England im Spiegel des Auslands: Zur Feier des Geburtstages Sr. Majestät des Kaisers am 27. Januar 1911 in der Aula der Handels-Hochschule [Reprint 2018 ed.] 9783111480114, 9783111113197

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England im Spiegel des Auslands: Zur Feier des Geburtstages Sr. Majestät des Kaisers am 27. Januar 1911 in der Aula der Handels-Hochschule [Reprint 2018 ed.]
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Hochansehnliche Versammlung!

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K O R P O R A T I O N DER K A U F M A N N S C H A F T VON B E R L I N

HANDELS-HOCHSCHULE BERLIN

England im Spiegel des Auslands Zur Feier des Geburtstages Sr. Majestät des Kaisers am 27. Januar 1911 in der Aula der Handels-Hochschule

vorgetragen von

HEINRICH SPIES

Berlin 1911 Druck und Verlag von Georg Reimer

Hochansehnliche Versammlung! Mit frohem Stolz feiert heute unser deutsches Volk in der Heimat wie auf dem weiten Erdenrund den Geburtstag seines Kaisers, des dritten Hohenzollern auf dem Thron des Reichs. Fast zur Mahnung für die junge Generation des neuen Jahrhunderts steht diesem nationalen Tage durch glückliche Fügung der achtzehnte Januar zur Seite, und gern verbinden wir beide Feste bei unserer Rückschau und Umschau. Mancher von Ihnen blickt aus e i g e n e r Erfahrung prüfend und vergleichend auf die Zeiten zurück, die für die meisten von uns ante festum, vor unseres und des Reiches erstem Geburtstag liegen. Aber bei uns allen herrscht Einigkeit darüber, daß wir es zwar noch nicht herrlich weit gebracht, aber einen festen Boden für die Betätigung unseres Volks und unseres Volkstums gewonnen haben. Nirgends wird diese Tatsache so tief empfunden werden wie an d i e s e r Stätte, als an einem Mittelpunkt deutschen Bürgertums, deutschen Fleißes und deutscher Tatkraft. Noch vor einem halben Jahrhundert, drei Jahre vor Erstürmung der Düppeler Schanzen, in dem ereignis- und folgereichen Jahr 1861 suchte und fand man, leider nur zu oft, das Ideal des Lebens j e n s e i t s des Kanals, wo ein politisches, körperlich und moralisch starkes Volk, auf die ununterbrochene Einheit einer 500 jährigen nationalen Kulturentwicklung zurückblicken konnte*). Daß aber die starre Geschlossenheit des ') Die Mischung der verschiedenen Völker- und Rassenbestandteile auf englischem Boden ist im 14. Jahrhundert im wesentlichen vollzogen. Der Typus des nationalen Engländers, der aus dieser Mischung

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englischen Volkstums mit seinen begehrenswerten Errungenschaften der politischen, religiösen und persönlichen Freiheit trotz befremdender Beimengungen auch anderswo in der Welt gleich einem starken Charakter wirkte, lehrt gegen Ende desselben Jahrzehnts S i r C h a r l e s D i l k e , der gestern dahingeschiedene l i b e r a l e Politiker, mit dem inhaltschweren, uns Deutschen zu frühem Mene Tekel gesetzten Ergebnis seiner Weltreise: „The world is rapidly becoming English" 1 ). Um die Wende des Jahrhunderts kann Englands jetziger König, Georg V., ein Seemann von Erziehung und Beruf, über die weite Erde fahren, ohne einen fremden Hafen anzulaufen, und doch glaubt er noch in seiner Guildhall-Rede vom Jahre 1901 unter dem Eindruck des Südafrikanischen Kriegs das alte Wrort „Wake up, John Bull" zu neuem Leben wecken zu müssen. Wie froh wären wir, wenn unser kaiserlicher Kronprinz unter ähnlich glücklichen Auspizien zur Studienfahrt- gen Osten hätte ziehen können! Das Volk, das sich mit zäher Ausdauer durch der Jahrhunderte Lauf ein Riesenreich geschaffen, das, vielgeschmäht und viel bewundert, auch jetzt noch als Herrennation unbeirrt seine Ziele verfolgt und u n s in so manchen Dingen ein Vorbild geben kann, sei heute nach einer neuen Richtung hin das hervorgeht, erzielt seine ersten Erfolge in den glücklichen Jahren der Regierungszeit Eduards III. (1327—1377). In der ä u ß e r e n Politik ist es vornehmlich das geschlossene Auftreten der Nation gegen die Schotten (der erste politische Lyriker Englands, Lawrence Minot, sang damals über sie „But ever are they under") und Franzosen sowie gegen den Papst (Forderung des Lehnszinses durch Urban V. im Jahre 1365 durch das englische Parlament hohnlächelnd abgewiesen). Im i n n e r e n L e b e n d e r N a t i o n ist es gerade vom Standpunkt der Gegenwart bedeutsam, daß 1362 das englische Parlament zum erstenmal in englischer Sprache eröffnet wurde und im gleichen Jahr das Englische als offizielle Gerichtssprache vorschrieb. Sir C h a r l e s W. D i l k e , Greater Britain. 2 vols., London, Macmillan & Co., 1869. 3/6 net. — Vgl. auch desselben Verfassers Problems of Greater Britain (ebenda mehrfach, 12/6), ein Buch, das imperialistische Fragen behandelt, besonders die Lehren, die aus politischen und wirtschaftlichen Erfahrungen in den Kolonien zu ziehen sind.



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Ziel unserer Gedanken. Unendlich weit ist das Thema wie das Kaiserreich von Größer-Britannien und unerschöpflich in seiner Tiefe wie das Weltmeer, das es umschließt 1 ). So gebe uns wenigstens ein kurzer und kühner Streifzug durch dieses Neuland einen Einblick, in der Weise, wie es der Charakter des Vortrags, als des gesprochenen Essays, erfordert. Keine Nation ist im Lauf der Geschichte und besonders im Lauf des neunzehnten Jahrhunderts so verschiedenartig beurteilt worden wie die englische. Je nach den allgemeinen politischen Verhältnissen und Stimmungen, je nach den individuellen Erfahrungen und dem persönlichen Standpunkt des einzelnen, vielfach von der Parteien Haß und Gunst verwirrt, hat das Charakterbild Englands und des Engländers in allen Schattierungen des Lobes und des Tadels geschwankt. Als nächste Verwandten und als wirtschaftliche wie politische Konkurrenten sind wir Deutsche daran in neuester Zeit am stärksten beteiligt, wie man anderseits seit ein paar Jahrzehnten auch in England aus nationalen und privaten Geschäftsinteressen anfängt, tiefer in das Verständnis u n s e r e s Volkstums ein1 ) Es liegt auf der Hand, daß das Thema, bis zu seinen letzten Konsequenzen ausgedacht, unendlich ist. Eine Zusammenstellung der wichtigsten und interessantesten Literatur von rund 1400 ab bis zur Gegenwart habe ich in meinem Buch gegeben: Das moderne England (Einführung in das Studium seiner Kultur, mit besonderem Hinblick auf einen Aufenthalt im Lande. Straßburg, K. J. Trübner, 1911), Kapitel IV. England im Spiegel des Auslands, besonders Deutschlands (Verhältnis Deutschlands. zu England). Frühere Versuche in Gestalt kleinerer Ausschnitte sind: W. B. R y e , England as seen by foreigners in the days of Elizabeth and James I. Comprising translations of the journals of the two Dukes of Wirtemberg in 1592 and 1610; both illustrative of Shakespeare. With extracts from the travels of foreign princes and others, etc. London, I. R. Smith, 1865. Zurzeit vergriffen. — E d w a r d S m i t h , Foreign visitors in England and what they have thought of us: Being some notes on their books and their opinions during the last three centuries. (BookLover's Library ed. by H. B. W h e a t l e y . ) London, E. Stock, 1889. 4/6. — Man vgl. auch The Antiquarian Repertory, edited by Francis G r o s e , Thomas A s 11 e etc. 4 vols. London 1775 und 1807—1809.— Einzelne sind von G. B i n z in einem Vortrag nach der kulturhistorischen Seite hin ausgeschöpft worden (Deutsche Besucher im Shakespeare'schen London. Beilage zur Münchner Allgemeinen Zeitung 1902, Nr. 192—193.



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zudringen. Das Schwergewicht der Beziehungen Deutschlands zu den Nachbarvölkern hat sich durch die Folgen des siebziger Kriegs und durch das Verhältnis der Bevölkerungsziffern mehr und mehr von Frankreich nach England verschoben, sodaß demzufolge j e t z t die Frage „Deutschland und E n g l a n d " wie früher „Deutschland und Frankreich" im Vordergrund des öffentlichen Interesses und der privaten Erörterung in beiden Ländern steht. Wir bedauern lebhaft, wenn dabei oft bedenklich mit dem Feuer gespielt wird, aber „exempla docent": „peccatur intra muros et extra". Im Interesse eines gegenseitigen Verständnisses sollte hierbei jeder Deutsche, vor allem der junge Studierende und Gelehrte von dem sicheren Boden der historischen Entwicklung ausgehen, sollte nüchtern und leidenschaftslos, höflich aber entschieden den notwendigen Standpunkt seines Volks und seines „Platzes an der Sonne" betonen. Wissenschaftliche Sachlichkeit u n d ein Einblick in die bunte Spiegelung englischer Kulturverhältnisse in Vergangenheit und Gegenwart werden sich ihm hierzu als starke und zuverlässige Stützen bewähren. Jeder weiß aus der Geschichte, daß der keltische Archipel Britanniens seit rund zwei Jahrtausenden eine geheimnisvolle Anziehungskraft auf die Stämme und Völker des europäischen Kontinents ausgeübt hat. Von den Zeiten Cäsars bis zur Gegenwart haben freundliche und feindliche Berührungen mannigfachster Art in größter Zahl stattgefunden und gewaltige Umwälzungen auf der Insel hervorgebracht. Aus dem Völker- und Kulturgemisch ersteht im vierzehnten Jahrhundert in einer Zeit nationalen Aufschwungs ein einheitliches und einiges Volk bester Mischung — die englische Nation, die im fünfzehnten Jahrhundert in Gestalt der von dem neuen hauptstädtischen Zentralpunkt London ausgehenden englischen Schriftsprache x ) eine leicht hand' ) Die Geschichte der neuenglischen Schriftsprache ist zuerst durch Lorenz M o r s b a c h (Über den Ursprung der neuenglischen Schriftsprache. Heilbronn 1888) in helleres Licht gerückt worden. Morsbach zeigte gegenüber älteren Versuchen, die den Reformator Wiclif oder den Dichter Chaucer als „Schöpfer" der Schriftsprache hinstellen wollten, daß diese vielmehr von London als dem großen Zentralpunkt in jeder



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liehe, aber scharfe und dem Gegner gefährliche Waffe für den Völkerkampf erhält. Der neue, äußerst charakteristische Völkertypus des Engländers wird etwa seit 1400 unter die kritische Lupe des Ausländers genommen, also seit den Zeiten, wo sich einerseits die ersten Regungen der Renaissance in England bemerkbar machen, anderseits, v o r dem Erwachen des Entdeckungszeitalters, der Handel auch g e i s t i g e Ware aus dem Mittelmeer nach Norden importieren hilft. Reichhaltig an Umfang und Inhalt setzt das Quellenmaterial für diese Frage aus den Kreisen der Humanisten ein, und in übersprudelnder Fülle geht es in progressiver Reihe durch die Jahrhunderte über die Schwelle der Neuzeit und neuesten Zeit bis zur Gegenwart, ja, phantastische Prophezeihung wagt kühn den Sprung ins Dunkel der Zukunft und malt bereits den Engländer des dritten Jahrtausends nach Christi an die Wand. Manuskripte auf Pergament und Papier, Druckwerke der guten alten und der besseren neuen Zeit, Pamphlete und fliegende Blätter in Versen oder Prosa, wissenschaftliche und populäre Zeitschriften bis auf die Eintagsfliegen der Zeitungen unserer Tage bergen den Stoff, der in seiner Gesamtheit eim buntes Sammellager englischer Kulturgeschichte darstellt. Weiße, schwarze und gelbe Rassen haben nacheinander an dieses Sammellager geliefert, alle Klassen und Stände sind beteiligt. Neben die oberen Zehntausend des humanistischen Geistes der älteren Zeit, die als Geistliche, als Gelehrte oder Gesandte gewissermaßen den internationalen Klosterverkehr des MittelHinsicht ausgegangen sei. Die neueste Arbeit auf diesem Gebiet, die zugleich ein vollständiges Verzeichnis der einschlägigen Literatur enthält, ist die von J . F r i e s h a m m e r , Die sprachliche Form der Chaucerschen Prosa (Morsbachs Studien zur engl. Phil. 42). Halle, M. Niemeyer, 1910. — Die nationale Bedeutung der Schriftsprache kann nicht hoch genug veranschlagt werden. Wenn wir uns vergegenwärtigen, daß sich in Zukunft das Englische in den einzelnen geographisch getrennten Kontinenten in jeder Beziehung, besonders nach der Aussprache hin, mehr und mehr differenzieren wird, so bleibt doch die Schriftsprache als ein einigendes Band der englisch sprechenden Länder bestehen.



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alters in neuer Form fortsetzen, stellt sich bald der Kaufmann sowie der Typus des begüterten Vergnügungsreisenden aus Adels- und Bürgerkreisen, weiter der religiöse und politische Flüchtling aus Holland, Frankreich und vor allem aus Deutschland, während neuerdings mehr französische, deutsche und amerikanische Gelehrte und Politiker den Dingen tiefer auf den Grund gehen. Aber Könige und Kärrner der Beobachtung gibt es unter ihnen allen. Eine besondere Gruppe bilden die Dichter, deren vielfach stilisierte und individualisierte Äußerungen mehr in das Gebiet der vergleichenden Literaturgeschichte schlagen, soweit sie nicht wie T h e o d o r F o n t a n e in klassischer Weise Schilderungen aus England und Schottland zum dichterischen Selbstzweck erheben. Fünfhundert Jahre lang, von 1400 bis 1900, steht England als geschlossene wie meist auch als abgeschlossene Volkseinheit vor unsern Augen, im Spiegel des Auslands, im Wechsel der Zeiten. Überblicken wir die selbst nach kritischer Sichtung noch schier unabsehbare Menge der Gefühls- und Verstandesäußerungen, so ist es billig, von dem überlegenen Standpunkt einer späteren und noch dazu skeptisch abwägenden und wissenschaftlich berechnenden Zeit aus über vieles zu lächeln. Aber „Tout comprendre c'est tout pardonner" gilt vor allem in der Wissenschaft und — auch in der wissenschaftlichen Welt. Und so wollen wir denn mit milder Nachsicht auch groteske Verallgemeinerung und krasse Oberflächlichkeit, Liebe und Haß der Beurteilung da in den Kauf nehmen, wo die Spiegelung trotz vergröbernder Verzerrung und Entstellung wenigstens einen Strahl der Wahrheit reflektiert. Denn nur einer von Tausend läßt sich von dem Gedanken leiten, den Beowulf in dem angelsächsischen Heldenepos von anderen Voraussetzungen aus in die schlichten Worte des germanischen Helden kleidet: „Die fremden Länder besucht mit Nutzen, wer selber tüchtig" Objektivität und Vorurteilslosigkeit waren stets nur im Besitz weniger Geister, und manch kluger und geistreicher Englandfahrer aus Deutschland und Frankreich, nicht nur der alten l ) Beowulf Vers 1838 f. in der Übersetzung von Beowulf . . . übersetzt und erläutert. Heidelberg 1906.

H. G e r i n g ,



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Zeit, verlor sie schon b e i der Überfahrt durch die Tücke des Meers oder n a c h der Überfahrt beim ersten Dinner . . . Der Historiker geht darüber passend mit dem lateinischen Spruch „Nil humani ä me alienum" zur Tagesordnung über. Wird auf diese Weise manchem schon von vornherein der Blick durch Unkenntnis und Vorurteil getrübt, so ist das Urteil vieler Anderer durch die gute oder schlechte Aufnahme ihrer werten Person auf englischem Boden nach der einen oder anderen Seite hin beeinflußt. Ich sehe dabei von solchen Fällen ab, wo einer mit dem Lande und seinen Bewohnern fertig ist, als er wegen Belästigung seiner Mitmenschen und zur Steuer seiner eigenen Gotteslosigkeit beim Friseur des Sonntags doppelte Preise zahlen muß. Das ist sozial, d. h. gerecht, und daher nachahmenswert. Da liegt, von älteren abgesehen, ein Fall wie der des A l e x a n d e r T i l l e denn doch ernster. Der scharfe Titel und Ton seines Buchs „Aus Englands Flegeljahren" war ein Notschrei der Abwehr aus tiefgekränkter Seele nach der Rückkehr in die Heimat 1 ). Viele finden sich nie in einem fremden Volkstum zurecht, obgleich der Deutsche der älteren Zeit, entschuldigt durch den Zustand seines Landes oder Ländchens, nur zu oft in England den Himmel offen sah und dort dauernd Einkehr hielt. Aber da über e i n e n bekehrten Sünder mehr Freude herrscht denn über 99 Gerechte, wollen wir uns zum Trost daran erinnern, daß auch mancher deutsche Eigenbrötler und Nörgler, der da glaubte den Staub seines Vaterlandes von den Füßen schütteln zu müssen und zu können, mit einem „Deutschland, Deutschland über Alles" auf den Lippen reuig in die Heimat zurückschlich. Wenden wir uns wieder den Anfängen unseres Themas zu, so ist es interessant zu beobachten, wie der Besuch der ersten Humanisten in England zu Beginn des fünfzehnten Jahr1 ) A. T i l l e war 1890^1900 Dozent für Deutsch an der Universität Glasgow; er veröffentlichte während des Burenkriegs englische Urteile absprechender Art über die englische Kriegführung in der „Woche", wurde von Studenten in pöbelhafter Weise attackiert und legte sein Amt nieder. Das genannte Buch ist 1901 in Dresden und Leipzig erschienen.



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hunderts an die vorher angedeutete kirchliche Tradition des Mittelalters anknüpft, in seinem Ergebnis aber lehrt, wie der Kirche bereits manche Fäden fast unmerklich entglitten, ohne daß sie neuen Ersatz dafür gewann. Bracciolini P o g g i o , der 1459 als Kanzler von Florenz ein vielseitiges Leben nach Humanistenart würdig beschloß, suchte sich nach dem Konzil von Konstanz für kurze Zeit England zum Felde seiner Tätigkeit, Sammlung von Manuskripten und anderen Kunstgegenständen, aus. Renaissance und Humanismus hatten damals wohl schon in der Literatur, aber nicht im Leben des Volkes Wurzel geschlagen, und Poggio blieb daher unverstanden in seinen Bestrebungen und Ideen wie höchstwahrscheinlich auch in seiner englischen Aussprache. Kein Wunder, daß er seinem Ärger über persönliches Mißgeschick in wenig schmeichelhaften Ergüssen über das maßlose Essen und Trinken und die geistlose Unterhaltung der „englischen Barbaren" Luft macht x ). Italienische „Gentilezza" war eben in England noch nicht wirksam und der „Gentleman" der angelsächsischen Welt noch nicht geschaffen. Gegen Ende desselben, des fünfzehnten Jahrhunderts gibt uns ein Vertreter der zweiten vorher gekennzeichneten Gattung der Besucher Englands, ein Diplomat, A n d r e a T r e v i s a n o aus Venedig in einem Bericht eine höchst modern anmutende Schilderung des englischen Typus. Die Engländer, so sagt er, haben eine große Vorliebe für sich selbst, und für alles, was ihnen gehört; sie haben eine Antipathie gegen Ausländer und glauben, daß es außer England und seinen Bewohnern nichts Rechtes auf der Welt gibt. Und wenn sie einen schönen Ausländer sehen, sagen sie, „er sieht aus wie ein Eng*) Die Äußerungen Poggio's sind beispielshalber von Edward S m i t h , Foreign visitors etc. (s. o.) nach dem handschriftlichen Original wiedergegeben. Wer sich darüber im Zusammenhang mit literarischen Zeitströmungen interessiert, möge auch die Ausführungen t e n Brink's in seiner von A. B r a n d l (Straßburg 1893) edierten „Geschichte der englischen Literatur" Band 2, 330 ff. nachlesen. — Zurückhaltender in seinem Urteil war E n e a S i l v i o , der zu Beginn des Baseler Konzils (1431—1448) als Diplomat mit ähnlichen erfolglos gebliebenen Nebenzwecken in England weilte.



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länder" und „es ist sehr schade, daß er kein Engländer ist". Und wenn sie von einem Ausländer ein Geschenk bekommen, so fragen sie ihn, ob denn so etwas auch außerhalb Englands fabriziert werde und so w e i t e r . T r e f f l i c h beobachtet und noch heute gültig! Mit dem 16. Jahrhundert setzt in England eine entschlossene Macht- und Wirtschaftspolitik auf nationaler Grundlage ein, deren Folgen die kontinentalen Staaten seit der Elisabeth-Zeit zu spüren bekommen. Die englische Gefahr scheint damals nicht allgemein erkannt zu sein, da der Aufschwung Londons und Englands selbst von den Nächstbeteiligten, von holländischen und deutschen Kaufleuten, der dritten vorhin erwähnten Klasse der Englandfahrer, lediglich als Tatsache registriert wird. Sie sowohl wie der begüterte Vergnügungsreisende aus Holland, aus Deutschland und last not least der Schweiz wissen tausend kleine Einzelheiten fast nach Frauenart anmutig plaudernd und plauschend zu berichten. Aber wo bleibt der Widerhall des Kampfes gegen Rom! des Unterganges der Armada! Wie matt und oberflächlich klingt das Lob von Englands Handel, Englands Schiffahrt, Englands Expansion! Daß der Handel Englands nicht nur einen g o l d e n e n Gürtel um den Erdball schlang, wie das englische Wort sagt, sondern auch einen n a t i o n a l e n , ist bei uns leider überhaupt viel zu spät erkannt worden. Erst nach 1600 zieht ein frischer Geist, französischer, besser gesagt, romanischer „esprit" in die Literatur über England ein. Das reiche Innenleben, das unsere nachbarlichen Vettern zu jener Zeit in insularer Zurückgezogenheit zum Nutzen der Festigung der protestantischen und der parlamentarischen Idee führten, hat vielen klugen Beobachtern des Festlandes tiefe Wahrheiten über Englands Volk und Staat entlockt. Das Beste, C o s m o's Iii., des Großherzogs von Toskana Reisebuch, von seinem Sekretär G r a f M a g a l o t t i redigiert, konnte ein Macaulay als authentisches Quellenwerk Vgl. für diesen aus den Jahren 1496/7 stammenden Bericht das von der Camden Society zu London 1847 gedruckte Buch von C. A. S n e y d , A relation, or rather a true account, of the island of England etc.



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für den ersten Band seiner „History of England" verwerten 1 ). Der lebhafte Geist des F r a n z o s e n und des französischen S c h w e i z e r s sieht mehr die Unterschiede des gesellschaftlichen Lebens und stempelt ihre Schwächen mit feiner Ironie zu einer Quelle köstlichen Humors. Das „Enfant terrible" unter ihnen allen war Monsieur S o r b i e r e 2 ) , der mit raffinierter Bosheit über Politik, Religion, Wissenschaft und Privatleben in England soviel Ungünstiges zu sagen wußte, daß wie bei einem modernen Spion das Wetter einer internationalen Verwicklung heraufzog, und Ludwig XIV. ihn trotz seiner absolutistischen Gesinnungstreue über die Grenze schob. Das Reisewerk Sorbiere's war, nebenbei bemerkt, das erste Buch über England, das eine Reihe geharnischter Erwiderungen erfuhr und einen englischen, Spaßvogel (Dr. W i 11. K i n g ) noch 28 Jahre nach Sorbiere's Tod, 1698, zu einer grandiosen Mystifikation anregte, die erst viele Jahrzehnte später als solche erkannt wurde 3 ). Mit dem Jahr 1688 bricht für Groß-Britannien ein neues Zeitalter an, ein Zeitalter, das es 1815 auf den Schlachtfeldern von Waterloo für E u r o p a beendet, um es für die W e l t aufs neue zu beginnen. Kein Wunder, daß dieses Ringen zwischen Protestantismus und Katholizismus, zwischen Germanen und Romanen, zwischen Engländern und Preußen gegen Franzosen auch diejenigen mächtig erregt, die aus der Nähe oder Ferne diesem Kampf des Geistes und des Schwertes zuschaun — wissenschaftlich-philosophische Vertiefung feiert jetzt ihre ersten Triumphe. Wissenschaftlichkeit und philosophische Betrachtungsweise sind es auch, die der unendlich reichen neueren und neuesten Literatur über England das Gepräge geben. Wenn 1 ) Diese Reisen fanden in der Regierungszeit König Karls II. statt, 1669, und sind in englischer Sprache 1821 in London erschienen (Manuskript in Florenz). 2 ) Voyage en Angleterre. Paris 1664 und öfter. In englischer Sprache zuerst London 1709. Sorbiere starb schon 1670; er war ein Anhänger der Philosophie von Hobbes. 3 ) A Journey to London. By Monsieur S o r b i e r e ; noch 1832 als Appendix zu M i r a b e a u ' s Lettres neugedruckt.



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bis etwa zur Mitte des neunzehnten Jahrhunderts noch die Reisebeschreibung im Stil unserer Großväter überwiegt, treten alsdann mehr nationale, wirtschaftliche und rein wissenschaftliche Gesichtspunkte des Beschauers in den Vordergrund. Man sammelt, man spezialisiert, seziert und systematisiert, aber der Positivismus ist nicht zum Schaden der Sache. Tausende und Abertausende von Bildern ziehen in rascher und buntester Folge an unserem erstaunten Auge vorüber, fördern Kenntnis und Erkenntnis auf allen Seiten und legen den Grund für eine verständnisvolle gegenseitige Achtung und Anerkennung auf einer gesunden nationalen Grundlage. Deutschland, das Volk der Dichter und Denker, steht jetzt in erster Reihe, qualitativ und quantitativ. Von den Briefen des preußischen Staatsmanns und Dichters F r i e d r i c h A u g u s t v o n S t a e g e m a n n , der König Friedrich Wilhelm III. 1814 nach London begleitete, angefangen bis zu den Dichtern und Flüchtlingen des Jahres 1848, von Friedrich Ludwig Georg v o n R a u m e r und F r i e d r i c h L i s t zu Karl Hillebrand, Otto Gildemeister, Theod o r F o n t a n e , G u s t a v F r e n s s e n und zu den vielen ernsten Politikern und Gelehrten des letzten Jahrzehnts ist alles zugleich auch ein getreues Spiegelbild der jeweiligen politischen und spzialen Verhältnisse des d e u t s c h e n Reichs. Der Vergleich zwischen Deutschland und England herrscht vor, und mit Freuden erkennen wir, daß j e t z t die Wage nicht mehr so zu unseren Ungunsten neigt wie ehedem. Quod felix, faustum, fortunatumque sit. Der F r a n z o s e dieser Zeit setzt zum Teil die geistreichen und amüsanten Spielereien seiner Tradition fort, wie beispielshalber M a x O ' R e l l 1 ) (Pseudonym für Paul Blouet), der aber so genaue Kenntnisse über die Töchter John Bull's verrät, daß sie sich w i s s e n s c h a f t l i c h nicht nachprüfen lassen. John Bull et son Ile. Paris, C. L6vy. Englisch als „John Bull and his Island". London, Field & Turner. Es erfolgte eine Erwiderung darauf: John Bull to Max O'Rell. In reply to John Bull and his Island. London, Wyman & Sons, 1885. — Les Alles de John Bull. Paris 1884. Englisch als „John Bull's Womankind." London, Field & Turner, 1884.



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Eine feinere Betrachtungsweise höheren Stils setzt mit H i p p o l y t e T a i n e ' s „Aufzeichnungen über England" x ) ein, der in seinem Freund E m i l e B o u t m y 2 ) einen ihm wissenschaftlich überlegenen Nachfolger gefunden hat. Indem der Franzose t i e f e r e r Auffassung den l e t z t e n G r u n d äußerer Erscheinungen sucht, verfällt er in seiner Methode leicht in einen ähnlichen Fehler wie l i t e r a r h i s t o r i s c h e Forschung, wenn sie die Geistesbilanz eines Dichters oder Schriftstellers kontenweise aufzumachen versucht. Doch nun, welches Echo kommt in den Zeiten der Weltpolitik und des Imperialismus aus Übersee ? Amerika, das trotz der Phrase von der Solidarität der angelsächsischen Rasse immer mehr seine eigenen Wege geht, in Politik und Wirtschaftsleben, in Sprache, Literatur und Wissenschaft, hat schon früh Urteile von pikantem Reiz zutage gefördert. Der Lederstrumpf-Erzähler Cooper3) faßte in den dreißiger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts sein vielleicht traditionelles Urteil in die Worte zusammen: „England . . . ein Land, das alle achten, aber wenige lieben", und viele Amerikaner haben später in dieselbe Kerbe gehauen. Anders die tendenzlosen Dichter, die Dichter par excellence. Washington I r v i n g ' s Sketch Book und E m e r s o n s Engl. Charakterzüge 4), schon von Carlyle gerühmt, gehören zu den bestgeschliffenen Spiegeln englischen Lebens. Und L o n g f e l l o w ! Sah er doch in England den hellen Stern selbst verleugnender weiblicher Nächstenliebe am Krankenbett leuchten und setzte der berühmten „Lady with the Lamp" aus dem Krimkrieg, F l o r e n c e N i g h t i n g a l e 8 ) , ein poetisches l

) Notes sur l'Angleterre. Paris, Hachette et Cie. Deutsch: Jena und Leipzig 1906. a ) Essay d'une psychologie politique du peuple anglais au X I X e siècle. Paris 1901. Englisch: The English people, a study of their political psychology. London, T. F. Unwin, 1904. — Ders., Le développement de la constitution et de la société politique en Angleterre. Paris 1897. *) J. F. C o o p e r , England with sketches of society in the metropolis. Mehrere Ausgaben. *) R. W. E m e r s o n , English traits in vielen Ausgaben. ') F l o r e n c e N i g h t i n g a l e lebte vonl820—1910. DieVerse lauten:



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Denkmal aere perennius. Eine goldene Mittelstraße der Beurteilung Englands endlich hält in neuester Zeit P r i c e C o l 1 i e r in einem viel beachteten tief schürfenden Werk über England ein 1 ). Ein Kapitel für sich sind die e n g l i s c h e n K o l o n i e n . Ein Spaßvogel könnte mit S c h o t t l a n d beginnen, wo der alte Gegensatz zum Süden sich ebenso wenig ausgleichen läßt, wie in Deutschland, und könnte dann zum Hohn den Vorhang zur irischen Tragödie aufziehn. Aber auch aus den überseeischen Kolonien klingt es nicht gerade immer freundlich zum Mutterland hinüber, trotz Imperialismus und Colonial Conferences. Der K a n a d i e r , der jetzt Europens übertünchte Höflichkeit gelernt hat und wie sein freundwilliger Nachbar aus dem Lande der „Stars and Stripes" auf Rasse sieht, bedankt sich schönstens für den halbkultivierten Ausschuß und Mischmasch, den General Booth und seine sozialen Mitstreiter gern bei ihm loswerden möchten, und A u s t r a l i e n ist trotz seiner Leutenot und Entwicklungsmöglichkeiten mit Recht nicht weniger wählerisch geworden 2 ). In S ü d - A f r i k a ist nach Mrs. O l i v e S c h r e i n e r's Klagen und Anklagen im Burenkrieg und seinem Vorspiel, namentlich aber nach der Gründung- der Union Ruhe und Frieden mit England eingekehrt. Ob das Ruhe des Friedhofs oder Zufriedenheit mit englischer Selbstverwaltung oder Ruhe vor einem fernen Sturm bedeutet, wer kann es wissen? Wer wagt hier ein Urteil ? — A lady with' a lamp shall stand In the great history of the land, A noble type of good. Heroic womanhood. l ) England and the English from an American point of view. London, Duckworth & Co., 1909. s ) Die Einwanderungsbestimmungen sind im letzten Jahrzehnt überall (nur nicht in Deutschland!) in der verschiedenartigsten Weise verschärft worden. Das Mutterland hat in dieser Beziehung erst von den Kolonien lernen müssen, und ist eben wieder infolge der HoundsditchAffäre bei einer Revision der „Aliens* A c t " vom Jahre 1905.



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Und nun erst I n d i e n 1 ) ! Giftig zischelnd zuckt es unter grellen Blitzen aus den Dschungeln, und auch der „Poeta Laureatus von Größer-Britannien", Rudyard Kipling, kann Tatsachen nicht ungeschehen machen. Der ferne Osten kündigt sich an, und wenn wir auf eines Chinesen Buch über England den Titel lesen „Those foreign devils" 2 ), so können wir einen Vorhang herunterlassen, der den Völkern Europas ein Kaiserwort und ein Kaiserbild zeigt . . . Doch kehren wir zur Realität der Gegenwart zurück. Die Invasion der g e l b e n Rasse steht noch dahin. Mittlerweile plagt man sich in Europa mit Invasionen der w e i ß e n . Zwischen Deutschland und England beruht das l i t e r a r i s c h auf Gegenseitigkeit. Wir sind eben allzumal Sünder! Invasion ist kein einheimisches Gewächs, weder in England noch in Deutschland. Kulturware zweifelhafter Güte wird in beiden Ländern gern mit fremdem d. h. meist (abgesehen von Getränken wie Wodki und Whiskey) mit französischem oder lateinischem Namen belegt. Den l ä s t i g e n Ausländer nennt man in England nicht „undesirable foreigner", sondern „Alien", vom lateinischen „alienus". (Daher „Alien's Act".) Den Begriff der Majestätsbeleidigung, der dem Engländer als Gentleman und als Vertreter eines parlamentarischen Régimes von Haus aus fremd ist, hat er aus dem Französischen lèseMajesté als lese-Majesty übernommen. Und so ist es mit „invasion", der Invasion. Auch die Invasionsliteratur spiegelt England, direkt und indirekt, aber sie ist im Grunde doch nur ein Lachspiegel, den ein Gentleman oder eine Lady sich nicht in den Salon stellen sollten. *) Aufstände, Attentate in Indien und England. Letzte Affäre der Savarkar-Fall. — Am interessantesten sind private Äußerungen, weil sie freimütiger sind; vgl. z. B. Leon K e l l n e r , Ein Jahr in England. Stuttgart 1900, S. 44 ff. — Sonst sieh z. B.: B. M. M a l a b a r i , The Indian eye on English life. Rambles of a pilgrim reformer. London, A. Constable & Co., 1894. — L. B a i j u a t h , England and India: Impressions of persons and things, English and Indian. Bombay 1894 (versucht objektiv zu sein). ') Y u a n H s i a n g - F u , Those foreign devils. Englisch von W. H. W i l k i n s o n , London, Leadenhall Press, 1891.



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Die Invasionsliteratur in E n g l a n d beginnt, wie wenig bekannt ist, bezeichnenderweise im Jahr der deutschen Kaiserkrönung zu Versailles. The Battie of Dorking, Reminiscences of a Volunteer. By G. T. C h e s n e y war ursprünglich ein Aufsatz, der zuerst im Mai 1871 in Blackwood's Magazine, dann als Sonder-Abdruck erschien, bald in viele Sprachen, wie auch ins Deutsche übersetzt wurde und sogar eine Anzahl Erwiderungen hervorrief 1 ). Der Name kehrt um die Wende des Jahrhunderts noch einmal in einer romanhaften Publikation „The new Battie of Dorking" 2 ) wieder, und daß diesmal die F r a n z o s e n , statt der Deutschen vorher, gemeint sind, ist bei dem Nachhall der Fashoda-Stimmung nicht gerade zu verwundern, da die „Entente cordiale" noch nicht erfunden war. Alsdann hat die Seuche wie bekannt auch d e u t s c h e Romanschriftsteller ergriffen und rückwirkend sogar das englische Drama infiziert. Das Invasionsstück „An Englishman's Home" 3 ), das bei uns ungetrübte Heiterkeit hervorrief, bis es der Lächerlichkeit verfiel, hat in England Rekrutierungsgeschäfte besorgt, wie der englische Kriegsminister sogar im Parlament verkünden konnte. So kommt des Pudels Kern ans Licht, und die sogenannte „deutsche Gefahr", „The German Danger", hilft dem englischen Militarismus auf die Beine! Es wäre eine reizvolle Aufgabe, den historischen Überblick durch einen systematischen zu ergänzen und aus ihrti allgemein gültige Folgerungen abzuleiten. Aber das gäbe selbst bei knappster Fassung ein Buch, von dem man dasselbe sagen könnte, was Friedrich der Große bei der Überreichung des >) Nach dem Erscheinen in Buchform (Edinburgh and London 1871) wurde die Flugschrift ins Holländische, Französische, Deutsche (Hamburg noch 1879) und Schwedische übersetzt. — Die Erwiderungen sind am besten im gedruckten Katalog des „British Museum" unter „Battie of Dorking" zu finden. 4 ) In London bei G. Richards 1900 erschienen. — Das Wichtigste aus der modernen „ I n v a s i o n s T i t e r a t u r " sieh auf S. 32 ff. meines Buchs „Das moderne England". (Vgl. oben S. 5 Fußnote.) 3 ) Näheres über dieses und ähnliche Machwerke in meinem Buch „Das moderne England", Abschnitt „Englisches Theater und Theaterwesen der Gegenwart", insbesondere S. 149 f.

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Allgemeinen Landrechts äußerte: „Es ist sehre dicke". Und überdies wollen Bücher gelesen und studiert, aber nicht vorgetragen sein. So wollen wir uns denn nur daran erinnern, daß bei den besten Beobachtern und Darstellern englischen Lebens stets das im Vordergründe der Betrachtung gestanden hat, was der englischen Kultur zu ihrem Siegeszuge durch die Welt verhalf: Der V o l k s s c h l a g mit dem Gentleman und der Lady als Führern, mit dem starken Willen zur Tat, dem grenzenlosen, opferfähigen Nationalgefühl und dem Sport als allgemeinen Idealen. — Die S p r a c h e rauh und scharf wie die Stimme des Seemanns, aber einschmeichelnd und gewinnend durch ihren Kern. — Harmonie zwischen K ö n i g und Volk dank guter alter Tradition. — Unerschütterlichkeit des R e c h t s und des Rechts g e f ü h l s . — Freiheitlichkeit der V e r f a s s u n g in Staat und Kommunen und fast auch schon in K i r c h e und S c h u l e . — Freiheit im Geben, selbst dem Ausländer gegenüber, aber auch Freiheit im Nehmen, beim Manne und jetzt fast mehr noch bei der Frau. — Vollgültige Anerkennung des N ä h r s t a n d e s , in H a n d e l , S c h i f f a h r t und I n d u s t r i e . — Kurz ein Volk, tapfer, einig, weltklug und reich! Ein weises Volk schlägt auf die Dauer keine Mahnung in den Wind — England im Spiegel des Auslands trägt seine Früchte; eine Kontinentalisierung des Geistes beginnt der Kontinentalisierung von Lebensgewohnheiten zu folgen in Wissenschaft, Schule und Leben. Mit freudiger Genugtuung begrüßen wir Deutsche hierbei als Nächstbeteiligte das kräftige Aufblühen einer vielseitigen Literatur in England, die nach dem Vorgang von Bulwer, Carlyle und vielen anderen unserm Vaterland gerecht zu werden sucht x ). Gern erinnern wir uns heute Vgl. z. B. J. E. B a r k e r , Modern Germany, her political and economic problems etc. Dritte, gänzlich umgearbeitete Auflage: London, Smith, Blder, & Co., 1909. — Verschiedene Werke von W. H. D a w s o n seit 1906. — W. J. A s h 1 e y , The progress of the German working classes in the last quarter of a Century. London, Longmans, Green, & Co., 1904. — Our German' Cousins, 1909 von der „Daily Mail" herausgegeben. — Übersicht des Bedeutendsten und Interessantesten in meinem Buch „Das moderne England" S. 34 ff.



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daran, daß die Persönlichkeit unseres Kaisers mit ihrer Mischung von Deutsch und Englisch hier die Brücke schlägt 1 ). Doch was können wir von alledem heut als Gewinn nach Hause tragen ? Wir prüfen alles und behalten das Beste. Und so greifen wir heute aus der Krone des englischen und des deutschen Lebens einen Edelstein heraus, den Edelstein der Pflicht. Vor rund hundert Jahren rettete in den Freiheitskriegen preußische Pflichttreue aller Stände den preußischen Staat, vor vierzig Jahren schuf deutsche Pflicht und Treue ein einiges Reich. An der Nelson-Säule auf dem Trafalgar-Platz zu London steht feierlich ernst, und schlicht die letzte Parole des Admirals: „England expects every man will do his duty". Uns ist nicht bange, daß auch die Jugend ihre Pflicht erfüllt, im Frieden wie im Kriege. Aus dem Nordwesten unserer Heimat drang letzthin trübe Kunde uns ans Ohr. Wie einst beim. Untergang der unerschrocknen deutschen Iltis-Mannschaft fern im Osten — 15 Jahr sind's her — können wir den Tapfren des Kieler Unterseeboots aus Horaz ein Denkmal setzen: ,,Si fractus illabatur orbis, Impavidum ferient ruinae". So dürfen wir denn voller Zuversicht den Kreis unsrer heutigen Betrachtung harmonisch in der Hoffnung schließen, daß auch das letzte Jahrzehnt, das uns nach Moltkes Spruch und Urteil zur Behauptung unseres Volks noch fehlt, gelingen möge. Und da wir wissen, daß des Kaisers Pflichtgefühl als leuchtend Vorbild uns erscheint, gilt als Parole für die Gegenwart und Zukunft: Heil Kaiser und Reich! ' ) C h a r l e s L o w e , 1878—1891 Korrespondent der „Times', in Berlin, hat sich mit Wilhelm II. mehrfach beschäftigt, so in „The German of William I I " und einem Roman „A prince's pranks" (erschienen 1901), in dessen Mittelpunkt 1887 der damalige Prinz Wilhelm von Preußen steht