Employability Management 2.0: Einblick in die praktische Umsetzung eines zukunftsorientierten Employability Managements [1 ed.] 9783896445704, 9783896735706

Die Forderung nach Beschäftigungsfähigkeit oder Employability ist keineswegs neu. Die Diskussion um die Schlüsselkompete

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Employability Management 2.0: Einblick in die praktische Umsetzung eines zukunftsorientierten Employability Managements [1 ed.]
 9783896445704, 9783896735706

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Jutta Rump Thomas Sattelberger (Hrsg.)

Employability Management 2.0 Einblick in die praktische Umsetzung eines zukunftsorientierten Employability Managements

Verlag Wissenschaft & Praxis

Employability Management 2.0

Jutta Rump ⎪ Thomas Sattelberger (Hrsg.)

Employability Management 2.0 Einblick in die praktische Umsetzung eines zukunftsorientierten Employability Managements

Verlag Wissenschaft & Praxis

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

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INHALT

Inhalt Wurzeln der Employability: Grundlegende Einführung ...........................7 Employability Management .................................................................... 41 Employability und Megatrends – Die Arbeitswelt im Wandel .................43 Employability – Die Grundlagen ........................................................73 Schwerpunkte zum Thema Employability ................................................ 167 Employability und Schulen Auf dem Weg zur „Bildungsrepublik“ Deutschland .....................169 Employability und Demografie Die demografische Entwicklung als Herausforderung für „lebenslange“ Employability .....................................................211 Employability und die jüngere Generation Das Profil der Jugendlichen und jungen Erwachsenen vor dem Hintergrund der Beschäftigungsfähigkeit ............................305 Employability und Freizeitwelt Konsequenzen der Megatrends auf das System Freizeit ...............357 Employability und Controlling..........................................................385 Best Practices zum Thema Employability ................................................ 401 Förderung der Arbeitsmarktfähigkeit bei den Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) – Bezugsrahmen und Massnahmen ............403 Stadtwerke Düsseldorf AG – Talentwirtschaft durch das Förderprogramm „Gas geben“...........................................423

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INHALT

Deutsche Bank: Employability Selbstverantwortung fordern – Schlüsselkompetenzen fördern. Eine ganzheitliche Sicht............................................................445 Initiative „HEUTE FÜR MORGEN: ICH UNTERNEHME ZUKUNFT“ der Generali Deutschland ........................................................471 Die Autoren........................................................................................ 487

Aus Gründen der vereinfachten Lesbarkeit wird in allen nachfolgenden Beiträgen auf die weibliche Form verzichtet. Angesprochen sind jedoch stets beide Geschlechter.

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Wurzeln der Employability: Grundlegende Einführung

von Thomas Sattelberger

THOMAS SATTELBERGER

Inhalt 1. Grundlegende Einführung: Wurzeln der Employability 2. Die Wurzeln der Employability-Debatte 2.1 Globalisierung 2.2 Wissensökonomie 2.3 Neue Lebenskonzepte 2.4 Wandel der Beziehungslogiken 2.5 Demografischer Wandel 2.6 Kurzzyklizität 3. Die Ebenen der Employability 3.1 Employability auf der Ebene des Systems Arbeit 3.2 Employability auf der Ebene des Unternehmens 3.3 Employability auf der Ebene des Individuums 4. Das Fünfeck der Employability-Debatte 4.1 Arbeits- und Lebenskonzept für das Individuum 4.2 Gestaltungskonzept für den Arbeitskontrakt 4.3 Regulierungskonzept für das System Arbeit 4.4 Moralisches Konzept für die Gesellschaft 4.5 Qualifizierungskonzept für Unternehmen 5. Fazit

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1. Grundlegende Einführung: Wurzeln der Employability In den 1990er-Jahren beherrschten Begriffe wie Employability, Me Inc und Lebensunternehmer die personalpolitische Debatte, die bis heute andauert. Die politische Öffentlichkeit realisierte zusehends, dass der ausufernde paternalistische Sozialstaat in die Sackgasse struktureller Massenarbeitslosigkeit führen musste. Personal-Experten begannen sich angesichts wirtschaftlicher Strukturbrüche – übrigens bis in die jüngste Zeit der Weltwirtschaftskrise hinein – den Kopf zu zerbrechen, wie sie in zunehmend fluiden und fragilen Beschäftigungsstrukturen ihre Belegschaften nicht nur dauerhaft produktiv halten, sondern auch den Menschen Motivation und Licht am Ende des Tunnels aufzeigen können. Neue normative Konzepte brachen sich Bahn, allen voran das Leitmotiv eines selbstbestimmten Lebensunternehmers, der sein Humankapital mehrt und am Markt feilbietet. Eigenverantwortung und Employability erschienen als die richtigen Antworten auf die drängendsten Zukunftsfragen. Zwei Wirtschaftskrisen, zwei Regierungskoalitionen und diverse Reformen später sind etliche der radikal-reformerischen Ideen der 1990er Jahre – insbesonders auch vor dem Hintergrund des tektonischen Linksshifts tradierter Parteien – in Misskredit geraten. Die Politik ist im Angesicht von Reformverdruss und Wahlniederlagen vom aktivierenden Sozialstaat abgerückt. Heute werden wieder kurzfristig Jobs gesichert, anstatt langfristig Beschäftigungsfähigkeit zu schaffen. Im konjunkturellen Keller war es richtig, Menschen auf produktiven, grundsätzlich wettbewerbsfähigen Arbeitsplätzen mit extensiver Kurzarbeit durch das Tal der Tränen zu helfen. Doch schon damit gewöhnen sich Unternehmen, Gewerkschaften und Belegschaft aber mehr und mehr an das süße Potenzial der Subventionsdroge ohne gleichzeitig den Einzelnen qualifikatorisch gefordert und gefördert zu haben. Viele Personalprofis haben sich in der Krise dieser einfachen Lösung nur zu bereitwillig hingegeben. Wer dagegen sein Handwerk verstand, der hatte mit intelligenten Konzepten Zukunft vorbereitet und nicht nur Nachfrageeinbruch quantitativ kompensiert. Jetzt geht die Konjunktur wieder bergauf und die Rufe nach beschäftigungsfähigen Arbeitskräften schallen wieder durch alle Medien. Expertenlücke, 9

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MINT-Fachkräftemangel, Erschließung neuer, bisher links liegen gelassener Talentsegmente, Einwanderungs- und Integrationsnation – die Begriffe zeigen die Bedeutung des Themas. Aber das Thema ist eben nicht neu, sondern mindestens eine Dekade alt. Wir waren immer schon Wissensriesen, aber Realisierungszwerge. Das Konzept der Employability ist eben keine Eintagsfliege und kein UraltProdukt der 1990er-Jahre, sondern eine kontinuierliche Antwort auf die Herausforderungen der Zukunft. •









In Deutschland hat sich die Langzeitarbeitslosigkeit verfestigt. Viele, insbesondere auch junge Menschen mit Migrationshintergrund haben trotz Aufschwung keine Chance auf Beschäftigung. Gleichzeitig sinkt die Zahl der Bewerber um einen Ausbildungsplatz drastisch, die Zahl der Absolventen der krisen-robusten MINT-Disziplinen dagegen steigt nur mäßig trotz wachsender Expertenlücke. Zweitens entwickeln wir uns trotz robustem Arbeitsmarkt zum Land der Weiterbildungsfeindlichkeit von Berufstätigen. Vor dem Hintergrund des Wandels zur Wissensökonomie ein verheerendes Signal. Drittens zeigt der Reformstau bei der Bologna-Reform des Hochschulsystems, wie verantwortungslos insbesondere Universitäten der Beschäftigungsfähigkeit von Absolventen gegenüberstehen. Viertens weist die demografische Entwicklung unausweichlich den Weg zur Sicherung der Berufs- und Arbeitsmarktfähigkeit der älteren Generation. Darüber hinaus sind die Herausforderungen der Globalisierung, die zum Aufflammen der Employability-Debatte geführt haben, nicht verschwunden. Wir befinden uns im Auge des Hurrikans. Der Aufstieg der BRIC-Staaten zu vollwertigen Wettbewerbern läutet gerade die zweite Runde ein.

Deshalb müssen wir uns immer wieder die Wurzeln der Employabilty-Debatte ins Gedächtnis rufen, warum wir über dieses Konzept einst mit Inbrunst diskutiert haben und heute diskutieren müssen. Dies ist der erste Teil meines Beitrages. Anschließend komme ich auf die verschiedenen Ebenen der Employability zu sprechen, die zwar miteinander verbunden, aber keineswegs gleichgerichtet sind. Abschließend skizziere ich die fünf Handlungsstränge, die eine Employability-geleitete Reformstrategie umfassen müsste. 10

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2. Wurzeln der Employability-Debatte In politischen Talkshows ist viel von den Trends der Globalisierung, des Strukturwandels zur Wissensökonomie und der Demografie zu hören. Oft ist Skepsis angebracht, wenn aus diesen Megatrends politische Sachzwänge konstruiert werden. Allerdings transformieren sie tatsächlich unsere Gesellschaft und damit das System Arbeit, das Zusammenspiel aller Akteure auf den diversen Arbeits- und Dienstleistungsmärkten. Der Wandlungsprozess ist gerade einmal dem Säuglingsstadium entsprungen. Viele Veränderungen deuten sich in ihrer Dramatik erst an, dann aber mit exponentiellem Verlauf. Angebot und Nachfrage auf den Arbeitsmärkten werden sich unter dem Einfluss von sechs Megatrends dramatisch verändern.

Mit dem Stichwort Globalisierung wird ein Bündel von Phänomenen bezeichnet, die direkt oder indirekt jeden Menschen weltweit betreffen. In wirtschaftlicher Perspektive sind vor allem die Herstellung von Gütern in globalen Produktionsverbünden und die damit einhergehende Arbeitsteilung zwischen alteingesessenen Industrienationen und sich entwickelnden Volkswirtschaften gemeint. Der Kostendruck hat die originäre Produktion aus den Hochlohnländern vertrieben, während Forschung und Entwicklung dort einen Boom er11

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leben. China ist zur Werkbank der Welt aufgestiegen und beginnt, den Hochtechnologie-Nationen auf dem Feld der Produktinnovation ihren Platz streitig zu machen. Für das System Arbeit in Deutschland bedeutet dies einen enormen Konkurrenzdruck sowohl auf der Ebene der Produktivität als auch der Innovation. Unternehmen reagieren, indem sie einfache Tätigkeiten auslagern und die Stammbelegschaften auf den hoch produktiven Kern reduzieren. Es entstehen Randbelegschaften, die in Tochtergesellschaften oder zu Outsourcing-Partnern ausgegliedert werden, um dort zu wettbewerbsfähigen, aber geringeren Löhnen zu arbeiten. Ersatz für die verlorene Jobsicherheit verspricht allein die Fähigkeit, die individuellen Kompetenzen stetig weiterzuentwickeln und am Arbeitsmarkt feilzubieten.

Einher mit der Globalisierung geht der stetige Abschied von der Industriegesellschaft. Neue Kommunikationstechnologien haben nicht nur die Globalisierung der Produktion erleichtert, sondern gänzlich neue Sektoren entstehen lassen. Das fordistische Produktionsregime macht seine letzten Atemzüge. Monotone, körperlich anstrengende Tätigkeiten verschwinden zusehends. In der Wissensökonomie ist ein „Ende der Arbeit“ nicht in Sicht, wohl aber ein fundamentaler Wandel. Neue Jobs entstehen überwiegend in wissensintensiven Dienstleistungen. Wissen ist überall und für jeden verfügbar, veraltet 12

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aber mit rasender Geschwindigkeit. Arbeitgeber suchen anstatt nach Fachlichkeit, dem zentralen Kriterium der Industriegesellschaft, nunmehr nach umfassenderen Kompetenzmustern. Sie jagen nach den hoch mobilen, kreativen Arbeitern der Wissensgesellschaft. Von ihnen wird vor allem Handlungs- und Problemlösungskompetenz erwartet. Sie müssen sich selbstständig in immer neue Materien einarbeiten, auf Basis eines gesteckten Ziels praxisnahe Lösungswege und marktgängige Produkte entwickeln und diese kosten- und zeitoptimal umsetzen.

Globalisierung und Wissensökonomie verändern die Organisationsformen des Wirtschaftens. Das idealtypische Unternehmen der Industriegesellschaft war streng hierarchisch aufgebaut. Ein Handeln ohne „Anweisung von oben“ kam so gut wie nie vor. Nahezu alle Funktionen, die für einen reibungslosen Geschäftsbetrieb notwendig waren, erfüllte die Organisation selbst. In den späten 1980er Jahren wurden die Defizite dieses Modells erkannt: Langwierige Entscheidungsprozesse mit trotzdem bescheidenen Ergebnissen sowie immense Kosten durch fettleibige Organisationen. Die Verantwortungsverlagerung auf die dezentrale Ebene verkürzte den hierarchischen Entscheidungsmarathon auf einen 1000-Meter-Lauf. Das Lean Management sorgte dafür, dass die bürokratischen Pfunde purzelten. In den 1990er Jahren ging es darum, Produktionsprozesse grundsätzlich zu überarbeiten und anschließend „Organisation“ neu zu denken. Aus abgeschotteten Großorganisationen wurden Spieler in einem offeneren Netzwerk mit multiplen Be13

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ziehungen. Alle diese Schritte mussten auch die Beschäftigten nachempfinden. Nach und nach bekamen sie mehr Verantwortung, mehr Aufgaben und neue interne wie externe Partner. Eigenschaften wie Selbstmanagement, Eigenverantwortlichkeit und Kommunikationsfähigkeit dienen seitdem als Substitut für die Klarheit der funktionalen Hierarchie. Andererseits sei auch offen gesagt, dass exzessive Performance Management-Systeme, permanent produktivitätssteigernde KPI-Cockpits und quälend-antreibende Benchmarking-Studien häufig zu dem neuen Korsett der Wissensarbeit wurden. Im Einklang mit ihrer größeren Freiheit im Job verfolgen die Wissensarbeiter auch neue Lebenskonzepte, – insbesondere im Bereich der Kreativarbeit – die denen des klassischen Industriearbeiters diametral entgegenlaufen. Während früher viele Beschäftigte vor allem die Sicherheit einer lebenslangen Festanstellung suchten, wollen Wissensarbeiter aus der miefigen Enge hierarchischer Industriegiganten ausbrechen und sich Raum für eigene Ideen und Projekte schaffen. Sie rebellieren gegen den Paternalismus der Industriegesellschaft, der sich im lebenslangen Normalarbeitsverhältnis und dem starren Berufsprinzip manifestiert. Stattdessen springen sie zwischen Ausbildung und Job, abhängiger Beschäftigung und Selbstständigkeit, Unternehmen, Städten und Ländern hin und her. Der Abschied vom Normalarbeitsverhältnis gleicht für die Wissensarbeiter einer zweiten Aufklärung, ihrem persönlichen Ausgang aus ansozialisierter Unmündigkeit. Persönlichkeitsmerkmale wie Eigenmotivation, Initiative, Flexibilität, Lern- und Anpassungsfähigkeit ermöglichen ihnen ein flexibles, facettenreiches, aber auch anstrengend-unternehmerisches Arbeitsleben im ständigen Wettbewerb der guten Ideen und Köpfe. Andererseits sei nicht verhehlt, dass „Massenfreisetzungen“ im Gefolge von M&A-Transaktionen, Wirtschaftskrisen und Rationalisierungsschüben die andere Seite der Medaille sind, die auch Vernichtung von Humankapital und Wissensarbeit darstellt.

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Beruf, Arbeitsplatz und Organisation sind zentrale Identitätsanker des Menschen. Je häufiger sie gewechselt werden, desto brüchiger wird diese auf einem sozialen Kontrakt basierende klassische Organisationsidentität. Der soziale Kontrakt der Industriegesellschaft, der maximale Sicherheit gegen unbedingte, lebenslange Loyalität versprach, verschwindet. Die globalisierte Wissensökonomie erlebt einen Wandel der Beziehungslogiken. Aus dem fast bedingungslosen Versprechen lebenslanger Arbeitsplatzsicherheit und Fürsorge à la Rheinischem Kapitalismus erwuchs ein konditionierter, auf Leistungserfüllung und wirtschaftlichem Kollektiverfolg basierender Kontrakt. Aus der bedingungslosen Gefolgschaft, oft mit emotionaler Bindung, wird für Wissenskapitalisten eine Partnerschaft auf Zeit, für die sie sich bewusst entscheiden. Wissensarbeiter fordern von ihren Arbeitgebern Freiräume für Lernen, Kreativität und Ruhe, hierarchiearme Führung und eine neue Balance von Leben und Arbeit. Das verbindende Element in dieser Beziehung ist nicht mehr die Abhängigkeit des einen vom anderen, sondern das gemeinsame Projekt und die geteilte Wertebasis. Unternehmen müssen mehr denn je sinnstiftend agieren und eine offene, tolerante und vorwärtsgerichtete Kultur pflegen. Die Identität des Beschäftigten bildet sich nicht aus der reinen Organisationszugehörigkeit, sondern seiner bewusste Entscheidung für ein Projekt und ein Unternehmen sowie seiner Fähigkeit, jederzeit wieder gehen zu können. Andererseits ist diese Logik für den oft monosozialisierten, auf den einmal erlernten Beruf ausgerichteten Arbeitnehmer eine Umbruchsituation 15

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ohne gleichen. Doch die Ära der Industriearbeit neigt sich dem Ende zu, verbunden mit dem Wandel der Marktes der Wissensarbeit zum Anbietermarkt. Den etablierten Industriegesellschaften droht inzwischen ein massiver Mangel an Wissensarbeitern. Mit dem demografischen Wandel versiegt die heimische Talentquelle. Seit Beginn der 1990er Jahre schrumpft der Anteil der 19- bis 40-Jährigen an der Gesamtbevölkerung. Ab dem Jahr 2015 gilt gleiches auch für die Gruppe der 41- bis 60-Jährigen. Dies alles wäre kein Problem, hätten wir unsere Sozialsysteme nicht auf dem Umlageverfahren aufgebaut und uns trotz steigender Lebenserwartung an ein komfortables Renteneintrittsalter von rund 60 Lebensjahren gewöhnt. In Zukunft müssen wir die vorhandenen Talente viel besser ausschöpfen, und zwar ein Berufsleben lang. An einem späteren, fließenden Übergang in die Rente führt ebenso kein Weg vorbei. Dafür muss sich einiges ändern, allen voran die Sicht auf Talentsegmente wie ältere Arbeitnehmer, Frauen und Migranten sowie die demografiegerechte Gestaltung von Arbeitsplätzen, -prozessen und vor allem kultur. Die vielleicht größte Herausforderung besteht darin, über das gesamte Arbeitsleben hinweg sich neue Fähigkeiten und neues Wissen anzueignen. Der langfristige Trend des Systems Arbeit lässt sich mit ziemlicher Sicherheit zeichnen, die kurzfristigen Ausschläge werden hingegen immer erratischer und unvorhersagbarer. Dot.com-Blase und Finanzkrise haben vor Augen geführt, wie schnell am Konjunkturhimmel urplötzlich dunkle Wolken aufziehen können. Unternehmen müssen in der Auslastung in Windeseile von Boom auf Flaute umschalten. Technologische Schübe können sogar binnen weniger Jahre ganze Industrien hinwegfegen und ehemals hoch spezialisiertes Fachwissen von heute auf morgen entwerten. Regierungen, Unternehmen und Sozialpartner müssen lernen, mit dem ständigen Auf und Ab der quantitativen und dem sprunghaften Wandel der qualitativen Arbeitsnachfrage zu leben und sich flexibel anzupassen. In der zurückliegenden Krise haben die Sozialpartner bewiesen, dass sie bereits erste, richtige Schritte hin zu einem flexiblen und atmenden Beschäftigungssystem unternommen haben. In Zukunft müssen sie statt passiv die Krise nur zu überdauern, diese proaktiv nutzen. Wer mangels Aufträgen nicht beschäftigt werden kann, der muss konsequent weiterqualifiziert werden. Betriebliche Weiterbildung und staatliche Arbeitsmarktpolitik müssen gemeinsam daran arbeiten, alle Menschen dazu zu befähigen, erfolgreich am Arbeitsmarkt der globalen Wissensökonomie zu partizipieren. 16

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In dem folgenden Schaubild sind die sechs Megatrends noch einmal zusammenfassend präzisiert.

3. Die Ebenen der Employability Der Begriff „Employability" wird in vielfältigen Kontexten verwendet. Da es sich bei „Employability“ grundsätzlich und zuallererst um eine Eigenschaft von Individuen handelt, standen diese naturgemäß immer im Mittelpunkt. Dennoch unterschieden sich die Betrachtungsebenen und die daraus resultierenden Definition dessen, was unter Employability zu verstehen ist, teilweise immens. So wie Sozialdarwinismus fördernde gegenüber Employability fördernde Unternehmenskulturen nicht immer einfach abzugrenzen waren, so war die Employability-Debatte vor der starken Politisierung des Systems Arbeit nicht immer gefeit. Es versteht sich von selbst, dass angesichts von Denkblockaden und Vorurteilen oft auf den verschiedenen Ebenen aneinander vorbei geredet wird. Wer den Nutzen des Employability-Konzepts verstehen will, der muss das Knäuel aus Wertvorstellungen und politischen Zielen, 17

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praktischen Handlungsanleitungen und einem Wust an relevanten Kompetenzen entwirren. Einen hervorragenden Startpunkt bildet die weithin anerkannte Definition von Hillage /Pollard (1998), wonach unter Employability die „capability to move self-sufficiently within the labour market to realise potential through sustainable employment” zu verstehen ist. Hier wird bereits offenbar, wie viele Schnittstellen dieses Konzept besitzt und wie komplex sein Innenleben ist: Es dreht sich sowohl darum, Arbeit zu erlangen, als auch nachhaltig in Beschäftigung zu bleiben und sein individuelles Potenzial zu realisieren. Folglich sind die Ebenen des Arbeitsmarktes, des Unternehmens und des Individuums betroffen. In der Employability-Debatte werden diese Ebenen oft blind vermischt. Tatsächlich bedeutet Employability auf jeder Ebene etwas anderes, wenngleich nicht zwangsläufig entgegenlaufendes:

Wer über das System Arbeit und seinen Wandel spricht, der muss den gesellschaftlichen Aspekt im Hinterkopf behalten. In der deutschen Nachkriegsgesellschaft ist „Arbeit“ zum zentralen Lebensinhalt avanciert. Sie vermittelt Selbstwertgefühl, Zugehörigkeit und Sicherheit. Wem es in der Arbeitsgesellschaft an Beschäftigung fehlt, fühlt sich ausgegrenzt und nutzlos. Die Integration in den Arbeitsmarkt bestimmt Sein und Bewusstsein. Der Bismarcksche Wohlfahrtsstaat erhob das „Arbeit haben“ sogar zum zentralen Kriterium, um 18

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uneingeschränkten Zugang zu Sozialleistungen zu erhalten. Deshalb ist „Arbeit“ nicht nur wichtig für das Wohlfühlen in Gesundheit, sondern auch für die Versorgung im Krankheitsfall. Der Wirtschaftsboom nach dem zweiten Weltkrieg führte zu einer kontinuierlichen Expansion der Arbeitsnachfrage und einer historisch einmaligen Phase der Vollbeschäftigung. Im Bewusstsein vieler Menschen garantiert die soziale Marktwirtschaft seitdem nicht nur „Wohlstand für alle“, sondern auch „Arbeit für alle“. Mittlerweile ist Deutschland vom Angreifer zum Platzhirsch auf dem Weltmarkt geworden, der sich einer zunehmenden Konkurrenz erwehren muss. War vor fünfzig Jahren die Arbeitsnachfrage in der Produktion stetig steigend, so ist sie heute bei steigendem Arbeitsangebot schrumpfend. Im Bereich einfacher Tätigkeiten sinkt die Nachfrage sogar rapide, sodass ein beachtlicher Teil der Bevölkerung nicht mehr den vollen Schutz des Sozialstaates genießt. Viele Menschen erwarten vom Staat, dass dieser erneut Vollbeschäftigung schafft, wie er es vermeintlich im Nachkriegsboom einst getan hat. Alle Debatten um Employability sind im Spannungsfeld dieser drei Umstände zu sehen: Arbeit als Lebensinhalt, Zugangskriterium zum Sozialstaat und staatliche Leistung.

3.1

Employability auf der Ebene des Systems Arbeit

Die statische Erwerbsarbeit in einem lebenslangen Normalarbeitsverhältnis ist ein Ideal der Industriegesellschaft. Das Schutzversprechen, das ein Normalarbeitsverhältnis früher bot, ist nur noch eine Chimäre. Einfache Arbeit ist vielfach bereits in die aufstrebenden Volkswirtschaften in Ost und Fernost abgewandert. Der technologische Wandel sorgt dafür, dass neue Arbeitsplätze bzw. -inhalte kaum noch ein Jahrzehnt überdauern. Der Kündigungsschutz schützt oft längst nicht mehr vor Kündigung, sondern zögert die unumgängliche Anpassung nur heraus und macht diese teils besonders schmerzhaft bis unmöglich. Ein moderner Mensch wechselt im Laufe seines Lebens mehrfach den Job, wahrscheinlich auch den Beruf und ganz sicher den Arbeitgeber. Die Arbeitsplatzsicherung mittels staatlicher Regulierung hat ausgedient. Employability ist auf der Ebene des Arbeitsmarktes ein neues immaterielles Konzept zur Schaffung von Sicherheit. Der Gedanke ist so einfach wie bestechend: Wenn Arbeitsvertrag und Beruf nicht mehr von Dauer sind, wenn 19

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Lernen lernen und Wissen zum Erfolgsfaktor werden, dann genießt derjenige die höhere Sicherheit, der sich schnell an neue Bedingungen und Anforderungen anpassen kann. Die berufliche Qualifikation bleibt die Eintrittskarte für den Arbeitsmarkt. Schutz gegen Arbeitslosigkeit und ergo die Aufenthaltsberechtigung für den Arbeitsmarkt ist die Employability. Sie beschreibt die Fähigkeit eines Menschen, bei Arbeitsplatzverlust sein Humankapital am Arbeitsmarkt erfolgreich anzubieten und sich in ein neues Unternehmen bzw. Aufgabenfeld erfolgreich eingliedern zu können. Ziel ist nicht mehr Jobsicherheit, sondern Beschäftigungssicherheit. Diese sollte sich der aktivierende Sozialstaat auf die Fahnen schreiben und den Erhalt wie die Herstellung von Employability zur obersten Maxime der Arbeitsmarktpolitik erklären. In diesem Sinne gilt es, in Anlehnung an Stefan Baron, den früheren Chefredakteur der Wirtschaftswoche, aus Arbeitnehmern „Gute Kapitalisten“ zu machen. Er führte sinngemäß aus, dass unsere mühselige, aber verantwortungsvolle Aufgabe, sei 1. Arbeitnehmer für die Multiplikation der Wertschöpfung zu gewinnen, nicht für die Division der Wertschöpfung 2. und aus ihnen im guten Sinne „Kapitalisten“ zu machen… – durch intelligente Gewinnbeteiligung („Mitarbeiterdividende“), – durch variable Teilhabe im Rahmen betrieblichen PerformanceManagements, – durch Beteiligung am Produktivvermögen, – durch kapitalgedeckte Altersvorsorge, – durch immaterielle Beteiligungsformen, – vor allem aber durch Co-Investorenschaft in die eigene Kompetenzen. Und unter dem Gesichtspunkt gesellschaftlicher Ethik ist der Zusammenhang zwischen wirtschaftlicher Teilhabe und sozialer Teilhabe und damit der Entscheidung zwischen Ghetto-Dasein und Zivilbürger-Sein entscheidend.

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3.2

Employability auf der Ebene des Unternehmens

Jedes Unternehmen bildet sein individuelles System Arbeit aus. Dementsprechend existieren auf Unternehmensebene die gleichen Herausforderungen wie im gesamten System Arbeit: Neue Qualifikationsanforderungen, Skillaufbau, Arbeitsplatzverluste, Qualifikationsentwertung, Überalterung und Nachwuchsgewinnung. Jedes Unternehmen steht in ständiger Preiskonkurrenz mit internationalen und nationalen Konkurrenten. Es muss seine Prozesse ständig optimieren, seine Produktivität steigern und Innovationen vorantreiben. Das deutsche Arbeitsrecht baut hohe Hürden zwischen den externen und internen Arbeitsmärkten auf. Arbeitskräfte, die in der Folge überflüssig werden, können oft nur zu hohen Kosten auf den externen Arbeitsmarkt oder in den vorgezogenen Ruhestand geschickt werden. Deshalb ist die Personalpolitik jedes Unternehmens schon unter betriebswirtschaftlichen Aspekten darauf ausgerichtet, den Wertschöpfungsbeitrag respektive die Produktivität jedes einzelnen Beschäftigten in einem fluiden Umfeld zu sichern. Die Kündigung ist rechtlich, wirtschaftlich wie moralisch immer ultima ratio. Und verantwortliche Unternehmensführung weiß, dass der gute Ruf eines Unternehmens auch und gerade von seinem Umgang mit dem Stakeholder Mitarbeiter abhängt. Aus unternehmerischer Perspektive dreht sich Employability vor allem um den Umgang mit unternehmensinternen Veränderungsprozessen und um den gleichzeitig optimalen wie fairen Einsatz des Humankapitals: Treffen Mitarbeiter auf neuartige Probleme, sollen sie eigenständig die Problemlösung anstoßen. Fehlt es hierfür am neuesten Fachwissen, werden sie sich dieses aneignen. Verändern sich die Arbeitsaufgaben am Arbeitsplatz signifikant, sollen sich Beschäftigte rasch auf die neuen Anforderungen einstellen. Fallen Arbeitsplätze gänzlich weg, müssen Mitarbeiter in der Lage sein, sich schnell und umfassend in einen neuen, wahrscheinlich andersartigen Arbeitsplatz einzuarbeiten. Deshalb zielt eine moderne betriebliche Weiterbildung nicht mehr vordringlich auf die Vermittlung von Spezialwissen, sondern auf die Stärkung der individuellen Problemlösungs- und Anpassungsfähigkeit, auf das Lernen lernen, ab.

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3.3

Employability auf der Ebene des Individuums

Das Individuum steht vor der ständigen Herausforderung, die Ansprüche des Systems Arbeit auf der Unternehmensebene mit seinen eigenen Bedürfnissen und Fähigkeiten in Einklang zu bringen. Vordergründig und basisch ist es für das Individuum existenziell wichtig, sich am Arbeitsmarkt zu behaupten und die Anforderungen des aktuellen Arbeitgebers zu erfüllen. Hintergründig erfordert die neue Arbeitswelt ein neues, identitätsstiftendes Konzept jenseits enger spezifischer Beruflichkeit und konditionierter Organisationsmitgliedschaft. Employability steht deshalb auch für eine neue Lebensphilosophie, die nicht mehr die Arbeit als solche, sondern die Meta-Kompetenz, sich und seine Kompetenzen erfolgreich anzubieten und produktiv zum Einsatz zu bringen, als Konstituum des Seins und Bewusstseins erhebt. Der moderne Mensch ist sowohl abhängig Beschäftigter, als auch Unternehmer seiner eigenen Talente, Me Incorporated oder Selbst GmbH. Dies erfordert auch die Fähigkeit, sich selbst unternehmerisch zu führen und zu vermarkten.

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Die Ebenen-Betrachtung zeigt, dass Employability ein breites Muster von Eigenschaften und Kompetenzen beschreibt. Diese sind weder ausschließlich auf die Tätigkeit in einem Unternehmen noch in einer Branche oder auf ein Berufsbild gerichtet und ermöglichen sowohl eine abhängige Beschäftigung als auch die Selbstständigkeit. Das Individuum steht im Zentrum, die Employability dient aber je nach Perspektive anderen Zwecken. Deshalb stellt sich die Frage, ob es wirklich die eine Employability gibt? Oder müssen gar unterschiedliche Level oder Formen unterschieden werden? Hier konkurrieren drei Sichtweisen:

3.3.1 Employability als monolithisches Kompetenzmodell Das klassische, oft für Rankings genutzte Employability-Konzept ist ein monolithisches Kompetenzmodell, dessen einzelne Teilkompetenzen prinzipiell gleichrangig und gleichwertig sind. Die Teilkompetenzen sind mangels eindeutiger Quantifizierbarkeit ordinal skaliert. Höchstmögliche Employability ist gegeben, wenn alle Eigenschaften auf dem höchsten Punkt der Ordinalskala liegen. Eine Employability-getriebene Weiterbildung würde demnach alle Teilkompetenzen in den Blick nehmen und jeweils deren maximale Ausprägung anstreben. Aus betriebswirtschaftlicher Perspektive vermag dieser Ansatz nicht 23

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zu überzeugen, da die Betrachtungsweise weder auf Interdependenzen zwischen den Teilkompetenzen noch auf unterschiedliche Wertigkeiten der Teilkompetenzen eingeht. 3.3.2 Employability als gestuftes Humanvermögensmodell Das Humansvermögensmodell definiert drei Employability-Stufen sowie die minimalen Voraussetzungen, um am Arbeitsmarkt zu partizipieren. Die „baseline“ bilden grundständige Eigenschaften wie Verlässlichkeit, Einsatzbereitschaft, Veränderungsbereitschaft und Integrität, die fundamental für jedwede Beschäftigung sind. Anspruchsvollere Tätigkeiten erfordern „intermediate“ oder gehobene Fertigkeiten. Beispiele sind spezialisierte wissenschaftliche Fertigkeiten wie quantitative Methoden; generische Skills wie Kommunikations-, Problemlösungs- und Teamkompetenz und persönliche Attribute wie Motivation und Eigeninitiative. Der Aufstieg in die höheren Experten- und Führungspositionen sowie der Erfolg als Unternehmer bedürfen „high level“-Kompetenzen wie Selbstmanagement, Diskurs- und Reflektionsfähigkeit sowie unternehmerisches Denken. Diese Stufenlogik ist für die Zuweisung von Verantwortlichkeit an Individuum, Bildungspolitik sowie betrieblicher Weiterbildung nützlich: Während die „baseline“ überwiegend durch das Bildungssystem abgedeckt werden muss, ist die „intermediate“ Employability im Zusammenspiel von Individuum und Ausbildungs- respektive Hochschulsystem zu sichern. Bei den „high level“-Kompetenzen ist zuallererst das Individuum in der Verantwortung. Gute Personalentwicklung unterstützt – holzschnittartig gesagt – •





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die „baseline“ durch an Stärken orientierte Rekrutierungs-, Qualifizierungs- und Förderpolitik statt defizitorientierter Auslesepolitik die „intermediate-Employability“ zusätzlich durch Co-Investorentum auf dem Feld berufsbegleitender Master- und Bachelor-Studiengänge die „high level“-Employability durch glasklares Feedback und ausreichend Raum, um das eigene Handeln zu reflektieren.

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3.3.3 Employability als chamäleonhafter Zielzustand Sofern die identitätsstiftende Perspektive betont und Employability als zentrale Eigenschaft eines Wissensarbeiters definiert wird, kann sie als Möglichkeitenraum aus mehreren Skill-Dimensionen beschreiben werden: Persönliche Qualitäten wie Selbstsicherheit, Reflektions- und Lernfähigkeit, Stressresistenz, Initiative und Anpassungsfähigkeit, unternehmerisches Denken und Handeln; Kernkompetenzen wie Selbstmanagement, Kreativität, Analyse-, Kommunikations- und Teamfähigkeit, Argumentation und Verhandlung sowie Prozessfertigkeiten wie Strukturierung, Priorisierung, Problemlösungsprocedere. Implizit wird dabei angenommen, dass Employablity ein exklusiver Zustand ist, der nicht von allen Menschen erreicht werden kann. Ausgehend von der Verteilung im Möglichkeitenraum ließen sich Cluster employabler Wissensarbeiter bilden, die spezifischen Jobprofilen und Karrierepfaden zugeordnet werden können. Hier wäre der Ansatzpunkt für eine gezielte Talententwicklung. Die Befassung mit der individuellen Employability zeigt, dass der Begriff weit über die neumodischen Kompetenzforderungen nach Teamfähigkeit und internationalem Mindset hinausgeht. Neben der Vermarktungsfähigkeit („Marketability“) geht es ebenso um die eigene Identität und das Selbstverständnis. Vor allem im Bereich der hoch qualifizierten Fach- und Führungskräfte sind persönliche Qualitäten oder „high level“-Kompetenzen gefragt. Charakterstärke und kritisches Denken sind das Salz in der Suppe der Employability. In der Personalentwicklung wurde zu lange nur auf Team- und Kommunikationsfähigkeit, welche zumindest oberflächlich durch „social skilling“ trainiert werden kann, geschaut. Der steinige, langwierige Weg der Selbstfindung und kontinuierlichen Selbstreflexion wurde ausgeklammert, obwohl gerade hier die Schwächen vieler Fach- und Führungskräfte liegen.

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Personalentwicklung, die auf Employability im Sinne eines nicht-elitären Breitensports zielt, nimmt alle Beschäftigten ins Visier. Sie bietet Bildung für die allgemeine Fitness genauso wie Spitzensport für diejenigen, die mehr wollen. Sie schießt nicht mit Kanonen auf Spatzen, sondern betrachtet ganz individuell die Person. Analog zur Entgrenzung der Unternehmen werden Auftragnehmer und Dienstleister mit einbezogen. Sie verkündet keine Rollenrezepte, sondern stößt Denkprozesse an und leitet die Selbst-Reflektion und Selbst-Findung ein. Betriebliche Weiterbildung kann aber nur da greifen, wo ein stabiles Fundament existiert. Wenn die „baseline“ nicht stimmt, dann müssen betriebliche Weiterbildung mittels Qualifizierungsbrücken und Arbeitsmarktpolitik mittels Brückenförderung Hand in Hand arbeiten.

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Die Arbeitsmarktstatistik offenbart die gestiegene Relevanz von Employability. Akademische Wissensarbeiter mit hoher Employability sind begehrt, während gering Qualifizierte tagtäglich um Anschluss kämpfen. Die gängige Unterteilung nach Abschlussniveaus hängt zwar einer veralteten Denkweise an, lässt sich aber auch aus der Employability-Perspektive interpretieren. Im Studium werden neben fachlichem Wissen auch Employability-Kompetenzen erworben. Insbesondere bei Selbstmanagement, Diskurs- und Anpassungsfähigkeit haben akademisch qualifizierte Personen die Nase vorn. Zudem sind Akademiker weniger auf ein starres Berufsbild festgelegt. In der Folge ist die Arbeitslosigkeit in dieser Gruppe trotz des Strukturwandels zur Wissensökonomie nahe Vollbeschäftigung. Beruflich Qualifizierte besitzen sowohl intensives Fachwissen in einem Beruf als ausgeprägte „intermediate“ Fertigkeiten, insbesondere bei der praktischen Problemlösung. Trotzdem haben sie in Sachen Anpassungsfähigkeit und Methodenkompetenz einiges nachzuholen, was sich in einer rund doppelt so hohen Arbeitslosigkeit niederschlägt. Der Arbeitsmarkt ist unerbittlich: Wer genügend Employability mitbringt, erzielt gute Einkommen und sichere Beschäftigung. Wem es an der „baseline“ fehlt, für den bleibt die Tür verschlossen. Die größte Employability-Herausforderung liegt bei den gering Qualifizierten. Ihnen mangelt es oft an den grundständigen Fertigkeiten, die conditio sine qua non der Arbeitsmarktpartizipation sind. Neben Verlässlichkeit und Einsatzbereitschaft sind es Defizite in der Kommunikation sowie im Umgang mit einfachster Numerik. Die rot-grüne Koalition hat mit den Hartz-Reformen den ersten Schritt zur Problemlösung getan. Dennoch fehlt der Bildungs- wie der Arbeitsmarktpolitik nach wie vor der Employability-Fokus. Hauptschulen haben weiterhin den Anspruch, im Kern Fachwissen zu vermitteln und Scheitern gerade bei benachteiligten Jugendlichen. Arbeitsagenturen agieren anschließend als Reparatur- und Verwahrbetrieb. Denkblockaden und Partialinteressen hängen ihnen wie ein Klotz am Bein. Linke wettern gegen das ergänzende Arbeitslosengeld II, dass für viele eine Brücke in Beschäftigung darstellt. Stattdessen muss die Regel lauten: Alles was der Employability dient, muss erlaubt sein.

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4. Das Fünfeck der Employability-Debatte Die bis dato gewonnenen Erkenntnisse zusammenführend, wird offensichtlich, dass sich hinter dem Terminus Employability keineswegs ein einzelnes, eng definiertes Konzept verbirgt. Vielmehr steht dahinter die Grundphilosophie eines sowohl kollektiven wie auch individuellen Wirtschaftslebens, sich flexibel an veränderte Rahmenbedingungen anzupassen und selbstständig bzw. selbstbewusst auf dem Markt seine Kernkompetenzen anzubieten. Diese Philosophie wird auf die verschiedenen Ebenen des Systems Arbeit sowie auf den Sozialstaat angewandt. Letztlich ergeben sich aus der Ebenen-Betrachtung fünf konkrete Konzepte, die es für eine Employability-getriebene Transformation von Individuum, Unternehmen, Staat und Gesellschaft umzusetzen gilt:

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4.1

Employability als Arbeits- und Lebenskonzept für das Individuum

In der Wissensökonomie tritt ein ständiger Wandel der Beschäftigung an die Stelle eines oder weniger statischer, lebenslang ausgeübter Berufe. Phasen des Lernens und Arbeitens wechseln sich ab oder gehen ineinander über. Beschäftigung findet sich genauso im klassischen Arbeitsverhältnis wie als Selbstständiger. Dem gegenüber steht das klassische Verständnis des Industriearbeiters, das tief in den Köpfen vieler Menschen verwurzelt ist und eine starke Quelle für Unmut und Verunsicherung bildet. Die „schöne, neue Welt“ konfrontiert das Individuum mit vielen Fragen:

Auf den Arbeitsmärkten der Wissensökonomie wird jedoch nur erfolgreich sein, wer sein Arbeits- und Lebenskonzept an die neuen Gegebenheiten anpasst. Wir müssen zum Unternehmer der eigenen Talente werden, unsere Employability in die eigene Hand nehmen und in uns selbst investieren. Unternehmen wie Bildungsträger dürfen es nicht dabei belassen, grundständige Employability-Fertigkeiten zu vermitteln. Gleichzeitig müssen sie daran arbeiten, dieses neue Selbstverständnis bei Schülern, Auszubildenden und Studierenden zu verankern. Wer sich als Unternehmer in eigener Sache versteht, sieht die Wissensökonomie nicht als Gefahr, sondern als große Chance, sich selbst zu verwirklichen. Er wird viel bewusster an seiner Employability arbeiten und so letztlich seinen Erfolg auf dem Arbeitsmarkt sicherstellen. 30

WURZELN DER EMPLOYABILITY

4.2

Gestaltungskonzept für den Arbeitskontrakt

Jobsicherheit ist die Vergangenheit, Arbeitsmarktfähigkeit und ggf. Beschäftigungssicherung sind die Zukunft. Diese sind häufig sogar innerhalb eines Unternehmens möglich, erfordern aber ein flexibles Agieren auf den internen Arbeitsmärkten. Hierfür braucht es neben Veränderungs- und Lernbereitschaft beim Individuum vor allem eine vorausschauende, skill-, demografie- und lebenszyklusbasierte Personalplanung und -entwicklung. Zudem könnte der Arbeitskontrakt neu gestaltet werden. Ein Beschäftigter stellt dann nicht mehr seine Arbeitskraft für einen expliziten Arbeitsplatz gegen eine in Stein gemeißelte Vergütung zur Verfügung. Stattdessen könnte das Unternehmen die dauerhafte zumindest mehrjährige Beschäftigung über den aktuellen Arbeitsplatz hinaus garantieren. Die Vergütung teilt sich bei dieser Logik in einen ordentlichen Basisteil und erfolgsabhängige Zuschläge, sodass die Beschäftigten am betriebswirtschaftlichen Ertrag ihrer Anpassungsfähigkeit beteiligt werden. Gleichzeitig findet eine umfassende Karriere- bzw. Qualifizierungsplanung und -beratung statt, um Employability auszubauen und für notwendige Veränderungen gewappnet zu sein. Arbeitszeit- und Karrieremodelle werden flexibilisiert. Es wird zur Selbstverständlichkeit, zwischen Experten- und Führungspositionen zu wechseln oder temporär in Teilzeit oder Auszeit zu gehen, um sich weiterzubilden. Das Unternehmen wird zur Chancen- und Risikogemeinschaft. Anstatt paternalistisch das Blaue vom Himmel herunter zu versprechen und schlussendlich doch zur ultima ratio zu greifen, unterbreiten Unternehmen ein ehrliches Vertragsangebot: Veränderungs- und Lernbereitschaft gegen Arbeitsmarktfähigkeit, ggf. sogar Beschäftigungssicherheit und Erfolgsbeteiligung.

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THOMAS SATTELBERGER

4.3

Regulierungskonzept für das System Arbeit

Employability zeichnet auch die Richtung für eine umfassende Reform des Systems Arbeit sowie des sozialstaatlichen Arrangements. Tatsächlich existieren Länder, die mit zunehmenden Erfolg ein Employability-getriebenes System Arbeit geschaffen haben, das Sicherheit und Flexibilität in Einklang zu bringen sucht und eine wesentlich höhere Beschäftigungssicherheit schafft.

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WURZELN DER EMPLOYABILITY

Eine Employability-getriebene Sozialpolitik sichert das sozio-ökonomische Existenzminimum anstatt Eigeninitiative in einem Meer aus Rundumversorgung und Anspruchsdenken zu ertränken. Die universalistischen Wohlfahrtsstaaten Skandinaviens zeigen, wie es geht: Ein ausgedehntes Sicherungsnetz schützt jedes Mitglied der Gesellschaft vor dem freien Fall und sichert über lange Zeit einen einheitlichen, akzeptablen Lebensstandard. Im Gegenzug besteht die moralische wie rechtliche Pflicht, sich um Beschäftigung zu bemühen und möglichst bald wieder auf eigenen Beinen zu stehen. Intelligent gestaltete Anrechnungsregeln setzen Anreize für die Arbeitsaufnahme und für einen möglichst vollständigen Austritt aus dem Transferbezug. Den Arbeitssuchenden greift eine aktivierende Arbeitsmarktpolitik unter die Arme, die auf Befähigung zur Arbeitsaufnahme statt auf Verwahrung setzt. Employabiltiy-Förderung und direkte Arbeitsmarktintegration rücken ins Zentrum jeder Maßnahme. Analog wird das Arbeitsrecht auf Beschäftigungs- statt Jobsicherheit ausgerichtet. Sein Schutz gilt nicht dem Arbeitsplatz, sondern dem Beschäftigten. Verändern sich die Anforderungen fundamental oder fällt der Arbeitsplatz gänzlich weg, müssen Unternehmen und Beschäftigter nach neuen Beschäftigungschancen suchen. Alte, lieb gewonnene Pfründe kommen auf den 33

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Prüfstand. Im Gegenzug erhält der Beschäftigte maximale Unterstützung, um sich weiterzubilden und so Employability wie Verdienstpotenzial zu sichern. Lässt sich trotzdem intern keine Lösung finden, unterstützt ein gezieltes Übergangsmanagement dabei, schnellstmöglich neue Beschäftigung am Arbeitsmarkt zu finden. Selbstverständlich läuft alles tarifvertraglich abgesichert unter dem Dach einer kooperativen Sozialpartnerschaft. Dafür stehen bei Tarifverhandlungen nicht mehr maximaler Kündigungsschutz und möglichst hohe Tarifabschlüsse im Zentrum, sondern Qualifizierung und Beschäftigungssicherheit. Ein solches System Arbeit ist nicht nur zukunftsfähig, sondern auch menschenwürdig! Deutschland hat erste Schritte in diese Richtung getan. Mit der Grundsicherung für Arbeitslose wurden Elemente eines universalistischen Sozialstaates geschaffen, allerdings auf niedrigem Niveau. Weiterhin existiert unter Arbeitssuchenden eine Zweiklassengesellschaft aus beitragsfinanzierten Arbeitslosengeld-Empfängern und steuerfinanzierten Alg II-Empfängern. Neben einer überbordenden Bürokratie und überforderten Arbeitsmarktpolitik ist das Fehlen zielgerichteter Arbeitsanreize weiteres Problemfeld. Die bestehenden Zuverdienstregelungen machen es noch zu wenig attraktiv, eine (geringfügige) Beschäftigung aufzunehmen und verhindern so, dass Menschen ihr volles Potenzial am Arbeitsmarkt realisieren. Sowohl das Arbeitsrecht als auch die tarifvertraglichen Regelungen sind nahezu vollständig auf Jobsicherheit ausgerichtet. Bestrebungen, das Arbeitsrecht stärker auf Beschäftigungssicherheit und Employability-Förderung auszurichten, werden von den „Arbeitsplatzbesitzern“ mit schrillem Protest goutiert. Der Weg zu einem zukunftsfähigen System Arbeit bleibt in Deutschland weit.

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WURZELN DER EMPLOYABILITY

4.4

Moralisches Konzept für die Gesellschaft

Die Gestaltung des Systems Arbeit ist eng mit zentralen moralischen Fragen verknüpft: Was ist die Verantwortung des Einzelnen? Wann ist ein System gerecht? Wo muss der Staat eingreifen? Hier geben unterschiedliche Gesellschaftsmodelle auch unterschiedliche Antworten. Das Employability-getriebene System Arbeit basiert auf liberalem Gedankengut. Es betont die Eigenverantwortung des Individuums für seine Beschäftigungsfähigkeit und sieht jeden Menschen als Unternehmer seiner eigenen Talente, die er auf einem freien Markt anbietet. Grundbedingung hierfür ist die ökonomische Freiheit, die der klassische Liberalismus als Ausgangspunkt jedweder Freiheit sieht. Der Staat setzt vor allem dieses Recht durch und sorgt für fairen Marktzugang. Jeder hat die Chance, sich am Arbeitsmarkt zu vermarkten. Allerdings muss er auch die Konsequenzen des eigenen Scheiterns tragen. Der Staat wird nicht intervenieren, um das Marktergebnis zu korrigieren. Stattdessen sichert er das Existenzminimum und setzt positive Anreize zur Aufnahme von Beschäftigung.

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Je nachdem, wie stark die Rolle des Staates bei der Schaffung von Employability und der Sicherung von Beschäftigung gesehen wird, tendieren Employability-Konzepte zu kollektiven Ansätzen wie dem sozialen Liberalismus. Dieser fokussiert sich auf die liberale Gerechtigkeit in Form gleicher Rechte und Pflichten für jedermann. Soziale Gerechtigkeit wird als Gleichheit der Startchancen gesehen. Ökonomische Ungleichheit wird akzeptiert, wenn diese auf Positionen beruht, die nach Kriterien von Fähigkeit und Leistung vergeben wurden und prinzipiell jedem zu gleichen Chancen zugänglich sind. Die Gesellschaft ist verpflichtet, es jedem Mitglied zu ermöglichen, eine hinreichende Employability zu erlangen, um prinzipiell am Arbeitsmarkt partizipieren zu können. Für den Erfolg am Arbeitsmarkt ist wiederum jeder selbst verantwortlich. Der Staat interveniert, wenn das Marktergebnis rechtswidrig oder unfair zustande gekommen ist. Das dritte, dem Employability-Konzept nahestehende Gesellschaftsmodell ist die Soziale Demokratie, die auch unter dem Stichwort „dritter Weg“ bekannt ist. Sie kombiniert das Streben nach Wohlstand und sozialem Ausgleich in einer solidarischen Gemeinschaft. Der Staat spielt die Hauptrolle bei der Schaffung gleicher Startchancen. Sein Mittel ist eine aktivierende Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik. Statt der reinen Existenzsicherung befähigt der Staat die Menschen kontinuierlich dazu, ihre Chancen am Arbeitsmarkt wahrzunehmen. Im Gegenzug besteht für den einzelnen auch die Verpflichtung, sich um Beschäftigung zu bemühen. Sobald die staatliche Unterstützung in Anspruch genommen wird, übernimmt dieser auch die Förderung der Employability. Das Individuum verliert einen Teil seiner Freiheit und ist bei Androhung von Strafe zur aktiven Mitwirkung verpflichtet. Employability-Konzepte folgen mehr oder weniger einem liberalen Denkansatz. Gerechtigkeit wird mit gleichen Startchancen gleichgesetzt und die parallelen Rechte und Pflichten des Individuums gegen über der Gesellschaft und vice versa betont. Ungleichheiten im Endergebnis werden als gerecht anerkannt, sofern diese unter fairen Bedingungen zustande gekommen sind. Im Gegenzug sichert der Staat jedem eine menschenwürdige Existenz, fordert und fördert aber auch aktive Anstrengungen zur Reintegration in den Arbeitsmarkt. Damit gibt die Employability-Debatte auch Antworten auf zentrale moralische Fragen unserer Gesellschaft.

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WURZELN DER EMPLOYABILITY

4.5

Qualifizierungskonzept für Unternehmen

In der personalwirtschaftlichen Debatte geht es oft Schlag auf Schlag. War gestern die Klasse der Wissensarbeiter noch in aller Munde, ist heute die Uniquability der kreativen Klasse das Maß aller Dinge. Sinnvolle Konzepte geraten schnell wieder in Vergessenheit, ohne dass sie überhaupt bis zu Ende durch dekliniert wurden oder in der praktischen Personalarbeit ihren Niederschlag gefunden hätten. Manche sehen in Employability schon eine Commodity, wie die Zukunftsforscherin Imre Kärcher betont. Sie fordert stattdessen, jeder Mensch sollte eine „Uniquability“, ein unnachahmliches Persönlichkeits- und Kompetenzprofil ausbilden. Dazu stelle ich die Gegenfrage: Wer kann heute ohne Employability im System Arbeit bestehen?

Uniquability ist nicht mehr und nicht weniger als die Forderung an Wissensarbeiter, sich im Möglichkeitenraum der Employability ein spezifisches Kompetenzcluster zu suchen. Wenn hier eine andere Schwerpunktsetzung gegenüber der klassischen Employability besteht, dann durch den Fokus auf personale Qualitäten und in Form eines stärkeren Bezugs zu Selbstständigkeit und Unternehmertum in Kreativbranchen. Bisherige Überlegungen zur Employability bezogen sich eher auf die abhängige Beschäftigung in Großorganisationen. Das Verhältnis von Employability und Uniquability ist wie 37

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zwischen Breitensport und Spitzensport. Den zweiteren wird es nicht geben, wenn nicht zunächst viele Menschen mit der Sportart vertraut gemacht wurden. Gleiches gilt für den Arbeitsmarkt. Employability-Förderung ist der moderne Breitensport der Personalentwicklung, der jedem Beschäftigten offen steht. Sie postuliert eine Abkehr von der klassischen, auf Wissensvermittlung ausgerichteten Weiterbildung, die mit dem pädagogischen Trichter in kürzester Zeit möglichst viel Information verabreichen will. Stattdessen findet Qualifizierung kontinuierlich statt und setzt auf den Kompetenzaufbau mittels selbstinitiierter Lern- und Reflektionsprozesse. Die betriebliche Weiterbildung wird zum Impulsgeber, die den Beschäftigten unterstützt, gemeinsam erarbeitete Ziele zu erreichen. Dafür wird jeder Beschäftigte mit seinen Stärken und Schwächen betrachtet und ein individualisiertes Paket aus den vorhandenen Maßnahmen von Mentoring, Coaching, Job-Visiting, Selbsterfahrungs-Workshops bis zu traditionellen Seminaren und Fortbildungen geschnürt. Die großen Herausforderungen für die Personalentwicklung lauten ausgehend hiervon: Wie organisiere ich eine zielgerichtete Qualifizierungs- und Karriereberatung? Wie stoße ich Lern- und Reflektionsprozesse an? Was heißt Employability im Zeitalter von web 2.0?

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WURZELN DER EMPLOYABILITY

5. Fazit Employability ist kein leeres Schlagwort. Richtig durchdekliniert hat die gesamte Debatte Hand und Fuß. Angesichts der Megatrends unserer Zeit kann uns das mannigfaltige Konzept auf allen Ebenen neue Impulse geben und bei der Bewältigung unserer künftigen Herausforderungen helfen. Es gibt eine konsequente Antwort auf zentrale moralische Fragen unserer Gesellschaft genauso wie praktische Hinweise zur zukunftsfähigen Gestaltung des Systems Arbeit. Das Individuum findet darin nicht nur eine Handlungsanweisung für den eigenen Lern- und Lebensweg, sondern genauso einen neuen Identitätsanker in stürmischer Zeit. Unternehmen können sich durch eine strikt Employability-getriebene Personalentwicklung ihre langfristige Wettbewerbsfähigkeit stärken. Employability ist und bleibt das Gebot der Stunde.

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Employability Management

Employability und Megatrends Die Arbeitswelt im Wandel

von Jutta Rump/Isabel Biegel

JUTTA RUMP / ISABEL BIEGEL

Inhalt 1. Einleitung 2. Demografischer Wandel 3. Technologischer Wandel 4. Globalisierung 5. Wissensgesellschaft/Bildung 6. Frauen 7. Individualisierung 8. Gesellschaftlicher Wertewandel 9. Megatrends und ihre Konsequenzen 10. Kurze Zusammenfassung Literatur

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EMPLOYABILITY UND MEGATRENDS

1. Einleitung Die gesamte Arbeitswelt befindet sich in einem Wandlungsprozess, der durch ständige Umbrüche, plötzliche Veränderungen und strukturelle Herausforderungen gekennzeichnet ist. Grundsätzliche Treiber der wirtschaftlichen Entwicklung greifen ineinander und ergeben insgesamt ein höchst komplexes Gebilde aus verschiedenen Abhängigkeiten. Jeder der großen Entwicklungstreiber berührt dabei stets sowohl Unternehmen als auch ihre Mitarbeiter und damit beide Seiten des Arbeitsmarktes. An Unternehmen werden fundamentale Anforderungen gestellt, wie etwa die Anpassung der Produktionssysteme und der Arbeitsorganisation, während sich die Herausforderungen für Erwerbspersonen auf ihr Qualifikationsfundament und auf die Gestaltung ihrer Erwerbsbiografien beziehen.1 Mit hoher Wahrscheinlichkeit sind es vor allem die in der Folge dargestellten sieben Megatrends demografischer Wandel, technologischer Wandel, Globalisierung, Wissensgesellschaft/Bildung, Frauen, Individualisierung sowie der gesellschaftliche Wertewandel, die zukünftig unsere Arbeitswelt beeinflussen werden – und damit auch gleichzeitig die Employability2, d. h. die Beschäftigungsfähigkeit jedes Einzelnen. Es ist davon auszugehen, dass sich diese zentralen Megatrends gegenseitig beeinflussen und dadurch einzelne Effekte verstärkt oder auch abgeschwächt werden können. Das Kapitel schließt mit einer kurzen Darstellung der wichtigsten bzw. bedeutendsten Konsequenzen aufgrund von Megatrendentwicklungen auf die Unternehmen sowie jeden Einzelnen.

1 2

Vgl.: Hardege, S./Klös, H.-P. (2008), S. 19. Eine ausführliche Definition des Begriffs Employability findet sich im Kapitel: Employability – Die Grundlagen.

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JUTTA RUMP / ISABEL BIEGEL

2. Demografischer Wandel Der demografische Wandel3 ist eine langfristige Entwicklung, dessen Ursprünge weit zurückliegen und dessen Auswirkungen weit in die Zukunft hineinragen. In der Vergangenheit hat eine Reihe von Faktoren Einfluss auf seine Entwicklung genommen, die sich in den bekannten Bevölkerungs‚Pyramiden’ widerspiegeln. Exemplarisch werden an dieser Stelle Pyramiden aus den Jahren 1910, 1950, 2008 und 2060 kurz beschrieben.4

ABB. 1: BEVÖLKERUNGSPYRAMIDEN 1919, 1950, 2008 UND 20605

3 4 5

46

Die Demografie einer Gesellschaft wird vor allem von drei Faktoren beeinflusst: Der Geburtenrate, den Wanderungssalden sowie der Lebenserwartung. (Siehe hierzu auch Kapitel Employability und Demografie; Rump/Eilers.) Vgl.: Statistisches Bundesamt (2009), S. 14ff. Vgl.: Statistisches Bundesamt (2009), S. 15.

EMPLOYABILITY UND MEGATRENDS

Die Bevölkerungspyramide des Deutschen Reichs von 1910 zeichnet sich durch hohe Geburtenraten und hohe Mortalitätsraten aus. Die Gesellschaft damals war durch vergleichsweise schlechte medizinische Versorgung, schlechte hygienische Verhältnisse und ein niedriges Bildungsniveau gekennzeichnet, mit der Folge, dass das Durchschnittsalter zu dieser Zeit bei ca. 30 Jahren lag. Die Bevölkerungsentwicklung um 1950 dagegen lässt sich mit dem Bild eines „Baums“ beschreiben, an dessen Struktur vor allem die Kerben der beiden Weltkriege – insbesondere unter den Männern – abzulesen sind, sowie der Einschnitt verursacht durch die Weltwirtschaftskrise Anfang der 1930er Jahre. Im Vergleich zum vorherigen Schaubild weist die Bevölkerung eine deutlich höhere Lebenserwartung und damit auch ein gestiegenes Durchschnittsalter auf. Im Jahr 2008 sind ebenfalls die Verluste und Geburtenrückgänge während des 2. Weltkrieges, aber auch die ersten Baby Boomer, die zwischen den beiden Weltkriegen geboren wurden, unter den heutigen Älteren zu erkennen. Darüber hinaus ist die höhere Lebenserwartung von Frauen sichtbar, die nicht nur mit biologischen Faktoren, sondern auch mit dem traditionellen Familienmodell und den Arbeitsbedingungen der 50er bis 70er Jahre erklärt werden kann. Ebenfalls deutlich zeigen sich der so genannte „Pillenknick“ und die geburtenstarken Jahrgänge der Baby-BoomGeneration (bis 1965 geboren). Das Durchschnittsalter der Bevölkerung lag im Jahr 2008 bei etwa 43 Jahren. Für 2060 werden eine sehr hohe Lebenserwartung und geringe Geburtenraten erwartet. Das Durchschnittsalter der deutschen Bevölkerung wird damit nochmals ansteigen und zu diesem Zeitpunkt etwa 52 Jahre betragen. Die nachrückenden Jahrgänge sind nach unten hin immer dünner besetzt.6 Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass wir in einer schrumpfenden und alternden Gesellschaft leben, die mit einer Bevölkerungsexplosion bei den Älteren und einer Bevölkerungsimplosion bei den mittleren und jüngeren Altersgruppen einhergeht. Aufgrund der niedrigen Geburtenhäufigkeit von etwa 1,4 Kindern je Frau ist jede Generation um etwa ein Drittel kleiner als die ihrer Eltern. Die Zahl der Sterbefälle nimmt hingegen zu, da nun die geburtenstarken Jahrgänge in das Alter vorrücken, in dem die Sterblichkeit natürlicherweise größer ist.7

6 7

Vgl.: Statistisches Bundesamt (2009), S. 14. Vgl.: Statistisches Bundesamt (2009), S. 13.

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Dabei gilt zu bemerken, dass die Alterung aufgrund einer seit Jahren auf einem niedrigen Stand verharrenden Geburtenrate bereits sehr bald zu spüren sein wird, während die merkliche Schrumpfung der Bevölkerung erst nach dem Jahr 2020 eintritt. Ausgehend von einer Bevölkerungszahl von ca. 80 Millionen im Jahr 2008 bewegen sich die Prognosen für das Jahr 2020 noch zwischen 79,9 Millionen Menschen unter Zugrundelegung eines angenommenen positiven Wanderungssaldos von 100.000 Personen und 80,4 Millionen bei 200.000 Personen. Für 2030 jedoch liegen die Zahlen bereits bei 77,4 bzw. 79 Millionen, 2050 leben nach diesen Berechnungen nur noch 69,4 bzw. 73,6 Millionen und 2060 dann 64,7 bzw. 70,1 Millionen Menschen in Deutschland.8 Was die Alterung betrifft, so wird das Durchschnittsalter von heute (2010) 44 Jahren auf 50 Jahre im Jahr 2050 ansteigen:9

Durchschnittsalter der Bevölkerung

2010

2015

2020

2030

2050

44 Jahre

45 Jahre

46 Jahre

48 Jahre

50 Jahre

ABB. 2: ENTWICKLUNG DES DURCHSCHNITTSALTERS

Gleichzeitig erhöht sich der Anteil derer, die 65 Jahre oder älter sind. Derzeit sind 20,4 % der Bevölkerung 65 Jahre oder älter, im Jahr 2020 werden es 23,3 % sein. Bis 2060 steigt die Anzahl der Menschen dieser Altersgruppe auf 34 % der Gesamtbevölkerung. Diese Zahlen sprechen eine deutliche Sprache. Noch drastischer erscheint die Entwicklung der über 80-Jährigen: Heute sind 5 % der Bevölkerung über 80 Jahre alt und älter. Ihre Zahl wird kontinuierlich steigen und mit über 10 Millionen im Jahr 2050 den bis dahin höchsten Wert erreichen. Zwischen 2050 und 2060 sinkt dann die Zahl der Hochbetagten auf 9 Millionen. Es ist also damit zu rechnen, dass in fünfzig Jahren 14 % der Bevölkerung – das ist jeder Siebente – 80 Jahre oder älter

8 9

48

Vgl.: Statistisches Bundesamt (2009), S. 39. Unter dem „Wanderungssaldo“ wird die Differenz zwischen den Zuzügen nach Deutschland und den Fortzügen ins Ausland, gelegentlich auch als Wanderungsgewinn oder -verlust bezeichnet, verstanden. Vgl.: Statistisches Bundesamt (2006), S. 17 – 19, unter Zugrundelegung eines angenommenen positiven Wanderungssaldos von 100.000 Personen.

EMPLOYABILITY UND MEGATRENDS

sein wird.10 Demgegenüber verringert sich der Anteil der unter 20-Jährigen kontinuierlich. Von 19,0 % im Jahr 2008 auf 17 % im Jahr 2020 bis zu 15,6 % im Jahr 2060. Abbildung 3 zeigt das Bevölkerungsszenario:11 82 Mio.

Menschen leben derzeit (2008) in Deutschland,

19,0 %

sind jünger als 20 Jahre,

60,6 %

sind zwischen 20 und 64 Jahre alt,

20,4 %

sind 65 Jahre und älter.

80,1 Mio.

Menschen werden 2020 in Deutschland leben,

17,0 %

werden jünger als 20 Jahre sein,

59,6 %

werden zwischen 20 und 64 Jahre alt sein,

23,3 %

werden 65 Jahre und älter sein.

77,2 Mio.

Menschen werden 2030 in Deutschland leben,

16,7 %

werden jünger als 20 Jahre sein,

54,5 %

werden zwischen 20 und 64 Jahre alt sein,

28,8 %

werden 65 Jahre und älter sein.

68,7 Mio.

Menschen werden 2050 in Deutschland leben,

15,4 %

werden jünger als 20 Jahre sein,

51,5 %

werden zwischen 20 und 64 Jahre alt sein,

33,1 %

werden 65 Jahre und älter sein.

64,7 Mio.

Menschen werden 2060 in Deutschland leben,

15,6 %

werden jünger als 20 Jahre sein,

50,4 %

werden zwischen 20 und 64 Jahre alt sein,

34,0 %

werden 65 Jahre und älter sein.

ABB. 3: BEVÖLKERUNGSVORAUSRECHNUNG DES STATISTISCHEN BUNDESAMTES

10 Vgl. Statistisches Bundesamt (2009), S. 16. 11 Vgl.: Statistisches Bundesamt (2009), S. 39, unter Zugrundelegung eines angenommenen positiven Wanderungssaldos von 100.000 Personen.

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Das Szenario zeigt, dass der so genannte Altenquotient, d. h. das Verhältnis der Bevölkerung im Erwerbsalter (zwischen 20 und unter 65 Jahren) zur Bevölkerung im Rentenalter (65 Jahre und älter), nach 2008 erheblich steigen wird. Zwischen 2020 und 2030 wird er einen starken Zuwachs erfahren, wenn die geburtenstarken Jahrgänge das Rentenalter erreichen, und 2060 etwa doppelt so hoch wie heute ausfallen. Im Jahr 2008 kamen auf 100 Personen im erwerbsfähigen Alter 34 Personen, die 65 Jahre oder älter waren. Im Jahr 2020 wird diese Zahl bereits auf 39 Personen, 2030 auf 52 Personen und im Jahr 2050 auf 64 angestiegen sein. Im Jahr 2060 werden es nach der Untergrenze der „mittleren“ Bevölkerung, also bei einem jährlichen Wanderungssaldo von 100.000 Personen, 67 ältere Menschen sein.12 Für die Bevölkerung im Erwerbsalter (Lebensspanne von 20- bis 65 Jahre) bleiben diese Entwicklungen ebenfalls nicht ohne Einfluss – sie wird von der Schrumpfung und Alterung ganz besonders stark getroffen. Heute zählen etwa 50 Mio. Menschen zu dieser Gruppe, doch bereits ab 2020 wird die Anzahl stark zurückgehen und im Jahr 2030 noch etwa 42 Mio. betragen. Falls jährlich 100.000 Personen nach Deutschland zuwandern, fällt das Erwerbspersonenpotenzial bis zum Jahr 2060 auf 33 Mio. Menschen, wandern hingegen doppelt so viele Personen zu, könnte das Erwerbspersonenpotenzial bei 36 Mio. liegen.13

3. Technologischer Wandel Die Bezeichnung technologischer Wandel wird in dieser Form kaum als Megatrend ausgewiesen, sondern häufig nur einzelne technologische Bereiche aus dem bunten Strauß vielfältiger Technologien. Beispiele wie Biotechnologie, Nanotechnologie, Neurotechnologie, Optische Technologien, Solartechnologie, Kommunikations- und Informationstechnologie sowie Mobiltechnologie sind hier zu nennen, wobei im Kontext von Arbeit und Freizeit vor allem die Entwicklungen der Informations- und Kommunikations- sowie Mobiltechnologie Relevanz besitzen. 12 Vgl.: Statistisches Bundesamt (2009), S. 20. 13 Vgl.: Statistisches Bundesamt (2009), S. 17 – 18.

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EMPLOYABILITY UND MEGATRENDS

Die Informations- und Kommunikationstechnologie sowie die Mobiltechnologie gehören heute sowohl im beruflichen Bereich als auch im Privatleben zum Alltag. Im Jahr 2009 verfügten 67,1 % der Deutschen über einen privaten Internetzugang. Im Vergleich zum Vorjahr 2008 und einer Quote von 65,8 % war dies nur ein geringer Anstieg, sodass festgestellt werden kann: der Alltag der Menschen ist weniger durch die wachsende Internetverbindung gekennzeichnet, sondern vielmehr durch die zunehmende Einbindung des Internets in den Alltag. Von allen Personen mit Internetzugang waren im Jahr 2009 71,6 % täglich im Netz, in der jüngsten Altersgruppe der 14- bis 29-Jährigen waren es sogar 75,8 %. Diese Entwicklung im privaten Lebensumfeld erleichtert vielen Arbeitnehmern, selbst von zu Hause aus und zu jeder Zeit auf das Firmennetz zugreifen zu können.14 Die mit der Informations- und Kommunikationstechnologie einher gehende Digitalisierung, Virtualisierung, Mediatisierung und Mobilisierung eröffnen Möglichkeiten der räumlichen und zeitlichen Unabhängigkeit und tragen zu enormen Zeitersparnissen bei. Gleichzeitig lässt sich mit fortschreitendem technologischen Fortschritt allerdings auch eine Beschleunigung beobachten. Insbesondere in der Arbeitswelt ist dies deutlich zu spüren, aber auch in privaten Lebensbereichen haben diese Technologien und der damit veränderte Umgang mit Zeit einen Einfluss. Menschen im elektronischen Zeitalter müssen neu leben lernen, weil sich die Maßstäbe und die Geschwindigkeit des Lebens fundamental verändern.15 Schlagworte wie „Tempowahn“, „Beschleunigungsfieber“ oder „Geschwindigkeitsrausch“ skizzieren die Entwicklung sehr treffend. Demzufolge existiert eine Interdependenz zwischen der Dimension Zeit und dem Einsatz von technologischen Geräten. Die Nutzung technologischer Hilfsmittel verschafft den Menschen häufig mehr Zeit, die dann für andere Arbeits- oder Freizeitbeschäftigungen genutzt werden kann. Genau an dieser Stelle liegt jedoch auch ein Problem. Das Mehr an Zeit, das uns der Einsatz von Technologien verschafft, wird häufig vom Wunsch nach immer mehr Technikkonsum und der Beschäftigung mit ihm aufgebraucht. Das soll heißen: Auf der einen Seite sparen wir vermeintlich viel Zeit, indem wir Technik einsetzen, verschleudern diese aber sofort wieder – beispielsweise im Falle einer Reparatur oder Aktualisierung, nur um sie überhaupt am 14 Vgl.: Eimeeren, B./Frees, B. (2009), S. 335; Eurostat (2007a); Eurostat (2008). 15 Vgl.: Opaschowski, H. W. (2002), S. 56.

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Laufen zu halten. Darüber hinaus ermöglichen die Informations- und Kommunikations- sowie Mobiltechnologien, z. B. Handy und E-Mail, dass der Mensch von heute „stets zu Diensten“ und immer erreichbar ist. Er lebt in einem Zustand der Dauerbelastung – und träumt von Erholung. Die technologisch bedingte Zeitersparnis geht in vielen Bereichen mit der Tendenz zur „Verdichtung“ einher. Menschen versuchen, immer mehr gleichzeitig zu tun16 – während des Telefonierens noch schnell eine E-Mail zu schreiben oder ein Hemd zu bügeln, auf dem Weg zur Arbeit in der U-Bahn die Post zu bearbeiten und das nächste Meeting vorzubereiten oder das Mittagessen vor dem PC einzunehmen. Überlastungssituationen treten besonders häufig am Arbeitsplatz auf. Während im Jahr 1990 noch 48 % der Arbeitnehmer Zeitmangel und Zeitfristen als belastend empfanden, waren es im Jahr 2000 bereits 58 %. In einer Erhebung des SOEP im Jahr 2006 fühlen sich aufgrund des Zeitdrucks am Arbeitsplatz 8 % sehr stark, 32 % stark und 56 % mäßig belastet. Doch auch das Gefühl, in der Freizeit möglichst viel und möglichst ständig etwas Neues erleben zu müssen, sowie der Druck durch finanzielle Engpässe oder die Doppelbelastung von Beruf und Familie führen Menschen nicht selten an ihre Grenzen. Immer häufiger entsteht daraus beim Einzelnen das gegenläufige Bedürfnis nach „Entschleunigung“ – sicherlich eines der derzeit aktuellsten Schlagworte.17

4. Globalisierung Es ist äußerst schwierig, alle von der Globalisierung beeinflussten Bereiche und ihre Zusammenhänge in Kürze zu beschreiben. Einigkeit besteht hingegen darüber, dass Globalisierung einer der Megatrends überhaupt ist und kein Ende dieser Megatrendentwicklung zu erwarten ist. Vielmehr wird sie als fortschreitender Prozess angesehen, der unter Umständen in ein neues Zeitalter führt.18 16 Vgl.: Geißler, A. (2003), S. 1–2; Schuster, A. (2007), S. 3. 17 Vgl.: TNS Infratest Sozialforschung (2006); o. V. (2003), S. 2. 18 Vgl.: Opaschowski, H. W. (2002), S. 51.

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EMPLOYABILITY UND MEGATRENDS

Angesichts der Bedeutung der Globalisierung ist schwer zu glauben, dass der heute inflationär verwendete Begriff erst seit Anfang der sechziger Jahre existiert und auch erst Jahre später in Deutschland als Synonym für Weltwirtschaft verwendet wurde. Heute bezeichnet Globalisierung das weltweite Marktgeschehen, genauer gesagt den globalen Handel mit Produkten und Dienstleistungen, aber auch das Verschmelzen der ganzen Weltgesellschaft zu einem einzigen System kann darunter verstanden werden. Seit den 1970er Jahren ist die Globalisierung in den drei Dimensionen – wirtschaftlich, sozial und politisch – kontinuierlich gestiegen, insbesondere nach dem Ende des Kalten Krieges erlebt sie einen ernormen Schub. Im weltweiten Vergleich belegt Deutschland aktuell Rang 18 der am stärksten globalisierten Länder. Auf europäischer Ebene lässt sich für das Jahr 2006 feststellen, dass nur noch 37 von den insgesamt 100 größten europäischen Unternehmen in ihrem ursprünglichen Heimatland angesiedelt waren. Dieser Globalisierungsprozess wird vor allem durch die technologischen Entwicklungen befördert und führt am Ende dazu, dass jedes Produkt für jedermann an jedem Ort jederzeit verfügbar ist. Zwar gibt es regionalspezifische Ausprägungen, die Herstellung und der Vertrieb sind jedoch transnational.19 Inwieweit die Globalisierung in der deutschen Wirtschaftslandschaft fortgeschritten ist, zeigen vor allem Indikatoren wie die Exportquote20, Auslandsinvestitionen sowie die Anzahl getätigter Fusionen bzw. deren Kapitalwert: • Von jeher wird Deutschland als Exportland bezeichnet, im Jahr 2006 wurde zum vierten Mal in Folge die weltweite Spitzenposition in Bezug auf den Warenexport eingenommen, 8,9 Mio. Erwerbstätige (d. h. 23 % aller Erwerbstätigen) waren vom Export abhängig. Seit den 70er Jahren ist die Exportquote21 kontinuierlich gestiegen, 2005 lag sie bei 35 %, 2009 hingegen bei (nur) etwa 33,4 %.22 Dies ist zu einem erheblichen Teil auf die Finanz- und Wirtschaftskrise zurückzuführen. Seit dem Jahr 2009 belegt China den ersten Platz der globalen Exportnationen und nimmt damit Deutschland den Titel des Exportweltmeisters ab. Einen sehr hohen Stellen-

19 Vgl.: KOF (2010), S. 1.; Opaschowski, H. W. (2002), S. 53.; Wikipedia (06.07.2007, 20:05 Uhr); Lutz, C. (1995), S. 84.; Naisbitt, J. (2007), S. 157.; Rump, J./Schmidt, S. (2004), S. 15–16. 20 Unter der Exportquote wird das Verhältnis der Exporte zum Bruttoinlandsprodukt verstanden. Vgl.: Statistisches Bundesamt (2007c), S. 480. 21 Die Exportquote berechnet sich aus dem Verhältnis der Exporte zum BIP eines bestimmten Jahres. 22 Eigene Berechnung (Vgl.: Destatis (2010a); Destatis (2010b)).

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wert hat der Export dennoch. Etwa jeder dritte Arbeitsplatz hängt vom Export ab. Zum Vergleich: in den USA ist es nur jeder elfte Arbeitsplatz.23 • Ausländische Produktionsstätten sowie Vertriebs- und Kundendienststrukturen wurden in den letzten Jahren von deutschen Unternehmen weiter ausgebaut. 41 % der Unternehmen planen eine Investition im Ausland. 43 % von ihnen möchten ihr Volumen an Auslandsinvestitionen aufstocken, 47 % werden es beibehalten, nur 10 % denken an eine Reduzierung. Als Hauptmotiv wird in einer DIHK-Umfrage wie bereits in den vorangegangenen Jahren der Aufbau von Vertriebs- und Kundendienststrukturen genannt, gefolgt von Investitionen zum Zwecke der Kostenersparnis.24 • Der Wert der weltweiten Fusionen und Übernahmen hat bereits ab dem Jahr 1990 erheblich zugenommen. Im Jahr 2007 wurden weltweit 22.800 Fusionen und Übernahmen realisiert mit einem Gesamtvolumen von 1,8 Billionen Euro. Im Jahre 2009 kam es jedoch bei den weltweiten Fusionen und Übernahmen (M&A) zu einem drastischen Einbruch: Nur noch knapp 18.500 M&As (mit Mehrheitsbeteiligung) mit einem Gesamtvolumen von knapp einer Billion Euro kamen zustande. 2009 ist damit das umsatzschwächste Jahr in diesem Jahrzehnt. Fusionen – seien sie nun sinnvoll und/oder ökonomisch erfolgreich oder nicht – haben in den vergangenen Jahrzehnten nicht unerheblich zu einer Ausweitung der internationalen Vernetzung beigetragen und beeinflussen wesentlich die Unternehmensstrategie und -tätigkeit. Während es in der Vergangenheit üblich war, im Ausland in neue Fabriken zu investieren und langsam zu wachsen, geht der Trend inzwischen zur Übernahme kompletter Firmen.25

5. Wissensgesellschaft/Bildung Die Halbwertszeit des Wissens sinkt rapide und Wissen ist in immer kürzerer Zeit überholt – umso mehr, je spezieller dieses Wissen ist. Mit der ständigen Vermehrung und Kurzlebigkeit geht eine Spezialisierung des Wissens einher. Während vor 200 Jahren ein Universalgelehrter noch einen Gesamtüberblick 23 Vgl.: Manager-Magazin (2010a); Manager-Magazin (2010b); Statistisches Bundesamt (2007d); Statistisches Bundesamt (2007c), S. 478–479; n-tv (2007); DIHK (2006a), S. 4, 10. 24 Vgl.: DIHK (2006b), S. 1–15. 25 Vgl.: ZEW (2010); Brost, M./Storn, A. (2006); ZEW (2007a); ZEW (2007b), S. 1–2.

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über den Stand aller Forschungsgebiete haben konnte, gestaltet es sich heute bereits schwierig, einzelne Wissenschaftsgebiete und deren neueste Entwicklungen zu überblicken. Ein bekanntes Wirtschaftsmagazin formuliert diesen Sachverhalt auf der Titelseite folgendermaßen: Wissen ist der erste Rohstoff, der sich bei Gebrauch vermehrt.26 Jedoch wäre es falsch, die Arbeitswelt als eindimensionales Gebilde zu betrachten. Vielmehr eignet sich eine Aufteilung des Arbeitsmarktes in zwei grobe Teile. In der einen Arbeitswelt sind Arbeitsplätze und Arbeitsbedingungen durch fortschreitende Rationalisierung und Standardisierung gekennzeichnet, Routinearbeiten und Arbeitsverdichtung gehören zum Alltag. Durch Prozessoptimierung wird dem Druck, immer noch schneller und billiger zu sein, Rechnung getragen. In der anderen Arbeitswelt spielen Wissen und Kompetenzen in Kombination mit hoher Flexibilität, Schnelligkeit und Wendigkeit eine entscheidende Rolle. Arbeitsplätze und Arbeitsbedingungen weisen hier eine hohe Wissensintensität auf und sind sehr komplex.27 Das nachfolgende Schaubild stellt die beiden „Welten“ plastisch gegenüber.

Industrialisierte/standardisierte

Wissens- und Innovations-

Arbeitswelt

gesellschaft

• Rationalisierung • Standardisierung • Routine • Arbeitsverdichtung • Prozessoptimierung • etc.

• Innovationen • Ideen • Schnelligkeit • Wendigkeit •Flexibilität • etc.

ABB. 4: ZWEI ARBEITSWELTEN (EIGENE DARSTELLUNG)

26 Vgl.: Brand eins (2009), Titelseite. 27 Vgl.: Rump, J. (2010a), S. 18; Rump, J. (2010b).

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Unterschiedliche Erwartungen der Arbeitswelt und der Arbeitsinhalte führen auch zu jeweils anderen Ansätzen, um die betroffenen Mitarbeiter angemessen zu fordern und zu fördern um somit ihre Beschäftigungsfähigkeit aufrecht zu erhalten. Denn Mitarbeiter sollen nicht aus dem Tritt geraten und in Bewegung bzw. Balance bleiben.28 Doch ganz gleich in welcher der beiden Arbeitswelten jemand beschäftigt ist, eines ist klar: ein hohes Maß an Kompetenz und Wissen ist das Basiswerkzeug für die tägliche Arbeit – ein Indikator für die Existenz einer Wissensgesellschaft in Deutschland. Wissen, Kompetenzen, Fertigkeiten und Motivation der Mitarbeiter – das Humankapital ist die Basis für innovative Ideen, die unbedingt notwendig sind, um als Unternehmen auf einem zunehmend vielfältigeren und komplexeren Markt zu überleben. Wissen und Kompetenz, davon gehen Experten aus, sind auf dem Weg, in absehbarer Zeit zum Produktionsfaktor Nr. 1 zu werden – im Bereich der Dienstleistungen dürfte dieser Wandel bereits vollzogen sein. Daher ist es ohne Zweifel für jeden Einzelnen immer wichtiger, sich lebenslänglich auf einem aktuellen Wissensstand auf hohem Niveau zu halten. Dabei ist das fachliche und technische Wissen genauso wichtig wie die Persönlichkeit und die Soft Skills eines Menschen.29 Wissen und Kompetenz sind im Grunde so etwas wie ein Rohstoff für Innovationsfähigkeit und die Notwendigkeit zur Beherrschung der zunehmend wissensintensiven Prozesse, Systeme und Strukturen. Daraus resultiert die steigende Bedeutung von Wissen und Kompetenz als Wettbewerbsfaktor. Während bis Mitte der 1990er Jahre 50 % der Produktivitätszuwächse aus dem Einsatz von Wissen resultierten, sind es heute bereits 80 %. Für die nächsten zehn Jahre wird mit einem Anteil von 90 % gerechnet. In Schätzungen wird davon ausgegangen, dass sich im Jahr 2020 etwa 75 % der gesamten Arbeit der Wissensarbeit zurechnen lassen, während die restlichen 25 % körperliche Arbeit bedeuten.30

28 Vgl.: Rump, J. (2010a), S. 18; Rump, J. (2010b). 29 Vgl.: Englisch, G. (2004), S. 186.; Lack, T. (2004), S. 14.; Bauer, W. (2007), S. 8.; Rump, J./Eilers, S. (2005), S. 5ff.; Rump, J./Wilms, G./MWVLW (2006), S. 9 u. 14. ; BMWi (2006), S. 17. 30 Vgl.: Rump, J./Schmidt, S. (2004), S. 17–18.; Opaschowski, H. W. (2002), S. 67.

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6. Frauen In der Trendforschung wie auch in anderen Wissenschaftsbereichen wird vielfach die Meinung vertreten, Frauen seien in verschiedenen Gebieten auf dem Vormarsch, etwa im Bildungsbereich, in der Wirtschaft und in der Politik, nur um einige Beispiele herauszugreifen.31 „Die Zukunft wird weiblich!“ titelte vor kurzem eine anerkannte Fachzeitschrift.32 Die Gründe für diesen „female shift“ – der Verschiebung zum Weiblichen – oder auch den Vormarsch der Frauen sind vielfältig.33 Zum einen sind das Bildungsniveau und der Qualifikationsstand vor allem von Frauen in den letzten Jahrzehnten deutlich gestiegen. Im Jahr 2007 waren 60 % der Abiturienten Frauen (zum Vergleich: 1950 waren es nur etwa ein Drittel), der Anteil der weiblichen Studienanfänger lag bei 48 %, die Quote der erfolgreichen Absolventinnen von Hochschulen gar bei 54 %. Und auch der Anteil von Frauen an Promotionen beträgt mittlerweile 40 %. Es ist zu beobachten, dass mit steigendem Bildungsniveau der Wert des Berufs bzw. der Erwerbstätigkeit zunimmt. Qualifikation und Berufserfahrung geben die Möglichkeit der Bewegungsfreiheit in der Arbeitswelt und sind die Sicherungsanker auf den Arbeitsmärkten. Diese Umverteilung der Kernressource Bildung von den Männern zu den Frauen hin fand insbesondere in den vergangenen 30 Jahren statt. Es bedeutet jedoch nicht nur, dass Frauen zunehmend höher qualifiziert sind, sondern sie haben im Schnitt bessere Noten als ihre männlichen Kollegen, lernen schneller und absolvieren die Ausbildung oder das Studium in kürzerer Zeit. Auffallend dabei ist, dass diese Entwicklung nicht nur in Deutschland, sondern auch weltweit beobachtet werden kann. Der Global Gender Gap Report 2009 liefert hierzu eine Fülle an Zahlenmaterial und stellt darüber hinaus fest, dass bereits heute in 86 der insgesamt 134 im Rahmen der Untersuchung ausgewerteten Länder mehr Mädchen als Jungen studieren.34

31 32 33 34

Vgl.: Horx, M. (2005), S. 80. Vgl.: Psychologie Heute (2010), Titelseite. Vgl.: Psychologie Heute (2010), S. 29. Vgl.: Wirtschaftswoche (2007), S. 36.; Hoppenstedt Holding GmbH (2007); Statistisches Bundesamt (2007a); Bayerisches Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen (2007); Statistisches Bundesamt (2007b); Horx, M. (2005), S. 80; Psychologie Heute (2010), S. 29.

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Insgesamt ist ein Vorpreschen der Frauen in Sachen Gleichberechtigung, Bildung, Karriere und Konsum zu beobachten. Dies ist jedoch nur deshalb möglich, weil in der Vergangenheit über einen langen Zeitraum die Weichen für diese Entwicklung gestellt wurden. Zu den größten Meilensteinen auf dem Weg der Frau hin zum heutigen Frauenbild zählt mit Sicherheit die Aufhebung der ehemals strengen Rollenverteilung zwischen Mann und Frau. Startschuss für eine Angleichung von Männern und Frauen waren etwa das Inkrafttreten des ersten deutschen Gleichstellungsgesetzes am 1. Juli 1958 oder auch die Bildungsoffensive in den 70er und 80er Jahren. Ein aus diesen Ereignissen resultierendes verändertes Rollenverständnis ist zum Teil auch für die demografische Entwicklung in Deutschland verantwortlich zu machen, da ein neues Rollenverständnis in Kombination mit der Erfindung der Pille zu einer abnehmenden Fertilitätsrate geführt hat. Ökonomisch betrachtet lebt die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung heute ein Modell, in dem Mann und Frau gemeinsam für den Unterhalt der Familie sorgen und sich damit auch die Verantwortung teilen.35 Wirtschaftlich betrachtet nehmen Frauen mehr und mehr Einfluss auf ganze Märkte.36 So konnte in Studien ermittelt werden, dass der weibliche Teil der Gesellschaft in der Tat eine enorme Konsumstärke besitzt, wobei alleine bei Fragen über Haushaltseinkäufe Frauen in bis zu 80 % aller Fälle die Entscheidung treffen.37 „Aufholpotenziale“ im Kontext Arbeit gibt es weniger bei der Erwerbsquote von Frauen, die bereits bei 69,8 % und damit auf einem vergleichsweise hohen Stand angelangt ist, sondern vielmehr beim Arbeitsvolumen, dem Anteil an Führungspositionen sowie dem Berufsspektrum. Vor dem Hintergrund der Fachkräfteengpässe auf den Arbeitsmärkten ist jedoch damit zu rechnen, dass das Aufholpotenzial wahrscheinlich in den nächsten Jahren mehr und mehr realisiert wird. An Aufholpotenzial mangelt es wahrlich nicht. Im Jahr 2007 war in Deutschland beispielsweise nur jede vierte Führungsposition in den obersten Führungsebenen von einer Frau belegt, aktuell sitzen lediglich drei Prozent Frauen in den Vorständen der börsennotierten Unternehmen und nur 17 % der politischen Ämter werden von einer Frau bekleidet.38 Schließlich konzentriert sich die Berufswahl von Frauen noch immer auf einige

35 36 37 38

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Vgl.: Kocka, J. (2001), S. 12.; Rump, J./Eilers, S./Groh, S. (2006), S. 34ff. Vgl.: Horx, M. (2005), S. 94. Vgl.: Wirtschaftswoche (2007), S.37; Psychologie Heute (2010), S. 31. Vgl.: Psychologie Heute (2010), S. 29f.

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wenige Berufsgruppen, die häufig mit einem geringeren Einkommen und verminderten Aufstiegschancen einhergehen als vermeintliche „Männerdomänen“. Ein Grund hierfür ist sicherlich, dass Frauen gerade mit technisch orientierten Berufen eine unzureichende Vereinbarkeit von Beruf und Familie assoziieren. Darüber hinaus erhalten Frauen, die sich doch für einen eher Frauen-unüblichen Beruf entscheiden, häufiger als ihre männlichen Kollegen nur befristete Arbeitsverhältnisse, werden in ihren Karriereperspektiven eingeschränkt und sind etwa doppelt so häufig arbeitslos.39 Der Vormarsch der Frauen wird auch gerne mit Abwendung vom männlichen und hin zum weiblichen Zeitalter beschrieben, da in Unternehmen vorwiegend weibliche Schlüsselkompetenzen wie Teamorientierung, Intuitionsfähigkeit oder soziale und emotionale Handlungen einen immer höheren Stellenwert einnehmen. Dabei ist nicht ganz von der Hand zu weisen, dass Frauen i. d. R. aus biologischen und auch gesellschaftlichen Gründen mit diesen Fähigkeiten besser ausgestattet sind als Männer. Aus diesem Grund wird vielfach konstatiert, dass es sich bei dem Megatrend Frauen um einen der größten Werte- und Macht-Wechsel in der Geschichte handelt.40

7. Individualisierung Wie viele andere moderne Gesellschaften des 21. Jahrhunderts erfährt auch die deutsche Gesellschaft eine immer stärker werdende Individualisierung. Menschen sehen sich einer immer größeren Anzahl an Optionen in allen möglichen Bereichen ihres Lebens gegenüber. Diese verschiedenen Wahlmöglichkeiten führen dazu, dass Selbstfindung und Selbstverwirklichung einfacher zu realisieren sind und einen hohen Stellenwert im Leben einnehmen.41 Mit anderen Worten: Menschen können und müssen sich heute und in Zukunft ihren Lebensweg selbst suchen. Damit werden individuelle Wünsche so wichtig wie noch niemals zuvor in der Geschichte, und tradierte Regeln und

39 Vgl.: Eurostat (2007b).; IAB (2007). 40 Vgl.: Lutz, C. (1995), S. 17; Horx, M. (2005), S. 81. 41 Vgl.: Zukunftsinstitut (2007).

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Normen verlieren an Bedeutung. Außerdem werden durch die existierende Vielfalt der Möglichkeiten Vorhersagen über Entwicklungen immer schwieriger.42 Überträgt man diese Aspekte der Individualisierung einmal auf das Arbeitsoder Freizeit-Umfeld der Menschen, wird schnell deutlich, wie stark sich die Individualisierung sowohl in unserem Wortgebrauch als auch in der jeweiligen Angebotsstruktur verfestigt hat. Individualisierte Arbeitszeiten und Arbeitsverträge sowie Individualreisen stellen nur einen kleinen Ausschnitt hierzu dar. So werden etwa bei einer „Google“-Eingabe des Begriffes „Individualisiert“ dem Nutzer spontan mehrere hunderttausend Vorschläge zu den folgenden Begriffspaaren unterbreitet: individualisiertes Lernen, individualisierte Medizin (und Gesundheitssystem), individualisierter Unterricht, individualisierter Verband, individualisierte Geschenke, individualisierte Bücher, individualisierte (Tages-)Zeitung sowie individualisierte Gesellschaft.43 Individualisierung bedeutet nicht – und darüber herrscht weitgehend Einigkeit –, dass sich Menschen in Nischen zurückziehen oder vereinsamen. Individualisierung sollte keinesfalls gedanklich mit Negativem, wie Werteverfall, verknüpft werden, auch wenn das Wort zu solchen Assoziationen führen könnte.44 Individualisierung kann als ein zentraler und fundamentaler Megatrend angesehen werden und bedeutet im Einzelnen: •





• •

42 43 44 45

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Eine Kultur der Revision (revidierbare Wechsel von Wohnort, Ehepartner oder Beruf). Die Entwicklung immer vielfältigerer Lebenswelten, Rollenmodelle und biografischer Muster. Verhandelbarkeit und Verhandlungszwang (da Beziehungen nicht mehr nur in Rollen oder Hierarchien definiert sind). Die Steuerung unterschiedlicher Lebensgeschwindigkeiten. Die Ergänzung oder Ablösung von gesetzten und verordneten Bindungen durch eigenbestimmte Netzwerke (Dominanz der Freunde im Vergleich zur Familie).45 Vgl.: Opaschowski, H. W. (2002), S. 25f. Erhoben am 28.07.2010. Vgl.: Opaschowski, H. W. (2002), S. 187.; Horx, M. (2005), S. 85. Vgl.: Horx, M. (2005), S. 84ff.

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8. Gesellschaftlicher Wertewandel Keinesfalls spiegelt der oft benutzte Begriff Werteverfall die aktuellen Entwicklungen wider, sondern vielmehr befindet sich die Gesellschaft in einer Umbruchphase hinsichtlich der Hierarchie der Werte. Wie bereits im vorangegangen Kapitel gesehen, ändern sich die Werte durch individuelles Handeln bereits, doch öffentlich werden sie (noch) nicht immer anerkannt, da sie vielfach von der bekannten Norm abweichen. Anstatt eines Werteverfalls ist in der Trendforschung vielmehr von einer Wertesynthese die Rede – dem Streben nach einem ausbalancierten Lebenskonzept. Das heißt es ist zu beobachten, dass die Gesellschaft traditionelle und moderne Werte gleichermaßen schätzt und verkörpert, sodass sie gleichberechtigt nebeneinanderstehen. Vielfach wird der (neue) Sinn des Lebens in moralischen Bereichen gesucht, so dass sich ein Weg zur „moralischen Erneuerung“ abzeichnet. Zu dieser Wiederbelebung von Werten – oder auch Rückbesinnung auf Kernwerte – zählen beispielsweise die gesellschaftliche Aufwertung von Ehe, Familie und Kindern, die soziale Anerkennung ehrenamtlicher und freiwilliger Tätigkeiten, die grundlegende Neubewertung von Arbeit und Leistung sowie die vorrangige Förderung von Bildung und Kultur. Damit rücken vor allem prosoziale Werte, wie Hilfsbereitschaft, menschliche Wärme, Freundlichkeit und Freundschaft sowie Gerechtigkeit und Verantwortung, wieder in den Vordergrund.46 Galt früher die primäre Orientierung häufig der Erwerbsarbeit, so lässt sich durch den Wertewandel eine Verschiebung hin zu einer zunehmenden Sinnsuche in außerberuflichen Bereichen, wie Familie, Freizeit oder Gesundheit beobachten. Arbeit und Freizeit bzw. Familie stehen nicht mehr im drastischen Gegensatz zueinander, sondern Arbeits- und Familienleben werden zunehmend als verbundene Bereiche wahrgenommen. Nicht zuletzt rührt diese Entwicklung von der Lage auf dem Arbeitsmarkt und den sinkenden Realeinkommen her – denn gewisse Annehmlichkeiten der „Spaßgesellschaft“ lassen sich von vielen Menschen schlichtweg nicht mehr finanzieren. Zudem ten-

46 Vgl.: Opaschowski, H. W. (2006b), S. 423–425; Opaschowski, H. W. (2008), S. 585–588 u. 594.

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dieren Menschen in unruhigen Zeiten in der Regel eher nach beständigen Werten und Geborgenheit.47 Die vermehrte Sinnsuche im Außerberuflichen führt nach Einschätzungen der Zukunftsforschung dazu, dass Prestige- und Statussymbole zugunsten einer stärkeren Familienorientierung zunehmend an Bedeutung verlieren werden. In einer Umfrage des B. A. T. Freizeitforschungsinstitutes gaben auf die Frage, was für sie Wohlstand bedeute, 67 % der Teilnehmer an, „glücklich sein“. Für 64 % kommt es insbesondere darauf an, „in einer intakten Natur zu leben“, gleich viele Befragte räumen dem Kriterium „eine Familie haben“ diese Bedeutung ein. Nur 46 % verbinden Wohlstand damit, „viel Geld zu haben bzw. reich zu sein“.48 In der Folge stellen Unternehmen im Wettbewerb um die heiß begehrten und knapper werdenden Nachwuchskräfte häufig fest, dass diese sich mit der Aussicht auf ein stattliches Entgelt und Auslandsaufenthalte nur noch bedingt für einen Arbeitgeber begeistern und auch an ihn binden lassen. Eine Studie zeigt, dass klassische Karriereziele ausgedient haben. An erster Stelle geben die Befragten an, dass sie Wert legen auf „interessante Arbeitsinhalte“ (93 %), gefolgt von der „Anerkennung der eigenen Leistung“ (86 %) sowie an dritter Stelle der „Ausgewogenheit zwischen Arbeits- und Privatleben“ (82 %). Weit entfernt von den ersten Plätzen ist für nur 55 % das „Erreichen einer Führungsposition mit entsprechender Verantwortung“ ausschlaggebend, von einem hohen Einkommen träumen lediglich 42 %.49 Ebenso wie sich die Sinnsuche der Menschen von dem einseitigen Blick auf die Erwerbsarbeit löst und sich dem gesamten Leben zuwendet, wird auch Leistung nicht mehr nur auf die Produktivität im Beruf bezogen.50 Leistung stellt für viele Beschäftigte in Deutschland generell einen wichtigen Wert dar. Insbesondere Pflichtbewusstsein und Disziplin sowie die Orientierung an selbst gesteckten Zielen sind dabei anerkannte Eigenschaften, die man sich selbst nicht nur gerne zuschreibt, sondern die auch privat wie beruflich gelebt werden.51

47 Vgl.: Opaschowski, H. W. (2006a), S. 55–60; Trendbüro/Steinle A./Wippermann, P. (2003), S. 14–15; Opaschowski, H. W. (2008), S. 585–588. 48 Vgl.: B.A.T. Freizeitforschungsinstitut (2007); Opaschowski, H.-W. (2006b), S. 64–65; Opaschowski, H.-W. (2006a), S. 43–47. 49 Vgl.: Werle, K. (2005); Manager-Magazin (2005). 50 Vgl.: Opaschowski, H. W. (2008), S. 627–629; Meier, B./Schröder, C. (2007), S. 100. 51 Vgl.: Meier, B./Schröder, C. (2007), S. 97.; Glas, I. (2009), S. 19–21.

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9. Megatrends und ihre Konsequenzen Die vorangegangenen Kapitel machen eines sehr deutlich: Megatrends verändern unsere Lebensumwelt auf vielen Ebenen. Zahlreiche Trends und Entwicklungen werden damit zwangsläufig unseren Arbeitsalltag nachhaltig beeinflussen. Selbst wenn per se nicht alle Arbeitsbereiche gleichermaßen von jeder Entwicklung betroffen sein werden, so lassen sich doch gewisse Veränderungstendenzen erkennen. Dies bleibt nicht folgenlos für die Anforderungen, die an jeden einzelnen Akteur dieser veränderten Arbeitswelt gestellt werden – und damit nicht ohne Auswirkung auf die Employability eines Jeden. So werden etwa Arbeitnehmer und Arbeitgeber mit der demografiebedingten Alterung und der Verlängerung der Lebensarbeitszeit konfrontiert sein. Auch der Anteil der Nachwuchskräfte wird sinken. Zudem führen technischökonomische Entwicklungen zu einer weiteren Beschleunigung und Veränderungsgeschwindigkeit sowie zu einer Verdichtung von Arbeit. Es gilt „Wir müssen mehr in weniger Zeit tun.“ Eine globalisierte Welt erfordert in vielen Bereichen Arbeit an verschiedenen Standorten bzw. Ländern und setzt vielfach eine kontinuierliche Erreichbarkeit voraus. Nicht selten arbeiten Unternehmen „rund-um-die-Uhr“, Arbeit in verschiedenen Zeitzonen sowie flexible Arbeitszeiten der Mitarbeiter machen dies möglich. Der Rohstoff Wissen und Kompetenz gewinnt vor dem Hintergrund der globalen Wettbewerbssituation eine enorme Bedeutung, denn er ist Ausgangspunkt für Innovationen. Ohne diese Basis kann es Unternehmen kaum noch gelingen, dem Druck durch kontinuierliche Effizienzsteigerungen sowie den sinkenden Kosten Stand zu halten. Die Herausforderung wird also sein, das Spannungsfeld zwischen produkt- und prozessbedingten Innovationen auf der einen Seite sowie Effizienzsteigerungen auf der anderen Seite zu bewältigen. Alleine die (Aus-) Bildung reicht als Grundvoraussetzung für die Aufgabenbewältigung nicht mehr aus, sondern nur in Kombination mit lebenslanger (Weiter-)Bildung werden Menschen befähigt, Zeit ihres Lebens beschäftigungsfähig zu bleiben. Besonders Frauen sind im Bildungsbereich auf dem Vormarsch und befinden sich nicht selten im Vergleich zum anderen Geschlecht auf der Überholspur. Das „Eindringen“ von Frauen in ehemals Männer-dominierte Arbeitsbereiche verändert Abläufe und führt zu neuen Regelungen, wie z. B. der Teilzeitarbeit. Zudem verändern Frauen Arbeitsprozesse und Arbeitsbedingungen nicht 63

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selten durch ihre andere Art zu führen, zu (ver)handeln und zu kommunizieren. Individualitätsbestrebungen tragen neben dem Einfluss der Frauen ebenfalls dazu bei, Arbeitszeitmodelle auszudifferenzieren. Einzelregelungen wie individualisierte Arbeitszeiten sind hier jedoch nur eines von vielen Beispielen. Nicht zuletzt wird der gesellschaftliche Wertewandel zu einer umfassenden Reformierung der Arbeitswelt führen. Die Arbeit wird nicht mehr als alleiniger Lebensbereich mit Produktivität und Sinnhaftigkeit verbunden, sondern auch der Rest des Lebens bietet Befriedigung in vielerlei Hinsicht. In der Literatur ist in diesem Zusammenhang von einer Wiederbelebung oder einer Renaissance von (Kern-)Werten die Rede. Ein klassischer Verdrängungsprozess findet jedoch nicht statt, sondern traditionelle und moderne Werte stehen vielmehr gleichberechtigt nebeneinander. Aus diesem Grund können Arbeitgeber nicht mehr davon ausgehen, dass alte Anreizsysteme funktionieren und müssen lernen, dass Arbeit nicht (mehr) den alleinigen Lebensbereich mit emotionaler Befriedigung und Sinnhaftigkeit für Arbeitnehmer darstellt. Aus diesem Grund wird mit großer Wahrscheinlichkeit die Zukunft der Motivations-, Belohnungs- und Anreizsysteme, der Loyalität, der Erwartungshaltung an die Arbeitsaufgaben und -bedingungen anders aussehen als heute, sodass neue Wege gefunden werden müssen, um Menschen langfristig beschäftigungsfähig zu halten. Beide Parteien, sowohl Arbeitnehmer wie Arbeitgeber, sollten sich bereits heute mit dieser Fragestellung auseinandersetzen. Die folgende Abbildung zeit die dargestellten Zusammenhänge auf sowie die Konsequenzen der einzelnen Megatrends und ihre gegenseitigen Abhängigkeiten.

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Demografische Entwicklung Deutschland altert und schrumpft.

Ökonomisch-technologische Entwicklungen Wir müssen mehr in weniger Zeit tun.

Trend zur Wissensgesellschaft Nachhaltigkeit

Aktuelles Wissen bestimmt den Erfolg. Innovationsdruck Ù Kostendruck

Nachhaltigkeit umfasst mehr als den verantwortungsvollen Umgang mit Ressourcen.

Megatrend der Frauen

Gesellschaftlicher Wertewandel

Frauen sind an allen Fronten auf dem Vormarsch.

Synthese von traditionellen und modernen Werten, Sinnsuche im Außerberuflichen

ABB. 5: MEGATRENDS

10. Kurze Zusammenfassung Wie in der Natur, so erfordert auch in der Arbeitswelt Veränderung eine Anpassung an neue Verhältnisse. Andernfalls muss das „Überleben“ in Frage gestellt werden. Beschäftigungsfähigkeit ist der Sicherungsanker, der das Überleben auf dem Arbeitsmarkt heute wie auch in Zukunft sichern wird. Dies gilt für den Einzelnen ebenso wie für Unternehmen. Um sich auf die Veränderungen entsprechend einstellen und vorbereiten zu können ist es unerlässlich, die Konsequenzen der wichtigsten Megatrends zu kennen. In einer vom Institut für Beschäftigung und Employability IBE durchgeführten Studie im Jahr 2010 gaben 400 Unternehmen eine Bewertung hinsichtlich der einzelnen Megatrendauswirkungen ab. Die folgende Auflistung stellt in aller Kürze eine Auswahl aller möglichen Konsequenzen in Stichpunkten dar. Die von den Befragten (jeweils mit mehr 65

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als 50 % Zustimmung) als die gravierendsten bewerteten Konsequenzen werden in der Aufzählung fett hervorgehoben. • Alterung der Belegschaft. • Sinkender Anteil von Nachwuchskräften. • Fachkräfteengpass. • Verlängerung der Lebensarbeitszeit. • Zunehmende Wertevielfalt aufgrund von Unterschieden in den Denk- und Handlungsmustern von Generationen. • Zunehmende Beschleunigung von Abläufen. • Steigende Veränderungsgeschwindigkeit. • Verdichtung von Arbeit. • Steigende Komplexität. • Steigende Wissensintensität am Arbeitsplatz. • Bedeutungszuwachs von Wissen und Kompetenz als Wettbewerbsfaktor. • Steigende Ansprüche bei den Kunden. • Notwendigkeit von innovativen, passgenauen Lösungen. • Standardisierung von Prozessen. • Zunahme von Routinetätigkeiten. • Globale Vernetzungsdichte. • Internationalisierung in der Belegschaft. • Zunehmende Ungewissheit und Unvorhersehbarkeit. • Instabilitäten von Märkten. • Berücksichtigung von Nachhaltigkeit in der Personalarbeit. • Wunsch einiger Mitarbeiter nach Entschleunigung. • Zunehmender Anteil von Frauen in Fachpositionen. • Zunehmender Anteil von Frauen in Führungspositionen.

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Employability Die Grundlagen

von Jutta Rump/Silke Eilers

J U T T A R U M P /S I L K E E I L E R S

Inhalt 1. Ausgangslage 2. Employability als Erfolgsfaktor 2.1 Begriffliche Grundlagen 2.2 Die Anforderungen an Employability 3. Chancen und Nutzen von Employability 3.1 Der Nutzen aus der Perspektive von Unternehmen 3.2 Der Mehrwert aus der Perspektive des Einzelnen 4. Ängste und Befürchtungen im Zusammenhang mit Employability 4.1 Befürchtungen auf Seiten von Unternehmen und Führungskräften 4.2 Ängste seitens der Mitarbeiter 5. Das Konzept des Employability Managements 5.1 Der Bezugsrahmen 5.2 Grundsätze 5.3 Die erfolgskritischen Handlungsfelder von Employability Management 6. Fazit Literatur

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EMPLOYABILITY – DIE GRUNDLAGEN

1. Ausgangslage Die Forderung nach Beschäftigungsfähigkeit oder Employability ist keineswegs neu. Die Diskussion um die Schlüsselkompetenzen hat eine lange Tradition und beschäftigt Bildungsfachleute seit Jahrzehnten. Unter dem Begriff der Employability allerdings wurde die Thematik im angelsächsischen Raum deutlich früher aufgegriffen als in Deutschland.1 Die „Renaissance“ der Schlüsselkompetenzen im Kontext von Employability hat ihren Ursprung in den sich verändernden Bedingungen innerhalb und außerhalb von Unternehmen. So erfährt ein konsequentes Employability Management angesichts der zentralen Trends und Herausforderungen in der Arbeitswelt eine zunehmende Signifikanz. Zu nennen sind hier insbesondere der demografische Wandel, die Entwicklung zur Wissensgesellschaft, die Globalisierung, technologische Entwicklungen, der gesellschaftliche Wertewandel sowie der „Vormarsch“ der Frauen. Der Wandel in der Arbeitswelt, durch den Erwerbsarbeit zugleich knapper und voraussetzungsreicher wird, bringt qualitative und quantitative Veränderungen in Bezug auf die Anforderungen an Arbeitskräfte mit sich. Die Nachfrage nach niedrig qualifizierten Beschäftigten sinkt in dem Maße, in dem die Wissens- und Dienstleistungsgesellschaft manuelle und kognitive Routinetätigkeiten aus dem Berufsspektrum verdrängt. Gleichzeitig steigt der Bedarf an mittleren und höheren Qualifikationen. Diese Tendenz wird verstärkt durch die voranschreitende Verringerung der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter, denn ein ausreichender Ersatz an Fachkräften ist nur dann zu erwarten, wenn die nachrückenden geburtenschwachen Jahrgänge besser qualifiziert sind als die ausscheidenden Jahrgänge.2 Für den Einzelnen sind die Veränderungen der Arbeitswelt mit der Notwendigkeit verbunden, den eigenen Arbeits- und Lebensrhythmus immer wieder neu zu definieren und den eigenen Qualifikationsstand permanent mit den Anforderungen vergleichen und anpassen zu müssen. Darüber hinaus bewirkt die Instabilität der Arbeitsplätze und Arbeitsbereiche, dass der erlernte Beruf nicht mehr ein ganzes Leben lang trägt und es keine „Stammplatzgarantie“ 1 2

Vgl.: Kraus, K. (2006), S. 61. Vgl.: IW (2007), S. 4; IAB (2007 B1), S. 1–2; IAB (2007 C6), S. 1; Kraus, K. (2006), S. 77–78.

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mehr gibt.3 Vielmehr ist damit zu rechnen, dass das Arbeitsfeld im Laufe des Erwerbszyklus sieben- bis achtmal wechseln wird. Nicht selten wird damit auch eine berufliche Um- bzw. Neuorientierung verbunden sein. Daraus resultiert, dass dem Erhalt der Qualifikation bzw. der Anpassung des Kompetenzstandes mehr Gewicht eingeräumt werden sollte als dem Streben nach Arbeitsplatzsicherheit. Verantwortung für sich selbst und die berufliche Entwicklung wird zur Schlüsselqualifikation und Kernkompetenz, Employability zur Wettbewerbsfähigkeit des Einzelnen auf internen und externen Arbeitsmärkten.4 Dies impliziert die Fähigkeit, lebenslang zu lernen, flexibel und anpassungsfähig zu sein, mit neuen, ungewohnten Situationen umgehen zu können und sich relativ schnell in neue Tätigkeitsfelder einzuarbeiten. Fachwissen allein reicht dafür allerdings nicht aus! Für Unternehmen bedeuten die Entwicklungen einen kontinuierlichen Wandlungsprozess sowie einen steigenden Wettbewerb um die Wissens- und Kompetenzträger. Auch sie haben keinen „Stammplatz“ auf dem Weltmarkt oder in der Gunst (potenzieller) Mitarbeiter.5 Zudem ist davon auszugehen, dass kollektive Lösungen nicht länger sinnvoll sind. Was sich für einen produzierenden Betrieb als richtig erweist, muss nicht als Vorbild für ein Dienstleistungsunternehmen oder für einen anderen produzierenden Betrieb dienen. Der Umgang mit Vielfalt und Komplexität bedingt, immer mehr zu differenzieren. Zunehmende Komplexität und die damit verbundene Differenzierung erfordern permanente Innovationskraft, die in unmittelbarem Zusammenhang zu Wissen und Kompetenz der Mitarbeiter steht. Auch für sie besteht also ein enger Zusammenhang zwischen der Beschäftigungsfähigkeit ihrer Belegschaft und ihrer eigenen Wettbewerbsfähigkeit. Darüber hinaus erweist sich die altbewährte Strategie, auf Veränderungen mit der Optimierung von Strukturen und Prozessen zu reagieren, als nicht unproblematisch. Das Ausschöpfen von Potenzialen erfordert mehr und mehr einen hohen Einsatz und Aufwand. Gerade in Krisenzeiten stellen Unternehmen zunehmend fest, dass eine traditionelle Personalpolitik nicht mehr greift. Gefragt ist statt dessen eine Personalpolitik, die die Bedeutung von Fachkräften für die Wettbewerbsfähigkeit im Blickpunkt hat und gleichzeitig mit konjunkturellen und strukturellen Entwicklungen adäquat umgehen kann. Eine moderne Personalpolitik in und für 3 4 5

76

Vgl.: Scholz, C. (2009), S. 360. Vgl.: Ernst, H./Hauser, R./Katzenstein, B./Micic, P. (2003), S. 33, 36; Kraus, K. (2006), S. 79. Vgl.: Scholz, C. (2009), S. 360.

EMPLOYABILITY – DIE GRUNDLAGEN

Krisensituationen (über die Möglichkeiten der Kurzarbeit hinaus) wird notwendig, die es zu entwickeln gilt. Aus einer zukunftsorientierten Perspektive heraus sollte eine krisenresistente Personalpolitik in den Fokus genommen werden. Employability Management spielt dabei eine große Rolle. Denn es trägt erheblich dazu bei, dass Mitarbeiter und Führungskräfte qualifiziert, motiviert, produktiv und loyal sind und sich mit dem Arbeitgeber zu jeder Zeit identifizieren. Nur so lassen sich Phasen des Aufschwungs und des Abschwungs in einer globalen, wissens- und innovationsgeprägten sowie schnellen Wirtschaftswelt bewältigen. Obgleich dieser Beitrag seinen Schwerpunkt auf die Beziehungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber legt, sollen die Konsequenzen, die die vielfältigen Veränderungen der Arbeitswelt für die Tariflandschaft, den Bereich der sozialen Absicherung sowie für die berufliche und akademische Ausbildung implizieren, nicht unerwähnt bleiben. Die Forderung nach einer Differenzierung, Flexibilisierung und Anpassungsbereitschaft steht in eindeutigem Widerspruch zur gegenwärtigen Tariflandschaft, die nach wie vor auf dem Modell des „Normalarbeitsverhältnisses“6 basiert. Kollektive Lösungen werden der wachsenden Komplexität, Wissensintensität und Veränderungsgeschwindigkeit sowie den demografischen und gesellschaftlichen Herausforderungen jedoch ebenso wenig gerecht wie Gruppierungssysteme, die primär auf den ursprünglich erlernten Beruf abzielen und Entlohnungsmodelle, die „nicht-standardisierte“ Arbeitsmodelle benachteiligen. Eine entsprechende Anpassung wird hier unumgänglich sein. Auch das traditionelle System der sozialen Sicherung geht von dem Modell des „Normalarbeitsverhältnisses“ als vorherrschendem Standard auf dem Arbeitsmarkt aus. In einer Arbeitswelt, in der künftig ein Wechsel zwischen unterschiedlichsten Erwerbsphasen (befristete Projekttätigkeiten, verminderte Arbeitszeiten, Nicht-Erwerbstätigkeit aufgrund von Weiterbildung oder Arbeitslosigkeit ...) zum Alltag nicht weniger Arbeitnehmer gehören wird, bedarf es auch für diese Beschäftigungsphasen entsprechender Lösungen.

6

Unter dem „Normalarbeitsverhältnis“ wird im Folgenden ein unbefristetes Vollzeitarbeitsverhältnis verstanden, das an einem konkreten Arbeitsort ausgeübt wird und an ein festgelegtes Entgelt gebunden ist. Darüber hinaus geht das „Normalarbeitsverhältnis“ von einer langfristigen Verweildauer des Arbeitnehmers in einem Unternehmen aus.

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2. Employability als Erfolgsfaktor 2.1

Begriffliche Grundlagen

Wörtlich ins Deutsche übersetzt, bedeutet der Begriff „Employability“ soviel wie „Beschäftigungsfähigkeit“, d. h. er umfasst Merkmale, die den Einzelnen tauglich oder nicht tauglich für eine Beschäftigung sein lassen. Auch „Arbeitsmarktfähigkeit“ und „Arbeitsmarktfitness“ wird häufig als Synonym verwendet, so dass diesen Schlagworten besonderes Augenmerk geschenkt werden soll. Sie sind jedoch alle derart vielschichtig und kontinuierlichen Wandlungsprozessen unterworfen, dass sie sich nicht in ein theoretisches Konstrukt pressen lassen, sondern bezogen auf einen jeweils individuellen Kontext betrachtet werden müssen. Daher bleiben auch die in der Literatur gängigen Definitionen auf einem sehr allgemein gültigen Niveau: „Beschäftigungsfähigkeit beschreibt die Fähigkeit einer Person, auf der Grundlage ihrer fachlichen und Handlungskompetenzen, Wertschöpfungsund Leistungsfähigkeit ihre Arbeitskraft anbieten zu können und damit in das Erwerbsleben einzutreten, ihre Arbeitsstelle zu halten oder, wenn nötig, sich eine neue Erwerbsbeschäftigung zu suchen.“7 Als Dimensionen der Employability lassen sich •





„career identity“ (Klarheit über Ziele und Interessen, Fähigkeiten und Qualifikationen zur Verfolgung eines Karriereziels), „personal adaptability“ (Optimismus, Lernfreudigkeit, Offenheit, proaktives Einwirken auf die eigene Karriere und Lebenssituation, generelle Selbstwirksamkeit) sowie „social and human capital“ (karriereförderliche Effekte, die sich aus sozialen Netzwerken ergeben sowie persönliche Variablen, die den Fortschritt in der Karriere beeinflussen, wie z. B. Alter, Ausbildung, Wissen etc.)

identifizieren. Dabei dient die „career identity“ als eine Art kognitiver Kompass, der die Ziele vorgibt, die dann mittels „personal adaptability“ und „social and human capital“ verfolgt werden können. Dabei wird insbesondere 7

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Blancke, S./Roth, C./Schmid, J. (2000), S. 9.

EMPLOYABILITY – DIE GRUNDLAGEN

die Proaktivität bei der Verfolgung der Ziele als zentrales Charakteristikum von Employability hervorgehoben, das Finden einer Arbeitsstelle steht ebenso im Fokus wie der Erfolg an einem bestimmen Arbeitsplatz.8 Kraus (2006) fasst die vielfältigen Definitionen der Employability wie folgt zusammen: „Employability bezieht sich strukturell auf einen Dreischritt bezüglich Beschäftigungsverhältnissen aus Beginnen, Halten und Wechseln, teilweise wird weitergehend auch das Suchen einer geeigneten Arbeitsstelle und der Wechsel im Sinne eines Aufstiegs angeführt.“9 Bereits im Verlauf des 20. Jahrhunderts wurden verschiedenste Definitionen der „Beschäftigungsfähigkeit“ entwickelt, die sich zunächst ausschließlich auf körperliche und sozioökonomische Merkmale des Einzelnen konzentrierten, um ihn als beschäftigungsfähig oder nicht beschäftigungsfähig einzustufen. In einer nächsten Stufe wurde der Bezug zum Arbeitsmarkt als entscheidendes Kriterium erkannt, wobei in erster Linie Arbeitslose in den Mittelpunkt der Betrachtung gestellt wurden. Erst seit den neunziger Jahren wurde diese Fokussierung aufgegeben und die Sicherung der Beschäftigungsfähigkeit jedes Einzelnen als bedeutendes Ziel definiert.10 Heute werden mit Beschäftigungsfähigkeit in erster Linie zwei große Themenbereiche abgedeckt: Zum einen die Auswahlprozesse für Arbeitssuchende am Arbeitsmarkt, zum anderen die unternehmensinternen Prozesse zur Nutzung von Humanressourcen. Verknüpft man diese beiden Ansätze, so geht es auch darum, Fähigkeiten zu ermitteln, die der Einzelne „... im Unternehmen erworben oder entwickelt hat und die es ihm ermöglichen, den Erfordernissen des Unternehmens weiterhin gerecht zu werden oder sich um eine Stelle außerhalb des Unternehmens zu bewerben, in dem er tätig ist.“11 Nicht nur für einen Beruf und einen Arbeitgeber, sondern für unterschiedliche Arbeitsumfelder, Tätigkeitsbereiche und Organisationsformen soll der Arbeitnehmer „fit“ sein. Bausteine der Beschäftigungsfähigkeit sind Faktoren, die den Menschen dazu befähigen, eine bestehende Beschäftigung zu behalten oder aber eine neue Beschäftigung zu finden. Dabei können diese Fähigkeiten sowohl innerhalb 8 9 10 11

Vgl.: Fugate, M. et al. (2004), S. 16–25; Weik, H./Osova, N./Pfeiffer, T. (2006), S. 4–6. Kraus, K. (2006), S. 59. Vgl.: Weinert, P. (Hrsg.)/Baukens, M./Bollérot, P./Pineschi-Gapenne, M./Walwei, U. (2001), S. 23 ff. Weinert, P. (Hrsg.)/Baukens, M./Bollérot, P./Pineschi-Gapenne, M./Walwei, U. (2001), S. 82.

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oder außerhalb der aktuellen beruflichen Tätigkeit erworben worden sein. Dazu gehören Erfahrung und Fähigkeiten ebenso wie die Bereitschaft zur Teilnahme an entsprechenden Maßnahmen, die die Beschäftigungsfähigkeit fördern. Von entscheidender Bedeutung ist auch das Maß an Eigenverantwortung und globalem Denken, das der jeweilige Arbeitgeber seinen Mitarbeitern ermöglicht.12 Nicht zu vergessen sind hier auch Kenntnisse, die z. B. bei freiwilligem sozialem Engagement oder durch selbstständige Tätigkeit in Rahmen der Elternzeit erworben wurden. Eine Förderung der Beschäftigungsfähigkeit kann sowohl proaktiv, d. h. während einer aktiven Beschäftigung in einem Unternehmen, als auch reaktiv, zur Unterstützung in Zeiten der Arbeitslosigkeit, erfolgen. Die Literatur konzentriert sich primär auf den Bereich der Arbeitslosen und entsprechende Maßnahmen zur Entwicklung von deren Arbeitsmarktfitness. Insbesondere in einem so vielschichtigen und dem gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wandel unterworfenen Feld wie der Beschäftigungsfähigkeit ist jedoch ein proaktiver Ansatz vorzuziehen. Reaktive Maßnahmen kommen häufig zu spät und können eingefahrene Denk- und Handlungsstrukturen nicht mehr aufbrechen. Unter der Belastung einer eingetretenen Arbeitslosigkeit wird es häufig umso schwerer, einen Menschen davon zu überzeugen, dass er sich beruflich neu orientieren muss, wenn dieser zuvor niemals an diese Denkweise herangeführt wurde und über Jahrzehnte die gleiche Tätigkeit im gleichen Unternehmen ausgeführt hat. Die Förderung eines kontinuierlichen Bewusstseins für die Notwendigkeit zu Flexibilität und Offenheit für Neues in Zeiten der aktiven Berufstätigkeit hingegen legt die Basis dafür, auch in schwierigen und unerwarteten Situationen adäquat handeln zu können. Auch in der Europäischen Union wird der Begriff der Beschäftigungsfähigkeit seit den neunziger Jahren immer häufiger aufgegriffen, seit 1998 stellt er die erste beschäftigungspolitische Leitlinie dar.13 Hierzu ist allerdings anzumerken, dass sich die Begrifflichkeit in erster Linie auf spezifische Problemgruppen des Arbeitsmarktes, wie z. B. Langzeitarbeitslose, bezieht. Sie verfolgt also eher eine kurative denn eine präventive Strategie und steht somit in einem anderen Kontext als die fortwährende Sicherung der Beschäftigungsfähigkeit aller Arbeitnehmer, um die es in diesem Beitrag gehen soll. 12 Vgl.: Weinert, P. (Hrsg.)/Baukens, M./Bollérot, P./Pineschi-Gapenne, M./Walwei, U. (2001), S. 82, 112. 13 Vgl.: Weinert, P. (Hrsg.)/Baukens, M./Bollérot, P./Pineschi-Gapenne, M./Walwei, U. (2001), S. 81.

80

EMPLOYABILITY – DIE GRUNDLAGEN

Der Streifzug durch die Definitionen macht deutlich, dass mit Employability und Beschäftigungsfähigkeit grundsätzlich drei Anknüpfungspunkte verbunden sind: •

Employability aus individueller Sicht.



Employability auf betrieblicher Ebene.



2.2

Employability im gesellschaftlichen Kontext, aus bildungspolitischer sowie arbeitsmarktpolitischer Perspektive.

Die Anforderungen an Employability

Auf der Basis der Literaturanalyse und neuerer empirischer Erkenntnisse wird Employability letztendlich wie folgt definiert: Employability ist die Fähigkeit, fachliche, soziale und methodische Kompetenzen unter sich wandelnden Rahmenbedingungen zielgerichtet und eigenverantwortlich anzupassen und einzusetzen, um eine Beschäftigung zu erlangen oder zu erhalten. Um für den Wandel gerüstet zu sein, sind also fachliches Wissen und fachliche Kompetenz alleine nicht mehr ausreichend für Beschäftigte. Daneben spielt ein breites Spektrum an überfachlichen Kompetenzen, Einstellungen und Mentalitäten eine Rolle. Deren Ausprägung und Entwicklung wird bereits stark durch die Sozialisation, Erziehung und Schulbildung jedes einzelnen Menschen geprägt. Dazu gehören Erfahrung und Fähigkeiten, die sowohl innerhalb oder außerhalb der aktuellen beruflichen Tätigkeit erworben worden sein können, ebenso wie die Bereitschaft zur Teilnahme an entsprechenden Maßnahmen, die Employability fördern. Ein endgültiger Konsens darüber, welche Merkmale einen Menschen nun beschäftigungsfähig oder „employable“ machen, lässt sich nicht herstellen, da der Begriff sich aufgrund der Dynamik und Komplexität der Märkte beständig weiter entwickelt und einen sehr individuellen Charakter besitzt. Dennoch ist es sinnvoll, einen Rahmen zu entwickeln, in dem definierte Kernfelder sich der Begrifflichkeit nähern. Denn Employability muss von allen relevanten Akteuren als schlüssiges Konzept erkannt werden können, als eine Zielrichtung, an der man gemeinsam arbeiten kann. Abbildung 1 stellt diesen Rahmen dar: 81

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Gesundheit/Wohlbefinden Soziale Fähigkeiten ƒ ƒ ƒ ƒ ƒ ƒ

Arbeiten im Team Mit Konflikten umgehen Kommunikationsfähigkeit Überfachliche Fähigkeiten Zielorientiertes und aufgabenorientiertes Denken und Handeln Mit Weitblick Handeln

„in Bewegung bleiben“ „in Balance bleiben“ Soziale Fähigkeiten

Einstellung Haltung

Überfachliche Fähigkeiten

„Mentalität“

Einstellung und Haltung ƒ ƒ ƒ ƒ ƒ ƒ

Eigenverantwortung Eigeninitiative Veränderungsbereitschaft Engagement Belastbarkeit Lernbereitschaft

Fachliche Kompetenzen Medienkompetenzen

ABB. 1: DIE KERNKOMPETENZEN DER EMPLOYABILITY

Das komplexe Anforderungsprofil der Employability führt nicht selten zu der Frage nach der Machbarkeit und der Befürchtung, man könne damit überfordern und die Messlatte ohne Not zu hoch legen. Nun geht es nicht darum, in jedem der Kompetenzfelder für jeden die höchst mögliche Ausprägung als Ziel zu definieren, sondern deutlich zu machen, dass die grundsätzliche Relevanz in jedem Aufgabenfeld und Qualifikationsbereich gegeben ist und all diese Facetten Erfolgsfaktoren darstellen. Hier zeigt sich die grundlegende Philosophie des Beschäftigungsfähigkeits-Gedankens: „Den ersten Schritt zu tun und in Bewegung zu bleiben“ – das regelmäßige Auseinandersetzen mit der eigenen Qualifikation und der kontinuierliche Ausbau aller relevanten Kompetenzen stellen einen persönlichen Entwicklungsprozess dar, der zu langfristiger Beschäftigungsfähigkeit führt. Die starke Betonung der Schlüsselkompetenzen ruft bisweilen auch Verwunderung hervor, da deren Vorhandensein als selbstverständlich angesehen wird. In einer Befragung bei 720 Unternehmen unterschiedlicher Branchenzugehörigkeit und Größe wird allerdings ein deutlicher Unterschied zwischen dem stark ausgeprägten Wunsch nach Schlüsselkompetenzen und der Wahrnehmung ihrer tatsächlichen Ausprägung sichtbar. Lediglich die fachliche Kompetenz bildet die Ausnahme (siehe Abbildung 2). 82

EMPLOYABILITY – DIE GRUNDLAGEN

Aspekte der Employability - inwieweit wünschenswert bzw. tatsächlich ausgeprägt?

Frustrationstoleranz

Reflexionsfähigkeit

Veränderungsbereitschaft

wünschenswert tatsächlich ausgeprägt

Offenheit

0 Belastbarkeit

10

0 Konfliktfähigkeit

20

10 Einfühlungsvermögen

30

20

Kommunikationsfähigkeit

40

30

Teamfähigkeit

50

40

Lernbereitschaft

60

50

Engagement

70

60

Unternehmerisches Denken und Handeln

80

70

Initiative

90

80

Eigenverantwortung

100

90

Fachliche Qualifikation

100

ABB. 2: ASPEKTE VON EMPLOYABILITY – NOTWENDIGKEIT UND TATSÄCHLICHE AUSPRÄGUNG14

Mögliche Erklärungen für die offenbar mangelnde Ausprägung könnten unter anderem in der vorherrschenden Sozialisation, dem Bildungssystem, der Dominanz von Fachwissen in der Lern- und Lehrarchitektur, sowie in den Konsequenzen des Sozialversicherungssystems auf die Einstellungen und Werte in der Gesellschaft und beim Einzelnen („Vollkasko-Mentalität“) zu finden sein. Dafür spricht auch eine Studie des früheren Freizeit-Forschungsinstituts der Britisch American Tobacco, wonach zunächst zwar 73 % der 2000 Teilnehmer an einer Umfrage zustimmten, dass jeder Einzelne für seine Qualifikation selbst sorgen müsse und der Arbeitgeber lediglich Vorschläge unterbreiten könne. Allerdings fanden sich nur 34 % der Befragten bereit, Weiterbildung vor allem in der Freizeit stattfinden zu lassen, 64 % plädierten dafür, Weiterbildung solle auch künftig Bestandteil der Arbeitszeit sein.15

14 Vgl.: Rump, J./Völker, R. (2007), S. 38. 15 Vgl.: Opaschowski, H. W. (2004), S. 43.

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Für Arbeitnehmer gilt es, sich bewusst zu machen, dass Arbeitgeber dem Anforderungsprofil der Beschäftigungsfähigkeit eine große Bedeutung zumessen und dass es sich daher bei der Auseinandersetzung mit der eigenen Beschäftigungsfähigkeit um eine Investition in den eigenen Vermögenswert handelt: „Ebenso wie Unternehmen dafür verantwortlich sind, ihre Investitionsgüter (Hardware) permanent auf dem neuesten Stand zu halten und die Investoren dafür einen Teil ihrer Rendite einsetzen müssen, so müssen Mitarbeiter ihr Wissen aktualisieren und dafür im Sinne des Co-Invests eine Selbstbeteiligung in Form von Zeit in den Erhalt ihres Investitionsgutes einbringen.“16 Denn es wird in Zukunft immer weniger einen sicheren Arbeitsplatz und/oder ein sicheres Unternehmen geben. Selbst die Sicherheit einer „abgeschlossenen“ Berufsausbildung, die vermeintlich ein Leben lang trägt, wird es nicht mehr geben. Die eigenen Fertigkeiten, Fähigkeiten und Kompetenzen bieten einzig und allein Sicherheit. In Zahlen ausgedrückt beträgt der Vermögenswert des Wissens und der Kompetenzen bei einem durchschnittlichen Brutto-Jahreseinkommen von 35.000 € und einer Lebensarbeitszeit von 40 Jahren etwa 1,4 Mio. €. Die hohe Bedeutung der Schlüsselkompetenzen verdeutlicht auch eine aktuelle Untersuchung der DIHK. Danach bewerten 71 % der befragten Unternehmen Teamfähigkeit als wichtigste Kompetenz von Hochschulabsolventen. Nahezu gleichrangig werden die Fähigkeit, selbstständig zu arbeiten, Einsatzbereitschaft sowie Kommunikationsfähigkeit genannt. Fachwissen wird als selbstverständlich vorausgesetzt. Im direkten Vergleich zweier fachlich kompetenter Bewerber wird daher demjenigen mit mehr Soft Skills der Vorzug gegeben.17 Zunächst einmal obliegt die Verantwortung für die nachhaltige Sicherung von Employability somit dem Einzelnen. Er ist gefordert, sich kontinuierlich den verändernden Rahmenbedingungen sowie den Anforderungen des internen wie externen Arbeitsmarktes anzupassen. Dazu ist die Bereitschaft allein nicht ausreichend. Auch individuelles Handeln – ohne die Unterstützung des Arbeitgebers – ist gefragt.

16 Sattelberger, T. (2009), S. 316. 17 Vgl.: DIHK (2008).

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EMPLOYABILITY – DIE GRUNDLAGEN

Es gilt: Qualifizieren und Lernen in der Vergangenheit: Notwendigkeit zum beruflichen Aufstieg Qualifizieren und Lernen in der Zukunft: Vermeidung des beruflichen Abstiegs Dennoch: Arbeitgeber, die Employability fordern, sind auch in der Pflicht, diese zu fördern. Employability ist somit auch unweigerlich mit einer neuen Art von Kontrakt zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer verbunden. Auf Seiten des Arbeitnehmers stehen als „vertragliche Verpflichtungen“ die individuelle Beschäftigungsfähigkeit und das permanente Bemühen, diese zu erhalten und zu entwickeln, auf Seiten des Arbeitgebers die Schaffung entsprechender Rahmenbedingungen. Der „Gewinn“ liegt für das Unternehmen in Wertschöpfung und Wettbewerbsfähigkeit. Darüber hinaus kommt der Arbeitgeber durch die Förderung der Employability gleichermaßen einer neuen Art der „Fürsorgepflicht“ dem Arbeitnehmer gegenüber nach. Denn an die Stelle der Beschäftigungsgarantie tritt die Unterstützung bei der beruflichen Fitness. In guter Wirtschaftslage hilft eine auf Employability ausgerichtete Unternehmensund Personalpolitik, sich als attraktiver Arbeitgeber im „War for talents“ zu positionieren, in Krisenzeiten wird die soziale Verantwortung auf diese Weise gewahrt. Der „Gewinn“ für den Arbeitnehmer liegt in der Beschäftigungssicherung. Diese besteht in „guten Zeiten“ darin, sich frei auf dem Arbeitsmarkt bewegen und aus unterschiedlichen Angeboten auswählen zu können. In „schlechten Zeiten“ stellt Employability den Sicherungsanker schlechthin dar, da sie den internen Wechsel ebenso ermöglicht wie die Orientierung außerhalb des bisherigen Berufsfeldes und Unternehmens. Dieser beidseitige Nutzen stellt letztlich für den Arbeitgeber die angemessene Balance zwischen seinen Aufwendungen zur Förderung der Employability und der ihm dafür entgegengebrachten Loyalität dar.18 Was die Dauer des neuen Kontraktes anbelangt, so besteht er nur so lange, wie individuelle Beschäftigungsfähigkeit seitens des Arbeitnehmers gegeben ist und umgekehrt das Unternehmen ihm die Möglichkeit bietet, diese voranzutreiben und zu bewahren.19

18 Vgl.: Kraus, K. (2006), S. 80–81; Sattelberger (1999b), S. 95. 19 Vgl.: Kraus, K. (2006), S. 60.

85

J U T T A R U M P /S I L K E E I L E R S

3. Chancen und Nutzen von Employability Wie bereits gezeigt, machen die zentralen Trends und Entwicklungen in der Arbeitswelt Employability für Unternehmen und für den Einzelnen unumgänglich. Im Folgenden wird der Versuch unternommen, einerseits eine Reihe von Nutzenaspekten, die Unternehmen haben, und andererseits den Mehrwert des Einzelnen zu identifizieren.

3.1

Der Nutzen aus der Perspektive von Unternehmen

Bei der Thematisierung von Employability in Unternehmen lässt sich nicht selten eine eher skeptische Grundhaltung beobachten. Die Förderung der individuellen Beschäftigungsfähigkeit wird primär als Mehrwert für den Einzelnen angesehen, das Erkennen eines Zusammenhangs zur Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens fällt nicht selten schwer. Werden betriebliche Entscheider und Personalverantwortliche jedoch direkt auf den Nutzen angesprochen und werden die unterschiedlichen Nutzenaspekte mit ihnen diskutiert, bejahen sie diese. Die hohen Zustimmungswerte, die eine empirische Untersuchung erhoben hat, bestätigen dies (siehe Abbildung 3).20

20 Vgl.: Rump, J./Völker, R. (2007), S. 50.

86

EMPLOYABILITY – DIE GRUNDLAGEN

Welcher Nutzen ergibt sich für das Unternehmen?

Entschärfung von Konflikten bei PersonalanpassungsProzessen

Steigerung der Attraktivität des Arbeitgebers

Zunehmende Flexibilität beim Personaleinsatz

Verbesserung der betrieblichen Wandlungsund Veränderungsfähigkeit

Steigerung der Innovationsfähigkeit

Höhere Anpassungsfähigkeit

schnelle Reaktionsgeschwindigkeit

100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0

ABB. 3: WELCHER NUTZEN ERGIBT SICH FÜR DAS UNTERNEHMEN (GEMESSEN AN DER ANZAHL DER BEFRAGTEN, DIE ZUSTIMMEN IN PROZENT)

Als relevante Nutzensaspekte aus der Perspektive von Unternehmen lassen sich •

schnelle Reaktionsgeschwindigkeit,



steigende Innovationsfähigkeit,



verbesserte Kundenorientierung,



zunehmende Flexibilität beim Personaleinsatz,



Steigerung der Attraktivität als Arbeitgeber sowie



Entschärfung von Konflikten bei Personalanpassungsprozessen

erschließen. Schnellere Reaktionsgeschwindigkeit und Steigerung der Innovationsfähigkeit Unternehmen bewegen sich mehr und mehr in einem Umfeld, das durch eine explosionsartige Vermehrung und gleichzeitig sinkende Halbwertzeit von Wissen und damit verbunden durch eine steigende Veränderungsgeschwindigkeit sowie zunehmende Komplexität gekennzeichnet ist. Sie sind mehr und mehr gezwungen, Produkte und Dienstleistungen anzubieten, die neuartig und hochwertig sind, um sich von der Konkurrenz abheben zu können. Dies 87

J U T T A R U M P /S I L K E E I L E R S

gilt vor allem für Unternehmen, die in Ländern mit hohem Lohnniveau beheimatet sind. Zum anderen verringert sich in einem solchen Kontext die Zeitspanne zwischen Erfindung und kommerzieller Anwendung. Der Lebenszyklus von Produkten und Dienstleistungen wird verkürzt – mit der Konsequenz einer schnelleren Amortisation von Investitionen in Forschung und Entwicklung, Produktion und Marketing. Darüber hinaus ist zu beobachten, dass die Prozesse der Leistungserstellung zunehmend flexibler und kundenorientierter werden. Kreative und wissensintensive Tätigkeiten nehmen in dem Maße zu, in dem der physische Leistungsanteil abnimmt. Dabei unterliegt der Leistungserstellungsprozess ständig Veränderungen, die sich mit steigender Geschwindigkeit vollziehen. Unter diesen Bedingungen stellt die Innovationsfähigkeit eines Unternehmens einen wesentlichen Wettbewerbsfaktor dar. Innovationsfähigkeit hängt entscheidend von dem Wissens- und Kompetenzstand der Mitarbeiter ab. Dabei spielt weniger der gesamte Wissens- und Kompetenzstand eine Rolle, sondern vielmehr das erfolgskritische Wissen und die erfolgskritischen Kompetenzen. Erfolgskritisch sind Wissen und Kompetenzen dann, wenn sie einzigartig sind und/oder maßgeblich die Leistung beeinflussen.21 Im Rahmen einer ständig steigenden Veränderungsgeschwindigkeit variieren häufig die Anforderungen an erfolgskritisches Wissen und erfolgskritische Kompetenzen. Um den hohen Ansprüchen an den Wissens- und Kompetenzstand sowie ihrer sinkenden „Lebenszeit“ gerecht zu werden, bedarf es Mitarbeitern, die nicht reaktiv, sondern proaktiv ihr Wissen und ihre Kompetenzen hinsichtlich Aktualität und Relevanz überprüfen und gegebenenfalls ändern. Verantwortung für die berufliche Entwicklung, Flexibilität, Fähigkeit, die Bedeutung des eigenen Handelns für das Unternehmen zu erkennen sowie Lernbereitschaft gehören zu den entscheidenden Kernkompetenzen von Employability. Verbesserte Kundenorientierung Verfügen Mitarbeiter über das dargestellte erfolgskritische Wissen und die Kernkompetenzen von Employability, so treten sie im Kundenkontakt professioneller und kompetenter auf. Als unternehmerisch denkende Menschen, die sich ihrer eigenen Kompetenzen und Fähigkeiten bewusst sind, wissen sie um

21 Unter Einzigartigkeit werden die Verfügbarkeit am Markt sowie die Möglichkeit, Wettbewerbsvorteile zu erzielen, verstanden. Als Leistungsbeeinflussung gilt der Einfluss auf Qualität, Kosten und Zeit.

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EMPLOYABILITY – DIE GRUNDLAGEN

den Wert der angebotenen Leistung und um die Bedeutung ihrer Tätigkeit für ihr Unternehmen. Sie repräsentieren den Arbeitgeber, der ihre Employability und Weiterentwicklung fördert und fordert, stolz und selbstbewusst und tragen damit das positive Image aus ihrem Inneren nach außen. Es ist erwiesen, dass Mitarbeiterzufriedenheit positiv mit Kundenzufriedenheit korreliert! Auch im Leistungserstellungsprozess drückt sich Mitarbeiterzufriedenheit in einer Steigerung der Produktivität und Verbesserung der Qualität aus. Zunehmende Flexibilität beim Personaleinsatz Employability spielt nicht nur im Zusammenhang mit steigender Wissensintensität eine wichtige Rolle, sondern ermöglicht es Unternehmen auch, Mitarbeiter flexibler einzusetzen. Bei beschäftigungsfähigen Arbeitnehmern ist mit einer vergleichsweise niedrigen Einarbeitungszeit zu rechnen. Widerstände gegen Veränderung der Arbeitsinhalte, des Arbeitsablaufs, der Arbeitsbedingungen und des Arbeitsortes sind eher gering ausgeprägt – ganz im Gegenteil: Mitarbeiter, die beschäftigungsfähig sind, fordern solche arbeitsbezogenen Veränderungen ein, um beschäftigungsfähig zu bleiben. Arbeitsbezogene Veränderungen werden mehr als Chance und weniger als Risiko empfunden. Darüber hinaus lässt sich durch einen gezielteren Personaleinsatz ein nicht unerhebliches Kosteneinsparpotenzial erzielen. So können beispielsweise Produktionsspitzen in bestimmten Unternehmensbereichen durch eine temporäre Umsetzung von Arbeitskräften aus weniger ausgelasteten Bereichen abgefangen werden, wenn die Mitarbeiter entsprechend flexibel einsetzbar sind. Steigerung der Attraktivität des Arbeitgebers Es ist davon auszugehen, dass Unternehmen, die Employability als Wettbewerbsfaktor betrachten, diese nicht nur fordern, sondern auch fördern. Die Förderung von Employability lässt sich dann als Faktor zur Steigerung der Attraktivität als Arbeitgeber einsetzen. Je stärker die Notwendigkeit, an der eigenen Beschäftigungsfähigkeit zu arbeiten, zu einem Grundprinzip im Leben qualifizierter Arbeitnehmer wird, umso mehr wird die Unterstützung eben dieses Grundprinzips auch am Arbeitsmarkt ein Wettbewerbsvorteil im Werben um die gewünschten High Potentials sein. Darüber hinaus wird die Förderung von Employability die Entscheidung eines Mitarbeiters, seine Arbeits-

89

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kraft, sein Wissen und seine Kompetenzen diesem und nicht einem anderen Unternehmen zur Verfügung zu stellen, positiv beeinflussen. Entschärfung von Konflikten bei Personalanpassungs-Prozessen Nicht zuletzt kann Employability zu einer Entschärfung im Downsizing-Prozess beitragen. Durch die erhöhte Flexibilität im Rahmen des Personaleinsatzes besteht eher die Chance, Mitarbeiter in andere Unternehmensbereiche und Arbeitsfelder zu versetzen, wenn dort Vakanzen bestehen. Ist die Möglichkeit der internen Personalanpassung nicht gegeben bzw. ausgeschöpft und sind die Effekte der weichen quantitativen Freisetzungsmaßnahmen eingeschränkt, bleibt nicht selten lediglich der Weg, sich von Mitarbeitern zu trennen. Mitarbeiter mit einer hohen Ausprägung an Beschäftigungsfähigkeit haben eine vergleichsweise hohe Vermittlungschance auf dem Arbeitsmarkt. Unterstützt ein Unternehmen die Entwicklung von Beschäftigungsfähigkeit, wird sich dies auf das Image – selbst im Zuge eines Personalabbauprozesses – positiv auswirken. Daneben beeinflusst die Förderung von Employability und das damit verbundene Maß von Vermittelbarkeit auf dem Arbeitsmarkt die Motivation und das Commitment der im Unternehmen zurückgebliebenen Mitarbeiter. Je größer die Chancen sind, auf dem Arbeitsmarkt einen neuen Job zu finden, und je stärker die Vermittelbarkeit der Betroffenen in neue Arbeitsverhältnisse gefördert wird, desto positiver ist die Grundeinstellung der Zurückgebliebenen zu ihrem Arbeitgeber und desto höher ist deren Arbeitsmoral und -effizienz. Die Ausprägung von „Survivor Sickness“22 und die damit einhergehenden negativen Konsequenzen halten sich in Grenzen. Employability bietet einen hohen Nutzen für Unternehmen. Dieser Nutzen ist jedoch an eine zentrale Voraussetzung geknüpft: Unternehmen können nur dann Nutzen aus der Beschäftigungsfähigkeit ihrer Mitarbeiter ziehen, wenn sie Employability fordern und fördern sowie Bedingungen gestalten, die deren Entfaltung ermöglichen.

22 Der Begriff der „Survivor Sickness” wurde von David M. Noer, Autor von „Healing the wounds: Overcoming the Trauma of Layoffs and Revitalizin Downsized Organisations” (San Francisco 1993) geprägt. Danach verhalten sich Mitarbeiter, die nach Downsizing-Prozessen im Unternehmen zurück bleiben, nach bestimmten Mustern. Gefühle der Wut dem Arbeitgeber gegenüber und Angst um den eigenen Arbeitsplatz, aber auch von Schuld und Trauer, schlagen sich häufig in einer stark verringerten Einsatzbereitschaft und Motivation nieder. In der Folge kann die Produktivität nachhaltigen Schaden nehmen.

90

EMPLOYABILITY – DIE GRUNDLAGEN

3.2

Der Mehrwert aus der Perspektive des Einzelnen

Zwar gehört es auch zu den Aufgaben von Unternehmen Employability zu fördern, einen Großteil der Verantwortung für den Erhalt und die Entwicklung der Beschäftigungsfähigkeit trägt jedoch der Einzelne selbst – einerseits um den Erwartungen und Gegebenheiten seines aktuellen Arbeitgebers gerecht zu werden, andererseits um jederzeit auf dem Arbeitsmarkt auch für andere Arbeitgeber bzw. Berufsfelder attraktiv zu sein. Welche Chancen und welcher Nutzen lassen sich für den Einzelnen konkretisieren? Empirische Untersuchungen identifizieren •



die Steigerung der Karrierechancen auf dem internen und externen Arbeitsmarkt, die kontinuierliche Auseinandersetzung und Anpassung von Kompetenzen und Qualifikationen,



die Erhöhung von Selbstbewusstsein und Eigenverantwortung,



die Verbesserung der Mitgestaltungsmöglichkeiten der beruflichen Zukunft

als Nutzenaspekte. Diese Nutzenaspekte weisen bei einer repräsentativen, großzahligen Befragung sehr hohe Zustimmungswerte auf:23

23 Vgl.: Rump, J./Völker, R. (2007), S. 52.

91

J U T T A R U M P /S I L K E E I L E R S

Welcher Nutzen ergibt sich für den Einzelnen?

Gleichberechtigte Partnerschaftsbeziehung zum Arbeit geber

Mitgestaltungsmöglichkeiten der eigenen beruflichen Zukunft

Wissen um die eigenen Stärk en und Schwäc hen

Erhöhung von Selbstbewusstsein und Eigenverantwortung

Aufdecken bislang nicht genutzter Talente

Verbesserte Einschätzungsfähigkeit bezl. nachgefragter Kompetenzen und

Akt ualität des eigenen Qualifikations standes

Steigerung der Karrierechanc en auf dem externen Arbeitsmarkt

Steigerung der Karrierechancen im Unt ernehmen

10 0 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0

ABB. 4: NUTZEN VON EMPLOYABILITY FÜR DEN EINZELNEN (GEMESSEN AN DER ANZAHL DER BEFRAGTEN, DIE ZUSTIMMEN IN PROZENT)

Steigerung der Karrierechancen auf dem internen und externen Arbeitsmarkt Beschäftigungsfähigkeit wird zu einem zentralen Vermögenswert des Einzelnen und dient letztendlich zur Absicherung in einer sich schnell wandelnden Arbeitswelt, in der Qualifikation und erfolgskritisches Wissen mehr denn je darüber entscheiden, ob der Einzelne zu den Gewinnern oder Verlierern im Erwerbsprozess gehört. Die von Innovation und Veränderung geprägte Arbeitswelt fordert das Aufgeben traditioneller „Sicherungsanker“ ebenso wie die kontinuierliche Auseinandersetzung mit der eigenen Beschäftigungsfähigkeit und den eigenverantwortlich zu gestaltenden Karrierepfaden. Arbeitnehmern, die sich diesen Herausforderungen stellen, eröffnen sich zahlreiche neue Perspektiven und Chancen im Bezug auf die Entwicklung der eigenen Persönlichkeit und Beschäftigungsfähigkeit. Mitarbeiter, die sich als „Unternehmer in eigener Sache“ betrachten, sehen vor allen Dingen ihre Beschäftigungsfähigkeit als wesentlichen Wettbewerbsfaktor intern im Unternehmen und auf dem externen Arbeitsmarkt. Denn Arbeitnehmer, die an ihrer Beschäftigungsfähigkeit arbeiten, treten den Anforderungen des Arbeitsmarktes mit einem hohen Maß 92

EMPLOYABILITY – DIE GRUNDLAGEN

an Anpassungsfähigkeit, Flexibilität und Mobilität gegenüber und sind dadurch in der Lage, sich in immer komplexer werdenden Arbeitsumgebungen zurecht zu finden. Kontinuierliche Auseinandersetzung und Anpassung von Kompetenzen und Qualifikationen Die Erfordernis einer kontinuierlichen Auseinandersetzung mit der eigenen Beschäftigungsfähigkeit führt bei jedem Einzelnen zu einer zeitnahen und realistischen Einschätzung des eigenen Kompetenzrahmens und zur Einsicht in gegebenen Handlungsbedarf. Dazu gehört auch eine verbesserte Einschätzungsfähigkeit bezüglich aktuell und künftig nachgefragter Kompetenzen und Fähigkeiten auf dem internen aber auch auf dem externen Arbeitsmarkt. So ermöglicht der Blick „über den Tellerrand“ des eigenen Unternehmens hinaus Arbeitnehmern einen Einblick in die Beschäftigungssituation in anderen Berufszweigen und Branchen. Unterstützt ein Arbeitgeber seine Beschäftigten aktiv in Erhalt und Förderung der Employability, werden dem Einzelnen dadurch häufig Möglichkeiten der eigenen Entwicklung aufgezeigt, die ihm zuvor nicht bewusst waren. Neben der kritischen Selbstreflexion leisten Sensibilisierungsmaßnahmen und professionelle Potenzialeinschätzungen eine wertvolle Hilfestellung bei der Vergegenwärtigung des eigenen Profils. Dazu gehört auch, die eigenen Stärken und Schwächen besser einschätzen zu lernen und dadurch identifizierte Entwicklungsfelder gezielt anzugehen. Erhöhung von Selbstbewusstsein und Eigenverantwortung Das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und Kompetenzen als „Sicherungsanker“ im Arbeitsleben lässt Arbeitnehmer die persönliche Entwicklung als „Unternehmer in eigener Sache“ beeinflussen und „vermarkten“. Das Aufgeben der „passiven Ergebenheit“ in Bezug auf Veränderungen im eigenen Unternehmen und auf dem Arbeitsmarkt ermöglicht es, Initiative zu ergreifen und die eigene Entwicklung in die gewünschte Richtung zu lenken. Verbesserung der Mitgestaltungsmöglichkeiten der beruflichen Zukunft Beschäftigungsfähige Arbeitnehmer sehen sich nicht länger in einem Abhängigkeitsverhältnis, sondern vielmehr in einer „Win-Win-Situation“, in der 93

J U T T A R U M P /S I L K E E I L E R S

beide Seiten von Erhalt und Steigerung der Beschäftigungsfähigkeit profitieren. Das Aufwiegen von Treue und Loyalität auf Seiten des Mitarbeiters gegen die Zusage einer lebenslangen Beschäftigung auf Seiten des Unternehmens in Form eines „sozialen Vertrages“ ist nicht mehr möglich. In einem „psychologischen Vertrag“ bindet der Arbeitgeber im Hinblick auf seine eigenen Ziele die passenden Mitarbeiter für einen definierten Zeitraum an sich. Der Arbeitnehmer geht nur mit demjenigen Unternehmen einen Vertrag ein, das seine Kompetenzen aktuell nachfragt und vor allem wertschätzt. Dieser „psychologische Vertrag“ führt zu einer beiderseitigen Ökonomisierung des Loyalitätsbegriffs und damit letztendlich zu einer Partnerschaftsbeziehung zum Arbeitgeber, die auf „gleicher Augenhöhe“ erfolgt.24 Auch der Einzelne profitiert in vielerlei Hinsicht vom Erhalt und der Entwicklung seiner Employability. Dies setzt allerdings voraus, dass er sich der Herausforderung stellt, seine Fähigkeiten und Kompetenzen immer wieder zu hinterfragen und – wenn erforderlich – eigenverantwortlich anzupassen.

4. Ängste und Befürchtungen im Zusammenhang mit Employability Employability geht nicht nur mit positiven Assoziationen und mit Nutzenwahrnehmungen einher. Mit ihr sind auch Befürchtungen und Ängste verbunden – sowohl auf Unternehmensseite als auch auf Seiten der Mitarbeiter.

4.1

Befürchtungen auf Seiten von Unternehmen und Führungskräften

Die Umsetzung des Employability-Gedankens bringt vielfältige Änderungen mit sich. Vielfach bleiben derart umfassende Veränderungen nicht ohne Widerstand. Zu den Befürchtungen auf Seiten von Unternehmen und Führungskräften zählen

24 Vgl. Blancke, S./Roth, C./Schmid, J. (2000), S. 11–12; Sattelberger, T. (2003), S. 64–66.

94

EMPLOYABILITY – DIE GRUNDLAGEN

• •

Machtverlust, Zunahme von Komplexität in Führung, Karrieremustern, Organisation und Vergütungsstrukturen,



„Nach-Außen-Qualifizieren“ der Mitarbeiter,



Zunahme von Kosten sowie



Kulturveränderungen.

Machtverlust der Führungskräfte Insbesondere für die Führungskräfte im Unternehmen stellt die Förderung von Eigenverantwortung und Selbstbewusstsein bei ihren Mitarbeitern einen Machtverlust dar. Zudem sehen sich Führungskräfte durch diese Situation mit einer erhöhten Komplexität und neuen Erwartungen an ihre Rolle konfrontiert. Nicht wenige Vorgesetzte fühlen hier einen enormen Druck, den Anforderungen gerecht zu werden. Sie reagieren mit Zurückhaltung. Einen Weg, der Zurückhaltung von Führungskräften zu begegnen, stellt das bewusste Heranführen an die Grundsätze und Philosophie vom Employability und das Aufzeigen des Nutzens für das Unternehmen und den Mitarbeiter dar. Darüber hinaus können Ressentiments dadurch reduziert werden, dass Führungskräften bewusst wird, dass sie nicht nur etwas verlieren, sondern auch selbst Nutznießer sind und an ihrer eigenen Beschäftigungsfähigkeit arbeiten können. Zunahme der Komplexität in Führung, Karrieremustern, Organisation und Vergütungsstruktur Zahlreiche Arbeitgeber sehen sich der Herausforderung nicht gewachsen, Mitarbeiter, die sich als „Unternehmer in eigner Sache“ sehen und kontinuierlich an ihrer Beschäftigungsfähigkeit arbeiten möchten, an das Unternehmen zu binden. Sie fürchten, einem unablässigen Druck ausgesetzt zu sein, den beschäftigungsfähigen Mitarbeitern Entwicklungsperspektiven aufzuzeigen. Ein solcher Druck ist sicherlich vorhanden. Der Angst um diese Drucksituation kann jedoch entgegengehalten werden, dass beschäftigungsfähige Mitarbeiter einen Nutzen für das Unternehmen stiften, der ungleich höher ist als die Aufwendungen. Gerade darin, die eigenen Prozesse kontinuierlich überdenken zu müssen und sich dem Arbeitnehmer als attraktiver Arbeitgeber zu präsentieren, liegt eine nicht zu unterschätzende Chance für das Unternehmen. Denn die Positionierung auf dem internen Markt spiegelt sich un95

J U T T A R U M P /S I L K E E I L E R S

weigerlich auch auf dem externen Markt wider und wirkt positiv auf das Unternehmensimage. Zudem wäre ohne beschäftigungsfähige Arbeitnehmer der Druck, der sich aus den Märkten und der Wettbewerbslage generiert, weitaus höher. „Nach-außen-Entwickeln“ der Mitarbeiter Eine Reihe von Unternehmen äußern die Befürchtung, ihre Mitarbeiter „nach draußen“ zu qualifizieren, also in deren Beschäftigungsfähigkeit zu investieren, ohne selbst von dieser erhöhten Qualifikation zu profitieren, da die Arbeitnehmer sich dem externen Arbeitsmarkt zuwenden. Diese Argumentationskette lässt eine wesentliche Frage außer Acht. Warum wenden sich die Mitarbeiter, die beschäftigungsfähig sind, anderen Arbeitgebern zu? In einem Unternehmen, das Employability nicht nur fordert, sondern auch unterstützt und fördert, wird sich mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit eine solche Befürchtung nicht bewahrheiten. Untersuchungen belegen, dass die Fluktuationsrate in Unternehmen, die in die Beschäftigungsfähigkeit ihrer Mitarbeiter investieren, geringer ist als in solchen, die sich diesen Konzepten noch verschließen.25 Ziel der Arbeitgeber muss es also sein, „... to make their workforce ‚able to go, but want to stay‘”.26 In diesem Zusammenhang sei auch erwähnt, dass es Unternehmen gibt, die bewusst die Möglichkeit einer „Abwanderung“ ihrer Beschäftigten in Kauf nehmen. Sie können so für bestimmte Zeiträume über optimal qualifizierte Arbeitnehmer verfügen und gleichzeitig flexibler auf Kapazitätsschwankungen reagieren. Des Weiteren kann eine ‚Abwanderung’ gezielt gesteuert werden, um ehemalige beschäftigungsfähige Mitarbeiter bei Kunden zu positionieren und eigene, unternehmensübergreifende Netzwerke zu knüpfen. Zunahme der Kosten Ein weiterer häufig genannter Hinderungsgrund für die Umsetzung von Employability-Konzepten ist die arbeitgeberseitige Befürchtung, sich damit immense Kosten aufzubürden. Aufgrund dieser Befürchtung findet insbesondere in konjunkturellen und strukturellen Krisenzeiten eine intensivere Auseinandersetzung mit der Thematik erst gar nicht statt. Hier sei nun die Frage

25 Vgl.: Englert, S. (2002), S. 2. 26 Tamkin, P; Hillage, J. (1999), S. 54.

96

EMPLOYABILITY – DIE GRUNDLAGEN

erlaubt, ob ein Unternehmen auf die Förderung von Employability verzichten kann. Ist es nicht eher so, dass es den technischen Neuerungen, inhaltlichen Veränderungen und/oder erforderlich gewordenen Umstrukturierungen nicht mehr gewachsen sein wird, wenn ein Unternehmen nicht bereit ist, die Beschäftigungsfähigkeit seiner Mitarbeiter zu erhalten und zu fördern? Darüber hinaus ist dem Kostenargument entgegenzuhalten, dass die Integration des Grundgedankens von Employability weniger einen Kostenfaktor darstellt als vielmehr die Bereitschaft zu kulturellen und organisatorischen Veränderungen erforderlich macht. Kulturveränderung Da in Unternehmen häufig die Erfahrung gemacht wurde, dass Veränderungen zur Unternehmensstrategie, -kultur, -politik oder -organisation mit Widerständen verbunden sind, scheuen viele diese Konfrontation oder versuchen ihr mit den alten Instrumenten der Macht und Hierarchie zu begegnen. Macht und Hierarchie jedoch sind nicht kompatibel mit Employability. Die Widerstände, die mit Veränderungen einhergehen, werden in vielen Unternehmen als hoch eingestuft. Dieses hohe Ausmaß an Widerständen lässt darauf schließen, dass die Ausprägung an Beschäftigungsfähigkeit eher niedrig ist bzw. erst ein kleinerer Teil der Arbeitnehmer sich mit seiner Beschäftigungsfähigkeit auseinander setzt bzw. auseinandersetzen kann und als „employable“ gilt bzw. sich als „employable“ fühlt. Eine offene Diskussion um Ängste und Befürchtungen aus der Perspektive der Unternehmen und Führungskräfte ist wichtig. Nur, wenn diese Ängste und Befürchtungen im Unternehmen thematisiert und diskutiert werden, besteht die Möglichkeit, ein tragfähiges Employability-Konzept zu entwickeln und umzusetzen.

4.2

Ängste seitens der Mitarbeiter

Der Wandel in der Arbeitswelt führt bei vielen Arbeitnehmern zu Gefühlen der Verunsicherung und Hilflosigkeit. Diejenigen Beschäftigten, die sich nicht vorausschauend mit ihrer individuellen Zukunft auf dem Arbeitsmarkt auseinander setzen und passiv abwarten, bis ein Impuls von außen an sie herangetragen wird, laufen Gefahr, an den Rand der Arbeitsgesellschaft gedrückt 97

J U T T A R U M P /S I L K E E I L E R S

zu werden. Aus der Perspektive der Mitarbeiter lassen sich eine Reihe von konkreten Ängsten und Befürchtungen beobachten: •

Angst vor Unsicherheit und Arbeitsplatzverlust.



Angst vor Überforderung und dem „Burn-out-Syndrom“.



Vermutung eines versteckten Arbeitsplatzabbaus.

Angst vor Unsicherheit und Arbeitsplatzverlust Viele Menschen können sich nur schwer von dem über Jahrzehnte gewachsenen Modell der Absicherung durch qualifizierte Erstausbildung und gezielte Berufs- und Arbeitsplatzwahl lösen. Die Forderung nach dem Loslassen der durch Erziehung und Ausbildungswege, durch eine bestimmte Tätigkeit und/ oder durch einen bestimmten Arbeitgeber definierten Sicherheit löst dann ein Gefühl der Hilflosigkeit aus. Diese Lücke zwischen dem Wegfall der traditionellen „Sicherungsanker“ und dem Annehmen des neuen „Sicherungsankers“ Beschäftigungsfähigkeit resultiert unter anderem daraus, dass die Wahrnehmung von „Sicherungsankern“ und das Sicherheitsempfinden durch Sozialisation geprägt sind. Einstellungen und Mentalitäten lassen sich somit nicht von heute auf morgen ändern, sondern bedürfen einer Entwicklungszeit bzw. einschneidender Ereignisse, die den Prozess beschleunigen. Gleichzeitig wird die Fokussierung auf die eigene Beschäftigungsfähigkeit vielfach noch nicht als „Sicherungsanker“ wahrgenommen. Angst vor Überforderung und dem „Burn-Out-Syndrom“ Wie bereits dargestellt, geht Beschäftigungsfähigkeit mit einem kontinuierlichen Lernprozess einher. Darüber hinaus wird ein immer höheres Maß an Flexibilität und mentaler Mobilität eingefordert. Es ist zu beobachten, dass für einige Mitarbeiter dieser Prozess einer stetig steigenden Drucksituation gleichkommt. Nicht jeder ist der Herausforderung gewachsen und kann konstruktiv damit umgehen. „Was passiert wenn ich nicht mehr kann?“ ist eine häufig gestellte Frage – eine ernst zu nehmende Frage, für deren Beantwortung der Arbeitgeber, aber auch die Sozialpartner Sorgfalt aufwenden sollten.

98

EMPLOYABILITY – DIE GRUNDLAGEN

Vermutung eines versteckten Arbeitsplatzabbaus Sehr häufig wird von Seiten der Arbeitnehmer auch die Befürchtung geäußert, dass Employability lediglich mit Downsizing einhergeht. Sie gehen davon aus, dass die Differenzierung in beschäftigungsfähig und nicht-beschäftigungsfähig in der Regel eine Selektion erwünschter und unerwünschter Arbeitnehmer impliziert. Dies bezieht sich nicht nur auf die Angst vor Stellenabbau, sondern auch auf die Einschränkung persönlicher Freiräume, die Zuweisung bestimmter Arbeitsplätze und die Verweigerung weiterer Qualifizierungsmaßnahmen. All diesen Ängsten gilt es Rechnung zu tragen und ihnen durch ein gelebtes und authentisches Employability-Konzept entgegen zu treten. Darüber hinaus ist es für die Steigerung von Akzeptanz förderlich, wenn der Nutzen von Beschäftigungsfähigkeit für den Einzelnen sichtbar und spürbar wird.

5. Das Konzept des Employability Managements Um das Menschenbild eines beschäftigungsfähigen Arbeitnehmers mit Leben zu füllen und die Beschäftigten dazu zu bewegen, dieses Menschenbild als das ihre anzuerkennen und es als Grundlage für ihr Denken und Handeln zu nehmen, werden derzeit einzelne Maßnahmen entwickelt und umgesetzt. Zur Förderung von Employability der Arbeitnehmer reichen diese Einzelaktivitäten jedoch nicht aus. Darüber hinaus genügt es nicht, dass die Maßnahmen ein gemeinsames Ziel haben. Vielmehr ist es notwendig, dass alle relevanten Unternehmensfelder einbezogen werden, die Aktivitäten zur Steigerung der Beschäftigungsfähigkeit aufeinander abgestimmt und miteinander verknüpft sind, sowie Wechselwirkungen berücksichtigt werden. Die Sozialisation und Entwicklung von Employability macht ein Unternehmenskonzept unerlässlich.

5.1

Der Bezugsrahmen

Ein Unternehmenskonzept zu entwickeln setzt voraus, dass die relevanten Determinanten und Wechselwirkungen erkannt und analysiert werden. Um Determinanten und Wechselwirkungen im Zusammenhang mit Employability zu identifizieren, wird auf das Interdependenzmodell des Vereins „Wege zur Selbst GmbH“ zurückgegriffen. 99

J U T T A R U M P /S I L K E E I L E R S

Nachfrage am Arbeitsmarkt

Tarifliche Unterstützung

Anforderungen des Arbeitsmarktes

Transparenz unternehmensspezifische Wertschöpfungskette

employability

Def+Komm Unternehmenszweck + Ziele

Transparenz individueller Wertschöpfungsbeitrag

Motivation, Leistungsbereitschaft

Anerkennung Wertschätzung Personalmanagement gemeinsam mit Partnern

Anerkennungsmassnahmen(Bewert., + Belohnung, inkl. Karrieremöglichk.)

Gesundheitsförderung

Unternehmensergebnis Kundenzufriedenheit

Kooperativer Führungsstil

Innere + äussere Unabhängigkeit, Autonomie, Entscheidungsfreiheit, indiv. Einfluss

Ansprüche pers. Umfeld, Familie

Qualität der geleisteten Arbeit

Selbstausbeutung,

U.nehmerde nken, Mitdenken, Ergebnismitverantwortung

Produktivität, Effizienz

Persönlichkeitsentwicklungsmassnahmen Akzeptanz, Prinzip Selbstverantwortung Reaktionsgeschwindigkeit, Flexibilität

Stetige Veränderungsbereitschaft (zeitlich, thematisch, örtlich)

Globalisierung, Internationalisierung, Liberalisierung

Arbeitseinsatz

Personalmgt gemeinsam mit Partnern

umgekehrtes Verhalten

Rückhalt im Team

Sinnhaftigkeit, Erfüllung in der Tätigkeit

Individuum

SelbstGmbH

Def+Komm ideale(s) Führungsverständnis & Unternehmenskultur

Arbeitsorganisation mit selbststeuernden Teams

Angst vor Veränderung , Existenzangst

Sicherheitsgefühl Indiv. Kernkompetenzen fachliche und soziale Qualifikation,Wissen

Lernmassnahmen

Def+Komm benötigter Unternehmenskernkompetenzen

Gruppendynamik

Faulheit, Bequemlichkeit

Networking

Strategieorientiertes, professionelles

Gesetzl. Unterstützung

Überbetonte Schutzeinstellung (Gesellschaft, Staat)

Selbstreflektion, Hinterfragen

Transparenz, pers. Ziele + pers. Lebensentwurf

Forderung Selbstverantwortung, Schule + Erziehung

ABB. 5: DETERMINANTEN UND WECHSELWIRKUNGEN VON EMPLOYABILITY27

Es wird deutlich, dass Employability nur dann erfolgreich ausgebildet und erhalten werden kann, wenn sowohl das Individuum als auch der Arbeitgeber agieren. Aus dem Interdependenzmodell lässt sich ableiten, dass der Einzelne durch Networking, durch stetige Veränderungsbereitschaft im zeitlichen, thematischen und örtliche Sinn, durch kontinuierliches Hinterfragen sowie durch aktives Qualifizieren an seiner Employability arbeiten sollte. Der Arbeitgeber sollte durch die Definition und Kommunikation der benötigten Unternehmens-Kernkompetenzen, durch Darstellung des Unternehmenszwecks und

27 Selbst-GmbH (2004).

100

EMPLOYABILITY – DIE GRUNDLAGEN

der Ziele, durch Professionalisierung des Personalmanagements (Personalentwicklung, Anreizsysteme etc), durch Gesundheitsförderung, durch Organisation und Führung sowie durch Unternehmenskultur zur Förderung der Beschäftigungsfähigkeit beitragen. Das Modell verdeutlicht zudem, dass zwar die Determinanten und deren Ausgestaltung die Ausbildung und Erhaltung von Employability ermöglichen. Die Zielgerichtetheit hängt jedoch stark von den Wechselwirkungen ab. Um ein zielorientiertes, ganzheitliches und integratives Unternehmenskonzept entwickeln zu können, bedarf es also immer einer Interdependenzanalyse. Neben dem Interdependenzmodell wird das St. Galler Management-Konzept als Bezugsbasis für das Unternehmenskonzept gewählt.28 Die Förderung von Employability im Unternehmen spiegelt sich dann auf mehreren Ebenen wider: Normative Ebene:

Damit die Idee der Beschäftigungsfähigkeit im Unternehmen von allen Akteuren gelebt wird, muss sie zu einer unternehmensweiten Vision werden, die in der Unternehmenspolitik, in den Unternehmenszielen sowie in der Unternehmenskultur fest verankert ist. Diese Einbeziehung auf der Werte-Ebene eines Unternehmens ist besonders wichtig, da die Unternehmenspolitik und die Unternehmensziele die Leitlinie für die betrieblichen Entscheidungen sind, und die Unternehmenskultur den normativen Rahmen für das Handeln im Unternehmen setzt.

Strategische Ebene:

Die normativen Vorgaben der Unternehmenspolitik, der Unternehmensziele sowie der Unternehmenskultur müssen in einem zweiten Schritt durch strategische Unternehmenselemente konkretisiert werden. Zu den strategischen Unternehmenselementen gehören u. a. die Organisation, Personalentwicklung, Karrieremodelle, Anreizsysteme, Vergütungssysteme, Gesundheitsförderung und Controlling. Des Weiteren haben Führungsmuster und die Rolle des Vorgesetzten eine zentrale Bedeutung.

28 Vgl.: Bleicher, K. (1996), S. 71ff.

101

J U T T A R U M P /S I L K E E I L E R S

Operative Ebene:

Die normative und strategische Ebene beschäftigen sich mit der Gestaltung des Rahmens, in dem sich operatives Handeln vollzieht. Auf der operativen Ebene kommen Maßnahmen und Instrumente zum Einsatz, mit denen man konkret vor Ort agieren und lenkend eingreifen kann. Arbeitsinhalte, Arbeitsprozesse und Arbeitsbedingungen stellen u. a. solche operativen Handlungsfelder dar. Auf der operativen Ebene wird darüber hinaus auf das Verhalten sowie die Denk- und Handlungsmuster der Mitarbeiter fokussiert.

Auf Basis des St. Galler Management-Ansatzes und der Interdependenzanalyse entsteht ein Rahmen für das Unternehmenskonzept des Employability Management. Abbildung 6 gibt einen Überblick über Employability Management mit den Ebenen und Handlungsfeldern. NORMATIV

Politische

Unternehmenspolitik

Unternehmenskultur

Rahmenbedingungen

STRATEGISCH Rechtliche

Controlling Führungsstil Personalentwicklung

Vergütung

Gesundheitsförderung

Karrieremodelle

Rahmenbedingungen

Ökonomische Organisation (Aufbau/Ablauf)

Rahmenbedingungen

OPERATIV Gesellschaftliche Arbeitsorganisation (Inhalt/Prozess)

Individuelles Verhalten der Mitarbeiter

Arbeitsbedingungen

System

Verhalten

ABB. 6: DAS UNTERNEHMENSKONZEPT DES EMPLOYABILITY MANAGEMENTS

102

Rahmenbedingungen

EMPLOYABILITY – DIE GRUNDLAGEN

5.2

Grundsätze

Ein Management-Konzept bedarf nicht nur eines Bezugsrahmens mit Handlungsfeldern, sondern auch Grundsätzen, die Orientierungspunkte für das Handeln definieren. Diese Grundsätze bilden die Anbindung zur Unternehmenspolitik. Employability Management basiert auf fünf Grundsätzen. Diese sind •

das Prinzip der Ganzheitlichkeit,



das Prinzip der Integration,



das Postulat der Wirtschaftlichkeit,



der ethische Kodex sowie



das Postulat der Kontinuität.

Das Prinzip der Ganzheitlichkeit Ganzheitlichkeit bedeutet, dass alle relevanten Ebenen, Bereiche und Handlungsfelder berücksichtigt werden. Eine ganzheitliche Unternehmenskonzeption sorgt für eine normative Sozialintegration ebenso wie für eine adäquate Ausgestaltung von strategischen Elementen und operativen Handlungsfeldern. Die ganzheitliche Sicht von Unternehmen fügt somit Werte, Strategien und Handlungen zusammen. Das Prinzip der Integration Die integrative Komponente trägt der Erfahrung Rechnung, dass die Kombination von unterschiedlichen Ebenen, Bereichen und Handlungsfeldern zur Förderung von Employability beiträgt. Interdependenzen werden zudem gebührend berücksichtigt. Das Postulat der Wirtschaftlichkeit Das Postulat der Wirtschaftlichkeit bedeutet zum einen, dass Employability Management auch unter Kosten-Nutzen-Aspekten gestaltet wird. Zum anderen wird damit zum Ausdruck gebracht, dass Employability eine hohe wirtschaftliche Relevanz hat. Unternehmerisch denkende Mitarbeiter sind sich ihrer eigenen Fähigkeiten und Kompetenzen bewusst. Sie wissen um den Wert ihrer Leistung und die Bedeutung ihrer Tätigkeit für das eigene Unternehmen. 103

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Im Kundenkontakt treten sie dadurch kompetenter auf und repräsentieren stolz und selbstbewusst den Arbeitgeber, der ihre Beschäftigungsfähigkeit fördert. So tragen sie zu einem immensen Imagegewinn bei und erhöhen mit ihrer professionellen Leistung die Kundenzufriedenheit. Produktivitätszuwächse durch einen hohen Kompetenzstand und erhöhte Mitarbeiterzufriedenheit sowie Effizienzsteigerung durch flexibleren Personaleinsatz sind weitere wirtschaftlich relevante Auswirkungen von Employability. Der ethische Kodex „Wenn die Arbeitgeber weder die Vollzeitbeschäftigung noch die Sicherheit des Arbeitsplatzes mehr garantieren können, die früher den normalen Sozialvertrag darstellten, können sie dann nicht zumindest die Zusage geben, dass sie ihren Beschäftigten unter allen Umständen die bestmöglichen Mittel zusichern, beschäftigungsfähig zu bleiben, ihre Fähigkeiten sowohl intern als auch im Falle einer unvermeidlich gewordenen Trennung zu erhalten, um ihre Chancen auf einen Arbeitsplatz in einem anderen Unternehmen zu bewahren?“29 Um dies zu erreichen, müssen Arbeitgeber ihren Beschäftigten Unterstützung bei Erhalt und Entwicklung ihrer Beschäftigungsfähigkeit gewähren, sie darüber hinaus für die Thematik sensibilisieren und ihnen entsprechende Wege aufzeigen. Dazu gehören z. B. •

• •



die Bereitstellung von Informationen über externe Ansprechpartner für Qualifizierung, das Aufzeigen von Angeboten im Bereich Aus- und Weiterbildung, die Förderung des Bewusstseins der Arbeitnehmer durch Auswertungsinstrumente bezüglich der extern oder im Unternehmen erworbenen Fähigkeiten und Erfahrungen, die Vermittlung von Fähigkeiten des „Self-Management“ oder „SelfMarketing“,

29 Weinert, P. (Hrsg.); Baukens, M.; Bollérot, P.; Pineschi-Gapenne, M.; Walwei, U. (2001), S. 89.

104

EMPLOYABILITY – DIE GRUNDLAGEN



die Unterstützung bei der Entwicklung eines Verständnisses für das organisatorische und wirtschaftliche Umfeld, in dem die Beschäftigten derzeit tätig sind (inklusive des externen Arbeitsmarkts).30

Das Postulat der Kontinuität Unerlässlich für den Erfolg von Maßnahmen, die die Beschäftigungsfähigkeit fördern, ist deren ganzheitliche und langfristige Integration in das Unternehmenskonzept.31 So sollte bereits bei der Einstellung neuer Arbeitnehmer der EmployabilityGedanke eine entscheidende Rolle spielen. Hier die potenziellen Mitarbeiter ausschließlich nach Merkmalen wie Zeugnisnoten als tauglich oder nicht tauglich für eine bestimmte Stelle einzustufen, ist eine zu kurzfristige Denkweise. Der vorausschauende Arbeitgeber erkennt essentielle Eigenschaften in einem Bewerber, dessen Beschäftigungsfähigkeit er mittelfristig durch begleitende Maßnahmen ausbauen zu können glaubt. Auch in globaler Sicht sollten Unternehmen Employability fördern, indem sie eine höhere Akzeptanz bezüglich unkonventioneller Erwerbsbiografien, die durchaus auch Zeiten der Arbeitslosigkeit beinhalten können, entwickeln, um so zeitgemäß mit der Arbeitsmarktsituation umzugehen. Ein weiterer markanter Zeitpunkt ist das Ende der Probezeit, das die Möglichkeit bietet, die erwartete Entwicklung der Beschäftigungsfähigkeit des neuen Mitarbeiters mit der tatsächlich eingetretenen abzugleichen und gegebenenfalls entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Und auch während der arbeitsvertraglichen Beschäftigung im Unternehmen sollten alle im nächsten Abschnitt aufgezeigten Handlungsfelder regelmäßig Anwendung finden. Jedes Unternehmen kann individuell weitere Meilensteine im Berufsleben seiner Mitarbeiter wählen, um das Gespräch über Selbst- und Fremdbild bezüglich der Beschäftigungsfähigkeit zu suchen und rechtzeitig entsprechende Anpassungsmaßnahmen einzuleiten. Schließlich sollte ein Arbeitgeber im Falle unvermeidbarer Entlassungen die Beschäftigungsfähigkeit noch einmal fördern, um die Positionierung auf dem 30 Vgl.: Blancke, S.; Roth, C.; Schmid, J. (2000), S. 9/Weinert, P. (Hrsg.); Baukens, M.; Bollérot, P.; Pineschi-Gapenne, M., Walwei,U. (2001), S.84. 31 Vgl.: Weinert, P. (Hrsg.); Baukens, M.; Bollérot, P.; Pineschi-Gapenne, M.; Walwei, U. (2001), S. 107.

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Arbeitsmarkt zu erleichtern – auch wenn es die letzte Aktivität ist, die er seinen Mitarbeitern mit auf den Weg geben kann. Maßnahmen wie Anregungen zur beruflichen Neuorientierung, Hilfestellung bei drohendem Arbeitsplatzverlust, individuelle Karriereberatung und Existenzgründungsförderung wirken unterstützend. Nicht nur den betroffenen Arbeitnehmern kommen diese Maßnahmen zugute. Darüber hinaus tragen sie auch in nicht zu unterschätzendem Maße zur Aufrechterhaltung der Moral der verbleibenden Mitarbeiter bei. Damit lässt sich die so genannte „Survivor Sickness“ reduzieren.32

5.3

Die erfolgskritischen Handlungsfelder von Employability Management

Durch die Verankerung von Employability auf normativer Ebene in der Unternehmenskultur und in der Unternehmenspolitik sowie auf strategischer Ebene im Rahmen der Organisation, der Führung, der Personalentwicklung der Karrieregestaltung, der Vergütung, des Controllings und der Gesundheitsförderung findet eine Versachlichung bzw. Institutionalisierung statt. Es besteht dann kaum noch die Gefahr des „Einschlafens“. Diese Gefahr besteht eher dort, wo das Engagement nur an Personen und Einzelaktivitäten hängt. Verlassen diese Personen das Unternehmen und ist keine Nachfolge gefunden, die ebenfalls in diesem Sinne agiert, werden i. d. R. die Aktivitäten reduziert oder sogar eingestellt. Damit wird deutlich, dass Employability Management bestimmte Handlungsfelder beinhalten muss. Diese erfolgskritischen Handlungsfelder sind:

32 Vgl.: Fischer, H. (2001), S. 160–169.

106

EMPLOYABILITY – DIE GRUNDLAGEN

Unternehmenskultur

Führung

Organisation

Personalentwicklung

Employability Management

Karrieremodelle

Vergütung

Gesundheitsförderung

Controlling

ABB. 7: DIE ERFOLGSKRITISCHEN HANDLUNGSFELDER DES EMPLOYABILITY MANAGEMENTS

Weitere Handlungsfelder, wie sie im Unternehmenskonzept des Employability Managements manifestiert sind, befördern Employability und unterstützen die Effektivität und Effizienz erheblich, bilden jedoch nicht das Fundament zur betrieblichen Förderung der Beschäftigungsfähigkeit. Mit anderen Worten: Im Rahmen von Employability Management gilt die mathematische Regel der notwendigen und der hinreichenden Bedingung. 5.3.1 Handlungsfeld „Unternehmenskultur“ Die Unternehmenskultur – als die Gesamtheit aller in einem Unternehmen gemeinsam gelebten Normen, Werte und Orientierungen – beeinflusst maßgeblich das Denken und Handeln von Beschäftigten. Das Interesse und die Bereitschaft, beschäftigungsfähig zu sein, hat erst einmal wenig mit Werkzeugen zu tun. Selbst innovative Instrumente bewegen keinen Beschäftigten dazu, sich mit seiner Beschäftigungsfähigkeit auseinander zu setzen, wenn er nicht dazu bereit ist. Die Unternehmenskultur ist in vielen Unternehmen durch die Vermeidung von Unsicherheiten und Risiken sowie durch die Rotation von Verantwortung geprägt. Nicht selten wird in diesem Zusammenhang auch von „Vollkasko-Mentalitäten“ gesprochen. Diese Werte stehen der Bereit107

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schaft, sich als „Unternehmer in eigener Sache“ zu verstehen, der für sein Vermögen Wissen und Kompetenz verantwortlich ist, entgegen. Eine Unternehmenskultur, die Beschäftigungsfähigkeit fördert und fordert, zeigt sich vor allem in folgenden Punkten: •

Förderung der Übernahme von Verantwortung.



Offenheit und Vertrauen.



Fehlertoleranz.



Leistungsorientierung.



Unterstützung von werteorientiertem und reflektiertem Handeln.



Wertschätzung der Mitarbeiter und ihrer Beiträge.



Unterstützung von Mobilität und Unabhängigkeit.



Förderung des Networking innerhalb des Unternehmens.



Positive Haltung zum Lernen.

Die Entwicklung der Unternehmenskultur in Richtung einer EmployabilityKultur ist ein Prozess, der sich nicht von heute auf morgen vollzieht und mit vielen Unwägbarkeiten verbunden ist. Werte, Normen und Orientierungen müssen sich ändern; es bedarf einer Anpassung der Denk- und Handlungsmuster. Da eine Verhaltensänderung des Einzelnen nicht angeordnet werden kann, ist lediglich eine Beeinflussung über Rahmenbedingungen möglich. Bevor die Unternehmenskultur in Richtung einer Employability-Kultur entwickelt wird und Rahmenbedingungen verändert werden, ist eine Status-QuoBestimmung erforderlich. Ein mögliches Instrument zur Visualisierung der bestehenden Unternehmenskultur stellt das Kultur-Audit dar. Mit Hilfe des Kultur-Audits lässt sich feststellen, wie stark die Variablen ausgeprägt sind. Die Ist-Analyse erfolgt auf zwei sich ergänzenden Wegen. Zum einen lassen sich über eine direkte Analyse der Variablen Eindrücke über die unternehmenskulturelle Situation gewinnen. Zum anderen wird eine indirekte Analyse der Variablen über die Sammlung und Auswertung von Aktionsmustern, Ritualen und spontanem Erfolgshandeln durchgeführt. Die Unternehmenskultur wird insbesondere in Geschichten sichtbar, die man sich erzählt. Anekdoten, Erzählungen über Erfolge und Misserfolge, Interpretationen und 108

EMPLOYABILITY – DIE GRUNDLAGEN

Deutungen von Ereignissen verdeutlichen, welche geheimen und offenen Spielregeln eine Rolle spielen.33 Die Ist-Analyse der Unternehmenskultur ist ein Aspekt. Einen weiteren Aspekt stellt die Soll-Situation dar. Um den Änderungsbedarf zu erfassen und der Entwicklung der Unternehmenskultur eine Richtung zu geben, ist es hilfreich, nicht nur einen Überblick über die Ist-Situation zu haben, sondern auch den Soll-Zustand der Kulturvariablen zu ermitteln. Nach einer komparativen Betrachtung des Ist- und Soll-Zustandes stellt sich dann die Frage nach Ansätzen, eventuelle Lücken zu schließen. Als effektive Methode zur Gestaltung einer Employability-Kultur gelten Partizipationsmodelle. •



Eine Employability fördernde Kultur kann durch Autonomie am Arbeitsplatz und Partizipation in der Entscheidungsfindung gefördert werden. Die Mitarbeiter handeln in einem solchen Kontext zunehmend eigenverantwortlich. Sie sind bestrebt, kreativ zu sein und ihre Ideen in die Geschäftsprozesse einzubringen. Darüber hinaus kann eine umfassende Beteiligung der Beschäftigten bei der Entwicklung von Employability-Konzepten und -Instrumentarien kulturbeeinflussend sein. Diese Art der Partizipation erhöht die Einsicht in die Notwendigkeit von Beschäftigungsfähigkeit für den Einzelnen und für das Unternehmen und steigert die Sensibilität und Akzeptanz sowie die Motivation.

Zur Schaffung einer Employability-Kultur sind Partizipationsmodelle hilfreich und sinnvoll, aber nicht zwingend erforderlich. Unabdingbar ist jedoch, dass Employability Teil der Unternehmenspolitik ist und damit zu einem Thema wird, das in der Geschäftsführung fest verankert ist. Wichtig sind die strategische Anknüpfung, die Stimmigkeit des Handelns und die Stimmigkeit der Strukturen und Prozesse. Dazu gehört auch die Aufdeckung von Widersprüchen. Eine weitere Notwendigkeit ist eine offene und durchgängige Informationspolitik. So früh wie möglich und wo immer es vertretbar ist, sollte Wissen mit Arbeitnehmer-Vertretern und Mitarbeitern geteilt werden. Nur so kann es ge-

33 Vgl.: Armutat, S. et al. (2000), S. 44f.

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lingen, Menschen aus der Passivität zu holen, denn der Einzelne wird nur dann bereit sein, Verantwortung zu übernehmen, wenn er über die entsprechende Informationsbasis verfügt, um die Sinnhaftigkeit seines Handels erfassen zu können. Dabei kommt eine besondere Bedeutung dem Verhalten der Führungskräfte zu, die eine Vorbildfunktion einnehmen und gleichzeitig ihre Mitarbeiter im Prozess der Gestaltung von Beschäftigungsfähigkeit unterstützen. 5.3.2 Handlungsfeld „Führung“ Insbesondere die unmittelbaren Vorgesetzten sind gefordert, auf die Beschäftigungsfähigkeit ihrer Mitarbeiter zu achten und diese zu fördern. Dies liegt darin begründet, dass sie aufgrund des täglichen und praxisnahen Kontaktes zu ihren Mitarbeitern einen sehr viel besseren Überblick über deren Kenntnisse und Fähigkeiten, sowie über Bedarfe an Wissens- und Kompetenzentwicklung haben als beispielsweise die Personalabteilung. Daraus leitet sich folgendes Anforderungsprofil der Führungskräfte ab: •



Keine Führung im Sinne des „Gießkannen-Prinzips“, statt dessen individualisierte Führung (jeden Mitarbeiter dort abholen, wo er steht/kombiniert mit Führung durch Ziele). Schaffung von Rahmenbedingungen, in denen Mitarbeiter erfolgreich arbeiten können.



Gewährung von Freiräumen und Handlungsspielräumen.



Übernahme von Verantwortung.



Glaubwürdigkeit, die sich im konsequenten Handeln und im Vorleben zeigt, und Wahrnehmung der Vorbildfunktion.



Inspirieren, Überzeugen, Motivieren und Herausfordern.



Sensibilität für Beschäftigtenbelange.



Schaffen einer Atmosphäre von Offenheit und Vertrauen.



Führungsphilosophie: „Unternehmer im Unternehmen“.

Im Rahmen von Employability ergibt sich eine Reihe von Herausforderungen für Führungskräfte (Abb. 8): 110

EMPLOYABILITY – DIE GRUNDLAGEN

Herausforderung III: „Employable“ Mitarbeiter sind anspruchsvoller in Bezug auf Führung Herausforderung II: Employability selbst vorleben Herausforderung I: Employability der Mitarbeiter fördern

ABB. 8: ZENTRALE HERAUSFORDERUNGEN FÜR FÜHRUNGSKRÄFTE

In einem immer flexibler werdenden Arbeitsumfeld lässt sich Erfolg oder Misserfolg der Mitarbeiter nicht länger über die Präsenz am Arbeitsplatz, ständige Kontrollierbarkeit und jahrelange Betriebszugehörigkeit bemessen. Vielmehr ist es die zielgerichtete Leistung, verbunden mit der Bereitschaft zur ständigen Weiterentwicklung, die honoriert oder im negativen Fall auch sanktioniert werden sollte. Für die Rolle der Führungskräfte bedeutet dies eine sehr viel höhere Komplexität und auch einen gewissen Machtverlust. Versucht eine Führungskraft hingegen, ihren Machtanspruch zu sichern, ist die Förderung von eigenverantwortlichem Denken und Handeln bei Mitarbeitern nur bedingt möglich. Ein zu enges Korsett an Bestimmungen und Regulationen be- bzw. verhindert dies. Stattdessen sollte der Vorgesetzte seinen Mitarbeitern bezüglich der Aufgabenbewältigung und -verteilung innerhalb eines idealerweise gemeinsam definierten Rahmens Freiheitsgrade und Handlungsspielräume gewähren. Dies impliziert auch, die Individualität jedes einzelnen Mitarbeiters zu akzeptieren und in die Gestaltung dieses Rahmens einzubeziehen. Auf der anderen Seite birgt die Gewährung von Freiräumen die Gefahr, Mitarbeiter zu sehr „sich selbst zu überlassen“ und ihnen damit das Gefühl von Stabilität und Sicherheit zu nehmen. Hier ist die Führungskraft gefordert, die richtige Balance zu finden, sodass der Mitarbeiter in dem Bewusstsein agiert, bei 111

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Problemen und Hindernissen im Notfall auf seine Führungskraft zugehen und sie um Unterstützung bitten zu können. Dies entspricht auch dem Konzept der „Flexicurity“, das auf europäischer und nationaler Ebene zu einer zentralen politischen Strategie geworden ist und ein Gleichgewicht zwischen sozialer Sicherung und Flexibilisierung zum Ziel hat.34 In diesem Kontext besteht die Herausforderung auch darin, Mitarbeiter „um ihrer selbst willen“ zu fördern. Eine Führungskraft, die Employability fordert und fördert, blockiert die berufliche Entwicklung ihrer Mitarbeiter nicht, indem sie sie „versteckt“ – auch wenn dies bedeutet, dass der weitere Weg des Mitarbeiters außerhalb der eigenen Abteilung oder des eigenen Unternehmens verlaufen wird. Sie vermittelt ihnen vielmehr das Gefühl, dass ihr Engagement bezüglich des eigenen Fortkommens erwünscht ist und auf Förderung und Unterstützung stößt. Nur diejenigen Vorgesetzten, die Talente „um ihrer selbst willen“ fördern und auch ziehen lassen, werden im Unternehmen zur „Führungskraft of choice“ für High Potentials und steigern damit auch in der Außenwirkung die Attraktivität des Unternehmens als Arbeitgeber. „Loslassen“ darf allerdings nicht bedeuten, den Mitarbeitern das Gefühl zu vermitteln, dass ihre Person und Leistung als gleichgültig betrachtet werden – vielmehr sollte sich das Verhältnis zwischen Führungskraft und Mitarbeiter als gleichberechtigte Partnerschaftsbeziehung gestalten. Eine weitere wesentliche Anforderung, die Führungskräften im EmployabilityAnsatz zukommt, besteht darin, die Motivation ihrer Mitarbeiter zu fördern. Dies gilt für konkrete Arbeitsaufträge oder Projekte ebenso wie für den Fokus der weiteren beruflichen Orientierung des Mitarbeiters. Das Motivationsmoment wird dabei insbesondere dann zum entscheidenden Faktor, wenn der Mitarbeiter selbst nicht an seine Fähigkeiten oder Entwicklungsmöglichkeiten glaubt oder wenn im Zuge von Veränderungen Widerstände auftreten. In diesem Zusammenhang kann auch das Führen über Zielvereinbarung mit einer konsequenten Einbindung des Mitarbeiters in die Zielformulierung ein sinnvolles Instrument sein. Ein Weg, die Beschäftigungsfähigkeit der Mitarbeiter zu fördern, kann darin bestehen, ihnen neue Herausforderungen zu bieten, an denen sie sich messen und weiter entwickeln können. Dabei gilt es, den für den jeweiligen Mit34 Vgl.: Keller, B./Seifert, H. (2008), S. 1.

112

EMPLOYABILITY – DIE GRUNDLAGEN

arbeiter geeigneten Weg zu erkennen und zu verfolgen. So kann es bei einigen Mitarbeitern angebracht sein, sie gezielt an ihre Grenzen zu bringen und ihnen dadurch Potenziale aufzuzeigen, derer sie sich selbst noch nicht bewusst sind. Die Stärkung von Eigenverantwortung und Initiative durch die Übertragung anspruchsvollerer Aufgaben kann jedoch auch zu einer Überforderung des Einzelnen, verbunden mit der Gefahr des Ausbrennens und der Selbstausbeutung, führen. Dessen sollten sich Führungskräfte bewusst sein und ein Gespür dafür entwickeln, welchen Grad von Verantwortung und eigenständigem Handeln der Einzelne zu leisten im Stande ist. Gerade im Bereich Employability ist die Führungskraft als Vorbild der beste Motivator. Die Vorbildfunktion umfasst dabei das Vorleben von Eigenverantwortung und Initiative ebenso wie ein konsequentes „Sich-in-Fragestellen“. Zeigt die Führungskraft sich stets interessiert an Erhalt und Steigerung ihrer eigenen Beschäftigungsfähigkeit und spiegelt dies auch an ihren Mitarbeitern, werden diese der Thematik ebenfalls offener und vertrauensvoller begegnen. Die Glaubwürdigkeit der Führungskraft gegenüber ihren Mitarbeitern äußert sich insbesondere in einer Solidarität, die sie mit ihrem Team verbindet. Nur in einer offenen und toleranten Führungskultur, in der Wünsche und Beiträge der Mitarbeiter beachtet werden und auch der Vorgesetzte sich der Kritik stellt und Konfliktfähigkeit beweist, kann Employability gedeihen. Dazu gehört eine hohe Verbalisierungs-, Visualisierungs- und Vernetzungskompetenz ebenso wie ein partnerschaftliches, kooperatives Miteinander. Dazu gehört auch, dass die Führungskraft damit umgehen kann, dass ihre Mitarbeiter gegebenenfalls in bestimmten Fachthemen über ein größeres Know-how verfügen als sie selbst. Ein weiterer bedeutsamer Aspekt in diesem Zusammenhang ist die Bereitschaft, zu gegebenen Versprechen zu stehen. Werden beispielsweise zugesagte Entwicklungsmaßnahmen „auf die lange Bank geschoben“, so ist mit einer kontinuierlich nachlassenden Motivation der Mitarbeiter zu rechnen. Eine hohe Bedeutung kommt auch der Fähigkeit des Vorgesetzen zu, Wissen vermitteln und teilen zu können und auch eine Atmosphäre zu schaffen, in der das Teilen von Wissen erleichtert wird und neue Ideen akzeptiert werden. Darüber hinaus sollte die Führungskraft soweit wie möglich Geschäftsentwicklungen und Unternehmenspolitik transparent machen, um so die Unternehmenskultur zu transportieren. 113

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In der Praxis scheitert ein solches Führungsverständnis nicht selten an machtpolitischen Zwängen und der Eigendefinition vieler Vorgesetzter. Daher ist es unerlässlich, insbesondere die Führungskräfte mit dem Gedankengut der Employability vertraut zu machen und sie entsprechend zu qualifizieren, um den Umgang mit der Beschäftigungsfähigkeit ihrer Mitarbeiter, aber nicht zuletzt auch mit ihrer eigenen Employability, zu verbessern und schrittweise zu verinnerlichen. 5.3.3 Handlungsfeld „Organisation“ Ein Unternehmen, das zielgerichtete und praxisorientierte Beschäftigungsfähigkeit anbietet, muss sich als „Lernende Organisation“ mit durchlässigen und flexiblen Strukturen begreifen, die durch •

die Gleichwertigkeit von informeller und formaler Struktur,



Entscheidungsbefugnisse, Verantwortlichkeiten und Handlungsspielräume,



kurze und effiziente Informationskanäle und Entscheidungswege,



so viele Schnittstellen wie unbedingt erforderlich und



Flexibilisierung auf der operativen Ebene

gekennzeichnet sein sollte. Gleichwertigkeit von informeller und formaler Struktur Zur Förderung von Employability muss es Mitarbeitern und Führungskräften möglich sein, über die Grenzen des eigenen Fachgebietes und der Abteilung hinaus tätig zu werden, wenn es im Interesse des Kunden und des Unternehmens als notwendig angesehen wird. Dazu gehört auch die bewusste Förderung bereichsübergreifender Projektarbeiten und Kommunikationswege. Die informelle Struktur ist deshalb als ebenso wichtig einzustufen wie die formale. Die Gleichwertigkeit von informeller und formaler Struktur ist offenbar noch immer ein Tabuthema für Unternehmen. Lange Zeit waren informelle Strukturen offiziell nicht gern gesehen, wenngleich das operative Tagesgeschäft fast ausschließlich darüber abgewickelt worden ist. Dass plötzlich die informellen Strukturen die gleiche Bedeutung erlangen wie die formalen Struk-

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EMPLOYABILITY – DIE GRUNDLAGEN

turen, wird angesichts der jahrelangen Erfahrungen mit Zurückhaltung betrachtet, wobei vielfach die Erkenntnis über die Sinnhaftigkeit vorhanden ist. Entscheidungsbefugnisse, Verantwortlichkeiten und Handlungsspielräume Eine Employability unterstützende Organisationsstruktur ist darüber hinaus durch einen hohen Autonomiegrad und große Handlungsspielräume gekennzeichnet. Die Verantwortung für die Aufgabe und das Ergebnis wird auf den Mitarbeiter übertragen. Die Delegation von Entscheidungsbefugnis und Verantwortung bedingt eine Verflachung der Hierarchie. Ob die Verantwortung und Befugnisse von den Beschäftigten angenommen werden, hängt entscheidend vom Entwicklungsstand der Unternehmenskultur ab. In einer Atmosphäre, in der Mitarbeiter Angst haben, wegen Fehlern Maß geregelt zu werden, schöpfen sie den Handlungsspielraum nicht aus. Im Rahmen einer Kultur, in der Fehler als Chance zum Lernen und zur gesteuerten Verbesserung sowie als Ergebnis eines Kreativprozesses betrachtet werden, setzen sie hingegen ihr Wissen um und generieren neues Know-how. So entwickeln sich an Arbeitsplätzen, die durch ein hohes Maß an Entscheidungsbefugnis, Verantwortlichkeiten und Handlungsspielräumen gekennzeichnet sind, Lernfelder, in denen der Einzelne Beschäftigungsfähigkeit erhalten und weiter entwickeln kann. Für die Gestaltung der Arbeitsinhalte ergibt sich, dass sie nicht nur einen hohen Autonomie-, sondern auch Autarkiegrad aufweisen. Kurze und effiziente Informationskanäle und Entscheidungswege Als weiteres Kriterium einer im Sinne von Employability anzustrebenden Organisation gelten kurze, gut funktionierende Informations- und Entscheidungswege. Denn eigenverantwortliches und unternehmerisches Handeln ist nur dann möglich, wenn die relevanten Informationen verfügbar sind und Entscheidungsprozesse nicht unnötig verzögert werden. Kurze Informations- und Entscheidungswege lassen sich idealerweise in flachen Hierarchien mit überwiegend dezentralen Strukturen umsetzen. Kurze Wege um jeden Preis bergen jedoch die Gefahr, informellen Prozessen und dem sozialen Austausch innerhalb des Unternehmens den Raum zu nehmen, die für ein vertrauensvolles und offenes Miteinander unerlässlich sind. Hier gilt es, die richtige Balance zu finden und durch transparente und nachvollziehbare Prozesse, Abläufe und Aufgabenverteilungen Glaubwürdigkeit zu schaffen. 115

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So viele Schnittstellen wie unbedingt erforderlich Kurze Informations- und Entscheidungswege stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit der Anzahl der Schnittstellen. Eine durchlässige und flexible Organisation bedingt die Reduktion der Schnittstellen auf das Wesentliche. Die Notwendigkeit (nicht die Möglichkeit) von Zusammenarbeit und Kommunikation auf das organisatorisch wesentliche Maß ist darauf zurückzuführen, dass der Aufwand, aus jeder Schnittstelle eine Verbindungsstelle zu machen ebenso groß ist wie die Gefahr, dass dies nicht gelingt oder den Status von Zufälligkeit erhält. Die Forderung nach einer Reduktion der Schnittstellen auf ein wesentliches Maß widerspricht nicht dem Streben nach Zusammenarbeit und Austausch, das von einer Employability fördernden Organisationsstruktur unterstützt werden soll. Wenn es im Interesse der heutigen und zukünftigen Aufgaben der Kunden und des Unternehmens ist, besteht nicht nur die Möglichkeit, sondern sogar die Erfordernis, miteinander zu kommunizieren und zu kooperieren.35 Operative Dimension Neben der strategischen Dimension der Organisation spielt auch die operative Dimension der Arbeitsorganisation eine Rolle. Es ist davon auszugehen, dass die Erosion des „Normalarbeitsverhältnisses“ Employability fördert. Dies geschieht nicht nur indirekt durch veränderte Führungsbeziehungen, sondern auch direkt durch die Flexibilisierung der Arbeitsbeziehungen, Arbeitszeiten, Arbeitsorte, Arbeitsprozesse und Arbeitsinhalte. Gerade flexible Arbeitszeitund Arbeitsortgestaltung bietet zahlreiche Möglichkeiten, „in Bewegung zu bleiben“ und so die kontinuierliche Weiterqualifizierung von Mitarbeitern zu realisieren und voranzutreiben. Eine Employability fördernde Arbeitsorganisation basiert auf dem Prinzip: „Öfter mal etwas Neues“. Das bedeutet nicht unbedingt, die gesamte Belegschaft regelmäßig rotieren zu lassen. Schon kleinteilige Maßnahmen führen zum Erfolg: •

Stellvertretungen



Job Enrichment

35 Vgl.: Rump, J.; Lau-Villinger, D. (2001), S. 32; Pfiffner, M./Stadelmann, P. (1999), S. 340.

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EMPLOYABILITY – DIE GRUNDLAGEN



Job Enlargement



Arbeiten im Team



Mitarbeit in Projekten



Abteilungsübergreifende Zusammenarbeit



Mitarbeiter als Coach, Mentor und/oder als interner Trainer



Job Rotation (wenn möglich)

Denkbar wären auch Job-Sharing-Modelle, in denen zwei Arbeitnehmer sich einen Arbeitsplatz teilen, um sich in der dadurch ergebenden freien Zeit ihrer Fortbildung zu widmen, aber auch Jahresarbeitszeitkonten, die mehrmonatige Qualifizierungszeiträume ermöglichen. Darüber hinaus unterstützt die Flexibilisierung der Arbeitsinhalte und Arbeitsprozesse die Wissens- und Kompetenzentwicklung. Derartige Veränderungen erfordern und fördern Beschäftigungsfähigkeit, indem die Arbeitnehmer immer wieder mit neuen bzw. andersartigen Abläufen und Inhalten in Berührung kommen. Zu verhindern gilt es jedoch eine Zerfaserung und Zersplitterung durch zu viel Flexibilität – auf Stimmigkeit und Koordinierbarkeit der einzelnen Abläufe und Arbeitsinhalte ist daher besonderes Augenmerk zu richten. Es wird deutlich, dass eine Organisationsstruktur, die Employability fördert, keine Primärorganisation sondern eine Sekundärorganisation darstellt. Insbesondere in wissensintensiven Unternehmen lässt sich diese Art der Sekundärorganisation gut mit der Primärorganisationsform der netzwerkartigen Strukturen und/oder Projektorganisation kombinieren. 5.3.4 Handlungsfeld „Personalentwicklung“ Traditionelle Angebote bezüglich der Personalentwicklung richten sich meist auf eine einmalige Ausbildung und spezifische Weiterbildungen, die in Unternehmen in der Regel bedarfsorientiert angeboten werden. Bedarfsorientierung heißt in diesem Zusammenhang, dass die Weiterqualifizierung erst dann erfolgt, wenn ein Bedarf angemeldet oder ermittelt wird. Ein zweiter häufiger Weg ist die Neu- oder Zusatzqualifizierung von Arbeitslosen durch den Staat, die jedoch ebenfalls erst dann eingeleitet wird, wenn eine konkrete Notwendigkeit dafür vorliegt. Des Weiteren ist in Unternehmen häufig eine – 117

J U T T A R U M P /S I L K E E I L E R S

wenn auch unbewusste – Tendenz festzustellen, Weiterqualifizierung insbesondere den Mitarbeitern zugute kommen zu lassen, die ohnehin bereits über eine höhere Qualifikation verfügen. Personalentwicklung im Employability-Konzept verfolgt einen anderen, einen vorausschauenden Ansatz, in dem die Qualifikation des Einzelnen einer kontinuierlichen Überprüfung und Anpassung unterliegt, die sich nicht nur an konkreten Unternehmensbedürfnissen oder der Beschäftigungssituation ausrichtet, sondern auch an den aktuell und zukünftig auf dem Arbeitsmarkt nachgefragten Kompetenzen und Fähigkeiten. Dabei sind auch niedrig qualifizierte Arbeitskräfte in entsprechende Konzepte einzubinden, da ihnen am vehementesten der Ausschluss aus der Erwerbsgesellschaft droht, wenn ihre Kenntnisse und Fähigkeiten nicht mehr länger marktfähig sind. Die Initiative geht dabei sowohl vom Arbeitgeber als auch vom Arbeitnehmer aus, der nicht die Rolle des passiven Konsumenten der Aus- und Weiterbildungsangebote annimmt, sondern aktiv mitgestaltet. Die Bemühungen beider Seiten sollten hier die Aktivitäten der jeweils anderen Seite stärken und vorantreiben. So können die Innovationsbestrebungen des Einzelnen durchaus einen Beitrag zum Einsatz neuer Strategien im Unternehmen initiieren, während der Arbeitgeber seine Mitarbeiter gemäß der langfristigen Unternehmensstrategie und Trends auf den relevanten Märkten entwickelt. Employability fördernde Personalentwicklung ist lebenslanges Lernen. Lebenslanges Lernen impliziert das Aufrechterhalten des Lern-Spannungsbogens während der gesamten Berufstätigkeit und damit die Gestaltung eines kontinuierlichen Lernprozesses. So kann die Motivation zum Lernen geweckt werden, noch bevor bei den Mitarbeitern das Gefühl entsteht, auf einem bestimmten Gebiet bereits das Höchstmaß der Leistungen erreicht zu haben, sie keine ins Gewicht fallenden Steigerungsmöglichkeiten mehr erkennen können und ihnen der Reiz des Fortschritts fehlt.36 Aufgabe der Personalentwicklung ist es in diesem Zusammenhang, eine Lernkultur im Unternehmen zu schaffen, die die Lernmotivation und -kompetenz der Mitarbeiter erhöht. Dazu gehört auch, die zeitlichen und räumlichen Bedürfnisse der Lernenden zu berücksichtigen. So lässt sich Lernen als natürlicher und immerwährender Prozess in unterschiedliche Lebensphasen integrieren. Darüber hinaus gilt es, informell 36 Vgl.: Weber, R./Thiele, D. (2009), S. 207.

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EMPLOYABILITY – DIE GRUNDLAGEN

erworbene Kompetenzen, beispielsweise durch ehrenamtliches Engagement oder durch Familienzeiten, ebenso als Teil der lebenslangen Lern- und Erfahrungsentwicklung anzuerkennen wie formell nachweisbare Qualifikationen. Weitere Merkmale einer Personalentwicklung im Sinne von Employability sind •

die Delegation der Personalentwicklungsverantwortung auf die Mitarbeiter und direkten Vorgesetzten (Selbstentwicklung als Folge des Subsidiaritätsprinzips),



Zielgruppendifferenzierung,



die Fokussierung auf überfachliche Kompetenzen sowie



die Integration unternehmens- und arbeitsbereichsbezogener Lernfelder.

Das Subsidiaritätsprinzip geht davon aus, dass in erster Linie der Mitarbeiter als mündiges Subjekt mit eigenen Interessen und Zielvorstellungen für seine Entwicklung verantwortlich ist. Der Vorgesetzte leistet ihm dabei „Hilfe zur Selbsthilfe“. Die Personal(entwicklungs-)Abteilung und andere professionelle Institutionen werden als dritte Instanz im Hintergrund aktiv. Dabei geht es nicht zuletzt auch darum, dem Einzelnen den Anspruch der Employability zu vermitteln und das Eingehen des „neuen Kontraktes“ zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu befördern.37 Personalentwicklung sollte nicht länger pauschal und undifferenziert sein. Stattdessen sollte sie die Qualifikationen, Stärken, Präferenzen und Interessen, Lebensläufe, Aufgabenbereiche und -inhalte etc. stärker berücksichtigen. Darüber hinaus gilt es darauf zu achten, Personalentwicklung nicht nur für ohnehin bereits gut ausgebildete Fach- und Führungskräfte voran zu treiben, sondern auch zielgruppenspezifische Angebote für geringer qualifizierte Mitarbeiter anzubieten. Im Rahmen von Employability konzentriert sich die Personalentwicklung nicht nur auf die Vermittlung von fach- und branchenbezogenen Kenntnissen sowie von für einen spezifischen Tätigkeitsbereich und Arbeitsplatz erforderlichen technischen Fertigkeiten. Darüber hinaus stellt sie sich der Herausforderung, den Mitarbeitern eine breite Basis auch an „Soft Skills“ nahe zu bringen, die

37 Vgl.: Kraus, K. (2006), S. 90.

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gerade im Hinblick auf Employability von besonderer Bedeutung sind. Wie bereits verdeutlicht zählen zu diesen „Soft Skills“: •

Initiative



Eigenverantwortung



Unternehmerisches Denken und Handeln



Engagement/Fleiß/Selbstdisziplin



Lernbereitschaft



Teamfähigkeit



Kommunikationsfähigkeit



Empathie, Einfühlungsvermögen



Belastbarkeit



Konfliktfähigkeit, Frustrationstoleranz



Offenheit, Veränderungsbereitschaft



Reflexionsfähigkeit

Qualifizierung im Employability-Ansatz erfolgt nicht mehr primär durch Seminare oder Outdoor-Veranstaltungen. Es geht vielmehr darum, dem Mitarbeiter im Rahmen seiner täglichen Arbeit und/oder in gezielten Lernfeldern mit zielgruppenspezifischem bzw. individuellem Bezug eine Möglichkeit zur Weiterentwicklung zu bieten. Solche Lernansätze sind beispielsweise:38 •

„Training on the job“ (Verzahnung von Arbeit und Lernen)



„Training near the job” (Arbeitskreise, Qualitätszirkel etc.)



Veränderung der Arbeitsinhalte durch „Job Rotation“, „Job Enlargement“ oder „Job Enrichment“



Team- und Projektarbeiten



Coaching



Mentoring



Selbstmanagement

38 Vgl.: Rump, J; Lau-Villinger, D. (2001), S. 45ff.

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EMPLOYABILITY – DIE GRUNDLAGEN

• •





Monitoring: Kontinuierliche Standortbestimmung Vermittlung von Best Practice und Best Process, z. B. in Form von Erfahrungsaustauschgruppen, Vorträgen oder Konferenzen Großgruppeninterventionen, wie z. B. Open Space Meetings oder Zukunftskonferenzen Nachwuchsförderprogramme

Allzu häufig fällt in wirtschaftlich schwierigen Zeiten die Personalentwicklung als einer der ersten Bereiche dem Rotstift zum Opfer – hierbei spielen Kosteneinsparprogramme ebenso eine Rolle wie Personalabbau, der die Zeit für persönliche Weiterentwicklung stark reduziert. Ebenso zeigt sich bei Arbeitgebern häufig eine mangelnde Einsicht in die Sinnhaftigkeit von Personalentwicklungsmaßnahmen für Mitarbeiter, die unter Umständen recht schnell das Unternehmen wieder verlassen. Hier lässt sich als Gegenargument anführen, dass diese Mitarbeiter für die Dauer ihrer Tätigkeit im Unternehmen dieses durch optimale Leistungserbringung voran bringen. Die oben aufgeführten Beispiele zeigen darüber hinaus deutlich, dass es sich bei Personalentwicklungsmaßnahmen, die durch praxisnahes Lernen zur Förderung der Beschäftigungsfähigkeit beitragen, durchaus nicht um kostspielige, extern eingekaufte Trainings handeln muss. Vielmehr tragen integrierte und individuelle bzw. zielgruppenspezifische Lernansätze erheblich zur Steigerung der Employability bei. Auch aufgrund der nicht ausschließlich unternehmensspezifischen Qualifizierung erscheint es zudem durchaus vertretbar, einen Teil der entstehenden Aufwendungen durch den Mitarbeiter tragen zu lassen. Diese Beteiligung kann sowohl in Form von Geld als auch in Form von Freizeit ausgestaltet werden. Es ist damit zu rechnen, dass viele Mitarbeiter dadurch ein Interesse an einer ziel- und zweckgerichteten Weiterbildung entwickeln. Darüber hinaus wird das Personalentwicklungsbudget entsprechend entlastet, sodass das Unternehmen auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten in der Lage ist, die Beschäftigungsfähigkeit seiner Mitarbeiter zu fördern. Darüber hinaus sind Weiterbildungskooperationen mit anderen Unternehmen oder auch die Bildung von überbetrieblichen Netzwerken für Hospitationen oder Modelle der „Cross-Job-Rotation“ denkbar. Neben der Reduktion von Kosten hat dieser Ansatz den Vorteil, dass der Mitarbeiter „über den Teller121

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rand des Unternehmens hinausschaut“, sich in wenig vertrauter Umgebung und Arbeitskontexten bewegen muss sowie andere Abläufe und Strukturen kennen lernt. Dies fördert den Umgang mit ungewohnten Situationen, Anpassungsfähigkeit sowie Flexibilität. Theoretisch-konzeptionell basiert eine Employability fördernde Personalentwicklung u. a. auf den reflexiven Lernmodellen. Im täglichen Leben, sei es beruflich oder privat, wird das Individuum mit einer Vielzahl von Situationen konfrontiert, die eine Entscheidung entweder in Form einer konkreten Aktion oder aber einer inneren Einstellung erfordern. Jeder Einzelne reagiert dabei individuell auf die gleiche Situation. Seine Denk- und Handlungsmuster sind geleitet von seinen Überzeugungen, die auf einer Abfolge innerer Vorgänge basieren, die Chris Argyris in seiner „Leiter der Schlussfolgerungen“ beschreibt. Zu Beginn der Leiter der Schlussfolgerungen stehen beobachtbare Daten und Erfahrungen. In einem ersten Schritt werden einige davon ausgewählt, es findet eine Selektion in der Wahrnehmung statt. Diesen ausgewählten Daten werden Bedeutungen hinzugefügt, von denen ausgehend Annahmen und Hypothesen entwickelt werden. Die daraus gezogenen Schlussfolgerungen führen zu Überzeugungen, die in einer reflexiven Schleife wiederum die Auswahl der beobachtbaren Daten beeinflussen. Außer den wahrnehmbaren Daten am Fuß der Leiter und den Handlungen an der Spitze sind die vollzogenen Schritte für andere nicht sichtbar und auch häufig dem Schlussfolgernden selbst nicht bewusst.39 Abbildung 9 gibt einen Überblick über die Leiter der Schlussfolgerungen:

39 Vgl.: Senge, P. M. (1997), S. 280–281.

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EMPLOYABILITY – DIE GRUNDLAGEN

Handlungen Überzeugungen Schlussfolgerungen Annahmen Bedeutung/Zuschreibung Beobachtbare und ausgewählte Daten Erfahrungshintergrund

ABB. 9: DIE LEITER DER SCHLUSSFOLGERUNGEN40

Nicht selten werden die entwickelten Annahmen, Schlussfolgerungen und Überzeugungen nicht in Frage gestellt. Viele glauben, dass ihre Überzeugungen der Wahrheit entsprechen und diese Wahrheit offensichtlich ist. Darüber hinaus sind sie sich der zunehmenden Abstraktion in ihrer Umweltwahrnehmung nicht bewusst und gehen so davon aus, dass ihre Überzeugungen auf objektiven Daten basieren, die für den Kontext, in dem sie sich bewegen, die relevanten Daten sind.41 Damit wird zwangsläufig die Bereitschaft, sich auf Veränderungen einzulassen und sich neuen Denk- und Handlungsmustern zu öffnen, gelähmt. Laut Agryris ist die Neigung zu derart eingeschränkten Wahrnehmungsprozessen zum einen auf die hohe Geschwindigkeit, mit der sich Schlussfolgerungen und Überzeugungen entwickeln, zurückzuführen. Zum anderen liegt sie auch darin begründet, dass alle Sprossen der Leiter sich ausschließlich im Kopf befinden und lediglich die direkt wahrnehmbaren Daten am Fuß der Leiter und der an der Spitze stehende Handlungsentschluss für den Einzelnen sichtbar werden. Der dazwischen liegende Bereich wird somit nicht hinterfragt, er läuft unbewusst und auf einem sehr hohen Abstraktionsniveau ab. Daher sind 40 Vgl.: Senge, P. M. (1997), S. 280, Argyris, C. (1997). 41 Vgl.: Senge, P. M. (1997), S. 279.

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Menschen meist nicht in der Lage zu beurteilen, worin der Ausgangspunkt für die tief in ihnen verankerten Überzeugungen liegt.42 Aus der Leiter der Schlussfolgerungen lassen sich mehrere Lernmodelle ableiten. Lernprozesse, bei denen Problemstellungen bearbeitet werden, ohne den Bezugsrahmen (Bedeutungen, Annahmen, Schlussfolgerungen und Überzeugungen) zu verändern, werden auch als single-loop-learning bezeichnet. Bestehende mentale Barrieren werden bestätigt, und es folgt lediglich eine Weiterentwicklung bereits vorhandener Wissensbestandteile. Das daraus resultierende Denk- und Handlungsmuster ist dann strikt defensiv. Wird hingegen der Bezugsrahmen mit seinen Bedeutungen, Annahmen, Schlussfolgerungen und Überzeugungen kontinuierlich überprüft und verändert, liegt double-loop-learning vor. Double-loop-learning ermöglicht eine Anpassung an relativ unbekannte, wenig vertraute Situationen. Mit dem Fokus auf Employability wird deutlich, dass es einer Art des Lernens bedarf, die auch den Bezugsrahmen mit seinen Bedeutungen, Annahmen, Schlussfolgerungen und Überzeugungen in Frage stellt. Double-loop-learning wird somit angestrebt.43 5.3.5 Handlungsfeld „Karrieremodelle“ Die Auffassungen darüber, was „Karriere“ bedeutet, gehen häufig weit auseinander. Jedes Unternehmen, ja jedes Individuum definiert diesen Begriff für sich. Hat man Karriere gemacht, wenn man gewisse Statussymbole sein eigen nennt? Oder erst dann, wenn man eine gewisse Führungsspanne abdeckt? Oder zeigt sich Karriere vielleicht bereits darin, länger als die Kollegen zu arbeiten und einen höheren Betrag auf dem Gehaltszettel vorzufinden? Eines scheint jedoch klar – die vielfältigen Veränderungen der Arbeitswelt lassen auch den Karrierebegriff nicht unberührt. Er erfährt eine Neuausrichtung insbesondere in zwei Aspekten: •

Der Infragestellung rein vertikaler Karrierepfade.



Dem Wegfall der Fokussierung auf einen Arbeitgeber und ein Berufsfeld.

42 Vgl.: Senge, P. M. (1997), S. 281. 43 Vgl.: Argyris, C./Schön, D. (1999), S. 35f.; Antoni, C. (1999), S. 13.

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EMPLOYABILITY – DIE GRUNDLAGEN

Die Infragestellung rein vertikaler Karrierepfade Die Forderung nach flacheren Hierarchien, durchlässigen Organisationsstrukturen und flexiblen Modellen der Arbeitsgestaltung macht rein vertikale Karriereentwicklungen in Unternehmen immer schwerer realisierbar. Der klassische „Aufstieg“ bleibt nur einer kleinen Gruppe vorbehalten, da Führungsebenen wegfallen und somit das Modell der Karriereleiter vielfach von einer Kompetenzfläche abgelöst wird. Betrachtet man vertikale Karrieremodelle vor dem Hintergrund der Employability, so zeigt sich, dass sie der Förderung der Beschäftigungsfähigkeit nicht dienen, sondern diese eher behindern. Ein klassischer Karrierepfad, der von der Gruppenleitung über die Abteilungsverantwortung schließlich zur Bereichsleitung führt, lässt dem Einzelnen wenig Raum für den Blick „über den Tellerrand hinaus“, sondern beschränkt ihn immer stärker auf sein spezifisches Tätigkeitsfeld. Darüber hinaus sind nicht selten weniger Führungsqualitäten als vielmehr fachliche Qualifikation und Erfahrung Maßstab für die Beförderung verantwortungsvoller Leitungsfunktionen. Es liegt auf der Hand, dass Employability einer neuen Gestaltung der Karrieremodelle im Unternehmen bedarf. Dennoch gilt es zu bedenken, dass der vertikale Aufstieg eine lange Tradition hat und zudem vielfach der Inbegriff von Karriere ist: „Obwohl Titel, Statussymbole, Führungsebenen und -positionen sowie Stabstellen drastisch abnehmen, ist die alte Programmierung nach Kästchen und Stufen aber noch schwer löschbar in den Köpfen verankert. Mentaler Wandel auf breiter Front ist angesagt.“44 Horizontale Karrierepfade, die sich über die Mitarbeit in unterschiedlichsten Projekten oder aber das Einbringen von Expertenwissen in verschiedene Bereiche gestalten können, fördern die Beschäftigungsfähigkeit des Einzelnen in erheblicher Weise. Sie verlangen ihm eine gewisse Flexibilität ebenso ab wie die Fähigkeit, sich an unterschiedliche Sachverhalte und Teamstrukturen anzupassen. Damit qualifizieren sie ihn auch für den Fall, dass er seine Karriereentwicklung in einem anderen Unternehmen fortsetzen will oder muss – besser als ein rein vertikaler Aufstieg, der ihn stark auf sein Tätigkeitsfeld fokussieren lässt.

44 Sattelberger, T. (1996), S. 90.

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Doch wie lässt sich nun eine horizontale Karriere im Unternehmen derart gestalten, dass sie als Karriere empfunden und auch honoriert wird? Dazu ist eine neue Definition und konsequente Umsetzung von drei gleichberechtigten Karrierewegen erforderlich: Fachkarriere ƒ ƒ ƒ ƒ

Hoher Anteil rein fachlicher Themen Geringer Umfang an Personalführungs-/ Verwaltungsaufgaben Weiterentwicklung über Fachaufgabe Karriereschritte beruhen auf nachgewiesener fachlicher Kompetenz und äußern sich in erweiterten Handlungsspielräumen und Übernahme steigender Fachkompetenz.

Projektkarriere

Führungskarriere ƒ

ƒ

Aufgaben mit Führungsverantwortung und Entscheidungsbefugnis auf einer oberhalb der ausführenden Mitarbeiterebene angesiedelten Hierarchieebene. Weiterentwicklung über Qualifikationsund Leistungsstufen sowie über Zunahme von Autorität und Verantwortung

ƒ

ƒ

ƒ

Übernahme komplexer und interdisziplinärer Aufgabenstellungen in Projekten (zeitlich befristet) Stufenweise Übertragung von Fachund Führungsaufgaben. Weiterentwicklung sowohl über vertikale als auch über horizontale Karriereschritte möglich.

ABB. 10: KARRIEREMODELLE45

In einem wissensorientierten und innovativen Umfeld ist das Know-how der Mitarbeiter das wichtigste Vermögen des Unternehmens. Ihre Karriere stellt somit im übertragenen Sinne die Vermögensentwicklung dar, die Führungskraft fungiert als Vermögensberater.46 In diesem Sinne müssen Karrieremodelle im Unternehmen so ausgestaltet sein, dass es jedem Mitarbeiter möglich ist, in seinem individuellen Kontext, d. h. gemäß seiner Veranlagung und Begabung Karriere zu machen. Eine Person, deren persönliche Laufbahnplanung unweigerlich mit der Übernahme von Führungsverantwortung gekoppelt ist, wird selbst bei entsprechender Entlohnung mit einer Fachkarriere nicht zufrieden zu stellen und zu motivieren sein. Ebenso wenig trägt es zur Verbesserung der Führungskultur bei, Experten, die weder die soziale Kompetenz noch die Neigung zur Übernahme von Führungsverantwortung in

45 Vgl.: Friedli, V. (2002), S. 29ff. 46 Vgl.: Fuchs, J. (2009), S. 217.

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sich tragen, in eine solche Rolle zu zwingen, nur weil sie den einzigen Weg zur Weiterentwicklung darstellt. Kompetenzen zu erkennen und Mitarbeiter gemäß ihrer fachlichen, sozialen oder methodischen Talente zu fördern, muss Aufgabe zukunftsorientierter Personalentwicklung und -führung sein. Dabei sollte auch ein Wechsel zwischen den einzelnen Laufbahnpfaden, d. h. eine radiale Entwicklung, durchaus zum Karrieremodell gehören, um so den Mitarbeitern immer wieder neue Perspektiven zu eröffnen. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von einer „Treppenkarriere“, also einem Wechsel zwischen horizontalen und vertikalen Karriereschritten. Ebenso muss der beschriebenen tradierten Vorstellung Rechnung getragen werden, Karriere müsse für Andere nach außen hin sichtbar sein. Wenn der eindimensionale hierarchische Aufstieg im Sinne von Employability nicht mehr gewünscht oder im Sinne der Unternehmensstruktur nicht mehr realisierbar ist, dann gilt es, den Status und die Anerkennung, die gewisse Positionen oder Leitungsfunktionen mit sich bringen, auf andere Weise zu gestalten. Herausfordernde Tätigkeiten und Lernfelder sind beispielsweise geeignet, auf anderer Ebene das Gefühl eines „Karrieresprunges“ zu vermitteln, ihn stolz auf seinen Arbeitgeber und sein Aufgabengebiet zu machen. Die Bedeutung eines Mitarbeiters für das Unternehmen lässt sich auch über Statussymbole visualisieren. Das Recht, einen ausgewiesenen Parkplatz sein eigen zu nennen oder aber ein größeres Büro zu beziehen, kann in zahlreichen Unternehmen ein nicht zu unterschätzendes Differenzierungsmerkmal darstellen. Gibt es keine betrieblichen Statussymbole, dann ist häufig zu beobachten, dass sich der Einzelne zu sehr darauf konzentriert, für sich selbst eine Form der Abgrenzung von anderen zu finden. Dies kann beispielsweise Gruppenzugehörigkeit sein. Ein ersatzloses Wegfallen von Hierarchieebenen, verbunden mit einem erschwerten vertikalen Aufstieg ohne Aufzeigen, Anerkennen und Wertschätzen horizontaler Karrierewege führt dazu, dass diese im Menschen verankerten Bedürfnisse nach Sichtbarkeit der eigenen Karriereentwicklung nicht befriedigt werden. In vielen Fällen entwickelt sich daraus eine informelle Hierarchie im Unternehmen, in der die als unerlässlich empfundene Differenzierung gelebt wird. Entscheidend bei der Einführung der oben genannten Karrieremodelle im Unternehmen ist also insbesondere 127

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• ein eindeutiges Commitment der Unternehmensleitung zur Gleichwertigkeit aller Karrierepfade sowie die Integration in das Geschäftsmodell, • eine gezielte Förderung von Mitarbeitern im Sinne ihrer Qualifikation für Fach-, Führungs- und Projektkarrieren, • ein Vergütungs- und Anreizsystem sowie eine Unternehmenskultur, die erfolgreiche Projektumsetzung und fachliche Kompetenz ebenso honorieren wie eine definierte Führungsspanne. Der Wegfall der Fokussierung auf einen Arbeitgeber und ein Berufsfeld In Abhängigkeit von einer Arbeitswelt, die durch Brüche in den Erwerbsbiografien und vielfältige Tätigkeitsbereiche im Laufe eines Berufslebens gekennzeichnet ist, werden Arbeitnehmer ihre Karriere in Zukunft globaler sehen (müssen). Dies bedeutet zum einen, dass sie sich nicht mehr auf ein eingeschränktes Berufsfeld konzentrieren können. Zum anderen wird es immer schwieriger werden, sich einen bestimmten Karrierepfad in einem bestimmten Unternehmen zum Ziel zu setzen. So hätte also in den vergangenen Jahren der Karriereplan eines Jung-Ingenieurs folgendermaßen lauten können: „Ich möchte innerhalb der nächsten fünf Jahre einen der drei Konstruktionsbereiche im Unternehmen als verantwortlicher Leiter übernehmen.“ Mit dieser Einstellung beschränkt er zum einen seine Beschäftigungsfähigkeit, da er eindimensional einen ganz bestimmten Weg verfolgt, zum anderen setzt er sich der Gefahr aus, bei dem Verlust seines Arbeitsplatzes auch jegliche Perspektiven zu verlieren. In Zukunft muss ein solcher Karriereplan vielmehr wie folgt aussehen: „Ich möchte innerhalb der nächsten fünf Jahre eine eigenverantwortliche Position inne haben, ein bestimmtes Einkommen erzielen, in einem entsprechenden Arbeitsfeld mit einem bestimmten Maß an Entscheidungsbefugnissen und Verantwortlichkeiten arbeiten und mich im Projektmanagement weiter entwickeln.“ – eine klare Zielrichtung, doch ohne Fixierung auf ein bestimmtes Unternehmen. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von „Portfolio-Laufbahnen“ und „Mosaik-Karrieren“, die für den Einzelnen eine Möglichkeit darstellen, sich gemäß seiner individuellen Talente und Fähigkeiten zu entwickeln und auch unterschiedliche Formen von Status und Funktion zu erleben.47

47 Vgl.: Sattelberger, T. (1999a), S. 64.

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EMPLOYABILITY – DIE GRUNDLAGEN

In diesem Zusammenhang ist es Aufgabe des Unternehmens, dem Mitarbeiter das Gefühl zu vermitteln, dass für ihn bei entsprechender Eignung eine interne Karriere möglich ist, dass er aber auch über die Fähigkeiten verfügt, Karrierepfade in unterschiedlichen Branchen, bei unterschiedlichen Arbeitgebern und in unterschiedlichen Tätigkeitsfeldern einzuschlagen. 5.3.6 Handlungsfeld „Vergütung“ Viele gängige Vergütungssysteme orientieren sich primär an dem Modell des „Normalarbeitsverhältnisses“ und entlohnen „... oft nur eine spezifische Arbeitsaufgabe in einer hierarchischen Organisation mit einer starren Arbeitsteilung.“48 Zudem ist Entlohnung häufig an kurzfristige Perspektiven gekoppelt und berücksichtigt nicht den Aspekt der Bewältigung künftig zu erfüllender Aufgaben. Diese Art und Weise der Vergütungspolitik ist kaum kompatibel mit der Implementierung vom Employability und bedarf einer Anpassung. Eine solche Neuausrichtung stellt nicht nur eine Herausforderung für Unternehmen dar, sondern tangiert auch nicht unwesentlich die Tarifpartnerschaft. Es gibt eine Reihe von Determinanten der Vergütungssysteme, die der Umsetzung von Employability-Ansätzen im Unternehmen gerecht werden. Diese sind:49 • •







Schaffung von Anreizen zum Erwerb von Zusatzqualifikationen. Aufwertung zukunftsorientierter Arbeitsplatzanforderungen, wie z. B. Zusammenarbeit, Verantwortung oder Entscheidungsfindung. Einführung von Zuschlägen auf das Grundentgelt in Abhängigkeit vom Unternehmensergebnis oder für kontinuierliche Verbesserungsprozesse. Aufwertung nicht-standardisierter Arbeitsverhältnisse, d. h. gleiche Entgeltpolitik und gleiche Prämienmodelle für Teilzeitbeschäftigte und befristet Beschäftigte. Sensibilisierung der Führungskräfte für leistungsgerechte Entlohnung ohne starre Orientierung an Tarifen.

48 Blancke, S./Roth, C./Schmid, J. (2000), S. 38. 49 Vgl.: Blancke, S./Roth, C./Schmid, J. (2000), S. 39.

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Stärkere Ausgestaltung der Vergütung in Form empfängerorientierter Förderungen (z. B. Seminarteilnahme), anstelle von Statussymbolen. Darüber hinaus sollten zur Bindung von Mitarbeitern an das Unternehmen immaterielle Anreize angeboten werden. Dazu gehört auch der gezielte Einsatz von Statussymbolen.

Sicherheit als Incentive muss in diesem Zusammenhang keineswegs lebenslange Arbeitsplatzgarantie bedeuten, sondern kann ebenso aus der Gewissheit entstehen, in dem gegenwärtigen Arbeitsumfeld optimale Bedingungen dafür vorzufinden, die eigene Beschäftigungsfähigkeit zu verbessern. Die Diskussion um Employability macht deutlich, dass die Umsetzung des Employability-Gedankens im Unternehmen nicht mit erhöhten Personalkosten verbunden sein muss. Der Fokus liegt vielmehr darauf, dem Mitarbeiter ein Gefühl der Wertschätzung und des Respekts vor seiner Leistung zu vermitteln. Hier besteht eine Wechselwirkung insbesondere auch zum Führungs- und Karrieresystem sowie zur Organisation eines Unternehmens. Die oben aufgeführten Ansätze bedeuten lediglich einen organisatorischen, nicht jedoch einen finanziellen Mehraufwand, der sich zudem über die Motivation und Zufriedenheit der Mitarbeiter amortisiert. 5.3.7 Handlungsfeld „Gesundheitsförderung“ Grundsätzlich ist festzustellen, dass die Arbeitsplätze mit hoher physischer Beanspruchung aufgrund moderner Produktionsmethoden kontinuierlich abnehmen. Gleichzeitig steigt die psychische Beanspruchung am Arbeitplatz insbesondere aufgrund der steigenden Veränderungsgeschwindigkeit und der zunehmenden Komplexität.50 Der Erhalt und die erfolgreiche Entwicklung von Employability auf der einen Seite sowie Gesundheit und körperliches Wohlbefinden auf der anderen Seite stehen in engem Zusammenhang. Erst das Vorhandensein von beruflich verwertbarer Kompetenz und Gesundheit führt zu einer nachhaltigen Beschäftigungsfähigkeit. Verfügt ein Mitarbeiter zwar über exzellente berufsrelevante Kompetenzen, achtet jedoch nicht auf seine Gesundheit, ist er ebenso wenig

50 Vgl.: Bertelsmann Stiftung/Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (2003), S. 95f.

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beschäftigungsfähig wie derjenige, der gesundheitsbewusst handelt, dafür aber seinen beruflichen Anforderungen nicht gewachsen ist.51 Wohlbefinden ist ein förderlicher Faktor bei der Ausbildung von Employability. Demgegenüber ist auch zu konstatieren, dass das Ziel und der Prozess zum Erhalt und zur Entwicklung von Employability mit Belastungen einhergehen können. Ängste, Befürchtungen und Stress sind hier zu nennen. Die Ausführungen machen deutlich, dass Gesundheitsförderung ein erfolgskritisches Handlungsfeld im Rahmen von Employability Management darstellt. Grundsätzlich hat Gesundheitsförderung zwei Wirkrichtungen:52 •



Zum einen die auftretenden Belastungsmomente gesundheitsförderlich zu bewältigen (proaktive/präventive Gesundheitsförderung) und zum anderen eingetretenen Einschränkungen der Leistungsfähigkeit durch geeignete Maßnahmen Rechnung zu tragen (reaktive Gesundheitsförderung).

Im Rahmen von Employability ist vor allem der Fokus auf die Gesundheitsprävention zu richten. Dazu können Fitnessangebote und Betriebssport, Programme zur Förderung gesundheitlicher Kompetenzen und GesundheitsChecks gehören. Fitnessangebote und Betriebssport sprechen alle Beschäftigte an und zielen auf körperliche Fitness und ein steigendes Gesundheitsbewusstsein ab. Damit ist auch die Philosophie verbunden, dass ein gesunder Körper die Bewältigung von Stress und mentalen Belastungen unterstützt. In Programmen zur Förderung gesundheitlicher Kompetenzen werden Daten und Fakten, Hintergründe und Handlungsempfehlungen sowie Tipps vermittelt. Sie bieten eine gute Ergänzung zu Fitnessangeboten. Darüber hinaus bieten Gesundheits-Checks eine persönliche Bestandaufnahme. „Sie holen den Einzelnen dort ab, wo er sich befindet“. Aktivitäten der Gesundheitsförderung können dann gezielt zum Einsatz kommen sowie bedarfs- und personenbezogen angepasst werden.53 Auch der Arbeitsplatz sowie die Arbeitsbedingungen bieten Möglichkeiten zur Gesundheitsförderung. Die traditionellen präventiven Maßnahmen der Gesundheitsförderung haben vor allem die Erhaltung der körperlichen 51 Vgl.: Kriegesmann, B. (2005), S. 24. 52 Vgl.: Bertelsmann Stiftung/Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (2003), S. 97. 53 Vgl.: Prognos AG (2005), S. 18f.; Kriegesmann, B. (2005).

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Leistungsfähigkeit im Blick.54 Im Zusammenhang mit Employability ist dies wünschenswert aber nicht ausreichend. Zur employability-relevanten Gesundheitsprävention gehört auch die Begrenzung von negativen Stress-Situationen. Damit wird die Gesundheitsprävention auch Aufgabe von Führung, ist im Kontext von Personaleinsatzplanung zu betrachten und steht in einer interdependenten Beziehung zur Personalentwicklung. Darüber hinaus kann die Gestaltung einer konstruktiven Arbeitsatmosphäre ein Handlungsfeld von Gesundheitsprävention sein. Daneben haben auch organisatorische Maßnahmen wie Belastungswechsel und Tätigkeitsmischungen Einfluss.55 Organisationale und technische Faktoren und Bedingungen entscheiden letztendlich darüber, inwieweit die individuelle Gesundheitskompetenz sich entfalten kann. Verfügt ein Mitarbeiter über Gesundheitskompetenzen, so kann er sie nur dann vollständig zur Entfaltung bringen, wenn die Faktoren und Bedingungen am Arbeitsplatz und in der Arbeitsumgebung dies erlauben. Organisation und Technik betreffen jedoch nicht nur das Arbeitsfeld, sondern sind auch im Freizeitbereich anzutreffen. Organisationale Sachzwänge z. B. im familiären Umfeld und technisches Equipment im Hobbybereich beeinflussen die Umsetzung der individuellen Gesundheitskompetenz erheblich.56 Darüber hinaus tragen soziale Kontakte und die Einbindung in soziale Systeme zur Entwicklung und zur Umsetzung der individuellen Gesundheitskompetenz bei. Innerhalb von sozialen Systemen existieren explizite und implizite Regeln, deren Einhaltung belohnt und deren Missachtung bestraft werden. Häufig geschieht dies unterschwellig, dennoch haben solche Regelungen Einfluss auf die Denk- und Handlungsmuster.57

54 Die traditionelle präventive Gesundheitsförderung bietet drei unterschiedliche und komplementäre Ansätze an: – Abbau von Belastungen am Arbeitsplatz und in der Arbeitsumgebung (zum Beispiel durch Ergonomie, Arbeitsschutz). – Reduzierung/Bewältigung auftretender Belastungen (Wenn Beschäftigte in belastungsintensiven Arbeitsbereichen langfristig gesund bleiben wollen, bedarf es einer Umgestaltung der Arbeitsorganisation und des Aufgabenspektrums. Dazu gehören ein systematischer Belastungswechsel, Tätigkeitsmischung, erholungswirksame Pausengestaltung sowie Unterstützung durch Gesundheitsprogramme). – Begrenzung der Verweildauer bei besonders belastungsintensiven Arbeitsplätzen und Arbeitsbereichen. Vgl.: Bertelsmann Stiftung/Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (2003), S. 101ff. 55 Vgl.: Kriegesmann, B. (2005), S. 33. 56 Vgl.: Kriegesmann, B. (2005), S. 30. 57 Vgl.: Kriegesmann, B. (2005), S. 31.

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EMPLOYABILITY – DIE GRUNDLAGEN

5.3.8 Handlungsfeld „Controlling“ Wenn Employability als Teil des immateriellen Vermögens betrachtet wird und die Absicht verfolgt wird, dem immateriellen Vermögen einen Wert zu zuweisen, dann muss Beschäftigungsfähigkeit, deren Entwicklung und Erhalt in die Logik des Managements von Ressourcen und in das Controlling integriert werden. Dieser Anspruch lässt sich jedoch derzeit nur begrenzt umsetzen. Die Evaluierung von Employability ist in der Praxis wenig verbreitet. Zum einen ist dies darauf zurückzuführen, dass viele Unternehmen nur über wenig Erfahrung mit dem Controlling nicht-monetärer Größen verfügen. Zum anderen lässt sich nur bedingt auf ein erprobtes Instrumentarium von Evaluierungsund Messverfahren zurückgreifen. Dennoch scheinen mehr und mehr Entscheidungsverantwortliche von der Bedeutung und Notwendigkeit der Employability für den Erfolg überzeugt zu sein. Es wird deutlich, dass die Evaluierung von Employability im Spannungsfeld von Notwendigkeit und Schwierigkeit steht. Gibt es geeignete Wege, um dieses Spannungsfeld abzuschwächen oder gar aufzuheben? Wenn wir zum Beispiel das Wissensmanagement und das Personalmanagement als Referenzbereiche heranziehen, zu denen viele Parallelitäten und Überschneidungen existieren, lassen sich eine Reihe von Ansätzen zur Evaluierung von Employability identifizieren. Abbildung 11 gibt einen Überblick.

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Ansätze zur Evaluierung von Employability

Quantitativ-orientierte Ansätze

Eindimensionale Ansätze

Qualitativ-orientierte Ansätze

Mehrdimensionale Ansätze

ABB. 11: ANSÄTZE ZUR EVALUIERUNG VON EMPLOYABILITY

Quantitativ-orientierte Ansätze Eindimensionale Ansätze beschäftigen sich ausschließlich mit der Kostenperspektive. Als die wohl einfachste Methode gilt die Zusammenfassung der bisherigen Kosten. Der Wert von Employability ist dann die Summe aller Investitionen, die für den Erwerb und die Entwicklung nötig waren. Diese Methode ist zwar einfach in der Handhabung, jedoch zu einseitig in der Berechnung und zu undifferenziert in der Interpretation. Eine andere eindimensionale Methode, Employability zu bewerten, stellt die Berechnung des Wiederbeschaffungswertes dar. Es werden die Kosten angesetzt, die heute notwendig wären, um eine identische Ausprägung von Beschäftigungsfähigkeit zu generieren. Grundlage ist somit die Summe der imaginären aktuellen Anschaffungs- und Entwicklungskosten. Wie bei dem Verfahren der Bewertung der bisherigen Kosten werden nur quantitative Größen betrachtet. Qualitative Faktoren werden vernachlässigt. Darüber hinaus ist Beschäftigungsfähigkeit einmalig, da sie an Individuen und deren mentale Modelle geknüpft ist. Die Entwicklung von identischer Beschäftigungsfähigkeit ist nicht möglich. Beiden Verfahren ist gemein, dass sie den Nutzenaspekt nicht berücksichtigen. Eine ausgewogene Bewertung bedarf jedoch einer KostenNutzen-Betrachtung.58 58 Vgl.: Rump, J./Lau-Villinger, D. (2001), S. 42ff.

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EMPLOYABILITY – DIE GRUNDLAGEN

Während die Berechnung der Kosten, die bei einer Entwicklung von Employability und der Rekrutierung von beschäftigungsfähigen Mitarbeitern anfallen, ein relativ leichtes Unterfangen darstellt, ist die Formulierung und Konkretisierung des betriebswirtschaftlichen Nutzens hingegen mit einigen Schwierigkeiten verbunden. Der Nutzen von Employability besteht in einem ersten Schritt vor allem in ‚soft facts’, wie die Veränderung von Denk- und Handlungsmustern sowie die Steigerung des Kompetenzstandes. Erst in einem zweiten Schritt sind ‚hard facts’ betroffen, was sich zum Beispiel in einer Erhöhung der Arbeitsproduktivität, der Verbesserung der Qualität und/oder der Senkung von Kosten widerspiegeln kann. Die Zurechenbarkeit der Beschäftigungsfähigkeit auf die ökonomischen Faktoren kann daher nur mittelbar über die ‚soft facts’ erfolgen. Da die ökonomischen Faktoren auch durch andere Determinanten beeinflusst werden, ist eine eindeutige Zuordnung, welche Determinante welche ökonomische Größe wie und in welcher Höhe beeinflusst, angesichts der Komplexität der Verkettungen nur bedingt möglich. Lediglich bei Konstanz aller anderen Determinanten wäre die Wirkung eindeutig zu messen. Zur Evaluierung von Employability bedarf es also eines Instrumentariums, das sowohl die mentale Veränderung reflektiert als auch eine Interpretation hinsichtlich der ökonomischen Relevanz zulässt. In diesem Zusammenhang werden häufig die mehrdimensionalen Ansätze der Indikatorenmodelle und der Balanced Scorecard genannt. Im Rahmen von Indikatorenmodellen werden gewählte Indikatoren, die eine hohe Situations-, Bedarfs- und Zielgruppenspezifik aufweisen, über einen längeren Zeitraum hinweg beobachtet und eingeschätzt. Aus dieser komparativ-statischen Analyse lässt sich nicht nur der Entwicklungsstand zu bestimmten Zeitpunkten abbilden, sondern auch der Handlungsbedarf ableiten. Im Folgenden wird eine Sammlung von möglichen Indikatoren vorgestellt, die im Kontext von Employability eine Rolle spielen.

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Indikatoren Anzahl der Mitarbeiter, die Eigenverantwortung wahrnehmen Anzahl der Maßnahmen, die Unternehmen zur Förderung der Schlüsselkompetenzen anbieten Anzahl der Aktivitäten, die der Einzelne zur Förderung der Schlüsselkompetenzen nachfragt Anzahl von Verbesserungsvorschlägen Qualität der Verbesserungsvorschläge Summe der Prämien Innovationsquote Arbeitsproduktivität Anlernzeit Anzahl der Zugriffe auf Wissensquellen Leichtigkeit der Zugriffe auf Wissensquellen Umfang der Weiterbildungsangebote Anzahl von Weiterbildungstagen Anzahl der zukunftsgerichteten Mitarbeitergespräche Einschlägige Fluktuationsrate Aktualität der Orientierungsrahmen (Aufgabenbereiche, Standardprofile und zukünftige Entwicklungen) Anzahl der Projektarbeiten Anzahl von Job Rotation Anzahl der Auslandseinsätze Teilzeitquoten in Kombination mit Weiterbildung und/oder Sabbaticals Anzahl der Mitarbeiter, die mehrere Arbeitsplätze beherrschen Krankenquoten

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EMPLOYABILITY – DIE GRUNDLAGEN

Indikatoren Anzahl von Vorruheständen, hervorgerufen durch Krankheit Kosten für Betriebssport in Relation zu ... Kosten für betriebsärztliche Dienste und artverwandte Services in Relation zu ... Arbeitsproduktivität Outputquote Zielerreichungsgrad Freiheitsgrad (z. B. im Budgetrahmen) Anteil der variablen Vergütung Dauer der Betriebszugehörigkeit Anzahl der Bewerbungen Qualität von Bewerbern Anzahl der Mitarbeitergespräche Beeinflussbare Fluktuationsquote Unfallentwicklung (Vergleich zum Vorjahr) Anzahl von Telearbeitsplätzen Teilzeitquote Vorhandensein flexibler Arbeitszeitmodelle Anzahl und Größe virtueller Teams Reklamationsquote Zahl der Patente Zeitraum der Produktentwicklung Reaktionsgeschwindigkeit in Bezug auf Kundenwünsche Anzahl der Partnerschaften mit Kunden Anzahl der Partnerschaften mit Lieferanten Anteil der (Zwischen-)Produkte, die gemeinsam entwickelt werden ABB. 12: INDIKATOREN ALS QUANTITATIVE MESSGRÖSSEN

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Neben diesem einfachen Indikatorenmodell gibt es eine differenziertere Form. In Anlehnung an das Indikatorenmodell von North/Probst/Romhardt, das einen starken Bezug zum Wissensmanagement hat, liegt dem differenzierten Indikatorenmodell eine Bewertungslogik zugrunde, die die Indikatoren nach bestimmten Clustern ordnet. Die Gliederung in Bestands-, Interventions-, Übertragungs- und finanzielle Indikatoren ermöglicht, Ursache-WirkungsZusammenhänge besser abzuleiten und Veränderungen des Kompetenzstandes mit Bezug zu Geschäftsergebnissen adäquater zu veranschaulichen. Das differenzierte Indikatorenmodell ist kein ‚Standardrezept’. Es dient vielmehr als Handlungs- bzw. Strukturierungshilfe und gibt Hinweise für die Wahl der passenden Indikatoren. Die Frage nach den ‚richtigen’ Indikatoren löst es also nicht. Die Bestimmung der Bezugsgrößen in den einzelnen Klassen muss jedes Unternehmen in Abhängigkeit von Strategien, Strukturen, Systemen und Umfeldbedingungen selbst vornehmen.59 Abbildung 13 zeigt ein Beispiel für ein differenziertes Indikatorenmodell. Indikatorenklasse

Bestimmung

Beispiel-Indikatoren

I

Abbildung des Be- • Anzahl der Mitarbeiter, die Eigenverstandes von Beantwortung wahrnehmen Organisaschäftigungsfähig- • Innovationsquote tionale keit und • Anzahl der Mitarbeiter, die mehrere Wissensbasis Employability Aufgaben wahrnehmen (können) • Arbeitsproduktivität II Beschreibung der • Anzahl der Lessons Learned Prozesse und InWorkshops Interventionen puts zur Verände- • Anzahl der Maßnahmen, die Unterrung der Beschäfnehmen zur Förderung der Schlüsseltigungsfähigkeit/ kompetenzen anbieten Employability • Anzahl der Maßnahmen, die Unternehmen zur Förderung der Schlüsselkompetenzen nachfragen • Anzahl der Zugriffe auf Wissensquellen • Leichtigkeit der Zugriffsmöglichkeiten • Anzahl der Projektarbeiten • Anzahl der Job Rotations 59 Vgl.: Alex, B.; Becker, D.; Startmann, J. (2000), S. 60f./Picot, A.; Scheuble, S. (2000), S. 26ff./Probst, G.; Raub, S.; Romhardt, K. (1998), S. 330ff.

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EMPLOYABILITY – DIE GRUNDLAGEN

Indikatorenklasse

III

Bestimmung

Messung des direkten Ergebnisses der Interventionen

• • Zwischen• erfolge und • Übertragungs• effekte • IV Bewertung der • Geschäftsergeb• Ergebnisse der nisse am Ende des • GeschäftsBetrachtungszeit- • fähigkeit raums

Beispiel-Indikatoren

Anzahl und Qualität der Verbesserungsvorschläge Veränderung der Innovationsquote Zielerreichungsgrad Veränderung der Arbeitsproduktivität Cashflow Deckungsbeitrag Marktanteil Return On Investment (ROI)

ABB. 13: DIFFERENZIERTES INDIKATORENMODELL

Der Prozess der Definition der betriebsspezifischen Indikatoren hat darüber hinaus einen Wert für sich. Er fördert das Bewusstsein hinsichtlich der Beschäftigungsfähigkeit sowie für die Zusammenhänge und trägt zur Entwicklung einer gemeinsamen „Sprache“ bei.60 Employability kann auch mittels einer Balanced Scorecard evaluiert werden. Vorstellbar sind zwei grundsätzliche Möglichkeiten zur Integration von Employability in den Balanced Scorecard-Ansatz: • Zum einen kann Employability in die Lern- und Wachstumsperspektive, die auch als Mitarbeiterperspektive tituliert wird, integriert werden. Ziele zur Employability können hier verankert, Maßnahmen zu deren Umsetzung geplant und die Zielerreichung bewertet werden. Employability wird zum Bestandteil der Unternehmensstrategie. • Zum anderen lässt sich eine Balanced Scorecard für Employability entwickeln. Dabei kann es jedoch sinnvoll sein, die von Norton/Kaplan vorgeschlagenen Perspektiven (Finanzperspektive, Kundenperspektive, Geschäftsprozessperspektive sowie Lern- und Wachstumsperspektive) teilweise zu modifizieren. Dies betrifft vor allen Dingen die Lern- und Wachstums-

60 Vgl.: Alex, B./Becker, D./Startmann, J. (2000), S. 60f; Picot, A./Scheuble, S. (2000), S. 26ff.; Probst, G./Raub, S./Romhardt, K. (1998), S. 330ff.

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perspektive (Mitarbeiterperspektive) sowie die Geschäftsprozessperspektive. Angesichts der Komplexität und der hohen Mehrdimensionalität von Beschäftigungsfähigkeit sollte die Lern- und Wachstumsperspektive (Mitarbeiterperspektive) als Unterperspektiven die definierten zentralen Handlungsfelder der Employability auf strategischer und operativer Ebene berücksichtigen. Dies bedeutet, dass die normativen Elemente Unternehmenskultur und Führung nicht in der Balanced Scorecard für Employability enthalten sind. Die mit ihnen verbundenen Werte, Denk- und Handlungsmuster allerdings finden implizit Niederschlag in den nachfolgend dargestellten Unterperspektiven • • • • •

Organisation, Personalentwicklung, Karrieremodelle, Vergütung und Gesundheitsförderung.

Die Geschäftsprozessperspektive sollte um die Strukturperspektive ergänzt werden und damit eine umfassendere Sicht von Organisation beinhalten. Diese Ausweitung wird damit begründet, dass Beschäftigungsfähigkeit auch in einem Zusammenhang mit strukturellen Determinanten, wie Arbeitsteilung, Hierarchisierung, Handlungsspielräumen, Teamstrukturen etc. steht. Wie können nun die einzelnen Perspektiven ausgestaltet sein? Was sind die Einzelziele, Messgrößen und Maßnahmen, die im Zusammenhang mit Employability Management eine Rolle spielen? Auf Basis einer umfassenden Literaturrecherche und der obigen Ausführungen lässt sich eine Vielzahl von Möglichkeiten zusammentragen, welche unterschiedlichen Ziele, Indikatoren und Maßnahmen in den verschiedenen Perspektiven von Relevanz sein können. Die nachfolgende Zusammenstellung dient als Datensammlung (eine Art „Master-Tableau“), aus der unter Berücksichtigung der Situations- und Unternehmensspezifik die für einen bestimmten Kontext gefundenen Ziele, Indikatoren und Maßnahmen ausgewählt werden können.

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ABB. 14: DIE BALANCED SCORECARD FÜR EMPLOYABILITY MANAGEMENT

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Dieses Tableaux einer Balanced Scorecard für Employability stellt einen Überblick dar, welche Perspektiven, strategischen Ziele, Indikatoren und Kenngrößen sowie Maßnahmen grundsätzlich in Frage kommen können. Für den Gebrauch in der Praxis ist dieses Tableaux zu umfassend. Das ist aber auch nicht das Ziel des Tableaux. Statt dessen dient es als Art „Baukasten“, aus dem man sich bedienen kann unter Berücksichtigung der internen und externen Rahmenbedingungen des Unternehmens sowie dessen strategische und operative Ausrichtung. Im Folgenden wird exemplarisch eine konkrete Balanced Scorecard für Employability in einem mittelständischen Industrie-Unternehmen vorgestellt. Dimensionen

Strategische Ziele

Messgrößen Zielquantitativ/qualitativ werte

Maßnahmen

Mitarbeiterdimension Organisation Schaffung transparenter und flexibler Organisations -strukturen

Anzahl der flexiblen Arbeitszeitmodelle Anzahl von Job Rotationen innerhalb bestimmter Bereiche Anzahl der Projektarbeiten

Personalentwicklung

Förderung Beteiligung an der Schlüssel- Weiterbildungsverkompetenzen anstaltungen Anzahl an Weiterbildungsangeboten Anzahl von Mitarbeitern, die Eigenverantwortung übernehmen

Einführung und Ausbau flexibler Arbeitszeitmodelle Schaffung von Möglichkeiten für Job Rotation Förderung von Projektarbeiten Führen regelmäßiger Mitarbeitergespräche Schaffen von Transparenz über Weiterbildungsmöglichkeiten Etablieren eines Ideenmanagements 151

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Karrieremodelle

Aufzeigen individueller beruflicher Perspektiven

Anzahl der Mitarbeiter, die mehrere Arbeitsplätze beherrschen Verweildauer an den Arbeitsplätzen

Bewusste Kommunikation über Positivbeispiele horizontaler Laufbahnen Aufstellen von Entwicklungsplänen

Vergütung

Entwicklung leistungsorientierter Entgelt- und Anreizstrukturen

Zielerreichungsgrad bei leistungsorientierter Vergütung

Identifizierung variabler, leistungsorientierter Vergütungsbestandteile

Gesundheits- Erhalt der förderung psychischen und physischen Gesundheit der Mitarbeiter

Anzahl der Krankheitstage pro Arbeitnehmer

Durchführung von Bedarfsbefragungen zur betrieblichen Gesundheitsförderung

Anzahl von Angeboten zur betrieblichen Gesundheitsförderung Inanspruchnahmequote betrieblicher Gesundheitsförderung

Evaluation der tatsächlichen Inanspruchnahme von Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung Erhebung relevanter Daten (Krankenquote, Kosten etc.)

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Strukturdimension Ermittlung all- Fluktuationsrate gemeiner Quoten der MitStrukturarbeiter entmerkmale sprechend des Qualifikationsniveaus

Erhebung der durchschnittlichen Fluktuationsrate

Erhöhung der Passgenauigkeit zwischen Anforderungund Qualifikationsprofile

Passungsgrad Anforderungs- und Qualifikationsprofile

Untersuchungen der Anforderungs- und Qualifikationsprofile

Sicherstellung der Verfügbarkeit der richtigen Mitarbeiter zur richtigen Zeit am richtigen Ort

Attraktivität als Arbeitgeber

Durchführung von Bewerberbefragungen

Aufwand des Personalmarketings Dauer von Rekrutierungsprozessen

Erhebung der Qualifikationsquoten

Erhebung relevanter Daten zu Personalmarketing, Rekrutierungszeit etc.

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Kundendimension Steigerung der Kundenzufriedenheit

Reklamationsquote Kundenabgänge

Durchführung einer Kundenzufriedenheitsbefragung MarketingMaßnahmen zur Neukundengewinnung Offensive Informationspolitik zum Employability Management nach außen

Gewinnung von Neukunden

Anzahl der Neukunden Neukundenquote

Verbesserung der nachhaltigen Wettbewerbsfähigkeit

Anzahl der Produktinnovationen pro Mitarbeiter Zeitraum der Produktentwicklung

Förderung der Innovationsfähigkeit der Mitarbeiter Erhebung relevanter Daten zur Dauer der Produktentwicklung

Erfüllung der Renditeerwartungen

EigenkapitalRentabilität GesamtkapitalRentabilität

Nachhaltige Steigerung des Unternehmenswertes

Unternehmenswert Anteil der Umsatzsteigerung in Relation zur Gewinnsteigerung

Finanzanalysen Analysen der Zusammenhänge und Wechselwirkungen Umsetzung des Stakeholder Value Ansatzes Public Relations Employee Relations

Finanzdimension

ABB. 15: PRAXISBEISPIEL EINER BALANCED SCORECARD FÜR EMPLOYABILITY MANAGEMENT

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Qualitativ-orientierte Ansätze Zu den qualitativ-orientierten Ansätzen gehören •



der Arbeitsmarktfitness-Test der „Initiative für Beschäftigung!“61 (Kompetenz-Test „In eigener Sache“)62 sowie der Kompetenzspiegel der „Job-Allianz“63.

Beide Ansätze dienen nicht nur zur Analyse des Kompetenzstandes, sondern geben auch Hinweise zur (Weiter-)Entwicklung der Beschäftigungsfähigkeit. Die Beurteilung erfolgt anhand von Leitthesen, die bestimmten Schlüsselqualifikationen zugeordnet sind. Mit Hilfe eines Scoring-Verfahrens soll dann der Ausprägungsgrad festgestellt werden. Dabei wird eingeschätzt, wie und in welchem Umfang die jeweilige Schlüsselkompetenz ausgebildet ist. Der Kompetenz-Text „in eigener Sache“ fokussiert auf überfachliche Kernkompetenzen. Diese sind •

Initiative,



Eigenverantwortung,



Unternehmerisches Denken und Handeln,



Fleiß/Selbstdisziplin,



Lernbereitschaft,



Teamfähigkeit,



Kommunikationsfähigkeit,

61 Die „Initiative für Beschäftigung!“ wurde im Jahr 1998 von Prof. Dr. Jürgen Strube, Vorsitzender des Vorstands der BASF AG, Reinhard Mohn, Mitglied des Kuratoriums der Bertelsmann Stiftung und Hubertus Schmoldt, Vorsitzender der IG Bergbau, Chemie, Energie gegründet. In enger Zusammenarbeit zwischen Unternehmen, Verbänden, Gewerkschaften, Kammern, wissenschaftlichen Einrichtungen, Verwaltungen, Kommunen und weiteren Akteuren wurde bis Herbst 2001 in 19 Regionen Deutschlands Netzwerke gegründet. In den Schwerpunktbereichen Integration von Jugendlichen in das Berufsleben, Förderung von Unternehmensgründungen, Integration von Benachteiligten sowie Arbeitsplätze entwickeln und Beschäftigungsfähigkeit fördern werden zielgerichtet innovative Beschäftigungsprojekte entwickelt. Vgl. auch www.initiative-fuer-beschaeftigung.de, sowie Kapitel: Deutsche Bank – Employability. 62 Siehe www.in-eigener-sache.de, sowie Kapitel: Deutsche Bank – Employability. 63 Als regionales Netzwerk der ‚Initiative für Beschäftigung!’ wirkte von 2010–2009 im Rhein-Main-Gebiet die „Job-Allianz“, ein Kooperationsprojekt der Unternehmen Degussa AG, Deutsche Bank, Deutsche Lufthansa AG und Fraport AG. Hier wird Mitarbeitern eine Standortbestimmung in Bezug auf ihre Beschäftigungsfähigkeit, verbunden mit Unterstützung bei der individuellen Entwicklungsplanung ebenso angeboten wie das „Networking“ der Partnerunternehmen untereinander, das den „Blick über den Tellerrand“ ermöglicht.

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Empathie,



Belastbarkeit,



Konfliktfähigkeit/Frustrationstoleranz,



Offenheit,



Reflexionsfähigkeit.

Die Ausprägung der Kernkompetenzen wird im Test über Verhaltensberichte erhoben (Selbsteinschätzung, kein IQ- oder Leistungstest). Die Auswertung erfolgt normorientiert. Jeder Teilnehmer erhält eine detaillierte, allgemeinverständliche Auswertung mit allen persönlichen Ergebnissen. Die persönlichen Ergebnisse werden im Vergleich zu einer geeigneten Referenzgruppe dargestellt. Dadurch kann der Teilnehmer seine Ergebnisse realistisch einordnen. Ein Fazit mit Stärken und Schwächen sowie Tipps zum weiteren Vorgehen hilft bei der Planung der beruflichen und persönlichen Weiterentwicklung. Der Kompetenz-Test wurde nach psychologisch-methodischen Standards konstruiert. Seine Konfiguration wird im Rahmen verschiedener Studien überprüft und qualitätsgesichert (Reliabilitäten und Validitäten, Qualitätsstandards in Anlehnung an DIN 33430).

156

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Die Auswertung von 10.000 Kompetenztests „in eigener Sache“ ergibt, dass die Ausprägungen der Schlüsselkompetenzen der Employability sehr unterschiedlich sind: Während unternehmerisches Denken und Handeln, Lernbereitschaft, Einfühlungsvermögen, Fleiß und Eigenverantwortung vergleichsweise hohe Werte aufweisen, zeigen Kommunikationsfähigkeit, Teamfähigkeit, Konfliktfähigkeit, Belastbarkeit, Offenheit und Reflexionsfähigkeit eher niedrige Werte. 100 90 80 70 60

tatsächliches Ergebnis

50

Selbsteinschätzung

40 30 20

Reflexionsfähigkeit

Offenheit

Konfliktfähigkeit

Belastbarkeit

Einfühlungsvermögen

Kommunikationsfähigkeit

Teamfähigkeit

Lernbereitschaft

Fleiß

u. D u H

Eigenverantwortung

0

Initiative

10

Neben der „objektiven“ Bewertung der Kompetenzen wird im Kompetenztest „in eigener Sache“ auch die Selbsteinschätzung abgefragt. Auffällig ist, dass die Ergebnisse der Selbsteinschätzung teilweise von den Testergebnissen abweichen. So bewerten sich die Testteilnehmer bei Kommunikations- und Teamfähigkeit, Konfliktfähigkeit und Offenheit erheblich besser. Lediglich bei der Reflexionsfähigkeit liegt der Wert der Selbsteinschätzung über dem des Testergebnisses. Geht es um unternehmerisches Denken und Handeln, Initiative, Eigenverantwortung und Lernbereitschaft, so stimmen die Bewertungen der Selbsteinschätzung und der Testergebnisse überein. Wenn die Testergebnisse nun vor der Einschätzung Dritter, in diesem Fall Arbeitgeber, gespiegelt werden, ergeben sich große Abweichungen. Das unternehmerische Denken und Handeln wird zum Beispiel von den Arbeitgebern als sehr niedrig eingestuft, während das Testergebnis hier eine vergleichsweise hohe Ausprägung aufweist. Umgekehrt verfügen Team- und Kommunikationsfähigkeit aus Sicht der Unternehmen und Institutionen über einen hohen Wert. Das Testergebnis zeigt hier hingegen eine niedrige Ausprägung.

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120,0 100,0 80,0

wünschenswert aus Sicht Dritter

60,0

tatsächlich ausgeprägt aus Sicht Dritter

40,0

Testergebnis

20,0

Ei

ge nv e

ra n

In itia

tiv e tw or tu u. n g D u H Le rn Fl be ei ß Ko re m Te itsc m am ha un ft ik fä hi E i a tio gk nf ei ü h n sf t lu ähi ng g sv k ei t e B e rmö g la K o s tb e n a nf lik rk e it tfä hi gk Re e O fle ffe it xi nh on e sf ä h it ig ke it

0,0

Der Vergleich von Testergebnis, Selbsteinschätzung sowie Fremdeinschätzung (aus Sicht von Arbeitgebern) ergibt, dass die Bewertung von Schlüsselkompetenzen ein schwieriges Unterfangen ist, da sie in erheblichem Maße von Erfahrungen und Sozialisation beeinflusst wird. An dieser Stelle sei angemerkt, dass für den betrieblichen Alltag und dessen Gestaltung letztlich die Einschätzung der Arbeitgeber von großer Bedeutung ist. Wenn sich deren Einschätzung erheblich von den tatsächlichen Ausprägungen der Schlüsselkompetenzen unterscheidet, bleiben Potenziale ungenutzt, was sich negativ auf Kompetenzeinsatz und -entwicklung sowie auf Motivation auswirken kann. Der Kompetenzspiegel als weiterer Test, der im Auftrag der Job-Allianz entwickelt worden ist, fokussiert ebenfalls auf überfachliche Kompetenzen. Dies sind: •





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Richtungen bestimmen (dazu gehören Durchsetzungsvermögen, Überzeugungsfähigkeit, Entscheidungskompetenz, Souveränität und Begeisterungsvermögen), Interaktionen gestalten (dazu gehören Flexibilität, Einfühlungsvermögen, Konfliktfähigkeit, Kontaktstärke, Kooperationsvermögen, Kritikfähigkeit und Kundenorientierung) Selbstmanagement: Sich selbst organisieren (dazu gehören Durchhaltevermögen, Planungsvermögen, Sorgfalt, Belastbarkeit und Frustrationstoleranz),

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Einsatz: Sich im Beruf engagieren (dazu gehören Eigeninitiative, Erfolgsorientierung, Veränderungsbereitschaft und Verantwortungsbereitschaft), Mitarbeiterführung (nur bei Führungskräften) (dazu gehören Teamorientierung, Transparenz, Delegation und Rückmeldung)

im Fokus. Der Kompetenzspiegel lässt sich als Selbstbewertung und als Fremdbewertung durchführen. Der Kompetenz-Test „in eigener Sache“ und der Kompetenzspiegel haben gemeinsam, dass der Stand des Fachwissens und der fachlichen Kompetenz nicht evaluiert wird. Dies ist darauf zurückzuführen, dass • •



es bereits Fachtests gibt, auf die zurückgegriffen werden kann, der Handlungsbedarf eher im Bereich der Evaluierung von Sozial- und Methodenkompetenzen gesehen wird, sich die Art und Weise der Bewertung von sozialen und methodischen Qualifikationen von der Beurteilung von Fachwissen und -kompetenz unterscheidet.

Zur vollständigen Evaluierung von Beschäftigungsfähigkeit ist es jedoch notwendig, den Kompetenz-Test „in eigener Sache“ und den Kompetenzspiegel mit Instrumenten zur Beurteilung des fachlichen Qualifikationsstandes zu kombinieren.

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6. Fazit Erhalt und Förderung von Employability stellt eine Aufgabe dar, der sich Arbeitgeber, Staat und Individuum gleichermaßen annehmen müssen. Darüber hinaus wird deutlich, dass die Entwicklungen in Wirtschaft, Politik, Recht und Gesellschaft ein weiteres Aufschieben dieser Aufgabe nicht zulassen. Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft auf Unternehmensseite und die Sicherstellung einer befriedigenden und existenzsichernden Beschäftigung auf Seiten des Individuums sind untrennbar mit dem Thema Employability verbunden. Employability umfasst ein Bündel von Kompetenzen. Neben fachlicher Qualifikation lassen sich folgende Schlüsselqualifikationen identifiziert: Initiative, Eigenverantwortung, unternehmerisches Denken und Handeln, Engagement, Teamfähigkeit, Kommunikationsfähigkeit, Lernbereitschaft, Einfühlungsvermögen, Belastbarkeit, Konfliktfähigkeit, Veränderungsbereitschaft, Reflexionsfähigkeit. Dabei kommt es nicht darauf an, dass ein Beschäftigter sofort die optimale Ausprägung entwickelt. Vielmehr ist die Philosophie „Der Weg ist das Ziel“ (jedoch nicht ohne sich ein Ziel zu setzen) und die Einstellung „sich auf den Weg zu machen“ und sich mit dem Thema lebenslange Beschäftigungsfähigkeit auseinander zusetzen. Für den Einzelnen bedeutet die Sicherung seiner Beschäftigungsfähigkeit einen unablässigen Prozess, der ihm neue Perspektiven nicht nur bei einem Arbeitgeber und in einem Berufsfeld, sondern auf dem gesamten Arbeitsmarkt eröffnet. Zur Ausprägung eines Verständnisses für die Notwendigkeit von individueller Beschäftigungsfähigkeit erscheint es unerlässlich, bereits in frühen Sozialisationsstationen und hier insbesondere in der schulischen Bildung gezielt auf die Entwicklung der relevanten Schlüsselkompetenzen hin zu arbeiten. Mit Employability werden zum einen Nutzenaspekte generiert. Zum anderen sind mit Employability Ängste und Befürchtungen verbunden. Die Nutzenbetrachtung lässt erkennen, dass nicht nur Arbeitnehmer, sondern auch Arbeitgeber von einer gelebten Employability-Kultur profitieren. Für das 160

EMPLOYABILITY – DIE GRUNDLAGEN

Unternehmen bedeutet die Förderung der Beschäftigungsfähigkeit ihrer Mitarbeiter eine Investition in ihre organisationale Wissensbasis, die in Zeiten eines zunehmenden Wettbewerbs- und Innovationsdrucks eine immer höhere Bedeutung erlangt. Darüber hinaus ermöglicht sie ihnen einen Vorteil bei der Rekrutierung von High Potentials sowie einen flexibleren Mitarbeitereinsatz, der nicht zuletzt in Krisenzeiten von Bedeutung ist. Downsizing-Prozesse können in der Folge derart gestaltet werden, dass auch die Moral der zurückbleibenden Beschäftigten gefestigt bleibt und das Unternehmensimage nicht in Mitleidenschaft gezogen wird. Für den Einzelnen bedeutet die Sicherung seiner Beschäftigungsfähigkeit einen unablässigen Prozess, der ihm neue Perspektiven nicht nur bei einem Arbeitgeber und in einem Berufsfeld, sondern auf dem gesamten Arbeitsmarkt eröffnet. Im Hinblick auf Ängste und Befürchtungen lässt sich feststellen, dass Arbeitgeber kritisch das Kosten-Nutzen-Verhältnis betrachten. Nur langsam setzt sich die Erkenntnis durch, dass der Aufwand und die Gefahr einer „Qualifizierung nach außen“ vergleichsweise gering, der langfristige Zugewinn an Know-how und Flexibilität dafür aber umso höher ist. Auf Mitarbeiterseite sind Ängste sichtbar, die vor allem auf eine mögliche Überforderung zurückzuführen sind. Zwar ist mehr und mehr Arbeitnehmern bewusst, dass eine „gute“ berufliche Erstausbildung und eine gezielte Berufs- und Arbeitsplatzwahl keine Sicherheit mehr garantieren, dennoch fällt es immer noch schwer, die eigenen Fähigkeiten und Kompetenzen als alleine sicherheitsgebend zu betrachten. Darüber hinaus haben nicht wenige Mitarbeiter die Befürchtung, dem kontinuierlichen Lernprozess nicht gewachsen zu sein. Hier bedarf es der Unterstützung und sozialen Verantwortung der Unternehmen und vor allem der Sozialpartner. Die Forderung und Förderung von Employability im Unternehmenskontext erfordert einen ganzheitlich-integrativen Ansatz. Dieser ganzheitlich-integrative Ansatz ist unerlässlich, um alle für den Unternehmenszweck und -erfolg relevanten Handlungsfelder in die employability-orientierte Umsetzung zu integrieren. Dabei spielt das individuelle Können und Wollen eine ebenso große Rolle wie das von der Unternehmensseite geprägte Dürfen und Sollen. Zum anderen ist eine systemische Denkweise zu bevorzugen, die zunächst auf normativer Ebene das Gedankengut der Employability zu einer unternehmensweiten Vision werden lässt. Nach einer Konkretisierung dieser Vision auf 161

J U T T A R U M P /S I L K E E I L E R S

strategischer Ebene in den Managementsystemen wird der so entstandene Handlungsrahmen in praxisorientierten Instrumenten und Verhaltensweisen operationalisiert. Unterzieht man die Handlungsfelder im Unternehmen einer näheren Betrachtung, so erscheint es unerlässlich, Beschäftigungsfähigkeit insbesondere in den Bereichen •

der Unternehmenskultur,



der Führung und Organisation,



der Karriere- und Personalentwicklungssysteme,



der Vergütungsmodelle,



der Gesundheitsförderung aber auch



des Controllings

zu einem festen Bestandteil des strategischen Vorgehens zu machen. Die Förderung der Employability lässt sich nur in einem Umfeld realisieren, in dem Werte, die von der „Vollkasko-Mentalität“ abrücken und die Bereitschaft zum „Unternehmer in eigener Sache“ forcieren, verankert sind. Führung bedeutet hier nicht ständige Kontrolle, sondern einen gleichberechtigten Umgang. Organisationsstrukturen sind nicht durch starre Hierarchien gekennzeichnet. Stattdessen spielen Transparenz und Flexibilität eine Rolle. Karrierewege werden nicht länger linear und rein vertikal verlaufen, sondern immer stärker auch horizontal. Der Mitarbeiter ist im Bereich der Personalentwicklung nicht länger passiver Konsument, er ist Mitgestalter einer differenzierten und vorausschauenden Förderung der eigenen Kompetenzen. Im Rahmen von Employability rücken Vergütungsmodelle mehr und mehr vom Normalarbeitsverhältnis ab und werten nicht-standardisierte Arbeitsverhältnisse auf. Beweglichkeit und eine höhere Leistungsgerechtigkeit werden zu wichtigen Kennzeichen. Die Förderung von Employability hat darüber hinaus ein Bezug zur präventiven Gesundheitsförderung. Dabei stehen neben dem körperlichen Wohlbefinden der Umgang mit mentalen Belastungen und der Abbau von negativen Stress-Situationen im Blickpunkt. Damit Employability Management keinen Selbstzweck darstellt, bedarf es der Evaluierung der Aktivitäten zur Förderung der Beschäftigungsfähigkeit. Es gibt mehrere

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EMPLOYABILITY – DIE GRUNDLAGEN

Evaluierungsansätze, die sich nach quantitativer oder qualitativer Orientierung unterscheiden. Abschließend lässt sich sagen, dass im Zentrum der Bestrebungen zu Erhalt und Steigerung von Employability eine zielgerichtete und ganzheitliche Konzeption stehen muss, die Ängsten und Hindernissen auf Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite ebenso Rechnung trägt wie tradierten Strukturen und Systemen, die ihre Umsetzung hemmen. Denn Employability darf nicht länger ein Schlagwort bleiben, dem keine konkreten Taten folgen. Insbesondere Großunternehmen haben sich in den letzten Jahren verstärkt mit dieser Thematik auseinander gesetzt und betonen, dass sie die Beschäftigungsfähigkeit ihrer Mitarbeiter als essenzielles Entwicklungsziel und unerlässlichen Baustein für die Zukunftsfähigkeit ihres Unternehmens ansehen. Leider zeigt sich vielfach, dass die Rhetorik in diesen Fällen noch häufig die Praxis überwiegt. Die konkreten Maßnahmen, die viele Unternehmen ergreifen, sind teils unzureichend, teils laufen sie aber auch unkoordiniert ab, sodass sie die Beschäftigungsfähigkeit des Einzelnen nicht wirklich fördern oder erhalten können. Zudem liegt der Fokus häufig zu stark auf den hoch qualifizierten Mitarbeitern, bei denen am schnellsten ein profitables und nach außen sichtbares Ergebnis erzielt werden kann. Im Sinne auch der gesellschaftlichen Verpflichtung muss es jedoch auch Ziel sein, nicht nur die High Potentials sondern ebenso diejenigen Beschäftigten zur Entwicklung ihrer Employability zu motivieren, die aufgrund einer geringeren Qualifizierung durch das Raster des Arbeitsmarktes zu fallen drohen. Wie auch in vielen anderen Bereichen wird der primäre Erfolgsfaktor die Zeit sein. Neue Denk- und Handlungsweisen werden sich bewähren und beweisen müssen, bevor sie endgültig ihre Daseinsberechtigung erhalten können.

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EMPLOYABILITY – DIE GRUNDLAGEN

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Schwerpunkte zum Thema Employability

Employability und Schulen Auf dem Weg zur „Bildungsrepublik“ Deutschland

von Jutta Rump /Sibylle Groh

JUTTA RUMP / SIBYLLE GROH

Inhalt 1. Grundsätzliches 2. Employability aus Schülersicht 2.1 Fachliche Qualifikationen am Beispiel der Lesekompetenz und der Kenntnisse in den mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächern 2.2 Überfachliche Qualifikationen 2.3 Die Verstärkung sozialer Nachteile durch das Schulsystem 2.4 Herausforderungen und Anforderungen 3. Employability aus Lehrersicht 3.1 Lehrer sind Träger einer großen Verantwortung 3.2 Unzulängliche Rahmenbedingungen 3.3 Die Beziehung Lehrer-Wirtschaft 3.4 Herausforderungen und Anforderungen an den modernen Lehrberuf 4. Best Practices 4.1 Das finnische Schulsystem und seine Bedeutung für die Beschäftigungsfähigkeit der Schüler 4.2 Jugend in eigener Sache (JieS) – Fit in die berufliche Zukunft 4.3 Das kooperative Übergangsmanagement Schule-Beruf (KÜM) – ein Weg zur verbesserten Ausbildungsreife junger Hauptschüler 5. Fazit Literatur

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EMPLOYABILITY UND SCHULEN

1. Grundsätzliches Wir wissen, dass ein Mensch, der „employable“, also beschäftigungsfähig ist, bestimmte Eigenschaften bzw. Fähigkeiten aufweist. Es bleibt die Frage offen, woher diese kommen bzw. wo diese erworben werden. Da Employability und die dazugehörigen Schlüsselqualifikationen einen „starken Bezug zu sozialen und methodischen Denk- und Handlungsmustern, Werten und Einstellungen“1 aufweisen, ist deren Ausbildung nicht von heute auf morgen möglich und eine Frage von Sozialisation. Doch wo findet heutzutage Sozialisation statt? Ist es noch immer die Familie, die die Kinder am Nachhaltigsten für die Zukunft prägt, oder werden Teile der Erziehungsaufgaben von anderer Seite übernommen? Der Wandel der Familien- und Lebensformen führt oftmals dazu, dass die Zeit für die Kinder in deutschen Familien immer knapper bemessen ist. Mehr und mehr Erziehungsaufgaben werden von den Eltern daher an die Schulen abgegeben. Sie nehmen eine immer zentralere Rolle ein und sind somit auch eine wichtige Sozialisationsstation. „Bildung gibt es nicht ohne Erziehung, und Erziehung gibt es nicht ohne Werte“2 d. h., an der Übermittlung der Schlüsselqualifikationen, die die Schüler beschäftigungsfähig machen, ist die Schule nicht unwesentlich beteiligt. ,

Hinzu kommt, dass das Alter bei der Vermittlung der Schlüsselqualifikationen von Employability eine wichtige Rolle spielt. Je älter ein Mensch ist, desto schwieriger ist es, ihm diese zu vermitteln. Am Anfang bzw. in der Mitte ihres jeweiligen Sozialisationsprozesses sind die Menschen noch unbelastet und offen für neue Denk- und Handlungsmuster. Somit ist die Schule ein idealer Vermittlungsort für die Schlüsselqualifikationen der Beschäftigungsfähigkeit. Doch wie können Schlüsselqualifikationen überhaupt vermittelt und erlernt werden? Der Geschichtsstoff kann auswendig gelernt, die Mathematikaufgabe verstanden werden, die Vermittlung von Schlüsselqualifikationen kann jedoch nicht abstrakt, sondern deren Förderung kann nur in Verbindung mit konkreten fachspezifischen Inhalten erfolgen. Auf die Frage, welche Inhalte

1 2

Rump, J./Schmidt, S.(2004). BDA (2002), S. 13.

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zur Vermittlung geeignet sind und wie diese konkret stattfindet, gibt es keine Patentlösung.3 Ebenso schwierig stellt es sich dar, den Erfolg der Vermittlung zu messen. Beim Diktat ist die Fehlerzahl ermittelbar, im Mathematikunterricht verrät die richtige Lösung den Erfolg, Schlüsselqualifikationen „ ... können eher implizit durch aufwendige Beobachtungen aus einem Lern- und Arbeitshandeln erschlossen werden.“4 Doch auch dann ist keine konkrete Punktzahl oder Note zu vergeben, es kann höchstens das Vorhandensein der Qualifikation, z. B. der Teamfähigkeit, festgestellt werden. Wie teamfähig z. B. derjenige dann tatsächlich ist, also wie stark diese Qualifikation ausgeprägt ist, bleibt offen. Diese beiden Probleme stellen eine große Herausforderung an die ‚Schule der Zukunft’ dar, da zu deren Aufgaben neben der Wissensvermittlung auch die Vermittlung dieser überfachlichen Qualifikationen gehört.

2. Employability aus Schülersicht Wie im Artikel „Employability und Megatrends“ dargelegt, wird die Bevölkerung in Deutschland immer weniger Menschen umfassen. Viele davon werden sehr alt und bereits aus der Erwerbstätigkeit ausgeschieden sein. Für den Erhalt des Wirtschaftsstandorts Deutschland und des Qualitätssiegels „Made in Germany“, das weltweit mit Qualität und Innovationen in Verbindung gebracht wird, wird das Potenzial eines jeden jungen Menschen benötigt. Deutschland kann es sich somit weniger denn je leisten, dass ein nicht unerheblicher Teil der Schulabgänger als nicht ausbildungs- bzw. beschäftigungsfähig eingestuft wird. Laut der IHK-Unternehmensbefragung „Ausbildung 2010“ blieben im Jahr 2009 grob geschätzt rund 50.000 Ausbildungsplätze in deutschen Unternehmen unbesetzt. Als Hauptgrund für die Nichtbesetzung ihrer Ausbildungsplätze nennen die Befragten die Tatsache, dass keine geeigneten Bewerbungen vorlagen (Zustimmung von 63 % der Befragten). Ein weiteres 3 4

Vgl.: Schelten, A. (2004). Schelten, A. (2004).

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Problem sei die mangelnde Ausbildungsreife vieler Schulabgänger, so die Ergebnisse der Befragung.5 Wo genau sind die Defizite der Schüler, was beeinträchtigt ihre Bildungschancen und was können sie selbst für eine verbesserte Beschäftigungsfähigkeit tun? Benötigen Sie Unterstützung? Wenn ja, von wem? In den nachfolgenden Ausführungen sollen Antworten auf diese Fragen gefunden werden.

2.1

Fachliche Qualifikationen am Beispiel der Lesekompetenz und der Kenntnisse in den mathematischnaturwissenschaftlichen Fächern

2.1.1 Die Lesekompetenz Das „Programme for International Student Assessment“, kurz die PISA-Studie im Jahr 2000, hat ergeben, dass das Leseverständnis der deutschen 15Jährigen enorme Mängel aufweist. Das Erfassen und Bewerten von Texten wurde in fünf Kompetenzstufen mit wachsenden Anforderungen geprüft, und Deutschland lag in allen Stufen unter dem OECD-Durchschnitt. So sind 23 % der deutschen Schüler nicht in der Lage, die Anforderungen von Stufe zwei zu erfüllen6, nicht einmal 10 % sind auf der Kompetenzstufe fünf.7 Das Ergebnis der zweiten PISA-Studie im Jahr 2003 zeigt zwar eine verbesserte Lage im internationalen Vergleich, stellt jedoch keine statistisch abgesicherte Verbesserung der Lesekompetenz der deutschen Schüler fest. 22,3 % der deutschen Jugendlichen zählten 2003 im Bereich der Lesekompetenz zur Risikogruppe. Ihnen fehlten essenzielle Fähigkeiten, um in Ausbildung und Beruf Erfolg zu haben.8 Im Rahmen von PISA 2006 zeichneten sich leichte Verbesserungen in der Lesekompetenz der deutschen Schüler ab. Aufgrund des sinkenden Anteils

5 6 7 8

Vgl.: Pahl Th./Heintz, B./Gruppe, S. (2010). Vgl.: Blickpunkt Bundestag (2002), S. 1f. Vgl.: Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände ( 2002), S. 8. Vgl.: Politikerscreen (2004).

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von 15-Jährigen Jugendlichen auf den unteren Kompetenzstufen ist der Mittelwert der Lesekompetenz leicht gestiegen und diese liegt nun im Bereich des OECD-Durchschnitts. Trotz dieser Verbesserung bleibt eine verstärkte und systematische Leseförderung an deutschen Schulen jedoch unerlässlich.9 2.1.2 Kenntnisse in den mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächern Im Bereich Mathematik und Naturwissenschaften erreichten die deutschen Schüler bei der PISA-Studie 2000 Rang 20 bei 32 untersuchten Ländern. Bereits ein Jahr vor PISA bescheinigte die TIMSS-Studie den deutschen Schülern dürftige Leistungen in diesem Bereich und siedelte Deutschland international im hinteren Mittelfeld an.10 Laut PISA ist der Anteil der Risikogruppe, also der Gruppe an Jugendlichen, deren mathematische Fähigkeiten nicht über das Niveau des Rechnens in der Grundschule hinausgehen, in Deutschland so hoch wie in keinem anderen Land.11 So sollten die 15-Jährigen z. B. einen Flächeninhalt eines Rechtecks von vier mal drei Zentimetern berechnen, die Antwortoption „zwölf“ war vorgegeben. An dieser Aufgabe scheiterten 9,7 % der an PISA beteiligten deutschen Schüler. Nur 1,3 % dieser Schüler konnten bei der Vorgabe, mit Zehn-, Fünf- und Zwei-Pfennig-Stücken auf eine Summe von 32 Pfennig zu kommen, alle Möglichkeiten aufzählen.12 Die Ergebnisse der zweiten PISA-Studie im Jahr 2003 bescheinigten den deutschen Schülern signifikante Verbesserungen im Bereich naturwissenschaftlicher Kompetenzen und in Teilbereichen der Mathematik, doch im internationalen Vergleich verbleibt Deutschland im Mittelfeld. Im Bereich der Mathematik zählten noch immer 21,6 % der deutschen 15-Jährigen zur Risikogruppe.13 Im Bereich der Naturwissenschaften erreichten deutsche Schüler im Rahmen der PISA-Studie 2006 516 Punkte und belegten damit den achten Platz, für welchen sie komplexe Multiple-Choice Aufgaben zu den Bereichen Physik, Chemie, Biologie, Gesundheit, Umwelt oder Natürliche Ressourcen be-

9 10 11 12 13

Vgl.: DIPF (2009). Vgl.: Blickpunkt Bundestag (2002), S. 1f. Vgl.: Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (2002), S. 16. Vgl.: Blickpunkt Bundestag (2002), S. 2. Vgl.: Politikerscreen (2004).

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antworteten. Hierbei schlossen die deutschen 15-Jährigen in den Bereichen Umwelt und Nachhaltigkeit besonders gut ab, welches darauf hindeutet, dass diese Thematik in deutschen Schulen stärker als in anderen Ländern thematisiert wird.14 Im Bezug auf die mathematischen Kompetenzen lag Deutschland 2006 – wie auch im Jahr 2003 – im Bereich des OECD-Durchschnitts. So lagen 19,9 % der Jugendlichen bei einem OECD-Durchschnitt von 21,3 % auf der ersten Kompetenzstufe bzw. darunter. Während zwischen PISA 2000 und PISA 2003 eine starke Verbesserung der mathematischen Kompetenzen zu verzeichnen war, orientierten sich die Ergebnisse von PISA 2006 an denen der PISA-Studie aus dem Jahr 2003.15 2.1.3 Die Bedeutung von Fachwissen für Employability Als das Fundament der Beschäftigungsfähigkeit und aufgrund der Wechselwirkung mit den Schlüsselqualifikationen ist das Fachwissen für das spätere Berufsleben eines jungen Menschen von enormer Wichtigkeit. Denn nur wer über fachliche Qualifikationen verfügt, kann die Eigenschaften der Schlüsselqualifikationen erlangen, bzw. wer fachliche Qualifikationen erlangen will, benötigt dazu Schlüsselqualifikationen wie Fleiß und Durchhaltevermögen. Diese große Bedeutung gibt den Anstoß, die fachlichen Qualifikationen nicht wie in vielen Ausführungen über die Beschäftigungsfähigkeit als gegeben vorauszusetzen und unerwähnt zu lassen. Die Ergebnisse der PISA-Studien tendieren in den beiden aufgeführten Bereichen jeweils leicht zu verbesserten fachlichen Kenntnissen. Sie zeigen jedoch auch auf, dass die derzeitigen Bemühungen zu einer „Bildungsrepublik“ noch nicht ausreichend sind. Arbeitsplätze, für die hohe Qualifikationen benötigt werden, nehmen zu. Der Trend in Richtung Innovationsgesellschaft bzw. Wissensgesellschaft ist in vollem Gange und wird sich noch weiter fortsetzen. Tätigkeiten wie Lehren, Publizieren, Forschen, Konstruieren und Beraten werden in Zukunft demnach noch gefragter sein. Diese Tätigkeiten werden in der Regel von Akademikern ausgeführt, die zur Erreichung ihres Abschlusses umfassende fachliche Qualifikationen benötigen. 14 Vgl.: Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (2008). 15 Vgl.: Prenzel, M./Artelt, C./Baumert, J./Blum, W./Hammann, M./Klieme, E./Pekrun, R. (Hrsg.) (2007).

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Lücken im Fachwissen lassen sich vergleichsweise einfach beheben. Oftmals geht es nur darum, Ängste oder Blockaden zu überwinden. Ist z. B. dann der mathematische „Knoten geplatzt“, lässt sich der Stoff schnell nachholen. Auf den Lernerfolg der Schüler wirkt sich auch der Abbau von Leistungsdruck sehr positiv aus. So wäre es angebracht, über die Notwendigkeit des Benotungssystems sowie über das „Sitzen bleiben“ nachzudenken, denn gerade in Ländern, die bei den PISA-Studien sehr erfolgreich waren, können Schüler das Klassenziel nicht verfehlen, und es werden Notenzeugnisse durch so genannte Lernberichte ersetzt.16 Die Lücken in den überfachlichen Kompetenzen lassen sich mit fortschreitendem Alter nicht mehr so einfach schließen. Daher sollte die Schule von heute das Augenmerk nicht nur auf das Fachwissen, sondern auch auf die überfachlichen Qualifikationen richten.

2.2

Überfachliche Qualifikationen

Für die Beschäftigungsfähigkeit spielen – wie bereits mehrfach geschildert – die überfachlichen Qualifikationen eine große Rolle. Viele Studien belegen, dass die Schulabgänger in Deutschland neben den fachlichen Defiziten auch Mängel in den so genannten „Soft Skills“ aufweisen. Das Institut für Beschäftigung und Employability IBE untersuchte im Jahr 2006 bei rund 1.000 Unternehmen die Anforderungen und Ausprägungen berufsrelevanter Komponenten bei Ausbildungsplatzbewerbern. Das Ergebnis ist eine deutliche Differenz zwischen Soll- und Ist-Profil von Ausbildungsplatzbewerbern (siehe Abbildung 1). Die Ergebnisse der IHK-Unternehmensbefragung „Ausbildung 2010“ bestätigen die Defizite im Bereich der überfachlichen Qualifikationen. Trotz der großen Bedeutung für die Beschäftigungsfähigkeit und somit auch für das spätere Berufsleben der Schüler scheinen die Schlüsselqualifikationen in vielen Schulen nach wie vor kaum ein Thema zu sein. Darüber hinaus fehlt vielen Schülern das Verständnis, wie wichtig es in der heutigen Zeit ist, beschäftigungsfähig zu sein. Da der Fokus des Unterrichtsstoffs in vielen Fällen 16 Vgl.: Bundesvorstand zum 28. Gesamtschulkongress (2002), S. 2.

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EMPLOYABILITY UND SCHULEN

nur auf Fachwissen gerichtet ist und kaum einmal „über den Tellerrand“ hinweg in die Arbeitswelt geblickt wird, wissen die Schüler häufig nicht, was sie nach der Schule in der Arbeitswelt erwartet. Oftmals haben sie nicht einmal genaue Informationen über den Beruf bzw. die Arbeitsabläufe und Anforderungen in den Berufen ihrer Eltern. Doch wie sollen sich diese Jugendlichen für etwas begeistern, mit Motivation und Freude etwas angehen, von dem sie wenig wissen?

ABB. 1: DIE ERGEBNISSE EINER STUDIE DES INSTITUTS FÜR BESCHÄFTIGUNG UND EMPLOYABILITY IBE

Durch die Tatsache, dass den Schülern der Unterrichtsstoff sozusagen „auf dem Silbertablett serviert“ wird, sind viele Jugendliche nicht in der Lage, eigenverantwortlich zu handeln. Im Unterricht ist Zuhören und Wiedergeben gefragt, aktiv und motiviert müssen sie meist nicht sein. Die Notwendigkeit, sich Ziele zu setzen und für sich selbst Verantwortung zu übernehmen, ist für viele nicht ersichtlich. „Der Lehrer sagt mir schon, was ich zu tun habe“, ist eine weit verbreitete Meinung. Nach der Schulzeit gibt es jedoch keinen Lehrer mehr, der den Schülern den zu lernenden Stoff vorgibt, und diese einmal geprägte so genannte „Vollkaskomentalität“ wird weitergelebt. Im Erwachsenenleben wird sie zu „Der Arbeitgeber wird’s schon richten“ oder oftmals auch „Der Staat wird’s schon richten“. Dabei ist lebenslanges bzw. 177

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lebensbegleitendes Lernen für die Beschäftigungsfähigkeit wichtiger denn je. Die Individualisierungstendenz, die Globalisierung und der Flexibilitätstrend machen es zur Pflicht. Es reicht nicht mehr aus, nur das zu wissen, was man einmal in der Schule gelernt hat, denn das Wissen ändert sich heutzutage rasant. Um am Ball bleiben zu können, muss ständig Neues dazugelernt werden.

2.3

Die Verstärkung sozialer Nachteile durch das Schulsystem

„Es lassen sich drei Risikolagen beschreiben, durch die die Bildungschancen der Kinder beeinflusst sein können: •

wenn die Eltern nicht in das Erwerbsleben integriert sind (soziales Risiko),



ein geringes Einkommen haben (finanzielles Risiko) oder



über eine geringe Ausbildung verfügen (Risiko der Bildungsferne).“17

Von mindestens einer dieser Risikolagen beeinträchtigt waren im Jahr 2008 29 % der 13,6 Millionen Kinder und Jugendlichen unter 18 Jahren. 3,5 % der Kinder und Jugendlichen unter 18 Jahren waren im gleichen Jahr sowohl vom sozialen, vom finanziellen und vom Risiko der Bildungsferne betroffen. Die Häufigkeit, mit der Kinder und Jugendliche in Risikolagen aufwachsen, steht im direkten Zusammenhang mit zwei Faktoren: der Lebensform der Eltern und dem Migrationshintergrund. Kinder von Alleinerziehenden und Kinder mit Migrationshintergrund sind deutlich öfter von sozialem und/oder finanziellem Risiko beeinträchtigt als Kinder von Paaren und Kinder ohne Migrationshintergrund. Auch das Risiko der Bildungsferne ist bei Kindern mit Migrationshintergrund deutlich erhöht. 6 % der Kinder und Jugendlichen mit keinem Migrationshintergrund wachsen bei Eltern auf, die keine abgeschlossene Berufsausbildung oder keinen höheren Schulabschluss haben. 28 % der Kinder und Jugendlichen mit Migrationshintergrund sind der Risikolage der Bildungsferne ausgesetzt. Die Risikolagen sind in Deutschland

17 Autorengruppe Bildungsberichterstattung (2010), S. 27.

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regional sehr unterschiedlich verteilt. So leben in den Stadtstaaten deutlich mehr Kinder und Jugendliche in Risikolagen als z. B. in Bayern.18 Die genannten Risikolagen führen bei den betroffenen Kindern und Jugendlichen zu Nachteilen sowohl bei den fachlichen als auch bei den überfachlichen Qualifikationen. Nach den Ergebnissen der PISA-Studien 2000 und 2003 gelingt es dem Schulsystem in Deutschland nicht, diese Jugendlichen ausreichend zu fördern und somit ihre Employability zu entwickeln. „In keinem anderen Industrieland ist die soziale Herkunft so entscheidend für Schulerfolg wie in Deutschland.“19 Die PISA-Studie 2006 zeigt eine leichte Entspannung beim Zusammenhang der sozialen Herkunft und der Lesekompetenz. „Deutschland gehört damit zu den wenigen Ländern, in denen sich die Abhängigkeit der Leseleistungen von der sozialen Herkunft der Schüler kontinuierlich verringert hat, aber sie ist immer noch hoch ausgeprägt.“20 Ihre Lesekompetenz gesteigert haben zwischen 2000 und 2006 vor allem Kinder aus den bildungsfernen Schichten. Diese positive Entwicklung ist im Bereich Mathematik und Naturwissenschaften leider nicht erkennbar. Als weiteres Beispiel lässt sich das Thema Schulabschluss nennen. Regelmäßig ist in den Medien zu hören oder zu lesen, dass Kinder aus bildungsfernen Schichten und/oder mit Migrationshintergrund deutlich geringere Chancen auf eine Empfehlung für das Gymnasium haben als Kinder aus Akademikerfamilien. Viele der Kinder und Jugendlichen aus Risikolagen besuchen die Hauptschule und verlassen diese oftmals ohne Abschluss. Die Zahl der Hauptschulabgänger ohne Abschluss ist prozentual in den letzten Jahren zwar leicht zurückgegangen (2004: 8,5 %, 2006: 7,9 % und 2008: 7,5 %), ist aber immer noch viel zu hoch.21 Doch woher kommen diese Bildungsungerechtigkeiten? Welche Maßnahmen wurden schon ergriffen und welche sind noch notwendig, damit in Deutschland Bildungsgerechtigkeit herrscht? Als ein Grund für die spätere Benachteiligung der Kinder und Jugendlichen in Risikolagen wird die mangelnde Förderung und Forderung dieser Kinder

18 19 20 21

Vgl.: Autorengruppe Bildungsberichterstattung (2010), S. 27. isoplan-Saarbrücken (2002), S. 1. Bundesministerium für Bildung und Forschung (ohne Jahresangabe). Autorengruppe Bildungsberichterstattung (2010), S. 90.

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bereits im Kleinkindalter gesehen. In den oft „kinderreichen“ Familien bleibt keine Zeit für die individuelle Förderung des Kindes bzw. ist häufig auch kein Interesse vorhanden, sich mit den Kindern zu beschäftigen. Eine mangelnde Bildung und ein nicht gut entwickeltes Artikulationsvermögen der Eltern verstärkt dies noch, da Fragen der Kinder meist zu kurz oder nicht zufrieden stellend beantwortet werden. In diesen Familien weicht die Kommunikation fast gänzlich zugunsten des Fernsehers. Vorgelesen oder diskutiert wird kaum. Die frühkindliche Bildung außerhalb des Elternhauses stellt somit einen wesentlichen Aspekt zur Herstellung von mehr Bildungsgerechtigkeit dar. Frühkindliche Bildung muss qualitativ hochwertig, für alle zugänglich – also kostenfrei bzw. kostengünstig – und zumindest im letzten Jahr vor Schuleintritt verpflichtend sein. Die frühkindliche Bildung hat in den letzten Jahren in Deutschland sehr an Bedeutung gewonnen. Zwar sind große Unterschiede zwischen den einzelnen Bundesländern erkennbar, aber insgesamt werden bundesweit immer mehr Kinder bereits ab dem ersten Geburtstag im frühkindlichem Bildungssystem betreut. Kindergartenplätze werden bereits für Kinder ab zwei Jahren bereitgestellt und viele Investitionen wurden getätigt. Das Land Rheinland-Pfalz hat sich dazu entschieden, den Kindergartenbesuch ab dem Alter von zwei Jahren kostenlos anzubieten. Für Kinder mit Migrationshintergrund gilt es vor der Einschulung eine große Hürde zu überwinden. Können die Kinder zu diesem Zeitpunkt nahezu perfekt deutsch sprechen, stehen die Chancen auf eine gute Schullaufbahn sehr gut. Haben die Kinder die deutsche Sprache jedoch bis zu diesem Zeitpunkt nicht erlernt, bleibt sie im Grunde Zweitsprache und verursacht im Schulalltag deutliche Probleme. Deutsch als Fremdsprache ermöglicht es den Kindern oft nicht, alle Inhalte des Unterrichts zu verfolgen, und meist können diese Defizite später nicht mehr aufgefangen werden.22 Es entstehen Bildungslücken, die immer größer und bedeutender werden. Oftmals kommt erschwerend hinzu, dass auch die Eltern kaum oder gar nicht deutsch sprechen können oder wollen. So können sie ihre Kinder vor dem Einschulen nicht beim Erlernen der deutschen Sprache und nach Schuleintritt nicht bei den Hausaufgaben unterstützen. Auch in diesem Bereich hat sich in den letzten Jahren einiges getan: z. B. Sprachkurse für Mütter mit Migrationshintergrund,

22 Vgl.: nano online (2002), S. 1.

180

EMPLOYABILITY UND SCHULEN

Sprachförderung im Kindergarten und spezielle Vorschulklassen für Kinder mit Migrationshintergrund. In den Jahren 2007 bis 2009 wurden in Deutschland jährlich etwa 108 Euro bzw. 168 Euro pro Schüler für Nachhilfeunterricht ausgegeben.23 Schätzungen zur Folge bekommt jeder vierte Schüler in Deutschland mindestens einmal in der Woche Privatunterricht, wofür die Eltern jährlich rund zwei Milliarden Euro bezahlen.24 Für sozial schwache Familien ist diese zusätzliche Ausgabe oftmals unerschwinglich, und häufig wird in diesen Familien auch kein besonderes Augenmerk auf die Bildung der Kinder gelegt. Allein diese Tatsache spricht dafür, dass die Einrichtung von noch mehr Ganztagsschulen – nicht nur in sozialen Brennpunkten – dringend erforderlich ist. In Ganztagseinrichtungen bleibt mehr Zeit für die Vertiefung des Unterrichtsstoffs und für individuelle Lücken bzw. Schwächen. Die Chancengleichheit aller Schüler wird damit erhöht, und auch Schüler aus sozial schwächeren Familien erhalten die Chance auf ein später erfolgreiches Berufsleben. In den Auf- und Ausbau der Ganztagsangeboten wurde in den letzten Jahren erheblich investiert, sodass inzwischen an jedem dritten Schulstandort in Deutschland ein Ganztagsbetrieb angeboten werden kann. Dies klingt im ersten Moment sehr viel, doch: nicht nur Kinder und Jugendliche mit Risikolage werden ganztägig betreut, diese Form der Betreuung wird auch zur verbesserten Work-LifeBalance von Familien, die von keiner Risikolage betroffen sind, genutzt. Insgesamt konnten im Jahr 2008 24 % der Kinder und Jugendlichen an deutschen Schulen im Primar- und Sekundarbereich I ganztätig betreut werden.25 Doch nicht nur finanzielle Aspekte sprechen für den weiteren Ausbau der Ganztagsbetreuung. Schüler, die Ganztagsschulen besuchen, haben zu Hause keine Schularbeiten mehr zu erledigen, sind also in diesem Punkt nicht auf die Hilfe im Elternhaus angewiesen und haben auch am Nachmittag Zugang zum Computerraum und zur Bibliothek. Kindern mit Migrationshintergrund bietet eine Ganztagsbetreuung mehr Raum für speziellen Deutschunterricht und gezieltere Förderung. Das Thema „Kosten“ spielt nicht nur in Bezug auf das Thema Nachhilfe eine wesentliche Rolle bei der Bildungsungerechtigkeit in Deutschland. Vielen 23 Vgl. O.V. (2010). 24 Vgl. Piniek, M. (2009). 25 Autorengruppe Bildungsberichterstattung (2010), S. 74.

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sozial schwächeren Familien ist es schlichtweg finanziell nicht möglich ihre Kinder entsprechend ihrer Neigungen, Fähigkeiten und Interessen zu fördern. Musikunterricht, Sportvereine, ein Musikinstrument, die Sportausrüstung – und das für oftmals eine große Anzahl von Kindern – ist für Familien mit geringem Einkommen nicht finanzierbar. Ebenfalls nicht finanzierbar ist in vielen Fällen der Besuch einer weiterführenden Schule ab Klasse 10, also nach Erfüllung der Schulpflicht. Die Transportkosten zur Schule, die Mehrkosten an Büchern, die in weiterführenden Schulen anfallen, können meist nicht aufgebracht werden. Einzelne Bundesländer, wie z. B. Bayern, haben schon seit längerem die Konsequenzen gezogen und Lernmittelfreiheit in den Schulen eingeführt. Andere Bundesländer wie z. B. Rheinland-Pfalz versuchen nun mit einem Leihsystem für Bücher die Kosten für die Eltern zu minimieren.26

2.4 Herausforderungen und Anforderungen „Man kann einem Menschen nichts lehren, man kann ihm nur helfen, es in sich selber zu entdecken.“ Dieses Zitat von Galileo Galilei beinhaltet die große Herausforderung an Jugendliche auf dem Weg zur Beschäftigungsfähigkeit und die Anforderungen an unterschiedliche Akteure, die Jugendlichen in vollem Umfang zu unterstützen. Die Schüler selbst müssen erkennen, wie wichtig es in der heutigen Zeit ist, employable zu sein, und dass dazu große Anstrengungen von Nöten sind. Dieser Prozess scheint bereits in Gang gesetzt zu sein und erste kleine Erfolge sind zu berichten. Die Jugendlichen benötigen aber weiterhin die Unterstützung ihrer Eltern, der Lehrer, der Unternehmen und vor allem des Staates. Für die Jugendlichen müssen Rahmenbedingungen geschaffen werden, die es ihnen ermöglichen, ihre Stärken und Potenziale zu erkennen und entsprechend dieser gefördert zu werden. Soziale Herkunft darf nicht länger eine Hürde im Bildungssystem Deutschlands sein.

26 Andor, M. (2010).

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3. Employability aus Lehrersicht 3.1 Lehrer sind Träger einer großen Verantwortung Die Organisation Schule und hauptsächlich die Lehrer stehen zu Beginn des 21. Jahrhunderts vor neuen und großen Herausforderungen. Bildung gewinnt immer mehr an Bedeutung, und in Zukunft werden die Chancen des Wirtschaftsstandorts Deutschland mehr denn je von der Qualität des Bildungswesens abhängen. Die Qualifikation, Leistungsfähigkeit und Motivation der zukünftigen Arbeitnehmer, die sie im heutigen Bildungssystem erhalten, entscheiden über die weitere Entwicklung der Gesellschaft und auch der Wirtschaft.27 „Lehrer haben dabei die Schlüsselrolle für die Qualität unseres Schulsystems.“28 Die Lehrer übernehmen verantwortungsvolle Aufgaben, indem sie die Jugend bilden, an deren Erziehung mitwirken und entscheidend zur Qualität der Schule beitragen, an der sie tätig sind und somit mitverantwortlich für den Bildungserfolg der Schüler ihrer Schule sind.29 Um Schülern das mit auf den Weg geben zu können, was von ihnen in der zukünftigen Arbeitswelt erwartet wird, müssen Lehrer zum einen wissen, welche Voraussetzungen die Schulabgänger erfüllen müssen, um employable zu sein, und zum anderen fähig sein, Schülern dieses Wissen und diese Fähigkeiten zu vermitteln. Um diesen Aufgaben gerecht werden zu können, benötigen Lehrer adäquate Rahmenbedingungen, die in Deutschland nicht überall gegeben sind. Einige dieser Mängel, die in direktem bzw. indirektem Zusammenhang mit der späteren Beschäftigungsfähigkeit der Schüler stehen, werden im folgenden Abschnitt erläutert.

3.2 Unzulängliche Rahmenbedingungen erschweren den Lehrberuf Es gibt zahlreiche Rahmenbedingungen, welche die Ausübung des Lehrerberufs in Deutschland erschweren. Zu diesen gehören vor allem die Bildungs-

27 Vgl.: BDA (2001), S. 1. 28 BDA (2001), S.1. 29 BDA (2001), S. 1.

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ausgaben, die fehlenden Anreize und starren Vorschriften, das Ansehen und der Respekt, das Mehr an Erziehungsaufgaben und die Lehreraus- und weiterbildung. Im Folgenden soll auf die einzelnen Erschwernisse näher eingegangen werden. Bildungsausgaben in Deutschland In den Jahren 1995 bis 2007 konnte insgesamt ein Anstieg der Bildungsausgaben für öffentliche Schulen von 4.300 Euro auf 5.000 Euro pro Schüler verzeichnet werden.30 Bei einem OECD-Durchschnitt von 5,8 % im Jahr 2005, lagen die Bildungsausgaben in Deutschland bei 5,1 % des BruttoInland-Produktes.31 Während für den Primärbereich nur 4.537 Euro je Schüler ausgegeben wurden, war der Anteil der Ausgaben – gemessen an denen der Primarstufe – in der Sekundarstufe 1 125 % (dies entspricht 5.671 Euro) und in der Sekundarstufe 2 217 % (dies entspricht 9.845 Euro). Im Primärbereich und im Sekundarbereich I gab man deutlich weniger aus als der OECDDurchschnitt, der in der Primarstufe 5.313 Euro pro Schüler und in der Sekundarstufe 1 115 % (6.110 Euro) betrug.32 Die aktuellsten Vergleichsdaten der OECD-Staaten, die sich auf das Jahr 2006 beziehen, zeigen noch deutlichere Unterschiede: während der OECDDurchschnitt bei 5,7 % des Brutto-Inlands-Produktes lag, gab Deutschland nur 4,8 % des Brutto-Inlands-Produktes für Bildungseinrichtungen aus. Die absoluten Bildungsausgaben pro Teilnehmer vom Primär- bis Tertiärbereich lagen in diesem Jahr allerdings leicht über dem OECD-Durchschnitt. Die Ausgaben je Teilnehmer im Primärbereich und im allgemeinen Sekundarbereich I fielen jedoch wieder niedriger aus, als im OECD-Durchschnitt.33 Doch genau in diesen Bereichen werden die Weichen für eine Bildungskarriere der Kinder und Jugendlichen gestellt. Eine positive Tendenz ist zu erkennen, denn vorläufigen Berechnungen zufolge stiegen die Bildungsausgaben 2008 überproportional zur wirtschaftlichen Entwicklung. Rund 6,2 % des BIP wurde in Bildung investiert, und auf-

30 31 32 33

Statistisches Bundesamt (2010), S. 10. Vgl.: Statista (2010). Vgl.: Frein, Th./Möller, G../Petermann, A./Wilpricht, M. (2006), S. 88. Autorengruppe Bildungsberichterstattung (2010).

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EMPLOYABILITY UND SCHULEN

grund der Haushaltsplanungen des öffentlichen Bereichs und der Konjunkturprogramme ist ein weiterer Anstieg der Bildungsausgaben zu erwarten.34 Ein Großteil dieser Aufwendungen wird jedoch nicht in Bücher, Unterrichtsmaterialien und dergleichen, sondern in die Gehälter der Lehrer investiert. Im internationalen Vergleich liegt das Gehalt der Grundschullehrer in Deutschland – im Jahr 2000 lag es bei einem Lehrer mit 15-jähriger Berufserfahrung kaufkraftbereinigt bei 38.000 US-Dollar – im Spitzenfeld und etwa ein Drittel höher als im OECD-Schnitt.35 Ein internationaler Vergleich der Einstiegsgehälter pro Jahr in der Sekundarstufe I in Dollar aus dem Jahr 2005 bescheinigt den Lehrern in Deutschland erneut ein Spitzengehalt (39.650 USDollar). Lediglich schweizer Lehrer verdienen besser, neuseeländische Lehrer nicht einmal die Hälfte.36 Dies zeigt sehr deutlich, wie wenig Geld für Unterrichtsmaterialien, die für einen modernen Unterricht unabkömmlich sind, in Deutschland wirklich ausgegeben wird. Fehlende Anreize und starre Vorschriften Eine Rahmenbedingung, welche die Lehrer in ihrer wichtigen Aufgabe eher behindert als fördert, ist die Tatsache, dass die Lehrkräfte einer Schule bisher als gleich betrachtet werden, unabhängig davon, wie sehr sie sich engagieren und wie viel sie arbeiten. Besondere Leistungen werden nicht belohnt, NichtLeistungen nicht sanktioniert, und einen Ausgleich für Mehrarbeit gibt es bisher kaum. Aus diesem Grund fehlt es nicht wenigen Lehrern an Motivation, mehr als notwendig für die Schüler zu tun bzw. sich für Aktionen, die über den normalen Schulalltag hinausgehen, zu begeistern. An dieser Stelle sei angemerkt, dass es auch eine Reihe von Lehrern gibt, die Pilotprojekte konzipieren, organisieren und durchführen. Hinzu kommt noch, dass der Schulalltag oft von starren Vorschriften geprägt ist, die engagierten Lehrern kaum Möglichkeiten bieten, durch außergewöhnliche Aktionen den Schülern Spaß am Lernen zu vermitteln. 37 Auch in diesem Punkt scheint allerdings auf dem Weg zur „Bildungsrepublik“ ein erster Schritt gemacht: Um den Schuldienst attraktiver zu machen, wurden im Jahr 2009 in Bayern Beförderungsmöglich-

34 35 36 37

Autorengruppe Bildungsberichterstattung (2010). Vgl.: Institut der deutschen Wirtschaft (2004), S. 3. Vgl.: Institut der deutschen Wirtschaft (2005). Vgl.: BDA (2001), S. 6.

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keiten für Grund-, Haupt- und Förderschullehrer geschaffen. Ein erster Anreiz, der sicherlich noch weiter ausgedehnt werden kann. Aufgrund der Tatsache, dass ein Großteil der Lehrer über 50 Jahre alt ist, werden dringend weitere Anreizsysteme benötigt, die mehr geeignete Abiturienten für ein Lehramtsstudium begeistern. Ansehen und Respekt Respekt gegenüber der Lehrkraft entsteht aufgrund folgender Dimensionen: •





Fachorientierung des Lehrers (gute Fachorientierung in Verbindung mit guter Stoffvermittlung). Personorientierung des Lehrers wie z. B. Höflichkeit/Freundlichkeit, Gerechtigkeit/Fairness und Verständnis für die Belange der Schüler. Lenkung durch den Lehrer wie z. B. Strenge und Durchsetzungsvermögen.38

Der Lehrberuf zählt in Deutschland nicht zu den angesehenen Berufen. Meist nur als Staatsbedienstete mit vielen Vorteilen, wie kurzen Arbeitstagen, freien Nachmittagen, wochenlangem Urlaub usw. gesehen, wird oftmals vergessen, dass Lehrer durch ihre Tätigkeit – wenn diese gewissenhaft verrichtet wird – einen wichtigen Beitrag zur Zukunft Deutschlands leisten.39 Lehrer, die über eine gute Fachkenntnis und auch über die entsprechenden „Soft Skills“ verfügen, kämpfen somit meist gegen das schlechte Image, das durch Eltern und Gesellschaft auf die Kinder und Jugendlichen übertragen wird. Ein Mehr an Erziehungsaufgaben Durch den Wandel in den Familien- und Lebensformen und die Zunahme von Familien mit Migrationshintergrund und/oder sozial schwacher Familien werden den Lehrern immer mehr Erziehungsaufgaben zugewiesen. Viele Eltern fühlen sich überfordert und überlassen zusätzliche Aufgaben der Schule und somit den Lehrern. Auch durch zunehmend heterogene Lerngruppen, die die Lehrer in manchen Klassen erwarten, gerät die eigentliche Aufgabe der Lehrer, die Lehr- und Bildungsfunktion, durch die Erziehungs- und Betreuungsfunktion in den Hintergrund.40 38 Vgl.: Meyer, M./Eckloff, T./van Quaquebeke (2009), S. 12. 39 Vgl.: BDA (2001), S. 7. 40 Vgl.: BDA (2001), S. 6.

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Die Lehreraus- und weiterbildung in Deutschland Erschwerend kommt hinzu, dass die Lehrer in Deutschland durch ihre Ausbildung nur unzureichend auf die Aufgaben vorbereitet werden, die sie an Schulen tatsächlich zu erfüllen haben. Noch gravierender ist allerdings die Tatsache, dass in Deutschland nicht wie in vielen anderen Ländern flächendeckend ein Eignungstest für zukünftige Lehramtsstudenten durchgeführt wird. (Lediglich einige ausgewählte Universitäten bieten Orientierungsseminare oder freiwillige Eignungstests an. Das Land Baden-Württemberg stellt den künftigen Lehramtsstudenten seit dem Jahr 2009 einen Online-Selbsttest zur Verfügung, der ab 2011 verpflichtet sein soll.) Es gibt also in der Regel vor Beginn eines Lehramtsstudiums in Deutschland keinen psychologischen Eignungstest, der sowohl den Hochschulen als auch den Bewerbern selbst zeigen würde, ob „er über Zuneigung zu Kindern, Einfühlungsvermögen in pädagogische Konfliktsituationen und Frustrationstoleranz verfügt“.41 Auf diesem Weg ergreifen für diesen Werdegang ungeeignete Menschen den Beruf des Lehrers, oftmals aus dem Wunsch nach den vermeintlich guten Arbeitszeiten, dem vielen Urlaub usw., oder auch, da sie sich selbst überschätzen und die tatsächliche, oftmals schwierige Situation an Schulen unterschätzen. Die Folge sind unzufriedene, teilweise überforderte Lehrer, die den Schülern oft motivationslos gegenübertreten. Unvermeidlich wird diese Frustration auch auf die Schüler und deren Lernerfolge übertragen, was sich auch in deren Beschäftigungsfähigkeit widerspiegelt. Wirft man den Blick auf die Lehrerausbildung, stellt man fest, dass diese in Deutschland sehr praxisfern ist: •

„Die Freiheit der akademischen Lehre an der Universität führt in vielen Fächern zur Beliebigkeit. Jeder lehrt, was er will. Manche Inhalte passen zum Berufsziel Lehrer, vieles ist abwegig.“42 So erscheint die neueste Goethe-Interpretation für einen Germanistikstudenten sehr interessant, während ein angehender Grundschullehrer in seinem späteren Tätigkeitsfeld wohl kaum etwas damit anfangen kann.43

41 Janssen, B. (2002), S. 3. 42 Janssen, B. (2002), S. 1. 43 Vgl.: Janssen, B.(2002), S. 1.

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Ebenfalls ungenügend ist das Angebot bzw. die Pflicht zu betreuten Schulpraktika. Studierende, die während des Studiums nicht ausreichend oft vor einer Schulklasse unter Aufsicht den späteren Berufsalltag „üben“, stehen als junge Lehrer nicht selten hilflos den Klassen gegenüber. Sie wissen zwar theoretisch, wie das Unterrichten funktioniert, können es aber nur schlecht umsetzen. Die Lehrerausbildung in Deutschland wird von Nicht-Lehrern übernommen. Es erscheint logisch, dass Lehrer, die sich über ihre Promotion wissenschaftlich qualifiziert haben, für diese Aufgabe besser geeignet wären. Sie haben den Beruf ausgeübt, sie wissen um die Schwierigkeiten in den Schulen, sie können die Fähigkeiten benennen, die zwingend notwendig sind. Nur sie können die künftigen Lehrer ausbilden, da nur sie wissen, worauf es ankommt.

Gegenwärtig bemühen sich alle Bundesländer um eine Reform der Lehrerausbildung. Diese soll einen näheren Bezug zur Praxis aufweisen, die Bezüge zwischen den einzelnen Ausbildungsphasen sollen intensiviert werden, der so genannten Berufseingangsphase soll eine besondere Bedeutung beigemessen werden und studienbegleitende Prüfungen sollen eingeführt werden. Maßnahmen zur Verbesserung der Lehrertätigkeit im Hinblick auf diagnostische und methodische Kompetenzen sollen des Weiteren etabliert werden.44 All diese Aspekte deuten darauf hin, dass die Lehramtsstudenten derzeit zwar nicht immer zu Experten des Lehrens und Lernens ausgebildet werden, aber eine Verbesserung der Situation zu erhoffen ist. Doch nicht nur die Ausbildung der Lehrer, sondern auch deren Fort- und Weiterbildung stellt eine Hürde dar. Lehrer werden immer wieder mit neuen Aufgaben konfrontiert: Unter anderem müssen Schulreformen umgesetzt werden, der Umgang mit neuen Medien erlernt und Methodenkompetenz erworben werden. Lebenslanges Lernen und regelmäßige Weiterbildungen sollten daher eine Pflicht darstellen. „Trotzdem hat die OECD-Lehrerstudie von 2004 attestiert, dass Deutschland zu den Ländern mit den geringsten Fortbildungsaktivitäten der Lehrkräfte zählt.“45 Beachtet man jedoch die Viel-

44 Deutscher Bildungsserver (ohne Jahresangabe). 45 Bildungsklick (2009).

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zahl der Angebote für Lehrer in den einzelnen Bundesländer und die stetig wachsende Anzahl der Landesinstitute, Akademien und Ämter, welche die Fort- und Weiterbildungen für Lehrer organisieren, ist eine Verbesserung der Situation auch in Hinblick auf diese Thematik zu erwarten.

3.3

Die Beziehung Lehrer − Wirtschaft

Der klassische Werdegang eines Lehrers in Deutschland beginnt in der Schule, setzt sich mit dem Studium an einer Universität fort, und von dort aus geht es an die Schule zurück. „ ... Schnittstellen mit der beruflichen Wirklichkeit außerhalb der Schule ...“46 gibt es kaum oder überhaupt nicht. Die Schüler auf das Leben – dieses beinhaltet auch das Arbeitsleben – vorzubereiten, gehört zu den Aufgaben der Lehrer, doch wie sollen sie dies tun, wenn sie doch kaum oder gar keine Kontakte zu der außerschulischen Arbeitswelt hatten bzw. haben? Um diese Aufgabe adäquat erfüllen zu können, müssen sie selbst Erfahrungen in der Arbeitswelt gesammelt haben, wissen, worauf es in den Unternehmen ankommt, und dieses Wissen ständig erneuern bzw. überprüfen. Die Anforderungen der Unternehmen an die Schulabgänger ändern sich im Laufe der Zeit immer wieder, so genügt es also nicht, dass ein Lehrer einmal in einem Unternehmen ‚geschnuppert’ hat, ein regelmäßiger Austausch mit den Unternehmen ist von enormer Bedeutung. Dies bringt einige Vorteile mit sich. Nicht nur, dass die Lehrer durch eigene Erfahrungen in der außerschulischen Arbeitswelt einen Eindruck davon gewinnen, was von Schulabgängern erwartet wird und es ihnen dadurch leichter fällt, die Schüler darauf vorzubereiten. Die Kontakte mit den Unternehmen ermöglichen auch Aktionen wie Betriebsbesichtigungen und Praktika. Im Idealfall kann der Lehrer somit auch bei der Suche nach Ausbildungsstellen behilflich sein. Den Schülern das Gefühl zu geben, dass der Lehrer weiß, wovon er spricht, bestimmte Aspekte mit von ihm selbst erlebten Praxisbeispielen nachhaltiger erläutern zu können, all dies trägt dazu bei, die Schüler für diese Themen zu sensibilisieren und letztendlich ihre Employability zu steigern.

46 BDA (2001), S. 16.

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3.4

Herausforderungen und Anforderungen an den modernen Lehrerberuf

Wie bereits in den Kapiteln 3.1 und 3.2 dargelegt, gibt es eine Kluft zwischen Fähigkeiten und Kompetenzen, die zukünftige Arbeitgeber von Schülern erwarten und den Fähigkeiten und Kompetenzen, über welche die Schüler verfügen. Hier sind Staat, Eltern, aber vor allem die Lehrer bzw. die Schulen gefragt. Durch ihre fast tägliche Arbeit mit den Schülern haben Lehrer gute Voraussetzungen, die Situation der Schüler zu verbessern und ihre Beschäftigungsfähigkeit zu stärken. Es gibt eine Reihe von Herausforderungen und Anforderungen an den modernen Lehrberuf. Auf einige davon soll im Folgenden näher eingegangen werden. Herausforderungen Wichtig ist der regelmäßige und intensive Austausch der Lehrer mit Vertretern der Unternehmen und Institutionen, um über genaue und aktuelle Anforderungen an das Qualifikationsprofil der zukünftigen Arbeitnehmer, also der Schulabgänger, informiert zu sein. Doch das Wissen allein reicht nicht aus, diese identifizierten Kompetenzen und Fähigkeiten müssen in die Lerninhalte integriert werden. Der alleinige Erwerb von Fachwissen wird in Zukunft für die Schüler nicht mehr ausreichend sein. So empfahl der UnescoErziehungsbericht bereits im Jahr 1996 den Schulen, die vier Grundelemente der Bildung gleichermaßen zu beachten. Die Schüler sollen demnach: 1. lernen zu wissen (learning to know), 2. lernen zu handeln (learning to do), 3. lernen zusammenzuleben (learning to live with others) 4. und das eigene Leben lernen (learning to be).47 Dies bedeutet im Einzelnen, Schüler mit folgenden Fähigkeiten bzw. Kompetenzen auszustatten:

47 Vgl.: BDA (2000), S. 16.

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1. Schüler sollen über grundlegende Fähigkeiten wie Lesen, Schreiben, Rechnen, sowie über aktuelles und relevantes Wissen verfügen und dieses auch verstehen. 2. Des Weiteren sollen sie auch praktische Fertigkeiten wie z. B. den Umgang mit Multimedia und die Entwicklung von Arbeitsdisziplin erhalten und zur Problemlösung fähig sein. 3. Schlüsselqualifikationen, wie z. B. Toleranz, Kommunikationsfähigkeit, Teamfähigkeit, soziale Mitverantwortung usw., sollen am Ende der Schulzeit für die Jugendlichen selbstverständlich sein. Zu Zeiten von Globalisierung und Internationalisierung sollen sie auch über entsprechend gute Fremdsprachenkenntnisse verfügen. 4. Die Ausstattung der Schüler mit persönlichen Kompetenzen und Haltungen sollte an den Schulen nicht vergessen werden. Eigenverantwortung, „emotionale Intelligenz“, unternehmerisches Denken und Handeln, Lernfähigkeit und vor allem auch die Anwendung des Gelernten, sowie Selbsterkenntnis und Arbeit an eigenen Schwächen und Stärken sollten im Schulalltag trainiert werden.48 Anforderungen an die Lehrerausbildung und die pädagogischen Fähigkeiten der Lehrer Um Schülern all dies vermitteln zu können, benötigen Lehrer selbst Fähigkeiten und Kompetenzen, die bislang in der Lehrerausbildung nur bedingt verankert sind. Der Fokus der Lehrerausbildung muss mehr als bisher auf überfachliche Qualifikationen der angehenden Lehrer gerichtet sein. Der didaktisch-pädagogische Bereich muss dem fachlichen Bereich gleichwertig sein, denn was nützt dem Lehrer ein fundiertes Fachwissen, wenn er nicht weiß, wie er dieses den Schülern vermitteln soll. Im Studium und auch in der Lehrerfortbildung sollten die Lehrer erfahren, wie sie dem Schüler Lernkompetenz vermitteln können, wie sie also den Schüler lehren zu lernen. Diese Lernkompetenz ist eine der Grundvoraussetzungen für lebenslanges Lernen.49 Die „Beschleunigung der Wissenszyklen“50 zwingt uns förmlich zum lebenslangen Lernen. Dies ist für die Beschäftigungsfähigkeit eines Menschen 48 Vgl.: BDA (2000), S. 17. 49 Vgl.: Arbeitsstab Forum Bildung (2003), S. 3. 50 Chancen für alle (2003), S. 1.

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in der heutigen Zeit immens wichtig. Gerade für Grundschulpädagogen ist dies von großer Bedeutung, denn in der Grundschule werden die Weichen für die spätere Schullaufbahn der Kinder gestellt. Eine gezielte Förderung der Kinder in der Grundschule beugt späterem Schulversagen vor und ist eine wesentliche Grundlage für die Ausbildung von Leistungsbereitschaft und -fähigkeit.51 In allen Schularten ist auch wichtig, den Schülern den Spaß am Lernen zu vermitteln. Motivation und Neugier der Schüler müssen von Anfang an, und hier ist wieder besonders die Grundschule gefragt, richtig genutzt werden, denn nur wenn die Kinder und Jugendlichen Spaß am Lernen haben, werden sie lernen. Um allen Kindern einer Klasse gerecht werden zu können, müssen die heutigen Lehrer auch über viel Einfühlungsvermögen und interkulturelle Kompetenzen verfügen. Nicht nur eine bessere Integration der Kinder mit Migrationshintergrund wäre die Folge, sondern auch interkulturelles Lernen. Das Nutzen von verschiedenen Sprachen und Kulturen kann für die deutschen Kinder als weitere Bildungschance verstanden werden52 und ihre Employability stärken. Entwickeln Lehrer mehr Einfühlungsvermögen, erhöht dies die Chance auf eine individuelle Förderung der Kinder. Lehrer könnten so Benachteiligungen vermeiden, Begabungen früher erkennen und fördern53 und den Schülern eine größere Chance auf eine verbesserte Beschäftigungsfähigkeit bieten. Anforderungen an die praktischen Fähigkeiten der Lehrer Bereits in den Grundschulen ist es sinnvoll, die Kinder an eine Fremdsprache heranzuführen. Schon heute ist in einigen Bundesländern ein Fremdsprachenunterricht in Grundschulen vorgesehen, doch aufgrund mangelnder Qualifikation vieler Lehrer wird dieser nur auf sehr geringem Niveau abgehalten. In den weiterführenden Schulen sowie an Hochschulen sollte es in Zukunft selbstverständlich sein, dass Teile des Unterrichts in einer Fremdsprache abgehalten werden. So sollte jeder Lehrer mindestens eine Fremdsprache fließend sprechen. 51 Vgl.: Chancen für alle (2003), S. 16. 52 Vgl.: Chancen für alle (2003), S. 13. 53 Vgl.: Chancen für alle (2003), S. 9.

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Der Umgang mit modernen Medien muss für die heutigen Lehrer eine Selbstverständlichkeit sein. Gerade das Internet sollte als Wissens- und Lernquelle von Lehrern und auch von Schülern genutzt werden. Die Lehrer bzw. die Schulen „müssen die Schüler in die Lage versetzen, die neuen Medien zu nutzen, aus den angebotenen Informationen auszuwählen und ihr Wissen produktiv zu verwenden“54, sie also mit der so genannten Medienkompetenz ausstatten. Ebenso wichtig ist es, dass die Lehrer über Diagnosekompetenz verfügen, d. h. die Fähigkeit besitzen, ihre Schüler einschätzen zu können. In einem von der Universität Landau durchgeführten Test wurde festgestellt, dass einige Lehrer die Kompetenzen ihrer Schüler nur sehr schlecht einschätzen können. So wäre es dringend notwendig, die Diagnosekompetenz stärker in der Lehrerausbildung zu verankern. Von enormer Wichtigkeit ist dies vor allem für die Grundschullehrer, die in der 4. Jahrgangsstufe mit den Empfehlungen für die weiterführenden Schulen eine bedeutsame Entscheidung für die spätere Beschäftigungsfähigkeit dieser Schüler treffen. Fehleinschätzungen bzw. willkürliche Entscheidungen können das gesamte Leben des jeweiligen Schülers beeinträchtigen. Um den Schülern alle für ihr späteres Berufsleben wichtigen Qualifikationen vermitteln zu können, bedarf es aber nicht nur einer grundlegenden Reform der Lehrerausbildung, sondern auch einer entscheidenden Änderung in den Lehrmethoden. „Moderne Erziehungsmethoden müssen gezielt eingesetzt werden, damit die Schüler die nötigen Kompetenzen im Zusammenhang miteinander entwickeln.“55 Es kann nicht sein, dass heute in vielen Schulen die Schüler in derselben Lernumgebung und mit denselben Methoden unterrichtet werden, wie bereits ihre Eltern und auch Großeltern unterrichtet wurden, denn diese wurden auf ein gänzlich anderes Leben vorbereitet. Anforderungen an die Methodenkompetenz der Lehrer Wie bereits angedeutet, stellt die Vermittlung der für die Beschäftigungsfähigkeit relevanten Schlüsselqualifikationen die Schule bzw. die Lehrer vor eine große Herausforderung. Da sie kaum im direkten Zugriff vermittelt und ein-

54 BDA (2000), S. 13. 55 BDA (2000), S. 17.

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geübt werden können, ist es notwendig, im Unterricht mittelbare Zugangsmöglichkeiten zu eröffnen.56 Hierzu gibt es einige moderne Lehrmethoden, die zum einen die Ausbildung von Employability fördern und zum anderen selbst Inhalt von Employability sind. Einige entscheidende Lehrmethoden sollen hier vorgestellt werden. Lernpsychologische Forschungen ergeben, dass ein Mensch: •

„10 % von dem behält, was er liest



20 % von dem behält, was er nur hört



30 % von dem behält, was er beobachtet



50 % von dem behält, was er hört und sieht



70 % von dem behält, was er selbst sagt und



90 % von dem behält, was er selbst tut.“57

Ein Zitat von Lao-Tse, einem chinesischen Philosophen, bestätigt und verstärkt diese Forschungsergebnisse: „Sage es mir, und ich werde es vergessen, erkläre es mir und ich werde es behalten, lass es mich tun, und ich werde es verstehen.“58 Anhand dieser Zahlen und des Zitats ergibt sich eindeutig die Notwendigkeit, an Schulen noch weniger Frontalunterricht abzuhalten. Diese Unterrichtsform bietet den Schülern nur die Möglichkeit, etwas zu hören, die oben genannten Zahlen verdeutlichen jedoch, dass nur kaum etwas davon behalten wird. Effektiver ist es, die Schüler mehr selbst erarbeiten zu lassen. Sie müssen verstärkt selbst aktiv werden und erhalten so die Möglichkeit, mehr Wissen zu generieren und selbstständig zu arbeiten. Der Lehrer wird vom reinen

56 Vgl.: Siegers, J. (2001), S. 5. 57 Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (2003), S. 13. 58 Schöps, R. (2003), S. 2.

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EMPLOYABILITY UND SCHULEN

Wissensvermittler zum Moderator und ‚Coach’, der die Schüler begleitet und beratend unterstützt,59 die Schüler werden vom passiven Konsumenten zum aktiv Lernenden. Beim selbstständigen Erarbeiten von Themen trainieren die Schüler zudem die Fähigkeit, „Wesentliches von Unwesentlichem zu unterscheiden, Nützliches und Nutzloses zu trennen und schließlich Richtiges und Falsches zu erkennen“.60 Eigenschaften, die in einer Wissensgesellschaft, die eine Flut von Informationen mit sich bringt, für das Berufsleben immer wichtiger werden. Ein konkretes Beispiel einer innovativen Unterrichtsmethode ist das von Jean-Pol Martin im Rahmen des Französischunterrichts entwickelte „Lernen durch Lehren“. Bei dieser in verschiedenen Fächern und in allen Schultypen und Altersstufen einsetzbaren Methode lernen die Schüler einen neuen Stoff, indem sie ihn lehren. Sie bereiten den Stoff also selbstständig auf, präsentieren ihn den Mitschülern und erarbeiten ihn mit ihnen zusammen. Diese Methode trainiert die Bereiche Präsentation, Moderation und Gruppenarbeit und ist daher zur Vermittlung von Schlüsselqualifikationen geeignet.61 Gruppen- und Projektarbeit, auch jahrgangsstufenübergreifend, lehrt die Jugendlichen, Rücksicht zu nehmen, sich auf andere einzulassen, und steigert so die von einem Großteil der Unternehmen gefragte Teamfähigkeit. Um den Unterricht interessanter und abwechslungsreicher zu gestalten, sollten die Schüler gerade in den oft nicht so beliebten naturwissenschaftlichen Fächern die Möglichkeit erhalten, selbst zu experimentieren. Durch eigene chemische Versuche im Labor, durch Experimente in der Physik, durch Ausflüge in die Natur im Rahmen des Biologieunterrichts wird nicht nur die Neugier geweckt, sondern der Lerneffekt wird deutlich gesteigert. Nur durch den Bezug zum Leben verstehen viele Schüler, warum sie z. B. Mathematik oder Physik lernen müssen. Diese aufgelockerte Art des Unterrichts nimmt auch häufig die Angst vor den naturwissenschaftlichen Fächern. Den Unterricht praxisbezogener und interessanter zu gestalten, ist ganz im Sinne des amerikanischen Mathematikers Paul Halmos, der zu diesem Thema Folgendes sagte:

59 Vgl.: Chancen für alle (2003), S. 2. 60 Chancen für alle (2003), S. 1. 61 Vgl.: Eichstätter Bildungsmesse (2004), S. 1.

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„The best way to learn is to do – to ask, and to do. The best way to teach is to make students ask, and do. Don’t preach facts – stimulate acts.”62 Taten anregen, den Unterricht spannend und interessant gestalten, wechselnde Lernorte – Labore, Ausflüge in die Natur, Museen usw. – und den Bezug vom Lernstoff zum Leben herstellen, alles dies sind Dinge, die direkt bzw. indirekt die Employability der Schüler erhöhen. Ebenfalls zur Vermittlung von Schlüsselqualifikationen geeignet ist der Sport. Mit Sport kann auf erzieherische Werte wie z. B. Fairplay und Teamfähigkeit hingewiesen werden. Gerade in Ganztagsschulen, in denen Sport eine wichtige Rolle spielt bzw. spielen soll, können Schüler daraus einen Nutzen für ihre Beschäftigungsfähigkeit erzielen.63

4. Best Practices Zahlreiche Projekte und Maßnahmen von unterschiedlichen Akteuren deuten darauf hin, dass der große Handlungsbedarf im Bereich der Bildung in den letzten Jahren erkannt wurde und dass der Weg zur „Bildungsrepublik“ Deutschland bereits angetreten wurde. Bevor jedoch zwei ausgewählte Projekte näher dargestellt werden, soll das – nach den vielen Erfolgen in den PISA-Studien – sehr bekannte Schulsystem Finnlands auf seine Befähigung hin, die Schüler employable zu machen, überprüft werden.

62 Baptist, P. (2000), S. 69. 63 Vgl.: BMBF (2004), S. 1.

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EMPLOYABILITY UND SCHULEN

4.1

Das finnische Schulsystem und seine Bedeutung für die Beschäftigungsfähigkeit der Schüler

Ein völlig anderes Schulsystem im Vergleich zu Deutschland hat das PISASiegerland Finnland zu bieten. Einige wesentliche Aspekte dieses Schulsystems sollen hier vorgestellt und anhand ihrer Bedeutung für die spätere Beschäftigungsfähigkeit der Schüler beurteilt werden: • Aufgrund der Größe des Landes und der geringen Einwohnerzahl sind die finnischen Schulen meist sehr klein. Folgende Zahlen sollen dies verdeutlichen: – 60 % der finnischen Schulen haben weniger als sieben Lehrkräfte, – 40 % aller Schulen in Finnland werden von weniger als 50 Schülern besucht. – Die durchschnittliche Schülerzahl der im Jahr 2000 an PISA beteiligten finnischen Klassen lag bei 19,5 Schülern, was sehr kleine Klassen bedeutet.64 Kleine Schulen und kleine Klassen haben sehr viele Vorteile. Die Lehrer kennen alle ihre Schüler und haben Zeit, auf die Stärken und Schwächen eines jeden Einzelnen einzugehen. Die Schüler fühlen sich in Finnland nicht wie „einer von vielen“, sie haben ein deutlich besseres Verhältnis zu ihren Lehrern, als dies in anderen Ländern der Fall ist.65 All dies wirkt sich auf ihre Lernmotivation und letztendlich auf ihre Beschäftigungsfähigkeit aus. • Schwächere Schüler profitieren nicht nur von den kleinen Klassen und Schulen, sie erhalten in Finnland darüber hinaus noch weitere Hilfen. Neben der Schulleitung, den Klassen- und Fachlehrern gibt es an finnischen Schulen weiteres Schulpersonal, das mindestens einmal pro Woche an der Schule ist. Diese sind eine Schulschwester66, mit der Grundausbildung einer Krankenschwester und einer Zusatzqualifikation für vorbeugende Gesundheitsarbeit, eine Psychologin, die ein offenes Ohr für

64 Vgl.: von Freymann, T. (2004), S. 1. 65 Vgl.: Finnland ruft (ohne Jahresangabe). 66 Da in mehreren Quellen bei allen Formen des zusätzlichen Schulpersonals nur die weibliche Form verwendet wurde, wird es hier für das finnische Schulsystem übernommen.

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jegliche Probleme der Kinder und Jugendlichen hat, und eine Sozialpädagogin, die für alle sozialen Konflikte der Schüler zuständig ist. Von diesen Fachkräften profitieren alle Schüler, die lernschwachen wie die guten, doch gibt es noch weiteres Fachpersonal, das gerade für die Lernschwachen Unterstützung bietet. In Schulen mit größeren Lerngruppen gibt es eine unbestimmte Zahl an Assistenten, die stundenweise den Lehrer unterstützen und ihm die Möglichkeit bieten, sich mehr um die einzelnen Schüler zu kümmern. Ebenfalls einmal wöchentlich an den finnischen Schulen ist die so genannte Speziallehrerin, bei der es sich um eine erfahrene Lehrkraft mit einer intensiven universitären Zusatzausbildung handelt. Die Speziallehrerin kommt in die Klassen mit lernschwachen Kindern und berät die Klassenleitung. Zeigt dies keine Wirkung, übernimmt sie diese Schüler für einige Stunden und erteilt gezielten Unterricht in den jeweiligen Problembereichen. Hilft auch dies noch nicht, die Defizite abzubauen, kümmert sich die monatlich tagende „Spezialkonferenz“ um den Fall und entwickelt einen Plan, wie dem Schüler am besten geholfen werden kann. Diese gezielte Förderung macht das Sitzenbleiben zum Ausnahmefall.67 In größeren Schulen werden für verhaltensauffällige und lernschwache Schüler kleine Sonderklassen eingerichtet, die eigene, speziell ausgebildete Lehrer erhalten. Da diese Klassen voll am Schulleben teilnehmen, ist eine Rückkehr in die Regelklasse kein Problem. Ca. 16 % aller finnischen Schüler erhalten pro Jahr Förderung, in Deutschland besuchen nur etwa 4 % der Schüler eine Förderschule mit Schwerpunkt Lernen.68 In Finnland versucht man also, allen Schülern die Chance auf einen Schulabschluss zu bieten, sie in jeglicher Hinsicht zu fördern und fordern. Dem Schüler das Gefühl zu geben, „hier bin ich wer“, „hier kümmert man sich um mich“, motiviert und stärkt das Selbstbewusstsein. All dies trägt dazu bei, auch lernschwache Schüler beschäftigungsfähig zu machen. • Durch eine intensive staatliche Sprachförderung gibt es in Finnland kaum Kinder aus Migrantenfamilien, die aufgrund von Sprachdefiziten dem

67 Von Freymann, T. (2004), S. 2. 68 Vgl.: Von Freymann, T. (2004), S. 2.

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Unterricht nicht folgen können. Die Chancen auf einen besseren Schulabschluss steigen. • Alle Schüler in Finnland werden bis zum Abschluss der neunten Jahrgangsstufe gemeinsam unterrichtet. 70 % wechseln im Anschluss daran auf die gymnasiale Oberstufe69, die so genannte „lukio“, die im Kurssystem arbeitet. Je nach Fleiß und Begabung können die Schüler dort nach zwei bis vier Jahren ihr Abitur ablegen. Da die Lehrpläne an finnischen Schulen – im Rahmen weitmaschiger Vorgaben – vom Lehrerkollegium selbst erstellt werden, ist das Abitur zentral gestellt und wird auch zentral korrigiert.70 Diese Selbstständigkeit und Eigenverantwortung der Schulen wirkt sich wie in Kapitel 3 beschrieben positiv auf die Lehrer und die Schüler aus. In Verbindung mit dem zentral gestellten Abitur, das als Kontrolle dient, ist dieses System im Sinne der Beschäftigungsfähigkeit der Schüler zu befürworten. Ebenso sinnvoll ist der gemeinsame Unterricht bis zur neunten Jahrgangsstufe. Hier ist Chancengleichheit gewährleistet! Die vorgestellten Aspekte haben gezeigt, dass die Schüler an finnischen Schulen nahezu ideale Voraussetzungen für eine gute Beschäftigungsfähigkeit vorfinden.

4.2. Jugend in eigener Sache (JieS) – Fit in die berufliche Zukunft71 Die Aktion „Jugend in eigener Sache – Fit in die berufliche Zukunft“ möchte Transparenz über die Anforderungen an Berufseinsteiger in Bezug auf die bereits mehrfach angesprochenen überfachlichen Kompetenzen herstellen und deren frühzeitige Ausprägung ermöglichen. Grundlage für die konzeptionelle Entwicklung des Programms waren unter anderem die in Kapitel 2.2 dargestellten Ergebnisse einer Studie des Instituts für Beschäftigung und Employability IBE (siehe Abbildung 1).

69 Vgl.: Starke Eltern (ohne Jahresangabe), S. 2. 70 Vgl.: Von Freymann, T. (2004), S. 1 f. 71 Vgl.: Arbeitsgemeinschaft „Jugend in eigener Sache“ (2007).

199

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Dreh- und Angelpunkt für alle Angebote sind die „12 Leitsätze in eigener Sache“ (Abbildung 2). Diese sollen die Jugendlichen dazu anregen über die eigenen Fähigkeiten und Verhaltensmuster nachzudenken und an ihnen zu arbeiten. Leitsatz 1:

Initiative – Ich bin aktiv und ergreife Chancen

Leitsatz 2:

Eigenverantwortung – Ich habe Ziele und verfolge sie

Leitsatz 3:

Handeln mit Weitblick – Ich berücksichtige beim Handeln die gesamte Situation und die Auswirkungen meines Tuns

Leitsatz 4:

Fleiß/Selbstdisziplin – Ich bin fleißig und mache, was zu tun ist

Leitsatz 5:

Lernbereitschaft – Ich will ständig dazulernen

Leitsatz 6:

Teamfähigkeit – Ich komme gut mit anderen aus

Leitsatz 7:

Kommunikationsfähigkeit – Ich gehe auf andere Menschen zu und drücke mich situationsgerecht aus

Leitsatz 8:

Einfühlungsvermögen – Ich will andere verstehen

Leitsatz 9:

Belastbarkeit – Ich handle überlegt, auch wenn ich Stress habe

Leitsatz 10:

Konfliktfähigkeit – Ich kann mit schwierigen Situationen umgehen

Leitsatz 11:

Offenheit – Ich bin offen für Neues

Leitsatz 12:

Reflexionsfähigkeit – Ich denke oft darüber nach, was ich kann und was ich will

ABB. 2: DIE 12 LEITSÄTZE IN EIGENER SACHE

Die vielfältigen Angebote richten sich an Jugendliche, Lehrer und Jugendleiter sowie an Eltern. Die einzelnen Module können ähnlich wie ein gesundheitliches Fitnessprogramm nach einer ersten Einführung – in der Schule, in der Jugendgruppe oder zu Hause –in einer Standardabfolge genutzt oder je nach Situation und Bedarf punktuell zur Stärkung bestimmter Kompetenzen eingesetzt werden. Im Folgenden sollen die einzelnen Angebote kurz dargestellt werden: •

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Eine erste Bestandsaufnahme bietet ein Instrument zur Selbsteinschätzung. Durch die ehrliche Beantwortung der Fragen entsteht ein individuelles Kompetenzprofil, das neben den besonderen Stärken auch vermeintliche Schwächen aufzeigt. Ein Instrument zur Fremdeinschätzung, das nach der gleichen Systematik aufgebaut ist, ermöglicht einen

EMPLOYABILITY UND SCHULEN

Vergleich des Selbst- und Fremdbildes. Diese beiden Instrumente stehen als PC-Tools zur Verfügung. Die jeweilige Auswertung steht sofort bereit. •









• •

Das Kompetenz-Spiel in eigener Sache – ein spannendes Brettspiel mit Wissens- und Aktionskarten fördert die spielerische Auseinandersetzung mit den 12 Leitsätzen in der Gruppe. Die Toolbox mit Lernmodulen enthält eine Vielzahl von Übungen, Spielen, Diskussionsthemen und Geschichten, die je nach Bedarf und Situation die Arbeit an den Schlüsselkompetenzen und das „Training“ der beruflichen Fitness unterstützen. Memo-Karten und Poster mit verständlichen Erläuterungen zu den ausgewählten Schlüsselkompetenzen sorgen dafür, dass die 12 Leitsätze immer präsent gehalten werden und regen zum Nachdenken über das eigene Handeln an. Die Broschüre „Lerntipps für den Alltag“ gibt leicht verständliche Hinweise zum Abbau der Schwächen und zur Förderung der Stärken. Mit Hilfe der „Kompetenzgeschichten“ sollen Jugendliche zum Nachdenken angeregt werden. Zur Einbindung der Eltern steht die Elternbroschüre zur Verfügung. Abgerundet wird das Angebot durch einen „Roten Faden“ zum Programm und einer Konzeption zur Einführungsveranstaltung.

Alle Produkte stehen auf der Homepage der Aktion www.jugend-in-eigenersache.de kostenlos zum Download zur Verfügung. Jugend in eigener Sache unterstützt den Prozess, dass Lehrer, Schüler, Eltern und Vertreter der Wirtschaft gemeinsam an der Beschäftigungsfähigkeit der Schüler arbeiten. Frei zugängliche und leicht nutzbare und praxisorientierte Angebote ermöglichen eine breite Nutzung. Die Beschäftigungsfähigkeit der Jugendlichen kann mit Hilfe dieser Angebote kontinuierlich verbessert werden. Die Aktion „Jugend in eigener Sache – Fit in die berufliche Zukunft“ entstand im Rahmen der Initiative für Beschäftigung! (IfB), einer Kooperation der deutschen Wirtschaft, der Politik und der Gewerkschaften zur Förderung und Sicherung von Beschäftigung.

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4.3

Das kooperative Übergangsmanagement Schule-Beruf (KÜM) – ein Weg zur verbessertern Ausbildungsreife junger Hauptschüler72

Das kooperative Übergangsmanagement Schule-Beruf (KÜM) in der Metropolregion Rhein-Neckar trägt in unterschiedlichster Weise dazu bei, dass junge Menschen die Ausbildungs- und Berufsreife erlangen. KÜM ist das deutschlandweit umfassendste Modell zum erfolgreichen Übergang von der Hauptschule ins Berufsleben – beteiligt sind drei Bundesländer (Baden-Württemberg, Hessen und Rheinland-Pfalz), 15 Hauptschulen, 32 Lotsen und rund 2.200 Schüler. Kooperativ steht in diesem Projekt für die intensive Zusammenarbeit vieler verschiedener Akteure. In KÜM arbeiten Eltern, Schulen, Lotsen, Unternehmen, Kammern, Bildungsträger, Ehrenamtliche, Ministerien und die Bundesagentur für Arbeit in so genannten „lokalen Schulpartnerschaften“ gemeinsam daran, dass die beteiligten Hauptschüler in das Berufsleben integriert werden können. Der Übergang in den Beruf wird bereits ab der 7. Klasse systematisch vorbereitet. KÜM weckt das Interesse der Jugendlichen, zeigt Perspektiven auf, macht Stärken und Talente sichtbar, stellt Kontakte zwischen den Jugendlichen und den Unternehmen dar und unterstützt kontinuierlich auf dem Weg in den Beruf. Der Gesamtprozess wird durch ein professionelles Management gesteuert. Eingebettet in den Schulalltag und zusätzlich zu den Leistungen der Lehrer findet an den beteiligten Schulen eine kontinuierliche und individuelle Betreuung statt. Die so genannten „KÜM-Lotsen“ unterstützen die Schüler in der Entwicklung der richtigen Berufswahl durch den Abgleich von Selbst- und Fremdeinschätzung. Eine internetbasierte Kompetenzanalyse, die dreiphasig ab der 7. Klasse einmal jährlich durchgeführt wird, dient als Diagnoseinstrument. Dies führt dazu, dass sich die beteiligten Schüler eigenverantwortlich mit der eigenen beruflichen Zukunft auseinander setzen. Die Lotsen koordinieren und mobilisieren das Netzwerk von Akteuren in der jeweiligen

72 Metropolregion Rhein-Neckar GmbH (2008).

202

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Schule nach individuellem Bedarf seiner Schüler. So wird eine „Überflutung“ von Maßnahmen vermieden. Durch das Lotsenbüro in der Schule sind die Lotsen immer für die Schüler erreichbar und werden als Vertrauenspersonen akzeptiert. Die frühzeitige Praxis- und Anschlussorientierung der Jugendlichen wird durch die jeweiligen Partnerunternehmen der Schulen unterstützt. Diese ermöglichen den Schülern durch Betriebsbesichtigungen und/oder Praktika einen direkten Einblick in die Praxis. Die Bundesagentur für Arbeit fungiert mit den Berufsberatern als wichtiger Ratgeber und Vermittler. Durch die Fachberatungen werden die Vorstellungen der Schüler in Einzelgesprächen differenziert und hinsichtlich der Realisierungschancen überprüft. Zwischen den Berufsberatern und den KÜM-Lotsen findet eine enge Kooperation statt. Ebenfalls eine große Rolle in KÜM spielen die Eltern. Sie müssen der Teilnahme ihrer Kinder am Projekt aktiv zustimmen und werden über einzelne Maßnahmen, die Leistungsfähigkeit ihrer Kinder und deren berufliche Chancen und Möglichkeiten regelmäßig informiert und dadurch sensibilisiert. Durch das Monitoring – eine zentrale Datenbank – werden alle relevanten Daten (Praktikumsberichte, Testzertifikate, Noten, Persönliches, Gesprächsnotizen, etc.) und die Verbleibsstatistiken festgehalten. So gehen keine wichtigen Papiere für die Schüler verloren und es kann über alle Schulen einheitlich evaluiert werden. Dies sichert eine klare Vergleichbarkeit. Die Berufsorientierung und schulische Entwicklung eines jeden KÜM-Schülers werden in ihrer Gesamtheit ab Klasse 7 dokumentiert und fließen so in das individuelle Coaching ein. Auf Basis all dieser Daten findet eine zielgerichtete und somit erfolgsorientierte Beratung statt. Der enge Kontakt zwischen Lehrern und KÜM-Lotsen lässt die Beratung effizienter werden und die Berufsorientierung der Schüler wird spürbar verbessert. Ein weiterer positiver Effekt ist, dass Eltern gemeinsam mit ihren Kindern Termine bei den KÜM-Lotsen wahrnehmen und sich aktiver und realistischer in die Ausbildungsplatzsuche ihrer Kinder einbringen. Die Anzahl der freiwilligen Praktika steigt durch KÜM stetig an, auch und vor allem in den Ferienzeiten.

203

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Die Schüler selbst fühlen sich durch KÜM nicht länger alleine gelassen. Dies zeigt eine Schülerbefragung im März 2009 bei 211 Schülern aus 13 KÜMSchulen. 201 der befragten Schüler äußern sich positiv zu KÜM, nur 10 Schüler haben eine neutrale oder indifferente Einschätzung zu KÜM. Mehr als 80 % der befragten Schüler geben an, dass sich bei ihnen durch KÜM etwas zum Positiven verändert hat. Das Erkennen der eigenen Talente und Stärken, die Unterstützung bei der Erstellung der Bewerbungsunterlagen und der Suche nach einem Praktikums-/Ausbildungsplatz, sowie der gute Rat in allen beruflichen und privaten Belangen werden dabei besonders häufig genannt. Dies zeigt sehr deutlich, dass die Schüler im Mittelpunkt des Projektes KÜM stehen, denn der gelungene Schritt von der Schule in Ausbildung oder Beruf ist die entscheidende Weichenstellung für Jugendliche in ein eigenverantwortliches Berufsleben. Kurz zusammengefasst gibt es in KÜM keine Bildungsbenachteiligung, jeder Hauptschüler – dessen Eltern der Teilnahme am Projekt zustimmen – wird individuell gefördert. KÜM zeigt neben den Stärken und Talenten auch die Notwendigkeit auf, sich um die berufliche Orientierung zu kümmern. KÜM fördert fachliche Qualifikation und überfachliche Kompetenzen. KÜM nimmt alle wesentliche Akteure, die ein Jugendlicher zur Schaffung seiner Employability benötigt, mit ins Boot. KÜM integriert somit viele Faktoren, welche die Beschäftigungsfähigkeit von Jugendlichen erhöhen und zeigt zudem auf, dass trotz aller Unterschiede in den Schulsystemen der einzelnen Bundesländer gemeinsam an ‚einem Strang gezogen’ werden kann.

5. Fazit Als Konsequenz kann festgestellt werden, dass zur besseren Integration des Themas Beschäftigungsfähigkeit nicht nur die Initiative der Lehrer und Schüler gefragt ist, sondern auch die Eltern, die Unternehmen und vor allem der Staat maßgeblich beteiligt sind. An die Eltern wird appelliert, in den Familien Beschäftigungsfähigkeit vorzuleben und damit das Bildungsbewusstsein zu stärken. Da die Eltern ein Vor204

EMPLOYABILITY UND SCHULEN

bild für ihre Kinder darstellen, ist es erforderlich, dass sie durch ihr eigenes Handeln die Kinder motivieren, sich zu beschäftigungsfähigen Menschen zu entwickeln. Ebenso notwendig ist es, dass die Familien ihre Erziehungsaufgaben wieder verstärkt wahrnehmen. Ein positiveres Image des Lehrberufs in den Familien würde dazu führen, dass die Schüler den Lehrern mit mehr Respekt gegenübertreten, und die Lernmotivation würde dadurch gesteigert. Darüber hinaus sollten Eltern dazu beitragen, ihre Kinder auf die Arbeitswelt vorzubereiten. Den Kindern den eigenen Beruf näher bringen, ihnen genau erklären, was die Eltern in den Unternehmen leisten, wäre ein Schritt in die richtige Richtung. Eltern aus bildungsfernen Schichten und Eltern mit Migrationshintergrund müssen besonders unterstützt werden. Sie müssen motiviert und befähigt werden, ihren Kindern Hilfe zu gewähren. Die Vermittlung der Tatsache, dass es sich lohnt, sich für die Bildung und Ausbildung ihrer Kinder einzusetzen, könnte hilfreich sein. Dass die Unternehmen in einigen Jahren aufgrund des demografischen Wandels auf jeden Einzelnen angewiesen sein werden und ihre Kinder damit gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben, kann eine Motivationsgrundlage darstellen. Die Unternehmen beklagen die große Kluft, die zwischen den von ihnen geforderten Qualifikationen an die zukünftigen Arbeitnehmer und den tatsächlichen Qualifikationen der Schulabgänger besteht. Um diese Kluft zu verkleinern, sollten immer mehr Unternehmen die Initiative ergreifen und ihre Anforderungen an die zukünftigen Arbeitnehmer an den Schulen und speziell bei den Lehrern verdeutlichen. Denn nur, wenn Lehrer wissen, worauf es ankommt, können sie dies den Schülern vermitteln. Durch verstärkte Angebote von Praktikumsplätzen, Unternehmensbesichtigungen usw. – auch wenn diese Zeit und Geld kosten – bieten die Unternehmen Schülern wie Lehrern die Chance auf eine verbesserte Employability, von der sie später, durch beschäftigungsfähigere Arbeitnehmer, wieder profitieren können. Da auch die Lehrer ein Vorbild für ihre Schüler darstellen, ist es auf Lehrerseite besonders wichtig, Employability vorzuleben. Lehrer sollten über gute fachliche und überfachliche Qualifikationen verfügen, die sie an ihre Schüler weitergeben können. Bei der Wissensübermittlung ist es besonders wichtig, 205

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dass mit modernen Lehrmethoden gearbeitet wird. Für die mediendidaktische Nutzung von modernen Lernwerkzeugen wie Smart Board, Laptops und dem Internet sollten Lehrer ausreichend geschult werden. Der Kontakt zu Unternehmen sollte aufgenommen bzw. weiter verstärkt werden. Jeder Lehrer sollte durch persönliche Erfahrungen wissen, wie die „außerschulische Arbeitswelt“ abläuft, und dies den Schülern näher bringen. Selbst wenn die Lehrer die an sie gestellten Anforderungen erfüllen, kann die Beschäftigungsfähigkeit der Schüler nur mit ihrer eigenen Mitwirkung gestärkt werden. Grundvoraussetzung hierfür ist das Verständnis für die Notwendigkeit und Bedeutung der Beschäftigungsfähigkeit auf Schülerseite. Nur wenn Schüler verstanden haben, dass sie nicht für die Schule, sondern für das Leben lernen, verstehen sie das Lernen nicht mehr als Last, sondern als Chance für eine erfolgreiche Zukunft. Die weitaus größten Anforderungen werden jedoch an den Staat gestellt. Um Lehrer adäquat auf ihre Tätigkeit in den Schulen vorzubereiten, ist die bereits geplante Reform der Lehrerausbildung zeitnah umzusetzen. Sind die Lehrer ausgebildet, müssen sie Anreize erhalten, • •

sich ständig weiterzubilden und sich über den Schulalltag hinaus, z. B. mit besonderen Aktionen, für die Schüler zu engagieren.

Die Eigenverantwortlichkeit und Selbstständigkeit der Schulen würde dies erleichtern. Ein verstärktes Augenmerk sollte auf die Grundschulen gelegt werden, da hier die wichtigsten Weichen für die schulische Bildung der Kinder gelegt werden. Die Bildungsausgaben generell sowie deren Aufteilung nach Schularten sollten dringend weiter überdacht werden. Als sehr wichtig erscheint es, das Angebot an gut ausgestatteten Ganztagsschulen weiter zu erhöhen. Diese sollten jedoch nicht als „Parkplatz“ für Kinder, sondern als Chance auf eine bessere Bildung gesehen werden. Ganztagsschulen würden es durch ein Mehr an Zeit ermöglichen, die überfachlichen Qualifikationen stärker in die Lehrpläne zu verankern und Chancengleichheit für alle zu gewährleisten. Der Blick „über den Tellerrand“ hinaus, in die ausländischen Schulsysteme – be206

EMPLOYABILITY UND SCHULEN

sonders auf die Länder gerichtet, die bei den PISA-Studien erfolgreich waren – kann für das Schulsystem in Deutschland nur von Vorteil sein. Der Abbau der derzeit vorherrschenden Bildungsungerechtigkeit stellt eine weitere Herausforderung dar. Die soziale Herkunft sollte nicht länger Einfluss auf die Bildung der Kinder und Jugendlichen nehmen. Dazu ist es dringend erforderlich, dass schulische und außerschulische Bildungsangebote für alle gleichermaßen zugänglich sind. In den letzten Jahren wurden von allen Akteuren eine Reihe von Maßnahmen durchgeführt, um die Beschäftigungsfähigkeit der Schüler zu verbessern. Dies trägt in einigen Bereichen bereits erste Früchte. Vieles ist geplant, über vieles wird diskutiert und die Auswirkungen des demografischen Wandels rücken immer näher. Daher ist es dringend erforderlich, dass bereits bestehende Maßnahmen weitergeführt und ausgedehnt werden, dass Diskussionen dem Handeln weichen und Pläne aktiv umgesetzt werden. Denn jeder beschäftigungsfähige Schulabgänger trägt zum zukünftigen wirtschaftlichen Erfolg der Bundesrepublik Deutschland bei und bringt uns dem Ziel einer „Bildungsrepublik“ Deutschland näher.

207

JUTTA RUMP / SIBYLLE GROH

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EMPLOYABILITY UND SCHULEN

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209

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210

Employability und Demografie Die demografische Entwicklung als Herausforderung für „lebenslange“ Employability

von Jutta Rump/Silke Eilers

J U T T A R U M P /S I L K E E I L E R S

Inhalt 1. Ausgangslage 2. Die demografische Entwicklung – Zahlen, Daten, Fakten 2.1 Einflussfaktoren der demografischen Entwicklung 2.2 Ausgewählte Szenarien zur Bevölkerungsentwicklung 2.3 Auswirkungen der demografischen Entwicklung auf die Produkt- und Dienstleistungsmärkte 2.4 Auswirkungen der demografischen Entwicklung auf die Verfügbarkeit von Personal 2.5 Auswirkungen der demografischen Entwicklung auf die Verfügbarkeit von Qualifikationen 2.6 Zwischenfazit 3. Alternde Belegschaften und Employability 3.1 Die betriebliche Sicht 3.2 Perspektiven aus der Wissenschaft 3.3 Zwischenfazit 4. Ansätze zum Erhalt der Employability älterer Beschäftigter 4.1 Die Altersstrukturanalyse 4.2 Zentrale betriebliche Handlungsfelder im demografischen Wandel 4.3 Zwischenfazit 5. Schlussbetrachtung Literatur

212

EMPLOYABILITY UND DEMOGRAFIE

1. Ausgangslage Der demografische Wandel ist inzwischen zu einem Thema avanciert, das auf der Agenda zahlreicher Tagungen und Kongresse erscheint und in einer kaum noch überschaubaren Anzahl von Publikationen aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet wird. Auch scheint er bei Arbeitgebern durchaus als ernsthafte Herausforderung etabliert – gerade jüngst stimmten in unterschiedlichen Befragungen die teilnehmenden Personalmanager und Unternehmensverantwortlichen dieser Tatsache mit jeweils deutlicher Mehrheit zu.1 In diesem Zusammenhang gilt es zu beachten, dass der demografische Wandel viele Facetten hat. Zu nennen sind hier unter anderem die Verknappung von Nachwuchskräften,2 die Notwendigkeit, immer mehr Generationen am Arbeitsplatz gerecht zu werden sowie die Herausforderung, die Employability alternder Belegschaften zu sichern,3 auf die dieser Beitrag seinen Schwerpunkt legt. Bei genauer Betrachtung zeigt sich, dass zwischen dem Bewusstsein für die Konsequenzen des demografischen Wandels und dem konkreten Handeln in Deutschland noch immer eine beträchtliche Lücke klafft. So halten sich beispielsweise in der betrieblichen Praxis sehr hartnäckig bestimmte „Mythen“ in Bezug auf ältere Arbeitnehmer, die nicht selten einer wissenschaftlichen Grundlage entbehren. Worin sind die Ursachen hierfür zu sehen? Wie viel Wahrheit steckt hinter den gängigen Zuschreibungen? Und wie muss mit Vorbehalten – seien sie begründet oder unbegründet – umgegangen werden, um Employability zu sichern und dauerhaft zu fördern? Denn Employability ist mit dem „Anspruch auf Lebenslänglichkeit“ verbunden: Über alle Lebens- und Berufsphasen hinweg kommt dem Profil der Beschäftigungsfähigkeit eine immense Bedeutung zu. Förderung und der Erhalt von Employability stellen angesichts steigender Lebenserwartung und verlängerter Erwerbszeiten eine 1

2 3

So nannten beispielsweise in einer Umfrage des Adecco Institute im Jahr 2008 unter Entscheidern in Personalabteilungen 66 % der Befragten den demografischen Wandel als große Herausforderung. Eine Untersuchung im Rahmen des vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales geförderten Projektes MiaA (Menschen in altersgerechter Arbeitskultur – Arbeiten dürfen, können und wollen!) ergab eine Zustimmung von 96,4 % der teilnehmenden Unternehmensverantwortlichen auf die Frage, ob sie eine Notwendigkeit für die Auseinandersetzung mit dem demografischen Wandel sehen. Vgl.: Adecco Institute (2008); IFGP (2009a), S. 7. Vgl. hierzu auch Kapitel: Employability und die jüngere Generation. Vgl. hierzu auch Kapitel: Employability und Megatrends.

213

J U T T A R U M P /S I L K E E I L E R S

Aufgabe dar, die den Einzelnen, aber auch Arbeitgeber über mehrere Jahrzehnte hinweg begleitet. Dabei geht es nicht nur um den Erhalt der Qualifikation, wie dies nicht selten angenommen wird. Auch Gesundheit und Motivation bilden tragende Säulen für eine dauerhafte Beschäftigungsfähigkeit. Es liegt auf der Hand, dass es bestimmter Voraussetzungen bedarf um dieser zugegebenermaßen anspruchsvollen Aufgabe auch gerecht zu werden. Der vorliegende Beitrag gibt einerseits einen Überblick über Hintergründe und Implikationen der demografischen Entwicklung, andererseits auch über deren Wahrnehmung aus der Perspektive betrieblicher Entscheider. Auf diesem bauen konkrete Handlungsansätze zur Forderung und Förderung lebenslanger Employability, aber auch zur Überzeugungsarbeit in Unternehmen auf.

2. Die demografische Entwicklung – Zahlen, Daten, Fakten Um die hohe Bedeutung der „lebenslangen“ Employability angemessen einordnen zu können, sei den nachfolgenden Betrachtungen ein kurzer Überblick über die Einflussfaktoren sowie die Auswirkungen der demografischen Entwicklung – nicht zuletzt im Unternehmenskontext – vorangestellt.

2.1

Einflussfaktoren der demografischen Entwicklung

Die Demografie einer Gesellschaft wird vor allem von drei Faktoren beeinflusst: der Fertilitätsrate, den Wanderungssalden sowie der Lebenserwartung. 2.1.1 Fertilitätsrate Um eine Bevölkerung ohne Zuwanderung stabil zu halten, bedarf es einer Fertilitätsrate4 von 2,1. Deutschland weist seit mehr als 30 Jahren erheblich

4

Als Fertilitätsrate wird die Anzahl der Kinder bezeichnet, die eine Frau im Durchschnitt während ihres Lebens zur Welt bringt.

214

EMPLOYABILITY UND DEMOGRAFIE

niedrigere Raten auf. Derzeit bringt eine Frau in Deutschland während ihres Lebens im Durchschnitt 1,38 Kinder zur Welt,5 ein Drittel der Bevölkerung bleibt zeitlebens kinderlos, wobei die Tendenz deutlich ansteigt. Alleine zwischen den Jahrgängen der 1930er und 1960er verdoppelte sich der Anteil kinderloser Frauen.6 Diese niedrige Geburtenrate multipliziert sich in die Zukunft insofern, als zwangsläufig auch die Zahl potenzieller Mütter immer kleiner wird.7 Darüber hinaus fällt die Entscheidung für Kinder in Deutschland zunehmend später. Während es noch in den siebziger Jahren überwiegend die 20- bis 24-jährigen Frauen waren, die Kinder bekamen, weisen seit 2005 die 30- bis unter 40-jährigen Frauen durchschnittlich sogar eine höhere Geburtenhäufigkeit auf als die 20- bis unter 30-jährigen Frauen.8 Diese Entwicklung setzte in den alten Bundesländern bereits in den siebziger Jahren ein, in den neuen Bundesländern begann sie mit der Wiedervereinigung. In der Europäischen Union liegt die Fertilitätsrate derzeit bei 1,58 (EU27) bzw. 1,63 (EU15). Vergleicht man die Mitgliedstaaten, zeigen sich erhebliche Unterschiede. Abbildung 1 gibt einen Überblick.9

5 6 7 8 9

Vgl.: Statistisches Bundesamt (2009a), S. 24. Vgl.: Statistisches Bundesamt (2009a), S. 26. Vgl.: Statistisches Bundesamt (2006), S. 5. Vgl.: Statistisches Bundesamt (2009a), S. 23. Vgl.: BMWA (2005), S. 32; WKO (2010). Bei den angegebenen Werten für das Jahr 2009 handelt es sich um die aktuellsten verfügbaren Zahlen bzw. Schätzungen (Stand Juni 2010). Der Stand der Erhebungen differiert allerdings für die unterschiedlichen Länder

215

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1970

1980

1990

2000

2009

Österreich

2,29

1,65

1,45

1,30

1,41

Belgien

2,25

1,68

1,62

1,60

1,65

Tschechische Republik

1,90

k. A.

k. A.

1,89

1,50

Deutschland

2,03

1,56

1,45

1,3

1,38

Dänemark

1,95

1,55

1,67

1,77

1,89

Spanien

2,88

2,20

1,36

1,24

1,46

Frankreich

2,47

1,95

1,78

1,90

2,00

Finnland

1,87

1,63

1,78

1,89

1,85

Griechenland

2,40

2,22

1,39

1,30

1,51

Ungarn

1,98

1,91

1,87

1,32

1,35

Italien

2,43

1,64

1,33

1,23

1,37

Irland

3,87

3,24

2,11

1,90

2,10

Luxemburg

1,97

1,49

1,60

1,80

1,61

Niederlande

2,57

1,60

1,62

1,70

1,77

Portugal

3,01

2,25

1,57

1,50

1,37

Polen

2,26

2,26

2,05

1,30

1,39

Schweden

1,92

1,68

2,13

1,54

1,91

Slowakische Republik

2,41

2,31

2,09

1,29

1,32

Großbritannien 2,43

1,89

1,83

1,65

1,90

ABB. 1: DIE FERTILITÄTSRATEN IN DER EU (AUSGEWÄHLTE STAATEN)

216

EMPLOYABILITY UND DEMOGRAFIE

Irland, Frankreich, Großbritannien und die nordischen Länder verfügen über die höchsten Fertilitätsraten (1,85 bis 2,10). Etwa drei Viertel der europäischen Länder in Mittel-, Ost- und Südeuropa weisen deutlich niedrigere Raten auf. Auffällig ist auch, dass in den südeuropäischen Ländern der Rückgang später einsetzt, dann aber umso ausgeprägter.10 Verantwortlich für die Entwicklung der Fertilitätsraten in Deutschland ist u. a. das veränderte Rollenverständnis. Das Alleinverdiener-Modell verliert zunehmend an Bedeutung. Es ist nicht mehr das absolute Leitbild für die Familie. Das Familienmuster, bei dem die Frau die Steigbügel für die Karriere ihres Mannes hält, hat ausgedient. Auch das Zuverdiener-Modell wird mehr und mehr infrage gestellt. So präferiert die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung heute ein Modell, in dem Mann und Frau gemeinsam für die ökonomische Basis der Familie die Verantwortung tragen. Damit verliert auch das traditionelle Ziel der Familienpolitik – die Finanzierbarkeit eines (zumindest temporären) Ausstiegs eines Elternteils, vornehmlich der Mutter – seine Basis. Stattdessen gewinnt das Ziel der Vereinbarkeit von Beruf und Familie an Relevanz. Auf den ersten Blick erscheint es, dass vor allem Frauen ein verändertes Rollenverständnis haben. Auf den zweiten Blick wird jedoch deutlich, dass auch für viele jüngere Männer das Thema der Vereinbarkeit von Beruf und Familie an Bedeutung zunimmt.11 Die Veränderung im Rollenverständnis hat eine Vielzahl von Ursachen:12 Gestiegenes Bildungsniveau: Das Bildungsniveau und der Qualifikationsstand vor allem von Frauen sind in den letzten Jahrzehnten deutlich gestiegen. Was Schul-, Berufs- und Hochschulabschlüsse betrifft, so ist kein Unterschied mehr zu den Männern festzustellen. Ganz im Gegenteil: In manchen Bereichen ist das Bildungsniveau von Frauen sogar höher ausgeprägt. Es ist zu beobachten, dass mit steigendem Bildungsniveau der Wert des Berufs bzw. der Erwerbstätigkeit zunimmt. Qualifikation und Berufserfahrung geben die Möglichkeit der Bewegungsfreiheit in der Arbeitswelt und sind die Sicherungsanker schlechthin auf den Arbeitsmärkten. 10 Vgl.: BMWA (2005), S. 31, 46f.; WKO (2010). 11 Vgl.: Rump, J./Groh, S./Eilers, S. (2006), S. 34ff. 12 Vgl.: Rump, J./Groh, S./Eilers, S. (2006), S. 34ff.

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Zunehmende Beschäftigungsunsicherheit: Arbeitsplatzsicherheit und Beschäftigungsgarantien werden in Zukunft immer seltener werden. Um der zunehmenden Beschäftigungsunsicherheit entgegenzutreten, bedarf es der Beschäftigungsfähigkeit, die nachhaltig wirkt und mit lebenslangem Lernen verbunden ist. Damit die nachhaltige Sicherung der Beschäftigungsfähigkeit erreicht wird, sind Qualifikation und Qualifizierung sowie kontinuierliche Berufsbiografien notwendig. Eine Rollenverteilung, in der beide Partner eine Erwerbstätigkeit anstreben, ist die zwangsläufige Folge. Darüber hinaus führt die Unsicherheit von und in Beschäftigungsverhältnissen dazu, dass beide Partner erwerbstätig sein wollen, um das wirtschaftliche Risiko einer Arbeitslosigkeit zu verringern. Steigende Lebenshaltungskosten: In den letzten Jahren haben sich die Lebenshaltungskosten deutlich erhöht. Einige Paare können es sich nicht leisten, auf ein Einkommen zu verzichten. Der Verzicht auf ein Einkommen führt darüber hinaus nicht selten zu einer Reduzierung des Lebensstandards. Instabile Lebensverläufe: Ein verändertes Rollenverständnis resultiert auch aus der zunehmenden Instabilität der Lebensverläufe. Trennungen und Scheidungen tragen dazu bei, dass der Beruf und die Erwerbstätigkeit zur Absicherung an Bedeutung gewinnen. Um die Chancen in der Arbeitswelt nicht zu reduzieren, sollten längere Erwerbs- bzw. Berufsunterbrechungen vermieden werden. Die Dauer der Erwerbs- bzw. Berufsunterbrechung, die als unkritisch angesehen wird, hängt wiederum von der Halbwertszeit des Wissens des jeweiligen Tätigkeitsbereichs ab. Sie ist also nicht standardisiert. Wunsch nach aktiver Vaterschaft: Mehr und mehr ist zu beobachten, dass Männer Beruf und Familie vereinbaren möchten. Sie wollen mehr von ihrer Familie haben; Karriere um jeden Preis mit Unterstützung der Partnerin und zulasten der Familie wird immer weniger angestrebt. Dieser Wertewandel wird sicherlich durch das veränderte Rollenverständnis von Frauen im Zuge des steigenden Bildungsniveaus sowie der Abkehr vom Alleinverdiener-Modell beeinflusst. Dass diese Veränderung 218

EMPLOYABILITY UND DEMOGRAFIE

im Rollenverhalten und -verständnis nicht so offensichtlich zu erkennen ist, liegt nicht selten an betrieblichen Restriktionen. Das Ziel der aktiven Vaterschaft ist nicht kompatibel mit den traditionellen Karrieremodellen und einer konservativen Personalentwicklung. Darüber hinaus ist die Vereinbarkeit von Beruf und Familie in vielen Unternehmen immer noch ein Frauenthema, das sozialpolitische Züge hat. Ein Mann, der Beruf und Familie aktiv vereinbaren möchte, gehört damit zu einer Randgruppe und ist nicht mehr Teil des so genannten ‚Inner Circle’ des Unternehmens. Vermutlich trägt diese Behandlung von aktiver Vaterschaft im Unternehmen ebenso wie das veränderte Rollenverständnis von Frauen, die Anforderungen nach Flexibilität und Mobilität sowie die Unsicherheiten auf dem Arbeitsmarkt dazu bei, dass 60 % der Männer im Alter 20- bis 45 Jahre kinderlos bleiben möchten.13 Neben dem veränderten Rollenverständnis und den damit verbundenen Faktoren beeinflusst die Verdichtung der Berufs- und Erwerbsverläufe das Fertilitätsverhalten in Deutschland. Die heutigen Berufs- und Erwerbsverläufe der meisten Menschen sind durch staatliche Zeitvorgaben erheblich vorstrukturiert. Der Staat legt das Eintrittsalter in die Rente fest und regelt bis ins Detail auch den Berufseintritt einschließlich der dafür notwendigen Zeitabschnitte während der Ausbildung. Auch limitiert er die möglichen Unterbrechungszeiten in der Berufstätigkeit. Darüber hinaus werden die Verläufe durch die Rahmenbedingungen in der Wirtschaft und durch die betrieblichen Normen und Werte beeinflusst. Der starke Bezug zur Jugendzentriertheit in den vergangenen 15 Jahren sowie die zunehmende Veränderungsgeschwindigkeit tun ihr Übriges. Viele Unternehmen fokussieren auf die erste Hälfte des Erwerbslebens. Die Dreiteilung des Lebensverlaufs (Ausbildung, Erwerbstätigkeit, Rente) mit ihren relativ strikten Altersgrenzen und die betriebliche Fokussierung auf die erste Hälfte des Erwerbslebens führen dazu, dass die Ressourcen der älteren Generation nur noch bedingt genutzt werden und gleichzeitig der Druck auf die jüngere Generation, immer mehr in immer kürzerer Zeit zu schaffen, drastisch zunimmt. Für die jüngere Generation ergibt sich zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr ein so genannter Lebensstau: In dieser Zeit wird der Lebensverlauf gleichsam verdichtet. Sowohl in der beruflichen als auch in der privaten Sphäre ist eine Vielzahl von Weichenstellungen von existenzieller Bedeutung vorzunehmen. Weitgehend parallel 13 Vgl.: Institut für Demoskopie Allensbach (2004), S. 19.

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zueinander erfolgen in dieser Phase im privaten Bereich die Lösung vom Elternhaus, die Partnersuche, das Eingehen einer Partnerschaft und die Familiengründung. Im beruflichen Bereich müssen Entscheidungen zur Ausbildung, zum Berufseinstieg, zur Etablierung im Beruf sowie zum beruflichen Aufstieg getroffen werden. Diese Parallelität vieler wichtiger Entscheidungssituationen und bedeutender Lebensabschnitte löst oft Stressempfinden aus und wird nicht selten als Belastung empfunden. Immer stärker reagiert die jüngere Generation mit einer Reduzierung der Stressfaktoren durch einen Verzicht auf Kinder und Familie. Werden darüber hinaus die Beschäftigungsverhältnisse als unsicher betrachtet sowie eine stetig sinkende Halbwertszeit von Wissen bei gleichzeitig zunehmender Wissensintensität und steigender Veränderungsgeschwindigkeit wahrgenommen, mutiert die Parallelität zur Konkurrenzbeziehung. Die demografische Entwicklung zeigt, dass der individuelle Ansatz zur Verringerung der Verdichtung eindeutig zulasten der privaten Sphäre geht.14 Fertilitätsraten von 1,4 und das gestiegene Erstgeburtsalter von 30 machen dies deutlich. Zudem ist zu beobachten, dass 76 % der weiblichen Führungskräfte in abhängigen Beschäftigungsverhältnissen keine Kinder haben. Aus der adaptiven Lebensplanung, die die meisten der unter 20-Jährigen anstreben, wird die sukzessive Lebensplanung – unter Verzicht auf bestimmte Lebenselemente, wie Kinder und Familie. Studien machen deutlich, dass bei den unter 20-Jährigen Kinder als wichtigster Wert im Leben auf Platz 1 rangieren, während bei den 20- bis 45-Jährigen Kinder lediglich an 6. Stelle genannt werden. Es ist davon auszugehen, dass die Verdichtung der Berufs- und Erwerbsverläufe und der damit verbundene Lebensstau zu einer solchen Werte-Veränderung beitragen.15 Die Ausführungen machen deutlich, dass die Fertilitätsrate nur dann ansteigt, wenn eine Vereinbarkeit von Beruf und Familie gefördert wird. Dies betrifft sowohl die infrastrukturellen Rahmenbedingungen als auch die gesellschaftlichen Wertemuster hinsichtlich Mutter- und Vaterschaft und Erziehung. Eine zunehmende Fertilitätsquote hat einen langfristigen Effekt auf die Bevölkerungsentwicklung. Es ist mit einer Zeitverzögerung von einer Generation zu rechnen. Kurzfristige Effekte sind hingegen durch weiter ansteigende positive

14 Vgl.: Robert-Bosch-Stiftung GmbH (Hrsg.) (2005), S. 42f. 15 Vgl.: BiB (2005); KAS (2006); Rump, J./Groh, S./Eilers, S. (2006), S. 37f.

220

EMPLOYABILITY UND DEMOGRAFIE

Wanderungssalden zu verzeichnen. Auf Zuwanderung reagieren die Bevölkerungszahlen von Anfang an. 2.1.2 Migration Für die nächsten zehn Jahre erwartet die EU keine grundlegende Änderung der Fertilitätsraten in Deutschland. Dass in den letzten Jahren dennoch ein Bevölkerungswachstum zu verzeichnen war, basiert auf den positiven Wanderungssalden, die die Bundesrepublik bereits seit 50 Jahren aufweist. Dabei sind die zuziehenden ausländischen Personen in der Regel jünger als die fortziehenden Deutschen, sodass sich eine Verjüngung der Bevölkerung ergibt.16 Allerdings gilt zu bemerken, dass sich die Zuwanderung nach Deutschland beständig verringert. So lag der Wanderungssaldo in den letzten Jahren zwar noch immer im positiven Bereich, jedoch auf einem sehr niedrigen Niveau. Im Jahr 2006 wurde mit etwa +23 000 Personen der bisher niedrigste Wanderungsüberschuss seit der Wiedervereinigung im Jahr 2006 festgestellt. Für das Jahr 2008 wurde ein ausgeglichener Wanderungssaldo erwartet.17 Diese Prognose bewahrheitete sich nicht – für das Jahr 2008 wurde seit dem Jahr 1984 erstmalig ein negativer Wanderungssaldo ermittelt. So zogen im Jahr 2008 etwa 682.000 Menschen zu und 738.000 weg, sodass sich ein negativer Wanderungssaldo von -56.000 Personen ergibt. Vor allem bei den Deutschstämmigen hält der Trend an, das Heimatland zu verlassen: Bei ihnen gab es mit 175.000 Auswanderern die höchste Zahl seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1954.18 Abbildung 2 stellt für Deutschland die Entwicklungen des Wanderungssaldos in der Vergangenheit sowie die Prognose grafisch dar:19

16 17 18 19

Vgl.: Statistisches Bundesamt (2006), S. 46, 51–53. Vgl. Statistisches Bundesamt (2009c). Vgl. Mohr, M. (2009). Vgl.: Statistisches Bundesamt (2009a), S. 33.

221

J U T T A R U M P /S I L K E E I L E R S

ABB. 2: ENTWICKLUNG DES WANDERUNGSSALDOS IN DER BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND

Ein positiver Wanderungssaldo beeinflusst folglich auch die zur Stabilität einer Bevölkerungszahl notwendige Fertilitätsrate. Bei einem positiven Wanderungssaldo von +200.000 Personen p. a. würde eine Fertilitätsrate von 1,7 reichen. Um allerdings die Bevölkerung in den nächsten Jahren und Jahrzehnten stabil zu halten, würde Deutschland einen positiven Wanderungssaldo von 500.000 Menschen p. a. benötigen. Dies ist vor dem Hintergrund der Integration und des sozialen Friedens eine extrem große Herausforderung, die unter den gegebenen Umständen nur schwer zu realisieren ist. In diesem Zusammenhang ist zu konstatieren, dass die Szenarien zur Bevölkerungsvorausberechnung von positiven Wanderungssalden von +100.000 bzw. +200.000 Personen im Jahr 2014 ausgehen. Dann würde die Gesamtzahl der per Saldo zugewanderten Personen im Zeitraum von 2009 bis 2060 zu Bevölkerungszuwächsen von 4,9 Millionen bzw. 9,4 Millionen Menschen

222

EMPLOYABILITY UND DEMOGRAFIE

führen.20 Angesichts der oben genannten Zahlen erscheint diese Annahme allerdings eher unrealistisch. Eine offensive Zuwanderungspolitik sollte jedoch im Zusammenhang mit den Trends auf dem Arbeitsmarkt und der Entwicklung zur Wissensgesellschaft gesehen werden. Dies impliziert vor allem den Wunsch nach qualifizierten Zuwanderern bzw. Zuwanderern mit erfolgskritischem Wissen.21 Ergänzt wird dies durch die Forderung, die Integration von Migranten insbesondere im Hinblick auf den Zugang zu Schule und Bildung zu verbessern, um deren Arbeitsmarktpotenziale zu sichern. Derzeit sind Menschen mit Migrationshintergrund in unserer Gesellschaft schlechter gestellt als die Bevölkerung ohne Migrationshintergrund. So sind beispielsweise die Arbeitslosenquote und das Armutsrisiko für Migranten doppelt so hoch wie für Deutschstämmige.22 Ein entsprechendes gesellschaftliches Integrationskonzept muss die jeweiligen kulturellen Gegebenheiten und die damit verbundenen Denk- und Handlungsmuster sowie Werte berücksichtigen, wobei auch das Umfeld an entsprechenden Bemühungen zu beteiligen ist. Zu diesem Umfeld zählen neben der Familie beispielsweise auch religiöse Institutionen und soziale Netzwerke. Schließlich gilt es, vorhandene Kompetenzen anzuerkennen und zu stärken und sich so von einer defizitorientierten Herangehensweise zu lösen. 2.1.3 Lebenserwartung Angesichts der medizinischen Versorgung, der verbesserten Lebensbedingungen und der sinkenden körperlichen Beanspruchung am Arbeitsplatz steigt die Lebenserwartung – die dritte wichtige Determinante der demografischen Entwicklung. In Deutschland beträgt heute die Lebenserwartung bei Geburt 77,2 Jahre bei Männern und 82,4 Jahre bei Frauen. Für 2060 wird mit einer Lebenserwartung zwischen 85 und 87,7 Jahren bei Männern sowie zwischen 89,2 und 91,2 Jahren bei Frauen gerechnet. Dabei zeigt sich,

20 Vgl. Statistisches Bundesamt (2009a), S. 34. 21 Vgl.: Berlin-Institut für Weltbevölkerung und globale Entwicklung (2006). 22 Vgl.: Haas, S. (2010).

223

J U T T A R U M P /S I L K E E I L E R S

dass sich die Differenz in den Lebenserwartungen beider Geschlechter immer mehr reduziert.23

2.2

Ausgewählte Szenarien zur Bevölkerungsentwicklung

Auf Basis der Bevölkerungsvorausberechnungen des Statistischen Bundesamtes sowie Analysen der europäischen Statistikbehörde Eurostat wurden einige Szenarien zur Entwicklung der Altersverteilung für die Bundesrepublik Deutschland bzw. den gesamten EU-Raum entwickelt, von denen drei nachfolgend exemplarisch vorgestellt werden sollen. 2.2.1 Dynamik der Bevölkerungsentwicklung Das Institut der deutschen Wirtschaft Köln zeigt auf, wie sich die Anteile unterschiedlicher Altersgruppen an der Bevölkerung bis zum Jahr 2050 verändern werden, wobei insbesondere die stark rückläufigen Quoten der jüngeren Menschen sowie die hohe Zahl so genannter „Hochaltriger“, d. h. Menschen über 80 Jahren, auffällt:24 Insgesamt

0–19 Jahre

20–39 Jahre

40–59 Jahre

60–79 Jahre

80 Jahre und älter

Insgesamt

-15,6 %

-37,5 %

-36,8 %

-24,7 %

+5,9 %

+195,8 %

Männlich

-16,4 %

-37,4 %

-37,3 %

-25,4 %

+11,6 %

+336,4 %

Weiblich

-14,8 %

-37,5 %

-36,3 %

-24,0 %

+1,2 %

+143,6 %

ABB. 3: VERÄNDERUNG DER BEVÖLKERUNG IN BESTIMMTEN ALTERSGRUPPEN BIS ZUM JAHR 2050

Obgleich die gesundheitliche Verfassung durch verbesserte medizinische Versorgung und persönliche Vorsorge heute und in Zukunft durchaus bis in ein hohes Alter hinein gewährleistet sein kann, bedeutet ein hoher Anteil Hoch-

23 Vgl.: Statistisches Bundesamt (2009a), S. 30–31. Hier wurden zwei unterschiedliche Szenarien – Basisannahme der Lebenserwartung sowie hohe Lebenserwartung berücksichtigt. 24 Vgl.: Meier, B./Schröder, C. (2007), S. 49.

224

EMPLOYABILITY UND DEMOGRAFIE

altriger für eine Gesellschaft eine große Herausforderung im Hinblick auf die soziale und gesundheitliche Versorgung. Die jüngeren Alterskohorten sehen sich künftig mit der Situation des „Jungseins in einer alternden Gesellschaft“25 konfrontiert, d. h. gerade für Jugendliche reduziert sich die Zahl der Gleichaltrigen als Orientierungs- und Sozialisationsinstanz, während sie auf deutlich mehr Ältere in Gesellschaft und Arbeitswelt treffen als dies für heutige junge Menschen der Fall ist. Bis zum Jahr 2050 wird den Berechnungen zufolge mehr als jeder Zweite in Deutschland älter als 50 Jahre sein.26 2.2.2 Altersstruktureller Wandel innerhalb der älteren Generation Auch innerhalb der Gruppe der Älteren in der Gesellschaft werden sich künftig die Anteile der unterschiedlichen Altersgruppen signifikant verändern, wie die folgende Tabelle veranschaulicht:27 Jahr

50- bis 64-Jährige 65- bis 79-Jährige

über 80-Jährige

2002

51,9 %

37,0 %

11,1 %

2010

49,7 %

37,6 %

12,7 %

2020

51,4 %

33,2 %

15,4 %

2030

42,1 %

41,5 %

16,3 %

2040

38,8 %

40,8 %

20,4 %

2050

38,0 %

34,9 %

27,0 %

ABB. 4: VERÄNDERUNG DER BEVÖLKERUNGSANTEILE INNERHALB DER ÄLTEREN GENERATION

Die Zahlen machen deutlich, dass die Anteile der Älteren, die sich noch im erwerbsfähigen Alter befinden, in den kommenden Jahrzehnten immer weiter sinken, während die Hochaltrigen einen zunehmenden Teil der älteren Bevölkerung stellen.28

25 In Anlehnung an die gleichnamige Publikation von Hoffmann, D./Schubarth, W./Lohmann, M. (Hrsg.) (2008). 26 Vgl.: Meier, B./Schröder, C. (2007), S. 49–50; Schubarth, W./Speck, K. (2008), S. 118–120. 27 Vgl.: Meier, B./Schröder, C. (2007), S. 51. 28 Vgl.: Meier, B./Schröder, C. (2007), S. 51.

225

J U T T A R U M P /S I L K E E I L E R S

2.3

Auswirkungen der demografischen Entwicklung auf die Produkt- und Dienstleistungsmärkte29

Die demografische Entwicklung führt auf der einen Seite zu einem Rückgang des Nachfrageverhaltens. Auf der anderen Seite ist mit einer strukturellen Veränderung der Nachfrage aufgrund der Verschiebung der Altersstruktur zu rechnen. Aus demografischer Sicht beeinflussen vor allem vier Faktoren die Entwicklung der Märkte:30 •

Die Einkommensverteilung zwischen Erwerbstätigen und Rentnern.



Die durchschnittliche Haushaltsgröße.



Die Konsumneigung der einzelnen Altersklassen.



Die altersabhängige Präferenzstruktur.

Von der Bevölkerungsreduktion sind alle Branchen betroffen. Die Verschiebung der Altersstruktur wirkt sich allerdings unterschiedlich aus. Ältere Kunden fragen andere Produkte und Dienstleistungen nach als jüngere Kunden. Branchen, deren Leistungen mehr von älteren Menschen genutzt werden, zählen also zu den Gewinnern. Beispielsweise wird die Nachfrage nach Gesundheitsdienstleistungen und Pharmaprodukten, Wellness, Freizeitaktivitäten, Unterhaltung und Kultur, Finanzdienstleistungen im Zusammenhang mit privater Vorsorge sowie haushaltsnahen Dienstleistungen steigen. Strukturneutrale Branchen setzen zwar ihre Produkte und Dienstleistungen an alle Altersgruppen in relativ gleicher Quantität ab. Dennoch muss das Angebot qualitativ an die älteren Nachfrager angepasst werden. Daneben gibt es Struktur-Verlierer. Es ist damit zu rechnen, dass z. B. die Nachfrage nach Verkehrsdienstleistungen (vor allem das Pendeln zum Arbeitsplatz sowie Dienst- und Geschäftsreisen) wegen des höheren Anteils Nichterwerbstätiger abnehmen wird. Auch der Wohnungsbau ist betroffen.31 Die Verschiebung des Nachfrageverhaltens und damit die Anpassungen auf den Produkt- und Dienstleistungsmärkten bewirken Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt. Es werden mehr Arbeitskräfte z. B. im Gesundheitssektor, im

29 Vgl.: Rump, J./Eilers, S. (2009), S. 23–24. 30 Vgl.: Deutsche Bank Research (2002), S. 31. 31 Vgl.: Deutsche Bank Research (2003), S. 10; Deutsche Bank Research (2002), S, 32.

226

EMPLOYABILITY UND DEMOGRAFIE

Wellnessbereich, bei haushaltsnahen Dienstleistungen nachgefragt, während die Anzahl der Arbeitsplätze im Verkehrssektor rückläufig ist. Da der demografische Wandel nicht alle Regionen gleichermaßen betrifft, ist von regionalen Unterschieden bei der Veränderung der Produkt- und Dienstleistungsmärkte auszugehen. So sind Ballungsgebiete mit attraktiver Wirtschaftsstruktur weniger von der Entwicklung betroffen als ländliche Gebiete.32 Was die sich verändernde Qualifikationsstruktur alternder Belegschaften anbelangt, so lässt sich das Angebotsspektrum eines Unternehmens durchaus an diesen Veränderungen ausrichten und dadurch neue Perspektiven eröffnen. So beispielsweise durch die Entwicklung von Systemangeboten, durch die sich das bisherige Geschäftsfeld ausdehnen und kundenorientiert ergänzen lässt.33 Aus der Marktzutrittsperspektive kann die Unterschiedlichkeit der Beschäftigten eines Unternehmens als strategisches Instrument angesehen werden, unterschiedliche Märkte möglichst effizient und effektiv zu bearbeiten. So können ältere Kundenbetreuer einen Markt mit zunehmend älteren Kunden besser betreuen als jüngere. Insbesondere Unternehmen, deren Produkte bzw. Dienstleistungen überwiegend von Älteren konsumiert werden oder in einem engen Zusammenhang zur Alterung der Gesellschaft stehen, können auf diese Weise profitieren. Auch ist davon auszugehen, dass es eine zunehmend ältere Kundschaft zu würdigen weiß, wenn Unternehmen ältere Arbeitnehmer in verantwortungsvollen Positionen einsetzen und wertschätzen.34

2.4

Auswirkungen der demografischen Entwicklung auf die Verfügbarkeit von Personal35

Es ist davon auszugehen, dass sich bis zum Jahr 2030 das Erwerbspersonenpotenzial36 von heute rund 50 Millionen Menschen auf 42 Millionen verringern wird, bis zum Jahr 2060 noch weiter auf 33 Millionen. Dabei zeigt sich, dass bis zum Jahr 2020 die Reduzierung nur in geringem Umfang statt-

32 33 34 35 36

Vgl.: Deutsche Bank Research (2003), S. 10; Deutsche Bank Research (2002), S, 32. Vgl.: Wolff, H./Spieß, K./Mohr, H. (2001), S. 144. Vgl.: Böhne, A. (2008), S. 123–125, 129. Vgl.: Rump, J./Eilers, S. (2009), S. 25–26. Das Statistische Bundesamt definiert als Bevölkerung im Erwerbsalter die 20- bis 65-Jährigen. Vgl.: Statistisches Bundesamt (2009a), S. 17.

227

J U T T A R U M P /S I L K E E I L E R S

findet, sich danach allerdings umso deutlicher auswirkt.37 Abgemildert wird die Verringerung des Erwerbspersonenpotenzials durch steigende Erwerbsquoten, insbesondere von Frauen sowie von Älteren. Das IAB geht von folgenden Veränderungen in den allgemeinen Erwerbsquoten sowie in den Erwerbsquoten ost- und westdeutscher Frauen aus:38 2004

2020

2050

Deutschland insgesamt

79,7 %

80,3 %

81,1 %

Deutsche Frauen West

73,1 %

76,6 %

80,3 %

Deutsche Frauen Ost

80,3 %

79,6 %

79,0 %

ABB. 5: DURCHSCHNITTLICHE POTENZIALERWERBSQUOTEN DER 15- BIS 64-JÄHRIGEN

Dabei gilt es zu beachten, dass zwar die Frauenerwerbsbeteiligung für Frauen mittleren Alters nur noch geringfügig steigerungsfähig ist, jedoch erhebliche Potenziale bei Ausländerinnen sowie jungen und älteren Frauen bestehen.39 Wird die Altersverteilung auf dem Arbeitsmarkt betrachtet, so zeigt sich deutlich, dass eine besonders gravierende Umschichtung der Altersstruktur in den Jahren 2017 bis 2024, also in nicht allzu ferner Zukunft, stattfindet. Derzeit gehören 20 % der Menschen im erwerbsfähigen Alter der Gruppe der 20- bis unter 30-Jährigen an, 49 % sind zwischen 30 und unter 49 Jahre alt, 31 % zählen zu den ältesten Arbeitnehmern zwischen 50 und 65 Jahren. Zwar wird sich die jüngste Gruppe zahlenmäßig verringern, ihr Anteil an allen Erwerbspersonen bleibt dennoch auch in Zukunft mit prognostizierten 17,7 % im Jahr 2030 und 18,6 % im Jahr 2060 nahezu konstant. Die Werte der mittleren und ältesten Gruppe der Erwerbstätigen hingegen sind vergleichsweise starken Schwankungen unterworfen. So werden in den bereits angesprochenen Jahren zwischen 2017 und 2024 die Anteile der mittleren und ältesten Gruppe an allen Erwerbspersonen nahezu identisch sein. Danach ergibt sich mit dem Eintritt der geburtenstarken Jahrgänge in das Rentenalter 37 Vgl.: IW (2007b), S. 6; Statistisches Bundesamt (2009a), S. 17. Zugrunde gelegt wird ein Wanderungssaldo von + 100.000 Personen, die so genannte „Untergrenze der Bevölkerung“. 38 Vgl.: Fuchs, J./Söhnlein, D. (2007), S. 11, 21. 39 Vgl.: Fuchs, J./Söhnlein, D. (2007), S. 11.

228

EMPLOYABILITY UND DEMOGRAFIE

wieder eine Verschiebung zugunsten der mittleren Altersgruppe, die im Jahr 2030 44,9 % aller Erwerbstätigen stellen wird, während der Anteil der 50- bis 65-Jährigen bei 37,4 % liegt. Dies allerdings vor dem Hintergrund einer deutlich verringerten Gesamtzahl an Erwerbspersonen. Im Jahr 2060 ist von 44,8 % für die mittlere und 36,6 % für die älteste Gruppe auszugehen.40 Abbildung 6 zeigt diese Entwicklungen auf:41

ABB. 6: ERWERBSPERSONEN NACH ALTERSGRUPPEN

Die Zahl der Erwerbspersonen im Alter zwischen 50 und 64 Jahren wird bis 2020 auf 14,2 Millionen im Vergleich zu heute 10,5 Millionen ansteigen. Danach erfolgt ein kontinuierlicher Rückgang dieser Zahl, die allerdings nicht mehr unter das heutige Niveau fallen wird. Die über 65-jährigen Erwerbstätigen werden auch künftig bei etwa 400.000 Personen liegen, wenn man die Erhöhung des Rentenalters auf 67 Jahre unberücksichtigt lässt. Bezieht man diese Veränderung allerdings mit ein, erhöht sich das Erwerbspersonen-

40 Vgl.: Statistisches Bundesamt (2009a), S. 18–19. 41 Vgl.: Statistisches Bundesamt (2009a), S. 19.

229

J U T T A R U M P /S I L K E E I L E R S

potenzial für das Jahr 2060 um ein bis zwei Millionen Menschen – mit entsprechenden Auswirkungen auf den Anteil der ältesten Arbeitnehmergruppe an allen Erwerbspersonen. Eine entscheidende Rolle hierbei spielt das künftige Erwerbsverhalten der über 65-Jährigen.42 Arbeitgeber müssen ihr Augenmerk somit verstärkt auf ältere Mitarbeiter richten. Darüber hinaus tragen eine Verlängerung des Renteneintrittsalters sowie die Entwicklung der Sozialversicherungssysteme zu älter werdenden Belegschaften bei. Die Zahl der über 60-Jährigen, die bis zur gesetzlichen Altersgrenze erwerbstätig bleiben, wird stetig steigen. Bei allen Arbeitsmarktszenarien ist zu berücksichtigen, dass nicht alle ihre Arbeitskraft in Vollzeit anbieten werden. Insbesondere bei Frauen ist von einem Angebot in Teilzeit auszugehen. Zum Vergleich: Derzeit arbeiten fünfmal so viele Frauen wie Männer in Teilzeit.43 Ob und in welchem Maße die Teilzeitbeschäftigung zu- bzw. abnimmt, hängt u. a. von den familienorientierten Infrastrukturbedingungen ab.

2.5

Auswirkungen der demografischen Entwicklung auf die Verfügbarkeit von Qualifikationen44

Diese rein quantitative Betrachtung des Arbeitsmarktes muss um die qualitative Seite des Arbeitsmarktes ergänzt werden. Eine Vielzahl von Untersuchungen und Studien weist für die kommenden Jahre auf Knappheiten im Zusammenhang mit dem Fachkräftebedarf hin.45 Knappheiten zeigen sich zum einen darin, dass Unternehmen vakante Positionen nicht besetzen können. Es finden sich keine Bewerber oder die Bewerber verfügen nicht über die erforderlichen Qualifikationen und Kompetenzen, sodass von einer Einstellung Abstand genommen werden muss. Man spricht hier von einer unfreiwilligen permanenten Vakanz. Zum anderen äußern sich Knappheiten

42 43 44 45

Vgl.: IW (2007b), S. 7; Statistisches Bundesamt (2009a), S. 18. Vgl.: Haas, S. (2010). Vgl.: Rump, J./Eilers, S. (2009), S. 26–31. IW (2007a); DIHK (2007); Bitkom (2007).

230

EMPLOYABILITY UND DEMOGRAFIE

darin, dass offene Stellen erst mit Zeitverzögerung besetzt werden können. Dies wird als unfreiwillige temporäre Vakanz bezeichnet.46 Der Fachkräftebedarf wird durch zahlreiche Faktoren beeinflusst. So kann der Bedarf an Fachkräften durch eine langfristige Expansion der Volkswirtschaft, durch strukturelle Nachfrageverschiebungen und in Folge einer Verbesserung der Auftragslage von Unternehmen ansteigen. Zudem wird die Entwicklung weg von der Produktions- und hin zur Dienstleistungsgesellschaft insbesondere die verfügbaren Arbeitsplätze beeinflussen. Das IAB sieht für 2020 einen deutlichen Rückgang der Erwerbstätigen im produzierenden Gewerbe bei gleichzeitig ansteigendem Anteil unternehmensbezogener Dienstleistungen voraus. Darüber hinaus spielt die zunehmende Wissensintensität in Wirtschaft und Gesellschaft eine entscheidende Rolle.47 In Folge dieser Entwicklung sinkt der Bedarf an- und ungelernten Arbeitskräften immer stärker, während der Fachkräftebedarf vor allem auf höheren Qualifikationsebenen zunehmen wird. Es ist damit zu rechnen, dass es zu einem Engpass an Hochqualifizierten kommt, wenn die Bildungsbeteiligung bei zurückgehenden Bevölkerungszahlen stagniert. Vice Versa: Ein ausreichender Ersatz an Fachkräften ist nur dann zu erwarten, wenn die nachrückenden geburtenschwachen Jahrgänge besser qualifiziert sind als die ausscheidenden Jahrgänge.48 Davon kann allerdings nicht per se ausgegangen werden, wie die folgende Vorausberechnung des Instituts der deutschen Wirtschaft zeigt:49

46 47 48 49

Vgl.: IW (2007a), S. 3, 20. Vgl.: IAB (2007 B2), S. 2. Vgl.: IW (2007a), S. 4; IAB (2007 B1), S. 1–2; IAB (2007 C6), S. 1. Vgl.: Meier, B./Schröder, C. (2007), S. 173; Plünnecke, A./Seyda. S. (2004), S. 133.

231

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ABB. 7: ENTWICKLUNG DES VERHÄLTNISSES JÜNGERER UND ÄLTERER HOCHQUALIFIZIERTER

Aktuelle Untersuchungen zeigen bereits heute, dass es den ohnehin knapper werdenden Nachwuchskräften nicht selten an Ausbildungsfähigkeit mangelt. Zahlreiche Betriebe klagen darüber, bei ihren Auszubildenden zunächst die grundlegende Ausbildungsfähigkeit herstellen zu müssen oder aber auf der Suche nach geeigneten Kandidaten nicht mehr fündig zu werden.50 Darüber hinaus darf der demografiebedingte Ersatzbedarf nicht vernachlässigt werden. Mittel- bis langfristig werden demografiebedingt mehr Menschen aus dem Erwerbsprozess ausscheiden als eintreten. Eine Zunahme der Frauenerwerbsbeteiligung und des Arbeitsvolumens von Frauen, eine Steigerung der Nettozuwanderung sowie die Anhebung des Renteneintrittsalters können diesen Trend verlangsamen und in den nächsten Jahren abschwächen, aber

50 Vgl.: Böckler, M. (2005), S. 5.

232

EMPLOYABILITY UND DEMOGRAFIE

nicht aufhalten.51 Abbildung 8 veranschaulicht die Ersatzquoten der 30- bis 35-Jährigen in Relation zu 60- bis 65-Jährigen nach Qualifikation bis zum Jahr 2020:52

ABB. 8: STRUKTURELLER FACHKRÄFTEBEDARF BIS ZUM JAHR 2020

Die Diskussion um den Fachkräftebedarf muss um die so genannte MismatchProblematik ergänzt werden. Arbeitslosigkeit bei gleichzeitigem Fachkräftebedarf deutet auf ein Mismatch hin. Mismatch ist definiert als Ungleichgewicht zwischen Arbeitsangebot und Arbeitsnachfrage. Auf der Angebotsseite lassen sich drei Mismatch-Probleme identifizieren: Regionales Mismatching: Eine offene Stelle in einer Region kann nicht mit einem Bewerber aus einer anderen Region besetzt werden, weil diese Person regionale Präferenzen hat. Qualifikatorisches Mismatching: Die potenziellen Bewerber verfügen nicht über die erforderlichen Kompetenzen – trotz formal vorhandener Ausbildung.

51 Vgl.: IAB (2007 B2), S. 1–3. 52 Vgl.: Hüther, M. (2010), S. 7.

233

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Entgelt-Mismatching: Entgeltansprüche und Entgeltangebot sind nicht vereinbar. Darüber hinaus wird insbesondere von einigen Betrieben darauf hingewiesen, dass eine fehlende oder eingeschränkte Arbeitsmotivation von qualifikatorisch in Frage kommenden potenziellen Arbeitskräften einen weiteren Grund für Nicht-Besetzung von Stellen darstellt.53 Von einem generellen Fachkräfteengpass zu sprechen, entspricht jedoch nicht den Tatsachen. Allerdings steuert Deutschland Knappheiten an Fachkräften in Bezug auf bestimmte Qualifikationsstufen, Berufsgruppen und Branchen entgegen, die bereits heute zutage treten. So beurteilen derzeit 60 % der Unternehmen die Verfügbarkeit von technisch ausgerichteten Fachkräften als schlecht. 11 % der Handwerksbetriebe klagen über Schwierigkeiten, vakante Fachkräftestellen nicht besetzen zu können. Gleiches gilt für die Logistik und den Vertrieb. Auch die Gesundheitswirtschaft ist betroffen.54 Wenn eine Stelle unbesetzt bleibt – sei es nun unfreiwillig permanent oder unfreiwillig temporär – entsteht dem Unternehmen und der Volkswirtschaft ein Wertschöpfungsverlust. Aufgrund nicht besetzbarer und zeitlich verzögert besetzter Stellen für qualifizierte Arbeitskräfte entstand der deutschen Volkswirtschaft im Jahre 2006 ein Wertschöpfungsverlust von 18,5 Mrd. Euro. Dies sind 0,8 % des im Jahre 2006 erwirtschafteten Bruttoinlandsproduktes. Der DIHK hat für 2007 sogar einen Wertschöpfungsverlust von 28 Mrd. Euro angegeben.55 Neben diesen volkswirtschaftlichen Effekten lassen sich betriebliche Konsequenzen identifizieren:56 Die Geschäftsentwicklung des Unternehmens wird behindert.



Das Unternehmen kann mindestens ein Projekt erst zeitlich verzögert durchführen.



Die Kosten mindestens eines Projektes haben sich erhöht (z. B. durch Mehrarbeit und Überstunden, Qualifizierungen).



53 54 55 56

Vgl.: ZDH (2007), S. 5, 13. Vgl.: DIHK (2007), S. 2, 7; IW (2007a). Vgl.: IW (2007a); S. 24. Vgl.: IW (2007a), S. 26; BITKOM (2007), S, 7; ifo (2007); IAB (2007 C2), S. 1; IAB (2007 C8), S. 2; ZDH (2007), S. 16; DIHK (2007), S. 21–22.

234

EMPLOYABILITY UND DEMOGRAFIE



Das Unternehmen kann mindestens ein geplantes Projekt nicht durchführen.



Das Unternehmen muss einen oder mehrere Aufträge ablehnen.



Investitionen werden verschoben oder nicht getätigt.







2.6

Im Unternehmen unterbleibt die Schaffung mindestens einer nachgelagerten Stelle, die unmittelbar mit der nicht besetzbaren oder erst verzögert zu besetzenden Stelle verbunden ist. Die Aufgabe wird nicht selbst erbracht, sondern von anderen Betrieben „gekauft“. (Buy statt make) Die Aufgaben der nicht zu besetzenden Stelle werden auf die Mitarbeiter verteilt.

Zwischenfazit

Die Zahlen, Daten und Fakten machen deutlich, dass wir uns mittel- bis langfristig einer deutlich alternden Gesellschaft und – bereits früher einsetzend – einer alternden Erwerbsbevölkerung gegenüber sehen. Unternehmen stehen daher vor der Aufgabe, mit einer Belegschaft, die ein beständig steigendes Durchschnittsalter aufweist, ihre Wettbewerbsfähigkeit auf dem heutigen Stand zu halten bzw. noch zu steigern. Wettbewerbsfähigkeit wird vor dem Hintergrund der Globalisierung und steigenden Bedeutung von Innovationsfähigkeit künftig immer stärker von Wissen und Kompetenzen determiniert. So liegt es auf der Hand, dass die bislang noch verbreitete Praxis, bei den jüngeren Arbeitnehmern Wissen und Kompetenzen zu fördern und diesen Prozess mit zunehmendem Alter der Beschäftigten „ausschleichen“ zu lassen, nicht mehr länger tragbar ist. Ebenso klar erkennbar ist, welche Potenziale durch eine Frühverrentung bzw. unzureichende Förderung und Integration älterer Beschäftigter verschenkt werden. Vielmehr gilt es, Ältere als Potenzialträger wertzuschätzen und ihnen diese Wertschätzung auch deutlich zu machen. Dies impliziert die Notwendigkeit, Beschäftigte aller Generationen in den Fokus von Qualifizierungs- und Motivierungsbestrebungen sowie gesundheitsförderlicher Maßnahmen zu rücken, damit sie ihre Employability über alle Lebensphasen hinweg erhalten und ausbauen können, und sich über deren

235

J U T T A R U M P /S I L K E E I L E R S

Fähigkeiten und Kompetenzen bewusst zu werden.57 Dazu gehört unweigerlich auch, Mitarbeitern über alle Lebensphasen hinweg Perspektiven aufzuzeigen und die Forderung und Förderung der Employability als immerwährenden Prozess zu begreifen, der auch und gerade in der Lebensmitte nicht abreißen darf. Abschließend sei auf einen weiteren Aspekt verwiesen: Die bisherige Verteilung der realen Arbeitsvolumina ist nicht zukunftsfähig, denn hoch Qualifizierte leisten in erheblichem Umfang Überstunden, während niedrig Qualifizierte selbst in Beschäftigung tendenziell unterbeschäftigt sind. Damit wächst auch die Schere zwischen über- und unterforderten Personen.58 Über- und Unterforderung wiederum stellen entscheidende Hemmnisse für die Aufrechterhaltung von Leistungs- und Beschäftigungsfähigkeit bei alternden Belegschaften dar.

3. Alternde Belegschaften und Employability Der Weg, den Unternehmen beschreiten sollten, um ihre Wettbewerbsfähigkeit auch mit alternden Belegschaften zu erhalten, scheint klar vorgezeichnet. Doch wie steht es um die grundsätzliche Einstellung der Arbeitgeber zu den Erfordernissen der demografischen Entwicklung und auch zu den älteren Beschäftigten selbst? Und inwieweit decken sich die Einschätzungen von Unternehmensverantwortlichen zu den Konsequenzen alternder Belegschaften mit wissenschaftlichen Erkenntnissen? Neben der Frage nach dem „Können“ in der praktischen Umsetzung ist hierbei insbesondere das „Wollen“ von entscheidendem Interesse.

3.1

Die betriebliche Sicht

Employability umfasst neben einer fundierten und aktuellen fachlichen Qualifikation auch ein ganzes Bündel an überfachlichen Kompetenzen, Mentalitäten und Einstellungen. Darüber hinaus gehört zur Beschäftigungsfähigkeit

57 Vgl.: Böckler, M. (2005), S. 5. 58 Vgl.: Böckler, M. (2005), S. 4.

236

EMPLOYABILITY UND DEMOGRAFIE

auch die Fähigkeit und Bereitschaft des Einzelnen, seine Kompetenzen immer wieder kritisch zu hinterfragen und ggf. zu verbessern. Diese Komplexität im Zusammenspiel „harter“ und „weicher“ Faktoren, die Employability letztlich ausmacht, spiegelt sich auch in den Einschätzungen von Unternehmensverantwortlichen wider, wenn es um die Frage geht, wie sie die Kompetenzen ihrer älteren Beschäftigten einstufen. So hält nur eine Minderheit der Personalleiter und Geschäftsführer in einer aktuellen Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln ältere Mitarbeiter aufgrund eines langsameren Arbeitstempos für weniger produktiv (27 %), und nur jeder Vierte bescheinigt den Älteren einen geringeren Leistungswillen.59 Das „Defizitmodell“60, so scheint es, beginnt zu bröckeln. Richtet man allerdings den Blick auf die überfachlichen Kompetenzen, so fällt das Urteil der Entscheider deutlich weniger positiv aus. Eine Untersuchung des Instituts für Beschäftigung und Employability IBE macht deutlich, dass eine Vielzahl von Unternehmensverantwortlichen eine negative Korrelation zwischen Beschäftigungsfähigkeit einerseits und Durchschnittsalter der Belegschaft andererseits wahrnehmen. Je jünger das Durchschnittsalter der Belegschaft ist, desto höher wird die Ausprägung der Kernkompetenzen vom Employability eingestuft. Vice versa: Je älter die Belegschaft ist, desto größer ist die Abweichung zwischen gewünschter und tatsächlicher Ausprägung der Beschäftigungsfähigkeit. Lediglich die fachliche Komponente bildet eine Ausnahme:61

59 Vgl.: Institut der deutschen Wirtschaft Köln (2009). 60 Nach der Defizittheorie verringern sich mit zunehmendem Alter Leistung, Lernfähigkeit und Interesse an modernen Entwicklungen. Im Gegenzug verstärkt sich der Wunsch nach Rückzug und Alleinsein, die Krankheitsanfälligkeit sowie die Unfallgefährdung. Vgl. Böhne, A./Wagner, D. (2004), S. 295. 61 Vgl.: Rump, J./Eilers, S. (2005).

237

J U T T A R U M P /S I L K E E I L E R S

wünschenswert 30-35 wünschenswert 41-45 tatsächlich ausgeprägt 30-35 tatsächlich ausgeprägt 41-45

Frustrationstoleranz

Veränderungsbereitschaft

Reflexionsfähigkeit

Offenheit

Konfliktfähigkeit

Belastbarkeit

Einfühlungsvermögen

Kommunikationsfähigkeit

Teamfähigkeit

Lernbereitschaft

Engagement

Unternehmerisches Denken und Handeln

Eigenverantwortung

Initiative

100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0

Fachliche Qualifikation

Aspekte der Employability - inwieweit wünschenswert bzw. tatsächlich ausgeprägt?

100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0

wünschenswert 36-40 wünschenswert 46-50 tatsächlich ausgeprägt 36-40 tatsächlich ausgeprägt 46-50

ABB. 9: ASPEKTE VON EMPLOYABILITY – INWIEWEIT SIND SIE WÜNSCHENSWERT BZW. TATSÄCHLICH AUSGEPRÄGT – DIFFERENZIERT NACH DEM DURCHSCHNITTSALTER DER BELEGSCHAFTEN

Es stellt sich die Frage nach den Ursachen für das überwiegend negative Bild, das offenbar in Unternehmen bezüglich älterer Beschäftigter vorherrscht und für den vermeintlichen Verlust an Employability. Zu differenzieren sind hierbei •

das gesellschaftliche Bild und die Sozialisation,



die Kultur in Unternehmen sowie



die Erwartung negativer ökonomischer Effekte.

Das gesellschaftliche Bild und die Sozialisation Das bisherige faktische Renteneintrittsalter, aber insbesondere die gängige Frühverrentungspraxis haben zu einer Einstellung geführt, in der die letzten Erwerbsjahre nicht mehr als sinnerfüllter Karriereabschnitt gesehen werden.

238

EMPLOYABILITY UND DEMOGRAFIE

So ist im gesellschaftlichen Tenor ein möglichst frühzeitiger Ruhestand als erstrebenswertes Ziel längst etabliert, wie Abbildung 10 veranschaulicht:62

18%

Ich m öchte vorzeitig in den Ruhes tand gehen Ich m öchte bis zum regulären Renteneintritts alter arbeiten 82%

ABB. 10: WUNSCH, BIS ZUM RENTENEINTRITTSALTER ERWERBSTÄTIG ZU BLEIBEN

In der Folge beschäftigen sich viele Arbeitnehmer bereits zu einem vergleichsweise frühen Zeitpunkt ihres Erwerbslebens mit der Aussicht auf den bevorstehenden Ruhestand und die damit verbundene frei verfügbare Zeit. Nicht selten legen sie dadurch auch frühzeitig eine Art „Schongang“ in Form verringerten beruflichen Engagements ein. Dies kann beim Einzelnen zu weniger Erfolgserlebnissen und schließlich zu Enttäuschung, Entfremdung und Resignation führen,63 im Unternehmen entstehen auf diese Art negative Zuschreibungen zu Leistungswillen und -fähigkeit der Älteren. Auch die sozialpolitische und gesellschaftliche Definition „älterer Arbeitnehmer“ sind eher pessimistisch und negativ orientiert. Die sozialpolitisch begründete Perspektive stellt das Alter in den Kontext des Arbeitsmarktes. So werden als ältere Arbeitnehmer solche Personen definiert, die aufgrund ihres Alters auf dem Arbeitsmarkt mit überdurchschnittlichen Risiken konfrontiert werden. Diese Risiken werden u. a. damit begründet, dass diejenigen, die Arbeit nachfragen, mit zunehmendem Alter eine abnehmende Leistungsfähigkeit und Flexibilität assoziieren.64 Im Rahmen der derzeitigen gesellschaftlichen Definition gelten ältere Mitarbeiter im Allgemeinen als krankheits-

62 IFGP (2009b), S. 7. Das Ergebnis basiert auf einer Befragung von 1280 Beschäftigten im Rahmen des Projektes MiaA (Menschen in altersgerechter Arbeitskultur). 63 Vgl.: Hentze, H. (1994), S. 154; Prezewowsky, M. (2007), S. 80. 64 Vgl.: Naegele, G. (1992), S. 11.

239

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anfällig, müde, desinteressiert, langsam und unproduktiv. Jung wird hingegen mit fit, interessiert, schnell, produktiv, dynamisch gleichgesetzt. Zwar bröckelt dieses Bild mehr und mehr, in Unternehmen scheint es jedoch immer noch handlungsleitend zu sein.65 Zu beachten ist auch der Umstand, dass die Bedeutung von Employability mit ihrem umfassenden Kompetenzspektrum in den letzten Jahren zugenommen hat. Es kann vermutet werden, dass ältere Mitarbeiter nicht in diese qualifikatorische Richtung sozialisiert worden sind, weil ihre Aus- und Weiterbildung durch eine Dominanz an Fachorientierung gekennzeichnet war. Überfachliche Kompetenzen könnten in der Folge aufgrund gemachter Erfahrungen und fehlender Wertschätzung verkümmert sein. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass vielfach die Antizipation des Miteinanders von Alt und Jung im Unternehmen bzw. der Verhaltens- und Wertemuster älterer Beschäftigter eine schlichte Fortschreibung der heutigen Situation darstellt. Das heißt gewisse Charakteristika, die sich heute tendenziell bei Älteren zeigen, wie z. B. eine sozialisationsbedingt eher geringe Affinität für moderne Kommunikationstechnologien sowie ein eher traditionell geprägtes Rollenverständnis, werden auch den „Alten von morgen“ zugeschrieben. Führt man sich allerdings vor Augen, dass die „Generation Golf“ (zwischen 1965 und 1975 geboren) per Definition bereits allmählich in die Reihen der älteren Arbeitnehmer vorrückt, wird deutlich, dass deren Sozialisationsmuster und somit auch die Voraussetzungen, die sie im Arbeitskontext

65 Ein Blick in die Literatur macht deutlich, dass es eine Vielzahl an Ansätzen und Versuchen gibt, die Begriffe „ältere Arbeitnehmer“ und „jüngere Arbeitnehmer“ zu definieren und voneinander abzugrenzen. So legt das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit eine Altersgrenze zugrunde, die sich über eine Spanne von 45–55 Jahren erstreckt. Die OECD beschreibt ältere Arbeitnehmer als diejenigen Mitarbeiter, die in der zweiten Hälfte des Berufslebens stehen, das Rentenalter noch nicht erreicht haben sowie gesund und arbeitsfähig sind. Für eine Reihe von Berufsgruppen lässt sich der terminus technicus „zweite Hälfte des Berufslebens“ dahingehend konkretisieren, dass die Altersgrenze zwischen der Kategorie „jüngerer Mitarbeiter“ und der Kategorie „älterer Mitarbeiter“ beim 45. Lebensjahr liegt. Unter Einbeziehung der verschiedenen Definitionsansätze und dem Grundsatz der Werteneutralität versteht Ganslmeier unter dem Begriff der älteren und jüngeren Mitarbeiter ein relationales Konstrukt. Danach ist eine Person älter in Bezug zu anderen Personen ihres sozialen bzw. beruflichen Umfeldes, wird als relativ alt für die Ausübung einer spezifischen Aufgabe/Position gesehen oder wirkt alt (im Sinne von „reif“ oder wenig „flexibel“) im Hinblick auf bestimmte Verhaltenserwartungen. Eine Person ist jünger in Bezug zu anderen Personen ihres sozialen bzw. beruflichen Umfeldes, wird als vergleichsweise jung für die Ausübung einer spezifischen Aufgabe/Position gesehen oder wirkt jung (im Sinne von „dynamisch“oder „wenig erfahren“) im Hinblick auf bestimmte Verhaltenserwartungen. Vgl.: Lehr, U./Wilbers, J. (1992), S. 204f.; Kruse, A./Lehr, U. (1995), S. 546f.; Ganslmeier, A./Wollert, H. (1997), S. 322.

240

EMPLOYABILITY UND DEMOGRAFIE

mitbringen, völlig andere sind als die der Nachkriegsgeneration und auch der Baby Boomer, die heute die älteren Beschäftigten stellen. Die Kultur in Unternehmen Das gesellschaftliche Bild der Älteren wirkt zwangsläufig auch auf die innerbetriebliche Wahrnehmung. Wenn Eigenschaften wie Innovationsfähigkeit, Modernität, Sportlichkeit, Attraktivität, Leistungsfähigkeit oder Flexibilität eher Jüngeren zugeschrieben werden, dann resultiert daraus eine Zurückhaltung bei der Einstellung Älterer gerade in solchen kundennahen Bereichen, bei denen ein Mismatch zwischen den üblicherweise jüngeren Kunden und den Mitarbeitern befürchtet wird, wie z. B. im Textil- oder Elektronik-Einzelhandel oder der Gastronomie. Generell ist zu beobachten, dass Betriebe nach wie vor mehrheitlich dazu tendieren, eher jüngere Arbeitssuchende einzustellen und bei Personalabbauprozessen eher ältere Mitarbeiter freizusetzen. So liegt laut Altersübergangs-Report 2009 der Hans Böckler Stiftung der Anteil der Neueinstellungen von Arbeitnehmern über 50 seit Jahren konstant bei etwa 10 % aller Neueinstellungen. Dabei sinken die Anteile stetig mit steigendem Alter.66 Abbildung 11 veranschaulicht diese Zusammenhänge:67

ABB. 11: ENTWICKLUNG DER ZAHL DER NEUEINSTELLUNGEN 50- BIS 64-JÄHRIGER VON 2002 BIS 2006

66 Vgl.: IAB (2006), S. 68–69; Brussig, M. (2009), S. 1–3. 67 Brussig, M. (2009), S. 11.

241

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Es gilt auch zu beachten, dass in zahlreichen Unternehmen nur sehr wenig Erfahrung über den Umgang mit älteren Arbeitnehmern vorliegt. Dies verwundert kaum, denn auch wenn der Anteil älterer Beschäftigter stetig ansteigt (im Jahr 2007 waren 51,5 % aller Personen zwischen 55 und 64 Jahren erwerbstätig), standen noch vor sechs Jahren gerade einmal 37,9 % der 55- bis 64-Jährigen in Deutschland im Erwerbsleben.68 Wenn nun wiederum wenig Gelegenheit besteht, ältere Arbeitnehmer und damit auch ihre Vorzüge zu erfahren, dann halten sich über Jahrzehnte gewachsene Vorbehalte wie das so genannte „Defizitmodell“ nachlassender Leistungsfähigkeit mit zunehmendem Alter, beharrlich. Dies zeigt eine aktuelle Studie, wonach das Image der Älteren im Unternehmen umso besser ist, desto mehr Mitarbeiter über 50 dort beschäftigt sind.69 Hinzu kommt eine Art sich selbst verstärkender Spirale: Aufgrund der bis vor kurzem vorherrschenden Jugendzentriertheit und Frühverrentungspolitik ist die Personalentwicklung vielfach noch immer primär auf die unter 40-Jährigen konzentriert – die Karriereplanung sollte bis zu diesem Alter abgeschlossen sein. Anders herum gesagt: Wer es bis zu diesem Zeitpunkt nicht geschafft hat, eine bestimmte Position zu erreichen, dem wird dies in der Regel auch künftig nicht mehr gelingen. Dies spiegelt sich in der geringen Anzahl von Beförderungen jenseits des 40. Lebensjahres ebenso wider wie in der vergleichsweise geringen Weiterbildungsbeteiligung älterer Beschäftigter.70 Abbildung 12 zeigt einen europaweiten Vergleich auf:71

68 69 70 71

Vgl.: IAB (2006), S. 68–69; Brussig, M. (2009), S. 2, Statistisches Bundesamt (2009b). Vgl.: IW (2009). Vgl.: Regnet, E. (2004), S. 54–55 und S. 68. Vgl.: Robert-Bosch-Stiftung (2010), S. 3.

242

EMPLOYABILITY UND DEMOGRAFIE

ABB. 12: WEITERBILDUNGSBETEILIGUNG NACH ALTERSGRUPPEN IM EUROPÄISCHEN VERGLEICH

Hinzu kommt das von Unternehmensseite nicht selten angeführte Argument, die Amortisationszeit für Investitionen in die Weiterbildung älterer Mitarbeiter sei zu gering. Dem ist jedoch zweierlei entgegen zu halten: Zum einen die Kürze der Zeit, in der Wissen angesichts hoher Veränderungsgeschwindigkeiten veraltet. Zum anderen der Umstand, dass ein heute 45-Jähriger durchaus noch für weitere 20 Jahre im Unternehmen verbleiben und Verantwortung für dessen Wettbewerbsfähigkeit und Produktivität tragen kann. Es sollte jedoch auch nicht verschwiegen werden, dass es nicht selten die älteren Mitarbeiter selbst sind, die nur ein geringes Interesse an Weiterbildung zeigen. Dies kann im Zusammenhang mit einer gewissen ‚Lernentwöhnung’ stehen, kann aber auch Folge einer unzureichenden Unterstützung von betrieblicher Seite sein. Nicht selten kommt es bei Arbeitnehmern, die auf ein eher jugendzentriertes betriebliches Umfeld treffen, zur inneren Kündigung oder zum Phänomen der ‚self fulfilling prophecy’, d. h. fühlen sie sich in das Muster des Defizitmodells gedrängt, dann verhalten sie sich über kurz oder lang auch dementsprechend. In diesem Kontext lässt die Erkenntnis des Instituts der deutschen Wirtschaft aufhorchen, wonach durchaus ein Zusammenhang zwischen dem Altersbild, das in einem Unternehmen vorherrscht und den entsprechend angebotenen Maßnahmen für ältere Arbeitnehmer besteht. 243

J U T T A R U M P /S I L K E E I L E R S

Abbildung 13 gibt einen Überblick:72 Durchgeführte Maßnahme

Altersbilder

Altersgemischte Teams

Ältere Mitarbeiter sind seltener krank (+). Weiterbildung für Ältere lohnt sich für das Unternehmen nicht (–). Ältere sind weniger produktiv, weil sie zu wenig aus ihrer Erfahrung machen (+).

Gezielter Einsatz als Trainer, Ausbilder, Berater

Ältere Mitarbeiter sind seltener krank (+). Weiterbildung für Ältere lohnt sich für die Beschäftigten nicht (–). Ältere verabschieden sich innerlich, weil sie selbst nicht mehr richtig wollen (–). Ältere sind weniger produktiv, weil sie sich kaum noch einsetzen (–). Ältere sind weniger innovativ, weil sie ihr Wissen nicht mehr erneuern (–).

Gezielter Einsatz an wechselnden Standorten oder im Ausland

Ältere Mitarbeiter sind seltener krank (+).

Regelmäßige Abfrage zur Motivation, Arbeitszufriedenheit und Unternehmensbindung

Ältere Mitarbeiter sind seltener krank (+).

Gesundheitsvorsorge

Ältere Mitarbeiter sind länger krank (–). Weiterbildung für Ältere lohnt sich für das Unternehmen nicht (–). Ältere verabschieden sich innerlich, weil sie selbst nicht mehr richtig wollen (+).

72 IW (2009), S. 15 mit Daten aus dem IW Betriebspanel 2008. Logistische Regressionen mit robusten Standardfehlern. (+) = signifikant positiver Zusammenhang. (–) = signifikant negativer Zusammenhang. Kontrollvariablen: Beschäftigungsklassen, Qualifikationsstruktur, Anteil älterer Mitarbeiter, Unternehmensalter, Art der Unternehmensführung, Mitbestimmungsformen, Tarifbindung, Weiterbildungs-, Innovations- und FuE-Aktivitäten und Branchendummies.

244

EMPLOYABILITY UND DEMOGRAFIE

Durchgeführte Maßnahme

Altersbilder

Herabsetzung der Arbeitsanforderungen

Weiterbildung für Ältere lohnt sich für die Beschäftigten nicht (+). Weiterbildung für Ältere lohnt sich für das Unternehmen nicht (+). Ältere verabschieden sich innerlich, weil sie selbst nicht mehr richtig wollen (+). Ältere verabschieden sich innerlich, weil sie nicht mehr richtig gefördert werden (+). Ältere sind weniger produktiv, weil sie wenig interessiert sind (+). Ältere sind weniger innovativ, weil wir ihr Wissen nicht mehr erneuern (+).

Innerbetrieblicher Stellenwechsel

Weiterbildung für Ältere lohnt sich für die Beschäftigten nicht (+).

Spezielle Weiterbildung für Ältere

Ältere Mitarbeiter sind seltener krank (+).

Gezielter Einsatz bei Entwicklungsprojekten und Verbesserungsprozessen

Ältere Mitarbeiter sind seltener krank (+). Ältere verabschieden sich innerlich, weil sie selbst nicht mehr richtig wollen (–). Ältere verabschieden sich innerlich, weil sie nicht mehr richtig gefördert werden (–). Ältere sind weniger produktiv, weil sie sich kaum noch einsetzen (–). Ältere sind weniger produktiv, weil sie wenig interessiert sind (–). Ältere sind weniger produktiv, weil sie zu langsam sind (–). Ältere sind weniger innovativ, weil sie ihr Wissen nicht mehr erneuern (–).

Weiterbildung für Ältere lohnt sich für die Beschäftigten nicht (–). Ältere verabschieden sich innerlich, weil sie selbst nicht mehr richtig wollen (–). Ältere sind weniger innovativ, weil sie ihr Wissen nicht mehr erneuern (–).

245

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Durchgeführte Maßnahme

Altersbilder

Beförderung nach Alter und/oder Betriebszugehörigkeit

Ältere Mitarbeiter sind seltener krank (+). Ältere sind weniger innovativ, weil sie ihr Wissen nicht mehr erneuern (–). Ältere sind weniger innovativ, weil wir ihr Wissen nicht mehr erneuern (–).

Altersteilzeit

Ältere verabschieden sich innerlich, weil sie selbst nicht mehr richtig wollen (+). Ältere sind weniger innovativ, weil sie ihr Wissen nicht mehr erneuern (+). Ältere sind weniger innovativ, weil wir ihr Wissen nicht mehr erneuern (+).

ABB. 13: ZUSAMMENHANG ZWISCHEN PERSONALPOLITISCHEN MAßNAHMEN FÜR ÄLTERE BESCHÄFTIGTE UND ALTERSBILDERN

Die Erwartung negativer ökonomischer Effekte In engem Zusammenhang mit dem „Defizitmodell“ steht wie bereits angesprochen die verbreitete Befürchtung, alternde Belegschaften seien zwangsläufig mit einer geringeren Leistungsfähigkeit, Produktivität und Innovationsfähigkeit assoziiert und ältere Beschäftigte zeigten per se eine geringere Motivation und seien häufiger krank – Aspekte, die direkten Einfluss auf die Wertschöpfung und Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen nehmen. Zwar zeigt die bereits angeführte Umfrage des Instituts der deutschen Wirtschaft durchaus einen positiven Trend zugunsten der Älteren in der Wahrnehmung der Betriebe auf. Doch setzen gleichzeitig Unternehmen, nach Strategien im Umgang mit dem demografischen Wandel befragt, eher auf Strategien zur Gewinnung der knapper werdenden Nachwuchskräfte als auf eine verbesserte Nutzung des Potenzials der älteren Mitarbeiter.

246

EMPLOYABILITY UND DEMOGRAFIE

3.2

Perspektiven aus der Wissenschaft

3.2.1 Grundsätzliches Um Beobachtungen und Zuschreibungen bezüglich der Employability älterer Beschäftigter angemessen einordnen zu können, empfiehlt sich ein Blick auf die Befundlage der Wissenschaft zu möglichen Auswirkungen der demografischen Entwicklung auf das Agieren in Unternehmen. Hier stehen im Zusammenhang mit Wertschöpfung und Wettbewerbsfähigkeit insbesondere mögliche Veränderungen in Bezug auf die •

Leistungsfähigkeit,



Produktivität,



Motivation,



Veränderungsfähigkeit,



Innovationskraft und



Gesundheit der Beschäftigten

im Fokus. Gerade diese Aspekte sind es, die Employability ausmachen.73 Den nachfolgenden Betrachtungen sei vorangestellt, dass es die Zahlen zu Rahmenbedingungen, Handlungsfeldern und Effekten alternder Belegschaften, die konkrete „Wenn-Dann-Aussagen“ zulassen, auf Basis derzeit vorliegender Forschungsergebnisse nicht gibt. Vielmehr bewegen sich die verfügbaren Daten eher auf qualitativer als auf quantitativer Ebene. 3.2.2 Mögliche Auswirkungen der demografischen Entwicklung auf die Motivation von Beschäftigten74 Empirisch lässt sich ein positiver Zusammenhang zwischen der Motivation der Beschäftigten und dem Erfolg des Unternehmens nachweisen.75 Generell wird

73 Vgl. hierzu auch die Kernkompetenzen der Employability in Kapitel: Employability – Die Grundlagen. 74 Vgl.: Rump, J./Eilers, S. (2009), S. 31–37. 75 Vgl.: Chalupa, M. (2007), S. 214.

247

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Motivation durch die Arbeit dann gefördert, wenn die gestellte Aufgabe herausfordernd, aber realistisch erfüllbar, nicht zu einfach, aber auch nicht zu komplex ist.76 Zu beachten gilt, dass sich die berufliche Leistungsmotivation aus der Persönlichkeit des Einzelnen, der Unternehmenskultur und der Arbeitssituation ergibt – d. h. betriebliche Anreize werden von unterschiedlichen Mitarbeitern auch unterschiedlich honoriert.77 Ältere Mitarbeiter sind dabei nicht mehr oder weniger motiviert als jüngere, sie weisen lediglich andere Motivationsstrukturen auf.78 3.2.3 Mögliche Auswirkungen der demografischen Entwicklung auf die Leistungsfähigkeit79 Das „Defizitmodell“ ist aus wissenschaftlicher Sicht bereits seit geraumer Zeit eindeutig widerlegt. Man spricht inzwischen in der Gerontologie vielmehr vom „Kompetenzmodell des Alterns“: Jeder altert zu einem anderen Zeitpunkt, jeder Alterungsprozess bringt Zu- und Abnahmen bestimmter Funktionen mit sich und jeder besitzt innerhalb seines Alterungsprozesses noch die Fähigkeit zur Verhaltensänderung bzw. zur Kompensation.80 Somit nehmen anstatt eines generellen Nachlassens der kognitiven Leistungsfähigkeit mit dem Alter die interindividuellen Unterschiede zu. Sie werden von folgenden Bedingungsfaktoren beeinflusst:81 •

Gesundheitszustand.



Stimulierende Umweltbedingungen.



Bildungsstand.



Sozioökonomischer Status.

76 77 78 79 80

Vgl.: Ulich, E. (2005), S. 201–210. Vgl.: Brinkmann, R. (2008), S. 7. Vgl.: Roßnagel, C./Hertel, G. (2007), S. 7–11. Vgl.: Rump, J./Eilers, S. (2009), S. 37–46. Vgl.: Conrads, R./Staudinger, T./Kistler, E. (2008); Roth, C./Wegge, J./Schmidt, K.-H. (2007), S. 103; Planck-Institut für demografische Forschung (2003), S. 7; Schneider, L./Rostocker Zentrum zur Erforschung des demografischen Wandels (2006), S. 6; Hooshmandi-Robia, B. (2004), S. 22; Warr, P. (1993), S. 238–239; Kliegel, M./Jäger, T. (2007), S. 50. 81 Vgl.: Flake, C. (2005), S. 28; Börsch-Supan, A./Düzgün, I./Weiss, M. (2006), S. 5.

248

EMPLOYABILITY UND DEMOGRAFIE

3.2.4 Mögliche Auswirkungen der demografischen Entwicklung auf die Produktivität82 Die Tatsache, dass es „die Alterung“ nicht gibt, sondern einerseits genetische Veranlagungen, und andererseits – in sehr viel größerem Umfang – Umfeldbedingungen Einfluss auf Alterungsprozesse nehmen, führt zu sehr unterschiedlichen Untersuchungsergebnissen zum Thema Alter und Produktivität. Tendenziell ist allerdings von einem umgekehrt u-förmigen Produktivitätsverlauf mit zunehmendem Alter auszugehen.83 Es gilt jedoch zu beachten, dass heutige Studienergebnisse nur bedingt als „Zukunftsprojektion“ dienen können, da sie den Produktivitätsbeitrag der „heutigen Alten“ ausweisen, die sich in Betrieben wiederfinden, in denen in den vergangenen Jahrzehnten nur vereinzelt eine alters- bzw. alternsgerechte Personalpolitik vorzufinden war und vielfach ein Defizitmodell des Alterns verbreitet ist.84 3.2.5 Mögliche Auswirkungen der demografischen Entwicklung auf die Veränderungsfähigkeit85 An Arbeitsplätzen, die vergleichsweise geringe Veränderungen aufweisen und in denen es viele „normale“ Phasen gibt, kann die altersbedingte Abnahme bestimmter kognitiver Fähigkeiten (z. B. Kurzzeitgedächtnis, Geschwindigkeit der Informationsaufnahme und -verarbeitung bei komplexen Aufgaben, Abstraktionsfähigkeit) durch das Wissen und die Fähigkeiten der älteren Arbeitnehmer aufgefangen werden.86 In sich schnell verändernden Arbeitsumgebungen, die von Übergangsphasen gekennzeichnet sind (z. B. in der IT-Branche), verschlechtert sich allerdings die

82 Vgl.: Rump, J./Eilers, S. (2009), S. 46–51. 83 Vgl.: Arnds, P./Bonin, H. (2003), S. 141–143; Schneider, L./Rostocker Zentrum zur Erforschung des demografischen Wandels (2006), S. 6, 9–11; Börsch-Supan, A./Düzgün, I./Weiss, M. (2005), S. 10; Prskawetz, A./Mahlberg, B./Skirbekk, V. (2007), S. 3; Skirbekk, V./Max-Planck-Institut für demografische Forschung (2003), S. 13–14. 84 Vgl.: Skirbekk, V./Max-Planck-Institut für demografische Forschung (2003), S. 19–20; Schneider, L. (2007), S. 1–14. 85 Vgl.: Rump, J./Eilers, S. (2009), S. 51–52. 86 Vgl.: Skirbekk, V./Max-Planck-Institut für demografische Forschung (2003), S. 5–9.

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Aufgabenerfüllung mit zunehmendem Alter, wenn Wissen und Fähigkeiten nicht ständig auf den neuesten Stand gebracht werden.87 3.2.6 Mögliche Auswirkungen der demografischen Entwicklung auf die Innovationskraft88 Auch wenn Innovationsfähigkeit nicht selten eher jüngeren Mitarbeitern zugeschrieben wird, gilt: „Derselbe Mitarbeiter, dieselbe Mitarbeiterin können sich in unterschiedlichen Situationen und Organisationen als innovativ oder als nicht-innovativ erweisen. Das heißt zugleich: Jüngere wie Ältere können innovationsfähig sein, wenn sie Kompetenzen erworben haben, Neuerungen (mit) auf den Weg zu bringen und/oder zu einem erfolgreichen Ende zu führen.“89 Allerdings legen jüngere und ältere Menschen ein unterschiedliches innovatives Verhalten an den Tag. Diese Unterschiede sind jedoch durchaus produktiv und sollten komplementär genutzt werden, zumal Innovationsprozesse immer komplexer werden.90 3.2.7 Mögliche Auswirkungen der demografischen Entwicklung auf die Gesundheit91 Die physische Leistungsfähigkeit ist mit zunehmendem Alter tendenziell rückläufig. Probleme ergeben sich daraus allerdings erst dann, wenn sich die physischen Arbeitsanforderungen im gleichen Zeitraum nicht verändern, d. h. an einem bestimmten Punkt, der bei jedem Menschen individuell verschieden ist, ist die Reservekapazität aufgebraucht und eine Gesundheitsgefährdung droht. Diesen Zusammenhang stellt Abbildung 14 dar:92

87 88 89 90 91 92

Vgl.: Zacher, H. (2007), S. 7–9. Vgl.: Rump, J./Eilers, S. (2009), S. 53–59. Jasper, G./Fitzner, S. (2000), S. 144–145. Vgl.: Jasper, G./Fitzner, S. (2000), S. 163–167, 188. Vgl.: Rump, J./Eilers, S. (2009), S. 59–68. Vgl.: Ilmarinen, J./Tempel, J. (2002).

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Physische Leistungsfähigkeit 100 %

Reservekapazität + 10 % 50 % Physische Arbeitsanforderung

0 0

20

30

40

50

60

Jahre

ABB. 14: ARBEITSANFORDERUNG UND FUNKTIONELLE KAPAZITÄT

3.3

Zwischenfazit

Zusammenfassend lässt sich konstatieren, dass zur Leistungsfähigkeit älterer Beschäftigter durchaus sehr unterschiedliche Meinungen existieren. Einige davon erweisen sich bei näherer Betrachtung als „Mythen“, die einer wissenschaftlichen Grundlage entbehren – dennoch prägen sie das Handeln von Unternehmensverantwortlichen und sind in der Folge ernst zu nehmen. Andere Risiken in Bezug auf die Motivation, Qualifikation und Gesundheit alternder Belegschaften – entscheidende Säulen der Employability – sind durchaus real. Aber – und das machen die obigen Ausführungen deutlich: Ob und in welchem Umfang sie eintreten, hängt entscheidend davon ab, inwieweit im Verlauf eines Erwerbslebens Employability gefordert und gefördert wird. Dabei sind sowohl der Einzelne als auch das Unternehmen im Rahmen zentraler betrieblicher Handlungsfelder in der Pflicht. Eine hohe Bedeutung kommt dabei der Bewusstseinsbildung und Überzeugungsarbeit zu.

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4. Ansätze zum Erhalt der Employability älterer Beschäftigter Wie bereits dargelegt, kommt es in hohem Maße auf Arbeits- und Umweltbedingungen an, ob und in welchem Umfang alternde Belegschaften ihre Employability erhalten: „Dass einige mit 70 noch produktiv, innovativ, zumindest gut bezahlt sind, andere dagegen schon mit 45 als viel zu alt für ihre Tätigkeit gelten, kann kaum mit allgemein geltenden Gesetzen menschlichen Alterns erklärt werden, eher mit den spezifischen sich unterscheidenden Arbeitsplätzen. Ob einer mit 45 viel zu alt oder mit 70 noch im besten Erwerbsalter ist, liegt eher an der Art der Tätigkeit und dem Erwerbsverlauf, der zu ihr führte, als an biologisch determinierten altersbedingten Wandlungen genereller menschlicher Leistungsfähigkeit.“93 Um angesichts der demografischen Entwicklung Employability bei alternden Belegschaften zu erhalten und zu fördern, dürfen zunächst einmal zwei zentrale Bedingungen nicht außer Acht gelassen werden: • Die Eliminierung des Kriteriums „Alter“ als Entscheidungs- und Handlungsgrundlage (Employability ist nicht eine Frage des Alters sondern bezieht sich auf die Lebensphasenorientierung sowie auf den Spannungsbogen des Lernens und Veränderns). • Die Schaffung eines lernförderlichen Umfeldes. Zum einen sind darunter Lernanreize zu verstehen, die über den gesamten Erwerbsprozess hinweg – also nicht erst im fortgeschrittenen Alter – am Arbeitsplatz vorhanden sind. Dabei kann es sich beispielsweise um Arbeitszeitregelungen handeln, die gewisse Zeitbudgets für die Weiterbildung berücksichtigen, oder aber um Rotationskonzepte, die Einblicke in unterschiedliche Arbeitsfelder ermöglichen.94 Zum anderen bezieht sich ein „lernförderliches“ Umfeld auch auf die Unternehmens- und Führungskultur, durch die der jeweilige Arbeitsplatz geprägt ist. Darüber hinaus gehört zu einem „lernförderlichen“ Um-

93 Behrens, J. (2003), S. 116. 94 Vgl. Bertelsmann Stiftung Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (Hrsg.) (2003), S. 70–71.

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feld die Aufgabe selbst. Die Lernhaltigkeit von Arbeitsaufgaben ist vor allem gekennzeichnet durch:95 • Vollständigkeit der Tätigkeiten (zyklische Vollständigkeit, Korrekturanforderungen bei Fehlern, Existenz von Planungsanforderungen) • Gelegenheiten zum Entwickeln von Selbstständigkeit (Abwechslungsreichtum der Arbeit, Existenz zeitlicher Freiheitsgrade, Entscheidungs- und Handlungsspielraum) • Möglichkeiten zu einem dialogischen Lernen in der Arbeit (Grad der Zusammenarbeit mit anderen Kollegen) • Durchschaubarkeit und Beeinflussbarkeit des eigenen Arbeitsinhalts (Umfang der Informationen über die Arbeitsorganisation, Maß an Beeinflussungsmöglichkeiten der eigenen Arbeitsaufgabe) • Art der geistigen Anforderungen (Anteil an Problemlöseprozessen) • Umfang von Lernen und Grad der Nutzung der erworbenen Qualifikation (Umfang des benötigten Fachwissens, Grad der Nutzung der erworbenen Qualifikation, bleibende Lernerfordernisse) Dabei wird bei den nachfolgend dargestellten Ansätzen bewusst auf alter(n)sgerechte Maßnahmen Bezug genommen. Die Verwendung dieses Begriffs impliziert die Notwendigkeit, bereits in frühen Phasen der Erwerbstätigkeit Arbeit so zu gestalten, dass die Beschäftigten in den Betrieben motiviert, qualifiziert und gesund altern können. Reaktive Maßnahmen, die zu einem vergleichsweise späten Zeitpunkt des Erwerbslebens einsetzen, machen somit nur eingeschränkt Sinn und können lediglich einen „reparierenden“ Charakter haben. So ist es beispielsweise wenig zielführend, wenn Beschäftigten in jungen Jahren körperlich hohe Anstrengungen ohne Ausgleich abgefordert werden, die sich im fortgeschrittenen Alter in entsprechenden Beeinträchtigungen der Leistungsfähigkeit äußern, denen wiederum Maßnahmen entgegen gesetzt werden müssen. Aber auch Versäumnisse im Bereich der Weiterbildung oder eine demotivierende Laufbahngestaltung sind in diesem Kontext zu nennen. Die Auswirkungen derartiger Be- und Überlastungssituationen zeigen sich erst im fortgeschrittenen Alter, wenn sich „das Rad nicht mehr zurückdrehen lässt“. Es geht also eher um die Vermeidung altersbedingter Probleme als um eine nachträgliche Problemlösung, wobei zwangs95 Bertelsmann Stiftung/Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (Hrsg.) (2003), S. 70.

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läufig nicht nur die älteren Mitarbeiter, sondern vielmehr das gesamte Arbeitsleben und alle Altersgruppen im Fokus stehen. Ein ganzheitlicher und mehrere Handlungsfelder übergreifender lebensphasenorientierter Ansatz ist dabei unerlässlich. Daher ist eine Trennung zwischen lern- und gesundheitsförderlichen Maßnahmen und alter(n)sgerechten Maßnahmen weder machbar noch sinnvoll, wie die weiteren Ausführungen zeigen werden. Dabei gilt es zu beachten, dass es nicht den einen richtigen Weg gibt, sondern jedes Unternehmen sich aus dem Spektrum der verfügbaren Handlungsfelder und Instrumente diejenigen auswählt, die vor dem Hintergrund der in den vorangegangenen Kapiteln erläuterten möglichen Auswirkungen des demografischen Wandels für die individuelle betriebliche Situation relevant und umsetzbar sind. Um eine solche Auswahl treffen zu können, ist als erste Maßnahme eine Altersstrukturanalyse unerlässlich. Ihre Ergebnisse und die entsprechenden Interpretationen bestimmen das weitere Vorgehen in zentralen betrieblichen Handlungsfeldern.

4.1

Die Altersstrukturanalyse

Eine Altersstrukturanalyse zeigt die altersmäßige Zusammensetzung der Belegschaft auf und besteht aus den folgenden Schritten:96 Status-Quo-Bestimmung, d. h. Analyse der aktuellen Altersstruktur Hierzu gilt es zunächst, die Untersuchungseinheiten (gesamtes Unternehmen, bestimmte Unternehmensbereiche, Beschäftigtengruppen) festzulegen und auf dieser Basis die Altersstruktur zu berechnen. Dabei wird die Beschäftigtenanzahl pro Jahrgang oder pro Alterscluster summiert und der Altersdurchschnitt berechnet. Es empfiehlt sich, die Ergebnisse tabellarisch und bildhaft darzustellen. Unbedingt erforderlich ist eine entsprechende Interpretation der Ergebnisse, indem einerseits Vergleiche zwischen unterschiedlichen Analyseeinheiten (z. B. Betriebsteilen oder Beschäftigtengruppen) sowie mit verfüg-

96 Eine Übersicht über verfügbare Instrumente zur Altersstrukturanalyse findet sich bei der „Initiative Neue Qualität der Arbeit (INQA)“ unter http://www.inqa.de/Inqa/Redaktion/TIKs/Demografischer-Wandel/ PDF/altersstrukturanalyse-ueberblick,property=pdf,bereich=inqa,sprache=de,rwb=true.pdf.

254

EMPLOYABILITY UND DEMOGRAFIE

baren Werten aus der eigenen Branche gezogen werden und andererseits der mögliche personalpolitische Handlungsbedarf abgeleitet wird. Prognose der Altersstruktur Den Ausgangspunkt für die Prognose bildet die aktuelle Altersstrukturberechnung. Zur Ermittlung der künftigen Altersstruktur sind in einem ersten Schritt Annahmen in Bezug auf die Beschäftigungsentwicklung, Neueinstellungen, Ausbildung, Fluktuation und Berufsaustritt zu treffen. Des Weiteren bedarf es einer Festlegung des Prognosezeitraums (z. B. 10 oder 15 Jahre). Dabei ist es empfehlenswert, nicht nur ein Szenario, sondern mehrere zu erstellen. Anschließend werden die aktuellen Altersstrukturdaten unter Berücksichtigung der getroffenen Annahmen hochgerechnet. Auch die prognostizierte Altersstruktur wird tabellarisch und bildhaft dargestellt, sodass auch ein Vergleich der aktuellen und prognostizierten Altersstruktur (wiederum bezogen auf Untersuchungseinheiten, Unternehmensbereiche, Beschäftigtengruppen und ggf. Branchenwerte) erfolgen kann. Mit der Interpretation der Ergebnisse wird der mögliche künftige personalpolitische Handlungsbedarf abgeleitet. Ableitung des künftigen Handlungsbedarfs Bei der Ableitung des künftigen Handlungsbedarfs sollten folgende Handlungsfelder im Fokus stehen: • •

Vereinbarkeit von Beruf und Familie/Pflege Personalentwicklung (Ausbildung, alternsgerechte Weiterbildung, alternative Werdegänge)



Wissenstransfer (zwischen Jung und Alt)



Gesundheitsförderung (physisch/psychisch; proaktiv/reaktiv)





Gestaltung der Arbeitsorganisation (Belastungsanalysen, flexible und verlässliche Arbeitsorganisation, Nutzung von Erfahrungswissen) Motivierungskonzepte (unter Beachtung der unterschiedlichen Werte, Denk- und Handlungsmuster der verschiedenen Generationen)



Rekrutierung (altersunabhängig – alles ist möglich, was erlaubt ist!)



Führung (Sensibilisierung)

255

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Eine Altersstrukturanalyse sollte in regelmäßigen Abständen (einmal jährlich oder einmal in 2 Jahren) überprüft und eventuell angepasst werden.

4.2

Zentrale betriebliche Handlungsfelder im demografischen Wandel

Welche Handlungsfelder im Rahmen des Employability-Konzeptes sind im Umgang mit dem demografischen Wandel die entscheidenden? Wie müssen sie ausgestaltet werden, um den Herausforderungen, die alternde Belegschaften mit sich bringen, gerecht zu werden? Eingebettet in eine Unternehmens- und Führungskultur, die Mitarbeiter über alle Altersgruppen hinweg wertschätzt und fördert, sollen nachfolgend folgende zentrale Handlungsfelder zur Sicherung der Employability über ein verlängertes Erwerbsleben einer genaueren Betrachtung unterzogen werden: •

alter(n)sgerechte Arbeitsgestaltung,



alter(n)sgerechte Laufbahngestaltung,



alter(n)sgerechtes Gesundheitsmanagement sowie



alter(n)sgerechte Personalentwicklung.

Dabei wird für jedes Handlungsfeld dezidiert dargelegt, inwieweit eine entsprechende alter(n)sgerechte Ausgestaltung Wirkung auf die Zielgrößen Motivation, Qualifikation und Gesundheit als tragende Säulen der Employability zeigt bzw. zeigen kann. 4.2.1 Alter(n)sgerechte Arbeitsgestaltung97 Allgemeines Im Rahmen der alter(n)sgerechten Arbeitsgestaltung sollten Arbeitsinhalte und Arbeitsorganisation so gestaltet werden, dass Mitarbeiter über ihre Lebensarbeitszeit hinweg ohne arbeitsbedingte physische oder psychische Ein-

97 Vgl.: Rump, J./Eilers, S. (2009), S. 76 ff.

256

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schränkungen arbeiten können.98 Ziele sind einerseits der Erhalt und die Förderung der individuellen Beschäftigungsfähigkeit und andererseits die Vermeidung bzw. Reduzierung von Arbeitsanforderungen, die negative Auswirkungen – wie Dequalifizierung, eingeschränkte Einsetzbarkeit, MonotonieEmpfinden oder Perspektivlosigkeit – mit sich bringen.99 Von entscheidender Bedeutung ist dabei, dass eine nicht alter(n)sgerechte Arbeitsgestaltung die nachlassende Leistungsfähigkeit mit zunehmendem Alter erheblich mit verursacht, d. h. physischer Verschleiß, „Burn-out“-Syndrom sowie mangelnde Flexibilität und Lernungewohntheit sind Folgen einseitiger Arbeitsbelastung.100 Unter Berücksichtigung der kontinuierlichen Employability, der Lebensphasenorientierung und der Zeitnähe bietet eine entsprechende Arbeitsgestaltung vielfältige Möglichkeiten. Sie zeichnet sich durch Offenheit und Mobilität aus, während in der eher starren Arbeitsorganisation der Mitarbeiter mehr oder weniger an sein Tätigkeitsfeld gebunden bleibt – sehen wir von den Aufstiegsmöglichkeiten ab, die meist klassisch vertikal sind. Eine alter(n)sgerechte Arbeitsgestaltung mit flexibler Arbeitsorganisation ermöglicht am ehesten, die Spezialisierungsfalle zu vermeiden, in die Mitarbeiter geraten können, wenn sie über viele Jahre nur in einem Tätigkeitsfeld und Einsatzgebiet arbeiten. Konzentriert sich die Arbeit langfristig auf bestimmte Inhalte, Verfahren und Abläufe, so kann dies zu einer Einschränkung der Lernfähigkeit führen. In einem solchen Kontext ändern sich nicht nur die Lernmuster mit zunehmendem Alter, sondern es besteht auch die Gefahr, dass sich das Statement „Ältere Mitarbeiter verlieren ihre Lernfähigkeit“ bestätigt.101 Zentrale Anknüpfungspunkte einer alter(n)sgerechten Arbeitsgestaltung sind • •



98 99 100 101

ein systematischer Belastungswechsel, die ergonomische Gestaltung von Arbeitsplätzen, Arbeitsmitteln und der Arbeitsumgebung, die Erweiterung von Handlungsspielräumen,

Vgl.: Spath, D. (2005), S. 37; Frieling, E. (2003), S. 103. Vgl.: Knauth, P./Elmerich, K./Karl, D. (2007). Vgl.: Spath, D. (2005), S. 37. Vgl.: Bertelsmann-Stiftung/Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (Hrsg.) (2003), S. 93f., 33.

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neue Arbeitsaufgaben mit weniger „alterskritischen“ Belastungen und besserer Nutzung der Erfahrung,



eine mitarbeiterorientierte Flexibilisierung der Arbeitszeit,



die Partizipation der Mitarbeiter bei der Arbeitsgestaltung und schließlich



der gezielte Einsatz gemischter Teams.

Dabei kommt der Gestaltung der Arbeitszeit eine besonders bedeutsame Rolle zu. War es in der Vergangenheit in erster Linie das Modell der Altersteilzeit, mit dem Unternehmen älteren Mitarbeitern begegneten – auch im Rahmen sozial verträglicher Downsizingprozesse – so gilt es in Zukunft, Arbeitszeitmodelle einzusetzen, die mitarbeiter- und lebensphasenorientiert sind. Da künftig die Heterogenität der Mitarbeiter immer mehr zunehmen wird (älter, weiblicher und internationaler), unterscheiden sich auch deren Wünsche und Bedarf in Bezug auf die Arbeitszeitgestaltung. Gewährt man nun Mitarbeitern vermehrt Autonomie über die Gestaltung ihrer Arbeitszeit, steigt dadurch die Attraktivität der Arbeitsplätze und letztlich auch des Arbeitgebers sowie die Bindung qualifizierter Kräfte an das Unternehmen. Untersuchungen zeigen eine signifikant bessere Arbeitsfähigkeit bei Mitarbeitern, die Einfluss auf die Gestaltung ihrer Arbeitszeit haben und auch mit den sonstigen Arbeitsbedingungen zufrieden sind. Vice versa: In rigiden Arbeitszeitsystemen ist die Arbeitszufriedenheit am geringsten.102 Das kalendarische Alter alleine kann daher keinesfalls als Bezugspunkt für die Gestaltung von Lebensarbeitszeitmodellen herangezogen werden.103 An dieser Stelle sei anzumerken, dass die Ausgestaltungsmöglichkeiten von lebensphasenorientierten Arbeitszeitmodellen stark vom jeweiligen betrieblichen Kontext beeinflusst werden. Der Aspekt der Übertragbarkeit von Lebensarbeitszeitkonten beim Arbeitgeberwechsel soll an dieser Stelle außer Acht gelassen werden, da er von gesetzlichen Neuregelungen abhängig ist.

102 Vgl.: Knauth, P. (2007a), S. 28 ff.; Knauth, P. (2007b), S. 34–36; Knauth, P./Elmerich, K./Karl. D. (2007); Amditis, A. et al. (2003), S. 882; Knauth, P./Hornberger, S. (2005), S. 80–93. Karl, D. et al. (2006), S. 260; 264; Zimmermann, E. (2003), S. 176; Elmerich, K./Knauth, P./Sohn, J. (2007), S. 20; Janßen, D./Nachreiner, F. (2005), S. 305 ff.; Giebel, O./Schomann, C./Nachreiner, F. (2007), S. 663; Knauth, P./Härmä, M. (2003), S. 18. 103 Vgl.: Karl, D. et al. (2006), S. 260; 264.

258

EMPLOYABILITY UND DEMOGRAFIE

Eine Flexibilisierung der Arbeitszeit, die unterschiedliche Lebensphasen angemessen berücksichtigt und darüber hinaus die individuelle Employability fördert, sollte sich insbesondere auf folgende Punkte konzentrieren:104 •

• •



Möglichkeit, kürzere oder längere Weiterbildungsphasen zwischen die Zeiten der Berufstätigkeit zu legen. Ansparen von Zeitguthaben über Arbeitszeitkonten. Eröffnen von Flexibilisierungsspielräumen durch Sabbaticals, die der Weiterbildung dienen. Gleitende Übergänge beim Einstieg in das Erwerbsleben und beim Übergang in den Ruhestand.

Es scheint insbesondere erforderlich, die Möglichkeit einer Teilzeitbeschäftigung stärker ins Augenmerk von Arbeitnehmern und Arbeitgebern zu rücken. Diese ist noch häufig als minderwertig stigmatisiert und wird fast ausschließlich von Frauen mit Betreuungspflichten in Anspruch genommen. Darüber hinaus fand sie Anwendung im Modell der „Altersteilzeit“, das wiederum überwiegend als Blocklösung zum vorzeitigen Ausscheiden aus dem Berufsleben genutzt wurde.105 Teilzeitbeschäftigung bietet jedoch weitaus mehr Perspektiven als Frühverrentung und Vereinbarkeit von Beruf und Familie. So lässt sich die Forderung nach lebenslangem Lernen, das letztendlich Garant für die Aufrechterhaltung von Employability bis ins fortgeschrittene Alter ist, durch kombinierte Erwerbs- und Weiterbildungsphasen erfüllen. Eine pauschale Verkürzung der Arbeitsdauer für alle Älteren kann dabei allerdings nicht als sinnvoll erachtet werden, da erhebliche Unterschiede in Bezug auf die Arbeits- und Leistungsfähigkeit bestehen. Denkbar sind beispielsweise Wahlmöglichkeiten bezüglich verschiedener Wochen- oder Jahresarbeitszeiten zur Berücksichtigung unterschiedlicher Bedürfnisse in verschiedenen Lebensphasen oder ein Ausgleich ungünstiger Dienste und Arbeitsbelastungen über zusätzliche Freizeit, z. B. zusätzliche Freischichten ab einem bestimmten Alter oder einer bestimmten Anzahl von Jahren in Schichtarbeit. Auch das Stufenmodell der Altersteilzeit reduziert die Arbeitsdauer.106 104 Bertelsmann Stiftung/Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (Hrsg.) (2003), S. 121. 105 Vgl. Bertelsmann Stiftung/Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (Hrsg.) (2003), S. 120. 106 Vgl.: Knauth, P. (2007a), S. 28 ff.; Knauth, P. (2007b), S. 34–36; Knauth, P./Elmerich, K./Karl. D. (2007); Amditis, A. et al. (2003), S. 882; Knauth, P./Hornberger, S. (2005), S. 80–93. Karl, D. et al.

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Darüber hinaus sind im Zusammenhang mit Lebensarbeitszeitkonten auch so genannte „Sabbaticals“, also der zeitweise Ausstieg aus dem Unternehmen zu Zwecken der persönlichen Weiterentwicklung in Erwägung zu ziehen. Dem Unternehmen dienen derart flexible Arbeitszeitmodelle dazu, sich besser an die sich immer rasanter verändernden Bedingungen im Wettbewerbsumfeld anpassen und ihre Mitarbeiter entsprechend gezielter einsetzen zu können. Nicht zuletzt können Lebensarbeitszeitkonten oder die Altersteilzeit im Sinne einer „echten“ Teilzeitlösung einen gleitenden Ausstieg aus dem Erwerbsleben möglich machen. Die Vorbereitung des Arbeitnehmers auf den bevorstehenden Ruhestand lässt sich damit ebenso fördern wie der Know-howTransfer im Unternehmen. Fassen wir zusammen: Vorteile einer mitarbeiterorientierten Flexibilisierung der Arbeitszeit sind in •

der Ermöglichung der Work-Life-Balance,



der Vermeidung bzw. Berücksichtigung gesundheitlicher Beeinträchtigungen,



einem Mehr an Zeit für gesellschaftlich notwendige Aufgaben,



einer besseren Anpassung an Arbeitszeitpräferenzen und Biorhythmus,



der Ermöglichung einer Beschäftigung bzw. mehr Beschäftigungssicherheit,



mehr Zeit für außerberufliche Weiterbildung sowie



mehr Freiraum zur Sicherung der individuellen Employability

zu sehen. All dies bringt eine erhöhte Arbeitsmotivation und -zufriedenheit mit sich und bürgt insbesondere im Hinblick auf den sich verschärfenden Fachkräftemangel, die zunehmende Teilhabe von Frauen am Erwerbsleben sowie die Ausdehnung der Erwerbslebenszeit nicht zuletzt für die Erhöhung der Attraktivität als Arbeitgeber.107

(2006), S. 260; 264; Zimmermann, E. (2003), S. 176; Elmerich, K./Knauth, P./Sohn, J. (2007), S. 20; Janßen, D./Nachreiner, F. (2005), S. 305 ff.; Giebel, O./Schomann, C./Nachreiner, F. (2007), S. 663; Knauth, P./Härmä, M. (2003), S. 18. 107 Knauth, P./Hornberger, S. (2005), S. 91–93; Knauth, P. (2007a), S. 28.

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Einfluss der alter(n)sgerechten Arbeitsgestaltung auf Motivation Die Arbeitsplatzgestaltung nimmt nachweisbar einen wesentlichen Einfluss auf die Motivation von Arbeitnehmern. In Bezug auf ältere Arbeitnehmer haben sich als entscheidend für deren Motivation vor allem der Führungsstil, die physischen Arbeitsbedingungen sowie eine mitarbeiterorientierte Gestaltung der Arbeitszeit erwiesen. Der Einsatz altersgemischter Teams ist vor allem dann Erfolg versprechend, wenn eine entsprechende Begleitung stattfindet sowie komplexe und dynamische Aufgabenanforderungen vorliegen.108 Einfluss der alter(n)sgerechten Arbeitsgestaltung auf Qualifikation Mängel in der Arbeits- und Organisationsgestaltung können nachweislich zu Lernproblemen bei älteren Mitarbeitern führen.109 Im Rahmen der Arbeitsorganisation lässt sich Lernförderlichkeit als eine der wichtigsten Voraussetzungen für den Erhalt von Qualifikationen und Kompetenzen über ein verlängertes Erwerbsleben hinweg durch •

den Abbau von Automatisierung,



die Verlängerung von Taktzeiten und die Vermeidung von Zeitdruck,



den Abbau von Arbeitsteilung und Veränderung des Aufgabenzuschnitts,



systematische Arbeitswechsel und komplexe Arbeitsaufgaben,



Gruppenarbeit sowie



die Anpassung des Arbeitsvolumens bzw. der Arbeitszeit an Weiterbildungsinteressen

schaffen.110

108 Vgl.: Garg, P./Rastogi, R. (2005), S. 583; Strategic Promotion of Ageing Research Capacity (SPARC) (2008); Knauth, P. (2007a), S. 28 ff.; Knauth, P. (2007b), S. 34–36; Knauth, P./Elmerich, K./Karl. D. (2007); Amditis, A. et al. (2003), S. 882; Knauth, P./Hornberger, S. (2005), S. 80–93. Karl, D. et al. (2006), S. 260; 264; Zimmermann, E. (2003), S. 176; Elmerich, K./Knauth, P./Sohn, J. (2007), S. 20; Janßen, D./Nachreiner, F. (2005), S. 305 ff.; Giebel, O./Schomann, C./Nachreiner, F. (2007), S. 663; Knauth, P./Härmä, M. (2003), S. 18. 109 Vgl.: Bergmann, B. (2006), S. 37 ff.; Richter, F. (2006a), S. 168–170; Richter, F./Bergmann, B. (2006), S. 312 ff.; Farr, J. L./Tesluk, P. E./Klein, S. R. (1998), S. 150; Ansiau, D. et al. (2005), S. 43; Freude, G. (2008), S. 15; Warr, P. (2000), S. 410; Hempel, K. (2007), S. 28. 110 Vgl.: Frerichs, F./Bögel, J. (2008), S. 25.

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Einfluss der alter(n)sgerechten Arbeitsgestaltung auf Gesundheit Eine mitarbeiterorientierte Flexibilisierung der Arbeitszeit kann positive Gesundheitseffekte mit sich bringen, während von einer unternehmensorientierten Flexibilisierung das Gegenteil anzunehmen ist. Vor allem bei älteren Mitarbeitern wirken sich eine geringe Variabilität sowie eine hohe Vorhersehbarkeit der Arbeitszeit positiv auf Gesundheit und Wohlbefinden aus.111 Beeinträchtigend auf physische und psychische Gesundheit wirken neben ungeeigneten Arbeitszeitmodellen auch •

widersprüchliche Rollenzuschreibungen,



ein dauerhaft zu hoher Arbeitsanfall,



keine ausreichenden Ressourcen sowie



ein geringer Entscheidungs- und Kontrollspielraum.112

4.2.2 Alter(n)sgerechte Laufbahngestaltung113 Allgemeines „Konzepte einer alternsgerechten Laufbahngestaltung zielen darauf, Anforderungen, Anreize und Belastungen im Erwerbsleben zeitlich so aufeinander folgen zu lassen, dass einem frühzeitigen gesundheitlichen Verschleiß entgegengewirkt wird und die Motivation und die Leistungsfähigkeit der Beschäftigten gefördert werden.“114 Dabei geht die alter(n)sgerechte Laufbahngestaltung von den Fähigkeiten und dem Arbeitsvermögen der Beschäftigten sowie deren Entwicklung aus. Dazu gehört die Suche nach neuen Positionen, die einem sich ggf. verändernden Leistungspotenzial entsprechen. Die Gestaltung von Laufbahnen ist also ein unverzichtbarer Bestandteil vorausschauender Personalpolitik und nimmt erheblichen Einfluss auf Erhalt und Förderung der „lebenslangen“ Employability. Darüber hinaus dient sie dem

111 Vgl.: Knauth, P. (2007a), S. 28 ff.; Knauth, P. (2007b), S. 34–36; Knauth, P./Elmerich, K./Karl. D. (2007); Amditis, A. et al. (2003), S. 882; Knauth, P./Hornberger, S. (2005), S. 80–93. Karl, D. et al. (2006), S. 260; 264; Zimmermann, E. (2003), S. 176; Elmerich, K./Knauth, P./Sohn, J. (2007), S. 20; Janßen, D./Nachreiner, F. (2005), S. 305 ff.; Giebel, O./Schomann, C./Nachreiner, F. (2007), S. 663; Knauth, P./Härmä, M. (2003), S. 18. 112 Vgl.: Dwyler, D. J./Fox, M. L. (2006). 113 Vgl.: Rump, J./Eilers, S. (2009), S. 89 ff. 114 Morschhäuser, M. (1999), S. 31.

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EMPLOYABILITY UND DEMOGRAFIE

Arbeitsschutz. Auch wenn Präventionsmaßnahmen physischem und psychischem Verschleiß vorbeugen, so können sie doch eine alter(n)sgerechte Laufbahngestaltung nicht ersetzen.115 Die wirtschaftliche Bedeutung der alter(n)sgerechten Laufbahnplanung nimmt insbesondere aufgrund der folgenden drei Trends stetig zu:116 • Anpassung des Anforderungs- und Qualifikationsprofils im Zuge sich verändernder Altersstrukturen im Unternehmen, d. h. angesichts eines beständig steigenden Anteils älterer Beschäftigter ist mit einer Aufwertung des Erfahrungswissens und auch mit einer Neuverteilung der Aufgaben zu rechnen, die sich auf die mögliche Tätigkeitsdauer in bestimmten Berufen und Unternehmensbereichen auswirken. • Zunahme der Spezialisierung in allen Tätigkeitsbereichen bei gleichzeitiger rasanter Veränderung des Fach- und Erfahrungswissens und der entsprechend benötigten Anzahl von Spezialisten. Hierdurch erhöht sich die Gefahr des Veraltens von Qualifikationen mit zunehmendem Alter, wenn nicht entsprechende präventive Maßnahmen ergriffen werden. • Ausweitung der Entgrenzung zwischen Arbeit und Privatleben aufgrund der technischen Möglichkeiten und durch die stärkere Erwerbsbeteiligung von Frauen. In der Folge nimmt der Einfluss des Privatlebens auf Leistungsmöglichkeiten und -fähigkeiten im Erwerbsbereich und umgekehrt auch der Einfluss des Berufslebens auf den privaten Bereich zu. Einfluss der alter(n)sgerechten Laufbahngestaltung auf Motivation Ein beruflicher Werdegang ist für einen Arbeitnehmer vor allem dann motivierend, wenn er einen Zusammenhang zwischen den Maßnahmen der betrieblichen Laufbahnplanung, z. B. einer Beförderung, und der individuell erbrachten Leistung erkennen kann.117 Da herkömmliche Karrieremuster durch Modernisierungs- und Restrukturierungsprozesse immer mehr an Bedeutung verlieren, gilt es, neue Formen der Karrieren bzw. Werdegänge wie z. B. Treppenkarrieren (Mix horizontaler und vertikaler Karriereschritte) im Er-

115 Vgl.: Behrens, J. (2000), S. 255. 116 Vgl.: Wolff, H./Spieß, K./Mohr, H. (2001), S. 23. 117 Vgl.: Böhne, A. (2008), S. 176.

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werbsverlauf zu entwickeln, in ihrem Status zu etablieren und mit Weiterbildungsaktivitäten zu verknüpfen.118 Gerade die Motivation älterer Arbeitnehmer lässt sich vergleichsweise gut über horizontale Laufbahnoptionen, Weiterbildungsmöglichkeiten, Sondereinsätze oder Mentorentätigkeiten wecken. Sie streben stärker nach der Anwendung ihres Wissens und einer beständigen Herausforderung aus ihrer Tätigkeit als nach einem rein hierarchischen Aufstieg.119 Einfluss der alter(n)sgerechten Laufbahngestaltung auf Qualifikation Eine Laufbahngestaltung, die alternative Laufbahnformen zur Führungskarriere bietet, impliziert bereits Lernförderlichkeit und die Unterstützung der Employability. Eine Laufbahngestaltung, die Employability explizit fördert und bis in ein vergleichsweise hohes Alter erhält, sollte darüber hinaus u. a. folgende Voraussetzungen erfüllen:120 •

Abbau starrer Altersgrenzen bei internen Stellenbesetzungen.



Schaffung neuer Arbeitsfunktionen für Ältere, z. B. als Experten. Angebot frühzeitiger flankierender Weiterbildungsmaßnahmen zur Vorbereitung auf Positionswechsel.



Berücksichtigung der individuellen Entwicklungswünsche der Mitarbeiter.



Einfluss der alter(n)sgerechten Laufbahngestaltung auf Gesundheit Von einer begrenzten Tätigkeitsdauer geht man in der Regel bei solchen Arbeitsplätzen aus, die aufgrund der mit ihnen verbundenen Anforderungen und Belastungen (physisch und psychisch) eine Ausübung bis zur gesetzlichen Altersgrenze in der Regel nicht möglich machen. Ein frühzeitiger Belastungsund Tätigkeitswechsel verhindert, dass sich Mitarbeiter auf ihren Arbeitsplätzen „einrichten“, sodass sie letztlich Belastungen eher in Kauf nehmen als auf die gewohnte Tätigkeit und das Umfeld sowie bestimmte finanzielle Vorteile, z. B. durch Schichtarbeit, zu verzichten.121

118 119 120 121

Vgl.: Clemens, W. (2003), S. 115–116. Vgl.: Farr, J. L./Tesluk, P. E./Klein, S. R. (1998), S. 167. Vgl.: Frerichs, F./Bögel, J. (2008), S. 31–32; Morschhäuser, M. (1999), S. 43. Vgl.: Clemens, W. (2003), S. 113; Wolff, H./Spieß, K./Mohr, H. (2001), S. 22–23.

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4.2.3 Alter(n)sgerechte Personalentwicklung122 Allgemeines Der Fachkräftemangel und die Alterung der Belegschaften machen es insbesondere in solchen Qualifikationssegmenten, die bereits heute Personalengpässe aufweisen, unerlässlich, nicht nur gezielt qualifizierte und leistungsfähige Mitarbeiter zu rekrutieren und zu binden, sondern insbesondere die lebensbegleitende Kompetenzentwicklung und -aktivierung zu fördern und zu fordern.123 Untersuchungen weisen auf einen positiven Zusammenhang zwischen Weiterbildungsmaßnahmen und der Produktivität von Unternehmen hin, auch wenn dieser nicht immer als signifikant nachgewiesen werden konnte. Dabei variiert die Höhe der Produktivitätswirkung mit den berücksichtigten Faktoren sowie der verwendeten Schätztechnik und dem Produktivitätsmaß.124 Trotz dieses nachgewiesenen positiven Zusammenhangs liegt die Weiterbildungsteilhabe gerade der älteren Mitarbeiter allerdings – wie bereits im europaweiten Vergleich aufgezeigt – derzeit noch in einem eher niedrigen Bereich. So nahmen im Jahr 2007 lediglich 2,4 % aller 55- bis 64-Jährigen an Weiterbildungen teil.125 Obgleich sich in den vergangenen Jahren in der Erwerbsbevölkerung insgesamt die Teilnahme an beruflicher Weiterbildung deutlich erhöht hat, bleiben die Unterschiede zwischen den Altersgruppen nach wie vor in gleichem Umfang bestehen.126 Dabei gilt es jedoch zu konstatieren, dass es insbesondere Personen mit geringerer und mittlerer Qualifikation sind, die von Weiterbildung ausgeschlossen sind und aufgrund veralteter Ansätze der Arbeitsorganisation den Anschluss verloren haben. Ihre Weiterbildungsteilnahme jenseits des 50. Lebensjahres ist in relativen Zahlen nahezu nicht mehr messbar. Bei den gut Qualifizierten jedoch ist gar eine Steigerung der Weiterbildungsteilnahme ab dem 50. Lebensjahr festzustellen, wie eine aktuelle Studie zeigt.127

122 123 124 125 126 127

Vgl.: Rump, J./Eilers, S. (2009), S. 108 ff. Vgl.: Jasper, G./Rohwedder, A./Schletz, A. (2001), S. 63. Vgl.: Mahlberg, B./Freund, I./Prskawetz, A. (2008), S. 13; Mure, J. (2007), S. 24. Vgl.: Robert Bosch Stiftung (2010), S. 3. Vgl.: Frerichs, F./Bögel, J. (2008), S. 11. Vgl.: Ulich, E. (2005), S. 498; Böckler, M. (2005), S. 6; Bosch, G./Schief, S (2005).

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Die Gründe für die geringe Teilnahme älterer Arbeitnehmer an Weiterbildungsveranstaltungen sind in zwei Bereichen zu suchen:128 • Von außen gesetzte Zugangsbarrieren Zum Beispiel verringerte Weiterbildungsangebote seitens der Unternehmen aufgrund einer erwarteten geringeren Amortisationszeit oder betriebliche Tätigkeitsstrukturen, die ab einem bestimmten Alter die Notwendigkeit von Weiterbildungsmaßnahmen nicht mehr erkennen lassen. Noch zu vage ist die Vorstellung einer (nahen) Zukunft, in der Arbeitnehmer nicht mit 58 oder 60 Jahren, sondern ggf. erst mit 67 Jahren in den Ruhestand gehen. Hinzu kommt die zunehmende Forderung nach altersgerechter Weiterbildung, die sich an veränderten Lernmustern und -strategien orientieren soll und für Arbeitgeber einen erhöhten Aufwand darstellt. Dem ist entgegen zu halten, dass sich in Zeiten einer zunehmend begrenzten Halbwertszeit des Wissens und rasanten technologischen Fortschritts kaum noch Arbeitsplätze finden, an denen es über 10–15 Jahre hinweg keiner Erneuerung des Wissens bedarf. Somit lohnt sich durchaus auch noch die Investition in eine Weiterbildungsmaßnahme für 55-Jährige. • Eine sinkende Bereitschaft und Motivation zur Teilnahme seitens der Arbeitnehmer selbst. Tatsächlich glauben viele ältere Beschäftigte, sie seien nicht mehr zum Lernen fähig. Die Lernbereitschaft kann mit zunehmendem Alter insbesondere dann sinken, wenn Mitarbeiter keine Anreize zum Lernen seitens ihres Arbeitgebers sowie eine geringe Akzeptanz erfahren und sich nicht mehr als „nützlich“ empfinden. Auch erhöhte Anforderungen, die bei unzureichender Qualifikation nicht gemeistert werden können, schmälern das Selbstvertrauen. Darüber hinaus fehlen vielfach Qualifizierungskonzepte, die sich an den besonderen Erfordernissen Älterer ausrichten. Und auch Arbeitnehmer entscheiden durchaus rational, wenn es um das Interesse an Weiterbildungsveranstaltungen geht. Da sich die Aufstiegschancen ab dem 50. Lebensjahr – in zahlreichen Unternehmen schon lange davor – drastisch verringern, fehlt vielfach die Einsicht in die Sinnhaftigkeit der eigenen Bemühungen um Weiterentwicklung. Auch das noch immer verankerte Bewusstsein eines vorzeitigen

128 Vgl.: Clemens, W. (2003), S. 95; Frerichs, F./Bögel, J. (2008), S. 11; Behrens, J. (1999), S. 110–111; Roth, C./Wegge, J./Schmidt, K.-H. (2007), S. 109–110; Roßnagel, C. (2008), S. 7.

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Ruhestandes als erstrebenswertes (und realisierbares) Ziel, lässt viele den vermeintlich bequemeren Weg ohne Weiterbildungsaktivitäten vorziehen.129 Es gilt somit, von beiden Seiten ein Umdenken voranzutreiben. Dabei sei vorausgeschickt, dass es nicht darum geht, völlig neue Personalentwicklungskonzepte für ältere Mitarbeiter zu entwickeln, sondern vielmehr das bestehende Instrumentarium zielgerichteter einzusetzen. Es empfiehlt sich stets, Mitarbeiter in die Planungen einzubeziehen, um nicht „am Bedarf vorbei“ zu agieren. Dabei sind der proaktive Umgang mit dem Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit, der über alle Altersgrenzen hinweg eine Verzahnung von Arbeit und Lernen im Sinne eines lebensbegleitenden Lernens erforderlich macht und der reaktive Ansatz, bei dem es um konkrete Maßnahmen für ältere Mitarbeiter geht, zu unterscheiden. Damit weist der proaktive Ansatz eine Altersunabhängigkeit, wohl aber eine Lebensphasenorientierung auf, während der reaktive Ansatz alters- und alter(n)sabhängig zu gestalten ist. Eine konsequente proaktive Förderung der Beschäftigungsfähigkeit über alle Erwerbsphasen hinweg beugt der Problematik vor, ältere Arbeitnehmer erst wieder „ins Boot holen zu müssen“, was ihre Weiterentwicklung angeht. Dazu gehört die Sensibilisierung älterer Arbeitnehmer für die Notwendigkeit von Beschäftigungsfähigkeit und lebenslangem Lernen sowie die angemessene betriebliche Berücksichtigung der unterschiedlichen Lebensphasen, in denen sich die Mitarbeiter befinden. Ebenso bedeutsam wie die Maßnahmen selbst sind allerdings auch eine entsprechende Vorbereitung, passende betriebliche Rahmenbedingungen sowie die Beachtung bestimmter psychologischer und didaktischer Grundsätze. Vorbereitende Maßnahmen für alter(n)sgerechte Personalentwicklung Eine alter(n)sgerechte Personalentwicklung basiert weniger auf der Implementierung neuer Maßnahmen und Konzepte als vielmehr auf einem Umdenken hin zu einem anderen Umgang mit den Lernerwartungen und -bedürfnissen der Beschäftigten über ihren Erwerbslebenszyklus hinweg. Darüber hinaus sollte Personalentwicklung nicht „ins Leere laufen“, d. h. im Vorfeld ent-

129 Vgl.: BAuA (2004).

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sprechender Maßnahmen ist zu klären, in welche Richtung gerade ältere Mitarbeiter entwickelt werden sollen. • Berücksichtigung der Lebenssituation und Erwartungshaltung älterer Mitarbeiter Gerade im Alter zwischen 40 und 50 Jahren ist jedoch die Gefahr einer generellen Lebens- und Sinnkrise besonders hoch, wie die folgende Betrachtung der zentralen Themen im mittleren Lebensalter zeigt:130

Selbstbild - Älter werden - Gesundheit

Berufliche Situationen - Stagnation? - Veränderung? - Rückschritt?

Zentrale Themen im mittleren Lebensalter

Zeiterleben - Work-Life-Balance - Lebenszeit – was kommt noch?

Bewertung des Erreichten und realistische Perspektiven

Neue Rollen - Mentor - ...

ABB. 15: ZENTRALE THEMEN IM MITTLEREN LEBENSALTER

Hier liegt eine entscheidende Schnittstelle, um die Motivation und Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter in diesem Alter auch für die kommenden Jahre aufrecht zu erhalten. Denn ebenso wie die „innere Kündigung“ kann sich in dieser Phase die Bereitschaft, zum dauerhaften Leistungsträger für das Unternehmen zu werden, manifestieren.131 Untersuchungen aus dem Bereich des 130 Vgl.: Regnet, E. (2004), S. 53. 131 Vgl.: Regnet, E. (2004), S. 54-55 und S. 68.

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mittleren Managements zeigen, dass sich diese Altersgruppe insbesondere größere Freiräume und mehr Verantwortung sowie die Möglichkeit zur Wissensweitergabe an andere wünscht. Jeder zweite der Befragten äußerte auch den Wunsch nach einem weiteren Aufstieg – allerdings stufte nur jeder fünfte dies als realistisch ein.132 Somit gilt es, die Mitarbeiter auch jenseits der 40 bei ihrer Karriere- und Entwicklungsplanung zu unterstützen, ihnen durch die Übertragung von Verantwortung oder neuen Rollen, z. B. als Mentor, sowie die Einräumung von Freiräumen deutlich zu machen, dass sie wertgeschätzt werden und ihr Einsatz auch für die kommenden Jahre erwünscht ist. • Analyse der bei den älteren Mitarbeitern vorhandenen Kompetenzen und Abgleich mit künftigen Kompetenzprofilen133 Um konkrete Personalentwicklungsbedarfe ermitteln zu können, bedarf es genauer Kenntnisse über die Kompetenzen, die bereits vorhanden sind und deren Relevanz für die künftige Ausrichtung des Unternehmens bzw. der Identifikation bestehender „Gaps“, die es zu schließen gilt. • Identifizierung bestimmter Tätigkeitsbereiche, in denen Seniorität vorteilhaft ist Wichtig für die Entwicklung älterer Arbeitnehmer ist in vielen Fällen ein Tätigkeitswechsel ohne Gesichtsverlust, i. d. R. zur Verringerung der physischen oder psychischen Belastung. Für das Unternehmen ist es hilfreich, in solchen Fällen gezielt auf passende Arbeitsbereiche bzw. Rollen zugreifen zu können. Solche Einsatzfelder und Rollen können sein:134 • •





Leitungsfunktionen (z. B. Programm- oder Projektleiter) Lehrfunktionen (z. B. Ausbilder, Meister, Coach, Trainer, Mentor, Pate), ggf. auch vorübergehend oder parallel zur eigenen Tätigkeit, die dafür zeitlich verringert wird Vertriebsfunktionen (z. B. Kundenbetreuer für Kunden im gleichen Alter, Berater, Repräsentant) Tätigkeiten, die ein hohes Maß an Vertrauenswürdigkeit, Genauigkeit und Zuverlässigkeit erfordern (z. B. Qualitätsmanager)

132 Vgl.: Regnet, E. (2004), S. 63. 133 Vgl.: Uepping, H. (2004), S. 261. 134 Vgl.: Bertelsmann Stiftung/Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (Hrsg.) (2003), S. 88–89; DGFP (2004), S. 102.

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Tätigkeiten zur Organisation komplexer Arbeitsabläufe mit hohem sozialem und organisatorischem Abstimmungsaufwand (z. B. Prozesseigner, Interimsmanager) Koordinationstätigkeiten, die Erfahrungswissen über betriebliche Abläufe und Mitarbeiter voraussetzen (z. B. Wissensmanager, Mediator, Supervisor)

Betriebliche Rahmenbedingungen für alter(n)sgerechte Personalentwicklung Grundsätzlich lassen sich betriebliche Rahmenbedingungen identifizieren, die eine alter(n)sgerechte Personalentwicklung fördern und unterstützen: • Einbettung der Personalentwicklung in einen ganzheitlichen Rahmen alters- und alter(n)sgerechter Personal- und Unternehmenspolitik • Wegfall von Altersgrenzen für Personalentwicklungsmaßnahmen Personalentwicklung muss alle Altersgruppen berücksichtigen und vielfältige Entwicklungsmodelle beinhalten, wie die folgende Abbildung verdeutlicht:

ABB. 16: PERSONALENTWICKLUNG IN ANBETRACHT UNTERSCHIEDLICHER LEBENSPHASEN135

135 Regnet, E. (2004), S. 88.

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• Ermöglichung des kontinuierlichen „Training on the job“ durch lernförderliche Arbeitsumgebung Ältere Mitarbeiter bevorzugen i. d. R. das Lernen in der konkreten Arbeitssituation gegenüber dem reinen Seminarlernen und lernen auf diesem Wege auch effektiver. Darüber hinaus wird Lernen im Alter insbesondere durch den Übungsfaktor positiv beeinflusst. • Schaffung einer Lernkultur, die die Lernmotivation und -kompetenz aller Beschäftigten erhält und erhöht Dazu gehört die Berücksichtigung der zeitlichen Bedürfnisse der Mitarbeiter ebenso wie die Anerkennung von Kompetenzen, die in ehrenamtlichem Engagement oder „Auszeiten“ (z. B. Elternzeit) erworben wurden. Dazu gehört aber auch der Abbau von Vorurteilen gegenüber der Lern- und Leistungsfähigkeit Älterer. • Regelmäßige Überprüfung der Weiterbildungsbeteiligung der Mitarbeiter Dabei liegt die Verantwortung für die Entwicklung beim Einzelnen selbst sowie beim unmittelbaren Vorgesetzten, nicht bei der Personalabteilung. Wichtig ist eine gezielte Ansprache der Mitarbeiter durch die Vorgesetzten bezüglich ihrer Weiterbildungsbeteiligung und zur Abstimmung individueller Qualifizierungsinstrumente bzw. Entwicklungsmöglichkeiten. Psychologische Grundsätze für alter(n)sgerechte Personalentwicklung Da Personalentwicklung für ältere Mitarbeiter nicht selten im Unternehmen mit gewissen Vorbehalten behaftet ist, gilt es, folgende psychologische Grundsätze zu berücksichtigen, wenn es um gezielte Entwicklungsmaßnahmen für ältere Mitarbeiter geht: • Sicherstellung einer angemessenen Ansprache Es gilt, eine Balance zu finden, um ältere Mitarbeiter, insbesondere die „lernentwöhnten“ gezielt zu fördern, ohne sie jedoch dadurch zu einer Randgruppe zu stigmatisieren, die besonderer Unterstützung bedarf.136

136 Vgl.: Rump, J./Eilers, S. (2006), S. 142.

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• Veränderung des Selbstbildes älterer Mitarbeiter hin zu lebenslangem Lernen137 Die heutigen älteren Mitarbeiter wurden in einer Zeit sozialisiert, in der eine Berufsausbildung für ein Leben trug und nicht selten die gesamte Berufstätigkeit bei einem Arbeitgeber stattfand. In der Folge bedarf es einer gewissen Sensibilität für bestehende Vorbehalte gegenüber wiederkehrenden Weiterbildungsmaßnahmen und einer entsprechenden Überzeugungsarbeit. • Sicherstellung der Motivation für Qualifizierungsmaßnahmen138 Ältere Mitarbeiter weisen Qualifizierungsbedarf nicht selten weit von sich, insbesondere dann, wenn sie eine entsprechende Aufforderung als Angriff auf ihre in langjähriger Berufspraxis erworbene Kompetenz wahrnehmen. Darüber hinaus fühlen sie sich nicht selten sehr sicher an ihrer angestammten Position. Daher ist es wichtig, die Mitarbeiter für Qualifizierungsmaßnahmen zu gewinnen. Dies ist beispielsweise möglich, indem man sie in Workshops an der Ermittlung ihres Qualifizierungsbedarfs beteiligt und sie praxisnah über Einsatzmöglichkeiten und Vorteile der zu vermittelnden Qualifikation informiert. Sie sollten die Qualifizierung als Dienstleistung wahrnehmen, die sie bei der Bewältigung aktueller Anforderungen am Arbeitsplatz unterstützen soll. • Vermeidung von Angst provozierenden Wettbewerbssituationen und Überforderung139 Lernentwöhnte haben häufig Angst davor, Neues zu lernen bzw. dabei zu versagen. Daher sollten sie zum einen keinerlei Wettbewerbssituationen in einer Gruppe ausgesetzt werden. Es kann daher durchaus sinnvoll sein, ältere Mitarbeiter in Seminare mit ihnen unbekannten Teilnehmern einzugliedern, um die Angst vor einer vermeintlichen Blamage dadurch zu reduzieren. Darüber hinaus ist ein vorschneller Erfolgsdruck in Bezug auf neue Kenntnisse und Fertigkeiten unbedingt zu vermeiden. Dazu gehört auch die Vermeidung einer Überforderungen mit dem zu Erlernenden bzw. mit neuen Aufgabenstellungen. Denn eine solche Überforderung kann leicht als Angriff auf die eigene

137 Vgl.: Weiterbildung in Baden-Württemberg (2006). 138 Vgl.: Adenauer, S. (2006), S. 44; Bertelsmann Stiftung/Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (Hrsg.) (2003), S. 65; Wenke, J./Reglin, T./Stahl, T. (1996) S. 58–60; Brosch, W.-M. (1997), S. 40. 139 Vgl.: Buck, H./Kistler, E./Mendius, H.G. (2002), S. 77; Wenke, J./Reglin, T./Stahl, T. (1996) S. 60–71; Regnet, E. (2004), S. 95.

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Person erlebt werden. Dort, wo Teilnehmer an sich selbst zu hohe Ansprüche stellen, ist in angemessener Weise zu intervenieren. Leitlinien altersgerechter Didaktik Ebenfalls entscheidend für den Erfolg alter(n)sgerechter Personalentwicklung ist die Beachtung bestimmter Leitlinien altersgerechter Didaktik:140 • Einbeziehung der Teilnehmer in die Kurs- und Materialgestaltung Nach dem Verständnis einer Erwachsenenbildung, die die Selbstständigkeit ihrer Teilnehmer als Voraussetzung, Weg und Ziel begreift, sollten die älteren Lernenden als Mitgestalter von Bildungsmaßnahmen einbezogen werden. • Abbau von Vorurteilen gegenüber der Lern- und Leistungsfähigkeit Älterer Vorurteile bezüglich der Lern- und Leistungsfähigkeit Älterer führen häufig zu motivationalen Barrieren und Lernhemmnissen aufgrund von mangelndem Selbstvertrauen in die eigene Lernfähigkeit. Vorurteile wie „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr.“ sind daher in den Kursen zu diskutieren und durch wissenschaftlich fundierte Gegenargumente abzubauen. • Verwendung aktivierender Methoden des Lernens und Lehrens In den Qualifizierungsmaßnahmen sollten vermehrt aktivierende Methoden des Lernens und Lehrens eingesetzt werden. Klassischer dozentenorientierter Unterricht ist weitgehend zu vermeiden, da eine zu starke Steuerung durch den Dozenten und die damit verbundene Schülerrolle von älteren Erwachsenen häufig als störend empfunden werden. • Einräumung ausreichender Möglichkeiten zur Diskussion und Interaktivität Dies schließt auch die Gelegenheit zur Reflektion über persönliche Fragestellungen ein, wie beispielsweise die eigene Einschätzung zum bisherigen Karriereverlauf und zur Zielerreichung sowie bezüglich künftiger Perspektiven. Dieser Aspekt spricht ggf. ebenfalls für die gezielte Zusammenführung unbekannter Teilnehmer (somit in kleineren Unternehmen eher für die Inanspruchnahme von externen Veranstaltungen), um Hemmschwellen abzubauen.

140 Bertelsmann Stiftung/Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (Hrsg.) (2003), S. 65–67; Seitz, C. (2004), S. 10–13; Regnet, E. (2004), S. 95–96; Bullinger, H.-J./Volkholz, V./Betzl, K./Köchling, A./Risch, W. (1993) S. 91–92; Wenke, J./Reglin, T./Stahl, T. (1996) S. 51–55 , 81–82; Buck, H./Kistler, E./Mendius, H.G. (2002), S. 77–78; Rump, J./Schmidt, S. (2004), S. 205; IAS (2006); Parment, A. (2009), S. 32.

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• Förderung selbstgesteuerten Lernens Hierbei bleibt die Steuerung der Lernschritte, d. h. des Lerntempos, der Lernstrategien sowie der Aufgabenkomplexität in erster Linie dem Lernenden überlassen. Dadurch können altersbedingte Funktionsdefizite bezüglich der Schnelligkeit von Informationsaufnahme und -verarbeitung, aber auch Funktionsstärken bezüglich des beruflichen Erfahrungswissens individuell berücksichtigt werden. Wo immer möglich, sollte älteren Mitarbeitern die Möglichkeit zu selbstgesteuertem Lernen eröffnet werden. Dies impliziert jedoch auch, sie an diese neue „Lernkultur“ schrittweise heranzuführen. • Vermittlung von Lernstrategien Lernungewohnte oder „lernentwöhnte“ Ältere müssen häufig erst das Lernen wieder lernen. Die Vermittlung von Inhalten ist gegebenenfalls zugunsten der Vermittlung methodischer Kompetenzen (Lernstrategien) zu reduzieren; d. h. Methoden des Lernens müssen explizit zum Gegenstand der Qualifizierungsmaßnahmen gemacht werden. • Beschränkung auf überschaubare Gruppengrößen zur Sicherstellung einer personalen Beratung und Betreuung Ältere wünschen sich verstärkt personale Beratung und Betreuung beim Lernen. Bezogen auf die Kursleitung ist daher „Team-Teaching“ zu empfehlen. Die Teilnehmerzahl sollte sechs bis acht Personen pro Dozenten nicht überschreiten. • Einbeziehung des Erfahrungswissens der Älteren Hierdurch wird den älteren Mitarbeitern zum einen eine Form von Wertschätzung zuteil, indem sie über vorhandene Erfahrungen reflektieren können. Zum anderen ergeben sich jedoch auch äußerst effektive Lernprozesse durch die Verknüpfung und ständige Rückkoppelung zwischen vorhandenen Kenntnissen und Fertigkeiten und neuen Lerninhalten. Ebenso bedeutsam ist jedoch auch die Verbalisierung latenten Wissens gegenüber anderen Kursteilnehmern in Trainingsmaßnahmen. Ein solches Vorgehen empfiehlt sich insbesondere in altersheterogen zusammengestellten Trainings. Anderen etwas über eigene Erfahrungen berichten zu können, stärkt Selbstvertrauen und Motivation. So kann beispielsweise anhand einer vorgegebenen Problemstellung zunächst der Ist-Zustand vertrauter Handlungsstrategien zur Lösung des Problems unter allen Teilnehmern einer Trainingsmaßnahme diskutiert 274

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werden. Dieser Ist-Analyse wird anschließend eine den Veränderungen im beruflichen Umfeld angepasste Soll-Strategie gegenüber gestellt. • Einbeziehung des Vorwissens der Teilnehmer Vorwissen spielt beim Lernen eine entscheidende Rolle. Älteren sollte deshalb der Zugang zum Lehrstoff durch die Bildung von Analogien und die Verwendung von Beispielen zu bereits Bekanntem erleichtert werden. Wenn explizit das Erfahrungswissen einbezogen wird, impliziert dies zum einen eine Wertschätzung der Erfahrung und eine Verbalisierung latenten Wissens, was motivationssteigernd wirkt und den intergenerativen Wissenstransfer fördert. Zum anderen ergeben sich äußerst effektive Lernprozesse durch die Verknüpfung und ständige Rückkoppelung zwischen vorhandenen Kenntnissen und Fertigkeiten und neuen Lerninhalten. • Thematisierung von Fehlerquellen und Unzulänglichkeiten althergebrachter Vorgehensweisen und Unterstützung der Mitarbeiter beim Verlernen überholten Wissens und inadäquater Vorgehensweisen Nicht selten verweisen ältere Mitarbeiter auf ihre Erfahrung in Situationen, in denen sie im Grunde eher aus nostalgischen Gründen tradierte Verhaltensweisen oder Abläufe beibehalten möchten. Wichtig ist in diesem Zusammenhang eine offene Ansprache bestehender Divergenzen, die jedoch keinesfalls verletzend sein darf. Auch Verlernen will gelernt sein, sodass den Beschäftigten entsprechende Strategien zu vermitteln sind. • Einordnung des Lehrstoffes in Zusammenhänge Durch die starke Prägung älterer Mitarbeiter aufgrund ihrer bisherigen Tätigkeit und Erfahrungen fällt ihnen das Lernen leichter, wenn der zu lernende Stoff in einen Sinnzusammenhang eingeordnet wird und einen Bezug zum beruflichen Alltag und den beruflichen Erfordernissen aufweist. Ältere lernen sinnvolles Material etwa gleich gut wie Jüngere, „sinnloses“ dagegen schlechter. So wird auch dem Umsetzungs- und Praxisinteresse vieler älterer Mitarbeiter Rechnung getragen. Die Aufnahme des Lehrstoffes erfolgt einfacher, wenn dieser nicht in Form abstrakter Sacherhalte und Begrifflichkeiten vorgestellt wird, sondern die Ausbildung umgekehrt vom konkreten Fall und den schon vorhandenen praktischen Erfahrungen ausgeht, um allgemeinere Sachverhalte und neue Anwendungsweisen daraus und daran zu erschließen.

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Idealerweise erfolgt eine Umsetzung dann direkt „on the job“. Dies gilt insbesondere für die Vermittlung von Experten- und Spezialwissen. • Strukturierung des Lehrstoffes und Reduzierung der Komplexität Eine übersichtliche Gliederung und klare Strukturierung des Lehrstoffes hilft gerade Älteren, die Komplexität des zu Erlernenden zu reduzieren. Ideal ist dabei die Verknüpfung mit konkreten Beispielen. • Verwendung von Lernaufgaben mit hoher Realitätsnähe Zum einen sollten Aufgaben mit hoher Realitätsnähe und starkem Bezug zur Lebens- und/oder Arbeitswelt der Älteren gestaltet werden. Zum anderen ist bei der Gestaltung der Aufgaben sowohl Unter- als auch Überforderung zu vermeiden. Es sollte ein breites Spektrum an Aufgaben unterschiedlicher Komplexität bereitgestellt und an die jeweiligen Bedürfnisse des einzelnen älteren Teilnehmers angepasst werden. Zudem sollte jede einzelne Aufgabe die Struktur eines vollständigen Arbeitsauftrags haben. Spätere Aufgaben sollten weitgehend die früher gestellten Anforderungen und zusätzlich neue Anforderungen enthalten. • Einräumung ausreichender zeitlicher Spielräume zum Lernen Ältere Menschen lernen in der Regel durch die Abnahme der psychomotorischen Reaktionsgeschwindigkeit unter Zeitdruck schlechter als Jüngere. Insbesondere Lernentwöhnten wird durch den Wegfall dieses Drucks die Aufnahme der Lerninhalte leichter gemacht. Ideal ist ein selbstbestimmtes Lerntempo, wie es beispielsweise das eLearning ermöglicht. Häufige Pausen bei Trainingsmaßnahmen hingegen wirken bei Älteren aufgrund der höheren Störanfälligkeit des Lernprozesses eher leistungsmindernd. • Berücksichtigung der Unterschiede in der Grundausbildung zwischen jüngeren und älteren Mitarbeitern Dadurch ist der Bedarf an Weiterbildung für ältere Mitarbeiter in vielen Unternehmen höher als für jüngere, insbesondere was den Umgang mit neuen Technologien angeht. Daher benötigen ältere Mitarbeiter Lernverhältnisse und -umgebungen, die vom pädagogischen Ansatz her ihre Grundausbildung und Erfahrungen berücksichtigen.

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Konkrete Handlungsansätze und Maßnahmen In einem Unternehmen, in dem sich Entwicklungsprogramme und -angebote auf die Altersgruppe der bis zu 45-Jährigen konzentrieren, werden diejenigen, die älter sind, sich mit ihren Bedürfnissen alleine gelassen fühlen. Hinzu kommt, dass sie sich häufig selbst nicht mehr zutrauen, neuen Problemstellungen und Entwicklungen zu begegnen – eine Art „self-fulfilling prophecy“. In der Konsequenz werden sie eher versuchen, ihre angestammte Position zu verteidigen und Schwächen, die dadurch entstehen, dass sie mit technischen Entwicklungen oder neuen Prozessabläufen nicht mehr vertraut sind, zu verdecken. Daher ist es von besonderer Bedeutung, die Motivation der Beschäftigten zur Verlängerung ihres aktiven Arbeitslebens, zur Weiterentwicklung und zum Beitrag zur Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens zu fördern.141 Bei reaktiven Maßnahmen für Mitarbeiter in der Altersgruppe zwischen 40 und 50 Jahren spricht man in diesem Zusammenhang auch von „Mid-career Development“: „Mid-career Development bezeichnet die berufliche Förderung und Entwicklung der Mitarbeiter in der Mitte ihres Lebens, in der Mitte ihrer beruflichen Tätigkeit und ihres Hierarchieweges. Es geht dabei um spezielle Maßnahmen für die 40- bis 50-jährigen Organisationsmitglieder unter Berücksichtigung der Wünsche der Betroffenen. Besonders wichtig ist diese Fragestellung bei qualifizierten Mitarbeitern und Leistungsträgern, da sie durch langfristige Motivation die Wettbewerbsfähigkeit ihres Arbeitgebers sichern sollen.“142 Nachfolgend sind einige der wichtigsten reaktiven Handlungsansätze zusammengestellt. Lernen am eigenen Arbeitsplatz (Training on the job) • Lernort Arbeitsplatz143 Für die Gestaltung von Aus- und Weiterbildung hat der „Lernort Arbeitsplatz“ eine wichtige Funktion zur Einbindung des Erfahrungswissens, aber auch für Erfahrungslernen bzw. informelles Lernen. Für ältere Mitarbeiter sind gerade informelle Lernformen besonders gut geeignet, um Wissensdefizite auszu-

141 Vgl. Weinert, P. (Hrsg.)/Baukens, M./Bollérot, P./Pineschi-Gapenne, M./Walwei, U. (2001), S. 111. 142 Regnet, E. (2004), S. 10. 143 Vgl. : Seitz, C. (2004), S. 13; Bullinger, H.-J./Volkholz, V./Betzl, K./Köchling, A./Risch, W. (1993) S. 90.

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gleichen, die sich nach längeren Phasen des Nicht-Lernens nicht selten einstellen. Nur am Arbeitsplatz selbst können fachübergreifende Qualifikationen erlebt und damit erlernt werden. • Job-Rotation144 Das Prinzip der Job Rotation eignet sich besonders gut dazu, Spezialisierungsfallen zu vermeiden, in die gerade ältere Mitarbeiter in vielen Unternehmen geraten. Dabei werden Einzelarbeitsplätze zu Arbeitsgruppen zusammengefasst, in denen Mitarbeiter unterschiedlichen Alters verschiedenartige Aufgaben nach dem Rotationsprinzip bearbeiten können. Zur Unterstützung werden diese Mitarbeiter sowohl fachlich als auch sozial entsprechend ihrer individuellen Voraussetzungen und Bedürfnisse qualifiziert. Job Rotation ist sowohl innerhalb als auch außerhalb des eigenen Arbeitsbereichs möglich. Darüber hinaus können neue Tätigkeiten vorübergehend oder aber dauerhaft ausgeübt werden. Bei einer dauerhaften Übernahme sollte der Wechsel für einen älteren Mitarbeiter idealerweise keinen völligen Neuanfang bedeuten, sondern eine Anknüpfung an bisherige Fähigkeiten und Erfahrungen ermöglichen. • Gruppenarbeit145 Gruppenarbeit eignet sich in idealer Weise zur Erweiterung von sozialer Kompetenz, die gerade Ältere aufgrund ihrer langjährigen Berufserfahrung häufig bereits mitbringen. Sie sind es allerdings in der Regel nicht gewohnt und damit auch nur eingeschränkt dazu in der Lage, sie außerhalb der gewohnten Arbeitsumgebung anzuwenden, sodass auch hier eine Fundierung und Verallgemeinerung vorhandener Fähigkeiten erforderlich ist. Auch das Zusammenfassen mehrerer älterer Mitarbeiter zu einer Lerngruppe kann sich auf den Lernprozess sehr positiv auswirken. • Flexibilisierung des internen Arbeitsplatzangebotes146 Eine solche Flexibilisierung schafft Lernanreize und Herausforderungen. Von entscheidender Bedeutung ist auch hier eine sorgfältige Einarbeitung in den fremden Tätigkeitsbereich zur Reduzierung von Fehlerquote und Frustrations144 Vgl. : Seitz, C. (2004), S. 13; Bertelsmann Stiftung/Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (Hrsg.) (2003), S. 93; Bullinger, H.-J./Volkholz, V./Betzl, K./Köchling, A./Risch, W. (1993), S. 90. 145 Vgl. Wenke, J./Reglin, T./Stahl, T. (1996), S. 23; 64. 146 Vgl.: Seitz, C. (2005), S. 85–86.

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quellen. Flankierende Maßnahmen können die Begleitung durch Paten, regelmäßige Reflexionsgespräche mit dem Vorgesetzten sowie Gespräche mit dem vorherigen Stelleninhaber sein. Folgende Anforderungen sollten innerbetriebliche Positionswechsel erfüllen:147 • •







Erwerb neuen Wissens. Unterbrechung beginnender Fixierungen auf gesundheitsbeeinträchtigende Belastungs- und Beanspruchungs-Konstellationen. Erleben neuer sozialer Konstellationen und somit Erwerb neuer organisatorisch-sozialer Kompetenzen. Unterstützung der Bereitschaft und Fähigkeit, sich in neuen Arbeitssituationen zurechtzufinden und sich an neue Arbeitsanforderungen anzupassen. Eine Form der Flexibilisierung stellen zeitweise Vertretungseinsätze durch ältere Mitarbeiter (bei Projekten oder als Urlaubs- bzw. Mutterschaftsvertretung) in anderen Tätigkeitsbereichen dar.148

Lernen außerhalb des Arbeitsplatzes (Training off the job/Training-near-the-job) • Konkrete Trainingsmaßnahmen In Bezug auf Inhouse- oder externe Seminare sowie die Zusammenstellung von Qualitätszirkeln, Lernstätten oder Erfahrungsaustauschgruppen ergeben sich folgende alternative Gestaltungsmöglichkeiten: •

Gezielte Schulungen für ältere Mitarbeiter in Bereichen, in denen man Defizite vermutet, z. B. in Bezug auf technologische Neuerungen. Hierbei gilt es zu beachten, dass diese Vorgehensweise durchaus mit Vor- und Nachteilen gleichermaßen verbunden ist. So kann einerseits die Einbindung des Erfahrungswissens in optimaler Weise umgesetzt werden und es lassen sich darüber hinaus speziell altersgerechte didaktische Ansätze anwenden. Allerdings besteht andererseits die Gefahr, dass sich ältere Mitarbeiter diskriminiert fühlen und daher wenig motiviert sind, an derartigen Veranstaltungen teilzunehmen. Zudem wird die Möglichkeit

147 Vgl. : Bertelsmann Stiftung/Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (Hrsg.) (2003), S. 86–87. 148 Vgl.: DGFP (2004), S. 93–94.

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des Austauschs der unterschiedlichen Altersgruppen untereinander unterbunden.149 •



Altersheterogene Zusammensetzung in Entwicklungsbereichen, in denen dies sinnvoll erscheint, z. B. in Form von Lernpatenschaften beim E-learning.150 Gemeinsame Schulungen für ältere und jüngere Mitarbeiter auch in Bereichen, in denen man Defizite vermutet, jedoch mit dem Angebot zusätzlicher Einführungskurse für die Älteren, um sie auf den gleichen Stand zu bringen.151

• Selbstgesteuertes Lernen152 Wie bereits in Bezug auf die allgemeinen Anforderungen an Personalentwicklung für Ältere ausgeführt, sollte diese Form des Lernens gefördert werden wo immer möglich, da sie in idealer Weise den Bedürfnissen und dem Lernstil älterer Mitarbeiter entspricht. Zum Einsatz kommen hierbei insbesondere Medien wie Lehrbriefe und Blended Learning (z. B. über OnlineSeminare, Foren, interaktive Fallstudien) zur Vermittlung von Fachwissen. Lernen durch Veränderung der Arbeitsinhalte und -abläufe (Job Enrichment und Job Enlargement) • X %-Jobs153 Bei diesem Modell, das die Deutsche Bank AG praktiziert, verbringt ein älterer Mitarbeiter einen Teil seiner Arbeitszeit in einem alternativen Tätigkeitsbereich. Lernen findet so durch eine Veränderung der Arbeitsabläufe und -inhalte statt. Von entscheidender Bedeutung ist dabei eine sorgfältige Einarbeitung in den fremden Tätigkeitsbereich. Dies reduziert die Fehlerquote ebenso wie Frustrationen.

149 Vgl.: Vereinigung der Arbeitgeberverbände der deutschen Papierindustrie e.V. (2006), S. 28; Seitz, C. (2004), S. 13; Regnet, E. (2004), S. 95. 150 Vgl.: Seitz, C. (2004), S. 13. 151 Vgl.: Adenauer, S. (2006), S. 44–45. 152 Vgl.: Rump, J./Schmidt, S. (2004), S. 205. 153 Vgl.: Seitz, C. (2005), S. 85–86.

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• Umschichtung, Austausch oder Aufstockung von Aktivitäten154 Bei der Umschichtung wird die alte Rolle des Mitarbeiters im Prinzip beibehalten, jedoch neu definiert, beispielsweise durch eine Verlagerung von operativen hin zu strategischen Aufgaben. Ebenfalls möglich ist die Verlagerung hin zu einer veränderten Work-Life-Balance, d. h. zu einem höheren Anteil an Freizeit. Der Austausch bezieht sich darauf, dass einzelne Aufgaben aus dem gesamten Spektrum des Mitarbeiters gegen andere ersetzt werden. Auch der Austausch des vollständigen Aufgabengebietes ist jedoch denkbar. Eine Aufstockung, das klassische Job Enlargement, kann durch die Übertragung zusätzlicher neuer Aufgaben innerhalb des Unternehmens, aber auch durch die Unterstützung bei der Übernahme z. B. ehrenamtlicher Tätigkeiten außerhalb des Unternehmens erfolgen. • Übertragung von Berater- und Stellvertreteraufgaben, Projektgruppeneinsätze155 Durch diese Sonderform der Umschichtung wird Erfahrung und Kompetenz der Älteren in idealer Weise wertgeschätzt und neben dem eigentlichen Tätigkeitsbereich ein Lernfeld eröffnet. Denkbar sind in diesem Zusammenhang auch Beraterverträge mit Mitarbeitern kurz vor dem Ende ihrer Erwerbstätigkeit, um so einen gleitenden Übergang in den Ruhestand zu ermöglichen oder sogar darüber hinaus das Erfahrungswissen des Mitarbeiters zu nutzen und im Gegenzug wertzuschätzen. Intergeneratives Lernen • Bildung abteilungsübergreifender, intergenerativer Allround-Teams und Workshops zur Bearbeitung von Praxisfällen156 • Ausweitung bestehender „Goldfischteiche“ auf alle Altersgruppen157 In der Regel berücksichtigen Förderprogramme, in denen mehrere Mitarbeiter zusammen gefasst werden, ausschließlich Nachwuchskräfte. Die Überlegung geht dahin, derartige Programme nicht mehr in Form von „Nachwuchsförderprogrammen“, sondern eher in Form von „Development-Programmen“ zu 154 155 156 157

Vgl.: DGFP (2004), S. 49–51. Vgl.: Seitz, C. (2004), S. 13; DGFP (2004), S. 92–93. Vgl.: Seitz, C. (2005), S. 85. Vgl.: Seitz, C. (2005), S. 87.

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gestalten und allen Altersstufen in ihrem Rahmen neue soziale und methodische Kompetenzen zu vermitteln sowie ihnen Perspektiven für die Übernahme neuer Positionen bzw. Tätigkeiten im Unternehmen zu eröffnen. • Intergenerative Teams und Tandemmodelle158 Sowohl in altersgemischten Teams als auch in Lernpartnerschaften zwischen einem älteren und einem jüngeren Mitarbeiter sind insbesondere Beobachtungslernen und die Weitergabe von Erfahrungswissen möglich. Idealerweise sollte die Tätigkeit so organisiert sein, dass sich Stärken und Schwächen von älteren und jüngeren Mitarbeitern miteinander verbinden bzw. gegenseitig kompensieren. Während jüngere Mitarbeiter in der Regel körperlich leistungsfähiger und schneller in Bezug auf Auffassungsgabe und Arbeitsausführung sind, zeigen sich die Stärken der Älteren häufig im routinierteren Herangehen an Problemstellungen, im professionelleren Kundenkontakt sowie im intensiveren Eingehen auf spezielle Wünsche von Auftraggebern und Kunden. Gerade im Hinblick auf den Kundenkontakt empfehlen sich Tandemlösungen, zum einen um über Jahre hinweg bekannte Ansprechpartner zu gewährleisten, zum anderen, um durch den Übergang von Erfahrungswissen, Denk- und Handlungsweisen die Dienstleistung „aus einer Hand“ aufrechtzuerhalten. Es ist allerdings dafür Sorge zu tragen, dass in Tandems keine Konkurrenzsituation auftritt, da dadurch die Effizienz entscheidend verringert wird. In intergenerativen Teams ist eine zu starke Spezialisierung zu vermeiden, d. h. dass nach einer gewissen Zeit jedes Teammitglied nur die Arbeiten ausführt, die es am besten beherrscht, da sich dadurch die Unterschiede zwischen den Altersgruppen verschärfen und positive Wirkungen der Teamarbeit (z. B. Vertretungsmöglichkeit in Urlaubszeiten) aufheben. • Qualifizierung älterer Mitarbeiter zu Coachs/Trainern/Mentoren/Paten Ziele sind hierbei insbesondere die Sicherung des Know-how sowie die Anerkennung der Erfahrung der Älteren einerseits und die Weitergabe von Erfahrungswissen, die Erleichterung des Ein- oder Aufstiegs, sowie die Vermittlung von Kontakten innerhalb interner Netzwerke für die jüngeren Mitarbeiter. Dabei ist jedoch durchaus auch der eher ungewöhnliche Weg des Mentoring bzw. Coaching eines Älteren durch einen jüngeren Mitarbeiter

158 Vgl.: Buck, H./Kistler, E./Mendius, H.G. (2002), S. 72–75; Regnet, E. (2004), S. 115.

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denkbar. So können in bestimmten Themengebieten, z. B. in Bezug auf neue Technologien, auch die Jüngeren die Beraterrolle übernehmen. Weitere Maßnahmen • Durchführung regelmäßiger Lernzielkontrollen oder Standortbestimmungsseminare159 Hier wird neben der Reflexion über die eigenen Lernziele auch die gegenwärtige und zukünftige Rolle des Mitarbeiters ins Blickfeld gerückt. Dazu gehören auch Überlegungen bezüglich konkreter Möglichkeiten zur Aufrechterhaltung von Gesundheit, Leistungsfähigkeit und Motivation. Zu beachten ist, dass auf einige der genannten reaktiven Maßnahmen, insbesondere auf diejenigen, die auf Intergenerativität setzen, in den kommenden Jahren immer weniger zurückzugreifen sein wird. Denn dann werden die älteren Mitarbeiter in den Unternehmen die Mehrheit darstellen bzw. eine derart starke Durchmischung der Altersgruppen, wie sie derzeit noch zu finden ist, nicht mehr möglich sein. Es gilt daher, das Augenmerk verstärkt auf die proaktiven Ansätze zur Personalentwicklung zu richten. Einfluss der alter(n)sgerechten Personalentwicklung auf Motivation Es ist empirisch belegt, dass die Lernfähigkeit und -motivation älterer Arbeitnehmer nicht per se geringer ist als die der Jüngeren.160 Die Lernbereitschaft kann mit dem Alter sogar zunehmen.161 Dennoch ist derzeit nicht selten ein Absinken der Lernbereitschaft und -motivation mit zunehmendem Alter zu erkennen. Ursache hierfür sind nicht selten wenig motivierende Weiterbildungsbedingungen für Ältere in Unternehmen (z. B. Fehlen arbeitsbezogener Lernerfahrungen und -angebote, Kopplung von Weiterbildung an vertikalen Aufstieg, altersgemischte Lerngruppen bei IT-Themen) bzw. deren bisherige „Lernbiografie“. Experten sprechen von einer so genannten „Lernentwöhnung“, die eintritt, wenn über Jahre hinweg keine konsequente Auseinandersetzung mit der persönlichen Weiterbildung stattfindet. Lernen kann auch verlernt werden und vorhandene Fähigkeiten verloren gehen. Eine so entstandene Lernentwöhnung geht mit Ängsten und einer verringerten Lernmotivation 159 Vgl. Seitz, C. (2005), S. 85; Seitz, C. (2004), S. 13. 160 Vgl.: Fölsch, T. (2005), S. 298. 161 Vgl.: Bergmann, B. (2006), S. 40.

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einher (Disuse-Effekt). Von der Motivation wiederum hängt es in hohem Maße ab, ob die Lerninhalte, die im Rahmen einer Weiterbildungsmaßnahme vermittelt werden, letztlich in der Praxis die gewünschte Anwendung finden. Konfrontiert man einen „lernentwöhnten“ Arbeitnehmer nun mit komplexen Lerninhalten, so verwundert es kaum, dass es ihm schwerfällt, sich für diese zu öffnen und ein Verständnis für sie zu entwickeln.162 Zur Aufrechterhaltung der Lernmotivation ist es unerlässlich, diese über kontinuierliche Lernanforderungen und die Anerkennung von Lernleistungen in ausreichendem Maße zu fördern.163 Einfluss der alter(n)sgerechten Personalentwicklung auf Qualifikation Wurde über Jahre und Jahrzehnte hinweg nicht in eine adäquate Weiterbildung von Mitarbeitern investiert, so bewahrheitet sich eines der gängigsten Vorurteile in Bezug auf ältere Arbeitnehmer – die (De-)Qualifizierungsrisiken sind groß und der Qualifizierungsaufwand sehr hoch bzw. kaum noch rentabel für das Unternehmen.164 Trotz augenscheinlich unvermeidbarer Reduzierung bestimmter kognitiver Fähigkeiten mit zunehmendem Alter, können zielgerichtete Trainingsmaßnahmen (z. B. für Geschwindigkeit, logisches Denken und Gedächtnis) die altersbezogene Reduzierung abschwächen oder stoppen.165 Durch ein solches gezieltes Training können Ältere im Schnitt die gleichen Leistungen erreichen wie untrainierte Jüngere.166 Dabei sind Kombinationen von Maßnahmen bzw. vielschichtige Trainingsmaßnahmen effektiver als das Training einzelner Funktionen.167

162 Vgl. Bertelsmann Stiftung/Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (Hrsg.) (2003), S. 13; 33–34; Böhne, A. (2008), S. 175; Bergmann, B. (2006), S. 40; Lichtsteiner, R. A. (2004), S. 151; Zacher, H. (2007), S. 17–18. 163 Vgl.: Richter, F. (2006b), S. 369–370; Bergmann, B. (2006), S. 40; Warr, P. (2000), S. 419. 164 Vgl.: Morschhäuser, M. (1999), S. 35; Richter, F. (2006b), S. 372. 165 Vgl.: Skirbekk, V./Max-Planck-Institut für demografische Forschung (2003), S. 4. 166 Vgl.: Roth, C./Wegge, J./Schmidt, K.-H. (2007), S. 104; Kliegel, M./Jäger, T. (2007), S. 50. 167 Vgl.: Falkenstein, M. (2008), S. 11–27, 32, 39; Freude, G. (2008), S. 11.

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Einfluss der alter(n)sgerechten Personalentwicklung auf Gesundheit Empirische Untersuchungen weisen nach, dass eine höhere Lernhaltigkeit von Arbeitsaufgaben mit einer verbesserten seelischen Gesundheit sowie mit einer besseren Arbeitsbewältigung in Zusammenhang steht.168 4.2.4 Alter(n)sgerechtes Gesundheitsmanagement169 Allgemeines Ändern sich die physischen Belastungen am Arbeitplatz nicht und nimmt die psychische Beanspruchung aufgrund erhöhter Veränderungsgeschwindigkeit und Komplexität zu, ist bei steigendem Durchschnittsalter der Belegschaft damit zu rechnen, dass sich der Anteil der Mitarbeiter, die als leistungsgemindert gelten, vergrößert. Gleichzeitig nimmt die Anzahl der Arbeitsplätze ab, die belastungsreduziert sind und für leistungsgeminderte Beschäftigte zur Verfügung stehen, da hier Rationalisierungspotenzial zu vermuten ist. Diese Entwicklung ist in der dargestellten Weise sicherlich überzogen, denn sie berücksichtigt den technischen Fortschritt nicht. Es ist davon auszugehen, dass der Anteil der stark körperlich ausgerichteten Tätigkeiten abnimmt, doch aus dem Spektrum möglicher Berufbilder verschwinden sie nicht. Darüber hinaus findet die Veränderung der Lebenseinstellung keine Berücksichtigung. So kann der Abbau der körperlichen Leistungsfähigkeit durch Fitness- und Wellness-Aktivitäten gebremst werden. Schon durch Training im breitensportlichen Rahmen gelingt es einem 60-Jährigen die Leistungsfähigkeit eines 40Jährigen zu erhalten. 170 Dennoch ist zu konstatieren, dass die demografische Entwicklung und ihre Konsequenz des steigenden Durchschnittsalters die Gefahr einer steigenden Zahl von Leistungsgeminderten erhöht. Vor dem Hintergrund von Employability ist dies doppelt zu werten, denn zur Entwicklung und zum Erhalt von Employability tragen Gesundheit und Wohlbefinden erheblich bei. Es ist daher unerlässlich, Gesundheitsförderung als personalwirtschaftliches Handlungsfeld zu implementieren. Dabei sollte vor allem die präventive Gesund-

168 Vgl.: Bergmann, B. et al. (2003), S. 469–470. 169 Vgl.: Rump, J./Eilers, S. (2009), S. 94 ff. 170 Vgl.: Lehr, U./Wilbers, A. (1992), S. 205; Ganslmeier, H./Wollert, A. (1997), S. 322.

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heitsförderung im Vordergrund stehen, sodass Leistungsminderung erst gar nicht entsteht. Die präventive Gesundheitsförderung kann auf vielfältige Weise erfolgen. Zunächst einmal gilt es, bekannte Belastungen an Arbeitsplätzen weitestgehend abzubauen bzw. zu verringern. Dies betrifft nicht nur physische Beanspruchungen sondern auch psychische Belastungen. Negativer Stress kann zum Beispiel durch adäquates Führungsverhalten und einer konstruktiven Arbeitsatmosphäre begrenzt werden. In Fällen körperlicher Belastungen können entsprechende Pausenregelungen sowie systematische Belastungs- und Tätigkeitswechsel dem betroffenen Arbeitnehmer Erleichterung verschaffen. Gruppen- und Teamarbeit ist nahezu ideal dazu geeignet, einseitige Belastungen zu vermeiden und dient darüber hinaus auch der Vermittlung neuer Kompetenzen und Fertigkeiten. Eine Maßnahme in Bezug auf besonders belastende Bereiche und Tätigkeiten stellt eine Begrenzung der Verweildauer oder eine Reduzierung der Arbeitszeit an solchen Arbeitsplätzen dar.171 Letzteres setzt allerdings eine konsequente Personaleinsatz- und Qualifizierungsplanung voraus. Des Weiteren gehören zur präventiven Gesundheitsförderung Fitnessangebote und Betriebssport, Programme zur Förderung der gesundheitlichen Kompetenzen sowie Gesundheits-Checks.172 Im Blickpunkt alter(n)sgerechtem Gesundheitsmanagements steht die Frage, wie und weshalb Beschäftigte trotz Belastungen gesund bleiben bzw. wieder gesund werden können.173 US-amerikanische Studien zeigen eine kurze Amortisationszeit für Maßnahmen betrieblicher Gesundheitsförderung sowie einen mittel- bis langfristig messbaren monetären Ertrag. Auch deutsche Untersuchungen weisen einen mittel- bis längerfristigen finanziellen ROI einer konsequenten betrieblichen Gesundheitspolitik, insbesondere im Hinblick auf eine Verringerung der Krankheitskosten und Fehlzeiten nach.174

171 Vgl.:Bertelsmann Stiftung/Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (Hrsg.) (2003), S. 101 ff. 172 Vgl. hierzu auch Kapitel: Employability – Die Grundlagen. 173 Vgl.: Ulich, E. (2005), S. 483; Weber, T. (2005), S. 23. 174 Vgl.: Herrmann, N. (2008), S. 106; Kramer, I./Bödeker, W. (2008), S. 5; Siegrist, J./Dragano, N. (2007), S. 26.

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Einfluss des alter(n)sgerechten Gesundheitsmanagements auf Motivation Ein alter(n)sgerechtes Gesundheitsmanagement impliziert eine Vermeidung bzw. Verringerung psychischer und physischer Belastungsmomente in allen Lebensphasen der Beschäftigten. Gerade für ältere Beschäftigte wirkt eine zu hohe Arbeitsbelastung demotivierend. Doch auch jüngere Arbeitnehmer sind sich immer mehr bewusst darüber, dass dauerhafter Stress und Überlastung sich nicht selten früher oder später in psychischen ebenso wie in physischen Krankheitssymptomen äußern und streben immer mehr nach „Entschleunigung“.175 Einfluss des alter(n)sgerechten Gesundheitsmanagements auf Qualifikation Aufgrund der geringeren „Stressresistenz“ älterer Menschen ist erwiesen, dass es dem Lernen abträglich ist, wenn dieses aus einer Stresssituation heraus erfolgt bzw. mit Stressempfinden verbunden ist. Gesundheitsförderliche Maßnahmen, die der Prävention sowie dem Abbau stressbedingter Belastungen dienen, fördern daher gleichzeitig in hohem Maße die Lern- und Aufnahmefähigkeit der Beschäftigten.176 Eine Reihe von Studien weist zudem darauf hin, dass geistige Funktionen durch körperliche Fitness und Gesundheit positiv beeinflusst werden.177 Einfluss des alter(n)sgerechten Gesundheitsmanagements auf Gesundheit Rein verhaltensorientierte Maßnahmen ohne gleichzeitige Veränderung der Verhältnisse zeigen nur eine geringe bzw. kurzfristige Wirksamkeit, da Veränderungen gesundheitsschädigender Rahmenbedingungen im Unternehmen zunächst außen vor bleiben und sich Mitarbeiter nicht selten genötigt fühlen, sich an entsprechenden Programmen zu beteiligen, woraus sich wiederum ein Belastungs- und Stressempfinden entwickeln kann. Verhältnisorientierte Maßnahmen hingegen ziehen i. d. R. auch Verhaltensänderungen nach sich – dies insbesondere dann, wenn die Beschäftigten an der Veränderung der Arbeitsbedingungen maßgeblich beteiligt werden und die Führungskraft diesen

175 Vgl.: DIW (2007), S. 213–214; Knauth, P. (2007b), S. 29; Herrmann, N. (2008), S. 26; Stern Online (2003), S. 4–5. 176 Vgl.: Herrmann, N. (2008), S. 26. 177 Vgl.: Semmer, N./Richter, P. (2004), S. 110.

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Prozess unterstützt.178 Darüber hinaus sind es vor allem ganzheitliche Ansätze, die Erfolg versprechen und weniger isolierte Maßnahmen.179

4.3

Zwischenfazit

Die obigen Ausführungen zeigen, dass die Gestaltungsbereiche einer alter(n)sgerechten Personalpolitik erhebliche Potenziale für Förderung und zum Erhalt der Employability in den Bereichen Qualifikation, Motivation und Gesundheit bieten. Dazu bedarf es der Beachtung bestimmter Gestaltungsparameter ebenso wie der Berücksichtigung der Wechselwirkungen der einzelnen Bereiche untereinander. Entscheidend für die praktische Umsetzung allerdings ist die Überzeugung der Entscheider für die Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit einer Förderung der Employability auch bei älteren Beschäftigten.

5. Schlussbetrachtung Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass durchaus ein Bewusstsein in Unternehmen für die Herausforderungen besteht, die der demografische Wandel mit sich bringt. Sie haben auch gezeigt, dass sich das überwiegend negative Bild älterer Beschäftigter zwar langsam, aber allmählich zu wandeln beginnt. Dennoch wird deutlich, dass Maßnahmen zum Umgang mit alternden Belegschaften bislang nur vereinzelt und nicht selten eher reaktiv als proaktiv umgesetzt werden. Mögliche Ursachen sind darin zu sehen, dass Betriebe sich der konkreten Auswirkungen auf ihre eigenen Belange noch nicht ausreichend bewusst sind oder aber, dass sie überwiegend auf einer Ebene angesprochen werden, die betriebswirtschaftliche Faktoren entbehrt und ihnen keine konkreten Handlungsinstrumente an die Hand gibt.180 Was bewegt Unternehmen nun tatsächlich, sich im Sinne alter(n)sgerechter Maßnahmen zu engagieren?

178 Vgl.: Ulich, E. (2005), S. 535. 179 Vgl.: Weber, T. (2005), S. 23. 180 Vgl.: European Foundation for the Improvement of Living and Working Conditions (2007a), S. 4.

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Die Motive, die Unternehmen zum Handeln im Sinne einer alter(n)sgerechten Personalpolitik bewegen, lassen sich in organisationsinterne und organisationsexterne Motive differenzieren, wobei in der Regel für Arbeitgeber eher interne als externe Aspekte den Ausschlag geben. Dabei beziehen sich die organisationsinternen Aspekte zum einen auf die Organisationsdemografie, d. h. das Bemühen, der Alterung der eigenen Belegschaft mit adäquaten Handlungsansätzen zu begegnen, um die Leistungsfähigkeit zu erhalten und die Risiken in Bezug auf Motivation, Qualifikation und Gesundheit möglichst gering zu halten. Darüber hinaus spielt für die internen Motive die strategische Ausrichtung der Organisation eine entscheidende Rolle. Dieser Zusammenhang wird auch aus einer Befragung im Rahmen des Projektes MiaA (Menschen in altersgerechter Arbeitskultur) des Instituts für Gesundheitsprävention Münster deutlich: Danach sind für 72,2 % der teilnehmenden Unternehmen die Ergebnisse einer Altersstrukturanalyse der Auslöser für die Auseinandersetzung mit dem Thema „demografischer Wandel“. Der Fokus bei organisationsexternen Motiven hingegen liegt einerseits auf der Arbeitsmarktentwicklung im Sinne der sinkenden Verfügbarkeit von Arbeitsund Fachkräften. Doch auch institutionelle Rahmenbedingungen, wie z. B. die aktuelle Rentenpolitik, nehmen Einfluss auf die Entscheidung von Unternehmen für alter(n)sgerechte Maßnahmen.181 Abbildung 17 gibt einen Überblick:182

181 Vgl.: Sporket, M. (2009), S. 252–253; IFGP (2009a), S. 8. 182 Vgl.: European Foundation for the Improvement of Living and Working Conditions (2007a), S. 2–4; European Foundation for the Improvement of Living and Working Conditions (2007b), S. 2; European Foundation for the Improvement of Living and Working Conditions (2007c), S. 3–5; European Foundation for the Improvement of Living and Working Conditions (2007d), S. 2–3; European Foundation for the Improvement of Living and Working Conditions (2007e), S. 2; European Foundation for the Improvement of Living and Working Conditions (2007f), S. 4–5.; Sporket, M. (2009), S. 251; Finnish Institute of Occupational Health (2006).

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Motive zur Umsetzung alter(n)sgerechter Personalpolitik Organisationsinterne Motive • Erhalt der Leistungsfähigkeit bei alternden Belegschaften (Motivation, Gesundheit, Qualifikation). • Optimaler Einsatz Älterer und gezielter Aufbau und/oder strategische Nutzung des Erfahrungswissens. • Umsetzung des „Diversity“-Gedankens. • Reduzierung von Kosten, z. B. für krankheitsbedingte Fehltage oder vorzeitigen Ruhestand aufgrund psychischer und/oder physischer Belastung. • Ausgewogenes und effizientes Miteinander der unterschiedlichen Generationen. • Nutzung des Potenzials älterer Arbeitnehmer, u. a. in spezifischen Arbeitsumgebungen bzw. zum Umgang mit älteren Kunden. • Vorbereitung auf den bevorstehenden Anstieg des Durchschnittsalters im Unternehmen bzw. Umgang mit einem bereits hohen Durchschnittsalter (u. a. bedingt durch die Verlängerung der Lebensarbeitszeit). • Verstärkung der Konzentration auf Gesundheit, Arbeitsfähigkeit, Kompetenz und Wohlbefinden der Belegschaft angesichts steigender Produktivitätserfordernisse. • Erhöhung des Umsatzes. • Verbesserung des Wissenstransfers.

Organisationsexterne Motive • Erhöhung der Attraktivität auf dem Arbeitsmarkt angesichts eines erwarteten oder akuten Fachoder Arbeitskräftemangels. • Wahrnehmung der sozialen Verantwortung. • Erfüllung tariflicher Bestimmungen (z. B. Tarifvertrag der chemischen Industrie). • Erzielung einer Imageverbesserung.

ABB. 17: MOTIVE ZUR UMSETZUNG ALTER(N)SGERECHTER PERSONALPOLITIK

Eine ökonomische Entscheidung für oder gegen Maßnahmen, die Employability über die gesamte Spanne des Erwerbslebens hinweg fordern und fördern, werden Unternehmen dann treffen, wenn es ihnen gelingt, die dargestellten Risiken, die im Zusammenhang mit alternden Belegschaften auftreten können, zu minimieren und den Nutzen, der mit diesen Maßnahmen einher geht, plausibel zu veranschaulichen. Dabei sollten nicht zuletzt die beiden folgenden Fragen handlungsleitend sein: • Was kostet es das Unternehmen, heute nicht für morgen zu handeln? Wie entwickeln sich beispielsweise die Krankheitskosten, wenn keine alter(n)sgerechte Personalpolitik betrieben wird? Was bedeutet es für die Wettbewerbsfähigkeit, wenn die Einsatzflexibilität abnimmt, Mitarbeiter zunehmend 290

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einseitig spezialisiert sind oder aufgrund von Frühverrentungen Know-how verloren geht? • Was gewinnt das Unternehmen, wenn es das Potenzial seiner älteren Mitarbeiter erhält bzw. ggf. sogar steigert? Welche Chancen bringt die Aufrechterhaltung von Motivation und Leistung bis in ein vergleichsweise hohes Alter mit sich? Welche Kosten können dadurch gesenkt, wie viele Innovationen gewonnen werden? Letztlich ist zu erwarten, dass die zunehmende Repräsentanz Älterer in Unternehmen im Zuge der demografischen Entwicklung sowohl das Bewusstsein der Entscheider für die Notwendigkeit einer alter(n)sgerechten Personalpolitik schärft als auch den daraus resultierenden Handlungsdruck erhöht.

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Employability und die jüngere Generation Das Profil der Jugendlichen und jungen Erwachsenen vor dem Hintergrund der Beschäftigungsfähigkeit

von Jutta Rump/Silke Eilers

JUTTA RUMP/ SILKE EILERS

Inhalt 1. Einführung 2. Zum Begriff der jüngeren Generation 3. Employability-relevante Charakteristika der jüngeren Generation 3.1 Medienkompetenz 3.2 Soziale und überfachliche Fähigkeiten 3.3 Einstellung, Haltung und Mentalität 4. Ausblick: Die Employability der jüngeren Generation Literatur

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1. Einführung Die demografische Entwicklung verdeutlicht, dass der Anteil jüngerer Arbeitnehmer in den kommenden Jahrzehnten deutlich sinken wird. Vielfach wird in diesem Zusammenhang der „War for Talents“ heraufbeschworen, der Wettstreit der Unternehmen um die knapper werdenden Nachwuchskräfte. Jugend alleine jedoch ist allerdings keinesfalls ein Garant für Unternehmenserfolg. Im Kontext zentraler Trends und Entwicklungen der Arbeitswelt interessiert vielmehr die Frage danach, inwieweit die „jüngere Generation“ über die erfolgskritischen Kompetenzen verfügt, um den Herausforderungen der Zukunft zu begegnen. Es empfiehlt sich daher, einen Blick auf die Wünsche und Ängste, Kompetenzen, Werte und Haltungen der Jugendlichen und jungen Erwachsenen zu werfen, die bereits ihre ersten Schritte im Erwerbsleben tun oder in Kürze in den Arbeitsprozess eintreten, aus denen sich wiederum Schlüsse in Bezug auf ihre Beschäftigungsfähigkeit ziehen lassen.

2. Zum Begriff der jüngeren Generation Vor allem seit den frühen 1990er Jahren ist ein „fast inflationärer Gebrauch“1 des Generationenbegriffs insbesondere in der populärwissenschaftlichen Literatur zu beobachten, wobei die Klassifizierungen und Zuschreibungen zu den einzelnen Generationen deutlich differieren. Dies rührt nicht zuletzt von der Schwierigkeit einer angemessenen Abgrenzung her. Während die Generationenzuordnung auf familiärer Ebene in der Regel ohne Weiteres möglich ist, fällt eine gesamtgesellschaftliche Zuordnung vergleichsweise weniger trennscharf aus.2 Viele Wissenschaftler gehen infolge dieser Entwicklung inzwischen dazu über, lediglich drei grobe Generationen-Cluster – jüngere Generation, mittlere Generation und ältere Generation – zu ver-

1 2

Weisbrod, B. (2005), S. 2. Vgl.: Kohli, M. (2003), S. 2–3.

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wenden, die durch gemeinsame politische, wirtschaftliche und kulturelle Epochenerlebnisse geprägt sind. So ist die heutige jüngere Generation ab den späten siebziger bzw. frühen achtziger Jahren geboren und mit digitalen Medien und der europäischen Wirtschafts- und Währungsunion groß geworden. Sie kennt nichts anderes als liberalisierte Güter- und Arbeitsmärkte. Die mittlere Generation, zu der die Jahrgänge von den späten fünfziger Jahren bis zum Ende der siebziger Jahre zählen, hat die deutsche Wiedervereinigung und den Fall des „Ostblocks“ bewusst miterlebt und erinnert sich noch an Schwarz-Weiß-Fernsehen, D-Mark und Schallplattenspieler. Die heutige ältere Generation, die zum Teil noch im Erwerbsleben steht, geboren ab 1943 bis in die späten fünfziger Jahre, ist im Bewusstsein des „kalten Krieges“ aufgewachsen und wurde noch sehr traditionell sozialisiert.3 Bedingt durch die dargestellte Unübersichtlichkeit an Generationenklassifizierungen soll im Folgenden zusammenfassend von „der jüngeren Generation“ gesprochen werden, worunter Begrifflichkeiten wie die so genannten „Millennials“ oder auch die „Generation Y“ oder „Netzgeneration“ subsumiert sind. Dies vor dem Hintergrund, dass eine völlig überschneidungsfreie Einteilung nicht gelingen kann und zudem die Sozialisation des Einzelnen sowie die jeweilige Lebens- und Berufsphase, in denen sich ein Mensch befindet, ebenfalls Einfluss nehmen.

3. Employability – relevante Charakteristika der jüngeren Generation Die nachfolgenden Ausführungen beleuchten den derzeitigen Forschungsstand zu ausgewählten Aspekten der Employability4 der jüngeren Generation. Dabei werden insbesondere die Kompetenzen berücksichtigt, über die fundierte Aussagen in wissenschaftlichen Studien getroffen werden. Die Medienkompetenz nimmt in diesem Zusammenhang eine besondere Rolle 3 4

Vgl.: Richter, G. (2009), S. 13–14. Die nachfolgenden Ausführungen beziehen sich auf die im Kapitel „Employability – Die Grundlagen“ vorgestellte Klassifizierung der Kernkompetenzen der Employability. Die fachliche Kompetenz wird bewusst nicht thematisiert, da sie sich auf spezifische Berufsbilder bezieht und eine Pauschalisierung nicht möglich ist.

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ein, da die jüngere Generation, wie keine andere, moderne Medien in ihren privaten und beruflichen Alltag integriert.

3.1 Medienkompetenz Um sich der Medienkompetenz der jüngeren Generation zu nähern, ist es zunächst erforderlich, sich einen Überblick über die Art und Schwerpunkte ihrer Mediennutzung zu verschaffen. Zur Mediennutzung bzw. Medienaffinität von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen gibt es zahllose Studien aus dem Inland sowie aus dem europäischen und außereuropäischen Ausland. Dabei ist zu konstatieren, dass unterschiedliche Studien zu unterschiedlichen Klassifizierungen gelangen, da sie bestimmte – ihrem Zweck dienliche – Fragestellungen zugrunde legen und unterschiedliche Methoden der Stichprobenauswahl, Datenerhebung etc. anwenden. Zudem ergibt sich ein verzerrtes Bild dadurch, dass einige Studien die Nutzung des Internets bzw. des Computers durch Jugendliche isoliert betrachten und nicht im Kontext anderer Freizeitaktivitäten bzw. der Nutzung „traditioneller“ Medien wie Radio und TV. Des Weiteren spielt die Art der Internetnutzung eine entscheidende Rolle, d. h. es bedarf einer Differenzierung des Nutzungsverhaltens, z. B. in Zwecke der Kommunikation, Information, des Spielens etc. Es lassen sich jedoch durchaus bestimmte charakteristische Muster in Bezug auf die Medienkompetenz der jüngeren Generation ausmachen, auf die im Folgenden eingegangen werden soll. 3.1.1 Bedeutung und Verbreitung neuer Medien Fest steht, dass Angehörige der jüngeren Generation mit einer Vielzahl neuer Medien vertraut sind und sie diese als selbstverständlich in ihrem Leben betrachten, während sie für ältere Generationen noch immer „Neuerungen“ darstellen.5 Nach Meinung einiger Experten entsteht dadurch ein „Generationen-Gap“ zwischen der Jugend, die den neuen Medien gegenüber aufgeschlossen ist und einer älteren Generation, die ihnen eher verunsichert gegenüber steht.6 Der Begriff der „Digital Natives“ im Vergleich zu „Digital

5 6

Vgl.: Meyers, R. A. (2009), S. 205–206; Tully, C. J. (2008), S. 171. Vgl: de Witt, C. (2000), S. 1–12.

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Immigrants“ der Baby-Boomer-Generation,7 der zuweilen auch um die Begrifflichkeit der „Digital Aliens“ für die heutigen Älteren, die nicht mehr im Erwerbsleben stehen, sowie der „Digital Adaptives“ für die mittlere Generation ergänzt wird,8 erscheint daher durchaus berechtigt. Ebenfalls unbestritten ist, dass neue Medien eine große Rolle im Leben der Jugendlichen und jungen Erwachsenen spielen: • Das Statistische Bundesamt geht von 94 % Internet-Nutzern in der Altersgruppe der 10- bis 24-Jährigen aus,9 bei den 14- bis 29-Jährigen ermittelt die ARD-ZDF-Onlinestudie 2009 eine Nutzerquote von 96,1 %,10 der Medienpädagogische Forschungsverbund Südwest (mpfs) für die 12- bis 19-Jährigen eine Nutzungsquote von 98 %.11 Dabei zeigt sich, dass sich insbesondere in der Altersgruppe der 14- bis 19-Jährigen die OnlineNutzung im Zeitvergleich von 1997 bis 2009 deutlich verstärkt hat. Bis zum Jahr 2000 lag diese noch unter der Nutzung der 20- bis 29- bzw. 30-bis 39-Jährigen, heute liegt sie mit 97,5 % Nutzern an der Spitze aller Altersgruppen.12 Auch etwa 60 % der 6- bis 13-Jährigen verfügen nach der KidsVerbraucherAnalyse 2009 bereits über Erfahrungen mit dem Internet.13 • Bereits knapp ein Viertel der 10- bis 11-Jährigen beschäftigt sich nach einer Studie des Deutschen Jugendinstituts (DJI) täglich mit dem Computer, bei den 13- bis 14-Jährigen sind es etwas mehr als die Hälfte.14 • Laut der ARD-ZDF-Onlinestudie nutzen 64 % der 10- bis 24-Jährigen täglich das Internet.15 Für die einzelnen Altersgruppen lassen sich aus weiteren 7

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Marc Prensky, ein US-amerikanischer Pädagoge, Berater und Autor zahlreicher Publikationen entwickelte die Kategorisierung der Gesellschaft in „Digital Natives“, die im digitalen Zeitalter geboren wurden und sozusagen die digitalen Technologien als Muttersprache sprechen, und „Digital Immigrants“, in deren Leben digitale Technologien eingetreten sind, die ihnen allerdings zeitlebens etwas fremd bleiben. Vgl.: Prensky, M. (2001), S. 1. Vgl.: McCrindle, M./Wolfinger, E. (2009), S. 52–53. Vgl.: Statistisches Bundesamt (2008), S. 368–369. Vgl.: ARD/ZDF (2009a). An der ARD/ZDF-Onlinestudie, die seit 1997 jährlich durchgeführt wird, nahmen im Jahr 2009 insgesamt 1806 Personen ab 14 Jahren teil. Vgl.: Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (mpfs) (2009), S. 31–32. Im Rahmen der so genannten „JIM“-Studie wurden 2009 insgesamt 1200 Kinder und Jugendliche zwischen 12 und 19 Jahren telefonisch und anschließend aus der Grundgesamtheit noch einmal 102 Personen vertiefend befragt. Vgl.: ARD/ZDF (2009b). Vgl.: FOCUS Medialine (2009). Zur Kids Verbraucheranalyse 2009 wurden rund 1600 repräsentativ ausgewählte Personen, darunter Kinder im Alter von 6–13 Jahren sowie deren Eltern befragt. Vgl.: DJI (2010b). Die Untersuchung “Digital Divide – Digitale Kompetenz im Kindesalter” bezieht sich auf 1000 Kinder und Jugendliche zwischen 10 und 14 Jahren. Vgl.: ARD/ZDF (2009a).

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Studien differenziertere Aussagen ablesen. So sind 10 % der 10- bis 11Jährigen und rund 40 % der 13- bis 14-Jährigen täglich online,16 bei den 14- bis 19-Jährigen sind es etwa 50 % (verglichen mit 21,9 % im Jahr 2005).17 • Die Verweildauer im Internet hat sich bei den 14- bis 29-Jährigen von 2002 bis 2009 von täglich 142 auf 180 Minuten, also um 38 Minuten, erhöht (zum Vergleich: bei den 30- bis 49-Jährigen fand eine Erhöhung um 8 Minuten, bei den über 50-Jährigen um 26 Minuten statt).18 Daten für die 12- bis 19-Jährigen gehen von 134 Minuten und damit 17 Minuten mehr als in der Vorjahresstudie, aus.19 Die weltweit angelegte Studie „Circuits of Cool“ von MTV Networks und msn, dem Webportal von Microsoft, spricht gar von durchschnittlich 21 Stunden im Internet pro Woche bei den 14- bis 17-Jährigen sowie jeweils 29 Stunden bei den 18bis 21-Jährigen sowie bei den 22- bis 24-Jährigen in Deutschland.20 In der Shell-Jugendstudie 2006 finden sich wiederum deutlich niedrigere Werte: sie führt einen Anstieg der durchschnittlichen wöchentlichen Internetnutzung der 14- bis 29-Jährigen von sieben auf 9,3 Stunden pro Woche seit 2002 auf.21 Jungen schätzen die Dauer ihrer Internetnutzung höher ein als Mädchen, Jugendliche ab 14 Jahren wiederum deutlich höher als die unter 14-Jährigen. Die meisten Jugendlichen nutzen das Internet zuhause.22 • In der Studie „Circuits of Cool“ gibt jeder dritte der befragten deutschen Jugendlichen an, das erste, was er am Morgen und das letzte, was er am Abend tue sei, sein Handy zu checken. 83 % glauben gar, ohne das Internet nicht mehr leben zu können, und fast jeder vierte macht seinen Computer fast nie aus. 53 % gehen sofort online, wenn sie aus der Schule kommen.23

16 Vgl.: DJI (2010b). 17 Vgl.: Verlagsgruppe Bauer/Axel Springer (2008), S. 24. Die jugendspezifische Auswertung der Verbraucheranalyse 2008 umfasst die Gruppe der 12- bis 19-Jährigen. Die Kids Verbraucheranalyse verwendet andere Alters-Clusterungen, wonach 12 % der 6- bis 13-Jährigen täglich online sind. Vgl.: FOCUS Medialine (2009). 18 Vgl.: ARD/ZDF (2009e). 19 Vgl.: Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (mpfs) (2009), S. 31–32. 20 Vgl.: MTV Networks (2007), S. 8. Die Studie „Circuits of Cool“ basiert auf weltweiten Befragungsergebnissen unter 18.000 Personen zwischen 8 und 24 Jahren in 16 Ländern. 21 Vgl.: Langness, A./Leven, I./Hurrelmann, K. (2006), S. 83. Die Shell-Jugendstudie 2006 wurde im Jahr 2006 von TNS Infratest mit einer repräsentativen Stichprobe von 2.532 Jugendlichen im Alter von 12bis 25 Jahren durchgeführt. 22 Vgl.: Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (mpfs) (2009), S. 31–32. 23 Vgl.: MTV Networks (2007), S. 3–8.

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3.1.2 Mediale Ausstattung Entsprechend der hohen Nutzungsfrequenz von Computer und Internet verwundert die beträchtliche mediale Ausstattung der deutschen Kinder- und Jugendzimmer kaum. Die überwiegende Zahl der Jugendlichen wächst in Familien auf, in denen eine Vollversorgung mit Handy, Fernsehen und Computer und Internetanschluss besteht. Unter den 12- bis 19-Jährigen verfügen drei Viertel über einen eigenen Computer, mehr als die Hälfte können von ihrem Zimmer aus online gehen. Das eigene Handy ist inzwischen fast zur Selbstverständlichkeit geworden.24 3.1.3 Einfluss sozio-ökonomischer Merkmale Nicht zuletzt aufgrund der Selbstverständlichkeit, mit der das Internet und weitere moderne Medien inzwischen zum Leben der Kinder und Jugendlichen gehören, können sie durchaus auch als Sozialisationsinstanz betrachtet werden.25 In der Folge ist auch die Frage von Relevanz, inwieweit bestimmte sozio-ökonomische Merkmale den Zugang zu dieser Instanz bzw. den Ausschluss davon sowie die Art und Weise, wie im Elternhaus der Umgang mit diesen Medien vermittelt wird, beeinflussen. Die folgenden Ausführungen geben einen Überblick: • Was die mediale Ausstattung sowie den Zugang zum Internet betrifft, so zeigt sich in Studien durchaus eine gewisse Abhängigkeit vom Einkommen der Eltern bzw. dem sozialen Milieu, in dem sie sich bewegen,26 sowie vom Bildungsstand der Jugendlichen und jungen Erwachsenen.27 Allerdings ist zu konstatieren, dass diese Unterschiede in der medialen Ausstattung nicht gravierend sind und sich darüber hinaus beständig verringern.28 Hierbei kommt nicht zuletzt der Umstand zum Tragen, dass gerade niedrige soziale Schichten ein hohes Bedürfnis nach Zugehörigkeit aufweisen, das sie mit der aktuellsten technischen Ausstattung zu befriedigen suchen.29

24 Vgl.: Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (mpfs) (2009), S. 8. 25 Vgl.: Langness, A./Leven, I./Hurrelmann, K. (2006), S. 83. 26 Vgl.: Langness, A./Leven, I./Hurrelmann, K. (2006), S. 83; Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (mpfs) (2008), S. 7–8. Für die so genannte „KIM“-Studie wurden 1206 Kinder zwischen 6 und 13 Jahren sowie deren Mütter befragt. 27 Vgl.: Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (mpfs) (2009), S. 31. 28 Vgl.: Langness, A./Leven, I./Hurrelmann, K. (2006), S. 83. 29 Vgl.: Schulmeister, R. (2008), S. 82; Schorb, B./Keilhauer, J./Würfel, M./Kießling, M. (2008), S. 50.

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• Die Kinder- und Jugendstudie des DJI konnte mit Bezug zur medialen Ausstattung der 10- bis 14-Jährigen keinerlei Abhängigkeiten vom Haushaltseinkommen oder Bildungsstatus der Eltern ermitteln, sehr wohl jedoch für einen eingeschränkten Zugang zum Internet, für den Familienarmut und ein niedriges Bildungsniveau im Haushalt als ausschlaggebend identifiziert wurden. Die Studie spricht von einer Mehrfachbenachteiligung der betroffenen Kinder und Jugendlichen, da „Offline“-Familien inzwischen zu einer gesellschaftlichen Randgruppe werden.30 • Sehr viel gravierendere Unterschiede sind in der Art der Internetnutzung der Jugendlichen sowie in der Vermittlung internet-relevanter Kompetenzen durch die Eltern anzunehmen. Denn während Eltern mit höherem Bildungsstand die Nutzung unterschiedlicher Medien, d. h. auch von Zeitungen, Büchern etc. vorleben und bewusst reflektieren, findet in Familien aus der Unterschicht eher eine passiv-konsumierende Mediennutzung statt, die sich unweigerlich auch auf die Kinder und Jugendlichen überträgt. Die Folge ist ein „Knowledge Gap“, wonach gerade diejenigen, die bereits mit alten Medien gut zurechtkamen und diese weiterhin nutzen, sich die neuen Medien mit einer besonderen Handlungskompetenz erschließen.31 • Was die Intensität der Internetnutzung anbelangt, weichen die Aussagen deutlich voneinander ab. So beobachten der Medienpädagogische Forschungsverbund Südwest (mpfs) und auch der Zukunftsforscher Opaschowski eine Zunahme der Zahl der Intensivnutzer mit steigendem Bildungsgrad. Danach liegen bei der regelmäßigen, d. h. mindestens einmal wöchentlichen, Nutzung von Internet/Online-Diensten im privaten Bereich die Gymnasialabsolventen mit 73 % deutlich vor den Hauptschulabsolventen mit 26 %.32 Die Shell-Jugendstudie 2006 hingegen stellt einen Anstieg der wöchentlichen Internet-Nutzungsdauer insbesondere bei Jugendlichen aus der Unterschicht fest.33 Dies deckt sich mit weiteren Studien, in denen die Vermutung geäußert wird, dass das Internet in sozial benachteiligten Schichten eine ähnliche Funktion übernimmt wie der Fern30 Vgl.: DJI (2010a); DJI (2010b). 31 Vgl.: Langness, A./Leven, I./Hurrelmann, K. (2006), S. 83; Ferchhoff, W. (2007), S. 369; DJI (2010a); DJI (2010b); Livingstone, S./Bober, M. (2004), S. 1–7. An der Studie „UK Children Go Online“ nahmen in Großbritannien 1511 Kinder und Jugendliche sowie 906 Erziehungsberechtigte teil. 32 Vgl.: Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (mpfs) (2009), S. 31–32; Opaschowski, H. W. (2008), S. 231. 33 Vgl.: Langness, A./Leven, I./Hurrelmann, K. (2006), S. 83. Hierzu ist allerdings festzuhalten, dass die JIM-Studie des mpfs sich auf 12- bis 19-Jährige bezieht, während die Shell-Jugendstudie 2006 die große Gruppe der 14- bis 29-Jährigen betrachtet.

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seher, der nachweislich in Familien mit geringem Bildungsniveau deutlich häufiger läuft.34 Nicht zuletzt setzen Eltern und Großeltern aus der unteren Schicht deutlich häufiger elektronische Medien als „Babysitter“ schon bei den 3- bis 5-Jährigen ein (35 %) als dies in der breiten Mittelschicht (19 %) bzw. gehobenen Schicht (13 %) der Fall ist.35 In jedem Fall ist davon auszugehen, dass der „Digital Divide“ sich durch die Häufigkeit der InternetNutzung alleine nicht überwinden lässt, d. h. Art und Weise der Mediennutzung tragen zwar zur Integration in Peer-Groups bei, allerdings nicht zur Überwindung des „Digital Divide“.36 3.1.4 Verhältnis neuer Medien zu traditionellen Medien und nichtmedialen Freizeitaktivitäten Angesichts der dargestellten Nutzungsdauer und -häufigkeiten drängt sich auch die Frage auf, inwieweit die Nutzung der neuen Medien zu Lasten der traditionellen Medien bzw. jugendtypischer nicht-medialer Freizeitaktivitäten geht. Dazu sei eine Bemerkung vorausgeschickt, da nicht selten die immense Ausbreitung der Nutzung digitaler Medien in den vergangenen Jahren gerade bei Jugendlichen als „erschreckend“ dargestellt wird: Es gilt zu bedenken, dass bestimmte Medien schlichtweg früher nicht zur Verfügung standen, sodass es nur natürlich ist, dass ihr Konsum zugenommen hat und dass zudem viele Medien in den vergangenen Jahren deutlich preiswerter und damit auch für unterschiedliche soziale Schichten und Altersgruppen erschwinglicher geworden sind.37 In einem ersten Schritt sollen die medialen Aktivitäten der jüngeren Generation näher hinterfragt werden. Übereinstimmend weisen die meisten Studien zur Mediennutzung von Jugendlichen bei einem generellen Anstieg der Mediennutzung und einem deutlich breiteren Medienangebot eher auf eine Ergänzung als auf eine Substitution traditioneller medialer Aktivitäten hin, auch wenn Nutzung, Nutzungszeit und Rangfolge der Freizeitinteressen nicht immer unbedingt deckungsgleich sind. Hier ist eine Abhängigkeit von den 34 Vgl.: Schorb, B./Keilhauer, J./Würfel, M./Kießling, M. (2008), S. 50. 35 Vgl.: Köcher, R. (2009), S. 34. Das Generationenbarometer des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) basiert auf der umfassenden Befragung einer repräsentativen Stichprobe der deutschen Bevölkerung im Februar und März 2009, bestehend aus gut 2.200 Personen ab 16 Jahren. 36 Vgl.: Schulmeister, R. (2008), S. 82; Schorb, B./Keilhauer, J./Würfel, M./Kießling, M. (2008), S. 50. 37 Vgl.: Schulmeister, R. (2008), S. 80.

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ausführenden bzw. auftraggebenden Instanzen der unterschiedlichen Studien zu beobachten.38 Exemplarisch für das übereinstimmende Ergebnis zahlreicher Studien steht eine Aussage im Rahmen der Langzeituntersuchung von SevenOne Media: „Auch bei der jüngeren Generation, den 14- bis 29Jährigen, zeigt sich, dass das Internet die Nutzungsdauer der anderen Medien kaum beeinflusst. Obwohl die Online-Zeit der jungen Generation deutlich zunimmt [von 12 auf 69 Minuten], verliert kein anderes Medium in nennenswertem Umfang. Fernsehen, Zeitschriften, Kino, Bücher und der Teletext werden von den 14- bis 29-Jährigen heute genauso lange wie oder sogar etwas länger genutzt als vor sechs Jahren. Die Nutzung von Radio und Video/DVD hat sogar beträchtlich zugenommen. Einen leichten Rückgang verzeichnet hier nur die Tageszeitung. In weiten Teilen entspricht die Entwicklung der Mediennutzung von 14- bis 29-Jährigen damit auch der Entwicklung in der Gesamtbevölkerung.“39 Auch der Bildungsgrad bestimmt die Mediennutzung – so sind Jugendliche mit höherem Bildungsgrad häufigere Nutzer des Internet, von Tageszeitungen, MP3-Playern und Büchern, während Jugendliche mit niedrigerem Bildungsniveau stärker an Fernsehen, Handy sowie Computer- und Konsolenspielen interessiert sind.40 Somit ist eher von einer Parallelnutzung unterschiedlicher Medien auszugehen. Nicht selten surfen Jugendliche und junge Erwachsene während des „Chattens“ gleichzeitig im Internet, hören Musik oder sehen fern. Die jüngere Generation ist allerdings offenbar sehr gut dazu in der Lage, aus einer Vielzahl von Reizen den jeweils interessantesten herauszufiltern und umgibt sich daher gezielt mit unterschiedlichen Reizquellen, um auswählen zu können.41 Hinzu kommt: „Die junge Generation hat sich inzwischen zu einer MedienGeneration entwickelt, die alles sehen, hören und erleben und vor allem im Leben nichts verpassen will.“42 Und so wird das verfügbare „Medien38 Zu diesem Ergebnis kommt auch Schulmeister in seiner Vergleichsuntersuchung von über 50 Studien zur Mediennutzung Jugendlicher. Vgl.: Schulmeister, R. (2008). 39 SevenOne Media GmbH (2005a), S. 18. Die Langzeitstudie „Time Budget“ wurde im Zeitraum von 1999 bis 2005 durch die forsa Gesellschaft für Sozialforschung und statistische Analysen mbH durchgeführt. Die Grundgesamtheit umfasste deutsche Personen von 14- bis 49 Jahren in Deutschland, aus denen Stichproben von insgesamt 10.414 Personen mittels computergestützter Telefoninterviews anhand eines strukturierten Fragebogens interviewt wurden. 40 Vgl.: Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (mpfs) (2009), S. 16–18. 41 Vgl.: SevenOne Media GmbH (2005a), S. 22; MTV Networks (2007), S. 9–18. 42 Opaschowski, H. W. (2008), S. 221.

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ensemble“, d. h. die Vielfalt aus Fernsehen, Radio, Internet etc., meist komplementär im Sinne einer bestmöglichen Befriedigung der Präferenzen43 bzw. in einer Art „Aufgabenverteilung“ zu unterschiedlichen Zeiten und Zwecken genutzt, wie z. B. das Radio und die Tageszeitung weiterhin primär zur ersten Informationsversorgung am Morgen und das Fernsehen überwiegend zur Unterhaltung am Abend. Das Internet wird den ganzen Tag über genutzt, überwiegend jedoch nachmittags.44 Für die Zukunft allerdings gehen Experten von Subsitutions- bzw. Displacementeffekten aus, bei denen der Internet-PC als Rezeptionsmedium dient, das die Funktion insbesondere von Trägermedien wie DVD oder CD im Bereich der Video- und Musiknutzung übernimmt. Ein komplettes Verschwinden der traditionellen Medien wie Funk und Fernsehen aus den Lebenswelten der Jugendlichen prognostizieren sie jedoch nicht.45 Die Ergebnisse zur Mediennutzung Jugendlicher und junger Erwachsener werden nicht unerheblich dadurch beeinflusst, ob in Studien mediale und nicht mediale Aktivitäten getrennt bzw. gemeinsam abgefragt werden. So stehen bei der Studie des Deutschen Jugendinstituts (DJI) TV, Handy, Computer, Bücher und Zeitschriften an den vordersten Stellen der Nutzungsdauer, während in der Rangfolge der Freizeitinteressen Musik hören und mit Freunden zusammen sein noch vor der Nutzung von Computer, Internet und Handy bzw. Fernsehen, Video und Computerspielen liegen.46 Auch die Shell-Jugendstudie 2006 fragt mediale und nicht-mediale Freizeitbeschäftigungen der 14bis 29-Jährigen gemeinsam ab. Dabei nehmen Musik hören mit 63 % sowie Fernsehen mit 58 % zwar die vordersten Ränge ein, auf Platz 3 folgt allerdings bereits „Sich mit Leuten treffen“ mit 57 %, erst mit einigem Abstand (38 %) wird das Surfen im Internet genannt.47 Was die nicht-medialen Freizeitaktivitäten anbelangt, zeigt sich also eine ähnliche Tendenz wie bereits bei den traditionellen Medien – es findet eher eine Ergänzung als eine Ersetzung statt. In nahezu allen relevanten Studien ge-

43 44 45 46 47

Vgl.: Schorb, B./Keilhauer, J./Würfel, M./Kießling, M. (2008), S. 57. Vgl.: SevenOne Media GmbH (2005b). Vgl.: Schorb, B./Keilhauer, J./Würfel, M./Kießling, M. (2008), S. 57. Vgl.: DJI (2010b). Vgl.: Langness, A./Leven, I./Hurrelmann, K. (2006), S. 78.

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hören Treffen mit Freunden zu den beliebtesten und häufigsten Freizeitaktivitäten.48 3.1.5 Prägung durch die neuen Medien Ebenfalls wird die Frage diskutiert, inwieweit Jugendliche und junge Erwachsene in ihrem Denken und Handeln durch die neuen Medien geprägt werden oder aber ob sie diese lediglich in ihre jugendtypischen Entwicklungsprozesse und Verhaltensweisen integrieren bzw. diese mit Unterstützung der Medien neu gestalten. So finden sich wissenschaftliche Arbeiten aus der Neurowissenschaft und weiteren Disziplinen, insbesondere aus den USA, die von Veränderungen im Gehirn von Jugendlichen und jungen Erwachsenen infolge der erhöhten Mediennutzung berichten. Auf der „Negativseite“ der Bilanz stehen dabei Attribute wie die Schwächung der Fähigkeit zum zwischenmenschlichen Kontakt bis hin zur Aufmerksamkeitsdefizitstörung sowie das permanente Streben nach neuen Reizen und sofortiger Rückmeldung. Als durchaus positiv wird hingegen gewertet, dass es zu effizienteren Gehirnprozessen aufgrund der Schärfung des Verstandes kommt, die sich unter anderem darin äußern, schneller auf visuelle Stimuli zu reagieren, zwischen unterschiedlichen Tätigkeiten hin und her zu springen sowie größere Informationsmengen schneller zu verarbeiten und zu entscheiden, was wirklich relevant ist.49 Interessanterweise glauben britische Forscher, eine anatomische Veränderung aufgrund der hohen SMS-Frequenz bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen beobachtet zu haben. Danach ist der Daumen inzwischen muskulöser und geschickter als die restlichen Finger und wird in bestimmten Situationen instinktiv anstelle des Zeigefingers benutzt, z. B. beim Drücken einer Türklingel.50 Andere Autoren sehen zwar durchaus eine Beeinflussung der jungen Menschen durch die neuen Medien gegeben, glauben allerdings nicht, dass „die Ankunft der Medien die Prozesse und Gesetze der Sozialisation außer Kraft“51 setzt. Sie führen Untersuchungen an, in denen deutlich wird, dass sich 48 Vgl.: Schulmeister, R. (2008), S. 32–34; MTV Networks (2007), S. 9–18; Viacom Brand Solutions (2008), S. 14. 49 Vgl.: Nolte, D. (2009); Meyers, R. A. (2009), S. 206–207; Schulmeister, R. (2008), S. 13–18. 50 Vgl.: Trendbüro/Steinle, A./Wippermann, P. (2003), S. 126–127. 51 Schulmeister, R. (2008), S. 10.

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das Freizeitverhalten der heutigen Jugend nicht entscheidend verändert hat und dass auch Einstellungen und Präferenzen nicht deutlich von vorherigen Jugendgenerationen abweichen. So ist beispielsweise nach wie vor für Jugendliche der Kontakt zu „Peers“ entscheidend für ihre Entwicklung und Selbstfindung.52 Dieser Kontakt wird lediglich über Handy, Computer etc. neu organisiert. In einem Interview gibt ein 13-Jähriger an, sein Handy zu benötigen, um das Haus verlassen zu können, da er ansonsten ja nicht für seine Freunde erreichbar sei. Sie sind für diese Generation normale Hilfsmittel, um ihren alterstypischen Bedürfnissen nachzugehen, und werden in die üblichen Sozialisationsprozesse einbezogen anstatt sie originär zu bestimmen.53 Und so „deutet alles darauf hin, dass moderne Techniken ein integraler Bestandteil des jugendlichen Lebens sind, ihr Besitz fraglos vorausgesetzt wird und mit die Basis für die Inklusion in verschiedene jugendrelevante Bezüge darstellt.“54 Nicht von der Hand zu weisen ist der Umstand, dass die Parallelnutzung unterschiedlicher Medien, nicht selten auch im Sinne des „Multitasking“ interpretiert,55 durchaus mit einer gewissen Oberflächlichkeit einher gehen kann. So geben beim Lesen in einer Umfrage aus dem Jahr 2002 von den befragten Jugendlichen 63 % an, zu den „Fast-Food-Lesern“ zu gehören, d. h. sie lesen weniger, schneller sowie oberflächlicher und praktizieren somit auch in diesem Bereich eine selektive Informationsverarbeitung.56 Zu einer ähnlichen Erkenntnis kommt auch eine aktuelle britische Studie.57 3.1.6 Gefahren der Mediennutzung Auch zu möglichen Gefahren der hohen Mediennutzung äußern sich nicht wenige Autoren. Zum einen wird die Fähigkeit der jüngeren Generation bezweifelt, bestimmte Gefährdungen durch das Internet angemessen abschätzen

52 Vgl.: Schulmeister, R. (2008), S. 32–34; MTV Networks (2007), S. 9–18; Viacom Brand Solutions (2008), S. 14. Die Studie „Mindsets 3.0“ von Viacom Brand Solutions unter der Federführung des TVSenders MTV bezieht sich auf die Gruppe der 14- bis 29-Jährigen. Für die Stichprobe wurden mehr als 5.100 Personen befragt. 53 Vgl.: Treumann, K. P./Meister, D. B./Sander, U. (2007), S. 29; 103; Viacom Brand Solutions (2008), S. 14; Hartung, A./Schorb, B. (2007), S. 6–10; Tully, C. J. (2008), S. 166; Trendbüro/Steinle, A./Wippermann, P. (2003), S. 123–124. 54 Tully, C. J. (2008), S. 187. 55 Vgl.: Schulmeister, R. (2008), S. 63. 56 Vgl.: Opaschowski, H. W. (2008), S. 222; 227–228. 57 Vgl.: Telegraph (2010).

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zu können.58 Dort, wo es an der Fähigkeit mangelt, über audiovisuelle Medien rezipierte Inhalte angemessen zu deuten und zu reflektieren, kann es zu einer Verwischung von Realität und der Wiedergabe von Wirklichkeit kommen.59 Vor allem bei der Preisgabe persönlicher Daten besteht ein Risiko darin, dass diese für nicht gewünschte Zwecke genutzt werden oder aber, dass Inhalte, die aus einer Laune heraus oder in einer bestimmten Lebensphase eingestellt wurden, noch Jahre später ausschlaggebend für die Absage eines Ausbildungsplatzes oder einer Arbeitsstelle sein oder dem Partner gegenüber unangenehme Fragen aufwerfen können.60 Tatsächlich ist die jüngere Generation im Umgang mit unterschiedlichen Medien und verfügbaren Informationen deutlich schneller, kreativer und unverkrampfter als noch die Generationen vor ihr. So bearbeiten und verbreiten sie Nachrichten, Fotos oder Musik, die ihren Geschmack treffen, ohne sich unbedingt Gedanken darüber zu machen, wie viel sie dadurch von sich selbst preisgeben bzw. wie intensiv sie unter Umständen andere damit beeinflussen können. Gerade in Online-Communities zeigen sich Jugendliche und junge Erwachsene recht sorglos, indem sie beispielsweise den Zugriff auf ihre persönlichen Daten nicht nur ihren persönlich bekannten Freunden, sondern wiederum auch deren in der Community aktiven Freunden usw. gestatten. Unterschiedliche Disziplinen wie Psychologie, Soziologie, Evolutionsbiologie und Ökonomie versuchen derzeit noch zu ergründen, weshalb die „Digital Natives“ bereit sind, ungemein viel von sich preiszugeben.61 Eine mögliche Erklärung liegt darin, dass die Aktivitäten in Netzwerken erst dann eine emotionale Qualität erhalten, wenn die Akteure einen gewissen „Exhibitionismus“ zeigen und sich den anderen öffnen. Dies bringt auch eine gewisse Art der Selbstdarstellung und -inszenierung mit sich. Eine weitere geht in die Richtung, dass die heutige jüngere Generation in einer „Talkshow-Kultur“ der privaten TV-Sender groß geworden ist, in der es nahezu selbstverständlich erscheint, in aller Öffentlichkeit Familienkonflikte auszutragen, Gefühle zu gestehen oder sich über bestimmte Problemstellungen zu äußern.62

58 59 60 61

Vgl.: de Witt, C. (2000), S. 1–12. Vgl.: Ferchhoff, W. (2007), S. 371. Vgl.: Palfrey, J./Gasser, U. (2008), S. 6–7; 27–28; 36. Vgl.: Palfrey, J./Gasser, U. (2008), S. 6–7; 27–28; 36; Livingstone, S./Bober, M. (2004), S. 1–7; Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (mpfs) (2009), S. 48–49. 62 Vgl.: Trendbüro/Steinle, A./Wippermann, P. (2003), S. 130–131.

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Nichtsdestotrotz berichten Jugendliche und junge Erwachsene auch von bereits gemachten negativen Erfahrungen, die ein vorsichtigeres Verhalten nach sich ziehen bzw. sind sich bewusst, dass beispielsweise die Kontaktaufnahme durch das Internet durchaus erhebliche Gefahren birgt.63 Die Frage nach möglichen Gefahren und Risiken, die mit der vermehrten Nutzung neuer Medien und hier inbesondere des Internet einher gehen, gewinnt an Relevanz, wenn man eine Untersuchung des Insituts für Demoskopie Allensbach heranzieht, wonach 89 % der Befragten Fernsehen, DVD und Videos, gefolgt von Internet, Computer und Handy mit 85 % der Nennungen für die entscheidende Sozialisationsinstanzen der Gegenwart halten. Erst dann werden die Eltern mit 75 % als Einflussgrößen aufgeführt, Lehrer und Erzieher rangieren mit 47 % bzw. 41 % eher auf den hinteren Plätzen.64 3.1.7 Bevorzugte Aktivitäten in der Nutzung neuer Medien Einen Anhaltspunkt dahingehend, inwieweit die Jugendlichen die neuen Medien in ihre üblichen jugendrelevanten Prozesse einbeziehen, liefern Daten zu den bevorzugten Aktivitäten, die sie mit diesen verfolgen. Dabei berichten zahlreiche Studien übereinstimmend, dass Kommunikation und Information im Mittelpunkt der Nutzung neuer Medien durch Jugendliche stehen.65 Was den Bereich Kommunikation anbelangt, so überrascht dies kaum, denn der Austausch mit „Peers“ nimmt gerade in der Jugendphase eine immense Bedeutung zur Ablösung von der Herkunftsfamilie ein und lässt sich durch neue Medien noch deutlich intensiver betreiben als in der Vergangenheit: „Die permanente Erreichbarkeit in Verbindung mit der Gewissheit, keine Mitteilung oder ‚Botschaft’ zu verpassen, übt auf Jugendliche einen besonderen Reiz aus.“66 Gleichaltrigenkulturen im Internet entwickeln sich mit zunehmendem Alter der Kinder. Zu diesem Zeitpunkt wird das Online-Sein

63 Vgl.: Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (mpfs) (2009), S. 48–49; Livingstone, S./Bober, M. (2004), S. 1–7. 64 Vgl.: Institut für Demoskopie Allensbach (2007), S. 8. Für die Studie wurden insgesamt 1824 Personen ab 16 Jahren befragt. 65 Vgl.: Statistisches Bundesamt (2008), S. 368–369; SevenOne Media GmbH (2005a), S. 25; Bauer Media KG (2005); Verlagsgruppe Bauer/Axel Springer (2008), S. 25; ARD/ZDF (2009c). Nach der ARD-ZDF-Online-Studie dominieren Kommunikation und Information die Internetnutzung in allen Altersgruppen. 66 Opaschowski, H. W. (2008), S. 239.

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gleichermaßen zum „Muss“, um Freundschaften zu pflegen.67 Etwa die Hälfte der Zeit, die Jugendliche und junge Erwachsene mit dem Internet verbringen, entfällt auf den Bereich Kommunikation und hier insbesondere auf InstantMessenger-Dienste, Online-Communities und E-Mails.68 Dabei räumt die jüngere Generation nicht zwangsläufig einer bestimmten Art der Kommunikation – d. h. face-to-face versus elektronisch – eine grundsätzliche Priorität ein, sondern nutzt sie je nach ihren aktuellen Bedürfnissen.69 Dies steht auch im Zusammenhang mit der zunehmenden Mobilität der Jugendlichen und jungen Erwachsenen: „Wer immer unterwegs ist, ist froh, wenigstens eine Bleibe im Netz zu haben und zu wissen: Wo auch immer ich mich aufhalte, hier treffe ich immer jemanden.“70 Und so fallen auch Trennungen, z. B. aufgrund eines Auslandsaufenthaltes während des Studiums, etwas leichter, da das Gefühl entsteht, sich nicht ganz „aus den Augen zu verlieren“.71 Dass die Kommunikation mittels neuer Medien generell nicht zu einer Anonymisierung des Kontaktes gerade von „Peers“ untereinander führt, machen auch Untersuchungen deutlich, wonach der überwiegende Teil der virtuellen Kommunikation mit Freunden aus der Umgebung stattfindet.72 Zur Nutzung des Internet als Informationsmedium gibt es ebenfalls zahlreiche wissenschaftliche Erkenntnisse. Auch hier ist die Affinität für die neuen Medien eng mit jugendtypischen Verhaltensweisen verbunden: „Computer und Internet sind für die Jugendlichen nicht nur die zentralen Informationsmedien, sie bieten Jugendlichen auch Zugang zu einer Welt unbegrenzter Möglichkeiten. Hier gehen sie auf Entdeckungsreise und befriedigen ihre Neugier.“73 Neues aus der Welt der Mode, des Sports oder über „Stars und Sternchen“, aber auch Hilfestellung zur Lösung persönlicher Probleme stehen im Mittelpunkt der Internetnutzung. Viele Jugendliche und junge Erwachsene suchen online allerdings auch nach Informationen für Schule und Studium, zu beruflichen Perspektiven oder Weiterbildungsangeboten sowie über das aktuelle Zeitgeschehen. Für etwa die Hälfte der für sie interessanten Themen ist das Internet für die Jugendlichen Informationsmedium Nummer eins, allerdings be67 68 69 70 71 72 73

Vgl.: DJI (2010b). Vgl.: Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (mpfs) (2009), S. 33–44. Vgl.: Livingstone, S./Bober, M. (2004), S. 1–7. Trendbüro/Steinle, A./Wippermann, P. (2003), S. 124. Vgl.: Trendbüro/Steinle, A./Wippermann, P. (2003), S. 129. Vgl.: Livingstone, S./Bober, M. (2004), S. 1–7. Trendbüro/Steinle, A./Wippermann, P. (2003), S. 120.

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sitzen auch Zeitungen und Zeitschriften eine hohe Relevanz – abhängig vom Themenbereich. Das heißt den Jugendlichen ist durchaus bewusst, dass auch andere Medien als das Internet eine hohe Informationskompetenz besitzen.74 Allerdings lässt sich nicht von der Hand weisen, dass das Gefühl, durch eine entsprechende Medienkompetenz die eigene Autonomie zu steigern, über das Internet am intensivsten vermittelt wird.75 Weitere typische Nutzungsgründe der jüngeren Generation in Bezug auf das Internet sind Online-Spiele, der Download von Musik- oder Videodateien sowie der Online-Einkauf.76 Ähnlich wie auch bei anderen Medien erhoffen sich die Jugendlichen durch die Nutzung des Internet Spaß, Vertreiben der Langeweile, Erlebnis und Entspannung.77 Dabei wird etwa ab dem Alter von 14 Jahren der Computer als Bezugspunkt für unterschiedliche mediale Angebote (z. B. Musik, Filme etc.) immer wichtiger und wird von ihnen auch stärker multifunktional genutzt als von den Jüngeren, um „ihre Präferenzen breiter in ihrem Alltag zu verankern, ihre bevorzugte Musik, Filme, Fernsehsendungen oder Spiele auf verschiedene Weise zu erleben und ihr präferenzbezogenes Wissen auszubauen.“78 Deutlich wird dabei in neueren Studien, dass die Ansprüche an die zeitsouveräne Verfügbarkeit medialer Angebote vor allem für die jüngere und die mittlere Generation von zunehmender Bedeutung ist.79 Dies erklärt auch, weshalb Jugendliche und junge Erwachsene mobile Geräte zur Mediennutzung immer stärker bevorzugen. So überholt das Handy als Medium zur Kontaktaufnahme, Internetnutzung, Terminvereinbarung etc. aufgrund immer weiter zunehmender Funktionalitäten allmählich den Computer.80 Handys dienen auch noch stärker als Computer der sozialen Identifikation und der Selbstdarstellung – nicht zuletzt dadurch, dass sie stets präsent sind. Es wird prognostiziert, dass die neuen Technologien künftig noch stärker als 74 Vgl.: Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (mpfs) (2009), S. 11–13; 33–44; Livingstone, S./Bober, M. (2004), S. 1–7. 75 Vgl.: Trendbüro/Steinle, A./Wippermann, P. (2003), S. 121. 76 Vgl.: Livingstone, S./Bober, M. (2004), S. 1–7; Statistisches Bundesamt (2008), S. 368–369; SevenOne Media GmbH (2005a), S. 25; Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (mpfs) (2009), S. 51. Nach der Studie des mpfs kauft mehr als die Hälfte der teilnehmenden 12- bis 19-Jährigen regelmäßig für sich oder andere im Internet ein. 77 Vgl.: DJI (2010b). 78 Schorb, B./Keilhauer, J./Würfel, M./Kießling, M. (2008), S. 34. 79 Vgl.: Oehmichen, E. (2004), S. 145. 80 Vgl.: Schulmeister, R. (2008), S. 16.

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bisher dazu genutzt werden, der Komplexität des Alltags Herr zu werden und ihm Struktur zu geben, z. B. zur Organisation von Kontakten, zur Erinnerung an Termine oder zur Pflege des persönlichen Netzwerks.81 Divergierend sind die Aussagen zur Nutzung von Web 2.0 Anwendungen durch Jugendliche und junge Erwachsene. So spricht die VerbraucherAnalyse Jugend 2009 von einer intensiven Nutzung zum Ausdruck der eigenen Kreativität,82 und auch die ARD-ZDF-Online-Studie weist auf hohe Nutzerquoten für Wikipedia, Videoportale und private Netzwerke bei den 14- bis 19-Jährigen sowie 20- bis 29-Jährigen mit einer deutlichen Verstärkung bei der jüngsten Altersgruppe zwischen 2007 und 2009 hin.83 Der Medienpädagogische Forschungsverbund Südwest (mpfs) hingegen beobachtet ein eher verhaltenes Interesse am aktiven „Mitmachen“ im Internet84 – ein Ergebnis, das von einer weiteren Befragung gestützt wird, wonach lediglich 10 % der Befragten an einer Nutzung interessiert, weitere 15 % etwas interessiert sind. Dabei zeigen sich keine signifikanten Unterschiede zwischen älteren und jüngeren Nutzern.85 3.1.8 Technik-Affinität der jüngeren Generation Es zeigt sich, dass Jugendliche und junge Erwachsene die digitalen Technologien zwar in hohem Maße nutzen, von einer ausgeprägten Technik-Affinität allerdings dennoch nicht per se gesprochen werden kann. Zwar zeigen sie durchaus mehr Interesse an modernen Technologien als die älteren Generationen,86 sie interessieren sich allerdings weniger für die zugrunde liegenden technischen Zusammenhänge oder sind gar mehrheitlich Experten auf dem Gebiet der Hardware oder Programmierung.87 Bezeichnend ist in diesem Zusammenhang, dass Oberstufenschüler bei der Frage nach den Kompetenzen,

81 82 83 84 85 86

Vgl.: Trendbüro/Steinle, A./Wippermann, P. (2003), S. 121; 139–140. Vgl.: Verlagsgruppe Bauer/Axel Springer (2008), S. 25. Vgl.: ARD/ZDF (2009d). Vgl.: Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (mpfs) (2009), S. 33–44. Vgl.: Fisch, M./Gscheidle, C. (2006), S. 435. Vgl.: Glas, I. (2009), S. 28. Die aktuelle Ausgabe 2009 der Verbraucheranalyse (VA) Klassik bezieht sich auf die deutschsprachige Bevölkerung ab 14 Jahren mit mehr als 30.000 Fällen. 87 Vgl.: Schulmeister, R. (2008), S. 17–18.

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die für sie im Beruf im Jahr 2020 voraussichtlich am wichtigsten sein werden, IT-Kompetenz nur auf Rang fünf sehen.88 Hinzu kommt, dass viele Kinder und Jugendliche das Internet nur sehr eingeschränkt nutzen, indem sie kaum mehr als eine Handvoll unterschiedlicher Websites besuchen. Nicht selten sind sie nicht in der Lage, Dateien herunterzuladen oder Inhalte zu bearbeiten. Sie nutzen die Websites eher als Quelle von Unterhaltung und Information, z. B. durch die Rezeption auditiver und audio-visueller Inhalte, sowie zur Kommunikation denn als Möglichkeit, sich z. B. in Foren kritisch zu äußern oder aktiv zu beteiligen. Dort, wo sie aktiv gestalten, tun sie dies überwiegend im sozial-kommunikativen Bereich, z. B. durch das Bearbeiten und Einstellen von Bildern in soziale Netzwerke.89 Auch das Potenzial an technischen Möglichkeiten, die Handys inzwischen bieten, wird von Jugendlichen nur partiell genutzt. Im Mittelpunkt der Nutzung stehen wiederum die Rezeption von Inhalten sowie soziale und kommunikative Aspekte.90 Während vielfach unter Kompetenzen in Bezug auf die neuen Medien nur Zugang zu Datenquellen und Handhabung von Programmen verstanden wird, umfasst ein erweitertes Verständnis auch interpretierende und bewertende Aspekte, vor allem in Bezug auf Inhalte, die aus dem Internet bezogen werden (in Anlehnung an die Definition der Medienkompetenz des Educational Testing Service ETS aus den USA, die in „Access“, „Manage“, „Integrate“, „Evaluate“ und „Create“ differenziert).91 Gerade bei den beiden letzten Kategorien weisen Jugendlichen und junge Erwachsene vielfach Defizite auf, wie unterschiedliche Studien aus dem In- und Ausland zeigen.92

88 Vgl.: Sierke, B. R. A./Albe, F. (2010), S. 38. 89 Vgl.: Livingstone, S./Bober, M. (2004), S. 1–7; Schorb, B./Keilhauer, J./Würfel, M./Kießling, M. (2008), S. 15–17. 90 Vgl.: Schorb, B./Keilhauer, J./Würfel, M./Kießling, M. (2008), S. 23; 54; Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (mpfs) (2008); Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (mfps) (2009). 91 Vgl.: Educational Testing Service (2002). 92 Vgl.: UCL (2008), S. 8; 23; Palfrey, J./Gasser, U. (2008), S. 7; Livingstone, S./Bober, M. (2004), S. 1– 7.

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3.2 Soziale und überfachliche Fähigkeiten Zum Profil der Employability gehören neben der Medienkompetenz und den fachlichen Kompetenzen, die für das jeweilige Berufsbild, in dem der Einzelne tätig wird oder werden möchte, relevant sind, auch soziale und überfachliche Fähigkeiten. Auf zwei der wichtigsten – die Team- und Kommunikationsfähigkeit sowie die Leistungs- und Zielorientierung – soll im Folgenden näher eingegangen werden. 3.2.1 Team- und Kommunikationsfähigkeit Vertreter der jüngeren Generation sind es gewohnt, sich bereits sehr früh in Gruppen zu bewegen, wie z. B. in so genannten „Krabbelgruppen“, PeKiPKursen oder Schwimmkursen bereits ab dem Säuglingsalter sowie bedingt durch den immer jüngeren Eintritt in Kindergärten oder Kindertagesstätten infolge der zunehmenden Erwerbstätigkeit von Müttern. Auch in Schule und Ausbildung werden Team- und Projektarbeiten immer stärker gefördert, sodass bereits in jungen Jahren die Selbstverständlichkeit der Teamarbeit erlebt wird.93 Hinzu kommt, dass die neuen Medien, die Jugendliche und junge Erwachsene – wie gesehen – sehr intensiv nutzen, eine starke Vernetzung fördern, indem Kommunikation nahezu von jedem Ort und zu jeder Zeit zu mehr als einer Person möglich wird. In der Folge verbringt die jüngere Generation sowohl real als auch virtuell viel Zeit in Gruppen und übt dadurch sowohl bestimmte Gruppenregeln als auch Loyalität ein.94 Auch wenn es auf den ersten Blick paradox erscheinen mag, weist vieles darauf hin, dass gerade die größere Selbstständigkeit und Autonomie, durch die sich die jüngere Generation auszeichnet, ein hohes Maß an Teamfähigkeit erfordert und auch einen ausgeprägten Wunsch nach Teamwork nach sich zieht.95 Denn zur Orientierung in einer Welt, in der die Wahlmöglichkeiten ständig ansteigen, Beziehungen in Familie und Arbeitswelt vielfach brüchig sind und die Veränderungsgeschwindigkeit zunimmt, ist Vernetzung unerlässlich, um sich Rat und Rückversicherung zu holen. Gemäß der Spiel-

93 Vgl.: Laick, S. (2009). S. 21; Oblinger, D./Oblinger, J. L. (2005); Trendbüro/Steinle, A./Wippermann, P. (2003), S. 48. 94 Vgl.: Meyers, R. A. (2009), S. 208–209. 95 Vgl.: Weyermann, E. (2003), S. 2–3; Zukunftsinstitut (2008); SPReW (2006), S. 16.

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theorie ist gerade dann, wenn Menschen immer wieder – sei es real oder virtuell – aufeinander treffen, eigennütziges Verhalten zu Lasten anderer nicht Erfolg versprechend. Gerade in der Netzwerkkultur wird der Einzelne daher immer wieder mit den Konsequenzen seines eigenen Handelns konfrontiert: „In einer vernetzten Welt, wo das Ergebnis meines Handelns von anderen abhängt, macht Egoismus schlichtweg keinen Sinn.“96 Eine hohe Teamorientierung bedingt unweigerlich auch eine ausgeprägte Kommunikationsfähigkeit. In der bereits angesprochenen Befragung von Oberstufenschülern wird diese auch als die Kompetenz eingestuft, die 2020 im Beruf für sie am wichtigsten sein wird.97 Der Umstand, dass Kommunikation gerade über neue Medien eine zentrale Rolle im Leben von Jugendlichen und jungen Erwachsenen einnimmt, sagt viel über ihre Kommunikationsbereitschaft, allerdings nicht zwangsläufig über bestimmte Aspekte der Kommunikationsfähigkeit aus. So wird nicht selten bemängelt, dass es der jüngeren Generation an tradierten Umgangsformen der Kommunikation, wie z. B. die Verwendung von Gruß- und Schlussformeln auch in E-Mails, mangelt. Generell ist zu bemerken, dass die Kommunikation der jüngeren Generation deutlich offener als bei den Älteren verläuft. Die Vertreter dieser Generation gehen davon aus, dass ihr Netzwerk alle Fragen beantwortet. Es ist ihnen daher nicht peinlich zu fragen, gleichzeitig teilen sie freigiebig Erfahrungen und Inhalte. Ältere Menschen haben oft noch gelernt, dass man das, was man weiß, für sich behält, um daraus einen Wettbewerbsvorteil zu ziehen.98 Darüber hinaus ändert sich die Form der Kommunikation: Anstatt über den Flur zu einem Kollegen zu laufen, schreiben Angehörige der jüngeren Generation eher E-Mails. Anstatt an der Tür zu klingeln, wenn ein Freund abgeholt wird, erhält dieser eine kurze SMS. Mit einem Anruf muss man heute nicht mehr warten, bis man zuhause ist, sondern kann ihn mobil tätigen, eine Antwort auf eine Nachricht dauert heute nicht mehr den Postweg, sondern erfolgt im Chat unmittelbar.99 Nicht selten fällt es Vertretern der jüngeren Generation auch schwer, genau zuzuhören, da sie sich vielen Reizen gleichzeitig aussetzen. Da die jüngeren

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Trendbüro/Steinle, A./Wippermann, P. (2003), S. 46. Vgl.: Sierke, B. R. A./Albe, F. (2010), S. 38. Vgl.: HRM (2010). Vgl.: McCrindle, M./Wolfinger, E. (2009), S. 156; ZEIT Online (2010).

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Generationen mit einem Informationsüberfluss aufgewachsen sind, haben sie sich Strategien der Selektion angeeignet, die unter Umständen zu Konflikten am Arbeitsplatz mit Angehörigen der älteren Generationen führen können. Denn es ist durchaus möglich, dass die Angehörigen der jüngeren Generationen den Eindruck hinterlassen, alles mitbekommen zu haben, was letztlich nicht der Fall ist und die Älteren verärgert. Dies führt gerade in altersheterogenen Teamstrukturen nicht selten zu Konflikten und erfordert entsprechendes Entgegenkommen auf allen Seiten. Empfehlenswert erscheinen hier proaktive Strategien der Führungskräfte, wie z. B. die Einführung von Bestätigungs-EMails im Anschluss an Anweisungen oder aber die Nutzung elektronischer Medien zur Erinnerung an Termine oder wichtige Aufgaben. Auch das regelmäßige Feedback kann im Rahmen eines Projektes mit einer Erinnerung an die folgenden Projektschritte verbunden werden.100 Die jüngeren Generationen treten zu einer Zeit in den Arbeitsmarkt ein, in der die Heterogenität in Teams unweigerlich ansteigt. Alternde Belegschaften, die Ausweitung der Erwerbstätigkeit von Frauen sowie globale Arbeitsmärkte bedingen eine neue Vielfalt in der Arbeitswelt. An diese Vielfalt müssen sich die jüngeren Generationen nicht im gleichen Maße gewöhnen wie die Älteren, da sie in einer deutlich heterogeneren Gesellschaft sozialisiert wurden. Eine der Chancen einer heterogenen Belegschaft liegt in dem Potenzial einer höheren Teamorientierung und Flexibilität.101 3.2.2 Leistungs- und Zielorientierung Altersunabhängig bekennen sich die meisten Deutschen zu Leistung als einem Wert, wie eine bundesweite Umfrage aus dem Jahr 2006 zeigt, bei der 72 % Leistung und Ehrgeiz als wichtig bezeichnen.102 Für die jüngere Generation spricht Opaschowski gar von einer „Leistungsexplosion“.103 Während die Werte der Jugendlichen bis in die 1990er Jahre hinein überwiegend von Selbstverwirklichung und Engagement und eher weniger von leistungs- und zielorientierten Werten geprägt waren, ist seit Mitte der 1990er

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Vgl.: Meyers, R. A. (2009), S. 213–216. Vgl.: Meyers, R. A. (2009), S. 215–216. Vgl.: Meier, B./Schröder, C. (2007), S. 97. Vgl.: Opaschowski, H. W. (2008), S. 626.

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Jahre wieder eine stärkere Betonung von Werten wie Leistung und Sicherheit sowie Tugenden wie Fleiß und Ehrgeiz zu beobachten.104 Opaschowski führt die Abschwächung des Selbstentfaltungstrends in Westdeutschland nicht zuletzt auf die Wiedervereinigung zurück, die überwiegend konservative Werte aus dem Osten mit sich brachte. So stießen bei einer Umfrage im Jahr 2001 Pflicht- und Akzeptanzwerte (wie z. B. Fleiß, Pflichterfüllung, Gehorsam und Disziplin) auf eine deutlich größere Resonanz als 1989, während im Vergleich die Selbstentfaltungswerte an Bedeutung einbüßten.105 Das bestätigt die ShellJugendstudie 2006, wonach die so genannten Sekundärtugenden Fleiß und Ehrgeiz in der Werteskala der Jugendlichen im Jahr 2006 erneut eine Bestärkung erfahren haben.106 Auch 75 % der befragten 18- bis 29-Jährigen im Rahmen der Verbraucheranalyse halten sich selbst für pflichtbewusst und diszipliniert. Hierzu gilt allerdings anzumerken, dass bei den älteren Befragten die Zustimmungswerte noch deutlich höher ausfallen. Was die Orientierung an den eigenen Plänen und Zielen anbelangt, zeigt sich die jüngere Generation durchaus auch sehr ehrgeizig. So bejahen in der gleichen Umfrage 81 % der 18- bis 29-Jährigen die Aussage „Ich habe ehrgeizige Pläne und Ziele, will weiterkommen“, verglichen mit 67 % der 30- bis 49-Jährigen und 41 % der 50- bis 69-Jährigen.107 Der Leistungsbegriff wird zunehmend weiter definiert als rein über den Beruf. Durch die Relativierung der Arbeit als „Lebenssinn“ im Vergleich zu Lebensgenuss und der Wertschätzung von Familie und Freundeskreis bezieht sich Leistung immer stärker auf das gesamte Leben, in dem es darum geht, etwas „Produktives“ zu leisten, seine Pflicht zu erfüllen und Erfolg zu haben. Gerade für die Jüngeren gehören auch kreative Leistungen unbedingt zur Leistungskultur. Daneben verstehen sie unter Leistung auch „sich Freiheiten leisten zu können“.108 Und so geht die beschriebene „Renaissance der alten Werte“ mit einer Synthese mit Werten, die den heutigen Rahmenbedingungen entsprechen, einher. Denn die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts erfordern durchaus auch Anpassungen, die über „althergebrachte“ Werte hinausgehen bzw. eine solche Synthese verlangen. Zwar sprechen sich die

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Vgl.: Hurrelmann, K./Albert, M./Quenzel, G./Langness, A. (2006), S. 39–40. Opaschowski, H. W. (2008), S. 591. Vgl.: Shell Deutschland Holding GmbH (2006), S. 24. Vgl.: Glas, I. (2009), S. 19; 21. Vgl.: Opaschowski, H. W. (2008), S. 627–629; Meier, B./Schröder, C. (2007), S. 100.

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18- bis 29-Jährigen bei der Frage, ob sie Leistung oder Lebensgenuss den Vorzug geben, sehr deutlich – deutlicher als noch in den vergangenen zehn Jahren – für die Leistungsorientierung aus,109 allerdings stellen für die jüngere Generation Leistung und Lebensgenuss keine Gegensätze mehr dar: „Die junge Generation will in einer ausgeglichenen Balance zwischen Leistungs-, Genuss- und Sozialorientierung leben. Sie will im Leben etwas leisten und natürlich auch das Leben genießen.“110 Das heißt Jugendliche und junge Erwachsene zeigen sich vor allem dann leistungsorientiert, wenn dadurch Lebensfreude und -genuss nicht zu stark beeinträchtigt werden.111 „So ehrgeizig und karriereorientiert die junge Generation auch sein mag, wichtiger als ein hoher Lebensstandard und beruflicher Erfolg ist es für sie, ein gutes Familienleben zu führen, die Anerkennung durch Freunde zu genießen sowie in einer vertrauensvollen Partnerschaft zu leben. […] Die herkömmlichen, ‚bürgerlichen’ Wertorientierungen werden von den Jugendlichen jedoch mit den modernen Selbstentfaltungswerten zu einem individuellen ‚Wertecocktail’ vermischt. Werte werden vor allem danach beurteilt, ob sie für das eigene Leben nützlich und sinnvoll sind.“112 Leistung und Kreativität schließen sich ebenso wenig aus wie ein sicheres Lebensumfeld einen kreativen und genussvollen Lebensstil.113 Gerade der Umstand, dass sich Lebens- und Berufswelten immer komplexer darstellen und einem beständigen Wandel unterliegen, lässt im Streben nach Hoffnung, Sicherheit und Harmonie traditionelle Werte wie Pflichtgefühl und Disziplin an Bedeutung zunehmen. Die höhere Autonomie, die die jüngere Generation lebt, erfordert auch ein hohes Maß an Disziplin, um nicht die Orientierung zu verlieren.114 „Die Jugendlichen, die in der Grenzenlosigkeit unserer heutigen Gesellschaft aufwachsen, suchen nach Strukturen, um mit der Freiheit umgehen zu können.“115 Deshalb ist auch der Wunsch nach ver-

109 Bei Repräsentivbefragungen von jeweils 2000 Personen im Alter von 18–29 Jahren entschieden sich 1996 noch 37 % für Leistung und 31 % für Lebensgenuss, 2000 waren es 42 % bzw. 26 %, und 2007 stieg der Wert für die Leistungsorientierung auf 56 % an, während für den ausschließlichen Lebensgenuss nur noch 10 % votierten. Vgl.: Opaschowski, H. W. (2008), S. 626. 110 Opaschowski, H. W. (2008), S. 591. 111 Vgl.: Opaschowski, H. W. (2008), S. 627–629. 112 Albert, M./Hurrelmann, K./Langness, A./Quenzel, G. (2006), S. 445. 113 Vgl.: Gensicke, T. (2006), S. 175–176. 114 Vgl.: Gensicke, T. (2006), S. 175–176. 115 Trendbüro/Steinle, A./Wippermann, P. (2003), S. 18.

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lässlichen Regelungen bei den Jugendlichen und jungen Erwachsenen stark ausgeprägt.116 Hinzu kommt ein weiterer Faktor. Vieles spricht dafür, dass sich das ausgeprägte Pflichtgefühl der jüngeren Generation weniger auf die Erfüllung von Verpflichtungen anderen gegenüber bezieht, wie dies bei Vorgängergenerationen der Fall war. Die Jugendlichen und jungen Erwachsenen fühlen sich eher ihrem persönlichen Erfolg verpflichtet. Dies verwundert kaum, denn die Angehörigen der jüngeren Generation stehen unter einem höheren Leistungsdruck als die Vorgängergenerationen, der teils bereits für Kinder als Problem identifiziert wird.117 Bereits im jungen Alter wird vermittelt, dass in einer Leistungsgesellschaft Fleiß und Ehrgeiz unerlässlich sind, um seine Ziele zu erreichen.118 Ebenso ist der jüngeren Generation bewusst, dass sie in der Regel über eine „komfortablere“ Ausgangsposition in Bezug auf gesellschaftliche und politische Rahmenbedingungen sowie schulische und berufliche Perspektiven verfügt als noch die Eltern und Großeltern. Dies geht unweigerlich mit dem Druck und dem Pflichtgefühl einher, das Beste aus der Vielfalt an vorhandenen Chancen zu machen. Und so beobachtet man nicht selten die Tendenz, alle Optionen auszuschöpfen, auch wenn die Karriereorientierung nicht besonders ausgeprägt ist – „für alle Fälle“ möchte man den höchst möglichen Abschluss in der Tasche haben, um für die Eventualitäten des Lebens bestens gerüstet zu sein.119 Es ist in der Folge davon auszugehen, dass Jugendliche und junge Erwachsene durchaus realistisch einschätzen, dass sie sich auch am Arbeitsmarkt in gewisser Weise individualistisch und leistungsorientiert verhalten müssen, um konkurrenzfähig zu bleiben.120 Bei einer Befragung von Oberstufenschülern nach ihren Vorstellungen von einem künftigen Arbeitsplatz gehen mehr als die Hälfte der Befragten davon aus, während ihres Arbeitsalltags mehrere Sprachen zu sprechen bzw. weltweite Aktivitäten zu haben. Viel Freizeit zu haben, rangiert bei den Erwartungen und

116 Vgl.: Trendbüro/Steinle, A./Wippermann, P. (2003), S. 50–51; 62. 117 Vgl.: Institut für Demoskopie Allensbach (2007), S. 1–2; 7. 118 In einer Repräsentativbefragung von 2000 Personen ab 14 Jahren aus dem Jahr 2008 geben 43 % der Befragten an, dass der Begriff „Leistungsgesellschaft“ die gesellschaftliche Entwicklung bzw. derzeitige Situation am treffendsten beschreibt. Vgl.: Opaschowski, H. W. (2008), S. 624. 119 Vgl.: Sierke, B. R. A./Albe, F. (2010), S. 35; Trendbüro/Steinle, A./Wippermann, P. (2003), S. 50–51. 120 Vgl.: Parment, A. (2009), S. 67–69; Oblinger, D./Oblinger, J. L. (2005).

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Wünschen für das Berufsleben im Jahr 2020 auf einem der hintersten Plätze.121 Im Kontrast dazu steht eine Umfrage des Soziologen Heinz Bude unter Berufsschullehrern aus dem Jahr 2006, in denen diese berichteten, ihrer Einschätzung nach seien etwa 15 % ihrer Schüler „ausbildungsmüde“, d. h. diesen jungen Menschen fehle es an Leistungsmotivation. In der Folge prallen gut gemeinte Angebote an ihnen ab, sie sehen keinen Sinn darin, sich um einen erfolgreichen Ausbildungsabschluss zu bemühen. Als mögliche Ursache ist zum einen die offenbar verbreitete Überzeugung anzusehen, auch ohne festes Einkommen durchaus einen passablen Lebensstil über soziale Unterstützung bestreiten zu können. Zum anderen wird es immer schwieriger für den Einzelnen, den Zusammenhang zwischen Leistung und Erfolg nachzuvollziehen. Dies gilt insbesondere in niedrigen qualifikatorischen Bereichen, in denen eine erfolgreich abgeschlossene Ausbildung nicht selten kein Garant für eine Übernahme in ein Arbeitsverhältnis ist oder aber ein Einkommen mit sich bringt, das kaum über dem Sozialhilfesatz liegt.122 Zusammenfassend ist zu konstatieren, dass die Jugendlichen und jungen Erwachsenen in ihrer Zukunftssicht sehr sensibel auf Veränderungen in der Gesellschaft reagieren und einen hohen Realismus und Pragmatismus aufweisen, dass sie sich jedoch durchaus bewusst sind, ihr Schicksal überwiegend in den eigenen Händen zu halten und in der Folge ihre persönliche Zukunft mit entsprechendem Engagement positiver gestalten zu können.123

3.3 Einstellung, Haltung und Mentalität Neben den fachlichen, sozialen und überfachlichen Kompetenzen spielen auch Einstellung, Haltung und Mentalität eine große Rolle bei der Herausbildung von Verhaltens- und Denkweisen im beruflichen und privaten Kontext. Genauer beleuchtet werden im Folgenden die Aspekte Selbstvertrauen, Eigenverantwortung und Eigeninitiative, Veränderungsbereitschaft, Engage-

121 Vgl.: Sierke, B. R. A./Albe, F. (2010), S. 35. 122 Vgl.: Deutschlandradio (2006). 123 Vgl.: Langness, A./Leven, I./Hurrelmann, K. (2006), S. 100–102; Willert, M./Picot, S. (2008), S. 93– 95; Trendbüro/Steinle, A./Wippermann, P. (2003), S. 27.

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ment, Belastbarkeit, Lernbereitschaft und -fähigkeit sowie Gesundheitsbewusstsein und -verhalten. 3.3.1 Selbstvertrauen In zahlreichen US-Quellen wird die jüngere Generation sehr selbstbewusst bzw. selbstbezogen, fast narzisstisch im Sinne einer „Generation Me“124, die überwiegend den eigenen Vorteil sieht, dargestellt. Deutsche Quellen relativieren dieses Bild, und auch eine US-amerikanischen Langzeitstudie, an der insgesamt nahezu 450.000 „High School Seniors“, also Schüler im Alter zwischen ca. 14 und 18 Jahren, teilnahmen, konnte keine nennenswerten generationalen Unterschiede in Bezug auf Charakteristika wie Egoismus und Selbstvertrauen feststellen.125 Ebenso in der Verbraucheranalyse, in der die prozentualen Anteile derer, die sich selbst als selbstsicher bezeichnen, über alle betrachteten Generationen hinweg nahezu identisch zwischen 83 % und 85 % liegen.126 Fest steht, dass die heutigen Kinder und Jugendlichen bzw. jungen Erwachsenen sehr viel stärker dazu erzogen wurden und werden, ihre Werte und Meinungen zu vertreten als die Generationen vor ihnen. Ihre Freiräume und Mitspracherechte, z. B. in Bezug auf Familienentscheidungen, wachsen stetig.127 So geben im Generationen-Barometer 2009 immerhin 43 % der 16- bis 29-Jährigen an, dass sie als Kind vieles mit entscheiden durften (verglichen mit 28 % der 30- bis 44-Jährigen, 26 % der 45- bis 59-Jährigen und 15 % der über 60-Jährigen) und ihre Interessen stark gefördert wurden.128 In der Folge weisen sie eine hohe Bereitschaft auf und sehen es als selbstverständlich an, auch im Arbeitskontext ihre eigenen Meinungen und Wünsche kundzutun und auf eventuelle Ungereimtheiten oder Missstände hinzuweisen.129 Auch die Interaktivität, die kennzeichnend für die jüngere Generation ist, wird von einigen Experten als Auslöser für ein verstärktes Selbstbewusstsein angesehen.130

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Vgl.: u. a.: Twenge, J. M. (2006). Vgl.: Trzesniewski, K. H./Donnellan, M. B. (2009). Vgl.: Glas, I. (2009), S. 17. Vgl.: Lancaster, L. C./Stillman, D. (2002), S. 31; FOCUS Medialine (2009). Vgl.: Köchel, R. (2009), S. 9. Vgl.: Parment, A. (2009), S. 103. Vgl.: de Witt, C. (2000), S. 1–12; Schulmeister, R. (2008), S. 10; Tapscott, D. (1998).

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Fest steht ebenfalls, dass sich unter den Angehörigen der jüngeren Generation deutlich mehr Kinder finden, die in vergleichsweise komfortablen finanziellen und gesellschaftlichen Verhältnissen aufgewachsen sind als in den Vorgängergenerationen und sehr viel mehr Aufmerksamkeit und liebevolle Fürsorge erfahren haben als diese.131 „Die Generation Y ist in einer ‚kinderzentrierten’ Gesellschaft groß geworden, wie es sie wohl bisher so nicht gegeben hat. Wahrscheinlich weil sie so viel Beachtung und auch hohe Erwartungen ihrer Eltern erfahren, zeigen diese jungen Menschen ein hohes Maß an Selbstbewusstsein bis hin zu Anflügen von Überheblichkeit.“132 Hinzu kommt die Tatsache, dass Unternehmen bedingt durch den demografischen Wandel immer stärker gerade an Schulen und Hochschulen um den qualifizierten Nachwuchs werben – auch dies macht die besser qualifizierten Jugendlichen und jungen Erwachsenen selbstbewusster, informierter und auch anspruchsvoller einem Arbeitgeber gegenüber.133 Parment betont, dass die häufige Verwendung der „Ich“-Formulierung von Angehörigen der jüngeren Generation – im Vergleich zu den vorzugsweise genutzten „Wir“-Sätzen der älteren Generationen – nicht zwangsläufig ein Zeichen von Egozentrik sein muss.134 Vielmehr wird die höhere Autonomie der jüngeren Generation im Vergleich zu den Vorgängergenerationen – auf die im folgenden Kapitel eingegangen werden soll – nicht selten mit Egoismus in Zusammenhang gebracht.135 3.3.2 Eigenverantwortung und Eigeninitiative Der bereits angesprochene Wandel in der Sozialisation der Jugendlichen und jungen Erwachsenen hin zu mehr Mitsprache- und Entscheidungsrechten in der Familie, führt dazu, dass die jüngere Generation es als sehr viel selbstverständlicher ansieht, bereits früh Verantwortung zu übernehmen.136 Hinzu kommt, dass die Jugendlichen und jungen Erwachsenen sehr viel früher als ihre Eltern die Möglichkeit haben, sich insbesondere dank des Internets 131 132 133 134 135 136

Vgl.: Köcher, R. (2009), S. 9. Laick, S. (2009), S. 21. Vgl.: Parment, A. (2009), S. 81. Vgl.: Parment, A. (2009), S. 32. Vgl.: Trendbüro/Steinle, A./Wippermann, P. (2003), S. 45. Vgl.: Parment, A. (2009), S. 103.

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ihre eigene Meinung zu bilden und aufgrund gestiegener Freiräume auch eigenständig zu agieren – ihre Autonomie steigt. Diese wird auch durch das Bewusstsein gestärkt, dass Beziehungen sowohl auf privater als auch auf beruflicher Ebene brüchig sind und sie sich immer wieder Veränderungen gegenüber sehen, getreu dem Motto „Jeder ist seines Glückes Schmied“. Die persönliche Kompetenz wird zum wichtigsten Sicherungsanker.137 3.3.3 Veränderungsbereitschaft Die jüngere Generation ist den beständigen Wandel und den Umgang mit hoher Dynamik und der Notwendigkeit schneller Anpassung gewohnt, sodass von einer hohen Veränderungsbereitschaft auszugehen ist.138 Darüber hinaus ist ihr bewusst, dass sie in der Arbeitswelt keine lebenslange Beschäftigung im gleichen Berufsfeld bei ein und demselben Arbeitgeber erwarten kann, sondern immer wieder vor „neue Anfänge“ gestellt wird.139 Auch fällt es jüngeren Personen in der Regel leichter, Ansichten zu ändern, während die ältere Generation vielfach ein Leben lang bestimmte Ansichten zu Politik, Lebensgewohnheiten oder Kaufverhalten beibehielt. Diese veränderte Einstellung der Jugendlichen und jungen Erwachsenen ist insbesondere darauf zurückzuführen, dass ihnen eine immer wieder aktualisierte Fülle an Informationen aus unterschiedlichsten Quellen zur Verfügung steht und sie häufig in Kontakt mit neuen Menschen treten.140 Die Shell-Jugendstudie 2006 bezeichnet die Jugend (wie auch schon in der gleichen Studie im Jahr 2002) als „pragmatische Generation“. Sie geht davon aus, dass die Jugendlichen sich auf die Bewältigung konkreter, praktischer Herausforderungen und Probleme konzentrieren, die sich insbesondere auf die Themen Berufseinstieg und Berufsperspektive beziehen. Als zentrales Thema der Jugend identifiziert die Studie, „einen Platz in der Gesellschaft eingeräumt zu bekommen“, woraus sich schließen lässt, dass dieser Platz nicht als selbstverständlich angenommen wird und sie die Notwendigkeit

137 138 139 140

Vgl.: Trendbüro/Steinle, A./Wippermann, P. (2003), S. 45. Vgl.: Bruch, H./Kunze, F./Böhm, S. (2010), S. 124. Vgl.: Parment, A. (2009), S. 16–54, 110–128; Richter, G. (2009), S. 17–21. Vgl.: Parment, A. (2009), S. 42.

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empfinden, sich durch Leistungs- und Anpassungsbereitschaft zu „vermarkten“.141 3.3.4 Engagement Die jüngere Generation sieht den Einsatz für gesellschaftliche Angelegenheiten sowie für andere Menschen nach wie vor als selbstverständlich an. So halten beispielsweise 92 % der Studierenden im Rahmen der Studie des manager magazins gesellschaftliches Engagement für gut und sinnvoll. Nur 4 % lehnen für sich persönlich gesellschaftliches Engagement grundsätzlich ab.142 Das tatsächliche Engagement deutscher Jugendlicher und junger Erwachsener fällt allerdings im internationalen Vergleich eher zurückhaltend aus. Und so engagieren sich 33 % der Jugendlichen oft, 42 % gelegentlich, viele von ihnen allerdings in mehreren Ehrenämtern gleichzeitig. Eher seltener beteiligen sich junge Menschen an übergreifenden Zielen oder setzen sich für unmittelbare gesellschaftspolitische Veränderungen ein. Sehr beliebt sind gerade bei Mädchen das Freiwillige Soziale Jahr, das Freiwillige Ökologische Jahr sowie der Europäische Freiwilligendienst. Jugendliche aus den oberen Herkunftsschichten und mit höherer Bildung engagieren sich deutlich häufiger als junge Männer und Frauen sozial schwächerer Herkunft und niedrigerem Bildungsstandes.143 Bei den bevorzugten Feldern für gesellschaftliches bzw. soziales Engagement stehen insbesondere jugendbezogene Interessen, z. B. in Bezug auf die Freizeitgestaltung, im Vordergrund, aber auch karitative Aktivitäten für sozial Schwache, Ausländer oder Benachteiligte sowie für ein besseres Zusammenleben, Sicherheit und Ordnung oder sonstige konkrete Fragestellungen, z. B. auch im kulturellen Bereich, im Fokus.144

141 Vgl.: Willert, M./Picot, S. (2008), S. 93–95. 142 Vgl.: manager magazin (2005); Werle, K. (2005). 143 Vgl.: Shell Holding Deutschland GmbH (2006), S. 20–21; Schneekloth, U. (2006), S. 121–130; Landesstiftung Baden-Württemberg (2005), S. 43; 92–94; Ferchhoff, W. (2007), S. 397; Trendbüro/Steinle, A./Wippermann, P. (2003), S. 42–45. 144 Vgl.: Shell Holding Deutschland GmbH (2006), S. 20–21; manager magazin (2005); Werle, K. (2005); Landesstiftung Baden-Württemberg (2005), S. 43; 92–94.

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Das Gefühl der persönlichen Zugehörigkeit und des „Gebraucht-Werdens“ bei einer sinnvollen Tätigkeit ist der Haupttreiber für das Engagement. Dabei erfolgt eher eine individuelle Orientierung, d. h. die Jugendlichen lassen sich nicht unbedingt von kollektiven Mustern oder entsprechenden Organisationsformen begeistern, sondern treten bevorzugt für konkrete Projekte ein. Institutionalisierte Gemeinschaftsformen (Parteien, Verbände, Vereine), die eine dauerhafte Bindung voraussetzen, entsprechen nicht ihrer flexiblen Lebensweise und werden als zu starr und hierarchisch empfunden, weshalb hier die Mitgliedszahlen unter Jugendlichen eher rückläufig sind.145 Politisches Engagement manifestiert sich in der Folge immer seltener durch Parteizugehörigkeit, sondern vermehrt auf globaler Ebene über das Internet, so z. B. in Form der Vereinigung „Attac“, die für eine soziale und ökologische Gestaltung des Globalisierungsprozesses eintritt und mittlerweile 90.000 Mitglieder in 50 Ländern zählt.146 Untersuchungen weisen einen positiven Einfluss sozialen Engagements auf die Werteentwicklung Jugendlicher und junger Erwachsener nach, insbesondere im Hinblick auf die Berufsvorbereitung, die Fairness und das soziale Verhalten. Dies rührt nicht zuletzt daher, dass sie sich als „wirksamer Teil der Gesellschaft“ erleben und lernen, Verantwortung zu übernehmen.147 Es gibt allerdings durchaus auch Stimmen, die daran zweifeln, dass die jüngere Generation in ausreichendem Maße Motivation und Energie besitzt, um beispielsweise den Arbeitsmarkt der Zukunft zu prägen.148 Opaschowski verweist in diesem Kontext darauf, dass die Motivation der jüngeren Generation insbesondere durch die Interessantheit einer sinnvollen Tätigkeit, das unmittelbare Erleben von Leistung und Erfolg aus dem eigenen Handeln sowie die soziale Anerkennung der eigenen Leistung durch andere im Arbeits-

145 Vgl.: Shell Holding Deutschland GmbH (2006), S. 20–21; Schneekloth, U. (2006), S. 121–130; Landesstiftung Baden-Württemberg (2005), S. 43; 92–94; Opaschowski, H. W. (2008), S. 540; Ferchhoff, W. (2007), S. 397; Trendbüro/Steinle, A./Wippermann, P. (2003), S. 42; manager magazin (2005); Werle, K. (2005). 146 Vgl.: Trendbüro/Steinle, A./Wippermann, P. (2003), S. 42–43; Attac (2010). 147 Vgl.: Landesstiftung Baden-Württemberg (2005), S. 55–57. Im Rahmen der Studie „Jugend.Werte. Zukunft“ wurden in zwei Zeiträumen Jugendliche zwischen 12 und 17 Jahren aus dem Rhein-NeckarGebiet mittels Fragebogen befragt. Zum ersten Messzeitpunkt im Herbst 2003 wurden insgesamt 1.195 Jugendliche mittels Fragebogen interviewt. Die zweite Befragung im Winter 2004/2005 umfasste 1.431 Jugendliche. 148 Vgl.: Parment, A. (2009), S. 67–68.

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kontext gefördert wird – mehr als durch Gehalt und Status.149 Die „Global Workforce Study“ von Towers Perrin deutet darauf hin, dass Engagement und Motivation weitgehend altersunabhängig sind.150 Mehr denn je spielen das eigene Engagement und die Rückkopplung anderer eine Rolle beim persönlichen Erfolg. Dies wird deutlich an so plakativen Beispielen wie dem Veröffentlichen eigener Musikstücke im Internet, die auf Basis von Angebot und Nachfrage, anstatt wie früher anhand der Entscheidung seitens der Musikindustrie, befördert werden. Im beruflichen Kontext bedeutet dies, dass die erhöhte Transparenz am Arbeitsmarkt Personen ohne finanzielle Voraussetzungen und soziale Netzwerke in ihren Karriereperspektiven begünstigt.151 3.3.5 Belastbarkeit Die jüngere Generation ist sich durchaus bewusst, in einer Leistungsgesellschaft zu leben und scheut auch keine harte Arbeit, um ihre hoch gesteckten Ziele zu erreichen.152 Gleichzeitig hat sie allerdings auch ein gesundes Bewusstsein für die Gefahren, die mit einer hohen beruflichen Belastung einher gehen. Sie strebt daher, wie bereits angedeutet, eine Synthese aus Leistung und Lebensgenuss an. Dies zeigen zahlreiche Umfragen unabhängig voneinander. Insbesondere wenn man Jugendliche und junge Erwachsene nach den Beweggründen für die Wahl eines Arbeitgebers befragt, stehen Begriffe wie „Work-Life-Balance“ oder „Vereinbarkeit von Beruf und Familie“ in der Gunst weit vor Statussymbolen und Karriere.153 Deutlich wird dies auch in einer repräsentativen Befragung durch die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) im Auftrag des Bundesfamilienministeriums unter 25- bis 39-jährigen Arbeitnehmern mit eigenen Kindern unter 18 Jahren. Danach räumen 92 % der Vereinbarkeit von Familie und Beruf Vorrang vor einem hohen Gehalt

149 Vgl.: Opaschowski, H. W. (2008), S. 59. 150 Vgl.: Towers Perrin (2007), S. 19–20. Die „Global Workforce Study“ umfasste im Jahr 2007 über 86.000 Arbeitnehmer weltweit, darunter mehr als 3000 in Deutschland. 151 Vgl.: Parment, A. (2009), S. 48; 127. 152 Vgl.: Meyers, R. A. (2009), S. 203–207; Zaslow, J. (2007). 153 Vgl.: Scheltwort, S. (2004), S. 18–24 (für die Access-Absolventenstudie 2004 wurden über 5000 examensnahe Studierende unterschiedlicher Fachrichtungen befragt); Ernst & Young GmbH (2009), S. 15 (die Studentenstudie 2009 basiert auf einer repräsentativen Befragung von 3.000 Studenten in Deutschland); manager magazin (2005) (an der Jugendstudie „Generation05“ nahmen 1072 Studierende im Hauptstudium mit einem Durchschnittsalter von 24,7 Jahren teil).; Königes, H. (2010).

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ein.154 Dabei ist es nicht unbedingt eine Verkürzung der Arbeitszeit, die angestrebt wird, sondern vielmehr der Wunsch, Zeit und Ort des Arbeitens flexibel gestalten zu können, um so belastende und entlastende Elemente individuell aufeinander abzustimmen, wie mehrere Studien zeigen.155 Bei der Entstehung dieser Wertehaltung spielen unterschiedliche Trends und Entwicklungen eine Rolle. Im Zusammenhang mit der steigenden Bedeutung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist sicherlich der Umstand entscheidend, dass Frauen zunehmend gleichberechtigt auf den Arbeitsmarkt drängen und die jüngere Generation ein sehr viel moderneres Rollenverständnis lebt als noch ihre Eltern. In der Folge streben beide Geschlechter danach, familiäre und berufliche Pflichten in Einklang zu bringen. Generell beobachten Wissenschaftler seit Jahren, dass die Arbeit nicht mehr die dominante Rolle im Leben einnimmt. Vielmehr wird Motivation zunehmend dadurch gefördert, dass sich Arbeit und außerberufliche Aktivitäten vereinbaren lassen. Dies zeigt sich wiederum insbesondere bei den Jüngeren. Vielmehr wird von einem „polyzentrischen Lebenskonzept“ gesprochen, wonach die jüngere Generation im beruflichen Kontext gleichermaßen hohe Erwartungen an sich selbst und an ihre Arbeitsumgebung stellt, aber auch weiteren Aspekten des Lebens eine hohe Bedeutung zur Selbstfindung und verwirklichung beigemessen wird.156 In engem Zusammenhang hierzu steht das zunehmende Verschwimmen der Grenzen zwischen beruflicher und privater Sphäre, das gerade Jugendliche und junge Erwachsene als nahezu selbstverständlich empfinden, während die älteren Generationen in einer Arbeitswelt sozialisiert wurden, in der Arbeit im Büro und Freizeit zuhause stattfand. Dafür zeichnet sich in hohem Maße die technologische Entwicklung verantwortlich. Und so haben Angehörige der jüngeren Generation einerseits kaum Probleme damit, auch außerhalb der eigentlichen Arbeitszeit telefonisch erreichbar zu sein oder neben den privaten auch noch die geschäftlichen E-Mails am Abend abzurufen. Sie erwarten

154 Vgl.: BMFSFJ (2007). 155 Vgl.: Richter, G. (2008), S. 9; Gertz, M. (2008); McCrindle, M./Wolfinger, E. (2009), S. 142; Königes, H. (2010); Weyermann, E. (2003), S. 2–3. 156 Vgl.: Ponzellini, A. M. (2009), S. 3–5.

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allerdings im Gegenzug, dass ihnen ebenso am Arbeitsplatz private Erledigungen wie Telefonate oder Internet-Surfen zugestanden werden.157 Und schließlich lässt sich bei der jüngeren Generation eine hohe Sensibilität dafür erkennen, dass ein Leben „auf der Überholspur“ nicht über eine verlängerte Erwerbszeit hinweg aufrecht erhalten werden kann, ohne dabei „auszubrennen“. Gerade der technische Fortschritt führt zu einer immensen Beschleunigung und Verdichtung des Lebens und Arbeitens,158 und in der Folge zum Wunsch nach „Entschleunigung“ als Gegentrend.159 Hier kommt eine weitere sozialisationsbedingte Besonderheit der jüngeren Generation zum Tragen: Viele Jugendliche und junge Erwachsene haben die Fragilität beruflicher wie privater Beziehungen oder auch gesundheitliche Beeinträchtigungen durch Überlastung in der eigenen Familie erlebt, denn gerade ihre Elterngeneration zeichnete sich durch hohes zeitliches Engagement im Beruf aus. Sie sind daher nicht mehr willens, dem Beruf ihr Privatleben bedingungslos unterzuordnen. Nicht zuletzt gilt angesichts sinkender Erwerbspersonenzahlen und steigender Nachfrage nach qualifizierten Arbeitskräften auch: „Work-life balance has always been a consideration in a career but never before have employees had the leverage to demand it.“160 Gleichzeitig zeigen Umfragen unter Arbeitgebern und Führungskräften aber auch, dass das Verständnis für ein verringertes Karrierestreben und eine höhere Wertschätzung außerberuflicher Entlastungsmomente, z. B. im Sinne einer Einhaltung der Regelarbeitszeit und geringen Bereitschaft zu Überstunden oder einem Wunsch nach Einschränkung von Reisetätigkeiten, noch vergleichsweise gering ist.161 Dies mag nicht zuletzt damit zusammenhängen, dass die meisten derjenigen, die sich heute in verantwortungsvollen Positionen in Unternehmen befinden, anderen Generationen entstammen und sich in der Folge ihre Wertigkeiten deutlich unterscheiden.

157 158 159 160 161

Vgl.: Parment, A. (2009), S. 98–99. Vgl.: ZEIT Online (2010). Vgl. hierzu auch: Kapitel: Employability und Megatrends. McCrindle, M./Wolfinger, E. (2009), S. 141. Vgl.: Königes, H. (2010).

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3.3.6 Lernbereitschaft und -fähigkeit Bedingt durch eine Bildungslandschaft, die zahlreiche Perspektiven bietet, und das Bewusstsein, dass eine Ausbildung nicht für ein Leben trägt, bringt die jüngere Generation eine hohe Lernbereitschaft und Lernfreude mit.162 Da sie danach strebt, ihren eigenen „Wert“ auf dem internen und externen Arbeitsmarkt zu erhöhen, möchten die Jugendlichen und jungen Erwachsenen neue Fähigkeiten erlernen und ihre Wissensbasis erweitern.163 Vieles deutet darauf hin, dass die jüngere Generation grundsätzlich nicht anders lernt als andere Generationen, auch wenn ihr Lernverhalten nicht abschließend erforscht ist und Ergebnisse bislang überwiegend für Studierende und hier überwiegend aus dem US-amerikanischen Raum vorliegen. Fest steht allerdings, dass sich die Lernmedien im Zuge der technologischen Entwicklung verändern. So nutzen Jugendliche und junge Erwachsene beispielsweise das Internet stärker zur Recherche als Bücher, infolgedessen auch die Bibliothek als klassischer Ort der Informationsbeschaffung an Bedeutung verliert. Lernen wird dabei als vernetzte Aktivität verstanden, für die unterschiedliche Informationsquellen genutzt und vielfältige Erfahrungen miteinander verknüpft werden. Dies entspricht der immer breiteren Streuung von Wissen und Information in unterschiedlichen Kontexten. Jugendliche und junge Erwachsene erwarten des Weiteren immer mehr, zu beliebigen Zeiten und von beliebigen Orten auf Informationen zugreifen zu können. Dies ist ebenso Ausdruck eines gewissen Pragmatismus wie des Wunsches nach einer Ausgewogenheit zwischen Leistung, Genuss und Spaß. Die jüngere Generation bevorzugt praktische, effiziente Lernprozesse, mit denen sie effektiver lernen und dabei auch Spaß haben kann. Einen spielerischen Umgang mit Lernen erlauben insbesondere audiovisuelle und interaktive Medien, die aus dem Freizeitbereich vertraut sind.164 Vielfach wird auch durch Ausprobieren und Selbermachen gelernt, wobei Autonomie und Selbstbestimmtheit eine große Rolle für die Motivation und das Engagement spielen. Die Definition klarer

162 Vgl.: Bruch, H./Kunze, F./Böhm, S. (2010), S. 124; Gensicke, T. (2006), S. 183–184. 163 Vgl.: Paine, J. W. (2006). 164 Vgl.: Meyers, R. A. (2009), S. 205–206; 212–213; Tulgan, B. (2004), S. 23–31; Richter, G. (2008), S. 9; Hasebrook, J. P. (2008); HRM (2010); Palfrey, J./Gasser, U. (2008), S. 290–291.

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Grenzen ist allerdings entscheidend und wird auch vehement von der jüngeren Generation eingefordert, z. B. in Form eines klaren Feedbacks.165 Im Bereich der Schul- und Hochschulbildung werden Aussagen von Lehrern und Professoren nicht mehr unreflektiert als richtig angenommen, sondern vielfach – nicht zuletzt im Internet – hinterfragt. Ein Verhalten, das sich auch im beruflichen Kontext wiederfindet. Ein immanentes Bedürfnis, sich beständig zu verbessern und Fragen bzw. Probleme offen anzusprechen führt bei der jüngeren Generation dazu, dass sie Lehrende wie Vorgesetzte oder erfahrenere Kollegen „löchert“, was diese nicht als Infragestellung von deren Kompetenz, sondern vielmehr als den Wunsch, Hintergründe zu erfahren und Wissen aufzubauen, akzeptieren sollten. Gerade an den Hochschulen finden sich Lehrende nicht selten einer Zuhörerschaft gegenüber, die parallel im Internet surft. Eine US-amerikanische Studie weist nach, dass die jüngere Generation zwar keine Tageszeitungen mehr liest und damit nicht geballte Information zu einem gesetzten Zeitpunkt, z. B. am Frühstückstisch, konsumiert, sondern vielmehr den ganzen Tag über Informationsfetzen aus den unterschiedlichsten Medien „aufschnappt“ – dabei aber auch nicht zwangsläufig schlechter oder oberflächlicher informiert sein muss. Wenn ein bestimmtes Thema ihr Interesse besonders weckt, informieren sich die Jugendlichen und jungen Erwachsenen nicht selten sehr viel intensiver darüber als es über eine Tageszeitung oder die TV-Nachrichtensendung am Abend möglich wäre, diskutieren das Thema online und geben unter Umständen auch ein entsprechendes Feedback.166 Es gilt: „Aufmerksamkeit wird in einer Informationsgesellschaft als knappe und damit wertvolle Ressource angesehen, erhält eine Information keine, so mindert sich ihr Wert.“167 Des Weiteren neigt die jüngere Generation im Vergleich zu den Älteren nicht mehr zur „Wissensanhäufung“ in Form von Büchern oder Dateien, sondern verlässt sich darauf, dass Wissen im Bedarfsfall – überwiegend über das Internet – verfügbar ist.168 Nicht selten wird konstatiert, dass die Aufmerksamkeitsspanne der jüngeren Generation deutlich geringer ist als die der Vorgängergenerationen, da sie es

165 166 167 168

Vgl.: Trendbüro/Steinle, A./Wippermann, P. (2003), S. 11; 149–150. Vgl.: Palfrey, J./Gasser, U. (2008), S. 290–291; Hasebrook, J. P. (2008). Hebecker, E. (2001), S. 181. Vgl.: Meyers, R. A. (2009), S. 206.

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gewohnt ist, mehrere Aktivitäten gleichzeitig auszuführen bzw. kurz und knapp zu kommunizieren. Daraus folgt, dass sie textlastige Formate wie Bücher oder Zeitschriften meiden und kurze, prägnante Informationsfragmente – die ggf. nur die „halbe Wahrheit“ wiedergeben – bevorzugen oder zu „Fast-FoodLesern“ werden.169 Zudem besteht die Vermutung, dass es beim Lernen für Kinder und Jugendliche infolge der immensen Beeinflussung durch Reize und Komplexität der Lebenswelt, in der sie aufwachsen, heute einer größeren Außenstimulation durch Reize sowie eines aktiven Mitgestaltens bedarf.170 Eine interaktive und multi-modale Lernweise kommt ihnen daher am ehesten entgegen, um ihre Aufmerksamkeit und Lernmotivation aufrecht zu erhalten.171 Sozialisiert in einer Welt der Informationsüberflutung mit immensen Wahlmöglichkeiten und Angeboten, auch medialer Art, hat sich die jüngere Generation ein effizientes Verhalten im Umgang mit äußeren Reizen angeeignet und Strategien der Selektion entwickelt. Die Vertreter dieser Generation sind sich durchaus bewusst, dass nicht jede Entscheidung optimal getroffen werden kann. Eine Informationsflut stellt für ältere Generationen sehr viel schneller eine Belastung dar, da sie gewohnt sind, alle gebotenen Informationen aufzunehmen, zu bewerten oder zu bearbeiten und sich daher dem Druck aussetzen, dies auch bei ständig steigender Menge an Informationen weiter bewältigen bzw. sinnvolle Auswahlentscheidungen treffen zu müssen.172 Dieser Selektionsmechanismus birgt durchaus die Gefahr, dass der jüngeren Generation wichtige Inhalte entgehen,173 zumal – wie gesehen – ihre Fähigkeiten zur Bewertung gerade von Informationen aus dem Internet als eingeschränkt eingestuft werden. Auch hierin liegt eine Art „Digital Divide“: „Nicht die potenziell erreichbaren Informationen, sondern die Kompetenzen der Auswahl, Bewertung und zweckorientierten Nutzung sind die entscheidenden Schlüsselqualifikationen für den Wissenserwerb. Nur wer neben den technischen Voraussetzungen über diese inhaltlichen Kompetenzen verfügt, ist in der Lage, der so genannten Informationsflut zu begegnen.“174

169 Vgl.: Opaschowski, H. W. (2008), S. 227–228; McCrindle, M./Wolfinger, E. (2009), S. 154–155; Hasebrook, J. P. (2008); Palfrey, J./Gasser, U. (2008), S. 294–297. 170 Vgl.: Trendbüro/Steinle, A./Wippermann, P. (2003), S. 145. 171 Vgl.: McCrindle, M./Wolfinger, E. (2009), S. 154–155. 172 Vgl.: Parment, A. (2009), S. 40–41; HRM (2010). 173 Vgl.: Richter, G. (2008), S. 9. 174 Hebecker, E. (2001), S. 182.

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3.3.7 Gesundheitsbewusstsein und -verhalten Die Verbraucheranalyse 2009 weist deutlich geringere Zustimmungswerte der jüngeren Generation zu gesundheitsbewussten Verhaltensweisen auf als im Durchschnitt der Befragten wie die nachfolgende Grafik zeigt:175

ABB. 1: GESUNDHEITSBEWUSSTSEIN UNTERSCHIEDLICHER ALTERSGRUPPEN

Auch in einer weiteren aktuellen Umfrage schätzen 80 % der 16- bis 29Jährigen ihr Gesundheitsbewusstsein als gering ein. Dabei gibt fast die Hälfte der Jugendlichen und jungen Erwachsenen an, keine Zeit für Gesundheitsvorsorge zu haben, jedem Dritten ist nicht bekannt, wie er sich präventiv verhalten kann.176 In diese Richtung weisen ebenso die Ergebnisse einer jüngst erschienenen Studie der DKV in Zusammenarbeit mit dem Zentrum für Gesundheit an der Sporthochschule Köln. Anhand definierter „Benchmarks“ für die Bereiche

175 Glas, I. (2009), S. 34. 176 Vgl.: Curado GmbH (2009). Insgesamt wurden 3.372 Menschen in ganz Deutschland befragt und die Ergebnisse regional und nach Altersklassen (16- bis 29 Jahre, 30- bis 49 Jahre, 50- bis 64 Jahre und 65+) unterteilt.

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Aktivität, Ernährung, Rauchen, Alkohol und Stress177 wurde hier für unterschiedliche Altersgruppen erhoben, inwieweit sie diese erfüllen. Dabei zeigt sich folgendes Bild:178 Altersgruppen Erreichen aller Benchmarks =„rundum gesund leben“ Erreichen der Benchmark im Bereich „Aktivität“ Erreichen der Benchmark im Bereich „Ernährung“ Erreichen der Benchmark im Bereich „Rauchen“ Erreichen der Benchmark im Bereich „Alkohol“ Erreichen der Benchmark im Bereich „Stress“

18–29 Jahre

30–45 Jahre

46–65 Jahre

über 65 Jahre

7,4 %

10,8 %

14,8 %

20,7 %

60,5 %

57,0 %

57,0 %

61,2 %

32,1 %

42,9 %

50,2 %

60,5 %

67,0 %

68,6 %

73,1 %

89,7 %

76,6 %

85,3 %

82,5 %

78,1 %

46,8 %

40,8 %

49,2 %

59,8 %

ABB. 2: ERREICHEN DEFINIERTER GESUNDHEITSRELEVANTER „BENCHMARKS“ DURCH UNTERSCHIEDLICHE ALTERSGRUPPEN

Die Shell-Jugendstudie 2006 konstatiert immerhin, dass das Streben nach einem gesundheitsbewussten Leben bei Jugendlichen, und hier insbesondere bei Frauen, seit 2002 zugenommen hat.179 Ebenso eine forsa-Studie im Auftrag der DAK aus dem Jahr 2006. Danach treiben die 18- bis 29-Jährigen Befragten häufig Sport und achten auf eine gesundheitsbewusste Ernährung.180 Als positiv ist in diesem Kontext auch das bereits beschriebene 177 Die Benchmark für den Bereich Aktivität ist dann erfüllt, wenn die aktuelle WHO-Mindestempfehlung von 30 Minuten moderater Bewegung, davon jeweils mindestens 10 Minuten am Stück, an fünf Tagen pro Woche erreicht wird. Im Bereich Ernährung müssen zwei Drittel der abgefragten Ernährungsempfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung verwirklicht werden. Diese umfassen eine vollwertige Ernährung mit Gemüse, Obst, Fisch, wenig Fleisch, wenig Süßigkeiten und Knabbereien, mit regelmäßigen Mahlzeiten, für die man sich ausreichend Zeit nimmt. Da man von einem gesunden Verhalten beim Rauchen nicht sprechen kann, erreichen nur die Menschen die Benchmark, die angeben, nicht zu rauchen. Bei Alkohol hingegen gilt der gelegentliche Genuss von einem Glas Wein oder Bier als nicht gesundheitsschädlich, sodass die Benchmark erreicht, wer nicht oder nur in Maßen trinkt (bis 300 ml Bier oder 200 ml Wein am Tag). Das subjektive Empfinden von Stress hat große Bedeutung für die Gesundheit eines Menschen. Die Benchmark erreicht, wer keinen Stress empfindet, oder wer Stress empfindet und ihn wirksam bekämpft, z. B. mit Bewegung, Entspannungsverfahren, einem Treffen mit Freunden, Musik und guten Büchern. Vgl.: DKV (2010). An der Studie nahmen 2.509 Personen teil. 178 DKV (2010). 179 Vgl.: Shell Deutschland Holding GmbH (2006), S. 24. 180 Vgl.: DAK (2006). Befragt wurden im Rahmen dieser Untersuchung 1002 Personen zwischen 18 und 29 Jahren.

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Streben nach einer ausgewogenen Balance zwischen be- und entlastenden Lebensfaktoren im Sinne einer Work-Life-Balance zu werten, da sich auf diesem Weg stressbedingte Erkrankungen wie das so genannte „Burn-OutSyndrom“ verhindern lassen. Das Gesundheitsverhalten junger Menschen wird auch in nicht unerheblicher Weise durch deren Schichtzugehörigkeit geprägt. So findet sich in der ShellJugendstudie 2006 ein ungesunder Lebensstil signifikant häufiger in der Unter- als in der Oberschicht – z. B. beim täglichen Konsum von Cola und Limonade (46 % gegenüber 12 %), mangelnder körperlicher Bewegung (38 % gegenüber 14 %) sowie regelmäßigem Rauchen (37 % gegenüber 15 %).181 Diese Tendenz bestätigen auch die Ergebnisse der DAK-Umfrage, wonach sportliche Aktivität und gesunde Ernährung mit zunehmendem Bildungsstand der Befragten 18- bis 29-Jährigen an Bedeutung gewinnen.182 In diesem Zusammenhang ist eine weitere Verschlechterung bedingt durch den wachsenden Druck insbesondere im Bildungs- und Erwerbsbereich bei wenig privilegierten Jugendlichen und jungen Erwachsenen zu befürchten.183 Danach befragt, wie sie ihren Gesundheitszustand beurteilen, zeigt sich, dass die Einschätzung in der Shell-Jugendstudie 2006 um so schlechter wird, je älter die Jugendlichen sind. So beurteilen die 18- bis 25-Jährigen ihren Gesundheitszustand vermehrt nicht als ausgezeichnet, sondern nur noch als gut, d. h. sie nehmen bereits gewisse Einschränkungen wahr. Dabei ist die Einschätzung von Jungen positiver als die von Mädchen. Deutliche Unterschiede bestehen in Bezug auf die Schichtzugehörigkeit. Von denjenigen Jugendlichen, die ihren Gesundheitszustand als einigermaßen oder gar als schlecht einstufen, gehören 16 % der Unterschicht und 11 % der unteren Mittelschicht an (jeweils 9 % der Mittelschicht und Oberschicht sowie 8 % der oberen Mittelschicht). Bei der Wahrnehmung des eigenen Körpergewichts fühlen sich 55 % der Jugendlichen „genau richtig“, ein Drittel empfindet sich als zu dick, darunter sehr viele Mädchen, 11 % als zu dünn.184 Auch in der Umfrage des infas-Institutes fühlt sich ein Drittel der 16- bis 29-Jährigen zu

181 Vgl.: Shell Deutschland Holding GmbH (2006), S. 18; Langness, A./Leven, I./Hurrelmann, K. (2006), S. 91–96. 182 Vgl.: DAK (2010). 183 Vgl.: Shell Deutschland Holding GmbH (2006), S. 18; Langness, A./Leven, I./Hurrelmann, K. (2006), S. 91–96. 184 Vgl.: Langness, A./Leven, I./Hurrelmann, K. (2006), S. 86–88.

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dick und glaubt, abnehmen zu müssen.185 In einer Fremdeinschätzung nennen 73 % der Befragten in einer Untersuchung des Instituts für Demoskopie Allensbach Fehlernährung als eines der größten Probleme, die Kinder heute haben.186 Die DKV-Studie weist im Kontrast zu den Ergebnissen bezüglich des gesundheitsbewussten Verhaltens für die 16- bis 29-Jährigen im Altersgruppenvergleich die höchsten Zufriedenheitswerte auf. So beurteilen 12,8 % der Befragten ihren Gesundheitszustand als sehr gut (Durchschnittswert über alle Altersgruppen: 10,8 %) sowie 54,7 % als gut (Durchschnittswert über alle Altersgruppen: 44,2 %).187 Zu diesen Ergebnissen ist Folgendes anzumerken: Generell ist zu beobachten, dass in der Phase der Ablösung vom Elternhaus sowie der Bewältigung neuer Herausforderungen wie Suche nach einer Lehrstelle, erste feste Partnerschaften oder Einstieg in das Berufsleben junge Menschen intensivem Erleben, Spaß und Selbstentfaltung Vorrang vor der Erwägung langfristiger Gesundheitsfolgen einräumen. Gerade in der Abgrenzung von den Eltern, die zuvor das Gesundheitsverhalten bestimmt haben, erfolgt in diesem Alter eine starke Prägung durch das soziale Umfeld und die Medien.188 Dies bestätigen auch die 16- bis 29-Jährigen Befragten der DKV-Studie, von denen 82 % an die Motivationskraft glauben, die im Bereich Sport und Bewegung von ihren Freunden ausgeht. Somit ist das geringere Gesundheitsbewusstsein Jüngerer nicht zwangsläufig als Verschlechterung des Umgangs mit der eigenen Gesundheit in der Gesamtbevölkerung für die Zukunft zu interpretieren, sondern lässt sich zum Teil mit jugendtpyischen Verhaltensweisen erklären, sodass sich mit zunehmendem Alter eine höhere Sensibilität für den eigenen Körper und dessen Bedürfnisse einstellt.189 Hinzu kommt, dass viele Menschen erst dann ein gesundheitsbewusstes Verhalten entwickeln, wenn bereits erste Beeinträchtigungen eingetreten sind, was in der Regel erst mit voranschreitendem Alter der Fall ist.

185 186 187 188

Vgl.: Curado GmbH (2009). Vgl.: Institut für Demoskopie Allensbach (2007), S. 1–2; 7. Vgl.: DKV (2010). Vgl.: Shell Deutschland Holding GmbH (2006), S. 18; Langness, A./Leven, I./Hurrelmann, K. (2006), S. 91–96. 189 Vgl.: DKV (2010).

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4. Ausblick: Die Employability der jüngeren Generation Zusammenfassend lässt sich konstatieren, dass die jüngere Generation durchaus ein hohes Maß an Beschäftigungsfähigkeit oder Employability mitbringt. Ständiger Wandel und Innovationssprünge sowie die Instabilität beruflicher wie privater Beziehungen prägen ihre Sozialisation erheblich. In der Folge haben die Jugendlichen und jungen Erwachsenen verinnerlicht, dass es vor allem auf sie selbst ankommt, wenn es darum geht, die Chancen, die das Leben bietet, zu ergreifen. Es ist für sie selbstverständlich, dass Lernen über den gesamten beruflichen Werdegang hinweg stattfindet und Bildung den Schlüssel zum beruflichen Erfolg darstellt. Diesen definieren sie nicht mehr zwangsläufig über Karriere, Status und Entgelt, sondern vielmehr über eine ausgewogene Balance zwischen beruflichen Herausforderungen, für die sie sich außerordentlich ziel- und leistungsorientiert zeigen, sowie Lebensgenuss als „Entschleunigungsstrategie“. Ihre Loyalität für einen Arbeitgeber ist echt und belastbar, jedoch nicht mehr „lebenslang“ und bedingungslos wie bei früheren Generationen. Gerade die gut Qualifizierten wissen sehr wohl um ihre Alternativen am Arbeitsmarkt und gehen einen „Vertrag auf Zeit“ ein, der besonders dann brüchig wird, wenn sich keine Entwicklungsperspektiven mehr bieten oder gegebene Versprechen, beispielsweise in Bezug auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, nicht eingehalten werden.

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Employability und Freizeitwelt Konsequenzen der Megatrends auf das System Freizeit

von Jutta Rump/Isabel Biegel

JUTTA RUMP/ ISABEL BIEGEL

Inhalt 1. Einleitung 2. Veränderte Arbeitswelt – neue Freizeitwelt? 2.1 Megatrends und Freizeit 2.2 Neuorganisation der Freizeit 2.3 Freizeit(en) 3. Zukünftige Freizeitwelten 3.1 Tourismus und Reisen 3.2 Sport 3.3 Entertainment 4. Entgrenzung von Arbeit und Freizeit 5. Fazit Literatur

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EMPLOYABILITY UND FREIZEITWELT

1. Einleitung Aktuell befindet sich unsere Arbeitswelt in einer Phase, die von starken Umbrüchen geprägt ist. Trends verschiedenster Intensität und Dauer, wie etwa der demografische Wandel, der technologische Wandel, die Globalisierung, die Wissensgesellschaft, der Frauentrend, die Individualisierung und nicht zuletzt der gesellschaftliche Wertewandel nehmen darauf Einfluss. Es ist davon auszugehen, dass diese Trends und Entwicklungen unser Arbeiten nachhaltig beeinflussen werden – und damit gleichzeitig die Freizeit. Denn Arbeit und Freizeit sind unweigerlich miteinander verbunden. Fest definierte Arbeitszeiten bedingen normalerweise einen regelmäßigen und klaren Schnitt zwischen den beiden Lebensbereichen, ganz nach dem Motto: Erst kommt die Arbeit – dann das Vergnügen. Ohne diese Trennung verschwimmen beide Bereiche und es kommt zur so genannten Entgrenzung von Arbeit und Freizeit.1 Während in der Industriegesellschaft mit meist festen Betriebsorten eine Aufteilung der Zeit in Arbeit und Nicht-Arbeit noch möglich war, ist Arbeit heute vielfach von Raum und Zeit entkoppelt.2 Das heißt, früher war es nicht zwingend notwendig, dass Beschäftigte Kompetenzen dafür besaßen, etwa ihre eigene Arbeits- und Freizeit zu organisieren. Heute dagegen kann diese Kompetenz in vielen Bereichen als eine von mehreren wesentlichen Eigenschaften im Rahmen der Beschäftigungsfähigkeit angesehen werden.3 Zusätzlich werden Arbeitnehmer mit der demografiebedingten Alterung und einer Verlängerung der Lebensarbeitszeit, mit einer steigenden Veränderungsgeschwindigkeit aufgrund technischer und ökonomischer Entwicklungen sowie einer Verdichtung von Arbeit4 konfrontiert. Es lässt sich kaum ein Bereich finden, in dem diese Effekte nicht direkt oder indirekt zu spüren sind. Sind Beschäftigte diesem Umfeld und den damit verbundenen neuen Aufgaben und Herausforderungen nicht gewachsen, kann es im schlimmsten Fall dabei zu einem Ausfall durch Burnout- oder andere Stresssymptome kommen, was speziell in Bezug auf Hochqualifizierte mit sehr hohen finanziellen Be-

1 2 3 4

Vgl.: Rump, J./Biegel, I. (2009), siehe hierzu auch Kapitel: Employability und Megatrends. Vgl.: Kastner, M. (2004), S. 17; Kocka, J. (2001), S. 9f; Werle, K. (2007), S. 1; Götz, K. (2007), S. 30. Vgl.: Belwe, K. (2007), S. 2; siehe hierzu auch Kapitel: Employability und Megatrends. Vgl.: Arbeitsrecht (2010), S. 1.

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lastungen für ein Unternehmen verbunden sein kann. Betroffene müssen jedoch auch selbst wissen, wie sie diese Erschöpfungszustände erkennen, beheben und möglichst zukünftig vermeiden können.5 Untersuchungen zeigen, dass eine gute Work-Life-Balance6 durch ein Wechselspiel aus Anforderungen und Ressourcen entsteht, wobei mit Ressourcen Gegebenheiten zu verstehen sind, die Beschäftigte dabei unterstützen, eine gute Balance zwischen Arbeit und Privatem aufrecht zu erhalten. Diese „Gegebenheiten“ sind zum Großteil nichts anderes als persönliche Eigenschaften und Fähigkeiten – soziale, psychische und physische – und sind damit der Beschäftigungsfähigkeit zuzurechnen. Die folgende Übersicht stellt die Ressourcen nach ihrer Wichtigkeit sowohl am Arbeitsplatz als auch im Privatleben dar.7 Ressourcen am Arbeitsplatz

Ressourcen im Privatleben

Delegation (23 %)

Körperliche Bewegung (24 %)

Prioritäten setzen (22 %)

Zeit für Familie (15 %)

Kommunikation (21 %)

Trennung zwischen Beruf und Privatleben (15 %)

Selbstreflexion (15 %)

Beschäftigung mit Kindern (12 %)

Nein-Sagen (15 %)

Selbstdisziplin (12 %)

Selbstdisziplin (15 %)

Freundschaften (7 %)

Zeitmanagement (14 %)

Delegation privater Aufgaben (4 %)

Bewusste Karriereplanung (11 %) ABB. 1: PERSÖNLICHE RESSOURCEN UND FÄHIGKEITEN AM ARBEITSPLATZ UND IM PRIVATLEBEN (EIGENE DARSTELLUNG, IN ANLEHNUNG AN: STOCK-HOMBURG, R./BAUER, E.-M. (2007), S. 31.)

5 6 7

Vgl.: Bruch, H./Menges, J. (2010), S. 27ff.; Stock-Homburg, R./Bauer, E.-M. (2007), S. 25f. Der Begriff „Work-Life Balance“ stammt ursprünglich aus US-amerikanischen Personalentwicklungskonzepten und wird in Deutschland seit einigen Jahren parallel oder ergänzend zum Begriff „Vereinbarkeit“ verwendet. (Vgl. Jürgens, K. (2009), S. 165.) Vgl.: Stock-Homburg, R./Bauer, E.-M. (2007), S. 29ff. Anmerkung: Die Ergebnisse stammen aus der Darmstädter Work-Life-Balance Studie, in deren Rahmen 37 Topmanager und 5 Topmanagerinnen deutscher Unternehmen persönlich interviewt wurden. Die befragten Manager sind insbesondere in den Bereichen Kraftfahrzeug- und Industrietechnik, Telekommunikation, Chemie- und Pharmaindustrie, Bauwesen sowie Beratung tätig.

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Insbesondere die wichtigsten drei privaten Ressourcen zeigen deutlich, dass die Veränderungen auf Seiten der Arbeit nicht folgenlos für die Organisation und Ausgestaltung von Freizeit bleiben. Das folgende Kapitel stellt den Zusammenhang zwischen den beiden Lebensbereichen dar.

2. Veränderte Arbeitswelt – neue Freizeitwelt? Beobachtbare Veränderungen in der Arbeitswelt, wie Flexibilisierung von Arbeitsort und Arbeitszeit, und neue Anforderungen, wie etwa eigenbestimmtes Zeitmanagement und Umgang mit hohem Leistungsdruck, werfen die Frage auf, inwiefern Individuen als Folge daraus eine Umgestaltung ihrer Freizeit vornehmen. Denn es fällt auf, dass zunehmend Schlagwörter wie Individualisierung, Flexibilität, Leistungsorientierung, Multioptionalität oder Zeiteffizienz auch im Zusammenhang mit Aktivitäten des Freizeitbereiches genannt werden. Effizienzdenken und Nutzenorientierung durchziehen quasi alle Lebensbereiche. Und dies obwohl Freizeit in seiner ursprünglichen Form als Zeit der Muße angesehen wurde und maßgeblich dem Ziel der Regeneration der Arbeitskraft diente. Wie lässt sich dieser Wandel erklären?8 Megatrendentwicklungen9 – deren Wirkungsbreite hoch und deren Wirkungsdauer im Vergleich zu anderen Trendarten besonders lang ist – nehmen ohne Zweifel auch Einfluss auf die Freizeitwelt der Menschen.

2.1 Megatrends und Freizeit Anhand des gesellschaftlichen Wertewandels10 oder der Individualisierungstendenzen11 wird dies besonders deutlich. So führt der gesellschaftliche Wertewandel etwa dazu, das jüngere Menschen im Gegensatz zu älteren Generationen häufig eine andere Sichtweise in Bezug auf Arbeit und Familie

8 9 10 11

Vgl.: Delphi 2017 (2007); Lenhardt, U./Priester, K. (2005), S. 494.ff. Siehe hierzu auch Kapitel: Employability und Megatrends. Siehe hierzu auch Kapitel: Employability und Megatrends. Siehe hierzu auch Kapitel: Employability und Megatrends.

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einnehmen. Für viele der jüngeren Arbeitnehmer ist es mittlerweile selbstverständlich Arbeit und Familie miteinander zu vereinbaren. Dies bleibt nicht ohne Konsequenzen für die Organisation und das Zeitmanagement in der Familie. Denn berufstätige Eltern müssen mit ihrer beschränkten Freizeit bzw. der Familienzeit ganz anders „haushalten“, um sowohl den Anforderungen der Familie als auch dem Arbeitgeber gerecht zu werden. Nicht selten ist zeiteffizientes und nutzenoptimiertes Arbeiten in beiden Lebensbereichen die Folge. Vor diesem Hintergrund und mit dem Ziel gute Mitarbeiter zu motivieren und im Betrieb zu halten, bietet es sich als Unternehmen an, auf individuelle Bedürfnisse, Wünsche und Lebensumstände der Beschäftigen einzugehen. Dies zeigt sich etwa an der Zahl der Unternehmen, die verschiedene Formen der Arbeits(zeit)flexibilisierung anbieten. Neben verschiedenen Formen der Telearbeit12 sind hier vor allem flexible Wochenarbeitszeiten sowie Jahresarbeitszeitkonten und Gleitzeit mit Kernarbeitszeit oder auch Sondermodelle wie Sabbaticals oder Job-Sharing zu nennen. Eine fortlaufend wachsende (Zeit-) Flexibilisierung anstatt einer Normierung ist erkennbar. Es scheint, als ob das Streben nach individuell gestaltbarer Arbeit(szeit) die Normalarbeit(szeit) mehr und mehr zum Auslaufmodell werden lässt.13 Die Effekte auf den Privatbereich liegen auf der Hand. Durch die Möglichkeit der Telearbeit, und damit der Flexibilität des Arbeitsortes, rückt die Arbeit betroffener Menschen in die Privatsphäre vor. Das Zuhause ist nicht mehr automatisch mit Freizeit oder frei bestimmter Zeit gleichzusetzen. Arbeitselemente dringen über Leitungen und Funknetze mithilfe mobiler Geräte wie Laptop, Handy oder Blackberry in das Zuhause ein. Und nicht nur die Arbeit selbst verlässt den ehemals klar definierten Rahmen. Auch Weiterbildungsveranstaltungen finden zunehmend in der Freizeit der Beschäftigten statt – zumal die persönliche Mitverantwortung für die eigene Beschäftigungsfähigkeit seitens der Unternehmen zunehmend gefordert und erwartet wird. Denn mangelnde Fortbildung sowie schlechtes Innovationsmanagement verursachen jedes Jahr Kosten in Höhe von 200 Milliarden Euro.14 Eine Umfrage 12 Unter Telearbeit wird eine Tätigkeit außerhalb und unabhängig vom Firmensitz verstanden. Die Verbindung zur eigentlichen Betriebsstätte wird durch elektronische Kommunikationsmittel hergestellt. 13 Vgl.: Rürup, B./Gruescu, S. (2005), S. 35.; Vgl.: Opaschowski, H. W. (2006b), S. 72 u. 89.; Vgl.: Seifert, H. (2005b), S. 479f. 14 Vgl.: Schust, G. H. (2010).

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aus dem Jahr 2009 kommt zu dem Ergebnis, dass die Finanzierung von Weiterbildung häufig darüber erfolgt, indem Seminare in der Freizeit bzw. am Wochenende oder am Abend besucht werden. Dies geschieht den Befragten zufolge zu 21 % „sehr häufig“, zu 47 % „gelegentlich“ und zu 24 % „selten oder nie“.15

2.2 Neuorganisation der Freizeit Stärker als früher ist mit „in der Balance bleiben“ heutzutage die Integration von Arbeit und Leben insgesamt gemeint. Dabei ist nicht von der Hand zu weisen, dass es für die Wissenschaft – sowie für Unternehmen – nicht uninteressant ist, wie und ob in der Freizeit eine Erholung von der Arbeit stattfindet, eine Weiterbildung und/oder Persönlichkeitsentwicklung, soziales/politisches Engagement oder schlicht Muße16 erfolgt. Die Organisation obliegt jedoch dem Arbeitnehmer selbst. Im Speziellen dann, wenn weder die Arbeits- oder Pausenzeiten vom Arbeitgeber kollektiv reguliert werden, noch die Erholungsund Erwerbsphasen. Von vielen Beschäftigten insbesondere wissensintensiver Bereiche wird eine eigenverantwortliche und eigenständige Regulierung der außerbetrieblichen Anforderungen erwartet, die möglichst den beruflichen Arbeitseinsatz nicht stört und für eine bestmögliche Wiederherstellung der Arbeitskraft dient. Beschäftigte haben ihre eigene Balance damit selbst in der Hand. Dies ist nicht immer ungefährlich. Denn ein echtes Ausbalancieren ist meist nur möglich, wenn es die strukturellen Rahmenbedingungen zulassen. Gelingt ein Ausgleich zwischen Arbeit und Privatem nicht, wird diese Unausgeglichenheit nicht selten als individuelles Defizit des betroffenen Arbeitnehmers ausgelegt.17 Damit stellt sich die Frage, welche Reproduktionsleistungen Erwerbstätige erbringen müssen, um zum einen die eigene Arbeitskraft zu erhalten und zum andern das Funktionieren sowie die Effektivität neuer Arbeitsformen zu gewährleisten. Die folgende Auflistung stellt eine Auswahl wichtiger Fähigkeiten dar – die zum Teil in wechselseitiger Beziehung zueinander stehen:18

15 16 17 18

Vgl.: Wuppertaler Kreis (2009), S. 6. Vgl.: Karasek, H. (1973), S. 42. Vgl.: Jürgens, K. (2009), S. 167-168. Vgl.: Jürgens, K. (2009), S. 211.

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Wissen um Reproduktionsgefährdungen und -möglichkeiten.



Anpassungen an Bedingungen und externe Anforderungen.



Identifizierung und Durchsetzung von Interessen.



Erkennen und Anerkennen von Belastungen.



Regulierung von Arbeit und Reproduktion.

Fraglich ist auch, inwieweit Beschäftigte generell in der Lage sind, diese verschiedenen Reproduktions- und Selbstorganisationsaufgaben eigenverantwortlich und nutzenmaximierend – sowohl für sich selbst als auch für den Arbeitgeber – zu übernehmen. Wie verhält es sich mit Personen, die diese Fähigkeiten nicht besitzen? Menschen, die es durch eigenständige Grenzziehung nicht schaffen, ihre Arbeits- und Lebenskraft19 abzusichern? Wie reagieren diese Beschäftigten und was bieten Unternehmen in solchen Situationen an? Immerhin ergab eine im Jahr 2009 durchgeführte repräsentative Befragung unter Arbeitnehmern in Deutschland das Ergebnis, dass 67 % Dienst nach Vorschrift machen, 20 % innerlich gekündigt haben und – lediglich – 13 % mit Begeisterung arbeiten.20 Bereits seit einigen Jahren zeichnen sich Veränderungen in den Lebensläufen der Menschen ab: Ausbildungszeiten werden länger, Berufseinstiege prekärer und Eheschließung sowie Familiengründung verschieben sich im Lebenslauf „nach hinten“. Nicht selten fallen somit verschiedene Herausforderungen in den gleichen Lebensabschnitt und bedingen einen so genannten Lebensstau – eine Phase mit hohen Anforderungen sowohl auf beruflicher als auch privater Seite. Die erfolgreiche Bewältigung solcher Phasen wird zu einer wichtigen Kompetenz.21 Denn gelingt dies nicht, kann es im Extremfall zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Betroffenen kommen, die sich sowohl in physischer Art (z. B. in Form von Magen- oder Herz-Kreislauf-Problemen, Rücken- und Kopfschmerzen, Arteriosklerose etc.) als auch psychischer Art (z. B. in Form von Ess- oder Schlafstörungen, Depressionen, Burnout, etc.) äußern können. Im 19 Vgl. hierzu den Buchtitel von Kerstin Jürgens „Arbeits- und Lebenskraft. Reproduktion als eigenständige Grenzziehung.“ 20 Vgl.: FTD (2009), S. 1. 21 Vgl.: Jürgens, K./Voß, G. (2007), S. 6; Rump, J. (2010c), S. 10; Rump, J./Eilers, S./Groh, S. (2008), S. 9 u. 16; Jürgens, K. (2009), S. 175ff.

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schlimmsten Fall droht die komplette Arbeitsunfähigkeit – die Beschäftigungsfähigkeit sinkt auf den Nullpunkt.22 Somit steht fest, dass die neuen Rahmenbedingungen sowie die neue Arbeitswelt sehr wohl einen Einfluss auf körperliche und geistige Gesundheit sowie auf die Freizeitaktivitäten von Menschen haben können. Aktuelle Entwicklungen und Umstände, wie Gleichzeitigkeit, Beschleunigung, Individualisierung, Flexibilisierung, Effizienz und Effektivität bestimmen durchaus unser Verhalten in der freien Zeit.

2.3 Freizeit(en) Auffällig ist, dass individuelle Aktivitäten, die konzentriertes Adrenalin oder auch nur ein außergewöhnliches Erlebnis versprechen, seit einigen Jahren in der Freizeitwelt „en vogue“ sind. Einmalige Produkte und Ereignisse werden immer stärker nachgefragt. Es scheint: je verrückter und ausgefallener, desto besser. House Running, Paintball, Ferrari oder Bagger fahren, BrauSeminare, Jodelkurs, Husky-Familienwanderung, Hubschrauber selber fliegen, Dampflokomotive steuern oder Bungee Jumping sind nur einige von unzähligen Beispielen. Auch viele Firmen nehmen diesen Wandel wahr und versuchen mit maßgeschneiderten Angeboten Kunden zu beeindrucken und Mitarbeiter zu motivieren. Denn in erster Linie geht es Menschen um Werte und Gefühle wie Faszination, Konzentration, Sinn, Gefühl und Authentizität. Trotz aller Ich-Bezogenheit spielen Zeit und Glück in allen Lebensbereichen wieder eine stärkere Rolle.23 Aus der Freizeit – der ehemals schlichten Gegenwelt zur Arbeit – werden viele Freizeiten. Aus dem Freizeit-Singular wird ein Plural, der einen riesigen Markt des Erlebens, des Lernens, des Kommunizierens und der Beschäftigung mit sich selbst und seinem Inneren bildet. Nicht zuletzt der Megatrend der Individualisierung sowie der Trend der Wissensgesellschaft sind in diesem Zusammenhang als treibende Kräfte anzuführen.24

22 Vgl.: Thom, N./Moser, R./Brunnschweiler, M. (2009); Jürgens, K. (2009), S. 213. 23 Vgl.: Brand eins (2008). 24 Vgl.: Wenzel, E. (2004), S. 5.

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So wie die Arbeit, wird sich Freizeit ebenfalls neu definieren müssen. Aus diesem Grund wird in den folgenden Kapiteln der Fokus darauf gerichtet, wie sie sich aktuell darstellt und zukünftig gestalten könnte. Dabei wird insbesondere der Frage nachgegangen, ob es Zusammenhänge zwischen Freizeitbeschäftigung und Beschäftigungsfähigkeit gibt.

3. Zukünftige Freizeitwelten Nachfolgend wird ein differenzierter Einblick in die Bereiche Tourismus und Reisen, Sport sowie Entertainment gegeben. Hierbei wird untersucht, ob möglicherweise in spezifischen Freizeitbereichen ein verändertes Verhalten im Hinblick auf Employability festgestellt werden kann.

3.1 Tourismus und Reisen Eine Urlaubsreise von heute ist nicht mehr das Gleiche wie zu früheren Zeiten. Die Befriedigung des Erholungsbedürfnisses spielt vielfach eine untergeordnete Rolle – die Erholung ist quasi ein netter „Nebeneffekt“. Vielmehr wird eine Kombination verschiedener Aktivitäten und Beschäftigungen, wie Kultur, Erholung, Bildung, Unterhaltung, Wellness oder Sport gewünscht. Die bereits beschriebenen Entwicklungen wie Effizienz und Individualisierung gehören unter anderem zu den Gründen für diese Veränderung. Das Leben wird nicht nur im Arbeitsbereich, sondern verstärkt im Privatleben intensiviert, um das Maximale herauszuholen. Der Mensch wird zum „homo simultans“, indem er so viele Dinge wie möglich zur gleichen Zeit erledigt.25 Denn ein modernes, durch hohe Dynamik, Schnelligkeit und Beweglichkeit geprägtes Leben, stellt neue Anforderungen an die Menschen. Und genau diese Eigenschaften sind die Voraussetzung für beruflichen wie privaten Erfolg. Immer häufiger werden Menschen dazu angehalten, sehr schnell von der Arbeits- in die Privatsphäre umzuschalten. Gelingt dies nicht, wird von

25 Vgl.: Geißler, K. (2007), S. 33 und S. 38.

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„leisure sickness“ – zu Deutsch: Freizeitkrankheit – gesprochen, die auftritt, wenn zu schnell zwischen den beiden Bereichen gewechselt wird. So wird Wellness beispielsweise nicht selten zu Wellstress, wenn Menschen ihre leistungsorientierte Lebensweise in den Freizeitbereich übertragen und versuchen alle Angebote so exzessiv wie nur möglich zu nutzen. Wie bereits erwähnt, sind daher häufig Urlaube mit den verschiedensten Angeboten gefragt, da so in relativ kurzer Zeit möglichst viel erlebt und genossen werden kann. Nicht wenige Menschen haben selbst im Urlaub Angst davor, etwas zu verpassen.26 Parallel zur Arbeitswelt, in der immer mehr von „Unternehmern in eigener Sache“ gesprochen wird, ist auch in der Urlaubswelt erkennbar, dass hier viele Reisende zunehmend ihre eigenen Reiseunternehmer sind. Reisen werden mittlerweile auf Wünsche abgestimmt und/oder selbst individuell organisiert. Ob die Organisation in Eigenregie erfolgt oder nicht, ist jedes Mal aufs Neue eine Frage der familiären bzw. persönlichen Situation und der zeitlichen oder finanziellen Möglichkeiten. Zeiteffizienz und Flexibilität sind neben der Arbeitswelt zu wichtige Schlagwörtern im Tourismus geworden.27 Als besonders zweckmäßig betrachten viele Reisende den Urlaub, wenn eine Verbindung von Reisen mit Bildung möglich ist. Es entspricht vielfach dem Wunsch nach einer sinnvollen Nutzung des Urlaubs. Sprachinteressierte haben beispielsweise während Rundreisen oder in Sprachschulen im jewieligen Land diese Gelegenheit der Kombination von Erholung und Erweiterung der Sprachkompetenz.28 Aktuelle Zahlen belegen, dass mehr und mehr ein aktiver Urlaub bevorzugt wird und es vielen schwerfällt im Urlaub einfach Nichts zu tun. Bei der Frage danach, ob man im Urlaub aktiv und unternehmungslustig oder am liebsten faul ist und sich nur ausruhen möchte, antworten die Befragten wie folgt:29

26 27 28 29



Bin aktiv (27 %)



Bin faul (21 %)



Mal so, mal so (49 %) Vgl.: Steinle, A. (2003), S. 150ff.; Wenzel, E. (2004), S. 9; Rump, J./Biegel, I. (2009), S. 124f. Vgl.: Rump, J./Biegel, I. (2009), S. 126f. Vgl.: Rump, J./Biegel, I. (2009), S. 129f. Vgl.: Statista (2010b).

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Unentschieden (3 %)

Eine weitere Untersuchung belegt, dass ein nicht unerheblicher Teil Berufstätiger im Urlaub für den Arbeitgeber aktiv ist und geschäftliche E-Mails liest. Insgesamt 52 % bestätigen ein solches Verhalten, lediglich das Medium zum Abrufen der E-Mails variiert. Die Ergebnisse stellen sich wie folgt dar:30 •

Ja, mit dem Firmen-Laptop (6 %)



Ja, mit Firmen-Smartphone/PDA/Handy (12 %)



Ja, mit privatem Laptop (13 %)



Ja, mit privatem Smartphone/PDA/Handy (21 %)



Nein, lese nur private E-Mails (21 %)

Eine quasi „rund-um-die-Uhr“ Erreichbarkeit, ein ständiges Suchen nach weiteren Kombinationsmöglichkeiten von Aktivitäten im Urlaub sowie das Streben nach Individualität und Selbstbestimmtheit zeigen, dass verschiedene Entwicklungen auf Seiten der Arbeitswelt bereits begonnen haben, Urlaub und Urlaubsverhalten zu verändern. An diesem Beispiel wird deutlich, dass stets beide Seiten der Medaille im Rahmen der Employability betrachtet werden müssen, denn Employability birgt nicht selten Gefahr und Chance zugleich. Auf der einen Seite bleiben Beschäftigte mit einem solchen Verhalten im Urlaub bzw. der Freizeit „in Bewegung“, da sie stets über alle wichtigen Neuigkeiten informiert sind und sich gegebenenfalls „einklinken“ können, wenn es die Situation erforderlich macht. Diese Seite der Medaille kann daher als Chance angesehen werden. Auf der anderen Seite existiert der Anspruch der Employability danach, „in Balance zu bleiben“ – im Sinne einer ausgeglichenen Work-Life-Balance. Diese Seite der Medaille zeigt die Gefahr auf, die mit einem solchen Verhalten einhergehen kann: dass Abschalten im wahrsten Sinne des Wortes nicht mehr möglich ist.

30 Vgl.: Statista (2010a), Anmerkung: Die restliche Zahl der Befragten antwortete mit „keine Angabe“ oder „nehme keine Geräte mit in den Urlaub“.

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3.2 Sport Ähnliche Entwicklungen lassen sich im Bereich des Sports feststellen. Auch sportliche Aktivitäten verändern sich parallel zur Arbeitswelt. Der Trend zu einfacheren Sportarten, wie Laufen, Joggen oder Fahrradfahren wird auf den zum Teil recht flexiblen Business-Alltag zurückgeführt. Schließlich können diese Sportarten oftmals ohne großen Materialaufwand an unterschiedlichen Orten ausgeführt werden. Selbst einige Fitnessstudios passen sich individuellen zeitlichen Trainingswünschen und ausdifferenzierten Arbeitszeiten an und bieten 100 %-ige Flexibilität, indem sie 24 Stunden am Tag und 365 Tage im Jahr geöffnet haben.31 Zweifellos erfahren vor allem solche Sportarten einen starken Zulauf, die ganz individuell und alleine zu (fast) jeder Zeit ausgeführt werden können, ohne dabei auf jemanden Rücksicht nehmen zu müssen. Sehr wahrscheinlich verstärkt sich dieser Trend auch zukünftig aufgrund der erhöhten Flexibilitätsansprüche an vielen Arbeitsplätzen. Gleichzeitig besteht der generelle Anspruch an Sport darin, dem Wunsch nach Bewegungsausgleich, Gesundheitsvorsorge, Stressabbau sowie besserem Körperbewusstsein zu entsprechen – Faktoren mit einer positiven Wirkung auf die Beschäftigungsfähigkeit.32 Daher erstaunt es nicht, dass sich immer mehr Unternehmen mit dem Thema Fitness für ihre Angestellten auseinandersetzen. Es scheint sich die Erkenntnis zu verbreiten, dass regelmäßig Sporttreibende besser für das Unternehmen sind, da sie weniger oft wegen Krankheit ausfallen. Für ungefähr 3,7 Mio. Berufstätige besteht in Deutschland bereits die Möglichkeit an Sport- oder Fitnessprogrammen teilzunehmen, die von Unternehmen organisiert sind. Vielfach ist diese Bewusstseinsveränderung in Unternehmen neben einem höheren Angebot an firmeneigenen Sportprogrammen auch dadurch erkennbar, dass manche Firmen Massage- oder Fitnessgutscheine zu Weihnachten vergeben anstatt wie vielfach üblich einen Tankgutschein oder Ähnliches. Selbst Jogakurse in den eigenen Firmenräumlichkeiten oder wöchentliche kostenlose Massagen gehören bereits zu dem Sport- und Gesundheitsportfolio einiger Unternehmen.33

31 Vgl.: Mc Fit (2010); Rump, J./Biegel, I. (2009), S. 138.; Wenzel, E. (2004), S. 99f. 32 Vgl.: Focus (2005), S. 3. 33 Vgl.: Focus (2005), S. 27.; Rump, J./Biegel, I. (2009), S. 140.

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Der Zusammenhang zwischen sportlicher Aktivität, einer höheren Leistungsfähigkeit bei der Arbeit und dadurch besseren Arbeitsergebnissen ist auch ins Bewusstsein der Beschäftigten vorgedrungen. Denn seitens der Arbeitnehmer selbst kann ebenfalls ein stärkeres Interesse an Sport beobachtet werden. Aus der Studie „Communication Networks 8.0“34 geht hervor, dass insgesamt 27 % der Berufstätigen ihre Freizeit für Sport nutzen, um sich für den Beruf körperlich fit zu halten. In weiteren Untersuchungen wird deutlich, dass mit der Höhe der beruflichen Stellung die Erhaltung der körperlichen Fitness immer wichtiger wird. So geben beispielsweise 57 % der befragten leitenden Angestellten an, sich regelmäßig körperlich zu betätigen, sei für sie sehr wichtig. 37 % der leitendenden Angestellten führen sogar an, die Freizeit speziell dazu zu nutzen, sich für den Beruf physisch fit zu halten. Im Gegensatz dazu üben lediglich 48 % der befragten Facharbeiter in ihrer Freizeit eine Sportart aus, nur 22 % dieser Gruppe tun dies, um sich für den Beruf körperlich fit zu halten.35 Offensichtlich ist durch den immer stärker werdenden Wettbewerbsdruck das äußere Erscheinungsbild, ein sportlicher Körper und eine gute Figur ein zunehmend entscheidender Faktor für privaten wie auch beruflichen Erfolg. Damit ist der Sport in gewisser Weise von der Arbeit beeinflusst und wird es vermutlich auch zukünftig noch sein. Allerdings hat sich die Art und Weise des Einflusses verändert. Früher war Sport häufig verpflichtend und diente ausschließlich der Reproduktion der Arbeitskraft. Heute dagegen ist Sport eine Kombination aus dieser Zielerreichung und gleichzeitig Ausdruck des geführten Lebensstils.36 Denn „wo berufliche Karrieren immer weniger planbar werden, Lebensentwürfe permanent über den Haufen geworfen werden müssen […] liefert der sportliche Bezug auf den eigenen Körper eines der letzten verlässlichen Sinnreservate.“37 Die folgende Aufzählung zeigt die Top 10 der in Deutschland regelmäßig betriebenen Sportarten:38 •

Radfahren (27,1 %)

34 Communication Networks (CN) 8.0 ist mit 28.385 Fällen eine der größten Markt-Media-Studien in Deutschland. 35 Vgl.: Focus (2005), S. 1. 36 Vgl.: Rump, J./Biegel, I. (2009), S. 141; Focus (2005), S. 30.; Opaschowski, H. W. (2006b), S. 227. 37 Wenzel, E. (2004), S. 93. 38 Vgl.: GfK (2010), S. 2. Anmerkung: Erwachsene in Prozent, Erhebungsjahr: 2009.

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Gymnastik/Aerobic (14,1 %)



Schwimmen (10,8 %)



Fitnessstudio/Krafttraining (9,1 %)



Joggen (9,0 %)



Nordic Walking (6,7 %)



Wintersport (3,2 %)



Sonstige Mannschaftssportarten (2,8 %)



Tennis/Badminton/Squash (2,3 %)



Fußball (1,9 %)

Diese zumeist klassischen Sportarten werden am häufigsten betrieben und stellen nicht selten einen Ausgleich zum stressigen Arbeitsleben dar. Parallel dazu lässt sich eine Neigung hin zu Extrem- und Risikosportarten in Deutschland beobachten, die vermutlich zukünftig weiter ansteigen wird. Arbeitnehmer beeinflussen damit – häufig unbewusst – ihre Beschäftigungsfähigkeit. Denn in der modernen Wirtschaftswelt sind Risikofreude und Spaß am Wagnis häufig eine wichtige Komponente und meist sogar Voraussetzung für unternehmerischen Erfolg. Das Risiko des Scheiterns findet sich damit auf beruflicher als auch privater Seite. Dieser Umstand ist bereits heute keine Seltenheit mehr und dürfte sich zukünftig verstärken. Denn, wie bereits beschrieben, führt die Entgrenzung auch dazu, dass Scheitern viel stärker als früher als persönliches Defizit empfunden wird. Die Freizeit kann somit sowohl Trainingsareal als auch ausgleichender Gegenpol für die Arbeit sein. Extremsport wird als Antwort auf das Leben in einer zum Teil sehr ambivalenten Gesellschaft wahrgenommen. Nicht selten wird alternativ die von der Gesellschaft selbst erzeugte Langeweile und Routine dafür verantwortlich gemacht, dass Menschen in ihrer Freizeit bewusst nach nicht alltäglichen Situationen suchen und sich dabei vermehrt auf Wagnisse und Risiken bei sportlichen Betätigungen einlassen.39 Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass zwischen sportlicher Betätigung und Employability Zusammenhänge hergestellt werden können. Denn Sport 39 Vgl.: Opaschowski, H. W. (2006a), S. 124.; Bette, K.-H. (2004), S. 11 u S. 15ff.; Rump, J./Biegel, I. (2009), S. 145f.

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dient, wie beschrieben, häufig als Ausgleich zum Arbeitsleben oder zur Steigerung der beruflichen Leistungsfähigkeit und verändert sich gleichzeitig mit den Anforderungen in der Arbeitswelt. Zudem unterstützen Unternehmen vielfach den Wunsch ihrer Mitarbeiter nach sportlicher Betätigung, da sich ein Zusammenhang zwischen sportlicher Betätigung sowie physischer und psychischer Gesundheit feststellen lässt. Ein gesunder und sportlicher Körper kann daher durchaus als beruflicher Erfolgsfaktor im Zuge der Employability angesehen werden.

3.3 Entertainment Die Zukunft der Unterhaltung wird sehr stark von Medien geprägt sein. Dafür sprechen zwei Gründe. Zum einen entspricht ihre Nutzung dem Streben der Menschen nach Individualität, da Medien praktisch fast zu jeder Zeit (Stichwort: Zeitsouveränität) und an nahezu jedem Ort eingesetzt oder benutzt werden können („On-Demand-Charakter“). Zum anderen helfen sie, in der Wissensgesellschaft einer globalisierten Welt zu „überleben“, da sie Zugang zu Welt und Wissen ermöglichen. Eine Wissensgesellschaft ist ohne Medien nicht vorstellbar. Aus diesem Grund sind moderne Gesellschaften automatisch solche mit starker Mediennutzung, die jedoch nicht nur auf die Arbeit begrenzt bleibt, sondern auch in der Freizeit als Informations- oder auch Unterhaltungsquelle weiter genutzt wird.40 Menschen möchten gerade im Entertainmentbereich – analog zu den Wünschen im Bereich Reisen und Sport – immer mehr zur gleichen Zeit nutzen oder erleben. Gleichzeitig verweilen sie immer kürzer bei ein und derselben Sache. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um klassische Unterhaltungsformen wie Oper, Konzert oder Theater handelt oder um medienbasierte Unterhaltung. Dadurch haben sich vielfach die Formate verändert und an dieses Verhalten angepasst, denn viele Menschen können im Vergleich zu früher nur noch eine recht kurze Zeit voll konzentriert und aufnahmefähig sein. Spätestens nach zwei Stunden möchten sie wieder etwas Neues erleben, was unweigerlich zur Folge hat, dass mit der Nachfrage auch das Angebot von Beschäftigungen oder Unterhaltungsmöglichkeiten, die über

40 Vgl.: Rump, J./Biegel, I. (2009), S. 156.

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zwei Stunden dauern, stagniert bzw. stark zurückgeht. Diese Beschleunigung ist – wie auch in der Arbeitswelt – vor allem dem verstärkten Einsatz von Medien zuzuschreiben. In vielen Fällen müssen die Menschen regelrecht neu lernen, in einer beschleunigten und von hohem Tempo bestimmten Welt zu leben.41 Vereinzelt wird diese ständige Suche nach mehr und ständig neuer Unterhaltung in der Erlebnisgesellschaft Deutschland als „Hopping-Manie“ bezeichnet. Durch diese Eigenschaft und in Zusammenhang mit der wachsenden Medienvielfalt wird Zeitnot fast zu etwas Beständigem. Speziell die zunehmende Nutzung der Medien auch in der Freizeit führen zu einem chronischen Mangel an Zeit. Wie bereits im Abschnitt zuvor angedeutet, ist eine direkte Konsequenz aus dieser Entwicklung die mittlerweile stark verbreitete Unfähigkeit einiger Menschen, sich über einen längeren Zeitraum konzentrieren zu können und z. B. einem längeren Gespräch zu folgen. Das hat gravierende Konsequenzen für den zwischenmenschlichen Umgang, da Geduld ein rares Gut geworden ist.42 Nur wer es im Arbeitsalltag schafft, trotz des beständigen Zeitmangels in Besprechungen, Workshops oder Telefonkonferenzen über einen längeren Zeitraum kontinuierlich aufmerksam und konzentriert zu sein, stellt damit einen Teil seiner guten Employability unter Beweis. Diese Suche nach ständig neuen Eindrücken, Unterhaltungs- und Informationsangeboten lässt für Viele neben der vielfach sowieso schon von Stress geprägten Arbeit auch noch die Freizeit stressig werden. Darum erscheint es heute fast unverständlich, dass freie Zeit früher einmal Muße genannt wurde. Doch nicht selten wird dieser Stress aus Unbeständigkeit und Gleichzeitigkeit als völlig normal angesehen, wenn man zu der modernen Freizeitgesellschaft dazugehören möchte. Aus diesem Grund überrascht es nicht, dass sich Menschen in einer von Medien dominierten und häufig sehr stressigen Arbeitswelt immer öfter überfordert fühlen. Die folgende Grafik zeigt, wie viel Zeit Menschen in Deutschland im Durchschnitt pro Tag für und mit Medien aufwenden. Dabei fällt auf, dass die aufgewendete Zeit noch vor einigen Jahren, beispielsweise im Jahr 2006, mit 41 Vgl.: Rump, J./Biegel, I. (2009), S. 156f. 42 Vgl.: Rump, J./Biegel, I. (2009), S. 158.

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insgesamt 459 Minuten, etwas höher lag als heute und seit 2007/2008 etwa unverändert blieb. Unterschiede zeigen sich jedoch bei der Zusammensetzung der gesamten Mediennutzung. Die Zeit, die für mobile Dienste sowie Internet43 aufgewendet wird, steigt kontinuierlich an, während für klassische Medien wie TV, Zeitungen und Zeitschriften sowie Radio immer weniger Zeit aufgebracht wird. Wie in der folgenden Abbildung ersichtlich, wird in Schätzungen davon ausgegangen, dass im Jahr 2012 die tägliche Mediennutzungsdauer bei etwa 429 Minuten liegen wird.44

ABB. 2: DURCHSCHNITTLICHE DAUER DER MEDIENNUTZUNG (IN MIN. PRO TAG) IN DEUTSCHLAND VON 2006 BIS 201245

Bereits heute gibt es in den USA immer weniger Personen unter 35 Jahren, welche Zeitungen in Papierform lesen. Vielmehr informiert und unterhält man sich in digitalen und vernetzten Zeitungen – auch in Deutschland. In Schätzungen für das Jahr 2025 gehen einzelne Experten46 davon aus, dass der größte Anteil an Nachrichten auf digitalem Weg zu den Lesern kommen

43 Vgl.: Eco (2010), S. 10. 44 Anmerkung: Je nach Studie und Auftraggeber zur Mediennutzung können die Ergebnisse und Prognosen variieren. 45 Vgl.: Statista (2010c). 46 Wie bspw. Joshua Benton, Leiter des Nieman Journalism Lab an der Harvard University in Cambridge.

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wird. Entweder auf einem Gerät oder auf digitalem und vernetztem Papier. Der „User“ erhält seine aktuellen Informationen je nach Ort, an dem er sich gerade aufhält.47 Welche Bedeutung haben diese Entwicklungen für unsere Kompetenzen und Fähigkeiten im Rahmen der Employability? Die Kompetenz wird darin bestehen, nicht nur den nach Interessen und persönlicher Lebenssituation zugeschnittenen Nachrichten Glauben zu schenken, sondern sich eigenständig mit möglichst wertfreien und objektiven Nachrichten zu beschäftigen. Eine zweite damit eng verbundene Kompetenz wird mit großer Wahrscheinlichkeit sein, das eine von dem anderen unterscheiden zu können. Nur durch diese Fähigkeit wird es gelingen, eine völlige Fragmentierung der gesellschaftlichen Wahrnehmung zu verhindern. Auch die Kompetenz des „Mal-Abschalten-Könnens“ ist nicht zu unterschätzen, denn vielfach machen mobile Geräte – oder zumindest ihr Einfluss – selbst im Urlaub keinen Halt. In Bezug auf so genannte Smartphones48 von denen bisher rund 8 Mio. in Deutschland verkauft wurden, besteht die Gefahr, diese während des Urlaubs so sehr zu vermissen, dass es als echter Verlust wahrgenommen wird. Im Extremfall können echte Entzugssymptome wie Unruhe, Nervosität oder Angstzustände die Folge sein. Besonders gefährdet von diesen Effekten sind vor allem Menschen, die erfolgreichen Berufsgruppen angehören. Wie bereits gesehen, besteht ein ähnliches Problem mit dem Abrufen geschäftlicher E-Mails im Urlaub. Mehr als jeder zweite Arbeitnehmer (52 %) ruft seine geschäftlichen E-Mails auch an freien Tagen ab, 34 % nutzen hierfür sogar ihre privaten Geräte. Damit sind gleich zwei Entgrenzungsentwicklungen zu beobachten: Sowohl die private als auch die geschäftliche Nutzung von IT-Ressourcen wird vermischt und die Grenze zwischen privater Freizeit auf der einen und Arbeit auf der anderen Seite löst sich auf.49

47 Vgl.: Stillich, S. (2010), S. 23. 48 Bei den Smartphones handelt es sich um erweiterte Mobiltelefone, die gleichzeitig als Personal Digital Assistant (PDA) benutzt werden können. 49 Vgl.: Der Spiegel (2010), S. 46.; Mobile Research Guide (2010); Perspektive Mittelstand (2010); Emnid (2010).

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4. Entgrenzung von Arbeit50 und Freizeit Wie bereits beschrieben, wurden zu Zeiten der Industrialisierung Arbeits- und Freizeitbereich als zwei strikt voneinander getrennte Lebensbereiche betrachtet, wohingegen sich heute feststellen lässt, dass die beiden Bereiche immer häufiger in einer Wechselwirkung zueinander stehen. Immer wenn mehrere Lebensbereiche verschwimmen und die Übergänge fließend sind, spricht man von einer so genannten Entgrenzung.51 Insgesamt gibt es fünf Megatrends52, die eine Entgrenzung von Arbeit und Freizeit ermöglichen und intensivieren:53 •









Wissensgesellschaft (Neben fachspezifischem Wissen werden Schlüsselkompetenzen benötigt, die auch im privaten Bereich erworben und angewendet werden können.) Individualisierung (Arbeits- und Freizeitmodelle werden zunehmend individueller, sodass traditionelle Grenzen immer schwerer zu ziehen sind.) Frauen54 (Der höhere Anteil von gebildeten Frauen verstärkt die Nachfrage nach flexiblen Arbeitsformen. Traditionelle Rollenmuster und systeme weichen auf, sodass ein unmittelbarer Einfluss auf Arbeitsorganisation und Biografien gegeben ist.) Globalisierung (Mit der Globalisierung verschwimmen die Pole von Raum und Zeit, von Arbeit und Freizeit.) Technologischer Wandel (Die technologischen Möglichkeiten lassen eine Entkopplung von Ort und Zeit zu – ein Katalysator für die Entgrenzung.)

50 Die Entgrenzung von Arbeit und Freizeit ist nicht mit der Entgrenzung der Erwerbsarbeit zu verwechseln. Letztere beschreibt den Zustand bzw. die Entwicklung, dass viele Menschen nicht mehr in einem so genannten „Normalarbeitsverhältnis“ (unbefristetes und abhängiges Vollzeitbeschäftigungsverhältnis) beschäftigt sind, sondern im Laufe ihres Erwerbslebens oft mehrere und unterschiedliche Arbeitsverhältnisse wahrnehmen, mit teilweise riskanten Übergängen. (Vgl.: Schmid, G. (2008), S. 358). 51 Vgl.: Jürgens, K. (2009), S. 143f., Rump, J./Biegel, I. (2009), S. 175; siehe hierzu auch Kapitel: Employability und Megatrends. 52 Siehe hierzu auch Kapitel: Employability und Megatrends. 53 Vgl. Rump, J./Biegel, I. (2009), S. 177. 54 Siehe hierzu auch Kapitel: Employability und Megatrends.

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Mit der Entgrenzung von Arbeit und Freizeit geht eine neue Art von Arbeitskraftnutzung in zweifacher Hinsicht einher. Zum einen in Form von Flexibilisierung und zum anderen durch Subjektivierung. Flexibilisierung in diesem Kontext bedeutet die numerische, funktionale, räumliche sowie vor allem zeitliche Flexibilität von Beschäftigten. Unter der Subjektivierung ist dagegen eine zunehmende Selbstorganisation und Selbstregulierung (etwa des Arbeitsprozesses) sowie Indienstnahme der gesamten Person für den Betriebszweck zu verstehen.55 Daraus ergeben sich unterschiedlichste Anforderungen an die von entgrenzter Arbeit betroffenen Arbeitnehmer. Ein zentrales Kennzeichen der neuen Arbeitsformen ist die verstärkte Selbstkontrolle der Beschäftigten. Das heißt, dass sie selbst für die Steuerung der einzelnen Arbeitsprozesse verantwortlich sind, indem sie etwa Arbeitsinhalte prüfen, Arbeitszeit planen und den Arbeitsort definieren. Lediglich die in den Zielvereinbarungen vereinbarten Ziele sind häufig relevant – nicht jedoch der Weg dorthin. Vielfach müssen Arbeitsprozesse in Eigenverantwortung strukturiert werden. Wie bereits erwähnt, ist dies nur möglich, indem Beschäftigte ihr gesamtes persönliches Potenzial einsetzen (Stichwort: Subjektivierung von Arbeit) und nicht mehr nur ihre fachlichen Qualifikationen.56 Die Erosion des Taylorismus bedingt daneben weitere und vor allem unausweichliche Leistungen und Kompetenzen der einzelnen Person. Diese stellen gleichzeitig die Grundvoraussetzung dar, um überhaupt in einer entgrenzten Umgebung flexibel arbeiten zu können. Fünf Bereiche lassen sich hierzu anführen:57 •





Die systematische Organisation des gesamten alltäglichen Lebenszusammenhangs (Schaffung eigener Strukturen und Verfahren). Die Fähigkeit zum effizienten und flexiblen Managements des Alltags („Arbeit des Alltags“). Die zeitliche Organisation von Erwerbstätigkeit und Privatleben (individuelle Gestaltung von Lage, Dauer, Verteilung und „Dichte“ der Arbeitszeit).

55 Vgl.: Nierling, L. (2009), S. 285; Lenhardt, U./Priester, K. (2005), S. 491. 56 Vgl.: Jürgens, K./Voß, G. (2007), S. 6. 57 Vgl.: Jürgens, K./Voß, G. (2007), S. 8f.

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Die räumliche Organisation des Alltags (nahräumlich, überregional, global). Die soziale Gestaltung des Alltags (Aufbau und Pflege sozialer Beziehungen, zunehmend auch strategisch berufliches Networking).

Es wird deutlich, wie neue Arbeitsbedingungen neue Fähigkeiten erfordern. Individuen wie auch Organisationen sollten überlegen, wie sich die Bewältigungsfähigkeiten stärken lassen, um dem Wandel gewachsen zu sein. Häufig reichen einfache Stressbewältigungsprogramme hierfür nicht mehr aus, sodass Neues, wie das Konzept der Resilienz58, gefragt ist. Darunter versteht man in der Psychologie die Fähigkeit gegenüber äußeren Belastungen und Krisensituationen widerstandsfähig zu sein und sie ohne anhaltende Beeinträchtigung durchzustehen. Resiliente Menschen sind mit einem Stehaufmännchen zu vergleichen: nach jedem Umfallen ist ein erneutes Aufstehen möglich. In allen Lebensphasen lässt sich diese Eigenschaft erlernen und trainieren, auch wenn sie zu einem Teil durch die genetischen Anlagen mitbestimmt wird. Die sieben Säulen der Resilienz sind:59 •

Einsicht suchen (Suchfragen stellen und ehrliche Antworten geben.)



Unabhängigkeit (Recht auf sichere Grenzen zwischen sich und anderen.)



Beziehungen (enge und erfüllende Beziehungen suchen und aufrechterhalten.)



Initiative (Probleme aktiv anpacken.)



Kreativität (Frustration oder Schmerz künstlerisch ausdrücken.)



Humor (Komisches im Tragischen finden, über sich selbst lachen.)



Moral (Wissen, was gut und schlecht ist. Wille, für diesen Glauben auch Risiken einzugehen.)

Menschen mit einer hohen Resilienz haben in der Regel weniger körperliche Beschwerden und erholen sich schneller. Zudem weisen sie eine stärkere Lebenszufriedenheit auf. Dies ist vor dem Hintergrund insbesondere zu-

58 Der Begriff stammt ursprünglich aus dem Bereich der Physik. Hier bezeichnet Resilienz die Fähigkeit eines Werkstoffes, sich verformen zu lassen und dennoch in die ursprüngliche Form zurückzufinden. 59 Vgl.: Scharnhorst, J. (2008), S. 52.

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nehmender psychischer Belastungen von enormer Wichtigkeit. In Schätzungen wird davon ausgegangen, dass bis zum Jahr 2020 die depressiven Verstimmungen nach den Herzerkrankungen an zweiter Stelle der weltweiten Krankheitsbelastung stehen werden.60

5. Fazit Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass sowohl der Wandel der Erwerbsarbeit als auch der zu beobachtende Lebenswandel insgesamt neue individuelle Kompetenzen voraussetzen, sodass bereits heute wie in Zukunft zur Employability jedes Einzelnen so genannte Lebens- oder Selbstkompetenzen ganz selbstverständlich dazugehören. Aus diesem Grund ist der häufig einseitige Blick der Forschung auf die Erwerbsarbeit im Rahmen von Entgrenzung kritisch anzumerken. Thematisiert wird meist primär der Wandel der Kompetenzen und Anforderungen im Berufsleben sowie die damit einhergehenden Belastungssituationen. Weitaus seltener wird der Wandel im privaten Lebenszusammenhang beleuchtet.61 In den vorangegangenen Kapiteln wurde daher speziell die Freizeitwelt in drei spezifischen Bereichen beleuchtet. Dabei fällt auf, dass sich Arbeit und Freizeit nicht nur hinsichtlich Arbeitszeit, Arbeitsort etc. entgrenzen, sondern dass auch Aktivitäten, die dem Aufbau und dem Erhalt von Beschäftigungsfähigkeit der einzelnen Personen dienen, nicht mehr ausschließlich im Arbeitsbereich zu finden sind. Wie beschrieben, sind einige der Anstrengungen und Erfahrungen im Freizeitbereich ebenfalls der Employability dienlich. Aus diesem Grund wählen viele Arbeitnehmer häufig Freizeitbeschäftigungen ganz gezielt aus, und selbst einige Arbeitgeber bieten ihren Mitarbeitern konkrete Aktivitäten an, weil sie sich den Auswirkungen bestimmter Tätigkeiten auf die Beschäftigungsfähigkeit ihrer Mitarbeiter bewusst sind.

60 Vgl.: Saldecki-Bleck, I./Hopf, S./Fixemer, M./Bücker-Gärtner, C. (2008), S. 28; Scharnhorst, J. (2008), S. 52; Ulich, E. (2008), S. 9. 61 Vgl.: Müske, J. (2009), S. 51; Jürgens, K. (2009), S. 138.

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EMPLOYABILITY UND FREIZEITWELT

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383

Employability und Controlling

von Katrin Boettcher

KATRIN BOETTCHER

Inhalt 1. Einleitung 2. Messung der Beschäftigungsfähigkeit 2.1 Skala 1: Self-perceived Employability Scale 2.2 Skala 2: A competence based and multidimensional operationalization and measurement of employability 3. Diskussion Literatur

386

EMPLOYABILITY UND CONTROLLING

1. Einleitung Trends wie der demografische Wandel, die sich ausweitende Globalisierung und die rasante technische Entwicklung bewirken sowohl innerhalb der Betriebe als auch auf dem Arbeitsmarkt einen Strukturwandel der Arbeitswelt. Dieser geht mit einer steigenden Arbeitslosigkeit und einer steigenden Unsicherheit für Arbeitnehmer in Industrienationen einher. Aufgrund dessen suchen Organisationen nach neuen Strategien für Personalentwicklung und -management, das Konzept der Beschäftigungsfähigkeit rückt hierbei verstärkt in den Mittelpunkt des Interesses.1 Ziel dieses Artikels ist es, zwei Instrumente zur Messung von Beschäftigungsfähigkeit vorzustellen, zum einen die „Self-perceived Employability Scale“ von Rothwell und Arnold,2 zum anderen die Skala „A Competence Based and Multidimensional Operationalization and Measurement of Employability“ von Van der Heijde und Van der Heijden.3 Einerseits bieten diese Instrumente die Möglichkeit, einen Überblick über den Stand der Beschäftigungsfähigkeit der Arbeitnehmer zu erhalten, andererseits ermöglichen diese Skalen, basierend auf ihren Ergebnissen, konkrete Schritte und Maßnahmen einzuleiten, um die Beschäftigungsfähigkeit der Belegschaft zu erhöhen. Beide Instrumente können gleichermaßen, jedoch mit unterschiedlichen Zielsetzungen, von Unternehmen genutzt werden, um die Beschäftigungsfähigkeit ihrer Arbeitnehmer zu ermitteln. Im Folgenden wird ihr unterschiedlicher Fokus erörtert sowie die deutsche Übersetzung der oben genannten Skalen dargestellt. In der abschließenden Diskussion werden praktische Anwendungsgebiete für beide Messinstrumente aufgezeigt.

1 2 3

Blancke, S./Roth, C. (2003), S. 3. Rothwell, A./Arnold, J. (2007), S. 23. Van der Heijde, C./Van der Heijden, B. (2006), S. 449.

387

KATRIN BOETTCHER

2. Messung der Beschäftigungsfähigkeit Wie bereits betont haben beide Skalen einen unterschiedlichen Fokus. Die „Self-perceived Employability Scale“ von Rothwell und Arnold gibt Unternehmen Aufschluss über die jeweilige Ausprägung der Einschätzung der Angestellten über ihre interne und externe Beschäftigungsfähigkeit. Die Skala ist ein kurzes und damit ökonomisches Messinstrument, das vor allem in Zeiten von Veränderungsprozessen und Restrukturierungen von Bedeutung sein kann, da sie Hinweise auf die Flexibilität und die Veränderungsfähigkeit von Angestellten gibt. Sie ermöglicht jedoch nicht eine detaillierte Betrachtung der Faktoren, die mit Beschäftigungsfähigkeit im Zusammenhang stehen. Hier bietet die Skala „A Competence Based and Multidimensional Operationalization and Measurement of Employability“ von Van der Heijde und Van der Heijden ein deutlich umfassenderes Instrument welches, basierend auf fünf Subskalen, die individuelle Beschäftigungsfähigkeit erfasst. Es gibt neben dem Gesamtkonstrukt der Beschäftigungsfähigkeit Aufschluss über einzelne Dimensionen, die Beschäftigungsfähigkeit beeinflussen, indem Fragen nach den beruflichen Kenntnissen, der persönlichen Flexibilität, der proaktiven Antizipation von zu erwartenden Veränderungen, der Wahnehmung des Unternehmens und der Work-Life-Balance der Arbeitnehmer gestellt werden, und liefert damit die Basis für gezielte Einzelmaßnahmen. Die Übersetzung der in diesem Abschnitt vorgestellten Messinstrumente verantwortet die Autorin. Ein Pre-Test mit 15 Personen hat die Klarheit der deutschen Version des Fragebogens untersucht. Basierend auf den erhaltenen Rückmeldungen sind dann für mehrdeutige Formulierungen Alternativen entwickelt worden.

2.1

Skala 1: Self-perceived Employability Scale

Rothwell und Arnold messen mit ihrer Skala „Self-perceived Employability Scale“ die wahrgenommene Beschäftigungsfähigkeit der Befragten mit Hilfe von 11 Items. Hierbei differenzieren sie zwischen interner und externer Be-

388

EMPLOYABILITY UND CONTROLLING

schäftigungsfähigkeit und betonen den individuellen Fokus.4 Externe Beschäftigungsfähigkeit bezeichnet die Fähigkeit und Bereitschaft eines Arbeitnehmers, auf eine ähnliche oder andere Stelle in eine andere Firma zu wechseln. Interne Beschäftigungsfähigkeit bezieht sich auf die Fähigkeit eines Angestellten, auch künftig beim augenblicklichen Arbeitgeber beschäftigt zu bleiben.5 Die Frage, die Rothwell und Arnold mit ihrer Skala beantworten möchten ist, wie Menschen ihre Möglichkeiten beurteilen, eine neue Beschäftigung zu finden oder ihre aktuelle beizubehalten. Das Ziel des Messinstruments ist es, Aufschluss über die individuelle Selbsteinschätzung der Beschäftigungsfähigkeit zu bekommen. Die Antwortskala von 1 (stimme überhaupt nicht zu) bis 5 (stimme voll zu) der englischen Orginalversion wurde bei der Übersetzung übernommen. In Tab 1 findet sich eine Darstellung der 11 Items der „Self-perceived Employability Scale“ in Englisch und der jeweiligen deutschen Übersetzungen. Item

Deutsche Formulierung

Englische Formulierung

Subskala

1

Ich könnte einen ähnlichen Job wie meinen in fast jeder Organisation leicht erhalten.

I could easily get a similar job to mine in almost any organisation.

Ext

2

Wenn ich es müsste, könnte ich leicht einen Job wie meinen jetzigen in einer ähnlichen Organisation bekommen.

If I needed to, I could easily get another job like mine in a similar organisation.

Ext

3

Jeder mit meinem Grad an Fähigkeiten und Wissen und mit ähnlicher Job- und Organisationserfahrung wird in hohem Grade bei Arbeitgebern nachgefragt werden.

Anyone with my level of skills and knowledge, and similar job and organisational experience, will be highly sought after by employers.

Ext

4

Ich könnte jeden möglichen Job überall erhalten, solange meine Fähigkeiten und Erfahrung einigermaßen relevant sind.

I could get any job, anywhere, as long as my skills and experience were reasonably relevant.

Ext

4 5

Rothwell, A./Arnold, J. (2007), S. 37. Groot, W./van den Massen Brink, H. (2000), S. 575.

389

KATRIN BOETTCHER

5

Ich könnte leicht umschulen, um mich andernorts beschäftigungsfähiger zu machen.

I could easily retrain to make myself more employable elsewhere.

Ext

6

Ich habe eine gute Kenntnis meiner Möglichkeiten außerhalb dieser Organisation, selbst wenn sie sich von dem, was ich jetzt tue ziemlich unterscheiden.

I have a good knowledge of opportunities for me outside of this organisation even if they are quite different to what I do now.

Ext

7

Die Fähigkeiten, die ich in meinem jetzigen Job erworben habe, sind auf andere Beschäftigungen außerhalb dieser Organisation übertragbar.

The skills I have gained in my present job are transferable to other occupations outside this organisation.

8

Mein persönliches Netzwerk in dieser Organisation hilft mir bei meiner Karriere.

My personal networks in this organisation help me in my career.

9

Ich erkenne die Möglichkeiten, die in dieser Organisation entstehen, selbst wenn sie sich von dem unterscheiden, was ich jetzt tue.

I am aware of the opportunities arising in this organisation even if they are different to what I do now.

10

Selbst wenn es einen Abbau in dieser Organisation gäbe, bin ich davon überzeugt, dass ich gehalten werden würde.

Even if there was downsizing in this organisation I am confident that I would be retained.

Int

11

Unter den Leuten, die die gleiche Arbeit wie ich erledigen, werde ich in dieser Organisation respektiert.

Among the people who do the same job as me, I am well respected in this organisation.

Int

Anmerkungen:

Rothwell, A./Arnold, J. (2007), S. 32.

390

Int

Ext = externe Beschäftigungsfähigkeit; Int = interne Beschäftigungsfähigkeit; Subskala = ursprüngliche Zuordnung der Items zu den Subskalen laut Rothwell und Arnold6

TAB 1: DIE ITEMS DER „SELF-PERCEIVED EMPLOYABILITY SCALE”

6

Int

EMPLOYABILITY UND CONTROLLING

2.2

Skala 2: A competence based and multidimensional operationalization and measurement of employability

Van der Heijde und Van der Heijden7 entwickeln mit ihrer Skala „A Competence Based and Multidimensional Operationalization and Measurement of Employability“ ein Messinstrument, das sowohl Organisationen dienen als auch Beschäftigten einen Hinweis auf ihre Beschäftigungsfähigkeit liefern soll. Das Instrument besteht aus fünf verschiedenen Skalen mit jeweils 7 bis 15 Items. Vor allem berufliche Fachkenntnise werden von Van der Heijde und Van der Heijden als wichtiger Bestandteil der Beschäftigungsfähigkeit interpretiert. Weitere Dimensionen des Konstrukts sind Antizipation und Optimierung, persönliche Flexibilität, Unternehmensgefühl/-wahrnehmung und Ausgeglichenheit im Sinne einer Work-Life Balance. Das Ziel der Skala ist es, basierend auf der Mehrdimensionalität des Konstrukts Beschäftigungsfähigkeit, welche sich in den fünf dargestellten Subskalen zeigt, Aufschluss über die Beschäftigungsfähigkeit zu geben. Die Antwortskala von 1 (nie bzw. überhaupt nicht) bis 6 (immer bzw. in hohem Maße) der englischen Orginalversion wurde in der Übersetzung übernommen. In Tabelle 2 findet sich eine Darstellung der Items der Skala „A Competence Based and Multidimensional Operationalization and Measurement of Employability“ in Englisch und der jeweiligen deutschen Übersetzungen. Item

Deutsche Formulierung

Englische Formulierung

Subskala

1

Ich halte mich für fähig, mich an einer detaillierten fachlichen Diskussion in meinem Arbeitsgebiet zu beteiligen.

I consider myself competent to engage in in-depth, specialist discussions in my job domain.

BF

2

Während des letzten Jahres war ich im Allgemeinen fähig, meine Arbeit sorgfältig und mit wenigen Fehlern auszuführen.

During the past year, I was, in general, competent to perform my work accurately and with few mistakes.

BF

Berufliche Fachkenntnisse

7

Van der Heijde, C./Van der Heijden, B. (2006), S. 449.

391

KATRIN BOETTCHER

3

Während des letzten Jahres war ich im Allgemeinen fähig, hinsichtlich meiner Herangehensweise an die Arbeit schnelle Entscheidungen zu treffen.

During the past year, I was, in general, competent to take prompt decisions with respect to my approach to work.

4

Ich halte mich für fähig, darauf aufmerksam zu machen, wenn mein Wissen nicht ausreicht, um eine Aufgabe zu erfüllen oder ein Problem zu lösen.

I consider myself competent to indicate when my knowledge is insufficient to perform a task or solve a problem.

5

Ich halte mich für fähig, in einer umfassenden Art und Weise über meine Arbeit Auskunft zu geben.

I consider myself competent to provide information on my work in a way that is comprehensive.

BF

6

Im Allgemeinen bin ich fähig, Kernpunkte von Randthemen zu unterscheiden und Prioritäten zu setzen.

In general, I am competent to distinguish main issues from side issues and to set priorities.

BF

7

Während des letzten Jahres war ich im Allgemeinen fähig, meine Arbeit unabhängig zu erledigen.

During the past year, I was, in general, competent to carry out my work independently.

BF

8

Ich halte mich für fähig, für Kollegen mit Fragen zur Herangehensweise an die Arbeit eine nützliche Hilfe zu sein.

I consider myself competent to be of practical assistance to colleagues with questions about the approach to work.

BF

9

Ich halte mich für fähig, die „Pros“ und „Contras“ spezieller Entscheidungen hinsichtlich Arbeitsmethoden, Materialien und Arbeitstechniken in meinem Arbeitsgebiet abzuwägen und zu begründen.

I consider myself competent to weigh up and reason out the “pros” and “cons” of particular decisions on working methods, materials, and techniques in my job domain.

392

BF

BF

BF

EMPLOYABILITY UND CONTROLLING

10

Wie sehen sie sich insgesamt Overall, how do you see hinsichtlich ihrer Arbeitsyourself in terms of your leistung? work performance?

BF

11

Wie viel Vertrauen haben Sie in Ihr Leistungsvermögen innerhalb Ihres Fachgebietes?

How much confidence do you have in your capacities within your area of expertise?

BF

12

Wie würden Sie die Qualität Ihres Fachkönnens insgesamt beurteilen?

How would you rate the quality of your skill overall?

13

Welcher Anteil Ihrer Arbeit, würden Sie sagen, führte Sie im letzten Jahr zu einem erfolgreichen Abschluss?

What proportion of your work would you say brought you to a successful conclusion in the past year?

BF

14

Ich habe eine _____ MeiI have a ______ opinion of nung darüber, wie gut ich im how well I performed in the letzten Jahr gearbeitet habe. past year.

BF

15

Wie selbstsicher haben Sie During the past year how sich während des letzten sure of yourself have you Jahres bei der Arbeit gefühlt? felt at work?

BF

BF

Antizipation und Optimierung

16

Wie viel Zeit verbringen Sie damit, das Wissen und die Kenntnisse zu verbessern, die für Ihre Arbeit von Nutzen sein werden?

How much time do you spend improving the knowledge and skills that will be of benefit to your work?

17

Ich übernehme Verantwortung dafür, meinen Arbeitsmarktwert aufrechtzuerhalten.

I take responsibility for maintaining my labour market value.

18

Ich mache mich daran, die Korrektur meiner Schwächen in systematischer Art und Weise weiterzuentwickeln.

I approach the development of correcting my weakness in a systematic manner.

AO

AO

AO

393

KATRIN BOETTCHER

19

Ich konzentriere mich darauf, mich fortlaufend weiterzuentwickeln.

I am focused on continuously developing myself.

20

Ich richte meine Aufmerksamkeit bewusst darauf, mein neu erlangtes Wissen und meine neu erlangten Kenntnisse anzuwenden.

I consciously devote attention to applying my newly acquired knowledge and skills.

21

Meine Karriereziele formulierend, trage ich der externen Nachfrage am Markt Rechnung.

In formulating my career goals, I take account of external market demand.

22

Während des letzten Jahres war ich aktiv damit beschäftigt, angrenzende Arbeitsbereiche zu erforschen, um herauszufinden, wo Erfolg erreicht werden könnte.

During the past year, I was actively engaged in investigating adjacent job areas to see where success could be achieved.

23

Während des letzten Jahres habe ich mich mit den neusten Entwicklungen in meinem Arbeitsgebiet vertraut gemacht.

During the past year, I associated myself with the latest developments in my job domain.

AO

AO

AO

AO

AO

Persönliche Flexibilität 24

Wie einfach, würden Sie sagen, können Sie sich an Veränderungen in Ihrem Arbeitsplatz anpassen?

25

Wie leicht, würden Sie How easily would you say sagen, sind Sie in der Lage you are able to change orOrganisationen zu wechseln, ganizations, if necessary? falls es nötig ist?

PF

26

Ich passe mich Veränderungen innerhalb meiner Organisation an.

PF

394

How easily would you say you can adapt to changes in your work place?

I adapt to developments within my organization.

PF

EMPLOYABILITY UND CONTROLLING

27

Wie schnell erfassen Sie im Allgemeinen Veränderungen in Ihrer Arbeitsumgebung und ziehen Nutzen daraus?

How quickly do you generally anticipate and take advantage of changes in your working environment?

28

Wie schnell erfassen Sie im Allgemeinen Veränderungen in Ihrer Branche/Unternehmensbereich und ziehen Nutzen daraus?

How quickly do you generally anticipate and take advantage of changes in your sector?

29

Wie viel Veränderung beabsichtigen Sie im Bereich Ihrer Aufgaben innerhalb Ihrer Arbeit zu erreichen?

How much variation is there in the range of duties you aim to achieve in your work?

PF

30

Ich habe eine _________ I have a ____ (very nega(sehr negative – sehr positive) tive – very positive) attitude Einstellung zu Verändeto changes in my function. rungen in meiner Tätigkeit.

PF

31

Ich finde es ______ (sehr unangenehm – sehr angenehm) mit neuen Leuten zu arbeiten.

PF

I find working with new people _____ (very unpleasant – very pleasant).

PF

PF

Unternehmensgefühle/-wahrnehmung 32

Ich bin darin eingebunden, den Auftrag meiner Organisation/ meiner Abteilung zu erfüllen.

I am involved in achieving my organization’s/department’s mission.

33

Ich erbringe das “zusätzliche Extra” für meine Organisation/meine Abteilung über meine unmittelbare Verantwortlichkeit hinaus.

I do that extra bit for my organization/ department over and above my direct responsibilities.

34

Ich unterstütze die betrieblichen Prozesse innerhalb meiner Organisation.

I support the operational processes within my organization.

35

Auf der Arbeit ergreife ich In my work I take the initiadie Initiative darin, mit tive in sharing responsibilimeinen Kollegen Verantwort- ties with colleagues. lichkeiten zu teilen.

UG

UG

UG

UG

395

KATRIN BOETTCHER

36

In meiner Organisation, beteilige ich mich daran, eine gemeinsame Vision von Werten und Zielen zu gestalten.

In my organization, I take part in forming a common vision of values and goals.

37

Ich teile mein Wissen und I share my experience and meine Erfahrung mit anderen. knowledge with others.

UG

38

How much influence do Wie viel Einfluss üben Sie innerhalb ihrer Organisation you exercise within your aus? organization?

UG

UG

Ausgeglichenheit 39

Ich leide unter berufsbedingten Stress.

40

Meine Arbeit und mein My work and private life Privatleben sind gleichmäßig are evenly balanced. ausgewogen.

AG

41

Meine Arbeit, Lernen und Leben sind in Harmonie.

My working, learning and living are in harmony.

AG

42

Mein Arbeitsaufwand steht in Verhältnis zu dem, was ich dafür zurück bekomme (z. B. durch primäre und sekundäre Arbeitskonditionen, Freude an der Arbeit).

My work efforts are in proportion to what I get back in return (e. g., through primary and secondary conditions of employment, pleasure in work).

AG

43

Die Zeit, die ich einerseits für meine Arbeit und meine berufliche Entwicklung aufbringe und andererseits für meine persönliche Entwicklung und Entspannung, sind gleichmäßig ausgewogen.

The time I spend on my work and career development on the one hand and my personal development and relaxation on the other hand are evenly balanced.

44

Ich erreiche einen Ausgleich im Wechsel zwischen einem hohen Maß an Involvierung in meine Arbeit und einem gemäßigten Grad an Involvierung im passenden Moment.

I achieve a balance in alternating between a high degree of involvement in my work and a more moderate one at the appropriate moment.

396

I suffer from work-related stress.

AG

AG

AG

EMPLOYABILITY UND CONTROLLING

45

Nach der Arbeit ist es mir im After working, I am generAllgemeinen möglich zu ent- ally able to relax. spannen.

AG

46

Ich erreiche einen Ausgleich darin, wechselseitig sowohl meine eigenen Arbeitsziele zu erreichen als auch meine Kollegen zu unterstützen.

I achieve a balanced in alternating between reaching my own work goals and supporting my colleagues.

AG

47

Ich erreiche einen Ausgleich darin, wechselseitig sowohl meine eigenen Karriereziele zu erreichen als auch meine Kollegen zu unterstützen.

I achieve a balanced in alternating between reaching my own career goals and supporting my colleagues.

Anmerkungen:

TAB. 2:

AG

BF = Berufliche Fachkenntnisse/Occupational Expertise; AO = Antizipation und Optimierung/Anticipation and Optimization; PF = Persönliche Flexibilität/Personal Flexibility; UG = Unternehmensgefühl/- wahrnehmung/ Corporate sense; AG = Ausgeglichenheit/Balance; Subskala = usprüngliche Zuordnung der Items zu den Subskalen laut Van der Heijde und Van der Heijden8

DIE ITEMS DES „COMPETENCE BASED AND MULTIDIMENSIONAL OPERATIONALIZATION AND MEASUREMENT OF EMPLOYABILITY”

3. Diskussion Beschäftigungsfähigkeit sollte zu einem fest verankerten Bestandteil des strategischen Vorgehens besonders im Bereich der Unternehmenskultur, der Führung und Organisation werden. Ebenso sollten Karriere- und Personalentwicklungssysteme den Gedanken der Beschäftigungsfähigkeit fest in ihren Strukturen verankern. Die hier vorgestellten Skalen zur Erfassung der Beschäftigungsfähigkeit eröffnen für die praktische Anwendung des Konstrukts Beschäftigungsfähigkeit in Unternehmen neue Perspektiven und können wie beschrieben auf unterschiedliche Arten eingesetzt werden. Die „Self-perceived Employability Scale“ von Rothwell und Arnold ermöglicht zwar die differenzierte Erfassung der 8

Van der Heijde, C./Van der Heijden, B. (2006), S. 468–470.

397

KATRIN BOETTCHER

internen und externen Beschäftigungsfähigkeit und die eventuelle Einleitung adäquater Maßnahmen, bietet jedoch eine geringere Detaillierung der Einflussfaktoren und kann aufgrund dessen nur grundlegende Informationen über die Wahrnehmung der Beschäftigungsfähigkeit bieten. Jedoch bietet diese Skala Unternehmen, die sich erstmalig mit Beschäftigungsfähigkeit auseinandersetzen, die Möglichkeit mit einem kurzen Instrument einen Überblick über die Beschäftigungsfähigkeit der Mitarbeiter zu erhalten. Für Unternehmen, die eine detailliertere Betrachtung der Einflussfaktoren auf die Beschäftigungsfähigkeit ihrer Angestellten anstreben erscheint die Skala „A Competence Based and Multidimensional Operationalization and Measurement of Employability“ von Van der Heijde und Van der Heijden als ein geeignetes Instrument. Das Messinstrument kann trotz des im Vergleich zur „Self-Perceived Employability Scale“ höheren Aufwandes, bedingt durch seine umfangreichere Itemzahl, sinnvoll für eine grundlegende Untersuchung der Beschäftigungsfähigkeit der Arbeitnehmer in Unternehmen sein, da es wesentlich detailliertere Informationen zu den Einflussfaktoren der Beschäftigungsfähigkeit liefert. Durch diese ausführliche Betrachtung der unterschiedlichen Dimensionen wie der Work-Life Balance oder der persönlichen Flexibilität wird in der Praxis die gezielte Förderung einzelner Themenfelder ermöglicht, mit dem Ziel, die Beschäftigungsfähigkeit der Mitarbeiter zu erhöhen. Mit den vorliegenden Übersetzungen der beiden Skalen kann die Beschäftigungsfähigkeit jetzt auch in deutschsprachige Unternehmen je nach Fragestellung erfasst werden.

398

EMPLOYABILITY UND CONTROLLING

Literatur Blancke, S. /Roth, C. (2003): Verbesserung der Employability von Migranten auf dem regionalen Arbeitsmarkt, Explorationsstudie für die Entwicklungspartnerschaft „KoLIBRI“ im Rahmen der Gemeinschaftsinitiative "EQUAL": http://www.wiponline.org/downloads/Blancke_Roth_2003_a.pdf, Tübingen 2003. Groot, W./van den Maassen Brink, H. (2003): Education, training and employability, in: Applied Economics, 32. Jahrgang, 2000, S. 573–581. Rothwell, A./Arnold, J. (2007): Self-perceived employability: development and validation of a scale, in: Personnel Review, 36. Jahrgang, Heft 1, 2007, S. 23–41. Van der Heijde, C. /Van der Heijden, B. (2006): A competence-based and multidimensional operazionalization and measurement of employability, in: Human Resource Management, 45. Jahrgang, Heft 3, 2006, S. 449–476.

399

Best Practices zum Thema Employability

Förderung der Arbeitsmarktfähigkeit bei den Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) Bezugsrahmen und Massnahmen

von Peter Th. Senn / Nadin Wiederkehr

PETER TH. SENN / NADIN WIEDERKEHR

Inhalt 1. Einleitung 1.1 Ausgangslage und Herausforderungen 1.2 Ziele des Berichts 2. Bezugsrahmen zur Arbeitsmarktfähigkeit bei der SBB 2.1 Arbeitsmarktfähigkeit bei der SBB 2.2 Einfussfaktoren und Kompetenzen 2.3 Bezugsrahmen Arbeitsmarktfähigkeit SBB 3. Massnahmen zur Förderung der Arbeitsmarktfähigkeit bei der SBB 3.1 Strategische Grundlagen und Leitfragen 3.2 Zielgruppen 3.3 Zielgruppenspezifische Massnahmen 3.4 Arbeitsmarktcenter SBB 4. Fazit und Ausblick Literatur

404

S C H W E I Z E R I S C H E B U N D E S B A H N E N (SBB)

1. Einleitung 1.1

Ausgangslage und Herausforderungen

1999 machte die SBB den Schritt vom Bundesbetrieb zu einer spezialgesetzlichen (öffentlich-rechtlichen) Aktiengesellschaft. Anstatt sich auf staatliche Defizitgarantie stützen zu können, wurde immer mehr die Eigenwirtschaftlichkeit und entsprechendes Unternehmertum gefordert. Die seither konsequent verstärkte Leistungs- und Ergebnisorientierung des SBB-Konzerns führt für die rund 27.800 Mitarbeitenden dazu, dass ein Paradigmenwechsel von der Arbeitsplatzsicherheit zur Arbeitsmarktfähigkeit erfolgt. Die historisch gewachsene, durch das Unternehmen garantierte Arbeitsplatzsicherheit wird durch die Forderung nach Arbeitsmarktfähigkeit abgelöst. Aufgrund veränderter Anforderungen auf dem internen und externen Arbeitsmarkt sind alle Mitarbeitenden gefordert, ihre Kompetenzen selbstverantwortlich und gezielt weiter zu entwickeln. Dabei werden sie durch das Human Resource Management (HRM) der SBB optimal unterstützt. Die SBB übernimmt dabei ihre soziale Verantwortung und erhöht ihre Wettbewerbsfähigkeit. Bei der Förderung der Arbeitsmarktfähigkeit gewinnen beide Parteien und es sind beide gefordert: die Unternehmung SBB und die Mitarbeitenden.

1.2

Ziele des Berichts

Der vorliegende Bericht zeigt auf, 1. was Arbeitsmarktfähigkeit bei der SBB bedeutet, 2. mit welchen Massnahmen Arbeitsmarktfähigkeit bei der SBB bereits gefördert wird, 3. welche weiteren Schritte zur Förderung der Arbeitsmarktfähigkeit geplant sind.

405

PETER TH. SENN / NADIN WIEDERKEHR

2. Bezugsrahmen zur Arbeitsmarktfähigkeit bei der SBB 2.1

Arbeitsmarktfähigkeit bei der SBB

Der Arbeitsmarkt ist das Zusammentreffen von Angebot und Nachfrage nach Arbeitskraft in einer Volkswirtschaft. Angebot und Nachfrage verändern sich permanent und – beispielsweise getrieben durch die Wirtschaftslage, den demografischen und den technologischen Wandel oder die Fortschritte in der Forschung – immer schneller. Es werden ständig veränderte und neue Kompetenzen von Arbeitskräften gefordert. Das heisst: die Bedarfslage auf dem Arbeitsmarkt wandelt sich. Die Arbeitsmarktfähigkeit (Beschäftigungsfähigkeit, Employability) eines Mitarbeitenden der SBB zeigt sich in der Fähigkeit, seine Kompetenzen bei sich wandelnder Bedarfslage auf dem Arbeitsmarkt zielgerichtet und eigenverantwortlich anzupassen und einzusetzen, um eine Erwerbsbeschäftigung zu erlangen oder zu erhalten.1 Zur Arbeitsmarktfähigkeit gehört auch, dass die Person in ihrem Einzugsgebiet Arbeit findet, die ihr erlaubt, den Lebensunterhalt zu bestreiten und die Arbeitsmarktfähigkeit zu erhalten. Arbeitsmarktfähigkeit wird zum Sicherungsanker. Die Sicherheit bezieht sich aber nicht mehr auf einen bestimmten Beruf, Arbeitsplatz, Arbeitgeber oder eine Beschäftigungsgarantie auf Lebzeit, sondern auf die eigenen Kompetenzen. Arbeitsmarktfähigkeit ersetzt Arbeitsplatzsicherheit.2 Unter Kompetenzen eines Mitarbeitenden verstehen wir die Gesamtheit seines Wissens, seiner Einstellungen, seiner Fähigkeiten und Fertigkeiten.

1 2

Rump, J., Sattelberger, T./Fischer, H. (2006). Raeder, S./Grote, G. (2003).

406

S C H W E I Z E R I S C H E B U N D E S B A H N E N (SBB)

2.2

Einfussfaktoren und Kompetenzen

Erfahrungsgemäss beeinflussen persönliche und organisatorische Faktoren die Kompetenzen der SBB-Mitarbeitenden und damit schliesslich ihre Arbeitsmarktfähigkeit. Zu den wichtigsten persönlichen Einflussfaktoren zählen wir: •

Alter



Gesundheit



Bildungsstand



Geschlecht

Zentrale organisatorische Einflussfaktoren sind für uns: •

Aufgaben/Tätigkeiten



Feedbackkultur



Lern- und Entwicklungskultur

Oben haben wir festgehalten, dass sich die Arbeitsmarktfähigkeit eines SBBMitarbeitenden in der Fähigkeit zeigt, seine Kompetenzen bei sich wandelnder Bedarfslage auf dem Arbeitsmarkt zielgerichtet und eigenverantwortlich anzupassen und einzusetzen, um eine Erwerbsbeschäftigung zu erlangen oder zu erhalten. Fachkompetenzen bilden eine wichtige Voraussetzung für Arbeitsmarktfähigkeit. Eine zentrale Frage lautet: Welche Kompetenzen dienen als Schlüssel, um die fachspezifischen Fähigkeiten wirksam einzusetzen? Gemäss unseren Erfahrungen sind es die nachfolgenden Schlüsselkompetenzen, denen bei der Förderung der Arbeitsmarktfähigkeit besondere Bedeutung zukommt: Selbstkompetenzen •

Eigenverantwortung für die persönliche und berufliche Entwicklung



Engagement, Ausdauer und Belastbarkeit



Einfühlungsvermögen



Flexibilität und Kreativität 407

PETER TH. SENN / NADIN WIEDERKEHR



Aufgeschlossenheit gegenüber neuen Situationen und Ideen



Selbstreflexionsfähigkeit



Lernbereitschaft und -vermögen

Sozialkompetenzen •

Kommunikationsfähigkeit



Konflikt- und Kritikfähigkeit



Teamfähigkeit

Methodenkompetenzen •

Technische Fähigkeiten



Arbeitsmethodik

Die Fachkompetenzen und die Schlüsselkompetenzen sind im Kompetenzmodell der SBB für Mitarbeitende enthalten. Das Kompetenzmodell ist im HRProzess integriert.

2.3

Bezugsrahmen Arbeitsmarktfähigkeit SBB

Der Bezugsrahmen zeigt den internen und externen Arbeitsmarkt, die Einflussfaktoren, die Kompetenzen und die individuelle Arbeitsmarktfähigkeit im Gesamtzusammenhang.

408

S C H W E I Z E R I S C H E B U N D E S B A H N E N (SBB)

ABB 1: BEZUGSRAHMEN ARBEITSMARKTFÄHIGKEIT SBB

Die Einflussfaktoren wirken indirekt, d. h. über die Beeinflussung von Kompetenzen, auf die Arbeitsmarktfähigkeit. Erst wenn die Kompetenzen eingesetzt und angepasst werden können, wird die Arbeitsmarktfähigkeit gefördert. Es besteht eine Wechselwirkung: Die individuelle Arbeitsmarktfähigkeit wirkt auf die Kompetenzen und damit indirekt auf die Einflussfaktoren.

409

PETER TH. SENN / NADIN WIEDERKEHR

3. Massnahmen zur Förderung der Arbeitsmarktfähigkeit bei der SBB 3.1

Strategische Grundlagen und Leitfragen

Auf normativer Ebene bilden die strategischen Ziele des Bundesrates für die SBB 2007–2010 die Grundlage für die Förderung der Arbeitsmarktfähigkeit bei der SBB. Eines der Ziele lautet: „Der Bundesrat erwartet, dass die SBB (…) bestrebt ist, die Arbeitsmarktfähigkeit ihrer Mitarbeitenden durch Aus- und Weiterbildungsmassnahmen zu verbessern.“ Verschiedene Ziele aus der HR-Strategie der SBB leisten einen Beitrag zur Förderung der Arbeitsmarktfähigkeit. Die strategische Stossrichtung „Arbeitsmarktfähigkeit und Gesundheit fördern und erhalten“, verfolgt nachfolgende Ziele: •

• •

Die SBB fördert die Arbeitsmarktfähigkeit und fordert die Eigenverantwortung der Mitarbeitenden. Die Mitarbeitenden sind nachhaltig arbeitsmarktfähig. Die Kompetenzen und das Know-how von älteren sowie gesundheitlich beeinträchtigten Mitarbeitenden werden gefördert und genutzt.

Basierend auf der HR-Strategie wurde ein SBB-internes Arbeitsmarktcenter aufgebaut (s. Abschnitt 3.4) sowie eine Personalentwicklungspolicy und eine Management Development-Policy erstellt. Die Entwicklungsmassnahmen der beiden Policies zielen unter anderem darauf ab, die Arbeitsmarktfähigkeit aller Mitarbeitenden und Führungskräfte der SBB zu sichern und zu fördern – „on the job“ (lernen im Prozess der Arbeit) und „off the job“ (Entwicklungsprogramme, Weiterbildungsseminare, Workshops etc.). Massnahmen, die speziell für die Förderung der Arbeitsmarktfähigkeit geplant und durchgeführt werden, müssen sich aus Wirksamkeits- und Effizienzüberlegungen auf spezielle Zielgruppen fokussieren. Durch die Massnahmen sollen bestimmte Zielgruppen (z. B. ältere Mitarbeitende) befähigt werden, ihre spezifischen Stärken (z. B. grosse Erfahrung) im Arbeitsalltag gezielt zu nutzen und ihre Entwicklungsfelder (z. B. Kompetenzen im Zusammenhang 410

S C H W E I Z E R I S C H E B U N D E S B A H N E N (SBB)

mit modernen Informations- und Kommunikationstechnologien) wirksam zu bearbeiten. Vor diesem Hintergrund sind nun folgende Leitfragen zu beantworten: •





3.2

Auf welche Zielgruppen sollen sich die Massnahmen zur Förderung der Arbeitsmarktfähigkeit in der SBB fokussieren (Abschnitt 3.2)? Welches sind Beispiele zielgruppenspezifischer Massnahmen zur Förderung der Arbeitsmarktfähigkeit in der SBB (Abschnitt 3.3)? Welche organisatorischen Massnahmen werden zur Förderung der Arbeitsmarktfähigkeit in der SBB umgesetzt (Abschnitt 3.4)?

Zielgruppen

Massnahmen zur Förderung der individuellen Arbeitsmarktfähigkeit sollen zielgruppenspezifisch erfolgen, d. h. es wird eine zielgruppenspezifische Nutzung von Stärken und Bearbeitung von Kompetenzdefiziten angestrebt. Im Hinblick auf die persönlichen und organisatorischen Einflussfaktoren und unter Berücksichtigung der entsprechenden Stärken/Kompetenzdefizite von Mitarbeitenden, ergeben sich beispielsweise folgende Zielgruppen: Einflussfaktor

Zielgruppen

Alter

Ältere Mitarbeitende

Gesundheit

Mitarbeitende mit gesundheitlichen Einschränkungen

Bildungsstand

Ungelernte Mitarbeitende

Aufgaben und Tätigkeiten

Veränderungsungewohnte Mitarbeitende

Feedback- und Lernkultur

Vorgesetzte

411

PETER TH. SENN / NADIN WIEDERKEHR

3.3

Zielgruppenspezifische Massnahmen

Zielgruppe „Ältere Mitarbeitende“ Ein strategisches HR-Ziel der SBB gibt vor, auch die Kompetenzen und das Know-how von älteren Mitarbeitenden zu fördern und zu nutzen. Hintergrund dieses Ziels bildet die demografische Entwicklung. Diese führt(e) in der Arbeitswelt zu einem Altersscheren-Effekt, d. h. die Anzahl jüngerer Erwerbspersonen nimmt ab und gleichzeitig steigt die Anzahl der älteren Erwerbstätigen. Die demografische Entwicklung beschäftigt auch die SBB. Rund 1.400 Mitarbeitende sind über 60 Jahre alt. Die Förderung der Arbeitsmarktfähigkeit von älteren Mitarbeitenden wird durch das vorherrschende Defizitmodell des Alter(n)s erschwert. Demnach gelten ältere Mitarbeitende als weniger lernfähig, weniger flexibel, weniger motiviert, häufiger krank und weniger leistungsfähig.3 Erkenntnisse der SBB zeigen, dass es sich hier um nicht verallgemeinerbare Vorurteile handelt: Eine interne Befragung aller deutschsprachigen Kader über 50 Jahre aus dem Jahr 2009 zeigt, dass sich die Einstellung zur Arbeit und zur Notwendigkeit einer Ergänzung des Erfahrungswissens mit einer stetigen Weiterbildung mit dem Alter nicht negativ entwickelt. Auch die verbreitete Auffassung, dass Weiterbildungsaktivitäten ab 55 stark zurückgehen, wird nicht bestätigt. Die Kader stehen auch zwischen 50 und 64 in einer laufenden Weiterbildung oder haben erst vor kurzer Zeit (zwei bis fünf Jahre) eine Weiterbildung besucht. Mehrheitlich standen die Weiterbildungskurse in direktem Zusammenhang mit der Arbeit oder der Karriere.4 Auch in der SBB können Tendenzen zur Stigmatisierung älterer Mitarbeitender (als „Risikogruppe“) beobachtet werden. Solche Tendenzen erschweren die Umsetzung eines resourcenorientierten, d. h. bei den Stärken anknüpfenden, Entwicklungsprozesses.

3 4

Bruch, H./Kunze, F./Böhm, S. (2009). Scheuermeier, E. (2009).

412

S C H W E I Z E R I S C H E B U N D E S B A H N E N (SBB)

Als Voraussetzung zur Förderung der Arbeitsmarktfähigkeit älterer Mitarbeitender ist es also entscheidend aufzuzeigen, dass ältere Mitarbeitende signifikante Stärken aufweisen:5 •

Mehr erfahrungsbasiertes Wissen.



Anstieg der sozialen Kompetenz.



Gelassenheit bei Stress und Krisen.



Bessere Emotionsregulation.



Führungskompetenzen.

Zusammengefasst ist man sich in Fachkreisen heute einig, dass sich nicht das generelle Niveau der Leistungsfähigkeit mit dem Älterwerden wandelt, sondern eine Verschiebung des Spektrums der Leistungen und Kompetenzen stattfindet. Fähigkeiten, wie etwa körperliche Belastbarkeit, Geschwindigkeit der Informationsaufnahme und -verarbeitung, Kurzzeitgedächtnis und Risikobereitschaft, nehmen zwar ab. Hingegen nehmen Urteilsfähigkeit, Zuverlässigkeit, Kooperations- und Konfliktfähigkeit sowie betriebsspezifisches Know-how zu.6 Die Gesamtbilanz des Leistungsvermögens älterer Mitarbeitenden ist also im Allgemeinen ausgeglichen. Ältere Mitarbeitende verfügen im Vergleich zu jüngeren Mitarbeitenden dementsprechend nicht über weniger, sondern über andere Kompetenzen und damit über andere Stärken und Entwicklungsfelder. Sie können in der SBB als wertvolles Humankapital genutzt werden. Der entscheidende Erfolgsfaktor ist dabei – neben wirksamen Personalentwicklungsmassnahmen – das eigenverantwortliche Engagement der älteren Mitarbeitenden. Eine konkrete Massnahme zur Förderung der Arbeitsmarktfähigkeit älterer Mitarbeitenden in der SBB ist beispielsweise „crescendo“: crescendo bietet Mitarbeitenden ab 58 Jahren, die ihre Stelle auf Grund einer Reorganisation verloren haben, unterschiedliche Modelle für den Übergang ins Pensionsalter. Am meisten eingesetzt wird das Modell „Personalvermittlung“ des Arbeitsmarktcenters der SBB (s. Abschnitt 3.4).

5 6

Bruch, H./Kunze, F./Böhm, S. (2009). Peter, C. (2009).

413

PETER TH. SENN / NADIN WIEDERKEHR

Die Mitarbeitenden werden bis zu vier Jahren in der Personalvermittlung weiterbeschäftigt, wo ihnen temporäre Einsätze auf dem internen und externen Stellenmarkt vermittelt werden. Der Zeitpunkt der Pensionierung wird mit den Mitarbeitenden individuell vereinbart. Zielgruppe „Mitarbeitende mit gesundheitlichen Einschränkungen“ Die Kompetenzen und das Know-how von gesundheitlich beeinträchtigten Mitarbeitenden zu fördern und zu nutzen, bildet ein weiteres strategisches HRZiel der SBB. Die Gesundheitsstrategie der SBB zielt darauf ab, die Arbeitsfähigkeit nachhaltig zu erhalten und zu fördern. Arbeitsmarktfähigkeit setzt Arbeitsfähigkeit voraus. Es werden vier Stossrichtungen verfolgt: •

Gesundheitskompetenz stärken und fördern.



Gesundheitsförderliche Arbeitsverhältnisse schaffen.



Arbeitsfähigkeit erhalten, entwickeln und nutzen.



Arbeit und Gesundheit in Managementprozesse integrieren.

Nachfolgend wird das Betriebliche Case Management als eine Massnahme zur Stossrichtung „Arbeitsfähigkeit erhalten, entwickeln und nutzen“ aufgezeigt. Hintergrund dieser Massnahme bilden die Ziele dieser Stossrichtung: •





414

Mitarbeitende, die aufgrund einer erworbenen Leistungseinschränkung zeitweise oder auf Dauer für bestimmte Belastungen ihrer Arbeitstätigkeit nicht mehr geeignet sind, werden frühzeitig identifiziert und kehren, wenn immer möglich, an ihre angestammte Tätigkeit zurück. Erkrankte und verunfallte Mitarbeitende, die nicht an ihre angestammte Tätigkeit zurückkehren können, werden begleitet und bleiben wenn immer möglich integriert. Rahmenbedingungen für die berufliche Reintegration sind unter Berücksichtigung sozialer, gesundheitlicher, betrieblicher und finanzieller Aspekte geschaffen.

S C H W E I Z E R I S C H E B U N D E S B A H N E N (SBB)

Die SBB verfügt über ein Betriebliches Case Management. Die Case Managerinnen und Manager betreuen erkrankte und verunfallte Mitarbeitende mit dem Ziel der Rückkehr in den Arbeitsprozess. Neben der Wiedereingliederung ins Berufsleben umfasst das Aufgabengebiet auch die Koordination von gesundheitlicher und sozialer Unterstützung. Zielgruppe „Ungelernte Mitarbeitende“ Als ungelernte Mitarbeitende gelten bei der SBB Mitarbeitende, die •

nur einen Volksschulabschluss besitzen,



keine abgeschlossene Berufslehre vorweisen können,



aufgrund fehlender Basisqualifikationen mit Nachteilen konfrontiert sind: beispielsweise Regionalsprache (mündlich und schriftlich), PC-Basiskenntnisse, Alltagsmathematik.

Bei der Planung und Durchführung von Entwicklungsmassnahmen zur Förderung der Arbeitsmarktfähigkeit von ungelernten Mitarbeitenden müssen erfahrungsgemäss folgende Punkte beachtet werden: •



• •



Mit Bildungsinstitutionen, Ausbildenden und Coachs zusammenarbeiten, die auf diese Zielgruppe spezialisiert sind. Bildungsbarrieren berücksichtigen, beispielsweise sozio-demografische und individuelle Barrieren. Geeignete Lernumgebung schaffen, z. B. nahe beim Arbeitsplatz. Supportstrukturen anbieten: individuelle Beratung hilft, Nutzen sichtbar zu machen. Verbindlichkeit herstellen, beispielsweise durch unterschriebene Vereinbarungen.

415

PETER TH. SENN / NADIN WIEDERKEHR

Massnahmen zur Förderung der Arbeitsmarktfähigkeit ungelernter SBBMitarbeitender sind beispielsweise Qualifizierungsprogramme: Qualifizierungsprogramme ermöglichen es den Mitarbeitenden, Basisqualifikationen zu erwerben. Deutsch für Deutschsprachige oder Fremdsprachige verbessern die sprachlichen Fähigkeiten. In PC-Kursen für Lernungewohnte lernen die Mitarbeitenden den Umgang mit Computern. Die Qualifizierungsprogramme werden hauptsächlich im Arbeitsmarktcenter der SBB (s. Abschnitt 3.4) angeboten: Bei Mitarbeitenden, die von einem Stellenverlust betroffen sind, wird die Arbeitsmarktfähigkeit überprüft und bei Bedarf werden Massnahmen ergriffen. Die Qualifizierungsprogramme werden in Zusammenarbeit mit externen Institutionen angeboten.

Zielgruppe „Veränderungsungewohnte Mitarbeitende“ Zu dieser Zielgruppe zählen Personen, die schon lange in der gleichen Funktion tätig sind und sich in dieser Zeit nicht weitergebildet haben. Dadurch entsprechen gewisse Kompetenzen nicht mehr der Bedarfslage auf dem Arbeitsmarkt. Ein Führungsinstrument, mit dem bei der SBB regelmässig überprüft wird, ob die Kompetenzen der Mitarbeitenden noch der Bedarfslage auf dem Arbeitsmarkt entsprechen, ist die jährliche Personalbeurteilung. Dabei wird die Entwicklung der Mitarbeitenden thematisiert, und es werden konkrete Entwicklungsmassnahmen festgehalten. Um mögliche Perspektiven oder Informationen über Weiterbildungen zu erhalten, bietet die SBB im Arbeitsmarktcenter Laufbahn- und Bildungsberatungen an. Die Laufbahnberatung ist ein Prozess, der Kompetenzen und Ressourcen sichtbar macht, Interessen und Werte klärt, berufliche wie persönliche Perspektiven entwickelt und realistische Ziele definiert. Sie setzt eine aktive und engagierte Mitarbeit voraus und fördert die persönliche Handlungsund Entscheidungskompetenz in Berufs-, Bildungs- und Laufbahnfragen.

416

S C H W E I Z E R I S C H E B U N D E S B A H N E N (SBB)

Die Bildungsberatung ist Teil einer Laufbahnberatung. Der Schwerpunkt liegt auf der Ermittlung von Qualifikationslücken, der Evaluation von Weiterbildung und der Planung der eigenen Laufbahn. Durch Informationen über Berufe, Weiterbildung und den Arbeitsmarkt können Entscheide getroffen und konkrete Schritte eingeleitet werden.

Zielgruppe „Vorgesetzte“ Die Entwicklung von Kompetenzen und deren Einsatz im Arbeitsalltag bedingt, dass sich die Vorgesetzten aktiv für die Entstehung einer nachhaltigen Feedback- und Lernkultur in ihrer Organisationseinheit einsetzen. Feedbacks helfen, eigene Stärken und Entwicklungsfelder zu erkennen und entsprechende persönliche Entwicklungsmassnahmen zu formulieren. Dies bedingt, dass mit kritischen Feedbacks konstruktiv umgegangen wird. Es braucht also eine entsprechende Feedbackkultur. Bei der Umsetzung der Entwicklungsmassnahmen lernen die Mitarbeitenden einerseits, ihre besonderen Stärken im Arbeitsalltag gezielt zu nutzen, andererseits bearbeiten sie ausgewählte persönliche Entwicklungsfelder (Kompetenzdefizite). Dabei muss es möglich sein, etwas auszuprobieren, ohne dass es bei Fehlern sofort Kritik hagelt oder gar mit Sanktionen gerechnet werden muss – es braucht also eine entsprechende Lernkultur. Eine Massnahme zur Förderung der Feedback- und Lernkultur ist das Topkader Feedback: Durch das Topkader Feedback wird das Topkader in die Lage versetzt, eine neue Feedback- und Lernkultur vorzuleben – selbst und im Dialog mit ihren Teams. Es handelt sich um ein 180° Online Feedback, bei dem eine Selbstbeurteilung, eine Beurteilung durch den/die Vorgesetzte/n und eine Beurteilung durch die Direktunterstellten erfolgt. Die zu beurteilenden Aussagen basieren auf dem Kompetenzmodell für Topkader, welches wiederum aus den Führungsgrundsätzen der SBB abgeleitet ist. Die Mitglieder des Topkaders erhalten je einen individuellen Report, der Abweichungen zwischen Selbst- und Fremdeinschätzungen sowie Stärken und Entwicklungsfelder aufzeigt. Dieser Report bildet die Grundlage für den Hauptprozess, nämlich die Nutzung der Ergebnisse. 417

PETER TH. SENN / NADIN WIEDERKEHR

Dieser Prozess wird über folgende Aufträge gesteuert: • Besprechung des Auswertungsberichts mit dem/der Vorgesetzten: Definition von Massnahmen, um Stärken gezielt zu nutzen und Entwicklungsfelder anzugehen. • Besprechung des Auswertungsbericht mit den Direktunterstellten: Feedbackanlass zur Besprechung der Massnahmen, Optimierung und Planung der Umsetzung von Massnahmen. Dabei wird auch besprochen, welchen Beitrag das Team leisten muss, damit der/die Vorgesetzte seine/ihre Entwicklungsplanung erfolgreich umsetzen kann – auch die Teamentwicklung spielt hier also eine zentrale Rolle. • Besprechung des Umsetzungserfolgs mit den Direktunterstellten: Umsetzungsanlass zur Besprechung des Umsetzungserfolgs der Massnahmen und ableiten von „lessons learnt“.

3.4

Arbeitsmarktcenter SBB

Zur Förderung der Arbeitsmarktfähigkeit wurde ein SBB-internes Arbeitsmarktcenter aufgebaut. Dieses steht offen für Mitarbeitende, die ihre Stelle aufgrund eines Reorganisationsprojekts verlieren (NOAgav) oder sich beruflich verändern resp. weiterentwickeln wollen (NOAfit). Neben den Mitarbeitenden der SBB können auch Mitarbeitende von anderen Unternehmen des öffentlichen Verkehrs die Dienstleistungen von NOAfit in Anspruch nehmen. Das Arbeitsmarktcenter ermöglicht mit dem Programm „jobin“ den Lehrabgänger/innen den Berufseinstieg. Ein weiterer Tätigkeitsschwerpunkt liegt bei der Förderung der Arbeitsmarktfähigkeit älterer Mitarbeitender (z. B. „crescendo“).

418

S C H W E I Z E R I S C H E B U N D E S B A H N E N (SBB)

ABB 2: ARBEITSMARKTCENTER

Das Arbeitsmarktcenter bietet folgende Dienstleistungen an: •





Beratung und Coaching Standortbestimmung, Kompetenzenbilanz, Laufbahn- und Bildungsberatung, regelmässiges Coaching zur individuellen Neuausrichtung, Entscheidfindung und Positionierung auf dem Arbeitsmarkt. Bewerbungskompetenz Seminare und Workshops zu Bewerbungsdossier, Vorstellungsgespräch, Such- und Findstrategie etc. sowie Bewerbungs-Coaching für Einzelpersonen. Personalvermittlung Vermittlung von Festanstellungen und temporären Einsätzen, Arbeitsversuchen, Schnuppereinsätzen und Praktika.

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PETER TH. SENN / NADIN WIEDERKEHR

4. Fazit und Ausblick Der Bezugsrahmen Arbeitsmarkfähigkeit SBB zeigt, •





dass die individuelle Arbeitsmarktfähigkeit der SBB-Mitarbeitenden davon abhängt, ob die Mitarbeitenden ihre Komptenzen entsprechend dem Bedarf auf dem Arbeitsmarkt anpassen und schliesslich einsetzen können, dass diese Kompetenzen (und damit deren Anpassung und Einsatz) von bestimmten persönlichen (Alter, Gesundheit, Bildungsstand und Geschlecht) und organisatorischen (Aufgaben/Tätigkeiten, Feedbackkultur sowie Lern- und Entwicklungskultur) Faktoren beeinflusst werden, dass sich diese Einflussfaktoren, die Kompetenzen und die individuelle Arbeitsmarktfähigkeit gegenseitig beeinflussen, d. h. in einer gegenseitigen Beziehung stehen.

Dieser Bezugsrahmen bildet den Wegweiser für die konzeptionelle, instrumentelle und angebotsorientierte Unterstützung der HR-Beratungspersonen, der Vorgesetzten und der Mitarbeitenden bei der Förderung der Arbeitsmarktfähigkeit in der SBB.

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S C H W E I Z E R I S C H E B U N D E S B A H N E N (SBB)

Literatur Bruch, H., Kunze, F., Böhm. S. (2009): Generationen erfolgreich führen. Konzepte und Praxiserfahrungen zum Management des demografischen Wandels. Gabler Verlag. Peter, C. (2009): Neue Studie zeigt: Leistungsvermögen nimmt im Alter nicht ab. In: Soziale Arbeit. Beilage zum Magazin Hochschule Luzern. Nr. 01/Oktober 2009, S. 1–2. Raeder, S./Grote, G. (2003): Arbeitsmarktfähigkeit ersetzt Arbeitsplatzsicherheit. In: Die Volkswirtschaft. Das Magazin für Wirtschaftspolitik. Nr. 11/2003, S. 9–12. Rump, J./Sattelberger, T./Fischer, H. (2006): Employability Management. Wiesbaden: Gabler Verlag. Scheuermeier, E. (2009): Lebenskarriere – ein lebenslanges Lernen. Masterarbeit für den MAS in Gerontologie. Bern: FBS Soziale Arbeit.

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Stadtwerke Düsseldorf AG – Talentwirtschaft durch das Förderprogramm „Gas geben“

von Stephan Brinkmann

STEPHAN BRINKMANN

Inhalt 1. Talentwirtschaft als Bestandteil der Veränderungskultur in der Energiewirtschaft 2. Talent- und Personalentwicklung im neuen Zeitalter 2.1 Normative Ebene 2.2 Strategische Ebene 2.3 Operative Ebene 3. Leistungs- und Potenzialdimension in der Talentwirtschaft 4. Identifikationsprozess & Prinzipien Talentmanagement 5. Talentmanagement „Gas geben“ 6. Ausblick

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S T A D T W E R K E D Ü S S E L D O R F AG

1. Talentwirtschaft als Bestandteil der Veränderungskultur in der Energiewirtschaft Energie ist eine der wichtigsten Ressourcen der Menschheit und annähernd der bedeutendste Eckpfeiler unserer modernen Volkswirtschaften. Dieser in der Neuzeit unabdingbare Produktionsfaktor prägt die Diskussion im Hinblick auf sparsame, ökonomische und ökologische Energiegewinnungsstrategien. Insbesondere die Stadtwerke Düsseldorf AG blickt auf eine über 140-jährige Tradition voller Veränderungen zurück. Technologische Entwicklung und die Marktöffnung vom Abnehmer zum Kunden sind hier zu nennen. Heute ist die Stadtwerke Düsseldorf AG ein bedeutender Energie- und Wasserversorger für weit über eine Million Menschen in Düsseldorf und den angrenzenden Regionen. Als klassisches Querverbundunternehmen arbeitet sie in den Sparten Strom, Erdgas, Fernwärme, Trinkwasser und erneuerbare Energien sowie Entsorgung immer nah am Kunden. Als einer der größten Arbeitgeber und Ausbildungsbetrieb ist die Stadtwerke Düsseldorf AG ein wesentlicher Wirtschaftsfaktor der Region und unverzichtbarer Förderer von Kunst, Kultur, Sport und Wissenschaft. Also ein innovatives Unternehmen mit Tradition. Wir beschäftigen etwa 2.500 Mitarbeiter und sind für unsere gesunde Entwicklung auf die Gewinnung von Top-Nachwuchskräften angewiesen. Nicht nur die unter Beweis gestellte Fähigkeit des Unternehmens, ökonomische Innovations- und Veränderungsprozesse zu gestalten, sondern die adäquate wertschaffende Entwicklung der Belegschaft zu steuern, hat die Stadtwerke Düsseldorf AG erfolgreich gemanagt. Zugleich stellen sich, mit Blick in die nahe Zukunft, neue Herausforderungen ein. Dieser Artikel gibt einen Einblick darüber, welche Antworten wir bereits in Bezug auf die Talentwirtschaft gefunden haben und welche wir sicherlich noch suchen werden. Insbesondere in der Energiewirtschaft sind Veränderungen allzeit präsent und wurden in unserer über 140-jährigen Tradition erfolgreich bewältigt.

425

STEPHAN BRINKMANN

2. Talent- und Personalentwicklung im neuen Zeitalter Im Zuge der Öffnung des Energieversorgermarktes als entscheidender Schritt in die nächste Veränderungsstufe ist es dringlicher denn je, die Bereitschaft, den Willen und den Mut zur Veränderung bei der Belegschaft und insbesondere den Potenzialträgen einzufordern und organisatorische Rahmenbedingungen herzustellen. Die Herstellung einer Balance zwischen betrieblicher Handlungsebene und individuellen Ressourcen ist bei den Stadtwerken Düsseldorf nicht nur eine Vision, sondern wird unter den vereinbarten „KodexLeitlinien“ bereits strategisch umgesetzt. Ziel ist es, neben sämtlichen Zielgruppen von der Führungskraft bis hin zum Auszubildenden, hier insbesondere die Potenzialträger, mit Inhalten der Employability (Beschäftigungsfähigkeit) und deren Chancen zu fördern. Dies stellte das HR-Management vor die Herausforderung, das neue Entwicklungskonzept in Würdigung der bestehenden Systemgesetze zu implementieren – also auf der normativen, strategischen und operativen Ebene.

2.1

Handlungen auf normativer Ebene

Resultierend aus dem Vortrag vor dem Top-Management und leitenden Führungskräften wurde der Auftrag erteilt, die Qualifizierungsarchitekturen konsequent auf die Anforderungen zur Förderung der Arbeits- und Beschäftigungsfähigkeit der Mitarbeiter, der Führungskräfte und der hier weiter als Schwerpunkt betrachteten Nachwuchskräfte auszurichten. Dieser neue Kontrakt zwischen Vorstand und HR-Management wurde gleichermaßen „erkämpft“. Allein die Begrifflichkeit „Employability-Management“ war kein begünstigter Faktor, mit dem sich das Top-Management in einer schwierigen Unternehmenssituation auseinandersetzen wollte. Erst durch eine ausführliche und inhaltlich geprägte Diskussion zum Thema Employability und die neuen Chancen konnte der erste „Reflex“ in eine neue und von klarem Bewusstsein geprägte Beauftragung geführt werden. Der Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit der Belegschaft im Zuge des nachfrageorientierten Personalmarktes wies bis dato Lücken auf. Zudem lieferte der 426

S T A D T W E R K E D Ü S S E L D O R F AG

neue Ansatz Antworten, wie Bildung und Personalentwicklung im Hause der Stadtwerke Düsseldorf zu verstehen sind. Die anhaltende Kompression von Arbeit in Einklang mit Zeitinvestition in Qualifikation und Bildung zu bringen, heißt die Herausforderung. Welchen Invest an Zeit kann der Mensch im alten Ansatz leisten, um Zeit für die eigene Qualifikation bereitzustellen? Wann sollen Menschen lernen? Hier konnte überzeugt werden, durch den Employability-Ansatz eine Antwort zu verankern. Die klare Positionierung und das entschlossene Vorgehen des Arbeitsdirektors war richtungsweisend und der Startschuss für die Stadtwerke Düsseldorf zu neuen systemischen Denkansätzen. Aus diesem Denkrahmen sind strategische Handlungskonzepte mit neuen Maßnahmen und Instrumenten entwickelt worden. Also ein Paradigmenwechsel auch für die Mitarbeiter des HRManagements. In der Praxis erweist sich diese Verbindlichkeit des Vorstands als wesentliche Gelingensbedingung für das weitere Umsetzen der Arbeitsfähigkeit der Talente.

2.2

Handlungen auf strategischer Ebene

Eine strukturierte Potenzial- und Risikoinventur des Produktionsfaktors Arbeit über alle Geschäftsbereiche entlang der Wertschöpfungskette gab schnell Auskunft darüber, dass in wichtigen Funktionen ein hohes Vakanzrisiko herrschte, und Nachfolgekandidaten weder identifiziert noch qualifiziert waren. In einigen Job-Familien war es bisher nicht gelungen, Stellen intern „just-intime“ zu besetzen und so interne Karriereschritte zu ermöglichen. Aufwendige externe Rekrutierungsaktivitäten waren die Folge. Aufgeschreckt hat die Erkenntnis, selbst im mittleren Einkommens- und Qualifikationsbereich auf dem externen Personalmarkt aktiv werden zu müssen. Die Kosten für die externe Rekrutierung, Einarbeitung und Überbrückungszeit belaufen sich, abhängig von der jeweiligen Position, bis in den 6-stelligen Euro-Bereich. Die Wertschöpfung des HR-Managements liegt in einem ganzheitlichen Ansatz von Retainment, um die Fluktuationskosten zu minimieren bzw. der Fluktuation im Vorfeld zu begegnen. Durch die eindeutige Positionierung des Managements wurde das „Tor“ zu neuen Visionen und Denkmustern installiert und betoniert. Um dieses große und bisher noch eher „graue“ Tor zu öffnen und einladend zu gestalten, be427

STEPHAN BRINKMANN

nötigte man nun den entschiedenen „Türöffner“. Der von uns designte Schlüssel war und ist geprägt durch die Sprache, die das Management versteht und erwartet. Die Einführung von klaren und messbaren KPIs (Key Performance Indicators), wie z. B.: •

Erhöhung der Nachfolgequote im Unternehmen,



Deckungsquote bei Schlüsselpositionen,



Flexibilisierungsgrad/Versetzungsquote,



Weiterbildungs-Investitionsquote

wurde vereinbart und in der BSC (Balanced Score Card) hinterlegt. Somit war die Zielgruppe schnell auf Nachwuchskräfte und ein nachhaltiges Entwicklungsprogramm für Potenzialträger pilotiert. Ein Programm wurde ins Leben gerufen, das uns kurz- bis mittelfristig darin unterstützt, entsprechende Stellen bevorzugt intern mit geeignetem Nachwuchs zu besetzen. Dazu ist eine exzellente und nachhaltige Talentförderung etabliert, die übrigens auch externe Bewerber bestimmt interessieren dürfte und auf das Arbeitgeberimage „Employer Branding“ einzahlt. Das Nachwuchsprogramm hat den Namen „Gas geben“.

2.3

Handlungen auf der operativen Ebene

Das Projekt „Gas geben“ beschreibt das sich in der Umsetzung befindliche Talentmanagement und verbindet Identifizierung, Förderung und Bindung von Potenzialträgern im Unternehmen. Als Vorarbeit wurde eine wissenschaftliche Arbeit, die Kriterien für die Prognose von Potenzial herausarbeitete und von Leistungskriterien abgrenzte, am Hochschulmarkt vergeben. Diese Ableitung aus dem Basiskompetenzmodell der Stadtwerke Düsseldorf war signifikant, um die Arbeitswelt von morgen mit den Anforderungen an Mitarbeiter zu vergleichen. Die Arbeitswelt der Zukunft mit den Megatrends demografischeund technologische Entwicklung, Globalisierung, Wissensgesellschaft, Gesundheitsmanagement und gesellschaftlicher Wertewandel sind insbesondere in einem eher kommunal geprägten Unternehmen der Energiewirtschaft nicht explizit in der Belegschaft thematisiert, jedoch implizit erlebbar. Die Stadtwerke Düsseldorf verfügen über einen exzellenten Fundus intensiver HRInstrumente. Die Erweiterung hinsichtlich zukunftsgerichteter Instrumente im Kontext von Employability war nun unsere Aufgabe. 428

S T A D T W E R K E D Ü S S E L D O R F AG

3. Leistungs- und Potenzialdimensionen in der Talentwirtschaft Integraler Bestandteil eines auf die Zukunft ausgerichteten Talentmanagements war die Ableitung von Potenzialkriterien bzw. -indikatoren aus dem Kompetenzmodell. Nur so war eine valide Aussage über Potenziale in der Organisation zu treffen. Die Potenzialkriterien sind nach dieser Herleitung •

Lernbereitschaft & Lernfähigkeit,



Flexibilität,



Innovationsfähigkeit,



Ganzheitliches & vernetztes Denken,



Strategisches Denken & Handeln und



Führungspersönlichkeit.

Zur Bewertung wurden verschiedene Ausprägungsstufen mit Indikatoren hinterlegt. Die linke Spalte der folgenden Abbildung beschreibt ein Verhalten, das hinter den Erwartungen zurückbleibt. Die mittlere Spalte beschreibt das Verhalten, das genau im Erwartungsbereich liegt, und das in der rechten Spalte beschriebene Verhalten weist auf eine Ausprägung des jeweiligen Kriteriums hin, die die Erwartungen des Unternehmens an eine Nachwuchskraft übertrifft. Aus unserer Sicht ist so der Fokus auf künftige Anforderungen und persönlichkeitsbezogene Aspekte wie innerer Haltung und persönlichen Ressourcen gelegt. In Anlehnung an die Prinzipien des Employability Managements in Talentarchitekturen 1.

Eigenverantwortung als Grundprinzip,

2.

Individualisierung,

3.

Förderung des lebenslangen Lernens,

4.

Förderung der Persönlichkeitsfaktoren und der Schlüsselkompetenzen,

5.

Umgang mit Komplexität und

6.

Förderung von systemischem und vernetztem Denken

finden die Potenzialindikatoren die kontextbezogene Anwendung. 429

STEPHAN BRINKMANN

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S T A D T W E R K E D Ü S S E L D O R F AG

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S T A D T W E R K E D Ü S S E L D O R F AG

4. Identifikationsprozess & Prinzipien Talentmanagement Betriebsvereinbarung zur Nachwuchsförderung Gegen Ende des Jahres 2007 wurde bei den Stadtwerken Düsseldorf AG eine Betriebsvereinbarung „Nachwuchsförderung für den beruflichen Aufstieg“ unterzeichnet und in Kraft gesetzt. Diese regelt den Prozess der Identifizierung und Förderung von Nachwuchskräften für den beruflichen Aufstieg. Seitdem gilt dieses Regelwerk und liefert den ordnungspolitischen Rahmen für das Handeln des HR-Managements und der Führungskräfte. Präambel Ziel der Vereinbarung ist die Förderung und Bindung von Beschäftigten mit überdurchschnittlichen Leistungen und Potenzial für einen beruflichen Aufstieg. Diese Beschäftigten sollen im Unternehmen identifiziert und entsprechend gefördert werden. Im Rahmen von Nachfolge- oder Karriereplanung sollen die dem Unternehmen zur Verfügung stehenden Potenziale der Beschäftigten frühzeitig weiterentwickelt werden, um möglichst viele offene oder frei werdende Stellen mit internen Kräften zu besetzen und externe Einstellungen auf ein notwendiges Maß zu reduzieren. Eine frühzeitige Nachfolgeplanung ermöglicht die passgenaue und rechtzeitige Qualifizierung des Nachwuchses. Durch die Identifizierung und Förderung von Nachwuchskräften für den beruflichen Aufstieg sollen diese an das Unternehmen gebunden werden und zur Unternehmensentwicklung beitragen. Sachlicher Geltungsbereich Beschäftigte, die auf Grund ihrer Arbeitsergebnisse und ihres Verhaltens von ihrer Führungskraft als Leistungsträger eingeschätzt werden, können nach Maßgabe dieser Betriebsvereinbarung gefördert werden. Der Erhalt einer Leistungsprämie stellt hierfür keine Voraussetzung dar.

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STEPHAN BRINKMANN

Identifizierung (1) Das Verfahren zur Identifizierung von Nachwuchs für den beruflichen Aufstieg wird von der Führungskraft des Beschäftigten durchgeführt. Führungskraft ist die Hauptabteilungsleitung oder Abteilungsleitung. Gegebenenfalls soll diese sich mit der direkten Führungskraft des Beschäftigten beraten. (2) Soll aus Sicht der Hauptabteilungsleitung oder Abteilungsleitung die Leistungsträgerin bzw. der Leistungsträger für einen beruflichen Aufstieg gefördert werden, so schätzt sie das Potenzial für den beruflichen Aufstieg anhand des in der jeweils geltenden Anlage dargestellten Beurteilungsbogens ein. Die Potenzialeinschätzungen werden über die Hauptabteilung an die Abteilung Personalentwicklung weitergeleitet. (3) In einer durch die Abteilung Personalentwicklung moderierten Hauptabteilungskonferenz treffen die Hauptabteilungsleitung, alle Abteilungsleitungen sowie der zuständige Business Partner und ein freigestelltes Betriebsratsmitglied die Entscheidung über die zu fördernden Personen und Förderungsziele. Die endgültige Entscheidung erfordert die Zustimmung der Hauptabteilungsleitung Personalmanagement und Soziales sowie des Betriebsratsvorsitzenden. (4) Die Hauptabteilungs- oder Abteilungsleitung führt mit diesen Personen ein Gespräch über die Möglichkeiten einer Förderung. Ist der Beschäftigte an einer Förderung nicht interessiert, so kann er ohne persönliche Nachteile davon absehen. Förderungsmöglichkeiten (1) Die Förderungsmöglichkeiten hängen von dem Entwicklungsstand der Nachwuchskraft und dem Förderungsziel ab. Förderungsziele können sowohl auf der fachlichen Seite als auch in dem beruflichen Aufstieg zur Führungskraft liegen. Auf der fachlichen Seite kann die Förderung für bestimmte Funktionen, wie beispielsweise Meister- oder Spezialistenfunktionen in Betracht kommen. Auf der Führungsseite kann die Förderung für den Aufstieg in eine Gruppen-, Abteilungs- oder Hauptabteilungsleitungsfunktion erfolgen.

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(2) Die Förderungsmöglichkeiten umfassen spezielle Programme, z. B. zur Führungsnachwuchsförderung, individuelle Entwicklungsplanungen oder Maßnahmen im Rahmen einer Nachfolgeplanung für eine bestimmte Stelle im Unternehmen, wie z. B. Meisterausbildung, Lehrgänge, Seminare, Coaching usw. Die Förderung kann den Abschluss eines entsprechenden Vertrages erfordern. (3) Das Budget für die Förderung wird durch die Abteilung Personalentwicklung nach bestimmten Kriterien bereitgestellt. (4) Mit der Förderung entsteht kein Anspruch der Nachwuchskraft auf die Besetzung einer höherwertigen Stelle. Identifikation über Nachwuchskonferenzen Zunächst haben die Führungskräfte unter ihren Mitarbeitern diejenigen ausgewählt, die nicht nur in der Leistungsbeurteilung als überdurchschnittlich eingeschätzt worden waren, sondern auch durch die Art und Weise, wie sie ihre Aufgaben meistern, vermuten lassen, dass sie das Potenzial für einen beruflichen Aufstieg haben, sei es als Führungskraft oder als Experte. Diese Personen, ihre Stärken, ihre Entwicklungsfelder und ihr Potenzial wurden in einer Nachwuchskonferenz besprochen. Teilnehmer an den Nachwuchskonferenzen, die pro Hauptabteilung abgehalten wurden (insgesamt 17), waren Oberes Management, Mittleres Management, das zuständige freigestellte Betriebsratsmitglied, der zuständige HR-Business Partner und ein Mitarbeiter der Personalentwicklung, der die Konferenz auch leitete und protokollierte.

Job Family Eine Job Family ist eine Zusammenfassung von Organisationseinheiten, die sich nicht aus der Aufbauorganisation ergibt, sondern aus der fachlichen Verwandtschaft der Abteilungen oder Gruppen. Job Families orientieren sich an der Wertschöpfungskette. Bei den Stadtwerken gibt es die Job Families: Erzeugung Verteilung Vertrieb und Marketing Energiewirtschaft und Handel • Finanzen und Controlling • Infrastruktur und Shared Services • Bäder • • • •

Die fachliche Aufgabenstellung der Abteilung entscheidet, zu welcher Job Family sie gehört.

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STEPHAN BRINKMANN

Die Konferenzteilnehmer haben zusammen für jeden Kandidaten überlegt, worin sein Potenzial besteht und welche berufliche Weiterentwicklung empfohlen werden kann. Das jeweilige Gremium beriet sich auch über Fragen der Nachfolgeplanung. Dabei wurden mögliche Positionen nicht nur in der Herkunftsabteilung oder -hauptabteilung in Betracht gezogen, sondern man dachte in „Job Families“. Im Mittelpunkt der Konferenzen stand die Entscheidung zur Aufnahme in das Förderprogramm „Gas geben“ für Nachwuchskräfte, die sich dadurch auf ihren nächsten Karriereschritt vorbereiten können, egal ob sie in Richtung Führungslaufbahn oder Expertenlaufbahn gehen wollen. Bei der Empfehlung zur Aufnahme in das Programm „Gas geben“ wurden keine sozialen Auswahlkriterien definiert. Unter dem Aspekt des lebenslangen Lernens und der zu erwartenden verlängerten Lebensarbeitszeit wird ein festgelegter „Ethischer Kodex“ gelebt. Die Unterstützung für sämtliche Zielgruppen und Lebenssituationen zum Erhalt der Arbeitsfähigkeit gilt es zu erhalten und auszubauen. Dies wird auch in der Teilnehmerstatistik unter Heranziehung von Generationen-Cluster sichtbar.

ABB 1: GENERATIONEN-CLUSTER DER TEILNEHMER AM PROGRAMM „GAS GEBEN“

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5. Talentmanagement Diejenigen Mitarbeiter, für die eine Empfehlung zur Teilnahme am Förderprogramm ausgesprochen worden war, wurden von der Personalentwicklung gemeinsam mit ihrer direkten Führungskraft zu einer Informationsveranstaltung eingeladen. Dort erfuhren sie die Hintergründe, die Entstehung und den Ablauf des Förderprogramms „Gas geben“. In Würdigung der neuen Ausrichtung und der zukunftsgerichteten Maxime: „Sei verantwortlich für Dich und Deine Zukunft“ wurden Spielregeln mit den Kandidaten besprochen, die sowohl Prämissen des HR-Managements als auch Rahmenbedingungen für die Teilnahme berücksichtigten. Prämissen des HR-Managements •







Talentmanagement verbindet Aspekte einer vorausschauenden Personalpolitik mit Erwartungen und Motiven von Potenzialträgern. Talentmanagement grenzt die Dimensionen Leistung und Potenzial eindeutig voneinander ab. Potenzialaussagen werden ganzheitlich, systematisch und diagnostisch abgesichert. Der berufliche Aufstieg (Nachfolgeplanung) durch nachhaltige Qualifikation für das persönliche Wachstum steht im Fokus und dient als Basis für eine objektive Besetzungsentscheidung.



Identifizierten Talenten stehen kompatible Entwicklungswege bereit.



Führungskräfte steuern die Prozesse verantwortlich.

Rahmenbedingungen für die Teilnahme „Gas geben“ Von den Teilnehmern des Förderprogramms wird erwartet: •



Der Wille und die Bereitschaft zur persönlichen Weiterentwicklung und zum bewussten Einsetzen des Potenzials. Offenheit für neue Erfahrungen und das Nutzen der Gelegenheiten, die das Förderprogramm bietet, um die persönlichen Kompetenzen zu erweitern. 437

STEPHAN BRINKMANN



















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Vertrauen und Wertschätzung sich selbst und anderen gegenüber, Offenheit gegenüber Neuem und Unbekanntem und die Bereitschaft, Altes auch mal in Frage zu stellen. Jede Person, die an diesem Programm teilnimmt (inkl. Trainer und Assistenz), verpflichtet sich, persönliche Aussagen anderer vertraulich zu behandeln. Das Programm enthält 8 Seminareinheiten über 2 Jahre verteilt. Dies sind 26 Trainingstage. Davon fallen 6 als Investition der Teilnehmenden auf einen Samstag. Zusätzlich sind als Prozessbegleitung 6 Experten-AMC (Austausch, Mentoring, Coaching) Tage und die Möglichkeit der Inanspruchnahme von Coachingstunden nach Bedarf für die Teilnehmer im Programm enthalten. Das gesamte Programm beruht auf der Entwicklung von Persönlichkeit und ist ein ganzheitliches Konzept. Jede Person, die nicht weitermachen möchte, kann zu jeder Zeit aus dem Programm aussteigen. Davor findet ein Coaching-Gespräch mit dem Trainer statt. Die Einheiten sind nicht linear aufeinander aufgebaut. Kann eine Person aufgrund von Krankheit eine Seminareinheit nicht besuchen, kann sie die nachfolgenden Einheiten weiter belegen und die ausgefallene Einheit, wenn noch eine Gruppe läuft, bei der nächsten Gruppe nachholen. Zwischen den Einheiten gibt es darüber hinaus die Möglichkeit, in Expertenrunden „AMC“ an die Weiterentwicklung der Gruppe anzuknüpfen. Die Teilnahme am Förderprogramm hat das Ziel des beruflichen Aufstiegs. Dies setzt die Bereitschaft und den Willen der Teilnehmer voraus, sich diesem Prozess aktiv zu stellen. Das Förderprogramm dient dazu, den Kreis von Personen, die sich auf offene oder frei werdende Schlüsselpositionen bewerben, zu erweitern. Im Zusammenhang mit zukünftigen Besetzungsprozessen werden die Teilnehmer auch aktiv angesprochen. Aus der Teilnahme am Förderprogramm leitet sich für die Teilnehmer kein Anspruch auf eine bestimmte Stelle ab. Hier erhielt das Unter-

S T A D T W E R K E D Ü S S E L D O R F AG

nehmen von den Teilnehmern eine eindeutige Zustimmung, was eine schriftliche Einwilligung zur Folge hatte. Zu Beginn formierten sich die 64 Teilnehmer (TN) zu 5 Gruppen, die als Lernteams gemeinsam die einzelnen Module durchlaufen und sich in der Zwischenzeit regelmäßig zum Erfahrungsaustausch treffen (AMC-Tage = Austausch, Mentoring, Coaching). Mit den Trainingsmodulen sollen vor allem die überfachlichen Kompetenzen der TN im Sinne von Employability gefördert werden. Hintergrund sind die Kennzeichen der Arbeitswelt von morgen und Anforderungen an ein Employability Management.

ABB. 2: KRITERIEN UND PRINZIPIEN

Unterstützt wurde der Beginn von „Gas geben“ mit einer Eröffnungsveranstaltung, zu der neben den Nachwuchskräften, den Vorständen und dem Betriebsrat auch die Partner eingeladen wurden. Es war sehr wichtig, die Partner in das Vorhaben zu integrieren und somit die „Rückendeckung“ aus 439

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dem privaten Umfeld zu organisieren. Neben der beruflichen Belastung im Tagesgeschäft wird im Talentprogramm „Gas geben“ in Hotels mit Übernachtung und an Wochenenden trainiert. Es waren etwa 170 Personen anwesend und konnten sich über das Programm informieren. Ein Ziel wurde zudem erreicht: Employability konnte umfänglich erklärt und dafür sensibilisiert werden. Auch der „Werksstolz“ schwappte auf die Familie über. Programm-Inhalte „Gas geben“ speziell für Talentförderung Die modular aufgebauten Trainings mit den grundsätzlichen Schwerpunkten auf Employability folgen den didaktischen Prämissen, Theorie und Praxis miteinander zu verzahnen. Das Gelernte soll im Tagesgeschäft angewandt und in den AMC-Tagen (Austausch-Mentoring-Coaching) nochmals besprochen werden. Mit dem Modulaufbau soll gleichzeitig sichergestellt werden, dass bei „Verhinderung“ einzelnen Personen der weitere Wissenserwerb gewährleistet wird.

ABB. 3: PROGRAMM-INHALTE

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Die spannende Welt der Wahrnehmung Die meisten Menschen sind es nicht gewohnt, unvoreingenommen wahrzunehmen, weil sie gelernt haben, schnell zu interpretieren und zu bewerten. Wenn wir nicht genau wahrnehmen, können wir nicht angemessen reagieren. Den Einstieg in das Programm bildet deshalb ein Training, in dem die Teilnehmenden ihre Wahrnehmung mit allen Sinnen schulen, sowohl äußerlich als auch innerlich. Das bedeutet auch, der eigenen Wahrnehmung trauen zu lernen. Wer präzise wahrnimmt, erkennt zum Beispiel Veränderungen in der Befindlichkeit seines Gegenübers – und des eigenen Zustandes. Wahrnehmung ist deshalb die Basis erfolgreicher Kommunikation und Rückmeldung, die Lernen und Wachstum ermöglicht. In jedem Seminar stellen die Teilnehmer ihre Wahrnehmungskompetenz jeweils auf verschiedene Weise einander zur Verfügung, in dem sie sich Feedback geben. Das Thema Wahrnehmung zieht sich wie ein roter Faden durch das gesamte Programm und wird immer wieder implizit trainiert. Visionen und Ziele In diesem Seminar entdecken die Teilnehmer viel von sich selbst, entsprechend intensiv ist die gemeinsame Zeit. Das ist notwendig, denn das Potenzial eines Menschen liegt in dessen Tiefe, nicht im Außen. Es geht darum, die persönlichen Werte kennenzulernen und die Ausrichtung für Beruf und Privates zu finden. Oft bewegt sich im Unternehmen sehr viel nach diesem Seminar, in dem auch die Trainer den Teilnehmern intensives Feedback geben. Strategien verstehen & entwickeln Die Fähigkeit, strategische Architekturen zu verstehen und zu entwickeln, ist insbesondere für Nachwuchskräfte tägliches Handwerkszeug. Das Denken in betriebswirtschaftlichen Zusammenhängen und Kennzahlen wird in einem Unternehmensplanspiel realitätsnah simuliert und erarbeitet. Dieses erworbene Grundwissen soll die Teilnehmer in die Lage versetzen, die strategische Ausrichtung der Stadtwerke Düsseldorf AG zu verstehen und mit dem oberen Management diskutieren zu können. Die Umsetzung des Gelernten soll in praktischen Projekten im Tagesgeschäft weiter forciert werden.

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Ungewöhnliche Lösungen finden Jeder kann kreativ sein, jeder ist kreativ, es kommt nur darauf an, den passenden mentalen Zustand zu finden. Erst dann funktionieren die verschiedenen Methoden und Techniken für die Ideenfindung. Kreativität wird mehr und mehr zur Schlüsselqualifikation, denn Unternehmen und Mitarbeiter definieren sich zusehends durch die Qualität ihrer Ideen. TaKeTiNa TaKeTiNa ist eine Möglichkeit, auf ungewöhnliche Weise zu lernen. Die rhythmuspädagogische Methode regt die Synchronisation beider Gehirnhälften an und stärkt das Vertrauen in die intuitiven Fähigkeiten. Sie ist ein Beispiel dafür, dass Lernen auf vielen Ebenen zugleich stattfindet, ohne dass der Erfolg nach herkömmlicher Betrachtung, etwa in Form eines abfragbaren Wissenszuwachses, sofort messbar wäre. TaKeTiNa heißt Rhythmus auf drei Ebenen gleichzeitig zu erleben: Schritte, Klatschen und Stimme. Das herkömmliche Denken ist mit dieser Komplexität schnell überfordert, man fällt aus dem Rhythmus – und ein essenzieller Lernprozess beginnt: Wer das logisch-rationale und kontrollierende Denken aufgibt, fällt mühelos wieder in den Rhythmus hinein, kann mit anderen Worten die Komplexität managen. In diesem Sinn gehört „Fehler machen“ zum Lernprogramm. Führungskompetenz Führen und Kontrolle sind zweierlei. Gute Führung hat viel mit der inneren Haltung zu tun, mit präziser Wahrnehmung und vertrauensvollem Kontakt zu den Mitarbeitern. Wichtig ist neben sprachlicher Kompetenz, das Wissen um die systemischen Gesetze, die in sozialen Systemen wirken. Expertenkompetenz Geprägt von persönlichen Ressourcen und Neigungen beinhaltet „Gas geben“ auch für Experten die Möglichkeit, den beruflichen Aufstieg vorzubereiten. Die Identität als Experte erkennen, die aktive Gestaltung der Wissensvermittlung, zielfördernde Sprachstile erlernen und festigen, wissen worauf es bei Führung ohne disziplinarische Führungsverantwortung ankommt und die Expertenpersönlichkeit entwickeln, sind die Ziele.

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Going for Excellence Im letzten Seminar geht es um die Integration und Vertiefung der Inhalte aus den vergangenen Seminaren. Die Teilnehmer erschließen sich abermals ihr Potenzial und erhalten weiteres Rüstzeug für ihren Weg der persönlichen Entwicklung, der mit Ende des Programms „Gas geben“ natürlich nicht vorbei ist. Neue Perspektiven öffnen sich durch die Arbeit mit dem Unbewussten und den inneren Anteilen, durch das Berühren des Kerns der Persönlichkeit – Lernen, das unter die Haut geht. Die weitere Ausrichtung der Teilnehmer findet auf einer profunden mentalen und emotionalen Basis statt.

6. Ausblick Die rationale Seminarbewertung aller Trainings liegt im Durchschnitt bei 1,47 auf einer Skala von 1- bis 6, wobei 1 den besten, 6 den schlechtesten Wert angibt. Das intensive gemeinsame Erleben in der Gruppe und die inhaltliche und methodische Vielfalt, die weit über eine reine Wissensvermittlung hinausgehen, sprechen die Teilnehmer als ganze Persönlichkeiten an und führen bei denjenigen, die sich darauf einlassen, zu emotionaler Begeisterung. Ein Beispiel für die ungewöhnliche Methodik ist die „Gas geben“-Musik. Im ersten Modul wurde von jedem Teilnehmer ein „Grundton“ aufgenommen. Diese „Ah“s in unterschiedlichen Tonhöhen wurden miteinander zu einem flotten Rhythmus zusammengefügt und ergeben den „Gesang der Talente“, ein ganz eigenes Musikstück. Was natürlich alle Teilnehmer brennend interessiert, ist die Frage: „Wie geht es weiter?“ In diesem Zusammenhang ist die Weichenstellung zwischen Führungs- und Expertenlaufbahn von zentraler Bedeutung. Die Experten- und Führungspotenziale wurden strukturiert identifiziert. Aufgrund von zahlreichen Einschätzungen (u. a. einem multimodalen Interview) in Bezug auf Potenzial- und Führungskriterien erhielt jeder Teilnehmer ein umfangreiches Feedback, um seiner eigenen Einschätzung ein Fremdbild, wie er von anderen gesehen wird, gegenüberzustellen. 443

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Aufgrund dieser Daten entschied sich jeder Teilnehmer begründet entweder für das Führungsmodul oder für das Expertenmodul. Von den 58 Teilnehmern, die zwischen 2008–2011 im Programm sind, nehmen 47 am Führungsmodul und 9 am Expertenmodul teil. Danach steht ein intensives Entwicklungsgespräch mit der Führungskraft an. Mittlerweile haben sich schon 10 Teilnehmer auf herausfordernde oder höherwertige Stellen beworben und einen neuen Wirkungskreis gefunden. Die Chance, eine adäquate, herausfordernde Tätigkeit zu finden, erhöht sich für die Teilnehmer seit Anfang April 2010 durch die Etablierung und das Wirken eines hauseigenen Karriere-Centers bei den Stadtwerken Düsseldorf. Das ist eine Institution, bei der alle Informationen über zu besetzende Stellen und die daran geknüpften Anforderungen ebenso zusammenlaufen wie die Informationen über Biografien und Qualifikationsprofile der Teilnehmer aus den Zielgruppen, die für die Besetzung dieser Stellen in Frage kommen. Dazu gehören neben den Absolventen des Förderprogramms auch junge Leute nach Beendigung des Traineeprogramms, der Dualen Ausbildung sowie Absolventen von berufsbegleitenden Studiengängen. Außerdem betreut das Karriere-Center Mitarbeiter, die durch Umorganisation eine neue Stelle finden müssen. Im Sinne der Employability-Förderung bietet das Karriere-Center die organisatorischen Rahmenbedingungen, die Teilnehmer gehen mit Initiative und Selbstverantwortung an die Entwicklung und interne Vermarktung ihrer Arbeits-„Kraft“.

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Deutsche Bank: Employability Selbstverantwortung fordern – Schlüsselkompetenzen fördern. Eine ganzheitliche Sicht

von Ralf Brümmer/Christine Szogas veröffentlicht in „Employability Management“, Jutta Rump/Thomas Sattelberger/Heinz Fischer (Hrsg.), 2006, Gabler Verlag Überarbeitete Version, Juni 2010

R A L F B R Ü M M E R /C H R I S T I N E S Z O G A S

Inhalt 1. Kompetenzen im Blick – Zukunft sichern 1.1 Employability – ein Erklärungsversuch 1.2 Arbeitsplatzsicherheit - neu definiert 2. Employability – Wem nutzt sie? 2.1 „Nice to have“ oder ökonomisches Muss? 2.2 Aufgabe des Unternehmens oder des Individuums? 3. Von der Idee zum Programm 3.1 Schneller Konsens? 3.2 Vom reaktiven zum pro-aktiven Verhalten 3.3 Die besondere Herausforderung: Sensibilisieren und motivieren 3.4 Einbindung aller Interessensgruppen 3.5 Employability in speziellen Lebensphasen 4. Förderung von Employability: Praxisbeispiele 4.1 Beispiel 1: Das Deutsche Bank-Mosaik für Beschäftigung – Von der reaktiven Begleitung einer Strukturmaßnahme zum pro-aktiven umfassenden Ansatz 4.2 Beispiel 2: Job-Allianz Berufswelt transparent – Unternehmenskooperation 4.3 Beispiel 3: Aktion „in eigener Sache“ – Förderung von Arbeitsmarktfitness als umfassendes gesellschaftspolitisches Engagement 5. Employability sichert Zukunft – Fazit

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DEUTSCHE BANK

1.

Kompetenzen im Blick – Zukunft sichern

1.1

Employability – ein Erklärungsversuch

Employability – übersetzt: Beschäftigungs- oder Marktfähigkeit von Erwerbsfähigen – setzt sich aus verschiedenen Komponenten zusammen. Die Basis bildet ohne Frage die fachliche Qualifikation, die während einer klassischen Berufsausbildung oder eines Hochschulstudiums erworben und während der Berufstätigkeit „on the job“ bzw. in Weiterbildungsmaßnahmen vertieft wird. Fachkenntnisse und Berufserfahrung reichen jedoch nicht aus, um ein Berufsleben lang beschäftigungsfähig zu bleiben. Überfachliche Kompetenzen und die grundlegende Einstellung zu Arbeit und Beruf sind gewichtige weitere Säulen, auf die sich die individuelle Employability stützt. Diese Komponenten waren zweifellos auch schon für frühere Generationen wichtig, angesichts der kurzen Halbwertszeit des Wissens und der Komplexität in der heutigen Dienstleistungs- und Wissensgesellschaft ist ihr Stellenwert jedoch in den letzten Jahren überproportional angestiegen. Heute gelten sie sogar als die Schlüsselkompetenzen der modernen Arbeitswelt. Der Fokus liegt hierbei auf persönlichen oder sozialen Kompetenzen wie Teamfähigkeit, Konfliktfähigkeit, kommunikative Fähigkeiten im Umgang mit wechselnden Teams, in Kunden-/Lieferantenbeziehungen oder in komplexen Arbeitsbeziehungen. Hinzu kommt ein Kompetenzbündel, das sich unter dem Oberbegriff „Einstellung/Mentalität“ zusammenfassen lässt. Neben der Kunden- und Leistungsorientierung zählen hierzu insbesondere Offenheit, Neugierde und der Wille, selbst Verantwortung für den eigenen beruflichen Weg zu übernehmen. Besondere Bedeutung in diesem Kanon von Kompetenzen haben diejenigen, die Veränderungsbereitschaft und Flexibilität ermöglichen. Und dies gilt nicht nur für karriereorientierte Menschen, sondern für alle Erwerbsfähigen. „Wer auf der Sonnenseite bleiben will, muss mit der Sonne wandern“ – so heißt es im Volksmund, was treffend die Notwendigkeit beschreibt, sich Veränderungsbereitschaft und Flexibilität im Denken und im Tun dauerhaft zu erhalten. Dazu gehören auch die regelmäßige Reflexion über den beruflichen 447

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Standort, die Analyse des Umfeldes und des Arbeitsmarktes sowie die persönliche Zielbestimmung. Eine ganzheitliche Betrachtung des Könnens hat sich allerdings noch nicht durchgesetzt. Bei vielen Arbeitnehmern, aber auch bei manchen Unternehmen findet man noch eine ausgeprägte Fachorientierung und „Zertifikatsgläubigkeit“. Teilweise werden Investitionen in Weiterbildung und Entwicklung von Mitarbeitern immer noch in Trainingstagen – oder in absolvierten Lehrgängen – gemessen. Wichtig ist jedoch der individuelle Kompetenzzuwachs, der sich darin zeigt, ob das Gelernte auch angewendet wird. Für den beruflichen Erfolg ist entscheidend, wie jemand „seine PS auf die Straße bringt“. Und dazu gehören eben nicht nur gute Fachkenntnisse, sondern auch so genannte „Soft Skills“ wie Kommunikationsfähigkeit, Offenheit, Flexibilität und Eigeninitiative. Ein Beispiel untermauert das oben Gesagte: In Bewerbungs- bzw. Stellenbesetzungsverfahren entscheidet zwar in erster Linie die fachliche Qualifikation über die Einladung zum persönlichen Gespräch. Wenn diese Hürde genommen ist, sind jedoch die überfachlichen Kompetenzen und die „richtige“ Einstellung die wichtigsten Entscheidungskriterien. Letztlich sind also Persönlichkeitskompetenzen der Schlüssel zum Erfolg.

1.2

Arbeitsplatzsicherheit – neu definiert

Ein Mensch, der sich – aufgrund regelmäßiger Reflexion und Analyse seiner fachlichen und überfachlichen Kompetenzen – seiner beruflichen Fitness bewusst ist, versteht Wandel und Veränderung als Chance für eine (noch) bessere berufliche Zukunft. Er erkennt als Einzelner seine Verantwortung und will mitgestalten. Dazu gehört es, Dinge zu hinterfragen und neue Wege zu gehen, auch wenn dabei der eine oder andere Fehler gemacht wird. Aus dieser Neugier, Veränderungs- und Risikobereitschaft heraus, aus dem Mut auszuprobieren und der Fähigkeit zur Selbstreflexion entsteht die Innovationsfähigkeit, die Gesellschaft und Unternehmen dringend benötigen.

448

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Kompetenz- und Erfahrungsprofil Fachliche Qualifikation Überfachliche Kompetenzen Einstellung/ Haltung Erfahrungswissen

ABB.1:

Reflexion Reflexion Regelmäßig: Standortbestimmung Umfeldanalyse Persönliche Zielbestimmung

VeränderungsVeränderungs kompetenz kompetenz Erfolgreiches Agieren und konstruktiver, selbstbewusster Umgang mit Veränderungen

NACHHALTIGER BERUFLICHER ERFOLG UND PERSÖNLICHE ZUFRIEDENHEIT

Der in diesem Sinne beschäftigungsfähige Mensch erfährt eine andere Positionierung in der Arbeitswelt; sie ist weniger durch Abhängigkeit von Dritten als vielmehr von Selbstbewusstsein und Selbstbestimmtheit geprägt. Da kein Unternehmen auf Lebenszeit einen Arbeitsplatz garantieren kann, ist es für den Einzelnen wichtig, durch eine unablässig gepflegte und weiterentwickelte Beschäftigungsfähigkeit im Fall des Falles andere Optionen zu haben. Im Idealfall ist er so attraktiv für verschiedene Partner am Markt, dass hieraus gänzliche Unabhängigkeit resultiert. Damit definiert sich der Begriff der Arbeitsplatzsicherheit völlig neu, nicht mehr als „Quasi-Garantie“ auf einen bestimmten Arbeitsplatz, sondern im Sinne von jederzeit vorhandenen beruflichen Optionen bzw. Alternativen.

2.

Employability – Wem nutzt sie?

2.1

„Nice to have“ oder ökonomisches Muss?

Im intensiven nationalen und internationalen Wettbewerb geht es darum, schnell auf Kundenwünsche und Marktgegebenheiten reagieren zu können. Produkte und Dienstleistungen müssen in hoher Qualität und zu günstigen Preisen angeboten werden. Dies erfordert „den richtigen Mitarbeiter zur 449

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richtigen Zeit am richtigen Ort“, professionelles Ressourcenmanagement und flexible Strukturen. Folglich wird der Anteil langfristig an das Unternehmen gebundener Stammbelegschaften zugunsten neuer, flexibler Partnerschaften zurückgehen. Projekt- und netzwerkartig aufgebaute Organisationsformen treten in den Vordergrund; Arbeit wird immer weniger zeit- und ortsgebunden erbracht werden. Daraus leiten sich völlig neuartige Verhaltens- und Entscheidungsmuster ab, auf die sich alle Beteiligten einstellen müssen. Für den Einzelnen bedeutet dies, dass die langfristig planbare, linear verlaufende Berufslaufbahn bzw. der klassische Karriereweg eher der Vergangenheit angehört. Berufs- und Unternehmenswechsel, verschiedene Formen der Arbeitszeitgestaltung, Wechsel zwischen selbstständiger und unselbstständiger Arbeit sowie Lern- und Sabbatical-Phasen lassen immer häufiger so genannte Patchwork-Biographien entstehen. Die ökonomische Notwendigkeit, anpassungsfähige Belegschaftsstrukturen zu schaffen, trifft auf ebenfalls veränderte, stärker lebensphasenorientierte Erwartungen vieler Arbeitnehmer. Sie wollen ihr Berufsleben so gestalten können, dass die aktuellen privaten Lebensumstände und Bedürfnisse weitgehend Berücksichtigung finden. Hieraus ergeben sich für Unternehmen und Vorgesetzte neue Anforderungen, um dauerhaft „employer of choice“ zu sein. Der Nutzen von Employability liegt in diesem Zusammenhang auf der Hand: Beschäftigungsfähige Mitarbeiter denken perspektivisch und in unterschiedlichen Szenarien, sie richten ihr Handeln danach aus und sind dementsprechend auf Veränderungen vorbereitet. Für Unternehmen und Führungskräfte ergibt sich daraus die Möglichkeit, Geschäftschancen optimal zu nutzen.

2.2

Aufgabe des Unternehmens oder des Individuums?

Für die Unternehmen und ihre Beschäftigten heißt die Herausforderung, gemeinsam „fit für die Zukunft“ zu werden. Das zukunftsfähige Unternehmen braucht qualifizierte, engagierte und flexible Mitarbeiter. Der Mitarbeiter braucht zukunftsfähige Kompetenzen und sucht Perspektiven. Unternehmen

450

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und Mitarbeiter sind aufeinander angewiesen und unterliegen letztlich den gleichen Marktmechanismen. Dem Unternehmen fällt vor diesem Hintergrund die Verantwortung zu, rechtzeitig sich abzeichnende Entwicklungen zu thematisieren, entsprechende Weichenstellungen für die Belegschaft vorzunehmen und mit den Arbeitnehmervertretern und den Mitarbeitern in einen ehrlichen und vorbehaltlosen Dialog hierüber einzutreten. Die Botschaft für den Einzelnen ist eindeutig: Eine „lebenslange“ Arbeitsplatzgarantie kann es nicht geben, wohl aber das Versprechen des verantwortungsbewussten Unternehmens, alles zu tun, um die individuelle Beschäftigungsfähigkeit der Mitarbeiter zu fördern. Angebote zur stetigen Entwicklung und Förderung zukunftsfähiger Kompetenzen für alle Mitarbeiter eröffnen konkrete berufliche Perspektiven für den Einzelnen und zeichnen den modernen „employer of choice“ aus. Die in der betrieblichen Praxis eingesetzten Personalentwicklungsinstrumente müssen konsequenterweise hierauf abgestimmt sein und ein ganzheitliches – nicht ausschließlich funktionsbezogenes oder bereichsspezifisches – Kompetenzprofil des Mitarbeiters in den Mittelpunkt stellen. Die existenzielle Bedeutung lebenslangen Lernens und die Wichtigkeit geistiger wie geographischer Mobilität sind zwar allseits akzeptiert, doch der Mensch – als nicht nur rationales, sondern auch emotionales Wesen – tut sich in der Regel schwer, seine Gewohnheiten zu durchbrechen und sich angstfrei und selbstbewusst den Anforderungen der Zeit zu stellen. Gefordert ist ein für viele schmerzhafter Bewusstseinswandel, weg vom Anspruchsdenken und der Mentalität des Verharrens in Routinen hin zum engagierten Zupacken und stetigen Investieren in die persönliche Entwicklung. Dabei gelten für den beruflichen wie für den privaten Lebensweg die gleichen Regeln: Jeder bestimmt selbst Ziel und Weg der Reise; er entscheidet und setzt seine Entscheidungen um; Dritte können dabei mit Rat und Tat zur Seite stehen oder alternative Wege und Optionen aufzeigen. Die Verantwortung für die vorausschauende, aktive Gestaltung der eigenen beruflichen Entwicklung kann allerdings nur beim Einzelnen liegen.

451

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3. Von der Idee zum Programm 3.1

Schneller Konsens?

Bei der Erörterung des theoretischen Konzepts der Employability ist in aller Regel schnell Konsens über Zusammenhänge, Nutzen und Bedeutung für den Unternehmenserfolg auf der einen sowie für die persönliche Entwicklung und Marktfähigkeit auf der anderen Seite zu erzielen. Die grundsätzliche Bereitschaft zu eigenen Investitionen wird gerne erklärt; die Schwierigkeit ist, konkrete Handlungsfelder und Aktionen abzuleiten und nachhaltig Wirkung zu erzielen. Eine erste Ernüchterung tritt ein, wenn erkannt wird, dass Employability nicht mathematisch messbar ist und die maßgeblichen Kompetenzfelder nicht kurzfristig, quasi per Knopfdruck, veränderbar sind. Persönlichkeitskompetenzen spiegeln grundlegende Verhaltensmuster und Mentalitäten wider. Sie können – und jeder weiß es aus eigenem Erleben – nur sukzessive und mit viel Mühe ausgebaut werden. Die gute Nachricht in diesem Zusammenhang ist, dass diese Schlüsselkompetenzen aufgabenunabhängig bedeutsam sind, keinem so raschen Wandel unterliegen wie viele Fachkompetenzen und – einmal erworben und kontinuierlich gepflegt – dauerhaft Nutzen stiften.

3.2

Vom reaktiven zum pro-aktiven Verhalten

Damit wird klar, dass es bei einem Employability-Programm nicht um eine Einmalaktion gehen kann, sondern um stetige Investitionen als Vorleistung für eine erfolgreiche Zukunft. Für den Einzelnen wie für das Unternehmen heißt das auch, nicht nur ad hoc auf Veränderungen zu reagieren, sondern Auswirkungen der Marktgeschehnisse regelmäßig in die Zukunft zu projizieren und sich pro-aktiv mit den Entwicklungen auseinanderzusetzen. Stehen einschneidende Veränderungen unmittelbar bevor, bleibt meist zu wenig Zeit, Versäumtes nachzuholen. Punktuelle Aktivitäten können dann bestenfalls das Schlimmste verhindern helfen. Die Forderung heißt also „perspektivisch Denken“ und immer am Ball bleiben. Die Arbeit an der 452

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eigenen Employability soll genauso selbstverständlich ein Bestandteil des täglichen Lebens werden wie ein regelmäßiges körperliches Fitnessprogramm. Verantwortungsbewusste Unternehmen verpflichten sich, die entsprechenden Rahmenbedingungen zu gestalten, die nötige Transparenz über Markt- und Unternehmensentwicklung zu schaffen und mit stetigen Impulsen und konkreten Angeboten die Employability-Aktivitäten der Mitarbeiter zu unterstützen. Hierzu bedarf es einer klaren, vorausschauenden Grundsatzentscheidung und der konsequenten Umsetzung. Bleibt die Frage nach dem „richtigen“ Zeitpunkt für die Implementierung eines unternehmensinternen Employability-Programms. Der Ruf nach Employability und Veränderungskompetenz wird verständlicherweise insbesondere dann laut, wenn größere Umbrüche anstehen. In diesem Kontext ist die Bereitschaft, hierfür Geld auszugeben bzw. Zeit und Mühe zu investieren, besonders ausgeprägt und der Wunsch nach Patentrezepten greifbar. Ein konstruktiver Zugang zum Thema ist in dieser Situation jedoch kaum möglich; das notwendige perspektivische Denken wird aufgrund akuter Positionierungserfordernisse erschwert. Dem Unternehmen könnten sogar vorrangig kurzfristige Interessen unterstellt werden. Eine Offensive mit dem Anspruch, nachhaltig Beschäftigungsfähigkeit in allen Belegschaftsgruppen zu fördern, sollte also nach Möglichkeit nicht in direktem Zusammenhang mit Umstrukturierungsmaßnahmen gestartet werden. Damit ist allerdings die latente Gefahr verbunden, dass ein solches Programm immer wieder aufgrund dringender anderweitiger Projekte und Erfordernisse verschoben oder nur punktuell angegangen wird. Unter Umständen ist es hilfreich, die nach Umstrukturierungen bei Führungskräften und Mitarbeitern vorhandene höhere Sensibilität für zukunftssichernde Maßnahmen zu nutzen und das Thema unter der Überschrift „lessons learned“ einzuführen. Entscheidend für den Erfolg ist, die Grundgedanken in einem möglichst positiven Kontext einzuführen und den Mitarbeitern die Teilnahme in einem angstfreien Umfeld zu ermöglichen.

453

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3.3

Die besondere Herausforderung: Sensibilisieren und motivieren

„Employability“ ist ein komplexer, abstrakter Begriff, der sich nicht von selbst erklärt. Zudem wird die Thematik häufig mit einem als potenziell bedrohlich empfundenem Szenario wie betriebliche Veränderung oder Arbeitsplatzverlust in Zusammenhang gebracht und gerne verdrängt. Man stößt hier auf ein ähnliches Phänomen wie bei der Gesundheitsvorsorge; zumindest bei näherer Betrachtung ist der Sinn präventiven Handelns zwar einleuchtend, dennoch verschließen viele lieber die Augen, als sich mit den am Horizont erkennbaren Fragen zu befassen. Dieses Verhalten gehört offenbar zur menschlichen Natur. Zunächst muss es daher bei der Sensibilisierung für das Thema Employability darum gehen, den Begriff zu übersetzen. Dazu gehört auch, ihm den Anschein des Negativen, Unangenehmen zu nehmen und das Streben nach Employability als selbstverständlichen, fortwährenden „Anspruch an sich selbst“, der unabhängig von aktuellen Gegebenheiten bedeutsam ist, zu beschreiben. Es sollte also eine grundsätzliche Offenheit für das Thema und die Bereitschaft, sich mit perspektivischen Fragen des Berufslebens auseinanderzusetzen, erzeugt werden. Eine möglichst konkrete Antwort auf die Frage: „Was bringt mir das?“ wäre bei der Erreichung dieses Ziels hilfreich. Der wahre Nutzen – fit zu sein für die berufliche Zukunft und damit auch vorbereitet zu sein für alle Eventualitäten – lässt sich erfahrungsgemäß jedoch nur schwer vermitteln. Ein Lösungsansatz besteht darin, nützliche Instrumente für den Berufsalltag anzubieten und beispielhaft die positiven Effekte eines größeren Selbstbewusstseins oder einer klareren beruflichen Zielsetzung zu beschreiben. So kann z. B. die Erarbeitung einer Selbstpräsentation empfohlen werden, die das berufliche Profil mit den vorhandenen Stärken und Entwicklungsfeldern zusammenfasst. Der Einzelne erhält damit ein greifbares und vielseitig einsetzbares Instrument für das Selbstmarketing. Auch die Ansprache über die persönliche Neugierde („Wie beschäftigungsfähig bin ich eigentlich?“) mit dem konkreten Angebot eines passenden Analysetools kann motivieren, sich mit der eigenen Beschäftigungsfähigkeit auseinanderzusetzen. Weitere Handlungsfelder und Instrumentarien werden in Abschnitt 4 als Praxisbeispiele beschrieben. 454

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Sensibilisierung Was heißt „beschäftigungsfähig“? Was bringt mir das? Was habe ich schon erreicht?

Motivation

Erfolgssicherung

Analyse

Aktion

Wie beschäftigungsfähig bin ich?

Wie werde und wie bleibe ich beschäftigungsfähig? ABB. 2: ZENTRALE FRAGESTELLUNGEN ZUR BESCHÄFTIGUNGSFÄHIGKEIT

3.4

Einbindung aller Interessensgruppen

Eine breit angelegte Employability-Offensive erfordert die Einbindung aller maßgeblichen Kräfte im Unternehmen. Unternehmensleitung, Führungskräfte, Personalverantwortliche und Betriebsräte sollten die Zusammenhänge und den Nutzen verinnerlicht haben und – in ihrer jeweiligen Rolle – das Bestreben des Einzelnen unterstützen. Aufgabe der Unternehmensleitung ist es dabei in erster Linie, die Bedeutung für den Einzelnen und für den Unternehmenserfolg zu betonen, über den HRBereich Employability fördernde Instrumente zur Verfügung zu stellen und durch Sponsorenschaften und Testimonials auf ein förderliches Klima hinzuwirken. 455

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Führungskräfte sollten ihre Mitarbeiter bei deren Aktivitäten unterstützen und die Investition in die individuelle Employability nicht als Bedrohung („Der Mitarbeiter macht sich wohl fit um wegzugehen“) verstehen. Vielmehr sollten sie die darin liegenden Chancen und die positiven Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit und Flexibilität des Teams und den geschäftlichen Erfolg sehen. Gute Führungsleistung vorausgesetzt sind sie die ersten, die von gut ausgebildeten, für künftige Veränderungen gerüsteten Mitarbeitern profitieren. Die Arbeitnehmervertreter sollten bereits in einem sehr frühen Stadium, möglichst schon bei den ersten Gedanken zur Konzeption, eingebunden werden. So können einerseits viele, eventuell unterschiedliche Ansätze verknüpft werden und andererseits inhaltliche Missverständnisse vermieden werden. Die frühe Einbindung, gemeinsame Entwicklung und Vermarktung geben außerdem das wichtige Signal an die Mitarbeiter, dass es sich um eine Offensive zu ihrem beruflichen „Wohle“ handelt, die sie im eigenen Interesse nutzen sollten.

3.5

Employability in speziellen Lebensphasen

Häufig wird der Begriff Employability im Zusammenhang mit älteren Arbeitnehmern diskutiert. Diese Fokussierung ist irreführend; Employability ist per se ein Thema, das in allen (Berufs-)Lebensphasen von Bedeutung ist. „Drive“ ist gefragt; die bewusste und aktive Übernahme von Verantwortung für die berufliche und persönliche Entwicklung ist für jüngere und ältere Mitarbeiter gleichermaßen wichtig. Die regelmäßige Reflexion der eigenen Fähigkeiten, Werte und Ziele unterstützt eine zielstrebige Kompetenz- und Persönlichkeitsentwicklung. Wer zudem eine realistische berufliche Vision hat und sich selbstbewusst positionieren kann, wird in der Regel auch einen Partner im Unternehmen finden, der diese mitträgt und die Zielerreichung unterstützt. Beispiele aus verschiedenen Berufsphasen: •

456

Die Suche nach einem Ausbildungsplatz wird nur dann erfolgreich sein, wenn der Bewerber, neben akzeptablen Schulnoten, auch Schlüsselkompetenzen wie Team- und Kommunikationsfähigkeit mitbringt und erkennen lässt, dass er über Engagement und Initiative verfügt. Auch der Berufseinstieg nach Ausbildung oder Studium wird nur gelingen, wenn neben der erworbenen fachlichen Grundqualifikation die Soft Skills

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stimmen und man sich vorstellen kann, mit dem Bewerber ein engagiertes und „passendes“ Teammitglied zu bekommen, das zum gemeinsamen Erfolg beitragen wird. •





Ähnliches gilt für den Wiedereinstieg nach einer Berufspause, sei es aufgrund von Familienzeiten oder sonstigen Gründen. Hier ist daran zu denken, dass man sich sehr schnell dem Berufsleben entfremden und den Anschluss verpassen kann, wenn man nicht aktiv gegensteuert und trotz eventueller anderer Prioritäten das „Ohr am Puls der Zeit“ behält. Wichtig ist, in Kontakt mit früheren Kollegen zu bleiben, sich z. B. über den technischen Fortschritt informiert zu halten und seine Fähigkeiten auch im privaten Umfeld bewusst zu pflegen und auszubauen. Hilfreich für den späteren Wiedereinstieg ist es, bereits vor einem zeitlich begrenzten Ausstieg Vorbereitungen zu treffen für den Zeitpunkt der Rückkehr. Dies kann z. B. durch eine Inventur der individuellen Kompetenzen und beruflichen Erfahrung sowie deren Dokumentation in Form eines Kompetenzprofils geschehen. Auch erfahrene Mitarbeiter wollen Erfolge verbuchen und sich Berufschancen bewahren, unabhängig von ihrem Alter. Sowohl sie selbst wie auch das Unternehmen haben viel investiert, beide wollen daraus auch nachhaltig Ertrag generieren. Unternehmen brauchen erfahrene Mitarbeiter, die ihr Können und Wissen motiviert und engagiert zur Verfügung stellen – bis zu ihrem letzten Arbeitstag. Wesentlich ist die Bereitschaft, regelmäßig ebenso selbstbewusst wie selbstkritisch die individuellen Kompetenzen in den Blick zu nehmen und sich immer wieder neuen Herausforderungen zu stellen. Für Mitarbeiter und Unternehmen geht es letztlich darum, möglichst lange füreinander attraktiv zu bleiben Und wer kennt nicht „Menschen mit weißen Haaren“, die in Wesensart und Leistungsbereitschaft „jünger sind“ als manche Dreißigjährigen. Mit dem festen Willen der Älteren, für ihr Unternehmen – und für sich selbst – beschäftigungsfähig zu bleiben, ist das Lebensalter des Mitarbeiters kein besonderes und schon gar kein negatives Merkmal der Leistungsfähigkeit. Im Rahmen von flexiblen Übergangsmodellen möchten viele im Einklang mit betrieblichen Wünschen und Erfordernissen ihre letzten Berufsjahre individueller gestalten, z. B. durch eine Arbeitszeitreduzierung oder durch eine über das normale Renteneintrittsalter hinausgehende 457

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Beschäftigung. Aktuelles Wissen kombiniert mit reichhaltiger Erfahrung und einer guten Portion Sozialkompetenz ermöglicht eine gleichberechtigte, faire Partnerschaft mit den Jüngeren und letztlich einen selbst gesteuerten und flexiblen Ausstieg aus dem Berufsleben. Bei der Konzeption und der Implementierung von Personalentwicklungsmaßnahmen kommt es darauf an, allen Mitarbeitern Perspektiven aufzuzeigen, bei denen sie ihre individuellen Stärken einsetzen und ihre persönlichen Ziele verwirklichen können. Außerdem muss darauf geachtet werden, dass nicht einzelne Mitarbeitergruppen, z. B. Mitarbeiter in Teilzeit oder Ältere, bewusst oder auch unbewusst ausgeschlossen werden oder sich selbst in die Passivität zurückziehen. Offenheit gegenüber Veränderungen und Bereitschaft zur Flexibilität sind in erster Linie eine Frage der inneren Grundeinstellung bzw. der Mentalität des Einzelnen. Den „Spannungsbogen“ der Mitarbeiter über alle Lebensphasen hinweg von Anfang bis Ende des Berufslebens zu erhalten, ist die eigentliche Herausforderung an Führungskräfte und das Personalmanagement. Bildlich gesprochen, darf die Quelle, aus der der Mitarbeiter Schwung und Motivation schöpft, nicht versiegen, damit der „Schatz der Erfahrung“ jederzeit zugänglich bleibt und weiter anwachsen kann.

4.

Förderung von Employability: Praxisbeispiele

4.1

Beispiel 1: Das Deutsche Bank-Mosaik für Beschäftigung – Von der reaktiven Begleitung einer Strukturmaßnahme zum pro-aktiven umfassenden Ansatz

Das Deutsche Bank-Mosaik für Beschäftigung (im folgenden DB-Mosaik) wurde 1998 gegründet. Erklärtes Ziel war es, kreative und innovative Ansätze zur Beschäftigungssicherung zu finden und den von betrieblichen Veränderungen Betroffenen möglichst konkrete berufliche Perspektiven zu eröffnen. In diesem Zusammenhang wurden auch erstmals alle Mitarbeiter direkt auf die Themen „Wandel in der Arbeitswelt – Beschäftigungssicherheit – Beschäfti-

458

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gungsfähigkeit“ angesprochen und mittels eines Instruments zur Selbstreflexion sensibilisiert. Hintergrund für die Bildung eines eigenständigen Personalressorts – außerhalb der operativen Personalorganisation – als Treiber dieser Themen war die erste größere Restrukturierungsmaßnahme, die die Fokussierung auf Kerngeschäftsfelder und eine regionale Neugliederung der Inlandsbank zum Inhalt hatte. In Deutschland waren einige Tausend Mitarbeiter direkt oder indirekt betroffen. Im Falle drohenden Arbeitsplatzverlustes sollten konkrete Platzierungsoptionen am internen und externen Arbeitsmarkt gefunden werden. Dies spiegelte die Überzeugung wider, dass man mit großzügigen Abfindungsregelungen zwar den „Trennungsschmerz“ kurzfristig lindern, aber damit keinesfalls automatisch berufliche Perspektiven und nachhaltige Existenzsicherung bieten kann. Außerdem sollte der Grundstein für ein nachhaltiges Employability-Bewusstsein und die Förderung von Veränderungskompetenz gelegt werden, was allerdings aufgrund des akuten Restrukturierungs-Szenarios zum damaligen Zeitpunkt nur in Ansätzen gelungen ist. Ziele und Kernelemente des DB-Mosaiks lassen sich wie folgt darstellen: Orientierung: Systematische Begleitung der Mitarbeiter in Veränderungsprozessen, Hilfestellung zur Standortbestimmung und beruflichen Zielfindung. Qualifizierung zur Erhöhung interner und externer Marktchancen. Platzierung: Unterstützung bei Selbstmarketing und Positionierung, Kontaktanbahnung und Vermittlung. Flexibilisierung des konzerninternen Arbeitsmarktes und dadurch Nutzung aller Beschäftigungsoptionen.

Orientierung

Qualifizierung

Platzierung

Flexibilisierung

EmployabilityFörderung

DB-Mosaik für Beschäftigung

ABB. 3: ZIELE UND KERNELEMENTE DES DB-MOSAIKS

Employability-Förderung: Grundlegende, nachhaltige Förderung der Veränderungskompetenz und Beschäftigungsfähigkeit.

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Die Bausteine im Überblick Im Laufe der Zeit entstand ein vielfältiges Instrumentarium zur Begleitung des Strukturwandels in der Deutschen Bank einerseits und zur pro-aktiven Förderung von Veränderungskompetenz und Beschäftigungsfähigkeit andererseits. Dieses setzt nicht auf „massenfähige“ Standardlösungen, sondern auf die sehr frühzeitig startende professionelle Begleitung von Veränderungsprozessen im Sinne einer Hilfe zur Selbsthilfe, auf konkrete Qualifizierungsund Arbeitsgestaltungsmodelle und auf individuelle, zukunftsorientierte Kompetenzentwicklung. Orientierungs Coaching Kompetenz Inventur

Umschulungen BerlinModell

Zertifizierungen

Qualifizierung JobBits/ ElternZeitArbeit

Qualifizierungsprogramme

Selbstmarketing f. Azubis

JobCoaching

Orientierungsberatung

Platzierung Vermittlung

Kompetenz Check Wiedereinsteigercoaching

Projekt-/ Zeitarbeit

Azubi-Börse

DB Management Support

Mitarbeiter KarrierePortal

Fitness CenterJob

Flexibilisierung

Bankpower JobDevelopment

Zukunfts Kompass

Arbeitszeitmodelle

Bankforce

Existenzgründung

Telearbeit

EmployabilityFörderung Employability Workshops

EmployabilityPass

Fitness Coaching

ABB. 4: DIE BAUSTEINE DES DB-MOSAIKS

Zum Ausgangspunkt für die meisten Aktivitäten im Rahmen des DB-Mosaiks ist die im Jahr 2003 als „DB JobCenter“ eingerichtete und im Jahr 2006 weiter ausgebaute Beratungseinheit mit dem neuen Namen „FitnessCenter Job“ geworden. Hier stehen den Mitarbeitern des Konzerns professionelle Coachs für alle Fragen rund um die berufliche Orientierung, Zielfindung, Kompetenzentwicklung, Positionierung und Platzierung zur Verfügung. Die gut strukturierte Auseinandersetzung mit dem individuellen beruflichen Kompetenz- und Erfahrungsprofil und den eigenen beruflichen Zielsetzungen 460

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schafft ein höheres Maß an Selbstbewusstsein und Mut, sowohl mit kleinen, alltäglichen als auch größeren, außerordentlichen Veränderungen aktiv und konstruktiv umzugehen. Der neutrale Beratungsansatz und die Garantie absoluter Vertraulichkeit – es bestehen „chinese walls“ zu den anderen HR-Bereichen – ist insbesondere bei Strukturmaßnahmen sehr hilfreich, weil dadurch frühzeitig die gedankliche Beschäftigung mit alternativen Szenarien ermöglicht wird. Noch während beispielsweise die Verhandlungen zu einzelnen Strukturmaßnahmen laufen und ohne dass beim Einzelnen bereits akute Veränderungsnotwendigkeit besteht, können sich die Mitarbeiter gründlich auf alle Eventualitäten vorbereiten. Die verschiedenen Beratungsangebote wurden in den vergangenen sieben Jahren von rund 14.000 Mitarbeitern des Konzerns genutzt – mit äußerst positivem Feedback. Durch die konsequente, stetige Weiterentwicklung bietet das DB-Mosaik inzwischen für nahezu jede berufliche Situation und (Berufs-) Lebensphase konkrete Unterstützung und eine Vielzahl von Gestaltungsoptionen. Von den übrigen Instrumentarien des DB-Mosaiks seien hier nur einige wenige exemplarisch weiter ausgeführt: Bankforce ist ein innovatives Personalentwicklungsinstrument, geführt als eine Art „konzerninternes Zeitarbeitsunternehmen“, dessen Mitarbeiter im Rahmen von Projekten und Vertretungseinsätzen tätig sind. Ziel ist es, auf freiwilliger Basis Mitarbeitern mit interessanten bundesweiten Einsätzen einen Zuwachs an Know-how – auch in völlig neuen Bereichen – zu ermöglichen. Dies mündet in der Regel nach einem Zeitraum von ein bis zwei Jahren in eine perspektivenreiche Festplatzierung. Bankpower – ein Zeitarbeitsspezialist im Finanzdienstleistungssektor – ist ein Joint Venture der Deutschen Bank mit Manpower. Damit kann aus dem Konzern ausscheidenden Mitarbeitern eine Brücke in ein neues, unbefristetes Arbeitsverhältnis geboten werden. Durch die hohen Abwerbe- und Übernahmequoten der Zeitarbeitsbranche lassen sich so für alle Altersgruppen auch neue berufliche Perspektiven in Drittunternehmen eröffnen. Auch Umschulungs- und Qualifizierungsmodelle sowie eine Existenzgründungsberatung stehen den Mitarbeitern zur Verfügung. Darüber hinaus besteht nach dem Ausscheiden aus dem aktiven Arbeitsleben die Möglichkeit punk461

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tueller oder befristeter Beratungseinsätze im Rahmen der DB Management Support GmbH, einer 100 %igen Tochtergesellschaft der Deutschen Bank. Das Employability-Programm im Detail Mit dem umfassenden EmployabilityProgramm „in eigener Sache – Fit in die berufliche Zukunft“ wurde im Mai 2006 erstmals ein pro-aktiver Ansatz in den Mittelpunkt gestellt. Erklärtes Ziel ist es, die Beschäftigungsfähigkeit der Mitarbeiter zu fördern, sie für die Anforderungen der Zukunft zu stärken und damit nachhaltig beruflichen Erfolg zu sichern. Im Fokus der Aktion stehen die employability-relevanten überfachlichen Kompetenzen, Einstellungen und Haltungen. Mit vielfältigen Angeboten zur individuellen Standortbestimmung und zur Entwicklung von Schlüsselkompetenzen werden die Mitarbeiter dabei unterstützt, beruflich fit zu bleiben, ihre Veränderungskompetenz zu stärken und Eigenverantwortung zu übernehmen. Das Programm, dessen Grundzüge in einer Regelungsabsprache verankert sind, basiert auf einem gemeinsamen Projekt des HR-Bereiches und des Konzernbetriebsrats und richtet sich an alle Mitarbeiter des Konzerns in Deutschland. Ende 2009 waren bereits rund 10.000 registrierte Nutzer zu verzeichnen. Zu den wichtigsten Tools gehören: •

• •





462

KompetenzTest mit individueller Auswertung und FremdeinschätzungsOption. Instrumente zur Selbstreflexion und Kompetenzinventur in Eigenregie. Individuelles telefonisches Coaching zu allen berufsrelevanten Fragestellungen. Workshops „Positionieren mit Profil“, „Veränderungen meistern“ und „Optimismus als Strategie“. Themenhefte „Erfolg im Beruf“, „Veränderungen“, „Komplexität“, „Optimismus“, „Chancen erkennen und nutzen“ und „Innere Haltung“.

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Monatliche E-Mail-Impulse zu employability-relevanten Themen.

Alle Mitarbeiter können über eine Aktionsplattform im Internet auf diese und weitere Instrumente und Informationen zugreifen. Im FitnessCenter Job, der neutralen und unabhängigen Beratungseinheit, stehen allen Mitarbeitern darüber hinaus genehmigungsfrei professionelle Coachs als Sparringspartner für alle Fragen rund um berufliche Fitness und Orientierung zur Verfügung. Spezifische Angebote für Wiedereinsteiger nach der Elternzeit, Auszubildende und von Strukturmaßnahmen betroffene Mitarbeiter ergänzen das Angebot, sodass neben der Langfristwirkung des Programms auch greifbarer Nutzen für Mitarbeiter wie Unternehmen in ganz konkreten und akuten Veränderungsszenarien entsteht. Die besonderen Merkmale des Programms sind •







die Entstehung und Kommunikation in enger Kooperation mit dem Konzernbetriebsrat, der pro-aktive und umfassende, die funktionsbezogene Weiterbildung ergänzende Ansatz sowie die nachhaltige Umsetzung (das Programm ist unbefristet), die generelle Genehmigungsfreiheit und die freiwillige, selbst gesteuerte Nutzung durch die Mitarbeiter und die absolute Vertraulichkeit der persönlichen Beratung.

Auch die Verbindung zur Unternehmensstrategie und aktuellen personalpolitischen Herausforderungen liegt auf der Hand. Die Unternehmenswerte Leistung, Vertrauen, Teamwork, Innovation und Kundenfokus spiegeln sich in dem Programm: Die Angebote helfen, die Stärken der einzelnen Mitarbeiter zu heben, sie sichtbar und nutzbar zu machen. Innovationskraft und Leistungsfähigkeit steigen, wenn der richtige Mitarbeiter am richtigen Platz ist und die Vielfalt der Potenziale der Mitarbeiter an der richtigen Stelle zur Geltung kommt. Eine dynamische und flexibel auf Marktgegebenheiten reagierende bzw. sie vorwegnehmende Unternehmensstrategie wird dadurch wirkungsvoll unterstützt.

463

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Gut drei Jahre nach Einführung des Employability-Programms „in eigener Sache – Fit in die berufliche Zukunft“ ist zweifelsfrei festzustellen: Das Programm mit seinem gezielten und strukturierten Ansatz – losgelöst von akuter Veränderungsnotwendigkeit – beschleunigt den Paradigmenwechsel hin zu mehr Eigenverantwortung und fördert Veränderungskompetenz, im Interesse des Mitarbeiters und im Interesse des Unternehmens. Es unterstützt Mitarbeiter dabei, den rasanten Wandel nicht als Bedrohung, sondern vielmehr als Chance und Herausforderung zu begreifen. Resümee Das ernsthafte Bemühen des Unternehmens, für jeden Mitarbeiter die berufliche Existenz sichern zu helfen und – im Falle von Strukturmaßnahmen – nicht nur materiellen Nachteilsausgleich zu bieten, wird ohne Einschränkung honoriert, von den Mitarbeitern ebenso wie von den Arbeitnehmervertretern. Auch das Management ist überzeugt, dass sich Aufwand und Mühe lohnen. Die Aktivitäten werden als wertvolle und unverzichtbare Maßnahmen und Signale der Wertschätzung gegenüber den Mitarbeitern gesehen. Mit dem DB-Mosaik bietet der Personalbereich eine innovative instrumentelle Plattform und gestaltet Rahmenbedingungen. Für die Akzeptanz im Unternehmen war und ist die Einbindung und konzeptionelle Mitarbeit der Arbeitnehmervertreter ebenso von zentraler Bedeutung wie die einvernehmlich formulierte Handlungsmaxime für die Bewältigung von Veränderungen: Gemeinsam soll alles getan werden, die Beschäftigung der Mitarbeiter möglichst innerhalb des Konzerns zu sichern und – falls dies nicht erreichbar ist – die Arbeitsmarktfähigkeit der Arbeitnehmer zu fördern, konkrete individuelle Perspektiven zu eröffnen und damit Arbeitslosigkeit zu vermeiden. Trotz der gemeinschaftlichen Entwicklung durch Personalbereich und Betriebsrat setzte sich der für den Erfolg notwendige individuelle Umdenkprozess zunächst nur langsam durch. Die neuen Bausteine wurden zuerst kritisch betrachtet. Außerdem standen für die Mitarbeiter anfangs materielle Fragestellungen eher im Vordergrund als berufliche Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt. Im Laufe der Zeit haben sich allerdings die Denkmechanismen aller Beteiligten verändert. Forciert durch die Auswirkungen der strukturellen Krise des Bankensektors wuchs auch die Erkenntnis, dass jeder Einzelne etwas dafür tun muss, seine Beschäftigungsfähigkeit dauerhaft zu gewährleisten. 464

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4.2

Beispiel 2: Job-Allianz Berufswelt transparent – Unternehmenskooperation

„Job-Allianz: Berufswelt transparent“ heißt das Gemeinschaftsprojekt, zu dem sich in der Region Rhein-Main im Jahr 2001 fünf bekannte Unternehmen im Interesse ihrer Mitarbeiter zusammengefunden haben. Deutsche Bank, Evonik, Lufthansa, FES Frankfurter Entsorgungs- und Service GmbH und Fraport wollten damit für mehr Transparenz über Anforderungen der modernen Arbeitswelt sorgen und ihre Beschäftigten bei der eigenverantwortlichen Gestaltung der beruflichen Zukunft unterstützen. Mit der Job-Allianz gingen die fünf Unternehmen gemeinsam neue Wege in der Personalentwicklung und bei der Förderung grundsätzlicher Beschäftigungsfähigkeit ihrer Mitarbeiter. Entstanden war das Projekt im Rahmen der bundesweiten „Initiative für Beschäftigung!“1 Mit der Job-Allianz wurde für die Mitarbeiter ein „Blick über den Tellerrand“ des eigenen Unternehmens möglich. Gemeinsame Mitarbeiterveranstaltungen mit interessanten Vorträgen und Diskussionen informierten über employability-relevante Themen und gaben beim anschließenden Gettogether Gelegenheit zum persönlichen Austausch. Die beliebten Arbeitshefte zu den Jahresschwerpunkten regten zu einer Vertiefung des jeweiligen Themas in Eigenregie an. Unternehmensführungen und ein Business-Praktikum, bei dem Mitarbeiter bis zu vier Wochen in einem Partnerunternehmen hospitieren konnten, ermöglichten einen Einblick in Strukturen und Arbeitsabläufe anderer Unternehmen. Seminare und Beratungsangebote halfen den Mitarbeitern, ihre Kompetenzen gezielt im Kreise Gleichgesinnter aus den Partnerunternehmen weiterzuentwickeln. Nach fast einem Jahrzehnt erfolgreicher Zusammenarbeit haben sich die Partnerunternehmen entschieden, das Angebot der Job-Allianz ab dem Früh-

1

Gegründet wurde die Initiative für Beschäftigung1998 von Jürgen Strube (BASF), Reinhard Mohn (Bertelsmann) und Hubertus Schmoldt (IG BCE). Mit über 400 Unternehmen und rund 2.500 Aktiven aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft gilt sie als größte konzertierte Aktion der deutschen Wirtschaft zum Thema Beschäftigung.

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jahr 2010 nicht mehr fortzuführen, sondern in Zukunft anlassbezogen bilateral zusammenzuarbeiten. Resümee Eine Unternehmenskooperation in diesem Themenfeld hat viele Vorteile: Die Mitarbeiter profitieren von den Einblicken in andere Unternehmen, deren Anforderungen und Arbeitsprozesse. Der Austausch mit Kollegen aus anderen Branchen gibt unmittelbare starke Impulse, die eigenen Kompetenzen zu überprüfen und weiterzuentwickeln. Durch den Vergleich wird außerdem die eigene Arbeit bzw. das eigene berufliche Umfeld in einem neuen Licht gesehen. Aus Unternehmenssicht erleichtern gebündelte Kompetenzen und Ressourcen die Konzeption auch aufwendigerer Angebote. Ein positiver Nebeneffekt ist, dass der Investition in die eigene Beschäftigungsfähigkeit von den Mitarbeitern mehr Bedeutung beigemessen wird, wenn sich mehrere namhafte Unternehmen diese Thematik auf die Fahnen geschrieben haben. Entscheidend für das Gelingen einer solchen Kooperation über einen längeren Zeitraum ist eine gewisse personelle Konstanz auf der Arbeitsebene sowie die unbedingte ideelle und materielle Unterstützung durch die Leitungsebene der beteiligten Unternehmen.

4.3

Beispiel 3: Aktion „in eigener Sache“ – Förderung von Arbeitsmarktfitness als umfassendes gesellschaftspolitisches Engagement

Der schnelle Wandel in der Arbeitswelt erfordert von Arbeitnehmern wie Arbeitsuchenden, die eigenen Fähigkeiten selbstverantwortlich auszubauen und sie den Anforderungen kontinuierlich anzupassen. Bisher gibt es nur wenige Aktivitäten, die das Individuum direkt ansprechen und bezüglich Beschäftigungsfähigkeit sensibilisieren sowie motivieren, selbst daran zu arbeiten. Das Projekt „in eigener Sache“ zielt in diese Richtung. Durch die Bereitstellung von Informationen und 466

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Instrumenten soll zu einem individuellen und letztlich gesellschaftlichen Bewusstseinswandel hin zu mehr Eigenverantwortung für Beschäftigung und berufliche Zukunft beigetragen werden. Dieses Projekt ist ebenfalls aus der „Initiative für Beschäftigung!“ hervorgegangen, die in regionalen Netzwerken innovative Beschäftigungsprojekte realisiert und auf Bundesebene in verschiedenen Themenkreisen Impulse zur Gestaltung und Flexibilisierung des Arbeitsmarktes gibt. Initiiert wurde „in eigener Sache“ von der Deutsche Bank AG und dem Institut für Beschäftigung und Employability IBE der Fachhochschule Ludwigshafen. Partner bei der Umsetzung ist das Geva-Institut, München. Namhafte Unternehmen und Institutionen der deutschen Wirtschaft unterstützen das Projekt materiell und ideell. „In eigener Sache“ bietet Orientierungshilfen für die pro-aktive Gestaltung beruflicher Zukunft und stellt Werkzeuge zur Entwicklung individueller Beschäftigungsfähigkeit zur Verfügung. Um Breitenwirkung zu erzielen, wurde das Projekt in der Anfangsphase von einer Medienkampagne begleitet. Die zentralen Handlungsfelder sind: •



• •

Sensibilisierung und Motivation u. a. durch Artikel, Homepage (www.in-eigener-sache.de). Analyse des eigenen Qualifikationsstands durch Tests und Reflexionsangebote. Aktion mit Handlungsempfehlungen, Workshops und Coaching. Erfolgssicherung durch Dokumentation der Aktivitäten und Ergebnisse im „Kompetenz-Pass“.

Das Projekt will verdeutlichen, wie wichtig es für den Einzelnen ist, seine individuelle Situation zu analysieren, sich Ziele zu setzen, sich auf den Weg zu machen und das Ganze als kontinuierlichen, „immerwährenden“ Prozess zu sehen. Die Haupt-Adressaten sind Beschäftigte, Arbeitsuchende, Berufsrückkehrer sowie Unternehmen, Medien und weitere Multiplikatoren. Seit dem Start der Aktion im Herbst 2005 registrieren sich – nach einer medienbegleiteten turbulenten Startphase – pro Monat im Durchschnitt rund 200 Interessenten auf der Website, um auf das komplette Angebot zugreifen 467

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zu können; insgesamt haben sich bisher knapp 30.000 Menschen registriert. Die Homepagebesuche liegen deutlich höher: im Monat bei derzeit rund 20.000, insgesamt seit Start bei rund 900.000. Den KompetenzTest absolvierten bisher 17.500 Teilnehmer, das sind pro Monat rund 60 im Durchschnitt des letzten Jahres. Schon während der Entwicklungsarbeit an der Aktion „in eigener Sache“ wurde den Akteuren klar, dass das Thema für Jugendliche ebenfalls sehr wichtig ist, aber eines komplett anderen, noch stärker instrumentellen Ansatzes bedarf. Dahinter steht folgende theoretische Überlegung: Für den Berufseinstieg gewappnet zu sein, bedeutet weit mehr, als gute Schulnoten oder ein klares Bild von den eigenen Stärken und Interessen zu haben. Neben den fachlichen Qualifikationen sind es die so genannten persönlichen Kompetenzen – wie die Fähigkeit, mit anderen Menschen umzugehen und Eigenverantwortung zu zeigen sowie Konflikte richtig einzuschätzen und zu bewältigen – die in der heutigen Arbeitswelt mehr und mehr an Bedeutung gewinnen. Da die Herausbildung dieser Kompetenzen Zeit braucht, sollte möglichst frühzeitig angesetzt und die Thematik deutlich vor der Berufsfindungsphase in der Schule behandelt werden. Die gemeinnützige Aktion „Jugend in eigener Sache – Fit in die berufliche Zukunft“ will genau auf diesem Feld Orientierung bieten und mit dem Leitgedanken „Profil gewinnen und zeigen“ konkrete Angebote und Instrumente für Jugendliche und Lehrkräfte zur Verfügung stellen. Sie wurde eineinhalb Jahre nach Start der Erwachsenen-Aktion im Frühjahr 2007 gestartet.2 Auf unterschiedlichen Wegen, beispielsweise mit einer PC-gestützten Selbstund Fremdeinschätzung, Lerntipps für den Alltag und dem Kompetenz-Spiel, können Jugendliche ab 13 Jahren ihre persönlichen Kompetenzen einschätzen, trainieren und für den späteren Berufseinstieg optimieren.

2

Vgl. hierzu auch Kapitel: Employability und Schulen.

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Memo-Karten und Poster für den Klassenraum machen die 12 Leitsätze der Aktion, die die relevanten Schlüsselkompetenzen veranschaulichen,3 erlebbar. Darüber hinaus enthält die Toolbox für Lehrer zahlreiche Anregungen und Übungen. Eine ausgearbeitete Unterrichtskonzeption ermöglicht den mühelosen Einsatz der Materialien. Die Instrumente sind so konzipiert, dass – über mehrere Klassenstufen hinweg – regelmäßig kleine Impulse zur Weiterentwicklung der Schlüsselkompetenzen gesetzt werden können.

Weitere Informationen für Jugendliche, Eltern und Lehrer sowie alle Downloads stehen unter www.jugend-in-eigener-sache.de kostenlos zur Verfügung. Zur Einführung des Angebotes hat die Arbeitsgemeinschaft „Jugend in eigener Sache“, bestehend aus der Fachhochschule Ludwigshafen und der Deutsche Bank AG, alle Kultusministerien über das Programm informiert. In vielen Bundesländern wurden zusätzliche Gespräche geführt, in denen die Materialien detailliert vorgestellt wurden. In Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemeinschaft Schule/Wirtschaft wurden außerdem eine Vielzahl von Workshops für Lehrer und wichtige Multiplikatoren durchgeführt. Das Programm stößt auf großes Interesse. Dies belegen neben positiven Feedbacks die Nutzerzahlen: In den drei Jahren seit Start wurde beispielsweise die Informationsbroschüre zum Programm rund 10.000-mal von der Website www.jugend-in-eigener-sache.de herunter geladen, die Selbsteinschätzung knapp 7.000-mal.

3

Die Leitsätze finden sich im Kapitel: Employability und Schulen.

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Resümee Die Anforderungen der Arbeitswelt zu kennen, ist eine wichtige Voraussetzung für eine zielgerichtete Vorbereitung auf den Berufseinstieg bzw. Wiedereinstieg und ebenso für die individuelle Weiterentwicklung. Die Wirtschaft verfügt über das entsprechende Know-how und Insiderwissen. Sie ist daher prädestiniert dafür, Transparenz über diese Anforderungen zu schaffen und entsprechende Unterstützungsangebote zu machen. Die Resonanz auf die Aktionen „in eigener Sache“ zeigt, dass viele Menschen dieses Engagement honorieren und bereit sind, sich „in eigener Sache“ auf den Weg zu machen.

5. Employability sichert Zukunft – Fazit Aus gesamtwirtschaftlicher Sicht ist die Employability der Erwerbstätigen unabdingbare Voraussetzung für die nachhaltige Konkurrenzfähigkeit der Unternehmen und des Wirtschaftsstandortes Deutschland. Will ein Unternehmen bestehen, benötigt es Mitarbeiter, die nicht nur fachlich gut qualifiziert sind, sondern sich verändernden Anforderungen ohne Vorbehalte stellen und vielfältig einsetzbar sind. Für den Einzelnen bedeutet Employability im beschriebenen Sinne Zukunftssicherung und diese beginnt schon in jungen Jahren mit der Weichenstellung für den Eintritt in die Arbeitswelt. Gefordert sind also zum einen Politik, Kultusbetrieb und Unternehmen und zum anderen jeder Einzelne. Politik, Kultusbetrieb und Unternehmen müssen die Rahmenbedingungen gestalten, der Einzelne muss aktiv sein und Selbstverantwortung übernehmen.

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Initiative „HEUTE FÜR MORGEN: ICH UNTERNEHME ZUKUNFT“ der Generali Deutschland

von Klaus Beißel/Nicole Schlosser/Max Peters

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Inhalt 1. Ausgangslage 2. Angebote und Maßnahmen 3. Ansatz „HEUTE FÜR MORGEN: ICH UNTERNEHME ZUKUNFT“ 4. Ablauf der Initiative „HEUTE FÜR MORGEN: ICH UNTERNEHME ZUKUNFT“ 5. Verankerung des „HEUTE FÜR MORGEN“-Gedankens im Konzern 6. Nutzen der Initiative „HEUTE FÜR MORGEN: ICH UNTERNEHME ZUKUNFT“ 7. Fazit

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1. Ausgangslage Vor 180 Jahren als regionaler Feuerversicherer gegründet, ist die Generali Deutschland Gruppe bis heute zum zweitgrößten deutschen Erstversicherer gewachsen. Die Aktivitäten der Generali Deutschland Holding AG und ihrer Tochtergesellschaften sind darauf ausgerichtet, die hervorragende Marktposition des Generali Deutschland Konzerns im Interesse der Kunden und Aktionäre zu festigen und weiter auszubauen. Grundlagen für die überdurchschnittliche Entwicklung der Gruppe sind die Marken- und Vertriebswegevielfalt. Neben den starken Stammorganisationen, einer Vielzahl von nebenberuflichen Vermittlern, dem Direktvertrieb sowie einer breiten Verzahnung mit Maklern und Mehrfachagenten ist insbesondere die langjährige Vertriebspartnerschaft mit dem weltweit größten eigenständigen Finanzvertrieb, der Deutschen Vermögensberatung, Garant für den geschäftlichen Erfolg der Gruppe. Die Generali Deutschland Holding AG steht an der Spitze der deutschen Unternehmen der weltweit tätigen Assicurazioni Generali. Sie ist Motor für die Weiterentwicklung des deutschen Verbunds und agiert als Klammer für die Gruppenunternehmen. Sie steuert den Konzern und sichert die Bündelung von Know-how sowie die Nutzung von Größenvorteilen, z. B. in der IT, im Asset Management, bei Fragen der wert- und risikoorientierten Steuerung und bei der Durchführung von Großprojekten. Unter dem Dach der Generali Deutschland arbeiten namhafte Versicherer und Finanzdienstleistungs-Unternehmen wie AachenMünchener, Generali, CosmosDirekt, Central Krankenversicherung, Advocard Rechtsschutzversicherung, Deutsche Bausparkasse Badenia, Dialog und Generali Investments, die das ganze Spektrum der Finanzdienstleistung anbieten. Moderne, bedarfsgerechte Produkte, qualifizierte Beratung, gepaart mit Solidität und Sicherheit: Von Lebens-, Kranken-, Sach- und Rechtsschutzversicherungen über maßgeschneiderte Baufinanzierungen bis zu attraktiven Fonds- und Bankprodukten und weiteren Dienstleistungen, wie beispielsweise die Kapitalanlage für Dritte und Immobilienvermittlung. Der strategische Rahmen für die Entwicklung der Generali Deutschland Gruppe ist unter dem Schlagwort „Einheit in Vielfalt“ zusammengefasst. „Ein473

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heit in Vielfalt“ beschreibt die Verbindung der Vorteile einer großen Einheit mit denen einer breit angelegten Vertriebswegevielfalt und einem auf die Vertriebswege ausgerichteten Markenportfolio. Dabei ist die Rollenverteilung zwischen der Generali Deutschland und den Konzerngesellschaften klar definiert: •



Die am Markt agierenden Unternehmen der Generali Deutschland Gruppe arbeiten jeweils für sich mit verschiedenen Spartenschwerpunkten, einer differenzierten Produktpalette und einer konsequenten Ausrichtung auf ihre jeweiligen Vertriebswege. Bei den Konzernunternehmen liegt die operative Verantwortung für Kundengewinnung, Kundenbindung und Kundenservice, und damit insbesondere auch für den Vertrieb und den Markenauftritt. Die Generali Deutschland bestimmt als Management-Holding die strategische Entwicklung der Gruppe, schafft Synergien und koordiniert die geschäftlichen Aktivitäten. Mit ihrem Fokus auf die Wertsteigerung des Unternehmens ist sie verantwortlich gegenüber ihren Aktionären. Sie sorgt für Kosten- und Kompetenzvorteile sowie für einheitliche Steuerungsverfahren, eine konzernweite Führungskräfteentwicklung und eine gemeinsame Kultur innerhalb der Gruppe. Die Bestrebungen der Unternehmensgruppe orientieren sich an einem gemeinsamen Leitbild, das sich an gemeinsamen Werten und Zielen ausrichtet.

Kern der Unternehmensstrategie ist das „gewagte Ziel“, die Nummer 1 im Ertrag und in der Vertriebskraft im deutschen Privatkunden- und Gewerbegeschäft zu werden. Auch die Personalstrategie ist darauf ausgerichtet, zu den Besten zu gehören – als attraktiver Arbeitgeber. Dabei ist nicht nur die Perspektive nach außen auf den heiß umkämpften Bewerbermarkt, sondern auch die Perspektive der Mitarbeiter wichtig. Im Kontext der Megatrends der Gegenwart und Zukunft, wie dem demografischen Wandel, der Globalisierung, Entwicklung zur Wissensgesellschaft sowie dem gesellschaftlichen Wertewandel muss sich die Generali Deutschland Gruppe zwei maßgeblichen Herausforderungen stellen: Zum einen müssen zukunftsfähige Strukturen geschaffen werden, die eine erfolgreiche Auseinandersetzung mit den Megatrends erlauben. Zum anderen müssen entsprechende Strategien und Maßnahmen im Konzern zusammengeführt und in 474

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eine gemeinsame Linie gebracht werden. Dazu gibt es die unmissverständliche Notwendigkeit, sich mit der Thematik der Job- und Unternehmensfitness aller Mitarbeiter auseinander zu setzen.

2. Angebote und Maßnahmen Die Generali Deutschland Gruppe möchte ihren Mitarbeitern auf ihrem Weg zu einer wandlungsfähigen Belegschaft unterstützende Strukturen bieten. Trotz geringer werdender Arbeitsplatzsicherheit soll die Job-Fitness der Mitarbeiter durch die Förderung von individuellen Fertigkeiten und Kompetenzen erhöht werden. Durch die Stärkung von „Eigenverantwortung“ und „Selbstinitiative“ soll die Attraktivität der Mitarbeiter am Markt erhöht und auf diesem Weg ein solides Maß an Sicherheit vermittelt werden. Konzernweit existieren bereits viele gute Ansätze und Maßnahmen, die auf die Job- und Unternehmensfitness einzahlen. So gibt es zahlreiche gute Angebote in den einzelnen Personalbereichen des Konzerns. Die Vielfalt an Angeboten und Maßnahmen ist vielen Mitarbeitern auf Grund der dezentralen Konzernstruktur jedoch gar nicht bewusst. Zudem gelten nicht selten bestehende Angebote als selbstverständlich und werden nicht mehr als separate, fördernde Maßnahme wahrgenommen. Um einer entstehenden „Supermarkt-Mentalität“ vorzubeugen, muss auf Seite des Unternehmens, aber vor allem auf Seite der Mitarbeiter ein neues Bewusstsein geschaffen und ein Paradigmenwechsel vollzogen werden, d. h. der Sicherungsanker der Zukunft wird „Beschäftigungsfähigkeit“ lauten. Darüber hinaus gilt es, innovative Maßnahmen und Ansätze, die der Konzern zu bieten hat, unter „einem Dach“ zusammenzufassen. Diesen Anforderungen und Herausforderungen möchte sich die Generali Deutschland Gruppe stellen. Der hierfür gewählte Ansatz „HEUTE FÜR MORGEN: ICH UNTERNEHME ZUKUNFT“ begründet sich im Hinblick auf die Ausrichtung des Konzerns und bestehende Strukturen.

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Mit „HEUTE FÜR MORGEN“ investiert die Generali Deutschland Gruppe in die Kompetenzentwicklung der gesamten Belegschaft und zwar bei gleichzeitiger Betonung der Eigenverantwortung der Mitarbeiter.

3. Ansatz „HEUTE FÜR MORGEN: ICH UNTERNEHME ZUKUNFT“ Die Generali Deutschland Gruppe hat im Rahmen von „HEUTE FÜR MORGEN: ICH UNTERNEHME ZUKUNFT“ eine konzernweite Initiative gestartet, um die Herausforderungen der Zukunft für sich zu nutzen. „HEUTE FÜR MORGEN“ ist eine Initiative nach Innen, aber mit Innen- und Außenwirkung. Der Innensicht folgend steht hier insbesondere die Employability der Mitarbeiter im Fokus, die es zu stärken gilt. Hierbei geht es um die Entwicklung und Umsetzung von Maßnahmen, die die Jobfitness der Mitarbeiter und die Unternehmensfitness der Generali Deutschland Gruppe unterstützen. Das Unternehmen steht in der Verantwortung, den Mitarbeitern in Bezug auf ihre Kompetenzen und Fähigkeiten, aber auch hinsichtlich ihrer persönlichen Zukunft ein geeignetes Maß an Sicherheit und Kalkulierbarkeit zu geben. Gleichzeitig ist jeder Einzelne als Unternehmer in eigener Sache gefordert, sich ständig mit seinem Kompetenzstand auseinander zu setzen und ihn an den aktuellen Gegebenheiten der beruflichen Anforderungen und des Arbeitsmarktes zu spiegeln und ggf. anzugleichen. Bei diesem Prozess soll „HEUTE FÜR MORGEN: ICH UNTERNEHME ZUKUNFT“ unterstützen. Mit „HEUTE FÜR MORGEN“ soll nicht das „Rad“ neu erfunden werden. Im Hinblick auf die strukturelle Ausrichtung des Konzerns soll Bestehendes und Werthaftes miteinander vernetzt und verzahnt werden. So lassen sich viele bereits existierende Maßnahmen im Konzern entlang des „HEUTE FÜR MORGEN“-Gedankens integrieren. Mit seinem integrativen sowie partizipativen Ansatz beinhaltet „HEUTE FÜR MORGEN“ zwei innovative Elemente: •

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Durch seine integrative Struktur verfolgt „HEUTE FÜR MORGEN“ den gleichen Ansatz, der mit Perspektive auf die Gesamtstruktur im Konzern

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angewendet wird. Als konzernweites HR-Projekt eignet sich dieser ganzheitliche Ansatz als sprichwörtlich roter Faden, der sich entlang unterschiedlicher Handlungsfelder bewegt. So werden beispielsweise Bereiche der Personarbeit, wie Personalentwicklung und Gesundheitsmanagement thematisch miteinander verbunden. Die Vielfalt an Themen, die auf die Employability-Thematik einzahlen, soll somit integrativ verzahnt werden. •

Mit seinem partizipativen Ansatz möchte „HEUTE FÜR MORGEN“ bewusst alle Mitarbeiter von Anfang an in den Entwicklungs- und Veränderungsprozess mit einbeziehen. „HEUTE FÜR MORGEN: ICH UNTERNEHME ZUKUNFT“ richtet sich explizit an jeden Einzelnen und beinhaltet keine zielgruppenspezifischen Abgrenzungen. Die universelle Tauglichkeit des Ansatzes für alle Mitarbeiter gilt hierbei als Erfolgsfaktor.

Beide Ansätze beinhalten ein enormes Innovationspotenzial. Durch eine erhöhte Job- und Unternehmensfitness sollen Attraktivität und Effizienz des Unternehmens langfristig gesteigert werden. Für Mitarbeiter soll das im Sinne einer alternativen Beschäftigungssicherung bedeuten: „able to go, but ready to stay“. Mitarbeiter erarbeiten eine Jobfitness, die sie jederzeitig befähigt, das Unternehmen zu verlassen; gleichzeitig sind die Strukturen, die dies ermöglichen, so attraktiv, dass sie sich dem Konzern verbunden fühlen. Diese Rahmenbedingungen tragen maßgeblich zum Erreichen der höheren Unternehmenszielsetzung bei.

4. Ablauf der Initiative „HEUTE FÜR MORGEN: ICH UNTERNEHME ZUKUNFT“ Im Jahr 2008 fand in der Generali Deutschland Gruppe ein Workshop zum Thema Employability statt, an dem sowohl Führungskräfte aus den Personalbereichen als auch Linienvorgesetzte teilnahmen. Ziel war die in dieser Form erstmalige Auseinandersetzung mit Entwicklungen rund um zentrale Megatrends in der Arbeitswelt (demografische Entwicklung, technologische Entwicklung, Wissensgesellschaft/Bildung, Globalisierung, Frauen, gesellschaftlicher Wertewandel). Ergebnis des Workshops war schließlich die Gründung 477

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eines konzernübergreifenden Arbeitskreises, ebenfalls mit Personal- und Linienführungskräften besetzt. Dieser Arbeitskreis vertiefte die im Workshop begonnene Diskussion über die Megatrends und wie die Generali Gruppe als Unternehmen diesen begegnen kann und begründete die Initiative „HEUTE FÜR MORGEN: ICH UNTERNEHME ZUKUNFT“ Die bisher durchgeführten Maßnahmen tragen vor allem dem Grundsatz der Initiative Rechnung, alle Mitarbeiter des Konzerns einzubeziehen. Im Rahmen einer Sensibilisierungskampagne im November 2009 kamen die Mitarbeiter an allen Standorten gleichzeitig erstmalig mit „HEUTE FÜR MORGEN“ in Berührung. Genutzt wurden dabei verschiedene Kommunikationskanäle wie Newsletter, Intranet-Artikel, Flyer, Poster, Geduldspiele mit „HEUTE FÜR MORGEN“Logo sowie ein besonderes Kantinenessen an allen Standorten, um die Mitarbeiter auf die Initiative aufmerksam zu machen. Als erste konzernweit sichtbare Maßnahme im Rahmen der Initiative wurden insgesamt 46 Hospitationsplätze verlost, die im ganzen Konzern bereitgestellt wurden. Jeder Mitarbeiter hatte die Möglichkeit, diesen „Blick über den Tellerrand“ zu gewinnen. Gewinner sollten durch die Hospitation vor allem neue Einblicke und die Vielseitigkeit des Konzerns kennen lernen. Durch Einblicke in andere Konzernunternehmen und neue Bereiche sollten Teilnehmer vor allem positive Impulse „mitnehmen“, um diese als Multiplikatoren in ihr eigentliches Arbeitsumfeld zu transportieren. So bedeutet die Hospitation nicht nur einen zusätzlichen Perspektivgewinn sondern auch eine maßgebliche Aktivierung des Motivationspotenzials. Das Instrument der Verlosung wurde bewusst gewählt, um der partizipativen Idee gerecht zu werden. Gemäß des gewählten „bottom-up“-Ansatzes sollte bewusst allen Mitarbeitern die Chance zu einer aktiven Teilhabe am Entwicklungsprozess ermöglicht werden. Die Kampagne wurde seitens der Mitarbeiter konzernweit durchweg positiv aufgenommen und als „uneingeschränkt empfehlenswert“ erachtet. Dies bewies unter anderem ein reges Interesse an der Verlosung sowie ein positives Gesamtfeedback nach der Teilnahme. Ein besonderer Mehrwert wurde vor allem in der Chance gesehen, die vielfältigen Facetten des Konzerns kennen zu lernen und Konzernstrukturen von einer anderen Perspektive wahrzunehmen.

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Zusätzlich zu den Hospitationsplätzen wurde die Mitwirkung an einer dreitägigen so genannten „Ideenwerkstatt“ verlost. Unabhängig von Abteilungszugehörigkeit oder Hierarchiestufe wurde damit allen Mitarbeitern die Chance geboten, sich aktiv einzubringen. In diesem dreitägigen Workshop setzten sich ca. 30 Mitarbeiter aus unterschiedlichen Konzernunternehmen und Fachbereichen mit den Megatrends und deren Auswirkungen auf die Generali Deutschland Gruppe auseinander. So wurden Mitarbeiter nicht nur aktiv in die Erarbeitung von relevanten Zukunftsthemen mit einbezogen, sondern auch wertvolle Brücken zum Rest der Konzernbelegschaft geschlagen. Neben der Nutzung ihres kreativen Potenzials sollen die Teilnehmer vor allem als zukünftige Botschafter und Fackelläufer für die Verbreitung der „HEUTE FÜR MORGEN“-Idee fungieren. Als Ergebnis erarbeitete die Ideenwerkstatt eine Reihe von Handlungsfeldern und konkreten Maßnahmenvorschlägen, mit deren Hilfe aus Perspektive der Mitarbeiter die Job- und Unternehmensfitness im Konzern unterstützt werden kann. Hierbei haben sich folgende Handlungsfelder herauskristallisiert: Führung und Kultur, Personalentwicklung, Organisation, Gesundheitsförderung, Alt und Jung sowie Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Innerhalb der zur Wahl stehenden Handlungsfelder wurde das Thema „Alt und Jung“ bzw. der Umgang mit dem demografischen Wandel von den Mitarbeitern bewusst als zu konkretisierendes Thema gewählt. Dieser Fakt beruht sicherlich auch auf der Tatsache, dass diese Thematik im Konzernumfeld noch zu gering bearbeitet wird. Im Fokus von „Alt und Jung“ wurden Ideen entwickelt, die nun in einem nächsten Schritt konkretisiert und umgesetzt werden sollen. Ein „Follow-Up“ der Ideenwerkstatt ermöglichte die Fortsetzung des Erarbeitungsprozesses. Mit dem „Follow-Up“ wollte die Generali Gruppe die Gelegenheit nutzen, bereits priorisierte Handlungsfelder erneut in den Fokus zu nehmen, um konkrete Maßnahmen im gleichen Kreis auszuarbeiten. Hiermit wurde auch dem Wunsch der Teilnehmer nachgekommen, ihre Ansätze und Ideen zu konkretisieren und weiterentwickeln zu können. Die Auseinandersetzung mit der „Demografischen Herausforderung“ erlaubt zahlreiche Ansätze, die auf die „HEUTE FÜR MORGEN“-Zielsetzung einzahlen. Interessanterweise wurden sowohl von Mitarbeitern als auch dem Unternehmen gleiche Themenfelder als wichtig erachtet. Intergenerativer Wissenstransfer, Erhöhung der Lernkompetenz oder adaptive Förderungsstrukturen 479

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sind beispielsweise Themen, die Mitarbeitern und Unternehmen gleichermaßen am Herzen liegen. Alleine in diesen Themenfeldern steckt erhebliches Entwicklungspotenzial. Noch in diesem Jahr sollen Mitarbeiter zu diesen priorisierten Handlungsfeldern durch eine konzernübergreifende Generationenveranstaltung sensibilisiert werden. Dieses „Kick-off“ ist der erste Schritt zu weiteren Maßnahmen, die sich mit den demografischen Herausforderungen im Sinne von „HEUTE FÜR MORGEN“ auseinandersetzen. Mit der Idee, einen gemeinsamen Workshop für Mitarbeiter aller Bereiche und Hierarchiestufen anzubieten, hat sich die Generali Gruppe anfänglich auf fremdes Terrain begeben. Die Resonanz der Teilnehmer zeigt jedoch, dass sich dieser Schritt gelohnt hat. Die Teilnehmer bewerteten vor allem das Vertrauen in die Ideen, Kreativität und Sensibilität der Mitarbeiter als positives Signal. Die Stärkung von Gemeinschaftsgefühl, Teamgeist und Zusammengehörigkeit wurde als wertvoller Begleiteffekt gewertet. In diesem Sinne wollen sich die Teilnehmer auch über die „Ideenwerkstatt“ hinaus für „HEUTE FÜR MORGEN“ einsetzen und als Multiplikatoren in der Sache agieren. Trotz positiver Gesamtbewertung der „Ideenwerkstatt“ sind bei der Planung einer solchen Maßnahme einige Dinge zu beachten, um einen Erfolg versprechenden Ablauf zu garantieren. Mitarbeiter müssen gegenüber der zu bearbeitenden Thematik einen ausreichenden Sensibilisierungsgrad erreicht haben. Wichtig ist, dass die Zielsetzung der Maßnahme von Beginn an klar definiert ist und sich die Teilnehmer der eigenen Rolle bewusst sind. Auf Grund einer häufig heterogenen Teilnehmergruppe lohnt eine Priorisierung von Handlungsfeldern, auch um eine inhaltliche Fokussierung zu gewährleisten. Sicherlich bedeutet das Arbeiten mit einer heterogenen Gruppe ein Risiko. Der unterschiedliche Hintergrund der Teilnehmer erfordert häufig einen größeren Zeitrahmen, um ein gemeinsames Verständnis zu schaffen. Ferner bleibt zu beachten, dass sich viele Teilnehmer einer möglichen Relevanz und Umsetzbarkeit von Themen nicht bewusst sind. Auf der anderen Seite bedeutet diese Maßnahme die Chance, zusammen mit der Basis, Themen und Problemstellungen aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu beleuchten. Demzufolge sollte bei solch einer Maßnahme nicht nur der potenzielle Output im Vordergrund stehen, sondern vor allem die Signalwirkung, die dieser partizipative Ansatz nach „Innen“ hat.

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5. Verankerung des „HEUTE FÜR MORGEN“ Gedankens im Konzern Um die Initiative „HEUTE FÜR MORGEN“ fest im Konzern zu verankern, wird vor allem der ganzheitliche Ansatz in den Vordergrund gestellt – Maßnahmen zur Gesundheitsförderung, zur Vereinbarung von Beruf und Familie sowie Personalentwicklungsmaßnahmen werden am „HEUTE FÜR MORGEN“- bzw. Employability-Ansatz ausgerichtet und unter das Dach der Initiative gestellt. Ein Beispiel stellt der Bereich „ICH UNTERNEHME GESUNDHEIT“ dar. Ein flexibles und innovatives Gesundheitsmanagement ist schon heute ein wichtiger struktureller Bestandteil im Hinblick auf die Job- und Unternehmensfitness. In diesem Zusammenhang steht strategisches Gesundheitsmanagement für den systematischen Aufbau aller Gesundheitsaktivitäten zur optimalen Nutzung der Ressource Gesundheit. Dies stellt eine Investition in die Leistungsfähigkeit, Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit dar und macht Gesundheitsmanagement zu einem wichtigen Bestandteil des ganzheitlichen „HEUTE FÜR MORGEN“-Ansatzes. Zahlreiche Programme einzelner Konzernunternehmen, die sich bereits mit dem Thema Gesundheit aktiv auseinandersetzen, können nun unter dem Dach von „HEUTE FÜR MORGEN“ vereint und Synergien genutzt werden. Hierbei wird die Außen- und Innenwirkung einzelner Maßnahmen durch die Präsenz unter einem einheitlichen Motto maßgeblich gestärkt. Im Jahr 2010 wurden in der Generali Deutschland Holding unter dem bereits erwähnten Leitsatz „ICH UNTERNEHME GESUNDHEIT“ drei sichtbare Maßnahmen geschaffen, die vor allem eine Förderung der Eigeninitiative der Mitarbeiter bedingen sollen. Durch die Einführung von regelmäßigen Gesundheitschecks, hauseigenen GENERALI-Fahrrädern und die Organisation eines Gehwettbewerbes im Unternehmen soll ein erster Antrieb für die Initiative und ein gesundheitsförderndes Angebot gewährleistet werden. Insbesondere die Mischung aus Events (z. B. Gehwettbewerb) und einem stetigen Angebot an gesundheitsförderlichen Maßnahmen (z. B. Gesundheitscheck) soll das Bewusstsein und die Eigeninitiative der Mitarbeiter innerhalb der Thematik erhöhen. So ist es nicht verwunderlich, dass die bereitgestellten GENERALI481

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Fahrräder bereits in den ersten Tagen großen Anklang fanden und als echter „Hingucker“ gelten. Sie fördern nicht nur Außenwirkung und Mobilität der Mitarbeiter, sondern leisten gleichzeitig einen wichtigen Beitrag zur nachhaltigen Gesundheitsinitiative. Der initiierte Gehwettbewerb ist vor allem als Maßnahme zur aktiven Bewegungsförderung mit hohem Vernetzungsgrad zu sehen. Alle engagierten und interessierten Mitarbeiter können auf freiwilliger Basis mitmachen und innerhalb eines festgelegten Zeitfensters ihre Bewegungsaktivitäten mittels eines Schrittzählers überwachen. Dadurch soll das Bewusstsein erneut geschärft und die Bewegungsaktivitäten der Mitarbeiter erhöht werden. Die Struktur des Wettbewerbs fördert nicht nur eine Erhöhung der Fitness sondern auch eine Festigung des Teamgedankens, der sich durch gegenseitiges „Mitziehen“ ergibt. Ganz im Sinne des integrativen Ansatzes wurde das ohnehin schon ausgewogene Angebot der Kantine dem Rahmen des Gehwettbewerbes angepasst und durch zusätzliche Fitness-Kost bereichert. Ferner, findet der „HEUTE FÜR MORGEN“-Gedanke auch in zahlreichen anderen Bereichen Einzug. So ist dieser Ansatz nicht nur in Instrumenten der Personalentwicklung, wie der konzernweiten Mitarbeiterbefragung oder einem 360° Feedback für Leitende vertreten. Mitarbeiterversammlungen und Führungskräftetagungen lehnen sich ebenfalls an dieses Motto an, um die Diskussion über die Herausforderungen der Zukunft in Unternehmen und Gesellschaft auf allen Ebenen lebendig zu halten und die Idee von „HEUTE FÜR MORGEN“ fest in der Unternehmenskultur zu verankern. So ist „HEUTE FÜR MORGEN“ schon jetzt ein lebendiger Bestandteil von aktivem ChangeManagement. Durch stetige Bewusstmachung und Wiederkehr des „HEUTE FÜR MORGEN“-Ansatzes in unterschiedlichsten Bereichen soll eine kontinuierliche Sensibilisierung stattfinden und ein Paradigmenwechsel vollzogen werden. Mit der Ausweitung von Feedback- und Kritikkultur und der Erhöhung von Selbstreflektion werden Konditionen geschaffen, die den Entwicklungsprozess von Selbstverantwortung und Unternehmensfitness begünstigen. Mitarbeiter sollen Veränderungsprozesse als Chance erkennen und sich ihrer individuellen beruflichen Fitness bewusst werden. Durch eine ganzheitliche Betrachtung des Personalmanagements im Konzern, unter Einbeziehung der heute bereits existierenden Aktivitäten der Personalbereiche, will die Generali 482

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Gruppe einen effizienten Einsatz von Entwicklungsmaßnahmen sicherstellen. Mit den bisher durchgeführten Maßnahmen, wurde den Mitarbeitern das Angebot gemacht „eigeninitiativ“ zu werden. Mit Maßnahmen, die immer wieder auf die Eigeninitiative und Selbstverantwortung des Mitarbeiters abzielen, soll möglichst jeder Mitarbeiter zu einem Unternehmer in eigener Sache werden. Zusätzlich beinhaltet dieser mehrdimensionale Ansatz ein hohes Vernetzungspotenzial. Die Entwicklung zeigt deutlich, dass sich Überlegungen, die im Rahmen des „HEUTE FÜR MORGEN“-Ansatzes getroffen werden auch in anderen Bereichen wieder finden. Auch die Produktentwicklung setzt sich gezielt mit den Megatrends auseinander, um neue Produkte auf zukünftige Einflüsse abzustimmen. Weitere Beispiele lassen sich leicht finden und zeigen, dass die gezielte Auseinandersetzung mit den Megatrends eine notwendige Allgemeingültigkeit besitzt, die sich auf alle Bereiche übertragen lässt.

6. Nutzen der Initiative „HEUTE FÜR MORGEN: ICH UNTERNEHME ZUKUNFT“ Die Versicherungsbranche ist geprägt durch Veränderungen und Adaptionsnotwendigkeit. Durch ein ganzheitliches Angebot zur Förderung der JobFitness und einer gezielten Vorbereitung der Mitarbeiter auf diese Herausforderungen wird ein gewisses Maß an Sicherheit generiert, das nicht mehr in Form von Arbeitsplatzgarantien vermittelt werden kann. Die Investition im Rahmen der Initiative soll unternehmerisches Denken und Handeln der Mitarbeiter fördern und die eigene Job-Fitness erhöhen. Ein gestärktes „selbstunternehmerisches“ Bewusstsein bedingt zusätzlich positive Begleiteffekte. Mitarbeiter, die keine Angst vor Veränderungen haben, bedeuten eine mutige und starke Belegschaft. Mit dem Projekt begegnet die Generali Deutschland Gruppe dem deutlich artikulierten Wunsch ihrer Mitarbeiter nach mehr Entwicklungsperspektiven und zusätzlicher Verantwortungsübernahme. Diese sind jedoch nicht nur auf Führungskarrierepfade und Potenzialträger beschränkt. Der Nutzen des Projektes ist daher momentan nicht monetär zu bewerten, sondern liegt in 483

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erster Linie in der Steigerung der Mitarbeiterzufriedenheit und des Mitarbeiterengagements. Als Konzerninitiative angelegt, leistet jedes Unternehmen derzeit seinen Beitrag durch die Bereitstellung von Ressourcen (Personentage) aus der Linie. Aus Konzernsicht ist die Initiative rentabel, da sie einen wirksamen Beitrag zur Personalstrategie leistet. Eine konkrete Nutzenrealisierung kann erst mit der kommenden Mitarbeiterbefragung erhoben werden.

7. Fazit „HEUTE FÜR MORGEN: ICH UNTERNEHME ZUKUNFT“ ist als übergeordneter Ansatz zu verstehen, der mit eigendynamischen, selbsttragenden und von Mitarbeitern aus der Linie entwickelten Konzepten und Maßnahmen gefüllt werden muss. Durch die gezielte Unterstützung der Mitarbeiter auf allen hierarchischen Ebenen sollen Strukturen geschaffen werden, die eine breite Basis für Innovationen und stetige Erneuerungsprozesse im Unternehmen schaffen. Mitarbeiter müssen sich gezielt auf die neuen Herausforderungen von Morgen vorbereiten. Die Generali Deutschland Gruppe möchte zur Bewältigung dieser Herausforderungen geeignete Strukturen schaffen und seine Mitarbeiter bei dieser Vorbereitung unterstützen. In diesem Kontext werden die Mitarbeiter zu Unternehmern in eigener Sache entwickelt. „HEUTE FÜR MORGEN“ bedeutet einen Paradigmenwechsel auf zwei Ebenen und umfasst einen inhaltlichen und strukturellen Perspektivwechsel. Mit „HEUTE FÜR MORGEN“ verlässt die Generali Deutschland Gruppe etablierte Strukturen des Personalmanagements, in dem sie gezielt die Entwicklung und Förderung von Kompetenzen und Soft Skills ihrer gesamten Mitarbeiterschaft einbeziehen will. Durch eine ganzheitliche Betrachtung des Personalmanagements im Konzern, unter Berücksichtigung der heute bereits existierenden Aktivitäten der Personalbereiche, will das Unternehmen einen effizienten Ansatz von Entwicklungsmaßnahmen sicherstellen. Die Entwicklung und Umsetzung von Maßnahmen, die die Job- und Unternehmensfitness in der Generali Deutschland Gruppe unterstützen, gilt hierbei als Hauptziel. Bei diesem Prozess ist die Schaffung von Transparenz über die Möglichkeiten, die den

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Mitarbeitern der Generali Deutschland Gruppe im Sinne des „HEUTE FÜR MORGEN“-Gedankens zur Verfügung stehen, ein wichtiger Bestandteil. Der „HEUTE FÜR MORGEN“-Ansatz stellt bewusst keinen „Top-Down-Ansatz“ dar, sondern fördert eine enge Verzahnung von Mitarbeitern und Unternehmen. Dies bedeutet zukünftig die Förderung der Job- und Unternehmensfitness jedes einzelnen Mitarbeiters und Berücksichtigung der Bedarfe aller Mitarbeitergruppen. Diese wesentliche Neuerung ist Kern des Prozesses und bedeutet im Konzern einen Paradigmenwechsel des Vorgehens. Durch die proaktive Beteiligung der Mitarbeiter am „HEUTE FÜR MORGEN“-Entwicklungsprozess wird bereits die langfristige Zielsetzung, die „Selbst-Initiative“ und „Eigenverantwortung“ zu erhöhen, unmittelbar forciert. Bei der Förderung der Unternehmens-Fitness sind vor allem die Ideen und Vorstellungen der Mitarbeiter wichtig. Dies spiegelt sich vor allem in der Verlosung zur Teilnahme an der Ideenwerkstatt wider, wodurch die Mitarbeiter aktiv in den Entwicklungsprozess eingegliedert wurden. Mit der Idee der Verlosung hat die Generali Deutschland Gruppe bisher bestehende Denkmuster maßgeblich aufgebrochen. Abschließend wird deutlich, dass eine intensive Kommunikation und zielgerichtete Sensibilisierung der Implementierung von konkreten Maßnahmen immer vorweg gehen müssen. Mitarbeiter müssen bei Paradigmenwechseln und Veränderungsprozessen begleitet werden. Dieser Prozess funktioniert nicht von heute auf morgen und kann nur schrittweise erfolgen. Veränderungen sind nur dann werthaft, wenn sie bewusst internalisiert und vollzogen werden. Vielfalt und Heterogenität erfordern in diesem Kontext manches Mal eine „Extrarunde“ seitens des Unternehmens. Hiervon sollte sich aber keine Firma abschrecken lassen. Der Einfluss der Megatrends ist schon heute spürbar und wird sich in der Zukunft noch deutlich verstärken. Die „Vogel-StraussMethode“ als langfristige Strategie zu wählen, wäre fatal. Deswegen ist es wichtiger denn je, dass sich Unternehmen schon heute fit für die Zukunft machen, auch wenn der Weg dorthin manchmal beschwerlich ist und einer gewissen Courage bedarf. Eigenverantwortung und Selbst-Initiative sind weite Begriffe, die ihrer Komplexität in diesem Zusammenhang kaum gerecht werden. Dennoch sind diese für den „Mitarbeiter von Morgen“ unumgänglich. Mit „HEUTE FÜR MORGEN“ hat sich die Generali Deutschland Gruppe auf einen unkonventionellen Ansatz eingelassen und auf neues Terrain be485

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geben. Dieser Schritt hat sich ausgezahlt und stellt einen wichtigen Beitrag zur Unternehmensfitness von Morgen dar. Das positive Feedback zu den bisherigen Maßnahmen hat den Konzern in seiner eingeschlagenen Richtung bestärkt. Zufriedene Teilnehmer nehmen schon jetzt eine wichtige Funktion als Botschafter der „HEUTE FÜR MORGEN“-Idee im Unternehmen ein.

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Die Autoren Isabel Biegel studierte Internationales Management und Controlling an der Fachhochschule Ludwigshafen am Rhein. Während dieser Zeit war sie bereits mehrere Semester als studentische Hilfskraft am Institut für Beschäftigung und Employability IBE tätig. Nach ihrem Hochschulabschluss wurde sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin eingestellt und arbeitet seit Anfang 2008 am Institut. Von 2008 bis 2010 arbeitete sie gleichzeitig als Mitglied des Projektleitungsteams des Pilotprojektes „Kooperatives Übergangsmanagement Schule – Beruf (KÜM)“ der Metropolregion Rhein-Neckar GmbH (MRN GmbH) in Mannheim an der Thematik „Übergangsmanagement Schule – Beruf“. Zur Zeit absolviert sie neben ihrer Tätigkeit am IBE ein Qualifikationsstudium an der Universität KoblenzLandau. Klaus Beißel verantwortet innerhalb der Personalabteilung der Generali Deutschland Holding AG als Leiter des Bereichs HRKonzernprojekte konzernübergreifende Personalthemen und personalpolitische Grundsatzfragen in der Generali Deutschland Gruppe. In dieser Rolle ist er unter anderem für den Aufbau und die Weiterentwicklung der konzernweiten Employability-Initiative „HEUTE FÜR MORGEN: ICH UNTERNEHME ZUKUNFT“ zuständig. Katrin Böttcher ist Leiterin des Teams Executive Management Development Europa, Asia, Africa & Pacific bei der Daimler Financial Services AG. Seit 2004 ist sie für die Daimler AG in unterschiedlichen Funktionen sowohl in Deutschland als auch im Ausland im Bereich Personalwesen tätig. Sie promovierte am Zentrum für Human Resource Management der Universität Koblenz-Landau zum Thema Employability und Führung und ist Lehrbeauftragte für „Organizational Behavior in International Companies“ an der HWR in Berlin.

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DIE AUTOREN

Stephan Brinkmann ist Leiter HR Kompetenz-Center bei den Stadtwerken Düsseldorf AG, welche mit 54,95 % im EnBWKonzern konsolidiert sind. Unter anderem erwarb Stephan Brinkmann in der Logistikbranche fundierte Kenntnisse auf dem Gebiet der strategischen Personal- und Organisationsentwicklung auf internationaler Ebene. Durch die Kombination seines betriebswirtschaftlichen Studiums mit der weiteren Qualifikation als konzeptioneller Trainer, Berater & Business-Coach werden wertschöpfende Aspekte mit pädagogischen individuellen Herausforderungen verknüpft. Ralf Brümmer ist Leiter Personal/Beschäftigungsmodelle bei der Deutsche Bank AG, Zentrale Frankfurt. Der Bankfachwirt, seit 1983 Mitarbeiter der Bank, ist mehr als fünfzehn Jahre in unterschiedlichen Funktionen der Personalbetreuung und -entwicklung sowie als Personalleiter einer südwestdeutschen Filiale tätig gewesen. Seit April 2000 leitet er ein eigenständiges Ressort zur Beschäftigungssicherung, Flexibilisierung des konzernweiten Arbeitsmarktes und Employability-Förderung. Unter dem Label „Deutsche Bank-Mosaik für Beschäftigung“ verantwortet er neben diversen innovativen Personalkonzepten (u. a. FitnessCenter Job, Bankforce, DB Management Support) auch mehrere betriebliche und überbetriebliche Employability-Initiativen. So ist er Mitglied des Vorstandes des gemeinnützigen Vereins Initiative „Wege zur Selbst-GmbH“ und gehört zum Kernteam der Aktionen „In eigener Sache“ und „Jugend in eigener Sache“ der Initiative für Beschäftigung. Silke Eilers war während ihres berufsintegrierenden Studiums der Betriebswirtschaftslehre an der Fachhochschule Ludwigshafen am Rhein als Sachbearbeiterin und Übersetzerin in der internationalen Vertriebsabteilung der Koenig & Bauer AG in Frankenthal tätig. Nach ihrem Abschluss als Diplom-Betriebswirtin (FH) übernahm sie im gleichen Unternehmen Aufgaben in den Bereichen Personalentwicklung und Personalbetreuung, Hochschulmarketing und Nachwuchskräfteförderung. 2003 wechselte sie an das Institut für Beschäftigung und Employability IBE.

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DIE AUTOREN

Sibylle Groh studierte Controlling, Management and Information an der Fachhochschule Ludwigshafen am Rhein. Seit 2003 ist sie am Institut für Beschäftigung und Employability IBE zunächst als studentische Hilfskraft und nach ihrem Abschluss als Diplom-Betriebswirtin (FH) im Jahr 2005 als wissenschaftliche Mitarbeiterin beschäftigt. Von 2008 bis 2010 arbeitete sie gleichzeitig als Mitglied des Projektleitungsteams des Pilotprojektes „Kooperatives Übergangsmanagement Schule – Beruf (KÜM)“ der Metropolregion Rhein-Neckar GmbH (MRN GmbH) in Mannheim an der Thematik „Übergangsmanagement Schule – Beruf“. Ehrenamtlich tätig ist sie darüber hinaus im Arbeitskreis „Senioren helfen Junioren“ der Initiative für Beschäftigung!(ifB!). Max Peters ist Masterstudent an der „School of Business and Economics“ der Universität Maastricht und unterstützt im Rahmen seiner Masterarbeit die Employability-Initiative „HEUTE FÜR MORGEN: ICH UNTERNEHME ZUKUNFT“ der Generali Deutschland Gruppe.

Dr. Jutta Rump ist Professorin für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Internationales Personalmanagement und Organisationsentwicklung an der Fachhochschule Ludwigshafen. Daneben leitet sie das Institut für Beschäftigung und Employability IBE, das den Schwerpunkt seiner Forschungsarbeit auf personalwirtschaftliche, arbeitsmarktpolitische und beschäftigungsrelevante Fragestellungen legt. Sie hat darüber hinaus zahlreiche Mandate auf regionaler und nationaler Ebene inne. Thomas Sattelberger (1949) ist seit 2007 Personalvorstand der Deutschen Telekom AG. Vorhergehende berufliche Stationen waren Continental AG, Deutsche Lufthansa AG und Daimler Benz AG. Seine Schwerpunkte liegen in der strategischen Ausrichtung der Personalarbeit, dem globalen Talentmanagement sowie dem internationalen Arbeitskostenmanagement. Thomas Sattelberger ist zusätzlich neben seiner Tätigkeit als Vice President der European Foundation for Management Development aktiv in Beratungs- und Leitungsgremien bei Business Schools im In- und Ausland sowie im Präsidium der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDI/BDA) tätig. 489

DIE AUTOREN

Nicole Schlosser ist Referentin für HR-Konzernprojekte in der Generali Deutschland Holding AG und hat als Projektleiterin an Konzeption und Umsetzung der Initiative „HEUTE FÜR MORGEN: ICH UNTERNEHME ZUKUNFT“ von Beginn an verantwortlich mitgewirkt.

Peter Th. Senn ist stv. Leiter des Kompetenzzentrums Konzepte bei Personalentwicklung im HR Konzern der SBB. Er leitet strategische Personalentwicklungsprojekte der SBB zu den Themen Kompetenzmanagement, Talentmanagement, Arbeitsmarktfähigkeit und Lernendenpolitik. Daneben hat er verschiedene Mandate als Dozent und Berater in den Bereichen Verwaltungs-, Hochschul-, Weiterbildungs- und Sportmanagement inne. Christine Szogas ist seit rund 25 Jahren im Personalbereich der Deutsche Bank AG in verschiedenen Funktionen tätig. Derzeit leitet sie Employability-Initiativen in der Bank und arbeitet in verschiedenen unternehmensübergreifenden Projekten; u. a. koordiniert sie das Engagement der Deutschen Bank im Rahmen der bundesweiten Initiative für Beschäftigung!, deren Exekutivstab sie angehört. Sie ist Mitglied des Kernteams der gemeinnützigen Aktionen „in eigener Sache“ und „Jugend in eigener Sache“. Außerdem ist sie als Trainer auf dem Feld der beruflichen Orientierung und Positionierung tätig. Sie ist Mitglied im gemeinnützigen Verein „Wege zur Selbst-GmbH“. Nadin Wiederkehr ist stellvertretende Leiterin des Arbeitsmarktcenters der SBB. Neben konzeptionellen Aufgaben rund um Arbeitsmarktfähigkeit, coacht sie Mitarbeitende, die sich beruflich neu orientieren. Sie hatte bereits verschiedene Funktionen innerhalb der Personalpolitik der SBB inne. Berufsbegleitend hat sie ein Studium in Betriebswirtschaft abgeschlossen und absolviert derzeit eine Weiterbildung als Master in Coaching.

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