übertragungsrechte wieder an die Ligamitglieder nach einem zuvor vereinbarten Kriterienkatalog ausgeschüttet und nur einen für die originären Aufgaben der DFL erforderlichen Anteil zurückbehalten. hierzu auch Monopolkommission (Fn. 4), Rn. 450 f. den damit verbundenen Gefahren vgl. auch Monopolkommission (Fn. 4),

51  Vgl. 52  Zu

Rn. 459.



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– Es wäre im Einzelfall zu prüfen, ob und inwieweit die DFL den für die Wahrnehmung ihrer satzungsmäßigen Aufgaben erforderlichen Eigen­ anteil aus der Vermarktung der übrigen Übertragungsrechte an den Fußball-Bundesligen selbst erwirtschaften könnte. Insgesamt könnte in jedem Fall ligaintern eine angemessene finanzielle Ausstattung der DFL sichergestellt werden. – Auch Bundesliga-Clubs mit einer relativ kleinen Anhängerschaft werden Nachfrager für ihre Fußball-Übertragungsrechte finden. Selbst wenn die Übertragungen der Heim- und Auswärtsspiele allein in den Neuen Medien erfolgen sollten, so wäre dies für die Endkunden der Gruppen 1 und 2 (vgl. These 8) aufgrund der zunehmenden Konvergenz der Medien kein erheblicher Nachteil (mehr). Dies betrifft auch die Bildqualität, weil Stream­ing-Angebote inzwischen mit begrenztem technischem und finan­ ziellem Aufwand auch auf modernen Fernsehgeräten verfolgt werden können. – Soweit Bundesliga-Clubs mit großem Fanpotential (und eventuell auch überdurchschnittlichem sportlichen Erfolg) höhere Einnahmen als bislang erzielen würden, muss dies nicht zwangsläufig das bereits bestehende wirtschaftliche und damit mittel- bis langfristig auch sportliche Ungleichgewicht innerhalb der Fußball-Bundesliga (vgl. Thesen 13, 14 und 15) vergrößern. Dies gilt selbst für den durchaus wahrscheinlichen Fall, dass Bundesliga-Clubs mit eher limitiertem Fanpotential (und sportlichem Erfolg) mit geringeren Einnahmen als nach dem bisherigen Zentralvermarktungsmodell zu rechnen hätten. Denn die DFL könnte im Einvernehmen mit den Ligamitgliedern einer solchen Entwicklung erforderlichenfalls durch Umverteilungsmaßnahmen mindestens in Höhe des bisherigen Umfangs entgegenwirken (z. B. durch ein Solidarfondsmodell53). Den zu erwartenden Einwänden der fehlenden praktischen Umsetzbarkeit einer solchen ligainternen finanziellen Umverteilung ist entgegenzuhalten, dass es der DFL trotz erheblicher Interessengegensätze zwischen verschiedenen Gruppierungen der Bundesliga-Clubs in der Vergangenheit regelmäßig gelungen ist, die Medienerlöse nach bestimmten objektiven Kriterien zu 53  Zu einem jüngst in China eingeführten Solidarfondsmodell vgl. faz.net v. 21.06.2017 („Wie Chinas Transferwahnsinn gestoppt werden soll“), http://www.faz. net/aktuell/sport/fussball/china-stoppt-transfer-wahnsinn-im-fussball-mit-strafzah lung-15070456.html (zuletzt abgerufen am 14.10.2017). Danach müssen defizitäre Clubs einen Betrag in gleicher Höhe wie die Ablösesumme in einen Fonds zur Entwicklung des chinesischen Fußballs zahlen, um den heimischen Nachwuchs zu fördern. Liegt die Transfersumme für ausländische Spieler unter 45 Millionen Yuan (5,9 Mio. EUR) und für chinesische unter 20 Millionen Yuan (2,6 Mio. EUR), fließt das Geld zurück an den Club, muss aber zusätzlich in die Jugendarbeit gesteckt werden.

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verteilen.54 Solche erforderlichen Umverteilungsmaßnahmen könnten sodann über die Lizenzierungsbedingungen durchgesetzt werden und wären kartellrechtlich gerechtfertigt, sofern sie insgesamt zu Effizienzgewinnen führen (These 24). – Die Bundesliga-Clubs müssten über die personelle und fachliche Kompetenz für die Vermarktung der Live-Übertragungsrechte an ihren Heim- und Auswärtsspielen in der Fußball-Bundesliga verfügen und zu diesem Zweck erforderlichenfalls ein spezialisiertes Mitarbeiterteam aufbauen. Allerdings könnte dieser Nachteil zumeist dadurch aufgefangen werden, dass die Bundesliga-Clubs entweder bereits mit erfahrenen Vermarktungsagenturen zusammenarbeiten oder im Falle der weitgehenden Eigenvermarktung über weitreichende Kompetenzen verfügen. Im Übrigen ist nicht zu erwarten, dass die Notwendigkeit des Erwerbs zusätzlicher erforderlicher Kompetenzen die Bundesliga-Clubs davon abhalten würde, die betreffenden Live-Übertragungsrechte selbst zu vermarkten.55 – Bei der DFL als bisherigem Zentralvermarkter könnten in begrenztem Umfang personelle Ressourcen freiwerden. Der Umfang hinge davon ab, inwieweit zuvor ligainterne und/oder aber externe Expertise genutzt worden ist. – Es besteht die Gefahr, dass die Einheitlichkeit des Bundesliga-Auftritts etwa hinsichtlich der Bildauswahl und -qualität, der Präsentation des LigaLogos auf den Fernsehbildern etc. durch das Nebeneinander von Zentralund Individualvermarktung der Live-Übertragungsrechte an der FußballBundesliga negativ beeinträchtigt werden könnte. Allerdings könnten die DFL und ihre Ligamitglieder der Verwirklichung der beschriebenen Gefahr effektiv entgegenwirken. Die Sportcast GmbH, ein 100 %iges Tochterunternehmen der DFL, ist seit der Saison 2006/2007 für die Produktion der Basisübertragungen von Spielen der deutschen Fußball-Bundesligen zuständig. Die hierbei produzierten Bilder könnten den Ligamitgliedern bzw. den jeweiligen Medienanbietern, die die Live-Übertragungsrechte eines bestimmten Bundesliga-Clubs erworben haben, gegen ein angemessenes Entgelt zur Verfügung gestellt werden. Diese Medienanbieter könnten sodann selbst entscheiden, mit welchen zusätzlichen Angeboten (z. B. SuperZeitlupe, Spezialkameras für bestimmte Spieler, Heatmaps, Anzahl der Möglichkeiten zum gleichzeitigen Abruf der TV-Bilder, Anzahl der zur Verfügung stehenden technischen Übertragungswege etc.) die Basisüber54  Siehe zuletzt DFL, Pressemitteilung v. 24.11.2016, DFL-Präsidium fasst einstimmigen Beschluss zur Verteilung der Medienerlöse für die Spielzeiten 2017/2018 bis 2020/2021, http://www.bundesliga.de/de/liga/news/dfl-medienerloes-beschlusseinstimmig-agmd.jsp (zuletzt abgerufen am 14.10.2017). 55  Im Ergebnis wie hier Laier (Fn. 22), S. 326 f.



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tragung noch angereichert werden soll. Auf diese Weise würde ein einheitlicher technischer Mindeststandard hinsichtlich der Live-Übertragung von Fußball-Bundesligaspielen gesichert, der auch vertraglich über die Lizenzierungsbedingungen und sodann die Verträge zwischen den BundesligaClubs und den Medienanbietern abgesichert werden könnte. Wenn über die Basisübertragungen hinaus die verschiedenen Medienanbieter den Endkunden unterschiedliche Zusatzleistungen und/oder Übertragungswege zur Verfügung stellen und unterschiedliche Preise für die entsprechenden Produktpakete verlangen würden, so wäre dies letztlich ein Zeichen funktionierenden Wettbewerbs. These 39: Das in These 36 beschriebene Modell der partiellen Individualvermarktung sämtlicher Heim- und Auswärtsspiele durch den jeweiligen Bundesliga-Club würde darüber hinaus aus wettbewerbspolitischer Perspektive zu deutlichen Vorteilen führen: – Das bisherige Monopol der DFL bei der Veräußerung von Live-Übertragungsrechten an sämtlichen Spielen der Fußball-Bundesliga würde aufgebrochen. Der Wettbewerb auf der Anbieterseite des Rechtemarkts würde erheblich belebt, indem – theoretisch – 36 neue Anbieter neben die DFL als ehemaligen Monopolisten treten würden. – Dadurch könnten auf dem Rechtemarkt wesentlich mehr Nachfrager als bisher, insbesondere auch kleinere nationale Medienanbieter, zum Zuge kommen, so dass der Wettbewerb auf dem Übertragungsmarkt zumindest in begrenztem Umfang belebt würde. d) Auswirkungen auf Endkunden der Gruppen 3 und 4 These 40: Den größten Nutzen hätte für Endkunden der Gruppen 3 und 4 (vgl. These 8) eine zeitnahe Highlight-Berichterstattung, ggf. erweitert – jeweils einzeln hinzu zu buchen – um den Zugang zu Live-Konferenzen und die Möglichkeit des Abrufs einzelner Spiele der Fußball-Bundesliga nach freier Wahl. These 41: Anknüpfend an These 3, weist die DFL eine größere Sachnähe zur Er­ stellung einer Highlight-Berichterstattung und von Live-Konferenzen auf. Deshalb ist insoweit die Liga als vorrangiger Rechteinhaber zur Zentralvermarktung berechtigt. Zudem ist zu erwarten, dass eine solche beschränkte Zentralvermarktung durch die DFL neben der hinzutretenden beschränkten

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Individualvermarktung durch die Bundesliga-Clubs insgesamt zu größeren Effizienzvorteilen als eine ausschließliche Zentralvermarktung durch die DFL führen würde. These 42: Hinsichtlich der zu erwartenden Effizienzvorteile gelten die Ausführungen zu den Thesen 37 und 38 entsprechend. e) Effizienzvorteile und -nachteile einer exklusiven Veräußerung von Übertragungsrechten auf dem Rechtemarkt sowie auf dem Übertragungsmarkt These 43: Die DFL ist als derzeit einziger Anbieter von Übertragungsrechten an der Fußball-Bundesliga für Highlight-Berichterstattungen und Live-Übertragungen grundsätzlich in der Lage, die im Markt befindlichen Erlöse und Zahlungsbereitschaften weitgehend abzuschöpfen. Die DFL muss deshalb an möglichst maximalen Erlösen der Medienanbieter auf dem nachgelagerten Übertragungsmarkt interessiert sein. Damit besitzt die DFL Anreize, in ihrem Vermarktungsmodell möglichst exklusive Produkte, d. h. auszuschreibende Rechtepakete, zu definieren.56 Auf diese Weise könnte das weitgehende Monopol der DFL vom Rechtemarkt auf den Übertragungsmarkt ausgedehnt werden.57 These 44: Das bisherige Zentralvermarktungsmodell der DFL begünstigt mit einer weitgehend exklusiven Rechtevergabe die Entwicklung unangemessener Preise, die von den Nachfragern auf dem Rechtemarkt und auf dem Übertragungsmarkt zu zahlen sind.58 These 45: Im Vergleich zur englischen Premier League Football ist das Preisniveau im Hinblick auf Übertragungsrechte an der Fußball-Bundesliga jedoch sowohl auf dem Rechtemarkt als auch auf dem Übertragungsmarkt (noch) relativ niedrig. Dabei ist zudem zu berücksichtigen, dass sämtliche an Samstagnachmittagen in der Premier League Football durchgeführte Fußballspiele aufgrund gesetzlicher Restriktionen in England nicht live mit Bewegtbildern 56  Zu den Effizienzvorteilen von Exklusivvereinbarungen vgl. auch Laier (Fn. 22), S. 333–335. 57  Monopolkommission (Fn. 4), Rn. 446. 58  Siehe auch Laier (Fn. 22), S. 311 f.



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übertragen werden dürfen, mithin das Produkt quantitativ weniger attraktiv ist als das Sky-Bundesliga-Paket zumindest bis zur Saison 2016/2017 („Alle Spiele, alle Tore!“). These 46: Eine Preisentwicklung wie auf dem englischen Rechtemarkt sowie Übertragungsmarkt (vgl. hierzu Thesen 6 und 45) ist jedoch nicht zu erwarten, wenn das in Deutschland bestehende Zentralvermarktungsmodell teilweise eingeschränkt und daneben das in These 36 beschriebene Modell der partiellen Individualvermarktung eingeführt werden sollte. Denn die Rahmenbedingungen auf dem englischen Markt sowie auf dem deutschen Markt würden sich in diesem Fall deutlich unterscheiden: – Die Endkunden auf dem englischen Markt konnten im frei empfangbaren, öffentlich-rechtlichen Fernsehen schon seit langem nicht mehr zeitnah Highlight-Berichterstattungen von Spielen der Premier League Football verfolgen. Dementsprechend hatte insoweit das Bezahlfernsehen in England deutlich günstigere Startbedingungen als in Deutschland, weil die Endkunden schon deutlich länger daran gewöhnt waren, für Live-Fußballberichterstattungen extra zu zahlen. – Während in Deutschland zunächst der Bezahlsender Premiere und später Sky die Live-Übertragungsrechte an den Fußball-Bundesligen weitgehend exklusiv und bis zur Saison 2017/2018 auch vollumfänglich erwerben konnten, existiert hinsichtlich der Live-Übertragungsrechte in der Premier League Football auf dem Rechtemarkt (vgl. These 6) schon deutlich länger Wettbewerb zwischen mindestens zwei Medienanbietern, die in den Ausschreibungsverfahren letztlich die Preise für die Live-Übertragungsrechte in die Höhe getrieben haben. These 47: Der beim bisherigen Zentralvermarktungsmodell bestehenden Gefahr der Herausbildung unangemessener Preise kann im Grundsatz in zweierlei Weise effektiv entgegengewirkt werden: – Erstens könnte der Wettbewerb auf dem Rechtemarkt z. B. durch das zuvor beschriebene Modell einer Kombination von Zentral- und teilweiser Individualvermarktung der Live-Übertragungsrechte an Spielen der FußballBundesligen belebt werden, so dass die Gefahr der Abschöpfung von Monopolrenten auf dem Rechtemarkt und nachfolgend auf dem Übertragungsmarkt reduziert würde. – Zweitens könnte die Exklusivität der auf dem Rechtemarkt und nachfolgend auf dem Übertragungsmarkt gehandelten Rechtepakete gelockert werden. Entgegen der in Deutschland bislang verbreiteten Praxis müssen

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beispielsweise Rechtepakete nicht zwangsläufig exklusiv und zugleich technologieneutral ausgeschrieben werden.59 In diesem Fall würden nicht nur Produktinnovationen gefördert,60 sondern sodann könnte es etwa hinsichtlich live übertragener Spiele zu einem wirklichen Wettbewerb zwischen unterschiedlichen Übertragungswegen kommen (z. B. Kabel- und Satellitenübertagung einerseits und Live-Stream andererseits). These 48: Bei Umsetzung des in These 36 beschriebenen Vermarktungsmodells könnten die aus der Einzelvermarktung der jeweiligen Live-Übertragungsrechte an der Fußball-Bundesliga sowie der Zentralvermarktung der übrigen Übertragungsrechte an der Fußball-Bundesliga (etwa für Live-Konferenzen und die zeitnahe Highlight-Berichterstattung) von den Rechteinhabern auf dem Rechtemarkt sowie von den Medienanbietern auf dem Übertragungsmarkt insgesamt zu erzielenden Erlöse höher ausfallen als die Erlöse nach dem bisherigen Zentralvermarktungsmodell. Hierzu könnte es insbesondere kommen, wenn die Zahl der Endkunden deutlich gesteigert werden könnte. Es ist nicht zu erwarten, dass die im Markt bereits vorhandenen Renten, d. h. Erlöse und Zahlungsbereitschaften, drastisch sinken würden. Wenn dies gleichwohl der Fall sein sollte, so könnte dies ein Indiz dafür sein, dass bislang unangemessene Monopolrenten abgeschöpft worden sind.61 f) Gesamtökonomische Auswirkungen einer Intensivierung des Wettbewerbs These 49: Der Status quo der zentralen Vermarktung der Übertragungsrechte an den Fußball-Bundesligen durch die DFL führt – wie zuvor dargelegt – auf den betroffenen Märkten zu Ineffizienzen. Zusätzliche Wettbewerbselemente könnten insbesondere – durch die beschränkte Zulassung der Individualvermarktung der LiveÜbertragungsrechte an Spielen der Fußball-Bundesligen, – durch eine weitere Entbündelung der Rechtepakete und/oder

auch Monopolkommission (Fn. 4), Rn. 464. Laier (Fn. 22), S. 313; wie hier jedoch NCAA v. Board of Regents of University of Oklahoma, 468 U.S. 85, 108 (1984) sowie im Ansatz Monopolkommission (Fn. 4), Rn. 455 f., 470 (zweiter Spiegelstrich). 61  Vgl. auch Laier (Fn. 22), S. 330–333, nach dessen Auffassung bei der Zentralvermarktung entstehende Erlöse der Höhe nach nicht schutzwürdig sind. 59  Vgl.

60  A. A.



Thesen zur Vermarktung der Medienrechte an der Fußball-Bundesliga

53

– durch eine Lockerung der Exklusivität der Rechtepakete (insbesondere hinsichtlich der Technologieneutralität) geschaffen werden. These 50: Die bei Anwendung von Art. 101 Abs. 3 AEUV im Rahmen der Effizienzerwägungen gleichfalls zu berücksichtigenden Auswirkungen auf sämtlichen nachgelagerten Märkten (These 22) sind ungewiss. Dies betrifft etwa die relevanten Märkte für den Transfer von Fußballspielern, für die Vermarktung eines Spieltags durch die Ligamitglieder (insbesondere Ticketing, Hospital­ ity) und für deren sonstige Vermarktungsaktivitäten (z. B. Sponsoring, Merchandising). Dies gilt aber etwa gleichermaßen für den Werbemarkt, auf dem die Medienanbieter tätig werden. Angesichts der Vielzahl möglicherweise betroffener, nachgelagerter Märkte und in Ermangelung einschlägiger empirischer Daten (soweit solche überhaupt effektiv ermittelt werden können) lassen sich keine gesicherten allgemeinen Aussagen zu den gesamtökonomischen Auswirkungen treffen, die aus der Einführung bestimmter Wettbewerbselemente (einzeln oder in Kombination) resultieren. These 51: Es ist nicht davon auszugehen, dass durch die Intensivierung des Wettbewerbs im Vergleich mit Ländern, in denen die Wettbewerbsregeln weniger streng auf die Zentralvermarktung der Übertragungsrechte durch eine nationale Fußballliga angewendet werden, das Risiko besteht, dass so die finanzielle Basis der inländischen Bundesliga-Clubs geschwächt wird und dies Rückwirkungen auf den Kauf von Spielern auf dem internationalen Spielermarkt und somit im internationalen sportlichen und wirtschaftlichen Wettbewerb der Bundesliga-Clubs hat.62 These 52: Gegen die Verwirklichung des in These 51 beschriebenen Risikos spricht, dass die bislang von der DFL praktizierte umfassende Zentralvermarktung und der damit verbundene, relativ beschränkte Umverteilungsmechanismus (vgl. These 13) allein auf die nationale Fußball-Bundesliga ausgerichtet sind. Demgegenüber stellen die Bundesliga-Clubs ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit insbesondere durch die zusätzlichen und im Grundsatz nicht innerhalb der Liga umzuverteilenden Erlöse aus der Teilnahme an der UEFA Champions League und der UEFA Europa League sicher (vgl. These 14 a. E.).

62  A. A.

Monopolkommission (Fn. 4), Rn. 459.

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These 53: Der in These  52 angedeutete Ansatz deutscher Bundesliga-Clubs, in den europäischen Ligawettbewerben UEFA Champions League und UEFA Europa League eine Wettbewerbsfähigkeit anzustreben, kann unter den derzeitigen Marktbedingungen zumindest in finanzieller Hinsicht nur suboptimal funktionieren. Denn die Einnahmen, die aus der zentralen nationalen Vermarktung der Übertragungsrechte erzielt werden, sind in der Premier League Football etwa doppelt so hoch wie in der Fußball-Bundesliga.63 Damit sind bereits die wirtschaftlichen Ausgangsbedingungen auf verschiedenen nationalen Märkten sehr unterschiedlich.

4. Umsetzung neuer zusätzlicher Wettbewerbselemente These 54: Da Wettbewerbselemente in der Regel die erzielbaren Erlöse des Vermarkters – bis zur Saison 2017/2018 weitgehend allein der DFL – reduzieren (vgl. These 38 dritter Spiegelstrich), wird dieser etwaige Wettbewerbselemente zumeist nicht freiwillig in sein Vermarktungsmodell integrieren.64 These 55: Soweit die Umsetzung neuer zusätzlicher Wettbewerbselemente im Hinblick auf die bisherige Praxis der Zentralvermarktung der Übertragungsrechte an den Fußball-Bundesligen durch die DFL als erforderlich angesehen werden sollte, um bestehende Wettbewerbsbeschränkungen zu rechtfertigen, kann dies im Grundsatz auf zwei Wegen geschehen: – strengere Handhabung der bisherigen Praxis der Verpflichtungszusagen65 oder – Durchführung von Freistellungsverfahren auf der Basis von Art. 101 Abs. 3 AEUV. 63  So erzielte etwa in der Saison 2015/2016 der Tabellenletzte der Premier League Football höhere Einnahmen aus der Zentralvermarktung der Medienrechte an der nationalen Liga als der deutsche Fußballmeister; vgl. Kicker.de v. 11.06.2015, http:// www.kicker.de/news/fussball/bundesliga/startseite/628833/artikel_tv-einnahmen_so gar-englands-letzter-vor-den-bayern.html (zuletzt abgerufen am 14.10.2017)! Vgl. hierzu auch Rehm, SPONSORS Heft 11/2017, S. 14 ff. Schließlich sind inzwischen mit der chinesischen Fußballliga sowie zuletzt einer Investmentgesellschaft aus Qatar Akteure in den Markt für Profifußballspieler eingetreten, die in Einzelfällen Topspieler für bislang unvorstellbare Summen sogar aus der englischen oder spanischen Liga weglocken können. 64  Monopolkommission (Fn. 4), Rn. 447. 65  Ausdrücklich gegen eine Fortsetzung dieser Praxis im Hinblick auf die Zentralvermarktung Monopolkommission (Fn. 4), Rn. 471–478.



Thesen zur Vermarktung der Medienrechte an der Fußball-Bundesliga

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Zu begrüßen ist in diesem Kontext der Vorschlag der Monopolkommission,66 dass die Europäische Kommission in Leitlinien zumindest allgemeine Grundsätze für die Definition von behördlichen Auflagen für die Durchführung von Zentralvermarktungen in der EU aufstellt, welche die nationalen Behörden bei ihren Entscheidungen zugrunde legen. Denn auf diese Weise könnte zumindest europaweit ein Gleichgewicht hinsichtlich der kartellrechtlichen Bewertung der komplexen Ausgangsproblematik geschaffen werden.

III. Fazit Auf der Basis der vorangehenden 55 Thesen wird ein Modell, bestehend aus einer partiellen Einzelvermarktung der Übertragungsrechte an der Fußball-Bundesliga durch die Bundesliga-Clubs sowie einer im Übrigen zentralen Vermarktung durch die DFL, entworfen, das viele Optionsmöglichkeiten aufzeigt und sich aus Effizienzgesichtspunkten als kartellrechtskonform i. S. d. Art. 101 Abs. 3 AEUV herausstellen könnte. Der Grundgedanke des hier vorgestellten Modells kann mit den Erfahrungen der Befriedigung eines anderen Grundbedürfnisses – an die Stelle des Fernsehkonsums von Fußballspielen tritt der Appetit auf Speisen – verglichen werden: Wer ein Restaurant besucht und die Angebote der Speisekarte studiert, wird sodann regelmäßig à la carte bestellen (oder nur in seltenen Fällen umgehend das Restaurant wieder verlassen). Der eine Kunde bevorzugt seine Leibspeise (Übertragung eines Bundesliga-Spiels seines Lieblings­ clubs) mitunter in seinem Lieblingslokal (vielleicht sogar eines u. a. auf ­diesen Bundesliga-Club spezialisierten Senders mit einem gar nicht erst um Neutralität bemühten Kommentator), vielleicht ergänzt um eine Vor-, Zwischen- und/oder Nachspeise (Vorberichterstattung, Halbzeitanalyse des Spiels, Nachberichterstattung). Der andere Kunde möchte sich aufgrund großen Hungers später noch eine weitere Hauptspeise gönnen (Übertragung noch eines weiteren Bundesliga-Spiels) oder er bevorzugt einen gemischten Teller (Live-Konferenz), wobei die Wahl des Restaurants (Medienanbieters) zweitrangig ist. In jedem Fall wird niemand für sich persönlich (nahezu) das gesamte Angebot einer Speisekarte ordern. In Abhängigkeit von persönlichen Vorlieben, Grundeinstellungen und nicht zuletzt auch den finanziellen Kapazitäten zieht ein Dritter aufgewärmte Dosenspeisen (nachträgliche HighlightBerichterstattung) vor, wiederum bei Bedarf ergänzt um vorgefertigte Vorund Nachspeisen (Vor- und Nachberichte). Es liegt in der Natur der Sache, dass jedes Speisenangebot seinen jeweiligen Preis hat, dass also ein am Tisch zubereitetes Chateaubriand (Live-Übertragung des Spiels eines Bundesliga66  Monopolkommission

(Fn. 4), Rn. 498.

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Top-Clubs) üblicherweise teurer ist als etwa eine Kalbsleber (Live-Übertragung des Spiels eines Bundesliga-Abstiegskandidaten). Anders als in zahlreichen Stellungnahmen des wissenschaftlichen Schrifttums wird hier keine abschließende kartellrechtliche Bewertung vorgenommen, weil sich die Thesen als – wenngleich in unterschiedlichem Ausmaß – noch zu beweisende Tatsachen- und Rechtsbehauptungen darstellen. In verschiedenen Zusammenhängen – genannt seien insbesondere die Thesen 5, 12, 16, 31, 50 – mangelt es bislang an erforderlichen und belastbaren empirischen Erkenntnissen. Jedoch werden – ergebnisoffen – zahlreiche Ansätze herausgearbeitet, wie die erforderliche Anpassung der bisherigen Vermarktungspraxis an den dynamischen Wandel der technischen Übertragungsmöglichkeiten, Sehgewohnheiten und Zuschauerinteressen durch Intensivierung des Wett­ bewerbs auf dem Rechtemarkt (Rechteinhaber-Medienanbieter) und auf dem Übertragungsmarkt (Medienanbieter-Endkonsumenten) eingeleitet werden könnte. Naturgemäß wird sich beim Studium der 55 Thesen jeder, der an den Aktivitäten auf dem Rechte- und/oder Übertragungsmarkt, aber auch auf benachbarten, mittelbar betroffenen Märkten beteiligt ist (z. B. Sponsoren der Bundesliga-Clubs), insgeheim fragen, welche kurzfristigen Vor- und Nachteile sich aus den hier skizzierten Vorschlägen für ihn persönlich ergeben. Aus kartellrechtlicher Perspektive sollten jedoch die damit verbundenen, langfristig zu erwartenden gesamtökonomischen Effizienzen für alle Beteiligten auf dem Rechte- und Übertragungsmarkt sowie auf den benachbarten Märkten im Vordergrund stehen.

Die Zukunft des Ein-Platz-Prinzips im Lichte der jüngeren kartellbehördlichen Entscheidungen Von Jacob Kornbeck I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 1. Definition und Eingrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 2. Forschung und Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 II. Vergangenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ein-Platz-Prinzip: Geschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Entwicklung der Rechtsprechung: national sowie europäisch . . . . . . . . . . 3. Problemformulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

62 62 63 68

III. Zeitgeschichte und Gegenwart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kartellbehördliche Entscheidungsfindung: national . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kartellbehördliche Entscheidungsfindung: europäisch; der ISU-Fall . . . . 3. Beispiele gesetzlicher Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

69 69 71 74

IV. Zukunft? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Spezifizität und Solidarität: neue Rechtsfertigungsgründe dringend benötigt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zukunftsszenarien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Forschungsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

77 77 79 83

I. Einleitung 1. Definition und Eingrenzung Der vorliegende Beitrag thematisiert das sogenannte „Ein-Platz-Prinzip“, das vor dem Hintergrund kartellbehördlicher Entscheidungen aus den letzten Jahren1 allmählich in Frage gestellt wird,2 und fragt nach dessen Zukunfts­ *  Die überarbeitete Fassung des Referats hat den Stand 18.12.2018. Im vorliegenden Beitrag kommen ausschließlich eigene Meinungen des Verfassers und keine offiziellen Positionen der Europäischen Kommission bzw. der Europäischen Union zum Ausdruck. 1  S. u., III.1–III.2. 2  Becher/Burbach, Exklusivitätsklauseln im Radsport, SpuRt 6/2018, S. 234–238. Bosman, Game over for the real bullies in sport. Is it fair for an International Sports

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fähigkeit. Mit einer noch immer vertretbaren Umschreibung des BGH aus dem Jahr 1974 geht es darum, „[d]aß für jedes Fachgebiet nur ein Spitzenverband aufgenommen werden kann (sog. ‚Ein-Platz-Prinzip‘)“3. Durch den pyramidalen Aufbau des weltweiten Sports sind internationale und nationale Sport(fach)verbände zu Monopolisten4 (bzw. Monopsonisten5) geworden. Indem das „Ein-Platz-Prinzip“ jedem Verband territoriale Exklusivität einräumt, um den jeweiligen Sport im eigenen Einzugsgebiet zu regulieren, versetzt es internationale und nationale Sport(fach)verbände in die Lage, ihren jeweiligen Sport durch umfassende, fast unangefochtene private Regulierung, weitgehend ohne staatliche Aufsicht und Einmischung zu gestalten. Diese regulierende Rolle greift in Grundrechte und wirtschaftliche Rechte von Athleten und anderen Organisationen und Betrieben ein: quasi-hoheit­ liche Befugnisse6, für die in vielen Staaten7 jedoch keine vom Staat deleFederation to impose a life-ban sanction on athletes in order to accomplish its aims and administer the sport: can the ISU objectively justify this infinite sanction? Master’s thesis, Tilburg University, 2015. Fischer, Die Rolle des Ein-Platz-Prinzips in der Autonomie der Sportfachverbände, Berlin et al. 2018. Heermann, Wettbewerb zwischen Sportverbänden und kommerziellen, privaten Sportveranstaltern. WuW, 68:5 (2018), 241–247. Heermann, Genehmigungs- und Teilnahmebestimmungen (inter)nationaler Sportfachverbände im Lichte der ISU-Entscheidung der Europäischen Kommission. WuW 68:11 (2018), 550–556. Kornbeck, Der ISU-Fall der Europäischen Kommission (Az. 40208 International Skating Union’s Eligibility rules) und die Zukunft des Ein-Platz-Prinzips. Linz 2008 (JKU Europe Working Paper Nr. 8). Kornbeck, Specificity, Monopoly and Solidarity in the European Commission’s ISU (International Skating Union) decision. J Eur Compet Law & Practice 10:2 (2019), 71–79. Van Rompuy, The role of EU competition law in tackling abuse of regulatory power by sports associations. Maast J Eur Comp Law 22:2 (2015), 179–208. Verdonk, Rivalry among sports associations: the compatibility of sports associations’ exclus­ ivity clauses with EU competition law. Eur Compet Law Rev, 38:2 (2017), 80–88. Szyszczak, Competition and Sport: No Longer So Special? J Eur Compet Law & Practice 3:1 (2018), pp. 188–196. 3  BGH, Urt. v. 02.12.1974, Az.: II ZR 78/72= BGHZ 63, 282 ff., „Deutscher Sportbund“, Rdnr. 22. 4  Szysczak, Application of EU competition rules to sport, in: Anderson/Parrish/ García García, Research Handbook on EU Sports Law and Policy, Cheltenham 2018, 261–283, S. 260. 5  Vgl. Kornbeck, Der ISU-Fall (Fn. 2), S. 42–43: „Begriffe wie ‚Angebotsmonopol‘ bzw. ‚Nachfragemonopol‘ sind deshalb wenig hilfreich, da ‚Monopol‘ – von griechisch: μόνος (alleine) + πωλεῖν (verkaufen)  – ‚Alleinverkäufer‘ bedeutet und ‚Nachfragemonopol‘ somit ‚Nachfragealleinverkäufer‘, was nicht nur semantisch sinnlos ist, sondern im vorliegenden Fall deshalb entschieden nicht zutrifft, da die betreffende Beschränkung eine der Nachfrage, nicht des Angebots ist. Stattdessen sollte hier der Begriff ‚Monopson‘  – von griechisch: μόνος (alleine) + ὀψωνία (Kauf) – zur Anwendung kommen.“ 6  GEI, Urt. v. 26. Januar 2005. Laurent Piau gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften. Rs. T-193/02. Slg. 2005 II-00209. ECLI:EU:T:2005:22, Rdnr. 78: „Eine solche die Grundfreiheiten berührende Reglementierung einer wirtschaftlichen



Die Zukunft des Ein-Platz-Prinzips

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gierte Zuständigkeit vorliegt.8 Dabei sind freilich dieselben Verbände regelmäßig selber auf jenem Gebiet, das sie regulieren, unternehmerisch tätig, so dass kartellrechtliche Bedenken unvermeidbar sind. Ziel dieses Beitrags ist es nachzuweisen, wie es zur aktuellen Konstellation kommen konnte, Entwicklungen aus den letzten Jahren zusammenzufassen und aufgrund dieser Bestandsaufnahme über mögliche Zukunftsszenarien Vermutungen anzustellen. Bei einem vorsichtigen Versuch, in eine mögliche Zukunft des im Sport weit verbreiteten so genannten „Ein-Platz-Prinzips“ zu schauen, ist auf dessen Wesensgehalt abzustellen, so wie dieser sich sport- sowie rechtshistorisch entwickelt hat. Denn während sich das Prinzip seit einem Jahrhundert weltweit de facto durchgesetzt hat, ist dessen Anerkennung de jure bei weitem nicht immer und überall erkennbar. Vielmehr kann eine entsprechende Bestandsaufnahme den Eindruck erwecken, als ob viele Arrangements realiter respektiert werden, ohne dass die zuständigen Akteure bereit wären, um es mit dem viktorianischen Verfassungstheoretiker Bagehot zu sagen, dort wo es Magie gibt, Tageslicht hineinzulassen.9 Und in der Tat hat sich das „EinPlatz-Prinzip“ mit erstaunlicher Beständigkeit durchgesetzt, so dass die Frage durchaus berechtigt erscheint, ob es nicht reichlich „akademisch“ sei, über dessen Ab- bzw. Untergang Mutmaßungen anzustellen. Da jedoch anhand der jüngeren kartellbehördlichen Entscheidungen Tendenzen erkennbar sind, die zumindest eine Schwächung des bislang in den meisten Sportarten weitgehend unangefochtenen Prinzips plausibel erscheinen lassen, gilt es zunächst Tätigkeit fällt grundsätzlich in die Zuständigkeit der Träger hoheitlicher Gewalt. Trotzdem kann im vorliegenden Fall die Rechtsetzungsbefugnis, die angesichts des fast völligen Fehlens nationaler Regelungen von der FIFA ausgeübt wird, nur insoweit nachgeprüft werden, als sie die Wettbewerbsregeln, nach denen die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung zu beurteilen ist, berührt, ohne dass die Erwägungen darüber, auf welcher Rechtsgrundlage die FIFA eine rechtsetzende Tätigkeit ausüben kann, hier Gegenstand einer gerichtlichen Nachprüfung sein können, so beachtlich sie auch sein mögen.“ 7  Siehe jedoch die Ausnahmen (gesetzlichen Regelungen) Frankreichs und Spa­ niens: s. u., III.3. 8  GEI, Urt. v. 26. Januar 2005. Piau (Fn. 6), Rdnr. 77: „Es kann nämlich nicht von vornherein davon ausgegangen werden, dass die Regelung einer wirtschaftlichen Tätigkeit, die weder den spezifischen Charakter des Sports noch die Organisationsfreiheit der Sportverbände betrifft, durch eine privatrechtliche Einrichtung wie die FIFA, der hierzu keinerlei hoheitliche Befugnisse übertragen worden sind, grundsätzlich mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist, besonders soweit es um die gebotene Beachtung der bürgerlichen und wirtschaftlichen Freiheiten geht.“ 9  Bagehot, The English Constitution. Second Edition. London 1873, S. 67: „Its mystery is its life. We must not let in daylight upon magic. We must not bring the Queen into the combat of politics, or she will cease to be reverenced by all combatants.“

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den bisherigen Wesensgehalt des „Ein-Platz-Prinzips“ zu bestimmen – zunächst anhand des wissenschaftlichen Schrifttums.

2. Forschung und Schrifttum Dass es zum Thema dieses Beitrags einen kleinen Fundus an Forschungsliteratur10 gibt, bedeutet nicht, dass der Begriff „Ein-Platz-Prinzip“ in der Literatur allgemein gut vertreten wäre. Im deutschsprachigen Schrifttum hat er im begrenzten Umfang zwar Eingang gefunden, aber auch nur. In Kommentaren und Handbüchern ist es kaum zu finden; weder in allgemeinen, noch in juristischen Nachschlagewerken.11 Im Jargon des Vereinsrechts scheint der Begriff nicht vorzufinden; gebräuchlich ist er eigentlich nur in spezialisierten Darstellungen zum Sportrecht.12 Einen festen terminus technicus scheint es übrigens (wie so oft) nur auf Deutsch zu geben, obwohl einzelne anglofone13 bzw. frankofone14 Autoren sich durchaus um brauchbare Ad-hoc-Formulierungen bemüht haben. Auf die Umschreibung des BGH aus dem Jahr 197415 wurde bereits hingewiesen. Der Charakterisierung als „sogenannt“ scheint entnehmen zu sein, dass ein damals bereits eingebürgerter Sprachgebrauch gerichtsbekannt gewesen sein muss; ferner ist das Prinzip „auch in den Satzungen der Landessportbünde verankert. Dies hat zur Folge, dass die meisten Sportverbände – national wie international – eine räumlichfachliche Monopolstellung“ innehaben, wobei manchmal zugleich „die wenigen außenstehenden Verbände von der Verteilung staatlicher Sportförderungsmittel ausgenommen werden“16. Dabei wäre das „Ein-Platz-Prinzip“ ohne die pyramidale Struktur des europäischen und weltweiten (olympischen) Sports (nicht aber des nordamerikanischen Ligasports17) undenkbar, zu der 10  Bosman, Game over (Fn. 2). Fischer, Die Rolle (Fn. 2). Heermann, Wettbewerb (Fn. 2). Heermann, Genehmigungs- und Teilnahmebestimmungen (Fn. 2). Kornbeck, Der ISU-Fall (Fn. 2). Kornbeck, Specificity (Fn. 2). Van Rompuy, The role (Fn. 2). Verdonk, Rivalry (Fn. 2). Szyszczak, Competition and Sport (Fn. 2). 8). 11  Fischer, Die Rolle (Fn. 2), S. 141. 12  Ebda., S. 141. 13  Z. B. Pijetlovic, EU Sports Law and Breakaway Leagues in Football. Den Haag 2015, S. 37. 14  Berthaud, Le droit de la concurrence appliqué au secteur sportif, LEGICOM 2000/3 (N° 23), S. 47–60. 15  BGH Urt. v. 02.12.1974, Az.: II ZR 78/72 = BGHZ 63, 282 ff. = „Deutscher Sportbund“, Rdnr. 22. 16  Vieweg, Zur Einführung: Sport und Recht, JuS 1983, 825–830, zit.n. Vieweg, Von „Sport und Recht“ zu „Faszination Sportrecht“: Ausgewählte Schriften. Hrsg. Steiner/Walker, Berlin 2016, S. 11–24 (14). 17  Halgreen, European Sports Law. A Comparative Analysis of the European and American Models of Sport. Kopenhagen 2004, S. 65–80.



Die Zukunft des Ein-Platz-Prinzips

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sich die Verbände auch durchaus bekennen18. Doch nicht genug damit, dass „auf jeder Ebene geographischer und fachlicher Art die sportlichen Interessen nur von einem Verband zentral wahrgenommen werden. Die fachliche Komponente dieses Prinzips bedeutet, dass für jede Sportart nur ein Verband ausschließlich zuständig ist, während die geographische Komponente die Existenz nur eines Fachverbandes für ein abgegrenztes Territorium beinhaltet“, so Hannamann19. Das wiederum muss unvermeidlich wettbewerbs­ politische und kartellrechtliche Konsequenzen habe, wie Grätz erkannt hat: „Diese Dachverbandspyramiden existieren neben den Verbandspyramiden der Fachsportverbände. Diese Koexistenz auf allen Ebenen, sei es weltweit oder regional, verstärkt die bestehende pyramidale Struktur der Fachsport­ verbände“.20 Dabei können Verbände auf verschiedenen geographischen Ebenen sowohl regulierend als auch unternehmerisch tätig sein.21 Diese und andere Problemstellungen wurden in Forschung und Schrifttum bereits erkannt. Der einprägsame Begriff des BGH ist seit 1983 literarisch belegt,22 während dessen historische Wurzeln in der frühen olympischen Bewegung23 ebenso wie im deutschen Nationalsozialismus24 dokumentiert sind. Kartellrechtliche Implikationen wurden seit ca. 20 Jahren von einem kleinen Kreis von Autoren25 aufgegriffen, wobei dennoch fraglich erscheint, 18  Vgl. Darstellung im DFB-Internetauftritt, http://www.dfb.de/verbandsstruktur/ landes-regionalverbaende/, Zugriff 7. Juli 2017: „Aufbau und Struktur des Deutschen Fußball-Bundes gleichen einer Pyramide. An deren Spitze steht die DFB-Zentralverwaltung in Frankfurt am Main, der als nächste Stufe die fünf Regionalverbände Nord, West, Süd, Südwest und Nordost folgen. Die Regionalverbände setzen sich aus 21 Landesverbänden zusammen, die ihrerseits in Bezirke beziehungsweise Kreise gegliedert sind, denen wiederum die Vereine mit ihren Mitgliedern angeschlossen sind. Für den DFB und seine Regional- und Landesverbände gilt es, Woche für Woche knapp 165.000 Mannschaften in mehr als 25.000 Vereinen im wahrsten Sinne des Wortes ins Spiel zu bringen.“ 19  Hannamann, Kartellverbot und Verhaltenskoordinationen im Sport, Berlin 2001, S. 54. 20  Grätz, Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung durch Sportverbände, Tübingen 2009, S. 19. 21  Pijetlovic, EU Sports Law and Breakaway Leagues in Football. Den Haag/Heidelberg (2015), S. 37. 22  Vieweg, Zur Einführung (Fn. 15). 23  Fischer, Die Rolle (Fn. 2), S. 152, 155. 24  Vieweg, Gleichschaltung und Führerprinzip. Zum rechtlichen Instrumentarium der Organisation des Sports im Dritten Reich, in Salje, Recht und Unrecht im Nationalsozialismus, Münster 1985, S. 244–271; zit.n. Vieweg, Von „Sport und Recht“ (Fn. 16), S. 41–68. 25  Insbes. Gießelmann-Goetze, Das Ein-Platz-Prinzip, in Will, Sport und Recht in Europa. Saarbrücken 1987 (Vorträge, Reden und Berichte aus dem Europa-Institut; 116), S. 15–26. Grätz, Missbrauch (Fn. 20), S. 18–19. Hannamann, Kartellverbot

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ob die entsprechenden Erkenntnisse auch die relevanten sportpolitischen Gremien erreicht hatten, ehe die Kartellbehörden in den letzten Jahren anfingen, sich damit zu befassen. Um aber Wesen und Wirkung des heutigen „Ein-Platz-Prinzips“ besser einzuschätzen, bedarf es einer Bestandsaufnahme zu seiner Entstehungsgeschichte.

II. Vergangenheit 1. Ein-Platz-Prinzip: Geschichte Bereits früh erwarteten internationale Sport(fach)verbände von ihren na­ tionalen Mitgliedern den Nachweis territorialer Exklusivität. Von der FIFA bereits 1904 als Übereinkunft zwischen den sechs Gründungsverbänden eingeführt,26 wurde es bereits im selben Jahr angewandt; auf den DFB wurde Druck ausgeübt, um Vereine auszuschließen, die außerhalb des damaligen Reichsgebiets aktiv waren.27 Vier Jahre später unterstützte die FIFA ihre englischen, belgischen und US-amerikanischen Mitgliedsverbände gegen Vereine, „die darauf zielten, einen weiteren nationalen Fußballverband […] zu gründen“28. Das IOC indes scheint vor 1914 das „Ein-Platz-Prinzip“ nicht offenkundig aufgestellt zu haben; vielmehr scheint das Prinzip seinen „Hintergrund in dem ‚Einheitssportsgedanken‘ Pierre de Coubertins“29 und in der von ihm angestrebten „einheitlichen ‚Sport-Geographie‘ “30 zu haben. Später wurde das „Ein-Platz-Prinzip“ in den 1930er Jahren in Deutschland unter dem Einfluss von Gleichschaltung und Führerprinzip gefördert, formalisiert und konsolidiert. Dass das Prinzip gerade vom Faschismus beflügelt worden war, hätte es wahrscheinlich erscheinen lassen, dass dessen Abschaffung nach Kriegsende verlangt und durchgesetzt worden wäre. Doch es ging anders: Das „Ein-Platz-Prinzip“ ist ganz einfach geblieben. „Die Wirkungen der Gleichschaltung haben die Zeit des Dritten Reiches überdauert. Unser heutiges monopolartig strukturiertes Sportverbandswesen hat hier seine Wurzeln“, so Vieweg31. Zwar ist zu betonen, dass das Prinzip in anderen Ländern (Fn. 19), S. 54, 238. Pijetlovic, Breakaway Leagues (Fn. 21). Bosman, Game over (Fn. 2). Fischer, Die Rolle (Fn. 2). Heermann, Wettbewerb (Fn. 2). Heermann, Genehmigungs- und Teilnahmebestimmungen (Fn. 2). Kornbeck, Der ISU-Fall (Fn. 2). Kornbeck, Specificity (Fn. 2). Van Rompuy, The role (Fn. 2). Verdonk, Rivalry (Fn. 2). Szyszczak, Competition and Sport (Fn. 2). 26  Fischer, Die Rolle (Fn. 2), S. 143. 27  Ebda., S. 144. 28  Ebda., S. 144. 29  Ebda., S. 152. 30  Ebda., S. 155. 31  Vieweg, Gleichschaltung (Fn. 24), S. 42.



Die Zukunft des Ein-Platz-Prinzips

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Bestand haben kann, ohne dass es dort die gleiche Geschichte haben muss32. Gleichwohl ist daran festzuhalten, dass die Entnazifizierung dahingehend keinen Kontinuitätsbruch bewirkt zu haben scheint. „An den Monopolisierungsprozeß und die Vereinheitlichung des Satzungs- und Ordnungsrechts im Dritten Reich knüpfte der Wiederaufbau des Sportverbandswesens nach 1945 an“33. Mittlerweile scheint das „Ein-Platz-Prinzip“ sich europa- und weltweit etabliert zu haben, quasi ohne in Frage gestellt zu werden; freilich würde eine wichtige Forschungsaufgabe darin bestehen, zu untersuchen, in wie vielen Ländern das Prinzip anerkannt ist, und wie. Nach hiesigem Kenntnisstand ist es von einigen europäischen Staaten mittels gesetzlicher Regelung anerkannt34; von Interesse wäre dabei nachzuweisen, ob diese Anerkennung heute genauso effektiv ist wie vor ein paar Jahrzehnten. Bekannt ist auch, dass eine Minderheit von Sportarten ohne „Ein-Platz-Prinzip“ organisiert sind (z. B. Boxen), während der nordamerikanische Ligasport einem gänzlich anderen Modell entspricht. Bekannt ist, dass das Prinzip in zahlreichen Regelwerken internationaler Sportfachverbände festgeschrieben und dort mit teilweise weitreichenden und harten Sanktionen verbunden ist.35 Die neueste Geschichte des „Ein-Platz-Prinzips“ zeigt dabei ein weniger eindeutiges Bild, als man aufgrund der obigen Zusammenfassung zu dessen älterer Geschichte hätte vermuten können. Jene Zweifel an der Vereinbarkeit zwischen Praxis und Recht, die sich in den Entscheidungen der Kartellbehörden aus den letzten Jahren vermehrt zeigen,36 sind tatsächlich in der Entwicklung der Rechtsprechung, sowohl national als auch europäisch, früh erkennbar.

2. Entwicklung der Rechtsprechung: national sowie europäisch Den Eingang in die deutsche Sprache und Rechtsprechung fand das „EinPlatz-Prinzip“ wie bereits erwähnt durch ein BGH-Urteil aus dem Jahr 1974: „Lehnt ein Monopolverband die Aufnahme eines Mitgliedschaftsbewerbers unter Berufung auf eine satzungsmäßige Aufnahmebeschränkung ab, deren Zweck an sich sachlich berechtigt ist, so kann die Aufnahmebeschränkung gleichwohl unwirksam sein, wenn jener vom Monopolverband verfolgte Zweck auch durch eine andere, ‚mildere‘ Satzungsgestaltung erreicht werden 32  Siehe

Ausführungen zu Frankreich: s. u., III.3. Gleichschaltung (Fn. 24), S. 67. 34  Siehe Ausführungen zu Frankreich: s. u., III.3. 35  Van Rompuy (Fn. 2). 36  S. u., III.1–III.2. 33  Vieweg,

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kann, die die Mitgliedschaft des Bewerbers ermöglichen würde“37. Die Verpflichtung zum „milderen Mittel“ bietet eine hilfreiche Doktrin an, bei deren Beachtung manche Fehlentwicklungen der letzten Jahrzehnte hätten vermieden werden können. Denn selbst wenn die monopolitische Struktur der Verbände besteht, und selbst wenn im Regelfall das „Ein-Platz-Prinzip“ Anwendung findet, so hält nichts die Verbände davon ab, es sanft anzuwenden. Doch dazu waren die Verbände anscheinend bislang nicht willens, wobei die voranschreitende Kommerzialisierung der meisten Sportarten das kartellrechtliche Konfliktpotential nur erhöht hat. Während nationale Behörden den Verbänden gegenüber oft erstaunlich viel Freiraum gelassen haben (wie bei der Besteuerung ihrer Einnahmen ebenfalls),38 so sollte das europäische Kartellrecht – in seiner Anwendung nicht nur durch die Europäische Kommission, sondern ebenfalls durch die Kartellbehörden der Mitgliedstaaten39 – allmählich einen Konsens in Erscheinung treten lassen, der keine wesentliche Sonderbehandlung mehr zulässt. Geholfen hat dabei die (insbesondere europäische) Rechtsprechung. Wurde das berühmte Bosman-Urteil des EuGH im Jahr 1995 letztendlich aufgrund der Normen des Freizügigkeitsrechts entschieden (was mehr als ausreichend war, um am alten Fußball-Transfersystem zu rütteln), so erkannte in diesem Rechtsstreit GA Lenz40 erstmalig an, dass das europäische Kartellrecht ebenfalls auf den Fall Anwendung finden könne, was um diese Zeit ebenfalls im deutschen Schrifttum zum Ausdruck gebracht worden war41 und weiterhin artikuliert wurde.42 Neun Jahre später, im Jahr 2006, sollte ein sportbezogener Rechtsstreit erstmalig aufgrund dieser Normen entschieden werden. Dass der Fall Meca Medina (ein Streit um Grenzwerte in Anti-Doping-Verfahren) zunächst wenig mit Wettbewerbspolitik zu tun hatte, während das (damalige) Gericht Erster Instanz (GEI) (heute: das Gericht) (EuG) bei der Einschätzung sportlicher Regelungen zu einem Ergebnis kam,

37  BGH, Urt. v. 02.12.1974 Az. II ZR 78/72 = BGHZ 63, 282 ff., „Deutscher Sportbund“. 38  Knerr, Privilegien für Ausrichter internationaler Sportveranstaltungen. Dargestellt am Beispiel der Körperschaftsteuerbefreiung der FIFA anlässlich der FußballWeltmeisterschaft 2006 in Deutschland, in Vieweg, Impulse des Sportrechts, Berlin 2015, S. 91–103. 39  S.u., III.1-III.2. 40  EuGH, Bosman, Rs. C-415/93, GA, Carl Otto Lenz, 20.09.1995, Rdnr. 126, 255, 263, 266, 273, 286. 41  Hausmann, Der Deutsche Fußball Bund als Kartell für „Fernsehrechte“? BB 49:16 (1994), 1083–1095. 42  Deselaers, Sportverbände und Europäisches Kartellrecht. WuW 48:10 (1998), 947–954.



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das anschließend vom EuGH völlig über Bord geworfen wurde,43 ändert nichts daran, dass der Fall mit großer Klarheit kartellrechtlich gelöst wurde. Der damals geprägte „Drei-Stufen-Test“ (Erforderlichkeit, Verhältnismäßigkeit, Inhärenz)44 gehört mittlerweile zum Mainstream, und entsprechend kurz war der Weg hin zu einem „echten“ Kartellrechtsfall, den es mit dem MOTOE-Urteil45 aus dem Jahr 2008 auch bald gab. Wenn Verbände gleichzeitig regulierend und unternehmerisch auftreten, liegen potentielle Interessenkonflikte vor, so GA Kokott in ihren richtungsweisenden Schlussanträgen46. Diese Einsicht dürfte so schockierend gar nicht sein, entspricht sie doch den allgemeinen Grundsätzen des Kartellrechts; den Verbänden freilich wollte bislang kaum einleuchten, dass sie ihre regulatorischen von ihren unternehmerischen Aktivitäten trennen sollten. Gerne verwiesen und verweisen sie darauf, wie verbreitet das „Ein-Platz-Prinzip“ sei. Doch ebenso wenig wie das Vorhandensein einer neuen Technologie erlaubt, die Regeln zu deren Anwendung zu bestimmen,47 kann das Vorhandensein einer privaten Regelung, bzw. einer rein faktischen Sozialpraxis das geltende Recht aufheben. Um es mit dem LG München I (in einem Urteil aus dem Jahr 2018) zu sagen: „Allein der Umstand, dass das Ein-Platz-Prinzip im Weltsport verbreitet Anwendung findet, begründet kein berechtigtes Interesse des Beklagten an dessen Aufrechterhaltung.“48 Zu leicht können Juristen ebenso wie Laien „geneigt [sein], vom tatsächlichen Sein auf das rechtliche Sollen zu schließen“49.

43  Kornbeck, „Le geste sportif“: ein alternatives Unterscheidungsmerkmal zu den „besonderen Merkmalen“ des Sports nach Artikel 165 AEUV?, EuZW 28:15 (2017), S. 603–606. 44  EuGH, 18. Juli 2006. David Meca-Medina und Igor Majcen ./. Kommission der Europäischen Gemeinschaften. Rs. C-519/04 P. Slg. 2006 I-06991. ECLI:EU:C: 2006:492, Rdnr. 42. 45  EuGH, Urt. v. 1.  Juli 2008. Motosykletistiki Omospondia Ellados NPID (­MOTOE) ./. Elliniko Dimosio. Rs. C-49/07. Slg. 2008 I-04863. U: ECLI:EU:C:2008: 376. S: ECLI:EU:C:2008:142. 46  EuGH, Rs. C-49/07. Schlussanträge GA Kokott v. 6.  März 2008. ECLI:EU:C: 2008:142. 47  EDPS Opinion 4/2015. Towards a new digitial ethics, https://edps.europa.eu/ sites/edp/files/publication/15-09-11_data_ethics_en.pdf, S. 4: „Technology should not dictate values and rights, but neither should their relationship be reduced to a false dichotomy.“ 48  LG München I, Urt. v. 25.4.2018, Az. 37 O 7111/17 (SpuRt 4/2018, 165). 49  Fischer, Die Rolle (Fn. 2), S. 152.

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Umso wichtiger waren (und sind) die Schlussanträge von GA Kokott50 in Sachen MOTOE51. In diesem Rechtsstreit bemängelte ein alternativer Veranstalter von Motorsportrennen, MOTOE, dass der griechische Staat dem offiziellen, vom Internationalen Motorradverband FIM (Fédération Internationale de Motocyclisme) im Rahmen des „Ein-Platz-Prinzips“ anerkannten nationalen Motorsportverband, ELPA, ein Anhörungsrecht bei der Genehmigung von Rennen auf offenen Straßen eingeräumt hatte. Die Verkehrssicherheitsbehörden hatten ihre Genehmigung vom Votum eines Sportverbandes abhängig gemacht, wobei keinerlei Verfahrensregeln vorhanden waren, die ein objektives, auf Grundsätzen der Verkehrssicherheit beruhendes Votum hätten sicherstellen können. GA Kokott erkannte zutreffend, dass hinter der nationalen hellenischen Struktur die weiteren Strukturen des internationalen Sports am Werk waren.52 Nichts würde die ELPA daran hindern, ihr Votum missbräuchlich einzusetzen, um eigene wirtschaftliche Interessen zu schützen: „Eine Rechtslage wie die griechische lädt zum Missbrauch ein“.53 Wie im Kartellrecht üblich (wo eine Absicht und/oder eine Auswirkung ausreichen, um einen Missbrauch festzustellen), klärte GA Kokott darüber auf, dass „[u]nabhängig vom tatsächlichen Vorliegen eines Missbrauchs“ die „Gefahr des Missbrauchs der marktbeherrschenden Stellung von ELPA im Zusammenhang mit der Ausübung seines Mitentscheidungsrechts gemäß Art. 49 des griechischen Straßenverkehrsgesetzes“ vorliege und durch „eine staatliche Maßnahme die Gefahr eines Missbrauchs geschaffen“ werde.54 Diese Gefährdung sei einerseits auf einen strukturellen, vorprogrammierten Interes50  EuGH, Rs. C-49/07. Schlussanträge GA Kokott v. 6. März 2008. ECLI:EU:C: 2008:142. 51  Rs. C-49/07. Urt. v. 1. Juli 2008. Motosykletistiki Omospondia Ellados NPID (MOTOE) gegen Elliniko Dimosio. Ersuchen um Vorabentscheidung: Dioikitiko Efeteio Athinon – Griechenland. Slg. 2008 I-04863. 52  EuGH, Rs. C-49/07. Schlussanträge GA Kokott v. 6.  März 2008. ECLI:EU: C:2008:142, Rdnr. 96. Die Pyramidenstruktur, die sich in den meisten Sportarten herausgebildet hat, hilft sicherzustellen, dass die besonderen Anforderungen des Sports, wie etwa einheitliche Regeln und ein einheitlicher Zeitplan für Wettkämpfe, berücksichtigt werden. Eine Einrichtung wie ELPA, die in Griechenland der offizielle Vertreter des Internationalen Motorradverbands FIM ist, ist Teil dieser Pyramidenstruktur. Im Rahmen des ihr eingeräumten Mitentscheidungsrechts bei der behörd­ lichen Genehmigung von Motorradrennen kann sie die Belange des Sports in legitimer Weise zur Geltung bringen und nötigenfalls ihr Einverständnis verweigern. Missbräuchlich wird eine Verweigerung des Einverständnisses jedoch dann, wenn sie keine objektive Rechtfertigung in den Belangen des Sports findet, sondern willkürlich zur Förderung der eigenen wirtschaftlichen Interessen eingesetzt wird, zum Nachteil anderer Anbieter, die Motorradrennen auf eigene Verantwortung organisieren und vor allem vermarkten möchten.“ (Hervorhebung: J. K.). 53  Ebda., Zwischenüberschrift b) vor Rdnr. 97. 54  Ebda., Rdnr. 97.



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senkonflikt55 und anderseits auf die Abwesenheit von Verfahrensregeln, die einem Missbrauch hätten zuvorkommen können,56 zurückzuführen. Jene Chancengleichheit, die für den nach dem Vertrag garantierten unverfälschten Wettbewerb unverzichtbar ist, sei mit der doppelten, regulierenden sowie unternehmerischen Rolle der ELPA unvereinbar.57 Somit hatte GA Kokott in nur vier Abschnitten die Rolle des „Ein-Platz-Prinzips“ im pyramidalen Gefüge des internationalen Sports identifiziert und gleichzeitig die wettbewerbspolitisch sowie kartellrechtlich relevanten, mit ihnen verbundenen Gefahren benannt. Seitdem sollte eine Reihe von Verfahren der nationalen Kartellbehörden diese Einsichten verfestigen.58 Eines dieser Verfahren wurde von einem nationalen Gericht bestätigt und sogar verschärft,59 sehr zum Leidwesen des appellierenden Sportverbands, und im Jahre 2018 sollte das LG München I (wie der BGH im Jahr 1974) zum Thema „Aufnahmeanspruch in Mono­ polverband“60 ein Urteil fällen. Das LG München I stellte fest, dass ein Verein bzw. Verband mit Monopolstellung „gem. §§ 826 BGB […] zur Aufnahme eines Bewerbers verpflichtet sein [kann], wenn ein wesentliches oder grundlegendes Interesse am Erwerb der Mitgliedschaft besteht.“61 Eine Ablehnung aufgrund satzungsmäßiger Aufnahmebeschränkung könne unwirksam sein, selbst wenn „deren Zweck an sich sachlich berechtigt ist“, sofern dieser auch „auch durch andere, ‚mildere‘ Satzungsgestaltung erreicht werden kann“62. Und „[a]llein der Umstand, dass das Ein-Platz-Prinzip im Weltsport verbreitet Anwendung findet, begründet kein berechtigtes Interesse des 55  Ebda., Rdnr. 98: „ELPA, der selbst Motorradrennen organisiert und vermarktet, erhält vom griechischen Staat ein Mitentscheidungsrecht bei der Genehmigung von Motorradrennen anderer, unabhängiger Anbieter. Damit verfügt ELPA nicht nur über die rechtlichen Mittel, die es ihm erlauben, das Vordringen anderer Anbieter auf den griechischen Markt wirksam zu unterbinden, sondern hat auch ein wirtschaftliches Interesse, den Marktzugang seiner Wettbewerber zu seinem eigenen Vorteil zu beschränken.“ (Hervorhebung: J. K.). 56  Ebda., Rdnr. 99: „Zweitens unterliegt ELPA im Rahmen jener Einvernehmensregelung keinerlei Beschränkungen, Bindungen und Kontrollen in Bezug auf die Erteilung oder Versagung seines Einverständnisses zur Genehmigung von Motorradrennen. Auf diese Weise wird es ELPA besonders leicht gemacht, sein Einverständnis zur Genehmigung von Motorradrennen anderer, unabhängiger Anbieter zu verweigern. Wie der vorliegende Fall anschaulich zeigt, genügte bereits die bloße Untätigkeit ­ELPAs, um im Jahr 2000 das Vorhaben eines anderen Anbieters – hier: MOTOE – zu Fall zu bringen.“ (Hervorhebung: J. K.). 57  Ebda., Rdnr. 100. 58  S. u., III.1–III.2. 59  Svenska Bilsportförbundet (SBF); s. u., III.1. 60  LG München I, Urt. v. 25. 4. 2018, Az. 37 O 7111/17 (SpuRt 4/2018, 165). 61  Ebda., Leitsatz 1. 62  Ebda., Leitsatz 2.

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Beklagten an dessen Aufrechterhaltung.“63 Der Autonomie der Verbände sind somit Schranken gesetzt, und während eine Ablehnung zulässig sein kann, muss ein objektives Prüfungsschema angelegt und angewandt werden, um Willkür vorzubeugen. Schließlich ist auf ein vor dem Europäischen Gericht (EuG) anhängigen Verfahren64 hinzuweisen, bei dem die International Skat­ ing Union (ISU) gegen eine kartellrechtliche Entscheidung der Europäischen Kommission aus dem Jahre 201765 Rechtsmittel eingelegt hat. Dieser Rechtsstreit könnte zur Rechtsprechung auf diesem Gebiet entscheidend beitragen und wesentliche bislang offene Fragen klären.

3. Problemformulierung Als Ergebnis des historischen Abschnitts sowie der Übersicht zur Entwicklung der Rechtsprechung lässt sich die Frage durchaus im Ansatz beantworten, ob die private Regulierung der Sportverbände mit Art. 101 u. 102 AEUV verträglich sei. Sie ist grundsätzlich möglich, muss aber zugleich einen unverfälschten Wettbewerb zulassen. Schwieriger ist dagegen die Frage, ob Verbände Entscheidungen treffen können, ohne davon selbst (ökonomisch) betroffen zu werden. Die Antwort wird davon abhängen, wie diese Verbände strukturiert sind; am wenigsten Einwände wird es wohl stets dann geben, wenn der regulierende Verband nicht zugleich unternehmerisch tätig ist, was im Sport jedoch eher die Ausnahme ist. Sind die Verbände denn überhaupt geeignet, für private Regulierung zuständig zu sein? Das sind sie, sofern dadurch keine Interessekonflikte entstehen. Dass derartige Interessenkonflikte auch in anderen Branchen und Sektoren vorkommen können, darf bei den Verbänden nicht den Eindruck erwecken, als ob kein Reformbedarf bestünde. Eindrucksvoll erscheint z. B. das Splitting bzw. „Unbundling“ der dänischen Anwaltskammer, das 2008 auf Regierungsinitiative66 durchgeführt wurde, um einem EMRG-Urteil zur Koalitionsfreiheit gerecht zu werden.67 63  Ebda., 64  Rs.

Leitsatz 3. T-93/18, International Skating Union/Kommission. Registriert am 19/02/

2018. 65  S. u., III.2. 66  Justitsministeriet, Betænkning om retsplejelovens regler om advokater. Betænkning Nr. 1479/2006. Kopenhagen 2006. 67  Nachdem Dänemark am 11. Januar 2006 in den Rs. Sørensen ./. Danmark (Az. 52562/99) og Rasmussen ./. Danmark (Az. 52620/99) unterlegen hatte, erachtete die Regierung eine Reform als erforderlich. In den beiden Verfahren hatten die Beschwerdeführer das bis dahin in Dänemark weit verbreitete „Closed Shop-Prinzip der dänischen Tarufpartner (Organisations- oder Sperrklauseln zu Lasten gewerkschaftsferner Arbeitnehmer) angefochten und obsiegt. Die Reform griff jedoch weiter und zielte ebnfalls auf kammerrechtlich organisierte freie Berufe (vgl. Justitsministeriet [Dänemark] (2006). Die privatregulierende Funktion wird weiterhin von der bisherigen



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Ungeachtet der eigentlich kartellrechtsfremden Ausgangslage entspricht die damals gewählte Lösung – bei einer altehrwürdigen Institution mit weitreichender Autonomie – sehr genau den Vorgaben des Kartellrechts, so wie diese in der 2001er Entscheidung der Kommission im FIA-Fall68 zum Ausdruck kam. Denn die Entscheidungsfindung der Kartellbehörden, national sowie europäisch, ergibt ein überaus einheitliches Bild.

III. Zeitgeschichte und Gegenwart 1. Kartellbehördliche Entscheidungsfindung: national Eine Reihe kartellbehördlicher Entscheidungen, auf europäischer sowie auf nationaler Ebene, zeigen eine ausgeprägte Konsistenz in ihrer Anwendung kartellrechtlicher Grundsätze auf die Problematik des „Ein-Platz-Prinzips“. Im Jahr 2001 hatte die Europäische Kommission eine Reihe von verbundenen Verfahren, die alle die Fédération Internationale Automobile (FIA) zum Gegenstand hatten, abgeschlossen.69 Entschieden wurden diese Sache aufgrund der damaligen Art. 81 „und/oder“ Art. 82 EGV mit einer Verpflichtungszusage zum Splitting/Unbundling. Die FIA blieb als regulierender Verband und überschrieb auf 99 Jahre der FOA (Formula One Administration) die kommerziellen Rechte. Das „Ein-Platz-Prinzip“ blieb bestehen, während jedoch das Potential für Interessenkonflikte strukturell stark abgebaut wurde. Die Entscheidung hätte eigentlich als Vorbild dienen können; andere Verbände hätten ähnlich verfahren können, was aber (soweit ersichtlich) nicht geschah. In kurzer Abfolge (binnen sieben Jahre) entschieden die nationalen Kartellbehörden einiger Mitgliedstaaten eine Reihe von Fällen, die alle mit ­Exklusivitätsklauseln und dem Verbot des Besuches alternativer Veranstaltungen zu tun hatten. In Italien liefen Ermittlungen zu den Regularien des Pferdesportverbandes Federazione Italiana Sport Equestri (FISE); entschieden wurde der Fall 2008 aufgrund Art. 101–102 AEUV mit einer Verpflichtungszusage der FISE, welche die streitige Regelung durch eine neue, unbedenk­liche ersetzen musste, um einer Geldstrafe zu entgehen.70 Das ita­ Berufskammer („Advokatsamfundet“) wahrgenommen, wohingegen ein neuer Branchenverband („Danske Advokater“) den Berufsstand wirtschaftlich, politisch sowie als Arbeitgebervertreung bei Tarifverträgen vertritt. 68  S. u., III.1. 69  Mitteilung in der Sache COMP/35.163 – Anmeldung der FIA-Vorschriften, COMP/36.638 – Anmeldung von Vereinbarungen im Zusammenhang mit der FIAFormel-1-Weltmeisterschaft durch FIA/FOA, COMP/36.776 – GTR/FIA und andere. ABl. C 169 vom 13.6.2001, S. 5–11. 70  Van Rompuy, The role (Fn. 2), S. 203. Kornbeck, Der ISU-Fall (Fn. 2), S. 34–36.

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lienische Kartellamt respektierte durchaus die regulierende Rolle der FISE – aber nur, solange die relevanten Regularien objektiv erforderlich und verhältnismäßig waren.71 Nach demselben Schema sind sämtliche anderen Verfahren ebenfalls entschieden worden. Ebenfalls in Italien wurde 2008 das Verfahren zum Automobilsportverband Corse Garcano abgeschlossen; wieder aufgrund Art. 101–102 AEUV und wieder mit einer Verpflichtungszusage als Ergebnis.72 Die schwedische Kartellbehörde konnte 2011 den Fall des Automobilsportverbandes Svenska Bilsportförbundet (SBF) aufgrund nationaler Gesetzgebung (3 kap. 1 § KL + 6 kap. 1 § KL (Konkurrenslagen)) sowie Art. 101– 102 AEUV schließen.73 Als der SBF vor dem schwedischen Marktgericht (Marknadsdomstolen) Rechtsmittel einlegte, unterlag er, und das Gericht verschärfte sogar noch die Entscheidung;74 im Ergebnis erfolgte eine Verpflichtungszusage des SBF. Die irische Behörde entschied 2012 im Pferdesport den Fall Show Jumping Ireland (SJI) aufgrund nationaler Gesetzgebung (Sec. 4 Competition Act 2002) sowie Art. 101 AEUV.75 Art. 102 wurde nicht in Erwägung gezogen; Ergebnis war eine Verpflichtungszusage. Im Jahr 2014 entschied sodann das schwedische Kartellamt einen Fall im BodyBuilding, Svenska kroppskulturförbundet (SKKF), wieder aufgrund Art. 101 AEUV und wieder mit einer Verpflichtungszusage als Ergebnis; jedoch mit der Konzession, dass das Erfordernis eines Anti-Doping-Tests bei BodyBuildern, die zuvor alternative Veranstaltungen besucht hatten und nun SKKF-autorisierte Wettbewerbe besuchen wollten, als notwendig und verhältnismäßig anerkannt wurde.76 Die belgische Behörde entschied im Jahr 2015 den Fall eines internationalen Sportfachverbandes im Pferdesport (mit 71  Van Rompuy, The role (Fn. 2), S. 203. Kornbeck, Der ISU-Fall (Fn. 2), S. 34: „In 2008, the NCA [National Competition Authority] ended its investigation following commitments offered by FISE. FISE undertook to eliminate provisions establishing its exclusive right to organize equestrian competitions, allow its members to participate in events of competing associations and entities, and allow the use of its affiliated clubs’ facilities by other organizers. Regarding competitive events, however, FISE remained in charge of the management of the official rankings. Other event organizers would only be entitled to award prizes or trophies of a symbolic nature (or alternatively, titles or classifications that are independent of the official ones). In other words, the NCA did not accept FISE’s practices intended to foreclose the market for the organization of equestrian events in Italy, but it did acknowledge FISE’s legitimate and exclusive role in managing the official rankings and in defining the selection criteria for international competitions“. 72  Van Rompuy, The role (Fn. 2), S. 202–203. Kornbeck, Der ISU-Fall (Fn. 2), S. 36. 73  Van Rompuy, The role (Fn. 2), S. 204–205. Kornbeck, Der ISU-Fall (Fn. 2), S. 36–38. 74  Marknadsdomstolens Beslut 2012:16. 2012-12-20 Dnr A 5/11. 75  Van Rompuy, The role (Fn. 2), S. 206. Kornbeck, Der ISU-Fall (Fn. 2), S. 38. 76  Van Rompuy, The role (Fn. 2), S. 205. Kornbeck, Der ISU-Fall (Fn. 2), S. 39–40.



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Sitz in Brüssel), der Fédération Équestre Internationale (FEI), aufgrund Art. 101 und mit einer Verpflichtungszusage als Ergebnis. Die FEI legte vor Gericht Rechtsmittel ein, unterlag aber damit.77 Einen entscheidenden Dynamisierungsschub lieferte die ISU-Entscheidung (International Skating Union) der Europäischen Kommission von 2017, auf die unten einzugehen ist. Jedoch war an dieser (sonst sehr detailliert und sorgfältig geschriebenen) Entscheidung wenig Neues;78 eher bestätigte sie die zuvor genannten Entscheidungen der letzten Jahre, was vor dem Hintergrund einer auffälligen mate­ riellen Ähnlichkeit der Fälle auch nicht überraschen sollte.

2. Kartellbehördliche Entscheidungsfindung: europäisch; der ISU-Fall Im Jahr 2017 entschied die Europäische Kommission in Sachen Interna­ tional Skating Union (ISU) ihren größten sportbezogenen seit der FIA-Entscheidung von 2001.79 Wie bei den zuvor genannten nationalen Entscheidungen ging es (hier beim Eisschnelllauf) ebenfalls um Exklusivitäts- bzw. Loyalitätsklauseln, die ISU-affiliierte Athleten (unter Androhung harter ­ Sanktionen bis hin zu lebenslangen Sperren) davon abhalten sollten, ohne Genehmigung ISU-fremde Veranstaltungen zu besuchen. Die Kommission stellte eine Vereinbarung bzw. Verhaltensweise nach Art. 101 AEUV, nicht aber einen Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung nach Art. 102 AEUV fest und drohte Geldstrafen an, sollte es zu keiner Verpflichtungszusage kommen. Die ISU fügte sich,80 jedoch nicht ohne vor dem EuG Rechts77  Arrêt définitif de la Cour d’appel de Bruxelles. Dossier n°: VM-15-016. Décision n°: 15-VM-23. 78  Kornbeck, Specificity (Fn. 2). 79  Vgl. Akte 40208: International Skating Union’s Eligibility rules (http://ec. europa.eu/competition/elojade/isef/case_details.cfm?proc_code=1_40208): 05.10.2015: Eröffnung des Ermittlungsverfahrens, 1. Pressemitteilung – 27.09.2016: Mitteilung der Beschwerdepunkte, 2. Pressemitteilung – 23.11.2017: Stellungnahme des Beratenden Ausschusses für Kartell- und Monopolfragen, ABl. C 148 vom 27.4.2018, S. 6  –30.11.2017: Abschlussbericht des Anhörungsbeauftragten, ABl. C 148 vom 27.4.2018, S. 7–8 – 08.12.2017: Entscheidung, 3. Pressemitteilung – 08.12.2017: Provisional non-confidential version of the decision (nur englisch) (23.03.2018)  – 08.12.2017: Zusammenfassung des Beschlusses, ABl. C 148 vom 27.4.2018, S. 9–12. 80  Die streitige Regelung wurde im Frühling 2018 von der ISU durch die folgende ersetzt (Communication No. 2156, Agenda of the 57th Ordinary Congress. Seville  – 2018, https://www.isu.org/communications/17037-isucommunication-2156/file), Sec. 38, p. 20:‚Rule 102, paragraph 1. a)Amend as follows: (a) The eligibility Rules of the ISU are based upon the following considerations: (i) the condition of eligibility is necessary to achieve the following objectives of the ISU: protection of the ethical values of Skating, integrity, health and safety as well as the good functioning of Skat-

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mittel einzulegen.81 Der ansonsten noch recht junge ISU-Fall ist auch bereits in der Literatur kommentiert worden,82 so auch in einem Lehrbuch83, quasi als paradigmatischer Fall. Die streitige Verbandsregelung („Rule 102“) der ISU wurde von diversen anderen ISU-Regularien flankiert, die verdeutlichten, dass eine derartige Regelung „nicht nur ‚auf dem Papier‘ “84 steht. Die ISU-Satzung i. d. F.v. 201685 definierte die ISU eindeutig als weltweit monopolistischer Verband86 mit „exklusiven Rechten und Verantwortung“ gegenüber den nationalen Miting and international Skating competitions, (ii) these objectives are in particular achieved by the following means: – guaranteeing uniform rules for Skating (subject to any novelties approved by the ISU Council) to ensure that international Skating competitions receive worldwide recognition and are regulated in a fair manner that accords with sporting principles; – enforcement of the ethical values of Skating and the ISU Code of Ethics which, in particular: (i) protect Skating from sports betting activities and other conduct giving rise to a risk of manipulation of international Skating competitions; (ii) prevent sexual exploitation of Skaters (iii) protect honesty of Officials and events on the ISU Calendar (iv) prohibit corrupt activities with respect to the ISU; and (v) prevent conflicts of interest. – enforcement of Anti-Doping rules and specific rules that protect the health and safety of the Skaters; – organisation of the International Skating Calendar during the competitive season (i. e. 1 August – 30 April) to prevent or limit clashes between competitions so that Skaters, Officials and other Skating participants as well as spectators can participate in as many Skating events as possible; and – the support of the voluntary structures of Skating and the development of Skating at all levels through the implementation of development and solidarity programmes. Reason: To fulfil the Council’s commitments to the European Commission to amend the Rule in this manner.‘ 81  EuG, Rs. T-93/18, International Skating Union/Kommission, anhängig seit dem 06/04/2018. 82  Bosman, Game over (Fn. 2). Fischer, Die Rolle (Fn. 2). Heermann, Wettbewerb (Fn. 2). Heermann, Genehmigungs- und Teilnahmebestimmungen (Fn. 2). Kornbeck, Der ISU-Fall (Fn. 2). Kornbeck, Specificity (Fn. 2). Van Rompuy, The role (Fn. 2). Verdonk, Rivalry (Fn. 2). Szyszczak, Competition and Sport (Fn. 2). 8). 83  Miège, Sport et droit européen, Paris 2017, S. 202–203. 84  Fischer, Die Rolle (Fn. 2), 182. 85  International Skating Union Constitution and General Regulation 2016 as accepted by the 56th Ordinary Congress June 2016 (http://static.isu.org/media/1017/ constitution-and-general-regulations-2016.pdf). 86  Ebda., Art. 1(1): „The International Skating Union (herein called the „ISU“), founded in 1892, is the exclusive international sport federation (IF) recognized by the International Olympic Committee (IOC) administering Figure Skating and Speed Skating Sports throughout the world. The ISU is composed of the individual national associations (herein called ‚ISU Members‘) who administer these Sports at the na-



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gliedsverbänden.87 Das „Ein-Platz-Prinzip“ wurde dort ebenso explizit formuliert88 wie die Verpflichtung der nationalen Mitgliedsverbände, ihre jeweilige nationale Monopolstellung nachzuweisen89. Quasi als natürliche Verlängerung dieser Bestimmungen erfolgte dann die Begründung der „Rule 102“.90 Mit einer in Kartellsachen geradezu rührenden Offenheit bekundete die ISU, dass diese Regelung notwendig sei, um die eigenen finanziellen Interessen zu schützen:91 eine überraschende Feststellung, die in der Entscheidung der Kommission auf wenig Verständnis stieß – quasi als wollten Kartellanten ihr Kartell mit der Absicht rechtfertigen, ein Kartell zu haben. Diese Offenheit zeugt vielleicht von einem gewissen Selbstverständnis in der Sportbewegung, wenn praktisch per Automatik Ausnahmen vom geltenden Recht erwartet werden. Solche Ausnahmen kann es durchaus geben, und zwar nicht nur stillschweigende; bei entsprechender politischer Protektion sind auch gesetzliche Regelungen möglich, worauf nachstehend einzugehen ist.

tional level and who recognize that all international matters are under the sole jurisdiction and control of the ISU.“ 87  Ebda., Art. 4(1)(b) ISU Const. and Gen. Reg. 2016: „The exclusive right and responsibility to promote and protect all rights relating to ISU activities throughout the world, excluding those events which are the property of the ISU Members.“ 88  Ebda., Art. 6(1) ISU Const. and Gen. Reg. 2016: „ISU Membership may be granted to a national association located in a country in which there exists no national association for both Branches or the respective Branch of Skating already being an ISU Member.“ 89  Ebda., Art. 6(3) ISU Const. and Gen. Reg. 2016: „An applicant national association or organization must prove that it has had control of its sport disciplines as the national governing body in its country for not less than two (2) years prior to application for ISU Membership and is recognized as a voting member of the respective NOC.“ 90  Ebda., Art. 7 ISU Const. and Gen. Reg. 2016: „ISU Members, their affiliated clubs, their individual members and/or all other persons claiming standing as participants in the international activities of an ISU Member or of the ISU: a) Are bound by the ISU Statutes (see Article 6, paragraph 3.b) (v) and are subject to decisions of the Congress, the Council, the President and the Director General concerning all international matters; and b) Have the obligation in all national and international matters to support the objects, activities and unity of the ISU, and shall not participate in any activities, national or international, against the integrity, the exclusive role and interests of the ISU.“ (Hervorhebung: J. K.). 91  Rule 102 (Fn. 85), sec. 1: „a) The eligibility Rules of the ISU are based upon the principles that: […] ii) the condition of eligibility is made for adequate protection of the ethical values, jurisdiction objectives and other legitimate respective interests of the ISU, which uses its financial revenues for the administration and development of the ISU sport disciplines and for the support and benefits of the ISU Members and their Skaters.“ (Hervorhebung: J. K.).

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3. Beispiele gesetzlicher Regelungen Während in vielen Ländern das „Ein-Platz-Prinzip“ von staatlicher Seite vielleicht mehr oder weniger stillschweigend geduldet wird, gibt es auch Beispiele gesetzlicher Regelungen, kraft derer das Prinzip anerkannt und rechtskräftig wurde. Wie die nachstehenden Beispiele zeigen werden, können solche gesetzliche Regelungen unterschiedlich ausgestaltet sein; auch können sie eine staatliche Aufsicht beinhalten, welche den Sport(fach)verbänden vielleicht doch nicht so lieb wäre. Bereits Gießelmann-Goetze92 hat im Jahre 1987 darauf hingewiesen, dass entsprechende Regelungen aus Frankreich, Spanien und Italien bekannt seien. Die erste von Gießelmann-Goetze mitgeteilte gesetzliche Regelung ist die von Frankreich, die auch heute noch gilt; sie geht auf ein Gesetz aus dem Jahre 1984 zurück, das mehrmals novelliert und ins heutige, konsolidierte Sportgesetz (Code du sport) integriert wurde. Zum 1984er Gesetz sind übrigens parlamentarische Vorarbeiten93 bekannt, so dass eine lohnende Forschungsaufgabe darin bestehen würde, die sportpolitischen Intentionen des Gesetzes unter kartellrechtlichem Gesetzpunkt zu prüfen: Waren sich die damaligen Deputierten und Senatoren der wettbewerbspolitischen und kartellrechtlichen Implikationen einer solchen Regelung bewusst? Wurden die typisch französischen Elemente staatlicher Aufsicht vielleicht gerade deshalb eingebaut, um ein gewisses Gleichgewicht unter Wahrung des ordre public sicherzustellen? Art. 17 Gesetz 198494 schreibt vor, dass in jeder Sportart nur 92  Gießelmann-Goetze,

Das Ein-Platz-Prinzip, (Fn. 25). das umfassende Dossier des Senats, ab dem Jahr 1983: Loi relative à l’organisation et a la promotion des activités physiques et sportives: Loi n° 84-610 du 16 juillet 1984 parue au JO du 17 juillet 1984, http://www.senat.fr/dossier-legislatif/ s82830226.html, anfangend mit der ersten Regierungsvorlage: Texte n° 226 (1982– 1983) de Mme Edwige Avice, Ministre déléguée au temps libre, à la jeunesse et aux sports, déposé au Sénat le 12 avril 1983, http://www.senat.fr/leg/1982-1983/i1982_ 1983_0226.pdf. 94  Article 17, Loi n°84-610 du 16 juillet 1984 relative à l’organisation et à la promotion des activités physiques et sportives (Modifié par Ordonnance n°2000-916 du 19 septembre 2000 – art. 3 (V) JORF 22 septembre 2000 en vigueur le 1er janvier 2002. Abrogé par Ordonnance 2006-596 2006-05-23 art. 7 3° JORF 25 mai 2006 sous réserve art. 8 IV en vigueur le 25 juillet 2007) (abrufbar über https://www. legifrance.gouv.fr): „I.  – Dans chaque discipline sportive et pour une durée déterminée, une seule fédération agréée reçoit délégation du ministre chargé des sports pour organiser les compétitions sportives à l’issue desquelles sont délivrés les titres internationaux, nationaux, régionaux ou départementaux, procéder aux sélections correspondantes et proposer l’inscription sur les listes de sportifs, d’entraîneurs, d’arbitres et de juges de haut niveau, sur la liste des sportifs Espoirs et sur la liste des partenaires d’entraînement. Cette fédération édicte: 93  Z. B.



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ein Verband die sportministerielle Zulassung (agrément) erlangen kann, um Wettbewerbe abzuhalten, Athleten und Schiedsrichter zu nominieren, etc. Die zugelassenen Verbände besitzen somit eine delegierte Kompetenz, um ihren Mitgliedern gegenüber Reglements zu erlassen, Entscheidungen zu treffen, etc.; die Zulassung kann freilich auch wieder entzogen werden. Das französische Zulassungssystem wäre dem deutschen organisierten Sport kaum zumutbar und würde sich bei üblicher Subsumtion mit dem Recht auf freie Bildung sportlicher Vereinigungen unter der gemäß Art. 9 GG garantierten Vereinsfreiheit auch vereinbaren lassen. Dabei stellt das französische Zulassungssystem ein ausgewogenes Arrangement dar, bei dem Sportverbände zwar die Vorteile des „Ein-Platz-Prinzips“ nutzen können, jedoch unter staatlicher Aufsicht und mit einer Reihe von Pflichten. Nach Art. R131-1 Sportgesetz stehen die Sportverbände unter der Aufsicht (wörtlich: „Vormundschaft“, tutelle) des Sportministers oder der Sportministerin. Die Hochschulsportverbände stehen unter der Aufsicht des bzw. der für Wissenschaft und Forschung zuständigen Ministers bzw. Ministerin. Die Verbände entwickeln ihre eigenen Regularien, deren Vereinbarkeit mit Gesetz und Recht vom jeweiligen Ministerium zu prüfen ist.95 Die entsprechenden Entscheidungen erfolgen nach Art. R131-8 Sportgesetz auf demokratischem Wege von den jeweiligen Vollversammlungen der Verbände, deren Protokolle anschließend dem zuständigen Ministerium vorzulegen sind.96 In der französischen rechtswissenschaftlichen Literatur ist durchaus anerkannt, dass somit auf jeder • •

les règles techniques propres à sa discipline; les règlements relatifs à l’organisation de toute manifestation ouverte à ses licenciés. Un décret en Conseil d’Etat détermine les conditions d’attribution et de retrait de la délégation, après avis du Comité national olympique et sportif français.“ (Hervorhebung: J. K.). 95  Code du sport, Article R131-1 (abrufbar über https://www.legifrance.gouv.fr): „Les fédérations sportives sont placées sous la tutelle du ministre chargé des sports, à l’exception des fédérations et unions sportives scolaires et universitaires qui sont placées sous la tutelle du ministre chargé de l’éducation nationale; le ministre chargé des sports participe toutefois à la définition et à la mise en œuvre de leurs objectifs. Les ministres de tutelle veillent, chacun pour ce qui le concerne, au respect par les fédérations sportives des lois et règlements en vigueur.“ 96  Article R131-8 (Modifié par Décret n°2016-387 du 29 mars 2016 – art. 3) (abrufbar über https://www.legifrance.gouv.fr): „Toute modification des statuts, du règlement intérieur, du règlement disciplinaire, du règlement disciplinaire particulier en matière de lutte contre le dopage ou du règlement financier adoptée postérieurement à la délivrance de l’agrément entre en vigueur à compter de son adoption par l’assemblée générale et est notifiée sans délai au ministre chargé des sports. Elle est accompagnée du procès-verbal de l’assemblée générale qui l’a approuvée. Si la modification n’est pas compatible avec l’agrément accordé à la fédération, le ministre chargé des sports demande, par décision motivée, qu’il soit procédé aux régularisations nécessaires.“

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geographischen Ebene eine Monopolstellung besteht, die sehr wohl zu einer marktbeherrschenden Stellung führen kann.97 Dennoch ist zu betonen, dass der französische Staat nicht ohne Gegenmaßnahmen den Verbänden diese Monopolstellung überlassen hat. Die zweite von Gießelmann-Goetze mitgeteilte gesetzliche Regelung ist die spanische98, zu der nach hiesigem Kenntnisstand weniger bekannt ist. Die Regelung ist aber auch heute (nach einigen Gesetzesänderungen) rechtskräftig. Nach Art. 3 Sportgesetz 2013 sind auch die spanischen Verbände einer ministeriellen Aufsicht unterstellt.99 Nach Art. 8 gilt diese Aufsicht auf für die Nominierung von Athleten im Hinblick auf internationale Wettbewerbe.100 Soweit ersichtlich scheint das spanische Gesetz keine dem französischen Gesetz entsprechenden Verfahrensregeln bzw. Garantien zu enthalten. Die dritte von Gießelmann-Goetze mitgeteilte gesetzliche Regelung ist eine italienische, die zunächst nur als historische Vorschrift bekannt ist, i. d. F. v. 1987 enthält dieser Text eine eindeutige Umschreibung des „Ein-Platz-Prinzips“.101 Nach derzeitigem Kenntnisstand ist es nicht möglich, abzuschätzen, in wie vielen Ländern weltweit gesetzliche Regelungen wie die hier vorgestellten vorhanden sind. Auch ist kaum einzuschätzen, wie oft das „Ein-Platz-Prinzip“ von staatlichen Stellen einfach stillschweigend hingenommen wird, und wie oft es proaktiv durch die staatliche Sportpolitik bis hin zu Regelungen zur Förderwürdigkeit von Organisationen bzw. Aktivitäten unterstützt wird. 97  Berthaud, Le droit (Fn. 14): „Il convient de rappeler que les fédérations françaises disposent d’un monopole de droit, s’agissant de l’organisation des manifestations sportives, ce monopole leur étant conféré par l’article 17 de la loi du 16 juillet 1984. Les fédérations internationales, pour leur part, disposent généralement de la même façon d’un monopole, même si ce monopole n’est pas de droit. Force est en effet de constater que, en principe, il existe une seule fédération européenne et/ou une seule fédération internationale par discipline, à l’exception de certaines disciplines, telles que la boxe. En fonction des pratiques et du marché en cause, une fédération, nationale ou internationale, peut donc se trouver en position dominante.“ 98  Historische Vorschrift: Ley 13/1980, de 31 de marzo, General de la Cultura Física y del Deporte (BOE-A-1980-7635) „Articulo catorce. Tres. No puede constituirse más que una sola Federación para cada modalidad deportiva y ostenta su representación ante la respectiva Federación Internacional.“ 99  Ley del Deporte. Texto consolidado (BOE-A-2013-6732): „Artículo 3 […] 5. La Administración del Estado coordinará en la forma que reglamentariamente se determine, las actividades deportivas de las Universidades que sean de ámbito estatal y su promoción, al objeto de asegurar su proyección internacional, teniendo en cuenta las competencias de las Comunidades Autónomas y de las propias Universidades.“ 100  Ebda., „Artículo 8. Son competencias del Consejo Superior de Deportes las siguientes: (…) p) Autorizar la inscripción de las Federaciones deportivas españolas en las correspondientes Federaciones deportivas de carácter internacional.“ 101  Decreto del Presidente della repubblica n. 157, art. 30.2, 28.3.1987: „Per un stesso sport può essere costituita una solda federazione“.



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Diese Vielfalt zu erforschen wäre in der Tat eine lohnende (wenn auch eine methodisch sowie praktisch anspruchsvolle) Forschungsaufgabe. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass einige Staaten das „Ein-Platz-Prinzip“ mittels einer gesetzlichen Regelung zwar anerkannt, dann aber typisch die Verbände unter staatlicher Aufsicht gestellt haben. Andere Staaten haben den Verbänden eine weiter reichende Autonomie zugebilligt, dafür das Ein-PlatzPrinzip (vielleicht de facto) geduldet, aber kaum (de jure) anerkannt. Doch selbst wenn staatliche Gesetzgeber meinen, vollendete Tatsachen geschaffen zu haben, müssen diese nicht zwangsläufig unionsrechtskonform sein; Vertragsverletzungsverfahren wären ggf. denkbar.

IV. Zukunft? 1. Spezifizität und Solidarität: neue Rechtsfertigungsgründe dringend benötigt Über die Zukunft des „Ein-Platz-Prinzips“ Betrachtungen anzustellen, war eines der Ziele des vorliegenden Beitrags. Dabei muss zunächst berücksichtigt werden, dass staatliche Stellen (einschließlich Kartellbehörden) es bei einer weiteren Duldung des Prinzips darauf ankommen lassen werden, ob triftige Rechtfertigungsgründe vorliegen. Seit dem Rechtsstreit Deliège gilt grundsätzlich, dass wettbewerbsbeschränkende Regelungen zulässig sein können, wenn sie rein sportlichen, nicht-wirtschaftlichen Zwecken dienen;102 dafür muss aber bereits eine wirtschaftliche Absicht verneint werden können.103 Im ISU-Fall ging jedoch wörtlich aus der streitigen Regelung selber hervor, dass sie nach Meinung der ISU damit gerechtfertigt wäre, die finanziellen Eigeninteressen der ISU sowie ihrer Mitglieder zu schützen. Das war „kartellrechtlich ein Eigentor“,104 da dadurch gerade die wettbewerbsbeschränkende Absicht und Wirkung bejaht wurde; ein Public-Policy-Argument war darin ebenso wenig erkennbar wie eine nicht-wirtschaftliche Absicht oder nur eine Behauptung der Verhältnismäßigkeit.105 „[A]n agreement that 102  EuGH, AG Cosma, 18.  Mai 1999 (keine deutsche Übers.). Verb. Rs. C-51/96 u. C-191/97. Christelle Deliège ./. Asbl Ligue Francophone de judo et disciplines associées et al. ECLI:EU:C:1999:147, Rdnr. 76: „En synthèse, le droit communautaire reconnaît aux autorités en matière sportive un pouvoir limité d’autogestion et d’auto-réglementation des questions non économiques qui se rattachent à la nature spécifique du sport.“ 103  Ebda., Rdnr. 74: „[…] des dispositions qui sont justifiées ‚par des motifs non économiques‘ […]“. 104  Kornbeck, Der ISU-Fall (Fn. 2), S. 64. 105  Nach Parrish/Miettinen, Sporting Exception in European Union Law, Den Haag 2008, S. 100 können wettbewerbsbeschränkende Regelungen dann zulässig

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restricts competition, but genuineley pursues a public policy objective“106 kam darin unmissverständlich nicht zum Ausdruck. Folgerichtig betonte die Europäische Kommission in ihrer Entscheidung, dass sie sehr wohl die besonderen Merkmale des Sports (Art. 165 AEUV) berücksichtigt habe; gleichwohl habe sie nicht übersehen können, dass die ISU gleichzeitig regulierend sowie unternehmerisch tätig sei und dass dadurch Interessenkonflikte entstehen können. Nur Verfahrensregeln, die geeignet wären, Missbräuchen zuvorzukommen, würden die streitige Regelung (vielleicht) zulässig erscheinen lassen.107 Die Kommission betonte ferner, dass eine ständige Rechtsprechung des EuGH gezeigt habe, dass wirtschaftliche Argumente nicht ausreichten, um Wettbewerbsbeschränkungen zu rechtfertigen.108 Ein valides nichtökonomisches Argument wäre die (auch von der Sportbewegung vielbeschworene) Solidarität; beim näheren Hinschauen würde diese sich aber als Chimäre entpuppen, da die ISU ihre Einkünfte nicht mit den „Grassroots“, sondern mit ihren Mitgliedsverbänden teilte. In der öffentlichen Anhörung habe sich überdies gezeigt, dass die ISU bei der Verteilung dieser Geldmittel keinerlei objektive Kriterien anwenden würde; es gebe somit keine Garantie, dass die Gelder den „Grassroots“ begünstigen würden.109 sein, wenn sie (i) den erforderlichen wirtschaftlichen Effekt (freier Wettbewerb, Wahlfreiheit für Konsumenten) nicht aushebeln; (ii) auf rein sportlichen Absichten basieren; (iii) mit den Erfodernissen des Spielbetriebs eng verbunden sind; (iv) verhältnismäßig sind. Vgl. Pijetlovic, EU competition law and organisational rules, in Duval/Van Rompuy, The Legacy of Bosman, Den Haag 2016, 117–151, s. S. 121. 106  Pijetlovic, EU competition law (Fn. 105), S. 133. 107  Decision C (2017) 8240 final, Rdnr. 173: „Contrary to the claims of the ISU, the Commission takes into consideration the fact that international sports federations have regulatory functions and are entitled to conduct economic activities besides their regulatory functions. However, where an association of undertakings is active in the organisation and commercial exploitation of speed skating events, but at the same time, through its regulatory function, has the power to authorise sports events organised and commercially exploited by other, independent service providers, this may lead to a conflict of interest. The exercise of the ISU’s regulatory power should therefore be subject to restrictions, obligations and review to avoid a distortion of competition by favouring its own events and/or those of its Members above those of third party organisers.“ (Hervorhebung: J. K.). 108  Decision C (2017) 8240 final, Rdnr. 220: The Court has consistently held that economic aims cannot justify restrictions to the fundamental freedoms guaranteed by the Treaty. Concerning the ISU’s argument that it uses part of the revenues it generates through commercial activities for the development of the sport, the Commission notes that these funds are, however, also redistributed to the ISU’s own Members for the organisation of international competitions (as indicated in recital (164)), thus putting third party event organisers at competitive disadvantage.“ 109  Decision C (2017) 8240 final, Rdnr. 248: „The Commission notes that ISU Communication No 1974 refers to a solidarity contribution to be paid by applicants for the organisation of Open International Competitions to the ISU in favour of the developments of the ISU sport, but leaves the amount of the contribution unspecified.



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Sport(fach)verbände wie die ISU müssen jetzt wohl lernen, anders zu argumentieren als zuvor. Ihre bisherige Argumentation zeugt aus hiesiger Sicht von der besonderen Kultur einer fast hermetisch abgeriegelten Community; doch mit den Rechtfertigungen der Vergangenheit werden die Herausforderungen der Zukunft kaum zu bewältigen sein. Auch müsste das Management der Verbände durch die Rekrutierung von Führungspersonal ohne Sozialisierung in Vereinen und Verbänden („Stallgeruch“) professionalisiert werden. Nichtökonomische Argumente könnten z. B. der HEPA-Agenda („HealthEnhancing Physical Activity“) der Europäischen Union entlehnt werden.110 Ansonsten stellt sich auch die Frage, ob die Verbände in der Lage wären, ein mögliches Ende der sportökonomischen „Blasen“ der letzten Jahrzehnte erfolgreich zu bewältigen – oder würden sie ebenso ratlos dastehen, wie etwa die überschuldeten Hauseigentümer am Ende einer Immobilienblase? Ein Umdenken scheint notwendig, um die Sportbewegung zukunftsfähig zu machen. Die ISU hat wie gesagt ihre „Rule 102“ geändert – ebenso wie die Fédération Équestre Internationale (FEI), die Federazione Italiana Sport Equestri (FISE), Corse Garcano, Show Jumping Ireland, Svenska Bilsportförbundet (SBF) bzw. Svenska kroppskulturförbundet (SKKF) –, und im deutschen Radsport scheint sich auch Erneuerung anzubahnen.111 Die Frage bleibt dann, ob nur eine Minderheit der Verbände derartige Klarsicht zeigen wird.

2. Zukunftsszenarien Sollten die Verbände sich querstellen, so drohten wahrscheinlich weitere Kartellbeschwerden bzw. Rechtsverfahren. Die erstaunliche Ähnlichkeit zwischen den oben vorgestellten Kartellverfahren112 legt nahe, dass auch zukünftige Verfahren für die Verbände kaum zu gewinnen wären. Dem ISUVerfahren der Kommission kommt dabei eine besondere Bedeutung zu, da hier erstmalig Athleten Beschwerdeführer waren.113 Beschwerdeführer waren During the Oral Hearing, the ISU acknowledged that it does not apply any objective criteria to set the amount of the solidarity contribution, but decides on a case-by-case basis. This leaves a wide margin of discretion to the ISU to set the level of the contribution at an arbitrary and discriminatory level without any link to the development of the sport at a grassroots level.“ (Hervorhebung: J. K.). 110  Kornbeck, Health-friendly sport policy: an emerging soft law doctrine, in Anderson/Parrish/García García, Research Handbook on EU Sports Law and Policy, Cheltenham 2018, 49–78. 111  Becher/Burbach, Exklusivitätsklauseln (Fn. 2). 112  S. o., III.1–III.2. 113  Aber auch ansonsten, vgl. Szyszczak, The Application (Fn. 2), S. 279: „[…] this may be a pivotal turning point in the relationship between EU competition law and sport.“

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bei den bisherigen Kartellverfahren der Kommission (FIA 2001), Belgiens (Fédération Équestre Internationale (FEI) 2015), Italiens (Federazione Ita­ liana Sport Equestri (FISE) 2008, Corse Garcano 2008), Irlands (Show Jumping Ireland (SJI) 2012) sowie Schwedens (Svenska Bilsportförbundet (SBF) 2011, Svenska kroppskulturförbundet (SKKF) 2014) stets – vermutlich ressourcenstarke – alternative Veranstalter, die wahrscheinlich weniger erpressbar als Athleten sind. Alternative Veranstalter können teilweise in sportlichen Milieus eingebettet sein, müssen es aber nicht. Ihre Führungskräfte müssen nicht im Sport sozialisiert und dort ihre wesentlichsten Netze und Bezugspersonen haben. Einige von ihnen (z. B. Icederby International im ISU-Fall) sind ganz einfach Investoren, die von außen kommen, ohne „Stallgeruch“ mitzubringen. Die mit Verwaltungsklagen und Rechtsstreiten verbundenen Konfrontationen können sie ziemlich gelassen abwarten, wohingegen Athleten mit verschiedenen Unannehmlichkeiten zu rechnen haben. Am ISU-Fall neuartig und innovativ ist (auch), dass hier erstmalig zwei Athleten Beschwerdeführer waren. Ob ihre Vorgehensweise Schule bilden wird, bleibt abzuwarten. Sicherlich gibt es für Athleten (insbesondere wenn sie nicht am Ende ihrer Karriere stehen) gute Gründe, um sich mit Vereinen und Verbänden nicht zu streiten. Nach dem Bosman-Urteil des EuGH spielte der Protagonist nie mehr Fußball. Der Rechtsstreit hatte ihn um seine Karriere gebracht und sollte ihn später zum Sozialfall machen;114 den Streit hatte JeanMarc Bosman quasi für seine Kollegen geführt. Claudia Pechsteins zahllose Verfahren um ihre fragwürdigen Dopingsperren (von Wissenschaftlern entlastet115, von der ISU und dem CAS aber weiterhin als schuldig behandelt), sah sich weiterhin starkem (auch medialem) Druck ausgesetzt. „It is still daunting in practice to choose the path of litigation when the opponent is a sport federation.“116 Dem europäischen Kartellrecht kommt dabei eine besondere Rolle zu: einerseits um individuelle Rechte durchzusetzen, andererseits um sozialmächtige Privatorganisationen in die Verantwortung zu ziehen.117 Auch wenn dies in letzter Zeit häufig bestritten wurde, lässt sich das 114  Kornbeck, Bosman and Athlete Welfare: the sports law approach, the social policy approach, and the EU Guidelines on Dual Careers. Liverpool Law Review, 38:3 (2017), 307–323. 115  Siehe z. B. McArdle, Longitudinal profiling, sports arbitration, and the woman who had nothing to lose, in McNamee/Møller, Doping and Anti-Doping Policy in Sport: Ethical, Legal and Social Perspectives. New York 2011, 50–65. 116  Weatherill, Bosman Changed Everything: The Rise of EC Sports Law, the Past and Future of EU Law, in Poiares Maduro/Azoulai, The Classics of EU Law Revisited on the 50th Anniversary of the Rome Treaty, Oxford 2010, 480–487, S. 481. 117  Szyszczak, The application (Fn. 2), S. 280: „The question arises as to what is the aim of involving competition law in this way? […] One answer is that EU competition law is being used as a constitutional tool in two dimensions. First, it is being used to protect, and to exploit, individual freedoms to participate in sport and to earn



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Erbe der europäischen Wettbewerbspolitik aus dem deutschen Ordoliberalismus nicht leugnen.118 Ist nun das Ende des „europäischen Sportmodells“119 zu befürchten, wie von IOC-Präsident Thomas Bach120 vermutet? Man ist wohl geneigt, sich an jene Unkenrufe zu erinnern, die auf das Bosman-Urteil folgten; und dennoch ist es dem europäischen Fußball nach Bosman noch viel besser ergangen (wirtschaftlich betrachtet) als zuvor. „Die Ein-Platz-Regelung ist eine nicht notwendige Organisationsregel, in ihrer aktuellen Fassung unangemessen und damit nicht von der Organisationsautonomie der Sportfachverbände gedeckt“,121 weshalb die Verbände sich auf ihre ursprünglichen Ziele zurückbesinnen müssten. Nicht an der regulierenden Funktion der Verbände scheitert der Test ihrer Kartellrechtsverträglichkeit (z. B. Drei-Stufen-Test nach Meca Medina),122 und auch nicht an ihrem Unternehmertum, wohl aber an der Verschränkung und Verquickung beider Funktionen ineinander und miteinander. Wenn Verbände gleichzeitig Gesetzgeber, Regierung und Richter sind, sind Interessenkonflikte vorprogrammiert. Erst durch ein „Unbundling“ wie im FIA-Fall können sie sich dem Verdacht des Missbrauchs einer (zwei-

an economic living, either through state-sponsored or professional payments, or through ancillary economic advantages such as commercial endorsements. Secondly, it is being used as a tool to curb, restrain and make accountable private power.“ 118  Jones/Towley, Competition Law, in Barnard/Peers, European Union Law. 2nd ed. Oxford 2017, 509–542, S. 511. 119  Osmann, Das Europäische Sportmodell – Diskussionspapier der Generaldirektion X der Europäischen Kommission, SpuRt 1999, S. 228 ff. und SpuRt 2000, S.  58 ff. 120  Heath, Margrethe Vestager versus the Olympics. In: Politico, 11/24/17, 3:45 PM CET Updated 11/24/17, 6:10 PM CET (https://www.politico.eu/article/margrethevestager-versus-the-olympics-eu-confidential-podcast-ioc/): „IOC President Thomas Bach was in Brussels this week – becoming the first person in his position to address the EU’s national ministers – and told POLITICO’s EU Confidential podcast that sports bodies should not be treated like businesses. „We are not a business and the European sports model is based on volunteers. It’s based on social engagement of millions of people across Europe,“ Bach said. While the European Union has struggled to connect with citizens and manage a divided continent, the Olympic movement has never faced that problem and hopes the „power of sport to unify people“ is an example the EU can learn from, rather than fine and regulate. Whether by working with European Commissioner Tibor Navracsics on getting people active or promoting the social inclusion of groups like refugees, Bach hopes these efforts show sports should be governed differently than „manufacturers of cars or a producer of low-fat milk.“ 121  Fischer, Die Rolle (Fn. 2), 184. 122  Rs. T-93/18, International Skating Union/Kommission. Registriert am 19/02/ 2018.

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fellos vorhandenen) marktbeherrschenden Stellung entziehen.123 Viel einfacher wäre es aber, Exklusivitäts-/Loyalitätsklauseln wie die „Rule 102“ abzuschaffen, oder von einer rigorosen Anwendung abzusehen. In ihrer „aktuellen Ausgestaltung“ hat das „Ein-Platz-Prinzip“ wohl „keine Existenzberechti­ gung“124 mehr, denn es ist „kein Prinzip des Wettkampfsports, sondern eine Organisationsregel“125. Kartellbehörden und Gerichte können sehr wohl Entgegenkommen zeigen, wenn eine streitige Regelung dem reibungslosen und fairen Ablauf der Wettbewerbe, dem Schutz von Sicherheit und Gesundheit oder auch der Integrität der Wettbewerbe (Doping, Betrug) dient. Der SKKF-Fall126 zeigt dies vorbildlich, da die Anti-Doping-Regelung aufrechterhalten wurde. Aktuell ist das beim „Ein-Platz-Prinzip“ jedoch nicht zu bejahen.127 Vieles hängt nun davon ab, ob Sportfunktionäre die „Ein-Platz-Prinzip“Problematik als Compliance-Problem oder eher als Ärgernis sehen. Bemerkenswert ist, dass nach der FIA-Entscheidung 2001 kein anderer Sportverband diesen Weg gewählt hat. Ansonsten wären weitere Beschwerden an Kartellbehörden denkbar, die entweder von ressourcenstarken Mitbewerbern oder auch (in geringerem Umfang) von Athleten (wohl eher am Ende ihrer Karriere) ausgehen könnten. Möglich wären ferner Rechtsverfahren vor ordentlichen Gerichten, veranlasst durch Mitbewerber oder vielleicht durch Athleten. Sollte der anhängige Rechtsstreit vor dem EuG, der von der ISUEntscheidung ausgelöst wurde, zu Lasten der ISU ausgehen, könnten davon ebenfalls wichtige Impulse ausgehen.128 Ebenfalls denkbar wären in der EU Vertragsverletzungsverfahren gegen nationale gesetzliche Regelungen. Veränderungsdruck könnte durch unabhängige Athletenvereinigungen und Sportgewerkschaften entstehen, aber nur dort, wo es diese tatsächlich gibt. Ob Veränderungsdruck innerhalb sportlicher Gremien entstehen könnte, erscheint derzeit unwahrscheinlich; jedoch sollte weniger nostalgischen Sportfunktionären daran gelegen sein, ihre Sportart zukunftsfähig zu machen. Schließlich könnte Druck ebenfalls durch Medien und Zivilgesellschaft ausgelöst werden.

123  EuGH, Rs. C-49/07. Schlussanträge GA Kokott v. 6.  März 2008. ECLI:EU:C: 2008:142, Rdnr. 97–99. 124  Fischer, Die Rolle (Fn. 2), 182. 125  Ebda., 151. 126  S. o. III. 1. 127  Pijetlovic, EU competition law (Fn. 105), S. 150: „Protecting private interests, the lack of connection to the specific nature of sport or direct discrimination […] will eliminate the possibility of passing the Meca Medina and Wouters test.“ 128  EuG, Rs. T-93/18 – International Skating Union/Kommission.



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Lösungen bieten sich den Verbänden durchaus an. Sie könnten erstens die ursprüngliche Regel beibehalten, zu deren Einhaltung jedoch stets ein „milderes Mittel“ wählen,129 dann aber nicht nur stillschweigend, sondern offenkundig und medienwirksam. „Selbstregulierung heißt im Wesentlichen der maßvolle Umgang der Sportfachverbände mit ihrer Organisationsautonomie“130. Exklusivitätsklauseln könnten zweitens einfach aufgehoben werden. Und ein Splitting/„Unbundling“ à la FIA wäre drittens stets möglich. Die Aufhebung von Exklusivitätsklauseln wäre mit Abstand mit dem geringsten, das Splitting/Unbundling mit Sicherheit mit dem größten Arbeitsaufwand verbunden.

3. Forschungsfragen Am Ende dieses Beitrags soll noch aufgelistet werden, welche Forschungsfragen aus hiesiger Sicht besonders versprechend erscheinen: 1. Wie oft ist das „Ein-Platz-Prinzip“ in den Satzungen und Reglements der Sportverbände inkorporiert? 2. Wie oft ist das „Ein-Platz-Prinzip“ in Gesetzgebung, Nebengesetzgebung und „Politiken“ der öffentlichen Hand inkorporiert? 3. Wie viele Länder haben gesetzliche Regelungen wie die aus Frankreich, Spanien und Italien bekannten verabschiedet, und wie viele haben diese (vielleicht) wieder abgeschafft? 4. In wie vielen Ländern wird das „Ein-Platz-Prinzip“ von den Gerichten anerkannt? 5. Aus wie vielen Ländern ist eine Rücknahme des „Ein-Platz-Prinzips“ bekannt? 6. Wie viele Sportarten schaffen es ohne „Ein-Platz-Prinzip“? 7. Wie oft geht das „Ein-Platz-Prinzip“ mit tatsächlicher Solidarität zugunsten der „Grassroots“ einher? 8. In wie vielen Ländern wird das „Ein-Platz-Prinzip“ im wissenschaftlichen Schrifttum thematisiert? Das ISU-Verfahren131 hat gezeigt, dass die kartellrechtlich fragwürdige Regelung nicht isoliert betrachtet werden darf, so als wäre sie ganz zufällig und völlig ohne wettbewerbsbeschränkende Absichten entstanden. Sie „steht

129  BGH, Urt. v. 02.12.1974, Az. II ZR 78/72 = BGHZ 63, 282 ff., „Deutscher Sportbund“. Übereinstimmend Fischer, Die Rolle (Fn. 2), 182. 130  Fischer, Die Rolle (Fn. 2), 218. 131  S. o., III.2.

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Jacob Kornbeck

nicht nur ‚auf dem Papier‘ “,132 sondern ist in zahlreichen Satzungen133 integriert. Dabei ist sie keine „naturgegebene Gesetzmäßigkeit“, sondern „eine ‚von oben‘ implementierte Organisationsvorgabe, deren Bewahrung von den ‚unteren‘ Organisationsebenen sicherzustellen ist“.134 Diese Einsicht ist in der Literatur vereinzelt vertreten, verdient es aber, in den Mainstream des Schrifttums zu drängen – und (noch mehr) in die Sportpolitik!

132  Fischer,

Die Rolle (Fn. 2), 182 182. Van Rompuy, (Fn. 2). 134  Fischer, Die Rolle (Fn. 2), 143. 133  Ebda.,

Ausschluss und Suspendierung nationaler durch internationale Sportverbände Von Klaus Vieweg I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 II. Rechtstatsächlicher Befund und Fallgruppenbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Menschenrechtsverstöße, insbes. Apartheid in Südafrika und Frauen­ diskriminierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rassendiskriminierung, insbes. Apartheid in Südafrika . . . . . . . . . . . b) Diskriminierung von Frauen im Sport . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Staatliche/Politische Einmischung in die Sportverbandsautonomie . . . . . 3. Regelverletzung: Verstoß gegen das Territorialitätsprinzip . . . . . . . . . . . . 4. Regelverletzung: (staatlich) organisiertes Doping . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Regelverletzung: Korruption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Parallelfälle: Aufnahmeverweigerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

86 86 88 89 90 92 93 94 94

III. Interessenanalyse der möglichen Konfliktbeteiligten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 IV. Rechtliche Überlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Komplexe Ausgangssituation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kartellrechtliche Überlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Internationaler Gerichtsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ausschluss durch wirksame Schiedsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . c) Anwendbares Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

97 97 98 98 99 100

V. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101

I. Einleitung Bei dem Thema denkt jeder an den Ausschluss russischer Sportlerinnen und Sportler von den Olympischen und Paralympischen Spielen in Rio 2016 als Folge des mutmaßlichen Staatsdopings. Es handelt sich allerdings um eine grundsätzliche Problematik, die ich in einen größeren Kontext stellen möchte. Dazu gehe ich in drei Schritten vor: Zunächst stelle ich die rechtstatsächliche Situation dar und systematisiere den rechtstatsächlichen Befund in Fallgruppen (dazu II.). Danach analysiere ich die Interessen der möglichen Konfliktbeteiligten (dazu III.). Schließlich folgen rechtliche Überlegungen,

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die die vorliegenden Verbands-, Schiedsgerichts- und Gerichtsentscheidungen in den Blick nehmen. – Hier geht es um die üblichen Fragen nach dem Gerichtsstand, einem etwaigen Ausschluss durch Schiedsgerichtsvereinbarungen und dem anwendbaren Recht, die Frage, ob der Ausschluss als Sanktion oder als Kündigung anzusehen ist, um Art und Umfang der gerichtlichen Überprüfung der Verbandsnormen sowie um die Frage der Durchsetzung von Ausschlüssen und Suspendierungen. Das ist sehr, sehr viel und reichlicher Stoff für eine umfangreiche Monographie. Ich werde mich also auf einige Schwerpunkte beschränken müssen (dazu IV.).

II. Rechtstatsächlicher Befund und Fallgruppenbildung Als Grundlage des rechtstatsächlichen Befundes kommen zum einen die betreffenden Verbandsregelungen  – wie die Olympic Charter und die Statuten der Internationalen Sportverbände (International Federations – IFs) in Betracht. Darin findet sich verbreitet die Unterscheidung zwischen dem auf Dauer gerichteten Ausschluss und der vorläufigen Suspendierung. Beide setzen schwere Verstöße gegen die Verbandsstatuten voraus und haben insbes. den Effekt, dass nationale Verbände nicht an internationalen Sportwettbewerben teilnehmen dürfen. Funktional identisch ist die Verweigerung der Aufnahme als Mitglied in einen internationalen Verband, wenn die Mitgliedschaft – wie in aller Regel – Teilnahmevoraussetzung für internationale Sportwettkämpfe ist. Für die betroffenen Sportlerinnen und Sportler haben zudem Boykottmaßnahmen ihrer Verbände zumeist die Konsequenz, dass sie an internationalen Wettbewerben nicht teilnehmen dürfen. Zum andern ist als Grundlage des rechtstatsächlichen Befundes die gelebte Praxis in den Blick zu nehmen. Sportrechtsarchiv und Erinnerung sowie die Auswertung des Schrifttums waren insofern hilfreich für einen – noch unvollständigen – Überblick. Sechs Fallgruppen möchte ich vorstellen.

1. Menschenrechtsverstöße, insbes. Apartheid in Südafrika und Frauendiskriminierung Als Beispiele für die Regelungen internationaler Sportverbände seien die des IOC1 und der FIFA zitiert:

1  Beim IOC handelt es sich zwar rechtlich um einen Verein nach Schweizer Recht mit Einzelpersonen als Mitgliedern. Funktional steht aber die Rolle als internationale Sportorganisation im Vordergrund, die sich aus der Verbindung zu den anerkannten



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Olympic Charter2 – Fundamental Principles of Olympism „4. The practice of sport is a human right. Every individual must have the possiblility of practising sport, without discrimination of any kind…“ „6. The enjoyment of the rights and freedoms set forth in this Olympic Charter shall be secured without discrimination of any kind, such as race, colour, sex, sexual orientation, language, religion, political or other opinion, national or social origin, property, birth or other status.“ FIFA Statutes3: Art. 3 Human rights „FIFA is committed to respecting all internationally recognised human rights and shall strive to promote the protection of these rights.“ Art. 4 Non-discrimination, equality and neutrality „Discrimination of any kind against a country, private person or group of people on account of race, skin colour, ethnic, national or social origin, gender, disability, language, religion, political opinion or any other opinion, wealth, birth or any other status, sexual orientation or any other reason is strictly prohibited and punishable by suspension or expulsion.“

Im FIFA Governance Report 20164 heißt es bzgl. der Integration der Menschenrechte „FIFA has included a new article on human rights in its Statutes (article 3). In addition, FIFA is developing a Human Rights Policy Commitment in accordance with the UN Guiding Principles on Business and Human Rights and international best practices and is planning to set up a Human Rights Advisory Board, which will provide FIFA with independent expert advice on its efforts to implement article 3 of its Statutes.“

In den Universal good governance principles5 fordert die FIFA Folgendes: „FIFA requires that its confederations and member associations include good governance principles in their statutes. These minimum provisions include being neutral in matters of politics and religion; prohibiting all forms of discrimination; ensuring the independence of judicial bodies; avoiding conflicts of interest in decision-making; and yearly independent audits of accounts.“

Nationalen Olympischen Komitees (NOCs) und Internationalen Sportfachverbänden ergibt. 2  Olympic Charter (in force as from 26 June 2019) abrufbar unter https://stillmed. olympic.org/media/Document %20Library/OlympicOrg/General/EN-Olympic-Charter. pdf#_ga=2.96276181.814104794.1589367723-1228988299.1589367723. 3  FIFA Statutes (June 2019 edition) abrufbar unter https://resources.fifa.com/ image/upload/fifa-statutes-5-august-2019-en.pdf?cloudid=ggyamhxxv8jrdfbekrrm. 4  FIFA Governance Report 2016 abrufbar unter https://resources.fifa.com/image/ upload/governance-report-2016-2878923.pdf?cloudid=gkpaxp18nq4kphki81gk, S. 20. 5  Ebenda.

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a) Rassendiskriminierung, insbes. Apartheid in Südafrika Vorab sei die politische Entwicklung in groben Zügen in Erinnerung gerufen: Die Rassentrennung hatte in Südafrika im modernen Sport Tradition. Cricket und Rugby wurden von Weißen, Fußball von Farbigen ausgeübt. Im internationalen Sport wurde Südafrika allein von „weißen“ Sportverbänden vertreten. 1948 kam es zum Erlass der Apartheidsgesetze. Die Politik ergriff Maßnahmen zur Durchsetzung der Rassentrennung im Sport und zum Alleinvertretungsanspruch der Verbände der Weißen in den internationalen Sportverbänden. Aufgrund des Drucks der internationalen Sportverbände und zwischenstaatlicher Organisationen kam es zu gewissen Lockerungen. Mit der Freilassung Nelson Mandelas Anfang 1990 fand die Apartheid 1994 ihr Ende. Die Maßnahmen des IOC, der internationalen Sportverbände, der zwischenstaatlichen Organisationen und einzelner Staaten sind detailliert in den Dissertationen von Andreas Krumpholz6 und Andreas Wax7 dargestellt. Schlaglichtartig möchte ich aus diesen Publikationen Folgendes hervorheben: – 1964 schloss das IOC Südafrika (veranlasst durch die Aktivitäten des ­South African Non-Racial Olympic Committee SANROC) von den Olympischen Spielen und 1970 sogar von der Olympischen Bewegung aus. Erst 1992 erfolgte die Wiederzulassung zu den Olympischen Spielen in Barcelona. – Die internationalen Sportverbände (damals 30) verfolgten in der Südafrika-Frage keine einheitliche Politik. 13 hatten die südafrikanischen Verbände ausgeschlossen bzw. deren Aufnahme verweigert. Drei suspendierten deren Mitgliedschaft und 14 erlaubten die Teilnahme an internationalen Wettbewerben mit Einschränkungen. Aus eigener Erfahrung kann ich berichten, dass südafrikanische Turnerinnen und Turner 1969 an der Gymnaestrada in Basel teilnahmen und sich 1976 in Münster mit der Universitätsmannschaft einen Wettkampf lieferten. Als Maßnahmen zwischenstaatlicher Organisationen und Staaten seien erwähnt: – Der Supreme Council for Sport in Africa (SCSA) – vergleichbar der europäischen Sportministerkonferenz forderte bereits 1966 den Ausschluss Südafrikas vom internationalen Sportverkehr. Es folgten Boykottdrohun6  A. Krumpholz, Apartheid und Sport – Rassentrennung und Rassendiskriminierung im südafrikanischen Sport sowie der Sportboykott Südafrikas, München 1991. 7  A. Wax, Internationales Sportecht. Unter besonderer Berücksichtigung des Sportvölkerrechts, Berlin 2009.



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gen bzgl. der Olympischen Spiele in München 1972 und der Boykott der Olympischen Spiele in Montreal 1976 durch über 20 Staaten wegen des Nicht-Ausschlusses Neuseelands, dessen Rugby-Nationalmannschaft 1976 eine Südafrikareise unternommen hatte.8 – Die UN-Vollversammlung verabschiedete seit 1968 zahlreiche Resolutionen, 1977 die International Declaration against Apartheid in Sport (1988 in Kraft getreten ohne Unterzeichnung der westlichen Staaten wegen verfassungsrechtlicher Bedenken).9 – Die Bundesrepublik Deutschland trat den völkerrechtlichen Verträgen nicht bei und ging nicht gegen Verbände und Sportler vor, die Beziehungen zu Südafrika unterhielten. – Einzelne südafrikanische Sportler konnten – als Doppelstaater – an internationalen Wettbewerben teilnehmen, so die berühmte Barfußläuferin Zola Budd, die für Großbritannien startberechtigt war.10 b) Diskriminierung von Frauen im Sport Der von der UN-Weltfrauenkonferenz erarbeitete Entwurf eines Übereinkommens über die Beseitigung jeder Diskriminierung der Frau wurde von der UN-Generalversammlung als Resolution 34/180 verabschiedet und trat am 3.9.1981 in Kraft.11 Art.10 g) des Übereinkommens formuliert als Maßnahmenziel für die Vertragsstaaten: „The same opportunities to participate actively in sports and physical education.“ Ebenso erwähnt Art. 13 c) ausdrücklich „The right to participate … in sports.“ Art. 2 e) verbietet ausdrücklich auch die Diskriminierung von Frauen in jeglicher Form durch Private und verpflichtet die Vertragsstaaten, alle angemessenen Maßnahmen zu ergreifen, um Diskriminierungen zu eliminieren. Weitere Resolutionen knüpften an dieses Übereinkommen an. Konsequenterweise ist das Programm der Olympischen Spiele angepasst worden, sodass auch früher als typisch männlich angesehene Sportarten wie 8  https://www.olympia-lexikon.de/Montreal_1976.

9  Abrufbar unter https://treaties.un.org/doc/Publication/UNTS/Volume  %201500/ volume-1500-I-25822-English.pdf. 10  Der Spiegel vom 30.4.1984, abrufbar unter https://www.spiegel.de/spiegel/ print/d-13510641.html. 11  Abrufbar unter http://un-documents.net/a34r180.htm. Generell zur Geschlechter diskriminierung im Sport K. Vieweg/A. Müller, Gleichbehandlung im Sport, in: G. Manssen/M. Jachmann/C. Gröpl (Hrsg.), Festschrift für Udo Steiner zum 70. Geburtstag, Stuttgart 2009, S. 889 (906 f.); K. Vieweg/S. Lettmayer, ,Anti-discrimination law and policy, in: J. A. R. Nafziger/S. F. Ross (eds.), Handbook on International Sports Law, Cheltenham, Northamton 2011, p. 258 (267 et seqq.).

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Hammerwerfen, Ringen, Gewichtheben und Skispringen olympische Diszi­ plinen geworden sind. Probleme bestehen allerdings immer noch für muslimische Sportlerinnen aus bestimmten Staaten, an internationalen Sportwettbewerben teilzunehmen. Als Konsequenz schloss das IOC Afghanistan bei den Olympischen Spielen in Sydney 2000 wegen der Weigerung, Frauen starten zu lassen, aus.12 Vor den Olympischen Spielen in London 2012 wurden Forderungen laut, Saudi Arabien auszuschließen.13

2. Staatliche/Politische Einmischung in die Sportverbandsautonomie Olympic Charter14 – Fundamental Principles of Olympism enthalten folgende Regelung: „5. Recognising that sport occurs within the framework of society, sports organisations within the Olympic Movement shall have the rights and obligations of autonomy, which include freely establishing and controlling the rules of sport, determining the structure and governance of their organisations, enjoying the right of elections free from any outside influence and the responsibility for ensuring that principles of good governance be applied.“

Die FIFA-Statuten15 regeln Folgendes: – Art. 10 (1): Aufnahmevoraussetzung für einen Nationalverband ist, dass er in seinem Land für die Organisation und Kontrolle des Fußballs in allen seinen Formen zuständig ist. – Art 14(1) regelt die Suspendierung bei schwerer Verletzung der Mitgliedschaftspflichten. – Art. 15 (1) regelt den Ausschluss u. a. bei schweren Verstößen gegen die Statuten, Reglemente oder Beschlüsse der FIFA. – Art. 17 verlangt die Unabhängigkeit der Mitglieder und ihrer Organe, insbes. (2) die völlige Unabhängigkeit bei der Wahl oder Ernennung von

12  https://www.hrw.org/de/news/2012/02/15/ioc/saudi-arabien-frauen-nicht-vomsport-ausschliessen. 13  Generell zur Geschlechterdiskriminierung im Sport K. Vieweg/A. Müller, Gleichbehandlung im Sport, in: G. Manssen/M. Jachmann/C. Gröpl (Hrsg.), Festschrift für Udo Steiner zum 70. Geburtstag, Stuttgart 2009, S. 889 (906 f.); K. Vieweg/S. Lettmayer, ,Anti-discrimination law and policy, in: J. A. R. Nafziger/S. F. Ross (eds.), Handbook on International Sports Law, Cheltenham, Northamton 2011, p. 258 (267 et seqq.). 14  Siehe oben Fn. 2. 15  Siehe oben Fn. 3.



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Organen. Falls diese nicht gegeben ist, erfolgt (3) keine Anerkennung durch die FIFA. Eine konkrete Definition der Unabhängigkeit erfolgt nur für die FIFAFunktionäre in den Governance Regeln.16 Exemplarisch sei zunächst die Suspendierung Kuwaits durch das IOC und die FIFA erwähnt: Als Hintergrund wird ein Machtkampf zwischen dem kuwaitischen Sportminister und Scheich Ahmad al Fahad al Sabah berichtet.17 Das IOC suspendierte Kuwait zweimal. Die zweite Suspendierung wurde akzeptiert, um politischen Druck in Kuwait gegen die Regierung aufzubauen.18 Die FIFA19 verlautbarte am 15.10.2015: „Today, 16 October 2015, the Kuwait Football Association (KFA) has been suspended with immediate effect. The suspension follows the decision of the FIFA Executive Committee during its meeting on 24 and 25 September to give until 15 October 2015 for changes to be made to the sports law of Kuwait.  The suspension will be lifted only when the KFA and its members (the clubs) are able to carry out their activities and obligations independently.  As a result of this decision, no team from Kuwait of any sort (including clubs) can have any international sporting contact (art. 14 par. 3 of the FIFA Statutes), and neither the KFA nor any of its members or officials can benefit from any development programme, course or training from FIFA or the AFC.“

Am 27.6.2017 suspendierte die FIFA Sudan, nachdem das Justizministerium den Präsidenten und weitere Funktionäre des Verbandes ihrer Ämter enthoben hatte.20 Die FIFA-Homepage verlautbarte am 13.7.2017: „The Bureau of the FIFA Council has today lifted the suspension that was imposed on the Sudan Football Association (SFA) for its failure to comply with its obligations stipulated in articles 14 and 19 of the FIFA Statutes following a decree issued by Sudan’s Undersecretary of the Ministry of Justice on 2 June 2017.  This decision has been taken following confirmation by the SFA that Mr Bakri Hassan Salih, Prime Minister of Sudan, has issued a resolution suspending the de-

16  Siehe

oben Fn. 4. Guardian vom 16.10.2015, abrufbar unter https://www.theguardian.com/ football/2015/oct/16/kuwait-fa-suspended-fifa. 18  CAS 2015/A/4284, Arbitral Award 18.1.2017, R. 30. 19  Siehe auch Circular 1515 vom 9.12.2015, abrufbar unter https://resources.fifa. com/mm/document/affederation/administration/02/74/36/53/circularno.1515-suspen sionofthekuwaitfootballassociation_neutral.pdf. 20  FAZ vom 8.7.2017, S. 34. 17  The

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cree of the Undersecretary of the Ministry of Justice and the SFA Board of Directors with its President, Dr Mutasim Gaafar Sir Elkhatim, have been reinstated.“

Am 10. Oktober 2017 suspendierte die FIFA den Pakistanischen Fußballverband PPP, der wegen eines seit zwei Jahren andauernden Rechtsstreits unter gerichtlicher Verwaltung steht.21 Griechenland wurde von der FIFA bereits im Jahre 2006 suspendiert.22 Art. 16 (9) der griechischen Verfassung regelt „… ultimate supervision of the State …“ und widerspricht damit den FIFA-Anforderungen. Um die griechischen Verbandsregeln so zu ändern, dass sie mit dem FIFA-Standard übereinstimmen, setzte die FIFA-Exekutive ein Normalisierungskomitee ein. Auf griechischer Seite erfolgte als Reaktion das Sondergesetz 4431/201623. Die FIFA griff die Forderung nicht auf, Iran zu suspendieren, weil zwei Spieler aus der Nationalmannschaft ausgeschlossen wurden, die mit ihren Vereinsmannschaften gegen einen Club aus Tel Aviv gespielt hatten24 Formen und Intensität staatlicher Einflussnahme sind vielfältig: Erwähnt seien mit Blick auf den deutschen Sport der Eingriff in Organisation und Strukturen im Rahmen der sog. Gleichschaltung im 3. Reich25 und der „goldene Zügel“ staatlicher Sportförderung durch Stellen bei Bundeswehr und Bundespolizei sowie die Zurverfügungstellung von Finanzmitteln. Eine Reaktion der internationalen Sportverbände ist nicht erfolgt. Insofern ist ein erheblicher Konkretisierungsbedarf zu vermelden. Die internationalen Sportverbände sind m. E. aus ihrer Förderpflicht gegenüber den nationalen Sportverbänden gehalten, den Normenmangel zu beseitigen und ein dem Verhältnismäßigkeitsprinzip Rechnung tragendes abgestuftes Reaktionsregime zu entwickeln.

3. Regelverletzung: Verstoß gegen das Territorialitätsprinzip Art. 72 (2) FIFA-Statuten26 spezifiziert die Voraussetzungen für sportliche Kontakte im Ausland wie folgt: 21  FAZ

vom 10.12.2017, S. 31. Darstellung von D. P. Pangiotpoulos/Z. Kallimani, Appointment of Temporary Administration in the Hellenic Football Federation Greek Government – FIFA Intervention, in: M.  F. Serra, Rsponsibilities in Sports Activities (Congress International Association of Sports Law, Rome, October 2017), p. 543 et seqq. 23  Ibid. p. 547 et seqq. 24  FAZ vom 11.8.2017, S. 28. 25  K. Vieweg, Gleichschaltung und Führerprinzip – Zum juristischen Instrumentarium der Organisation des Sports im Dritten Reich, in: P. Salje (Hrsg.), Recht und Unrecht im Nationalsozialismus, Münster 1985, S. 244–271. 26  Siehe oben Fn. 3. 22  Eingehende



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„Member associations and their clubs may not play on the territory of another member association without the latter’s approval.“

Mit Problemen sieht sich insofern Israel konfrontiert. Mit der Begründung, der israelischen Verband lasse Mannschaften aus jüdischen Siedlungen im besetzten Westjordanland in der israelischen Liga spielen, beantragte der palästinensische Fußballverband, Israel auszuschließen.27 Im Zusammenhang mit der Nichtanerkennung als Staat wurde Israel von den Asienspielen ausgeschlossen.28 Problematisch war die Teilnahme von Fußballmannschaften aus der Krim in der russischen Liga. Für die Aufnahme der Vereine aus Sewastopol, Simferopol und Jalta im August 2014 in die dritte russische Liga hätte der russische Fußballverband eigentlich die Zusage der ukrainischen Kollegen gebraucht, die gab es aber nie. Erst später reagierte die UEFA mit dem Ausschluss der Krim-Vereine aus der russischen Liga. Die Halbinsel wurde aber gleichzeitig zu einer Sonderzone erklärt, die allein der UEFA untergeordnet ist. So entstand auch die Idee einer eigenen Profi-Liga, die vom europäischen Fußballverband unterstützt wurde.29

4. Regelverletzung: (staatlich) organisiertes Doping Ohne Sanktionen der internationalen Sportverbände blieb das staatlicherseits organisierte Doping im Sport der DDR.30 Im Focus steht nach seiner Entdeckung die russische Dopingpraxis, auf deren – nicht unumstrittene – Darstellung der Einzelheiten31 hier verzichtet werden kann. Entscheidend sind die Reaktionen des IOC, des IPOC und der internationalen Fachverbände. Sie bestehen im Wesentlichen darin, dass das russische NOK sowie die russischen Fachsportverbände suspendiert sind und damit ihre Sportlerinnen und Sportler nicht oder nur unter bestimmten Voraussetzungen als individuelle Athleten an Olympischen Spielen und internationalen Wettbewerben teilnehmen dürfen. Zudem wird die Akkreditierung als Dopinglabor versagt. 27  FAZ

vom 10.5.2017, S.27 zur Diskriminierung israelischer Sportlerinnen und Sportler FAZ vom 21.4.2018, S. 36. 29  D. Trubetskoy, Die neueste Liga der Welt, Zeit online 25.11.2015. 30  Einen ersten Überblick verschaffte der Bericht der vom seinerzeitigen Präsidenten des Bundessozialgerichts Heinrich Reiter geleiteten Kommission. 31  Die beiden Teile des McLaren Reports sind abrufbar unter https://www.wadaama.org/en/resources/doping-control-process/mclaren-independent-investigation-re port-part-i und https://www.w2017,69ada-ama.org/en/resources/doping-control-pro cess/mclaren-independent-investigation-report-part-ii. Instruktiv ist auch der Sachverhalt des Beschlusses des OLG Düsseldorf, SpuRt 2017, 69. 28  Generell

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Der Internationale Gewichtheberverband IWF sperrte aufgrund von Nachuntersuchungen von Dopingproben neun Verbände, die mehr als drei Dopingfälle bei den Olympischen Spielen in Peking (2008) und London (2012) hatten.32 Ein besonderes Problem stellte sich für das IOC: In einem Gewichtheberwettkampf waren die ersten acht Platzierten gedopt. Soll man dem – nicht getesteten – Neunten die Goldmedaille verleihen?

5. Regelverletzung: Korruption Das Brasilianisches NOC wurde durch das IOC suspendiert. Die brasilianischen Sportlerinnen und Sportler durften bei den Olympischen Wintersspielen starten.33

6. Parallelfälle: Aufnahmeverweigerung Vergleichbar den Fällen des Ausschlusses und der Suspendierung sind – quasi in einem Vorprüfungsstadium  – die Entscheidungen internationaler Sportverbände, einen nationalen Sportverband nicht als Mitglied aufzunehmen. Grund kann z. B. das Ein-Platz-Prinzip sein, demzufolge nur ein nationaler Verband Mitglied im betreffenden internationalen Sportverband sein darf.34 So weigerte sich der internationale Radsportverband UCI, den deutschen Radsportverband RKB Solidarität als Mitglied neben dem bereits aufgenommenen Bund Deutscher Radfahrer (BDR) aufzunehmen.35 Auch zwischen dem IOC und internationalen Sportverbänden besteht diese Problematik. So konnte Damenhockey solange nicht zur olympischen Disziplin werden, wie zwei konkurrierende Weltverbände bestanden.36

32  FAZ vom 2.10.2017, S. 28; siehe auch sport 1, abrufbar unter https://www. sport1.de/olympia/2016/06/london-2012-vier-gewichtheber-olympiasieger-positiv-ge testet. 33  FAZ vom 7.10.2017, S. 34  Zum Ein-Platz-Prinzip bzw. Ein-Verbands-Prinzip K. Vieweg, Normsetzung und -anwendung deutscher und internationaler Verbände, Berlin 1990, S. 61 ff. 35  K. Vieweg, Teilnahmerechte und -pflichten der Vereine und Verbände, in: E. Deutsch (Hrsg.), Teilnahme am Sport als Rechtsproblem, Heidelberg 1993, S. 23 (30 f.). 36  K. Vieweg, Normsetzung (Fn. 34), S. 63.



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Aufnahmeverweigerungen haben häufiger einen politischen Hintergrund, weil es insbes. um die Frage der diplomatischen Anerkennung als Staat geht. Gibraltar37 und das Kosovo38 sind hierfür Beispiele. Umgekehrt kann in Abkehr von der territorialen Komponente des EinPlatz-Prinzips ein nationaler Sportverband in einen Kontinentalverband aufgenommen werden, weil er in der für ihn zuständigen Kontinentalvereinigung nicht willkommen ist. So sind israelische Sportverbände, die eigentlich den asiatischen Sportverbänden zuzuordnen wären, Mitglied in den betreffenden europäischen Sportverbänden.39

III. Interessenanalyse der möglichen Konfliktbeteiligten Die Vielzahl möglicher Konfliktbeteiligter wird am besten durch Grafiken deutlich. Stellt man das IOC in das Zentrum der internationalen Sportbeziehungen, so ergibt sich folgende Konstellation: Personal

nationale Verbände

Kommissionen Olymp. Solidarität

Mitglieder

Intern. Verbände

Etwaige Verletzer in Anspruch genommener Rechte (olympischer Symbole)

OK Olymp. Spiele

Zusammenschlüsse - Sommer - Winter

Staaten: EU

Versicherungen

IOC

Zuschauer Merchandising Werbepartner

UN/UNESCO NOC Athleten

Sponsoren Medien, insb. Fernsehen WADA

Regionale Zusammenschlüsse

Ad hoc-Schiedsgerichte Funktionäre und Mannschaften Akkreditierte Pressevertreter Akkreditierte Dopinglabore

37  taz vom 14.11.2014, abrufbar unter https://taz.de/Streit-zwischen-Spanien-undGibraltar/!5028782/. 38  FAZ vom 13.11.2018 abrufbar unter https://www.faz.net/aktuell/sport/sportpoli tik/umstrittener-umgang-mit-kosovo-athleten-heftige-kritik-an-spanien-15888681. html. 39  Bspw. ist der Israelische Fußballverband seit 1994 Mitglied der UEFA.

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Sieht man auf nationaler Ebene das Nationale Olympische Komitee (NOC) im Zentrum – in Deutschland: den DOSB – so ergibt sich folgende Konstellation: Ausrüster

Sponsoren/ Werbepartner

IOC

Internationale Fachverbände

nationale Fachverbände

NOC

Vereine Medien

Athleten

Staat

Aus Athletensicht ergibt sich folgendes Beziehungsgeflecht: Tatsächliche und rechtlich geregelte Beziehungen der Athleten persönlicher Sponsor persönlicher Ausrüster

Familie

Partner, Freunde Ausbildungsstelle (Schule, Lehre, Hochschule) Arbeitgeber

Manager, Berater

andere Athleten

Agenturen Fernsehanstalten u. -gesellschaften Presse, Rundfunk

Konkurrenten

Vereinstrainer

Athlet

Vereinsarzt

Zuschauer

Verein

Versicherung

LV-Trainer

int. Verband Deutscher Sportbund Stiftung Sporthilfe

Team

Landesverband nat. Verband

Bundestrainer

Gesetzlich oder vertraglich geregelte Beziehungen sonstige, lediglich tatsächliche Beziehungen

Aufgrund der Suspendierung – gleichwertig: Ausschluss und Aufnahmeverweigerung – entstehen für einen nationalen Sportverband (bzw. für ein NOC bei Entziehung der Anerkennung durch das IOC) insbes. folgende Probleme, die sein Interesse tangieren und demgemäß ein Rechtsschutzbedürfnis begründen können:



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– Nicht möglich sind die Nominierung und die Teilnahme von Mannschaften und damit von Athletinnen und Athleten an internationalen Wettbewerben. – Es kommt zu einer Imageeinbuße mit wirtschaftlichen und rechtlichen Konsequenzen. Insbes. können vertragliche bzw. verbandsrechtliche Verpflichtungen nicht erfüllt werden oder können Verträge z. B. mit Sponsoren, Medien und Ausrüstern nur zu schlechteren Bedingungen abgeschlossen werden. – Die staatliche Sportförderung kann mangels internationaler Wettkampfbeteiligung entfallen oder reduziert werden. Die Grafiken zeigen zudem eine Vielzahl von Drittbetroffenen (auch Unternehmen), die insbes. auch finanzielle Einbußen haben, die ein Rechtsschutzbedürfnis begründen können.

IV. Rechtliche Überlegungen 1. Komplexe Ausgangssituation Die Vielzahl der möglichen Konfliktparteien und Konfliktsituationen sowie die internationale Dimension zeigen, wie komplex die Problematik ist. Hier kann nur ein erster Überblick gegeben werden, an den Detailuntersuchungen anknüpfen können. – Zu berücksichtigen ist eine Mehrzahl potentieller Anspruchsteller (insbes. nationale Verbände, Athletinnen und Athleten, aber auch betroffene Unternehmen) aus zahlreichen Staaten. Beispielsweise hat die FIFA 211 nationale Mitgliedsverbände. – Bei den internationalen Sportverbänden als Anspruchsgegner handelt es sich mehrheitlich um unternehmerisch tätige Vereine mit Sitz in der Schweiz oder z. B. in Monaco (IAAF, seit 2019 World Athletics). – Als Anspruchsziele der direkt Betroffenen (nationale Verbände, NOCs wie der DOSB) kommen in Betracht: – die Aufhebung der Suspendierung/des Ausschlusses bzw. die Aufnahme als Mitglied oder die Anerkennung als NOC, – Schadensersatz. – Anspruchsziele der mittelbar betroffenen Athleten können sein: – die Zulassung zu einem internationalen Wettbewerb (evtl. Inzidenterprüfung: Aufhebung der Suspendierung etc.).

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– Als Anspruchsgrundlagen sind es m. E. drei Ansätze wert, als Startpunkte für Rechtsschutzüberlegungen herangezogen zu werden: – Kontrahierungszwang (kartellrechtlich zu begründen) und Schadens­ ersatz gem. § 826 BGB, – c.i.c. gem. § 311 Abs. 2 BGB40 ­– Kartellrechtlich: Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung gem. § 19 GWB. Schon dieser stichworthafte Überblick zeigt ein Eldorado für Sportrechtler. Klärungsbedarf besteht insbes. bzgl. folgender Aspekte: – Gerichtsstand, ­– Ausschluss staatlicher Gerichte aufgrund Schiedsvereinbarung, – anwendbares Recht, ­– gerichtliche Nachprüfung (Art und Umfang – auch ordre public), – Vollstreckung.

2. Kartellrechtliche Überlegungen Eröffnet das in den letzten Jahren zunehmend in den Blick geratene Kartellrecht41 einen „Königsweg“? – Hierzu einige Überlegungen zu den Fragen des internationalen Gerichtsstands, den im Sport üblichen Schiedsvereinbarungen und der Anwendbarkeit des Kartellrechts. a) Internationaler Gerichtsstand Im Fall Pechstein hat der BGH42 zutreffend die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte bejaht. Die Beteiligtenkonstellation – internationaler

40  BGH, Urt. vom 13.10.2015, SpuRt 2016, 26 (Friedek) mit Anm. M. Gutzeit/ C. Baumann bzw. vormitgliedschaftliches Verhältnis (AG Nürnberg Urt. vom 3.9.2009, besprochen von K. Vieweg, Vormitgliedschaftliche Rechtsverhältnisse eingetragener Vereine, in: M. Martinek/P. Rawert/B. Weitemeyer (Hrsg.) Festschrift für Dieter Reuter zum 70. Geburtstag, 2010, S. 395 ff. 41  Besondere Aufmerksamkeit erreichten die Aktivitäten des Bundeskartellamts hinsichtlich der Werbebeschränkungen gem. Rule 40 IOC Charter (https://www.bundeskartellamt.de/SharedDocs/Meldung/DE/Pressemitteilungen/2019/27_02_2019_ DOSB_IOC.html) und die Entscheidung des OLG München vom 15.1.2015  – U 1110/14 Kart. (https://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/Y-300-Z-BECKRSB-2015-N-02086?hl=true) im Fall Pechstein. Siehe auch die Beiträge von P. Heermann, F. Engelsing und T. Hülskötter in diesem Band.



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Sportverband mit Sitz in der Schweiz, deutsche Sportlerin – ist geradezu typisch für deutsche Athletinnen und Athleten bei Streitigkeiten mit dem für sie „zuständigen“ internationalen und nationalen Sportverband. Die Zuständigkeit deutscher Gerichte ergibt sich in dieser Konstellation aus Art 6 Nr. 1 i. V. m. Art. 60 LugÜ 2007, da die Klage gegen einen Beklagten (internationaler Sportverband) gerichtet ist, der seinen Sitz in einem anderen Vertragsstaat (Schweiz) hat, und dieser zusammen mit einem im Gerichtsstaat (Deutschland) ansässigen Beklagten (nationaler Sportverband) verklagt wird und zwischen den Klagen eine so enge Beziehung besteht, dass eine gemeinsame Verhandlung und Entscheidung geboten ist, um sich widersprechende Entscheidungen zu vermeiden. Wenige internationale Sportverbände haben ihren Sitz in Deutschland.43 Für das Internationale Paralympische Komitee (IPC) mit Sitz in Bonn hatte das OLG Düsseldorf44 über die Zulassung russischer Athleten zu den Paralympischen Spielen in Rio zu entscheiden. Insofern konnte das Gericht seine Zuständigkeit unproblematisch bejahen. Generell – unabhängig vom Sitz – ist für derartige Streitfälle maßgeblich, dass der besondere Gerichtsstand für Deliktsklagen nach Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ/LugÜ auch Kartelldelikte erfasst. Für Kartelldelikte ergibt sich ein inländischer Erfolgsort, wenn sich die Handlung unmittelbar auf den deutschen Markt bezieht. Eine internationale deutsche Zuständigkeit (zugleich örtliche Zuständigkeit gem. § 32 ZPO) ist z.B bei einer gegen einen inländischen Sportler, Verein oder Verband gerichteten Sperre bzw. einer Suspendierung zu bejahen. Auch für ausländische Sportler, Vereine oder Verbände können deutsche Gerichte zuständig sein, wenn diese auf dem deutschen Markt tätig sind und die Sperre bzw. Suspendierung sich auch auf den deutschen Markt auswirkt. Zweifelhaft ist dies allerdings, falls es sich um einen Sekundärmarkt handelt. b) Ausschluss durch wirksame Schiedsvereinbarung Über das Problem der Freiwilligkeit bei faktischem Zwang zum Anschluss einer Schiedsvereinbarung wird nicht erst seit dem Fall Pechstein gestritten. Ich möchte hier nur eine Überlegung einbringen, die bei der letztlich maßgeblichen Interessenabwägung Berücksichtigung verdient. Es geht um die Bedeutung der Rule 58 CAS Code: Procedural Rules45. Sie lautet: 42  BGH,

Urt. vom 7.6.2016 – KZR 6/15, SpuRt 2016, 163, Rn. 16 ff. m. w. N. Vieweg, Normsetzung (Fn. 34), S. 55. Die UIPMB hat ihren Sitz mittlerweile nach Monaco verlegt. 44  OLG Düsseldorf, Beschl. vom 13.9.2016 – VI-W (Kart) 13/16, SpuRt 2017,69. 45  Abrufbar unter https://www.tas-cas.org/en/arbitration/code-procedural-rules.html. 43  K.

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„R58 Law Applicable to the merits The Panel shall decide the dispute according to the applicable regulations and, subsidiarily, to the rules of law chosen by the parties or, in the absence of such a choice, according to the law of the country in which the federation, association or sports-related body which has issued the challenged decision is domiciled or according to the rules of law the Panel deems appropriate. In the latter case, the Panel shall give reasons for its decision.“

Zu einer Anwendung des Kartellrechts kommt es in CAS-Schiedsverfahren also nur subsidiär bei entsprechender Wahl, an der der Verband in aller Regel kein Interesse hat. c) Anwendbares Recht Ein zuständiges deutsches Gericht muss die Frage nach dem anwendbaren Recht und dem Unfang der gerichtlichen Nachprüfung entscheiden. Zutreffend geht das OLG Düsseldorf in der IPC-Entscheidung von seiner unbeschränkten Prüfungskompetenz verbandsrechtlicher Entscheidungen aus.46 Die Anwendung der kartellrechtlichen Vorschriften der §§ 19,20 GWB mündet letztlich in einer Interessenabwägung47, die auch verfassungsrechtlich nach dem Grundsatz der praktischen Konkordanz48 und dem Verhältnismäßigkeitsprinzip geschuldet ist. Eine umfassende Abwägung der Interessen der Beteiligten hat unter Berücksichtigung der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des GWB zu erfolgen. Bei der Berücksichtigung der Interessen des behindernden Normadressaten sind grundsätzlich alle Belange in die Bewertung einzubeziehen, die nicht auf einen gesetzeswidrigen Zweck gerichtet sind oder sonst gegen gesetzliche Vorschriften oder Zielsetzungen verstoßen. Das Interesse des behinderten Unternehmens geht dahin, sich möglichst frei von machtbedingten Beeinträchtigungen wettbewerblich zu betätigen. Damit soll ein fairer Interessenausgleich erreicht werden, wie er bei kollidierenden Grundrechten nach dem Prinzip der praktischen Konkordanz – konkreter: dem Verhältnismäßigkeitsprinzip – im Einzelfall zu ermitteln ist.

46  Zum Umfang gerichtlicher Nachprüfung aufgrund der Justizgewährungspflicht bereits K. Vieweg, Normsetzung (Fn. 34), S. 185 ff und 229 ff. sowie BGH, SpuRt 1995,43 ff. m. Besprechung von K. Vieweg, SpuRt 1995,97 ff. 47  S. Egger/K. Vieweg, Kartellrecht, in: K. Vieweg/M. Fischer (Hrsg.), Wirtschaftsrecht, Baden-Baden 2019, Rn. 162 f. 48  K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 16. Aufl., Heidelberg 1988, Rdnr. 72 o. 317 f.; BVerfGE 41, 29 (51); 77, 240 (255); 81, 298 (308).



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Was sind nun die Kriterien eines fairen Interessenausgleichs? Mit Blick auf die Problematik konkurrierender Sponsoringinteressen habe ich diese in einer früheren Untersuchung49 zusammengestellt: Insbesondere ging es mir darum, dass nicht einseitig vollendete Tatsachen geschaffen werden und frühzeitig eine Abstimmung erfolgt. Die Interessenlage ist bei den von mir gebildeten sechs Fallgruppen zwar durchaus unterschiedlich. Generell ist m. E. aber in die Abwägung einzubeziehen die wechselseitige Förderpflicht, die z. B. eine rechtzeitige Information durch klare und hinreichend detaillierte Regelungen einschließt. Weiterhin ist aus dem globalen sportrechtlichen Prinzip der Fairness eine Pflicht zur Gleichbehandlung gleicher Sachverhalte abzuleiten. Ebenso sind die Möglichkeiten, die die eigenen Verbandsregelungen eröffnen, in vollem Umfang auszuschöpfen, wenn damit den Interessen der Gegenseite entsprochen werden kann. Die betrifft z. B. die Zulassung von Athleten, deren NOC vom IOC suspendiert ist. Das IOC muss sich insofern an seinen statuarischen Prinzipien festhalten lassen. Dort heißt es in Rule 3 Olympic Principles50: „The Olympic Movement …. reaches its peak with the bringing together of the world’s athletes at the great sports festival, the Olympic Games.“

Die Zulassung brasilianischer Athleten zu den Winterspielen 201851 ist deshalb ungeachtet der Suspendierung des brasilianischen NOC die richtige Entscheidung gewesen.

V. Fazit Die rechtstatsächliche Betrachtung zeigt, dass die aktuelle Suspendierungsproblematik in einen größeren Zusammenhang zu stellen ist. Zumindest sechs Fallgruppen lassen sich unterscheiden. Suspendierungen tangieren nicht nur die Interessen der suspendierten Verbände, sondern – mittelbar – auch die Interessen zahlreicher Drittbetroffener. Hieraus können vielfältige Konfliktsituationen mit entsprechendem Rechtsschutzbedürfnis entstehen. Ein internationaler Gerichtsstand in Deutschland und die Anwendung deutschen Rechts lassen sich in manchen Konfliktkonstellationen bejahen, wenn man das Kartellrecht heranzieht. Für die Prüfung der Rechtmäßigkeit einer Suspendierung etc. ist § 19 GWB Maßstab. Danach ist eine umfassende Abwägung der Interessen der Beteiligten unter Berücksichtigung der 49  K. Vieweg , Sponsoring und internationale Sportverbände, in: K. Vieweg (Hrsg.), Sponsoring im Sport, Stuttgart u. a. 1996, S. 53 (83 ff.). 50  Siehe oben Fn. 2. 51  FAZ vom 7.10.2017, S. 34.

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auf Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des GWB erforderlich. In diesem Rahmen sind der Grundsatz der Gleichbehandlung und das Verhältnismäßigkeitsprinzip ebenso zu beachten wie die wechselseitige Förderpflicht der mitgliedschaftlich miteinander verbundenen Verbände und die Möglichkeiten, die das eigenen Regelwerk des Verbandes eröffnet, um den Interessen der Gegenseite Rechnung tragen zu können. Für die gebildeten sechs Fallgruppen und die diesen zuzuordnenden Einzelfälle können sich die Ergebnisse unterscheiden.

Die Autonomie des Sports im nationalen und europäischen Rechtsgefüge Von Udo Steiner I. Der juristische Klassiker: Grundrechte und Grundfreiheiten im Sport . . . . . . 1. Grundrechtsgeleitetes Sportrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gestaltungsräume des Sportverbandsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Der europäische Rechtsrahmen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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II. Der organisierte Sport im Geltungsbereich staatlichen und europäischen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Sport und die allgemeine Rechtsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der unerfüllte Traum des Sports: Bereichsausnahmen . . . . . . . . . . . . . . . 3. Der professionelle Sport in den Fesseln des Kartellrechts . . . . . . . . . . . . 4. Legitime Sonderwege des Sports . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Die sog. 50+1-Regel als Ausfluss der Verbandsautonomie . . . . . . . . . . . .

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III. Spitzensport als Staatsaufgabe und Staatsdienst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Staat als Freund und Helfer des Sports  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Staatserwartung an den Spitzensport . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Aktuelle Spannungsfelder im Verhältnis von Staat und Sport . . . . . . . . . a) Polizeikostenersatz bei „kommerziellen Großveranstaltungen“ . . . . . b) Deutschland als Antidoping-Staat? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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IV. Finanzierungswege im Sport jenseits staatlicher Förderung . . . . . . . . . . . . . . 113 1. Medienfinanzierter Sport . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 2. Autonomiekosten der Drittfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 V. Perspektiven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115

Der Sport will autonom sein, selbstbestimmt seine Welt gestalten, nach den Regeln und Ordnungen leben, die er sich selbst gibt, nicht nur seine Sport- und Spielregeln, und er will sie auch mit eigenen rechtlichen Mitteln durchsetzen.1 Dieser Freiraum ist ihm auch auf höchster Rechtsebene zuge-

1  Grundlegend nach wie vor: Vieweg, Normsetzung und -anwendung deutscher und internationaler Verbände, 1990, §§ 4–6. Siehe auch Steiner, Die Autonomie des Sports, 2003 = Gegenwartsfragen des Sports, hrsg. v. Tettinger/Vieweg, 2004, S. 222. Aus jüngerer Zeit: Fischer, Die Rolle des Ein-Platz-Prinzips in der Autonomie der

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sagt. Art. 9 Abs. 1 GG enthält eine entsprechende Garantie2, aber auch Art. 11 Abs. 1 EMRK und Art. 12 Abs. 1 EU-Grundrechtecharta. Die Autonomie des Sports schließt das Recht auf Fehler ein, nicht auf alle allerdings, und ganz gewiss nicht die der internationalen Sportverbände. Sie ist rechtlich gesichert, verfassungsrechtlich, nach dem Recht der EU und auch völkerrechtlich, als Grundmelodie des Sportrechts, aber mit dieser Feststellung beginnen erst die Probleme, die die Juristen seit Jahrzehnten bis heute und auch in Zukunft beschäftigen.

I. Der juristische Klassiker: Grundrechte und Grundfreiheiten im Sport 1. Grundrechtsgeleitetes Sportrecht Das Grundgesetz gewährt dem Sport das Grundrecht auf Autonomie, will aber auch, dass die Grundrechte im Sport selbst gelten. Das BVerfG hat die Grundrechte des Grundgesetzes 1958 in den Rang einer allgemeinen objektiven Wertordnung erhoben, und diese Wertordnung soll Geltung haben für die gesamte deutsche Rechtsordnung. Wir sprechen von der sog. Ausstrahlungswirkung der Grundrechte in alle Bereiche des Rechts hinein,3 und diese „Strahlenbehandlung“ hat dem organisierten Sport nicht nur Freude bereitet. Plötzlich hatten die Sportler selbst gegenüber den Vereinen und Verbänden Rechte, als Profisportler beispielsweise das Grundrecht der Berufsfreiheit und damit auch das Grundrecht der beruflichen Mobilität.4 Entscheidungen über die Zulassung von Athleten zu sportlichen Wettbewerben sind justizi­ abel geworden, können die staatlichen ordentlichen Gerichte beschäftigen (Fall Friedek)5. In jüngerer Zeit nutzt das BVerfG die Konstruktion der Ausstrahlungswirkung von Grundrechten in das Zivilrecht, um die Verhängung von Stadionverboten durch die Vereine sachlich (maßvoll) zur Sicherung des Gleichbehandlungsgrundsatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) zu beschränken.6 Der Sportfachverbände, 2018, S. 104 ff. (mit einem Schwerpunkt zur sog. Organisationsautonomie); ders., SpuRt 2019, 99. 2  Zum Garantiegehalt des Art. 9 Abs. 1 GG BVerfG, Beschl. v. 13.7.2018, NVwZ 2018, 1788. 3  BVerfGE 7, 198; zuletzt wohl BVerfG, Beschl. v. 11.4.2018, BVerfGE 149, 160, 192 Rn. 97 f., SpuRt 2018, 113 (sog. Stadionverbot). 4  Dazu schon grundsätzlich Haas/Prokop, JR 1998, 45. 5  Siehe BGH, Urt. v. 13.10.2015, SpuRt 2016, 26; dazu Jakob, SpuRt 2016, 106. 6  Beschl. v. 11.4.2018, BVerfGE 148, 267 = NJW 2018, 1667 = NVwZ 2018, 813 mit Anm. Heldt, NVwZ 2018, 818 = SpuRt 2018, 113. Dazu statt Vieler Hellgardt, JZ 2018, 901; Michl, JZ 2018, 910; Ruffert, BDVR-Rundschreiben 2018, 18; Semelts, NVwZ 2019, 34 und Wiater, JZ 2020, 379.



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Sport ist längst kein justizfreier Raum mehr. Die Sportgerichtsbarkeit hat sich an den rechtsstaatlichen Standards der staatlichen Gerichtsbarkeit ausgerichtet. Dies gilt vor allem für die Unabhängigkeit und Neutralität der Justiz­ organe des Sports. Mit der Sportschiedsgerichtsbarkeit verfügt der organisierte Sport über eine zweite Säule der Rechtsdurchsetzung, international seit 1984 der Court of Arbitration for Sport (CAS) in Lausanne, für Deutschland seit über 10 Jahren das DIS-Sportschiedsgericht. Auch hier verwirklicht sich ein Stück Autonomie des Sports, durch eine Gerichtsbarkeit, die auf seinen Bedarf an Rechtsfindung zugeschnitten ist: zügige Verfahren, zeitnahe Ergebnissicherheit, sportspezifische Kompetenz, Praxiserfahrung und Milieunähe der Sportschiedsrichter.7

2. Gestaltungsräume des Sportverbandsrechts Der organisierte Sport muss allerdings auch im Geltungsbereich des Grundgesetzes und seiner Grundrechte eigene und besondere Wege gehen können, wenn dies notwendig ist, um an wichtigen Stellen funktionsfähig zu bleiben. Begrenzen die deutschen Grundrechte und die unionsrechtlichen Grundfreiheiten die Regelungsmacht privater Verbände kraft der sog. Drittwirkung, so ist es konsequent, dass im Grundsatz die Statuten dieser Verbände kraft ihrer Autonomie und nicht nur das staatliche Recht diese Gewährleistungen auch begrenzen können. Es kann dem Sport nicht verwehrt sein, diejenigen, die Sport organisieren, und diejenigen, die Sport betreiben, stärker in die Pflicht zu nehmen, als dies dem Staat allgemein gegenüber seinen Bürgern nach geltendem Verfassungsrecht erlaubt ist. Dazu gehört die Möglichkeit, dem Berufssportler im Rahmen der Antidopingarbeit Einschränkungen seiner Privat- und Intimsphäre zuzumuten, die keinem anderen Beruf zugemutet werden können. Erfreulicherweise hat der EGMR8 die melderechtlichen Pflichten von Kadersportlern (where-about-Regelung) als vereinbar mit der Europäischen Menschenrechtskonvention be­stätigt. Die Pflichten beruhten zwar auf einem französischen Gesetz, doch können grundsätzlich auch Verbands- und Vertragsrecht sie begründen. Der Sport ist auch darauf angewiesen, über Mittel zu verfügen, die einen geordneten Spielbetrieb sichern, z. B. wenn er – wie § 9a der Satzung des DFB gestattet – die Vereine in eine strenge Haftung für das Verhalten ihrer Fans im Umfeld des Stadions

7  Dazu vor allem BGH, Urt. v. 7.6.2016, NJW 2016, 2266; EGMR, Urt. v. 4.10.2018, SpuRt 2018, 253 (Fall Pechstein); aus der Literatur siehe etwa Bleistein/ Degenhart, NJW 2015, 1353; Heermann, NJW 2016, 2224; Hülskötter, in: Ad Legendum 2018, 240; Steiner, SpuRt 2014, 2. 8  EGMR, Urt. v. 18.1.2018, SpuRt 2018, 62.

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und im Stadion selbst zu nehmen.9 Gefährdungshaftung nennen wir dies im geltenden Recht.

3. Der europäische Rechtsrahmen Es sind aber nicht weniger die Grundfreiheiten des europäischen Rechts, die im grenzüberschreitenden sportlichen Wettbewerb neue rechtliche Maßstäbe für das Handeln der Verbände setzen. Das über Juristenkreise hinaus bekannt gewordene Bosman-Urteil des EuGH von 199510 hat den Berufssport wie kaum eine andere europäische Gerichtsentscheidung verändert. Die Sportverbände müssen heute immer auch europarechtlich denken. Doping­ sperren sind eben Markteintrittsschranken, und sie müssen nach europarechtlichen Kriterien gerechtfertigt werden. Der Sportstättenbau in Deutschland steht, soweit er öffentlich finanziert wird, unter der beihilferechtlichen Beobachtung der EU.11

II. Der organisierte Sport im Geltungsbereich staatlichen und europäischen Rechts 1. Der Sport und die allgemeine Rechtsordnung Der organisierte Sport ist autonom, er bewegt sich aber innerhalb der staatlichen Rechtsordnung. Auch ihn verpflichtet das für alle geltende Recht.12 Das ist ihm oft lästig. Juristisch ist die Situation des professionellen Sports seit längerem allgemein dadurch gekennzeichnet, dass seine Ordnungskonzepte und Regelwerke auf den Prüfstand der Behörden und Gerichte kommen. Keine Probleme hat der Sport wohl mit dem Vereins- und Gesellschaftsrecht. Denn dieses bietet ihm hinreichende Möglichkeiten einer sportnahen Gestaltung seiner Rechtsverhältnisse, bemerkenswert in diesem Zusammenhang der Aufstieg der GmbH u. Co. KG a. A. Lästig ist dagegen das Arbeitsrecht. Es hat etwas dagegen, dass Maßstab für die Beendigung von Trainerverträgen der Tabellenstand der betreuten Mannschaft ist, und die 9  Ständiges Schiedsgericht für Vereine und Kapitalgesellschaften der (Fußball-) Lizenzligen, SpuRt 2013, 200 mit kritischer Anm. v. Orth, SpuRt 2013, 186; Beschl. des OLG Frankfurt a. M. v. 26.6.2020, SpuRt 2020, 255 mit kritischer Anm. v. Heermann, SpuRt 2020, 259. 10  EuGH, Urt. v. 15.12.1995, SpuRt 1996, 59 = NJW 1996, 505. 11  Dazu Geulen, NVwZ 2017, 1663. Ein komplexes Thema: Siehe Schrotz, in: Birnstiel/Bungenberg/Heinrich, Europäisches Beihilferecht, 2013, Rn. 657; M. Schröder, a. a. O., Rn.  2105 ff. 12  Siehe dazu auch Schimke/Dauernheim (Hrsg.), Reichert, Vereins- und Verbandsrecht, 13. Aufl. 2016, S. 82 ff. (Rn. 394 ff.).



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Kündigungsklauseln des Arbeitsvertragsrechts lassen sich nicht allein mit dem sog. Abnützungsargument überspielen.13 Auch der Wunsch der Veranstalter von Profisport, den Fußballer als selbständigen Unternehmer und nicht als Arbeitnehmer zu definieren, ist unerfüllt geblieben. Überrascht war der Fußball auch vom Arbeitsrecht, als man ihm sagen musste, die Einwechslung von minderjährigen Spielern im professionellen Fußball nach 20 Uhr sei ein Thema des Jugendarbeitsschutzes.14 Der Sport weiß inzwischen: Er bekommt kein spezifisches Sportarbeitsrecht.15

2. Der unerfüllte Traum des Sports: Bereichsausnahmen Immer wieder hat der organisierte Sport auf nationaler und europäischer Ebene für sich Bereichsausnahmen von dem für alle geltenden Gesetz gefordert, zuletzt beim Mindestlohngesetz16, weil nach seiner Auffassung die allgemeine Rechtsordnung in vielen Fällen den Besonderheiten des Sports nicht gerecht wird. Die Losung für den Sport kann aber nur lauten: Innerhalb des geltenden Rechts die Besonderheiten des Sports, seines Betriebs und seiner Organisation möglichst zur Geltung zu bringen. Im Arbeitsrecht ist dies offenbar in diesen Tagen gelungen, als er die Befristung von Profiverträgen im Fußball zu rechtfertigen hatte.17 Eher selten hat man solche Wünsche – Bereichsausnahmen – erfüllt. Immerhin: Die internationalen Veranstalter von Sportgroßereignissen, wie etwa den Olympischen Spielen, an deren Einwerbung die Bundesrepublik Deutschland ein nationales Interesse hat, erhalten in unserem Land (Ertrag-)Steuererleichterungen.18 Verursacht der Sport Geräusche, soziale Geräusche sagt man, etwa bei der Benutzung von Sportstätten, gewährt ihm die Sportlärmschutzverordnung19 Erleichterungen gegenüber der Nachbarschaft. Dies war eine Reaktion auf Schrecksekunden des deutschen Fußballsports, die das sog. Tegelsbarg-Urteil des BVerwG vom 13  Dazu Breucker, NZA 2008, 1046; Horst/Persch, RdA 2006, 166; Richter/Lange, NZA-RR 2012, 57. 14  Dazu Fischinger, in: Verbandsrechtliche Regelungen zur Gewährleistung eines wirtschaftlich und sportlich fairen Wettbewerbs/Arbeitnehmerrecht im Fußball, Schriften zum Sportrecht, Bd. 33, 2014, S. 187; demnächst Fischinger, Sportarbeitsrecht, 2020/11. 15  Grundlegend Walker, ZfA 2016, 567. 16  Siehe dazu Walker, SpuRt 2015, 94; vgl. auch Zieglmeier, NZS 2015, 890. 17  BAG, Urt. v. 16.8.2018, SpuRt 2018, 170 mit Anm. Walker = NJW 2018, 1992 (Zulässige Befristung wegen der Eigenart der Arbeitsleistung im Profifußball). 18  Dazu näher Schlegel/Rund, FR 2019, 1; A. Steiner, Steuerrecht im Sport, 2009, S.  241 ff. 19  Zur Geschichte und zur Änderung der 18. BImSchV im Jahre 2017 siehe Hesselbarth, UPR 2017, 479. Zum Sport als Nachbarn siehe Beschl. des VGH Mannheim v. 2.9.2019, NVuZ 2020, 580; v. 15.9.2020, becklink 2017450.

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19. Januar 198920 zu verantworten hatte. Im Urteil war zu lesen: Der Fußball sei ebenso wenig wie andere mit Geräuschen verbundene Tätigkeiten von der Rücksichtnahme auf das Ruhebedürfnis anderer Menschen in der Nachbarschaft von Sportanlagen freigestellt. Unruhe löste dieses Urteil im Sport aus, und Horst Sendler, der frühere Präsident des BVerwG, meinte zu dieser heftigen öffentlichen Reaktion auf das Urteil, wenn der Sport so viel Lärm mache wie dessen Funktionäre, so müsse man den Sport ganz verbieten. In der Tat hatte hier der Fußballsport plötzlich einen Gegner, den seine Statuten nicht kannten.

3. Der professionelle Sport in den Fesseln des Kartellrechts Der Sport ist bekanntlich monopolistisch strukturiert und macht davon auch gerne einen robusten Gebrauch. Er agiert als Profisport, ganz besonders der Fußball, auf vielen wettbewerbsrelevanten Märkten. Es ist ihm mit dem deutschen und europäischen Kartellrecht ein natürlicher Gegner erwachsen, in der Sportsprache: ein Angstgegner. Selbst dem Fußball, obgleich Liebling der Politik auf allen Ebenen, ist es bisher nicht gelungen, eine europäisch wirksame Bereichsausnahme vom Kartellrecht zu erreichen. Geholfen hat ihm dabei auch wenig, dass die EU nach Art. 165 Abs. 1 Satz 2 AEUV die europäische Dimension des Sports fördert und dabei „dessen besondere Merkmale“ berücksichtigt. Der organisierte professionelle Sport steht unter Beobachtung des deutschen und europäischen Kartellrechts und dessen Behörden. Damit muss der Sport leben. Das Bundeskartellamt hat in diesen Tagen die Werberegeln für deutsche Olympiasportler geöffnet.21 Den Fall „Claudia Pechstein“ hat der Kartellsenat des BGH22 entschieden. Das Bundeskartellamt prüft die Athletenvereinbarungen, soweit sie die Vermarktungsrechte der Athleten bei internationalen Wettbewerben betreffen (Rule 40 Olympic Charter), und hat den DOSB zu Erleichterungen zu Gunsten deutscher Athleten in Bezug auf Werbemaßnahmen veranlasst, die auf Deutschland gerichtet sind.23

20  BVerwGE 81, 197. Siehe schon Urt. des BGH v. 17.12.1982, NJW 1983, 751 (sog. Tennisplatz-Urteil). 21  Siehe FAZ Nr. 50 vom 28.2.2019, S. 25. 22  Siehe BGH, Urt. v. 7.6.2016, SpuRt 2016, 163 = BayVBl. 2016, 825 mit Anm. Steiner. Dazu Prütting, SpuRt 2016, 143; Stancke, SpuRt 2016, 230. 23  Siehe FAZ Nr. 297 v. 22.12.2017, S. 31.



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4. Legitime Sonderwege des Sports Andererseits kann der Sport durchaus legitime Besonderheiten gegenüber dem innerstaatlichen und unionsrechtlichen Umfeld geltend machen. So lässt sich das Resultat eines Wettbewerbs nicht beliebig lang offen halten. Der Sport benötigt schnelle Ergebnissicherheit. Dazu trägt die Sportschiedsgerichtsbarkeit bei. Der Sport muss auch in der Lage sein, seine Solidaritätsmodelle zu erhalten, wie beispielsweise in Deutschland die gemeinsame Vermarktung der Fußball-Bundesligaspiele. Diese Solidarität kann freilich nicht verhindern, dass sich die Finanzkraft innerhalb des deutschen Profifußballs deutlich auseinander entwickelt, aber auch bei anderen professionell in Deutschland ausgeübten Sportarten, und dass sich nach Auffassung der Experten jedenfalls im kapitalintensiven Profifußball noch weiter auseinander entwickeln wird. Hinzu kommt eine schon lange einsetzende Verselbständigung des Profisports gegenüber dem Amateurbereich als eine weitere Folge des Sportkapitalismus.

5. Die sog. 50+1-Regel als Ausfluss der Verbandsautonomie Was dies für die wieder in die Diskussion und in den gerichtlichen Streit gekommene 50+1-Regel des deutschen Profifußballs bedeutet, lässt sich derzeit nicht zuverlässig überschauen. Maßstab der Maßstäbe des geltenden Rechts ist Art. 101 AEUV.24 In diesem Rechtskonflikt muss sich die Verbandsautonomie nicht von vornherein zurückziehen. Ihr Schutzbereich endet nicht schon dort, wo Belange Dritter von Verbandsstatuten betroffen sind. „50+1“ ist eine Regel, deren satzungsgemäßer Erlass von der grundgesetzlich sowie unions- und menschenrechtlich geschützten Freiheit jeder Vereinigung gedeckt ist, einen gemeinsamen Zweck zu organisieren. Sie verlässt den Schutzbereich nicht, wenn (mittelbar) die Investitionsoptionen Dritter eingeschränkt werden. Im Ergebnis ist die durch § 8 Nr. 2 und 3 der Satzung des DFL Deutsche Fußballliga e. V. statutarisch vorgesehene Einschränkung solcher Optionen strukturell nicht anders zu sehen als die satzungsmäßige Festlegung der Mitgliedschaft in einer Vereinigung, die notwendig bestimmte Personen einschließt und bestimmte Personen ausschließt. Die Bestimmung über die Mitgliedschaft gehört aber zu dem durch die Vereinigungsfreiheit geschützten Freiraum.25 Über den Zugang zur Mitwirkung an der Verwirk­ lichung des Vereins- und Verbandszwecks entscheiden die Mitglieder grundsätzlich als Akt der Autonomie. Man sollte auch nicht darauf verzichten, 24  Dazu statt Vieler Heermann, zuletzt wohl WuW 2017, 312 und Steiner, in: Steiner (Hrsg.), Rechtsfragen der Sportfinanzierung, 2019, S. 49. 25  BVerfGE 124, 25, 34, 42.

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Art. 165 Abs. 1 Satz 2 AEUV, der den Sport, gemessen an seiner gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Bedeutung in Europa etwas versteckt26, in die Diskussion einzubringen. Insoweit lässt sich argumentieren, der deutsche Sonderweg beruhe auf sportspezifischen sozio-kulturellen Wurzeln des Sports und auch des Profifußballs in Deutschland. Die Vorschrift verlangt bekanntlich dem EuGH ab, den Sport als Teil des Wirtschaftslebens (mit der Folge der Anwendung der wirtschaftsrechtlichen Bestimmungen des Unionsrechts) zu trennen von der Bestimmung des spezifischen Charakters des Sports, mit der Folge, dass damit eine Beschränkung des Geltungsbereichs des Unionsrechts gerechtfertigt werden kann.27

III. Spitzensport als Staatsaufgabe und Staatsdienst 1. Der Staat als Freund und Helfer des Sports Autonomie setzt Autarkie voraus. Die meisten deutschen Sportfachverbände können aber den Spitzensport nicht aus eigener Kraft finanzieren. Nur der Fußball ist reich, und reich im Fußball sind gewiss nicht alle. Dem Spitzensport in Deutschland steht der Staat zur Seite,28 und es sind vor allem der Bund und sein Bundesministerium des Innern, und auch der Sportausschuss des Deutschen Bundestages, die den Spitzensport mit Geld ausstatten. Hilfe erfährt der Spitzensport aber auch durch die Kooperationsverträge mit den Hochschulen, immerhin über 180 an der Zahl in Deutschland. Es geht um die Erleichterung von Studienablauf und Studienorganisation für Spitzensportler, um die duale Karriere, also um den späteren Übergang vom Spitzensport als Beruf auf Zeit zum Beruf nach der Zeit des Spitzensports. Inzwischen unterstützt der Staat unmittelbar solche Sportler, die nicht im Staatsdienst sind, einschließlich einer Altersversorgung.29 Staatsrechtlich bemerkenswert ist bei allen Staatshilfen, dass der Staat zwar Distanz zu Religion und Kunst hält, sich aber mit dem internationalen Spitzensport und dessen Erfolgen, obgleich auch dies nach deutschem Verständnis ein Bereich der freien Gesellschaft, 26  Burkhart, Der Sport im Recht der EU vor und nach dem Vertrag von Lissabon, 2018, S. 294. Immerhin ist der Sport in den mehrjährigen Finanzrahmen gemäß Art. 312 AEUV aufgenommen worden (Burkhart, a. a. O., S. 279). Auf dieser Grundlage konnten Förderprogramme aufgelegt werden. Dazu Dickmann, in: Mittag, Europäische Sportpolitik, 2018, S. 287. 27  Niedobitek, in: Streinz, EUV/AEUV, 3.  Aufl. 2018, Art. 165 Rn. 31  ff. mit Nachw. aus der Rspr. des EuGH. Dazu auch Nolte, in: Mittag (Fn. 25), S. 89. 28  Dazu Fritzweiler, in: Fritzweiler/Pfister/Summerer, Praxishandbuch Sportrecht, 3. Aufl. 2014, S. 39 ff. Zum Folgenden s. auch Steiner, in: FS Röhricht, 2006, S. 1225. 29  Dazu Pressemitteilung des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat vom 17.08.2020.



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identifiziert. Nationalhymne und Bundesadler gehören zur öffentlichen Präsentation des Spitzensports, und der Staat finanziert ihn, weil er den Sport­ erfolg für sein Ansehen nutzt. Erfolgreicher Spitzensport ist positive Staatserfahrung; die Deutschen haben keine Scheu zur Nutzung ihrer staatlichen Symbole im Sport. Der öffentliche Dienst, der für viele Spitzenathleten Arbeitgeber und Dienstherr ist, 1.200 Stellen in den Dienstbereichen Bundeswehr, Bundespolizei und Zoll, tritt hier höchst motiviert, eingriffsfrei und unbürokratisch auf. Die juristische Pointe: Doping im Sport durch Bundesbeamte – Beispiel: Claudia Pechstein – ist ein Dienstvergehen mit disziplinarischen Folgen.30 Die Soziologen sprechen von einer performance-orientierten Sportförderung. Das alles ist verfassungsrechtlich und ordnungspolitisch ein Unikat.

2. Staatserwartung an den Spitzensport Der Staat gibt allerdings Geld nur gegen Auflagen. Er macht damit offen und verdeckt Sportpolitik. Sportpolitisch längst akzeptiert ist die staatliche Vorgabe, dass Mittel der Sportförderung nur der Verband erhält, der nachweisbar und glaubwürdig Doping bekämpft. Sportpolitisch schon eher kritisch wird diskutiert, dass der Staat für die Gewährung von Geld aus Steuermitteln vom Sport Medaillenerfolge erwartet. Staatliche Spitzensportförderung ist in Deutschland keine Förderung der Selbstoptimierung von Sportlern. Geld aus Steuern für den Spitzensport einzusetzen, ist nach der staatlichen Sportphilosophie ein Beitrag zum Wettbewerb der Nationalstaaten um Ansehen. Dabei will die Bundesrepublik Deutschland möglichst glänzen. Dies ist die Sportphilosophie der Bundesrepublik: Die Leistungsfähigkeit unseres Landes ist unteilbar, in Kultur, Wirtschaft, Sozialstaat und Wissenschaft. ­Felix Evers und Hans Lenk haben in diesem Zusammenhang an ein Wort auf der Gedenktafel für Karl Adam am Ratzeburger Ruderclub erinnert: „Die Struktur der Leistung ist auf allen Gebieten gleich.“ 31 Auswirkungen hat dies insbesondere auf die Nominierungspraxis der Verbände. „Erweiterte Endkampfchance“ als Voraussetzung für die Nominierung zu großen sportlichen Wettbewerben ist ein Stichwort und vor allem ein Reizwort für die Anti-Doping-Arbeit. Gegenwärtig wird an einem neuen Konzept der Leistungssportförderung des Bundes gearbeitet.32 Es geht um die Steigerung der Medaillenfähigkeit des deutschen Spitzensports im internationalen Wettbewerb. Die großen Verlierer der letzten Jahre: Leichtathletik, dazu Battis/Grigoleit, SpuRt 2015, 105 ff., 143 ff. Nr. 245 vom 22.10.2018, S. 18. 32  Siehe zur Arbeit der Kommission für das Potentialanalyse-System (PotAS), in: BISp-Report 2017/18, S. 95. 30  Siehe 31  FAZ

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Schwimmen, Fechten, traditionell der Stolz des deutschen Sports. Das soll sich ändern.

3. Aktuelle Spannungsfelder im Verhältnis von Staat und Sport a) Polizeikostenersatz bei „kommerziellen Großveranstaltungen“ Eine breite gesellschaftliche Diskussion gilt der Frage, wer die Kosten von Polizeieinsätzen trägt, die durch sog. Fußballspiele mit Hochsicherheitsrisiko entstehen. Das Bundesland Bremen hat auf der Grundlage des § 4 Abs. 4 des Bremischen Gesetzes über Gebühren und Beiträge gegen die DFL Deutsche Fußball-Liga GmbH wegen der Kosten für den polizeilichen Einsatz bei einem Heimspiel von Werder Bremen einen (ersten) Gebührenbescheid in Höhe von 425.718,11 EUR erlassen. Eingesetzt waren 969 Polizeibeamte mit insgesamt 9.537 Einsatzstunden. Die DFL wurde als Veranstalterin des Bundesligaspiels in Haftung genommen. Das OVG Bremen33 hat mit Urteil vom 5.2.2018 die Rechtsauffassung des Senats bestätigt. Inzwischen ist das BVerwG im Wesentlichen dem OVG Bremen gefolgt.33a b) Deutschland als Antidoping-Staat? Das Gesetz gegen Doping im Sport vom 10.12.201534 stellt erstmals in der deutschen Sportgeschichte den Sportler wegen Dopings unter Strafe (sog. Selbstdoping). Viele Fragen wirft das „Sportreinheitsgesetz“ des Bundes auf.35 Es bewirkt wohl den größten Autonomieverlust in der deutschen Sportgeschichte seit dem Boykott der Olympischen Spiele in Moskau. Die allgemeine Lehre aus beiden Erfahrungen: Wir wissen nicht mehr genau, was des 33  OVG Bremen, Urt. v. 5.2.2018, SpuRt 2018, 122 = NVwZ 2018, 913. Zu diesem Urteil siehe z. B. Müller-Eiselt, SpuRt 2018, 95; König, VBlBW 2018, 497; Lege, NdsVBl. 2018, 353; Pötsch, NVwZ 2018, 868; Weill, NVwZ 2018, 846. Umfassend zum Thema Marius Mayer, Polizeikosten im Profifußball, 2018. 33a  Urt. des BVerwG v. 29.3.2019, SpuRt 2019, 231 = NJW 2019, 3317. Dazu Danne Henrich, GSZ 2019, 244; Drehler, NVwZ 2020, 433. Müller-Eiselt, SpuRt, 2020, 54. M. Walker, SpuRt 2019, 256. 34  BGBl. I 2210. 35  Dazu Steiner, in: 40 Jahre wfv-Sportrechtsseminare: 1975 – 2015, Schriften zum Sportrecht, Bd. 40, 2016, S. 17 mit zahlreichen Nachweisen. Die Wissenschaft gibt keine Ruhe: Siehe Erkens, SpuRt 2016, 245; Jahn, in: Hoven/Kubiciel, Korruption im Sport, 2018, S. 117. Erklärung und Verteidigung: Bindels, in: Pfister (Hrsg.), Das Anti-Doping-Gesetz, Recht und Sport, Bd. 46, 2016, S. 9; Heger, a. a. O., S.  25. Kommentierung: Lehner/Nolte/Putzke (Hrsg.), Anti-Doping-Gesetz, 2017. Siehe auch Cherkeh/Momsen/Orth, Handbuch Sportstrafrecht, 2020/10.



Die Autonomie des Sports im nationalen und europäischen Rechtsgefüge 113

Staates ist und was des Sports, wenn es um den Sport geht. Zentrales Sportgut ist die Integrität des sportlichen Wettbewerbs. Unehrlicher Sport gefährdet dieses Sportgut. Es ist ein genuiner Wert des Sports, der diesen Wert selbst definiert und mit seinen eigenen, vor allem disziplinarrechtlichen Mitteln durchzusetzen versucht. Deshalb ist der Sport zu Recht irritiert, dass es der deutsche Strafgesetzgeber in die Hand genommen hat, die Integrität des Sports gegen Doping durch den Athleten zu schützen. Doping im Sport ist nun als eigener, spezifischer Betrugstatbestand ausgestaltet (§§ 3, 4). Der professionelle Sport wird als gewerblicher Wettbewerb qualifiziert, der Dopingverstoß als Vergehen des Wirtschaftsstrafrechts. Sportliche Integrität wird in ein staatliches Rechtsgut verwandelt. Das Gesetz enthält im Übrigen eine Lebenslüge. Es kommt als sportpolitischer Riese daher, ist aber nur ein sportpolitischer Zwerg: Es trifft nur den deutschen Athleten, und es schützt ihn nicht vor dem internationalen Wettbewerb im Ausland mit Athleten aus Ländern, deren „Unfallstatistik“ in Dopingsachen reichhaltig ist.

IV. Finanzierungswege im Sport jenseits staatlicher Förderung 1. Medienfinanzierter Sport Großer Sport ist ohne großes Geld nicht möglich. Der Finanzierungsbedarf des professionellen Sports ist, soweit er im internationalen Wettbewerb steht, tendenziell unendlich. Die schmerzhaften Entscheidungen der deutschen Städte und Gemeinden gegen Olympische Spiele waren auch von den Kostenfolgen einer erfolgreichen Bewerbung bestimmt. Es sind die Akteure der Wirtschaft, die als Sponsoren mit dem Sport werben und für ihn viel Geld aufwenden, weltweit auch die Medien und in bemerkenswertem Umfang in Deutschland die beitragsfinanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Der Spielraum, den die Rundfunkanstalten beim Rechteerwerb für Sportereignisse haben, geht auf eine Erfindung der Rechtsprechung des BVerfG zurück36, die man „Programmautonomie“ nennt. Sie ermöglicht den öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten, nach eigenem Programmermessen Art und Ausmaß und vor allem auch den Zeitpunkt der Präsenz von Sport in den Programmen frei zu bestimmen und dabei als maßgebliches Kriterium für diese Programmgestaltung die Einschaltquote zu berücksichtigen. Geht es 36  BVerfGE 97, 228. Dazu: Wundberg, Der Fußball als Teil des Grundversorgungsund Funktionsauftrags des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, 2020. Allgemein zum Verhältnis von Medien und Sport siehe Blask, in: Steiner (Fn. 24), S. 9; Frey, in: Schwartmann, Praxishandbuch Medien-, IT- und Urheberrecht, 2018, S. 633; Steiner, in: Galli u. a., Sportmanagement, 2. Aufl. 2012, S. 556.

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um die Übertragung von Fußballsport, steht den Rundfunkanstalten sogar die Feststellung des BVerfG zur Seite, damit werde ihr Grundversorgungsauftrag erfüllt. Juristisch erwachsen den Rundfunkanstalten Grenzen in der Platzierung von Sport in den Programmen eigentlich nicht. Insbesondere sind die Programminteressen der Beitragszahler und Rundfunkteilnehmer verfassungsrechtlich nicht geschützt. Zur Programmfreiheit gehört auch grundsätzlich die Freiheit zu entscheiden, welche Entgelte man – unter Wahrung des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit – für den Erwerb von Sportübertragungsrechten an die Rechteinhaber und deren Agenturen zu zahlen bereit ist. In diesen Tagen sieht man: Die Zahlungsbereitschaft des öffentlich-rechtlichen Fernsehens hat Grenzen. Sie muss Rücksicht auf die hohen Entgelte nehmen, die für Sportübertragungsrechte von den Rechteinhabern gefordert werden. Der Sport wandert teilweise wieder an private Fernseh- und Streaminganbieter ab. Vorerst nimmt er in Kauf, dass er Zuschauer verliert, wie derzeit der europäische Profifußball durch Überlassung der Champions League an das Bezahlfernsehen.

2. Autonomiekosten der Drittfinanzierung Sponsoren und Fernsehen geben heute dem Spitzensport große Summen, haben IOC und FIFA politisch unabhängig gemacht, aber sie formulieren Bedingungen für ihr Geld, die die Autonomie des Sports durchaus beschränken: Spiel- und Veranstaltungspläne werden ihren Wünschen angepasst – besonders prominent: Die Spielpläne der Fußballbundesligen sind zeitlich mehr fragmentiert als je zuvor, auch mit Montagsspielen, die die Erlöse aus den Fernsehverträgen erheblich steigern, die aber bei den Fans nachvollziehbar wenig geschätzt sind. Die Zahl der Wettbewerbe in allen fernsehpräsenten Sportarten wird in Abstimmung mit den Sportfachverbänden erhöht, zu Lasten der Gesundheit der Athleten. Die Spielregeln werden zuschauergerecht gestaltet: Tie Break, größere Tischtennisbälle, Spielkleidung der Damen im Volleyball und v. a. im Beach-Volleyball, k.o.-Prinzip im Skispringen. Es geht bei der Medienpräsentation des Spitzensports heute nicht zuletzt darum, dass er sich optimal „konsumieren“ lässt, Teil des Entertainment-Konzepts der Medien ist, also das Programm einer „Bespaßungsindustrie“. Andererseits sind es aber die Sponsoren und die Medien, die den organisierten Sport zur Ordnung rufen, wenn sich sein öffentliches Bild durch Korruption und Manipulation verschlechtert. Dabei geht es den Geldgebern freilich nicht primär um die Erhaltung der Integrität des Sports als solche, sondern um das Ansehen und die Akzeptanz des eigenen Produkts.



Die Autonomie des Sports im nationalen und europäischen Rechtsgefüge 115

V. Perspektiven Der Sport ist autonom und will es auch so weit wie möglich bleiben, trägt freilich gelegentlich diese Autonomie wie eine Monstranz vor sich her. Das Sittenbild, das die FIFA und andere Weltverbände des Sports (die andererseits – dies sei nicht vergessen – die Autonomie der nationalen Verbände immer wieder gegenüber politischen Einflussnahmen schützen) abgegeben haben und abgeben, hat dem Autonomiegedanken zweifelsfrei geschadet und drängt ihn in die Defensive. Einfach ist die Situation des organisierten Sports gewiss nicht. Er kann jedoch auf seine ganz besondere soziokulturelle Basis – seine Vereins- und Verbandsstruktur – national und international verweisen und mit diesem Pfund rechtlich und politisch wuchern. Dies ermöglicht Zukunft. Er muss allerdings die Balance halten wie auf einem Schwebebalken, darf nach keiner Seite hin absteigen, weder auf der Seite, wo die staatliche Sportpolitik mit Einfluss wartet, das staatliche und europäische Recht ihn regulieren will, aber auch nicht auf die andere Seite, wo das Geld herkommt, das der deutsche Sport benötigt, will er europäisch und im Weltvergleich Spitze bleiben. Noch überlagert das Geschäftsfeld nicht das Spielfeld.

Die Zukunft der Schiedsgerichtsbarkeit im Sport – Die Defizite des CAS und Reformvorschläge – Von Thomas Summerer* I. Der Pechstein-Prozess und seine Auswirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 II. Die 1. 2. 3. 4.

Defizite des CAS als Institution und Reformvorschläge . . . . . . . . . . . . . Listenzwang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Übergewicht der Verbände bei Aufstellung der Schiedsrichterliste . . . . . Übergewicht der Verbände bei Benennung des Vorsitzenden  . . . . . . . . . Vorlagepflicht an den Generalsekretär vor Verkündung des Schiedsspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Beweismaß  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Nicht-öffentliche Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Keine Wiederaufnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Finanzierung des CAS und Prozesskostenhilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Anwendbares Recht und Verbandslastigkeit der Schiedssprüche  . . . . . . 10. Schiedsrichter auf Zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11. Keine Prüfung auf Konformität mit Europarecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12. Zweifel an der Unabhängigkeit der Richter  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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III. Rückblick: Das Urteil des OLG München als Stein der Weisen . . . . . . . . . . 128 IV. Fazit und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129

I. Der Pechstein-Prozess und seine Auswirkungen Nun ist das Bundesverfassungsgericht am Zuge: Beim Ersten Senat liegt seit über vier Jahren die Verfassungsbeschwerde der fünffachen Olympia­ siegerin Claudia Pechstein gegen das Urteil des BGH vom 7.  Juni 2016.1 Vielleicht ist die lange Verfahrensdauer ein gutes Omen, denn sie bietet dem *  Der Vortrag hat den Aufsatz des Verf. „Die Zukunft der Schiedsgerichtsbarkeit im Sport  – Reformvorschläge für den CAS“, SpuRt 2018, S. 197 ff. zur Grundlage. Der Autor hat Claudia Pechstein in der Schadensersatzklage vor den ordentlichen Gerichten als Prozessbevollmächtigter vertreten. 1  BGH SpuRt 2016, 163. Die Verfassungsbeschwerde trägt das Aktenzeichen 1 BvR 2103/16.

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Ersten Senat die erste große Gelegenheit seit Langem, Eckpfeiler für die Sportrechtsprechung aufzustellen, vor der zwischen Regelsetzern und Regelunterworfenen vielfach noch keine Waffengleichheit herrscht. Vom Ausgang dieses Verfahrens hängt die Zukunft der Schiedsgerichtsbarkeit im Sport ab, national und international. Es geht um die einfach anmutende Frage: Darf ein deutscher Athlet vor einem deutschen ordentlichen Gericht klagen? Der BGH sagt nein, da sich ein Athlet der ausschließlichen Gerichtsbarkeit des CAS unterwirft. Wobei der Athlet jedoch keine Wahl hat: Unterschreibt er die Schiedsklausel nicht, darf er im Wettkampf nicht antreten und wird von der Ausübung seines Berufs abgeschnitten. Von einer Schieds„vereinbarung“ zu sprechen, verbietet sich eigentlich von selbst. Das Urteil des BGH-Kartellsenats ist ein krasses Fehlurteil und erfuhr zu Recht harsche Kritik: Es sei schon sprachlich nicht überzeugend, dass die Unterzeichnung einer Schiedsklausel „zwar fremdbestimmt, aber trotzdem freiwillig“ sein könne.2 Mit einer fremdbestimmten Unterzeichnung sei ein Grundrechtsverzicht verbunden, der nicht durch eine Interessenabwägung gerechtfertigt werden könne.3 Die Abwägung des BGH wirke „erstaunlich vage und blass“, von einer Krise der Schiedsgerichtsbarkeit ist die Rede.4 Die Begründung des BGH zur Einstufung des CAS als echtes Schiedsgericht überzeuge nicht.5 Das Urteil des BGH sei im Hinblick auf die international anerkannte Reformbedürftigkeit des CAS hinsichtlich der gebotenen Neutralität nicht nur enttäuschend, sondern im Ergebnis falsch. Ein strukturelles Ungleichgewicht bei der Besetzung des Schiedsgerichts zu verneinen, mute „naiv“ an.6 Die geschlossene Schiedsrichterliste des CAS, die von Verbandsinteressen dominiert sei, schränke die Parteiautonomie der Sportler ein und müsse im Zusammenhang mit dem Kontrahierungszwang zur Unwirksamkeit der Schiedsklausel führen.7 Der Senat verkenne die tatsächlichen Macht- und Organisationsverhältnisse im internationalen Sportbetrieb.8 2  Hammer, Überprüfung von Schiedsverfahren durch staatliche Gerichte in Deutschland, 2018, Rn. 201. 3  Hammer, Das Prinzip der Freiwilligkeit als Fundamentalsatz der privaten Schiedsgerichtsbarkeit, in: FS Geimer 2017, 169 (177). 4  Prütting, Das Pechstein-Urteil des BGH und die Krise der Sport-Schiedsgerichtsbarkeit, SpuRt 2016, 143. 5  Heermann, Die Sportschiedsgerichtsbarkeit nach dem Pechstein-Urteil des BGH, NJW 2016, 2224. 6  Bunte, Urteilsanmerkung, EWiR 2016, 415. 7  Thorn/Lasthaus, Das Pechstein-Urteil des BGH – ein Freibrief für die Sportschiedsgerichtsbarkeit?, IPRax 2016, 426. 8  Orth in: Cherkeh/Momsen/Orth, Sportstrafrecht-Hdb., 1. Aufl. 2020, Kap. 2 Rn. 127.



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Um es plastisch auszudrücken: Folgt man dem BGH, hat ein Sportler in Deutschland weniger Rechte als ein Asylbewerber. Dieser kann seine Statusfeststellung selbstverständlich vor dem Verwaltungsgericht anfechten; darüber hinaus kann die Berufung zugelassen werden. Jener muss sich jedoch dem Schiedsspruch eines privaten ausländischen Schiedsgerichts wie des CAS beugen, dessen Entscheidung meist endgültig ist, weil Beschwerde und Revision zum Schweizer Bundesgericht gegen den Schiedsspruch meist aussichtslos sind.9 Sportler sind demnach Bürger zweiter Klasse, obgleich sich der Staat von ihnen möglichst viele Medaillen erhofft. Bei einer fünffachen Olympiasiegerin und sechsfachen Weltmeisterin wie Claudia Pechstein erscheint dies besonders beschämend. Im Übrigen ist dem BGH anzukreiden, dass er die Sache nicht an das OLG München zurückverwiesen hat, um diesem die Möglichkeit einzuräumen, auch die weiteren von der Klägerin vorgebrachten Defizite des CAS einer gerichtlichen Überprüfung zu unterziehen und sein Urteil auf eine noch breitere Entscheidungsgrundlage zu stellen. Darüber hinaus dürfte der BGH gegen Art. 267 Abs. 3 AEUV verstoßen haben, wonach ein nationales letztinstanzliches Gericht verpflichtet ist, den EuGH anzurufen, wenn es, wie hier, um die Auslegung einer entscheidungserheblichen kartellrechtlichen Frage mit europäischer Dimension geht. Dass der Rechtsschutz eines Sportlers vor Schweizer (Schieds-)Gerichten hinter dem Standard in Deutschland deutlich zurückbleibt, sei nur am Rande erwähnt. So gehört in der Schweiz das Kartellrecht nicht zum Ordre Public, und  – noch weitaus gravierender  – können Schiedssprüche des CAS und Fälle vor Schweizer Gerichten nicht dem EuGH zur Vorabentscheidung gemäß Art. 267 AEUV vorgelegt werden, so dass eine europarechtliche Korrektur bzw. Weiterentwicklung des (internationalen) Sportrechts ausfällt.10 Der Schiedsplatz Schweiz ist der Eidgenossenschaft heilig. Das IOC und die internationalen Sportverbände, die größtenteils ihren Sitz dort haben, wissen das zu schätzen. Das permissive Vereinsrecht und enorme Steuerprivilegien tun ihr Übriges. Dies ist kein Plädoyer gegen Schiedsgerichte. Diese sind bei Streitfällen im Sport wünschenswert und international unverzichtbar, häufig urteilen erfahrene Fachleute mit hoher Sachkunde. Auch ist der Versuch honorig, Sport­regeln und Sanktionstatbestände in überschaubarer Zeit möglichst ein9  Muresan, in: Stopper/Lentze, Handbuch Fußball-Recht, 2. Aufl. 2018, Kap. 29 Rn.  45 m. w. N.; Summerer in: Fritzweiler/Pfister/Summerer, Praxishandbuch Sportrecht, 4. Aufl. 2020, Kap. 7 Rn. 266. 10  Axtmann, Die Vorlage von Sportschiedsgerichten zum EuGH nach Art. 257 AEUV, in: Vieweg, Inspirationen des Sportrechts 2016, Seite 185 (210); vgl. auch Ehricke in Streinz, AEUV, 3. Aufl. 2018, Art. 267 Rn. 33.

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heitlich auszulegen,11 auch wenn dies, wie die Praxis zeigt, nicht immer gelingt. Aber: „Arbitration is power“; auf die Gefahren der allgemeinen Schiedsgerichtsbarkeit hatte Graf von Westphalen schon im Jahr 1986 hingewiesen.12 Diese Gefahren bestehen bis heute – insbesondere in Bezug auf den kommerzialisierten Sport – unverändert fort. Schon bei Abschluss der Schiedsvereinbarung befinden sich Athleten (und Vereine) in einer strukturellen Ungleichgewichtslage; diese setzt sich im Schiedsverfahren fort, denn das IOC und die internationalen Sportverbände sind sog. repeat player, die regelmäßig Prozesse führen, dadurch ein Netzwerk an Rechtsbeiständen und Gutachtern pflegen und über einen Informationsvorsprung verfügen. Durch ihren Sitz in der Schweiz genießen sie einen „Heimspielvorteil“.13 Im CAS manifestiert sich die Macht des IOC und der Internationalen Sportverbände. Im Kern geht es um „Grundrechtsschutz durch Verfahren“, was in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts seit jeher hohen Stellenwert genießt.14 Die Garantie wirkungsvollen Rechtsschutzes ist ein wesentlicher Bestandteil des Rechtsstaats: Das Grundgesetz garantiert Rechtsschutz vor den Gerichten nicht nur gemäß Art. 19 Abs. 4 GG, sondern darüber hinaus im Rahmen des allgemeinen Justizgewährungsanspruchs.15 Dieser ist Bestandteil des Rechtsstaatsprinzips.16 Dieses verlangt einen effektiven Rechtsschutz auch in privatrechtlichen Streitigkeiten, wie er zudem in Art. 47 GRCh und in Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK garantiert wird.17 Ist es einem Athleten wirklich zumutbar, jahrelang – und damit länger als jeder andere Bürger – unter einem enormen Kostenaufwand prozessieren zu müssen, um ein Grundrecht durchzusetzen und viele weitere Jahre, um Schadensersatz zu erstreiten? Addiert man alle Verfahren, die Pechstein seit der Suspendierung im Jahre 2009 durchlaufen hat oder gerade durchläuft, kommt man auf zehn (!) Instanzen, und das ist noch nicht das Ende. Es muss sich also etwas ändern!

Duve/Rösch, SchiedsVZ 2014, 216 (223). Westphalen, ZIP 1986, 1159. 13  Eichel, ZZP 2016, 327, der von einer „doppelten Ungleichgewichtslage“ und einem „Wagenburgcharakter“ der Sportschiedsgerichtsbarkeit spricht. 14  Jarass/Pieroth, GG, 15. Aufl. 2018, Art. 20 Rn. 134 m. w. N. 15  Hierzu ausführlich Widdascheck, Der Justizgewährleistungsanspruch des Dopingsünders, Berlin 2018. 16  BVerfG, Beschl. v. 30.04.2003 – 1 PBvU 1/02, BeckRS 2003, 22030, juris Rn. 16. 17  Jarass/Pieroth, GG, Art. 20 Rn. 128 m. w. N. 11  Vgl. 12  V.



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II. Die Defizite des CAS als Institution und Reformvorschläge Dem weltweit vergleichsweise hohen Grundrechtsstandard in Deutschland, aber auch einem durchschnittlichen europäischen Grundrechtsstandard, wird das CAS nicht gerecht, weil es zahlreiche strukturelle Defizite aufweist, die jedenfalls bei einer gesamtheitlichen Betrachtung dazu führen müssen, dass dem CAS die Qualität eines echten Schiedsgerichts im Sinne der §§ 1029 ff. ZPO derzeit abgesprochen werden muss. Diese Defizite werden im Folgenden konkret benannt und von Reformvorschlägen flankiert.

1. Listenzwang Das CAS kennt keine freie Wahl der Schiedsrichter durch die Parteien, sondern es besteht Listenzwang (Art. R33 CAS-Code). Der Listenzwang steckt Athleten in ein doppeltes Korsett: Zusätzlich zum auferlegten Schiedszwang sind sie nämlich bei der Auswahl de facto auf wenige Schiedsrichter beschränkt, auch wenn mittlerweile immerhin 387 Richter auf der Schiedsrichterliste stehen. Denn regelmäßig bringt ein Athlet nur demjenigen Richter Vertrauen entgegen, der dieselbe Sprache spricht und aus derselben Rechtsordnung stammt. Das sind in Bezug auf Deutschland derzeit nur 17 Personen! Die Liste sollte deshalb abgeschafft oder in Zukunft nur noch als unverbindliche Empfehlung dienen.18 Dies hätte Signalwirkung für die Athleten. Auch andere Schiedsinstitutionen wie AAA, ICC oder DIS kommen ohne geschlossene Listen aus, ohne dass dies ihre Funktionsfähigkeit einschränken würde.19

2. Übergewicht der Verbände bei Aufstellung der Schiedsrichterliste Schon bei der Aufstellung der Schiedsrichterliste herrscht ein deutliches Übergewicht der Verbände: Da der dem IOC nahestehende ICAS20 entscheidet, welche Schiedsrichter auf die Liste kommen, wird im worst case kein einziger von den Athleten vorgeschlagener Schiedsrichter aufgenommen. Das 18  Orth,

SpuRt 2015, 230 (232). IPRax 2016, 426 (430). Für eine Öffnung der Liste plädieren zahlreiche Autoren, siehe vor allem Wittmann in Vieweg, Inspirationen des Sportrechts, Berlin, 2016, S. 105-107. 20  Thöne, Von (Un-)Freiwilligkeit und (Un-)Parteilichkeit in der Sportschiedsgerichtsbarkeit – ein Appell an das Bundesverfassungsgericht, SchiedsVZ 2020, 176 ff. (179). 19  Thorn/Lasthaus,

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Rechtsprechungsmonopol des CAS wird also bereits im Ernennungsverfahren zementiert. An dieser Schaltstelle müssen Athleten deutlich an Einfluss gewinnen und paritätisch21 beteiligt werden. Deren Stellung als eigenverantwortliche und mündige Hauptakteure muss im Gesamtsystem des Spitzensports gestärkt werden.22 Ein Anfang ist gemacht durch die Gründung der Interessenvereinigung Athleten Deutschland e. V.23, diese sollte rasch weltweit ausgebaut und vernetzt werden.

3. Übergewicht der Verbände bei Benennung des Vorsitzenden Das CAS kennt keinen neutralen Geschäftsverteilungsplan. Dieses Manko kann sich in den so bedeutsamen Berufungsverfahren fatal zulasten einer Partei auswirken, da in den so bedeutenden Berufungsverfahren der Vorsitzende eines Panels nach Art. R54 Abs. 2 CAS-Code stets durch den Präsidenten der Berufungsabteilung bestimmt wird, also nicht nur dann, wenn sich die Parteien nicht einigen können: Hier manifestiert sich erneut das deutliche Übergewicht des IOC und der Sportverbände, denn diese einseitige Bestimmung ohne jede Einflussmöglichkeit der anderen Partei, also in der Regel der Vereine oder Athleten, weicht von dem weltweit üblichen Prinzip ab, wonach die von den Parteien benannten Beisitzer sich auf den Vorsitzenden einigen oder der Vorsitzende von einer absolut neutralen Instanz benannt wird.24 Dieses Machtgefälle und die daraus folgende Disparität hat der BGH im Fall Pechstein25 völlig verkannt und falsche Tatsachen zugrunde gelegt. Darüber hinaus stimmt es höchst bedenklich, dass es eine „geheime Liste“ geben soll, in welchem Fall welcher Schiedsrichter verbandsfreundlich oder athletenfreundlich entschieden hat.26 Jedenfalls gibt es nach eingehenden ARD-Recherchen einen inner circle von 17 Richtern, die bis zum Jahr 2014 etwa die Hälfte aller Aufträge erhielten und dadurch überragenden Einfluss 21  Immerhin verneinte der I. Zivilsenat des BGH in Bezug auf das Schiedsgericht des Deutschen Skatverbands die Anwendung der §§ 1025 ff. ZPO mangels paritätischer Besetzung, BeckRS 2018, 15135. 22  Steiner, BayVBl. 2016, 825 (826). 23  Gründung am 15.10.2017, www.athleten-deutschland.org. 24  So wird z. B. der Vorsitzende des Schiedsgerichts für den Bereich des Deutschen Eishockey-Bundes von der Industrie- und Handelskammer München benannt. 25  BGH SpuRt 2016, 163. Eine ähnliche Disparität war dem OLG Düsseldorf aber schon einmal genug, um eine Schiedsklausel wegen Verletzung des Unparteilichkeitsgebots für unwirksam zu erklären, NJW 1996, 400. 26  Wittmann in Vieweg, Inspirationen des Sportrechts, S. 108.



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auf den Ausgang der Verfahren haben.27 Die enge Verflechtung von IOC, NOKs und internationalen Fachsportverbänden zeigt sich etwa in den Olympischen Komitees. So war z. B. Ottavio Cinquanta, 22 Jahre lang bis 2016 Präsident der ISU, 20 Jahre lang Mitglied des IOC, davon acht Jahre Mitglied des Exekutivkomitees.28 In mindestens zwei Fällen hat es den ARDRecherchen zufolge fragwürdige Konstellationen mit zumindest potenziellen Interessenkonflikten gegeben, in denen CAS-Richter zugleich als externe Berater für Sportverbände tätig waren. Um diesen inner circle aufzubrechen, ist eine CAS-Richtlinie zur Bestimmung der Unabhängigkeit zu fordern, angelehnt an die IBA Guidelines on Conflicts of Interest in International Arbitration, die eine mögliche Befangenheit des Richters indizieren. Diese Richtlinien beinhalten Fallkonstellationen, die Rückschlüsse auf die Abhängigkeit oder Parteilichkeit zulassen.29 Un­ erlässlich erscheint es, dass alle CAS-Richter ihren Lebenslauf, ihre Beteiligung an früheren Verfahren und ihre etwaigen Beratungstätigkeiten auf der Website des CAS offenlegen, um a priori Interessenkonflikte zu vermeiden. Wünschenswert wäre ferner ein Hinweis, welcher Schiedsrichter auf wessen Vorschlag in die Liste aufgenommen wurde. Dies würde es Athleten erleichtern, einen Richter zu finden, von dem sie glauben, dass er ihren Interessen aufgeschlossen gegenübersteht. Dass eine solche Offenlegungspflicht fehlt, entwertet das Ablehnungsrecht der Athleten.30 Auf keinen Fall ist es akzeptabel, dass ohne Geschäftsverteilungsplan eine einzelne, in die Organisation eingegliederte Person durch Benennung eines Richters Einfluss auf die Besetzung eines Spruchkörpers hat.31 Außerdem würde ein Geschäftsverteilungsplan die Neutralität des CAS stärken (Special List of Presidents).

27  ARD-Radio-Recherche Sport vom 23.8.2018 nach einer Studie des schwedischen Sportrechts-Professors Lindholm, ausgestrahlt im BR Blickpunkt Sport und im ARD-Mittagsmagazin. Die Pressemitteilung ist abrufbar unter www.br.de/presse/in halt/pressemitteilungen/pressemitteilung-ard-radio-recherche-sport-sportgerichtshofcas-100.html. 28  Thorn/Lasthaus, IPRax 2016, 426 (430). IOC-Präsident Thomas Bach war 19 Jahre lang bis 2013 Präsident der Berufungsabteilung und bestellte die Vorsitzenden der Panels, FAZ.net v. 4.2.2018. 29  Ebenso Wittmann in Vieweg, Inspirationen des Sportrechts, S. 95 (113); ders., Schiedssprüche des Court of Arbitration for Sport vor schweizerischen und deutschen ordentlichen Gerichten, München, 2015, S. 39 ff. 30  Thorn/Lasthaus, IPRax 2016, 426 (431). 31  Orth, SpuRt 2015, 230 (232).

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4. Vorlagepflicht an den Generalsekretär vor Verkündung des Schiedsspruchs Die Vorlagepflicht des Schiedsspruchs vor Unterzeichnung an den CASGeneralsekretär nach Art. R46 Abs. 1 CAS-Code ist im Zeitalter der Gewaltenteilung ein absoluter Fremdkörper. Danach ist der (weisungsabhängige) Generalsekretär befugt, formale Berichtigungen vorzunehmen und – darüber hinaus – die Aufmerksamkeit des Gerichts auf grundsätzliche Rechtsfragen („fundamental issues of principle“) zu lenken. Das ist so, wie wenn eine Kammer oder ein Senat eines staatlichen Gerichts sein Urteil vor Unterzeichnung dem Staatssekretär im Justizministerium zur Abnahme vorlegen müsste (!). Auch wenn seitens des CAS immer wieder betont wird, es gehe nur um „Hinweise“ an die Richter, ist durchaus vorstellbar, dass der eine oder andere Richter ins Grübeln kommt, ob er nicht doch lieber der Linie des General­ sekretärs folgen sollte, insbesondere dann, wenn er für einen weiteren Zyklus von vier Jahren ernannt werden möchte. Was für ein Druck vom IOC auf das CAS ausgeübt wird, zeigt exemplarisch die Reaktion des IOC-Präsidenten auf einen aufsehenerregenden Schiedsspruch des CAS, in welchem dieser die Einsprüche von 39 russischen Athleten gegen ihre lebenslangen Olympia-Sperren durch das IOC in 28 Fällen aufgehoben hat: Das CAS, so Bach, müsse „seine Struktur ändern, um die Qualität seiner Urteile besser zu managen.“ Er habe eine entsprechende Forderung dem Präsidenten des CAS zukommen lassen (!).32

5. Beweismaß Zwar obliegt die Beweislast für ein Dopingvergehen dem Verband, doch genügt für die Beweisführung nach ständiger Rechtsprechung des CAS33 eine „comfortable satisfaction“, also eine überzeugende Darlegung, die höher ist als die gleich hohe Wahrscheinlichkeit des Gegenteils. Es genügt demnach eine Wahrscheinlichkeit von 51 %, ein Beweismaß, welches weit entfernt ist von dem strafrechtlichen Beweismaß, welches jeden vernünftigen Zweifel ausschließen muss („beyond reasonable doubt“). Ob das Beweismaß des CAS mit grundgesetzlichen Wertungen, insbesondere dem Verschuldensprinzip, zu vereinbaren ist, ist sehr fraglich und noch nicht abschließend geklärt.34

32  Zitiert nach Becker in www.faz.net vom 04.02.2018: „Bach kritisiert die CASRichter“; so auch Teuffel in www.tagesspiegel.de vom 04.02.2018. 33  Z. B. Schiedsspruch v. 23.4.2018, SpuRt 2018, 163 (Legkov ./. IOC). 34  Orth, SpuRt 2015, 230 (232). Ausführlich hierzu Summerer in: Fritzweiler/Pfister/Summerer, Praxishandbuch Sportrecht, 4. Aufl. 2020, Kap. 3 Rn. 437 ff.



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6. Nicht-öffentliche Verfahren Zwar kann eine Verhandlung hinter geschlossenen Türen auch der Sachlichkeit dienen, die Kompromissbereitschaft der Parteien fördern, Imageschäden oder ein Präjudiz vermeiden oder die Vertraulichkeit unternehmensrelevanter Daten sichern, so dass nicht jede Verhandlung automatisch öffentlich sein muss.35 Auf Antrag einer der Parteien muss allerdings nach allgemeiner Meinung die Öffentlichkeit zugelassen werden, um dieser Partei die Befürchtung zu nehmen, sie sei einer Geheimjustiz ausgesetzt und ihr insoweit eine öffentlichkeitswirksame Kontrolle zu ermöglichen. Nachdem das CAS im Fall Pechstein trotz ihres Antrags auf Zulassung der Öffentlichkeit hinter verschlossenen Türen verhandelte, erhob sie eine Menschenrechtsbeschwerde beim EGMR. Dieser verurteilte die Schweiz zur Zahlung eines Schmerzensgeldes über 8.000 €, weil Art. 6 Abs. 1 EMRK verletzt worden war.36 Der ICAS hat darauf reagiert: Zwar sind CAS-Verfahren nach wie vor im Grundsatz nicht-öffentlich, es sei denn, beide Parteien einigen sich auf etwas anderes (Art. R43, R44.2 CAS-Code); allerdings wurde Anfang 2019 in Berufungssachen disziplinärer Natur auf Antrag einer Partei eine Soll-Bestimmung zugunsten der Öffentlichkeit eingeführt. Diese sieht jedoch zahlreiche Ausnahmen vor, die m. E. mit Art. 6 Abs. 1 EMRK und Art. 47 Abs. 2 GR-Charta der EU unvereinbar sind („public order“, „national security“, „morals“, „interests of justice“, „questions of law“, Art. R57 Abs. 2 CAS-Code). Zudem erscheint es intransparent, warum Schiedssprüche offenbar nur selektiv zum Download auf der CAS-Website angeboten werden.37

7. Keine Wiederaufnahme Im CAS-Code ist keine Wiederaufnahme bei neuer Beweislage vorgesehen. Bei neuer Beweislage und anderen Restitutionsgründen müsste allerdings eine Wiederaufnahme des Verfahrens selbstverständlich sein. Dies gebietet schon das Rehabilitationsinteresse der Athleten. Bei deutschen Ziviloder Strafprozessen besteht hierauf ein gesetzlicher Anspruch (§§ 580 ZPO, 359 Nr. 5 StPO).

35  Steiner, BayVBl. 2016, 825 (826). Ausführlich zur Vertraulichkeit in Schiedsverfahren Kahlert, S.  51 ff. 36  EGMR, Urt. v. 4.10.2018, SpuRt 2018, 253 ff.; vgl. Heermann, NJW 2019, 1560. 37  Orth, SpuRt 2015, 230 (233).

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8. Finanzierung des CAS und Prozesskostenhilfe Die Finanzierung des CAS durch IOC und Sportverbände sollte auf eine breitere Finanzierungsgrundlage gestellt und die Prozesskostenhilfe für Athle­ten verbessert werden.38 Die „Guidelines on Legal Aid before the CAS“ vom 1.1.2019 sehen zwar eine Prozesskostenhilfe vor, die Entscheidung trifft aber der ICAS (legal aid commission) ohne Möglichkeit, ein Rechtsmittel einzulegen (Art. 10).

9. Anwendbares Recht und Verbandslastigkeit der Schiedssprüche In Art. R58 CAS-Code ist in Berufungsverfahren eine weitere Dominanz der Sportverbände angelegt: Das anwendbare Recht sind die Regeln („regulations“) der Verbände. Nur subsidiär ist eine Rechtswahl der Parteien (die selten vorliegen dürfte) zu berücksichtigen; fehlt es an einer Rechtswahl, ist (wiederum subsidiär) das Recht desjenigen Landes anzuwenden, in dem der Verband, der die angefochtene Maßnahme erließ, seinen Sitz hat; alternativ können sich die Richter das passende Recht aussuchen („the rules of law the Panel deems appropriate“). Darüber hinaus herrscht eine hohe Verbandslastigkeit der Schiedssprüche: Nach ARD-Informationen versuchen Anwälte von Athleten immer wieder vergeblich, für das jeweilige Verfahren benannte Richter austauschen zu lassen. Der Verbandslastigkeit der Schiedssprüche ist nur beizukommen, wenn absolute Unabhängigkeit und Neutralität bei der Besetzung der Spruchkammer unter paritätischer Mitwirkung der Athleten gewahrt sind.

10. Schiedsrichter auf Zeit Der ICAS ernennt die Richter nur für einen Zyklus von vier Jahren – wiederholte Ernennung ist möglich – und kann einen Schiedsrichter absetzen (Art. S13 und S19 CAS-Code). Wenn der Listenzwang abgeschafft werden würde, entfiele dieser Kritikpunkt; wenn nicht, sollte ein Richter auf längere Zeit ernannt werden, um seine Unabhängigkeit zu stärken.

11. Keine Prüfung auf Konformität mit Europarecht Aufgrund des Sitzes des CAS in der Schweiz mangelt es den Schiedssprüchen des CAS an einer Auseinandersetzung mit Europarecht, insbesondere 38  Steiner,

BayVBl. 2016, 825 (826).



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europäischem Kartellrecht39, was aber gerade bei den dort anhängigen internationalen Fällen dringend geboten wäre. Hinzu kommt: Weder das CAS noch das Schweizerische Bundesgericht sind befugt oder gar verpflichtet, eine Vorabentscheidung des EuGH einzuholen.40 Dieses Defizit führt in Verbindung mit der Achmea-Rechtsprechung des EuGH41 dazu, dass CASSchiedsvereinbarungen als unwirksam angesehen werden müssen.42

12. Zweifel an der Unabhängigkeit der Richter Obgleich zweifelsohne viele honorige Persönlichkeiten am CAS richten, bestehen aufgrund der aufgezeigten strukturellen Defizite ernsthafte Zweifel an der institutionellen Unabhängigkeit und Unvoreingenommenheit aller Richter. Deshalb sind an Schiedsverfahren im Sport infolge des Schiedszwangs und der geschlossenen Liste strengere Maßstäbe an die Unabhängigkeit der Richter anzulegen als in der Handelsschiedsgerichtsbarkeit oder der freiwillig vereinbarten Schiedsgerichtsbarkeit. Billigt die Rechtsprechung letzten Endes den Schiedszwang, so muss die fehlende Freiwilligkeit durch eine verstärkte Kontrolle der Einhaltung rechtsstaatlicher Standards ausge­ glichen werden.43 Diesem Petitum ist der EGMR in Pechsteins Beschwerde gegen die Schweiz nach Art. 34 EMRK bedauerlicher Weise nicht gefolgt und hat den bis dahin hohen Grundrechtsstandard sehr bedenklich abgesenkt.44

39  Dies bemängelt auch das Bundeskartellamt in seinem Beschluss zum Werbeverbot für Athleten nach Regel 40 der Olympischen Charta, Beschluss v. 25.02.2019  – B2-26/17, BeckRS 2019, 4347 Rn. 124. 40  Ausführlich Axtmann in Vieweg, Inspirationen des Sportrechts, S. 185 (210); Streinz/Ehricke, Art. 267 AEUV Rn. 33. 41  EuGH, Urt. v. 06.03.2018, C-284/16, EuZW 2018, 239. In dieser vielbeachteten Entscheidung erklärte der EuGH die Schiedsklausel eines Investitionsschutzabkommens für unvereinbar mit Art. 267, 344 AEUV. 42  Hülskötter, Die (Un-)Wirksamkeit von Schiedsvereinbarungen im Berufssport, Berlin 2020, S. 294 (299). 43  So schon der Verfahrensbevollmächtigte des Bundeskartellamts, Dr. Jörg Nothdurft, in der mündlichen Verhandlung vor dem BGH im Fall Pechstein, dessen Auffassung im BGH-Urteil mit keinem Wort erwähnt wurde; ebenso Thorn/Lasthaus, IPRax 2016, 426 (429); Prütting, SpuRt 2016, 143; Wittmann in Vieweg, Inspirationen, S. 112; ders., Diss. 2015, S. 38. 44  EGMR, Beschluss v. 2.10.2018, SpuRt 2018, 253 mit Anm. Hülskötter, der kritisch feststellt, dass sich der EGMR damit gegen seine eigene Rechtsprechung stellt; bemerkenswert ist die dissenting opinion ausgerechnet der Schweizer Richterin! Kritisch auch Orth, SpuRt 2018, 233, und mit einer Standortbestimmung Heermann, NJW 2019, 1560.

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III. Rückblick: Das Urteil des OLG München als Stein der Weisen Alle diese Kritikpunkte waren in der ersten und zweiten Instanz des Pechstein-Prozesses Streitgegenstand. Da dem OLG München allein die Kritikpunkte 2 und 3 schon ausreichten, um dem CAS die Qualität eines echten Schiedsgerichts abzusprechen, musste es sich zu den übrigen Kritikpunkten nicht mehr äußern. Bedauerlicherweise verengte der Kartellsenat des BGH seinen Blickwinkel auf diesen einen Punkt. Aus seiner am Tag der Urteilsverkündung verlautbarten Pressemitteilung erhellt jedoch, dass er von einer falschen Tatsachengrundlage ausging. Dort schreibt der BGH: „Der konkret an dem Verfahren vor dem CAS beteiligte Sportverband  – hier die ISU – und der Athlet müssen je einen Schiedsrichter aus der mehr als 200 Personen umfassenden Liste auswählen. Diese Schiedsrichter bestimmen gemeinsam den Obmann des Schiedsgerichts.“ Dies ist nachweislich falsch: Gemäß Art. R54 Abs. 2 CAS Code bestimmt bei Berufungen immer – und nicht nur bei Uneinigkeit, wie vom BGH angenommen  – der Präsident der Berufungsabteilung des CAS den Vorsitzenden des Schiedsgerichts. Der Präsident der Berufungsabteilung wird vom ICAS nach dem Mehrheitsprinzip gewählt. Damit haben die Verbände mittelbar über den Präsidenten der Berufungsabteilung entscheidenden Einfluss auf den Vorsitzenden der zuständigen Spruchkammer und damit auf den Ausgang des Falls. Der Präsident der Berufungsabteilung hieß Dr. Thomas Bach – 19 Jahre lang bis zum Jahr 2013.45 Angesichts der Brisanz auch der übrigen Kritikpunkte erscheint es nur als eine Frage der Zeit, wann diese dem BGH in einem neuen Fall zur Entscheidung vorgelegt werden; dann bleibt zu hoffen, dass mit dem im Jahr 2019 neu konstituierten ständigen Kartellsenat am BGH ein neues Kapitel aufgeschlagen wird. Der „alte“ Kartellsenat des BGH kassierte das Berufungsurteil des OLG München46 ohne Not. Dessen Kernaussage sei noch einmal in Erinnerung gerufen: Danach ist ein Schiedszwang nicht per se rechtswidrig, allerdings dann, wenn die Vorgaben für die Besetzung des zuständigen CASKollegiums ein strukturelles Übergewicht der Verbände begründen, das die Neutralität des CAS grundlegend in Frage stellt. Deshalb seien in casu die Schiedsvereinbarung nichtig und der Schiedsspruch nicht anerkennungsfähig. Das OLG ließ dem CAS also eine Hintertür offen, um das festgestellte Übergewicht abzubauen. Soweit ersichtlich, hat dieser latente Appell das CAS bis heute unbeeindruckt gelassen. 45  Becker 46  OLG

in www.faz.net vom 04.02.2018. München, SpuRt 2015, 78.



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Das OLG München darf sich allerdings durch eine jüngere Entscheidung des EuGH bestärkt fühlen, der die Unabhängigkeit der Gerichte als einen fundamentalen Grundsatz hervorhob, der sich aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten ergebe. Jeder Staat habe dafür zu sorgen, dass Gerichte in den vom Unionsrecht erfassten Bereichen einen wirksamen Rechtsschutz gewähren. Unabhängigkeit setze voraus, dass die betreffende Einrichtung ihre richterlichen Funktionen „in völliger Autonomie ausübt, ohne mit irgendeiner Stelle hierarchisch verbunden oder ihr untergeordnet zu sein und ohne von irgendeiner Stelle Anordnungen oder Anweisungen zu erhalten, und dass sie auf diese Weise vor Interventionen oder Druck von außen geschützt ist.“47 In diese Richtung weist auch das Urteil der 18. Kammer des Appellationshofs Brüssel, die auf europäisches Wettbewerbsrecht spezialisiert ist: In einer Klage des belgischen Fußballvereins RFC Seraing gegen die FIFA, die UEFA und den belgischen Fußballverband, mit welcher der Verein das Verbot der Third Party Ownership beanstandet, erklärte sich der staatliche Appellationshof endgültig für zuständig und urteilte, dass jedes durch Klauseln der internationalen und nationalen Verbände aufgezwungene Schiedssystem gegen Art. 6 EMRK, aber auch gegen sein Äquivalent im EU-Recht, Art. 47 GRCh verstoße.48

IV. Fazit und Ausblick Das Urteil des Kartellsenats des BGH im Fall Pechstein ist eine von Interessenjurisprudenz geleitete Ehrerbietung gegenüber dem Schweizer Bundesgericht, aber noch lange kein Freibrief für die Sportschiedsgerichtsbarkeit. Vielmehr ist zu erwarten und zu hoffen, dass es vom Bundesverfassungsgericht, vom EuGH oder spätestens vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte korrigiert werden wird. Bis dahin sei an den CAS und den ICAS appelliert, sich den hier vorgeschlagenen Reformen nicht weiterhin zu verschließen. Der Sport braucht die Akzeptanz der Sportler für die Entscheidungen seiner eigenen Gerichtsbarkeit. Dies setzt eine hinreichende Aufklärung über die Tragweite von Schiedsklauseln und einen fairen Umgang miteinander voraus. Athleten benötigen auf IOC-Level eine wirkungsvolle Interessenvertretung, um einen paritätischen Einfluss auf die Besetzung der Richterbank ausüben zu können. Solange ein solcher nicht besteht, müssen Athleten von 47  EuGH, Az. C-64/16 v. 27.02.2018 juris Rn. 44, EuZW 2018, 469, JuS 2018, 1016 mit Anm. Streinz – Associação Sindical dos Juízes Portugueses. 48  Urteil vom 29. August 2018, Az. 2016/AR/2048.

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dem Zwang entbunden werden, einen Schiedsrichter aus der geschlossenen Liste zu wählen.49 Das CAS wird zwar gebraucht und ist durchaus gewollt.50 Gewollt ist heute aber ein anderes, reformiertes CAS, das seine Defizite erkennt und abbaut. Solange die aufgezeigten Defizite nicht behoben sind, müssen Athleten davor gewarnt werden, sich rügelos auf ein Verfahren vor dem CAS einzulassen. Infolge des Schiedszwangs und der geschlossenen Liste sind an Schiedsverfahren im Sport strengere Maßstäbe an die Unabhängigkeit der Richter anzulegen als in der Handelsschiedsgerichtsbarkeit oder der freiwillig vereinbarten Schiedsgerichtsbarkeit. Zur Durchsetzung des Justizgewährleistungsanspruchs, welcher in Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 6 Abs. 1 EMRK und Art. 47 Abs. 2 GR-Charta der EU verankert ist, sollte die Solange-I-Entscheidung des BVerfG51 auf das Verhältnis zwischen staatlicher Gerichtsbarkeit und Sportschiedsgerichtsbarkeit übertragen werden: Solange – wie derzeit beim CAS – die rechtsstaatlichen Anforderungen im Sportschiedsverfahren nicht gewährleistet sind, muss eine Klage trotz der Schiedsvereinbarung zugunsten des CAS vor deutschen staatlichen Gerichten zugelassen werden.52 Die Verbindung des Justizgewährleistungsanspruchs mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit eines Athleten verdichtet sich hier zu einer verstärkten justiziellen Schutzpflicht des Staates.53 Für den Präsidenten des IOC, der selbst Athlet war, der deutschen Rechtskultur entstammt und gewissermaßen Pate des CAS war, müsste eine Reform des CAS doch ein nobile officium sein! Seine aktuelle Kritik am CAS entspringt aber eher der Motivlage eines schlechten Verlierers als derjenigen eines echten Reformers und dürfte sich noch als Bumerang erweisen. Es ist höchste Zeit für ein athletenfreundliches Machtwort des Bundesverfassungsgerichts!

49  So

auch schon das OLG München SpuRt 2015, 78 (83) Rn. 90. auch die Einschätzungen von Orth, SpuRt 2015, 230 (234); Duve/Rösch, SchiedsVZ 2014, 216; Stancke, SpuRt 2015, 46 (49); Norouzi/Summerer, SpuRt 2015, 63 (65); Adolphsen, SpuRt 2016, 46; Prütting, SpuRt 2016, 143 (145) und BGH SpuRt 2016, 163 (169). 51  BVerfGE 37, 271 ff.; Jarass/Pieroth, GG, Art. 23 Rn. 46. 52  So auch mit überzeugenden Argumenten Widdascheck (Fn.  15), S.  304 ff. m. w. N. 53  Longrée/Wedel, SchiedsVZ 2016, 237 (241). 50  So

Der Fluch der guten Tat? – Zur strafrechtlichen Verantwortung von Ehrenamtlichen* Von Hans Kudlich I. Hinführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 II. Das Problem – abstrakt und konkret . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeine Beschreibung der Problemlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. AG Detmold: Ein kippendes Tor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. AG Kulmbach: Ein ertrunkenes Mädchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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III. Das Dilemma: Rechtsgüterschutz bei hilfsbedürftigen Opfern versus unzumutbare Haftungsrisiken der Ehrenamtlichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 IV. Mechanismen zur Haftungsbegrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 1. Haftungsgrenzen aus allgemeinen dogmatischen Grund­sätzen . . . . . . . . . 137 2. Ehrenamtlichkeit als eigenständiger Grund für eine Haftungsprivilegierung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 V. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142

I. Hinführung Nicht selten wird in der Diskussion „Sport“ mehr oder weniger mit „Kommerz“, hohen Gehältern und astronomischen Ablösesummen assoziiert. Von daher ist es auch nicht erstaunlich, dass bestimmte Facetten des „Sportrechts“ letztlich Teil des Wirtschaftsrechts sind. Aber es gibt auch die andere, für die Breitenwirkung, für die Gesellschaft und etwa für unsere Kinder und Jugendliche wichtigere Seite des Sports: den Breitensport, der ganz maßgeblich vom Engagement ehrenamtlicher Akteure lebt, die viel Zeit und Energie im Wesentlichen unentgeltlich dafür aufwenden.1 Wie auch in anderen Bereichen droht allerdings dieses überobligationsmäßige Engagement irgendwann *  Der Beitrag basiert im Wesentlichen auf meinem gleichnamigen Beitrag in der 2019 erschienenen Festschrift zum 80. Geburtstag von Ulrich Eisenberg (dort S. 683 ff.). Er erscheint hier mit freundlicher Genehmigung des Verlages Duncker & Humblot sowie der Herausgeber der Festschrift. 1  Hier besteht eine deutliche Parallele etwa auch zur Kunst- und Kulturszene.

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„wegzubrechen“, wenn es nicht nur nicht gewürdigt wird, sondern wenn sogar persönliche Risiken damit einhergehen. Solchen – in diesem Fall: strafrechtlichen – Risiken für ehrenamtliche Übungsleiter ist dieser Beitrag gewidmet.

II. Das Problem – abstrakt und konkret 1. Allgemeine Beschreibung der Problemlage In abstrakter Form sind das zu Grunde liegende Problem und die daraus abzuleitenden Fragen rasch skizziert: Ein Ehrenamtlicher ist mit den von ihm zu betreuenden Personen – nicht selten Kinder oder Jugendliche (in anderen Bereichen aber auch alte, kranke oder behinderte Menschen)2 – unterwegs. Bei der gemeinsamen Aktivität – also hier besonders interessierend: beim Sport – kommt es zu einem Schadensfall. Dabei liegt eine Situation vor, in der – weder auf den ersten Blick und leicht ersichtlich festgestellt werden kann, dass eine Verantwortung kraft Aufsichtspflichtverletzung auf jeden Fall ausgeschlossen ist (weil etwa die Schädigung durch das in keiner Weise vorhersehbare Handeln eines Dritten erfolgt)3 – noch eine Haftung ganz unstreitig angemessen ist (weil eine schwerwiegende Pflichtverletzung vorliegt)4. Vielmehr soll es sich um eine leichte Unaufmerksamkeit handeln, die jedermann und jederzeit vorkommen kann, bei perfekter Gewissenhaftigkeit 2  Natürlich gibt es ehrenamtliche Tätigkeiten auch in Verbindung mit Personen, die in keiner Weise eine erhöhte Schutzbedürftigkeit aufweisen, so wenn etwa ein Ehrenamtlicher am Wochenende die Eintrittskontrolle in einem kleinen Heimat­ museum wahrnimmt oder wenn ein Richter sich in seiner Freizeit bereit erklärt, den örtlichen Justizchor zu leiten. Strukturell werden ehrenamtliche Helfer aber naturgemäß sehr häufig auch (wenn nicht sogar vorrangig) dort benötigt, wo es um die Betreuung von Menschen geht, die nicht vollständig eigenverantwortlich für sich selbst sorgen können. 3  Drastisches Beispiel: Der Ehrenamtliche ist mit jüngeren Kindern auf einem Spielplatz und achtet tunlichst darauf, dass die Kinder tatsächlich nur im Sandkasten spielen oder schaukeln, aber auf keine Klettergerüste steigen. Völlig unvorhersehbar und auf dem Spielplatz einer kleinen ländlichen Gemeinde auch von niemandem vorher zu erahnen, kommt ein Amokläufer auf den Spielplatz und erschießt drei Kinder. 4  Drastisches Beispiel: Der Ehrenamtliche animiert die kleinen Kinder, auf ein sehr hohes und nicht gesichertes Klettergerüst zu steigen, das eigentlich erst für größere Kinder vorgesehen ist. Als zwei Vierjährige in mehreren Metern Höhe auf dem Gerüst sitzen, begibt er sich erst einmal zu einem fünf Gehminuten entfernten Kiosk, um Bier und Zigaretten zu kaufen; beim verzweifelten Versuch des Abstiegs stürzt eines der kleinen Kinder drei Meter in die Tiefe.



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aber vermeidbar gewesen wäre. Hier stellt sich angesichts der im Gesetz grundsätzlich nicht begrenzten Strafbarkeit auch bei nur leicht fahrlässigem Handeln5 die Frage, ob der Ehrenamtliche mit voller Schärfe (auch strafrechtlich) haftet oder aber ob es zum einen rechtspolitische Bedenken gegen eine so weitgehende Haftung und zum anderen ggf. dogmatische Mittel zu ihrer Begrenzung gibt. Genau in diesem Feld dürften auch zwei von der Rechtsprechung entschiedene Fälle gelegen haben, die im Folgenden kurz dargestellt werden.

2. AG Detmold: Ein kippendes Tor Die erste Entscheidung passt unmittelbar in unseren Rahmen – es geht um Fußball. Das AG Detmold hatte hier 2015 über folgenden Sachverhalt zu entscheiden:6 Der Angeklagte (A) war Jugendvorstand eines Sportvereins und außerdem Trainer einer Fußball-D-Jugendmannschaft. Diese Tätigkeiten übte A ehrenamtlich aus. Der Verein richtete jährlich ein Hallenfußballturnier für Mannschaften der D-Jugend aus, das von A maßgeblich mitorganisiert wurde. In der Halle, in der das Turnier stattfand gab es neben einer großen Halle (in der gespielt wurde) auch eine durch Plexiglasscheiben getrennte kleine Halle, in der zwei Handballtore aufgestellt, aber nicht fest im Boden verankert waren. Während die von A trainierte Mannschaft spielte, wärmte sich ein auswärtiges Team in der kleinen Halle auf. Der 11-jährige Geschädigte war dabei Torwart. Bei einem Lattentreffer an dem vom Geschädigten gehüteten Tor geriet dieses ins Wackeln, kippte nach vorne um und traft den Geschädigten auf den Kopf. Das AG Detmold verurteilte den A und sprach eine Verwarnung mit Strafvorbehalt aus. A sei bekannt gewesen, dass die kleine Halle von den Kindern zum Aufwärmen bzw. Spielen zwischen den Begegnungen des Turniers genutzt wurde und kannte die Gegebenheit. Deshalb – so das AG – hätte A bei „Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt erkennen können und müssen, dass es bei Verwendung dieser nicht standfesten Tore im Spielbetrieb durch einen Lattentreffer dazu kommen kann, dass das Tor umkippt und auf einen sich im Umkreis des Tores befindlichen Spieler – wie hier auf den Geschädigten – fällt und dass dieser dadurch verletzt werden kann.“ Die Entscheidung hatte zumindest in den regionalen Medien große Aufmerksamkeit erregt. Dass sie einen irgendwie besonders gelagerten Fall betreffen muss, wird schon daraus deutlich, dass es in erster Instanz zu einer kritisch dazu Schlüchter, Grenzen strafbarer Fahrlässigkeit, 1996. AG Detmold SpuRt 2015,177.

5  Allgemein 6  Vgl.

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Verwarnung mit Strafvorbehalt (also trotz einer strafrechtlichen Verurteilung nicht einmal zu einer vollstreckbaren Geldstrafe) gekommen ist, auf welche die Rechtspraxis sonst nur selten zurückgreift. Sie sind typischerweise dadurch geprägt, dass dem Gericht ein Strafausspruch aus irgendeinem Grund wichtig zu sein scheint, die Berechtigung einer auch nur geringen Sanktion für den Angeklagten aber zweifelhaft ist7 – vielleicht auch eine Folge des Umstandes, dass die moderne Gesellschaft offenbar verlernt hat, mit Unglücksfällen umzugehen und daher in jedem Fall eine (vielfach auch straf‑) rechtliche Verantwortung fordert.8 Menschlich ist dies ohne weiteres nachvollziehbar – nicht nur nachvollziehbar, sondern auch juristisch korrekt ist eine strafrechtliche Verurteilung allerdings nur, wenn im konkreten Fall tatsächlich auch die Voraussetzungen einer Strafbarkeit bejaht werden können. Dies ist durchaus zweifelhaft (und wird unter IV. noch näher erörtert werden).

3. AG Kulmbach: Ein ertrunkenes Mädchen In vielem auffällig ähnlich liegt ein im Frühjahr des Jahres 2019 vor dem AG Kulmbach verhandelter Fall. In diesem ging es nach Medienberichten9 um die Betreuerin einer Kinder-Turngruppe, die mit ihren Kindern das Freibad in Himmelkron besucht hat. Offenbar haben die Eltern der betreuten Kinder auf Nachfrage angegeben, dass ihre Kinder schwimmen können. Ein acht Jahre altes Mädchen ging dann so unglücklich im toten Winkel am Beckenrand unter, dass weder der Bademeister noch die Betreuerin es rechtzeitig bemerkt hatten. Das Mädchen verstarb kurze Zeit später. Auch hier verhängte das AG Kulmbach (unter gleichzeitigem Freispruch für den Bademeister) eine Verwarnung mit Strafvorbehalt gegen die Ehrenamtliche. Vorgeworfen wurde dabei weniger die kurze Unaufmerksamkeit im Moment des Unglücks als vielmehr offenbar – gleichsam in einer Art Über7  Ohne die Fälle in ihrer grundsätzlichen Bedeutung oder ihrer Struktur vergleichen zu wollen: Eine Entscheidung mit einer Verwarnung mit Strafvorbehalt, die aufgrund des behandelten Falles für besonderes Aufsehen gesorgt hat, war auch die Verurteilung des Frankfurter Polizeivizepräsidenten Daschner in der Sache Gäfgen/ Jakob von Metzler, vgl. LG Frankfurt NJW 2005, 692. Die parallele Struktur „Statement – Unwohlsein“ ist deutlich. Auch dort wollte das Gericht augenscheinlich eine strafrechtliche Verurteilung als „Statement“ gegen die Idee einer „Rettungsfolter“ abgeben, es bestand aber gleichwohl ein Unwohlsein, denjenigen mit einer Kriminalstrafe zu überziehen, der in einer Situation der allgemeinen Aporie und Agonie die Zügel in die Hand genommen hat, um ein Kinderleben zu retten; eingehend hierzu aus der kaum übersehbaren Literatur etwa Wagenländer, Zur strafrechtlichen Beurteilung der Rettungsfolter, 2006. 8  Lesenswert dazu Fahl, JA 2012, 808 ff. 9  Vgl. etwa http://www.sueddeutsche.de/bayern/gericht-nach-tod-von-maedchen-imfreibad-urteil-unter-besonderen-umstaenden-1.3932289, zuletzt abgerufen: 22.09.2020.



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nahmeverschulden – die unzureichende Vorbereitung des Badeausflugs. Die Betreuerin hätte sich nämlich – so die Richterin in der in den Medien mitgeteilten mündlichen Urteilsbegründung – nicht auf die Aussage der Kinder verlassen dürfen, sie könnten schwimmen, sondern sich davon selbst vergewissern müssen. Über Rechtsmittel gegen das Urteil bzw. deren Ausgang ist in der Presse nichts berichtet worden.

III. Das Dilemma: Rechtsgüterschutz bei hilfsbedürftigen Opfern versus unzumutbare Haftungsrisiken der Ehrenamtlichen Die beiden skizzierten Beispielsfälle aus der „echten Welt“ haben nicht nur gemeinsam, dass sie in besonderer Weise tragisch sind, weil Kinder zu schweren Schäden gekommen sind. Beide machen vielmehr zugleich auch die höchst problematische und unbefriedigende Situation für ehrenamtlich Tätige deutlich: Ungeachtet der unzweifelhaften und auch durch das Recht zu gewährleistenden Schutzbedürftigkeit von fürsorgebedürftigen Personen (Kinder, Kranke, Alte etc.) wäre eine Konstellation einer uneingeschränkten strengen Haftung auch für leichte Fahrlässigkeit für die Ehrenamtlichen fast untragbar und auch in den gesellschaftlichen Folgen letztlich fatal. Es ist – dies lässt sich nicht leugnen – letztlich nur menschlich, dass Fälle leichtester und auch leichter Fahrlässigkeit gerade auch im Umgang mit schutzbedürftigen Personen immer wieder auftreten. Es gibt wohl nur wenige Eltern,10 die bei der Überwachung ihrer Kinder so lückenlos sorgfältig und in den Maßstäben so vorsichtig sind, dass Unfälle praktisch ausgeschlossen sind. Da sich glücklicherweise jedoch leichte Fahrlässigkeit nur selten in Schäden für die Kinder niederschlägt und man oft schlicht und ergreifend auch „Glück hat“, dass nichts passiert, führt dieser Umstand nur in der überschaubaren Zahl von Fällen zu strafrechtlichen Folgen für die Eltern. Dies gilt umso mehr, als zumindest bei überschaubaren Schadensfolgen das Inte­ resse der Gesellschaft, die Eltern haftungs- oder strafrechtlich zu belangen, auch gering sein dürfte.11 Und selbst bei schwerwiegenderen Folgen wird unausgesprochen oft der (im Strafrecht in die Gestalt von § 60 StGB und damit korrespondierend dann gegebenenfalls auch von § 153b StPO gegossene) Gedanke eine Rolle spielen, dass Eltern, die durch eigenes Verschulden 10  Man könnte darüber streiten, ob es für die Entwicklung der Kinder insgesamt gesehen denn gut wäre, wenn es viele solcher Eltern geben würde. 11  Was das Haftungsrecht angeht, ist im Übrigen auch noch das Privileg des § 1664 BGB zu berücksichtigen, wonach Eltern insoweit nur für die eigenübliche Sorgfalt haften, so dass regelmäßig eine Haftung nur bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit in Betracht kommt.

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ihr Kind nachhaltig geschädigt haben, allein durch diesen Umstand schon selbst „am härtesten bestraft“ sind. Jedenfalls aber ist die Wahrscheinlichkeit gering,12 dass Personen aus dem engeren Umfeld des Kindes auf eine entsprechende Strafverfolgung hin drängen, als Nebenkläger aktiv werden oder gar – wie die Mutter im Kulmbacher Fall – ein Klageerzwingungsverfahren anstrengen. Dabei ist dies zwar bei allen Taten, für die das strenge Legalitätsprinzip gilt, keine formale Voraussetzung einer Verfolgung und Verurteilung. Man benötigt aber nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, dass die Einleitung von Verfahren mit unterschiedlich viel Nachdruck erfolgt, je nachdem, ob das Umfeld des Opfers eher beschwichtigend wirkt oder auf eine Verfolgung drängt. Ganz anders nun die Situation bei Ehrenamtlichen: Sie haben es – um beim anschaulichen Beispiel der Betreuung von Kindern oder Jugendlichen zu bleiben – nicht nur mit einem (oder vielleicht zwei oder drei) Kindern zu tun, sondern oft mit deutlich größeren Gruppen. Schon das vervielfältigt – rein statistisch gesehen – die Wahrscheinlichkeit, dass aus einer kleinen Unaufmerksamkeit ein großer Schaden erwächst. Diese Tendenz wird noch dadurch befördert, dass die ehrenamtlichen Betreuer bei fremden Kindern vielleicht nicht jedes „Warnzeichen“ so schnell erfassen können wie die Eltern und dass im Zusammenwirken mehrerer Kinder auch eine Gruppendynamik entstehen kann, welche die Gefährdung vergrößert: Während ein Kind, das mit seinem Vater allein im Freibad ist, dessen Mahnung vielleicht Folge leistet, innerhalb einer halben Minute, in welcher der Vater etwas holt, den Nichtschwimmerbereich nicht zu verlassen, kann das gleiche Kind in einer Gruppe Gleichaltriger, die bereits schwimmen können, leichter verleitet sein, einen unbeobachteten Moment zu nutzen, um „ins Tiefe“ zu entwischen. Wenn es dann zu einem Unfall kommt, sind die Eltern des Kindes nicht mehr diejenigen, die selbst „augenblicksversagt“ haben und dies herunterspielen, sondern zumindest potenziell (verständlicherweise!) durch die tragischen Folgen erschüttert und suchen in der Verfolgung der Aufsichtsperson ein Ventil. Für den ehrenamtlich Tätigen stellt sich die Situation wie folgt dar: Er hat gegebenenfalls über Jahre hinweg ohne irgendeine (oder zumindest ohne nennenswerte) Vergütung seine Freizeit investiert und hat dabei in einer Gesellschaft eine wichtige Aufgabe erfüllt, welche vielfach durch zwei arbeitende Elternteile und durch die Klagen geprägt ist, die Kinder würden zu wenig unternehmen und nur vor irgendwelchen Bildschirmen sitzen. Dass dies nicht motivierend wirkt, liegt auf der Hand. Wenn als Konsequenz da­ 12  Ausgeschlossen ist natürlich auch dies nicht, sei es durch selbsternannte Hüter der Kinder aus dem Umfeld, sei es etwa im Fall einer gescheiterten Beziehung durch das andere Elternteil.



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raus die Bereitschaft, ehrenamtlich zu arbeiten, in der Breite noch weiter nachlässt, hat es für die Gesellschaft gerade die hier skizzierten Folgen, ohne dass dies auf Betreuungsangebote für Kinder beschränkt wäre, sondern mutatis mutandis etwa für den Bereich der ehrenamtlichen Betreuung von Behinderten oder Alten in gleicher Weise gilt.

IV. Mechanismen zur Haftungsbegrenzung Aus diesem Grund erscheint es schon rechtspolitisch angezeigt, darüber nachzudenken, welche Mechanismen zu einer Begrenzung der Haftung von Ehrenamtlichen die Dogmatik hergibt (ohne natürlich umgekehrt den Schutz der Schutzbedürftigen unangemessen auszuhöhlen). Solche Grenzen können sich zum einen aus bekannten Strukturen der allgemeinen Strafrechtsdogmatik ergeben. Außerdem ist zu überlegen, ob nicht aus dem Gesichtspunkt der Ehrenamtlichkeit (und damit de facto Unentgeltlichkeit und Uneigennützigkeit) des Handelns Konsequenzen abgeleitet werden müssen.

1. Haftungsgrenzen aus allgemeinen dogmatischen Grund­sätzen Sowohl der vor dem AG Detmold verhandelte als auch der vom AG Kulmbach entschiedene Fall weisen Bezugspunkte zu verschiedenen Figuren aus der allgemeinen Strafrechtsdogmatik auf, welche durchaus zur Haftungsbegründung anerkannt sind.13 a) So nahm das AG Detmold eine Fahrlässigkeit des A an, zitierte aber an keiner Stelle in der Entscheidung § 13 StGB und schien daher von einer fahrlässigen Körperverletzung durch aktives Tun auszugehen. Dies überrascht zumindest, formuliert das Gericht doch praktisch nur Unterlassungen, nämlich das Dulden eines gefährlichen Zustandes, das Nicht-Hinwirken auf geeignete Maßnahmen und das Nicht-Beseitigen offensichtlicher Gefahren (etwa in Gestalt der Absicherung der Tore oder der Gewährleistung einer zuverlässigen Beaufsichtigung). Explizit erwähnt das Gericht nur Dinge, die „unterblieben“ sind und damit „zu dem unglücklichen Unfall (führten)“. Spezifisch gefahrschaffenden aktiven Verhaltensweisen des A, die nicht entweder sozialadäquat oder letztlich viel zu allgemein und damit viel zu „weit entfernt“ von der Rechtsgutsverletzung sind, um als aktives Verhalten in Betracht zu kommen, sind nicht erkennbar. Der „Schwerpunkt der Vor13  Teile der nachfolgenden Ausführungen beruhen auf Überlegungen, die ich zusammen mit meinem Kollegen Klaus Vieweg zu dieser Entscheidung in SpuRt 2015, 138 ff. angestellt habe.

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werfbarkeit“ liegt damit gewiss auf dem Unterlassen.14 Das ist ein Umstand, der sogar eher typisch als untypisch für Unfälle sein dürfte, die während der Tätigkeit von Ehrenamtlichen mit z. B. Kindern passieren. Und er ist deshalb von Belang, weil Garantenpflichten bekanntlich in ihrer Reichweite beschränkt sein können, so dass dies ein Anknüpfungspunkt für konkludent vorausgesetzte Haftungsbeschränkungen sein könnte. b) Was darüber hinaus die Begründung von Fahrlässigkeit angeht, ist – soweit keine Sondernormen vorliegen, deren Verletzung eine Sorgfaltspflichtverletzung zumindest indizieren kann15 – allgemein danach zu fragen, wie sich ein durchschnittlicher (d. h. besonnener und sorgfältiger, aber auch nicht unnatürlich penibler) Dritter in der Situation und in der Rolle des Angeklagten verhalten hätte. Letztlich kann dies in der konkreten Situation nur durch eine Abwägung bestimmt werden, in welche auf der einen Seite der Grad der drohenden Gefahr und die Wahrscheinlichkeit des Erfolgseintrittes, auf der anderen Seite aber auch die Beeinträchtigung der allgemeinen Handlungsfreiheit einzustellen ist.16 Zu beachten sind mithin – die Gefahrwahrscheinlichkeit (der das allgemeine Lebensrisiko gegenüberzustellen ist), – die zumutbaren und möglichen Einwirkungshandlungen auf diese Gefahrwahrscheinlichkeit, – der Vertrauensgrundsatz als allgemeine Regel zur Konturierung der Sorgfaltspflichten bei arbeitsteiligem Verhalten sowie gerade – in der Rechtsprechung letztlich zumeist entscheidend die maßgebliche Situation im Moment der potentiellen Verletzungshandlung, bei der ungeachtet aller rechtlichen Regelungen gewissermaßen „laienkognitionspsychologisch“ geprüft wird, ob der Angeklagte sich zu einem besonderen, sorgfältigen Verhalten herausgefordert fühlen musste oder einen „Anlass zum Misstrauen“ haben musste.17 14  Zu diesem – in der Literatur nicht unumstrittenen – Kriterium vgl. aus der Rechtsprechung BGHSt 6, 46 (59); BGH NStZ 1999, 607 f.; 2005, 446 (447); aus der Literatur Satzger/Schluckebier/Widmaier/Kudlich, StGB, 4. Aufl. 2019, § 13 Rn. 4 f.; Bosch in: Schönke/Schröder, 30. Aufl. 2019, Vor § 13 ff. Rn. 158; krit. Freund in: Münchner Kommentar StGB, 3. Aufl. 2017, § 13 Rn. 5 f. 15  Vgl. hierzu (bzw. zum wohl sogar weiter anzunehmenden tatsächlichen Vorliegen eines Sorgfaltspflichtverstoßes durch die Verletzung einer Sondernorm) Sch/Sch/ Sternberg-Lieben/Schuster (Fn. 14) § 15 Rn. 135; MK-StGB/Duttge (Fn. 14) § 15 Rn. 114; Kudlich, in: Dannecker/Langer/Ranft/Schmitz/Brammsen, Otto-FS, 2007, S.  373 ff. 16  Vgl. BeckOK-StGB/Kudlich, 42. Ed. 2020, § 15 Rn. 43, aufbauend auf Schünemann JA 1975, 149. 17  Zu dieser überragenden Bedeutung der konkreten Sachverhaltsgestaltungen gegenüber allgemeinen Sorgfaltsnormen in der Rechtspraxis vgl. auch Duttge, Zur Be-



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So kann etwa der Vertrauensgrundsatz dadurch eine Rolle spielen, dass die Ehrenamtlichen oft nicht allein „im luftleeren Raum“ agieren, sondern etwa bei der Betreuung im sportlichen Sektor Personen wie Bademeister oder Hallenwarte ebenfalls ins Geschehen eingebunden sind. Hinzu kommen bei der Betreuung von Kindern und Jugendlichen deren Eltern, die zwar im Zweifel nicht vor Ort dabei sind, auf deren Aussagen z. B. über die Erfahrung mit bestimmten Situationen, über körperliche Fertigkeiten etc. der Ehrenamtler vertrauen können muss. Im Detmolder Fall kamen neben dem A somit auch der Sportstätteneigentümer (samt seinem Personal), andere Verantwortliche des veranstaltenden Vereins (die nicht zugleich auch als Trainer beschäftigt sind), die Trainer der Gastmannschaft etc. als Überwachungsoder Aufsichtspflichtige in Betracht. Im Kulmbacher Fall ist hinsichtlich der Aufsichtspflicht vor Ort noch an den Bademeister, hinsichtlich des (vom Gericht offenbar für ausschlaggebend erachteten) Übernahmeverschuldens an die Rolle der Eltern zu denken. Für die Vorhersehbarkeit des Unfallgeschehens ist im Detmolder Fall entscheidend, ob der A damit rechnen musste, dass sich eine Jugendmannschaft ohne einen verantwortlichen Betreuer in der Halle durch Einspielen auf nicht ordnungsgemäß befestigte Tore aufwärmen würde. Konkrete Anhaltspunkte für eine entsprechende Kenntnis oder einen dahingehenden „konkreten Anlass zum Misstrauen“ sind in dem vom Gericht festgestellten und mitgeteilten Sachverhalt nicht dargetan. Eines vorsorglichen Hinweises an die Betreuer des verunfallten Jugendlichen auf deren selbstverständliche Aufsichtspflicht bedurfte es jedenfalls nicht. c) Auch das OLG Hamm, das als Revisionsgericht die (von der kleinen Strafkammer noch bestätigte) Verurteilung aufhob und die Sache zurückverwies, konzentriert sich im Detmolder Fall – nach einem einleitenden Satz zur Konturierung der Sorgfaltsmaßstab im Ehrenamt18 – auf solche Aussagen der allgemeinen Strafrechtsdogmatik. Angeführt werden dabei folgende Aspekte: – Mögliches Vertrauen des A in die Gefahreneinsicht der Kinder – und das trotz des Alters von erst 10–12 Jahren (das gerade das Mitwirken in Sportvereinen bei Kindern und Jugendlichen u. a. dem Erlernen von Selbstständigkeit und Verantwortungsübernahme diene). stimmtheit des Handlungsunwerts von Fahrlässigkeitsdelikten, 2001, zusammenfassend S. 353, 356. 18  So ist die Rede davon, dass es bei der „Bestimmung der Sorgfaltspflichtwidrigkeit“ für „sozial anerkannte Tätigkeiten, wie etwa im Sport, (…) dabei zusätzlich zu keiner so weitgehenden Einschränkung kommen (darf), dass sie ihres eigentlichen Wesens entkleidet werden“, dass also etwa aus ehrenamtlichen Jugendtrainern hochspezialisierte Sicherheitsbeauftragte werden, vgl. OLG Hamm, SpuRt 2016, 214 (216).

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– Nicht ohne weiteres vorhersehbare Missachtung eines Schildes durch den Geschädigten, dass der Aufenthalt in der kleinen Halle ohne Betreuer untersagt war. – Unterstellung des Geschädigten und seiner Mannschaft unter eine Betreuungsperson und Vertrauen des A auf die sorgfältige Aufsicht durch diesen Betreuer. – Keine Weisungsrechte des A gegenüber den Betreuern anderer Mannschaften. – Fragliche Vorhersehbarkeit des Kippens eines Tores durch den Schuss eines D-Jugendlichen. Zum Abschluss betont dann aber auch das OLG Hamm noch einmal, dass bei den aus all diesen Parametern abzuleitenden Sorgfaltspflicht der Status als Ehrenamtlicher nicht gänzlich unberücksichtigt bleiben dürfe. Denn die Sorgfaltspflichtbestimmung orientiere sich auch an den Anforderungen an den jeweiligen Verkehrskreis und frage entsprechend danach, welche Handlungen jeweils zu erwarten sind. Diese Erwartungen aber seien bei der ehrenamtlichen Übernahme einer Verpflichtung grundsätzlich herabgesetzt.

2. Ehrenamtlichkeit als eigenständiger Grund für eine Haftungsprivilegierung? a) Trotz dieser einleitenden und abschließenden Bezugnahme auf das Ehrenamt durch das OLG Hamm ist seine Argumentation (zwar möglicherweise innerlich auch durch Sympathie für das Ehrenamt geprägt, aber) formal-äußerlich stark auf allgemeine Aspekte gestützt, die ähnlich auch in einem Umfeld gut bezahlter Trainer anwendbar erscheinen würden. Das ist aus Sicht des Gerichts im konkreten Fall sinnvoll, denn es setzt sich nicht dem Vorwurf aus, allgemein anerkannte dogmatische Zurechnungsregeln durch eine Sonderbehandlung für Ehrenamtliche ersetzt zu haben. Für die hier interessierende Frage, ob Ehrenamtliche nicht gerade in den Genuss solcher Sonderregelungen kommen sollten, führt dieses Vorgehen dagegen weniger weiter, obgleich die Aussage, dass die Erwartungen an den Ehrenamtlichen generell nicht überspannt werden dürfen, an verschiedenen Stellen der allgemeinen Strafrechtsdogmatik ein Topos in der Diskussion sein könnten. b) Man kann diesen Gedanken aber noch fortführen: Für ehrenamtliches Handeln ist typisch, dass dafür allenfalls eine Aufwandsentschädigung, jedenfalls aber keine marktübliche Bezahlung geleistet wird. Umgekehrt sind für die Nutznießer ehrenamtlicher Tätigkeit damit regelmäßig keine (oder jedenfalls keine marktüblichen) Kosten verbunden. Dies führt zu der Frage, ob nicht das de facto „kostenlose“ Handeln per se schon Grund für eine



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Haftungsprivilegierung ist. Hierfür finden sich zwar keine expliziten Anknüpfungspunkte im StGB, da dieses seine Regeln nicht in den Kategorien von Austauschverhältnissen aufstellt. Im Zivilrecht ist aber etwa gesetzlich angeordnet, dass diejenigen, welche unentgeltlich eine Leistung erbringen (Schenker, Verleiher) hierbei nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit haften. Ob dies allein auch für eine Haftungsbeschränkung auch im Strafrecht geltend gemacht werden könnte, mag zwar fraglich sein, denn immerhin hat der BGH eine Übertragung etwa des Haftungsprivilegs des § 599 BGB (Beschränkung der Haftung des Verleihers auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit) auf das Deliktsrecht explizit abgelehnt.19 c) Noch deutlicher wird dann aber die im Jahr 2013 durch das Gesetz zur Stärkung des Ehrenamtes20 neu in das Bürgerliche Gesetzbuch eingefügte Regelung des § 31b BGB. Nach dessen Abs. 1 haftet ein ehrenamtlich Tätiger seinem Verein gegenüber nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit; im Verhältnis zu außenstehenden Dritten hat er unter den gleichen Voraussetzungen einen Freistellungsanspruch gegenüber seinem Verein, wenn er nur leicht oder normal fahrlässig eine Schadensersatzpflicht gegenüber dem Dritten begründet. Diese explizite Regelung für Schadensersatzansprüche (die dem Ehrenamtlichen nebenbei erwähnt freilich nur dann hilft, wenn der Freistellungsanspruch gegen den Verein auch zu realisieren ist, wofür zumindest bei kleineren Vereinen und größeren Schäden regelmäßig wohl eine Versicherung erforderlich sein dürfte) enthält zunächst einmal zwar keine explizite Aussage für den Bereich des Strafrechts. Freilich wird man auch bei der Bestimmung des strafrechtlichen Fahrlässigkeitsmaßstabes diese gesetzgeberische Wertung nicht völlig vernachlässigen dürfen, schon weil aufgrund des Prinzips des Strafrechts als ultima ratio des Rechtsgüterschutzes eine weitergehende strafrechtliche Verantwortung zumindest ungewöhnlich wäre. Betrachtet man den Mechanismus und die Auswirkungen des § 31b BGB, so führt er zu einem Haftungsprivileg des Ehrenamtlichen, ohne die Haftungsinteressen des Opfers zu vernachlässigen. Man möchte also den Ehrenamtlichen entlasten, zugleich aber das Opfer nicht auf seinem Schaden „sitzen lassen“, weshalb das Liquiditätsrisiko des Vereins insoweit auf den Ehrenamtlichen abgewälzt wird (bzw. genauer: bei diesem verbleibt, weil er möglicherweise im Innenverhältnis keinen Rückgriff nehmen kann). Überträgt man diesen Gedanken auf das Strafrecht, so würde die Idee einer Privilegierung des Ehrenamtlers dazu führen, dass man auch ihn nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit haften lässt. Freilich sind damit zwei Rechtsfolgen aus dem Zivilrecht nicht eins zu eins abgebildet: 19  Vgl. 20  Vgl.

BGH NJW 1992, 2474 (2475). BGBl. 2013 I, S.  556.

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– Zum einen gibt es keine (im Innenverhältnis bestehende und damit idealiter letztlich zum Ausdruck kommende) Haftung des Vereins, zu dem der Ehrenamtliche gehört; das erscheint aber jedenfalls isoliert betrachtet auch kein zwingendes Erfordernis zu sein, denn auch zivilrechtlich haftet der Verein, der durch einen Ehrenamtlichen handelt, ja nicht, weil er etwa durch seine Organe etwas „falsch gemacht“ hätte, sondern die bei ihm verbleibende Haftung ist nur das Pendant zum Anspruch des Opfers, welcher zivilrechtlich trotz einer Freistellung des Ehrenamtlichen erhalten bleiben soll. – Zum anderen würde eine strafrechtliche Haftungsprivilegierung dazu führen, dass der Fall strafrechtlich vollständig „erledigt“ wird und das Opfer nicht durch die Bestrafung eines Dritten eine stellvertretende „Genug­ tuung“ erhält; das scheint aber in Fällen einer leichten Fahrlässigkeit hinnehmbar, da hier der – entweder gegen den Ehrenamtlichen oder gegen den Verein – fortbestehende zivilrechtliche Anspruch ausreichend ist und kein darüber hinausgehendes subjektives Recht des Opfers „auf Bestrafung“ anzuerkennen ist. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass diejenige Gruppe, zu welcher das Opfer gehört, grundsätzlich gerade die Nutznießer ehrenamtlichen Engagements stellt, so dass es bei einem etwas weiter gestellten Fokus für das Opfer (jedenfalls in seiner Rolle als Gruppenmitglied gedacht) sogar von Vorteil ist, wenn ein Haftungsregime entsteht, innerhalb dessen ehrenamtliches Arbeiten auch weiterhin ermöglicht wird.

V. Fazit 1. Ehrenamtliche Tätigkeiten bergen typischerweise Haftungsrisiken. Das ist als solches für das menschliche Leben nichts Ungewöhnliches, da man solchen Risiken stets ausgesetzt ist. Die Vervielfältigung der Risiken, ohne einen eigenen Nutzen davon zu haben, erscheint aber nicht nur unbefriedigend, sondern könnte auch die allgemeine Motivation, ehrenamtlich tätig zu sein, noch weiter dämpfen. Problematisch erscheint hier insbesondere die – im Grundsatz ja sowohl im Zivilrecht als auch im Strafrecht vorgesehene – Haftung auch für leichte Fahrlässigkeit. 2. Haftungsrechtlich ist die Situation durch die Schaffung von § 31b BGB für den Ehrenamtlichen entschärft. Zwar haftet er nach wie vor für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit, allerdings erscheint dies auch durchaus angemessen; auch in Fällen leichter Fahrlässigkeit trägt er das Liquiditätsrisiko des Vereins, von dem er gegebenenfalls Haftungsfreistellung von Ansprüchen Dritter verlangen kann. Hier dürfte empfehlenswert sein, den Verein auf das Erfordernis des Abschlusses entsprechende Versicherungen hinzuweisen.



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3. Für das Strafrecht gibt es keine spezialgesetzlichen Regelungen. Allerdings existieren verschiedene Anknüpfungspunkte, die eine restriktive Auslegung (und im Ergebnis auch eine Begrenzung auf Fälle der groben Fahrlässigkeit oder des Vorsatzes) durchaus rechtfertigen könnten. Inwieweit man diese Auslegungsargumente dann gegenüber dem keine Restriktionen vor­ sehenden Wortlaut und dem teleologischen Argument des Opferschutzes tatsächlich „stark macht“, ist letztlich auch eine rechtspolitische Frage und eine Entscheidung, wie die Gesellschaft mit ihren Ehrenämtlern umgeht. Gerade in Fällen leichter oder bestenfalls unterer mittlerer Fahrlässigkeit droht freilich die Gefahr von „Rückschaufehlern“, wenn nach dem Eintritt eines Schadens durch eine bestimmte Ursache festgestellt wird, dass gerade diese Ursache ja auch mit vertretbarem Aufwand hätte beseitigt werden können.21 Auch dieses Phänomen ist nicht auf die Haftung von Ehrenamtlichen begrenzt, sondern verursacht etwa auch bei der nachträglichen Bewertung von wirtschaftlichen Verhaltensweisen Schwierigkeiten.22 Allerdings gibt es hier zumindest teilweise erhebliche monetäre Anreize, diese Risiken einzugehen. Für das Ehrenamt fehlen solche naturgemäß.

21  Ein gutes Beispiel ist hier die Entscheidung des AG Detmold. Selbstverständlich wäre der Aufwand, gerade das später umfallende Tor zu sichern, im Vergleich zu dem dadurch letztlich abgewendeten Schaden extrem gering gewesen. Allerdings bietet ein größeres Hallenzentrum neben einem bestimmten Tor in der Nachbarhalle noch diverse andere Gefahrenquellen, und selbstverständlich ist es hinterher immer einfacher zu sagen, welche dieser Gefahrenquellen offenbar besonders groß gewesen sind, da sie sich augenscheinlich im Erfolg realisiert haben. 22  Vgl. zu den hier drohenden Rückschaufehlern eingehend Kudlich, in: Safferling/ Jäger/Kett-Straub/Kudlich (Hrsg.), Festschrift für Franz Streng, 2017, S. 63 ff.

Der antike Prozess im Lichte des sportlichen Wettbewerbs* Von Hans-Dieter Spengler I.

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145

II. Die Einbettung des Sports in die antike Kultur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 III. Prozess und Sport im homerischen Epos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 IV. Korruption und lokalpatriotische Urteile im antiken Sport . . . . . . . . . . . . . 155 V.

Anfänge des Sports in Rom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156

VI. Athleten als infame Personen?  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 VII. Drei Digestentexte zu „Sportunfällen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Athlet als Täter im öffentlichen Wettkampf, Ulp. D. 9.2.7.4? . . . . 2. Der „Barbierfall“, Ulp. D. 9.2.11 pr. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Der „Ballfängerfall“, Alf. D. 9.2.52.4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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VIII. Ein kurzes Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166

I. Einleitung Die These des bekannten Werks „Der Kampf ums Recht“ von Rudolf von Jhering, einem der berühmtesten deutschen Juristen des 19. Jahrhunderts, welches im Zuge seiner Berufung von Wien nach Berlin aus dem Abschiedsvortrag vor der Wiener Juristischen Gesellschaft 1872 hervorging, lautet: „Alles Recht in der Welt ist erstritten worden, jeder Rechtssatz, der da gilt, hat erst denen, die sich ihm widersetzten, abgerungen werden müssen, und jedes Recht, das Recht eines Volkes, wie das eines Einzelnen, setzt die stetige Bereitschaft zu seiner Behauptung voraus. Das Recht ist kein logischer,

* Der Beitrag ist eine leicht überarbeitete Version des Tagungsvortrags vom 22.9.2018. Entsprechend dem Charakter des Beitrags als Skizze beschränken sich die Literaturhinweise auf einerseits grundlegende Arbeiten, andererseits eine Auswahl gut zugänglicher Lehrbücher und aktueller Beiträge, die ihrerseits weitere Literatur verzeichnen. Mein herzlicher Dank gilt meiner wissenschaftlichen Mitarbeiterin Maria Kietz für ihre wertvollen Hinweise und Anregungen sowie stud. jur. Patricia Salzbrenner für die kritische Lektüre des Manuskripts.

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sondern es ist ein Kraftbegriff.“1 Im Gegensatz zu diesen zeitbedingt wuchtigen, heute recht martialisch wirkenden Worten, mit denen v. Jhering „die Bedeutung des Kampfes für das Recht nachzuweisen“ versuchte,2 welches er, wie die Verwendung des Wortes „Rechtssatz“ zeigt, ganz im Einklang mit der Pandektistik im rein materiellen Sinne verstand, soll hier einige Ebenen tiefer angesetzt werden und das Themenspektrum unserer Tagung mit ein paar Überlegungen zum Verhältnis zwischen Prozess und sportlichem Wettkampf, oder besser, um militärische Assoziationen von vornherein zu vermeiden, Wettbewerb ergänzt werden. Halten wir es also lieber mit Kaiser Justinian, der in der constitutio Omnem, einer der Einführungskonstitutionen zu den Digesten, seiner mit Gesetzeskraft ausgestatteten Sammlung der Auszüge aus Schriften der römischen Juristen, über die Absolventen des durch die Beschäftigung mit ebendiesen Digesten geprägten (und reformierten) juristischen Studiums sagt: „Wenn sie alles durchgearbeitet haben, was für uns durch die Arbeit des hervorragenden Mannes Tribonian und seiner Mitarbeiter zusammengestellt wurde, dann mögen sie sich als größte Redner und Beschützer der Gerechtigkeit vorfinden und vor den Gerichten als beste sowohl kämpferische Athleten wie als Steuerleute (bewähren), an jedem Ort und zu jeder Zeit glücklich.“3 – Justinian rühmt also den gut ausgebildeten Juristen als Wettstreiter der Gerechtigkeit und vor Gericht. Man möge mir bitte nachsehen, wenn ich als vorwiegend altertumswissenschaftlich interessierter Jurist respektive juristisch interessierter Altertumswissenschaftler mich auf ein paar antike Texte konzentriere, anhand derer sich Beziehungen zwischen der Welt des griechischen und römischen Sports und dem prozessualen Denken zeigen lassen. Dabei ist das Thema bewusst ambivalent formuliert. Denn es könnte so interpretiert werden, dass es um den sportlichen Wettbewerb als Agon ähnlich dem „Kampf ums Recht“ in einem Prozess geht. Es könnte aber auch in dem Sinne verstanden werden, dass konkrete Prozesse vorgestellt werden sollen, in denen es um Fragen des Sports geht. So sei der Versuch gewagt, beiden – gleichermaßen legitimen – Interpretationsansätzen gegenüber im Folgenden in gewisser Weise Fairness walten zu lassen. Daher wollen wir uns im ersten Teil der Welt des griechischen Sports und des archaischen Prozesses zuwenden anhand von zwei Homertexten, im zweiten geht es um ausgewählte Digestenfragmente, die sich mit Sport und Sportunfällen im römischen Umfeld beschäftigen. 1  R.

v. Jhering, Der Kampf um’s Recht, Wien 1872, 8 f. 8. 3  Const. Omnem 6: … sed omnibus perlectis, quae nobis per Triboniani viri excelsi ministerium ceterorumque composita sunt, et oratores maximi et iustitiae satellites inveniantur et iudiciorum optimi tam athletae quam gubernatores in omni loco aevoque felices. 2  Ebd.



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II. Die Einbettung des Sports in die antike Kultur Die Betrachtung des antiken Sports ist angesichts der Quellenlage schwierig. Es existieren, sieht man einmal von Flavius Philostratos’, einem Autor des ausgehenden 2. Jh. n. Chr., Monographie Peri gymnastikes in 58 Kapiteln ab,4 nur wenige fragmentarisch überlieferte Texte, die sportlichen Themen gewidmet sind. Das meiste lässt sich implizit durch sporadische Quellen erfahren, deren literarisches Ziel ein anderes als der bloße Bericht über Sportwettbewerbe ist.5 Bevor man sich eingehender mit den antiken Texten beschäftigen kann, sollte daher kurz über die Einbettung des Sports in die antike, insbesondere griechische Welt reflektiert werden. Wie bereits der Name der prominentesten gemeingriechischen, der Olympischen Spiele mit seinem Bezug zum Olymp als dem Sitz der – panhellenischen – Götter zeigt, haben sportliche Wettkämpfe vor allem einen Bezug zur religiösen Sphäre: Als Aitien und Motive der griechischen Agonistik werden von den antiken Autoren zwar durchaus unterschiedliche Meinungen vertreten, es überwiegen aber religiöskultische Anlässe wie etwa Totenagone oder Fruchtbarkeits-, im weitesten Sinne Initiationsrituale. Daneben stehen eher utilitaristische Begründungen wie die Förderung der kriegerischen Fertigkeiten durch körperliches Training. Dass auch im Sinne eines reinen certamen pro virtute das Streben nach dem Übertreffen des Anderen als solches, Ruhm, und – schon eher ökonomisch motiviert – Preisgelder sowie die mit einer durch einen Sieg vermittelten Ehrenstellung verbundenen Privilegien eine Rolle spielen können, ist selbstverständlich.6 Doch zurück zur religiösen Dimension: Um die religiösen Vorstellungen der Antike aus heutiger Perspektive angemessenen würdigen zu können, sei daran erinnert, dass es der Antike bei Religionsangelegenheiten im Wesentlichen um Ritual und Kultus ging und somit die gruppen­ identitätsstiftende Funktion in einer von vielen relativ überschaubaren poleis geprägten Gesellschaft im Vordergrund stand. Man wendet sich an die Götter und erbittet deren Wohlwollen, für welchen Zweck – gute Ernte, Erfolg im Krieg, Überstehen einer Seereise, Gesundheit, langes Leben, Weisheit – auch immer. Der religiöse Kult ist primär lokal fixiert, sogar die Orte der Verehrung sind nicht ohne größere Skrupel veränderbar – und haben, nebenbei 4  Zu Person und Werk des Philostratos vgl. nur E. Bowie (übs. von G. Krapinger), Art. , in: Der Neue Pauly (im Folgenden nur zitiert als: DNP), Bd. 9, Stuttgart 2000, 888–894 und F. Solmsen, Art. , in: Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft (= RE), Bd. 20,1, Stuttgart 1941, 125–174, insb. 159–161; I. Weiler, Einführung, in: P. Mauritsch/W. Petermandl/ H. W. Pleket/I. Weiler, Quellen zum antiken Sport (= QAS), Darmstadt 2012, 12 f. 5  Zur Quellenlage insgesamt s. nur I. Weiler, QAS, 11–15. 6  Vgl. nur Homer, Il. 2, 208; 11, 784 und I. Weiler, QAS, 17.

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bemerkt, auch religiöse Revolutionen wie etwa die Christianisierung oft überlebt. Die für einzelne Heiligtümer überlieferten „Tempelgesetze“ geben interessante Einblicke in die Fragen der praktischen Administration der Anlagen, die in Griechenland und Kleinasien auch heute noch das Interesse zahlloser Touristen zu erregen vermögen, doch würde das vom Thema ablenken. Wichtig für die antike Vorstellung von der religiösen Ordnung ist, dass der Kult in gehöriger Weise stattfindet, und dazu gehören neben den Heiliges bewirkenden Tier-, Gaben-, oder Reinigungsopfern auch den Alltag im Sinne des Wortes unterbrechende Festveranstaltungen – nochmals sei an die gruppenidentitätsstiftende Funktion erinnert – wie Prozessionen, Tanz und Lied und eben der Agon, sei es im Theater oder im Sport, im Handwerk oder der Kunst oder auf anderen Feldern.7 Unter diesem Aspekt haben auch die in unserer Wahrnehmung als hehres Kulturgut betrachtete griechische Tragödie und der im Gegensatz dazu eher als profan geltende Sport einen vergleichbaren kulturhistorischen Hintergrund. Diese Verbindung mit den Göttern ist dem antiken Prozess ebenso eigen wie dem Sport. Eine Störung des Rechtsfriedens bedeutete gleichzeitig auch eine Störung der göttlichen Ordnung – manchmal ist das offensichtlich, wie bei Hochverrat oder Mord, manchmal weniger, man denke an eine einfache Geldforderung aus Darlehen oder Kauf. Daher ist den ältesten überlieferten Nachrichten über den Prozess ein solcher Bezug eigen. Für das archaische Rom – man verzeihe diesen Sprung aus dem griechischen in den römischen Kulturkreis, aber dort sind die rechtlichen Aspekte viel besser fassbar als in Griechenland – wird es besonders deutlich, wenn man daran erinnert, dass die Interpretation des Zwölftafelgesetzes aus den Jahren 451/450 v. Chr. dem religiösen Amt der pontifices anvertraut war. Aus ihrem recht spitzfindig-­ innovativen Umgang mit dem Gesetzeswortlaut entstand mit der sog. Pontifikaljurisprudenz der erste Anfang zu dem, was wir Rechtswissenschaft nennen dürfen.8 Das älteste allgemeine römische Klageverfahren, das wir kennen, war die sog. legis actio sacramento, sei es in rem oder in personam. Dieses Verfahren weist mehrere Eigentümlichkeiten auf. Zum einen mussten die Parteien, nachdem sie ihre Rechtsbehauptung mit festgelegten Spruchformeln wie hunc ego hominem ex iure Quiritium meum esse aio in ritualisierter Form aufgestellt hatten, sich gegenseitig zu einem sacramentum auffordern, d. h. zu einer Strafsumme in Höhe von 500 oder 50 As je nach Streitwert. Im Prozess ging es dann im Grunde genommen nur implizit um die Frage, ob 7  Vgl. W. Burkert, Griechische Religion der archaischen und klassischen Epoche, Stuttgart u. a. 1977, 99 ff., insb. 163 ff., 173 ff. 8  Zur Pontifikaljurisprudenz s. statt aller nur W. Waldstein/J. M. Rainer, Römische Rechtsgeschichte, 11. Aufl. München 2014, 44 f.; H.-D. Spengler, Der juristische Urknall – Die Erfindung der Rechtswissenschaft in Rom, in: H. Neuhaus (Hg.), Lauter Anfänge, Erlangen 2008, 103 ff.



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der Sklave im Beispielsfall dem Kläger gehörte oder nicht. Explizit war nämlich nur Prozessthema, wessen sacramentum iustum sei; modern gesprochen war die Eigentumsfrage also nur eine Vorfrage für das eigentliche Prozessthema. Dass nun sacramentum einen religiösen Bezug hat, ist schon wegen des Wortstamms sacer offensichtlich; das lateinische Wort hat zudem die Bedeutung „Eid“. Wer zum anderen beim Aufsagen der Formel einen Fehler machte, dem wurde Rechtsschutz versagt – man darf unter diesem Aspekt an das Verletzen von Gebetsformeln erinnern. Prozesse konnten ferner in Rom nur an den sog. dies fasti stattfinden, an anderen Tagen wäre der Prozess nefas gewesen und hätte alleine schon dadurch die göttliche Ordnung verletzt. Kehren wir aber jetzt zur griechischen Welt zurück und wenden uns dem ältesten „Prozessbericht“ zu.

III. Prozess und Sport im homerischen Epos Dieser findet sich bereits im homerischen Epos aus dem 8. Jh. v. Chr., und zwar im 18. Buch der Ilias. Dabei ist die Situation insofern „verfremdet“, dass Homer hier eigentlich den prachtvollen Schild des Achilleus beschreibt, den der Gott Hephaistos für ihn eigens aus Gold und Silber schmiedete; veranlasst wurde der Gott dazu von Achills Mutter Thetis nach dem Tod dessen Freundes Patroklos vor Troja. Auf diesem Schild befindet sich die Darstellung zweier Städte, und innerhalb der Abbildung einer Marktszene in der einen Stadt wird ein Prozess illustriert.9 All das hat, isoliert betrachtet, überhaupt nichts mit Sport zu tun – aber warten wir ab! 9  Il. 18, 497–508. Die deutsche Übersetzung des Homertexts ist im Folgenden stets der Tusculum-Ausgabe entnommen: Homer, Ilias. Griechisch-deutsch, übertragen von Hans Rupé, 13. Aufl. Berlin 2013. Die Hervorhebungen im Text bzw. in der Übersetzung stammen allesamt vom Verf. 497

λαοὶ δ᾽ εἰν ἀγορῇ ἔσαν ἀθρόοι· ἔνθα δὲ νεῖκος ὠρώρει, δύο δ᾽ ἄνδρες ἐνείκεον εἵνεκα ποινῆς ἀνδρὸς ἀποκταμένου· ὁ μὲν εὔχετο πάντ᾽ ἀποδοῦναι 500 δήμῳ πιφαύσκων, ὁ δ᾽ ἀναίνετο μηδὲν ἑλέσθαι· ἄμφω δ᾽ ἱέσθην ἐπὶ ἴστορι πεῖραρ ἑλέσθαι λαοὶ δ᾽ ἀμφοτέροισιν ἐπήπυον, ἀμφὶς ἀρωγοί· κήρυκες δ᾽ ἄρα λαὸν ἐρήτυον· οἳ δὲ γέροντες ἣατ᾽ ἐπὶ ξεστοῖσι λίθοις ἱερῷ ἐνὶ κύκλῳ, 505 σκῆπτρα δὲ κηρύκων ἐν χέρσ᾽ ἔχον ἠεροφώνων· τοῖσιν ἔπειτ᾽ ἤϊσσον,

 [497]

Volk war dicht auf dem Markte geschart; es hatte ein Hader dort sich erhoben, zwei Männer lagen im Streit um die Sühnung eines getöteten Manns. Es beteuerte dieser dem Volke, [500] alles hab’ er bezahlt, doch leugnete jener die Zahlung. Beide heischten, den Streit vor dem kundigen Richter zu enden. Beiden lärmte die Menge, geteilt sie begünstigend, Beifall. Herolde hielten indessen das Volk in Ordnung. Die Greise saßen umher im heiligen Kreis auf geglätteten Steinen, [505]

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In dieser „Schildszene“ geht es, wie der Text eindeutig zeigt, nicht um die Frage der – vermutlich – unabsichtlichen Tötung eines Dritten, sonst müsste man an Blutrache, Tötung oder Verbannung denken; es geht nur um die Frage, ob die der Höhe nach offenbar unstrittige „Bußsumme“ bzw. das Wergeld (ποινή10) – vermieden sei das Wort „Geldstrafe“, das wäre anachronistisch – vom Täter an den Anderen bezahlt ist, was der Täter behauptet, oder nicht, wie vom Anderen bestritten. Den „Anderen“ wird man sich als den nächsten Sippenangehörigen des Getöteten, eine Person, die gegen Geldzahlung auf ihr Racherecht verzichtet hat, vorstellen dürfen. Als „Richter“ werden hier sowohl ein istor genannt, ein relativ seltenes Wort (mit wohl religiöser Konnotation), als auch die gerontes, die aufspringen und „wechselnd ihr Urteil redeten.“ Die Mitteilung, dass dem der gerontes, „der das Recht am geradesten spräche“, ein Preis zuerkannt wird, wirft Rätsel auf. Was bedeuten diese wechselnden Urteilssprüche, vor allem aber: Wie soll man sich bei der im Prinzip nur mit „ja“ oder „nein“ zu beantwortenden Frage nach der erfolgten Zahlung einen „besseren“ oder „schlechteren“ Urteilsspruch vorstellen? Diese Frage hat die Interpreten lange vor große Schwierigkeiten gestellt, bis Gerhard Thür 1970 eine stimmige Lösung entwickelt hat.11 Sie hinterfragt die Bedeutung des Verbums dikázein, dessen gewöhnliche Übersetzung mit „urteilen“ zu kurz greift. Zur Lösung griff Thür auf ein in bei Homer in Ilias 23, 262 ff. geschildertes Sportereignis zurück, nämlich das im Rahmen der Leichenspiele für Patroklos, den – wie gerade gesagt – vor Troja gefallenen Gefährten des Achilleus, veranstaltete Wagenrennen. Diese Schilderung ist äußert ausführlich und umfasst mehr als 300 Verse; ich erlaube mir, mich auf eine kurze Wiedergabe der für die hiesigen Zwecke relevanten Fakten beschränken. Achill lässt im Rahmen der Leichenspiele als ersten Wettkampf ein Wagenrennen veranstalten, an dem fünf junge adlige Griechen teilnehmen, nämlich Eumelos, Diomedes, Menelaos, Antilochos und Meriones.12 Als Preise sind von Achill ausgelobt: für den Sieger „eine Frau, erfahren in zierἀμοιβηδὶς

δὲ δίκαζον. κεῖτο δ᾽ ἄρ᾽ ἐν hatten in Händen die Stäbe der luftμέσσοισι δύω χρυσοῖο τάλαντα, τῷ durchtönenden Boten, sprangen mit ihδόμεν ὃς μετὰ τοῖσι δίκην ἰθύντατα εἴποι. nen dann auf und redeten wechselnd ihr Urteil. Zwei Talente von Gold aber lagen inmitten des Kreises, dem von den Männern bestimmt, der das Recht am geradesten spräche. 10  Vgl.

G. Thür, Art. ‚Poine‘, in: DNP Bd. 9, Stuttgart 2000, 1193 f. G. Thür, Zum δικάζειν bei Homer, in: ZRG rom. Abt. 87 (1970),

11  Grundlegend

426–444. 12  Il. 23, 287–351.



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licher Arbeit“ und ein riesiger Dreifuß, für den Zweiten eine (trächtige) Stute, für den Dritten ein stattliches (Feuer-)Becken. Der Vierte solle zwei Talente Gold erhalten, der Fünfte eine doppelhenklige Schale.13 Noch vor dem Start „coacht“ Antilochos’ Vater den Sohn in einer längeren Ansprache,14 informiert ihn über die „Streckenführung“ und weist ihn an, möglichst eng an die links liegende Wendemarke heranzufahren: Wer dort mit Schwung herumfahre, könne später nicht mehr erreicht oder überholt werden.15 Die Startplätze werden ausgelost, die „Pole Position“ fällt dabei Antilochos zu, dann folgen Eumelos, Menelaos, Meriones und als letzter der eigentlich beste Wagenlenker, Diomedes.16 Der Rennverlauf – wir erlauben uns, hier die epische Dichtung im Stil einer Sportreportage zu lesen – gestaltet sich wie folgt: Zunächst liegt Eumelos vorne, zweiter ist Diomedes, der sich also bereits um drei Plätze nach vorn gearbeitet hat. Doch der Gott Apollon zürnt dem Diomedes und schleudert ihm die Peitsche aus der Hand – literarisch wird hier ein retardierendes Moment in die Darstellung eingeflochten –, aber Athene gibt ihm die Peitsche zurück und lässt dafür den führenden Eumelos mittels eines Jochbruchs „verunfallen“.17 Nun liegt Diomedes kurz vor der Wendemarke vor Menelaos und Antilochos, der in einer eindringlichen Rede an die väterlichen Rosse diese zur Schnelligkeit antreibt18 und an deren Ende er sich der väterlichen Mahnung besinnt, die Wegenge bei der Wendemarke auszunutzen und dort zu überholen: „Das aber will ich selbst mit Geschick besorgen und achten,/Nicht zu verfehlen die Enge des Wegs und vorüber­ zuschlüpfen“.19 An dieser Engstelle ist der Weg durch einen winterlichen Wassereinbruch beschädigt, so dass Menelaos, um einen Unfall mit dem von hinten heranstürmenden Antilochos zu vermeiden, abbremsen muss und dieser an ihm vorbeiziehen kann – vermutlich der erste literarisch überlieferte Fall des „Ausbremsens“.20 Menelaos ist wütend.21 Die zuschauenden Älteren, die das Überholmanöver nicht wirklich gesehen haben, wundern sich über die veränderte Reihenfolge und beginnen eine Diskussion darüber.22 Inzwischen gewinnt Diomedes vor Antilochos und Menelaos. Doch habe, so Homer, Antilochos „nicht durch Schnelligkeit, nur durch List Menelaos“ 13  Il.

23, 262–270. 23, 306–348. 15  Il. 23, 326–345. 16  Il. 23, 352–357. 17  Il. 23, 382–401. 18  Il. 23, 402–414. 19  Il. 23, 415 f.: ταῦτα δ᾽ ἐγὼν αὐτὸς τεχνήσομαι ἠδὲ νοήσω/στεινωπῷ ἐν ὁδῷ παραδύμεναι, οὐδέ με λήσει. 20  Il. 23, 417–438. 21  Il. 23, 439–447. 22  Il. 23, 448–498. 14  Il.

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besiegt.23 Denn ohne Behinderung hätte der schnellere Menelaos Antilochos wieder eingeholt, wie Homer nochmals im Fortgang des Texts betont.24 Als Vierter erreicht Meriones das Ziel, dann der wegen Athenes Eingreifen verunfallte Eumelos. Homer lässt in einem – dramaturgisch, aber auch prinzipiell juristisch interessanten – Zwischenschritt noch kurz Achill in das Ergebnis des Rennens eingreifen. Dieser will nämlich dem Unfallopfer Eumelos statt Antilochos den zweiten Preis zuerkennen – allerdings nicht selbstherrlich, sondern mit Zustimmung des Volks; der erste Preis des Diomedes ist unstrittig.25 Dagegen legt Antilochos sofort Protest ein, der auf seiner – vermutlich im Weg der Eigenmacht inzwischen ergriffenen26 – Preisstute besteht, jedoch mit einem sogar höheren Preisgeld für Eumelos nach dem Ermessen des Achill

23  Il.

23, 514 f.:

514

τῷ δ᾽ ἄρ᾽ ἐπ᾽ Ἀντίλοχος Νηλήϊος [514] Neleus’ Enkel Antilochos folgte ἤλασεν ἵππους 515 κέρδεσιν, οὔ τι τάχει zunächst mit den Rossen, [515] nicht γε, παραφθάμενος Μενέλαον. durch Schnelligkeit, nur durch List Menelaos besiegend. 24  Il.

516

23, 516–527:

ἀλλὰ καὶ ὧς Μενέλαος ἔχ᾽ ἐγγύθεν ὠκέας ἵππους. ὅσσον δὲ τροχοῦ ἵππος ἀφίσταται, ὅς ῥα τ᾽ ἄνακτα ἕλκῃσιν πεδίοιο τιταινόμενος σὺν ὄχεσφι·τοῦ μέν τε ψαύουσιν ἐπισσώτρου τρίχες ἄκραι 520 οὐραῖαι: ὃ δέ τ᾽ ἄγχι μάλα τρέχει, οὐδέ τι πολλὴ χώρη μεσσηγὺς πολέος πεδίοιο θέοντος: τόσσον δὴ Μενέλαος ἀμύμονος Ἀντιλόχοιο λείπετ· ἀτὰρ τὰ πρῶτα καὶ ἐς δίσκουρα λέλειπτο, ἀλλά μιν αἶψα κίχανεν· ὀφέλλετο γὰρ μένος ἠὺ 525 ἵππου τῆς Ἀγαμεμνονέης καλλίτριχος Αἴθης. εἰ δέ κ᾽ ἔτι προτέρω γένετο δρόμος ἀμφοτέροισι, τώ κέν μιν παρέλασσ᾽ οὐδ᾽ ἀμφήριστον ἔθηκεν.

25  Il.

[516]

Dennoch trieb Menelaos schon hinter ihm dicht seine Rosse. Grade so viel nur entfernt wie vom Rade das Roß, das den Herren fort, im Laufe gestreckt, durch die Ebene führt mit den Wagen; noch berühren die äußersten Haare des Schweifes den Reifen, [520] denn sehr nah von ihm dreht sich das Rad, und nur ein geringer Raum ist’s, welcher sie trennt bei der Fahrt durch das weite Gefilde: so weit nur von dem edlen Antilochos blieb Menelaos eben zurück. Entfernt um den Wurf eines Diskos am Anfang, hatte er bald ihn erreicht; so war dem Roß Agamemnons [525] stolz gewachsen der Mut, der mähnenprangenden Aithe. Wäre noch länger die Bahn für die Kämpfenden beide gewesen hätt’ er ihn wohl überholt und nicht den Sieg nur bestritten..

23, 534–539; dazu s. Thür (o. Anm. 11), 426 mit Anm. 6. 23, 540–565, vgl. zum Problem der Grenzen der Eigenmacht Thür (o. Anm. 11), 427. 26  Il.



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einverstanden wäre.27 Doch spielt dieses „Intermezzo“ für unser Thema keine Rolle. Jetzt aber tritt Menelaos auf und wir kommen, nachdem Homer so plastisch all die Ereignisse während des Rennverlaufs geschildert hat, endlich zurück zur Frage nach dem Bezug zum Prozess.28 Menelaos beansprucht den zweiten Preis für sich wegen des unfairen Vordrängens und wirft dem Antilochos vor, seine Ehre (areté) gekränkt und die Rosse „beschädigt“ zu haben – Homer benutzt insoweit das recht allgemeine Wort blábein, das auch später den Namen für die allgemeine Schadensklage, die dikè blabés, zur

27  Die in Il. 23, 553 f. erwähnte Aufforderung zum Zweikampf beim Bestreiten des Preises interessiert hier nicht. 28  Il. 23, 566–585:

τοῖσι δὲ καὶ Μενέλαος ἀνίστατο θυμὸν ἀχεύων Ἀντιλόχῳ ἄμοτον κεχολωμένος· ἐν δ᾽ ἄρα κῆρυξ χερσὶ σκῆπτρον ἔθηκε, σιωπῆσαί τε κέλευσεν Ἀργείους· ὃ δ᾽ ἔπειτα μετηύδα ἰσόθεος φώς· 570 „Ἀντίλοχε πρόσθεν πεπνυμένε ποῖον ἔρεξας. ᾔσχυνας μὲν ἐμὴν ἀρετήν, βλάψας δέ μοι ἵππους, τοὺς σοὺς πρόσθε βαλών, οἵ τοι πολὺ χείρονες ἦσαν. ἀλλ᾽ ἄγετ᾽ Ἀργείων ἡγήτορες ἠδὲ μέδοντες ἐς μέσον ἀμφοτέροισι δικάσσατε, μὴ δ᾽ ἐπ᾽ ἀρωγῇ, 575 μή ποτέ τις εἴπῃσιν Ἀχαιῶν χαλκοχιτώνων· ‘Ἀντίλοχον ψεύδεσσι βιησάμενος Μενέλαος οἴχεται ἵππον ἄγων, ὅτι οἱ πολὺ χείρονες ἦσαν ἵπποι, αὐτὸς δὲ κρείσσων ἀρετῇ τε βίῃ τε.’ εἰ δ᾽ ἄγ᾽ ἐγὼν αὐτὸς δικάσω, καί μ᾽ οὔ τινά φημι 580 ἄλλον ἐπιπλήξειν Δαναῶν· ἰθεῖα γὰρ ἔσται. Ἀντίλοχ᾽ εἰ δ᾽ ἄγε δεῦρο διοτρεφές, ἣ θέμις ἐστίν, στὰς ἵππων προπάροιθε καὶ ἅρματος, αὐτὰρ ἱμάσθλην χερσὶν ἔχε ῥαδινήν, ᾗ περ τὸ πρόσθεν ἔλαυνες, ἵππων ἁψάμενος γαιήοχον ἐννοσίγαιον 585 ὄμνυθι μὴ μὲν ἑκὼν τὸ ἐμὸν δόλῳ ἅρμα πεδῆσαι.“ 566

Jetzt aber stand Menelaos auf mit erbittertem Herzen, gegen Antilochos maßlos empört, es gab ihm ein Herold gleich in die Hände das Zepter und hieß die Männer von Argos Ruhe bewahren, darauf begann der göttliche Recke: [570] „Sag, was hast du getan, Antilochos, sonst so vernünftig? Meine Würde hast du gekränkt, verwirrt meine Rosse; deine drängtest du vor, die so viel schlechter doch waren. Höret mich an, Berater und Fürsten im Heere von Argos, richtet nun zwischen uns beiden genau und keinem zuliebe, [575] daß man nicht bei den erzgerüsteten Danaern sage: ‚Nur durch Betrug bezwang Menelaos Antilochos eben, führt ihm die Stute davon, obwohl des anderen Rosse schlechter doch waren, er selbst aber stärker durch Kraft und Charakter.‘ Besser, ich fälle das Urteil selbst, und keiner, so hoff´ ich, [580] soll mich tadeln im Danaervolk, denn ich fordere Gerechtes. Komm Antilochos, Göttlicher, her und folge dem Brauche, stelle dich vorn an Wagen und Rosse und nimm in die Hände fest die biegsame Geißel, die eben zuvor du geschwungen. Rühr an die Rosse damit und schwöre beim Erdenerschüttrer, [585] daß du absichtlich nicht mit Tücke gehemmt mir den Wagen.“ [566]

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Verfügung stellt.29 Nun findet im Epos etwas statt, das Bezüge zur realen Prozesswelt deutlich zeigt. Anstelle eigenmächtig zu handeln, fordert Menelaos die Führer der Griechen auf: dikássate.30 Dass dieses Wort nicht im Sinne von „ein Urteil fällen“ oder „richten“ verstanden werden darf, ergibt sich, wie Gerhard Thür richtig erkannte, aus dem folgenden Vorschlag des Menelaos: ei d’ág egòn autòs dikáso: Wenn nun fürwahr ich selbst dikázein werde!31 Was dann als Inhalt des dikázein erscheint,32 ist die Aufforderung an Antilochos zur Leistung eines Eides mit dem Inhalt, dass Antilochos ihm nicht willentlich vorsätzlich (ekón … dólo) den Wagen behindert habe. Menelaos formuliert also hier gerade durch die Doppelung von ekón und dólo einen Eidesvorschlag, den er für so „gerade“ ansieht, dass er keinen Tadel befürchten zu müssen glaubt.33 Damit erhellt sich, was genau unter dikázein in homerischer Zeit zu verstehen ist: ein Vorschlag für die Formulierung des vom Beklagten zu leistenden prozessentscheidenden Eides, der zur Folge hat, dass der Prozess mit einem Beweisurteil endet. In der Rennszene kommt es dazu freilich nicht, weil Antilochos sofort einlenkt und schlicht keine Notwendigkeit zur Formulierung von Gegenvorschlägen besteht.34 Betrachtet man nun aber die Schildszene unter diesem Aspekt, ergibt auch die Frage nach dem besseren oder schlechteren dikázein-Spruch einen vernünftigen Sinn. Denn es sind dort außer der schlichten Ja-nein-Alternative verschiedene Situationen denkbar, in denen eine präzisere, vorausschauende Fassung der Eidesformel ein größeres Maß an Rechtsfrieden zwischen den Streitenden zu schaffen vermag. Mit etwas spekulativer Phantasie mag man etwa an die Bewältigung von Konstellationen des Annahmeverzugs denken oder weitergehend einer erfolgten Zahlung vom Schuldner an einen Dritten mit wie auch immer zu konstruierender befreiender Wirkung für ihn – Stichwort: Bezahlung von Schulden des Gläubigers beim Dritten oder Zahlung an einen Sklaven des Gläubigers. Auf solche Modalitäten könnten die gerontes bei ihren unterschiedlichen Vorschlägen zur Formulierung des Eides eingehen – und dann gäbe es „bessere“ oder „schlechtere“ Sprüche und die Aussetzung eines Preises für den besten Spruch wird mehr und mehr verständlich.35

29  Vgl.

Il. 23, 571. 23, 574. 31  Il. 23, 579. 32  Il. 23, 584 f. 33  S. zum Ganzen Thür (o. Anm. 11), 427–429. 34  Il. 23, 586 ff. 35  Man könnte sogar über die Frage diskutieren, welcher Gott der „geeignetere“ Schwurgott ist. 30  Il.



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Das dikázein bedeutet auch hier die Einleitung eines formalen Beweisurteilsverfahrens, kein Sachurteil.36 So kommt also einem unfairen Verhalten beim Wagenrennen die Schlüsselstellung für die Erkenntnis der Bedeutung des dikázein und damit des prozessentscheidenden Eides in homerischer Zeit zu, mag der Streit in der Schildszene sich auch auf die bloße Frage der Erfüllung einer unbestrittenen Geldforderung beschränken. Bedenkt man den religiösen Bezug des Eides, würde sich der Schwörende der unmittelbaren Rache des Schwurgotts aussetzen. Diese Furcht vor göttlicher Rache bietet angesichts der Verbundenheit der homerischen Griechen mit der Welt des Göttlichen die offenbar größtmögliche Gewähr für die „Richtigkeit“ der Entscheidung. In einer Gesellschaft, deren Basis die Einhaltung von Kultus und Ritus ist, tut man sich schwer, das als völlig irrational abzutun; es folgt einer bestimmten „Systemlogik“, mag man diese auch aus heutiger und aufklärerischer Perspektive ablehnen. Der rätselhafte istor in der Schildszene wäre dann der, der das Verfahren nach Ableistung des Eids irgendwie zu Ende führt.37

IV. Korruption und lokalpatriotische Urteile im antiken Sport Unfaires Verhalten im Wettkampf ist freilich nur ein Aspekt des antiken griechischen Sports im Verhältnis zum Recht.38 Neben den Wettkampfregeln und Fragen des Schiedsrichtertums nehmen einen besonderen Raum Quellen zur Korruption in der griechischen Agonistik ein.39 Ingomar Weiler, der wohl profilierteste Kenner des antiken Sports, hat die berichteten Korruptionsfälle in 6 Kategorien eingeteilt: Erstens gehe es um Bestechungen eines oder mehrerer Gegner, wobei übertriebener väterlicher Ehrgeiz nicht auszuschließen sei; zweitens um die Weigerung des Athleten bzw. seiner Polis, eine vom Schiedsgericht verhängte Strafe zu bezahlen; drittens um falsche Entschul­ digungen für verspätetes Erscheinen bei den Olympischen Spielen in Elis; viertens um Kampfverweigerungen in der Schwerathletik nach Auslosung des Gegners; fünftens um die „Bereitschaft – oder sagen wir: die Käuflichkeit von Athleten“, für ein anderes Gemeinwesen als die Heimatpolis in Olympia anzutreten; sechstens um die Olympiateilnahme trotz Ausschluß der 36  Vgl.

nur Thür (o. Anm. 11), 430–436. zum istor die Überlegungen von Thür (o. Anm. 11), 436–439. 38  S. die bei I. Weiler, QAS, 242–266 zusammengestellten Texte. 39  Zum Folgenden s. nur I. Weiler, Korruption und Kontrolle in der griechischen Agonistik, in: K. Harter-Uibopuu/T. Kruse (Hrsg.), Sport und Recht in der Antike, Wien 2014, 1–30. 37  Vgl.

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Polis und siebtens um ein lokalpatriotisches Urteil der elischen Kampfrichter.40 Doch wäre eine Analyse der zugrundeliegenden Texte unter prozessualen Gesichtspunkten eher unergiebig. Nur der zuletzt genannte, aus dem 5. Jh. v. Chr. stammende Bericht des Herodot zur Teilnahme der Eleier an den von ihnen selbst ausgerichteten Olympischen Spielen könnte als Streit mit Rede und Gegenrede vor einem entscheidenden Gremium interpretiert werden – allerdings geht es nicht um eine dezidiert juristische Frage, sondern um eine philosophische Gerechtigkeitsdebatte.41 Die Eleier schicken eine Gesandtschaft zu König Psammis von Ägypten. Sie rühmen sich, die Olympischen Spiele am allergerechtesten und schönsten für alle Menschen eingerichtet zu haben (Ἠλείων ἄγγελοι, αὐχέοντες δικαιότατα καὶ κάλλιστα τιθέναι τὸν ἐν Ὀλυμπίῃ ἀγῶνα πάντων ἀνθρώπων); auch die Ägypter hätten es nicht besser machen können. Der König lässt die Weisesten Ägyptens zusammenrufen, die die Angelegenheit prüfen. Nach „Anhörung“ der elischen Gesandten über ihre Aufgaben bei der Abhaltung der Spiele – zu welchen ihrer Natur nach, ohne daß das ausdrücklich von Herodot gesagt wird, selbstverständlich die Tätigkeit als Wettkampfrichter gehört – fragen die Weisen die Eleier, ob ihre Mitbürger mitkämpfen würden, was mit dem Hinweis, jedem von ihnen und allen anderen Griechen stehe es in gleicher Weise frei, am Kampf teilzunehmen, wenn er Lust habe, beantwortet wird (οἳ δὲ ἔφασαν καὶ σφέων καὶ τῶν ἄλλων Ἑλλήνων ὁμοίως τῷ βουλομένῳ ἐξεῖναι ἀγωνίζεσθαι). Das ist nach Ansicht der ägyptischen Weisen ungerecht, da die Gefahr der Bevorzugung kämpfender elischer Mitbürger und der Benachteiligung Fremder bestehe – was sich aus moderner Perspektive nicht nur im Sinne der Vermeidung eines „lokalpatriotischen“ Kampfrichterurteils, sondern darüber hinausgehend als Thematisierung der Frage des „Heimvorteils“ beurteilen ließe. Der Rat der ägyptischen Weisen geht also dahin, die Spiele nur für fremde Kämpfer (xénoi) einzurichten, von den Eleiern solle keiner teilnehmen.42

V. Anfänge des Sports in Rom Damit sei die Betrachtung der rechtlichen Aspekte des antiken griechischen Sports abgebrochen und der Blick auf Rom gerichtet, wobei das bekannte Schlagwort, das römische Volk verlange nach panem et circenses, dezidiert nicht im Zentrum unseres Interesses stehen soll. 40  I.

Weiler (o. Anm. 39), 16. 2,160,1–4. 42  Die Episode wird im 1. Jh. v. Chr. in verkürzter Form auch bei Diodor, 1,95,2 berichtet, der allerdings den Pharao Amasis als Adressat der elischen Gesandtschaft nennt; vgl. I. Weiler, QAS, 40 f. 41  Herodot,



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Sportfeste wie die griechischen Agone hatten es nach gängiger Meinung zunächst etwas schwer in Rom.43 Dies Ansicht stützt sich vornehmlich auf intellektuell-konservative Kritik an der Rezeption der griechen Agonistik, die man in eine grundsätzliche Kulturdebatte über die „Verweichlichung der Jugend“ und die Abkehr vom mos maiorum durch die Übernahme griechischer Bräuche und Gedanken einreihen kann.44 Nach Livius hat der König Tarquinius Priscus Pferde- und Faustkampfspiele von zumeist aus Etrurien beigeholten (ex Etruria maxime acciti) Athleten in Rom durchführen lassen, was zu einer jährlichen Tradition geführt haben soll.45 Der ebenfalls um die Zeitenwende wirkende Historiker Dionysios von Halikarnassos berichtet unter Berufung auf den römischen Historiker Quintus Fabius Pictor für das beginnende 5. Jh. v. Chr. von einem Senatsbeschluß zur Abhaltung eines „Sportfestes“ nach griechischem Vorbild, wobei ein Festzug mit Athleten geschildert wird.46 Inwieweit hier zeitgenössische Vorstellungen des Autors in die Erzählung eingeflossen sein mögen, darf und kann hier offenbleiben. 186 v. Chr. ließ nach Livius der Feldherr M. Fulvius Nobilior bei einem erstmals für die Römer als Schauspiel veranstalteten Athletenwettkampf (athletarum … certamen tum primo Romanis spectaculo fuit) griechische Sportler antreten.47 Die Existenz von „Unterhaltungsprogrammen“ durch Zirkusspiele seit dem Ende der Republik und im Prinzipat darf als bekannt vorausgesetzt werden;48 dort ging es wohl weniger um einen Wettbewerb aus rein sportlicher Motivation als um das Entertainment des Publikums und seiner durch ebensolche Events geschürten Erwartungshaltung.

VI. Athleten als infame Personen? Unter diesen Prämissen sei der Boden für die juristische Diskussion von Sportfragen im römischen Recht vorbereitet. Die Zeit, in der die römischen Juristen gewirkt haben, aus deren Schriften Justinian von 530–533 n. Chr. dann die Digesten zusammenstellen ließ, ist die der ausgehenden Republik bis etwa 250 n. Chr. – also die Epoche, in der Sportwettkämpfe in Rom eine Selbstverständlichkeit waren. Um die Frage nach dem Verhältnis von Sport und Prozess wieder aufzunehmen, sei zunächst ein Text des Spätklassikers 43  Kritik

an dieser älteren Forschungsthese bei I. Weiler, QAS, 14 f. I. Weiler, QAS 40 mit zahlreichen Literaturnachweisen. 45  Livius 1,35,7–9 vgl. I. Weiler, QAS, 58. 46  Dion. Halic, 7,71,2–72,5, vgl. I. Weiler, QAS, 55–57. 47  Liv. 39,22, vgl. I. Weiler, QAS, 59 f. – Ob freilich mit den multi artifices ex Graecia zwingend Athleten gemeint sind oder auch andere Künstler gemeint sein können, ist angesichts der zeitlichen Verknüpfung der religionis causa stattfindenden ludi Taurii mit dem danach abgehaltenen athletarum certamen nicht völlig sicher. 48  S. dazu nur die Quellen bei I. Weiler, QAS, 60–64, 66–71. 44  S. nur

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Ulpian (ermordet 223 n. Chr.) herangezogen, in der dieser auf Sabinus und Cassius, zwei im 1. Jh. wirkende Juristen, zurückgreift, Ulp. (6 ad ed.) D. 3.2.4 pr.: Athletas autem Sabinus et Cassius responderunt omnino artem ludicram non facere: virtutis enim gratia hoc facere et generaliter ita omnes opinantur et utile videtur, ut neque thymelici neque xystici neque agitatores nec qui aquam equis spargunt ceteraque eorum ministeria, qui certaminibus sacris deserviunt, ignominiosi habeantur.

Sabinus und Cassius haben geantwortet, daß Athleten aber überhaupt keine Schauspielkunst betreiben; sie tun es nämlich um der Tugend willen, wie alle annehmen und es sinnvoll erscheint, so daß weder musische noch athletische Wettkämpfer noch Wagenlenker noch diejenigen, welche die Pferde mit Wasser besprengen und die sonstigen Verrichtungen derer, die bei den sakralen Wettkämpfen dienen, für ehrlos zu halten sind.

Den Hintergrund der – nach dem eingangs Gesagten vielleicht doch nicht so völlig abwegig erscheinenden49 – Diskussion über die Vergleichbarkeit von Athleten und Schauspielern bildet das römische Infamieedikt. Als infam gilt nach dem in D. 3.2.1 berichteten Edikt unter anderem qui artis ludicrae pronuntiandive causa in scaenam prodierit. Der Infame war, etwas vereinfacht gesagt, von den „bürgerlichen Ehrenrechten“ ausgeschlossen; er fiel aus dem sozialen Netz, das die Gesellschaft stabilisierte. Die Schauspielerei galt als eine solche Tätigkeit. Ulpians Erläuterung der entsprechenden Ediktsklausel beginnt in (6 ad ed.) D. 3.2.2.5 mit einem Rückgriff auf eine sehr weite Definition des Wortes scaena durch den Juristen Labeo, die jegliche Ausübung ludorum faciendorum causa quolibet loco erfaßt, wohin man sich spectaculum sui praebiturus begeben möge, sei es ein öffentlicher oder privater Ort oder nur eine Gasse, in der Publikum zugelassen sei.50 Diejenigen, die sich des Gewinns wegen (propter quaestus) in Wettkämpfe begeben (in certamina descendunt) und alle, die um Geldes wegen sich auf eine Bühne stellen (propter praemium in scaenam prodeuntes), seien infam, wie schon die Juristen Pegasus und Nerva filius gesagt hätten. Dies gelte aber – und hier setzt unser Text ein – nicht für Athleten: ihnen gehe es nicht um „schnöden Gewinn“, sondern um die Tugend – und deswegen sei ihr Handeln nicht dem eines Schauspielers vergleichbar. Im Ergebnis bedeutet dies, dass 49  Vgl.

o. unter II. um die Zeitenwende wirkende M. Antistius Labeo hat sich besonders um eine Präzisierung der Begrifflichkeit im frühklassischen römischen Recht bemüht. 50  Der



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selbst dann, wenn man mit Labeo die Teilnahme an einem Wettkampf als Handeln auf einer scaena einordnen wollte, eine Vergleichbarkeit zur – als infamierend eingestuften – Schauspielerei an der dem sportlichen Wettbewerb „typischerweise“ zugrundeliegenden Motivation scheitert. Die prozessuale Wirkung einer solchen Infamie wäre in erster Linie der Ausschluss der Fähigkeit gewesen, vor Gericht Anträge für andere zu stellen (postulare pro aliis) oder im Prozess als Vertreter für einen anderen (cognitor bzw. procurator) aufzutreten.51 Doch sind Athleten hiervon nicht betroffen. Ihr „Beruf“ ist somit von der römischen Jurisprudenz nicht genuin als unehrenhaft allein wegen der Sich-zur Schau-Stellung betrachtet worden.

VII. Drei Digestentexte zu „Sportunfällen“ Zum Abschluss seien drei Digestentexte vorgestellt, in denen es um „Sport­unfälle“ geht. Sedes materiae ist insoweit die lex Aquilia, ein gewöhnlich auf 286 v. Chr. datiertes Plebiszit. Die lex Aquilia, eines der wenigen privatrechtlich wirklich einflussreichen Gesetze der römischen Republik, regelte im 1. Kapitel das widerrechtliche „Töten“ – im Wortlaut ist von occidere, d. h. „erschlagen“ die Rede – von fremden Sklaven und Sklavinnen sowie vierfüßigen Herdentieren (d. h. Großvieh); im dritten Kapitel ist von widerrechtlicher Sachzerstörung durch urere, frangere, rumpere die Rede, wobei letzteres durch juristische Interpretation im Sinne von corrumpere auf die Sachbeschädigung erweitert wurde. Als Rechtsfolge ordnete die lex Aquilia Wertersatz an, im ersten Kapitel den Höchstwert innerhalb des letzten Jahres, im dritten den innerhalb von 30 Tagen.52 Die lex Aquilia in ihrer juristischen Interpretation darf als Vorbild für das moderne Deliktsrecht, insbesondere § 823 I BGB, betrachtet werden.

1. Der Athlet als Täter im öffentlichen Wettkampf, Ulp. D. 9.2.7.4? Das Wort occidere wurde von den Juristen eng verstanden; man forderte einen direkten körperlichen Kontakt zwischen Täter und Opfer,53 was zu einer intensiven juristischen Diskussion über die Fragen der mittelbaren Verur51  Vgl.

dazu auch Gai. inst. 4.182. statt aller nur M. Kaser/R. Knütel/S. Lohsse, Römisches Privatrecht, 21. Aufl. München 2017, § 51 II; die Literatur zur lex Aquilia ist abundant – und dadurch bedingt gelegentlich auch redundant. 53  S. nur Gai. inst. 3.219: si quis corpore suo damnum dederit … . 52  Vgl.

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sachung und ihrer prozessualen „Bewältigung“ führte.54 Aus der Sicht des Sports ist die einschränkende Interpretation von occidere im Rahmen von in publico certamine geschehenden Kampfhandlungen interessant, Ulp. (18 ad ed.) D. 9.2.7.4: Si quis in colluctatione vel in pancratio, vel pugiles dum inter se exercentur alius alium occiderit, si quidem in publico certamine alius alium occiderit, cessat Aquilia, quia gloriae causa et virtutis, non iniuriae gratia videtur damnum datum. hoc autem in servo non procedit, quoniam ingenui solent certare: in filio familias vulnerato procedit. plane si cedentem vulneraverit, erit Aquiliae locus, aut si non in certamine servum occidit, nisi si domino commitente hoc factum sit: tunc enim Aquilia cessat.

Wenn bei einem Ringkampf, Allkampf oder beim miteinander geführten Faustkampf einer den anderen getötet hat, wenn nun der eine den anderen in einem öffentlichen Wettkampf getötet hat, greift die lex Aquilia nicht ein, da der Schaden wegen des Ruhms und der Tapferkeit eingetreten ist, nicht um Unrecht zu begehen. Das gilt nicht in Bezug auf einen Sklaven, da Freie im Wettkampf aufzutreten pflegen: für einen verwundeten Haussohn trifft es zu. Wenn er aber einen Aufgebenden verwundet hat, ist Raum für die aquilische Klage, oder wenn er einen Sklaven nicht in einem Wettkampf tötet, es sei denn mit Einwilligung des Herrn: dann scheidet die aquilische Klage aus.

Das zu Beginn des Textes formulierte Prinzip ist offenbar, daß die aquilische Haftung bei in publico certamine durchgeführten Handlungen, die normalerweise unter occidere zu subsumieren wären, ausscheidet, da dort Handlungen wie Schläge, Würgen oder Tritte gerade erlaubt sind.55 Auch sei der Schaden nicht iniuriae gratia zugefügt worden – eine Bemerkung, die sich vermutlich weniger auf das iniuria-Tatbestandsmerkmal in der lex Aquilia als 54  Vgl. nur D. Nörr, Causa mortis, München 1986; ders., Zur Formel der actio legis Aquiliae, in: FS für R. Knütel, Heidelberg 2009, 838–848. 55  Zutreffend R. Gamauf, Pro virtute certamen: Zur Bedeutung des Sports und von Wettkämpfen im klassischen römischen Recht, in: K. Harter-Uibopuu/T. Kruse, Sport und Recht in der Antike (o. Anm. 39), 275–308, hier 298–300, dessen Erwägungen zur Widersprüchlichkeit des Fragments infolge kompilatorischer Kürzungen gerade angesichts des palingenetischen Zusammenhangs mit dem berühmten „Schusterjungenfall“, Ulp (18 ed.) D. 9.2.5.3–7 pr. und der auch dort anzutreffenden Abgrenzung zwischen der actio legis Aquiliae und der actio iniuriarum plausibel sind.



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auf die spezifische actio iniuriarum, die Klage wegen Verbal- und Realbeleidigungen, etwa durch Ohrfeigen, beziehen dürfte.56 Stimmt diese Vermutung, dann lässt sich der – in der überlieferten Form rätselhafte – Satz zum Sklaven bzw. Freien erklären: Mag die Überlegung, die eigene virtus unter Beweis stellen zu wollen, bei Kämpfen gegenüber Unfreien auch nicht zutreffen – hier geht es Ulpian wesentlich nur um Kämpfe unter Freien, und deswegen fehlt auch bei der bloßen Verletzung eines Haussohns im öffentlichen Wettkampf die die actio iniuriarum charakterisierende Erniedrigungsabsicht.57 Im Fall der Fortsetzung eines Kampfes gegen einen Aufgebenden kann man dagegen einen Regelbruch sehen, der im Fall einer Verwundung die aquilische Klage – in Form einer bei Körperverletzungen an Freien denkbaren actio utilis – zur Folge hat.58 Es spricht einiges dafür, im zuletzt genannten Fall der Sklaventötung vom Handeln non in publico certamine auszugehen; mit Richard Gamauf kann man hier vor allem an privat organisierte Schaukämpfe denken, bei denen eine Haftung wegen Tötung nur für den Fall ausscheiden soll, dass der Herr den Sklaven zum Kampf gestellt hat.59

2. Der „Barbierfall“, Ulp. D. 9.2.11 pr. Einen an Skurrilität des Sachverhalts kaum zu übertreffenden Fall schildert Ulp. (18 ed.) D. 9.2.11 pr.60 Item Mela scribit, si, cum pila quidam luderent, vehementius quis pila percussa in tonsoris manus eam deiecerit et sic servi, quem tonsor habebat, gula sit praecisa adiecto cultello: in quocumque eorum culpa sit, eum lege Aquilia teneri. Proculus in tonsore esse culpam: et sane si ibi tondebat, ubi ex consuetudine ludebatur vel ubi transitus

Ebenso schreibt Mela: Als einige Ball spielten und einer den Ball, nachdem er ihn zu heftig gestoßen hatte, auf die Hand eines Barbiers warf, und so die Kehle eines Sklaven, den der Barbier gerade bediente, von dem angesetzten Rasiermesser durchschnitten wurde: Derjenige von den Beteiligten hafte nach der lex Aquilia, den Verschulden treffe.

56  So richtig Gamauf (o. Anm.  55), 300 mit Verweis auf Ulp. (56 ad ed.) D. 47.10.3.3. Hinter Aquilia cessat dürfte mit Gamauf ein kompilatorisch verursachter Textausfall zu vermuten sein. 57  Vgl. Gamauf (o. Anm. 55), 300 f. 58  Vgl. nur R. Wittmann, Die Körperverletzung an Freien im klassischen Römischen Recht, München 1972 und Gamauf (o. Anm. 55), 301. 59  So Gamauf (o. Anm. 55), 301. 60  Der Fall hat in leicht gekürzter Form sogar ins bayerische Lateinlehrbuch Eingang gefunden, vgl. C. Utz/A. Kammerer/R. Heydenreich/C. Zitzl (Hrsg.), Campus. Gesamtkurs Latein, Ausgabe B, Bd. 3, Bamberg 2012, 41.

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frequens erat, est quod ei imputetur: quamvis nec illud male dicatur, si in loco periculoso sellam habenti tonsori se quis comiserit, ipsum de se queri debere.

Proculus meint, den Barbier treffe Verschulden. Und in der Tat, wenn er dort rasierte, wo man gewöhnlich spielte oder lebhafter Verkehr herrschte, gibt es etwas, was ihm vorgeworfen werden kann. Doch könnte man nicht schlecht auch Folgendes sagen: Vertraut sich jemand einem Barbier an, der seinen Sessel auf einem gefährlichen Platz aufgestellt hat, so muss er sich über sich selbst beklagen.

Hier zitiert Ulpian einen Fall des (um die Zeitenwende wirkenden) Juristen Mela. Der Tod des Sklaven bei der von einem Barbier vorgenommenen Rasur beruht auf einer Verkettung unglücklicher Ereignisse: Der Barbier hatte sein Geschäft am Rande eines Feldes, auf dem Ball gespielt wurde; ein Spieler warf/schlug den Ball recht heftig, so dass er das an der Kehle des Sklaven angesetzte Messer traf und diese durchtrennt wurde. Rechtsfrage ist wieder die Haftung nach der lex Aquilia, hier dem 1. Kapitel, gegenüber dem Herrn des Sklaven. Die Entscheidung Melas ist offen: der soll haften, den Verschulden (culpa) treffe. Dieses Ballspiel fand, wie die geschilderten denkbaren Situationen hinreichend zeigen, nicht in publico certamine statt; es handelte sich sozusagen um eine Form des Breitensports.61 Für die Haftung des Ballspielers wegen occidere ist zunächst maßgeblich, ob man den erforderlichen unmittelbaren körperlichen Kontakt bejahen kann. Durch das zu vehemente Werfen des Balles hat er die zum Tod des Sklaven führende Ursachenkette in Gang gesetzt. Dass der Ball erst das Messer des Barbiers traf und dann den Sklaven tötete, ist unerheblich – ähnlich wie es beim Brückensturz unerheblich ist, ob der Sklave schon durch das Hinabstoßen zu Tode kam, sofort ertrank oder ihn im reißenden Wasser die Kräfte verließen.62 Am unmittelbar körperlich zugefügten Schaden würde es also nicht fehlen. Bejaht man das occidere, muss man weiter fragen, ob der Ballspieler auch iniuria handelte. Fraglich ist insofern, ob ihn ein Verschulden trifft. Ein (nicht allzu aussagekräftiges) Argument für eine Haftung des Ballspielers könnte in der Verwendung des Komparativs vehementius liegen. Doch wird 61  Vgl. 62  So

Gamauf (o. Anm. 55), 301 f. Celsus nach Ulp. (18 ed.) D. 9.2.7.7.



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die Haftung des Ballspielers offenbar nicht weiter von den Juristen diskutiert.63 Vielmehr wird die Haftung des Barbiers vom frühklassischen Juristen Proculus bejaht, denn er sieht das Verschulden beim Barbier. Dass er das Tatbestandsmerkmal occidere verwirklicht hat, indem er dem Sklaven das Rasiermesser an die Kehle setzte, welches ihn dann infolge der Einwirkung des Balls tötete, ist aber nur prima facie klar. Hier ist nicht das unmittelbare körperliche Einwirken auf das Opfer problematisch. Zweifeln könnte man aber an der Handlung des Barbiers unter dem Aspekt, dass es nicht die Rasur, sondern die Wucht des Balles war, die den Sklaven tötete. Insofern könnte man eine entsprechende Tötungshandlung des Barbiers auch verneinen, da das Durchschneiden der Kehle nicht von einem entsprechenden Handlungswillen getragen war, sondern auf von außen kommender Gewalt beruhte. Folgt man diesem Gedanken, würde es schon an einer zurechenbaren Tötungshandlung fehlen. Doch kann man diese Überlegung entkräften, indem man den Gegenstand des Vorwurfs an den Barbier etwas verschiebt. Nicht das Durchschneiden der Kehle begründet dann den Verschuldensvorwurf, sondern, wie der Satz et sane … zeigt, der Umstand, dass der Barbier seine Tätigkeit an einem gefährlichen Ort ausführte. Dies sei etwa dann der Fall, wenn dort Spiele üblich seien oder „Durchgangsverkehr“ bestehe. Ob diese Begründung von Proculus selbst stammt und von Ulpian (mit einem verstärkenden et sane) gebilligt wird oder ob sie insgesamt auf Ulpian zurückzuführen ist, kann nicht eindeutig gesagt werden – dies ist aber nur von untergeordneter Bedeutung. Sachlich wird die Frage, ob der Ort, an dem der Barbier seine Tätigkeit ausübte, gefährlich war, ob dort Spiele üblich waren oder nicht, für die Entscheidung des/der Juristen maßgeblich. Sollte sich herausstellen, dass der Barbier dort jahrelang sein Geschäft betrieben hatte und erstmalig ein paar Sportbegeisterte Ball spielten, ist dem Barbier sicher nichts vorzuwerfen. Anders wäre es, wenn dort ein bekannter Sportplatz war und der Barbier, weil er auf mehr Kundschaft durch den Andrang der Zuschauer hoffte, ebenda seinen RasurFreiluftladen eröffnet hätte. Mit der Feststellung des Verschuldens des Barbiers oder Ballspielers ist der Fall aber noch nicht erschöpfend gelöst. Denn bei dieser isolierten Betrachtung bliebe der Umstand außer Betracht, dass das Opfer selbst an der Entstehung des Schadens mitgewirkt haben könnte. Und der Gedanke des 63  Eine weitere Erklärung für das nicht weiter von Mela thematisierte Spielerverschuldens könnten die Erwägungen zur gesellschaftlichen Rolle des Ballspiels in der Übergangsjahren zwischen später Republik und dem frühen Prinzipat darstellen, vgl. u. bei Anm. 67.

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„Mitverschuldens“ eines Sklaven ist nach allgemeiner Ansicht das eigentlich rechtshistorisch Interessante am Barbierfall.64 Diese Frage hat sich auch Ulpian aufgedrängt. Denn er hält, wie der abschließende quamvis-Satz zeigt, auch eine andere Entscheidung als die des Proculus für vertretbar. Mit dem Argument, es liege ein Fall der Selbstgefährdung des Sklaven, modern gesprochen also: Handeln auf eigene Gefahr vor, wenn dieser sich einem Barbier anvertraut, der sein Gewerbe an einem gefährlichen Ort betreibt, ließe sich ein – vollständiger – Ausschluss der Haftung begründen: der Sklave müsse sich über sich selbst beklagen (ipsum de se queri debere).65 Bejaht man den Fall der Selbstgefährdung, könnte der Eigentümer des Sklaven keinen Ersatz verlangen. Hier wird es vermutlich darauf ankommen, ob sich der Sklave auf den Barbierstuhl vor oder nach Spielbeginn begeben hat oder ob mit einem Spiel während der Rasur zu rechnen war – Spielraum (sit venia verbo!) für phantasievolle Spekulationen lässt der Fall reichlich. Der Barbierfall wirft aber darüber hinaus ein weiteres prozessuales Pro­ blem auf, das hier nur angedeutet sein soll. Es geht angesichts der Trennung des römischen Zivilverfahrens in die Phase in iure, vor dem Gerichtsmagistrat, in der die rechtlichen Aspekte des Verfahrens geordnet werden und die in der Erteilung der einschlägigen Prozessformel durch den Prätor an die Parteien endet, und die Phase apud iudicem, in der vor dem privaten Richter die Beweise erhoben werden und der dann das Urteil fällt, um das Problem, in welchem Stadium sich das Verfahren bei der Konsultation des bzw. der Juristen befindet. Befindet man sich noch im vorprozessualen Stadium, so dass es – nur – um die Beratung des Klägers bei der Auswahl des richtigen Beklagten geht, oder geht es bereits um die Beratung des Gerichtsmagistrats im Rahmen der Phase in iure bei der Frage der für die Ermittlung der einschlägigen Prozessformel erheblichen Umstände, die für die Sachverhaltsaufklärung unter dem Aspekt der Verschuldensproblematik von Bedeutung sein können, und um die dort möglicherweise bereits dafür anzubietenden Beweise?66 Oder spielt letzteres schon im vorprozessualen Stadium eine wesentliche Rolle? Greift man Alfons Bürges Idee einer weitgehenden Interaktion der Parteien bei der Prozessvorbereitung auf, so liegt es nahe, sich über die Beantwortbarkeit der von den Juristen im Rahmen der Diskussion des Barbierfalls aufge64  S. Gamauf

(o. Anm. 55), 301 f. diesem Aspekt ist es etwas fragwürdig, hier in traditionellem Verständnis von einem „Mitverschulden“ im modernen Sinne zu sprechen; das Argument Ulpians läuft, wie gezeigt, eher auf das des „Handelns auf eigene Gefahr“ hinaus. 66  Zur Frage des Beweisangebots und allgemein der Interaktion der Parteien im vorprozessualen Stadium s. grundlegend A. Bürge, Zum Edikt de edendo, ZRG rom. Abt. 112 (1995), 1–50. 65  Unter



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worfenen Fragen in einem möglichst frühen Stadium des Streits Klarheit zu verschaffen – auch unter dem Gesichtspunkt möglicherweise drohender Sanktionen für das nicht rechtzeitige Angebot von Beweisen.

3. Der „Ballfängerfall“, Alf. D. 9.2.52.4 Einen noch anderen Aspekt der Realitäten der sportlichen Betätigung in Rom wirft ein schon vom spätrepublikanischen Juristen Alfenus (2 dig.) D. 9.2.52.4 behandelter Fall auf, in dem es um einen beim Ballspiel verletzten Sklavenjungen geht. Cum pila compluri luderent, quidam ex his servulum, cum pilam percipere conaretur, impulit, servus cecidit et crus fregit: quaerebatur, an dominus servuli lege Aquilia cum eo, cuius impulsu ceciderat, agere potest. respondi non posse, cum casu magis quam culpa videretur factum.

Als Mehrere Ball spielten, stieß einer von ihnen einen Sklavenjungen weg, als er den Ball auffangen wollte; der Sklave fiel zu Boden und brach sich das Bein. Es wurde gefragt, ob der Herr des Sklaven nach der lex Aquilia gegen denjenigen klagen könne, durch dessen Stoß er gestürzt sei. Ich habe geantwortet, er könne nicht, da dies mehr aus Zufall als durch Verschulden geschehen sei.

Alfenus lehnt im Ergebnis einen Ersatzanspruch des Herrn des beim Versuch des Ballfangens weggestoßenen und sich das Bein brechenden Sklavenjungens aus dem 3. Kapitel der lex Aquilia ab: hier liege mehr Zufall als Verschulden vor. Diese Antwort ist rechtlich eindeutig und ließe sich ohne weiteres mit dem üblichen Getümmel der Spielenden beim Kampf um den Ball rechtfertigen. Insofern wäre Alfenus’ Entscheidung, die eine Deliktshaftung verneint, freilich denkbar unspektakulär. Es ist allerdings keinesfalls zwingend, sich den servulus als Spieler vorzustellen. Aus „sportsoziologischer“ Perspektive ist festzuhalten, dass in spät­ republikanischer Zeit Ballsport als zur Vergnügung und Selbstdarstellung betriebenes Spiel der Eliten galt; auch Caesar und Augustus sind als Ballspieler tätig gewesen.67 Beim Spiel der nobiles sind aber Sklaven kaum als „gleichberechtigte“ Mitspieler vorstellbar, so dass die Versuchung groß ist, sich den armen servulus als jugendlich-leichtsinnigen Zuschauer vorzustel­

67  Vgl.

Gamauf (o. Anm. 55), 302 f. mit weiteren Nachweisen.

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len,68 dem es am Spielfeldrand womöglich vor allem darum ging, den Ball als Trophäe von einer very important person zu ergattern und der weggestoßen wurde, weil er das Spiel zu stören versuchte. Doch überschreitet dies wohl die Grenzen der zulässigen Spekulation.

VIII. Ein kurzes Fazit Der Streifzug durch die Welt des antiken Sports und die Jurisprudenz des Prozesses hat uns für das homerische Griechenland gezeigt, dass ausgerechnet ein Fall des unfairen sportlichen Verhaltens den Schlüssel für das Verständnis des archaischen Prozesses und der Funktion des Beweisurteils durch Eidesleistung, wie wir es auch aus anderen antiken Rechten kennen, bot. Die Überlegungen zu Rom, hier konzentriert auf die Fragen der Postulations­ fähigkeit im Prozess, des Vorliegens von occidere im öffentlichen Wettkampf und auf Rechtsgutachten womöglich bereits im vorprozessualen Stadium zum Rechtsschutz im Rahmen der lex Aquilia, zeigten, mit welch einerseits zum Teil skurrilen Sportunfällen, andererseits aber auch mit welchen gesellschaftlichen Grundfragen über die Stellung des Athleten und seiner berufsbedingten Tätigkeit die römischen Juristen konkret konfrontiert wurden. Darüber hinaus gäbe es mannigfache Themen. Kehrt man zum Ausgangspunkt, dem Wagenrennen in der Ilias, zurück, so sei nur angedeutet, dass Rechtsprobleme der quadriga die römische Jurisprudenz geradezu befeuert haben. Anhand der quadriga könnten etwa Fragen ihres Betriebs durch eine societas, Gewinnzuständigkeits- und Gewinnverteilungsfragen, intrikate Schadensberechnungsprobleme beim Tod eines der vier Pferde und auch reizvolle erb- und sachenrechtliche Fragen, etwa das Legat eines Gebrauchsstatt eines Nießbrauchsrechts an einem solchen Gespann erörtert werden.69 Aber das darf einer zukünftigen Erlanger Sportrechtstagung vorbehalten bleiben.

68  So

Gamauf (o. Anm. 55), 303. dazu nur das Material bei Gamauf (o. Anm. 55), 276–291.

69  Vgl.

Ist Dabeisein wirklich alles?* Vermarktungsverbote für Teilnehmer der Olympischen Spiele Von Felix Engelsing und Monika Buhl I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 II. Vermarktungsverbote bei Olympischen Spielen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Interessenlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Erste Lockerung des Werbeverbots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) IOC-Guidelines 2016 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) DOSB-Leitfaden 2016 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Kritik am gelockerten Werbeverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Missbrauchsverfahren des Bundeskartellamts . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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III. Kartellrechtliche Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Relevanter Markt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Marktbeherrschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Missbräuchliches Verhalten  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Berücksichtigung der Besonderheiten des Sports (Meca-Medina-Kriterien) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verfolgung legitimer Ziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Verhinderung von Ambush Marketing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Sicherung des olympischen Solidaritätsmodells . . . . . . . . . . . . . . cc) Schutz vor einer Überkommerzialisierung der Olympischen Spiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Inhärenz und Verhältnismäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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IV. Zusagenentscheidung des Bundeskartellamtes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Geltungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anmeldung und Genehmigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verwendung von Symbolen und Bezeichnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Verwendung von Bildern und Videos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Nutzung sozialer Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Sanktionen und Rechtsweg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Weitere Regelungen der Zusagenentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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*  Es handelt sich bei diesem Beitrag um eine Zweitveröffentlichung. Die Erstveröffentlichung findet sich in der ZWeR 2020, 107 ff.

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I. Einleitung Dabei sein ist alles. Dieser Satz wird Pierre Coubertin, dem Initiator der neuzeitlichen Olympischen Spiele und Gründer des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) zugeschrieben. Tatsächlich hat er ihn so nie gesagt. Es war bei den Olympischen Spielen 1908 in London: Im 400-Meter-Finale ging der Schotte Wyndham Halswelle für Großbritannien als Favorit in den Endlauf. Er traf dort auf die drei US-Läufer John Carpenter, William Robbins und John Taylor. Carpenter gewann. Doch die Briten disqualifizierten ihn wegen Blockens, einer nach britischen, nicht aber nach damaligen amerikanischen Regeln verbotenen Behinderung, und setzten das Rennen zwei Tage später neu an. Aus Protest traten Robbins und Taylor bei diesem Lauf nicht erneut an und Halswelle holte sich als einziger Starter den Olympiasieg.1 Als der britische und der US-Sprinter danach stritten, wer nun der wahre Olympiasieger sei, sagte Coubertin: „Das Wichtige an den Olympischen Spielen ist nicht zu siegen, sondern daran teilzunehmen; ebenso wie es im Leben unerlässlich ist nicht zu besiegen, sondern sein Bestes zu geben.“ Hängen blieb die verkürzte Aussage „Dabei sein ist alles“, die zu einer gängigen Redensart geworden ist und nicht nur bei sportlichen Wettkämpfen, sondern für viele Lebenssituationen verwendet wird. Oft wird sie fälsch­ licherweise als das olympische Motto bezeichnet, obwohl sie den heutigen Geist der Spiele mit Blick auf die enorme Bedeutung des Medaillenspiegels und den hieraus folgenden Erfolgsdruck für die Athleten kaum noch zu treffen scheint. Dem entspricht eher der offizielle olympische Wahlspruch in Regel 10 der Olympischen Charta (OC), der „Citius, altius, fortius“, also „Schneller, höher, stärker“ lautet und Athleten zu neuen Rekorden anspornt. Mit zunehmender Kommerzialisierung des Sports gerät immer mehr die Frage in den Fokus, ob und inwieweit es Sportverbänden aus kartellrechtlicher Sicht erlaubt ist, in ihren Statuten oder ihren Vereinbarungen mit Athleten deren Möglichkeiten der Eigenvermarktung zu beschränken. Das Bundeskartellamt hat sich erstmals mit dieser Frage in einem Missbrauchsverfahren gegen das Internationale Olympische Komitee und den Deutschen Olympischen Sportbund e. V. wegen der Anwendung von Regel 40 Durchführungsbestimmung Nr. 3 der Olympischen Charta 2015 auseinandergesetzt. Diese Regelung beinhaltete ein weitreichendes Verbot von individuellen Werbemaßnahmen von Olympiateilnehmern während der Dauer der Olympischen Spiele. In dem Verfahren, das durch eine Zusagenentscheidung nach 1  Vgl. Wikipedia zu John Carpenter, https://de.wikipedia.org/wiki/John_Carpenter _(Leichtathlet), und zu Wyndham Halswelle, https://de.wikipedia.org/wiki/Wyndham_ Halswelle; Spiegel Online, Olympia 1908 – Skurrile Spiele, https://www.spiegel.de/ geschichte/olympia-vor-100-jahren-a-946907.html (alle Links Abruf am 05.02.2020).



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§ 32b GWB abgeschlossen worden ist und zu einer wesentlichen Lockerung der Beschränkungen für deutsche Olympiateilnehmer geführt hat, waren diverse für das Sportkartellrecht bedeutsame Fragen zu klären, insbesondere die Anwendung der Rechtsfigur der kollektiven Einheit und die Anwendung der sog. Meca-Medina-Kriterien. Das Bundeskartellamt hat sich vor allem eingehend mit der Frage auseinandergesetzt, ob die Verhinderung von sog. Ambush-Marketing insoweit ein legitimes Ziel darstellt, das eine Wettbewerbsbeschränkung ausschließen könnte.

II. Vermarktungsverbote bei Olympischen Spielen Der Gedanke Coubertins, dass die Teilnahme am Wettkampf für Sportler das Wichtigste sein soll, erlangt jedoch aktuell wieder „olympische“ Bedeutung in der Diskussion über die Frage, ob und in welchem Umfang ihnen die eigene Vermarktung ihrer Teilnahme an den Olympischen Spielen untersagt werden kann. Es geht um Regel 40 der Olympischen Charta (OC) und die diese konkretisierende Durchführungsbestimmung Nr. 3 („Regel 40 DF Nr. 3 OC“), die es Athleten und anderen Teilnehmern vorbehaltlich einer Genehmigung durch die IOC-Exekutivkommission verbietet, während der Olympischen Spiele die Nutzung ihrer Person, ihres Namens, ihres Bildes oder ihrer sportlichen Leistungen zu Werbezwecken zu gestatten oder selbst zu betreiben.2 Die Regelung gilt ab dem 9. Tag vor der Eröffnungsfeier bis zum 3. Tag nach der Schlussfeier (sog. frozen period) und erfasst alle werblichen Aktivitäten, auch solche über soziale Medien. Bei Verstößen drohen den Athleten nicht nur wirtschaftliche Sanktionen wie Vertragsstrafen und Schadensersatz. Daneben sind auch sportbezogene Sanktionen durch das IOC oder das jeweilige Nationale Olympische Komitee (NOK) möglich, die u. a. eine Aberkennung von Medaillen, einen Ausschluss von den Spielen oder eine temporäre oder dauerhafte Wettkampfsperre umfassen können.3 Streitigkeiten über Verstöße gegen Regel 40 DF Nr. 3 OC und insoweit verhängte Sanktionen unterliegen der ausschließlichen Schiedsgerichtsbarkeit durch 2  Die Regel lautet in der Olympic Charta in der Fassung vom 2.8.2015: „Bye Law to Rule 40 …. No. 3 Except as permitted by the IOC Executive Board, no competitor, team official or other team personnel who participates in the Olympic Games may allow his person, name, picture or sports performances to be used for advertising purposes during the Olympic Games.“ 3  So wurde nach den Olympischen Spielen 2012 befürchtet, dass dem US-Schwimmer Michael Phelps die sechs Medaillen, die er bei diesen Spielen gewonnen hatte, wieder aberkannt werden, weil einige Bilder aus seiner Werbekampagne mit Luis Vuitton zwei Tage zu früh veröffentlich waren, vgl. Der Westen, Michael Phelps droht Aberkennung seiner London Medaillen, https://www.derwesten.de/panorama/ michael-phelps-droht-aberkennung-seiner-london-medaillen-id6997411.html (Abruf: 05.02.2020).

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den Court of Arbitration for Sports (CAS) in Lausanne (Schweiz) Die Entscheidungen des CAS sind grundsätzlich endgültig, es sei denn, sie können beim schweizerischen Bundesgericht aus verschiedenen, abschließend genannten Gründen (z. B. Unzuständigkeit, Verletzung elementarer Verfahrensgrundsätze oder Verstoß gegen den Ordre Public) angefochten werden.

1. Interessenlage Laut IOC bedarf es eines solchen Werbeverbots vor allem, um sog. Ambush Marketing zu unterbinden, durch das die Exklusivität der Vermarktungsrechte offizieller olympischer Sponsoren beeinträchtigt werde. Die Finanzierung und damit die Existenz der Olympischen Spiele seien gefährdet, wenn die offiziellen Sponsoren mangels ausreichender Exklusivität ihre Unterstützung einschränkten oder gar einstellten.4 Dabei wird unter Ambush Marketing, das im Deutschen häufig auch als Schmarotzer- oder Trittbrettfahrer-Marketing bezeichnet wird, jede Form von Werbung verstanden, durch die ein Unternehmen, das kein offizieller Sponsor ist, bewusst versucht, einen Bezug zu einem (sportlichen) Großereignis herzustellen und die damit verbundene mediale Aufmerksamkeit auf sich selbst zu lenken, um ohne einen finanziellen Beitrag von der Bekanntheit und der Wertschätzung zu profitieren.5 Unter diese vom IOC vertretene weite Definition fällt letztlich jede Werbung mit einem Olympioniken während der laufenden Spiele, selbst wenn diese nicht mit einem Verstoß gegen Marken-, Urheber- und Lauterkeitsrechte, insbesondere einer unzulässigen Nutzung olympischer Bezeichnungen oder Symbole oder irreführenden Hinweisen auf die Sponsorenstellung des Werbenden, verbunden ist. Daneben wird das Werbeverbot nach Regel 40 DF Nr. 3 OC auch damit begründet, dass eine Überkommerzialisierung der Olympischen Spiele vermieden werden soll. Die Athleten sollten sich auf den Wettkampf und ihre sportliche Leistung fokussieren können.6 Außerdem würden ja bereits die Entsende- und Unterbringungskosten für die Athleten im Wesentlichen von den jeweiligen NOKs übernommen. Das IOC verweist zudem darauf, dass der weit überwiegende Teil der Einnahmen, die es mit der Vermarktung der Spiele erzielt, nach dem sog. Prinzip der olympischen finanziellen Solidarität 4  Vgl. BKartA. Beschl. v. 25.2.2019 – B2-26/17, Rz. 27, https://www.bundeskartell amt.de/SharedDocs/Entscheidung/DE/Entscheidungen/Missbrauchsaufsicht/2019/B226-17.html. Die Entscheidung ist auch in englischer Fassung veröffentlicht: https:// www.bundeskartellamt.de/SharedDocs/Entscheidung/EN/Entscheidungen/Missbrauchs aufsicht/2019/B2-26-17.html (beide Links Abruf: 05.02.2020). 5  Vgl. zu den verschiedenen Definitionen https://de.wikipedia.org/wiki/Ambush_ Marketing m. w. N. (Abruf: 05.02.2020). 6  Vgl. BKartA, Beschl. v. 25.2.2019 – B2-26/17, Rz. 27.



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verteilt werde. Die Erlöse werden u. a. an alle 206 NOKs weltweit zur Ausund Weiterbildung olympischer Nachwuchstalente und an das von einer autonomen Kommission verwaltete Olympische Solidaritätsprogramm ausgeschüttet, das zur Förderung von sportlich qualifizierten Athleten eingerichtet wurde, die wegen der unterschiedlichen finanziellen Ausstattung der einzelnen NOKs benachteiligt sind. Im Interesse der Chancengleichheit solle durch eine Umverteilung der olympischen Vermarktungseinnahmen sichergestellt werden, dass ein „level playing field“ geschaffen wird und alle geeigneten Athleten weltweit auch tatsächlich teilnehmen können.7 Aus sportlicher Sicht ist dies für die Athleten sicher zutreffend. Sie haben bei den Olympischen Spielen die Möglichkeit, sich mit den weltweit Besten ihrer Sportart zu messen. Diese Betrachtungsweise lässt aber unberücksichtigt, dass die Olympischen Spiele schon lange keine Amateursportveranstaltung mehr sind, sondern ein Wettkampf zwischen den besten Leistungssportlern aus der ganzen Welt. Für die meisten Sportler stellt eine Teilnahme den Höhepunkt ihrer Karriere als professioneller Sportler dar, dem jahrelanges und intensives Training vorausgegangen ist. Um den Weg dorthin zu schaffen, sind sie aufgrund einer oft unzureichenden öffentlichen Förderung auf Sponsoren angewiesen. Solche Sponsoren zu gewinnen, ist aber schwierig, wenn während der laufenden Spiele – d. h. in der Phase, in der der Vermarktungswert des Sportlers am höchsten ist – keine Werbung mit ihm gemacht werden darf. Zwar ist es denkbar, dass ein Athlet, der eine oder sogar mehrere Medaillen gewonnen hat, aufgrund der erhöhten öffentlichen Aufmerksamkeit auch nach Abschluss der Olympischen Spiele noch bekannt und somit ein guter Werbeträger ist. Dies gilt aber leider meist nicht für die Sportler, die sich qualifiziert haben und damit in ihrer sportlichen Disziplin zu den Besten ihres Landes gehören, aber ohne Medaille wieder nach Hause zurückkehren. Viele von ihnen können ihre sportliche Leistung danach kaum oder gar nicht mehr vermarkten.

2. Erste Lockerung des Werbeverbots Vor diesem Hintergrund wurde das totale Werbeverbot in Regel 40 DF Nr. 3 OC vor den Olympischen Spielen 2016 erstmals gelockert. Für Werbemaßnahmen, die keinen unzulässigen Bezug zu den Olympischen Spielen herstellen (sog. generische Werbung), ist nun die Möglichkeit einer Ausnahmegenehmigung vorgesehen. Für die Erteilung einer solchen Genehmigung ist bei nationalen Werbemaßnahmen, die auf das Gebiet eines einzigen NOK beschränkt sind, grundsätzlich das NOK zuständig, in dessen Territorium die Werbung erfolgen soll. Über die Genehmigung internationaler Werbemaß7  Vgl.

BKartA, Beschl. v. 25.2.2019 – B2-26/17, Rz. 16, 27.

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nahmen, die sich auf das Gebiet von mehr als einem NOK beziehen, entscheidet hingegen grundsätzlich das IOC.8 Zusätzlich kann bei Werbemaßnahmen eines Athleten in einem oder mehreren anderen Ländern als dem, dessen Olympiamannschaft er angehört, die Zustimmung seines „HeimatNOK“ erforderlich sein.9 a) IOC-Guidelines 2016 Wann eine Werbemaßnahme generisch ist, hat das IOC erstmals in den „Rio 2016 Olympic Games – Rule 40 Guidelines“ („IOC-Guidelines 2016“)10 konkretisiert. Individuelle Werbung der Athleten mit ihren Sponsoren unterlag danach erheblichen Einschränkungen, insbesondere einem weitreichenden Verbot der Verwendung olympiabezogener Begriffe, Symbole und Bilder.11 Dadurch sollte jede Assoziation mit den Olympischen Spielen unterbunden werden. Die Einhaltung dieser Regelungen durch die Olympiateilnehmer hatten die NOKs zu überwachen. Darüber hinaus hatten die NOKs gemäß Buchstabe E der IOC-Guidelines 2016 die Möglichkeit, unter Berücksichtigung geltender Gesetze und Verordnungen weitergehende Einschränkungen oder auch Verbote individueller Werbemaßnahmen vorzusehen. Einzelne NOKs konnten es sich also im Wege eines „Opt-out“ vorbehalten, bei internationalen Werbekampagnen, die ein Olympiateilnehmer mit seinem individuellen Sponsor während der Spiele durchführen wollte, für ihr Territorium eigenständig nach Maßgabe eigener Regeln und Fristen zu entscheiden oder diese für ihr Territorium ganz zu untersagen. Auf dieser Grundlage haben einige NOKs für die Olympischen Spiele 2016 strengere Regelungen oder ein völliges Verbot für ihr Territorium vorgesehen.12 b) DOSB-Leitfaden 2016 Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) hat in seiner Funktion als deutsches NOK für die an ihn zu richtenden Anträge auf Ausnahmegenehmigung den „Leitfaden der Deutschen Olympiamannschaft für die Olympischen Spiele 2016“ („DOSB-Leitfaden 2016“) erlassen. Weitere Regelungen für individuelle Werbung der Mitglieder der deutschen Olympiamannschaft ins8  Vgl. Rio 2016 Olympic Games – Rule 40 Guidelines, Buchstabe B („Application Process“), www.olympic.org/athlete365/rio-2016/rule40/ (Abruf: 05.02.2020). 9  Vgl. BKartA, Beschl. v. 25.2.2019 – B2-26/17, Rz. 4. 10  www.olympic.org/athlete365/rio-2016/rule-40/ (Abruf: 05.02.2020). 11  Vgl. IOC-Guidelines 2016, Buchstabe C („Non-Olympic Commercial Partners – Inadmissible Practices“). 12  Vgl. BKartA, Beschl. v. 25.2.2019 – B2-26/17, Rz. 5.



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besondere im Rahmen der Nutzung ihrer Social Media Accounts, enthielten die „Spielregeln zum Umgang mit Medien, Werbung und Social Media – Olympische Spiele 2016“ („Spielregeln 2016“).13 Nach dem DOSB-Leitfaden 2016 waren im Fall eines Sponsorings durch ein Unternehmen, das weder Sponsor der deutschen Olympiamannschaft noch der Olympischen Spiele war („nichtolympischer Sponsor“), nur laufende Werbemaßnahmen, die mindestens drei Monate vor Beginn der Spiele begonnen hatten, genehmigungsfähig. Die Werbung durfte zudem keinen Bezug auf die Olympischen Spiele oder die Olympische Bewegung durch Begriffe, Symbole oder Bilder nehmen. Nicht nur die Verwendung von Begriffen wie Olympia, olympisch oder Olympionike war verboten, sondern auch die Verwendung von vielen und nicht abschließend genannten „olympiabezogenen“ Begrifflichkeiten wie z. B. Medaille, Gold, Silber, Bronze, Sommer, Spiele und Podest. Ferner konnten weder der Ort der Olympischen Spiele („Rio“/„Rio de Janeiro“) noch die Jahreszahl („2016“) allein oder in Kombination („Rio 2016“) benutzt werden. Die Kombination sowie die Jahreszahl hatte sich das IOC  – wie die jeweiligen Kombinationen und Jahreszahlen anderer Olympischer Spiele auch – als EU-Marken für alle 45 Warenund Dienstleistungsklassen der Nizza-Klassifikation schützen lassen.14 Im Fall eines Sponsorings durch einen Sponsor der deutschen Olympiamannschaft („DOSB-Sponsor“) oder der Olympischen Spiele („olympischer Sponsor“) waren nach dem DOSB-Leitfaden 2016 hingegen auch neue Werbemaßnahmen, die erst kurz vor oder während der frozen period initiiert werden sollten, genehmigungsfähig. Im Übrigen richteten sich die Anforderungen an die Ausgestaltung einer zulässigen Werbung mit einem Mitglied der deutschen Olympiamannschaft bei DOSB-Sponsoren nach dem sog. Partnervertrag und bei olympischen Sponsoren nach den Richtlinien des IOC für sog. TOP-Partner.15 Für alle Sponsoren galt jedoch, dass Werbemaßnahmen mit deutschen Athleten, die während der frozen period und beschränkt auf Deutschland durchgeführt werden sollten, spätestens bis zum 6.4.2016 – d. h. 13  Vgl. BKartA, Beschl. v. 25.2.2019 – B2-26/17, Rz. 6. Sowohl der DOSB-Leitfaden 2016 als auch die Spielregeln 2016 sind mittlerweile nicht mehr auf der Webseite des DOSB verfügbar. 14  Vgl. BKartA, Beschl. v. 25.2.2019 – B2-26/17, Rz. 8, 14. Der Bundesverband der deutschen Sportartikel-Industrie e. V. hat u. a. in Bezug auf die Marken „Pyeong Chang 2018“ und „2018“ sowie „Tokyo 2020“ und „2020“ Löschungsanträge gestellt. Daraufhin hat das IOC die Marke „Pyeong Chang 2018“ im Juni 2018 mit der Folge der Löschung ex nunc zurückgenommen. Das Verfahren wurde aber mit dem Ziel einer Feststellung der Schutzunfähigkeit ex tunc fortgeführt. Die Marken „Tokyo 2020“ und „2020“ sind derzeit noch im Markenregister des Amtes der Europäischen Union für geistiges Eigentum eingetragen. 15  Vgl. BKartA, Beschl. v. 25.2.2019 – B2-26/17, Rz. 9.

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vier Monate vor Beginn der Spiele (5.8.2016) – vollständig angemeldet sein mussten.16 c) Kritik am gelockerten Werbeverbot Allerdings führte die so ausgestaltete Möglichkeit einer Ausnahmegenehmigung aus Sicht vieler Athleten und ihrer Sponsoren nicht zu einer Verbesserung ihrer individuellen Vermarktungsmöglichkeiten während der Olympischen Spiele 2016. Viele Regelungen im DOSB-Leitfaden 2016 wurden als unklar und ihre Anwendung als zu restriktiv kritisiert.17 Problematisch war bereits, dass bei Werbeaktivitäten über das Internet nicht klar war, ob diese wegen der weltweiten Abrufbarkeit auch dann als internationale Maßnahme beim IOC anzumelden waren, wenn sie gezielt auf Deutschland ausgerichtet waren. Weitere Schwierigkeiten ergaben sich aus der eventuellen Erforderlichkeit der Zustimmung des „Heimat-NOK“ eines Athleten und, soweit es sich um einen internationalen Antrag handelte, aus der Berücksichtigung der Opt-out-Länder. Aufgrund unterschiedlicher Regeln und Fristen konnte eine Mehrfachanmeldung von ein und derselben Werbemaßnahme bei mehreren NOKs sowie ggf. dem IOC und damit ein hoher administrativer Aufwand notwendig werden.18 Auch das Erfordernis einer vorherigen vollständigen Anmeldung von Werbemaßnahmen wirkte sich für die meisten Athleten prohibitiv aus, zumal die Frist dafür bereits vier Monate vor Beginn der Spiele ablief. Denn zu diesem Zeitpunkt hatte noch keine einzige Nominierungsrunde des DOSB stattgefunden, so dass die Athleten, die nicht bereits aufgrund erreichter Wettkampfergebnisse hinreichend sicher von einer Nominierung ausgehen konnten, zum Zeitpunkt des Fristablaufs noch gar nicht wussten, ob sie überhaupt teilnehmen würden. Hinzu kam, dass die Werbemaßnahme spätestens drei Monate vor Beginn der frozen period, also spätestens bis zum 27.4.2016, gestartet werden musste, obwohl weder die Teilnahme des Athleten noch die Genehmigung durch den DOSB bereits gesichert waren. Unter diesen Umständen dürften die individuellen Sponsoren der Athleten in der Regel nicht bereit gewesen sein, Zeit und Kosten in die Planung von Werbemaßnahmen für die Olympischen Spiele zu 16  Vgl.

BKartA, Beschl. v. 25.2.2019 – B2-26/17, Rz. 10. Bento v. 31.7.2016, Wie sich der deutsche Sprinter Sven Knipphals gegen den Maulkorb bei Olympia wehrt, https://www.bento.de/sport/olympia-ioc-will-mitder-regel-40-facebook-und-twitter-kontrollieren-a-00000000-0003-0001-0000-000 000749932; Zeit online v. 29.7.2016, Olympia ist tabu, https://www.zeit.de/digital/ internet/2016-07/ioc-olympische-spiele-rio-de-janeiro-twitter-hashtag-sponsoren (beide Links Abruf am: 05.02.2020). 18  Vgl. BKartA, Beschl. v. 25.2.2019 – B2-26/17, Rz. 69. 17  Vgl.



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investieren.19 Im Übrigen hingen viele Werbemaßnahmen wie etwa Motivations- oder Glückwunschbotschaften des Sponsors an den Athleten oder Danksagungen des Athleten an seinen Sponsor nach einem Medaillengewinn vom Verlauf der Spiele ab und konnten gar nicht im Vorfeld angemeldet oder gar gestartet werden.20 Selbst wenn es sich bei einer Werbeaktivität aber um eine laufende Maßnahme handelte, die rechtzeitig angemeldet wurde, bestanden weitere Einschränkungen in Bezug auf die Verwendung von Begriffen, Symbolen, Bildern und Videos sowie in Bezug auf die Nutzung von Social Media, die eine Vermarktung der Olympiateilnahme des Sportlers erschwerten. So war nicht nur die Nutzung der olympischen Ringe sowie von Begriffen wie „Olympia“ oder „olympisch“ untersagt, sondern auch die Nutzung vieler sog. olympiabezogener Begrifflichkeiten. Hierzu gehörten die markenrechtlich zugunsten des IOC geschützten Bezeichnungen des Veranstaltungsorts in Verbindung mit dem Jahr („Rio 2016“) sowie die Jahreszahl der Spiele allein („2016“). Darüber hinaus enthielt die nichtabschließende Verbotsliste etliche weitere Begriffe des allgemeinen Sprachgebrauchs, deren Verwendung bei einer ­Werbung mit einem Olympioniken naheliegt. Darunter waren Begriffe wie z.  B. „Sommer“, „Spiele“, „Podest“, „Medaille“, „Gold“, „Silber“ und „Bronze“. Auch „Team Deutschland“ konnte nicht benutzt werden. Die ergänzend zu beachtende Verbotsliste in den IOC-Guidelines 2016 enthielt zudem Worte wie „effort“, „performance“ und „victory“.21 Ebenso konnten deutsche Athleten keine Fotos oder Videos von sich an olympischen Veranstaltungsorten für individuelle Werbemaßnahmen nutzen. Dies galt unabhängig davon, ob auf den Bildern olympische Symbole oder Bezeichnungen zu sehen waren. Zudem war eine Nutzung von sozialen Medien kaum möglich. Denn die Spielregeln 2016 sahen ein Verbot kommerzieller Nutzung für die Social Media-Accounts der Athleten vor, unter das jeder Post oder Beitrag fiel, durch den der Athlet einen Bezug zu seinem individuellen Sponsor herstellte.22 Wegen dieser Schwierigkeiten haben deutsche Athleten und ihre Sponsoren vielfach von Werbemaßnahmen während der Olympischen Spiele ganz abgesehen. Denn die Athleten mussten im Fall eines Verstoßes gegen Regel 40 DF Nr. 3 OC weitreichende Sanktionen fürchten, die sich auf ihre sport­ liche Karriere nachteilig auswirken oder sie sogar beenden hätten können. Um an den olympischen Spielen teilnehmen zu können, mussten deutsche Athleten jedoch mit dem DOSB eine Athletenvereinbarung schließen, in der 19  Vgl.

BKartA, BKartA, 21  Vgl. BKartA, 22  Vgl. BKartA, 20  Vgl.

Beschl. Beschl. Beschl. Beschl.

v. v. v. v.

25.2.2019 – 25.2.2019 – 25.2.2019 – 25.2.2019 –

B2-26/17, B2-26/17, B2-26/17, B2-26/17,

Rz. 67, 70. Rz. 74. Rz. 71 f. Rz. 74.

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sie neben dem World Anti-Doping Code und den Nominierungsregeln auch die Olympische Charta anerkennen und sich insbesondere zur Einhaltung von Regel 40 DF Nr. 3 OC verpflichten. Schuldhafte Verstöße gegen diese Vereinbarung berechtigten den DOSB, unbeschadet weitergehender Schadensersatzansprüche, zur Verhängung von Sanktionen, u. a. dem Ausschluss aus der Olympiamannschaft oder der Rückzahlung von Entsendekosten. Auch das IOC, dem gegenüber sich die Athleten in einer Teilnehmererklärung zur Beachtung der Olympischen Charta verpflichten mussten, konnte bei einem Verstoß gegen Regel 40 DF Nr. 3 OC Sanktionen verhängen. Hierzu gehörten gemäß Regel 59 Ziff. 2.1 OC u. a. die Nichtzulassung zu bzw. der Ausschluss von den Olympischen Spielen oder die Aberkennung von Medaillen.23 Hinzu kam, dass der ausschließliche Rechtsweg zum Sportschieds­gericht (CAS) von den Athleten wegen des damit für sie verbundenen Zeit- und Kostenaufwands vielfach als wenig erfolgversprechend oder sogar als abschreckend wahrgenommen wurde.24 d) Missbrauchsverfahren des Bundeskartellamts In Anbetracht dieser Situation, in der die Athleten und ihre Sponsoren sich befanden, stellte sich die Frage, ob Regel 40 DF Nr. 3 OC und ihre Konkretisierung im DOSB-Leitfaden 2016 als Regelungen eines Sportverbandes der Anwendung des Kartellrechts unterliegen und sich als Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung gem. Art. 102 AEUV, § 19 GWB darstellen könnten. Das Bundeskartellamt hat sich aufgrund einer Beschwerde des Bundesverbands der Deutschen Sportartikel-Industrie e. V. (BSI) und diverser kritischer Presseberichte in einem im April 2017 eingeleiteten Kartellverwaltungsverfahren gegen IOC und DOSB (B2  – 26/17) mit dieser Frage befasst.25 Im Zuge von Verhandlungen wurden die Regelungen des DOSB23  Vgl.

BKartA, Beschl. v. 25.2.2019 – B2-26/17, Rz. 11. BKartA, Beschl. v. 25.2.2019 – B2-26/17, Rz. 76. 25  Dem Verfahren lag die Regel in der Fassung der Olympischen Charta vom 15.8.2015, konkretisiert durch die den DOSB-Leitfaden 2016 und die IOC-Guidelines 2016, zugrunde. Nach Verfahrensabschluss ist Regel 40 DF Nr. 3 OC geändert worden. In der Fassung der Olympischen Charta vom 26.9.2019 (https://www.olym-pic. org/documents/olympic-charter, Abruf: 05.02.2020) sieht sie nunmehr vor, dass die Teilnehmer der Olympischen Spiele die Verwendung ihrer Person, ihres Namens, ihres Bildes oder ihrer sportlichen Leistung während der Olympischen Spiele erlauben dürfen, sofern dies im Einklang mit den von der IOC-Exekutivkommission festgelegten Prinzipien steht („… may allow the use of … in accordance with the principles ­deter-mined by the IOC Executive Board“). Ob mit dieser neuen Formulierung und den von der IOC-Exekutivkommission insoweit festzulegenden Prinzipien ein mög­ licher Kartellrechtsverstoß ausgeräumt werden kann, war bislang nicht Gegenstand eines kartellbehördlichen Verfahrens. 24  Vgl.



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Leitfadens 2016 einvernehmlich geändert und von Ende Dezember 2017 bis Februar 2018 einem sog. Markttest unterzogen, in dem viele Athleten und Sponsoren zu ihrer wettbewerblichen Einschätzung befragt wurden. Nach Auswertung des Markttests ergab sich weiterer Änderungsbedarf und es wurden im Frühjahr 2018 erneut Verhandlungen mit dem IOC und dem DOSB aufgenommen und nochmals Lockerungen zugunsten der deutschen Athleten und ihrer Sponsoren vorgenommen. Die geänderten Regelungen sind aufgrund von Zusagen des DOSB und des IOC gegenüber dem Bundeskartellamt bis zum Abschluss der Olympischen Spiele 2026 verbindlich Das Verfahren wurde im Februar 2019 mit einer Zusagenentscheidung nach § 32b GWB abgeschlossen.26

III. Kartellrechtliche Bewertung Grundlage des Verfahrens war ein Behinderungsmissbrauch nach § 19 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 Nr. 1 GWB, Art. 102 AEUV. Im Kern geht es darum, ob und inwieweit es kartellrechtlich zu beanstanden ist, wenn sich die Olympische Bewegung als Veranstalter der Olympischen Spiele durch solche Verbandsregelungen von den Teilnehmern weitergehende Schutzrechte einräumen lässt als ihr durch das Marken-, Urheber- und Lauterkeitsrecht und vor allem durch das deutsche Olympiaschutzgesetz (OlympSchG)27 gewährt werden und ihre Mitglieder diese Verbandsregelungen durchsetzen. Das Olympiaschutzgesetz wurde 2004 im Hinblick darauf verabschiedet, dass das IOC von (potentiellen) Gastgeberländern regelmäßig einen vollständigen Schutz olympischer Symbole und Begriffe verlangt. Es schützt zugunsten des IOC und des DOSB neben dem olympischen Emblem (fünf ineinander verschlungene Ringe) die Bezeichnungen „Olympiade“, „Olympia“, „olympisch“ allein oder in Zusammensetzung sowie die entsprechenden Wörter oder Wortgruppen in einer anderen Sprache (§ 1 OlympSchG) vor einer Verwendung durch Dritte, die eine Verwechslungsgefahr begründet oder eine unlautere Ausnutzung oder Beeinträchtigung der Wertschätzung der Olympischen Spiele oder der Olympischen Bewegung darstellt (§ 3 OlympSchG). Zu diesem Gesetz gibt es höchstrichterliche Rechtsprechung, insbesondere die Entscheidung „Olympia-Rabatt“ des BGH,28 in der grundlegende Aussagen zur Zulässigkeit olympiabezogener Werbung getroffen und einer zu weitgehenden Auslegung der Schutzrechte nach dem Olympiaschutzgesetz 26  Vgl.

Fn. 4. zum Schutz des olympischen Emblems und der olympischen Bezeichnungen (OlympSchG) v. 31.3.2004 (BGB1 I, 479). 28  Vgl. BGH, Urt. v. 15.5.2014 – I ZR 131/13 – Olympia-Rabatt, https://lexetius. com/2014,3770 (Abruf: 05.02.2020). 27  Gesetz

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klare Grenzen gesetzt werden. Zwar ging es in dem vom BGH zu entscheidenden Sachverhalt um Werbung durch ein Unternehmen, das ansonsten keinen Bezug zu Olympia hatte und damit um eine andere Fallkonstellation. Die sehr grundsätzlichen Aussagen des BGH lassen sich aber auf Sachverhalte, in denen ein nicht-olympischer Sponsor Werbung mit einem teilnehmenden Athleten macht, entsprechend anwenden.

1. Relevanter Markt Es spricht Einiges dafür, dass der weltweite Markt für die Organisation und Vermarktung der Olympischen Spiele relevant ist. Dabei umfasst die Organisation vor allem die Festlegung der sportlichen, technischen und organisatorischen Regeln, die Auswahl der Veranstaltungsorte und – termine, die Zulassung der Athleten sowie die Anstellung von Schiedsrichtern und technischem Personal. Die Vermarktung der Olympischen Spiele beinhaltet im Wesentlichen den Verkauf der Eintrittskarten sowie die Vergabe von Medienund Werberechten. Aufgrund ihrer engen Verzahnung und des Umstands, dass in beiden Bereichen im Wesentlichen die gleichen Mitglieder der Olympischen Bewegung  – namentlich IOC, NOKs, Organisationskomitee (OK) und internationale Sportverbände (IFs) – tätig werden, sind die Organisation der Olympischen Spiele und ihre Vermarktung nicht als getrennte Märkte zu betrachten, sondern stellen eher komplementäre Segmente eines einheitlichen sachlichen Marktes dar.29 Gegen einen erweiterten sachlichen Markt, der die Organisation und Vermarktung aller großen, internationalen Sportgroßereignisse umfasst, spricht hingegen die herausgehobene Bedeutung oder mög­ licherweise sogar Alleinstellung der Olympischen Spiele, aufgrund derer aus Sicht der Nachfrage eine Austauschbarkeit mit anderen großen, internatio­ nalen Sportveranstaltungen nicht oder nur eingeschränkt möglich er­scheint.30 Sportveranstaltungen werden zunächst von Verbrauchern nachgefragt, die sie entweder live am Veranstaltungsort oder aber im Fernsehen oder in sonstigen Medien sehen möchten. Verbraucher interessieren sich regelmäßig für eine bestimmte Sportart und fragen Wettkämpfe in dieser Sportart nach, die sie entweder live am Veranstaltungsort oder aber in den Medien sehen möchten. Die Olympischen Spiele unterscheiden sich von solchen Sportveranstaltungen dadurch, dass Sportler in einer Vielzahl sehr unterschiedlicher Sportdisziplinen gegeneinander antreten. Die Wettkämpfe werden im Fernsehen und 29  Vgl. zur Marktabgrenzung bei internationalen Wettkämpfen im Eisschnelllauf: Entscheidung der EU-Kommission v. 8.12.2017  – Case AT.40208  – International Skating Union’s Eligibility Rules, https://ec.europa.eu/competition/anti-trust/cases/ dec_docs/40208/40208_1579_5.pdf, Rz. 98 ff. (Abruf: 05.02.2020). 30  BKartA, Beschl. v. 25.2.2019 – B2-26/17, Rz. 43, 45.



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in sonstigen Medien live oder zeitversetzt übertragen und bei parallel stattfindenden Austragungen wird über die jeweiligen Sportarten häufig im Wechsel berichtet. Dadurch erlangen auch Sportarten, die in einzelnen Ländern weniger populär sind, bei den Olympischen Spielen – teilweise sogar nur dann – eine hohe mediale Aufmerksamkeit. Die Olympischen Spiele werden von Verbrauchern gerade wegen dieser Vielfalt an Sportdisziplinen geschätzt und als Gesamtereignis wahrgenommen. Daher kommt auch dem sog. Medaillenspiegel eine große Bedeutung zu, der vielfach als entscheidendes Kriterium für den Erfolg einer Olympiamannschaft gewertet wird.31 Verbraucher können fortlaufend verfolgen, wie viele Medaillen die Sportler des eigenen Landes im Vergleich zu denen anderer Ländern erlangen und an welcher Stelle im Ranking sich das eigene Land damit befindet. Aus ihrer Sicht sind die Olympischen Spiele daher eine Art Nationenvergleich über alle Sportarten hinweg. Sie fragen also eine Sportveranstaltung nach, die viele verschiedene Sportarten umfasst und an der möglichst viele Nationen aus aller Welt teilnehmen. Dies ist bei großen, internationalen Sportveranstaltungen wie z. B. der FIFA Weltmeisterschaft, der UEFA Europameisterschaft, der Grand Slam Turniere, der Tour de France oder der Vierschanzentournee indes nicht der Fall, so dass insoweit aus Sicht der Verbraucher keine Austauschbarkeit gegeben ist. Die Nachfrage von Medienunternehmen, insbesondere aus den Bereichen Fernsehen und Rundfunk, sowie von Sponsoren und anderen Werbetreibenden nach Sportveranstaltungen wird vor allem durch die Attraktivität eines Sportereignisses für die Verbraucher sowie die Möglichkeit der Markenpositionierung bestimmt. Nach Maßgabe dieser Kriterien haben die Olympischen Spiele auch für diese Unternehmen eine im Vergleich zu anderen großen und internationalen Sportveranstaltungen herausgehobene Bedeutung, die eine Substituierbarkeit weitgehend ausschließen dürfte.32 Zum einen erreicht Werbung im Rahmen der Olympischen Spiele oder deren Übertragung in den Medien aufgrund des hohen Interesses der Verbraucher einen extrem großen Adressatenkreis und ist daher besonders effektiv.33 Zum anderen ist die Mög31  Vgl. z. B. Welt, Deutschland von Norwegen noch im Medaillenspiegel überholt, https://www.welt.de/newsti-cker/dpa_nt/infoline_nt/sport_nt/article173928974/ Deutschland-von-Norwegen-noch-im-Medaillenspiegel-ueber-holt.html; Der Westen, Der Medaillenspiegel ist nicht Olympias größtes Problem, https://www.derwesten.de/ mei-nung/der-medaillenspiegel-ist-nicht-olympias-groesstes-problem-id12087476. html (beide Links Abruf am: 05.02.2020). 32  So im Ergebnis auch Heermann, WRP 2019, 834, 836. 33  So hat Karola Wille, ARD-Vorsitzende und Intendantin des Federführers innerhalb der ARD für die Winterspiele 2018 gesagt: „Olympische Spiele sind ein besonderes gesellschaftliches Ereignis. Angesichts der vielfältigen Sportarten, die die Menschen in aller Welt miteinander verbinden und ihrer großen Zugkraft bei den Zuschauern, freuen wir uns sehr, dass wir die Spiele im Radio, Fernsehen und Online

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lichkeit der Markenplatzierung deutlich eingeschränkter. Denn bei den Olympischen Spielen ist generell keinerlei Werbung in oder über den Stadien, Austragungsorten oder anderen Wettkampfstätten erlaubt (Clean-VenueRegel). Dem exklusiven Recht der olympischen TOP-Sponsoren, im Umfeld der Veranstaltungsorte zu werben, kommt somit ein hoher Wert zu, zumal die Zahl der TOP-Partner vom IOC stets auf einige wenige begrenzt wird. Die Nachfrage der Athleten nach Sportveranstaltungen wird, jenseits sportlicher Aspekte, wesentlich dadurch bestimmt, ob und in welchem Maße sie durch eine Teilnahme ihren Bekanntheitsgrad und damit ihren eigenen Werbewert steigern können. Sie werden vorrangig an solchen Sportwettkämpfen teilnehmen, die hohe Zuschauerzahlen und eine möglichst hohe Medienpräsenz haben. Da sie als professionelle Sportler regelmäßig in ihrer jeweiligen Sportart spezialisiert sind, kommt ein Wechsel zu einer anderen Sportart dabei nur in Ausnahmefällen in Betracht. Andere große, internationale Sportveranstaltungen stellen daher lediglich für die Athleten solcher Sportarten eine Ausweichalternative dar, für die es entsprechend bekannte Wettkämpfe gibt. Dies ist je nach Popularität der betreffenden Sportart von Land zu Land unterschiedlich und wird jeweils nur für bestimmte Sportarten der Fall sein. Für die Athleten der meisten Sportarten sind hingegen die Olympischen Spiele die mit Abstand wichtigste oder sogar die einzige Sportveranstaltung, die ihnen eine hohe mediale Aufmerksamkeit ermöglicht. Eine Austauschbarkeit der Olympischen Spiele durch andere große Sportveranstaltungen ist demnach nur sehr eingeschränkt für die Athleten einiger Sportarten wie insbesondere Fußball, Tennis oder Golf gegeben. Auch der Gesichtspunkt der Umstellungsflexibilität rechtfertigt keinen weiter gefassten Markt. Zwar könnte die Olympische Bewegung andere große, internationale Sportereignisse für einzelne Sportarten veranstalten oder unter ihrer Schirmherrschaft veranstalten lassen, da aufgrund der Zugehörigkeit der IFs zur Olympischen Bewegung das erforderliche Fachwissen in Bezug auf das Regelwerk sowie die organisatorischen und technischen Voraussetzungen vorhanden ist. Umgekehrt ist es aber kaum denkbar, dass Anbieter anderer großer, internationaler Sportveranstaltungen ein Sportereignis wie die Olympischen Spiele, die Wettkämpfe in einer Vielzahl von Sportarten für Sportler aus der ganzen Welt umfassen, veranstalten könnten. Hier fehlt es an dem vorbezeichneten Fachwissen und der Anbieter müsste zunächst die Unterstützung durch die IFs oder durch die nationalen Verbände in einer Vielzahl von Ländern gewährleisten.

unseren Nutzern anbieten können.“ (vgl. https://www.daserste.de/speciales(ueber-uns/ olympische-spiele-weiter-bei-ard-zdf-100.html, Abruf: 05.2.2020).



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2. Marktbeherrschung Adressaten der Missbrauchstatbestände der Art. 102 AEUV, § 19 GWB können „ein oder mehrere Unternehmen“ sein. Die Organisation und Vermarktung der Olympischen Spiele erfolgt durch die Olympische Bewegung, die auf der von allen Mitgliedern als bindend anerkannten Olympischen Charta34 basiert. Die Olympische Bewegung wird jedoch nicht tätig, sondern ihre Mitglieder – namentlich das IOC, die OKs, die NOKs und die IFs – und zwar unter der Führung des IOC sowie nach Maßgabe der in der Olympischen Charta vorgesehenen Aufgaben und Zuständigkeiten. Demnach ist die Olympische Bewegung als solche kein Unternehmen, wohl aber ihre im Zuge der Organisation und Vermarktung der Olympischen Spiele handelnden Mitglieder. Auch wenn diese Mitglieder rechtlich voneinander unabhängige Unternehmen sind, können sie, wie sich aus der Verwendung des Begriffs „mehrere Unternehmen“ in Art. 102 AEUV, § 19 GWB ergibt, in ihrer ­Gesamtheit eine marktbeherrschende Stellung einnehmen. Nach der Rechtsprechung des EuGH können „mehrere Unternehmen“ Normadressaten des Art. 102 AEUV sein, wenn sie in wirtschaftlicher Hinsicht auf einem bestimmten Markt gemeinsam als kollektive Einheit auftreten oder handeln und diese kollektive Einheit marktbeherrschend ist.35 Eine kollektive Einheit liegt vor, wenn es zwischen den betreffenden Unternehmen wirtschaftliche Bindungen gibt, die es ihnen erlauben, gemeinsam unabhängig von ihren Konkurrenten, ihren Abnehmern und den Verbrauchern zu handeln.36 Der bloße Umstand, dass sie durch eine Vereinbarung oder eine abgestimmte Verhaltensweise i. S. v. Art. 101 AEUV miteinander verbunden sind, stellt für sich genommen allerdings keine ausreichende Grundlage für eine solche Feststellung dar. Sie kann sich aber aus der Natur und dem Wortlaut einer Vereinbarung, der Art ihrer Durchführung und folglich aus den daraus erwachsenden Bindungen zwischen den Unternehmen ergeben.37 Die notwendigen wirtschaftlichen Bindungen, die es ihnen ermöglichen, auf diesem Markt gemeinsam unabhängig von anderen Marktteilnehmern zu handeln, ergeben sich zum einen daraus, dass an den Vermarktungserlösen einzelner Mitglieder der Olympischen Bewegung andere Mitglieder beteiligt werden. So kehrt das OK im Fall eines Überschusses einen Teil der Erlöse an 34  Vgl.

Regel 1 Nr. 1 OC.

35  Vgl. Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, Bd. 1, 6. Aufl., Art. 102

Rz.  121 m. w. N. 36  Vgl. EuGH, Urt. v. 16.2.2000 – verb. Rs C-395/96 P und C-396/96 P, Rz. 42 ff. – Compagnie maritime belge. 37  Vgl. EuGH, Urt. v. 16.2.2000 – verb. Rs. C-395/96 P und C-396/96 P, Rz. 44 – Compagnie maritime belge.

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das IOC aus, das wiederum einen erheblichen Teil seiner Vermarktungserlöse u. a. an das OK, die NOKs und die IFs ausschüttet.38 Zum anderen folgen sie aus der Durchführung der Olympischen Charta, die sie alle als bindend anerkannt haben und die ihnen insoweit konkrete Zuständigkeiten zuweist, deren Nichteinhaltung durch das IOC sanktioniert werden kann. Danach ist hinsichtlich der Vermarktung beispielsweise vorgesehen, dass die OKs die jeweilige Gastgeberstadt als Veranstaltungsort,39 die NOKs die Olympiamannschaft ihres Landes40 und das IOC u. a. die Berichterstattungsrechte für die Spiele vermarkten.41 Sofern sich einzelne Mitglieder nicht an die in der Olympischen Charta vorgesehenen Zuständigkeiten für die Ausrichtung der Olympischen Spiele halten, kann dies durch das IOC als oberste Autorität der Olympischen Bewegung sanktioniert werden, gegenüber den NOKs z. B. durch Suspendierung oder den Entzug der Anerkennung und gegenüber den OKs durch den Entzug des Rechts, die Olympischen Spiele auszurichten.42 Zudem wird durch das Erfordernis der Zustimmung des „Heimat-NOK“ und die Berücksichtigung von „Opt-out“-Entscheidungen einzelner NOKs auch die umfassende Beachtung abweichender strengerer Regeln eines NOK in Bezug auf Werbung i. S. v. Regel 40 DF Nr. 3 OC bzw. eines vollständigen Verbots solcher Werbung sichergestellt.43 Den Mitgliedern der Olympischen Bewegung wird dadurch eine einheitliche Verhaltenslinie vorgegeben, die sie beachten. Vor diesem Hintergrund könnten die Mitglieder der Olympischen Bewegung auch als wettbewerbliche Einheit44 angesehen werden, die als solche ebenso Normadressat des § 19 GWB sein kann. Hierfür sprachen bei einer vorläufigen Betrachtung die finanziellen und personellen Verbindungen45, die einheitliche Führung durch das IOC und die vertraglichen Bindungen über die Anerkennung der Olympischen Charta durch alle Mitglieder. Dies musste im Verfahren jedoch nicht weiter geprüft werden. Denn mit der Aufnahme der Formulierung „eines oder mehrere Unternehmen“ in § 19 GWB sollte 38  Vgl.

BKartA, Beschl. v. 25.2.2019 – B2-26/17, Rz. 16. Regel 50 DF Nr. 4 OC. 40  Vgl. Regel 27 Ziff. 7.2 OC. 41  Vgl. Regel 48 OC. 42  Vgl. Regel 59 Ziffer 1.5, 1.6 OC. 43  Vgl. BKartA, Beschl. v. 25.2.2019 – B2-26/17, Rz. 61. 44  Vgl. BKartA, Beschl. v. 31.3.2015 – B2-96/14, S. 15 ff. – Edeka/Tengelmann. 45  So müssen den NOKs die IOC Mitglieder des jeweiligen Landes angehören, sofern es solche gibt (vgl. Regel. 28 OC). Die nationalen olympischen Sportverbände sind zum einen Mitglieder ihres jeweiligen NOK und gehören zum anderen einem vom IOC anerkannten IF an (vgl. Regel 29 OC) Dem Organisationskomitee für die Olympischen Spiele müssen stets auch die IOC Mitglieder des jeweiligen Gastgeberlandes angehören (vgl. Regel 35 DF Nr. 2 OC). 39  Vgl.



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eine Angleichung an das europäische Recht vorgenommen werden46, so dass die Grundsätze zur kollektiven Einheit auch für das nationale Recht herangezogen werden konnten. Die Marktbeherrschung dieser kollektiven Einheit ergibt sich aus der faktischen Alleinstellung bzgl. der Inhaberschaft an den vermarktbaren Rechten der Olympischen Bewegung.47 Die Mitglieder der Olympischen Bewegung haben somit als kollektive Einheit auf dem relevanten weltweiten Markt für die Organisation und Vermarktung der Olympischen Spiele eine kollektiv beherrschende Stellung und sind gemeinsam Norm­ adressaten von Art. 102 AEUV, § 19 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 Nr. 1 GWB.

3. Missbräuchliches Verhalten Der DOSB hat auf der Grundlage der Regelungen des DOSB-Leitfadens 2016 über die Erteilung der Ausnahmegenehmigungen vom grundsätzlichen Werbeverbot nach Regel 40 DF Nr. 3 OC entschieden, wenn sich die be­ absichtigten Werbemaßnahmen ausschließlich auf das Gebiet Deutschlands beschränkten, und die Einhaltung der IOC-Guidelines 2016 zu Regel 40 DF Nr. 3 durch die Mitglieder der deutschen Olympiamannschaft überwacht. Dadurch könnte er andere Unternehmen in ihren Wettbewerbsmöglichkeiten unbillig behindert haben (§ 19 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 Nr. 1 GWB, Art. 102 AEUV). Aufgrund der geschilderten Schwierigkeiten, nach Maßgabe des DOSB-Leitfadens 2016 eine Ausnahmegenehmigung für Werbemaßnahmen während der frozen period zu erhalten, ist es naheliegend, dass insbesondere deutsche Athleten in ihrer Möglichkeit beeinträchtigt wurden, neue Sponsoren zu finden und so ihre sportliche Leistung zu vermarkten, die mit ihrer Olympiateilnahme in der Regel erheblich aufgewertet wird. Athleten üben, soweit sie ihre sportliche Leistung – z. B. durch ein Sponsoring – vermarkten, eine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit aus und sind somit Unternehmen im kartellrechtlichen Sinne. Ebenso ist davon auszugehen, dass (potentielle) Sponsoren in ihren Werbemöglichkeiten beeinträchtigt wurden, da während der frozen period sportbezogene Werbemaßnahmen im Zusammenhang mit der Olympiade im Ergebnis nur noch als offizieller Olympia-Sponsor möglich waren. Die Sponsoren konnten also nicht auf das Sponsoring einzelner Sportler, die an den Olympischen Spielen teilnehmen, ausweichen. Auch Sponsoren, die ihre Produkte oder Dienstleistungen bewerben und zu diesem Zweck u. a. Sponsoringverträge mit Athleten abschließen (wollen), sind insoweit Unternehmen im kartellrechtlichen Sinne. Von der Wettbewerbsbehinderung betroffen ist ein Markt für Sportsponsoring (oder ein ggf. enger abzugrenzender Sponsoringmarkt). Im Hinblick auf 46  Vgl.

RegBegr der 6. GWB-Novelle, BT-Drucks. 13/9720, S. 51. Beschl. v. 25.2.2019 – B2-26/17, Rz. 58.

47  BKartA,

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Ziele und Zielgruppen beim Sportsponsoring ist von einem gesonderten Markt auszugehen, der andere Sponsoringformen wie z. B. das Kunst- oder Kultursponsoring nicht umfasst. Dieser sachliche Markt könnte einerseits enger zu fassen sein, sofern weiter nach Sportarten zu differenzieren ist. Dies wäre der Fall, wenn sich die im Rahmen eines Sponsorings umzusetzenden Marketingkonzepte nur für eine bestimmte Sportart realisieren lassen. Auch könnte eine weitere Differenzierung danach in Betracht kommen, ob Verbände, Vereine, Mannschaften oder einzelne Sportler gesponsert werden.48 Andererseits könnte der Markt für Sportsponsoring auch weiter abzugrenzen sein, wenn und soweit eine Substituierbarkeit mit anderen Formen sportbezogener Werbung gegeben ist, z. B. über Werbeflächen in Sportstadien. Unbeschadet dessen dürfte das Sponsoring bestimmter Sportveranstaltungen wie die Olympischen Spiele, hinsichtlich derer aufgrund ihrer Alleinstellungsmerkmale eine Austauschbarkeit mit anderen Sportveranstaltungen ausgeschlossen erscheint, jeweils einen separaten Markt darstellen.49 Letztlich kann die genaue Abgrenzung des betroffenen Drittmarktes für die Zwecke der Missbrauchskontrolle hier offen bleiben, da ein Nachweis konkreter nachteiliger Marktfolgen für die Annahme eines Behinderungsmissbrauchs nicht erforderlich ist, seit die Verbotsnorm als Regelbeispiel unter § 19 GWB aufgenommen worden ist. Sowohl für Art. 102 AEUV als auch für die im Zuge der Interessenabwägung nach § 19 GWB vorzunehmende Prüfung der Spürbarkeit genügen auch potentielle nachteilige Auswirkungen auf den Wettbewerb50, die hier unabhängig von der genauen Marktabgrenzung bejaht werden können. Zwar werden Regel 40 DF Nr. 3 OC und die Regeln des DOSB-Leitfadens 2016 nicht von allen Mitgliedern der Olympischen Bewegung, sondern nur von IOC und DOSB gegenüber den deutschen Athleten durchgesetzt. Für eine Anwendung des Art. 102 AEUV genügt es jedoch, dass sich die individuellen Verhaltensweisen eines Mitgliedes der kollektiven Einheit als eine Ausprägung der kollektiv beherrschenden Stellung darstellen, d. h. auf diese zurückzuführen sind.51 Ebenso erscheint eine Anwendung des § 19 GWB in Anlehnung an vergleichbare Fälle oligopolistischer Marktbeherrschung gerechtfertigt, wenn ein einzelnes Mitglied einer marktbeherrschenden wettbewerblichen Einheit handelt, die u. a. durch eine einheitliche Unternehmensstrategie und das wettbewerbliche Verhalten vereinheitlichende VertragsbeHeermann, WRP 2009, 285, 291 f. Heermann, WRP 2009, 285, 292. 50  Vgl. Nothdurft, in: Langen/Bunte, Kartellrecht – Band 1 Deutsches Kartellrecht, 13. Aufl., § 19 Rz. 293 m. w. N. 51  Vgl. EuG, Urt. v. 7.10.1999 – Rs. T-228/97, Rz. 66 – Irish Sugar; EuGH, Urt. v. 30.9.2003 – Rs. T-191/98, T 212/98 bis T-214/98, Rz. 633 – Atlantic Container. 48  Vgl. 49  Vgl.



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stimmungen gekennzeichnet ist.52 Dies ist hier der Fall. Durch das Erfordernis der Zustimmung des „Heimat-NOK“ stellen NOKs mit strengeren Werberegeln oder einem Totalverbot sicher, dass die von ihnen nominierten Athleten diese Vorgaben auch außerhalb ihres Territoriums beachten müssen. Durch die Möglichkeit des „Opt-out“ können NOKs bei internationalen Anträgen auf ihrem Territorium strengere Regeln oder sogar ein vollständiges Werbeverbot gilt. In Anbetracht dessen wirkt sich das Vorgehen von IOC und DOSB gegenüber den deutschen Athleten und ihren Sponsoren genauso aus wie ein Vorgehen aller Mitglieder der Olympischen Bewegung und stellt sich als eine Ausnutzung der marktbeherrschenden Stellung der kollektiven Einheit dar.

4. Berücksichtigung der Besonderheiten des Sports (Meca-Medina-Kriterien) Regel 40 DF Nr. 3 OC und die Regelungen des DOSB-Leitfadens 2016 fallen in den Anwendungsbereich von Art. 102 AEUV und § 19 GWB. In seiner Entscheidung Meca-Medina hat der EuGH klargestellt, dass Regelungen eines Sportverbands, sobald sie als Teil des Wirtschaftslebens einzustufen sind, grundsätzlich der Anwendung der Gemeinschaftsvorschriften – und zwar auch der Regeln über den Wettbewerb – unterliegen. Die Qualifikation einer Regel als „rein sportbezogen“ reicht demnach nicht, um den Athleten, der die dieser Regel unterliegende Sportart ausübt, oder den Sportverband, der sie anwendet, aus dem Geltungsbereich des EU-Kartellrechts auszunehmen.53 Den Besonderheiten des Sports ist aber fallweise in der Rechtsanwendung Rechnung zu tragen, indem der Gesamtzusammenhang der Regelungen, deren Wirkungen und insbesondere deren Zielsetzungen gewürdigt werden. Voraussetzung für eine Ausnahme von der Anwendung der Art. 101, 102 AEUV ist danach, dass die Regel legitimen Zielen dient und die Beschränkung oder Behinderung des Wettbewerbs der Verfolgung dieser legitimen Ziele inhärent sowie verhältnismäßig ist.54 Auch im deutschen Recht unterliegen Regelungen eines Sportverbands der Anwendung des Kartellrechts, wie sich aus der Pechstein-Entscheidung des BGH ergibt, in der es um die 52  BKartA, 53  Vgl.

dina.

Beschl. v. 25.2.2019 – B2-26/17, Rz. 89 m. w. N. EuGH, Urt. v. 18.7.2006  – Rs. C-514/04 P, Rz. 22 ff., 27, 33  – Meca-Me-

54  Vgl. EuGH, Urt. v. 18.7.2006 – Rs. C-514/04 P, Rz. 42 ff. – Meca-Medina. Die genannten Kriterien wurden zwar im Rahmen der Prüfung der Anwendbarkeit von Art. 81 EG a. F. aufgestellt. Da in den Rz. 31 ff. des Urteils aber wiederholt Art. 81 EG und Art. 82 EG genannt werden, ist davon auszugehen, dass sie ebenso in Bezug auf die Anwendbarkeit von Art. 82 EG a. F. gelten sollen.

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Wirksamkeit einer Schiedsgerichtsklausel nach deutschem Kartellrecht ging. Die Berücksichtigung der Besonderheiten des Sports erfolgte im Rahmen der nach § 19 GWB a. F. vorzunehmenden Interessenabwägung.55 In Fällen, in denen das missbilligte Verhalten – wie hier – geeignet ist, den zwischenstaatlichen Handel zu beeinträchtigen, sind insoweit die Meca-Medina-Kriterien zu berücksichtigen, so dass die Prüfung nicht zu unterschiedlichen Ergebnissen führt. a) Verfolgung legitimer Ziele Legitime Ziele, die ein Sportverband mit seinen Regeln verfolgen kann, sind regelmäßig solche, die sich auf die Organisation sowie den ordnungsgemäßen Ablauf eines sportlichen Wettkampfs beziehen und einen fairen Wettkampf zwischen den Sportlern sicherstellen sollen. Hierzu gehören z. B. die Gewährleistung der Chancengleichheit und die Gesundheit der Sportler sowie die Ehrlichkeit, die Objektivität und die ethischen Werte des Sports.56 Nach der Rechtsprechung des EuGH zu den Grundfreiheiten des Vertrags können nur nicht-wirtschaftliche Ziele eine Wettbewerbsbeschränkung rechtfertigen. Der Schutz wirtschaftlicher oder finanzieller Interessen stellt demnach grundsätzlich kein legitimes Ziel i. S. v. Meca-Medina dar.57 aa) Verhinderung von Ambush Marketing Den Gründen, die für das Werbeverbot in Regel 40 DF Nr. 3 OC angeführt werden, lässt sich entnehmen, dass damit sog. Ambush Marketing verhindert werden soll, um die Finanzierung der Olympischen Spiele und damit deren regelmäßige Veranstaltung sicherzustellen. Einer uneingeschränkten Anerkennung dieser Erwägung als legitimes Ziel steht aber die vom IOC vertretene weite Definition von Ambush Marketing entgegen, die auch solche Werbemaßnahmen erfasst, die weder eine gegen gesetzliche Bestimmungen (insbesondere das Marken-, Urheber- und Lauterkeitsrecht) verstoßende Nutzung von Marken oder anderen Kennzeichen des Veranstalters noch irre­ führende Hinweise auf die Sponsorenstellung des Werbenden beinhaltet. Es werden also insbesondere auch Werbeaktivitäten erfasst, die lediglich im Umfeld des Events stattfinden oder einen Konnex herstellen. Diese Werbung muss der Veranstalter eines (Sport-)Großereignisses aber grundsätzlich hinnehmen, soweit nicht ausnahmsweise schuldrechtliche Rücksichtnahme- und 55  Vgl.

BGH, Urt. v. 7.6.2016 – KZR 6/15, Rz. 58 ff. – Pechstein. EuGH, Urt. v. 18.7.2006 – Rs C-514/04 P, Rz. 43, 45 – Meca-Medina. 57  Vgl. EU-Kommission, Entscheidung v. 8.12.2017  – Case AT.40208, Rz. 220 m. w. N. – International Skating Union’s Eligibility Rules. 56  Vgl.



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Kooperationspflichten bestehen. Da die Veranstaltung als solche im deutschen Recht keinen Leistungsschutz genießt, kann er die mit dem Ereignis verbundene öffentliche Aufmerksamkeit nicht dergestalt gegenüber Dritten bzw. Nicht-Sponsoren abschotten, dass er jedwede werbliche Bezugnahme unterbindet. Die Verhinderung von Ambush Marketing kommt als legitimes Ziel daher nur in Betracht, wenn und soweit sie sich auf Werbemaßnahmen bezieht, in denen unter Verstoß gegen gesetzliche Bestimmungen Kennzeichen des Veranstalters verwendet werden oder irreführende Hinweise in ­Bezug auf die Sponsorenstellung des Werbenden erfolgen. Da die Athleten Mitglieder der deutschen Olympiamannschaft und Teilnehmer der Olympischen Spiele sind, können außerdem Marketingaktivitäten, die eine schuldrechtliche Kooperations- oder Rücksichtnahmepflicht gegenüber IOC oder DOSB verletzen, als Ambush Marketing anzusehen sein. Diese Werbemaßnahmen, die unter den engeren Begriff des Ambush Marketing fallen, sind letztlich ein Trittbrettfahren der Athleten und ihrer Sponsoren auf der Wertschätzung der Olympischen Spiele, In der ISU-Entscheidung hat die EUKommission aber festgestellt, dass die Verhinderung von „free-riding“ grundsätzlich kein legitimes Ziel i. S. d. Meca-Medina-Kriterien darstellt, sondern es sich hierbei um einen Effizienzeinwand i. S. v. Art. 101 Abs. 3 AEUV handelt.58 Demnach wäre dieser Einwand bei einer Prüfung von Art. 102 AEUV erst im Rahmen der objektiven Rechtfertigung zu berücksichtigen. Dies ließe jedoch unberücksichtigt, dass die Verhinderung von Ambush Marketing nicht allein im Hinblick auf die damit verbundenen wirtschaftlichen Fehlallokationen erfolgt, sondern zudem der Sicherstellung der regelmäßigen Veranstaltung der Olympischen Spiele dient, die auch über die olympischen Sponsoringprogramme finanziert werden. Da die Teilnahme an den Olympischen Spielen aufgrund des besonderen Formats als sportartenund nationenübergreifender Wettkampf und der hohen medialen Aufmerksamkeit von den Athleten vieler Sportarten nicht durch die Teilnahme an anderen Sportwettkämpfen ersetzt werden kann, stellt die Sicherstellung ihrer regelmäßigen Veranstaltung eine zumindest auch sportbezogene Zielsetzung dar, die eine Ausnahme von der Anwendung des Kartellrechts rechtfertigen könnte. Dem ließe sich auch nicht entgegenhalten, dass die Stadt, die die Olympischen Spiele ausrichtet, einen erheblichen Teil der Organisations­ kosten übernimmt oder die Einnahmen des IOC aus der Vermarktung der Rundfunk-und Fernsehübertragungsrechte ausreichend seien. Vielmehr muss es den Mitgliedern der Olympischen Bewegung möglich sein, auf verschiedenen Wegen Einnahmen zur Deckung der auf sie entfallenden Kosten zu erzielen. 58  Vgl. EU-Kommission v. 8.12.2017  – Case AT.40208, Rz. 224  – International Skating Union’s Eligibility Rules.

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bb) Sicherung des olympischen Solidaritätsmodells Weiter wird von Befürwortern des Werbeverbots in Regel 40 DF Nr. 3 OC geltend gemacht, es sei zur Sicherstellung der Chancengleichheit und damit der Bewahrung der Nachhaltigkeit der Olympischen Spiele erforderlich. Durch die Umverteilung der olympischen Vermarktungseinnahmen im Rahmen des olympischen Solidaritätsmodells werde gewährleistet, dass alle geeigneten Athleten weltweit tatsächlich an den Spielen teilnehmen könnten, unabhängig von der finanziellen Ausstattung ihres jeweiligen „HeimatNOK“. Zwar ist es grundsätzlich denkbar, dass die Sicherung des Fortbestands eines Solidaritätsmodells, in dem Einnahmen entweder horizontal (z. B. zwischen allen Vereinen, die an einem Wettkampf teilgenommen haben) oder vertikal (z.  B. zwischen professionellen Sportlern und Amateursportlern) umverteilt werden, ein legitimes Ziel i. S. d. Meca-Medina-Rechtsprechung darstellen kann.59 Das EFTA-Gericht hat im Fall Kristoffersen jedoch entschieden, dass Werbebeschränkungen zwecks Finanzierung eines Solidarsystems, die zu einem Ausschluss der Eigenvermarktung und einer zwingenden Gemeinschaftsvermarktung führen, nur als verhältnismäßig angesehen werden können, wenn die Athleten an den Einnahmen aus den Vermarktungsaktivitäten angemessen beteiligt werden.60 Diese Sichtweise trägt dem Bild des Berufssportlers Rechnung, der durch seine sportliche Leistung zum Gelingen des Wettkampfs maßgeblich beiträgt. Er muss folglich die Möglichkeit haben, mit dieser Leistung auch eigene Einnahmen zu erzielen, und kann nicht ausschließlich auf die Gewährung von Unterkunft, Verpflegung sowie sportlicher und medizinischer Betreuung während der Dauer des Wettkampfs verwiesen werden. Auf dieser Grundlage kann der Schutz eines Solidarmodells nur dann als legitimes Ziel anerkannt werden, wenn das System und die dadurch finanzierte Förderung für die Athleten, die durch ihre Leistung dazu beitragen, hinreichend transparent ist. Um zu beurteilen, ob ihre Beteiligung angemessen ist, müssen sie nicht nur nachvollziehen können, welche Einnahmen erzielt worden sind, sondern auch, ob diese Einnahmen – zumindest zum weit überwiegenden Teil – tatsächlich Athleten zu Gute gekommen sind, die in Bezug auf ihre Chancen auf eine Teilnahme an den Olympischen Spielen benachteiligt sind. 59  Vgl. EU-Kommission v. 8.12.2017 – Case AT.40208, Rz. 222, 246 ff. – International Skating Union’s Eligibility Rules. 60  Vgl. Entscheidung des Efta-Gerichtshofs v. 16.11.2018  – Case E-8/17, Rz. 118 ff. – Henrik Kristoffersen ./. Norwe-gian Ski Federation. Verhältnismäßigkeit kann danach nur angenommen werden, wenn die Athleten an den Einnahmen aus den Vermarktungsaktivitäten, die sie aufgrund der zwangsweisen Gemeinschaftsvermarktung nicht individuell vornehmen können, angemessen beteiligt werden (vgl. Rz. 124).



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Eine solche Transparenz ist beim Olympischen Solidaritätsmodell in Anbetracht der aggregierten und pauschalen Angaben zur Höhe und zur Verwendung der Vermarktungseinnahmen aus den Olympischen Spielen derzeit nicht gegeben. Erschwerend kommt hinzu, dass die Förderung mittelbar erfolgt, d. h. die Gelder werden in einem ersten Schritt an die NOKs und an das insoweit eingerichtete Komitee ausgezahlt, die in einem zweiten Schritt über die konkreten Fördermaßnahmen entscheiden.61 cc) Schutz vor einer Überkommerzialisierung der Olympischen Spiele Dass mit dem olympischen Werbeverbot im Interesse einer Fokussierung auf die sportliche Leistung der Athleten eine Überkommerzialisierung vermieden werden soll, überzeugt ebenfalls nicht. Dem steht bereits entgegen, dass die Olympische Bewegung – wie sich aus verschiedenen Empfehlungen der „Olympic Agenda 2020“ ergibt62 – selbst die eigene Kommerzialisierung der Olympischen Spiele intensiviert und erweitert. b) Inhärenz und Verhältnismäßigkeit Den Regelungen zur Verhinderung von Ambush-Marketing während der frozen period ist eine Beschränkung der Werbemöglichkeiten der Athleten und ihrer Sponsoren inhärent. Angesichts der sehr weitgehenden Einschränkungen durch die Regelungen des DOSB-Leitfadens 2016, die weiterhin zu einem vollständigen oder zumindest sehr weitgehenden Ausschluss der Eigenvermarktung für die viele Athleten führte, war eine Verhältnismäßigkeit nach Auffassung des Bundeskartellamts indes nicht gegeben.

IV. Zusagenentscheidung des Bundeskartellamtes Im Verfahren vor dem Bundeskartellamt wurde im Zuge von Verhandlungen daher ein neuer DOSB-Leitfaden erstellt und dem Bundeskartellamt vom DOSB zugesagt. Das IOC hat zugesagt, dass die Regelungen in diesem Leitfaden für deutsche Athleten auch etwaigen Regelungen auf internationaler Ebene vorgehen. Das Bundeskartellamt hat diese Zusagen durch eine Entscheidung nach § 32b GWB für verbindlich erklärt.63 61  Vgl.

BKartA, Beschl. v. 25.2.2019 – B2-26/17, Rz. 103. z. B. Empfehlung 19: Start eines olympischen Fernsehkanals, Empfehlung 33: weitere Beteiligung der TOP-Sponsoren an „Olympism in Action“-Programmen und Empfehlung 35: Förderung des Engagements der TOP-Sponsoren mit den NOKs. 63  BKartA, Beschl. v. 25.2.2019 – B2-26/17, Rz. 37 f.. 62  Vgl.

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1. Geltungsbereich Ein schwieriger Punkt war, wie man den Geltungsbereich der Zusagen von IOC und DOSB so begrenzt, dass sie keine extraterritorialen Wirkungen entfalten. Denn die Vermarktungsprobleme stellen sich für viele Athleten auf der ganzen Welt, während die Entscheidungen des Bundeskartellamts nach dem Auswirkungsprinzip (§ 185 GWB) auf das Gebiet der Bundesrepublik zu begrenzen sind. Vor allem das Olympiaschutzgesetz ist ein deutsches ­Gesetz, das anders als z. B. das Marken- oder Urheberrecht nicht auf einer europäischen Harmonisierung beruht. Zunächst hatten die Zusagen an die Werbemaßnahme angeknüpft und vorgesehen, dass die Werbemaßnahme ausschließlich auf Deutschland ausgerichtet sein muss. In dem Markttest wurde aber die insoweit für Werbemaßnahmen im Internet und in Sozialen Medien vorgesehene Regelung von Athleten und Sponsoren vielfach als unklar bzw. problematisch angesehen.64 In diesem Zusammenhang wurde von verschiedenen Athleten darauf hingewiesen, dass es wichtig für sie sei, in sozialen Medien auch in Englisch kommunizieren zu können. Daher hat das Bundeskartellamt nach einem klar abgrenzbaren Kriterium gesucht und an die Nationalität der Teilnehmer angeknüpft.65 Der Anwendungsbereich des aktuellen DOSB-Leitfadens ist auf Individualwerbung der Mitglieder des Team Deutschland beschränkt. Da die deutschen Athleten überwiegend schwerpunktmäßig im eigenen Land bekannt sind, wird bereits auf diese Weise ein Bezug zu Deutschland weitgehend sichergestellt. Erfasst werden solche Werbemaßnahmen der Mitglieder des Team Deutschland mit eigenen Sponsoren, die auf Deutschland zielen und nicht über das deutschsprachige Ausland (Schweiz, Österreich) hinauswirken.66 Für internationale Werbemaßnahmen gelten dagegen die jeweils gültigen IOC Guidelines zu Regel 40. Dabei handelt es sich um Werbung, die zusätzlich zu Deutschland auf mindestens ein nichtdeutschsprachiges Land zielt. Bei solchen Werbemaßnahmen ist zwar ebenfalls ein nationaler Athlet betroffen, die Werbekampagne ist aber international ausgerichtet und zielt auf den Werbemarkt in mehreren Ländern. Da dann eine Vielzahl von Ländern die Befugnis zur Beurteilung für sich beanspruchen könnte und hier divergierende Beurteilungen aufgrund unterschiedlicher Vorstellungen und Richt­ linien getroffen werden könnten, macht es Sinn, dass über solche Werbekampagnen der IOC für alle betroffenen Länder urteilt. Auch wenn hier ein deutscher Athlet betroffen sein könnte, ist es sinnvoll, dass dieser sich bei 64  BKartA,

Beschl. v. 25.2.2019 – B2-26/17, Rz. 128. Beschl. v. 25.2.2019 – B2-26/17, Rz. 130 ff. 66  BKartA, Beschl. v. 25.2.2019 – B2-26/17, Rz. 132. 65  BKartA,



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internationalen Werbekampagnen Genehmigungen in möglicherweise über 100 Ländern einholen müsste, sondern nur beim IOC.

2. Anmeldung und Genehmigung Einer der Hauptkritikpunkte in dem Verfahren war gerade zu Beginn das langwierige und umständliche Anmeldeverfahren beim DOSB. Die deutschen Athleten waren verpflichtet, alle werblichen Aktivitäten und alle Social Media-Aktivitäten, die sie mit eigenen Sponsoren während der Olympischen Spiele durchführen wollten, mehr als drei Monate vorher beim DOSB an­ zumelden (für die Spiele in Rio bis 6.4.2016) und den Erhalt einer Genehmigung abzuwarten. Die Werbemaßnahmen und Social-Media-Aktivitäten mussten auch bereits vom Sponsor konzeptioniert sein. Anfang April 2016 hatte jedoch noch keine Nominierungsrunde des DOSB für die Teilnahme an den Olympischen Spielen 2016 stattgefunden, so dass viele Athleten zum Zeitpunkt des Fristablaufs noch gar nicht wussten, ob sie überhaupt teilnehmen würden. Individualsponsoren – insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen ohne eigene Marketingabteilung – war es auf dieser Grundlage zumeist nicht möglich oder sie waren nicht dazu bereit, Werbemaßnahmen und Social Media-Aktivitäten mit diesen Athleten bis zum Anfang April 2016 zu planen, so dass eine rechtzeitige und vollständige Anmeldung häufig gar nicht möglich war. In den Verhandlungen mit IOC und DOSB wurde schließlich ein Verzicht auf eine Vorabgenehmigung erreicht. Deutsche Athleten sind nicht mehr verpflichtet, Werbemaßnahmen, die sie während der frozen period mit ihren eigenen Sponsoren durchführen möchten, vorher beim DOSB anzumelden und eine Genehmigung hierfür einzuholen.67 Wenn sie aber etwaige Streitigkeiten vermeiden und Gewissheit darüber haben wollen, ob diese Werbemaßnahmen mit den Vorgaben des aktuellen DOSB-Leitfadens übereinstimmen, haben sie die Möglichkeit, sie dem DOSB zur Prüfung vorzulegen. Geschieht dies bis spätestens 21 Tage vor Beginn der Spiele (Eröffnungsfeier), so wird der DOSB dem deutschen Athleten spätestens einen Tag vor der Eröffnungsfeier schriftlich oder per Mail mitteilen, ob die beabsichtigte Werbung nach seiner Beurteilung zulässig ist oder nicht. Erfolgt eine solche Mitteilung nicht, greift eine sog. Zustimmungsfiktion, d. h. die Zustimmung des DOSB zur Durchführung der Werbemaßnahme und damit ihre Übereinstimmung mit den Vorgaben des aktuellen DOSB-Leitfadens werden fingiert. Zudem entfällt die Beschränkung auf individuelle Werbemaßnahmen, die zu Beginn der frozen period bereits seit einer bestimmten Zeit laufen. Werbung deutscher 67  BKartA,

Beschl. v. 25.2.2019 – B2-26/17, Rz. 136.

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Athleten mit eigenen Sponsoren kann nun auch während der laufenden Spiele gestartet werden.68

3. Verwendung von Symbolen und Bezeichnungen Materiell waren die sehr umfassende Liste von Symbolen und Bezeichnungen, die die Athleten in Werbemaßnahmen und Social-Media-Aktivitäten nicht verwenden durften, ein Hauptpunkt der Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Wettbewerbsbeschränkung und damit auch der Verhandlungen zwischen IOC/DOSB und Bundeskartellamt. Denn das IOC hatte auch die ­Nutzung von insgesamt 33 sog. olympiabezogener Begrifflichkeiten untersagt. Dies waren zum einen vom IOC als EU-Marken für (fast) alle Warenund Dienstleistungsklassen eingetragene Begriffe „Rio 2016“, aber auch die ­Jahreszahl „2016“ alleine. Zum anderen waren etliche weitere Begriffe des allgemeinen Sprachgebrauchs, die im Rahmen der Werbung für Sportler und Sportveranstaltungen häufig verwendet werden könnten, untersagt wie „Sommer“, „Spiele“, „Podest“, „Medaille“, „Gold“, „Silber“ und „Bronze“. Die IOC Guidelines 2016, die die Mitglieder der deutschen Olympiamannschaft gemäß der Athletenvereinbarung ebenfalls zu beachten hatten, enthielten weitere verbotene Begriffe in englischer Sprache wie „effort“, „performance“ und „victory“. Da diese Liste nur beispielhaft war („… include the following …“), konnten die deutschen Athleten und ihre Sponsoren zudem nicht sicher davon ausgehen, dass andere, dort nicht genannte Begriffe zulässig waren und von ihnen im Rahmen individueller Werbemaßnahmen verwendet werden konnten. Das führte teilweise dazu, dass Athleten während der olympischen Spiele ihre Social-Media-Aktivitäten komplett einstellten.69 Diese Verbote erschienen dem Bundeskartellamt unverhältnismäßig und damit nach vorläufiger Auffassung auch wettbewerbswidrig.70 Es handelt sich um Begriffe der Alltagssprache, hinsichtlich derer es keine Schutzrechte der Beteiligten gibt und aufgrund ihrer Freihaltebedürftigkeit auch nicht geben kann. So ist z. B. nicht nachvollziehbar, warum der jeweilige Ort, an dem die Spiele stattfinden, nicht isoliert für die Werbung genutzt werden kann. In dem Missbrauchsverfahren des Bundeskartellamtes wurde schließlich nach dem Markttest und nach weiteren intensiven Verhandlungen die Verwendung eines Großteils der bisher verbotenen olympiabezogenen Begriffe erlaubt. 68  BKartA,

Beschl. v. 25.2.2019 – B2-26/17, Rz. 137. Süddeutsche Zeitung v. 2.6.2019: Wer „Medaille“ twittert, wird bestraft, https://www.sueddeutsche.de/sport/social-media-bei-olympia-wer-medaille-tweetetwird-bestraft-1.3103748; Brown Political Review v. 16.11.2016: Olympic Pillage: Why Rule 40 needs to go, http://brownpoliticalreview.org/2016/11/olympic-pillagerule-40-needs-go/ (beide Links Abruf am 05.02.2020). 70  BKartA, Beschl. v. 25.2.2019 – B2-26/17, Rz. 115, 117 f. 69  Vgl.



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Insbesondere „Medaille“, „Gold“, „Silber“, „Bronze“, „Sommerspiele“, „Win­terspiele“ oder „Leistung“, sowie englische Begriffe wie „effort“, „victory“ usw. können deutsche Athleten nunmehr verwenden und damit werben.71 Ebenso dürfen sie die Jahreszahl der jeweiligen Spiele und der Veranstaltungsort der jeweiligen Spiele jeweils einzeln benutzen, trotz der insoweit eingetragenen Markenrechte des IOC.72 Damit gehören zu den Symbolen und Bezeichnungen, die deutsche Athleten nicht verwenden dürfen, nur noch zum einen die durch das Olympiaschutzgesetz geschützten Symbole (fünf ineinander verschlungene Ringe) und Bezeichnungen (Olympiade, Olympia, olympisch, Olympionike) und zum anderen neben „Citius-Altius-Fortius“ die abschließend genannten Begrifflichkeiten „Veranstaltungsort + Jahreszahl der jeweiligen Spiele“ (z. B. Pyeongchang 2018), „Team Deutschland“, „Team D“ und „Team Germany“, unter denen die Beteiligten die Olympischen Spiele bzw. die deutsche Olympiamannschaft vermarkten (sog. Eventbezeichnun­ gen).73 In Anbetracht dessen erschien ein Verbot der Nutzung dieser abschließend benannten Eventbezeichnungen für die begrenzte Dauer der frozen period mit Blick auf (schuldrechtliche) Rücksichtnahme- und Koopera­ tionspflichten der Athleten verhältnismäßig.

4. Verwendung von Bildern und Videos Aus Sicht des Bundeskartellamtes war es auch unverhältnismäßig und damit nach vorläufiger Auffassung wettbewerbswidrig, dass deutsche Athleten keine Fotos oder Videos von sich an olympischen Veranstaltungsorten, insbesondere in Wettkampfstätten und im Olympischen Dorf, für individuelle Werbemaßnahmen mit ihren eigene Sponsoren nutzen durften.74 Dieses vollständige Verbot galt unabhängig davon, ob auf den Fotos olympische Symbole, Logos oder Bezeichnungen zu sehen waren. Die Klärung der Frage, welche Bilder und Videos die Athleten bei ihren werblichen Aktivitäten während der olympischen Spiele nutzen durften, stellte sich in den Verhandlungen als ziemlich schwierig heraus. Nach der Einigungslösung sind sie jedenfalls stark erweitert worden. Zunächst waren Bilder von Videos abzugrenzen, da für Videos wegen der Übertragungsrechte der Fernsehanstalten weiterreichende Beschränkungen gelten. Zu den Bildern gehören insoweit neben Einzelaufnahmen auch Serienbilder und Slide-shows, sofern nicht durch die 71  BKartA,

Beschl. v. 25.2.2019 – B2-26/17, Rz. 138. Beschl. v. 25.2.2019 – B2-26/17, Rz. 138. 73  Vgl. BKartA, Beschl. v. 25.2.2019 – B2-26/17, Rz.116 zur Rücksichtnahmeund Kooperationspflicht der Athleten in Bezug auf die Verwendung dieser Eventbezeichnungen während der frozen period. 74  BKartA, Beschl. v. 25.2.2019 – B2-26/17, Rz. 119. 72  BKartA,

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Art und die Geschwindigkeit der Darbietung beim Betrachter der Eindruck einer fließenden Bewegung entsteht. Videos sind dagegen bewegte Bilder. Bilder vom Athleten an olympischen Stätten können nunmehr verwendet werden, sofern die geschützten olympischen Bezeichnungen, Symbole oder Logos nicht sichtbar oder unkenntlich gemacht sind.75 Hinsichtlich der weiteren genauen Voraussetzungen ist zu unterscheiden, ob es sich um ein olympisches Wettkampfbild76 oder ein olympisches Nicht-Wettkampfbild77 handelt. Mit dieser Regelung wird dem besonderen Schutz, der den olym­ pischen Symbolen oder Bezeichnungen nach dem Olympiaschutzgesetz zukommt, Rechnung getragen.78 Solche Wettkampffotos kann der Athlet von einer ihm bekannten Person mit nicht-professioneller Fotoausrüstung erstellen lassen. Sie müssen dann vor einer Verwendung entsprechend bearbeitet werden, um die olympischen Logos, Symbole und Bezeichnungen unkenntlich zu machen. Die Einschränkungen in Bezug auf die Erstellung und Verwendung solcher Fotos, die sich aus den für die jeweiligen Spiele geltenden „Terms & Conditions of Ticket Purchase, Possession und Use“ ergeben,79 mit denen sich Zuschauer bei Ticketkauf einverstanden erklären müssen, oder die sich aus den „Accreditation Terms“ ergeben können, denen die Athle­ten zustimmen müssen, gelten insoweit nicht. Solange die Verwendung dem aktuellen DOSB-Leitfaden und den darin festgelegten Regeln ent75  BKartA,

Beschl. v. 25.2.2019 – B2-26/17, Rz. 139. Wettkampfbilder sind ausschließlich solche Fotos, auf denen der Athlet während der Wettkämpfe oder einer Zeremonie auf dem sog. Spielfeld abgebildet ist. „Spielfeld“ bezeichnet dabei den Bereich in den Wettkampfstätten, der für einen sportlichen Wettkampf oder eine Zeremonie genutzt wird, sowie die direkt daran angrenzenden Bereiche, von denen die Zuschauer für gewöhnlich durch eine eindeutige Abgrenzung getrennt sind. Die Ausführung und Spezifikation sind je nach Sportart unterschiedlich (z. B. Piste, Bahn, Spur, Platz, Feld, Ring etc.). 77  Olympische Nicht-Wettkampfbilder sind hingegen alle Fotos, auf denen der Athlet in anderen Bereichen einer Olympischen Stätte als dem „Spielfeld“ oder nicht während der Wettkämpfe abgebildet ist. Zu diesen anderen Bereichen gehören insbesondere das Deutsche Haus, das Olympische Dorf, die Trainings- und Übungsstätten, die Zuschauerbereiche für akkreditierte Personen sowie die sog. Back-of-House-Bereiche. „Back-of-House“ bezeichnet solche nicht-öffentlichen Bereiche innerhalb einer und/oder um eine Olympische Stätte herum, die hinter dem Akkreditierungspunkt liegen und im Allgemeinen der Unterstützung des Betriebs dienen. Diese befinden sich typischerweise außerhalb der Sicht der Öffentlichkeit und der Zugang ist auf Personen mit Akkreditierung beschränkt. Zu den Back-of-House-Bereichen zählen auch die nur für Athleten und Trainer reservierten Bereiche. 78  BKartA, Beschl. v. 25.2.2019 – B2-26/17, Rz. 141. 79  Vgl. z. B. Ziffer 5.3 und 5.4 der „PyeongChang 2018 Terms & Conditions of Ticket Purchase, Possession and Use“, https://library.olympic.org/Default/doc/SYRA CUSE/171868/pyeongchang-2018-terms-conditions-of-ticket-purchase-possessionand-use-the-pyeongchang-organising-c?_lg=en-GB (Abruf: 05.02.2020). 76  Olympische



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spricht, gestattet das IOC den deutschen Athleten, entsprechende Wettkampffotos zu verwenden, ohne dass es hierfür einer gesonderten Erklärung bedarf. Ferner können deutsche Athleten olympische Wettkampfbilder von sich bei einer für die Olympischen Spiele akkreditierten Presseagentur erwerben.80 Voraussetzung ist aber, dass es sich um sog. clean pictures handelt. Dies sind solche Fotos, auf denen entweder von vorneherein oder nach einer Bearbeitung im Wege des Cropping (Abschneiden von Bildrändern) durch die betreffende Presseagentur keine olympischen Logos, Symbole oder Bezeichnungen als solche erkennbar sind. Die Befragung von einigen der Presseagenturen, die bereits mehrfach bei Olympischen Spielen akkreditiert waren, hat bestätigt, dass eine nicht unerhebliche Anzahl solcher Fotos ­ ­während der Spiele erstellt wird, wenn auch abhängig von der jeweils zu tragenden Wettkampfkleidung. Hinsichtlich solcher von akkreditierten Presseagenturen erworbener clean pictures hat das IOC gegenüber allen Athleten eine generelle Zustimmung zur kommerziellen Verwendung erteilt. Olympische Nicht-Wettkampfbilder können die Mitglieder der deutschen Olympiamannschaft in anderen Bereichen einer Olympischen Stätte als dem sog. Spielfeld oder außerhalb der Wettkämpfe erstellen.81 Sie müssen jedoch in neutraler Kleidung aufgenommen werden, d. h. der Athlet darf weder die offizielle Olympiakleidung noch Kleidung mit dem Namen oder dem Logo seines Sponsors oder sonstigen Hinweisen auf dessen Produkte oder Dienstleistungen tragen. Das Tragen neutraler Kleidung für die Erstellung solcher Fotos stellt keinen Verstoß gegen die während der Olympischen Spiele geltende Kleiderordnung dar. Videos, die in olympischen Wettkampfstätten aufgenommen worden sind, können von Athleten dagegen nicht verwendet werden.82 Damit wird berücksichtigt, dass die Übertragungsrechte vom IOC bzw. der Olympischen Bewegung als Veranstalter vermarktet werden. Hingegen können die Mitglieder der deutschen Olympiamannschaft Videos von sich im Deutschen Haus, im Olympischen Dorf oder in den Back-of-HouseBereichen für individuelle Werbemaßnahmen verwenden, wenn die nach Maßgabe des aktuellen DOSB-Leitfadens zugunsten der Beteiligten geschützten Logos, Symbole oder Bezeichnungen nicht zu sehen oder unkenntlich gemacht worden sind.

80  BKartA,

Beschl. v. 25.2.2019 – B2-26/17, Rz. 142. Beschl. v. 25.2.2019 – B2-26/17, Rz. 143. 82  BKartA, Beschl. v. 25.2.2019 – B2-26/17, Rz. 144. 81  BKartA,

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5. Nutzung sozialer Medien Schließlich war auch eine Nutzung von Sozialen Medien für Individualwerbung durch die Athleten kaum möglich.83 Dies ergab sich weitgehend bereits daraus, dass es sich hierbei regelmäßig um Posts und Beiträge handelt, in denen auf den aktuellen Verlauf und die neuesten Ereignisse der Olympiade Bezug genommen oder auf diesbezügliche Posts und Beiträge anderer reagiert wird. Es handelte sich daher nicht um laufende Maßnahmen im Sinne des DOSB-Leitfadens 2016. Zudem war eine vorherige Anmeldung allenfalls „auf Vorrat“ für bestimmte potentielle Situationen möglich. Darüber hinaus sahen die Spielregeln 2016 – entsprechend den Social und Digital Media Guidelines 2016 – ein Verbot der kommerziellen Nutzung eigener Social-Media-Accounts vor. Da darunter jeder Post oder Beitrag fiel, durch den der Athlet einen Bezug zu seinem individuellen Sponsor herstellte, war Werbung der Athleten in ihren Social-Media-Accounts generell untersagt.84 Dieses Verbot von Individualwerbung über Soziale Medien der deutschen Athleten hat das Bundeskartellamt nach vorläufiger Auffassung ebenfalls als unverhältnismäßig angesehen.85 Nach den Verhandlungen haben DOSB und IOC daher zugesagt, dass Athleten in Sozialen Medien über ihre Olympiateilnahme kommunizieren dürfen, soweit darin keine zugunsten der Beteiligten geschützten Bezeichnungen oder Symbole und keine nicht zur werblichen Verwendung freigegebene Bilder oder Videos zu sehen sind.86 Unter diesen Voraussetzungen sind insbesondere auch Grußbotschaften oder Danksagungen an eigene Sponsoren sowie werbende Aussagen in persönlichen Erlebnisberichten – d. h. Berichte des Athleten in der Ich-Form über eigene Erlebnisse, Erfolge und Eindrücke bei den Olympischen Spielen – möglich. Darüber hinaus dürfen die Sportler Inhalte von IOC/OCOG/DOSB/Team Deutschland (auch Fotos) retweeten, reposten oder teilen und mit einer Grußbotschaft oder Danksagung an ihren Sponsor verbinden, wenn die Grußbotschaft oder Danksagung die Voraussetzungen für eine werbemäßige Nutzung erfüllt.

6. Sanktionen und Rechtsweg Bei Verstößen gegen die Regeln zu Werbemaßnahmen, zu deren Einhaltung die Athleten sich in der Athletenvereinbarung verpflichtet hatten, sah 83  Vgl. Süddeutsche Zeitung vom v. 2.6.2019: Wer „Medaille“ twittert, wird ­bestraft, https://www.sueddeutsche.de/sport/social-media-bei-olympia-wer-medailletweetet-wird-bestraft-1.3103748 (Abruf: 05.02.2020). 84  Vgl. BKartA, Beschl. v. 25.2.2019 – B2-26/17, Rz. 74. 85  BKartA, Beschl. v. 25.2.2019 – B2-26/17, Rz. 120. 86  BKartA, Beschl. v. 25.2.2019 – B2-26/17, Rz. 147.



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Art. 59 Abs. 2 OC weitreichende Sanktionsmöglichkeiten der Sportverbände gegenüber den Sportlern vor. Dazu gehörten unbeschadet weitergehender Schadensersatzansprüche der Ausschluss aus der Olympiamannschaft, die Rückzahlung von Entsendekosten, die Nichtzulassung zu bzw. der Ausschluss von den Olympischen Spielen oder die Aberkennung von Medaillen. Hinzu kam, dass ausschließlich der Rechtsweg zum Sportschiedsgericht (CAS) und nicht zu ordentlichen Zivilgerichten eröffnet war. Der BGH hat in seiner Pechstein-Entscheidung87 die Vereinbarung einer solchen ausschließlichen Sport-Schiedsgerichtsbarkeit mit dem CAS für zulässig erachtet: Der CAS stelle eine den ordentlichen Gerichten vergleichbare unabhängige und neu­ trale Instanz dar.88 Das Bundeskartellamt hatte sich an dem Verfahren nach § 90 GWB beteiligt und die wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit wegen des Machtungleichgewichtes der Verbände gegenüber den Athleten und einer möglicherweise nicht gewährleisteten Neutralität des CAS in Frage gestellt.89 Von den Athleten wurde die Sportschiedsgerichtsbarkeit wegen des damit für sie im Vergleich zu Verfahren vor deutschen Zivilgerichten verbundenen höheren Zeit- und Kostenaufwands vielfach als wenig erfolgversprechend oder sogar als abschreckend wahrgenommen wurde.90 Das Bundeskartellamt war in dem Verfahren gegen IOC/DOSB vorläufig der Ansicht, dass die materiellen Wettbewerbsbehinderungen durch das für den Fall eines Verstoßes durch einen Athleten bzw. seinen Sponsor vorgesehene Sanktionsregime, d. h. die möglichen Sanktionen und den Rechtsschutz dagegen, noch weiter verstärkt werden. Der Kernpunkt war, dass kommer­ zielle Beschränkungen der Werbemöglichkeiten mit sportbezogene Sanktionen belegt werden können. Dies erschien dem Bundeskartellamt unverhältnismäßig.91 Denn die Sanktionen können erhebliche Auswirkungen auf die sportliche Karriere eines Athleten und damit seine weitere Berufsausübung haben. Eine Wettkampfsperre geht mit dem Ausschluss aus dem Nationalkader und dem Verlust von Trainingsmöglichkeiten einher. Je nach Dauer der Sperre und Alter des Athleten kann dies die Beendigung seiner Sportlerkarriere zur Folge haben. Zudem war im Fall einer Verhängung sportbezogener Sanktionen wegen eines Verstoßes gegen Regel 40 DF Nr. 3 OC nicht gesichert, dass das Verhalten auch nach Kartellrecht gerichtlich überprüft wird. Das Schweizer Bundesgericht hat 2006 entschieden, dass die EU-kartellrechtlichen Re87  BGH,

Beschl. v. 7.6.2016 – KZR 6/15, WuW/E 2016, 364 – Pechstein. WuW/E 2016, 364, Rz. 25 – Pechstein. 89  Ebenso Classen, Rechtsschutz gegen Verbandsmaßnahmen im Profisport, 2014, S.  69 ff.; Orth, SpuRt 2015, 230, 232; Hülskötter, Sports Law Journal 2017, 32. 90  Vgl. BKartA, Beschl. v. 25.2.2019 – B2-26/17, Rz. 76. 91  BKartA, Beschl. v. 25.2.2019 – B2-26/17, Rz. 121, 122. 88  BGH

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gelungen nicht zum (materiellen) Ordre Public gehören,92 so dass entsprechende Verstöße in Beschwerdeverfahren gegen Schiedsentscheidungen des CAS nicht geprüft werden. Auch eine kartellrechtliche Überprüfung im Rahmen des Rechtsschutzes gegen Vollziehungsmaßnahmen vor deutschen Gerichten scheidet aus. Zwar gehören die kartellrechtlichen Missbrauchsvorschriften zu den vom Gericht insoweit zu beachtenden Ordre Public. Ein Rechtsschutz scheitert in der Regel jedoch daran, dass sportbezogene Sank­ tionen selbst-vollziehend sind, d. h. von den Beteiligten ohne Unterstützung durch staatliche Organe umgesetzt werden können. Daher war es dem Bundeskartellamt wichtig, dass wirtschaftliche Verstöße der Athleten nicht mit sportlichen Sanktionen belegt werden, sondern nur mit wirtschaftlichen. Denn den potentiellen Schäden eines Verstoßes – z. B. der Gefährdung eigener Vermarktungsaktivitäten der Beteiligten sowie der Ausnutzung der Wertschätzung der Olympischen Spiele – kann durch finanzielle Sanktionen hinreichend Rechnung getragen werden. Denn bei der Berechnung von Schadensersatz und/oder Vertragsstrafe können – auch wenn diese nicht prohibitiv sein dürfen – die Schwere des jeweiligen Verstoßes sowie der Gewinn für Sportler und Sponsor angemessen berücksichtigt werden. Nach den Zusagen sind wegen Verstößen gegen Regel 40 DF Nr. 3 OC durch Werbemaßnahmen nur noch wirtschaftliche Sanktionen nach deutschem Recht – d. h. Vertragsstrafen und/oder Schadensersatz – möglich; sportbezogene Sanktionen sind hingegen ausgeschlossen.93 Außerdem ist bei Streitigkeiten der Rechtsweg zur deutschen staatlichen Gerichtsbarkeit eröffnet. Die Beschränkung der Sanktionen und der Rechtsweg zur deutschen staatlichen Gerichtsbarkeit gelten auch für Verstöße gegen die während der Olympischen Spiele geltende Kleiderordnung aufgrund der Kleidung, die für die Erstellung von Nicht-Wettkampfbildern getragen wird, sowie für Verstöße gegen andere werberelevante Regeln der Olympischen Charta als Rule 40 aufgrund der Wettkampfkleidung, die auf olympischen Wettkampfbildern getragen wird.94

7. Weitere Regelungen der Zusagenentscheidung Die Einhaltung der Verpflichtungszusagen durch die Beteiligten wird im Wege eines Monitorings durch das Bundeskartellamt kontrolliert. Halten die Parteien die abgegebenen Verpflichtungszusagen nicht ein, kann das Amt 92  Vgl. Schweizer Bundesgericht, Entscheidung v. 8.3.2006 – 4P.278/2005, Ziffer 3.1, 3.2, https://www.bger.ch/in-dex/juridiction/jurisdiction-inherit-template/juris diction-recht.htm (Abruf: 05.02.2020), unter ausdrücklicher Abkehr von einer früheren Entscheidung v. 13.11.1998 – 4P.119/1998. 93  BKartA, Beschl. v. 25.2.2019 – B2-26/17, Rz. 148. 94  BKartA, Beschl. v. 25.2.2019 – B2-26/17, Rz. 148.



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nach § 32b Abs. 2 Nr. 2 GWB die Zusagenentscheidung aufheben und das Verfahren wieder aufnehmen.95 Die Beteiligten haben sich aber auch zu einem Monitoring durch die Beschlussabteilung bereit erklärt, nach dem das Bundeskartellamt während der Laufzeit der Verpflichtungszusage in Bezug auf die jeweiligen Olympischen Spiele von den Beteiligten umfassende Informationen und Unterlagen zum Vorgehen bei individuellen Werbemaßnahmen von Mitgliedern der deutschen Olympiamannschaft anfordern kann. Die Entscheidung ist vom Bundeskartellamt gem. § 32b Abs. 1 Satz 3 GWB auf 8 Jahre befristet worden.96 Sie gilt also bis zu den Olympischen Spielen 2026 und umfasst damit jeweils zwei Sommer- und zwei Winterspiele. Für den Erlass der Zusagenentscheidung sprach, dass die Zusagen geeignet und ausreichend waren, die wettbewerblichen Bedenken gegen die Anwendung von Regel 40 DF Nr. 3 OC durch den DOSB gegenüber den Mitgliedern der deutschen Olympiamannschaft und ihren (potentiellen) Sponsoren auszuräumen.97 Auf diese Weise wurde auch eine schnellere und effizientere Lösung erreicht als dies im Rahmen einer streitigen Entscheidung nach § 32 GWB mit weitergehendem Ermittlungsaufwand, etwa zur Marktabgrenzung oder zu den anerkannten legitimen Zielen, möglich gewesen wäre. Mit Blick auf die Olympischen Spiele 2020 können die Athleten und ihre (potentiellen) Sponsoren auf der Grundlage der Zusagenentscheidung schon früher von deren Vorteilen – den erheblichen Lockerungen der bisherigen Werbebeschränkung – profitieren. Damit wird bei den künftigen Spielen Dabeisein nicht mehr alles sein.

95  Vgl. dazu auch Bornkamm/Tolkmitt, in: Langen/Bunte, Kartellrecht – Band 1 Deutsches Kartellrecht, 13. Aufl., 2018, § 32 GWB Rz. 33. 96  BKartA, Beschl. v. 25.2.2019 – B2-26/17, Rz. 151. 97  BKartA, Beschl. v. 25.2.2019 – B2-26/17, Rz. 150.

Schiedsvereinbarungen im Berufssport – Ein kartellrechtlicher Ausschnitt* Von Tim Hülskötter I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 II. Angebots- oder Nachfragemarkt? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 III. CAS-Schiedsvereinbarungen als qualitativer Konditionenmissbrauch? . . . . . 204 IV. Wirksamkeit von CAS-Schiedsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Geschlossene Schiedsrichterliste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Sitz des CAS und die Vollstreckung durch die Verbände . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtsfolge eines Verstoßes gegen Art. 102 S. 2 lit. a AEUV  . . . . . . . . .

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V. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215

I. Einleitung Eines der am intensivsten diskutierten sportrechtlichen Themen der letzten Jahre ist die Wirksamkeit von Schiedsvereinbarungen im Berufssport. Anstoß der Diskussion bot die Causa Pechstein, im Rahmen derer sich die Eisschnellläuferin Claudia Pechstein zunächst juristisch gegen eine Doping­ sperre wehrte, um im Weiteren gegen die Praxis von Schiedsvereinbarungen zum CAS vorzugehen. Grundlage ihrer Kritik an der Sportschiedsgerichtsbarkeit war, dass diese gegenüber Berufssportlern oktroyiert wird. Die Veranstalter von professionalen Sportwettkämpfen lassen nur solche Athleten zu ihren Wettkämpfen zu, die zuvor eine Schiedsvereinbarung zum CAS unterzeichnet haben. Für den einzelnen Athleten stellt sich daher lediglich die Frage, ob er gewillt ist, die CAS-Schiedsvereinbarung zu unterzeichnen oder seinen Beruf als Sportler aufzugeben. Vor diesem Hintergrund herrscht mittlerweile Einigkeit, dass die Sportler hinsichtlich des Abschlusses von CAS-Schiedsvereinbarungen einem faktischen Zwang unterliegen.

*  Überarbeitete Vortragsfassung, die Teile der Dissertation des Autors „Die (Un-) Wirksamkeit von Schiedsvereinbarungen im Berufssport“, Berlin 2020, aufgreift.

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Sportveranstalter sind in der Regel nationale oder internationale Fachsportverbände, welche in Folge des Ein-Platz-Prinzips im Sport keine Wettbewerber haben. Da die Sportverbände bei ihrer Tätigkeit als Sportveranstalter auch Unternehmen im Sinne des funktionalen Unternehmensbegriffs des Kartellrechts darstellen, ist eine Überprüfung ihres Handelns gegenüber den Athleten anhand der Vorschriften zum Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung angezeigt. Dieser Artikel soll aber nicht dazu dienen, die vielfältigen Probleme von CAS-Schiedsvereinbarungen aufzuarbeiten. Auch soll und kann er keine umfangreiche kartellrechtliche Überprüfung von CAS-Schiedsvereinbarungen leisten. Der Artikel beschränkt sich vielmehr darauf, vereinzelte kartellrechtliche Fragestellungen aus dem Zusammenhang zu reißen und kurz darzustellen.1 Die aufgegriffenen Fragestellungen sind: 1. Muss die kartellrechtliche Prüfung von CAS-Schiedsvereinbarungen auf Grundlage der Erkenntnisse für Angebots- oder Nachfragemärkte vorgenommen werden? 2. Stellen CAS-Schiedsvereinbarungen in ihrer derzeitigen Form einen qualitativen Konditionenmissbrauch dar? 3. Sind CAS-Schiedsvereinbarungen rechtlich wirksam?

II. Angebots- oder Nachfragemarkt? Ob CAS-Schiedsvereinbarungen auf Grundlage eines Angebots- bzw. eines Nachfragemarktes2 analysiert werden, wirkt sich sowohl darauf aus, wie die Unternehmenseigenschaft bestimmt wird als auch darauf, wie die Marktbeherrschung zu prüfen ist (Monopson-Modell oder Verhandlungsmodell). Dennoch ist die Beantwortung dieser Frage für die weiteren Ausführungen nicht relevant, da die Unternehmenseigenschaft und die Marktbeherrschung bei beiden Varianten gegeben sind. Ob CAS-Schiedsvereinbarungen auf Grundlage eines Angebots- oder Nachfragemarktes zu prüfen sind, ist – vermutlich deshalb – weder in der Literatur noch in der Rechtsprechung explizit diskutiert worden. Da es sich aber um eine wissenschaftlich nicht gelöste Frage handelt, wurde die Frage in den Beitrag integriert.

1  Zur umfangreichen Auseinandersetzung mit der gesamten Problematik: Hülskötter, Die (Un-)Wirksamkeit von Schiedsvereinbarungen im Berufssport, Berlin 2020. 2  Hierzu: Hülskötter, Die (Un-)Wirksamkeit von Schiedsvereinbarungen im Berufssport, S. 227–230.



Schiedsvereinbarungen im Berufssport – Ein kartellrechtlicher Ausschnitt 203

Innerhalb der Beziehung zwischen Athlet und Sportveranstalter kommen zwei Märkte in Betracht.3 Zum einen der Markt für die Organisation und Durchführung von sportlichen Wettkämpfen.4 Auf diesem Markt sind die Sportveranstalter als Anbieter tätig und die Athleten sind Nachfrager dieser Leistung. Zum anderen kommt der Markt für Athletenleistung5 in Betracht.6 Während die Athleten ihre jeweilige Athletenleistung anbieten, fragen die Sportveranstalter eben diese Leistung nach. Auf welchen der beiden Märkte für die kartellrechtliche Prüfung von CAS-Schiedsvereinbarungen abzustellen ist, muss danach beurteilt werden, innerhalb welcher der Angebots-Nachfrage-Beziehungen die jeweilige CASSchiedsvereinbarung abgeschlossen wurde. Es bedarf somit einer Einzelfallanalyse. Im Regelfall werden CAS-Schiedsvereinbarungen im organisierten Sport in Athletenvereinbarungen integriert. In solchen Athletenvereinbarungen werden die Modalitäten sowie Rechte und Pflichten festgelegt, nach denen die Athleten tätig werden. Aussagen über die Organisation und Durchführung der Wettkämpfe werden hingegen in Athletenvereinbarungen in der Regel nicht gemacht. Beispielhaft seien hierfür die Entry Form der Olympischen Spiele in Rio 2016 und die zugehörige DOSB-Athletenvereinbarung7 angeführt. Dementsprechend wird die CAS-Schiedsvereinbarung in diesen Fällen in einer Situation unterzeichnet, in der der Sportveranstalter Nachfrager ist. Dies führt dazu, dass die kartellrechtliche Überprüfung der Handlungen der markbeherrschenden Sportveranstalter anhand der Vorgaben für Nachfragemärkte vorgenommen werden muss. Ergibt sich die Bindung an eine CAS-Schiedsvereinbarung hingegen unmittelbar aus den Regeln, die die Organisation und Durchführung des Wett-

zu Tauschmärkten: Kolmar, Mikroökonomik, S. 55. z. B.: BGH, Urt. v. 07.06.2016, KZR 6/15, NJW 2016, 2266 (2270 Rn. 45) – Pechstein III; OLG München, Urt. v. 15.01.2015, U 1110/14 Kart, SchiedsVZ 2015, 40 (43) – Pechstein II; ISU, Claudia Pechstein has not been rehabilitated, go.wwu. de/97qjh, Rn. 99; Hannamann, Athletenvereinbarungen aus kartellrechtlicher Sicht, in: Steinle, Rechtliche Problemstellungen um Athletenvereinbarungen, Stuttgart 2013, S. 43 (46). 5  Unter Athletenleistung wird die Teilnahme an einem sportlichen Wettkampf verstanden. 6  So z. B.: Hannamann, Kartellverbot und Verhaltenskoordinationen im Sport, Berlin 2001, S. 237, 243 f. 7  DOSB, Athletenvereinbarung für die Athleten/innen der Deutschen Olympiamannschaft bei den Spielen der XXXI. Olympiade in Rio 2016, go.wwu.de/6y4r2. 3  Eindrücklich 4  So

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kampfes bestimmen,8 so fordert der Sportveranstalter diese in seiner Eigenschaft als Anbieter, sodass die Maßstäbe für Angebotsmärkte heranzuziehen sind.

III. CAS-Schiedsvereinbarungen als qualitativer Konditionenmissbrauch? Für die Frage, ob CAS-Schiedsvereinbarungen einen qualitativen Kondi­ tionenmissbrauch9 darstellen, ist zunächst festzustellen, dass sie auf die CAS-Organisations- und Verfahrensregeln verweisen (CAS-Code10 und CAS-ADD Rules11). Dadurch werden die CAS-Organisations- und Verfahrensbedingungen in die CAS-Schiedsvereinbarungen einbezogen und stellen Geschäftsbedingungen im Sinne des Art. 102 S. 2 lit. a AEUV dar.12 Auch das Merkmal „Erzwingung“ des Art. 102 S. 2 lit. a AEUV liegt infolge des faktischen Zwangs gegenüber den Athleten vor.13 Unangemessen sind die CAS-Organisations- und Verfahrensregeln als erzwungene Geschäftsbedingungen schließlich, wenn diese für den Marktbeherrscher vorteilhaft von Geschäftsbedingungen abweichen, die bei wirksamem Wettbewerb abgeschlossen worden wären (sog. Wettbewerbsgeschäftsbedingungen).14 Da den CAS-Organisations- und Verfahrensregeln kein wirtschaftlich messbarer Wert 8  Diese Konstellation könnte möglicherweise vorliegen, wenn die Schiedsvereinbarung in dem Regelwerk für die Durchführung des Wettkampfes verankert ist, an die der Athlet aufgrund seiner Mitgliedschaft in einem Verein/Verband gebunden ist. 9  Hierzu: Hülskötter, Die (Un-)Wirksamkeit von Schiedsvereinbarungen im Berufssport, S. 250–259. 10  Code of Sports-related Arbitration. 11  Arbitration Rules CAS Anti-Doping Division. 12  OLG München, Urt. v. 15.01.2015, U 1110/14 Kart, SchiedsVZ 2015, 40 (43) – Pechstein II; wohl ebenso: Heermann, WRP 2015, 1172 (1176); unentschieden: BGH, Urt. v. 07.06.2016, KZR 6/15, NJW 2016, 2266 (2270 Rn. 48) – Pechstein III. Kritisch: Stancke, SpuRt 2015, 46 (49). Allgemein zu Vertragsvereinbarungen: Bulst, in: Langen/ Bunte, KartR, Art. 102 AEUV Rn. 179; Jung, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, EUV/ AEUV, Art. 102 AEUV Rn. 345. Kritisch: Nordmann/Förster, WRP 2016, 312 (315 f.) Allgemein zu Satzungsbestimmungen: Kommission, Entsch. v. 02.06.1971, 71/224/ EWG, ABl. 1971, L 134/15 (bspw. S. 22) – GEMA I; BGH, Urt. v. 06.11.2013, KZR 58/11, WuW-RS DE-R, 4037 (4038 Rn. 17, 4046 f. Rn. 65) – VBL-Gegenwert; BGH, Urt. v. 24.01.2017, KZR 47/14, WuW 2017, 283 (284 f. Rn. 3, 35) – VBL-Gegenwert II. 13  Vgl. zu einseitiger Auferlegung von Geschäftsbedingungen: Brand, in: FK, KartR, Art. 102 AEUV Teil  D Rn. 178; Jung, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, EUV/ AEUV, Art. 102 AEUV Rn. 346; Weiß, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 102 AEUV Rn. 47. 14  Emmerich/Lange, KartellR, § 10 Rn. 9; Bronett, in: Wiedemann, HB Kartellrecht, § 22 Das Verbot des Missbrauchs marktbeherrschender Stellungen im EUKartellrecht (Art. 102 AEUV) Rn. 61. Von der Durchsetzung nachteiliger Bedingun-



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zugewiesen werden kann, können die Wettbewerbsgeschäftsbedingungen nicht mittels des Vergleichsmarktkonzeptes bestimmt werden. Die Prüfung als quantitativer Konditionenmissbrauch ist nicht möglich.15 Mit der gängigen Praxis im EU-Kartellrecht ist im Wege einer Interessenabwägung zu bestimmen, ob von Wettbewerbsgeschäftsbedingungen abgewichen wird (sog. qualitativer Konditionenmissbrauch).16 Unangemessenheit im Sinne des qualitativen Konditionenmissbrauchs liegt vor, wenn eines der folgenden Kriterien nicht erfüllt ist:17 1. Der Marktbeherrscher verfolgt mit den Geschäftsbedingungen ein legitimes Ziel. 2. Die Bindung durch die Geschäftsbedingungen ist nicht stärker als für das legitime Ziel notwendig. Gemeint ist, dass die Handlungsfreiheit des Handelspartners nicht stärker eingeschränkt wird, als dies zur Erreichung des legitimen Ziels notwendig ist (Übermaßverbot). 3. Die Abwägung der relevanten Interessen der Handelspartner spricht gegen eine Unangemessenheit. Eine solche Prüfungsfolge erfasst auch bereits alle Punkte, die beachtet werden müssten, würde die Meca-Medina-Formel auf Art. 102 AEUV angewendet.18 gen gegenüber dem Handelspartner sprechend: Jung, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, EUV/AEUV, Art. 102 AEUV Rn. 169. 15  Vgl. zur abstrakten Problematik: Brand, in: FK, KartR, Art. 102 AEUV Teil D Rn. 207; Bulst, in: Langen/Bunte, KartR, Art. 102 AEUV Rn. 181. Deutlich zum GWB: Nothdurft, in: Langen/Bunte, KartellR, § 19 GWB Rn. 184. 16  Vgl. nur: EuGH, Urt. v. 27.03.1974, C-127/73, ECLI:EU:C:1974:25 Rn. 6/8, 9/11 – BRT II; EuGH, Urt. v. 30.04.1974, C-155/73, ECLI:EU:C:1974:40 Rn. 17  – Sacchi; Kommission, Entsch. v. 02.06.1971, 71/224/EWG, ABl. 1971, L 134/15 (S. 24) – GEMA I; Kommission, Entsch. v. 20.04.2001, COMP D3/34493, Rn. 112 – DSD. So auch: Höft, Die Kontrolle des Ausbeutungsmissbrauchs im Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, Köln 2014, S. 326. 17  Vgl.: GA Kirschner, Schlussanträge v. 21.02.1990, T.51/89, Rn. 67-72 – Tetra Pak; Höft, Die Kontrolle des Ausbeutungsmissbrauchs im Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, S. 326; Mestmäcker/Schweitzer, EUWettR, § 18 Rn. 7; Bechtold/ Bosch/Brinker, KartellR, Art. 102 Rn. 36; Bulst, in: Langen/Bunte, KartR, Art. 102 AEUV Rn. 180; Fuchs/Möschel, in: Immenga/Mestmäcker, WettR, Art. 102 AEUV Rn. 186; Brand, in: FK, KartR, Art. 102 AEUV Teil D Rn. 206; Weiß, in: Calliess/ Ruffert, EUV/AEUV, Art. 102 AEUV Rn. 49; Berg, in: Berg/Mäsch, KartellR, Art. 102 AEUV Rn. 62; Eckel/Richter, WuW 2015, 1078 (1082). Zusätzlich auf das Merkmal der Geeignetheit abstellend: O‘Donoghue/Padilla, The law and economics of article 102 TFEU, S. 186, 392. 18  Siehe für eine Übertragbarkeit z. B.: Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Weissbuch Sport, S. 15; Jung, Das internationale Sportverbandsrecht im Geltungsbereich des europäischen Unions- und Assoziierungsrechts, Berlin 2017, S. 223; Heermann, WRP 2015, 1172 (1179).

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IV. Wirksamkeit von CAS-Schiedsvereinbarungen Die CAS-Organisations- und Verfahrensregeln werden hinsichtlich verschiedener Regelungen auf kartellrechtlicher Basis kritisiert. Im Rahmen dieses Beitrags werden jedoch nur zwei Punkte aufgegriffen. Zum einen der wohl bekannteste Kritikpunkt: die geschlossene Schiedsrichterliste. Zum anderen soll auf einen erst seit kurzer Zeit diskutierten Kritikpunkt eingegangen werden: den Sitz des CAS in der Schweiz in Kombination mit der faktischen Vollstreckung von CAS-Schiedssprüchen durch die Sportverbände.

1. Geschlossene Schiedsrichterliste Grundlage für die geschlossene Schiedsrichterliste19 sind R33 Abs. 2 CASCode und A8 Abs. 2 CAS-ADD Rules. Dort heißt es: „Every arbitrator shall appear on the list drawn up by the ICAS in accordance with the Statutes which are part of this Code […].“

Aus S14 Abs. 1 CAS-Code, A8 Abs. 2, A26 Abs. 1 ADD ergibt sich, dass der ICAS die Schiedsrichterliste20 nur mit solchen Personen füllen soll, die über (i) besondere Expertise im Sportrecht oder der Schiedsgerichtsbarkeit und zudem (ii) gute generelle Sportkenntnisse sowie Kenntnisse einer der CAS-Verfahrenssprachen verfügen. Daher werden der geschlossenen Schiedsrichterliste zumindest zwei legitime Ziele zugeschrieben. Zuvörderst soll hierdurch die rechtliche Qualität der CAS-Schiedssprüche gesichert werden, da ausschließlich ausgewiesene Experten der relevanten Tatsachen- und Rechtsmaterien als CAS-Schiedsrichter berufen werden können.21 Gleichzeitig dient die geschlossene Schiedsrichterliste dem legitimen Ziel, Zeit und Geld der Beteiligten zu sparen, indem die Einarbeitungszeit der berufenen Schiedsrichter infolge ihrer besonderen Expertise möglichst gering gehalten wird.22 Mavromati/Reeb führen daneben auch die Einheitlichkeit der Schiedssprüche als legitimes Ziel auf.23 Sie begründen dies damit, dass die Schiedsrichter der geschlossenen CAS-Schiedsrichterliste über die Rechtsprechung des CAS informiert 19  Hierzu: Hülskötter, Die (Un-)Wirksamkeit von Schiedsvereinbarungen im Berufssport, S. 270–274. 20  Für diesen Beitrag wird nicht zwischen der „normalen“ Schiedsrichterliste und der Schiedsrichterliste für die Anti-Doping Division unterschieden. 21  Mavromati/Reeb, The code of the Court of Arbitration for Sport, 2015, R33 Rn. 48. 22  Mavromati/Reeb, The code of the Court of Arbitration for Sport, R33 Rn. 48. 23  Mavromati/Reeb, The code of the Court of Arbitration for Sport, R40 Rn. 12.



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würden.24 Inwieweit dies mit den Regeln des CAS zur Vertraulichkeit vereinbar ist, bleibt dabei jedoch offen. Im Rahmen der Notwendigkeitsprüfung sind drei Anpassungen zu beleuchten, die die Handlungsfreiheit25 der Athleten weniger einschränken könnten. Erstens wäre es möglich, die geschlossene Schiedsrichterliste zu erweitern, sodass die Auswahl zwischen den zur Verfügung stehenden Schiedsrichtern größer würde. Eine solche Änderung würde die Beschränkungen der Athleten bei der Auswahl von Schiedsrichtern zumindest mindern. Schlussendlich verbleibt aber das Problem, dass allein der ICAS darüber entscheiden würde, welche Schiedsrichter für die Schiedsparteien wählbar sind. Zweitens könnten die CAS-Organisationregeln so angepasst werden, dass sich die Schiedsrichter eigenständig für die geschlossene Schiedsrichterliste bewerben können und dann nur noch durch den ICAS bestätigt werden müssten. Die Voraussetzungen für eine Aufnahme auf die geschlossene Schiedsrichterliste könnten dabei unverändert bleiben. Schlussendlich würde der ICAS aber wegen der Hoheit über die Auslegung der Begriffe des S14 Abs. 1 CAS-Code weiterhin entscheiden, welche Personen auf die geschlossene Schiedsrichterliste aufgenommen würden. Drittens könnte die geschlossene Schiedsrichterliste gänzlich abgeschafft werden.26 Hierdurch würde das größtmögliche Maß an Auswahl für die Athleten geschaffen. Daher kommt es für die Notwendigkeit entscheidend darauf an, ob die legitimen Ziele durch eine Abschaffung gefährdet würden. Im Rahmen der Schiedsrichterauswahl versuchen die Parteien eines Schiedsverfahrens zwar einen Schiedsrichter zu benennen, der ihrem Rechtsverständnis des Streitgegenstandes zugeneigt ist, jedoch sind sie gleichzeitig darauf angewiesen, dass der Schiedsrichter noch ausreichend unabhängig und neutral (R33 Abs. 1 CAS-Code; A8 Abs. 1 ADD) ist. Andernfalls kann der Schiedsrichter abgelehnt werden (R34 CAS-Code; A10 ADD). Parteien eines Schiedsverfahrens haben bei der Schiedsrichterauswahl zudem einen besonderen Fokus darauf, einen Schiedsrichter zu berufen, der die restlichen Mitglieder des Schiedsgerichtes überzeugt. Schon allein deshalb werden die Parteien versuchen, einen Schiedsrichter zu berufen, der im Hin-

24  Mavromati/Reeb,

The code of the Court of Arbitration for Sport, R40 Rn. 12. die Auswahl des Wunsch-Schiedsrichters. 26  Siehe dazu in der Rspr.: OLG München, Urt. v. 15.01.2015, U 1110/14 Kart, SchiedsVZ 2015, 40 (45) – Pechstein II. Zur Literatur siehe nur beispielhaft: Summerer, SpuRt 2018, 197 (199). 25  Namentlich

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blick auf die Streitmaterie möglichst qualifiziert ist.27 Schließlich ist bei diesen wahrscheinlicher, dass sie die übrigen Mitglieder des Schiedsgerichtes mit ihren fachlichen Argumenten zum Streitgegenstand überzeugen können. Eine Abschaffung der geschlossenen Schiedsrichterliste würde auch nicht zwingend bedeuten, dass die Anforderungen des S14 Abs. 1 CAS-Code entfielen. Die Regelung könnte bestehen bleiben, wobei es im Fall des Streites über das Vorliegen der Voraussetzung einer Entscheidung durch eine außerhalb des Sportgefüges stehenden Stelle bedürfen würde. Dem ICAS wäre es dabei auch unbenommen, eine nicht bindende Vorschlagsliste zu führen, auf der Schiedsrichter aufgeführt sind, die aus ihrer Sicht über die notwendigen Voraussetzungen für die Schiedsrichterberufung zum CAS verfügen.28 Das wohl stärkste Argument gegen die Notwendigkeit der geschlossenen Schiedsrichterliste bietet aber die Schiedspraxis: Obwohl andere Schiedsverfahrensordnungen keine geschlossene Schiedsrichterliste beinhalten,29 führt dies nicht zu der Problematik, dass nicht ausreichend qualifizierte Schiedsrichter berufen werden.30 Schlussendlich sind die CAS-Organisationsregeln zur geschlossenen Schiedsrichterliste nicht notwendig und daher kartellrechtswidrig (qualitativer Konditionenmissbrauch nach Art. 102 S. 2 lit. a AEUV).

2. Sitz des CAS und die Vollstreckung durch die Verbände Zum Sitz des CAS31 heißt es in S1 Abs. 3 CAS-Code und A3  S. 1  CASADD: „The seat of CAS and of each Arbitration Panel (Panel) is Lausanne, Switzerland.“

Dementsprechend ist der CAS kein inländisches Schiedsgericht im Sinne der ZPO, weshalb § 1059 ZPO nicht auf Schiedssprüche des CAS angewendet werden kann. Ein Aufhebungsantrag, durch den CAS-Schiedssprüche in 27  So auch: Widdascheck, Der Justizgewährleistungsanspruch des Dopingsünders, S. 214; Rombach, SchiedsVZ 2016, 268 (279). 28  So z. B. am Deutschen Sportschiedsgericht: § 3.1 DIS-Sportschiedsgerichtsordnung. Widdaschek hält dies sogar für ratsam: Widdascheck, Der Justizgewährleistungsanspruch des Dopingsünders, S. 215. 29  Vgl. nur: UNCITRAL-Arbitration Rules; DIS-SportSchO; LCIA-Arbitration Rules; ICC-Arbitration Rules, die aber zumindest in Art. 13 Anforderungen an die Schiedsrichter stellt. 30  Thorn/Lasthaus, IPRax 2016, 426 (430); Summerer, SpuRt 2018, 197 (199). 31  Hierzu: Hülskötter, Die (Un-)Wirksamkeit von Schiedsvereinbarungen im Berufssport, S. 279–290.



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Deutschland überprüft werden können, ist nicht möglich. Es verbleibt damit lediglich die Möglichkeit, CAS-Schiedssprüche in Deutschland im Rahmen der Anerkennung oder Vollstreckung zu überprüfen (§ 1061 ZPO i. V. m. dem NYC32). Insoweit besteht kein Unterschied zu Handelsschieds­gerichten mit Sitz in der Schweiz. Die Besonderheiten des Sports führen jedoch dazu, dass die Verbände CAS-Schiedssprüche selbstständig vollstrecken können und somit gerade keine Hilfe der staatlichen Gerichte benötigen.33 Die Problematik lässt sich an folgendem Beispiel erkennen: Der deutsche Sportler A wird in letzter Instanz vom CAS wegen Dopings bei der WM gesperrt. Seine Beschwerde zum Schweizer Bundesgericht ist nicht erfolgreich. Bei der anstehenden deutschen Meisterschaft wird der Sportler vom deutschen Verband wegen der CAS-Sperre nicht zugelassen.

Die vom CAS ausgesprochene Sperre wird in diesem Fall dadurch vollstreckt, dass der Athlet nicht zum Wettkampf zugelassen wird. Dies führt dazu, dass CAS-Schiedssprüche trotz de facto-Vollstreckung in Deutschland nicht unmittelbar – z. B. nach § 1059 ZPO – durch die staat­ lichen Gerichte Deutschlands überprüft werden können.34 Damit fehlt die Möglichkeit eines Primärrechtsschutzverfahrens35. Es verbleibt lediglich die Möglichkeit, im Rahmen eines Sekundärrechtsschutzverfahrens36 eine Überprüfung herbeizuführen. Für die kartellrechtliche Prüfung muss an die Sitzbestimmung angeknüpft werden, da es sich bei dieser um eine Geschäftsbedingung handelt, die im Wege des qualitativen Konditionenmissbrauchs überprüft werden kann.

32  New York Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 10. Juni 1958. 33  LG München I, Urt. v. 26.02.2014, 37 O 28331/12, SchiedsVZ 2014, 100 (106) – Pechstein I; Adolphsen, Internationale Dopingstrafen, S. 305 f.; Adolphsen, Die Entwicklung der nationalen und internationalen Sportschiedsgerichtsbarkeit, in: Württembergischer Fußballverband e. V., Tagungsband des wfv-Sportrechtsseminars 2015, S. 31 (34); Orth, Mark-E., ZWeR 2018, 382 (385). 34  Widdascheck, Der Justizgewährleistungsanspruch des Dopingsünders, Berlin 2018, S. 159–161, der aber auf die Möglichkeit des Sekundärrechtsschutzes verweist. Haas zitiert die FIFA z. B. damit, dass das FIFA-Vollstreckungssystem nur in weniger als einem Prozent der Fälle nicht erfolgreich sei: Haas, Fußball vor dem Internationalen Sportgerichtshof CAS, in: Höfling/Horst/Nolte, Fußball Motor des Sportrechts, Tübingen 2014, S. 65 (69). 35  Gemeint sind Verfahren, in denen der Schiedsspruch unmittelbar überprüft werden kann. 36  Gemeint sind Verfahren, in denen der Schiedsspruch inzident überprüft werden kann.

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Die Bestimmung des Sitzes des CAS in der Schweiz stellt ein legitimes Ziel dar. Das gewichtigste Argument ist hierbei, dass eine Sitzbestimmung notwendig ist.37 Wird der Sitz eines Schiedsgerichtes nicht bestimmt, so gilt das Schiedsverfahren als gescheitert. Insbesondere dürfen auch die staat­ lichen Gerichte den Sitz des Schiedsgerichtes nicht bestimmen. Daneben ist zu beachten, dass die Schweiz (a) ein häufig gewählter Schiedsstandort38 und (b) Sitz diverser internationaler Sportverbände39 ist. Dementsprechend werden den staatlichen Gerichten der Schweiz eine besondere Erfahrung bei der Unterstützung und Überprüfung von Schiedsverfahren sowie eine besondere Expertise bei der Behandlung von sportrechtlichen Sachverhalten zugesprochen. Nicht zuletzt gilt das Schweizer Recht auch als schiedsfreundlich. Eine Sitzbestimmung in den CAS-Organisations- und Verfahrensregeln ist auch notwendig. Maßgebliches Argument ist hierbei, dass der Sitz eines Schiedsgerichtes bestimmt werden muss, da das gesamte Schiedsverfahren sonst als gescheitert gilt.40 Ist der Sitz des Schiedsgerichtes nicht schon in den zugehörigen Organisations- und Verfahrensregeln bestimmt, wird er primär durch die Schiedsparteien festgelegt.41 Wegen des bei der Unterzeichnung von Schiedsvereinbarungen bestehenden faktischen Zwangs, führt dies dazu, dass die Sportveranstalter über den Sitz des Schiedsgerichtes bestimmen. Lediglich wenn eine solche Wahl nicht getroffen wird, bestimmen die Schiedsrichter den Sitz des Schiedsgerichts. Allerdings ist davon auszugehen, dass die Schiedsrichter (auf Grundlage der Argumente des legitimen Ziels) ebenfalls die Schweiz als Sitz des Schiedsgerichtes wählen würden. Eine Sitzbestimmung in den Organisations- und Verfahrensregeln des CAS ist daher für die Athleten nicht mehr beschränkend als eine anderweitige Bestimmung des Sitzes. Die Kartellrechtsmäßigkeit der Sitzbestimmung ist schlussendlich im Wege der Abwägung zu bestimmen. Ausgangspunkt ist hierbei, dass die Kombination der Regeln der ZPO mit der faktischen Vollstreckungsmöglichkeit der Sportverbände dafür sorgt, dass deutsche Gerichte im Fall von CASSchiedsvereinbarungen keine Möglichkeit haben, CAS-Schiedssprüche im 37  Der Sitz des Schiedsgerichtes bestimmt das zwingende Verfahrensrecht. Vgl. §§ 1025 Abs. 1, 1043 Abs. 1 ZPO; Geimer, in: Zöller, ZPO, § 1043 Rn. 1. 38  Siehe nur: Segesser/Jolles/George, in: Nairn/Heneghan, Arbitration World, London 2015, Switzerland Rn. 1.2, 2.1 Die 6. Aufl. von 2018 geht nicht mehr explizit auf diese Frage ein. 39  Siehe nur: FIFA mit Sitz in Zürich: Art. 1.2 FIFA-Statuten; FIBA mit Sitz in Genf: Art. 2.1 FIBA-General Statutes; IHF mit Sitz in Basel: Art. 1.4 IHF-Statuten; FIVB mit Sitz in Lausanne: Art. 1.3 FIVB-Constitution u. v. m. 40  Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, § 1043 Rn. 3. 41  Vgl. nur diese gängige Regelung in: Art. 18 Abs. 1 UNCITRAL Arbitration Rules; Art. 18 ICC Arbitration Rules; Art. 16 Abs. 1 LCIA Arbitration Rules.



Schiedsvereinbarungen im Berufssport – Ein kartellrechtlicher Ausschnitt 211

Primärrechtsschutzverfahren zu überprüfen.42 Dies bedeutet, dass selbst eine ordre public-Kontrolle nicht möglich ist. Es stellt sich somit die Frage, ob diese Ausgangssituation kartellrechtlich zu missbilligen ist. Hierfür gilt es zunächst, den Stellenwert der ordre public-Kontrolle herauszuarbeiten. Durch eine rechtsvergleichende Betrachtung zeigt sich, dass die ordre public-Kontrolle bei der Vollstreckung von Schiedssprüchen nationaler und internationaler Standard ist. In der ZPO wird die ordre publicKontrolle sogar für inländische Schiedsgerichte vorgesehen (Aufhebungssowie Vollstreckungsebene). Auch im UN Model Law sowie im New York Übereinkommen (unterzeichnet durch 159 Staaten) ist die ordre public-Kontrolle für das Anerkennungs- und Vollstreckungsverfahren vorgesehen. Selbst bei der innereuropäischen Vollstreckung von Urteilen staatlicher Gerichte sieht die EuGVVO (Brüssel Ia-VO) eine ordre public-Kontrolle vor. Schlussendlich zeigt sich der hohe Stellenwert der ordre public-Kontrolle auch darin, dass ein ordre public-Verstoß durch die staatlichen Gerichte von Amts wegen geprüft wird.43 Auf Grundlage dieser Überlegungen ergibt sich, dass die ordre public-Kontrolle ein unaufgebbares Element der Sicherung der nationalstaatlichen Rechtsordnungen ist. Die Einschränkung des Primärrechtsschutzverfahrens wäre aber dann kartellrechtlich nicht zu missbilligen, wenn die Möglichkeit des Sekundärrechtsschutzes für einen ausreichenden Rechtsschutz der Athleten sorgt. Die Ausgangsfrage ist daher, ob die inzidente Überprüfung eines CAS-Schiedsspruchs (Anerkennung) anhand des deutschen ordre publics der Überprüfung des Schiedsspruchs im Rahmen der Vollstreckung aus Rechtsschutzgesichtspunkten gleichsteht. Die infrage kommenden Möglichkeiten des Sekundärrechtsschutzes sind: – Klage auf Zugang zu einem Wettkampf – Schadensersatzverlangen (Causa Pechstein) – Gegebenenfalls: Feststellung der ordre public-Widrigkeit eines Schiedsspruches Gegen eine Gleichwertigkeit aus Rechtsschutzgesichtspunkten spricht bereits das Indiz, dass es keine Rechtsordnung gibt, die nur die Anerkennung, nicht aber die Vollstreckung eines Schiedsspruchs unter ordre public-Vorbe42  Dies ist ausreichend, da die verbotene Handlung beim Ausbeutungsmissbrauch durch ihren Erfolg begründet wird: Eilmansberger/Bien, in: MüKo, WettR, Art. 102 AEUV Rn.  162 m. w. N. 43  Siehe: § 1059 Abs. 2 Nr. 2; Art. V Abs. 2 NYC. So auch: Wolff, in: Wolff, New York Convention, Art. V(2)(b) Rn. 490.

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halt stellt. Weiterhin ist zu beachten, dass die „normalen“ Klageverfahren vor den staatlichen Gerichten sehr lange dauern können, insbesondere bis die jeweiligen Urteile rechtskräftig sind. Wegen der kurzen Karrieredauer von Athleten ist es möglich, dass Gerichtsentscheidungen erst dann rechtskräftig werden, wenn die Karriere eines am Rechtsstreit beteiligten Sportlers bereits beendet ist.44 Demzufolge verbleibt den Athleten in der Praxis nur die Möglichkeit, im Sekundärrechtsschutzverfahren einstweiligen Rechtsschutz geltend zu machen, um entgegen einer CAS-Sperre eine Starterlaubnis zu er­ halten. In diesem Fall würde den Athleten aber – anders als im Primärrechtsschutzverfahren – die Klagelast obliegen. Zusätzlich führt die Geltend­ machung einstweiligen Rechtsschutzes zu erheblichem zeitlichen und finanziellen Aufwand. Schlussendlich ist festzustellen, dass Primär- und Sekundärrechtsschutzverfahren gegen Schiedssprüche einander ergänzen,45 unabhängig voneinander aber keine gleichwertigen Rechtsschutzmöglichkeiten darstellen. Die Athleten haben daher ein gewichtiges Interesse an der Möglichkeit, im Vollstreckungsland innerhalb eines Primärrechtsschutzverfahrens eine ordre public-Kontrolle gegen eine CAS-Schiedsentscheidung herbeizuführen. Das Interesse der Athleten an einer ordre public-Kontrolle im Primärrechtsschutzverfahren könnte jedoch dadurch befriedigt werden, dass eben dies vor den Schweizer Gerichten möglich ist. Nach Art. 190 Abs. 2 lit. e IPRG-Schweiz kann ein CAS-Schiedsspruch vor dem Schweizer Bundesgericht angefochten werden, wenn dieser nicht mit dem Schweizer ordre public vereinbar ist.46 Das heißt, es existiert nur dann effektiv eine Rechtsschutz­ einbuße seitens der Athleten, wenn das Schweizer ordre public hinter dem deutschen ordre public zurückbleibt. Ausweislich der Definition in beiden Rechtsordnungen liegt ein ordre public-Verstoß bei Verstößen gegen die fundamentalen Rechtsgrundsätze des jeweiligen Landes vor.47 Für die Frage des Beitrags ist insbesondere relevant, ob das Kartellrecht zu den fundamentalen Rechtsgrundsätzen der beiden Rechtsordnungen gezählt wird.48 In 44  Vgl. nur: BGH, Urt. v. 13.10.2015, II ZR 23/14, NZG 2015, 1282 – Friedek III. Bzgl. der Länge des Verfahrens siehe auch die Causa Pechstein, die 2009 begann und erst im Jahr 2016 durch den BGH entschieden wurde: BGH, Urt. v. 07.06.2016, KZR 6/15, NJW 2016, 2266 – Pechstein III. 45  Vgl. nur: Alvarez de Pfeifle, Der Ordre Public-Vorbehalt als Versagungsgrund der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung internationaler Schiedssprüche, S. 74. 46  Siehe hierzu: Widdascheck, Der Justizgewährleistungsanspruch des Dopingsünders, S. 241–248. 47  Für die Schweiz: Pfisterer, in: BSK-IPR-Schweiz, Art. 190 Rn. 72 f.; Oetiker, in: ZK-IPRG-Schweiz, Art. 190 Rn. 99, 102. Für Deutschland: Wilske/Markert, in: BeckOK, ZPO, § 1061 Rn. 49, 51 m.N.; Voit, in: Musielak/Voit, ZPO, § 1061 Rn. 23. 48  Angedeutet bei: Hail, Spitzensport im Licht des Europäischen Kartellrechts, Baden-Baden 2014, S. 253.



Schiedsvereinbarungen im Berufssport – Ein kartellrechtlicher Ausschnitt 213

Deutschland stellen sowohl das EU-Kartellrecht als auch das deutsche Kartellrecht ordre public dar.49 Demgegenüber ist das EU-Kartellrecht in der Schweiz nicht anwendbar und das Schweizer Kartellrecht gilt nicht als fundamentaler Rechtsgrundsatz,50 also auch nicht als Teil des ordre publics.51 Eine Gleichwertigkeit der beiden ordre public kann dementsprechend auch nicht dadurch begründet werden, dass sich das Schweizer und das EU-Kartellrecht ähneln.52 Schlussendlich werden im Rahmen der Abwägung das Interesse an einem Schiedsgericht mit Sitz in der Schweiz und das Interesse der Athleten, ein Primärrechtsschutzverfahren durchführen zu können, bei dem auch Kartellrecht beachtet wird, gegeneinandergestellt. Im Rahmen dieser Abwägung ist zu beachten, dass es neben der Schweiz auch andere Länder gibt (insbesondere solche Europas wie Frankreich und England), die ein hoch angesehenes Schiedsregime haben.53 Würde der Sitz des CAS in diese Länder verlegt, würden deren staatliche Gerichte auch schnell eine Expertise im Umgang mit Sportschiedssprüchen aufbauen. Einzubeziehen ist weiterhin, dass die ordre public-Kontrolle ein bedeutendes Rechtsprinzip darstellt. Wird die derzeitige Form der Sportschiedsgerichtsbarkeit des CAS aufrechterhalten, sind die Beteiligten im Primärrechtsschutzverfahren hinsichtlich der Einhaltung von Kartellrecht schutzlos.54 Die Anwendung des Kartellrechts auf das Verhältnis 49  EuGH, Urt. v. 01.06.1999, C-126/97, ECLI:EU:C:1999:269 Rn. 36, 40  – Eco Swiss; OLG München, Urt. v. 15.01.2015, U 1110/14 Kart, SchiedsVZ 2015, 40 (46 m. w N. zur Rspr. u. Lit.) – Pechstein II; Schlosser, in: Stein/Jonas, ZPO, Anh. zu §  1061 Rn.  349 m. w. N.; Wilske/Markert, in: BeckOK, ZPO, § 1061 Rn. 52. 50  Zu dem Problem insgesamt: Orth, Mark-E., ZWeR 2018, 382 (385 f.). 51  Schweizer Bundesgericht, Urt. v. 08.03.2006, 4P.278/2005, BGE 132 III, 389 (Rn. 3.1–2) – Tensacciai; Schweizer Bundesgericht, Urt. v. 20.02.2018, 4A_260/2017, SchiedsVZ 2018, 315 (Rn. 5.2) – FIFA; Pfisterer, in: BSK-IPR-Schweiz, Art. 190 Rn. 86. 52  So aber wohl: Duve/Rösch, SchiedsVZ 2015, 69 (75). 53  Siehe nur beispielhaft: Zafar/Heneghan/Yan, in: Nairn/Heneghan, Arbitration World, England & Wales Rn. 1.2; Ziadé/Peterson, in: Nairn/Heneghan, Arbitration World, France Rn. 1.2; Hentunen/Forss/Pitkänen, in: Nairn/Heneghan, Arbitration World, Finland Rn. 1.2; Trittmann/Kasolowsky, in: Nairn/Heneghan, Arbitration World, Germany Rn. 1.2; McAlpine/Nijar, in: Nairn/Heneghan, Arbitration World, Hong Kong Rn. 1.2 Die 6. Aufl. von 2018 geht nicht explizit auf diese Frage ein. 54  Das dies keine bloße hypothetische Ausnahme ist, zeigt sich in: CAS, Schiedsspruch v. 19.11.2015, CAS 2014/A/3561 & 3614, Rn. 175 – IAAF & WADA v Marta Domínguez Azpeleta & RFEA. Ebenso kritisch zur Kartellrechtsanwendung des CAS: Orth, Mark-E., ZWeR 2018, 382 (385). Das Schweizer Bundesgericht geht zwar davon aus, dass Schiedsgerichte an das EU-Kartellrecht gebunden sind, mangels eigener Kontrollmöglichkeit hat dies aber keine Bedeutung: Schweizer Bundesgericht, Urt. v. 28.04.1992, BGE 118 II, 193; Schweizer Bundesgericht, Urt. v. 08.03.2006, 4P.278/2005, BGE 132 III, 389 (398 f.) – Tensacciai.

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zwischen Athlet und Sportveranstalter ist aber gerade aufgrund des EinPlatz-Prinzips im Sport geboten. Dies zeigen schon die vielen kartellrecht­ lichen Streitigkeiten innerhalb des Sports. Unter Berücksichtigung dieser Punkte ist die Sitzregel des CAS in der Schweiz unangemessen.55

3. Rechtsfolge eines Verstoßes gegen Art. 102 S. 2 lit. a AEUV Es stellt sich schlussendlich die Frage, welche Rechtsfolge ein Verstoß gegen Art. 102  S. 2  lit. a  AEUV56 auslöst. Ausgangspunkt der Überlegungen ist § 134 BGB i. V. m. Art. 102 AEUV. Hiernach gilt, dass ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt (hier also die Schiedsvereinbarung), nichtig ist, „wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.“ Die Nichtigkeit der Schiedsvereinbarung bestimmt sich daher anhand des Normzweckes des Art. 102 S. 2 lit. a AEUV.57 Diesbezüglich ist in der Literatur anerkannt, dass ausbeuterische Rechtsgeschäfte nicht automatisch zu einer vollen Nichtigkeit des untersuchten Rechtsgeschäfts führen.58 Ausbeuterische Rechtsgeschäfte müssen vielmehr vertraglich so angepasst werden, dass sie die Versorgung der Marktgegenseite zu kartellrechtskonformen Bedingungen gewährleisten.59 Im Fall des CAS wäre es demnach notwendig, die Organisations- und Verfahrensregeln anzupassen. Dies hätte auf den ersten Blick den Vorteil, dass die allgemein anerkannten po55  So wohl auch: BKartA, Beschl. v. 25.02.2019, B 2 – 26/17, Rn. 124–126 – IOC Rule 40. 56  Hierzu: Hülskötter, Die (Un-)Wirksamkeit von Schiedsvereinbarungen im Berufssport, S. 290–294. 57  Höft, Die Kontrolle des Ausbeutungsmissbrauchs im Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, S. 347; Eilmansberger/Bien, in: MüKo, WettR, Art. 102 AEUV Rn. 674 m. w. N.; Weyer, in: FK, KartR, Art. 102 F. Rechtsfolgen, Zivilrechtsfolgen Rn. 62–64; Sack/Seibl, in: Staudinger, BGB, § 134 Rn. 313. Diese Überlegungen greift das OLG München in Pechstein II jedoch nicht auf: OLG München, Urt. v. 15.01.2015, U 1110/14 Kart, SchiedsVZ 2015, 40 (45) – Pechstein II. 58  Höft, Die Kontrolle des Ausbeutungsmissbrauchs im Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, S. 347; Berg, in: Berg/Mäsch, KartellR, Art. 102 AEUV Rn. 133; Schröter/Bartl, in: Schröter, et al., EU-WettR, Art. 102 Rn. 60; Weyer, in: FK, KartR, Art. 102 F. Rechtsfolgen, Zivilrechtsfolgen Rn. 62–64; Jung, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, EUV/AEUV, Art. 102 AEUV Rn. 393; Fuchs/Möschel, in: Immenga/Mestmäcker, WettR, Art. 102 AEUV Rn. 427 ff. Ebenso: EuGH, Urt. v. 27.03.1974, C-127/73, ECLI:EU:C:1974:25 Rn. 12/14 – BRT II. 59  Siehe: Höft, Die Kontrolle des Ausbeutungsmissbrauchs im Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, S. 347, der hinsichtlich des Maßes von wettbewerbsanalogen Bedingungen spricht; besonders deutlich: Berg, in: Berg/Mäsch, KartellR, Art. 102 AEUV Rn. 133; Schröter/Bartl, in: Schröter, et al., EU-WettR, Art. 102 Rn. 60; Weyer, in: FK, KartR, Art. 102 F. Rechtsfolgen, Zivilrechtsfolgen Rn. 62–64; Jung, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, EUV/AEUV, Art. 102 AEUV Rn. 393.



Schiedsvereinbarungen im Berufssport – Ein kartellrechtlicher Ausschnitt 215

sitiven Elemente60 der Schiedsgerichtsbarkeit für den Sport bestehen blieben. Gleichzeitig würden die Nachteile der derzeitigen Sportschiedsgerichtsbarkeit vor dem CAS entfallen. Ob eine solche Anpassung der Organisations- und Verfahrensregeln des CAS für die Athleten aber tatsächlich vorteilhaft wäre, kann nur anhand des Einzelfalls bestimmt werden. Auf den zweiten Blick wird nämlich klar, dass sich der CAS nur unter der vollständigen Geltung der im CAS-Code und in den CAS-ADD Rules niedergelegten Organisations- und Verfahrensregeln für zuständig hält.61 Die Anpassung der relevanten Organisations- und Verfahrensregeln hätte die Folge, dass die Zuständigkeit eines ad hoc-Schiedsgerichtes begründet würde, welches unter den Regeln des CAS agieren müsste. Dies bringt den offensichtlichen Nachteil mit sich, dass ein solches ad hoc-Schiedsgericht nicht über die Einrichtungen des CAS verfügt. Das heißt, alle auf diese Einrichtungen aufbauenden Regeln müssten ebenfalls angepasst werden. Folge wären zusätzliche Kosten, Zeitaufwand und im Ergebnis auch eine Verzögerung des Verfahrens. Gleichzeitig wären die staatlichen Gerichte wegen der grundsätzlich wirksamen Schiedsvereinbarung unzuständig. Wegen dieser positiven und negativen Folgen bedarf es einer Einzelfallabwägung. Nur wenn eine Abwägung aller relevanten Interessen des Athleten zeigt, dass für diesen eine ad hoc-Schiedsgerichtsbarkeit unter der (weitestgehenden) Geltung der Organisations- und Verfahrensregeln des CAS gegenüber einer vollständigen Nichtigkeit der Schiedsvereinbarung vorteilhaft ist, ergibt sich aus dem Normzweck des Art. 102 S. 2 lit. a AEUV die Verpflichtung zu einer entsprechenden Vertragsanpassung.

V. Fazit 1. Die kartellrechtliche Überprüfung von Sportschiedsvereinbarungen muss in der Regel anhand der Besonderheiten für Angebotsmärkte vorgenommen werden. 2. Ob die Forderung einer CAS-Schiedsvereinbarung auf einem solchen Angebotsmarkt ein verbotenes Verhalten darstellt, ist anhand der Voraussetzungen des qualitativen Konditionenmissbrauchs zu prüfen. 60  Siehe dazu beispielhaft: Adolphsen, in: Adolphsen, et al., Sportrecht in der ­ raxis, 9. Kapitel Schiedsgerichtsbarkeit – Internationales Sportrecht Rn. 1030–1035; P Pfister, in: Fritzweiler, et al., Prax. HB Sportrecht, Teil II Kap. 4 Rn. 371–374; Hülskötter, Ad Legendum 2018, 240 (242–244). 61  Siehe: Schütze, der bei institutionellen Schiedsgerichten von „nicht oder nur begrenzt abänderbare[n] Schiedsordnunge[n]“ spricht: Schütze, Schiedsgericht und Schiedsverfahren, München 2016, Rn. 54. Ausdrücklich: E-Mail des CAS Court Office v. 24.09.2018.

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3. Die Regelung zur geschlossenen Schiedsrichterliste ist bereits nicht notwendig und daher kartellrechtswidrig. 4. Die Sitzbestimmung des CAS stellt erst in Kombination mit den Voll­ streckungsmöglichkeiten der Verbände einen qualitativen Konditionenmissbrauch dar. Ausschlaggebend ist dabei, dass diese Kombination dazu führt, dass im Primärrechtsschutzverfahren keine ordre public-Überprüfung möglich ist, die auch Kartellrecht einschließt. 5. Ob sich aus den festgestellten Kartellverstößen eine Unwirksamkeit der gesamten CAS-Schiedsvereinbarung ergibt, ist anhand einer Abwägung im Einzelfall zu bestimmen.

Audiovisuelle Medienrechte im Profisport* Von Julien Zinnecker I. Einleitung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 II. Aktuelle Rechtslage  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Positive Rechtspositionen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Eigentum  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Urheberrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Persönlichkeitsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Negative Rechtspositionen: Abwehrrechte  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Hausrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Lauterkeitsrecht  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Deliktsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Ergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

218 218 218 219 219 220 221 222 228 229

III. Ausblick  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230

I. Einleitung Der Sport hat sich im Verlaufe der vergangenen Jahrzehnte zu einem beachtlichen Wirtschaftsfaktor entwickelt. Einen wesentlichen Anteil an dieser Entwicklung hat nicht zuletzt auch der Profisport in seiner Eigenschaft als Zuschauer- und Showsport, bei welchem die Kommerzialisierung auf den passiven Sportkonsum Dritter ausgerichtet ist. In diesem Zusammenhang nehmen aber wiederum die Medien eine zentrale Rolle ein, indem sie kraft des Erwerbs entsprechender Übertragungsrechte entweder selbst zur Kommerzialisierung der Sportveranstaltung beitragen oder aber indem sie kraft ihrer Verbreitungswege erheblichen Einfluss auf die übrigen Kommerziali­ sierungsformen – wie Werbung und Sponsoring – nehmen. Trotz dieser Entwicklung sehen weder die nationale noch die europäische Rechtsordnung spezielle Vorschriften zum Schutze von Sportveranstaltungen, insbesondere im Hinblick auf deren audiovisuelle Verwertung, vor.1 *  Der Vortrag hat die Dissertation des Verfassers, Audiovisuelle Medienrechte an Profisportveranstaltungen am Beispiel der Deutschen Fußballbundesliga, Baden-Baden 2019, insbes. die Zusammenfassung und den Ausblick zur Grundlage. 1  Zinnecker, a. a. O., S.  19 ff., m. w. N.

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II. Aktuelle Rechtslage Bei der Bestimmung der originären audiovisuellen Sportmedienrechte geht es allein um die Frage, ob ein Beteiligter die Hoheit über die audiovisuelle Verwertung einer Profisportveranstaltung für sich reklamieren kann. Entscheidend ist daher, ob die Rechtsordnung Rechtspositionen vorsieht, die ­einen Schutz der Veranstaltung – also der Leistung als solcher – im Hinblick auf nicht autorisierte audiovisuelle Fremdverwertungen gewähren. Hierbei kann es sich zum einen um solche Rechtsgrundlagen handeln, welche dem Berechtigten die Befugnis zur audiovisuellen Verwertung der Profisportveranstaltung positiv mit dinglicher Wirkung zuweisen und die es ihm erlauben, Dritten in aktiv-gestaltender Form dingliche bzw. gegenständliche Rechte zur audiovisuellen Nutzung der Veranstaltung zu übertragen bzw. einzuräumen. Zum anderen kann es sich um solche Rechtspositionen handeln, auf deren Grundlage der Berechtigte die von ihm nicht autorisierte audiovisuelle Fremdverwertung der Darbietung zumindest negativ abwehrend unterbinden kann. Die im Umkehrschluss dann ebenfalls zwingend mögliche Autorisation zur audiovisuellen Verwertung der Veranstaltung wäre dann aber nicht dinglicher bzw. gegenständlicher, sondern nur obligatorischer Natur.2

1. Positive Rechtspositionen Die im erstgenannten Zusammenhang grundsätzlich als Grundlage audiovisueller Sportmedienrechte in Betracht kommenden Rechtspositionen in Gestalt des Eigentums, des Urheberrechts sowie der Persönlichkeitsrechte greifen im Ergebnis jedoch nicht durch. a) Eigentum Eine eigentumsrechtliche Grundlage der Sportmedienrechte scheitert daran, dass sich der Zuweisungsgehalt des Sacheigentums an der Veranstaltungsstätte weder auf deren äußeres Erscheinungsbild noch auf die damit im Zusammenhang stehenden kommerziellen Nutzungsmöglichkeiten erstreckt. Dies gilt aber erst recht für die am Veranstaltungsort stattfindende sportliche Darbietung, so dass weder die audiovisuelle Aufnahme der Veranstaltung noch die kommerzielle Verbreitung bzw. Verwertung dieser Aufnahmen der auf dem Grundstückseigentum beruhenden Herrschaftsmacht des Grundstückseigentümers unterliegen. Eine andere Sichtweise hätte die Anerkennung eines Ausschließlichkeitsrechts an dem in der Sache verkörperten im2  Zinnecker,

a. a. O., S.  247 ff., m. w. N.



Audiovisuelle Medienrechte im Profisport

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materiellen Gut zur Konsequenz und würde damit die Grenzen zwischen dem Sacheigentum und dem Immaterialgüterrecht verwischen.3 b) Urheberrecht Das Urheberrecht kommt als Grundlage audiovisueller Sportmedienrechte ebenfalls nicht im Betracht, weil es den hier behandelten sportlichen Darbietungen regelmäßig an einer hinreichenden geistigen Schöpfungshöhe mangelt, ihnen also kein Werkscharakter zukommt. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die hier behandelten Veranstaltungen, insbesondere die Profifußballveranstaltungen, von der sportlichen Wettkampfsituation geprägt werden, die sportliche Komponente also gegenüber dem künstlerischschöpferischen Aspekt überwiegt. Vor diesem Hintergrund scheiden auch die an den Werkscharakter anknüpfenden urheberrechtlichen Leistungsschutzrechte der ausübenden Künstler und Veranstalter als Grundlagen der audio­ visuellen Sportmedienrechte aus.4 c) Persönlichkeitsrechte Wenngleich die Persönlichkeitsrechte vermögenswerte Bestandteile aufweisen, an denen nach diesseitiger Auffassung gegenständliche Nutzungsrechte nach urheberrechtlichem Vorbild eingeräumt werden können, so vermögen auch diese Rechtspositionen die audiovisuellen Sportmedienrechte nicht zu begründen. Ein Bildnisschutz der Sportler scheitert bereits daran, dass es sich bei den hier behandelten Profisportveranstaltungen um Ereignisse von zeitgeschichtlicher Bedeutung handelt und einer regulären Sportberichterstattung keinerlei berechtigte Interessen der Athleten entgegenstehen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass eine werbliche bzw. kommerzielle Vereinnahmung der Sportler bei einer solchen Art der Bericht­ erstattung nicht gegeben ist. Auch unter dem Gesichtspunkt des Leistungsschutzes kommt das allgemeine Persönlichkeitsrecht nicht als taugliche Grundlage der Sportmedienrechte in Betracht, weil die sportliche Darbietung bei zahlreichen Disziplinen mehr durch Athletik und einstudierte Bewegungsabläufe, denn durch höchstpersönliche Fähigkeiten und Merkmale der Akteure geprägt ist und es sich bei diesen sportlichen Leistungen daher nicht um Persönlichkeitsmerkmale handelt, die einer Personen auf Dauer anhaften. Ferner ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass die nicht autorisierte audiovisuelle Verwertung der Veranstaltung keinen schwerwiegenden Eingriff in die Erwerbsmöglichkeiten der Sportler mit sich bringt, weil 3  Zinnecker, 4  Zinnecker,

a. a. O., S.  325 ff., m. w. N. a. a. O., S.  335 ff., m. w. N.

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diese – gerade im Falle von Mannschaftssportlern, die regelmäßig Angestellte ihrer Vereine sind – nicht an dem finanziellen Verwertungsrisiko der Veranstaltung beteiligt sind.5

2. Negative Rechtspositionen: Abwehrrechte Vor eben diesem Hintergrund ist auch hinsichtlich der von der Rechtsprechung im zweitgenannten Zusammenhang – und damit im Sinne reiner Abwehrrechte – als Grundlage audiovisueller Sportmedienrechte herangezogenen Rechtspositionen in Gestalt des Hausrechts, des Lauterkeitsrechts sowie des Deliktsrechts eine differenzierte Betrachtungsweise geboten. So ist dem BGH zunächst dahingehend zuzustimmen, dass alleine die die Veranstaltung organisierenden und insbesondere finanzierenden Veranstalter – und nicht etwa die die sportliche Darbietung erbringenden Sportler – aus den vorgenannten Rechtspositionen ggf. Berechtigungen im Hinblick auf die audio­ visuelle Verwertung herleiten könnten, es sich damit bei den hieraus abzuleitenden originären audiovisuellen Sportmedienrechten also allein um „Veranstalterrechte“ handeln könnte. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass die Frage nach der Hoheit über die audiovisuelle Verwertung einer Profisportveranstaltung vornehmlich wirtschaftliche Belange tangiert, es mithin um den Schutz von Vermögensinteressen geht. Da die Profisportler, insbesondere die Profifußballspieler, aber regelmäßig eine feste, von dem Erfolg der Veranstaltung unabhängige Vergütung erhalten und weder an der Organisation noch insbesondere an der Finanzierung der Veranstaltung beteiligt sind und daher keinerlei wirtschaftliche Risiken tragen, ist es evident, dass sich auch aus den o. a. Rechtspositionen keinerlei Befugnisse der Sportler im Hinblick auf die audiovisuelle Verwertung der Veranstaltung herleiten lassen. Eine andere Sichtweise ist hinsichtlich des Veranstalters geboten, da dieser – nach dem diesseitigen Begriffsverständnis6 – die organisatorische Gesamtleitung erbringt und die wesentlichen Investitionen der Veranstaltung trägt, so dass durch die – nicht autorisierte – audiovisuelle Verwertung ausschließlich seine Interessen, insbesondere seine Vermarktungs- und Vermögensinteressen, berührt werden. Allerdings können allein wirtschafsrechtliche Rechtsgrundlagen einen wirksamen Schutz dieser Interessen sicherstellen. Insofern folgt aus dem vorgenannten Umstand auch, dass – selbst aus Sicht des Veranstalters – nicht sämtliche der von Rechtsprechung herangezogenen Rechtspositionen als taugliche Grundlage der hier behandelten Sportmedienrechte in Betracht kommen.7 5  Zinnecker,

a. a. O., S.  357 ff., m. w. N. a. a. O., S.  258 ff. 7  Zinnecker, a. a. O., S.  425 ff., m. w. N. 6  Zinnecker,



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a) Hausrecht Dies gilt insbesondere für das Hausrecht. Die Bemühungen des BGH,8 diese Rechtsposition als zentrale Grundlage medialer Rechte zu positionieren deuten doch recht unmissverständlich auf das Bestreben hin, etwaige Schutzlücken im Hinblick auf andere Verwertungsformen, wie insbesondere der Hörfunkberichterstattung, zu schließen. Das Hausrecht bietet aber lediglich einen räumlichen Schutz des Herrschaftsbereiches vor fühlbaren Beeinträchtigungen und berechtigt seinen Inhaber dazu, Dritten die Überschreitung der räumlichen Grenzen dieses Bereiches zu verwehren. Dem Hausrecht kommt daher primär eine ordnungswahrende Funktion zu. Die entsprechenden Abwehrrechte sind darauf ausgerichtet, das Interesse des Hausrechtsinhabers an einer ungestörten Nutzung der Veranstaltungsstätte sowie an einem ordnungsgemäßen Ablauf der Veranstaltung zu schützen. Dem Schutz der innerhalb des räumlichen Herrschaftsbereichs dargebotenen Veranstaltung vor audiovisuellen Fremdverwertungen und dem damit einhergehenden Schutz von Vermarktungs- und Vermögensinteressen wird das Hausrecht hingegen kaum gerecht. Alleiniger Anknüpfungspunkt ist in diesem Zusammenhang der Umstand, dass der Hausrechtsinhaber auf Grundlage seines Hausrechts dazu berechtigt ist, den Zugang zu dem Veranstaltungsort privatautonom zu regeln und die Zweckbestimmung des Aufenthaltes festzulegen. Die Tatsache, dass die audiovisuelle Verwertung einer innerhalb einer geschlossenen Veranstaltungsstätte ausgetragenen Darbietung in der Regel den Zugang zu dem Areal voraussetzt, ermöglicht es dem Hausrechtsinhaber, sowohl den Zugang als auch die mediale Verwertung der Veranstaltung von Bedingungen – wie eben auch von der Zahlung eines entsprechenden Entgeltes – abhängig zu machen. Auf diese Weise kommt dem Hausrecht – gewissermaßen als Nebeneffekt zu den räumlichen Regulierungsbefugnissen – in der Tat eine gewisse Vermarktungsdimension zu. Diese ist jedoch rein faktischer Natur, da das Hausrecht allein einen räumlich-tatsächlichen, keinesfalls aber einen rechtlich ziel- und zweckgerichteten Schutz der am Veranstaltungsort erbrachten Leistung bietet. Vor diesem Hintergrund weist der insoweit durch das Hausrecht gewährte Schutz auch erhebliche Lücken auf. Gerade weil der durch das Hausrecht faktisch gewährte Schutz der Veranstaltung an den räumlichen Grenzen des jeweiligen Herrschaftsbereiches endet, können auf dieser Grundlage keinerlei Verwertungshandlungen unterbunden werden, die von außerhalb dieses begrenzten Bereiches aus erfolgen und die insbesondere auch auf zunächst unbemerkt gebliebenen Aufnahmevorgängen innerhalb des räumlichen Schutzbereiches beruhen. Hieraus ergeben sich aber nicht nur im Hinblick auf von 8  So beispielsweise in BGH, Urteil v. 28.10.2010, GRUR 2011, S. 436, 437 f.; BGH, Urteil v. 08.11.2005, SpuRt 2006, S. 73, 76; BGH, Beschluss v. 14.03.1990, NJW 1990, S. 2815, 2817.

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außen leicht einsehbare Amateursportveranstaltungen eklatante Schutzdefizite. Auch für die in geschlossenen Arenen ausgetragenen Profisportveranstaltungen ergeben sich angesichts der beschränkten Kontrollmöglichkeiten und der stetigen Entwicklung moderner Aufnahme- und Übertragungstechniken erhebliche Schutzlücken. Fehlt es gar an einem räumlichen Herrschaftsbereich – weil die Veranstaltung auf einer dem Gemeingebrauch unterliegenden Fläche ausgetragen wird – so kommen die hausrechtlichen Abwehrrechte von vornherein nicht zum Tragen. Ferner ist zu bedenken, dass gerade der durch das Hausrecht gewährte räumlich-faktische Schutz der Veranstaltung durch das Kurzberichterstattungsrecht des § 5 RStV eine ganz erhebliche Einschränkung erfährt, da den TV-Anstalten unter den in § 5 RStV genannten Voraussetzungen der Zugang zu dem Austragungsort bedingungslos zu gewähren ist. Sämtliche Bemühungen, den Schutzumfang des Hausrechts unter Hinweis auf die besondere Schutzwürdigkeit der Leistung auszuweiten, sind abzulehnen, weil das Hausrecht auf diese Weise – entgegen seines tatsächlichen Schutzzwecks – zu einem Leistungsschutzrecht umfunktioniert würde. Insofern muten beispielsweise die von der FIFA im Zuge der Weltmeisterschaft 2006 unternommenen Anstrengungen, das Hausrecht im Inte­ resse der eigenen Sponsoren in Gestalt sog. werbefreier „Bannmeilen“ im Umkreis von ca. 1 km um die Stadien herum auszuweiten, beinahe schon grotesk an. Vor dem Hintergrund, dass das Hausrecht aber keinen ziel- und zweckgerichteten Schutz der Veranstaltung im Hinblick auf audiovisuelle Fremdverwertungen bietet, kommt es aber auch nur äußerst eingeschränkt und behelfsmäßig als Grundlage audiovisueller Sportmedienrechte in Betracht.9 b) Lauterkeitsrecht Zentrale Bedeutung für die Herleitung der audiovisuellen Sportmedienrechte kommt dagegen dem Lauterkeitsrecht in Gestalt des ergänzenden lauterkeitsrechtlichen Leistungsschutzes zu, jedenfalls sofern die Gewährung eines unmittelbaren Leistungsschutzes über die Generalklausel des § 3 I UWG anerkannt wird. Grundsätzlich ist der auf das Erfolgsunrecht ausgerichtete Schutz von Leistungen den in den Sondergesetzen geregelten Immaterialgüterrechten vorbehalten. Aus der Erkenntnis heraus, dass – neben der Innovation – insbesondere auch die Imitation für einen funktionierenden Wettbewerb unerlässlich ist, ist die Nutzung von Leistungen die – wie eben auch die hier in Rede stehenden Profisportveranstaltungen – nicht von den Sondergesetzen erfasst werden grundsätzlich frei. Insoweit gilt der Grundsatz der Nachahmungsfreiheit. Gleichwohl hat sich in der Vergangenheit gezeigt, 9  Zinnecker,

a. a. O., S.  432 ff., m. w. N.



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dass es – über den durch die Sondergesetze gewährten Schutz hinaus – eines zusätzlichen und flexibleren Schutzes von Leistungen über das Lauterkeitsrecht bedarf. Die Abgrenzung zwischen immaterialgüterrechtlichem Sonderrechtsschutz und ergänzendem lauterkeitsrechtlichem Leistungsschutz erfolgt nach dem traditionellen Verständnis dahingehend, dass die Immaterialgüterrechte die Leistung als solche schützten und damit auf das Erfolgsunrecht ausgerichtet seien, während sich das Wettbewerbsrecht – im Sinne einer Marktverhaltensrechts – gegen die Art und Weise der Verwertung wende und damit dem Schutz vor unlauteren Wettbewerbshandlungen, also vor dem Handlungsunrecht, diene, so dass die Leistung als solche nur reflexartig, also mittelbar, geschützt werde.10 In diesem Zusammenhang hat die höchstrichterliche Rechtsprechung in der Vergangenheit diverse verhaltensbezogene Umstände entwickelt, welche die Unlauterkeit einer Nachahmung begründen und damit einen mittelbaren lauterkeitsrechtlichen Leistungsschutz auslösen.11 Eben diese Umstände wurden im Zuge der UWG-Novelle 2004 in den Beispielkatalog des § 4 Nr. 9 UWG aufgenommen, welcher mittlerweile mit der UWG-Novelle 2015 in § 4 Nr. 3 UWG überführt wurde. Gleichwohl stellte der BGH wiederholt eine auf das Leistungsergebnis selbst bezogene Betrachtung an und rückte über das Merkmal der wettbewerblichen Eigenart die besondere Schutzwürdigkeit und Eigenheit einer Leistung selbst in den Mittelpunkt der rechtlichen Bewertung. Dabei verzichtete der BGH teilweise gänzlich auf das zusätzliche Vorliegen besonderer verhaltensbezogener Umstände und gewährte auf diese Weise einen unmittelbaren lauterkeitsrecht­ lichen Leistungsschutz.12 Teilweise hielt der BGH an dem Erfordernis der ausführlich hierzu Zinnecker, a. a. O., S.  461 ff. und S.  519 ff., m. w. N. Rechtsprechungsentwicklung s. Ruess/Slopek, Zum unmittelbaren wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz nach hartplatzhelden.de, in: WRP 2011, S.  834, 835 ff.; Sack, Die lückenfüllende Funktion der Generalklausel des § 3 UWG, WRP 2005, S. 531, 536 f.; ders., Rezensionsabhandlung – Nachahmen im Wettbewerb, in: ZHR Bd. 160 (1996), S. 493, 496 ff.; Münchener Kommentar zum Lauterkeitsrecht, Wiebe, § 4 Nr. 9 UWG, Rn. 1 ff.; Zinnecker, a. a. O., S.  520 ff. 12  So ausdrücklich beispielsweise BGH, Urteil v. 24.05.1963, GRUR 1963, S. 575, 576 („Vortragsabend“): „Ihr mit der Klage beanstandetes Verhalten erfüllt den Tatbestand eines „Schmarotzens“ an fremder Leistung und verstößt auch ohne das Hinzutreten besonderer Umstände gegen die Grundsätze des lauteren Wettbewerbs, weil es sich um die unmittelbare Ausnutzung und nicht etwa um die Nachahmung der Leistung eines Mitbewerbers zur Förderung eigener Wettbewerbsinteressen handelt.“ S. insoweit auch BGH, Urteil v. 21.11.1958, GRUR 1959, S. 240, 243 („Nelkenstecklinge“); BGH, Beschluss v. 27.02.1962, GRUR 1962, S. 470, 475 („AKI“); BGH, Urteil v. 31.05.1960, GRUR 1960, S. 627, 630 („Rundfunksendungen“); BGH, Urteil v. 31.05.1960, GRUR 1960, S. 614, 617 („Figaros Hochzeit“); Vgl. hierzu – obgleich in diesen Fällen ein Leistungsschutz wegen fehlender unmittelbarer Leistungsübernahme nicht gewährt wurde – auch die Ausführungen des BGH in BGH, Urteil v. 24.06.1966, GRUR 1966, S. 617, 620 („Saxophon“); BGH, Urteil v. 13.10.1965, GRUR 1966, S. 503, 506 f. („Apfel-Madonna“). 10  Vgl.

11  Ausführlich

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besonderen Umstände – zumindest dem Anschein nach – zwar fest, begründete diese Umstände aber wiederum damit, dass der Erbringer einer unter Einsatz erheblicher „Mühen und Kosten“ geschaffenen Leistung durch die Nachahmung um die „Früchte seiner Arbeit“ gebracht werde.13 Da dieser Umstand aber jeder Nachahmung innewohnt, wurde auch an dieser Stelle ein unmittelbarer Leistungsschutz – wenn auch verdeckt – über das Lauterkeitsrecht gewährt. Nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, dass der Gesetzgeber ­allein die Fallgruppen des mittelbaren Leistungsschutzes in den Katalog des § 4 Nr. 9 UWG a. F./§ 4 Nr. 3 UWG n. F. aufgenommen hat, ist aber umstrittener denn je, ob das Lauterkeitsrecht die Gewährung eines unmittelbaren Leistungsschutzes nach § 3 I UWG erlaubt. Diese Frage ist aber von höchster Bedeutung. Sofern nämlich allein ein mittelbarerer lauterkeitsrechtlicher Leistungsschutz nach Maßgabe von § 4 Nr. 3 UWG anerkannt und damit zum Ausdruck gebracht wird, dass stets besondere, an die Art und Weise der Handlung anknüpfende Umstände vorliegen müssen, um einen Leistungsschutz auszulösen, bietet auch das Lauterkeitsrecht den audiovisuellen Sportmedienrechten keine taugliche Grundlage, da derartige Umstände bei einer regulären Sportberichterstattung nicht vorliegen bzw. im Ergebnis allein mit der Schutzwürdigkeit der Leistung selbst – also der Profisportveranstaltung als solcher – begründet werden könnten.14 Die damit einhergehende Gewährung eines verdeckten unmittelbaren Leistungsschutzes wäre aber systemwidrig, weil der Gesetzgeber kraft der Normierung des § 4 Nr. 9 UWG a. F./§ 4 Nr. 3 UWG n. F. den Grundsatz der Nachahmungsfreiheit kodifiziert und damit deutlich gemacht hat, dass der hierin geregelte mittelbare lauterkeitsrecht­ liche Leistungsschutz das Vorliegen besonderer, verhaltensbedingter Umstände zwingend voraussetzt. Allerdings hat der Gesetzgeber auf diese Weise keinesfalls gleichsam zum Ausdruck gebracht, dass das Lauterkeitsrecht generell keinen unmittelbaren Leistungsschutz zulasse, weil es sich bei § 4 Nr. 9 UWG a. F./§ 4 Nr. 3 UWG n. F. lediglich um einen nicht abschließenden Beispielkatalog handelt. Die unumwundene Gewährung eines unmittelbaren Leistungsschutzes im Rahmen einer Einzelfallbetrachtung unter Offenlegung sämtlicher Umstände und Interessen sowie unter Wahrung strikter Subsidiarität gegenüber den Sondergesetzen auf Grundlage des § 3 I UWG ist bereits aus systematischen Erwägungen gegenüber solchen Ansätzen vorzuziehen, in denen ein solcher Schutz unter Vorschieben besonderer Umstände verdeckt gewährt wird. Da13  BGH, Urteil v. 30.10.1968, GRUR 1969, S. 186, 188 („Reprint“). S. insoweit auch BGH, Urteil v. 10.12.1987, GRUR 1988, S. 308, 310 („Informationsdienst“); BGH, Urteil v. 19.01.1973, GRUR 1973, S. 478, 480. 14  Zinnecker, a. a. O., S.  537 ff., m. w. N.



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bei wird gerade am Beispiel der nicht autorisieren audiovisuellen Verwertung von Profisportveranstaltungen deutlich, dass auch im Interesse eines funktionierenden und interessengerechten Wettbewerbs besonders schutzwürdigen Leistungen im Einzelfall über § 3 I UWG ein unmittelbarer Leistungsschutz zukommen muss, sofern dies nicht im Widerspruch zu den Wertungen der Sondergesetze steht. Zwar ist grundsätzlich an dem Grundsatz der Nachahmungsfreiheit und der damit vorgegebenen Trennung zwischen den auf den Schutz der Leistung ausgerichteten Immaterialgüterechten und den auf den Schutz vor unlauteren Handlungen ausgerichteten Lauterkeitsrecht festzuhalten. Zur Schließung korrekturbedürftiger Schutzlücken innerhalb der Sondergesetze muss aber im Einzelfall die Gewährung eines unmittelbaren lauterkeitsrechtlichen Leistungsschutzes in Betracht kommen können, und zwar dann, wenn die Leistung ebenso schutzwürdig und das Unwerturteil infolge der bloßen Leistungsaneignung genauso schwerwiegend ist wie in den von den Sondergesetzen erfassten Bereichen. Alleiniger Maßstab kann an dieser Stelle nur die Frage sein, ob das nicht autorisierte Partizipieren an einer fremden Leistung als unlauter einzuordnen ist. Ob bei dieser Bewertung nun primär auf verhaltensbezogene Begleitumstände oder aber auf die besondere Schutzwürdigkeit und Eigenheit der Leistung abgestellt wird, kann dabei nicht maßgeblich sein. Die strikte Berufung auf den Grundsatz der Nach­ ahmungsfreiheit im Sinne eines „Alles-oder-nichts-Prinzips“ würde hier zu unbilligen Ergebnissen führen. Vorstehendes gilt insbesondere dann, wenn der grundsätzlich zu respektierende Grundsatz der Nachahmungsfreiheit nicht den bezweckten Schutz bzw. die bezweckte Förderung des Wettbewerbs, sondern vielmehr eine erhebliche Schädigung oder gar Beseitigung des Wettbewerbs und damit ein Marktversagen zur Folge hätte. Zwar trifft es zu, dass auf diese Weise ein Investitionsschutz gewährt wird, doch hat sich – wie bereits dargelegt – die Rechtsprechung in der Vergangenheit – wenn auch teilweise verdeckt – über den „Mühe-und-Kosten-„ bzw. den „Früchteder-Arbeit-Gedanken“ wiederholt von eben diesem Aspekt leiten lassen. Dem im Einzelfall zu gewährenden unmittelbaren lauterkeitsrechtlichen Leistungsschutz kommt dabei ein immaterialgüterrechtlicher Charakter zu. Hinweise der Gegenauffassung15 auf die strikt zu berücksichtigende Trennung zwischen dem auf das Erfolgsunrecht ausgerichteten immaterialgüter15  So beispielsweise Nemeczek, Rechtsübertragung und Lizenzen beim wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz, in: GRUR 2011, S. 292, 294; ders., Gibt es einen unmittelbaren Leistungsschutz im Lauterkeitsrecht?, in: WRP 2010, S. 1204 f., 1209 und S. 1211; ders., Wettbewerbliche Eigenart und die Dichotomie des mittelbaren Leistungsschutzes, in: WRP 2010, S. 1315, 1318; Köhler, Anmerkung zu BGH, Urteil v. 2.12.2009 – I ZR 152/07 (OLG Stuttgart), in: GRUR 2010, S. 657, 658; Köhler/ Bornkamm, ders., UWG, § 4 UWG. Rn. 3.5 c; Fezer, Götting, Lauterkeitsrecht, § 4–9, Rn. 85; Piper/Ohly, Piper, UWG (4. Aufl.), § 4.9, Rn. 9/44.

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rechtlichen Sonderrechtsschutz und dem auf das Handlungsunrecht ausgerichteten lauterkeitsrechtlichen Leistungsschutz sind fadenscheinig, weil – wie sich in der Praxis gezeigt hat – eine solche Trennung schlichtweg nicht immer realisierbar ist und weil selbst der mittelbare lauterkeitsrechtliche Leistungsschutz nach Maßgabe von § 4 Nr. 3 UWG – wie auch der BGH16 wiederholt hervorgehoben hat  – einen immaterialgüterrechtsähnlichen Charakter aufweist. Letzteres zeigt sich insbesondere auf Rechtsfolgenseite mit Blick auf die Beschränkung der Aktivlegitimation, die Zulassung der dreifachen Schadensberechnung sowie die Gewährung von kondiktionsrechtlichen Ansprüchen. Damit erscheint es aber nur konsequent, dem unmittelbaren Leistungsschutz nach § 3 I UWG, bei dem die Leistung also solche im Mittelpunkt der rechtlichen Bewertung steht, einen wahrhaftigen immaterialgüterrechtlichen Charakter zuzusprechen. Gerade auch in diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass der lauterkeitsrechtliche Leistungsschutz seit jeher eine Schrittmacherfunktion für die Entwicklung neuer Immaterialgüterrechte erfüllt hat. Angesichts des immerwährenden technologischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandels ist diese Funktion auch keinesfalls obsolet. Ferner besteht kein Numerus clausus der Immaterialgüterrechte, so dass nicht allein der Gesetzgeber, sondern in den gesetzlich nicht geregelten Bereichen auch die Gerichte aufgefordert sind, die Bedingungen eines interessengerechten und funktionsfähigen Wettbewerbs vorzugeben.17 Am Beispiel des Fußballsports folgt hieraus, dass im Hinblick auf audiovisuelle Verwertungen von Profisportveranstaltungen ein unmittelbarer Leistungsschutz über § 3 I UWG angezeigt ist. Der mangelnde urheberrechtliche Schutz ist keinesfalls als abschließende und umfassende Wertung zur generellen Schutzunwürdigkeit solcher Veranstaltungen zu werten. Im Rahmen der vorzunehmenden Einzelfallbetrachtung ist zunächst zu berücksichtigen, dass die audiovisuellen Verwertung – unabhängig davon, ob sie nun als unmittelbare Leistungsübernahme im Sinne einer Nachahmung oder aber als sonstige Leistungsaneignung eingeordnet wird – primär durch die Aneignung einer fremden Leistung, denn durch die Erbringung einer nennenswerten Eigenleistung gekennzeichnet ist. Dabei besteht auch bei Profifußballwettbewerben aufgrund der tatsächlichen Gegebenheiten die besondere Gefahr einer recht mühelosen, nicht autorisierten audiovisuellen Fremdverwertung. Der 16  Insoweit spricht der BGH von einer „der den Immaterialgüterrechten vergleichbaren wettbewerbsrechtlichen Leistungsposition“ – BGH, Urteil v. 24.03.1994, GRUR 1994, S. 630, 633 –, von einer „dem Immaterialgüterrechtsschutz vergleichbaren Leistungsposition“ – BGH, Urteil v. 18.02.1977, GRUR 1977, S. 539, 541; BGH, Urteil v. 19.01.1973, GRUR 1973, S. 478, 480 – oder von einem „dem Immaterialgüterrechtsschutz ähnlichen Schutz“ – BGH, Urteil v. 08.10.1971, GRUR 1972, S. 189, 190 –. Ähnlich auch BGH, Urteil v. 21.09.2006, GRUR 2007, S. 431, 433. 17  Ausfühlich hierzu Zinnecker, a. a. O., S.  559 ff., m. w. N.



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Hinweis des BGH18 auf den durch das Hausrecht gewährten Schutz überzeugt angesichts der eklatanten Schutzdefizite nicht. Mit Blick auf die Leistung als solche ist zunächst zu berücksichtigen, dass an derlei Veranstaltungen auch ein breites Interesse seitens der Öffentlichkeit besteht, ein wirk­ samer Schutz – angesichts eines andernfalls drohenden Marktversagens – daher durchaus auch im Interesse der Allgemeinheit liegt. Die Austragung von Profifußballveranstaltungen ist aber mit einem zunehmend hohen Investitionsvolumen verbunden. Zur Amortisation dieser Investitionen ist der Veranstalter in besonderem Maße auf die Einnahmen aus der medialen Vermarktung angewiesen. Entsprechende Einnahmen ließen sich jedoch nur schwerlich realisieren, wenn die Veranstaltungen unter Hinweis auf den Grundsatz der Nachahmungsfreiheit von jedermann frei audiovisuell verwertet könnten. Nicht zuletzt auch aufgrund der Besonderheiten des sportlichen Wettbewerbs in dessen Eigenschaft als vermarktungsfähiges Produkt bestünde in diesem Fall durchaus die Gefahr eines Marktversagens. Da bei der medialen Vermarktung von Profifußballveranstaltungen allein die Kriterien der Aktualität und der Exklusivität wertbildend sind, hätte jedwede Verwertung in Gestalt von Erst-, Zweit- und sonstigen Folge- und Nachverwertungen ganz erheb­ liche Auswirkungen auf die Vermarktungsmöglichkeiten des Veranstalters. Vor dem Hintergrund, dass sich die Übertragungsqualität der einzelnen Medientypen im Zuge der technologischen Entwicklung immer weiter angleicht, die einzelnen Angebotsformen also nahezu untereinander austauschbar sind, gilt Vorstehendes mediumsübergreifend für sämtliche audiovisuellen Verwertungsformen. Die mit den Einnahmeverlusten aus dem Bereich der medialen Vermarktung zwingend verbundene Verschlechterung der Qualität des sportlichen Wettbewerbs hätte aber mittel- und langfristig erhebliche Auswirkungen auf die Einnahmesituation aus den übrigen Geschäftsbereichen, insbesondere aus den Bereichen der Werbung, des Sponsorings und des Merchandisings. Gerade aufgrund dieser zu befürchtenden Kettenreaktion stünde ein Marktversagen bei einem fehlenden unmittelbaren Leistungsschutz über § 3 I UWG aber durchaus zu befürchten. Damit gewährt § 3 I UWG hinsichtlich der Profifußballveranstaltungen einen unmittelbaren immaterialgüterrechtlichen Leistungsschutz in Bezug auf sämtliche kommerziell-audiovisuellen Verwertungsformen und weist dem Veranstalter in eben diesem Zusammenhang die gegenüber jedermann wirkende Herrschaftsmacht über die Veranstaltung zu. Allerdings lässt sich auf dieser Grundlage ein entsprechender Leistungsschutz – im Sinne eines „ge18  Neben den bereits angesprochenen Entscheidungen – BGH, Urteil v. 28.10.2010, GRUR 2011, S. 436, 437 f.; BGH, Urteil v. 08.11.2005, SpuRt 2006, S. 73, 76; BGH, Beschluss v. 14.03.1990, NJW 1990, S. 2815, 2817 – hat der BGH insbesondere auch in seiner Entscheidung i. S. „Hartplatzhelden“ die – vermeidlich – zentrale Rolle des Hausrechts hervorgehoben, BGH, Urteil v. 28.10.2010, GRUR 2011, S. 436, 437.

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nerellen audiovisuellen Sportmedienrechts“ – nicht per se für sämtliche Profisportveranstaltungen herleiten. Wenngleich ein solcher Schutz vielfach anzunehmen sein dürfte, so ist doch stets im Einzelfall anhand der jeweiligen Veranstaltung zu prüfen, ob die Gewährung eines unmittelbaren Leistungsschutzes über § 3 I UWG mit Blick auf den betriebenen Investitionsaufwand, die wirtschaftlichen Konsequenzen eines mangelnden Schutzes  – insbesondere im Hinblick auf ein drohendes Marktversagen – sowie das Allgemein­ interesse angezeigt ist. Ein generelles, jedwede kommerziellen Verwertungen von Profisportveranstaltungen erfassendes Leistungsschutzrecht lässt sich aus § 3 I UWG ohnehin nicht ableiten. Da die Wertungen der Sondergesetze zwingend zu berücksichtigen sind, ist der über § 3 I UWG zu gewährende Leistungsschutz in Bezug auf audiovisuelle Nachverwertungen zeitlich zu beschränken. Maßgeblich sollte hier der Austragungsturnus der jeweiligen Veranstaltung sein. Da dem unmittelbaren Leistungsschutz nach § 3 I UWG ein immaterial­ güterrechtlicher Charakter zukommt  – es sich bei der insoweit vermittelten Rechtsposition um ein absolutes, gegenständliches Recht handelt – erfasst der Schutz sämtliche, für eine audiovisuelle Verwertung charakteristischen Eingriffe und damit nicht erst die Verbreitung der Aufnahmen, sondern bereits den Aufnahmevorgang als solchen. Ferner folgt aus dem immaterial­ güterrechtlichen Charakter, dass es dem Veranstalter im Hinblick auf die in Betracht kommenden Dispositionsbefugnisse freisteht, die durch den unmittelbaren lauterkeitsrechtlichen Leistungsschutz nach § 3 I UWG vermittelten, immaterialgüterrechtlichen audiovisuellen Rechtspositionen im Wege der translativen Rechtsübertragung in Gänze zu übertragen oder hieran – im Wege der konstitutiven Rechtseinräumung – gegenständliche Nutzungsrechte bzw. Lizenzen einzuräumen. Bei der Bestimmung von Art, Inhalt und Umfang der Rechtsübertragung bzw. -einräumung, sollte auf die in § 31 V UrhG zum Ausdruck kommende Zweckübertragungsregel zurückgegriffen werden. Daneben kommen als Dispositionsmittel freilich auch die schuldvertragliche Gestattung sowie die Einwilligung in Betracht.19 c) Deliktsrecht Eine Beschränkung erfahren die aus den vorgenannten Rechtspositionen abzuleitenden Befugnisse des Veranstalters allerdings durch das nachrichtenmäßige TV-Kurzberichterstattungsrecht des § 5 RStV bzw. durch die darin zum Ausdruck kommende verfassungsrechtliche Wertung, nach der in diesem Falle die vornehmlich durch Art. 12 I GG geschützten kommerziellen Inte­ 19  Ausfühlich

hierzu Zinnecker, a. a. O., S.  585 ff., m. w. N.



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ressen des Veranstalters gegenüber dem öffentlichen Informationsinteresse und der Rundfunkfreiheit nach Art. 5 I 2 GG zurückzutreten haben. Da die die Sportmedienrechte begründenden Rechtspositionen in diesem Falle bereits tatbestandlich nicht zum Tragen kommen, die audiovisuellen Sportmedienrechte im TV-Bereich also erst an solchen Formaten be- bzw. entstehen, die über die bloße Kurzberichterstattung hinausgehen, handelt es sich insoweit um eine rechtshindernde Beschränkung.20 d) Ergebnis Insofern bleibt abschließend festzuhalten, dass de lege lata keine Rechtspositionen ersichtlich sind, aus welchen sich ein generelles audiovisuelles Medienrecht an Profisportveranstaltungen per se ableiten ließe. Vielmehr ist im Einzelfall zu ermitteln, ob die Rechtsordnung Grundlagen vorsieht, aus welchen sich Befugnisse im Hinblick auf die audiovisuelle Verwertung der jeweils in Rede stehenden Profisportveranstaltung herleiten lassen. Dabei kommen mit dem Hausrecht, insbesondere aber mit dem unmittelbaren lauterkeitsrechtlichen Leistungsschutz nur Rechtspositionen des die Veranstaltung organisierenden und finanzierenden Veranstalters als taugliche Grundlagen audiovisueller Sportmedienrechte in Betracht. Dem auf dem räumlichen Schutz des jeweiligen Herrschaftsbereiches ausgerichteten Hausrecht kommt dabei eine untergeordnete Rolle zu, da es ohnehin nur bei solchen Veranstaltungen zu Tragen kommt, die innerhalb eines solchen Herrschaftsbereiches ausgetragen werden und da es ohnehin einen nur sehr lückenhaften Schutz der Veranstaltung als solche bietet. Vollständig außer Acht zu lassen ist das Hausrecht für die Herleitung der audiovisuellen Sportmedienrechte allerdings nicht, da es kraft der räumlichen Regulierungsbefugnisse zumindest eine faktische Vermarktungsdimension aufweist und – im Gegensatz zu dem lauterkeitsrechtlichen Leistungsschutz, der erst dann zum Tragen kommt, wenn die Veranstaltung aufgenommen bzw. verwertet wird – kraft seiner Zutrittsbarrieren einen präventiven Schutz im Vorfeld der Berichterstattung bietet. Da das Hausrecht allein die Geltendmachung von Abwehrrechten erlaubt, wäre die hierauf basierende Autorisation zur audiovisuellen Verwertung der Veranstaltung aber nur obligatorischer Natur. In erster Linie basieren die audiovisuellen Medienrechte an den hier behandelten Profisportveranstaltungen auf dem Lauterkeitsrecht in Gestalt des unmittelbaren lauterkeitsrecht­ lichen Leistungsschutzes nach § 3 I UWG. Allein diese Rechtsposition bietet einen ziel- und zweckgerichteten Schutz der Veranstaltung im Hinblick auf audiovisuelle Fremdverwertungen und wird den damit verbundenen Vermarktungs- und Vermögensinteressen des Veranstalters gerecht. Diese 20  Zinnecker,

a. a. O., S.  607 ff., m. w. N.

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Rechtsposition weist nach diesseitiger Auffassung21 einen immaterialgüterrechtlichen Charakter auf und erlaubt damit die Übertragung bzw. Einräumung gegenständlicher Rechte zur audiovisuellen Nutzung der Veranstaltung. Hieraus folgt aber, dass originärer Rechteinhaber und damit – das Diktum der höchstrichterlichen Rechtsprechung und der sportrechtlichen Literatur zugrunde legend – „Sportveranstalter“ im Wesentlichen derjenige ist, der die Investitionen der jeweiligen Veranstaltung trägt.

III. Ausblick Die vorangegangenen Ausführungen haben verdeutlicht, dass sich audio­ visuelle Medienrechte an Profisportveranstaltungen de lege lata alleine aus dem Hausrecht, insbesondere aber aus dem Lauterkeitsrecht herleiten lassen. Ein lückenloser Schutz im Sinne eines sämtliche Profisportveranstaltungen erfassenden „audiovisuellen Sportmedienrechtes“ lässt sich auf dieser Grundlage jedoch nicht herleiten. Da das Hausrecht alleine einen räumlichen Schutz des jeweiligen Herrschaftsbereiches bietet und allein insoweit eine Vermarktungsdimension aufweist, als dass die audiovisuelle Verwertung einer innerhalb einer geschlossenen Veranstaltungsstätte ausgetragenen Darbietung in der Regel den Zugang zu der Sportstätte voraussetzt, kommt das Hausrecht bei solchen ­ Veranstaltungen, die außerhalb eines solchen Herrschaftsbereiches ausgetragen werden bereits von vornherein nicht als Grundlage der audiovisuellen Sportmedienrechte in Betracht. Doch auch im Hinblick auf die übrigen Veranstaltungen weist das Hausrecht erhebliche Schutzdefizite auf, zumal die Gefahr einer Umgehung dieses allein räumlich-faktisch wirkenden Schutzes der Veranstaltung angesichts der fortwährenden technischen Entwicklungen immer weiter zunehmen dürfte. Schließlich erscheint das Hausrecht – eben aufgrund der Tatsache, dass es keinen ziel- und zweckgerichteten Schutz der Veranstaltung als solche bietet – bereits seiner Natur nach ungeeignet, als Grundlage audiovisueller Sportmedienrechte zu dienen. Im Übrigen erlaubt das Hausrecht allein die obligatorisch wirkende Autorisation zur audiovisuellen Verwertung der Veranstaltung. Das Lauterkeitsrecht erweist sich insoweit als durchaus sachgerechtere Lösung, doch haben die vorangegangenen Ausführungen verdeutlicht, dass es hierfür einigen Begründungsaufwandes bedarf und dass das Lauterkeitsrecht den audiovisuellen Sportmedienrechten nur dann eine hinreichend ­sichere Grundlage bietet, sofern ein unmittelbarer lauterkeitsrechtlicher Leistungsschutz nach § 3 I UWG anerkannt wird. Obgleich die Gewährung eines 21  Zinnecker,

a. a. O., S.  559 ff., m. w. N.



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solchen Schutzes durchaus angezeigt ist, lässt sich freilich nicht sicher prognostizieren, ob und unter welchen konkreten Voraussetzungen die höchstrichterliche Rechtsprechung dieses Rechtsinstitut zunächst einmal generell, insbesondere aber gerade auch im Hinblick auf audiovisuelle Verwertungen von Profisportveranstaltungen anerkennen wird bzw. würde. Dies gilt erst recht im Hinblick auf den diesseits angenommenen immaterialgüterrechtlichen Charakter des unmittelbaren lauterkeitsrechtlichen Leistungsschutzes. Wie gezeigt, besteht aber in der Praxis aus Sicht aller Beteiligten ein besonderes Bedürfnis danach, gegenständliche Rechte zur audiovisuellen Nutzung von Profisportveranstaltungen übertragen bzw. einräumen zu können. Ferner ist nicht außer Acht zu lassen, dass sich auch aus § 3 I UWG ein generelles audiovisuelles Sportmedienrecht an jeglichen Profisportveranstaltungen nicht per se ableiten lässt, sondern dass es stets einer Einzelfallprüfung bedarf, so dass sich auch in diesem Zusammenhang durchaus Schutzlücken auftun können. Vor dem Hintergrund dieser doch recht unübersichtlichen und unklaren Rechtslage überrascht es nicht, dass insbesondere von Seiten des Sports vermehrt die Schaffung eines eigenen Schutzrechts zugunsten von Sport­ ­ veranstaltungen gefordert wird. So haben beispielsweise die vier größten nationalen Sportligen – die Deutsche Eishockey Liga (DEL), die Basketball Bundesliga (BBL), die Handball Bundesliga (HBL) und die Deutsche Fußball Liga (DFL) – eine gemeinsame Interessengemeinschaft – die sog. „Initiative Profi­sport“ – gegründet, um unter Hinweis auf den dringenden Bedarf an Rechtssicherheit und -klarheit gemeinsame „Lobby-Arbeit“ für die Schaffung eines „Sportveranstalterschutzrechts“ zu betreiben.22 Doch auch auf Unionsebene werden die Mitgliedstaaten vermehrt zur Schaffung sondergesetzlicher Regelungen zum Schutze von Sportveranstaltungen ermutigt, so beispielsweise durch eine Entschließung des Europäischen Parlaments zum Weißbuch Sport vom 08.05.2008.23 Diese Forderungen finden sich auch in der Entschließung des Europäischen Parlaments zur Europäischen Dimension des Sports vom 02.02.2012 wieder.24 22  Süddeutsche Zeitung v. 27.11.2009, Initiative Profisport, S. 29 (Verfasser: unbekannt); Kicker v. 26.11.2009, Die großen Ligen wollen kooperieren, S. 25 (Verfasser: Rainer Franzke). Weitere Schwerpunkte der Interessengemeinschaft sind die Abwendung drohender bzw. bestehender Werbeverbote, die Neuordnung des Sportwettenmarktes und die Erarbeitung von Maßnahmen gegen die digitale Piraterie. 23  „Entschließung des Europäischen Parlaments vom 08.05.2008 zum Weißbuch Sport (2007/2261(INI))“, Ziffern 70,74 und 76. 24  „Entschließung des Europäischen Parlaments vom 2. Februar 2012 zu der europäischen Dimension des Sports (2011/2087(INI))“, Ziffern 50 und 53.

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Schließlich mehren sich auch in der sportrechtlichen Literatur die Stimmen, die sich für die Einführung einer sportspezifischen sondergesetzlichen Regelung aussprechen.25 Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat – zumindest auf nationaler Ebene – diese Vorstöße in der jüngeren Vergangenheit unkommentiert gelassen. Allein im Rahmen der bereits angesprochenen „Fußballspieler-Entscheidung“ aus dem Jahre 1979 hat der BGH – allerdings im Hinblick auf die Sportler – die Schaffung eines entsprechenden Leistungsschutzrechts durch den Gesetzgeber angeregt.26 Neuen Nährboden hat die Forderung nach der Schaffung einer sondergesetzlichen Regelung allerdings auf Unionsebene durch die bereits angesprochene „Karen-Murphy-Entscheidung“27 des EuGH erhalten. Darin hat das Gericht zwar ausdrücklich betont, dass Sportveranstaltungen, wie eben Profifußballspiele, mangels hinreichender geistiger Schöpfungshöhe nicht als Werke im Sinne des Urheberrechts einzuordnen seien.28 Allerdings hat das Gericht auch herausgestellt, dass derartige Sportereignisse einzigartig seien und einen „Originalcharakter“29 aufwiesen, so dass sie möglicherweise einen 25  Körber/Ess, Hartplatzhelden und der ergänzende Leistungsschutz im Web 2.0, in: WRP 2011, S. 697, 702 f.; Röhl, Zur Zulässigkeit nicht autorisierter InternetÜbertragungen von Schach-Wettbewerben mittels „digitaler Schachbretter“, in: SpuRt 2011, S. 147, 150; Paal, Mediale Verwertung von Sportveranstaltungen und Leistungsschutz, in: CR 2009, S. 438, 442 f.; Koch, Die Verwertung von Amateurfußballspielen im Internet, in: SpuRt 2009, S. 224, 228; Piper/Ohly/Sosnitza, Ohly, UWG, § 4, Rn. 3/80. Ausführlich hierzu s. Hilty/Henning-Bodewig, Leistungsschutzrechte zugunsten von Sportveranstaltern. 26  BGH, Urteil v. 06.02.1979, GRUR 1979, S. 425, 428. 27  EuGH, Urteil v. 04.10.2011  – Verbundene Rechtssache C-403/08 („Football Association Premier League Ltd  ./. QC Leisure u. a.“) und C-429/08 („Karen Murphy ./. Media Protection Services Ltd“), SpuRt 2011, S. 245 ff. = AfP 2011, S. 462 ff. = MMR 2011, S. 817 ff. 28  EuGH, Urteil v. 04.10.2011  – Verbundene Rechtssache C-403/08 („Football Association Premier League Ltd  ./. QC Leisure u. a.“) und C-429/08 („Karen Murphy ./. Media Protection Services Ltd“), MMR 2011, S. 817, 820. 29  Unter Hinweis auf diese Ausführungen des EuGH wird teilweise ein immaterialgüterrechtliches Veranstaltungsschutzrecht im Sinne einer „Veranstaltung mit Originalcharakter“ abgeleitet. Zur Abgrenzung gegenüber sonstigen Veranstaltungen seien die Kriterien der Organisationsstruktur, des Finanzierungs- und Investitionsplans sowie der Kommerzialisierung am Markt prägend, so Fezer, Immaterialgüterrechtlicher und lauterkeitsrechtlicher Veranstaltungsschutz (Teil 1), in: WRP 2012, S. 1173, 1175 ff.; ders., Immaterialgüterrechtlicher und lauterkeitsrechtlicher Veranstaltungsschutz (Teil 2), in: WRP 2012, S. 1321, 1326 ff., der ungeachtet dessen die gesetz­ liche Schaffung eines Veranstaltungsschutzrechts fordert. Ähnlich – allerdings ohne Hinweis auf die Ausführungen des EuGH – Krebs/Becker/Dück, Das gewerbliche Veranstalterrecht im Wege richterlicher Rechtsfortbildung, in: GRUR 2011, S. 391, 393 ff., die sich ebenfalls – im Wege der Rechtsfortbildung – für ein Veranstalterrecht



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dem urheberrechtlichen Werkschutz vergleichbaren Schutz verdienten, wobei ein solcher Schutz ggf. von den nationalen Rechtsordnungen gewährt werden könne.30 Diesen Gedanken griff der EuGH im Rahmen seiner Urteilsbegründung wiederholt auf indem er herausstellte,31 – dass es den Mitgliedstaaten – unter Berücksichtigung der in Art. 165 I 2 AEUV zum Ausdruck kommenden Besonderheiten des Sports – freistehe, Sportereignisse – ggf. unter dem Gesichtspunkt des Schutzes des geistigen Eigentums – zu schützen, indem sie eine spezielle nationale Regelung unter Beachtung des Unionsrechts einführten; – dass der Unionsgesetzgeber ohnehin davon ausgegangen sei, dass die Mitgliedstaaten von dieser Befugnis Gebrauch machten, da er im 21. Erwägungsgrund der Richtlinie 97/36 auf Ereignisse Bezug nehme, die von einem Veranstalter organisiert würden, der kraft Gesetzes befugt sei, die Rechte an diesem Ereignis zu veräußern; – dass das Unionsrecht einer diese Sportereignisse schützenden nationalen Regelung nicht entgegenstehe, so dass eine solche Regelung eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs nach Art. 56 AEUV sowie des Kartellverbotes nach Art. 101 AEUV – freilich unter gewissen Voraussetzungen – durchaus rechtfertigen könne. Allerdings hat der EuGH auch deutlich gemacht, dass Vorstehendes nur unter dem Vorbehalt des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes gilt.32 Die Rechtfertigung eines Eingriffs in die Grundfreiheiten bedarf eines zwingenden Allgemeininteresses, wobei die jeweilige Maßnahme geeignet sein muss, diese Ziele zu erreichen.33 Dies gilt gleichzeitig für die Rechtfertigung eines Verstoßes gegen das Kartellverbot des Art. 101 I AEUV bzw. für das Vorlieim Sinne eines immaterialgüterrechtlichen Leistungsschutzrechts de lege lata aus­ sprechen. Auf welcher gesetzlichen Grundlage dieses Recht basieren soll, bleibt allerdings unklar, so auch Heermann, Leistungsschutzrecht für Sportveranstalter de lege ferenda?, in: GRUR 2012, S. 791, 797. 30  EuGH, Urteil v. 04.10.2011  – Verbundene Rechtssache C-403/08 („Football Association Premier League Ltd  ./. QC Leisure u. a.“) und C-429/08 („Karen Murphy ./. Media Protection Services Ltd“), AfP 2011, S. 462, 469. 31  EuGH, Urteil v. 04.10.2011  – Verbundene Rechtssache C-403/08 („Football Association Premier League Ltd  ./. QC Leisure u. a.“) und C-429/08 („Karen Murphy ./. Media Protection Services Ltd“), AfP 2011, S. 462, 469. 32  Heermann, Leistungsschutzrecht für Sportveranstalter de lege ferenda?, in: GRUR 2012, S. 791, 794; ders., Territorial begrenzte Lizenzierung von Fernsehrechten im Lichte der Dienstleistungs- und Wettbewerbsfreiheit, in: WRP 2012, S. 371, 374. 33  EuGH, Urteil v. 04.10.2011  – Verbundene Rechtssache C-403/08 („Football Association Premier League Ltd  ./. QC Leisure u. a.“) und C-429/08 („Karen Murphy ./. Media Protection Services Ltd“), AfP 2011, S. 462, 468.

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gen der Freistellungsvoraussetzungen nach Maßgabe von Art 101 III ­AEUV.34 Der Schutz von Rechten des geistigen Eigentums kann durchaus im zwingenden Interesse der Allgemeinheit liegen, so dass die Normierung entsprechender Rechte eine Beschränkung der Grundfreiheiten und des Kartellverbotes durchaus rechtfertigen kann.35 Dies würde – entsprechend der vorangegangenen Ausführungen – insbesondere auch für etwaige, durch die Mitgliedstaaten geschaffene Sportveranstaltungsschutzrechte gelten. Allerdings ist der Grundsatz der Angemessenheit zu berücksichtigen, so dass die in Rede stehende Beschränkung nicht über das hinausgehen darf, was zur Erreichung der im Allgemeininteresse liegenden Ziele erforderlich ist.36 Insofern dürfen auch Regelungen zum Schutze des geistigen Eigentums nicht über das hinausgehen, was zur Wahrung des spezifischen Gegenstandes des betreffenden geistigen Eigentums erforderlich ist.37 Wenngleich die kommerzielle Nutzung des jeweiligen Schutzgegenstandes in Form von Lizenzvergaben durchaus dem spezifischen Gegenstand der Rechte des geistigen Eigentums zuzuordnen ist, so hat der EuGH in diesem Zusammenhang deutlich gemacht, dass die Sicherung der höchstmöglichen Vergütung hiervon nicht mehr erfasst wird.38 Derartige Rechte dürfen also nicht darauf ausgerichtet sein, eine maximale Vergütung zu erzielen. Vielmehr darf auf dieser Grundlage lediglich eine angemessene Vergütung für jede Drittnutzung des jeweiligen 34  S. insoweit EuGH, Urteil v. 04.10.2011  – Verbundene Rechtssache C-403/08 („Football Association Premier League Ltd ./. QC Leisure u. a.“) und C-429/08 („Karen Murphy ./. Media Protection Services Ltd“), AfP 2011, S. 462, 472. Zu der parallelen Wertung innerhalb der Art. 56 und Art. 101 AEUV s. auch von Albrecht/Mutschler-Siebert/Bosch, Die Murphy-Entscheidung und ihre Auswirkungen auf Sport- und Filmlizenzen im Online-Bereich, in: ZUM 2012, S. 93, 98; Ratjen/Langer, Die räumliche Aufspaltung von Filmlizenzen am Beispiel der Vergabe der Medienrechte der Deutschen Fußball Liga, in: ZUM 2012, S. 299, 304; Kuhn/Lentze, Territoriale Exklusivitätsvereinbarungen bei der Vergabe von Medienrechten in der EU, in: SpuRt 2011, S. 222, 225; Leistner, Das Murphy-Urteil des EuGH: Viel lärm um nichts oder Anfang vom Ende des Territorialitätsgrundsatzes im Urheberrecht?, in: JZ 2011, S. 1140, 1142. 35  EuGH, Urteil v. 04.10.2011  – Verbundene Rechtssache C-403/08 („Football Association Premier League Ltd  ./. QC Leisure u. a.“) und C-429/08 („Karen Murphy ./. Media Protection Services Ltd“), AfP 2011, S. 462, 469. 36  EuGH, Urteil v. 04.10.2011  – Verbundene Rechtssache C-403/08 („Football Association Premier League Ltd  ./. QC Leisure u. a.“) und C-429/08 („Karen Murphy ./. Media Protection Services Ltd“), AfP 2011, S. 462, 468. 37  EuGH, Urteil v. 04.10.2011  – Verbundene Rechtssache C-403/08 („Football Association Premier League Ltd  ./. QC Leisure u. a.“) und C-429/08 („Karen Murphy ./. Media Protection Services Ltd“), AfP 2011, S. 462, 469; Leistner, Das Murphy-Urteil des EuGH: Viel lärm um nichts oder Anfang vom Ende des Territorialitätsgrundsatzes im Urheberrecht?, in: JZ 2011, S. 1140, 1141. 38  Ratjen/Langer, Die räumliche Aufspaltung von Filmlizenzen am Beispiel der Vergabe der Medienrechte der Deutschen Fußball Liga, in: ZUM 2012, S. 299, 304.



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Schutzgegenstandes verlangt werden.39 Dies ist aber nur dann der Fall, wenn die Vergütung in einem vernünftigen Zusammenhang mit dem wirtschaft­ lichen Wert der erbrachten Leistung steht, wobei vorliegend insbesondere die Parameter der betreffenden Formate – in Gestalt potenzieller und tatsäch­ licher Einschaltquoten sowie der jeweiligen Sprachfassungen   – maßgeblich wären.40 Diese vorstehenden Ausführungen des EuGH haben erwartungsgemäß dazu geführt, dass die Forderung nach der Einführung eines sondergesetz­ lichen Sportveranstaltungsschutzrechts immer mehr Befürworter findet.41 Tatsächlich erscheint die Schaffung einer sondergesetzlichen Regelung im Sinne der Rechtssicherheit und -klarheit durchaus wünschenswert. Gerade auch mit Blick auf die geschilderten unionsrechtlichen Vorgaben dürfte die Schaffung eines solchen Schutzrechts – trotz der zu berücksichtigenden Einschränkungen – angezeigt sein. Der Umstand, dass § 3 I UWG nach diesseitiger Auffassung im Hinblick auf die audiovisuelle Verwertung zahlreicher 39  EuGH, Urteil v. 04.10.2011  – Verbundene Rechtssache C-403/08 („Football Association Premier League Ltd  ./. QC Leisure u. a.“) und C-429/08 („Karen Murphy ./. Media Protection Services Ltd“), AfP 2011, S. 462, 470. Hierauf weisen beispielsweise auch Heermann, Praktische Konsequenzen aus der FAPL/Karen-MurphyEntscheidung des EuGH für die rechtliche Gestaltung der medialen Vermarktung von Sportveranstaltungen, in: WRP 2012, S. 650, 654; ders., Territorial begrenzte Lizenzierung von Fernsehrechten im Lichte der Dienstleistungs- und Wettbewerbsfreiheit, in: WRP 2012, S. 371, 374; ders., Leistungsschutzrecht für Sportveranstalter de lege ferenda?, in: GRUR 2012, S. 791, 794; Kreile, Ende territorialer Exklusivität – Der EuGH als Totengräber?, in: ZUM 2012, S. 177, 184; Vedder, Ende der territorialen Exklusivität – Totengräber EuGH?, in: ZUM 2012, S. 190, 192 f.; Kuhn/Lentze, Territoriale Exklusivitätsvereinbarungen bei der Vergabe von Medienrechten in der EU, in: SpuRt 2011, S. 222, 226; Hoeren/Bilek, Die territoriale Exklusivitätsvereinbarung bei Fußball-Übertragungen  – Ein Modell der Vergangenheit!, in: CR 2011, S. 735, 737; Soldner, Murphy’s Law“?, in: K&R 2011, S. 760, 762, hin. Weitere Beschränkungen würden sich freilich auch im Hinblick auf die inhaltliche und territoriale Exklusivität und eine damit drohende Marktabschottung ergeben. 40  EuGH, Urteil v. 04.10.2011  – Verbundene Rechtssache C-403/08 („Football Association Premier League Ltd  ./. QC Leisure u. a.“) und C-429/08 („Karen Murphy ./. Media Protection Services Ltd“), AfP 2011, S. 462, 470. 41  So beispielsweise Fezer, Immaterialgüterrechtlicher und lauterkeitsrechtlicher Veranstaltungsschutz (Teil 2), in: WRP 2012, S. 1321, 1329; Poll, Sportübertragungsrechte und „geistiges Eigentum“, in: SpuRt 2012, S. 5, 9; Kuhn/Lentze, Territoriale Exklusivitätsvereinbarungen bei der Vergabe von Medienrechten in der EU, in: SpuRt 2011, S. 222, 226; Wandtke/Ohst, Frisch, Medienrecht Praxishandbuch Band 3, S. 331 f. Unter Hinweis auf das ggf. fehlende ökonomische Bedürfnis dagegen offen gelassen von Heermann, Stellung und Stellenwert des Hausrechts bei der audio­vi­ suellen Verwertung von Sportveranstaltungen (Teil 2), in: WRP 2012, S. 132, 138; ders., Leistungsschutzrecht für Sportveranstalter de lege ferenda, in: GRUR 2012, S.  791, 798 f.

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Profisportveranstaltungen einen unmittelbaren lauterkeitsrechtlichen Leistungsschutz mit immaterialgüterrechtlichen Charakter zulässt, stünde dem nicht entgegen. Wie bereits erwähnt, sollte die Gewährung eines unmittelbaren lauterkeitsrechtlichen Leistungsschutzes allein im Sinne einer Übergangsund Notlösung herangezogen werden. Die rechtlichen Bemühungen sollten jedoch in erster Linie darauf ausgerichtet sein, bestehende Lücken mittels gesetzgeberischer Maßnahmen zu schließen.42 Eine dauerhafte und systematisch-planmäßige Schließung solcher Lücken über § 3 I UWG würde dem Ausnahme- und Einzelfallcharakter dieser Rechtsfigur jedoch nicht mehr gerecht und brächte dann tatsächlich die Gefahr mit sich, dass die Grenzen zwischen den Immaterialgüterrechten und dem Lauterkeitsrecht verwischen.43 Soweit Teile der Literatur das ökonomische Bedürfnis für die Einleitung gesetzgeberischer Maßnahmen in Zweifel ziehen,44 so wurde dieser Einwand im Rahmen der Ausarbeitungen zu einem drohenden Marktversagen im Falle es fehlenden Schutzes über § 3 I UWG bereits widerlegt. Unklar ist jedoch, wo eine solche Regelung anzusiedeln wäre. Der EuGH hat im Rahmen seiner „Karen-Murphy-Entscheidung“ zunächst einmal nur 42  Kur,

Der wettbewerbliche Leistungsschutz, in: GRUR 1990, S. 1, 15. insoweit auch Heermann, Leistungsschutzrecht für Sportveranstalter de lege ferenda, in: GRUR 2012, S. 791, 796 und 798 f., der im Ergebnis offen lässt, ob im Falle eines drohenden Marktversagens ein Einschreiten de lege lata – eben über § 3 UWG – oder aber de lege ferenda – durch die Schaffung einer sondergesetzlichen Regelung zugunsten des Sportveranstalters – angezeigt wäre. Ähnlich Körber/Ess, Hartplatzhelden und der ergänzende Leistungsschutz im Web 2.0, in: WRP 2011, S. 697, 702 f., der sich gänzlich gegen einen unmittelbaren Leistungsschutz über § 3 UWG und für die Schaffung einer sondergesetzlichen Regelung ausspricht. Ebenso Paal, Mediale Verwertung von Sportveranstaltungen und Leistungsschutz, in: CR 2009, S. 438, 442 f. Ausführlich hierzu s. Hilty/Henning-Bodewig, Leistungsschutzrechte zugunsten vonSportveranstaltern?, S. 79 ff., die ebenfalls ein drohendes Marktversagen für den Bereich des Profisports – unter dem Gesichtspunkt des „fehlgeleiteten Schutzes“ – annehmen, vor diesem Hintergrund jedoch keinen unmittelbaren Leistungsschutz über § 3 UWG gewähren wollen, sondern das Marktversagen als Rechtfertigung für die Schaffung eines Leistungsschutzrechts zugunsten von Sportveranstaltern heranziehen. 44  Ein drohendes Marktversagen im Falle eines fehlenden Schutzes – über § 3 UWG und folglich auch über ein de lege ferenda zu schaffendes Sonderschutzrecht – wird insbesondere von Peifer, Hartplatzhelden.de“ – Das Ende des unmittelbaren Leistungsschutzes, in: GRUR-Prax 2011, S. 181, 183 f.; ders., Veranstalterschutz und die Grenzen der Vermarktung von Exklusivrechten im Veranstalterbereich, in: AfP 2011, S. 540, 541 und 543, in Zweifel gezogen, obgleich der Verfasser die Schaffung einer sondergesetzlichen Regelung im Sinne einer Ultima Ratio in Betracht zieht, s. S. 544. Offen gelassen dagegen von Heermann, Leistungsschutzrecht für Sportveranstalter de lege ferenda?, in: GRUR 2012, S. 791, 794 und 798 f.; ders., Stellung und Stellenwert des Hausrechts bei der audiovisuellen Verwertung von Sportveranstaltungen (Teil 2), in: WRP 2012, S. 132, 138. 43  Vgl.



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generell herausgestellt, dass ein solches Sportveranstaltungsschutzrecht an den Bereich des geistigen Eigentums anknüpfen sollte.45 Da das Gericht von einem „mit dem Schutz von Werken vergleichbaren Schutz“46 spricht und im Hinblick auf die Angemessenheit der Vergütung auf die Urheberrechtsrichtlinie Bezug nimmt, liegt die Vermutung nahe,47 dass der EuGH dabei insbesondere das Urheberrecht im Blick hatte.48 Vor dem Hintergrund, dass der Schutz von Profisportveranstaltungen im Hinblick auf audiovisuelle Fremdverwertungen in erster Linie wirtschaftliche Belange tangiert, es also primär um die Gewährung von Investitionsschutz geht, ist jedoch zweifelhaft, ob das Urheberrecht – auch wenn es beispielsweise mit § 81 UrhG eine vergleichbare Regelungen vorsieht –49 tatsächlich den geeigneten Rahmen für die Schaffung eines Sportveranstaltungsschutzrechts im Sinne eines urheberrechtlichen Leistungsschutzrechts bietet.50 Ferner hat auch die überaus kontrovers geführte Debatte um die Schaffung eines Leistungsschutzrechts für Presseverleger verdeutlicht, dass die Zeiten uferloser Ausweitungen entsprechender Schutzrechte der Vergangenheit angehören.51 Insbesondere erscheint es aber wenig konsequent, sportlichen Darbietungen – unter Hinweis auf die mangelnde geistige Schöpfungshöhe – einen urheberrechtlichen Werkschutz abzusprechen, ihnen aber andererseits einen vergleichbaren Schutz über das UrhG zukommen zu lassen.52 Insofern wäre einer solchen 45  EuGH, Urteil v. 04.10.2011 – Verbundene Rechtssache C-403/08 („Football Association Premier League Ltd ./. QC Leisure u. a.“) und C-429/08 („Karen Murphy ./. Media Protection Services Ltd“), AfP 2011, S. 462, 469. S. insoweit auch Heermann, Leistungsschutzrecht für Sportveranstalter de lege ferenda?, in: GRUR 2012, S. 791, 793. 46  EuGH, Urteil v. 04.10.2011  – Verbundene Rechtssache C-403/08 („Football Association Premier League Ltd  ./. QC Leisure u. a.“) und C-429/08 („Karen Murphy ./. Media Protection Services Ltd“), AfP 2011, S. 462, 469. 47  EuGH, Urteil v. 04.10.2011  – Verbundene Rechtssache C-403/08 („Football Association Premier League Ltd  ./. QC Leisure u. a.“) und C-429/08 („Karen Murphy ./. Media Protection Services Ltd“), AfP 2011, S. 462, 470. 48  Poll, Sportübertragungsrechte und „geistiges Eigentum“, in: SpuRt 2012, S. 5, 8. 49  In diesem Zusammenhang wird vielfach eingewandt, dass § 81 UrhG ohnehin einen Fremdkörper im Urheberrecht darstelle und zu streichen sei, da die Regelung eben allein auf den Schutz wirtschaftlicher Interessen ausgereichtet sei, so beispielsweise Paal, Mediale Verwertung von Sportveranstaltungen und Leistungsschutz, in: CR 2009, S. 438, 442. Ausführlich zu der Kritik an § 81 UrhG s. Helbig, Die Verwertung von Sportereignissen im Fernsehen, S. 213 ff. 50  Heermann, Leistungsschutzrecht für Sportveranstalter de lege ferenda?, in: GRUR 2012, S. 791, 798; Peifer, „Hartplatzhelden.de“ – das Ende des unmittelbaren Leistungsschutzes?, in: GRUR-Prax 2011, S. 181, 183. 51  Heermann, Leistungsschutzrecht für Sportveranstalter de lege ferenda?, in: GRUR 2012, S. 791, 798. 52  Ähnlich Peifer, „Hartplatzhelden.de“ – das Ende des unmittelbaren Leistungsschutzes?, in: GRUR-Prax 2011, S. 181, 183; Helbig, Die Verwertung von Sportereignissen im Fernsehen, S. 212 f.

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Lösung die Schaffung eines eigenen, sportspezifischen Sonderschutzrechts vorzuziehen.53 Doch nicht allein im Hinblick auf die Standortsbestimmung, auch in Bezug auf den Gegenstand und die Ausgestaltung eines solchen Rechts gibt es erheblichen Klärungsbedarf. So wären freilich zunächst der persönliche sowie der sachliche Geltungsbereich zu bestimmen. Insoweit wäre also zu klären, wem dieses Recht zuzuordnen wäre und welche Sportveranstaltungen hiervon erfasst würden. Ferner wäre zu prüfen, ob es sich dabei um ein umfassendes – sämtliche kommerzielle Verwertungen einer Sportveranstaltung abdeckendes – Sonderschutzrecht handeln sollte oder aber, ob der Anwendungsbereich des Schutzrechts auf die audiovisuelle Verwertung von Sportveranstaltungen beschränkt werden sollte. Da der EuGH im Rahmen seiner „Karen-Murphy-Entscheidung“ insoweit auf den audiovisuellen Inhalt der Veranstaltung abstellt,54 scheint er dazu zu tendieren, ein entsprechendes Sportveranstaltungsschutzrecht auf audiovisuelle Verwertungen zu beschränken.55 In der Tat erscheint eine entsprechende Eingrenzung mit Blick auf die im Rahmen der Einzelfallabwägung zu § 3 I UWG geschilderten Umstände durchaus angezeigt. Schließlich wären auch die Schranken eines solchen Rechts bzw. die sich bei einer exklusiven Lizenzvergabe – insbesondere im Hinblick auf die informationelle Grundversorgung, die Grundfreiheiten und die wettbewerbsrechtlichen Vorgaben – ergebenden Beschränkungen näher zu bestimmen. Ungeachtet dessen, erscheint die Schaffung einer sondergesetzlichen Regelung auf Unionsebene vorzugswürdig.56 Die entsprechende Regelungskompetenz der Union ergibt sich dabei allerdings nicht – wie vereinzelt angenommen57 – aus dem Umstand, dass der Sport nunmehr ausdrücklich in den AEUV, namentlich in Art. 165 I 2 und II 7. Spiegelstrich sowie in Art. 6 53  So beispielsweise auch Poll, Sportübertragungsrechte und „geistiges Eigentum“, in: SpuRt 2012, S. 5, 9. 54  EuGH, Urteil v. 04.10.2011  – Verbundene Rechtssache C-403/08 („Football Association Premier League Ltd  ./. QC Leisure u. a.“) und C-429/08 („Karen Murphy ./. Media Protection Services Ltd“), AfP 2011, S. 462, 469. 55  So werden die Ausführungen auch interpretiert von Heermann, Leistungsschutzrecht für Sportveranstalter de lege ferenda?, in: GRUR 2012, S. 791, 794. 56  S. insoweit auch Heermann, Leistungsschutzrecht für Sportveranstalter de lege ferenda?, in: GRUR 2012, S. 791, 798; Fezer, Immaterialgüterrechtlicher und lauterkeitsrechtlicher Veranstaltungsschutz (Teil 2), in: WRP 2012, S. 1321, 1329; Poll, Sportübertragungsrechte und „geistiges Eigentum“, in: SpuRt 2012, S. 5, 9; Körber/ Ess, Hartplatzhelden und der ergänzende Leistungsschutz im Web 2.0, in: WRP 2011, S. 697, 703. 57  So beispielsweise Poll, Sportübertragungsrechte und „geistiges Eigentum“, in: SpuRt 2012, S. 5, 9, der allerdings auch darauf hinweist, dass sich die entsprechende Regelungskompetenz der Union auch aus Art. 118 I AEUV ergebe.



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lit. e AEUV, aufgenommen wurde. So gibt Art. 2 V I AEUV unmissverständlich Auskunft darüber, dass die in Art. 6 lit. e AEUV vorgesehene Kompetenz der Union zur Durchführung von Unterstützungs-, Koordinierungs-Ergänzungsmaßnahmen mitgliedstaatlicher Regelungen im Bereich des Sports keinesfalls zur Folge hat, dass die Zuständigkeit der Union für diesen Bereich an die Stelle der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten tritt, so dass – vor dem Hintergrund des Prinzips der begrenzten Einzelermächtigung – die grundsätzliche Zuständigkeit der Mitgliedstaaten für den Sport unberührt bleibt.58 Hiervon zu unterscheiden ist die Tatsache, dass der Sport dann dem Anwendungsbereich des Unionsrechts unterfällt, wenn er einen Teil des Wirtschaftslebens im Sinne von Art. 2 EGV a. F. – nunmehr im Wesentlichen ersetzt durch Art. 3 EUV n. F. – darstellt,59 wobei sich der EuGH in diesem Zusammenhang zunächst vornehmlich mit den Bestimmungen über die Arbeit­ nehmerfreizügigkeit (Art. 39 ff. EGV a. F./Art. 45 ff. AEUV) sowie über die ­Waren- und Dienstleistungsfreiheit (Art. 28 ff. und 49 ff. EGV a. F./Art. 34 ff. und 56 ff. AEUV ) zu beschäftigen hatte,60 bevor er dann im Rahmen seiner 58  Brost, Die Besonderheit des Sports“ im neuen Artikel 165 des Lissabonner Vertrages, in: SpuRt 2010, S. 178, 179. Ähnlich – allerdings noch unter Zugrundenahme des Verfassungsvertrages – Wax, Internationales Sportrecht, S. 94. Ausführlich hierzu s. Fritzweiler/Pfister/Summerer, Summerer, Praxishandbuch Sportrecht, S. 691 ff. 59  EuGH, Urteil v. 14.07.1976 – „Gaetano Donà ./. Mario Mantero (Ersuchen um Vorabentscheidung, vorgelegt von Guidice Conciliatore Rovigo)“, Slg. 1976, S. 1333, 1340; EuGH, Urteil v. 12.12.1974 – „B.N.O. Walrave und L.J.N. Koch ./. Association Union Cycliste Internationale, Koninklijke Nederlandsche Wielren Unie und Federacion Española Ciclismo (Ersuchen um Vorabentscheidung von der Arrondissementsrechtbank Utrecht)“, Slg. 1974, S. 1405, 1418 = NJW 1975, S. 1093, 1094. Die vorgenannte Auffassung wird nahezu einhellig von der sportrechtlichen Literatur geteilt, vgl. beispielsweise Heermann, Sportsponsoring und Kartellrecht, in: WRP 2009, S. 285, 287; ders., Anwendung des europäischen Kartellrechts im Bereich des Sports – Teil I, in: WuW 2009, S. 394, 398; ders., Verbandsautonomie versus Kartellrecht, in: causa sport 2006, S. 345, 345; ders., Der Deutsche Fußballbund (DFB) im Spannungsfeld von Kartell- und Konzernrecht, in: ZHR Bd. 161 (1997), S. 665, 680; Hellmann/Bruder, Kartellrechtliche Grundsätze der zentralen Vermarktung von Sportveranstaltungen, in: EuZW 2006, S. 359, 360 f.; Heinemann, Sportübertragungsrechte im europäischen Kartellrecht am Beispiel der Olympischen Spiele, in: ZEuP 2006, S. 337, 341; Schwarze/Hetzel, Der Sport im Lichte des europäischen Wettbewerbsrechts, in: EuR 2005, S. 581, 582; Streinz, Die Auswirkungen des EG-Rechts auf den Sport, in: SpuRt 1998, S. 1, 4 ff.; Fritzweiler/Pfister/Summerer, Summerer, Praxishandbuch Sportrecht, S. 698; Hilty/Henning-Bodewig, Leitungsschutzrechte zugunsten von Sportveranstaltern?, S. 14 f.; Laier, Die Berichterstattung über Sportereignisse, S. 419; Kuczera, Die Vermarktung von Übertragungsrechten im Fußball nach deutschem Recht und nach europäischem Kartellrecht, S. 220 f.; Weihs, Zentrale Vermarktung von Sportübertragungsrechten, S. 243 ff. 60  Vgl. beispielsweise EuGH, Urteil v. 13.04.2000  – „Jyri Lehtonen und Castors Canada Dry Namur-Braine ASBL ./. Fédération royale belge des sociétés de basket-ball ASBL (FRBSB)“, Slg. 2000 I, S. 2681, 2728 ff.; EuGH, Urteil v. 11.04.2000 – „Christelle

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„Meca-Medina-Entscheidung“ eine sportbezogene Materie auch erstmals am Maßstab des Kartellverbotes des Art. 81 EGV a. F./Art. 101 AEUV überprüfte.61 Die Kompetenz der Union zur Schaffung eines Sportveranstaltungsschutzrechts ergibt sich jedoch aus der nunmehr ausdrücklich in Art. 118 AEUV vorgesehenen Regelungskompetenz für den Bereich des geistigen Eigentums.62 Diese Regelung verleiht der Union auf diesem Gebiet eine Rechtssetzungskompetenz zum Erlass unionseigener Rechtstitel.63 Dabei ist der Begriff des geistigen Eigentums nach überwiegender Auffassung weit auszulegen und umfasst u. a. die klassischen gewerblichen Schutzrechten, das Urheberrecht, die Leistungsschutzrechte sowie sui generis Schutzrechte,64 so dass auch die Regelung eines Sportveranstaltungsschutzrechts hiervon erfasst würde. Der Umstand, dass Art. 345 AEUV demgegenüber die nationale Eigentumsordnung ausdrücklich der Kompetenz der Mitgliedstaaten zuweist und der weit zu fassende Begriff des Eigentums grundsätzlich ebenfalls den Bereich des geistigen Eigentums sowie die Leistungsschutzrechte ein­ schließt,65 steht dem nicht entgegen. Art. 345 AEUV hindert die Union nämlich keinesfalls an der Ersetzung oder Verdrängung nationaler Schutzrechte durch europäische Rechtstitel des geistigen Eigentums nach Maßgabe von Art. 118 AEUV. Die Garantie der nationalen Eigentumsordnung nach Art. 345 AEUV gestattet damit die Angleichung oder Verdrängung nationaler Eigentumsregeln, sofern dies für die Erreichung der Binnenmarktziele erforderlich ist.66 Deliège ./. Ligue francophone de judo et disciplines associées ASBL u. a. (Vorabent­ scheidungsersuchen des Tribunal de première instance Namur)“, Slg. 2000 I, S. 2549, 2612 ff.; EuGH, Urteil v. 15.12.1995 – „Union royale belge des sociétés de football association ASBL u. a. ./. Jean-Marc Bosman u. a.“, Slg. 1995 I, S.4921, 5062 ff. 61  EuGH, Urteil v. 18.07.2006 – „Meca-Medina, Majcen ./. Kommission der Europäischen Gemeinschaften“, SpuRt 2006, S. 195 ff. Kurze Zeit später hat der EuGH im Rahmen seiner „MOTOE-Entscheidung“ dann erstmals das Missbrauchsverbot des Art. 82 EGV a. F./Art. 102 AEUV auf eine sportbezogene Materie angewendet, EuGH, Urteil v. 01.07.2008 – „Motosykletistiki Omospondia Ellados NPID (MOTOE) ./. Elliniko Dimosio“, EuZW 2008, S. 605 ff. 62  So auch – allerdings noch vor Einführung des Art. 118 AEUV – Hilty/HenningBodewig, Leistungsschutzrechte zugunsten von Sportveranstaltern?, S. 15 ff., 39 f. und 71; Ballasch, Die Verpflichtungszusage des Ligaverbandes gegenüber der EU-Kommission, S. 85 und 139 f. Ähnlich auch Poll, Sportübertragungsrechte und „geistiges Eigentum“, in: SpuRt 2012, S. 5, 9, der in diesem Zusammenhang allerdings auch – fälschlicherweise – auf Art. 6 lit. e, 165 I 2 und II 7. Spiegelstrich AEUV abstellt. 63  Streinz, Bings, EUV/AEUV, Art. 118 AEUV, Rn. 1 und 3. 64  Schwarze, Holzmüller, EU-Kommentar, Artikel 118 AEUV, Rn. 10. 65  Hilty/Henning-Bodewig, Leistungsschutzrechte zugunsten von Sportveranstaltern?, S. 22. 66  Schwarze, Holzmüller, EU-Kommentar, Artikel 118 AEUV, Rn. 19.



Audiovisuelle Medienrechte im Profisport

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Vor diesem Hintergrund wäre es aber durchaus angezeigt, eine entsprechende Regelung auf Unionsebene zu schaffen, um auf diese Weise klare und insbesondere einheitliche Schutzvoraussetzungen zu statuieren. Gerade auch im Hinblick auf die bereits angesprochene Problematik um die Zentralvermarktung audiovisueller Sportmedienrechte könnten auf diese Weise die Grundlagen für eine einheitliche kartellrechtliche Bewertung solcher Modelle geschaffen werden. De lege lata ist dies gerade nicht der Fall. So ordnet beispielsweise das französische Recht die audiovisuellen Sportmedienrechte den jeweiligen Verbänden zu. Diese Zuordnung der Rechte zugunsten der Verbände fand ihre Grundlage zunächst in Art. 17 und 18 des Gesetzes No. 84-610 vom 16.07.1984, geändert 1992.67 Die vorgenannte Bestimmung wurde zwar durch Ordonnance Nr. 2006/569 vom 23.05.2006 außer Kraft gesetzt, jedoch – nahezu unverändert – in den neuen „Code du Sport“ übertragen. Nunmehr regelt Art. L. 333, insbesondere Art. L. 333  – 1. Code du Sport, die Rechteinhaberschaft. Danach ist der Veranstalter – der sog. „organisateur“ – originärer Inhaber der medialen Rechte, wobei Veranstalter in der Regel der jeweils zuständige Verband – die sog. „fédération“ – ist.68 Bei diesem sämtliche kommerzielle Verwertungen einer Sportveranstaltung erfassenden Recht – sog. „droit d’exploitation“ – handelt es sich um ein echtes Immaterialgüterrecht im Sinne eines Leistungsschutzrechts.69 Art. L. 333 – 2. sieht schließlich vor, dass die Verwertung dieser Rechte durch die den Verbänden angeschlossenen Profiligen erfolgen kann.70 Das dieser Umstand ganz erhebliche Auswirkungen für die kartellrechtliche Bewertung zentraler Vermarktungsmodelle hat, wird am Beispiel nationaler Fußball-Ligawettbewerbe deutlich. Da allein der Französische Fußballverband („Fédération Française de Football – FFF“) bzw. die ihr angehörende und für den Profifußball zuständige „Ligue de Football Professionnel (LFP)“ – und eben nicht die die Ligaspiele ausrichtenden und finanzierenden Vereine – als originäre 67  Vgl. hierzu Orth, in: Fritzweiler (Hrsg.), Sport-Marketing und Recht, S.127, 129 und 140 f. 68  So heißt es in Art. L. 333  – 1.: „Les fédérations sportives ainsi que les organisateurs de manifestations sportives mentionnées à l´article L.331-5, sont propriétaires du droit d´exploration des manifestations ou compétitions qu´ils organisent (…)“. Allerdings können die Rechte gem. Art. L 333-1 Satz 2 kostenlos an die Vereine abgetreten werden. Zudem sind auch private Veranstalter nicht grundsätzlich ausgeschlossen, wobei die Veranstaltung unter bestimmten Voraussetzungen einer Genehmigung durch die jeweiligen Verbände bedürfen, vgl. ausführlich hierzu Hilty/Henning-Bodewig, Leistungsschutzrechte zugunsten von Sportveranstaltern, S. 57 ff. 69  Hilty/Henning-Bodewig, Leistungsschutzrechte zugunsten von Sportveranstaltern, S. 62. 70  In Art L. 333 – 2. heißt es: „Les droit d’exploitation audiovisuelle cédés aux sociétés sportives sont commercialisés par la ligue professionnelle dans des conditions et limités précisées par décret en Conseil d’Etat (…)“.

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Inhaber der medialen Rechte gelten, kann die zentrale Vermarktung dieser Rechte durch die LFP keine Wettbewerbsbeschränkung darstellen. Vielmehr nehmen die FFF bzw. die LFP mit der Zentralvermarktung lediglich die ihnen gesetzlich zustehenden Rechte wahr, so dass auf diese Weise die kartellrechtliche Problematik um die Zentralvermarktung im französischen Recht von vornherein entfällt. Dieses Ergebnis gilt jedoch auch unter Zugrundenahme des europäischen Kartellrechts, da – solange die Union eben nicht von der ihr kraft Art. 118 AEUV eingeräumten Regelungskompetenz Gebrauch macht – es nach Maßgabe von Art. 345 AUEV dem jeweiligen nationalen Recht vorbehalten bleibt zu bestimmen, wer originärer Inhaber der audiovisuellen Sportmedienrechte ist und das französische Recht eben den Verbänden die Inhaberschaft an den medialen Rechten zuordnet.71 Demgegenüber dürften nach deutschem Recht – wie gezeigt – in erster Linie die die Bundesligaspiele austragenden (Heim-)Vereine originäre Inhaber der audiovisuellen Medienrechte sein, da sie die wesentlichen Investitionen der Veranstaltungen tragen.72 Insoweit stellt sich hier durchaus das Problem, ob die 71  So auch Orth, in: Fritzweiler (Hrsg.), Sport-Marketing und Recht, S. 127, 129, 140 f. Der Hinweis auf Art. 295 EGV a. F./Art. 345 AUEV findet sich beispielsweise auch bei Hellmann/Bruder, Kartellrechtliche Grundsätze der zentralen Vermarktung von Sportveranstaltungen, in: EuZW 2006, S. 359, 361; Heinemann, Sportübertragungsrechte im europäischen Kartellrecht am Beispiel der Olympischen Spiele, in: ZEuP 2006, S. 337, 350; Schroeder, Sportrecht und Europäisches Wettbewerbsrecht, in: SpuRt 2006, S. 1, 4; Springer, Die zentrale Vermarktung von Fernsehrechten im Ligasport nach deutschem und europäischem Kartellrecht unter besonderer Berücksichtigung des amerikanischen Antitrust-Rechts, in: WRP 1998, S. 477, 485; Hannamann, Kartellverbot und Verhaltenskoordinationen im Sport, S. 155 und 308; Ballasch, Die Verpflichtungszusage des Ligaverbandes gegenüber der EU-Kommission, S. 85. 72  So stellen und bezahlen die Vereine bereits das zur Durchführung der Spiele zwingend erforderliche Personal. Darüber hinaus hat jeder Verein ordnungsgemäße Sportplatzanlagen zur Verfügung zu stellen und für eine einwandfreie Abwicklung des Spielbetriebes Sorge zu tragen. Dabei ist insbesondere der Schutz von Spielern, Schiedsrichtern und Assistenten zu gewährleisten. Ferner haben die Vereine für einen ausreichenden Ordnungsdienst und für verstärkte Einlasskontrollen zu sorgen. Die damit verbundenen Kosten sind – ebenso wie sämtliche mit dem Spielbetrieb verbundenen Kosten – von den Vereinen zu tragen, vgl. hierzu insbesondere § 1 Nr. 1, § 3 Nr. 1 und 2, § 6 der Richtlinie zur SpOL (vgl. Zif. 2.) b.) des Materialienverzeichnisses). Ausführlich hierzu – teilweise die Verbände als „Mitinhaber“ der originären Sportmedienrechte betrachtend und die Problematik im Rahmen der „Veranstalter­ eigenschaft“ behandelnd – beispielsweise Laier, Die Berichterstattung über Sportereignisse, S. 401 ff., insbesondere S. 405; Waldhauser, Die Fernsehrechte des Sportveranstalters, S.  222 ff.; Tumbrägel, Die Zentralvermarktung von Sportübertragungsrechten am Beispiel von Fußball und Formel 1, S. 79 ff.; Weihs, Zentrale Vermarktung von Sportübertragungsrechten, S.  67 ff.; Kuczera, Die Vermarktung von Übertragungsrechten im Fußball nach deutschem Recht und nach europäischem Kartellrecht, S.  170 ff.; Weng, Die zentrale Vermarktung von Fernsehübertragungsrechten durch



Audiovisuelle Medienrechte im Profisport

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zentrale Vermarktung dieser Rechte durch die DFL bzw. durch den Ligaverband nach Maßgabe von § 3 GWB und Art. 101 AEUV kartellrechtlich zulässig ist.73 An dieser Stelle ist aber zu berücksichtigen, dass eine der wesentlichen Zielsetzungen der Union gerade darin besteht, kraft der einheit­ lichen Anwendung des Wettbewerbsrechts in den Mitgliedstaaten einen ­einheitlichen Beurteilungsmaßstab für den Binnenmarkt im Sinne eines unverfälschten Wettbewerbs zu schaffen, sog. „level playing field“.74 Es dürfte aber wohl kaum sachgerecht und mit der vorgenannten Zielsetzung in Einklang zu bringen sein, dass ein und dasselbe Vermarktungsmodell aufgrund der vorgenannten Umstände innerhalb der Mitgliedstaaten nach europäischem Kartellrecht unterschiedlich zu bewerten ist. Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass sich auch die Monopolkommission im Zuge ihres 21. Hauptgutachtens vom 20. September 2016 deutlich für die Schaffung eines Sonderschutzrechts ausgesprochen hat. So heißt es hier u. a.:75 „Darüber hinaus ist hinsichtlich einer allein von den Rechten ausgehenden Prüfung problematisch, dass der Gesetzgeber ein Medienrecht an der Übertragung von Sportereignissen bisher gerade nicht festgelegt hat. Es ist auch zweifelhaft, ob es nationale und internationale Fußballverbände im Lichte neuester Rechtsprechung und Gesetzgebung, S.  40 ff.; Mentzel, Solidarität im professionellen Fußballsport versus europäisches Wettbewerbsrecht, S.  127 ff. 73  Die Problematik um die kartellrechtliche Zulässigkeit zentraler Vermarktungsmodelle war bereits Gegenstand zahlreicher Untersuchungen, s. beispielsweise Stopper, Ligasport und Kartellrecht; Tumbrägel, Die Zentralvermarktung von Sport­ übertragungsrechten am Beispiel von Fußball und Formel 1; Weng, Die zentrale Vermarktung von Fernsehübertragungsrechten durch nationale und internationale ­ Fußballverbände im Lichte neuester Rechtsprechung und Gesetzgebung; Weihs, Zentrale Vermarktung von Sportübertragungsrechten; Kuczera, Die Vermarktung von Übertragungsrechten im Fußball nach deutschem Recht und nach europäischem Kartellrecht; Glinke, § 31 GWB – Notwendige Ausnahme zum Kartellverbot oder gesetzgeberische Gefälligkeit für den Deutschen Fußballbund?; Mentzel, Solidarität im professionellen Fußballsport versus europäisches Wettbewerbsrecht; Blask, Die Anwendbarkeit der Single-Entity-Theorie im professionellen Fußball; Wintermantel, Vermarktung von Medienrechten an Sportveranstaltungen nach dem US-amerikanischen Antitrust-Recht und dem europäischen Wettbewerbsrecht. 74  S. hierzu Erwägungsgrund 1 zur VO Nr.1/2003 – „Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 des Vertrages niedergelegten Wettbewerbsregeln“, ABl. 2003, Nr. L 1/1; Langen/ Bunte, Bunte, Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Band 1, Einleitung zum GWB, Rn. 119; Langen/Bunte, Bunte, Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Band 2, Einleitung zum EG-Kartellrecht, Rn. 9 und 74. 75  Einundzwanzigstes Hauptgutachten der Monopolkommission gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 GWB – Wettbewerb 2016, S. 85 und 117 f. (vgl. Ziff. 52 des Materialienverzeichnisses).

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sich bei den bisher herangezogenen Abwehrrechten (Tz. 357) um solche handeln kann, da aus einem Abwehrrecht nicht ohne Weiteres ein positives Verwertungsrecht folgt. Schließlich ist offen, weshalb für die kommerzielle Vermarktung von Fußballspielen (allein) die Abwehrrechte der Vereine und nicht etwa (auch) ähn­ liche Rechte anderer Rechtsträger relevant sein sollen, z. B. von Spielern oder Zuschauern. (…) Dessen ungeachtet ist aus ihrer Sicht (Anmerkung: der Monopolkommission) eine Vergabe von eindeutigen und unabhängig von bestimmten Vertragsbeziehungen bestehenden, d. h. absoluten Rechten, wo immer möglich, wettbewerbspolitisch zu befürworten. Auch eine allgemeine gesetzliche Klarstellung der Vermarktungsrechte an Sportveranstaltungen wäre daher zu begrüßen. (…) Die Monopolkommission empfiehlt, die Übertragungsrechte ihrem Inhalt nach gesetzlich zu definieren und bestimmten Rechteinhabern eindeutig zuzuweisen.“

Nach alledem ist die Schaffung eines Sportveranstaltungsschutzrechts uneingeschränkt zu befürworten.

„e-Sport“ und die Regelungen des organisierten Sports Von Hendrik Pusch I. Ist „eSport“ Sport? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Legaldefinition, Rechtsprechung und Finanzverwaltung . . . . . . . . . . . . . . a) Legaldefinition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Finanzverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Politik, Sportwissenschaft, Verbände  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Politik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Sportwissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Verbände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

246 246 246 246 247 248 248 249 249

II. Aufnahmevoraussetzungen des organisierten Sports . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Aufnahmevoraussetzungen des IOC . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Aufnahmevoraussetzungen des DOSB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Aufnahmezwang durch die Olympische Charta des IOC . . . . . . . . . . b) Möglichkeit der Aufnahme nach den Regularien des DOSB . . . . . . . c) Aufnahme in die Landessportbünde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

251 251 252 252 252 255

III. „Nachteile“ aus der fehlenden Anerkennung als Sport bzw. der Gemein­ nützigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zuwendungen/Fördermittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Steuerbegünstigung für Großsportereignisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Visa-Erleichterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Spielhallenerlaubnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

256 256 257 258 258

IV. „eSport“ im kommerziellen Sport . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Fußball . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Basketball . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Weitere virtuelle Sportarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

259 259 260 260

V. Virtual Realitiy  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 VI. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262

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I. Ist „eSport“ Sport? Alleine über diese Frage lässt sich trefflich sinnieren oder eine sprach­ liche, rechts- oder sportwissenschaftliche Dissertation verfassen. Bei dieser Gemengelage pflegen Juristen reflexartig die unverbindlich bleibende Antwort „Es kommt darauf an!“ zu verwenden. Der Autor bricht mit dieser Tradition nicht. Trotzdem werden die Ansätze der wichtigsten Stakeholder skizziert, soweit sie Relevanz besitzen.

1. Legaldefinition, Rechtsprechung und Finanzverwaltung a) Legaldefinition Es gibt keine Legaldefinition, was Sport oder „eSport“ ist. Konkrete Ansätze für eine Sportdefinition finden sich in § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 21 AO. In der Norm des § 52 AO befinden sich Katalogzwecke, für die der Gesetzgeber Steuervergünstigungen gewährt, weil er sie als förderwürdig erachtet. Die Förderung des Sports gilt als Förderung der Allgemeinheit, die insbesondere aus Gründen der Förderung der Gesundheit der Bevölkerung mit den Staatszielbestimmungen im Einklang steht. Des Weiteren ist in der Vorschrift als gesetzliche Fiktion geregelt, dass Schach als Sport gilt, was die Gewährung der gleichen steuerlichen Vorteile ermöglicht. b) Rechtsprechung Die einzige Entscheidung eines obersten Gerichtes zur Frage der Beurteilung von Computerspielen als Sport stammt aus dem Jahr 2005. Das Bundesverwaltungsgericht hat damals ausgeführt: „Die Abgrenzung wird im Allgemeinen danach erfolgen, dass Sport regelmäßig auf die Erhaltung und ggf. Steigerung der Leistungsfähigkeit zielt, während beim Spiel Zeitvertreib, Entspannung und Zerstreuung im Vordergrund stehen. Dabei muss die typische Nutzung eines bestimmten Gerätes oder bestimmter Vorrichtungen in den Blick genommen werden. Allein der Umstand, dass zum Spiel gehören kann, in möglichst kurzer Zeit einen möglichst großen Erfolg zu erzielen, macht ein Spiel noch nicht zum Sport. Auch der Umstand, dass viele Spiele auch unter Wettbewerbsbedingungen veranstaltet werden können, führt noch nicht dazu, dass aus der Teilnahme am Spiel Sport wird. Computerspiel ist selbst dann kein Sport, wenn es im Wettbewerb veranstaltet wird. Typischerweise wird ein Computerspiel nicht gespielt, um sich zu ‚ertüchtigen‘ “.1

1  BVerwG,

Urt. v. 09.03.2005 – 6 C 11/04 – juris, 18.



„e-Sport“ und die Regelungen des organisierten Sports

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Das Erfordernis der körperlichen Ertüchtigung spielt auch im viel beachteten Turnierbridge-Urteil des Bundesfinanzhofes eine entscheidende Rolle, was zur Tenorierung führte, dass Turnierbridge kein Sport im Sinne des § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 21 AO ist.2 Schließlich setzte der 5. Senat des Bundes­ finanzhofes im IPSC-Urteil des vergangenen Jahres seine Ausführungen fort: „Vorausgesetzt wird daher eine körperliche, über das ansonsten übliche Maß hinaus­gehende Aktivität, die durch äußerlich zu beobachtende Anstrengungen oder durch die einem persönlichen Können zurechenbare Kunstbewegung gekennzeichnet ist […] Die Ausführung eines Spiels in Form von Wettkämpfen und unter einer besonderen Organisation allein machen dieses allerdings noch nicht zum Sport i. S. des § 52 Abs. 2 Nr. 21 AO.“3

Die Judikatur hat folglich bisher nicht beantwortet, ob es sich bei „eSport“ um Sport handelt oder nicht, weil bei „eSport“ keine ausreichende körper­ liche Ertüchtigung gegeben ist. c) Finanzverwaltung Bisher ist nur ein Verfahren öffentlich bekannt geworden, in dem ein „eSport“-Verein für die „Förderung der Jugendhilfe“ nach § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 AO die Anerkennung erhielt.4 Eine weitere Anerkennung nach dieser oder einer anderen Norm des Zweckkataloges des § 52 Abs. 2 Satz 1 AO ist bisher nicht bekannt geworden. Für die Bewertung als Sport verlangt die einschlägige Verwaltungsanweisung des Bundesministeriums für Finanzen im Anwendungserlass zur Abgabenordnung (AEAO) übrigens ebenfalls eine körperliche Ertüchtigung.5 Sollte eine Anerkennung der Gemeinnützigkeit nach § 52 Abs. 2 Satz 2 AO durch die Finanzverwaltung in Erwägung gezogen werden, müsste eine Abstimmung der Landesfinanzbehörden stattfinden, da eine bundeseinheit­ liche Entscheidung getroffen werden soll.6 Eine solche Abstimmung ist bislang nicht bekannt geworden.

2  BFH,

5. Senat DStRE 2017, 879, 28. 5. Senat, BStBl 2018, 790, 30. 4  eSport-Bund Deutschland e. V., Erster reiner eSport-Verein als gemeinnützig anerkannt – Bundesverband ESBD gratuliert Leipzig eSport e. V. zur Vorreiterrolle und mahnt Anerkennung auch als Sport an, Pressemitteilung vom 21.12.2017, https://esportbund.de/2018/02/04/erster-reiner-esport-verein-als-gemeinnuetzig-anerkannt-bundesverband-esbd-gratuliert-leipzig-esport-e-v-zur-vorreiterrolle-und-mahnt-anerken nung-auch-als-sport-an/ (Abruf: 5.12.2018). 5  Anwendungserlass zur Abgabenordnung (AEAO) vom 05.04.2019, juris, S. 80. 6  A. a. O., S.  78 3  BFH,

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2. Politik, Sportwissenschaft, Verbände a) Politik Die Ansichten in der Politik sind heterogen, wie mit „eSport“ zu verfahren sei. Beeinflusst von Amokläufen an deutschen Schulen von Tätern, die teilweise auch Ego-Shooter spielten, entstand noch vor einigen Jahren eine sog. Killerspiel-Debatte.7 Die Innenministerkonferenz forderte nach den Taten von Winnenden und Willingen 2009: „Sie [die Innenministerkonferenz – Anm. d. Autors] sieht es vor dem Hintergrund der neuerlichen Amoktat als erforderlich an […] für Spiele, bei denen ein wesentlicher Bestandteil der Spielhandlung die virtuelle Ausübung von wirklichkeitsnah dargestellten Tötungshandlungen oder anderen grausamen oder sonst unmenschlichen Gewalttätigkeiten gegen Menschen oder menschenähnlichen Wesen ist (Killerspiele), ein ausdrückliches Herstellungs- und Verbreitungsverbot so schnell wie möglich umzusetzen.“8

Das damals geforderte Verbot wurde nicht umgesetzt. Ein Jahrzehnt später fand sich die Ansicht der Bundesregierung im Koalitionsvertrag: „Wir erkennen die wachsende Bedeutung der E-Sport-Landschaft in Deutschland an. Da E-Sport wichtige Fähigkeiten schult, die nicht nur in der digitalen Welt von Bedeutung sind, Training und Sportstrukturen erfordert, werden wir E-Sport künftig vollständig als eigene Sportart mit Vereins- und Verbandsrecht anerkennen und bei der Schaffung einer olympischen Perspektive unterstützen.“9

Mittlerweile hat sie allerdings wieder eine zurückhaltendere Position eigenommen und orientiert sich am Begriffsverständnis des organisierten Sports.10

7  Vgl. Schulke/Wendeborn, Aufklärung, was sonst!? Das Märchen vom E-Sport, 2018 (Abruf: 15.11.2018). 8  Ständige Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder, Sammlung der zur Veröffentlichung freigegebenen Beschlüsse der 188. Sitzung der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder Ständige Konferenz der Innen­ minister und -senatoren der Länder am 05.06.2009 in Bremerhaven, 11.06.2009,­ https://www.innenministerkonferenz.de/IMK/DE/termine/to-beschluesse/09-06-05/ Beschl %C3 %BCsse.pdf?__blob=publicationFile&v=2 (Abruf: 19.5.2019). 9  CDU/CSU/SPD, Ein neuer Aufbruch für Europa – Eine neue Dynamik für Deutschland – Ein neuer Zusammenhalt für unser Land, Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD 19. Legislaturperiode, 12.03.2018ff. 10  Deutscher Bundestag, BT-Ds. 19/9442, 16.04.2019, 2; sowie Deutscher Bundestag, BT-Ds. 19/19402, 25.05.2020, 3.



„e-Sport“ und die Regelungen des organisierten Sports

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b) Sportwissenschaft Sportwissenschaftliche Definitionsansätze für „eSport“ sind heterogen.11 Eine Befassung damit ist sinnvoll, um das wissenschaftliche Begriffsverständnis zu schärfen. Für die Bewertung durch den organisierten Sport sind sie mangels Eineindeutigkeit allerdings eher von akademischem Wert. Die Deutsche Vereinigung für Sportwissenschaft hat ein Positionspapier erstellt, dass allerdings keine klare Positionierung zu dieser Frage enthält.12 Die Sportwissenschaftlerin Prof. Dr. Carmen Borggrefe initiierte eine Stellungnahme von 81 Sportwissenschaftlern und -medizinern, die sich gegen Anerkennung von „eSport“ als Sport(art) aussprachen.13 c) Verbände Am 26.11.2017 wurde von zwanzig Vereinen und Teams, dem Veranstalter ESL [wohl durch deren Träger, die Turtle Entertainment GmbH – Anm. des Autors], dem game – Verband der deutschen Games-Branche e. V. sowie von Einzelpersonen der eSport-Bund Deutschland e. V. (ESBD) gegründet. Er bezeichnet sich selbst als Fachsportverband und „zentrale[r] Ansprechpartner für die sportliche Ausgestaltung von eSport und die Belange der Athleten in dem Bereich“ (eSport-Bund Deutschland e. V.). „eSport“ definierte er durch Beschluss der Mitgliederversammlung vom 26.10.2018 wie folgt: „eSport ist der unmittelbare Wettkampf zwischen menschlichen Spieler/innen unter Nutzung von geeigneten Video- und Computerspielen an verschiedenen Geräten und auf digitalen Plattformen unter festgelegten Regeln. Der Vergleich der sport­ lichen Leistung im eSport bestimmt sich aus dem Zusammenwirken einer zielgerichteten Bedienung der Eingabegeräte in direkter Reaktion auf den dargestellten Spielablauf bei gleichzeitiger taktischer Beherrschung des übergreifenden Spiel­ geschehens. Bezugsobjekt der sportlichen Tätigkeit sind Videospiele, die in ihrem Aufbau und ihrer Wirkungsweise den Anforderungen an die sportliche Leistungs­ ermittlung genügen, den Spielerfolg nicht überwiegend dem Zufall überlassen und

11  Pusch,

npoR, 2019, 53, 53 f.

12  Breuer/Döhring/Heck/Meyer/Pusch/Schmidt/Schürmann/Stoll/Wendeborn/Wie-

meyer, „eSport als Herausforderung für die Sportwissenschaft“, Positionspapier der Deutschen Vereinigung für Sportwissenschaft (dvs), Fassung vom 15. August 2019, 15.08.2019, https://www.sportwissenschaft.de/dvs/news/positionspapier-der-deutschen-vereinigung-fuer-sportwissenschaft-dvs/ (Abruf: 13.9.2019). 13  Borggrefe, Carmen; Universität Stuttgart, Institut für Sport- und Bewegungswissenschaft, Stellungnahme zum eSport, Pressemitteilung vom 24.09.2019, https:// www.inspo.uni-stuttgart.de/institut/aiv/aktuelles/Stellungnahme-zum-eSport/ (Abruf: 10.7.2020).

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einen reproduzierbaren Spielrahmen zum Vergleich der Leistung zwischen den Spieler/innen bieten.“14

Die Abgrenzung zwischen „eSport“ und Gaming wird wie folgt beschrieben: „eSport ist ein dedizierter Teilbereich des Gamings, der unter speziellen Voraussetzungen agiert. Die Nutzung von Videospielen für einen sportlichen Leistungsvergleich bestimmt den Kerngehalt des eSports und bildet damit eine eigene Systematik in dem Freizeit-, Erholungs- und Kulturbereich des Gamings.“15

Eine Unterscheidung nach Spielinhalten wird nicht vorgenommen. Vielmehr ist nach Auffassung des Verbandes die Art und Weise, wie das Videospiel gespielt wird, entscheidend, ob es „eSport“ (kompetitiv) oder Gaming ist. Der Deutsche Olympische Sportbund e. V. (DOSB) hat sich als Dachverband des organisierten Sports ebenfalls ausführlich mit der Materie befasst, bevor er zu einer eigenen Einschätzung gelangt ist. Zunächst wurde eine Arbeitsgruppe „eSport“ gebildet, dem Teilnehmer der Mitgliedsorganisationen, der Wissenschaft und geladene Gäste der „eSport“- bzw. der GamingSzene angehörten. Hier wurden Szenarien für den Umgang mit der Materie erarbeitet, die die Grundlage der darauffolgenden Positionierung des DOSBPräsidiums und -Vorstands bildeten. An dieser Stelle bildete der DOSB neue Begrifflichkeiten, weil er den Begriff „eSport“ als zu unspezifisch bewertet und ihn daher allenfalls in Anführungsstrichen verwendet.16 Er unterscheidet zwischen elektronischen Sportartensimulationen (kurz: virtuellen Sportarten) und eGaming, wobei er unter elektronischen Sportartensimulationen den Betrieb von Sportarten in der Virtualität versteht (also beispielsweise Fußball- oder Basketballsimulationen). Als eGaming bezeichnet er alle anderen virtuellen Spiel- und Wettkampfformen.17 In seiner Positionierung vertritt er des Weiteren eine differenzierte Auffassung, goutiert den Umgang in den Vereinen mit elektronischen Sportartensimulationen und wendet sich gegen den Einsatz von anderweitigen Spielen, die insbesondere wegen ihres Spielinhalts der Werteordnung des Verbandes nicht entsprechen. Den Betrieb der virtuellen Sportarten sieht er des Weiteren in den Mitgliederorganisationen verankert; weshalb er die Notwendigkeit eines Bundesfachverbandes mo14  eSport-Bund Deutschland e. V., Was ist eSport?, https://esportbund.de/esport/ was-ist-esport/ (Abruf: 12.6.2020). 15  eSport-Bund Deutschland e. V., aaO. 16  Der Autor teilt diese Argumentation und verwendet den Begriff daher ebenfalls in Anführungszeichen. 17  Präsidium und Vorstand; Deutscher Olympischer Sportbund e. V., Umgang mit elektronischen Sportartensimulationen, eGaming und „eSport“, Positionierung von DOSB-Präsidium und -Vorstand, Pressemitteilung vom 04.12.2018, https://www. dosb.de/ueber-uns/esport/ (Abruf: 22.5.2019).



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mentan nicht sieht. Schließlich tut er den Standpunkt kund, dass die Förderung von elektronischen Sportsimulationen als gemeinnützig nach § 52 Abs. 2 Satz 2 AO anerkannt werden kann, aber beide nicht wegen der Förderung des Sports im Sinne des § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 21 AO.18 Die Mitgliederversammlung des DOSB hat beschlossen, diese Positionierung zu unterstützen.19 Im Hinblick auf Spielinhalte teilt das IOC die Ansicht des DOSB, dass diese werteorientiert zu differenzieren sind: „Wir haben eine rote Linie, wenn es um eine Aktivität geht, bei der es um die Verherrlichung von Gewalt oder Diskriminierung geht. Die kann nicht überschritten werden. Da sind wir uns absolut klar.“20

Diese Meinung haben die führenden Vertreter der Olympischen Bewegung in der amtlichen Mitteilung des 7. Olympischen Gipfels geteilt: „some egames are not compatible with the Olympic values and therefore cooperation with them is excluded“.21

II. Aufnahmevoraussetzungen des organisierten Sports 1. Aufnahmevoraussetzungen des IOC Die Olympische Charta des IOC regelt, unter welchen Voraussetzungen eine Organisation als Internationaler Verband (International Federation – IF) anerkannt werden kann. Nach Regel 25 wäre das IOC befugt, eine interna­ tionale Nichtregierungsorganisation (NGO), die eine oder mehrere Sportarten auf internationaler Ebene regelt, die Anerkennung als IF zu gewähren, wenn sie sich bei der Organisation der Sportart(en) an die Regularien der Olympischen Charta hält. Ein internationaler Verband des „eSport“, der diese Voraussetzungen erfüllt oder einen entsprechenden Antrag an das IOC gestellt hat, ist nicht bekannt. In der Olympischen Charta ist übrigens auch keine Legaldefinition des Sportbegriffs zu finden. Insoweit wäre im Falle eines Antrags durch das IOC zunächst zu klären, ob „eSport“ oder Teilmengen dessen als Sportart angesehen werden. 18  Präsidium

und Vorstand, ebd. Olympischer Sportbund e. V., Protokoll 15. Mitgliederversammlung des Deutschen Olympischen Sportbundes, 01.12.2018. 20  sid, eSports: IOC-Präsident Bach will keine Killer-Spiele bei Olympia, 19.04.2018, https://www.focus.de/sport/olympia-2016/e-sports-esports-ioc-praesidentbach-will-keine-killer-spiele-bei-olympia_id_8795327.html (Abruf: 12.6.2020). 21  Martin, Communique of the 7th Olympic Summit – Olympic News, 08.12.2018, https://www.olympic.org/news/communique-of-the-7th-olympic-summit (Abruf: 12.6.2020). 19  Deutscher

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2. Aufnahmevoraussetzungen des DOSB a) Aufnahmezwang durch die Olympische Charta des IOC Der DOSB ist das Nationale Olympische Komitee (NOK) für Deutschland im Sinne der Olympischen Charta. Käme man beim IOC zur Entscheidung, dass eine Organisation für „eSport“ oder Teilmengen als IF anerkannt und diese ein Bestandteil des Olympischen Programms nach Rule 45 Nr. 1 Olympic Charter wird, käme ein Aufnahmezwang nach Rule 28 Nr. 1.2 Olympic Charter zur Anwendung. Der DOSB müsste dann als NOK eine national zuständige Organisation der IF aufnehmen. Für den Fall, dass eine solche Sportart nicht zum Olympischen Sportartenkanon gehören würde, bestünde kein Aufnahmezwang, sondern nur die Möglichkeit einer Aufnahme (Rule 28 Nr. 2.1 Olympic Charter). b) Möglichkeit der Aufnahme nach den Regularien des DOSB Nach § 7 Abs. 2 der Satzung des DOSB bestimmt die Mitgliederversammlung über die Aufnahme neuer Mitgliedsorganisationen.22 Diese können Spitzenverbände, Verbände mit besonderen Aufgaben oder Sportverbände ohne internationale Anbindung sein. (§ 7 Abs. 1 der Satzung des DOSB). Die vierte Möglichkeit, Landessportbünde, kommt für einen Bundesverband „­eSport“ aus organisatorischen Gründen nicht in Betracht. Als Bundesverband käme aus jetziger Sicht nur der ESBD in Betracht. Die Voraussetzungen zur Entscheidung über eine Aufnahme richten sich nach der Aufnahmeordnung.23 Danach ist die Art der in Betracht kommenden Form der Mitgliedsorganisation entscheidend. Denkbar wäre zunächst, ob es sich beim ESBD (im Falle eines Aufnahmeantrages) um einen Verband mit besonderen Aufgaben handeln könnte. Dazu ist in § 4 Nr. 3 der Aufnahmeordnung des DOSB geregelt: „Als Verbände mit besonderen Aufgaben können Verbände aufgenommen werden, die diese Aufgabenstellung insbesondere durch eine von der sportlichen Betätigung unabhängige und in der Satzung erläuterte besondere Gruppenzugehörigkeit ausdrücken, sich im Bereich von Wissenschaft und Bildung betätigen oder Förderverbände sind.“

22  Deutscher Olympischer Sportbund e. V., Satzung des DOSB, 01.12.2018, ­https:// cdn.dosb.de/user_upload/www.dosb.de/uber_uns/Satzungen_und_Ordnungen/aktuell_ Satzung_2018_.pdf (Abruf: 12.6.2020). 23  Deutscher Olympischer Sportbund e. V., Aufnahmeordnung des DOSB, 01.12.2018, https://cdn.dosb.de/user_upload/www.dosb.de/uber_uns/Satzungen_und _Ordnungen/aktuell_Aufnahmeordnung_2018_.pdf (Abruf: 12.6.2020).



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Die Aufgabenstellung des Verbandes müsste sich also aus dem Sport ergeben, von einer sportlichen Betätigung als solcher allerdings unabhängig sein. Zwar organisiert der ESBD selbst vordergründig keine sportlichen Betätigungen, ein Bezug zum Sport müsste allerdings bestehen. Um diese Voraussetzung zu erfüllen, müsste „eSport“, den der ESBD in seiner Gesamtheit vertreten möchte, als Sport anzusehen sein. Zumindest ohne differenzierende Wertung der Spielinhalte, lehnt der DOSB diese Ansicht ab. Zumindest solange es keine Legaldefinition oder gesetzliche Fiktion, wie für Schach in § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 21 AO gibt, ist das autonome Selbstverständnis des DOSB bindend. Der ESBD ist auch kein Verband der Wissenschaft und Bildung oder ein Förderverein. Ein Verstoß gegen Gleichbehandlungsgrundsätze ist nicht ersichtlich, da alle 19 Mitgliedsverbände mit besonderen Aufgaben zweifelsfrei einen Sportbezug nach dem Begriffsverständnis des DOSB besitzen: – Allgemeiner Deutscher Hochschulsportverband – Bundesverband staatl. anerk. Berufsfachschulen für Gymnastik und Sport – CVJM-Sport – Deutsche Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention (Deutscher Sportärztebund) – Deutsche Olympische Gesellschaft – Deutsche Vereinigung für Sportwissenschaft – Deutscher Aikido-Bund – Deutscher Betriebssportverband – Deutscher Sportlehrerverband – Deutscher Verband für das Skilehrwesen – Interski Deutschland – Verband für Familien-, Breitensport und Naturismus e. V. – Deutsches Polizeisportkuratorium – DJK-Sportverband – Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft – Sportkommission – Kneipp-Bund – Makkabi Deutschland – Rad-und Kraftfahrerbund (RKB) „Solidarität“ Deutschland 1896 – Stiftung Sicherheit im Skisport – Verband Deutscher Eisenbahner-Sportvereine (VDES)

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Eine Eingruppierung als deutscher Spitzenverband scheitert daran, dass der internationale Spitzenverband (International Esports Federation – IESF) kein „Mitglied in einem internationalen Spitzenverband ist, der seinerseits entweder Mitglied in der Association of Summer Olympic International Federations (ASOIF), der Association of International Olympic Sport Federation (AIOWF) oder der IOC Recognised International Sports Federations (ARISF)“ ist, wie es § 4 Abs. 2 lit. c der Aufnahmeordnung des DOSB verlangt wird. Es bliebe noch die Möglichkeit zu prüfen, ob ein Antrag des ESBD zur Aufnahme als Sportverband ohne internationale Anbindung im Sinne des § 4 Abs. 4 der Satzung des DOSB Erfolgsaussichten hätte. Dazu müssten die organisatorischen Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 der Aufnahmeordnung des DOSB und die sportlichen Voraussetzungen des § 3 der Aufnahmeordnung des DOSB erfüllt sein. Die organisatorischen Voraussetzungen werden nicht erfüllt. Nach § 4 Abs. 1 lit. a der Aufnahmeordnung des DOSB müsste in mindestens der Hälfte aller LSB eine regionale Betreuung durch Landesverbände stattfinden. Der ESBD hat keine landesverbandlichen Untergliederungen. Nach § 4 Abs. 1 lit. b der Aufnahmeordnung des DOSB müssten mindestens 10.000 Mitglieder vertreten werden, da kein vom ESBD betreutes Fachgebiet zum offiziellen Wettkampfprogramm der Olympischen Spiele gehört. Dem ESBD gehören nach aktuellem Kenntnisstand keine 10.000 Mitglieder an. Atypisch zur Mitgliederstruktur des organisierten Sports ist dabei, dass Turnier- und Eventveranstalter, professionelle „eSport“-Teams und eine Coaching Plattform zusammen mehr als die Hälfte der ca. fünfzig Mitgliedsgesellschaften stellen.24 Des Weiteren ist nicht bekannt, dass der ESBD wegen „Förderung des Sports“ nach § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 21 AO als gemeinnützige Organisation steuerbegünstigt sei. Das ist nach § 4 Abs. 1 lit. c der Aufnahmeordnung des DOSB eine weitere organisatorische Voraussetzung für ein erfolgsversprechendes Aufnahmebegehren. Schließlich wird eine Jugendarbeit in nicht nur geringem Umfang nach § 4 Abs. 1 lit. d der Aufnahmeordnung des DOSB verlangt. Diese Voraussetzung dürfte der ESBD nachweisen können. Die sportlichen Voraussetzungen erfüllt der ESBD ebenfalls nicht. Er müsste Sport im Sinne des § 3 Nr. 1–3 der Aufnahmerichtlinie des DOSB sein. Wie dargestellt, ist das strittig. Sowohl die Ausübung einer Sportart als auch die Sportartbestimmung der Tätigkeit im „eSport“ werden angezweifelt (vgl. oben unter I.). Aber selbst wenn man annehmen würde, dass „eSport“ 24  eSport-Bund Deutschland e. V., Mitglieder – ESBD – eSport-Bund Deutschland e.V, 12.06.2020, https://esportbund.de/mitglieder/?pg=2 (Abruf: 12.6.2020).



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eine Sportart wäre, bliebe zu konstatieren, dass der Gesamtvertretungsanspruch des ESBD für das „sportwettkampfmäßige Spielen von Video- bzw. Computerspielen, insbesondere auf Computern und Konsolen, nach festgelegten Regeln“25 den ethischen Anforderungen des DOSB nicht genügt. Den Vorwürfen, dass die verbandliche Vertretung insbesondere von Ego-Shootern, in denen Tötungshandlungen „regelkonform“ simuliert vollzogen werden und ggf. auch von Spielen, in denen das Töten von menschenähnlichen Avataren „regelkonform“ auch im Zentrum des Spielgeschehens steht, ethisch nicht vertretbar sei, wird mit der Einschränkung auf geeignete Video- und Computerspiele nicht begegnet. Die verbandliche Vertretung der Gesamtheit des „eSport“ ohne Ausgrenzung von Spielen solcher Inhalte verstößt gegen die ethisch-moralischen Grundsätze des § 3 Nr. 3 Abs. 2 der Aufnahmerichtlinie des DOSB. Eine Besonderheit des „eSport“ besteht darin, dass grundsätzlich die Publisher (Spielehersteller) bzw. die Veranstalter die Regeln der Wettkämpfe festlegen, der nationale Verband (ESBD) oder der internationale Verband (IESF) darauf keinerlei gestaltenden Einfluss ausüben können. Das Cheaten, Feeden von Gegnern und das Flamen bzw. Trollen in Chats stellen begrifflich zwar teilweise weitere Besonderheiten dar, die allerdings ebenso wie Doping, Wettbetrug oder Spielsucht in Facetten ebenso im Sport anzutreffen sind und damit keine ethischen Aufnahmehindernisse darstellen dürften, zumal der ESBD diesen Erscheinungen entgegentritt.26

c) Aufnahme in die Landessportbünde Ein Teil der Landessportbünde/Landessportverbände bietet „nur“ für Sportverbände und ggf. eigene Untergliederungen (wie Kreis- und Stadtsportbünde) eine unmittelbare Mitgliedschaft an.27 Die Vereine wiederrum sind dann in der Regel Mitglieder des Landesfachverbände. Deren Aufnahmevoraussetzungen sind bei ca. 50–70 Landesfachverbänden pro Bundesland so heterogen, dass auf eine Darstellung verzichtet wird. Die anderen Landessportbünde/Landessportverbände verlangen grundsätzlich, dass es sich bei den die Aufnahme begehrenden Vereinen um gemeinnützige Sportvereine handelt. Dass sich die Gemeinnützigkeit nur aus der 25  eSport-Bund Deutschland e. V., Verbandliche Definition des eSport, Beschluss der Mitgliederversammlung vom 26. Oktober 2018, Pressemitteilung vom 26.10.2018. 26  eSport-Bund Deutschland e. V., Ethik- und Verhaltenskodex des ESBD, Fassung vom 26. Oktober 2018, Pressemitteilung vom 26.10.2018; ausführlich zu diesen Erscheinungen: Pusch, npoR, 2019, 53, 57 ff. 27  So: Landessportverband Baden-Württemberg, Landessportbund Berlin, Landessportbund Nordrhein-Westfalen, Landessportbund Rheinland-Pfalz und der Landessportverband für das Saarland.

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Förderung des Sports im Sinne des § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 21 AO ergeben darf, wird nicht bei allen verlangt.28 Einige Verbände nehmen eine eigene Definition vor, was sie unter Sport29 bzw. Sportarten30 verstehen. Was in den Satzungen bzw. Ordnungen als Satzungsbestandteil der anderen Verbände unter „Sportverein“ bzw. „gemeinnützig“ zu verstehen ist, muss durch eine individuelle objektive Auslegung der Satzung bzw. Ordnung ermittelt werden.31

III. „Nachteile“ aus der fehlenden Anerkennung als Sport bzw. der Gemeinnützigkeit Dadurch, dass „eSport“ bzw. Teilmengen, wie den elektronischen Sport­ artensimulationen, die Anerkennung als Sport und als sonstige gemeinnützige Betätigung bisher versagt bleibt, können diesbezügliche Privilegien folgerichtig momentan nicht in Anspruch genommen werden.

1. Zuwendungen/Fördermittel Die Ausreichung öffentlicher Mittel an private Gesellschaften ist dann möglich, wenn der Zuwendungsgeber ein erhebliches Interesse an den Projekten oder Maßnahmen der Gesellschaft hat und soweit die Zuwendungen dafür notwendig sind. Für Bundeszuwendungen ist das in § 23 Bundeshaushaltsordnung festgeschrieben. Auf landesrechtlicher Ebene finden sich entsprechende Vorschriften, die aufgrund der parallelen Struktur der Haushaltsordnungen zumeist im gleichen Paragraphen und teilweise im identischen Wortlaut anzutreffen sind. Das erhebliche Interesse ist allerdings nicht auf den Bereich der Förderung des Sports nach § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 21 AO beschränkt. Vielmehr sind alle Zwecke der Steuerbegünstigung nach §§ 52– 54 AO, also gemeinnützige, mildtätige und kirchliche Zwecke dem Grunde mit öffentlichen Mitteln grundsätzlich förderfähig. Aber auch nicht steuerbegünstigte Zwecke sind förderfähig, wie das beispielsweise im Bereich der Wirtschaftsförderung ersichtlich wird. Das kommt im weiteren Sinne auch dem „eSport“ zu Gute, da Unternehmen zur Entwicklung von Computerspie-

28  Mit direkter Bezugnahme auf die Vorschrift der Abgabenordnung bzw. deren Inhalt: Landessportbund Bremen, Hamburger Sportbund und Landessportbund Mecklenburg-Vorpommern. 29  LandesSportBund Niedersachsen. 30  Bayerischer Landes-Sportverband. 31  BGH, Urt. v. 13.10.2015 – II ZR 23/14 – juris, 24.



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len bspw. auf die Games-Förderung des Bundes und auch in einigen Bundesländern zugreifen können, die eine Wirtschaftsförderung darstellen.32

2. Steuerbegünstigung für Großsportereignisse Da „eSport“ nicht als Sport angesehen wird, kommt die Inanspruchnahme von Steuervergünstigungen für Großsportveranstaltungen nicht in Betracht. Die Möglichkeit der Pauschalierung oder der Verzicht auf die Einkommenssteuer nach § 50 Abs. 4 Nr. 1 EStG im Falle des öffentlichen Interesses bzw. auf deren Sonderformen der Kapitalertrags- und Körperschaftssteuer nach § 8 Abs. 1 KStG gilt allerdings nicht nur für Sportveranstaltungen. Sie kann für alle im öffentlichen Interesse stehenden international bedeutsamen Ereignisse sportlicher oder kultureller Art auf deutschem Boden bestehen, um deren Ausrichtung ein internationaler Wettbewerb besteht. Eine Förderung durch Steuerbegünstigung ist also grundsätzlich auch dann denkbar, wenn „eSport“-Ereignisse nicht als sportliche, sondern kultureller Art eingestuft werden würden. Dass dies nicht abwegig ist, zeigt der erstmals im Bundeshalt des Jahres 2019 aufgenommene Titel über 50 Millionen Euro für den sog. Games-Fonds, mit dem die Entwicklung von Computerspielen auf Bundesebene als Bestandteil der Kreativindustrie subventioniert wird. Diese Art der Wirtschaftsförderung ist bereits aus anderen Kreativbereichen, wie der Filmförderung auf Bundesebene bekannt. (Presse- und Informationsamt der Bundesregierung 2019) Auch an dieser Stelle zeigt sich die denkbare größere Nähe des „eSport“ zur Kultur als zum Sport. Allerdings dürfte die steuerliche Privilegierung in diesem Bereich daran scheitern, dass in Deutschland die Ausrichtung von „eSport“-Veranstaltungen durch Verträge zwischen Publishern und Veranstaltern, wie der ESL, vereinbart werden und nicht durch einen fördernotwendigen internationalen Vergabe-Wettbewerb um dessen Ausrichtung.

32  Puppe, Martin; game  – Verband der deutschen Games-Branche e. V., Bundeshaushalt enthält erstmals 50 Millionen Euro für Games-Förderung, Pressemitteilung vom 08.11.2018, https://www.game.de/bundeshaushalt-enthaelt-erstmals-50-millionen-euro-fuer-games-foerderung/ (Abruf: 12.8.2019); Walter, Games-Förderung für kleinere Projekte gestartet, 23.04.2019, https://www.gaming-grounds.de/games-foerderung-fuer-kleinere-projekte-gestartet/ (Abruf:12.6.2020); abweichend: Games-Wirtschaft, Rheinland-Pfalz: Landtag erteilt Absage für Games-Förderung, 29.05.2020, https://www.gameswirtschaft.de/politik/rheinland-pfalz-landtag-absage-games-foer derung/attachment/rheinland-pfalz-games-foerderung-dreyer/ (Abruf: 29.5.2020).

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3. Visa-Erleichterungen Im professionellen „eSport“ reisen ausländische Gamer an, um dem Spielen als Beschäftigung nachzugehen. Zur Ausübung einer Beschäftigung bedarf es grundsätzlich eines Aufenthaltstitels nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Aufenthaltsgesetz (AufenthG), der die Ausübung einer Erwerbstätigkeit gestattet. Sollte diese nicht vorhanden sein, kann eine Beschäftigung nur mit Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit erfolgen – falls nicht eine Rechtsver­ ordnung die Beschäftigung ohne diese Zustimmung gestattet (§ 4 Abs. 2 Satz 3 AufenthG). Eine solche Verordnung ist die Beschäftigungsverordnung (BeschV). Dort ist in § 22 Nr. 1 eine Zustimmungserleichterung für den Fall kodifiziert, dass eine Betätigung „in Vorträgen oder in Darbietungen von besonderem wissenschaftlichen oder künstlerischen Wert oder bei Darbietungen sportlichen Charakters im Inland“ 90 Tage in einem Zeitraum von zwölf Monaten nicht überschritten und der gewöhnliche Wohnsitz im Ausland beibehalten wird. Nicht zu entscheiden ist an dieser Stelle, ob auf den Tatbestand der Darbietung mit besonderem künstlerischen Wert oder sportlichen Charakters abzustellen ist, da für beide der Zeitraum der 90 Tage gilt. Eine unbefristete Befreiung von der Zustimmung ist in § 22 Nr. 4 BeschV geregelt. Sie bezieht sich auf Berufssportler und -trainer die in Sportvereinen oder vergleichbaren Wettkampfsporteinrichtungen aktiv sind. Allerdings ist nach § 22 Nr. 4 lit. c) BeschV unter anderem erforderlich, dass der DOSB die sportliche Qualifikation als Berufssportler bestätigt. Wie bereits ausgeführt, sieht der DOSB „eSport“-Spieler nicht als Sportler, mithin auch nicht als Berufssportler an (vgl. oben I.2.c)). Der Ausnahmetatbestand ist daher für professionelle „eSport“-Spieler nicht anwendbar. Die Vorschrift wurde im Jahr 2019 durch die Änderung der Beschäftigungsverordnung um einen Einschub in § 22 Nr. 5 BeschV ergänzt. Nunmehr wird das gleiche Privileg berufsmäßigen „eSport“-Spielern gewährt. Die Unterscheidung der Regelungen für Sport und „eSport“ lassen die Auslegung zu, dass der Gesetzgeber „­eSport“ nicht als Teilmenge des Sports betrachtet.

4. Spielhallenerlaubnis Schließlich steht noch eine Klärung der Frage aus, ob die Veranstaltung von „eSport“-Events bei Ausübung eines Gewerbebetriebes und der Zahlung von Preisgeldern an die Spieler eine Spielhallenerlaubnis nach § 33d i. V. m. § 33i Abs. 1 Satz 1 GewO erforderlich ist. Eine weitere Folge wäre dann, dass aus Gründen des Jugendschutzes nach § 6 Jugendschutzgesetz (JuSchG) nur volljährige Personen als Zuschauer an den Veranstaltungen teilnehmen können. Das Bundesverwaltungsgericht hat sich mit dieser Frage im Rahmen der Auseinandersetzung über die Notwendigkeit einer Spielhallenerlaubnis



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zum Betrieb eines Internet-Cafés auseinandergesetzt.33 Die dort angeführten Argumente sind allerdings nicht ohne Weiteres auf „eSport“-Events zu übertragen, da lediglich für die Spieler eine direkte Gefahr für die Spielleidenschaft und deren Folgesuchterscheinungen besteht, wie sie als jugendschützendes Ziel der Spielhallenvorschriften im Fokus stehen.34 Ob die Sucht­ gefahren in vergleichbarer Weise für die Zuschauer von „eSport“-Veranstaltungen bestehen, bleibt durch die Rechtsprechung zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht hat in der Urteilsbegründung übrigens auch eine Abgrenzung von Computerspielen zu Sportveranstaltungen vorgenommen, auf die bereits zu Beginn des Beitrages hingewiesen wurde (vgl. oben I.1.a)).

IV. „eSport“ im kommerziellen Sport Im kommerziellen Sport wird „eSport“ grundsätzlich als Marketinginstrument verstanden, um die Marke innerhalb der eigenen Sportart oder den eigenen Verein zu stärken. Das unterscheidet sich insoweit vom Breitensport, da elektronische Sportsimulationen dort eher eingesetzt werden, um neue Vereinsmitglieder zu gewinnen, um gemeinsam im Vereinsheim zu spielen oder bestehende Mitglieder zu halten und ggf. stärker ins Vereinsleben zu integrieren.

1. Fußball Die wahrnehmbarsten Aktivitäten im professionellen Sportumfeld finden sich im Bereich des Fußballs, was nicht verwunderlich ist, da er auch am stärksten professionalisiert und monetarisiert ist. Neben dem Spiel „Pro Evolution Soccer“35 ist es vor allem die FIFA-Serie des Herstellers Electronic Arts Canada (EA SPORTS), die als Marketingtool eingesetzt wird. An der ausgetragenen virtuellen Bundesliga (VBL Club Championship) haben ak­ tuell 22 Mannschaften der ersten beiden Bundesligen teilgenommen, jeweils mit einem Team, das aus zwei Spielern besteht.36 Die Besonderheit bei FIFA ist, dass die DFL Deutsche Fußball Liga GmbH als Veranstalter der profes­ sionellen Fußball-Bundesligen und EA SPORTS eine Kooperation eingegan33  BVerwG,

Urt. v. 09.03.2005 – 6 C 11/04 – juris. (Fn. 33), 24. 35  FC Bayern startet in KONAMIs eFootball.Pro League, 9.12.2019, https:// fcbayern.com/de/news/2019/12/presseinformation-fc-bayern-startet-in-konamis-efoot ball.pro-league (Abruf: 12.6.2020). 36  DFL Deutsche Fußball Liga GmbH, Virtual Bundesliga – Deutsche Meisterschaft 2019/20, 28.05.2020, https://virtual.bundesliga.com/de/club-championship (Abruf: am 12.6.2020). 34  BVerwG,

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gen sind, um die Regeln für die virtuelle Bundesliga festzulegen. Ansonsten ist es eher üblich, dass der Publisher, in diesem Falle also EA, darüber bestimmt, wie die Spielregeln auszusehen haben. Dass einem Lizenzträger der Fußball-Bundesliga andere Spiele des „­eSport“ aktiv angeboten werden, ist eher die Ausnahme. Schalke 04 ist eine dieser Ausnahmen. Hier ist auch ein professionelles Team für das Spiel „League of Legends“ an der Konsole zugange.37 Es wird kolportiert, dass der Verein dies tue, um im asiatischen Raum die Vermarktung der dort eher nicht sonderlich bekannten Marke Unterstützungsarbeit zu leisten.

2. Basketball Ein weiterer Bereich, in dem sich Vermarktungsansätze finden lassen, ist Basketball. Dort wird das Spiel NBA2K vom Publisher Take-Two Interactive Software mit den gleichen Zielen wie bei FIFA genutzt. Im Jahr 2017 wurde die NBA2K eLeague als professionelle Gaming-Liga aus der Taufe gehoben. Hier hat die amerikanische Profi-Basketballliga NBA, wie die DFL bei FIFA, eine Kooperation mit dem Publisher eingehen können.38 Die Mannschaften der BBL üben sich allerdings eher in Zurückhaltung, bei einem Engagement in der NBA2K eLeague.

3. Weitere virtuelle Sportarten Die weiteren Angebote anderer Sportarten, wie American Football, Tennis, Segeln o. ä. fallen hinter den beiden Leuchttürmen des Fußballs und Basketballs im professionalisierten Bereich weit zurück und sind als kommerzialisierte Ligenbetriebe zumindest in Europa bedeutungsarm.

V. Virtual Realitiy In Bereichen der Leistungsdiagnostik oder von Leistungstests haben elek­ tronische Sportsimulationen schon längere Zeit Einzug gehalten. Seien es Rennsportsimulationen, die mit einer Art Monocoque verbunden werden, um realistische Streckensimulationen und Leistungstests von Fahrzeugen jenseits von Rennstrecken vornehmen zu können. Das geschieht auch deshalb, weil 37  Tinc, Das Schalker Modell, 05.04.2018, https://www.fr.de/sport/sport-mix/ schalker-modell-10979584.html (Abruf: 12.6.2020). 38  Forster, Die NBA 2K eLeague geht an den Start, 10.02.2017, http://www. bblprofis.de/index.php/2017/02/10/die-nba-2k-eleague-geht-an-den-start/ (Abruf: 12.6.2020).



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die Strecken- und Fahrzeugtests im Bereich des lizensierten Motorrennsports stark limitiert ist. Das Sportschützenwesen zeigt beispielsweise Interesse an der Entwicklung an einer hybriden Gestaltung von Virtualität und Realität, wenn es um das sog. Wurfscheibenschießen geht. In diesem Bereich ist die Errichtung von Schießanlagen mit enormen Kosten und Umweltauflagen verbunden. Die Darstellung der Wurfscheibe als Zielobjekt in einer virtuellen Umgebung erscheint hier von Interesse. Auch der Einsatz von virtuellen Trainern im Fitnessstudio oder, verknüpft über die App Strava, das gemeinsame Radfahren mit der Software Zwift39 in virtueller Umgebung (real auf der „Fahrradrolle“ oder dem Ergometer sitzend) ist ein Blick in eine virtuelle Realität, die beide Welten verschmelzen lässt, aber sicherlich noch am Anfang seiner Entwicklung steht. Allerdings sind Vermarktungsideen bereits erkennbar. So liebäugelten die Organisatoren des Giro d’Italia mit der Idee, eine Etappe mit Zwift zu bestreiten.40 Aber auch der Bund Deutscher Radfahrer hat die Software als Sichtungselement für Radsporttalente entdeckt.41 Mit dem Spiel HADO erlebt das sog. Völkerball eine virtuelle Renaissance in Asien; aber auch in Deutschland haben sich bereits erste Zentren zum Betrieb dieser Betätigung entwickelt.42 Die Weiterentwicklung von Produkten, in denen virtuelle Umgebungen und reale Handlungen zu einer Symbiose verschmelzen, werden die Akzeptanz einer körperlichen Betätigung bzw. Ertüchtigung und damit auch einer Anerkennung als Sport steigern können. Unabhängig davon bleibt für die Anerkennung als Sportart weiterhin die Frage nach einer Inhaltskontrolle und -bewertung der „eSport“-Angebote zu stellen, um den ethisch-moralische Wertvorstellungen zu erhalten (vgl. oben II.2.b)).

39  https://www.zwift.com/eu-de.

40  Ostermann, Radsport und E-Sport: Virtuelle Tour-de-France-Etappen?, 07.07.2019, https://www.sportschau.de/tourdefrance/tour-de-france-e-sport-virtuell100.html (zugegriffen am 12.6.2020). 41  Bundesinstitut für Sportwissenschaft, Die BDR German Cycling Academy (GCA) startet auf Zwift  – Gastbeitrag GCA, 01.10.2019, https://wiss-netz.de/inno vationen/die-bdr-german-cycling-academy-startet-auf-zwift (Abruf: 1.4.2020). 42  HADO – Der nächste Trend im Augmented Reality Sport! – Etech Sports, 2019, https://etech-sports.com/2019/08/22/hado-der-naechste-trend-im-augmented-realitysport/ (Abruf: 12.6.2020).

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Hendrik Pusch

VI. Zusammenfassung Der Beitrag zeigt rechtliche Facetten, die sich bei der gemeinsamen ­ etrachtung von „eSport“ und Sport eröffnen. Erörtert wird, ob und welche B Definitionen es für beide Bereiche gibt und ob eine Anerkennung von „­eSport“ als Sport in Aussicht steht. Im Anschluss wird ausgeführt, welche „Nachteile“ sich aus der aktuell fehlenden Anerkennung von „eSport“ als Sport oder einer anderweitig steuerbegünstigten Betätigung ergeben, bevor die Situation im kommerziellen Sport in gebotener Kürze betrachtet wird. Schließlich wird ein Blick in die Zukunft gewagt. Wie kann Entwicklung von Sport und „eSport“ künftig aussehen?

Polizeikosten im Profifußball* Von Marius Mayer I. Implementierung eines Gebührentatbestands in Bremen . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 II. Erläuterung des Verwaltungsablaufs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 1. Bestimmung der gebührenpflichtigen Spiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 2. Auswahl des Gebührenschuldners und Bestimmung der Gebührenhöhe . 264 III. Überblick über den akademischen Diskurs und den Verwaltungsrechtsstreit   266 IV. Fortdauernde Relevanz der Polizeikostendebatte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 1. Weiterhin keine Einigung zwischen Bremen und den Fußballveranstaltern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 2. Keine bundeseinheitliche Lösung in Sicht  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 V. Vereinbarkeit von § 4 Abs. 4 BremGebBeitrG mit der Finanzverfassung . . . 1. Grundsätzliche Erwägungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gebührenrechtliche Zurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Veranlasserprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vorteilsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Grundsätzliche Erwägungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Übertragung der Grundsätze auf die Polizeieinsätze bei Fußballspielen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Gefahrenlage bei Fußball-Risikospielen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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I. Implementierung eines Gebührentatbestands in Bremen Im November 2014 wurde in der Freien Hansestadt Bremen eine Ermächtigungsgrundlage geschaffen, um Fußballveranstalter bei sogenannten Risikospielen an den immensen polizeilichen Einsatzkosten zu beteiligen.

* Der Beitrag behandelt Aspekte der Dissertation des Verfassers; siehe Marius Mayer: Polizeikosten im Profifußball – Unter Besonderer Berücksichtigung von § 4 Abs. 4 BremGebBeitrG, Berlin 2018; s. weiterhin Marius Mayer: Polizeikostenabwälzung bei Fußball-Risikospielen – ein Blick auf die gebührenrechtliche Zurechnung, in: Martin H. W. Möllers/Robert C. van Ooyen (Hrsg.), Jahrbuch Öffentliche Sicherheit 2018/19, Baden-Baden 2019, S. 453–462.

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Hierzu wurde § 4 Abs. 4 in das Bremische Gebühren- und Beitragsgesetz (BremGebBeitrG) eingefügt.1 Die Norm lautet auszugsweise: „Eine Gebühr wird von Veranstaltern […] erhoben, die eine gewinnorientierte Veranstaltung durchführen, an der voraussichtlich mehr als 5.000 Personen zeitgleich teilnehmen werden, wenn wegen erfahrungsgemäß zu erwartender Gewalthandlungen vor, während oder nach der Veranstaltung am Veranstaltungsort, an den Zugangs- oder Abgangswegen oder sonst im räumlichen Umfeld der Einsatz von zusätzlichen Polizeikräften vorhersehbar erforderlich wird. Die Gebühr ist nach dem Mehraufwand zu berechnen, der aufgrund der zusätzlichen Bereitstellung von Polizeikräften entsteht. […]“

In der Praxis wurde von der Ermächtigungsgrundlage bislang nur bei Fußballspielen des lokalen Bundesligisten Werder Bremen2 Gebrauch gemacht, wobei – jedenfalls theoretisch – auch andere kommerzielle Großveranstaltungen unter die Norm subsumiert werden können.

II. Erläuterung des Verwaltungsablaufs 1. Bestimmung der gebührenpflichtigen Spiele Die Polizei nimmt für jedes Profifußballspiel in Deutschland eine Risikobewertung vor. Diese dient der polizeilichen Einsatzleitung als faktische Basis für die Entscheidung, wie viele Polizeikräfte beim jeweiligen Spiel eingesetzt werden. Die Spiele werden anhand des prognostizierten Gefahrenpotentials entsprechend dem Ampelsystem als Grün- Gelb- oder Rot-Spiele klassifiziert. Bei Rot-Spielen handelt es sich um die sogenannten Risikospiele. Nur für diese werden in Bremen Gebühren erhoben. Einige Wochen vor Veranstaltungsbeginn wird der Veranstalter über die voraussichtliche Gebührenpflicht sowie die voraussichtliche Höhe der Gebühr unterrichtet. Dabei wird dem Veranstalter mitgeteilt, wie viele Polizeikräfte voraussichtlich eingesetzt werden.

2. Auswahl des Gebührenschuldners und Bestimmung der Gebührenhöhe Im Gesetzgebungsverfahren war von Seiten der Bremer Politik wiederholt betont worden, dass Werder Bremen nicht als Gebührenschuldner herangezo1  Gesetz zur Änderung des Bremischen Gebühren- und Beitragsgesetzes v. 04.11.2014 (Brem.GBl. S. 457, ber. S. 547). 2  Der Sport-Verein „Werder“ von 1899 e. V. hat seine Lizenspielerabteilung in die SV Werder Bremen GmbH & Co. KGaA ausgegliedert.



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gen werden soll. Begründet wurde dies vordergründig damit, dass die Wettbewerbsposition des Bundesligisten nicht geschwächt werden soll.3 Adressat der Gebührenbescheide war daher bislang stets die Deutsche Fußball Liga GmbH, kurz DFL  GmbH. Diese führt für den DFL  e. V. das operative Geschäft für die Bundesliga und 2. Bundesliga und setzt unter anderem die Spieltermine für die beiden Lizenzligen fest. Der DFL  e. V. ist der Zusammenschluss der lizenzierten Vereine und Kapitalgesellschaften der Bundesliga und 2. Bundesliga. Die Frage, ob man der DFL GmbH eine (Mit-)Veranstaltereigenschaft bei Bundesligaspielen attestieren kann, soll an dieser Stelle nicht näher vertieft werden.4 Während dieser Punkt im verwaltungsgerichtlichen Rechtsstreit über die Rechtmäßigkeit eines ersten auf § 4 Abs. 4 BremGebBeitrG gestützten Bescheids durchaus streitig war, hat das Bundesverwaltungsgericht letztlich eine Mitveranstaltereigenschaft der DFL GmbH bejaht.5 Interessant, wenn auch nicht überraschend, ist hingegen der Umstand, dass die DFL  GmbH und der DFL  e. V. Werder Bremen über den Gesamtschuldnerausgleich die Gebührenbescheide in voller Höhe in Rechnung stellen und damit die Intention der Bremer Innenpolitik, den heimischen Bundesligisten nicht zu belasten, konterkarieren. Nach diesem kurzen Exkurs zur Veranstalterfrage kehre ich zurück zum weiteren Ablauf des Verwaltungsverfahrens: Während der Veranstalter einige Wochen vor Veranstaltungsbeginn über die Gebührenpflicht als solche informiert wird, wird der Bescheid erst nach dem jeweiligen Spiel erlassen. Die Höhe der Gebühr berechnet sich aus der Differenz zwischen den Kosten der Bereitstellung der Polizeikräfte für das konkrete Rot-Spiel und dem durchschnittlichen polizeilichen Kräfteeinsatz bei Grün- oder Gelb-Spielen. Dieser Durchschnittswert fungiert als Basiswert. Dies hat zur Folge, dass eine Art polizeiliche Grundversorgung auch unter § 4 Abs. 4 BremGebBeitrG gebührenfrei bleibt.

3  Siehe etwa die Aussage des Abgeordneten Kuhn (Bündnis 90/Die Grünen), Protokoll der 45. Sitzung des Haushalts- und Finanzausschusses (Land) am 17.10.2014, S. 935. 4  Siehe hierzu ausführlich M. Mayer, Polizeikosten im Profifußball (Fn. *), S. 251– 258. 5  BVerwG, Urt. v. 29.03.2019 – 9 C 4/18, NVwZ 2019, S. 1444 (1452–1454).

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III. Überblick über den akademischen Diskurs und den Verwaltungsrechtsstreit Wichtig für das Verständnis im Hinblick auf die Frage nach der Verfassungskonformität des Bremer Vorstoßes ist der Umstand, dass die Bremer Norm den räumlichen Anwendungsbereich der gebührenpflichtigen Bereitstellung der Polizeikräfte gerade nicht auf das Veranstaltungsgelände begrenzt. Es ging dem Bremer Gesetzgeber nämlich primär darum, eine Rechtsgrundlage für die personalintensiven Polizeieinsätze im öffentlichen Raum zu schaffen (beispielsweise für die Überwachung der An- und Abreise­ wege der Zuschauer). Der Bremer Vorstoß, gerade für die Polizeieinsätze im öffentlichen Raum Gebühren zu erheben, hat für viel Wirbel und einen lebhaften akademischen Diskurs gesorgt. Neben meiner Dissertation wurden allein zwei weitere Dissertationen zu der Bremer Regelung angefertigt.6 Auch wenn die dogmatischen Begründungsansätze sich unterscheiden, waren wir Autoren uns letztlich im Ergebnis einig, dass die Bremer Norm verfassungswidrig ist. Um eine Fußball-Metapher zu bemühen: Kurzzeitig schien alles auf einen ungefährdeten Sieg der Interessenvertretung der Fußballbundesligisten hi­ nauszulaufen, da zugleich auch das Verwaltungsgericht Bremen einen ersten Gebührenbescheid als rechtswidrig angesehen und aufgehoben hatte.7 Der weitere Spielverlauf dürfte jedoch bekannt sein. Sowohl das Oberverwaltungsgericht Bremen8 als auch das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung aus März 20199 sahen die Gebührenerhebung als grundsätzlich verfassungskonform an.

IV. Fortdauernde Relevanz der Polizeikostendebatte Vor diesem Hintergrund drängt sich die Frage auf, ob die Debatte um eine Polizeikostenbeteiligung kommerzieller Veranstalter nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts an praktischer Relevanz verloren hat und schon als rechtshistorisch einzustufen ist.

6  Siehe M. Leines, Die Kostentragung für Polizeieinsätze anlässlich von Fußballspielen, Baden-Baden 2018, passim; D. Lampart, Kommerzielle Sportveranstalter und ihre Verantwortlichkeit für Polizeikosten: Eine Analyse am Beispiel des Profifußballsports unter Berücksichtigung des „Bremer Modells“, Baden-Baden 2019. 7  VG Bremen, Urt. v. 17.05.2017 – 2 K 1191/16 (juris). 8  OVG Bremen, Urt. v. 21.02.2018 – 2 LC 139/17, NVwZ 2018, S. 913. 9  BVerwG, Urt. v. 29.03.2019 – 9 C 4/18, NVwZ 2019, S. 1444.



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1. Weiterhin keine Einigung zwischen Bremen und den Fußballveranstaltern Dafür spricht auf den ersten Blick, dass die DFL GmbH mittlerweile Gebührenbescheide in Höhe von knapp 1,2 Millionen Euro bezahlt hat. Die Höhe der einzelnen Bescheide schwankte dabei zwischen rund 227.000 Euro bis 412.000 Euro pro Spiel.10 Nebenbei bemerkt, zeigt die Höhe der Forderungen, welche Kosten auf die Fußballveranstalter zukämen, wenn künftig bundesweit Gebühren für Polizeieinsätze bei Fußballspielen erhoben würden. Trotz der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts und der ersten Zahlungen der DFL, meine ich, dass die Polizeikostendebatte auf absehbare Zeit weiterhin für Diskussionsbedarf sorgen wird. Zum einen ist der Rechtsstreit über den ersten erlassenen Gebührenbescheid immer noch nicht rechtskräftig entschieden. So hat das Bundesverwaltungsgericht zwar seine Auffassung kundgetan, dass die Bremer Gebührennorm grundsätzlich verfassungskonform sei; das Verfahren wurde jedoch an das Oberverwaltungsgericht Bremen zurückverwiesen. So hat das Oberverwaltungsgericht nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts noch eine Überprüfung des von der Polizei konkret in Rechnung gestellten Aufwands vorzunehmen.11 Zudem hat die DFL GmbH in der Vergangenheit immer wieder betont, nach Abschluss des Rechtswegs notfalls auch das Bundesverfassungsgericht anzurufen. So legt die DFL GmbH auch weiterhin Widersprüche gegen neue Gebührenbescheide aus Bremen ein.

2. Keine bundeseinheitliche Lösung in Sicht Während daher einerseits noch auf den rechtskräftigen Abschluss des Ausgangsverfahrens gewartet wird, ist zugleich unklar, ob und wenn ja, auf welche Weise, der Bremer Vorstoß künftig auch in anderen Ländern umgesetzt wird. So hat der Bremer Innensenator Ulrich Mäurer mehrfach seinen Wunsch geäußert, dass – losgelöst von der speziellen Bremer Gebührennorm – ein bundesweiter Fonds implementiert werden soll. In diesen sollen die Akteure des Profifußballs freiwillig einzahlen. Der Bund und die Länder sollen so einen Teil ihrer Polizeikosten für Hochrisikospiele refinanziert bekommen. An diesem Vorschlag sollen nach Aussage Mäurers neben Rheinland-Pfalz auch das Saarland, Hamburg und Thüringen Interesse bekundet

10  Vgl. https://www.dfl.de/de/aktuelles/polizeikosten-dfl-begleicht-bremer-gebueh renbescheide-fristgemaess/ (Stand: September 2019). 11  BVerwG, Urt. v. 29.03.2019 – 9 C 4/18, NVwZ 2019, S. 1444 (1456).

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haben. Die genauere rechtliche Umsetzung und Ausgestaltung eines solchen Fonds soll durch eine Arbeitsgruppe aus Vertretern dieser Länder erfolgen.12 Auch vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob sich die Polizeikostendebatte im Allgemeinen und die Frage nach der Verfassungskonformität der Bremer Norm im Speziellen in naher Zukunft erledigt? Dagegen spricht, dass Mäurers Vorstoß – klammert man die oben aufgezählten vier Länder aus – bei seinen Amtskollegen auf wenig Gegenliebe gestoßen ist. Die Zurückhaltung bzw. sogar offene Ablehnung gegenüber Mäurers Vorschlag ist durchaus überraschend. So sprechen sich seit Jahren die Landesrechnungshöfe für eine entsprechende Kostenbeteiligung kommerzieller Großveranstalter an den Polizeikosten aus. Einige repräsentative Umfragen lassen zudem darauf schließen, dass auch die Mehrheit der Bevöl­kerung für eine Beteiligung der Fußballveranstalter an den Polizeikosten votiert.13 Bis zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts im März 2019 hatten Mäurers Amtskollegen meist drauf verwiesen, dass die Rechtslage bezüglich einer Polizeikostenbeteiligung unklar sei oder hatten die Verfassungskonformität des Bremer Vorstoßes sogar offen angezweifelt. Dass nun trotz der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts die meisten Bundesländer der Polizeikostenbeteiligung von Fußballveranstaltern weiterhin ablehnend gegenüberstehen, dürfte aus Bremer Sicht eine herbe Enttäuschung sein. Vor diesem Hintergrund dürfte ein neuer Vorstoß aus Bremen, zusammen mit Rheinland-Pfalz eine Muster-Gebührenordnung für Polizeieinsätze bei Hochrisikospielen im Rahmen der kommenden Innenministerkonferenz vorzustellen, nicht nur, wie Mäurer in einem Interview äußerte, „ein Signal in Richtung DFL“ sein, sondern zugleich als Signal an seine Amtskollegen zu verstehen sein, dem Bremer Vorstoß zu folgen.14 Auch wenn Details noch nicht bekannt sind, wäre es überraschend, wenn sich bei der Ausgestaltung der Muster-Gebührenordnung nicht an § 4 Abs. 4 BremGebBeitrG orientiert werden sollte.15 12  Vgl. sueddeutsche.de, 04.09.2019, https://www.sueddeutsche.de/sport/fussballbremen-verlangt-1-17-millionen-euro-von-der-dfl-dpa.urn-newsml-dpa-com-200901 01-190904-99-740992. 13  So sprachen sich beispielsweise bei einer Umfrage von Infratest dimap 81 % der Befragten dafür aus, dass sich die Vereine bzw. die DFL GmbH an den zusätzlichen Polizeikosten bei Risikospielen beteiligen sollen, vgl. https://www.infratest-dimap.de/ umfragen-analysen/bundesweit/umfragen/aktuell/beteiligung-der-dfl-an-polizeikostenbei-risikospielen/. 14  Vgl. sueddeutsche.de, 01.10.2019, https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/ finanzen-mainz-risikospiel-kosten-rheinland-pfalz-und-bremen-machen-druck-dpa. urn-newsml-dpa-com-20090101-191001-99-114538. 15  Bei der Innenministerkonferenz im Dezember 2019 stellte Mäurer zusammen mit dem rheinland-pfälzischen Innenminister Roger Lewentz den Entwurf einer Mus-



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Vor diesem Hintergrund erscheint es durchaus möglich, dass auch der Streit um die Verfassungskonformität der Bremer Norm bzw. dann künftig einer daran angelehnten Muster-Gebührenordnung nichts an Aktualität einbüßen dürfte. Ein Blick auf die Frage, ob eine Kostenheranziehung für die bloße Bereitstellung von Polizeikräften außerhalb des Veranstaltungsgeländes finanzverfassungsrechtlich zulässig ist, lohnt daher nicht nur aus rechtshistorischer Sicht.

V. Vereinbarkeit von § 4 Abs. 4 BremGebBeitrG mit der Finanzverfassung 1. Grundsätzliche Erwägungen Gegen eine finanzverfassungsrechtliche Zulässigkeit der Bremer Gebührenerhebung spricht auf den ersten Blick, dass die Finanzverfassung der Bundesrepublik von dem Grundsatz geprägt ist, dass die Kosten für die allgemeinen staatlichen Aufgaben – zu denen auch die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung als staatliche Kernaufgabe zählt – grundsätzlich vom Staat zu tragen und über Steuern zu finanzieren sind.16 Schon in den 1980er Jahren – damals primär im Zusammenhang mit der Frage, inwiefern Demonstranten an Polizeikosten beteiligt werden können – wurden im juristischen Schrifttum vielfältige Überlegungen angestellt, ob und wenn ja welche Grenzen der Gebührenerhebung im Bereich der Gefahrenabwehr zu setzen sind.17 Ansätze, wonach es einen verfassungsrechtlich determinierten Grundsatz der Kostenfreiheit im Bereich der inneren Sicherheit geben soll, haben sich nicht durchsetzen können. Stattdessen stellt die Rechtsprechung an die Gebührenerhebung im Bereich der Gefahrenabwehr keine zusätzlichen Anforderungen, sondern prüft diese primär an den finanzverfassungsrechtlichen Anforderungen an die Erhebung nichtsteuerlicher Abgaben.

tergebührenregelung vor. Details zur näheren Ausgestaltung der Norm gelangten zunächst nicht an die Öffentlichkeit. 16  Siehe dazu etwa grundlegend S. Habermann, Gebühren für Gefahrenabwehr. Die Legitimität der Erhebung von Gebühren im Lichte der Staatsaufgabenlehre des freiheitlichenVerfassungsstaates, Berlin 2011, S. 193 ff. und 270 ff. 17  Dazu M. Mayer, Polizeikosten im Profifußball (Fn. *), S. 186–189.

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2. Gebührenrechtliche Zurechnung Gebühren sind öffentlich-rechtliche Geldleistungen, die in Anknüpfung an eine individuell zurechenbare öffentliche Leistung erhoben werden, um deren Kosten ganz oder teilweise zu decken.18 Knüpft die Geldleistungspflicht nur an eine allgemeine öffentliche Leistung an und nicht an eine dem Einzelnen zurechenbare öffentliche Leistung, handelt es sich um eine Steuer. Die Er­ hebung von Steuern setzt gerade keine konkrete Gegenleistung des Staates voraus.19 Die individuelle Zurechenbarkeit einer öffentlichen Leistung rechtfertigt es hingegen, dass nicht die Allgemeinheit, sondern ein Einzelner zur Finanzierung einer öffentlichen Aufgabe herangezogen wird. Losgelöst von den Fragen, ob die Veranstalter durch die Gebührenerhebung etwa in ihrer Berufsfreiheit verletzt werden, die Bremer Norm nicht hinreichend bestimmt ist oder ein unzulässiges Einzelfallgesetz darstellt – all diese Punkte werden im Schrifttum kontrovers diskutiert – möchte ich im Folgenden den Blick auf den aus meiner Sicht zentralen Gesichtspunkt der Polizeikostendebatte lenken: Kann die bloße Bereitstellung der Polizeikräfte außerhalb des Veranstaltungsgeländes dem Veranstalter individuell zugerechnet werden? Das Bundesverfassungsgericht führt insofern aus: „Als Zurechnungsgrund kommt nicht jeder sachlich vertretbare Gesichtspunkt in Betracht. Vielmehr muss die gebührenpflichtige Leistung an eine besondere Verantwortlichkeit der in Anspruch genommenen Personen anknüpfen; diese Verantwortlichkeit muss aus der Sache selbst ableitbar sein.“20

Üblicherweise dienen das Veranlasserprinzip und das Vorteilsprinzip als Anknüpfungspunkte für die individuelle Zurechenbarkeit, d. h. der Gebührenschuldner musst die öffentliche Leistung entweder selbst veranlasst haben oder aber einen besonderen Vorteil durch die öffentliche Leistung erhalten haben, der eine Gebührenerhebung rechtfertigt. a) Veranlasserprinzip Anerkanntermaßen begründet eine polizeirechtliche Störereigenschaft zugleich eine besondere Verantwortlichkeit über das Veranlasserprinzip, die es 18  BVerfG, Beschl. v. 17.01.2017 – 2 BvL 2/14, 2 BvL 5/14, 2 BvL 4/14, 2 BvL 3/14, NVwZ 2017, S. 696 (697) m. w. Nachw. aus der Rechtsprechung des BVerfG; zur Frage, ob es überhaupt einen (abschließenden) verfassungsrechtlichen Gebührenbegriff gibt, siehe Mayer (2018), S.  190 f. 19  BVerfG, Beschluss vom 13.04.2017 – 2 BvL 6/13, NJW 2017, S. 2249 (2254 f.). 20  BVerfG, Beschluss v. 12.10.1994 – 1 BvL 19/90, NVwZ 1995, S. 368 (369).



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rechtfertigt, dass der Störer an den Kosten des Polizeieinsatzes beteiligt wird. Ein Beispiel hierfür wäre die Gebührenerhebung für die polizeiliche Ingewahrsamnahme eines Krawallmachers. Die Fußballveranstalter werden jedoch nach überwiegender Ansicht – selbst unter Heranziehung der umstrittenen Figur des Zweckveranlassers – nicht als Störer bei Ausschreitungen im Umfeld von Fußballspielen angesehen. Eine Störereigenschaft wird richtigerweise nur angenommen, wenn die Vereine unzureichende Verkehrssicherungsmaßnahmen treffen. Wenn in diesem Fall Polizeikräfte den Ordnungsdienst des Veranstalters innerhalb des Stadiongeländes unterstützen, kann das polizeiliche Tätigwerden den Veranstaltern auch gebührenrechtlich zugerechnet werden.21 Wie zuvor erläutert, beschränkt die Bremer Gebührennorm sich jedoch gerade nicht auf diesen Bereich. Anders ist dies etwa in Hessen, wo in der Verwaltungskostenverordnung vorgesehen ist, dass für Polizeieinsätze Gebühren erhoben werden können, wenn mit den Einsätzen Ordnungsaufgaben erfüllt werden, die dem Veranstalter obliegen.22 Auch der Bremer Gesetz­ geber ging nicht davon aus, dass die Gebührenerhebung vorliegend auf das Veranlasserprinzip gestützt werden kann.23 b) Vorteilsprinzip Stattdessen wird die individuelle Zurechenbarkeit der Bereitstellung der Polizeikräfte damit begründet, dass den Fußballveranstaltern ein besonderer Vorteil zukomme, der es rechtfertige, dass diese zur Finanzierung des Polizeieinsatzes herangezogen werden. aa) Grundsätzliche Erwägungen Dass im Bereich der Gefahrenabwehr jedenfalls nicht jeder Vorteil für Einzelne eine gebührenrechtliche Zurechnung begründen kann, veranschaulicht ein Beispiel von Dieter Nirschl, der sich schon Anfang der 1990er Jahre mit dieser Problematik in seiner Dissertation auseinandergesetzt hat. Danach sind polizeiliche Streifenfahrten in Wohngebieten den dortigen Anwohnern 21  Siehe zur Frage der Störereigenschaft von Fußballveranstaltern ausführlich M. Mayer, Polizeikosten im Profifußball (Fn. *), S. 158–175. 22  § 1 der Verwaltungskostenordnung für den Geschäftsbereich des Ministeriums des Innern und für Sport vom 07.06.2013 (Hessen) (HessVwKostO-MdIS) i. V. m. Ziffer 511 der Anlage zu § 1 HessVwKostO-MdIS. 23  Vgl. Bremische Bürgerschaft, Drs. 18/1501, S. 10.

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individuell zurechenbar, da mögliche Einbrecher durch die Streifenfahrten abgeschreckt werden könnten.24 Dieses Beispiel verdeutlicht zunächst eine Selbstverständlichkeit, nämlich, dass polizeiliches Handeln, unabhängig davon, ob es sich um präventives oder repressives Vorgehen handelt, auch dem Schutz Einzelner oder individualisierbarer Personengruppen dient. Es ist daher für die Geschützten mit einem Vorteil verbunden. Um zu verhindern, dass insofern jedes polizeiliche Handeln prinzipiell gebührenrechtlich zugerechnet werden kann, wird daher gefordert, dass der dem Gebührenschuldner zugeflossene Vorteil geldwert sein muss.25 Dass auch dieses Kriterium jedoch keineswegs zu eindeutigen Ergebnissen führt, wird mit einem Blick auf das oben angeführte Beispiel deutlich. So ließe sich argumentieren, dass die Anwohner sich durch die Streifenfahrten eigenen Vorsorgebedarf ersparen, also einen geldwerten Vorteil erhalten, indem sie etwa auf den Einbau einer Alarmanlage verzichten können. bb) Übertragung der Grundsätze auf die Polizeieinsätze bei Fußballspielen Nicht weniger schwammig stellt sich aus meiner Sicht die Beurteilung der Vorteilhaftigkeit der Polizeieinsätze für die Fußballveranstalter dar. Relativ klar lässt sich ein geldwerter Vorteil noch bejahen, wenn den Veranstaltern durch die Polizeieinsätze die Kosten für eigene Sicherheitsaufwendungen abgenommen werden, die Polizisten also eigentlich dem Veranstalter obliegende Maßnahmen zur Verkehrssicherung übernehmen. So kommt es in der Praxis vor, dass Polizeikräfte dem privaten Ordnungsdienst zur Hilfe kommen müssen. Derartiges polizeiliches Tätigwerden ist dem Veranstalter aber oftmals auch schon über das Veranlasserkriterium zurechenbar, da die Veranstalter im Falle eines nur unzureichenden Sicherheitskonzepts als polizeirechtlich Verantwortliche angesehen werden können; dies rechtfertigt, wie zuvor erläutert, eine gebührenrechtliche Zurechnung. Deutlich schwieriger hingegen lässt sich die Behauptung belegen, dass auch der Veranstalter, der seinen Verkehrssicherungspflichten nachkommt, von der Bereitstellung der Polizeikräfte im öffentlichen Raum in einem solchen Maß profitiert, dass dies eine gebührenrechtliche Zurechnung erlaubt. Für das Bundesverwaltungsgericht scheint dies auf der Hand zu liegen: 24  Vgl. D. Nirschl, Kosten der Polizei- und Sicherheitsbehörden in der Systematik des deutschen Abgabenrechts unter besonderer Berücksichtigung der „Fluggastsicherheitsgebühr“, München 1993, S. 42. 25  F. Braun, Die Finanzierung polizeilicher Aufgabenwahrnehmung im Lichte eines gewandelten Polizeiverständnisses, Stuttgart u. a. 2009, S. 262 und 279.



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„Der besondere polizeiliche Mehraufwand ist auch gerade dem Veranstalter einer gewinnorientierten Veranstaltung zuzurechnen. Denn dieser zieht aus der Risiko­ minimierung, die der zusätzliche Polizeieinsatz bewirkt, einen wirtschaftlichen Sondervorteil. Der Veranstalter einer risikobehafteten Großveranstaltung ist auf die verstärkte Sicherheitsvorsorge angewiesen. Denn ohne die zusätzliche Polizeipräsenz bestände das Risiko, dass die Teilnehmer nicht sicher zur Veranstaltung und zurück gelangen. Auch soweit Schäden an der Gesundheit und am Eigentum Dritter entständen, fielen sie letztlich auf den Veranstalter zurück und würden sein Ansehen in der Öffentlichkeit herabsetzen. In letzter Konsequenz wäre gar zu befürchten, dass Gewalthandlungen so eskalieren, dass die Veranstaltung nicht so wie geplant oder gar nicht durchgeführt werden könnte. Da die Gebührenpflicht nach dem Bremer Landesgesetz nur für gewinnorientierte Veranstaltungen besteht, zieht der Veranstalter aus dem verstärkten Polizeieinsatz nicht nur einen – schwer abschätzbaren – ideellen, sondern auch und gerade einen wirtschaftlichen Nutzen. Sein Erfolg beruht auch auf der Sicherheit der Veranstaltung.“26

Wenn, wie das Bundesverwaltungsgericht meint, die Polizeipräsenz bei Risikospielen die Durchführung der Veranstaltung erst ermöglicht, würde den Fußballveranstaltern dadurch unzweifelhaft ein wirtschaftlicher Vorteil zuteil, der eine entsprechende Zurechenbarkeit der Bereitstellung der Polizeikräfte wohl rechtfertigen könnte. An dieser Stelle lohnt daher ein Blick auf den rechtstatsächlichen Rahmen, in dem wir uns vorliegend bewegen, sprich: die Gefahrensituation rund um Fußball-Risikospiele: cc) Gefahrenlage bei Fußball-Risikospielen Die vor allem in den 1980er- und 1990er-Jahren aktive Hooligan-Bewegung hat sich in Deutschland weitgehend vom Besuch von Fußballspielen gelöst. Als zentrales Betätigungsfeld der Hooligans fungieren stattdessen die sogenannten Drittortauseinandersetzungen. Bei diesen konspirativen Kämpfen treffen zwei üblicherweise zahlenmäßig gleichstarke Gruppen aufein­ ander. Die Kämpfe dauern teilweise nur wenige Sekunden, maximal einige Minuten und enden mit der Kapitulation der unterlegenen Gruppe. Die Teilnehmer sind üblicherweise Kampfsportler und haben bisweilen keinen Bezug zum Fußballsport bzw. zur Fußballfanszene. Stattdessen handelt es eher um eine Art Städtekampf, bei dem die „Spieltags-Ergebnisse“ auf einschlägigen Seiten in sozialen Netzwerken veröffentlicht werden. Diese Form der Auseinandersetzung der Hooligans beschäftigt die Polizei weiter, da der Bundesgerichtshof – trotz der Einwilligung der Protagonisten in die wechselseitigen Körperverletzungen – die Beteiligung an den Kämpfen als strafbar ansieht.27 26  BVerwG, 27  Vgl.

Urt. v. 29.03.2019 – 9 C 4/18, NVwZ 2019, S. 1444 (1446 f.). BGHSt 58, S. 140 (143 ff.); BGHSt 60, S. 166 (175 ff.).

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Die diesbezügliche Polizeiarbeit steht aber nicht im Zusammenhang mit den personalintensiven Einsätzen an den Spieltagen, um die es bei der Frage nach der Polizeikostenbeteiligung geht. In diesem Zusammenhang steht mit den sogenannten Ultras eine andere Subkultur im Fokus. Deren Verhaltensweisen haben sich zum zentralen Sicherheitsproblem bei Fußballspielen in Deutschland entwickelt. Die Ultras bilden in fast sämt­ lichen Stadien in Deutschland den harten Kern der Fankurve. Im Fokus ihres Schaffens steht neben der Unterstützung ihrer Mannschaft, ein eigener Wettkampf unter den Ultragruppen. Über ihre eigenen medialen Kanäle wird über diesen ultra-eigenen Wettkampf berichtet. Während das Spielgeschehen auf dem Rasen allenfalls am Rande beschrieben wird, bestimmt die Beschreibung der Fan-Choreographien, der Lautstärke der Gesänge, sowie dem Auftritt „auf der Straße“ (d. h. dem Ausgang etwaiger Auseinandersetzung mit anderen Ultragruppen) die Spieltags-Revue der Ultras. Wenn die Ultras körperliche Auseinandersetzungen suchen, dann in aller Regel mit anderen Ultragruppen. Ziel ist es, Fanmaterial verfeindeter Gruppierungen zu erbeuten. Wird dabei die Zaunfahne einer Gruppe entwendet – das Heiligtum jeder Ultragruppe –, hat dies meist die Auflösung der betroffenen Gruppe zur Folge.28 Kommt es heutzutage zu sicherheitsrelevanten Vorfällen am Rande von Fußballspielen, stammen die Beteiligten fast immer aus der Ultraszene. Demgegenüber werden Fußballspiele, die nicht von Ultragruppen besucht werden – wie etwa Heimspiele der deutschen Nationalmannschaft – kaum noch von größeren sicherheitsrelevanten Vorfällen begleitet.29 Diverse Eigenheiten der Ultras erschweren der Polizei dabei die Gefahrenabwehrarbeit. So führt das im Kampf gegen die Hooligan-Gewalt Anfang der 1990er Jahre eingeführte Instrument des bundesweiten Stadionverbots nicht dazu, dass betroffene Ultras von der Anreise zu den Spielen absehen. So kommt es an den Spieltagen abseits der Stadien zu gewalttätigen Aufeinandertreffen von mit Stadionverboten belegten Ultras. Selbst wenn es zu Zuschauer-Ausschlüssen kommt (beispielsweise aufgrund einer sportgerichtlichen Verbandsstrafe), lassen sich die Ultras oftmals nicht von der Anreise zum Spielort abhalten. Die irrwitzige Konsequenz des Ganzen ist, dass Risikospiele unter Teil-Ausschlüssen von Heim- und/oder Gästefans nicht selten von mehr Polizeikräften begleitet werden, als vergleichbare Risikospiele ohne Ausschluss von Zuschauern, da die infrastruk-

28  Siehe zum Ganzen ausführlich M. Mayer, Polizeikosten im Profifußball (Fn. *), S. 35–45. 29  M. Mayer, Polizeikosten im Profifußball (Fn. *), S. 88 f.



Polizeikosten im Profifußball

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turellen Maßnahmen, die die Fantrennung innerhalb der Stadien gewähren, im öffentlichen Raum fehlen.30 Dass hingegen Stadionbesucher, die nicht dieser Subkultur oder ihrem Umfeld angehören, beim Besuch von Fußballspielen um ihre körperliche Unversehrtheit fürchten müssen, erscheint fraglich. Die damalige Aussage des Bundesvorsitzenden der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, wonach sich Stadiongänger in Deutschland in Lebensgefahr begeben wür­ den,31 scheint jedenfalls von der Anzahl von knapp 19 Millionen Besuchern in der vergangenen Saison bei Spielen der Bundesliga und 2. Bundesliga widerlegt zu werden. Entsprechende Studien legen zudem nahe, dass statistisch gesehen, der Besuch eines Profifußballspiels in Deutschland weitaus sicherer ist als beispielweise der Besuch des Münchener Oktoberfests.32 Nun könnte man sich natürlich auf den Standpunkt stellen, dass die Sicherheitslage bei Fußballspielen gerade aufgrund der großen Polizeipräsenz so gut ist und dass in dem Fall einer Reduzierung der Polizeipräsenz, die Ultras auch normale Stadionbesucher attackieren könnten. Ich halte diese Befürchtung jedoch nicht für begründet, da die Feindbilder der Ultras sich gerade innerhalb ihrer Subkultur finden und Attacken auf normale Stadionbesucher in dieser Szene als unehrenhaft gelten.33 In dem Zusammenhang muss sich von dem Verständnis gelöst werden, dass die Polizei an den Spieltagen eine Art „Service-Leistung“ für die Fußballveranstalter und Besucher erbringt. Sie kommt schlicht ihren originären Aufgaben im Bereich der Gefahrenabwehr sowie den ihr zugewiesen Aufgaben etwa im Bereich der Strafverfolgung oder Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten nach. Das polizeiliche Vorgehen kann entsprechend durchaus kon­ trär zu den Interessen der Fußballbesucher und -veranstalter sein. Dies zeigt sich etwa beispielsweise dann, wenn Polizeikräfte Fanblöcke stürmen, um Spruchbänder mit möglicherweise beleidigenden Inhalt zu beschlagnahmen. Insofern kommt es aus Kreisen der Fußballveranstalter und -fans auch zur Kritik an der polizeilichen Einsatzkonzeption.

M. Mayer, Polizeikosten im Profifußball (Fn. *), S. 133–137. derwesten.de, 02.11.2009, https://www.derwesten.de/sport/fussball/wendtdfl-kassiert-millionen-polizei-pruegel-id60852.html. 32  Vgl. T. Feltes, Sicherheit in deutschen Fußballstadien, in: Thomas Feltes (Hrsg.), Polizei und Fußball. Analysen zum rituellen Charakter von Bundesligaspielen, Frankfurt 2013, S. 9–19, S. 9 f. 33  Vgl. M. Mayer, Polizeikosten im Profifußball (Fn. *), S. 58. 30  Vgl. 31  Vgl.

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Marius Mayer

dd) Ergebnis Die Annahme, dass die reine Bereitstellung von Polizeikräften im Sinne der Bremer Norm, dem Veranstalter wirtschaftlich zugutekomme, lässt sich aus meiner Sicht in ihrer Pauschalität nicht aufrechterhalten. Stattdessen muss zwischen den unterschiedlichen polizeilichen Tätigkeiten und Einsätzen am Spieltag differenziert werden. Eine an § 4 Abs. 4 BremGebBeitrG angelehnte Mustergebührenordnung für die bundeseinheitliche Gebühren­ erhebung wäre daher aus meiner Sicht schon aus diesem Grund verfassungswidrig. Da das Bundesverwaltungsgerichts allerdings bekanntlich zu einer anderen Schlussfolgerung gekommen ist, würde es verwundern, wenn die neue bundeseinheitliche Mustergebührenordnung, an der Bremen und Rheinland-Pfalz derzeit arbeiten, sich nicht maßgeblich an der vom Bundesverwaltungsgericht letztlich abgesegneten Norm orientieren sollte.

Herausgeber und Autoren Monika Buhl, Dr., Bundeskartellamt, Bonn Felix Engelsing, Dr., Bundeskartellamt, Bonn Peter W. Heermann, Prof. Dr., LL.M. (Univ. of Wisconsin), Universität Bayreuth Tim Hülskötter, Dr., LL.M. (University College London), Westfälische WilhelmsUniversität Münster Jacob Kornbeck, B. Sc., M. A., Ph.D., LL.M. (Sportrecht) (Univ. Bayreuth), Europäische Kommission, Brüssel Hans Kudlich, Prof. Dr., Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg Marius Mayer, Dr., Rechtsanwalt, Frankfurt Henrik Pusch, Dr., Rechtsanwalt und Syndikusrechtsanwalt, Landessportbund Sachsen e. V., Leipzig Hans-Dieter Spengler, Prof. Dr., Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg Udo Steiner, Prof. Dr., ehem. Richter des Bundesverfassungsgerichts, Universität Regensburg Rudolf Streinz, Prof. Dr., Ludwig-Maximilians-Universität München Thomas Summerer, Dr., Rechtsanwalt, München Klaus Vieweg, Prof. Dr., Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg Julien Zinnecker, Dr., Rechtsanwalt, Hamburg