Enteignung zugunsten Privater [1 ed.] 9783428467402, 9783428067404

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Enteignung zugunsten Privater [1 ed.]
 9783428467402, 9783428067404

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WILHELM SCHMIDBAUER

Enteignung zugunsten Privater

Schriften zum Öffentlichen Recht Band 574

Enteignung zugunsten Privater

Von Dr. Wilhelm Schmidbauer

Duncker & Humblot * Berlin

CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek Schmidbauer, Wilhelm: Enteignung zugunsten Privater / von Wilhelm Schmidbauer. Berlin: Duncker u. Humblot, 1989 (Schriften zum Öffentlichen Recht; Bd. 574) Zugl.: Regensburg, Univ., Diss., 1988 ISBN 3-428-06740-1 NE: GT

Alle Rechte vorbehalten © 1989 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin 61 Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 3-428-06740-1

Meinen Eltern

Vorwort Der Schutzumfang des Eigentums durch die Rechtsordnung war noch stets von gesellschaftspolitischer Brisanz. Dennoch führt Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG seit Inkrafttreten des Grundgesetzes in Rechtsprechung und Rechtswissenschaft eher ein Schattendasein. Seine inhaltliche Tragweite ist noch heute über weite Strecken ungeklärt. Besonders umstritten ist dabei der Fall, daß der Staat enteignet, um das entzogene Eigentum auf ein anderes Rechtssubjekt des Privatrechts zu übertragen. Erst in jüngster Zeit hat eine Reihe derartiger Vorhaben die Verwaltungsgerichte und das Bundesverfassungsgericht beschäftigt. Aufgabe dieser Schrift war es, zu untersuchen, ob und unter welchen Voraussetzungen Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG eine derartige Enteignung zugunsten Privater zuläßt. Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 1988 von der Juristischen Fakultät der Universität Regensburg als Dissertation angenommen. Mit aufrichtigem Herzen danke ich an erster Stelle Herrn Professor Dr. Udo Steiner, dem Inhaber des Lehrstuhles für Öffentliches Recht. Er hat das Thema während der unvergessen schönen Jahre meiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an seinem Lehrstuhl angeregt und die Arbeit in jeder Phase ihrer Entstehung fürsorglich mit persönlichem Interesse und fachlichem Rat begleitet. Für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens möchte ich Herrn Professor Dr. Otto Kimminich danken. Nicht zuletzt gilt mein Dank dem Geschäftsführer des Verlages Duncker & Humblot, Herrn Rechtsanwalt Simon, der die Arbeit in die Reihe der „Schriften zum Öffentlichen Recht" aufgenommen hat. Liebevoll haben meine Eltern mein Dissertationsverfahren mit großem Verständnis und finanzieller Unterstützung gefördert. Bei der Erstellung des Manuskripts mit Hilfe der elektronischen Datenverarbeitung ist mir mein Bruder, Herr cand. med. Robert Schmidbauer, freudig mit Rat und Tat zur Seite gestanden. Auch ihm sei herzlich gedankt. Regensburg, im August 1989 Wilhelm Schmidbauer

Inhaltsverzeichnis 1. Kapitel Einleitung und Einführung in die Problemstellung

21

2. Kapitel Begriffserklärung und Terminologie A. Das Eigentum

27 27

B. Die Enteignung

27

I. Die Enteignung iSd Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG II. Die Enteignung zugunsten Privater III. Die Enteignung zugunsten Privater und die transitorische Enteignung ....

28 29 29

C. Der Enteignungsbegünstigte

30

D. Der Private

31

3. Kapitel Ausgewählte Aspekte zur rechtsgeschichtlichen Entwicklung der Enteignung zugunsten Privater

33

A. Enteignung im Bereich des Bergbaus

34

B. Enteignung im Bereich des Eisenbahnbaus

35

C. Enteignung im Bereich der Industrieanlagen und ihrer Erschließung

35

D. Enteignung zur Erfüllung sozialer Aufgaben

37

E. Zeit des Nationalsozialismus

38

Inhaltsverzeichnis

10

4. Kapitel Ausgangspunkt aller Betrachtungen: Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG A. Doppeldeutigkeit des Wortlautes

39 39

I. Der Wortlaut und die Person des Begünstigten II. Der Wortlaut und die materiellen Eingriffsvoraussetzungen

39 40

B. Die Entstehungsgeschichte und die privatbegünstigende Enteignung

40

C. Die teleologische Auslegung: Der Zweck der Grundrechtsverbürgung

42

5. Kapitel Analyse der bisherigen Praxis

44

A. Die Behandlung von Enteignungsfällen zugunsten Privater durch die Verwaltungsbehörden

44

B. Rechtsprechung über die Enteignung zugunsten Privater

49

I. Zivilgerichte

49

II. Badischer Staatsgerichtshof

51

III. Bundesverwaltungsgericht

51

IV. Bundesverfassungsgericht

51

C. Enteignungsvorhaben zugunsten Privater im Meinungsbild der Literatur ....

52

D. Gesetzliche Regelungen einer Enteignung zugunsten Privater

53

6. Kapitel Formelle Anforderungen an eine Enteignung zugunsten Privater

55

A. Gesetzes vorbehält bei privatbegünstigender Enteignung

55

B. Gesetzliche Fixierung des Enteignungszweckes

56

I. Die drei denkbaren Lösungswege

57

II. Heute geltende gesetzliche Regelungen III. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Generalklausel in den Enteignungsgesetzen

57 58

Inhaltsverzeichnis

IV. Folgerungen des Bundesverfassungsgerichts aus Art. 14 Abs. 3 Satz 2 GG V. Diskussion dieser Rechtsprechung C. Gesetzliche Festlegungen der Enteignungsvoraussetzungen I. Gesetzesvorbehalt und Enteignungsvoraussetzungen nach dem Bundesverfassungsgericht II. Literarische Euphorie zum Gesetzesvorbehalt III. Gesetzesvorgaben und administrative Umsetzungstechnik

59 60 61 61 62 62

1. Grenzen der abstrakten Normierbarkeit

63

2. Rechtsstaatliche Bestimmtheit der Eingriffsnorm

64

3. Gefahr konkreter Regelungen in allgemeinen Enteignungsgesetzen

65

4. Verfassungsrechtliche Vorgaben für den Gesetzgeber

65

D. Legalenteignungen zugunsten Privater

66

I. Vorteile der Legalenteignung zugunsten Privater

66

II. Nachteile der Legalenteignung zugunsten Privater

66

E. Gesetzliche Festlegungen zur Allgemeinwohlsicherung I. Die Forderung nach einer gesetzlichen Sicherung II. Gesetzliche Grundlagen bei Sicherung durch Verwaltungsakt III. Gesetzesvorbehalt und öffentlichrechtlicher Vertrag F. Gesetzliche Regelungen privatbegünstigender Enteignungen I. Historische Vorbilder II. Geltende gesetzliche Regelungen III. Gesetzliche Regelungen der Fälle privatbegünstigender Enteignungen...

68 68 68 69 70 70 71 72

IV. Gesetzliche Regelungen des Kreises der enteignungsbegünstigten Privaten

72

G. Besondere Anforderungen an die Rechtsqualität des begünstigten Unternehmers?

72

I. Der Enteignungsbegünstigte als Beliehener II. Exkurs: Bedeutung der gesetzlichen Terminologie „Verleihung des Enteignungsrechts44 III. Inhaber von Konzessionen und Privilegien

73 75 76

12

Inhaltsverzeichnis

H. Formelle Übertragung staatlicher Aufgaben auf den privaten Enteignungsbegünstigten

77

J. Exkurs: Die Frage nach dem Rechtsanspruch des künftigen Begünstigten auf Enteignung

78

I. Gründe für einen Rechtsanspruch des Enteignungsbegünstigten

79

II. Gründe gegen einen Rechtsanspruch des Enteignungsbegünstigten ....

79

7. Kapitel Das Wohl der Allgemeinheit bei der Enteignung zugunsten Privater

81

A. Bemerkungen zur Terminologie „Wohl der Allgemeinheit"

81

B. Funktion der verfassungsrechtlichen Allgemeinwohlklausel in Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG

85

I. Ermöglichung staatlicher Bedarfsdeckung an privatem Eigentum

86

1. Befugnisnorm für den Staat zum Zugriff auf das private Eigentum

87

2. Grenzen staatlicher Hoheitsmacht für Enteignungseingriffe

88

Π. Gesetzliche Regelungsbefugnis unterhalb der Grenze des Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG III. Rechtsstaatliche Konfliktbewältigung als Programminhalt C. Definition des Begriffs „Wohl der Allgemeinheit" in Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG I. Einigkeit über negative Ausgrenzungen

89 90 91 91

1. Das Verbot von zweckfreien Enteignungen

92

2. Das Verbot der Berücksichtigung rein fiskalischer Interessen des Staates

93

3. Das Verbot einer Gewinnerzielung des Privaten

100

4. Das Verbot einer Enteignung zur Vermögensumschichtung

105

5. Das Verbot einer allgemeinen Wirtschaftsförderung

107

6. Das Verbot der Berücksichtigung emotionaler Gesichtspunkte ....

108

7. Das Verbot der Enteignung aus bloßer Bequemlichkeit

109

8. Das Verbot einer Enteignung aus Eigeninteresse der Machthabenden 9. Das Verbot einer Enteignung aus reinen Privatinteressen II. Der Versuch einer positiven Definition in der Rechtsprechung

111 112 113

Inhaltsverzeichnis

III. Versuche einer allgemein gültigen Umschreibungsformel in der Rechtswissenschaft 115 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10.

Die These von der Undefinierbarkeit des Allgemeinwohls Allgemeinwohl als Artikulationsproblem Konkretisierungserfordernis Steigerungsformeln Quantitätsprobleme Qualitätsforderungen Anknüpfungen an Staatsaufgaben Anknüpfungen an Staatszwecke Interessenabwägung als Ansatz Gefährdungsprüfung

D. Momentaufnahmen innerhalb einer dynamischen Betrachtung I. Generelle Unmöglichkeit einer statischen Allgemeinwohlbestimmung .. II. Notwendigkeit dynamischer Flexibilität in der Betrachtung E. Wohl der Allgemeinheit als Auftragsprogramm zur Konfliktlösung I. Notwendigkeit der Abwägung der konkreten widerstreitenden Belange im Einzelfall II. Schritte auf dem Weg zur Entscheidungsfindung und Besonderheiten bei einer privatbegünstigenden Enteignung 1. Umfassende Ermittlung aller relevanten Tatsachen 2. Feststellung der Unternehmensrechtfertigung 3. Aussonderung der Kriterien, die das Allgemeinwohl nicht zu begründen vermögen 4. Gewichtung der Belange der Allgemeinheit an der Enteignung ... 5. Bestimmung der Interessen des Betroffenen an der Erhaltung seines Eigentums 6. Abwägung zwischen den Belangen der Allgemeinheit und den Eigentümerinteressen F. Allgemeinwohl und private Interessen I. Enteignungen und private Zwecke II. Mögliche Parallelität von privaten und öffentlichen Interessen

115 116 117 119 121 122 124 125 127 128 129 129 132 134 135 137 138 139 141 142 145 147 150 151 151

III. Enteignung bei paralleler Interessenlage

153

IV. Die Frage nach dem Übergewicht öffentlicher Belange über private Interessen des Enteignungsbegünstigten

155

V. Die Frage nach der Unmittelbarkeit des Unternehmensvorteils

157

Inhaltsverzeichnis

14

G. Das notwendige Gewicht der Allgemeinwohlaufgabe bei einer Enteignung zugunsten Privater I. Erforderlichkeitsbetrachtungen

159 159

1. Die Erforderlichkeit der Enteignung 160 2. Die Erforderlichkeit des Vorhabens 161 3. Die Erforderlichkeit der Vorhabensrealisierung in privater Hand . 161 II. Verfassungsrechtliche Maßstäbe außerhalb des Art. 14 GG

162

1. Art. 15 GG als Grenze der Enteignung zugunsten Privater 2. Verfassungsrechtliche Verpflichtung zur Enteignung zugunsten Privater

162 164

III. Verfassungsrechtliche Anforderungen aus Art. 14 GG 1. Herrschende Meinung in der Literatur 2. Böhmers Forderungen 3. Schwerdtfegers Gegenposition 4. Eigener Versuch einer angemessenen Lösung a) Wertigkeit der enteignungsrechtlichen Gemeinschaftsziele .... b) Sicherung des Enteignungszweckes

167 167 168 169 170 170 171

8. Kapitel Exemplarische Stichproben zum Kriterium Allgemeinwohl bei privaten Enteignungsbegünstigten

172

A. Wirtschaftliche Ziele des Enteignungsunternehmens

172

I. Die Förderung der Wirtschaftsstruktur 1. Regionale Strukturpolitik 2. Sektorale Strukturpolitik 3. Raumordnung und Landesplanung

172 173 173 174

II. Insbesondere: Argument Arbeitsplätze

174

III. Die Volkswirtschaft B. Die Bedeutung planerischer Aussagen I. Realisierung einer Bauleitplanung 1. Bisherige Praxis, Ansichten der Literatur und der Fachgerichte .. 2. Die Auffassung des BVerfG 3. Kritik an der Rechtsprechung des BVerfG 4. Planvorgaben und enteignungsrechtliches Allgemeinwohl

175 176 176 176 177 177 178

Inhaltsverzeichnis

II. Fachplanungen

178

III. Raumordnung und Landesplanung

179

C. Soziale Ziele des Enteignungsunternehmens

179

I. Die transitorische Enteignung

179

II. Eigenheim- und Wohnungsbau 1. Bedarfsfeststellung 2. Sozialauswahl

181 181 181

III. Stadtentwicklung

181

D. Erschließung und Versorgung als Ziele des Enteignungsunternehmens I. Öffentliches Verkehrsbedürfnis

182 182

II. Rohstoffgewinnung und Versorgung mit volkswirtschaftlich wichtigen Gütern 183 E. Die Befriedigung allgemeiner Grundbedürfnisse der Gesellschaft als Ziel des Enteignungsunternehmens I. Ernährung und Landwirtschaft II. Energiewirtschaftliche Überlegungen

184 184 184

III. Sportstätten, Gesundheitswesen, Wissenschaft und Forschung

184

F. Weitere existenzielle Interessen als Ziele des Enteignungsunternehmens

185

I. Umweltschutz

185

II. Entsorgung und Sicherheitserwägungen G. Gesellschaftliche Vorteile als Ziel des Enteignungsunternehmens I. Verhinderung von Bodenspekulation und Preistreiberei II. Kostenersparnis beim Endverbraucher

186 186 186 186

III. Wirtschaftliche Wertschöpfung und Kapitalverwertung

187

IV. Vergnügungswerte

187

9. Kapitel Sicherung des Allgemeinwohls durch die Enteignungsbehörde A. Allgemeine Vorbemerkungen zur Sicherung des Allgemeinwohls I. Gegenwärtiger Befund in tatsächlicher Hinsicht II. Geschichtliche Vorbilder III. Rechtsanspruch der Allgemeinheit aus der Gemeinwohlsicherung

188 188 188 189 191

16

Inhaltsverzeichnis

IV. Sicherung des Enteignungszwecks durch den früheren Eigentümer ... V. Sicherung des Wohls der Allgemeinheit durch die Verwaltung B. Notwendigkeit einer Sicherung als Verfassungsgebot aus Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG I. Gemeinwohl als Legitimation des Eigentumsopfers II. Vergleich mit staatlichen Unternehmensträgern

193 195 195 196 199

III. Tatsächliche Abhängigkeit der Allgemeinheit und Streben nach privatem Vorteil 200 IV. Freier Wille des neuen Eigentümers als Unsicherheitsfaktor V. Alternative Erklärungsversuche

202 203

1. Erforderlichkeitsprinzip und Gemeinwohlsicherung

203

2. Geschichtliche Entwicklung als Sicherungsgrund

203

3. Gesamtgesellschaftliche Bedeutung des Unternehmens als Sicherungsgrundlage

204

4. Sicherungsmaßnahmen und Gleichheitssatz

205

C. Grundgesetzlich erforderliche Sicherungszuverlässigkeit

205

I. Auswirkungen des Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG auf die Sicherungszuverlässigkeit 206 1. Erfordernis einer hinreichenden Sicherung

206

2. Sicherungsmaßnahmen und dynamische Flexibilität des Gemeinwohls

206

3. Sicherungsmaßnahmen und Belastung des Begünstigten

208

4. Sicherungsmaßnahmen und Person des Begünstigten

209

II. Zulässigkeit des Austausches des Enteignungszweckes

211

III. Zulässigkeit eines Austausches der begünstigten Privatperson

212

IV. Rechtsnachfolge in der Person des Enteignungsbegünstigten

213

V. Bereicherung des Begünstigten nach Zweckerfüllung D. Praktische Probleme der Durchführung von Sicherungsmaßnahmen I. Entscheidungszeitpunkt und Prognoseunsicherheiten II. Knebelung wirtschaftlicher Handlungsfreiheit III. Durchsetzbarkeit von Sicherungsmaßnahmen im Krisenfall

214 215 216 218 219

1. Abwälzung des unternehmerischen Risikos auf die öffentliche Hand 219 2. Änderung der tatsächlichen Verhältnisse als Vollstreckungshindernis

220

Inhaltsverzeichnis

IV. Erhaltung staatlicher und privater Planungsflexibilität V. Verhältnis zu sonstigen Aufsichtsregelungen und Behördenzuständigkeiten E. Stufen möglicher Sicherungsziele

221 223 224

I. Zahlung der Enteignungsentschädigung

224

II. Beginn der Realisierung des Vorhabens

225

III. Vollendung der Realisierung des Vorhabens

225

IV. Weitere Aufrechterhaltung des Vorhabenszweckes

226

F. Sicherungsdauer I. Ansichten in Gesetzgebung, Rechtsprechung und Literatur II. Probleme der Realisierung in der Praxis

227 228 233

III. Eigener Lösungsvorschlag: Flexibilität statt schematisch starrer Handhabung 234 1. Verfassungsrechtlicher Eigentumsschutz und Dauer der Sicherung.. 235 2. Grundgesetzliche Erbrechtsverbürgung und Dauer der Sicherung ... 235 3. Zeit, Eigentum und mangelnde Analogiefähigkeit gesetzlicher Regelungen 236 4. Formelle Festlegung von Sicherungsfristen 236 5. Materielle Festlegung der Sicherungsfrist G. Denkbare Sicherungsmittel I. Das Gesetz II. Verordnungs- oder Satzungsrecht, Pläne III. Widerruf und Widerrufsvorbehalt

237 238 238 240 241

1. Enteignung, Rückübereignung und Widerruf 2. Widerrufsgründe a) Widerrufsgründe aus der Sphäre des Enteignungsbegünstigten .. b) Widerrufsgründe, die der Enteignungsbegünstigte nicht zu vertreten hat 3. Umfang der Zulässigkeit des Widerrufs

241 243 243

4. Teilwiderruf

247

5. Widerrufsvorbehalt

248

IV. Bedingung

244 244

251

1. Gründe gegen eine bedingte Enteignung 2. Gründe für die Zulässigkeit einer bedingten Enteignung

251 252

3. Umfang der Zulässigkeit einer bedingten Enteignung a) Auflösende Bedingung b) Aufschiebende Bedingung 4. Zweckmäßigkeit einer bedingten Enteignung

253 253 253 254

2 Schmidbauer

Inhaltsverzeichnis

18

V. Befristung

254

1. Legislatorischer Befund

255

2. Grundsätzliche Bedenken gegen eine Befristung

255

3. Historische Aspekte einer Befristung der Enteignungsverfügung

256

4. Entscheidungserhebliche Gesichtspunkte zur Zulässigkeit einer Befristung 257 5. Zulässigkeit einer Befristung im Einzelfall

258

6. Zeitdauer

258

7. Verlängerungsmöglichkeiten

259

VI. Auflage und Auflagenvorbehalt

260

1. Zweckmäßigkeit von Auflagen bei Enteignungsverfügungen

260

2. Arten von Auflagen

261

3. Auflagen und Gesetzesvorbehalt

261

4. Auflagen und Koppelungsverbot

262

5. Vollstreckung einer Auflage

262

6. Auflagenvorbehalt

263

VII. Öffentlichrechtliche Verträge

263

1. Rechtsnatur des Vertrages

263

2. Zulässigkeit des Vertrages und rechtmäßiger Vertragsinhalt

264

3. Zweckmäßigkeit öffentlichrechtlicher Sicherungsverträge

264

4. Allgemeine Geschäftsbedingungen und Formularverträge

265

5. Verträge zugunsten Dritter

265

6. Leistungsstörungen und Wegfall der Geschäftsgrundlage

266

VIII. Vertragsstrafe IX. Sicherheitsleistung und Bürgschaft X. Sicherungsdienstbarkeit

266 267 269

1. Dingliche Sicherungen für öffentliche Zwecke

269

2. Verhaltenssicherung durch Dienstbarkeit

270

3. Bestimmtheit der Handlung

271

4. Beschränkung im tatsächlichen Gebrauch

271

5. Faktischer Zwang zu positivem Tun

272

Inhaltsverzeichnis

6. Die Sicherung eines Kontrahierungszwanges

273

7. Praktizierte Anwendungsfälle

273

XI. Sonstige privatrechtliche und öffentlichrechtliche Bedingungen 1. Privatrechtliche Bindungen 2. Öffentliche Bindungen XII. Offener Katalog der Sicherungsmittel und Enteignung H. Die Pflichtenstellung des enteignungsbegünstigten Privaten als Verwaltungsträger J. Möglicher Sicherungsinhalt

274 274 275 275 276 277

I. Herstellungspflicht

277

II. Betriebs- und Verwendungspflicht III. Kontrahierungspflicht

277 277

IV. Sonstige Einflußnahme auf die spätere unternehmerische Gestaltung 277 K. Sonderprobleme

278

I. Rechtliche Zulässigkeit nachträglicher Sicherungsmaßnahmen II. Vorzeitige Beendigung der bestehenden Sicherung

278 278

10. Kapitel Gerichtliche Kontrolle der Enteignung zugunsten Privater A. Ermächtigung zur Prognose, aber kein Beurteilungsspielraum I. Gerichtliche Kontrolle des Wohls der Allgemeinheit II. Gerichtliche Kontrolle des Enteignungsgesetzes B. Gerichtliche Kontrolle der Allgemeinwohlsicherung

279 279 279 280 280

IL Kapitel Besonderheiten der Rechtsstellung des Enteigneten bei privatem Enteignungsbegünstigtem A. Abwehrrecht gegen die Enteignung I. Abwehrrechte aufgrund des geplanten Enteignungsunternehmens

282 282 282

II. Abwehrrechte aufgrund mangelnder Sicherung des Allgemeinwohls .. 282

Inhaltsverzeichnis

20

Β. Rückübereignungsanspruch bei privatem Enteignungsbegünstigtem I. Der Anspruch auf Rückübereignung II. Die Realisierung des Rückübereignungsanspruches

283 283 283

III. Anspruchsgegner

284

IV. Grenzen des Rückübereignungsanspruches

285

C. Entschädigung und Entschädigungshöhe bei der Enteignung zugunsten Privater I. Anspruchsgegner

287 287

II. Entschädigungsart und Entschädigungshöhe

287

12. Kapitel Zusammenfassung

288

Schrifttumsverzeichnis

292

Stichwortverzeichnis

313

1. Kapitel

Einleitung und Einführung in die Problemstellung „Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig". Dies legt unser Grundgesetz in Artikel 14 Absatz 3 Satz 1 fest. So sehr diese Verfassungsnorm durch ihre einfache und schlichte Sprache beeindruckt, so groß sind die Schwierigkeiten, die sich hinter einer genauen Bestimmung des inhaltlichen Gehalts ihrer Aussage verbergen. Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG hat seit Inkrafttreten des Grundgesetzes am 24. 5. 1949 in Rechtsprechung und Rechtswissenschaft ein Schattendasein geführt. In den bisher erschienenen Registerbänden der amtlichen Entscheidungssammlungen des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesgerichtshofs erscheint der Begriff „Wohl der Allgemeinheit" als Rechtmäßigkeitsvoraussetzung der Enteignung kein einziges Mal. Bis vor kurzem war auch rechtswissenschaftliche Literatur zu diesem Thema eine Ausnahmeerscheinung. Dies verwundert um so mehr, als der in der Praxis weitaus bedeutsamste Fall einer Enteignung der staatliche Zugriff auf Grund und Boden ist. In anderem Zusammenhang hat hierzu das Bundesverfassungsgericht bereits in seinem Beschluß vom 12. 1. 1967 ausgeführt 1: „Die Tatsache, daß der Grund und Boden unvermehrbar und unentbehrlich ist, verbietet es, seine Nutzung dem unübersehbaren Spiel der freien Kräfte und dem Belieben des Einzelnen vollständig zu überlassen; eine gerechte Rechts- und Gesellschaftsordnung zwingt vielmehr dazu, die Interessen der Allgemeinheit beim Boden in weit stärkerem Maße zur Geltung zu bringen als bei anderen Vermögensgütern. Der Grund und Boden ist weder volkswirtschaftlich noch in seiner sozialen Bedeutung mit anderen Vermögenswerten ohne weiteres gleichzustellen...". Vielleicht war gerade aufgrund der Sonderstellung des Bodens die Zulässigkeit der Enteignung nur in den seltensten Fällen umstritten. Juristische Auseinandersetzungen im Zusammenhang mit einer Enteignung spielten sich zumeist vor Zivilgerichten ab: Es wurde fast ausschließlich lediglich um die Höhe der Enteignungsentschädigung prozessiert 2. Andererseits herrscht kein Mangel an Veröffentlichungen zur generellen Gemeinwohlproblematik im Staatswesen der Neuzeit. Neben — nicht gerade allzu vielen—Juristen fühlte sich auch so manch andere wissenschaftliche Disziplin berufen, Beiträge zu leisten: Politologen, Soziologen, Philosophen, Theologen und nicht zuletzt auch Wirtschaftswissenschaftler, um nur einige zu ι BVerfG, Beschl. v. 12. 1. 1967, BVerfGE 21, 73 (82). Eine Ausnahme bilden vor allem Gerichtsverfahren über die Rechtmäßigkeit von Planfeststellungsbeschlüssen, die Grundlage einer Enteignung sind, vgl. 8. Kap. Β. II. 2

22

1. Kap.: Einleitung und Einführung in die Problemstellung

nennen3. Der Streit der Wissenschaftler führte zu grundsätzlichen Aussagen zum Staatswesen, deren Wert hier nicht weiter untersucht werden soll. Zur Konkretisierung der Gemeinwohlformel des Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG hat dies alles aber nur wenig zu Tage gefördert. Die Diskussion erbrachte nicht einmal insoweit einen tragfähigen Konsens, als sie die grundrechtlich verbürgte Eigentumsgewährleistung betraf. Dies überrascht nicht. Noch zu keinem Zeitpunkt in der Geschichte der Menschheit herrschte Einigkeit in der Bewertung des Eigentums. Wohl bei keinem anderen Rechtsinstitut oder Rechtsgebilde hat das Werturteil der Rechtsgenossen so zwischen allen Extremen geschwankt wie beim Eigentum. Zu Recht kann Friedrich Kreft 4 feststellen, daß das Eigentum vergöttert und verteufelt wurde. Seine Beispiele belegen dies anschaulich. In Menschenrechtskonstitutionen haben Revolutionäre das Eigentum für unverletzlich und heilig erklärt 5 . Andere haben es als kriminell gebrandmarkt 6. Bei Kommunisten ist das Privateigentum als kapitalistisches Macht- und Unterdrückungsinstrument gesellschaftlich diskreditiert 7, gleichzeitig sprechen sie in ihren Verfassungen das sozialistische Eigentum „heilig" — ein Adjektiv, das man in diesem Zusammenhang wohl am allerwenigsten zu finden erwartet 8. Die einen Rechtslehrer haben dem Staat die Befugnis zur 3 Vgl. die Literaturnachweise aus jüngster Zeit bei Alexander von Brünneck, Die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes, 1984 und Rudolf Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, 1985. 4 Friedrich Kreft, Der Eigentumsbegriff des Art. 14 GG in der höchstrichterlichen Rechtsprechung, JA 1976, 253. 5 Art. 17 der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte vom 26. 8. 1789: „La propriété étant un droit inviolable et sacre, nul ne peut en etre prive, si ce n'est lorsque la necessite publique, légalement constatée, Γ exige évidemment, et sous la condition d'une juste et prealable indemnité." Ebenso: Art. 17 Constitution du 3 septembre 1791, Declaration des droits del'homme et du citoyen; Text abgedruckt bei: Charles Debasch / JeanMarie Pontier, Les constitutions de la France, 1983, S. 9; vgl. weiter Jean-Jacques Chevalier, Historie des institutions et des regimes politiques de la France de 1789 a nos jours, Paris 1972, S. 22 ff; Simon Kaiser, Französische Verfassungsgeschichte von 1789 bis 1852, Leipzig 1852, S. 454 f; vgl. aber auch § 164 der Verfassung des Deutschen Reiches vom 28. 3. 1849, RGBl. 1849, S. 101 (sog. Paulskirchenverfassung): „ Das Eigentum ist unverletzlich" und hierzu: E.R. Huber, Dokumente zur Deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 1, 1961, S. 304 (321). 6 „Eigentum ist Diebstahl": Der Satz stammt aus dem Jahre 1840 von dem französischen Sozialisten Pierre Joseph Proudhon (*1809 tl865), einem geistigen Vater von Karl Marx. 7 Die Verfassung der DDR beispielsweise schützt neben dem sozialistischen Eigentum in Art. 10, bei dem es sich um Eigentum des Staates oder von Genossenschaften handelt, lediglich in Art. 11 das persönliche Eigentum. Hierzu zählt nur Eigentum, das nicht kapitalistisch genutzt ist. Nicht geschützt ist also das Privateigentum, das auf längere Sicht ganz beseitigt werden soll. Vgl. Herder Lexikon Politik, Sonderausgabe 1982, Stichwort Eigentumsordnung. β So z. B. Art. 101 der Verfassung der Volksrepublik China vom 20. 9. 1954: „Das öffentliche Eigentum der Volksrepublik China ist heilig und unverletzlich"; Art. 131 der Verfassung der UdSSR vom 5. 12. 1936: Jeder Bürger der UdSSR ist verpflichtet, das gesellschaftliche, sozialistische Eigentum als heilige und unantastbare Grundlage

1. Kap.: Einleitung und Einführung in die Problemstellung

Enteignung abgesprochen9, die anderen erklären, Eigentum sei gesellschaftlich überhaupt nur durch das Institut der Enteignung erträglich 10 . Jenseits dieser pathetisch formulierten Extrempositionen hat in den letzten Jahren auf der nüchternen Grundlage des Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG eine Sachdiskussion über die Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen einer Enteignung eingesetzt. In literarischer Hinsicht mag es an dieser Stelle genügen, die Promotion von Michael Frenzel „Das öffentliche Interesse als Voraussetzung der Enteignung" aus dem Jahre 1978 zu nennen. Der aktuelle Anstoß zur Sachdiskussion jedoch kam von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Es sind im wesentlichen drei Urteile des Gerichts, die sich mit dem Problem der Enteignung befassen 11 und die sich nahtlos in die Reihe jener Entscheidungen aus der jüngsten Zeit einfügen, mit denen das höchste deutsche Gericht in teilweiser Abweichung von der absolut herrschenden Lehre und der ständigen Rechtsprechung der obersten Bundesgerichte ganz allgemein seiner Konzeption der grundrechtlich verbürgten Eigentumsgewährleistung Geltung verschaffen will 1 2 . Der erste Fall mutet etwas außergewöhnlich an, ist deswegen aber keinesfalls weniger bedeutungsvoll. Es geht um die sogenannte Bad Dürkheimer Gondelbahn 13 . Soweit der Sachverhalt im vorliegenden Zusammenhang von Interesse ist 1 4 , sei er kurz dargestellt: Die Firma Dürkheimer Gondelbahn Gesellschaft ist eine private GmbH, an der die Stadt Bad Dürkheim mit einem Zwanzigstel beteiligt ist. Sie existiert seit dem Jahre 1964 und verfolgt das Vorhaben, vom Wurstmarktgelände in der Stadt Bad Dürkheim auf den Teufelstein eine Gondelbahn zu errichten. Der Höhenunterschied, den die Seilbahn überwindet, beträgt 250 Meter. Die entsprechende Fußwanderung nimmt 30 bis 45 Minuten in Anspruch. Die Fahrt mit der Seilbahn hingegen dauert 7 Minuten. Nachdem der freihändige Erwerb der Grundstücke oder Dienstbarkeiten zum Überschweben mit der Gondelbahn zum Teil gescheitert war und die Bezirksregierung und das der Sowjetordnung, als Quelle des Reichtums und der Macht des Heimatlandes, als Quelle des wohlhabenden und kulturvollen Lebens aller Werktätigen zu hüten und zu festigen.". Weitere rechtsvergleichende Hinweise bei Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Kommentar, Art. 14 — Bearbeitung 1969, vor Rdnr. 1. 9 „Der Staat hat das Eigentum nicht geschaffen und darf es deshalb auch nicht wegnehmen": Bluntschli, Allgemeines Staatsrecht, 4. Auflage 1868, 1. Band, S. 231. 10 Bielenberg, Verfassungsrechtliche Eigentumsgarantie und Sozialbindung im Städtebau, DVB1 1971, 441 ff (446); vgl. zu weiteren Einzelheiten: Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14 Rdnr. 18. 11 Vgl. die Nachweise in den Fußnoten 13, 17 und 21. 12 Vgl. ζ. B. BVerfG, Beschl. v. 12. 6. 1979, BVerfGE 52, S. 1 ff — Kleingartenrecht —; BVerfG, Beschl. v. 14. 7. 1981, BVerfGE 58, S. 137 ff — Pflichtexemplar—; BVerfG, Beschl. v. 15.7.1981, BVerfGE 5 8, S. 300 ff—Naßauskiesung —. 13 BVerfG, Urt. v. 10. 3. 1981 — 1 BvR 92, 96/71, BVerfGE 56, S. 249 ff = NJW 1981, 1257 ff = DÖV 1981, S. 373 ff = DVB1. 1981, S. 542 ff = EuGRZ 1981, S 232 ff = JZ 1981, S 271 ff = JuS 1982, S. 852 ff. 14 In verfahrensmäßiger Hinsicht vgl. den Sachverhalt bei BVerfG, Urt. vom 10. 3. 1981, NJW 1981, S. 1257 — in der amtlichen Sammlung nicht abgedruckt.

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1. Kap.: Einleitung und Einführung in die Problemstellung

Ministerium des Innern eine Enteignung mit der Begründung abgelehnt hatten, sie sei nicht zum Gemeinwohl erforderlich, erließ die Stadt Bad Dürkheim einen Bebauungsplan, in dem die Trasse der Seilbahn ausgewiesen war. Zur Verwirklichung dieses Bebauungsplanes wurde nach den Vorschriften des Bundesbaugesetzes der Gondelbahn GmbH im November 1968 im Wege der Enteignung Fahrtrechte an den betroffenen Grundstücken eingeräumt. Das nach Rechtswegerschöpfung angerufene BVerfG (1. Senat) hob die Enteigungsbeschlüsse und die sie bestätigenden Urteile des OLG und BGH auf. Zur Begründung konnte sich das BVerfG ausschließlich auf rein kompetenzrechtliche Überlegungen beschränken 15. Nach Art. 70 Abs. 1, 74 Nr. 14, 23 GG kann sich — so das Gericht — eine Enteignung für den Zweck des Gondelbahnbaues nur auf das einschlägige Landesrecht, nicht aber auf §§85 ff BBauG stützen. In seinem Sondervotum zu diesem Urteil will der damalige Richter am BVerfG und Mitglied des 1. Senats, Böhmer, dieser Beschränkung der Entscheidung auf kompetenzrechtliche Erwägungen nicht folgen 16 . Er gelangt konsequenterweise zur materiellen Prüfung des Gemeinwohlgehalts des Vorhabens und lehnt dabei die Zulässigkeit der Enteignung zugunsten der privaten GmbH dezidiert ab. Die zweite Entscheidung des BVerfG 17 erging auf Vorlagebeschluß des VG Frankfurt 18 . Im Ausgangsverfahren war für die Errichtung einer Hochspannungsfreileitung die Enteignung zugunsten eines privatrechtlich organisierten Energieversorgungsunternehmens angeordnet worden. Das VG hielt § 11 Abs. 1 Energiewirtschaftsgesetz insoweit mit dem GG für unvereinbar, als nach der genannten Vorschrift nicht nur zugunsten öffentlich-rechtlich organisierter, sondern auch zugunsten privatrechtlich organisierter Energieversorgungsunternehmen enteignet werden kann. Das BVerfG erachtetete die Vorlage für unbegründet. Dabei unterzog es das aufgeworfene Problem ausdrücklich keiner abschließenden Prüfung. Vielmehr stellte es auf eine Reihe von Vorschriften 19 des Energiewirtschaftsgesetzes ab, die in ihrer Gesamtheit sicherstellen, daß das Unternehmen, für das das Zwangsinstrument der Enteignung eingesetzt wird, auch zum Nutzen des Allgemeinwohls geführt wird. Dies wird an späterer Stelle der Arbeit noch eingehend zu erörtern sein 20 . 15 Die hieran auch in der Lit. geübte Kritik (vgl. z.B. Breuer, DVB1. 1981, S. 971) ist unberechtigt: Das BVerfG soll Grundrechtsverletzungen korrigieren, aber nicht selbst die Verwaltungsaufgaben übernehmen, die in die Zuständigkeit der staatlichen Exekutive fallen. *θ Abweichende Meinung des Richters Böhmer zur Begründung des Urteils des Ersten Senats vom 10. 3. 1981 — 1 BvR 92, 96/71-, BVerfGE 56, S. 266 ff = NJW 1981, S. 1258 ff. π BVerfG, Beschl. v. 20. 3. 1984, BVerfGE 66, S. 248 ff = NJW 1984, S. 1872 f = BayVBl. 1984, S. 364 ff. is VG Frankfurt, Beschl. v. 22. 9. 1982, RdE 1983, S. 32 ff. 19 Es wird verwiesen auf die Regelungen der §§1,3, 4, 8, 9, 13 Abs. 2, 15 Abs. 1 EnWG.

1. Kap.: Einleitung und Einführung in die Problemstellung

Das Vorhaben, mit dem sich die jüngste enteignungsrechtlich erhebliche Entscheidung des BVerfG 21 zu beschäftigen hatte, steht im Widerstreit zwischen massiven wirtschaftlichen und ökologischen Interessen. Es betrifft die Pläne für das Kraftfahrzeug-Prüfgelände Boxberg der Firma Daimler-Benz A.G. Die schwäbische Weltfirma beabsichtigte, im Raum Boxberg — Assamstadt im Main-Tauber-Kreis eine Teststrecke für ihre Kraftfahrzeuge zu errichten. Zur Verwirklichung der Bebauungspläne „Sondergebiet Prüfgelände" hat das Landesamt für Flurbereinigung und Siedlung Baden-Württemberg ein Flurbereinigungsverfahren nach § 87 Abs. 1 Flurbereinigungsgesetz angeordnet. Das Gesamtvorhaben nahm 614 Hektar in Anspruch. Für das Prüfgelände selbst wären 288 Hektar Land verbraucht worden. Die Firma hatte im Bereich der Bebauungspläne 265 Hektar Gelände freihändig erworben. Die Verfassungsbeschwerden richteten sich zum einen gegen die zugrundeliegenden Bebauungspläne und den sie bestätigenden Normenkontrollentscheid des VGH Baden- Württemberg 22 . Insoweit sind sie noch beim BVerfG anhängig. Entschieden hat das BVerfG in seinem Urteil vom 24. 3. 1987 über die Verfassungsbeschwerden, die die Anordnung der Flurbereinigung und die bestätigenden Urteile des VGH Baden-Württemberg — Flurbereinigungsgericht — 2 3 und des BVerwG 2 4 angegriffen haben. Die — erlaubterweise verkürzt — dargestellten Rechtsstreitigkeiten weisen allesamt eine Besonderheit auf: Der Staat setzt sein Zwangsinstrument „Enteignung" ein, um das entzogene Eigentum auf ein anderes Rechtssubjekt des Privatrechts zu übertragen. Diese Tatsache beinhaltet gesellschafts- und ordnungspolitischen Sprengstoff. Rechtswissenschaftlich ist das Problem keineswegs aufgearbeitet. Das Spektrum der vertretenen Meinungen ist breit. Auf der einen Seite steht die These, eine Enteignung dürfe zugunsten eines Privaten nicht vorgenommen werden, wenn dieser mit seinem Vorhaben neben dem Wohl der Allgemeinheit auch privatnützige Zwecke verfolgt 25 . Die Verwirklichung eines privatwirtschaftlichen Projekts zu Lasten anderer Grundrechtsträger durch staatlichen Zwang sei mit der Verfassung nicht zu vereinbaren 26. Die Gegenauffassung sieht in der Enteignung zugunsten privater Unternehmer ein unverzichtbares Mittel 20 Vgl. unten 9. Kapitel. 21 BVerfG, Urt. v. 24. 3. 1987 — 1 BvR 1046/85, BVerfGE 74, 264 = NJW 1987, 1251 = JZ 1987,614 = MDR 1987, 554 = DVB1. 1987,466 = DÖV 1987,488 = BayVBl 1987, 621 = EuGRZ 1987, 124 = UPR 1987, 216. 22 VGH Bad.-Württ., Urt. v. 30. 6. 1982 — 5 S 314 / 81, ESVGH 33,20 = DÖV 1983, 76. 23 VGH Bad.-Württ., Urt. v. 6. 7. 1983 — 7 S 2751/82, ESVGH 34, 24. 24 BVerwG, Urt. 14. 3. 1985 — 5 C 130.83, BVerwGE 71, 108 = NVwZ 1985, 739 = DÖV 1985, 868. 25 Böhmer, Sondervotum zu BVerfG, Urt. v. 10. 3. 1981, BVerfGE 56, 249 (287, 294) = NJW 1981, 1257 (1259). 26 Bullinger, Enteignung zugunsten Privater, in: Der Staat, Bd. 1, 1962, 449 (473).

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1. Kap.: Einleitung und Einführung in die Problemstellung

einer effektiven Verbesserung der Wirtschaftsstruktur, einer sinnvollen Bodenund Städtebaupolitik, einer aktiven Sozialpolitik, um nur einige Anwendungsgebiete herauszugreifen 27. Die vorliegende Arbeit möchte den Versuch unternehmen, einen Beitrag zur Klärung der Frage zu leisten, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen eine Enteignung zugunsten Privater unter der Geltung des Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG rechtmäßig ist.

27 Breuer, Anmerkung zu BVerfG, Urt. v. 10. 3. 1981 — 1 BvR, 92, 96/71, DVB1. 1981, 971 (974).

. Kapitel

Begriffserklärung und Terminologie Bevor der Einstieg in die Sachdiskussion gewagt wird, hat es sich noch stets als erforderlich oder doch zumindest nützlich herausgestellt, vorab eine möglichst exakte Erklärung und Abgrenzung der verwendeten Begriffe herbeizuführen. Wie wir auch noch an späterer Stelle sehen werden, erleidet so manche wissenschaftliche Arbeit im Problemfeld des Art. 14 GG durch begriffliche Unschärfen erhebliche Qualitätseinbußen. Dem soll im folgenden vorgebeugt werden.

A. Das Eigentum Eine Enteignung bedeutet einen Eingriff in das Eigentum. Vorrangig ist daher zu untersuchen, ob überhaupt Eigentum im jeweiligen konkreten Fall vorliegt. Der Begriff des Eigentums braucht für die vorliegende Arbeit jedoch nicht problematisiert zu werden. Er wird im umfassenden verfassungsrechtlichem Sinne des Art. 14 Abs. 1 GG verstanden 1: „Das Eigentum wird gewährleistet."

B. Die Enteignung Die Literatur zur Frage, wann eine Enteignung vorliegt, vermag ganze Bibliotheken zu füllen. Rechtsprechung und Rechtswissenschaft haben eine stattliche Anzahl von Theorien entwickelt. Die Palette reicht von der Einzelakts-Theorie des BGH 2 über die Theorie von der Sozialpflichtigkeit des Eigentums3 bis hin zur Schwere-Theorie des BVerwG 4 . Die Zahl der denkbaren und vertretenen Abwandlungen ist nahezu unüberschaubar. Alle diese Theorien verfolgten als ihr gemeinsames Ziel die Abgrenzung der Enteignung von der Sozialbindung5. Spätestens seit dem Naßauskiesungs-Beschluß des BVerfG 6 spricht jedoch vieles 1 Zu den Streitfragen über den Umfang der verfassungsrechtlichen Eigentumsgewährleistung vgl. Kimminich, GG, BK, Art. 14 Rdnr. 92 m.w.N.; Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14, Rdnr.. 57ff. 2 BGHZ 6, 270 (279); 30, 243; 60, 130. 3 Reinhardt, in: Reinhardt/Scheuner, Verfassungsschutz des Eigentums, 1954, S. 10 ff. 4 BVerwGE 5, 145; 36, 251; 55, 29. 5 Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14 Rdnr.. 283 ff m.w.N. zu sonstigen Abgrenzungstheorien. 6 BVerfG, Beschl v. 15. 7. 1981, BVerfGE 58, 300 ff.

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2. Kap.: Begriffserklärung und Terminologie

dafür, daß diese Theorien ausschließlich Aussagen zur Rechtmäßigkeit einer Sozialbindung des Eigentums iSd Art. 14 Abs. 2 GG treffen. Soweit in der Literatur 7 zur Aussagerichtung der bisherigen Eigentumstheorien eine andere Auffassung vertreten wird, kann dies im vorliegenden Zusammenhang außer Betracht bleiben. Denn sie bezieht sich ausschließlich auf die sogenannte Aufopferungsenteignung 8. Hierunter ist eine vom Rechtssubjektswechsel unabhängige, hoheitlich veranlaßte Beeinträchtigung der vermögensrechtlichen Rechtsstellung des Eigentümers zu verstehen 9. Damit befaßt sich diese Untersuchung gerade nicht. Die Enteignung zugunsten Privater setzt nämlich zwingend einen Wechsel des Zuordnungsberechtigten im Eigentum voraus. Mit dieser Aussage ist zugleich für die vorliegende Arbeit die Abgrenzung zur Inhaltsbestimmung erfolgt. Die Rspr. des BVerfG 10 folgert aus der Bestandsgarantie des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG, daß eine Inhaltsbestimmung in jedem Fall die Erhaltung des Zuordnungsverhältnisses des Eigentums voraussetzt. Andererseits wird damit keineswegs der Stab über den sogenannten erweiterten Enteignungsbegriff gebrochen. Lediglich im Hinblick auf das vorgegebene Thema kann dahinstehen, inwieweit bloße Rechtsverluste auf Seiten des Eigentümers ohne Übergang auf einen Dritten an der Norm des Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG gemessen werden müssen n .

I. Die Enteignung iSd Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG Sofern im folgenden von Enteignung gesprochen wird, handelt es sich um einen geplanten und gezielten staatlichen Eingriff in das Eigentum eines Staatsbürgers, der das Zuordnungsverhältnis ändert. Der Zweck des Eingriffs besteht gerade darin, einen Wechsel im Rechtssubjekt des Eigentums herbeizuführen. Danach kann die Definition der Enteignung durch das BVerfG 12 ohne Einschränkung unterschrieben werden: „Enteignung im Sinne des Artikels 14 Abs. 3 GG ist der staatliche Zugriff auf das Eigentum des einzelnen. Ihrem Zweck nach ist sie auf die vollständige oder teilweise Entziehung konkreter subjektiver Rechtspositionen gerichtet, die durch Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG gewährleistet sind".

7 Schwertfeger, Eigentumsgarantie, Inhaltsbestimmung und Enteignung — BVerfGE 58, 300 („Naßauskiesung"), JuS 1983, 108f. » Der Begriff wurde geprägt von Werner Weber, in: Neumann / Nipperdey / Scheuner, Grundrechte II, 1954, S. 33Iff. 9 Battis, Eigentumsschutz und Entschädigung, NVwZ 1982, 585 (589). 10 BVerfG, Beschl. v. 8. 1. 1985, NJW 1985, S. 2633. h Vgl. Jpsen, Enteignung, enteignungsgleicher Eingriff und Staatshaftung, DVB1. 1983, 1033. 12 BVerfGE 38,175(180) = NJW 1975,37; BVerfGE 45, 297 (326) = NJW 1977, 2349; BVerfG, Beschl. v. 12. 6. 1979, BVerfGE 52,1 ff = NJW 1980, 985 (987).

Β. Die Enteignung

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I I . Die Enteignung zugunsten Privater Die vorliegende Untersuchung befaßt sich mit der Enteignung zugunsten Privater. Dies sind diejenigen Fälle der Enteignung, bei denen der neue Zuordnungsberechtigte des entzogenen Eigentums ein Privater wird — sei es eine natürliche oder juristische Person 13.

I I I . Die Enteignung zugunsten Privater und die transitorische Enteignung Von der Enteignung zugunsten Privater unterscheidet sich die transitorische Enteignung dadurch, daß bei der letzteren ein eigentumsrechtlicher Zwischenerwerb des Staates bzw. einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft stattfindet, bevor das entzogene Eigentum endgültig entsprechend seiner Zweckbestimmung auf einen Privaten übertragen wird. Dabei kann in Übereinstimmung mit Frey 14 und Grämlich 15 festgehalten werden, daß sich der Unterschied nicht in der Qualität des Enteignungszwecks, sondern in der Art seiner Realisierung findet. Bei einer Enteignung zugunsten Privater wird von dem Privaten der dem Allgemeinwohl dienende Zweck verwirklicht. Hingegen wird bei der transitorischen Enteignung von dem privaten Begünstigten der Enteignungszweck regelmäßig 16 bereits realisiert vorgefunden und sein Beitrag zur Gemeinwohlverwirklichung beschränkt sich darauf, den übertragen erhaltenen Zustand auf Dauer zu verwirklichen. Hingegen schränkt Frey 17 in Abgrenzung zur transitorischen Enteignung den oben vertretenen weiten Begriff der Enteignung zugunsten Privater ein. Er begründet dies damit, daß anderenfalls eine Reihe relevanter Gesichtspunkte ohne Würdigung bleiben würden. Beispielsweise zählt er hierzu, von wem die Initiative der Enteigung ausgehe, wer am Verfahren beteiligt sei und wie der entzogene Gegenstand vor einer Rückführung in den privaten Rechtsverkehr gesichert sei. So gelangt er in Anlehnung an Schulte 18 und Schmidt-Aßmann 19 zu einem engen Begriff der Enteignung zugunsten Privater. Sie sei eine Enteignung, die unmittelbar im Interesse des privaten Begünstigten durchgeführt wird, der zur Verwirkli13 Ebenso schon Bullinger, Die Enteignung zugunsten Privater, Der Staat, Bd. 1, 1962, S. 449; a.A. nunmehr Frey, Die Verfassungsmäßigkeit der transitorischen Enteigung, S. 92, hierzu siehe sofort weiter im Text. 14 Frey, Die Verfassungsmäßigkeit der transitorischen Enteignung, S. 93. 15 Grämlich, Die Unternehmensflurbereinigung — ein Mittel zur Verwirklichung städtebaulicher Maßnahmen, UPR 1986, 161 (166). 16 Vgl. aber § 89 Abs. 3 BauGB = § 89 Abs. 2 BBauG, der von der h.L. zur transitorischen Enteignung gerechnet wird, obwohl die Verwirklichung des Enteignungszweckes dem privaten Begünstigten übertragen ist. 17 Frey, Die Verfassungsmäßigkeit der transitorischen Enteignung, S. 91 ff. is Schulte, Eigentum und öffentliches Interesse, S. 90. 19 Schmidt-Aßmann, Grundfragen des Städtebaurechts, S. 218 m.w.N.

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2. Kap.: Begriffserklärung und Terminologie

chung eines dem Allgemeinwohl dienenden Zwecks des enteigneten Gegenstandes zwingend bedarf. Dem kann aus doppeltem Grunde nicht gefolgt werden. Zum einen sind alle angeschnittenen Gesichtspunkte keine Merkmale der Definition der Enteignung zugunsten Privater, sondern Fragen ihrer formellen oder materiellen Rechtmäßigkeit. Zum anderen gibt Freys Definition leicht zu Mißdeutungen Anlaß. Es entsteht der unberechtigte (?) Eindruck, es sei für eine Enteigung zugunsten Privater der entscheidende Punkt, daß sie unmittelbar im Interesse des privaten Begünstigten durchgeführt werde. Daß dies der falsche Ansatz ist, belegt bereits der Wortlaut des Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG. Im übrigen unterscheidet Frey drei verschiedene Arten von Enteignungen, die selbständig nebeneinander stehen sollen 20 : Die klassische Enteignung, die Enteignung zugunsten Privater und die transitorische Enteignung. Auch hieran dürfen unter dogmatischen Gesichtspunkten Zweifel angemeldet werden. Dazu muß nicht die Berechtigung der Kritik, die am klassischen Enteignungsbegriff geübt wurde 21 , untersucht werden. Es spricht nämlich viel dafür, daß die Enteignung zugunsten Privater nicht selbständig neben der „normalen" Enteignung steht, sondern dogmatisch eine Sonderform von ihr darstellt. Danach ist auch die transitorische Enteignung lediglich eine spezielle Spielart der Enteignung zugunsten Privater. Dieser Streit braucht so lange jedoch nicht entschieden zu werden, als nicht nachgewiesen ist, daß die sich gegenüberstehenden Ansichten unterschiedliche Enteignungsvoraussetzungen zur Folge haben. Denn es besteht Einigkeit darüber, daß die Enteignung zugunsten Privater und die transitorische Enteignung hinsichtlich der qualitativen Anforderungen des Enteignungszweckes keine Unterschiede aufweisen 22. Und es ist gerade ein Ziel dieser Arbeit, die Mindestanforderungen zu eruieren, die Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG an eine Enteignung stellt, die einen Privaten begünstigt. Nach all dem läßt sich, abgesehen von gesetzlich fixierten verfahrensmäßigen Unterschieden in der Realisierung des Vorhabens, die Forderung konstatieren: Die transitorische Enteignung muß in formeller und materieller Hinsicht jedenfalls den selben verfassungsrechtlichen Mindestanforderungen genügen wie jede andere Enteignung, die einen Privaten begünstigt23.

C. Der Enteignungsbegünstigte Die Person, auf die das Eigentum durch die Enteignung übertragen werden soll, wird gemeinhin als der Enteignungsbegünstigte bezeichnet24. An dieser Terminologie hat der Richter am BVerfG Böhmer in seinem Sondervotum zum Urteil des BVerfG über die Bad Dürkheimer Gondelbahn heftige Kritik geübt 25 . 20

Frey, Die Verfassungsmäßigkeit der transitorischen Enteignung, S. 90 ff. 21 Frenzel, Öffentliches Interesse als Voraussetzung der Enteignung, S. 36 ff. 22 Ebenso auch Frey, Verfassungsmäßigkeit der transitorischen Enteignung, S. 93. 23 Vgl. weiter 8. Kap. C. I. 24 Vgl. nur Molodovsky, Bay EG, Art. 20 Anm. 3.1.

D. Der Private

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Seine vehemente Ablehnung der Enteignung zugunsten Privater nimmt hierin ihren Ausgangspunkt. Seiner Ansicht nach sei die Terminologie schon deswegen verfehlt, weil die Enteignung keine Einrichtung sei, jemanden zu begünstigen, weder den Staat, noch eine Gemeinde, noch einen Privaten. Außerdem beruhe der auf eine formale Rechtsstellung abzielende Begriff des „Enteignungsbegünstigten" nach Böhmer letztlich auf der vom Grundgesetz nicht gebilligten Auffassung, die Eigentumsgarantie sei lediglich auf eine Sicherung des Kapitalwerts des entzogenen Objekts gerichtet. Mit Recht wendet demgegenüber Breuer 26 ein, daß es nicht weiterhelfe, den üblichen und rechtsdogmatisch unverzichtbaren Begriff des Enteignungsbegünstigten in Frage zu stellen. Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, daß der Ausdruck „Enteignungsbegünstigter" lediglich eine anschauliche Beschreibung der Person darstellt, der das Eigentum nach der Enteignung zugeordnet ist. Nicht mehr und nicht weniger soll durch den Begriff künftig gesagt werden. Die eigentlichen Probleme der Enteignung zugunsten Privater werden in der Tat nicht auf formal terminologischer Ebene zu lösen sein. Von seinem Ausgangspunkt her konsequent stellt Böhmer 27 den gesamten Begriff der „Enteignung zugunsten Privater" in Frage. Da jede Enteignung seiner Ansicht nach eine Staatsaufgabe voraussetzt, die erfüllt werden müsse, werde der Private gar nicht begünstigt. Unabhängig davon, daß die These von der Staatsaufgabe als Enteignungsvoraussetzung unzutreffend ist 2 8 , vermag mich diese formale Betrachtung so lange nicht zu überzeugen, als eine Antwort auf die Frage nach der Definition einer Staatsaufgabe fehlt 29 .

D. Der Private Klärungsbedürftig ist schließlich, was im weiteren Verlauf der Arbeit eigentlich unter einem ,»Privaten" verstanden werden soll. Daß hierzu jede natürliche Person, nicht aber der Staat zählt, braucht eigentlich gar nicht erst erwähnt zu werden. Problematisch wird es erst bei den juristischen Personen. Dies liegt daran, daß es eine richtiggehende Grauzone staatlichen Handelns unter privatem Deckmantel gibt 30 . Das Erscheinungsbild reicht vom rein staatlichen Unternehmen, das sich aus mannigfachen Gründen der Privatrechtsform zum eigenen Vorteil bedient, bis hin zum Privatunternehmen, an dem der Staat aus welchen 25 Böhmer, Sondervotum zu BVerfG, Urt. v. 10. 3. 1981, BVerfGE 56, 249 (266 ff). 26 Rüdiger Breuer, Anmerkung zu BVerfG, Urt. v. 10. 3. 1981 — 1 BvR 92, 96/71, DVB1 1981, 971 (975). 27 Böhmer, Sondervotum zu BVerfG, Urt. v. 10. 3. 1981, BVerfGE 56, 249 (266 ff). 28 Vgl. näher 7. Kap. C.II.7. 29 Hierzu 7. Kap. C.II.7. 3° Die Beantwortung der Frage, inwieweit die gegenwärtigen Erscheinungsformen in diesem Bereich rechtliche Grenzen überschreiten, ist nicht Aufgabe dieser Arbeit.

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2. Kap.: Begriffserklärung und Terminologie

Gründen auch immer lediglich verschwindend geringe Beteiligungsrechte besitzt 31 . Bereits diese Hinweise machen deutlich, daß kein entscheidendes Abgrenzungskriterium darin gesehen werden kann, ob es sich um eine juristische Person des Privatrechts oder des öffentlichen Rechts handelt. Entsprechend der Zielsetzung der Untersuchung werden im folgenden nur diejenigen juristischen Personen des öffentlichen oder des privaten Rechts als Private bezeichnet, bei denen der Staat keinen bestimmenden Einfluß ausüben kann. Nicht behandelt werden hier also Enteignungen, die zum Beispiel zugunsten der Rhein-MainDonau AG erfolgen, die sich ausschließlich in der Hand der Bundesrepublik Deutschland, des Freistaates Bayern und der Stadt Nürnberg befindet 32 . Insbesondere fällt aber auch die erwerbswirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand nicht unter den Begriff des „Privaten" wie er in dieser Arbeit verstanden wird 3 3 .

31 Vgl. die Untersuchung von Dirk Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, 1984, insbesondere Teil 1 bis 4 der Habilitationsschrift. 32 Nr. 5 Abs. 1 Nr. 6 S. 2 des Maift-Donau-Staatsvertrages vom 13. 6. 1921; § 1 Abs. 2 Gesetz über die vermögensrechtlichen Verhältnisse der Bundeswasserstraßen vom 21.5. 1951 (BGBl. IS. 352). 33 Unabhängig davon spricht viel dafür, daß der Staat, der sich zur Erfüllung seiner Aufgaben der Privatrechtsform bedient, auch denselben juristischen Spielregeln wie der Private unterworfen ist. Dies dürfte jedenfalls im Rahmen des Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG gelten, der gerade besondere verfassungsrechtliche Anforderungen stellt. Vorbehaltlich einer genaueren wissenschaftlichen Untersuchung, die in diesem Rahmen nicht erfolgen kann, wird sich sagen lassen: Auch Staat und Kommunen, die in Privatrechtsform handeln, sind bei Enteignungen den hier gefundenen verfassungsrechtlichen Mindestanforderungen unterworfen. Ausnahmen dürften lediglich im Hinblick auf Sicherungsdichte des Enteignungszweckes (unten 9. Kapitel) denkbar sein. Aus diesem Grunde hält es der Verfasser für vertretbar, vereinzelt prägnante Beispielsfälle auch aus diesem Bereich für die vorliegende Arbeit fruchtbar zu machen.

3. Kapitel

Ausgewählte Aspekte zur rechtsgeschichtlichen Entwicklung der Enteignung zugunsten Privater Eine Geschichte der Dogmatik der Enteignung zugunsten Privater an dieser Stelle zu schreiben, ist aus doppeltem Grunde eigentlich überflüssig. Erstens ist die Geschichte der Enteignung auch die Geschichte der Enteignung zugunsten Privater. Und an zuverlässigen Abhandlungen über die historische Entwicklung des Rechtsinstituts der Enteignung besteht kein Mangel. Auf sie darf daher Bezug genommen werden 1. Zweitens existieren bereits Untersuchungen über die geschichtlichen Erscheinungsformen der privatbegünstigenden Enteignung. Freilich beschränken sich diese zumeist auf einzelne Sachgebiete der Enteignung zugunsten Privater 2. Wenn hier einiges zur Rechtsgeschichte bemerkt wird, bedarf dies der Rechtfertigung. Aber immerhin hat ein Richter des Bundesverfassungsgerichts in Abrede gestellt, daß es eine Rechtstradition der Enteignung zugunsten privater Wirtschaftsunternehmen gebe. In seinem Sondervotum zur Bad Dürkheimer Gondelbahnentscheidung des BVerfG verwies Böhmer 3 allein auf Giese/Heyland 4 . Dort wird es als Auffassung von Rechtslehre und Rechtssprechung unter der Geltung der Weimarer Reichsverfassung bezeichnet, daß eine Enteignung nur zugunsten eines gemeinnützigen, nicht aber zugunsten jedes beliebigen Privatunternehmers zulässig sei. Beim Fehlen der Gemeinnützigkeit könne ein Privatunternehmen, das ausschließlich oder gleichzeitig Privatzwecke verfolgt, keinesfalls als dem „öffentlichen Wohle" dienend erachtet werden. Ob dieses Zitat den wirklichen Meinungsstand der Weimarer Zeit wiederspiegelt, bedarf der Klärung. Außerdem hat das Urteil des BVerwG zum Kraftfahrzeugprüfgelände Boxberg der Firma Daimler-Benz A.G. auch in der allgemeinen Presse ein lebhaftes Echo hervorgerufen. Unter Inanspruchnahme der Fachkompetenz eines Verwaltungsrichters wurde dort 5 forsch eine Wende ι Dieter Schwab, Eigentum, in: Otto Brunner / Werner Conze / Reinhard Koselleck (Hrsg.), Geschichtliche Grundbegriffe, Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland, Bd. 2, Stuttgart 1975, S. 65 ff. 2 Stengel, Die Grundstücksenteignung zugunsten privater Wirtschaftsunternehmen, S. 53 ff, 64 ff, 71 ff. 3 Böhmer, Sondervotum zu BVerfG, Urt. v. 10. 3. 1981 — 1 BvR 92/71, BVerfGE 56, 249. 4 Giese/Heyland, FischerZ 64 (1930), S. 225 ff. 5 So: Der Spiegel, Nr. 35 / 1985, S. 59 / 61 unter Berufung auf Stefan Kunze, Richter am VG Stuttgart, Sprecher des Fachausschusses Richter und Staatsänwalte in der Gewerkschaft ÖTV. 3 Schmidbauer

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3. Kap.: Aspekte zur rechtsgeschichtlichen Entwicklung

in der Rechtsprechung behauptet, da das Enteignungsvorhaben den Interessen eines Konzerns diene. Auch wenn es sich dabei um Einzelstimmen mit mehr oder weniger Gewicht handelt, rechtfertigen sie doch in der vorliegenden Untersuchung einen historischen Rückblick. Nach den eingangs erwähnten literarischen Bemühungen kann sich der Verfasser aber doch auf einige ausgewählte Aspekte zur rechtsgeschichtlichen Entwicklung der Enteignung zugunsten Privater beschränken, die nichtsdestoweniger besonders bezeichnend für ihren historischen Verlauf sind. Die Geschichte der Enteignung ist auch die Geschichte der Enteignung zugunsten Privater. Diese oben aufgestellte These bedarf des Beweises.

A. Enteignung im Bereich des Bergbaus Das Recht des Staates, privates Eigentum zum Wohle der Gemeinschaft zu entziehen, besteht seit alters her 6 . Die erste deutsche Urkunde, die über eine Enteignung bekannt ist 7 , stammt aus dem Jahre 1376 und betrifft die Anlegung eines öffentlichen Kanals „zum Nutzen und Guten der ganzen Landschaft". In nennenswertem Umfang erfolgten in dieser Zeit aber nur Enteignungen zum Bau von Festungswerken. Im Laufe der Zeit gewann die Enteignung für Zwecke des Bergbaues eine immer größere wirtschaftliche Bedeutung. Der Landesherr hatte als Inhaber des Salz- und Bergregals die Befugnis, die Bodenschätze entweder selbst oder durch Verleihungen an einen privaten Unternehmer auszubeuten8. Der damit eingeführten Trennung von Bergbau und Grundeigentum blieben später auch das allgemeine preußische Berggesetz 9 und das bayerische Berggesetz 10 treu. Über die Rechtsnatur der bergrechtlichen Grundabtretung gehen die Meinungen bis heute auseinander. In den Berggesetzen war überwiegend lediglich von Grundabtretung die Rede. Nur das ABG sprach in § 144 von Expropriation. Meines Erachtens 6

Neben der Zwangskauftheorie, die ihre Wurzeln im römischen Recht hatte, wirkte das sich im 16. und 17. Jahrhundert entwickelnde Naturrecht auf die Enteignung ein. Danach konnte der Landesfürst in die dem Menschen angeborenen und damit „wohlerworbenen" Rechte (jura quaesita) kraft seiner staatlichen Herrschaftsmacht (jus eminens) in das Eigentum eingreifen. Jedoch war diese Befugnis keineswegs willkürlich, sondern mußte zum allgemeinen Nutzen ausgeübt werden, vgl. Frenzel, Das öffentliche Interesse als Voraussetzung der Enteignung, S. 594 m.w.N. 7 Nachgewiesen bei Blanc, Das öffentliche Interesse als Voraussetzung der Enteignung, S. 12 („nuz und guet"). s Zu denken ist in erster Linie an bedeutsame Bodenschätze wie Salze und Steinkohle. Bereits die Bergrechtsordnungen ab dem 15. Jahrhundert sprachen auch Nichtgrundbesitzern unter bestimmten Voraussetzungen das Recht zu, in den Bergen nach Mineralien zu schürfen. 9 Allgemeines Berggesetz für die Preußischen Staaten (ABG) vom 24. 6. 1865 (GS S. 705 ff). 10 Bayerisches Berggesetz (BayBergG) vom 13. 8. 1910 (GVB1. S. 815).

C. Enteignung im Bereich der Industrieanlagen

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sprechen überzeugende Gründe dafür, daß es sich hierbei um Enteignungen und somit um einen Fall der Enteignung zugunsten Privater handelt 11 . Aber auch für die Zufahrtswege und den Bau der notwendigen Grubenanlagen wurden schon immer Grundstücke zugunsten der privaten Bergbautreibenden enteignet12.

B. Enteignung im Bereich des Eisenbahnbaus Mit wachsender Industrialisierung wurde die Eisenbahn das Verkehrs- und Transportmittel für Menschen, Tiere und Waren aller Art. Als der Staat diese Entwicklung erkannte, schlug sich dies zwangsläufig auch in den Enteignungsgesetzen der einzelnen Länder nieder 13 . Bau und Betrieb der Eisenbahnunternehmen lagen in der Hand privater Gesellschaften. Die Enteignung zugunsten privater Eisenbahnunternehmen nahm innerhalb der Enteignung eine bedeutende Stellung ein 14 . Das Interesse am Bau von Eisenbahnanlagen wuchs immer mehr. Bereits im Jahre 1835 erging ein sächsisches Gesetz, das den Bau einer Eisenbahn zwischen Leipzig und Dresden erlaubte und dem Unternehmen das Expropriationsrecht verlieh 15 . Die Entwicklung ging soweit, daß in der Literatur einzelne Stimmen laut wurden, die der Meinung waren, daß das Enteignungsrecht nur für die privaten Eisenbahnen geschaffen wurde 16 . In den später erlassenen Spezialgesetzen17 waren Enteignungen zugunsten privater Eisenbahnunternehmungen wie selbstverständlich möglich.

C. Enteignung im Bereich der Industrieanlagen und ihrer Erschließung Die zunehmende Industrialisierung führte zu einem stetig steigenden Flächenbedarf der Wirtschaft. Durch die Preistreiberei der Bodenspekulanten sah sich der Staat schließlich genötigt, Industriegelände mit dem Zwangsmittel der Enteignung bereitzustellen. Rechtsgrundlage für diese Enteignungen zugunsten Privater 11 12

S. 57.

Siehe im einzelnen unten 8. Kap. D. III. Stengel, Die Grundstücksenteignung zugunsten privater Wirtschaftsunternehmen,

13 Vgl. § 2 des badischen Enteignungsgesetzes von 1835: ,Als öffentlich gilt der Nutzen der Unternehmung, für welche die Abtretung gefordert wird, nicht nur, wenn er dem unmittelbar, sondern auch; wenn er demselben bloß mittelbar zugute kommt". 14 Dieter Grimm, Die Entwicklung des Enteignungsrechts unter dem Einfluß der Industrialisierung, in: Coing, Wissenschaft und Kodifikation des Privatrechts im 19. Jahrhundert, S. 132. 15 Gesetz vom 3. 7. 1835, GVB1. S. 371. Für den Bau der ersten Eisenbahnlinie von Nürnberg nach Fürth im Jahre 1834 mußte Bayern übrigens nicht enteignen, da die Grundstücke auf dem freien Markt erworben werden konnten. 16 J. H. Beschomer, Das deutsche Eisenbahnrecht, 1858. 17 Z.B. § 8 Preußisches Eisenbahngesetz vom 3. 11. 1838, PrGS S. 505; vgl. zudem Art. 41 Abs. 1 Verfassung des Norddeutschen Bundes vom 25. 6. 1867.

3*

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3. Kap.: Aspekte zur rechtsgeschichtlichen Entwicklung

waren die Enteignungsgesetze der Länder, so für Bayern das Bayerische Zwangsabtretungsgesetz18 vom 17. 11. 1837 und für Preußen das Preußische Enteignungsgesetz19 vom 11.6. 1874. Bevor aber die Industrieanlage selbst gebaut werden konnte, mußten zunächst die notwendigen Erschließungsmaßnahmen durchgefühlt werden. Auch hierbei handelte es sich vielfach um Anlagen, die zwar von Privaten betrieben wurden, für die der Staat aber den Grund im Enteignungswege zur Verfügung stellte. Zu nennen ist beispielsweise das Industrieanschlußgleis, das die private Werksbahn mit dem öffentlichen Eisenbahnnetz verband. Vor allem in den norddeutschen Ländern hatte sich für den Bau von Industrieanlagen und deren Erschließung folgende Praxis herausgebildet 20: Das gesamte Gelände wurde zugunsten des Landes oder der Stadt enteignet. Die Stadt oder das Land erschlossen das Gelände und verkauften es einschließlich der Erschließungsanlagen an interessierte Unternehmer weiter. In seltenen Fällen wird auch Vermietung oder Verpachtung angetroffen. Daneben war aber auch der direkte Eigentumsübergang auf das Industrieunternehmen möglich. Voraussetzung war allerdings stets, daß das Unternehmen dem Wohle der Allgemeinheit diente. Dabei war man zur damaligen Zeit rechtsdogmatisch der Auffassung, daß das Enteignungsrecht grundsätzlich nur zugunsten der öffentlichen Verwaltung ausgeübt werden könne. Nur sie bot die Sicherheit, die man für die Verwendung der enteigneten Grundstücke erwartete. Um den Privaten dennoch enteigneten Grund zur Verfügung stellen zu können, wurden sie nach damaliger Vorstellung zur „Führung öffentlicher Verwaltung" befähigt. Dies geschah zumeist durch Verleihung eines Privilegs oder einer Konzession21. Das war um so weniger problematisch, als für viele gewerbliche Tätigkeiten ohnehin eine Konzession erforderlich war. Je nach Einzelfall konnte sie mit allen möglichen Auflagen, Ge- und Verboten, sowie sonstigen notwendigen Pflichten ausgestattet werden. Während des ersten Weltkrieges wurde die Beschränkung der Enteignung auf konzessionierte Unternehmen aufgrund der militärischen und wirtschaftlichen Lage aufgehoben. Alles, was für die Rüstungsindustrie nützlich war, diente dem Gemeinwohl. So findet sich beispielsweise unter den Enteignungsbegünstigten die Friedrich-Krupp-AG zur Erweiterung der Anlagen für eine Geschoßpresserei 22. Aber Enteignungen zugunsten Privater wurden auch für nichtkonzessionierte Unternehmen schon bald nicht nur mit den Besonderheiten und Erfordernissen ι» Bayer. Zwangsabtretungsgesetz (ZAG) vom 17. 11. 1837 (GBl. 1837, 109). 19 Preußisches Enteignungsgesetz vom 11. 6. 1874 (Pr.GS. 1874, 221). 20 Stengel, Grundstücksenteignung zugunsten privater Wirtschaftsunternehmen, S. 76. 2 1 Otto Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, 2. Bd., 2. Auflage 1917, S. 16; sowie unten 6. Kap. H. 22 Preußische Gesetzessammlung 1915, S. 142.

D. Enteignung zur Erfüllung sozialer Aufgaben

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des Krieges, sondern mit der allgemeinen Bedeutung des Unternehmens für das örtliche Wirtschaftsleben begründet 23. Diese großzügige Handhabung des Enteignungsrechts wurde auch nach dem ersten Weltkrieg fortgesetzt. Sie wurde schließlich sogar von den Gerichten abgesegnet. Das Oberlandesgericht Jena24 hat mit Urteil vom 20. 3. 1925 ausdrücklich eine Enteignung zugunsten eines privaten, nichtkonzessionierten Unternehmens aus Gründen der Arbeitsplatzbeschaffung und Arbeitzplatzerhaltung gebilligt.

D. Enteignung zur Erfüllung sozialer Aufgaben Die Zeit nach dem ersten Weltkrieg brachte es mit sich, daß eine weitere Sparte der Enteignung zugunsten Privater Hochkonjunktur hatte: Die Enteignung aus sozialen Gründen, und zwar zum Bau von Wohnungen und Siedlungen. Aber auch das war keineswegs neu. Bereits die Großen Kurfürsten verschafften mit Hilfe des Enteignungsinstruments sozial schwächeren Bevölkerungskreisen Wohnraum 25 . Unter der Geltung des Art. 153 WRV billigte das Reichsgericht den Einsatz des Zwangsinstruments Enteignung zur Linderung der Wohnungsnot. Hinzu kam die Ausdehnung des Enteignungsbegriffs durch das Gericht, wonach auch die Zwangseinweisung von Mietern als entschädigungspflichtige Enteignung zu werten war 26 . Es entstand die Heimstätten- und Siedlungsgesetzgebung, sowie die Verordnung zur Behebung der dringendsten Wohnungsnot27. Die entsprechenden Enteignungen waren durch Art. 155 Abs. 2 WRV legitimiert und sollten außerdem dem drückenden Problem der Arbeitslosigkeit entgegenwirken. Zu erwähnen ist noch die Dritte Notverordnung des Reichspräsidenten 28 vom 6. 10. 1931. Mit ihr sollte vor allem der Bau von Kleinsiedlungen gefördert werden. Ein hierfür ernannter Reichskommissar konnte geeignete Grundstücke für die Siedler enteignen29. Schließlich war in der Weimarer Zeit auch die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln keineswegs mit den Mitteln des Marktes stets möglich. Zentrale Erfassungsstellen waren daher berechtigt, enteignend einzugreifen. 23 Preußische Gesetzessammlung 1918, S. 2 und 1929, S. 183; weitere Beispiele bei Bullinger, Die Enteignung zugunsten Privater, Der Staat, Bd. 1, 1962, S. 467. 24 OLG Jena, Urt. v. 20. 3. 1925, JW 1925, 1476. 25 Ahlers, Die Sozialisierung von Grund und Boden, S. 38, unter Hinweis auf ein Edikt des Großen Kurfürsten aus dem Jahre 1667. 26 Vgl. die Darstellung bei Däubler u.a., Eigentum und Recht, 1976, S. 107. 27 Verordnung zur Behebung der dringendsten Wohnungsnot (BehebungsVO) vom 15. 1. 1919, RGBl. S. 69, geändert durch VO vom 9. 12. 1919, RGBl. S. 1968. 28 Dritte VO des Reichspräsidenten zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen und zur Bekämpfung politischer Ausschreitungen (3. NotVO) v. 6. 10. 1931, RGBl. IS. 537, 551. 29 Weitere Nachweise bei Frenzel, Das öffentliche Interesse als Voraussetzung der Enteignung, S. 55.

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3. Kap.: Aspekte zur rechtsgeschichtlichen Entwicklung

E. Zeit des Nationalsozialismus Mit der Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat30 wurde auch Art. 153 WRV aufgehoben. Damit stand das Eigentum zur willkürlichen Disposition des Hitlerregimes. NS-Propagandaminister Göbbels drückte dies dahingehend aus 31 , daß alles dem Volk als Gesamtheit gehöre. Sobald ein Volksgenosse das ihm anvertraute Volksgut schlecht verwaltet, habe der Staat das Recht, ihm seine Güter zu entziehen. Auswirkungen hatte dies in allen Lebensbereichen. Alle Nutzungen, die den Zielen des Führers und seiner Partei widersprachen, waren zum Enteignungsgrund geworden und rechtfertigten auch die Enteignung zugunsten Privater. Kam beispielsweise der Vertrauensmann zu dem Ergebnis, daß ein Erbhof nicht ordnungsgemäß bewirtschaftet wurde, so war das Anerbengericht berechtigt, den Erbhof auf eine andere „bauernfähige" Person zu übertragen 32. Außerdem war Hitler mit Hilfe der Schwerindustrie an die Macht gekommen und er benötigte sie auch, um seine geopolitischen Ziele zu verwirklichen. Die Schwerindustrie konnte folglich auch alle ihre Wünsche durchsetzen. Es wurden neue Fabrikanlagen gebaut, die Rohstofflager erweitert. Der benötigte Grund und Boden wurde notfalls im Wege der Enteignung beschafft 33. Noch nie zuvor waren Enteignungen zugunsten privater Industrieunternehmen in diesem Ausmaße durchgeführt worden.

30 VO des Reichspräsidenten zum Schutze von Volk und Vaterland vom 28. 2. 1933, RGBl. I, S. 83. 31 Garcia Brahm/J. Enrique, Eigentum und Enteignung im Dritten Reich, S. 17. 32 Reichserbhofgesetz vom 29. 9. 1933, RGBl. 1933, 685; sowie Däubler u.a., Eigentum und Recht, S. 53. 33 Stengel, Die Grundstücksenteignung zugunsten privater Wirtschaftsunternehmen, Anhang: Enteignungen in Preußen während des „Dritten Reiches".

. Kapitel

Ausgangspunkt aller Betrachtungen: Art. 14 Abs.3 Satz 1 GG Die normativen Mindestvoraussetzungen für eine rechtmäßige hoheitliche Entziehung des Eigentums sind in Art. 14 Abs. 3 GG geregelt. Wie jede andere Enteignung muß sich auch eine Enteignung zugunsten Privater an dieser Norm messen lassen. Art. 14 GG ist daher zwingend auch im Zusammenhang des Vorliegemden Themas, der Ausgangspunkt aller Betrachtungen. Freilich wird sich zeigen, daß sich hieraus kein unmittelbarer Lösungsansatz für die Beantwortung der Frage nach den Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen privatbegünstigender Enteignungen gewinnen läßt. Doch ist dieses Vorgehen methodisch unverzichtbar.

A. Doppeldeutigkeit des Wortlautes Zwar mag es zutreffen, daß Gerichtspraxis und Staatsrechtslehre oftmals den Inhalt der Grundrechte in einer Weise beeinflussen, die durch den Wortlaut der Verfassungsurkunde allein nicht mehr erklärbar ist 1 . Diese Erkenntnis darf aber nicht dazu verleiten, den Wortlaut einer Norm ganz aus der Betrachtung auszuklammern.

I. Der Wortlaut und die Person des Begünstigten Dem Wortlaut des Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG ist nichts darüber zu entnehmen, wer der Begünstigte einer Enteignung sein kann. Manche 2 folgern daraus, daß das Grundgesetz generell nichts darüber sagt, welche Rechtsqualität der Enteignungsbegünstigte aufweisen muß. Ein Teil der Literatur jedoch will Art. 14 Abs. 3 S. 3 GG heranziehen. Diese Vorschrift legt fest, daß bei der Entschädigung die Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten gerecht abzuwägen sind. Da dabei von „Beteiligte/z" die Rede ist, versteht beispielsweise Knoll 3 unter den „Beteiligten" sowohl den, dem ein Gut durch die Enteignung genommen wird, als auch den, zu dessen Gunsten die Enteignung stattfindet.Der Wortlaut zeige, daß der Begünstigte nicht der Staat sein müsse, sondern auch Privater 1

Badura, Eigentum im Verfassungsrecht der Gegenwart, Verh.d. 49. DJT, Τ 19. 2 Z.B. Bahls, Probleme der Erdölversorgung, DVB1. 1972, 446 (451). 3 Knoll, Eingriffe in das Eigentum, AöR 81 (1956), S. 157 (160).

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4. Kap.: Ausgangspunkt der Betrachtungen: Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG

sein könne. Dieser Ansicht hält Diester 4 entgegen, daß auch Mieter, Pächter usw. als Beteiligte bezeichnet werden können. Daher spricht der Wortlaut weder für noch gegen eine Personenidentität des Enteignungsbegünstigten mit dem Staat oder.einem staatlich nachgeordneten Hoheitsträger.

I I . Der Wortlaut und die materiellen Eingriffsvoraussetzungen In seinem Minderheitenvotum zur Bad Dürkheimer Gondelbahn Entscheidung hält Bundesverfassungsrichter Böhmer 5 eine privatnützige Enteignung bereits aufgrund des Wortlautes für unzulässig. Er legt dem Wörtchen „nur" in Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG eine besondere Bedeutung im Sinne von „ausschließlich" zu: Die Enteignung dürfe nur vom „Wohle der Allgemeinheit" gefordert werden. Dem ist im Ansatz zuzustimmen. In der Tat vermag ausschließlich das Wohl der Allgemeinheit eine Enteignung zu legitimieren. Kein noch so starkes privates Interesse ist hierzu in der Lage. Aber jede über die so vorgenommene Beschränkung des Rechtfertigungsgrundes hinausgehende Folgerung Böhmers ist schlechterdings unhaltbar. Dies trifft vor allem auf seine Ansicht zu, eine Enteignung sei nur dann rechtmäßig, wenn an ihr keine unmittelbaren privaten Interessen bestehen. Woraus sich eine derartige Interpretation des Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG ergeben sollte, bleibt unbegründet. Der Wortlaut der Vorschrift gibt jedenfalls hierfür nichts her. Insgesamt läßt sich damit in Übereinstimmung mit Grämlich 6 festhalten, daß der Wortlaut des Art. 14 GG einer privatbegünstigenden Enteignung nicht im Wege steht.

B. Die Entstehungsgeschichte und die privatbegünstigende Enteignung Schaut man die Materialien des Grundgesetzes durch, so zeigt sich rasch, daß die Entstehungsgeschichte des Art. 14 GG 7 für die vorliegende Problemstellung weitgehend unergiebig ist. Nur ein allgemeiner Hinweis auf die Anforderungen an die Legitimation einer Enteignung läßt sich den Entstehungsmaterialien entnehmen. Der Vorläufer des Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG war Art. 153 Abs. 2 S. 1 WRV. Dieser wies folgenden Wortlaut auf: „Eine Enteignung kann nur zum Wohle der Allgemeinheit und auf gesetzlicher Grundlage vorgenommen werden." Demgegenüber spricht Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG von der Zulässigkeit der 4

Diester, Enteignung und Entschädigung, S. 182. 5 Böhmer, Sondervotum zu BVerfG, Urt.v. 10. 3. 1981, BVerfGE 56,249 (285). 6 Grämlich, „Privatbegünstigende" Enteignung als Verfassungsproblem, JZ 1986,269 (275). 7 Vgl. Entstehungsgeschichte der Artikel des Grundgesetzes, Jahrbuch des öffentlichen Rechts NF Bd 1, S. 1 ff (144), bearbeitet von Doemming, Füsslein, Matz.

Β. Die Entstehungsgeschichte

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Enteignung. Die abweichende Wortwahl ist kein Zufall. Mit ihr wollte der Parlamentarische Rat Enteignungen aus Staatszweckmäßigkeitsgründen ausschließen8. Ansonsten kreisten die Erörterungen des Parlamentarischen Rates lediglich um die Fragen der angemessenen Entschädigung und des Eigentumsmißbrauchs. Es wäre jedoch voreilig, daraus zu folgern, daß die Verfassungsväter das Problem überhaupt nicht gekannt hätten9. Denn nach eigenem Bekunden 10 waren sich die Mitglieder des Parlamentarischen Rats bei Abfassung der Art. 14 und 15 GG selbst vollkommen klar, daß sie damals alle Fragen gar nicht lösen konnten und haben deshalb auf entsprechende Entscheidungen verzichtet. Dennoch folgert Forsthoff 11 aus der Entstehungsgeschichte des Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG die Unzulässigkeit der privatbegünstigenden Enteignung von Grund und Boden. Dies ist verfehlt. Zwar hat die Weimarer Reichsverfassung in Art. 155 Abs. 2 die Enteignung von Grundbesitz, dessen Erwerb zur Befriedigung des Wohnbedürfnisses, zur Förderung der Siedlung und Urbarmachung und zur Hebung der Landwirtschaft nötig ist, ausdrücklich zugelassen. Richtig ist auch, daß eine entsprechende Norm im Bonner Grundgesetz fehlt. Bei Berücksichtigung der Materialien der Entstehungsgeschichte kann entgegen Forsthoff daraus aber noch lange nicht geschlossen werden, daß die privatbegünstigende Enteignung von Grund und Boden nach Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG unzulässing ist. Es fehlte eben am Willen des Verfassungsgebers, alle gewichtigen Fragen der Enteignung ausdrücklich und abschließend zu entscheiden. Immerhin verdienen im Zusammenhang mit der Entstehungsgeschichte noch zwei Punkte festgehalten zu werden:Bei der Erörterung der „angemessenen Entschädigung" in Art. 14 Abs. 3 S. 3 GG war am Anfang die Rede von einer Abwägung der Belange des zu Enteignenden und der Person, zu dessen Gunsten die Enteignung ausgesprochen werden sollte 12 . Dabei dachte man zunächst an die Allgemeinheit nur, sofern sie in diesem Sinn „Beteiligte" war 13 . Erst gegen Schluß der Verhandlungen wurde aus den Interessen „des Beteiligten" die Interessen „der Beteiligten" 14 .

s Parlamentarischer Rat, Prot, vom 7. 10. 1948, S. 4. 9 Dies gilt um so mehr, als durch die Gesetzesänderung des GEG vom 9. 12. 1943 (GVB1. 44 S. 1) der in der ursprünglichen Fassung des Art. 3 GEG enthaltene Begriff des Unternehmens für Enteignung zugunsten der öffentlichen Hand gestrichen und nur der Begriff der Privatunternehmung beibehalten worden ist. 10 Diskussionsbeitrag von Mangoldt, in: VVDStRL 10 (1952), 150. 11 Ernst Forsthoff, Zur Lage des verfassungsrechtlichen Eigentumsschutzes, S. 99. ι 2 Knoll, Eingriffe in das Eigentum im Zuge der Umgestaltung gesellschaftlicher Verhältnisse, AöR, Bd. 81, S. 342 (396). ι 3 Opfermann, Die Enteignungsentschädigung nach dem Grundgesetz, 1974, S. 66 (VI Nr. 2), versteht unter dem Beteiligten nur die Person, die jeweils von dem Eingriff betroffen wird. 14 Knoll, Eingriffe in das Eigentum im Zuge der Umgestaltung gesellschaftlicher Verhältnisse, AöR, Bd. 81, S. 342 (396).

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4. Kap.: Ausgangspunkt der Betrachtungen: Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG

Nach Angaben von Mangoldts 15 , der Mitglied des Parlamentarischen Rates war, wurde im Rahmen des Art. 15 GG bei der „Überführung in die Gemeinwirtschaft" auch an Formen der Vergesellschaftung gedacht, bei denen auch Private beteiligt sein können 16 . Damit liefert die Entstehungsgeschichte des Grundgesetzes insgesamt keine Begründung dafür, daß unsere Verfassung eine Enteignung zugunsten Privater generell verbieten wollte.

C. Die teleologische Auslegung: Der Zweck der Grundrechtsverbürgung Definitionsgemäß 17 bezweckt Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG, dem Staat die Möglichkeit des Zugriffs auf das Eigentum des einzelnen zu eröffnen. Befindet man sich auf der Suche nach den verfassungsrechtlichen Grenzen des Eingriffsinstruments, ist es unerläßlich, sich den Zweck der grundrechtlich verbürgten Eigentumsgewährleistung in Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG in Erinnerung zu rufen 18 . Jenseits der Einseitigkeit ideologischer Extrempositionen 19 besteht darüber jedenfalls im Grundsatz Einigkeit. Nach der ständigen Rechtsprechung des BVerfG 2 0 ist das durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleistete Eigentum in seinem rechtlichen Gehalt durch Privatnützigkeit und grundsätzliche Verfügungsbefugnis des Eigentümers über den Eigentumsgegenstand gekennzeichnet. Es soll dem Träger des Grundrechts einen Freiheitsraum im vermögensrechtlichen Bereich sicherstellen und ihm damit eine eigenverantwortliche Gestaltung des Lebens ermöglichen 21 . Daher genießt das Eigentum in der Rechtsprechung dieses Gerichts einen besonders ausgeprägten Schutz, soweit es um seine Funktion als Element der Sicherung persönlicher Freiheit geht 22 . Aber den Zweck der Eigentumsgewährleistung rein auf den Aspekt der Freiheit zu beschränken, würde eine unzulässige Reduktion darstellen. Man kann auch ohne Eigentum frei sein. Die Möglichkeit, Eigentum zu erwerben und inne zu haben, stellt für den einzelnen einen Teil der Chancen 15 Diskussionsbeitrag von Mangoldt in: VVDStRL 10 (1952), S. 161. 16 Anders hingegen nach von Mangoldts Angaben (a. a. O.) bei der Frage der Überführung in „Gemeineigentum". 17 Siehe oben 2. Kap. B. ι» Auch hier läßt sich der Gedankengang der Wechsel Wirkungstheorie fruchtbar machen, vgl. hierzu BVerfG, Urt. v. 15. 1. 1958, BVerfGE 7,198 - Lüth-Urteil. Zur genauen Gewichtung des Zwecks der grundrechtlichen Eigentumsverbürgung innerhalb der materiellen Rechtfertigung einer Enteignung zugunsten Privater siehe unten 7. Kapitel. 19 Zu Recht weist Battis darauf hin, daß kein anderes Grundrecht ideologisch so umstritten ist wie die Eigentumsgarantie. Siehe Battis, Eigentumsschutz und Entschädigung, NVwZ 1982, S. 585. 20 BVerfGE 50, 290 (339); 52, 1 (30). 21 BVerfGE 24, 367 (389); 26, 215 (222); 31, 229 (240). 22 BVerfG, Beschl. v. 19. 6. 1985, DVB1. 1986, S. 95.

C. Der Zweck der Grundrechtsverbürgung

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dar, sich selbst zu verwirklichen. Andererseits aber ist das Eigentum kein unabdingbarer Bestandteil der Menschenwürde, die die Staatsfundamentalnorm 23 des Art. 1 Abs.l GG i.V. m. Art. 2 Abs. 1 GG zum obersten Grundsatz erhoben hat. A l l diese Facetten des einen Gewährleistungszwecks der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie stellen Merkposten für den Fall dar, daß es im Laufe dieser Arbeit gilt, den Eigentumsentzug zugunsten eines Privaten materiell zu rechtfertigen.

23 Urheber von Idee und Ausdruck ist Hans Nawiasky; vgl. Nawiasky / Lechner, Die Verfassung des Freistaates Bayern, Ergänzungsband 1953, S. 110, zum Handkommentar Nawiasky / Leusser, Die Verfassung des Freistaates Bayern, 1948.

. Kapitel

Analyse der bisherigen Praxis Der Versuch einer rechtsdogmatischen Aufarbeitung der vorliegenden Probleme setzt eine Analyse der bisherigen Praxis voraus. Der Schwerpunkt der Betrachtung liegt dabei auf der Behandlung von Enteignungsfällen zugunsten Privater durch die Verwaltungsbehörden (unten A). Sie findet ihre Fortsetzung in der Rechtsprechung (unten B). Von Interesse ist weiter, ob und in welcher Richtung die Literatur versucht hat, die Praxis zu beeinflussen (unten C). Schließlich wird noch der einfache Gesetzgeber nach Fällen einer Enteignung zugunsten Privater gefragt (unten D). Diese Punkte können zum einen keine lückenlose Dokumentation sein, zum anderen aber wollen sie auch nur eine Einführung in die Problemstellung geben.

A. Die Behandlung von Enteignungsfällen zugunsten Privater durch die Verwaltungsbehörden In den Anfängen lag der Schwerpunkt der Enteignung zugunsten Privater, wie er von Regierung und Verwaltung gesetzt wurde, auf industriellem Gebiet. Im 19. Jahrhundert stand — wie schon oben hervorgehoben — die Gewinnung von Rohstoffen und Bodenschätzen im Vordergrund: Erze für die Schwerindustrie 1, Lehm und Ton für die Bauwirtschaft 2. Bald gesellte sich die Erschließung als Enteignungszweck hinzu 3 . Unter der Geltung der Weimarer Reichsverfassung traten sodann im verstärktem Maße soziale Gesichtspunkte als Enteignungszwecke auf 4 . Nach dem zweiten Weltkrieg setzte der bald beginnende Wirtschaftsaufschwung die Schwerpunkte. Die staatliche Administration suchte, ihn auch durch Enteignungen zugunsten Privater zu unterstützen, sofern über den Grundstückserwerb keine gütliche Einigung zustande kam. Dies war vor allem bei Industrie-Rohrleitungen der Fall, wobei wiederum Mineralölfernlei1 Huber Wirtschaftsverwaltungsrecht, Band 2, S. 60,113,124. Stengel, Grundstücksenteignung zugunsten privater Wirtschaftsunternehmen, S. 66 f. 3 Frenzel, Öffentliches Interesse als Voraussetzung der Enteignung, S. 77 ff. 4 Reichssiedlungsgesetz v. 11. 8. 1919, RGBl. I S. 1429; Reichsheimstättengesetz v. 10. 5. 1920 i.d.F. v. 25. 11. 1937, RGBl. I S. 1291; Dritte VO des Reichspräsidenten zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen und zur Bekämpfung politischer Ausschreitungen (3. NotVO) v. 6. 10. 1931, RGBl. I S. 537, 551. 2

Α. Die Behandlung durch die Verwaltungsbehörden

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tungen im Mittelpunkt standen. Die erste Rohölfernleitung in privater Hand 5 , für deren Bau und Betrieb enteignet werden mußte6, wurde am 1. 2. 1959 in Betrieb genommen. Sie führte über eine Länge von 390 km von Wilhelmshaven durch das Ruhrgebiet nach Köln. Als Betreiberin fungierte die Nord-WestÖlleitung GmbH, die sich in der Hand von sechs petrochemischen Konzernen 7 befindet und die die Raffinerien ihrer Gesellschafterinnen mit Rohöl versorgt. Der Bau einer privaten Mineralölfernleitung unter Zuhilfenahme des staatlichen Zwangsmittels der Enteignung ist kein Einzelfall geblieben. So hat in Bayern durch Beschluß vom 22. 7. 1963 die Bayerische Staatsregierung die Enteignung mehrerer Grundstücke im Landkreis Neuburg a. d. Donau gemäß Art. 1 und 4 GEG für den Bau einer Leitung der Südpetrol AG von Genua nach Ingolstadt für zulässig erklärt. Weitere Beispiele finden sich bei Stengel8. Erwähnt werden muß schließlich noch eine Besonderheit: Eine niederländische Gesellschaft hatte für den Bau einer Rohölfernleitung von Rotterdam nach Köln und Gelsenkirchen die Verleihung des Enteignungsrechts beantragt. Der Antrag wurde wegen des fehlenden öffentlichen Interesses am Vorhaben abgelehnt9. Andere private Industrie-Rohrleitungen, für die enteignet wurde, dienten zum Teil dem Transport von Erdölerzeugnissen (Benzin-, Benzol- und Dieselölleitungen). Transportbedarf bestand aber auch für Flüssiggas, Wasserstoff und Azethylen 10 . Neben der Verlegung von Rohrleitungen wurde von der Verwaltung auch die Erweiterung und Neuansiedlung von Industriebetrieben im Enteignungswege ermöglicht. Bereits durch Beschluß vom 1. 6. 1950 hat die Bürgerschaft der Hansestadt Hamburg der Verwaltung die Möglichkeit an die Hand gegeben, die Erweiterung des Ebano-Asphalt-Werkes am vierten Seehafenbecken in Hamburg-Harburg durch Enteignung zu realisieren 11. Ebenfalls in Hamburg wurde im Jahre 1955 ein Gelände von ca. 728 Hektar enteignet. Die Fläche wurde zur Erweiterung der Industriehäfen und zur Ansiedlung der Klöcknerwerke ge5

Die erste Rohölfernleitung überhaupt, die im Wege der Enteignung realisiert wurde, war hingegen ein Unternehmen der öffentlichen Hand. Sie führte von Duisburg — Ruhrorter Hafen über Oberhausen — Holten nach Gelsenkirchen — Buer und wurde von der Duisburg — Ruhrorter Hafen AG betrieben, an der der Bund, das Land Nordrhein — Westfalen und die Stadt Duisburg mit je einem Drittel beteiligt sind. Vgl. Mitteilungen des Nordrhein-Westfälischen Ministeriums für Wirtschaft und Verkehr vom 29. 10. 1952 und 11. 11. 1952 (GVB1. S. 298 und 324). 6 Vgl. Anz. des Nordrhein — Westfälischen Ministeriums für Wirtschaft und Verkehr vom 15. 1. 1958 (GVB1. S. 29). 7 Dies waren die Esso AG 47,2 %, BP-AG 26,3 %, Purfina AG 8,3 %, Scholven — Chemie AG 7,7, %, Union Rheinische Braunkohlen Kraftstoff AG 6,8 %, Ruhrchemie AG 3,7 %; Angaben nach Stengel, Grundstücksenteignung zugunsten privater Wirtschaftsunternehmen, S 88. 8 Stengel, Grundstücksenteignungen zugunsten privater Wirtschaftsunternehmen, S. 88 ff. 9 Nachgewiesen bei Stengel, Grundstücksenteignung, S. 89. 10 Hamann, Enteignung von Grundstücken, BB 1957, S. 1258; Stengel, Grundstücksenteignung, S. 91 ff. h Hamburger GVB1. 1950, Teil II — Amtlicher Anzeiger, S. 383 und 447.

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5. Kap.: Analyse der bisherigen Praxis

braucht. Die Klöckner AG erhielt im Jahre 1957 das Eigentum an dem Grund übertragen, den sie für ein Stahlwerk, ein Walzwerk, Hochofenanlagen und die Umschlagplätze für acht Frachter benötigte. Wegen weiterer Fälle darf wiederum auf Stengel12 und auf Hamann 13 verwiesen werden. Ende der sechziger und im Laufe der siebziger Jahre kann der Beobachter einen deutlichen Rückgang der Enteignungsfälle feststellen. Es lassen sich kaum noch Beispielsfälle aufzeigen. Die vermuteten Ursachen dieses Phänomens sind vielschichtig. Sie reichen von rechtlichen Unsicherheiten über die Behandlung privat begünstigender Enteignungen 1 4 über mangelnde Effizienz bis zu übergroßer Schwerfälligkeit des Enteignungsinstrumentariums, dessen Handhabung für die Zwecke der freien Wirtschaft zeitlich zu langwierig sei 15 . Es mag sein, daß auch diese Gesichtspunkte durchaus eine Rolle spielten. Der wesentliche Faktor dürfte jedoch schlicht und einfach der fehlende Bedarf der Industrie gewesen sein. Das Industrie-Fernleitungsnetz hatte einen gewissen Sättigungsgrad erreicht. Wirtschaftliche Rezession und Ölkrise hatten zu einem Rückgang der Wachstumszahlen geführt. Die Zeiten ungezügelter betrieblicher Expansionen waren vorbei. Was Wirtschaft und Industrie an Gelände benötigten, konnte auf dem freien Markt besorgt werden. Betriebe, die liquidieren mußten oder gar in Konkurs gegangen waren 16 , sorgten für ein entsprechendes Angebot. Demgegenüber ist weitgehend unwahrscheinlich, daß sich die Verwaltung über die rechtlichen Möglichkeiten einer Enteignung zugunsten Privater im unklaren gewesen wäre. Im Gegenteil! Die Vollzugsbekanntmachung17 des Bayerischen Staatsministeriums des Innern zum Bayerischen Gesetz über die entschädigungspflichtige Enteignung (BayEG) 18 verdeutlicht dies. Sie enthält in der Anlage 2 das Muster eines Enteignungsbeschlusses. Darin wird Landwirtseheleuten 400 qm Feld zugunsten einer Schweröl AG enteignet, die darauf eine Pumpstation für eine Produktenleitung errichten soll. In gewisser Hinsicht stellt es eine echte Überraschung dar, daß die Oberste Baubehörde im Bayerischen Staatsministerium des Innern ausgerechnet den Ausnahmefall einer Enteignung zugunsten einer privaten Aktiengesellschaft zum Muster eines Enteignungsbeschlusses schlechthin erwählt hat. Übrigens sind bei dem abgedruckten Musterbeschluß Beispiele für konkrete Gründe des Bescheides bewußt weggelassen worden. Bemerkenswert ist schließlich noch, daß die Musterverfügung keinerlei Maßnahmen zur Sicherung des Enteignungszweckes aufweist. Lediglich in Ziffer C des Tenors ist der Aktiengesellschaft aufgegeben, das enteignete Grundstück innerhalb eines Jahres zum Bau der Pumpstation zu 12

Stengel, Grundstücksenteignung, S. 83 ff. 13 Hamann, Enteignung von Grundstücken, BB 1957, 1258 f. 14 Stengel, Grundstücksenteignung, S. 37. 15 Gaßner, Der freihändige Grundstückserwerb, S. 53 ff. 16 Gaßner, Der freihändige Grundstückserwerb, S. 57. 17 Bek. über den Vollzug des Bayer. Gesetzes über die entschädigungspflichtige Enteignung v. 14. 10. 1978 (MAB1. S. 777). ι» Bayerisches Gesetz über die entschädigungspflichtige Enteignung i.F.d. Bek. v. 25. 7. 1978 (BayRS 2141 -1-1).

Α. Die Behandlung durch die Verwaltungsbehörden

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verwenden. Was bei Nichterfüllung dieser Verpflichtung geschieht19, ist ebensowenig erkennbar, wie die beabsichtigte rechtliche Qualifizierung dieser Regelung 20 . Die oben getroffene Feststellung, daß einer Enteignung zugunsten Privater in dieser Zeit Seltenheitswert zukommt, bedarf einer wesentlichen Einschränkung: Enteignungen aus städtebaulichen Gründen wurden zu jeder Zeit durchgeführt. Im Vordergrund stehen dabei Enteignungen zur Schaffung neuer Baugebiete für Wohnsiedlungen. Wie oft jedoch ein derartiger Erwerb von hoher Hand durchgeführt wurde, ist weitgehend unerforscht. Es existieren nicht einmal umfassende Angaben darüber, in welchem Umfang Enteignungen aus städtebaulichen Gründen vorgenommen werden, geschweige denn, wie oft dies zugunsten von Privatpersonen geschieht. Die letzte einschlägige Untersuchung stammt — soweit ersichtlich — von Dieter Münch 21 und datiert aus dem Jahre 1969. Sie belegt den Ausnahmecharakter der Enteignung als Erwerbsmittel für Grundstükke. Im Zeitraum von 1953 bis 1968 wurden in 31 Städten über 50 000 Einwohner durchschnittlich 5 bis 6 Verfahren pro Jahr und Stadt durchgeführt. Davon endeten nur 19 Prozent durch endgültigen Beschluß der Enteignungsbehörde. Dies bedeutet, daß während des genannten Zeitraums in absoluten Zahlen ausgedrückt maximal 22 lediglich 657 Enteignungen in den 31 Städten über 50 000 Einwohner erfolgt sind. Weiterhin berichtet Battis 23 im Jahre 1978 von einer Umfrage des Deutschen Städtetages, die von 462 Städten beantwortet wurde. Damals liefen in 387 Gemeinden 506 Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen nach dem Städtebauförderungsgesetz. Dabei wurde die förmliche Enteignung zum Zwecke des Erwerbs von Grundstücken 17 Mal durchgeführt. Ob dies auch zugunsten Privater geschah, wird nicht mitgeteilt. Eine umfassende wissenschaftliche Untersuchung in dieser Richtung wäre durchaus von Interesse. Im Hinblick auf das vorliegende Thema verdient aus der derzeitigen Praxis ein weiterer Punkt festgehalten zu werden. Wie Korbmacher 24 berichtet, läuft In Betracht ziehen könnte man unter anderem den Widerruf der Enteignung, das Vorliegen einer auflösenden Befristung oder Bedingung, das Ergreifen von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen zur Durchsetzung der Verwendungspflicht oder gar eine analoge Anwendung der Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage entsprechend § 38 Abs. 3 VwVfG. Zum Problem vgl. weiter im 9. Kapitel. 20 Entsprechend der Formulierung, der Gestaltung und des Inhalts der Regelung wäre beispielsweise zu denken an: einen selbständigen Verwaltungsakt (auf Unterwerfung?) iVm der Festlegung einer Vollzugsfrist nach Art. 36 Abs. 1 S. 2 VwZVG = § 13 Abs. 1 S. 2 VwVG, an eine Nebenbestimmung zum Enteignungsbeschluß (Befristung, Bedingung, Auflage oder Widerrufsvorbehalt?), vielleicht sogar an die Festlegung einer vertraglichen Verpflichtung des Enteignungsbegünstigten. 21 Dieter Münch, Grundstücksenteignungen in deutschen Städten, GWW 1969, S. 323 ff. 22 Zu den notwendigen Einschränkungen des angeführten Zahlenmaterials vgl. Gaßner, Der freihändige Grunderwerb der öffentlichen Hand, 1983, S. 53. 23 Battis, Novelliertes Bundesbaugesetz und Grundgesetz, DÖV 1978, S. 113. 24 Korbmacher, Eigentums- und entschädigungsrechtlich bedeutsame Entscheidungen, DÖV 1982, S. 517 (519).

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5. Kap.: Analyse der bisherigen Praxis

die gegenwärtige Handhabung der Verwaltungsbehörden weithin darauf hinaus, daß eine Enteignung schon dann dem Wohl der Allgemeinheit entspreche, wenn sie der Durchführung eines städtebaulichen Planes diene. Dies bedeutet im Ergebnis, daß in der gegenwärtigen Rechtswirklichkeit mit dem Inkrafttreten des Planes auch die Zulässigkeit einer Enteignung feststeht. Es haben sich keinerlei Anhalts-. punkte dafür gefunden, daß dies bei Enteignungen zugunsten Privater anders gehandhabt wird. Neben Enteignungen zur Schaffung neuer Wohngebiete zeichnet sich in jüngster Zeit erneut das Bedürfnis ab, das Zwangsinstrument der Enteignung für die Ansiedlung industrieller Großvorhaben einzusetzen. Das Kraftfahrzeugprüfgelände Boxberg von Mercedes ist hierfür nur ein besonders prägnantes Beispiel. Jedoch gilt auch hier, daß zumeist der Enteignungsbeschluß gar nicht erst erlassen werden muß, vielmehr vorher bereits eine gütliche Einigung zustande kommt. Dies liegt nicht nur an der ungenügenden Ausgestaltung der Enteignungsgesetze25. Der vertragliche Landerwerb ist nämlich auch für einen privaten Interessenten regelmäßig der schnellste und kostengünstigste Weg zur Inanspruchnahme der erforderlichen Flächen 26 . Hinzu kommt das „Odium des Zwangs" 27 , das auf dem Antragsteller der Enteignung lastet und gerade auch eine Privatperson über den hoheitlichen Erwerbsakt hinaus weiter verfolgt. Handelt es sich dabei um private Industrie- oder Wirtschaftsbetriebe, wird der entsprechende Ansehensverlust in der Bevölkerung wohlweislich nur ungern in Kauf genommen28 — ein Aspekt übrigens, der durchaus im Sinne unserer Verfassung mit dazu beiträgt, eine Enteignung zugunsten Privater zum letztmöglichen Mittel zu machen. Im übrigen reicht auch bei industriellen Großvorhaben oft bereits die Möglichkeit einer Enteignung, gütlichen Erwerbsverhandlungen zwischen dem privaten Eigentümer und dem privaten Interessenten mit zum Erfolg zu verhelfen. Das Damokles-Schwert potentieller Enteignung enfaltet faktischen Zwang, der nicht unterschätzt werden darf, die Bereitschaft zum Verkauf steigert und die Vertragsverhandlungen lediglich zum Poker über den Kaufpreis werden läßt. Die Vorgänge um die Ansiedlung des BMW-Werks in Regensburg-Harting legen hierfür ein beredtes Zeugnis ab 29 . Trotz des Fehlens gesicherten Zahlenmaterials läßt sich unter entsprechendem Vorbehalt nach all dem feststellen, daß die Verwaltungspraxis bereit ist, auch zugunsten Privater zu enteignen.

25 Zinkahn, in: Ernst / Bielenberg, BBauG, Einl. Rdnr. 63. 26 So auch für die Verwaltung: Engler, Verwaltung und Bürger, 1976, S. 39. 27 Dittus, in: Dittus / Zinkahn, StBauFG, § 27 Anm. 1. 28 Daß dieser Gesichtspunkt durchaus eine Rolle spielt, bestätigen die Gespräche des Verfassers mit der BMW-Zentralverwaltung, München. 29 Die von BMW benötigten Grundstücke wurden zunächst von der Stadt Regensburg erworben und sodann an das Automobilwerk weiterveräußert. Der Oberbürgermeister der Stadt Regensburg hatte während der laufenden Grundstücksverhandlungen in Pressegesprächen verlautbaren lassen, daß an eine Enteignung zur Ansiedlung des Automobilwerkes derzeit nicht gedacht sei (vgl. Regensburger Wochenblatt, 1982. Nr. 38). Dies konnte eigentlich nur als taktisch geschickter Wink mit dem Zaunpfahl gedeutet werden.

Β. Rechtsprechung über die Enteignung zugunsten Privater

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B. Rechtsprechung über die Enteignung zugunsten Privater I. Zivilgerichte Die Rechtsprechung der Zivilgerichte fand schon sehr früh Gelegenheit, sich mit Problemen der Enteignung zugunsten Privater zu beschäftigen. Bereits dem Urteil des Reichsgerichts vom 13. 12. 1924 lag dieser Fragenkreis zugrunde 30: § 199 des Anhaltischen Berggesetzes31 erhob von den Bergwerksbetreibern der Braunkohlengruben eine Kohlenrente zugunsten der Grundeigentümer. Durch Gesetz vom 27. 3. 1920 wurde dies geändert 32. Das Reichsgericht kam zu dem Ergebnis, daß die Herabsetzung der Kohlenrente in ihrer für den Bergbautreibenden unmittelbar befreienden Auswirkung von den Vorinstanzen ohne Rechtsverstoß als Enteignung des Grundeigentümers zugunsten des Bergbautreibenden angesehen worden sei. Nur drei Monate spater hatte sich dann das OLG Jena mit einem geradezu modern anmutenden Fall zu beschäftigen 33. Der Eigentümer eines Mühlgrabens wurde zugunsten eines Sägewerksbesitzers enteignet, der die Wasserkraft des Mühlgrabens nutzte. Das thüringische Staatsministerium hatte für die Enteignung das Wohl der Allgemeinheit bejaht. Als Begründung hatte es angenommen, daß der Unternehmer den Mühlgraben für den ordnungsgemäßen Betrieb seines Sägewerkes benötigte und andernfalls 200 Arbeitsplätze gefährdet wären. Ob dies zur Bejahung des Wohls der Allgemeinheit ausreicht, hatte nach Ansicht des OLG Jena allein die Verwaltungsbehörde zu entscheiden. Das Gericht hat aber nachgeprüft, ob nach Art. 153 Weimarer Reichsverfassung eine Enteignung zugunsten eines rein privaten Unternehmens überhaupt zulässig ist. Der Streitstand in der damaligen Literatur wurde dargelegt, die Regelung der Weimarer Reichsverfassung mit anderen Konstitutionen verglichen und unter Berücksichtigung des mutmaßlichen Willens des Verfassungsgebers die Frage im Ergebnis bejaht. Zweifel meldete das Gericht lediglich im Hinblick auf die Tatsache an, daß das private Unternehmen weder in zeitlicher noch in sachlicher Hinsicht Verpflichtungen zur Förderung des Allgemeinwohls übernommen hatte. Jedoch auch diese Frage stand nach Ansicht des Gerichts im Ermessen der Verwaltungsbehörde. Nachdem das OLG ferner keinen Verstoß gegen das Willkürverbot feststellen konnte und auch nicht erkennen konnte, daß das Gemeinwohl nur als Deckmantel benutzt worden wäre, hat es die Enteignung zugunsten Privater mit seinem Urteil zugelassen. Losgelöst von den aufgezeigten Fällen, in denen um eine konkrete Enteignung zugunsten Privater vor Gericht gestritten wurde, nahm das Reichsgericht schließlich in ständiger Rechtsprechung eine Enteignung im Sinne des Art. 153 Weimarer Reichsverfassung an, wenn „durch 30 RG, Urt. v. 13. 12. 1924, RGZ 109, 310. 31 Anhaltisches Berggesetz in der Fassung vom 20. 4. 1906, Anhalt. Gesetz-Sammlung Nr. 1236, Bd. 18, S. 543. 32 Gesetz vom 27. 3. 1920, Anhlt. Gesetz-Sammlung Nr. 6, S. 47. 33 OLG Jena, Urt. v. 20. 3. 1925 - 2 U 1085/24, JW 1926, 1476. 4 Schmidbauer

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5. Kap.: Analyse der bisherigen Praxis

einen staatlichen Hoheitsakt, der sich gegen eine bestimmte Person oder einen bestimmten begrenzten Personenkreis richtet, ein subjektives Recht zugunsten eines Dritten entzogen oder beschränkt wird" 3 4 . Ebenso hat das Reichsgericht schließlich in gefestiger Rechtsprechung angenommen, daß im Falle einer Enteignung oder Aufopferung derjenige zur Entschädigung verpflichtet sei, in dessen Interesse die Enteignung oder Aufopferung von Rechten erfolgt ist 35 . Dies gilt nach seiner Rechtsprechung gerade auch für den Fall, daß der Begünstigte der Enteignung eine Privatperson ist 3 6 . Diese Rechtsprechung hat der Bundesgerichtshof ohne Einschränkungen übernommen. Er wendet den Grundsatz, daß für die Entschädigung der unmittelbar Begünstigte und nicht die eingreifende Körperschaft haftet, auf Ansprüche wegen Enteignung ganz allgemein an. Jedoch richtet sich der Anspruch stets gegen die öffentliche Hand 37 . Auch in der sonstigen Rechtsprechung des BGH finden sich keine Anhaltspunkte, daß das Gericht eine Enteignung zugunsten Privater in Frage stellen oder gar mißbilligen wollte. So hat der BGH durch Urteil vom 29. 1. 1968 über die Entschädigung bei einer Enteignung zugunsten einer privaten Wohnungsbaugesellschaft entschieden38. Im Urteil vom 16. 12. 1982 hatte der BGH die Zulässigkeit einer Enteignung zugunsten einer kirchlichen Stiftung zu prüfen 39 . Der Tatsache, daß der Begünstigte der Enteignung weder der Staat noch eine Kommune gewesen war, hat das Gericht dabei keinerlei Bedeutung beigemessen. Es hat den Enteignungsbeschluß vielmehr alleine deswegen aufgehoben, weil die mit der Enteignung bezweckte Nutzung mit dem zugrundeliegenden Bebauungsplan nicht übereinstimmte. Derselbe Befund gilt für die Rechtsprechung der Obergerichte in Zivilsachen. So hat beispielsweise das Bayerische Oberlandesgericht 40 im Jahre 1975 die Enteignung des Freistaates Bayern zugunsten eines Überlandwerkes in der Rechtsform einer AG zur Erstellung eines Umspannwerkes für entschädigungspflichtig erklärt.

34 RGZ 109, 310 (319); 111, 123 (130); 129, 146 (148), 135, 308 (311). 35 RGZ 112, 95 (98); 118, 22(26). 36 RG, Urt. v.27. 2. 1932, RGZ 135, 308 (311). 37 Vgl. zB BGHZ 10, 255 (263); 11, 248; 23, 157 (169); weitere Nachweise aus der Rspr. bei Kröner, Eigentumsgarantie in der Rechtsprechung des Bundesgerichthofes, S. 140. 38 BGH, Urt.v. 29. 1. 1968, NJW 1968, S. 892. 39 BGH, Urt. v. 16. 12. 1982, BayVBl. 1983, S. 572. 40 BayObLG, Urt. v. 20. 2. 1975, BayVBl. 1975, S. 305 = NJW 1975, S. 1128 (abgedruckt ohne Sachverhalt). Die AG dürfte freilich kein Privater iSd vorliegenden Arbeit sein (vgl. 2. Kap., Fn. 30). Das BayObLG hat übrigens die Frage, ob sich der Freistaat Bayern zum Schutz vor der begünstigten Aktiengesellschaft auf Art. 14 GG berufen könne, offen gelassen ( Vgl. auch Ruland, Eigentumsschutz für Hoheitsträger?, BayVBl. 1979, S. 746 ff). Sie ist zu verneinen ( Vgl. BVerfG, Urt. v. 8. 7. 1982, BVerfGE 61,

82 ).

Β. Rechtsprechung über die Enteignung zugunsten Privater

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II. Badischer Staatsgerichtshof Der Badische Staatsgerichtshof hat in seinem Urteil vom 3. 7. 1950 41 einen der ganz seltenen Versuche der Rechtsprechung unternommen, das Wohl der Allgemeinheit als Enteignungsvoraussetzung positiv zu bestimmen. An dieser Stelle 42 ist bemerkenswert, daß der Gerichtshof dabei ausführt, die Enteignung dürfe keinesfalls zum Vorteil bloßer Privatinteressen erfolgen.

III. Bundesverwaltungsgericht Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum vorliegenden Problemkreis ist selten. Dies mag darauf zurückzuführen sein, daß sich das höchste deutsche Verwaltungsgericht bereits sehr früh eindeutig festgelegt hat. Bereits am 8. 12. 1953 hat es nämlich in einem seiner ersten Urteile 43 entschieden: „Denn auch bei einer förmlichen Enteignung kann nicht etwa allein deswegen, weil das Eigentum auf eine private Rechtsperson übertragen wird, bestritten werden, daß sie dem Wohl der Allgemeinheit dient". Dem Urteil lag ein Verteilungsplan zugrunde, der sich auf das Gesetz über den Aufbau der Städte und Dörfer des Landes Hessen vom 25. Oktober 1948 (GVB1 S. 139) stützte. Für das Bundesverwaltungsgericht war dabei die eben zitierte Feststellung so selbstverständlich, daß es sie weder begründet noch hierfür Belege aus Rechtsprechung oder Literatur angeführt hat. Dies läßt sich vielleicht auch mit der Tatsache erklären, daß es um den dringend notwendigen Wiederaufbau eines zerstörten Stadtteils in der Nachkriegszeit ging. Diese Entscheidung ist insofern bezeichnend, als sich entgegen häufiger Klagen der Verwaltungspraxis nirgends Gerichtsurteile finden lassen, die das Wohl der Allgemeinheit im konkreten Fall in Frage gestellt hätten.

IV. Bundesverfassungsgericht Sieht man die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auf ihre Aussagen zur Zulässigkeit einer Enteignung zugunsten Privater durch, so ist der Befund nicht gerade ergiebig. Mit Ausnahme der oben erwähnten 44 Entscheidungen zur Bad Dürkheimer Gondelbahn und zum Kraftfahrzeugprüfgelände Boxberg hatte das höchste deutsche Gericht bisher noch keine Gelegenheit, hierzu ausdrücklich Stellung zu nehmen. Ansonsten läßt sich zum vorliegenden Thema höchstens Bad. Staatsgerichtshof, Urt. v. 3. 7. 1950, VerwRspr.. Bd. 2 (1950), S. 411 ff; Nähere inhaltliche Auseinandersetzung mit den Aussagen des Gerichts im 7. Kap. C. II. 43 BVerwG, Urt. v. 8. 12. 1953, BVerwGE 1, 42 ff. 44 Oben 1. Kapitel, Fn. 13 und 15. 42

4*

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5. Kap.: Analyse der bisherigen Praxis

in einzelnen Urteilen ein obiter dictum finden. Bei der Bewertung solcher beiläufiger Feststellungen ist aber Vorsicht geboten. Sie sollte stets zurückhaltend erfolgen. Im sogenannten Feldmühleurteil des Bundesverfassungsgerichts 45 kann man beispielsweise lesen, daß eine Enteignung stets vom Staat oder doch von dem mit staatlichen Zwangsrechten beliehenen Unternehmer ausgehen muß. Dies bedeutet weder eine generelle Bejahung noch eine generelle Verneinung der Zulässigkeit einer Enteignung zugunsten Privater. Das Bundesverfassungsgericht schien vielmehr bereits in der früheren Rechtsprechung eine Enteignung zugunsten Privater nicht prinzipiell für verfassungswidrig zu halten. Denn anläßlich der Novellierung des Urheberrechts hatte es die Frage zu entscheiden46, welche Bedeutung der Eigentumsgarantie zukommt, wenn der Gesetzgeber eine alte gesetzliche Regelung durch eine neue Normierung ablöst und hierbei nach dem alten Recht rechtmäßig erworbene Rechte durch neue Rechte ersetzt. Im Ergebnis ordnete die Gesetzesnovelle durch die Verkürzung der Urheberrechtsdauer eine Rechtsschmälerung zugunsten Privater an. Dabei hat das BVerfG auch erwogen, ob es sich hierbei um eine Enteignungsmaßnahme zugunsten Privater handelt.Da es im Ergebnis aber eine Inhaltsbindung im Sinne des Art. 14 Abs.l S. 2 GG angenommen hat, lassen sich aus der Entscheidung keine weiteren Folgerungen ziehen.

C. Enteignungsvorhaben zugunsten Privater im Meinungsbild der Literatur Schließlich soll noch ein geraffter Überblick über die bisherige literarische Auseinandersetzung mit dem aufgeworfenen Problemkreis gegeben werden. Dabei liegt der Schwerpunkt der Untersuchung auf der Frage, ob und in welcher Richtung die Literatur versucht hat, die Praxis zu beeinflussen. Vorab können kurze neuere Beiträge ausgeschieden werden, die von Fromm 47 und Breuer 48 bzw. von Grämlich 49 und von Brünneck 50 im Zusammenhang mit den verwaltungsgerichtlichen Auseinandersetzungen um die Bad Dürkheimer Gondelbahn und das Boxberger Kraftfahrzeugprüfgelände erschienen sind. Auf sie wird im Laufe der Arbeit noch zurückzukommen sein. Die sonstige Literatur läßt sich in drei Kategorien einteilen. Zur ersten gehören umfassendere Untersuchungen. 45 BVerfG, Urt. v. 7. 8. 1962, BVerfGE 14, 263 (277) — Feldmühle. 46 BVerfG, Beschl. v. 8. 7. 1971, BVerfGE 31, 275 (289 ff). 47 Fromm, Bad Dürkheimer Gondelbahn, in: Willi Blümel (Hrsg.), Aktuelle Probleme des Enteignungsrechts, 1982, S. 101 ff. 48 Breuer, Anmerkung zum Urt. des BVerfG v. 10. 3. 1981, DVB1. 1981, S. 971 ff. 49 Grämlich, „Privatbegünstigende" Enteignung als Verfassungsproblem, JZ 1986, S. 269 ff; ders., Unternehmen Prüfgelände, VerwArchiv 1986, S. 219 ff; ders., Unternehmensflurbereinigung, UPR 1986/5, S. 161 ff. 50 Alexander v.Brünneck, Eigentumsgarantie des Grundgesetzes, 1984; ders., Wohl der Allgemeinheit als Voraussetzung der Enteignung, NVwZ 1986, S. 425 ff.

D. Gesetzliche Regelungen einer Enteignung zugunsten Privater

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Ihnen allen ist gemeinsam, daß sie die Verfassungsmäßigkeit einer Enteignung zugunsten Privater im Grundsatz bejahen, zu Einzelfragen aber durchaus kritische Standpunkte, die auf eine restriktive Anwendung hinauslaufen, einnehmen. Hierzu zählen die Antrittsvorlesung von Bullinger 51 , sowie die Promotionen von Stengel52, Stummer 53 , Frenzel 54 und Frey 55 . Die zweite Gruppe besteht aus Abhandlungen, die zumeist eine Enteignung zugunsten Privater ohne Einschränkungen bejahen. Beispielhaft hierfür seien die Beiträge von Hamann 56 und Haberkorn 57 genannt. Beim Großteil der Literatur wird eine Enteignung zugunsten Privater überhaupt nicht problematisiert. Als bezeichnend hierfür sei die Kommentierung des § 113 BBauG von Dyong 58 genannt. Dort wird der Musterbescheid aus der Vollzugsbekanntmachung zum Bayerischen Enteignungsgesetz59, der eine privatbegünstigende Enteignung enthält, kommentarlos für das Bundesbaugesetz übernommen.

D. Gesetzliche Regelungen einer Enteignung zugunsten Privater Das Vorhaben, alle gesetzlichen Regelungen, die eine Enteignung zugunsten Privater ermöglichen, zusammenzustellen, sieht sich der Schwierigkeit der völligen Rechtszersplitterung bei den geltenden Enteignungsgesetzen gegenüber 60. Für den weiteren Verlauf der Arbeit kann jedoch nicht darauf verzichtet werden, hier zumindest einige wesentliche gesetzliche Normierungen privatbegünstigender Enteignungszwecke anzuführen. Dabei läßt sich unterscheiden: Zunächst kann man Gesetze feststellen, die Erschließungs- und Verkehrsbedürfnissen Rechnung tragen wollen und eine entsprechende Betätigungsmöglichkeit auch einem Privaten notfalls im Enteignungswege eröffnen möchten. Hier51 Bullinger, Enteignung zugunsten Privater, in: Der Staat, Bd. 1, 1962, S. 449 ff. 52 Stengel, Grundstücksenteignung zugunsten privater Wirtschaftsunternehmen, 1967. 53 Stummer, Die öffentliche Zweckbindung der enteigneten Sache, 1967. 54 Frenzel, Das öffentliche Interesse als Voraussetzung der Enteignung, 1978, Schriften zum öffentl. Recht, Bd. 354. 55 Frey, Die Verfassungsmäßigkeit der transitorichen Enteignung, 1983, Schriften zum öffentl. Recht, Bd. 455. 56 Hamann, Enteignung von Grundstücken zu Gunsten größerer industrieller Vorhaben, BB 1957, S. 1258. 57 Haberkorn, Enteignung zugunsten privater Industrieunternehmen, SKS 1961, S. 170. 58 Dyong, in: Emst / Zinkahn, BBauG, Stand April 1984, § 113 Rdnr. 7. 59 Vollzug des Bayerischen Gesetzes über die entschädigungspflichtige Enteignung, IMBek. v. 14. 10. 1978 Nr.II Β 6-9098 f. 74, MAB1. 1978, 777 ff. 60 Obermayer, Reform des Enteignungsrechtes — unter Berücksichtigung der Enteignung für Zwecke des Straßenbaues, in: Bundesminister für Verkehr (Hrsg.), Forschung, Straßenbau und Verkehrstechnik, 1977, Heft 234, S. 2.

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5. Kap.: Analyse der bisherigen Praxis

zu zählt das Personenbeförderungsgesetz 61, das Luftverkehrsgesetz 62 und das Bundesbahngesetz63. Eine zweite Gruppe an Gesetzen dient der Errichtung neuer Wohnsiedlungen. Dabei können das Baugesetzbuch64, das frühere Städtebauförderungsgesetz 65, das Reichssiedlungsgesetz66 und das Reichsheimstättengesetz67 genannt werden. Die letzte große Gruppe schließlich steht im Zusammenhang mit der Bodenplanung und hält für eine Planrealisierung durch einen Privaten die Möglichkeit einer Enteignung offen. Dabei handelt es sich um das Flurbereinigungsgesetz 68 und vor allem wieder um das Baugesetzbuch69.

61 § 31 Personenbeförderungsgesetz (PBefG) v. 31. 3. 1961, BGBl. III 9240-1. 62 § 28 Luftverkehrsgesetz (LuftVG) i.d.F.d. Bekanntmachung v. 14. 1. 1981 (BGBl. I S. 61). 63 § 37 Bundesbahngesetz (BundesbahnG) v. 13. 12. 1951 (BGBl. III 931-1). 64 §§ 85 ff Baugesetzbuch (BauGB) i.d.F.d. Bekanntmachung vom 8. 12. 1986, BGBl. I S. 2191. 65 § 22 Städtebauförderungsgesetz (StBauFG) i.d.F.d. Bekanntmachung v. 18. 8. 1976 (BGBl. III 213-13) abgelöst durch §§ 136 ff BauGB. 66 Reichssiedlungsgesetz (ReichssiedlungsG) v. 11. 8. 1919 (RGBl. S. 1429). 67 § 28 Reichsheimstättengesetz (RHeimstG) i.d.F.d. Bekanntmachung v. 25. 11. 1937 (RGBl. I S. 1291). 68 §§ 87 ff Rurbereinigungsgesetz (FlurbG) i.d.F.d. Bekanntmachung v. 16. 3. 1976 (BGBl. II 7815-1). 69 Siehe Fußnote 64.

. Kapitel

Formelle Anforderungen an eine Enteignung zugunsten Privater Der soeben festgestellte verhältnismäßig bescheidene Befund an gesetzlichen Regelungen für privatbegünstigende Enteignungen wirft die Frage auf, welche formellen Anforderungen an eine Enteignung zugunsten Privater zu stellen sind. Die Bestimmung formeller Erfordernisse zählt keineswegs zu den Randproblemen dieser rechtlichen Erscheinung. Es wird sich zeigen, daß so mancher Autor auf der Suche nach befriedigenden Ergebnissen vor vielen Jahrzehnten ebenso wie heute auf formellem Gebiet schlechthin die Lösung der aufgeworfenen Probleme sah. Formelle Forderungen jedoch sind in verschiedene Richtungen hin denkbar.

A. Gesetzesvorbehalt bei privatbegünstigender Enteignung Im Mittelpunkt aller Betrachtungen steht dabei selbstverständlich zunächst der Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes. Das BVerfG leitet ihn aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG und aus dem Demokratieprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG her 1 . Dabei besteht im Ausgangspunkt Einigkeit über die Tragweite des Gesetzesvorbehalts auch im Rahmen des Enteignungsrechts. Zu seiner inhaltlichen Bestimmung hat das Bundesverfassungsgericht die Wesentlichkeitstheorie entwikkelt. Danach ist der Gesetzgeber verpflichtet, in grundlegenden normativen Bereichen, zumal im Bereich der Grundrechtsausübung, soweit diese staatlicher Regelung zugänglich ist, alle wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen 2. Dies gilt besonders bei Eingriffen in Freiheit und Eigentum. Abgesehen von Eingriffen in die persönliche Freiheit stellt der hoheitliche Zwangsentzug des Eigentums im Wege der Enteignung den schärfsten Eingriff dar. Nicht von ungefähr schreibt daher Art. 14 Abs. 3 S. 2 GG den Vorbehalt des Gesetzes für die Enteignung ausdrücklich vor. Die Grundrechtsvorschrift verschafft ihm dabei in dreifacher Weise Geltung. Erstens fordert sie ein gesetzlich geordnetes Enteignungsverfahren. Zweitens gilt das Erfordernis der gesetzlichen ι BVerfGE 40, 248 ff; 47, 78 ff; 49, 126 ff. 2 BVerfG, Beschl. v. 8. 8. 1978, BVerfGE 49, 89 (126) -Kalkar-.

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6. Kap.: Formelle Forderungen bei Enteignung zugunsten Privater

Regelung für die Vornahme des Eingriffs selbst. Und drittens bedarf es auch einer gesetzlichen Entschädigungsregelung 3. Die Anforderungen auf den Ebenen eins und drei sind dabei heute weitgehend unproblematisch. Umstritten sind Umfang und Tragweite des Gesetzesvorbehalts jedoch hinsichtlich des Enteignungseingriffs selbst. Die rechtswissenschaftlichen Differenzen entzünden sich dabei an der Frage, wie bestimmt das zugrundeliegende Gesetz sein muß. Bei der Untersuchung dieses Problems stellt sich bald die Erkenntnis ein, daß es eine pauschale Lösungsformel nicht gibt. Vielmehr ist nach dem Regelungsgegenstand zu differenzieren. Die gesetzlichen Bestimmungen können den Enteignungszweck, die sachlichen Enteignungsvoraussetzungen, die Sicherung des Wohls der Allgemeinheit und den Personenkreis der Enteignungsbegünstigten festlegen. Je nach Regelungsziel schwanken auch die Anforderungen an das Gesetz. Und je nach dem, auf was sich der Vorbehalt des Gesetzes bezieht, lassen sich hierzu mehr oder weniger gesicherte Aussagen treffen. Hinzu kommt, daß das BVerfG im Teststreckenurteil 4 teilweise seine gefestigte Rechtsprechung zur Festlegung des Enteignungszweckes bestätigt und präzisiert, teilweise aber auch unnötige Verwirrung im gesamten Fragenkomplex gestiftet hat.

B. Gesetzliche Fixierung des Enteignungszweckes Der Streit um die Frage, auf welche Art und Weise der Gesetzgeber im Rahmen eines formellen Gesetzes den Enteignungszweck regeln muß, hat Tradition. Bereits Titel IV § 8 der Verfassung für das Königreich Bayern vom 26. 5. 1815, Art. 9 der Preußischen Verfassung vom 31.1. 1850 und die übrigen vergleichbaren Landeskonstitutionen der damaligen Zeit stellten nämlich den einfachen Gesetzgeber vor die selben Probleme 5. Dabei wurde von Anfang an die Lösung auf drei verschiedenen Wegen gesucht.

3 Papier, Zum Schicksal des enteignungsgleichen Engriffs, NVwZ 1983, 258 (259). 4 BVerfG, Urt. v. 24. 3. 1987 - 1 BvR 1046/85 - S. 30, BVerfGE 74, 264 (286) = NJW 1987, 1251. 5 Beispiele für Landeskonstitutionen: Titel IV § 8 der Verfassungsurkunde für das Königreich Bayern vom 26. 5. 1818, Bay.Gesetzblatt 1818, 101; Art 9 der Preußischen Verfassung vom 31. 1. 1850; § 13 der Verfassungsurkunde für das Großherzogtum Baden vom 22. 8. 1818, Staats- und Regierungsblatt 1818, 101; § 30 der Verfassungsurkunde für das Königreich Württemberg vom 25. 9. 1819, Staats- und Regierungsblatt 1819, 634; Art. 27 der Verfassungsurkunde für das Großherzogtum Hessen vom 17. 12. 1820, Hessisches Regierungsblatt 1820, 535; § 32 der Verfassungsurkunde für das Kurfürstentum Hessen vom 5. 1. 1831, Gesetz- und Verordnungssammlung 1831, 1; § 31 der Verfassungsurkunde für das Königreich Sachsen vom 4. 9. 1831, Sächsische Gesetzessammlung 1831, 241.

Β. Gesetzliche Fixierung des Enteignungszweckes

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I. Die drei denkbaren Lösungswege Denkbar war zum einen, jeden Enteignungsfall spezialgesetzlich zu regeln. Dies wurde von Scheicher 6 für kleinere Staatengebilde, wie die freien Städte Hamburg, Bremen und Lübeck für angemessen erachtet. Denn dort waren die vorkommenden Enteignungsfälle zahlenmäßig gering. In den Flächenstaaten aber hätte dies zu einer Überlastung der Legislativorgane geführt, in deren Folge eine sachgerechte und rasche Entscheidung über die einzelnen Enteignungsfälle nicht mehr gewährleistet gewesen wäre. Die bayerische Enteignungsgesetzgebung schlug daher einen anderen Weg ein. Das bayerische Zwangsabtretungsgesetz (ZAG) vom 17. 11. 1837 bezeichnete abschließend enumerativ die Kategorien von Unternehmungen, bei denen eine Enteignung zulässig war. Dieser Lösungsweg barg den Nachteil in sich, daß die Rechtsstaatlichkeit des Verfahrens mit mangelnder Flexibilität der Regelungen über die möglichen Enteignungszwecke erkauft werden mußte7. Die überwiegende Zahl der in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ergangenen Enteignungsgesetze8 suchte daher die Lösung in einer dritten Variante. Sie postulierten in einer enteignungsrechtlichen Generalklausel das Allgemeinwohl als Enteignungsvoraussetzung, das von einem im Gesetz benannten obersten staatlichen Organ zu konkretisieren war. Damit war im Grundsatz die Festlegung der möglichen Zwecke für eine Enteignung der Exekutive übertragen 9.

I I . Heute geltende gesetzliche Regelungen Aus der oben durchgeführten Bestandsaufnahme 10 läßt sich unschwer erkennen, daß der Gesetzgeber unserer Tage der dritten Variante folgt. Eine gesetzliche Fixierung denkbarer Enteignungszwecke kommt derzeit nur in zwei Fallgestaltungen vor. Entweder ist die Zulässigkeit einer Enteignung in Fachgesetzen für die jeweilige spezifische Materie geregelt 11. Dabei wird meist die Generalklausel „Wohl 6

Scheicher, Das Enteignungsgesetz für das Königreich Sachsen v. 24. 6. 1902, S. 56. Henle, Zwangsenteignung von Grundeigentum, S. 74, wonach jede Ausdehnung oder Analogie unzulässig ist. s Frenzel, Herkunft und Entwicklung des rechtsstaatlichen Verfahrensgedankens am Beispiel des Enteignungsrechts, Der Staat 1979, 604; Eger, Das Gesetz über die Enteignung von Grundeigentum v. 11. 6. 1874, 1. Bd., S. 3 ff und 46 ff. 9 Lay er, Principien des Enteignungsrechts, S. 179. 10 Siehe oben 5. Kapitel. π Z.B. §§ 85 ff BauGB; § 19 FStrG; § 28 Abs. 1 LuftVG. Die zuletzt genannte Vorschrift wurde vom BVerfG nunmehr ausdrücklich als verfassungsmäßige Regelung der Enteignungszwecke anerkannt, vgl. BVerfG, Beschl. v. 9. 6. 1987, DVB1. 1987, 895 (896). 7

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6. Kap.: Formelle Forderungen bei Enteignung zugunsten Privater

der Allgemeinheit" als Enteignungvoraussetzung wiederholt 12 . Eine ausdrückliche Spezifizierung erfolgt selten 13 , höchstens lassen sich aus der gesetzlich übertragenen Aufgabenstellung Einschränkungen herleiten 14 . In der zweiten Erscheinungsform werden die allgemeinen Enteignungsgesetze der Länder zur Anwendung gebracht 15. Diese enthalten regelmäßig eine Generalklausel der Art, daß enteignet werden könne, um Vorhaben zu verwirklichen, die dem Wohl der Allgemeinheit dienen. Zumeist schließt sich noch eine Aufzählung von Regelbeispielen denkbarer Enteignungszwecke an 16 . Fast ausnahmslos sind es diese Generalklauseln, auf die die Exekutive die Enteignung für private Vorhaben stützt. Es gibt heute keine Gesetze, die nach ihrem ausdrücklichen Wortlaut eine Enteignung zur Ansiedlung von Industrieunternehmungen oder anderer vergleichbarer Vorhabensträger gestatten17. Demgemäß stellt sich auch die Vollzugsbekanntmachung zum bayerischen Enteignungsgesetz 1 8 expressis verbis auf den Standpunkt, daß nach der Generalklausel auch zugunsten privater Träger eines Vorhabens enteignet werden kann.

III. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Generalklausel in den Enteignungsgesetzen Von Anfang an haben Teile der rechtswissenschaftlichen Literatur Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit von derartigen enteignungsrechtlichen Generalklauseln auf der Ebene des einfachen Gesetzes angemeldet. Die Argumente hierfür sind gewichtig und vielfältig. Gerade der intensivste Eingriff in das Eigentum, nämlich sein Entzug von hoher Hand, werde durch die Generalklausel in das Belieben der Verwaltungsbehörden gestellt. Die völlige Schrankenlosigkeit dieses Eingriffsrechts, dem jegliche Begrenzung fehle, stellt einen wesentlichen Vorwurf der Literatur 19 dar. Und in der Tat verliert dadurch das staatliche Handeln an Meßbarkeit und Vorhersehbarkeit. Scheinbar ist es der Verwaltung erlaubt, in freier und unabhängiger Selbständigkeit neue Enteignungszwecke zu erfinden. Gerade die inhaltliche Unbestimmtheit und Unbestimmbarkeit einer solchen generellen Ermächtigung führt zumindest nahe an die Grenzen, die 12 Z.B. § 87 Abs. 1 BauGB. 13 Rudimentäre Ansätze in § 85 Abs. 1 BauGB. 14 § 19 Abs. 1 FStrG. ι 5 Bayerisches Gesetz über die entschädigungspflichtige Enteignung, (BayEG) i.d.F.d.Bek. v. 25. 7. 1978 (BayRS 2141-1-1). 16 Art. 1 S. 2 BayEG. 17 Grämlich, Die Unternehmensflurbereinigung — ein Mittel zur Verwirklichung städtebaulicher Maßnahmen?, UPR 1986, S. 166. is Bek. über den Vollzug des Bayer. Gesetzes über die entschädigungspflichtige Enteignung v. 14. 10. 1978 (MAB1. S. 777). 19 Obermayer, Verfassungswidriges Enteignungsrecht, BayVBl. 1971, 209 (211).

Β. Gesetzliche Fixierung des Enteignungszweckes

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unsere Verfassung mit dem Rechtsstaatsprinzip jeglichem staatlichen Handeln zieht. Nach Ansicht eines Großteils der Literatur werden sie sogar unzulässigerweise überschritten 20. Noch unter einem anderen Aspekt wird der Vorwurf der Verfassungswidrigkeit erhoben. Die Festlegung von Enteignungszwecken generell der Verwaltung zu überlassen, bedeute einen verfassungsrechtlich unzulässigen Verzicht des Gesetzgebers auf seine parlamentarische Leitungs- und Lenkungsfunktion 21. Der Gesetzgeber begibt sich nach dieser Ansicht ohne Notwendigkeit und ohne verfassungsrechtliche Rechtfertigung seiner Macht und stehle sich gleichsam aus seinem Auftrag davon, den ihm das Grundgesetz aufgebürdet habe. Und in der Tat steht das zur Kontrolle staatlicher Macht von der Verfassung festgeschriebene Gewaltenteilungsprinzip nicht zur Disposition der Legislative. Aus all diesen Gründen fällt die nunmehr herrschende Meinung in der Literatur das Urteil der Verfassungswidrigkeit über die Vorschriften, die in generalklauselartiger Weise eine Enteignung allein zum Wohle der Allgemeinheit zulassen22. Eine Enteignung setze danach einen gesetzlich spezifizierten Zweck voraus.

IV. Folgerungen des Bundesverfassungsgerichts aus Art. 14 Abs. 3 Satz 2 GG Bei einer derart massiven Kritik aus der Literartur war ein klärendes Wort des BVerfG notwendig. Es ist auch keineswegs ausgeblieben. Anhand seiner Rechtsprechung läßt sich die dargestellte Praxis von Gesetzgebung und Verwaltung auf ihre Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz überprüfen. Hierzu hat das BVerfG spätestens23 in seinem Urteil vom 10. 3. 1981 Ausführungen von grundsätzlicher Bedeutung gemacht24. Art. 14 Abs. 3 S. 2 GG gebe dem Gesetzgeber auf, aus dem vielfältigen Bereich der Gemeinwohlaufgaben diejenigen Sachgebiete auszuwählen, für die er die zwangsweise Verwirklichung durch Enteignung zulassen oder anordnen wolle. Allein dem parlamentarisch-demokratischen Gesetzgeber sei es nach dem Sinn und Kompetenzgefüge des Grundgesetzes vorbehalten, die eine Enteignung legitimierenden Gemeinwohlaufgaben zu bestimmen und die hierbei erforderlichen Rechtsvorschriften zu erlassen. Dem entspreche es, wenn in den Gesetzen bestimmt werde, für welche Vorhaben unter welchen Voraussetzungen und für welche Zwecke eine Enteignung zulässig sein soll. Weder die staatliche noch die kommunale Verwaltung könne anstelle des Gesetz20

Obermayer, a.a.O.; Scharf, Zur Verfassungsmäßigkeit von Enteignungsnormen, BayVBl. 1965, 331 (333) m.w.N.. 21 Jesch, Gesetz und Verwaltung, 1968, S. 227. 22 Rittstieg, in: AK zum GG, Art. 14 Rdnr. 195; Leibholz / Rinck, GG, Art. 14 Anm.

16.

23 Genauer siehe unten 6. Kap. Β. V. 24 BVerfG, Urt. v. 10. 3. 1981, BVerfGE 56, 249.

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6. Kap.: Formelle Forderungen bei Enteignung zugunsten Privater

gebers die eine Enteignung rechtfertigenden Gemeinwohlaufgaben bestimmen. Planungsbefugnis und Selbstverwaltungsrecht geben auch einer Gemeinde kein Recht, Enteignungszwecke zu erfinden; sie könne lediglich gesetzlich vorgesehene Enteignungszwecke im Einzelfall verwirklichen.

V. Diskussion dieser Rechtsprechung Die Grundlagen dieses soeben dargestellten Urteils sind in ihren Ansätzen bereits in früheren Entscheidungen desselben Gerichts 25 enthalten. Insoweit läßt sich bereits von einer gefestigten Rechtsprechung reden. Grundsätzlich hat der Gesetzgeber selbst also abstrakt — generell diejenigen Vorhaben zu bestimmen und Unternehmensziele zu fixieren, die die Anforderungen des Wohls der Allgemeinheit iSd Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG potentiell erfüllen können. Auch wenn man dieser Auffassung des BVerfG im Ansatz folgt 26 , kann es sich bei den gesetzlichen Regelungen doch stets nur um abstrakte 27 Bestimmungen genereller Ziele handeln, zu deren Verwirklichung enteignet werden kann. Dies bedeutet nicht, daß die Generalklausel „Wohl der Allgemeinheit" verfassungsrechtlichen Ansprüchen prinzipiell nicht genügt. Wie noch zu zeigen sein wird 2 8 , fordert Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG vielmehr eine Anpassung der Enteignungsvoraussetzungen an die sich wandelnden tatsächlichen Umstände. Es ist daher auch Vorsorge zu treffen gegenüber der Schwerfälligkeit der Gesetzgebung. Treten überraschend hinreichend starke Notwendigkeiten für eine Enteignung auf, die auch die sonstigen Voraussetzungen des Wohls der Allgemeinheit erfüllen 29 , ermöglicht die Generalklausel der Enteignungsbehörde eine schnelle und flexible Lösung. Voraussetzung ist dabei aber, daß die Enteignungsgründe ihrem Gewicht nach den Anforderungen der Staatsfundamentalnorm des Art. 1 Abs. 1 GG genügen. Denn nach Art. 1 Abs. 1 GG iVm Art. 2 Abs. 1 GG geht die Menschenwürde dem Eigentumsschutz vor. Darin liegt die verfassungsdogmatische Rechtfertigung, die die abstrakte Generalklausel des Wohls der Allgemeinheit im Einzelfall zu einer hinreichend konkreten Eingriffsbefugnis macht. Eine solche Fallgestaltung wird aber stets die extreme Ausnahme sein. Dies alles gilt ohne Einschränkungen auch für eine privatbegünstigende Enteignung.

25 BVerfG, Urt. v. 18. 12. 1968, BVerfGE 24, 367 (403) = NJW 1969, 309; BVerfG, Urt. v. 12. 11. 1974, BVerfGE 38, 175 (180) = NJW 1975, 37; 26 Vgl. zur Kritik dieser Rechtsprechung mit bedenkenswerten Gründen: Papier, Anmerkung zum Urteil des BVerfG v. 24. 3. 1987, JZ 1987, 619. 27 Zur Legalenteignung unten 6. Kap. D. 28 Siehe unten 7. Kap. D. 29 Vgl. im einzelnen 7. Kap. E.

C. Gesetzliche Festlegungen der Enteignungsvoraussetzungen

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C. Gesetzliche Festlegungen der Enteignungsvoraussetzungen Frägt man, was sich hinter der Formel vom Erfordernis einer Regelung der grundlegenden Enteignungsvoraussetzungen durch formelles Gesetz verbirgt, stellt sich schnell heraus, daß hierüber keine Einigkeit besteht. Die vorliegende Problemstellung darf anhand des Beispiels Teststrecke Boxberg verdeutlicht werden. Enteignungsziel war, eine Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur zu erreichen. Durch die im Enteignungsweg beschafften Flächen sollten Arbeitsplätze in einem strukturschwachen Gebiet geschaffen werden. Außer Betracht bleiben soll an dieser Stelle, daß der Gesetzgeber bereits diesen Vorhabenszweck nicht als Aufgabe festlegte, zu deren Realisierung die Exekutive das Instrumentarium der Enteignung einsetzen durfte. Auch auf die Regelungen zur Sicherung des Enteignungszweckes wird erst an späterer Stelle eingegangen. Fraglich ist hier vielmehr, ob der Gesetzgeber verpflichtet ist, über einen derart festgelegten Enteignungszweck hinaus weitere materielle Kriterien zu normieren, von deren Erfüllung die Rechtmäßigkeit der Enteignung abhängt. Mit andern Worten: Ist der Gesetzgeber gehalten, Fragen wie beispielsweise die folgenden selbst zu beantworten? Wie viele Arbeitsplätze müssen geschaffen werden? Für welche Art von Arbeitsplätzen darf enteignet werden? Wie viele industrielle Arbeitsplätze können einen landwirtschaftlichen Arbeitsplatz aufwiegen? Die Fragen ließen sich beliebig fortsetzen. Ein Teil der Literatur 30 hält dies für eine Frage der Bestimmtheit des Enteignungszweckes. Dem kann nicht zugestimmt werden. Es handelt sich nämlich um eigenständige Anforderungen an die Rechtmäßigkeit der Enteignung, die über das Problem der Konkretisierung und exakten Bestimmung des Enteignungszweckes hinausgehen.

I. Gesetzesvorbehalt und Enteignungsvoraussetzungen nach dem Bundesverfassungsgericht Auch das BVerfG 31 trennt in seinem Urteil zur Automobilteststrecke Boxberg zwischen Enteignungszweck und Enteignungsvoraussetzungen. Beide Regelungsthemen unterstellt es dem Vorbehalt des Gesetzes. Es moniert konsequenterweise, daß Vorschriften von der Rechtsqualität eines formellen Gesetzes fehlen, welche die grundlegenden Enteignungsvoraussetzungen und das Verfahren zu ihrer Ermittlung festlegen. Das höchste deutsche Gericht fordert hierfür inhaltli30 Schmidt-Aßmann, Bemerkungen zum Boxberg-Urteil des BVerfG, NJW 1987, 1587 (1589). 31 BVerfG, Urt. v. 24. 3. 1987 - 1 BvR 1046/85 - S. 38, BVerfGE 74, 264 (293) = NJW 1987, 1251.

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6. Kap.: Formelle Forderungen bei Enteignung zugunsten Privater

che Vorgaben des Gesetzgebers. Gesetzliche Vorschriften müßten zumindest Anhaltspunkte für die Bewertung der widerstreitenden Interessen bieten. Nur so könne der Gesetzgeber selbst oder eine fachlich qualifizierte Behörde eine Gesamtabwägung vornehmen.

II. Literarische Euphorie zum Gesetzesvorbehalt Bereits vor dieser Erkenntnis des BVerfG feierte ein Teil der Literatur die Wirkungskraft des Gesetzesvorbehalts in Art. 14 Abs. 3 S. 2 GG mit geradezu überschwenglicher Euphorie. Die publizierten Meinungen gingen dabei viel weiter als das BVerfG. Geradezu als Musterbeispiel für die Vertreter dieser Richtung kann Grämlich genannt werden. In Veröffentlichungen neueren Datums 32 sieht er in diesem Ansatz schlechthin die Lösung der Problematik einer privatbegünstigenden Enteignung. Bezeichnend dabei ist, daß er nicht einmal den Versuch einer inhaltlichen Bestimmung der Anforderungen des Gemeinwohls als Enteignungsvoraussetzung unternimmt, obwohl er eine seiner Abhandlungen unter den generellen Titel „Privatbegünstigende Enteignung als Verfassungsproblem" gestellt hat. Den Schwerpunkt setzt er vielmehr bei der Normierung von Enteignungszwecken und Enteignungstatbeständen als Verfassungsauftrag an den Gesetzgeber. Hat der Gesetzgeber erst einmal seine Aufgabe erfüllt, hat er Enteignungstatbestände für konkrete Sachbereiche fixiert, so scheint damit für Grämlich auch schon das Problem der Enteignung zugunsten Privater gelöst.

III. Gesetzesvorgaben und administrative Umsetzungstechnik Die Frage nach dem Umfang der Geltung des Gesetzesvorbehalts für die Voraussetzungen der Enteignung stellt sich als das Problem eines verfassungsrechtlich ausgewogenen Verhältnisses zwischen den Vorgaben des Enteignungsgesetzes und der administrativen Umsetzungstechnik dar. Mit in die Betrachtung ist die gesetzliche Fixierung des Enteignungszweckes einzubeziehen, da es sich hierbei um die grundsätzliche Zielvorgabe des Gesetzgebers handelt. Von diesem Ausgangspunkt aus ist zu untersuchen, welche weiteren Enteignungsvoraussetzungen gemäß Art. 14 Abs. 3 S. 2 GG in einem formellen Gesetz normiert werden müssen.

32 Grämlich, Privatbegünstigende Enteignung als Verfassungsproblem, JZ 1986, 269; ders., Die Unternehmensflurbereinigung—ein Mittel zur Verwirklichung städtebaulicher Maßnahmen, UPR 1986, 166.

C. Gesetzliche Festlegungen der Enteignungsvoraussetzungen

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1. Grenzen der abstrakten Normierbarkeit Das BVerfG hat in seinem Teststreckenurteil 33 im Ergebnis eine Art „Strukturverbesserungs- und Industrieansiedlungsgesetz" als enteignungsrechtliche Grundlage gefordert. In ihm müßten inhaltliche Vorgaben für die Enteignungsvoraussetzungen enthalten sein. Jedoch hat das Gericht selbst Zweifel an deren abstrakter Normierbarkeit gehegt. Es schränkte zunächst ein, daß dieses Gesetz zumindest Anhaltspunkte (!) für eine Interessenbewertung bieten müsse. Und seine Schlußbemerkung zur Legalenteignung34 leitet es mit dem Satz ein: „Es mag zwar nicht unerhebliche Schwierigkeiten bereiten, in einem Strukturverbesserungs- und Industrieansiedlungsgesetz abstrakt-generelle Regelungen zu schaffen, unter die sich das umstrittene Vorhaben subsumieren läßt und die zugleich den Anforderungen der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie genügen". Hierbei werden die verfassungsrechtlichen Vorgaben überspannt, die Anforderungen an den Gesetzgeber überzogen. Die durchaus verfassungskonforme Rolle der Exekutive bei der Konkretisierung des Wohls der Allgemeinheit iSd Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG wird vernachlässigt, wenn nicht gar völlig außer Acht gelassen. Sicherlich muß der Gesetzgeber der Exekutive klare Vorgaben über Enteignungszweck und Enteignungsvoraussetzungen geben, die Ansatzpunkte für eine Bewertung der beteiligten Belange enthalten. Aber damit muß es auch schon sein Bewenden haben. Denn das Gewaltenteilungsprinzip, das in Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG verankert ist, verbietet, daß eine der drei Staatsgewalten in den Kernbereich der beiden anderen eingreift 35 . Grundsätzlich ist es daher Aufgabe des Gesetzgebers allgemein gültige, abstrakt-generelle Grundsatznormen zu erlassen. Die Allgemeinwohlentscheidung im konkreten Einzelfall kann und darf bei einem allgemeinen Enteignungsgesetz nicht Aufgabe des Gesetzgebers sein. Und die Enteignungsverfügung ist stets Regelung eines konkreten Einzelfalles 36 . Bei der Administrativenteignung, von der an dieser Stelle ausschließlich37 die Rede ist, ist die umfassende Berücksichtigung aller Belange im Rahmen der Formulierung dessen, was Allgemeinwohl ist, die Pflicht der Enteignungsbehörde im konkreten Fall. Der Gesetzgeber hat sich demgegenüber auf abstrakte Entscheidungsvorgaben zu beschränken. Wird dies beachtet, gibt es entgegen der Ansicht des BVerfG auch einen praktikablen Weg normativer Ausgestaltung.

33 BVerfG, Urt. v. 24. 3. 1987 - 1 BvR 1046/85 - S. 38 und 42, BVerfGE 74, 264 (293, 296) = NJW 1987, 1251. 34 Siehe hierzu unten 6. Kap. D. 35 Vgl BVerfG, Beschl. vom 10. 10. 1972, BVerfGE 34, 52 (59), sowie Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 Rdnr. V 115. 36 Entgegen Schmidt-Aßmann, Bemerkungen zum Boxberg-Urteil des BVerfG, NJW 1987,1587 (1589) gilt dies nicht nur für Grundenteignungen mit ihrer spezifischen Raumsituation. 37 Zur Legalenteignung vgl. 6. Kap. D.

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6. Kap.: Formelle Forderungen bei Enteignung zugunsten Privater

Um im Beispiel des Teststreckenurteils zu bleiben: Der Gesetzgeber hat zu regeln, daß für die Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur und zur Schaffung von Arbeitsplätzen in einem strukturschwachen Raum enteignet werden darf. Neben diesem Enteignungszweck hat er als Enteignungsvoraussetzung festzulegen, ob er weitergehende besondere Anforderungen stellt und ob er bestimmten Indizien für das Vorliegen des Enteignungszweckes ein bestimmtes Gewicht beimißt. Im konkreten Fall etwa der Arbeitslosen- und Pendlerquote, der Bevölkerungsdichte oder der Zahl der gewerblichen Arbeitsplätze je 1000 Einwohner. Tut der Gesetzgeber dies nicht, ist es Aufgabe der Enteignungsbehörde derartige tatsächlichen Vorgaben zu erheben und zu gewichten 38 . Pflicht des Gesetzgebers kann es aber keinesfalls sein, in einem allgemeinen Enteignungsgesetz die konkrete Zahl der zu schaffenden Arbeitsplätze anzugeben. Die unterschiedlichen Sachstrukturen der verschiedenen Einzelfälle setzen insoweit der abstrakten Normierbarkeit Grenzen 39.

2. Rechtsstaatliche Bestimmtheit der Eingriffsnorm Daß aus dem Blickwinkel des Rechtsstaatsprinzips dennoch keine durchschlagenden Bedenken gegen eine hinreichende Bestimmtheit einer solchen Normierung bestehen, zeigt die sonstige Rechtsprechung des BVerfG selbst. Sie wurde entwickelt aus dem Rechtsgedanken des Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG. Die Vorschrift wendet sich ihrem Wortlaut nach nur an den Verordnungsgeber, beinhaltet aber einen allgemein gültigen rechtsstaatlichen Grundsatz. Danach muß jede Ermächtigung zum Eingriff in ein Grundrecht so bestimmt sein, daß der betroffene Bürger im voraus Inhalt, Zweck und Ausmaß des Eingriffs erkennen kann. Zur dogmatischen Begründung und der genauen Tragweite dieser Feststellung darf auf den grundlegenden Beschluß des BVerfG vom 12.11.1958 verwiesen werden 40 . Im vorliegenden Zusammenhang sollen nur drei wichtige Gesichtspunkte ins Gedächtnis zurückgerufen werden. Dem Konkretisierungsgebot ist nicht genügt, wenn sich nicht mehr voraussehen läßt, in welchen Fällen mit welcher Tendenz von der Ermächtigung Gebrauch gemacht wird. Wie auch sonst bei der Auslegung kann der Sinnzusammenhang der Norm berücksichtigt werden. Je konkreter die Zwecksetzung des Gesetzes bestimmt ist, desto geringer sind die Anforderungen an die Regelung von Inhalt und Ausmaß der Ermächtigung. Verfolgt ein Gesetz nur einen Zweck, ist die Verwaltung auch nur zu Eingriffen in diese Richtung befugt. Eine monofinale Zielsetzung begründet regelmäßig die Bestimmtheit der Eingriffsnorm. 38 Hierzu im einzelnen unten 7. Kap. E. 39 Zu Recht ebenso kritisch: Papier, Anmerkung zum Urteil des BVerfG vom 24. 3. 1987, JZ 1987, 619; Schmidt-Aßmann, Bemerkungen zum Boxberg-Urteil des BVerfG, NJW 1987, 1587. 40 BVerfG, Beschl. v. 12. 11. 1958, BVerfGE 8, 274 (325).

C. Gesetzliche Festlegungen der Enteignungsoraussetzungen

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Ein Grund, warum diese Grundsätze der Rechtsprechung des BVerfG für die gesetzliche Ermächtigung zu einer privatbegünstigenden Enteignung nicht gelten sollten, ist nicht ersichtlich.

3. Gefahr konkreter Regelungen in allgemeinen Enteignungsgesetzen Faßt man den Gesetzesvorbehalt so streng, wie das BVerfG dies andeutet, besteht zunächst die Gefahr, daß die gesetzliche Regelung den tatsächlichen Bedürfnissen nicht mehr gerecht wird. Daß dies gegen Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG verstößt, wird noch nachzuweisen sein 41 . Geradezu ein Musterbeispiel für eine irrige Argumentation liefert Börner 42 . Er meint, der Gesetzgeber habe das Wohl der Allgemeinheit in § 11 Abs. 1 EnwG dadurch konkretisiert, daß die geplante Energieanlage für Zwecke der Energieversorgung erforderlich sein müsse. Sei dies der Fall, so diene die geplante Anlage dem Wohl der Allgemeinheit. Dem ist aber entgegenzuhalten: Auch wenn ein Gesetz privatbegünstigende Enteignungszwecke festgelegt hat, kann dies niemals bedeuten, daß es damit automatisch auch schon das Wohl der Allgemeinheit für alle denkbaren Einzelfälle bejaht 43 . In ähnlich fehlerhaften Gedankenbahnen bewegen sich aber auch die Lösungsvorschläge Gramlichs 44 . Regelungen von Enteignungszweck und Enteignungsvoraussetzungen durch Gesetz sind stets nur formelle Grundlagen. Sie sind nie die Lösung selbst, sondern immer nur ihre Grundlage und ihr Ausgangspunkt. Nachfolgen muß stets eine einzelfallbezogene materielle Entscheidung über das Wohl der Allgemeinheit.

4. Verfassungsrechtliche Vorgaben für den Gesetzgeber Der Gesetzgeber, der sich anschickt Enteignungszweck und -Voraussetzungen formell zu normieren, hat eine entscheidende Vorgabe des Grundgesetzes zu beachten. Das Wohl der Allgemeinheit iSd Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG ist Zulässigkeitsvoraussetzung jeder Enteignung. Der Gesetzgeber kann versuchen, dies zu konkretisieren, darf aber niemals die darin begründeten Erfordernisse lockern. Ihm kommt keine Definitionsprärogative gegenüber der Verfassung zu. Denn das Wohl der Allgemeinheit gilt als verfassungsunmittelbare Enteignungsvoraus41 Unten 7. Kap. D. 42 Börner, Gefährdungshaftung für Pipelines aus Vertrag zugunsten Dritter?, BayVBl. 1976, 645 (646). 43 So nunmehr auch BVerfG, Beschl. v. 9. 6. 1987, DVB1. 1987, 985. 44 Grämlich, Privatbegünstigende Enteignung als Verfassungsproblem, JZ 1986, 269 (276); ders., Die Unternehmensflurbereinigung — ein Mittel zur Verwirklichung städtebaulicher Maßnahmen?, UPR 1986, 161 (166). 5 Schmidbauer

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6. Kap.: Formelle Forderungen bei Enteignung zugunsten Privater

setzung. Das BVerfG dürfte dies verkannt haben. Es wären zumindest einige klärende Worte im Hinblick auf die gesetzliche Regelung von Enteignungsvoraussetzungen am Platze gewesen. Zu Recht fragt Papier 45 , ob bei dieser verfassungsrechtlichen Ausgangslage dem Gesetzgeber tatsächlich eine Konkretisierungslast aufgebürdet werden kann. Die Antwort ergibt sich aus der inhaltlichen Bestimmung des Wohls der Allgemeinheit 46 .

D. Legalenteignungen zugunsten Privater Nachdem dem BVerfG im Teststreckenurteil 47 selbst Zweifel an der Praktikabilität seiner soeben aufgestellten Anforderungen an den Gesetzesvorbehalt gekommen sind, legt es dem Gesetzgeber überraschenderweise die Legalenteignung zugunsten Privater ans Herz. Ob dies sonderlich durchdacht war, darf zumindest bezweifelt werden. Diese Zweifel setzen schon beim systematischen Standort dieses Hinweises innerhalb der Entscheidung an. Er erfolgt am Schluß unter dem Stichwort Zusammenfassung, ohne daß auf den 42 vorhergehenden Seiten auch nur ein Wort darüber verloren worden wäre. Auch fehlt dann eine Auseinandersetzung mit dem solchermaßen gewiesenen Weg, so daß die Tragweite dieses obiter dictum im Dunkeln bleibt 48 .

I· Vorteile der Legalenteignung zugunsten Privater Immerhin aber zählt das BVerfG selbst im letzten Satz einen nicht zu unterschätzenden Vorteil einer derartigen Legalenteignung auf. Es ist das Gesetzgebungsverfahren mit seinen Anhörungen und Beratungen. In der Tat gewährleistet es die Prüfung der Frage, ob der Enteignungszweck dem allgemeinen Wohl entspricht. I I . Nachteile der Legalenteignung zugunsten Privater Andererseits dürfen aber auch die vielfältigen Nachteile einer privatbegünstigenden Legalenteignung nicht außer Betracht bleiben. 45 Papier, Anmerkung zum Urteil des BVerfG v. 24. 3. 1987, JZ 1987, 619 (620). 46 Hierzu ausführlich unten 7. Kap. E. 47 BVerfG, Urt. v. 24. 3. 1987 - 1 BvR 1046/85 - S. 43, BVerfGE 74, 264 (297) = NJW 1987, 1251. 48 Kritisch auch Papier, Anmerkung zum Urteil des BVerfG vom 24. 3. 1987, JZ 1987, 619 (621), der gar meint, diese Schlußbemerkung wäre besser unterblieben. Überwiegend skeptisch auch Schmidt-Aßmann, Bemerkungen zum Boxberg-Urteil des BVerfG, NJW 1987, 1587 (1589).

C. Gesetzliche Festlegungen der EnteignungsVoraussetzungen

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Zu nennen ist an erster Stelle die Schmälerung des bestandssichernden Rechtsschutzes des Eigentümers. Dieser Gesichtspunkt hat in den beiden Entscheidungen, in denen sich das BVerfG bisher mit der Legalenteignung auseinandergesetzt hat, zu deutlichen Einschränkungen dieses Rechtsinstituts geführt. Auf die dortige ausführliche Darstellung darf verwiesen werden 49 . Die Literatur 50 will weitere Grenzen aus Art. 19 Abs. 1 S. 1 GG herleiten. Schließlich ist auch noch die Rolle der Gemeinden als örtliche Planungsträger im Verfahren der Legalenteignung ungeklärt 51 . Eine Legalenteignung zugunsten Privater birgt aber darüber hinaus eine Reihe weiterer Problempunkte in sich. Gesetzeslesungen öffnen die Tür für parteipolitische Profilierungsneurosen um so mehr, als die Begünstigung eines Privaten im Wege einer Art Sondergesetzgebung verständlicherweise immer Emotionen weckt. Eine nicht immer seriöse Berichterstattung in den Massenmedien wird hierzu ein übriges beitragen 52. So sehr die Öffentlichkeit mit ein Garant der Rechtsstaatlichkeit ist, so ist bei der Legalenteignung im Vergleich zur Administrativenteignung die Gefahr doch größer, daß Argumentation und Entscheidung mehr auf Außenwirkung hin als an sachlichen Gesichtspunkten orientiert sind. Am bedenklichsten schließlich ist, daß es sowohl für den bisherigen Eigentümer als auch für den Enteignungsbegünstigten an einer gesicherten Rechtsstellung innerhalb des Gesetzgebungsverfahrens fehlt. So ist es sehr wahrscheinlich, daß die Interessenvertreter von Industrie, Landwirtschaft und Umweltschutz gehört werden. Die eigentlichen Betroffenen aber haben weder einen Rechtsanspruch darauf, ihre Belange vorzutragen, noch überhaupt gehört zu werden. Zudem müßte dieses rechtliche Gehör beim Gesetzgeber vor dem entscheidenden Organ, also dem Plenum, gewährt werden: eine kaum praktikable Notwendigkeit! Es gibt also gute Gründe, gegenüber einer Legalenteignung auch in Zukunft zurückhaltend zu sein.

49 BVerfG, Urt. v. 18. 12. 1968, BVerfGE 24,367 = NJW 1969,309; BVerfG, Beschl. v. 10. 5. 1977, BVerfGE 45, 297 = NJW 1977, 2349. so Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14 Rdnr. 483. 51 So zutreffend auch Schmidt-Aßmann, Bemerkungen zum Boxberg-Urteil des BVerfG, NJW 1987, 1587 (1589); 52 Als Beispiel für eine einseitige Sicht der Dinge im Boxbergverfahren läßt sich der Kommentar von Immo Vogel vom Südwestfunk in den Tagesthemen am 24. 3. 1987 nennen. Während von der Macht und ihrer Durchsetzbarkeit die Rede war und die „Nobelfirma" zum Verzicht auf Boxberg aufgerufen wurde, wurde das Problem fehlender Arbeitsplätze in der Region mit keinem Wort erwähnt. 5*

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6. Kap.: Formelle Forderungen bei Enteignung zugunsten Privater

E. Gesetzliche Festlegungen zur Allgemeinwohlsicherung Die vom BVerfG weiter vorgenommene Konkretisierung seiner Forderung nach einer gesetzlichen Regelung zur Sicherung des Enteignungszweckes stürzt den Leser dann vollends in Verwirrung. Das BVerfG 53 führt hierzu wörtlich aus: „ . . . ist es auch hier unentbehrlich, daß die an eine solche Vereinbarung zu stellenden Mindestanforderungen vom Gesetzgeber vorgezeichnet sind. Seine Aufgabe wäre es . . . , grundsätzlich zu regeln, welche Verpflichtungen... eingegangen werden müssen, damit eine Enteignung gerechtfertigt ist."

I. Die Forderung nach einer gesetzlichen Sicherung Diese Ausführungen des BVerfG können an sich nur so verstanden werden, daß für die Sicherung des gemeinwohlbehafteten Enteignungszweckes stets und ausnahmslos als Mindestanforderung eine gesetzliche Grundlage vorhanden sein muß. Eine Begründung für diese Forderung bleibt das BVerfG freilich schuldig. Zudem stehen neben dem Gesetz noch eine ganze Palette anderer Sicherungsmittel zur Verfügung 54 . Daß sie ohne gesetzliche Grundlage zur Sicherung des Wohls der Allgemeinheit nicht herangezogen werden dürften, leuchtet nicht ein. Zu Recht bezeichnet Papier 55 dies als Überdehnung des enteignungsrechtlichen Gesetzesvorbehalts. Zur Erhärtung dieser Kritik hat man sich die Ausgangslage vor Augen zu halten: Der Enteignungszweck liegt bereits gesetzlich fest und die Notwendigkeit einer zuverlässigen Sicherung der Verwirklichung des Wohls der Allgemeinheit ergibt sich aus Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG selbst56. In dieser Situation ist es Pflicht der Enteignungsbehörde, die für den konkreten Fall optimalen Sicherungsmittel auszuwählen. Dies gilt unabhängig davon, ob eine gesetzliche Rahmenstruktur besteht oder nicht. Auch vermag beispielsweise ein Verwaltungsakt oder ein Vertrag Sicherungsvorschriften zu beinhalten, die den konkreten Vorhaben besser angepaßt sind. Demgegenüber sind die Regelungen des generell-abstrakten Gesetzes stets schwerfälliger und weniger flexibel — von der Variabilität bei veränderter Sachlage ganz zu schweigen.

II. Gesetzliche Grundlagen bei Sicherung durch Verwaltungsakt Erfolgt die Sicherung der Realisierung des Wohls der Allgemeinheit durch Verwaltungsakt, ist darüber hinaus zweifelhaft, ob es hierfür neben dem Enteig53 BVerfG, Urt. v. 24. 3. 1987 - 1 BvR 1046/85 - S. 41 unten, BVerfGE 74, 264 (296) = NJW 1987,1251. 54 Ausführlich unten 9. Kap. G. 55 Papier, Anmerkung zum Urteil des BVerfG vom 24. 3. 1987, JZ 1987, 619 (620). 56 Vgl. hierzu 9. Kap. B.

E. Gesetzliche Festlegungen zur Allgemeinwohlsicherung

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nungsgesetz, das den Zweck der Enteignung festlegt, einer weiteren gesetzlichen Grundlage bedarf. Dies folgt aus der Erkenntnis, daß eine privatbegünstigende Enteignung ohne Sicherung des Allgemeinwohls wegen Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG ohnehin verfassungswidrig wäre 57 . Der Verwaltungsakt als Sicherung ist daher keine Belastung die zur begünstigenden Enteignungsverfügung hinzutritt. Vielmehr geht bei der Enteignung zugunsten Privater beides ineinander auf. Dasselbe Problem stellt sich beim Umfang der Geltung des Gesetzesvorbehalts für Auflagen der Enteignungsverfügung. Wegen des Zusammenhangs soll es an späterer Stelle behandelt werden 58 .

I I I . Gesetzesvorbehalt und öffentlichrechtlicher Vertrag Die oben zitierten Ausführungen des BVerfG beziehen sich zudem auf den öffentlichrechtlichen Vertrag, den am 9. 12. 1985 die Gemeinde Assamstadt, die Stadt Boxberg, die Daimler-Benz AG und das Land Baden-Württemberg geschlossen hatten. Dies wirft weitere Fragen auf. Zunächst ist die inhaltliche Aussage des Gerichts zumindest mißverständlich, wenn nicht gar unklar. Soll der Gesetzgeber tatsächlich Verpflichtungen normieren, die die Enteignungsbehörde und der Enteignungsbegünstigte dann vertraglich vereinbaren müssen? Wieso unterwirft der Gesetzgeber den Begünstigten dann nicht sofort einer gesetzlichen Pflicht? Zweitens ist seit Inkrafttreten der Verwaltungsverfahrensgesetze des Bundes und der Länder in der verwaltungsrechtlichen Literatur 59 unbestritten, daß für einen öffentlichrechtlichen Vertrag zwar der Vorrang des Gesetzes nach § 54 S. 1 VwVfG bzw. der entsprechenden Landesvorschrift gilt, nicht aber der Vorbehalt des Gesetzes. Frühere abweichende Ansichten 60 sind überholt und werden heute auch nicht mehr aufrecht erhalten 61. Das BVerfG bleibt denn auch für seine Forderung nach einer gesetzlichen Grundlage jede Begründung schuldig. Weder aus Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG noch aus Art. 14 Abs. 3 S. 2 GG ergibt sich nämlich die Notwendigkeit, von der Literaturmeinung abzuweichen. Eher im Gegenteil. Hat der Gesetzgeber mit der notwendigen Präzision den Enteignungszweck normiert, ist damit ausdrücklich oder konkludent auch das Sicherungsziel gesetzlich festgelegt. In dieser Situation aber verpflichtet Art. 14 Abs.3 S. 1 GG die Enteignungsbehörde den Enteignungszweck zu sichern. Und diese 57 Vgl. näher 9. Kap. B. 58 Siehe unten 9. Kap. G. VI. 3. 59 Für alle: Kopp, VwVfG, § 54 Rdnr. 24. 60 Stern, Zur Grundlegung einer Lehre des öffentlich — rechtlichen Vertrages, VerwArch 49 (1958), 106 (143); Stummer, Die öffentliche Zweckbindung der enteigneten Sache, S. 158. 61 Beispielsweise Stern, Öffentliches Recht in der Fallbearbeitung, § 15 III 2. c) aa).

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6. Kap.: Formelle Forderungen bei Enteignung zugunsten Privater

Sicherung muß nach der genannten Verfassungsvorschrift — wenn auch unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgebotes — möglichst wirksam und effektiv sein. Entsprechend hat die Enteignungsbehörde die Wahl der Sicherungsmittel zu treffen und dem Enteignungsbegünstigten die notwendigen Verpflichtungen aufzuerlegen. Daraus folgt: Ist der Enteignungszweck hinreichend klar normiert, so ist der Verwaltung eine monofinale Zielsetzung vorgegeben. Damit liegt neben dem Zweck der Sicherung auch ihr Inhalt und das erforderliche Ausmaß der Gemeinwohlsicherung fest 62 . Daneben ist eine gesetzliche Regelung von Mindestanforderungen an Verpflichtungen des Enteignungsbegünstigten entgegen der Ansicht des BVerfG verfassungsrechtlich nicht geboten. Ob sie nützlich ist, kann dahinstehen. M.E. ist eher Vorsicht geboten, da eine gesetzliche Regelung der Mindestanforderung an Sicherungsmittel die Enteignungsbehörde nur allzu leicht verleitet, sich auf diesen Mindeststandard zurückzuziehen und sie scheinbar vom Gebot der optimalen Sicherung des Enteignungszweckes dispensiert. Es bleibt daher dabei: Liegt der Enteignungszweck gesetzlich fest, hat die Enteignungsbehörde auch ohne gesetzliche Regelung dieses Gemeinwohlziel optimal zu sichern. Ob die von der Behörde gewählte Sicherungszuverlässigkeit ausreichend ist, unterliegt der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle.

F. Gesetzliche Regelungen privatbegünstigender Enteignungen Zu untersuchen ist weiter, inwieweit sich aus der Verfassung das zwingende Gebot herleiten läßt, all die Fälle gesetzlich zu regeln, in denen der Begünstigte der Enteignung potentiell auch ein Privater sein kann, oder doch zumindest das Gebot, den Personenkreis der privaten Enteignungsbegünstigten gesetzlich festzuschreiben. I. Historische Vorbilder Sucht man nach gesetzlichen Vorbildern, stößt man unvermittelt wiederum auf das Bayerische Zwangsabtretungsgesetz vom 17. 11. 1837. Es legte in Art. IV den Personenkreis fest, der die „Entwehrung" in Anspruch nehmen konnte. Unter Art. IV Ziff. 2 findet man eine in sich geschlossene Regelung der privaten Begünstigten. Zum einen konnten sie die abschließend aufgezählten Enteignungszwecke in Anspruch nehmen, wenn sie bereit waren, sich entsprechenden Sicherungsbedingungen zu unterwerfen 63. Zum andern entschied der Gesetzgeber später, daß die Enteignung für die in Art. I A Ziffer 17 und 18 ZAG genannten Unternehmungen nicht zugunsten Privater erfolgen dürfe. Dies stellt einen Vor62 Insoweit darf m.E. auf den Rechtsgedanken des Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG und die hierzu ergangene Rspr. des BVerfG verwiesen werden. 63 Vgl. hierzu unten 9. Kapitel.

F. Gesetzliche Regelungen privatbegünstigender Enteignungen

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läufer der transitorischen Enteignung dar. In Art. I A Ziffer 17 ZAG war die Erschließung von Baugelände zur Verbesserung der Wohnungsverhältnisse der Minderbemittelten oder dem Mittelstande angehörenden Bevölkerung, in Art. I A Ziffer 18 ZAG die Bereitstellung von Grundbesitz zur Ansiedlung von Kriegsbeschädigten oder der Angehörigen gefallener Kriegsteilnehmer als Enteignungsgrund geregelt. Beide Ziffern wurden als Akt der Kriegsfürsorge im Jahre 1918 in das ZAG aufgenommen. Die Gesetzgebung war von der Befürchtung getragen, daß es nach dem Krieg Baugelände überhaupt nicht oder nur zu unverhältnismäßig hohen Preisen geben werde 64 . Dieses Anliegen wurde für so wichtig gehalten, daß zur Erschließung und Bereitstellung von Baugelände ein Privater als Enteignungsbegünstigter überhaupt nicht und eine private Gesellschafft nur unter verschärften Sicherungsbedingungen in Betracht kam. Die Befürchtung des Gesetzgebers hat sich übrigens als unbegründet erwiesen. Noch acht Jahre nach Kriegsende herrschte Wohnungsnot, es mangelte aber nicht an billigem Baugrund. Vielmehr hatten sich inzwischen die Baupreise verdoppelt, die Grundstückspreise aber waren gleich geblieben.

II. Geltende gesetzliche Regelungen Noch heute scheidet eine Enteignung zugunsten Privater in den Fällen des nunmehr gelockerten Gemeindeprivilegs (§ 87 Abs. 3 BauGB) und des § 85 Abs.l Nr. 3,4 BauGB aus65. Zur Begründung werden vornehmlich städtebauliche Gründe angeführt. Die planerische Gestaltungsfreiheit der Gemeinde soll erweitert werden, indem ihr die Aufschließung größerer zusammenhängender Flächen ermöglicht wird. Außerdem soll der privaten Hortung baureifer Grundstücke entgegengewirkt werden 66. Eine Ausnahme von der prinzipiell zulässigen Enteignung zugunsten Privater wird heute ferner bei der Enteignung zur Entschädigung in Land (§ 85 Abs.l Nr. 3 BauGB) und der Ersatzrechtsenteignung (§ 85 Abs.l Nr. 4 BauGB) anerkannt. Sie dürfen ausschließlich von der Enteignungsbehörde selbst betrieben werden 67.

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Vgl. zum Ganzen: Burger, Wirtschaftliche Auswirkungen des bayerischen Zwangsabtretungsgesetzes, 1926, S. 65 ff. 65 Weitere Beispiele für allgemeine gesetzliche Regelungen einer Enteignung zugunsten Privater vgl. oben 5. Kap. D. 66 Amtl. Begründung zum Reg.-Entw. des BBauG 1960, BT-Drucks III / 336 zu § 98, S. 89; Schmidt-Aßmann / Frenzel, in: Ernst / Zinkahn, BBauG, § 87 Rdnr. 51; 67 Schlichter/Stich/Tittel, BBauG, § 85 Rdnr. 23; Battis, in: Battis/Krautzberger/ Lohr, BBauG, §87 Rdnr. 2; Schmidt-Aßmann / Frenzel, in: Ernst / Zinkahn, BBauG, § 87 Rdnr. 16;

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6. Kap.: Formelle Forderungen bei Enteignung zugunsten Privater

I I I . Gesetzliche Regelungen der Fälle privatbegünstigender Enteignungen Gegen gesetzliche Regelungen der dargestellten Art bestehen keinerlei verfassungsrechtliche Bedenken. Es ist Aufgabe des einfachen Gesetzgebers, die inhaltlichen Anforderungen an das Wohl der Allgemeinheit zu konkretisieren 68. Dabei ist ihm nicht verwehrt, schärfere Voraussetzungen für eine Enteignung festzulegen, wenn die Enteignung zugunsten einer Privatperson erfolgen soll. Er kann ferner gewisse Enteignungszwecke von einer privatbegünstigenden Enteignung ganz ausnehmen. Andererseits läßt sich dem Urteil des BVerfG 69 vom 24. 3. 1987 wohl entnehmen, daß die Zulässigkeit einer Enteignung zugunsten Privater keiner besonderen gesetzlichen Regelung bedarf. Dies ist richtig. Wie später noch zu zeigen sein wird 7 0 , stellt die Tatsache, daß eine Privatperson von einer Enteignung begünstigt wird, wegen des Wohls der Allgemeinheit als Enteignungsvoraussetzung besondere Anforderungen an die Sicherung des Enteignungszweckes. Einer besonderen gesetzlichen Zulassung bedarf es daher für die Enteignung zugunsten Privater nicht. IV. Gesetzliche Regelungen des Kreises der enteignungsbegünstigten Privaten Was soeben gesagt wurde gilt uneingeschränkt auch für gesetzliche Regelungen, die den Kreis der enteignungsbegünstigten Privaten bestimmen. Der Gesetzgeber kann daher sowohl den Kreis der Begünstigten beschränken, als auch bestimmte Belange für nicht hinreichend gewichtig erklären, als daß sie dem Allgemeinwohl genügen würden. Da beide Varianten im Ergebnis gleichwertig sind, ist eine Differenzierung zwischen ihnen weder erforderlich noch für weitere Erkenntnisse fruchtbar.

G. Besondere Anforderungen an die Rechtsqualität des begünstigten Unternehmers? Vom Problem einer genauen Bestimmung des notwendigen Umfangs des Gesetzesvorbehalts bei einer Enteignung zugunsten Privater ist zunächst die Frage zu unterscheiden, ob der Enteignungsbegünstigte bereits von vornherein eine besondere rechtliche Qualität aufzuweisen hat. Dabei sind mehrere Möglichkeiten denkbar. 68 BVerfGE 56, 249 (261); 69 BVerfG, Urt. v. 24. 3. 1987 - 1 BvR 1046/85- S. 27, BVerfGE 74, 264 (285) = NJW 1987, 1251; 70 Unten 7. Kap. G. III. 4. b. und 9. Kap. B.

G. Die Rechtsqualität des begünstigten Unternehmers

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I. Der Enteignungsbegünstigte als Beliehener In seiner im Jahre 1976 veröffentlichten Dissertation stellt Kunze 71 im Anschluß an Bullinger 72 die Behauptung auf, der private Unternehmer sei in seiner Eigenschaft als Enteignungsbegünstigter nicht Privater, sondern Beliehener. Diese Qualifizierung diente Kunze zur Bestimmung der Grundrechtsposition des privaten Begünstigten im Rückenteignungsverfahren 73. Sie hat Tradition. Bereits Otto Mayer 74 hat sie vertreten. Er ging von der Prämisse aus 75 , daß eine Enteignung nur für ein öffentliches Unternehmen stattfindet, das ein Stück öffentlicher Verwaltung ist (Konzessionstheorie). Dies hatte merkwürdig anmutende und reichlich konstruiert wirkende Folgerungen: So mußte beispielsweise die Enteignung für ein Fabrikanschlußgleis abgelehnt werden, wenn sie von der Fabrik beantragt wurde, dagegen konnte dem Antrag stattgegeben werden, wenn er von der Bahn gestellt worden war 76 . Denn der zuerst genannte Antragssteller verfügte über keine Konzession, während die Tätigkeit der Bahn eben konzessioniert war. Auch wenn Otto Mayer an seinen engen Voraussetzungen festhielt, konnte er sich den Bedürfnissen einer privatbegünstigenden Enteignung nicht ganz verschließen. Konsequenterweise mußte er jeden privaten Enteignungsnutznießer zum beliehenen Unternehmer ernennen. Damit hatte das Kriterium, das den Staat binden sollte, an Verfügbarkeit gewonnen77, an Schärfe aber verloren. Bereits dieses Beispiel zeigt, daß der Versuch einer derartigen Abgrenzung der Rechtmäßigkeitskriterien einer privatbegünstigenden Enteignung höchstens eine partielle Lösung beinhalten kann. Im Ergebnis wird sie lediglich zu einer Problemverschiebung führen. Unabhängig davon läßt sich die dargelegte Ansicht, der von einer Enteignung begünstigte Private werde allein durch diese Tatsache zum Beliehenen, mit neueren wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht vereinbaren. Dabei ist es ohne Belang, wie man den Beliehenen definiert. So nehmen beispielsweise Vogel 7 8 71 Werner Kunze, Der Anspruch des Enteigneten auf Rückübertragung bei nachträglichem Fortfall des Enteignungszweckes (Rückenteignung), S. 85 f; allerdings mit leichten eigenen Zweifeln an dieser Feststellung auf S. 86, Fn. 4. 72 Bullinger, Die Enteignung zugunsten Privater, Der Staat, Bd. 1, 1962, S. 462; 73 Vgl. hierzu unten 11. Kapitel. 74 Otto Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht II, 2. Auflage 1917, S. 12. 75 Vgl. hierzu bereits oben 3. Kap. C. 76 Otto Mayer, a.a.O., S. 19. Die Ansicht Mayers war freilich schon zur damaligen Zeit umstritten. Seydel, Bayer. Staatsrecht II, S. 354 hielt es unter solchen Verhältnissen für eine unnötige Umständlichkeit, um theoretischer Bedenken willen dem Unternehmer ein eigenes Recht zu verweigern. 77 So auch Grimm, Die Entwicklung des Enteignungsrechts unter dem Einfluß der Industrialisierung, in: Coing, Wissenschaft und Kodifikation des Privatrechts im 19. Jhd., S. 136. 78 Vogel, Wirtschaftseinheiten, S. 60 ff.

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6. Kap.: Formelle Forderungen bei Enteignung zugunsten Privater

und E.R.Huber 79 an, daß der wesentliche inhaltliche Gesichtspunkt einer Beleihung die Übertragung von Hoheitskompetenzen sei. Daß aber eine privatbegünstigende Enteignung dem Privaten neben dem Enteignungsgegenstand zugleich auch die Befugnis zu hoheitlichen Eingriffen oder auch nur zu schlichthoheitlichem Handeln mit verschafft, wird von niemandem behauptet. Dagegen ist für Steiner 80 und ihm folgend Ossenbühl81 eine Beleihung dadurch gekennzeichnet, daß der Staat Staatsaufgaben als Staatsaufgaben durch Private erledigen läßt 82 . Folgt man dieser Ansicht, wird der neue Zuordnungsberechtigte des Enteignungsgegenstandes ebenfalls kein Beliehener. Eine privatbegünstigende Enteignung stellt regelmäßig gerade keine Zuweisung einer staatlichen Aufgabe unter Beibehaltung ihres staatlichen Charakters zur Erledigung an den Privaten dar 83 . Dies läßt es andererseits weder ausgeschlossen erscheinen, daß eine Enteignung zugunsten Privater einen Beliehenen begünstigt, noch daß sie einen Fall der Indienstnahme Privater für Verwaltungsaufgaben darstellt 84 , soweit man diese Variante nicht ohnehin mit Steiner 85 in das Rechtsinstitut der Beleihung mit einbezieht. Im Ergebnis läßt sich damit festhalten, daß eine Enteignung zugunsten Privater vom Rechtsinstitut der Beleihung völlig unabhängig ist. Umgekehrt lassen sich auch keine überzeugenden Argumente für die These finden, daß eine privatbegünstigende Enteignung nur zulässig wäre, wenn der Private Beliehener ist und das enteignete Recht zur Wahrnehmung seiner übertragenen Aufgaben benötigt. Ein derartiger Schluß folgt insbesondere nicht aus dem Gemeinwohlerfordernis des Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG. Er würde nämlich voraussetzen, daß nur der Staat und die von ihm Beliehenen gemeinwohlfördernd tätig werden könnten. Den Beweis hierfür wird man aber schuldig bleiben müssen. Denn diese Annahme läßt sich mit unserer Verfassungsordnung nicht vereinbaren, die zumindest über Art. 2 Abs. 1 GG die freie Entfaltung der Persönlichkeit ermöglicht, was auch individuelle Aktivitäten zum Wohl der Allgemeinheit einschließt. Zuletzt muß in diesem Zusammenhang noch eine weitere Tatsache festgehalten werden. Die Beweggründe, die eine Beleihurig veranlassen, schließen zwar meist eine erhebliche Selbständigkeit des privaten Verwalters bei der Ausübung der 79 E.R. Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht I, S. 533, der wohl noch in der Tradition Otto Mayers steht. so Udo Steiner, Öffentliche Verwaltung durch Private, S. 46 ff; ders., Öffentliche Verwaltung durch Private, DÖV 1970, 526 (529). 81 Ossenbühl, Verwaltungsaufgaben, S. 193 f iVm Anm. 252. 82 Die Legitimität der Staatsaufgabe spielt dabei keine Rolle, vgl. Udo Steiner, Öffentliche Verwaltung durch Private, S. 50 ff und weiter unten im Text 7. Kap. C. II. 7. 83 Anders wohl Böhmer, Sondervotum zu BVerfG, Urt. v. 10. 3. 1981, BVerfGE 56, 249 = NJW 1981, 1257; zur Kritik vgl. unten 7. Kap. C. II. 7. 84 Hans Peter Jpsen, Gesetzliche Indienstnahme Privater für Verwaltungsaufgaben, in: Festgabe für E. Kaufmann, S. 141 ff. 85 Udo Steiner, Öffentliche Verwaltung durch Private, S. 184 ff.

G. Die Rechtsqualität des begünstigten Unternehmers

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ihm überlassenen staatlichen Kompetenzen ein 86 . Andererseits lassen sich aus dem Grundverhältnis zwischen Staat und Beliehenern als einem Verhältnis zwischen vor- und nachgeordnetem Hoheitsträger Aufsichts- und Einwirkungsmöglichkeiten ableiten, die einer besonderen Normierung nicht bedürfen 87. Daran wird man sich erinnern können, wenn bei der Gemeinwohlprüfung zur Rechtfertigung der privatbegünstigenden Enteignung die Sicherung des Enteignungszwekkes zu diskutieren ist 88 .

II. Exkurs: Bedeutung der gesetzlichen Terminologie „Verleihung des Enteignungsrechts" Die ältere Expropriationsgesetzgebung spricht nicht selten von einer „Verleihung des Enteignungsrechts" an das Enteignungsunternehmen 89. Aber auch noch § 4 Abs. 2 des Allgemeinen Eisenbahngesetzes vom 29. 3. 1951 räumt der obersten Landesverkehrsbehörde unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit ein, an einen Unternehmer das Recht zu verleihen, eine neue Eisenbahn zu bauen und zu betreiben. Damit wird ihm auch das Recht der Enteignung verliehen. Diese Wortwahl hat zu Mißverständnissen geführt. So spricht Battis 90 davon, daß das Bundesbaugesetz keine Verleihung des Enteignungsrechts an Private kenne, aber Enteignungen auf Antrag eines Privaten zulasse. Dies ist zumindest schief. Scharf zu trennen von dem oben angesprochenen Problemfeld, ob der Begünstigte der Enteignung ein Beliehener sein muß, ist nämlich die Frage, wer überhaupt enteignen darf. Dies ist ausschließlich der Staat selbst oder ein von ihm Beliehener. Spätestens seit dem Feldmühle-Urteil des BVerfG 91 ist dies geklärt 92 . Spricht die frühere Gesetzgebung93 die Verleihung des Enteignungs86 So können beispielsweise an das Votum eines beliehenen Sachverständigen unmittelbare Rechtsfolgen geknüpft sein, wie bei § 7 Abs. 1 der Verordnung über ortsbewegliche Behälter und Füllanlagen für Druckgase (Druckgas-VO) vom 20. 6. 1968 (BGBl. I, S. 730); hierzu Udo Steiner, Staatliche Gefahrenvorsorge und Technische Überwachnung, S. 25; 87 Udo Steiner, Öffentliche Verwaltung durch Private, S. 283; sowie Udo Steiner, Staatliche Gefahrenvorsorge und Technische Überwachung, S. 19. ss Vgl unten 9. Kap. G. 89 Art. 2 Hessisches Enteignungsgesetz von 1884; § 9 Österreichisches EisenbahnKonzessionsgesetz (Ministerialverordnung vom 14. 9. 1854, R.G.B. Nr. 238). Auch wenn das betreffende Gesetz den Ausdruck „Verleihung" nicht ausdrücklich verwendet hat, wurde er von der Literatur zumeist hineingelesen. Vgl. Eger, Gesetz über die Enteignung von Grundeigentum v. 11.6. 1874, 1. Band, S. 3; Scheicher, Enteignungsgesetz für das Königreich Sachsen v. 24. 6. 1902, S. 471; a. A. Layer, Principien des Enteignungsrechts, 1902, S. 262 ff; 90 Battis, in: Battis / Krautzberger / Lohr, BBauG, § 87 Rdnr. 2. 91 BVerfG, Urt. v. 7. 8. 1962, BVerGE 14, 263 ff. 92 Die dargelegte Unterscheidung verkennt Kunze, Rückenteignung, S. 85, wenn er als Beleg für seine Annahme, der Enteignungsbegünstigte sei Beliehener das FeldmühleUrt. des BVerfG (BVerfGE 14, 263 ff) zitiert. Die genannte Entscheidung behandelt gerade die Frage, wer enteignet und nicht, wer enteignungsbegünstigt ist.

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6. Kap.: Formelle Forderungen bei Enteignung zugunsten Privater

rechts zugunsten privater Unternehmen aus, gesteht sie lediglich zu, daß das konkrete private Unternehmen öffentlichen Zwecken im Sinne der Enteignungsgesetze dient 94 . Dem Unternehmen selbst wird damit kein Recht zur Vornahme der Enteignung verliehen. Dies ist freilich keine neue Erkenntnis. Steiner 95 hat daraufhingewiesen, daß in der deutschen Rechtstradition allenfalls die sogenannten Kriegsgesellschaften Träger des Enteignungsrechts im technischen Sinne waren. Der Vollständigkeit halber ist noch zu vermerken, daß § 203 Abs. 3 BauGB (=§ 147 Abs. 3 BBauG) die Landesregierungen seit 1976 ermächtigt, durch Rechtsverordnung die Aufgaben der Enteignungsbehörde (§ 104 Abs.l BauGB) auch auf Landkreise oder kreisfreie Gemeinden zu übertragen. Andere Gemeinden aber sind nicht enteignungs-, sondern nur antragsbefugt.

I I I . Inhaber von Konzessionen und Privilegien Frühere rechtsdogmatische Untersuchungen 96 versuchten das Phänomen einer privatbegünstigenden Enteignung durch eine rein formelle Bestimmung notwendiger Eigenschaften der Person des privaten Eigentumsempfängers in den Griff zu bekommen. Zwei Kriterien wurden als Anknüpfungspunkte für die rechtliche Zulässigkeit einer Enteignung gefunden. Entweder mußte der Private ein Inhaber staatlicher Privilegien sein. Darunter wurde die eingeräumte Zuständigkeit zur Wahrnehmung nicht-hoheitlicher Rechte verstanden, kraft deren der Private zu einer wirtschaftlichen Tätigkeit berechtigt war, die meist durch ausdrücklichen Gesetzesvorbehalt dem Staat zugewiesen war 97 . Dabei handelte es sich um Nutzungs-, Salz-, Forst- oder Bergbauregale, die durch staatlichen Verleihungsakt auf Private übertragen wurden. Nach Art. 73 EGBGB bleiben Landesgesetze über noch bestehende landesrechtliche Regalien unberührt 98. Oder der Private mußte eine Konzession besitzen. Durch eine Konzession wurde der Inhaber nach Ansicht der Literatur 99 berechtigt und verpflichtet, eine Tätigkeit auszuüben, für die sich der Staat ein Verleihungsrecht vorbehalten hatte. Obwohl das Schrifttum 100 fast ausnahmslos an diesen Kriterien als Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen einer Enteignung zugunsten Privater festhielt, begann die Praxis bereits mit dem Ausbruch des ersten Weltkrieges aus einem Bedürfnis der damaligen Zeit heraus, diese Erfordernisse zu vernachlässigen. Aber selbst im Jahre 1967 93 Nachweise bei Layer, Principien des Enteignungsrechtes, S. 231. 94 Steiner, Öffentliche Verwaltung durch Private, S. 81. 95 Steiner, Öffentliche Verwaltung durch Private, S. 82 Fn. 326. 96 Layer, Principien des Enteignungsrechtes, S. 288 ff. 97 Wolff/ Bachof, Verwaltungsrecht II, 4. Auflage 1976, § 104 I d). 98 Darunter fielen beispielsweise die Landesberggesetze von Baden, Bayern, Hessen und Württemberg. 99 Wolff /Bachof, Verwaltungsrecht II, 4. Auflage 1976, § 104 I d). 100 Layer, Principien des Enteignungsrechts, S. 288 ff.

H. Formelle Übertragung staatlicher Aufgaben

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glaubte Stummer 101 noch an ihnen zur Fixierung des Kreises möglicher Enteignungsbegünstigter festhalten zu müssen, obschon er sich gezwungen sah, ihnen eine weitere Gruppe der Unternehmer nicht konzessionspflichtiger Tätigkeiten hinzuzufügen. In der Tat eignet sich der Begriff der Konzessionierung nicht für eine sinnvolle Anknüpfung bei der Bestimmung der Schranken einer Enteignung zugunsten Privater. Mit Recht stellt Steiner 102 daher fest, daß sich der Begriff weder auf Funktionsübertragungen ausdehnen läßt, noch überhaupt einen gesicherten Inhalt in der heutigen Verwaltungsrechtswissenschaft aufweisen kann. Außerdem hat die Praxis seit dem ersten Weltkrieg bis heute gezeigt, daß in der Realität ein Bedürfnis besteht, bestimmten Privaten im Wege des hoheitlichen Zwanges auch dann Grund und Boden zu beschaffen, wenn sie zur Ausübung ihres Unternehmens gar keine Konzession benötigen. Es läßt sich daher zusammenfassen, daß die Enteignung zugunsten Privater keine besonderen formellen Anforderungen an die Rechtsqualität des begünstigten Unternehmers stellt.

H. Formelle Übertragung staatlicher Aufgaben auf den privaten Enteignungsbegünstigten Daneben verlangt ein Teil der Literatur eine andere formelle Voraussetzung für eine privatbegünstigende Enteignung. Es müsse eine förmliche Übertragung staatlicher Aufgaben auf den privaten Enteignungsbegünstigten erfolgen. Diese Forderung ist nicht neu. Bereits im Jahre 1903 hat sie beispielsweise Scheicher für das Sächsische Enteignungsgesetz erhoben 103 und sodann im Jahre 1930 für die Weimarer Reichsverfassung wiederholt 104 . Ohne nähere Begründung hat Bullinger 105 die These aufgestellt, daß nach der geschichtlichen Entwicklung die Verleihung des Enteignungsrechts als Übertragung einer Verwaltungsaufgabe zu verstehen sei. Und so ist die These, daß diese Übertragung formell erfolgen müsse, damit die Enteignung zugunsten Privater verfassungsmäßig sei, auch heute noch weit verbreitet 106 . Es genügt, Badura 107 und Rittstieg 108 als ausdrückliche Verfechter zu benennen. Am nachdrücklichsten wurde diese Forderung in ιοί Stummer, Zweckbindung, S. 116 ff. 102 Udo Steiner, Öffentliche Verwaltung durch Private, S. 42, Fn. 151. 103 Schelcher, Das Enteignungsgesetz für das Königreich Sachsen vom 24. 6. 1902, S. 136. 104 Schelcher, Eigentum und Enteignung nach der Reichsverfassung, S. 221. 105 Bullinger, Die Enteignung zugunsten Privater, Der Staat, Bd. 1, 1962, S. 471. 106 Vgl. ζ. B. Dellmann, in: Seifert / Hömig, GG, Art. 14 Rdnr. 12; Merk, Deutsches Verwaltungsrecht, Bd. 2, S. 1538. 107 Badura, Eigentum und Sozialisierung, C. III., in: Ergänzbares Lexikon des Rechts, io« AK — Rittstieg, GG, Art. 14 Rdnr. 203, jedoch selbst zweifelnd an der Wirksamkeit dieses Kriteriums.

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6. Kap.: Formelle Forderungen bei Enteignung zugunsten Privater

jüngster Zeit von Böhmer 109 erhoben. Seiner Ansicht nach verlange die Verfassung, daß mit dem Gemeinwohlvorhaben eine dringende staatliche Aufgabe erledigt werden solle. Andererseits lehnte schon Layer 110 im Jahre 1902 die Begrenzung des Enteignungsrechts auf Bedürfnisse des Staates mit überzeugenden Gründen ab. So ist auch die These Böhmers in der Literatur 111 auf herbe Kritik gestoßen. Der entsprechenden Forderung kann bereits aus den beiden folgenden Gründen nicht zugestimmt werden: Erstens findet sich weder in Art. 14 GG selbst noch in der übrigen Verfassung ein überzeugender Anhaltspunkt, warum eine staatliche Aufgabe dem Enteignungsbegünstigten formell übertragen werden sollte. Dabei kann die Frage, in welcher Form (Gesetz, Verwaltungsakt, Vertrag?) dies geschehen müßte, offen bleiben. Zweitens weist der Begriff der öffentlichen oder staatlichen Aufgabe keine fest umrissenen Kriterien auf. Bezeichnenderweise bleibt auch Böhmer jede Definition schuldig. Dies verwundert nicht. Denn nach der modernen Staatsaufgabenlehre 112 ist der Staat befugt, in den durch die Verfassung und insbesondere deren Grundrechte gezogenen Grenzen jedes Handlungsziel an sich zu ziehen und somit zur staatlichen Aufgabe zu machen. Andererseits hat der Staat kein Monopol bei der Verwirklichung des Gemeinwohls. Das Wohl der Allgemeinheit iSd Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG läßt sich also durch das Kriterium der „Staatsaufgabe" nicht konkretisieren 113 . Eine formelle Übertragung staatlicher Aufgaben auf den privaten Enteignungsbegünstigten ist daher auch nicht notwendig.

J. Exkurs: Die Frage nach dem Rechtsanspruch des künftigen Begünstigten auf Enteignung Schließlich soll noch kurz geprüft werden, ob der Antragsteller aus Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG oder dem zugrunde liegenden Enteignungsgesetz formelle Rechtspositionen für sich herleiten kann. Während dies früher einstimmig abgelehnt wurde, muß die Frage heute als umstritten bezeichnet werden. So lassen es Schmidt — Aßmann/Frenzel 114 dahingestellt, ob dem Privaten ein Rechtsanspruch auf Durchführung der Enteignung zuzuerkennen ist.

109 Böhmer, Sondervotum zu BVerfG, Urt. v. 10. 3. 1981, BVerfGE 56, 249 = NJW 1981, 1257. ι io Layer, Principien des Enteignungsrechts, 1902, S. 176 ff und S. 190 ff; ihm folgend: Huber, Das Gemeinwohl als Voraussetzung der Enteignung, S. 63; im Ergebnis ebenso: Leisner, Privatinteressen als öffentliche Interessen, DÖV 1970, S. 217 (219). m Vor allem Breuer, DVB1. 1981, 971 (974). 112 Steiner, Öffentliche Verwaltung und Private, S. 52 m. w. N.; Ossenbühl, VVDStRL 19, 153; Bull, Staatsaufgaben, S. 102. 113 Hierzu näher 7. Kap. C. II. 7. 114 Schmidt-Aßmann / Frenzel, in: Ernst / Zinkahn, BBauG, § 87 Rdnr. 22.

J. Rechtsanspruch des künftigen Begünstigten auf Enteignung

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I. Gründe für einen Rechtsanspruch des Enteignungsbegünstigten Eine Anzahl von Autoren sprechen sich für einen Rechtsanspruch des Privaten auf Enteignung zu seinen Gunsten aus. / Molodovsky 115 will einen materiellen Rechtsanspruch auf Enteignung für den Fall einräumen, daß nach gesetzlichen Vorschriften nur ein einziger Träger des Vorhabens in Betracht komme. Schrödter 116 geht von § 105 BauGB aus und leitet aus der Tatsache, daß jedermann den Enteignungsantrag stellen könne, eine Art Popularantragsrecht ab. Ein solcher Antrag habe zur Folge, daß der Enteignungsbehörde kein Ermessensspielraum zuerkannt werden könne, vielmehr dem Enteignungsantrag stattzugeben sei, wenn alle Voraussetzungen erfüllt sind. Diese Tatsache wirke sich als Reflex zugunsten des Antragstellers aus. Dieser mache schließlich geltend, daß die Enteignung zum Wohl der Allgemeinheit erforderlich sei. Zudem habe das BBauG den § 6 Abs. 4 Baulandbeschaffungsgesetz nicht übernommen.Die genannte Vorschrift Schloß einen Rechtsanspruch auf Enteignung ausdrücklich aus. Soweit ersichtlich, hat als erster Seufert 117 für den Anwendungsbereich des Bayer. Zwangsabtretungsgesetzes ein subjektives Enteignungsrecht bejaht. Seine Argumentation mutet modern an und mündet in die Diskussion über die Grundrechte als Teilhaberrechte 118. Der Fortschritt und die technische Entwicklung nehmen den immer knapper werdenden Grund und Boden in Anspruch. Die Träger gemeinnütziger Projekte seien für deren Durchführung auf diesen Raum angewiesen. Dies sei oft zugleich eine Frage der Selbsterhaltung dieser Unternehmen.

II. Gründe gegen einen Rechtsanspruch des Enteignungsbegünstigten Es besteht kein Rechtsanspruch des Privaten auf Enteignung zu seinen Gunsten aus der Verfassung heraus. Er kann auch nicht durch einfaches Gesetz begründet werden. Daß Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG keinen derartigen Anspruch gewährt, bedarf keiner weiteren Ausführungen. Entgegen Molodovsky genügt aber auch die Bestimmung des Vorhabenträgers durch Gesetz nicht, um diesem einen Rechtsanspruch auf Enteignung einzuräumen. Dies müßte schon ausdrücklich erfolgen, wobei sich dann die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit eines derartigen Gesetzes stellen würde. Die Verfassungswidrigkeit wird regelmäßig zu bejahen sein. Dies folgt aus der hier vertretenen Bestimmung des Wohls der Allgemeinheit heraus, us Molodovsky, BayEG, Art. 3 Anm. 1.2. 116 Schrödter, BBauG, § 108 Anm. 3. 117 Seufert, Bayer. Enteignungsrecht 1957, S. 155. us Im konkreten Fall kommt hierfür wohl Art. 12 Abs. 1 GG in Betracht.

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6. Kap.: Formelle Forderungen bei Enteignung zugunsten Privater

die sich mit der Zeit und der Situation wandelt 119 . Die damit aufgrund des einfachen Gesetzes immer neu entstehenden Ansprüche des privaten Antragstellers auf Enteignung würden zu einer Unsicherheit der Position des Eigentümers führen, die mit Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG nicht zu vereinbaren wäre. Daß der Gesetzgeber in das BauGB keine dem § 6 Abs. 4 Baulandbeschaffungsgesetz vergleichbare Bestimmung aufgenommen hat, bedeutet ebenfalls nicht die Anerkennung eines subjektiven Rechts auf Enteignung. Dies hat bereits Stummer 120 nachgewiesen. Die Behauptung, ein Rechtsreflex zugunsten des Antragstellers könne sich zu einem subjektiven Recht verdichten, ist unhaltbar. Auch räumt die Befugnis zur Antragstellung keinen Rechtsanspruch ein 1 2 1 . Zwar hat die Argumentation Seuferts einiges für sich. Letztendlich vermag sie aber nicht zu überzeugen. Denn alle vorgebrachten Gründe hat die Enteignungsbehörde im Rahmen des Wohls der Allgemeinheit zu berücksichtigen. Der entscheidende Gesichtspunkt aber, der zwingend gegen die Anerkennung eines Rechtsanspruchs des Privaten auf Enteignung zu seinen Gunsten spricht, ist folgender: Ein subjektiv-öffentliches Recht setzt voraus, daß die gesetzliche Enteignungsregelung zumindest auch dem Schutz von Individualinteressen zu dienen bestimmt ist. Dies darf aber auf die Befugnisnorm zur Enteignung nicht zutreffen. Denn eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig (Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG).

7. Kap. D. ι 2 0 Stummer, Die öffentliche Zweckbindung der enteigneten Sache, S. 144. 121 Im übrigen zeigen m. E. die Ausführungen von Otto Meyer, in: Meyer / Thiel / Frohberg, § 2 Anm. 5, daß die Einräumung eines Rechtsanspruchs auf Enteignung eine historisch bedingte Fehlinterpretation der Rechtslage ist. Π9 Vgl.

7. Kapitel

Das Wohl der Allgemeinheit bei der Enteignung zugunsten Privater Das vorhergehende Kapitel hat uns gezeigt, daß sich auf formellen Wegen allein keine Lösung der vielschichtigen Probleme einer Enteignung zugunsten Privater herbeiführen läßt. Wenn auch die Bedeutung formeller Ansätze keineswegs gering eingeschätzt werden darf, so muß doch bei der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines privatbegünstigenden Enteignungsvorhabens eine materielle Inhaltsbestimmung des Wohls der Allgemeinheit das entscheidende Kriterium sein.

A. Bemerkungen zur Terminologie „Wohl der Allgemeinheit" Frenzel hat seiner im Jahre 1978 erschienenen Promotion den Titel „Das öffentliche Interesse als Voraussetzung der Enteignung" gegeben. Der Wortlaut überrascht den, der es gewohnt ist, texttreu zu arbeiten. Spricht nicht Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG vom Wohl der Allgemeinheit als Zulässigkeitsvoraussetzung? Sind das öffentliche Interesse und das Wohl der Allgemeinheit inhaltlich identisch? In der Tat, die Gleichsetzung der beiden Begriffe hat Tradition. Die früheren deutschen Verfassungsurkunden 1 sprachen von „Gründen des öffentlichen Wohls", vom „gemeinen Besten" oder von „öffentlichen Zwecken". Dennoch hat die Rechtswissenschaft unter der Federführung von Layer 2 das „öffentliche Interesse" als Rechtsgrund der Enteignung ausgemacht. Schelcher 3 kann — ohne auch nur eine Gegenansicht erwähnen zu müssen — lapidar feststellen: Alle erwähnten Bezeichnungen decken sich mit dem Begriff des „öffentlichen Interesses". Auch unter der Geltung des Grundgesetzes hat sich diese Begriffsunschärfe bis zum heutigen Tag fortgesetzt. Die Arbeit Frenzeis ist kein Einzelfall. Ohne 1 Titel IV § 8 S. 4 der Verfassungsurkunde für das Königreich Bayern vom 26. 5. 1818, Bayerisches Gesetzblatt 1818, S. 101: „für öffentliche Zwecke"; § 32 der Verfassungsurkunde für das Kurfürstentum Hessen vom 5. 1. 1831, Gesetz- und Verordnungssammlung 1831, S. 1 ff: „für Zwecke des Staates oder einer Gemeinde"; weitere Nachweise bei Schelcher, Art. 153, S. 219. 2 Lay er, Principien des Enteignungsrechts, S. 189 ff. 3 Schelcher, Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung, S. 219. 6 Schmidbauer

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erkennbares System werden in der Literatur nach Belieben die Begriffe „Wohl der Allgemeinheit" und „öffentliches Interesse" häufig synonym gebraucht. Meist geschieht dies sozusagen nebenbei, wie bei Obermayer 4. In diesen Fällen läßt sich nicht belegen, ob es sich um Absicht oder schlicht um oberflächliche Sachbehandlung handelt. Andere Autoren, wie zum Beispiel Weides 5 , Rittstieg 6 , Häberle 7 oder Martens 8 halten ausdrücklich eine Gleichstellung für geboten. Eine überzeugende Begründung hierfür bleiben sie jedoch schuldig. Schulte9 schließlich spricht zwar auch im Zusammenhang mit der Enteignung von einem öffentlichen Interesse, betont jedoch gleichzeitig, daß es sich hierbei um ein spezifisches öffentliches Interesse handelt und weist auf die Gefahr von Begriffsvertauschungen hin, die zu dogmatischen Unklarheiten beitragen würden. Demgegenüber verdient es die Verfassung, beim Wort genommen zu werden. Diese Forderung Böhmers 10 muß ohne Abstriche unterstützt werden. Art. 14 Abs. 3 GG unterscheidet selbst zwischen dem Wohl der Allgemeinheit in Satz 1 und den Interessen der Allgemeinheit in Satz 3. Schon allein dieser Wortlaut spricht gegen eine inhaltliche Identität innerhalb des Art. 14 Abs. 3 GG. So unbedacht, wie ein Großteil der Literatur dies unterstellt, sind die Verfassungsväter nicht mit der Sprache im Grundgesetz umgegangen. Zutreffend betont daher Böhmer 10 , daß es sich bei der Unterscheidung zwischen Wohl der Allgemeinheit und öffentlichem Interesse nicht um eine blutleere Begriffsjurisprudenz handelt. Zuzustimmen ist Böhmer auch, wenn er feststellt, daß nicht alles, was öffentliches Interesse erweckt, auch dem allgemeinen Wohl dient. Das öffentliche Interesse ist allumfassend. Jegliches staatliche Handeln bezieht hieraus seine Legitimation. Artikel 3 der Verfassung des Freistaates Bayern bestimmt beispielsweise, daß der Staat dem Gemeinwohl dient. Die Wahrung des Gemeinwohls wird damit zu einer der höchsten Staatszielbestimmungen erhoben. Unabhängig davon, ob dies — wie in Bayern — ausdrücklich in der Verfassungsurkunde niedergelegt ist, kann diese Aussage für die modernen freiheitlichen Verfassungen westlicher Prägung generalisiert werden. Jeder Handgriff, jeder Federstrich eines Beamten sollte durch das öfffentliche Interesse motiviert sein, ansonsten ist er überflüssig. Dies sollte sogar für Beamte gelten, die fiskalische Aufgaben wahrnehmen. Muß der Staat — in welchem Zusammenhang auch immer — über das Interesse der Allgemeinheit befinden, so hat für ihn alles von Belang zu sein, was er nicht von Haus aus aufgrund der betroffenen Sachmaterie oder einer verfassungskonformen Gesetzesregelung vernachlässigen darf. Damit stimmt überein, wenn 4

Obermayer, Verfassungswidriges Enteignungsrecht, BayVBl. 1971, S. 209 (211). 5 Weides, Rechtsfragen der Enteignung nach dem Bundesbaugesetz, DVB1. 1984, S. 921 (926). 6 Rittstieg, Eigentum als Verfassungsproblem, S. 416 f. 7 Häberle, Öffentliches Interesse als juristisches Problem, S. 716. 8 Martens, Öffentlich als Rechtsbegriff, S. 169 ff. 9 Schulte, Eigentum und öffentliches Interesse, S. 71. 10 Böhmer, Sondervotum zum Urt. des BVerfG v. 10. 3. 1981, BVerfGE 56,249 (274).

Α. Bemerkungen zur Terminologie „Wohl der Allgemeinheit"

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Böhmer 10 das Interesse als einen Sachverhalt beschreibt, der Beachtung, Anteilnahme oder Aufmerksamkeit verdient. Daß nicht jeder öffentliche Belang, der bei einer Entscheidung bedacht werden muß, auch eine Enteignung zu rechtfertigen vermag, leuchtet ein. Anderenfalls wäre eine Enteignung auch zugunsten Privater immer und überall zulässig. Zu dieser verfassungsrechtlich begründeten Terminologie steht der Sprachgebrauch Häberles 11 im diametralen Gegensatz. Er zieht — auch im Rahmen des Art. 14 Abs. 3 GG — das öffentliche Interesse, das seiner Ansicht nach bezugsund spannungsreiche Assoziationen vermittelt, dem blassen Allerweltsbegriff des Gemeinwohls vor. Dies wird schon allein durch die Wortwahl des Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG widerlegt und vermag daher nicht zu überzeugen. Jedenfalls liegt die Beweislast für die Annahme der Begriffsidentität bei Häberle. Den Beweis ist er schuldig geblieben. Jenseits der begrifflichen Unschärfe der allgemeinen juristischen Literatur sind sich jedoch die Kommentatoren des Grundgesetzes einig, daß der Begriff des Wohls der Allgemeinheit in Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG in „einem spezifischen Sinne" zu verstehen ist 12 . Unter ausdrücklichem Hinweis auf die anderweitige sprachliche Übung der sonstigen Veröffentlichungen drückt dies Kimminich 1 3 so aus: Das bloße öffentliche Interesse reiche nicht aus, um das Tatbestandsmerkmal „Wohl der Allgemeinheit" zu erfüllen. Diese und ähnliche Äußerungen legen die Vermutung nahe, daß das Wohl der Allgemeinheit einen speziellen, qualifizierten Teilausschnitt öffentlicher Interessen darstellt. Ob das zutrifft oder ob der Begriff vielmehr einen weitergehenden Inhalt aufzuweisen hat, wird weiter unten noch zu klären sein. An dieser Stelle geht es lediglich darum, eine einheitliche Terminologie für den jeweiligen Fall z.u erreichen. In diesem Zusammenhang sind vorerst noch drei weitere begriffliche Ansätze des Schrifttums in ihrer Bedeutung für die vorliegende Arbeit zu diskutieren. Von Arnim 14 sieht das einzig sinnvolle Kriterium für eine Unterscheidung der Begriffe Gemeinwohl und öffentliches Interesse in der Differenzierung zwischen gesellschaftlicher Selbststeuerung und staatlicher Steuerung. Öffentliche Interessen sind seiner Ansicht nach Bedürfnisse von Privaten, deren Wahrung der staatlichen Organisation zufällt. Öffentliches Interesse im Sinne von Arnims ist eine Restgröße, die die von der gesellschaftlichen Selbststeuerung nicht angemessen berücksichtigten Interessen enthält und sie zum Gemeinwohl ergänzt 14. Dieser seiner Art nach verfahrensmaSAge Ansatz der Gemeinwohlbestimmung mag für den Untersuchungsgegenstand von Arnims durchaus richtig und zutreffend 11

Häberle, Öffentliches Interesse als juristisches Problem, S. 716. v. Mangoldt / Klein, Das Bonner Grundgesetz, Bd. I, S. 445. 13 Kimminich, BK zum GG, Art. 14 Rdnr. 273. 14 Von Arnim, Gemeinwohl und Gruppeninteressen, S. 81 f. 12

6*

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sein, da sich dieser mit der Beeinflussung des Gemeinwohls durch Gruppeninteressen befaßt. Begrifflich jedoch ist dieses Gemeinwohl im Rahmen wirtschaftlicher Selbst- bzw. Staatssteuerung nicht identisch mit dem Wohl der Allgemeinheit im Sinne des Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG. Beim Grundrecht reicht allein die Beachtung des richtigen Verfahrensweges zur Überwindung der verfassungsrechtlich verbürgten Eigentumsgarantie nicht aus. Dies haben wir bereits oben im sechsten Kapitel gesehen. Hans Huber 15 hingegen setzt den Begriff des Gemeinwohls mit dem höchsten Staatszweck, dem Telos des Staates gleich. Er begründet dies damit, daß das Gemeinwohl seinen Ursprung und eigentlichen Standort in der Rechts- und Staatsphilosophie habe und von dort lediglich auf das Enteignungsrecht übertragen worden sei. Diese begriffliche Gleichsetzung bringt nicht weiter. Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG will lediglich die Änderung der Zuordnungsberechtigung an einem Eigentumsgegenstand ermöglichen unter Voraussetzungen, deren Inhalt es noch zu klären gilt. Schaeder 16 schließlich gebraucht eine wiederum abweichende Terminologie. Er bejaht das Vorliegen eines öffentlichen Interesses, wenn es sich um Belange handelt, die ausschließlich den Staat an sich betreffen. Alle Belange dagegen, seien es auch solche noch so großer sozialer Gruppen, die irgendwie auf Individualinteressen radizierbar seien, könnten unter die Vorstellung des Gemeinwohls subsumiert werden. Ob dies so zutreffend ist, kann hier dahinstehen. Art. 1 GG spricht zunächst einmal dagegen. Ob es unter seiner Geltung überhaupt Staatsinteressen geben kann, die nicht zugleich auch den Staatsbürgern dienen, erscheint mehr als zweifelhaft. Jedenfalls kann diese Terminologie keine allgemeine Gültigkeit beanspruchen. Sie bezieht sich ausschließlich auf das Recht der globalen Wirtschafts- und Finanzplanung. Nach all dem läßt sich zusammenfassend festhalten: Entgegen der Mehrzahl der Stimmen in der Literatur können die Begriffe des Wohles der Allgemeinheit in Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG und der öffentlichen Interessen nicht gleichgesetzt werden. Das Wohl der Allgemeinheit im Sinne des Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG ist ebenfalls nicht identisch mit sonstigen Gemeinwohlbelangen, wie sie im Regelungszusammenhang anderer Sachmaterien auftauchen. Es gilt den spezifischen Inhalt des Wohls der Allgemeinheit als Voraussetzung einer Enteignung zugunsten Privater zu bestimmen. Allein hierauf beschränkt sich im folgenden die Terminologie.

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Hans Huber, Das Gemeinwohl als Voraussetzung der Enteignung, in: Zeitschrift für Schweizer Recht n.F., Bd. 84, 1965, S. 54. 16 Schaeder, Gemeinwohl und öffentliche Interessen im Recht der globalen Wirtschafts- und Finanzplanung, in: Schriftenreihe der Hochschule für VerwaltungsWissenschaft Speyer, „Wohl der Allgemeinheit und öffentliche Interessen", 1968, Bd. 39, S. 112.

Β. Funktion der verfassungsrechtlichen Allgemeinwohlklausel

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B. Funktion der verfassungsrechtlichen Allgemeinwohlklausel in Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG Bei dem vorliegenden Unterfangen ist es durchaus zweckmäßig, sich vorab den Sinn des Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG zu vergegenwärtigen. Dies erscheint um so mehr angebracht, wenn man von der Wortwahl der Grundrechtsnorm ausgeht. Gemeinwohlformeln aller Art begegnen heute verbreiteter Skepsis1. Sie werden überhaupt in ihrer Existenzberechtigung in Frage gestellt. Die Gründe hierfür sind vielgestaltig. Berechtigterweise nennt von Arnim 2 zu allererst die historische Entwicklung. In der absoluten Monarchie war das Gemeinwohl eine Erkenntnis, die ausschließlich dem Herrscher vorbehalten war und sich mithin jeder weiterer menschlichen Kontrolle entzog. Die Linie setzt sich fort bis hinein in die jüngste Vergangenheit Deutschlands, als während der nationalsozialistischen Herrschaft die Gemeinwohlbestimmung in selten dagewesener Reinheit autoritär erfolgte. Aber auch unter der Geltung des Grundgesetzes ist hier Wachsamkeit geboten. Politische Parteien proklamieren von ihnen verfolgte Ziele als vom Gemeinwohl gefordert 3, auch wenn es nur darum geht, die Gunst einer kleinen Wählergruppe zu gewinnen oder schlicht und einfach Regierungsmacht zu erlangen oder zu stabilisieren. Aber auch Interessengruppen unterschiedlichster Art erliegen nui* allzu leicht der Versuchung, ihre eigenen höchst egoistischen Interessen als Gemeinwohlbelange zu verkaufen und unter diesem Tarnmantel in den Medien lautstark vom Staat ihre Einlösung zu fordeip 4 . Diese sozialen Erscheinungen wirken alles andere als vereinfachend für eine Gemeinwohlprüfung bei einer privatbegünstigenden Enteignung. Da kann es kaum noch verwundern, wenn behauptet wird 5 , daß Art. 14 Abs. 3 GG keinerlei generell geltende Hinweise für die Eigentumsgarantie und ihre Ausgestaltung enthält. Gegenüber derartigen pauschalen und unbegründeten Vorurteilen gilt es, das Ziel, das Art. 14 Abs. 3S. 1 GG nach dem Willen unserer Verfassung verfolgt, nicht aus dem Auge zu verlieren.

ι Umfangreiche Nachweise bei von Arnim, Gemeinwohl und Gruppeninteressen, S. 5 ff. 2 Von Arnim, Gemeinwohl und Gruppeninteressen, S. 6. 3 Kunz / Maier / Stammen: Programme der politischen Parteien in der Bundesrepublik Deutschland, Bd.I: CDU, CSU, S. 86 f; Bd. II: SPD, FDP und KPD. 4 Die Palette reicht vom Reichsbund für Kriegsopfer, Hinterbliebene und Sozialrentner über den Bauernverband bis hin zu den Einzelgewerkschaften im DGB einerseits und den Industrieverbänden andererseits; freilich ist dies kein nationales Phänomen, vgl.: „What's good for General Motors, is good for the whole country" (der Ausspruch aus den U.S.A. stammt von einem Verteidigungsminister unter der Präsidentschaft Eisenhowers); „Wenn's dem Bauern gut geht...". Zum Gesamtproblem vgl. v. Arnim, Gemeinwohl und Gruppeninteressen, S. 6. 5 Mattes, Grundeigentum im Städtebauförderungsgesetz und Art. 14 Grundgesetz, S. 46.

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I. Ermöglichung staatlicher Bedarfsdeckung an privatem Eigentum Liest man Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG, wird klar, daß es verfassungsrechtlich kein absolutes Eigentum gibt. Sogar der schwerste Eingriff in das Eigentum, nämlich sein hoheitlicher Entzug, wird hierdurch möglich. Dies ist ein Ausfluß aus der ebenso realen wie simplen Erkenntnis, daß insbesondere bei bestimmten Eigentumsarten das Eigentum einiger weniger objektiv freiheitsbeschränkende Wirkungen für eine große Zahl von Nichteigentümern entfalten kann 6 . Unabhängig von einer inhaltlichen Bewertung dieser Feststellung und der sich daraus ergebenden unterschiedlichen Grenzziehungen kann niemand bestreiten, daß es immer schon extreme Notsituationen gegeben hat, in denen der Staat offensiv gegen subjektive Eigentumspositionen Einzelner vorgehen mußte7. Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG hat dabei das Eigentum ganz allgemein im Visier. Er bezieht sich also nicht nur auf Grund und Boden. Vielmehr kann das Eigentum ebenso umfassend, wie es geschützt ist, auch Gegenstand der Enteignung sein. Es gibt kein Eigentum, das nicht auch enteignet werden könnte. Wenn die bisherigen und künftigen Beispiele demgegenüber vorwiegend dem Bereich „Landbeschaffung" entnommen sind, soll damit nicht das Gegenteil bewiesen werden. Es zeigt nur, daß bei Grund und Boden der größte Konfliktstoff und der meiste Eigentumsbedarf durch staatliche Behörden gesehen wurde. Dies wird sich auch künftig nicht so schnell ändern. Dennoch muß darauf hingewiesen werden, daß es außer Grund und Boden noch andere Fälle der Enteignung gibt. Als Beispiel mag die nachträgliche Verkürzung ursprünglich längerfristiger Urheberrechte durch Gesetz vom 9. 9. 1965 gelten8. Dabei reduzierte man die Geltungsdauer von 50 Jahren auf 25 Jahre (§§ 82, 135 UrhG). Durch diese Begünstigung wurden die Inhaber, die die künstlerische Leistung erbracht hatten, belastet. Hingewiesen werden darf auch auf die umstrittene Aufhebung der bayerischen Kaminkehrerrealrechte durch § 39 a GewO. Wenn es sich dabei um eine Enteignung handelt, was freilich noch einer genaueren Untersuchung bedürfte, sind von dem Freiwerden der Realrechtsbezirke andere Kaminkehrer begünstigt9. Völlige Unantastbarkeit des Eigentums würde einen Verstoß gegen die Würde des Menschen bedeuten. Sie würde Sachen und Rechte an Sachen über den 6

So im Ansatz bereits v. Mangoldt, Diskussionsbeitrag, in: VVDStRL 10 (1952), 150 (161). 7 Zum Begriff des Staatsnotrechts vgl. bereits Hugo Grotius (*1583 11645), De jure belli ac pacis, L. III., Kap. XIX, VII. Bezeichnenderweise war bei älteren Schriftsteilem die Expropriation ein Unterfall des staatlichen Notrechts; siehe: Häberlin, Lehre von der Zwangsenteignung, AcP 39 (1856), S. 1 ff (167). Kritisch zu dieser Systematik: Layer, Principien des Enteignungsrechts, 1902, S. 38. 8 Charlotte Timm, Eigentumsgarantie und Zeitablauf, S, 57 ff. 9 BVerwG, Urt. v. 6. 7. 1971, BayVBl. 1972, S. 131; BayVGH, Urt. v. 30. 7. 1984, BayVBl. 1984, S. 719; Körting, Die Aufhebung der bayerischen Kaminkehrerrealrechte, BayVBl. 1972, S. Π 9 ff.

Β. Funktion der verfassungsrechtlichen Allgemeinwohlklausel

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Menschen stellen und damit die Grundrechtsordnung unserer Verfassung in ihrem Kern treffen. Die einzelne Person und ihr Eigentum leben nicht isoliert für sich. Sie sind gemeinschaftsbezogen und auf die Gemeinschaft hin ausgerichtet 10. Prinzipiell auch Opfer für die Gemeinschaft erbringen zu müssen, ist eine Konsequenz davon. Und Opfer bedeutet in diesem Fall, den totalen Entzug des Eigentums zu dulden. Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG entfaltet dabei seine juristische Wirksamkeit in doppelter Hinsicht. Freilich handelt es sich hier eigentlich nur um die jeweilige Kehrseite der selben Medaille.

1. Befugnisnorm für den Staat zum Zugriff auf das private Eigentum Auch wenn die Rechtfertigung der Enteignung seit Beginn der Weimarer Zeit kaum mehr erörtert wurde 11 und die Diskussion hierüber erst in neuerer Zeit wieder zaghaft aufgeflackert ist 1 2 , läßt sich doch folgendes sagen: Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG stellt zum einen die Befugnisnorm für den Staat zum Zugriff auf das private Eigentum des Einzelnen dar. Nur unter den dort genannten Voraussetzungen darf eine Enteignung erfolgen. Ein Staat, in dem das Eigentum zur freien Disposition der Staatsorgane steht, wäre kein Rechtsstaat. Die genannte Vorschrift erfüllt demnach zutiefst rechtsstaatliche Anforderungen. Sie ermächtigt staatliche Behörden, das scharfe Schwert hoheitlichen Zwangs zur Erlangung eines bestimmten Gegenstandes oder Rechtes einzusetzen. Gegen den Willen des bisherigen Zuordnungsberechtigten kann ein Bedarf an dessen Eigentum gedeckt werden. Anders ausgedrückt: Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG befugt zum finalen Zugriff auf Eigentumsobjekte zur Verfolgung eines bestimmten Zweckes. Dabei wird staatlicher Zwang zielgerichtet zur Bedarfsdeckung eingesetzt. Der Bedarf wird durch das Wohl der Allgemeinheit definiert. Nur diese Legitimation vermag den hoheitlichen Entzug von Eigentum zu rechtfertigen. In einem rechtsstaatlich geordneten Verfahren eröffnet die Verfassung selbst der Exekutive die Möglichkeit, bestehende Verhältnisse zu beseitigen, sie umzustrukturieren und neu zu ordnen — soweit sie auf Eigentumsrechten beruhen: eine verfassungsrechtlich eröffnete Eingriffsschneise in grundrechtlich verbürgte Positionen. Der Grundrechtsausübung des bisherigen Berechtigten werden hierbei nicht nur Schranken gezogen, sie wird vielmehr ganz unterbunden und künftig unmöglich gemacht. Entgegen Schelcher 13 ergibt sich die Rechtfertigung dieses hoheitlichen Zwanges

10 Der Grundgedanke ist maßgeblich hervorgerufen durch die Rechtsprechung des BVerfG, vor allem Beschl. v. 12. 6. 1979, BVerfGE 52, 1 (27); vgl. aus neuerer Zeit beispielhaft von Brünneck, Das Wohl der Allgemeinheit als Voraussetzung der Enteignung, NVwZ 1986, 425 ff. 11 Schelcher, Art. 153, Die Rechte und Pflichten aus dem Eigentum, in: Hans Carl Nipperdey (Hrsg.), Die Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung, 1930, 3. Bd., S. 219. ι 2 Riegel, Das Eigentum im europäischen Recht, S. 49.

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nicht bereits aus der Tatsache, daß der Staat dem Eigentum seinen Schutz erst verliehen hat. Entscheidend ist vielmehr, daß das Grundgesetz dem Entzug von Eigentumspositionen an einen bestimmten Bedarf koppelt. Die Notwendigkeit der Bedürfnisverwirklichung legitimiert den Staat zur Zwangsanwendung, wenn materiell die Qualifizierung des Wohls der Allgemeinheit erreicht wird. Für eine privatbegünstigende Enteignung ist in diesem Zusammenhang die folgende Feststellung von Bedeutung, über die in der Rechtswissenschaft weitgehend Konsens herrscht: Das Eigentum wird von der Verfassung nicht in erster Linie wegen seiner Notwendigkeit für die Gesellschaft, sondern wegen seiner Notwendigkeit für den Menschen und für die Entfaltung der menschlichen Persönlichkeit geschützt. Für die Enteignung als actus contrarius des Eigentumsschutzes kann diese Erkenntnis nicht ohne Auswirkungen bleiben. Eine Enteignung muß dem Wohl der Allgemeinheit dienen. Dieser Zweck muß von Bedürfnissen einzelner Menschen mitgetragen werden. Die dem Staat von Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG eingeräumte Befugnis zum Entzug des privaten Eigentums Einzelner hat sich daran zu orientieren.

2. Grenzen staatlicher Hoheitsmacht für Enteignungseingriffe Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG ermöglicht dem Staat nicht nur den Zugriff auf das Eigentum, er setzt diesem Zugriff gleichzeitig auch verfassungsrechtliche Schranken. Für den einfachen Gesetzgeber, die Verwaltung und die Gerichte ist das Wohl der Allgemeinheit bei der Rechtfertigung der Enteignung eine nicht zu überwindende Grenze. Jenseits dieser hohen Anforderung ist jeder gezielte staatliche Zugriff auf Eigentumspositionen verfassungswidrig. Entgegen Riegel 14 trifft es somit nicht zu, daß die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG ohne das Junctim des Art. 14 Abs. 3 S. 2, Halbsatz 2 GG wertlos wäre. Die Verfassung enthält eben nicht nur eine Vermögensgarantie des Eigentums, sondern garantiert dessen Bestand15. Diese Funktion hatten die historischen Gemeinwohlklauseln in den früheren Verfassungen von Anfang an inne. So wollte beispielsweise Art. 164 der Reichsverfassung vom 28. 3. 1849 mit der Wendung vom „gemeinen Besten" die Herrschaftsrechte des Landesherrn begrenzen, als deren Bestandteil das Enteignungsrecht seit Ende des 18.Jahrhunderts angesehen wurde 16 . Enteignungen sollten nicht mehr im ausschließlichen Interesse des Landesherrn, zur Vergrößerung seines Grundbesitzes oder zur Verschönerung seiner Schlösser stattfinden. Diese enteignungshindernde Bedeutung wird freilich 13 Schelcher, Art. 153 WRV — Die Rechte und Pflichten aus dem Eigentum, in: Hans Carl Nipperdey (Hrsg.), Die Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung 1930, 3. Bd., S. 219; 14 Riegel, Das Eigentum im europäischen Recht, S. 49. is BVerfG, Urt. v. 18. 12. 1968, BVerfGE 24, 367. 16 Frenzel, Das öffentliche Interesse als Voraussetzung der Enteignung, S. 25.

Β. Funktion der verfassungsrechtlichen Allgemeinwohlklausel

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von der heutigen Praxis viel zu wenig zur Kenntnis genommen, geschweige denn beachtet. Der Eindruck ist nicht von der Hand zu weisen, daß die Enteignungsbehörden mit der Einleitung eines Enteignungsverfahrens auf den bloßen Antrag des künftigen Begünstigten hin auch schon das Wohl der Allgemeinheit als Enteignungsvoraussetzung als gegeben erachten. Dies stellt die Mißachtung einer verfassungsrechtlichen Grundentscheidung dar. Die Bilanz ist um so ernüchternder, als bereits im Jahre 1978 Frenzel mit seiner Promotion 17 gerade auf diesem Gebiet Pionierarbeit geleistet hat. Er forderte damals, daß das Wohl der Allgemeinheit in seiner enteignungshemmenden Funktion freigelegt werden müsse. Diese Forderung kann heute und an dieser Stelle nur noch einmal mit Nachdruck wiederholt werden.

I I . Gesetzliche Regelungsbefugnis unterhalb der Grenze des Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG Das Wohl der Allgemeinheit beinhaltet somit eine verfassungsrechtliche Mindestanforderung an die Rechtfertigung einer Enteignung. Genügt das Enteigungsziel diesen Voraussetzungen nicht, muß die Enteignung unterbleiben. Jenseits dieser Hürde ist nämlich jeder staatliche Zugriff auf das Eigentum verfassungswidrig. Bis zur Grenze des Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG, die dieser mit dem Begriff des Wohls der Allgemeinheit errichtet, ist jedoch eine Regelungsbefugnis des einfachen Gesetzgebers anzuerkennen. Er ist keineswegs allein darauf beschränkt, abstrakt Enteignungszwecke festzulegen, wie wir dies oben im 6. Kapitel gesehen haben. Der Gesetzgeber ist vielmehr auch befugt, die Anforderung an eine Enteignung zu verschärfen. Dies kann über den Ausschluß von Enteignungszwecken, die Festlegung von Verfahrensvorschriften oder auch auf sonstige Weise geschehen. Für eine Enteignung zugunsten Privater bedeutet dies — vorbehaltlich der Schranken, die sich für einen solchen Fall aus dem Wohl der Allgemeinheit gewinnen lassen -, daß es dem einfachen Gesetzgeber jederzeit freisteht, privatbegünstigende Enteignungen völlig oder für bestimmte Sachbereiche auszuschließen oder an besondere zusätzliche Anforderungen zu knüpfen. Von dieser Möglichkeit hat der Gesetzgeber bereits vereinzelt Gebrauch gemacht. Zu nennen ist zum Beispiel das Erfordernis eines Bebauungsplanes bei einer Enteignung für Wohnsiedlungen18. Vor allem fällt hierunter aber auch die Eingrenzung der potentiellen Enteignungsbegünstigten auf die jeweilige Gemeinde bei der transitorischen Enteignung nach dem Bundesbaugesetz19. 17 Frenzel, Das öffentliche Interesse als Voraussetzung der Enteigung, 1978. is § 85 Abs. 1 Nr. 1 BauGB. 19 § 87 Abs. 3 BauGB, der gegenüber § 87 Abs. 3 BBauG a.F. um öffentliche Bedarfsund Erschließungsträger als Enteignungsbegünstigte erweitert wurde.

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Bei der Regelung all dieser Fälle ist der Gesetzgeber grundsätzlich frei 20 . Die Notwendigkeit zur Beurteilung zukünftiger Entwicklungen erfordert Prognosen, die ihrer Natur nach mit einem Unsicherheitsrisiko behaftet sind. Das Recht auf Irrtum liegt dabei auf Seiten des Gesetzgebers. Nicht der Gesetzgeber hat nachzuweisen, daß seine Prognose mit hoher Wahrscheinlichkeit zutreffen wird, sondern der Betroffene — etwa der als Enteignungsbegünstigter ausgeschlossene Private — hat als potentieller Kläger die Darlegungslast dafür, daß die gesetzgeberische Annahme mit großer Wahrscheinlichkeit nicht eintreffen wird. Dies folgt auch aus einem Vergleich zwischen Gesetzgeber und Verwaltung. Zwar ist der Gesetzgeber an das Grundgesetz und die Verwaltung an das Gesetz gebunden, jedoch in qualitativ unterschiedlicher Weise. Im Gegensatz zum Verhältnis zwischen Verwaltung und Gesetz ist der Gesetzeserlaß keine Subsumtion unter das Grundgesetz. Beides ist nicht miteinander zu vergleichen. Ein Grundrecht ist nur die äußerste Notbremse für hoheitlichen Machtmißbrauch des Gesetzgebers. Mit anderen Worten: Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG ist eine unüberwindbare Begrenzung des politischen Ermessens der Legislative. Auch dem einfachen Gesetzgeber ist es versagt, die Schwelle für die Enteignung unter die Anforderungen der Erforderlichkeit zum Wohl der Allgemeinheit zurückzunehmen. Die Rückbesinnung auf diese Schranken erscheint nötig, wenn man diesen Feststellungen die Ergebnisse von Untersuchungen über die Enteignungswirklichkeit entgegenstellt21. Sie zeigen eine Ausdehnung der Enteignungspraxis, die auf politische Erwägungen in Gesetzgebung und Verwaltung zurückgeht und die überkommene Garantie des Eigentums stark relativiert hat 22 . Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG stellt in seiner strengen Zweckorientierung auf das Gemeinwohl hin auch einen Damm gegen die von so manchem Politiker begrüßte neue „Repolitisierung . . . der Eigentumsordnung" 23 dar. Der Spielraum der Politik ist zwar weit, aber nicht grenzenlos.

I I I . Rechtsstaatliche Konfliktbewältigung als Programminhalt Faßt man die aufgezeigten verschiedenen Aspekte des Allgemeinwohlerfordernisses bei der Enteignung zusammen, zeichnet sich ein einheitliches Gesamtkonzept des Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG ab. Die Grundrechtsnorm entfaltet ihre Wirksamkeit sowohl auf der Ebene der Gesetzgebung als auch auf der Ebene des Verwaltungsvollzugs. Sie beinhaltet ein Programm der rechtsstaatlichen Konfliktbewältigung. Ihre Funktion ist, den Zusammenprall widerstreitender Interessen und Bedürfnisse einer möglichst optimalen und gerechten Lösung zuzufüh20

Geht es um den Schutz der gesetzgeberischen Freiheit vor gerichtlicher Kontrolle, spricht man in diesem Zusammenhang von Einschätzungsprärogative. 21 Niklas Luhmann, Grundrechte als Institution, S. 127. 22 Von Brünneck, Die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes, S. 379. 23 Hans-Jochen Vogel, Kontinuität und Wandlungen der Eigentumsverfassung, S. 19.

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ren. Auf der einen Seite steht das Bedürfnis der Allgemeinheit, sich einen bestimmten Eigentumsgegenstand, der sich in der Hand eines Privaten befindet, nutzbar zu machen. Auf der anderen Seite steht das Interesse des bisherigen Verfügungsberechtigten über das Eigentum, diese Verfügungsmacht auch weiterhin behalten und ausüben zu dürfen. Ergänzt wird diese Gemengenlage an Belangen und Interessen in den Fällen, mit denen sich die vorliegende Arbeit befaßt, um einen weiteren Aspekt: Als dritter Pol tritt ein weiterer Privater hinzu, der Interesse an dem Eigentumsobjekt unter der Behauptung bekundet, daß sich der Bedarf der Allgemeinheit durch Eigentum in seiner Hand realisieren wird. In dieser Situation weist Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG den Weg zur Entschärfung des Konflikts im Rahmem des geltenden Rechts24. Mag man dem das schäbige Etikett des Kompromisses umhängen25 oder es zur Staatskunst hochstilisieren 26: Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG hat mit Verfassungskraft den materiellen Eckpfeiler des Inhalts einer Lösung eingeschlagen. Das Grundgesetz sieht diese in der Vorgabe, daß nur zum Wohle der Allgemeinheit enteignet werden darf. Es gilt daher, die inhaltlichen Konsequenzen dieser Festlegung heraus zu destillieren und sie von unnötigem und bedeutungslosem (literarischem) Beiwerk zu sondern. Der Versuch, sie für die privatbegünstigende Enteignung fruchtbar zu machen und ihr hierfür inhaltliche Kriterien abzugewinnen, ist Thema der folgenden Seiten.

C. Definition des Begriffs „Wohl der Allgemeinheit" in Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG Die Bestimmung des materiellen Gehalts der Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen einer privatbegünstigenden Enteignung kann nur dann zu ernsthaften Lösungen führen, wenn sie ihren Ausgangspunkt in den klassischen Gesichtspunkten und Kriterien nimmt, die Rechtsprechung und Literatur zur Definition des Allgemeinwohls bei einer Enteignung entwickelt haben. Dabei darf es aber keinesfalls sein Bewenden haben. Die Elemente dieser Definitionen sind vielmehr sowohl auf ihre Stichhaltigkeit zu überprüfen, als auch nach ihrer Brauchbarkeit für eine privatbegünstigende Enteignung hin abzuklopfen.

I. Einigkeit über negative Ausgrenzungen Sucht man in der Rechtsprechung oder Literatur unter dem Stichwort „Wohl der Allgemeinheit" im Zusammenhang mit einer Enteignung, finden sich zu 24 Vgl. zu diesem Gedanken im allgemeinen: Häberle, Öffentliches Interesse als juristisches Problem, S. 710. 2 5 Leisner, Privatinteressen als öffentliche Interessen, DÖV 1970, 217 (222) 26 Von Arnim, Gemeinwohl und Gruppeninteressen, S. 7 ff und 303 ff; Häberle, Öffentliches Interesse als juristisches Problem, S. 508.

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Häuf reine Negativkataloge darüber, was nicht dem Gemeinwohl entspricht. Vor dieser Erfahrung gelangt Häberle 1 zu dem niederschmetternden Ergebnis, der Grund der negativen Gemeinwohlkasuistik sei darin zu sehen, daß eine positive Bestimmung die Gerichte überfordere. Demgegenüber fragt es sich, ob diese positive Bestimmung überhaupt ihre Aufgabe ist. Außerdem begegnen wir in rein rechtstatsächlicher Hinsicht einem interessanten Phänomen: Auch unter Heranziehung natur- und geisteswissenschaftlicher Methoden läßt sich das „Gemeinwohlrichtige" nicht immer eindeutig positiv feststellen 2. Jedoch kann man immerhin bisweilen eindeutig zeigen, was nicht gerecht im Sinne von „Gemeinwohlrichtig" ist. Diese Aussage wird durch eine Analyse der in Rechtsprechung und Literatur vorhandenen Aufzählungen negativer Aspekte bestätigt3. Weithin herrscht völlige Einigkeit, daß bestimmte Gesichtspunkte den Anforderungen des Allgemeinwohls nicht genügen. Bei der Untersuchung erstaunt, in welch hohem Maße gerade diese Aspekte bei der Enteignung zugunsten Privater eine Rolle spielen. 1. Das Verbot von zweckfreien Enteignungen Die erste negative Ausgrenzung ist so selbstverständlich, daß sie oft schon gar nicht mehr erwähnt wird. Es gibt keine zweckfreien Enteignungen. Sie wären verfassungswidrig. Oder anders ausgedrückt: Eine Enteignung muß stets durch einen Sachzweck des öffentlichen Wohls legitimiert sein4. Es muß ein konkreter, vorhabensbezogener Zweck im Einzelfall vorliegen. Dabei kommt jedem Wort seine spezifische Bedeutung zu. Zunächst wäre schon eine generelle Enteignung des gesamten Eigentums eines einzelnen ein Widerspruch in sich 5 . Insoweit trifft sich diese Forderung teilweise mit der Wesensgehaltsgarantie aus Art. 19 Abs. 2 GG. Auch nach Durchführung der Enteignung muß das Rechtsinstitut Eigentum noch Bestand haben. Weiter hatte das Reichsgericht in einem seiner Urteile eine „vernünftige" gesetzgeberische Absicht genügen lassen6. Dieses Judiz wird heute einstimmig abgelehnt. Es genügt keinesfalls nur irgend ein vernünftiger Grund, der die Enteignung wünschenswert erscheinen läßt 7 . 1 Häberle, Öffentliches Interesse als juristisches Problem, S. 508. 2 Von Arnim, Gemeinwohl und Gruppeninteressen, S. 303. 3 Vgl. nur Kaiser, Staat und Privateigentum, S. 46 ff; W. Weber, in: Neumann / Nipperdey / Scheuner, Die Grundrechte, Bd. 2, S. 383 ff; Kimminich, BK zum GG, Art. 14, Rdnr. 272, jeweils auch mit Nachweisen zur Rechtsprechung. 4 Schmidt-Aßmann / Frenzel, in: Ernst / Zinkahn, BBauG, § 87 Rdnr. 17. 5 Chlosta, Der Wesensgehalt der Eigentumsgewährleistung, S. 139. 6 RG, Urt. v. 24. 11. 1932, RGZ 139, 6 (9 ff). 7 Badura, Eigentum, in: Benda / Maihofer / Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, S. 677.

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Nicht zuletzt kann man aus der obigen Prämisse noch folgern, daß eine Enteignung auf Vorrat unzulässig ist 8 . Denn fehlt ein aktueller vorhabensbezogener Verwendungszweck, mangelt es auch an einer Rechtfertigung der Enteignung. Im übrigen muß der Zweck der Enteignung von der Behörde offen gelegt und möglichst genau bezeichnet werden. Dies erfolgt beispielsweise bei einer Enteignung zur Realisierung eines Bebauungsplanes in der Planzeichnung. Dort war in einem Fall die zur Bebauung vorgesehene Fläche mit dem Zusatz „Kaufhaus" versehen. Nach der Zeichenerklärung handelte es sich dabei um „Baugrundstücke für besondere bauliche Anlagen, die privatwirtschaftlichen Zwecken dienen". Zu Recht hat dies der BGH 9 als ausreichend angesehen.

2. Das Verbot der Berücksichtigung rein fiskalischer Interessen des Staates Die Enteignung ist kein Instrument zur Mehrung des Staats Vermögens. Dieser Satz stammt aus einer Entscheidung des BVerfG 10 . Es handelt sich um eine der ganz wenigen Aussagen des höchsten deutschen Gerichts zur Bedeutung und zum Inhalt des Wohls der Allgemeinheit in Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG. Die Äußerung war in der Literatur schon zuvor festes Lehrgut und fand demgemäß auf breiter Front Zustimmung n . Aus ihr läßt sich herleiten, daß eine Enteignung aus fiskalischen Gründen verfassungswidrig ist. Dies gilt selbst dann, wenn ohne Enteignung erhebliche finanzielle Mehrbelastungen auf den Staat zukommen. Für die privatbegünstigende Enteignung hat dies zunächst eine ganz wichtige Konsequenz: Eine mögliche Mehrung des staatlichen Vermögens sowie der Steuerkraft und des Steueraufkommens ist kein Enteignungsgrund. Die Ansicht, daß finanzielle Aspekte und Gemeinwohlbelange sich bei einer Enteignung nicht miteinander vertragen, ist alt und unabhängig von ideologischen Zielvorstellungen. So stellt im Jahre 1918 Schelcher 12 fest, bloße finanzielle Vorteile der Staatskasse könnten die Enteignung nicht rechtfertigen, da das Unternehmen ja gemeinnützig sein müsse. Aber auch Enzinger 13 will 1942 fiskalische Interessen aus dem Begriff des öffentlichen Wohls ausscheiden. Und für die Zeit nach dem 2. Weltkrieg lassen sich Autoren unterschiedlicher Prägung dafür anführen, daß bloße fiskalische Zwecksetzungen den Anforderungen des Wohls der Allgemein« BVerwG, Urt. 21. 6. 1956, BVerwGE 3, 332 (334); BGH, Urt. v. 3. 8. 1953, BGHZ 23, 377 (394). 9 BGH, Urt. v. 28. 5. 1984, NVwZ 1986, S. 506. 10 BVerfG, Beschl. v. 12. 11. 1974, BVerfGE 38, 175 ff (180). h Kimminich, BK, Art. 14 GG Rdnr. 275; Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14, Rdnr. 498; v. Mangoldt / Klein, GG, Art. 14 Anm. VII 6; Bryde, in: v. Münch, GG, Art. 14 Rdnr. 81; AK-Rittstieg, GG, Art. 14, Rdnr. 205. ι 2 Schelcher, Das Enteignungsgesetz für das Königreich Sachsen, S. 126. 13 Enzinger, Das Enteignungsrecht im nationalsozialistischen Staat, S. 59.

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heit bei einer Enteignung nicht genügen. Scheuner 14, Kimminich 1 5 , Rittstieg 16 oder auch Molodovsky 17 seinen hier nur beispielhaft genannt. Als Begründung für diese Ansicht kann zunächst der Zweck der verfassungsrechtlichen Regelung in Anspruch genommen werden. Die Enteignungsbefugnis ist kein Instrument, das auf Vermögenserwerb durch die öffentliche Hand ausgerichtet ist. Unzulässig ist daher eine Enteignung etwa zur Erweiterung des staatlichen oder kommunalen Grundbesitzes oder zur Erhöhung des sonstigen öffentlichen Vermögens 18. Unter dem vorliegenden Gesichtspunkt bestehen erhebliche Bedenken gegen die flächenmäßige Durchgangsenteignung. Sie dient weitgehend nur dazu, den Entwicklungsgewinn für die Gemeinde abzuschöpfen. Dies kann nicht dadurch kompensiert werden, daß sie auch eine ungehinderte Durchführung der Entwicklungsmaßnahme, sowie die notwendige Bereitstellung von Verkehrs-, Versorgungs- und Gemeinbedarfsflächen verfolgt 19 . Es kann an dieser Stelle offen bleiben, ob die angestrebte breitere Streuung des Bodeneigentums eigentumspolitisch neutral ist 20 . Jedenfalls war der SPD-Vorschlag 21 verfassungswidrig, den Gemeinden das Verfügungseigentum über den Boden zu übertragen und ihnen seine Bewirtschaftung durch Ausschreibung des Nutzungseigentums und Vergabe an den Höchstbietenden zu überlassen. Denn diese Idee war rein von fiskalischen Beweggründen getragen. Die auf das Gemeinwohl verpflichtete Enteignung muß mehr sein als eine Vermögenstransaktion zugunsten der öffentlichen Hand. Anderenfalls wäre prinzipiell jede Vermögensverschiebung zum Vorteil des Staates oder einer öffentlichrechtlichen Körperschaft als verfassungsmäßig zulässige Enteignung zu betrachten. Denn öffentliche Gelder sind stets dazu bestimmt, zum gemeinen Besten verwendet zu werden 22 . Außerdem hätte dies die nicht akzeptable Konsequenz, daß auch eine Enteignung zugunsten Privater immer rechtmäßig wäre. Es läßt sich nämlich kaum ein Fall denken, in dem die Verwertung und Nutzung des Eigentumsgegenstandes durch den neuen privaten Eigentümer nicht steuerpflichtig ist. Und diese Einnahmeerzielung des Staates würde ja bereits zur Bejahung der Rechtmäßigkeit ausreichen. So bleibt festzuhalten, daß beispielsweise23 eine Eigentumsüberführung ertragsreicher 14

Scheuner, Verfassungsschutz des Eigentums, S. 94. 15 Kimminich, BK, GG, Art. 14 Rdnr. 274. 16 Rittstieg, in: AK zum GG, Art. 14 Rdnr. 202. 17 Molodovsky, BayEG, Art. 3 Anm. 3. 1. 1.1. is BVerfG, Urt. v. 18. 12. 1968, BVerfGE 24, 367 ff (407); Beschl. v. 12. 11. 1974, BVerfGE 38, 175 ff (180); BGH, Urt. v. 19. 2. 1976, BauR 1976, 274 ff (276); aber auch schon RGZ 103, 200 ff (202); Badura, Handbuch des Verfassungsrechts, S. 677. 19 A.A.: Schmidt-Aßmann, Grundfragen des Städtebaurechts, S. 254. 20 Zum Problem vgl. weiter unten: 8. Kap. C. I. 21 Vgl. die näheren Nachweise bei Ahlers, Die Sozialisierung von Grund und Boden, S. 121. 22 BadStGH, Urt. v. 3. 7. 1950, VerwRspr.. Bd. 2 (1950), S. 411 (416); v.Mangoldt/ Klein, Das Bonner Grundgesetz, Kommentar, Bd. I, 2. Auflage, S. 446; Schack, Enteignung nur zum Wohle der Allgemeinheit, BB 1961, 74 (76).

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Wirtschaftszweige zur Stärkung der Staatsfinanzen verfassungswidrig ist, unabhängig davon, ob die öffentliche Hand oder ein Privater der neue Verfügungsbefugte über das Eigentum wird. Ferner gehört zu den fiskalischen Belangen auch das Interesse einer Gemeinde, durch Ansiedlung oder Erweiterung von Industriebetrieben das Gewerbesteueraufkommen zu erhöhen 24. Vor dem Hintergrund dieser Ergebnisse erscheint es als überflüssige Spielerei um Worte, nunmehr die Behauptung aufzustellen, jede Vermögensverschiebung zugunsten der öffentlichen Hand verfolge letztlich allgemeine Interessen 25. So ging die Dogmatik in früheren Zeiten davon aus, fiskalische Interessen des Staates seien private Interessen. Demgemäß war eine Enteignung hierfür verboten 26. Dieser Begründungsansatz aber stellt den Ausläufer einer überholten Fiskustheorie dar. An der Untauglichkeit fiskalischer Interessen zur Begründung einer Enteignung hat sich auch nichts dadurch geändert, daß heute anerkanntermaßen geordnete Staatsfinanzen und ein ausgeglichener Staatshaushalt im öffentlichen Interesse liegen. Zu bedenken ist weiter, daß die Allgemeinheit zu ihrem Wohl das Eigentum benötigt, in der Regel also die Verfügungsbefugnis oder die Sachherrschaft über ein Recht oder einen Gegenstand, nicht aber den Geldwert des Eigentums 27 . Würde sich der Zweck des hoheitlichen Eingriffs darauf beschränken, geldmäßigen Gewinn für die öffentliche Hand herauszuschlagen, wäre dies nicht nur ein Verstoß gegen Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG, sondern würde außerdem Art. 3 Abs. 1 GG verletzen. Denn ein solches Vorgehen würde ohne rechtfertigenden Grund einseitig allein den Enteignungsbetroffenen belasten. Zu Recht hat damit bloßes fiskalisches Interesse auch dem Reichsgericht 28 noch nie für eine Enteignung genügt. Und zutreffend hat der BGH in jüngerer Zeit entschieden29, daß die Gemeinde den Grund, auf dem sie ein Parkhaus errichten will, nicht mit der Begründung enteignen kann, sie wolle die andernfalls aufzubringenden laufenden Pachtbeträge einsparen. Daran vermochte auch nichts zu ändern, daß die Enteignung die im Bebauungsplan vorgesehene Nutzung verwirklichen sollte. Zur Begründung der These, fiskalische Gesichtspunkte reichen für eine Enteignung nicht, führt die Rechtswissenschaft 30 ferner ins Feld, die Enteignung sei kein Nebeninstitut des öffentlichen Abgabewesens. Dem Staat stünden zur Dek23 24

Ahlers, Die Sozialisierung von Grund und Boden, S. 119. Stengel, Die Grundstücksenteignung zugunsten privater Wirtschaftsunternehmen,

S. 25. 25 So aber Kunze, Der Anspruch des Enteigneten auf Rückübertragung bei nachträglichem Fortfall des Enteignungszweckes (Rückübereignung), S. 55. 2 * Hans Huber, Staat und Privateigentum, S. 87. 27 Blanc, Das öffentliche Interesse als Voraussetzung der Enteignung, S. 98; Zezschwitz, Das Gemeinwohl als Rechtsbegriff, S. 22. 28 RGZ 136, S. 113 (123). 2 9 BGH, Urt. v. 19. 2. 1976, NJW 1976, S. 1266; zustimmend auch Battis, in: Battis/ Krautzberger/Löhr, BBauG, § 87 Rdnr. 2. 30 w . Weber, Eigentum und Enteignung, S. 392; zustimmend v.Mangoldt, Das Bonner Grundgesetz, Bd. I, S. 446; Schmidt-Aßmann, Grundfragen des Städtebaurechts, S. 254.

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kung seines Finanzbedarfes vielmehr andere Mittel zur Verfügung. Fiskalische Belange des Staates sind ausschließlich mit den Instrumenten der Finanzverfassung, d.h. des Steuer- und Haushaltsrechtes zu verfolgen 31 . Diese Argumente überzeugen. Hiervon ist ein anderer fiskalischer Gesichtspunkt scharf zu unterscheiden, der überhaupt nur bei Enteignungen zugunsten Privater auftritt. Gerade in diesen Fällen wird das Eigentum zumeist für Vorhaben benötigt, deren Realisierung einen hohen Kapitalaufwand erfordert. Bahls 32 räumt dies zum Beispiel für Erdölfernleitungen ausdrücklich ein. Das Beispiel zeigt, daß es dabei durchaus auch um grundlegende, existentielle Versorgungsfragen geht. Nur weil der Staat diesen Aufwand nicht tragen kann oder tragen will, wird ein Privater tätig. In derartigen Fallgestaltungen ist freilich der Enteignungsgrund von keinem fiskalischen Motiv getragen. Das staatliche Ziel der Enteignung ist, die Verwirklichung des Vorhabens zu ermöglichen. Andererseits ist zu betonen: Ein Privatunternehmen wird noch nicht allein dadurch zum Berechtigten einer privatbegünstigenden Enteignung, weil es vertragliche Leistungen an den Staat erbringt und so dem Staat die Errichtung eigener Werke erspart 33. Steht nunmehr fest, daß eine Einkommens- und Vermögensvermehrung des Staates kein Enteignungsgrund ist, ist die sonstige Rolle fiskalischer Gesichtspunkte zu untersuchen. Fraglich ist, ob finanzielle Beweggründe nur kein Übergewicht über die sonstigen Belange erreichen dürfen oder ob sie zu deren Legitimation überhaupt nicht mitherangezogen werden können. Auf dem Gebiet der Enteignung hat sich das fiskalische Interesse geradezu zum Antitopos schlechthin entwickelt 34 . Seine Berücksichtigung wird als absolut unzulässig proklamiert. Dürig 35 stellt dem Allgemeinwohl, das eine Enteignung legitimiert, als Gegensatz allein das fiskalische Interesse gegenüber. Blanc 36 hat in diesem Zusammenhang die These aufgestellt, bei der Enteignung sei das fiskalische Interesse nur insofern zu tolerieren, als es als unvermeidliche Nebenerscheinung auftritt. Damit trifft sich die Aussage Häberles 37, im Rahmen des Gemeinwohls habe der Staat überhaupt keine legitimen fiskalischen Interessen. Eine derartige Steigerung der Gemeinwohlanforderungen gewinnt um so 31 Von Brünneck, Das Wohl der Allgemeinheit als Voraussetzung der Enteignung, NVwZ 1986, S. 427; Blanc, Das öffentliche Interesse als Voraussetzung der Enteignung, Züricher Beiträge zur Rechtswissenschaft, n.F., Heft 281, S. 97. 32 Bahls, Wirtschaftspolitische Ausgangslagen und rechtliche Probleme der Erdölversorgung, S. 452. 33 Vgl. hierzu auch schon v. Henle, Die Zwangsenteignung von Grundeigentum in Bayern, S. 83. 34 Häberle, Öffentliches Interesse als juristisches Problem, S. 520. 35 Dürig, Zurück zum klassischen Enteignungsbegriff, JZ 1954, S. 6. 36 Blanc, Das öffentliche Interesse als Voraussetzung der Enteignung, S. 98, in: Züricher Beiträge zur Rechtswissenschaft, n.F. 1967, Heft 281. 37 Häberle, „Gemeinwohljudikatur" und Bundesverfassungsgericht, AöR Bd. 95,277.

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mehr an Bedeutung, als ein Enteignungsvorhaben nur höchst selten derart einseitig auf die Verfolgung rein fiskalischer Interessen ausgerichtet sein wird. Rein tatsächlich läßt sich dabei zunächst feststellen, daß die Erfüllung staatlicher Obliegenheiten auch mit finanziellem Erfolg einhergehen kann 38 . Bei der Interpretation von Gemeinwohlbegriffen außerhalb des Enteignungsrechts spielen fiskalische Gesichtspunkte durchaus eine Rolle. So hat das BVerfG in seinem Urteil zur Erdölbevorratung 39 die Erreichbarkeit der Nebenzwecke mitgeprüft. Es hat sogar ihre Einbeziehung in eine Gesamtabwägung zwischen den in Rede stehenden Freiheitsbeschränkungen und den Gemeinschaftsinteressen, denen die gesetzliche Regelung dienen will, gefordert. Im Rahmen des § 32 Abs. 1 BVerfGG berücksichtigt das BVerfG ebenfalls fiskalische Gesichtspunkte 40 . Dies geschieht innerhalb der vom Gemeinwohl geforderten Abwägung der Folgen, die eine Ablehnung der einstweiligen Anordnung nach sich zieht, und der Nachteile, die entstehen, wenn die Vorschrift vorläufig außer Kraft gesetzt würde. Diese Entscheidungen stehen hier nur beispielhaft. Die Rechtsprechung beginnt, das fiskalische Interesse als Gesichtspunkt zu qualifizieren, dessen Aktualisierung im Rahmen einer Abwägung nicht stets ein fehlerhaftes Ergebnis zur Folge hat. Zutreffend gehen dabei die Gerichte bislang recht behutsam vor. Die Entwicklung ist im Ruß. Eine Patentlösung des Problems ist noch nicht in Sicht. Die Judikatur behilft sich einstweilen mit der Krücke des Sachzusammenhangs als Entscheidungsformel 41. Weiter darf in diesem Zusammenhang auf die Zusammenstellung von Gerichtsurteilen bei Häberle 42 verwiesen werden, in denen finanzielle Erwägungen auch im Rahmen des Gemeinwohls als sachgerecht angesehen wurden und geeignet waren, den Vorwurf der Willkür zu entkräften. Es ist daher richtig, insoweit auf die jeweilige Rechtmaterie abzustellen. Danach kann im Enteignungsrecht die Maßnahme nicht erfolgen, um für die öffentliche Hand finanzielle Gewinne zu erzielen. Jeder Enteignungseingriff, der sich in einem Bereicherungsmotiv der öffentlichen Hand erschöpft, verstößt gegen das verfassungsverfestigte Gemeinwohlleitbild 43 . Denn finanzielle Gesichtspunkte allein müssen stets hinter den Eigentumsinteressen des Betroffenen zurücktreten. Fiskalische Zwecke sind 38 Als Beispiel können die Reingewinne der Deutschen Bundesbank angeführt werden, vgl. Grämlich, „Privatbegünstigende" Enteignung als Verfassungsproblem, JZ 1986, S. 275. 39 BVerfGE 30, 292 (323); Ossenbühl, Die Kontrolle von Tatsachenfeststellungen und Prognoseentscheidungen durch das Bundesverfassungsgericht, S. 514. 40 BVerfGE 11,306 (309); Häberle, „Gemeinwohljudikatur" und Bundesverfassungsgericht, AöR Bd. 95, S. 94. 41 Ansätze auch bei Häberle, Öffentliches Interesse als juristisches Problem, S. 307 und 689. 42 Häberle, „Gemeinwohljudikatur" und Bundesverfassungsgericht, AöR, Bd. 95, S. 276. 43 Schmidt-Aßmann/Frenzel, in: Ernst/Zinkahn, BBauG, §87 Rdnr. 14. 7 Schmidbauer

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somit nur dann als gemeinwohlfremd zu behandeln, wenn sie das einzige Ziel des staatlichen Handelns waren. Genauso ist zu verfahren, wenn finanzielle Belange die überwiegende Zwecksetzung des Enteignungseingriffs darstellen. Es bleibt zu überprüfen, ob die Ablehnung finanzieller Belange als Rechtfertigung einer Enteignung in Wissenschaft und Praxis so ausnahmslos durchgehalten wird, wie dies nach außen hin proklamiert wird. Die erste Entdeckung dabei ist keineswegs erstaunlich. Noch nie wurde in Zweifel gezogen, daß industrielle oder kommerzielle Fortentwicklung ein unzulässiger Enteignungszweck ist, weil hiermit erhöhte Steuereinnahmen verbunden sind oder dem Staat finanzielle Belastungen erspart bleiben. Dies gilt im übrigen auch für das (westliche) Ausland 44 . Im Jahre 1968 hat das österreichische Starkstromwegegesetz eine Enteignung auch dann für zulässig erklärt, wenn eine Verlegung der Leitung unverhältnismäßig hohe Kosten erfordern würde 45 . Auch das Schweizer Bundesgericht läßt fiskalische Interessen zur Legitimation einer Enteignung zu — freilich mit der Einschränkung, daß sie im Verhältnis zum Gesamtwerk von geringer Bedeutung sind 46 . Und in Frankreich scheinen neuerdings sogar reine Haushaltserwägungen eine Enteignung legitimieren zu können. Jedenfalls reichte dies dem obersten französischen Verwaltungsgericht bei einem innerstädtischen Neubauprojekt aus 47 . Zur Begründung führte es unter anderem an, die Ausgewogenheit des Staatshaushaltes bedinge das Vorhaben und von stabilen öffentlichen Finanzen hänge die Verwirklichung des gemeinen Wohls ab. Fiskalische Bodenpolitik aber hat auch bei uns Tradition 48 und ist verlockend. Gerade finanzielle Gesichtspunkte bewirken die Bereitschaft der Gemeinden, ihr städtebauliches Steuerungsinstrument nicht auszuschöpfen oder gar zu mißbrauchen, indem sie ihre städtebaulichen Zielvorstellungen den privaten Bau- und Investitionswünschen anpassen. Diese Versuchung ist gerade bei der Enteignung zugunsten Privater besonders groß. Sie resultiert aus der Verlockung hierdurch kommunale Einkünfte, insbesondere durch Gewerbesteuereinnahmen zu verbessern. Nicht ohne Berechtigung frägt Wollmann 49 , welche Stadtväter können sich auf Dauer gegenüber Großunternehmern, die Einnahmegewinne und Abwanderungsverluste als Argu44 Grämlich, Privatbegünstigende Enteignung als Verfassungsproblem, JZ 1986, S. 271. 45 Vgl. Gallent, Mehr als hundert Jahre Eisenbahnenteignungsgesetz, ZfV 1981 / 33, S. 251. 4 6 Nachweise bei Jmboden, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, Bd. II, S. 903; a.A. Grämlich, „Privarbegünstigende" Enteignung als Verfassungsproblem, JZ 1986, S. 271. 47 Nachweise bei Grämlich, Privatbegünsigende Enteignung als Verfassungsproblem, JZ 1986, S. 271. 4 « Hierzu vgl. Schwandner, „Bodenpolitik" in: HdwbKommWiss, Bd. 1, S. 438 ff, wo auch angeführt ist, daß die Stadt Frankfurt am Main im Jahre 1904 aus der Veräußerung von Grundstücken, die einen Buchwert von knapp 2,5 Millionen Mark hatten, einen Gewinn von fast 4 Millionen Mark erzielt hat. 4 9 Wollmann, Städtebaurecht und privates Grundeigentum, in: Wehling (Hrsg.), Kommunalpolitik, S. 235.

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mente ausspielen, zurückhalten? Die Folge ist eine faktische Gleichschaltung kommunaler und privater Planung unter dem Diktat des Geldes. Diese Gefahr besteht vor allem und in erster Linie auch bei der privatbegünstigenden Enteignung. Unter dem Deckmantel städtebaulicher Entwicklungsvorgaben werden dann in Wahrheit monetäre Ziele verfolgt, die durch die Übertragung des Eigentums auf eine andere Person erreicht werden können. Hier gilt es, diesem verfassungswidrigen Mißbrauch des hoheitlichen Eingriffsinstruments besonderes Augenmerk zu schenken. Denn die Abgrenzung 50 unzulässiger fiskalischer Eingriffe von zulässigen städtebaulich motivierten Enteignungen ist angesichts der Komplexität städtebaulich motivierter Ziele des BauGB besonders schwierig 51 . Zum Beweis dafür, daß in der Praxis finanzielle Aspekte bei einer Enteignung keineswegs so absolut ausgeschlossen sind, wie dies gerne dargestellt wird, darf ein weiteres Beispiel nicht verschwiegen werden. Nach dem Willen der Bayerischen Staatsregierung sollte im Bayerischen Gesetz über die entschädigungspflichtige Enteignung (BayEG) eine Regelung enthalten sein, die allgemein eine Enteignung zugunsten Privater ermöglicht hätte. Der Gesetzesentwurf der Staatsregierung enthielt nämlich als Enteignungszweck, „Einrichtungen zu schaffen, die zur Verbesserung der Wirtschaftskraft einer Gemeinde oder eines Landkreises notwendig sind" 52 . Eine derartige Regelung ermöglicht nicht zuletzt, Industriebetrieben den Grund und Boden für neue Ansiedlungen zu verschaffen. Die entsprechende Passage wurde vom Bayerischen Landtag gestrichen. Jedoch ging der Ausschuß des Landtags für Verfassungs-, Rechts- und Kommunalfragen davon aus, daß diese Fälle trotz der Streichung immer noch unter die Generalklausel des Art. 1 BayEG fallen. Die Literatur hat sich dem angeschlossen53. Eine weitere Variante zur Berücksichtigung monetärer Gesichtspunkte bei privatbegünstigenden Enteignungen hat der BayVGH entwickelt. Nach seiner These muß aus der Sicht der begünstigten Person die Verwendung des Grundbesitzes für den Enteignungszweck auch zumutbar sein. Im Rahmen dieser Zumutbarkeitsprüfung können auch wirtschaftliche Überlegungen — beispielsweise Mehrkosten, die durch Verwendung des Grundbesitzes des Antragstellers entstehen — eine Rolle spielen 54 . Molodovsky 55 folgert daraus, daß die Verkabelung einer Stromleitung aus wirtschaftlichen Gründen grundsätzlich keine andere zumutbare Möglichkeit gegenüber einer Freileitung zur Erreichung des Enteignungszweckes ist. Sie sei zwar regelmäßig technisch möglich, allerdings meist mit ungleich höheren Kosten und bei Ausfällen mit längeren Reparaturzeiten so Verfassungsrechtliche Bedenken bei Frey, Die Verfassungsmäßigkeit der transitorischen Enteignung, S. 287; a.A: Schmidt-Aßmann / Frenzel, in: Ernst / Zinkahn, BBauG, § 87 Rdnr. 16. 51 Siehe näher unten 8. Kapitel C. 52 Molodovsky, Enteignungsrecht in Bayern, Art. 1 Anm. 3. 2. 1. 53 Molodovsky, Enteignungsrecht in Bayern, Art. 1, Anm. 3. 2. 1. 54 BayVGH, Urt. v. 2. 7. 1980, n.F. 34, S. 3 ff = BayVBl. 1981, S. 18 ff. 55 Molodovsky, Enteignungsrecht in Bayern, Art. 3, Rdnr. 3. 2. 1. *

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als bei einer Freileitung verbunden. Zwar steckt in diesen Aussagen ein Kern Wahrheit. Andererseits aber ist ein wichtiger Gesichtspunkt völlig unter den Tisch gefallen. Es werden nämlich einseitig nur die überwiegend finanziellen Interessen des Begünstigten der Enteignung berücksichtigt, während die Belange des Betroffenen völlig außer acht bleiben. Eine für den Staat kostengünstige Realisierung eines Vorhabens kann aber nicht bedeuten, daß das Projekt dem Wohl der Allgemeinheit entspricht 56. Zieht die Verwirklichung einer alternativen Planung lediglich finanzielle Mehrkosten nach sich, sind diese grundsätzlich vom Staat bzw. vom privaten Begünstigten zu tragen, wenn hierdurch das Eigentum des Betroffenen mehr geschont werden kann. Der Grund hierfür liegt darin, daß der Staat durch den Einsatz seines finanzpolitischen Instrumentariums die monetären Lasten gerechter zu verteilen vermag; insoweit entfalten Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG iVm Art. 3 GG ihre Wirksamkeit. Jedoch gilt der vorhergehende Satz keineswegs schrankenlos. Denn je höhere Kosten eine Alternativplanung dem Staat verursacht, desto mehr fordert das Wohl der Allgemeinheit eine Enteignung aus diesem Grunde. Liegen die Kosten der Planungsalternative unzumutbar höher, vermögen auch finanzielle Erwägungen eine Enteignung mitzutragen. Dabei bestimmt sich die Unzumutbarkeit nach den meßbaren Folgen und berechenbaren Außwirkungen auf das Gemeinwesen. Faßt man die nunmehr gewonnenen Erkenntnisse zusammen und gleicht sie mit den oben aufgestellten Gemeinwohlforderungen ab, ergibt sich für die Berücksichtigung fiskalischer Interessen des Staates im Rahmen einer Enteignung: Eine mögliche Mehrung des Staatsvermögens ist ebensowenig ein Enteignungsgrund wie eine mögliche Steigerung des Steueraufkommens. Finanzielle Belange des Staates können für sich allein eine Enteignung niemals rechtfertigen. Sie dürfen auch nicht die überwiegende Zwecksetzung des Enteignungseingriffes darstellen. Ausnahmsweise können sie zur Legitimation einer Enteignung mit herangezogen werden. In diesen Fällen müssen aber Gründe vorliegen, warum der Staat die notwendigen monetären Mittel nicht über sein finanzpolitisches Instrumentarium aufbringt.

3. Das Verbot einer Gewinnerzielung des Privaten Aus den vorhergehenden Ausführungen wurde klar, daß neben den fiskalischen Interessen des Staates die Gewinnerzielung des begünstigten Privaten gesondert genannt und abgehandelt werden muß. Auch sie vermag eine Enteignung prinzipiell nicht zu rechtfertigen.

56 Ebenso v. Brünneck, Das Wohl der Allgemeinheit als Voraussetzung der Enteignung, NVwZ 1986, 425 (429).

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Bereits aus dem bloßen Wortlaut des Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG ergibt sich zunächst, daß es als Enteignungszweck unzulässig ist, ausschließlich Privatzweke zu verfolgen. Dies wird weitgehend mit dem Streben nach Gewinn gleichgesetzt57. Schon Schelcher forderte, eine Enteignung dürfe nicht bloß den finanziellen Kräften des Enteignungsberechtigten dienen 58 . Die Bedeutung dieses Satzes darf an einem Beispiel verdeutlicht werden. Bei einer privaten Eisenbahn ist eine Enteignung auch für Nebenanlagen rechtmäßig, soweit diese der Bahn als Fortbewegungs- und Transportmittel dienen. Dagegen scheiden solchen Anlagen aus, die lediglich der Einnahmeerzielung der Eisenbahngesellschaft dienen, wie ζ. B. Lagerplätze und Hallen. § 6 Allgemeines Eisenbahngesetz stellt daher nur eine zutreffende Interpretation der grundgesetzlich geltenden Rechtslage dar. Durch Enteignung einem Unternehmer das Eigentum an einer Bahnlinie zwecks alleiniger Nutzung zu verschaffen, ist folglich verfassungswidrig. Für eine sog. Industrieanschlußbahn darf danach nur enteignet werden, wenn hierfür nicht nur ein Verkehrsbedürfnis des Unternehmers, sondern der Allgemeinheit besteht und sichergestellt ist, daß die Gleise gegebenenfalls nicht nur vom Privaten allein benutzt werden können 59 . Als Kontrolle eignet sich in derartigen Fällen stets die Frage: Besteht der Vorteil der Allgemeinheit auch dann, wenn das Unternehmen keinen Gewinn erwirtschaftet? Das Grundgesetz fordert für die Zulässigkeit der Enteignung eine bejahende Antwort 60 . Demgegenüber will Böhmer 61 offensichtlich die Enteignung generell ausschließen, wenn das geförderte Unternehmen auch der privaten Gewinnerzielung dient. Wenn eine Gewinnerzielung auch nur als Nebenzweck vorliegt, soll dies die Verfassungswidrigkeit nach sich ziehen. Dem kann aber nicht gefolgt werden. Es läßt sich nämlich kein stichhaltiger Grund dafür nennen, warum sich die Verwirklichung des Gemeinwohls und private Gewinnerzielung gegenseitig ausschließen sollten 62 . Nur weil der Private beabsichtigt, Gewinn zu erzielen, ist ein Enteignungsvorhaben also nicht rechtswidrig. Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob eine Gewinnerzielungsabsicht des Privaten — auch wenn es sich nur um einen Nebenzweck und keineswegs um das Ziel des Vorhabens handelt — die Enteignung zu legitimieren vermag. Im Städtebaurecht verschärft § 85 Abs. 1 BauGB die Gemeinwohlklausel des § 87 BauGB. Fiskalische Gründe können danach auch nicht als Nebenzwecke eine Enteignung rechtfertigen 63. Dieser Gedanke läßt sich auf die Enteignung zugun57

Stummer, Die öffentliche Zweckbindung der enteigneten Sache, S. 127. 58 Schelcher, Art. 153, Rechte und Pflichten aus dem Eigentum, in: Nipperdey (Hrsg.), Die Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung, 3. Bd. S. 221. 59 Fleischhauer, Über die Enteignung von Grundbesitz der Gebietskörperschaften nach geltendem Recht, S. 187. 60 Vgl. ebenso auch Schulte, Eigentum und öffentliches Interesse, S. 85 f. 61 Böhmer, Sondervotum zu BVerfG, Urt. v.10. 3. 1981, BVerfGE 56, 249 (287). 62 Ebenso Bryde, in: v. Münch (Hrsg.), GG, Art. 14 Rdnr. 82. 63 Schmidt-Aßmann / Frenzel, in: Ernst / Zinkahn, BBauG, § 87 Rdnr. 15.

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sten Privater generell übertragen: Die Gewinnerzielungsabsicht des künftigen Eigentümers vermag die Enteignung nicht einmal mit zu legitimieren. Diesem Satz kommt durchaus praktische Bedeutung zu. Die Handhabung im Alltag möchte manchmal gerne vergessen, daß Enteignung zugunsten Privater ein Vorgang zur Beschaffung eines konkret notwendigen Gutes und kein Instrument der Subventionspolitik ist 64 . Gewinnerzielungsabsicht einer Privatperson verstärkt also die Enteignungsrechtfertigung in keiner Weise, steht ihr andererseits aber auch nicht im Wege; kurz: Sie verhält sich im Rahmen des Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG neutral. Sie sollte jedoch stets Anlaß zur kritischen Durchleuchtung der eigentlichen Enteignungsgründe sein. Fraglich ist, inwieweit dies in der Praxis geschieht, ob bloße Lippenbekenntnisse vorliegen und die Handhabung dann ganz anders aussieht. Die veröffentlichten Fälle bieten keinen Anlaß zur allgemeinen Zufriedenheit. So ist es mit Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG nicht mehr zu vereinbaren, wenn der HessVGH als Enteignungsgrund die beabsichtigte Verpachtung eines Siedlungsgrundstückes an einen Flüchtling genügen läßt 65 .Überhaupt ist die Enteignung zur Ersatzlandbeschaffung besonders anfällig dafür, daß mit ihr das natürliche Gewinnstreben des Privaten verwirklicht wird. Und noch eine Einbruchsteile in den grundrechtlichen Schutzwall des Eigentümers tut sich auf. Nach Meinung der Kommentatoren des Bauplanungsrechts stellt es kein fiskalisches Interesse dar, das eine Enteignung sperrt, wenn die Forderung des Eigentümers beim gütlichen Einigungsversuch nach § 87 Abs. 2 BauGB den marktgerechten Preis übersteigt und die Enteignung eingeleitet wird, um diesen Preis zu vermeiden 66. Für die Enteignung, die den Staat begünstigt, mag dieser Satz so bestehen bleiben können, nicht aber für die Enteignung zugunsten Privater. Denn dort wird er in seiner allgemeinen Pauschalität regelmäßig nur die Gewinnmarge des Privaten erhalten. Zur Erlangung von Grundstücken aber sind Private grundsätzlich auf den freien Grundstücksmarkt zu verweisen. Die Nutzung des Zwangsinstruments „Enteignung" muß der Ausnahmefall sein, bei dem das Wohl der Allgemeinheit Schaden nimmt, wenn das Vorhaben nicht verwirklicht wird. Von dieser Extremsituation abgesehen, muß sich ein privater Unternehmer für sein Vorhaben mit dem Grundstück begnügen, das er freihändig erwerben kann. Die Enteignung ist nicht dazu da, ihm die höheren Kosten des freien Marktes oder sonstige ökonomische Nachteile zu ersparen 67. 64

Auch bei der Obrigkeit läßt es sich keineswegs von vornherein ausschließen, daß sie die wirtschaftlichen Interessen einer Privatperson unter dem Tarnmantel öffentlicher Belange verfolgt. Und BGHZ 50, 180 (184) mußte entscheiden, daß private finanzielle Bergbauinteressen keinen Vorrang vor den öffentlichen Verkehrsbelangen beanspruchen können. Das spätere Berggesetz hat diese Rechtsprechung aufgenommen; Karpen, Grundeigentum und Bergbaurechte nach dem Bundesberggesetz, AöR 106 (1981), S. 38; vgl. insgesamt auch Zuck, Gewerbebetrieb und Enteignungsentschädigung, S. 63. 65 Dies allein sollte bereits den Siedlungszweck erfüllen, HessVGH 1, S. 171. 66 Schmidt-Aßmann / Frenzel, in: Emst / Zinkahn, BBauG, §87 Rdnr. 15 a.E. 67 Ebenso v. Brünneck, Das Wohl der Allgemeinheit als Voraussetzung der Enteignung, NVwZ 1986,425 (430). Wie leicht auch der Gesetzgeber in Versuchung kommt,

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Wie sich ergeben hat, klaffen theoretische Forderungen und praktische Verwirklichung auseinander. Es scheint daher ein Blick über die Landesgrenzen hinweg angebracht, wie man in einem vergleichbaren Rechtssystem dieses Problem angeht. Als Beispiel darf die Schweiz herausgegriffen werden. Der Satz, daß eine Enteignung nicht dazu dienen dürfe, dem privaten Begünstigten Gewinne zu ermöglichen, gilt auch in der dortigen Dogmatik uneingeschränkt. Bei der behördlichen Handhabung treten dann aber ganz ähnliche Diskrepanzen auf. Zuweilen genügen rein finanzielle Vorteilserwägungen für die Anordnung der Enteignung. So berichtet Blanc 68 von einer Elektrizitätsleitung, die ausschließlich zur Ausfuhr der Energie bestimmt war. Eine Verpflichtung zur Rücklieferung thermischer Energie oder entsprechender Gegenleistungen wurde nicht vereinbart. Das Schweizer Bundesgericht begründete die Enteignung mit der Ausnutzung des in den reichen Wasserkräften des Landes liegenden Vermögens, also letztlich nur mit dem Gewinnstreben des Begünstigten. Andererseits hat dasselbe Gericht Enteignungen für Annexbetriebe der Eisenbahnunternehmungen nicht zugelassen69. In anderen westlichen Ländern stellt sich der Problembefund in gleicher Weise dar 70 . Aufgeworfen ist damit die generelle Frage, welche Rolle die Wirtschaftlichkeit des Enteignungsunternehmens im Hinblick auf die Zulässigkeit der Enteignung selbst spielt. Sie wird nach den Umständen der jeweiligen Zeit unterschiedlich beantwortet. So genügte nach dem 1. Weltkrieg für die Rechtmäßigkeit einer Enteignung zugunsten Privater die Feststellung, daß das Unternehmen ohne Enteignung in wirtschaftlich tragbarer Weise nicht durchgeführt werden konnte 71 . Gemeinsam aber ist allen Entscheidungen der Praxis, daß sie die Notwendigkeit der Enteignung stets als „relativ wirtschaftliche" qualifizierten. Sie wird bejaht, wenn dem privaten Unternehmer derart unverhältnismäßig große Opfer auferlegt werden, daß sie bereits angesichts der Gefährdung des Wohls der Allgemeinheit bei Scheitern des Vorhabens unvertretbar erscheinen 72. In dieser Pauschalität ist finanzielles Gewinnstreben Privater zum Allgemeinwohl hoch zu stilisieren, zeigt das Bayer. Teil- und Zinswaldgesetz vom 27. 11. 1964 (GVB1. S. 205). Darin wird Wald vom Staat auf Privatpersonen übertragen, auch wenn diese ihn weder als Land- noch als Forstwirt nutzen wollen. Es wird also ein rein vermögensmäßiger Gebrauch des Forstgrundstückes ermöglicht. Dies wurde früher als Fall der Enteignung des Staates qualifiziert (vgl. Kriegbaum, BayVBl. 1972, 523). Spätestens seit BVerfG, Beschl. v. 8. 7. 1982, BVerfGE 61, 82 = NJW 1982, 2174, läßt sich diese Ansicht nicht mehr aufrecht erhalten, so daß der Fall nicht mehr als Beispiel, sondern nur noch zur Illustration dienen kann. 68 Blanc, Das öffentliche Interesse als Voraussetzung der Enteignung, Züricher Beiträge zur Rechtswissenschaft, Heft 281, S. 63 und 96; ZSGV 26, 527; BGE 51 I 260. 69 Im konkreten Fall handelte es sich um ein Eisenbahnhotel und ein Lagerhaus (BGE 6, 550; BGE 8, 557). 70 Weitere Vergleiche bei Grämlich, „Privatbegünstigende" Enteignung als Verfassungsproblem, JZ 1986, 269 (270 ff). Haberkorn, Enteignung zugunsten privater Industrieunternehmen, SKV 1961, S. 171.

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der Satz aber unzutreffend. Vielmehr muß ein weiteres Moment hinzukommen. Das Recht, das im Wege der Enteignung entzogen und auf einen Privaten übertragen werden soll, muß auch als solches für das Allgemeinwohl — Unternehmen benötigt werden. Damit ist zunächst jede Enteignung rechtswidrig, die einem Privaten Eigentum zur Weiterveräußerung verschaffen will. Mit anderen Worten: Der Enteignungsgegenstand darf vom Begünstigten nicht nur benötigt werden, um ihn zu „versilbern" — auch wenn aus dem Erlös das Unternehmen zum Wohl der Allgemeinheit finanziert werden soll 73 . Weiter darf das fragliche Eigentum nicht nur deswegen auf den Privaten übertragen werden, damit dieser das Unternehmen, das dem Allgemeinwohl dient, auch gewinnbringend betreiben kann. Kann das Vorhaben — wenn auch mit finanziellen Verlusten — ohne den Eigentumsgegenstand realisiert werden, ist die zwangsweise Eigentumsübertragung auf den Privaten nicht gerechtfertigt. Dagegen kann nicht eingewandt werden, daß sich dann keine Privaten als Unternehmensträger finden lassen. Dies trifft zwar zu, führt aber dennoch nicht zur Zulässigkeit der Enteignung. Vielmehr wird man in Fällen dieser Art den Staat für verpflichtet halten müssen, das Gemeinwohlunternehmen selbst ins Werk zu setzen. Unter das „ Wohl der Allgemeinheit" läßt es sich jedenfalls nicht subsumieren, dem privaten Begünstigten im Wege der Enteignung eine Gewinnspanne zu sichern. Und um nichts anderes geht es in Fällen dieser Art. Die Formen eines Wohlfahrtsinstituts hingegen braucht das Projekt des Privaten nicht anzunehmen. Auch ist die Versorgung der Bevölkerung mit besonders wohlfeilen Preisen, die am Ende gar nicht einmal mehr kostendeckend sind, nicht unabdingbare Voraussetzung. Sogar die Kalkulationen der öffentlichen Hand sind zumeist Mischungen aus wirtschaftlichen und sozialen Komponenten. Als dritter Punkt muß nun gefragt werden, in welchem Verhältnis Allgemeinwohl und Kosten der Verwirklichung alternativer Vorhaben zueinander stehen. Die Literatur 74 geht hier davon aus, daß höhere Kosten für Alternativplanungen das Gewicht des Allgemeinwohls für die geplante Enteignung vergrößern. Auch dieser Satz aber ist für die privatbegünstigende Enteignung zu undifferenziert. Selbst wenn der Private sein gemeinnütziges Vorhaben auf dem vorgesehenen Grundstück besonders kostengünstig realisieren kann, bedeutet dies noch lange nicht, daß die Enteignung die Gemeinwohlanforderungen der Verfassung erfüllt. Dies kann vielmehr uneingeschränkt zunächst nur für die Fälle bejaht werden, in denen das Vorhaben die Realisierung am zu enteignenden Standort selbst erfordert. Der finanzielle Aspekt darf nicht schon enteignungslegitimierend in den Entscheidungsvorgang eingebracht werden, wenn die höheren Kosten der 72

Mattheis, Erforderlichkeit der Enteignung für Energieversorgungsleitungen, NJW 1963, S. 1806. 73 Ebenso Merk, Deutsches Verwaltungsrecht, Bd. 2, 1970, S. 1523 unter Hinweis auf Otto Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, II. Band, 2. Auflage 1917, S. 19 f. 74 Von Brünneck, Das Wohl der Allgemeinheit als Voraussetzung der Enteignung, NVwZ 1986, 429.

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Alternativplanung zur Unrentabilität für den begünstigten Privaten führen. Will der Staat dennoch an der Verwirklichung des Projekts festhalten, kann er dem Privaten die Mehrkosten, durch die ein Eigentumseingriff vermieden werden kann, aus Steuermitteln erstatten. Dies führt zu einer gleichmäßigen Belastung der Allgemeinheit, der das Vorhaben auch zugute kommt. Eine andere Auslegung ist mit Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG unvereinbar. Sie würde nämlich dazu führen, daß das Zwangsinstrument Enteignung nur dazu mißbraucht wird, Teile der Kosten des geplanten Vorhabens auf die Einzelperson, die zufälligerweise Eigentümer war, abzuwälzen. Eine finanziell günstige Realisierung des Vorhabens wird daher allenfalls dann für die Legitimation der Enteignung erheblich, wenn ohne die Enteignung das für das Wohl der Allgemeinheit erforderliche Unternehmen wegen seiner Unrentabilität überhaupt nicht verwirklicht werden würde oder vermeidbare erhebliche finanzielle Belastungen für die Allgemeinheit entstehen würden. Niemals aber darf die Enteignung dazu eingesetzt werden, einen wirtschaftlichen Betrieb mit Gewinnerzielung zu ermöglichen.

4. Das Verbot einer Enteignung zur Vermögensumschichtung Bereits oben wurde darauf hingewiesen: Unter dem Grundgesetz darf es keine zweckfreien Enteignungen geben. Das Allgemeinwohl muß demnach im jeweiligen Fall mit bestimmten Belangen eines konkreten Unternehmens zusammenhängen. Weber 75 hat daraus im Jahre 1954 geschlossen: Die Gemeinwohlbindung der Enteignung wende sich in ihrer strengen Sachzweckbezogenheit polemisch sowohl gegen Eigentumsumschichtungen, Entrechtungen, Deklassierungen, Depossedierungen und Konfiskationen, deren Zweck sich in der Umschichtung selbst oder in der Vernichtung von Rechtspositionen an sich erschöpft. So unbestritten dieser Satz im Schrifttum war, so wenig werden noch heute die einschlägigen Enteignungsmöglichkeiten des BauGB, ζ. B. zur Errichtung einer Reihenhaussiedlung, diskutiert. Das Problem als solches ist freilich nicht neu, und seine Entwicklung verlief in anderen Ländern durchaus parallel. Bereits in einem Dissent aus dem Jahre 1837 hatte Richter Story in den USA eine Schranke der Enteignungsgewalt dahingehend formuliert, sie dürfe nicht dazu eingesetzt werden, um einer Person ihr Eigentum zu nehmen und es auf eine andere Person zu übertragen 76. Diese Ansicht ist durch die spätere Entwicklung widerlegt worden. Schon seit langer Zeit ist auch in den USA die Enteignung zugunsten Privater anerkannt, sofern diese öffentliche Dienstleistungen anbieten. Wer neuer Rechtsträger wird, ist eine Frage der Zweckmäßigkeit. Es stellt aber nach wie 75 Weber, Eigentum und Enteignung, in: Neumann / Nipperdey / Scheuner, Die Grundrechte, 1968, S. 383; zustimmend die h.M. in der Lit. ζ. Β. Friedrich Klein, in: v. Mangoldt / Klein, Das Bonner Grundgesetz, Bd. 1, 2. Aufl., S. 445; Kimminich, BK zum GG, Art. 14 Rdnr. 274, der das Zitat freilich zu Unrecht Friedrich Klein zuschreibt. 76 Nachgewiesen bei Rittstieg, Eigentum als Verfassungsproblem.

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vor einen Mißbrauch des Enteignungsrechts und damit auch einen Verstoß gegen Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG dar, wenn einer Person ihr Eigentum genommen wird, um einen anderen Privaten zu bereichern. Was Badura 77 bei der Inhaltsbindung des Eigentums anmahnt, gilt in gleicher Weise für die Enteignung: Die funktionelle Betrachtung des Eigentums darf nicht in die Behauptung umschlagen, daß das Eigentum nur nach Maßgabe seiner sozialen Funktion gewährleistet und der Eigentümer nur soweit geschützt ist, als er von seinem Eigentum treuhänderisch im Dienste der Gemeinschaft Gebrauch macht. Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG richtet sich dabei an den Staat. Das Grundrecht verbietet ihm, Eigentum zu entziehen und zu Lasten privater Besitzstände umzuverteilen 78. Die Eigentumsordnung einer Gesellschaft ist stets sensibel. Auch nur leichte Erschütterungen an ihren Grundmauern haben nicht selten für den Staat ungeahnte Auswirkungen. Streit, der um Eigentumsverhältnisse innerhalb der Gesellschaft entbrennt, war in der Geschichte noch immer explosiv. Insoweit kommt Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG eine staatsstabilisierende Funktion zu. Die Eigentumsordnung in unserem Staat soll gerade nicht kurzfristigen und unbegrenzten Dispositionsmöglichkeiten wechselnder politischer Mehrheiten überantwortet werden. Nur allzu leichtfertig wird diese Grundrechtsfunktion gerade von neueren Äußerungen in der Literatur in Frage gestellt. Zur Eigentumsumschichtung zwischen Privaten will beispielsweise Grämlich 79 eine Regel aus dem Sozialstaatsprinzip herleiten. Danach sei es nicht ausgeschlossen, Enteignungen im Dienste einer Verkehrs- oder Wirtschaftsförderung wie auch zu sozialpolitischen Zwekken vorzusehen. Die Fruchtbarmachung des Sozialstaatsprinzips kann ein dogmatisch zutreffender Ansatz sein. Gleichzeitig müssen jedoch Kriterien genannt werden, unter welchen Voraussetzungen sich das verfassungsrechtliche Sozialstaatsprinzip soweit verdichtet, daß es den Rechtmäßigkeitsanforderungen einer Enteignung gemäß Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG genügt. Wer dies — wie Grämlich — unterläßt, muß sich den Vorwurf gefallen lassen, die Brisanz des gesellschaftspolitischen Sprengstoffes „Enteignung" zu steigern, statt zu entschärfen. Derselbe Vorwurf trifft im vorliegenden Fall jedoch auch den Gesetzgeber des BauGB. Mit gewichtigen Argumenten stellt Frey 80 den enteignungsrechtlichen Durchgangserwerb des § 85 Abs.l Nr. 1 und 2 BauGB insoweit in Frage, als er soziale Umverteilungszwecke umfaßt. Sollen generelle Regeln aufgestellt werden, wird sich nach dem derzeitigen Stand der Forschung sagen lassen: Grundsätzlich ist die hoheitliche Vermögens- und Eigentumsbildung bestimmter 77 Badura, Eigentum im Verfassungsrecht der Gegenwart, 49. DJT (1972), Bd. II, Τ 27. 78 Papier. Eigentumsgarantie des Grundgesetzes im Wandel, S. 11. 79 Grämlich, „Privatbegünstigende" Enteignung als Verfassungsproblem, JZ 1986, 275. so Frey, Die Verfassungsmäßigkeit der transitorischen Enteignung, S. 54.

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sozialer oder wirtschaftlicher Gruppen im Wege der Enteignung vom Erfordernis des Wohls der Allgemeinheit nicht gedeckt 81 . Dies gilt jedenfalls so lange, als für das in Frage stehende Eigentum ein freier Markt besteht und es vom jeweiligen Interessenten bei Erbringung entsprechender Leistungen unter zumutbaren Anstrengungen erworben werden kann. Die zum Vollzug dieser — zugegebenermaßen groben — Regel notwendigen Vergleichsbetrachtungen lassen sich nur im Hinblick auf das konkret in Frage stehende Eigentum näher bestimmen82. Andererseits sind in der freiheitlich — demokratischen Grundordnung breit gestreute Eigentumsverhältnisse notwendig. Nach dem System des Eigentumsschutzes unserer Verfassung in Art. 14 GG iVm dem Sozialstaatsprinzip muß die Bildung neuen Eigentums jedem Bürger möglich sein. Wenn sich also eine Eigentumskonzentration in der Hand weniger abzeichnet, die die staatliche Ordnung zu gefährden beginnt, und der Staat sein übriges Instrumentarium erfolglos ausgeschöpft hat, gibt das Wohl der Allgemeinheit in Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG den Weg für privatbegünstigende Enteignungen zur Vermögensbildung frei.

5. Das Verbot einer allgemeinen Wirtschaftsförderung Die Enteignung ist kein Instrument der allgemeinen Wirtschaftsförderung. Zwar ist dieser Satz heute wohl herrschende Meinung, er war jedoch nie unbestritten. Sein profiliertester Gegner unter der Geltung des Grundgesetzes ist Hamann 83 . Nach seiner These ist die privatnützige Enteignung zur Förderung wirtschaftlicher Vorhaben im Ansatz generell zu bejahen. Das Gemeinwohlerfordernis werde bei industriellen Bauvorhaben durch die Steigerung des Sozialproduktes und die Schaffung von Arbeitsplätzen erfüllt. Zur Begründung führt Hamann das Sozialstaatsprinzip in Art. 20 Abs.l GG an. Aus ihm folge, daß die gesamte Wirtschaft nicht nur privatnützig, sondern zugleich dem Wohl der Allgemeinheit zugeordnet sei, also die Sozialverpflichtetheit der Wirtschaft. Gelegentlich finden sich auch Beispiele für Enteignungen, denen derartige Ansichten zugrunde liegen. So bezeichnete es das Schweizer Bundesgericht einmal als nicht willkürlich, wenn wegen finanzieller Vorteile eines öffentlichen Unternehmens mehr Land enteignet wird, als es der öffentliche Zweck erfordert 84. Im Ansatz ebenso: Kimminich, BK zum GG, Art. 14 Rdnr. 274. 82 So ist bei der Enteignung eines Patents zu fragen, welche Auswirkungen die Verweigerung der Nutzung für die Allgemeinheit nach sich ziehen wird. Sind abstrakt die Enteignungsvoraussetzungen für eine Industrieanlage gegeben, müssen zur Abwendung des Zwangsmittels Enteignung auch Standortalternativen in anderen Bundesländern untersucht werden. Bei der geplanten Enteignung zum Bau von Wohnungen kann der Maßstab zwar enger sein, jedoch ist auch hier regelmäßig eine Enteignung rechtswidrig, wenn bereits in der Nachbargemeinde Baugrund vorhanden ist. Vgl. im Einzelnen weiter 8. Kapitel. 83 Hamann, Enteignung von Grundstücken zu Gunsten größerer industrieller Vorhaben, BB 1957, S. 1258. 84 BGE 40 I 527 f.

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Auch Alpweiden wurden schon einmal mit der Begründung enteignet, daß im Umkreis der Talstation der geplanten Kabinenbahn ein wirtschaftlicher Aufschwung zu erwarten sei 85 . Der Ansicht Hamanns kann nicht gefolgt werden. Zu Recht kritisiert Stummmer 86 , daß sie schrankenlose Enteignungen ermöglichen würde. Im Ergebnis ist nämlich bei dieser Argumentation nahezu jede wie auch immer geartete Tätigkeit 87 einer Privatperson gemeinschaftsbezogen und fördert damit auch schon als öffentliches Werk das Wohl der Allgemeinheit. Daher würde jedes Unternehmen eine Enteignung rechtfertigen. Dies stellt eine völlige Verkennung des Schutzzweckes des Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG dar. Das Eigentumsopfer, das dem einzelnen zugemutet wird, läßt sich nicht dadurch rechtfertigen, daß es irgendwo und irgendwie auch ein bißchen der Gemeinschaft zugute kommt. Allgemeine Wirtschaftsförderung vermag nur dann eine Enteignung zu legitimieren, wenn sie im konkreten Fall aufgrund eines dringenden Bedürfnisses erforderlich ist und die klassischen Förderungsinstrumente des Staates (ζ. B. Steuerermäßigungen, Zuschüsse usw.) versagen bzw. mit untragbaren Belastungen für den Staat verbunden sind. Ansonsten gilt schlagwortartig: Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG enthält ein Verbot der Subventionierung Privater durch Zuweisung fremden privaten Eigentums.

6. Das Verbot der Berücksichtigung emotionaler Gesichtspunkte Die Enteignung ist nicht dazu da, um unedle Gefühle des Neides, des Hasses, der Rache, der Wiedervergeltung zu befriedigen. Dieser Satz kann eigentlich ohne Einschränkungen unterschrieben werden. Er stammt von Scheiter 88 aus seiner Kommentierung des Art. 153 WRV. Und er zeigt Versuchung und Gefahr des Mißbrauchs des staatlichen Machtinstruments „Enteignung" auf. Leider sind emotionale Gesichtspunkte als Enteignungsgründe keine bloßen Kathederfälle geblieben. Reine Prestigesucht des Unternehmensträgers, architektonischer Größenwahnsinn, Schaulust und Neugierde der Bevölkerung müssen als negative 85 Nachgewiesen bei H. Huber, Das Gemeinwohl als Voraussetzung der Enteignung, in: Zeitschrift für Schweizer Recht, n.F., Bd. 84, 1965, S. 49. 86 Stummer, Die öffentliche Zweckbindung der enteigneten Sache, S. 129; v. Henle, Die Zwangsenteignung von Grundeigentum in Bayern (Zwangsabtretungsgesetz vom 17. 11. 1837), S. 83. 87 Nicht einmal die Bewertung anhand von haushaltsrechtlichen Kriterien bietet eine geeignete Lösung, da deren Gemeinwohlorientierung von der jeweiligen konjunkturellen Lage abhängig ist. 88 Schelter, Art. 153 WRV, Die Rechte und Pflichten aus dem Eigentum, in: Nipperdey (Hrsg.), Die Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung, 3. Bd., S. 227; auch Martin Wolff, Reichsverfassung und Eigentum 1923, S. 15 und Werner Weber, Eigentum und Enteignung, S. 383, warnen vor Vermögensentzug aus Haß oder Neid unter dem Deckmantel der Enteignung; zustimmend Rittstieg, Eigentum als Verfassungsproblem, S. 25.

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Beispiele genannt werden. Sichtet man Rechtsprechung und Literatur, entsteht der Eindruck, daß das westliche Ausland gegenüber derartigen Auswüchsen wesentlich mehr sensibilisiert ist. Wiederholt ist das Schweizer Bundesgericht gegen Enteignungen eingeschritten, bei denen das öffentliche Wohl nur vorgeschoben war, um die Verfolgung derartig privater Zwecke zu verdecken 89. Für das französische Expropriationsrecht beklagt sich Bèraud 90 , Verwaltungsbehörden würden sich nicht scheuen, die „notion d'utilité publique" mit rein egoistischen Interessen zu interpretieren. Wird für die Errichtung eines Rennplatzes enteignet, stellt sich in der Tat die Frage, ob die Schaulust der Massen das Wohl der Allgemeinheit sein kann. Dies ist zu verneinen. Aber auch der kommunale Bereich darf hier nicht ausgespart werden. Festsaal und Kulturzentrum wurden in der Vergangenheit schon allzu oft zum Prestigeobjekt der Gemeinde und des privaten Betreibers. In derartigen Fällen ist der tatsächliche Bedarf genau zu prüfen. Die aufgezeigten Beispiele aus dem Ausland könnten zu dem Triumph verleiten, daß solch emotionale Gesichtspunkte unter der Geltung des Grundgesetzes keine Rolle mehr spielen würden. Die Freude wäre voreilig und falsch. So wurde das Enteignungsverfahren bei der Bad-Dürkheimer-Gondelbahn mit dem Argument betrieben, die Seilbahn stelle für die Stadt Bad Dürkheim eine Attraktion dar 91 . Wieso es vom Gemeinwohl gefordert sein soll, daß jede Stadt ihre Sensation oder Attraktion hat, bleibt schlicht unerfindlich. Völllig zu Recht weist Böhmer in seinem Sondervotum daraufhin, es könne auf derartige Kriterien nicht ankommen, wenn das Grundgesetz schon keine Zweckmäßigkeitsgesichtspunkte als Gemeinwohlbelange anerkennt. Böhmers Kritik an diesem Begründungspunkt ist in meinen Augen durchaus noch milde ausgefallen. Angesichts des Wortlautes des Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG ist die Behauptung unhaltbar, eine Attraktion sei für das Wohl der Allgemeinheit unbedingt erforderlich und vermag eine Enteignung zu rechtfertigen. Emotionelle Gefühle dienen nie dem Gemeinwohl. 7. Das Verbot der Enteignung aus bloßer Bequemlichkeit Die den Menschen angeborene Bequemlichkeit stellt keinen Enteignungsgrund iSd Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG dar. So einleuchtend diese Aussage ist, die Wirklichkeit sieht durchaus anders aus. Als Beispiel sei zunächst wiederum die Bad Durkheimer Gondelbahn genannt. Sie ist 1260 m lang. Der Höhenunterschied zwischen dem Wurstmarktgelände der Stadt Bad Dürkheim und dem Teufelstein beträgt 212 Meter. Die entsprechende Fußwanderung dauert 30 bis 45 Minuten, die 89 Nachweise bei Hans Huber, in: Staat und Privateigentum, S. 87. 90 Beraud, Code commente de Γ expropriation pour cause d'utilité publique, 1959, S. 26 f; zustimmend H. Huber, Das Gemeinwohl als Voraussetzung der Enteignung, in: Zeitschrift für Schweizer Recht, n.F., Bd. 84, 1965, S. 46. 91 Berichtet im Sondervotum Böhmer zu BVerfG, Urt. v. 10. 3. 1981, BVerfGE 58, 249 (290) = NJW 1981, S. 1257 (1262 l.Sp.).

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Seilbahnfahrt 7 Minuten. Die Wanderung zwingt zu höherer körperlicher Anstrengung als die Benutzung der Gondelbahn. Mit Böhmer 92 ist nicht einzusehen, daß diese Bequemlichkeit den Einsatz des staatlichen Zwangsmittels Enteignung unumgänglich notwendig macht. Bloße Bequemlichkeiten und Annehmlichkeiten erfüllen nicht die Anforderungen, die das Wohl der Allgemeinheit für eine Enteignung voraussetzt. Fromm hat dem zweierlei entgegengesetzt: Zum einen handle es sich nicht nur um bloße Bequemlichkeiten, sondern um eine umweltfreundliche und energiesparende Erschließung eines Erholungsgebietes, die insbesondere alten und kranken Menschen zugute komme. Dies vermag nicht zu überzeugen. Der Teufelstein ist nämlich bereits durch einen Wanderweg erschlossen. Gegenüber dem Fußmarsch ist die Gondelbahn weder umweltfreundlicher noch energiesparender. Lediglich der Hinweis auf die Belange gehbehinderter Menschen kann im Rahmen des Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG Bedeutung erlangen, wenn die Stadt Bad Dürkheim außer der Gondelbahnfahrt keine Zerstreuungsmöglicheiten für ihre Kurgäste zu bieten hätte. Zum anderen, meint Fromm 93 , hätte man bei der auch hier vertretenen Ansicht nicht einmal die bayerische Zugspitzbahn bauen können. Abgesehen davon, daß zwischen Teufelstein und Zugspitze rein von der Höhe her Unterschiede bestehen94, ist der Vergleich rechtlich sinnlos. Zwar lassen sich abstrakte Kriterien für die Enteignungsvoraussetzungen einer Bergbahn in privater Hand festlegen. Die Entscheidung im konkreten Fall kann hierdurch aber niemals ersetzt werden. Die Rechtmäßigkeit des einen Projekts läßt daher keinen Schluß auf das andere Vorhaben zu und umgekehrt. Bequemlichkeit als mehr oder minder gut kaschierter Enteignungsgrund ist aber weiter verbreitet, als man gemeinhin denkt. Es muß nicht erst auf den etwas extravaganten Gondelbahnfall oder auf andere ausgefallene Beispiele aus Frankreich zurückgegriffen werden, wo für die Wohnung des Sekretärs der Prefectur am Amtssitz enteignet wurde 95 . Erinnert werden darf vielmehr auch an die zahllosen Fälle, in denen zur Schaffung von Parkraum enteignet wurde oder mit der Enteignung gedroht wurde. Die Stichproben zeigen auch, daß die Übergänge zwischen privatnütziger Enteignung und der Enteignung für öffentliche Verkehrsbedürfnisse durchaus fließend sind. Parkplätze werden im stadtnahen Erholungsgebiet, am See oder beim Fußballstadion geschaffen, das dem Sportverein gehört. Und in allen Fällen ist tragender Gesichtspunkt die Bequemlichkeit der Massen, die Annehmlichkeit der Menschen, denen nicht mehr zugemutet werden kann, 92 Böhmer, Sondervotum zu BVerfG, Urt. v. 10. 3. 1981, BVerfGE 58, 249 (290), NJW 1981, S. 1257 (1263 l.Sp.). 93 Fromm, Bad Dürkheimer Gondelbahn, in: Willi Blümel (Hrsg.), Aktuelle Probleme des Enteignungsrechts (Speyerer Forschungsberichte) 1982, S. 101 ff (104 und 107). 94 Genauer: 2647 Meter; der Teufelstein ist 316 Meter hoch, die Zugspitze 2963 Meter; Bad Dürkheim liegt 104 Meter ü.M; 95 Beispiel nachgewiesen bei Huber, Das Gemeinwohl als Voraussetzung der Enteignung, in: Zeitschrift für Schweizer Recht n.F., Bd. 84, 1965, S. 47.

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nach Verlassen ihres Autos auch nur mehrere Hundert Meter zu Fuß zurückzulegen. Die Verwaltung ist nur allzu oft geneigt, dem Vorschub zu leisten und die Illegalität der Enteignung mit dem Tarnmantel des öffentlichen Verkehrsbedürfnisses zu vernebeln. In den aufgezeigten und in ähnlich gelagerten Fällen bestehen begründete Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Enteignungsvorhaben. Dabei hat bereits Schelcher 96 die Enteignung abgelehnt, wenn es sich nur um solche Veranstaltungen handelt, die der Annehmlichkeit und dem Wohlbehagen weiterer Kreise dienen. Begründet hat er dies mit dem Erfordernis der Gemeinnützlichkeit des Unternehmens. Seither jedoch hat die Bedeutung der Bequemlichkeit als Enteignungsgrund eher noch zugenommen und diese Versuchung ist gerade bei der Enteignung zugunsten Privater besonders stark. Läßt sich ein Eigentumsgegenstand nicht im Wege des freihändigen Erwerbs erlangen, liegt für den Kaufinteressenten die Verlockung nicht fern, Gemeinwohlgesichtspunkte für sich zu okkupieren und auf diesem Weg Eigentum von hoher Hand zu erwerben. Böhmers Warnung kann in diesem Zusammenhang nur unterstrichen werden 97 . Die Enteignung ist kein Instrument, die Privatrechtsordnung zu ändern oder innnerhalb der Privatrechtsordnung zwischen Rechtssubjekten auftretende Probleme zu lösen. Sie ist kein Mittel, Vereinbarungen, die eine Privatperson anstrebt, aber nicht erreicht, durch Hoheitsakt zu ersetzen.

8. Das Verbot einer Enteignung aus Eigeninteresse der Machthabenden Das Allgemeinwohl in Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG gewährt auch und gerade grundrechtlichen Schutz gegen die Eigeninteressen der Machthabenden. Dies war sogar ein Hauptanliegen von zum Teil in Vergessenheit geratenen Warnungen füherer Zeiten: Die Enteignung ist nicht dazu da, die besonderen Neigungen oder Launen des Herrschers, sei es auch des souveränen Volkes, zur Erfüllung zu verhelfen, um wirkliche oder vermeintliche Gefühle der Allgemeinheit zu befriedigen 98. Heute wird man derartige Enteignungsmotive wohl nicht mehr unter dem Stichwort „privatnützig" einordnen können. Vor dem Hintergrund geschichtlicher Erfahrungen sperrt aber auch das Grundgesetz politisch motivierte Eigentumsentziehungen. Enteignungen dürfen weder das Eigeninteresse des Staates als solches fördern wollen, noch das Streben der Machthaber nach weiterer Macht und größerem Einfluß 99 . Zulässig ist der Einsatz des Enteignungsinstru96

Schelcher, Das Enteignungsgesetz für das Königreich Sachsen, S. 138. 97 Böhmer Sondervotum zu BVerfG, Urt. v. 10. 3. 1981, BVerfGE 56, 249 (290) = NJW 1981, S. 1257 (1262). 98 Schelcher, Art. 153 WRV, Die Rechte und Pflichten aus dem Eigentum, in: Nipperdey (Hrsg.), Die Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung, 3. Bd., 227. 99 Badura, Eigentum und Sozialisierung, LdR, Gruppe 5, S. 4 und Eigentum im Verfassungsrecht der Gegenwart, Verh.d. 49. DJT (1972), Bd. II, Τ12; v. Arnim, Gemein-

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mentariums hingegen, um die Funktionstüchtigkeit des Staatsapparates zur Wahrnehmung seiner Aufgaben zu sichern, deren Erfüllung letztlich ausschließlich den Menschen selbst im Staate dienen darf. Im sozialen Rechtsstaat muß sich der Eigentumsschutz gerade für den sozial Schwachen durchsetzen, weil dieser Bürger des Schutzes um seiner Freiheit willen in erster Linie bedarf.

9. Das Verbot einer Enteignung aus reinen Privatinteressen Rein private Interessen vermögen nicht einmal einen Beitrag zur Legitimation einer Enteignung zu leisten. Insoweit entfaltet das Wörtchen „nur" in Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG seine volle Wirksamkeit. Die Rechtmäßigkeit einer Enteignungsmaßnahme läßt sich daher einzig und allein mit Allgemeinwohlbelangen begründen. Daß Allgemeinwohl und Privatinteressen einander ausschließen war freilich schon immer Allgemeingut der Rechtswissenschaft. Erheblich wurde diese Erkenntnis erstmals bei Enteignungen für industrielle Zwecke. Man verweigerte Unternehmen die Enteignungsmöglichkeit, die — für sich selbst betrachtet — nur Privatzwecken dienten. Dies galt auch dann noch, wenn die Förderung von Anlagen der betreffenden Art zu den allgemeinen staatlichen Zielen gerechnet wurde. So wurden Kohleabfuhr-, Erz- oder Kohlenlagerplätze rein dem finanziellen Privatinteresse des betreffenden Unternehmers zugerechnet. Ebensowenig wurden Grund und Boden für Warenmagazine oder Lagerhallen an Eisenbahnanlagen für enteignungsfähig gehalten. Ausnahmen zog man höchstens für den Fall in Betracht, daß die aufgezeigten Anlagen für die Entlastung des Verkehrs auf Ladestraßen und Ladeplätzen unentbehrlich waren 100 . Daß der Gesetzgeber befugt ist, bestimmte Belange für nicht hinreichend gewichtig zu erklären, als daß sie das enteignungrechtliche Gemeinwohl begründen würden, wurde bereits oben festgestellt 101. Daß er hierzu apch in der Lage ist, zeigt er, wenn er auf anderen Gebieten zwischen dem verschiedenen Gewicht öffentlicher Interessen einerseits und dem Allgemeinwohl andererseits zu differenzieren weiß 1 0 2 . wohl und Gruppeninteressen, S. 15; Rengeling, Das Grundeigentum als Schutzobjekt der Eigentumsgarantie und als Gegenstand verwaltungsrechtlicher Planung, Gestaltung und Schrankensetzung, S. 428. loo Vgl. z u m Ganzen: § 23 Abs. 2 Eisenbahngesetz; Eger, Das Gesetz über die Enteignung von Grundeigentum v. 11. 6. 1874, Bd. II, S. 193; Schelcher, Das Enteignungsgesetz für das Königreich Sachsen, S. 62 und 126. ιοί Siehe 6. Kapitel D. 102 Es kann auf die gesetzlichen Regelungen privatnütziger Planfeststellungen verwiesen werden. Sie haben Vorhaben zum Gegenstand, die wegen ihrer raumbedeutsamen Auswirkungen zwar unter ein gesetzliches Planungsgebot gestellt sind, von ihrem Zweck her aber im allein privaten Interesse des Unternehmers ausgeführt werden und deshalb wegen des Fehlens eines sie tragenden öffentlichen Belangs Eingriffe in Rechte Dritter

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Aber auch jenseits solcher so gut wie nicht vorhandenen gesetzlichen Regelungen gibt es Vorhaben, deren Realisierung die Verfolgung reiner Privatinteressen bedeutet. Die entsprechenden Feststellungen in der Literatur leuchten ein. Sucht man aber nach Beispielen, offenbaren sich die Abgrenzungsschwierigkeiten. Puhr-Westerheide 103 nennt in diesem Zusammenhang die private Villa. Das zu ihrem Bau notwendige Grundstück, vielleicht an einem oberbayerischen Seeufer gelegen, kann nicht enteignet werden. Es fehlt am erforderlichen Allgemeinwohl. Andererseits erlaubt das BauGB Felder eines Landwirtes am Rande der Großstadt zu enteignen, um dort eine Reihenhaussiedlung zu bauen. Und dies wird durchaus auch praktiziert. In beiden Fällen soll hoheitlicher Zwang eingesetzt werden, um den Bau eines Wohnhauses zu ermöglichen. Im ersten Fall liegen reine Privatinteressen vor. Im zweiten Fall führen soziale Aspekte zur Bejahung des enteignungsrechtlichen Allgemeinwohls. Unter welchen Voraussetzungen dies allerdings so ist, ist ein Problem der positiven Bestimmung des Wohls der Allgemeinheit iSd Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG, eine Frage, woraus sich Kriterien hierfür gewinnen lassen und welch qualitatives Gewicht ihnen zukommen muß. Damit beschäftigen sich die folgenden Seiten 104 .

II. Der Versuch einer positiven Definition in der Rechtsprechung Jenseits dieser negativen Kriterien, über die allenthalben Konsens herrscht, bieten die Ansätze einer positiven Inhaltsbestimmung des Allgemeinwohls ein reichlich diffuses Bild. Die Versuche, zur Lösung eine allgemein gültige Formel zu entwickeln, sind zahlreich und verschiedenartig. Die fehlende Einigkeit deutet darauf hin, daß man den Versuchen auch die Eigenschaft „ergebnislos" hinzufügen dürfte. Ohne genauere Untersuchung der vorgebrachten Aspekte im einzelnen aber wäre ein derartiges Urteil zu vorschnell gefällt. Wendet man sich zunächst der Rechtsprechung zu, trifft man über weite Strecken auf fast völlige Leere. Richterliche Erkenntnisse werden fast ausschließlich durch Negativkataloge bestimmt, verbunden mit der Betonung der Notwendigkeit zur Einzelfallentscheidung 105. So läßt sich in den Urteilen, die sich mit Enteignungen beschäftigen, vielfach nachlesen, der abstrakte Rechtsbegriff des Gemeinwohls decke eine Vielfalt von Sachverhalten und Zwecken 106 . Er bedürfe daher stets der Konkretisierung im einzelnen Fall. nicht zu rechtfertigen vermögen; vgl. Korbmacher, Eigentums- und entschädigungsrechtlich bedeutsame Entscheidungen in der fachplanerischen Abwägung, DÖV 1982, S. 518. 103 Puhr-Westerheide, BayEG, Art. 3 Anm. 1. 104 Vgl. unten 7. Kapitel D. bis G.; zum Textbeispiel der Reihenhaussiedlung unten 8. Kapitel C. I. los Häberle, Öffentliches Interesse als juristisches Problem, S. 520 und passim. 106 BGH, Urt. v. 10. 6. 1952, BGHZ 6, 270 (279); BGH, Urt. v. 20. 12. 1956, BGHZ 23, 30 ff; BGH, Urt. v. 25. 1. 1973, BGHZ 60, 126 ff. 8 Schmidbauer

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Eine rühmliche Ausnahme von dieser Standardformel stellt eine frühe Entscheidung in der Nachkriegsrechtsprechung dar. In seinem Urteil vom 3. 7. 1950 hat der Bad. Staatsgerichtshof 107 nämlich den Versuch einer positiven Definition des Allgemeinwohls unternommen. Er hat dann auch auf dieser Grundlage § 9 Abs. 3 des Bad. Landesgesetzes zur Verbesserung der landwirtschaftlichen Bodenverteilung und Bodennutzung für rechtsungültig erklärt. Analysiert man die Gemeinwohldefinition des Gerichtshofes unter Zugrundelegung der bereits oben bei den Negativaspekten angewandten Einteilung, lassen sich drei verschiedene Stufen unterscheiden: 1. Als eine Art unterste Ebene nennt das Gericht Kriterien, die als Rechtfertigung einer Enteignung absolut ausscheiden. Es handelt sich dabei um Gesichtspunkte, die in keiner Weise vom Gemeinwohl umfaßt werden. Sie wurden bereits dargestellt. Dieser Negativkatalog umfaßt die Bereicherung des Staates als Fiskus, die finanzielle Besserstellung anderer öffentlicher Körperschaften sowie die Enteignungen aus politischen Gründen, deren Objekt letzten Endes nicht die Sache, sondern die Person ihres Besitzers ist. Schließlich wird ausdrücklich daraufhingewiesen, daß die Enteignung nicht zum Vorteil bloßer Privatinteressen erfolgen dürfe. 2. Auf einer zweiten Ebene werden Gesichtspunkte angeführt, die für sich alleine nicht ausreichen, eine Enteignung zu legitimieren, die aber eine anderweitig begründete Enteigung in ihrer rechtlichen Legitimation zu verstärken vermögen. Hierzu zählen die Wahrnehmung staatlicher oder sonstiger öffentlicher Belange, sowie Nützlichkeits- und Zweckmäßigkeitserwägungen, die von staatlichen Stellen hierfür angestellt werden. Unter diese Kategorie fallen ferner Maßnahmen, die eine Stärkung der Macht des Staates zum Inhalt haben oder auf die Förderung der öffentlichen Wohlfahrt abzielen. 3. Jedoch vermögen die auf der vorhergehenden Stufe genannten Aspekte weder einzeln noch in ihrer Gesamtheit den Eingriff einer Enteignung zu tragen. Notwendigerweise müssen nach Ansicht des Gerichts weitere Erfordernisse hinzutreten. Allgemeinwohl beinhaltet demnach zusätzlich die Forderung nach Wahrung der Gerechtigkeit und des inneren Friedens. Außerdem ist der Eingriff nur dann verfassungsmäßig, wenn er „unzweifelhaft erheblichen Nutzen für das gesamte Volk bringt" 108 . Das Gericht selbst legt dabei die Betonung auf die Eigenschaft der Gesamtheit. Soweit ersichtlich, ist dies die einzige gerichtliche Entscheidung geblieben, die eine Allgemeinwohlprüfung aufgrund eines generell gültigen positiven Kriterienkataloges unternahm. Ob die Struktur ihres Ansatzes zutreffend ist, wird weiter unten 109 noch zu klären sein. Bereits an dieser Stelle läßt sich aber eine 107 Bad. Staatsgerichtshof, Urt. v. 3. 7. 1950, VerwRspr. 2 (1950), 411. los Bad. Staatsgerichtshof, a.a.O. 109 Unten 7. Kap. Ε. II.

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Schwäche mühelos feststellen. Das Gericht schweigt zu dem Problem, welche Maßstäbe für die inhaltliche Bewertung der angeführten Gesichtspunkte gelten oder auf welche Weise diese gewonnen werden könnten. Dies gilt insbesondere und gerade auf der dritten Stufe. Wann ist beispielsweise der Nutzen erheblich? Was ist unter der Gesamtheit des Volkes zu verstehen?

I I I . Versuche einer allgemein gültigen Umschreibungsformel in der Rechtswissenschaft Die Äußerungen der Literatur in der Folgezeit zum Allgemeinwohl knüpfen zum Teil an den positiven Definitionsversuch des Badischen Staatsgerichtshofs an, teilweise stellen sie andere Kriterien in den Mittelpunkt. Analysiert man die rechtswissenschaftliche Literatur und unternimmt den Versuch einer Ordnung nach entscheidungserheblichen Aspekten, können im großen und ganzen folgende Gesichtspunkte herausgestellt werden.

1. Die These von der Undefinierbarkeit des Allgemeinwohls Vorweg lassen sich zunächst diejenigen Autoren aussondern, die es für schlichtweg unmöglich halten, das Wohl der Allgemeinheit in Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG überhaupt zu definieren. Solange es an einer gesetzlichen Interpretation fehle, besitze der Begriff überhaupt keinen charakteristisch ausgeprägten Bedeutungsgehalt. Er ermögliche den Einbruch für metajuristische Überzeugungen und Vorstellungen und öffne die Schleusen zur Berücksichtigung bloßer machtpolitischer Zweckmäßigkeitsüberlegungen. Hinter dem Begriff stecke nichts weiter als die Vergoldung einer Eingriffsermächtigung mit verfassungsrechtlichem Pathos. So oder ähnlich lauten die Vorwürfe und Behauptungen, die zur Untermauerung der angeblichen Undefinierbarkeit des Allgemeinwohls herangezogen werden 110 . Die Verfasser befinden sich in guter Gesellschaft. Schon Radbruch vertrat die Meinung, die Wissenschaft sei nicht in der Lage, letzte Werte als absolut und universell richtig oder falsch nachzuweisen11 i . Jedoch dürffcn begründete Zweifel angemeldet werden, ob das Ziel im vorliegenden Fall wirklich so hoch gesteckt ist. Es geht nämlich nicht um die Frage der letzten und höchsten Werte in unserem Staat, sondern viel profaner um das Problem, ob der Staat berechtigt ist, das Eigentum einer bestimmten Person zugunsten eines Privaten zu entziehen. Es gilt zu fragen, welche Kriterien die Verfassung hierfür an die Hand gegeben hat. no Umfangreiche Nachweise aus der Literatur bei: v. Arnim, Gemeinwohl und Gruppeninteressen, S. 6 und 140; Häberle, Öffentliches Interesse als juristisches Problem, S. 19; Leisner, Privatinteressen als öffentliche Interessen, DÖV 1970, 217. m Radbruch, Rechtsphilosophie, § 7 und §17. 8*

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2. Allgemeinwohl als Artikulationsproblem Eine Stufe höher leugnet eine Gruppe in der Literatur zwar nicht die Definierbarkeit des Wohls der Allgemeinheit in Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG, sieht das Hauptproblem bei der Anwendung aber in der Artikulation 112 . Genauer gesagt, wer auf welche Weise im Enteignungsfall den Inhalt des Allgemeinwohls legitimerweise bestimmen kann oder darf. Nach Ansicht des Verfassers handelt es sich dabei zwar nur um einen Teilaspekt des gesamten Problemfeldes, der aber gerade bei der Enteignung zugunsten Privater von einigem Interesse sein muß. Denn hier ist die Gefahr augenscheinlich, daß sich der begünstigte Private die Rolle des Sprachrohrs des Allgemeinwohls zu seinem eigenem Vorteil anmaßt. Das Meinungsspektrum innerhalb der rechtswissenschaftlichen Literatur zu diesem Artikulationsproblem ist äußerst vielfältig. Forsthoff 113 vertritt dabei gar die These von der mangelnden Durchsetzungsund Organisationsfähigkeit allgemeiner Interessen. Leisner hält das Allgemeinwohl für diejenigen privaten Interessen, die öffentlich relevant und organisiert sind 114 . Vor dem Hintergrund dieser Erkenntnis geißelt er den staatlichen Zwang zur Organisation in Verbänden, der durch derartige Vorschriften wie Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG ausgeübt wird. Geradezu als Ergänzung dieser Aussage gelangt von Arnim 1 1 5 zu dem zutreffenden Ergebnis, daß Verbandsvertreter, die als „Träger" des Gemeinwohls auftreten, die Gemeinwohlidee abwerten. Häberle 116 schließlich ist der Auffassung, daß es das eine Allgemeinwohl bzw. — um in seiner Terminologie zu bleiben 117 — das eine öffentliche Interesse gar nicht gebe. Vielmehr hätten wir es mit einer Pluralität öffentlicher Teilinteresssen zu tun, die zudem noch In — sich — Konflikte aufweisen würden. Bei Zugrundelegung dieses Ausgangspunktes ist das Allgemeinwohl der Teil an öffentlichen Interessen, der sich bei der Austragung der Interessenkonflikte als gerade am gewichtigsten artikulieren kann. Wer im Enteignungsfall legitimerweise den Inhalt des Allgemeinwohls artikulieren darf, ist für die Enteignung zugunsten Privater eine durchaus bedeutsame Frage. Ihre Beantwortung allein stellt jedoch noch keine Lösuhg dieser rechtlichen Erscheinung dar. Zwar mag die Möglichkeit zur Artikulation im konkreten Fall ausnahmsweise den Inhalt des Wohls der Allgemeinheit selbst bestimmen. Aber dies ist deswegen nur ein Teilaspekt des Problems, weil die Verfassung selbst — wie noch zu zeigen sein wird — weitergehende Vorgaben liefert. 112

Von Arnim, Gemeinwohl und Gruppeninteressen, S. 140. us Forsthoff, Industriegesellschaft, S. 25 f, 119 (120f); zitiert bei v.Arnim, Gemeinwohl und Gruppeninteressen, S. 153. 114 Leisner, Privatinteressen als öffentliches Interesse, DÖV 1970, S. 217 (223). us Von Arnim, Gemeinwohl und Gruppeninteresse, S. 140. h 6 Häberle, Öffentliches Interesse als juristisches Problem, S. 704. 117 Hierzu vgl. bereits oben unter 7. Kapitel A.

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Immerhin lassen sich an dieser Stelle aus der Verfassung heraus für den Fall der privatbegünstigenden Enteignung bereits zwei Feststellungen treffen: Zum einem folgt bereits aus dem Wortlaut des Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG, daß es nicht der begünstigte Private selbst sein darf, der zum Ausdruck bringt, was dem Inhalt des Allgemeinwohls in seinem Fall entspricht. Zum anderen verpflichtet Art. 20 GG die Bundesrepublik auf das Demokratieprinzip. Daraus folgt zwingend, daß Ansätze zur Lösung des Artikulationsproblems innerhalb des demokratischen Systems und seiner verfassungskonformen einfachgesetzlichen Normierungen zu finden sein müssen. Zur Artikulation des Gemeinwohls im Einzelfall ist daher auf der Basis formeller Gesetze zuvörderst die demokratisch legitimierte Exekutive berufen. Unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten trifft sie dabei eine Begründungspflicht. Sie hat ferner das gesetzlich normierte System 118 der Bürgerbeteiligungen an Planungen zu beachten.

3. Konkretisierungserfordernis Unter anderem auch aufgrund der dargelegten Schwierigkeiten vertritt eine andere Strömung der Literatur 119 die Auffassung, daß sich das Wohl der Allgemeinheit bei einer Enteignung prinzipiell nur im jeweiligen konkreten Einzelfall bestimmen läßt. Uneingeschränkt zuzustimmen ist zunächst Badura 120 , wenn er schreibt, es bedarf für eine Enteignung der Wahrnehmung eines bestimmten Allgemeinwohls durch den künftigen Zuordnungsberechtigten. Auf derselben Linie liegt Kunze 121 , der davon ausgeht, daß Vorteile bei einem konkreten Zweck vorliegen müssen. Aber bis hierher handelt es sich eigentlich um juristische Selbstverständlichkeiten, da ein Enteignungsprojekt stets der Verfolgung eines bestimmten Zieles in einem konkreten Fall zu dienen hat. Immerhin vermag sich auch die Rechtsprechung einen erheblichen Freiraum für ihre Entscheidungen durch die stereotyp wiederkehrende Formel zu sichern, daß der abstrakte Rechtsbegriff des Gemeinwohls eine Vielfalt von Sachverhalten und Zwecken abdeckt und er daher stets der Konkretisierung im einzelnen Fall bedarf 122 . Gegen diese Aussage ist auch nichts einzuwenden, so lange sie nicht lediglich der Verschleierung eigener willkürlicher Entscheidungsbefugnisse dient. Diese Einschränkung π» Vgl. nur beispielhaft § 74 VwVfG im allgemeinen und §§ 2, 3 BauGB — §§ 2, 2 a BBauG im besonderen. 119 Beispielhaft seien genannt: Weides, Rechtsfragen der Enteignung nach dem Bundesberggesetz, DVB1. 1984, S. 921 (926); Stolleis, Öffentliches Interesse als juristisches Problem, VerwArch Bd. 65 (1974), S. 2 ff; Schulte, Eigentum und öffentliches Interesse, Schriften zum öffentlichen Recht, Bd. 125, S. 65. 120 Badura, Staatsrecht, S. 141. 121 Kunze, Der Anspruch des Enteigneten auf Rückübertragung bei nachträglichem Fortfall des Enteignungszweckes, S. 55. 122 BGH, Urt. v. 10. 6. 1952, BGHZ 6, 270 (279); BGH, Urt. v. 20. 12. 1956, BGHZ 23, 30 ff; BGH, Urt. v. 25. 1. 1973, BGHZ 60, 126 ff.

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bedeutet aber gleichzeitig, daß in der anschließenden Entscheidungsbegründung die Maßstäbe für die Konkretisierung im Einzelfall offenzulegen sind. Wenn Wendt 123 vor diesem Hintergrund aber meint, eine abstrakte Umschreibung oder Aufzählung dessen, was das Wohl der Allgemeinheit bei der Enteignung ausmacht, sei generell problematisch, kann dem nur mit erheblichen Einschränkungen gefolgt werden. Zwar darf eine Einzelfallprüfung schon von Verfassungs wegen niemals unterbleiben 124 . Verfassungswidrig ist es daher jedenfalls, einen abstrakten Zweck generell als Rechtfertigung einer Enteignung genügen zu lassen. So verfährt beispielsweise v.Henle 125 . Er behauptet im Jahre 1890 lapidar, als öffentlicher Zweck für eine Enteignung kommt jede Form der Ausnutzung der Elektrizität in Betracht. Unter dieser Prämisse spielt es dann in der Tat keine Rolle mehr, ob der Träger des Vorhabens der Staat selbst oder eine Privatperson ist. Zu Recht kommt Schulte demgegenüber 126 zu dem Ergebnis, daß ein abstraktes Ziel wie die Sicherstellung der Elektrizitätsversorgung nicht ausreicht, um jede Enteignung zu rechtfertigen. Dies gilt selbst dann — so muß hinzugefügt werden — wenn ein derartiger Enteignungszweck gesetzlich festgeschrieben wurde. Schulte freilich sieht in der Konkretisierung des Einzelfalles das ausschlaggebende Kriterium schlechthin für eine Enteignung. Nach ihm ist eine Enteignung dann verfassungsmäßig, wenn das Gemeinwohl soweit konkretisiert ist, daß daraus die Maßnahme voll rational abgeleitet werden kann. Inwiefern diese Aussage für eine privatbegünstigende Enteignung fruchtbar gemacht werden kann, wird noch zu untersuchen sein. Hier läßt sich zunächst festhalten, daß sie allein für sich den Gehalt des Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG nicht ausschöpft. Denn es gibt gerade auch aufgrund der Verfassung generelle Vorgaben und Aussagen, die über einen Einzelfall hinaus stets zu beachten sind. Nichts führt dies deutlicher vor Augen als ein privatbegünstigendes Enteignungsvorhaben. Hier ist sozusagen als erste Frage vorab zu klären, ob es mit dem Grundgesetz zu vereinbaren ist, daß überhaupt ein Privater von einer Enteignung begünstigt wird. Ist dies abstrakt beantwortet, muß untersucht werden, ob es dem Allgemeinwohl dient, daß gerade dieser Private mit hoheitlichem Zwang der neue Zuordnungsberechtigte gerade dieses Eigentumsobjekts wird. Demgegenüber will Schulte 127 die zuerst aufgeworfene Frage durch die Forderung nach einem unmittelbaren öffentlichen Interesse im konkreten Einzelfall !23 Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 327. 124 Dies ergibt sich m.E. unmittelbar aus Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG, nach einem Teil der Lit. aber aus dem im verfassungsrechtlichen Rechtsstaatsprinzip verankerten Übermaßverbot, vgl. hierzu Lerche, Übermaß und Verfassungsrecht, S. 229. 125 Von Henle, Die Zwangsenteignung von Grundeigentum in Bayern, 1890, S. 82. 126 Schulte, Eigentum und öffentliches Interesse, Schriften zum öffentlichen Recht, Bd. 125. 127 Schulte, Eigentum und öffentliches Interesse, Schriften zum öffentlichen Recht, Bd. 125, S. 91 ff.

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ersetzen. Er stellt dies als Rechtmäßigkeitsvoraussetzung ganz bewußt ausschließlich für den Fall einer Enteignung zugunsten Privater auf. Die Unmittelbarkeit der Begünstigung der Allgemeinheit ist dabei selbstverständlich nicht darin zu sehen, daß die Substanz des Enteignungsgegenstandes auf die öffentliche Hand übetragen wird, sondern daß der Private diesen unmittelbaren Vorteil für die Allgemeinheit nutzt. Überzeugende Argumente, warum die Frage, ob eine privatbegünstigende Enteignung generell einen unmittelbaren Vorteil für die Allgemeinheit voraussetzt, mit dem Erfordernis der Einzelfallbewertung untrennbar verbunden sein sollte, lassen sich jedoch nicht finden. Es besteht daher auch kein Grund, von der hier vertretenen Systematik abzuweichen. Danach ist die Frage der Unmittelbarkeit des Unternehmensvorteils kein Bestandteil der Inhaltsdefinition des Allgemeinwohlbegriffes, sondern gehört zum Problemkreis des Verhältnisses von Allgemeinwohl zu privaten Interessen.

4. Steigerungsformeln Neben dem Erfordernis der Einzelfallprüfung besteht gemeinhin über einen weiteren Aspekt Einigkeit. Das Wohl der Allgemeinheit als Rechtmäßigkeitsvoraussetzung einer Enteignung stellt etwas Besonderes dar. Sowohl in der Rechtsprechung als auch in der Literatur wird ausnahmslos betont, an das Allgemeinwohl seien strenge Anforderungen zu stellen 128 . Zum Teil wird es einem höherwertigen Rechtsgut gleichgestellt 129 . Jedenfalls gelangen die Kommentatoren des Art. 14 GG allesamt zu dem Ergebnis, daß das bloße öffentliche Interesse nicht ausreicht 130. Was weiter für eine Enteignung erforderlich ist, wird dann zumeist in einer Umschreibung bestimmt, die man als „Steigerungsformel" bezeichnen kann. Diese tritt in unterschiedlichen Variationen in Erscheinung. Im Vergleich zum öffentlichen Interesse muß das Allgemeinwohl danach eng verstanden werden und gesteigert, qualifiziert, speziell, spezifisch, besonders wichtig oder besonders schwerwiegend sein. Der Gehalt der verwendeten Steigerungsformeln reicht also von der schlichten Feststellung, daß das Wohl der Allgemeinheit in Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG mehr und qualitativ anders ist, als ein öffentliches Interesse 131, ohne daß diese Aussage näher spezifiziert werden würde, bis hin zur geheimnisvollen Forderung, es müsse etwas besonders Bedeutungsvolles vorliegen. Bereits Maunz hat in seiner 1969 erfolgten Kommentierung des Art.

128 Seifert/Hömig, GG, Kommentar, 2. Auflage 1985, Art. 14 Rdnr. 12 129 Zinkeisen, Das Fehlen einer Entschädigungsregelung im Außenwirtschaftsgesetz, S. 30. 130 Kimminich, BK zum GG, Art. 14 Rdnr. 272; Papier, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 14 Rdnr. 505 jeweils m.w.N. zu den verwendeten unterschiedlichen Formulierungen. πι Weyreuther, Die Situationsgebundenheit, S. 84.

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14 G G 1 3 2 verlangt, daß ein gesteigertes und sachlich objektives öffentliches Interesse bestehen muß — eine Formulierung, die im übrigen das BVerwG später aufgegriffen hat 133 . Auch Wendt 1 3 4 begnügt sich mit der Feststellung, daß die Enteignung ein extraordinäres Eingriffsinstrument darstellt und kein reguläres Gestaltungsmittel ist. Übereinstimmend fordern Kimminich 1 3 5 und Papier 136 ein besonders schwerwiegendes und dringendes öffentliches Interesse. Insgesamt läßt sich heute niemand mehr finden, der bestreiten würde, daß das Wohl der Allgemeinheit in Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG etwas Spezifisches bedeutet 137 . Aussagen, welchen Grad diese Qualifikation erreichen müsse oder Aussagen, welche Dringlichkeit die geforderte Qualifikation aufweisen sollte, lassen sich vergebens suchen. Von Brünneck 138 hat denn auch in jüngster Zeit kritisiert, alle diese Formeln seien keine Definitionen, sondern bloße Umschreibungen des Allgemeinwohls. Diese Einschätzung ist berechtigt und übertrieben zugleich. Berechtigt ist sie insoweit, als diese Steigerungsformeln für sich genommen tatsächlich keine Lösung der Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen einer Enteignung bringen. Andererseits enthalten sie einen durchaus richtigen Ausgangspunkt, der bei jeder Enteignung mit zu beachten ist und aus dem sich bereits inhaltliche Maßstäbe gewinnen lassen. Als verfassungsmäßig festgeschriebene Voraussetzung einer Enteignung muß das Wohl der Allgemeinheit in seinem Gehalt über das hinausgehen, was jeder Verwaltungsentscheidung von Haus aus an Gemeinwohl innewohnt. Eine derartige Aussage läßt sich auch in der Praxis des Alltags handhaben. Denn dieser Teilaspekt inhaltlicher Gemeinwohlbestimmung ist innerhalb unserer Rechtsordnung keineswegs eine singuläre Erscheinung. Auch die Anordnung der sofortigen Vollziehung eines Verwaltungsaktes nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO fordert ein besonderes Vollzugsinteresse, das über das hinausgeht, das den Verwaltungsakt selbst rechtfertigt 139 . Auf die hierzu ergangene umfangreiche Rechtsprechung 140 und die nicht weniger zahlreichen Äußerungen in der Literatur 141 darf verwiesen werden. Denn insoweit ist die Interessenlage 132 Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Bearbeitungsstand 1969 des Art. 14 Rdnr. 110. 133 BVerwG, Urt. v. 14. 3. 1985, BVerwGE 71, 108 (124) = NVwZ 1985, 739 (743). 134 Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 396. 135 Kimminich, BK zum GG, Art. 14 Rdnr. 273. 136 Papier, in: Maunz/Dürig, Art. 14 Rdnr. 505. 137 Dies war freilich nicht immer so. Früher waren beispielsweise a.A.: Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 764; aber auch Lay er, Principien des Enteignungsrechtes, S. 190: „es kann aber prinzipiell kein anderes sein als überhaupt". 138 Vpn Brünneck, Das Wohl der Allgemeinheit als Voraussetzung der Enteignung, NVwZ 1986, S. 426. 139 BVerfG, Beschl. v. 16. 7. 1974, BVerfGE 38, S. 58 ff; BVerwG, Beschl. v. 19. 6. 1973, BVerwGE 35, 263; Kopp, VwGO, 7. Auflage 1986, § 80 Rdnr. 52. 140 Beispielhaft zuletzt BVerfG, Urt. v. 2. 5. 1984, BVerfGE 67, 44 und BVerfG, Beschl. v. 14. 5. 1985, DÖV 1985, S. 782. 141 Z.B. Scholz, Die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage gemäß § 80 VwGO, Menger-FS 1985, S. 641 ff.

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bei der Enteignung durchaus vergleichbar. Auch ihre Rechtmäßigkeit setzt voraus, daß ein Mehr an Allgemeinwohl vorliegt, als ohnehin erforderlich ist, um das Vorhaben zu rechtfertigen, für das enteignet werden soll. Diese Steigerung im Vergleich zum zugrundeliegenden Vorhaben kann als spezifisches Allgemeinwohl der Enteignung bezeichnet werden.

5. Quantitätsprobleme Vielfach wurde auch die Frage aufgeworfen und erörtert, wie groß die Zahl der Menschen sein müsse, die von einer bestimmten Maßnahme profitieren, damit man davon sprechen kann, die Maßnahme hat dem Wohl der Allgemeinheit genützt. Dies Problemstellung ist für die vorliegende Arbeit insoweit von besonderem Interesse, als ihre Lösung mit darüber entscheidet, ob die Enteignung zugunsten Privater sich vielleicht nur als bloße Quantitätsfrage entpuppt. Geht man nämlich von der These aus, daß Enteignungsvorhaben auch dann zulässig sind, wenn sie nicht allen Staatsbürgern zugleich zugute kommen, kann man die Zahl der Begünstigten kontinuierlich verringern. Irgend wann bleibt dann nur noch eine Einzelperson übrig, die von der Enteignung profitiert. Spätestens in diesem Fall muß von einer Enteignung zugunsten Privater gesprochen werden. Es ist klar, daß dies allzu einfach wäre. Vielmehr sind zunächst zwei Fragenkreise auseinanderzuhalten. Erstens ist zu prüfen, ob es vielleicht nur um das Wohl der Institution Staat als solcher geht. Die Antwort hierauf nimmt uns aber das Grundgesetz selbst eindeutig ab. Denn es legt in Art. 1 GG die Würde des Menschen als höchsten Wert fest. Daraus folgt zwingend, daß es kein Staatswohl geben kann, das isoliert dem Staat und nicht auch den einzelnen Menschen zugute kommt. Des weiteren darf zu diesem Punkt auf die obigen Ausführungen Bezug genommen werden 142 . Zweitens stellt sich nunmehr in der Tat die Frage, ob Wohl der Allgemeinheit das größtmögliche Glück der größtmöglichen Zahl an Menschen bedeutet 143 . Daß eine Maßnahme zum Wohl der Allgemeinheit nicht nur dann vorliegt, wenn alle Staatsbürger davon Nutzen ziehen, leuchtet ein. Auch der Badische Staatsgerichtshof 144 kann mit seiner Forderung nach einem Vorteil für das ganze Volk nicht jeden einzelnen Einwohner unseres Staates gemeint haben. Denn eine staatliche Maßnahme, die niemandem schadet und allen nützt, gibt es regelmäßig gar nicht. Der Forderung nach der größtmöglichen Zahl der Begünstigten hat Dürig die These an die Seite gestellt, in der Demokratie 142 Vgl. oben 7. Kap. C. I. 8. 143 So der oberste Leitsatz seines Staatsdenkens für den engl. Juristen und Philosophen Jeremy Bentham (* 1748 + 1832); vgl. weiter Duppré, Wohl der Allgemeinheit und öffentliche Interessen, Schriftenreihe der Hochschule Speyer, Bd. 39, S. 9. 144 Bad. Staatsgerichtshof, Urt. v. 3. 7. 1950, VerwRspr., Bd. 2 (1950), S. 411 (416).

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könne das öffentliche Interesse nur das Interesse der Mehrheit sein 145 . Dagegen meint Bauer 146 , der Begriff „Allgemeinheit" setze voraus, daß es sich um einen nicht abgrenzbaren und wechselnden Bevölkerungsteil handelt. Problematisiert und im Ergebnis verneint wird dabei zumeist die Gleichsetzung mit dem Wohl bestimmter Gruppen. Nach der Gegenansicht umfaßt das Allgemeinwohl auch den Nutzen kleiner Kreise, selbst wenn deren Prosperieren dem gemeinen Wesen nur indirekt zugute kommt 1 4 7 . Huber 148 hat schließlich diese Sicht der Dinge auf die Spitze getrieben. Es entbehrt nicht der Ironie, wenn er fragt, ob der Autofahrer, für den Parkplätze geschaffen werden sollen, gegenüber dem Eigentümer des Familienwohnheimes, dessen Vorgarten hierfür weichen soll, die Allgemeinheit repräsentiert. Aber es zeigt doch, daß allein die Zahl der Personen, die aus dem Vorhaben einen Vorteil ziehen, nicht ausschlaggebend sein kann. Die Gemeinwohlbestimmung auf einen bloßen Zähl- und Rechenvorgang reduzieren zu wollen, ist nicht angängig. Mehrheiten sind zufällig und wankend. Nicht anders verhält es sich mit dem Kreis der von einer Enteignung profitierenden Personen. Gerade die Enteignung zugunsten Privater führt dabei plastisch vor Augen, daß die Quantität der Begünstigten kein geeignetes Kriterium zur Bestimmung der Verfassungsmäßigkeit ist. Andererseits kann an dieser Stelle aber vorgemerkt werden, daß die Zahl der Personen, denen das Enteignungsvorhaben nützt, nicht völlig belanglos sein kann.

6. Qualitätsforderungen Nachdem die Schwachpunkte quantitativer Ansätze zur Problemlösung offen zu Tage lagen, wurde zugleich versucht, qualitative Erfordernisse für das Wohl der Allgemeinheit aufzustellen. Übereinstimmende Basis dieser Überlegungen ist dabei, daß das Allgemeinwohl nicht nur eine bloße Addition des Wohlergehens der einzelnen 149 oder eine Zusammenfassung des Wohlergehens zivilisatorischer oder kultureller Institutionen ist. Welche weiteren Qualitätsforderungen der Begriff aber in sich birgt, darüber laufen die Ansichten auseinander. Die einen setzen die Schwelle denkbar niedrig an. Sie meinen, Allgemeinwohl beinhalte lediglich die Forderung, die Entscheidung der Enteignung auch zu rechtfertigen und zu begründen. Nach einem Urteil des Reichsgerichts 150 reicht bei der Enteig145 Günter Dürig, Zurück zum klassischen Enteignungsbegriff, JZ 1954, 4 ff; noch eindeutiger: ders, Die konstanten Voraussetzungen des Begriffs „Öffentliches Interesse", S. 68 f. 146 Joachim Bauer, Die Behandlung der sog. unverdienten Wertsteigerungen bei der Enteignungsentschädigung, S. 211. 147 Rudolf Bering, Das Preussische Enteignungsrecht in seiner praktischen Anwendung, Erfurt 1883, S. 8. 14 8 Hans Huber, Das Gemeinwohl als Voraussetzung der Enteignung, S. 49. 149 Zezschwitz, Das Gemeinwohl als Rechtsbegriff, S. 62. 150 RG, Urt. v. 11. 3. 1927, RGZ 116, S. 268 ff.

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nung hierfür bereits jede vernünftige Erwägung des Gesetzgebers aus. Schack 151 vertritt die Ansicht, daß jede sachgerechte Erwägung des Gesetzgebers durch das Gemeinwohl legitimiert ist. Danach drückt das Wohl der Allgemeinheit in Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG nichts anderes aus als die Forderung nach schlichter Plausibilität der Rechtsbehauptung. Andere versuchen die Befugnisse zur Enteignung auf den herkömmlichen dogmatischen Bahnen der Bestimmung grundrechtlicher Abwehrpositionen gegen den Staat zu klären. Das Wohl der Allgemeinheit ist wie bei den übrigen Grundrechten so auch bei der Enteignung zumindest mittelbare Schranke der Grundrechtsausübung 152. Daraus werden Folgerungen für die Eingriffsbefugnis hergeleitet. Rittstieg 153 beispielsweise läßt eine Enteignung nur dort zu, wo das Einzeleigentum an einem bestimmten Gute ein Hindernis der allgemeinen Entwicklung des freien Erwerbs aller Einzelnen ist. Generell geht es dieser Strömung in der Literatur darum, das Gemeinwohl als äußerste Grenze staatlichen Handelns rechtlich faßbar zu machen 154 . Ein anderer Ansatzpunkt ist der Versuch der Gewinnung qualitativer Kriterien aus der Spannung zwischen Eigenwohl und Gemeinwohl heraus. Schon früh hat man hier auf das soziale Interesse abgestellt und dieses in einen Gegensatz zum Individualinteresse gebracht, auch wenn es sich dabei um das Individualinteresse des Regenten handelte. Geradezu im schroffen Gegensatz hierzu stellen andere auf die sozialen Gestaltungsmöglichkeiten des autonomen Individuums ab. Angeführt von Kimminich 1 5 5 geht diese Ansicht über weite Strecken mit der kirchlichen Sozialethik konform. Im Mittelpunkt dieser Gemeinwohlbestimmung steht ein Personalismus, „pluralitär" geformt und instrumental den existentiellen Zwecken des Individuums dienend 156 . Die Enteignung dient insoweit der Vollendung des Menschen, soweit diese mit gemeinschaftlichen Mitteln überhaupt erreichbar ist. In seiner Analyse der Kommentierung des Art. 14 GG im Bonner Kommentar durch Kimminich stellt Rasenack zutreffend fest, daß dieser jeglicher nicht-individueller Wertanknüpfung mißtraut 157 . Grund, hiervon Abstriche zu machen, besteht in der Tat nicht. Leidvolle Erfahrungen der Geschichte sprechen für Kimminich.

151 Schack, Enteignung „nur zum Wohle der Allgemeinheit", BB 1961, S. 76. 152 Schnur, Gemeinwohl und öffentliche Interessen in den Verfassungen und den Gesetzen des sozialen Rechtsstaates, in: Wohl der Allgemeinheit und öffentliche Interessen, Schriftenreihe der Hochschule Speyer, Bd. 39, S. 71. 153 Rittstieg, Eigentum als Verfassungsproblem, S. 418. 154 Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 201. 155 Kimminich, BK zum GG, Art. 14 Rdnr. 8 ff. 156 Nachweise bei Zezschwitz, Das Gemeinwohl als Rechtsbegriff, S. 61 und Rasenack, Eigentum, Enteignung, Entschädigung, zu Otto Kimminichs Kommentar des Art. 14 GG, Der Staat, Bd. 18, 1979, S. 259. 157 Rasenack, Eigentum, Enteignung, Entschädigung, Der Staat, Bd. 18, 1979, S. 259.

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Püttner rückt einen weiteren Aspekt ins Blickfeld 158 . Für ihn besteht das Allgemeinwohl aus demokratisch verstandenen Interessen, die jeder im Hinblick auf die Entfaltung eines jeden Menschen hegen sollte. Richtigerweise wird man in das Wohl der Allgemeinheit als Voraussetzung einer privatbegünstigenden Enteignung beide Aspekte mit einzubeziehen haben. Dabei darf jedoch nicht auf das größtmögliche Glück des Begünstigten abgestellt werden. Anknüpfungspunkt muß ein übergeordnetes Gesamtinteresse bleiben. Die inhaltliche Bewertung des Gewichts dieser Belange hat aber aus individueller Sicht zu erfolgen. Das Interesse der Institution Staat als solcher darf dabei genausowenig bestimmenden Einfluß ausüben wie das Interesse des von der Enteignung künftighin Begünstigten. Das so verstandene Gemeinwohl kann demnach auch nicht mit dem Wunschdenken Einzelner gleichgesetzt werden. Insoweit kann man davon sprechen, daß es nicht tatsächlicher Natur ist, sondern daß ihm richtige oder gesollte Belange zugrunde liegen. Die Maßstäbe, an denen sich diese Richtigkeit zu orientieren hat, können sich unter der Geltung des Grundgesetzes nur aus der verfassungsmäßigen Ordnung ergeben.

7. Anknüpfungen an Staatsaufgaben Eine weitere Linie in der Literatur versucht die Differenzierung zwischen öffentlichen und privaten Belangen für das vorliegende Problem fruchtbar zu machen. Dabei wird der erste der beiden konträren Begriffe inhaltlich mit der Notwendigkeit der Erfüllung staatlicher Aufgaben angereichert. So wird die Enteignungsvoraussetzung dann in der Forderung zusammengefaßt, daß das Projekt zur Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe unumgänglich erforderlich sein müsse oder das Vorhaben dringende staatliche Aufgaben befriedigen sollte 159 . Was unweigerlich folgt, ist die Frage nach der Staatsaufgabe. Die Antworten sind verschieden, je nachdem aus welcher Zeit sie stammen. Genannt wird die Erhaltung und Entwicklung der Gesamtheit 160 , die Förderung der Kulturzwecke der Menschheit, welche nur im organisiertem Zusammenleben erreicht werden können, öffentliche Wohlfahrt, kulturelle und ästhetische Zwecke 161 , die leibliche und geistige Vervollkommnung der Staatsuntertanen 162 bis hin zu ihrer Versorgung mit lebensnotwendigen Gütern 163 . A l l diese Bestimmungen laufen freilich Gefahr, zur bloßen politischen Legitimation des Grundrechtseingriffs zu verkomme Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 201. 159 Böhmer, Sondervotum zu BVerfG, Urt. v.10. 3. 1981, BVerfGE 56, 249 (279); BVerwG, Urt. y., 14'. 3. 1985 - 5 C 130. 83 - S. 32, BVerwGE 71, 108 (125). 160 Schelcher, Das Enteignungsgesetz für das Königreich Sachsen, S. 1. 161 Rittstieg, Eigentum als Verfassungsproblem, S. 172. 162 Schelcher, „ . . . der Versorgung der Staatsunterthanen mit Lebensgütern, also ihrer leiblichen und geistigen Vervollkommnung", in: Das Enteignungsgesetz für das Königreich Sachsen, S. 1. 1 1 6 3 Schelcher, a. a. O.

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men. Zudem hat unter dem Grundgesetz der demokratische Wertpluralismus eine Öffnung für das reale Kräfte- und Meinungspotential bewirkt 164 . So gesehen kranken tatsächlich alle Unternehmensdefinitionen daran, daß sie nicht in der Lage sind, Aussagen zur erforderlichen Qualität des Vorhabens zu treffen 165 . Dies ist zum Teil aber auch auf die neuere Entwicklung der Staatsaufgabenlehre zurückzuführen. Zu Recht ist sie zu der Erkenntnis gelangt, daß der auf das Sozialstaatsprinzip verpflichtete Staat des Grundgesetzes befugt ist, jedes Handlungsziel, das er als solches erkennt, im grundgesetzlichen Rahmen an sich zu ziehen und somit zur staatlichen Aufgabe zu machen 166 . Grenzen setzen ihm insoweit nur die Vorschriften über die Staatsorganisation und die Grundrechte unserer Verfassung. Jenseits dieser äußersten Schranken ist die Zahl der Staatsaufgaben ebenso vielfältig wie unübersehbar. Wie noch zu zeigen sein wird, ist die Wahrnehmung einer Staatsaufgabe in der Hand einer Privatperson keinesfalls ausgeschlossen, teilweise sogar ein ganz normaler Vorgang. An dieser Stelle genügt es, auf die Prüfingenieure der Technischen Überwachungsvereine zu verweisen 167 . Die Anknüpfung an die Staatsaufgaben bedeutet daher im Ergebnis für eine Enteignung zugunsten Privater, weitgehend schrankenlos Enteignungen zuzulassen. Ist nämlich ein Vorhaben erst einmal erdacht, kann es auch zu einer staatlichen Aufgabe gemacht werden, die den hoheitlichen Zugriff auf das Eigentum eines Bürgers rechtfertigt. Ob davon ein Privater begünstigt ist, spielt demgegenüber keine Rolle mehr. Insoweit muß man der Kritik Hubers 168 beipflichten, der die Verwechslung der Bedürfnisse mit dem Gemeinwohlbegriff selber rügt. Da das Wohl der Allgemeinheit nach der Verfassung den Maßstab bilden soll, kann es zutreffend nicht auf rein empirischem Weg, hinter den staatlich anerkannten Aufgaben her, gewonnen werden. Gerade darin aber liegt die Gefahr bei einer Anknüpfung der Enteignungsvoraussetzungen an die Staatsaufgaben. Mangels hinreichender Bestimmtheit ihrer Konturen, ihrer notwendigen Offenheit für künftige Entwicklungen und ihrer durch das Sozialstaatsgebot veranlaßten prinzipiell allumfassenden Weite können sie die ihnen hier zugedachte Aufgabe kaum erfüllen. 8. Anknüpfungen an Staatszwecke Nachdem das Kriterium Staatsaufgaben sich aus den dargelegten Gründen als ungeeignet zur Begrenzung der Eingriffsermächtigung erwiesen hat, läßt sich alternativ hierzu an eine Anknüpfung an Staatszwecke denken. Dafür spricht zunächst einmal, daß in alten Verfassungsurkunden der Terminus „Staatszweck" 164 Stolleis, Öffentliches Interesse als juristisches Problem, S. 11; Häberle, Öffentliches Interesse als juristisches Problem, 701 ff. 165 Schulte, Zur Dogmatik des Art. 14 GG, S. 23 ff. 166 Steiner, Öffentliche Verwaltung durch Private, S. 52 m. w. N.; Bull, Staatsaufgaben, S. 102; Ossenbühl, VVDStRL 29, 153. 167 Steiner, Öffentliche Verwaltung durch Private, S. 123 ff. 168 Hans Huber, in: Staat und Privateigentum, S. 88.

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mit dem Begriff des „öffentlichen Wohls" inhaltlich identisch gebraucht wurde. So war denn im Absolutismus das Gemeinwohl gleichgesetzt mit der Glückseligkeit des Staates, das heißt der Glückseligkeit des Herrschers, in der die Glückseligkeit der Untertanen aufging 169 . Dies verwundert nicht, wenn man bedenkt, daß die Untertanen in staatsrechtlicher Sicht ja keine autonomen Subjekte waren und daher das Glück des Herrschers ihr Glück zu sein hatte. Jedenfalls in dieser Reinheit besteht heute die Gefahr der Gleichsetzung zwischen dem Staatswohl an sich und dem Staatszweck nicht mehr. Mit dieser Erkenntnis aber ist noch in keiner Weise das Problem gelöst, was denn nun eigentlich unter Staatszweck zu verstehen ist. Als Antwort wird zumeist auf übergeordnete Werte verwiesen. Von der Sicherung der Friedensordnung und der allgemeinen Wohlfahrt ist da beispielsweise zu lesen 170 . Es handelt sich dabei um Forderungen, die jedem sofort einleuchten und für die jeder einzutreten vermag. So läßt sich die Ansicht in der Literatur erklären, Gemeinwohl beinhalte die „letzten Dinge des Staates" oder „Restbestände materialer Übereinmstimmung" 171 . An dieser Stelle gilt es, sich an eine Zeit zu erinnern, in der diese Forderungen keine Gültigkeit mehr hatten. Während der NS-Zeit hatte die Definition aus der Volksgemeinschaft heraus zu erfolgen 172 . Diese historische Entwicklung muß vor der Gefahr der Manipulierbarkeit warnen. Die Möglichkeit des Mißbrauchs durch undemokratische Gemeinwohlbestimmungen von oben herab 173 wurde in totalitären Regimen vor Augen geführt und läßt sich nicht leugnen. Der Schutz vor derartigen Ausfällen aber ist in der Verfassung selbst vorprogrammiert. Unter ihrer Geltung geht es nicht an, Staatszwecke sozusagen aus der hohlen Hand heraus zu erfinden. Sie müssen vielmehr ihre Grundlage in der Verfassung selbst finden. Vorbildlich insoweit Art. 3 Abs. 1 Bayerische Verfassung: „Bayern ist ein Rechts-, Kulturund Sozialstaat. Er dient dem Gemeinwohl". Freilich bedarf es nicht immer einer ausdrücklichen Benennung als Staatszweck. Es genügt bereits der erkennbare Sinn einer verfassungsrechtlichen Regelung. So ergibt sich ein Gebot zur Wahrung des äußeren Friedens aus Art. 26 GG. Und für die Verpflichtung zur Förderung des inneren Friedens, die Erhaltung eines Maximums an Freiheitsraum des Einzelnen und die Schaffung möglichst optimaler Voraussetzungen für seine Selbstverwirklichung — so lange sie nicht auf Kosten seiner Mitbürger geht —, lassen sich je nach dem Aspekt der Gefährdung der aufgezählten Güter zumindest aus dem Grundrechtskatalog unterschiedliche Kriterien zur Bestimmung des Staatszweckes gewinnen. Es spricht nichts dagegen, diese Ergebnisse in die Gemeinwohlbetrachtung bei einer privatbegünstigenden Enteignung miteinzustellen. 169 Schaeder, Wohl der Allgemeinheit und öffentliche Interessen, 36. Staatswissenschaftliche Tagung in Speyer, zit. bei Rüggeberg, DVB1. 1968, S. 634. 170 Zezschwitz, Das Gemeinwohl als Rechtsbegriff, S. 63 m.w.N. 171 Stolleis, Öffentliches Interesse als juristisches Problem, S. 9 m. w. N. 172 Enzinger, Das Enteignungsrecht im nationalsozialistischen Staat, S. 60. 173 Stolleis, Öffentliches Interesse als juristisches Problem, S. 28.

C. Definition des Begriffs „Wohl der Allgemeinheit"

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9. Interessenabwägung als Ansatz Im vorhergehenden Abschnitt hat sich bereits angedeutet, daß öffentliche Belange, die inhaltlich das Gemeinwohl ausfüllen, auch auf der Seite des vom Eingriff betroffenen Eigentümers vorliegen können. Hinzu kommt sein natürliches Interesse an der Erhaltung des Bestandes seines Eigentums, dem Art. 14 GG Gewicht verleiht. Bei der privatbegünstigenden Enteignung wird dies besonders dramatisch. Im Extremfall stehen sich bei ihr auf beiden Seiten öffentliche Belange gegenüber, die sich jeweils auch in der Hand eines Privaten verwirklichen sollten. Der BGH bestimmt daher in ständiger Rechtsprechung das Gemeinwohl über eine Interessenabwägung 174. Ihr Ergebnis muß sein, daß das Wohl der Allgemeinheit es gebiete, ein bestimmtes Grundstück zwangsweise einem bestimmten Zweck zuzuführen. Nur in diesen Fällen liegt nach dem BGH eine rechtmäßige Enteignung vor. Diese Verfahrensweise ist auch in der Literatur auf breite Zustimmung gestoßen. Lerche 175 sieht in den Erscheinungsformen des Verhältnismäßigkeitsdenkens überhaupt die Lösung für eine zutreffende Beschränkung von Enteignungseingriffen. Freilich wird nicht immer deutlich, ob nun das Gemeinwohl das Abwägungsergebnis darstellen muß oder als Abwägungsbelang in den Vorgang der Entscheidungsfindung einzustellen ist. So fordert Weyreuther 176 , daß auf der Stufe der Inhaltsbestimmung die hervorragende Rolle der eingriffsbetroffenen privaten Interessen mit zu berücksichtigen ist. Schulte 177 fordert, daß die Position des Allgemeinwohls der Position des Eigentümers überlegen sein müsse. Und in seiner ausführlichen Darstellung verlangt Kimminich 1 7 8 , die Belange der Allgemeinheit müßten so stark sein, daß das individuelle Interesse weichen müsse. Vergleicht man diese Meinungen mit den Interessenkonstellationen privatbegünstigender Enteignungen, wird zweierlei deutlich. Für die Bestimmung des Wohls der Allgemeinheit bei einer Enteignung zugunsten Privater stellt die Interessenabwägung einen richtigen und zutreffenden Ansatz dar. Andererseits reicht es nicht aus, daß die öffentlichen Belange in der Hand des privaten Begünstigten dem Eigentumsinteresse des Betroffenen lediglich überlegen sind. Es kommt auch auf ihre inhaltliche Stärke an. Diese muß den hoheitlichen und zwangsweisen Zugriff im Wege der Enteignung auch erforderlich erscheinen lassen und damit rechtfertigen. Das Abwägungsgebot allein ist nur der Ansatz, nicht aber schon die Lösung.

174 BGHZ 68,100 (103); v. Brünneck, Das Wohl der Allgemeinheit als Voraussetzung der Enteignung, NVwZ 1986, S. 426 f. 175 Lerche, Übermaß und Verfassungsrecht, S. 229. 176 Weyreuther, Die Situationsgebundenheit des Grundeigentums, S. 85. 177 Schulte, Eigentum und öffentliches Interesse, S. 85 f. 178 Kimminich, BK zum GG, Art. 14 Rdnr. 272.

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7. Kap.: Allgemeinwohl bei Enteignung zugunsten Privater

10. Gefährdungsprüfung Einen anders gearteten Ausgangspunkt zur inhaltlichen Bestimmung der Enteignungsvoraussetzungen hat im Schrifttum vor allem Schulte 179 gewählt. Er versucht diese ausdrücklich aus einer Parallelität mit dem Polizeirecht heraus zu entwickeln und stellt dabei die These auf: Das Allgemeinwohl iSd Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG entspricht der Gefahr als Voraussetzung polizeilichen Eingreifens. Dies bedeutet, daß eine abstrakte Lage den Eingriff nicht zu legitimieren vermag, notwendig sei vielmehr ebenso wie im Polizeirecht eine konkrete Situation. Die Vergleichbarkeit sei deswegen gegeben, weil es sich bei beiden Begriffen um isolierte Zwecknormierungen handle. Dies bedeute zugleich, daß es bei der Prüfung der rechtlichen Zulässigkeit einer Enteignung nicht um eine inhaltliche Beschränkung auf bestimmte Ausschnitte des Gemeinwohls gehe. Vielmehr sei entscheidend, ob sich das Mittel der Enteignung aus dem Zweck, den die Maßnahme fordern wolle, ableiten lasse. In durchaus verwandter Denkungsart rekurriert Lerche 180 auf ein Prinzip des amerikanischen Verfassungsrechts. Die Befugnis zur Enteignung muß dem clearand-present-danger-test standhalten. Jedoch ist es Lerche selbst, der die Nachteile und Gefahren dieser Vorgehensweise aufzeigt 181 . Man gerät in Versuchung, die Gefahr als Enteignungsvoraussetzung tatsächlich im Sinne polizeilicher Doktrin zu verstehen. Nach Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG sollte aber eine Enteignung nicht nur in diesen restriktiven Fällen möglich sein. Eine derartige Auslegung bewirkt darüber hinaus eine fast lückenlose Abschirmung bestehender Eigentumspositionen und existierender Ordnungsgefüge. Schließlich wird jede soziale Teilhabe bereits vom prinzipiellen Ansatz her unmöglich gemacht. Schließlich stellt sich nicht zuletzt auch die Schwierigkeit, die Frage nach der „Gefahr wofür?" beantworten zu müssen. Nach der hier vertretenen Grundauffassung kann sich eine Antwort hierauf wiederum nur aus der grundsätzlichen Wertentscheidung der Verfassung selbst ergeben. Die aufgezeigten Gesichtspunkte sprechen jedenfalls in ihrer Gesamtheit dagegen, eine Gefährdungsprüfung dem Allgemeinwohlkriterium in Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG gleichzusetzen. Andererseits läßt sich in diesem Zusammenhang çin Gesichtspunkt nicht bestreiten: Gerade wenn der Staat selbst nicht willens oder nicht in der Lage ist, das Vorhaben, für das enteignet werden soll, zu realisieren und sich ein Privater bereit findet, dies an Stelle des Staates zu tun, muß die Enteignung zugunsten des Privaten um so leichter durchführbar sein, als andernfalls die Gefährdung für ein verfassungsmäßig verankertes Rechtsgut steigt. Der Aspekt der Gefahren-Dichte kann also durchaus als Merkposten in die Skala der Kriterien zur Bestimmung des Allgemeinwohls eingereiht werden. 179 Schulte, Eigentum und öffentliches Interesse, S. 88. 180 Lerche, Übermaß und Verfassungsrecht, S. 229. 181 Lerche, a. a. Ο.

D. Momentaufnahmen innerhalb einer dynamischen Betrachtung

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D. Momentaufnahmen innerhalb einer dynamischen Betrachtung Die soeben dargestellten negativen und positiven Kriterien des materiellen Gehalts des Wohls der Allgemeinheit in Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG geben Anlaß zu Reflexionen über das Verhältnis zwischen Zeit und Allgemeinwohlbestimmung. Diese Beziehung ist auch für die Enteignung zugunsten Privater von erheblicher Bedeutung. Sie hat nämlich nicht nur Einfluß auf den verfahrensmäßigen Weg zur Gewinnung des Gemeinwohlurteils und die Berücksichtigung zeitbedingter Umstände und Gegebenheiten, wie sie in der Person des begünstigten Privaten erfahrungsgemäß stärker in Erscheinung treten als beim Staat. Sie hat vielmehr auch Auswirkungen auf die zeitliche Dauer der Gemeinwohlprüfung. Gerade wenn eine Privatperson der neue Zuordnungsberechtigte der enteigneten Sache wird, kommt der damit zusammenhängenden Kontrolle der Gemeinwohlverwirklichung unter zeitlichen Aspekten eine entscheidende Rolle zu, die bisher aber weitgehend vernachlässigt wurde.

I. Generelle Unmöglichkeit einer statischen Allgemeinwohlbestimmung Ältere Gemeinwohlbestimmungen waren von naturrechtlichen Grundanschauungen geprägt. Dementsprechend wurde versucht, einen unwandelbaren und allgemeingültigen Inhalt zu ermitteln. Der Gemeinwohlbegriff sollte naturrechtlich vorgegeben sein. Dies bedingte, daß es sich um Maximen handeln mußte, die auf Dauer, zu allen Zeiten und bei allen Völkern Gültigkeit besaßen. Zur Definition des Wohls der Allgemeinheit wurde nach unverrückbaren Prinzipien und absoluten Lösungsformeln von ewigem Wert gesucht1. Der Lauf der Geschichte bewies, daß eine statische Festlegung des Inhalts von dauernder Gültigkeit bis heute nicht gefunden werden konnte. Schon bald meldeten sich die Stimmen der Resignation, die vor dem zeitlichen Wandel des Begriffs kapitulierten. Bereits Fleiner 2 behauptete, es werde nie gelingen, den Begriff des öffentlichen Interesses in ein System zu bringen. Andere sprachen von der schieren Aussichtslosigkeit zu bestimmen, was öffentliches Interesse sei3. Sie hielten den Begriff für bedeutungslos und lediglich für einen Ausdruck gedanklicher Bequemlichkeit4. Gerügt wurde die inhaltliche Leere. Da keine 1

Vgl. die Nachweise bei von Arnim, Gemeinwohl und Gruppeninteressen, S. 5 und Rupp, Wohl der Allgemeinheit und öffentliche Interessen, in: Wohl der Allgemeinheit und öffentliche Interessen, Schriftenreihe der Hochschule Speyer, Bd. 39. 2 Fleiner, Institutionen des Deutschen Verwaltungsrechts, 8. Auflage 1928, S. 143, Fn. 3. 3 Niklas Luhmann, Besprechung von G. Schubert, The Public Interest, in: Der Staat, Bd. 1, 1962, S. 375. 4 Zezschwitz, Das Gemeinwohl als Rechtsbegriff, S. 174. 9 Schmidbauer

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7. Kap.: Allgemeinwohl bei Enteignung zugunsten Privater

verbindliche Handlungsanweisung vorliege, könne die jeweils stärkste Gruppe im politischen Machtkampf bestimmen, was zu gelten habe. Der Begriff des Allgemeinwohls sei nichts weiter als eine allgemeine Phrase. Die Vorwürfe gipfeln in der Feststellung, der Ausdruck eröffne einen viel zu großen Spielraum für willkürliche Gewalttätigkeiten einzelner herrschsüchtiger Menschen5. Daß die Zwecke, für die im Namen des Allgemeinwohls die Enteignung betrieben wurde, sich mit der Zeit änderten, haben wir bereits an früherer Stelle gesehen. Daraus ziehen manche Autoren die Schlußfolgerung, das Schwergewicht könne gar nicht bei der juristischen Erfassung des Rechtsbegriffes liegen, vielmehr komme es auf die Art der Feststellung im Einzelfall an 6 . Ihre Kritiker halten ihnen vor, der Rechtsstaat erliege dabei einzelabwägender Interessenjurisprudenz. Besonders schwer wiegt im vorliegenden Zusammenhang die Behauptung von Leisner 7: In Wahrheit herrschen Private, gedeckt durch die Normen, die trojanischen Pferde des Rechtsstaates. Und Ridders 8 Überlegungen scheinen ihn gerade auch bei der Enteignung zugunsten Privater zu bestätigen: Die Entscheidung zum Allgemeinwohl nimmt nichts aus einer Sphäre jenseits der Gesellschaft. Dies bedeutet, wenn der Staat dem einem etwas gibt, nimmt er es dem anderen. Die Entscheidung verfolge daher kein allgemeines Wohl, sondern das Wohl einer durchweg sehr kleinen Gruppe. Auch wenn andere Stimmen in der Literatur nicht so weit gehen wollen, ist ihr Resumée nicht weniger entmutigend. Da es keine absoluten inhaltlich gefüllten Werte gebe, sei ein irrtumsfreies Erkennen des Gemeinwohls unmöglich 9 . Als Grenze verliere das Gemeinwohl an Konturen, da die Verfassung die möglichen Aufgaben bewußt offen gelassen habe. Es gehe mehr um ein methodisches Prinzip als um unveränderliche inhaltliche Festlegungen. Der Gemeinwohlauftrag des Grundgesetzes sei noch zu ungewiß und offen, als daß er normative Ermächtigungen zum unmittelbaren Vollzug durch die Verwaltung böte. Das führe dazu, daß die Exekutive ohne weitere Kriterien gar nicht entscheiden könne. Die rechtsstaatliche Verfassung gebe keine inhaltlichen MaßstäbeI0. 5 Treichler, Über zwangsweise Abtretung von Eigentum und anderen Rechten, in: Zeitschrift für deutsches Recht und deutsche Rechtswissenschaft, 12. Bd. (1818), S. 135 f; Bülck, Wohl der Allgemeinheit und öffentliche Interessen, sowie Schnur, Gemeinwohl und öffentliche Interessen in den Verfassungen und den Gesetzen des sozialen Rechtsstaates, Schriftenreihe der Hochschule Speyer, Bd. 39. 6 So schon Lay er, Principien des Enteignungsrechts, S. 180. 7 Leisner, Privatinteressen als öffentliche Interessen, DÖV 1970, 223. « Ridder, Diskussionsbeitrag zu: Grundrechtsschutz des Eigentums, Österreichische Juristenkommission, 1976. 9 Ryfell, Wohl der Allgemeinheit und öffentliche Interessen, Schriftenreihe der Hochschule Speyer, Bd. 39, S. 213; vgl. auch schon oben 7. Kap. C. III. 1. 10 Schnur, Gemeinwohl und öffentliche Interessen in den Verfassungen und den Gesetzen des sozialen Rechtsstaates, Schriftenreihe der Hochschule Speyer, Bd. 39, S. 57 ff; Rupp, Wohl der Allgemeinheit und öffentliche Interessen — Bedeutung der Begriffe im Verwaltungsrecht, Schriftenreihe der Hochschule Speyer, Bd. 39, S. 116 ff; Benda, Industrielle Herrschaft und sozialer Staat, S. 345.

D. Momentaufnahmen innerhalb einer dynamischen Betrachtung

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Alle diese Aussagen sind in ihrem Kern unzutreffend und daher abzulehnen. Die Verfassung gibt nämlich in Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG nicht nur das Verfahren und die Methodik der Entscheidungsfindung in seinen Grundzügen vor, sondern sie enthält auch inhaltliche Wertungen. Dies wird im nächsten Abschnitt noch zu zeigen sein 11 . Andererseits enthalten die zitierten Stimmen in der Literatur insoweit einen Funken Wahrheit, als sie erkannt haben, daß das Allgemeinwohl in Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG keine fixierbare Konstante von gleichbleibendem Inhalt ist. Es ist kein konservierter Zustand, sondern will bereits durch die Verfassung von vornherein als variable Größe verstanden werden. Es ist abhängig von der geschichtlichen Situation mit all ihren tatsächlichen Erscheinungsformen. Wirtschaftliche, politische, soziale und gesellschaftliche Gegebenheiten fließen mit ein 12 . Mit der Festlegung des Wohls der Allgemeinheit als Enteignungsvoraussetzung und damit einer Entscheidung für einen offenen Begriff trägt die Verfassung der Erkenntnis Rechnung, daß das Leben nicht statisch verläuft, sondern bunt und mannigfaltig und in stetiger Entwicklung begriffen ist. Ein dogmatisch schroffes Ja oder Nein vermag dem nicht gerecht zu werden. Zwar ist nicht das Haben des Eigentums selbst, wohl aber das Gebrauchmachen und AusnützenDürfen wandelbar 13. Ebensowenig wie die Gewährleistung des Eigentums in Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG die Unveränderbarkeit einer Rechtsposition für alle Zeiten bedeutet14, kann die Enteignungsvoraussetzung statisch sein. Mit dem Wandel und der Weiterentwicklung der Lebensumstände verschiebt sich auch das Spektrum legitimer Enteignungszwecke. Not- und Krisenszeiten eröffnen weitgehendere Eingriffsbefugnisse als Zeiten relativen Wohlstandes. Die Verfassung selbst 11 Vgl. unten 7. Kap. E. 12 Kimminich, BK zum GG, Art. 14 Rdnr. 271; Friauf, Eigentumsgarantie, Leistung und Freiheit im demokratischen Rechtsstaat, S. 451 ; Kreft, Grenzfragen des Enteignungsrechts in der Rechtsprechung des BGH und des BVerwG, S. 174, in: Roderich Glanzmann (Hrsg.), Ehrengabe für Bruno Heusinger; Knoll, Eingriffe in das Eigentum im Zuge der Umgestaltung gesellschaftlicher Verhältnisse, AöR Bd. 79, S. 488; Bielenberg, Verfassungsrechtliche Eigentumsgarantie und Sozialbindung im Städtebau, DVB1. 1971, 448; Molodovsky, BayEG, Art. 1 Anm. 3. 3. 2.; Bender, Sozialbindung des Eigentums und Enteignung, NJW 1965,1298; Morstein, Gemeinwohl und politische Strategie, Schriftenreihe der Hochschule Speyer, Bd. 39, S. 32 ff; aber auch schon Schelcher, Das Enteignungsgesetz für das Königreich Sachsen, S. 125. 13 Riegel, Das Eigentum im Wasserrecht, BayVBl. 1977, 66; Binswangen Eigentum und Eigentumspolitik, S. 25. Zu beachten ist, daß sich der Wert eines Gegenstandes im Laufe der Zeit und unabhängig von der Person des jeweiligen Eigentümers ändert. Dabei wird er beeinflußt von den Gesichtspunkten personaler Bindung und ökonomischen Kalküls. Zu Recht hat außerdem Rengeling, AöR 105 (1980), 423 (425), auf die Schlüsselstellung des Eigentums in ideologischer und politischer Hinsicht aufmerksam gemacht. Die Bestimmung seines Schutzes ist daher auch anfällig gegenüber der sozioökonomischen Entwicklung der Gesellschaft und den dominierenden Anschauungen über die Gerechtigkeit innerhalb des Rechts. Ist der Begünstigte der Enteignung eine Privatperson, tritt dies alles in verschärftem Maße ans Tageslicht. 14 BVerfGE 31, 275; 9*

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7. Kap.: Allgemeinwohl bei Enteignung zugunsten Privater

gewährleistet in Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG die notwendige Flexibilität und Dynamik, um den Anforderungen des Lebens in der Gemeinschaft Rechnung tragen zu können. Das Wohl der Allgemeinheit als Voraussetzung der rechtmäßigen Enteignung entzieht sich einer statischen Bestimmung.

II. Notwendigkeit dynamischer Flexibilität in der Betrachtung Das Allgemeinwohl ist demnach kein Zustand, den es lediglich festzustellen gilt. Es ist vielmehr Aufgabe und Verpflichtung. Es gilt einen möglichst optimalen Ausgleich im immerwährenden Spannungsfeld zwischen Individuum und Gemeinschaft zu finden. Das Wohl der Allgemeinheit ist damit von der Verfassung nicht vorgegeben, sondern aufgegeben 15. Anhand aller tatsächlichen Umstände und anhand aller beteiligten Belange muß eine möglichst gerechte Synthese gefunden werden. Das Wohl der Allgemeinheit ist damit innerhalb der Verfassung zu ermitteln, die hierfür den Arbeitsauftrag, die Spielregeln, die grundlegenden Wertvorstellungen und die Verfahren zur Gewinnung weiterer Werterkenntnisse liefert. Es bildet erst das Ergebnis eines komplexen und komplizierten, der Verfassung gemäßen Zusammenspiels der Träger gesellschaftlicher Bedürfnisse 16 . Daß dies auch das einzelne Individuum sein kann, liegt wiederum am Grundgesetz selbst, das den Schutz der Menschenwürde zur Staatsfundamentalnorm erhoben hat. Im Rahmen der gesetzlich vorgegebenen, demokratischen Spielregeln ist daher im jeweiligen Fall auch und gerade das einzelne Individuum aufgerufen, seinen Beitrag zur Gemeinwohldefinition zu leisten. Insoweit können und sollen beim Finden der optimalen Lösung alle beteiligt sein. Ausgerüstet mit dem so gewonnenen Material wurden von der Verfassung weitere Institutionen zur Entscheidung berufen: der vom Grundgesetz beauftragte Gesetzgeber, die demokratisch legitimierte Verwaltung und der zur Kontrolle berufene Richter. Daß die Mannigfaltigkeit der mitwirkenden Belange und die Vielzahl der mitspielenden Beteiligten die Lösung einfach machen, wird niemand behaupten. Aber nur die dargestellte dynamische Flexibilität in der Betrachtung wird dem verfassungsrechtlichen Optimierungsgebot der Problemlösung gerecht. Wenn die 15 Häberle, Öffentliches Interesse als juristisches Problem, S. 709; Friauf, Eigentumsgarantie, Leistung und Freiheit im demokratischen Rechtsstaat, S. 451; Duppré, Wohl der Allgemeinheit und öffentliche Interessen, Schriftenreihe der Hochschule Speyer, Bd. 39, S. 9. 16 Weiterführend Häberle, Öffentliches Interesse als juristisches Problem, S. 368 und 418; von Arnim, Gemeinwohl und Gruppeninteressen, S. 76. In anderem Zusammenhang finden sich für diese Auffassung auch Anhaltspunkte in der Rspr. des BVerfG: Die freiheitliche demokratische Grundordnung beruht auf der Anschauung, daß der richtige Weg zur Bildung des Staatswillens die ständige Auseinandersetzung zwischen den einander begegnenden sozialen Kräften, Interessen und politischen Ideen ist (BVerfGE 5, 85135-). Dies ist letztlich auch die Basis der sogenannten Wesentlichkeitstheorie des BVerfG.

D. Momentaufnahmen innerhalb einer dynamischen Betrachtung

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oben angeführten Literaturstellen sich demgegenüber darauf versteifen, daß die notwendige dynamische Flexibilität die Entscheidungsfindung unmöglich oder zu schwer werden läßt, machen sie es sich zu bequem. Sie negieren den Arbeitsauftrag der Verfassung in Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG. Demgegenüber zwingt die Notwendigkeit dynamischer Flexibilität in der Betrachtung dazu, sich die Mühe zu machen, das Wohl der Allgemeinheit täglich neu zu bestimmen. Das Wohl der Allgemeinheit erschließt sich nur dem, der anhand des konkreten Falles immer wieder von neuem bereit ist, die relevanten Tatsachenmaterialen umfassend zusammenzutragen und der — so gerüstet — die Arbeit auf sich nimmt, in die normierten Wertentscheidungen einzudringen und sie auf die tatsächlichen Verhältnisse anzuwenden. Die Erkenntnis, daß das Allgemeinwohl in stetiger Entwicklung begriffen ist, stellt uns vor die Situation, daß sich sein Inhalt ebenso wie die zugrundeliegenden Wertvorstellungen und soziologischen Fakten täglich ändern kann und wird. Der dargestellte Befund findet in doppelter Hinsicht seine Wurzeln im geltenden Verfassungsrecht. Zum einem hat das Grundgesetz selbst zwar grundlegende Entscheidungen unabänderlich festgelegt (Art. 79 Abs. 3 GG), ist jenseits dieser Grenzen aber für künftige Entwicklungen offen. So begegnen wir denn auch dem — verfassungsmäßigen — Phänomen des Verfassungswandels 17 und es bewahrheitet sich die alte Rechtsweisheit:"Das Gesetz ist klüger als der Gesetzgeber". Zum anderen ist die Notwendigkeit dynamischer Flexibilität in der Gemeinwohlbetrachtung ein konsequenter Ausfluß der staatlichen Grundkonzeption unserer Verfassung. Das Grundgesetz selbst hat als Höchstwert die Würde des Menschen festgelegt 18, die persönliche Freiheit und die damit verbundene Initiative des Einzelnen zur Grundlage des Staates an sich gemacht19. Daraus lassen sich Schlußfolgerungen für die Enteignung zugunsten Privater ziehen. Von der Verfassung her ist es prinzipiell nicht ausgeschlossen, daß ein Privater der Begünstigte einer Enteignung ist. Weder Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG noch sein verfassungsrechtlicher Kontext stehen dem entgegen. Andererseits wurde die Enteignung unter den Gemeinwohlvorbehalt gestellt. Die Enteignung zugunsten Privater ist also durch das Grundgesetz auf die Fälle beschränkt, in denen es erforderlich ist, daß ein Privater der Zuordnungsberechtigte des betroffenen Eigentums wird, um Gemeinwohlbelange verfolgen zu können. In diesem Zusammenhang wird ein weiterer Gesichtspunkt relevant. Wie oben dargestellt, trägt das Allgemeinwohl als Enteignungsvoraussetzung in sich die Notwendigkeit dynamischer Flexibilität in der Betrachtung. Innerhalb des zeitlichen Laufs der Entwicklung von Gemeinwohlbelangen kann die Entscheidung 17 Beispiele hierfür bei Ossenbühl, BVerfG und GG, Festgabe aus Anlaß des 25jährigen Bestehens des BVerfG, S. 460. is Dürig, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 1 Rdnr. 2. 19 Kimminich, Rechtsgutachten zu den eigentumsrechtlichen Bestimmungen des Entwurfs eines Städtebau- und Gemeindeentwicklungsgesetzes, S. 9.

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7. Kap.: Allgemeinwohl bei Enteignung zugunsten Privater

über den Eigentumsentzug immer nur eine Momentaufnahme sein. Der Entzug des Eigentums und seine Übertragung auf einen neuen Zuordnungsberechtigten erfolgt jedoch zum Wohle der Allgemeinheit. Hierin findet der staatliche Zwangseingriff seine Rechtfertigung. Verbietet aber das Allgemeinwohl selbst eine statische Sicht der Dinge, kann sich die grundgesetzlich geforderte dynamische Flexibilität in der Betrachtung nicht auf den Zeitpunkt des Eigentumsentzugs allein beschränken. Die Allgemeinwohlverwirklichung wird von Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG selbst gefordert. Ist der Begünstigte der Enteignung der Staat, ist dies weitgehend unproblematisch. Er ist der Verfassung unterworfen und bleibt daher auch im Laufe der Zeit gemeinwohlverpflichtet. Begünstigt der Staat aber mit seinem Zwangsinstrument „Enteignung" einen Privaten, hat er sicherzustellen, daß sich die Verwendung des betreffenden Eigentums aufgrund der zeitlichen Dynamik der Entwicklung nicht neutral verhält oder gar gegen das Gemeinwohl wendet 20 . Das so verstandene Allgemeinwohl macht die Enteignung zu einem wirkungsvollen Instrument, um auf sich ändernde Bedürfnisse der Gesellschaft schnell und flexibel zu reagieren. So wird diese zu einem unverzichtbaren Element für die unerläßliche Dynamik der staatlichen Verwaltung 21 und schützt doch gleichzeitig das Eigentum vor kurzatmiger ideologischer Tagespolitik.

E. Wohl der Allgemeinheit als Auftragsprogramm zur Konfliktlösung Die vorhergehenden Seiten diese Kapitels haben nachgewiesen, daß es eine allgemein gültige Umschreibungsformel für die Voraussetzungen unter denen eine Enteignung rechtmäßig ist, gar nicht geben kann. Vielmehr wurden einzelne Kriterien der Allgemeinwohlbestimmung aufgezeigt, dort wo es angebracht erschien, zu ihrer inhaltlichen Bewertung Stellung genommen und sie zugleich auf ihren Aussagegehalt für eine privatbegünstigende Enteignung überprüft. Dennoch blieben dies nur einzelne Teilaspekte. Es gilt nunmehr diese Mosaiksteinchen in entscheidenden Punkten zu ergänzen, zu vervollständigen und sie zu einem Gesamtbild zusammenzufügen. Entsprechend der Zielsetzung dieser Arbeit wird dabei der Schwerpunkt nicht auf dem Versuch liegen, die Entscheidungsfindung bei einer Enteignung transparent zu machen, sondern die Besonderheiten dieses verfassungsrechtlich aufgegebenen Programms zur Konfliktlösung im Fall der Enteignung zugunsten Privater herauszuarbeiten. 20 Zum Stellenwert dieses Gesichtspunkts innerhalb der Entscheidungsfindung siehe unten 9. Kap. E.; zur notwendigen Sicherung der Gemeinwohlverwirklichung siehe unten 10. Kap. 21 Steiner, Diskussionsbeitrag zu: Wohl der Allgemeinheit und öffentliche Interessen, Schriftenreihe der Hochschule Speyer, Bd. 39, S. 178.

E. Wohl der Allgemeinheit als Auftragsprogramm zur Konfliktlösung

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I. Notwendigkeit der Abwägung der konkreten widerstreitenden Belange im Einzelfall Mit der Bereitstellung eines Auftragsprogramms zur Konfliktlösung in Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG trägt unsere Verfassung der Erkenntnis Rechnung, daß es innerhalb eines jeden Staates immer Situationen gibt, in denen übergeordnete Gründe Eingriffe in die Rechtsstellung des einzelnen erzwingen 1. Denn das Verhältnis zwischen Individuum und Gemeinschaft muß notwendig zu Spannungen führen. Ist sein Eigentum geschützt, schafft der Eigentümer damit auch Grenzen für die Gemeinschaft. Andererseits ist er mit seinem Eigentumssubstrat in die Umwelt der Gemeinschaft eingeordnet. Der Eigentümer ist als Individuum selbst Teil der Gemeinschaft, die wiederum die Summe von zueinander in Beziehung stehenden Individuen darstellt, als solche aber dennoch ein Eigengebilde ist 2 . Da sich die Spannung zwischen dem Herrschaftsbereich des einzelnen Eigentümers und den Ansprüchen der Gemeinschaft nicht immer von selbst auflöst, muß ein Weg bereitstehen, der gegebenenfalls verhindert, daß dieser Konflikt eskaliert. Das Grundgesetz hat auf diese Spannungslage reagiert. Bereits im Urteil vom 20. 7. 1954 stellt das BVerfG 3 fest, daß das Menschenbild des Grundgesetzes nicht das eines isolierten souveränen Individiuums ist. Das Grundgesetz hat vielmehr die Spannung Individuum — Gemeinschaft im Sinne der Gemeinschaftsbezogenheit und Gemeinschaftsgebundenheit der Person entschieden, ohne dabei seinen Eigenwert anzutasten. In dem von unserer Verfassung festgelegten parlamentarisch-demokratischen Staatssystem ist der Interessenkonflikt kein Fremdkörper, den es auszumerzen gilt, sondern belebendes Element der Selbstverwirklichung des Individuums in der Gemeinschaft 4. Hierfür ist den Verfassungsanwendern eine Optimierungsaufgabe auferlegt. Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG fordert dabei einen umfassend bilanzierenden Willensbildungsprozeß. Kommen die zuständigen Stellen unter Zugrundelegung dieser Bilanz zu der Bewertung, daß die Voraussetzungen des Allgemeinwohls gegeben sind, ist der Konflikt zwischen den Belangen der Allgemeinheit und den Interessen der Betroffenen entschieden. Das Allgemeinwohl geht vor. Insoweit hat die Verfassung die Entscheidung der Konfliktsituation nicht dem Gesetzgeber überlassen, sondern in der Tat selbst getroffen 5. Im Vorfeld jedoch darf es der Bewertung durch den 1

Vgl. schon Otto Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht II, 2. Auflage, Einl. A. Anm.

V 1. 2

Richter, Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Eigentumsbegriff des Art. 14 des Grundgesetzes, S. 91. 3 BVerfG, Urt. v. 20. 7. 1954, BVerfGE 4, 7 (15). 4 Von Arnim, Gemeinwohl und Gruppeninteressen, S. 128 und 300; Häberle, Öffentliches Interesse als juristisches Problem, S. 368. 5 BVerfGE 24, 396; Leibholz / Rinck, GG, Art. 14 Rdnr. 12; zum Teil a.A. Böhmer, Sondervotum zu BVerfG, Urt. v. 10. 3. 1981, BVerfGE 56, 249 (279), der die These vertritt, daß die Verfassung über den dargelegten Rahmen hinaus bereits im Vorfeld Entscheidungen getroffen habe.

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7. Kap.: Allgemeinwohl bei Enteignung zugunsten Privater

Verfassungsinterpreten. Denn ihrem Wesen nach liegt der Enteignung als Ausgangspunkt die hoheitliche Qualifikation zugrunde, daß das enteignete Gut in der Hand des Betroffenen — wenn überhaupt — dem Wohl der Allgemeinheit in geringerer Intensität dient als in der Hand desjenigen, zu dessen Gunsten die Enteignung stattfindet 6. Dieser Satz ist grundlegend, jedoch bei der vorliegenden Aufgabenstellung in doppelter Hinsicht ergänzungsbedürftig. Läßt das Wohl der Allgemeinheit es zu, daß ein Privater zum Begünstigten der Allgemeinheit wird und welches Gewicht der Gemeinwohlaufgabe wird hierfür gefordert? Beide Fragen lassen sich im folgenden nur beantworten, wenn zunächst ihr Platz im Rahmen der Entscheidungsfindung offen gelegt wird. An dieser Stelle bleibt aber festzuhalten, daß der Enteignungsbeschluß als Ausgangsbasis ein Werurteil über die Gemeinnützlichkeit des Gutes und seine Verwendung erfordert. Dies bedingt zwingend eine Werteabwägung 7. Im Ansatz findet sich die hier vertretene Ansicht bereits auch im Urteil des BVerwG 8 vom 21. 6. 1956. Das BVerwG bestimmt auch außerhalb der Enteignung die Grenzen des Eigentums durch Abwägung. Das Abwägungsgebot selbst wird als Ausfluß des Verhältnismäßigkeitsprinzips aufgefaßt, das im Grundsatz für jedes staatliche Handeln Gültigkeit besitzt und seine Wurzeln im Rechtsstaatsprinzip unserer Verfassung (Art. 20 I GG) findet. Auch bei der Enteignung scheint es ein geeignetes Instrument zur Konfliktlösung zu sein. Denn nur eine Entscheidungsfindung im Wege der Abwägung vermag die zumeist vorliegende Gemengelage an beteiligten Belangen in den Griff zu bekommen. Zudem legt der Abwägungsansatz den entscheidungserheblichen Gegensatz zwischen den kollidierenden Rechtsgütern offen und macht ihn bewußt zum Maßstab der Entscheidung9. Eine wertorientierte Abwägung, in der auch die Konsequenzen alternativer Entscheidungsmöglichkeiten mit einfließen, bewirkt eine Lösungsoptimierung. Die von Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG geforderte Abwägung unterscheidet sich bereits hier 10 ganz wesentlich von den ansonsten im öffentlichen Recht üblichen Abwägungsgeboten. Diese sind darauf ausgelegt, ein harmonisches Verhältnis zwischen den beteiligten Interessen herbeizuführen und eine Konfliktlösung durch einen erträglichen Ausgleich der widerstreitenden Belange zu begründen 11. Die 6 Ebenso schon Hans Peter Ipsen, Enteignung und Sozialisierung, VVDStRL 10 (1952), S. 89. 7 Stellvertretend für zahlreiche Äußerungen der Literatur vgl. v. Brünneck, Die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes, S. 412; Schmidt-Aßmann / Frenzel, in: Ernst / Zinkahn, BBauG, § 87 Rdnr. 12; Puhr-Westerheide, BayEG, Art. 3 Anm. 1 a. 8 BVerwG, Urt. v. 21. 6. 1956, BVerwGE 3, 332. 9 Hierzu sehr anschaulich von Brünneck, Das Wohl der Allgemeinheit als Voraussetzung der Enteignung, NVwZ 1986, S. 427. 10 Zu einem weiteren wesentlichen Unterschied vgl. 7. Kap. Ε. Π. 3. n Vgl. beispielsweise § 1 Abs. 6 BauGB, § 17 Abs. 1 S. 2 FStrG. Meistens sieht der Gesetzgeber dabei auch reale Ausgleichsmittel (z. B. § 17 Abs. 4 FStrG) und hilfsweise

E. Wohl der Allgemeinheit als Auftragsprogramm zur Konfliktlösung

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Enteignung verfolgt nicht dieses Ziel. Im Gegenteil! Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG setzt das Allgemeinwohl auf Kosten der Eigentümerinteressen durch. Die Verfassung selbst dispensiert insoweit von der Beachtung des Ausgleichsprinzips 12. Damit aber die Aufhebung der Rechtsposition im Rahmen des Rechts erträglich bleibt, muß in formeller Hinsicht die Entscheidungsfindung transparent werden und materiell das Allgemeinwohl der verdrängten Eigentümerposition beträchtlich überlegen sein. Die Möglichkeit beides zu entscheiden, bewirkt die Abwägung. Sie stellt sich als Optimierungsverfahren dar, das mit dem Ziel, die richtigen Erwägungen anzustellen, unter Verwendung wirklichkeitswissenschaftlicher Methoden Tatsachen ermittelt, sie nach materiellen Bewertungskriterien gewichtet und daraus im Einzelfall eine möglichst optimale Problemlösung gewinnt.Ist der Begünstigte der Enteignung eine Privatperson, gilt dies alles in noch gesteigertem Maße. Denn seine Interessen spielen beim Entscheidungsvorgang eine Rolle — in welcher Form auch immer.Und beim Betroffenen bewirkt zumeist die Tatsache, daß „sein" Eigentum künftig ein anderer haben wird, bis zu einem gewissen Grad verständliche emotionale Abwehr- oder gar Trotzreaktionen 13. In dieser Situation stellt ein wertorientierter Abwägungsprozeß, in den auch die Konsequenzen alternativer Entscheidungsmöglichkeiten mit einfließen, den Versuch einer transparenten Lösungsoptimierung dar. Er wird sicher nicht immer gelingen, aber sehr oft doch die Akzeptanz der staatlichen Maßnahme steigern. So hat Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG der Verwaltung auf der Grundlage gesetzgeberischer Vorgaben die unerläßliche Dynamik 14 in der Einzelfallentscheidung eröffnet und dennoch trotz der im Ergebnis gebotenen völligen Aufgabe einer Rechtsposition eines Individuums die Zulässigkeitsvoraussetzungen festgelegt, unter denen gerade diese völlige Aufgabe einsichtig erscheinen und erträglich werden kann.

I I . Schritte auf dem Weg zur Entscheidungsfindung und Besonderheiten bei einer privatbegünstigenden Enteignung Die soeben dargestellte Notwendigkeit einer Abwägung für die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit einer Enteignung zieht die Differenzierung verschiedener Verfahrensstufen innerhalb des Abwägungsvorganges nach sich 15 . Die EntGeldzahlungen vor. Vgl. Steiner, Straßen- und Wegerecht, Rdnr. 61 ff, in: Steiner (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht. ι 2 Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 327. 13 Dies haben dem Verfasser beispielsweise seine Gespräche mit Beschwerdeführern und Befürwortern des Vorhabens anläßlich der mündlichen Verhandlung am 16. 12. 1986 vor dem Ersten Senat des BVerfG in der Verfassungsbeschwerde gegen den Flurbereinigungsbeschluß zum Bau einer Kraftfahrzeugprüfstrecke der Firma Daimler-Benz A.G. im Raum Boxberg — Assamstadt gezeigt. 14 Steiner, Diskussionsbeitrag auf der 36. Staatswissenschaftlichen Fortbildungstagung in Speyer, nachgewiesen bei Rüggeberg, Wohl der Allgemeinheit und öffentliche Interessen, DVB1. 1968, 631 (636).

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7. Kap.: Allgemeinwohl bei Enteignung zugunsten Privater

scheidungsfindung wird in ihrer Komplexität dadurch gesteigert, daß der Begünstigte der Enteignung eine Privatperson ist. Als Ansatz zur Problemlösung bietet sich die Unterscheidung folgender Schritte an: 1. Umfassende Ermittlung aller relevanter Tatsachen; 2. Feststellungen zur Unternehmensrechtfertigung; 3. Aussonderung der Kriterien, die das Allgemeinwohl nicht zu begründen vermögen; 4. Gewichtung der Belange der Allgemeinheit an der Enteignung; 5. Bestimmung der Interessen des Betroffenen an der Erhaltung seines Eigentums; 6. Abwägung zwischen den Belangen der Allgemeinheit und den Eigentümerinteressen. Im folgenden soll innerhalb dieses Entscheidungsvorganges insbesondere auf die Besonderheiten bei einer privatbegünstigenden Enteignung eingegangen werden. 1. Umfassende Ermittlung aller relevanten Tatsachen Zunächst ist es die Aufgabe der Behörde, die über die Enteignung befindet, alle Tatsachen zu ermitteln, die für das Vorhaben entscheidend sein können. Dazu zählen alle öffentlichen und privaten Belange. Entsprechend dem Ziel des Abwägungsgebotes darf der Kreis dieser Interessen nicht eng gezogen werden 16 . Unter das Tatsachenmaterial, das umfassend zusammenzutragen ist, fallen also zunächst die verschiedenartigen Interessen des Betroffenen an der Erhaltung seines Eigentums einerseits und die Anforderungen und Bedürfnisse der Allgemeinheit für eine Vorhabensrealisierung andererseits. Zu berücksichtigen sind alle Belange, auch wenn sich das Vorhaben auf sie nur mittelbar auswirken kann. Umfassend zu ermitteln sind insbesondere aber auch die tatsächlichen Verhältnisse des privaten Enteignungsbegünstigten, sowie die Ziele, die er mit der Verwirklichung des Unternehmens, für das enteignet werden soll, verfolgt. Dabei ist die letzte Forderung absolut zu verstehen. Sie bezieht sich also nicht nur auf die Feststellung der Allgemeinwohlbelange, die der Private für sich in Anspruch nimmt, sondern schließt vielmehr gerade auch seine privaten Interessen mit ein. Soll die oben beschriebene Funktion des Abwägungsvorganges erfüllt werden, ist zu fordern, daß gerade auch sie im späteren Enteignungsbeschluß offen gelegt werden. Nur so wird die Entscheidung transparent, nachvollziehbar und kontrollierbar. Hervorgehoben werden soll lediglich noch, daß auf dieser 15 Im Ansatz ebenso: v. Brünneck, Das Wohl der Allgemeinheit als Voraussetzung der Enteignung, NVwZ 1986, 425 (427). 16 Vgl. Puhr-Westerheide, BayEG, Art. 1 Anm. 2 b.

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Stufe die entscheidende Behörde auch verpflichtet ist zu ermitteln, welche Alternativen zu dem Vorhaben sich in der Hand des Staates und in der Hand des begünstigten Privaten eröffnen. Im übrigen kann auf die Rechtsprechung zu ähnlich gelagerten Problemen der Bauleitplanung und der Planfeststellung Bezug genommen werden 17 .

2. Feststellung der Unternehmensrechtfertigung Als zweiter Schritt ist die Feststellung der Unternehmensrechtfertigung erforderlich. Dieses Urteil gliedert sich selbst wiederum in zwei Stufen. Zunächst ist von dem zugrundeliegenden Enteignungsgesetz auszugehen. Dort hat der demokratisch-parlamentarische Gesetzgeber den Enteignungszweck festgelegt 18. Dies bedeutet: Er hat abstrakt-generell diejenigen Vorhaben bestimmt und Unternehemensziele fixiert, die die Anforderungen des Wohls der Allgemeinheit iSd Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG potentiell erfüllen können. Es ist daher das geplante Vorhaben unter die gesetzliche Regelung zu subsumieren. Bei positivem Ergebnis ist sodann zu fragen, welche Belange im vorliegenden konkreten Einzelfall das Unternehmen zu rechtfertigen vermögen, für das enteignet werden soll. Dies bedeutet, es sind alle Gesichtspunkte zu eruieren, die für die Ausführung des Vorhabens sprechen. a) Entgegen der Rechtsprechung des Β VerwG 1 9 ist damit aber noch nicht über die Rechtmäßigkeit der Enteignung entschieden. Zwar weisen Fachplanungen zumeist eine enteignungsrechtliche Vorwirkung auf. Für den Bereich der Bundesfernstraßen ergibt sie sich beispielsweise aus § 19 iVm § 18 a Abs. 1 FStrG. Das Β VerwG zieht daraus Schlußfolgerungen für die Rechtmäßigkeit der Planfeststellung. Es fordert eine Planrechtfertigung, nach der das Vorhaben aus Gründen des Gemeinwohls objektiv erforderlich ist. Dies stellt nach meiner Auffassung eine unangebrachte Verkürzung der Betrachtung dar. Es führt zu einer unzulässigen Vermischung der Rechtfertigung des Vorhabens und der Enteignungszulässigkeit. Insbesondere darf eine gesetzliche Regelung nicht dazu führen, das Wohl der Allgemeinheit im Sinne des Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG inhaltlich auf eine bloße Rechtfertigung des Vorhabens zu reduzieren. Die Unterscheidung zwischen Vor-

17 BVerwGE 52, 245; 56, 110; 64, 828; 71, 163; NJW 1986, 1508 sowie Kopp, VwVfG, § 74 Rdnr. 17 m. w. N. is Siehe hierzu oben 6. Kap. Β. IV. 19 Β VerwG, Urt. v. 6. 12. 1985, BVerwGE 72, 282. Teilweise anders auch: Niehues, Das Erfordernis der „Planrechtfertigung" als Instrument des verfassungsrechtlichen Eigentumsschutzes (Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG), WiVerw 1985,250 (253, 264). Nach Niehues soll auf der Stufe der Planrechtfertigung eine Vorabprüfung stattfinden, ob die öffentlichen Belange generell geeignet sind, die privaten Rechtspositionen aus dem Eigentumsschutz zu überwinden. Ob das Gemeinwohl die Enteignung rechtfertige, ergebe sich sodann abschließend erst aufgrund einer Abwägung.

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7. Kap.: Allgemeinwohl bei Enteignung zugunsten Privater

habensrechtfertigung und Enteignungszulässigkeit steigert die Durchschaubarkeit der Entscheidung und versucht einen Beitrag zu leisten, den leider häufig anzutreffenden, trotzdem aber nichts sagenden „Gemeinwohl-Brei" zu vermeiden und durch eine argumentative Begründung zu ersetzen. Sie ist außerdem vom Ergebnis her keineswegs bedeutungslos. Wie später noch zu zeigen sein wird 2 0 , führen beide Gesichtspunkte beispielsweise zu unterschiedlichen Anforderungen an das Merkmal der Erforderlichkeit — jedenfalls bei der Enteignung zugunsten Privater. Daher ist die Unternehmensrechtfertigung von der Enteignungsbegründung zu differenzieren. b) Liegt eine sogenannte planakzessorische Enteignung vor, ist daher zunächst zu prüfen, ob die zugrunde liegende Fachplanung formell und materiell rechtmäßig ist 21 . Es dreht sich jedoch auf dieser Stufe ausschließlich um die Planrechtfertigung. Die Rechtmäßigkeit der Fachplanung bedeutet daher nicht die Rechtmäßigkeit der Enteignung unter dem Gesichtspunkt des „Wohls der Allgemeinheit". c) Bei der Feststellung der Unternehmensrechtfertigung ist noch keine materielle Gewichtung der Allgemeinwohlbelange in Hinblick auf Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG erforderlich. Hierher gehören vielmehr alle Gesichtspunkte, die für die Ausführung des Vorhabens sprechen. Das BVerwG fordert in diesem Zusammenhang, daß das Vorhaben, gemessen an den mit ihm verfolgten Zielen „vernünftigerweise geboten" sein muß 22 . Dies ist zutreffend, wenn dabei jeder Gesichtspunkt mit einbezogen wird, der geeignet ist, das Vorhaben zu tragen. Das Unternehmen muß sich jedoch innerhalb der einschlägigen gesetzlichen Aufgabenstellung und der einschlägigen gesetzlichen Zielsetzungen bewegen. d) Im Unterschied zum Allgemeinwohlurteil, bei dem der Verwaltung weder ein Beurteilungs-, noch ein Ermessensspielraum 23 mit welchen Konsequenzen auch immer 24 zusteht, enthält die materielle Ermächtigung zur Planung des Vorhabens die Einräumung eines Planungsermessens. Nur auf dieser Stufe ist daher eine planerische Gestaltungsfreiheit anzuerkennen, die nach der Rechtsprechung einer eingeschränkten gerichtlichen Überprüfung unterliegt 25 .

20 Vgl. hierzu unten 7. Kap. G. I.; zu weiteren Unterschieden siehe sogleich im Text. 21 Ebenso wohl BGHZ 66, 322 (326) = NJW 1976, 1745; BGH, Urt. 10. 11. 1983 III ZR 131 /82 = DVB1. 1984, 337. 22 Ständige Rspr.: BVerwGE 72, 282 (284); 71, 166 (168); 56, 110 (119); vgl. hierzu auch Steiner, Straßen- und Wegerecht, Rdnr. 59, in: Steiner (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht. 23 Str; wie hier: Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14 Rdnr. 496; a.A.: Kimminich, BK zum GG, Art. 14 GG Rdnr. 267, der sich für Ermessen der Verwaltung ausspricht; vgl. zum Ganzen unten 10. Kap. 24 Vgl. einerseits Soell, Das Ermessen der Eingriffsverwaltung, 1973, S. 116 ff und 368 ff; andererseits Ossenbühl, DÖV 1970,84 ff; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 7 Rdnr. 18. 25 BVerwGE 48,56 (59); 56,110 (116). Allerdings ist das Erfordernis der Planrechtfertigung eine Art Beschränkung des Planungsermessens.

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e) Die auf dieser Stufe zu ermittelnde Rechtfertigung des Unternehmens, für das enteignet werden soll, beinhaltet bereits von der Aufgabenstellung her notwendigerweise Vorhersagen über die künftige Entwicklung auf dem betroffenen Gebiet. Derartige Entscheidungen, die im voraus für einen künftigen Zeitraum getroffen werden müssen, entziehen sich einer exakten und genauen Beurteilung. Daß diese oft nicht einmal ungefähr zutrifft, ist auf das mangelhafte prognostische Instrumentarium zur Vorhersage künftiger tatsächlicher Entwicklungen zurückzuführen. Die Rechtsprechung trägt dem durch die Einräumung einer Prognoseermächtigung Rechnung. Auch sie ist auf dieser Stufe der Entscheidungsfindung anzuerkennen. Die Rechtmäßigkeit der Prognose setzt jedoch voraus, daß sie unter Berücksichtigung aller verfügbaren Daten in einer der Materie angemessenen und methodisch einwandfreien Weise erarbeitet wurde 26 .

3. Aussonderung der Kriterien, die das Allgemeinwohl nicht zu begründen vermögen Auf der nächsten Stufe sind all diejenigen Interessen auszusondern, die den inhaltlichen Anforderungen des Wohls der Allgemeinheit nicht genügen und daher eine Enteignung auch nicht zu begründen vermögen. An dieser Stelle sind in die Entscheidungsfindung zunächst alle negativen Ausgrenzungen des Gemeinwohls einzubringen, die bereits oben 27 erörtert wurden. Die dort gewonnenen Erkenntnisse über negative Kriterien bei einer privatnützigen Enteignung entfalten an dieser Stelle der Entscheidungsfindung ihr Gewicht. Auszuschließen sind weiter all die auf der ersten Stufe ermittelten Kriterien, die reine Privatinteressen des künftigen Enteignungsbegünstigten darstellen. Nicht hierunter fallen aber Belange, die auch dem Allgemeinwohlerfordernis gerecht werden. Daß es derartige Parallelziele gibt, wird später noch zu zeigen sein 28 . Zur Abgrenzung zwischen diesen beiden Fallgruppen können wiederum die obigen Überlegungen zu den negativen Gemeinwohlausgrenzungen ebenso wie die fragmentarischen Ergebnisse der positiven Definitionsversuche fruchtbar gemacht werden. Ein verbreitetes Vorurteil, dem es entgegenzutreten gilt, ist in diesem Zusammenhang freilich, daß eine derartige Unterscheidung gar nicht möglich wäre. Gesetzgebung und Verwaltungspraxis beweisen die Unrichtigkeit einer derartigen Behauptung. Wie vor allem Weyreuther 29 nachgewiesen hat, wird die Trennung von öffentlichen und privaten Interessen nämlich von zahlreichen Gesetzesvorschriften gefordert und auch praktiziert. 26 BVerwGE 56, 110 (121); BVerwG, Urt. 6. 12. 1985 - 4 C 59/82, NJW 1986, 1508 (1509). 27 Vgl. oben 7. Kap. C. I. 28 Vgl. unten 7. Kap. F. II. 29 Weyreuther, Die Situationsgebundenheit des Grundeigentums, S. 85 f.

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7. Kap.: Allgemeinwohl bei Enteignung zugunsten Privater

4. Gewichtung der Belange der Allgemeinheit an der Enteignung Die auf diese Weise vorsortierten Kriterien, die das Wohl der Allgemeinheit zu tragen vermögen, sind nunmehr zu gewichten. Ein derartiger Ansatz hat in der Rechtsprechung des BVerfG 3 0 Tradition. In ihr ist anerkannt, daß für eine Konfliktlösung im Grundrechtsbereich zu ermitteln ist, welche Verfassungsbestimmung für die konkret zu entscheidende Frage das höhere Gewicht hat. Bei der Bewertung sind die ermittelten Tatsachen und die vorgenommenenen Prognosen umfassend zugrunde zu legen. Zu beachten ist das Gewicht der funktionalen Bedeutung der tangierten Werte sowie die Auswirkungen und das Ausmaß der Betroffenheit bei Realisierung bzw. bei Unterlassung des geplanten Vorhabens. a) Die normative Kraft bestimmter Güter wird dabei keineswegs immer in gleicher Weise wirksam 31 . Generelle Wertvorzüge können durch individuelle Umstände von Gemeinwohl bedingten Notwendigkeiten in ihrem Gewicht verringert oder kompensiert werden. Aus dieser Erkenntnis folgt die Notwendigkeit einer doppelgestuften Prüfung. Zunächst ist auf abstrakter Ebene der generelle Wert eines Allgemeinwohlbelanges einzutaxieren. Sodann ist dieses Ergebnis anhand der konkreten Umstände für den Einzelfall zu verifizieren. b) Der Maßstab der Gewichtung ergibt sich dabei aus der Verfassung und dem geltenden Recht selbst. Gemeinwohlinterpretation kann immer nur innerhalb des Rechts erfolgen 32 . Ein solchermaßen orientierter Maßstab birgt eine abgestufte Bewertung in sich. aa) An erster Stelle ist das Grundgesetz selbst und die von ihm festgelegte Wertehierarchie zu beachten. An den Anfang haben die Verfassungsväter die Grundrechte gestellt 33 und an ihre Spitze wiederum die Würde des Menschen (Art. 1 Abs. 1 GG). Unmittelbar darauf folgen das Freiheits- und Gleichheitsrecht (Art. 2 Abs. 1, 3 GG). Bereits die Stellung dieser Grundrechte ergibt ihre herausgehobene Position und besondere Wichtigkeit. Die enteignungsrelevanten Gemeinwohlbelange können aber auch durch sonstige Verfassungsnormen verstärkt werden. Dieser Satz entfaltet vor allem bei der privatbegünstigenden Enteignung seine Wirksamkeit. Er steht jedoch nur teilweise im Zusammenhang mit der Diskussion, die unter dem Stichwort der Fortentwicklung der Grundrechte zu Teilhaberechten geführt wird 3 4 . Dort geht es nämlich um die Frage, ob und unter 30 BVerfG, Beschl. 26. 5. 1970, BVerfGE 28, 243 (261). 31 Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 373. 32 Ebenso vor allem Häberle, bei dem sich dieser Gedanke wie ein roter Faden durch alle seine einschlägigen Veröffentlichungen zieht; vgl. beispielhaft: Häberle, „Gemeinwohljudikatur" und BVerfG, AöR 59 (1970), 86 (110); Häberle, Öffentliches Interesse als juristisches Problem, S. 108. 33 In der Weimarer Reichs Verfassung standen demgegenüber die „Grundrechte und Grundpflichten der Deutschen" erst im 2. Hauptteil (Art. 109 ff WRV). 34 Vgl. zusammenfassend: Schwerdtfeger, Öffentliches Recht in der Fallbearbeitung, §31.

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welchen Voraussetzungen sich Grundrechte zu Rechtsansprüchen auf Leistung gegen den Staat verdichten können, was wohl nur unter Einbeziehung des Sozialstaatsprinzips in die Betrachtung anzuerkennen sein dürfte. Hier aber vermögen die Grundrechte des künftigen privaten Eigentumsinhabers in keinem Fall einen absoluten Rechtsanspruch auf Enteignung zu begründen 35. Dem steht schon das Eigentumsgrundrecht aus Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG des bisherigen Eigentümers entgegen. Außerdem kann nur das Wohl der Allgemeinheit nach Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG eine Enteignung rechtfertigen. Dieses Wohl der Allgemeinheit wird jedoch durch Grundrechte des privaten Begünstigten verstärkt, wenn und soweit dessen Grundrechtsverwirklichung mit dem Allgemeinwohl parallel läuft. Das Gewicht des Grundrechts wird dabei umso stärker, je mehr der begünstigte Private gerade auf dieses Eigentum zur Verwirklichung seines Vorhabens angewiesen ist. In der derzeitigen Situation kann dies vor allem bei Geländebedarf für größere industrielle Vorhaben praktisch werden. Je nach Beschaffenheit der geplanten Anlage gibt es für sie oft nur ganz wenige Standortalternativen innerhalb des Bundesgebietes. Nochmals betont werden muß aber zweierlei: Der in diesen Fällen einschlägige Art. 12 GG, auf den sich der Vorhabensträger evtl. berufen kann, vermag ihm keinen Anspruch auf Enteignung des benötigten Grundstückes einzuräumen. Vielmehr muß das Vorhaben selbst Allgemeinwohlbelange iSd Art. 14 Abs. 3 S 1 GG realisieren. Das Gewicht, das diese Belange für eine Enteignung in die Waagschale weifen, kann durch das Grundrecht des privaten Begünstigten dann verstärkt werden 36 . Auf Verfassungsebene sind sodann aber noch weitere Entscheidungen des Grundgesetzes zu beachten, die ebenfalls für die hier vorzunehmende Bewertung von Belangen der Allgemeinheit fruchtbar gemacht werden können. Hierzu zählen grundlegende Prinzipien, wie das Rechts- und Sozialstaatsprinzip oder auch das Demokratieprinzip (Art. 20 GG). Aber auch aus der Verfolgung von Aufgaben, die unsere Verfassung mehr oder weniger verdeckt an sonstigen Stellen dem Staat auferlegt hat, können materielle Bewertungskriterien für Allgemeinwohlbelange hergeleitet werden. Nur beispielhaft sei auf das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht in Art. 109 Abs. 2 GG verwiesen. Es beinhaltet u.a. die Ziele einer ausgeglichenen Handelsbilanz und der Vollbeschäftigung. Nicht zuletzt sind auch die Kataloge der Gesetzgebungskompetenzen (Art. 70 ff GG) zu beachten, soweit sich aus ihnen Wertungen herleiten lassen. Eine sorgfältige Interpretation dieser verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen führt für das Allgemeinwohl regelmäßig bereits zu einer Konkretisierung, die rechtsstaatlichen Anforderungen und Grenzen genügt. bb) Auf einfachgesetzlicher Ebene ist der Gesetzgeber zur Festlegung von Enteignungszwecken berufen. Er ist dabei an das Grundgesetz gebunden und 35

Siehe schon oben 6. Kap. I. 36 Vorraussetzung aber ist, daß das Vorhaben und seine Verwirklichung in den Schutzbereich des Grundrechts fallen. So sind beisielsweise bei Art 14 GG mit Ausnahme des übergreifenden Bestandschutzes Erwerbs- und Erweiterungsinteressen nicht geschützt.

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7. Kap.: Allgemeinwohl bei Enteignung zugunsten Privater

hat die oben dargestellten Wertentscheidungen und Rechtsprinzipien der Verfassung zu beachten37. Seine Entscheidungsfreiheit ist also limitiert durch die verfassungsrechtliche Vorgabe einer grundsätzlich privatnützigen Eigentumsordnung. Die notwendigerweise abstrakten Festlegungen von Enteignungszwecken und die sich dahinter verbergenden Wertungen des Gesetzgebers hat die zur Entscheidung über die Enteignung berufene Verwaltung zu beachten und im Lichte unserer Verfassung zu interpretieren. cc) Ferner sind auch untergesetzliche Normen mit in die vorliegende Betrachtung einzubeziehen. Als Beispiel können Ziele der Raumordnung und Landesplanung in Programmen oder Plänen genannt werden, die nach Landesrecht als Rechtsverordnungen oder Satzungen erlassen werden 38 . dd) Schließlich werden bei der Bewertung von Belangen, die für eine Enteignung sprechen, auch abstrakt vorgegebene Ziele des Verwaltungshandelns zu beachten sein 39 . Ihre Rechtfertigung findet diese Ansicht in der demokratischen Legitimation der Exekutive. Außerdem hat die Verfassung der Verwaltung als Ausfluß des Gewaltenteilungsprinzips („Gegenseitige Verschränkung der Gewalten") eine eigenständige Funktion zugewiesen40. c) Bei der hier im Mitelpunkt der Betrachtungen stehenden Enteignung zugunsten Privater wird ein weiteres Problem besonders aktuell. Die Tatsache, daß eine Privatperson der neue Zuordnungsberechtigte wird, bedingt zumeist eine Nutzungsänderung des Eigentumsgegenstandes, die sich im „außerstaatlichen" Bereich vollzieht. Vom Ausgangspunkt her stehen sich damit zwei private Nutzungen gegenüber. Beide können von sich behaupten, die Realisierung von Gemeinwohlbelangen iSd Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG darzustellen. Jedoch ist dieser Fall nicht anders zu behandeln als das Problem sich widersprechender Gemeinwohlbelange überhaupt 41. Gesichtspunkte des Wohls der Allgemeinheit, die für eine Aufrechterhaltung der bisherigen Nutzungs- und damit auch der Eigentümersituation sprechen, sind im Wege der Subtraktion zu berücksichtigen. Sie führen zu einer Einbuße an Gewicht des Wohls der Allgemeinheit, das die Enteignung rechtfertigen soll. Ein solcher Allgemeinwohlbelang ist beispielsweise die land37 BVerfG, Beschl. v. 17. 11. 1966, BVerfGE 20, 350 (355); Kimminich, BK zum GG, Art. 14 GG Rdnr. 8-21. 38 Zur Problematik vgl. Steiner, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, Rdnr. 70, in: Steiner (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht; BayVGH, Normenkontroll-Urt. v. 14. 12. 1983, BayVBl. 1984, 240. 39 Ihre Erscheinungsformen sind vielfältig und variieren je nach einschlägigem Staatsorganisationsrecht. Sie reichen von der Regierungserklärung über Ministerratsbeschlüsse bis hin zu Bekanntmachungen oder Rundschreiben der obersten Dienstbehörden des betreffenden Verwaltungszweiges. 40 BVerfG, Beschl. v. 8. 8. 1978, BVerfGE 49, 89 (Kalkar). 41 Ansätze hierzu bei Häberle, Öffentliches Interesse als juristisches Problem, S. 34; v. Brünneck, Das Wohl der Allgemeinheit als Voraussetzung der Enteignung, NVwZ 1986, 425 (428).

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wirtschaftliche Nutzung eines Grundstückes. Soll es zum Beispiel für industrielle Zwecke enteignet werden, wird das Gewicht der für das rechtfertigende Allgemeinwohl sprechenden Belange — wie beispielweise die Schaffung von Arbeitsplätzen und die zu erzielende Strukturverbesserung — durch die Tatsache geschmälert, daß das Feld künftig nicht mehr der Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln dienen kann. Auf weitere Besonderheiten der Gewichtung von Allgemeinwohlbelangen bei einer privatbegünstigenden Enteignung wird weiter unten42gesondert einzugehen sein.

5. Bestimmung der Interessen des Betroffenen an der Erhaltung seines Eigentums Auf der anderen Seite ist das Interesse des Eigentümers an der Erhaltung seines Eigentums zu gewichten 43 . Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG erhöht dies zu einem grundrechtlichen Abwehrrecht. Die Vorschrift schützt nicht nur den Wert, sondern den konkreten Bestand des Eigentums selbst44. Daß dies in der Praxis zu wenig beachtet wird, hat bereits Forsthoff 45 im Jahre 1971 weitgehend erfolglos gerügt. Ein Teil der Literatur 46 betont darüberhinaus, daß auch an der Erhaltung des Privateigentums ein öffentliches Interesse besteht. Gegenüber dem Grundrechtsschutz aus Art. 14 Abs.l S. 1 GG fällt dies aber m.E. kaum ins Gewicht. Für die Frage der privatbegünstigenden Enteignung ist da schon das Problem von größerer Bedeutung, ob unsere Verfassung eine Differenzierung des Eigentumsschutzes je nach Persönlichkeitsbezug zuläßt oder gar gebietet. Als Verfechter dieser Position ist vor allem Badura 47 zu nennen. Nach seiner These gibt es verfassungsrechtlich kein einheitliches Eigentum. Je nach Persönlichkeitsbezug würden sich demnach Eigentumskategorien bilden lassen, die auch in unterschiedlicher Stärke verfassungsrechtlichen Eigentumsschutz genießen würden. Wäre dies richtig, hätte dies für die Enteignung zugunsten Privater erhebliche Auswirkungen. Der personelle Bezug des Eigentums wäre von Verfassungs wegen (zumindest) zu einem entscheidungserheblichen Kriterium geworden. Nutzt also der bisherige Eigentümer, der im übrigen über ein gesichertes Einkommen verfügt, sein Grundstück beispielsweise durch Verpachtung rein kapitalmä42 Vgl. unten 7. Kap. G. 43 Ebenso v. Brünneck, Das Wohl der Allgemeinheit als Voraussetzung der Enteignung, NVwZ 1986, 425 (428). 44 BVerfG, Urt. v. 18. 12. 1968, BVerfGE 24,367 (400); BVerfG, Beschl. 15. 7. 1981, BVerfGE 58, 300 (323). 45 Forsthoff, in: Festgabe für Maunz 1971, S. 89 ff (96). 46 Häberle, Öffentliches Interesse als juristische Problem, S. 34; Stengel, Die Grundstücksenteignung zugunsten privater Wirtschaftsunternehmen, S. 26; Werner Weber, Eigentum und Enteignung, S. 383. 47 Badura, Eigentum im Verfassungsrecht der Gegenwart, in: Verhandlungen des 49. D.J.T., Bd. 2, 1972, Τ 11 m. w. Ν. 10 Schmidbauer

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ßig und beabsichtigt der von der Enteignung Begünstigte das Grundstück für seine persönliche Lebensgestaltung zur Gründung eines eigenen Gewerbebetriebes zu verwenden, müßten aus den unterschiedlichen Schutzwürdigkeitskategorien Folgerungen gezogen werden. Auf dem Prüfstand des Art. 14 GG wäre das Interesse des künftigen privaten Eigentümers höherwertig. Bullingers Mahnung, daß ein privates Interesse nicht ein anderes privates Interesse überwiegen könne, wäre von der Verfassung selbst widerlegt. Die Rechtsprechung des BVerfG 48 scheint auf den ersten Blick Baduras Thesen zu bestätigen. Die obersten Hüter der Verfassung stellen nämlich fest, daß das Eigentum im Grundgesetz nicht um seiner selbst willen geschützt ist. Es soll vielmehr dem einzelnen einen Freiheitsraum im vermögensrechtlichen Bereich sichern. Andererseits ist aber nirgends von einer Abstufung des Schutzes nach Kategorien die Rede. Die Literatur hat sich verschiedentlich gegen die Position Baduras gewandt. Insbesondere Ossenbühl49 hat überzeugend nachgewiesen, daß die Einteilung des Eigentums in Kategorien und die anschließende kategorische Abstufung des Eigentumsschutzes mit Art. 14 GG nicht zu vereinbaren ist. Dies braucht hier nicht vertieft zu werden. Ergänzt werden soll lediglich, daß derartige Kategorien nicht nur die Gefahr in sich bergen, sich im Widerspruch zu Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG schutzmindernd auszuwirken. Sie sind auch viel zu starr, um für die auftretenden Probleme angemessene Lösungen zu ermöglichen. Demgegenüber scheint es mir zutreffender, in einer Prognose für die Person des betroffenen Eigentümers, für die Person des künftigen Begünstigten und für die Allgemeinheit die vorhersehbaren Auswirkungen bei Durchführung der beabsichtigten Enteignung bzw. bei ihrer Unterlassung zu bestimmen und mit in die vorliegende Abwägung einzubeziehen50. In diesem Rahmen kommt dann die oben dargelegte Rechtsprechung des BVerfG voll zum Tragen. Sie führt auf Seiten des betroffenen Eigentümers zu einer Steigerung des Gewichts seiner Interessen, die gegen die Übertragung auf einen anderen Privaten sprechen. Gerade in diesen Fällen ist der Schutz des Eigentums besonders ausgeprägt, wenn das Eigentum als Element der Sicherung der persönlichen Freiheit betroffen ist und je mehr das Eigentum in seinem sozialen Bezug und seiner sozialen Funktion steht 51 . Diese Ansicht eröffnet den Weg zu flexiblen und situationsangepaßten Ergebnissen. Führen die Folgen eines Eigentumsentzuges beispielweise 48 BVerfGE 24, 367 (389); BVerfGE 50, 290 (339). 49 Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 98 und 100; Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 354. 50 Ausdrücklich a.A.: Molodovsky, BayEG, Art. 3 Anm. 3. 1. 1.1.: danach müssen persönliche Verhältnisse der Betroffenen (ζ. B. Alter, Krankheit) bei der Prüfung der Zulässigkeit der Enteignung außer Betracht bleiben. Eine Begründung hierfür wird freilich nicht gegeben. si So BVerfG, Urt. v. 1.3. 1979, BVerfGE 50, 290 (340); weitgehend zustimmend die Lit; ζ. Β. Rengeling, Das Grundeigentum als Schutzobjekt der Eigentumsgarantie (Art. 14 GG) und als Gegenstand verwaltungsrechtlicher Planung, Gestaltung und Schrankensetzung, AöR 105 (1980) S. 427 m. w. N.

E. Wohl der Allgemeinheit als Auftragsprogramm zur Konfliktlösung

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gar zu einer existentiellen Bedrohung, so gilt: Je höher die Gefahr existentieller Bedrohung, desto gewichtiger müssen die Allgemeinwohlbelange sein, die eine Enteignung fordern. Diese Betrachtung führt aber nicht nur zu angemessenen Lösungen, sondern läßt sich auch rechtsdogmatisch rechtfertigen. Denn Kimminich 5 2 hat zu Recht darauf hingewiesen, daß im Konfliktfall nicht das Eigentum in der konkreten Situation, sondern seine Schutzfunktion entscheidend ist. Als weitere Konsequenz für die privatbegünstigende Enteignung ergibt sich daraus, ein stärkerer Persönlichkeitsbezug der Eigentumsnutzung durch den künftigen Zuordnungsberechtigten ist völlig ohne Belang und vermag die Enteignung zugunsten Privater in keiner Weise zu legitimieren. Folgen der (unterlassenen) Eigentumsübertragung in seiner Person gewinnen nur Bedeutung, soweit sie sich auf die Allgemeinheit auswirken und daher als Allgemeinwohlbelange iSd Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG zu qualifizieren sind. Verstärken hingegen parallel gelagerte öffentliche Belange die privaten Interessen des Betroffenen an der Erhaltung seines Eigentums, sind diese bei der materiellen Gewichtung im Wege der Addition zu berücksichtigen.

6. Abwägung zwischen den Belangen der Allgemeinheit und den Eigentümerinteressen Die solchermaßen vorsortierten und gewichteten Belange und Interessen sind nunmehr auf der sechsten und letzten Stufe der Gemeinwohlfindung gegeneinander abzuwägen. Dabei handelt es sich keineswegs nur um eine Problemlösung durch bloße Saldierung abstrakter Werte. Wir haben gesehen, daß eine feststehende und übergreifende Wertrangordnung gar nicht existieren kann. Da sie fehlt, verbietet sich jede abstrakte Lösung. Demgemäß wurde zunächst die abstrakte Gemeinwohlwertigkeit der beteiligten Belange ermittelt. Vor ihrer Gegenüberstellung sind sie nunmehr im Hinblick auf den konkreten Fall zu gewichten. Erst wenn dies erfolgt ist, können sie gegeneinander abgewogen werden. Dabei ist folgendes zu beachten: a) Unter Einbeziehung der in den vorhergehenden Schritten gewonnenen Ergebnisse sind die Summen aller im konkreten Fall relevanten Belange der Allgemeinheit einerseits und der Interessen des betroffenen Eigentümers andererseits gegenüberzustellen. b) Vorweg ist zu überprüfen, ob für den Konflikt nicht eine verfassungsrechtliche Vorrangentscheidung getroffen wurde 53 . 52 Rasenack, Eigentum, Enteignung, Entschädigung, zu Kimminichs Kommentierung des Art. 14 GG, in: Der Staat 18 (1979), S. 259 ff. 53 Derartige Wertvorgaben sind in unserer Verfassung gar nicht so selten enthalten: Der Höchstwert des menschlichen Lebens hat Vorrang vor jeder finanziellen Bestrebung, Art. 2 Abs. 2 GG (vgl. Seifert / Hömig, GG, Art. 2 Rdnr. 11). Art. 6 Abs. 1 GG gewährt Ehe und Familie besonderen Schutz; BVerfGE 55, 126 m. w. N. 10*

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7. Kap.: Allgemeinwohl bei Enteignung zugunsten Privater

c) Für die anschließende Güterabwägung kann zunächst auf die bekannten verfassungsrechtlichen Optimierungsprinzipien zurückgegriffen werden. Sie sind während des Abwägungsvorganges zu beachten. Ziel muß es sein, sie im Abwägungsergebnis zu einer möglichst großen Entfaltung kommen zu lassen. aa) Vom Ansatz her sollte nach Lösungen gesucht werden, die beide einander gegenüberstehenden Anliegen angemessen berücksichtigen und zur Geltung bringen (Prinzip praktischer Konkordanz). bb) Die erforderliche Entscheidung des Konflikts sollte auf eine möglichst hohe Integrationswirkung ausgerichtet sein. cc) Die Konfliktentscheidung sollte sich am Prinzip des schonendsten Ausgleichs orientieren. d) Die Güterabwägung selbst hat sich dabei nach den Grundsätzen des Verhältnismäßigkeitsprinzips 54 zu vollziehen 55 . Dagegen wollen das BVerfG 5 6 und eine Reihe von Stimmen in der Literatur 57 den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht im Rahmen der Prüfung des Wohls der Allgemeinheit zur Anwendung bringen, ihn vielmehr als weitere eigenständige Enteigungsvoraussetzung beachtet wissen. Vor dem Hintergrund der hier vertretenen Ansicht zur Gemeinwohlbestimmung vermag dies nicht zu überzeugen. Ohne Notwendigkeit würde dies nämlich zu einer künstlichen Trennung und verfahrensmäßig unübersichtlichen Doppelabwägung führen. Richtigerweise hat außerdem von Brünneck 58 darauf hingewiesen, daß der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verfassungsrechtlichen Rang hat und aus dem Rechtsstaatsprinzip folgt. Demnach können Enteignungen, die gegen das Übermaßverbot verstoßen, nicht zugleich dem Wohl der Allgemeinheit dienen. Im übrigen liegen insoweit m.E. keine inhaltlichen Meinungsverschiedenheiten, sondern lediglich ein unterschiedlicher Sprachgebrauch vor. Solange aber der Nachweis unterschiedlicher Ergebnisse nicht erbracht ist, braucht der Meinungsstreit auch nicht vertieft zu werden. e) Die Verhältnismäßigkeitsprüfung vollzieht sich demnach in drei Schritten: aa) Zunächst muß die Enteignung geeignet sein, das Wohl der Allgemeinheit auch zu verwirklichen. Der hier notwendigen Prognose sind die oben auf der zweiten Stufe behandelten Feststellungen zur Unternehmensrechtfertigung zu54 Gemeint ist hier das Verhältnismäßigkeitsgebot im weiteren Sinne, das oft auch als Übermaßverbot bezeichnet wird. vgl. BVerfG, Beschl. 19. 10. 1982, BVerfGE 61, 126 (134) = NJW 1983, 559. 55 Ebenso: v. Brünneck, Das Wohl der Allgemeinheit als Voraussetzung der Enteignung, NVwZ 1986, 425 (429); Bryde, Erläuterungen zu Art. 14 GG, in: v. Münch, GG, Art. 14, Rdnr. 83. 56 BVerfG, Urt. v. 18. 12. 1968, BVerfGE 24, 367 (404) = NJW 1969, 309. 57 Kimminich, in: BK zum GG, Art. 14 GG Rdnr. 277; Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14 Rdnr. 507. 58 Von Brünneck, Das Wohl der Allgemeinheit als Voraussetzung der Enteignung, NVwZ 1986, 425 (427).

E. Wohl der Allgemeinheit als Auftragsprogramm zur Konfliktlösung

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gründe zu legen. Zu beachten ist, daß die Eignung nach der Rechtsprechung des BVerfG bereits dann zu bejahen ist, wenn die Enteignung nicht absolut ungeeignet zur Allgemeinwohlrealisierung ist 59 . Entgegen von Brünneck 60 sollten Regelungen61, die eine Verwendung des Eigentumsgegenstandes zu dem vorgesehenen Zweck innerhalb angemessener Frist durch den Begünstigten vorschreiben, nicht hierher zählen. Dies wäre ansonsten nur die Betrachtung eines Teilaspekts bei einer zudem verkürzten Sicht des Grundrechtsschutzes. Dieser reicht vielmehr weiter. Wie noch zu zeigen sein wird 6 2 , sind derartige Normen nur Teilausschnitte aus einer verfassungsrechtlich gebotenen umfassenden Sicherung der Verwirklichung des Vorhabens, für das enteignet werden soll. Außerdem geht es an dieser Stelle lediglich um die Frage, ob die Enteignung selbst zur Durchsetzung des Wohls der Allgemeinheit geeignet ist. Das aufgeworfene Problem ist daher richtigerweise beim dritten Schritt der Verhältnismäßigkeitsprüfung einzuordnen. bb) Im zweiten Schritt ist zu fragen, ob die Enteignung zur Durchsetzung des Wohls der Allgemeinheit auch erforderlich ist (Prinzip des Interventionsminimums). Bei der privatbegünstigenden Enteignung hat hierbei eine Differenzierung nach der jeweiligen Bezugsgröße zu erfolgen. Zu unterscheiden ist dabei die Erforderlichkeit der Enteignung von der Erforderlichkeit der Vorhabensrealisierung in privater Hand. Dagegen war auf die Erforderlichkeit des Vorhabens selbst bereits auf der zweiten Stufe der Gemeinwohluntersuchung einzugehen63. Die näheren Einzelheiten sollen später gesondert dargestellt werden 64 . cc) Im dritten und letzten Schritt schließlich ist zu prüfen, ob die geplante privatbegünstigende Enteignung den Erfordernissen des Angemessenheitsprinzips 65 genügt. Zu Recht bezeichnet von Brünneck 66 die Problematik auf dieser Stufe als in den Gesetzen nicht geregelt und in Rechtsprechung und Literatur weithin ungeklärt. Nach derzeitigem Erkenntnisstand kann festgehalten werden: Das Angemessenheitsgebot verlangt, daß das mit der Enteignung verfolgte Wohl der Allgemeinheit in einem angemessenem Verhältnis zum Eingriff der Enteignung steht. Insoweit wird am Maßstab der verfolgten Ziele die Zumutbarkeit des Eingriffs geprüft. Mit anderen Worten: Die zur Durchsetzung des Allgemeinwohls ergriffene Enteignungsmaßnahme muß in einem angemessenen Verhältnis zur Schwere und Tragweite des Grundrechtseingriffes stehen. Ange59 BVerfG, Urt. v. 18. 12. 1968, BVerfGE 24, 367; 60 Von Brünneck, Das Wohl der Allgemeinheit als Voraussetzung der Enteignung, NVwZ 1986, 425 (429). 61 Z.B. § 87 Abs. 2 S. 2 BauGB = Art. 3 Abs. 2 BayEG. 62 Vgl. unten 9. Kap. 63 Vgl. oben 7. Kap. E. II. 2. 64 Vgl. unten 7. Kap. G. I. 65 Das Angemessenheitsprinzip wird auch als Verhältnismäßigkeitsgebot im engeren Sinne bezeichnet. 66 Von Brünneck, Das Wohl der Allgemeinheit als Voraussetzung der Enteignung, NVwZ 1986, 429 .

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7. Kap.: Allgemeinwohl bei Enteignung zugunsten Privater

messen bedeutet hierbei — im Unterschied zu den ansonsten im öffentlichen Recht üblichen Abwägungsgeboten — keineswegs ausgewogen. Denn Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG setzt das Allgemeinwohl auf Kosten der Eigentümerinteressen durch. Daraus folgt, das Wohl der Allgemeinheit, das nach der Enteignung verlangt, muß die Interessen des Eigentümers erheblich überwiegen. Nur dann liegt das geforderte angemessene Verhältnis vor. Unter dieser Prämisse kann festgestellt werden: Je gewichtiger das Wohl der Allgemeinheit und je größer seine Bedrohung beim Unterlassen der Enteignung, um so weiter kann auch der Eingriff in das Eigentum gehen. Ist das Wohl der Allgemeinheit nach den Erkenntnissen der vierten Stufe sehr hoch einzuschätzen und kann der Eigentümer kein entsprechend gewichtiges Interesse gelten machen, ist die Enteignung rechtmäßig. Ist hingegen das Wohl der Allgemeinheit nach der vorhergehenden Bewertung nicht so gewichtig und vermag der Eigentümer ein zumindest gleichwertiges Interesse an der Erhaltung seines Eigentums in Anspruch zu nehmen, wäre ein Eigentumsentzug unangemessen. Die Enteignung ist dann rechtswidrig. f) Im Rahmen der zuletzt erörterten Angemessenheit wird die Besonderheit der vorliegenden Untersuchung relevant: Der Begünstigte der Enteignung soll eine Privatperson werden. Die Verwirklichung des Enteignungszweckes liegt damit nicht mehr in der Hand des Staates. Es besteht die Gefahr, daß der private Begünstigte seine eigenen Interessen über die Allgemeinwohlbelange stellt. Die Realisierung dieser Allgemeinwohlbelange aber birgt die Legitimation für den Grundrechtseingriff in sich. Der Staat ist daher gehalten, das Sicherheitsrisiko, das in der Begünstigung einer Privatperson liegt, durch entsprechende Sicherheitsvorkehrungen zu kompensieren. Diese Feststellung bedarf hinsichtlich ihrer Begründung und ihrer Durchführung in der Praxis noch genauerer Erörterung 67. Jedoch läßt sich bereits an dieser Stelle festhalten, daß ohne Sicherung des Enteignungszweckes bei der privatbegünstigenden Enteignung ihre Angemessenheit nicht gewahrt werden kann. Wegen fehlendem Allgemeinwohls wäre in diesem Fall die gesamte Enteignung verfassungswidrig.

F. Allgemeinwohl und private Interessen Auf den vorhergehenden Seiten wurde versucht aufzuzeigen, daß Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG ein Auftragsprogramm zur Bewältigung des aufgetretenen Eigentumskonflikts beinhaltet. Die Entscheidungsfindung fordert differenzierte Überlegungen innerhalb eines komplexen Gemenges unterschiedlicher Belange und Interessen. Wird eine Privatperson zum Begünstigten der Enteignung, wird diese 67 Zur Begründung des Sicherungserfordernisses vgl. unten 7. Kap. G. III.; zur Handhabung der Zwecksicherung in der Praxis vgl. unten 9. Kap.

F. Allgemeinwohl und private Interessen

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Lage noch komplizierter. Für diesen Fall bedarf es daher noch einiger Klarstellungen zum Verhältnis zwischen Privatinteressen und Enteignung.

I. Enteignungen und private Zwecke Eine Enteignung zur Verfolgung rein privater Zwecke verstößt gegen Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG und ist daher verfassungswidrig. Hierüber besteht allenthalben Einigkeit. Zutreffend wendet sich Böhmers Sondervotum gegen die Rechtmäßigkeit einer Enteignung für ein Vorhaben, mit dem lediglich private Interessen verfolgt werden 1. Reine Privatinteressen, mögen sie auch noch so bedeutsam und gewichtig sein, können eine Enteignung niemals rechtfertigen. Ja sie sind nicht einmal imstande, eine Enteignung mit zu legitimieren. Sie können also auch nicht zur Begründung des Eingriffs mit herangezogen werden. Ausschließlich Allgemeinwohlbelange vermögen demnach die Rechtmäßigkeit einer Enteignung zu begründen. Dies gilt uneingeschränkt und ausnahmslos. Auch private Interessen, die andere private Interessen quantitativ oder anhand welcher sonstiger Kriterien auch immer überwiegen, berechtigen nicht zum Eigentumsentzug. Sogar ein erheblicher „Mehrwert" privater Interessen gegenüber anderen „schwächeren" Privatinteressen bleibt überschießendes Privatinteresse. Darauf hat bereits Bullinger zu Recht hingewiesen2. Niemals kann ein Privatinteresse als solches zum Allgemeinwohl werden und eine Enteignung legitimieren.

II. Mögliche Parallelität von privaten und öffentlichen Interessen Die eigentliche Brisanz für die enteignungsrechtliche Praxis erhält Böhmers Sondervotum durch seine weitergehende These3: Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG verlange, eine Enteignung dürfe nicht zugunsten eines Privaten ausgesprochen werden, der mit seinem Vorhaben neben dem Wohl der Allgemeinheit auch privatnützige Zwecke verfolgt. W i l l man diese Aussage diskutieren, bedarf es zunächst einer kurzen Betrachtung zur Struktur gleichlaufender privater und öffentlicher Interessen. Inwieweit können sie parallel verlaufen? Bereits an früherer Stelle 4 wurde gezeigt, daß private Interessen in einem umfassenden Sinne zu verstehen sind. Von Arnim beschreibt sie als alle Bestre1 Böhmer, Sondervotum zu BVerfG, Urt. v. 10. 3. 1981, BVerfGE 56, 249 (290) = NJW 1981, S. 1257 (1259, 1262); Bullinger, Die Enteignung zugunsten Privater, Der Staat, Bd. 1,1962, S. 450. 2 Böhmer, Sondervotum zu BVerfG, Urt. v. 10. 3. 1981, BVerfGE 56, 249 (290) = NJW 1981, S. 1257 (1259, 1262); Bullinger, Die Enteignung zugunsten Privater, Der Staat, Bd. 1, 1962, S. 450. 3 Böhmer, Sondervotum zu BVerfG, Urt. v. 10. 3. 1981- 1 BvR 92, 96/71, BVerfGE 56, 249 (279) = NJW 1981, 1257 (1262). 4 Siehe oben 7. Kap. E.

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7. Kap.: Allgemeinwohl bei Enteignung zugunsten Privater

bungen und Bedürfnisse, die sich aus der Vorstellung und dem freien Willen der Menschen ergeben. Die allgemeine Knappheit aller Ressourcen, insbesondere von Zeit, Raum und sachlichen Mitteln, bedingt, daß die Befriedigung des einen Interesses notwendigerweise zu Abstrichen bei anderen Interessen führen muß. Diesen privaten Interessen stehen die an normativen Maßstäben bewerteten Belange der Gemeinschaft gegenüber. Im Unterschied zu von Arnim 5 trifft es nicht zu, daß die Gemeinwohlwertigkeit mit der Zahl der Interessenträger ansteigt und ihren höchsten Grad erreicht, wenn sie die Gesamtheit der Staatsbürger umfaßt. Dies wäre eine verfehlte rein quantitative Betrachtung. Erforderlich ist vielmehr eine Gewichtung anhand der Maßstäbe der Rechtsordnung. Geht man von einer derartigen Interessenbestimmung aus, ergibt sich zwanglos, daß private Interessen und Allgemeinwohlbelange gleichgerichtet sein können6. Bereits im vorigen Jahrhundert war diese Erkenntnis in doppelter Richtung anerkannt: Zum einem ging man davon aus, daß ein Unternehmen, welches dem gemeinen Nutzen dient, diesen Charakter auch dann behielt, wenn es von einem Privaten in die Welt gesetzt wurde 7 . Die Begründung hierfür ist ebenso schlicht wie überzeugend. Neben dem Gewinn für den Privaten bleibt auch der Vorteil für die Allgemeinheit, der aus dem Unternehmen fließt. Zum anderen stellt man auf die Zweckbestimmung ab. Diente ein Werk nach seiner Bestimmung öffentlichen Zwecken, blieb es ein öffentliches Werk auch dann, wenn es nebenbei Ergebnisse zum privaten Nutzen abwarf 8. Im Grunde spiegelt sich darin der Urkonflikt innerhalb einer Gesellschaft zwischen Individuum und Gemeinschaft wider. Auf der einen Seite steht die einzelne Person. Aufgrund des allgemeinen Freiheitsrechts in Art. 2 Abs. 1 GG ist es jedem Menschen vom Grundsatz her erlaubt, in privatautonomer Selbstgestaltung seine Privatinteressen zu verfolgen, ohne daß er im Einzelfall über die Gemeinverträglichkeit oder gar Gemeinnützigkeit seiner Handlung Rechenschaft ablegen muß 9 . Auf der anderen Seite liegen die Belange der Allgemeinheit. Sie werden jedoch nicht ausschließlich vom Staat allein wahrgenommen 10. 5

Von Arnim, Gemeinwohl und Gruppeninteresse, S. 46. 6 So ausdrücklich auch Böhmer, Sondervotum zu BVerfG, Urt. 10. 3. 1981, BVerfGE 56, 249 (286) = NJW 1981, 1257 (1262); weiter kann auch auf die ständige Rechtsprechung des Schweizer Bundesgerichts verwiesen werden: „D'ailleurs, le Tribunal fédéral a jugé que, lorsque Γ intérêt public est en cause, Γ expropriation peut être ordonnée, même lorsqu' elle sert aussi et de façon prépondérante des intérêts privés (RO 24 I 686; cf. SJ 1914 p. 379)". Schweizer Bundesgericht, Urt. v. 14. 11. 1962, BGE 88 I S. 248 (254). Das Gericht hat aus diesem Satz in verschiedenen Fällen freilich unterschiedlich und sich durchaus widersprechende Schlußfolgerungen gezogen; vgl. hierzu Hans Huber, in: Staat und Privateigentum, S. 89. ι Von Henle, Die Zwangsenteignung von Grundeigentum in Bayern, S. 71. s Burger, Die wirtschaftlichen Auswirkungen des bayerischen Zwangsabtretungsgesetzes vom 17. 11. 1837, S. 53. 9 Vgl. hierzu beispielsweise Aicher, Grundfragen der Staatshaftung bei rechtmäßigem hoheitlichen Eigentumsbeinträchtigungen, S. 285; Schulte, Zur Dogmatik des Art. 14 GG, S. 105.

F. Allgemeinwohl und private Interessen

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Das Allgemeinwohl befindet sich vielmehr auch in der Hand der einzelnen Bürger. In diesem Satz liegt zugleich die tiefere Rechtfertigung der Enteignung zugunsten Privater. Er bedarf der Begründung, zunächst hinsichtlich seiner allgemeinen Gültigkeit, sodann für den Spezialfall seiner Gültigkeit für die Enteignung. Unsere Verfassung hat das Gemeinwohl als öffentliche Aufgabe erkannt und sie nicht allein dem Staat, sondern auch allen nichtstaatlichen Beteiligten anvertraut. Da das Individuum im Mittelpunkt unserer Verfassung steht, ist auch das Individuum aufgerufen, das Allgemeinwohl zu realisieren. Schon früh hat auch das BVerfG 11 erkannt, daß das Menschenbild des Grundgesetzes nicht das eines isolierten souveränen Individuums ist. Das Grundgesetz hat vielmehr die Spannung zwischen Individuum und Gemeinschaft im Sinne der Gemeinschaftsbezogenheit und Gemeinschaftsgebundenheit der Person entschieden, ohne dabei deren Eigenwert anzutasten. Das Bonner Grundgesetz behält Gemeinwohlverwirklichung daher auch nicht dem Staat vor, weder der Regierung noch der Verwaltung. I I I . Enteignung bei paralleler Interessenlage Liegen die privaten und die öffentlichen Interessen parallel, so ist eine Enteignung zugunsten eines Privaten nicht ausgeschlossen. Unbestritten ist dieser Satz zunächst für den Fall, in dem einem Privaten förmlich öffentliche Aufgaben im Sinne staatlicher Aufgaben übertragen worden sind. Dann stellt auch Böhmer eine privatbegünstigende Enteignung nicht in Frage 12 . Jedoch leitet Böhmer im übrigen aus Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG her, daß auch bei Parallelität von öffentlichen Belangen und privaten Interessen eine Enteignung zugunsten einer Privatperson verfassungswidrig ist 13 . Dem kann nicht gefolgt werden. Dies gilt zunächst bereits vom gedanklichen Ansatz her. Verschieden sind nämlich höchstens die Handlungsziele, was aber nicht ausschließt, 10 So vor allem auch Häberle, Öffentliches Interesse als juristisches Problem, S. 101 und S. 508: „Im Gemeinwesen hat auch der Bürger eine Gemeinwohlzuständigkeit"; siehe aber auch schon Häberlin, Lehre von der Zwangsenteignung, AcP 39 (1856), S. 1 ff (S. 163), und hierzu wiederum Grimm, Die Entwicklung des Enteignungsrechts unter dem Einfluß der Industrialisierung, S. 135; a.A. beispielsweise Krüger, Sozialisierung, S. 293, nach dem nur der Staat ein wahrhaftes Gemeinwesen mit ausschließlicher Bestimmheit durch das Gemeinwohl sei und die Einzigkeit des Staates innerhalb des Staatsgebildes bedeute, daß kein anderes soziales Gebilde diese Existenz und diesen Telos ausweisen könne; vgl. hierzu auch Ahlers, Die Sozialisierung von Grund und Boden, S. 104. π BVerfG, Urt. 20. 7. 1954, BVerfGE 4, 7 (15). 12 Böhmer, Sondervotum zu BVerfG, Urt. v. 10. 3. 1981-1 BvR 92,96 / 71, BVerfGE 56, 249 (290) = NJW 1981, 1257 (1262). 13 Böhmer, Sondervotum zu BVerfG, Urt. v. 10. 3. 1981 - 1 BvR 92,96 / 71, BVerfGE 56, 249 (290) = NJW 1981, 1257 (1262).

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7. Kap.: Allgemeinwohl bei Enteignung zugunsten Privater

daß die zur Zielverwirklichung vorgenommenen Handlungen dem Enteignungsbegünstigten und der Allgemeinheit nützen. Zutreffend sind selbstverständlich die in der Literatur angeführten Bedenken. Für einen Privaten, ob natürliche oder juristische Person, ist Gewinnmaximierung und Streben nach persönlichen Vorteilen ebenso vernünftiger wie menschlich verständlicher Hauptzweck seines Strebens 14. Ihm schwebt der eigene Nutzen vor Augen. Darauf ist sein Handeln final gerichtet. Dennoch kann auch ein solchermaßen profitorientiertes Handeln das Gemeinwohl fördern. Für die Allgemeinheit steht allerdings das Gebot optimaler Annäherung an das allgemeine Wohl im Vordergrund. Auch dies vermag übrigens profitabel zu sein. Trotz der verschiedenen Ziele können die erreichten Wirkungen und Folgeerscheinungen identisch sein. Erfüllen sie die Anforderungen, die das Allgemeinwohl an eine Enteignung stellt, ist diese Enteignung verfassungsmäßig, unabhängig von der Person des Begünstigten. Gegen die verfassungsmäßigen Bedenken Böhmers sprechen weiter Argumente der Zweckmäßigkeit 15 . Denn so manche Probleme von gesellschaftlichem Rang können nur unter Einbeziehung privater Aktivitäten einer halbwegs befriedigenden Lösung zugeführt werden. Sie reichen nicht selten bis an die Grenzen staatlichen Leistungsvermögens heran. Entgegen vereinzelten Literaturstimmen 16 können aber die verfassungsmäßigen Bedenken gegen eine Enteignung zugunsten Privater nicht durch derartige Zweckmäßigkeitsüberlegungen vom Tisch gewischt werden. Bedeutsam ist demgegenüber zunächst einmal die Entscheidung des demokratisch legitimierten Gesetzgebers. Zwar sind ausdrückliche gesetzliche Regelungen selten. Aber es läßt sich feststellen, daß der Gesetzgeber vom Grundsatz her eine Enteignung zugunsten Privater bejaht. An dieser Stelle genügt es, hierfür ein Beispiel anzuführen. Beim Wiederaufbau der zerstörten Städte hat der Nachkriegsgesetzgeber der privaten Initiative besondere Bedeutung zugemessen und auf die Mobilisierung privaten Kapitals vertraut. So kamen von Anfang an nicht nur die öffentliche Hand, sondern auch private Bauwillige als potentiell Begünstigte einer städtebaulichen Enteignung in Betracht 17 . Letztlich können die verfassungsrechtlichen Bedenken Böhmers aber nur innerhalb der Verfassung selbst gelöst werden. Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG entfaltet insoweit seine Wirksamkeit. Er legt als Enteignungsvoraussetzung das Wohl der Allgemeinheit fest. Bei paralleler Interessenlage wird es durch die Ziele des Enteignungsbegünstigten selbst in Frage gestellt und ist von daher besonders Grämlich, „Privatbegünstigende" Enteignung als Verfassungsproblem, JZ 1986, S. 269 (276). 15 Battis, Eigentumsschutz und Entschädigung, NVwZ 1982,588; Breuer, Anmerkung zu BVerfG, Urt. 10. 3. 1981, 1 BvR 92, 96/71, DVB1. 1981, S. 974 (975). 16 Battis, Eigentumsschutz und Entschädigung, NVwZ 1982,588; Breuer, Anmerkung zu BVerfG, Urt. 10. 3. 1981, 1 BvR 92, 96/71, DVB1. 1981, S. 974 (975). 17 Auf dieses Beispiel hat Frenzel, Das öffentliche Interesse als Voraussetzung der Enteignung, S. 134, zu Recht hingewiesen.

F. Allgemeinwohl und private Interessen

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gefährdet. Diese Gefährdung auf ein Minimum zu reduzieren und nach Möglichkeit völlig auszuschalten, verlangt die Verfassung in Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG. Die Gemeinwohlrealisierung muß daher von der Enteignungsbehörde gesichert werden. Auf die dabei denkbaren und möglichen Sicherungsmittel wird später noch gesondert einzugehen sein 18 . Sind derartige Sicherungsmaßnahmen ergriffen, ergeben sich jedenfalls aus der Parallelität der Interessenlage keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Enteignung zugunsten Privater mehr. Für einen ähnlich gelagerten Fall hat dies auch das BVerfG anerkannt, als es die Enteignung zugunsten eines privatrechtlich organisierten Energieversorgungsunternehmens der öffentlichen Hand zuließ. Dabei hat es unter anderem ausgeführt 19: „Daß mit dem beabsichtigten Unternehmen private Interessen verfolgt werden, schließt nicht aus, daß seine Verwirklichung auch im öffentlichen Interesse liegt". Damit wird vom BVerfG aufgrund der besonderen Zielsetzung des Enteignungsunternehmens seine Verwirklichung in privater Hand für bedeutungslos erachtet. Das Wohl der Allgemeinheit rechtfertigt das Opfer, das der Enteignete zu erbringen hat, auch dann, wenn dieses Allgemeinwohl sich in der Person eines Privaten realisiert. Das Ergebnis dieses Beschlusses des BVerfG wird weithin von der Literatur mitgetragen, teilweise sogar für selbstverständlich erachtet 20. Auch wenn mit dem öffentlichen Zweck ein privates Interesse parallel läuft, ist eine Enteignung verfassungsmäßig.

IV. Die Frage nach dem Übergewicht öffentlicher Belange über private Interessen des Enteignungsbegünstigten Die soeben beschriebene Parallelität öffentlicher und privater Interessen an der Verwirklichung eines geplanten Vorhabens liegt bei einer privatbegünstigenden Enteignung stets vor. Ein Teil der Literatur stellt für diese Enteignungsfälle eine weitere Forderung auf: Das öffentliche Interesse an der Enteignung müsse das private Interesse des künftigen Begünstigten überwiegen 21. Folgt man dieser Ansicht, sind die öffentlichen Belange und die Ziele des privaten Begünstigten einander gegenüberzustellen, zu gewichten und miteinander zu vergleichen. Danach wäre es ausgeschlossen, für ein Vorhaben zu enteignen, das dem künftigen

is Vgl. hierzu unten 9. Kap. 19 BVerfG, Beschl. v. 20. 3. 1984, BVerfGE 66, 248 (257) = NJW 1984, 1872 ff. 20 Zustimmend ζ. B. v. Brünneck, Das Wohl der Allgemeinheit als Voraussetzung der Enteignung, NVwZ 1986, 425 (430); Schack, Enteignung, EStL, Hrsg. Kunst/ Herzog / Schneemelcher, 2. Aufl. 1975. 21 So Schack, Enteignung „nur zum Wohle der Allgemeinheit", BB 1961, S. 76; Fergg, Die Zwangsenteignung in Bayern, 1934, S. 15; Seufert, Bayerisches Enteignungsrecht, S. 46; im Ergebnis unklar: Stengel, Die Grundstücksenteignung zugunsten privater Wirtschaftsunternehmen, S. 29.

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7. Kap.: Allgemeinwohl bei Enteignung zugunsten Privater

Eigentümer mehr Nutzen bringt als der Allgemeinheit. Nur wenn der Profit der Allgemeinheit größer ist, dürfte enteignet werden. Das Schweizer Bundesgericht folgt vom Grundsatz her dieser These und geht sogar noch einen Schritt weiter. Auch wenn das Eigentum auf den Staat und nicht auf eine Privatperson im Wege der Enteignung übertragen wird, prüft es, ob von der Enteignungsmaßnahme private Interessen gefördert werden. Ist dies der Fall, spricht dies nach der Rechtsprechung des Schweizer Bundesgerichts solange nicht gegen das Vorhandensein eines öffentlichen Interesses, als die in der gléichen Richtung laufenden privaten Interessen nicht offensichtlich die Oberhand haben 22 . Aber auch in der Rechtsprechung des BVerfG lassen sich Ansätze in dieser Richtung ausmachen. So spricht es beispielsweise davon, daß die öffentliche Zielrichtung die privatrechtliche Struktur des Unternehmens überlagert 23. Damit werden Assoziationen an die Notwendigkeit eines Übergewichts des Allgemeinwohls über die privaten Interessen des künftigen Begünstigten geweckt. Derartige Forderungen sind jedoch abzulehnen. Zum einen wäre das Überwiegen personenbezogen im Hinblick auf den privaten Begünstigten zu bestimmen. Es lassen sich aber keine Anhaltspunkte dafür finden, daß Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG von künftigen Zuordnungsberechtigten des Eigentums altruistische Motive erwartet. Vor dem Hintergrund der hier vertretenen Ansicht zur Gemeinwohlbestimmung bei einer Enteignung handelt es sich darüber hinaus um einen grundlegend falschen Ansatz. Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG schreibt mit Verfassungsrang vor, daß die Ziele des Begünstigten für die Enteignung keine Rolle spielen dürfen. Danach kann es auch nicht darauf ankommen, welches Gewicht sie im Vergleich zu den Belangen der Allgemeinheit vorweisen können. Diese Gegenüberstellung ist ohne jede Aussagekraft. Kraft Verfassungsrechts ist vielmehr allein entscheidend, ob die Belange der Allgemeinheit so gewichtig sind, daß sie den Anforderungen des Wohls der Allgemeinheit iSd Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG genügen. Diese Frage aber ist ausschließlich im oben aufgezeigten, durchgestuften Weg der Gemeinwohlfindung zu beantworten. Ob die öffentlichen Belange die privaten Interessen des Enteignungsbegünstigten überwiegen, spielt dabei aber keine Rolle.

22 Schweizer Bundesgericht, Urt. v. 16. 12. 1964, BGE 901 328 (332); unter Hinweis auf das Urteil vom 14. 11. 1962, BGE 88 I 248 (253), wo ausgeführt wird: „II n'a cependant jamais exigé que ces entreprises fussent destinées à servir exclusivement l'intérêt public. Au contraire, il a souvent déclare constitutionellès des expropriations qui favorisaient en même temps des intérêts privés, pourvu qu'il n'y ait pas une disproportion évidente entre l'intérêt privé réellement poursuivi et l'intérêt public allégué". Vgl dort auch zu weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung des Schweizer Bundesgerichts. Zur Kritik an den unterschiedlichen Ergebnissen dieser Rechtsprechung vgl. Hans Huber, Öffentliche Gewährleistung, Beschränkung und Inanspruchnahme privaten Eigentums in der Schweiz, S. 89 f, in: Kaiser, Staat und Privateigentum. 23 BVerfG, Beschl. v. 20. 3. 1984, BVerfGE 66, 248 (257) = NJW 1984, S. 1872.

F. Allgemeinwohl und private Interessen

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V. Die Frage nach der Unmittelbarkeit des Unternehmensvorteils Bewirkt eine Enteignung einen Übergang des Eigentums auf den Staat, ist dies unter dem folgenden Gesichtspunkt unproblematisch: Das Eigentum der öffentlichen Hand besteht immer nur treuhänderisch für die Allgemeinheit. Der Staat ist daher von Hause aus verpflichtet, sein Eigentum gemeinschaftsnützig zu erhalten und zu verwalten 24 . Wird ein Privater von der Enteignung begünstigt, ist gerade dies problematisch. Hier wurde vertreten, daß sich aus Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG deswegen die Notwendigkeit zu entsprechenden Sicherungsvorkehrungen ergibt. Ein Teil der Literatur stellt darüber hinaus für die Enteignung zugunsten Privater eine weitergehende Forderung auf. Der Nutzen muß in diesem Fall ein unmittelbarer sein. Insbesondere Häberlin 25 trat bereits dezidiert für diese These ein. Die Unmittelbarkeit läßt sich nach seiner Ansicht am besten daran ablesen, ob eine Anlage dem Publikum allgemein zugänglich ist oder nicht. Von seinem Standpunkt aus bejaht er die Zulässigkeit der Enteignung für eine private Eisenbahngesellschaft und lehnt folgerichtig die Enteignung für eine Fabrik ab. Daran hält er ausdrücklich auch für den Fall fest, daß sich das Industrievorhaben etwa durch Linderung von Armut oder Arbeitslosigkeit günstig für die Öffentlichkeit auswirkt. Wie Huber berichtet, hat sich dieser Meinung auch der Consiglio di Stato, das oberste Verwaltungsgericht Italiens, angeschlossen26. Er urteilte, daß die Enteignung für den Bau oder den Ausbau einer Fabrik, die die Arbeitslosigkeit beseitigen könnte, unstatthaft ist, da ein derartiges Unternehmen dem Allgemeinwohl nur indirekt dient. Huber selbst nimmt zur Frage der Unmittelbarkeit des Unternehmensvorteils für die Allgemeinheit eine zwiespältige Haltung ein. Einerseits lobt er die Rechtsprechung des obersten italienischen Verwaltungsgerichts 27, andererseits stimmt er auch dem Schweizer Bundesgericht zu 2 8 . Dieses hatte eine Enteignung zum Bau billiger Wohnungen in Genf für rechtmäßig gehalten und dabei betont, dies gelte, obwohl das öffentliche Interesse nur indirekt betroffen ist 29 .

24 Vgl hierzu Hillermeier, Stärkere Sozialbindung des Eigentums, BayVBl. 1985, S. 449 (450). 25 Häberlin, Lehre von der Zwangsenteignung, AcP 39 (1856), S.l ff (163); ferner Grimm, Die Entwicklung des Enteignungsrechts unter dem Einfluß der Industrialisierung, S. 135, in: Wissenschaft und Kodifikation des Privatrechts im 19. Jahrhundert, Hrsg. Coing /Wilhelm. 26 Die Rspr. des Consiglio di Stato ist nachgewiesen bei H. Huber, Das Gemeinwohl als Voraussetzung der Enteignung, in: Zeitschrift für Schweizerisches Recht, n.F. Bd. 84, 1965, S. 39 (60). 27 Huber, Das Gemeinwohl als Voraussetung der Enteignung, in: Zeitschrift für Schweizerisches Recht, n.F. Bd. 84, 1965, S. 39 (60). 28 Huber, Bemerkungen zur Schweizerischen Rechtsprechung 1961/62, in: ZBJV 99, S. 471.

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7. Kap.: Allgemeinwohl bei Enteignung zugunsten Privater

Geschichtlich läßt sich freilich die Unmittelbarkeitsforderung nicht begründen. § 2 des badischen Enteignungsgesetzes von 1835 legt beispielsweise fest: „Als öffentlich gilt der Nutzen der Unternehmung, für welche die Abtretung gefordert wird, nicht nur, wenn er dem Staat unmittelbar, sondern auch wenn er demselben bloß mittelbar zugute kommt" 3 0 . Eine erhebliche Zahl renomierter Autoren hält heute ebenfalls eine unmittelbare Begünstigung der Allgemeinheit für nicht erforderlich. Im Anschluß an Weber 31 lassen sie es genügen, daß sich in dem Träger des Enteignungsvorhabens „eine dem Gemeinwohl dienende Aufgabe verwirklicht". Dem hat sich das Bundesverfassungsgericht angeschlossen32. Dies ist richtig. Die Unmittelbarkeit des Unternehmensvorteils ist als Entscheidungskriterium bei der Enteignung zugunsten Privater ungeeignet. Zunächst haftet dem Begriff die übliche Unbestimmtheit der Grenzziehung zwischen mittelbaren und unmittelbaren Vorteilen an. Er entpuppt sich zudem als nicht sachbezogen, sondern personenabhängig. Würde ein Industrieanschlußgleis von der Fabrik betrieben, wäre eine Enteignung hierfür rechtswidrig. Stellt dagegen die Deutsche Bundesbahn den Antrag, wäre der zwangsweise Eigentumsentzug rechtmäßig 33. Sind im ersten Fall von der Enteignungsbehörde entsprechende Vorkehrungen zur Sicherung des Erschließungszwecks getroffen, vermag man einen sachlichen Grund für das unterschiedliche Ergebnis nicht mehr zu erkennen. Ferner vermag das Unmittelbarkeitskriterium im konkreten Fall weder eine Entscheidungshilfe zu bieten, noch angemessene Ergebnisse zu erzielen. Nach weitgehend unbestrittener Ansicht ist beispiesweise eine Enteignung für eine Stromleitung zur Erschließung eines Gebietes mit Elektrizität regelmäßig rechtmäßig, während die Enteignung zum Bau einer Bäckerei regelmäßig rechtswidrig sein wird. In beiden Fällen geht es um die Befriedigung lebensnotwendiger Bedürfnisse innerhalb unserer Gesellschaft. Beide Fallgestaltungen weisen die gleiche Unmittelbarkeit auf, da zwischen Unternehmer und Verbraucher jedesmal der Verkauf der Ware liegt. Daß im zweiten Beispiel die freie Marktwirtschaft für eine Bedürfnisbefriedigung sorgt und Enteignungen (derzeit) überflüssig werden läßt, macht den Unterschied aus und nicht das Kriterium der Unmittelbarkeit. Aber auch umgekehrt muß der Enteignungsgegenstand nicht von jedermann beliebig benutzt werden können, wenn er durch Enteignung in die Hand eines 29 Schweizer Bundesgericht, Urt. v. 14. 11. 1962, BGE 88 I. S. 248 (254): „II n'en demeure pas moins . . . que l'intérêt public mis en cause est touché d'une façon surtout indirecte". 30 Grimm, Die Entwicklung des Enteigungsrechts, S. 132. 31 Weber, in: Neumann / Nipperdey / Scheuner, Die Grundrechte, Bd. 2, S. 381; ihm folgend beispielsweise Kimminich, BK zum GG, Art. 14 GG, Rdnr. 270; Joseph Kaiser, in: Staat und Privateigentum, S. 46. 32 BVerfG, Urt. v. 24. 3. 1987 - 1 BvR 1046/85 — , S. 27, BVerfGE 74, 264 (284) = NJW 1987, 1251. 33 So in der Tat, wenn auch in der Begründung über die Rechtsfigur des Beliehenen Otto Mayer, Verwaltungsrecht II., S. 19.

G. Das notwendige Gewicht der Allgemeinwohlaufgabe

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Privaten gelangt ist. Die Begründung hierfür hat bereits Bullinger 34 geliefert. In unserem Sozialstaat (Art. 20 Abs. 1 GG ) kann das private Wohlergehen des einzelnen Bürgers zum Gegenstand öffentlicher Sorge werden. Anderenfalls hätten wir über die Hintertüre wiederum rein quantitative Entscheidungskriterien eingeführt, deren verfassungsmäßige Unzulässigkeit bereits oben nachgewiesen wurde 35 . Das Enteignungsunternehmen muß daher keinen unmittelbaren Unternehmensvorteil für die Allgemeinheit bringen.

G. Das notwendige Gewicht der Allgemeinwohlaufgabe bei einer Enteignung zugunsten Privater Über die Verfassungsmäßigkeit privatbegünstigender Enteignungen kann im konkreten Einzelfall nicht entschieden werden, ohne sich Klarheit darüber zu verschaffen, welche Anforderungen die Verfassung selbst an das notwendige Gewicht der Allgemeinwohlaufgabe stellt. Im Rahmen des hier vertretenen abgestuften Entscheidungsprozesses zur Gemein wohlfìndung wird dies auf der vierten und sechsten Stufe, der Gewichtung der Belange der Allgemeinheit an der Enteignung, von besonderem Interesse sein.

I. Erforderlichkeitsbetrachtungen Die hier aufgeworfene Frage wird traditionell mit Betrachtungen zur Erforderlichkeit oder Notwendigkeit des staatlichen Handelns eingeleitet. In Seltener Einmütigkeit folgt zumeist die Formel von der Enteignung als dem letzten staatlichen Mittel, das erst in Anspruch genommen werden darf, wenn dies unvermeidbar sei 1 . Sodann aber verlieren sich die Erörterungen nur allzuoft sehr schnell in einem wahren Argumentationsnebel. In ihm kann man Gesichtspunkte erkennen wie die Unumgänglichkeit der Inanspruchnahme des privaten Eigentums, wirtschaftliche Erfordernisse bis hin zur Feststellung, daß das staatliche Handeln vernünftigerweise geboten ist und das verfolgte Ziel nicht in weniger schwer eingreifender Weise erreicht werden kann 2 . Derartige Erörterungen sind zu pauschal. Vielmehr ist das Erforderlichkeitskriterium nach der jeweiligen Bezugsgröße zu differenzieren. Und je nach Bezugsgröße variiert auch die jeweils notwendige Erforderlichkeitsdichte. Die hier vertretene Auffassung zur Gemeinwohlfindung im Wege eines durchgestuften Abwägungsvorganges hat die Not34

Bullinger, Die Enteignung zugunsten Privater, Der Staat, Bd. 1, 1962, S. 451. 35 Vgl oben 7. Kap. C. II. 5. ι Kimminich, in: BK zum GG, Art. 14 Rdnr. 507 ff; Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14 Rdnr. 507, jeweils m. w. N. 2 Schmidt-Bleibtreu / Klein, GG, Art. 14 Rdnr. 13.

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7. Kap.: Allgemeinwohl bei Enteignung zugunsten Privater

wendigkeit dieser Unterscheidungen vor Augen geführt. Denn in ihm taucht die Voraussetzung der Erforderlichkeit an unterschiedlichen Stellen mit unterschiedlichen inhaltlichen Anforderungen auf. Die privatbegünstigende Enteignung zwingt insoweit zu einer dreifachen Differenzierung der Erforderlichkeit:

1. Die Erforderlichkeit der Enteignung Auf der sechsten Stufe der Gemeinwohlfmdung war eine Abwägung der widerstreitenden Belange anhand der Maßstäbe des Verhältnismäßigkeitsprinzips vorzunehmen. Auf der zweiten Ebene dieser Verhältnismäßigkeitsprüfung stellt sich die Frage, ob der Einsatz des Zwangsinstruments Enteignung zur Durchsetzung des Wohls der Allgemeinheit erforderlich ist. Die Erforderlichkeit unterliegt hier strengen Maßstäben. Ihre Bejahung setzt voraus, daß der zwangsweise Entzug des Eigentums das mildeste Mittel zur Realisierung des Vorhabens ist. Die so verstandene Erforderlichkeit der Enteignung hat sowohl das BVerfG 3 als auch das BVerwG 4 in ständiger Rechtsprechung betont. Zum Teil hat sie ihren Niederschlag auf einfachgesetzlicher Ebene gefunden 5. Die wichtigsten Ausflüsse der Erforderlichkeit der Enteignung seien daher nur kurz genannt. Eine Enteignung ist nur rechtmäßig, wenn der Enteignungszweck nicht auf andere zumutbare Weise erreicht werden kann. Demgemäß ist der völlige Eigentumsentzug unzulässig, wenn es zur Verwirklichung des Enteignungszweckes genügt, nur eine Teilfläche in Anspruch zu nehmen oder das fragliche Eigentum lediglich mit einem Recht zu belasten. Die Prüfung der Erforderlichkeit bei einer Enteignung zugunsten Privater gewinnt vor allem unter zwei Aspekten Bedeutung: Die Enteignung ist zunächst nur zulässig, wenn dem künftigen privaten Eigentumsinhaber der freihändige Erwerb des betroffenen Grundstücks unmöglich ist. Zunächst ist also ein Kaufangebot zum marktüblichen Preis notwendig. Wird dies vom bisherigen Eigentümer nicht akzeptiert, darf zugunsten Privater nur enteignet werden, wenn nicht allein auf den Marktpreis abgestellt wird, sondern das Allgemeinwohl entscheidend mit in die Betrachtung einbezogen wird 6 . Nur wenn das Wohl der Allgemeinheit Schaden nimmt, läßt sich bei dieser Konstellation eine Enteigung zugunsten Privater rechtfertigen.

3 BVerfG, Urt. v. 18. 12. 1968, BVerfGE 24,367 (404) = NJW 1969,309. Im Beschluß vom 9. 6. 1987, DVB1. 1987, 895 (896) betont das BVerfG nochmals ausdrücklich, daß das Vorliegen eines gesetzlich normierten, abstrakten Enteignungszweckes allein noch nicht ausreicht, die Erforderlichkeit der Enteignung zu bejahen. 4 BVerwG, Urt. v. 26. 3. 1955, BVerwGE 2, 36 (38): „Die Enteignung darf nur das letzte mögliche Mittel zur Beschaffung des Gegenstandes sein". 5 § 87 Abs. 1 BauGB, Art. 3 Abs. 1 BayEG; § 87 Abs. 2 S. 1 BauGB, Art. 3 Abs. 2 S. 1 BayEG; § 92 Abs. 1 BauGB, Art. 6 BayEG. 6 A.A.: Schmidt-Aßmann / Frenzel, in: Ernst / Zinkahn, BBauG, § 87 Rdnr. 15; vgl. zur weiteren Begründung der hier vertretenen Ansicht auch schon oben 7. Kap. C. I. 3.

G. Das notwendige Gewicht der Allgemeinwohlaufgabe

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Schließlich ist gerade die Enteignung zugunsten eines Privaten dann nicht erforderlich, wenn der bisherige Eigentümer selbst sein Eigentum entsprechend dem Zweck der beabsichtigten Enteignung nutzen will. Auch dieser Satz war in der Verwaltungspraxis keineswegs immer anerkannt 7. Der BGH 8 hat ihn jüngst jedoch bestätigt.

2. Die Erforderlichkeit des Vorhabens Von der Erforderlicheit der Enteignung ist die Prüfung der Erforderlichkeit des Vorhabens strikt zu trennen. Sie findet im Rahmen des gegliederten Abwägungsvorgangs zur Gemeinwohlfindung auf der vierten Stufe statt. Sie unterliegt nicht denselben strengen Maßstäben. Die notwendige Dichte der Erforderlichkeitskriterien ist hier wesentlich lockerer, da sich in diesem Zusammenhang die Planungsermächtigung auswirkt. So kann an dieser Stelle der Rechtsprechung des Β VerwG 9 zugestimmt werden. Danach ist ein Vorhaben nicht erst erforderlich, wenn es unausweichlich ist, sondern wenn es objektiv vernünftigerweise geboten ist. Die Formulierungen der Literatur 10 hierzu variieren, laufen jedoch auf dasselbe Ergebnis hinaus.

3. Die Erforderlichkeit der Vorhabensrealisierung in privater Hand Speziell bei der privatbegünstigenden Enteignung stellt sich die Frage, ob aus dem Erforderlichkeitsprinzip folgt, daß auch die Realisierung des Vorhabens gerade in der Hand eines Privaten notwendig sein muß. Dies stellt ein Problem der sechsten Stufe des Abwägungsvorganges dar. Zur Beantwortung ist von Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG auszugehen. Die Vorschrift selbst legt für die Enteignungsprüfung eine zweckbezogene Betrachtung fest 11 . Daraus folgt, daß auch hier nicht die Person im Mittelpunkt stehen kann, sondern es entscheidend auf die Realisierung des Gemeinwohlvorhabens durch den privaten Begünstigten ankommt. Legt man dies zugrunde, gelangt man im Ausgangspunkt zu einem eindeutigen Ergeb7 Ausdrücklich anders beispielsweise die Hamburger Baubehörde, Die Enteignung als ein Mittel zur Baulandbeschaffung, 1960, S. 18, die auf eine entsprechende (!) Bauabsicht des Betroffenen,»keine Rücksicht nehmen" will, wenn ansonsten ein größeres, zusammenhängendes Wohnungsbauvorhaben nicht ausgeführt werden kann. Diese Ansicht ist m. E. mit Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG unvereinbar. s BGH, Urt. v. 28. 5. 1984, NVwZ 1986, 506 (507). 9 BVerwG, Urt. 6. 12. 1985, BVerwGE 72, 282 (285), unter Hinweis auf BVerwGE 56, 110 (119). 10 Vgl. statt vieler: Imboden, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, Bd. II, S. 902, der davon spricht, daß nicht nur der umbedingt notwendige, sondern auch der zur zweckmäßigen Realisierung des Werkes erforderliche Eingriff zulässig ist. 11 Vgl. hierzu bereits oben 7. Kap. C. I. 1. 11 Schmidbauer

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7. Kap.: Allgemeinwohl bei Enteignung zugunsten Privater

nis. Die Rechtmäßigkeit der Enteignung setzt nicht voraus, daß das Vorhaben seine Verwirklichung ausgerechnet durch eine Privatperson erfordert. Andererseits hängt es aber durchaus auch von der Person des Enteignungsbegünstigten ab, ob das Unternehmen, für das enteignet werden soll, durchgeführt wird. Ist dies der Staat, stellen sich insoweit keine Probleme. Ist dies dagegen ein Privater, bedarf es regelmäßig besonderer Sicherungen zur Zweckverwirklichung. Damit wird ein Zusammenhang zwischen der hier zu prüfenden Erforderlichkeit und der vorhandenen Sicherungsdichte erkennbar. Aus ihm lassen sich Rückschlüsse für die Erforderlichkeit selbst herleiten. Hat sich zunächst der Gesetzgeber selbst für eine Vorhabensrealisierung in privater Hand entschieden und ist für die notwendigen Sicherungen gesorgt, steht es in seinem alleinigen gesetzgeberischen Ermessen, einen Privaten zum Begünstigten der Enteignung zu machen. Weitere verfassungsrechtliche Schranken sind hierfür nicht ersichtlich. Liegt eine solche gesetzgeberische Festlegung nicht vor und ist die Entscheidung damit der Verwaltung auferlegt, so gilt: Je dichter die Sicherung der Zweckverwirklichung ist, um so geringer muß die Notwendigkeit sein, das Enteignungsunternehmen gerade durch einen Privaten realisieren zu lassen. Zusammengefaßt läßt sich sagen: Die Erforderlichkeit der Vorhabensrealisierung in privater Hand steht in einem umgekehrt proportionalem Verhältnis zur Sicherungsdichte.

II. Verfassungsrechtliche Maßstäbe außerhalb des Art. 14 GG Weitgehend unbemerkt von der gängigen verfassungsrechtlichen Diskussion haben sich in der Literatur Stimmen erhoben, die die Gemeinwohlaufgabe in Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG für den Fall einer privatbegünstigenden Enteignung mit verfassungsrechtlichen Maßstäben anzureichern versuchen, die sie im Grundgesetz außerhalb des Art. 14 GG gewinnen wollen. Im Unterschied zu den oben bereits diskutierten Fällen sollen diese verfassungsrechtlichen Grundsätze und Normen nicht zur Bestimmung des Wohls der Allgemeinheit herangezogen werden, sondern sich ausschließlich auf das für eine Enteignung zugunsten Privater notwendige Gewicht der Gemeinwohlaufgabe auswirken. Dabei erfolgt die angebliche Beeinflussung aber in durchaus unterschiedlichen Richtungen.

1. Art. 15 GG als Grenze der Enteignung zugunsten Privater Art. 15 GG ermöglicht die Sozialisierung von Grund und Boden, Naturschätzen und Produktionsmittel. Ein Teil der Literatur möchte aus dieser Vorschrift verfassungsrechtliche Grenzen für die privatbegünstigende Enteignung nach Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG herleiten. In der Tat erfaßt Art. 15 GG produktives Großeigentum,

G. Das notwendige Gewicht der Allgemeinwohlaufgabe

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das ökonomische und politische Macht verleiht und wegen dieses öffentlichen Charakters gegen einen Zugriff des Staates schwächeren Schutz genießt12. So wurde denn auch schon von verschiedenen Seiten zur Lösung der Bodenspekulationsprobleme beim Bauland auf die Sozialisierungsermächtigung des Art. 15 GG hingewiesen. Getragen von dem Gedanken, den Eigentumsschutz zu stärken, leitet Forsthoff 13 hieraus eine weitergehende These her. Nach seiner Ansicht gibt es ausschließlich zwei Möglichkeiten. Entweder es müsse auf eine Enteignung mit dem Ziele der Schaffung neuen Eigentums in der Hand einzelner Privater ganz verzichtet werden oder aber Grund und Boden müßten sozialisiert werden. Im Ergebnis bedeutet dies ein Verbot der Enteignung zugunsten Privater, soweit der Regelungsgegenstand des Art. 15 GG reicht. Dies vermag nicht zu überzeugen, da Forsthoff in zwei wesentlichen Punkten eine Begründung schuldig bleibt. Zum einem fehlt es an der Darlegung, daß sich Art. 15 GG Ausschließlichkeitscharakter beimißt, zum anderen gibt es in Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG keinerlei Anhaltspunkte, daß er bestimmte Eigentumsgegenstände aus seinem Regelungsbereich ausnimmt. Einer Enteignung von Grund und Boden, Naturschätzen und Produktionsmitteln zugunsten Privater steht daher Art. 15 GG solange nicht entgegen, als nicht zumindest einer dieser Punkte nachgewiesen ist — was nicht gelingen wird 1 4 . Ebenfalls Art. 15 GG hat Grämlich als Ausgangspunkt gewählt, wenn auch seine Argumentation einen anderen Ansatz sucht. Art. 15 GG errichtet seiner Meinung nach eine Schranke der privatbegünstigenden Enteignung, weil allein ein Vorgehen nach dieser Norm die dauerhafte Gewähr dafür bieten könne, daß ein Eigentumsentzug zugunsten eines dann gemeinwirtschaftlichen Unternehmens fortdauernd dem Wohl der Allgemeinheit dient 15 . Grämlich bleibt aber jede Begründung schuldig, warum ausschließlich die Anwendung des Art. 15 GG eine solche Garantie geben sollte. Demgegenüber ist zu beachten: Das Wohl der Allgemeinheit wird bei allen zum Zwecke der Vergesellschaftung vorgenommenen Überführungen in Gemeineigentum von der Verfassung selbst ohne weiteres unterstellt 16. Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG gilt im Rahmen des Art. 15 GG nicht. Der Gesetzgeber ist danach befugt, aus gesellschafts- und staatspolitischen Erwägungen heraus, bestimmte wirtschaftliche Machtstellungen nicht in den Händen einzelner zu belassen. Der Nachweis des Nutzens der Sozialisierungsmaßnahme 12

Zu Einzelheiten vgl. beispielsweise Raiser in der Aussprache zum Referat von Ridder, Enteignung und Sozialisierung, VVDStRL 10 (1952), S. 167. 13 Forsthoff, Zur Lage des verfassungsrechtlichen Eigentumsschutzes, in: Festgabe für Maunz, 1971, S. 98 ff; 14 Ablehnend auch Opfermann, Die Enteignungsentschädigung nach dem Grundgesetz, S. 249, wenn auch nur mit reinen Zweckmäßigkeitsüberlegungen. 15 Grämlich, „Privatbegünstigende" Enteignung als Verfassungsproblem, JZ 1986, 269 (277). 16 Knoll, Eingriffe in das Eigentum im Zuge der Umgestaltung gesellschaftlicher Verhältnisse, AöR Bd. 79 (1954), S. 495. 11*

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7. Kap.: Allgemeinwohl bei Enteignung zugunsten Privater

zum konkreten Wohl der Allgemeinheit im Einzelfall ist danach nicht erforderlich 17. Zudem ist keineswegs ausgeschlossen, daß die Träger des sozialisierten Eigentums auch Private sein können. Wer freilich im einzelnen dafür in Frage kommt, ist weitgehend ungeklärt. Genannt werden neben der öffentlichen Hand vorwiegend private natürliche oder juristische Personen: überindividuelle Gesamtheiten18, gesellschaftliche Kollektivorgane 19 , das (gewerkschaftlich organisierte) werktätige Volk, die Gewerkschaften, die Belegschaft eines Unternehmens20. Bei ihnen allen stellen sich hinsichtlich der Erreichung des Vergesellschaftungszwecks dieselben Sicherungsprobleme wie bei einer Enteignung zugunsten Privater. Daß Art. 15 GG eine Grenze für die privatbegünstigende Enteignung darstellt, wird nicht zuletzt auch durch den Inhalt der Verfassungsnorm selbst widerlegt, wie sie ihn durch die Rechtsprechung des BVerfG erfahren hat 21 . Art. 15 GG beinhaltet danach ausschließlich eine Befugnis für den Gesetzgeber, aber keinen Verfassungauftrag zur Sozialisierung. Ob und in welchem Umfang dieser von der Befugnis Gebrauch macht, bleibt allein seiner politischen Entscheidung überlassen. Art. 15 GG hat dem Staat auch kein Gebot auferlegt, alles zu unterlassen, was eine künftige Sozialisierung erschweren könnte. Das BVerfG hat deshalb entschieden, daß staatliche Unternehmen auch dann privatisiert werden dürfen, wenn sie gemäß Art. 15 GG sozialisiert werden könnten: Daraus läßt sich folgern, daß sich jedenfalls aus Art. 15 GG kein Verbot herleiten läßt, bei einer Enteignung dürfe der Eigentumsgegenstand nicht auf einen Privaten übertragen werden.

2. Verfassungsrechtliche Verpflichtung zur Enteignung zugunsten Privater In geradezu entgegengesetzter Richtung versuchen mehr oder weniger offen vereinzelt andere Autoren, durch verfassungsrechtliche Grundentscheidungen außerhalb des Art. 14 GG das Wohl der Allgemeinheit derart zu gewichten, daß sich regelmäßig eine objektive Pflicht des Staates ergibt, die enteignete Sache auf einen Privaten (weiter) zu übertragen. Im Ergebnis hätte dies zur Folge, daß der Staat selbst als Unternehmensträger einer Enteignung eher der Ausnahmefall wäre. Diese objektive Rechtspflicht des Staates soll sich aus dem Zusammenhang der Eigentumsgarantie mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht, der Freiheit 17 Zum Übermaß verbot im Rahmen des Art. 15 GG siehe aber Lerche, Übermaß und Verfassungsrecht, S. 234. 18 Hamann, Wirtschaftsverfassungsrecht, S. 168. 19 Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht II, S. 168. 20 Benda, Industrielle Herrschaft und sozialer Staat, S. 367; Welty, Herders Sozialkatechismus III, S. 85. 21 BVerfG, Urt. v. 17. 5. 1961, BVerfGE 12, 354 (364) = NJW 1961, 1107 (1108) — Privatisierung des Volkswagenwerkes.

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der Person und der Wirtschaftsverfassung des Grundgesetzes ergeben. Den dogmatischen Boden hierfür versuchte vor allem Badura 22 zu bereiten. Er beruft sich auf die Privatnützigkeit des Eigentums, die eine in der Verfassung vorausgesetzte und als schutzwürdig anerkannte Zweckbestimmung des Eigentums darstelle. Deswegen sollen nach dem Grundgesetz sowohl Nutzung und Verwendung des Eigentums als auch die Verfügung über die Eigentumsrechte grundsätzlich der privatautonomen und privatwirtschaftlichen Bestimmung des einzelnen zukommen. Die Institutsgarantie verbiete, daß solche Sachbereiche der Privatrechtsordnung entzogen werden, die zum elementaren Bestand grundrechtlich geschützter Betätigung im vermögensrechtlichen Bereich gehören 23. Die Eigentumsgarantie gewinnt damit eine Dimension der Teilhabe an einem öffentlichrechtlich geordneten Schutz — und Leistungssystem. Sie wirkt nicht nur als Schranke der politischen Gestaltung, sondern als Auftrag und Richtlinie im Hinblick auf die Daseinssicherung und Daseinsgestaltung24. Hält man den solchermaßen gefundenen Ansatz für richtig und entwickelt ihn konsequent fort, läßt sich nur eine Schlußfolgerung denken: Enteignet der Staat, hat er regelmäßig zu prüfen, ob das Vorhaben nicht auch von einem Privaten realisiert werden kann. Ist dies der Fall, träfe den Staat eine verfassungsrechtliche Verpflichtung zur Enteignung zugunsten Privater. Gaßner 25 faßt denselben Aspekt prägnant zusammen: Eigentum ist Freiheit. Handelt es sich um Grundeigentum, ist die Freiheit für den Eigentümer besonders handfest und erfahrbar. Dagegen ist Grundeigentum der öffentlichen Hand dem Bürger entzogenes, von ihm nicht mehr nutzbar zu machendes Eigentum. Bei dem gewählten Ausgangspunkt in der Betrachtung ist es entzogene materielle Freiheit. In der Tat wird das Grundrecht Eigentum bedeutungslos in dem Moment, in dem der Staat dem Bürger alles abgenommen hat. Zur verfassungsrechtlichen „Absegnung" wird die Rechtsprechung des BVerfG in Anspruch genommen. In seinen Urteilen könne man nachlesen, daß die Eigentumsgarantie in ihrer freiheitsverbürgenden Funktion darauf abzielt, dem einzelnen die wirtschaftlichen Voraussetzungen für eine eigenverantwortliche Lebensgestaltung zu gewährleisten 26. Der Privatisierungsgedanke entspreche dem Leitbild einer Marktwirtschaft, die auf dem freien Wettbewerb privater Unternehmer beruhe und den Staat als Unternehmer ablehnt, soweit es sich nicht um anerkannte öffentliche Aufgaben handelt 27 . 22 Badura, Eigentum und Sozialisierung, LdR, Gruppe 5, Staat und Verfassungsrecht, 5/200. 23 Badura, Eigentum im Verfassungsrecht der Gegenwart, 49. DJT (1972), Bd. II, Τ 15. 24 Badura, Eigentumsordnung, in: Sozialrechtsprechung, Verantwortung für den sozialen Rechtsstaat, Festschrift zum 25-jährigen Bestehen des Bundessozialgerichts, Bd. 2, S. 687. 25 Gaßner, Der freihändige Grunderwerb der öffentlichen Hand, S. 109. 2 * BVerfGE 24, 367 (389); 31, 229 (239). ν BVerfG, Urt. v. 17. 5. 1961, BVerfGE 12, 354 = NJW 1961, 1107.

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7. Kap.: Allgemeinwohl bei Enteignung zugunsten Privater

Rechtspolitisch hat sich die dargestellte Ansicht unter anderem in Vorschlägen zur Novellierung des BBauG ausgewirkt. Nach Dyong sollte beispielsweise das Vorkaufsrecht der Gemeinden fortentwickelt werden, indem sie — ohne Bindung an starre Fristen — zur Privatisierung verpflichtet werden 28 . Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auch auf die gesetzliche Regelung des BauGB. Nach § 87 Abs. 3 BauGB kann enteignet werden, um ein Grundstück baureif zu machen. Die Enteignung darf jedoch nur zugunsten der Gemeinde oder eines öffentlichen Bedarfs — oder Erschließungsträgers erfolgen 29 , die gemäß § 89 BauGB unter bestimmten Voraussetzungen verpflichtet ist, die durch Enteignung erworbenen Grundstücke wieder zu veräußern. § 89 BauGB hat insoweit praktisch geringe, aber rechtspolitisch große Bedeutung30. Eigentumsstreuung, kommunale Bodenvorratspolitik und Wertabschöpfung spiegeln sich in ihm als Ziele wieder. Die teilhaberechtliche Umformung des Eigentumsgrundrechts kommt zum Tragen 31 . Andererseits zeigt uns diese gesetzliche Vorschrift, daß es eine verfassungsrechtliche Verpflichtung zur Enteignung zugunsten Privater nicht gibt. Als Ausnahmefall mußte die entsprechende Verpflichtung erst gesetzlich angeordnet werden, was verfassungsrechtlich zulässig, aber nicht geboten ist. Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG bezweckt in erster Linie, dem Staat das zum Wohl der Allgemeinheit notwendige Eigentum zu verschaffen 32. Weiterhin lassen sich hier auch alle Bedenken anführen, die gegen eine generelle Fortentwicklung der Grundrechte zu Teilhaberechten angemeldet werden 33 . Daß für den künftigen Begünstigten kein einklagbares subjektives Recht auf Enteignung besteht, wurde bereits früher ausgeführt 34. Nicht zuletzt entscheidend dürfte aber auch folgende Überlegung sein. Das Grundgesetz verankert nirgends eine verfassungsrechtliche Pflicht zur Privatisierung. Die Rechtmäßigkeit einer Enteignung aber hat das Wohl der Allgemeinheit zur Voraussetzung. Nur wenn diesen hohen Anforderungen genügt wird, ist eine Enteignung zulässig. Es muß sich daher um Fälle von erheblicher Tragweite und Gewicht handeln. Ist die Überführung von Eigentum in private Hände aber in den sonstigen, „durchschnittlichen" Fällen nicht geboten, kann dies erst recht nicht für die bedeutsamen Fälle der Enteignung angenommen werden. Eine verfassungsrechtliche Verpflichtung zur Enteignung zugunsten Privater existiert nicht. 28 Dyong, Empfehlen sich weitere bodenrechtliche Vorschriften im städtebaulichen Bereich?, DÖV 1972, 446 (449), in Anlehnung an den Rechtsgedanken der §§ 25, 59 StBauFG. 29 Ebenso schon §§22 Abs.2, 57 Abs. 3 StBauFG: auch zugunsten eines Sanierungsträgers; weiter eingeschränkt § 87 Abs. 3 BBauG. 30 Battis, in: Battis / Krautzberger / Lohr, BBauG, § 89 Rdnr. 1. 31 Battis, Novelliertes Bundesbaugesetz und Grundgesetz, DÖV 1978, 113 (118). 32 Vgl. hierzu bereits oben 7. Kap. B. 33 Soell, Aspekte der Verfassungsentwicklung, S. 13 ff. 34 Siehe oben 6. Kap. E.

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I I I . Verfassungsrechtliche Anforderungen aus Art. 14 GG Die hier entscheidende Problematik eröffnet sich aber innerhalb des Rahmens des Art. 14 GG. Welches notwendige Gewicht muß die Allgemeinwohlaufgabe aufweisen, damit zugunsten einer Privatperson enteignet werden darf? Die Frage ist umstritten. Bei der dargestellten Entscheidungsfindung zum enteignungsrechtlichen Allgemeinwohl spielt sie erst im sechsten und letzten Schritt eine Rolle. In ihm ist zu prüfen, wie stark die Belange der Allgemeinheit die betroffenen Eigentümerinteressen überwiegen müssen. Als Vorfrage ist hierfür zu klären, welches Gewicht der Allgemeinwohlaufgabe zukommen muß, wenn das Eigentum im Wege hoheitlichen Zwanges auf einen privaten Zuordnungsberechtigten übertragen wird. Sie wird aus Art. 14 GG heraus in unterschiedlichster Weise beantwortet. 1. Herrschende Meinung in der Literatur Bei der Mehrzahl der literarischen Veröffentlichungen wird dieses Problem gar nicht erst weiter vertieft. Zwar wird bei der Enteignung zugunsten Privater besondere Aufmerksamkeit angemahnt. Denn bei Enteignungen zur Realisierung privater Einrichtungen könne nicht ohne nähere Prüfung davon ausgegangen werden, daß sie auch dem Wohl der Allgemeinheit dienen 35 . Ansonsten sei kein erhöhtes Gewicht der Allgemeinwohlerfordernisse bei einer Enteignung zugunsten Privater erforderlich. Die im Schrifttum gängige Formel, das Wohl der Allgemeinheit sei bei der Enteignung zugunsten Privater genauso auszulegen, als wenn der Enteignungsbegünstigte der Staat oder eine sonstige öffentlichrechtliche Körperschaft sei 36 , klingt logisch. Bei genauer Betrachtung trägt dies jedoch wenig zur Problemlösung bei. Denn die Enteignungszwecke, die den Anforderungen des Allgemeinwohls entsprechen müssen, sind in den beiden genannten Fällen regelmäßig voneinander verschieden. So dient beispielsweise ein Vorhaben, das der Staat selbst nach vorangegangener Enteignung durchführt, unter dem Gesichtspunkt des Allgemeinwohls niemals allein der Beschaffung von Arbeitsplätzen. Und bei dieser zunächst rein tatsächlichen Feststellung kann in dem hier gegebenen Zusammenhang dahinstehen, ob das gegenteilige Verhalten des Staates überhaupt verfassungsrechtlich unbedenklich wäre. Allein das Vorhandensein privater Interessen, die auf dasselbe Ziel gerichtet sind, führt in der Tat nicht zu besonderen Anforderungen an die Allgemeinwohlaufgabe. Andererseits wird das Eigentum auf eine andere Privatperson übertragen. Der Staat ist nicht willig oder auch 35 Molodovsky, BayEG, Art. 1 Anm. 4. 1. 1. 36 So ζ. B. Molodovsky, Das Bayer. Gesetz über die entschädigungspflichtige Enteignung, BayVBl. 1975, 125 (127), wonach die Generalklausel des Art. 1 Abs. 1 BayEG die Möglichkeit einschließt, daß zugunsten privater Träger eines Vorhabens enteignet wird, falls die übrigen Enteignungsvoraussetzungen erfüllt sind.

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7. Kap.: Allgemeinwohl bei Enteignung zugunsten Privater

nicht in der Lage, das gesteckte Ziel selbst zu realisieren. Dabei darf er aber das Zwangsinstrument der Enteignung nicht einsetzen, wenn er die Aufgabe für gar nicht so bedeutsam hält. Reine Zweckmäßigkeitserwägungen vermögen daher gerade bei der Enteignung zugunsten Privater das Allgemeinwohl nicht zu begründen. 2. Böhmers Forderungen Aus grundsätzlichen eigentumsrechtlichen Überlegungen heraus hat schon früh Forsthoff 37 erhöhte Anforderungen an die Gemeinwohlaufgabe bei einer Enteignung gestellt. Er gibt zu bedenken, wenn die transitorische Enteignung als solche mit anschließender Veräußerungspflicht zu limitiertem Preis als Planungsziel bereits mit dem Grundgesetz vereinbar sei, dann wäre die gesamte Verteilung des Grundeigentums zur Disposition des Gesetzgebers gestellt. Auch Breuer 38 verlangt nach schwerwiegenden Gründen bei einer privatbegünstigenden Enteignung. Die bisher weitestgehenden Forderungen hierzu aber hat Böhmer in seinem Sondervotum erhoben. Seine Ansicht läuft auf die These hinaus: Nur lebensnotwendige, dringende und unbedingt erforderliche Aufgaben erlauben eine Enteignung zugunsten Privater. Die Verfassung verlangt nach seiner Meinung, daß die Enteignung zum Zwecke der Verwirklichung eines vom Gemeinwohl geforderten Vorhabens notwendig ist, mit dem eine staatliche Aufgabe erledigt werden soll. Dabei müsse das Vorhaben eine dringende staatliche Aufgabe befriedigen. Staatlicher Zwang zur Realisierung eines dermaßen erforderlichen Unternehmens könne nur eingesetzt werden, wenn die Allgemeinheit auf die Erfüllung der Aufgabe unumgänglich angewiesen sei 39 . Böhmer hält in Anwendung dieses Maßstabs eine privatbegünstigende Enteignung verfassungsrechtlich nur insoweit für zulässig als es um privatrechtlich organisierte, öffentliche Unternehmen geht, derer sich die Exekutive zur Erfüllung der ihr obliegenden Aufgaben bedient. Es handelt sich also ausschließlich um jenen Bereich staatlicher oder kommunaler Daseinsvorsorge, der als enteignungsrechtlich weitgehend unproblematisch aus dem Gegenstand dieser Arbeit ausgeschlossen wurde 40 . Hier ist in der Tat der Gemeinwohlbezug der Aufgabe augenscheinlich und daher die Frage, ob eine Enteignung nach Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG zur Verwirklichung eines solchen Unternehmens zulässig ist, regelmäßig ohne besondere Problematik. Entscheidend ist zudem, daß Böhmer die privatbegünstigende Enteignung ausschließlich für die privatrechtlich organisierte, staatliche Daseinsvorsorge zulassen will, auf 37

Forsthoff, Zur Lage des verfassungsrechtlichen Eigentumsschutzes, in: Festgabe für Maunz, S. 98 (101). 3 « Breuer, Anmerkung zu BVerfG, Urt. v. 10. 3. 1981, DVB1. 1981, 971 (975). 39 Böhmer, Sondervotum zu BVerfG, Urt. v. 10. 3. 1981, BVerfGE 56, 249 (287) = NJW 1981, 1257. 40 Vgl. oben 2. Kap. D. und BVerfG, Beschl. v. 20. 3. 1984, BVerfGE 66, 248 ff.

G. Das notwendige Gewicht der Allgemeinwohlaufgabe

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die der Bürger zur Sicherung einer menschenwürdigen Existenz unumgänglich angewiesen ist 41 . 3. Schwerdtfegers Gegenposition Die wohl ausgeprägteste Gegenposition zu Böhmer hat Schwerdtfeger bezogen. Nach seiner Ansicht vermag im Ergebnis jeder schlichte Gemeinwohlbelang eine Enteignung zugunsten Privater zu rechtfertigen 42. Breuer beteuert zwar das Erfordernis eines schwerwiegenden Grundes für eine Enteignung. Er läßt aber die Ausweisung in einem Bebauungsplan ausreichen, der unter Beachtung der Planungsziele des BauGB aufgestellt wurde 43 . Damit aber wird die staatliche Planung als Enteignungsgrund beinahe schon zum Selbstzweck erhoben. Und diese verfehlte Anschauung hat sogar im BauGB ihren Niederschlag gefunden. Denn nach h.M. dienen §§ 85 ff BauGB (= §§ 85 ff BBauG) primär der Planverwirklichung 44 . Entscheidend müßte demgegenüber das dahinterstehende Vorhaben sein. Allein die Planverwirklichung als solche vermag eine Enteignung niemals zu legitimieren 45 . Interessanterweise mißt auch Grämlich 46 dem Gewicht des Allgemeinwohls bei einer privatbegünstigenden Enteignung keinerlei Bedeutung bei. Entscheidend ist für ihn allein, daß der parlamentarisch-demokratische Gesetzgeber dem Enteignungsbegünstigten die Erfüllung einer dem Allgemeinwohl dienenden Aufgabe zugewiesen hat. Daraus muß gefolgert werden, daß inhaltlich jede vernünftige Erwägung des Gesetzgebers zur Legitimation einer Enteignung ausreichen würde 47 . Nur um Nuancen unterscheidet sich hiervon der bereits vorher von Bahls vertretene Standpunkt: Verbesserung der Lebensverhältnisse und Lebensbedingungen im Staat ist notwendige, aber auch hinreichende Bedingung für das enteignungsrechtliche Allgemeinwohl 48 .

41 Böhmer, Sondervotum zu BVerfG, Urt. v. 10. 3. 1981, BVerfGE 56, 249 (287) = NJW 1981, 1257 (1262 r. Sp.). 42 Schwerdtfeger, Die dogmatische Struktur der Eigentumsgarantie, S. 32. 43 Breuer, Anmerkung zu BVerfG, Urt. 10. 3. 1981, DVB1. 1981, 971 (974). 44 Battis, in: Battis / Krautzberger / Lohr, BBauG, Vorb. § 85 Rdnr. 13. 45 Vgl. näher unten 8. Kap. Β. I. 46 Grämlich, Die Unternehmensflurbereinigung, UPR 1986, 161 (166). 47 Im Ansatz ähnliche Tendenzen aber auch schon bei Georg Meyer, Deutsches Verwaltungsrecht, S. 73 ff, der „öffentliche Aufgaben" auf „staatliche Aufgaben" reduziert und sie in diesem Umfang uneingeschränkt als Enteignungszweck anerkennt. 48 So Bahls, Wirtschaftspolitische Ausgangslagen und rechtliche Probleme der Erdölversorgung, DVB1. 1972, 446 (452), der im übrigen von der These ausgeht, daß privates Eigentum dem Staat nicht zur Verteilung zusteht. Da zudem die Verbesserung der Lebensverhältnisse ein Gemeinwohlgesichtspunkt sei, kommt er zu der Behauptung, es sei gleichgültig, ob der Enteignungsbegünstigte ein Privater oder die öffentliche Hand sei. Dieser Schluß wird weder begründet, noch kann er nachvollzogen werden.

170

7. Kap.: Allgemeinwohl bei Enteignung zugunsten Privater

4. Eigener Versuch einer angemessenen Lösung Aus meiner Sicht scheinen die Extrempositionen beider Seiten überzogen. Böhmer übersieht, daß der Staat — wie schon hervorgehoben wurde — kein Monopol zur Gemeinwohlverwirklichung hat. Außerdem besteht das Wohl der Allgemeinheit nicht nur in der Bereitstellung der existenznotwendigen Lebensgrundlagen. Andererseits stehen sich zwei Privatpersonen mit gleichen Rechten gegenüber. Der Staat nimmt das Eigentum des einen und gibt es dem anderen. Der verfassungsrechtlich garantierte Eigentumsschutz des Betroffenen verbietet, daß dies durch jeden zweckmäßigen Gemeinwohlbelang legitimiert werden kann. Demnach kann auch der Ansicht Schwerdtfegers nicht gefolgt werden. Eine Lösung hat sich demgegenüber an den oben aufgezeigten Problemfeldern der privatbegünstigenden Enteignung zu orientieren. Im Rahmen der Abwägung zwischen den Belangen der Allgemeinheit und den Eigentümerinteresssen kommt Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG in zweifacher Hinsicht zur Geltung. a) Wertigkeit

der enteignungsrechtlichen

Gemeinschaftsziele

Genießen die mit der Enteignung verfolgten Gemeinschaftsziele selbst Verfassungsrang, ist dies von vornherein unproblematisch. Der Schutz von Würde und Freiheit des einzelnen ist ein verfassungsrechtliches Axiom, das keiner weiteren verfassungsteleologischen Begründung mehr bedarf 49 . Dasselbe gilt für die sonstigen im Grundgesetz niedergelegten Werte und Rechtsgüter. Oben 50 wurde aber vertreten, daß für die Gewichtung der Belange der Allgemeinheit nicht die Verfassung allein, sondern über das einfache Gesetz bis hinab zum Ministerialschreiben alles mit heranzuziehen sei. Fraglich ist, ob dies für die privatbegünstigende Enteignung eingeschränkt werden muß. Als Argument dafür könnte ihre Besonderheit ins Feld geführt werden. Die staatliche Maßnahme begünstigt die eine Person und erweitert insoweit ihre materiellen Entfaltungsmöglichkeiten. Dies geht auf Kosten einer rechtlich und insbesondere grundrechtlich ebenbürtigen Person. Ihre eigentumsrechtlichen Freiheitsräume werden verringert. Dennoch zwingt dies nicht, die notwendige Wertigkeit ausschließlich auf Verfassungsgüter zu beschränken. Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG gibt für einen derart radikalen Schnitt nichts her. Im übrigen ist die Unterscheidung zwischen verfassungsrechtlich vorgegebenen Gemeinschaftswerten und sonstigen, beispielsweise erst vom Gesetzgeber in den Rang wichtiger Gemeinschaftsinteressen erhobenen, anerkannt 51. Vielmehr garantiert Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG in seiner Flexibilität 49

So zutreffend Meyer-Abich, Der Schutzzweck der Eigentumsgarantie, S. 116; Häberle, „Gemeinwohljudikatur" und Bundesverfassungsgericht, öffentliche Interessen, Wohl der Allgemeinheit in der Rechtsprechung des BVerfG, AöR Bd. 95, S. 293, spricht in diesem Zusammenhang vom „salus publica ex constitutione". so Oben 7. Kap. E. II. 5i BVerfG, Beschl. v. 17. 7. 1961, BVerfGE 13, 97 (107).

G. Das notwendige Gewicht der Allgemeinwohlaufgabe

171

eine möglichst optimale Konfliktlösung. Die Aussage zur Enteignungslegitimation ist also prinzipiell nicht einzuschränken. Abstriche vermag aber im Einzelfall ein anderer Gesichtspunkt des Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG zu fordern. Wie bereits ausgeführt, beinhaltet das Wohl der Allgemeinheit als Enteignungsvoraussetzung eine friedenssichernde Wirkung im Spannungsfeld der widerstreitenden Interessen. Ihr kommt bei der Konfliktlage zwischen den beiden beteiligten Privaten besondere Bedeutung zu. Soweit im konkreten Fall innerhalb der Abwägung dieser Gesichtspunkt in Erscheinung tritt, vermag er die erforderliche Wertigkeit der enteignungsrechtlichen Gemeinschaftsziele zu steigern: Je größer der Konflikt, desto höhere Anforderungen müssen an die Wertigkeit gestellt werden. Im Extremfall müssen die verfolgten Gemeinschaftsziele ihre Legitimation zwar nicht ausdrücklich aus der Verfassung beziehen, jedoch in ihrem Wert Rechtsgütern mit Verfassungsrang entsprechen oder doch zumindest nahekommen.

b) Sicherung des Enteignungszweckes Die Darstellung soeben hat noch einmal deutlich eine Enteignungsentscheidung vor Augen geführt, durch die ein Privater begünstigt wird. Die Realisierung der Allgemeinwohlbelange, für die enteignet werden soll, muß notwendigerweise in der Zukunft stattfinden. Die Bewertung künftiger Entwicklungen trägt das Risiko der Prognose in sich. Hinzu kommt in Fällen der vorliegenden Art der Unsicherheitsfaktor „Mensch". Er wird zunächst begünstigt durch das staatliche Handeln. Von seinem späteren Verhalten hängt es ab, ob das Enteignungsziel erreicht wird. Weiter hat sich ergeben, daß das Wohl der Allgemeinheit als Voraussetzung einer Enteignung ein Äuftragsprogramm zur Konfliktlösung enthält. Dies bedeutet die generelle Unmöglichkeit einer statischen Gemeinwohlbestimmung und die Notwendigkeit dynamischer Flexibilität in der Betrachung. Da der Staat, in dem ausschließlich Menschen entscheiden dürfen, nicht unfehlbar ist, führt das Fehlen feststehender Kriterien zu Fehlern. Und auch dieses Fehlrisiko ist bei der Enteignung zugunsten Privater gesteigert. Gegen beide Unsicherheitsfaktoren verlangt Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG Vorkehrungen. Die Unschärfe, die sich aus der notwendigen dynamischen Flexibilität beim Definitionsversuch des Allgemeinwohls ergibt, und die Unsicherheit des Prognoserisikos erfahren bei der Enteignung zugunsten Privater ihre verfassungsnotwendige Kompensation durch die Sicherung des Enteignungszweckes. Einzelheiten hierzu werden im 9. Kapitel noch zu diskutieren sein.

8. Kapitel

Exemplarische Stichproben zum Kriterium Allgemeinwohl bei privaten Enteignungsbegünstigten Die soeben erarbeitete Methode zur Bestimmung des Wohls der Allgemeinheit bei der Enteignung zugunsten Privater soll nun stichprobenartig in Bezug zu einigen Beispielsfällen gesetzt werden. Dabei handelt es sich keinesfalls um eine abschließende Sammlung aller denkbaren Möglichkeiten einer privatbegünstigenden Enteignung. Auch können und sollen keine Musterlösungen und -ergebnisse für Enteignungsfälle geboten werden, die sich nach dem Gehalt des Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG ohnehin nur für den konkreten Sachverhalt gewinnen lassen. Ziel ist aber zweierlei: Erstens soll gezeigt werden, auf welchen Gebieten für den Gesetzgeber Handlungsbedarf besteht. Zweitens sollen den Enteignungsbehörden Anhaltspunkte gegeben werden, immer wiederkehrende Argumente innerhalb der Gemeinwohlentscheidung zu gewichten.

A. Wirtschaftliche Ziele des Enteignungsunternehmens Dem Teststrecken-Urteil des BVerfG 1 lag ein Sachverhalt zugrunde, bei dem der Versuch unternommen wurde, die Enteignung überwiegend mit wirtschaftlichen Zielen zu rechtfertigen.

I. Förderung der Wirtschaftsstruktur Dabei hat das BVerfG anerkannt, daß die Förderung der Wirtschaftsstruktur durch das Vorhaben eines Privaten legitimer Enteignungsgrund iSd Art. 14 Abs.3 S. 1 GG sein kann. Es hat für die allgemeine Anerkennung als Enteignungsgrund jedoch ein Strukturverbesserungs- und Industrieansiedlungsgesetz oder aber ein Einzelfallgesetz gefordert. So kann mit Zustimmung des höchsten deutschen Gerichts notfalls auch die Enteignung als Mittel einer aktiven staatlichen Strukturpolitik eingesetzt werden. Dies ist im Ergebnis zu begrüßen. Denn nur eine ausgeglichene Wirtschaftsstruktur vermag angemessene Lebensbedingungen zu garantieren. Der auf das Sozial1 BVerfG, Urt. v. 24. 3. 1987 - 1 BvR 1046 / 85 —, BVerfGE 74, 264 = NJW 1987, 1251.

Α. Wirtschaftliche Ziele des Enteignungsunternehmens

173

staatsprinzip verpflichtete Gesetzgeber hat daher Fehlentwicklungen entgegenzusteuern und ggf. zu korrigieren. Denn konjunkturelle Schwankungen treffen die unteren Einkommensschichten besonders hart. Es ist deswegen Sorge zu tragen für eine gerechte Einkommensverteilung, qualitatives Wachstum und soziale Sicherung, zu der insbesondere die Arbeitsplatzsicherung gehört. Liegt die vom BVerfG geforderte gesetzliche Grundlage vor, ist es Aufgabe der Enteignungsbehörde, alle verfügbaren Daten für die Entscheidung zu erheben, ob das konkrete Vorhaben eine privatbegünstigende Enteignung zur Verbesserung der Wirtschaftsstruktur erlaubt. Für das Kraftfahrzeug-Testgelände Boxberg finden sich hierfür im Flurbereinigungsbeschluß vom 25.6.1982 des Landesamtes für Flurbereinigung und Siedlung Baden-Württemberg brauchbare Ansätze2. Unter Ziffer 1.5.2 der Begründung werden Gesichtspunkte erörtert wie Bevölkerungsdichte je Quadratkilometer, prozentualer Anteil der in der Landwirtschaft Tätigen, gewerbliche Arbeitsplätze je 1000 Einwohner, Steuerkraft je Einwohner, sowie Verträglichkeit des Projekts mit der Regionalplanung. Jedoch wird dies zur Begründung des Allgemeinwohls bei einer Enteignung nicht ausreichen. Zu differenzieren ist vielmehr weiterhin zwischen regionaler und sektoraler Strukturpolitik. Unter beiden Aspekten muß das Vorhaben positiv zu bewerten sein.

1. Regionale Strukturpolitik Die regionale Strukturpolitik verfolgt das Ziel, überall bestmögliche, in Stadt und Land möglichst gleichwertige Lebensbedingungen zu erhalten oder zu schaffen und das Leistungsgefälle zwischen unterschiedlich entwickelten Regionen innerhalb eines Landes abzubauen3. Enteignungen kommen dabei entweder zur Verbesserung der wirtschaftsnahen Infrastruktur oder zur Verbesserung der Erwerbsstruktur in Frage. Neben den oben genannten Gesichtspunkten gibt es eine Reihe weiterer Kriterien regionaler Wirtschaftsstruktur, von denen hier nur die wichtigsten genannt werden können: Bruttoinlarrdprodukt je Einwohner, Kaufkraft je Einwohner, Bevölkerungsstruktur (Alters- und Bildungsstruktur), Bevölkerungsbewegungen (Pendlerquoten, Ab- und Zuwanderungen), Beschäftigungsstruktur, Einkommensverhältnisse usw. A l l diese Daten sind zu erheben und von der Enteigungsbehörde mit in ihre Entscheidung einzubeziehen.

2. Sektorale Strukturpolitik Daneben ist das Enteignungsvorhaben aus dem Blickwinkel der sektoralen Strukturpolitik zu begutachten. Diese verfolgt das Ziel, ungerechtfertigte Wettbe2

Für dessen freundliche Überlassung danke ich der Firma Daimler-Benz A. G. 3 Vgl. allgemein: Eberstein, Handbuch regionaler Wirtschaftsförderung Α. I. 3.

174

8. Kap.: Exemplarische Stichproben zum Kriterium Allgemeinwohl

werbsnachteile einzelner Wirtschaftszweige und Branchen auszugleichen oder einzelnen Wirtschaftszweigen die Anpassung an Strukturänderungen zu erleichtern 4. Eine Enteignung zugunsten Privater kann hier vor allem der Verbesserung der Branchenstruktur als solcher, der Standortfaktoren oder der Betriebsgrößenstruktur dienen. Dabei sind Auswirkungen und Impulse des Vorhabens auf die verschiedenen Wirtschaftsbereiche (Land- und Forstwirtschaft, produzierendes Gewerbe und Dienstleistungsbereich) zu prognostizieren

3. Raumordnung und Landesplanung Schließlich setzt die Förderung der Wirtschaftsstruktur als Enteignungslegitimation voraus, daß das Vorhaben des Privaten, für das enteignet werden soll, den Zielen einer vorhandenen Raumordnung und Landesplanung entspricht 5. Auf der Grundlage dieser Entscheidungsgesichtspunkte kann selbstverständlich nicht jede Verbesserung der Wirtschaftsstruktur Anlaß für eine privatbegünstigende Enteignung sein. Voraussetzung hierfür ist vielmehr, daß die Störung der Ausgeglichenheit der Wirtschaftsstruktur eine erhebliche Intensität aufweist. Als Faustregel für die Bewertung dieser Forderung läßt sich unter Zugrundelegung der aufgezeigten entscheidungserheblichen Faktoren anführen: Je weniger ausgeglichen die Wirtschaftsstruktur eines bestimmten regionalen Raumes ist, je einseitiger dessen Wirtschaftsbranchen ausgerichtet sind und je krisenanfälliger dieser Wirtschaftszweig ist, desto eher läßt sich eine Enteignung zugunsten einer Privatperson mit Gründen der Förderung der Wirtschaftsstruktur rechtfertigen. Die somit notwendige Gewichtung und Abwägung der Allgemeinwohlbelange hat im Rahmen der oben 6 dargestellten Schritte auf dem Weg zum Gemeinwohlurteil stattzufinden.

I I . Insbesondere: Argument Arbeitsplätze Wie stets bei wirtschaftspolitischen Diskussionen wird auch im Falle der privatbegünstigenden Enteignung mit Vorliebe das Argument der Schaffung neuer oder auch bloß der Erhaltung schon vorhandener Arbeitsplätze ins Spiel gebracht 7. Dies war bei der Kraftfahrzeugteststrecke Boxberg nicht anders. Auch hier wurde von Befürwortern und Gegnern mit absoluten Zahlen argumentiert. 4

Vgl. allgemein: Müller / Röck, Konjunktur — und Sozialisierungspolitik, 6.2. 5 Ziele sind nämlich konkretisierte Grundsätze der Raumordnung, die ebenfalls wirtschaftliche Relevanz besitzen können; vgl. weitere Nachweise 8. Kap. B. 6 Vgl. 7. Kap. Ε. II. 7 Für alle: von Brünneck, Das Wohl der Allgemeinheit als Voraussetzung der Enteignung, NVwZ 1986,425 (430); Hamann / Lenz, GG, Art. 14 Anm. 9; Stengel, Die Grundstücksenteignung zugunsten privater Wirtschaftsunternehmen, S. 41.

Α. Wirtschaftliche Ziele des Enteignungsunternehmens

175

Daß die Argumentation mit Arbeitsplätzen für eine Entscheidung über das enteignungsrechtliche Allgemeinwohl bereits vom Ansatz her unbrauchbar ist, ergibt sich eigentlich schon aus den soeben gemachten Ausführungen. Die reine Zahl der Arbeitsplätze läßt für sich alleine keinerlei Aussagen über ihre enteignungsrechtliche Relevanz zu. Erheblich ist vielmehr stets, um welche Art von Arbeitsplätze es sich handelt und von welcher Qualität diese Arbeitsplätze sind. Ist die Stahlbranche in der Krise, so kann an einem Stahlstandort weder die Schaffung von 100 noch von 1000 Arbeitsplätzen als solche die Enteignung für ein Walzwerk rechtfertigen. Hinzukommen müssen immer weitere Kriterien, etwa daß es sich um zukunftsorientierte krisensichere Stahlarbeitsplätze handelt, oder daß die Arbeitsplätze einer anderen Branche angehören, die einen gesunden Ausgleich zur krisenbehafteten Monostruktur der betreffenden Gegend darstellt. Mit anderen Worten: Die Schaffung oder Erhaltung von Arbeitsplätzen ist für sich genommen kein Enteignungsgrund. Eine privatbegünstigende Enteignung vermag sie nur dann mit zu rechtfertigen, wenn sie Teil eines Gesamtkonzeptes zur Verbesserung der regionalen, einseitig sektoral ausgerichteten Wirtschaftsstruktur ist. Es gelten daher die oben dargestellten Anforderungen im vollen Umfang. I I I . Volkswirtschaft Bei der hier vertretenen Bestimmung des Allgemeinwohlbegriffes iSd Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG ist es auch nicht von vornherein ausgeschlossen, volkswirtschaftliche Gründe zusätzlich zur Legitimation einer privatbegünstigenden Enteignung heranzuziehen. Die globale Wirtschaftspolitik des Staates ist auf das Ziel des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts iSd Art. 109 Abs. 2 GG iVm § 1 StabG hin ausgerichtet. Sie ist weitgehend Konjunkturpolitik, die sich ständig den wechselnden Gegebenheiten anpassen muß, um möglichst gleichzeitig Stabilität des Preisniveaus, hohen Beschäftigungsstand, außenwirtschaftliches Gleichgewicht sowie stetiges und angemessenes Wirtschaftswachstum zu erreichen. Von der Aufgabenstellung her müssen zur Verfolgung dieser Ziele regelmäßig globale Mittel eingesetzt werden. Jedoch kann die Störung dieses „magischen Vierecks" ein Ausmaß erreichen, das eine Enteignung zugunsten Privater unter gesamtwirtschaftlichen Gesichtspunkten zu rechtfertigen vermag. Zu denken ist beispielsweise an die Notwendigkeit einer Stärkung der wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit. Die Konkurrenzfähigkeit seiner Produkte ist gerade für ein Land wie die Bundesrepublik, das auf den Export angewiesen ist, von erheblicher Bedeutung. Zwar läßt sich die Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit als Enteignungsgrund nicht generell ausschließen, praktische Relevanz wird er aber selten erlangen. Denn wegen seiner Vorhabensferne lassen sich Notwendigkeit und Auswirkungen nur sehr schwer im notwendigen Umfang dartun. Eine bloße Steigerung des Sozialproduktes reicht keinesfalls aus8. Denn auch volkswirtschaftlich be8 Ebenso: Stummer, Die öffentliche Zweckbindung der enteigneten Sache, S. 130.

1 7 6 8 .

Kap.: Exemplarische Stichproben zum Kriterium Allgemeinwohl

stimmte Enteignungsgründe müssen sich den im 7. Kapitel dargelegten Allgemeinwohlvoraussetzungen stellen.

B. Die Bedeutung planerischer Aussagen Mit der Heràusbildung und Ausformung eines förmlichen Planungsverfahrens in Gesetzgebung und rechtswissenschaftlicher Dogmatik hat die Enteignung eine Einschränkung ihrer Funktion erfahren. Sie erfaßt nur noch den letzten Teil des Gesamtvorgangs, nämlich den Vorgang der Güterbeschaffung durch den Staat. Mit Billigung von Rechtsprechung und h.M. in der Literatur 9 erfolgt die Festlegung des Vorhabens, das mit dem Mittel der Enteignung verwirklicht werden soll, nicht im Enteignungsverfahren, sondern im vorangegangenen Planungsverfahren. Fraglich ist daher, in welchem Verhältnis derartige planerische Festlegungen zu Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG stehen.

I. Realisierung einer Bauleitplanung Den wichtigsten Enteignungstatbestand des BauGB stellt § 85 Abs. 1 Nr. 1 BauGB dar. Entgegen ihrem eigenen Wortlaut legt die Vorschrift aber keine materiellen Enteignungszwecke fest — sieht man einmal von der Selbstverständlichkeit ab, daß es um die Nutzung eines Grundstückes gehen muß. Sie enthält lediglich die blankettartige Verweisung auf den im Bebauungsplan festgelegten Nutzungszweck. Damit wurde die Enteignung ein Instrument der Planverwirklichung. Regelmäßig aufbauend auf einen Flächennutzungsplan (§ 8 Abs. 2 S. 1 BauGB) legt die Gemeinde im Bebauungsplan die Nutzung des konkreten Grundstückes fest (§ 8 Abs. 1 BauGB), die im Wege der Enteignung durchgesetzt werden soll.

1. Bisherige Praxis, Ansichten der Literatur und der Fachgerichte Die gegenwärtige Praxis im Vollzug des § 85 Abs. 1 Nr. 1 BauGB läuft im Ergebnis darauf hinaus, daß mit der Rechtmäßigkeit der Planungsentscheidung auch die Zulässigkeit der Enteignung feststeht 10. Dies wird in der Literatur mit den unterschiedlichsten Argumenten gebilligt 11 . Das Ergebnis der planerischen 9

Nachweise bei von Brünneck, Das Wohl der Allgemeinheit als Voraussetzung der Enteignung, NVwZ 1986, 425 (426). 10 Korbmacher, Eigentums- und entschädigungsrechtlich relevante Entscheidungen in der fachplanerischen Abwägung, DÖV 1982, 519; näher: 5. Kap. A. h Emst/Hoppe, Das öffentliche Bau- und Bodenrecht, Raumplanungsrecht, Rdnr. 645.

Β. Die Bedeutung planerischer Aussagen

177

Abwägung sei der Bebauungsplan, der als Rechtssatz erlassen werde. Er sei daher im Enteignungsverfahren als bindend hinzunehmen. Außerdem bedürfe die planerische Festsetzung im Bebauungsplan selbst schon der besonderen Rechtfertigung 12. Daß damit der gesamte Katalog des § 9 BauGB zu potentiellen Enteignungsgründen befördert wird, führt dann doch zu weiteren Bedenken. Ihnen will man über §§ 87, 88 BauGB begegnen, indem man fordert, daß im Enteignungsverfahren zu prüfen sei, ob das allgemeine Wohl die Enteignung dieses bestimmten Grundstückes im gegenwärtigen Zeitpunkt erfordere 13. Überprüft man die entsprechenden Fälle, die von der Rechtsprechung entschieden wurden, gewinnt man den Eindruck, die genannten Voraussetzungen würden automatisch vorliegen, wenn der Eigentümer weder selbst entsprechend den Festsetzungen nutzt noch verkaufen will. 2. Die Auffassung des BVerfG Demgegenüber hat das BVerfG 14 mit seinem Urteil vom 24.3.1987 das gesamte Institut der städtebaulichen Enteignung in Frage gestellt. Während es die Zulässigkeit einer Enteignung zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur wegen fehlender gesetzlicher Grundlagen ablehnt, beschränkt es die Befugnis aus § 85 Abs. 1 Nr. 1 BauGB auf die bodenrechtliche Entwicklung der Gemeinden. Darunter sei die Verwirklichung eng gefaßter bodenordnender Maßnahmen zu verstehen und nicht jede beliebige Maßnahme mit städtebaulicher Relevanz.

3. Kritik an der Rechtsprechung des BVerfG Die Rechtsprechung des BVerfG ist in der Literatur auf heftige Kritik gestoßen15. Der beschrittene Weg sei in seiner Tragweite gar nicht übersehen worden. Es bestehe weder Möglichkeit noch Notwendigkeit innerhalb der gültigen Bebauungspläne zu differenzieren. Fehlende Abgrenzungskriterien würden einen erheblichen Unsicherheitsfaktor begründen. § 85 Abs.l Nr.l BauGB stelle in Verbindung mit einem gültigen Bebauungsplan stets die umfassende Rechtsgrundlage für den planakzessorischen Enteignungsakt dar.

12 Oesterreicher, BBauG, § 87 Anm. 2 a; Ziegler, ZfBR 1979, 140. 13 BVerwG, Urt. v. 30. 4. 1969, NJW 1969, 1868; BGH, Urt. v. 27. 1. 1977, BGHZ 68, 100 = NJW 1977, 955. 14 BVerfG, Urt. v. 24. 3. 1987 - 1 BvR 1046/85 - S. 36, BVerfGE 74, 264 (291) = NJW 1987, 1251. is Papier, Anmerkung zum Urteil des BVerfG v. 24. 3. 1987, JZ 1987, 619 (621); Schmidt-Aßmann, Bemerkungen zum Boxberg-Urteil des BVerfG, NJW 1987, 1587 (1589). 12 Schmidbauer

178

8. Kap.: Exemplarische Stichproben zum Kriterium Allgemeinwohl 4. Planvorgaben und enteignungsrechtliches Allgemeinwohl

Vom Boden der hier vertretenen Allgemeinwohlbestimmung aus, steckt in beiden Ansichten ein Körnchen Wahrheit. Da jedes Vorhaben nach Maßgabe der Festsetzungsmöglichkeiten des § 9 BauGB planbar und jedes Grundstück beplanbar ist, vermag die Festsetzung in einem Bebauungsplan als solche eine Enteignung nicht zu rechtfertigen. Ansonsten wäre jede gemeindliche Vorstellung zur Nutzung eines Grundstückes, die den Anforderungen der Bauleitplanung des BauGB entspricht, Enteignungsgrund. Andererseits beruhen weite Teile der Regelungsinhalte des BauGB auf der Gesetzgebungskompetenz des Art.74 Nr. 18 GG (Bodenrecht). Die These des Gerichts, daß dem BauGB nur Vorgaben für eng gefaßte bodenordnende Enteignungsmaßnahmen entnommen werden könnten, weiter zu verfolgen, würde den vorliegenden Rahmen sprengen. Sie darf hier aber zumindest bezweifelt werden 16 . Daraus ergibt sich: Es ist grundsätzlich Aufgabe des Gesetzgebers, von allen denkbaren Planungszielen diejenigen auszuwählen, für deren Verwirklichung das Zwangsinstrument Enteignung eingesetzt werden darf. Diesem Auftrag aus Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG ist er bisher nur unzureichend nachgekommen. Der Bebauungsplan ist niemals das Ergebnis einer Abwägung, die den Anforderungen des Wohls der Allgemeinheit im Sinne des Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG entspricht. Er ist vielmehr in diese einzustellen. Die Planvorgabe legt nämlich nur die planerisch wünschenswerte und rechtlich zulässige Nutzung des Grundstücks fest. Ob sie zwangsweise im Enteignungswege durchzusetzen ist, bestimmt sich im Rahmen der anschließenden Entscheidung über das Wohl der Allgemeinheit iSd. Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG.

II. Fachplanungen Zur Entscheidung über die Rechtmäßigkeit bestimmter komplexer Einzelplanungen stellen spezielle Fachgesetze das Planfeststellungsverfahren zur Verfügung, in dem eine Behörde umfassend und abschließend über die Zulässigkeit des Vorhabens befindet 17 . Der Planfeststellungsbeschluß ermächtigt nicht zu Eingriffen in das benötigte Eigentum, bewirkt aber zumeist die Feststellung der Zulässigkeit der Enteignung und die Bindung der Enteignungsbehörde an den Plan 18 . Nach h.M. 1 9 ist die Enteignungsverfügung daher als Verwaltungsakt 16 Zu einem Vorhaben, für das aus städtebaulichen Gründen und aus Gründen der Daseinsvorsorge enteignet werden sollte, vgl. BVerwG, Urt. v. 6. 3. 1987, DVB1. 1987, 901. π Für das Straßenrecht: §§17 ff FStrG; Art. 38 BayStrWG iVm Art. 72 ff Bay VwVfG. is Z.B. § 19 Abs. 1 und 2 FStrG. 19 Nachweise bei Steiner, Straßen- und Wegerecht, Rdnr. 64, in: Steiner (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht 1986.

C. Soziale Ziele des Enteignungsunternehmens

179

anfechtbar, aber nicht aus Gründen, die sich gegen den Planfeststellungsbeschluß selbst richten. Handelt es sich dabei um eine privatbegünstigende Enteignung, kann die Entscheidung der zwangsmäßigen Übertragung auf eine Privatperson demnach auch im privatnützigen Planfeststellungsbeschluß erfolgen. Die Planungsbefugnis entbindet aber für die Enteignung nicht von den Anforderungen des Wohls der Allgemeinheit. Dies bedeutet, daß das allgemeine öffentliche Interesse, das nach der planungsrechtlichen Abwägung die Rechtmäßigkeit einer Planung begründet 20, nicht den Eigentumsentzug rechtfertigen kann, allerdings im vollen Umfang in die Gemeinwohlprüfung mit einfließt. Soll zu den Rechtswirkungen des Planfeststellungsbeschlusses auch die Feststellung der Zulässigkeit der Enteignung gehören, hat die Planfeststellungsbehörde das Vorliegen des Wohls der Allgemeinheit iSd. Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG anhand der im 7.Kapitel dargestellten Entscheidungskriterien zu prüfen. Ebenso wie bei der Enteignung zugunsten des Staates hat sie auch bei der privatbegünstigenden Enteignung im Planfeststellungsbeschluß neben der Planrechtfertigung auch das Vorliegen der weitergehenden enteignungsrechtlichen Allgemeinwohlanforderungen offenzulegen und zu begründen. I I I . Raumordnung und Landesplanung Grundsätze des Raumordnungsgesetzes und der Landesplanungsgesetze der Länder sind Maßstäbe für Abwägungsentscheidungen. Sie werden als Ziele in Programmen und Plänen konkretisiert 21 . Beide sind daher im Rahmen des Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG bei einer Enteignung zugunsten Privater allgemeinwohlrelevant, mehr aber auch nicht.

C. Soziale Ziele des Enteignungsunternehmens Der auf das Sozialstaatsprinzip verpflichtete Staat wird die privatbegünstigende Enteignung auch als Mittel sozialer Gestaltung einsetzen wollen.

I. Die transitorische Enteignung In den §§85 Abs. 1 Nr. 1 und 2, 87 Abs. 3 und 89 BauGB ist die transitorische Enteignung zugunsten der Gemeinde oder eines öffentlichen Bedarfs- oder Erschließungsträgers geregelt. Die Vorschriften stehen in der Tradition des Reichs20 Vgl. hierzu Steiner, a.a.O., Rdnr. 57. 21 Ausführlicher: Steiner, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, Rdnr. 35, in: Steiner (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 1986. 12*

180

8. Kap.: Exemplarische Stichproben zum Kriterium Allgemeinwohl

siedlungsgesetzes, des Reichsheimstättengesetzes, der Bodenreformgesetzgebung der Länder und des Baulandbeschaffungsgesetzes. Ihre Aufgabe muß in der sozialen Umverteilung von Grund und Boden gesehen werden. Frey 22 hat die Frage nach ihrer Verfassungsmäßigkeit aufgeworfen und verneint. Im Ergebnis ist ihm zuzustimmen23. Nicht gefolgt werden kann ihm jedoch in seiner Begründung, daß der soziale Umverteilungszweck der transitorischen Enteignung den strukturellen Rahmen des Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG sprengt, da eine typologische Fixierung der Enteignungszwecke besteht24. Wie im 7. Kapitel zu sehen war, ist dies gerade nicht der Fall. Freilich erlaubt der verfassungsrechtliche Eigentumsschutz nicht jede beliebige Umverteilung, die in der Vorstellung mancher Sozialpolitiker wünschenswert erscheinen mag. Andererseits ist eine gerechte Eigentumsverteilung ein erheblicher Stabilisierungsfaktor für die parlamentarische Demokratie. Ergeben sich daher tatsächliche Anhaltspunkte für eine Gefährdung der sozialen Homogenität unter diesem Aspekt und ist die Funktionsfähikeit des Marktes soweit außer Kraft gesetzt, daß dem einzelnen Eigentumsbildung durch eigene Leistung faktisch unmöglich geworden ist, so rechtfertigt Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG eine Enteignung zur sozialen Umverteilung. Ist unter diesen Einschränkungen eine nutzungsvorbereitende (§ 85 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 BauGB) und eine nutzungszuführende (§ 85 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 BauGB) Enteignung von Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG gedeckt, fehlt es an einer überzeugenden Gemeinwohllegitimation für eine Bodenvorratspolitik im Enteignungsweg25, die § 89 Abs. 1 BauGB der Gemeinde erlaubt. Verfassungsrechtliche Bedenken ergeben sich aber auch noch unter anderen Gesichtspunkten: Eine individuelle Rechtszuweisung scheitert regelmäßig daran, daß die Person, der das Enteignungsobjekt endgültig zugeordnet werden soll, im Zeitpunkt des Eingriffs noch nicht individualisierbar ist 2 6 . Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG wird aber dazu zwingen, zumindest die Kriterien der künftigen Sozialauswahl in der Enteignungsverfügung selbst zu regeln. Einer verfassungsrechtlichen Prüfung hält ferner die Regelung des § 102 Abs. 1 Nr. 2 BauGB nicht stand, wonach das Ziel der transitorischen Enteignung als erfüllt gilt, sobald die Gemeinde ihrer Veräußerungspflicht nach § 89 BauGB nachgekommen ist. Da nämlich hier nur die breitgestreute Eigentumsbildung die privatbegünstigende Enteignung zu rechtfertigen vermag, muß sichergestellt werden, daß das übertragene Eigentum nicht sofort in liquide Mittel verwandelt wird und auf diese Weise nur der Vermögensmehrung des Begünstigten zu Gute kommt. 22 Frey, Die Verfassungsmäßigkeit der transitorischen Enteignung, insbesondere S. 164 ff. 23 Zur Begründung vgl. auch schon oben 7.Kap. C. I. 2. 24 Frey, a.a.O., S. 180. 25 Α. A. Bielenberg, 49. DJT, I B. S. 93; sowie Schmidt-Aßmann/Frenzel, in: Ernst/ Zinkahn, BBauG, § 89 Rdnr. 3. 26 Frey, Die Verfassungsmäßigkeit der transitorischen Enteignung, S. 175.

C. Soziale Ziele des Enteignungsunternehmens

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I I . Eigenheim- und Wohnungsbau Neben der transitorischen Enteignung wird in der Praxis die Enteignung zugunsten Privater auch unmittelbar eingesetzt, um Privatleuten Eigenheim- und Wohnungsbau zu ermöglichen. Dies kann über die Aufstellung eines Bebauungsplanes für ein bisher unbeplantes Gebiet oder die Schließung einer (meist größeren) Baulücke geschehen. Im Rahmen der Allgemeinwohlprüfung sind insbesondere zwei Punkte von Bedeutung.

I. Bedarfsfeststellung Zunächst ist gründlich zu ermitteln, ob überhaupt ein Bedarf an privatem Bauland besteht, der über eine privatbegünstigende Enteignung gedeckt werden müßte 27 . Dabei sind die Grenzen nicht gemeindescharf zu ziehen. Das heißt: Auch wenn eine Gemeinde nicht mehr in der Lage ist, verfügbares Bauland auszuweisen, rechtfertigt dies keine privatbegünstigende Enteignung, da ja in der Nachbargemeinde Bauland vorhanden sein könnte. Notwendig ist vielmehr eine überörtliche Betrachtung, die etwa auf die Planungsregion abstellt. Überhaupt kommt in diesem Zusammenhang die Bedarfslenkung durch die Landesplanung zur Entfaltung. 2. Sozialauswahl Zweitens muß die vorgenommene Sozialauswahl des Enteignungsbegünstigten der Allgemeinwohlprüfung standhalten28. Dies setzt voraus, daß die entscheidungserheblichen sachlichen Kriterien offen gelegt werden.

I I I . Stadtentwicklung Da der zur Verfügung stehende Raum begrenzt ist, kommt einer geordneten Nutzung dieses Raumes große Bedeutung zu. Die entsprechenden Probleme kristallisieren sich in der Stadtentwicklung, für die man die Enteignung zugunsten Privater fruchtbar machen will. Die h.M. 2 9 , nach der jede Schließung einer 27

Davon kann keinesfalls als selbstverständlich ausgegangen werden. So sind ζ. B. 1986 trotz wachsender Siedlungsfläche die Preise für Bauland kaum mehr gestiegen, da der Markt die Nachrfage befriedigt. Vgl. Süddeutsche Zeitung vom 5. 9. 1986, S. 24 und 71. 28 Üblicherweise werden in diesem Zusammenhang Kriterienkataloge aufgestellt, die ζ. B. kinderreiche Familien oder Behinderte bevorzugen; vgl. Glück, Mehr Bauland ist möglich, S. 31; 2 9 Schmidt-Aßmann, in: Emst / Zinkahn, BBauG, § 85 Rdnr. 26; allgemeine Meinung zu § 85 Abs. 1 Nr. 2 BauGB.

1 8 2 8 . Kap.: Exemplarische Stichproben zum Kriterium Allgemeinwohl

Baulücke die privatbegünstigende Enteignung trägt, ist mit Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG nicht zu vereinbaren. Das Ästhetikempfinden des Kreis- oder Stadtbaumeisters ist mit dem Allgemeinwohl nicht identisch. Wesentlich gewichtiger ist da schon das Bestreben, eine organische Flächennutzung herbeizuführen, die dem Gebot der Rücksichtnahme Rechnung trägt 30 . So läßt sich beispielsweise denken, ein einzelnes Wohngebäude inmitten einer stark belasteten Industriesiedlung für ein privates Industriegelände zu enteignen.

D. Erschließung und Versorgung als Ziele des Enteignungsunternehmens Erschließung und Versorgung kommen in unserer Industriegesellschaft erhebliche Bedeutung zu. Befinden sie sich in privater Hand, führen auch sie zum Problem der Enteignung zugunsten Privater.

I. Öffentliches Verkehrsbedürfnis Daß ein öffentliches Verkehrsbedürfnis privatbegünstigende Enteignungsmaßnahmen nach sich ziehen kann, ist nicht neu. Als Beispiel lassen sich die Privatbahnen nennen, für die seit alters her das Zwangsmittel der Enteignung in Anspruch genommen wurde 31 . Das Rechtsinstitut der Administrativenteignung hat sich im 19. Jahrhundert nicht zuletzt im Zuge der stürmischen Entwicklung des Verkehrswegebaues entwickelt 32 . Heute ist der Bau von Verkehrswegen in Deutschland prinzipiell in staatlicher Hand. Jedoch wird auch in unserem Lande eine derartige Finanzierung des Straßenbaus durch Private wieder in Erwägung gezogen. Private Straßen sollen für den öffentlichen Verkehr gebaut werden. So plant die Niedersächsische Landesregierung eine Untertunnelung der Weser zwischen Bremen und Bremerhaven in privater Trägerschaft. Wendrich 33 hat sich mit den damit zusammenhängenden rechtlichen Problemen fundiert auseinandergesetzt. Er hält eine privatbegünstigende Enteignung für ein derartiges Unternehmen für zulässig34. Auch wenn die Enteignungsbehörde im Einzelfall sicherstellt, daß jedermann die Straße des privaten Enteignungsbegünstigten zu angemessenen Bedingungen benutzen

30 BVerwGE 52, 122. 31 S.o. 3. Kap. 32 Badura, Eigentum, in: Handbuch des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, S. 676. 33 Wendrich, Der Bau von Straßen für den öffentlichen Verkehr durch Private in der Bundesrepublik, BauR 1985, S. 152 ff. 34 Wendrich, a. a. Ο., S. 162.

D. Erschließung und Versorgung als Ziele des Unternehmens

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darf 35 , kann dem nicht uneingeschränkt gefolgt werden. Indem nämlich die Exekutive einen straßenrechtlichen Gemeingebrauch 36 für nicht erforderlich hält und der Private daher Wegegebühren erheben kann, macht sie im Vergleich zu den übrigen öffentlichen Straßen selbst Abstriche an Bedarf und Notwendigkeit der Funktion der betreffenden Straße 37. Warum trotz dieser Einschränkungen die strengen Gemeinwohlvoraussetzungen einer privatbegünstigenden Enteignung erfüllt sind, wird die Enteignungsbehörde zu prüfen haben: ein fast unmögliches Unterfangen.

I I . Rohstoffgewinnung und Versorgung mit volkswirtschaftlich wichtigen Gütern Ein wesentlicher Teil der Rohstoffgewinnung hat im Bundesberggesetz38 eine gesetzliche Regelung erfahren. Darüber hinaus wird die Enteignung zugunsten Privater auch zur Gewinnung von Rohstoffen eingesetzt, die nicht dem Bundesberggesetz unterfallen 39. Tragender Gesichtspunkt ist dabei das begrenzte Vorkommen der im Lande zur Verfügung stehenden Rohstoffe. Musterbeispiel für eine privatbegünstigende Enteignung zur Versorgung der Bevölkerung ist der Bau von Industriefernleitungen 40. Anzumahnen ist hier die in der Vergangenheit weitgehend völlig fehlende Sicherung des Enteignungszweckes41, die das Wohl der Allgemeinheit iSd Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG gebietet.

35 Vgl. hierzu genauer 9. Kap. G. VII. 2. 36 Der Gemeingebrauch ist nach geltendem Recht definiert durch Unentgeltlichkeit und Zulassungsfreiheit; vgl. Steiner, Straßen- und Wegerecht, Rdnr. 95, in: Steiner (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 1986. 37 Dem kann auch kaum entgegengehalten werden, daß das Vorhaben zwar aus dem Staatshaushalt derzeit finanziert werden könne, aber verkehrspolitisch durchaus dringend sei. Denn ansonsten müßte der Nachweis erbracht werden, daß auch alle anderen Projekte, für die im betreffenden Haushaltsjahr öffentliche Mittel bereitstehen, den Anforderungen des Wohls der Allgemeinheit iSd Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG genügen. 38 Zu Recht wird darin eine Enteignung gesehen, vgl. Weides / Jahnz, Rechtsfragen der Enteignung nach dem Bundesberggesetz, DVB1. 1984, 921; wohl auch: Karpen, Grundeigentum und Bergbaurechte, AöR 106 (1981), 15. A. A. Schulte, Eigentum und öffentliches Interesse, S. 280; 39 Nachweise bei Stengel, Grundstücksenteignung zugunsten privater Wirtschaftsunternehmen, S. 53; 40 Stengel, a. a. Ο., S. 85. 41 Vgl. bereits Bullinger, Die Enteignung zugunsten Privater, Der Staat, Bd. 1.

184

8. Kap.: Exemplarische Stichproben zum Kriterium Allgemeinwohl

E. Die Befriedigung allgemeiner Grundbedürfnisse der Gesellschaft als Ziel des Enteignungsunternehmens Die Enteignung zugunsten Privater hat ferner der Tatsache Rechnung zu tragen, daß eine Vielzahl von Grundbedürfnissen der Gesellschaft von Privaten gedeckt wird. I. Ernährung und Landwirtschaft Die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln setzt eine funktionsfähige Landwirtschaft voraus. Denkbar, aber hoffentlich nie erforderlich ist insoweit die Enteignung von Lebensmitteln für den Verbraucher 42, aber auch die Enteignung von benötigten Rächen für den Erzeuger 43.

I I . Energiewirtschaftliche Überlegungen Ebenso wie die Ernährung stellt auch die Energieversorgung in unserer arbeitsteiligen Gesellschaft ein lebensnotwendiges Bedürfnis dar. Gedacht ist dabei weniger an die Energieversorgungsunternehmen, die ohnhin überwiegend staatlich sind 44 , als vielmehr an private Energieerzeuger, deren Abnehmer die staatlichen Energieversorgungsunternehmen sind. Auch ihre Tätigkeit vermag also gegebenenfalls eine Enteignung zu rechtfertigen.

I I I . Sportstätten, Gesundheitswesen, Wisssenschaft und Forschung Wird für den Bau von Sportstätten enteignet, kann die Trägerschaft zwar ein privater Verein inne haben 45 , es ist aber dafür Sorge zu tragen, daß der Zugang möglichst jedermann offen steht. Privatkliniken, die einen Beitrag zur medizinischen Grundversorgung der Bevölkerung oder medizinische Spitzenleistungen erbringen, kommen ebenso als 42 Gegen das Gesetz zur Sicherstellung der Versorgung mit Erzeugnissen der Ernährungs- und Landwirtschaft (Ernährungssicherstellungsgesetz) i.d.F. vom 4.10. 1968 (BGBl. I S. 1075) bestehen daher keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Historisch vgl. auch: Bekanntmachung über die Regelung des Verkehrs mit Brotgetreide und Mehl vom 25. 1. 1915, RGBl. S. 35. 43 Vgl. historisch: Verordnung zur Beschaffung von landwirtschaftlichem Siedlungsland vom 29. 1. 1919, RGBl. S. 115. 44 Vgl. beispielsweise BVerfG, Beschl. v. 20. 3. 1984, BVerfGE 66, 248 ff. 45 Zum Verhältnis zwischen Staat und Sport als öffentlich bedeutsamer Aufgabe: Steiner, Staat, Sport und Verfassung, DÖV 1983, 173 (176). Daß auch der Gesetzgeber im Sportstättenbau einen möglichen Enteignungsgrund sieht, zeigt Art. 1 Abs. 1 Nr. 1 BayEG.

F. Weitere existenzielle Interessen als Ziele des Unternehmens

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Enteignungsbegünstigte in Betracht, wie staatliche und kommunale Krankenhäuser. Jedoch ist die Aufrechterhaltung ihrer Versorgungsfunktion in geeigneter Weise zu sichern. Inwieweit für ein privates Forschungs- oder Wissenschaftsprojekt das Zwangsmittel der Enteignung eingesetzt werden kann, läßt sich nicht einheitlich beantworten. Abzustellen ist zunächst auf den Träger des Vorhabens. Als Beispiel können die Kirche oder die Industrie genannt werden, die eine private Hochschule errichten wollen. Weiter hängt dies einerseits vom Gegenstand des Projekts ab, andererseits aber auch von der Bereitschaft des Privaten, die Ergebnisse später in den Dienst der Allgemeinheit zu stellen.

F. Weitere existenzielle Interessen als Ziele des Enteignungsunternehmens Erst in den letzten Jahren wurde unsere Gesellschaft für Belange sensibilisiert, die durchaus von existenzieller Bedeutung sein können.

I. Umweltschutz Der angemessene Rang des Umweltschutzes insbesondere bei Industrieunternehmen wurde erst vor kurzem erkannt. Umweltvorsorge hat man früher weitgehend vernachlässigt, Raubbau an der Natur war allzu oft an der Tagesordnung. Auf diesem Gebiet wird die Enteignung zugunsten Privater künftig erhebliche Bedeutung gewinnen. Vorkehrungen zum Umweltschutz sind regelmäßig Maßnahmen mit nicht unerheblichem Platzbedarf. Ist das vorhandene betriebseigene Gelände bereits verbaut, werden es nur die wenigsten Firmen finanziell verkraften können, den ganzen Betrieb auszusiedeln. Der Staat muß regelmäßig zur Erhaltung der Arbeitsplätze mit Subventionen unter die Arme greifen. Hinzu kommen nicht selten Aspekte einer geordneten Stadtentwicklung. Der Flächennutzungsplan kann für eine Beibehaltung des bisherigen Industriestandortes sprechen, sei es wegen Immissionsvorbelastung der Umgebung, sei es wegen des Fehlens einer geeigneten Standortalternative. Grenzt in diesem Fall ein geeignetes Grundstück an den Industriebetrieb, ermöglicht die privatbegünstigende Enteignung die Erweiterung des Geländes zur Durchführung der notwendigen Umweltschutzmaßnahmen. Auf dem bisherigen Nachbargrundstück kann dann beispielsweise die erforderliche Rauchgasentschwefelungsanlage errichtet werden.

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8. Kap.: Exemplarische Stichproben zum Kriterium Allgemeinwohl I I . Entsorgung und Sicherheitserwägungen

Zum Umweltschutz zählt außerdem die Entsorgung. Unsere Industriegesellschaft produziert nebenher eine ganze Reihe von sogenannten Problemabfällen. Die Palette reicht von der giftigen Chemikalie bis zum hochradioaktiven Abfall. Ihre ordnungsgemäße Beseitigung liegt oft in der Hand von Privaten. Abgesehen davon, daß sie sich meist ohnehin nicht rückstandslos in harmlose Stoffe zersetzen lassen, ist der Vorgang als solcher regelmäßig nicht ungefährlich. Sicherheitserwägungen haben daher über den Standort der Abfallbeseitigungsanlage mitzubestimmen. Dasselbe gilt für den Platz der Zwischen- oder Endlagerung von Problemabfällen. Diese sicherheitsbedingte Standortabhängigkeit der Entsorgungsanlagen können Enteignungen zugunsten privater Entsorgungsbetriebe legitimieren. Voraussetzung ist jedoch, daß im Einzelfall die Kriterien des Wohls der Allgemeinheit iSd Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG, wie sie im 7. Kapitel aufgezeigt wurden, erfüllt werden.

G. Gesellschaftliche Vorteile als Ziel des Enteignungsunternehmens Nicht verschwiegen werden darf schließlich noch, daß Teile der Literatur die privatbegünstigende Enteignung zum Erreichen von Zielen einsetzen wollen, die man unter dem Stichwort „gesellschaftliche Vorteile" zusammenfassen könnte. Vor dem Maßstab des Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG müssen hiergegen jedoch erhebliche Bedenken angemeldet werden.

I. Verhinderung von Bodenspekulation und Preistreiberei Am ehesten läßt sich eine Enteignung zugunsten Privater noch vorstellen, um bei knappem Angebot für Bauland Bodenspekulation und Preistreiberei wirksam entgegenzuwirken 46. Hierfür sprechen letztlich dieselben Gründe, die bereits oben 47 bei den sozialen Zielen eines Enteignungsunternehmens erörtert wurden. Es muß aber auch auf die dortigen Einschränkungen verwiesen werden.

I I . Kostenersparnis beim Endverbraucher Als weitere Rechtfertigung einer privatbegünstigenden Enteignung wird der Fall diskutiert, daß der Preis, den der Endverbraucher für eine Ware oder eine Dienstleistung zu zahlen hat, gesenkt werden kann oder sich zumindest nicht 46 Vgl. beispielhaft: Schweizer Bundesgericht, BGE 88 I 248. 47 Oben 8. Kap. C.

G. Gesellschaftliche Vorteile als Ziel des Unternehmens

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erhöht 48 . Jedoch wird dies regelmäßig bereits am notwendigen Kausalitätsnachweis sowie am erforderlichen Nachweis der genauen Höhe der Steigerung scheitern. Darüber hinaus müßte die Unzumutbarkeit dieser Kostensteigerung beim Endverbraucher dargetan werden.

I I I . Wirtschaftliche Wertschöpfung und Kapitalverwertung Vereinzelte Stimmen wollen ferner auch enteignen, um die wirtschaftliche Wertschöpfung des Eigentums sowie die Kapitalverwertung zu optimieren. Dies aber liegt allein in der Befugnis des Eigentümers. Gründe des Wohls der Allgemeinheit, die hierfür sprechen, sind in keiner Weise ersichtlich.

IV. Vergnügungswerte Nicht zuletzt können auch „Vergnügungswerte", wie sie bei der Bad Dürkheimer Gondelbahn49 eine Rolle gespielt haben, eine privatbegünstigende Enteignung nicht rechtfertigen 50. Die Beispiele haben gezeigt, daß Enteignungen zugunsten Privater der Bewältigung einer Gemengenlage gleichlaufender oder sich widersprechender Interessen und Belange dienen.

48 Stengel, Die Grundstücksenteignung zugunsten privater Wirtschaftsuntemehmen, S. 92. 49 BVerfG, Urt. v. 10. 3. 1981, BVerfGE 56, 249 = NJW 1981, 1257; vgl. hierzu oben 1. Kap. bei Fn. 11. so Zuzugeben ist aber, daß die Übergänge beispielsweise zum Sportstättenbau (8. Kap. Ε. ΙΠ.) fließend sind.

. Kapitel

Sicherung des Allgemeinwohls durch die Enteignungsbehörde Im Laufe der Untersuchungen über das Wohl der Allgemeinheit im 7. Kapitel der vorliegenden Arbeit hat sich herauskristallisiert, es genügt nicht, das Allgemeinwohl bei einer privatbegünstigenden Enteignung im Zeitpunkt der Enteignungsverfügung festzustellen. Vielmehr ist dafür Sorge zu tragen, daß die Privatperson, die zum neuen Eigentümer geworden ist, das Gemeinwohlvorhaben auch tatsächlich verwirklicht 1 . Diese Sicherung des Gemeinwohls bedarf im folgenden einer genaueren Untersuchung.

A. Allgemeine Vorbemerkungen zur Sicherung des Allgemeinwohls Eine solche Unteruchung über die Sicherung des Allgemeinwohls bei einer Enteignung zugunsten Privater erscheint aus mehreren Gründen besonders dringend geboten. I. Gegenwärtiger Befund in tatsächlicher Hinsicht Untersucht man die derzeitige tatsächliche Lage, stößt man auf doch zumindest teilweise erstaunliche Aspekte: Zum einem läßt sich eine systematische gesetzliche Regelung dieses Problemkreises nicht erkennen. Vorhandene Vorschriften beleuchten mehr schlaglichtartig einzelne Teilaspekte, als daß sie ein zusammenhängendes und in sich durchdachtes Regelungsgefüge auch nur in Umrissen widerspiegeln würden 2. Zum zweiten meldet eine Anfrage an die enteignungsrechtliche Praxis in dieser Hinsicht weitgehend Fehlanzeige. Zwar wird zugunsten Privater enteignet. Eine Sicherung des Enteignungszweckes erfolgt aber ι Das Problem stellt sich international gleich. Für England vergleiche beispielsweise zur Notwendigkeit der Sicherung des Nutzungszweckes durch detaillierte Auflagen und Weisungen auf der Grundlage des „Town and Country Planning Act, 1971": Peter Adenauer, Raumplanung und Enteignung in England, S. 146. Auf europäischer Ebene erfolgt der Eigentumsschutz durch Art. 1 des Ersten Zusatzprotokolls der EMRK. Vgl. hierzu: Dolzer, Eigentumsschutz als Abwägungsgebot, FS Zeidler, S. 1677. 2 Vgl. beispielsweise §§ 113 Abs. 3, 114 BauGB; §§ 6 Abs. 1, 7, 8 Abs. 1 iVm § 11 EnWG; Art. 31 Abs. 1 Nr. 3, Art. 32 BayEG.

Α. Allgemeine Vorbemerkungen zur Sicherung des Allgemeinwohls

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zumeist nicht. Nur ganz vereinzelt finden sich rudimentäre Ansätze in dieser Richtung 3 . Drittens stößt man auch in der rechtswissenschaftlichen Literatur — soweit sie das Problem überhaupt behandelt — nur auf apodiktische Aussagen zur Notwendigkeit derartiger Sicherungsvorkehrungen 4. Abgesehen von ganz wenigen Ausnahmen5 fehlen regelmäßig alle Hinweise auf die Möglichkeiten einer Umsetzung dieser Forderung in die Praxis.

I I . Geschichtliche Vorbilder Dieser Befund muß unter dem Blickwinkel des Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG enttäuschen. Dem war nicht immer so. Als rechtsstaatliches Muster kann eine historische Regelung in Bayern dienen. Das Zwangsabtretungsgesetz (ZAG) enthielt bereits im Jahre 1837 in Art. IV Abs. 1 Nr. 2 folgende Regelung6: „Die Entwehrung kann . . . in Anspruch genommen werden von Gemeinden und von denjenigen Gesellschaften und Privaten, denen von der Regierung unter Bedingungen, welche die Erreichung des Zweckes und seiner Gemeinnützigkeit sichern, die Ausführung einzelner . . . Unternehmungen eingeräumt wird". Das ZAG war also ein Gesetz, das expressis verbis eine Sicherung vorschrieb. Eine entsprechende Regelung ist im heute geltenden BayEG leider nicht mehr enthalten. Die Notwendigkeit, bei einer Enteignung zugunsten Privater die Erreichung des Enteignungszweckes zu sichern, war in der damaligen Zeit fest im Bewußtsein des Gesetzgebers verankert. Daß es sich dabei keineswegs um einen rechtsstaatlichen Zufallstreffer handelte, zeigt uns die Novelle zum ZAG aus dem Jahre 19107. Durch diese Gesetzesänderung wurde in Art. I ZAG die Ziffer 16 eingeführt, die eine Enteignung für private Elektrizitätsunternehmen ermöglichte. Vorbildlich ist in diesem Zusammenhang die Begründung der Staatsregierung gegenüber dem Bayerischen Landtag. Bei der Gesetzesberatung betonte der Bayerische Staatsminister für Justiz, daß für die Zulässigkeit einer Enteignung zugunsten Privater stets die öffentliche Zweckbindung und deren Sicherung entscheidend ist 8 . Und noch im Jahre 1933 erklärte das Bayerische Gesetz über 3 Vgl. Ziff. C. der VollzugsBek zum BayEG, MAB1. 1978, 778. Die mangelnde hoheitliche Bindung beispielsweise bei durchgeführten Enteignungen zum Bau von Industrie-Rohrleitungen rügt auch schon Stengel, Die Grundstücksenteignung zugunsten privater Wirtschaftsunternehmen, S. 94. Zu Recht weist er daraufhin, daß es insbesondere an einer Betriebspflicht fehlt. 4 Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14 Rdnr. 506. 5 Beispielsweise Stummer, Die öffentlich Zweckbindung der enteigneten Sache, S. 143. 6 Zwangsabtretungsgesetz vom 17. 11. 1837 (GBl. S. 109). 7 Gesetz über die Abänderung des Zwangsabtretungsgesetzes vom 13. 8. 1910 (GVB1. S. 621). 8 Die Rede ist abgedruckt bei Fergg, Die Zwangsenteignung in Bayern, 1934, S. 25; vgl. auch Burger, Die wirtschaftlichen Auswirkungen des bayerischen Zwangsabtretungsgesetzes vom 17. 11. 1837, S. 66.

190

9. Kap.: Die Sicherung des Wohls der Allgemeinheit

die Enteignung aus Gründen des Gemeinwohls (GEG) in seinem Art. 5 den Art. IV ZAG ausdrücklich für anwendbar 9. Die rechtswissenschaftliche Literatur verstand die Vorschrift des Art. IV Abs. 1 Nr. 2 ZAG ohne Einschränkungen und Abstriche: Zugunsten Privater darf nur enteignet werden, wenn die dauerhafte Wahrnehmung der Allgemeinwohlbelange durch den privaten Unternehmer ausreichend gesichert ist 1 0 . Auch die Rechtsprechung ist dem wie selbstverständlich gefolgt. So stellt der BayVGH 1 1 in einem Urteil vom 6. 6. 1924 bei der Prüfung der Zulässigkeit einer Enteignung zugunsten eines Privatunternehmers darauf ab, ob eine öffentliche Zweckbestimmung vorliegt und ob diese durch einen öffentlichen Verband gesichert ist. Im zu entscheidenden Fall waren dem begünstigten privaten Energieversorgungsunternehmen durch einen Wegbenutzungsvertrag mit der Gemeinde die notwendigen Bedingungen und Verpflichtungen auferlegt. Dies genügte dem Gericht. Es erkannte, daß durch diesen Vertrag die Verwirklichung des Enteignungszweckes tatsächlich sichergestellt war und wies die Klage als unbegründet ab. Das Bewußtsein von der Notwendigkeit einer Allgemeinwohlsicherung war aber auch außerhalb Bayerns verbreitet. So erkannte das OLG Jena in seinem Urteil vom 20. 3. 1925 eine Enteignung zugunsten eines privaten Industriebetriebes an 12 . Es ließ die Erhaltung von 200 Arbeitsplätzen in einem Sägewerk zur Enteignung eines Mühlgrabens ausreichen. Ob das rein private Unternehmen tatsächlich dem Wohl der Allgemeinheit diente, zog das Gericht lediglich unter dem Gesichtspunkt in Frage, daß es keinerlei Verpflichtung übernommen hatte, den Betrieb auch nur auf gewisse Zeit aufrecht zu erhalten oder beim Betrieb das Wohl der Allgemeinheit zu fördern. Das OLG sah letztlich aber insoweit seine Prüfungskompetenz eingeschränkt. Es meinte, die Entscheidung dieser Frage stehe ausschließlich dem Ministerium zu und sei gerichtlich unanfechtbar. Im Geltungsbereich der außerbayerischen Enteignungsgesetze war zur damaligen Zeit das vorliegende Problem ebenfalls geläufig. Unter der Geltung der Weimarer Reichsverfassung wollte zumindest ein Teil der Literatur das Wort Enteignung nur auf Tatbestände anwenden, die eine Zwecksicherung enthielten13. 9 Gesetz über die Enteignung aus Gründen des Gemeinwohls (GEG) vom 1. 8. 1933, GVB1. 217). 10 Vgl. beispielsweise: Laforet, Das Zwangsabtretungsgesetz, 1910, S. 31; von Henle, Die Zwangsabtretung von Grundeigentum in Bayern, 2. Auflage 1911, S.71 f.; Herle, Die Zwangsenteignung von Grundeigentum in Bayern, 2. Auflage 1919, Art. IV Anm. 4, S. 99; Fergg, Die Zwangsenteignung in Bayern, 1934, S. 25; Seufert, Bayerisches Enteignungsrecht, Art. IV Rdnr. 10, S. 74. π BayVGH, Urt. v. 6. 6. 1924, VGH 45, S. 55 ff. 12 OLG Jena, Urt. v. 20. 3. 1925, JW 1925, 1476 ff. 13 Krückmann, Enteignung und Einziehung nach alter und neuer Reichsverfassung, 1925, S. 7.

Α. Allgemeine Vorbemerkungen zur Sicherung des Allgemeinwohls

191

Als Beispiel darf das Enteignungsgesetz für das Königreich Sachsen vom 24. 6. 1902 genannt werden 14 . Bei der Beratung des § 1 wurde in die Kammer ein Vorschlag eingebracht, der nahezu in wörtlicher Übereinstimmung der bayerischen Regelung entsprach 15. Der Vorschlag wurde im Königreich Sachsen nicht Gesetz, wobei die Regierung unter anderem sinngemäß auf folgendes hinwies: Die beteiligten Ministerien werden die Qualifikation des zu konzessionierenden Eisenbahnunternehmens künftig ebenso durch Feststellung geeigneter Bedingungen zu sichern suchen, als dies schon bisher der Fall gewesen ist 16 . Der von der Verwaltung reklamierte Vertrauensvorschuß wurde ihr vom Gesetzgeber in der Tat eingeräumt. Überhaupt wurde die Sicherung des Enteignungszweckes prinzipiell in ihre Hand gelegt. Ob diese Vorgehensweise auch heute berechtigt wäre, ist kurz zu prüfen.

I I I . Rechtsanspruch der Allgemeinheit aus der Gemeinwohlsicherung Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG legt fest, daß nur das Wohl der Allgemeinheit eine Enteignung rechtfertigen kann. Dies bedeutet, die Allgemeinheit muß Vorteile aus einer derartigen staatlichen Zwangsmaßnahme ziehen. Geht man hiervon aus, liegt an sich die Frage nahe, ob diese Allgemeinheit nicht auch einklagbare Rechtsansprüche gegen den Begünstigten der Enteignung hat oder doch zumindest haben soll. Mit anderen Worten: Kann irgend ein Dritter, der der Allgemeinheit angehört, Forderungen aus dem Enteignungszweck gegen den neuen Eigentümer durchsetzen? Erfolgt die Enteignung beispielsweise zur verkehrsmäßigen Erschließung, hat dann jedermann aus der Bevölkerung einen Anspruch, die angelegte Privatstraße zu benutzen? Erfolgt die Enteignung zur Schaffung von Arbeitsplätzen, kann dann jedermann von dem Industriebetrieb verlangen, auch eingestellt zu werden? Diese Beispiele deuten bereits die unterschiedlichen Interessenlagen an und weisen darauf hin, daß sich eine einheitliche Antwort nicht finden läßt. Im Ausgangspunkt ist zu fragen, unter welchen Voraussetzungen eine öffentlich-rechtliche Verpflichtungs- oder Leistungsklage eines Dritten aus der Allgemeinheit Erfolg hat 17 . Erforderlich ist hierfür ein Rechtsanspruch, der durch einen entsprechenden Rechtstitel eingeräumt wird. Die in Frage stehenden Rechtssätze müssen hierfür jedenfalls zumindest auch dem Schutz von Individualinteressen zu dienen bestimmt sein 18 . 14 Enteignungsgesetz für das Königreich Sachsen vom 24. 6. 1902, GVB1. S. 153. 15 Nachgewiesen bei Schelcher, Das Enteignungsgesetz für das Königreich Sachsen, S. 128. 16 Nachgewiesen bei Schelcher, a.a.O., S. 146. 17 Von der Frage des Vertragsabschlusses ist als zweite Stufe die Vertragsausgestaltung zu trennen.

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9. Kap.: Die Sicherung des Wohls der Allgemeinheit

Zwischen dem Dritten aus der Allgemeinheit und dem Enteignungsbegünstigten bestehen im Normalfall keine rechtlichen Beziehungen. Als einzige Ausnahme kommt in Betracht, daß ein Gesetz einem beliebigen Dritten direkte Ansprüche einräumt. Kontrahierungspflichten von Energieversorgungsunternehmen sind Beispiele hierfür 19 . Gibt es eine derartige gesetzliche Regelung nicht, ist zur Lösung der vorliegenden Frage das Rechtsverhältnis zwischen Enteignungsbehörde und Enteignungsbegünstigtem zu untersuchen. Das der Enteignungsbehörde im Rahmen der Gemeinwohlsicherung zur Verfügung stehende Instrumentarium läßt es zu, beliebigen Personen der Allgemeinheit Rechtsansprüche gegen den Enteignungsbegünstigten einzuräumen. Die Arbeit kann sich an dieser Stelle damit begnügen, eine in Frage kommende Möglichkeit lediglich vom Ansatz her aufzuzeigen. Beim Vertrag zugunsten Dritter nach § 328 BGB erwirbt der Dritte das Recht unmittelbar. § 328 BGB ist auf öffentlich — rechtliche Verträge entsprechend anwendbar. Der Dritte erlangt nur das Forderungsrecht, rückt aber nicht in die Stellung des Vertragsschließenden ein 20 . Der begünstigte Dritte muß auch nicht im Vertrag bestimmt sein. Es genügt vielmehr, daß er aufgrund der vertraglichen Regelung bestimmbar ist. Das Erfordernis der Bestimmbarkeit des Personenkreises, der gegen den Enteignungsbegünstigten Ansprüche stellen kann, ist im übrigen auch Rechtmäßigkeitsvoraussetzung. Der Enteignungsbegünstigte wird im vollen Umfang neuer Eigentümer. Er muß voraussehen können, was auf ihn an Rechtsansprüchen zukommt, sein Risiko muß kalkulierbar bleiben. Dies stellt eine erhebliche Einschränkung der Anwendbarkeit des Vertrages zugunsten Dritter als Sicherungsmittel dar. Entgegen Stummer 21 hat die Enteignungsbehörde aber hiermit durchaus die Möglichkeit, Dritten aus der Allgemeinheit heraus unmittelbare Ansprüche gegen den Enteignungsbegünstigten einzuräumen. Ob aber ein echter Vertrag zugunsten Dritter geschlossen werden sollte, ist durch Auslegung zu ermitteln (§ 328 Abs. 2 BGB ). In Betracht kommt eine derartige Fallgestaltung vor allem, wenn einem bestimmbaren Personenkreis Teilhabe — oder Nutzungsrechte am Eigentum des Enteignungsbegünstigten eingeräumt werden sollen. In diesen Fällen werden aber stets vertragliche Regelungen notwendig sein, damit das Recht des Dritten ohne dessen Zustimmung aufgehoben oder abgeändert werden kann, § 328 Abs. 2, 3. Alt. BGB. Der Grund hierfür liegt in der oben dargestellten Dynamik Vergleichbar dem Schutznormerfordernis i.S.d. § 42 Abs. 2 VwGO; siehe hierzu etwa BVerwGE 60, 150; 62, 14; Kopp, VwGO, 7. Auflage 1986, § 42 Rdnr. 48; Steiner, Allgemeine Leistungsklage, JuS 1984, 853. § 6 Abs. 1 EnWG. 20 Palandt/Heinrichs, BGB, 46. Auflage 1987, § 328 Anm. 1 c. 21 Stummer, Die öffentliche Zweckbindung der enteigneten Sache, S. 166.

Α. Allgemeine Vorbemerkungen zur Sicherung des Allgemeinwohls

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des Wohls der Allgemeinheit, das derartige Belastungen des Enteignungsbegünstigten erfordert und legitimiert zugleich. Die notwendige flexible Anpassung an Allgemeinwohlerfordernisse bringt es mit sich, daß Dritte häufig lediglich faktisch begünstigt werden sollen. Die rechtliche Durchsetzung der Vorteile der Allgemeinheit ist dann ausschließlich in die Hand der Enteignungsbehörde gelegt. Bei einer auf das Allgemeinwohl verpflichteten Verwaltung, die ihr Handeln an dieser Maxime orientiert, dürfte dies im Ergebnis zu keinen Einbußen auf Seiten der Allgemeinheit führen. Mit Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG läßt sich jedenfalls die Forderung nicht begründen, daß Dritte aus der Allgemeinheit heraus Rechte am Enteignungsgegenstand eingeräumt werden müßten. Dem steht die notwendige dynamische Flexibilität, die eine Gemeinwohlrealisierung fordert, nicht selten im Wege. Gerichtlich durchsetzbare Ansprüche Dritter müssen daher nicht immer begründet werden. Es genügt somit auch in jedem Fall ein Verwaltungsakt mit Drittwirkung 22 , der als Reflex die Allgemeinheit lediglich faktisch begünstigt. Übrigens ist fraglich, ob ein begünstigender Verwaltungsakt unmittelbare Rechte für Personen zu begründen vermag, denen gegenüber er gar nicht ergangen ist. Stummer 23 hat diese Frage verneint. Andererseits ist anerkannt, daß der Betroffene gegen Belastungen, die ihm ein Verwaltungsakt mit Drittwirkung auferlegt, gerichtlich vorgehen kann. Warum er aus einer Begünstigung eines Verwaltungsakts mit Drittwirkung heraus nicht klagen können sollte, ist nicht einzusehen. Stets wird jedoch sorgfältig zu prüfen sein, ob die Enteignungsbehörde dem Dritten wirklich ein Recht einräumen wollte oder ob er nur rein tatsächlich, „reflexartig" begünstigt werden sollte. Aus Gründen der Rechtssicherheit ist zu fordern, daß die Einräumung eines Rechtsanspruches an einen Dritten, der zur Allgemeinheit gehört, nur ausdrücklich und nicht konkludent erfolgen kann.

IV. Sicherung des Enteignungszwecks durch den früheren Eigentümer Weiter könnte daran gedacht werden, die Sicherung des Enteignungszweckes in die Hand des früheren Eigentümers zu legen. Schließlich wird ihm sein Eigentumsopfer im Interesse des Allgemeinwohls zugemutet. Durch die Rechtsprechung des BVerfG 24 ist geklärt, daß dem ehemaligen Eigentümer aus Art. 14 GG ein Rückübereignungsanspruch bei Verfehlung des Enteignungszweckes zusteht. Die Rückenteignung versagt aber als Mittel, um 22 Schulbeispiel für den Verwaltungsakt mit Drittwirkung ist die Baugenehmigung, die den Nachbarn belastet und die von ihm deswegen gerichtlich angegriffen werden kann; vgl. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 5. Auflage 1987, § 11 Rdnr. 67. 23 Stummer, Die öffentliche Zweckbindung der enteigneten Sache, S. 167, ohne weitere Begründung. 24 BVerfG, Beschl. v. 12. 11. 1974, BVerfGE 38, 175. 13 Schmidbauer

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9. Kap.: Die Sicherung des Wohls der Allgemeinheit

die dauernde Verwendung des Eigentums zum Wohl der Allgemeinheit in der Hand des neuen Eigentümers zu sichern. Zunächst besteht der Rückenteignungsanspruch nur so lange, bis der Enteignungsbegünstigte mit der Verwendung des Eigentumsgegenstandes zum festgelegten Enteignungszweck begonnen hat 25 . Wird beispielsweise zur Schaffung von Arbeitsplätzen für ein Industrieunternehmen enteignet, besteht der Rückübereignungsanspruch, solange die Arbeitsplätze nicht geschaffen sind. Muß aber die Zahl der 2000 geschaffenen Arbeitsplätze fünf Jahre später wegen wirtschaftlicher Strukturänderungen um 500 verringert werden, kann der ehemalige Eigentümer vom neuen Zuordnungsberechtigten nicht mehr die Rückübereignung des Grundstücks verlangen. Das Beispiel zeigt außerdem, daß die Erfüllung des Enteignungszweckes regelmäßig die Umgestaltung des Eigentumsgegenstandes erfordert, hier also die Errichtung eines Fabrikgebäudes auf dem Grundstück. In der Rechtsprechung des Β VerwG 2 6 ist nunmehr anerkannt, daß auch eine wesentliche Veränderung des Eigentums zum Erlöschen des Rückübereignungsanspruchs führt. Der frühere Eigentümer ist in seinen Rechten gegenüber dem neuen Zuordnungsberechtigten auf den Rückübereignungsansperuch beschränkt. Weitergehende Einwirkungsmöglichkeiten stehen ihm nicht zu. Denn der neue Zuordnungsberechtigte ist vollwertiger Eigentümer. Der ehemalige Eigentümer behält ihm gegenüber keine wie auch immer ausgestaltete Art von Eigentum zurück. Eine Sicherung des Enteignungszweckes durch den früheren Eigentümer erfolgt also mit Ausnahme des schmalen Bereichs, den der Rückübereignungsanspruch abdeckt, nicht. Allerdings kann man den Anspruch auf Rückübereignung des früheren Eigentümers vom Ergebnis her zu den Instrumenten der Sicherung des Enteignungszweckes zählen. Jedoch deckt der Rückübereignungsanspruch nur einen sehr schmalen Bereich ab. Hinzu kommt, daß der Enteignete nicht zur Ausübung seines Rechtes verpflichtet ist. Die Sicherung des Enteignungszwecks hängt insoweit vom freien Willen des Enteigneten ab. Dieses Ergebnis wäre mit dem Allgemeinwohlerfordernis des Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG nicht zu vereinbaren. Der Rückübereignungsanspruch des Enteigneten allein vermag daher den Enteignungszweck nicht zu sichern. Er kann insbesondere eine objektive Sicherung nicht ersetzen. Er stellt lediglich eine zusätzliche Komplettierung des Grundrechtsschutzes des von der Enteignung betroffenen Eigentümers dar. Die Rechtsstellung des Enteigneten muß daher an anderer Stelle 27 gesondert untersucht werden.

25

Ebenso Stengel, Die Grundstücksenteignung zugunsten privater Wirtschaftsunternehmen, S. 102. 26 Β VerwG, Urt. v. 18. 7. 1986, NVwZ 1987, 449 f. 27 Vgl. unten 11. Kap. B.

Β. Notwendigkeit einer Sicherung als Verfassungsgebot

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V. Sicherung des Wohls der Allgemeinheit durch die Verwaltung Rechtlich durchsetzbare Ansprüche, die eine effektive Sicherung des Wohls der Allgemeinheit bewirken, können — wie gezeigt — häufig weder Mitgliedern der Allgemeinheit noch dem bisherigen Eigentümer eingeräumt werden. Die rechtliche Durchsetzung des Nutzens der Allgemeinheit ist in diesen Fällen ausschließlich in die Hand der Enteignungsbehörde gelegt 28 . Dies erscheint insoweit unbefriedigend, als die Personen, zu deren Nutzen enteignet wird, keine rechtlichen Möglichkeiten besitzen, gegen Pflichtverletzungen des Enteignungsunternehmers, die sie benachteiligen, vorzugehen. Ihnen bleiben lediglich Anträge an die Enteignungsbehörde und entsprechende Aufsichtsbeschwerden. Ausgeglichen wird dies dadurch, daß die Enteignungsbehörde verfassungsrechtlich gehalten ist, Sorge zu tragen, daß der Enteignungsbegünstigte seinen Verpflichtungen auch nachkommt. Dieses Gebot im Grundgesetz sollte für die Verwaltung Anlaß genug sein, ihren Auftrag ernst zu nehmen.

B. Notwendigkeit einer Sicherung als Verfassungsgebot aus Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG Soweit sich die enteignungsrechtliche Literatur überhaupt mit dem Fall einer Enteignung zugunsten Privater beschäftigt, beschränken sich ihre Aussagen zumeist auf den einzigen Satz, daß ein derartiger Vorgang schon im Hinblick auf das Vorliegen des Wohls der Allgemeinheit einer näheren Prüfung bedürfe l. Ein geringer Teil der rechtswissenschaftlichen Autoren setzten dem dann noch die pure Feststellung hinzu, es sei eine nachhaltige Sicherung des Allgemeininteresses nötig 2 . Damit erschöpfen sich im Regelfall aber auch schon die rechtswissenschaftlichen Hilfestellungen für die praktische Anwendung. Lediglich von Bryde 3 deutet geheimnisvoll an, daß die erforderliche Sicherung der Gemeinnützigkeit über den Enteignungszeitpunkt hinaus viel problematischer als die Bejahung des Gemeinwohlbezugs sei. Nähere Erläuterungen folgen aber auch hier nicht.

28 Fraglich ist, inwieweit diese Kompetenzzuweisung sinnvoll ist. Soweit eine zuständige Fachbehörde vorhanden ist, würde es sich anbieten, die Überwachung der Gemeinwohlrealisierung in deren Hand zu legen, da sie über entsprechende Verwaltungserfahrung und das eventuell erforderliche technische Instrumentarium verfügt. Für Bayern ist insoweit eine gesetzliche Regelung erforderlich, Art. 77 Abs. 1 S. 1 BV. Soweit es sich nicht um eine spezialgesetzliche Fachmaterie des Enteignungsrechts handelt, wäre zu überlegen, ob im allgemeinen Enteignungsgesetz der Enteignungsbehörde die Befugnis eingeräumt werden sollte, die Fachbehörde zu bestimmen, die die Allgemeinwohlrealisierung des Enteignungsbegünstigten überwacht. ι Für viele: Molodovsky, BayEG, Art. 1 Rdnr. 4.1.1. und Rdnr. 4.1.3. 2 Badura, Staatsrecht, C. Rdnr. 82 ohne weitere Begründung. 3 Bryde, in: v. Münch, GG, Art. 14 Rdnr. 82. 13*

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9. Kap.: Die Sicherung des Wohls der Allgemeinheit

Unter den rechtswissenschaftlichen Schriftstellern, die sich vertieft mit der Problematik einer Enteignung zugunsten Privater auseinandergesetzt haben, besteht freilich Einigkeit in einem Punkt: Die verfassungsmäßige Zulässigkeit einer privatbegünstigenden Enteignungsmaßnahme hängt davon ab, daß vom Privaten Sicherungen und Garantien für eine dauernde Verwendung der enteigneten Sache zum Wohl der Allgemeinheit gefordert werden 4. Sucht man nach einer Begründung hierfür, wird man jedoch nur äußerst selten fündig. Um den Stellenwert einer Sicherung des Gemeinwohls richtig einschätzen zu können, ist aber gerade zu untersuchen, woraus sich die Notwendigkeit derartiger Sicherungen herleitet.

I. Gemeinwohl als Legitimation des Eigentumsopfers Bereits oben5 wurde die These vertreten, daß die Sicherung des Enteignungszweckes bei einer privatbegünstigenden Enteignung Teil des Gemeinwohlurteils im Sinne des Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG ist. Dies bedeutet, das Vorliegen einer hinreichend zuverlässigen Sicherung gehört zu den Voraussetzungen, die für eine verfassungsmäßige Enteignung gegeben sein müssen. Diese Forderung leitet sich aus Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG selbst ab. Das Zwangsinstrument der Enteignung kann danach nur „zum Wohle der Allgemeinheit" eingesetzt werden. Der Wortlaut führt uns vor Augen, daß die Enteignung ein zielgerichteter Eingriff des Staates in das Eigentum ist. Diese Finalität bezieht sich nicht bloß auf die Verschaffung der Verfügungsbefugnis über das Eigentum, sondern zielt darüber hinaus auf die Verwirklichung des Enteignungszweckes, der in der Gemeinwohlrealisierung liegt. Die konkrete Aussicht, dieses zukünftige Ziel zu erreichen, rechtfertigt den Eigentumsentzug6. Der Enteignete ist also genötigt, sein Eigentum mit Rücksicht auf den künftigen Verwendungszweck aufzuopfern. Das Eigentumsopfer wird von Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG verfassungsrechtlich legitimiert, aber nur zum Wohle der Allgemeinheit. Dies bedeutet: Der Grundrechtseingriff ist nur gerechtfertigt, wenn bereits im Zeitpunkt des Eigentumsentzuges hinreichend sicher ist, daß das Eigentum später zum Wohl der Allgemeinheit verwendet werden wird. Denn allein die Notwendigkeit, daß mit dem betroffenen Eigentum in der Hand einer anderen Person eine für die Allgemeinheit qualitativ höherwertige Verwendung erfolgen muß, erlaubt den Entzug des Eigentums. Die Enteignungsbehörde hat daher die Erreichung des 4 Bullinger, Die Enteignung zugunsten Privater, Der Staat, Bd. 1, 1962, S. 477; Stummer, Die öffentliche Zweckbindung der enteigneten Sache, S. 126; Stengel, Die Grundstücksenteignung zugunsten privater Wirtschaftsunternehmen, S. 50. 5 Siehe oben 7. Kap. G. III. 4. b. 6 Im Ansatz ebenso: BVerfG, Beschl. v. 14. 7. 1981, BVerfGE 58, 137 = NJW 1982, 633; BVerfG, Beschl. v. 15. 7. 1981, BVerfGE 58, 300 = NJW 1982, 745; Böhmer, Sondervotum zu BVerfG, Urt. v. 10. 3. 1981, BVerfGE 56, 249 = NJW 1981, 1257 (1262).

Β. Notwendigkeit einer Sicherung als Verfassungsgebot

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Enteignungszweckes hinreichend sicherzustellen. Denn nur wenn dies geschieht, erfolgt die Enteignung zum Wohle der Allgemeinheit und ist verfassungsmäßig. Ergibt sich demgegenüber keine Verpflichtung der begünstigten Privatperson, das Eigentumsrecht oder den Eigentumsgegenstand für den Enteignungszweck zu verwenden, darf eine Enteignung als der schwerste Eingriff in das Eigentum eines Bürgers überhaupt nicht ausgesprochen werden. Es verstößt gegen Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG, einerseits von einem Staatsbürger für einen beabsichtigten Zweck ein besonders Opfer in Form der Entziehung seines Eigentums zu verlangen und andererseits nicht darauf zu bestehen, daß der mit dem Enteignungsverfahren verfolgte Verwendungszweck vom Begünstigten auch tatsächlich verwirklicht wird 7 . Wird der Begünstigte nämlich nicht rechtlich verpflichtet, den Enteignungszweck zu verfolgen und auf seine Verwirklichung hinzuwirken, werden die Voraussetzungen einer Enteignung zu inhaltsleeren Scheinanforderungen herabgewürdigt. Der Grundrechtsschutz des Art. 14 GG wäre völlig ausgehöhlt8. Daher ist die Zweckbindung der enteigneten Sache in der Hand des Enteignungsbegünstigten sicherzustellen. Für den Fall der Zuwiderhandlung sind entsprechende Sanktionen vorzusehen. Denn der Staat, der einer Privatperson das Eigentum entzieht und es auf eine andere Privatperson überträgt, hat dafür zu sorgen, daß der neue Eigentümer so handelt, daß die Enteignung auch gerechtfertigt ist. Zu Recht stellt Bullinger 9 fest, das Erfordernis klarer rechtlicher Sicherungen des öffentlichen Interesses sei unentbehrlich, wenn man der Enteignung zugunsten Privater feste rechtsstaatliche Schranken setzen will. Auch die gerichtliche Kontrollierbarkeit einer privatbegünstigenden Enteignung ist nach seiner zutreffenden Ansicht nur gewährleistet, wenn als Zulässigkeitsvoraussetzung der Enteignung eine Sicherung des öffentlichen Interesses verlangt wird. Es verstößt gegen Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG, vom bisherigen Eigentümer ein besonderes Opfer für Zwecke des Allgemeinwohls zu verlangen, andererseits dann aber die Verfolgung dieser Ziele in das Belieben des künftigen Eigentümers zu stellen. Der Enteignungsbegünstigte hat sich deshalb entsprechenden Verpflichtungen für die Zeit nach der Eigentumsübertragung zu unterwerfen, deren Einhaltung auch kontrolliert werden muß 10 . Gerade wegen der inhaltlichen Offenheit des Enteignungstatbestandes in Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG, der in weiser Voraussicht der sich wandelnden Bedürfnisse des Gemeinschaftslebens eine Enteignung für eine Vielzahl möglicher Unternehmensziele zuläßt, ist eine Sicherung der enteignungsrechtlichen Allgemeinwohlzwecke dringend geboten. Andernfalls wäre dem Mißbrauch des Art. 14 Abs. 3 GG Tür und Tor geöffnet. Für jedermann wäre 7 Ebenso Stummer, Die öffentlich Zweckbindung der enteigneten Sache, S. 132. 8 So auch schon Stummer, Die öffentliche Zweckbindung der enteigneten Sache, S. 19. 9 Bullinger, Die Enteignung zugunsten Privater, Der Staat, 1962, S. 449 (470 und 477). 10 Kriegbaum, Grundrechtsschutz für den Staat im Fiskalbereich, BayVBl. 1972, 517 (522).

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9. Kap.: Die Sicherung des Wohls der Allgemeinheit

es ein Leichtes, sich durch einen bloßen Vorwand verfassungswidrige Vorteile zu verschaffen. Wenn der Private, der eine Enteignung für sich beantragt, lediglich seinen guten Willen vorgibt, kann dies nicht genügen11. Er muß vielmehr auch bereit sein, zur Bekräftigung seiner Absicht, zum Nutzen der Allgemeinheit tätig werden zu wollen, rechtliche Garantien abzugeben. Entgegen Kröner 12 ist es nämlich keineswegs belanglos, ob der durch den Eingriff entzogene Wert tatsächlich zum Wohle der Allgemeinheit verwertet worden ist. Wenn nämlich im Zeitpunkt der Enteignung nicht hinreichend sicher ist, daß mit dem Eigentum vom begünstigten Privaten auch das angestrebte Gemeinwohlvorhaben realisiert werden wird, ist bereits der Eigentumsentzug verfassungswidrig. Die öffentliche Hand, die in der Gestalt der Enteignungsbehörde einer Privatperson das Eigentum entzieht und es auf eine andere Privatperson überträgt, kann dies nach Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG nicht wahllos, sondern nur zielgerichtet tun. Mit dem Eigentum wird daher dem Begünstigten auch eine Aufgabe aufgebürdet, nämlich dieses Enteignungsziel zu verwirklichen. Der Staat, der das fragliche Eigentum mit Zwangsmitteln überträgt, muß sich nachher auch darum kümmern, ob der Private seine Aufgabe erfüllt. Im Hinblick hierauf hat er sich Einflußmöglichkeiten vorzuhalten, mit denen er sicherstellen kann, daß der neue Zuordnungsberechtigte des Eigentums seine Versprechungen bezüglich des Vorhabens auch einlöst. Die Enteignung als prinzipiell auf Dauer ausgerichteter Eingriff verlangt danach, die Verfolgung des Enteignungszweckes über den Zeitpunkt des Eigentumsentzuges hinaus sicherzustellen. Ansonsten wird das Zwangsmittel nicht zum Wohle der Allgemeinheit eingesetzt. Die Enteignung zugunsten Privater würde gegen Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG verstoßen und wäre verfassungswidrig. Die Notwendigkeit der Sicherung des Enteignungszweckes ergibt sich aus der Funktion der verfassungsrechtlichen Allgemeinwohlklausel selbst. Dies bedeutet zunächst: Einem Privaten kann im Wege der Enteignung verfassungsmäßig Eigentum nur mit der „immanenten Schwäche" übertragen werden, daß es zur Verfolgung des Enteignungszieles verwendet werden muß. Diese verfassungsrechtliche Vorgabe kann nicht ohne Auswirkungen auf die Methodik der Gemeinwohlsicherung bleiben 13 . Ferner muß nochmals ein Punkt klar und deutlich herausgestellt werden: Die Sicherung ist Teil des Gemeinwohlurteils iSd Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG. Dieses Ergebnis erlangt erhebliche Bedeutung für alle rund um die Sicherung des Gemeinwohls auftretenden Probleme, die im folgenden zu behandeln sind. Zunächst aber bedarf es noch der Verifizierung diese Ergebnisses unter verschiedenen Aspekten, die in der Literatur aufgeworfen werden. 11

Stummer, Die öffentliche Zweckbindung der enteigneten Sache, S. 134. Kroner, Die Eigentumsgarantie in der Rechtsprechung des BGH, S. 59. 13 Siehe unten 9. Kap. G. 12

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I I . Vergleich mit staatlichen Unternehmensträgern Wird zugunsten einer dem Bereich der mittelbaren Staatsverwaltung zugerechneten juristischen Person des öffentlichen Rechts enteignet, stellen sich die hier angesprochenen Probleme der Sicherung der Verwirklichung des Allgemeinwohls bei weitem nicht in gleicher Schärfe. Denn diese hat kraft ihrer Existenz die Aufgabe, öffentliche Interessen zu verfolgen. Demnach ist jedes Handeln des Staates oder eines ihm nachgeordneten Verwaltungsträgers rechtswidrig, das nicht dem Wohl der Allgemeinheit iSd. Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG dient. Die Verwirklichung des Allgemeinwohls, das die Enteignung legitimiert, ist institutionell auch nach dem Eigentumsübergang weithin gesichert, wenn für ein Vorhaben der öffentlichen Verwaltung enteignet wird. Man kann davon ausgehen, daß eine Einrichtung der öffentlichen Verwaltung, wenn sie erst einmal mit Hilfe von Enteignungen geschaffen ist, als solche erhalten bleibt und nicht irgendwelchen gemeinwohlfremden Zwecken zugeführt wird. Aufgrund der vom Grundgesetz im Ansatz vorgegebenen Aufgabenstellung ist der Staat verpflichtet, die Belange des Gemeinwesens zu fördern 14 . Die Verwaltung ist insoweit kein Selbstzweck. In diese Generalverpflichtung wird die enteignete Sache gewissermaßen eingebettet — wie es Bullinger anschaulich darstellt 15 . Nicht selten ist es bei privatbegünstigenden Enteignungen der Fall, daß statt des Privaten auch der Staat selbst als Unternehmensträger auftreten könnte, wenn er nur wollte. Dies ist ein weiterer Gesichtspunkt, der eine Sicherung des Enteignungszweckes erforderlich erscheinen läßt. Nimmt der Staat, aus welchen Gründen auch immer, eine Aufgabe nicht selbst wahr, setzt aber Zwangsmittel dafür ein, daß sie ein Privater überhaupt übernehmen kann, ist er damit nicht aus seiner Verantwortung entlassen. Er hat die zweckentsprechende Verwendung des Eigentums zu sichern und durch staatliche Aufsicht zu kontrollieren. Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG setzt nämlich die Enteignungsvoraussetzungen keineswegs niedriger an, wenn statt des Staates ein Privatrechtssubjekt der künftige Unternehmensträger werden soll. Aus dem Beispiel ergibt sich zwangslos ein weiterer Gesichtspunkt: An die Sicherung des Allgemeinwohls sind keine überspannten Anforderungen zu stellen 16 . Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG setzt lediglich die gleiche Sicherungszuverlässigkeit wie beim Staat selbst voraus.

i4 Vgl. oben 7. Kap. G. ΠΙ. 4. is Bullinger, Die Enteignung zugunsten Privater, Der Staat, Bd. 1, 1962, S. 457; aber auch Stummer, Die öffentliche Zweckbindung der enteigneten Sache, S. 22 und Stengel, Die Grundstücksenteignung zugunsten privater Wirtschaftsunternehmen, S. 50 f. 16 Hierauf ist noch gesondert einzugehen, siehe unten 9. Kap. C.

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9. Kap.: Die Sicherung des Wohls der Allgemeinheit

I I I . Tatsächliche Abhängigkeit der Allgemeinheit und Streben nach privatem Vorteil Die Richtigkeit der aus Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG gewonnenen rechtlichen Erkenntnisse über die Notwendigkeit von Gemeinwohlsicherungen wird durch praktische Begebenheiten und tatsächliche Erfahrungen bestätigt. Im Laufe der Entwicklung unserer modernen Gesellschaft wurde die Existenz des Einzelnen immer stärker abhängig vom Verhalten der Mitmenschen und vom Funktionieren der Wirtschaft und Technik. So hängt heute die Lebensqualität des Einzelnen und der Gesamtheit von einer funktionsgerechten Verwendung der Güter innerhalb der Gesellschaft ab. Zu einem nicht geringen Teil rechtfertigt gerade dies die Zulässigkeit der Enteignung. Wird das Zwangsmittel hierfür eingesetzt, muß die beabsichtigte Verwendung auch sichergestellt werden, soweit dies menschenmöglich ist. Für den betroffenen Enteignungsbegünstigten kommt dies keinesfalls überraschend. Denn wer sich in gemeinwichtige Funktionen des Wirtschaftsprozesses einschaltet, muß sich bewußt sein, daß er damit unter anderem auch ein ins Gewicht fallendes Stück derjenigen Aufgaben übernimmt, auf deren kontinuierliche Erfüllung die Allgemeinheit angewiesen ist, wenn sie ihren Bestand wahren will 1 7 . Folglich muß gerade bei der Enteignung zugunsten Privater durch geeignete Maßnahmen eine funktionsgerechte Verwendung des Eigentums auch in kritischen Situationen gegenüber störenden Einflüssen zum Wohle der Allgemeinheit sichergestellt werden. Durch entsprechende verfahrensmäßige Vorkehrungen muß eine Verfehlung der Konkretisierung öffentlicher Interessen korrigierbar bleiben 18 . Aus der Abhängigkeit des einzelnen von einer funktionsgerechten Güterverwendung folgt, daß eine Sicherung stets vorzusehen ist, wenn private Rechtssubjekte als Empfänger der enteigneten Sache oder des enteigneten Rechts in Betracht kommen 19 . Der Private wird stets nach Gewinn oder die Mehrung seines Ansehens streben. Er ist versucht die Verfolgung der Gemeinwohlbelange zu vernachlässigen oder überhaupt aufzugegeben, wenn die eigenen privaten Interessen nicht mehr mit den Belangen der Allgemeinheit zusammenlaufen 20. Das Gefahrenpotential liegt daher in dem näherliegenden Nutzen und der größeren Attraktivität direkter Individualinteressen für den einzelnen Menschen, der von 17

Reinhardt, Verfassungsschutz des Eigentums, S. 22. Häberle, Öffentliches Interesse als juristisches Problem, S. 719. 19 Zutreffend weist also Bullinger, Die Enteignung zugunsten Privater, Der Staat, Bd. 1, 1962, S. 474, daraufhin, daß sich an der Notwendigkeit einer Sicherung nichts dadurch ändert, daß eine Gemeinde als Zwischeneigentümerin auftritt oder für eine gemeinnützige Siedlungsgesellschaft enteignet werden soll. Nach Bullingers Meinung ist die Möglichkeit eines Mißbrauchs in diesen Fällen eher noch größer, da dabei die eigentlichen Gefahren verdeckt werden. 20 Stengel, Die Grundstücksenteignung zugunsten privater Wirtschaftsunternehmen, S. 48 f. 18

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der Enteignung begünstigt wird, gegenüber den vergleichsweise indirekten Vorteilen, die die Realisierung von Allgemeinwohlbelangen mit sich bringt 21 . Der Staat muß daher dafür Sorge tragen, daß beim künftigen Handeln des Begünstigten die Privatnützigkeit nicht die Gemeinnützigkeit überlagert und verdrängt. Er kann nicht einfach darauf vertrauen, der begünstigte Privatunternehmer werde seiner öffentlichen Verantwortung von sich aus genügen. Vielmehr muß er ihm in geeigneter Weise diejenigen Bindungen auferlegen, die erforderlich sind, um die Verfolgung des Wohls der Allgemeinheit auf Dauer zu gewährleisten 22. Vor diesem Hintergrund kann der Auffassung von Bahls nicht gefolgt werden. Bahls 23 meint, eine Zweckentfremdung des enteigneten Objekts wäre für den privaten Begünstigten nur veranlaßt, wenn sich herausstellt, daß das durchgeführte Vorhaben, das ja nach privatrechtlichen Grundsätzen betrieben wird, nicht wettbewerbsfähig ist. Ein Privater werde als Unternehmensträger bei einer Enteignung nur auftreten, wenn sich für ihn ergibt, daß die Verwirklichung des Vorhabens auch für ihn persönlich wirtschaftlich interessant ist. Wenn nun das Vorhaben nicht mehr optimal genutzt werde, würde der Enteignungsbegünstigte selbst nicht mehr ertragreich wirtschaften und müßte seinen Betrieb einstellen. Es sei daher gleichgültig, ob der Enteignungsbegünstigte ein Privater oder die öffentliche Hand sei. Entscheidend sei allein, ob eine Enteignung zulässig ist, weil sie vom Wohl der Allgemeinheit gefordert wird. Nach dieser Ansicht ist konsequenterweise eine besondere Sicherung der Verwirklichung des Allgemeinwohls nicht erforderlich. Bahls übersieht dabei aber m.E. bereits im Ausgangspunkt, daß es Unternehmen gibt, die um so größere Marktanteile gewinnen können, je weniger sie sich gemeinwohlkonform verhalten. Mit anderen Worten: Der Ertrag eines Betriebes kann gerade deswegen hoch sein, weil nicht für das Allgemeinwohl gewirtschaftet wird, das Verhalten des Unternehmens im Gegenteil gemeinwohlschädlich ist. Bei der Enteignung zugunsten Privater wird die enteignete Sache, die dem Allgemeinwohl verpflichtet bleiben soll, in eine Interessensphäre eingebracht, die im Allgemeinen privatwirtschaftlichen Charakter trägt 24 . Folglich muß der private Begünstigte die Bereitschaft zur Unterwerfung seines Handelns unter die Ziele des Wohls der Allgemeinheit an den Tag legen und der Enteignungsbehörde gegenüber die erforderlichen Bindungen und Verpflichtungen übernehmen. So stellt denn auch das BVerwG 2 5 in seinem Urteil zum Daimler-Benz-Prüfgelände Boxberg zutreffend fest, Planvereinbarungen seien ein geeignetes Mittel, 21 Im Ansatz ebenso: v.Arnim, Gemeinwohl und Gruppeninteressen, S. 153 ff und S. 413 ff. 22 Breuer, Anmerkung zu BVerfG, Urt. v. 10. 3. 1981, DVB1.1981,971 (975); Bullinger, Die Enteignung zugunsten Privater, Der Staat, Bd. 1, 1962, S. 473. 23 Bahls, Wirtschaftspolitische Ausgangslagen, DVB1. 1972, 446 (451). 24 Bullinger, Die Enteignung zugunsten Privater, Der Staat, Bd. 1, 1962, S. 457. 25 BVerwG, Urt. v. 14. 3. 1985 - 5 C 130.83 - S. 39, BVerwGE 71, 108 (131).

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um die mit dem jeweiligen Vorhaben verfolgten Interessen des Allgemeinwohls mit den privatnützigen Interessen des beteiligten Dritten in Übereinstimmung zu bringen. Es bestehe daher die Pflicht sicherzustellen, daß die Gemeinwohlorientierung, die die Landinanspruchnahme rechtfertigt, auch nach deren Verwirklichung bestimmend bleibt.

IV· Freier Wille des neuen Eigentümers als Unsicherheitsfaktor Wie bereits früher ausgeführt, wird der Enteignungsbegünstigte vollwertiger Eigentümer 26. Er ist rechtlich keineswegs von vornherein in seiner Dispositionsfreiheit beschränkt. Auch dem Unternehmenszweck haftet kein Zwang zur Gemeinwohlrealisierung an. Dies war früher anders. Unter der Geltung des Grundgesetzes ist die Wirtschaft aus ihrer permanenten staatlichen Bevormundung entlassen27. Aus diesem Grunde kann die Verwaltungspraxis vergangener Zeiten nicht mehr fortgeführt werden. Ohne Sicherungsvorkehrungen durch die Enteignungsbehörde ist die Dispositionsbefugnis des Enteignungsbegünstigten — im Rahmen der für jedermann geltenden Gesetze — unbeschränkt. Die Förderung des Gemeinwohls hängt dann vom freien Willen des Privaten ab. Er wird in erster Linie seine eigenen Interessen zum persönlichen Vorteil verfolgen. Daß in der ungebundenen privaten Tätigkeit keinerlei Garantie für eine nachhaltige Erfüllung von Belangen der Allgemeinheit liegt, ist eine Erkenntnis, die keineswegs neu ist 2 8 . Denn der individuelle Wille und die persönlichen Motive, die die private Tätigkeit bestimmen, können sich jederzeit ändern. Auch die Statuten von Personengesamtheiten und Gesellschaften können geändert werden, ohne daß der Staat dies verhindern könnte. Gesetzgeber und Enteignungsbehörden haben daher durch geeignete Maßnahmen dafür Sorge zu tragen, daß der begünstigte private Unternehmer das ihm übertragene Eigentum nicht nach seinem Belieben zweckentfremdet einsetzt. Fehlen entsprechende Sicherungsmaßnahmen, kann das Eigentum nicht in private Hände überantwortet werden, ohne daß dabei die Verwirklichung des Gemeinwohls gefährdet wird.

26 Siehe oben 6. Kap. G. Im Unterschied hierzu vertrat die Rechtswissenschaft früher die Ansicht, daß das enteignete Gut nicht in die freie Dispositionsgewalt des Privaten übergeht, sondern zum extra commercium stehenden öffentlichen Gut wird, das der Private bestimmungsgemäß zu gebrauchen hatte; vgl. die Nachweise bei Stengel, Die Grundstücksenteignung zugunsten privater Wirtschaftsunternehmen, S. 49. 27 Bullinger, Die Enteignung zugunsten Privater, Der Staat, Bd. 1, 1962, S. 472. 28 Siehe schon Layer, Principien des Enteignungsrechts, S. 286; Stummer, Die öffentliche Zweckbindung der enteigneten Sache, S. 22; Frenzel, Das öffentliche Interesse als Voraussetzung der Enteignung, S. 127;

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V. Alternative Erklärungsversuche Abschließend soll noch auf Versuche in der Literatur eingegangen werden, die die Notwendigkeit einer Gemeinwohlsicherung nicht aus Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG herleiten wollen, sondern sie unter alternativen Gesichtspunkten zu begründen versuchen. In engem Zusammenhang hiermit steht eine vereinzelt gebliebene Meinung im Schrifttum, die in Sicherungsmaßnahmen einen verfassungswidrigen Verstoß gegen den Gleichheitssatz erblickt. Auch sie bedarf einer kurzen Erörterung. 1. Erforderlichkeitsprinzip und Gemeinwohlsicherung Von Brünneck möchte diesen Problemkreis im Rahmen des Übermaßverbotes ansiedeln. Es würde in diesen Fällen demnach ein Verstoß gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip vorliegen. Denn nach seiner Ansicht 29 sind Vorschriften, wonach beispielsweise ein Grundstück innerhalb angemessener Frist zu dem vorgesehenen Zweck verwendet werden muß, Ausdruck davon, daß die Enteignung zur Verwirklichung des öffentlichen Interesses geeignet sein muß. Dabei wird aber Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG unterschätzt. Sein Grundrechtsschutz reicht weiter. Eine Enteignung, bei der die Gemeinwohlrealisierung nicht hinreichend sicher ist, erfolgt schon gar nicht zum Wohle der Allgemeinheit. Es mangelt an der legitimierenden Zielgerichtetheit des Grundrechtseingriffes. Daher bedarf es gar nicht erst des Rückgriffs auf das Erforderlichkeitsprinzip.

2. Geschichtliche Entwicklung als Sicherungsgrund Bullinger 30 sucht die Erforderlichkeit von Sicherungsmaßnahmen aus der geschichtlichen Entwicklung heraus zu erklären. Daraus leitet er die Pflicht des privaten Enteignungsunternehmers her, rechtliche Sicherungen des öffentlichen Interesses auf sich zu nehmen. Denn nach der historischen Entwicklung sei die Verleihung des Enteignungsrechts als Übertragung einer Verwaltungsaufgabe und damit untrennbar verbunden, Übertragung einer Verwaltungsverantwortung zu verstehen. Der Staat dürfe eine solche Verwaltungsaufgabe überhaupt nicht an einen Privaten abgeben, ohne dafür zu sorgen, daß die Stellung des Bürgers sich nicht verschlechtert. Aufgrund der früheren Gegebenheiten müsse der mit der Verwaltungsaufgabe Beliehene denselben Bindungen und Verantwortlichkeiten unterworfen sein, wie die staatliche Verwaltung selbst. Diesen Ausführungen kann nur in ihrem Ergebnis, nicht aber in ihrer Begründung und ihrem Argumentationsschema gefolgt werden. Bullinger geht dabei 29 Von Brünneck, Das Wohl der Allgemeinheit als Voraussetzung der Enteignung, NVwZ 1986, S. 425 (429). 30 Bullinger, Die Enteignung zugunsten Privater, Der Staat, Bd. 1, 1962, S. 471.

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bereits im Ansatz irrig davon aus, daß es einen feststehenden und in sich abgeschlossenen Katalog von Verwaltungsaufgaben gibt. Dies ist aber nicht der Fall. Der Staat ist in seiner Aufgabenwahrnehmung unbeschränkt, soweit er die verfassungsrechtlichen Grenzen beachtet31. Darüber hinaus kann sich eine Sicherungspflicht für die Enteignungsbehörde keineswegs aus einer geschichtlichen Entwicklung heraus ergeben. Denn diese bindet rechtlich niemanden.

3. Gesamtgesellschaftliche Bedeutung des Unternehmens als Sicherungsgrundlage Auch Wigginghaus 32 bestreitet nicht, daß Schutzvorkehrungen geboten sind. Er verneint aber die Möglichkeit, derartige Verpflichtungen über den Weg der Enteignung, die einen Privaten begünstigt, zu begründen. Die eigentliche rechtliche Legitimation, um den Enteignungsbegünstigten entsprechende Bedingungen auferlegen zu können, sieht Wigginghaus in der Bedeutung des Unternehmens in einem gesamtgesellschaftlichen und gesamtwirtschaftlichen Zusammenhang. Unter Berufung auf Rittstieg 33 begründet er dies damit, daß bestimmte Betriebe mehr als eine rein privatnützige Angelegenheit sind. Dabei sei aber nicht so sehr auf deren Größe abzustellen, sondern auf die gesamtwirtschaftliche Art der Aufgabe, die von dem Privatunternehmer erfüllt wird. Diese besondere Qualität des Unternehmens erlaube erst besondere staatliche Aufsichts- und Regelungsbefungnisse. Dagegen sei eine Einflußnahme auf das Gesamtunternehmen mittels der Enteignung systemwidrig und könne auch nicht im Hinblick auf einen wirksamen Eigentumsschutz verlangt werden 34 . Diese Argumentation aber ist m.E. aus doppeltem Grunde nicht überzeugend. Zunächst geht es schon nicht um die Frage, welche staatliche Wirtschaftspolitik wünschenswert wäre, sondern um die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Enteignung verfassungsmäßig ist. Es mag sein, daß die Situationsgebundenheit des Eigentums zu Beschränkungen der Dispositionsbefugnis des Eigentümers zwingt. Solche Konsequenzen muß aber der Gesetzgeber ziehen. Außerdem ist dies ein Problem der Inhalts- und Schrankenbestimmung iSd Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG und der sonstigen verfassungsrechtlichen Grenzen staatlicher Eingriffe in die Wirtschaft. Weiter verkennt Wigginghaus die Tragweite des grundrechtlichen Eigentumsschutzes. Die Bestandsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG wird von Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG durchbrochen. Dieser Eingriff aber ist nur ausgerichtet auf das Wohl der Allgemeinheit hin möglich. Allein die konkrete Aussicht, dieses Ziel zu erreichen, rechtfertigt das Eigentumsopfer des Betroffenen. Die Zielver31

Steiner, Öffentliche Verwaltung durch Private, S. 52 m.w.N. und oben 7. Kap. C. Π. 7. 32 Wigginghaus, Die Rechtsstellung des enteigneten Grundeigentümers, S. 85. 33 Rittstieg, Eigentum als Verfassungsproblem, S. 419 f. 34 Wigginghaus, Die Rechtsstellung des enteigneten Grundeigentümers, S. 88.

C. Grundgesetzlich erforderliche Sicherungszuverlässigkeit

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wirklichung kann daher nicht vom freien Willen des Begünstigten abhängen und in sein Belieben gestellt sein. Sie muß vielmehr rechtlich gesichert sein. Der betroffene Begünstigte muß notfalls vom Staat zu einem entsprechenden gemeinwohlkonformen Verhalten gezwungen werden. Erst wenn dies mit rechtlichen Mitteln sichergestellt ist, verfolgt der staatliche Zwangseingriff in das Eigentum auch das Ziel „Wohl der Allgemeinheit" mit dem verfassungsrechtlich gebotenen, notwendigen Ernst. Erst dann muß der Eigentümer die Enteignung dulden, denn erst dann liegen die Voraussetzungen des Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG vor. Eine Enteignung zugunsten Privater erfolgt also nur zum Wohle der Allgemeinheit iSd Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG, wenn die Verwirklichung des Allgemeinwohls auch rechtlich gesichert ist.

4. Sicherungsmaßnahmen und Gleichheitssatz Die soeben dargelegten Gesichtspunkte übersieht auch Börner 35 . Er hält jegliche Maßnahmen zur Sicherung des Wohls der Allgemeinheit bei privatbegünstigenden Enteignungen für verfassungswidrig. Sie sollen gegen den Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen. Seiner Ansicht nach erfolgt eine Ungleichbehandlung zwischen den Unternehmen, denen Sicherungsmaßnahmen auferlegt werden und den anderen Unternehmen. Beide würden sich in privater Hand befinden und denselben Unternehmenszweck verfolgen. Die von der Verwaltung herausgegriffenen Fälle würden somit willkürlich von den übrigen differenziert, bei denen die gleiche Dringlichkeit von Sicherungsmaßnahmen vorliege. Börner läßt ganz außer Acht, daß Sicherungsmaßnahmen eben nur bei neuen Anlagen durchgesetzt werden, für deren Bau das Unternehmen auf eine Enteignung angewiesen ist. Dieses Opfer an Eigentum, das ein Einzelner für die Allgemeinheit erbringt, rechtfertigt die Differenzierung vor dem verfassungsrechtlichen Gleichheitsgebot. Darin liegt der sachliche Grund für die unterschiedliche Behandlung, die nach der hier vertretenen Auffassung durch Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG sogar verfassungsrechtlich geboten ist.

C. Grundgesetzlich erforderliche Sicherungszuverlässigkeit Von der Notwendigkeit, überhaupt Sicherungsvorkehrungen für das Wohl der Allgemeinheit zu treffen, ist die Frage nach der erforderlichen Zuverlässigkeit der Sicherung zu unterscheiden.

35

Börner, Gefährdungshaftung für Pipelines aus Vertrag zugunsten Dritter, BayVBl. 1976, 645 (646).

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9. Kap.: Die Sicherung des Wohls der Allgemeinheit

I. Auswirkungen des Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG auf die Sicherungszuverlässigkeit Für die Klärung des notwendigen Umfangs der Sicherungszuverlässigkeit ist wiederum von Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG selbst auszugehen. Da — wie wir gesehen haben — die Allgemeinwohlsicherung Teil des Wohls der Allgemeinheit iSd Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG ist, gelten für sie die im 7. Kapitel ermittelten inhaltsbestimmenden Kriterien. Dies zieht Folgerungen in verschiedener Hinsicht nach sich. 1. Erfordernis einer hinreichenden Sicherung Zum einem bedeutet es, daß eine hinreichende Sicherung ausreichend ist. Mit anderen Worten: Das Grundgesetz verlangt keine optimale Sicherung. Dies gilt zunächst für die vom BVerfG geforderte gesetzliche Ebene1. Der Gesetzgeber ist nicht verpflichtet, ein Optimum an Sicherheit zu normieren. Ihn trifft vielmehr die Aufgabe, die Mindestanforderungen festzulegen, die an die Sicherungsmaßnahmen zu stellen sind 2 . Aber auch die Enteignungsbehörde ist nicht verpflichtet, dem Begünstigten ein Maximum an Sicherheit aufzuerlegen. Nach Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG muß der Enteignungszweck lediglich nach menschlichem Ermessen ausreichend gesichert sein. Andererseits aber führen bereits bloße Zweifel daran, daß der Enteignungszweck verwirklicht wird, zur Verfassungswidrigkeit. Erscheinen im Zeitpunkt des Enteignungsausspruches die von der Enteignungsbehörde ergriffenen Sicherungmaßnahmen nicht im notwendigen Umfang ausreichend, den Begünstigten wirkungsvoll zur Realisierung des Gemeinwohlzweckes anzuhalten, ist die Enteignung verfassungswidrig.

2. Sicherungsmaßnahmen und dynamische Flexibilität des Gemeinwohls Bereits oben im 7. Kapitel wurde nachgewiesen3, daß sich das Wohl der Allgemeinheit nicht statisch bestimmen läßt, sondern der dynamischen Flexibilität in der Betrachtung bedarf. Sind Maßnahmen zur Gemeinwohlsicherung Teile dieses Gemeinwohlurteils über eine Enteignung, müssen sie auch Anteil an dieser Eigenschaft haben. Dies kann selbstverständlich nicht in der Weise geschehen, daß Sicherungsmaßnahmen im Krisenfall nachgiebig und damit wirkungslos wären. ι BVerfG, Urt. v. 24. 3. 1987 - 1 BvR 1046/85-S. 41, BVerfGE 74, 264 (296) = NJW 1987, 1251. 2 Vgl. zu den Einzelheiten bereits oben 6. Kap. E. 3 Siehe oben 7. Kap. D. II.

C. Grundgesetzlich erforderliche Sicherungszuverlässigkeit

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a) Vielmehr müssen sie in der Lage sein, tatsächlich bedingte Änderungen in der Bestimmung des Gemeinwohls in sich aufzunehmen und sich entsprechend anzupassen. Insbesondere dürfen sie wirtschaftlichem Wandel und technischem Fortschritt nicht entgegenstehen. Zur Illustration mag ein — sicherlich übertrieben vereinfachtes — Beispiel dienen: Wäre im Laufe der siebziger Jahre die Enteignung zum Bau eines Automobilwerkes mit dem Ziel der Motorisierung der Bundesrepublik für notwendig erachtet worden, dürften die rechtlichen Zwangsmittel, die die Fahrzeugproduktion garantieren, keinesfalls zur Folge haben, daß im Jahre 1987 in diesem Werk keine Fahrzeugmotoren mit Katalysator produziert werden könnten. Trotz der Überzeichnung zeigt das Beispiel die prinzipielle Problematik auf. Sicherungsmaßnahmen welcher Art auch immer können nicht einen statischen Zustand ein für allemal fest zementieren. Das Wohl der Allgemeinheit mit seiner dynamischen Flexibilität erfordert die Offenheit der Sicherungen für künftige Entwicklungen. Insoweit hat der Gesetzgeber geeignete Instrumentarien zur Verfügung zu stellen, damit die Verwaltung in die Lage versetzt wird, in einem rechtsstaatlich geordneten Verfahren und unter Beachtung der Bedeutung des Grundrechts aus Art. 14 GG entsprechende Anpassungen im notwendigen Umfang durchzuführen. Abhängig vom jeweiligen Sicherungsmittel hat er dies in Teilbereichen bereits getan. Zu denken ist an das allgemeine Verwaltungsverfahrensrecht 4 und das Zivilrecht. Der Verfasser vermag keinen Grund zu erkennen, warum diese allgemeinen Rechtsregeln für Problemstellungen der vorliegenden Art nicht fruchtbar gemacht werden könnten und es in jedem Fall spezieller enteignungsrechtlicher Normen bedürfte. b) Aber auch die Verwaltungsbehörden, die mit dem Vollzug der Enteignungsgesetze betraut sind, treffen in diesem Zusammenhang hohe Anforderungen. Sie haben bereits bei Festsetzung der Sicherungsmaßnahmen im Zeitpunkt des Enteignungsbeschlusses dafür Sorge zu tragen, daß auf der Grundlage des gesetzlich zur Verfügung gestellten Instrumentariums entsprechende Möglichkeiten zu Anpassung, Änderung und ggf. auch Verschärfung der Maßnahmen zur Gemeinwohlsicherung offen gehalten werden. Insoweit befiehlt die dynamische Flexibilität des Gemeinwohls die dynamische Flexibilität der erforderlichen Sicherungsvorkehrungen. Fehlt sie, mangelt es am Wohl der Allgemeinheit und damit an der Verfassungsmäßigkeit der Enteignung. c) Und nicht zuletzt bedeutet die gemeinwohlbedingt dynamische Flexibilität der Sicherung, daß der Grad der Zuverlässigkeit der Sicherung direkt abhängig sein muß vom Risiko der Verfehlung des Enteignungszweckes. Dabei ist es an sich gleichgültig, woraus sich das Realisierungsrisiko herleitet. Es kann in mangelhaften technischen und naturwissenschaftlichen Kenntnissen des Menschen, in Unwägbarkeiten der wirtschaftlichen Entwicklung oder ganz allgemein im 4 Anders BVerfG, Urt. v. 24. 3. 1987 — BvR 1046/85 - S. 41, BVerfGE 74, 264 (296) = NJW 1987, 1251; hierzu genauer: 9. Kap. G. VII.

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9. Kap.: Die Sicherung des Wohls der Allgemeinheit

unzureichenden prognostischen Instrumentarium liegen 5 . Diese Risiken im Einzelfall durch entsprechende Sicherungen zu kompensieren ist Aufgabe der Verwaltung. Nach der Rechtsprechung des BVerfG 6 muß der Gesetzgeber regeln, welche Verpflichtungen dem Begünstigten auferlegt werden müssen. Ob damit eine Typologie der Sicherungsmittel gemeint ist, wird im gesamten Urteil nicht so recht klar. Soweit sich die Aussage des Gerichts auf Sicherungsinhalte bezieht, kann und wird es sich dabei — auch nach den Vorstellungen des BVerfG — lediglich um Mindestanforderungen handeln. Daher hat die Enteignungsbehörde darüber hinaus für die im Einzelfall erforderliche Sicherungszuverlässigkeit zu sorgen. Je größer die Unsicherheitsfaktoren für eine Verwirklichung des Enteignungsvorhabens sind und je höher die Risiken einer Verfehlung des Enteignungszweckes, desto zuverlässiger müssen die ergriffenen Sicherungen, desto dichter muß das Netz der notwendigen Sicherungsmaßnahmen sein. An dieser Stelle gelangen die oben7 entwickelten Gedanken zur Bestimmung des Wohls der Allgemeinheit iSd Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG zur Entfaltung. Die Gemeinwohlsicherung hat die prognosebedingten Unsicherheiten zu kompensieren. Dies bedeutet nicht nur, daß es eine absolute Sicherheit für zukünftige Entwicklungen nicht geben kann und eine derartige absolute Sicherheit von der Verfassung auch nicht gefordert wird. Innerhalb des Rahmenzieles „Sicherung des Enteignungszweckes" muß die Sicherung in der Lage sein, auf tatsächliche Veränderungen zu reagieren. Nur so läßt sich eine notwendige Anpassung an sich ändernde Begebenheiten erreichen. Aus diesem Grund wird im Laufe der späteren Untersuchung zu unterscheiden sein nach Sicherungsziel, Sicherungsdauer und Sicherungsmittel. Ferner kann daraus die Forderung abgeleitet werden: Je eindeutiger sich ein Sicherungsziel im Rahmen der künftigen Entwicklung vorherbestimmen läßt, desto genauer kann die erforderliche Sicherungsdauer festgelegt werden und desto zuverlässiger muß das angewandte Sicherungsmittel sein. Und nicht zuletzt läßt sich allgemein sagen: Die notwendigerweise zu erfassenden Sicherungsziele hängen im Einzelfall vom jeweilig verfolgten Enteignungszweck ab.

3. Sicherungsmaßnahmen und Belastung des Begünstigten Das Wohl der Allgemeinheit bedingt weiter, daß auch der Grad der Belastung des Begünstigten mit Sicherungsmaßnahmen in die Betrachtung über die erforderliche Sicherungszuverlässigkeit mit einbezogen wird. Dies hängt eng mit dem Gebot zusammen, zwar für eine erforderliche, aber nicht unbedingt für eine optimale Sicherung zu sorgen. Selbstverständlich ist der staatliche Einfluß größer, 5

Zu Risiken in der Person des Begünstigten vgl. sogleich 9. Kap. C. I. 4. 6 BVerfG, Urt. v. 24. 3. 1987 — BvR 1046/85 - S. 41, BVerfGE 74, 264 (296) = NJW 1987, 1251. 7 Siehe unten 7. Kap. D.

C. Grundgesetzlich erforderliche Sicherungszuverlässigkeit

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wenn das vom Privaten für sein Gemeinwohlvorhaben benötigte Grundstück ihm nicht übereignet, sondern lediglich an ihn verpachtet wird 8 . Daß dies dennoch verfassungsrechtlich nicht geboten ist, ergibt sich aus der Tatsache, daß insoweit auch die gemeinwohlkonformen Belange des Begünstigten wegen Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG mit zu berücksichtigen sind. So kann gerade bei langfristigen Planungen für ein Gemeinwohlvorhaben ein bloßes Miet- oder Pachtverhältnis für den künftigen Eigentümer ein Sicherheitsrisiko darstellen. Eine drohende Kündigung, die ohne sachlichen Grund erfolgen kann, ist nicht selten Anlaß zur Beunruhigung. Die Sicherung muß gerade aus der Sicht des Begünstigten kalkulierbar bleiben. Eine Übereignung an den Begünstigten ist daher verfassungsmäßig, soweit der Staat seinen Enfluß auf die Realisierung des Enteignungszweckes auch aufrecht zu erhalten vermag, wenn das Eigentum nicht in seinen Händen bleibt. 4. Sicherungsmaßnahmen und Person des Begünstigten Geht man von der Erkenntnis aus, daß Sicherungsmaßnahmen das Risiko aufgrund des mangelhaften prognostischen Instrumentariums zu kompensieren haben, bedeutet dies: In die Entscheidungsfindung über die SicherungsVorkehrungen sind — ebenso wie beim Gemeinwohlurteil selbst — in umfassender Weise alle Belange einzustellen, die entscheidungserheblich werden können. Folglich muß auch die Person des Enteignungsbegünstigten und ihre Bonität im Hinblick auf die Realisierung des Enteignungszweckes gewürdigt werden. Insoweit bedarf die pauschale Aussage des BVerfG 9 einer Enschränkung, bei Enteignungen zugunsten privatrechtlich organisierter Unternehmen komme der Person des Begünstigten keine ausschlaggebende Bedeutung bei der Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit der Enteignung zu 10 . Vielmehr verstößt die Enteignung nur dann nicht gegen das Grundgesetz, wenn mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, daß der Enteignungszweck auch realisiert wird. Diese Zukunftsprognose hängt mit von der Person des Begünstigten ab. Unsicherheitsfaktoren in seiner Person sind durch Sicherungen auszugleichen. s Vgl. zur Problemstellung: Stengel, Die Grundstücksenteignung zugunsten privater Wirtschaftsunternehmen, S. 82. 9 BVerfG, Urt. 24. 3. 1987 - 1 BvR 1046/85 - S. 27, BVerfGE 74, 264 (285) = NJW 1987, 1251. 10 A.A.: Gerhardt, Gibt es verfassungsrechtliche Besonderheiten bei „Enteignungen zugunsten Privater"?, FS Zeidler, S. 1663. Er vertritt die These, daß es in keiner Weise auf den Enteignungsbegünstigten ankomme, der unter Umständen zufällig auch eine Privatperson sein könne. Entscheidend sei allein die genaue Erfassung des Enteignungszweckes, wodurch die Scheinproblematik der Privatbegünstigung gewissermaßen automatisch miterledigt werde. Dies überzeugt schon aus folgendem Grunde nicht: Die Realisierung des selben Enteignungszweckes kann in der Hand verschiedener privater Enteignungsbegünstigter unterschiedlich stark gefährdet sein. So ist dies beispielsweise abhängig von den finanziellen und persönlichen Verhältnissen des jeweiligen Begünstigten. Vgl. hierzu sogleich im Text. 14 Schmidbauer

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9. Kap.: Die Sicherung des Wohls der Allgemeinheit

Ist beispielweise aufgrund der wirtschaftlichen Situation des Begünstigten nicht garantiert, daß er auch finanziell in der Lage ist, das Vorhaben überhaupt zu beginnen, genügen Sanktionen nicht mehr. Die auferlegten Sicherungsmaßnahmen müssen bei einer derartigen Fallgestaltung ermöglichen, dem Begünstigten das übertragene Eigentum wieder zu entziehen. Vor diesem Hintergrund läßt sich in Anlehung an das verfassungsrechtliche Erforderlichkeitsprinzip behaupten: Je größer das Unsicherheitsrisiko ist, das in der Person des Begünstigten liegt, desto dichter muß das Netz der notwendigen Sicherungsmaßnahmen sein und desto stärker muß die SicherheitsVorkehrung als solche sein. Für Risiken in der Person des Begünstigten gilt also nichts anderes als für alle sonstigen Gefährdungen des Enteignungszweckes. Andererseits können Eigenschaften in der Person des Enteignungsbegünstigten niemals dazu führen, daß keinerlei Sicherungsmaßnahmen ergriffen werden. Dem steht das Wohl der Allgemeinheit als Enteignungsvoraussetzung gemäß Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG entgegen. Dies gilt selbst dann, wenn der Begünstigte der größte Steuerzahler des Landes und Arbeitgeber für 180 000 Menschen ist, wenn es sich also um eine so wirtschaftskräftige und finanziell leistungsfähige Firma wie die Daimler-Benz A.G. im Fall des Kraftfahrzeug-Prüfgeländes Boxberg handelt. Unter dem Druck entsprechender Hinweise des Β VerwG 1 1 in seinem Urteil vom 14.3.1985 haben denn auch am 9.12.1985 das Land BadenWürttemberg, die Gemeinde Assamstadt, die Stadt Boxberg und die DaimlerBenz A.G. eine entsprechende Vereinbarung geschlossen12. Zwar wurden in diesem Vertrag weitgehend nur Versprechungen fixiert, die die Daimler-Benz A.G. bereits im Jahre 1982 öffentlich abgegeben hatte 13 . Aber sie wurden mit der Vereinbarung doch in eine rechtlich faßbare Form gegossen. Zu nennen ist beispielsweise die vertragliche Verpflichtung der Firma, innerhalb von 10 Jahren nach Baubeginn auf dem Prüfgelände sowie im Rahmen der von Daimler-Benz veranlaßten Ansiedlung oder Erweiterung von Betrieben auf Dauer insgesamt h BVerwG, Urt. v. 14. 3. 1985 - 5 C 130.83 - S. 39, BVerwGE 71, 108. ι 2 Der genannte öffentlich-rechtliche Vertrag vom 9. 12. 1985 wurde dem Verfasser von der Daimler-Benz A.G. im Wortlaut zur Verfügung gestellt. Der Verfasser bedankt sich an dieser Stelle ausdrücklich bei der Firma Daimler-Benz A.G. für ihre offene Informationspolitik, die sich im Unterschied zu anderen Unternehmen nicht hinter Betriebsgeheimnissen versteckt hat. Die Daimler-Benz A.G. hat den Verfasser nicht nur mit verschiedenen Hintergrundinformationen aus der Sicht der Firma unterstützt, sondern ist auch der Beantwortung durchaus kritischer Fragen zu keinem Zeitpunkt ausgewichen. Persönlich möchte ich in diesem Zusammenhang Herrn Dr. jur. Peter Waskönig von der Rechtsabteilung der Daimler-Benz A.G. nennen. 13 Vgl. die bereits im Jahre 1982 erschienene Informationsbroschüre „Sondergebiet Prüfgelände" von Daimler-Benz, die als offener Brief an die Bürger des Main-TauberKreises gerichtet war; sowie TZ 1.5.2.3 bis 1.5.2.5 der Begründung des Flurbereinigungsbeschlusses vom 25. 6. 1982, Verfahren-Nr. 1914, des Landesamtes für Flurbereinigung und Siedlung Baden-Württenberg, wo in den Gründen zur Flurbereinigungsanordnung die von der Firma Daimler-Benz A.G. prognostizierte Arbeitsplatzentwicklung zur abstrakten Rechtfertigung der Enteignung herangezogen wird.

C. Grundgesetzlich erforderliche Sicherungszuverlässigkeit

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900 - 1000 Arbeitsplätze zu schaffen. Dingliche oder andere Sicherheiten für die Erfüllung der eingegangenen Verpflichtungen wurden dabei nicht vereinbart. Dies erschien den Vertragsparteien deswegen nicht notwendig zu sein, da auch beim öffentlich-rechtlichen Vertrag eine Klage auf Erfüllung möglich ist und ein entsprechendes Urteil im Wege der Zwangsvollstreckung durchgesetzt werden kann 14 . Man kann naturgemäß darüber streiten, ob dies juristisch ausreichend ist 15 . Immerhin wird man aber der Daimler-Benz A.G. ihre Pionierleistung zugute halten müssen. Soweit ersichtlich ist es das erste Mal, daß sich ein Unternehmen als Enteignungsbegünstigter derartigen rechtlichen Bindungen unterworfen hat. Andererseits zeigt gerade dieses Beispiel, daß die notwendige Sicherungszuverlässigkeit auch personenbezogen ist. Das Bild verändert sich bereits grundlegend, wenn man nur kleine Vorbedingungen abändert. Würde hingegen der Enteignungsbegünstigte eine juristische Person des Privatrechts sein, die ihren Stammsitz im Ausland hat, könnte ihr späteres Geschäftsgebaren dem enteignungsrechtlichen Wohl der Allgemeinheit leichter zuwider laufen. Diesem Faktum müßte durch entsprechende Verschärfung der Sicherungsmaßnahmen Rechnung getragen werden. Es bleibt also festzuhalten: Die erforderliche Zuverlässigkeit der ergriffenen Sicherungsmaßnahmen ist auch personenbezogen.

II. Zulässigkeit des Austausches des Enteignungszweckes Da bei der Enteignung zugunsten Privater das Eigentum kraft staatlichen Hoheitsaktes auf eine Privatperson übertragen wird, liegt eine Frage besonders nahe: Ist es zulässig, den Enteignungszweck auszutauschen? Mit anderen Worten: Darf der Private das im Enteignungsweg erworbene Eigentum für einen anderen Zweck als ursprünglich vorgesehen nutzen, solange nur der Zweck dem Gemeinwohl dient? Kann beispielsweise statt der Privatklinik, für die zunächst der Grund enteignet wurde, nunmehr ein medizinisches Forschungslabor errichtet werden? Das angesprochene Problem ist freilich keineswegs neu. Als frühe Form der Sicherung des Enteignungszweckes tritt historisch neben der rechtlichen Bindung an Konzessionen und Privilegien vor allem das Rückerwerbsrecht des vorherigen Eigentümers auf. Bereits im Jahre 1902 weist Layer 16 auf die differenzierte Regelung in Art. 47 des Schweizerischen Bundesgesetzes hin. Der ursprüngliche Eigentümer kann danach das Grundstück zurückerwerben, wenn es eine andere Bestimmung erhält, als für welche es expropriiert wurde, wenn seit der Expropria14 So die Angaben der Rechtsabteilung der Firma Daimler-Benz A.G. im Schreiben vom 3. 12. 1985 an den Verfasser. is Zu weiteren Sicherungsmöglichkeiten vgl. unten 9.Kap. G. ι 6 Lay er, Principien des Enteignungsrechts, 1902. 14*

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9. Kap.: Die Sicherung des Wohls der Allgemeinheit

tion zwei Jahre verflossen sind und dasselbe nicht benutzt worden ist. Im Unterschied hierzu enthält §43 Abs.l Nr. 2 Bundesleistungsgesetz eine Regelung, die den Zweckaustausch zuläßt. Von der hier vertretenen Auffassung zur Interpretation des Wohls der Allgemeinheit in Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG ausgehend ist zunächst auf derartige gesetzliche Regelungen abzustellen. Darüber hinaus beinhaltet aber die dynamische Flexibilität der Gemeinwohlbestimmung17 auch das Gebot der Anpassung an neue tatsächliche Situationen. Es wäre ein hiermit nicht zu vereinbarender Formalismus, zunächst ein Rückenteignungsverfahren abzuschließen und sodann zugunsten desselben Begünstigten ein erneutes Enteignungsverfahren durchführen zu müssen. Die Rückenteignung ist also in den Fällen ausgeschlossen, in denen der Enteignungsgegenstand oder das Enteignungsrecht einem Zweck zugeführt wird, der selbst die Enteignung gerechtfertigt hätte 18 . Die Sicherung des Enteignungszweckes kann und darf einer derartigen Änderung der tatsächlichen Situation nicht entgegenstehen. Sie muß vielmehr den neuen Enteignungszweck mit umfassen. Der Austauch des Enteignungszweckes ist daher in diesem Rahmen verfassungsrechtlich zulässig19. Diese materiellen Änderungen können sich aber nur in einem rechtsstaatlich geordneten Verfahren vollziehen. Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG verbietet daher eine konkludente Änderung des Enteignungszweckes. Aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit hat der Austausch des Enteignungszweckes in demselben Verfahren und derselben Form wie die Enteignung selbst zu erfolgen 20 .

I I I . Zulässigkeit eines Austausches der begünstigten Privatperson Eng verbunden mit dem soeben erörterten Problem des Austausches des Enteignungszweckes ist eine Fragestellung, die eine Spezialität der Enteignung zugunsten Privater ist. Kann unter Beibehaltung des Enteignungszweckes die begünstigte Privatperson gegen eine andere Privatperson ausgetauscht werden? 17 Demgegenüber begründet Brüggemann, Nachträgliche Zweckverfehlung, S. 160, die Zulässigkeit des Zweckaustausches mit dem Grundsatz „dolo facit, qui petit, quod statim redditurus est". is Vgl. weiter 11. Kap. B. III. 19 Für eine generelle Zulässigkeit: Stummer, Die öffentliche Zweckbindung der enteigneten Sache, S. 78; Kunze, Der Anspruch des Enteigneten auf Rückübertragung bei nachträglichem Fortfall des Enteignungszwecks (Rückenteignung), S. 119; Brüggemann, Nachträgliche Zweckverfehlung, S. 161; Dittus / Zinkahn, BaulbeschG, § 51, Anm. 10; dagegen: Bernhard Hartmann, Kommentar zum Gesetz über Zwangsabtretung des Grundeigentums, 1879, Art. 12 Anm. 4; Schütz / Frohberg, BBauG, § 102 Anm. II 2; sowie Schmidt-Aßmann, in: Ernst / Zinkahn, BBauG, § 102 Rdnr. 24 mit dem wenig überzeugenden Hinweis auf das dogmatische Verständnis der Rückenteignung. 20 Zur problematischen Frage der Entschädigung des Enteigneten bei Austausch des Enteignungszweckes vgl. Bielenberg, 49. DJT, Gutachten, B. S. 9 ff und Kunze, Der Anspruch des Enteigneten auf Rückübertragung bei nachträglichem Fortfall des Enteignungszweckes (Rückenteignung), S. 121.

C. Grundgesetzlich erforderliche Sicherungszuverlässigkeit

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Das BVerfG hat in seinem Urteil vom 24.3.1987 festgestellt, daß der Person des Begünstigten keine ausschlaggebende Bedeutung bei der Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit einer Enteignung zukommt 21 . Daraus könnte an sich abgeleitet werden, daß der Austausch der enteignungsbegünstigten Privatperson ohne weiteres möglich ist. Demgegenüber wurde oben 22 nachgewiesen, daß die Person des Enteignungsbegünstigten bei der Bestimmung der Sicherungszuverlässigkeit, die für ein positives Gemeinwohlurteil erforderlich ist, sehr wohl eine Rolle spielt. Daher ist ein Austausch des privaten Begünstigten verfassungsrechtlich zwar prinzipiell möglich. Für ihn haben jedoch die selben Einschränkungen zu gelten, die soeben23 im Hinblick auf einen beabsichtigten Austausch des Enteignungszweckes herausgearbeitet wurden.

IV. Rechtsnachfolge in der Person des Enteignungsbegünstigten Das Pendant zum Austausch der begünstigten Privatperson durch die Enteignungsbehörde ist die Rechtsnachfolge in der Person des Enteignungsbegünstigten. 1. Handelt es sich bei dem Enteignungsbegünstigten um eine natürliche Person, verursacht die Gesamtrechtsnachfolge keinerlei Probleme. Nach § 1967 Abs. 1 BGB haftet der Erbe für alle Nachlaßverbindlichkeiten, wozu auch grundsätzlich solche des öffentlichen Rechts zu zählen sind. 2. Beim Erwerb einer Firma greift neben § 419 BGB, der unabdingbar ist, § 25 HGB für den rechtsgeschäftlichen Erwerb und § 27 HGB für den Erwerb des Erben ein. Soweit man den Haftungsausschluß nach §§27 Abs. 1, 25 Abs. 2 HGB auf die vorliegende Fallgestaltung überhaupt für anwendbar hält, befreit dies den Erwerber von seinen Verpflichtungen wegen § 826 BGB nicht 24 . Auch die Übertragung der Gesellschafterstellung bei Kapitalgesellschaften 25, Genossenschaften 26 oder Personengesellschaften 27 wirft regelmäßig hinsichtlich der Haftung des neuen Gesellschafters keine Probleme auf. 3. Probleme kann es aber bereiten, daß der Begünstigte durch die Enteignung das unbeschränkte Volleigentum erhält 28 . Es umfaßt somit auch die Befugnis zur Weiterveräußerung und eröffnet — mit Ausnahme von Rechten — die 21 BVerfG, Urt. v. 24. 3. 1987 - 1 BvR 1046/85 - S. 27, BVerfGE 74, 264 (285) = NJW 1987, S. 1251. 22 Oben 7. Kap. Ε. II. 6. f und 7. Kap. G. III. 4. b. 23 9. Kap. C. II. 24 Baumbach/Duden/Hopt, HGB, 27. Auflage 1987, § 25 Anm. 3 D. 25 § 15 Abs. 1 GmbHG iVm §§ 398, 413 BGB; § 68 AktG iVm §§ 433, 929 BGB. 26 §§ 76, 77 GenG. 27 § 433 BGB bzw. § 131 Nr. 4 HGB. 28 Siehe oben 6. Kap. G. und H.

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9. Kap.: Die Sicherung des Wohls der Allgemeinheit

Möglichkeit gutgläubigen Erwerbs nach Maßgabe der §§ 892, 932 BGB. Da Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG eine effektive Sicherung des Enteignungszweckes gegenüber dem Begünstigten fordert, ist es unabdingbar notwendig, einem derartigen Mißbrauch durch geeignete Schutzmaßnahmen vorzubeugen. 4. Dies stellt sich in erster Linie als eine Aufgabe des Gesetzgebers dar, der auch nach der Rechtsprechung des BVerfG eine Grundsatzregelung über die Mindestanforderungen an die Sicherung des Enteignungszweckes zu treffen hat 29 . Daß er hierzu in der Lage ist, zeigt in Ansätzen beispielsweise § 102 Abs. 1 Nr. 1 BauGB, wo der Anspruch auf Rückenteignung auch für den Fall der Zweckverfehlung durch den Rechtsnachfolger des Enteignungsbegünstigten normiert ist 30 . 5. Liegt keine derartige gesetzliche Regelung vor, hat die Enteignungsbehörde zunächst zu prüfen, ob es sich bei der von ihr ergriffenen Sicherungsmaßnahme um eine öffentliche Last handelt 31 . Gegenüber einer öffentlichen Last besteht nämlich kein Gutglaubensschutz32. 6. In allen übrigen Fällen wird man die Behörde verpflichtet halten müssen, bereits im Enteignungsbeschluß Vorkehrungen zu treffen, die eine Vereitelung des Enteignungszweckes durch den gutgläubigen Erwerb eines Dritten effektiv ausschließen. Eine allgemein gültige Lösungsformel läßt sich hierfür nicht anbieten, da das zu ergreifende Sicherungsmittel vom Enteignungszweck abhängig ist. Zu denken ist aber in erster Linie an die einschlägigen dinglichen Sicherungsmöglichkeiten des BGB 3 3 .

V. Bereicherung des Begünstigten nach Zweckerfüllung Umstritten ist schließlich auch die Frage, ob die Enteignung zugunsten Privater nicht eine über die Zweckerfüllung hinausreichende Sicherungszuverlässigkeit erfordert. Nach den Grundsätzen des allgemeinen Verwaltungsrechts ist der hoheitliche Entzug des Eigentums, der dem Wohl der Allgemeinheit dient, rechtmäßig und bleibt rechtmäßig, auch wenn der Enteignungszweck erfüllt ist. Der 29 BVerfG, Urt. v. 24. 3. 1987 - 1 BvR 1046/85 - S. 41, BVerfGE 74, 264 (296) = NJW 1987, 1251. 30 Die Tragweite dieser gesetzlichen Regelung verkennt Kunze, Der Anspruch des Enteigneten auf Rückübertragung bei nachträglichem Fortfall des Enteignungszweckes (Rückenteignung), S. 111 ff. Er meint, daß der gutgläubige Erwerb eines Grundstückes durch einen Dritten die Rückenteignung auszuschließen vermag. Der gute Glaube bezieht sich aber nur auf den Grundbuchinhalt. Dies bedeutet, § 892 BGB ergreift nur Rechte, die im Grundbuch eingetragen sein müssen, um gegen Dritte zu wirken. Gegenüber gesetzlichen Verpflichtungen und Belastungen versagt jeder zivilrechtliche Gutglaubensschutz. 31 Zum Begriff der öffentlichen Last vgl. BGH, Urt. v. 22. 5. 1981, NJW 1981,2127. 32 Palandt/Bassenge, BGB, 46. Auflage 1987, Einl. vor § 854 Anm. 6 a. 33 Vgl. im einzelnen weiter unten 9. Kap. G.

D. Praktische Probleme der Durchführung von Sicherungsmaßnahmen

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Begünstigte bleibt Inhaber der Rechte, die er durch die Enteignung erhalten hatte. Aus der Sicht des Enteigneten stellt sich dies als Bereicherung des Begünstigten nach Zweckerfüllung dar. Aus seinem Blickwinkel ist sie ungerechtfertigt. Sie geht darüber hinaus zu seinen Lasten. Stengel34 nennt diese Situation einen Hauptansatzpunkt für die Kritik an der Enteignung zugunsten Privater. Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund wollen Giese und Heyland 35 die privatbegünstigende Enteignung auf Fälle beschränken, in denen das Privatunternehmen gemeinnützig arbeitet. Dies erscheint jedoch nicht erforderlich. Denn gegenüber den vorgebrachten Bedenken ist auf zweierlei hinzuweisen: Ausgangspunkt der Kritik ist die Tatsache, daß das entzogene Eigentum keinem neuen gemeinnützigen Zweck mehr zugeführt wird. Dieses Ergebnis kommt aber auch bei der Enteignung zugunsten der öffentlichen Hand vor 3 6 . Es ist zudem auch legitim. Das Wohl der Allgemeinheit iSd Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG hat im Zeitpunkt der Enteignung den dauerhaften Entzug der Sache gerechtfertigt. Fällt der ursprüngliche Enteignungszweck weg, ändert sich an der Rechtmäßigkeit dieses Urteils nichts. Das entzogene Eigentum hat in der Hand des neuen privaten Eigentümers im Zeitpunkt des Wegfalles des Enteignungszweckes seine Aufgabe bereits vollständig erfüllt, dem Wohl der Allgemeinheit zu dienen. Der Rest ist ein Problem des Anspruchs des früheren Eigentümers auf Rückübertragung seines Eigentums. Die Zuverlässigkeit der Zwecksicherung hat also nach Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG den Enteignungszweck zu erfassen und muß nicht über ihn hinausreichen.

D. Praktische Probleme der Durchführung von Sicherungsmaßnahmen Theoretische Ausführungen über die verfassungsrechtlich gebotene Zuverlässigkeit der Sicherung des Enteignungszweckes bleiben ohne Wert, wenn man gleichzeitig ihre praktische Verwirklichung aus den Augen läßt. Jedoch stößt man hierbei auf eine einfache Schwierigkeit: Es fehlt an Erfahrungsweiten. Fünf Jahre nach den Ermahnungen Bullingers 1 hat sich Stummer 2 im Jahre 1967 über die Enteignungspraxis beklagt. Bei ihrer Betrachtung stelle man fest, daß die Enteignungsbehörden einer ihrer wichtigsten Obliegenheiten, nämlich einer ausreichenden Sicherung des Enteignungszweckes fast überhaupt nicht nachkom34 Stengel, Die Grundstücksenteignung zugunsten privater Wirtschaftsunternehmen, S. 51. 35 Giese und Heyland, Rechtsgutachten, in: FischersZ 64. Bd. (1930), S. 225 (239). 36 Darauf weist auch Stengel, Die Grundstücksenteignung zugunsten privater Wirtschaftsunternehmen, S. 51, zutreffend hin. ι Bullinger, Die Enteignung zugunsten Privater, Der Staat, Bd. 1, 1962, S. 477. 2 Stummer, Die öffentliche Zweckbindung der enteigneten Sache, S. 183.

216

9. Kap.: Die Sicherung des Wohls der Allgemeinheit

men. An dieser Situation hat sich bis heute nichts geändert 3. Es fehlt daher weitgehend an Erfahrungen über die Geeignetheit einzelner Sicherungsmittel und die auftretenden Schwierigkeiten bei ihrer praktischen Anwendung. Dennoch lassen sich einige generelle Probleme erkennen, die zum Großteil mit dazu beitragen, daß die Praxis gar nicht erst den Enteignungszweck zu sichern sucht.

I. Entscheidungszeitpunkt und Prognoseunsicherheiten Die Rechtmäßigkeit der Enteignung setzt zunächst lediglich voraus, daß das Wohl der Allgemeinheit im Zeitpunkt der Entscheidung der Enteignungsbehörde angestrebt wird und nach menschlichem Ermessen auch erreichbar ist. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Enteignung wird also weder dadurch rückwirkend wieder in Frage gestellt, daß das Enteignungsziel tatsächlich nicht erreicht wird 4 , noch dadurch mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben, daß das Unternehmen vollständig durchgeführt ist und auf diese Weise seinen Zweck endgültig erfüllt hat 5 . Sowohl die Zweckverfehlung als auch die Zweckerfüllung weisen für die Enteignungsbehörde lediglich das Problem auf, inwieweit in diesen Fällen ein Rückenteignungsanspruch des früheren Eigentümers besteht6. In dem vorhergehenden Zeitraum ist es Aufgabe der zuständigen7 Enteignungshörde, das Verhalten des Begünstigten zu überwachen und durch Anwendung der festgelegten Sicherungsmittel die Realisierung des Gemeinwohls zu erzwingen. Bereits im Zeitpunkt des Enteignungsbeschlusses aber steht die Verwaltung vor dem Problem, über die Sicherung des Enteignungszweckes entscheiden zu müssen. Dies hat das BVerfG im Teststreckenurteil nochmals klargestellt 8. Bei der Entscheidung über die Zulässigkeit einer Enteignung liegt eine der Hauptschwierigkeiten des Gemeinwohlurteils in der Unsicherheit über künftige tatsächliche Entwicklungen und das künftige Verhalten des Begünstigten. Diese Prognoserisiken erscheinen nur insoweit tragbar, als sie durch entsprechende Sicherungsmaßnahmen kompensiert werden können. Der Entscheidungszeitpunkt bedingt, daß die Wahl der richtigen Sicherung des Enteignungszweckes selbst 3

Vgl. nur den Musterbescheid in der Vollzugsbekanntmachung des Bayer. Staatsministeriums des Innern v. 14. 10. 1978 zum Bayer. Gesetz über die entschädigungspflichtige Enteignung, MAB1. 1978, S. 777. 4 Wolff/ Bachof, Verwaltungsrecht I, 9. Auflage 1974, § 62 IV a 1; auch Lerche, Übermaß und Verfassungsrecht, S. 165, geht davon aus, daß sich das Gemeinwohlerfordemis nur auf den eigentlichen Enteignungsakt bezieht. 5 So auch schon Seufert, Bayer. Enteignungsrecht, Art. 1 ZAG Rdnr. 37; Molodovsky, BayEG, Art. 16 Anm. 3. 6. 1. 6 Vgl. hierzu unten 11. Kap. B. III. 7 Zur Zuständigkeit siehe sogleich 9. Kap. D. V. 8 BVerfG, Urt. v. 24. 3. 1987 - 1 BvR 1046/85 - S. 41, BVerfGE 74, 264 (296) = NJW 1987, 1251.

D. Praktische Probleme der Durchführung von Sicherungsmaßnahmen

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wiederum von einer Prognose über künftige tatsächliche Entwicklungen abhängig ist. Das Gemeinwohlurteil erfordert bei der Sicherungszuverlässigkeit allerdings gerade keine Maßnahmen gegenüber jeder denkbaren weiteren Entwicklung, sondern nur gegenüber Ereignissen, deren Eintritt nach der Lebenserfahrung nicht ausgeschlossen ist. Es wird nicht verkannt, daß somit auch die Wahl der Sicherungsmittel von Prognoseunsicherheiten beeinflußt ist. Zu ihrer Bewältigung stellt das Gesetz höchstens rudimentäre Ansätze bereit 9 und auch von der Literatur, die sich zumeist auf allgemein gehaltene Formulierungen beschränkt, wird die Praxis weitgehend allein gelassen10. Andererseits aber ist die Aufgabe, vor der die Enteignungsbehörde bei der Sicherung des Wohls der Allgemeinheit steht, kein einzigartiges Problem. Im Wirtschaftsleben gibt es eine ganze Reihe von Problemstellungen, die völlig oder teilweise in mehr oder weniger großem Umfang vergleichbar sind. Als partiell gleich gelagertes Grundproblem kann zunächst die Entscheidung über eine Geldanlage (Investition) bei tatsächlichen Unsicherheiten angeführt werden. Auch in diesen Fällen muß sich der Investor eine Reihe von Fragen vorlegen. Wie soll der individuelle Anleger den Grenzpreis (Wert) von unsicheren Anlageobjekten (Investitionsobjekten) bestimmen? Mit Hilfe welcher Kriterien läßt sich die optimale Anlage herausfinden? Was hat der individuelle Anleger zu berücksichtigen, wenn er unsichere Investitionsobjekte in eine Rangfolge zu bringen hat? Eine weitergehende Fragestellung ist die, ob sich die Realisierung eines Objekts überhaupt lohnt. Hierzu ist der Grenzpreis eines Investitionsobjekts zu bestimmen. In all diesen Fällen ist die Unsicherheit eine Konsequenz aus einer nie ganz vollständigen Information, die ein Investor hat, und der mangelnden Fähigkeit, die künftige Entwicklung in tatsächlicher Hinsicht exakt zu prognostizieren. So gesehen lautet bei jeder Investitionsentscheidung die Aufgabe, die beste unter den gegebenen Handlungsmöglichkeiten auszusuchen. Die optimale Handlungsmöglichkeit ist die, die den Zielsetzungen des Entscheidenden möglichst nahe kommt. Regeln zur Bestimmung der optimalen Alternative zu formulieren, die subjektive Wahrscheinlichkeiten und Unsicherheiten mit in die Prognose einbeziehen, ist ein Thema der Wirtschaftswissenschaften. Sie haben zwar keinen Idealweg gefunden, bieten aber doch verschiedene durchaus praktikable Lösungs-

9 So kann nach Art. 21 BayEG die Enteignungsbehörde im Interesse des Enteignungsbetroffenen bestimmte Nachweise vom Enteignungsbegünstigten verlangen; vgl. hierzu Molodovsky, Das Bayer. Gesetz über die entschädigungspflichtige Enteignung, BayVBl. 1975, 131. 10 Vgl. nur beispielhaft die wenig aussagekräftige Forderung von Battis (in: Battis / Krautzberger / Lohr, BBauG, § 85 Rdnr. 6), wonach Enteignungsbegünstigter bei § 85 Abs. 1 Nr. 5 BBauG jeder sein kann, der für die Erhaltung des Gebäudes gemäß § 39 h BBauG dauerhafte Gewähr bietet.

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9. Kap.: Die Sicherung des Wohls der Allgemeinheit

ansätze an 11 . Es obliegt der Enteignungsbehörde, sie heranzuziehen und für die Lösung des vorliegenden Problems fruchtbar zu machen.

II. Knebelung wirtschaftlicher Handlungsfreiheit Vom Begünstigten der Enteignung werden in der Praxis regelmäßig massive Einwendungen gegen jegliche rechtlich bindende Verpflichtung zur Erfüllung des Enteignungszweckes vorgetragen werden. Diesen Befund hat bereits Bullinger 12 erhoben. Gerade die private Wirtschaft ist nach seinen Feststellungen nicht bereit, in diesem Zusammenhang dauernde Belastungen auf sich zu nehmen. Sie wolle eine exklusiv private Wirtschaft ohne staatliche Kontrollen sein und entdecke ein öffentliches Interesse an ihren Einrichtungen und Vorhaben nur dann, wenn es darum gehe, eine staatliche Unterstützung, etwa eine Subvention oder eine Enteignung zu ihren Gunsten, zu fordern. Der Widerstand des Privaten gegen Sicherungsmaßnahmen wird zumeist in dem Vorbringen gipfeln, daß die auferlegten Bindungen sein Unternehmen erdrosseln und seine unternehmerische Freiheit knebeln würden 13 . Auch die Berufung auf entsprechende Grundrechte des Begünstigten (Art. 12, 2 Abs.l GG) wird kaum ausbleiben. Dies aber ist bereits vom rechtsdogmatischen Ansatz her verfehlt. Es geht hier nämlich im Rahmen des Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG um die Bejahung des Gemeinwohlurteils, das eine Enteignung erst erlässig macht. Der Begünstigte muß sich daher den Maßnahmen unterwerfen, die erforderlich sind, das Wohl der Allgemeinheit zu sichern. Bereits durch das Wort „nur" hat Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG es ausgeschlossen, daß sich der Begünstigte im vorliegenden Zusammenhang auf die Grundrechte seiner unternehmerischen Tätigkeit berufen kann 14 . Hinzu kommt, daß derartige Wehklagen der Unternehmer nichts neues sind 15 .

11

Vgl. Drukarczyk, Finanzierungstheorie, S. 100, 136, m.w.N. 12 Bullinger, Die Enteignung zugunsten Privater, Der Staat, Bd. 1, 1962, S. 449 (457). 13 Das entsprechende Vorbringen der begünstigten Unternehmer ist auch an der rechtswissenschaftlichen Literatur nicht immer spurlos vorübergegangen. Am deutlichsten hat sich wohl Hans Burger, Die wirtschaftlichen Auswirkungen des bayerischen Zwangsabtretungsgesetzes, S. 67, gegen Sicherungsmaßnahmen ausgesprochen: Jeder Satz sei eine Fußangel und eine Beeinträchtigung der Geschäftsfreiheit. Mit solchen Opfern die Befugnis zur Zwangsenteignung zu erkaufen, lohne sich nicht mehr. 14 Unklar, aber wohl a. A. Knoll, Eingriffe in das Eigentum im Zuge der Umgestaltung gesellschaftlicher Verhältnisse, AöR Bd. 79 (1954), S. 455 (476). 15 So führte beispielsweise bereits im Jahre 1931 F. List im Hinblick auf den französischen Eisenbahnbau aus, es sei unglaublich, welche Schwierigkeiten der Unternehmer zu überwinden habe, „avant d'obtenir du gouvernement le droit d'être utile à son pays"; vgl. F. List, De la loi à faire sur l'expropriation, Werke III/2, 1931, S. 557.

D. Praktische Probleme der Durchführung von Sicherungsmaßnahmen

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III. Durchsetzbarkeit von Sicherungsmaßnahmen im Krisenfall Ein weiterer fundamentaler Einwand gegen Maßnahmen zur Sicherung des Wohls der Allgemeinheit liegt im Vorwurf ihrer Wirkungslosigkeit. Unterschwellig liegt dem die Befürchtung zugrunde, daß sie im Krisenfall ohnehin nicht durchsetzbar seien. Unwillkürlich werden Assoziationen an vergebliche Vollstreckungsversuche gegen nicht mehr liquide Schuldner wachgerufen. Jedoch sind hierbei zwei grundlegend verschiedene Aspekte zu unterscheiden.

1. Abwälzung des unternehmerischen Risikos auf die öffentliche Hand Ein privates Unternehmen, für das enteignet wurde, kann zunächst als willkommener Vorwand dienen, das unternehmerische Risiko des Enteignungsbegünstigten auf die öffentliche Hand abzuwälzen. Dies wird dadurch erreicht, daß der Private andernfalls die Realisierung des Enteignungszieles in Frage stellt. Zur Verdeutlichung darf auf ein Beispiel von Wendrich 16 zurückgegriffen werden. Wird für den Bau von Straßen des öffentlichen Verkehrs durch Private enteignet, muß der Staat dem begünstigten Privaten die Befugnis einräumen, Gebühren von den Straßenbenutzern zu erheben. Das hierfür geltende Äquivalenzprinzip 17 soll nicht nur ein angemessenes Verhältnis zwischen Gebühr und Leistung wahren, sondern es auch ermöglichen, einen angemessenen Gewinn zu erzielen 18 . Ohne diese Möglichkeit würde das Instrument der Vereinbarung einer Sonderbaulast nicht zur Anwendung kommen, meint Wendrich 19 . Der Staat aber wird auf diese Weise gezwungen, die Rentabilität der Straßenanlage in der Sonderbaulast eines Privaten über das von ihm festgesetzte oder zumindest doch genehmigte Gebührenaufkommen zu garantieren. Hinzu kommt, daß der öffentlich-rechtliche Baulastträger nach den gesetzlichen Vorschriften 20 verpflichtet ist, die Verkehrssicherheit der in der Sonderbaulast eines Privaten befindlichen Straße zu gewährleisten, falls der private Enteignungsbegünstigte seine Leistungsfähigkeit einbüßt. Und dabei spielt es keine Rolle, ob diese Einbuße auf zu geringes Gebührenauf-

16 Wendrich, Der Bau von Straßen für den öffentlichen Verkehr durch Private in der Bundesrepublik, BauR 1985, S. 152 (160). π BVerwG, Beschl. v. 19. 9. 1983, Kommunale Steuer-Zeitschrift 1984, S. 11. is Bei den wenig verkehrsbedeutsamen Eigentümerwegen darf nach der geltenden gesetzlichen Regelung das Entgelt nicht höher sein, als zur Deckung der Unterhaltskosten erforderlich (Art. 55 Abs. 1 S. 5 BayStrWG). Die Erhebung von Entgelt, in dem eine Gewinnspanne enthalten ist, setzt daher in jedem Fall eine Gesetzesänderung voraus. 19 Wendrich, a.a.O. 20 Vgl. für Bayern Art. 44 Abs. 1,45 BayStrWG, die einen allgemeinen Rechtsgedanken enthalten und daher über ihren Wortlaut hinaus auf Straßen jeglicher Kategorie anwendbar sind (Art. 47 Abs. 4, 56 Abs. 2 BayStrWG). Anders aber bei den wenig verkehrsbedeutsamen Eigentümerwegen, Art. 55 Abs. 1 S. 1 BayStrWG. Ähnliche Regelungen sind auch in den Straßengesetzen der übrigen Länder enthalten.

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kommen oder nachlassende Verkehrsdichte zurückzuführen ist. Wendrich 21 stellt hierzu resignierend fest: Die rechtliche Möglichkeit des öffentlich-rechtlichen Baulastträgers, die von ihm aufgewandten Kosten für Sicherungsmaßnahmen an der Straße vom Privaten zurückzuverlangen, wäre unter solchen Umständen kaum zu realisieren. Im Ergebnis aber würde dies bedeuten, daß der Private sein unternehmerisches Risiko in vollem Umfang auf die öffentliche Hand abwälzen könnte. Dieses Resultat aber steht einem positiven Gemeinwohlurteil iSd Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG entgegen und hindert eine Enteignung zugunsten des privaten Straßenbauers 22. Zulässig wäre eine Enteignung erst dann, wenn durch Vereinbarungen und sonstige Sicherungsvorkehrungen der aufgezeigten Risikoabwälzung entgegengewirkt wird. Zwar wird man regelmäßig nichts dagegen einzuwenden haben, daß sich das vom Privaten eingesetzte Kapital im Rahmen der auch sonst banküblichen Gewinnspannen verzinst. Keinesfalls aber darf das Gebührenaufkommen eine staatlich garantierte Gewinnspanne enthalten. Das Finanzgebaren des Privaten ist unter staatliche Aufsicht zu stellen. Das Vorhandensein eines Grundkapitals muß nachgewiesen werden. Gegebenenfalls muß die Hinterlegung einer Sicherheitsleistung gefordert werden. Freilich muß die konkrete Ausgestaltung dem Einzelfall vorbehalten bleiben, da die Folgen einer Schließung der Straße für den öffentlichen Verkehr mit in die Überlegungen einzubeziehen sind. Da aber gerade dieser Gesichtspunkt die Enteignung rechtfertigen soll, zeigt es sich, wie schmal der Grat in derartigen Fällen für die Enteignungsbehörde ist. Die oben geäußerten Bedenken23 gegen eine Verkehrserschließung durch Private finden sich hier bestätigt. Ist der Staat gar gezwungen, ζ. B. bei der Verkehrssicherungspflicht für den Privaten einzuspringen und dessen Aufgaben zu übernehmen, muß gewährleistet sein, daß das Eigentum im entsprechenden Gegenwert auf ihn übergeht.

2. Änderung der tatsächlichen Verhältnisse als Vollstreckungshindernis In durchaus vergleichbarer Weise stellt sich die Problemlage für den Fall dar, daß eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse eine Durchsetzung der festgelegten Sicherungsmaßnahmen unmöglich macht. Als Musterbeispiel kann die Enteignung von Industriegelände für eine private Firma zur Schaffung von Arbeitsplätzen genannt werden. Wird der betreffende Industriezweig Jahre später von einer Wirtschaftskrise heimgesucht, ist das Unternehmen regelmäßig zum Personalabbau gezwungen. Keine frühere vertragliche Verpflichtung vermag diese wirtschaftliche Notwendigkeit zu verhindern. Finanzielle Sicherungsvorkehrungen, wie eine Vertragsstrafe, gefährden höchstens die noch vorhandenen 21 Wendrich, Der Bau von Straßen durch Private, BauR 1985, S. 152 (160). 22 A.A. Wendrich, a.a.O. 23 8. Kap. D. II.

D. Praktische Probleme der Durchführung von Sicherungsmaßnahmen

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Arbeitsplätze. Bei genauerer Betrachtung ist die Situation aus der Sicht des öffentlichen Interesses aber keineswegs so düster, wie dies hier auf den ersten Blick erscheinen mag. Zunächst wird das Unternehmen auch in der Wirtschaftskrise bestrebt sein, wieder Gewinn zu machen. Daß dies nicht durch Mißwirtschaft vereitelt oder auf Kosten der versprochenen Arbeitsplätze geschieht, kann durch das Instrumentarium staatlicher Aufsicht, dem das Unternehmen unterworfen werden muß, verhindert werden. Je einschneidender die für den Krisenfall zur Verfügung stehenden Maßnahmen sind, desto mehr sind sie auch geeignet, den Enteignungsbegünstigten bereits präventiv von Pflichtwidrigkeiten abzuhalten 24 . Vernachlässigung oder gar Aufgabe des Enteignungszweckes darf sich in keinem Fall lohnen. Als ultima ratio muß der Staat vom Enteignungsbegünstigten daher sogar die Herausgabe der enteigneten Sache verlangen können.

IV. Erhaltung staatlicher und privater Planungsflexibilität Ein weiteres Problem ergibt sich aus der Erkenntnis, daß die bei der Enteignung getroffenen Sicherungsmaßnahmen nicht zu einer statischen Verfestigung einmal bestehender Zustände führen dürfen. Diese Forderung folgt aus dem Ergebnis, daß das Wohl der Allgemeinheit iSd Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG selbst ebenfalls nicht statisch ist 25 . Die festgelegten Sicherungen müssen also Maßnahmen sein, die einerseits die Realisierung des Wohls der Allgemeinheit, auf das die Enteignung zielt, erzwingen. Andererseits aber dürfen sie die Art und Weise der Verwirklichung sowie den Enteignungszweck selbst über den gesetzlich vorgegebenen Rahmen hinaus nicht noch weiter einengen. Dies läßt sich bereits an einem einfachen Beispiel verdeutlichen. Im Jahre 1982 war ein Katalysator für Kraftfahrzeuge noch überhaupt nicht in der öffentlichen Diskussion. Wäre damals für eine private Firma ein Gelände zur Entwicklung energiesparender Motoren enteignet worden, dürften die ergriffenen Sicherungsmaßnahmen keinesfalls dazu führen, daß fünf Jahre später auf diesem Gelände keine Katalysatoren getestet werden könnten. Die von Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG vorgeschriebene dynamische Flexibilität in der Betrachtung des Gemeinwohlurteils hat zur Folge, daß gleichzeitig der Enteignungszweck gesichert und die staatliche und private Planungsflexibilität erhalten werden muß. Daß dies überhaupt möglich ist, wird von der Literatur weitgehend in Frage gestellt. Ahlers 26 meint zu der von sozialdemokratischer Seite geplanten Einführung zeitlich befristeten Nutzungseigentums resignierend, häufig würden bereits vor seinem Ablauf wieder Planänderungen notwendig. Huber 27 gar verwirft die 24

Ebenso Stummer, Die öffentliche Zweckbindung der enteigneten Sache, S. 24. 5 Siehe oben 7. Kap. D. 2 6 Ahlers, Die Sozialisierung von Grund und Boden, 1982. 2

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9. Kap.: Die Sicherung des Wohls der Allgemeinheit

Enteignungsmöglichkeit für den sozialen Wohnungsbau insgesamt wegen der — seiner Ansicht nach — fehlenden Möglichkeiten zur wirkungsvollen Sicherung des Enteignungszweckes. Er stellt die Frage, ob man 20 Jahre später überhaupt noch beurteilen könne, inwieweit der Mietzins noch immer dem sozialen Charakter der Wohnungen und dem öffentlichen Wohl entspreche. Und welches Rechtsinstitut und welche Rechtsnormen würden sich anbieten, um die soziale Natur von Mietshäusern im Unterschied zu ähnlichen Häusern, für die nicht enteignet wurde, gleichsam einzufrieren? Demgegenüber verteidigt Battis 28 zu Recht die privatnützige Enteignung als eine der wichtigsten Erscheinungsformen der Enteignung überhaupt. Ohne sie wäre seiner Ansicht nach eine aktive kommunale Bauleitplanung unmöglich. Dies mag übertrieben sein. In der Tat aber läßt sich eine Abschaffung der Enteignung zugunsten Privater nicht durch die Schwierigkeit der Aufgabe rechtfertigen zu verhindern, daß die privatnützigen Interessen im Einzelfall das Allgemeinwohl überspielen. Das Problem reduziert sich also auf die Frage, ob geeignete Sicherungsmittel zur Verfügung stehen. Das Gesetz allein vermag die gestellte Aufgabe nicht zu lösen. Es wird regelmäßig zu langsam und unflexibel auf künftige Entwicklungen reagieren. Seine Reaktion ist zudem von wechselnden politischen Mehrheiten abhängig. Die untergesetzlichen Handlungsformen öffentlich-rechtlicher Körperschaften sind für sich alleine wiederum zu instabil, um eine kontinuierliche Sicherung des Enteignungszweckes garantieren zu können. Durchaus in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BVerfG 29 bietet sich insoweit als Regelung mit hohem Wirkungsgrad ein zweigestuftes Vorgehen bei Maßnahmen zur Sicherung des Enteignungszweckes an. Auf der ersten Stufe erfolgt eine Rahmenregelung durch den Gesetzgeber, die im Hinblick auf den jeweils verfolgten Enteignungszweck zugleich die inhaltlichen Mindestanforderungen an die Sicherungsmaßnahmen enthält. Auf der zweiten Stufe findet die konkrete Ausgestaltung der Sicherung im Einzelfall statt. Hier wird die notwendigerweise abstrakt-generelle Gesetzesregelung auf den Einzelfall bezogen und durch die individuelle Abstimmung auf den Einzelfall optimiert. Dies erfolgt durch die Verwaltung mit Hilfe des bekannten öffentlich-rechtlichen Handlungsinstrumentariums. Die Möglichkeiten der im Einzelfall zu ergreifenden Sicherheitsmaßnahmen richten sich nach dessen Besonderheiten. Auf ihre wichtigsten Erscheinungsformen wird weiter unten 30 noch einzugehen sein. 27 Hans Huber, Öffentlichrechtliche Gewährleistung, Beschränkung und Inanspruchnahme privaten Eigentums in der Schweiz, in: Staat und Privateigentum, 1960. 28 Battis, Novelliertes Bundesbaugesetz und Grundgesetz, DÖV 1978, 113. 29 BVerfG, Urt. v. 24. 3. 1987, 1 BvR 1046/85 - S. 41, BVerfGE 74, 264 (296) = NJW 1987, 1251. 30 Vgl. 9. Kap. G.

D. Praktische Probleme der Durchführung von Sicherungsmaßnahmen

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V. Verhältnis zu sonstigen Aufsichtsregelungen und Behördenzuständigkeiten Zu guter letzt kann schließlich auch noch das Verhältnis zwischen enteignungsrechtlichen Sicherungen und sonstigen staatlichen Aufsichtsregelungen als teilweise ungeklärt bezeichnet werden. Am Beispiel der Enteignung zugunsten eines privatrechtlich organisierten Energieversorgungsunternehmens mag die Problematik verdeutlicht werden. Über derartige Unternehmen hat § 1 EnWG staatliche Energieaufsicht angeordnet. Das Gesetz selbst stellt das hierfür notwendige Instrumentarium bereit 31 . Es gewährleistet die Führung des Unternehmens zum Nutzen der Allgemeinheit und damit gleichzeitig auch die Realisierung des Enteignungszweckes „Sicherstellung der Energieversorgung". Dem BVerfG hat dies zur Sicherung des Wohls der Allgemeinheit genügt 32 . Dem ist zuzustimmen, solange Enteignungszweck und Unternehmensgegenstand zusammenfallen. In diesen Fällen genügt für die Enteignung zugunsten Privater das staatliche Aufsichtsinstrumentarium, das aus wirtschaftsrechtlichen Gründen angeordnet ist. Eines besonderen enteignungsrechtlichen Sicherungsinstrumentariums bedarf es dann nicht mehr. Anders ist dies, wenn sich der Nutzen für das allgemeine Wohl nicht aus dem Ziel des Unternehmens selbst ergibt, wie dies beispielweise bei einer Enteignung zur Schaffung von Arbeitsplätzen der Fall ist. Auch wenn hier wirtschaftliche Aufsichtsmöglichkeiten des Staates bestehen, bedarf es doch eines eigenständigen und gesonderten enteignungsrechtlichen Sicherungsinstrumentariums 33. Andernfalls kann das Vorliegen des Allgemeinwohls im Sinne des Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG nicht bejaht werden. In diesem Zusammenhang darf noch auf die Problematik der Behördenzuständigkeit hingewiesen werden. Regelmäßig werden die jeweils „sachnäheren" Fachbehörden eher geeignet und in der Lage sein, die im Enteignungsbeschluß festgelegten Pflichten zu überwachen und das bereitgestellte Sicherungsinstrumentarium anzuwenden. Jedoch muß eine entsprechende Zuständigkeit in formell rechtmäßiger Weise begründet sein 34 . Ist dies nicht geschehen, verbleibt es bei der Zuständigkeit der Enteignungsbehörde, die das positive Allgemeinwohlurteil gefällt hat und damit auch für die Überwachung der verfassungsrechtlichen Vorgaben aus Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG verantwortlich ist. 31 Vgl. im einzelnen: §§ 3, 4, 7, 8, 9, 13 Abs. 2, 14, 15 Abs. 1 EnWG. 32 BVerfG, Beschl. v. 20. 3. 1984, BVerfGE 66, 248 = NJW 1984, 1872 = BayVBl. 1984, 364. 33 Anders: Stummer, Die öffentliche Zweckbindung der enteigneten Sache, S. 138, der es für zulässig hält, daß die Enteignungsbehörde auch dann keine Sicherungsmaßnahmen ergreift, wenn das Allgemeinwohl nur mittelbare Folge der Unternehmenstätigkeit ist und anderweitige Aufsichtsregelungen, etwa in Form von Konzessionsbedingungen, bestehen. Dies vermag schon deswegen nicht zu überzeugen, da sich auch bei bestehen bleibendem Enteignungszweck (ζ. B. Schaffung von Arbeitsplätzen) der Unternehmensgegenstand ändern kann. 34 Für Bayern vgl. Art. 77 BV.

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9. Kap.: Die Sicherung des Wohls der Allgemeinheit

E. Stufen möglicher Sicherungsziele Will man das Allgemeinwohl sichern, bedeutet dies im Ergebnis, dem Enteignungsbegünstigten Verpflichtungen aufzuerlegen, denen er sich zu unterwerfen hat und denen gegenüber seine Interessen in jedem Fall zweitrangig sein müssen. Bevor man die Frage nach Sicherungsdauer und Sicherungsinstrumentarium stellt, bedarf es einer genaueren Definition der Sicherungsziele. Auch hierbei ist nämlich eine Aufschlüsselung möglich und nötig. Es hängt vom Enteignungszweck und der konkreten Situation ab, welche Ziele im einzelnen einer Sicherung bedürfen. Regelmäßig wird man folgende Stufen möglicher Sicherungsziele unterscheiden können.

I. Zahlung der Enteignungsentschädigung Der erste Schritt ist selbstverständlich, die Zahlung der Enteignungsentschädigung durch den Begünstigten sicherzustellen. Dieses Sicherungsziel wirft keinerlei grundlegende Probleme auf. Denn es wurde durchgehend vom Gesetzgeber erkannt und einer gesetzlichen Regelung unterworfen. Interessant ist in diesem Zusammenhang lediglich die unterschiedliche Ausgestaltung, die freilich im gesetzgeberischen Ermessen liegt. So kann nach Art. 21 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 BayEG eine Sicherheitsleistung bis zur Höhe der voraussichtlichen Entschädigung verlangt werden. Gemäß §§ 9, 10 des österreichischen Eisenbahnenteignungsgesetzes muß beispielsweise die Eisenbahnunternehmung Sicherstellung für die Entschädigung leisten, wenn dies der betroffene Eigentümer verlangt. § 35 Abs. 2 Eisenbahnenteignungsgesetz läßt den Vollzug der Enteignung erst zu, wenn der Begünstigte nachweist, daß er die Entschädigung oder zumindest die Sicherheit für die Entschädigung geleistet hat. Die Zulässigkeit des Enteignungsvollzugs wird damit an die erfolgte Leistung der Entschädigung gebunden1. Dieser Grundsatz der vorgängigen, d.h. vor dem Ausspruch der Enteignung zu zahlenden oder doch zumindest zu hinterlegenden Enteignungsentschädigung legte bereits § 32 PrEG fest 2. Dagegen wird nach der Regelung des Baugesetzbuches im Falle der Nichtzahlung der Entschädigung innerhalb der nach § 114 BauGB festgelegten Frist der Enteignungsbeschluß gemäß § 120 BauGB aufgehoben 3.

1 Vgl. zum Ganzen: Aicher, Grundfragen der Staatshaftung bei rechtmäßigen hoheitlichen Eigentumsbeeinträchtigungen, S. 55. 2 Hierzu auch Otto Meyer, Deutsches Verwaltungsrecht, II.Bd., S 46. 3 Battis, in: Battis / Krautzberger / Lohr: BauGB, 2. Aufl. 1987, Vorb. §§ 85-122, Rdnr. 16.

E. Stufen möglicher Sicherungsziele

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II. Beginn der Realisierung des Vorhabens Als nächster Punkt muß sichergestellt sein, daß der Begünstigte nach der Enteignung umgehend mit der Durchführung des geplanten Unternehmens beginnt. Auch die Erreichung dieses Sicherungszieles wirft verhältnismäßig wenig Probleme auf. Denn der Begünstigte, der mit dem Enteignungsvorhaben gar nicht erst beginnt, besitzt auch keinerlei Berechtigung, das einer anderen Privatperson zwangsweise entzogene Eigentum inne zu haben. Vermag er für die Verzögerung keine anerkennenswerten Gründe geltend zu machen, wird die Enteignungsbehörde regelmäßig auch gehalten sein, die durchgeführte Enteignung wieder rückgängig zu machen4.

III. Vollendung der Realisierung des Vorhabens Im Zeitpunkt des Erlasses des Enteignungsbeschlusses muß ferner die Durchführung des Vorhabens zeitlich und wirtschaftlich gesichert erscheinen, da sonst kein Nutzen für die Allgemeinheit erreicht wird. In diesem Zusammenhang steht beispielsweise die gesetzliche Regelung des Art. 21 Abs.l BayEG, wonach die Enteignungsbehörde jederzeit die Durchführung des Verfahrens davon abhängig machen kann, daß die Mittel für die Verwirklichung des Vorhabens nachgewiesen werden. Nach Puhr-Westerheide 5 kann der entsprechende Sicherungsnachweis beispielsweise durch die Darlegung der Bildung von bilanzmäßig ausgewiesenen Rücklagen, von Kreditzusagen oder der Aufnahme von Fremdmitteln erfolgen. Zuzustimmen ist ihm auch insoweit, als der Nachweis genügt, daß die Gesamtmittel nicht bei Baubeginn, sondern die jeweils erforderlichen Mittel entsprechend dem Baufortschritt vorhanden sein werden 6. Warum jedoch die Verwaltung im 4 Bereits der Entwurf des Preußischen Expropriationsgesetzes aus dem Jahre 1804 ließ das Expropriationsrecht erlöschen, wenn der Unternehmer binnen 2 Jahre nach Feststellung des Planes davon keinen Gebrauch machte. Im übrigen ist in den Motiven (J.Mist.Blatt 1804, S. 372) hierzu erklärt, daß der bisherige Eigentümer kein Wiederkaufsrecht habe, weil er das volle Äquivalent für das expropriierte Grundstück erhalten habe. Dieser Gedanke aber ist heute überholt, da er eine Konsequenz aus der Grundanschauung über die Natur der Expropriation als Rechtsinstitut eines Kaufes ist, vgl. Thiel. Das Expropriations-Recht und das Expropriations-Verfahren nach dem neuesten Standpunkt der Wissenschaft und der Praxis, S. 61. s Puhr-Westerheide, BayEG, Loseblatt-Kommentar, Art. 21, Anm. 2. 6 Demgegenüber ist die Auffassung der Hamburger Baubehörde, Die Enteignung als ein Mittel zur Baulandbeschaffung, 1960, S. 21, unzureichend, wonach zwar die Vorlage eines Finanzierungsplanes verlangt wird, hierfür aber glaubhafte Angaben über das im allgemeinen erforderliche Eigenkapital genügen sollen und ein Nachweis dafür, daß die Finanzierung gesichert ist, nicht erforderlich sein soll. Richtig dagegen Schrödter, BBauG, § 89 Rdnr. 11, der im Rahmen der Zuteilungsgrundsätze des § 89 Abs. 3 BauGB (= § 89 Abs. 2 S. 1 BBauG a.F.) fordert, daß die Gemeinde aufgrund ihrer Pflicht zur Erforschung des Sachverhalts § 208 BauGB (= § 150 BBauG a.F.) die Realisierbarkeit in angemessener Frist und die finanziellen Verhältnisse des Erwerbers zu prüfen hat. 15 Schmidbauer

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9. Kap.: Die Sicherung des Wohls der Allgemeinheit

Hinblick auf das vorliegende Sicherungsziel auf das Verlangen nach einem entsprechenden Mittelnachweis beschränkt sein sollte, ist nicht einzusehen. Gerade um die Vollendung der Verwirklichung des Enteigungsvorhabens zu sichern, bietet es sich beispielsweise an, ebenso wie zur Gewährleistung der Entschädigungszahlungen Sicherheitsleistungen zu verlangen. Sie vermögen nämlich mit größerer Wirksamkeit sicherzustellen, daß das Enteignungsunternehmen durch den Begünstigten auch tatsächlich realisiert wird. Ein Bedürfnis hierfür besteht ebenfalls. Denn je höher das Prognoserisiko ist, desto stärker muß das möglicherweise gefährdete Sicherungsziel geschützt werden. Und erst als letztes Mittel sollte gegenüber dem Enteignungsbegünstigten der Entzug des übertragenen Eigentums erfolgen 7.

IV. Weitere Aufrechterhaltung des Vorhabenszweckes Bei den Stufen möglicher Sicherungsziele bleibt zu guter Letzt noch das Ziel, das die größte Bedeutung hat. Es ist sicherzustellen, daß der Vorhabenszweck, der die Enteignung gerechtfertigt hat, weiter aufrechterhalten bleibt. Diese Forderung stellte bereits Lay er 8 auf. Er meinte, Unternehmungen Privater fehle von vornherein die erforderliche Garantie für die Erfüllung des öffentlichen Interesses an der Enteignung. Es müsse daher die Rechtspflicht hinzukommen, das begonnene Unternehmen weiter zu betreiben, zu erhalten und es so und nicht anders zu betreiben, wie es eine dauernde Erfüllung des öffentlichen Interesses verbürgt. Dieser Appell — wie schon oben ausgeführt — ging an Gesetzgeber und Verwaltungspraxis bis heute weitgehend ungehört vorüber. Nunmehr hat ihn das BVerfG im Teststreckenurteil 9 ausdrücklich in Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG verfassungsrechtlich fundiert. Es leuchtet ein, daß die Aufrechterhaltung des Vorhabenszweckes der Enteignung als weitergehendes Sicherungsziel auch ein eigenständiges und zusätzliches Sicherungsinstrumentarium benötigt. Was hierbei an geeigneten Sicherungsmitteln zur Verfügung steht, wird im übernächsten Abschnitt untersucht 10.

7 Nach Molodovsky, BayEG, Art. 16 Anm. 3. 6. 2 besteht der Hauptfall des Rükkenteignungsanspruches darin, daß ein Grundstück nicht innerhalb der festgesetzten Fristen zum Enteignungszweck verwendet wird. s Layer, Principien des Enteignungsrechtes, 1902, S. 287; ebenso Seufert, Bayerisches Enteignungsrecht, Art. IV Rdnr. 10. 9 BVerfG, Urt. v. 24. 3. 1987 - 1 BvR 1046/85 - S. 40 f, BVerfGE 74, 264 (296) = NJW 1987, 1251. 10 Unten 9. Kap. G.

F. Sicherungsdauer

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F. Sicherungsdauer Bevor man sich den denkbaren Sicherungsmitteln zuwendet, muß logisch vorab eine andere Frage geklärt werden. Ohne ihre Beantwortung läßt sich nämlich das für den konkreten Fall geeignete Sicherungsinstrument überhaupt nicht bestimmen. Es geht um das Problem der verfassungsrechtlich gebotenen Sicherungsdauer. Mit anderen Worten: Über welchen Zeitraum hinweg ist der Private mindestens verpflichtet, den Enteignungszweck zu verfolgen bzw. aufrechtzuerhalten, wenn zu seinen Gunsten enteignet wurde? Für die entsprechende Dauer muß das betreffende Sicherungsmittel die Verwirklichung des Enteignungszweckes garantieren. Gesetzgebung, Rechtsprechung und Literatur haben das Problem der zeitlichen Bindung des Enteignungsbegünstigten durchaus erkannt. Es ist aber auch kein Geheimnis, daß die deutsche Rechtswissenschaft immer schon Schwierigkeiten hatte, das Problem der Zeit im Recht zu lösen1. Beim Eigentum gilt dies im besonderen Maße 2 . Soweit bei der Enteignung die zeitliche Dimension eine Rolle spielte, wurde sie meistens unter dem Aspekt diskutiert, für welchen Zeitraum nach Erlaß des Enteignungsbeschlusses ein Rückgabeanspruch des Enteigneten besteht3. Und auch in diesem Rahmen lassen sich regelmäßig nur Aussagen zu der Frage finden, bis zu welchem Zeitpunkt mit der Verwirklichung des Vorhabens begonnen werden muß. Darüber hinaus bestehen dann auch noch — wie anhand ausgewählter Beispiele zu zeigen sein wird — durchaus unterschiedliche gesetzliche Regelungen. Dies kann insoweit als Anhaltspunkt dienen, als die Sicherungsdauer jedenfalls über den Zeitpunkt hinaus reichen muß, bis zu dem der Enteignete vom jeweiligen Begünstigten Rückgabe des Eigentums fordern kann, wenn der Begünstigte gar nicht erst mit der Ausführung des Vorhabens beginnt. Die Dauer der Sicherung hat nämlich darüber hinaus auch den Zeitraum der Vorhabensverwirklichung und des Vorhabensbetriebes mit zu umfassen. Der Zeitfaktor dient hier also dazu, für den Begünstigten die ihm auferlegten Verwendungsbeschränkungen im übertragenen Eigentum zeitlich zu konkretisieren.

1 Kimminich, Rechtsgutachten zu den eigentumsrechtlichen Bestimmungen des Entwurfs eines Städtebau- und Gemeindeentwicklungsgesetzes, S. 26. 2 Zum Problem: Charlotte Timm, Eigentumsgarantie und Zeitablauf, 1977; HansUlrich Evers, Über die Zeit als Schranke des Eigentums, in: Mélanges Marcel Bridel, S. 193 ff. 3 Für alle: Kunze, Der Anspruch des Enteigneten auf Rückübertragung bei nachträglichem Fortfall des Enteignungszweckes (Rückenteignung), S. 58 ff. 15*

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9. Kap.: Die Sicherung des Wohls der Allgemeinheit

I. Ansichten in Gesetzgebung, Rechtsprechung und Literatur In Gesetzgebung, Rechtsprechung und Literatur gehen die Ansichten über die notwendige Dauer der Allgemeinwohlsicherung weit auseinander. Die Zeitspanne reicht von „null" bis „unendlich". Im folgenden sollen einige Beispiele und Anhaltspunkte aufgezeigt werden. 1. Sicherungsdauer: Null Daß die Sicherungsdauer „null" betragen soll, wird nirgendwo ausdrücklich behauptet. Dennoch klingt es ab und zu unterschwellig an. Beispielsweise wenn Lerche 4 meint, das Erfordernis des Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG bezieht sich ausdrücklich nur auf den Akt der Enteignung. Ist die Enteignung abgeschlossen, stellt sich seiner Ansicht nach die Frage nach dem Gemeinwohl zumindest nicht mehr in dieser Gestalt, da damit der Eingriff in die private Rechtssphäre erledigt ist. Dem ist freilich nur insoweit zu folgen, als die Rechtmäßigkeit der Enteignung auf einer Prognoseentscheidung im Zeitpunkt des Erlasses des Enteignungsbeschlusses beruht. Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG entfaltet aber Wirkungen über den Zeitpunkt der Enteignung hinaus. 2. Sicherungsdauer: 1 Jahr § 11 Teil IV Kapitel I I der 3. NotVO 5 aus dem Jahre 1931 gewährte dem Enteigneten oder seinem Rechtsnachfolger einen Anspruch auf Rückübertragung, falls das enteignete Land nicht innerhalb eines Jahres seit Zustellung des Enteignungsbeschlusses für die Zwecke der Notverordnung verwendet wird. Die Notverordnung sicherte auf diesem Weg die Verwirklichung des Gemeinwohls für zumindest ein Jahr. 3. Sicherungsdauer: 2 Jahre Nach § 57 Abs. 1 LandbeschaffungsG kann der frühere Eigentümer Rückenteignung des Grundstückes verlangen, wenn mit der Ausführung des Vorhabens nicht binnen zwei Jahren nach der Enteignung begonnen wurde. Eine 2-JahresFrist, innerhalb der die Gemeinde zur Veräußerung verpflichtet sein soll, wurde von der Literatur im Anschluß an eine früher geltende gesetzliche Regelung auch in § 89 BBauG a.F. hineininterpretiert 6.

4

Lerche, Übermaß und Verfassungsrecht, S. 165. 5 Dritte Notverordnung vom 6. 10. 1931, RGBl. I S. 720. 6 Vgl. hierzu näher: Schmidt-Aßmann / Frenzel, in: Ernst / Zinkahn, BBauG, § 89 Rdnr. 14; str., für einen kürzeren Zeitraum z. B. Schrödter, BBauG, § 89 Rdnr. 8.

F. Sicherungsdauer

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4. Sicherungsdauer: 3 Jahre Das Baulandbeschaffungsgesetz 7, das durch das BBauG abgelöst wurde und daher nicht mehr in Kraft ist, ordnete schließlich in § 51 an, daß der frühere Eigentümer die Rückenteignung verlangen konnte, falls die Gemeinde nicht binnen zwei Jahren das enteignete Grundstück weiterveräußert oder der Begünstigte nicht binnen eines weiteren Jahres mit dem geplanten Bau begonnen hat. 5. Sicherungsdauer: 5 Jahre Generell vertritt Molodovsky 8 die Ansicht, daß jeder Enteignete Rückenteignung verlangen kann, wenn der Enteignungsbegünstigte nicht innerhalb von drei bis fünf Jahren mit der vorgesehenen Verwendung begonnen hat. 6. Sicherungsdauer: 8 Jahre Für enteignete Rechte und sonstige Sachen mit Ausnahme von Grundstücken schlägt Stummer 9 eine Rückforderungsfrist von 8 Jahren vor. Eine Begründung für diese Festsetzung findet sich bei ihm nicht. Dies ist denn auch bei Kunze 10 und Brüggemann 11 auf heftige Kritik gestoßen. Eine solche Frist lasse sich ihrer Ansicht nach nicht auf ein Gesetz stützen. Sie könne auch nicht einem allgemeinen Rechtsgedanken entnommen oder mit Hilfe eines Analogieschlusses bestimmt werden. 7. Sicherungsdauer: 10 Jahre Wird ein nach dem Reichssiedlungsgesetz enteignetes Grundstück nicht innerhalb einer Frist von 10 Jahren für Siedlungszwecke verwendet, ist das Siedlungsunternehmen nach § 21 ReichssiedlungsG (RSG) einem Wiederkaufsrecht des früheren Eigentümers ausgesetzt. 8. Sicherungsdauer: 15 Jahre In seinem Urteil vom 1.3.1972 hatte der BayVGH 1 2 über die zeitlichen Grenzen des Rückgabeanspruchs unter der Geltung des Bayer.Zwangsabtretungsgesetzes aus dem Jahre 1837 zu entscheiden, das zum 1.3.1975 vom BayEG abgelöst 7 Vom 3. 8. 1953, BGBl. I S. 720. s Molodovsky, Das Bayerische Gesetz über die entschädigungspflichtige Enteignung, BayVBl 1975, S. 125 (130). 9 Stummer, Die öffentliche Zweckbindung der enteigneten Sache, S. 87. 10 Kunze, Der Anspruch des Enteigneten auf Rückübertragung bei nachträglichem Fortfall des Enteignungszweckes (Rückenteignung), S. 109. h Brüggemann, Nachträgliche Zweckverfehlung, S. 166. 12 BayVGH, Urt. v. 1. 3. 1972, BayVBl. 1972, S. 413 (415).

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9. Kap.: Die Sicherung des Wohls der Allgemeinheit

wurde. Das ZAG selbst bestimmte hierfür keine Fristen. Der Senat entschied, daß der Anspruch des früheren Eigentümers auf Rückgabe des Grundstückes auch nach 14 Jahren noch nicht ausgeschlossen ist. Für enteignete Grundstücke schlägt Stummer 13 eine Rückforderungsfrist von 15 Jahren vor. Hiergegen haben Kunze und Brüggemann dieselben Bedenken erhoben wie gegen die von Stummer angesetzte 8-jährige Frist für Rechte und bewegliche Sachen14. 9. Sicherungsdauer: 20 Jahre Eine für die vorliegende Fragestellung besonders interessante Regelung enthält Art. 16 Abs. 2 Nr.4 BayEG. Nach der genannten Vorschrift ist die Rückenteignung (!) selbst wiederum ausgeschlossen, wenn seit der Unanfechtbarkeit des Enteignungsbeschlusses 20 Jahre verstrichen sind. Der Gesetzgeber hat dabei ausdrücklich eine 30-jährige Frist als zu lange angesehen. Im Gesetzgebungsverfahren wurde hierzu als Begründung angeführt, daß ein schützenswertes Interesse des Betroffenen nach 20 Jahren nicht mehr vorhanden sei 15 . 10. Sicherungsdauer: 30 Jahre Dagegen schließt § 57 Abs. 2 Landbeschaffungsgesetz (LBG) die Rückenteignung erst nach 30 Jahren aus. Im übrigen sind 30 Jahre auch die längste Verjährungsfrist. Sie werden von § 195 BGB als regelmäßige Verjährung festgelegt, die stets gilt, wenn weder durch Gesetz noch durch Rechtsgeschäft kürzere Fristen bestimmt sind. Für die Väter des BGB waren also 30 Jahre die Zeitspanne einer Menschengeneration und der Zeitraum, nach dessen Ablauf spätestens Sicherheit und Frieden im Rechtsverkehr eintreten sollten. 11. Sicherungsdauer: 60 Jahre Zu denken wäre auch an eine Sicherungsdauer von 60 Jahren. Zwar wird dies bei der Enteignung zugunsten Privater bisher nicht vertreten. Aber im Zusammenhang mit der Frage, ob überhaupt eine Enteignung vorlag, stand eine Frist von 60 Jahren bereits in verschiedenen Verfahren auf dem Prüfstand der Rechtsprechung. Beispielsweise wurden durch eine Änderung der Friedhofsordnung ursprünglich unbefristet gewährte Erbbegräbnisrechte nachträglich auf 60 Jahre beschränkt, wobei sie dann allerdings gegen die Zahlung einer erneuten Gebühr wiederum verlängert werden konnten 16 . 13

Stummer, Die öffentliche Zweckbindung der enteigneten Sache, S. 87. 14 Siçhe hierzu oben 9. Kap. F. I. 6. 15 Vgl. hierzu Molodovsky, BayEG, Art. 16 Anm. 4.5 und dens., BayVBl. 1975, S. 125 (130). 16 Die Rspr. legte den Schwerpunkt auf die Gebührenpflicht bei vorhandener Verlängerungsmöglichkeit und nahm Sozialbindung an; vgl. BVerwGE 11, 68 (75); BGHZ 25, 200 (210); Timm, Eigentumsgarantie und Zeitablauf, S. 105 ff.

F. Sicherungsdauer

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12. Sicherungsdauer: 70 Jahre Eine zeitliche Limitierung der Verwertung des Rechts des Urhebers beinhaltet § 64 Abs. 1 UrheberrechtsG. Danach erlischt das Urheberrecht 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers. Die Vorschrift begrenzt sowohl das Urheberpersönlichkeitsrecht (§§ 21 ff UrhG) als auch das Verwertungsrecht (§§15 ff UrhG) zeitlich. In erkennbarer Anlehnung an diese gesetzliche Regelung fordert Timm 1 7 für das Nutzungseigentum eine gesetzliche Mindestdauer von 70 Jahren. Nur unter dieser Bedingung hält sie das Nutzungseigentum an Grund und Boden als neue Rechtsform für mit der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie in Einklang stehend18. Nach Ablauf der gesetzlichen Mindestdauer sollte das Nutzungseigentum ihrer Ansicht nach entschädigungsfrei an die öffentliche Hand zurückfallen. 13. Sicherungsdauer: 99 Jahre Schließlich weist Timm 1 9 noch auf eine Frist von 99 Jahren im Zusammenhang mit der Eigentumsnutzung hin: In der Praxis der Vertragsgestaltung beträgt die Durchschnittsdauer von Erbbaurechten 99 Jahre, jedenfalls soweit dadurch Wohnzwecke erfüllt werden. 14. Sicherungsdauer: ewig a) Als Regelfall aber sind eigentumsrelevante Vorschriften auf ewige Geltungsdauer hin ausgerichtet. Zur Illustration kann man sich mit drei Beispielen begnügen. So unterliegt die Ausübung des Warenzeichenrechts im Gegensatz zu anderen gewerblichen Schutzrechten keinen zeitlichen Grenzen 20. Nach § 32 Abs. 2 Reichsheimstättengesetz (RHeimStG) hat der frühere Eigentümer ein Wiederkaufsrecht, wenn die Eigenschaft als Heimstätte gelöscht wird 2 1 . Sobald die Voraussetzungen der Anforderung beweglicher Sachen nach § 2 Abs. 1 Ziff. 2 Bundesleistungsgesetz entfallen, hat die Behörde nach § 43 Abs. 1 Nr. 2 Bundesleistungsgesetz auf Antrag des Leistungspflichtigen eine Anordnung zu erlassen, 17 Charlotte Timm, Eigentumsgarantie und Zeitablauf, S. 92 ff. 18 Dies zeigt, daß es sich beim sog. Nutzungseigentum in Wahrheit nicht um Eigentum, sondern um ein zeitlich befristetes Nutzungsrecht handelt. Die verfassungsrechtlichen Bedenken, die gegen dieses Rechtsinstitut bereits oben geäußert wurden, werden hierdurch verstärkt. Charlotte Timm, Eigentumsgarantie und Zeitablauf, S. 92. 20 Diese Tatsache hat schon verschiedentlich bei Rechtsstreitigkeiten vor dem EuGH eine wesentliche Rolle gespielt, vgl. Schricker, Altes und Neues zur Enteignung von Markenrechten, GRUR 1977, 444 m.w.N.; Maunz, Bodenrecht vor den Schranken des Grundgesetzes, DÖV 1975, 1 (5), hingegen will zwischen geistigem Eigentum, das stets zeitlich begrenzt sei, und Bodeneigentum, das stets auf unbeschränkte Dauer berechnet sei, unterscheiden: zweifelhaft. 21 Kunze, Der Anspruch des Enteigneten auf Rückübertragung bei nachträglichem Fortfall des Enteignungszweckes (Rückenteignung), S. 5.

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9. Kap.: Die Sicherung des Wohls der Allgemeinheit

kraft derer der Leistungspflichtige das Eigentum an der angeforderten Sache wieder erwirbt 22 . b) Dies widerspricht in keiner Weise den verfassungsrechtlichen Vorgaben. Das BVerfG 23 hat nämlich zu Art. 14 GG entschieden, das durch die verfassungsmäßigen Gesetze ausgeformte Eigentum zeichnet sich in seinem rechtlichen Gehalt durch Privatnützigkeit, grundsätzliche Verfügungsbefugnis und zeitliche Unbegrenztheit aus. c) Es liegt daher nahe, diesen generellen Gedanken auch auf die Enteignung zugunsten Privater zu übertragen. Die beinahe absolut herrschende Meinung in der Literatur verfährt in der Tat so. Kimminich 2 4 und Papier 25 können dabei für viele genannt werden. Nach ihrer Ansicht muß bei der Enteignung zugunsten privater Unternehmer garantiert sein, daß der enteignete Gegenstand dauernd im Dienste des Gemeinwohls verwendet wird. Insbesondere sei das Mittel der vollständigen Eigentumsentziehung nur bei einem Unternehmen gerechtfertigt, das auf Dauer ausgerichtet ist 26 . Anderenfalls müsse sich die Verwaltung mit einem Pachtverhältnis oder einer vergleichbaren Regelung begnügen27. d) Ohne jede Diskussion hat sich der Ansicht von der ewigen Sicherungsdauer auch die Rechtsprechung der Fachgerichte angeschlossen. Im Boxberg-Urteil des BVerwG kann man lesen, nachdem das Gericht darlegte, daß die Enteignung zu einem überindividuellen, im öffentlichen Nutzen liegenden Zweck erfolgt: Ferner müsse sichergestellt sein, daß diese Aufgabe auf Dauer im Interesse des Gemeinwohls wahrgenommen werde 28 . Wenige Seiten später führt das Gericht aus: Die beigeladenen Gemeinden seien schon aus verfassungsrechtlichen Gründen gehalten, die auf Dauer angelegte Zweckrealisierung des Vorhabens durch entsprechende Vorkehrungen sicherzustellen 29. e) Schließlich hat auch das BVerfG diese Position bereits mehrfach vertreten. Im Teststreckenurteil heißt es beispielsweise generell: Auch muß — soll zugun22 Auch im früheren schweizer Bundesrecht konnte die Rückforderung des enteigneten Rechts unbefristet geltend gemacht werden. Heute besteht eine Frist, die als Verjährung zu qualifizieren sein dürfte, vgl. Zweifel, Zeitablauf als Untergangsgrund öffentlichrechtlicher Ansprüche, S. 96. 23 BVerfG, Urt. v. 7. 7. 1971, BVerfGE 31, 229 (240). 24 Kimminich, BK zum GG, Art. 14 Rdnr. 270. 25 Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14 Rdnr. 506. 26 Für viele: Badura, in: Badura / Benda / Maihofer / Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, S. 677; v. Mutius, Eigentumsgarantie und Anspruch auf Rückübereignung bei NichtVerwirklichung des Enteignungszweckes, S. 285; Rengeling, Das Grundeigentum als Schutzobjekt der Eigentumsgarantie (Art. 14 GG) und als Gegenstand verwaltungsrechtlicher Planung, Gestaltung und Schrankensetzung, S. 439. Gaßner, Der freihändige Grunderwerb der öffentlichen Hand, S. 165. 27 Leibholz / Rinck, GG der Bundesrepublik Deutschland, Kommentar an Hand der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, Art. 14, Anm. 16. 28 BVerwG, Urt. v. 14. 3. 1985 - 5 C 130.83 - S. 32 = BVerwGE 71, 108 (125). 29 BVerwG, a.a.O., S. 37 = BVerwGE 71, 108 (129).

F. Sicherungsdauer

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sten eines Privaten enteignet werden — gewährleistet sein, daß der im Allgemeininteresse liegende Zweck der Maßnahme erreicht und dauerhaft gesichert wird; nur dann fordert das allgemeine Wohl die Enteignung 30 . Allerdings findet sich auch hier weder eine Begründung noch gar eine Erörterung der Forderung nach der unbeschränkten Dauer der Sicherung.

II. Probleme der Realisierung in der Praxis Kritik am Erfordernis einer Sicherungsdauer, die sich an der „Ewigkeit" orientiert, ist in der Literatur vereinzelt geblieben. Soweit ersichtlich, vertritt lediglich Stengel31 ausdrücklich, daß den Sicherungsauflagen zeitliche Schranken gesetzt sein müssen. Zur Rechtfertigung führt er an, die Enteignung sei kein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, sondern erschöpfe sich im einmaligen Vollzug durch die zuständige Enteignungsbehörde. Der rechtsdogmatische Ansatz vermag jedoch nicht zu überzeugen. Dies erhellt sich bereits daraus, daß sich bisher weder eine exakte Definition des Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung finden läßt, noch Einigkeit über die an den Begriff zu knüpfenden Konsequenzen besteht32. Eine ähnlich gelagerte Diskussion über die zeitliche Dauer einer Eigentumsbindung hatte sich vor einiger Zeit aber in ganz anderem Zusammenhang entwickelt, nämlich beim verfassungsrechtlich mehr als bedenklichen Nutzungseigentum. Dort tauchte das Problem allerdings mit entgegengesetztem Vorzeichen auf. Bei der Durchführung in der Praxis befürchtete man nämlich zu kurze Nutzungsfristen. Ahlers bringt diesen Gedanken auf die Formel: Je kürzer die vereinbarte Frist, um so höher ist das Investitionsrisiko und um so geringer wird die Investitionsneigung sein 33 . Interessant für den vorliegenden Zusammenhang ist aber, daß man die Vereinbarung einer Nutzungsfrist bei Wohngebäuden für am leichtesten durchführbar hielt. Hingegen schätze man die Unsicherheiten bei Geschäftsnutzungen für sehr hoch ein 34 . Während hier also die Vereinbarung einer zu kurzen Frist 35 für problematisch gehalten werde, stößt bei der Enteignung zugunsten Privater die Festlegung der 30 BVerfG, Urt. v. 24. 3. 1987 - 1 BvR 1046/85 - S. 28, BVerfGE 74, 264 (286) = NJW 1987, 1251. 31 Stengel, Die Grundstücksenteignung zugunsten privater Wirtschaftsunternehmen, S. 51; ansonsten werden zeitliche Begrenzungen höchstens aus einer Analogie zu § 102 BauGB = § 102 Abs. 4 BBauG a.F., aus dem Gedanken des Rechtsmißbrauchs oder der Verwirkung hergeleitet; vgl. Kunze, Der Anspruch des Enteigneten auf Rückübertragung bei nachträglichem, Fortfall des Enteignungaszweckes (Rückübereignung), S. 110. 32 Kopp, VwGO, § 113 Rdnr. 25. 33 Ahlers, Die Sozialisierung von Grund und Boden, S. 299; ebenso Jahn, Zur Problematik von „Verfügungs- und Nutzungseigentum" sowie von „städtebaulichem Erbbaurecht", S. 237, der eine derartige Investitionsbereitschaft gar nur im Hinblick auf die bereits absehbare Einstellung oder Veräußerung des Unternehmens annimmt. 34 Ahlers, Die Sozialisierung von Grund und Boden, S. 239.

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9. Kap.: Die Sicherung des Wohls der Allgemeinheit

Vorhabenssicherung auf unbegrenzte Dauer auf praktische Bedenken. Zur Verdeutlichung kann wiederum das Beispiel des Kraftfahrzeug-Prüfgeländes Boxberg herangezogen werden. In der Sicherungsvereinbarung 36 zwischen der Gemeinde Assamstadt, der Stadt Boxberg, der Daimler-Benz AG und dem Land Baden-Württemberg vom 9. 12. 1985 steht unter IV. 1.: „Die Daimler-Benz A.G. verpflichtet sich, die . . . übernommenen Flächen für den Bau und Betrieb des Prüfgeländes entsprechend den Festsetzungen der Bebauungspläne auf Dauer zu nutzen". Schon im Flubereinigungsbeschluß 37 vom 25. 6. 1982 war der insoweit interessierende Untemehmenszweck deutlich festgelegt: ein Prüfgelände zu Prüf-, Meß- und Erprobungszwecken für Kraftfahrzeuge, insbesondere für deren Neuentwicklung, einzurichten. Bedeutet nun die vertragliche Verpflichtung der Daimler-Benz A.G. tatsächlich, daß die Firma bei Realisierung des Vorhabens bis zum jüngsten Tag auf dem Gelände in Boxberg hätte Kraftfahrzeuge prüfen müssen? Legt man die oben dargestellte Rechtsprechung und Literatur zugrunde, müßte die Antwort kompromißlos ja lauten. Was passiert, wenn eines Tages kein Benzin mehr zur Verfügung steht? Was ist, wenn sich Mercedes-Fahrzeuge eines Tages nicht mehr im bisherigen Umfang verkaufen lassen sollten? Nach Auffassung der Daimler-Benz A.G. ist die Vereinbarung unbefristet auf Dauer abgeschlossen und enthält keine Kündigungsregelung. Dadurch wird gewährleistet, daß das Wohl der Allgemeinheit auf Dauer erfüllt wird. Sollten sich die dem Vertrag zugrunde liegenden Umstände grundlegend ändern, wird der Vertrag nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage an die veränderten Umstände angepaßt werden müssen38.

I I I . Eigener Lösungsvorschlag: Flexibilität statt schematisch starrer Handhabung Will man nach dieser Situationsanalyse einen eigenen Vorschlag zur Lösung des Problems der notwendigen Sicherungsdauer einbringen, bedarf es hierzu mehrer Überlegungsschritte. 35

Für das Nutzungseigentum wurde darüber hinaus vertreten, man könne im Zweifel „zu lange" Vertragsfristen aushandeln, da eine vorzeitige Beendigung im beiderseitigen Einvernehmen immer möglich sei (Nachweise bei Ahlers, Die Sozialisierung von Grund und Boden, S. 239). Bei der Enteignung zugunsten Privater steht die Mindestdauer der Sicherungsfrist regelmäßig nicht zur Disposition der Beteiligten. 36 Die Sicherungsvereinbarung vom 9. 12. 1985 wurde ebenso wie der Flurbereinigungsbeschluß vom 25. 6. 1982 dem Verfasser freundlicherweise von der Daimler-Benz A.G. überlassen. 37 Flurbereinigungsbeschluß des Landesamtes für Flurbereinigung und Siedlung Baden-Württemberg, vom 25. 6. 1982, Verfahrens-Nr. 1914; insbesondere Begründung Nr. 1 und Nr. 1. 4. 1. 38 Siehe Schreiben der Daimler-Benz A.G. vom 3. 12. 1985 an den Verfasser.

F. Sicherungsdauer

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1. Verfassungsrechtlicher Eigentumsschutz und Dauer der Sicherung Von entscheidender Bedeutung ist zuallererst, ob der Eigentumsschutz in Art. 14 GG dazu verpflichtet, den Eigentumsbegünstigten zeitlich unbegrenzt bezüglich des Enteignungszweckes in die Pflicht zu nehmen. Dies aber ist aus doppeltem Grunde nicht der Fall. Zunächst erkennt auch das BVerfG an, daß Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG nicht die Unantastbarkeit einer jeden Rechtsposition für alle Zeiten gewährleistet 39. Denn nur in diesem Fall läßt sich der notwendige Ausgleich widerstreitender Interessen überhaupt erreichen. Zudem geht es hier nicht um die Frage, welchen zeitlichen Schutzbereich die Eigentumsgarantie zugunsten des bisherigen Eigentümers entfaltet 40 . Entscheidend ist vielmehr, welche Mindestanforderungen an zeitlicher Beständigkeit das Wohl der Allgemeinheit iSd Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG stellt. Sind diese erfüllt, durchbricht die Enteignung die Eigentumsgarantie. Aus der dynamischen Flexibilität der hier vertretenen Bestimmung des Gemeinwohlbegriffs 41 ergibt sich: Es ist denkbar, daß bereits die einmalige Verwirklichung des Enteignungszweckes ein derartiges materielles Gewicht erlangen kann, daß er die Enteignung zugunsten Privater zu rechtfertigen vermag, ohne daß er zu ihrer Gemeinwohllegitimation eines dauerhaften Betriebes des Enteignungsunternehmens bedürfte.

2. Grundgesetzliche Erbrechtsverbürgung und Dauer der Sicherung Dem steht auch nicht entgegen, daß unser Grundgesetz in Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG das Erbrecht verbürgt. Im Unterschied zu alten Kulturen, in denen das Eigentum so stark an die Person gebunden war, daß es bei deren Tod mit unterging 42 , stellt das Erbrecht in der Tat eine gewisse Dauerhaftigkeit und Zeitunabhängigkeit des Eigentums sicher 43 . Jedoch garantiert Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG über die Erbrechtsverbürgung lediglich die Beständigkeit von Privateigentum ohne Beschränkung auf die Lebenszeit eines Menschen44. Damit ist aber verfas39 BVerfG, Beschl. v. 8. 7. 1971, BVerfGE 31,275 (289) unter Hinweis auf BVerfGE 25, 121. 40 Aus diesem Grunde muß hier auch nicht die Frage entschieden werden, ob die verfassungsrechtliche Eigentumsgarantie es zuläßt, daß Eigentumspositionen rechtssatzmäßig befristet werden; bejahend; Evers, Über die Zeit als Schranke des Eigentums, S. 201; Timm, Eigemtumsgarantie und Zeitablauf, S. 30; verneinend: Kimminich, BK zum GG, Art. 14 Rdnr. 31; 41 Siehe oben 7. Kap. Ε. II. 42 Daher wurde dem Toten sein Eigentum auch mit ins Grab gegeben, vgl. Negro, Das Eigentum. Geschichte und Zukunft, Versuch eines Überblicks, S. 5. 43 Daher ist auch im kommunistischen Manifest Kap. 2, Punkt 3 (S. 481) von Marx und Engels 1847/48 die Forderung nach Abschaffung des Erbrechts enthalten. Und von Savigny kann 1849 feststellen: Die Natur mancher Rechte ist auf eine endlose Dauer eingerichtet, wie das Eigentum vermittels des Erbrechts. 44 Ebenso Timm, Eigentumsgarantie und Zeitablauf, S. 39.

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9. Kap.: Die Sicherung des Wohls der Allgemeinheit

sungsrechtlich keinesfalls eine „ewige Lebensdauer" festgeschrieben. Aus sachlichen Gründen sind somit jederzeit zeitliche Beschränkungen von Eigentumspositionen möglich.

3. Zeit, Eigentum und mangelnde Analogiefähigkeit gesetzlicher Regelungen Der Gesetzgeber bringt diese ihm zustehende Möglichkeit auch zur Entfaltung. Trotz der prinzipiell zeitlosen Geltung von Eigentumspositionen hat folgerichtig die Zeit auf das Eigentum verschiedenartige Einflüsse entwickelt 45 . Zumindest in einzelnen Bereichen kommt daher kraft gesetzlicher Regelung dem Eigentum nicht der Ewigkeitscharakter zu, der ihm sonst nachgesagt wird. Dies ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Denn, wie wir gesehen haben, folgt aus der grundgesetzlichen Anerkennung des Privateigentums und des Erbrechts nicht, daß es nur ohne zeitliche Beschränkungen und Unterbrechungen bestehen kann 46 . Andererseits können aus den oben aufgezeigten unterschiedlichen gesetzlichen Regelungen auch keine Rückschlüsse zur Bewältigung neuer Fallgestaltungen gezogen werden. Abgesehen davon, daß sich bereits über die Berechtigung der jeweiligen zeitlichen Grenzziehung im Einzelfall trefflich streiten läßt, sind die gesetzlichen Regelungen auch gar nicht analogiefähig. Hier gilt, was von Mutius 47 über Präklusionsfristen gesagt hat: Sie müssen eindeutig normiert sein, ihr Beginn und ihr Ende müssen exakt zu bestimmen sein, sollen sie ihre Ausschlußwirkung entfalten. Die Rechtssicherheit, deren Zwecken derartige Fristen zu dienen bestimmt sind, läßt es nicht zu, aus unterschiedlich langen Fristen auf welche Weise auch immer einen Mittelwert für den Lauf einer nicht geregelten Frist herauszudestillieren.

4. Formelle Festlegung von Sicherungsfristen Vorrang hat stets eine vorhandene gesetzliche Festlegung der Sicherungsdauer. Daß dies zu den Aufgaben des Enteignungsgesetzgebers zählt, ergibt sich aus dem Gesetzes vorbehält, der über Art. 14 Abs. 3 S. 2 GG speziell für die Enteignung gilt. Jedoch wird sich der Gesetzgeber regelmäßig auf eine Rahmenregelung oder auch die Festlegung einer Mindestdauer beschränken und auch beschränken 45 Mit Hilfe des zeitlichen Moments kann beispielsweise die Geltungsdauer eines Rechts festgelegt werden (z. B. § 64 UrhG) oder einzelne Eigentumsbefungnisse vorübergehend aberkannt werden (z. B. § 22 BJgdG). 46 Für viele: Bartholomeyczik, Erbrecht, 8. Auflage, S. 10; Sendler, DÖV 1974, S. 80 (82); Timm, Eigentumsgarantie und Zeitablauf, S. 30; Rittstieg, Eigentum als Verfassungsproblem, S. 414. 47 Von Mutius, Eigentumsgarantie und Anspruch auf Rückübereignung bei Nichtverwirklichung des Enteignungszwecks, VerwArch 1975, 283 (290).

F. Sicherungsdauer

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dürfen. Gründe, die zwingend einen Gesetzesvorbehalt erfordern, sind aber nicht ersichtlich. Hat also der Gesetzgeber die Sicherungsdauer nicht selbst geregelt, vermag auch die Verwaltung eine Mindestfrist für den konkreten Fall festzulegen. Unter Berücksichtigung der Schutzwirkung des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG wird man sie hierzu auch ausnahmslos für verpflichtet halten müssen. Steht nämlich die Sicherungsdauer nicht genau fest, sind die Anforderungen, die Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG an die Rechtmäßigkeit einer Enteignung stellt, nicht erfüllt.

5. Materielle Festlegung der Sicherungsfrist Das Wohl der Allgemeinheit in Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG bestimmt schließlich aber auch die erforderliche Mindestdauer der Sicherungsfrist. Dabei ist zunächst von Bedeutung, daß die dem Rechtsstaat verpflichtete Verfassung weder etwas Unmögliches noch etwas Unzumutbares verlangen will. Die Behauptung ist daher ebenso unzutreffend, wie die Befürchtung unbegründet, Daimler-Benz hätte sich verpflichten müssen, bis zum jüngsten Tag bei Boxberg Kraftfahrzeuge zu prüfen, um die Verfassungsmäßigkeit der Enteignung sicherzustellen. Die Festlegung eines Zeitraumes, für den eine langfristige Prognose gerade noch möglich ist und der insoweit noch überschaubar ist, wäre in diesem Fall angemessen gewesen. Weiter wirkt sich hier die dynamische Flexibilität der Allgemeinwohlbestimmung48 auf die Festlegung des Minimums der Sicherungsdauer aus. Die Erforderlichkeit einer zeitbezogenen Entscheidung und die Notwendigkeit zur Berücksichtigung und Gewichtung aller entscheidungserheblichen Belange kann nicht ohne Konsequenzen auf die Bestimmung der Sicherungsdauer bleiben. So wird es grundsätzlich für das Vorliegen des Wohls der Allgemeinheit sprechen, wenn das Enteignungsunternehmen in der Hand des Privaten auf Dauer betrieben werden muß. Andererseits kann die Gemeinwohlaufgabe eine derartige Bedeutung erlangen, daß demgegenüber die rein zeitliche Dimension vollständig in den Hintergrund tritt. Im Extremfall könnte die Sicherungsdauer daher „Null" betragen, wenn die Verwirklichung des Enteignungszweckes für die Allgemeinheit lebensnotwendig ist und ohne Eigentumsübertragung auf einen Privaten nicht realisierbar erscheint. Generell läßt sich vielleicht sagen: Ist es dem Begünstigten unzumutbar, daß er den benötigten Gegenstand nicht als Eigentum übertragen erhält und ist die Gemeinwohlaufgabe von entsprechend gewichtiger Bedeutung, kann das Erfordernis „Wohl 'der Allgemeinheit" bewirken, daß dem Betroffenen sein Eigentum auf Dauer entzogen wird, auch wenn bereits absehbar ist, daß das Gemeinwohlunternehmen nicht „auf ewige Zeiten" betrieben werden muß. Geprägt durch die dynamische Flexibilität der Gemeinwohlbestimmung muß daher auch bei der Festlegung der Sicherungsdauer an die Stelle schematisch starrer Handhabung Flexibilität treten, die sich an den Notwendigkeiten des Einzelfalls orientiert. 48 Vgl. oben 7. Kap. D.

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9. Kap.: Die Sicherung des Wohls der Allgemeinheit

G. Denkbare Sicherungsmittel Wurde anhand der aufgezeigten Kriterien die notwendige Sicherungsdauer bestimmt, ist der nächste Schritt die Wahl eines möglichst zuverlässigen Mittels zur Sicherung der Verwirklichung des Enteignungszweckes. Dessen Qualität bestimmt die Kompensationsfähigkeit prognosebedingter Unsicherheiten. Sie entscheidet daher insoweit über die Bejahung des Gemeinwohlurteils und infolgedessen letztlich über die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der privatbegünstigenden Enteignung mit. Daß das Gesetz nicht das einzig denkbare Sicherungsmittel ist, wurde bereits oben1 nachgewiesen. Daraus ergibt sich zwangsläufig, daß die Zahl der möglichen Sicherungsmittel nicht beschränkt ist. Die folgenden Ausführungen beinhalten daher nur Regelbeispiele. Sie sind keinesfalls abschließend zu verstehen. I. Das Gesetz Denkt man an ein Gesetz als Mittel zur Sicherung 2 des Zweckes einer privatbegünstigenden Enteignung, so fallen zu allererst die zahlreichen Regelungen des Anspruchs auf Rückenteignung ein 3 . Jedoch sind die gesetzlichen Regelungen weitaus differenzierter und haben auch eine viel längere Tradition. So erklärte bereits § 42 Abs. 1 S. 1 des Preussischen Enteignungsgesetzes das Recht des Unternehmers, das Enteignungsrecht zu gebrauchen, kraft Gesetzes für erloschen, wenn der Unternehmer eine bestimmte Zeit tatenlos verstreichen läßt oder von dem Unternehmen zurücktritt 4 . Das Gesetz zum Ausbau der Donau von Passau bis Kelheim 5 enthielt in § 2 Abs. 2 explizite Vorschriften gegen die Spekulation durch Wiederverkauf. Schließlich ist das Verfügungsrecht des Eigentümers über eine Reichsheimstätte nach §§ 9 ff ReichsheimstättenG derart beschränkt, daß die Heimstätte nicht zum Gegenstand des normalen Bodenverkehrs werden konnte6. Detaillierte Sicherheitsvorkehrungen zum Schutz vor Mißbrauch durch den Enteignungsbegünstigten enthält auch das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG). Sie reichen von der Anschluß- und Versorgungspflicht (§ 6 Abs. 1 EnWG) bis zum ι Vgl. oben 6. Kap. E. 2 Vgl. oben 6. Kap. E. 3 Beispiele von außer Kraft getretenen Regelungen: §§51,6 Abs. 3 BaulandbeschaffungsG vom 3. 8. 1953,BGBl. IS. 720; § 12 der Dritten Notverordnung vom 6. 10. 1931, RGBl. I S. 537; Beispiele aus geltenden Gesetzen: § 102 BauGB; § 57 Abs. 1 LandbeschaffungsG ; §§ 32 Abs. 2,14 ReichsheimstättenG. Nach Häberle, Öffentliches Interesse als juristisches Problem, S. 314 iVm Fn. 124, sollen die Rückenteignungsregelungen in den modernen Enteignungsgesetzen zu einer Gemeinwohlanalogie fähig sein (zw). 4 Vgl. hierzu Eger, Das Gesetz über die Enteignung von Grundeigentum vom 11. 6. 1874, 2. Bd., 3. Aufl. 1911, S. 475. 5 Gesetz vom 3. 8. 1920, RGBl. S. 1613. 6 Vgl. Forsthoff, Zur Lage des verfassungsrechtlichen Eigentumsschutzes, S. 100.

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Instrumentarium staatlicher Energieaufsicht (§ 1 iVm §§ 3 ff EnWG). Diese gesetzlichen Regelungen standen auf dem Prüfstand des BVerfG 7 , weshalb sich hier eine genauere Darstellung erübrigt. Nach der zutreffenden Ansicht des Gerichts gewährleisten sie die Führung des enteignungsbegünstigten Unternehmens zum Nutzen der Allgemeinheit. Jedoch ist dieses Gesetz keineswegs eine singuläre Erscheinung. Das Bundesberggesetz beispielsweise enthält Befugnisnormen zur Zwecksicherung bei einer Enteignung8. Ein geradezu ausgefeilter Katalog an Sicherungsvorkehrungen findet sich auch im Personenbefördergungsgesetz (PBefG) für den Fall, daß beispielsweise zum Bau von Anlagen eines privaten Straßenbahnunternehmens enteignet werden soll 9 . Überhaupt bietet sich beim Ergreifen von Sicherungsmaßnahmen durch Gesetzgeber oder Exekutive nicht selten eine Orientierung an den regelmäßig wiederkehrenden Grundstrukturen der Genehmigungserteilung für die private Verkehrswirtschaft an 10 . Über sie wird regelmäßig versucht, Leistungsfähigkeit und Sicherheit des Betriebes sowie die Zuverlässigkeit des Unternehmens zu gewährleisten 11. Im übrigen aber muß leider festgestellt werden, daß für viele private Unternehmen, die enteignungsbegünstigt sein können, die Pflicht zum Tätigwerden für das Gemeinwohl gesetzlich überhaupt nicht geregelt ist. Selbst bei gängigen Gesetzen tut man sich auf der Suche nach Sicherungsvorkehrungen schwer. So halten Schmidt-Aßmann / Frenzel 12 bei einer Enteignung nach dem BauGB zugunsten privater Industrieunternehmen die Bestimmungen des § 9 Abs. 1 Nr. 9 BauGB für eine „wirksame Sicherung gegen den Mißbrauch des Enteignungsrechts" bereits auf der Planungsstufe. Danach muß der besondere Nutzungszweck, der die Enteignung rechtfertigt, von besonderen städtebaulichen Gründen gefordert werden 13 . Dies allein aber stellt die Realisierung des Enteignungszwek7 BVerfG, Beschl. v. 20. 3. 1984, BVerfGE 66, 248 = NJW 1984, 1872 = BayVBl. 1984, 364; zu den Sicherungsregelungen des EnWG aber auch schon Stummer, Die öffentliche Zweckbindung der enteigneten Sache, S. 140 ff. s § 16 Abs. 4 und 5 BBergG (zeitliche Befristung aller Bergwerksrechte), § 16 Abs. 1 - 3 BBergG (Eingriffsmöglichkeiten durch nachträgliche Einschränkungen und Auflagen) und § 18 BBergG (Widerrufsgründe). 9 Zu nennen sind insbesondere: § 21 Abs. 1 (Betriebspflicht), § 22 (Beförderungspflicht), § 39 Abs. 3 (einheitliche Beförderungsentgelte, die der Zustimmung der Genehmigungsbehörde bedürfen), § 34 Abs. 6 (Zustimmungsbedürftigkeit der Beförderungsbedingungen), § 40 Abs. 2 (Zustimmungsbedürftigkeit der Fahrpläne), § 16 Abs. 1 (Befugnis zur Festsetzung von Bedingungen und Auflagen im Sachbereich des PBefG), § 54 (Aufsicht), § 27 (Verwaltungszwang), § 61 (Ordnungswidrigkeiten) und § 25 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 (Rücknahme der Genehmigung). 10 Vgl. weiter §§ 5, 6 und 6 f Allgemeines Eisenbahngesetz (AEG). 11 Hierzu auch Wendrich, Der Bau von Straßen für den öffentlichen Verkehr durch Private in der Bundesrepublik, BauR 1985, S. 152 (164). 12 Schmidt-Aßmann / Frenzel, in: Ernst / Zinkahn, BBauG, §87 Rdnr. 21.

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9. Kap.: Die Sicherung des Wohls der Allgemeinheit

kes nicht sicher. Damit erfüllt auch das neugefaßte BauGB die Forderung des BVerfG 1 4 nach einer gesetzlichen Rahmenregelung, die die Mindestanforderungen an die Sicherung festlegt, nicht. Es bleibt zu hoffen, daß der Gesetzgeber seinen Aufgaben möglichst bald nachkommt.

I I . Verordnungs- oder Satzungsrecht, Pläne Auf der Ebene unterhalb des formellen Gesetzes kommen als Sicherungsmittel weiterhin Verordnungen bzw. Satzungen in Betracht. Als originäre Mittel zur Sicherung des Gemeinwohls scheiden sie jedoch aus. Aufgrund des verfassungsrechtlichen Gesetzesvorbehalts bedürfen sie nämlich einer gesetzlichen Grundlage. Diese muß hier im Zusammenhang mit der Festlegung des Enteignungszwekkes gesehen werden. Allein dem parlamentarisch-demokratischen Gesetzgeber ist es nämlich nach Sinn und Kompetenzgefüge des Grundgesetzes vorbehalten, die eine Enteignung legitimierenden Gemeinwohlaufgaben zu bestimmen15. Weder Planungsbefugnis noch Selbstverwaltungsrecht geben der Exekutive oder den Kommunen ein Recht, Enteignungszwecke zu „erfinden" 16 . Beinhaltet dieses Gesetz aber eine entsprechende Grundlage für Sicherungsvorkehrungen in Form von Verordnungs- oder Satzungsrecht, bietet sich auch diese Erscheinungsform des Verwaltungshandelns als Sicherungsmittel an 17 . Als Beispiel wäre an eine Enteignung gemäß § 85 Abs. 1 Nr. 5 iVm § 87 Abs. 3 S. 2 BauGB zu denken, die die bodenrechtliche Entwicklung der Gemeinde verfolgt 18 . In diesem Fall stellt der Bebauungsplan, der nach § 10 BauGB als Satzung beschlossen wird, die richtige Art und Weise der Realisierung des Enteignungszweckes in der Hand des privaten Begünstigten sicher — allerdings nur nach Maßgabe der gemäß § 9 BauGB zulässigen Feststellungen. Das Beispiel zeigt zugleich, daß die Kategorie „Plan" kein geeigneter Anknüpfungspunkt für die Suche nach dem notwendigen Sicherungsmittel ist. Denn unter die Terminologie „Plan" fallen die verschiedenartigsten verwaltungsrechtli13 Immerhin hat die Novellierung des BBauG gebracht, daß die Anforderung in § 89 Abs. 2 BBauG a.F., der Erwerber müsse glaubhaft machen, das Grundstück plankonform zu verwenden, in § 89 Abs. 3 BauGB zu einer Verpflichtung verschärft wurde. Die grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Bedenken aber bleiben. 14 BVerfG, Urt. v. 24. 3. 1987 - 1 BvR 1046/85 - S. 41, BVerfGE 74, 264 = NJW 1987, 1251. is BVerfG, Urt. v. 10. 3. 1981, BVerfGE 56, 249 (261); allgemeine Meinung, vgl. Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14 Rdnr. 471. 16 BVerfG a.a.O. 17 Wobei aber die Satzung den Anforderungen des Rechtsstaatsprinzipes genügen und die Rechtsverordnung die Voraussetzungen des Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG erfüllen muß. is Nach Ansicht des Verfassers stellt dabei freilich die Schließung einer Baulücke allein für sich genommen vielleicht gerade noch einen städtebaulichen Grund iSd § 175 Abs. 2 BauGB dar, legitimiert aber nicht zur Enteignung nach § 85 Abs. 1 Nr. 5 iVm § 87 Abs. 1 BauGB. Das Allgemeinwohl stellt hierfür höhere Ansprüche.

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chen Handlungsformen, vom Rechtssatz über den Verwaltungsakt bis hin zum schlicht hoheitlichem Handeln 19 . Die Eignung als Sicherungsmittel richtet sich daher nach der letzten Qualifizierung 20 .

I I I . Widerruf und Widerrufsvorbehalt Sucht man nach Äußerungen in Rechtsprechung und Literatur zum Widerruf eines Enteignungsbeschlusses, wird man weitgehend enttäuscht. Es frägt sich daher, ob dies überhaupt zulässig ist. Noch vor dieser Untersuchung bedarf es aber der Abgrenzung von vergleichbaren Erscheinungsformen.

1. Enteignung, Rückübereignung und Widerruf a) Wurde zugunsten einer Privatperson enteignet, so bekommt diese vollwertiges Eigentum übertragen 21. Sie erhält damit Eigentum iSd Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG, das als absolutes Herrschaftsrecht in seinem rechtlichen Gehalt durch Privatnützigkeit und grundsätzliche Verfügungsbefugnis des Eigentümers über den Eigentumsgegenstand gekennzeichnet ist 22 . Folglich kann dieses Eigentum dem privaten Enteignungsbegünstigten auch jederzeit wieder unter den Voraussetzungen des Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG entzogen werden 23 . b) Von der Enteignung unterscheidet das BVerfG 2 4 das Recht des früheren Eigentümers auf Rückübereignung. Dabei soll es sich nach der Ansicht des BVerfG nicht um eine Enteignung handeln 25 , sondern um die Einräumung eines obligatorischen Anspruches auf Rückgängigmachung der Enteignungsfolgen 26. c) Der Widerruf eines Verwaltungsaktes hat in § 49 VwVfG bzw. den entsprechenden Vorschriften der Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder eine gesetz19

Vgl. nur für Zweifelsfragen auf dem Gebiet der Landesplanung: Steiner, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, Rdnr. 69 ff, in: Steiner (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 1986. 20 Anderenfalls würde tatsächlich die von Bullinger, Die Enteignung zugunsten Privater, Der Staat, Bd. 1, 1962, S. 474, gesehene Gefahr bestehen, daß das Institut des Planes die rechtsstaatlichen Schranken einer Enteignung zugunsten Privater beseitigt. 21 A.A. Wigginghaus, Die Rechtsstellung des enteigneten Grundeigentümers, S. 160, mit dem Hinweis auf den Eigentumsschutz des ursprünglichen Eigentümers, der sich über den Übertragungsakt hinaus fortsetze. Dies vermag nicht zu überzeugen, da es sich dabei lediglich um einen obligatorischen Anspruch handelt; siehe sogleich im Text. 22 BVerfG, Beschl. v. 12. 6. 1979, BVerfGE 52, 1 = NJW 1980, 985 (987) m.w.N. 23 Zur Enteignung als Sicherungsmittel vgl. unten 9. Kap. G. XII. 24 BVerfG, Beschl. v. 12. 11. 1974, BVerfGE 38, 175 = NJW 1975, 37. 25 Zur Frage, ob diese Aussage auch bei der Enteignung zugunsten Privater aufrecht erhalten werden kann, vgl. näher 11. Kap. Β. I. 26 Ebenso Papier, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 14 Rdnr. 509. 16 Schmidbauer

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9. Kap.: Die Sicherung des Wohls der Allgemeinheit

liehe Regelung gefunden. Der Widerruf des Enteignungsbeschlusses müßte sich von den beiden aufgezeigten Rechtsinstituten unterscheiden, sollte er überhaupt zulässig sein und eine eigenständige Bedeutung entfalten. Dies ist tatsächlich der Fall. Die Enteignung des privaten Enteignungsbegünstigten ist nämlich eine „echte" Enteignung. Eine Konsequenz hieraus ist beispielsweise, daß das Enteignungsverfahren durchgeführt und beachtet werden muß 27 . Im Unterschied zum Widerruf genügt damit eine bloße Anhörung der Betroffenen nach § 28 VwVfG nicht 28 . Der Unterschied zum Anspruch des früheren Eigentümers auf Rückübereignung liegt demgegenüber darin, daß der Widerruf des Enteignungsbeschlusses nicht voraussetzt, daß der frühere Eigentümer dieses Recht auch geltend macht. Hiervon zu unterscheiden ist die Frage, ob durch den Widerruf des Enteignungsbeschlusses dem früheren Eigentümer sein Eigentum erneut „aufgedrängt" werden kann. Wigginghaus verneint unter diesem Blickwinkel die Zulässigkeit des Widerrufs des Enteignungsbeschlusses mit der Behauptung, aus der grundrechtsschützenden Wirkung des Verfahrens folge, ein Wiederaufgreifen sei gegen den Willen des Betroffenen nicht möglich 29 . Dem kann in dieser Pauschalität nicht zugestimmt werden. Zuzugeben ist zwar, daß ein Widerruf für den früheren Eigentümer, der sich bereits auf den endgültigen Verlust seines Eigentums eingestellt hatte, unzumutbar sein kann, zumal die Rückabwicklung ihn auch zur Rückzahlung der erhaltenen Entschädigung verpflichtet. Dies muß aber keineswegs so sein. Vielmehr sind auch Fälle denkbar, in denen der frühere Eigentümer alleine wegen des Kostenrisikos auf eine Geltendmachung des Anspruchs auf Rückübereignung verzichtet. Beabsichtigt daher die Behörde ihren Enteignungsbeschluß zu widerrufen, hat sie hierzu zunächst den früheren Eigentümer anzuhören. Stellt sich heraus, daß dies für den früheren Eigentümer unzumutbar wäre, hat sie zu prüfen, inwieweit im Rahmen eines Teilwiderrufs 30 als neuer Begünstigter der Staat selbst in Frage kommt. Damit besitzt der Widerruf des Enteignungsbeschlusses neben Enteignung und Rückübereignung als Sicherungsmittel durchaus seine Existenzberechtigung.

27 Zumeist ist insoweit ein förmliches Verwaltungsverfahren nach §§ 63 ff VwVfG/ Art. 63 ff Bay VwVfG angeordnet, bei dem gemäß § 70 VwVfG/Art. 70 Bay VwVfG ein Vorverfahren nicht stattfindet, vgl. ζ. B. Art. 23, 44 Abs. 2 BayEG: 28 Entscheidend für die Aufrechterhaltung der Unterscheidung ist daher m.E. nicht die Rechtsfolge, sondern neben der Tatbestandsseite die verschiedenartige verfahrensmäßige Ausgestaltung. Demgegenüber kann offenbleiben, ob Rückübereignung und Widerruf rechtsdogmatisch identisch sind und die Rückübereignung insoweit nichts anderes als ein Widerrufsanspruch des betroffenen Eigentümers ist — wie Wigginghaus, Die Rechtsstellung des enteigneten Grundeigentümers, S. 159, dies meint. 29 Wigginghaus, Die Rechtsstellung des enteigneten Grundeigentümers, S. 151. 30 Siehe hierzu unten 9. Kap. G. III. 4.

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2. Widerrufsgründe Bevor die entscheidende Frage nach den Grenzen der Zulässigkeit des Widerrufs gestellt wird, lohnt es sich zu untersuchen, ob und gegebenenfalls welche Widerrufsgründe bei der Enteignung zugunsten Privater überhaupt vorliegen können. Im Ansatz besteht hinsichtlich der Gründe, die einen Widerruf der Enteignung zu rechtfertigen vermögen, Einigkeit, daß von der gesetzlichen Regelung des § 49 VwVfG bzw. den inhaltsgleichen Bestimmungen der Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder auszugehen ist 31 . Läßt man zunächst den vorbehaltenen Widerruf nach § 49 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 V w V f G 3 2 außer Betracht, stellt sich heraus, daß die möglichen Widerrufsgründe in zwei Kategorien eingeteilt werden können. a) Widerrufsgründe

aus der Sphäre des Enteignungsbegünstigten

Zu den Widerrufsgründen, die ihren Ursprung im Verantwortungsbereich des Enteignungsbegünstigten finden, zählt in erster Linie die Nichterfüllung einer Auflage, mit der der Enteignungsbeschluß versehen wurde 33 . Dem steht der Fall einer nicht rechtzeitigen Erfüllung der Auflage gleich. Beides hat in § 49 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 VwVfG eine klare gesetzliche Regelung gefunden und berechtigt demnach zum Widerruf. Hinzu treten die Fälle, in denen der Enteignungsbegünstigte entweder das Gemeinwohlunternehmen ganz aufgibt oder den Unternehmenszweck eigenmächtig ändert und das ihm übertragene Eigentum ausschließlich nur noch für seine persönlichen Interessen mißbraucht. Beides stellt einen Widerrufsgrund dar, der entweder unter § 49 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 VwVfG oder aber jedenfalls unter § 49 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 VwVfG zu subsumieren ist. Hingegen befugt die nicht ordnungsgemäße Realisierung des Enteignungszweckes regelmäßig nicht zum Widerruf der Enteignungsverfügung. Daß nämlich ein Unternehmer in seiner Pflichterfüllung vollkommen ist, muß zwar allgemein gefordert werden 34 . Der Verstoß hiergegen ist auch durch entsprechende Sicherungsmittel zu sanktionieren. Ein Widerruf ist aber erst zulässig, wenn die minder schweren Sicherungsmittel versagt haben und die Gefährdung des Enteignungszweckes durch die Pflichtverstöße des Begünstigten so gravierend ist, daß das Wohl der Allgemeinheit iSd Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG den Entzug des übertragenen Eigentums fordert. Insoweit wird das Gemeinwohl iSd § 49 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 durch Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG angereichert. 31 Erfolgt ein Widerruf bei der Enteignung zugunsten Privater, sind die Grundsätze über den Widerruf von Verwaltungsakten mit Drittwirkung zu beachten, vgl. hierzu Erichsen / Martens, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 17 III. 32 Vgl. hierzu sogleich unter 9. Kap. G. III. 5. 33 Zur Auflage als Sicherungsmittel vgl. unten 9. Kap. G. VI. 34 Im Ergebnis ebenso Stummer, Die öffentliche Zweckbindung der enteigneten Sache, S. 175. 16*

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b) Widerruf

9. Kap.: Die Sicherung des Wohls der Allgemeinheit

sgründe, die der Enteignungsbegünstigte

nicht zu vertreten

Das zweite Ereignis, das Anlaß für den Widerruf des Enteignungsbeschlusses geben könnte, ist in Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG begründet. Wie gezeigt 35 , fordert die Bestimmung des Wohls der Allgemeinheit als Voraussetzung der Enteignung dynamische Flexibilität in der Betrachtungsweise. Dies bringt es mit sich, daß sich das Allgemeinwohl mit dem Zeitablauf verändert. Folge davon kann möglicherweise sein, daß das Wohl der Allgemeinheit die Verwirklichung des Enteignungsvorhabens nicht mehr erfordert oder ihm gar widerspricht, ohne daß dieser Wandel vom Enteignungsbegünstigten selbst auch nur teilweise zu vertreten wäre. Dennoch berechtigt dies zum Widerruf. Je nach Fallgestaltung liegt der Tatbestand des § 49 Abs. 2 S.l Nr. 3,4 oder 5 VwVfG vor.

3. Umfang der Zulässigkeit des Widerrufs Jedoch könnte sich aus den Besonderheiten des Enteignungsrechts die Unzulässigkeit des Widerrufs eines Enteignungsbeschlusses ergeben. In der allgemeinen Verwaltungsrechtsdogmatik ist nämlich anerkannt, daß der Widerruf eines Verwaltungsaktes nach § 49 VwVfG — unbeschadet der allgemeinen Subsidiarität des VwVfG — durch inhaltsgleiche oder entgegenstehende Bestimmungen in anderen Rechtsvorschriften ausgeschlossen sein kann. Eine derartige Unzulässigkeit kann sich sogar mittelbar aus dem Zweck und dem Zusammenhang einer Regelung, aus dem anzuwendenden materiellen Recht ergeben 36. Inwieweit der enteignungsrechtliche Regelungszusammenhang solche Wirkungen entfaltet, wird seit langem kontrovers diskutiert. Bereits Grünhut 37 lehrte kurz und prägnant: Mit dem Ausspruch der Enteignung ist diese unwiderruflich. Stummer will — allerdings für die Zeit vor Inkrafttreten der Verwaltungsverfahrensgesetze des Bundes und der Länder — den Widerruf bei der Enteignung zugunsten Privater auf solche Fälle beschränken, die noch keine Enteignung iSd Art. 14 Abs. 3 GG darstellen. Das vom Begünstigten durch den Verwaltungsakt der Enteignung erworbene Eigentum ist ein subjektives Recht und setze daher dem Widerruf dieses Verwaltungssaktes Schranken 38. Kunze meint, der Enteignungsbeschluß sei nicht widerruflich, da er zum einem ein privatrechtsgestaltender Verwaltungsakt sei, zum anderen ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, dessen Rechtswirkungen sich mit dem Vollzug der Enteignung erschöpfen würden 39 . Stummer 40 hält dem wiederum entge-

35 Siehe oben 7. Kap. D. 36 Kopp, VwVfG, 4. Auflage 1986, §49 Rdnr. 4 m.w.N. 37 Grünhut, Das Enteignungsrecht, S. 187. 38 Stummer, Die öffentliche Zweckbindung der enteigneten Sache, S. 171, stark einschränkend aber S. 177.

hat

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gen, zwar sei die Enteignung ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung und daher auch widerruflich. Einschränkungen würden sich aber schon daraus ergeben, wenn und soweit endgültige Rechte Dritter begründet worden sind.Der Gesetzgeber ist der Vorstellung von der absoluten Unwiderruflichkeit des Enteignungsbeschlusses nicht gefolgt. § 18 Abs. 4 BBergG sieht einen Widerruf des Bergwerkseigentums vor, wenn die regelmäßige Gewinnung länger als 10 Jahre unterbrochen worden ist.Eine Reihe von Autoren vertreten daher eine vermittelnde Position. Nach Schachel41 ist in vergleichbaren Fallgestaltungen ein Widerruf ausgeschlossen, wenn es unmöglich wäre, daß nach der Beseitigung der Gestaltungswirkung das frühere Rechtsverhältnis wieder auflebt. Wellas 42 sucht das Ergebnis in einer Gewichtung des Prinzips der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung im Vergleich zur Rechtssicherheit zu gewinnen. Nicht gefolgt werden kann zunächst dem Teil der Literatur 43 , der einen privatrechtsgestaltenden Verwaltungsakt nach Eintritt seiner Bestandskraft prinzipiell für unwiderruflich hält. Steiner 44 hat diese Ansicht widerlegt. Für die Zulässigkeit eines Widerrufs des Enteignungsbeschlusses besteht vielmehr eine objektive Grenze: Der Widerruf ist ausgeschlossen, sobald der ursprüngliche Zustand nicht mehr durch schlichte Rückabwicklung des ursprünglichen EnteignungsVorganges wiederhergestellt werden kann 45 . Der Fall tritt ein, wenn der Enteignungsbegünstigte berechtigt das übertragene Eigentum rechtlich oder tatsächlich in einer Weise verändert hat, die neben dem actus contrarius zum Enteignungsbeschluß weitere rechtliche oder tatsächliche Maßnahmen für eine Rückabwicklung des Verwaltungsaktes „Enteignung" erfordert. Diese These bedarf der Präzisierung. In ihrer praktischen Konsequenz bedeutet die Ansicht zunächst: Beginnt der Enteignungsbegünstigte mit der Realisierung des Enteignungsvorhabens und muß er zu diesem Zweck das übertragene Eigentum verändern, so ist dies im 39 Kunze, Der Anspruch des Enteigneten auf Rückübertragung bei nachträglichem Fortfall des Enteignungszweckes (Rückenteignung), S. 95 ff, insbesondere S. 111 ; ebenso Wolff /Bachof, Verwaltungsrecht I, 9. Auflage 1974, § 53 IV g 1. 40 Stummer, Die öffentliche Zweckbindung der enteigneten Sache, S. 172. 41 Schachel, Nebenbestimmungen zu Verwaltungsakten, S. 130. 42 Wellas, Der Widerrufsvorbehalt von Verwaltungsakten, S. 124. 4 3 Wolff /Bachof, Verwaltungsrecht I, 9. Auflage 1974, §53 IV g 1; Kunze, Der Anspruch des Enteigneten auf Rückübertragung bei nachträglichem Fortfall des Enteignungszweckes (Rückenteignung), S. 101. 44 Steiner, Bindungswirkung und Bestandskraft der fingierten Bodenverkehrsgenehmigung, DVB1. 1970, 34 (38) für die Teilungsgenehmigung; ihm folgend für den Fall der Enteignung: Wigginghaus, Die Rechtsstellung des enteigneten Grundeigentümers, S. 159. 4 5 Der Widerruf des Enteignungsbeschlusses hat damit regelmäßig wesentlich engere Grenzen als der Anspruch auf Rückübereignung, der erst durch die Unzumutbarkeit der Beseitigung der bisher eingetretenen Veränderungen ausgeschlossen wird, vgl. hierzu unten 11. Kap. Β. IV.

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Zweifel der Zeitpunkt, ab dem ein Widerruf der Enteignungsverfügung unzulässig ist. Ausnahmsweise wird dieser Zeitpunkt so lange hinausgeschoben, als eine Rückabwicklung des Enteignungsbeschlusses ohne Zerstörung wirtschaftlicher Werte möglich ist. Als Orientierungshilfe für diese Entscheidung bietet sich die gesetzliche Regelung der §§93-96 BGB an 46 . Denn auch diese Vorschriften verfolgen die Intention, die nutzlose Zerstörung wirtschaftlicher Werte zu verhindern 47 , die durch die Trennung von Bestandteilen eintritt, die ihren wirtschaftlichen Zweck und damit auch einen besonderen Wert in der von ihnen gebildeten Einheit haben. Die für die Praxis wichtigste Vorschrift in diesem Zusammenhang stellt § 94 Abs. 1 S. 1 BGB dar, wonach die mit dem Grund und Boden fest verbundenen Sachen zu den wesentlichen Bestandteilen eines Grundstückes gehören. Allgemein gilt: Wesentliche Bestandteile können nicht Gegenstand besonderer dinglicher Rechte sein. Dieser Grundsatz kann sowohl eine Erweiterung als auch eine Beschränkung der Unzulässigkeit des Widerrufs ab dem Zeitpunkt der Veränderung des übertragenen Eigentums bedeuten. Hat der Enteignungsbegünstigte eine Sache zum wesentlichen Bestandteil des ihm übertragenen Eigentums gemacht, bleibt der Widerruf trotz Veränderung weiterhin möglich. Denn alle an ihr bestehenden Rechte erlöschen, §§ 946 ff BGB. Sie teilt künftig das Schicksal des übertragenen Eigentums. Läßt sich ein Wegnahmerecht — beispielsweise nach §§ 997, 1049 Abs. 2 BGB — nicht realisieren, erfolgt ein finanzieller Ausgleich für den Rechtsverlust des Enteignungsbegünstigten bei der Bemessung der zurückzuzahlenden Entschädigungssumme in Verbindung mit §§ 994 ff BGB bzw. §§951 Abs. 1 S. 1, 812 ff BGB. Andererseits wird aber der Widerruf eingeschränkt, wenn die enteignete Sache zum wesentlichen Bestandteil einer anderen Sache geworden ist. Da das übertragene Eigentum in diesem Fall nicht mehr Gegenstand besonderer Rechte sein kann (§93 BGB), kann sie dem Begünstigten auch nicht mehr im Wege des bloßen Widerrufs des Enteignungsbeschlusses entzogen werden. Dieser Fall liegt übrigens auch vor, wenn ein enteignetes Grundstück beispielsweise so in ein Firmengelände integriert wird, daß es ohne wirtschaftliche Werteinbuße nicht mehr aus der Sachgesamtheit48 ausscheidbar ist. Freilich setzt die entsprechende Anwendbarkeit des §§93-96 BGB im Ergebnis stets voraus, daß das Wohl der Allgemeinheit als Enteignungsgrund fortbesteht und der Enteignungsbegünstigte das Vorliegen des Widerrufsgrundes nicht zu vertreten hat. Dies leitet sich aus der Legitimation für die Einschränkung der Zulässigkeit des Widerrufs her. Die Rechtfertigung der Begrenzung der Widerrufsmöglichkeit findet sich nämlich darin, daß der Enteignungsbegünstigte schutzwürdiges Vertrauen in den Bestand des Enteignungsbeschlusses erlangt, sobald er durch den Einsatz von 46 Ebenso Stummer, Die öffentliche Zweckbindung der enteigneten Sache, S. 191. 47 Palandt/Heinrichs, BGB, 46. Auflage 1987, § 93 Anm.l. 48 Palandt/Heinrichs, BGB, 46. Auflage 1987, Überbl. v. § 90 Anm. 3 e.

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eigenem Kapital, eigener Arbeit sowie sonstigen eigenen materiellen und immateriellen Leistungen begonnen hat, das Enteignungsunternehmen zu verwirklichen. Hinzutreten muß freilich zweierlei. Erstens muß das Vertrauen des Enteignungsbegünstigten überhaupt schutzwürdig sein. Hierbei stehen sich regelmäßig das Wohl der Allgemeinheit, das nach Realisierung des Enteignungsvorhabens verlangt, sowie das Interesse des Begünstigten an der Beibehaltung des durch die Enteignung erlangten Rechtszustandes gegenüber. Damit wird aber auch offenbar, daß in diese Betrachtung der Widerrufsgrund mit einzubeziehen ist. Gründe für den Widerruf der Enteignungsverfügung kann man in zwei Kategorien einteilen: den Wandel des Wohls der Allgemeinheit und die Pflichtverletzungen des Enteignungsbegünstigten. Unter diesem Aspekt läßt sich sagen: Je weniger der Enteignungsbegünstigte den Anlaß des Widerrufs zu vertreten hat, desto schutzwürdiger ist sein Vertrauen. Hat sich am Vorliegen des Wohls der Allgemeinheit als Enteignungsvoraussetzung nichts geändert, besteht nach wie vor die Notwendigkeit der Verwirklichung des Enteignungprojekts. Hat sich das Wohl der Allgemeinheit, das notwendig geprägt ist durch dynamische Flexibilität in der Betrachtungsweise, ohne Zutun des Enteignungsbegünstigten in einer Weise gewandelt, die die Verwirklichung des Enteignungsprojekts nicht mehr erfordert, ist das Vertrauen des Enteignungsbegünstigten, das er durch den Einsatz eigener Leistung begründet hat, regelmäßig im vollen Umfang schutzwürdig. Ist der Widerrufsgrund auf Pflichtverletzungen des Enteignungsbegünstigten zurückzuführen, die dieser zudem zu vertreten hat, fehlt i.d.R. die Schutzwürdigkeit des Vertrauens völlig. Hat sich in diesem Falle am Vorliegen des Wohls der Allgemeinheit als Enteignungsvoraussetzung nichts geändert, besteht nach wie vor die Notwendigkeit der Verwirklichung des Enteignungsprojektes. Zweitens wird bei weiterbestehendem allgemeinwohlbedingtem Enteignungsgrund die Widerrufsmöglichkeit nur dann begrenzt sein, wenn das schutzwürdige Vertrauen des Enteignungsbegünstigten nicht durch die Möglichkeit der Entschädigung von Vermögensnachteilen nach § 49 Abs. 5 VwVfG ausgeglichen werden kann. Dies wird meistens der Fall sein. Auftretende Härten lassen sich also auf diese Weise beseitigen. Innerhalb der dargestellten Grenzen erweist sich daher der Widerruf des Enteignungsbeschlusses als wirksames Mittel zur Sicherung des Enteignungszweckes. 4. Teilwiderruf Die Rechtmäßigkeit eines teilweisen Widerrufs der Enteignungsverfügung wird von praktischer Relevanz bei einem Austausch des Enteignungsbegünstigten. Eine derartige Möglichkeit zur Sicherung des Enteignungszweckes wird von Stummer 49 favorisiert. Seiner Ansicht nach könnte allein der begünstigende Teil 49

Stummer, Die öffentliche Zweckbindung der enteigneten Sache, S. 169 und S. 187.

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der Enteignung, also die Eigentumsgewährung, widerrufen werden, das Verfahren gleichsam in jenes Stadium zurückversetzt werden, in dem sich der Rechtsübergang vollzieht und sodann an die Stelle des ersten Destinatärs ein neuer Begünstigter treten. Bei all dem soll kein Eingriff in die Rechtsstellung des Enteigneten vorliegen. Geht man von der Ansicht des BVerfG aus, daß der Person des Begünstigten keine ausschlaggebende Bedeutung bei der Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit einer Enteignung zukommt 50 , würde man zum selben Ergebnis gelangen. Demgegenüber wurde die entscheidende Rolle der Person des Enteignungsbegünstigten für die Beurteilung der Sicherungszuverlässigkeit oben 51 nachgewiesen. Insbesondere ist damit die Ansicht Stummers 52 unzutreffend, daß ein Wechsel in der Person des Begünstigten ohne Einfluß auf die Rechte des Enteigneten ist. Es ist daher von den Grundsätzen des allgemeinen Verwaltungsverfahrensrechtes auszugehen. Danach verfügt der Teilwiderruf die partielle Aufhebung eines Verwaltungsaktes, beinhaltet also die sachliche Beschränkung des Regelungsgegenstandes und setzt dessen Teilbarkeit voraus 53 . Bezieht man die obigen Ergebnisse zur Person des Enteignungsbegünstigten, ihre Auswirkungen auf die Sicherungszuverlässigkeit und damit auf das Gemeinwohlurteil selbst in die Betrachtung mit ein, läßt sich feststellen: Die Gesamtrechtmäßigkeit des Enteignungsbeschlusses wird mitbestimmt von der Person des Enteignungsbegünstigten. Ihre Festlegung ist integrierter Bestandteil des Gemeinwohlurteils und somit auch der Bejahung der Verfassungsmäßigkeit der Enteignungsverfügung. Aus der Prognose mangelnder Zuverlässigkeit des Enteignungsbegünstigten erwachsen dem Enteigneten subjektive Abwehrrechte. Ein Teilwiderruf ist daher rechtlich unzulässig. Es bleibt dabei 54 : Der Austausch der begünstigten Privatperson ist verfassungsrechtlich prinzipiell möglich. Aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit und des Grundrechtsschutzes aus Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG hat ihr Austausch aber in demselben Verfahren und derselben Form wie die Enteignung selbst zu erfolgen.

5. Widerrufsvorbehalt Da der Begünstigte keinen Rechtsanspruch auf Enteignung besitzt 55 , kann die Enteignungsverfügung vom Grundsatz her mit Nebenbestimmungen versehen so BVerfG, Urt. 24. 3. 1987 - 1 BvR 1046/85 - S. 27, BVerfGE 74, 264 (285) = NJW 1987, 1251. 51 Siehe oben 7. Kap. Ε. II. 6. f. und 7. Kap. G. III. 52 Stummer, Die öffentliche Zweckbindung der enteigneten Sache, S. 169. 53 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 11 Rdnr. 13; Erichsen / Martens, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 15 II 3. 54 Siehe bereits oben 9. Kap. C. III. 55 Zum fehlenden Rechtsanspruch auf Enteignung vgl. oben 6. Kap. J. Da allerdings Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG die Sicherung des Enteignungszweckes vorschreibt, wären Neben-

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werden 56 . Dies ergibt sich aus § 36 VwVfG und den entsprechenden Vorschriften der Länder. Aus dem zweiten Absatz der genannten Vorschrift folgt weiter, daß Verwaltungsakten nach pflichtgemäßem Ermessen ein Widerrufsvorbehalt beigefügt werden darf, wenn das zum Erlaß des Verwaltungsaktes ermächtigende Gesetz zur Zulässigkeit von Nebenbestimmungen keine Aussage trifft und die Beifügung des Widerrufsvorbehalts nicht dem Sinn des ermächtigenden Gesetzes widerspricht 57 . Die Literatur 58 sieht im Widerrufsvorbehalt eine besondere Art der auflösenden Bedingung. Hieraus leiten sich aber rechtliche Bedenken gegen die Zulässigkeit eines Widerrufsvorbehalts bei der Enteignung zugunsten Privater ab. Das OVG Lüneburg 59 hat vor diesem Hintergrund einen Widerrufsvorbehalt bei der Enteignung für nichtig erklärt. Zur Begründung berief es sich auf § 925 Abs. 2 BGB, wonach eine Auflassung weder bedingt noch befristet erfolgen darf. Stummer 60 ist dem zutreffend unter Berufung auf den Gesetzeszweck des § 925 Abs. 2 BGB entgegen getreten. Der Gesetzgeber wollte mit der genannten Vorschrift nämlich lediglich die Ungewißheit über die Wirksamkeit der Auflassung und über den genauen Zeitpunkt des Eigentumsüberganges vermeiden, da eine derartige Unsicherheit unerträglich wäre 61 . Der Widerrufsvorbehalt birgt aber eine solche Gefahr gerade nicht in sich. Denn der Widerruf wird von der bestimmungen selbst dann zulässig, wenn man dem Privaten einen Rechtsanspruch auf Durchführung der Enteignung zuerkennen würde. Im Ergebnis ebenso: Schmidt-Aßmann / Frenzel, in: Emst / Zinkahn, BBauG, §87 Rdnr. 22. Nach Stummer, Die öffentliche Zweckbindung der enteigneten Sache, S. 143, soll sich die Legitimation zur Beifügung von Nebenbestimmungen aus dem Institut des begünstigenden Verwaltungsaktes ergeben. Demgegenüber leiten sich nach der hier vertretenen Ansicht Befugnis und Verpflichtung zur Sicherung des Enteignungszweckes aus Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG selbst her. Die Nebenbestimmungen stellen nur ein mögliches Sicherungsmittel dar. 56 Die folgenden Ausführungen gehen davon aus, daß das Gesetz die Möglichkeit, den Verwaltungsakt der Enteignung mit Nebenbestimmungen zu versehen, nicht ausdrücklich vorsieht. Allgemein zur Frage des Verhältnisses zwischen Gesetz und Verwaltungsakt als Sicherung des Enteignungszweckes vgl. oben 6. Kap. Ε. II. 57 Jenseits dieser im Schrifttum einhellig anerkannten Feststellung liegt aber — wie überhaupt beim Recht der Nebenbestimmungen zu Verwaltungsakten — ein dogmatisch weitgehend unerschlossenes Feld. Selbst in Monographienfinden sich nur schwer erklärbare Widersprüche. So soll nach Schachel (Nebenbestimmungen zu Verwaltungsakten) einerseits bei rechtsgestaltenden Verwaltungsakten ein Widerrufsvorbehalt nicht in Betracht kommen (S. 130), andererseits soll der Widerrufsvorbehalt ein geeignetes Mittel sein, die Geltungsdauer einer Erlaubnis an den Fortbestand der Erteilungsvoraussetzungen zu binden (S. 141). Dies muß aber nicht entschieden werden, da der Widerrufsvorbehalt unzulässig ist, wenn der Widerruf selbst nicht in Frage kommt (von Münch, JZ 1964, 53). 58 Erichsen / Martens, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 14 I 1. 59 OVG Lüneburg, Urt. v. 6. 6. 1950, VerwRspr. 3, 324; vgl. weiter allgemein zu einem zivilrechtlichen Vergleich mit Widerrufsvorbehalt: die Zulässigkeit verneinend Palandt / Bassenge, BGB, §925 Anm. 5 b; die Zulässigkeit bejahend Soergel / Baur, BGB, § 925 Rdnr. 39. 60 Stummer, Die öffentliche Zweckbindung der enteigneten Sache, S. 179. 61 Münch-Komm-Kanzleiter, BGB, 2. Auflage 1986, § 925 Rdnr. 25.

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Enteignungsbehörde ausdrücklich erklärt. Der Zeitpunkt der Wirksamkeit ist daher klar und bestimmt. Einer Enteignungsverfügung zugunsten Privater kann folglich ein Widerruf s vorbehält beigefügt werden 62 . Fraglich ist danach weiter, welche materiellen Grenzen einem solchen Widerrufsvorbehalt gesetzt sind. Der Widerrufsvorbehalt setzt die Zulässigkeit eines Widerrufs voraus. Darüber hinaus will Stummer 63 den Anwendungsbereich noch weiter einschränken. Ein derartiges Damoklesschwert dürfe über den Unternehmer nicht als Ahndungsmittel gegen einzelne unbedeutende Pflichtverletzungen schweben. Die Entziehung der Sache könne nur in den Fällen gerechtfertigt sein, in denen ein Widerruf wegen nachträglicher Veränderungen der tatsächlichen Umstände oder wegen Nichterfüllung von Auflagen zu bejahen ist. Dem ist nicht zu folgen. Betrachtet man die Folgen dieser Ansicht, so erkennt Stummer dem Widerrufsvorbehalt keine konstitutive, sondern stets nur eine rein deklaratorische 64 Wirkung zu. Demgegenüber aber soll der Widerrufsvorbehalt die Verwaltung doch gerade in die Lage versetzen, durch eine inhaltlich klare Festlegung des Widerrufsvorbehalts gegenüber dem Begünstigten eine Pflichtverletzung für so schwerwiegend zu erachten, daß sie den Widerruf der Enteignungsverfügung als solche zu tragen vermag. Da der Begünstigte durch den vorbehaltenen Widerruf entsprechend gewarnt war, kann man auch kein schutzwürdiges Vertrauen auf seiner Seite erkennen 65. Der Widerruf setzt in diesen Fällen freilich voraus, daß die Verwaltung den Vorbehalt und seine Reichweite klar und eindeutig zum Ausdruck gebracht hat 66 . Daß auch bei der Enteignung zugunsten Privater die Ausübung der Widerrufsmöglichkeit dem Ermessen der Verwaltung überantwortet bleibt (§ 49 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 VwVfG), ist demgegenüber unbedenklich. Denn in der rechtsstaatlichen Verfassungsordnung des Grundgesetzes ist jedes Ermessen nur pflichtgemäßes Ermessen und darf nur in strenger Bindung an die Ziele des Gesetzes betätigt werden, in dessen Vollzug die Verwaltung handelt 67 . Daher kann auch der vorbehaltene Widerruf nur erfolgen, wenn und soweit er zur Wahrung der Belange erforderlich ist, die durch das Enteig-

62 Im übrigen wurde auch früher im sog. Rückkaufsrecht bei Eisenbahnkonzessionen ein Widerrufsvorbehalt gesehen; vgl. Wellas, Der Widerrufsvorbehalt von Verwaltungsakten, S. 56 und allgemein Merk, Deutsches Verwaltungsrecht, Bd. 2, S. 859. 63 Stummer, Die öffentliche Zweckbindung der enteigneten Sache, S. 178. 64 Die rechtliche Bedeutung des rein deklaratorischen Widerrufsvorbehalts erschöpft sich höchstens in einer Belehrung des Betroffenen; vgl. Wellas, Der Widerrufsvorbehalt von Verwaltungsakten, S. 30. 65 Demgegenüber versucht Stummer, Die öffentliche Zweckbindung der enteigneten Sache, S. 179 ff, die Zulässigkeit des Widerrufsvorbehalts erst durch eine Gegenüberstellung des Vertrauens des Begünstigten und des Enteigneten zu begründen. Bei der hier vertretenen Ansicht bedarf es einer derartigen Rechtfertigung nicht. 66 BayVGH, Urt. v. 27. 12. 1985, BayVBl. 1986, 304 (306). 67 Ebenso: BayVGH, Urt. v. 27. 12. 1985, BayVBl. 1986, 304 (306); BVerfG, Urt. v. 16. 2. 1965, BVerfGE 18, 353 (363); grundlegend: Hermann Soell, Das Ermessen der Eingriffs Verwaltung, 1973.

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nungsgesetz und letztlich die verfassungsrechtlich gebotene Sicherung des Wohls der Allgemeinheit geschützt sind. Hat bei vorbehaltenem Widerruf die Pflichtverletzung des Begünstigten ein Ausmaß erreicht, das nach den oben dargelegten Grundsätzen auch einen Widerruf als solchen zu rechtfertigen vermag, so offenbart sich eine weitere Wirkung des Widerrufsvorbehalts. Das Ausmaß des Vertrauensschutzes, den der Begünstigte genießt, ist geringer. Denn durch den Widerrufsvorbehalt wurde ihm von Anfang an eine klare Warnung vor den Folgen einer nachlässigen Pflichterfüllung gegeben. Allgemein läßt sich sagen: Bei einem Widerrufsvorbehalt sind an die Intensität der Pflichtwidrigkeiten, die einen Widerruf des Enteignungsbeschlusses legitimieren können, geringe Anforderungen zu stellen, da es an jedem schützenswerten Vertrauen des Begünstigten fehlt.

IV. Bedingung Weitaus unversöhnlicher als beim Widerrufsvorbehalt stehen sich die Fronten von Gegnern und Befürwortern einer bedingten Enteignungsverfügung 68 gegenüber. Ausgangspunkt ist die Feststellung, daß der Verwaltungsakt „Enteignung" im Vergleich mit der zivilrechtlichen Veräußerung eines Grundstückes an die Stelle der Auflassung tritt.

1. Gründe gegen eine bedingte Enteignung Die überwiegende Meinung will daher — ausdrücklich oder unausgesprochen — den Rechtsgedanken des § 925 Abs. 2 BGB anwenden69. So behauptet Kunze 70 , als zukünftiges Ereignis könne die tatsächliche Verwendung des Enteignungsobjekts nicht zur Bedingung der Enteignung werden. Stengel71 konstatiert ohne weitere Begründung, die Enteignung sei bedingungsfeindlich. Stummer 72 spricht von unerträglichen Verhältnissen, die bei Zulassung einer Bedingung 68 Behandelt wird hier nur die Zulässigkeit einer ausdrücklichen Bedingung iSd § 36 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG und nicht die Frage nach der Übertragung lediglich zweckgebundenen Eigentums, das mißverständlich oft als bedingt bezeichnet wird, vgl. hierzu unten 9. Kap. H. 69 Siehe hierzu bereits oben 9. Kap. G. III. 5. sowie OVG Lüneburg, Urt. v. 6. 6. 1950, VerwRspr. 3, 324. Das OLG Kiel vertritt im übrigen in den Gründen seines Urteils vom 4. 12. 1947, SchlHA 1948, S. 193, ebenfalls die Auffassung, daß es mit der hoheitlichen Natur der Enteignung nicht vereinbar sei, wenn ihre Wirksamkeit von einer Bedingung wie der Verwirklichung des Enteignungszweckes abhängig gemacht wird. 70 Kunze, Der Anspruch des Enteigneten auf Rückübertragung beim nachträglichen Fortfall des Enteignungszweckes (Rückenteignung), S. 57. 71 Stengel, Die Grundstücksenteignung zugunsten privater Wirtschaftsunternehmen, 5. 50. 72 Stummer, Die öffentlich Zweckbindung der enteigneten Sache, S. 151.

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eintreten würden. Und bereits in der älteren Literatur 73 findet sich die Auffassung, Enteignung könne nur eine vorbehaltlose und endgültige Inanspruchnahme des Eigentums bedeuten. Neben dieser eigentumsrechtlichen Begründung finden sich noch Argumente aus der Dogmatik des Verwaltungsverfahrensrechts heraus. Danach sollen statusbegründende Verwaltungsakte ebenso wie feststellende Verwaltungsakte nebenbestimmungsfeindlich sein 74 . Der Grund wird darin gesehen, daß an beide Arten von Verwaltungsakten zahlreiche weitere Rechtsfolgen geknüpft sind. Deren Geltung würde unter einer unerträglichen Ungewißheit leiden, wenn man die Begründung eines Rechtsstatus oder dessen Feststellung dem Schwebezustand einer Nebenbestimmung aussetzen könnte.

2. Gründe für die Zulässigkeit einer bedingten Enteignung Die Gegenmeinung hält dem Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG entgegen. Das Wohl der Allgemeinheit fordere die Sicherung des Enteignungszweckes. Diese Sicherung habe gegebenenfalls auch in Form einer Bedingung zu erfolgen, sonst sei die gesamte Enteignung verfassungswidrig. So vertritt Blanc 75 ohne Einschränkungen, daß das Enteignungsrecht von Bedingungen abhängig gemacht werden könne, und auch Bullinger 76 hält die Sicherung des Enteignungszweckes durch Beifügung einer Bedingung grundsätzlich für möglich. Bullinger unterstreicht seine Ansicht mit einem Beispiel aus dem Patentgesetz77. § 29 Abs. 3 PreußEG führte Eger 78 schließlich für seine Ansicht ins Feld. Diese Vorschrift geht über eine aufschiebende Bedingung hinaus, da in ihr festgeschrieben ist, daß die 73

Seufert, Bayerisches Enteignungsrecht, Art. I Rdnr. 21; Henle, Die Zwangsenteignung von Grundeigentum in Bayern, S. 6; Laforet, Das Zwangsabtretungsgesetz, S. 35; 74 Schachel, Nebenbestimmungen zu Verwaltungsakten, S. 128; Musterbeispiel für einen nebenbestimmungsfeindlichen statusbegründenden Verwaltungsakt ist die Beamtenernennung. 75 Blanc, Das öffentliche Interesse als Voraussetzung der Enteignung, S. 62. ™ Bullinger, Die Enteignung zugunsten Privater, Der Staat, Bd. 1, 1962, S. 470. 77 Bullinger, Die Enteignung zugunsten Privater, Der Staat, Bd. 1, 1962, S. 475. Nach § 24 Abs. 1 S. 1 PatG kann der Inhaber eines Patents zwangsweise veranlaßt werden, einem anderen die Benutzung der Erfindung zu gestatten. Da der Begünstigte dieser Zwangslizenz ein Privater ist, handelt es sich um einen Fall der Enteignung zugunsten Privater. Nach §24 Abs.l S. 3 PatG kann die Zwangslizenz eingeschränkt erteilt und von Bedingungen abhängig gemacht werden. Zu Recht ist Bullinger der Ansicht, das Patentamt müsse von dieser Möglichkeit Gebrauch machen, soweit es erforderlich ist sicherzustellen, daß der Lizenznehmer die Zwangslizenz zum Wohl der Allgemeinheit verwertet. 7 » Eger, Das Gesetz über die Enteignung von Grundeigentum vom 11.6. 1874, Bd. II, S. 283. Layer, Principien des Enteignungsrechts, S. 287, hingegen hielt eine Bedingung für zulässig, soweit die beabsichtigte Tätigkeit des Privaten der staatlichen Genehmigung unterliegt. Dies ist m.E. aber eine unzulässige Vermischung zwischen Enteignungsrecht und allgemeinem Sicherheitsrecht.

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Zahlung oder Hinterlegung der Entschädigungssumme eine unerläßliche Voraussetzung für den Ausspruch der Enteignungsverfügung ist. Das Argument aus § 925 Abs. 2 BGB wird schließlich mit einem Urteil 7 9 des Reichsgerichts vom 29.4.1927 zu widerlegen versucht. Danach ist die Enteignung ein Eigentumserwerb kraft Staatsaktes und kein Rechtsgeschäft im Sinne des BGB. Daher unterstehe dieser öffentlichrechtliche Akt auch nicht den Normen des Privatrechts.

3. Umfang der Zulässigkeit einer bedingten Enteignung Nimmt man diese Diskussion zum Ausgangspunkt und sucht die Frage nach dem Umfang der Zulässigkeit einer bedingten Enteignung zu beantworten, so muß man sich zwangsläufig vom lediglich formellen Problem der Anwendbarkeit von BGB-Vorschriften lösen. Entscheidend ist eine materielle Bewertung der Belange im Spannungsdreieck von Allgemeinheit, Enteignetem und Enteignungsbegünstigtem. Berücksichtigt man dabei die obigen Ausführungen zum Allgemeinwohl, führt dies zu einer Differenzierung nach der Art der Bedingung. a) Auflösende Bedingung Bei einer auflösenden Bedingung verliert die Enteignungsverfügung ihre Wirksamkeit, sobald das zukünftige Ereignis eintritt. Hierfür bedarf es keiner ausdrücklichen Entscheidung der Enteignungsbehörde. Gerade dieser Punkt aber läßt die auflösende Bedingung zur Sicherung des Enteignungszweckes ab dem Zeitpunkt als ungeeignet erscheinen, in dem der Enteignungsbegünstigte begonnen hat, das Vorhaben ins Werk zu setzen. Die Rechtmäßigkeit einer auflösend bedingten Enteignung muß daher an dieselben zeitlichen Grenzen stoßen wie die Zulässigkeit des Widerrufs der EnteignungsVerfügung 80.

b) Aufschiebende Bedingung Hiervon ist eine aufschiebende Bedingung zu unterscheiden, bei der die Enteignungsverfügung erst mit Eintritt des zukünftigen Ereignisses wirksam wird. Die oben dargestellten Bedenken, die auf die Belange des Enteignungsbegünstigten Rücksicht nehmen, vermögen hier nicht zu greifen. Für die Geltung zeitlicher Grenzen besteht unter diesem Blickwinkel keine Notwendigkeit, da der Bedingungseintritt keine Abwicklungsschwierigkeiten auslöst. Die aufschiebende Bedingung ist daher ein zulässiges Mittel zur Sicherung des Enteignungszweckes. So könnten notwendige Vorausleistungen des Enteignungsbegünstigten zur auf79 RG, Urt. v. 29. 4. 1927, RGZ 117, 43 ff. »ο Siehe hierzu oben 9. Kap. G. III. 3.

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schiebenden Bedingung der Enteignungsverfügung gemacht werden 81 . Genannt werden darf beispielsweise der Abschluß eines sogenannten Haftungsvertrages für den künftigen Industriebetrieb 82. Zu berücksichtigen sind in diesen Fällen aber auch die Belange des Enteigneten. Für ihn kann es unzumutbar sein, wenn es über einen längeren Zeitraum hinweg in der Schwebe bleibt, ob die Enteignungsverfügung überhaupt wirksam wird. In der Praxis ist es daher notwendig, die aufschiebende Bedingung regelmäßig mit einer Befristung zu verknüpfen.

4. Zweckmäßigkeit einer bedingten Enteignung Der Erlaß einer bedingten Enteignungsverfügung zeichnet sich unter dem Gesichtspunkt der Sicherungszuverlässigkeit durch eine hohe Zwangswirkung aus. Dies rührt daher, daß beim Eintritt der Bedingung die Wirkungen auf den Verwaltungsakt automatisch ausgelöst werden und die Enteignungsbehörde nicht mehr neu entscheiden kann. Demgegenüber ist bei Widerrufsvorbehalt und Auflage die Entscheidungskompetenz der Verwaltung wieder neu eröffnet. Sie besitzen daher größere Elastizität und bieten leichtere Möglichkeiten, die Sicherung den inzwischen vielleicht gewandelten Umständen leichter anzupassen und die Lage erneut sachgemäß zu gestalten. Eine starre Bedingung eignet sich demgemäß vor allem zur Durchsetzung unabdingbarer Voraussetzungen einer privatbegünstigenden Enteignung.

V. Befristung Als weitere Nebenbestimmung zur Sicherung des Allgemeinwohls bei der privatbegünstigenden Enteignung kommt eine Befristung der Enteignungsverfügung selbst in Betracht. Eine gesetzliche Regelung findet sich insoweit in § 36 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG und den entsprechenden Länderbestimmungen. Hierbei gelten zunächst die beim Widerrufsvorbehalt gemachten Ausführungen 83. Die Befristung tritt in der Form auf, daß ein Anfangstermin für die Wirksamkeit des Verwaltungsaktes festgesetzt wird — was mit einer aufschiebenden Bedingung vergleichbar ist — oder daß hierfür ein Endtermin festgelegt wird — was mit einer auflösenden Bedingung zu vergleichen ist.

81 Dies gilt grundsätzlich auch für die Zahlung der Geldentschädigung, wobei freilich in der Praxis die Durchführung des Enteignungsverfahrens von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht wird, vgl. Art. 21 Abs. 1 Nr.2 BayEG. 82 So zu Recht schon Renck, Enteignungsrecht und vertragliche Anlagenhaftung, BayVBl. 1977, 429, entgegen Börner, Gefährdungshaftung für Pipelines aus Vertrag zugunsten Dritter?, BayVBl. 1976, 645. S3 S.o. 9.Kap. G. III. 5.

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1. Legislatorischer Befund Bevor die Frage der Zulässigkeit solcher Befristungen diskutiert wird, ist es wie immer notwendig, zunächst die geltenden Gesetze nach einschlägigen Regelungen zu befragen. Vergleichbar ist das Planungsrecht. Planfeststellungsbeschlüsse treten regelmäßig kraft Gesetzes nach Ablauf eines Zeitraums von fünf Jahren ab Unanfechtbarkeit außer Kraft, wenn nicht innerhalb dieser Frist mit der Durchführung des Planes begonnen worden ist. Diese Regelung findet sich sowohl im allgemeinen Verwaltungsverfahrensrecht 84, wie auch in einem Großteil der Fachplanungsgesetze85. Bemerkenswert ist, daß § 29 Abs. 5 PBefG verlangt, den Plan innerhalb von fünf Jahren nach „Rechtskraft" nicht nur zu beginnen, sondern auch schon durchzuführen. Aber auch im Enteignungsrecht sind Verwendungsfristen keineswegs unbekannt86. Genannt werden dürfen § 113 Abs. 2 Nr. 3 BauGB oder Art. 31 Abs. 1 Nr. 3 BayEG. Soweit solche gesetzliche Regelungen bestehen, leitet die Literatur 87 hieraus keineswegs die Befugnis zur Befristung der Enteignungsverfügung aus ihnen her, sondern sieht sie lediglich als Grundlage für eine spätere Rückübereignung an.

2. Grundsätzliche Bedenken gegen eine Befristung Der Grund für diese Ablehnung ist in grundsätzlichen Bedenken gegenüber einer Befristung der Enteignungsverfügung zu suchen. Im wesentlichen wird dagegen vorgebracht: Ebenso wie eine Bedingung würde eine Befristung einen ungewissen Schwebezustand bedeuten, der zu unerträglichen Verhältnissen mit unerwünschten Konsequenzen führen würde. Stellvertretend kann Stummer 88 genannt werden, der von einem Anlaß für große Zweifel und Unklarheiten spricht, falls die Enteignung erlöschen sollte, wenn der Begünstigte nicht innerhalb der Frist bestimmte Voraussetzungen erfüllt. Setze man aber eine Frist, die 84 § 75 Abs. 4 VwVfG und den entsprechenden Landesregelungen. Art. 75 Abs. 4 Bay VwVfG sieht die Möglichkeit der Verlängerung um 5 Jahre vor. 8 5 § 18 b Abs. 2 FStrG; Art. 38 Abs.l BayStrWG iVm Art. 75 Abs. 4 Bay VwVfG; § 26 Abs. 2 AbfG. 86 Freilich sieht die h.M., ohne auch nur den Versuch einer einleuchtenden Begründung hierfür zu unternehmen, in derartigen Verwendungsfristen kein Mittel zur Sicherung des Allgemeinwohls. Ja es soll sich nicht einmal um eine Abwehrvorkehrung gegen unberechtigte Verwendungswünsche Privater handeln, sondern um ein allgemeines Erfordernis des Grundrechtsschutzes aus Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG; vgl. Wigginghaus, Die Rechtsstellung des enteigneten Grundeigentümers, S. 104. Dem vermag ich nicht zu folgen. S7 Dyong, in: Emst / Zinkahn, BBauG, § 113 Rdnr. 6. 88 Stellvertretend für viele: Stummer, Die öffentliche Zweckbindung der enteigneten Sache, S. 153.

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vom Verhalten des Begünstigten unabhängig ist, so sei dies als Sicherungsmittel ohnehin ungeeignet.

3. Historische Aspekte einer Befristung der Enteignungsverfügung Bevor in eine Diskussion dieser Argumente eingetreten wird, lohnt sich ein Blick zurück in die Geschichte des Enteignungsrechts. Eine Befristung der Enteignungsverfügung stieß im 19. Jahrhundert weder auf rechtliche Bedenken, noch wurden Zweckmäßigkeitserwägungen dagegen vorgebracht. Das Bayerische Zwangsabtretungsgesetz (ZAG) stammt vom 17.11.1837. Bei den vorhergehenden Gesetzesberatungen hat Minister von Brettreich im Finanzausschuß der Abgeordneten-Kammer ausgeführt 89: Es werde genau überprüft werden, ob die antragstellende Vereinigung die nötige Zuverlässigkeit habe, insbesondere werden ihr alle Bedingungen und Befristungen aufzuerlegen sein, die nötig sind, um den Endzweck nach jeder Richtung zu sichern. Dementsprechend bestimmte dann auch Art. X I I Abs. 4 ZAG: „Zur Inangriffnahme der vorgezeichneten Unternehmungen können auch Fristen bestimmt werden, mit deren fruchtlosem Ablauf das Unternehmen als rückgängig geworden anzusehen ist" 9 0 . Auch im Jahre 1872 wurde im Rahmen der legislatorischen Beratungen zum Preußischen Enteigungsgesetz91 die Frage nach der Dauer des verliehenen Enteignungsrechts aufgeworfen 92. Sie wurde von den Regierungskommissaren dahin beantwortet, daß es auf den Wortlaut der Enteignungsorder ankomme, bei Eisenbahnen aber wohl eine unbegrenzte Fortdauer des Rechts anzunehmen sei. Dem entspricht es, wenn es im Spiegel der früheren rechtswissenschaftlichen Literatur zu den Selbstverständlichkeiten zählte, daß der Enteignungsvorgang bis zum Eintritt des Enteignungszweckes lediglich vorläufige Rechts Wirkungen erzeugt 93. Dies wird heute aber interessanterweise nirgends mehr vertreten 94.

89 Zitiert nach Hans Burger, Die wirtschaftlichen Auswirkungen des Bayerischen Zwangsabtretungsgesetzes vom 17. 11. 1837, S. 66. 90 Art. XII Abs. 4 Bayer. Zwangsabtretungsgesetz (ZAG) vom 17. 11. 1837 (GBl. 1837, 109); zustimmend Hans Burger, Die wirtschaftlichen Auswirkungen des Bayer. Zwangsabtretungsgesetzes vom 17. 11. 1837, S. 65. 91 Preußisches Enteignungsgesetz (PrEG) vom 11.6.1874, Gesetzessammlung S. 326. 92 Verh. der X. Kammer des Abgh. vom 4. 3. 1872; zustimmend Eger, Das Gesetz über die Enteignung von Grundeigentum vom 11. 6. 1874, Bd. I, S. 52. 93 Otto Mayer, Verwaltungsrecht, Bd. 2, 3. Auflage 1924, § 34 (S. 22 ff); Labandt, Die rechtliche Natur des Rechtsakts und der Expropriation, AcP Bd. 52 (1869), S. 151. 94 Für alle: von Mutius, Eigentumsgarantie und Anspruch auf Rückübereignung bei NichtVerwirklichung des Enteignungszwecks, S. 284.

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4. Entscheidungserhebliche Gesichtspunkte zur Zulässigkeit einer Befristung Fragt man nach der Berechtigung der ablehnenden Haltung in neuerer Literatur und Rechtsprechung, läßt sich zunächst ein Teil der denkbaren Fälle privatbegünstigender Enteignung ausscheiden. Die heute dargelegten Gründe gegen eine Befristung betreffen nämlich unausgesprochen immer nur die Eigentumsübertragung selbst. Dagegen erlöschen Dienstbarkeiten, wenn ihre Ausübung dauernd unmöglich wird oder wenn der für das herrschende Grundstück erstrebte Vorteil für dauernd wegfällt 95 . Erbbaurechte erlöschen, abgesehen von rechtsgeschäftlicher Aufhebung auch durch Zeitablauf 96 . Die Enteignungsverfügungen, die sich auf Erbbaurechte oder Dienstbarkeiten beziehen, können daher befristet werden. Soweit sich die vorgetragenen Argumente gegen eine Zeitbestimmung der eigentumsübertragenden Enteignungsverfügung richten, sind ihnen bereits im Ausgangspunkt zwei Aspekte von grundsätzlicher Bedeutung entgegenzuhalten. Zunächst ist jeder Planungsentscheidung als zukunftsgerichteter Maßnahme das Zeitproblem immanent 97 . Hinzu kommt, daß Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG die Enteignung für ein Gemeinwohlvorhaben in privater Hand nur erlaubt, wenn der Enteignungszweck hinreichend gesichert ist 9 8 . Demgegenüber verblassen die Argumente der Gegenansicht. Sie vermögen außerdem aus sich selbst heraus schon nicht zu überzeugen. So wendet Stummer ein, daß eine Zeitbestimmung die Frage aufwirft, wann und ob eine Herstellung des Unternehmens vorliege und dies zu großen Zweifeln und Unklarheiten Anlaß gebe. Fehlt es aber beim Objekt an der notwendigen Konkretheit in zeitlicher und sachlicher Hinsicht, so stellt dies die Rechtmäßigkeit der Enteignungsverfügung selbst in Frage 99 . Auch kann der These nicht gefolgt werden, daß eine Befristung ungeeignet wäre, den Begünstigten zur Erfüllung des Enteignungszweckes anzuhalten. Da der Begünstigte unbeschränktes Eigentum erhält, hat er es auch in der Hand, innerhalb einer festgelegten Frist die ihm aufgegebenen Voraussetzungen für ein dauerhaftes Behaltendürfen des Eigentumsgegenstandes zu schaffen. Damit läßt sich als Zwischenergebnis festhalten, daß die Befristung eine rechtliche Möglichkeit zur Sicherung des Enteignungszweckes ist. Sie stößt 95 BGH, Urt. v. 24.2. 1984, NJW 1984, 2157; Palandt / Bassenge, BGB, § 1018 Anm. 11. 96 §§ 2 Nr. 4, 27 ErbbRVO. 97 Blümel, Raumplanung, vollendete Tatsachen und Rechtsschutz, FS Forsthoff I, S. 133 (136). 98 Zwar trifft es zu, daß Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG der Gedanke zugrunde liegt, eine Enteignung ist regelmäßig nicht auf vorübergehende Wirkung, sondern auf Dauer angelegt. Da aber das positive Allgemeinwohlurteil die erforderlichen Vorhabenssicherungen voraussetzt, spricht Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG entgegen der h.M. eher für die Zulässigkeit einer Befristung als gegen sie. 99 Im Ergebnis ebenso: Wigginghaus, Die Rechtsstellung des enteigneten Grundeigentümers, S. 108. 17 Schmidbauer

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allerdings auf dieselben rechtlichen Grenzen wie die Zulässigkeit des Widerrufs 100 . 5. Zulässigkeit einer Befristung im Einzelfall Die zuletzt genannte Beschränkung der zulässigen Anwendung begrenzt zugleich ihre Eignung als Sicherungsmittel. Die Befristung wird daher im konkreten Fall vorwiegend dazu dienen, die Herstellung des Vorhabens zu sichern und weniger dazu, die Durchführung und weitere Aufrechterhaltung des dauerhaften Betriebes des Gemeinwohlunternehmens sicherzustellen. Im übrigen stellt die Zulässigkeit der Befristung im Einzelfall eine Konkretisierung der Abgrenzung der Risikosphären dar. Es sind daher die Belange der Beteiligten zu gewichten und bei der Entscheidungsfindung mit zu berücksichtigen. Auf Seiten des Enteignungsbegünstigten ist hierbei vor allem eine unzumutbare Unsicherheit über eine dauerhafte Eigentumsübertragung zu vermeiden. Dies würde eine untragbare Erhöhung des Realisierungsrisikos bedeuten. Die Interesssen auf Seiten des bisherigen Eigentümers liegen in der Steigerung der Effektivität des Eigentumsschutzes. Einerseits vermeidet eine derartige Nebenbestimmung die Belastung mit dem Prozeßrisiko, das bei der Geltendmachung des Rückübereignungsanspruches besteht. Andererseits löst sie die Verpflichtung zur Rückzahlung der Enteignungsentschädigung aus. Darüber hinaus hat die Enteignungsbehörde ihre Entscheidung am Wohl der Allgemeinheit auszurichten, das die Forderung nach einer wirkungsvollen Sicherung des Enteignungsvorhabens beinhaltet.

6. Zeitdauer Unter dem Aspekt der notwendigen Dauer der Befristung ist zunächst eine weitere Beschränkung ihrer Anwendbarkeit zu vermerken. Läßt sich nämlich die gesamte Zeitdauer voraussehen, für die das Eigentum zur Verwirklichung des Gemeinwohls benötigt wird, ist eine Übertragung des Eigentums regelmäßig gar nicht nötig. Es genügt dann die vorübergehende Enteignung des betreffenden Nutzungsrechts. Ein weiteres zeitliches Limit möchte Wigginghaus 101 aufstellen. Er vertritt die These, daß die zeitliche Geltungskraft von Enteignungsmaßnahmen nicht über die zugrunde liegende Entscheidung hinausgehen könne. Sei beispielsweise der Zeitraum für den Beginn der Plandurchführung im Planfeststellungsbeschluß auf fünf Jahre festgesetzt und komme es erst nach drei Jahren zu einer Enteignung, so dürfe die festzulegende Zeitspanne bis zur Herstellung des Vorhabens lediglich die noch verbleibenden zwei Jahre betragen. Dem kann aber schon vom Ansatz loo Siehe hierzu oben 9. Kap. G. III. 3. ιοί Wigginghaus, Die Rechtsstellung des enteigneten Grundeigentümers, S. 110.

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her nicht gefolgt werden. Denn die Enteignung ist der erste Schritt auf dem Weg zur Herstellung des Planvorhabens. Dies zeigt sich schon darin, daß die Enteignung die Vollziehbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses voraussetzt 102. Außerdem ist Wigginghaus 103 der Ansicht, daß sich verfassungsrechtlich eine Anknüpfung der Befristung an den Beginn der Ausführung verbiete. Nach dem hier vertretenen System dynamischer Flexibilität der Sicherungsdichte, das durch die entsprechende Qualität des Gemeinwohlerfordernisses bedingt ist, muß aber auch diese Möglichkeit offen stehen 104 . Denn die Gefahr eines Realisierungszwanges trotz veränderter Rahmenbedingungen kann durch unterschiedliche Anknüpfungspunkte für eine Befristung gemildert werden. Aber nicht nur der Anknüpfungspunkt, auch die Dauer der Befristung muß flexibel je nach Einzelfall sein. Denn bereits oben 105 haben wir festgestellt, daß schon für die Sicherungsdauer als solche keine generalisierende Bestimmung möglich ist. Um so mehr muß dies für die Befristung der Enteignungsverfügung gelten. Die unterschiedlichen Vorhaben, für die enteignet wird, begründen notwendigerweise ein Bedürfnis nach einer Einzelfallentscheidung der Verwaltung. Diese Entscheidung kann sich an den Grundsätzen zur Bestimmung der Sicherungsdauer ausrichten 106.

7. Verlängerungsmöglichkeiten Die Unzulänglichkeit des wissenschaftlichen Prognoseinstrumentariums bedeutet, daß auch während der festgesetzten Frist Schwierigkeiten auftreten können, mit denen im Zeitpunkt der Entscheidung niemand gerechnet hat. In diesen Fällen stellt sich die Frage nach den rechtlichen Möglichkeiten der Verlängerung der festgelegten Zeitbestimmung. Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG beantwortet die Frage positiv. Erfordernis ist allerdings erstens, daß die Voraussetzungen für den Erlaß der Enteignungsverfügung immer noch vorliegen. Für die weiteren Voraussetzungen vermag § 114 BauGB einen Anhalt zu liefern. Danach kommt eine Verlängerung für den Begünstigten nur in Betracht, wenn die Durchführung des Enteignungsvorhabens unverschuldet unterblieben ist. Entgegen ; )Vigginghaus 107 besteht keine Veranlassung, auf das Verschuldensmoment zu verzichten. Hat nämlich der Begünstigte die fehlende Verwirklichung des Vorhabens innerhalb 102 Entgegen Wigginghaus, a.a.O., S. 111 läßt sich m.E. aus BVerfGE 38, 175 (185) nichts gegenteiliges herleiten. 103 Wigginghaus, a.a.O., S. 112. 104 Im Ergebnis ebenso, wenn auch ohne Begründung, die h.M. in Rspr.. (vgl. BGH, Urt. v. 19. 12. 1966, EPlaR V BGH 12.66, S. 8 -11 -) und Lit. (vgl. Schrödter, BBauG, § 87 Rdnr. 7). los Siehe oben 9. Kap. F. 106 Siehe oben 9. Kap. F. 107 Wigginghaus, Die Rechtsstellung des enteigneten Grundeigentümers, S. 116. 1*

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der gesetzlichen Frist zu vertreten, so mangelt es an seiner Zuverlässigkeit. Da die Person des Enteignungsbegünstigten für die Beurteilung der Sicherungszuverlässigkeit im Rahmen des Allgemeinwohls mit entscheidend ist 1 0 8 , wird das Vorhaben in diesen Fällen regelmäßig von einem anderen Privaten zu verwirklichen sein. Ein schutzwürdiges Vertrauen des Begünstigten liegt nicht vor, da ihm die gesetzte Frist bekannt war. Eine nachträgliche Verlängerung der Befristung kommt daher nur in Betracht, wenn der Enteignungsbegünstigte nicht zu verantworten hat, daß die Verwirklichung des Gemeinwohlvorhabens unterblieben ist.

VI. Auflage und Auflagenvorbehalt Als weitere Nebenbestimmung, die mit einer Enteignungsverfügung verbunden werden kann, nennt § 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG die Auflage.

1. Zweckmäßigkeit von Auflagen bei Enteignungsverfügungen Die Auflage ist eine Bestimmung, durch die dem Adressaten ein Tun, Dulden oder Unterlassen vorgeschrieben wird. Bereits aus der Definition erklärt sich, daß die Auflage in der Praxis die weitaus bdeutsamste aller Nebenbestimmungen ist 1 0 9 . In der modernen Wirtschaftsverwaltung ist daher die Auflage insbesondere bei der Leistungsvergabe ein wohlvertrautes Instrument. Die Auflage erscheint vor allem deshalb als Sicherungsmittel für die Enteignung zugunsten Privater besonders geeignet, da sie Unzuträglichkeiten zu mildern vermag, die sich im Laufe der Zeit bei der Ausnutzung der Erlaubnis einstellen können n o . So wundert es nicht, daß die Auflage als Instrument zur Sicherung des Enteignungszweckes von den wenigen Autoren, die sich mit diesem Problem beschäftigen, auch allenthalben genannt wird 1 1 1 . Schmidt-Aßmann / Frenzel 112 vertreten sogar die Auffassung, daß aus der Gemeinwohlklausel die Verpflichtung folgen kann, den Enteignungsbeschluß mit Auflagen zu versehen. Als Beispiel führen sie die Sicherung strukturfördernder Effekte einer städtebaulichen Enteignung zugunsten eines Industrieunternehmens an, indem die versprochene Schaffung von Arbeitsplätzen zur Auflage der Enteignung gemacht wird. Stengel 113 nennt Aufla108 Siehe oben 7. Kap. Ε. II. 6. f. und 7. Kap. G. III. 109 Erichsen / Martens, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 14 1.2. no Schachel, Nebenbestimmungen zu Verwaltungsakten, S. 133. 111 Für alle: Stengel, Die Grundstücksenteignung zugunsten privater Wirtschaftsunternehmen, S. 50; Stummer, Die öffentliche Zweckbindung der enteigneten Sache, S. 183. 112 Schmidt-Aßmann / Frenzel, in: Emst / Zinkahn, BBauG, § 87 Rdnr. 22. ι 1 3 Stengel, Die Grundstücksenteignung zugunsten privater Wirtschaftsunternehmen, S. 71, unter Hinweis auf das Preußische Eisenbahngesetz vom 3.11.1836 (GS. S. 505): Auflage, anderen Unternehmen sowohl den Anschluß mittels Zweigbahn als auch die Benutzung der Hauptbahn gegen Entgelt zu gestatten.

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gen im Zusammenhang mit der Enteignung für private Industrieanschlußbahnen und Blanc 1 1 4 im Zusammenhang mit der Enteignung für private Industriefernleitungen. 2. Arten von Auflagen Die Auflage 115 ist darüber hinaus flexibel, da sie sich verschiedene Inhalte zulegen kann. Im Regelfall 116 entfaltet die Auflage ihre verpflichtende Kraft erst und solange der Adressat von der Begünstigung Gebrauch macht. Dies sichert ein bestimmtes Verhalten während der Durchführung des Vorhabens. Eine verpflichtende Auflage garantiert, daß der Vergünstigungsadressat zur Ausnutzung der Vergünstigung gezwungen ist. Eine sogenannte vorwirkende Auflage begründet Verpflichtungen, die der Ausnutzung der Vergünstigung vorausgehen. Und Auflagen, die erst nach Herstellung und Durchführung des Vorhabens, d.h. nach Erlöschen der Vergünstigung Regelungswirkungen entfalten, nennt man Folgeauflagen. Diese Vielfalt entspricht der Notwendigkeit dynamischer Flexibilität des Sicherungsmittels, die wiederum im Gemeinwohl begründet ist.

3. Auflagen und Gesetzesvorbehalt Ob für die Auflage mit ihrem belastenden Inhalt eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage erforderlich ist, ist seit jeher umstritten 117 . Die wohl h.M. fordert zwar ein Gesetz, will die fehlende gesetzliche Ermächtigung aber durch die Zustimmung des Erlaubnisinhabers ersetzen 118. Insoweit gilt die Auflage als Musterbeispiel für die zweifelhafte Rechtsfigur des Verwaltungsaktes auf Unterwerfung 1 1 9 . Jedoch wird auch von der h.M. eine gesetzliche Grundlage nur insoweit gefordert, als die Auflage über ihre negative Funktion, Versagungsgrün114

Blanc, Das öffentliche Interesse als Voraussetzung der Enteignung, S. 62. Zur bisweilen schwierigen Abgrenzung der Auflage von der Bedingung vgl. Β VerwG, Urt. v. 17. 5. 1966, BVerwGE 24,129. Eine sogenannte modifizierende Auflage kommt hingegen als eigenständiges Sicherungsmittel nicht in Betracht, da es sich dabei um nichts anderes als um eine Inhaltsbestimmung der Enteignung selbst handeln würde, vgl. Erichsen / Martens, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 15 II. 3. Vgl. zum Ganzen: Schachel, Nebenbestimmungen zu Verwaltungsakten, S. 32. in Stelkens/Bonk/Leonhardt, VwVfG, §36 Rdnr. 17; Weyreuther, DVB1. 1984, 368. Dies gilt unabhängig vom Problem der isolierten Anfechtbarkeit der Auflage. Dabei stellt sich im konkreten Fall die Frage, ob die Sicherungspflicht aus Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG zur Annahme der Untrennbarkeit zwischen Grundverwaltungsakt und Auflage führen muß. Vgl. hierzu allgemein: BVerwG, Urt. v. 17. 2. 1984, NVwZ 1984,371 und BayVBl. 1984, 372; Osterloh, Jus 1984, 978; Stelkens, Das Problem Auflage, NVwZ 1985, 469; Funk, Zur Anfechtbarkeit von Auflagen und Genehmigungsinhaltsbestimmungen, BayVBl. 1986, 105. us Für alle: Rinck, Wirtschaftsrecht, Rdnr. 350; Weyreuther, DVB1. 1969, 295 (299): 1 9 1 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, §17 Rdnr. 29; BVerwG, Urt. v. 28. 6. 1968, NJW 1969, 806. 115

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de auszuräumen, hinausgeht und positiv öffentliche Interessen fördern w i l l 1 2 0 . Bei der Enteignung zugunsten Privater aber geht wegen Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG beides ineinander über, so daß sich das Problem des Gesetzesvorbehalts gar nicht stellt. Die Auflage ist auch bei fehlender gesetzlicher Grundlage stets zulässig. Denn sie will lediglich sicherstellen, daß der Enteignungszweck auch tatsächlich entsprechend Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG verwirklicht wird. Fast überflüssig ist es demnach, noch zu erwähnen, daß nur solche Auflagen rechtmäßig sind, die dem Sinn und Zweck des Wohls der Allgemeinheit, das im konkreten Fall verwirklicht werden soll, auch entsprechen.

4. Auflagen und Koppelungsverbot Rechtliche Bedenken gegen die Zulässigkeit einer Auflage hat ferner Wigginghaus 121 geltend gemacht. Dient die Enteignung der Erweiterung eines privaten Betriebes, läßt sich an die Auflage denken, innerhalb eines bestimmten Zeitraumes keine Arbeitnehmer zu entlassen. Wigginghaus hält eine solche Maßnahme wegen eines Verstoßes gegen das Koppelungsverbot für rechtswidrig, da die Auflage nicht nur den begünstigenden Verwaltungsakt, sondern das gesamte Unternehmen erfaßt. Dies sei nur unter rein wirtschaftsverwaltungsrechtlichen Aspekten bei einer besonderen Bedeutung des Unternehmens für die Gesamtwirtschaft möglich. Dies überzeugt nicht. Der Rückgriff auf das Wirtschaftsverwaltungsrecht ist unnötig. Die betreffende Auflage ist unter rein enteignungsrechtlichen Aspekten zulässig. Denn die Bejahung des Allgemeinwohls als Enteignungsvoraussetzung erfordert eine umfassende Berücksichtigung der Ziele des gesamten Unternehmens 122. Auch wenn eine Enteignung das Unternehmen lediglich erweitert, kann eine mit ihr verbundene Auflage das gesamte Unternehmen in die Pflicht nehmen — falls nur auf diese Weise das Allgemeinwohl gesichert werden kann. Ist dem Begünstigten dieser Preis zu hoch, kann er seinen Antrag jederzeit zurücknehmen.

5. Vollstreckung einer Auflage Als belastender Verwaltungsakt kann die Auflage gegenüber dem Begünstigten von der Enteignungsbehörde auch vollstreckt werden. Das notwendige Zwangsinstrumentarium stellen das Verwaltungsvollstreckungsgesetz des Bundes und die entsprechenden Vorschriften der Länder 123 bereit. Daneben berechtigt 120 Schachel, Nebenbestimmungen zu Verwaltungsakten, S. 137. 121 Wigginghaus, Die Rechtsstellung des enteigneten Grundeigentümers, S. 86. 122 Siehe oben 7. Kap. Ε. II. 123 In Bayern: Art. 18 ff VwZVG.

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die nicht fristgerechte Erfüllung einer Auflage nach § 49 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 VwVfG zum Widerruf der Enteignungsverfügung 124. Zwar gilt hierfür der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit 125 , jedoch ist die Enteignungsbehörde zum Widerruf nicht erst nach erfolgloser Anwendung von Verwaltungszwang berechtigt. Aus Gründen des Vertrauensschutzes für den Begünstigten sind jedoch Abmahnung, Androhung und Fristsetzung Voraussetzungen für den Widerruf der Enteignungsverfügung wegen nichterfüllter Auflagen.

6. Auflagenvorbehalt Gemäß § 36 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG kann die Enteignungsverfügung auch mit einem Auflagenvorbehalt versehen werden. Dies wird sich regelmäßig auch empfehlen. Wie bereits nachgewiesen wurde, ist die Wahl angemessener Sicherungsmittel ebenso wie das Gemeinwohlurteil selbst durch das Prognoserisiko erschwert. In dieser Situation eröffnet der Auflagenvorbehalt zum Teil die Chance, auf zukünftige tatsächliche Entwicklungen wirkungsvoll zu reagieren 126. Nicht verkannt wird dabei, daß sich andererseits das Problem der Kalkulierbarkeit solcher Auflagen durch den Enteignungsbegünstigten stellt. Dennoch ist der Auflagenvorbehalt in diesem Rahmen eine geeignete Möglichkeit, das Gemeinwohlvorhaben gegenüber zukünftigen Unwägbarkeiten zu sichern.

VII. Öffentlichrechtliche Verträge Durch das Teststrecken-Urteil des BVerfG 1 2 7 ist der öffentlichrechtliche Vertrag als Sicherungsmittel in den Blickpunkt rechtswissenschaftlicher Diskussion 128 geraten. 1. Rechtsnatur des Vertrages Festzuhalten ist zunächst, daß sowohl das BVerfG als auch die vorher entscheidenden Fachgerichte 129 die öffentlichrechtliche Natur der zwecksichernden Plan124 Siehe schon oben 9. Kap. D. III. 2. a. 125 BVerwG, Urt. v. 16. 9. 1975, BVerwGE 49, 160 (168); Kopp, VwVfG, § 49 Rdnr. 32; Schachel, Nebenbestimmungengen zu Verwaltungsakten, S. 36. 126 Im Ergebnis ebenso: Stummer, Die öffentliche Zweckbindung der enteigneten Sache, S. 154. 127 BVerfG, Urt. v. 24. 3. 1987 - 1 BvR 1046/85 - S. 41, BVerfGE 74, 264 (296) = NJW 1987, 1251. 128 Grämlich, Die Unternehmensflurbereinigung — ein Mittel zur Verwirklichung städtebaulicher Maßnahmen? UPR 1986, 161 (166). 129 BVerwG, Urt. v. 14. 3. 1985, BVerwGE 71, 108 = NVwZ 1985, 739; VGH BadWürtt, Urt.v. 6. 7. 1983, ESVGH 34, 24.

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Vereinbarung anerkannt haben, die am 9.12.1985 die Gemeinde Assamstadt, die Stadt Boxberg, die Daimler-Benz AG und das Land Baden-Württemberg geschlossen hatten. Die früher vertretenen abweichenden Meinungen 130 können daher heute als überholt angesehen werden. Seit Inkrafttreten des VwVfG des Bundes und der Länder lassen sie sich ohnehin nicht mehr begründen 131. Zwecksichernde Planvereinbarungen sind daher öffentlich-rechtliche Verträge.

2. Zulässigkeit des Vertrages und rechtmäßiger Vertragsinhalt In der verwaltungsrechtlichen Literatur ist seit der Geltung des VwVfG auch unbestritten, daß für einen öffentlichrechtlichen Vertrag zwar der Vorrang des Gesetzes, nicht aber der Vorbehalt des Gesetzes zu beachten ist (§ 54 S. 1 VwVfG). Eine gesetzliche Grundlage ist entgegen der Ansicht des BVerfG also nicht erforderlich 132 . Auf eine wesentliche Beschränkung der Anwendbarkeit öffentlich-rechtlicher Verträge als Sicherungsmittel läuft die Ansicht von Wendrich 133 hinaus. Nach seiner Ansicht setzt das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen einem rechtmäßigen Vertragsinhalt Grenzen. Eine vertragliche Bindung des Privaten in der Gestaltung seiner Preise wäre demnach gemäß § 15 GWTO nichtig. Dem kann nicht zugestimmt werden, da § 15 GWB einen Vertrag zwischen zwei Unternehmen voraussetzt. Der Staat als Enteignungsbehörde kann jedoch nicht mit einem Unternehmer gleichgesetzt werden, da er insoweit weder Dienstleistungen anbietet noch vergleichbare Eigenschaften besitzt.

3. Zweckmäßigkeit öffentlichrechtlicher Sicherungsverträge Die Zweckmäßigkeit öffentlichrechtlicher Sicherungsverträge hat Stummer 134 unter dem Aspekt angezweifelt, daß die Enteignungsbehörde bei Verstößen gegen 130

Börner, Gefährdungshaftung für Pipelines aus Vertrag zugunsten Dritter?, BayVBl. 1976, 645; gegen ihn zu Recht: Renck, Enteignungsrecht und vertragliche Anlagenhaftung, BayVBl. 1977, 429. Zu den Schwierigkeiten bei Annahme eines zivilrechtlichen Vertrages vgl. Gaßner, Der freihändige Grunderwerb der öffentlichen Hand, S. 168. Zum gleichgelagerten Problem der Vereinbarungen über die Verlegung von Versorgungsleitungen in den Straßenkörpern bestehen allerdings gesetzliche Regelungen (§ 8 Abs. 10 FStrG, Art. 22 Abs. 2 BayStrWG), die die privatrechtliche Natur dieser Verträge festlegen; zu Recht kritisch: Bartlsperger, DVB1. 1980, 249; Schlosser, BayVBl. 1982, 545, aber auch BGH, NVwZ 1983, 499. 131 Dies gilt unabhängig vom Streit über die Abgrenzungstheorien, vgl. hierzu: Kopp, VwVfG, § 54 Rdnr. 6 ff. 132 Ausführlich oben 6. Kap. E. . 133 Wendrich, Der Bau von Straßen für den öffentlichen Verkehr durch Private, BauR 1985, 152 (163). Stummer, Die öffentliche Zweckbindung der enteigneten Sache, S. 160.

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die vertraglichen Vereinbarungen nicht rasch und wirksam einschreiten könne, vielmehr den umständlichen Weg über eine allgemeine Leistungsklage vor das Verwaltungsgericht beschreiten müsse. Dem ist aber entgegenzuhalten, daß sich der Private nach § 61 VwVfG der sofortigen Vollstreckung unterwerfen kann, soweit dies für eine wirksame Sicherung als erforderlich angesehen wird. Ein öffentlichrechtlicher Vertrag wird sich daher vor allem dann als Sicherungsmittel anbieten, wenn die speziellen tatsächlichen Umstände besonders kompliziert sind und es nötig ist, die individuellen Besonderheiten des Sachverhalts zur Geltung zu bringen. In dieser Situation ist eine zweiseitige Vereinbarung regelmäßig besser geeignet als eine hoheitliche Anordnung. Außerdem bietet ein Vertrag dann den Vorteil, daß der Enteignungsbegünstigte an den Vertragsverhandlungen mitgewirkt hat und daher seine Bereitschaft größer ist, die eingegangenen Verpflichtungen auch zu erfüllen.

4. Allgemeine Geschäftsbedingungen und Formularverträge Wie bei sonstigen Verträgen auch bestehen keine rechtlichen Bedenken, den Sicherungsvereinbarungen allgemeine Geschäftsbedingungen zugrunde zu legen 135 oder mustermäßige Formularverträge zu verwenden, soweit es sich um Standardprobleme handelt 136 .

5. Verträge zugunsten Dritter Schließlich ist die Enteignungsbehörde zwar nicht verpflichtet, aber andererseits auch nicht gehindert, die Sicherungsvereinbarung als Vertrag zugunsten Dritter auszugestalten. Dies bedeutet, daß der Allgemeinheit oder Teilen der Allgemeinheit ein Rechtsanspruch gegenüber dem Enteignungsbegünstigten auf Leistung eingeräumt wird. Voraussetzung ist lediglich, daß die Person des Dritten anhand der vertraglichen Vereinbarung auch bestimmbar ist 1 3 7 . 135 Vgl. beispielsweise § 4 der Allgemeinen Bedingungen für Privatgleisanschlüsse (PAB) vom 1.1. 1955, wonach der private Anschließer die Mitbenutzung durch Dritte nur insoweit versagen darf, als sein regelmäßiger Betrieb dadurch beeinträchtigt wird und er einen Schaden erleiden würde. 136 in vergleichbaren Fallgestaltungen sind der Verwaltung entsprechende Musterverträge keineswegs unbekannt. Genannt werden darf das Muster eines Rahmenvertrages zur Regelung der Mitbenutzungsverhältnisse bei Bundesfernstraßen und Leitungen der öffentlichen Versorgung, in: VkBl. 19.75,69 ff und VkBl. 1969,27 ff. Verwiesen werden darf auch auf die Vertragsverhältnisse bei einer Subventionsvergabe (in Bayern beispielsweise durch die Bayerische Landesanstalt für Aufbaufinanzierung), bei der nicht selten die Hausbank als sog. Darlehensmittler eingeschaltet wird. 137 Renck, Enteignungsrecht und vertragliche Anlagenhaftung, BayVBl. 1977, 429 (431); sowie allgemein Palandt / Heinrichs, BGB, § 328 Anm. 1 b) bb); ohne überzeugenden Grund zu eng: Börner, Gefährdungshaftung für Pipelines aus Vertrag zugunsten Dritter?, BayVBl. 1976, 645 (648).

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6. Leistungsstörungen und Wegfall der Geschäftsgrundlage Auf öffentlichrechtliche Verträge können über § 62 VwVfG die Regelungen des BGB für Leistungsstörungen entsprechend angewandt werden 138 . Bei der Enteignung zugunsten Privater gilt nichts anderes. Besondere Bedeutung erlangt in diesen Fällen § 60 VwVfG bzw. die entsprechende Regelung des Landesrechts, da sie eine besondere Ausprägung der Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage darstellen 139 . Greifen diese Vorschriften ein, so haben sie regelmäßig eine Pflicht zur Vertragsanpassung zur Folge: erst wenn diese unmöglich oder unzumutbar ist, wird ein Rücktrittsrecht gewährt 140 . Die als Regelfall vorgesehene Vertragsanpassung entspricht in besonderer Weise der hier vertretenen dynamischen Flexibilität bei der Betrachtung des Wohls der Allgemeinheit.

VIII. Vertragsstrafe Bereits im Jahre 1918 bei der Beratung über die Ergänzung des Art. I A des Bayerischen Zwangsabtretungsgesetzes um die Ziffern 17 und 18 hielt Minister von Brettreich im Finanzausschuß der Abgeordneten-Kammer die Festsetzung einer Vertragsstrafe für den Fall der Nichterfüllung der Verpflichtungen durch den Privaten für rechtlich möglich 141 . Aber auch in unseren Tagen werden Vertragsstrafeversprechen in vergleichbaren Situationen praktiziert, so ζ. B. im Vertrag zwischen der BMW A.G. und der Stadt Regensburg über die Ansiedlung des BMW-Werkes V I in Regensburg-Harting 142. Die Rechtsprechung hat eine derartige Vorgehensweise der Verwaltung — wenn auch in anderem Zusammenhang — gebilligt 143 . Danach ist es prinzipiell 138 Zu denken ist dabei nicht nur an Unmöglichkeit und Verzug. Wurde beispielsweise lediglich eine rechtsgeschäftliche Zweckvereinbarung geschlossen und wird der Vertragszweck verfehlt, kann die öffentliche Hand das Grundstück vom Begünstigten aus § 812 Abs. 1 S. 2 Alt.2 BGB (condictio causa data causa non secuta) zurückverlangen. Vgl. allgemein BayObLG, Urt. v. 5. 7. 1973, BayVBl. 1973, 498; Molodovsky, BayEG, Art. 16 Anm. 3. 2. 4.; Gaßner, Der freihändige Grunderwerb der öffentlichen Hand, S. 166. Da es sich lediglich um eine entsprechende Anwendung handelt, vermag entgegen von Mutius (Eigentumsgarantie und Anspruch auf Rückübereignung bei Nichtverwirklichung des Enteignungszwecks, VerwArch 1975,284) der Enteignungseingriff das fehlende Leistungsverhältnis zu ersetzen. 139 Kopp, VwVfG, § 60 Rdnr. 2. 140 Medicus, Bürgerliches Recht, Rdnr. 168. Vorrangig ist freilich die ergänzende Vertragsauslegung, vgl. BGH, DVB1. 1982, 1089. Eine Vertragsanfechtung wegen Irrtums scheidet jedoch regelmäßig aus, da Vorstellungen über die künftige Verwendung des Eigentums meist ein unbeachtlicher Motivintum sein werden. 141 Vgl. näher Burger, Die wirtschaftlichen Auswirkungen des Bayerischen Zwangsabtretungsgesetzes vom 7. 11. 1837, S. 66. 142 Auskunft der Stadt Regensburg vom 25. 3. 1987. 143 BayVGH, Urt. v. 21.7. 1983, BayVBl. 1983, 730; VGH Bad-Württ, Urt. v. 12. 3. 1985, ZBR 1986, 81.

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statthaft, wenn sich die öffentliche Verwaltung im Rahmen eines zulässigen öffentlich-rechtlichen Vertrages von einer Privatperson die Zahlung einer Vertragsstrafe zur Sicherung einer vertraglichen Pflicht versprechen läßt. Über § 62 S. 2 VwVfG bzw. der entsprechenden Landesvorschrift finden hierauf die §§ 339 ff BGB Anwendung. Das aus dem Rechtsstaatsprinzip in Verbindung mit den Grundrechten ableitbare Erfordernis einer gesetzlichen Grundlage für Eingriffe in „Freiheit und Eigentum" erfaßt nach Ansicht des VGH Baden — Württemberg 144 die Vereinbarung einer Vertragsstrafe nicht. Denn wegen der einverständlichen Mitwirkung der Vertragspartner am Inhalt und Zustandekommen des Vertrages fehlt es von vornherein an hoheitlichen Eingriffen, die der gesetzlichen Grundlage bedürften. So bleibt als gerichtlicher Prüfungsmaßstab für eine Vertragsstrafenvereinbarung der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der für jedes Verwaltungshandeln gilt. Insbesondere wird regelmäßig zu fragen sein, ob die Höhe der Vertragsstrafe in angemessener und ausgeglichener Relation zu ihrem Zweck steht. Dabei ist jedoch zu bedenken, daß der Zweck der Strafvereinbarung in der Sicherung der Realisierung des Enteignungsvorhabens liegt. Da dieses Vorhaben den Anforderungen des Wohls der Allgemeinheit als Enteignungsvoraussetzung genügen muß, besitzt es ein großes Gewicht. Entsprechend hoch kann auch das Versprechen der Vertragsstrafe ausfallen.

IX. Sicherheitsleistung und Bürgschaft Gegenüber der Vertragsstrafe scheint die Sicherheitsleistung 145 das noch stringentere Sicherungsmittel zu sein. Denn der Enteignungsbegünstigte hat die Sicherheit bereits zu Beginn der Herstellung des Vorhabens und nicht erst im Krisenfall zu stellen. Auch wird dem Begünstigten bereits zu diesem früheren Zeitpunkt Kapital entzogen, das er von da an zumeist nicht mehr nutzen kann. Gerade darin kann aber nicht selten ein wirkungsvoller Zwang zu einem bestimmten Verhalten liegen. Die Sicherheitsleistung bietet sich daher vor allem als ergänzendes Sicherungsmittel an, wenn ein hoher Grad an Sicherungszuverlässigkeit erforderlich scheint. So kann ein Verhalten des Begünstigten, das bis zu einem bestimmten Zeitpunkt erbracht werden soll, mit einem Vertragsstrafeversprechen, das mit einer befristeten Sicherheitsleistung kombiniert ist, gesichert werden. Das Verlangen an den Begünstigten in diesen Situationen, entsprechende Sicherheiten zu stellen, ist ein äußerst wirkungsvolles Sicherungsinstrument. Zum einem verspürt 144 VGH Bad-Württ, Urt. v. 12. 3. 1985, ZBR 1986, 81. 145 Nicht in Betracht kommt hingegen eine Hinterlegung iSd §§ 372 ff BGB, da für eine Hinterlegung zu Sicherungszwecken ausschließlich §§ 232 ff BGB gelten; Palandt/ Heinrichs, BGB, Einf. v. § 372 Anm. 2 b).

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der Begünstigte von vornherein, welche Folgen sein Fehlverhalten haben wird. Zum anderen erklärt sich die Effizienz einer Sicherheitsleistung aus der Tatsache, daß dieses Sicherungsmittel es ermöglicht, dem Enteignungsbegünstigten bei Nichterfüllung des Gemeinwohlzieles empfindliche finanzielle Einbußen aufzuerlegen, ohne ihm gleich das Eigentum entziehen zu müssen. Ihm wird also vor Augen geführt, daß sich die Nichtbeachtung der übernommenen Verpflichtung nicht lohnt, gleichzeitig wird ihm aber eine neue Chance eingeräumt, mit dem übertragenen Eigentum den Enteignungszweck zu verwirklichen. Die Möglichkeit, eine Sicherheitsleistung verlangen zu können, ist für einen schmalen Anwendungsbereich gesetzlich geregelt 146 , dessen Erweiterung hier vorgeschlagen wird. Die Verpflichtung zur Sicherheitsleistung kann sich aber auch aus Vertrag ergeben 147. Es handelt sich dabei dann um einen öffentlichrechtlichen Vertrag nach §§ 54 ff VwVfG. Unabhängig davon gelten für die Abwicklung, d.h. für die Art und Weise der Sicherheitsleistung ggf. über § 62 S. 2 VwVfG die §§ 232-240 BGB. Allerdings ist die praktische Bedeutung der §§ 232 ff. BGB gering 148 . Dies liegt daran, daß zumeist für den Sicherungsgeber wirtschaftlichere Arten der Sicherungsleistung gefunden werden, die den Sicherungsnehmer genauso wirkungsvoll vor drohenden Nachteilen zu schützen vermögen. Zu denken ist vor allem an die Hinterlegung beim Notar, die Einrichtung eines Treuhandkontos oder an eine Bürgschaft. Insbesondere die Bürgschaft 149 eignet sich bei einer Enteignung zugunsten Privater, um zu vermeiden, daß der Enteignungsbegünstigte sein Geschäfts- und Wirtschaftsrisiko auf den Staat abschiebt. Nur allzu groß ist die Versuchung für ihn, das Risiko von Illiquidität und Mißwirtschaft auf den Staat zu verlagern, zumal sich dieser regelmäßig nicht die Blöße geben will einzugestehen, durch die Enteignung zugunsten der betreffenden Privatperson eine Fehlentscheidung getroffen zu haben. Diese Gefahr läßt sich durch die Forderung einer entsprechenden Bürgschaft verringern, wie dies bereits heute im Subventionsrecht durchaus praktiziert wird. In der Praxis wird sich dabei eine Bankbürgschaft anbieten. Diese Lösung hat für den Staat außerdem den Vorteil, daß es sich dabei zumeist um die Hausbank des Begünstigten handelt, die mit dessen wirtschaftlicher Lage bestens vertraut ist, und daß die Bank aufgrund ihrer sonstigen Kreditvergabe über die notwendige Erfahrung und das notwendige Instrumentarium für eine wirkungsvolle Überwachung des Geschäftsgebarens des Enteignungsbegünstigten verfügt. 146 Hinterlegungspflicht bei Streit über die Personen der Entschädigungsberechtigten, Art. 35 Abs. 1 BayEG. 147 Palandt/Heinrichs, BGB, Überbl. vor § 232 Anm. 1. 148 Palandt/Heinrichs, BGB, Überbl. vor § 232 Anm. 3; Puhr-Westerheide, BayEG, Art. 21 Anm. 3 b) übersieht die Beschränkung in § 232 Abs. 1 HS 1 BGB. 149 Als Hauptschuld der Bürgschaft läßt sich beispielsweise auch ein Vertragsstrafeversprechen denken.

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X. Sicherungsdienstbarkeit Ob neben dem klassischen Instrumentarium öffentlichrechtlicher Sicherungsmittel auch Gestaltungsformen des Privatrechts zur Erreichung öffentlicher Zwecke herangezogen werden sollen, wird man unterschiedlich bewerten können. Stellt aber das öffentliche Recht keine vergleichbaren Sicherungsmittel zu Verfügung, so besteht bei der Enteignung zugunsten Privater fraglos ein entsprechendes Bedürfnis. Da ohne zuverlässige Sicherung die Enteignung verfassungswidrig ist, liegt das Bedürfnis nicht nur auf Seiten des Staates, sondern auch auf Seiten des Enteignungsbegünstigten. Unabhängig von der Zweckmäßigkeit zivilrechtlicher Sicherungsmöglichkeiten ist hier die Frage nach dem Umfang einer rechtmäßigen Verwendung zu klären.

1. Dingliche Sicherungen für öffentliche Zwecke Für den Bereich des Immobiliarsachenrechts stellt das BGB eine Reihe dinglicher Sicherungen zur Verfügung. Ihr erster Vorzug liegt in ihrer dinglichen Wirkung, d.h. die Rechtsstellung des Berechtigten überdauert einen Wechsel in der Person des Eigentümers der belasteten Sache. Darüber hinaus ist bei der Belastung eines Grundstückes mit einem Recht die Eintragung der Rechtsänderung in das Grundbuch erforderlich (§ 873 Abs.l BGB). Dessen Publizität und Rechtsscheinwirkung nach § 892 BGB läßt das Problem eines lastenfreien gutgläubigen Erwerbs regelmäßig gar nicht erst aufkommen. In der Rechtsprechung der Zivilgerichte 150 ist heute anerkannt, daß für die Zulässigkeit dinglicher Sicherungen jeder schutzwürdige, wirtschaftliche oder ideelle Vorteil genügt. Dabei kann der Vorteil auch ausschließlich im öffentlichen Interesse liegen. Insbesondere die staatliche Leistungsverwaltung bedient sich schon bisher dinglicher Sicherungen, um die für die Förderung vorausgesetzte Nutzung der Sache festzuschreiben. Rechtlich zulässig ist es zunächst, Grunddienstbarkeiten (§§ 1018 - 1029 BGB) und Nießbrauch (§§ 1030 — 1089 BGB) zur Sicherung öffentlicher Zwekke heranzuziehen. In der Praxis wird jedoch nahezu ausschließlich die beschränkte persönliche Dienstbarkeit (§§ 1090 — 1093 BGB) eingesetzt151. Sie zeichnet sich dadurch aus, daß die umfassende Herrschaftsmacht des Grundstückseigentümers eingeschränkt wird und dem Dienstbarkeitsberechtigten ein subjektiv persönliches Recht auf Teilhabe an den Eigentümerbefugnissen eingeräumt wird 1 5 2 150 BGH, Urt. v. 11. 3. 1964, BGHZ41, 209 (211); BayObLG, Beschl. v. 17. 5. 1985, BayObLGZ 1985, 193 (200); zustimmend: Palandt / Bassenge, BGB, § 1090 Anm. 4; anders noch: RGZ 61, 338. 151 Nicht selten wird sie dabei mit einer inhaltsgleichen Grunddienstbarkeit zugunsten eines privaten Dritten verbunden; so die Auskunft der Landesnotarkammer Bayern vom 24. 6. 1987. Die Ablehnung einer Eintragung in das Grundbuch mit dem Argument der überflüssigen Doppelsicherung steht dem Grundbuchamt nicht zu, BayObLGZ 1982,246.

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9. Kap.: Die Sicherung des Wohls der Allgemeinheit

2. Verhaltenssicherung durch Dienstbarkeit Das so beschriebene dingliche Sicherungsrecht eignet sich auch als Mittel zur Sicherung öffentlicher Zwecke 153 . Bei der Enteignung zugunsten Privater ist die beschränkt persönliche Dienstbarkeit in der Lage, bis zu einem gewissen Umfang, der noch zu erörtern ist, den Enteignungsbegünstigten zu einem bestimmten Verhalten zu zwingen. Eine Tatsache läßt sie dabei als Sicherungsmittel besonders brauchbar erscheinen: Das BGB gewährt den Beteiligten bei der Ausgestaltung der Dienstbarkeiten eine verhältnismäßig weite vertragliche Freiheit. Es hat der Grunddienstbarkeit und der beschränkt persönlichen Dienstbarkeit nur gesetzliche Rahmenvorschriften mit auf den Weg gegeben, die durch die zugrunde liegende vertragliche Vereinbarung ausgefüllt werden müssen. Im Unterschied hierzu hat das BGB den Inhalt der sonstigen Sachenrechte unmittelbar durch das Gesetz selbst festgelegt. Die beschränkte persönliche Dienstbarkeit kommt daher auf besondere Weise der vom Wohl der Allgemeinheit geforderten dynamischen Flexibilität der Sicherung des Enteignungszweckes entgegen. Inhalt einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit nach § 1090 BGB kann dabei sein, was nach § 1018 BGB als Inhalt einer Grunddienstbarkeit zulässig ist. Für die Enteignung zugunsten Privater kommt dabei vor allem der zweite Absatz des § 1018 BGB in Betracht. Demgemäß dürfen auf dem Grundstück bestimmte Handlungen nicht vorgenommen werden (Unterlassungsdienstbarkeit). Eine aktive Handlung kann hingegen nicht erzwungen werden. Andererseits braucht die beschränkte persönliche Dienstbarkeit dem Berechtigten nicht selbst unmittelbar zugute kommen. § 1019 BGB gilt nicht. Auch dies macht sie als Sicherungsmittel für die Enteignung zugunsten Privater geeignet. Nach § 1092 Abs. 1 S. 2 BGB kann der berechtigte Staat die Ausübung der Dienstbarkeit einem anderen überlassen, wenn dies in dem dinglichen Rechtsgeschäft vereinbart ist. Da die Dritten nicht Inhaber der Dienstbarkeit sind 154 , müssen sie auch in der Eintragungsbewilligung nicht namentlich bezeichnet sein. Eine entsprechende Vereinbarung ist bei der privatbegünstigenden Enteignung daher stets möglich und auch erforderlich.

152 Münch-Komm-Falckenberg, BGB, vor § 1018 Rdnr. 5. 153 Grundlegend: Odersky, Die beschränkte persönliche Dienstbarkeit als Mittel zur Sicherung öffentlicher Zwecke, in: Festschrift 125 Jahre Bayerisches Notariat, herausgegeben vom Bayerischen Notarverein e.V., 1987, S. 213 ff; vgl. weiter Mattheis, Erforderlichkeit der Enteignung für Energieversorgungsleitungen, NJW 1963, 1805; Leisner, Grundeigentum und Versorgungsleitungen, S. 12. 154 BayObLG, Beschl. v. 8. 6. 1982, BayObLGZ 1982, 246 (250).

G. Denkbare Sicherungsmittel

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3. Bestimmtheit der Handlung Eine erste Rechtmäßigkeitshürde stellt der sachenrechtliche Bestimmtheitsgrundsatz dar. Die Handlungen, die auf dem Grundstück nicht vorgenommen werden dürfen, müssen genügend bestimmt bezeichnet sein 155 . Dabei muß sich der genaue Inhalt aus der Eintragungsbewilligung, auf die gemäß § 874 BGB Bezug genommen werden darf, ergeben. Materiell unwirksam ist daher eine Dienstbarkeit, die auf die entsprechenden Festsetzungen eines Bebauungsplanes Bezug nimmt 1 5 6 . Gleichgültig ist demgegenüber, ob die untersagten Handlungen aufgezählt oder dadurch bestimmt werden, daß bezeichnet wird, was gestattet bleibt. Für die Enteignung zugunsten Privater ist weiter von Bedeutung, daß eine Vereinbarung, die sich in der Wiederholung dessen erschöpft, was bereits gesetzlich gilt, nicht Inhalt einer Dienstbarkeit sein kann 157 .

4. Beschränkung im tatsächlichen Gebrauch Die dem Eigentümer gemäß § 1018 2. Alt BGB auferlegten Unterlassungspflichten müssen zu einer Beschränkung im tatsächlichen Gebrauch des Grundstückes führen 158 . Die Freiheit, Rechtsgeschäfte abzuschließen, kann nämlich nach § 137 BGB nicht eingeschränkt werden. Erforderlich ist demnach, daß die Vornahme der verbotenen Handlungen eine andere tatsächliche Benutzung darstellen würde als dies bei den weiterhin zulässigen Handlungen der Fall ist. Bei der Enteignung von Immobilien zugunsten Privater soll zumeist ein bestimmtes faktisches Verhalten des Enteignungsbegünstigten mit dem enteigneten Grundstück erreicht werden. Jedoch besteht die Gefahr, dieses tatsächliche Verhalten unnötigerweise als Beschränkung der rechtlichen Verfügungsfreiheit der Dienstbarkeit zugrunde legen zu wollen 159 . Ein Rechtsprechungsbeispiel aus dem Bereich der Subventionsvergabe soll dies illustrieren. Die Verpflichtung, auf dem Grundstück nur Einrichtungen zu erstellen und zu betreiben, die dem Fremdenverkehr dienen, ist einerseits zu unbestimmt 160 , andererseits eine unzulässige Beschränkung der rechtlichen Verfügungsfreiheit. Denn die Möglichkeit zu vermieten, ist eine rechtliche Befugnis. In beiden Fällen wird die Wohnung zu Wohnzwecken genutzt. Ob sie jetzt der Eigentümer selbst oder ein Fremdenverkehrsgast benutzt, ändert an der tatsächlichen Nutzung nichts. Dagegen enthält iss BayObLG, Beschl. v. 6. 8. 1985, BayObLGZ 1985, 285 (287). 156 BayObLG, Beschl. v. 27. 11. 1981, NJW 1982,1054; weitere Beispiele in MünchKomm-Falckenberg, BGB, § 1018 Rdnr. 1 Iff. 157 Staudinger/Ring, BGB, §1018 Rdnr. 53; Münch-Komm-Falckenberg, BGB, § 1018 Rdnr. 49. iss BayObLG, Beschl. v. 6. 8. 1985, BayObLGZ 1985, 285 (287). 159 Vgl. weiter Odersky, FS 125 Jahre Bayer. Notariat, S. 223. 160 BayObLG, Beschl. v. 27. 11. 1981, NJW 1982, 1054.

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9. Kap.: Die Sicherung des Wohls der Allgemeinheit

die Umschreibung „fremdenverkehrsgewerblicher Beherbergungsbetrieb mit ständig wechselnder Belegung" eine Beschränkung im tatsächlichen Gebrauch des Grundstücks und hat daher der Prüfung des BayObLG 1 6 1 stand gehalten 162 . Die Enteignungsbehörde kann daher gar nicht genügend Sorgfalt auf eine präzise Formulierung des zutreffenden Inhalts der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit legen. 5. Faktischer Zwang zu positivem Tun Es wurde bereits erwähnt, daß im Unterschied zur Reallast eine Dienstbarkeit nie die Verpflichtung zu einem positiven Tun zum Hauptinhalt machen kann 163 . Hieraus aber leitet ein Großteil der Literatur 164 erhebliche Bedenken gegen die Zulässigkeit einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit zur Sicherung öffentlicher Zwecke her. Die vorgebrachten Einwände betreffen die Rechtmäßigkeit ihrer Verwendung im Rahmen einer privatbegünstigenden Enteignung. Denn aus dem Verbot des Zwanges zu positivem Tun wird die Unzulässigkeit hergeleitet, in einer Dienstbarkeit den Kreis der verbotenen Handlungsweisen soweit zu ziehen, daß der Verpflichtete zu einer bestimmten Handlungsweise gezwungen werde. Wären nämlich alle Handlungsalternativen bis auf eine verboten, so werde der Verpflichtete gezwungen, sein Grundstück auf diese eine Weise zu nutzen. In diesen Fällen sei die alleinige Alternative für den Eigentümer, sein Grundstück überhaupt nicht mehr zu nutzen. Ihm verbleibe nur noch eine einzige sinnvolle Nutzungsmöglichkeit. Mit Beschluß vom 6. 8. 1985 hatte das BayObLG 165 über eine derartige Fallgestaltung zu entscheiden. Zu Recht teilte das Gericht die vorgetragenen Bedenken nicht. Daß dem Eigentümer nur eine sinnvolle Nutzungsmöglichkeit verbleibt, macht die Dienstbarkeit danach nicht unzulässig. Denn abgesehen davon, daß es keinen brauchbaren Maßstab für die Bewertung des Sinngehalts einer Nutzungsmöglichkeit gibt und die Gegenmeinung weder im Gesetzeswortlaut noch in den Motiven zum BGB eine Stütze findet, verpflichtet die Dienstbarkeit den 161 BayObLG, Beschl. v. 17. 5. 1985, BayObLGZ 1985, 193 (199). 162 Genauer zum vorliegenden Abgrenzungsproblem: Odersky, FS 125 Jahre Bayer. Notariat, S. 225. 163 BGH, WPM 1984, 820. 164 Münch-Komm-Falckenberg, BGB, § 1018 Rdnr. 43; Münch-Komm-Joost, BGB, § 1090 Rdnr. 8; Horber, GBO, Anhang zu § 44 Anm. 5. 165 BayObLG, Beschl. v. 6. 8. 1985, BayObLGZ 1985, 285 (288). Es ging um die Eintragungsfähigkeit einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit mit dem Inhalt: „Es ist dem Grundstückseigentümer untersagt, auf die Dauer von 10 Jahren . . . das Grundstück Fl.Nr.. . samt allen darauf befindlichen Gebäuden zu anderen Zwecken als zum Betrieb einer Behindertenwerkstatt im üblichen Sinne zu nutzen. Der Grundstückseigentümer hat alle Maßnahmen zu unterlassen, die diesem Zweck zuwiderlaufen". Das BayObLG hat die Eintragungsfähigkeit bejaht. Eine vergleichbare Sicherung drängt sich m.E. auf, wenn das Grundstück für die betreffende Privatperson enteignet worden wäre.

G. Denkbare Sicherungsmittel

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Eigentümer nicht, das Vorhaben auch wirklich zu betreiben. Die Dienstbarkeit entfaltet bei Betriebseinstellung keine Sanktionen. Vor dem Hintergrund der Problemstellung bei einer Enteignung zugunsten Privater ist diese Entscheidung im vollen Umfang zu begrüßen. Das BayObLG gibt damit ein wirksames Mittel zur Sicherung des Enteignungszweckes an die Hand. Es liegt an den Enteignungsbehörden, es nunmehr auch anzuwenden.

6. Die Sicherung eines Kontrahierungszwanges Ob die Gerichte von der Gleichsetzung der tatsächlichen Veranlassung und der rechtlichen Verpflichtung künftig auch in den Fällen abrücken werden, in denen mit Hilfe einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit faktisch ein Kontrahierungszwang durchgesetzt werden soll, ist derzeit noch offen 166 . Bis zu einer gerichtlichen Klärung kann daher den Enteignungsbehörden jedenfalls nicht empfohlen werden, einen Zwang zum Abschluß eines bestimmten Vertrages ausschließlich über eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit zu sichern.

7. Praktizierte Anwendungsfälle Da die Enteignungsbehörden die Sicherung des Enteignungszweckes bisher weitgehend vernachlässigt haben, sind sie auch bei der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit darauf angewiesen, zur Abschätzung des notwendigen Sicherungsinhalts und der Sicherungszuverlässigkeit vergleichbare Fallkonstellationen heranzuziehen. Daß eine Dienstbarkeit zugunsten des Staates weitgehende Baubeschränkungen, ja ein vollständiges Bauverbot zum Inhalt haben kann, ist vielfach bekannt 167 . Weitere Beispiele finden sich zumeist im Bereich der Leistungsverwaltung, insbesondere bei der Subventionsvergabe. Der Fall der Behindertenwerkstatt wurde bereits oben angesprochen. Darlehen zur Errichtung von Ferienwohnungen für den Fremdenverkehr 168 sowie zum Bau eines Omnibusbetriebshofes für den öffentlichen Nahverkehr 169 werden ebenfalls mit beschränk166 Ein wesentlich differenzierteres Meinungsbild zeichnet Odersky, FS 125 Jahre Bayer. Notariat, S. 224 ff. 167 Staudinger/Ring, BGB, §1018 Rdnr. 49; Münch-Komm-Falckenberg, BGB, § 1018 Rdnr. 35. 168 Der Inhalt der Dienstbarkeit, die die Regierungspräsidien in Bayern bestellen lassen, lautet: „ Dem Eigentümer des Grundstückes ist es auf die Dauer von 25 Jahren ab Eintragung der Dienstbarkeit untersagt, das Grundstück und die sich auf ihm befindlichen Gebäude über einen längeren Zeitraum als 6 Wochen im Jahr selbst zu bewohnen oder durch ein und denselben Dritten länger bewohnen zu lassen. Der unmittelbare Besitz an dem Grundstück darf somit durch ein und dieselbe Person nicht länger als 6 Wochen im Jahr ausgeübt werden". 169 Hierbei lautet der Inhalt der Dienstbarkeit, die die Regierungspräsidien in Bayern bestellen lassen: „Der Eigentümer verpflichtet sich, die auf dem vorgenannten Grundstück 18 Schmidbauer

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9. Kap.: Die Sicherung des Wohls der Allgemeinheit

ten persönlichen Dienstbarkeiten zugunsten des Staates gebunden. Die dort gemachten positiven Erfahrungen 170 sollten die Enteignungsbehörden ermuntern dieses Sicherungsmittel auch im Rahmen privat begünstigender Enteignung einzusetzen.

XI. Sonstige privatrechtliche und öffentlichrechtliche Bindungen In der rechtswissenschaftlichen Literatur wird rund um das Eigentum eine ganze Palette weiterer Sicherungsmittel, die eine bestimmte Verwendung des Eigentums erzwingen sollen, diskutiert. Auch wenn sie nicht auf die Enteignung zugunsten Privater bezogen sind, könnten sie doch auch für diesen Fall fruchtbar gemacht werden. Sie werden jedoch gegenüber den bisher aufgezeigten Möglichkeiten stets nur eine untergeordnete Rolle spielen. Man kann zwischen privatrechtlichen und öffentlichrechtlichen Bindungen unterscheiden.

1. Privatrechtliche Bindungen In der Zeit, als das Rechtsinstitut des öffentlich-rechtlichen Vertrages dogmatisch unbekannt war, wurden privatrechtliche Bedingungen zur Sicherung des Enteignungszweckes unmittelbar bei privatbegünstigenden Enteignungen eingesetzt. Tradiert ist dies vor allem bei der Enteignung von Industriegelände an Hafenanlagen. So hat im Jahre 1894 die Stadt Dortmund derartige Hafenplätze enteignet und einen Teil an private Unternehmen vermietet oder in Erbpacht gegeben171. Die Stadt Mannheim hat in den Jahren 1896 bis 1902 Hafengelände im Enteignungswege erworben und an Industrieunternehmen weiterverkauft, um dem Erwerber die Beschaffung des für Neuinvestitionen notwendigen Realkredits zu erleichtern. Zur Verhütung der Bodenspekulation wurden dreijährige Verkaufssperren vereinbart 172 . Im Jahre 1907 hat schließlich die Stadt Frankfurt das für den Osthafen enteignete Gelände an Private weiter verkauft. Im Mustervertrag ist eine Verpflichtung zur Errichtung und zum Betrieb der genau bezeichneten Anlage enthalten, sowie eine Genehmigungspflicht für eine Weiterveräußerung oder -Verpachtung innerhalb von 15 Jahren 173 . Jedoch bereits nach den Feststelneu zu errichtenden Gebäude ausschließlich dazu zu nutzen, Omnibusse unterzustellen, zu pflegen, zu warten und zu reparieren, die zu X % dem öffentlichen Personennahverkehr dienen und jede andere Nutzung des Omnibusbetriebshofes zu unterlassen". Die Rechtmäßigkeit dieser Formulierung ist m. E. zweifelhaft, da eine Dienstbarkeit nicht zu einem positiven Tun verpflichten kann. Als Inhalt der Dienstbarkeit kommt demnach nur eine Formulierung in Betracht, die alle anderen Nutzungsmöglichkeiten ausschließt. 170 Die Hinweise verdanke ich der Regierung der Oberpfalz in Regensburg. 17 1 Genauere Nachweise bei Stengel, Die Grundstücksenteignung zugunsten privater Wirtschaftsunternehmen, S. 76. 172 Stengel, a.a.O., S. 79. 173 Auszug aus dem Mustervertrag bei Stengel a.a.O., S. 77.

G. Denkbare Sicherungsmittel

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lungen Layers 174 war es für seine Zeit nur dem Mangel ausgebildeter Formen im öffentlichen Recht zuzuschreiben, daß für rechtsgeschäftliche Vereinbarungen zivilrechtliche Formen entlehnt werden mußten. Heute handelt es sich bei derartigen Vereinbarungen ausschließlich um öffentlichrechtliche Verträge 175 . Hypotheken-, Grund- und Rentenschulden werden überwiegend 176 als Sicherungsmittel für ungeeignet gehalten. Jedoch ist dies in dieser Pauschalität unzutreffend, sondern hängt vielmehr vom Sicherungsziel ab. Das gleiche trifft auf Reallasten (§§1105-1112 BGB) zu, durch die beispielsweise immerhin vom Enteignungsbegünstigten zu erbringende wiederkehrende Leistungen abgesichert werden können. In der Diskussion sind weiter Erbbaurechte 177 sowie Vorkaufsrechte 178. Schließlich darf noch auf die uneinheitlichen Sicherungsmethoden 179 bei der Verlegung von Versorgungsleitungen verwiesen werden, die von dinglicher Sicherung über Mietvertrag und Gestattungsvertrag bis hin zur Leihe reichen.

2. Öffentliche Bindungen Zu öffentlichen Sicherungsmitteln im weiteren Sinn zählt jede Maßnahme der Enteignungsbehörde, die Sanktionen für den Fall der Zuwiderhandlung gegen den Enteignungszweck vorsieht. Genannt werden kann beispielsweise die Auferlegung der Haftung für alle Nachteile des früheren Eigentümers, die diesem bei Scheitern des Enteignungsvorhabens erwachsen 180. Entgegen Puhr-Westerheide 181 ist jedoch die Widmung einer Sache höchstens eine flankierende Maßnahme, die für sich allein zur Sicherung des Enteignungszweckes nicht ausreicht. Hinzuweisen bleibt schließlich noch auf die gesetzliche Regelung für sogenannte steckengebliebene Vorhaben nach § 77 S. 2 VwVfG, auf die zeitlich begrenzte Möglichkeit einer Veränderungssperre gemäß § 14 Abs. 1 BauGB, sowie auf die Regeln des Folgenbeseitigungsanspruches.

XII. Offener Katalog der Sicherungsmittel und Enteignung Bereits einleitend wurde festgestellt, daß die Zahl der möglichen Sicherungsmittel nicht beschränkt ist. Diese Feststellung gilt es an dieser Stelle noch einmal 174

Lay er, Principien des Enteignungsrechtes. 175 Siehe oben 9. Kap. G. VII. 1. 176 Battis, in: Battis / Krautzberger / Lohr, BBauG, § 86 Rdnr. 2; Schrödter, BBauG, § 86 Rdnr. 5; Haas, Straßen- und U- Bahntunnel. Nach dem Beschluß des BVerfG zum Hamburger Enteignungsgesetz, DVB1. 1979, 21 (22); Ahlers, Die Sozialisierung von Grund und Boden, S. 237. 177 Maunz, Neue Entwicklungen im öffentlichen Bodenrecht, BayVBl. 1973, 569. 178 Gallent, Mehr als lOOJahre Eisenbahnenteignungsgesetz, ZfV 1981, 245 (248). 179 Schlosser, Verlegung von Versorgungsleitungen, BayVBl. 1982, 545 (550). ι 8 0 Kröner, Die Eigentumsgarantie in der Rechtsprechung des BGH, S. 80. 181 Puhr-Westerheide, Versorgungsleitung und Enteignung, BayVBl. 1976,460 (462). 18*

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9. Kap.: Die Sicherung des Wohls der Allgemeinheit

in das Gedächtnis zu rufen. Alles, was unter angemessener Berücksichtigung der Interessen des Begünstigten geeignet ist, die Realisierung des Enteignungszweckes wirksam zu sichern, kommt auch als denkbares Sicherungsmittel in Betracht. Der Fantasie der Verwaltung sind insoweit keine Grenzen gesetzt. Haben alle Sicherungsmittel versagt, bleibt der Verwaltung in jedem Fall die Möglichkeit, den Enteignungsbegünstigten wieder zu enteignen. Sein Grundrechtsschutz aus Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG ist entsprechend gering, da er das Enteignungsvorhaben nicht verwirklicht hat. Dasselbe Wohl der Allgemeinheit, das zuvor die Enteignung zu seinen Gunsten getragen hatte, rechtfertigt es, ihm nunmehr sein Eigentum wieder zu entziehen und die Realisierung des Gemeinwohlvorhabens in die Hand eines anderen zu legen. So ist schließlich die Enteignung selbst ein Mittel zur Sicherung des Wohls der Allgemeinheit.

H. Die Pflichtenstellung des enteignungsbegünstigten Privaten als Verwaltungsträger Ältere Autoren 1 nahmen eine besondere Bindung des durch die Enteignung begünstigten Privatunternehmers an. Ihre Ansicht gründete sich letztlich darauf, daß er als Verwaltungsträger in Dienst genommen wurde. Der enteignete Gegenstand würde demnach nicht in das freie Eigentum und die damit verbundene freie Dispositionsgewalt des Privaten übergehen. Immanent sollte er vielmehr zum extra commercium stehenden öffentlichen Gut werden, an dem dem Privaten nur der Gewahrsam mit der Verpflichtung zustand, es bestimmungsgemäß zu gebrauchen. Ein derartiges „besonderes Gewaltverhältnis" läßt sich unter der heute herrschenden Dogmatik nicht mehr aufrecht erhalten 2. Der Enteignungsbegünstigte wird Eigentümer. Das Eigentum ist lediglich mit Sicherungsvorkehrungen belastet, die aber nur garantieren sollen, daß er mit dem Eigentum den Gemeinwohlzweck verfolgt. Diese Ansicht stimmt mit der Rechtsprechung des BVerfG 3 überein. Auch diese hat weder ein — wie auch immer geartetes — Vorbehaltseigentum zugunsten der öffentlichen Hand oder ein auf lehensrechtlichen Vorstellungen basierendes Obereigentum konstruiert, sondern geht von einem unbedingten Eigentumserwerb aus4. Eine weitergehende besondere Pflichtenstellung des Begünstigten als Verwaltungsträger besteht daher nicht.

1 Nachweise bei Stengel, Die Grundstücksenteignung zugunsten privater Wirtschaftsunternehmen, S. 49. 2 Dies stimmt überein mit der Ansicht im 6. Kap. G. und H. 3 BVerfG, Beschl. v. 12. 11. 1974, BVerfGE 38, 187 = NJW 1975, 37. 4 Vgl. auch von Mutius, Eigentumsgarantie und Anspruch auf Rückübereignung bei NichtVerwirklichung des Enteignungszwecks, VerwArch 1975, 283 (286).

J. Möglicher Sicherungsinhalt

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J. Möglicher Sicherungsinhalt Nachdem die Palette der in Betracht kommenden Sicherungsmittel feststeht, hat sich die Enteignungsbehörde darüber klar zu werden, welchen Sicherungsinhalt sie festlegen muß. Dieser hängt vom konkreten Enteignungszweck ab und wirft meist keine größeren Probleme auf. Hier genügt es daher die häufigsten Fälle aufzuzeigen.

I. Herstellungspflicht Theoretisch lassen sich Enteignungen denken, deren Zweck bereits erfüllt ist, wenn das Vorhaben überhaupt hergestellt ist. In diesen Fällen genügt es, dem Enteignungsbegünstigten bloß eine Herstellungspflicht aufzubürden.

II. Betriebs- und Verwendungspflicht Regelmäßig wird der Enteignungszweck aber verlangen, daß das Vorhaben auch durchgeführt wird. Dies erfordert entweder die Verpflichtung, daß das Unternehmen auch tatsächlich betrieben wird oder der Enteignungsgegenstand für den vorgesehenen Zweck tatsächlich verwendet wird.

III. Kontrahierungspflicht Soll der Eigentumsgegenstand in der Hand des Privaten einer bestimmten Personengruppe konkret und direkt zugute kommen, so empfiehlt es sich schließlich, eine Kontrahierungspflicht des Enteignungsbegünstigten vorzusehen.

IV. Sonstige Einflußnahme auf die spätere unternehmerische Gestaltung Schließlich besteht noch die Gefahr, daß die unternehmerische Gewinnorientierung des Privaten den Enteignungszweck vereiteln könnte. Um einer Erschwerung des Zugangs vorzubeugen, werden sich die Enteignungsbehörden beispielsweise auch Einfluß auf die Gestaltung von Tarifen und Geschäftsbedingungen sichern müssen. Genehmigungs- und Zustimmungsvorbehalte scheinen die dafür geeigneten Maßnahmen zu sein1. Weitere Sicherungsinhalte hängen vom jeweiligen Enteignungszweck ab.

ι Stummer, Die öffentliche Zweckbindung der enteigneten Sache, S. 164.

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9. Kap.: Die Sicherung des Wohls der Allgemeinheit

K. Sonderprobleme Zum Schluß soll noch kurz auf zwei Sonderprobleme der Sicherung des Enteignungszweckes eingegangen werden, die sich beide nach Erlaß der Enteignungsverfügung stellen.

I. Rechtliche Zulässigkeit nachträglicher Sicherungsmaßnahmen Wie bereits erwähnt, vernachlässigt die heutige Praxis der privatbegünstigenden Enteignung notwendige Maßnahmen zur Sicherung des Enteignungszweckes weitgehend völlig. Es stellt sich daher die Frage, ob im Emstfall nachträgliche Sicherungsmaßnahmen ergriffen werden können. Dabei stehen sich einerseits die Durchsetzung des Wohls der Allgemeinheit iSd Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG, andererseits der rechtsstaatliche Vertrauensschutz des Enteignungsbegünstigten gegenüber. Eine Lösung wird sich am Rechtsgedanken des § 49 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 VwVfG zu orientieren haben. Dies bedeutet: Solange der Begünstigte den Enteignungszweck weiter verfolgt, braucht er bei unterlassenen Sicherungsmaßnahmen nicht damit rechnen, daß ihm nachträglich Vorschriften über die Art und Weise der Verwirklichung des Gemeinwohls gemacht werden 1. Sein Vertrauen ist jedoch nicht mehr schutzwürdig, wenn er die Verfolgung des Enteignungszweckes an sich aufgegeben hat.

II. Vorzeitige Beendigung der bestehenden Sicherung In geradezu diametralem Gegensatz hierzu stellt sich das zweite Problem: Welche Gründe führen zur rechtlichen Zulässigkeit einer vorzeitigen Beendigung der bestehenden Sicherung? Zu nennen ist zunächst die tatsächliche oder rechtliche Unmöglichkeit 2 . Aber auch das Wohl der Allgemeinheit kann sich im Laufe der Zeit derart wandeln, daß es die Enteignungsbehörde zu einer Aufhebung der bestehenden Sicherung zwingt. Dies setzt freilich voraus, daß das Gemeinwohl die Realisierung des Enteignungszweckes endgültig und auf Dauer nicht mehr erfordert.

1 Im Ergebnis ebenso: Stummer, a.a.O., S. 185. Werden hingegen von der Enteignungsbehörde Sicherungsmaßnahmen ergriffen, hat sie für die dargestellte Fallgestaltung Vorsorge zu treffen, beispielsweise durch Auflagenvorbehalte, vgl. oben 9. Kap. G. VI. 2 Vgl. Stengel, Die Grundstücksenteignung zugunsten privater Wirtschaftsunternehmen, S. 51.

10. Kapitel

Gerichtliche Kontrolle der Enteignung zugunsten Privater , Erst eine wirksame gerichtliche Kontrolle vermag eine Grundrechtsverwirklichung auch zu gewährleisten. Dies ist beim Eigentumsschutz aus Art. 14 GG nicht anders. Die allgemeinen Probleme der gerichtlichen Kontrolle einer Enteignung sind hinlänglich bekannt l . Entsprechend der Aufgabenstellung dieser Arbeit soll hier nur auf mögliche Besonderheiten der gerichtlichen Prüfung der Rechtund Verfassungsmäßigkeit einer privatbegünstigenden Enteignung eingegangen werden.

A. Ermächtigung zur Prognose, aber kein Beurteilungsspielraum Die Enteignungsverfügung stellt einen Verwaltungsakt dar, der nur verfassungsmäßig ist, wenn die Enteignung zum Wohl der Allgemeinheit erfolgt und auf ausreichender gesetzlicher Grundlage beruht.

I. Gerichtliche Kontrolle des Wohls der Allgemeinheit Ob die Voraussetzungen des Wohls der Allgemeinheit iSd Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG vorliegen, überprüfen die Verwaltungsgerichte im Rahmen eines Anfechtungsprozesses und nach Erschöpfung des Rechtsweges, das BVerfG bzw. die Verfassungsgerichte der Länder im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde. Dabei stellt das Wohl der Allgemeinheit einen unbestimmten Rechtsbegriff dar, der im vollen Umfang gerichtlicher Kontrolle unterliegt. Dies ist heute in der Rechtsprechung2 und der überwiegenden Meinung der Literatur 3 anerkannt. Die Enteignungsbehörde verfügt danach insbesondere über keinen Beurteilungsspiel1 Vgl. nur BVerfG, Beschl. v. 15. 7. 1981, BVerfGE 58,300 (318); Papier, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 14 Rdnr. 561. 2 BVerwG, Urt. v. 21. 6. 1956, BVerwGE 3, 332 (335); BVerwG, Urt. v. 6. 12. 1985, BVerwGE 72, 282 (285). Das Problem war aber seit jeher umstritten, vgl. OLG Jena, Urt. v. 20. 5. 1925, JW 1926, 1476 (Ermessen); OVG Hamburg, Urt. v. 19. 5. 1958, MDR 1959, 874 (Beurteilungsspielraum); OVG Koblenz, Urt. v. 29. 1. 1959, AS 7, 201 (unbeschränkte gerichtliche Nachprüfung). 3 Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14 Rdnr. 496; a.A.: Kimminich, BK zum GG, Art. 14 Rdnr. 267: Ermessensspielraum der Verwaltung.

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10. Kap.: Gerichtliche Kontrolle der Enteignung

räum, der nur einer beschränkten Überprüfbarkeit durch die Gerichte zugänglich wäre. Die Besonderheit jeder Enteignungsverfügung liegt jedoch darin, daß das Wohl der Allgemeinheit die Enteignungsbehörde dazu zwingt, den Verlauf künftiger Entwicklungen abzuschätzen und zu bewerten. Aufgrund des mangelhaften wissenschaftlichen Instrumentariums, aber auch aufgrund der generellen Unwägbarkeiten künftiger Entwicklungen stößt der Mensch hierbei an die Grenzen seiner Erkenntnisfähigkeit. Die Bewertung künftiger Entwicklungen trägt das Risiko der Prognose in sich 4 . Die Rechtsordnung trägt dieser Tatsache nach Auffassung der Rechtsprechung mit einer Ermächtigung zur Prognose Rechnung. Danach ist eine Prognoseentscheidung rechtmäßig, wenn sie unter Berücksichtigung aller verfügbaren Daten in einer der Materie angemessenen und methodisch einwandfreien Entscheidung erarbeitet wurde 5 . Für die Enteignung zugunsten Privater gilt nichts anderes.

II. Gerichtliche Kontrolle des Enteignungsgesetzes Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, Enteignungszwecke und Enteignungsvoraussetzungen zu bestimmen. Welchen Umfang diese Pflicht bei einer privatbegünstigenden Enteignung hat, wurde oben 6 bereits gezeigt. Aber auch der Gesetzgeber ist dabei an das Wohl der Allgemeinheit gebunden und unterliegt insoweit verfassungsgerichtlicher Kontrolle. Er kann die Anforderungen an das Wohl der Allgemeinheit lediglich verschärfen, ζ. B. durch zusätzliche Voraussetzungen für die privatbegünstigende Enteignung oder ihre Beschränkung auf bestimmte Personenkreise 7. Der Gesetzgeber ist dabei grundsätzlich frei. Die Notwendigkeit zur Beurteilung zukünftiger Entwicklungen erfordert auch von ihm Prognosen, die ihrer Natur nach mit einem Unsicherheitsrisiko behaftet sind. Nicht der Gesetzgeber hat nachzuweisen, daß seine Prognose mit hoher Wahrscheinlichkeit zutreffen wird, sondern der Betroffene — etwa der als Enteignungsbegünstigter ausgeschlossene Private — hat als potentieller Kläger die Darlegungslast dafür, daß die gesetzgeberische Annahme mit großer Wahrscheinlichkeit nicht eintreffen wird.

B. Gerichtliche Kontrolle der Allgemeinwohlsicherung Wie oben8 gezeigt wurde, ist die Sicherung der Realisierung des Enteignungszweckes ein wichtiger Punkt zur Kompensation der Unzulänglichkeit des progno4

Ausführlich oben 7. Kap. G. III. 4. b. 5 St. Rspr.; vgl. BVerwGE 56, 110; BVerwGE 62, 107; zustimmend Steiner, Anmerkung zum Urteil des BVerwG v. 26. 3. 1981, DVB1. 1981, 980 (982). 6 Oben 6. Kap. B. bis F. 7 Siehe auch schon 7. Kap. Β. II. s Vgl. oben 7. Kap. G. III. und 9. Kap. B.

Β. Gerichtliche Kontrolle der Allgemeinwohlsicherung

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stischen Instrumentariums. Nur wenn hinreichende Sicherheiten bestehen, läßt sich das Wohl der Allgemeinheit als Enteignungsvoraussetzung bejahen, das allein das Opfer des bisherigen Eigentümers zu legitimieren vermag. Die Sicherung ist folglich Teil des verfassungsrechtlichen Allgemeinwohlurteils bei einer Enteignung. Die Sicherung unterliegt daher im vollen Umfang der gerichtlichen Kontrolle — ebenso wie das Allgemeinwohl selbst. Die gerichtliche Kontrolle erstreckt sich auf die gesamte Palette der dargelegten Sicherungsaspekte, also auf Zuverlässigkeit, Dauer, Mittel und Inhalt der Sicherung. Zeitlich muß die Sicherung spätestens im Augenblick der letzten behördlichen Entscheidung9 vorliegen 10 . Stummer 11 vertritt die Auffassung, daß der Enteignungsbehörde hinsichtlich der zu ergreifenden Sicherungsmaßnahmen ein Ermessensspielraum zusteht. Dem kann nicht gefolgt werden. Zur Begründung kann zunächst auf die obigen Ausführungen zum Allgemeinwohl verwiesen werden. Gründe, warum innerhalb des unbestimmten Rechtsbegriffes ein Teilaspekt im Ermessen der Behörde stehen sollte, sind nicht ersichtlich. Andererseits beinhaltet aber die Unternehmensrechtfertigung notwendigerweise Vorhersagen über die künftige Entwicklung, an denen sich auch Wahl und Ausgestaltung der Sicherungsmittel zu orientieren haben. Diese materielle Ermächtigung zur Planung enthält die Einräumung eines Planungsermessens, das nur einer eingeschränkten gerichtlichen Überprüfung unterliegt 12 . Maßnahmen zur Allgemeinwohlsicherung unterliegen damit der selben gerichtlichen Kontrolldichte wie die behördliche Entscheidung über das Vorliegen des Wohls der Allgemeinheit selbst. Entspricht die Sicherung nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen, die Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG mit dem Wohl der Allgemeinheit als EnteignungsVoraussetzung stellt, liegt eine Grundrechtsverletzung vor 1 3 . Der Enteignungsbeschluß ist auf Anfechtungsklage hin aufzuheben. Notfalls steht die Verfassungsbeschwerde zum BVerfG offen.

9 Dies ist regelmäßig der Erlaß des Enteignungsbeschlusses, da es im förmlichen Verwaltungsverfahren eines Widerspruchsverfahrens nicht bedarf; für den Anwendnungsbereich des BayEG: Art. 23 BayEG iVm Art. 70 BayVwVfG. 10 Auf keinen Fall ausreichend ist der Abschluß eines Sicherungsvertrages nach dem Ende der letzten gerichtlichen Tatsacheninstanz, wie dies zwischen der Daimler-Benz A.G. und der Gemeinde Assamstadt, der Stadt Boxberg und dem Land Baden- Württemberg in Bezug auf das Kraftfahrzeugprüfgelände Boxberg erfolgt ist. A.A. BVerwG, Urt. v. 14. 3. 1985, BVerwGE 71, 108 = NVwZ 1985, 739, das aber offensichtlich diese Problematik gar nicht gesehen hat. n Stummer, Die öffentlich Zweckbindung der enteigneten Sache, S. 138. 12 Vgl. oben 7. Kap. Ε. II. 2. !3 Stummer, a.a.O., S. 138; Bullinger, Die Enteignung zugunsten Privater, Der Staat, Bd. 1, 1962, S. 470.

1. Kapitel

Besonderheiten der Rechtsstellung des Enteigneten bei privatem Enteignungsbegünstigtem Zur Abrundung des Bildes der Enteignung zugunsten Privater sollen schließlich noch schlaglichtartig die Besonderheiten 1 der Rechtsstellung des Enteigneten beleuchtet werden. Folgende Aspekte sind hervorzuheben:

A. Abwehrrecht gegen die Enteignung Daß Art. 14 GG das Eigentum als Grundrecht garantiert, braucht eigentlich nicht mehr erwähnt zu werden. Der Enteignete kann sich daher darauf berufen, daß die Enteignung nicht zum Wohle der Allgemeinheit iSd Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG erfolgt ist und daher sein Grundrecht aus Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG verletzt.

I. Abwehrrechte aufgrund des geplanten Enteignungsunternehmens Der grundlegende Einwand wird dabei stets sein, daß der Enteignungszweck, den der Private mit dem Eigentum verfolgen will, nicht den Anforderungen des Wohls der Allgemeinheit entspricht.

II. Abwehrrechte aufgrund mangelnder Sicherung des Allgemeinwohls Wie aber oben2 gezeigt wurde, ist auch die Sicherung der Verwirklichung des Wohls der Allgemeinheit durch den Privaten Teil des Allgemeinwohlurteils iSd Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG. Der Enteignete kann also die Verfassungswidrigkeit der Enteignung auch damit begründen, daß die Allgemeinwohlsicherung mangelhaft ist.

1

Allgemein: Wigginghaus, Die Rechtsstellung des enteigneten Grundeigentümers, 1978. 2 Oben 9. Kap. B.

Β. Rückübereignungsanspruch bei privatem Enteignungsbegünstigtem

283

B. Rückübereignungsanspruch bei privatem Enteignungsbegünstigtem Neben der Frage nach dem Abwehrrecht gegen eine geplante Enteignung ist für den betroffenen bisherigen Eigentümer weiter von Interesse, ob und unter welchen Voraussetzungen er bei einer Enteignung zugunsten Privater einen Anspruch auf Rückübereignung besitzt.

I. Der Anspruch auf Rückübereignung Das Bestehen eines Rechts auf Rückübereignung ist seit dem Beschluß des BVerfG vom 12.11.1974 dem Grundsatz nach geklärt 3 . Das Gericht leitet diesen Anspruch direkt aus Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG her. Aufgrund dieser Garantie kann der Enteignete die Herstellung eines verfassungsmäßigen Zustandes, also die Rückübereignung des Grundstückes, fordern. Denn Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG ermächtigt zum Eingriff in das Eigentum nicht dafür, daß ein Unternehmen beabsichtigt, sondern daß es ausgeführt wird. Demgemäß hat das BVerfG in dem zitierten Beschluß dem Enteigneten das Recht auf Rückübereignung in zwei Fällen eingeräumt: Einerseits unter der Voraussetzung, daß die öffentliche Aufgabe, der die Enteignung dienen soll, nicht ausgeführt wird, andererseits wenn das enteignete Eigentum hierzu nicht benötigt wird. An all dem ändert das Vorliegen einer privatbegünstigenden Enteignung nichts.

II. Realisierung des Rückübereignungsanspruches Fraglich ist aber, ob bei einer Enteignung zugunsten Privater die weitergehende Feststellung des BVerfG aufrecht erhalten werden kann, die Realisierung des Rechts auf Rückübereignung bedürfe nicht unbedingt einer ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage. Das BVerfG begründet diese Aussage nämlich mit zwei Argumenten. Erstens sei der Gesetzes vorbehält des Art. 14 Abs. 3 S. 2 GG keine Schutzeinrichtung für die enteignungsbegünstigte öffentliche Hand 4 . Im hier zu entscheidenden Fall ist der Enteignungsbegünstigte aber eine Privatperson. Zweitens soll die Rückübereignung keine Enteignung iSd Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG sein. Der Begriff der Enteignung ist nach der Ansicht des BVerfG dadurch gekennzeichnet, daß die öffentliche Hand auf Vermögen zugreift, das ihr nicht gehört. Von einem solchen zwangsweisen Zugriff könne bei dem Rückerwerbsanspruch des von der Enteignung betroffenen Bürgers keine Rede sein. Der Enteig3 BVerfG, Beschl. v. 12. 11. 1974, BVerfGE 38, 175 ff = NJW 1975, 37 ff; in der Lit. nunmehr unbestritten: Kimminich, BK zum GG, Art. 14 Rdnr. 281 ff; Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14 Rdnr. 509. 4 BVerfG, a.a.O., BVerfGE 38, 175 = NJW 1975, 37.

284

11. Kap.: Besonderheiten der Rechtsstellung des Enteigneten

nete mache ja lediglich geltend, daß die Voraussetzungen für die Enteignung nachträglich entfallen seien5. Diese Argumentation trifft ohne Abstriche zu, solange von der Enteignung die öffentliche Hand selbst begünstigt ist. Denn eine juristische Person des öffentlichen Rechts vermag regelmäßig nicht einmal Träger des Eigentumsgrundrechts zu sein6. Handelt es sich aber um eine Enteignung zugunsten Privater, bedeutet die Durchsetzung des Rückübereignungsanspruches des früheren Eigentümers 7 nichts anderes, als den hoheitlichen Zugriff des Staates auf das Eigentum des enteignungsbegünstigten Privaten. Damit liegt eine erneute Enteignung vor 8 . Jedoch dürfte dieser Streit theoretischer Natur bleiben. Das BVerfG hat nämlich den Rückübereignungsanspruch für die Fälle anerkannt, daß die öffentliche Aufgabe, der die Enteignung dienen soll, nicht ausgeführt oder das Enteignungsobjekt hierzu nicht benötigt wird. Der Enteignete kann dann aufgrund der Garantie des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG die Herstellung des verfassungsmäßigen Zustandes, d.h. Rückübereignung, fordern 9. Dies aber erfüllt zugleich die Voraussetzungen des Wohls der Allgemeinheit 10 , qualifiziert man die Rückübereignung für den Fall der Enteignung zugunsten Privater als „echte" Enteignung iSd Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG. Auch die Anforderungen des Art. 14 Abs. 3 S. 2 GG werden in diesem Fall durch Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG selbst erfüllt. Die Realisierung des Rückübereignungsanspruches setzt daher auch bei der privatbegünstigenden Enteignung keine ausdrückliche gesetzliche Grundlage voraus.

III. Anspruchsgegner Aus den obigen Ausführungen zur Realisierung des Rückübereignungsanspruchs ergibt sich bereits, daß für den früheren Eigentümer der Staat Anspruchsgegner ist. Denn die Enteignungsbehörde hat dem früheren Zuordnungsberechtigten sein Eigentum zwangsweise entzogen, hierbei die Gemeinwohlanforderungen

5 BVerfG, a.a.O., BVerfGE 38, 175 = NJW 1975, 37. 6 BVerfG, Beschl. v. 8. 7. 1982, BVerfGE 61, 82 (100) = NJW 1982, 2173; zustimmend: Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14 Rdnr. 192; weitergehender Grundrechtsschutz nach der Bayerischen Verfassung: BayVerfGH, Beschl. v. 13. 7. 1984, BayVBl. 1984, 655. 7 Anspruchsgegner ist der Staat, vgl. 11. Kap. B. III. 8 Vgl. zum Enteignungsbegriff beispielsweise BVerfG, Beschl. v. 12. 6. 1979, BVerfGE 52, 1 ff = NJW 1980, 985 (987); sowie oben 2. Kap. B. Für den Fall der Enteignung zugunsten Privater ist also die Terminologie „Rückenteignung" zutreffend, die der Gesetzgeber (§ 102 BauGB, Art. 16 Abs. 4 BayEG) sowie das BVerwG (Urt. v. 18. 7. 1986, NVwZ 1987, 49 = BayVBl. 1987, 26) und der BayVGH (Urt. v. 5. 8. 1983, BayVBl. 1984, 147) verwenden. 9 Ebenso BVerfG, Beschl. v. 12. 11. 1974, BVerfGE 38, 175 = NJW 1975, 37 (38). 10 Vgl. oben 9. Kap. G. XII.

Β. Rückübereignungsanspruch bei privatem Enteignungsbegünstigtem

285

bejaht und das Eigentum auf den begünstigten Privaten übertragen. Die somit entstandene Dreiecksbeziehung ist auf dieselbe Weise rückabzuwickeln. Denn die Rückübereignung stellt nichts anderes als den actus contrarius der Enteignung dar. Die Enteignungsbehörde hat daher zu entscheiden, ob deren Voraussetzungen vorliegen. Das Erfordernis von Sicherungsmaßnahmen, das sich bei der Enteignung zugunsten Privater aus dem Wohl der Allgemeinheit iSd Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG ergibt, zeigt nämlich die mangelnde Dispositionsbefugnis des begünstigten Privaten über seine Allgemeinwohlaufgabe.

IV. Grenzen des Rückübereignungsanspruches Der zutreffenden Begrenzung des Rückübereignungsanspruches kommt bei der Enteignung zugunsten Privater eine gesteigerte Bedeutung zu. Denn sie birgt emotionalen Zündstoff in sich. Eine rechtliche Grenze des Rückübereignungsanspruches bedeutet nämlich nichts anderes, als daß der Begünstigte das ihm übertragene Eigentum trotz Wegfalls der Enteignungslegitimation behalten darf. Dies wird bereits kaum akzeptiert, wenn der Staat solchermaßen bereichert ist. Handelt es sich gar noch um eine Privatperson, bedarf es schon einer überzeugenden Begründung, um den Rechtsfrieden wieder herzustellen. Eine Reihe von bundes- und landesgesetzlichen Bestimmungen11 haben es unternommen, den auftretenden Interessenkonflikt zwischen früherem Eigentümer und Enteignungsbegünstigtem zu regeln. Dies ist auf die Billigung der Fachgerichte 12 gestoßen. Danach steht einem Wegfall des Anspruchs auf Rükenteignung die Eigentumsgarantie jedenfalls dann nicht entgegen, wenn das Grundstück so nachhaltig verändert worden ist, daß es bei natürlicher Betrachtung nicht mehr als gleichartig angesehen werden kann. Je nach den Umständen des Einzelfalles kann das vor allem durch tatsächliche Veränderungen, wie etwa eine Bebauung13, oder auch durch rechtliche Veränderungen, wie etwa den Festsetzungen in einem Bebauungsplan, die jeder Nutzung durch den früheren Eigentümer entgegenstehen, geschehen. Dem ist zuzustimmen. Der Gedanke ist verallgemeinerungsfähig.

h § 102 Abs. 4 BauGB; Art. 57 Abs. 3 BayEG; § 42 Abs. 4 Bad-WürttEG; § 47 Abs. 4 HessEG; § 44 Abs. 3 NdsEG; § 45 Abs. 4 RhPfEG. 12 BVerwG, Urt. v. 18.7. 1986, NVwZ 1987, 49 = BayVBl. 1987, 26 und in der Vorinstanz BayVGH, Urt. v. 5. 8. 1983, BayVBl. 1984, 147. 13 Zu Recht führt das BVerwG, a.a.O., als Beispiel § 818 Abs. 2 BGB an, der der hier vorliegenden Konstellation sachlich nahe steht. Nach der genannten Vorschrift braucht ein ohne rechtlichen Grund erlangter Gegenstand nicht mehr zurückgegeben werden, wenn der Empfänger zur Herausgabe außerstande ist. Nach der Rspr. des BGH, Urt. v. 10. 7. 1981, NJW 1981,2687, liegt ein solcher Fall auch vor, wenn ein Grundstück mit wertvollen Gebäuden bebaut worden ist und seine Herausgabe deswegen unzumutbar erscheint.

286

11. Kap.: Besonderheiten der Rechtsstellung des Enteigneten

Demnach läßt sich feststellen, daß gleichzeitig zwei Voraussetzungen vorliegen müssen, damit der Anspruch auf Rückübereignung ausgeschlossen ist 1 4 . Erstens darf die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes nicht mehr durch einfache Rückabwicklung des Enteignungsvorganges erreicht werden können. Zweitens müssen die Schwierigkeiten, die eine Rückabwicklung dem Enteignungsbegünstigten aufbürden würde, die Grenze des Zumutbaren überschreiten. Die Zumutbarkeit bestimmt sich dabei durch eine Abwägung der wirtschaftlichen oder sonstigen Nachteile des Enteignungsbegünstigten im Falle der Rückübereignung mit dem Wert des Eigentums in der Hand des früheren Eigentümers und seinem Interesse an der Wiedererlangung. Zugunsten des früheren Eigentümers fällt hier Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG in die Waagschale, der das Eigentum durch Privatnützigkeit und grundsätzliche Verfügungsbefugnis kennzeichnet. Beides kann allerdings durch rein tatsächliche Veränderungen entwertet worden sein. Ist beispielsweise eine Automobilteststrecke gebaut, ist das enteignungsbegünstigte Unternehmen aber aufgrund der geänderten wirtschaftlichen Lage nicht mehr fähig, die zugesagten Arbeitsplätze aufrecht zu erhalten, wird ein Landwirt als früherer Eigentümer regelmäßig keine sinnvolle Verwendung für den betonierten Rundkurs haben. Dies schließt eine im Einzelfall abweichende Bewertung nicht aus. Auf der anderen Seite stehen die nicht unerheblichen Geldmittel, die das Unternehmen für eine Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes aufwenden müßte. Zieht man Bilanz, ist auch unter Berücksichtigung des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG die Grenze des Zumutbaren für den Entgeignungsbegünstigten überschritten. Verfassungsrechtlich findet dies seine Begründung im Rechtsstaatsprinzip. Danach darf der Staat von keinem Bürger Unzumutbares oder gar Unmögliches verlangen. Die Ablehnung des Rückübereignungsanspruches wegen Unzumutbarkeit für den Enteignungsbegünstigten hat darüber hinaus aber eine weitere, bisher kaum beachtete Konsequenz. Da die verfassungsrechtliche Legitimation der Enteignung — wenn auch nachträglich — entfallen ist und die Rückübereignung lediglich an der Unzumutbarkeit scheitert, zwingt dies zu einer Neufestsetzung der Enteignungsentschädigung. In die von Art. 14 Abs. 3 S. 2 GG geforderte Abwägung sind die genannten Komponenten zugunsten des früheren Eigentümers einzustellen. Es ist denkbar, daß dies daher zu einer deutlichen Erhöhung der Enteignungsentschädigung führen kann.

14 Ebenso: BVerwG, Urt. v. 18. 7. 1986, NVwZ 1987, 49 = BayVBl. 1987, 26.

C. Entschädigung und Entschädigungshöhe

287

C. Entschädigung und Entschädigungshöhe bei der Enteignung zugunsten Privater Probleme rund um die Entschädigung sind für den Fall einer privatbegünstigenden Enteignung von der Rechtswissenschaft bisher weitgehend überhaupt nicht diskutiert. An dieser Stelle läßt sich jedenfalls so viel sagen.

I. Anspruchsgegner Auch bei der Enteignung zugunsten Privater bleibt der Gegner des Entschädigungsanspruchs der Staat15. Denn allein der Staat tritt dem Enteigneten hoheitlich gegenüber. Letztendlich muß die Entschädigungspflicht freilich den Privaten treffen. Hierfür zu sorgen aber ist Aufgabe des Staates, sei es durch gesetzliche Regelungen16, sei es durch Anordnungen in der Enteignungsverfügung.

II. Entschädigungsart und Entschädigungshöhe Seit dem Urteil des BVerfG 17 vom 18.12.1968 steht fest, daß die Enteignungsentschädigung nicht stets das volle Äquivalent für das Genommene umfassen muß. Maßstab hat vielmehr eine Abwägung der Interessen der Beteiligten und der Allgemeinheit zu bilden. Fraglich ist, ob für die privatbegünstigende Enteignung daran festgehalten werden kann oder zur alten Forderung des BGH 1 8 nach vollem Ausgleich in Form des Verkehrswertes zurückgekehrt werden sollte. Zu denken wäre für diesen Sonderfall auch an eine prinzipielle Pflicht zur Entschädigung in Land. Diese Forderungen wären aber auch aus der Tatsache heraus nicht begründet, daß der Begünstigte der Enteignung ein Privater ist. Denn seine privaten Interessen dürfen bei der Entscheidung über die Enteignung keine Rolle spielen. Nach Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG kommt es einzig und allein darauf an, daß die Enteignung zum Wohle der Allgemeinheit erfolgt.

15 Ebenso für den Fall des enteignungsgleichen Eingriffs: Aust, Die Enteignungsentschädigung, S. 63. Der BGH läßt stets eine juristische Person des öffentlichen Rechts haften, vgl. BGHZ 23, 157 (169); 40, 49 (53). Weitere Nachweise oben 5.Kap. Β. I. 16 Z.B.: § 94 Abs. 2 BauGB; Art. 9 Abs. 2 BayEG. π BVerfG, Urt. v. 18. 12. 1968, BVerfGE 24, 367 (420). is BGH, Urt. v. 12. 3. 1957, BGHZ 41, 354; vgl. weiter BGH, Urt. v. 29. 1. 1968, NJW 1968, 892.

1. Kapitel

Zusammenfassung 1. Die inhaltliche Tragweite des Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG ist noch heute über weite Strecken ungeklärt. Besonders umstritten ist der Fall, daß der Staat enteignet, um das entzogene Eigentum auf ein anderes Rechtssubjekt des Privatrechts zu übertragen (1. Kap.). 2. Enteignung bedeutet in der vorliegenden Arbeit einen geplanten und gezielten staatlichen Eingriff in das Eigentum einer natürlichen oder juristischen Person, der das zivilrechtliche Zuordnungsverhältnis ändert (2. Kap. B.). 3. Unter einem Privaten wird eine natürliche Person oder eine juristische Person verstanden, auf die der Staat und seine nachgeordneten Hoheitsträger keinen bestimmenden Einfluß ausüben können (2. Kap. D.). 4. Die Geschichte der Enteignung ist auch die Geschichte der Enteignung zugunsten Privater (3. Kap.). 5. Der Wortlaut des Art. 14 GG steht einer privatbegünstigenden Enteignung nicht im Weg, ebensowenig die Entstehungsgeschichte der Vorschrift (4. Kap.). 6. In der Praxis wurden Enteignungen zugunsten Privater vor allem durchgeführt zur Gewinnung von Rohstoffen, zur Erschließung und aus sozialen sowie städtebaulichen Gründen. Die Rechtsprechung hat diese Praxis im Grundsatz gebilligt (5. Kap.). 7. Der Vorbehalt des Gesetzes stellt bei der Enteignung zugunsten Privater — bezogen auf das jeweilige Regelungsziel — unterschiedliche Anforderunge n (6. Kap. A. — F.). a) Die Fixierung des Enteignungszweckes bleibt dem Gesetzgeber vorbehalten. Die Generalklausel „Wohl der Allgemeinheit" genügt den Anforderungen nur in extremen Ausnahmefällen (6. Kap. B.). b) Hinsichtlich der Enteignungsvoraussetzungen hat sich der Gesetzgeber auf den Erlaß allgemeingültiger, abstrakt-genereller Grundsatznormen zu beschränken. Im übrigen regelt die Enteignungsverfügung der zuständigen Verwaltungsbehörde den konkreten Einzelfall (6. Kap. C.).

12. Kap.: Zusammenfassung

289

c) Abweichend von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist der Gesetzgeber hingegen nicht verpflichtet, Mindestanforderungen an eine Sicherung des Allgemeinwohls zu normieren. Es ist vielmehr Aufgabe der Enteignungsbehörde, die im konkreten Fall optimalen Sicherungsmittel einzusetzen (6. Kap. E.). 8. Der Gesetzgeber kann die Erfordernisse des Wohls der Allgemeinheit nicht lockern (6. Kap. C.). 9. Die Legalenteignung sollte auch künftig die Ausnahme sein. Sie bedarf stets einer besonderen Begründung (6. Kap. D.). 10. Die Enteignung zugunsten Privater bedarf keiner besonderen gesetzlichen Zulassung (6. Kap. F.) und stellt keine besonderen formellen Anforderugngen an die Rechtsqualität des Begünstigten (6. Kap. G., H.). 11. Der künftige Begünstigte besitzt keinen Rechtsanspruch auf Enteignung (6. Kap. J.). 12. Das „Wohl der Allgemeinheit" iSd Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG besitzt einen spezifischen Gehalt, der es von den sontigen öffentlichen Interessen unterscheidet (7. Kap. Α.). Indem der Verfassungsgeber mit diesem Begriff Befugnis und Grenzen staatlicher Bedarfsdeckung festgelegt hat, hat er ein Programm zur rechtsstaatlichen Konfliktbewältigung entwickelt (7. Kap. B.). 13. Bei der Definition des „Wohls der Allgemeinheit" überwiegen in Rechtsprechung und Literatur Negativkataloge. Zweckfreie Enteignungen, fiskalische Interessen des Staates, Gewinnerzielung eines Privaten, Vermögensumschichtung, allgemeine Wirtschaftsförderung, emotionale Gesichtspunkte, bloße Bequemlichkeiten, Eigeninteresse der Machthabenden und reine Privatinteressen werden ausgegrenzt (7. Kap. C. I.). 14. Positive Umschreibungen des „Wohls der Allgemeinheit" in Rechtsprechung und Literatur stellen auf das „Artikulationsproblem" oder das Konkretisierungserfordernis ab, beinhalten Steigerungsformeln, Quantitätsprobleme oder Qualitätsanforderungen, knüpfen an Staatsaufgaben oder Staatszwecke an oder fordern eine Interessenabwägung oder Gefährdungsprüfung (7. Kap. C. II.). 15. Das „Wohl der Allgemeinheit" entzieht sich einer allgemeingültigen Umschreibungsformel, da es einer statischen Bestimmung unzugänglich ist. Erforderlich ist vielmehr eine dynamische Flexibilität in der Betrachtung (7. Kap. D.). 19 Schmidbauer

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12. Kap.: Zusammenfassung

h». IXibei erfordert die Entscheidungsfindung im Rahmen eines Abwägungsprozesses folgende Schritte (7. Kap. E. II.). a) Umfassende Ermittlung aller relevanter Tatsachen b) Feststellungen zur Unternehmensrechtfertigung c) Aussonderung der Kriterien, die das Allgemeinwohl nicht zu begründen vermögen d) Gewichtung der Belange der Allgemeinheit an der Enteignung e) Bestimmung der Interessen des Betroffenen an der Erhaltung seines Eigentums f) Abwägung zwischen den Belangen der Allgemeinheit und den Eigentümerinteressen nach den Grundsätzen des Verhältnismäßigkeitsprinzips. 17. Die Parallelität von privaten und öffentlichen Interessen schließt die Enteignung zugunsten eines Privaten nicht aus. Der Staat besitzt kein Monopol der Allgemeinwohlverwirklichung (7. Kap. F.). 18. Die Belange der Allgemeinheit, die für eine Enteignung sprechen, müssen so gewichtig sein, daß sie den Anforderungen des „Wohls der Allgemeinheit" iSd Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG genügen. Unerheblich ist hingegen, ob sie die privaten Ziele des Begünstigten überwiegen (7. Kap. G.). 19. Das „Wohl der Allgemeinheit" in Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG fordert, daß das Sicherheitsrisiko, das in der Übertragung des Enteignungsgegenstandes auf eine Privatperson liegt, durch wirksame Sicherungen des Enteignugszweckes kompensiert wird. Andernfallls ist die Enteignung verfassungswidrig (7. Kap. G.; 9. Kap. B.). 20. Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG verlangt keine optimale, aber eine hinreichende Sicherung der Gemeinwohlrealisierung im Zeitpunkt der Enteignung (9. Kap. C.). 21. Der Grad der notwendigen Zuverlässigkeit der Sicherung ist abhängig vom Risiko der Verfehlung des Enteignungszweckes. In diesem Rahmen spielt auch die Person des Enteignungsbegünstigten eine Rolle (9. Kap. C.). 22. Sicherungsmaßnahmen müssen so flexibel gestaltet werden, daß sie tatsächlichen Änderungen in der Gemeinwohlrealisierung angepaßt werden können (9. Kap. C.). 23. Der ursprüngliche Enteignungszweck kann in einem rechtsstaatlich geordneten Verfahren gegen einen neuen ausgetauscht werden, wenn dieser den Anforderungen des Wohls der Allgemeinheit entspricht (9. Kap. C.).

12. Kap.: Zusammenfassung

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24. Die Verfolgung des Enteignungszweckes durch den Begünstigten muß nicht auf Dauer gesichert werden. Soweit der Gesetzgeber keine Festlegung getroffen hat, ist die Enteignungsbehörde gehalten, unter Orientierung an der dynamischen Flexibilität des Allgemeinwohlbegriffes eine Mindestsicherungsdauer zu bestimmen (9. Kap. F.). 25. Die Zahl der möglichen Sicherungsmittel ist rechtlich nicht beschränkt. In Betracht kommen beispielsweise Gesetze, Verordnungen und Satzungen, Pläne, Widerruf, Widerrufsvorbehalt, Bedingung, Befristung, Auflage, Auflagenvorbehalt, öffentlichrechtliche Verträge, Vertragsstrafen, Sicherheitsleistungen, Bürgschaft, Sicherungsdienstbarkeiten, sonstige privatrechtliche und öffentlichrechtliche Bindungen sowie die Enteignung selbst (9. Kap. G.). 26. Soweit keine anderweitige Zuständigkeit besteht, ist es Aufgabe der Enteignungsbehörde, für die Verwirklichung des Wohls der Allgemeinheit durch den Enteignungsbegünstigten zu sorgen (9. Kap. Α. V.). 27. Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG begründet keine Forderungen von Dritten gegenüber dem Enteignungsbegünstigten auf Rechte am Enteignungsgegenstand. Die Enteignungsbehörde hat jedoch die Möglichkeit, Dritten unmittelbare Ansprüche gegen den Enteignungsbegünstigten zu gewähren (9. Kap. A. III.). 28. Das Wohl der Allgemeinheit räumt keinen Beurteilungs- oder Ermssensspielraum ein. Es beinhaltet aber die Ermächtigung zu Prognose und Planung. Insoweit ist die gerichtliche Kontrolldichte beschränkt (10. Kap.). 29. Wird das Enteignungsvorhaben vom Privaten nicht ausgeführt, besitzt der frühere Eigentümer regelmäßig einen Rückübereignungsanspruch. Anspruchsgegner ist der Staat. Die Eigentumsübertragung vom Begünstigten auf den früheren Eigentümer ist eine echte Enteignung des Begünstigten (11. Kap. B.). 30. Entschädigungsart und Entschädigungshöhe unterscheiden sich bei einer privatbegünstigenden Enteignung nicht von den übrigen Fällen einer Enteignung (11. Kap. C.).

19*

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Breuer, Rüdiger: Die Bodennutzung im Konflikt zwischen Städtebau und Eigentumsgarantie, Habilitationsschrift Universität Bonn 1972, München 1976 Brohin, Winfried: Rechtliche Möglichkeiten zur Rohstoff Sicherung, NJW 1980, S. 857 ff Brohm, Winfried: Kompetenzüberschneidungen im Bundesstaat — Rechtsdogmatische Konsequenzen der Gondelbahn-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, DÖV 1983, S. 525 Brohm, Winfried: Enteignung, in: Staatslexikon, 2. Band, 7. Auflage 1986 Brüggemann, Klaus: Die nachträgliche Zweckverfehlung in verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnissen. Eine Untersuchung ihrer Rechtswirkungen unter besonderer Berücksichtigung der Enteignung, Diss., Hamburg 1969 Brünneck, Alexander von: Die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes, Habilitationsschrift an der Universität Hannover, Baden-Baden, 1. Auflage 1984 Brünneck, Alexander von: Das Wohl der Allgemeinheit als Voraussetzung der Enteignung, NVwZ 1986, S. 425 ff Brunner, Max: Die zivilgerichtliche Rechtsprechung zur Enteignungsentschädigung, Juristische Blätter 1975, 21/22, S. 580 Brunner, Max: Die Rückübereignung wegen nachträglichen Wegfalls des Enteignungszwecks und der Entwurf der BStGNov 1982, Zeitschrift für Verkehrsrecht 1982, S. 353 Bryde, Brun-Otto: Erläuterungen zu Art. 14 GG, in: Ingo von Münch (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. 1,3. Auflage, München 1985 Bull, Hans P.: Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, 2. Auflage 1977 Bullinger, Martin: Die Enteignung zugunsten Privater, in: Der Staat, Bd. 1, 1962, S. 449 ff Bundesminister für Verkehr (Hrsg.): Reform des Enteignungsrechtes — unter besonderer Berücksichtigung der Enteignung für Zwecke des Straßenbaues, Forschung Straßenbau und Straßenverkehrstechnik, Heft 234,1977 Bundesminister für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau: Neue und modifizierte Rechtsformen der Bodennutzung (Münchner Gutachten), Bonn-Bad Godesberg 1977 Burger, Hans: Die wirtschaftlichen Auswirkungen des bayerischen Zwangsabtretungsgesetzes vom 17. November 1837, Diss. München 1926 Chlosta, Joachim: Der Wesensgehalt der Eigentumsgewährleistung unter besonderer Berücksichtigung der Mitbestimmungsproblematik, Schriften zum Öffentlichen Recht, Bd. 264, Berlin 1975 Däubler, Wolfgang / Sieling-Wendeling, Ulrike / Welkoborsky, Horst: Eigentum und Recht, Die Entwicklung des Eigentumsbegriffs im Kapitalismus, Darmstadt 1976 Dapprich, Gerhard: Besitzt der Grundeigentümer eine enteignungsfähige Rechtsposition im Verhältnis zu der von seinem Grundeigentum rechtlich getrennten Bergbauberechtigung zur Aufsuchung und Gewinnung bergfreier Bodenschätze, Zeitschrift für Bergrecht, Bd. 125, 1984, S. 174-181 Deinhardt, Kurt: Rechtsfragen hoheitlicher Eingriffe in Vermögenswerte Rechte. Dargestellt an Hand der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, BayVBl. 1974, S. 300

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Berichs, F. Leo: Rechtsprechung der Bundesgerichte zum Enteignungsrecht (1973), Die Bauverwaltung, 1974, Bd. 10, S. 453 Berichs, F. Leo: Rechtsprechung der Bundesgerichte zum Enteignungsrecht (1974), Die Bauverwaltung 1975, Bd. 10, S. 414 Deutsche Gesellschaft für Agrarrecht (Hrsg.): Grundeigentum — Inhalt und Schranken, Berlin 1971 Dicke, Klaus: Zur Begründung eines Menschenrechts auf Eigentum, EuGRZ 1982, S. 361 Diester, Hans: Enteignung und Entschädigung nach altem und neuem Recht, 1953 Dittus, Rolf: Entschädigung und Enteignung nach der Novelle zum Bundesbaugesetz, Städte- und Gemeindebund, 1977, S. 173 ff Dittus, Wilhelm ! Zinkahn, Willy: Baulandbeschaffungsgesetz, Kommentar 1954 Doemming, Klaus-Bert von / Füsslein, Rodolf Werner / Matz, Werner: Entstehungsgeschichte der Artikel des Grundgesetzes, Jahrbuch des öffentlichen Rechts NF Bd. 1, S. 1 ff Dolzer, Rudolf: Eigentumsschutz als Abwägungsgebot, Bemerkungen zu Art. 1 des Ersten Zusatzprotokolls der EMRK, in: Festschrift für Wolfgang Zeidler, 1987, S. 1677. Drukarczyk,

Jochen: Finanzierung, Uni-Taschenbücher 1229, Stuttgart, 2. Auflage 1985

Drukarczyk,

Jochen: Finanzierungstheorie, München 1980

Dürig, Günter: Zurück zum klassischen Enteignungsbegriff, JZ 1954, S. 4 ff Dürig, Günter: Die konstanten Voraussetzungen des Begriffs „Öffentliches Interesse", Diss. München 1949 Dyong, Hartmut: Empfehlen sich weitere bodenrechtliche Vorschriften im städtebaulichen Bereich, DÖV 1972, S. 446 Eberstein, Hans Hermann (Hrsg.): Handbuch der regionalen Wirtschaftsförderung, Köln ab 1971 (Loseblatt), Stand: April 1985 Edelmann, Günter: Dienstbarkeitserfordemis und Entschädigungsfrage bei Versorgungsleitungen auf fremdem Grundstück, BayVBl. 1978, S. 298 Eger, Georg: Das Gesetz über die Enteignung von Grundeigentum vom 11. Juni 1874, 1. Band, 3. Auflage, Breslau 1911; 2. Band, 3. Auflage, Breslau 1911 Eger, Georg: Die Nothwendigkeit einer Revision des Preußischen Enteignungsgesetzes. Abänderungsvorschläge verbunden mit dem Entwurf eines neuen Enteignungsgesetzes nebst Motiven, 2. Auflage, Breslau 1893 Engler, Günther: Verwaltung und Bürger. Probleme des Kontakts, untersucht am Landerwerb für eine Straßenverbreiterung in Hamburg-Rahlstedt-Hamburg, Rechtswiss. Diss. v. 9. 8. 76. Enzinger, Alfred: Das Enteignungsrecht im nationalsozialistischen Staat, München 1935 Erichsen, Hans-Uwe / Martens, 5. Auflage 1981

Wolfgang: Allgemeines Verwaltungsrecht, Berlin,

Ernst, Werner: Das öffentliche Bau- und Bodenrecht, Raumplanungsrecht, Juristische Kurzlehrbücher für Studium und Praxis, München, 2. Auflage 1981

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Heinz: Stärkere Sozialbindung des Eigentums?, BayVBl. 1985, S. 449

Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer: Wohl der Allgemeinheit und öffentliche Interessen. Vorträge und Diskussionsbeiträge der 36. Staatswissenschaftlichen Fortbildungstagung der Hochschule für VerwaltungsWissenschaft Speyer 1968, Bd. 39, 1968 Höhl, Joseph: Die Zwangsenteignung von Grundeigentum in Bayern nach der Ministerialbekanntmachung vom 23. Dezember 1918, unter besonderer Berücksichtigung der Frage der Rechtsgültigkeit dieser Ministerialbekanntmachung, München 1929

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Stoiber, Rolf (Hrsg.): Eigentumsschutz sozialrechtlicher Positionen, Köln, 1986 Stolleis, Michael: Öffentliches Interesse als juristisches Problem, VerwArch Bd. 65 (1974), S. 23 Stosch: Der Auf Opferungsanspruch im Verhältnis zur Amtshaftung, Würzburg 1972 Stummer, Helmut: Die öffentliche Zweckbindung der enteigneten Sache, Diss., München 1967 Thiel, Adolar: Das Expropriations-Recht und das Expropriations-Verfahren nach dem neuesten Standpunkt der Wissenschaft und der Praxis, Berlin 1866 Timm, Charlotte: Eigentumsgarantie und Zeitablauf, Studien und Materialien zur Verfassungsgerichtsbarkeit, Bd. 9, Baden-Baden 1977 Treichler, J.J.: Über zwangsweise Abtretung von Eigentum und anderen Rechten, in: Zeitschrift für deutsches Recht und deutsche Rechtswissenschaft, Herausgeber: Beseler, Reyscher und Wilda, 12. Bd. (1818), S. 135, 136 Ule, Carl-Hermann: Verfassungsrechtliche Probleme der Sozialisierung, Hamburg 1948 Ule, Carl-Hermann: Allgemeines Wohl und öffentliche Interessen, Schriftenreihe der Hochschule Speyer, Bd. 39, Berlin 1968 Vogel, Hans-Jochen: Kontinuität und Wandlungen der Eigentums Verfassung Vogel, Klaus: Öffentliche Wirtschaftseinheiten in privater Hand, Hamburg 1959 Vonficht, Fritz: Fragen der Enteignung nach dem Bundesbaugesetz, BayVBl. 1964, S. 4 Waldecker, Ludwig: Die Kriegsenteignung der Bundesratsverordnung vom 24. Juni 1915, München 1919 Wahsner, Roderich: Bemerkungen zu Artikel 15 GG, in: Peter Römer, Kampf um das GG, 1977, S. 139 ff Walter-Raymond-Stiftung nung, Köln 1960

(Hrsg.): Eigentum und Eigentümer in unserer Gesellschaftsord-

Weber, Werner: Eigentum und Enteignung, S. 331-401, in: Franz L. Neumann/Hans Carl Nipperdey / Ulrich Scheuner, Die Grundrechte, Handbuch der Theorie und der Praxis, 2. Band, Die Freiheitsrechte in Deutschland, Berlin 1954,2. unveränderte Auflage 1968 Weides, Peter / Jahnz, H.: Rechtsfragen der Enteignung nach dem Bundesbaugesetz, DVB1. 1984, S. 921-929 Wellas: Der Widerrufsvorbehalt von Verwaltungsakten, Diss. Tübingen 1973 Welty, Eberhard: Herders Sozialkatechismus, III. Band, Dritter Hauptteil: Die Ordnung des Wirtschaftslebens: Arbeit und Eigentum, 1958 Wendrich, Klaus: Der Bau von Straßen für den öffentlichen Verkehr durch Private in der Bundesrepublik, in: Zeitschrift für das gesamte öffentliche und zivile Baurecht (BauR) 1985, S. 152 ff Wendt, Rudolf: Eigentum und Gesetzgebung, Wirtschaftsverfassungsrecht und Wirtschaftsverwaltungsrecht, Bd. 24, Hamburg 1985 Wesel, Uwe: Die Entwicklung des Eigentums in früheren Gesellschaften, Zs. für vgl. Rechtswissenschaft 1982, S. 17-38

Schrifttumsverzeichnis

Weyreuther, Felix: Über die Verfassungswidrigkeit salvatorischer Entschädigungsregelungen im Enteignungsrecht, Schriften zum Öffentlichen Recht, Bd. 377, Berlin 1980 Weyreuther, Felix: Die Situationsgebundenheit des Grundeigentums, Naturschutz-Eigentumsschutz-Bestandsschutz, Köln 1983 Widhofer-Mohnen, S. 368-370

Elgin: Eigentum und Enteignung, Verwaltungsrundschau 1980,

Wienke, Ulrich: Die Planungsentscheidung in der Administrativenteignung, BayVBl. 1983, S. 297 Wigginghaus, Klaus: Die Rechtsstellung des enteigneten Grundeigentümers, Diss., Bielefeld 1978, Schriften zum Öffentlichen Recht, Bd. 348, Berlin 1978 Witzel, Manfred: Eigentumsgarantie und städtisches Bauland, Verfassungsrechtliche Untersuchungen unter Berücksichtigung des Städtebauförderungsgesetzes, Göppingen 1974 Wollmann, Helmut: Städtebaurecht und privates Grundeigentum, Zur politischen Ökonomie der Gemeinde, in: Hans-Georg Wehling (Hrsg.), Kommunalpolitik, Hamburg 1975 Wolff,

Hans J. / Bachof Otto: Verwaltungsrecht II, München, 4. Auflage 1976

Wolff \ Martin: Reichsverfassung und Eigentum, 1923 Zängl, Siegfried: Reichnisse zugunsten kirchlicher Stiftungen, BayVBl. 1983, S. 609 Zezschwitz, Friedrich von: Das Gemeinwohl als Rechtsbegriff, 1967 Ziegler, Georg: Das Gesetz vom 9. Mai 1918 über die Abänderung des Zwangsabtretungsgesetzes vom 17. November 1837, München 1918 Zimmer, Gerd-Herbert: Konkurrenzprobleme bei Enteignungsgesetzen, BayVBl. 1984, S. 327 ff und S. 356 ff Zimmer, Gerd-Herbert: Flurbereinigung aus städtebaulichen Gründen und privatnützige Enteignung, DÖV 1986, S. 1001 ff Zinkeisen, Siegfried: Das Fehlen einer Entschädigungsregelung im Außenwirtschaftsgesetz, München 1968 Zuck, Rüdiger: Gewerbebetrieb und Enteignungsentschädigung, München 1971 Zweifel, Fritz: Zeitablauf als Untergangsgrund öffentlich-rechtlicher Ansprüche, Basier Studien zur Rechtswissenschaft 1960

Stichwortverzeichnis Abfallbeseitigung 186 Abhängigkeit 200 Abwägung 135, 138, 147, 167 Abwehrrecht 282 Akzeptanz staatlicher Maßnahmen 137 Allgemeine Geschäftsbedingungen 265, 277 Allgemeinheit — s. Wohl der Allgemeinheit — Rechtsstellung gegenüber Begünstigten 191 Allgemeinwohl 81 — s. Wohl der Allgemeinheit Allgemeinwohlklausel 85 Analogiefähigkeit 236 Anforderungen des Allgemeinwohls 167 Angemessenheit 149 Anschlußpflicht 238 Anspruch — auf Enteignung 78, 164, 248 — aus Gemeinwohlsicherung 191 — auf Gemeinwohlverwirklichung 191, 265 — auf Rückübereignung 282 Anspruchsgegner — bei Rückübereignung 284 — bei Entschädigung 287 Arbeitslosigkeit 174 Arbeitsplätze 49, 174, 221 Artikulationsprobleme beim Allgemeinwohl 116 Attraktion 108, 187 Aufgaben des Privaten 72 — Übertragung 77 Aufgabenträger 199 Aufklärung des Sachverhalts 138 Auflage 239, 243, 260 — Arten 261 — Gesetzesvorbehalt 261 — Zweckmäßigkeit 260 Auflagenvorbehalt 263 Auflassung 249, 251 Auflösende Bedingung 253 Aufopferungsenteignung 28

Aufrechterhaltung des Vorhabenszweckes 226 Aufschiebende Bedingung 253 Aufsicht 221, 223, 239 Auftrag des Allgemeinwohls 134 Ausgleich 90, 134, 137, 147 Austausch — des Begünstigten 212, 247 — des Enteignungszwecks 211 Bahn 35, 182 Bankbürgschaft 268 Baubeschränkung 273 Baugesetzbuch 176, 239 Bauland 181 Baulast 219 Bauleitplanung 176 Baulücke 181, 240 Bedarfsdeckung 86 Bebauungsplan 176 Bedarfsträger 179 Bedarfslenkung 181 Bedeutung der Allgemeinwohlaufgabe 159, 167, 204 Bedingung 239, 251 Beendigung der Sicherung 278 Befristung 239, 254 Befugnisnorm 87 Beginn der Vorhabensrealisierung 225 Begriffserklärungen 27 — Eigentum 27 — Enteignung 27, 87 — Enteignungsbegünstigter 30 — Enteignung, transitorische 30 — Enteignung zugunsten Privater 29 — Privater 31 — Wohl der Allgemeinheit 91 Begünstigter 31 — als Ansprechsgegner 191 — Austausch 212 — und Enteignungsvoraussetzungen 150, 167, 248 — Rechtsnachfolge 213 — und seine Rechtsqualität 72

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Stichwortverzeichnis

— und Risiko 202, 209 — als Verpflichteter 188 — und Widerrufsgründe 243 Behindertenwerkstatt 272 Behördenzuständigkeit 195, 223 Belange — der Allgemeinheit 83, 142 — überwiegen 167 — widerstreitende 135 Belastung 208 Beliehener 73 Bequemlichkeit 109 Bereicherung 214 Bergbau 34, 44, 183, 245 Beschränkte Dienstbarkeit 269 Besonderes Gewaltverhältnis 276 Besonderheiten privatbegünstigender Enteignung 137 Bestandskraft 245 Bestandteile 246 Bestimmtheit — der Eingriffsnorm 64 — der Sicherungsdienstbarkeit 271 Betreiberpflicht 226 Betriebseinstellung 273 Betriebspflicht 239, 277 Beurteilungsspielraum 279 Bodenentwicklung 240 Bodenschätze 34, 44, 183 Bodenspekulation 186 Bürgschaft 267 Bundesleistungsgesetz 231 Chemie 186 Daseinsvorsorge 168 Dauer der Sicherung 227 Dauerhaftigkeit der Bindung 234 Dienstbarkeit 269 Dingliche Sicherung 269 Dispositionsbefugnis 202, 218 Drittklage 191 Drittwirkung der Allgemeinwohlsicherung 191 Durchführung des Vorhabens 225, 277 Durchsetzbarkeit der Sicherung 219 Dynamik des Allgemeinwohls 129 Dynamische Betrachtung 129, 137 Eigenheimbau 181 Eigeninteresse 111 Eigenkapital 225

Eigentum 27, 232, 241, 276 — und Verwertung 196 Eigentumsentzug 27, 196, 243 Eigentumsopfer 85, 196 Eigentumsschutz 88, 90, 145, 235 Eignung des Eingriffs 148 Eintragungsbewilligung 271 Einzelfallentscheidung 137, 222 Eisenbahnbau 35, 182 Emotionen 108 Endverbraucher 186 Energieversorgung 24, 184, 223 Energiewirtschaft 24, 184, 223, 238 Enteigneter 145, 282 Enteignung 27, 87, 241, 282 — als Sicherungsmittel 276 — transitorische 179 Enteignungsbegünstigter 30, 179 Enteignungsbeschluß 46, 244 Enteignungsentschädigung 224, 287 Enteignungsgesetz — s. auch Gesetzes vorbehält — gerichtliche Kontrolle 280 Enteignungsgrund 138, 168, 172, 239 Enteignungspraxis 47, 51 Enteignungsuntemehmen 172 Enteignungsvoraussetzung 91, 137 — und Begünstigter 150, 167, 248 Enteignungszweck 138, 168, 172, 211 — und Sicherung 171 — und Sicherungsnotwendigkeit 196 Entschädigung 224, 286, 287 Entschädigungsart 287 Entschädigungshöhe 287 Entscheidungsfindung 137 Entscheidungszeitpunkt 216 Entsorgung 186 Entstehungsgeschichte des Art. 14 GG 40 Entwicklungsplanung 181, 221 Entzug des Eigentums 221, 226 Erbbaurecht 231 Erbbegräbnisrechte 230 Erbrechtsverbürgung 235 Erforderlichkeit 148, 159 — der Enteignung 160 — des Vorhabens 161 — der privaten Vorhabensrealisierung 161 Erforderlichkeitsprinzip 148 — und Gemeinwohlsicherung 203 Erfüllung des Allgemeinwohls 226

Stichwortverzeichnis

Erhaltungsinteresse 145 Erhaltungspflicht 226 Ermittlung der Tatsachen 138 Ernährung 184 Erschließung — allgemein 182 — von Industrieanlagen 35 Erschließungsträger 179 Ersparnis 186 Erwerbsverhandlungen 48 Ewigkeit der Sicherungsdauer 232 Existenznotwendigkeit 168 Fachbehörden 223 Fachplanungen 178 Ferienwohnung 273 Fernleitungen 45 Finanzierung 225 Fiskalische Interessen 93 Flächennutzungsplan 176 Flexibilität — des Allgemeinwohls 129 — der Dienstbarkeit 270 — der Planung 221 — der Sicherung 206 — der Sicherungsdauer 234 — des Sicherungsvertrages 266 Folgenbeseitigungsanspruch 275 Förderung der Wirtschaftsstruktur 172 Folgeauflagen 261 Formelle Anforderungen 55, 77, 236 Formularverträge 265 Forschung 184 Fremdenverkehr 272 Gebrauchsbeschränkung 271 Gefährdungsprüfung 128 Gemeinde als Begünstigter 30, 179 Gemeinschaftsziele 170 Gemeinwohl — s. Wohl der Allgemeinheit — und Rechtsanspruch 191 — Urteil 137 — Verwirklichung 168 Genehmigung 239, 274 Genehmigungsvorbehalt 239, 274 Generalklausel und Gesetzes vorbehält 58 Gerichtliche Kontrolle 279 — des Allgemeinwohls 279 — der Allgemeinwohlsicherung 280 — des Enteignungsgesetzes 280 Geschäftsbedingungen 265, 277

Geschäftsgebaren 268 Geschäftsgrundlage 266 Geschichte — der Enteignung 33, 70, 203, 256, 274 — der Gemeinwohlsicherung 189 Gesellschaftliche Vorteile 186 Gesetz als Sicherungsmittel 222, 238 Gesetzesvorbehalt 55, 89 — und Allgemeinwohlsicherung 68 — und Auflagen 261 — und Enteignungsvoraussetzungen 61 — und Enteignungszweck 56 — Generalklausel 58 Grenzen der Normierbarkeit 63, 65 — und öffentlichrechtlicher Vertrag 69 Gesetzliche Enteignung 66 Gesetzliche Regelungen 53, 70, 236 Gestaltungsfreiheit 277 Gestaltungswirkung 245 Gesundheitswesen 184 Gewicht der Allgemeinwohlaufgabe 159, 167, 170 Gewichtung — der Allgemeinwohlbelange 142 — privater Interessen 155 Gewinnerzielung 100, 219 Gleichheitssatz 205 Gleichwertigkeit der Interessen 150 Gondelbahn 23 Grenzen der Rückübereignung 285 Grundbedürfnis 184 Grunddienstbarkeit 269 Grundschuld 275 Güterabwägung 135, 138, 147 Gütliche Einigung 48 Hafenanlagen 45, 274 Handlungszwang bei Dienstbarkeit 272 Härtefall 247 Hafenerweiterung 45 Haftungsverpflichtung 275 Haftungsvertrag 254 Handlungsfreiheit 228 Herausgabeanspruch 221 Herstellungsinhalt 277 Hinterlegung 224, 253, 267 Hochschulbau 185 Hypothekenschuld 275 Illiquidität 268 Immissionsschutz 185

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Stichwortverzeichnis

Industrieanlagen 35, 182, 185 Industriegesellschaft 182 Industriestandort 35, 182, 185 Industrieunternehmen 35, 182, 185, 239 Inhalt des Allgemeinwohls 138 Integrations Wirkung 148 Interesse, öffentliches 81, 167 — der Allgemeinheit 81, 141 — des Betroffenen 145 Interessenabwägung 127, 135, 147 Interventionsminimum 149 Irrelevante Kriterien 141 Kapitalverwertung 187 Klinikbau 184 Kommunalplanung 240 Kompensation 171, 196 Kompetenzzuweisung 195, 223 Konfliktbewältigung 90, 134, 137, 147 Konkordanz 148 Konkretisierung des Allgemeinwohls 117 Kontrahierungszwang 273, 277 Kontrolle, gerichtliche 278 Konzession 76 Koppelungsverbot 262 Kostenersparnis 186 Knebelung 218 Krankenhausbau 184 Kreditzusagen 225 Krise 219, 221 Landbeschaffungsgesetz 228, 230 Landerwerb 48 Landesplanung 174, 179 Landwirtschaft 184 Lebensmittel 37, 182 Legalenteignung 66 Legitimationn des Eigentumsopfers 85, 196 Lehensrecht 276 Leistungsfähigkeit 171, 219 Leistungsstörung 266 Leitungsbau 45, 182 Literatur und Meinungsbildung 52 Lösungsschritte 137 Mangel an Sicherung 282 Maßstäbe der Verfassung 86, 132, 162 Medizin 184 Mindestdauer der Sicherungsfrist 237 Mineralölfemleitung 45, 182 Mißwirtschaft 221, 268

Mittelnachweis 226 Momentaufnahmen 129 Monetäre Gesichtspunkte 99 Musterverfügung 46 Nachträgliche Sicherungsmaßnahmen 278 Nahverkehr 273 Naßauskiesung 27 Nationalsozialismus 38 Nebenbestimmung 248, 251 Negative Ausgrenzung des Allgemeinwohls 91 Nießbrauch 269 Notwendigkeit der Gemeinwohlsicherung 195 Nutzung des Raumes 181 Nutzungseigentum 221, 231, 233 Nutzungsrechte 192 Nutzungszwang 272 Nutzungszweck 138, 168, 172, 239 Obereigentum 276 öffentliche Hand 168, 199, 219 öffentlicher Nahverkehr 273 öffentliches Interesse 81 Omnibusbetriebshof 273 Optimierungsprinzipien 148 Parallelität der Interessen 151, 153 Patentgesetz 252 Persönliche Dienstbarkeit 269 Person des Begünstigten 150, 167, 248 — s. auch Begünstigter Personenbeförderungsgesetz 239 Pflicht zur Enteignung 78, 164 Pflichtwidrigkeit 221, 243, 251 Pipeline 36, 45 Plan 139, 148, 176, 240 Planfeststellungsbeschluß 178, 255 Planung 139, 148, 176 Planungsflexibilität 221 Planungshoheit 240 Planungsregion 181 Planvereinbarung 264 Plan Verwirklichung 48, 176 Planvorgaben 178 Positive Allgemeinwohldefinition 113 Prävention 221 Praxis 44 — Analyse 44 — der Sicherungsmaßnahmen 215

Stichwortverzeichnis

— der Verfassungsgerichte 51 — der Verwaltungsbehörde 45, 71, 188 — der Verwaltungsgerichte 51 — der Zivilgerichte 49 Preistreiberei 186 Prestige 108 Privater 31, 212 — und Vorhabensrealisierung 161 Privatinteresse 112, 151 — und Allgemeinwohl 150 — Verhältnis zu öffentlichen Belangen 155 Privatklinik 184 Privatnützigkeit 232 Privatrechtliche Sicherungen 274 Privilegien 76 Problemabfälle 186 Problemlösung 137 Problemstellung 23 Prognose 139, 148, 216, 279 Prüfgelände 25 Prüfungsmaßstäbe bei der Enteignung 86, 132, 162 Publizität 269 Qualifikation des Allgemeinwohls 119 Qualitätsforderungen beim Allgemeinwohl 122 Quantitätsprobleme 121 Raster zur Problemlösung 137 Rauchgasentschwefelung 185 Raumordnung 174, 179, 185 Realisierung — des Gemeinwohls 167, 191, 197, 207 — der Rückübereignung 283 — des Vorhabens 225 Reallast 272, 275 Rechtfertigung des Unternehmens 139 Rechtsanspruch — auf Enteignung 78, 164 — aus Gemeinwohlsicherung 191, 265 — auf Gemeinwohlverwirklichung 191, 265 Rechtsgeschichte — der Enteignung 33 — der Gemein wohlsicherung 189 Rechtsnachfolge 213 Rechtsprechung zum Wohl der Allgemeinheit 23, 51, 59, 113 Rechtsstellung des Enteigneten 282 — Gutgläubiger Erwerb 269

Rechtsscheinwirkung 269 Rechtsstaatsprinzip 55, 64, 90 Reflex Wirkung der Sicherung 193 Regelungsbefugnis des Gesetzgebers 89 Regionalstruktur 173 Reichssiedlungsgesetz 229 Relevanz der Tatsachen 138 Rentenschuld 275 Res extra commercium 202, 276 Risikoabwälzung 219 Risikofaktoren 202, 207, 209, 216 Rohrleitungen 36, 45 Rohstoff gewinnung 183 Rückabwicklung 246 Rückenteignung 227, 230, 241 Rückgabeanspruch 227 Rücklagen 225 Rücknahme 239 Rücktrittsrecht 266 Rückübereignung 227, 230, 241, 283 Sachgesamtheit 246 Sachverhaltsaufklärung 138 Satzungsrecht 240 Schutzbereich der Eigentumsgarantie 88, 90, 145, 235 Schritte zur Problemlösung 137 Schutzwürdigkeit 247 Schwere des Eingriffs 149 Sektoralstruktur 173 Selbstverwaltungsrecht 240 Sensation 108, 187 Sicherheitsleistung 224, 267 Sicherheitsrisiko des Privaten 150 Sicherung des Allgemeinwohls 68, 171, 188 — durch die Allgemeinheit 191 — Arten 238 — vorzeitige Beendigung 278 — durch früheren Eigentümer 193 — des Enteignungszweckes 171, 188 — und Entscheidungszeitpunkt 216 — und Erforderlichkeitsprinzip 203 — gerichtliche Kontrolle 280 — nachträgliche 278 — Notwendigkeit 195 — als Verfassungsgebot 195 — durch die Verwaltung 195 Sicherungsberechtigter 191 Sicherungsdauer 227 Sicherungsdichte 206

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Stichwortverzeichnis

Sicherungsfristen 228 Sicherungsinhalt 277 Sicherungsmangel 282 Sicherungsmaßnahmen, nachträgliche 278 Sicherungsmittel 238 — Bedingung 251 — Befristung 254 — Beschränkte Dienstbarkeit 269 — Dienstbarkeit 269 — Dingliche Sicherungen 269, 275 — Enteignung 276 — Gesetz 238 — Gestattungsvertrag 275 — Grundschuld 275 — Grunddienstbarkeit 269 — Hypothekenschuld 275 — Haftungsverpflichtung 275 — Haftungsvertrag 254 — Leihe 275 — Mietvertrag 275 — Nießbrauch 269 — Persönliche Dienstbarkeit 269 — Privatrechtliche Bindungen 274 — Plan 240 — Rentenschuld 275 — Reallast 275 — Satzungsrecht 240 — Verordnungsrecht 240 — Vorbehalt des Widerrufs 241, 248 — Vertrag 263 — Widerruf 241 Sicherungsnotwendigkeit 195 Sicherungspraxis 215 Sicherungsvereinbarung 234, 264 Sicherungsvertrag 234, 264 SicherungsVorkehrungen 238 Sicherungsziele 224 Sicherungszuverlässigkeit 205, 219, 267 Siedlung 37, 181 Sonderbaulast 219 Sozialauswahl 181 Sozialbindung 27 Soziale Aufgaben 37, 179, 272 Sozialisierung 162 Sozialstaatsprinzip 179 Spekulation 186 Spezifikation des Allgemeinwohls 119 Sportstätten 184 Staatsaufgaben 73, 124 Staatsaufsicht 221, 223 Staatszweck 125 Städtebau 178, 181, 185, 239

Stadtentwicklung 178, 181, 185, 239 Starrheit der Fristen 234 Statische Allgemeinwohlbestimmung 129 Steckengebliebene Vorhaben 275 Steigerungsformel beim Allgemeinwohl 119 Straßenbau 182, 219 Strukturpolitik 172 Stufen zur Allgemeinwohlfindung 137 Subventionsvergabe 273 System der Allgemeinwohlfindung 137 Tarifgestaltung 277 Tatsachenänderung 220 Tatsachenermittlung 138 Teilhaberechte 192 Teilwiderruf 242, 247 Teleologische Auslegung 42 Terminologie — s. Begriffserklärungen — Wohl der Allgemeinheit 81 Thesen 288 Tragweite des Eingriffs 149 Transitorische Enteignung 30, 179 Treuhandkonto 268 Übermaßverbot 148 — und Gemeinwohlsicherung 203 Überwiegen privater oder öffentlicher Belange 155, 167 Umverteilung 105, 180 Umweltschutz 185 Unbegrenztheit, zeitliche 232 Undefinierbarkeit des Allgemeinwohls 115 Unmittelbarkeit des Unternehmensvorteils 157 Unmöglichkeit 266 Unsicherheitsfaktoren 202, 216 Unternehmen 172, 282 — s. auch Aufgabe, Vorhaben — öffentliches 168, 199 — privatrechtlich 31 Unternehmensfreiheit 277 Unternehmensrechtfertigung 139 Unternehmensträger 199 Unternehmens vorteil 157 Untemehmenszweck 197 Unternehmerrisiko 219 Unwiderruflichkeit 244 Unzumutbarkeit 245, 266, 286 Urheberrecht 231

Stichwortverzeichnis

Veränderung des Eigentums 246 Veränderungssperre 275 Verbraucher 186 Verfahrensschritte 137 Verfassungsgebot der Allgemeinwohlsicherung 195 Verfügungsbefugnisse 232, 271 Vergnügung 108, 187 Verhältnis öffentlicher und privater Interessen 155 Verhältnisse, tatsächliche 138, 220 Verhältnismäßigkeitsprinzip 148 Verhaltenssicherung 270 Verjährung 230 Verkehr 182 Verlängerung der Befristung 259 Verleihung des Enteignungsrechts 75 Vermögensumschichtung 105, 180 Verordnungsrecht 240 Verpflichtende Auflage 261 Verpflichtung zur privatbegünstigenden Enteignung 164 Versorgung 37, 182 — mit existentiellen Gütern 182 — mit Lebensmitteln 37 — medizinische 184 Versorgungsleitungen 36, 45, 275 Versorgungspflicht 238 Vertrag, öffentlicher 263 — zugunsten Dritter 192, 265 — und Gesetzesvorbehalt 69 — als Sicherungsmittel 264 — Zulässigkeit 264 — Zweckmäßigkeit 264 Vertragsanpassung 266 Vertragsinhalt 264 Vertragsstrafe 220, 266 Vertragsverhandlung 48 Vertrauensschutz 247 Vertretenmüssen 243, 247, 260 Verwaltungsakt — mit Dauerwirkung 233, 244 — mit Drittwirkung 193 — feststellender 252 — privatrechtsgestaltender 244, 249 — statusbegründender 252 — auf Unterwerfung 261 Verwaltungsaufgaben 73 Verwaltungspraxis 44, 71, 188 Verwendungsfrist 255 Verwendungspflicht 226, 277

Verwirklichung des Gemeinwohls 167, 191, 197 Volkswirtschaft 175 Vollendung der Vorhabensrealisierung 225 Vollstreckung 262, 265 Vollstreckungshindernis 220 Vorbehalt — der Auflage 263 — des Widerrufs 248 Vorbehaltseigentum 276 Vorhaben 139, 151, 161 — und Erforderlichkeit 161 Vorhabensrealisierung 225 Vorhabenszweck 139, 151, 161 Vorteil der Allgemeinheit 155, 200 Vorteilsstreben 200 Vorwirkende Auflage 261 Vorzeitige Sicherungsbeendigung 278 Warenzeichenrecht 231 Wasserstoff 45 Wegebau 182, 219 Wegfall der Geschäftsgrundlage 266 Wegnahmerecht 246 Wertigkeit der Gemeinwohlbelange 159, 167, 170 Wertschöpfung 187 Widerruf 239, 241 Widerrufsgründe 239, 243 Widerrufsvorbehalt 241, 248 Widmung 275 Wiederaufgreifen 242 Wiederkaufsrecht 225 Willensfreiheit 202 Wirtschaftliche Ziele 172, 187 Wirtschaftsförderung 107, 172 Wirtschaftsfreiheit 218 Wirtschaftskrise 221 Wirtschaftsstruktur 172 Wirtschaftsverwaltungsrecht 262 Wirtschaftswert 246 Wissenschaft 184 Wohl der Allgemeinheit 81, 91, 113, 115, 138, 282 — als Aufgabe 159, 168 — Abwehrrecht 282 — negative Ausgrenzungen 91 — als Befugnisnorm 87 — und Beispiele 172 — positive Definition der Rechtsprechung 113

320

Stichwortverzeichnis

— als Grenze staatlicher Macht 88 — Inhaltsbestimmung 138, 167 — und private Interessen 150, 167 — gerichtliche Kontrolle 279 — und Konfliktbewältigung 90 — Maßstäbe zur Bestimmung 138, 162 — Monopol der Verwirklichung 170 — und Rechtsanspruch 78, 164, 191 — und Regelungsbefugnis des Gesetzgebers 89 — und Sicherung 68, 188, 195 — als Sicherungsgebot 195 — Urteil über 137 — Verwirklichung 67 Wohnungsbau 37, 50, 181, 222 Wortlaut des Art. 14 GG 39 Zahlung 224 Zeitablauf 227, 236, 244 Zeitbestimmung 257 Zeitdauer der Befristung 258 Zeitraum der Sicherung 227 Zerstörung des Eigentumswertes 246 Ziele des Enteignungsuntemehmens 172

— der Sicherung 224 — wirtschaftliche 172 Zusammenfassung 288 Zulässigkeit — der Bedingung 253 — der Befristung 257 — des Vertrages 264 — des Widerrufs 244 Zumutbarkeit des Eingriffs 149 Zuordnungsberechtigter 28 Zuständigkeit 195, 223 Zustimmungsbedürftigkeit 239 Zuverlässigkeit 206, 248 Zwangslizenz 252 Zwangswirkung 254 — s. auch Sicherungszuverlässigkeit Zweck der Grundrechtsverbürgung 42 Zweck der Enteignung 167, 172, 211 Zweckbindung 196 Zweckentfremdung 201 Zweckerfûllung 214 Zweckfreie Enteignung 92 Zweckrealisierung 151 Zweckverfolgung 151 Zweckverwirklichung 149