Einflüsse der Dienstleistungsfreiheit auf das nationale und internationale Arzthaftungsrecht [1 ed.] 9783428526222, 9783428126224

Der Europäische Binnenmarkt ist in den letzten Jahren Schritt für Schritt in den Bereich der ärztlichen Berufsausübung g

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Einflüsse der Dienstleistungsfreiheit auf das nationale und internationale Arzthaftungsrecht [1 ed.]
 9783428526222, 9783428126224

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Untersuchungen zum Europäischen Privatrecht Band 22

Einflüsse der Dienstleistungsfreiheit auf das nationale und internationale Arzthaftungsrecht

Von Claudia Wagner

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

CLAUDIA WAGNER

Einflüsse der Dienstleistungsfreiheit auf das nationale und internationale Arzthaftungsrecht

Untersuchungen zum Europäischen Privatrecht Band 22

Einflüsse der Dienstleistungsfreiheit auf das nationale und internationale Arzthaftungsrecht

Von Claudia Wagner

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg hat diese Arbeit im Sommersemester 2006 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2008 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 1438-6739 ISBN 978-3-428-12622-4 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meinen lieben Eltern

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2006 von der Juristischen Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg als Dissertation angenommen. Rechtsprechung und Literatur sind auf dem Stand von Juni 2007. Zudem konnte noch die am 31. Juli 2007 im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlichte, nunmehr verbindliche Fassung der „Rom II“-Verordnung berücksichtigt werden. Bedanken möchte ich mich bei Herrn Prof. Dr. Gerfried Fischer, LL.M., der die Arbeit betreut und mich jederzeit ermutigt hat, meine Gedanken weiter zu verfolgen und mir darüber hinaus bei der Bearbeitung große wissenschaftliche und im Rahmen meiner Tätigkeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin an seinem Lehrstuhl die erforderliche zeitliche Freiheit gewährte. Mein Dank gilt ferner Herrn Prof. Dr. Winfried Kluth für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Darüber hinaus möchte ich mich bei meinen Eltern bedanken, die mich auf meinem bisherigen Lebensweg nach allen Kräften bedingungslos unterstützt und damit einen wesentlichen Beitrag zum Gelingen dieser Arbeit geleistet haben. Dank gebührt schließlich meinem lieben Henner, der die Mühen des Korrekturlesens auf sich genommen hat und mir während der Zeit des Promotionsvorhabens liebevoll zur Seite stand. Nierstein, im August 2007

Claudia Wagner

Inhaltsverzeichnis Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gegenstand der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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§ 1 Freiheit des Dienstleistungsverkehrs und ärztliche Berufsausübung . . . . . . I. Dienstleistungsbegriff und ärztliche Behandlungsleistung . . . . . . . . . . . . . II. Abgrenzung zu anderen Grundfreiheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zur Niederlassungsfreiheit, Art. 43 ff. EGV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zur Warenverkehrsfreiheit, Art. 28 ff. EGV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zur Arbeitnehmerfreizügigkeit, Art. 39 ff. EGV . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Merkmal der Entgeltlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Erscheinungsformen der Dienstleistungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Aktive Dienstleistungsfreiheit bzw. Dienstleistungserbringungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Passive Dienstleistungsfreiheit bzw. Dienstleistungsempfangsfreiheit 3. Korrespondenzdienstleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Personaler Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Voraussetzungen im Rahmen der aktiven Dienstleistungsfreiheit . . . . 2. Voraussetzungen im Rahmen der passiven Dienstleistungsfreiheit . . . 3. Voraussetzungen im Rahmen der Korrespondenzdienstleistungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Tatsächliche und zu erwartende Entwicklung der Inanspruchnahme der Freiheit des Dienstleistungsverkehrs im medizinischen Bereich . . . . . . . 1. Auswirkungen der Rechtsprechung des EuGH in den Rechtssachen „Kohll“ und „Decker“ sowie „Müller-Fauré“ und „van Riet“ . . . . . . . a) Ausgangslage für den grenzüberschreitenden Patientenverkehr vor „Kohll“ und „Decker“ bzw. „Müller-Fauré“ und „van Riet“ – bisher geltendes Territorialitätsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der Umbruch – Die Urteile „Kohll“ und „Decker“ . . . . . . . . . . . . . c) Grenzüberschreitende stationäre Behandlung – Das Urteil „Smits/Peerbooms“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Das jüngste Urteil in den Rechtssachen „Müller-Fauré“ und „van Riet“ – Grenzüberschreitende Inanspruchnahme ambulanter Behandlungsleistungen in Sachleistungssystemen . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Umsetzung der erörterten Rechtsprechung speziell in Deutschland . .

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Inhaltsverzeichnis 3. Gesundheitspolitische Bestandsaufnahme und Ausblick . . . . . . . . . . . 4. Euregios – rechtliche Sonderräume in Grenzregionen . . . . . . . . . . . . . 5. Auswirkungen der EU-Osterweiterung auf den Gesundheitsbinnenmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

§ 2 Kursorischer Überblick über die Unterschiede in den mitgliedstaatlichen Arzthaftungsrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Anspruchsgrundlagen im Arzthaftungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Haftung wegen Behandlungsfehlers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ärztliche Aufklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Streitpunkt Risikoaufklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Streitpunkt „therapeutisches Privileg“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Kausalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Behandlungsfehlerhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Haftung bei mangelnder Aufklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Zurechnung fremden ärztlichen Handelns bzw. Verschuldens . . . . . . . . . VII. Schadensersatz und Schmerzensgeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 3 Kollisionsrechtliche Behandlung arzthaftungsrechtlicher Sachverhalte mit Bezug zur Dienstleistungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Gerichtliche Zuständigkeit für Arzthaftungsprozesse innerhalb der Europäischen Union . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gerichtsstände nach EuGVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Autonomes deutsches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Differenzierung zwischen Vertragsrecht und Deliktsrecht . . . . . . . . . . . . . III. Vertragsrechtliche Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundlegendes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtswahl gem. Art. 27 EGBGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Schranken bzw. Grenzen der Rechtswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Binnensachverhalt gem. Art. 27 Abs. 3 EGBGB . . . . . . . . . . . . . . . b) Schranke des Art. 29 Abs. 1 EGBGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Persönlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Örtliche Abschlussmodalitäten bzw. situativer Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Art. 29 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Ärztliche Werbung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Kriterium der „Zielgerichtetheit“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Art. 29 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis dd) Einschränkung gem. Art. 29 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 EGBGB . . . . . ee) Rechtsfolge des Art. 29 Abs. 1 EGBGB bezogen auf den Arztvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Spezifisch verbraucherschützende Normen mit Bezug zum Arztvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Rechtscharakter des deutschen Arzthaftungsrechts . . . . . . c) Schranke des Art. 29a EGBGB bei Wahl eines Drittrechts . . . . . . d) Schranke des Art. 34 EGBGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Ärztliches Berufszulassungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Ärztliches Berufsausübungsrecht (Standesrechtliche Regelungen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Präventive Gefahrsteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Nationale Verbraucherschutzvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Schranke des Art. 6 EGBGB (Ordre Public) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Objektive Anknüpfung des Arztvertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Objektive Anknüpfung gem. Art. 29 Abs. 2 EGBGB (lex specialis) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Objektive Anknüpfung gem. Art. 28 EGBGB . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Bedeutung des Art. 28 Abs. 2 EGBGB für die passive Dienstleistungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Bedeutung des Art. 28 Abs. 2 EGBGB für die aktive Dienstleistungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Zulassung und Standesrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Parteierwartungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Sozialsphäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Zwischenbilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Bisherige Ansätze einer Fallgruppenbildung . . . . . . . . . . . . (a) Differenzierungspunkt Zulassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Vermittelnde Ansicht Deutschs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Reisegruppen- bzw. Leibarztfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . (d) Fälle horizontaler Arbeitsteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . (6) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Bedeutung des Art. 28 Abs. 2 EGBGB für Korrespondenzdienstleistungen (Telemedizinanwendungen) . . . . . . . . . . . . . . . (1) Verhältnis des Kollisionsrechts zur E-Commerce-Richtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Herkunftslandprinzip als IPR-Regel . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Herkunftslandprinzip als materiell-rechtliche Korrektur der lex causae . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Vermutungsregelung des Art. 28 Abs. 2 EGBGB . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis (3) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 (4) Bedeutung des Herkunftslandprinzips gem. § 3 TMG . . . 199

IV.

(a) Sachliche Reichweite des Herkunftslandprinzips – Ausklammerung des gesamten internationalen Vertragsrechts? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 (b) Freiheit der Rechtswahl und Vorschriften über die vertraglichen Schuldverhältnisse in Bezug auf Verbraucherverträge als Ausnahmen zum Herkunftslandprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 Deliktsrechtliche Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 1. Objektive Grundanknüpfungen gem. Art. 40 Abs. 1 und 2 EGBGB bzw. Art. 4 Abs. 1 und 2 VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 2. Wesentlich engere Verbindung gem. Art. 41 Abs. 1 EGBGB/Art. 4 Abs. 3 S. 1 VO (Ausweichklausel) – Vertragsakzessorische Anknüpfung gem. Art. 41 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB/Art. 4 Abs. 3 S. 2 VO . . . . 211 3. Verbleibender Raum für die Anwendung der Grundanknüpfungen gem. Art. 40 Abs. 1 und 2 EGBGB bzw. Art. 4 Abs. 1 und 2 VO . . . 218 a) Gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthalt, Art. 40 Abs. 2 EGBGB/ Art. 4 Abs. 2 VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 b) Tatortstatut, Art. 40 Abs. 1 EGBGB/Art. 4 Abs. 1 VO . . . . . . . . . 219 4. Möglichkeit der nachträglichen Rechtswahl gem. Art. 42 EGBGB . . 222 5. Beachtlichkeit des Renvoi im internationalen Deliktsrecht . . . . . . . . . 228

V.

Arzthaftung und das Statut der Geschäftsführung ohne Auftrag . . . . . . . 230 1. Rechtswahl gem. Art. 42 EGBGB/Art. 14 VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 2. Ausweichklausel des Art. 41 EGBGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 3. Grundregel der objektiven Anknüpfung, Art. 39 Abs. 1 EGBGB . . . 235

4. Beachtlichkeit des Renvoi im Rahmen des GoA-Statuts . . . . . . . . . . . 237 Korrektur des auf außervertragliche Schuldverhältnisse anwendbaren Rechts bei gemeinschaftsinternen Telemedizinapplikationen gem. § 3 TMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 VII. Zusammenfassung zum kollisionsrechtlichen Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 VI.

VIII. Grenzen der lex causae . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 1. Bedeutung des Tatortrechts hinsichtlich örtlicher Verhaltensnormen und Sicherheitsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 a) Allgemeiner medizinischer Sorgfaltsstandard . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 aa) Einordnung als verkehrsrechtliche Verhaltensnormen . . . . . . . 248 bb) Bestimmung nach dem vertrauten Niederlassungsrecht . . . . . 249 cc) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 b) Ärztliche Aufklärungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 c) Sicherheitsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253

Inhaltsverzeichnis

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d) Standesrechtliche Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 e) Tatsächliche Gegebenheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 2. Bedeutung des Rechts am Ort des gewöhnlichen Aufenthaltes des Geschädigten hinsichtlich der Höhe des Schmerzensgeldanspruchs . . 260 § 4 Unterschiedliche arzthaftungsrechtliche Regelungen und Sorgfaltsstandards als Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit? . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Mögliche faktische Auswirkungen der Unterschiedlichkeit der nationalen Arzthaftungsrechte bzw. Sorgfaltsstandards . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verweis auf ein anderes Recht als das des Herkunftsstaates . . . . . . . . a) Rechtsermittlungskosten bzw. -risiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anpassung an den abweichenden sachlichen Regelungsgehalt der fremden Rechtsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verweis auf das Recht des Herkunftsstaates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verbotene Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verbot der Schlechterstellung ausländischer Unionsbürger (Diskriminierungsverbot) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verbot sonstiger Beschränkungen (diskriminierungsfreie Beschränkungen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Privatrecht als Prüfungsgegenstand im Rahmen der Grundfreiheiten . . . IV. Überprüfung nationaler Kollisionsnormen mit Bezug zur Arzthaftung im Lichte der Dienstleistungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Internationales Schuldvertragsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Objektive Anknüpfung mangels Ausübung der Rechtswahl . . . . . . c) Zwingendes Kollisionsrecht im internationalen Schuldvertragsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Zwingende Anknüpfung verbraucherschützender Vorschriften gem. Art. 29 Abs. 1 EGBGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Zwingende Anknüpfung verbraucherschützender Vorschriften gem. Art. 29a EGBGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Zwingende Anknüpfungen gem. Art. 34 und Art. 6 EGBGB 3. Internationales Deliktsrecht und internationales Recht der GoA . . . . 4. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Überprüfung des berufenen Sachrechts im Lichte der Dienstleistungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Beschränkungscharakter dispositiven nationalen Privatrechts . . . . . . . 2. Beschränkungscharakter zwingenden und „vorformulierungsfesten“ nationalen Privatrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Bedeutung der Rechtswahlmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Keine beschränkende Wirkung bei Möglichkeit einer anderweitigen Rechtswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

263 264 264 264 265 266 267 267 268 271 273 274 275 276 276 281 282 283 283 284 286 287 287 288 288 288

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Inhaltsverzeichnis bb) Beschränkungswirkung zwingenden Sachrechts trotz kollisionsrechtlicher Rechtswahlfreiheit möglich . . . . . . . . . . . . . . cc) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Einfluss der „Keck“-Rechtsprechung – Zwingendes Vertragsund Haftungsrecht bloße Vertriebsmodalitäten bzw. „Dienstleistungsmodalitäten“? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Inhalt der „Keck“-Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Übertragbarkeit der „Keck“-Formel auf den freien Dienstleistungsverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Grundsätzliche Anwendbarkeit auf Art. 49 EGV . . . . . . . (2) Keine Übertragung der „Keck“-Formel auf Art. 49 EGV (3) Übertragbarkeit der „Keck“-Formel noch offen . . . . . . . . . (4) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Übertragbarkeit der „Keck“-Formel auf das nationale Arzthaftungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Vertragsrecht als produktbezogene Regelungen . . . . . . . . . (2) Vertragsrecht als Vertriebsmodalitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Differenzierung zwischen absoluten und relativen, nichtdiskriminierenden Dienstleistungsbeschränkungen . . . . . . (4) „Marktverhaltensrecht“ als dritte Kategorie . . . . . . . . . . . . (5) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ansätze zur Tatbestandseingrenzung der Dienstleistungsfreiheit . . aa) Fallgruppenbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Behinderungen des Dienstleistungserbringers . . . . . . . . . . . (a) Arzt unterliegt bei Wahrnehmung der aktiven Dienstleistungsfreiheit/Korrespondenzdienstleistungsfreiheit dem strengeren Arzthaftungsrecht des Sitzstaates (Art. 28 Abs. 2 EGBGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Arzt unterliegt bei Wahrnehmung der aktiven Dienstleistungsfreiheit/Korrespondenzdienstleistungsfreiheit dem strengeren Arzthaftungsrecht des Empfangsstaats (Art. 28 Abs. 5 EGBGB, Art. 29 Abs. 2 EGBGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Subsumtion unter den Begriff „sonstige Beschränkung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) „Zu ungewiss und zu mittelbar“ . . . . . . . . . . . . . . (cc) Beschränkungsverbot als Prüfungsmaßstab für Regelungen mit marktzugangssperrender oder -behindernder Wirkung (spezifisch grenzüberschreitende Belastung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (dd) Berücksichtigung „entfernt“ beschränkender Maßnahmen auf der Rechtfertigungsebene (Güterabwägung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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292 292 294 295 297 298 298 299 301 302 303 305 306 310 311 311

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Inhaltsverzeichnis (c) Anwendbarkeit des günstigeren Verbraucherschutzrechts des Aufenthaltsstaats des Verbrauchers gem. Art. 29 Abs. 1 EGBGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Behinderungen des Dienstleistungsempfängers . . . . . . . . . (a) Patient unterliegt bei Wahrnehmung der passiven Dienstleistungsfreiheit dem patientenunfreundlicheren Recht des Heimatstaats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Patient unterliegt bei Wahrnehmung der passiven Dienstleistungsfreiheit dem patientenunfreundlicheren Recht des Niederlassungsstaats des Arztes (Art. 28 Abs. 2 EGBGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Fazit und Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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§ 5 Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 § 6 Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399

Abkürzungsverzeichnis a. A./A. A. a. a. O. ABGB ABl. Abs. AcP a. E. AEntG a. F. AGB AGBG AnwBl. Art. ArztR ArztuR ASP AtomG Aufl. BAG BAGE BÄO BB BegrRegE Beschl. BGB BGBl. BGE BGH BGHZ BhV BPflV BR-Drs. BT-Drs. BVerfG

anderer Ansicht am angeführten Ort Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch (Österreich) Amtsblatt Absatz/Absätze Archiv für civilistische Praxis am Ende Gesetz über zwingende Arbeitsbedingungen bei grenzüberschreitenden Dienstleistungen (Arbeitnehmer-Entsendegesetz) alte Fassung Allgemeine Geschäftsbedingungen Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen Anwaltsblatt Artikel Arztrecht Der Arzt und sein Recht Arbeit und Sozialpolitik Atomgesetz Auflage Bundesarbeitsgericht Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts Bundesärzteordnung Betriebs-Berater Begründung zum Regierungsentwurf Beschluss Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Entscheidungssammlung des Schweizerischen Bundesgerichts Bundesgerichtshof Entscheidungssammlung des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen deutsche Beihilfevorschriften Verordnung zur Regelung der Krankenhauspflegesätze Bundesrats-Drucksache Bundestags-Drucksache Bundesverfassungsgericht

Abkürzungsverzeichnis BW bzgl. bzw. ca. CMLRev CR CRi DÄBl. DB ders. d. h. dies. DM Dok. DSChron DVBl. DZWir ECRL EFTA EG EGBGB EGG EGV Einl. ElGVG ELRev endg. EU EuGH EuGVO

EuGVÜ

EuR EuroAS EUV EuZW EVÜ EWG

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Burgerlijk Wetboek bezüglich beziehungsweise circa Common Market Law Review Computer und Recht Computer Law Review International Deutsches Ärzteblatt Der Betrieb derselbe das heißt dieselben Deutsche Mark Dokument Recueil Dalloz Sirey, Chronique (Paris) Deutsches Verwaltungsblatt Deutsche Zeitschrift für Wirtschafts- und Insolvenzrecht Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr (E-Commerce-Richtlinie) European Free Trade Association Europäische Gemeinschaft(en) Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch Elektronischer-Geschäftsverkehr-Gesetz Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft Einleitung Elektronischer-Geschäftsverkehr-Vereinheitlichungsgesetz European Law Review endgültig Europäische Union Europäischer Gerichtshof Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22.12.2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen Brüsseler EWG-Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen Europarecht Informationsdienst Europäisches Arbeits- und Sozialrecht Vertrag über die Europäische Union Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Römisches EWG-Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht Europäische Wirtschaftsgemeinschaft

18 EWS f., ff. FAZ Fn. FS GA gem. GesR ggf. GoA GOÄ GOZ grds. GRUR Int. GS GVBl. LSA GWB HandK h. M. Hrsg. HS http://www ICLQ i. E. i. e. S. Int. WirtR IPR IPRax IPRspr. i. S. i. S. d. i. S. v. i.V. m. JA JbJgZivWiss JBl. Jg. JR JuS JZ

Abkürzungsverzeichnis Europäisches Wirtschafts- & Steuerrecht folgende Seite(n) Frankfurter Allgemeine Zeitung Fußnote(n) Festschrift Generalanwalt gemäß Gesundheitsrecht gegebenenfalls Geschäftsführung ohne Auftrag Gebührenordnung für Ärzte Gebührenordnung für Zahnärzte grundsätzlich Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht. Internationaler Teil Gedächtnisschrift Gesetzes- und Verordnungsblatt des Landes Sachsen-Anhalt Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen Handkommentar herrschende Meinung Herausgeber Halbsatz Hyper Text Transfer Protocol World Wide Web International and Comparative Law Quarterly im Ergebnis im engeren Sinne Internationales Wirtschaftsrecht (Staudinger) Internationales Privatrecht Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts Die deutsche Rechtsprechung auf dem Gebiete des Internationalen Privatrechts im Sinne im Sinne der/des im Sinne von in Verbindung mit Juristische Arbeitsblätter Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler Juristische Blätter Jahrgang Juristische Rundschau Juristische Schulung Juristenzeitung

Abkürzungsverzeichnis K&R KGHB-LSA KOM KrV lit. m. Anm. m. a. W. M-BOÄ MDR MdStV m. E. MedR MJ MMR MPBetreibV MPG MPI MünchKomm m.w. N. n. F. NJW Nr. NVwZ NZS NZV OGH ÖJZ OLG OR pVV RabelsZ RAnwVO

RdM Rev. crit. d. i. p. Rev. Droit de l’U.E. RGBl. RGZ RIW RL Rn.

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Kommunikation und Recht Gesetz über die Kammern für Heilberufe Sachsen-Anhalt Dokumente der Kommission der Europäischen Gemeinschaft Die Krankenversicherung Litera (Buchstabe) mit Anmerkung mit anderen Worten Musterberufsordnung für die deutschen Ärztinnen und Ärzte Monatsschrift für deutsches Recht Mediendienste-Staatsvertrag meines Erachtens Medizinrecht Maastricht Journal of European and Comparative Law MultiMedia und Recht Medizinprodukte-Betreiberverordnung Medizinproduktegesetz Max-Planck-Institut Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch mit weiteren Nachweisen neue Fassung Neue Juristische Wochenschrift Nummer(n) Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Neue Zeitschrift für Sozialrecht Neue Zeitschrift für Verkehrsrecht Oberster Gerichtshof (Österreich) Österreichische Juristenzeitung Oberlandesgericht Schweizer Obligationenrechte positive Vertragsverletzung Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht Verordnung des Ministerrates für die Reichsverteidigung über die Rechtsanwendung bei Schädigungen deutscher Staatsangehöriger außerhalb des Reichsgebietes vom 7.12.1942 Recht der Medizin Revue critique de droit international privé Revue du droit de l’Union Européenne Reichsgesetzblatt Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Recht der Internationalen Wirtschaft Richtlinie Randnummer(n)

20 RöV RPG Rs. Rspr. s. S. SGB SGb SJZ Slg. SozSich SozSich Öst str. StrlSchV st. Rspr. SuP TDDSG TDG TMG u. a. UAbs. UrhG usw. u. U. UWG v. v. a. verb. Verf. VersMed VersR vgl. VO Vol. Vorbem. VR VSSR VuR WBl. WiVerw WM

Abkürzungsverzeichnis Röntgenverordnung Recht und Politik im Gesundheitswesen Rechtssache Rechtsprechung siehe Seite, Satz Sozialgesetzbuch Die Sozialgerichtsbarkeit Schweizerische Juristen-Zeitung Sammlung der Rechtsprechung des Gerichtshofes (Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften) Soziale Sicherheit Soziale Sicherheit (Österreich) streitig Strahlenschutzverordnung ständige Rechtsprechung Sozialrecht und Praxis Teledienstedatenschutzgesetz Teledienstegesetz Telemediengesetz und andere/unter anderem Unterabsatz Urheberrechtsgesetz und so weiter unter Umständen Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb vom, von vor allem verbundene Verfasser Versicherungsmedizin Versicherungsrecht vergleiche Verordnung Volume Vorbemerkung(en) Verwaltungsrundschau Vierteljahresschrift für Sozialrecht Verbraucher und Recht Wirtschaftsrechtliche Blätter Wirtschaft und Verwaltung Wertpapier-Mitteilungen

Abkürzungsverzeichnis WPK-Mitt. WRP ZaeFQ z. B. ZESAR ZEuP ZEuS ZfRV ZHR Ziff. ZIP ZLR ZPO z. T. ZUM ZVglRWiss

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Wirtschaftsprüferkammer-Mitteilungen Wettbewerb in Recht und Praxis Zeitschrift für ärztliche Fortbildung und Qualitätssicherung zum Beispiel Zeitschrift für europäisches Sozial- und Arbeitsrecht Zeitschrift für Europäisches Privatrecht Zeitschrift für europarechtliche Studien Zeitschrift für Rechtsvergleichung Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht Ziffer Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Lebensmittelrecht Zivilprozessordnung zum Teil Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft einschließlich des Rechts der Entwicklungsländer und der ethnologischen Rechtsforschung

Einführung Gegenstand der Arbeit Der europäische Binnenmarkt als einer der Grundpfeiler der Europäischen Gemeinschaft der nunmehr siebenundzwanzig Mitgliedstaaten rückte in den letzten Jahren Schritt für Schritt in den Bereich der ärztlichen Berufsausübung. Ärzte sind längst nicht mehr nur Leistungserbringer im Rahmen ihres nationalen Gesundheitssystems, sondern auch Teilnehmer des europäischen Gesundheitsmarktes, der als Teil des Binnenmarktes grundsätzlich dem Einfluss des EG-Rechts unterliegt.1 Im Rahmen dieser Arbeit soll das Augenmerk auf die Grundfreiheit des freien Dienstleistungsverkehrs gelegt werden, welche lange Zeit ein „Schattendasein“2 führte. Bis weit in die Achtziger Jahre hinein stand neben den beiden Personenverkehrsfreiheiten Arbeitnehmerfreizügigkeit (Art. 39 ff. EGV) und Niederlassungsfreiheit (Art. 43 ff. EGV) vor allem die Freiheit des Warenverkehrs (Art. 28 ff. EGV) als „Pionierfreiheit“3 im Mittelpunkt des Interesses von Literatur und Rechtsprechung. Eine Aufwertung erlangte die Dienstleistungsfreiheit erst mit der Einheitlichen Europäischen Akte, durch welche der Binnenmarktbegriff und damit die Freiheit des Dienstleistungsverkehrs als gleichberechtigt neben die Waren-, Personen- und Kapitalverkehrsfreiheit in den EG-Vertrag eingeführt wurde.4 Ein wesentlicher Grund hierfür lag und liegt im rapiden Wachstum des Dienstleistungssektors in allen europäischen Mitgliedstaaten, sowohl den Anteil am Bruttosozialprodukt als auch die Zahl der Beschäftigten betreffend.5 Völker spricht 1 Bieback, in: Europäisches Sozialrecht, S. 51, 61; ders., EuR 1993, 150, 161 (für Dienstleistungen). 2 Kluth, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 49, 50 Rn. 2; Seidel, in: Schwarze, Der Gemeinsame Markt, Bestand und Zukunft in wirtschaftsrechtlicher Perspektive, S. 113; Hailbronner, in: Hailbronner/Klein/Magiera/Müller-Graff, HandK EUV/EGV, Art. 59, 60 Rn. 2; Hailbronner/Nachbaur, EuZW 1992, 105; Völker, Passive Dienstleistungsfreiheit in der Europäischen Gemeinschaft, S. 21. 3 Classen, EWS 1995, 97 f.; Rolshoven, „Beschränkungen“ des freien Dienstleistungsverkehrs, S. 44. 4 Reich, in: Reich/Micklitz, Europäisches Verbraucherrecht, S. 96; Rolshoven, S. 27 f. 5 Vgl. Mitteilung der Kommission vom 9.2.2004, Bericht über den Wettbewerb bei freiberuflichen Dienstleistungen, KOM(2004) 83 endg., S. 8 m.w. N., wonach Dienstleistungen in der EU mittlerweile einen Anteil von 54% des Bruttoinlandsprodukts

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sogar vom markantesten Charakteristikum der westlichen Wirtschaftsentwicklung im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts.6 Für die Erbringer von Dienstleistungen im volkswirtschaftlichen Sinn wurde es im Laufe der Zeit neben der Möglichkeit der dauerhaften Sitzverlegung in einen anderen Mitgliedstaat mit dem Erfordernis der Eingliederung in die Wirtschaft dieses Staates interessanter, ihre Dienstleistungen unter Beibehaltung des Standorts im Herkunftsstaat vorübergehend im EU-Ausland7 zu erbringen, ohne sich dort sofort niederzulassen. Der Gesundheitsmarkt gehört mit einem Anteil von 8% am Bruttosozialprodukt8 zu einem der wichtigsten und sich am stärksten entwickelnden Dienstleistungsmärkte in der EU.9 Mit einem Anteil von etwa 7% aller Arbeitskräfte in der EU10 zeigt sich neben der wirtschaftlichen auch die beschäftigungspolitische Bedeutung dieses Dienstleistungssektors. Dabei sind Gesundheitsdienstleistungen, die sich lange Zeit als nationale Domäne gegenüber einer Vergemeinschaftung als resistent erwiesen hatten11, keine rein nationale Angelegenheit mehr. Patienten und Ärzte werden mobiler. Es zeigt sich eine nicht zu unterschätzende Tendenz hin zur Überwindung nationaler Grenzen und damit zu einer immer stärkeren Herausbildung grenzüberschreitender Sachverhalte, die rechtlich beurteilt werden müssen. Verantwortlich dafür ist zum einen die wachsende Mobilität der Menschen, die in anderen EU-Mitgliedstaaten arbeiten oder dorthin zu Urlaubszwecken reisen. Zum anderen nehmen einzelne Versicherte zielgerichtet medizinische Behandlungen grenzüberschreitend in Anspruch. Meist sind es Kostengründe, die die Patienten zum Gang über die Grenze veranlassen. Aber auch die Möglichkeit der Inanspruchnahme einer reputierten fachlichen Kapazität auf einem bestimmten Gebiet ist oft ein Auslöser für den sog. „Behandlungstourismus“.

und von 67% der Gesamtbeschäftigung ausmachen; vgl. zudem Übersicht bei Tiedje/ Troberg, in: von der Groeben/Schwarze, EUV/EGV, Vorbem. zu den Art. 49–55 Rn. 25 ff.; Rolshoven, S. 44. 6 Völker, S. 28. 7 Gemeint sind die anderen Mitgliedstaaten, nicht Drittstaaten außerhalb der EU. 8 Dietrich, Wirtschaft im Wandel 1999, 9, 10; Sendler, ASP 1995, 48, 53; Hanika, MedR 1998, 193, 194; Eichenhofer, in: Grenzüberschreitende Behandlungsleistungen im Binnenmarkt, S. 1, 19. 9 Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen, Sondergutachten 1996, S. 25 ff., 211 ff. zur allgemeinen wirtschaftlichen und beschäftigungspolitischen Bedeutung der gesundheitlichen Dienstleistungen. 10 Bieback, NZS 2001, 561 m.w. N.; Dietrich, Wirtschaft im Wandel 1999, 9, 10 spricht sogar von einer Beschäftigungsintensität in Deutschland von gut 11% aller Erwerbstätigen im Gesundheitssektor (Zahl aus dem Jahr 1995). 11 Oberender, RPG 2001, 79 f.

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Unterstützt wird diese Entwicklung nicht zuletzt dadurch, dass in der heutigen Zeit gegen immer mehr Krankheiten neue, bessere Behandlungsmethoden gefunden werden, die vielen Patienten neue Heilungschancen eröffnen und zu einer Vielfalt der medizinischen Angebote innerhalb des Gesundheitsbinnenmarktes der Mitgliedstaaten führen. Vor allem aufgrund der jüngsten Entwicklungen in der Rechtsprechung des EuGH bezüglich grenzüberschreitender Behandlungsleistungen und deren Kostenerstattung im Fall „Kohll“12 sowie in den Rechtssachen „Müller-Fauré“ und „van Riet“13 ist ein Anstieg der Fälle mit Auslandsberührung zu erwarten. Denn nun steht auch mit Blick auf die Mitgliedstaaten, die Gesundheitsleistungen nach dem Sachleistungsprinzip zur Verfügung stellen, fest, dass für Kassenpatienten grundsätzlich die Möglichkeit besteht, im Rahmen eines grenzüberschreitenden Krankenversicherungsschutzes ambulante medizinische Dienstleistungen im EU-Ausland ohne vorherige Genehmigung ihrer Krankenkasse in Anspruch zu nehmen. Ein weiterer Aspekt ist ein sich neu entwickelndes Mobilitätsverhalten der Bevölkerung insbesondere im Alter. So verbringen Rentner immer häufiger in der kälteren Jahreszeit längere Zeitabschnitte in den südlichen Gegenden der EU (z. B. am Mittelmeer oder an der Algarve) bzw. verlegen ihren Alterssitz ganz in den sonnigen Süden und erwarten, dass ihnen dort die gleichen medizinischen Leistungen zuteil werden wie in Deutschland, zumal sie ihre Beiträge während dieser Zeit ja auch nach den deutschen Bedingungen weiter entrichten.14 Jedoch nicht nur auf der Leistungsempfänger-, sondern auch auf der Leistungserbringerseite ist eine grenzüberschreitende Entwicklungstendenz zu verzeichnen. Für Anbieter von Gesundheitsdienstleistungen (Ärzte, Zahnärzte) stellt sich zunehmend die Frage, ob sie ihre Behandlungsleistungen im Ausland erbringen sollten. Vor allem die sich stetig weiterentwickelnde internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Medizin führt zu einem wachsenden Ärzteaustausch zwischen den Mitgliedstaaten. So ist es z. B. nicht unüblich, dass Spezialisten im Ausland an ausländischen Patienten bestimmte „Pionieroperationen“ vor Kollegen vorführen.15 Darüber hinaus leistet hinsichtlich dieser grenzüberschreitenden Tendenzen im Gesundheitswesen die rasante Entwicklung im Bereich der Kommunikations- und Datenaustauschtechnologie ihr Übriges. So sind z. B. computerge12 EuGH, Urteil v. 28.4.1998, Rs. C-158/96 (Raymond Kohll/Union des caisses de maladie), Slg. 1998, I-1931 = EuGH NJW 1998, 1771 = MedR 1998, 317 = JZ 1998, 1166 = NZS 1998, 280. 13 EuGH, Urteil v. 13.5.2003, Rs. C-385/99 (V.G. Müller-Fauré/Onderlinge Waarborgmaatschappij OZ Zorgverzekeringen UA und E.E.M. van Riet/Onderlinge Waarborgmaatschappij ZAO Zorgverzekeringen), Slg. 2003, I-4509. 14 Münnich, RPG 1998, 127, 128 f. 15 So schon Deutsch im Jahre 1978, in: FS für Ferid, S. 117, 118.

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steuerte Fernoperationen16, Telekonsultationen, computergesteuerter Datenaustausch, die grenzüberschreitende Verwendung medizinischer Expertensysteme sowie die Beratung und Werbung via Internet über Grenzen hinaus keine Seltenheit mehr. Ausländische Spezialisten können als Berater per Videoschaltung zu Eingriffen im Inland hinzugezogen werden, online zugeschaltete Pathologen können über ferngesteuerte Spezialmikroskope bei einer über Tausende von Kilometern entfernt stattfindenden Operation entnommene Gewebeproben auswerten. Die neuen Kommunikationsmethoden weisen also auch im medizinischen Bereich den Weg zur Entwicklung hin zum „globalen Dorf“. Das Gesundheitswesen, bei dem es sich traditionell primär um ein „local business“ handelt, wird somit zunehmend zur europäischen Herausforderung. Bereits heute gilt in vielen Gesundheitsbereichen EU-Recht, z. B. bei der Anerkennung von Ausbildungsabschlüssen in medizinischen Berufen, bei Zulassung von und Handel mit medizinischen Produkten, in den Bereichen Arbeitszeit und -schutz sowie bei der Erstattung von Kosten für grenzüberschreitende Gesundheitsdienstleistungen.17 Diese „Marktgängigkeit“ ärztlicher Behandlungsleistungen innerhalb des Binnenmarktes bringt im Hinblick auf das grenzüberschreitende Arzt-PatientenVerhältnis aber auch eine Reihe von Fragen hervor. Die regelmäßig bestehende verschiedene Ansässigkeit von Arzt und Patient bringt es mit sich, dass mindestens zwei, wenn die Behandlung selbst in einem von den jeweiligen Ansässigkeitsstaaten verschiedenen dritten Staat stattfindet, auch drei Rechtsordnungen aufeinandertreffen. Es ist die Sache des Internationalen Privatrechts, darüber zu entscheiden, welche Rechtsordnung darüber bestimmt, wie die Rechte und Pflichten zwischen Arzt und Patient aus dem bestehenden Verhältnis ausgestaltet sind. Sofern nicht bereits im Vorfeld eine Einigung über das anwendbare Recht erzielt wurde, wird regelmäßig eine der Parteien auf diese Weise mit einer ihr nicht vertrauten Rechtsordnung konfrontiert sein. Dies stellt den Anknüpfungs- bzw. Ausgangspunkt für das Spannungsverhältnis zwischen dem nationalen sowie internationalen Arzthaftungsrecht und der Freiheit des Dienstleistungsverkehrs dar, welches folgende Probleme aufwirft: Inwieweit sind die Unterschiede in den arzthaftungsrechtlichen Vorschriften der einzelnen Mitgliedstaaten dem Funktionieren des freien Dienstleistungsverkehrs im medizinischen Bereich hinderlich?

16 Gemeint ist die Bedienung eines Operationsgerätes durch einen Arzt, dessen Bewegungen via Satellit über Grenzen hinweg auf einen Operationsroboter übertragen werden; zu den Vorteilen einer roboterunterstützten Operation Tillmanns, Die persönliche Leistungserbringungspflicht im Arztrecht und die Telemedizin, S. 53 ff. 17 Byrne, in: Medizin und Gesundheit, Verlagsbeilage zur FAZ v. 14.5.2002, Nr. 110, S. B 1.

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Auf Seiten der Ärzte könnte man diesbezüglich an unterschiedliche Kostenbelastungen in den verschiedenen Mitgliedstaaten denken, entweder direkt durch Verpflichtung zur Schadensbegleichung oder mittelbar durch das Anfallen unterschiedlich hoher Prämien bei der Berufshaftpflichtversicherung aufgrund unterschiedlich hoher Schadensersatzrisiken. Zudem können aus strengeren Arzthaftungsbestimmungen erhöhte Kosten für Präventivmaßnahmen resultieren. Die Patienten müssten sich unter Umständen auf ein anderes, möglicherweise für sie weniger günstiges Arzthaftungsrecht einstellen, so dass man von einem unterschiedlichen Verbraucherschutzniveau bei grenzüberschreitender Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen sprechen könnte. Welche Rolle spielt hierbei das Kollisionsrecht? In welchen Konstellationen des freien Dienstleistungsverkehrs sehen sich Ärzte und Patienten überhaupt mit der Anwendung eines für sie fremden Arzthaftungsrechts konfrontiert? Sind die einzelstaatlichen, häufig von Land zu Land sehr unterschiedlichen Sorgfaltsstandards grundsätzlich als örtliche Verhaltensnormen zu qualifizieren und damit unabhängig von der kollisionsrechtlichen Anknüpfung immer dem Recht des Handlungsortes zu entnehmen? Inwieweit ist die Rechtswahlmöglichkeit im Rahmen der Grundfreiheitenkontrolle von Bedeutung? Handelt es sich bei den unterschiedlichen nationalen Haftungsbestimmungen vielleicht um bloße „Dienstleistungsmodalitäten“, die bei entsprechender Anwendung der „Keck“-Rechtsprechung18 des EuGH dem Anwendungsbereich der Dienstleistungsfreiheit entzogen sind? Ist die „Keck“Formel überhaupt auf die Dienstleistungsfreiheit übertragbar? Inwieweit ist das Urteil des EuGH in der Sache „Alpine Investments“19 in diese Richtung auszulegen? Bereits dieser kursorische Überblick lässt erkennen, dass das ärztliche Haftungsrecht sowohl national- als auch internationalprivatrechtlich an der Schnittstelle zwischen der Souveränität der Mitgliedstaaten und den primärrechtlichen Grundfreiheiten, speziell in Form der Freiheit des Dienstleistungsverkehrs liegt. Ziel der Arbeit soll es sein, diese Schnittstellen aufzuzeigen und zu untersuchen, ob und inwieweit es sich bei den entsprechenden nationalen Kollisionsnormen und sachrechtlichen Regelungen um rechtfertigungsbedürftige Hindernisse des freien Dienstleistungsverkehrs handeln kann.

18 EuGH, Urteil v. 24.11.1993, verb. Rs. C-267/91 und C-268/91 (Keck und Mithouard), Slg. 1993, I-6097. 19 EuGH, Urteil v. 10.5.1995, Rs. C-384/93 (Alpine Investments BV), Slg. 1995, I1141.

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Gang der Untersuchung Befasst man sich mit dem Einfluss der Dienstleistungsfreiheit auf das Arzthaftungsrecht, sei es auf das nationale oder auf das internationale, stellt sich zunächst die Frage, ob und inwiefern für die ärztliche Berufsausübung der Anwendungs- bzw. Schutzbereich dieser Grundfreiheit überhaupt eröffnet ist und in welchem Ausmaß von einer Binnenmarktfähigkeit ärztlicher Gesundheitsleistungen die Rede sein kann (§ 1). Um im weiteren Verlauf beurteilen zu können, inwieweit die arzthaftungsrechtlichen Regelungen der einzelnen Mitgliedstaaten dem freien Dienstleistungsverkehr hinderlich sein und damit rechtfertigungsbedürftige Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit darstellen können, ist es zunächst wichtig, sich einen kursorischen Überblick über die tatsächlichen rechtlichen Unterschiede zu verschaffen (§ 2) und zu untersuchen, wie arzthaftungsrechtliche Sachverhalte mit Bezug zur Dienstleistungsfreiheit kollisionsrechtlich zu behandeln sind (§ 3). Dabei wird ermittelt, wann in den Fällen grenzüberschreitender Behandlung für den Erbringer bzw. Empfänger von ärztlichen Gesundheitsleistungen fremdes, d. h. nicht mit dem Niederlassungsrecht bzw. Heimatrecht identisches Sachrecht zur Anwendung gelangt. Ob tatsächlich die Geltung eines fremden und möglicherweise strengeren (aus Sicht des Arztes) oder patientenunfreundlicheren (aus Sicht des Patienten) Haftungsregimes eine legitimationsbedürftige Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs darstellen kann und inwieweit sich bereits auf kollisionsrechtlicher Ebene Spannungen zur Dienstleistungsfreiheit ergeben können, wird im vierten Teil (§ 4) zu klären sein. Die wesentlichen Ergebnisse der Arbeit werden im fünften Teil zusammengefasst (§ 5), woran sich ein kurzer Ausblick anschließt (§ 6).

§ 1 Freiheit des Dienstleistungsverkehrs und ärztliche Berufsausübung Noch im Jahre 1996, also kurz vor den Urteilen des EuGH zu den Rechtssachen „Kohll“ und „Decker“, verneinte Hirsch anlässlich eines Symposiums der Deutschen Gesellschaft für Medizinrecht e. V. in Heidelberg die Binnenmarktfähigkeit ärztlicher Leistungen mangels grenzüberschreitenden Wettbewerbs, zumal 90% der deutschen Bevölkerung gesetzlich krankenversichert und damit in der Inanspruchnahme medizinischer Versorgung auf Kosten der Sozialversicherung grundsätzlich auf das Bundesgebiet beschränkt sind (§ 16 Abs. 1 Nr. 1 SGB V a. F.).20 Seine Schlussfolgerung war, dass aufgrund der rechtlich bedingten, weitgehenden Verhinderung der grenzüberschreitenden Inanspruchnahme kein Sachverhalt vorliege, der die Kompetenz der EG für Rechtsangleichungsmaßnahmen hinsichtlich der Arzthaftung nach Art. 100a EGV a. F. (jetzt Art. 95 EGV n. F.21) begründen könnte.22 Hierfür müsste es sich bei ärztlichen Leistungen zumindest um binnenmarktfähige Dienstleistungen handeln. Diese Ausführungen werden zum Anlass genommen, im ersten Teil der Arbeit zunächst zu erörtern, inwieweit sich die Binnenmarktfähigkeit der ärztlichen Berufsausübung speziell unter dem Aspekt Dienstleistungsfreiheit in den letzten Jahren verändert hat.

I. Dienstleistungsbegriff und ärztliche Behandlungsleistung Art. 49 i.V. m. Art. 50 EGV gewähren den Angehörigen von Mitgliedstaaten, die in einem anderen Staat der Gemeinschaft als dem des Leistungsempfängers ansässig sind, freien Dienstleistungsverkehr ohne Beschränkungen. Dabei ist der gemeinschaftsrechtliche Dienstleistungsbegriff in Art. 50 Abs. 1 EGV nicht mit dem volkswirtschaftlichen Dienstleistungsbegriff gleichzusetzen, der hierunter den sog. „tertiären“ Sektor versteht, also Wirtschaftsleistungen, die den ersten zwei Phasen, „Herstellung von Urprodukten“ (in Landwirtschaft und Bergbau) 20 Hirsch, in: Laufs/Dierks/Wienke/Graf-Baumann/Hirsch, Die Entwicklung der Arzthaftung, S. 149, 151 f. 21 Durch den Vertrag vom Amsterdam (ABl. EG Nr. C 340 v. 10.11.1997, S. 1, in Kraft seit 1.5.1999) wurden die Abs. 3–5 durch die Abs. 3–10 n. F. ersetzt, Abs. 1 und 2 blieben dagegen unverändert. 22 Hirsch, a. a. O., S. 149, 151 f.

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§ 1 Freiheit des Dienstleistungsverkehrs und ärztliche Berufsausübung

und Warenerzeugung (in Industrie und Handwerk), nachgelagert sind.23 Vielmehr kommt es im Rahmen der Systematik Grundfreiheiten darauf an, in welcher Gestalt eine Leistung die geographische Grenze überschreitet und welche Handelshemmnisse hierbei bestehen. Wie sich aus dem Wortlaut des Art. 50 Abs. 2 lit. d) EGV ergibt, fällt darunter auch die grenzüberschreitende Erbringung freiberuflicher, also insbesondere auch ärztlicher Tätigkeiten24, worunter alle ärztlichen Leistungen im Zusammenhang mit der Erkennung, Verhütung, Behandlung und Heilung von Krankheiten und anderen Leiden sowie entsprechende Vorsorgemaßnahmen zu verstehen sind25. Damit haben auch niedergelassene Ärzte die Möglichkeit, ihre Tätigkeitsbereiche gemeinschaftsweit und ohne das hindernde Erfordernis der Unterhaltung einer Niederlassung mit dem damit verbundenen bürokratischen Aufwand auszudehnen. Neben den ärztlichen fallen auch klinische Leistungen (stationäre Behandlungen in Krankenanstalten, Heilkuren, Rehabilitationsmaßnahmen und dergleichen) unter den Schutz der Dienstleistungsfreiheit.26

II. Abgrenzung zu anderen Grundfreiheiten Wie sich aus der Negativdefinition des Dienstleistungsbegriffs in Art. 50 Abs. 1 EGV ergibt, muss hinsichtlich der Eröffnung des Anwendungsbereichs der Dienstleistungsfreiheit eine genaue Abgrenzung zu den anderen Grundfreiheiten erfolgen. Die Dienstleistungsfreiheit hat dem Wortlaut nach insoweit subsidiären Charakter als Auffangtatbestand27, was den eingangs erwähnten wirtschaftlichen Gegebenheiten jedoch nicht mehr gerecht wird28. Von praktischer Relevanz ist diese Abgrenzung vor allem hinsichtlich des unterschiedlichen Schutzumfangs der einzelnen Grundfreiheiten. Von der Kategorisierung hängt ab, welche europarechtlichen Verpflichtungen die Mitgliedstaaten der EU für den Handel innerhalb der Gemeinschaft einhalten müssen, da bei den Recht23 Randelzhofer/Forsthoff, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Art. 49/50 Rn. 6, 23; Tiedje/Troberg, in: von der Groeben/Schwarze, EUV/EGV, Vorbem. zu den Art. 49–55 Rn. 8 f.; Hailbronner/Nachbaur, EuZW 1992, 105 f.; Wetzel, Die Dienstleistungsfreiheit nach den Artikeln 59–66 des EWG-Vertrages, S. 16 ff.; genauer zum Versagen des volkswirtschaftlichen Dienstleistungsbegriffs McDonald, Die Auslegung der Dienstleistungsfreiheit im post-industriellen Europa, S. 18 f. 24 Vgl. EuGH, Urteil v. 28.4.1998, Rs. C-158/96 (Kohll), Slg. 1998, I-1931, Rn. 29; Kröck, Der Einfluss der europäischen Grundfreiheiten am Beispiel der Ärzte und Arzneimittel, S. 103 ff. 25 Vgl. Zerna, Der Export von Gesundheitsdienstleistungen, S. 147; Dünnes-Zimmermann, Gesundheitspolitische Handlungsspielräume der Mitgliedstaaten im Europäischen Gemeinschaftsrecht, S. 55 f. 26 Zerna, a. a. O.; Dünnes-Zimmermann, a. a. O. 27 Vgl. dazu Hakenberg, in: Lenz/Borchardt, EUV/EGV, Art. 49/50 Rn. 8. 28 So auch Rosenboom, Das Herkunftslandprinzip im europäischen Dienstleistungsrecht, S. 9 f.

II. Abgrenzung zu anderen Grundfreiheiten

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fertigungsgründen von Handelsbeschränkungen unterschiedliche Ausgestaltungen vorherrschen.29 1. Zur Niederlassungsfreiheit, Art. 43 ff. EGV Da es für den Dienstleistungssektor im Falle vereinzelter grenzüberschreitender Tätigkeiten wichtig ist, den schwerfälligen und damit hindernden Vorschriften für Ausländer hinsichtlich der Gründung einer Niederlassung, soweit sie von Art. 43 EGV erlaubt sind, zu entgehen, bedarf es einer grundsätzlichen Abgrenzung zwischen Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit. Der im Vergleich zur Dienstleistungsfreiheit geringere Schutzumfang der Niederlassungsfreiheit resultiert daraus, dass demjenigen, der seinen Tätigkeitsschwerpunkt in einen anderen Mitgliedstaat verlegt und damit eine dauerhafte Beziehung zu diesem Land herstellt, eher zugemutet werden kann, die dort geltenden Einzelvorschriften zu erfüllen bzw. zu akzeptieren, als dem Dienstleistungserbringer, der nur vorübergehend mit dem Empfängerstaat in Berührung kommt. Im Gegensatz zur Niederlassungsfreiheit, die durch eine dauerhafte Tätigkeitsverlagerung gekennzeichnet ist, findet im Falle der Dienstleistungsfreiheit die Grenzüberschreitung nur zeitlich begrenzt statt.30 Zwischen beiden Grundfreiheiten besteht damit ein Exklusivitätsverhältnis. Der vorübergehende Charakter der Leistung ergibt sich dabei nicht nur unter dem Aspekt der Dauer, sondern auch unter der Berücksichtigung der Häufigkeit, der Periodizität oder der Kontinuität.31 Im Rahmen des Arztberufs bedeutet das, dass der Arzt entwe29 Z. B. im Rahmen der Verhältnismäßigkeit von nicht-diskriminierenden Beschränkungen im Bereich von Dienstleistungsfreiheit (strenge Prüfung) und Niederlassungsfreiheit (weniger strenge Prüfung), vgl. dazu Tiedje/Troberg, in: von der Groeben/ Schwarze, EUV/EGV, Art. 43 Rn. 108; McDonald, S. 31 f.; Jarass, EuR 1995, 202, 215; Rolshoven, S. 34. 30 Vgl. Art. 50 Abs. 3 EGV „. . . vorübergehend . . .“; Hackl, Die Auswirkungen des Rechts der Europäischen Gemeinschaften auf das Recht der Freien Berufe, S. 1; Roth, in: Dauses, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts – Band 1, E. I Rn. 138; Hakenberg, in: Lenz/Borchardt, EUV/EGV, Vorbem. Art. 49–55 Rn. 2; EuGH, Urteil v. 30.11. 1995, Rs. C-55/94 (Gebhard), Slg. 1995, I-4165, Rn. 26; EuGH, Urteil v. 12.12.1996, Rs. C-3/95 (Reisebüro Broede), Slg. 1996, I-6511, Rn. 19; a. A. Schöne, Dienstleistungsfreiheit in der EG und deutsche Wirtschaftsaufsicht, S. 43 ff., welcher vorschlägt, den Zeitfaktor bei der Abgrenzung der Dienstleistungsfreiheit von der Niederlassungsfreiheit außer Betracht zu lassen und allein darauf abzustellen, ob eine Niederlassung erfolgt, vgl. dazu Kluth, in: Calliess/Ruffert, EGV/EUV, Art. 49, 50 Rn. 17 ff. 31 EuGH, Urteil v. 30.11.1995, Rs. C-55/94 (Gebhard), Slg. 1995, I-4165, Rn. 27; McDonald, S. 32; Kröck, S. 110; Körber, Grundfreiheiten und Privatrecht, S. 321; vgl. auch Art. 5 Abs. 2 S. 2 der Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. September 2005 über die Anerkennung von Berufsqualifikationen, ABl. EU Nr. L 255 v. 30.9.2005, S. 22 ff.: „Der vorübergehende und gelegentliche Charakter der Erbringung von Dienstleistungen wird im Einzelfall beurteilt, insbesondere anhand der Dauer, der Häufigkeit der regelmäßigen Wiederkehr und der Kontinuität der Dienstleistung.“

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der in seinem Herkunftsland ansässig bzw. dort schwerpunktmäßig tätig bleibt. Eröffnet er jedoch in einem anderen Mitgliedstaat eine Praxis zu Zwecken der überwiegenden Erwerbstätigkeit an diesem Ort, ist die gemeinschaftsrechtliche Niederlassungsfreiheit einschlägig. Von Interesse ist diese Unterscheidung vor allem hinsichtlich der Frage der Zulassung zur Behandlung von Patienten, die bei einer mitgliedstaatlichen Sozialversicherung krankenversichert sind. Während bei einer nur vorübergehenden ärztlichen Tätigkeit eines Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum in einem der übrigen Mitgliedstaaten weder eine Approbation noch eine Erlaubnis notwendig ist32, bedarf es für eine dauerhafte ärztliche Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat einer inländischen Approbation33. Aufgrund der wechselseitigen Anerkennung der in einem Mitgliedstaat erworbenen Ausbildungsabschlusszeugnisse (Hochschuldiplome) der Ärzte und Zahnärzte34 besteht ein Rechtsanspruch auf eine 32 Vgl. §§ 2 Abs. 3, 10b Abs. 1 Bundesärzteordnung (BÄO) in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. April 1987, veröffentlicht im Bundesgesetzblatt Teil 1, S. 1218, zuletzt geändert am 31. Oktober 2006, veröffentlicht im Bundesgesetzblatt Teil I, Seite 2407 – die Ärzte unterliegen lediglich einer Anzeigepflicht gem. § 10b Abs. 2 BÄO; bei vorübergehender Tätigkeit im Heimatstaat des Patienten bzw. grenzüberschreitender Erbringung der Dienstleistung als Korrespondenzdienstleistung ist eine zusätzliche Pflichtmitgliedschaft in einer ärztlichen Berufsvereinigung dieses Staates neben der im Niederlassungsstaat nicht zulässig – vgl. Art. 17 Abs. 1 der Richtlinie 19/36/EWG des Rates vom 5. April 1993 zur Erleichterung der Freizügigkeit für Ärzte und zur gegenseitigen Anerkennung ihrer Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise, ABl. EG Nr. L 165/1 ff. v. 7.7.1993, wonach in den Mitgliedstaaten, die für ihre eigenen Staatsangehörigen für die Aufnahme oder Ausübung einer ärztlichen Tätigkeit eine Genehmigung oder Pflichtmitgliedschaft bei einem Berufsverband oder einer Berufskörperschaft verlangen, im Falle der Dienstleistungserbringung durch einen Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaates der Dienstleistende von diesem Erfordernis befreit wird; gem. Art. 17 Abs. 1 UAbs. 3 der Richtlinie ist jedoch eine vorübergehende, automatisch eintretende Eintragung oder eine Proforma-Mitgliedschaft bei einem Berufsverband oder einer Berufskörperschaft möglich – vgl. dazu Kröck, S. 161 ff.; entsprechende Regelungen enthält Art. 6 der Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. September 2005 über die Anerkennung von Berufsqualifikationen, ABl. EU Nr. L 255 v. 30.9.2005, S. 22 ff., welche die bisher geltenden sektoralen Richtlinien, die der Anerkennung von Befähigungsnachweisen dienten, zusammenfasst und gleichzeitig aufhebt; eine Umsetzung durch die Mitgliedstaaten in nationales Recht hat innerhalb von zwei Jahren ab Inkrafttreten zu erfolgen vgl. dazu Kluth/Rieger, EuZW 2005, 486, 487, 489. 33 Vgl. §§ 2 Abs. 1, 3 Abs. 1 BÄO. 34 Vgl. § 10b Abs. 1 BÄO als Umsetzung der Richtlinie 93/16/EWG des Rates vom 5. April 1993 zur Erleichterung der Freizügigkeit für Ärzte und zur gegenseitigen Anerkennung ihrer Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise (seit dem 1.6.2002 ist das Abkommen zwischen der EU und der Schweiz in Kraft, welches die Schweiz in die Richtlinie 93/16/EWG implementiert, und zwar unter der Fiktion der Schweiz als Mitgliedstaat der EU) und der Richtlinie 78/686/EWG des Rates vom 25. Juli 1978 für die gegenseitige Anerkennung der Diplome, Prüfungs-

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entsprechende Zulassung als Kassenarzt.35 Gesetzliche Folge der Zulassung als Kassenarzt ist die Zwangsmitgliedschaft in ärztlichen Berufsvereinigungen, welche im Rahmen der Niederlassungsfreiheit europarechtlich unbedenklich ist.36 Besteht eine entsprechende Zulassung zur Patientenbehandlung in einem nationalen System der sozialen Sicherheit und eine daraus resultierende Mitgliedschaft in der entsprechenden Berufskörperschaft, ist die dortige Ansiedlung der Niederlassung aus Gründen der Rechtssicherheit und Eindeutigkeit der Zuordnung anzunehmen.37 Möglich ist auch die Begründung einer dauerhaften sekundären Niederlassung (ärztliche Zweitpraxis38 bzw. „Doppelpraxen“39) in einem anderen Mitgliedstaat.40 Schwieriger wird die Zuordnung dann, wenn der Arzt gar keine Zulassung zu einem nationalen Sozialversicherungssystem hat. Die vertragsärztliche Versorgung ist in den vom Sachleistungsprinzip beherrschten Mitgliedstaaten zwar der Regelfall, jedoch nicht zwingend. Hier kommt es darauf an, ab wann beim Arztberuf von einer gewissen Dauerhaftigkeit der Tätigkeit gesprochen werden kann. Bei Grenzarzttätigkeiten, bei denen sich der Arzt über die Grenze zum Patienten begibt und umgekehrt, sowie bei gelegentlichen und kurzfristigen Urlaubs- bzw. Krankheitsvertretungen durch einen ausländischen Kollegen ist der lediglich vorübergehende Charakter der Dienstleistungserbringung offensichtlich.41 Besteht im entsprechenden Aufnahmemitgliedstaat eine vom grenzüberschreitenden Arzt errichtete Infrastruktur in Form einer Arztpraxis, kann dies ein Indiz für eine Niederlassung sein. Jedoch kann man hiervon allein noch zeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise des Zahnarztes und für Maßnahmen zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des Niederlassungsrechts und des Rechts auf freien Dienstleistungsverkehr, ABl. EG Nr. L 233 v. 24.8.1978, S. 1 in Verbindung mit der Richtlinie (78/687/EWG) des Rates vom 25. Juli 1978 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Tätigkeiten des Zahnarztes, ABl. EG Nr. L 233 v. 24.8.1978, S. 10; näher dazu Kröck, S. 56 ff.; die Regelungen zur automatischen gegenseitigen Anerkennung in diesen berufsspezifischen Richtlinien gehen auf in den entsprechenden Regelungen in Titel III Kapitel III der Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. September 2005 über die Anerkennung von Berufsqualifikationen, ABl. EU 2005 Nr. L 255 v. 30.9.2005, vgl. dazu Kluth/Rieger, EuZW 2005, 486, 487 f., 491. 35 Vgl. § 3 Abs. 1 BÄO: „Die Approbation als Arzt ist auf Antrag zu erteilen . . .“ 36 Vgl. dazu Kröck, a. a. O., S. 96 f.; handelt es sich lediglich um die EU-grenzüberschreitende Dienstleistungserbringung, sind diese Ärzte von einer Pflichtmitgliedschaft in einem Berufsverband oder Berufskörperschaft bzw. einer öffentlich-rechtlichen Vereinigung, die zur Abrechnung für Tätigkeiten zugunsten von Sozialversicherten (in Deutschland die kassenärztliche Vereinigung) notwendig ist, zu befreien, vgl. Fn. 32. 37 Vgl. Könning-Feil, Das Internationale Arzthaftungsrecht, S. 219 f.; Kröck, S. 111. 38 Schädlich, Grenzüberschreitende Telemedizin-Anwendungen, S. 130 m.w. N. 39 Steindorff, EuR 1988, 19, 23. 40 Kröck, S. 25 ff., 91 ff.; Schirmer, in: Jorens/Schulte, Grenzüberschreitende Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen im Gemeinsamen Markt, S. 151, 155 f.; Kaufmann, MedR 2003, 82, 86 f. vgl. auch § 3 III. 5. b). 41 Könning-Feil, S. 219.

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nicht in jedem Falle auf das Vorliegen einer Niederlassung schließen, denn das Eröffnen einer Praxis kann auch der tatsächlichen Ausgestaltung bzw. Wahrnehmung der Dienstleistungsfreiheit dienen.42 Erforderlich ist vielmehr eine auf Dauer angelegte wirtschaftliche Integration im Aufnahmestaat43, wofür eine weit überwiegende Berufsausübung in diesem Lande spricht. Teilweise wird im Falle einer fehlenden Zulassung der Wohnsitzstaat bzw. der Staat, in dem sich der Arzt überwiegend aufhält, hilfsweise herangezogen.44 Richtig ist zwar, dass regelmäßig im Wohnsitzstaat des Arztes auch dessen berufliche „Verwurzelung“ zu finden sein wird. Jedoch ist es gerade in Grenzregionen, z. B. zwischen den Ländern Deutschland, Niederlande, Belgien und Luxemburg denkbar, dass der Wohnsitz des Arztes diesseits, seine berufliche Hauptwirkungsstätte aber jenseits der Grenze liegt. Ist eine Ermittlung des selbständigen beruflichen Mittelpunktes nicht eindeutig möglich, sind Abgrenzungsprobleme häufig unumgänglich, so dass letztendlich auf den Einzelfall abgestellt werden muss.45 Eine eindeutige Abgrenzung ist z. B. dann schwierig, wenn es sich bei der grenzüberschreitenden Tätigkeit um eine zwar kurzfristige, sich aber ständig wiederholende Tätigkeit handelt46 bzw. der Geschäftsbetrieb von vornherein darauf gerichtet ist, Leistungen in einem anderem Mitgliedstaat als dem der Niederlassung zu erbringen.47

42 EuGH, Urteil v. 30.11.1995, Rs. C-55/94 (Gebhard), Slg. 1995, I-4165, Rn. 27; EuGH, Urteil v. 12.12.1996, Rs. C-3/95 (Reisebüro Broede), Slg. 1996, I-6511, Rn. 21; für einige Dienstleistungen verlangt das sekundäre Gemeinschaftsrecht sogar eine ansprechbare Stelle im jeweiligen Mitgliedstaat – vgl. Art. 46 Abs. 2 UAbs. 4 der Dritten Richtlinie zur Schadensregulierung, RL 92/49/EWG v. 18.6.1992, ABl. EG Nr. L 228/1 v. 11.8.1992. 43 Vgl. EuGH, Urteil v. 30.11.1995, Rs. C-55/94 (Gebhard), Slg. 1995, I-4165, Rn. 27; EuGH, Urteil v. 12.12.1996, Rs. C-3/95 (Reisebüro Broede), Slg. 1996, I6511, Rn. 25; Rochard, Niederlassungsfreiheit, freier Dienstleistungsverkehr und europäische Integration am Beispiel der Freizügigkeit der Ärzte in der Europäischen Gemeinschaft, S. 14; Stumpf, in: Dauses, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts – Band 1, E. II Rn. 32. 44 Vgl. Kröck, S. 111. 45 Vgl. Kröck, S. 111; Hakenberg, in: Lenz/Borchardt, EUV/EGV, Art. 49/50 Rn. 8 unter (3), welche weitere mögliche Abgrenzungskriterien zur Frage der Dauerhaftigkeit anführt; ebenso Schirmer, in: Jorens/Schulte, Grenzüberschreitende Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen im Gemeinsamen Markt, S. 151, 155 f.; umfassend zur Abgrenzungsfrage in Rspr. und Lehre auch Rolshoven, „Beschränkungen“ des freien Dienstleistungsverkehrs, S. 82 ff.; zum Grundsatz der Einzelfallentscheidung vgl. auch Art. 5 Abs. 2 S. 2 der Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. September 2005 über die Anerkennung von Berufsqualifikationen, ABl. EU Nr. L 255 v. 30.9.2005, S. 22 ff. 46 So ging man früher bei einer zweimal wöchentlich stattfindenden Sprechstunde eines Arztes in der Klinik eines anderen Mitgliedstaates bereits von einer Zweigniederlassung aus, vgl. Rochard, S. 78. 47 Hailbronner, in: Hailbronner/Klein/Magiera/Müller-Graff, HandK EUV/EGV, Art. 59, 60 Rn. 17; vgl. zur Lösung dieser beiden Problemfelder McDonald, S. 33 ff.

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Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass die Abgrenzung zur Niederlassungsfreiheit nur für die Fallgruppen der aktiven und passiven Dienstleistungsfreiheit48 konstitutiv ist. In Fällen der grenzüberschreitenden Korrespondenzdienstleistungen spielt die zeitliche Komponente aufgrund der Tatsache, dass nur die Dienstleistung selbst die Grenze überschreitet, keine Rolle. Eine dauerhafte Integration in den Aufnahmestaat kommt hier nicht in Betracht. Mithin kann man auch bei der Tätigkeit eines Arztes, der sich hauptsächlich auf grenzüberschreitende Telemedizinanwendungen über einen dauerhaft angelegten TelemedizinLink zu einem im Ausland niedergelassenen Arzt oder Krankenhaus spezialisiert hat, nicht von der Begründung eines ständigen beruflichen Mittelpunktes am Behandlungsort des Patienten bzw. einer Zweitpraxis sprechen.49 2. Zur Warenverkehrsfreiheit, Art. 28 ff. EGV Hingegen ergeben sich in der Fallgruppe der Korrespondenzdienstleistungen des Öfteren Abgrenzungsprobleme zur Freiheit des Warenverkehrs. Hierbei ist zunächst grundsätzlich zu beachten, dass die Dienstleistungsfreiheit den Austausch „unkörperlicher“ Gegenstände erfasst50, entscheidend ist das „Know how“ des Leistenden51. Eine Differenzierung zwischen körperlichen und unkörperlichen Leistungen ist jedoch in zwei Bereichen problematisch: zum einen, wenn die grenzüberschreitende Lieferung einer Ware mit einer Dienstleistung verbunden ist und zum anderen dann, wenn eine gemischte Leistung vorliegt, bei welcher nicht eindeutig ist, welches der beiden Elemente überwiegt.52 Im Rahmen der ersten Fallgruppe wird zunächst überprüft, ob eine Aufspaltung der Leistung in mehrere Bereiche denkbar ist, welche dann einer eigenständigen Untersuchung unterzogen werden können53, oder ob die Dienstleistung lediglich eine Annextätigkeit darstellt, die dann von der Warenverkehrsfreiheit mitumfasst ist54. Ist die Leistung gemischt, wird wertend auf den Schwerpunkt des bei der Tätigkeit jeweils im Vordergrund stehenden Inhalts abgestellt.55

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Dazu unter IV. Vgl. Schädlich, Grenzüberschreitende Telemedizin-Anwendungen, S. 130 f. 50 Roth, in: Dauses, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts – Band 1, E. I Rn. 130; Kröck, S. 111; Kluth, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 49, 50 Rn. 29. 51 Tiedje/Troberg, in: von der Groeben/Schwarze, EUV/EGV, Art. 49 Rn. 4, Art. 50 EG Rn. 1. 52 Vgl. Hakenberg, in: Lenz/Borchardt, EUV/EGV, Art. 49/50 Rn. 8. 53 EuGH, Urteil v. 30.4.1974, Rs. 155/73 (Sacchi), Slg. 1974, 409; Hailbronner, in: Hailbronner/Klein/Magiera/Müller-Graff, HandK EUV/EGV, Art. 59, 60 Rn. 19; Randelzhofer/Forsthoff, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Art. 49/50 Rn. 27. 54 EuGH, Urteil v. 19.3.1991, Rs. C-202/88 (Frankreich/Kommission), Slg. 1991, I1223; Bleckmann, Europarecht, Rn. 1673. 49

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Vor allem im Bereich der Telemedizin ergeben sich derartige Abgrenzungsprobleme, speziell im Rahmen der Einbeziehung des Internets. Es fragt sich, ab wann bzw. inwieweit „Bits“ als „bewegliche Güter“ bzw. „Erzeugnisse“ oder als „Leistungen“ i. S. d. Art. 49 EGV anzusehen sind. Aufgrund der weitverbreiteten Unsicherheit der Einordnung spricht man teilweise sogar von „Zwitter[n] des Handels“ und „elektronische[n] Hybridgüter[n]“.56 Paradebeispiel ist für den Bereich der Telemedizin die Einholung einer medizinischen Diagnose bzw. Beratung über das Internet. Man könnte eine Unterscheidung danach in Erwägung ziehen, ob die elektronische Beratung auf Papier ausgedruckt wird und dann die Grenze überschreitet (z. B. per Fax) oder ob sie lediglich in elektronischer Form existiert und dann (nicht ausgedruckt) aufgrund eines Faxprogramms im Computer weitergeleitet wird.57 Doch allein auf die „Körperlichkeit“ bzw. die „tatsächliche Fassbarkeit“ abzustellen, wäre willkürlich. Es wäre zu einfach und vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Rechtfertigungsgründe je nach Zuordnung auch nicht nachvollziehbar, allein das Bannen der elektronischen Diagnose/Beratung auf Papier für den Wechsel von der Produktkategorie Dienstleistung in die Produktkategorie Ware als entscheidend anzusehen. Es kann nicht darauf ankommen, ob die Grenzüberschreitung in verkörperter Form erfolgt oder nicht. Vielmehr muss die ursprüngliche Natur der jeweiligen Tätigkeit des Arztes bewertet werden. Die Erbringung einer medizinischen Diagnose über das Internet stellt eine elektronische Beratung dar, so dass die Ursprungsleistung eine (nichtkörperliche) Dienstleistung ist.58 Dass diese auch ausdruckbar und damit in verkörperter Form zugänglich ist, ändert nichts an dem inhaltlichen Schwerpunkt der Tätigkeit, nämlich der Beratung. 3. Zur Arbeitnehmerfreizügigkeit, Art. 39 ff. EGV Im Unterschied zur Dienstleistungsfreiheit, deren Wesensmerkmal die Selbständigkeit ist, setzt die Berufung auf die Arbeitnehmerfreizügigkeit gem. Art. 39 ff. EGV das Vorliegen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses voraus.59 Die Arbeitnehmereigenschaft bejaht der EuGH bei Weisungsgebun55 EuGH, Urteil v. 24.3.1994, Rs. C-275/92 (Schindler), Slg. 1994, I-1039, Rn. 21 ff.; Schöne, Dienstleistungsfreiheit in der EG und deutsche Wirtschaftsaufsicht, S. 57; Wetzel, Die Dienstleistungsfreiheit nach den Artikeln 59–66 des EWG-Vertrages, S. 48 f.; Hakenberg, in: Lenz/Borchardt, EUV/EGV, Art. 49/50 Rn. 8; DünnesZimmermann, Gesundheitspolitische Handlungsspielräume der Mitgliedstaaten im Europäischen Gemeinschaftsrecht, S. 60 f. 56 So Mrusek, Zöllner im virtuellen Welthandel, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 20.04.1998, Nr. 9, S. 15; vgl. McDonald, Die Auslegung der Dienstleistungsfreiheit im post-industriellen Europa, S. 29. 57 Mrusek, a. a. O. 58 So auch McDonald, S. 30 f. 59 Vgl. nur Hailbronner/Nachbaur, EuZW 1992, 105, 106; Rolshoven, „Beschränkungen“ des freien Dienstleistungsverkehrs, S. 91.

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denheit des Arbeitnehmers sowie einer mit dem Arbeitsverhältnis verbundenen Vergütung.60 Sofern es sich um niedergelassene Ärzte handelt, liegt zweifelsfrei eine selbständige bzw. freiberufliche Tätigkeit vor, so dass die Art. 39 ff. EGV ohnehin nicht in Betracht kommen. Fraglich ist jedoch, ob angestellte Ärzte in Krankenhäusern, Reha-Einrichtungen oder Sanatorien diese Arbeitnehmereigenschaften erfüllen und damit in den Anwendungsbereich der Art. 39 ff. EGV fallen. Innerhalb der Literatur ist es nicht unumstritten, ob die Arbeitnehmerfreizügigkeit neben der Niederlassungsfreiheit und der Dienstleistungsfreiheit für Ärzte in Europa noch einen eigenen Anwendungsbereich hat. Ein vergütetes Arbeitsverhältnis liegt in den Fällen des angestellten Krankenhausarztes unzweifelhaft vor. Problematisiert wird jedoch die Frage der Weisungsgebundenheit61, da es jedenfalls an der fachlichen Weisungsgebundenheit im Verhältnis zwischen angestelltem Arzt und Arbeitgeber (Krankenhausträger) fehlt.62 Dies ist der Punkt, weshalb sich ein Teil der Literatur gegen eine Differenzierung zwischen angestellten und selbständigen Ärzten im Rahmen der Grundfreiheitenkontrolle ausspricht.63 Hierfür spreche auch der Wortlaut des Art. 47 Abs. 3 EGV, welcher hinsichtlich der Koordinierung der Bedingungen für die Ausübung der ärztlichen, arztähnlichen und pharmazeutischen Berufe nicht zwischen selbständigen/niedergelassenen und angestellten Ärzten unterscheidet, sondern die Berufsgruppe als Ganzes aufführt.64 Ein weiterer Punkt, welcher gegen die Subsumtion angestellter Ärzte unter die Arbeitnehmerfreizügigkeit spreche, sei die im Vergleich zu Art. 45– 48 i.V. m. Art. 55 EGV eher einfache und undifferenzierte Schrankenregelung des Art. 39 Abs. 3 und 4 EGV, welcher als Schranken der Arbeitnehmerfreizügigkeit lediglich Gründe der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit (Abs. 3) sowie die Beschäftigung in der öffentlichen Verwaltung (Abs. 4) zulässt.65 Vor allem Beschränkungen die berufliche Qualifikation betreffend (Anerkennung der Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstiger Befähigungsnachweise) ließen sich zu großen Teilen nur schwer mit diesen 60

EuGH, Urteil v. 3.7.1986, Rs. 66/85 (Lawrie-Blum), Slg. 1986, 2121, Rn. 17. Vgl. nur Kröck, Der Einfluß der europäischen Grundfreiheiten am Beispiel der Ärzte und Arzneimittel, S. 170; zur Weisungsgebundenheit als Abgrenzungsmerkmal Wölker/Grill, in: von der Groeben/Schwarze, EUV/EGV, Vorbem. zu den Art. 39–41 Rn. 30. 62 Brüggemeier, Deliktsrecht, Rn. 758; Katzenmeier, Arzthaftung, S. 129; vgl. auch § 2 Abs. 4 MBO-Ä (Musterberufsordnung für die deutschen Ärztinnen und Ärzte): „Der Arzt darf hinsichtlich seiner ärztlichen Entscheidungen keine Weisungen von Nichtärzten entgegennehmen.“ 63 Kröck, S. 170 f.; Rittner, EuZW 2004, 33 spricht von dem Beruf des Klinik-Arztes als Randfall bzw. Entartung des Freien Berufs, da er Angestellter und Freiberufler zugleich ist; die tägliche Erfahrung in Rechtsstreitigkeiten zeige aber, welche normative Kraft von den Kerngedanken des Freien Berufs ausgeht. 64 Kröck, S. 170. 65 Kröck, S. 170 f. 61

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§ 1 Freiheit des Dienstleistungsverkehrs und ärztliche Berufsausübung

Schranken in Einklang bringen, so dass eine nicht nachvollziehbare Ungleichbehandlung zwischen angestellten und selbständigen Ärzten hinsichtlich der Zulassung zum Beruf und der Anerkennung der Hochschuldiplome die unausweichliche Folge wäre.66 Begeben sich deutsche Ärzte für ein paar Wochen in einen anderen EU-Mitgliedstaat (z. B. nach England67), um dort als angestellte Ärzte im Krankenhausbetrieb mitzuwirken, handelt es sich damit nach dieser Ansicht ebenfalls um einen Fall der aktiven Dienstleistungsfreiheit, bei einer dauerhaften Anstellung als Krankenhausarzt in einem anderen Mitgliedstaat würde ein Fall der Niederlassungsfreiheit vorliegen. Während ein Teil der Literatur somit den Arztberuf grundsätzlich aus dem Anwendungsbereich der Art. 39 ff. EGV herausnimmt, geht man heute wohl überwiegend wie selbstverständlich davon aus, dass auch angestellte Ärzte als abhängig beschäftigte Angehörige der freien Berufe dem Anwendungsbereich der Arbeitnehmerfreizügigkeit samt dem dazugehörigen umfangreichen Sekundärrecht unterliegen.68 Gerade in jüngerer Zeit hat arbeitsrechtliches Sekundärrecht in Form der am 2.8.2004 in Kraft getretenen Arbeitszeitrichtlinie 2003/ 88/EG69 sowie in Form der Rechtsprechung des EuGH70 mit Blick auf die Auslegung dieser Vorschriften für Ärzte eine Rolle gespielt, indem der ärztliche Bereitschaftsdienst bei persönlicher Anwesenheit als Arbeitszeit anerkannt 66 Wölker/Grill: in: von der Groeben/Schwarze, EUV/EGV, Vorbem. zu den Art. 39–41 Rn. 30 halten hingegen eine genaue Qualifizierung aufgrund der gleichen Grundsätze in Art. 39, 43 und 49 EGV bisweilen für überflüssig. 67 Seit den letzten Jahren begeben sich immer mehr deutsche Ärzte für einige Wochenenden im Jahr für Operationen nach England (bezahlt aus dem Etat des National Health Service), um dem dortigen Fachärztemangel zu kompensieren (vgl. „Deutsche Ärzte auf Montage“, Bericht ZDF.reporter vom 20.01.2003, http://www.zdf.de/ZDFde/ inhalt/31/0,1872,2030815,00.html). 68 Berscheid/Kirschbaum, Freie Berufe in der EG, S. 2 ff.; Hess, in: Auf dem Weg in ein Europäisches Gesundheitswesen? – Dokumentation zur Veranstaltung am 5. März 2002 in Brüssel, S. 13, 14; Weyland, Gemeinschaftsrechtliche Vorgaben im Arzthaftungsrecht, S. 73 f.; wohl auch Kaufmann, MedR 2003, 82, 84 f.; Stumpf, in, Dauses, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts – Band 1, E. II Rn. 63 ff., 66; auch Rolshoven, „Beschränkungen“ des freien Dienstleistungsverkehrs, S. 93 spricht sich für die Arbeitnehmereigenschaft angestellter Ärzte i. S. d. Art. 39 ff. EGV aus, betont jedoch richtig, dass bei Ärzten, die in ihrem Heimatstaat angestellt arbeiten, die Anwendbarkeit der Normen mangels Auslandsbezug scheitert. 69 Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.11.2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung, ABl. EU 2003 Nr. L 299/9; diese ersetzt nach verschiedenen Änderungen die frühere ArbeitszeitRL 93/104/EWG (Richtlinie des Rates vom 23.11.1993 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung, ABl. EG 1993, Nr. L 307/18) i.V. m. der Rahmenrichtlinie 89/391/EWG (Richtlinie des Rates vom 12.6.1989 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer bei der Arbeit, ABl. EG 1989, Nr. L 183/1). 70 EuGH, Urteil v. 3.10.2000, Rs. C-303/98 (Simap), Slg. 2000, I-7963; EuGH, Beschluss v. 3.7.2001, Rs. C-241/99, Slg. 2001, I-5139 sowie EuGH, Urteil v. 9.11. 2003, Rs. C-151/02 (Jaeger), Slg. 2003, I-8389.

II. Abgrenzung zu anderen Grundfreiheiten

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wurde. Hierin ist eine Bestätigung der Arbeitnehmereigenschaft angestellter Ärzte auch aus europarechtlicher bzw. grundfreiheitenrechtlicher Sicht zu erblicken. Die Tatsache, dass die Bestimmungen zur Arbeitnehmerfreizügigkeit bisher noch nicht die Erfordernisse von Befähigungsnachweisen regeln, wirkt sich insoweit nicht aus, als sich die entsprechenden Richtlinien (auch die Anerkennungs- und Koordinationsrichtlinien für Ärzte) in ihrem Anwendungsbereich auch auf abhängige Beschäftigte der jeweiligen Berufsgruppen erstrecken und damit neben Art. 47 EGV (i.V. m. Art. 55 EGV) auch auf Art. 40 EGV gestützt sind.71 Die Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. September 2005 über die Anerkennung von Berufsqualifikationen (Berufsanerkennungsrichtlinie), welche die bisher geltenden berufsspezifischen Richtlinien, die der Anerkennung von Befähigungsnachweisen dienen, zusammenfasst und gleichzeitig aufhebt und deren Umsetzung durch die Mitgliedstaaten innerhalb von 2 Jahren ab Inkrafttreten zu erfolgen hat72, stützt sich ebenfalls neben Art. 47 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 und 3 und Art. 55 EGV ausdrücklich auch auf Art. 40 EGV.73 Damit sind keine Unterschiede hinsichtlich der Beurteilung von Beschränkungen, die berufliche Qualifikation betreffend, zu erwarten. Hinsichtlich der Frage der Weisungsgebundenheit ist Folgendes anzumerken: Zum einen ist die Annahme eines generellen Fehlens der fachlichen Weisungsgebundenheit zu undifferenziert. Denn medizinisch-fachlich gänzlich weisungsfrei ist von den in Kliniken tätigen Krankenhausärzten nur der Chefarzt. Den nachgeordneten ärztlichen Mitarbeitern gegenüber hat dieser im Rahmen seiner medizinisch-fachlichen Verantwortlichkeit grundsätzlich ein fachliches Weisungsrecht. Hat somit der Krankenhausträger als Arbeitgeber auch nicht unmittelbar ein fachliches Weisungsrecht, so jedoch mittelbar durch den Chefarzt als leitenden Angestellten. Mangels Weisungsgebundenheit auf dem fachlichen Sektor zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer kommt die Nichtanwendbarkeit der Art. 39 ff. EGV somit lediglich für das Arbeitsverhältnis Krankenhausträger – Chefarzt in Betracht.74 Wie jedoch das Bundesarbeitsgericht richtig anmerkt, darf dies die Einordnung dieses Beschäftigungsverhältnisses als Arbeitsverhältnis nicht vereiteln, da „. . . der Chefarzt im übrigen im Wesentlichen weisungsgebunden und damit vom Krankenhausträger persönlich abhängig ist.“75 Die Anwendbarkeit der Art. 39 ff. EGV ist damit richtigerweise für angestellte Ärzte insgesamt zu bejahen.76 71 Vgl. Stumpf, in: Dauses, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts – Band 1, E. II Rn. 66. 72 Die Berufsanerkennungsrichtlinie muss bis zum 20. Oktober 2007 in nationales Recht umgesetzt werden. 73 ABl. EU Nr. L 255 v. 30.9.2005, S. 22 ff. 74 In diesem Sinne auch Randelzhofer in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Art. 39 Rn. 13 sowie Bleckmann, WiVerw 1987, 119, 130, die sich gegen die Anwendbarkeit des Art. 39 EGV für leitende Angestellte aussprechen. 75 BAGE 11, 225 = BAG NJW 1961, 2085.

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III. Merkmal der Entgeltlichkeit Gem. Art. 50 Abs. 1 EGV muss die Tätigkeit, um als Dienstleistung zu gelten, im Regelfall gegen Entgelt erbracht werden, mit anderen Worten „einen Teil des Wirtschaftslebens ausmachen“77. Dabei muss das Entgelt die wirtschaftliche Gegenleistung für die ursprüngliche Leistung darstellen. Da es nur auf eine regelmäßige Entgeltlichkeit ankommt, ist es unschädlich, wenn im Einzelfall einmal kein Honorar gezahlt wird. Sowohl bei ärztlichen als auch nichtärztlichen Versorgungsleistungen handelt es sich um Leistungen, die dem Erwerbszweck des Arztes/Krankenhausträgers dienen und durch welche dieser am wirtschaftlichen Leben teilnimmt.78 Daran ändert sich auch nichts dadurch, dass dem Arzt bzw. Krankenhausträger als dem Erbringer der ärztlichen Leistung nicht ein privatzahlender Patient, sondern wie beim Sachleistungsprinzip ein Sozialversicherungsträger gegenübersteht, der die Bezahlung der Leistung unmittelbar übernimmt. Zwar wird die Gegenleistung regelmäßig von demjenigen erbracht, der die Leistung unmittelbar in Anspruch nimmt, jedoch ist dies nicht zwingend.79 Denn für den Arzt/Krankenhausträger als Leistungserbringer erfolgt die Tätigkeit dann ebenso in jedem Falle entgeltlich, ganz gleich, wer die Gegenleistung letztendlich trägt.80 Zwar besteht in Sachleistungssystemen eine Pflicht des Arztes, die Versicherten medizinisch zu versorgen. Jedoch steht nicht diese Pflichterfüllung für den Arzt im Vordergrund, sondern vor allem auch die Sicherung des eigenen Unterhaltes durch die Erzielung von Gewinn.81 Unbeachtlich ist dabei ebenso, dass aufgrund des großen Einflusses von Sozialversicherungen in vielen Rechtssystemen freie Verhandlungen bezüglich des Preises für ärztliche Dienstleistungen meist ausgeschlossen sind, da die Preise 76 Dem steht auch nicht die Behandlung des Chefarztes als verfassungsmäßig berufenen Vertreter i. S. d. §§ 30, 31, 89 BGB entgegen, denn die Organstellung beruht gerade auf der Weisungsfreiheit des Chefarztes im medizinischen Bereich und hat in diesem Fall nichts mit der sonstigen Weisungsgebundenheit zu tun bzw. schließt eine solche nicht aus, vgl. Palandt-Heinrichs, BGB, § 31 Rn. 6. 77 St. Rspr. des EuGH, z. B. Urteil v. 5.10.1988, Rs. 196/87 (Steymann), Slg. 1988, I- 6159; Urteil v. 2.2.1989, Rs. 186/87 (Cowan), Slg. 1989, I-195. 78 Zerna, Der Export von Gesundheitsdienstleistungen, S. 149 m.w. N. 79 Vgl. EuGH, Urteil v. 12.7.2001, Rs. C-157/99 (B. S. M. Smits, verheiratete Geraets/Stichting Ziekenfonds VGZ und H. T. M. Peerbooms/Stichting CZ Groep Zorgverzekeringen), Slg. 2001, I-5473, Rn. 57; bestätigt durch EuGH, Urteil v. 13.5.2003, Rs. C-385/99 (V. G. Müller-Fauré/Onderlinge Waarborgmaatschappij OZ Zorgverzekeringen UA u. E. E. M. van Riet/Onderlinge Waarborgmaatschij ZAO Zorgverzekeringen), Slg. 2003, I-4509, Rn. 39 und 103; so auch schon EuGH, Urteil v. 26.4.1988, Rs. 352/85 (Bond van Adverteerdes u. a. gegen Niederländischen Staat), Slg. 1988, I2085, Rn. 16; Stumpf, in: Dauses, Handbuch des EU-Wirtschaftrechts – Band 1, E. II Rn. 28. 80 Vgl. EuGH, Urteil v. 12.7.2001, Rs. C-157/99 (Smits/Peerbooms), Slg. 2001, I5473, Rn. 58. 81 Näher zur Ausgestaltung der Honorierung der Ärzte in nach dem Sachleistungsprinzip ausgestalteten Systemen Zerna, S. 149 ff.

IV. Erscheinungsformen der Dienstleistungsfreiheit

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überwiegend durch Regelungen festgelegt sind. Die primär wirtschaftliche Ausrichtung der ärztlichen Tätigkeit ist damit ebenfalls gegeben.

IV. Erscheinungsformen der Dienstleistungsfreiheit Da laut Rechtsprechung des EuGH die „Vertragsbestimmungen über den freien Dienstleistungsverkehr nicht auf Betätigungen anwendbar [sind], deren wesentliche Elemente sämtlich nicht über die Grenzen eines Mitgliedstaates hinausweisen“82, bedarf es zudem einer innergemeinschaftlichen Grenzüberschreitung hinsichtlich der Leistungserbringung. Auch wenn die unterschiedliche Gebietsansässigkeit/Niederlassung von Erbringer und Empfänger der Dienstleistung der Regelfall ist, so ist der Anwendungsbereich der Art. 49 ff. EGV auch dann eröffnet, wenn beide Parteien in demselben Mitgliedstaat niedergelassen sind und nur die Dienstleistung in einem anderen Mitgliedstaat als dem der gemeinsamen Niederlassung erbracht wird.83 Um jedoch auch hier eine Abgrenzung zu Inlandssachverhalten vornehmen zu können, ist in diesen Fällen der Dienstleistungserbringer bzw. -empfänger nicht berechtigt, gegenüber dem gemeinsamen Ansässigkeitsstaat Rechte aus der Dienstleistungsfreiheit abzuleiten.84 Je nach Art des grenzüberschreitenden Elements unterscheiden Rechtsprechung und Literatur drei verschiedene Erscheinungsformen der Dienstleistungsfreiheit, ohne dass es jedoch auf eine strikte Einordnung im Einzelfall ankommt85:

82 Vgl. EuGH, Urteil v. 18.3.1980, Rs. 52/79 (Debauve), Slg. 1980, 833, Rn. 9 sowie Urteil v. 23.4.1991, Rs. C-41/90 (Höfner und Elsner), Slg. 1991, I-1979, Rn. 37. 83 Vgl. die sog. Fremdenführerfälle: EuGH, Urteil v. 26.2.1991, Rs. C-154/89 (Kommission/Frankreich), Slg. 1991, I-659; EuGH, Urteil v. 26.2.1991, Rs. C-180/89 (Kommission/Italien), Slg. 1991, I-709; EuGH, Urteil v. 26.2.1991, Rs. C-198/89 (Kommission/Griechenland), Slg. 1991, I-727; EuGH, Urteil v. 5.6.1997, Rs. C- 398/ 95 (Syndesmos), Slg. 1997, I-3091; vgl. dazu ausführlich: Schmid, Freier Dienstleistungsverkehr und Recht des unlauteren Wettbewerbs, dargestellt am Beispiel der Telefonwerbung, S. 210 ff. m.w. N.; Rolshoven, „Beschränkungen“ des freien Dienstleistungsverkehrs, S. 74 ff.; Tiedje/Troberg, in: von der Groeben/Schwarze, EUV/EGV, Art. 49 Rn. 16 ff.; Schöne, Dienstleistungsfreiheit in der EG und deutsche Wirtschaftsaufsicht, S. 74 ff.; Randelzhofer/Forsthoff, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Art. 49/50 Rn. 45 ff.; Hakenberg, in: Lenz/Borchardt, EUV/EGV, Art. 49/50 Rn. 5. 84 Randelzhofer/Forsthoff, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Art. 49/50 Rn. 48. 85 Hakenberg, in: Lenz/Borchardt, EUV/EGV, Art. 49/50 Rn. 15 f.; Hailbronner, in: Hailbronner/Klein/Magiera/Müller-Graff, HandK EUV/EGV, Art. 59, 60 Rn. 5 ff.; McDonald, Die Auslegung der Dienstleistungsfreiheit im post-industriellen Europa, S. 20 f.; Rosenboom, Das Herkunftslandprinzip im europäischen Dienstleistungsrecht, S. 5 ff.

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§ 1 Freiheit des Dienstleistungsverkehrs und ärztliche Berufsausübung

1. Aktive Dienstleistungsfreiheit bzw. Dienstleistungserbringungsfreiheit Bei der aktiven Dienstleistungsfreiheit handelt es sich um die klassische, in Art. 50 Abs. 3 EGV explizit angeführte Kategorie. Hier begibt sich der in einem Mitgliedstaat niedergelassene Leistungserbringer86 selbst grenzüberschreitend zum Empfänger der Dienstleistung, um diese anzubieten bzw. zu erbringen. Bezogen auf die ärztliche Berufsausübung umfasst die Fallgruppe also die Behandlung eines Patienten durch einen im EU-Ausland niedergelassenen Arzt. Unerheblich ist dabei, wie schon erwähnt, ob Erbringer und Empfänger der Dienstleistung in unterschiedlichen Mitgliedstaaten niedergelassen sind.87 2. Passive Dienstleistungsfreiheit bzw. Dienstleistungsempfangsfreiheit Diese vom Wortlaut der Art. 49, 50 EGV nicht ausdrücklich erfasste Fallgruppe wurde nach langer wissenschaftlicher Diskussion88 erstmals im Jahre 1984 mit dem Urteil „Luisi und Carbone“89 anerkannt, in welchem der EuGH feststellte, dass „der freie Dienstleistungsverkehr die Freiheit der Leistungsempfänger einschließt, sich zur Inanspruchnahme einer Dienstleistung in einen anderen Mitgliedstaat zu begeben, ohne durch Beschränkungen (. . .) daran gehindert zu werden, und dass (. . .) Personen, die eine medizinische Behandlung in Anspruch nehmen (. . .) als Empfänger von Dienstleistungen anzusehen sind“.90

86 Die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats (vgl. Art. 49 Abs. 1 EGV: „. . . für Angehörige der Mitgliedstaaten, die in einem anderen Staat der Gemeinschaft als demjenigen des Leistungsempfängers ansässig sind“) wird vorausgesetzt. 87 Vgl. EuGH, Urteil v. 5.6.1997, Rs. C-398/95 (SETTG), Slg. 1997, 3091, Rn. 8. 88 Vgl. dazu Völker, Passive Dienstleistungsfreiheit in der Europäischen Gemeinschaft, S. 62 ff.; Reindl, Negative Dienstleistungsfreiheit im EWG-Vertrag. 89 EuGH, Urteil v. 31.1.1984, verb. Rs. 286/82 und 26/83 (Luisi und Carbone), Slg. 1984, 377, Rn. 16, bestätigt durch EuGH, Urteil v. 2.2.1989, Rs. 168/87 (Cowan), Slg. 1989, 195, Rn. 17 sowie EuGH, Urteil v. 26.10.1999, Rs. C-294/97 (Eurowings Luftverkehr), Slg. 1999, I-7447, Rn. 33 f.; EuGH, Urteil v. 28.4.1998, Rs. C-158/96 (Kohll/Union des caisses de maladie), Slg. 1998, I-1931, Rn. 35; EuGH, Urteil v. 12.7.2001, Rs. C-157/99 (Smits/Peerbooms), Slg. 2001, I-5473, Rn. 69; EuGH, Urteil v. 6.11.2003, Rs. C-243/01 (Piergiorgio Gambelli u. a.), Slg. 2003, I- 13013 Rn. 55. 90 EuGH, Urteil v. 31.1.1984, verb. Rs. 286/82 und 26/83 (Luisi und Carbone), Slg. 1984, 377, Rn. 16; gleichzeitig ist aber von dieser Fallgruppe auch die Inanspruchnahme von Dienstleistungen im Heimatstaat des Empfängers, welche durch einen in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Dienstleistungserbringer erbracht werden, erfasst, wobei diese Konstellation zugleich einen Fall der Dienstleistungserbringungsfreiheit darstellt, vgl. Kluth, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 49, 50 Rn. 27 mit Verweis auf Roth, in: Dauses, Handbuch des EU-Wirtschaftrechts – Band 1, E. I Rn. 109 (in nunmehr neuer Bearbeitung Rn. 145); ebenso Roth, in: RabelsZ 55 (1991), 623, 657.

IV. Erscheinungsformen der Dienstleistungsfreiheit

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Für den Fall der ärztlichen Berufsausübung heißt das, der Patient sucht den Arzt grenzüberschreitend an seinem Niederlassungsort oder Ort seiner Berufsausübung auf. Nehmen Patienten im Ausland die medizinischen Leistungen eines Krankenhauses in Anspruch, ist jedoch nicht der dort angestellte Arzt, sondern der Krankenhausträger passiver Dienstleistungserbringer i. S. d. Art. 49 f. EGV.91 3. Korrespondenzdienstleistungen Im Unterschied zu den vorgenannten Fallgruppen überschreitet in der dritten Grundform92 lediglich die Dienstleistung als solche die Grenze, Dienstleistender und Dienstleistungsempfänger jedoch verbleiben in ihren jeweiligen Mitgliedstaaten (kommunikative Dienstleistung). Dass derartige Korrespondenzdienstleistungen ebenfalls in den Anwendungsbereich der Dienstleistungsfreiheit fallen, stellte der EuGH erstmals im Jahre 197493 fest, gefolgt von zwei Urteilen aus den Jahren 199494 und 199595. Während im Rahmen der aktiven Dienstleistungsfreiheit die Dienstleistungserbringer und im Rahmen der passiven Dienstleistungsfreiheit die Dienstleistungsempfänger geschützt sind, können sich nach richtiger Ansicht96 hierauf sowohl Leistungserbringer als auch -empfänger berufen. Zu denken ist im medizinischen Bereich z. B. an den grenzüberschreitenden Austausch ärztlicher Leistungen wie Laborbefunde, Ergebnisse pathologischer Untersuchungen und dergleichen. Von besonderer Bedeutung ist dieses Gebiet für Ärzte aber mit Blick auf die sich rasant entwickelnde Telemedizin. Hierunter versteht man den Einsatz bzw. den Gebrauch von Kommunikations- und Informationstechnologien, um Gesundheitsdienstleistungen zu erbringen oder zu unterstützen, wenn die Teilnehmer sich an verschiedenen Orten befinden und damit räumlich getrennt sind.97 Diese ermöglicht es zunehmend, Ortsbewegun91

Vgl. auch Rolshoven, „Beschränkungen“ des freien Dienstleistungsverkehrs, S. 93. Vgl. Oppermann, Europarecht, § 26 Rn. 21. 93 EuGH, Urteil v. 30.4.1974, Rs. 155/73 (Sacchi), Slg. 1974, 409 (grenzüberschreitende Ausstrahlung von Rundfunk- und Fernsehprogrammen). 94 EuGH, Urteil v. 24.3.1994, Rs. C-275/92 (Schindler), Slg. 1994, I-1039 (grenzüberschreitende Lotterie). 95 EuGH, Urteil v. 10.5.1995, Rs. C-384/93 (Alpine Investments), Slg. 1995, I-1141 (grenzüberschreitende telefonische Vermittlung von Warentermingeschäften). 96 Vgl. Zerna, Der Export von Gesundheitsdienstleistungen, S. 156; Tiedje/Troberg, in: von der Groeben/Schwarze, EUV/EGV, Art. 49 Rn. 8; Holoubek, in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 49 EGV Rn. 54; a. A. jedoch Kröck, Der Einfluss der europäischen Grundfreiheiten am Beispiel der Ärzte und Arzneimittel, S. 114, welcher im Rahmen der Ermittlung des Geschützten im Fall der Korrespondenzdienstleistungen auf die Richtung der Dienstleistungserbringung abstellt und mit der Begründung, dass aus Sicht des Leistenden es sich so darstellt, als würde er selbst die Grenze überschreiten, allein diesen als geschützt ansieht. 97 Dierks, in: Dierks/Feussner/Wienke, Rechtsfragen der Telemedizin, S. 1, 3 m.w. N.; Bohle, in: Dierks/Feussner/Wienke, Rechtsfragen der Telemedizin, S. 83 92

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gen von Leistungserbringer und -empfänger zu vermeiden und durch den bloßen Austausch von Daten zu ersetzen. Übertragen auf die europäische Dimension heißt das, Arzt und Patient können jeweils in ihrem Mitgliedsstaat verbleiben und nur die Gesundheitsleistung selbst überschreitet die Grenze (Grundsatz: „Move the information, not the patient.“98). Gerade aus diesem gezielten Zusammenwirken mehrerer Beteiligter, meist in horizontaler Arbeitsteilung ohne räumliche Koinzidenz kann sich eine Reihe von Problemen ergeben. So kann es vorkommen, dass sich Rechtskreise überschneiden und damit Gesetze, Richtlinien und sonstige Vorschriften kollidieren oder nicht von vornherein offensichtliche Regelungsdichten oder -freiräume entstehen.99 Schwerpunktmäßig betrifft dies vor allem die grenzüberschreitende diagnostische Untersuchung (Telediagnostik) und die damit zusammenhängende Konsultierung eines oder mehrerer Kollegen (Telekonsil bzw. Telekonferenz) sowie die computergesteuerten FernOperationen mit Robotern unter Einbeziehung der „virtual reality“ (Teletherapie, speziell die Telechirurgie).100 Aber auch Internetportale zur grenzüberschreitenden medizinischen Online-Beratung sind längst virtuelle Realität.101 Hier erfolgt der Arztbesuch per Mausklick. Haftungsrechtlich besonders relevant ist dabei die individuelle therapeutische Teleberatung durch interaktive Gesundheitsportale bzw. „Cyberdocs“, bei welcher sich die medizinische Information auf einen konkreten Krankheitsfall bezieht, während die allgemeine Informationsvermittlung102 keine „Behandlung“ im haftungsrechtlichen Sinne darstellt und damit keine nennenswerte arzthaftungsrechtliche Relevanz besitzt.103 Neben der Teleberatung über das Internet ist zudem an eine medizinische Telefonberatung durch Medical Call Center bzw. Notdienstzentralen zu denken.104

m.w. N.; Field, Potential of Telemedicine, A Guide to Assessing Telecommunications for Health Care, S. 1: „Telemedicine is the use of information and telecommunication technologies to provide and support healthcare when distance seperates the participants.“ 98 Dierks, Wer bestimmt den Standard der Behandlung, Ärzte Zeitung, 26.07.2000. 99 Dierks, Vorwort zu: Dierks/Feussner/Wienke, Rechtsfragen der Telemedizin, S. V; näher dazu unter § 3. 100 Vgl. Dierks, in: Dierks/Feussner/Wienke, Rechtsfragen der Telemedizin, S. 1, 7 f.; die Telemedizin bildet ein Teilgebiet der (Gesundheits-)Telematik; letztere ist die Schnittmenge von Telekommunikation und Informatik und steht für die Gesamtheit telematischer Anwendungen im Gesundheitswesen; dazu näher Dietel/Hufnagl, ZaeFQ 2001, 596 ff. 101 Vgl. dazu Tillmanns, Die persönliche Leistungserbringungspflicht im Arztrecht und die Telemedizin, S. 34. 102 Vgl. www.netdoktor.de; www.netdoctor.com; www.sanvartis.de (ehemals www. gesundheitsscout24.de); www.lifeline.de. 103 Vgl. Tillmanns, S. 34 ff. 104 Vgl. Beck, Medical Call Center und medizinische Beratung im Internet; Tillmanns, S. 44 ff.

V. Personaler Anwendungsbereich

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V. Personaler Anwendungsbereich Je nach Erbringungsform der grenzüberschreitenden Dienstleistung können sich damit entweder der Leistungserbringer oder der Leistungsempfänger oder auch, wie in der zuletzt erörterten Konstellation, beide Parteien zu dem Kreis der aus der Dienstleistungsfreiheit Berechtigten zählen. Fraglich ist, ob in allen drei Konstellationen beide Parteien sowohl die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates als auch eine entsprechende Ansässigkeit im Gemeinschaftsgebiet besitzen müssen, um sich auf die Freiheit aus Art. 49 EGV berufen zu können. Dieser Fall kann zumindest als unstreitiger Idealfall bezeichnet werden. Im Übrigen wird innerhalb der genannten Fallgruppen hinsichtlich der personalen Voraussetzungen danach unterschieden, wer sich jeweils auf die Dienstleistungsfreiheit beruft. 1. Voraussetzungen im Rahmen der aktiven Dienstleistungsfreiheit Nach Art. 49 Abs. 1 EGV gilt die Dienstleistungsfreiheit „. . . für Angehörige der Mitgliedstaaten, die in einem anderen Staat der Gemeinschaft als demjenigen des Leistungsempfängers ansässig sind“. Aus dieser Norm geht zunächst hervor, dass der Dienstleistungserbringer nur dann Begünstigter der Vorschrift sein kann, wenn er Angehöriger eines Mitgliedstaates ist und seine Tätigkeit auch innerhalb der Gemeinschaft ausübt, also in dieser ansässig ist, wobei für den Grundfall der aktiven Dienstleistungsfreiheit die vom Dienstleistungsempfänger abweichende Ansässigkeit typisch ist. Hinsichtlich des Leistungsempfängers ist man sich weitgehend einig, dass dieser in Fällen der aktiven Dienstleistungsfreiheit auch Drittstaatsangehöriger sein kann105, wobei jedoch nach richtiger Ansicht eine Ansässigkeit des Leistungsempfängers in einem Mitgliedstaat erforderlich ist, da ansonsten kein binnenmarktgrenzüberschreitender Sachverhalt vorliegen würde106. Im Übrigen deutet auch der Wortlaut des Art. 49 Abs. 1 EGV („. . . in einem anderen Staat der Gemeinschaft als demjenigen des Leistungsempfängers ansässig sind“) auf dieses Ansässigkeitserfordernis des Leistungsempfängers neben dem des Diensterbringers hin. Ein deutscher Arzt kann sich also auf Art. 49 Abs. 1 EGV be105 Rosenboom, Das Herkunftslandprinzip im europäischen Dienstleistungsrecht, S. 19; Roth, in: Dauses, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts – Band 1, E. I Rn. 155; Völker, Passive Dienstleistungsfreiheit im Europäischen Gemeinschaftsrecht, S. 197; Rolshoven, „Beschränkungen“ des freien Dienstleistungsverkehrs, S. 103 f. m.w. N. 106 Kluth, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 49, 50 Rn. 35; Roth, in: Dauses, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts – Band 1, E. I Rn. 155; Randelzhofer/Forsthoff, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Art. 49/50 Rn. 18; a. A. Völker, S. 198; Rolshoven, S. 104 f., welche unter einen „anderen Staat“ i. S. d. Art. 49 Abs. 1 EGV in personaler Hinsicht auch Drittstaaten fassen wollen.

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rufen, wenn er in Österreich einen dort ansässigen Schweizer Staatsbürger behandelt. Ist der Schweizer Staatsbürger auch in der Schweiz wohnhaft (= ansässig) und findet allein die Behandlung in Österreich statt, findet Art. 49 Abs. 1 EGV nach vorzugswürdiger Ansicht keine Anwendung.107 Wird jedoch ein in Österreich ansässiger, österreichischer oder Schweizer Staatsangehöriger in der Schweiz durch einen deutschen Arzt behandelt, ist zweifelhaft, ob sich der Arzt auch dann auf Art. 49 Abs. 1 EGV berufen kann. Dieser den räumlichen Anwendungsbereich der Art. 49 ff. EGV betreffende Fall ist noch nicht eindeutig durch die Rechtsprechung geklärt. Randelzhofer und Forsthoff vertreten die Ansicht, dass in den drei Konstellationen aktive Dienstleistungsfreiheit, passive Dienstleistungsfreiheit und Korrespondenzdienstleistungsfreiheit der räumliche Anwendungsbereich auch dann eröffnet ist, wenn der Dienstleistungsaustausch in einem Drittland erfolgt, sofern die zuvor genannten personalen Voraussetzungen vorliegen.108 Dies erscheint jedoch problematisch, wenn man bedenkt, dass auf Beschränkungen, die von der Schweiz als Tätigkeitsstaat (aber nicht verpflichteter Staat hinsichtlich der Grundfreiheiten) ausgehen (Importbeschränkungen), die Art. 49 ff. mangels räumlicher Geltung ohnehin nicht anwendbar sind, so dass lediglich Exportbeschränkungen durch hoheitliches Handeln des Herkunftslandes des Dienstleistungserbringers in Betracht kommen würden. Ob der Dienstleistungserbringer im Falle der Leistungserbringung in einem Drittstaat hinsichtlich derartiger Beschränkungen schutzwürdig ist, ist zweifelhaft. Gleiches gilt mit umgekehrten Vorzeichen hinsichtlich Beschränkungen der Dienstleistungsempfangsfreiheit durch den Herkunftsstaat des Leistungsempfängers (Patienten). Zudem spricht der Wortlaut „. . . innerhalb der Gemeinschaft . . .“ in Art. 49 Abs. 1 EGV dafür, dass in allen Fallkonstellationen die Dienstleistungserbringung innerhalb der Gemeinschaft als Grundvoraussetzung zu sehen ist. Hält man sich zudem die produktbezogene Ausrichtung der Dienstleistungsfreiheit ähnlich dem freien Warenverkehr vor Augen, so wird klar, dass auch im Rahmen dieser Grundfreiheit das relevante Schutzgut die freie Zirkulation des Erzeugnisses „Dienstleistung“ innerhalb der Gemeinschaft sein muss.109 Eine Eröffnung des räumlichen Anwendungsbereichs im Falle des Dienstleistungsaustauschs im Drittland ginge damit, auch bei Vorliegen der per-

107 Gleiches gilt natürlich erst recht dann, wenn auch die Behandlung in der Schweiz stattfindet (fehlender räumlicher Anwendungsbereich). 108 Vgl. Randelzhofer/Forsthoff, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Art. 49/50 Rn. 12; in der vierten Konstellation, bei welcher sich das grenzüberschreitende Element darauf beschränkt, dass die Dienstleistung in einem Mitgliedstaat erbracht wird, in dem Dienstleistungserbringer und -empfänger nicht ansässig sind, ist im Falle des Dienstleistungsaustauschs in einem Drittstaat der räumliche Anwendungsbereich jedoch auch nach dieser Ansicht nicht eröffnet. 109 In diese Richtung wohl auch Tiedje/Troberg, in: von der Groeben/Schwarze, EUV/EGV, Art. 49 Rn. 2, 17.

V. Personaler Anwendungsbereich

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sonalen Voraussetzungen im Übrigen, hinsichtlich des Schutzwecks der Grundfreiheiten zu weit. 2. Voraussetzungen im Rahmen der passiven Dienstleistungsfreiheit Da im Rahmen der passiven Dienstleistungsfreiheit der Leistungsempfänger Begünstigter der Grundfreiheit ist, muss dieser – wie der Leistungserbringer im Rahmen der aktiven Dienstleistungsfreiheit – die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates besitzen.110 Zwar sagt der Art. 49 Abs. 1 EGV selbst nichts über die Frage der Staatsangehörigkeit des Empfängers der Dienstleistung aus. Jedoch ist man sich einig, dass eine Berufung auf die Freiheit des Art. 49 EGBGB sowohl aktiv als Erbringer als auch passiv als Empfänger der Dienstleistung nur den Angehörigen der Mitgliedstaaten vorbehalten ist.111 Auch hinsichtlich der Ansässigkeit gilt das im Rahmen der aktiven Dienstleistungsfreiheit für den Dienstleistungserbringer Gesagte.112 Fraglich ist, wie die personalen Anforderungen an den Dienstleistungserbringer in dieser Konstellation ausgestaltet sind. Einig ist man sich darin, dass er unabhängig von der Erscheinungsform des Dienstleistungsverkehrs stets innerhalb der Gemeinschaft ansässig sein muss, da sich dies eindeutig aus dem Wortlaut des Art. 49 Abs. 1 EGV ergibt.113 Jedoch kann dies nicht das entscheidende Argument sein, da der Wortlaut der Art. 49 Abs. 1 EGV vornehmlich auf den Fall der aktiven Dienstleistungsfreiheit zugeschnitten ist. Vielmehr ist entscheidend, dass die Anwendung der Art. 49 ff. EGV ansonsten wiederum, wie auch im Rahmen der aktiven Dienstleistungsfreiheit, am fehlenden binnenmarktgrenzüberschreitenden Sachverhalt scheitert. Der deutsche Patient, welcher einen in der Schweiz ansässigen Arzt aufsucht, kann sich also nicht auf 110 Völker, S. 197; Hakenberg, in: Lenz/Borchardt, EUV/EGV, Art. 49/50 Rn. 2, 5; Rolshoven, S. 105; Randelzhofer/Forsthoff, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Art. 49/50 Rn. 15; Hailbronner, in: Hailbronner/Klein/Magiera/Müller-Graff, HandK EUV/EGV, Art. 59, 60 Rn. 21; Wetzel, Die Dienstleistungsfreiheit nach den Artikeln 59–66 des EWG-Vertrages, S. 161; Holoubek, in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 49 EGV Rn. 31. 111 Angehörigen von Drittstaaten ist dies nur möglich, wenn der Rat von der in Art. 49 Abs. 2 EGV festgeschriebenen Möglichkeit Gebrauch macht, durch Beschluss die Anwendbarkeit auf Angehörige von Drittstaaten zu erweitern (bisher niemals angewandt), vgl. dazu Rolshoven, S. 108 f.; Hakenberg, in: Lenz/Borchardt, EUV/EGV, Art. 49/50 Rn. 3; zum bisherigen Werdegang des interinstitutionellen Verfahrens hinsichtlich des Entwurfs der Kommission für eine Richtlinie, welche die Dienstleistungsfreiheit auf in der Gemeinschaft ansässige EU-Ausländer erstrecken soll (ABl. 1999 C 67/17), vgl. unter http://ec.europa.eu/prelex/detail_dossier_real.cfm?CL=de&DosId= 142183. 112 Vgl. Fn. 106; Rolshoven, S. 106 und Völker, S. 198 sprechen sich auch in dieser Konstellation dafür aus, dass der Dienstleistungsempfänger als Berechtigter nicht innerhalb der Gemeinschaft ansässig sein muss. 113 Rolshoven, S. 107.

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§ 1 Freiheit des Dienstleistungsverkehrs und ärztliche Berufsausübung

seine passive Dienstleistungsfreiheit berufen, ganz gleich, ob die Behandlung am Niederlassungsort des Arztes (Schweiz)114 oder innerhalb der Gemeinschaft stattfindet. Strittig ist jedoch, ob es auch in den Fällen der passiven Dienstleistungsfreiheit darauf ankommt, dass der Dienstleistungserbringer Angehöriger eines Mitgliedstaates ist. Das Augenmerk richtet sich mithin auf die Fälle, in denen sich der deutsche Patient nach Österreich begibt, um sich von einem dort ansässigen türkischen oder Schweizer Arzt behandeln zu lassen. Nach einer Ansicht kann sich auch hier der Dienstnehmer auf seine passive Dienstleistungsfreiheit berufen, denn Angehörige von Drittstaaten sollen nicht nur dann Angehörigen eines Mitgliedstaates zur Berufung auf die Art. 49 ff. EGV verhelfen können, wenn sie diesen gegenüber als Empfänger einer Leistung dienen (wie unter 1.), sondern auch dann, wenn sie ihrerseits die Leistung an in einem Mitgliedstaat ansässigen und gleichzeitig die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates aufweisenden Dienstleistungsempfänger erbringen.115 Auch hier soll die über die Ansässigkeit des Geschäftspartners begründete Zurechnung zu einem Mitgliedstaat ausreichen. Ein anderer Teil der Literatur hält es auch in den Fällen der passiven Dienstleistungsfreiheit nicht für gerechtfertigt, den Anwendungsbereich des Art. 49 EGV auf Dienstleistungserbringer aus Drittstaaten zu erweitern.116 Diese Ansicht beruft sich hauptsächlich auf den Wortlaut des Art. 49 Abs. 1 EGV, welcher die Angehörigkeit des Leistungserbringers zu einem Mitgliedstaat eindeutig voraussetze, sowie auf die Regelung des Art. 49 Abs. 2 EGV, wonach für eine Erstreckung der Dienstleistungsfreiheit auf Drittstaater ein Ratsbeschluss erforderlich ist. Jedoch ist zu berücksichtigen, dass man bei der Konzeption der Norm des Art. 49 EGV von der Dienstleistungserbringungsfreiheit als dem Leitbild der Dienstleistungsfreiheit ausging, ohne hierbei die nunmehr ausdrücklich anerkannte Dienstleistungsempfangsfreiheit mit zu berücksichtigen. Das Verhaften am Wortlaut der Norm ist damit nicht mehr zeitgemäß. Zudem ist nicht nachzuvollziehen, warum hinsichtlich der personalen Voraussetzungen des Vertragspartners des je nach Erbringungsform unmittelbar Berechtigten Unterschiede gemacht werden sollten. Denn die Vertreter der Ansicht, die eine Staatsangehörigkeit des Dienstleistungserbringers auch im Rahmen der passiven Dienstleistungsfreiheit fordern, gehen im Rahmen der aktiven 114 Hier fehlt es neben den personalen Anforderungen, wie bereits unter V. 1. a. E. erörtert, auch an den Voraussetzungen hinsichtlich des räumlichen Anwendungsbereichs. 115 Holoubek, in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 49 EGV Rn. 32; Rosenboom, Das Herkunftslandprinzip im europäischen Dienstleistungsrecht, S. 19 f.; Völker, S. 198, 221; Randelzhofer/Forsthoff, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Art. 49/50 Rn. 17. 116 Rolshoven, S. 106 f.; ebenso Roth, in: Dauses, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts – Band 1, E. I Rn. 154 (was sich jedoch vermutlich damit erklären lässt, dass Roth in seiner Argumentation den Blick nicht auf den speziellen Fall der passiven Dienstleistungsfreiheit gerichtet hat).

V. Personaler Anwendungsbereich

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Dienstleistungsfreiheit mit der allgemeinen Ansicht davon aus, dass man dem Leistungserbringer die Geltung der Art. 49 ff. EGV nicht wegen des zufälligen Umstandes versagen darf, dass es sich bei seinem Vertragspartner (dem Leistungsempfänger) um einen Drittstaater handelt, sofern dieser innerhalb der Gemeinschaft ansässig ist. Die Gleichbehandlung von Dienstleistungserbringer und -empfänger gebietet es, auch im Rahmen der passiven Dienstleistungsfreiheit eine Berufung auf die aus den Art. 49 ff. EGV fließenden Rechte nicht davon abhängig zu machen, dass der Vertragspartner Angehöriger eines Mitgliedstaates ist. Wie sich der deutsche Arzt (unter 1.) bei der Behandlung eines in Österreich ansässigen Schweizers auf Art. 49 EGV berufen kann, muss dies entsprechend auch im umgekehrten Fall gelten, wenn sich also ein deutscher Patient zur Behandlung nach Österreich zu einem dort ansässigen Schweizer Arzt begibt. 3. Voraussetzungen im Rahmen der Korrespondenzdienstleistungsfreiheit Da nach vorzugswürdiger Ansicht117 im Rahmen der Korrespondenzdienstleistungsfreiheit nicht nur der Leistungserbringer, sondern auch der Dienstleistungsempfänger zum Kreis der aus der Grundfreiheit Berechtigten gehört, sind die unter 1. und 2. gefundenen Ergebnisse an dieser Stelle zu kombinieren. In den zwei erörterten Konstellationen wurde festgestellt, dass derjenige, welcher Rechte aus Art. 49 EGV herleiten möchte, sowohl dem Staatsangehörigkeitsals auch dem Ansässigkeitserfordernis genügen muss, während der jeweilige Vertragspartner lediglich in der Gemeinschaft ansässig sein muss. Je nachdem, ob im entsprechenden Sachverhalt der Telemediziner oder der telemedizinisch behandelte Patient die aus der Dienstleistungsfreiheit fließenden Rechte geltend machen will, kommen die personalen Voraussetzungen zu 1. bzw. zu 2. zur Anwendung.118

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Vgl. Fn. 96. A. A. Rolshoven, S. 103 f., 108, welcher die Korrespondenzdienstleistungsfreiheit mit der aktiven Dienstleistungsfreiheit gleichstellt, folglich wohl auch nur den Dienstleistungserbringer als Berechtigten ansieht. 118

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§ 1 Freiheit des Dienstleistungsverkehrs und ärztliche Berufsausübung

VI. Tatsächliche und zu erwartende Entwicklung der Inanspruchnahme der Freiheit des Dienstleistungsverkehrs im medizinischen Bereich 1. Auswirkungen der Rechtsprechung des EuGH in den Rechtssachen „Kohll“ und „Decker“ sowie „Müller-Fauré“ und „van Riet“ a) Ausgangslage für den grenzüberschreitenden Patientenverkehr vor „Kohll“ und „Decker“ bzw. „Müller-Fauré“ und „van Riet“ – bisher geltendes Territorialitätsprinzip119 Bislang waren die Gesundheitssysteme der Mitgliedstaaten weitgehend nationalstaatlich orientiert und damit ein Ausnahmebereich im freiheitlich orientierten Binnenmarkt. Man ging davon aus, die Gesundheitspolitik vom Prozess der europäischen Integration ausnehmen zu müssen, um „Bedrohungen zu vermeiden, die mit den Schlagworten „unkontrollierbares Ausufern der Nachfrage“ oder „Zusammenbruch bestehender Versorgungsstrukturen“ gekennzeichnet werden“120. Dieses Territorialitätsprinzip hatte zum Inhalt, dass Patienten lediglich einen Anspruch auf die üblichen medizinischen Behandlungen in ihrem Heimatland hatten und damit auf die Inanspruchnahme inländischer Leistungserbringer beschränkt waren. Verankert war dies in § 16 Abs. 1 Nr. 1 SGB V a. F., wonach bei Auslandsaufenthalten alle Ansprüche auf Leistungen aus der gesetzlichen Krankenversicherung ruhten, auch dann, wenn der Versicherte während eines vorübergehenden Aufenthaltes dort erkrankte. Nur in den Ausnahmefällen der §§ 17, 18 SGB V a. F. (Beschäftigung im Ausland – Erstattung der durch einen Arbeitgeber im Ausland erbrachten Leistungen; alleinige Möglichkeit einer dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechenden Behandlung im Ausland121; unverzügliche Erforderlichkeit der Behandlung) wurde eine Inanspruchnahme von Leistungen im EU-Ausland gestattet, aber auch dann regelmäßig nur nach einer vorherigen Genehmigung der jeweiligen Heimatkrankenkasse. Eine Genehmigungs- und Kostenerstattungspflicht der Krankenkasse bestand jedoch nur in den von Art. 18 Abs. 3 SGB V a. F. erfass119 Vgl. Münnich, RPG 1998, 127, 128; Bieback, NZS 2001, 561; Kaufmann, MedR 2003, 82, 84; Schulte, in: Jorens/Schulte, Grenzüberschreitende Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen im Gemeinsamen Markt, S. 17; weiterführend Zechel, Die territoriale Leistungserbringung der Krankenkassen im Lichte des EG-Vertrages, S. 20 ff.; Willhöft, Tenzdenzen zu einem europäischen Gesundheitsdienstemarkt. Ingerenzen des Rechts der Europäischen Union auf die Leistungserbringung in der gesetzlichen Krankenversicherung, S. 117 ff.; z. T. auch Territorialprinzip genannt, vgl. Oberender, RPG 2001, 79. 120 Oberender, RPG 2001, 79, 80. 121 Der Grund für die nicht rechtzeitig mögliche Behandlung (Kapazitätsengpässe; fehlende medizinische Einrichtungen oder Fachkenntnisse) im Inland ist nicht erheblich, vgl. Begründung, BT-Drs. 22/2237, S. 166.

VI. Entwicklung der Inanspruchnahme im medizinischen Bereich

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ten Fällen. Im Übrigen stand die Erteilung der Genehmigung im Ermessen der zuständigen Krankenkassen, wobei in der Praxis eine äußerst restriktive Handhabung zu verzeichnen war. Neben den Regelungen des nationalen Rechts konnten sich auch aus dem sekundären Gemeinschaftsrecht Ausnahmen vom Territorialitätsgrundsatz ergeben. Von besonderer Bedeutung war und ist hierbei heute noch das Koordinierungsrecht des Art. 42 EGV i.V. m. der Verordnung 1408/71/EWG122 und der zugehörigen Verordnung 542/72/EWG123 über die Durchführung der Verordnung 1408/71/EWG, welche Sonderregelungen bei vorübergehender Arbeit für einen nationalen Arbeitgeber im Ausland enthalten und damit die Mobilität/ Freizügigkeit von Wanderarbeitnehmern und Grenzgängern124 sowie deren Familienangehörigen gewährleisten bzw. erleichtern sollen, indem die von mitgliedstaatlichen Krankenversicherungssystemen der Beschäftigungsländer an Arbeitnehmer/Selbständige erbrachten Leistungen von dem Sozialversicherungssystem des Herkunftsstaates getragen werden.125 Neben Arbeitnehmern und Selbständigen fallen gem. Art. 31 VO 1408/71/EWG auch Rentner aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einem System der sozialen Sicherheit unter die Bestimmungen der Verordnung 1408/71/EWG, auch wenn bei ihnen keine Erwerbstätigkeit vorliegt, jedoch nur insoweit, als keine Sonderbestimmungen auf sie anzuwenden sind.126 Sieht man von den Sonderregelungen innerhalb der VO 1408/71/EWG und den eng gefassten Ausnahmefällen im deutschen Recht ab, war in der Vergangenheit eine ausdrückliche, zielgerichtete Anspruchnahme von Gesundheitsleistungen im Ausland nach Erkrankung im Inland nicht vorgesehen.127 Somit hatte der Versicherte die Alternative, im Sinne des § 16 Abs. 1 Nr. 1 SGB V 122 Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juli 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (ABl. EG Nr. L 149 vom 05.07.1971), zuletzt geändert durch Verordnung (EG) Nr. 1992/2006 vom 18. Dezember 2006 (ABl. EU 2006 Nr. L 392 vom 30.12.2006). 123 Verordnung (EWG) Nr. 574/72 des Rates vom 21. März 1972 über die Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit für Personen, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (ABl. EG Nr. L 74 vom 27.03.1972), zuletzt geändert durch Verordnung (EG) Nr. 311/ 2007 vom 19. März 2007 (ABl. EU 2007 Nr. L 82 vom 23.03. 2007). 124 Gemeint sind damit ausländische Versicherte, die im Versicherungsstaat versichert und im Herkunftsstaat wohnhaft sind und sowohl im Versicherungs- als auch im Herkunftsstaat ärztliche Behandlungen in Anspruch nehmen. 125 Speziell Art. 22 VO 1408/71/EWG; genauer dazu Schulte, in: Jorens/Schulte, Grenzüberschreitende Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen im Gemeinsamen Markt, S. 17 ff. 126 EuGH, Urteil v. 31.5.1979, Rs. 182/78 (Pierik), Slg. 1979, 1977, Rn. 4; in jüngster Zeit: EuGH, Urteil v. 25.5.2003, Rs. C-326/00 (Idryma Koinonkon Asfaliseon (IKA) vs. Ioannidis), Slg. 2003, I-1703, Rn. 3 ff. 127 Kaufmann, MedR 2003, 82, 84.

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a. F. auf die grenzüberschreitende Inanspruchnahme von Gesundheitsdienstleistungen zu verzichten oder die Auslandsbehandlung selbst zu finanzieren. Damit war für den Regelfall die Inanspruchnahme von Ärzten und Zahnärzten durch gesetzlich Krankenversicherte128 im EU-Ausland faktisch ausgeschlossen, jedenfalls wurden die Kosten nicht von den Krankenkassen übernommen. So ist es auch nicht verwunderlich, dass der grenzüberschreitende Patientenverkehr zwischen EU-Mitgliedstaaten bislang nur zwischen 0,3% und 0,5% der gesamten Gesundheitsausgaben der Mitgliedsländer ausmachte.129 Sein Stellenwert beschränkte sich lediglich auf den Tourismus, die Wanderarbeitnehmer und Grenzgänger bzw. Rentner.130 Zu berücksichtigen ist, dass für den nicht zu vernachlässigenden Bereich der selbstzahlenden Patienten bzw. Privatversicherten nationale Grenzen auch bisher keine Rolle gespielt haben.131 Durch diese territoriale Begrenzung auf das jeweilige Staatsgebiet konnten sich völlig verschiedene Organisations- und Finanzierungsstrukturen sowie Abrechnungs- und Honorierungssysteme entwickeln, die nun die Europäische Integration auf diesem Gebiet erheblich erschweren. Vor allem die Vereinbarkeit dieser Rechtslage mit den Vorschriften des EG-Vertrages, speziell mit den Grundfreiheiten, war Gegenstand langwieriger Kontroversen in der Rechtsprechung nicht nur der deutschen Gerichte. b) Der Umbruch – Die Urteile „Kohll“132 und „Decker“133 Mit den Urteilen zu den Fällen „Kohll“ und „Decker“ vom 28. April 1998 hat der Europäische Gerichtshof erstmals die strikte Gültigkeit des Territorialitätsprinzips als „. . . bis dahin scheinbar Selbstverständliches hinterfragt und damit traditionelle Positionen erschüttert“134. 128 90% der Bevölkerung in Deutschland sind gesetzlich krankenversichert, vgl. Becker, NZS 1998, 359, 360; Schulte, ASP 2001, 36, 40; Zerna, Der Export von Gesundheitsdienstleistungen, S. 37; Danner, KrV 2000, 152, 155. 129 Schölkopf, RPG 2001, 119; Felix, SozSich Öst 1999, 31, 33; auch in Deutschland geht man von einem Kostenanteil von etwa 0,3% für die Inanspruchnahme von Leistungen im Ausland aus, vgl. Lenz/Lampert, Pharma Recht 1999, 66, 73; Horn, SuP 2001, 666, 667; Zerna, Der Export von Gesundheitsdienstleistungen, S. 37; Lorff, ZESAR 2003, 407, 411. 130 Schaub, Grenzüberschreitende Gesundheitsversorgung in der Europäischen Union, S. 79. 131 Wagener, in: Grenzüberschreitende Behandlungsleistungen im Binnenmarkt, S. 39, 41. 132 EuGH, Urteil v. 28.4.1998, Rs. C-158/96 (Kohll/Union des caisses de maladie), Slg. 1998, I-1931 = EuGH NJW 1998, 1771 = MedR 1998, 317 = JZ 1998, 1166 = NZS 1998, 280. 133 EuGH, Urteil v. 28.4.1998, Rs. C-120/95 (Decker/Caisse de maladie des employés privés), Slg. 1998, I-1831 = EuGH NJW 1998, 1769 = MedR 1998, 317 = NZS 1998, 283.

VI. Entwicklung der Inanspruchnahme im medizinischen Bereich

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In den dem EuGH vorliegenden Fällen war fraglich, ob eine Vorschrift des Krankenversicherungsrechts Luxemburgs135 gemeinschaftsrechtskonform ist, die die Kostenerstattung für den Erwerb einer Brille bzw. die Inanspruchnahme einer kieferorthopädischen Behandlung eines in Luxemburg Versicherten von einer entsprechenden Genehmigung der Krankenkasse abhängig machte. Eine solche lag bei Herrn Decker, der sich in Belgien eine Brille gekauft hatte, und bei Herrn Kohll, der seiner mitversicherten Tochter in Deutschland eine Zahnregulierung anpassen ließ, nicht vor. Denn auch im luxemburgischen Sozialversicherungsrecht galt wie in Deutschland136 das Territorialitätsprinzip, wonach inländische Versicherte ihre Sozialleistungen grundsätzlich nur im Inland beanspruchen können. Zwar stand es dem Versicherten frei, im Ausland medizinische Erzeugnisse zu erwerben beziehungsweise medizinische Behandlungen in Anspruch zu nehmen. Für eine Kostenerstattung der Inanspruchnahme der ausländischen Leistung durch die nationale Krankenkasse nach den Tarifen des Versicherungsstaates bedurfte es jedoch eines besonderen legitimationsbedürftigen Ausnahmefalls. Erforderlich war eine vorherige Genehmigung, soweit es sich nicht um erste Hilfe im Falle eines im Ausland aufgetretenen Unfalls oder einer dort aufgetretenen Krankheit handelt. Dieses Verbot mit Erlaubnisvorbehalt wertete der EuGH als eine Beeinträchtigung für den freien Warenverkehr sowie für den Binnenmarktgrundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs. Zwar räumte der EuGH auch hier137 wie schon in vorhergehenden Entscheidungen138 ein, dass die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten zur Ausgestaltung ihrer Systeme der sozialen Sicherheit vom Gemeinschaftsrecht unberührt bleibt, so dass in Ermangelung einer Harmonisierung auf Gemeinschaftsebene bei jedem Mitgliedstaat die Befugnis verbleibt festzulegen, unter welchen Voraussetzungen zum einen ein Recht auf Anschluss an ein System der sozialen Sicherheit oder eine Verpflichtung hierzu139 sowie ein im vorliegenden Zusammenhang interessierender Anspruch auf Leistung140 besteht. Das heißt aber nicht, dass bei der Ausübung dieser Befugnisse auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit das Gemeinschaftsrecht einschließlich der einschlägigen Grundfreiheiten außer Betracht bleiben kann. Dies ergibt sich bereits aus dem Interesse an einem effektiven Schutz der Grundfreiheiten, welche auch bei nationalen Maß134 Klusen, in Vorwort zu: Tagungsprogramm der TK Landesvertretung RheinlandPfalz vom 9. Oktober 1998, S. 5. 135 Art. 60 des luxemburgischen Code des assurances sociales. 136 Vgl. § 16 Abs. 1 Nr. 1 SGB V a. F. 137 Slg. 1998, I-1831, Rn. 21 (Decker); Slg. 1998, I-1931, Rn. 17 (Kohll). 138 EuGH, Urteil v. 7.2.1984, Rs. 238/82 (Duphar), Slg. 1984, 523, Rn. 16; EuGH, Urteil v. 17.6.1997, Rs. C-70/95 (Sodemare), Slg. 1997, I-3395, Rn. 27. 139 EuGH, Urteil v. 24.4.1980, Rs. 110/79 (Coonan), Slg. 1980, 1445, Rn. 12; EuGH, Urteil v. 4.10.1991, Rs. 349/87 (Paraschi), Slg. I-1991, 4501, Rn. 15. 140 EuGH, Urteil v. 30.1.1997, Rs. C-4/95 und C-5/95 (Stöber und Piosa Pereira), Slg. 1997, I-511, Rn. 36.

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nahmen zu wahren sind, die nicht in die Zuständigkeit der Gemeinschaft fallen.141 In den genannten Fällen ging es um eine nationale Vorschrift, die den Kostenersatz im Fall der grenzüberschreitenden Behandlung oder Inanspruchnahme anderer Leistungen grundsätzlich ausschließt, was die Sozialversicherten dazu veranlasst, auf ihrem nationalen Territorium und nicht in einem anderen Mitgliedstaat medizinische Erzeugnisse zu erwerben bzw. Behandlungsleistungen medizinischer Dienstleistungserbringer in Anspruch zu nehmen. Zwar hindert die Vorschrift den Versicherten nicht daran, sich an ärztliche Dienstleistungserbringer in einem anderen Mitgliedstaat zu wenden bzw. Brillen im Ausland zu erwerben, so dass man nicht von einer unmittelbaren Behinderung des freien Waren- bzw. Dienstleistungsverkehrs ausgehen kann. Indem aber die Übernahme von Kosten, die im Versicherungsstaat bei einer Versorgung142 anfallen, im Gegensatz zu Kosten, die durch eine Behandlung im Ausland entstanden sind, keiner entsprechenden Genehmigungspflicht unterliegt, liegt eine mittelbare Behinderung der angesprochenen Grundfreiheiten vor, was hinsichtlich der Annahme einer Beschränkung sowohl des freien Waren-143 als auch des Dienstleistungsverkehrs144 ausreichend ist. Auch die Ansicht der luxemburgischen Regierung, dass die streitige nationale Regelung deshalb mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sei, weil die Regelung in Art. 22 Abs. 1 lit. c) der VO 1408/71/EWG das Problem der vorherigen Genehmigung bei der Inanspruchnahme grenzüberschreitender medizinischer Leistungen sowie das der daraus entstehenden Kosten in gleicher Art und Weise wie die nationale Regelung behandelt, erkannte der EuGH nicht als richtig an.145 Der Umstand, dass eine nationale Regelung möglicherweise einer Bestimmung des abgeleiteten Rechts entspricht, habe nicht automatisch zur Folge, dass die entsprechende Maßnahme nicht an den Bestimmungen des EGV zu messen sei.146 Abgesehen davon soll der Art. 22 Abs. 1 VO 1408/71/EWG 141

Sodan, JZ 1998, 1168, 1170 in Anmerkung zu EuGH JZ 1998, 1166 (Kohll). Bei der innerstaatlichen Inanspruchnahme von Ärzten oder Zahnärzten, die nicht zur vertragsärztlichen oder vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassen sind, besteht auch nach diesen Urteilen kein Anspruch der Versicherten auf Kostenerstattung, vgl. Wenner, SozSich 2003, 201, 206. 143 Vgl. EuGH, Urteil v. 11.7.1974, Rs. C-8/74 (Dassonville), Slg. 1974, 837, Rn. 5, wonach es darauf ankommt, ob die streitige Regelung den innergemeinschaftlichen Handelsverkehr unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell behindern kann; darauf bezugnehmend EuGH, Urteil v. 28.4.1998, Rs. C-120/95 (Decker), Slg. 1998, I-1831, Rn. 31. 144 Vgl. EuGH, Urteil v. 28.4.1998, Rs. C-158/96 (Kohll), Slg. 1998, I-1931, Rn. 33 unter Bezugnahme auf sein Urteil v. 5.10.1994, Rs. C-381/93 (Kommission/Frankreich), Slg. I-1994, 5145, Rn. 17. 145 Slg. 1998, I-1831, Rn. 26 ff. (Decker); Slg. 1998, I-1931, Rn. 22 ff. (Kohll). 146 Slg. 1998, I-1931, Rn. 25 (Kohll); Slg. 1998, I-1831, Rn. 27 (Decker). 142

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dem Versicherten, der vom zuständigen Träger die Genehmigung zu einer seinem Zustand angemessenen Behandlung in einem anderen Mitgliedstaat erhalten hat, insbesondere dann erlauben, ohne zusätzliche Kosten Sachleistungen für Rechnung des zuständigen Trägers nach den Rechtsvorschriften des Staates zu erhalten, in dem die Leistungen erbracht werden, wenn dies wegen seines Gesundheitszustandes erforderlich ist. Geregelt werde bei zweckgerichteter Auslegung aber nicht die Erstattung der Kosten für eine in einem anderen Mitgliedstaat ohne vorherige Genehmigung erbrachte Behandlung zu den Sätzen, die im Versicherungsstaat gelten, so dass diese Vorschrift die Mitgliedstaaten nicht an einer solchen Erstattung hindere.147 Art. 22 VO 1408/71/EWG treffe daher keine Regelung im Hinblick auf die Konstellation der dem EuGH vorliegenden Fälle. Im Rahmen der Rechtfertigung des strittigen Genehmigungsvorbehalts verneint der EuGH alle drei in Betracht gezogenen Rechtfertigungsargumente.148 Zum einen sei aufgrund der bisherigen Harmonisierung auf dem Gebiet der medizinischen Berufe149 und Erzeugnisse150 durch Koordinierungs- und Harmonisierungsrichtlinien nicht davon auszugehen, dass eine Gefährdung der öffentlichen Gesundheit i. S. v. Art. 36 EGV a. F. (Art. 30 EGV n. F.) bzw. Art. 66 EGV a. F. (Art. 55 EGV n. F.) i.V. m. Art. 56 EGV a. F. (Art. 46 EGV n. F.) durch eine Behandlung im EU-Ausland besteht.151 Es wird vielmehr aus norma-

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Slg. 1998, I-1831, Rn. 28 f. (Decker); Slg. 1998, I-1931, Rn. 26 f. (Kohll). Ausführlich zu den drei Rechtfertigungsargumenten Eichenhofer, in: Grenzüberschreitende Behandlungsleistungen im Binnenmarkt, S. 1, 10 ff. 149 Bedingungen des Zugangs und der Ausübung der Tätigkeit des Arztes und des Zahnarztes sind Gegenstand mehrerer Koordinations- und Harmonisierungsrichtlinien: Richtlinie 78/686/EWG des Rates vom 25.7.1978 für die gegenseitige Anerkennung der Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise des Zahnarztes und für Maßnahmen zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des Niederlassungsrechts und des Rechts auf freien Dienstleistungsverkehr, ABl. EG 1978 Nr. L 233, S. 1; Richtlinie 78/687/EWG des Rates vom 25.7.1978 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Tätigkeiten des Zahnarztes, ABl. EG 1978 Nr. L 233, S. 10; Richtlinie 93/16/EWG des Rates vom 5.4.1993 zur Erleichterung der Freizügigkeit für Ärzte und zur gegenseitigen Anerkennung ihrer Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise, ABl. EG 1993 Nr. L 165, S. 1; Regelungen der Bedingungen des Zugangs zu geregelten Berufen und ihrer Ausübung in: Richtlinie 92/51/EWG des Rates vom 18.6.1992 über eine zweite allgemeine Regelung zur Anerkennung beruflicher Befähigungsnachweise in Ergänzung zur Richtlinie 89/48/EWG (ABl. EG 1992 Nr. L 209 v. 24.7.1992, S. 25) und der Richtlinie 95/43/EWG der Kommission vom 20.7.1995 zur Änderung der Anhänge C und D der Richtlinie 92/51/EWG (ABl. EG Nr. L 184 v. 3.8.1995, S. 21). 150 Zum Kauf von Arzneimitteln in einem anderen EU-Staat: EuGH, Urteil v. 7.3.1989, Rs. 215/87 (Schumacher) Slg. 1989, 617, Rn. 20; EuGH, Urteil v. 8.4.1992, Rs. C-62/90 (Kommission/Deutschland) Slg. 1992, I-2575, Rn. 18. 151 s. im Urteil „Decker“ (Slg. 1998, I-1831) die unter Rn. 42 genannten Richtlinien sowie die im Urteil „Kohll“ (Slg. 1998, I-1931) unter Rn. 47 aufgeführten Richtlinien. 148

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tiven Gründen von einer Gleichheit bzw. Gleichwertigkeit der Leistungserbringung in sämtlichen EU-Staaten ausgegangen, so dass die Qualität der Behandlung hinreichend gesichert ist. Zum anderen sei neben dem Argument der Qualitätssicherung auch das Kostenargument nicht tragbar, und zwar schon deshalb nicht, weil die Kostenerstattung für die Brille und die zahnärztliche Behandlung nach den in Luxemburg gültigen Sätzen erfolgt und somit dieselben Kosten wie bei einer Inlandsbehandlung bzw. einem Inlandserwerb entstehen.152 Abgesehen davon sind nach der Rspr. des EuGH rein wirtschaftliche Gründe nicht zur Rechtfertigung der Beschränkung der elementaren Grundsätze des freien Waren- und Dienstleistungsverkehrs geeignet.153 Als Rechtfertigungsgrund in Betracht käme lediglich eine erhebliche Gefährdung des finanziellen Gleichgewichts des Systems der sozialen Sicherheit als zwingender Grund des Allgemeininteresses, wofür jedoch bei einer Kostenerstattung nach den Tarifen des Versicherungsstaats keine Anhaltspunkte bestehen.154 Damit behindere eine solche sozialversicherungsrechtliche Vorschrift über den Genehmigungsvorbehalt ohne Rechtfertigung die Freiheit des Warenverkehrs innerhalb des Binnenmarktes (Art. 30 und 36 EGV a. F. = Art. 28 und 30 EGV n. F.) sowie die in den Art. 59, 60 EGV a. F. (Art. 49, 50 EGV n. F.) garantierte Freiheit des Dienstleistungsverkehrs.155 Konsequenz dieser überraschend klaren Aussage ist, dass ab diesem Zeitpunkt für Kassenpatienten grundsätzlich die Möglichkeit bestand, im Rahmen eines grenzüberschreitenden Krankenversicherungsschutzes medizinische Erzeugnisse und Hilfsmittel im EU-Ausland zu erwerben bzw. medizinische Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen, zumindest dann, wenn diese im Inland nach dem Kostenerstattungsprinzip zur Verfügung gestellt werden. Trotz der Regelungskompetenz der Mitgliedstaaten in Angelegenheiten der sozialen Sicherungssysteme darf im Gesundheitsbinnenmarkt nicht ohne sachliche Rechtfertigung in die europäischen Grundfreiheiten der Unionsbürger eingegriffen 152

Slg. 1998, I-1831, Rn. 38, 39 (Decker); Slg. 1998, I-1931, Rn. 37–41 (Kohll). A. a. O. 154 Slg. 1998, I-1831, Rn. 40 (Decker); Slg. 1998, I-1931, Rn. 42 (Kohll); eine uneingeschränkte Verpflichtung zur Erstattung von Leistungen besteht nach dem Gemeinschaftsrecht nur in den Konstellationen, welche in den Anwendungsbereich der Art. 19–22, 31 und 36 VO 1408/71/EWG fallen; ansonsten, wie auch in den Fällen „Kohll“ und „Decker“, müssen die zuständigen Träger die im Ausland entstandenen Krankheitskosten nur nach den innerstaatlich geltenden Leistungssätzen erstatten und nicht nach den Leistungssätzen des Behandlungsstaates, welcher ggf. ein höheres Preisniveau aufweist, so dass die Gefahr von Ausgabensteigerungen bei den Krankenkassen durch unterschiedlich hohe Gesundheitskosten in den einzelnen Mitgliedstaaten nicht besteht. 155 Vertiefend Zerna, Der Export von Gesundheitsdienstleistungen, Kapitel A., D. und E.; Hartmann, Die Inanspruchnahme ausländischer Leistungserbringer, 2. und 3. Kapitel; Jorens/Schulte, Grenzüberschreitende Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen im Gemeinsamen Markt. 153

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werden. Mit diesen Urteilen wurden die Weichen für einen die Mitgliedstaaten übergreifenden Wettbewerb zwischen den einzelnen Gesundheitssystemen bzw. für eine Konkurrenz zwischen den Leistungserbringern um den bestmöglichen Standard gestellt. c) Grenzüberschreitende stationäre Behandlung – Das Urteil „Smits/Peerbooms“156 Ein großer Teil der Aufregung, die nach den Urteilen des EuGH im Jahre 1998 aufkam, resultierte daraus, dass sich die Frage stellte, ob die Anwendbarkeit und Reichweite der Grundfreiheiten auch für die Inanspruchnahme stationärer Leistungen gilt, zumal dem stationären Sektor in den einzelnen Mitgliedstaaten sowohl wirtschafts- als auch arbeitsmarktpolitisch überragende Bedeutung zukommt. Zum anderen war nicht geklärt, ob bzw. inwieweit es einen Unterschied macht, wenn das Krankenversicherungssystem eines Mitgliedstaates nicht auf dem Kostenerstattungssystem beruht, sondern dem Sachleistungsprinzip157 folgt. Die Antwort auf diese Frage ergab sich noch nicht aus der Rechtsprechung der Urteile „Kohll“ und „Decker“, denn in beiden Fällen ging es um ein Krankenversicherungssystem, das die Leistungsbeschaffung nach dem Kostenerstattungsprinzip ausgestaltet hat, welches neben Luxemburg auch in Frankreich und Belgien gilt. Hierbei zahlen die Patienten zunächst selbst für die Gesundheitsleistung und erhalten die Ausgaben ganz oder teilweise von den Sozialversicherungen erstattet. Diese „Einkäufer“-Position auf Seiten der Patienten legt eine Marktgängigkeit dieser Leistungen nahe und damit auch die Anwendung der Grundfreiheiten. Jedoch blieb zweifelhaft, ob dies auch dann gilt, wenn die Leistungen dem Sachleistungsprinzip (z. B. herrschend in Deutschland (§ 2 Abs. 2 SGB V) und in den Niederlanden) unterliegen, die Patienten also nicht selbst und direkt für die Behandlung zahlen.158 Die Beantwortung dieser Fragen durch den EuGH ließ nicht lange auf sich warten. Bereits drei Jahre später, am 12. Juli 2001, setzte sich dieser im Urteil zur verbundenen Rechtssache „Smits/Peerbooms“ damit auseinander. Hier ging es um die Rechtmäßigkeit eines Genehmigungsvorbehaltes des auf Sachleistun-

156 EuGH, Urteil v. 12.7.2001, Rs. C-157/99 (verb. Rs. B. S. M. Smits, verheiratete Geraets/Stichting Ziekenfonds VGZ u. H. T. M. Peerbooms/Stichting CZ Groep Zorgverzekeringen), Slg. 2001, I-5473 = NJW 2001, 3391 = EuZW 2001, 464. 157 Die Frage, inwieweit das Territorialitätsprinzip noch Bestand haben kann, stellt sich darüber hinaus auch für nationale Gesundheitsdienstsysteme, wie sie in der Mehrzahl der Mitgliedstaaten anzutreffen sind (z. B. Großbritannien, Skandinavien und Südeuropa). 158 Näher zur Ausgestaltung des Sachleistungsprinzips im Unterschied zum Kostenerstattungsprinzip Zerna, Der Export von Gesundheitsdienstleistungen, S. 251; Muckel, SGb 1998, 385 ff.; Heberlein, NVwZ 2001, 773 ff.; Wenner, SozSich 2003, 201 f.

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gen basierenden Krankenversicherungssystems der Niederlande hinsichtlich einer stationären Behandlung in einem anderen Mitgliedstaat. Zunächst stellte der EuGH eindeutig klar, dass auch stationäre medizinische Leistungen in den Geltungsbereich des freien Dienstleistungsverkehrs fallen und dass es hierbei u. a. unschädlich ist, wenn in Sachleistungssystemen den Versicherten Gesundheitsleistungen „kostenlos“, also ohne Entgelt i. S. d. Art. 60 EGV a. F. (jetzt Art. 50 EGV) gewährt werden. Schließlich verlange Art. 60 EGV a. F. (jetzt Art. 50 EGV) nicht, dass die Dienstleistung von demjenigen bezahlt wird, dem sie zugute kommt159, abgesehen davon, dass die in Rede stehenden stationären Behandlungen in einem anderen Mitgliedstaat sehr wohl zunächst von den Patienten vergütet werden160. Damit entscheidet der EuGH entgegen einer ganzen Reihe von Stimmen161, die die für das luxemburgische Kostenerstattungsprinzip entschiedenen Grundsätze nicht auf das deutsche Sachleistungsprinzip übertragen wissen wollten162, und bekräftigt gleichzeitig seine Rechtsprechung aus den vorangegangenen Jahren, wonach Sozialleistungen im medizinischen Bereich uneingeschränkt vom Anwendungsbereich der Grundfreiheiten (v. a. der Dienstleistungsfreiheit) erfasst sind, ohne dass danach zu unterscheiden ist, ob die Versorgung in einer Krankenanstalt oder außerhalb davon erbracht wird163. Die Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit begründet der EuGH, wie auch schon in den Fällen „Kohll“ und „Decker“, damit, dass die der Kostenübernahme vorgeschaltete Genehmigungsbedürftigkeit der Auslandskrankenhausbehandlung den Versicherten von der Inanspruchnahme entsprechender ausländischer Leistungserbringer abhalte.164 Hinsichtlich der Rechtfertigungsprüfung des Eingriffs knüpft der EuGH aufgrund der bis auf die stationäre Versorgung identischen Ausgangslage ebenfalls an die Urteile „Kohll“ und „Decker“ an, indem er auf den ungeschriebenen 159

Slg. 2001, I-5473, Rn. 57, 58 (Smits/Peerbooms). Slg. 2001, I-5473, Rn. 55 (Smits/Peerbooms); vgl. die sehr ausführliche Begründung zur Frage der Anwendbarkeit der Bestimmungen über den freien Dienstleistungsverkehr in Slg. 2001, I-5473, Rn. 47–59 (Smits/Peerbooms). 161 Bundesministerium für Gesundheit, Eine Auszehrung der deutschen Krankenversicherung muss verhindert werden, Presseerklärung Nr. 28, vom 28. April 1998; Bericht der Arbeitsgruppe der Länder Brandenburg, Baden-Württemberg, Bayern, Nordrhein-Westfalen und des Saarlandes, der Spitzenverbände der Krankenversicherung und des Bundesministeriums der Gesundheit v. 18.2.1999, S. 4; Schneider-Danwitz, SGb 2000, 354 ff.; ebenso fast alle EU-Staaten, die dem Sachleistungsprinzip folgen, vgl. Korzilius, DÄBl. Jg. 98/Heft 8/23. Februar 2001, A440, A441. 162 Kingreen, NJW 2001, 3382, 3383 f. 163 EuGH, Urteil v. 31.1.1984, verb. Rs. 286/82 und 26/83 (Luisi und Carbone), Slg. 1984, 377, Rn. 16; EuGH, Urteil v. 4.10.1991, Rs. C-159/90 (Society for the Protection of Unborn Children Ireland), Slg. 1991, I-4685, Rn. 18. 164 Slg. 2001, I-5473, Rn. 68 f. (Smits/Peerbooms). 160

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Rechtfertigungsgrund der „zwingenden Gründe des Allgemeinwohls“ unter dem Aspekt des „finanziellen Gleichgewichts eines Systems der sozialen Sicherheit“ abstellt.165 Er stellt jedoch fest, dass stationär erbrachte medizinische Leistungen im Vergleich zu denen, die frei praktizierende Ärzte in ihren Praxen oder der Wohnung des Patienten erbringen, die Besonderheit aufweisen, dass sie planbar sein müssen, was insbesondere die Zahl der Krankenanstalten, ihre geografische Verteilung, ihren Ausbau und die Einrichtungen, über die sie verfügen, sowie die Art der medizinischen Leistungen, die sie anbieten können, anbetrifft.166 Die Sicherstellung der Rentabilität von im Krankenhausbereich üblichen langfristigen Investitionen und Vorhaltekosten steht damit im Vordergrund. Diese Planbarkeit diene, so der EuGH, der Sicherstellung einer qualitativ hochwertigen und finanzierbaren Krankenhausversorgung und wäre stark beeinträchtigt, wenn es den Versicherten freistünde, sich in Krankenanstalten im Ausland behandeln zu lassen, mit denen ihre Krankenkasse keine vertragliche Vereinbarung geschlossen hat. Denn dann blieben die inländischen Krankenhäuser teilweise ungenutzt bzw. würden nicht ausgelastet, die Kosten für Personal und technische Ausstattung hätten die Einrichtungen jedoch weiterhin zu tragen. Somit sei ein Genehmigungserfordernis hinsichtlich der Kostenübernahme für die in einem anderen Mitgliedstaat gewährte Krankenhausversorgung grundsätzlich notwendig und angemessen.167 165 Slg. 2001, I-5473, Rn. 72 (Smits Peerbooms); vgl. Slg.1998, I-1831, Rn. 39 (Decker); Slg. 1998, I-1931, Rn. 41 (Kohll); seit EuGH, Urteil v. 7.2.1984, Rs. 238/ 82 (Duphar), Slg. 1984, 523 st. Rspr.; diese Ausweitung der Rechtfertigungsgründe, die „. . . offenbar richterlich beliebig erweiterbar sind . . .“, kritisch betrachtend: Kingreen, NJW 2001, 3382, 3384; ders., Die Struktur der Grundfreiheiten des Europäischen Gemeinschaftsrechts, S. 103 ff., 151 ff.; ursprünglich wurden die „zwingenden Gründe des Allgemeinwohls“ lediglich zur Rechtfertigung für diskriminierungsfreie (nichtdiskriminierende) Maßnahmen herangezogen, während bei Diskriminierungen allein die kodifizierten Rechtfertigungsgründe (hier Art. 55 i.V. m. 46 bzw. Art. 30 EGV) gelten sollten, vgl. Kingreen, NJW 2001, 3382, 3384; mittlerweile zieht man die ungeschriebenen Rechtfertigungsgründe auch im Rahmen von Diskriminierungsfällen heran (so auch in den Fällen „Kohll“ und „Decker“ und in den vorliegenden Fällen), vgl. dazu Gundel, Jura 2001, 79; Hirsch, ZEuS 1999, 503, 510; Bieback, NZS 2001, 561, 565. 166 Slg. 2001, I-5473, Rn. 76 (Smits/Peerbooms). 167 Slg. 2001, I-5473, Rn. 78–80 (Smits/Peerbooms); In der „Kohll/Decker“- Nachfolgeentscheidung zur Rechtssache „Vanbraekel“ (EuGH, Urteil v. 12.7.2001, C-368/ 98 (Vanbraekel u. a./Alliance nationale des mutualités chrétiennes (ANMC), Slg. 2001, I-5363, Rn. 52, welche sich bereits vor „Smits/Peerbooms“ mit der grenzüberschreitenden Inanspruchnahme stationärer Leistungen beschäftigte, ergibt sich unter dem Rechtfertigungsgesichtspunkt des finanziellen Gleichgewichts des Systems der sozialen Sicherheit, wie bereits im Fall „Kohll“ entschieden (Slg. 1998, I-1931, Rn. 42), schon aus der Tatsache heraus kein Problem, dass der belgische Träger die zu erstattenden Kosten (die sich nach den Beteiligungsregeln des Versicherungsstaates bemessen) ohnehin auch bei einer Behandlung im Inland hätte tragen müssen, so dass keine zusätzliche finanzielle Belastung für das belgische Krankenversicherungssystem, welches auf dem Kostenerstattungsprinzip beruht, besteht. In diesem Fall, bei welchem einer belgischen Versicherten die Genehmigung für eine orthopädische Behandlung in

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Jedoch beschränkt sich der EuGH nicht nur auf die Prüfung der grundsätzlichen Rechtfertigung des Genehmigungserfordernisses. Vielmehr müssen auch die Genehmigungsanforderungen als Voraussetzungen für die Genehmigungserteilung in Anbetracht der erwähnten zwingenden Gründe gerechtfertigt sein und dem Erfordernis der Verhältnismäßigkeit genügen.168 Mit anderen Worten muss das System vorheriger behördlicher Genehmigungen auf im Voraus bekannten, objektiven und nicht diskriminierenden Kriterien beruhen.169 Hinsichtlich der von den niederländischen Stellen zu prüfenden medizinischen Üblichkeit und Notwendigkeit der beabsichtigten Behandlung im Ausland bedeute dies, dass eine solche in der internationalen Medizin hinreichend erprobt und bekannt sein muss (keine diskriminierende Beschränkung auf nationale Maßstäbe) und dass eine ebenso wirksame Behandlung nicht auch in einer mit der zuständigen Krankenkasse vertraglich verbundenen Einrichtung durchgeführt werden kann.170 Bei der Auswahl der im Falle eines solchen Behandlungsnotstands herangezogenen Krankenhäuser darf dann nicht ein nationales, nicht ins Planungsund Vertragssystem integriertes Krankenhaus einem ausländischen vorgezogen werden.171 Ansonsten läge ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot vor. Zusammenfassend wurde damit für den gesamten stationären Sektor geklärt, dass sich der gesetzlich Krankenversicherte grundsätzlich in im Versicherungsstaat befindlichen (vertraglich gebundenen) Krankenhäusern behandeln lassen muss und die Krankenkasse eine entsprechende Auslandsbehandlung – wenn auch unter recht strengen Voraussetzungen – von einer vorherigen Genehmigung abhängig machen darf, ganz gleich, ob es sich um ein Kostenerstattungsoder ein Sachleistungssystem handelt. Aufgrund der weitgehenden Kongruenz zwischen dem niederländischen und dem deutschen Sachleistungssystem ist diese Entscheidung auf die Rechtssituation in Deutschland übertragbar.

einem Krankenhaus in Frankreich zu Unrecht versagt worden war, kam es nach Ansicht des EuGH zu demselben Problem der Hinderung der grenzüberschreitenden Krankenhausbehandlung, wenn die Versicherte (bei zu Unrecht verweigerter Genehmigung) im Ausland eine weniger günstige Erstattung bekommt als im Inland (Slg. 2001, I-5363, Rn. 45). 168 Slg. 2001, I-5473, Rn. 82 (Smits/Peerbooms). 169 Dazu ausführlich Schulte, in: Jorens/Schulte, Grenzüberschreitende Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen im Gemeinsamen Markt, S. 17, 38 ff. 170 Slg. 2001, I-5473, Rn. 83 ff., 99 ff. (Smits/Peerbooms). 171 Slg. 2001, I-5473, Rn. 107 (Smits/Peerbooms).

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d) Das jüngste Urteil in den Rechtssachen „Müller-Fauré“ und „van Riet“172 – Grenzüberschreitende Inanspruchnahme ambulanter Behandlungsleistungen in Sachleistungssystemen Zwar stellte der EuGH in seiner Entscheidung zu den Fällen „Smits/Peerbooms“ klar, dass Gesundheitsleistungen auch in Sachleistungssystemen grundsätzlich vom Geltungsbereich des freien Dienstleistungsverkehrs erfasst sind, jedoch war die Rechtfertigungsprüfung auf die spezifische Finanzierungs- und Planungssituation im Bereich der Krankenhausversorgung zugeschnitten. Offen blieb damit, ob in Sachleistungssystemen wie in den Niederlanden und Deutschland, welche sich durch vertragliche Vereinbarungen zwischen den Krankenkassen und den Leistungserbringern auszeichnen, auch ambulante ärztliche Leistungen entsprechend „Smits/Peerbooms“ mit einem Genehmigungsvorbehalt versehen werden können oder ob der Art. 49 EGV entsprechend den Ausführungen zum Urteil „Kohll“ auch in Sachleistungssystemen einen Anspruch auf die grenzüberschreitende Inanspruchnahme ambulanter Behandlungen zu den Tarifen des Versicherungsstaates vermittelt. Diese Problematik bildet die Kernfrage im Urteil in den Rechtssachen „Müller-Fauré“ und „van Riet“ vom Mai 2003, welches den vorläufigen Schlusspunkt im Rahmen der bisherigen Rechtsprechung des EuGH zu den gemeinschaftsrechtlichen Grenzen mitgliedstaatlicher Beschränkungen grenzüberschreitender Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen innerhalb des europäischen Binnenmarktes darstellt. Hier ging es zum einen um die Übernahme der Kosten für eine zahnprothetische Versorgung einer Niederländerin bei einem in Deutschland niedergelassenen Leistungserbringer (Müller-Fauré) und zum anderen um eine Arthroskopie einer Niederländerin in einem belgischen Krankenhaus (van Riet). Da der EuGH im Urteil „Smits/Peerbooms“ bereits festgestellt hatte, dass es hinsichtlich der Annahme eines Eingriffs in die Dienstleistungsfreiheit gem. Art. 49 f. EGV unerheblich ist, ob sich das jeweilige Genehmigungserfordernis auf eine ambulante oder stationäre medizinische Behandlung bezieht und ob die Genehmigungspflicht Bestandteil eines Krankenversicherungssystems ist, welches dem Prinzip der Kostenerstattung wie im Fall „Kohll“ oder der Sachleistung wie in den Fällen „Smits/Peerbooms“ folgt, beschränkt sich der Interessengehalt des Urteils im Wesentlichen auf die Kernaussagen zu einer möglichen Rechtfertigung derartiger Genehmigungserfordernisse.173 Zunächst zog der EuGH wiederum den in Art. 46 EGV geregelten und gem. Art. 55 EGV auch bei Eingriffen in die Dienstleistungsfreiheit in Betracht kom-

172 EuGH, Urteil v. 13.5.2003, Rs. C-385/99 (V.G. Müller-Fauré gegen Onderlinge Waarborgmaatschappij OZ Zorgverzekeringen UA und E.E.M. van Riet gegen Onderlinge Waarborgmaatschappij ZAO Zorgverzekeringen), Slg. 2003, I-4509. 173 So auch Nowak, EuZW 2003, 474, 475.

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menden Rechtfertigungsgrund des Gesundheitsschutzes in Betracht, worunter auch die Aufrechterhaltung einer qualitativ hochwertigen, ausgewogenen sowie allen zugänglichen ärztlichen und klinischen Versorgung zählt, soweit es zur Erreichung eines hohen Niveaus des Gesundheitsschutzes beiträgt und zur Erhaltung eines bestimmten Umfangs der medizinischen und pflegerischen Versorgung bzw. eines bestimmten Niveaus der Heilkunde im Inland für die Gesundheit oder sogar für das Leben der Bevölkerung erforderlich ist.174 Aufgrund der engen Verbundenheit des Ziels der Aufrechterhaltung einer ausgewogenen sowie allen zugänglichen ärztlichen und klinischen Versorgung mit der Art der Finanzierung des Systems der sozialen Sicherheit und der Ausgabenkontrolle175 hält sich der EuGH jedoch nicht weiter mit dem ausdrücklich geregelten Rechtfertigungsgrund des Gesundheitsschutzes auf, sondern stellt vielmehr auf den ungeschriebenen Rechtfertigungsgrund der „Gefahr einer erheblichen Beeinträchtigung des finanziellen Gleichgewichts des Systems der sozialen Sicherheit“ ab, den er bereits mehrfach entweder als „zwingendes Erfordernis“ i. S. d. „Cassis“-Formel176 bzw. als „zwingenden Grund des Allgemeinwohlinteresses“177 zur Sprache brachte. Hinsichtlich der Frage, ob das streitige Genehmigungserfordernis unter diesen Gesichtspunkten gerechtfertigt ist, differenziert der EuGH übereinstimmend mit den bereits ergangenen Urteilen in den Fällen „Kohll“ und „Smits/Peerbooms“ zwischen Krankenhausleistungen und außerhalb des Krankenhauses erbrachten Leistungen. Während er bezüglich Krankenhausleistungen die in den Rechtssachen „Smits/Peerbooms“ getroffenen Aussagen bestätigt178, vermag der EuGH bei ambulanten Leistungen nicht zu erkennen, dass die Erstattung der Kosten für die Behandlung in einem anderen Mitgliedsstaat als dem Versicherungsstaat die finanzielle Stabilität der Sachleistungssysteme gefährden könne. In seiner Urteilsbegründung stützt er diese Entscheidung im Wesentlichen auf vier Gesichtspunkte. Zwar erkennt er zunächst an, dass organisatorische und finanzielle Auswirkungen für den Versicherungsstaat bei der Aufhebung des Genehmigungserfordernisses für die Inanspruchnahme von medizinischen Leistungen in einem anderen Mitgliedstaat zu erwarten wären.179 Jedoch sei aufgrund der bestehenden Sprachbarrieren, der räumlichen Entfernung, der Kosten eines Auslandsaufenthaltes sowie des Mangels an Information über die Art der im Ausland geleisteten Versorgung nicht davon auszugehen, dass sich derart viele Patienten ins Ausland begeben, dass dadurch das finanzielle Gleichgewicht des Sachleistungssystems erheblich gestört würde 174 Slg. 2003, I-4509, Rn. 67 (Müller-Fauré/van Riet); so auch schon Slg. 1998, I1931, Rn. 51 (Kohll) und Slg. 2001, I-5473, Rn. 74 (Smits/Peerbooms). 175 Slg. 2003, I-4509, Rn. 71 (Müller-Fauré/van Riet). 176 Vgl. EuGH, Urteil v. 20.2.1979, Rs. 120/78 (Rewe) Slg. 1979, 649, Rn. 8. 177 Vgl. Slg. 1998, I-1831, Rn. 39 (Decker); Slg. 1998, I-1931, Rn. 37 ff. (Kohll). 178 Slg. 2003, I-4509, Rn. 76 ff. (Müller-Fauré/van Riet). 179 A. a. O., Rn. 94.

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und infolgedessen das Gesamtniveau des Schutzes der öffentlichen Gesundheit gefährdet wäre.180 Untermauert wird diese Begründung damit, dass die Versorgung im allgemeinen in Wohnortnähe des Patienten und damit in einer ihm kulturell vertrauten Umgebung erfolgt, welche es ihm erlaubt, zum behandelnden Arzt ein Vertrauensverhältnis aufzubauen.181 Die grenzüberschreitende Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen beschränke sich damit auf Notfälle, die Grenzgebiete sowie die Behandlung spezieller Erkrankungen, wobei in den letzten beiden Fällen die Tendenz bei den niederländischen Krankenkassen ohnehin dahin geht, mit den entsprechenden ausländischen Ärzten ein System vertraglicher Vereinbarungen zu errichten.182 Damit seien die finanziellen Auswirkungen bei Aufhebung des vorherigen Genehmigungserfordernisses eingeschränkt.183 Im Übrigen sei es allein Sache der Mitgliedstaaten, den Umfang des Krankenversicherungsschutzes zu bestimmen, so dass die Übernahme der im Ausland verursachten Versorgungskosten nur insoweit verlangt werden kann, als das Krankenversicherungssystem des Mitgliedstaats der Versicherungszugehörigkeit eine Deckung garantiert.184 Viertens und letztens sei der zuständige Mitgliedstaat, der über ein Sachleistungssystem verfügt, nicht daran gehindert, die Erstattungsbeträge festzusetzen, auf die die Patienten, die in einem anderen Mitgliedstaat versorgt wurden, Anspruch haben, soweit diese Beiträge auf objektiven, nicht diskriminierenden und transparenten Kriterien beruhen.185 Aufgrund der Tatsache, dass in bestimmten Fällen im Rahmen der Anwendung der VO 1408/71/EGW auch ein Sachleistungssystem Mechanismen der nachträglichen Erstattung der Kosten für eine in einem anderen Mitgliedstaat als dem zuständigen durchgeführte Behandlung vorsehen müsse, liege auch kein grundsätzlicher Systembruch vor.186 e) Fazit Damit ergibt sich nach dem gegenwärtigen Stand der Rechtsprechung des EuGH folgendes Bild: Unabhängig davon, ob die grenzüberschreitende medizinische Behandlung ambulant oder stationär erbracht wird und ganz gleich, ob der Patient einem dem Grundsatz der Kostenerstattung, einem dem Sachleistungsprinzip oder dem Prinzip des nationalen Gesundheitsdienstes folgenden Krankenversicherungs180

A. a. O., Rn. 95. A. a. O., Rn. 96. 182 A. a. O. 183 A. a. O., Rn. 97. 184 A. a. O., Rn. 98. 185 A. a. O., Rn. 107; zu den vier wichtigsten Punkten der Urteilsbegründung vgl. auch Wenner, SozSich 2003, 201, 204 f. 186 A. a. O., Rn. 105; vgl. Kraus, GesR 2004, 37, 40. 181

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system angehört, handelt es sich um Dienstleistungen im Sinne der Art. 49, 50 EGV. Wird die Kostenübernahme der in einem anderen Mitgliedstaat erfolgten medizinischen Behandlung im Gegensatz zu einer Behandlung im Inland von einer vorherigen Genehmigung der Krankenkassen abhängig gemacht, ist die Inanspruchnahme ausländischer Leistungserbringer zwar nicht grundsätzlich ausgeschlossen, aber gegenüber der Inanspruchnahme von Leistungen im Inland erschwert, so dass in jedem Falle eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit vorliegt. Erst im Rahmen der gemeinschaftsrechtlichen Rechtfertigung ist zu differenzieren. Dabei hat das jüngste Urteil zur grenzüberschreitenden Inanspruchnahme von ambulanten Leistungen „Müller-Fauré/van Riet“ gezeigt, dass der Unterschied zwischen den Leistungsarten (ambulant oder stationär) und nicht der Unterschied zwischen den Systemtypen (Kostenerstattungssystem, Sachleistungssystem, System des nationalen Gesundheitsdienstes) entscheidend ist. Für ambulante Gesundheitsleistungen lässt sich das Erfordernis der vorherigen Genehmigung der Krankenkasse grundsätzlich nicht rechtfertigen (vgl. die Urteile „Kohll“ und „Decker“ sowie „Müller-Fauré“ und „van Riet“). Hier muss den Patienten nun, ohne dass eine vorherige Genehmigung erforderlich ist, die in anderen Mitgliedstaaten in Anspruch genommene Gesundheitsversorgung vom Herkunftsmitgliedstaat in demselben Umfang und derselben Höhe erstattet werden wie entsprechende Leistungen im Herkunftsmitgliedstaat. Bei Krankenhausleistungen hingegen steht der Abhängigkeit der Kostenübernahme von einer vorherigen Prüfung und Genehmigung durch die Krankenkasse grundsätzlich nichts entgegen, sofern die Voraussetzungen für die Genehmigungserteilung ihrerseits auf objektiven und nicht diskriminierenden Kriterien beruhen, die im Vorfeld bekannt sein müssen, um eine missbräuchliche Ausübung zu verhindern.187 Entscheidender Anknüpfungspunkt für die differenzierte Betrachtung ist die im Krankenhaussektor notwendige Planungs- und Finanzierungssicherheit. Die Genehmigung kann jedoch nicht verweigert werden, wenn die erforderliche Behandlung im Herkunftsmitgliedstaat des Patienten erstattet würde, dort aber mit Blick auf den derzeitigen Gesundheitszustand des Patienten und den voraussichtlichen Krankheitsverlauf innerhalb einer angemessenen Frist nicht möglich ist. Wie im Falle ambulanter Behandlungen in Krankenhäusern zu verfahren ist, wurde vom EuGH noch nicht abschließend geklärt. In den Rechtssachen „Müller-Fauré“ und „van Riet“ ging der EuGH, obwohl die Frage nicht entscheidungserheblich war, kurz darauf ein, indem er feststellte, dass bestimmte im Krankenhaus erbrachte Leistungen, deren Erbringung auch durch einen niedergelassenen Arzt in seiner Praxis oder in einem medizinischen Zentrum möglich wäre, in diesem Zusammenhang außerhalb eines Krankenhauses erbrachten 187

Slg. 2001, I-5473, Rn. 83 ff., 99 ff. (Smits/Peerbooms).

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Leistungen gleichgestellt werden können.188 Es ist daher sehr wahrscheinlich, dass damit die ambulante Versorgung im Rahmen einer Krankenhausinfrastruktur bezüglich des Kostenerstattungsanspruchs einer Behandlung bei niedergelassenen Ärzten gleichzustellen ist und die Abhängigkeit von einer vorherigen Genehmigung nur in den Fällen der Aufnahme in einem Krankenhaus über Nacht mit Verpflegung und Unterkunft gerechtfertigt ist.189 Kriterium für die genaue Abgrenzung zwischen Krankenhausleistungen und Nichtkrankenhausleistungen nennt der EuGH mangels strittiger Rechtslage in den bisher vorliegenden Fällen jedoch nicht. Einige Mitgliedstaaten hatten als Reaktion auf das Urteil „Smits/Peerbooms“ den sachlichen Anwendungsbereich des Genehmigungssystems weit ausgelegt und neben Krankenhäusern und Kliniken auch Kurhäuser, Entbindungsheime, Reha-Zentren sowie Genesungs- und Pflegeheime hierbei einbezogen. In seiner jüngsten Entscheidung beschäftigte sich der EuGH mit der Einordnung von Kuren, für die trotz ihres regelmäßig stationären Charakters z. B. in Deutschland keine Bedarfsplanung erfolgt190. Dies war Thema eines Rechtsstreits zwischen Herrn Leichtle und der Bundesanstalt für Arbeit vor dem Verwaltungsgericht Sigmaringen wegen der Weigerung der Bundesanstalt, die Kosten für eine Heilkur des Klägers (Beamter bei der Bundesanstalt für Arbeit) zu übernehmen, die dieser in Italien durchzuführen beabsichtigte.191 In dem Vorabentscheidungsersuchen des Verwaltungsgerichts ging es insbesondere darum, ob die Art. 49 und 50 EGV einer nationalen Regelung über die Erstattung von Aufwendungen in Krankheitsfällen entgegenstehen, die für die Gewährung von Beilhilfe zu den mit einer Heilkur in einem anderen Mitgliedstaat verbundenen Ausgaben (Aufwendungen für Unterkunft, Verpflegung, Fahrtkosten, Kurtaxe und ärztlichen Schlussbericht) die zusätzliche Bedingung aufstellt, dass mit einem ärztlichen Gutachten nachgewiesen wird, dass die Kur an diesem Ort wesentlich größere Erfolgsaussichten hat.192 Der Gerichtshof stellte im Anschluss an die Ausführungen des vorlegenden Gerichts fest, dass diese Aufwendungen als wesentlicher Bestandteil der Heilkur selbst anzusehen sind und dass die streitige Genehmigungsvoraussetzung über die Übernahme der oben genannten Aufwendungen bei einer Heilkur in einem anderen Mitgliedstaat nicht mit Art. 49 und 50 EGV vereinbar ist. Sie halte Beamte, für die diese Beihilfevorschriften gelten, davon ab, sich an Heilkurorten in anderen Mitgliedstaaten behandeln zu lassen. Eine 188 189 190

Slg. 2003, I-4509, Rn. 75 (Müller-Fauré/van Riet). Kraus, GesR 2004, 37, 42; Wenner, SozSich 2003, 201, 205 f. Vgl. Schulz-Weidner, KrV 1998, 241; von Schwanenflügel, DVBl. 2003, 496,

504. 191 EuGH, Urteil v. 18.3. 2004, Rs. C-8/02 (Leichtle/Bundesanstalt für Arbeit), Slg. 2004, I-2641 = EuroAS 2004, 61 ff. m. Anm. Schulte = ZESAR 2004, 334 ff. m. Anm. Hänlein. 192 § 13 Abs. 3 Nr. 1 BhV (deutsche Beihilfevorschriften).

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reale Gefährdung der Wirtschaftlichkeit und der medizinischen und pflegerischen Leistungsfähigkeit der deutschen Kureinrichtungen, wie sie die Bundesanstalt für Arbeit unter Berufung auf ein Schreiben des Bundesinnenministeriums vortrug, konnte der EuGH nicht erkennen193, was angesichts der bei Kuren nicht wie bei Krankenhausleistungen bestehenden Bedarfsplanung in Deutschland auch schwerlich auszumachen sein wird. Davon abgesehen weist der EuGH zudem wiederum auf das Recht der Mitgliedstaaten hin, den Umfang des Krankenversicherungsschutzes für die Versicherten selbst zu bestimmen, so dass nichts gegen die Beschränkung der Beihilfefähigkeit der oben genannten Aufwendungen (mit der eigentlichen Heilbehandlung verbundenen Nebenkosten) auf den Betrag, bis zu dem solche Aufwendungen beihilfefähig gewesen wären, wenn eine verfügbare Kur mit vergleichbarer therapeutischer Wirkung in Deutschland durchgeführt worden wäre, spricht.194 Jedoch stelle es eine unzulässige Behinderung des freien Dienstleistungsverkehrs dar, wenn an die Erfolgsaussichten einer im Ausland in Anspruch genommenen Kur höhere Anforderungen gestellt würden als an eine entsprechende Leistung, die im Inland erbracht wird.195 Hinsichtlich des Umfangs der Kostenübernahme liegt es grundsätzlich in der Hand der Krankenversicherungssysteme der Mitgliedstaaten, diesen zu bestimmen. Mit anderen Worten führt der Wegfall des Genehmigungserfordernisses für ambulante Leistungen nicht notwendigerweise dazu, dass Kosten für Auslandsbehandlungen in voller Höhe erstattet werden müssen, die Erstattungssumme richtet sich in ihrer Höhe vielmehr nach der Erstattung einer entsprechenden Inlandsleistung. Sachleistungssysteme sind frei darin, Erstattungsbeträge festzusetzen, auf die die Patienten bei Versorgung in einem anderen Mitgliedstaat einen Anspruch haben, sofern die Beträge auf objektiven, nichtdiskriminierenden und transparenten Kriterien beruhen.196 Es kommt nicht darauf an, ob eine Leistung in einem anderen Mitgliedstaat zum Leistungskatalog gehört.197 Dies spielt vor allem mit Blick auf Behandlungsmethoden eine Rolle, die nur in bestimmten Mitgliedstaaten verfügbar sind und ein hohes Niveau an Spezialisierung und technischer Ausstattung erfordern, wie z. B. der Reproduktionsmedizin.198 Auch andere Erfordernisse wie z. B. das der Konsultation eines Allgemeinarztes vor der Inanspruchnahme eines Facharztes gelten als Voraus193

Slg. 2004, I-2641, Rn. 44 ff. (Leichtle/Bundesanstalt für Arbeit). Slg. 2004, I-2641, Rn. 48 (Leichtle/Bundesanstalt für Arbeit); die Aufwendungen für medizinische Leistungen im eigentlichen Sinne, die anlässlich einer in einem anderen Mitgliedstaat durchgeführten Heilkur erbracht wurden, werden ohnehin bereits nach den Bestimmungen der BhV erstattet, vgl. a. a. O., Rn. 11. 195 Slg. 2004, I-2641, Rn. 41 ff. (Leichtle/Bundesanstalt für Arbeit). 196 Slg. 2003, I-4509, Rn. 107 (Müller-Fauré/van Riet). 197 Slg. 2001, I-5473, Rn. 87 (Smits/Peerbooms); Slg. 2003, I-4509, Rn. 98 (Müller-Fauré/van Riet). 198 Kraus, GesR 2004, 37, 41. 194

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setzungen für eine Leistungsgewährung, die dem Versicherten bei einer Versorgung in einem anderen Mitgliedstaat entgegengehalten werden können, soweit sie weder diskriminierend sind noch die Freizügigkeit behindern.199 Die Dienstleistungsfreiheit als Grundfreiheit bezweckt lediglich die Unterbindung einer Schlechterstellung von grenzüberschreitenden Dienstleistungen im Vergleich zu rein inländischen Dienstleistungen, so dass eine Erstattung nach den Inlandstarifen bzw. -modalitäten keine gemeinschaftsrechtswidrige Benachteiligung darstellt. 2. Umsetzung der erörterten Rechtsprechung speziell in Deutschland Nachdem die Rechtsprechung des EuGH am 13. Mai 2003 mit dem Urteil „Müller-Fauré/van Riet“ einen vorläufigen Schlusspunkt in dem jahrelangen Streit über die grenzüberschreitende Inanspruchnahme medizinischer Leistungen gesetzt hat, indem er seine gesamte vorangegangene Rechtsprechung zur Frage der Erstattung von Krankheitskosten, die in einem anderen als dem Versicherungsmitgliedstaat angefallen sind, bestätigte und konkretisierte, kamen die Mitgliedstaaten um eine Änderung ihrer nationalen Rechtsvorschriften bzw. der früheren Praxis nicht mehr herum.200 Der Gerichtshof hat nun abschließend entschieden, dass Gesundheitsdienste unabhängig von den Modalitäten, nach denen die Krankenkasse des Versicherungslandes die Kostenübernahme regelt, Dienstleistungen im Sinne von Art. 49 EGV darstellen und die Patienten als Empfänger dieser Dienstleistungen grundsätzlich ein Anrecht auf die Nutzung des freien Dienstleistungsverkehrs auch in diesem Bereich haben. Dieser Anwendbarkeitserklärung der Binnenmarktvorschriften im Bereich der Gesundheitsdienste mussten nun von Seiten der Mitgliedstaaten Taten folgen, denn wie bereits mehrfach angesprochen, sind diese für die Einrichtung und Ausgestaltung ihrer Sozialversicherungssysteme zuständig, so dass es auch ihre Aufgabe ist, den nationalen Rechtsrahmen sowie ihre Rechtspraxis mit der nun eindeutigen gemeinschaftsrechtlichen Situation in Einklang zu bringen. Zunächst verlief die Umsetzung der zuvor erörterten Rechtsprechung nur schleppend und uneinheitlich, so dass sich für die betroffenen Patienten je nach Versicherungsstaat äußerst unterschiedliche Ausgangssituationen boten, was der nun durch die Rechtsprechung ermöglichten Mobilität der Patienten eher ab199

Slg. 2003, I-4509, Rn. 106 (Müller-Fauré/van Riet). zu den zurückhaltenden und restriktiven Reaktionen der Mitgliedstaaten angesichts der Urteile „Kohll/Decker“ und „Smits/Peerbooms“ vgl. Zusammenfassender Bericht – Anwendung der Binnenmarktvorschriften im Bereich der Gesundheitsdienste, Durchführung der Rechtsprechung des Gerichtshofs durch die Mitgliedstaaten (Arbeitsdokument der Kommissionsdienststellen), Kommissionsdokument SEK(2003) 900 v. 28.7.2003, S. 9 f. (http://www.europa.eu.int/comm/internal_market/de/services/ser vices/index.htm). 200

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träglich war.201 Zudem stieg die Zahl der Klagen von Privatpersonen, welche die Nichteinhaltung der vom EuGH aufgestellten Grundsätze in ihrem Versicherungsstaat rügten.202 In Deutschland brachte das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung203, welches am 1. Januar 2004 in Kraft trat, die notwendige Berücksichtigung der EuGH-Urteile durch entsprechende Änderungen der Regelungen des § 13 SGB V. Die zentrale Rolle spielt dabei Abs. 4, wonach Versicherte nun auch berechtigt sind, Leistungserbringer in anderen Staaten im Geltungsbereich des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft und des Abkommens über den Wirtschaftsraum204 anstelle der Sach- oder Dienstleistung im eigenen Land im Wege der Kostenerstattung in Anspruch zu nehmen. Damit sind die Versicherten mit ihrer Nachfrage nach Gesundheitsleistungen nicht mehr territorial auf das Inland beschränkt. Aus Gründen des Gesundheitsschutzes dürfen gem. § 13 Abs. 4 S. 2 SGB V jedoch nur solche Leistungserbringer in Anspruch genommen werden, bei denen die Bedingungen des Zugangs und der Ausübung des Berufes Gegenstand einer Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft sind oder die im jeweiligen nationalen System der Krankenversicherung des Aufenthaltsstaates zur Versorgung der Versicherten berechtigt sind.205 In § 13 Abs. 4 S. 3 SGB V realisiert sich die Freiheit der Sachleistungssysteme, die Erstattungsbeträge für in einem anderen Mitgliedstaat in Anspruch genommene Leistungen in ihrer Höhe auf das Maß zu begrenzen, welches die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung im Inland tragen müsste.206 Diese Abhängigkeit des Kostenerstattungsanspruchs vom Sachleistungsanspruch 201 Vgl. Zusammenfassender Bericht – Anwendung der Binnenmarktvorschriften im Bereich der Gesundheitsdienste, Durchführung der Rechtsprechung des Gerichtshofs durch die Mitgliedstaaten (Arbeitsdokument der Kommissionsdienststellen), Kommissionsdokument SEK(2003) 900 v. 28.7.2003, S. 2 f. 202 Zusammenfassender Bericht, a. a. O., S. 7. 203 Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Modernisierungsgesetz – GMG) vom 14.11.2003, BGBl. I 2003 Nr. 55 vom 19.11.2003, S. 2190 ff. 204 EU-Staaten sowie Island, Lichtenstein und Norwegen. 205 Mit dem ersten Teil dieser Regelung knüpft der Gesetzgeber an die in den Rechtssachen „Kohll“ und „Decker“ gemachten Ausführungen an, dass die Bedingungen des Zugangs zu geregelten Berufen (Decker)/zum Arztberuf (Kohll) bzw. deren Ausübung Gegenstand von speziellen Koordinierungs- und Harmonisierungsrichtlinien sind, so dass die in anderen Mitgliedstaaten niedergelassenen Leistungserbringer als ebenso qualifiziert anerkannt werden müssen wie im Inland niedergelassene Leistungserbringer. 206 Hinzugefügt wird außerdem, dass „ausreichende Abschläge vom Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten und fehlende Wirtschaftlichkeitsprüfungen vorzusehen sowie vorgesehene Zuzahlungen in Abzug zu bringen“ sind (Abschläge für den erhöhten Verwaltungsaufwand). Dass den Versicherten nur die Leistungen erstattet werden, auf die sie auch im Inland einen Anspruch haben, versteht sich von selbst.

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als Primäranspruch ist ein allgemeiner Grundsatz, welcher auch bei reinen Inlandsfällen gilt, sofern gem. § 13 Abs. 2 SGB V anstelle der Sach- oder Dienstleistungen die Kostenerstattung gewählt wird. § 13 Abs. 4 letzter Satz SGB V, welcher im Wesentlichen der bisherigen Regelung über die Kostenübernahme bei Behandlung im Ausland nach § 18 Abs. 1 SGB V a. F. entspricht, stellt klar, dass die Krankenkasse die Kosten für eine im Ausland in Anspruch genommene Behandlung auch in voller Höhe erstatten kann, wenn eine entsprechende Behandlung der Krankheit nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse nur in einem anderen Mitgliedstaat der EU oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum möglich ist. Aus dem Umkehrschluss zu § 13 Abs. 5 SGB V, welcher die weiterhin bestehende Genehmigungsbedürftigkeit der Inanspruchnahme von Krankenhausleistungen im EU- bzw. EWR-Ausland regelt, ergibt sich, dass von Abs. 4 lediglich die ambulanten bzw. nicht stationären Gesundheitsdienstleistungen erfasst sind. Die Formulierung des Genehmigungserfordernisses für Krankenhausleistungen in Abs. 5 ist jedoch nicht ganz unbedenklich. Hier ist festgeschrieben, dass Krankenhausleistungen nach § 39 SGB V in anderen Staaten im Geltungsbereich des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft und des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum nur nach vorheriger Zustimmung durch die Krankenkasse in Anspruch genommen werden können, wobei die Zustimmung nur dann verweigert werden darf, wenn die gleiche oder für den Versicherten ebenso wirksame, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit rechtzeitig bei einem Vertragspartner der Krankenkasse im Inland erlangt werden kann. Zwar kommt die Norm in ihrer Wortwahl der sich aus dem Urteil „Smits/Peerbooms“207 ergebenden Ablehnung eines Ermessensspielraums der nationalen Genehmigungsbehörde hinsichtlich der grenzüberschreitenden Leistungsnachfrage208 nach (. . . Die Zustimmung darf nur versagt werden, wenn . . .). Der Gerichtshof stellt ausdrücklich fest, dass es zur Sicherung der praktischen Wirksamkeit der Grundfreiheiten (und damit auch der Dienstleistungsfreiheit gem. Art. 49 EGV) fester, im Voraus bekannter Voraussetzungen bedarf, so dass für eine letztendliche Ermessensentscheidung kein Platz mehr ist. Wie die früher geltende grundsätzliche Genehmigungspflicht für Behandlungen im Ausland (§ 18 Abs. 1 SGB V a. F.) hat diese Regelung jedoch einen unmittelbar diskri207 Slg. 2001, I-5473, Rn. 90 (Smits/Peerbooms); st. Rspr. bzgl. des Systems vorheriger behördlicher Genehmigung EuGH, Urteil v. 23.2.1995, Rs. C-358/93 und C-416/ 93 (Bordessa u. a.), Slg. 1995, I-361, Rn. 25; EuGH, Urteil v. 14.12.1995, Rs. C 163/ 94, C-165/94 und C-250/94 (Sanz de Lera u. a.), Slg. 1995 I-4821, Rn. 23–28; EuGH, Urteil v. 20.2.2001, Rs. C-205/99 (Analir), Slg. 2001, I-1271, Rn. 37. 208 Wie er auch in der deutschen Regelung des § 18 Abs. 1 SGB V a. F. bestand („. . . kann die Krankenkasse . . .“).

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minierenden Charakter. Denn wie dem EuGH in den Fällen „Smith/Peerbooms“ zu entnehmen ist, ist es unzulässig, die Genehmigungspflicht lediglich an die ausländische Leistungsnachfrage anzuknüpfen.209 Stattdessen ist nur eine Beschränkung der Leistung auf Vertragskrankenhäuser und die Aufstellung einer Genehmigungspflicht für die Behandlung in Nichtvertragskrankenhäusern zulässig, wobei bei letztgenannten nicht zwischen in- und ausländischen Einrichtungen differenziert werden darf. Sicher werden vertragliche Vereinbarungen mit ausländischen Krankenanstalten, abgesehen von denen, die sich im Grenzgebiet befinden, wohl eher die Ausnahme bleiben. Dies rechtfertigt jedoch in Anbetracht der zwingenden Gründe, die für die Rechtfertigung des Genehmigungserfordernisses im Bereich der Krankenhausversorgung herangezogen wurden, keine derart undifferenzierte Wortwahl. Des Weiteren kommt es auf eine gemeinschaftskonforme Ausgestaltung der Kriterien für eine Genehmigung an. § 18 Abs. 1 S. 1 SGB V a. F. knüpfte diesbezüglich, wie auch jetzt § 13 Abs. 5 SGB V, an den „allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse“ an. Um den vom EuGH gestellten Ansprüchen an eine diskriminierungsfreie Interpretation dieses Genehmigungskriteriums für eine Auslandsbehandlung nachzukommen, ist die Formulierung als „international allgemein anerkannter Stand der medizinischen Erkenntnisse“ zu interpretieren bzw. auszulegen.210 Abgesehen davon ist der Begriff der „Rechtzeitigkeit“ in der Praxis nicht ganz unproblematisch. Zwar nimmt der EuGH im Urteil „Smits/Peerbooms“211 sowie in der Rechtssache „Müller-Fauré“212 ausdrücklich dazu Stellung. Bei der Beurteilung der Frage der Rechtzeitigkeit der Verfügbarkeit einer entsprechenden Einrichtung müsse die nationale Behörde sämtliche Umstände des konkreten Falles beachten, wobei nicht nur der Gesundheitszustand des Patienten zum Zeitpunkt der Einreichung des Genehmigungsantrags und gegebenenfalls das Ausmaß seiner Schmerzen oder die Art seiner Behinderung (z. B. Unmöglichkeit oder Erschwerung der Berufsausübung), sondern auch die Vorgeschichte des Patienten zu berücksichtigen sei. Was jedoch in Großbritannien bisher als zumutbar erschien, wird in Deutschland oder den Niederlanden wohl nicht als medizinisch vertretbarer Zeitraum angesehen werden können.213 Um die Kostenerstattung für eine stationäre Ver209 EuGH NJW 2001, Rn. 64–69; ebenso schon vor der Entscheidung des EuGH: Schulz-Weidner, KrV 1998, 241; Becker, NZS 1998, 359. 210 Slg. 2001, I-5473, Rn. 83 ff., 94 (Smits/Peerbooms); Bieback, NZS 2001, 561, 566; vgl. auch von Schwanenfügel, DVBl. 2003, 496, 503, welcher als Folge dieser Rechtsprechung sogar eine Herausbildung europaweiter Qualitäts- und Anerkennungsstandards sowie eine qualitative Annäherung der verschiedenen Versorgungssysteme prognostiziert. 211 Slg. 2001, I-5473, Rn. 104 (Smits/Peerbooms). 212 Slg. 2003, I-4509, Rn. 90; s. dazu auch Lorff, ZESAR 2003, 407, 409 f. 213 Vgl. dazu Friedrich, Krankenversorgung ohne Grenzen – immer mehr Bürger lassen sich in anderen EU-Ländern behandeln, Ärzte Zeitung, 29.04.2004.

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sorgung in einem anderen Mitgliedstaat nicht letztendlich doch wieder von den zum Teil sehr unterschiedlichen mitgliedstaatlichen Auffassungen des medizinisch vertretbaren Zeitraums abhängig zu machen, bedarf es somit einer eindeutigeren Klärung des Begriffs der Rechtzeitigkeit.214 Damit ist eine gemeinschaftskonforme Überarbeitung des § 13 Abs. 5 SGB V trotz grundsätzlicher Rechtfertigung des Genehmigungsvorbehalts im Krankenhauswesen unter den genannten Aspekten vonnöten. 3. Gesundheitspolitische Bestandsaufnahme und Ausblick Mit der nun gegebenen Möglichkeit der EU-weiten Inanspruchnahme von nicht stationären medizinischen Leistungen und dem unter Umständen bestehenden Anspruch auf Inanspruchnahme von Krankenhausleistungen im EU-/EWGAusland wird ein Wettbewerb der Gesundheitssysteme immer unausweichlicher und damit der Zwang zu marktwirtschaftlich und wettbewerblich geprägten Versorgungs- und Vergütungsstrukturen über Grenzen hinweg gefördert.215 Auch zwischen den niedergelassenen Ärzten wird sich auf europäischer Ebene eine zunehmende Konkurrenzsituation entwickeln. Fraglich sind nun die praktischen Konsequenzen dieser jetzt auch gesetzlich festgelegten Beseitigung der territorialen „Abschottung“ des deutschen Gesundheitsmarktes. Denkbar ist zum einen eine Ausweitung des Sachleistungsprinzips durch vertragliche Vereinbarungen mit ausländischen Leistungserbringern, wofür bereits in den vergangenen Jahren auf Seiten der Krankenkassen entsprechende Überlegungen existierten216. So hat z. B. die AOK Brandenburg mit Zahnärzten aus Polen Verträge geschlossen. Diese Kooperation mit dem polnischen Zahnarzt macht es möglich, den eigenen Versicherten aufgrund der niedrigen Stundenlöhne für die dort beschäftigten Zahntechniker sowie das Zahnarzt-

214 Zur unterschiedlichen Behandlung der Definition von einem vertretbaren Zeitraum vgl. Zusammenfassender Bericht – Anwendung der Binnenmarktvorschriften im Bereich der Gesundheitsdienste, Durchführung der Rechtsprechung des Gerichtshofs durch die Mitgliedstaaten (Arbeitsdokument der Kommissionsdienststellen), Kommissionsdokument SEK(2003) 900 v. 28.7.2003, S. 11 f. Rn. 15–18. 215 Vgl. Hanika, MedR 1998, 322 (Anm. zu EuGH MedR 1998, 317). 216 Wanek, KrV 2000, 332 ff.; vgl. dazu auch Kaufmann, MedR 2003, 82, 83; Lorff, ZESAR 2003, 407, 413 m.w. N.; Lorff/Maier-Rigaud, SGb 2000, 393, 396; von Schwanenflügel, DVBl. 2003, 496, 503 f. schlägt neben einer Ausdehnung der Kostenerstattungsmöglichkeiten vor, den Sachleistungsanspruch auf das europäische Ausland zu erweitern und damit das Territorialitätsprinzip in Bezug auf ambulante Behandlungen aufzugeben; Ulla Schmidt betont, dass durch die Gesundheitsreform die Krankenkassen umfassender als bisher die Möglichkeit hätten, bilaterale Verträge mit anderen Mitgliedstaaten abzuschließen, so dass z. B. in ausländischen Regionen mit vielen deutschen Rentnern (z. B. Spanien) mit Ärzten direkte Verträge abgeschlossen werden können, vgl. in: Friedrich, Ärzte Zeitung, 11.06.2004.

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personal lukrativere Verträge als im Inland anbieten zu können.217 Denn während im Inland bei Standardzahnersatz maximal 65% der Kosten von der Krankenkasse übernommen werden, erfolgt beim polnischen Kooperationspartner der Standardzahnersatz zum Nulltarif, also gänzlich ohne Zuzahlung des Patienten. Was die Patienten freut, sorgt für Unbehagen und Widerstand bei deutschen Zahnärzten und Zahnlaboren. In der Tat ist die Einbeziehung ausländischer medizinischer Leistungserbringer in das Gesundheitsversorgungssystem durch Ausweitung der Rahmenverträge zwischen den Verbänden der Krankenkassen und den Berufsverbänden der verschiedenen Leistungserbringer (Kollektivverträge) nicht ganz unproblematisch. So ergeben sich z. B. aus diesen Verträgen sowohl für die Krankenkassen als auch für die Berufsverbände gewisse Steuerungsinstrumente (z. B. Disziplinarbefugnisse der kassenärztlichen Vereinigungen), die aufgrund ihres hoheitlichen Charakters218 auf das Territorium eines Staates beschränkt sind.219 Solange in diesem Bereich noch keine eindeutigen Lösungen gefunden sind, wird die grenzüberschreitende Ausweitung des Sachleistungssystems eher der Ausnahmefall sein und es im Rahmen von normalen Arztbesuchen im EU-/EWG-Ausland bei einer Kostenerstattung bleiben. Wie von Schwanenflügel treffend ausführt, hat der EuGH durch seine Rechtsprechung parallel zur Verordnung 1408/71/EWG, wonach das Sachleistungsprinzip zwischen den verschiedenen Gesundheitssystemen der Mitgliedstaaten das definierte Ausgleichssystem ist, ein europaweites Kostenerstattungsprinzip zum Regelprinzip erhoben, das nur in begründeten Ausnahmefällen keine Anwendung findet.220 Wenn man sich zum einen den qualitativ hohen Standard der deutschen Versorgungseinrichtungen im stationären Bereich und zum anderen die dort bestehenden Überkapazitäten vor Augen führt, wird schnell klar, dass im Krankenhausbereich die Regelversorgung zunächst einmal weiter (bzw. zumindest mittelfristig) im Inland stattfinden und eine durch die gesetzliche Krankenversicherung finanzierte Versorgung im EU-/EWG-Ausland in diesem Bereich die 217 Quelle: Magazin für Wirtschaft und Soziales „WISO“ vom 26. 09.2005 – http:// www.zdf.de/ZDFde/inhalt/21/0,1872,2349141,00.html („Zähne aus Polen, Kuren in Ungarn – Arztbehandlung im osteuropäischen Ausland“). 218 Dieser ergibt sich zum einen aus der öffentlich-rechtlichen Organisation der Vereinigungen und zum anderen aufgrund der öffentlich-rechtlichen Natur dieser Rahmenverträge, vgl. zum Ganzen Kaufmann, MedR 2003, 82, 84. 219 Hobe/Kimminich, Einführung in das Völkerrecht, S. 96 f.; Stein/von Buttlar, Völkerrecht, Rn. 611 ff. 220 von Schwanenflügel, DVBl. 2003, 496, 503 f., welcher durch die Einführung der „kostentreibenden“ Kostenerstattung eine Schwächung des deutschen Sachleistungsprinzips befürchtet; ebenso Heinze, in: Gesundheitswesen in Europa – von Kohll/Decker bis Geraets-Smits, S. 110 ff., 134, welcher prognostiziert, dass „das Sachleistungsprinzip in der deutschen Krankenversicherung einem europarechtlichen Ende entgegen zu gehen scheint“; zu den Möglichkeiten der Finanzierung aus Sicht der Krankenkassen Lorff, ZESAR 2003, 407, 413 m.w. N.

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Ausnahme bleiben wird. Mit anderen Worten wird eine grundsätzliche Genehmigungspflicht für Krankenhausbehandlungen im Ausland auch zukünftig gemeinschaftsrechtlich Bestand haben. Das heißt jedoch nicht, dass die Urteile „Smits/Peerbooms“ und „Müller-Fauré/van Riet“ für den stationären Bereich in Deutschland keinerlei praktische Relevanz besitzen. Vielmehr bietet diese Rechtsprechung eine nicht zu unterschätzende Chance für das deutsche Krankenhauswesen.221 Der Anreiz für Patienten aus dem Ausland, sich in deutschen Krankenhäusern behandeln zu lassen, ist nicht unbeachtlich, vor allem, wenn man das hohe Ansehen der deutschen Medizin im Ausland, die gute technische Ausstattung sowie das flächendeckende Netz leistungsfähiger Krankenhäuser sowie Haus- und Facharztpraxen ohne nennenswerte Wartelisten berücksichtigt.222 Diese Überlegung ergibt sich vor allem vor dem Hintergrund der Situation in einigen anderen Mitgliedstaaten (vorwiegend mit dem System der nationalen Gesundheitsdienste, z. B. Großbritannien), wo Wartelisten, Leistungsrationierung sowie Versorgungsengpässe den stationären Alltag bestimmen.223 Denn wie der EuGH deutlich macht, kommt eine Rechtfertigung für regulierte Inanspruchnahme von Leistungen im Krankenhaussektor nur dort in Betracht, wo ein qualitativ und quantitativ sicheres regionales Leistungsangebot aufrecht zu erhalten ist.224 Bereits jetzt sind einige Mitgliedstaaten nicht in der Lage, ein ausreichendes, ausgewogenes und ständiges Angebot einer qualitativ hochwertigen Krankenhausversorgung bereitzustellen. Hier sind die Krankenkassen bzw. Gesundheitssysteme nicht mehr berechtigt, sich auf eine mögliche Gefährdung des finanziellen Gleichgewichts bzw. die Plan- und Finanzierbarkeit der Systeme der sozialen Sicherheit zu berufen und die stationäre Behandlung eines Versicherten in einem anderen Mitgliedstaat von einer Genehmigung abhängig zu machen. Deutschlands Krankenhäuser könnten auf diese Weise von der Etablierung eines „Kliniktourismus“, ausgehend von den Mitgliedstaaten mit Versorgungsengpässen in der Kapazität der Krankenanstalten, in Form einer besseren finanziellen Auslastung profitieren. So wäre es z. B. denkbar, dass verstärkt Patienten aus Norwegen oder England für bestimmte elektive Eingriffe wie z. B. Hüftgelenkersatz- oder Katarakt-Operationen zu einer Krankenhausbehandlung nach Deutschland kommen. Entsprechende Bestrebungen waren in den letzten Jahren bereits zu verzeichnen.225 Zur Vermeidung möglicher Verfahren vor dem 221 So auch Schölkopf, RPG 2001, 119, 123 f.; von Schwanenflügel, DVBl. 2003, 496, 503. 222 Vgl. Auswertung einer Studie über Stärken und Schwächen des deutschen Gesundheitssystems (European Observatory on Health Care Systems), Deutsches Ärzteblatt Jg. 98/Heft 4/26. Januar 2001, A 138. 223 Klusen, in Vorwort zu: Tagungsprogramm der TK Landesvertretung RheinlandPfalz vom 9. Oktober 1998, S. 5. 224 Pitschas, VSSR 2002, 75, 87. 225 Aufgrund der Kapazitätsengpässe im Operationssektor Norwegens hatte z. B. das norwegische Parlament rund 240 Millionen DM für die Behandlung norwegischer Pa-

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EuGH hat Großbritannien mit seinem National Health Service sogar schon Patienten nach Deutschland und Frankreich geschickt.226 Weiterhin besteht zunehmend die Tendenz, aus Kostengründen in grenznahen Bereichen gemeinsam Spezialkliniken zu betreiben. Häufig beziehen sich derartige Kooperationsprojekte aufgrund der kostenintensiven Gerätemedizin auf die grenzüberschreitende Nutzung der dort zur Verfügung stehenden Großgeräte. Aber auch Kompetenzvorteile bezüglich Erkrankungen, deren Behandlung ein hohes und sich ständig verbreiterndes Fachwissen erfordert, lassen sich hierdurch nutzen. Dies betrifft zum Beispiel die Behandlung Schwerbrandverletzter, für die in Luxemburg keinerlei Betten vorgehalten, sondern diese Patienten grundsätzlich in deutsche Krankenhäuser gebracht werden.227 Auch zwischen Frankreich und dem Bundesland Baden-Württemberg bestehen bereits erfolgreiche Kooperationen hinsichtlich der Betreuung von französischen Dialysepatienten in deutschen Dialysepraxen.228 Im Dreiländereck Deutschland-Polen-Tschechien kooperieren die Kliniken in Zittau (Sachsen), Liberec (Tschechien) und Bogatynia (Polen) im Rahmen einer engen telemedizinischen Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Notfallversorgung (Verkehrsunfälle, Wander- und Skiunfälle im Iser- und Riesengebirge, Arbeitsunfälle im Tagebau und Großkraftwerk Turow in Polen) über die Staatsgrenzen hinweg.229 Aus dem Urteil „Vanbraekel“ ergibt sich zudem, dass die Krankenkassen auch von der Genehmigung einer Krankenhausbehandlung im Ausland profitieren können, und zwar wenn die Behandlung kostengünstiger ausfällt als im Versicherungsstaat, während sie bei einer zu Unrecht versagten Genehmigung die Kostennachteile des Versicherten bis zur Höhe des im Inland geltenden Betrages zu erstatten haben.230 Dies könnte einen Anreiz dafür geben, zumindest bei im Ausland kostengünstigeren Leistungen vermehrt Genehmigungen zu erteilen. Jedoch werden sich die Anträge auf Genehmigung durch die Kasse in tienten in ausländischen (vor allem auch deutschen) Krankenhäusern bereitgestellt und so wurde Anfang des Jahres 2001 eine „Patientenbrücke“ nach Deutschland installiert – vgl. DÄBl. Jg. 98/Heft 10/9. März 2001, A 598/B 502/C 479 sowie A 573/B 481/C 457 und Heft 13/30. März 2001, Seite A 802/B 662/C 618; Schnack, Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 2003, 31 ff.; zur Offensive gegen die Wartelisten in Großbritannien Thomas, DÄBl., Jg. 99/Heft 13/29. März 2002, A 821/B 681/C 637. 226 Vgl. FAZ vom 1.8.2001 „Den „Tod auf der Warteliste“ soll es nicht mehr geben“; Berliner Zeitung vom 26.1.2001 „Kranke Briten werden demnächst zur Operation nach Deutschland geschickt“. 227 Lorff, ZESAR 2003, 407, 412. 228 Hess, in: Auf dem Weg in ein Europäisches Gesundheitswesen? – Dokumentation zur Veranstaltung am 5. März 2002 in Brüssel, S. 13, 17. 229 Ärzte Zeitung, 24.02.2004 „Telemedizin über die Grenzen im Drei-Länder-Eck“ (http://www.aerztezeitung.de/docs/2004/02/24/034a0402.asp?cat=) und 13.02.2004 „Telemedizin im Drei-Länder-Eck“ (http://www.aerztezeitung.de/docs/2004/02/13/ 027a0104.asp). 230 Kingreen, NJW 2001, 3382, 3384.

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diesen Fällen wohl eher in Grenzen halten, profitieren doch allein die Kassen von derartigen Einsparungen. Bei ambulanten grenzüberschreitenden Behandlungen, hinsichtlich derer die Patienten nunmehr einen Rechtsanspruch auf Kostenerstattung auch ohne vorherige Genehmigung der Krankenkasse haben, gehen die Zukunftsprognosen bezüglich der quantitativen Entwicklung der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung und ihrer ökonomischen Auswirkungen eher auseinander. Während ein Teil der Stimmen231 mit einem deutlichen Anstieg der Inanspruchnahme ausländischer Leistungserbringer rechnet, erwarten andere232 trotz der nun gegebenen neuen Bewegungsfreiheiten keine wesentlichen Veränderungen im Mobilitätsverhalten der EU-Bürger. Letztere lassen sich dabei von folgenden praktischen Erwägungen leiten: Zunächst einmal würden die Sprachbarrieren sowie die notwendige Überwindung größerer Distanzen verbunden mit dadurch entstehenden Zusatzkosten hemmend auf die Auslandsnachfrage wirken. Darüber hinaus fehle es häufig bei ausländischen Leistungen auf dem Gesundheitssektor an der nötigen Transparenz der Leistungsqualität, was sich neben der mangelnden Kommunikation und dem fehlenden persönlichen Verhältnis ebenfalls negativ auf das aufzubauende besondere Vertrauensverhältnis zwischen Leistungsempfänger und -erbringer auswirke. Damit werde im Rahmen der Grundversorgung auch zukünftig die wohnortnahe Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen die Regel und nur in vereinzelten Fällen in spezialisierten Leistungsbereichen eine grenzüberschreitende Inanspruchnahme zu verzeichnen sein. Für den deutschen Gesundheitsmarkt dürften diese Aspekte in vielen Bereichen zutreffend sein. Die gegenwärtige deutsche Angebotssituation im ambulanten wie auch stationären Sektor macht tatsächlich eine spürbare Abwanderung inländischer Patienten in die ausländische Gesundheitsversorgung eher unwahrscheinlich. Jedoch wird oft vernachlässigt, dass der EuGH den einzelnen Staaten das Recht zugebilligt hat, die Erstattungsbeträge selbst festzusetzen, solange diese auf „objektiven, nichtdiskriminierenden und transparenten Kriterien beruhen“233. Damit könnte die Möglichkeit der grenzüberschreitenden Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen auch für deutsche Patienten interessant werden, und zwar bei solchen Leistungen, die hohe Eigenbeteiligungen vom Patienten verlangen, beispielsweise beim oben angesprochenen Zahnersatz. So erscheint es nicht abwegig, dass sich zukünftig die Wartezimmer polnischer, tschechischer und ungarischer Zahnärzte mit deutschen Patienten füllen. Des 231 von Schwanenflügel, DVBl. 2003, 496, 503 m.w. N.; vgl. Prognose des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle hinsichtlich des grenzüberschreitenden Gesundheitsverkehrs: Dietrich, Wirtschaft im Wandel 1999, 9 ff. 232 Vgl. Zerna, Der Export von Gesundheitsdienstleistungen, S. 38 ff. m.w. N.; Dünnes-Zimmermann, Gesundheitspolitische Handlungsspielräume der Mitgliedstaaten im Europäischen Gemeinschaftsrecht, S. 23 f. 233 Vgl. Fn. 185, 196.

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Weiteren werden die Staaten, deren heimisches Gesundheitsangebot nicht bedarfsdeckend ausgestaltet ist, auch im ambulanten Bereich den wachsenden Druck immer mehr zu spüren bekommen, so dass in Deutschland die Auswirkungen der EuGH-Rechtsprechung auch in Form erhöhter Nachfrage aus dem EU-Ausland deutlich werden können. Hinzu kommt die zunehmende Globalisierung auch im Gesundheitsbereich. Dies zeigt sich zum einen in der Einführung des Euro und der damit erreichten besseren Vergleichbarkeit der Gesundheitskosten. Zudem will man sich auf gesamteuropäischer Ebene zukünftig von der Praxis der Ausstellung von Auslandskrankenscheinen (Formular „E 111“) verabschieden. Mit der geplanten flächendeckenden Einführung der Europäischen Krankenversicherungskarte234, welche bereits seit Mitte 2004 in ausgewählten Testregionen bei Patienten zum Einsatz kommt, soll dieser zukünftig ersetzt werden.235 Ziel ist es zum einen, das jetzige System zu entbürokratisieren und vor allem damit die Freizügigkeit der Patienten zu erleichtern. Letzteres jedoch nur insoweit, als es sich um einen vorübergehenden Auslandsaufenthalt, etwa Urlaub, Arbeitnehmerentsendung oder Studium handelt. In Fällen der gezielten Inanspruchnahme einer ärztlichen Behandlung in Deutschland und bei Leistungen, die bis zu der vom Patienten ohnehin beabsichtigten Rückkehr in sein Heimatland zurückgestellt werden können, ohne die Gesundheit des Betroffenen zu gefährden oder sein körperliches Wohlbefinden in unzumutbarer Weise zu beeinträchtigen, ist der Arzt berechtigt und verpflichtet, vom Patienten eine Privatvergütung zu fordern.236 Diese Kosten kann dann der Patient bei seiner Heimatkrankenkasse entsprechend der Rechtsprechung des EuGH zu den Fällen „Kohll“ und „Müller-Fauré/van Riet“ im Wege der Kostenerstattung zurückfordern, jedoch nicht wie bei der Verwendung der Europäischen Krankenversicherungskarte nach dem Recht der gesetzlichen Krankenversicherung der Bundesrepublik Deutschland. Der Leistungsumfang bestimmt sich dann, wie bereits im Rahmen der obigen Rechtsprechungsauswertung des EuGH erwähnt, nach den Sätzen der Krankenversicherung des Heimatlandes. Im Laufe der Zeit werden auch die Verständigungsprobleme durch die wachsenden Fremdsprachenkenntnisse an Bedeutung verlieren. Die zunehmenden Informationsmöglichkeiten über die elektronischen Medien tun ihr Übriges. So kann sich der Patient in seinem Heimatstaat via Internet vor einer Behandlung ohne großen Aufwand über die Vielfalt der medizinischen Angebote in allen 234 Vgl. dazu die Mitteilung der Kommission zur Einführung der europäischen Krankenversicherungskarte vom 17.2.2003, KOM(2003) 73 endg. 235 Vgl. Kopetsch, DÄBl. PP 3, Ausgabe August 2004, 382; Merten, DÄBl. PP 3, Ausgabe Januar 2004, 18. 236 Vgl. Kassenärztliche Bundesvereinigung, DÄBl. PP 3, Ausgabe August 2004, 383 (Bekanntmachungen: Vereinbarung zur Anwendung der Europäischen Krankenversicherungskarte); Kopetsch, a. a. O.

VI. Entwicklung der Inanspruchnahme im medizinischen Bereich

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Mitgliedstaaten, die Einführung neuer Therapieformen usw. informieren. Die steigende Zahl umfassend informierter Patienten dürfte ein nicht unwesentlicher Schritt in Richtung grenzüberschreitender Wettbewerb sein. Die Tendenz einer wachsenden Patientenmobilität lässt sich jedoch schon jetzt in Zahlen ausdrücken. So legte der irische EU-Gesundheitskommissar David Byrne, nachdem die Dienststellen der Kommission im Juli 2002 einen Prozess der Konsultation der Mitgliedstaaten über die Umsetzung der Rechtsprechung des EuGH im Bereich der Erstattung der in einem anderen Mitgliedstaat anfallenden Krankheitskosten eingeleitet haben, unter anderem folgende Zahlen237 vor: In Frankreich ließen sich im Jahr 2001 435.856 Personen aus anderen Mitgliedstaaten behandeln, so dass im darauffolgenden Jahr für das französische Gesundheitswesen Forderungen für Behandlungskosten von rund 287 Millionen Euro entstanden. In Spanien waren es in demselben Jahr 137.114 Personen aus anderen EU-Ländern, die sich von spanischen Ärzten behandeln ließen. Die Beneluxstaaten verzeichnen seit der bahnbrechenden EuGH-Rechtsprechung im Jahre 1998 einen jährlichen Anstieg in der Behandlung von Patienten aus anderen EU-Staaten von rund sieben Prozent. Deutschland238 hat als einziger der EU-Staaten keine Zahlen über die Inanspruchnahme von medizinischen Leistungen durch die EU-Bürger aus anderen Mitgliedstaaten übermittelt. Zwar resümierten die Kommissionsdienststellen, dass die Patientenmobilität im Ganzen im Vergleich zum Gesamtbudget eines Mitgliedstaates für die soziale Sicherheit derzeit noch gering ist.239 Zu beachten ist jedoch, dass zu dieser Zeit eine Änderung der nationalen Rechtsvorschriften bzw. der früheren Praxis nur in wenigen Mitgliedstaaten zu verzeichnen war. Nach der Bestätigung und Konkretisierung der EuGH-Rechtsprechung der Jahre 1998 und 2001 durch das Urteil „Müller-Fauré/van Riet“ dürfte jedoch eine entsprechende gesetzliche wie verwaltungstechnische Umsetzung dieser Rechtsprechung in den Mitgliedstaaten unausweichlich geworden sein, so dass die Rechtssicherheit der Patienten hinsichtlich der Erstattung von im EU-Ausland entstandenen Krankheitskosten und damit die Gebrauchmachung der in diesem Bereich im Vertrag verankerten Rechte steigen wird.

237 Vgl. dazu ausführlich das Zahlenmaterial zur Patientenmobilität, Zusammenfassender Bericht – Anwendung der Binnenmarktvorschriften im Bereich der Gesundheitsdienste, Durchführung de Rechtsprechung des Gerichtshofs durch die Mitgliedstaaten (Arbeitsdokument der Kommissionsdienststellen), Kommissionsdokument SEK(2003) 900 v. 28.7.2003, Anhang 2, S. 27 ff.; Friedrich, Ärzte Zeitung vom 29.04.2004 („Krankenversorgung ohne Grenzen – immer mehr Bürger lassen sich in anderen EU-Ländern behandeln“). 238 Genauer gesagt die deutschen Gesundheitsbehörden. 239 A. a. O. Zusammenfassender Bericht, S. 3.

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§ 1 Freiheit des Dienstleistungsverkehrs und ärztliche Berufsausübung

4. Euregios – rechtliche Sonderräume in Grenzregionen In einigen Grenzgebieten Europas ist bereits heute eine grenzüberschreitende Gesundheitsversorgung hinsichtlich medizinischer Güter und Dienstleistungen entsprechend der EuGH-Rechtsprechung nahezu Normalität. Die Rede ist von den Euregios, d. h. Kooperationen verschiedener Leistungsträger in grenznahen Gemeinden, Städten und Kreisen, von denen es an den deutschen Grenzen bereits an die dreißig gibt240 und deren Zahl durch die Erweiterung der Europäischen Union in den Grenzregionen zu den neuen EU-Nachbarstaaten Tschechien und Polen immer mehr ansteigen wird241. Ziel der Euregios ist es, die Lebenssituation der Bürger in Grenzregionen durch die Möglichkeit des Gangs zum Arzt „auf der anderen Seite“ zu verbessern, wie z. B. durch den Abbau von Wartezeiten, Schließung von Versorgungslücken und Verkürzung von Fahrzeiten.242 Ein weiteres Ziel, welches damit in engem Zusammenhang steht, ist die Entbürokratisierung der grenzüberschreitenden Versorgung. In diesen Euregios fördert die Europäische Union im Rahmen ihrer Gemeinschaftsinitiative „Interreg“ eine Vielzahl von Projekten243 und damit eine Harmonisierung der Gesundheitsleistungen in kleinen Schritten. Eine der „Vorbild“Euregios ist die Euregio Maas-Rhein (EMR)244 im Dreiländereck bei Aachen, wo sich belgische, niederländische und deutsche Patienten (insgesamt ca. 3,7 Millionen Menschen) grenzüberschreitend von Fachärzten behandeln lassen können. Umfasst sind dabei nicht nur die ambulante Diagnostik und Therapie, sondern auch die Medikamentenversorgung sowie eine eventuelle stationäre Behandlung einschließlich notwendiger Transportkosten. Die Entwicklung dieser rechtlichen Sonderräume begann im April 1997 mit dem Modellprojekt „Zorg op Maat“ (ZOM – Versorgung nach Maß), welches zunächst nur niederländischen Pflichtversicherten (Ziekenfonds-Versicherten) und Grenzgängern (und ihren Familienangehörigen sowie Grenzgängern in Rente) die Möglichkeit gab, sich von deutschen Fachärzten behandeln zu lassen245, gefolgt von dem zweiten großen Projekt Anfang 2000 mit dem Namen „Integration Zorg op Maat“ 240 Eine Aufstellung der Euregios in: DÄBl., Adressen und Ansprechpartner der Euregios, PP 2, Ausgabe Januar 2003, S. 27; Merten, DÄBl. Jg. 99/Heft 49/6. Dezember 2002, A 3314/B 2793/C 2602. 241 Auch erwartet von Spielberg, DÄBl. PP 3, Ausgabe Mai 2004, 204; bereits vor der EU-Mitgliedschaft Polens entwickelte sich seit Anfang der 1990er Jahre die Euregion Pomerania, eine Grenzregion, die brandenburgische, mecklenburg-vorpommerische, polnische und schwedische Gebiete auch im Gesundheitsbereich miteinander verbindet, vgl. dazu Merten, a. a. O. 242 Merten, a. a. O. 243 So z. B. in den 1990er Jahren finanzielle Unterstützung der besagten Grenzregionen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung zur Beseitigung regionaler Ungleichgewichte und zur Förderung des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts, vgl. Merten, a. a. O. 244 Umfassende Informationen unter www.euregio-mr.org.

VI. Entwicklung der Inanspruchnahme im medizinischen Bereich

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(IZOM), welches nun auch deutschen und belgischen Versicherten das Recht gibt, sich auf der anderen Grenzseite von Fachärzten versorgen zu lassen. Seit Mitte des Jahres 2000 ist in dieser Region auch eine eigene Krankenversicherungskarte, die sog. Gesundheitscard International246 im Umlauf, und zwar für Versicherte der AOK Rheinland und der niederländischen CZ Groep. Diese ermöglicht eine direkte Abrechnung zwischen den Kooperationspartnern und damit eine Vereinfachung des zwischenstaatlichen Abrechnungssystems und vermeidet den vorher notwendigen bürokratischen Akt des Genehmigungsverfahrens mit zahlreichen Vordrucken bei der heimischen Krankenkasse247. Vor allem die niederländischen und belgischen Versicherten nutzen den leichteren Zugang zu ambulanten Gesundheitsleistungen auf unserer Seite der Grenze, was nicht zuletzt von einer vielversprechenden Konkurrenzfähigkeit der deutschen Medizin unter Qualitätsgesichtspunkten zeugt. Aber auch die deutschen Versicherten im Raum Nijmegen profitieren durch eine wohnortnähere Versorgung.248 Damit gehört die Versorgung über die Grenze hinweg in diesen Regionen mehr und mehr zum Alltag. 5. Auswirkungen der EU-Osterweiterung auf den Gesundheitsbinnenmarkt Nachdem am 1. Mai 2004 die Europäische Union durch die Erweiterung um zehn mittel- und osteuropäische Länder (MOEL)249 zunächst auf 25 Mitgliedstaaten und durch die Aufnahme Bulgariens und Rumäniens zum 1. Januar 2007 nunmehr auf 27 Mitgliedstaaten angewachsen ist, eröffnen sich für ca. 105 Millionen mehr Menschen aufgrund der räumlichen Erweiterung des Anwendungsbereichs des Gemeinschaftsrechts neue Bewegungsfreiheiten auch auf dem Gesundheitssektor. Dies schlägt sich vor allem im Rahmen der aktiven Dienstleistungsfreiheit und der Niederlassungsfreiheit sowie Arbeitnehmerfreizügigkeit nieder. Besonders polnische, aber auch andere osteuropäische Ärzte sind an einer Beschäftigung in deutschen Kliniken und Praxen interessiert, sei es in Teilzeit, mit vollen Stellen oder mit Beraterverträgen.250 Neben den besse245 AOK-Rheinland 1997, S. 5; Schaub, Grenzüberschreitende Gesundheitsversorgung in der Europäischen Union, S. 80. 246 Merkens, Markt und Wettbewerb 2002, 257 ff.; Krüger, Ärzte Zeitung, 01.12. 2004. 247 Schaub, S. 81 f.; AOK-Rheinland 1997, S. 7. 248 So Dr. med. Leonard Hansen, Vorsitzender der KV Nordrhein und Vorstandsmitglied der KBV im Gespräch mit dem Deutschen Ärzteblatt, Jg. 98/Heft 10/9. März 2001 A 585. 249 Es handelt sich dabei um die baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen, zudem Polen, Ungarn, Slowenien, die Slowakei und Tschechien sowie die Mittelmeerländer Malta und der griechische Teil Zyperns. 250 Kautz, Ärzte Zeitung, 03.05.2004.

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§ 1 Freiheit des Dienstleistungsverkehrs und ärztliche Berufsausübung

ren Karrierechancen in den westlichen EU-Staaten resultiert dies vor allem aus dem drastischen Gehalts-/Verdienstgefälle zwischen den bisherigen Mitgliedstaaten und den Beitrittsländern.251 Vor allem junge Mediziner sind zum Sammeln von Erfahrung an einer befristeten Beschäftigung in Deutschland interessiert. Begünstigt wird diese Abwanderungstendenz der Ärzte in den Westen zudem durch den Ärztemangel in den ostdeutschen Regionen. Die Anerkennung der Abschlüsse von Aus- und Weiterbildungen erfolgt automatisch, wenn diese nach dem Beitritt am 1. Mai 2004 bzw. 1. Januar 2007 (bezüglich Bulgarien und Rumänien) begonnen wurden. Bei Beginn vor diesen Daten bedarf es eines Nachweises der Konformität mit der sogenannten EU-Ärzterichtlinie252 oder einer dreijährigen Ausübung des Berufes innerhalb der letzten fünf Jahre.253 Allerdings ist voraussichtlich bis zu sieben Jahren nach dem jeweiligen Beitritt zur EU die inländische Tätigkeit von Ärzten aus osteuropäischen EU-Staaten von einer Arbeitserlaubnis abhängig.254 Diese wird erst dann ausgestellt – und zwar befristet auf zwei Jahre –, wenn die Klinik in Deutschland nachweisen kann, dass es für eine Stelle keinen Bewerber aus dem Inland oder einem anderen EU-Land gibt. Aufgrund des Ärztemangels vor allem in den neuen Bundesländern erfolgt jedoch bei den Arbeitsämtern eine großzügige Handhabung hinsichtlich der Arbeitsgenehmigungen. So verwundert es auch nicht, dass die Abwanderung (Migration) von osteuropäischen Ärzten nach Westen stetig zunimmt.255

Aber nicht nur auf Seiten der Ärzte, auch auf Seiten der Patienten wird eine steigende Mobilität durch die EU-Erweiterungen erwartet. Während für deutsche Patienten, wie bereits erwähnt, besonders die Leistungen in den osteuropäischen Mitgliedstaaten interessant sind, für die in Deutschland hohe Eigenbeteiligungen vorgesehen sind, eröffnen sich vor allem auch für die Patienten aus Osteuropa neue Chancen. Neben gutsituierten Selbstzahlern aus diesen Ländern können nun auch Kassenpatienten mit einem Auslandskrankenschein „E 111“256 ohne Wartezeiten und sonst üblichen Zuzahlungen Gesundheitsleistungen u. a. 251 So verdienen Ärzte in Polen z. B. 420 Euro im Monatsschnitt, in Lettland sind es sogar nur 310 Euro, vgl. Staeck, Ärzte Zeitung, 30.04.2004. 252 Vgl. Fn. 34. 253 Staeck, Ärzte Zeitung, 30.04.2004. 254 Bezüglich der Erteilung einer Arbeitsgenehmigung machte Deutschland von der Übergangsregelung („2+3+2-Modell“) Gebrauch, wonach für die ersten zwei Jahre nach dem Beitritt angestellte Ärzte aus den neuen Mitgliedstaaten eine Arbeitsgenehmigung brauchen. Diese Regelung kann bei Notwendigkeit unter Darlegung der Gründe gegenüber der Kommission um weitere drei Jahre verlängert werden, die maximale Anwendbarkeit ist jedoch auf sieben Jahre begrenzt; s. dazu auch „Migration und Bevölkerung“, Ausgabe 3/2004, Netzwerk Migration in Europa e. V. (Hrsg.), www.migration-info.de; mit dem Beitrittsvertrag vom 25. April 2005 zwischen der EU einerseits und Bulgarien und Rumänien andererseits gilt die 2+3+2-Regelung auch für diese neuen Mitgliedstaaten; vgl. zum Ganzen auch Oppermann, Europarecht, § 25 Rn. 39. 255 Kautz, Ärzte Zeitung, 03.05.2004; „Ärzte aus Osteuropa – Lückenbüßer in Sachsens Kliniken“, Ärzte Zeitung, 05.05.2004 mit Statistik bzgl. der Zunahme osteuropäischer Ärzte in Sachsen; Spielberg, DÄBl. PP 3, Ausgabe Mai 2004, 204.

VII. Zusammenfassung

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auch in Deutschland einfordern, wobei die hiesigen Krankenkassen die Kosten für das Arzthonorar zunächst vorstrecken und sich dann z. B. von der polnischen Kasse zurückholen.257 Während dies für die deutschen Krankenkassen einen erhöhten Aufwand bedeutet – ganz abgesehen davon, dass die Rückerstattung bis zu zwei Jahre dauern kann –, erweist sich diese Entwicklung für in Deutschland niedergelassene Ärzte als positiv. Denn zusätzlich zum üblichen Budget erstatten die Krankenkassen die Behandlungskosten der ausländischen Patienten nach den inländischen Konditionen.258 Insgesamt führt damit auch die Erweiterung der EU um die insgesamt zwölf neuen Mitgliedstaaten durch die Migration sowohl von Ärzten als auch von Patienten zu einer Ausweitung des europäischen Gesundheitsmarktes.

VII. Zusammenfassung Die Ausführungen im ersten Teil der Arbeit haben gezeigt, dass sowohl in der EU niedergelassene Ärzte als Leistungserbringer als auch die Patienten als Leistungsempfänger umfassend von den Vertragsbestimmungen über den freien Dienstleistungsverkehr geschützt sind, sofern eine innergemeinschaftliche Grenzüberschreitung hinsichtlich der Leistungserbringung vorliegt. Aufgrund der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs wurde zudem das Spannungsverhältnis zwischen der sozialpolitischen „Souveränität“ der Mitgliedstaaten und der gemeinschaftsrechtlichen Wirtschaftsordnung zugunsten der wirtschaftlichen Grundfreiheiten aufgelöst. War früher die Inanspruchnahme von medizinischen Leistungen im EU-Ausland für Kassenpatienten nur im Rahmen weniger Ausnahmefälle gestattet, steht es nun jedem EU-Bürger frei, sich an ärztliche Dienstleistungserbringer in einem anderen Mitgliedstaat zu wenden. Eine Binnenmarktfähigkeit ärztlicher Leistungen ist damit, wenn auch im stationären Sektor eingeschränkt, gegeben. Die Folgen sind eine zwischenstaatliche Wettbewerbssituation der Anbieter von Gesundheitsleistungen, eine (im stationären Bereich begrenzte) Transnationalisierung der Leistungsansprüche sowie, wohl auf eher langfristige Sicht, eine Internationalisierung des medizinischen 256 Bzw. seit dem 1.6.2004 mit Hilfe der Europäischen Krankenversicherungskarte, welche seitdem schrittweise im EWR sowie in der Schweiz eingeführt wird; mit dieser haben die in einem anderen Mitgliedstaat Versicherten direkten Zugang zu einem europäischen Vertragsarzt, vgl. Kopetsch, DÄBl. PP 3, Ausgabe August 2004, 382; dies gilt auch für die neuen osteuropäischen EU-Mitgliedstaaten, vgl. Merten, DÄBl. Jg. 101/Heft 27/2. Juli 2004, Seite A 1942/B 1626/C 1560. 257 Vgl. „Mehr polnische Patienten in deutschen Praxen“, Ärzte Zeitung, 03.05. 2004. 258 Aufgrund der Abrechnung nach deutschen Konditionen wird bei weiterhin steigender Anzahl von angeblichen Notfällen über den Auslandskrankenschein „E 111“ befürchtet, dass die osteuropäischen Sozialversicherungen bald finanziell nicht mehr in der Lage sein werden, die Behandlungskosten an die deutschen Krankenkassen zurückzuerstatten, Merten, DÄBl. Jg. 101/Heft 27/2. Juli 2004, Seite A 1942/B 1626/C 1560.

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§ 1 Freiheit des Dienstleistungsverkehrs und ärztliche Berufsausübung

Standards.259 Die praktischen Auswirkungen der nun bestehenden europaweiten Wahlfreiheit für EU-Bürger zwischen Anbietern von Gesundheitsdienstleistungen hängt von der konkreten Bereitschaft der Patienten ab, von ihrem Recht Gebrauch zu machen. Solange im Hinblick auf die Qualität der medizinischen Leistungen und das Versorgungsniveau (vor allem bei qualitativ hochwertigen, kostenintensiven medizinischen Leistungen z. B. in der Herzchirurgie und Transplantationsmedizin260) weiterhin größere Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten bestehen bleiben oder sich sogar noch verstärken, was mit Blick auf die Finanzierungsengpässe und Versorgungsmängel in den neuen Mitgliedstaaten Mittelosteuropas wohl anzunehmen ist, ist m. E. ein Anstieg innereuropäischer Patientenwanderungen zu erwarten. Während die Unterschiede in den tatsächlichen Behandlungskosten bei der Patientenentscheidung für eine Auslandsbehandlung aufgrund der grundsätzlichen Übernahme durch die heimische Sozialversicherung keine größere Rolle spielen, könnte auch die Höhe der Selbstbeteiligungen/Zuzahlungen für Behandlungen im potentiellen Zielland Entscheidungsrelevanz besitzen, und zwar immer dann, wenn sich diese prozentual an den Behandlungskosten ausrichten. Je nach Einkommenssituation der EU-Bürger in ihrem jeweiligen Land und je nach Versorgungsniveau der einzelnen Staaten in ihrer Grundversorgung dürfte dieses Kriterium mehr oder weniger von Bedeutung sein. Im Rahmen der medizinischen Standardversorgung sowie in der Notfallmedizin wird eine spürbare Migration von Patienten wohl weiterhin eher die Ausnahme sein. Mit der Entwicklung immer anspruchsvollerer Diagnose- und Therapieverfahren sowie Medizingeräte und der damit verbundenen stetigen Verbesserung von Heilungschancen dürfte jedoch für die Patienten mit schwereren und langwierigen Erkrankungen der Anreiz, eine qualitativ höherwertige und vielleicht sogar lebensrettende bzw. lebensverlängernde Behandlung im Ausland in Anspruch zu nehmen, eher zunehmen. Resümierend kann damit festgestellt werden, dass die Beseitigung mitgliedstaatlicher Grenzen bei der kassenärztlichen Versorgung durch die Rechtsprechung des EuGH eine nicht zu unterschätzende Konkurrenzsituation der Anbieter von Gesundheitsleistungen geschaffen hat, wodurch Hirschs eingangs erwähnte Argumentation aus den Angeln gehoben wurde und nun obsolet ist. Im Rahmen der Entwicklung eines grenzüberschreitenden europäischen Gesundheitsmarktes, in welchem auch Kassenpatienten nicht mehr auf Gesundheitsleistungen ihres Landes beschränkt sind, ist die Frage des Einflusses unterschiedlicher mitgliedstaatlicher Arzthaftungsbestimmungen auf diese neue Wettbewerbssituation aktueller denn je. 259

von Schwanenflügel, DVBl. 2003, 496 f., 503. So ist z. B. in Griechenland, Ungarn, Polen und Portugal die Anzahl der Herz-, Nieren- und Lebertransplantationen um 55%–75% geringer als im europäischen Durchschnitt; ähnliches gilt bei herzchirurgischen Eingriffen wie Bypass-Operationen und operativer Erweiterung der Herzkranzgefäße, vgl. Dietrich, Wirtschaft im Wandel 1999, 9, 13. 260

§ 2 Kursorischer Überblick über die Unterschiede in den mitgliedstaatlichen Arzthaftungsrechten Um beurteilen zu können, inwieweit die arzthaftungsrechtlichen Regelungen der einzelnen Mitgliedstaaten bzw. die dortigen Methoden der rechtlichen Begründung arzthaftungsrechtlicher Ansprüche dem freien Dienstleistungsverkehr hinderlich sein können, ist es wichtig, sich einen Überblick über die tatsächlich bestehenden rechtlichen Unterschiede zwischen den Rechtsordnungen der betroffenen Staaten zu verschaffen. Denn die Überprüfung der Vereinbarkeit mit der Dienstleistungsfreiheit setzt voraus, dass die Mitgliedstaaten, deren zwischenstaatliches Marktgeschehen gemeinschaftsrechtlich beurteilt werden soll, den konkreten Sachverhalt überhaupt unterschiedlich regeln. Dass dieser Überblick nur punktuell, d. h. beschränkt auf einige wichtige Themenbereiche und beispielhaft bezogen auf einzelne Mitgliedstaaten erfolgen kann, resultiert zum einen aus der Fülle von spezifischen Merkmalen und Besonderheiten der Arzthaftung und zum anderen aus der immer größer werdenden Zahl von Mitgliedstaaten, welche sich nunmehr auf siebenundzwanzig erhöht hat. Zunächst kann man sagen, dass es bezüglich der Grundlagen der Haftung in Europa oft gemeinsame Ausgangspunkte, aber noch immer unterschiedliche rechtliche Ansätze und Auswirkungen in der Praxis gibt.

I. Anspruchsgrundlagen im Arzthaftungsrecht Was die gemeinsamen Prinzipien angeht, so ist festzustellen, dass in den meisten Mitgliedstaaten das gemeinsame materiell-rechtliche Grundprinzip der Konkurrenz von vertraglichen und deliktischen Ansprüchen gilt261, während in Frankreich das Prinzip des non cumul vorherrscht. Danach sind bei Bestehen einer vertraglichen Beziehung zwischen den Parteien im Schadensfall deliktische Ansprüche ausgeschlossen, sofern der ärztliche Fehler in der Ausführung einer vertraglichen Verpflichtung begangen wurde.262 In England und Schottland ist, bedingt durch die schwerpunktmäßige Behandlung von Patienten durch

261 Fischer, in: Fischer/Lilie, Ärztliche Verantwortung europäischen Rechtsvergleich, S. 5 m.w. N.; Giesen, International Medical Malpractice Law, § 5 I mit zahlreichen Nachweisen. 262 Penneau in: Medical Responsibility in Western Europe, F 41; Fischer, in: Fischer/Lilie, S. 5 mit zahlreichen Verweisen auf Urteile der Cour de cassation.

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§ 2 Überblick über die mitgliedstaatlichen Arzthaftungsrechte

Ärzte des National Health Service, mit denen keine vertragliche Beziehung zustande kommt, das Deliktsrecht vorrangig.263 Recht unterschiedlich ist jedoch die Behandlung der Ansprüche bei Bejahung beider Anspruchsgrundlagen. Während in Deutschland264 und einer Reihe anderer Länder265 nach dem Grundsatz der Anspruchskonkurrenz vertragliche und deliktische Haftung nebeneinander zu Anwendung kommen, stellt man es z. B. in Spanien dem Patienten frei, eine Anspruchsgrundlage zu wählen.266 Vor allem hinsichtlich der Verjährungsfrist, die in einigen Ländern bei deliktischen und vertraglichen Ansprüchen unterschiedlich ist, ist dies bedeutsam.267 Mit der Einführung der neuen regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren gem. § 195 BGB, die einheitlich für vertragliche und deliktische Ersatzansprüche gilt, spielt der Verjährungsaspekt in Deutschland im Gegensatz zur Zeit vor dem 1.1.2002 keine Rolle mehr.268 Einig ist man sich jedoch darin, dass vertragliche und deliktische Sorgfaltspflichten bei einer übernommenen Heilbehandlung, abgesehen vom französischen non-cumul-Prinzip, grundsätzlich identisch sind.269

II. Haftung wegen Behandlungsfehlers Dass es sich bei dem Arzt-Patienten-Verhältnis regelmäßig um einen Dienstvertrag handelt und somit nicht das rechtliche Einstehen für den Erfolg der Behandlung, sondern für eine Behandlung ohne Fehler und Verschulden Vertragsinhalt ist, ist in den europäischen Rechtsordnungen allgemein anerkannt.270 Der Regelfall des Verschuldensprinzips gilt einheitlich in allen Mitgliedstaaten für die normale ärztliche Behandlung. Einigkeit besteht auch hinsichtlich der Verschuldensform, und zwar der Haftung für jede, auch leichte Fahrlässigkeit.271 Eine Gefährdungshaftung wird nur in Einzelfällen angenommen.272

263

Fischer, in: Fischer/Lilie, S. 6. Giesen, §§ 1–5; Katzenmeier, Arzthaftung, S. 81 ff. 265 Fischer, in: Fischer/Lilie, S. 7. 266 Fischer, in: Fischer/Lilie, S. 6; Santos Briz, in: Medical Responsibility in Western Europe, E 62 f. 267 Vgl. Fischer, in: Fischer/Lilie, S. 6 f. sowie die Gegenüberstellung der Verjährung deliktischer und vertraglicher Ansprüche in den Fn. 22–25. 268 Zum Vergleich zwischen neuem und altem Verjährungsrecht: Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 352 f. 269 Vgl. Giesen, Rn. 7–49. 270 Zu den Ausnahmefällen der Erfolgshaftung in einigen Ländern vgl. Fischer, in: Fischer/Lilie, S. 8 f. 271 Giesen, § 9 Rn. 138; Fischer, in: Fischer/Lilie, S. 10 f. 272 Vgl. Fischer, in: Fischer/Lilie, S. 9. 264

II. Haftung wegen Behandlungsfehlers

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Des Weiteren stimmen die meisten Rechtssysteme darin überein, dass der Sorgfaltsmaßstab durch das ärztliche Wissen und die Erfahrung eines ordentlichen, pflichtgetreuen Durchschnittsarztes festgelegt wird. Hinsichtlich des Maßstabs für die anzuwendende ärztliche Sorgfalt wird wie in Deutschland ebenfalls überall auf den Facharztstandard unter Berücksichtigung der konkreten Umstände abgestellt, wenn auch in der abstrakten Formulierung dieser Maßstäbe gewisse Abweichungen zu verzeichnen sind.273 Nur gibt es natürlich in den einzelnen Mitgliedstaaten erhebliche Unterschiede, wenn es darauf ankommt, diesen Standard zu konkretisieren. Dies resultiert schon aus den unterschiedlichen technischen Möglichkeiten aufgrund knapper Ressourcen in einzelnen Ländern. Teilweise werden finanzielle Engpässe z. B. in großen öffentlichen Krankenhäusern und damit Einschränkungen in den Möglichkeiten für eine medizinische Behandlung bei der Beurteilung der Einhaltung des beruflichen Standards berücksichtigt.274 Aufgrund der Tatsache, dass der medizinische Leistungsstandard kein „juristisches Gebilde“ ist und sich grundsätzlich nicht in Form von normativen Regeln statisch festlegen lässt275, vielmehr die Regeln der Medizin für jede einzelne Behandlungsart den Standard konkretisieren, ist dieser abhängig von den jeweiligen medizinischen wie technischen Fortschritten in den einzelnen Fachbereichen.276 In Deutschland werden diese von Fachexperten der einzelnen Gebiete ausgebildet, fortent273 Für das deutsche Recht: Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 144; Laufs, Arztrecht, Rn. 523; Giesen, Arzthaftungsrecht, Rn. 69 ff.; Tillmanns, Die persönliche Leistungserbringungspflicht im Arztrecht und die Telemedizin, S. 138 f.; nach Art. 7:453 des niederländischen bürgerlichen Gesetzbuchs muss der Arzt bei der Ausübung seiner Tätigkeit jenes Maß an Sorgfalt aufwenden, das von einem gewissenhaften Mediziner erwartet werden kann und mit der Sorgfalt handeln, die sich aus den ärztlichen Berufsstandards ergibt; nach § 1299 ABGB wird in Österreich ein Sorgfaltsstandard erwartet, der dem von einem sorgfältigen Fachmann angewandten Maß an Sorgfalt entspricht (vgl. dazu auch Wirbel-Rusch, Telemedizin, S. 62 f.); in Belgien wird darauf abgestellt, ob der Arzt die angemessene Sorgfalt und dem Stand der Wissenschaft entsprechende Fachkenntnisse angewandt hat; in Frankreich kommt es darauf an, ob der Arzt seinen Patienten gewissenhaft, aufmerksam und entsprechend dem neuesten Stand der medizinischen Wissenschaft behandelt hat; vgl. zu ganzen Faure, in: Faure/ Koziol, Cases on Medical Malpractice in a Comparative Perspective, S. 282; Fischer, in: Fischer/Lilie, S. 11 f. 274 So z. B. in Österreich, vgl. z. B. Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht – Band I, Allgemeiner Teil, 41/32. 275 Laufs, Arztrecht, Rn. 20; ders., in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, § 99 Rn. 3; Hirsch, in: Laufs/Dierks/Wienke/Graf-Baumann/Hirsch, Die Entwicklung der Arzthaftung, S. 149, 152; Grupp, MedR 1992, 256, 259; Kern, in: Dierks/Feussner/Wienke, Rechtsfragen der Telemedizin, S. 55, 56; die Ausnahme bilden die Regeln in der RöV, der MedizingeräteVO sowie die Unfallverhütungsvorschriften der Berufsgenossenschaften (z. B. UVV-Gesundheitsdienst; UVV-Elektrische Anlagen und Betriebsmittel), vgl. Hirsch, a. a. O. 276 Pielach, Haftungsfragen in der Telemedizin, S. 103 f.; Schreiber, VersMed 1995, 3 spricht von einem beweglichen Vermittlungsbegriff zwischen allgemeiner Sorgfaltsregel und Praxis; vgl. auch Deutsch, JZ 1997, 1030, 1031.

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§ 2 Überblick über die mitgliedstaatlichen Arzthaftungsrechte

wickelt und in zahlreichen Richtlinien, Leitlinien und Empfehlungen der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften, der Bundesärztekammer oder der kassenärztlichen Bundesvereinigung definiert277, wobei diesen jedoch nur deklaratorische Bedeutung zukommt, eine Abweichung somit nicht konstitutiv für eine Wertung als Behandlungsfehler ist278. Neben dem wissenschaftlichen und technischen Niveau eines Landes spielen aber auch Aus- und Fortbildungsstand der Ärzte in den einzelnen Mitgliedstaaten eine Rolle. All diese Aspekte können von Mitgliedstaat und Mitgliedstaat sehr verschieden sein279, so dass auch die Rechtsprechung bei der Beurteilung von Arzthaftungsfällen in den einzelnen Mitgliedstaaten zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen kann. Abgesehen davon bestehen in den Mitgliedstaaten unterschiedliche Ansichten hinsichtlich der rechtlichen Bewertung der Möglichkeiten der medizinischen Behandlung. Während z. B. in Deutschland die von der Rechtsprechung entwickelten und im Berufsrecht verankerten Grundsätze zur unzulässigen Fernbehandlung auch in der Telemedizin Raum greifen und auch hier als Standardunterschreitung gewertet werden280, sind die Ansichten in anderen Mitgliedstaaten der Union zu diesem Thema liberaler bzw. permissiver.281 Insgesamt nimmt Deutschland im europäischen Vergleich einen Spitzenplatz hinsichtlich der Qualitätsstandards für die Anforderungen an medizinische Leistungen ein.282

277 Hart, MedR 1998, 8, 10, 13; ders., Jura 2000, 64, 65; Dressler, in: FS für Geiß, S. 379; Ulsenheimer, MedR 1995, 438. 278 Hart, MedR 1998, 8, 10 f.; Rehborn, MDR 2000, 1101, 1103; OLG Hamm NJW 2000, 1801, 1802; Ziegler, VersR 2003, 545; Dressler, in: FS für Geiß, S. 379, 386. 279 Hirsch, in: Laufs/Dierks/Wienke/Graf-Baumann/Hirsch, Die Entwicklung der Arzthaftung, S. 149, 152 spricht diesbezüglich von einem „. . . nicht ernsthaft zu bestreitende[n] Gefälle innerhalb verschiedener EG-Mitgliedstaaten“; diese Einschätzung dürfte sich mit Blick auf die EU-Osterweiterungen im Mai 2004 und Januar 2007 verschärft haben. 280 Z. B. im Rahmen von telechirurgischen Eingriffen, bei denen das Behandlungsgeschehen durch einen Arzt dominiert wird, der sich nicht vor Ort befindet oder im Rahmen der telemedizinischen Beratung eines Patienten durch ein Medical Call Center über den Bereich einer allgemeinen Auskunft zu gesundheitlichen Themen hinaus, vgl. „Einbecker Empfehlungen“ zu Rechtsfragen der Telemedizin, in: Dierks/Feussner/Wienke, Rechtsfragen der Telemedizin, S. 134; vgl. dazu auch Pielach, Haftungsfragen in der Telemedizin, S. 42 ff. sowie Tillmanns, Die persönliche Leistungserbringungspflicht im Arztrecht und die Telemedizin, S. 155. 281 Vgl. Pielach, Haftungsfragen in der Telemedizin, S. 47. 282 Hirsch, in: Laufs/Dierks/Wienke/Graf-Baumann/Hirsch, Die Entwicklung der Arzthaftung, S. 149, 153; Faure, in: Faure/Koziol, Cases on Medical Malpractice in a Comparative Perspective, S. 293 f.

III. Ärztliche Aufklärung

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III. Ärztliche Aufklärung Ebenso wie das deutsche Recht verlangen die anderen mitgliedstaatlichen Rechte die Einwilligung des Patienten in die ärztliche Behandlung sowie dessen vorherige Aufklärung.283 Auch besteht in den Mitgliedstaaten allgemein – wenn auch nicht so dominierend wie in Deutschland284 – die Tendenz, die ärztliche Haftung nicht nur auf Behandlungsfehler zu beschränken, sondern aufgrund der Schwierigkeit, einen Behandlungsfehler nachzuweisen, auch eine Verletzung der Aufklärungspflichten als Grundlage für ärztliche Haftung anzuerkennen. Einig ist man im Rahmen der Aufklärung darüber, dass diese regelmäßig in einem zeitlich angemessenen Zeitraum vor dem Eingriff zu erfolgen hat, damit es dem Patienten noch möglich ist, eine fundierte Entscheidung hinsichtlich des „Ob“ der Behandlung zu treffen (also nicht erst kurz vor dem Eingriff).285 Zudem besteht Einigkeit darin, dass die Informationen so erteilt werden müssen, dass der Patient begreifen kann, welche Risiken mit der Behandlung verbunden sind, was nicht möglich ist, wenn die Aufklärung in einer Sprache erfolgt, die der Patient nicht beherrscht.286 Schließlich sehen die meisten Rechtsordnungen eine Behandlung ohne wirksame Einwilligung als rechtswidrig an, was eine umfassende Haftung für die entstandenen Schäden nach sich zieht.287 1. Streitpunkt Risikoaufklärung Erhebliche Unterschiede bestehen jedoch im Rahmen der Risikoaufklärung, und zwar hinsichtlich der Frage der Aufklärungsbedürftigkeit bezüglich bestimmter Risiken bzw. der Abgrenzung zwischen aufklärungsbedürftigen und nicht aufklärungsbedürftigen Risiken einer Behandlung. Während z. B. die deutsche288, französische289, österreichische290 und portugiesische291 Rechtsprechung die Aufklärungspflicht davon abhängig machen, 283 Vgl. Fischer, in: Fischer/Lilie, S. 33, 42; von Bar, Gemeineuropäisches Deliktsrecht – Band II, Rn. 304. 284 Vgl. Fischer, in: Fischer/Lilie, S. 42 m.w. N. 285 Faure, in: Faure/Koziol, S. 274. 286 Faure, in: Faure/Koziol, S. 273 f. 287 Faure, in: Faure/Koziol, S. 275. 288 Vgl. nur BGHZ 90, 103, 106 sowie 391, 394 f.; umfassende Übersicht der Rechtsprechung hierzu bei Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 334–370; Laufs, Arztrecht, Rn. 187 f. 289 Während bis 1998 im französischen Recht die Regel galt, dass Patienten nur über normalerweise vorhersehbare Risiken (les risques normalement prévisibles) und nicht über außergewöhnliche Risiken aufgeklärt werden müssen (so auch noch Fischer, in: Fischer/Lilie, S. 44 m.w. N.), änderte die erste Zivilkammer der Cour de Cassation in der Entscheidung vom 7.10.1998, Bulletin Civil, I, Nr. 291 diese Hal-

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§ 2 Überblick über die mitgliedstaatlichen Arzthaftungsrechte

wie schwerwiegend die möglichen Auswirkungen bestimmter, wenn auch nur sehr selten auftretender Risiken sein können, besteht nach belgischem292, englischem293 und italienischem294 Recht nur die Pflicht, über normale Behandlungsrisiken zu informieren. Über sehr seltene, wenn auch gravierende Risiken sowie über wahrscheinliche, aber geringfügige Risiken muss nach diesen Rechtsordnungen nicht aufgeklärt werden. 2. Streitpunkt „therapeutisches Privileg“ Ein weiterer Punkt der Uneinigkeit innerhalb der Mitgliedstaaten besteht in der Frage der Beschränkung der Aufklärungspflicht durch das sog. „therapeutische Privileg“. Danach hat sich der Arzt bei seiner Entscheidung, in welchem Umfang er die Aufklärung erteilt, in erster Linie am Wohl des Patienten und erst in zweiter Linie an dessen Selbstbestimmungsrecht zu orientieren. Hat er den Eindruck, die Aufklärung über bestimmte Risiken könnte sich negativ auf die Gesundheit des Patienten auswirken, darf er sich weigern, die Aufklärung vorzunehmen. Während es der BGH immer abgelehnt hat, ein derartiges therapeutisches Privileg der Ärzte anzuerkennen295, befürwortet man in einer Reihe von Mitgliedstaaten (Niederlande, Frankreich, Belgien, Portugal, Österreich, Spanien, Griechenland) in Ausnahmefällen das therapeutische Privileg und verneint in diesen Konstellationen die Verletzung einer Aufklärungspflicht.296

IV. Kausalität Hinsichtlich des Kausalitätserfordernisses sind sich die Rechtsordnungen einig, dass die Ursächlichkeit des Fehlers des behandelnden Arztes für den entstandenen Schaden wie im deutschen Recht nach der Conditio-sine-qua-nonFormel zu beurteilen ist.297 Mit Blick auf die Aufklärungspflicht heißt das, dass

tung, indem er den Ärzten aufgab, auch über mit der Behandlung oder Untersuchung verbundene selten auftretende Risiken fair, klar und angemessen zu informieren, sofern diese schwerwiegende Folgen haben können, vgl. Galand-Carval (Länderbericht Frankreich), in: Faure/Koziol, S. 105. 290 OGH vom 15.12.1964, ÖJZ 1965, 325; OGH vom 11.1.1996, RdM 1996/11, S. 90; Fischer, in: Fischer/Lilie, S. 44. 291 Monteiro/Veloso (Länderbericht Portugal), in: Faure/Koziol, S. 181. 292 Vansweevelt, De civielrechtelijke aansprakelijkheid van de geneesheer en het ziekenhuis, S. 291 f.; Cousy/De Graeve (Länderbericht Belgien), in: Faure/Koziol, S. 86. 293 Fischer, in: Fischer/Lilie, S. 44 m.w. N. 294 Fischer, in: Fischer/Lilie, S. 44 m.w. N. 295 Vgl. Rechtsprechungsübersicht bei Steffen/Dressler, Rn. 389. 296 Fischer, in: Fischer/Lilie, S. 47 m.w. N. 297 Fischer, in: Fischer/Lilie, S. 13.

V. Beweislast

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ein Ersatz des Schadens nicht in Betracht kommt, wenn der Patient auch bei ordnungsgemäßer Aufklärung in die Behandlung eingewilligt hätte.298 Uneinigkeit besteht jedoch in der Frage, wie in den Fällen des unsicheren bzw. zweifelhaften Kausalitätszusammenhangs zu verfahren ist. Während Deutschland sowie eine Reihe anderer Mitgliedstaaten (z. B. England) die „Alles-oder-nichts-Lösung“ vertreten299, verfolgen z. B. Frankreich und dem wohl auch folgend Belgien, die Niederlande und Portugal das Modell der Anteilshaftung, wonach auch eine teilweise Entschädigung in Betracht kommt, und zwar entsprechend der Wahrscheinlichkeit, mit der der Schaden bei ordnungsgemäßer Behandlung nicht eingetreten wäre.300 Mit Blick auf die Aufklärungspflichtverletzung stellt man darauf ab, mit welcher Wahrscheinlichkeit der Patient die unheilvolle Behandlung abgelehnt hätte, wäre er ausreichend informiert worden. Kann die Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden, wird dem Patienten wegen des „Verlustes der Chance“ zur Ablehnung der zum Schaden führenden Behandlung ein Teil des Schadens, orientiert am möglichen Verursachungsbeitrag, ersetzt.

V. Beweislast 1. Behandlungsfehlerhaftung Weitere Differenzen bestehen auch hinsichtlich der Beweislast. Zwar ist man sich darin einig, dass der Patient als Geschädigter grundsätzlich alle anspruchsbegründenden Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch (Behandlungsfehler, Ursächlichkeit für den eingetretenen Schaden, Schadensumfang sowie das Verschulden des Arztes) zu beweisen hat.301

298

So die allgemeine Ansicht, vgl. Fischer, in: Fischer/Lilie, S. 48 m.w. N. Faure, in: Faure/Koziol, S. 276 f., 287; Fischer, in: Fischer/Lilie, S. 13 m.w. N.; in Deutschland erhält der Patient bei Umkehr der Beweislast entweder den vollen Schadensersatz oder gar nichts. Während in diesem Punkt in Deutschland die Beweislastumkehr vorherrscht, haben in England und Österreich die Kläger für einen vollen Schadensersatz nachzuweisen, dass sie bei entsprechender Aufklärung die Behandlung abgebrochen hätten; zur Umkehr der Beweislast näher unter V. 300 Vgl. Fischer, in: Fischer/Lilie, S. 14 m.w. N.; Faure, in: Faure/Koziol, S. 276 f. (wohl nicht eindeutig ist die Rechtslage in Österreich, vgl. Fischer in: Fischer/Lilie, welcher unter Bezugnahme auf die OGH-Entscheidung vom 7.11.1995, JBl. 1996, 181 eine Schadensteilung entsprechend der französischen Rechtsordnung bei unsicherem Kausalitätszusammenhang annimmt; a. A. wohl Faure, in: Faure/Koziol, wonach nach österreichischem Recht grundsätzlich das Alles-oder-nichts-Prinzip gilt und nur bei der Annahme, dass sich der Gesundheitszustand des Patienten früher oder später genauso verschlechtert hätte wie nach der Operation, eine Schadensteilung vorgesehen ist). 301 Fischer, in: Fischer/Lilie, S. 17. 299

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§ 2 Überblick über die mitgliedstaatlichen Arzthaftungsrechte

Streitpunkt ist jedoch, in welchen Fällen eine Beweiserleichterung hinsichtlich bestimmter Voraussetzungen in Betracht kommt. In Deutschland wie auch in einer Reihe anderer Rechtsordnungen besteht die Tendenz, dem Patienten bei dem von ihm zu führenden Beweis, vor allem bezüglich des schuldhaften Behandlungsfehlers und der Kausalität, weit entgegenzukommen.302 Weit verbreitet ist die Beweisführung aufgrund von Tatsachenvermutungen (Beweiserleichterung durch den prima-facie-Beweis) für den Fall, dass der eingetretene Schaden nach medizinischer Erfahrung typischerweise auf einen Behandlungsfehler zurückzuführen ist.303 Ebenso werden dem Patienten für den Fall einer fehlenden bzw. mangelhaften Dokumentation hinsichtlich des ärztlichen Behandlungsfehlers Beweiserleichterungen bis hin zur Beweislastumkehr zugestanden.304 Jedoch eine ausdrückliche Beweislastumkehr für die Kausalität zu Lasten des Arztes, wenn diesem schuldhaft ein grober Behandlungsfehler unterlaufen ist, vertritt soweit bisher ersichtlich, lediglich die Rechtsprechung in Deutschland.305 2. Haftung bei mangelnder Aufklärung Im Rahmen der Haftung für Aufklärungspflichtverletzungen besteht Uneinigkeit hinsichtlich der Frage, wer die Beweislast bezüglich der ärztlichen Selbstbestimmungsaufklärung trägt. Während eine Reihe von Mitgliedstaaten (z. B. Österreich, Portugal, Niederlande, Frankreich) mit Deutschland davon ausgeht, dass der Arzt zu beweisen hat, seine Aufklärungspflicht diesbezüglich erfüllt zu haben, obliegt z. B. nach belgischem und englischem Recht dem Patienten der Beweis der mangelnden Aufklärung.306 Ebenso strittig ist die Frage der Beweislast bezüglich der Ursächlichkeit der Aufklärungspflichtverletzung für die Erteilung der Einwilligung. In Deutschland und Österreich (sowie der Schweiz als Nichtmitgliedstaat) hat der behandelnde Arzt zu beweisen, dass der Patient der Behandlung auch dann zugestimmt hätte, wenn er ausreichend informiert worden wäre; nach belgischem und englischem Recht obliegt es demgegenüber dem Patienten zu beweisen, dass er bei ordnungsgemäßer Risikoaufklärung dem Eingriff nicht zugestimmt hätte.307 Jedoch wird dieser Unterschied bezüglich Deutschland und der Schweiz dadurch relati302 Zur Frage der Anwendbarkeit des § 280 Abs. 1 BGB n. F. Tillmanns, Die persönliche Leistungserbringungspflicht im Arztrecht und die Telemedizin, S. 131 ff. 303 Fischer, in: Fischer/Lilie, S. 17 m.w. N.; Faure, in: Faure/Koziol, S. 284 f. 304 Vgl. Faure, in: Faure/Koziol, S. 285 f.; Fischer, in: Fischer/Lilie, S. 20 f. 305 Vgl. Fischer, in: Fischer/Lilie, S. 19 f., wonach sich andere europäische Länder in diesen Fällen eher für einen prima-facie-Beweis aussprechen; vgl. auch Katzenmeier, in: FS für Laufs, S. 909 ff. 306 Fischer, in: Fischer/Lilie, S. 48 m.w. N.; näher zur englischen Rechtslage von Bar, Gemeineuropäisches Deliktsrecht – Band II, Rn. 298.

VI. Zurechnung fremden ärztlichen Handelns bzw. Verschuldens

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viert, dass der Patient nach der Rechtsprechung dieser Länder zumindest plausibel und glaubhaft darlegen muss, warum er bei Kenntnis aller aufklärungsbedürftigen Risiken die weitere Behandlung abgelehnt hätte.308 Einig ist man sich darin, dass die formularmäßige Erklärung der Einwilligung allein noch keinen Beweis für eine adäquate Aufklärung bietet, sondern nur ex post einen Beleg dafür abgeben kann, dass z. B. ein persönliches Gespräch stattgefunden hat, in dem über die verschiedenen Risiken aufgeklärt wurde, so dass ein solch unterzeichnetes Formular niemals das persönliche Aufklärungsgespräch ersetzen kann.309

VI. Zurechnung fremden ärztlichen Handelns bzw. Verschuldens Auch in der Frage der Zurechnung fremden ärztlichen Handelns bzw. Verschuldens können in einigen Rechtsordnungen innerhalb der Europäischen Union erhebliche Unterschiede auftreten. Dies gilt vor allem hinsichtlich der Qualifizierung der Erfüllungsgehilfeneigenschaft. Zwar ist man sich grundsätzlich darin einig, dass als Erfüllungsgehilfe derjenige angesehen werden muss, welcher nicht selbst Vertragspartner des Patienten ist und damit kein eigenes Liquidationsrecht besitzt. Wann dies der Fall ist, wird jedoch von Rechtsordnung zu Rechtsordnung sehr verschieden beurteilt. Das resultiert vor allem aus den teilweise unterschiedlichen Modellen in der Krankenhausstruktur. In Portugal haftet bei einer Behandlung im öffentlichen Krankenhausbetrieb grundsätzlich der Krankenhausträger, welcher dann beim behandelnden Arzt Rückgriff nimmt; handelt es sich um eine Privatklinik gilt dies ebenso, nur dass hier eine deliktische Haftung lediglich gegenüber dem Arzt direkt in Betracht kommt.310 Demgegenüber kennt das griechische Recht grundsätzlich keine Haftung der Klinik für den Arzt im Sinne einer Erfüllungsgehilfenhaftung.311 Nach deutschem Recht hängt dies im Rahmen der stationären Krankenhausbehandlung, ebenso wie im spanischem Recht312, von der Wahl des Vertragstyps ab. Während im Falle des totalen Krankenhausaufnahmevertrags allein der Krankenhausträger vertraglich haftet und damit die bediens307 Cousy/De Graeve (Länderbericht Belgien), in: Faure/Koziol, S. 94; Rogers (Länderbericht England), in: Faure/Koziol, S. 229; Fischer, in: Fischer/Lilie, S. 49 m.w. N. 308 Fischer, in: Fischer/Lilie, S. 49 m.w. N.; Faure, in: Faure/Koziol, S. 278 (bezüglich der Schweiz). 309 Faure, in: Faure/Koziol, S. 273. 310 Vgl. Fischer, in: Fischer/Lilie, S. 57 unter Verweis auf Figueiredo Dias/Sinde Monteiro, in: Medical Responsibility in Western Europe, P 72. 311 Fischer, in: Fischer/Lilie, S. 56 unter Verweis auf Fotakis, in: Medical Responsibility in Western Europe, Rn. GR 149 f. 312 Vgl. Santos Briz, in: Medical Responsibility in Western Europe, Rn. E 87 f.

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§ 2 Überblick über die mitgliedstaatlichen Arzthaftungsrechte

teten Ärzte als Organe bzw. Erfüllungsgehilfen i. S. d. §§ 31, 89, 278 BGB gelten, liegen beim gespaltenen Krankenhausvertrag zwei rechtlich gesonderte Verträge vor, zum einen mit dem Belegarzt, welcher die ärztliche Heilbehandlung schuldet und zum anderen mit dem Belegkrankenhaus, welches zum Kleinen Pflegesatz die übrigen Versorgungsleistungen (Beherbergung, Verköstigung, Anwendung der Krankenhaustechnik) zu erbringen hat. Hier haftet jeder Vertragspartner für das Verschulden des Erfüllungsgehilfen, welcher im konkreten Fall seine Verpflichtungen gegenüber dem Patienten wahrgenommen hat, also der Belegarzt für das ärztliche, der Krankenhausträger für das nichtärztliche Personal (Pflegepersonal, medizinisch-technisches Personal). Lediglich im Falle eines Organisationsverschuldens des Krankenhauses kann es zur Haftung des Krankenhausträgers für den ärztlichen Teil der Leistungen kommen. Liegt ein Krankenhausvertrag mit Arztzusatzvertrag vor, bei welchem der Chefarzt als zusätzlicher Schuldner zur Gewährung der ärztlichen Leistung neben den Krankenhausträger tritt, haften beide Schuldner für das nachgeordnete ärztliche Personal und der Krankenhausträger zudem für den Chefarzt als Erfüllungsgehilfen, da hier der Patient mit der Entscheidung für einen Arztzusatzvertrag nicht den Krankenhausträger entlasten, sondern sich einen zusätzlichen Schuldner verschaffen will.313 Im Falle der Hinzuziehung eines Telemediziners wird hinsichtlich der Qualifizierung desselben entweder als Erfüllungsgehilfen des Präsenzarztes oder als selbständigen Vertragspartner darauf abgestellt, ob es sich um eine ambulante oder um eine stationäre Behandlung handelt. Im Bereich der ambulanten Behandlung geht man davon aus, dass mit dem hinzutretenden Arzt ein eigenständiges, weiteres Vertragsverhältnis begründet wird, so dass dieser regelmäßig nicht als Erfüllungsgehilfe des Behandelnden i. S. d. § 278 BGB anzusehen ist.314 Entsprechendes gilt im Rahmen eines gespaltenen Krankenhausvertrages (Belegarztvertrages), wenn der Belegarzt oder das Krankenhaus die Hinzuziehung des außenstehenden niedergelassenen Telearztes veranlasst.315 Jedoch kommt es in beiden Fällen entscheidend darauf an, ob die Hinzuziehung des Telemediziners dem Patienten offen dargelegt wird oder nicht. Liegt lediglich eine interne, also ohne das Wissen des Patienten veranlasste Beteiligung des Telemediziners vor, kommt ein eigenes Vertragsverhältnis zwischen Telemediziner und Patient nicht zustande.316 Beim totalen Krankenhausaufnahmevertrag 313 Vgl. zum Ganzen Weyland, Gemeinschaftsrechtliche Vorgaben im Arzthaftungsrecht, S. 20 ff.; Fischer, in: Fischer/Lilie, S. 51 f.; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 70 ff.; Laufs, Arztrecht, Rn. 89–91 mit jeweils weiteren Nachw. 314 Hoppe, MedR 1998, 462 f.; Frahm/Nixdorf, Arzthaftungsrecht, Rn. 14; Ulsenheimer/Erlinger, in: Dierks/Feussner/Wienke, Rechtsfragen der Telemedizin, S. 67, 69 f.; Narr/Rehborn, Arzt-Patient-Krankenhaus, S. 20 f. 315 Hoppe, MedR 1998, 462, 463. 316 Ulsenheimer/Erlinger, ZaeFQ 2001, 609, 610; dies., in: Dierks/Feussner/Wienke, S. 67, 70; Pielach, Haftungsfragen in der Telemedizin, S. 68.

VI. Zurechnung fremden ärztlichen Handelns bzw. Verschuldens

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bleibt es im Falle der Heranziehung eines außenstehenden Telemediziners grundsätzlich bei der alleinigen Vertragspartnerschaft des Krankenhausträgers mit dem Patienten, so dass der Telemediziner wie das eigene ärztliche und nichtärztliche Personal des Krankenhauses als Erfüllungsgehilfe i. S. v. § 278 BGB anzusehen ist.317 Beim Krankenhausaufnahmevertrag mit Arztzusatzvertrag haftet der Krankenhausträger, sofern er selbst den Telemediziner zur Erfüllung seiner vertraglichen Pflichten anfordert, ebenso wie beim totalen Krankenhausaufnahmevertrag, da er auch hier eine umfassende, die ärztlichen Leistungen beinhaltende Versorgung schuldet; auf den selbstliquidierenden Arzt, welcher bezüglich der ärztlichen Leistungen zusätzlicher Haftungsschuldner ist, sind die oben zur ambulanten Behandlung dargestellten Grundsätze heranzuziehen, sofern er selbst den Telemediziner hinzugezogen hat.318 Das österreichische Recht regelt die Stellung des Telemediziners im Falle der Heranziehung durch einen frei praktizierenden Arzt genau entgegengesetzt zur deutschen Version. Hier geht man davon aus, dass der Telemediziner nicht in eine unmittelbare Beziehung zum Patienten tritt und der Arzt keine Substitutionsbefugnis hat, so dass der heranziehende Arzt nach den Regeln der Erfüllungsgehilfenhaftung für die Fehler des Telemediziners haftet.319 Voraussetzung ist, dass er im Zuge der Vertragserfüllung des hinzuziehenden Arztes eine unentbehrliche Handlung erbringt.320 Im Falle der Hinzuziehung des Telemediziners durch einen im Dienstverhältnis zu einem Krankenhausträger stehenden Arzt bzw. durch den Krankenhausträger selbst stimmt jedoch die österreichische Regelung mit der deutschen überein.321 Es gibt aber auch Rechtsordnungen, wie z. B. das schweizerische Recht322 (wenn auch nicht zum europäischen Wirtschaftsraum gehörig323), in denen auch im Falle der Heranziehung eines ausländischen Arztes zur Behandlung durch einen Krankenhausträger trotz des Bestehens eines umfassenden Vertrags zwischen Patient und Krankenhaus der hinzugezogene Spezialist selbst vertraglich 317 § 2 Abs. 2 Nr. 2 BPflV (Verordnung zur Regelung der Krankenhauspflegesätze vom 25.4.1973 (BGBl. I S. 333) in der wesentlich veränderten Neufassung vom 26.9.1994 (BGBl. I S. 2750), zuletzt geändert durch Art. 24 G v. 20.4.2007 (BGBl. I, S. 554)), welcher sich auf die vom Krankenhaus veranlassten Leistungen Dritter bezieht, regelt dies ausdrücklich, vgl. Hoppe, MedR 1998, 462, 463; Pielach, S. 71 f.; Ulsenheimer/Erlinger, ZaeFQ 2001, 609, 611. 318 Pielach, S. 72; Ulsenheimer/Erlinger, ZaeFQ 2001, 609, 611; dies., in: Dierks/ Feussner/Wienke, Rechtsfragen der Telemedizin, S. 67, 71. 319 Wirbel-Rusch, Telemedizin, S. 52 f. 320 Wirbel-Rusch, S. 53 m.w. N. 321 Wirbel-Rusch, S. 54 f. m.w. N. 322 BGE 112 II 347, 353 f.; Hausheer/Geiser, in: Medical Responsibility in Western Europe, Rn. CH 96. 323 Die Europäische Krankenversicherungskarte gilt auch in der Schweiz, vgl. zudem Fn. 34 (Gleichstellung wie ein EU-Staat in Fragen der Zulassung).

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§ 2 Überblick über die mitgliedstaatlichen Arzthaftungsrechte

als fachlich unabhängiges Substitut verantwortlich ist. Folgen dieser unterschiedlichen rechtlichen Handhabung können bei einer regelmäßigen objektiven Anknüpfung an den Ort der Niederlassung bzw. Sitz zur Ermittlung des Vertragsstatuts positive und negative Haftungskonflikte (Normenhäufung und Normenmangel) sein.324 Die Möglichkeit von Haftungskonflikten bzw. Normwidersprüchen im Rahmen der strengen Abgrenzung von Vertrauensprinzip und Verantwortungsgrundsatz bei arbeitsteiliger Behandlung kann sich zudem aus der unterschiedlichen Einordnung bestimmter Pflichten, z. B. Überwachungspflichten im Verhältnis Chirurg – Anästhesist325 ergeben. So kann es sein, dass das Heimatrecht des an einer inländischen Operation teilnehmenden ausländischen Teleoperateurs dem beteiligten inländischen Anästhesisten eine bestimmte Überwachungspflicht zuweist, während das inländische Recht gerade dem ausländischen Telemediziner diese Pflicht zuordnet.326

VII. Schadensersatz und Schmerzensgeld Nicht nur im Bereich der Haftungsvoraussetzungen, auch auf der Rechtsfolgenseite bestehen zwischen den Mitgliedstaaten erhebliche Unterschiede. Dies betrifft vor allem die Höhe der Ersatzbeträge, wobei speziell die für immaterielle Schäden stark variieren.327 Im Vergleich zu anderen Ländern in Europa sind die in Deutschland zugesprochenen Schmerzensgeldbeträge sehr hoch. Dies hängt nicht zuletzt mit den divergierenden sozialen Standards zusammen, die aufgrund der Osterweiterung der Europäischen Union wohl noch weiter auseinanderdriften werden. Zudem spielt bezüglich der Höhe der Erstattungsbeträge grundsätzlich eine Rolle, ob und inwieweit in den Mitgliedstaaten den Sozialversicherungsträgern Regressansprüche zugestanden werden, um die an die Patienten gezahlten Beträge wiederzuerlangen328. In den Ländern, in denen Regressansprüche in vollem Umfang gewährt werden, wie z. B. in Belgien und Deutschland329, ist der Haftungsumfang höher als in den Ländern, in denen es 324

Näher dazu unter § 3 III. 5. b) bb) (5) (d). Zur Beurteilung des Anästhesierisikos und der damit zusammenhängenden Unterteilung nach Verantwortungsbereichen und Sphären im deutschen Recht vgl. Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 386 m.w. N.; Laufs, Arztrecht, Rn. 527, 530; jüngst zur horizontalen Arbeitsteilung zwischen Chirurg und Anästhesist und der Verteilung der Überwachungspflichten OLG Naumburg, ArztuR 2005, 21–27. 326 Schädlich, Grenzüberschreitende Telemedizin-Anwendungen, S. 134. 327 Vgl. dazu die Ergebnisse der Studie des European Centre of Tort and Insurance Law: Rogers, Damages for Non-Pecuniary Loss in a Comparative Perspective, Wien/ New York 2001. 328 Die Versicherten erhalten unabhängig davon, auf welcher Ursache der zur Leistung verpflichtende Körper- oder Gesundheitszustand beruht, ihre Leistungen vom jeweiligen Träger der Sozialversicherung. 329 Gem. § 116 Abs. 1 SGB X gehen die Schadensersatzansprüche des geschädigten Mitglieds auf den Sozialversicherungsträger über. 325

VIII. Fazit

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keine oder nur begrenzte Regressansprüche der Sozialversicherungsträger gibt.330 Neben der Höhe des Ersatzes von Vermögens- und Nichtvermögensschäden weisen die Mitgliedstaaten auch erhebliche Unterschiede bezüglich der gesetzlich bestimmten Fälle auf, in denen eine Entschädigung überhaupt in Betracht kommt.331 So kennt z. B. das niederländische Recht im Vergleich zu anderen Rechtsordnungen keinen Schmerzensgeldanspruch für ein Leiden, das eine Drittperson (beispielsweise Eltern bei Verlust ihres Kindes) erfährt.332 Auch im Bereich der Vermögensschäden gibt es Abweichungen. So findet man z. B. in den romanischen Rechtsordnungen (Frankreich, Belgien, Italien, Spanien) bei fahrlässigen Vertragsverletzungen eine Begrenzung der Haftung auf vorhersehbare Schäden, während das deutsche Recht eine solche grundsätzliche Beschränkung nicht kennt, sondern in Übereinstimmung mit den meisten europäischen Rechtsordnungen nach der Adäquanztheorie nur ganz unvorhersehbare Folgen von der Haftung ausschließt.333 Unterschiedliche Ansichten gibt es auch in der haftungsrechtlichen Relevanz von Familienplanungs- sowie Nachkommenschaftsschäden.334

VIII. Fazit Sind innerhalb des europäischen Binnenmarktes auch keine signifikanten „Haftungsoasen“ auszumachen, so können trotz allem die Unterschiede zwischen den Rechtssystemen zur Konsequenz haben, dass die Patienten in einem Rechtssystem hinsichtlich zivilrechtlicher Schadensersatzansprüche einem niedrigeren Schutzniveau unterliegen als in einem anderen. Man kann sich verschiedene Fälle vorstellen, in denen ein Patient in einem Mitgliedstaat entschädigt würde und in einem anderen nicht bzw. nur in einem geringeren Umfang. Gleiches gilt mit umgekehrten Vorzeichen für die Ärzte, denen in einem Rechtssystem die schadensersatzrechtliche Inanspruchnahme droht, während sie z. B. nach ihrem Heimatrecht kein oder nur ein geringeres Haftungsrisiko zu befürchten hätten. Abschließend sei noch angemerkt, dass Deutschland einen Spitzenplatz im Patientenschutz einnimmt, also im europäischen Vergleich eine überaus weitrei330 Z. B. in England besteht grundsätzlich kein Regressrecht des National Health Service; lediglich für den Bereich der Abgeltung von Straßenverkehrsunfällen besteht, wenn das Opfer Geldleistungen erhalten hat, das Recht innerhalb von fünf Jahren Rückgriff zu nehmen, vgl. Faure, in: Faure/Koziol, Cases on Medical Malpractice in a Comparative Perspective, S. 293. 331 Vgl. dazu ausführlich Fischer, in: Fischer/Lilie, S. 24 ff. 332 Legemaate, Verantwoordingsplicht en aansprakelijkheid in de gezondheidszorg, S. 47. 333 Fischer, in: Fischer/Lilie, S. 24 i.V. m. S. 15. 334 Ausführlich dazu: Fischer, in: Fischer/Lilie, S. 27 ff.

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§ 2 Überblick über die mitgliedstaatlichen Arzthaftungsrechte

chende Entschädigung für Opfer von Fehlbehandlungen vorsieht.335 Vor allem mit der gegenüber den anderen Mitgliedstaaten starken Ausdifferenzierung der Aufklärungspflichten des Arztes setzt Deutschland Maßstäbe, die oft als zu weitgehend empfunden werden.336

335 Zur Verteilung des Arzthaftungsniveaus in den anderen Mitgliedstaaten vgl. Deutsch, in: Deutsch/Taupitz, Haftung der Dienstleistungsberufe, S. 275, 281 f. 336 So auch Helbron, Entwicklungen und Fehlentwicklungen im Arzthaftungsrecht, S. 148 ff.

§ 3 Kollisionsrechtliche Behandlung arzthaftungsrechtlicher Sachverhalte mit Bezug zur Dienstleistungsfreiheit Um überhaupt einen möglichen Beschränkungscharakter der unterschiedlichen arzthaftungsrechtlichen Regelungen der Mitgliedstaaten ausmachen zu können, ist es notwendig festzustellen, inwieweit in den Fällen grenzüberschreitender Behandlung für den Erbringer der Leistungen bzw. für den Dienstleistungsempfänger fremdes (d. h. nicht mit dem Niederlassungsrecht/Sitzrecht identisches) Sachrecht zur Anwendung gelangt. Denn bereits auf kollisionsrechtlicher Ebene entscheidet sich die jeweilige Verteilung des Rechtsermittlungs- und Rechtsanwendungsrisikos, welche neben der Frage, inwieweit sich die lex causae im konkreten Sachverhalt für den betroffenen Arzt bzw. Patienten nachteilig auswirkt, zunächst vorrangig von Bedeutung ist.

I. Gerichtliche Zuständigkeit für Arzthaftungsprozesse innerhalb der Europäischen Union Aufgrund der Tatsache, dass jeder Staat sein eigenes IPR anwendet, sofern eines seiner Gerichte international zuständig ist, ist zunächst zu prüfen, inwieweit die internationale Zuständigkeit von deutschen Gerichten bei arzthaftungsrechtlichen Fällen innerhalb der Europäischen Union gegeben ist. Jeder Staat selbst bestimmt, wann er seine Gerichtsgewalt ausüben will, d. h. wann die eigenen Gerichte Rechtsstreitigkeiten mit Bezug zu seinem Staatsgebiet entscheiden dürfen bzw. müssen. Daher gilt es zu untersuchen, welche Gerichtsstände das für Deutschland geltende Europarecht, für Deutschland verbindliche völkerrechtliche Abkommen oder auch das nationale Recht selbst für Arzthaftungsfälle mit Bezug zum Staatsgebiet vorsehen. Regelungen im Europäischen Gemeinschaftsrecht und völkerrechtlichen Abkommen gehen den nationalen Zuständigkeitsvorschriften in der ZPO vor. Für die hier interessierenden Fälle der Inanspruchnahme der Dienstleistungsfreiheit innerhalb des Binnenmarktes bestimmt sich die Zuständigkeit nach der EuGVO337 („Brüssel I“-VO). 337 Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22.12.2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivilund Handelssachen, ABl. EG 2001 Nr. L 12, S. 1; seit ihrem Inkrafttreten am 1.3.

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§ 3 Kollisionsrechtliche Behandlung des Arzthaftungsrechts

Der sachliche Anwendungsbereich der Kodifikationen umfasst Zivil- und Handelssachen ohne Rücksicht auf die Art der Gerichtsbarkeit, damit auch Streitigkeiten, die aus dem Arzt-Patienten-Verhältnis resultieren. Das LugÜ338 kann aufgrund seiner Geltung für dessen Vertragsstaaten im Verhältnis zu Nichtmitgliedstaaten der EU (Island, Norwegen, Schweiz) für die vorliegende Betrachtung außer Acht bleiben. 1. Gerichtsstände nach EuGVO Neben dem allgemeinen Gerichtsstand am Wohnsitz (bzw. der Hauptniederlassung/Sitz339) des Beklagten gem. Art. 2 Abs. 1 EuGVO kommen eine Reihe besonderer Gerichtsstände in Betracht, aufgrund derer eine Person mit Wohnsitz in einem Mitgliedstaat/Vertragsstaat in einem anderen Mitgliedstaat/Vertragsstaat verklagt werden kann. Im Rahmen des Arzt-Patienten-Verhältnisses kann der Verbrauchergerichtsstand der Art. 15 ff. EuGVO in bestimmten Fallkonstellationen für den Patienten von Bedeutung sein. Neben der Möglichkeit der Klage am Wohnsitz/Niederlassungsort des Arztes bzw. am Niederlassungsort des beteiligten Krankenhauses hat er damit gem. Art. 16 Abs. 1 EuGVO alternativ die Möglichkeit, an seinem Verbraucherwohnsitz zu klagen. Voraussetzung dafür ist neben der zu bejahenden Einordnung des Arztvertrages als Verbrauchervertrag gem. Art. 15 Abs. 1 EuGVO340 und dem Beklagtenwohnsitz bzw. einer Beklagten(Zweig-) niederlassung oder Agentur in einem Mitgliedstaat (Art. 15 Abs. 1 und 2 i.V. m. Art. 4 EuGVO), dass der Arzt seine berufliche Tätigkeit im Wohnsitzstaat des Verbrauchers ausübt oder diese auf irgend einem Wege auf diesen Mitgliedstaat ausrichtet und der Vertrag in den Bereich dieser Tätigkeit fällt (Art. 15 Abs. 1 lit. c) EuGVO). Erstgenannte Alternative ist in den Fällen der aktiven Dienstleistungsfreiheit unproblematisch erfüllt. Letztgenannte wurde mit dem Begriff des „Ausrichtens“ in seinem Anwendungsbereich gegenüber der Vor2002 ersetzt die Verordnung weitestgehend das Brüsseler EWG-Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27.9.1968 (EuGVÜ); als Teil des „acquis communautaire“ gilt die Verordnung grundsätzlich auch für die am 1.5.2004 und am 1.1.2007 der EU beigetretenen neuen Mitgliedstaaten, vgl. dazu Hess, IPRax 2004, 374 f.; seit dem 1. Juli 2007 ist die EuGVO auch für Dänemark anwendbar, denn seitdem ist das Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und dem Königreich Dänemark über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 19. Oktober 2005 (ABl. 2005 L 299/ 62) in Kraft. 338 Luganer Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 16.9.1988. 339 Vgl. Art. 60 EuGVO. 340 Dazu näher unter III. 3. b) bb).

I. Gerichtliche Zuständigkeit innerhalb der Europäischen Union

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gängervorschrift im EuGVÜ erweitert, was der sich rasant entwickelnden elektronischen Vernetzung der Märkte Rechnung tragen soll.341 Bedeutung erlangt diese Norm damit vor allem in bestimmten Bereichen der Telemedizin (z. B. Gesundheitsportale).342 Die Zuständigkeit für Verbrauchersachen war im EuGVÜ in Art. 13 Abs. 1 Nr. 3, Art. 14 entsprechend geregelt. Jedoch war der Anwendungsbereich des Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 EuGVÜ im Gegensatz zu Art. 15 Abs. 1 EuGVO343 auf bestimmte Verbraucherverträge (Sachlieferung und Erbringung einer Dienstleistung) beschränkt. Zudem mussten bislang Angebot oder Werbung des Unternehmers sowie Vertragsabschluss des Verbrauchers im Wohnsitzstaat des Verbrauchers erfolgt sein (Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 lit. a), b) EuGVÜ). Im Gegensatz dazu genügt es jetzt nach Art. 15 Abs. 1 lit. c) EuGVO, dass der Unternehmer seine Tätigkeit „auf irgend einem Wege“ auf den Wohnsitzstaat des Verbrauchers „ausrichtet“344. Zudem kann sich nun auch der aktive Verbraucher auf den Verbrauchergerichtsstand gem. Art. 15 ff. EuGVO berufen,345 z. B. der Patient, welcher vom Arzt veranlasst wird, ihn an dessen ausländischem Niederlassungsort aufzusuchen und damit zum Vertragsschluss seinen Staat zu verlassen. Greifen die speziellen Zuständigkeitsnormen für Verbrauchersachen ein, scheidet ein Rückgriff auf andere Gerichtsstände als die in Art. 16 EuGVO genannten – mit Ausnahme des Gerichtsstands der Niederlassung, Art. 5 Nr. 5 EuGVO, vgl. Art. 15 Abs. 1 und 2 EuGVO – aus. Ansonsten kommt zudem der Gerichtsstand am Erfüllungsort der streitigen Verpflichtung gem. Art. 5 Nr. 1 EuGVO in Betracht, wenn dieser Ort in einem Mitgliedstaat belegen ist.346 Ging die Behandlungsleistung des Arztes/Krankenhauses von einer Zweigpraxis/-niederlassung aus und liegt diese in einem anderen Mitgliedstaat als die 341 342 343

Näher dazu Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 15 EuGVO Rn. 23 ff. Vgl. Dazu unter III. 3. b) cc) (1) (b). Art. 15 Abs. 1 lit. c) EuGVO bildet für „alle anderen Fälle“ einen Auffangtatbe-

stand. 344 Zur Problematik des Begriffs der Ausrichtung mit Blick auf die Erstellung einer Website vgl. Kropholler, a. a. O., Art. 15 EuGVO Rn. 23–25; von Hoffmann/Thorn, IPR, § 3 Rn. 236b. 345 Vgl. von Hoffmann/Thorn, IPR, § 3 Rn. 236c. 346 Im Rahmen des EuGVÜ wurde der Erfüllungsort aus Gründen des Gleichlaufs zwischen Zuständigkeit und anwendbarem Recht nach der jeweiligen lex causae ermittelt. Im Gegensatz dazu bestimmt die EuGVO diesen in Art. 5 Nr. 1 lit. b) für den Verkauf beweglicher Sachen und für Dienstleistungsverträge prozessrechtlich autonom. Zudem kommt es nicht mehr, wie unter dem EuGVÜ, auf die konkret streitige Hauptpflicht an, vielmehr wird der Erfüllungsort für alle vertraglichen Verpflichtungen einheitlich nach dem Ort der Warenlieferung bzw. der Dienstleistungserbringung (also der charakteristischen Verpflichtung) bestimmt, vgl. dazu Kropholler, a. a. O., Art. 5 EuGVO Rn. 31, 45 ff.; von Hoffmann/Thorn, IPR, § 3 Rn. 221 ff.

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§ 3 Kollisionsrechtliche Behandlung des Arzthaftungsrechts

Hauptniederlassung347, kann gem. Art. 5 Nr. 5 EuGVO auch vor dem Gericht des Ortes, an dem sich diese befindet, geklagt werden. Für Ansprüche aus unerlaubter Handlung ergibt sich aus Art. 5 Nr. 3 EuGVO die Möglichkeit der Klage vor dem Gericht des Tatortes348, wobei der Geschädigte bei Distanzdelikten (also im Rahmen von Telemedizinanwendungen) die Möglichkeit hat, zwischen Handlungs- und Erfolgsort zu wählen.349 Abgesehen von den erörterten Gerichtsständen haben es die Parteien gem. Art. 23 EuGVO grundsätzlich selbst in der Hand, durch Parteivereinbarung eine ausschließliche internationale Zuständigkeit zu begründen. Eine solche Gerichtsstandsvereinbarung muss den in Art. 23 Abs. 1 S. 1, 2 und Art. 23 Abs. 1 S. 3 EuGVO niedergelegten inhaltlichen und formellen Voraussetzungen genügen. Durch sie kann sich der Patient bereits vor der geplanten ärztlichen Behandlung absichern, wenn er eine eventuelle Klage vor einem ausländischen Gericht vermeiden möchte. Diese Möglichkeit könnte vor allem für Patienten von Interesse sein, die aus eigenem Antrieb zielgerichtet Gesundheitsdienstleistungen im Ausland in Anspruch nehmen bzw. ausländische Telemediziner hinzuziehen (lassen) und daher der Anwendungsbereich des Art. 15 Abs. 1 lit. c) EuGVO nicht eröffnet ist. Ob jedoch ein Bewusstsein der Patienten für diesen Umstand geweckt werden kann bzw. ob sich ausländische Ärzte und Krankenhäuser im Praxisalltag in dieser Hinsicht einlassen werden, bleibt zweifelhaft und abzuwarten. Abweichende Vereinbarungen der Parteien hinsichtlich der gerichtlichen Zuständigkeit bei Verbraucherverträgen sind nur in den engen Grenzen des Art. 17 EuGVO gestattet. 2. Autonomes deutsches Recht Neben der örtlichen Zuständigkeit regeln die §§ 12 ff. ZPO mittelbar auch die internationale Zuständigkeit.350 Diese autonomen Vorschriften werden jedoch verdrängt, sofern Deutschland durch völkerrechtliche Verträge und Europarecht gebunden ist. 347

Gem. Art. 2 Abs. 1, Art. 60 EuGVO. Zum Problem der Zusammenhangszuständigkeit Kropholler, a. a. O., Art. 5 EuGVO Rn. 79; dieser spricht sich im Falle der Anspruchskonkurrenz entgegen der Rechtsprechung des EuGH (EuGH NJW 1988, 3088) aus Gründen der Prozessökonomie und des Gleichlaufs in der Behandlung der Ansprüche für eine umfassende Zuständigkeit im Vertragsgerichtsstand aus; vgl. dazu auch Schädlich, Grenzüberschreitende Telemedizin-Anwendungen, S. 194; Könning-Feil, Das Internationale Arzthaftungsrecht, S. 327 ff. 349 Vgl. von Hoffmann/Thorn, IPR, § 3 Rn. 228; Schädlich, S. 192; EuGH, Urteil v. 30.11.1976, Rs. 21/76 (Bier/Mines de Potasse d’Alsace), Slg. 1976, 1735; zum Konfliktpotential im Falle der Bestimmung des Erfolgsortes als allgemeinen Deliktsgerichtsstand bei gleichzeitiger Anwendbarkeit des Herkunftslandprinzips auf den Sachverhalt: Mankowski, ZVglRWiss 100 (2001), 137, 176. 350 BGHZ 44, 46; BGH NJW 1997, 2245; Kropholler, IPR, § 58 II 1 a). 348

II. Differenzierung zwischen Vertragsrecht und Deliktsrecht

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Aufgrund der umfassenden Geltung der EuGVO im Rahmen des grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehrs innerhalb des Binnenmarktes scheidet somit die Anwendung der §§ 12 ff. ZPO aus.

II. Differenzierung zwischen Vertragsrecht und Deliktsrecht Zur Beantwortung der Frage, welches Recht auf einen grenzüberschreitenden arzthaftungsrechtlichen Fall Anwendung findet, ist zunächst eine Einordnung der Materie, also der zivilrechtlichen Verantwortung des Arztes seinen Patienten gegenüber, auf sachrechtlicher Ebene erforderlich.351 Hier ist allgemein anerkannt, dass mangels besonderer Vorschriften zur Regelung der zivilrechtlichen Arzthaftung diese nach den allgemeinen Haftungsgrundlagen des BGB zu beurteilen ist.352 Im Falle eines Vertragsschlusses zwischen Patient und Arzt353 obliegt letztgenanntem die vertraglich übernommene Pflicht einer fachgerechten Behandlung (Diagnose und Therapie). Geschuldet ist grundsätzlich nicht der Heilungserfolg354, so dass normalerweise von einem freien Dienstvertrag ausgegangen wird.355 Verletzt der Arzt seine vertraglich übernommene Pflicht und tritt hierdurch ein Schaden beim Patienten ein, so macht er sich schadensersatzpflichtig wegen positiver Vertragsverletzung (pVV), § 280 Abs. 1 BGB.356 Lediglich in bestimmten Fällen kommt es auf die 351

Deutsch, in: FS für Ferid, S. 117, 118. Katzenmeier, Arzthaftung, S. 76 m.w. N. 353 Zur Frage des Zustandekommens des Vertrages im Internet bzw. am Telefon (Teleberatung) vgl. Tillmanns, Die persönliche Leistungserbringungspflicht im Arztrecht und die Telemedizin, S. 204 ff.; nicht eingegangen werden soll an dieser Stelle, da ohne praktische Relevanz, auf den Streit, ob im Falle der Behandlung eines Kassenpatienten ein privatrechtlicher Vertrag mit dem Kassen- bzw. Vertragsarzt zustande kommt (so der BGH und nahezu das gesamte zivilrechtliche Schrifttum, vgl. Katzenmeier, S. 96; Giesen, Arzthaftungsrecht, Rn. 5 jeweils mit zahlreichen Nachweisen; die Annahme eines unmittelbaren bürgerlichrechtlichen Vertragsverhältnisses zwischen Kassenarzt und Kassenpatient schließt man aus § 76 Abs. 4 SGB V, wonach die Übernahme der Behandlung eines Kassenpatienten den Kassenarzt zur Sorgfalt nach den Vorschriften des bürgerlichen Vertragsrechts verpflichtet) oder ob die zivilrechtliche Rechtsposition des Patienten aus einem zwischen Sozialversicherungsträger und Arzt geschlossenen und den Patienten berechtigenden Vertrag zugunsten Dritter folgt (überwiegend im Sozialrecht vertreten, vgl. Nachweise bei Katzenmeier, S. 95 Fn. 115; Laufs, Arztrecht, S. 51 Fn. 6), vgl. zum Ganzen auch Natter, Der Arztvertrag, S. 17 ff. 354 So schon das Reichsgericht, in: RGZ 78, 432, 435; 165, 336, 338. 355 Katzenmeier, S. 99 m.w. N.; Könning-Feil, S. 10 m.w. N.; zu den bisherigen Bestrebungen der Kodifikation des medizinischen Behandlungsvertrages im BGB vgl. Katzenmeier, S. 85 ff. 356 Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 126, 129 ff.; Tillmanns, Die persönliche Leistungserbringungspflicht im Arztrecht und die Telemedizin, S. 130 f.; KönningFeil, S. 9 (noch zur Rechtslage vor der Schuldrechtsreform). 352

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Herstellung eines speziellen Zustandes bzw. Erfolges an, so dass von einem Werkvertrag auszugehen ist und damit das werkvertragliche Gewährleistungsrecht gilt, so z. B. im Rahmen von kosmetischen Operationen, der Anfertigung von Zahnprothesen oder der Erstellung ärztlicher Gutachten.357 Neben diese Haftung des Arztes innerhalb eines Vertragsverhältnisses (wegen Verletzung des Behandlungsvertrages) tritt als zweiter Haftungsgrund der der unerlaubten Handlung (Grundsatz der Anspruchskonkurrenz). Während sich der vertragliche Anspruch auf die Sonderbeziehung zwischen Arzt und Patient bezieht, geht es bei der Haftung aus Delikt um die Verletzung der allgemeinen Berufspflicht.358 Sie greift dann ein, wenn der behandelnde Arzt einen medizinischen Standard zum Nachteil des Patienten nicht einhält bzw. der Heileingriff ohne wirksame Einwilligung des Patienten (z. B. mangelnde Risikoaufklärung)359 erfolgt und dieser dadurch eine Rechtsgutsverletzung erleidet. Die Entwicklungen im Rahmen der Modernisierung des Schuldrechts360 und der Überarbeitung des Schadensrechts361 haben dazu geführt, dass zwei praktisch sehr bedeutsame Unterschiede zwischen den beiden Anspruchsgrundlagen entfallen. Zum einen ist durch die Verlagerung des § 847 BGB a. F. in § 253 Abs. 2 BGB die Zuerkennung eines Schmerzensgeldes nicht mehr nur im Deliktsrecht, sondern auch im Rahmen vertraglicher Schadensersatzansprüche möglich. Damit ist die Schmerzensgeldgewährung nur noch vom verletzten Rechtsgut und nicht mehr von der verletzten Pflicht (allgemeine oder vertragliche (Neben)pflicht) abhängig. Zum anderen beträgt die regelmäßige Verjährungsfrist sowohl für Schadensersatzansprüche wegen Vertragsverletzung als auch für deliktische Ansprüche nunmehr einheitlich gem. § 195 BGB drei Jahre362, so dass die bisherige Diskrepanz hinsichtlich der Verjährung von Schadensersatzansprüchen wegen Vertragsverletzung und von Ansprüchen aus unerlaubter Handlung aufgehoben ist.363 Deutsch sieht vor allem in der Neuregelung der Schmerzensgeldfrage eine arzthaftungsrechtliche Akzentverschiebung vom Deliktsrecht zur vertraglichen Haftung.364 Begünstigt werde diese Tendenz durch die unterschiedliche Regelung des Ein357

Deutsch, in: FS für Ferid, S. 117, 119; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 86. Deutsch/Spickhoff, Rn. 125; Francke/Hart, Ärztliche Verantwortung und Patienteninformation, S. 1. 359 Teilweise ist auch von „informierter Einwilligung“ entsprechend dem informed consent und consentement (libre et) éclairé die Rede, vgl. z. B. Deutsch, in: FS für Ferid, S. 117, 119. 360 Sog. Schuldrechtsmodernisierungsgesetz, in Kraft seit 1.1.2002, BGBl. 2002 I, S. 3138. 361 Sog. Schadensrechtsänderungsgesetz, in Kraft seit 1.8.2002, BGBl. 2002 I, S. 2674. 362 Zum Beginn der Verjährungsfrist und Höchstfristen vgl. § 199 BGB. 363 Zum neuen und bisherigen Verjährungsrecht Deutsch/Spickhoff, Rn. 352 f.; vgl. auch Tillmanns, S. 134 f. 364 Deutsch/Spickhoff, Rn. 128; ebenso Pielach, Haftungsfragen in der Telemedizin, S. 49. 358

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stehenmüssens für das Verhalten von Hilfspersonen in beiden Bereichen. Während sich im Vertragsrecht die patientenfreundliche Möglichkeit einer unbedingten Haftung des Arztes für die Vertragsverletzung eines Erfüllungsgehilfen (§ 278 BGB) eröffnet, hat der Arzt im Rahmen der deliktischen Haftung die Möglichkeit der Exkulpation gem. § 831 Abs. 1 S. 2 BGB und kann im Weiteren möglicherweise nur noch mit der Hilfskonstruktion der Organisationspflichtverletzung belangt werden.365 Hinsichtlich des ärztlichen Pflichtenprogramms ist die Zweigleisigkeit der ärztlichen Haftung von geringem Gewicht366, was nicht zuletzt daraus resultiert, dass der Schutz von Leben und Gesundheit und damit die Sicherheit des Patienten nicht nur Anknüpfungspunkt deliktischer Verhaltenspflichten ist367, sondern gerade auch Gegenstand der vertraglichen Leistungspflichten. Vertragliche wie auch deliktische Pflichten werden grundsätzlich durch objektivierte Standards des ärztlichen Berufsstandes festgelegt. Individualvereinbarungen über den vertraglichen Leistungsinhalt, die praktisch nur vereinzelt zu finden sind, lassen den objektiven Standard in der Regel unberührt.368 Auch im Rahmen der kollisionsrechtlichen Beurteilung der Arzthaftung wird zunächst diese Zweigleisigkeit hinsichtlich der Haftungsgrundlagen beibehalten. Die Haftungsfigur der positiven Forderungsverletzung, nunmehr gesetzlich geregelt in § 280 Abs. 1 BGB, wird wie im deutschen Sachrecht einhellig als vertragliche Haftungsform qualifiziert und somit als Unterfall der Leistungsstörungen einheitlich dem Vertragsstatut gem. Art. 27 ff. EGBGB zugewiesen.369 Genauer gesagt handelt es sich um eine Folge der Nichterfüllung i. S. d. Art. 32 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB.370 Grundsätzlich erfolgt eine differenzierte Anknüpfung an das Vertrags- und das Deliktsstatut, bevor man zur Klärung der Frage übergeht, inwieweit eine Harmonisierung beider Anknüpfungen erforderlich ist bzw. zu erfolgen hat, um zu einer einheitlichen, widerspruchsfreien Beurteilung des Sachverhalts nach einer Rechtsordnung und damit zur Förderung des inneren Entscheidungseinklangs zu gelangen.371 365

Deutsch/Spickhoff, Rn. 128; Tillmanns, S. 135 f. Der BGH und ein Teil der Literatur sprechen sogar von einer prinzipiellen Identität von vertraglichem und deliktischem Schutz: BGH NJW 1985, 2749; 1989, 767; 1990, 2929, 2930; 1991, 2960 f.; Stoll, AcP 176 (1976), 145, 166; Giesen, Arzthaftungsrecht, Rn. 4; Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 2–4; Katzenmeier, Arzthaftung, S. 82 f.; Pielach, S. 49 m.w. N.; Tillmanns, S. 136. 367 Die entsprechenden verkehrsrechtlichen Verhaltensnormen im Deliktsrecht resultieren aus der Garantenstellung für die übernommene Behandlungsaufgabe, vgl. Tillmanns, S. 136. 368 Francke/Hart, Ärztliche Verantwortung und Patienteninformation, S. 16 f. 369 Leicht, Die Qualifikation der Haftung von Angehörigen rechts- und wirtschaftsberatender Berufe im grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehr, S. 89 m.w. N. 370 Reithmann/Martiny-Martiny, Internationales Vertragsrecht, Rn. 266; Soergel-von Hoffmann, EGBGB, Art. 32 Rn. 32; Leicht, S. 89. 366

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§ 3 Kollisionsrechtliche Behandlung des Arzthaftungsrechts

Wie das deutsche Sachrecht keine besonderen Vorschriften hinsichtlich der zivilrechtlichen Haftung des Arztes kennt, so ist auch die Anknüpfung des Arztvertrages und damit des Arzthaftungsrechts im deutschen IPR nicht besonders geregelt. Auch staatsvertragliche Regelungen mit Bezug auf die Anknüpfung des Arzt-Patienten-Verhältnisses, die unmittelbar anwendbares innerstaatliches Recht geworden sind und damit gem. Art. 3 Abs. 2 EGBGB dem deutschen Kollisionsrecht grundsätzlich vorgingen, bestehen nicht.372 Gleiches gilt für Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaften, Art. 3 Abs. 2 S. 2 EGBGB.373 371 Deutsch, in: FS für Ferid, S. 117, 119; Schädlich, Grenzüberschreitende Telemedizin-Anwendungen, S. 113; Könning-Feil, Das Internationale Arzthaftungsrecht, S. 278. 372 a) die staatsvertraglichen Vorschriften der Art. 1–21 des EVÜ (Römisches EWG-Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht vom 19.6.1980) sind gem. Art. 1 Abs. 2 des Zustimmungsgesetzes (v. 25.7. 1986, BGBl. 1986 II 810) in der Bundesrepublik nicht unmittelbar anwendbar; die Bestimmungen wurden mit leicht verändertem Wortlaut und inhaltlich weitgehend gleich als Art. 27–36 in das EGBGB übernommen; lediglich der mit Wirkung zum 30.6.2000 neu geschaffene Art. 29a EGBGB basiert nicht auf der Grundlage des EVÜ. b) die Übereinkunft zwischen Deutschland und Luxemburg, betreffend die gegenseitige Zulassung der in den Grenzgemeinden wohnhaften Medizinalpersonen zur Ausübung der Praxis vom 4.6.1883, RGBl. 1884, 19 – fortgeltend gemäß der Bekanntmachung vom 30.6.1954, BGBl. 1954 II, 718 – enthält zwar in Art. 4 Abs. 1 folgende Bestimmung: „Es gilt als selbstverständlich, dass die Ärzte . . ., wenn sie von der ihnen in Art. 1 dieser Übereinkunft zugestandenen Befugnis Gebrauch machen wollen, sich bei der Ausübung ihres Berufes in den Grenzgemeinden des anderen Landes den dort in dieser Beziehung geltenden Gesetzen zu unterwerfen haben.“ (Fast gleichlautend ist jeweils der Art. 4 in der Übereinkunft zwischen dem Deutschen Reich und den Niederlanden, betreffend die gegenseitige Zulassung der in den Grenzgemeinden wohnhaften Ärzte, Wundärzte und Hebammen zur Ausübung der Praxis vom 11.12. 1873, RGBl. 1874, 99 und der Übereinkunft zwischen Deutschland und der Schweiz, betreffend die gegenseitige Zulassung der in der Nähe der Grenze wohnhaften Medizinalpersonen zur Ausübung der Praxis vom 29.2.1884, RGBl. 1884, 45.) Diese Regelung bezieht sich jedoch nur auf öffentlich-rechtliche Normen, denn nur in diesem Verhältnis kann von einem Unterwerfen bzw. einer Subordination gesprochen werden. Die zivilrechtliche (gleichberechtigte) Beziehung zwischen Patient und Arzt ist demgegenüber von Privatund Parteiautonomie geprägt. Die zitierte staatsvertragliche Regelung ist somit keine Kollisionsnorm bezogen auf das zivilrechtliche Verhältnis zwischen Arzt und Patient; vgl. dazu auch Schädlich, S. 104 f. 373 Vereinzelt wird den im EG-Vertrag kodifizierten Grundfreiheiten als Teil des EG-Primärrechts ein kollisionsrechtlicher Gehalt im Sinne einer Verweisung auf das Herkunftslandrecht beigemessen, mit der Folge, dass die Regeln des EGBGB und damit auch des internationalen Schuldvertragsrechts (Art. 27 ff. EGBGB) gem. Art. 3 Abs. 2 S. 2 EGBGB verdrängt werden würden – vgl. Basedow, RabelsZ 59 (1995), 1, 14; Bernhard, EuZW 1992, 437, 438; Martiny, in: von Bar, Europäisches Gemeinschaftsrecht und Internationales Privatrecht, S. 211, 217; gegen eine solche Gleichsetzung des Herkunftslandprinzips der Grundfreiheiten mit einer gemeinschaftsrechtlichen Verweisung auf das Herkunftslandrecht spricht jedoch schon der unterschiedliche Aufgabencharakter von Grundfreiheiten (Vermeidung ungerechtfertigter Behinderungen des Wirtschaftsverkehrs) und Kollisionsnormen (Ermittlung des für den zu regelnden Sachverhalt räumlich gerechten Rechts, vgl. MünchKomm-Sonnenberger,

III. Vertragsrechtliche Aspekte

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Damit kommen grundsätzlich die allgemeinen Regeln des internationalen Schuldvertragsrechts und Deliktsrechts zur Anwendung.

III. Vertragsrechtliche Aspekte 1. Grundlegendes Das auf Schuldverträge anzuwendende Recht ist in den Art. 27–37 EGBGB geregelt. Danach gilt grundsätzlich das Prinzip der Parteiautonomie, d. h. die Vertragsparteien können das für ihre Vertragsbeziehung maßgebliche Recht zunächst selbst wählen (Art. 27 EGBGB). Machen die Parteien von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch, so ist das auf den Vertrag anzuwendende Recht (Vertragsstatut) regelmäßig374 nach Art. 28 EGBGB durch objektive Anknüpfung zu bestimmen. Verweisungen innerhalb des internationalen Schuldvertragsrechts sind gem. Art. 35 Abs. 1 EGBGB Sachnormverweisungen, so dass eine Rück- oder Weiterverweisung ausscheidet. Für Verweisungen aufgrund einer Rechtswahl ergibt sich dies zwar grundsätzlich schon aus Art. 4 Abs. 2 EGBGB, im Falle von Schuldverträgen ist Art. 35 EGBGB jedoch lex specialis.375 Bei Art. 36 EGBGB zeigt sich der staatsvertragliche Ursprung der Art. 27 ff. EGBGB. Hiernach hat die Auslegung und Anwendung der das internationale Vertragsrecht betreffenden Normen autonom, also nicht am nationalen Recht orientiert zu erfolgen, um eine diesbezügliche Einheitlichkeit in den Mitgliedstaaten des EVÜ gewährleisten zu können.376

EGBGB, Einl. IPR, Rn. 98); zudem zeigt auch die Rechtsprechung des EuGH, welche die zur Anwendung berufenen sachrechtlichen Normen auf ihre Vereinbarkeit mit den Grundfreiheiten überprüft, die grundsätzliche Akzeptanz der kollisionsrechtlichen Entscheidungen der nationalen Gerichte, vgl. Sack, WRP 2000, 269, 281; Kreuzer, in: Müller-Graff, Gemeinsames Privatrecht in der Europäischen Gemeinschaft, S. 457, 512; vgl. dazu ausführlich Flesner, Die Behinderungen des binnenmarktgrenzüberschreitenden Vertragsschlusses und die Möglichkeiten ihrer Beseitigung, S. 40–55; Bruinier, Der Einfluss der Grundfreiheiten auf das Internationale Privatrecht, S. 39 ff. 374 Beachte vorrangige Sondernormen für Verbraucher- und Arbeitsverträge (Art. 29 Abs. 2 und 30 Abs. 2 EGBGB). 375 von Hoffmann/Thorn, IPR, § 6 Rn. 109; zur Frage, inwieweit diese beiden Normen eine Rechtswahlbeschränkung hinsichtlich einer Kollisionsrechtswahl darstellen vgl. Könning-Feil, S. 190 f. 376 Seit dem 1.8.2004 sind die beiden Protokolle über die Auslegung des EVÜ durch den EuGH und zur Übertragung bestimmter Zuständigkeiten für die Auslegung des EVÜ auf den EuGH in Kraft, so dass nun der EuGH eine unmittelbare Auslegungskompetenz besitzt.

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§ 3 Kollisionsrechtliche Behandlung des Arzthaftungsrechts

2. Rechtswahl gem. Art. 27 EGBGB Die Parteien eines Behandlungsvertrages können gem. Art. 27 Abs. 1 S. 2 EGBGB sowohl ausdrücklich als auch konkludent das auf ihren Vertrag anwendbare Recht bestimmen. Dabei sind sie in ihrer Wahl grundsätzlich frei, d. h. der Sachverhalt braucht weder sachlich noch räumlich eine Beziehung zu dem gewählten Recht aufweisen, genauso wenig muss irgendein anderes „anzuerkennendes Interesse“ der Parteien an diesem bestehen.377 Es kann somit auch das Recht eines dritten Staates als neutrales Recht vereinbart werden.378 Die Rechtswahl kann sowohl durch Individualvereinbarung als auch in Allgemeinen Geschäftsbedingungen erfolgen. Zudem ist es nicht zwingend, dass die Rechtswahlvereinbarung vor oder bei Abschluss des Vertrages getroffen wird. Vielmehr ergibt sich aus Art. 27 Abs. 2 EGBGB die Möglichkeit einer nachträglichen Rechtswahl mit der Folge eines Statutenwechsels, der ex tunc wirkt.379 Nachträgliche Rechtswahl bedeutet hier nicht nur „nach Vertragsschluss“, sondern auch „nach erfolgter Pflichtverletzung“.380 Das Zustandekommen und die Wirksamkeit der Rechtswahlvereinbarung unterliegen gem. Art. 27 Abs. 4 i.V. m. Art. 31 Abs. 1 EGBGB dem von den Parteien gewählten Recht. Die Rechtsordnungen der meisten Staaten akzeptieren Rechtswahlklauseln in sachrechtlichen Hauptverträgen, also die einseitige Rechtswahlerklärung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen.381 In normalen Behandlungsverträgen zwischen einem niedergelassenen Arzt und dem Patienten ist eine ausdrückliche Rechtswahl(klausel) bisher wohl eher selten zu finden. Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, dass es in der Vergangenheit nur in geringem Umfang gezielte Inanspruchnahmen medizinischer Leistungen im Ausland sowie eine eher überschaubare Abwanderung von Ärzten aus dem Heimatland in das EU-Ausland gegeben hat. Mit den dargestellten zu erwartenden zielgerichteten bzw. geplanten medizinischen Behandlungen im EU-Ausland könnte jedoch die ausdrückliche Rechtswahlvereinbarung einen ungeahnten Stellenwert im Bereich des Arztvertragsrechts erlangen. So ist es z. B. vorstellbar, dass deutsche Krankenversicherungen ein großes Interesse daran haben dürften, dass eine Behandlung ihrer Versicherten im Ausland dem deutschen Recht unterliegt, um Berührungen mit ihnen unbekannten Rechtssystemen zu vermeiden. Hinsichtlich der Umsetzung ist denkbar, dass die Krankenversicherungen ihre Versicherten dahingehend beeinflussen, nach Möglich-

377 von Hoffmann/Thorn, IPR, § 10 Rn. 27 m.w. N.; Könning-Feil, S. 183 m.w. N.; Hoppe, MedR 1998, 462, 464. 378 Hoppe, MedR 1998, 462, 464 m.w. N.; Schädlich, S. 114. 379 von Hoffmann/Thorn, IPR, § 10 Rn. 40; Könning-Feil, S. 203 ff. 380 Stumpf, MedR 1998, 546; von Bar, IPR II, Rn. 479 f. 381 Vgl. hierzu grundsätzlich von Bar, IPR II, Rn. 476.

III. Vertragsrechtliche Aspekte

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keit bei einer Behandlung im EU-Ausland einen inländischen Gerichtsstand und inländisches Recht zu vereinbaren.382 Nach der EuGVO muss eine Gerichtsstandsvereinbarung schriftlich geschlossen bzw. schriftlich bestätigt werden. In demselben Atemzug bietet sich eine schriftliche und damit ausdrückliche Rechtswahlvereinbarung an. Wie sich die Krankenkassen in dieser Hinsicht verhalten bzw. inwieweit sie sich durchsetzen werden, bleibt abzuwarten. In den bereits genannten Fällen des Vertragsschlusses der AOK Brandenburg mit Zahnärzten aus Polen, wodurch ein Standardzahnersatz ohne Zuzahlung der eigenen Versicherten ermöglicht wird383, hat dies die Krankenkasse selbst in die Hand genommen und garantiert damit ihren Versicherten neben der Verwendung inländischen Materials und der Deutschsprachigkeit der Ärzte auch inländische Qualitätsstandards, deutsches Gewährleistungsrecht und einen deutschen Gerichtsstandort.384 Im Bereich der ungeplanten Inanspruchnahme ärztlicher Hilfe (z. B. im Falle eines Unfalls eines Touristen im EU-Ausland) werden derartige rechtliche Überlegungen wohl weiterhin von untergeordneter Bedeutung sein. Schon eher von praktischer Relevanz sind ausdrückliche Rechtswahlvereinbarungen im Rahmen vorformulierter Krankenhausverträge (Krankenhausformularverträge) in Form einer Allgemeinen Geschäftsbedingung bzw. Krankenhausaufnahmebedingung, die mit der Patientenunterschrift als Vertragsbestandteil gebilligt wird.385 Dies wird vor allem von solchen Krankenhäusern genutzt werden, die über die Grenzen des Landes hinaus für bestimmte Operationen oder Therapien bekannt sind und somit von Patienten aus ganz Europa oder gar anderen Teilen der Welt aufgesucht werden. Auch in einigen Bereichen der Telemedizin, die sich das Internet zunutze gemacht haben, z. B. medizinische Internetportale (Gesundheitsportale – Auskunftserteilung via Internet), sind Rechtswahlklauseln in „elektronischen AGB“, typischerweise zugunsten des Rechts am Niederlassungsort des die Gesundheitsdienstleistungen anbietenden Telemediziners, üblich.386 Fraglich ist, inwieweit eine solche in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltene Rechtswahlklausel möglicherweise einer vorgeschalteten AGB-Kontrolle durch die nun in das BGB eingefügten Bestimmungen der §§ 305 ff. BGB unterliegt. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass allein die Art. 27 ff. EGBGB 382

Hoppe, Der Arzt und sein Recht 1998, 3, 8. Vgl. unter § 1 VI 3. 384 Vgl. http://www.zdf.de/ZDFde/inhalt/21/0,1872,2349141,00.html („Zähne aus Polen, Kuren in Ungarn – Arztbehandlung im osteuropäischen Ausland“). 385 Könning-Feil, S. 194; grundsätzlich zur Verwendung allgemeiner Geschäftsbedingungen durch Krankenhäuser als verhandlungsdominante Partei vgl. Pflüger, Krankenhaushaftung und Organisationsverschulden, S. 70 ff. 386 Zur Rechtswahl bei Internetverträgen vgl. Mankowski, RabelsZ 63 (1999), 203, 209 ff. 383

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§ 3 Kollisionsrechtliche Behandlung des Arzthaftungsrechts

den Maßstab für die Grenzen der Rechtswahl bilden387 und damit eine vorgeschaltete AGB-Kontrolle nach den materiellen inländischen Normen unzulässig ist. Eine solche kommt erst dann in Betracht, wenn es sich bei dem Vertragsstatut um deutsches Recht handelt. Stellt ausländisches Recht das Vertragsstatut, sind allein dessen Regelungen zur AGB-Kontrolle anwendbar.388 Eine Ausnahme von diesem Grundsatz bildet jedoch die Überraschungskontrolle formularmäßiger Rechtswahlklauseln. Eine solche ist nach überwiegender Ansicht gem. Art. 31 Abs. 2 EGBGB i.V. m. § 305c BGB (§ 3 des früheren AGBG) unabhängig vom anwendbaren Recht in jedem Fall möglich.389 Von einer überraschenden und damit unwirksamen Rechtswahlklausel i. S. d. § 305c BGB wird dann gesprochen, wenn sie die Wahl eines fremden Rechts beinhaltet, obgleich der Vertrag überhaupt keinen bzw. nur einen vernachlässigenswert geringen Auslandskontakt aufweist oder nach der Art des Vertrages zum gewählten Recht keinerlei Bezug besteht. In diesen Fällen muss der Patient entweder gar nicht mit der Rechtswahl oder jedenfalls nicht mit der Wahl des in der Klausel bestimmten Rechts rechnen.390 Bei grenzüberschreitenden Behandlungsverträgen dürfte jedoch nur letztgenannter Fall ernsthaft in Betracht kommen, nämlich dann wenn ein Drittrecht gewählt wird.391 Wurde von den Parteien nicht ausdrücklich die Anwendbarkeit eines bestimmten Rechts auf das Vertragsverhältnis bestimmt, bleibt gem. Art. 27 Abs. 1 S. 1, 2. HS EGBGB die Möglichkeit einer stillschweigenden (konkludenten) Vereinbarung. Hierfür bedarf es einer tatsächlichen Willensübereinstimmung der Parteien.392 Die Parteien müssen sich bewusst sein, eine Erklärung bezüglich des anzuwendenden Rechts abzugeben. Auf einen mutmaßlichen oder hypothetischen Parteiwillen, welcher nach der früheren Rechtslehre zur Ermittlung der anwendbaren Rechtsordnung herangezogen wurde, kann es nicht ankommen.393 Zwar ist keine deutliche Feststellbarkeit der konkludenten Rechtswahl erforder-

387 Mankowski, RIW 1996, 1001, 1002; MünchKomm-Martiny, EGBGB, Art. 27 Rn. 13. 388 MünchKomm-Martiny, EGBGB, Art. 27 Rn. 13; von Bar, IPR II, Rn. 476. 389 Mankowski, RIW 1996, 1001, 1002; Pfeiffer, NJW 1997, 1207, 1212; Reithmann/Martiny-Martiny, Internationales Vertragsrecht, Rn. 240; vgl. auch die Rspr. des OLG Düsseldorf, RIW 1995, 769 und RIW 1996, 681, welche jedoch eine Anwendbarkeit des § 305c BGB (früher § 3 AGBG) über Art. 29 EGBGB statt über Art. 31 Abs. 2 EGBGB annimmt. 390 Vgl. dazu Mankowski, RIW 1996, 1001, 1002; Pfeiffer, NJW 1997, 1207, 1211. 391 Vgl. Begründung zu Art. 27 Abs. 3 EGBGB unter III. 3. a). 392 Weitnauer, Der Vertragsschwerpunkt, S. 155; Reithmann/Martiny-Martiny, Rn. 83; Schack, NJW 1984, 2736, 2738. 393 von Hoffmann/Thorn, IPR, § 10 Rn. 31; Reithmann/Martiny-Martiny, Rn. 84; nach dem Bericht von Giuliano/Lagarde, BT-Drs. 10/503, S. 49 zum EVÜ sollte durch die dem Art. 27 Abs. 1 S. 1 EGBGB entsprechende Norm des Art. 3 Abs. 1 S. 1 EVÜ die Fiktion einer Rechtswahl vermieden werden.

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lich394, jedoch muss sich eine solche gem. Art. 27 Abs. 1 S. 2 EGBGB mit hinreichender Sicherheit aus den Bestimmungen des Vertrages oder aus den Umständen des Falles ergeben. Die Fragen, welchen Vertragsbestimmungen und Umständen eine solche Indizwirkung zukommen kann und wann eine hinreichende Sicherheit i. S. d. Art. 27 Abs. 1 S. 2 EGBGB gegeben ist, hat der Gesetzgeber offengelassen. Als Indizien für eine Rechtswahl sind z. B. anerkannt: die Vereinbarung eines einheitlichen Gerichtsstandes395 (bzw. im Falle von Haftpflichtstreitigkeiten zwischen Ärzten und Patienten die Vereinbarung einer bestimmten Gutachter- und Schlichtungsstelle396), Bezugnahme auf Vorschriften/ Modalitäten eines bestimmten Rechts, Verweisung auf einen früheren, gleichartigen Vertrag, für den Rechtswahl vereinbart wurde.397 Das Indiz des gemeinsamen Lebensmittelpunktes bzw. des gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthaltes398 wird in den Fällen des freien Dienstleistungsverkehrs kaum eine Rolle spielen, da hier, bis auf wenige Ausnahmefälle399, gerade die unterschiedliche Ansässigkeit der Vertragsparteien charakteristisch ist. Hinsichtlich der Bezugnahme der Parteien auf Vorschriften eines bestimmten Rechts (z. B. Haftungsvorschriften) ist vor der Annahme einer konkludenten Rechtswahl genau zu prüfen, ob es die Parteien tatsächlich im Sinn hatten, den gesamten Vertrag der betreffenden Rechtsordnung zu unterstellen (vgl. Art. 31 und 32 EGBGB400) oder ob es sich vielleicht um eine Teilrechtswahl gem. Art. 27 Abs. 1 S. 3 EGBGB handelt.401 Mit Hilfe letztgenannter ist es den Parteien möglich, einen bestimmten Teil des Vertragsverhältnisses entweder vom objektiven Vertragsstatut (Art. 28 oder 29 Abs. 2 EGBGB) oder vom für den „Restvertrag“ gewählten Recht abzuspalten (Vertragsspaltung). Neben den schon genannten Indizien kann auch das Verhalten der Parteien im Prozess eine Rolle spielen. Jedoch ist es nicht mehr wie nach altem Recht möglich, vom übereinstimmenden Verhalten der Parteien im Prozess hinsichtlich der Anwendung bzw. Zugrundelegung einer bestimmten Rechtsordnung auf deren übereinstimmenden Willen diesbezüglich zu schließen.402 Vielmehr ist auch hier ein tatsächlicher rechtsgeschäftlicher Wille und nicht nur ein vermute394

Könning-Feil, S. 194. Hoppe, MedR 1998, 462, 464 m.w. N. 396 Könning-Feil, S. 197. 397 Vgl. von Hoffmann/Thorn, IPR, § 10 Rn. 33 ff.; Reithmann/Martiny-Martiny, Rn. 85 ff. 398 Vgl. Könning-Feil, S. 196 m.w. N. 399 Vgl. Fn. 83. 400 Grundsätzlich umfasst das gewählte Recht den gesamten Vertrag vom Vertragsschluss (Art. 31 EGBGB) bis zu den Erfüllungsmodalitäten (Art. 32 Abs. 1 EGBGB); vgl. von Hoffmann/Thorn, IPR, § 10 Rn. 38. 401 Könning-Feil, S. 198. 402 Vgl. Könning-Feil, S. 200; von Hoffmann/Thorn, IPR, § 10 Rn. 37. 395

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ter erforderlich, denn meist fehlt den Prozessparteien das Bewusstsein, dass ein Streitentscheid auch nach einer anderen Rechtsordnung möglich ist.403 Zu beachten ist insgesamt, dass jeder Umstand durch andere Vertragsumstände widerlegt werden kann und sich bestimmte Indizwirkungen gegenseitig aufheben können. Hinreichende Sicherheit i. S. d. Art. 27 Abs. 1 S. 2 EGBGB ist meist erst dann gegeben, wenn mehrere Indizien kumulativ vorliegen. 3. Schranken bzw. Grenzen der Rechtswahl Haben die Parteien entweder ausdrücklich oder stillschweigend eine Rechtsordnung vereinbart, so gilt das gewählte materielle Recht grundsätzlich vollumfänglich zu Gunsten wie zu Lasten der Parteien, d. h. Arzt und Patient müssen sich an ihrer Rechtswahl festhalten lassen. Der Parteiautonomie sind jedoch unter bestimmten Umständen bzw. in bestimmten Bereichen Grenzen gesetzt. So sieht das internationale Schuldvertragsrecht gem. Art. 27 Abs. 3, 29, 29a, 30 und 34 EGBGB Spezialregelungen für national und international zwingendes Recht vor. a) Binnensachverhalt gem. Art. 27 Abs. 3 EGBGB Eine Einschränkung der Rechtswahlmöglichkeit ergibt sich grundsätzlich aus Art. 27 Abs. 3 EGBGB. Diese Norm betrifft die Konstellationen, in denen der Sachverhalt eine Berührung zu nur einem Staat aufweist (Binnensachverhalt). Zwar können die Parteien auch hier das Recht eines anderen Staates für die Vertragsbeziehung wählen, müssen aber trotzdem die zwingenden Bestimmungen des mit dem Sachverhalt allein verbundenen Rechts beachten. Im Endeffekt bringt die Rechtswahl allein die Abbedingung des dispositiven Rechts. Die grundsätzlich kollisionsrechtliche Rechtswahl wird in diesen Fällen in ihrer Wirkung auf eine materiell-rechtliche Verweisung reduziert.404 Wann jedoch ein schlichter Inlandsfall vorliegt bzw. ab wann Verbindungen zu einem weiteren Staat vorliegen, ist fraglich und einzelfallbezogen zu klären. Ganz offensichtlich zu schwach ist die Auslandsberührung etwa im Falle eines inländischen ärztlichen Behandlungsverhältnisses, bei welchem ausländische (z. B. asiatische) Heilverfahren oder -techniken angewandt werden. Auch das alleinige Bestehen einer privaten Krankenversicherung des Patienten bei einem ausländischen Versicherungsunternehmen dürfte nicht ausreichend sein. Zwar 403 Im Falle der Annahme einer stillschweigenden Rechtswahl ist str., ob darin eine anfängliche oder eine nachträgliche Rechtswahl der Parteien zu sehen ist. Ein Streitentscheid hat jedoch keine praktische Relevanz, da auch die nachträgliche Rechtswahl grundsätzlich rückwirkende Kraft besitzt, vgl. Könning-Feil, S. 200, 205. 404 von Hoffmann/Thorn, IPR, § 10 Rn. 29 f.; Könning-Feil, S. 185.

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besteht in diesem Fall ein wirtschaftlicher Zusammenhang des Arztvertrages als Binnengeschäft mit dem Versicherungsvertrag als Geschäft mit signifikanter Verbindung zum Ausland. Das Vertragsverhältnis zwischen Arzt und Privatpatient ist jedoch in rechtlicher Hinsicht völlig eigenständig und damit ein reines Inlandsgeschäft.405 Den erforderlichen objektiven Bezug zu einer ausländischen Rechtsordnung hat nur das Geschäft zwischen Patient und Versicherungsgeber. Weitgehend einig ist man sich darüber, dass die Auslandsberührung aufgrund objektiver Elemente gegeben sein muss, die auf den Leistungsaustausch zwischen den Parteien bezogen und damit auch im Rahmen der objektiven Anknüpfung nach Art. 28 EGBGB heranzuziehen sind406, z. B. der unterschiedliche gewöhnliche Aufenthalt der Vertragsparteien, unterschiedliche Erfüllungsorte der einzelnen Vertragspflichten sowie jede grenzüberschreitende Bewegung von Waren, Dienstleistungen und Zahlungen407. Für die hier interessierenden Fälle mit Bezug zur Dienstleistungsfreiheit gem. Art. 49 ff. EGV ist es (bis auf die Fälle der bloßen Erbringung der Dienstleistung im Ausland408) charakteristisch, dass die Vertragsparteien Arzt und Patient unterschiedliche gewöhnliche Aufenthalte haben bzw. die ärztliche Behandlungsleistung (im Falle der Korrespondenzdienstleistung) als Dienstleistung die Grenze eines Mitgliedstaates überschreitet. Insoweit ist immer ein eindeutiger Auslandskontakt gegeben. Das Gleiche gilt für die Fälle, in denen Arzt und Patient zwar in demselben Staat ihren gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt haben, die Behandlungsleistung jedoch in einem anderen Mitgliedstaat erbracht wird. Die Rechtswahlschranke gem. Art. 27 Abs. 3 EGBGB hat somit auf die fraglichen Fälle des freien Dienstleistungsverkehrs keinen Einfluss.

405 Zum Streit bezüglich der Annahme eines Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter im Verhältnis Arzt – Kassenpatient vgl. Fn. 353. 406 Soergel-von Hoffmann, EGBGB, Art. 27 Rn. 87–95; Stumpf, MedR 1998, 546, 548; str. ist jedoch, ob die unterschiedliche Staatsangehörigkeit der Vertragsparteien als nicht auf den Leistungsaustausch bezogenes Kriterium ausreichend ist, vgl. von Hoffmann/Thorn, IPR, § 10 Rn. 30; Könning-Feil, S. 187 f.; Schütt, Deliktstyp und internationales Privatrecht, S. 167 geht unter Verweis auf den Thorotrast-Fall, BGH, 13.2.1956 – III ZR 175/54, BGHZ 20, 61 ff. = NJW 1956, 629 ff. davon aus, dass bei alleiniger ausländischer Staatsangehörigkeit des Arztes oder des Patienten und sonst ausschließlich im Inland liegender Anknüpfungspunkte die kollisionsrechtliche Problematisierung außer Acht gelassen werden kann; differenzierend MünchKomm-Martiny, EGBGB, Art. 27 Rn. 95; gleichfalls stark umstritten ist, ob ein ausländischer Abschlussort allein genügt – zum Streitstand vgl. Staudinger-Magnus, EGBGB, Art. 27 Rn. 123; Reithmann/Martiny-Martiny, Rn. 107. 407 von Hoffmann/Thorn, IPR, § 10 Rn. 30; Reithmann/Martiny-Martiny, Rn. 106; von Bar, IPR II, Rn. 418 f. 408 Vgl. Fn. 83.

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b) Schranke des Art. 29 Abs. 1 EGBGB Eine Begrenzung der Rechtswahlwirkungen kann sich jedoch aus Art. 29 Abs. 1 EGBGB ergeben, wenn es sich bei dem Arztvertrag um einen Verbrauchervertrag i. S. dieser Norm handelt und dieser unter einem der Umstände der Nr. 1–3 zustande gekommen ist. Im Gegensatz zu den Art. 27 Abs. 3 und 34 EGBGB bleibt hier der Vertrag zwar den zwingenden privatrechtlichen Normen der gewählten Rechtsordnung (einschließlich deren zwingenden verbraucherschützenden Normen) unterworfen. Jedoch ist es den Parteien nicht möglich, sich über die zwingenden Verbraucherschutzvorschriften am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Verbrauchers hinwegzusetzen, sofern diese auf den jeweiligen Streitgegenstand bezogen für den Verbraucher günstiger sind als die des gewählten Vertragsstatuts.409 Art. 29 Abs. 1 EGBGB beinhaltet folglich eine Art „Günstigkeitsprinzip“410 bzw. „Rosinentheorie“411 in der Form, dass das Recht des Aufenthaltsstaates des Verbrauchers nur das Minimum des zu gewährenden Schutzes darstellt und dieser unter Umständen von den Vorschriften des gewählten Vertragsstatuts übertroffen werden kann. Jedoch darf der Verbraucher keine Kumulierung der Vorteile beider Rechtsordnungen derart vornehmen, dass Ergebnisse erzielt werden, die nach keiner der einzelnen Rechtsordnungen allein eintreten können.412 Darüber hinaus wird gem. Art. 29 Abs. 3 EGBGB als Formstatut zwingend das Aufenthaltsrecht des Verbrauchers vorgeschrieben, was jedoch für Arztverträge weniger relevant sein dürfte. Zu prüfen ist, ob hinsichtlich des ärztlichen Behandlungsvertrags der Anwendungsbereich des Art. 29 EGBGB eröffnet ist.413 aa) Sachlicher Anwendungsbereich Sachlich erfasst die Norm neben Verträgen über die Lieferung beweglicher Sachen auch Verträge über die Erbringung von Dienstleistungen, worunter alle gewerblichen, kaufmännischen, handwerklichen und freiberuflichen Tätigkeiten fallen, soweit sie regelmäßig gegen Entgelt erbracht werden und keine Veräuße-

409 von Hoffmann/Thorn, IPR, § 10 Rn. 71; Lorenz, RIW 1987, 569, 576; MünchKomm-Martiny, EGBGB, Art. 29 Rn. 59 f. 410 Staudinger-Magnus, EGBGB, Art. 29 Rn. 2; Soergel-von Hoffmann, EGBGB, Art. 29 Rn. 39. 411 Lorenz, RIW 1987, 569, 577. 412 Vgl. Mäsch, Rechtswahlfreiheit und Verbraucherschutz, S. 37 ff.; StaudingerMagnus, EGBGB, Art. 29 Rn. 107; MünchKomm-Martiny, EGBGB, Art. 29 Rn. 60. 413 Dies ohne jegliche Begründung bejahend: Stumpf, MedR 1998, 546, 548 sowie Bohle, in: Dierks/Feussner/Wienke, Rechtsfragen der Telemedizin, S. 83, 86.

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rung oder Gebrauchsüberlassung zum Gegenstand haben.414 Die Auslegung entspricht somit im Wesentlichen der des Art. 50 EGV.415 Die ärztliche Tätigkeit als freiberufliche Erbringung von Dienstleistungen erfüllt unproblematisch diese grundlegende Voraussetzung.416 Ob es sich im konkreten Fall um einen Werkoder Dienstvertrag handelt, ist ohne Belang. Beide Vertragsarten fallen unter den weiten Dienstleistungsbegriff der Norm.417 bb) Persönlicher Anwendungsbereich Zudem müsste es sich bei dem Empfänger der ärztlichen Behandlungsleistung um einen Verbraucher handeln, denn nur diesen erachtet die Norm für schutzwürdig. Maßgeblich soll dabei der Vertragszweck sein, d. h. es kommt darauf an, ob die Person „zu einem Zweck (gehandelt hat), der nicht der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit, sondern dem privaten Lebensbereich zugerechnet werden kann“418. Da die eigene Gesundheit und körperliche Unversehrtheit höchstpersönliche Rechtsgüter eines Menschen darstellen, ist die Zuordnung einer ärztlichen Behandlungsleistung zur Privatsphäre des Patienten nicht in Frage zu stellen. Ein Verbrauchervertrag ist damit grundsätzlich gegeben.419 cc) Örtliche Abschlussmodalitäten bzw. situativer Anwendungsbereich420 Neben der Art des Geschäftes/Vertrages und der Verbrauchereigenschaft des Leistungsempfängers bestimmt Art. 29 EGBGB in Abs. 1 Nr. 1–3 jedoch besondere örtliche Abschlussmodalitäten bzw. Umstände des Vertragsschlusses, 414

von Hoffmann/Thorn, IPR, § 10 Rn. 67. Staudinger-Magnus, EGBGB, Art. 29 Rn. 52. 416 Vgl. Looschelders, EGBGB, Art. 29 Rn. 29; Erman-Hohloch, EGBGB, Art. 29 Rn. 24. 417 Reithmann/Martiny-Martiny, Rn. 807; von Bar, IPR II, Rn. 432; MünchKommMartiny, EGBGB, Art. 29 Rn. 18. 418 Aus dem EVÜ stammende Definition; vgl. auch § 13 BGB, Art. 13 EuGVÜ/ Art. 15 EuGVO (zuständigkeitsrechtlicher Verbraucherschutz); Kropholler, IPR, § 52 V 1; von Hoffmann/Thorn, IPR, § 10 Rn. 68; MünchKomm-Martiny, EGBGB, Art. 29 Rn. 7. 419 Wie Schädlich, Grenzüberschreitende Telemedizin-Anwendungen, S. 117 richtig bemerkt, ist bereits bei Eröffnung des persönlichen und sachlichen Anwendungsbereichs des Art. 29 EGBGB ein Verbrauchervertrag gegeben (vgl. Wortlaut Art. 29 Abs. 2 EGBGB), bei Abs. 1 Nr. 1–3 handelt es sich lediglich um zusätzlich erforderliche Abschlussmodalitäten; insoweit irreführend Könning-Feil, S. 193 f. und dem folgend Hoppe, MedR 1998, 462, 464. 420 Bülow, EuZW 1993, 435, 436; MünchKomm-Martiny, EGBGB, Art. 29 Rn. 33; Looschelders, EGBGB, Art. 29 Rn. 43; nach von Hoffmann/Thorn, IPR, § 10 Rn. 70 und Soergel-von Hoffmann, EGBGB, Art. 29 Rn. 15 „räumlicher Anwendungsbereich“. 415

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die eine kollisionsrechtliche Privilegierung des Patienten rechtfertigen. Hierbei handelt es sich gleichzeitig um die problematischste Einschränkung des kollisionsrechtlichen Verbraucherschutzes.421 Sinn dieser Fallgruppen ist es, diejenigen Verbraucher aus dem Schutzumfang der Norm auszuschließen, die sich aus eigenem Antrieb auf den Weg ins Ausland begeben, um dort Waren zu erwerben oder Dienstleistungen in Anspruch nehmen. Diese können nicht auch dort den heimatlichen Schutzstandard erwarten, sondern müssen vielmehr damit rechnen, dass regelmäßig das dortige Recht zur Anwendung gelangt. Sie lassen in derartigen Fällen ihr eigenes Verbraucherschutzrecht an der Grenze zurück.422 Mit Blick auf den ärztlichen Behandlungsvertrag bedeutet dies, dass sich die Patienten, die sich für eine ärztliche Behandlung zielgerichtet ins Ausland begeben (Fälle der passiven Dienstleistungsfreiheit), mit dem verbraucherrechtlichen Schutzstandard des jeweiligen Marktes zufrieden geben müssen.423 Etwas anderes kann sich nur dann ergeben, wenn das Geschäft aufgrund verschiedener Beziehungen zum Aufenthaltsstaat des Verbrauchers in die Nähe eines Inlandsgeschäfts rückt und sich hierdurch der Schwerpunkt des Vertragsschlusses ins Inland verlagert.424 Die Nr. 1–3 des Art. 29 Abs. 1 EGBGB halten diesbezüglich drei Alternativen bereit: Die letzte Vertragsschlusssituation der vom Verkäufer organisierten Einkaufsfahrten ins Ausland (Abs. 1 Nr. 3) betrifft lediglich Warenkaufverträge und greift daher von vornherein nicht ein. Damit bleiben lediglich die Fälle der Absatztätigkeit des Anbieters im Land des Verbrauchers gem. Abs. 1 Nr. 1 und 2, und zwar entweder durch ein ausdrückliches Angebot oder Werbung vor Vertragsschluss und die entsprechenden Vertragsschlusshandlungen des Verbrauchers in diesem Staat (Nr. 1) oder durch die Entgegennahme der Bestellung im Verbraucherstaat (Nr. 2). (1) Art. 29 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB Im Rahmen des Art. 29 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB ist zunächst zu prüfen, inwieweit man im Bereich ärztlicher Dienstleistungen von der Entfaltung einer Absatztätigkeit durch Werbung oder ausdrückliche Angebote425 sprechen kann. 421

Staudinger-Magnus, EGBGB, Art. 29 Rn. 65. Kroeger, Der Schutz der „marktschwächeren“ Partei im internationalen Vertragsrecht, S. 177; vgl. auch Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Regelung des Internationalen Privatrechts, BT-Drs. 10/504, 79 f. 423 Reithmann/Martiny-Martiny, Rn. 810; Kroeger, S. 177. 424 Soergel-von Hoffmann, EGBGB, Art. 29 Rn. 15. 425 Da das ausdrückliche Angebot i. S. d. Art. 29 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB kein verbindliches Angebot i. S. d. BGB zu sein braucht und hiervon nach h. M. auch die „invitatio ad offerendum“ erfasst wird (vgl. BGHZ 123, 180, 389; Borges, ZIP 1999, 565, 567; MünchKomm-Martiny, EGBGB, Art. 29 Rn. 34; Soergel-von Hoffmann, 422

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(a) Ärztliche Werbung Der bisherige Meinungsstand in der Literatur zu diesem Thema ist zwiespältig. Ein Teil der Literatur426 hat diesbezüglich Zweifel, vor allem deshalb, weil es für den ärztlichen Berufsstand weitgehend unüblich und auch standesrechtlich untersagt sei, für ärztliche Behandlungsleistungen auf dem Markt zu werben oder diese (ausdrücklich) anzubieten.427 Derartige Verbote der öffentlichen Eigenwerbung existierten nicht nur in Deutschland428, sondern auch in anderen europäischen Mitgliedstaaten.429 Damit erübrige sich die Anwendbarkeit des Art. 29 EGBGB auf den Arztvertrag. Könning-Feil 430 betont zudem, dass trotz der Einordnung des Patienten als Verbraucher ärztlicher Behandlungsleistungen und des Arztes als Dienstleistungserbringer doch keine typische Verbrauchersituation vorliegt, wie man sie aus anderen Konstellationen kennt. Es fehle an einer (schutzwürdigen) marktschwächeren Partei431, der man ein für sie ungünstigeres Recht aufzwingen könnte und zu deren Schutz der Art. 29 Abs. 1 EGBGB eingreifen soll. Um den Patienten als die schwächere Partei im Rahmen eines Arzt-Patienten-Verhältnisses einordnen zu können, müsse irgendeine soziale, marktmachtmäßige, intellektuelle oder psychologische Unterlegenheit gegenüber dem Arzt bestehen.432 Da es beim Arztvertrag regelmäßig um Hilfe EGBGB, Art. 29 Rn. 17; Staudinger-Magnus, EGBGB, Art. 29 Rn. 69; Wagner, WM 1995, 1129, 1130; a. A. Looschelders, EGBGB, Art. 29 Rn. 45, der unter Angebot i. S. d. Art. 29 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB, wie im materiellen Recht, nur die auf den Vertragsschluss gerichtete, bindende Erklärung des Verkäufers versteht), sind die Übergänge zur Werbung, die sich gewöhnlich an einen unbestimmten Personenkreis richtet, fließend, so dass auf eine genaue Differenzierung der beiden Alternativen an dieser Stelle verzichtet werden kann; in bestimmten Konstellationen ist sowohl ein ausdrückliches Angebot als auch eine Werbung des Anbieters zu sehen, vgl. Borges, ZIP 1999, 565, 568; aufgrund der weiten Auslegung des Begriffs der Werbung wird häufig in der Literatur nicht mehr explizit auf die Alternative des ausdrücklichen Angebots eingegangen. 426 Könning-Feil, S. 193; dem folgend Hoppe, MedR 1998, 462, 464; ders., in: Der Arzt und sein Recht 1998, 3, 7; Muschner, Die haftungsrechtliche Stellung ausländischer Patienten und Medizinalpersonen in Fällen sprachbedingter Missverständnisse, S. 36; Wirbel-Rusch, Telemedizin, S. 119 Fn. 474. 427 Häufig wird auch nur auf den Begriff der „Werbung“ als der Präsentation ggü. einem unbestimmten Personenkreis eingegangen; das ausdrückliche individuelle Angebot als eine „Intensivform“ der Werbung wird minore ad maius von dieser Diskussion mitumfasst. 428 Geregelt in den Berufsordnungen der Ärztekammern in den verschiedenen Bundesländern (Werbeverbote). 429 Vgl. Nachw. bei Könning-Feil, S. 193. 430 A. a. O., dem folgend Muschner, a. a. O. 431 Hierfür ist aber Art. 29 EGBGB bzw. Art. 5 EVÜ konzipiert; vgl. BT-Drs. 10/ 504, S. 79; Bericht Giuliano/Lagarde, BT-Drs. 10/503, S. 55; vgl. Könning-Feil, S. 193. 432 Könning-Feil, S. 184; Übersax, Der Schutz der schwächeren Partei im internationalen Vertragsrecht, S. 18; Kroeger, Der Schutz der „marktschwächeren“ Partei im internationalen Vertragsrecht, S. 25.

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und nicht um eine Übervorteilung geht und eine Überlegenheit durch tatsächliche bzw. durch Werbung suggerierte Knappheit des Angebots oder eine Monopolstellung nicht in Betracht kommt, könne man nicht von einer marktbezogen stärkeren Position des Arztes sprechen. Auch hinsichtlich des intellektuellen oder psychologischen Gesichtspunkts würden sich keine Anhaltspunkte für die Annahme der Unterlegenheit des Patienten ergeben. Zwar besitze er nicht die medizinischen Spezialkenntnisse sowie Erfahrungen, die in der Regel dem Arzt eigen sind. Jedoch sei ein solch unterschiedlicher Wissens- und Erfahrungsstand zwischen Vertragsparteien keine Ausnahme. Vielmehr werde sich gerade deshalb an einen Fachmann, sei es ein Arzt, Rechtsanwalt oder Architekt, gewandt. Diese unterschiedliche Fachkenntnis auf einem bestimmten Gebiet könne noch keine Schutzwürdigkeit des dieses Wissen Inanspruchnehmenden begründen.433 In der jüngeren Literatur434 jedoch zeichnet sich eine gegenläufige Tendenz ab. So entgegnet Stellpflug, dass es ein ärztliches Werbeverbot gar nicht gäbe, nur unzulässige Werbung sei untersagt. Im Übrigen sei Art. 29 EGBGB aufgrund seines Charakters als Verbraucherschutznorm weit auszulegen. Schädlich fasst den Begriff der Absatztätigkeit weiter als die Gegenansicht, indem er schon den Tätigkeitszweck der Einkommenserzielung hierfür ausreichen lässt, welcher zweifellos auch im Arzt-Patienten-Verhältnis besteht. Daran änderten auch § 1 Abs. 2, 1. HS BÄO sowie die entsprechenden Regelungen in den Berufsordnungen der Länder nichts, wonach der Arztberuf kein Gewerbe ist. Diese Regelungen dienten lediglich materiell dem Patientenschutz435 (finanzielle Entscheidungsunabhängigkeit in medizinischen Fragen) und hätten auf das Internationale Privatrecht keine Auswirkungen (Unabhängigkeit der Begriffe des materiellen Rechts und des Kollisionsrechts). An einer Absatztätigkeit im Sinne des Internationalen Privatrechts sei somit nicht zu zweifeln. Das Argument der standesrechtlichen Werberestriktionen wird vor allem dadurch entkräftet, dass es nicht auf die Zulässigkeit von Werbung ankommen kann, sondern auf deren tatsächliche Vornahme. Ansonsten sei bei Nichtanwendung der Beschränkungen des Art. 29 EGBGB derjenige, der sich über diese möglicherweise bestehenden Verbote hinwegsetzt, sogar bessergestellt. Zudem könne nicht davon ausgegan433 Anders sieht dies jedoch für den Bereich des interlokalen Privatrechts die schweizerische Rechtsprechung in der Entscheidung des Bezirksgerichts Zürich v. 30.6.1988, SJZ 1989, 249–251, die auf das erhebliche Informationsgefälle zwischen dem Arzt als Spezialisten und dem auf den Arzt angewiesenen Patienten abstellt und somit aufgrund der Schutzwürdigkeit des Patienten dieses Rechtsverhältnis als Konsumentenvertrag einstuft; vgl. auch Könning-Feil, S. 193 und 184; eine Übertragbarkeit auf das deutsche internationale Privatrecht ist jedoch aufgrund der zusätzlichen Voraussetzungen in Art. 29 Abs. 1 Nr. 1–3 EGBGB nicht möglich. 434 Stellpflug, in: ZaeFQ 2001, 615, 616; Schädlich, S. 117 ff.; jüngst auch Pielach, Haftungsfragen in der Telemedizin, S. 205. 435 Vgl. Laufs, in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, § 12 Rn. 4.

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gen werden, dass Werbung für Mediziner in allen Ländern beschränkt ist.436 Schädlich erinnert damit an den allseitigen Charakter des Art. 29 EGBGB, denn bevor aufgrund eines eventuell bestehenden Verbots der Anwendungsbereich der Norm verneint wird, muss vorher zunächst einmal geprüft werden, welchem Standesrecht der grenzüberschreitend tätigwerdende Arzt überhaupt unterliegt. Schließlich beruft sich Schädlich auf den EVÜ-Bericht von Giuliano/Lagarde437, dem nicht zu entnehmen ist, dass ausgerechnet medizinische Dienstleistungen vom Anwendungsbereich des Art. 29 EGBGB bzw. Art. 5 EVÜ ausgenommen sein sollen. Der neueren Literatur ist zuzustimmen. In den letzten Jahren haben sowohl niedergelassene Ärzte als auch Krankenhäuser insbesondere den Internetauftritt für sich entdeckt, um sich zu präsentieren.438 Das „elektronische Praxisschild“ und der damit verbundene Patientenservice hinsichtlich umfassender Informationen wird in Zukunft immer wichtiger werden. Zwar geben sich viele Ärzte und Krankenhäuser bezüglich ihrer Internetpräsenz noch mit dem Mindeststandard zufrieden (Leistungsprofil und Kontaktdaten wie Besuchszeiten, Anfahrtskizze und Ansprechpartner). Aber zunehmend hält auch immer mehr Einfallsreichtum auf den Homepages Einzug, so dass der „mündige“ Patient vielfältige Möglichkeiten hat, sich über das medizinische Leistungsspektrum eines Krankenhauses oder einer Arztpraxis umfassend zu informieren. Schon durch diese praktische Entwicklung ist zu erkennen, dass das ursprüngliche strenge Werbeverbot439 in den letzten Jahren immer mehr relativiert wurde.440 Den Höhepunkt dieser Entwicklung stellt das Bundesverfassungsgerichtsurteil von Februar 2002441 dar, wonach berufliche Werbung keiner besonderen Anlässe bedarf und etwaige Beschränkungen dieser Art die ärztliche Berufsfreiheit in verfassungswidriger Weise einschränken. Dieses Urteil war mit Blick auf die liberale Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in den vorangegangenen Jahren442, in welcher es wiederholt Ärzte vom Vorwurf berufswidriger Werbung „entlastet“ hat, absehbar. Es wurde damit dem Recht der Ärzte auf sachliche Information 436 Vgl. Schädlich, a. a. O., Fn. 656 (Beispiel USA, wo standesrechtliche Werbeverbote verfassungswidrig sind); näher dazu Schulte, Das standesrechtliche Werbeverbot für Ärzte unter Berücksichtigung wettbewerbs- und kartellrechtlicher Bestimmungen, S. 176 ff. 437 BT-Drs. 10/503, S. 55, 56. 438 Vgl. Kazemi, MedR 2005, 17 ff. 439 Hierbei handelte es sich um ein in den Berufsordnungen der Landesärztekammern sich selbst auferlegtes Verbot der Ärzteschaft. Ein Verbot in gesetzlicher Form bestand zu keiner Zeit, weder auf Bundes- noch auf Landesebene. 440 Den Wandel des ärztlichen Werberechts ausführlich beleuchtend: Bahner, Das neue Werberecht für Ärzte. 441 BVerfG, Beschl. v. 18.2.2002 – 1 BvR 1644/01 = BVerfG, MedR 2002, 409 ff. 442 BVerfG, Beschl. v. 24.7.1997 – 1 BvR 1863/96; BVerfG, Beschl. v. 17.4.2000 – 1 BvR 721/99; BVerfG, Beschl. v. 7.4.2000 – 1 BvR 547/99.

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der Patienten Genüge getan. Auch der deutsche Ärztetag hat noch in demselben Jahr der Aussage des Bundesverfassungsgerichts Rechnung getragen und das ärztliche Werberecht umfassend in der Novellierung der §§ 27 ff. Musterberufsordnung der deutschen Ärztinnen und Ärzte (MBO-Ä) 2002 reformiert. Das grundsätzliche Werbeverbot wurde aufgehoben und generalklauselartig sachliche berufsbezogene Werbung – in Abgrenzung zur neudefinierten berufswidrigen Werbung – erlaubt.443 In diesem Sinne entschieden auch in jüngster Zeit immer mehr inländische Gerichte, die gegen sachlich-informative Internetpräsentationen von Arztpraxen nichts Grundsätzliches einzuwenden hatten.444 In der Zukunft wird damit die Auslegung der werberechtlichen Generalklausel, insbesondere des Begriffs der „berufswidrigen“ Werbung (§ 27 Abs. 3 MBO-Ä) ein Thema in Rechtsprechung und Literatur sein. Da der Begriff der Werbung in Art. 29 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB alle Arten absatzfördernder Handlungen umfasst und damit weit zu verstehen ist, spricht nichts gegen die Einbeziehung von sachlicher Patienteninformation in den situativen Anwendungsbereich der Norm. Spickhoff 445 weist darauf hin, dass vor allem auch die Internationalität des Wettbewerbs Einzug in die Werbung von Arzt und Krankenhaus hält. Er nimmt dabei Bezug auf die Ressourcenknappheit in den nordeuropäischen Ländern, in denen zum Teil lange Wartelisten für bestimmte Operationen bestehen. Auch hier haben neben Politikern zunehmend Ärzte und Kliniken für die Möglichkeit von Operationen in deutschen Kliniken ohne lange Wartelisten geworben, und zwar in den entsprechenden ausländischen Fachzeitschriften. Spickhoff gibt zudem zu bedenken, dass sich die Zulässigkeit der Werbung bzw. Verstöße im Bereich des Werberechts als Teil des Wettbewerbsrechts in den genannten Fällen im allgemeinen nicht mehr nach deutschem, sondern gem. Art. 40 Abs. 1 EGBGB nach dem ausländischen Recht am Ort der sog. Wettbewerbseinwirkungshandlung richtet (Marktortprinzip).446 Diese Erkenntnis deckt sich mit den Aussagen von Schädlich, wonach zum einen nicht grundsätzlich von der inter443 Wortlaut des Art. 27 Abs. 3 MBO-Ä: „Berufswidrige Werbung ist dem Arzt untersagt. Berufswidrig ist insbesondere eine anpreisende, irreführende oder vergleichende Werbung. Werbeverbote aufgrund anderer gesetzlicher Bestimmungen bleiben unberührt.“; vgl. dazu ausführlich http://www.bundesaerztekammer.de/30/Berufsord nung/12Arztwerbung.html (Arzt – Werbung – Öffentlichkeit; Hinweise und Erläuterungen zu den §§ 27 ff. der (Muster-)Berufsordnung, beschlossen von den Berufsordnungsgremien der Bundesärztekammer am 10.09.2002, fortgeschrieben am 12.08. 2003). 444 Vgl. Nachweise bei Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, S. 24 Fn. 59; Bayerisches LandesberufsG für die Heilberufe, Beschl. v. 27.11.2002 – LBG-A 8/2002 (BerufsG beim OLG München), MedR 2003, 477 f. 445 Deutsch/Spickhoff, Rn. 41. 446 Deutsch/Spickhoff, Rn. 41 mit Verweis auf Bamberger/Roth-Spickhoff, EGBGB, Art. 40 Rn. 42–44 m.w. N.; vgl. dazu auch Dethloff, JZ 2000, 179, 181; Henning-Bodewig, WRP 2001, 771, 771 f.; Mankowski, GRUR Int. 1999, 909, 909 f.; Schefold, Werbung im Internet und das deutsche Internationale Privatrecht, S. 94 ff.; im Bereich des E-Commerce wird das Marktortprinzip des internationalen Wettbewerbsrechts je-

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nationalen Geltung einheimischer Standesregeln ausgegangen werden darf und zum anderen der allseitige Charakter des Art. 29 EGBGB zu berücksichtigen ist. Magnus merkt schließlich in seiner Kommentierung zu Art. 29 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB an, dass diese Norm wortwörtlich mit dem bisherigen Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 EuGVÜ (Internationale Zuständigkeit in Verbrauchersachen) übereinstimmt und daher auch wie diese Vorschrift ausgelegt werden müsse, wobei jedoch zu berücksichtigen sei, dass die entsprechende Nachfolgevorschrift, Art. 15 Abs. 1 lit. c) EuGVO, „. . . nur noch erfordert, dass die Tätigkeit des Anbieters im Staat des Verbrauchers erfolgt oder auf diesen Staat „auf irgendeinem Wege“ ausgerichtet ist“.447 Die Tendenzen in jüngster Zeit sprechen somit allesamt dafür, den situativen Anwendungsbereich des Art. 29 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB auch für medizinische Dienstleistungen zu öffnen. Eine Einschränkung der Parteiautonomie, d. h. die Anwendung der günstigeren Verbrauchervorschriften des Aufenthaltsstaates des Patienten trotz anderweitiger Rechtswahl kommt somit grundsätzlich in Betracht, soweit der Patient die zum Abschluss des Vertrages erforderlichen Rechtshandlungen in seinem gewöhnlichen Aufenthaltsstaat vornimmt448. (b) Kriterium der „Zielgerichtetheit“ Strittig ist jedoch, ob es für die Bejahung des Art. 29 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB einer zielgerichteten Werbung im Land des Verbraucheraufenthaltes bedarf449 doch zugunsten des Herkunftslandprinzips modifiziert, vgl. Spindler, NJW 2002, 921, 926; Schefold, S. 215; vgl. zudem unter III. 5. b) cc) (4) (a). 447 Staudinger-Magnus, EGBGB, Art. 29 Rn. 68. 448 Zu beachten ist hierbei, dass es auch beim World Wide Web auf die aktuelle Handlung (das Eintippen, den richtigen Tastendruck bzw. die Vornahme des Mausklicks) am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Verbrauchers (bzw. mit den Worten Schädlichs, S. 120 am tatsächlichen Arbeitsterminal) ankommen muss und nicht etwa auf den Standort des Servers, vgl. Mehrings, CR 1998, 613, 619; Mankowski, RabelsZ 63 (1999), 203, 250 ff.; Thorn, IPRax 1999, 1, 5; Staudinger-Magnus, EGBGB, Art. 28 Rn. 656, Art. 29 Rn. 75; Palandt-Heldrich, EGBGB, Art. 29 Rn. 6; für letzteres jedoch Kronke, RIW 1996, 985, 988; Borges, ZIP 1999, 565, 571; der Vorschlag der Kommission für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf vertragliche Schuldverhältnisses anzuwendende Recht (Rom I), KOM 2005, 650 endg., verlangt nicht mehr, dass der Verbraucher im Land seines gewöhnlichen Aufenthalts die zum Abschluss des Vertrags erforderlichen Rechtshandlungen vorgenommen haben muss. 449 Ausgehend vom Bericht Giuliano/Lagarde, BT-Drs. 10/503, S. 33, 56; grundsätzlich auch Erman-Hohloch, EGBGB, Art. 29 Rn. 11 (jedoch im Falle des Internets nicht ganz eindeutig, wohl eher eine Ausnahme machend); Merkel, in: Hoeren/Queck, Rechtsfragen der Informationsgesellschaft, S. 167, 172; Looschelders, EGBGB, Art. 29 Rn. 47 ff.; Reich/Nordhausen, Verbraucher und Recht im elektronischen Geschäftsverkehr (eG), Rn. 112 ff.; Schefold, Werbung im Internet und das deutsche Internationale

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oder ob es ausreicht, dass sich der Verbraucher eines dort tatsächlich verbreiteten Mediums bedient hat (bloße Möglichkeit des Abrufs der Werbung)450. Problembereiche für die ärztliche Tätigkeit sind hier vor allem der Kauf einer ausländischen Zeitschrift oder das Surfen des Patienten im Internet auf der Suche nach ärztlichem Rat durch Gesundheitsportale, speziell auf ausländischen Internetseiten. Nach der ersten Ansicht reicht im Bereich der Presse das Erscheinen einer Werbung in einer ausländischen Zeitung nicht aus, erforderlich ist vielmehr das Erscheinen in einer Sonderausgabe für das Verbraucherland. Damit sollen die Konstellationen von Art. 29 EGBGB ausgeschlossen sein, in denen der Verbraucher auf einer Reise in ein Drittland eine Werbung zur Kenntnis nimmt oder in seinem Heimatstaat zufällig von einer an einen anderen Staat gerichteten Werbung erfährt. Diese Argumentation wird auch auf das Internet übertragen, indem man sagt, eine Werbung im Internet sei nur dann als Werbung im Aufenthaltsstaat des Verbrauchers anzusehen, wenn sie auf dieses Land gezielt ausgerichtet ist, der ausländische Anbieter also seine Internetseite mit der Intention einstellt, dass sie auch im entsprechenden Verbraucherstaat abgerufen wird.451 Andernfalls sei der Dienstleistende unzumutbar mit der Geltung einer Vielzahl verbraucherschützender Normen konfrontiert.452 Dieser Argumentation hält Mankowski 453 entgegen, der Anbieter sei in aller Regel nicht gezwungen, Verträge mit Verbrauchern aus den Ländern abzuschließen, die er ursprünglich nicht bewerben wollte. Tue er dies doch, müsse er auch

Privatrecht, S. 167 f.; Borges, ZIP 1999, 565, 569; Junker, RIW 1999, 809, 816; im Grundsatz auch Mehrings, CR 1998, 613, 619; weitere Nachweise bei Mankowski, RabelsZ 63 (1999), Fn. 112. 450 MünchKomm-Martiny, EGBGB, Art. 29 Rn. 35; Reithmann/Martiny-Martiny, Internationales Vertragsrecht, Rn. 811; Staudinger-Magnus, EGBGB, Art. 28 Rn. 655, Art. 29 Rn. 70 f.; Lüderitz, in: FS für Riesenfeld, S. 147, 158; für das Internet Kronke, RIW 1996, 985, 988; Waldenberger, BB 1996, 2365, 2371; Junker, RIW 1999, 809, 815 f.; Mankowski, RabelsZ 63 (1999), 203, 243 ff., 248; ders., MMR 2000 Beilage 7, 22, 24 ff.; Palandt-Heldrich, EGBGB, Art. 29 Rn. 6; Rüßmann, in: Tauss/Kollbeck/Mönickes, Deutschlands Weg in die Informationsgesellschaft, S. 709, 713; Vischer/Huber/Oser, Internationales Vertragsrecht, Rn. 744; Soergel-von Hoffmann, EGBGB, Art. 29 Rn. 18, welcher jedoch zwischen gebietsbezogenen (z. B. lokale Tageszeitung) und gebietsneutralen/exportorientierten Werbemedien (über inländische Kabelprogramme verbreitete ausländische Fernsehsender; auch das Internet, vgl. von Hoffmann/Thorn, IPR, § 10 Rn. 73a) unterscheidet und nur bei letzteren das gesamte Verbreitungsgebiet als Ort der Werbung ansieht (Borges, ZIP 1999, 565, 568 spricht von einer „vermittelnden Ansicht“); ebenso differenzierend auch Czernich/HeissHeiss, EVÜ, Art. 5 Rn. 32. 451 Borges, ZIP 1999, 565, 569 f.; Pfeiffer, NJW 1999, 3674, 3684 f.; Gruber, DB 1999, 1437; ähnlich Mehrings, CR 1998, 613, 619. 452 Borges, ZIP 1999, 565, 570. 453 Mankowski, RabelsZ 63 (1999), 203, 234, 239; so auch Schädlich, Grenzüberschreitende Telemedizin-Anwendungen, S. 120.

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den damit verbundenen Verbraucherschutz akzeptieren. Schädlich pflichtet dem insbesondere unter dem Aspekt der Globalität des Mediums Internet bei, das „. . . sich nur schlecht in die Rubriken international und national untergliedern . . .“ lasse.454 Wer sich die Vorteile eines globalen Werbemediums zunutze mache, könne nicht auf die alleinige Geltung des von ihm gewünschten Rechts vertrauen, sondern müsse sich das gesamte Verbreitungsgebiet als Ort seiner Werbung zurechnen lassen.455 Für die Anwendbarkeit des Art. 29 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB müsse es dabei mit Blick auf einen „effizienten Schutz der schwächeren Partei“456 gleichgültig sein, ob der Anbieter die Werbung gezielt auf den Aufenthaltsstaat des Verbrauchers ausgerichtet hat. Konsequenz dieser Ansicht wäre, dass der Anbieter die Summe aller Rechtsordnungen beachten muss, in denen ein potentieller Empfänger der Werbung beheimatet sein könnte.457 Mehrings458, der an sich nicht auf das Merkmal der zielgerichteten Absatztätigkeit verzichten möchte, erkennt ebenfalls die weltweite Präsenz des Internets als Werbemedium an. Jedoch nur insoweit, als der Werbende nicht durch ausdrücklichen Hinweis sein Einzugsgebiet auf bestimmte Regionalmärkte einseitig beschränkt bzw. Länder ausdrücklich ausschließt.459 Tut er dies nicht in einer für den Verbraucher erkennbaren Weise, so spreche die Vermutung dafür, dass sich die Werbung an Verbraucher in der ganzen Welt richten soll. Demgegenüber versucht Pfeiffer460 die aus der zweiten Ansicht resultierende Ausdehnung des Anwendungsbereichs des Art. 29 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB und das daraus folgende Rechtsanwendungsrisiko in der Weise einzuschränken, als er darauf abstellt, ob der Anbieter nach der Art seines Angebots damit rechnen muss, dass es auch von einem Internet-Nutzer des Staates empfangen wird, in dem der

454 Schädlich, S. 119; in die gleiche Richtung argumentiert Mehrings, CR 1998, 613, 619 m.w. N., der ebenfalls auf die Besonderheit des Mediums „Internet“ abstellt, in dem „Ländergrenzen keine Werbegrenzen“ mehr sind. 455 Ausführlich dazu Schädlich, S. 119 f.; Staudinger-Magnus, EGBGB, Art. 29 Rn. 71. 456 Mankowski, RabelsZ 63 (1999), 203, 235. 457 Hoeren, WM 1996, 2006; Mankowski, RabelsZ 63 (1999), 203, 235. 458 Mehrings, CR 1998, 613, 619; wohl auch Schädlich, S. 120; Staudinger-Magnus, EGBGB, Art. 29 Rn. 71; Hanika, MedR 2000, 205, 210. 459 Schließt der Anbieter im Verlauf entgegen seiner vorherigen geographischen Beschränkung einen Vertrag mit einem außerhalb des Zielgebiets ansässigen Verbrauchers, ist str., ob dann Art. 29 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB Anwendung findet: dafür: Mankowski, RabelsZ 63 (1999), 203, 245 (Verwirkung der Berufung auf die ausdrückliche Beschränkung durch ein venire contra factum proprium); Rüßmann, JurPC Web-Dok. 108/1998, Abs. 54 (bezogen auf das Parallelproblem im Rahmen des Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 EuGVÜ) – dagegen: Mehrings, CR 1998, 613, 620 (Verbraucher weiß, dass kein Inlandsgeschäft abgeschlossen werden soll und begibt sich bei Vereinbarung einer fremden Rechtsordnung damit des Schutzes des Art. 29 Abs. 1 EGBGB). 460 Pfeiffer, NJW 1997, 1207, 1214.

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Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Konkrete Konstellationen, in denen dieses Kriterium erfüllt ist, nennt Pfeiffer jedoch nicht. Sowohl der ersten Ansicht, die ein zielgerichtetes Werben des Anbieters verlangt, als auch der zweiten, die im Falle einer Verfügbarkeit des entsprechenden Mediums im Verbraucherland Art. 29 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB grundsätzlich für anwendbar erachtet, kann m. E. nicht uneingeschränkt gefolgt werden. Keine davon führt zu dem (allgemein) gewünschten kollisionsrechtlichen Interessenausgleich. Die erste Ansicht schränkt mit dem grundsätzlichen Abstellen auf die Intention des Anbieters den Anwendungsbereich des Art. 29 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB über Gebühr ein. Eine solche (subjektive) Absicht des Anbieters wäre im Streitfalle so gut wie nicht nachweisbar. Der Anbieter könnte sich in jedem Falle leicht mit der Behauptung zur Wehr setzten, er habe mit seiner Werbung nicht auf das Aufenthaltsland des Verbrauchers abgezielt.461 Die zweite Ansicht, welche bei Nutzung des Internets von einer globalen Präsenz des Anbieters ausgeht, gewährleistet zwar einen umfassenden und lückenlosen Schutz des Verbrauchers, geht jedoch auf diese Weise über den Sinn und Zweck des Art. 29 Abs. 1 EGBGB hinaus. Der Verbraucher soll nur dann geschützt werden, wenn das Geschäft „. . . aufgrund verschiedener Beziehungen zum Aufenthaltsstaat des Verbrauchers aus der Sicht des Verbrauchers in die Nähe eines Inlandsgeschäfts rückt und sich hierdurch der Schwerpunkt des Vertrages ins Inland verlagert“462. Für die Rechtfertigung eines besonderen kollisionsrechtlichen Schutzes bedarf es eines vom Anbieter verursachten, spezifischen Bezugs zum Markt des Verbraucherlandes.463 Indem man aber in der Internetpräsentation eines Anbieters eine weltweite Werbung erblickt, wird der Normzweck des Art. 29 Abs. 1 EGBGB sinnentleert. Wie Borges464 richtig betont, fällt so die im Rahmen des Art. 29 EGBGB wesentliche Unterscheidung von In- und Auslandsgeschäft weg. Für den Verbraucher gibt es bei Annahme einer globalen Präsenz der Werbung kein Ausland mehr. Ob die einschränkenden Auffassungen von Mehrings und Pfeiffer der aus der zweiten Ansicht resultierenden ausufernden Anwendbarkeit des Art. 29 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB sachgerecht Einhalt gebieten können, ist fraglich. Die Option der räumlichen Begrenzung des Angebots auf bestimmte geographische Zielgebiete durch klarstellende Hinweise auf der Web-Seite des Anbieters ist zwar eine wirkungsvolle und unmissverständliche Möglichkeit, sich von vornherein einer 461 Vgl. Rüßmann, JurPC Web-Dok. 108/1998, Abs. 49 (bezogen auf das Parallelproblem im Rahmen des Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 EuGVÜ). 462 von Hoffmann/Thorn, IPR, § 10 Rn. 70; Soergel-von Hoffmann, EGBGB, Art. 29 Rn. 15. 463 So auch Borges, ZIP 1998, 565, 569. 464 Borges, ZIP 1998, 565, 569.

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möglichen Anwendbarkeit des Verbraucherschutzrechts der nicht angesprochenen Märkte zu entziehen. Gleichzeitig stünde die zielgerichtete Werbung in den explizit genannten Zielmärkten und damit der Schutz der dort ansässigen Verbraucher durch Art. 29 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB außer Frage. Aber darin die einzige Möglichkeit zu sehen, der Zurechnung des weltweiten Verbreitungsgebietes des Internets zu entrinnen, griffe zu kurz. Man stelle sich vor, polnische Mediziner betreiben ein Gesundheitsportal in polnischer Sprache auf einer polnischen Web-Seite465 ohne Beschränkung auf bestimmte Zielgebiete, aber auch ohne sonstige Aktivitäten im Marktraum außerhalb Polens zu entwickeln. Soll sich wirklich jeder deutsche, spanische oder italienische Verbraucher von einer solchen Präsentation im Internet in der Weise angesprochen fühlen dürfen, dass ihm der Auslandsbezug der Vertragsabwicklung nicht bewusst sein kann? Kann man tatsächlich in jedem Fall sagen, die Verfügbarkeit des Mediums Internet rückt jeden Vertragsschluss aus der Sicht des im Internet „surfenden“ Verbrauchers in die Nähe eines Inlandsgeschäfts?466 Die von Mehrings vertretene Einschränkung der Anwendbarkeit des Art. 29 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB bei InternetWerbung durch die ausdrückliche Begrenzung auf bestimmte Regionalmärkte kann m. E. nur ein Aspekt sein, um den Schutzgedanken der Norm nicht über Gebühr auszudehnen. Die einschränkende Ansicht von Pfeiffer, welche darauf abstellt, ob der Anbieter nach der Art seines Angebots mit der Herstellung eines spezifischen Bezugs zum Verbraucherland rechnen muss, geht zwar ein ganzes Stück weiter, stellt aber m. E. eine Einschränkung aus einer im Rahmen des Art. 29 EGBGB als kollisionsrechtliche Verbraucherschutznorm ungeeigneten Perspektive dar. Wie schon oben erwähnt, muss entscheidend sein, ob das Geschäft durch die Aktivitäten des Anbieters aus der Sicht des Verbrauchers in die Nähe eines Inlandsgeschäfts rückt.467 Sachgerechter wäre es daher, grundsätzlich und einzelfallbezogen auf den „Empfängerhorizont“ abzustellen, d. h. der Frage nachzugehen, ob sich der Verbraucher als typischer Adressat der Werbung verstehen kann.468 Martiny schätzt die Chancen der Erkennbarkeit durch den Verbraucher hinsichtlich der Frage, ob die Werbung lediglich für den nationalen oder aber für den internationalen Markt bestimmt ist und ihn selbst somit bestimmungsgemäß oder nur zufällig erreicht hat, als gering ein.469 Diese Aussage ist jedoch mit Blick auf die Fülle von möglichen Indizien, nach welchen ein verständiger Verbraucher das Geschäft mit dem Anbieter als Inlandsgeschäft 465

Gemeint sind Internet-Adressen mit der Top-Level-Domain (Schlusskürzel) Po-

lens. 466 Beides setzt aber die Anwendung des Art. 29 EGBGB voraus, vgl. Soergel-von Hoffmann, EGBGB, Art. 29 Rn. 15. 467 Vgl. Fn. 462. 468 So im Ansatz auch Soergel-von Hoffmann, EGBGB, Art. 29 Rn. 15, 18, jedoch nicht näher differenzierend. 469 MünchKomm-Martiny, EGBGB, Art. 29 Rn. 35 mit Verweis auf Lüderitz, in: FS für Riesenfeld, S. 147, 158; ebenso Thorn, IPRax 1999, 1, 4.

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begreifen darf, zu undifferenziert. Eine ganze Reihe inhaltlicher Kriterien, z. B. im Rahmen der Gestaltung der Internetseite, sind denkbar, um die bestimmungsgemäße Verbreitung eines technisch global präsenten Mediums zu begrenzen: die auf der Web-Seite verwendete Sprache, akzeptierte Währung470 sowie Zahlungsmodalitäten471, Angabe von heimischen Servicestellen/lokaler Telefonnummern, Gegenstand der Werbung472, Merkmale in der Produktbeschreibung (Größen und Maßeinheiten, technische Normen, z. B. DIN-Normen in Deutschland), Nutzung eines im Heimatland des Verbrauchers stehenden Servers, spezielle Versandregelungen/Verkaufsbedingungen für Verbraucher außerhalb des Sitzstaates des Anbieters.473 Das erstgenannte Kriterium der Sprache ist so lange ein relativ sicheres Indiz, wie eine nur für einen begrenzten Sprachraum gebräuchliche Sprache verwendet wird, z. B. die deutsche Sprache für die Staaten Deutschland, Österreich und die Schweiz sowie, wegen Südtirol, eventuell noch Italien474. Schwieriger wird die Abgrenzung bei Internet-Seiten eines Anbieters in englischer Sprache als international gebräuchlicher und Grundsprache des Internets. Hier wird deutlich, dass es sich bei dem Sprachkriterium bzw. bei der Anknüpfung auf linguistischer Basis nur um einen ersten Zugriff handeln kann, der durch weitere Kriterien ergänzt werden muss. Ergibt sich aus dem Gegenstand der Werbung oder sonstigen Umständen nichts anderes, muss hier davon ausgegangen werden, dass die Werbung auch über die Staaten mit Englisch als Muttersprache hinaus gelten soll, also eine weltweite Werbung intendiert ist.475 Inwieweit Länderkennungen in Internetadressen wie z. B. „.de“ für Deutschland eine geographische Identifizierung enthalten, ist strittig.476 Während z. B. Pfeiffer477 aus diesem Merkmal eine enge Beziehung zu einem bestimmten

470 Durch die Einführung des Euro als Zahlungsmittel beschränkt sich die Aussagekraft dieses Kriteriums auf das Indiz, dass die Werbung vorrangig auf die europäischen Staaten ausgerichtet ist, vgl. Mankowski, in: Jahresheft 1997/98 der Internationalen Juristenvereinigung Osnabrück, S. 69, 106. 471 Z. B. die Angabe von Konten deutscher Kreditinstitute. 472 Z. B. regional ausgerichtete Angebote. 473 Vgl. auch Beispiele bei Borges, ZIP 1999, 565, 570; Rüßmann, JurPC Web-Dok. 108/1998, Abs. 49 ff.; kritisch dazu Mankowski, RabelsZ 63 (1999), 203, 244 ff. 474 Vgl. Hanika, MedR 2000, 205, 211; Hoeren, MMR 1999, 192 ff. 475 Rüßmann, JurPC Web-Dok. 108/1998, Abs. 53; Hanika, MedR 2000, 205, 210; Hoeren, WM 1996, 2006; ders., WRP 1997, 993, 998; nach Schefold, Werbung im Internet und das deutsche Internationale Privatrecht, S. 156 f., muss Ähnliches auch für Werbung in Französisch und Spanisch gelten. 476 Bei Adressen mit den Top-Level-Domains (Schlusskürzeln) „.com“ (= commercial; für kommerzielle Organisationen) und „.edu“ (für Bildungseinrichtungen) stellt sich die Frage von vornherein nicht, da diese international Verwendung finden. 477 Pfeiffer, NJW 1997, 1207, 1214; so auch Mehrings, CR 1998, 613, 620; Kotthoff, CR 1997, 676, 682; Schefold, S. 158.

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Staat ableitet, verweist die Länderkennung nach Borges478 lediglich als administrative Notwendigkeit auf die organisatorische Zuordnung des Rechners im Internet und enthält weder eine Aussage über den Rechnerstandort noch über den Sitz des Inhabers der Web-Seite, wodurch ihr nur geringe Bedeutung zukommen könne. Es ist zwar richtig, dass die Nutzung eines ausländischen Servers noch nichts über den Sitz des Anbieters i. S. d. Art. 28 Abs. 2 S. 1 EGBGB aussagt. Hierauf kommt es im Rahmen des Art. 29 EGBGB und damit der Frage der Marktausrichtung aber auch nicht an. M.E. stellt gerade die jeweilige Länderkennung in der Internetadresse aus der Sicht eines durchschnittlichen Verbrauchers und Internetnutzers einen wichtigen Anhaltspunkt und eine geographische Identifikationsmöglichkeit dar. Meist fällt die Länderkennung ohnehin mit der Nutzung der jeweiligen Sprache des Landes und der dort geltenden Währung zusammen, so dass die Entscheidung nicht allein von dieser abhängt. Zusammenfassend lassen sich somit eine ganze Reihe von Kriterien/Merkmalen vorbringen, die nach dem objektiven Verbraucherhorizont einen Zuschnitt der Werbung auf einen bestimmten oder unter Umständen auf mehrere nationale Märkte erkennen lassen. Mit Blick auf die Ratio des Art. 29 EGBGB/Art. 5 EVÜ muss also zwischen der technisch universalen Erreichbarkeit des Werbemediums (z. B. durch Einrichtung einer Homepage im Internet) und dem objektiv zu ermittelnden, konkreten Adressatenkreis unterschieden werden.479 Auf erstere kann es im Rahmen des Art. 29 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB nicht entscheidend ankommen. Vielmehr ist in einer Gesamtschau der oben genannten Kriterien von Fall zu Fall die Zuordnung der Werbung zum nationalen Markt des Verbraucherstaates und damit die Schutzbedürftigkeit des Verbrauchers zu prüfen. In dem Beispielsfall des polnischen Gesundheitsportals, welches keinerlei Bezüge zu einem anderen als dem nationalen Markt zeigt, wird sich der Vorgang für den deutschen Verbraucher wohl kaum ernsthaft allein aufgrund der weltweiten Abrufbarkeit der entsprechenden Homepage als Inlandsgeschäft darstellen. Im Gegenteil muss er annehmen, dass er sich durch Nutzung des entsprechenden Angebots auf das Gebiet einer fremden Rechtsordnung begibt. (2) Art. 29 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB Neben der Nr. 1 des Art. 29 Abs. 1 EGBGB kommt für den Fall des Arztvertrages, wie oben schon erwähnt, nur noch Nr. 2 in Betracht. Auch diese Alternative ist von dem Grundgedanken geprägt, dass sich der Vertragspartner des Verbrauchers in dessen Aufenthaltsstaat begibt und dort einen Vertragsschluss veranlasst, wenn auch nur durch die Entgegennahme der Bestellung im Staat 478 479

Borges, ZIP 1999, 565, 570. Vgl. Rüßmann, JurPC Web-Dok. 108/1998, Abs. 55.

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des Verbrauchers (passive Absatztätigkeit).480 Erforderlich und entscheidend ist nach richtiger Ansicht die körperliche Präsenz des Arztes als Anbieter von Gesundheitsleistungen oder einer von ihm beauftragten Person im Aufenthaltsstaat des Patienten.481 Zu denken wäre hier lediglich an die Möglichkeit, dass der Arzt während einer Auslandsreise einen „Behandlungsauftrag“ entgegengenommen hat.482 Die Entgegennahme/Annahme einer „Bestellung“ des Verbrauchers auf der entsprechenden Web-Seite im Internet genügt mangels nichtkörperlicher Präsenz des Telemediziners nach richtiger Ansicht nicht für eine Entgegennahme im Inland.483 In diesen Fällen ist allein das Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 29 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB entscheidend. dd) Einschränkung gem. Art. 29 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 EGBGB Gem. Art. 29 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 EGBGB sind jedoch reine „Auslandsdienstleistungen“ vom Anwendungsbereich des Art. 29 EGBGB ausgenommen. Dazu zählen solche Leistungen, die nach dem regelmäßigen Vertragsinhalt ausschließlich in einem anderem Staat als dem Aufenthaltsstaat des Verbrauchers erbracht werden oder erbracht werden müssen.484 Es sollen nicht auch diejenigen Konsumenten eine kollisionsrechtliche Bevorzugung erfahren, die sich bewusst ins Ausland begeben, um dort die Dienstleistungen zu empfangen. Unstreitig hiervon erfasst sind also die Fälle der passiven Dienstleistungsfreiheit, in denen inländische Patienten den Arzt in seiner ausländischen Niederlassung aufsuchen.

480 Reithmann/Martiny-Martiny, Internationales Vertragsrecht, Rn. 814; Roth, RIW 1994, 275; ders., Internationales Versicherungsvertragsrecht, S. 409; Erman- Hohloch, EGBGB, Art. 29 Rn. 12; MünchKomm-Martiny, EGBGB, Art. 29 Rn. 38; zum Internet Kronke, RIW 1996, 985, 988 f. 481 Vgl. Soergel-von Hoffmann, EGBGB, Art. 29 Rn. 20; Bericht Giuliano/ Lagarde, BT-Drs. 10/503, S. 33, 36, 56; Erman-Hohloch, EGBGB, Art. 29 Rn. 12; Mottl, in: Schweighofer/Menzel/Kreuzbauer, Auf dem Weg zur ePerson – Aktuelle Fragestellungen der Rechtsinformatik, S. 367, 371; a. A. Mankowski, RabelsZ 63 (1999), 203, 253, welcher auf die ccTLD = country code Top-Level-Domain (länderspezifische Domains) des Anbieters abstellt und, so sie dieselbe wie die des Verbraucherstaates ist, die Bestimmung des Art. 29 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB für anwendbar erklärt. 482 So für den Rechtsanwaltsvertrag Reithmann/Martiny-Mankowski, Internationales Vertragsrecht, Rn. 2094 m.w. N. 483 Vgl. Borges, ZIP 1999, 565, 567; Fallenböck, Internet und Internationales Privatrecht, S. 132; a. A. Waldenberger, BB 1996, 2365, 2371; Mehrings, CR 1998, 613, 620 (Entgegennahme im Inland gem. Art. 29 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB wird bereits dann bejaht, wenn aus Sicht eines durchschnittlichen Verbrauchers ein Inlandsgeschäft vorliegt); für den Fall der Benutzung eines inländischen Servers durch den Unternehmer (d. h. deutsche Internetadresse) Pfeiffer, NJW 1997, 1207, 1214. 484 Erman-Hohloch, EGBGB, Art. 29 Rn. 24; Reithmann/Martiny-Martiny, Rn. 820.

III. Vertragsrechtliche Aspekte

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Die Fälle der aktiven Dienstleistungsfreiheit fallen nicht unter diese Einschränkung. Hier ist es gerade typisch, dass der Patient die Dienstleistung in seinem Aufenthaltsstaat empfängt. In den Fällen der Korrespondenzdienstleistungen (z. B. grenzüberschreitenden Telemedizin), bei denen der Patient physisch im Land des gewöhnlichen Aufenthaltes verbleibt, kann ebenfalls nicht von einer ausschließlichen Dienstleistungserbringung im Ausland gesprochen werden, und das nicht nur im Falle der Teletherapie (z. B. Telechirurgie), bei welcher sich der hinzugezogene Arzt aktiv aus der Ferne an der Therapie des Patienten beteiligt und damit eine Mitbehandlung vorliegt, sondern auch in den Fällen des Telekonsils, der Telediagnostik und der Telekonferenz. Hier bleibt es also bei dem Schutz des Heimatrechts des Verbrauchers gem. Art. 29 Abs. 1 EGBGB. Daran ändert sich auch dann nichts, wenn sich der Patient über Gesundheitsportale im Internet ärztlichen Rat einholt, denn es kann nicht darauf ankommen, aufgrund welches Werbemediums der Verbraucher aktiv wird. Auch der Initiator einer Web-Seite unternimmt genauso wie der einer Anzeige in einer Zeitung oder eines Werbespots im Fernsehen den ersten Schritt auf den Verbraucher zu.485 Von einer Mehraktivität des Internetnutzers, die eine Versagung des Schutzes durch das ihm vertraute Recht rechtfertigt, kann nicht gesprochen werden. Nur dann wenn sich der Patient zur Behandlung ins Ausland begibt und dort ein Telemediziner hinzugezogen wird, bleibt es bei dem bezüglich der passiven Dienstleistungsfreiheit genannten Ergebnis, d. h. dem Ausschluss des Schutzes des aktiven Verbrauchers gem. Art. 29 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 EGBGB. Abgesehen davon mangelt es in diesem Fall im Verhältnis Patient – Telemediziner regelmäßig schon an den Voraussetzungen des Art. 29 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB. Die Anwendung der günstigeren Verbrauchervorschriften des Aufenthaltsstaates des Patienten kommt somit für diejenigen, die von ihrer passiven Dienstleistungsfreiheit Gebrauch machen, gem. Art. 29 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 EGBGB nicht in Betracht. Ein inländischer Patient kann sich somit bei einer Behandlung in einem ausländischen Krankenhaus auch dann nicht gem. Art. 29 Abs. 1 EGBGB auf die ihn schützenden deutschen Verbraucherschutzvorschriften berufen, wenn dem Vertragsschluss eine Werbung der ausländischen Klinik im Inland vorausgegangen ist und er auch in Deutschland die Vertragsunterlagen unterzeichnet hat (die er z. B. bei der Besichtigung der ausländischen Klinik zur Unterzeichnung nach Hause mitbekommen hat). In den Fällen der aktiven 485 Mankowski, MMR 2000 Beilage 7, 22, 24; ders., RabelsZ 63 (1999), 203, 240 ff.; anders aber: Reich, in: Schulte-Nölke/Schulze, Europäische Rechtsangleichung und nationale Privatrechte, S. 79, 99; Hoeren/Oberscheidt, VuR 1999, 371, 386; Müller, in: Hoeren/Queck, Rechtsfragen der Informationsgesellschaft, S. 259, 282; Grundmann, RabelsZ 67 (2003), 246, 277 f.; Staudenmayer, in: Lando/Magnus/Novak-Stief, Angleichung des materiellen und des internationalen Privatrechts in der EU, S. 57, 67 f.; Fallenböck, Internet und Internationales Privatrecht, S. 116 f.

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§ 3 Kollisionsrechtliche Behandlung des Arzthaftungsrechts

Dienstleistungsfreiheit und der Telemedizin steht Art. 29 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 EGBGB der Anwendbarkeit des Art. 29 Abs. 1 EGBGB grundsätzlich nicht entgegen. ee) Rechtsfolge des Art. 29 Abs. 1 EGBGB bezogen auf den Arztvertrag Wie bereits eingangs erwähnt versagt die Sonderregelung des Art. 29 Abs. 1 EGBGB einer Rechtswahlvereinbarung die Wirksamkeit, sobald diese dem Verbraucher das zu seinem Schutz geltende zwingende Recht entzieht, m. a. W. das gewählte Recht im konkreten Fall, also auf den jeweiligen Streitgegenstand bezogen486, ein geringeres Verbraucherschutzniveau aufweist. Die zwingenden Verbraucherschutzvorschriften des Aufenthaltsstaates des Patienten bilden damit einen Mindeststandard und werden dann angewandt, wenn die gewählte Rechtsordnung dem Verbraucher nicht mindestens den gleichen Schutz gewährt. Gewährt jedoch das vereinbarte Recht für den Verbraucher einen größeren Schutz, so gilt diese Rechtsordnung. Fraglich ist, welche Normen im Bereich des Arztrechts als zwingende Verbraucherschutzvorschriften anzusehen sind. Die bisher spärliche Literatur zum internationalen Arzthaftungsrecht geht auf diese Frage trotz deren erheblicher Bedeutung für das grenzüberschreitende Arzt-Patienten-Verhältnis in den Abschlusskonstellationen des Art. 29 Abs. 1 EGBGB überhaupt nicht oder nicht näher ein.487 Zunächst ist danach zu fragen, was unter zwingenden Bestimmungen i. S. d. Art. 29 Abs. 1 EGBGB zu verstehen ist. Das Gesetz bestimmt, dass durch die Rechtswahl dem Patienten als Verbraucher „. . . der durch die zwingenden Bestimmungen des Rechts des Staates, in dem er seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, gewährte Schutz entzogen wird“. Erfasst sind also alle nicht-dispositiven, 486 Vgl. Lorenz, RIW 1987, 569, 577; von Hoffmann/Thorn, IPR, § 10 Rn. 71; MünchKomm-Martiny, EGBGB, Art. 29 Rn. 60; Backert, Kollisionsrechtlicher Verbraucherschutz im Mosaik der Sonderanknüpfung des deutschen internationalen Schuldvertragsrechts, S. 140; ein abstrakter Günstigkeitsvergleich bzw. umfassender Gesamtvergleich der in Frage kommenden Rechtsordnungen wird einhellig abgelehnt, vgl. Mäsch, Rechtswahlfreiheit und Verbraucherschutz, S. 34 f.; Staudinger-Magnus, EGBGB, Art. 29 Rn. 108. 487 Könning-Feil und Hoppe, Fn. 426, kommen zu dieser Frage aufgrund der Verneinung des Charakters des Arztvertrages als Verbrauchervertrag überhaupt nicht; Schädlich, Grenzüberschreitende Telemedizin-Anwendungen, S. 122 formuliert die Rechtsfolge des Art. 29 Abs. 1 EGBGB nur allgemein, ohne praktischen Bezug; lediglich Bohle, in: Dierks/Feussner/Wienke, Rechtfragen der Telemedizin, S. 83, 86 führt aus: „Das deutsche ärztliche Berufsrecht kann deshalb ohnehin nicht abgewählt werden.“; hier fehlt es aber m. E. an der Klarstellung, dass es dafür einer der in Art. 29 Abs. 1 Nr. 1–3 EGBGB aufgeführten Vertragsschlusssituation bedarf; stattdessen scheint Bohle im Rahmen des Arzt-Patienten-Verhältnisses generell von einer Einschlägigkeit des Art. 29 Abs. 1 EGBGB ausgehen zu wollen.

III. Vertragsrechtliche Aspekte

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gesetzlichen oder auch richterrechtlichen Regeln488 im Verbraucherstaat, die geeignet und bestimmt sind, einer Vertragspartei Schutz gegenüber der anderen Vertragspartei zu gewähren489, ihm also Rechte einräumen oder Rechte des Vertragspartners einschränken490, wobei nicht erforderlich ist, dass die Bestimmungen ausdrücklich nur auf „Verbraucher“ abstellen491. Damit kommen z. B. auch die Vorschriften über missbräuchliche Klauseln (§§ 305 ff. BGB) zur Geltung, auch wenn es sich hierbei nicht um spezifische Verbraucherschutzvorschriften, sondern um allgemeines Vertragsrecht handelt.492 Wie bereits eingangs erwähnt, beschränkt sich die Verwendung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen zumindest bisher in der Praxis auf Verträge des Patienten mit Krankenhausträgern und Anbietern von Gesundheitsdienstleistungen im Internet. Trotz Wahl eines dem deutschen Patienten fremden Rechts wird diesem nicht der Schutz durch die §§ 305 ff. BGB entzogen. Gerade bei formularmäßigen Haftungsbeschränkungen im Rahmen eines Vertrages mit ausländischen Medizinern bzw. Krankenhausträgern kann z. B. eine Inhaltskontrolle nach den §§ 307 ff. BGB für deutsche Patienten von immenser Wichtigkeit sein. (1) Spezifisch verbraucherschützende Normen mit Bezug zum Arztvertrag Von den typischen, früher in eigenen Verbraucherschutzgesetzen und jetzt überwiegend in das BGB inkorporierten Verbraucherschutzvorschriften kommen unter praktischen Anwendungsgesichtspunkten lediglich die Vorschriften über Fernabsatzverträge (§§ 312b ff. BGB) mit Blick auf die Telemedizin in Betracht.493

488 Nach der Legaldefinition in Art. 27 Abs. 3 EGBGB sind zwingende Bestimmungen Vorschriften, von denen durch Vertrag nicht abgewichen werden kann. 489 Staudinger-Magnus, EGBGB, Art. 29 Rn. 102; Reithmann/Martiny-Martiny, Internationales Vertragsrecht, Rn. 824. 490 Backert, Kollisionsrechtlicher Verbraucherschutz im Mosaik der Sonderanknüpfung des deutschen internationalen Schuldvertragsrechts, S. 142. 491 Reithmann/Martiny-Martiny, Rn. 824; Backert, S. 142 ff.; MünchKomm-Martiny, EGBGB, Art. 29 Rn. 56; Erman-Hohloch, EGBGB, Art. 29 Rn. 17; Mäsch, Rechtswahlfreiheit und Verbraucherschutz, S. 51 f.; Droste, Der Begriff der „zwingenden Bestimmungen“ in den Art. 27 ff. EGBGB, S. 231 ff.; Leible, in: SchulteNölke/Schulze, Europäische Rechtsangleichung und nationale Privatrechte, S. 353, 360. 492 Reithmann/Martiny-Martiny, Rn. 825; Backert, S. 143 sowie Staudinger-Magnus, EGBGB, Art. 29 Rn. 102 nehmen die §§ 305 ff. BGB sogar mit in die Reihe spezifisch verbraucherschützender Normen auf. 493 Vgl. dazu Tillmanns, Die persönliche Leistungserbringungspflicht im Arztrecht und die Telemedizin, S. 208.

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§ 3 Kollisionsrechtliche Behandlung des Arzthaftungsrechts

(2) Rechtscharakter des deutschen Arzthaftungsrechts Da sich der Begriff der zwingenden Bestimmungen in diesem Bereich nicht nur auf spezifisch verbraucherschützende Normen bezieht, sondern auch die unabdingbaren Vorschriften des allgemeinen und besonderen Vertragsrechts erfasst494, ergibt sich die für das Arzt-Patienten-Verhältnis weitaus interessantere Frage, ob bzw. inwieweit das vertragliche Arzthaftungsrecht als zwingendes Recht i. S. d. Art. 29 Abs. 1 EGBGB angesehen werden kann. Dass das vertragliche Arzthaftungsrecht geeignet und bestimmt ist, den Patienten als Vertragspartner des Arztes und Dienstleistungsempfänger zu schützen, steht außer Frage, bildet es doch die Grundlage für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen wegen eines Behandlungsfehlers oder der Verletzung von Aufklärungspflichten. Auch die von einigen Stimmen in der Literatur495 geforderte Eingrenzung von der Ratio der Norm des Art. 29 EGBGB her, dass die zwingend anzuknüpfende Sachnorm eine vermutete, d. h. typisierte Ungleichgewichtslage zum Gegenstand hat und damit einem strukturellen Gefälle im Markt entgegenwirken soll, steht einer solchen dogmatischen Einordnung des Arzthaftungsrechts nicht entgegen. Denn wie Vertreter dieser Ansicht selbst zugeben, falle auf, dass die Sachnormen, die gem. Art. 29 EGBGB zwingend angeknüpft werden, in ihrem Kernbestand bisher durchweg Gegenstand von gemeinschaftlichen Angleichungsmaßnahmen wurden.496 Auch der (wenn auch bis auf weiteres) zurückgenommene Richtlinienvorschlag über die Haftung bei Dienstleistungen, mit dem man analog zur Produkthaftung497 versucht hatte, eine gemeinschaftsweite Dienstleistungshaftung zu entwickeln, galt als geplante Maßnahme auf dem Gebiet des zivilrechtlichen Verbraucherschutzes durch das Gemeinschaftsrecht.498 Zudem wird auch im Rahmen der Dienstleistungshaftung entsprechend der Produkthaftung der geschädigten Partei die vertragsrechtlich schwache Position zugesprochen, da diese in der Regel keine fachspezifisch-technischen Kenntnisse besitze und nicht wie der Dienstleistende in der

494 Staudinger-Magnus, EGBGB, Art. 29 Rn. 102; MünchKomm-Martiny, EGBGB, Art. 29 Rn. 56 f.; Backert, S. 142 f.; Mäsch, Rechtswahlfreiheit und Verbraucherschutz, S. 51. 495 Grundmann, Europäisches Schuldvertragsrecht, Rn. 76 ff.; Kroeger, Schutz der „marktschwächeren“ Partei im internationalen Vertragsrecht, S. 83 f. 496 Grundmann, Europäisches Schuldvertragsrecht, Rn. 79. 497 Richtlinie 85/374/EWG des Rates über die Haftung für fehlerhafte Produkte, ABl. EG Nr. L 210 vom 7.8.1985, S. 29. 498 Vgl. Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über die Haftung bei Dienstleistungen, KOM(90) 482 endg., in welchem in der Präambel u. a. von „Neubelebung der Verbraucherschutzpolitik“ die Rede ist, vgl. ebenso die Orientierung am Verbraucher in § 4 des Richtlinienvorschlags (Definition des Schadens); Hakenberg, AnwBl. 1997, 56, 59, 64; Gaidzik, JR 1992, 323, 325; Truli, Probleme und Entwicklungen der Dienstleistungshaftung im griechischen, deutschen und Gemeinschaftsrecht, S. 281 f.

III. Vertragsrechtliche Aspekte

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Lage ist, Maßnahmen der Risiko- und Gefahrenvorbeugung zu treffen.499 Hinzu kommt, dass im Arzt-Patienten-Verhältnis auf der Geschädigtenseite aus der Natur der Sache heraus immer nur ein Verbraucher stehen kann500, so dass sich auch nicht einwenden lässt, dass die Dienstleistungshaftung im allgemeinen501 nicht an der Verbrauchereigenschaft des Dienstleistungsempfängers orientiert ist, sondern allgemeinen Haftungsgrundsätzen folgt. Damit ist auch dem Arzthaftungsrecht ein verbraucherschützender Rechtscharakter beizumessen. Fraglich ist der zwingende Charakter der Bestimmungen. Grundsätzlich haben es Arzt und Patient im Rahmen der Vertragsfreiheit in der Hand, den typischen Arztvertrag hinsichtlich des Vertragsinhalts nach ihren Wünschen auszugestalten, z. B. hinsichtlich der vertraglichen Hauptpflicht, die sich auch in einer reinen Diagnose erschöpfen kann (Diagnosevertrag, sog. „second opinion“).502 Zu prüfen ist, ob dies auch hinsichtlich der Beschränkung der Haftung des Arztes der Fall ist. Seit dem 1.1.2002 regelt § 309 Nr. 7a BGB, dass im Rahmen von Allgemeinen Geschäftsbedingungen „ein Ausschluss oder eine Begrenzung der Haftung für Schäden aus der Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit, die auf einer fahrlässigen Pflichtverletzung des Verwenders oder einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Pflichtverletzung eines gesetzlichen Vertreters oder Erfüllungsgehilfen des Verwenders beruhen“ unwirksam sind.503 Damit könnten die deutschen arzthaftungsrechtlichen Regelungen zunächst einmal als „vorformulierungsfeste“504 Vorschriften bezeichnet werden, bei denen abweichende Vereinbarungen nicht durch vorformulierungsfeste Klauseln getroffen werden können.505

499 Busnelli/Giardina/Ponzanelli, in: Deutsch/Taupitz, Haftung der Dienstleistungsberufe, S. 61, 62 f. 500 s. unter III. 3. b) bb); Deutsch, in: Deutsch/Taupitz, Haftung der Dienstleistungsberufe, S. 275, 282 f. 501 Zum verbraucherschützenden Charakter der allgemeinen Dienstleistungshaftung Truli, S. 279 ff. 502 Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 98. 503 Früher war dies ein Fall des § 9 AGBG, vgl. Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 21; Laufs, Arztrecht, Rn. 92; Kern, in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, § 94 Rn. 10; Spickhoff, NZS 2004, 57, 60; Deutsch, NJW 1983, 1351, 1352 f. 504 Zu diesem Begriff Remien, Zwingendes Vertragsrecht und Grundfreiheiten des EG-Vertrages, S. 471 f., 477. 505 Für zulässig werden lediglich haftungssplittende Formularbedingungen im Rahmen eines gespaltenen Krankenhausvertrages bzw. totalen Krankenhausvertrages mit Arztzusatzvertrag gehalten, die den Krankenhausträger aus einer Mithaftung für die Fehler des selbstliquidierenden Chefarztes entlassen, vgl. dazu BGHZ 121, 107; OLG Koblenz, VersR 1998, 1283; OLG Bamberg, VersR 1994, 813; Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 22 m.w. N.; kritisch dazu Spickhoff, NZS 2004, 57, 62 f., welcher in der Verwendung derartiger Haftungsfreizeichnungsklauseln, mit Ausnahme der Fallgruppe der Belegkrankenhäuser, einen eindeutigen Verstoß gegen das Klauselverbot des § 309 Nr. 7 BGB sieht.

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§ 3 Kollisionsrechtliche Behandlung des Arzthaftungsrechts

Der „vorformulierungsfeste Charakter“ einer Norm ist jedoch noch nicht mit dem erforderlichen zwingenden Charakter deckungsgleich. Zwingend i. S. d. Art. 29 Abs. 1 EGBGB wäre auf dieser Prüfungsebene lediglich § 309 Nr. 7a BGB, so dass bei der Wahl eines ausländischen Rechts gegenüber dem deutschen Patienten lediglich ein formularmäßiger Haftungsausschluss des dann anwendbaren ausländischen vertraglichen Arzthaftungsrechts unwirksam wäre. Zu prüfen ist daher, ob darüber hinaus auch im Rahmen von Individualvereinbarungen der vertraglichen Gestaltungsfreiheit derartige Grenzen gesetzt sind. Denn erst dann kann man von einem zwingenden Charakter arzthaftungsrechtlicher Vorschriften ausgehen und erst dann kommt ein umfassender Günstigkeitsvergleich zwischen den gewählten ausländischen und den deutschen Arzthaftungsbestimmungen in Betracht. Ein Anknüpfungspunkt hierfür könnte die Untersagung sittenwidriger Abreden in Verbindung mit den Grundsätzen von Treu und Glauben gem. §§ 138, 242 BGB sein.506 In der Rechtsprechung und Teilen der Literatur geht man zunächst davon aus, dass der Arztvertrag vertragliche wie auch deliktische Ansprüche des Patienten grundsätzlich ausschließen oder beschränken kann, wobei jedoch aufgrund des Angewiesenseins des kranken Patienten auf den Arzt und der Eigenart des Vertrauensverhältnisses zwischen Arzt und Patient strikte Anforderungen an Inhalt und Form der vertraglichen Vereinbarung zu stellen sind.507 Im Verhältnis zwischen Vertragsarzt und sozialversichertem Patienten resultiere die Unabdingbarkeit ärztlicher Pflichten ohnehin aus § 76 Abs. 4 SGB V.508 Neben der genannten Unwirksamkeit von Haftungsausschlüssen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sei zudem ein Ausschluss durch konkludentes Verhalten nicht möglich. Sittenwidrig und damit ebenso wenig wirksam ist ein Haftungsausschluss, dem ein Patient aus seiner Notlage heraus zustimmt. Auch im Übrigen wird die vertragliche Begrenzung der ärztlichen Haftung überwiegend für unzulässig gehalten.509 So gehen z. B. Deutsch und Spickhoff unter Verweis auf die entsprechende Rechtsprechung amerikanischer Gerichte davon aus, dass eine Beschrän-

506 Teilweise wird hierin auch ein Verstoß gegen Standesrecht gesehen, vgl. Schiemann, in: Deutsch/Taupitz, Haftung der Dienstleistungsberufe, S. 137, 142; Deutsch/ Geiger, in: Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts – Band II, S. 1049, 1067; Deutsch, NJW 1983, 1351, 1352. 507 OLG Saarbrücken, NJW 1999, 871; Laufs, in: Laufs/Uhlenbruck, § 97 Rn. 16; Weyland, Gemeinschaftsrechtliche Vorgaben im Arzthaftungsrecht, S. 144. 508 § 76 Abs. 4 SGB V: „Die Übernahme der Behandlung verpflichtet die in Abs. 1 genannten Personen oder Einrichtungen dem Versicherten gegenüber zur Sorgfalt nach den Vorschriften des Bürgerlichen Vertragsrechts.“; BGHZ 63, 265, 271; Hirte, Berufshaftung, S. 110 m.w. N.; Krauskopf, in: Laufs/Uhlenbruck, § 25 Rn. 9; Tiemann, NJW 1985, 2169, 2170 f. 509 Hirte, S. 110 m.w. N.; Deutsch, NJW 1983, 1351, 1353; Ulsenheimer, in: Laufs/ Dierks/Wienke/Graf-Baumann/Hirsch, Die Entwicklung der Arzthaftung, S. 321, 323; Thumann, Reform der Arzthaftung in den Vereinigten Staaten von Amerika, S. 224 f.

III. Vertragsrechtliche Aspekte

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kung der Haftung ohne tragenden Grund sittenwidrig sei, wobei bei medizinisch indizierten Behandlungen ein solcher tragender Grund niemals gegeben sei, da zum einen derartige Haftungsbeschränkungen bzw. -freistellungen dem Leitbild des Behandlungsvertrages widersprechen würden und zum anderen eine unzulässige Verschiebung der Risikolast die Folge wäre, da dem Patienten regelmäßig die Alternative, auf die Therapie zu verzichten, nicht offen steht.510 Lediglich bei nicht indizierten medizinischen Behandlungen, bei denen der behandelte Patient selbst über erhebliche Vorkenntnisse auf dem betreffenden Gebiet verfügt und auf den Eingriff, für den er allein die Folgen tragen will (Haftungsverzicht), besteht, oder bei kosmetischen Operationen, deren Zweck die kosmetische Verbesserung ist511, kann ein tragender Grund für die Haftungsfreistellung angenommen werden.512 Hinsichtlich der ersten Fallgruppe folgen Deutsch und Spickhoff den Ausführungen des OLG Saarbrücken513. Hier differenzierte das Gericht hinsichtlich der Wirksamkeit eines Haftungsverzichts durch den Patienten zunächst danach, ob der Arzt den Haftungsverzicht beim Patienten eingeholt bzw. veranlasst hat oder ob letztgenannter diesen ausdrücklich angeboten hat. Während die Rechtsprechung im erstgenannten Fall eine Haftungsbeschränkung missbilligt514, würden die Haftungserwartungen des Patienten im zweiten Fall nicht enttäuscht und könne dem Arzt nicht ein Ausnutzen seiner Machtstellung vorgeworfen werden. Aber auch ein solcher Haftungsverzicht allein auf Initiative des Patienten bedarf nach der Ansicht des Gerichts einer Überprüfung nach Maßgabe der guten Sitten, § 138 BGB. So dürfe, wie bereits erwähnt, keine Notlage des Patienten vorliegen. Eine solche ist dann gegeben, wenn ein nach der ärztlichen Erkenntnis vital indizierter Eingriff vorliegt. Stammt, wie im Fall des OLG Saarbrücken, die Bewertung des Vorliegens eines Notfalls und der gebotenen Eilversorgung allein vom Patienten und findet die Durchführung der Behandlungsmaßnahme, die der Arzt aus eigenem ärztlichen Wissen nicht zu verantworten vermag, allein auf Drängen des Patienten hin statt, ist ein Verstoß gegen die guten Sitten nicht gegeben.515 Neben derartigen Haftungsverzichten bei nicht indizierten Behandlungen und dem Bereich der kosmetischen Operation hält Deutsch lediglich in zwei weiteren Ausnahmekategorien eine Beschränkung der Arzthaftung für zulässig: zum einen dann, wenn die Therapie von einer besonderen subjektiven Fähigkeit des Mediziners abhängt, die bei seinen Kollegen nicht allgemein vorhanden ist und somit be510 Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 98; Deutsch, VersR 1974, 301; ebenso Gehrlein, Grundriss der Arzthaftpflicht, A Rn. 38. 511 Anders jedoch bei plastischen Eingriffen, die der Behebung von schweren Entstellungen dienen oder gesetzlich anerkannt sind, vgl. Deutsch, NJW 1983, 1351, 1353. 512 Deutsch/Spickhoff, Rn. 98. 513 OLG Saarbrücken NJW 1999, 871. 514 OLG Stuttgart NJW 1979, 2355. 515 OLG Saarbrücken NJW 1999, 871, 872.

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§ 3 Kollisionsrechtliche Behandlung des Arzthaftungsrechts

sondere Behandlungsmethoden möglich sind, die nicht zum anerkannten und erwarteten Standard der Wissenschaft gehören – in diesen Fällen soll der besondere Einsatz des Arztes durch eine Beschränkung der Haftung wieder wettgemacht werden können; die zweite Kategorie betrifft die Vornahme des therapeutischen Einzelversuchs am Patienten als letzten Ausweg – der individuelle Heilversuch sowie die besondere Befähigung des Mediziners sollen auch hier eine Haftungsbeschränkung bzw. einen Haftungsausschluss erlauben.516 Im Ganzen ist damit ersichtlich, dass – bis auf wenige Sonderbereichsausnahmen – dem deutschen Arzthaftungsrecht zwingender Charakter beigemessen werden kann, d. h. sowohl eine formularmäßige als auch eine individualvertragliche Haftungsbeschränkung ausgeschlossen ist. In den aufgeführten Sonderfällen hingegen kommt den arzthaftungsrechtlichen Bestimmungen lediglich vorformulierungsfester Charakter zu. Für die Rechtsfolge des Art. 29 Abs. 1 EGBGB bedeutet dies, dass im Regelfall das nationale Arzthaftungsrecht für den deutschen Patienten das Minimum an zu gewährendem Schutz darstellt. Gewährt das gewählte ausländische Recht durch patientenfreundlichere Arzthaftungsbestimmungen (z. B. unter den Gesichtspunkten der Beweislastverteilung und der Kausalität) ein höheres Patientenschutzniveau als das deutsche Arzthaftungsrecht (Aufenthaltsrecht des Patienten), so gilt diese Rechtsordnung. Letztgenannte Konstellation dürfte jedoch mit Blick auf die Ausführungen zu § 2 der Ausnahmefall sein. c) Schranke des Art. 29a EGBGB517 bei Wahl eines Drittrechts Unterliegt der Vertrag aufgrund von Rechtswahl nicht dem Recht eines Mitgliedstaates der EU oder des EWR518, obwohl ein enger Zusammenhang des Vertrages mit dem Gebiet eines solchen Staates besteht, bestimmt Art. 29a EGBGB, dass die in Umsetzung der Verbraucherschutzrichtlinien (Art. 29a Abs. 4 EGBGB – abschließende Aufzählung) geschaffenen Bestimmungen dieses Staates ungeachtet der Rechtswahl anzuwenden sind.

516 Deutsch, NJW 1983 1351, 1353 f.; während der Verf. im Rahmen von Einzelvereinbarungen einen kompletten Haftungsausschluss für zulässig erachtet, befürwortet er im Rahmen von Allgemeinen Geschäftsbedingungen lediglich eine Begrenzung der Haftung auf grobe Fahrlässigkeit – letzteres ist jedoch mit der Rechtslage ab dem 1.1.2002 (Einführung des § 309 Nr. 7a BGB) nicht mehr zu vereinbaren, so dass nun allein der Weg des individualvertraglichen Ausschlusses in diesen Fällen möglich ist. 517 Einführung beruhend auf Art. 2 Abs. 2 S. 1 des Gesetzes über Fernabsatzverträge und andere Fragen des Verbraucherrechts sowie zur Umstellung von Vorschriften auf den Euro, BGBl. 2000 I, 897. 518 Das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Abkommen) dehnt die Geltung der Grundfreiheiten auf die EFTA-Staaten und damit auch auf die Nicht-EU-Staaten Island, Lichtenstein und Norwegen aus.

III. Vertragsrechtliche Aspekte

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Für das Arztrecht beschränkt sich der sachliche Anwendungsbereich der Norm auf die Richtlinien über missbräuchliche Klauseln519 und über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz520 gem. Art. 29a Abs. 4 Nr. 1 und 3 EGBGB. Wie bereits erörtert, handelt es sich bei dem Arzt- bzw. Behandlungsvertrag um einen Verbrauchervertrag, so dass es auf den Streitpunkt, ob dies eine persönliche Anwendungsvoraussetzung des Art. 29a EGBGB ist521, nicht ankommt. In räumlicher Hinsicht fordert Art. 29a Abs. 1 EGBGB einen engen Zusammenhang des Vertrages mit dem Gebiet eines EU/EWR-Staates, welcher nach Art. 29a Abs. 2 EGBGB insbesondere dann anzunehmen ist, wenn der Vertrag aufgrund einer geschäftlichen Tätigkeit (wie z. B. Werbung, Angebot) in einem Mitglied-/Vertragsstaat abgeschlossen wurde und der Verbraucher bei Abgabe der Willenserklärung seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem solchen Staat innehatte. Anders als im Rahmen von Art. 29 Abs. 1 Nr. 1–3 EGBGB, der die zum Vertragsschluss nötigen Handlungen am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Verbrauchers voraussetzt, genügen hier also Bezüge zu unterschiedlichen Mitgliedstaaten.522 Zudem ist es im Gegensatz zu Art. 29 EGBGB unerheblich, ob die Behandlungsleistung am Aufenthaltsort des Verbrauchers oder in einem anderen Mitglied- oder Drittstaat erfolgt. Damit wird im Rahmen dieser Norm auch der aktive Verbraucher privilegiert.523 Hinsichtlich der Rechtsfolge wird auf einen Günstigkeitsvergleich mit den verbraucherschützenden Normen des gewählten Vertragsstatuts verzichtet. Mit Blick auf den ausdrücklichen Wortlaut der Norm kommt vielmehr stets der mitgliedstaatliche Umsetzungsakt zur Anwendung, ganz gleich ob diese Bestimmungen für den Verbraucher günstiger als die des gewählten Rechts sind oder nicht.524 Vielfach wird dies als richtlinienwidrige Umsetzung und damit als Verstoß gegen das sekundäre Gemeinschaftsrecht erachtet.525 Um diese Unzuträglichkeit in ihrer Wirkung abzuschwächen, wendet man in Bereichen, in denen die Art. 29 und 29a EGBGB in 519

Richtlinie v. 5.4.1993, ABl. EG 1993 Nr. L 95/29 ff. Richtlinie v. 20.5.1997, ABl. EG 1997 Nr. L 144/19 ff. 521 Näher dazu Staudinger-Magnus, EGBGB, Art. 29a Rn. 35; für Verbrauchervertrag als persönliche Anwendungsvoraussetzung von Hoffmann/Thorn, IPR, § 10 Rn. 73c. 522 Staudinger, RIW 2000, 416, 416; Schädlich, Grenzüberschreitende TelemedizinAnwendungen, S. 124; zu den unterschiedlichen Ansichten für den Fall, dass ein enger Zusammenhang zu mehreren Mitgliedstaaten besteht: Schädlich, S. 125 f.; von Hoffmann/Thorn, IPR, § 10 Rn. 73 d befürwortet neben den bei Schädlich aufgeführten Ansichten das Abstellen auf den Staat, in dem der Kontakt zwischen Verbraucher und Unternehmer zustande gekommen ist. 523 Wagner, IPRax 2000, 249, 251. 524 Vgl. dazu Staudinger-Magnus, EGBGB, Art. 29a Rn. 54; von Hoffmann/Thorn, IPR, § 10 Rn. 73 d; Wagner, IPRax 2000, 249, 254; Staudinger, RIW 2000, 416, 418. 525 Vgl. dazu Staudinger-Magnus, EGBGB, Art. 29a Rn. 54; von Hoffmann/Thorn, IPR, § 10 Rn. 73 d; Freitag/Leible, EWS 2000, 342, 347. 520

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ihrem Anwendungsbereich deckungsgleich sind, Art. 29 EGBGB generell vorrangig an.526 Dem wird jedoch richtig der Art. 20 EVÜ entgegengehalten, der dem Richtlinienrecht und seinen speziellen Kollisionsnormen den Vorrang einräumt und über Art. 36 EGBGB auch für die einheitliche Auslegung und Anwendung des Schuldvertragsrechts maßgeblich sein muss.527 Wenn der Schutzstandard von Art. 29 und Art. 29a EGBGB im konkreten Fall identisch ist, befürwortet Magnus528 daher die Vorrangigkeit von Art. 29a EGBGB. Bei unterschiedlichem Schutzstandard stellt er jedoch auf die verbraucherschützende Zielrichtung der beiden Vorschriften ab und rechtfertigt damit die Durchsetzbarkeit des für den Verbraucher günstigeren Schutzniveaus. Dieser Weg erscheint nicht unbedenklich. Die grundsätzliche Zielrichtung einer Norm allein vermag m. E. nur schwerlich deren ausdrücklichen Wortlaut zu relativieren. Dogmatisch überzeugender ist die rechtliche Konstruktion Schädlichs.529 Dieser spricht sich zwar für die vorrangige Anwendung des Art. 29a EGBGB aus, sieht jedoch in dem fehlenden Günstigkeitsvergleich im Wortlaut der Norm im Gegensatz zu den anderen Vertretern dieser Ansicht nicht notwendig eine kollisionsrechtliche Diskriminierung des Verbrauchers im Falle eines günstigeren Konsumentenrechts im Drittland. Schließlich seien die Sonderkollisionsnormen des Richtlinienrechts vom Günstigkeitsvergleich geprägt, damit der Verbraucher bei Wahl eines Drittrechts den gemeinschaftsweit „gewährten Schutz nicht verliert“.530 Von Schutzverlust könne man in diesem Zusammenhang dann nicht mehr sprechen, wenn das drittstaatliche Recht ein „Mehr“ an Protektion gewährt. Schädlich geht damit den Weg einer richtlinienkonformen Auslegung des Art. 29a EGBGB. Dies ist auch dogmatisch nachvollziehbar vor dem Hintergrund, dass es sich bei dieser Norm im Grunde um die Zusammenfassung und Vereinheitlichung der in den Verbraucherrichtlinien enthaltenen speziellen Kollisionsregeln handelt, die allesamt auf eine Absicherung des im Binnenmarkt herrschenden hohen Verbraucherschutzniveaus gegenüber Drittstaaten zielen, was bei Auslegung und Anwendung des Art. 29a EGBGB als Zusammenfassung dieser Normen nicht außer Betracht bleiben kann. Bei richtlinienkonformer Auslegung beinhaltet Art. 29a EGBGB daher wie Art. 29 EGBGB einen

526 Abgeleitet aus dem in der Gesetzesbegründung niedergelegten Prüfungsvorrang – BT-Drs. 14/2658, S. 50 – Staudinger, RIW 2000, 416, 419; Palandt-Heldrich, EGBGB, Art. 29a Rn. 8; Tonner, BB 2000, 1413, 1419; Freitag/Leible, EWS 2000, 342, 346. 527 Staudinger-Magnus, EGBGB, Art. 29a Rn. 25 m.w. N.; Schädlich, S. 124; von Hoffmann/Thorn, IPR, § 10 Rn. 73 c. 528 Staudinger-Magnus, EGBGB, Art. 29a Rn. 25. 529 Schädlich, S. 124 f. 530 Schädlich bringt das Beispiel des Art. 12 Abs. 2 FernabsatzRL; das gleiche gilt aber auch für Art. 6 Abs. 2 KlauselRL, Art. 9 TimesharingRL und Art. 7 Abs. 3 VerbrauchsgüterkaufRL – vgl. Staudinger-Magnus, EGBGB, Art. 29a Rn. 12–15.

III. Vertragsrechtliche Aspekte

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Günstigkeitsvergleich.531 Der Umweg über die vorrangige Anwendung des Art. 29 EGBGB ist damit entbehrlich. d) Schranke des Art. 34 EGBGB Im Gegensatz zu Art. 27 Abs. 3 und Art. 29 Abs. 1 EGBGB, die allseitig auszulegen sind und damit auch ausländische zwingende Vorschriften umfassen, verhilft Art. 34 EGBGB nur deutschen international zwingenden Vorschriften trotz anderweitiger Rechtswahl oder objektiver Anknüpfung zur Anwendung.532 Art. 34 EGBGB lässt jedoch offen, wann eine Vorschrift als „international zwingend“ anzusehen ist, also den Sachverhalt ohne Rücksicht auf das auf den Vertrag anzuwendende Recht regeln will. Einfache Unabdingbarkeit nach materiellem Recht reicht hier – anders als bei Art. 27 Abs. 3 und 29 Abs. 1 EGBGB – nicht aus.533 Bloß intern zwingende Normen unterliegen grundsätzlich der kollisionsrechtlichen Verweisung, kommen also nur zur Anwendung, wenn deutsches Recht Vertragsstatut ist und werden ansonsten bei Anwendung eines anderen Rechts mit dessen einfach zwingenden Normen ausgeschaltet.534 Es bedarf vielmehr eines erhöhten internationalen Geltungsanspruchs bzw. Verbindlichkeitsgrads der Norm.535 Die Feststellung eines solchen international zwingenden Normcharakters ist unproblematisch, wenn die Bestimmung selbst ausdrücklich anordnet, dass sie ohne Rücksicht auf das Vertragsstatut anzuwenden ist.536 Fehlt es an einer solchen ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung des in-

531 Nach Ansicht von von Hoffmann/Thorn, IPR, § 10 Rn. 73 d und Freitag/Leible, EWS 2000, 342, 347 scheitert eine richtlinienkonforme Auslegung am eindeutigen Willen des deutschen Gesetzgebers. 532 Gegen Art. 7 Abs. 1 EVÜ, welcher die Berücksichtigung drittstaatlichen zwingenden Rechts regelt, hat die Bundesrepublik Deutschland den Vorbehalt nach Art. 22 lit. a) EVÜ eingelegt, so dass diese Vorschrift nicht in das nationale Recht inkorporiert wurde; es bleibt damit vorerst bei der auf Art. 7 Abs. 2 EVÜ zurückzuführenden Durchsetzung international zwingender Vorschriften der lex fori gem. Art. 34 EGBGB; trotzdem sind ausländische Eingriffsnormen, sofern ein entsprechender Bezug zu diesem Staat besteht, auch vor deutschen Gerichten anzuwenden, vgl. von Hoffmann/Thorn, IPR, § 10 Rn. 99; zum fragwürdigen Weg des BGH, welcher die Berücksichtigung über die Generalklausel des § 138 BGB vornimmt, von Hoffmann/Thorn, IPR, § 10 Rn. 100. 533 Reithmann/Martiny-Freitag, Internationales Vertragsrecht, Rn. 399; MünchKomm-Martiny, EGBGB, Art. 34 Rn. 8; Kropholler, IPR, § 3 II 1; Looschelders, EGBGB, Art. 34 Rn. 7; Erman-Hohloch, EGBGB, Art. 34 Rn. 11. 534 Ausnahmen: Art. 27 Abs. 3, Art. 29 Abs. 1 und Art. 30 Abs. 1 EGBGB; vgl. Erman-Hohloch, EGBGB, Art. 34 Rn. 11; MünchKomm-Martiny, EGBGB, Art. 34 Rn. 7; Kropholler, IPR, § 3 II 1. 535 Looschelders, EGBGB, Art. 34 Rn. 7; Staudinger-Magnus, EGBGB, Art. 34 Rn. 12; Bamberger/Roth-Spickhoff, EGBGB, Art. 34 Rn. 9. 536 Staudinger-Magnus, EGBGB, Art 34 Rn. 52, 54; Schubert, RIW 1987, 729, 733; Looschelders, EGBGB, Art. 34 Rn. 9.

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ternationalen Geltungsanspruchs, entscheidet der durch Auslegung zu ermittelnde Sinn und Zweck der Vorschrift über die entweder nur nationale oder auch internationale Reichweite.537 Nach vorherrschender und zu befürwortender Ansicht ist hierbei entscheidend, dass sich der Zweck der in Frage stehenden Vorschriften nicht nur im Schutz und Ausgleich von widerstreitenden individuellen Interessen der Vertragsparteien erschöpft, sondern auch auf öffentlichrechtliche Gemeinwohlinteressen gerichtet ist.538 Unerheblich soll sein, ob es sich um eine als öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich zu qualifizierende Vorschrift handelt.539 Zudem wird für die Anwendung des Art. 34 EGBGB zusätzlich ein Inlandsbezug gefordert540, wenngleich auch ein starker Inlandsbezug des Sachverhaltes allein einer nur intern zwingenden Norm noch keine internationale Reichweite verschafft.541 aa) Ärztliches Berufszulassungsrecht Als zwingende Bestimmungen mit internationalem Anwendungswillen im Rahmen der hier interessierenden ärztlichen Tätigkeit kommen hauptsächlich die öffentlich-rechtlichen Vorschriften zur Regelung der Berufstätigkeit staatlich geordneter Berufsstände, damit also auch das ärztliche Berufszulassungs- und Standesrecht in Betracht.542 Den Vorschriften zur Regelung von Aufnahme und Ausführung der Berufs- und Erwerbstätigkeit liegt zum einen zumeist ein be537 Looschelders, EGBGB, Art. 34 Rn. 10; Staudinger-Magnus, EGBGB, Art. 34 Rn. 53. 538 St. Rspr. des BAG: BAG IPRax 2003, 258, 260; DB 1990, 1666, 1668; BAGE 63, 17, 31 f.; 71, 297, 316 ff.; Staudinger-Magnus, EGBGB, Art. 34 Rn. 57 m.w. N.; Bamberger/Roth-Spickhoff, EGBGB, Art. 34 Rn. 11; Looschelders, EGBGB, Art. 34 Rn. 10; Junker, IPRax 2000, 65, 70; Kropholler, IPR, § 52 IX 1. 539 s. BegrRegE BT-Drs. 10/504, S. 83; BAG DB 1990, 1666, 1668; Erman-Hohloch, EGBGB, Art. 34 Rn. 12; Palandt-Heldrich, EGBGB, Art. 34 Rn. 3; Looschelders, EGBGB, Art. 34 Rn. 10; MünchKomm-Martiny, EGBGB, Art. 34 Rn. 12; Staudinger-Magnus, EGBGB, Art. 34 Rn. 50; Reithmann/Martiny-Freitag, Internationales Vertragsrecht, Rn. 400. 540 Reithmann/Martiny-Freitag, Rn. 401; Palandt-Heldrich, EGBGB, Art. 34 Rn. 3; Erman-Hohloch, EGBGB, Art. 34 Rn. 13; Kropholler, IPR, § 52 IX 1; StaudingerMagnus, EGBGB, Art. 34 Rn. 72. 541 Vgl. Kropholler, IPR, § 52 IX 1; Staudinger-Magnus, EGBGB, Art. 34 Rn. 62, 79; Mankowski, DZWir 1996, 279; Looschelders, EGBGB, Art. 34 Rn. 12; Reithmann/Martiny-Freitag, Rn. 402. 542 Könning-Feil, Das Internationale Arzthaftungsrecht, S. 188 f.; Reithmann/Martiny-Freitag, Rn. 423; MünchKomm-Martiny, EGBGB, Art. 34 Rn. 116 f.; Bamberger/ Roth-Spickhoff, EGBGB, Art. 34 Rn. 19; Erman-Hohloch, EGBGB, Art. 34 Rn. 16; Kaufmann, MedR 2003, 82, 87; vgl. auch EuGH, Urteil v. 16.6. 1992, Rs. C-351/90 (Kommission/Luxemburg), Slg. 1992, I-3945: 1. Leitsatz: „Die Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats, die ihre Berufstätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat ausüben, müssen dort die Vorschriften beachten, die in diesem Mitgliedstaat für die Ausübung des betreffenden Berufs gelten. . . .“

III. Vertragsrechtliche Aspekte

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stimmter ordnungspolitischer Zweck zugrunde und für die Frage des notwendigen Inlandsbezugs kommt als Anknüpfungspunkt regelmäßig der Ort der Ausübung der Erwerbstätigkeit zum Zuge.543 Die Zulassung zur ärztlichen Berufsausübung im Inland ist abschließend normiert in der Bundesärzteordnung544 (BÄO), wonach für eine ärztliche Tätigkeit im Geltungsbereich dieses Gesetzes grundsätzlich eine deutsche Approbation (§§ 2 Abs. 1, 3 ff. BÄO) bzw. bei einer nur vorübergehenden oder auf bestimmte Tätigkeiten beschränkten Berufsausübung im Inland eine Berufserlaubnis erforderlich ist (§§ 2 Abs. 2, 10, 10a BÄO). Durch diese vorgeschaltete Qualitätskontrolle der Arzttätigkeit in Form des Zulassungserfordernisses soll eine qualitativ hochwertige medizinische Versorgung der Patienten im Inland gesichert und damit das Risiko einer Patientenschädigung minimiert werden.545 Aus § 1 Abs. 1 BÄO ergibt sich das damit verfolgte Ziel: der Schutz der Gesundheit des einzelnen Menschen und des gesamten Volkes. Die Berufszugangsregelungen dienen somit sowohl dem Verbraucherschutz als auch dem Interesse der Öffentlichkeit. Der international zwingende Anwendungswille der BÄO, die unabhängig vom Vertragsstatut Geltung beansprucht, ist damit gegeben. Hinsichtlich des Inlandsbezugs trifft die BÄO keine eindeutige Aussage.546 Zwar ist § 2 Abs. 1 und 2 BÄO zu entnehmen, dass sich die Vorschriften auf die Ausübung des Berufs im Geltungsbereichs dieses Gesetzes beziehen. Der Geltungswille ist damit jedoch nicht eindeutig umrissen. Lediglich hinsichtlich der Behandlung eines Patienten durch einen ausländischen Arzt bei gleichzeitiger Präsenz beider im Inland ist dieser ganz offensichtlich gegeben.547 Fraglich ist jedoch, ob die BÄO auch gegenüber ausländischen Telemedizinern Geltung beansprucht, m. a. W. auch trotz physischer Abwesenheit des ausländischen Mediziners von einer ärztlichen Tätigkeit „im Geltungsbereich dieses Gesetzes“ gesprochen werden kann. Bezüglich dieser Form der grenzüberschreitenden Behandlungstätigkeit wurde bisher keine ausdrückliche Normierung getroffen. Schädlich löst dieses Problem nachvollziehbar, indem er den internationalen Anwendungs- und Geltungswillen der BÄO für all die Fälle bejaht, in denen Patienten mit Aufenthalt im Inland unabhängig von der Metho-

543 Reithmann/Martiny-Freitag, Rn. 423; Soergel-von Hoffmann, EGBGB, Art. 34 Rn. 41 ff. 544 Bundesärzteordnung (BÄO) in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. April 1987, veröffentlicht im Bundesgesetzblatt Teil I, Seite 1218, zuletzt geändert am 31. Oktober 2006, veröffentlicht im Bundesgesetzblatt Teil I, Seite 2407; abschließende Normierung der Zulassung zum Arztberuf aufgrund der konkurrierenden Regelungskompetenz des Bundes gem. Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG. 545 So auch Schädlich, Grenzüberschreitende Telemedizin-Anwendungen, S. 40, 42. 546 Anders z. B. § 130 Abs. 2 GWB, §§ 1 Abs. 1, 7 AEntG, § 32b UrhG. 547 Vgl. Schädlich, S. 43.

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§ 3 Kollisionsrechtliche Behandlung des Arzthaftungsrechts

denwahl ärztlich behandelt werden.548 Würde man diese Form der Behandlung nicht als im Geltungsbereich der BÄO erfolgend ansiedeln und damit vom inländischen Zulassungserfordernis ausnehmen, hätte dies zur Folge, dass jedermann, auch ohne medizinische Ausbildung, die Möglichkeit hätte, an Patienten im Inland via Datennetz „herumzudoktern“.549 Zudem besteht in den Fällen der grenzüberschreitenden Telemedizin ein mindestens genauso hohes, wenn nicht aufgrund der Gefahr der Störung/des Ausfalls der Telekommunikationsinfrastruktur sogar höheres Risikopotential, als in den Fällen der Präsenzbehandlung550, so dass der Schutzzweck der Norm grundsätzlich für die Einbeziehung der telemedizinischen Behandlung in den Anwendungsbereich der BÄO spricht.551 Nicht einleuchtend ist jedoch m. E. der gezogene Umkehrschluss, dass die BÄO und damit auch das deutsche Zulassungsrecht keine Anwendung findet, wenn Patienten im Ausland von Deutschland aus mit telemedizinischen Methoden behandelt werden.552 Hier seien vielmehr nur die einschlägigen Zulassungsregeln des Patientenstaates zu beachten.553 Der inländische Telemediziner übt jedoch wie Ärzte im klassischen Fall der Präsenzbehandlung im Inland und damit im Geltungsbereich der BÄO seine ärztliche Tätigkeit aus. Der Handlungsort liegt im Inland. Der Unterschied besteht lediglich darin, dass der Erfolg nicht im Inland, sondern am Aufenthaltsort des Patienten im Ausland eintritt. Sofern die Handlung des Telemediziners im Inland stattfindet, sollte m. E. der Geltungsbereich der BÄO grundsätzlich eröffnet sein, auch wenn es sich nicht um die Behandlung eines im Inland befindlichen Patienten handelt. Mit Blick auf die zunehmende Internationalisierung auch im medizinischen Bereich ist vielmehr davon auszugehen, dass die BÄO auch die grenzüberschreitende Tätigkeit in Deutschland tätiger Telemediziner erfassen will.554 Ebenso wird der ausländische Telemediziner, welcher einen im Inland befindlichen Patienten behandelt, auch die Zulassungsregeln seines Heimatlandes zu beachten haben. Zu548 Ausführlich a. a. O., S. 41 ff.; a. A. wohl Fischer, in: FS für Laufs, S. 781, 790 der die Geltung der deutschen Standesregeln und damit minore ad maius (nur die ärztliche Tätigkeit, die in den Geltungsbereich der Bundesärzteordnung fällt, unterliegt dem deutschen Standesrecht) die Geltung der BÄO nur für in Deutschland als Telemediziner tätige Ärzte bejaht und damit die grenzüberschreitende Behandlung von Patienten in Deutschland durch Telemediziner im Ausland nicht mit einer Präsenzbehandlung durch einen ausländischen Arzt im Rahmen der aktiven Dienstleistungsfreiheit gleichsetzt. 549 So Schädlich, S. 43. 550 Zur Erhöhung der Organisationspflichten bei Einsatz von Technik im Rahmen telemedizinischer Behandlungen Tillmanns, Die persönliche Leistungserbringungspflicht im Arztrecht und die Telemedizin, S. 177 ff., 214. 551 Schädlich, a. a. O. 552 So aber Schädlich, S. 44. 553 Schädlich, S. 44, 48. 554 So auch Fischer, in: FS für Laufs, S. 781, 790 bzgl. Standesregeln.

III. Vertragsrechtliche Aspekte

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sammenfassend kann damit gesagt werden, dass hinsichtlich des Berufszulassungsrechts die Telemediziner als Erbringer von Korrespondenzdienstleistungen eine Sonderstellung einnehmen, da für sie bei grenzüberschreitender Behandlung grundsätzlich sowohl das Zulassungsrecht am Niederlassungsort (als Handlungsort) als auch am Erfolgsort gilt. Für die im Rahmen dieser Arbeit interessierende Gruppe von Ärzten aus Mitgliedstaaten der EU, die „vorübergehend“555 im Inland ihren Beruf ausüben und damit Erbringer von Dienstleistungen i. S. d. Art. 49 f. EGV sind, hält die BÄO jedoch die Sondervorschriften in §§ 2 Abs. 3 und 10b bereit, wonach für diese keine deutsche Approbation oder Berufserlaubnis erforderlich ist. Voraussetzung ist aber, dass diese Ärzte eine nach deutschen Vorschriften abgeschlossene ärztliche Ausbildung oder eine nach dem EU-Recht anerkannte ausländische ärztliche Ausbildung nachweisen können (vgl. § 10b Abs. 1 BÄO)556. In diesen Fällen besteht lediglich eine Anzeigepflicht gem. §§ 2 Abs. 3 S. 2, 10b Abs. 2 BÄO, die vor Erbringung der Dienstleistung in Deutschland bzw. bei Dringlichkeit des Tätigwerdens unverzüglich nach Erbringen der Dienstleistung bei der zuständigen Behörde (den einzelnen Landesärztekammern557) zu erfüllen ist.558 Zur ordnungsgemäßen Erfüllung der Anzeigepflicht gehört das Vorlegen einer Bescheinigung über die rechtmäßige ärztliche Berufsausübung im Herkunftsstaat sowie eines Ausbildungs- bzw. Befähigungsnachweises i. S. d. § 10b Abs. 1 BÄO (vgl. § 10b Abs. 2 S. 2 Nr. 1 und 2 BÄO).559 In den Grenzgebieten 555 Zur Unklarheit hinsichtlich der zeitlichen Konkretisierung und der Bedenklichkeit dieser Formulierung unter dem Aspekt des rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebots vgl. Schirmer, in: Jorens/Schulte, Grenzüberschreitende Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen im Gemeinsamen Markt, S. 151, 155 f. 556 Umsetzung der Richtlinie des Rates vom 5. April 1993 zur Erleichterung der Freizügigkeit für Ärzte und zur gegenseitigen Anerkennung ihrer Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise (93/16/EWG), ABl. EG Nr. L 165/1 v. 7.7.1993 (letzte Änderung am 14.05.2001 durch RL 2001, 19; seit dem 01.06.2002 ist das Abkommen zwischen der EU und der Schweiz in Kraft – dies implementiert die Schweiz in die Richtlinie 93/16/EWG unter der Fiktion der Schweiz als Mitgliedstaat der EU) und der Richtlinie des Rates vom 25. Juli 1978 für die gegenseitige Anerkennung der Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise des Zahnarztes und für Maßnahmen zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des Niederlassungsrechts und des Rechts auf freien Dienstleistungsverkehr (78/686/EWG), ABl. EG Nr. L 233 v. 24.8.1978, S. 1 in Verbindung mit der Richtlinie des Rates vom 25. Juli 1978, zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Tätigkeiten des Zahnarztes (78/687/EWG), ABl. EG Nr. L 233 v. 24.8.1978, S. 10. 557 Vgl. § 4 Abs. 2 i.V. m. § 1 KGHB-LSA (Gesetz über die Kammern für Heilberufe Sachsen-Anhalt vom 13.07.1994). 558 Die Möglichkeit zur Normierung einer Anzeigepflicht im Rahmen der mitgliedstaatlichen Umsetzung gibt Art. 17 Abs. 2 der Richtlinie 93/16/EWG. 559 Zur Qualifizierung einer solchen Anzeigepflicht als relative diskriminierende Dienstleistungsbeschränkung, gerechtfertigt durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses vgl. Kröck, Der Einfluss der Europäischen Grundfreiheiten am Beispiel der Ärzte und Arzneimittel, S. 149 f.

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§ 3 Kollisionsrechtliche Behandlung des Arzthaftungsrechts

Deutschlands zu Belgien, Luxemburg, den Niederlanden, Österreich und der Schweiz560 entfällt aufgrund von entsprechenden Regelungen in zwischenstaatlichen Verträgen561 i. S. v. § 2 Abs. 4 BÄO selbst dieses bürokratische Hemmnis.562 Da sich der Geltungsbereich der BÄO, wie oben bereits erörtert, auch auf ausländische Telemediziner im Rahmen der Behandlung inländischer Patienten erstreckt, würde grundsätzlich auch diese der Anzeigepflicht gem. §§ 2 Abs. 3, 10b Abs. 2 BÄO unterliegen. Für Telemediziner aus Mitgliedstaaten der EU handelt es sich hierbei jedoch nur um die halbe Wahrheit ohne die Berücksichtigung der europarechtlichen Besonderheiten im Rahmen des E-Commerce. Denn das ärztliche Berufszulassungsrecht für gemeinschaftsinterne grenzüberschreitende Telemedizinanwendungen fällt sowohl sachlich als auch persönlich und räumlich in den Anwendungsbereich des Telemediengesetzes563 (TMG), welches u. a. der innerstaatlichen Umsetzung der E-Commerce-Richtlinie (ECRL)564 dient. Unerheblich ist dabei, ob die Nutzung der Teledienste von den Empfängern vergütet wird oder nicht565, so dass auch überwiegend werbefinanzierte566 Informationsdienste wie Gesundheitsportale im Internet, die für 560 Vor dem 01.06.2002 galt für die Schweiz als Nicht-EWR-Staat im Übrigen der strenge Maßstab der §§ 2 Abs. 1, 3 Abs. 3 BÄO (Approbationsantrag, dem nur in besonderen Einzelfällen oder aus Gründen des öffentlichen Gesundheitsinteresses entsprochen wird – repressives Verbot); seit diesem Zeitpunkt sind jedoch die bilateralen Verträge mit der Schweiz in Kraft, worin unter anderem die schrittweise Einführung des freien Personenverkehrs und damit die gegenseitige Anerkennung beruflicher Qualifikationen geregelt ist; dies bedeutet, dass alle Regelungen der Richtlinie 93/16/ EWG nun in eidgenössische Gefilde reichen, vgl. Fn. 34. 561 Im Verhältnis zu Luxemburg, den Niederlanden und der Schweiz vgl. Fn. 372; im Verhältnis zu Österreich: Übereinkommen zwischen dem Deutschen Reiche und Österreich über die gegenseitige Zulassung der an der Grenze wohnhaften Medizinalpersonen zur Ausübung der Praxis vom 30.6.1931, RGBl. 1931 Teil II 122 ff. – Fortgeltung gem. der Bekanntmachung vom 23.1.1953, BGBl. 1953 Teil II 25. 562 Vgl. Schädlich, Grenzüberschreitende Telemedizin-Anwendungen, S. 52. 563 Telemediengesetz (TMG) vom 26. Februar 2007, BGBl. I 2007, 179; Das TMG wurde als Artikel 1 des Gesetzes zur Vereinheitlichung von Vorschriften über bestimmte elektronische Informations- und Kommunikationsdienste (Elektronischer-Geschäftsverkehr-Vereinheitlichungsgesetz – ElGVG) verkündet und löst das Teledienstegesetz (TDG), das Teledienstedatenschutzgesetz (TDDSG) sowie weitestgehend auch den Mediendienste-Staatsvertrag (MdStV) ab, die alle zeitgleich mit dem Inkrafttreten des TMG am 1. März 2007 außer Kraft traten. Der Anwendungsbereich ist normiert in § 1 TMG. 564 Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt, ABl. EG Nr. L 178/ 1 ff. („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“, „E-Commerce-Richtlinie“). 565 Vgl. § 1 Abs. 1 S. 2 TMG; vgl. zur entsprechenden Vorgängerregelung des TDG Lurger/Vallant, RIW 2002, 188, 189. 566 Durch Werbebanner, Sponsorhinweise usw.

III. Vertragsrechtliche Aspekte

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den Nutzer kostenlos sind, vom Anwendungsbereich erfasst sind567. Zu beachten ist jedoch, dass reine Telekommunikationsdienstleistungen und damit auch die medizinische Beratung per (Internet-)Telefon/Telefax keine Dienste der Informationsgesellschaft darstellen.568 § 4 dieses Gesetzes bestimmt, dass Teledienste im Rahmen der Gesetze zulassungs- und anmeldefrei sind.569 Aus dieser Norm in Verbindung mit dem Herkunftslandprinzip gem. § 3 Abs. 2 TMG ergibt sich, dass ein Arzt mit Hauptniederlassung in einem europäischen Mitgliedstaat befugt ist, Patienten innerhalb der EU auf telemedizinischem Wege zu behandeln, solange er dem Berufszulassungsrecht an seinem Niederlassungsort genügt und soweit das dortige Standesrecht ihn dazu berechtigt.570 Im Falle der Präsenzbehandlung in Deutschland durch Ärzte aus anderen Mitgliedstaaten (sowie erst recht durch jenseits der EU niedergelassene Ärzte) und bei Telemedizinapplikationen durch außerhalb der EU niedergelassene Ärzte bleibt es aber bei dem Zulassungserfordernis.571 bb) Ärztliches Berufsausübungsrecht (Standesrechtliche Regelungen) Mit der grundsätzlich zulassungspflichtigen ärztlichen Tätigkeit im Geltungsbereich der Bundesärzteordnung ist die Anwendbarkeit des deutschen Standesrechts bzw. der jeweiligen Berufsordnung(en) untrennbar verbunden, und zwar auch dann, wenn die Tätigkeit im Rahmen der Dienstleistungsfreiheit, also 567 Für den „Patienten“ kostenpflichtige Online-Sprechstunden werden ähnlich wie beim Online-Banking direkt über eine sichere Online-Verbindung über das Netz abgerechnet. Es besteht zudem die Möglichkeit der Abrechnung über kostenpflichtige „Mehrwerttelefonnummern“, wobei die Dauer der Online-Beratung (in sog. Live-ChatRäumen, in denen der Arzt mittels Webcam zu sehen ist und der Ton als Bestandteil des Live-Chat via PC oder Sprachtelefonie übertragen wird) entscheidend ist. 568 Vgl. § 1 Abs. 1 S. 1 TMG; vgl. auch Art. 2 a) E-Commerce-Richtlinie i.V. m. Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 98/34/EG in der Fassung der Richtlinie 98/48/EG („Transparenzrichtlinie“); vgl. dazu Spindler, ZUM 1999, 775, 777 f. 569 Der Grundsatz der Zulassungs- und Anmeldefreiheit von Telediensten galt jedoch bereits vor der Neufassung des TDG im Rahmen der Umsetzung der E-Commerce-Richtlinie, § 4 TDG a. F. = § 5 TDG i.d. Fassung vom 14.12. 2001; vgl. Tettenborn, in: Moritz/Dreier, Rechts-Handbuch zum E-Commerce, Teil C Rn. 463; irreführend insoweit Schädlich, Grenzüberschreitende Telemedizin-Anwendungen, S. 36, der von einer Einführung der Norm zur Zulassung der Teledienste spricht. 570 Kern, MedR 2001, 495, 497; ausführlich Schädlich, S. 35–48; die Überwachung der Einhaltung der Vorschriften liegt in den Händen des Mitgliedstaates, in welchem der Telemediziner seine Niederlassung hat, vgl. Schädlich, S. 48. 571 Bzgl. Präsenzbehandlungen im Rahmen des grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehrs innerhalb der EU/des EWR in Form einer bloßen Anzeigepflicht, vgl. obige Ausführungen S. 122 f.; bei Ärzten mit Niederlassung außerhalb der EU bzw. EWR gem. § 2 Abs. 1 und 2 BÄO (jedoch besteht hier kein Rechtsanspruch auf positive Bescheidung des Approbationsantrags bzw. Erlaubniserteilung, vgl. dazu auch Schädlich, S. 49 f.).

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ohne Begründung einer Niederlassung im Inland erfolgt.572 Dies ergibt sich zum einen aus § 10b Abs. 3 BÄO, zum anderen aus der Musterberufsordnung für die deutschen Ärztinnen und Ärzte573 (MBO-Ä) sowie aus den einzelnen danach ausgerichteten, verbindlichen Berufsordnungen der Ärztekammern in den Bundesländern574. Aus der MBO-Ä sowie den entsprechenden Berufsordnungen der Landesärztekammern575 ergibt sich zudem, dass die Vorschriften der Berufsordnung auch dann zu beachten sind, wenn der Arzt sich darauf beschränken will, im Geltungsbereich dieser Berufsordnung auf seine Tätigkeit aufmerksam zu machen, also zu werben.576 Die eben erörterte Anzeigepflicht hat gerade den Zweck, die Einhaltung der Disziplinarvorschriften sowie der sonstigen mit der Berufsausübung zusammenhängenden Vorschriften überprüfbar zu machen.577 Also auch der ausländische Mediziner soll sich bei einer vorübergehenden Tätigkeit im Inland bzw. bei einer telemedizinischen Behandlung eines im Inland befindlichen Patienten nicht der Anwendung des inländischen öffentlichen Berufsrechts in Form der jeweiligen Berufsordnung der Ärztekammer entziehen können.578 Die Vorschriften bezwecken neben dem Patientenund damit Verbraucherschutz vor allem die Sicherstellung der Qualität der ärzt572 Schädlich, S. 48; vgl. auch Schirmer, in: Jorens/Schulte, Grenzüberschreitende Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen im Gemeinsamen Markt, S. 151, 157; Taupitz, Die Standesordnungen der freien Berufe, S. 1258. 573 Genauer: Teil D – Ergänzende Bestimmungen zu den einzelnen ärztlichen Berufspflichten, III. Nr. 13 der MBO-Ä in der Fassung der Beschlüsse des 100. Deutschen Ärztetages 1997 in Eisenach, geändert durch die Beschlüsse des 103. Deutschen Ärztetages 2000 in Köln, geändert durch die Beschlüsse des 105. Deutschen Ärztetages 2002 in Rostock, geändert durch die Beschlüsse des 106. Deutschen Ärztetages 2003 in Köln, geändert durch die Beschlüsse des 107. Deutschen Ärztetages 2004 in Bremen, geändert durch den Beschluss des Vorstands der Bundesärztekammer am 24.11.2006; nach der MBO-Ä, welche geschaffen wurde, um gravierende Unterschiede in den Berufsordnungen der einzelnen Länder zu vermeiden, richten sich die verbindlichen Berufsordnungen der Ärztekammern in den einzelnen Bundesländern; hinsichtlich der vorübergehenden Tätigkeit von Ärzten aus Drittstaaten ergibt sich der Geltungsanspruch des deutschen Standesrechts bei erfolgter Erlaubniserteilung aus § 10 Abs. 6 BÄO. 574 Z. B. § 4 KGHB-LSA (Gesetz über die Kammern für Heilberufe Sachsen-Anhalt vom 13.7.1994, GVBl. LSA Nr. 37/1994, S. 832, zuletzt geändert durch das Gesetz zur Neuordnung des Landesdisziplinarrechts vom 21.03.2006 (Artikel 4 Änderung des Gesetzes über die Kammern für Heilberufe Sachsen-Anhalt), GVBl. LSA Nr. 10/2006, S. 123 f.). 575 Bei den in Deutschland bestehenden ärztlichen Berufsordnungen handelt es sich um rechtsverbindliche, in Selbstverwaltungsautonomie durch die zuständige Landesärztekammer geschaffene Satzungsnormen zur Regelung der jeweiligen Berufspflichten; darin enthalten sind die sittlichen Grundlagen des ärztlichen Berufes; die Berechtigung der Kammer zum Beschluss der Berufsordnung ergibt sich aus dem jeweiligen Kammergesetz des Bundeslandes. 576 Vgl. Fn. 1032. 577 Schädlich, S. 44; vgl. auch Art. 5 Abs. 3 Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. September 2005 über die Anerkennung von Berufsqualifikationen (Berufsanerkennungsrichtlinie).

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lichen Tätigkeit im Interesse der Gesundheit der Bevölkerung. Zudem werden das Berufsbild und die Berufspflichten gegenüber der Öffentlichkeit definiert, so dass damit nicht zuletzt öffentliche Interessen geschützt werden.579 Ebenso wie im Rahmen der BÄO ist hinsichtlich der Frage des Inlandsbezugs die Ausübung der Berufstätigkeit im Inland der entscheidende Anknüpfungspunkt. Für den international zwingenden Charakter dieser Normen spricht zudem, dass deren Einhaltung unter Aufsicht der Ärztekammern der Bundesländer steht und diese Berufspflichtverletzungen durch unabhängige Berufsgerichte580 ahnden bzw. den Streit gütlich beilegen581. Bei der Erfüllung dieser gesetzlichen Aufgaben unterliegen die Ärztekammern als Körperschaften des öffentlichen Rechts und Organe der ärztlichen Selbstverwaltung ihrerseits wiederum der Rechtsaufsicht durch das jeweilige Staatsministerium. Damit handelt es sich bei den die ärztliche Berufsausübung regelnden Vorschriften der einzelnen ärztlichen Berufsordnungen ebenfalls um international zwingende Vorschriften, die der Sonderanknüpfung des Art. 34 EGBGB unterliegen.582 Eine Sonderstellung nehmen wiederum gemeinschaftsinterne telemedizinische Dienstleistungen ein. Hier hebelt ebenfalls das Herkunftslandprinzip gem. § 3 Abs. 2 TMG583 den internationalen Anwendungsanspruch der inländischen ärztlichen Berufsausübungsregelungen aus, sobald diese gegenüber dem Herkunftsrecht rechtlich höhere Anforderungen stellen, welche den freien Dienstleistungsverkehr einschränken.584 Telemediziner mit Niederlassung im EU-Ausland, welche Telemedizin-Dienstleistungen gegenüber inländischen Patienten erbringen, unterliegen damit entgegen den eben gemachten Ausführungen den Grenzen des im Staat ihrer Niederlassung gültigen Standesrechts, haben somit zusätzliche Restriktionen im Abrufstaat nicht zu befürchten.585 Bedeutung kann dieser 578 Bzgl. Telemedizinanwendungen: a. A. Fischer, in: FS für Laufs, S. 781, 790, wonach ausländische Telemediziner bei einer grenzüberschreitenden Behandlung lediglich den Standesregeln ihres Niederlassungsortes unterliegen. 579 Vgl. die Präambel und § 1 der MBO-Ä; vgl. dazu näher Taupitz, Die Standesordnungen der freien Berufe, S. 1278 f. 580 Zu den beruflichen Spruchinstanzen vgl. Ausführungen bei Laufs, in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, § 14 Rn. 15 ff. 581 Durch die Schlichtungsstelle für Arzthaftungsfragen der norddeutschen Ärztekammern in Hannover. 582 Zu berufsrechtlichen Vorschriften allgemein Reithmann/Martiny-Freitag, Internationales Vertragsrecht, Rn. 423; Soergel-von Hoffmann, EGBGB, Art. 34 Rn. 41 m.w. N.; MünchKomm-Martiny, EGBGB, Art. 34 Rn. 116 f. 583 Beruhend auf Art. 3 Abs. 2 ECRL. 584 Zum Verhältnis von Herkunftslandprinzip und Kollisionsrecht vgl. Ausführungen unter III. 5. b) cc) (1). 585 So auch Schädlich, S. 47 f.; Hanika, MedR 2001, 107, 110; Kern, MedR 2001, 495, 497; Tillmanns, Die persönliche Leistungserbringungspflicht im Arztrecht und die Telemedizin, S. 99; Tiemann, WPK-Mitt. 2001, 2 ff. befürchtet grundsätzlich Aufweichungserscheinungen für das Berufsrecht der freien Berufe in Deutschland; aus § 5

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Punkt vor allem bezüglich des in Deutschland herrschenden berufsrechtlichen Verbots der ausschließlichen E-Mail-/Internet-Beratung über allgemeine Auskünfte hinaus sowie anonyme Ferndiagnosen, und -therapien586 ohne Präsenzarzt vor Ort erlangen, wenn sich die Berufsordnungen anderer europäischer Länder in diesem Bereich nicht so restriktiv zeigen und z. B. anonyme Fernberatung durch Nicht-Ärzte erlauben.587 Ist ein solcher Dienst im Niederlassungsstaat des Anbieters erlaubt588, führt dies dazu, dass der in Deutschland bestehende hohe Patientenschutz nach und nach aufgeweicht wird und dies schließlich den Abschied vom Verbot der Fernbehandlung bedeuten könnte. Dieser Gefahr eines solchen „race to the bottom“ bzw. der Harmonisierung der nationalen Regelungen auf dem geringsten Niveau könnte lediglich im Rahmen des Schutzklauselverfahrens gem. Art. 3 Abs. 4–6 ECRL/§ 3 Abs. 5 TMG, hier speziell zum Schutz der öffentlichen Gesundheit und Sicherheit sowie des Verbrauchers (Art. 3 Abs. 4a i) ECRL/§ 4 Abs. 5 Nr. 1–3 TMG) Einhalt geboten werden.589 Außer Betracht bleiben soll an dieser Stelle, weil im Rahmen von Arzthaftungsfragen von untergeordneter Bedeutung, die umstrittene Frage, inwieweit den Vergütungsregelungen der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) bzw. der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ), welche im privatärztlichen Bereich in Ermangelung abweichender individueller Vereinbarungen Anwendung finden, ein internationaler Geltungswille beigemessen werden kann.590

Abs. 1 Nr. 5 TMG ergibt sich u. a. eine Mitteilungspflicht des Arztes als Diensteanbieter in Bezug auf die Standesregeln seines Niederlassungsstaates. 586 Vgl. § 7 Abs. 3 MBO-Ä; die ausschließliche Fernbehandlung ist hiernach grundsätzlich als Standardunterschreitung anzusehen und damit als Behandlungsfehler zu qualifizieren; vgl. auch Burger, Dierks/Feussner/Wienke, Rechtsfragen der Telemedizin, S. 119, 122; Kern, MedR 2001, 495, 496; Dierks, Ärzte Zeitung, 29.06.2005; zum berufsrechtlichen Fernbehandlungsverbot ausführlich Tillmanns, S. 70 ff., 78 ff., 157. 587 Vgl. Kern, MedR 2001, 495, 497; zu den damit verbundenen Gefahren Hanika, MedR 2001, 107, 110, ders., MedR 2000, 205, 207. 588 Erwägungsgrund (18) der E-Commerce-Richtlinie nimmt zwar den ärztlichen Rat mit einer erforderlichen Untersuchung vom Anwendungsbereich der Richtlinie aus; die Aussage ist jedoch nicht eindeutig, vgl. Schädlich, a. a. O., Fn. 249; überwiegend wird ihr rein deklaratorischer Charakter in der Klarstellung zugemessen, dass eine Präsenzbehandlung keine Telemedizinanwendung darstellt, vgl. Hanika, MedR 2001, 107, 110 sowie Naskret, Das Verhältnis zwischen Herkunftslandprinzip und Internationalem Privatrecht in der Richtlinie zum elektronischen Geschäftsverkehr, S. 212 f. 589 Hanika, MedR 2001, 107, 110; Kern, MedR 2001, 495, 497; Tillmanns, S. 99 – alle drei skeptisch hinsichtlich der praktischen Durchführbarkeit; Steinhausen, DÄBl. 1999, S. A-2572. 590 Vgl. dazu u. a. Fetsch, Eingriffsnormen und EG-Vertrag, S. 173 f. (bejahend); Kilian/Müller, IPRax 2003, 436, 439 f. (verneinend mit gut nachvollziehbarer Begründung).

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cc) Präventive Gefahrsteuerung In Betracht kommen neben dem ärztlichen Berufszulassungs- und Berufsausübungsrecht weiterhin Vorschriften des Medizinproduktegesetzes (MPG)591 sowie Vorschriften der Strahlenschutzverordnung (StrlSchV)592 und der Röntgenverordnung (RöV)593. Hierbei handelt es sich allesamt um Regelungen des öffentlichen Rechts zur präventiven Gefahrsteuerung.594 Das macht sie aber noch nicht automatisch zu zwingenden Normen i. S. v. Art. 34 EGBGB.595 Vielmehr werden von Art. 34 EGBGB nur die privatrechtlichen, vertragsbezogenen Rechtsfolgen öffentlich-rechtlicher Eingriffsnormen erfasst, öffentlich-rechtliche Rechtsfolgen unterliegen demgegenüber dem Internationalen Öffentlichen Recht mit dem dort herrschenden Territorialitätsprinzip.596 Das MPG hat neben den Herstellern auch Bedeutung für die Betreiber597 und Anwender598 von Medizinprodukten, also auch für Krankenhäuser und Ärzte. Beide Gruppen sind Normadressaten der in §§ 4, 14 MPG i.V. m. §§ 2 ff. Medizinprodukte-Betreiberverordnung (MPBetreibV)599 normierten Organisationspflichten. So untersagt die Generalklausel des § 4 Abs. 1 Nr. 1 MPG unter anderem das Betreiben und Anwenden von Medizinprodukten, von denen eine 591 Gesetz über Medizinprodukte v. 2.8.1994 (BGBl. I 1963), geändert durch Erstes Gesetz zur Änderung des Medizinproduktegesetzes (1. MPG-ÄndG) v. 6.8.1998 (BGBl. I S. 2005) und Art. 1 des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Medizinproduktegesetzes (2. MPG-ÄndG) v. 13.12.2001 (BGBl. I S. 3586), neugefasst durch Bekanntmachung v. 7.8.2002 (BGBl. I 3146); geändert durch Art. 109 V v. 25.11.2003 (BGBl. I 2304); geändert durch Art. 145 V v. 31.10.2006 (BGBl. I 2407). 592 Verordnung über den Schutz vor Schäden durch ionisierende Strahlen vom 20. Juli 2001 (BGBl. I 1714), zuletzt geändert durch Art. 2 § 3 Abs. 31 G v. 1.9.2005 (BGBl. I 2618). 593 Verordnung über den Schutz vor Schäden durch Röntgenstrahlen vom 8. Januar 1987, zuletzt geändert am 30.4.2003 (BGBl. I 604). 594 Vgl. Pflüger, Krankenhaushaftung und Organisationsverschulden, S. 191. 595 So aber Däubler, EuZW 1993, 370, 373; ders., EuZW 1997, 616 und Franzen, ZEuP 1997, 1055, 1064 ff., welche aus der Zugehörigkeit bestimmter Gesetze aus dem Arbeitsrecht zum öffentlichen Recht und der damit verbundenen Geltung des Territorialitätsprinzips bei Inlandsarbeit eine Gleichsetzung mit Eingriffsnormen i. S. v. Art. 34 EGBGB vornehmen. 596 Lorenz, RIW 1987, 583; Stoll, Eingriffsnormen im Internationalen Privatrecht, S. 33 ff., 36 f. 597 Neben den niedergelassenen Ärzten/Praxisinhabern meist Krankenhausträger und Reha-Zentren als Leasingnehmer in Ausübung der tatsächlichen Verfügungsgewalt. 598 Nach Hill/Schmitt, Medizinprodukterecht, § 1 MPBetreibV, Rn. 5 tatsächliche Benutzer der Medizinprodukte, also die Krankenhausmitarbeiter im ärztlichen, pflegerischen und funktionstechnischen Dienst; Betreiber und Anwender können auch identisch sein, etwa im Falle eines niedergelassenen Arztes. 599 Verordnung über das Errichten, Betreiben und Anwenden von Medizinprodukten in der Fassung der Bekanntmachung vom 21.8.2002 (BGBl. I 3396), zuletzt geändert durch Art. 386 V v. 31.10.2006 (BGBl. I 2407).

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konkrete Gefahr ausgeht, d. h. wenn der „begründete Verdacht“ besteht, dass sie die Sicherheit und Gesundheit der Patienten, der Anwender oder Dritter über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinaus gefährden. Demgegenüber enthält § 4 Abs. 1 Nr. 2 MPG ein Verbot der abstrakten Gefährdung durch überalterte Medizinprodukte (Ablauf des Verfallsdatums). In § 14 MPG wird neben dem Verweis auf die Verordnung nach § 37 Abs. 5 MPG im zweiten Satz noch einmal deutlich zum Ausdruck gebracht, dass mangelhafte Produkte, durch die Patienten, Beschäftige oder Dritte gefährdet werden können, weder betrieben noch angewandt werden dürfen. Konkretisiert wird dieses im MPG enthaltene Pflichtenprogramm durch die §§ 2 ff. MPBetreibV. Sowohl die Vorschriften des MPG als auch die der auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen besitzen Schutzgesetzcharakter und führen im Falle ihrer Verletzung und eines daraus entstehenden Schadens neben der Haftung des Arztes/Krankenhauses aus den §§ 823 ff. BGB600 zu vertraglichen Haftungsansprüchen gem. §§ 280, 282 BGB seitens des Patienten, sei es aus dem Arzt-/Behandlungsvertrag oder Krankenhausaufnahmevertrag.601 Zudem stellen sie bestimmte, der Vertragserfüllung dienende Handlungen unter Strafe. So wird nach § 40 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 4 MPG mit Strafe bedroht, wer entgegen § 4 Abs. 1 Nr. 1 bzw. § 14 S. 2 MPG ein Medizinprodukt betreibt oder anwendet. Gem. § 40 Abs. 2 MPG ist der Versuch strafbar und gem. § 40 Abs. 4 MPG wird sogar die Fahrlässigkeitstat unter Strafe gestellt. Wer entgegen § 4 Abs. 1 Nr. 2 MPG fahrlässig oder vorsätzlich ein Medizinprodukt betreibt oder anwendet, handelt gem. § 42 Abs. 2 Nr. 1 MPG ordnungswidrig. Einen entsprechenden Ordnungswidrigkeitenkatalog enthält auch § 13 MPBetreibV i.V. m. § 42 Abs. 2 Nr. 16 MPG. Das MPG sowie die MPBetreibV können somit durch die in ihnen enthaltenen Verbote auch vertragsbezogene Rechtsfolgen haben, so dass eine mögliche Sonderanknüpfung nach Art. 34 EGBGB in Betracht kommt. Zu klären sind dafür jedoch der internationale Geltungswille sowie der Inlandsbezug. Das Medizinprodukterecht soll dem Verkehr von sicheren Medizinprodukten sowie der sicheren Anwendung bzw. dem ordnungsgemäßen Einsatz im Alltag von Krankenhäusern, ärztlichen und zahnärztlichen Praxen sowie den vielen weiteren Bereichen von der Akutversorgung bis zur Rehabilitation und Pflege dienen. Die Ziele lassen sich kurz mit den drei Worten Produktsicherheit, Verbraucher-/Patientenschutz und Arbeitsschutz zusammenfassen.602 600 Wobei § 823 Abs. 2 BGB aufgrund der Schutzgesetzeigenschaft der Normen und der im Falle der Schutzgesetzverletzung gegebenen Beweislastumkehr hinsichtlich des Verschuldens (Verletzung der inneren Sorgfalt) eine große Rolle spielt, vgl. Pflüger, Krankenhaushaftung und Organisationsverschulden, S. 198; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1248; Heil, in: Anhalt/Dieners, Handbuch des Medizinprodukterechts, § 22 Rn. 54 ff. 601 Vgl. Deutsch/Spickhoff, Rn. 1250.

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Grundsätzlich bilden die öffentlich-rechtlichen Verbotsnormen also einen Schutz für bestimmte Personengruppen. Produktsicherheit und Arbeitsschutz sind als staatliche Ordnungsinteressen anerkannt.603 Dass diesen Vorschriften über den reinen Ausgleich bestimmter Parteiinteressen eines Vertragsverhältnisses (Interessenausgleich des Privatrechtsverkehrs) hinaus nicht zuletzt auch ein ordnungspolitischer Charakter zukommt, zeigt sich zudem darin, dass die Einhaltung des Medizinprodukterechts umfassender staatlich/behördlich koordinierter Überwachung unterliegt (vgl. 5. und 6. Abschnitt des MPG). Für den hier interessierenden Betrieb und die Anwendung von Medizinprodukten spielt dabei vor allem § 26 MPG eine zentrale Rolle. Mit Hilfe einer entsprechenden Marktüberwachung bei Herstellern, im Handel, in Betrieben und auch medizinischen Versorgungseinrichtungen will man unsichere Produkte und deren fehlerhafte Verwendung erkennen und durch geeignete Maßnahmen deren weiteres Inverkehrbringen bzw. die weitere Verwendung unterbinden. Neben dem Gesundheitsschutz ist damit auch ein Beitrag zur Sicherung des Wirtschaftsstandorts Deutschland intendiert, da so die heimische Wirtschaft vor einem unfairen Wettbewerb durch den Marktzugang unsicherer Billigprodukte geschützt wird. Die Überwachung der Vorschriften des MPG als Bundesgesetz ist länderhoheitlich geregelt604, soweit nicht durch das MPG selbst den Bundesbehörden Aufgaben zugewiesen werden.605 Ein weiteres starkes Indiz für den besonderen Geltungsanspruch und höheren Verbindlichkeitsgrad des Medizinprodukterechts ist in der staatlichen Normdurchsetzung in Form der Strafbewehrung bzw. Bußgeldverhängung bei Verstoß gegen die Verbotsgesetze zu sehen. Im Gegensatz zu sonderprivatrechtlichen Normen, überlässt es hier der Staat nicht allein den privaten Parteien (Vertragsparteien), für die Einhaltung der zwingenden Vorschriften, z. B. in Form des Beschreitens des Rechtsweges, zu sorgen. Vielmehr setzt der Staat selbst diesbezüglich hoheitliche Mittel ein. Die Tatsache, dass damit eine Normverletzung nicht nur privatrechtliche Folgen nach sich zieht, deutet auf ein bestehendes öffentliches Interesse hin.606 602 Vgl. auch § 1 MPG, wonach das Gesetz für die Sicherheit, Eignung und Leistung der Medizinprodukte sowie die Gesundheit und den erforderlichen Schutz der Patienten, Anwender und Dritter sorgen soll. 603 Soergel-von Hoffmann, EGBGB, Art. 34 Rn. 3. 604 Vgl. Art. 83 und 30 GG; ausführlich dazu auch Attenberger, in: Anhalt/Dieners, Handbuch des Medizinprodukterechts, § 10 Rn. 3, 8 ff.; ist im MPG und in dessen Verordnungen von „zuständigen Behörden“ die Rede, sind darunter die Behörden der Länder zu verstehen; oberste Fachbehörde in Sachsen-Anhalt ist diesbezüglich das Ministerium für Arbeit, Frauen, Gesundheit und Soziales des Landes Sachsen-Anhalt, dem nachgeordnet die staatlichen Gewerbeaufsichtsämter, vgl. Attenberger, in: Anhalt/ Dieners, § 10 Rn. 118 ff. 605 Näher dazu Attenberger, in: Anhalt/Dieners, § 10 Rn. 29 ff. 606 MünchKomm-Martiny, EGBGB, Art. 34 Rn. 22 f.; Schulte, Die Anknüpfung von Eingriffsnormen, S. 119 ff., 123; für dieses Kriterium der Abgrenzung auch Soergel-von Hoffmann, EGBGB, Art. 34 Rn. 7.

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Hinsichtlich des erforderlichen Inlandsbezugs ergibt sich aus dem Regelungszusammenhang des MPG, dass das Gesetz für das Inverkehrbringen, Aufstellen, Betreiben und Verwenden von Medizinprodukten im Inland Geltung beansprucht.607 Bei für den Arzt bzw. Krankenhausträger geltenden Anwender- und Betreibervorschriften des MPG und der MPBetreibV handelt es sich damit um international zwingende Normen i. S. d. Art. 34 EGBGB. Neben dem MPG spielen, wie oben erwähnt, auch die StrlSchV und die RöV für den Arzt/das Krankenhaus als Anwender bzw. Betreiber entsprechender Geräte eine Rolle.608 So ist gem. §§ 7, 11 Abs. 2 und 3 StrlSchV für den Umgang mit radioaktiven Stoffen und den Betrieb von Anlagen zur Erzeugung ionisierender Strahlen im Zusammenhang mit der Ausübung der Heilkunde oder Zahnheilkunde am Menschen eine Genehmigung erforderlich. §§ 9, 14 StrlSchV regeln die diesbezüglichen Genehmigungsvoraussetzungen. Entsprechende Regelungen sind in den §§ 3, 5 RöV hinsichtlich des Betriebs von Röntgeneinrichtungen und Störstrahlern enthalten. Strenge Anforderungen bestehen vor allem bezüglich des Nachweises der Fachkunde im Strahlenschutz, § 30 StrlSchV und § 18a RöV. Die Erteilung der Fachkundebescheinigung für Strahlenschutz erfolgt auf Antrag durch die zuständige Landesärztekammer.609 Seit der Novellierung der Verordnungen der Strahlenschutzgesetzgebung (StrlSchV im Jahre 2001; RöV im Jahre 2002) behält die einmal erworbene Fachkunde ihre Gültigkeit nicht mehr auf Lebenszeit, sondern ist im Fünfjahresrhythmus durch eine erfolgreiche Teilnahme an einem von der zuständigen Stelle610 anerkannten Kurs oder anderen von der zuständigen Stelle als geeignet anerkannten Fortbildungsmaßnahmen zu aktualisieren (§ 30 Abs. 2 StrlSchV, § 18a Abs. 2 RöV). Mangels ausdrücklicher Anordnung des internationalen Geltungswillens in den Verordnungen selbst ist wiederum zu fragen, ob der Normzweck ein staatliches Interesse an einer einheitlichen, das internationale Element überspielenden Geltung in Deutschland impliziert.611 Zweckbestimmung der StrlSchV ist es, zum Schutz des Menschen und der Umwelt vor der schädlichen Wirkung ionisierender Strahlung Grundsätze und Anforderungen für Vorsorge- und Schutzmaßnahmen zu regeln, die bei der Nutzung und Einwirkung radioaktiver Stoffe und ionisierender Strahlung zivilisatorischen und natürlichen Ursprungs Anwendung finden (§ 1 StrlSchV). Das Ziel der RöV besteht ebenfalls darin, Leben, Gesundheit und Sachgüter vor den Gefahren der Röntgenstrahlung zu schützen, 607

Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1201. Diese Verordnungen bleiben gem. § 2 Abs. 3 MPG unberührt. 609 Die Ärztekammer Sachsen-Anhalt ist vom Ministerium für Gesundheit und Soziales des Landes Sachsen-Anhalt als zuständiger Stelle beauftragt, Fachkundebescheinigungen auszustellen. 610 In Sachsen-Anhalt das Ministerium für Gesundheit und Soziales. 611 Statt vieler Staudinger-Magnus, EGBGB, Art. 34 Rn. 53, 56 ff.; Palandt-Heldrich, EGBGB, Art. 34 Rn. 3; MünchKomm-Martiny, EGBGB, Art. 34 Rn. 128. 608

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indem die Strahlenexposition so gering wie möglich gehalten werden soll, und zwar sowohl mit Blick auf die Patienten als auch auf die Anwender und die in ihrem Bereich arbeitenden Personen.612 Beide Verordnungen finden ihre Ermächtigungsgrundlage in § 12 AtomG613 und dienen damit auch der Erreichung der in § 1 (speziell Nr. 2) AtomG bezeichneten übergeordneten Zwecke. Es handelt sich folglich um Normen des öffentlichen Rechts, die nicht der Gerechtigkeit zwischen Privaten, sondern den Interessen des Staates dienen, im speziellen Fall vor allem dem Schutz von Leben, Gesundheit und Sachgütern vor Schäden durch ionisierende Strahlen. Sie betreffen alle im Inland praktizierenden, im Bereich der Radiologie bzw. Strahlentherapie/Nuklearmedizin verantwortlich tätigen Ärzte, gleichgültig ob eine Niederlassung im Inland besteht oder nicht und der Vertrag einer anderen als der deutschen Rechtsordnung unterliegt. Bei den oben genannten Genehmigungserfordernissen handelt sind somit ebenfalls Eingriffsnormen i. S. d. Art. 34 EGBGB. Zu bedenken ist in den Bereichen MPG, StrlSchV und RöV wiederum auch die europarechtliche Dimension im Rahmen des Binnenmarktverkehrs. Vor allem das MPG ist ein „Kind des europäischen Rechts“614, indem es der Umsetzung einer ganzen Reihe von Richtlinien der Europäischen Union615 dient und daher weitgehend Regelungsinhalte und -formen aus dem Europarecht übernommen hat.616 So dienen die Verbote zum Schutz von Patienten, Anwendern und Dritten (§ 4 MPG) dem vorbeugenden Gesundheitsschutz und folgen damit dem Auftrag des EG-Gesetzgebers an die Mitgliedstaaten in Art. 2 der Richtlinien 90/385/EWG617 und 93/42/EWG618 sowie den Allgemeinen Anforderungen zu 612 Vgl. Uhlenbruck/Ulsenheimer, in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, § 136 Rn. 11 m.w. N. 613 Bei der RöV spielen zusätzlich die §§ 11 und 54 AtomG eine Rolle, vgl. Uhlenbruck/Ulsenheimer, in: Laufs/Uhlenbruck, § 136 Rn. 9. 614 Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1208. 615 Vgl. Übersicht bei Schorn, Medizinprodukte-Recht – Band 1, B 1.1 und B 1.2; Anhalt/Dieners, in: Anhalt/Dieners, Handbuch des Medizinprodukterechts, § 2 Rn. 9 ff. (zu den drei Hauptrichtlinien); vgl. zudem Katalog der umgesetzten Richtlinien der EU in Fn. zum Titel der Veröffentlichung des Gesetzes über Medizinprodukte vom 2. August 1994, BGBl. I, S. 1963. 616 Übersichtliche Zuordnung der Bestimmungen des MPG als EG-Regelungen und deutsche Regelungen bei Schorn, a. a. O., B 1.2.2. 617 Richtlinie des Rates vom 20.6.1990 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über aktive implantierbare medizinische Geräte, ABl. EG Nr. L 189 v. 20.6.1990, S. 17 zuletzt geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 1882/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 29.9.2003 (ABl. EU Nr. L 284 v. 31.10.2003, S. 1); beachte zudem die legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 29. März 2007 zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 90/385/EWG und 93/42/EWG des Rates sowie der Richtlinie 98/8/EG des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf die Überarbeitung der Richtlinien über Medizinprodukte (KOM(2005)0681 – C6-0006/ 2006 – 2005/0263(COD)).

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den Grundlegenden Anforderungen im Anhang 1 der Richtlinien 90/385/EWG und 93/42/EWG.619 Aber auch im Bereich des Strahlenschutzrechts spielt das europäische Recht eine Rolle. Denn mit der Novellierung der StrlSchV (in Kraft seit dem 1.8.2001) und der RöV (in Kraft seit dem 1.7.2002) erfolgte die Umsetzung der Richtlinie 96/29/Euratom des Rates zur Festlegung der grundlegenden Sicherheitsnormen für den Schutz der Gesundheit der Arbeitskräfte und der Bevölkerung gegen die Gefahren durch ionisierende Strahlungen620 (sog. „EURATOM-Grundnormen“) sowie der Richtlinie 97/43/Euratom621 des Rates über den Gesundheitsschutz von Personen gegen die Gefahren ionisierender Strahlung bei medizinischer Exposition und zur Aufhebung der Richtlinie 84/ 466/Euratom (sog. „Patientenschutz-Richtlinie“) in den bundesrechtlichen Verordnungen. Soweit der Inhalt der Richtlinien (europaeinheitlich) in den einzelnen Mitgliedstaaten umgesetzt worden ist, bildet das Europarecht die Quelle für die Entstehung von inländischem Eingriffsrecht, wobei dieses angeglichene nationale Recht vom Grundsatz der richtlinienkonformen Auslegung geprägt ist.622 Stellt das Recht eines Mitgliedstaates, in welchem die Richtlinien bereits ebenfalls vollständig umgesetzt wurde, das Vertragsstatut, ergibt sich aufgrund der weitgehenden Europaeinheitlichkeit der aus der Umsetzung der Richtlinien resultierenden Bestimmungen eine nur geringe Relevanz des Eingriffscharakters der inländischen Umsetzungsnormen. Bedeutung erlangen die umgesetzten Eingriffsnormen jedoch gegenüber einem Vertragsstatutsstaat, welcher die Richtlinien noch nicht umgesetzt hat bzw. welcher nicht Mitgliedstaat der EU ist. Im Falle einer fehlenden (fristgerechten) Transformation ist man sich einig, dass die Richtlinie selbst keine Eingriffsnorm darstellen kann, da dem der Grundsatz des Ausschlusses der unmittelbaren horizontalen Wirkung entgegensteht.623 618 Richtlinie des Rates vom 14.6.1993 über Medizinprodukte, ABl. EG Nr. L 169 v. 12.7.1993, S. 1, zuletzt geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 1882/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 29.9.2003 (ABl. EU Nr. L 284 v. 31.10. 2003, S. 1); beachte zudem die legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 29. März 2007 zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 90/385/EWG und 93/42/EWG des Rates sowie der Richtlinie 98/8/EG des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf die Überarbeitung der Richtlinien über Medizinprodukte (KOM(2005) 0681 – C6-0006/2006 – 2005/0263(COD)). 619 Vgl. Schorn, Medizinprodukte-Recht – Band 3, M 2-2/3. 620 ABl. EG Nr. L 159 vom 29.6.1996 S. 1. 621 ABl. EG Nr. L 180 vom 9.7.1997 S. 22. 622 MünchKomm-Martiny, EGBGB, Art. 34 Rn. 33. 623 MünchKomm-Martiny, EGBGB, Art. 34 Rn. 33 f.; Gassner, JuS 1996, 303 ff.; Deinert, JbJgZivWiss 1997, 257, 261; Mäsch, Rechtswahlfreiheit und Verbraucherschutz, S. 129 f.; st. Rspr. des EuGH seit EuGH, Urteil v. 26.2.1986, Rs. 152/84 (Marshall), Slg. 1986, 723, Rn. 43 f.; vgl. EuGH, Urteil v. 14.7.1994, Rs. C-91/92 (Dori), Slg. 1994, 3325, Rn. 24 f.; entsprechend auch der BGH, NJW 1997, 1697, 1700; zur in diesem Rahmen nicht eingehend erörterbaren Frage der grundsätzlichen Durchsetzung deutscher Umsetzungsnormen als Eingriffsrecht bei Säumnis der Trans-

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Zu beachten ist aber, dass z. B. das MPG auch rein nationale Regelungen, also nicht auf europäische Richtlinien zurückgehende Bestimmungen enthält, die sich damit auch nicht auf das europäische Recht beziehen. Darunter fallen u. a. die Vorschriften zum Errichten, Betreiben, Anwenden und Instandhalten von Medizinprodukten (Regelung des neuen § 14 MPG624 sowie die damit in Verbindung stehenden Anforderungen der MPBetreibV als dem eigentlich bedeutenden Regelwerk für Anwender und Betreiber).625 Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die dort geregelten Anforderungen nicht im Widerspruch zum europäischen Recht stehen dürfen. Insofern kann das Gemeinschaftsrecht nicht nur selbst die Grundlage neuer inländischer Eingriffsnormen sein, sondern auch umgekehrt als Schranke wirken und die über Art. 34 EGBGB zur Anwendung kommenden international zwingenden Vorschriften begrenzen. Zu beachten ist jedoch, dass im Falle einer Unvereinbarkeit der inländischen Eingriffsnorm mit dem Europarecht (z. B. den Grundfreiheiten) nur die gemeinschaftliche Anwendbarkeit versagt bleibt, die Norm also nur im grenzüberschreitenden Verkehr innerhalb der Mitgliedstaaten nicht zu berücksichtigen ist. Die grundsätzliche kollisionsrechtliche Anwendbarkeit im Verkehr mit Drittstaaten bleibt unberührt.626 Bezüglich des Nachweises der Fachkunde im Strahlenschutz nach der StrlSchV und der RöV ist abschließend anzumerken, dass dieser nicht in den Regelungsbereich der Richtlinie 93/16/EWG627 fällt. Neben der gegenseitigen Anerkennung der ärztlichen Ausbildung regelt diese Richtlinie lediglich die gegenseitige Anerkennung von Facharztdiplomen. Regelungen zur Anerkennung von Schwerpunkten, fakultativen Weiterbildungen, Zusatzbezeichnungen und auch Fachkunden gibt es nicht. Damit bleibt es die Entscheidung des Ziellandes, ob und welcher Fachkundenachweis, ausgestellt in einem anderen Mitgliedstaat, anerkannt wird, wofür grundsätzlich konkrete Einzelfallprüfungen erforderlich sind.628

formation (Umsetzungspflicht) des Vertragsstatutsstaates (Lehre von der „mittelbaren horizontalen Direktwirkung“) vgl. Ausführungen bei Stoll, Eingriffsnormen im Internationalen Privatrecht, S. 157 ff. m.w. N. 624 In § 14 MPG wurden die bisherigen §§ 22–24 MPG unter zusätzlicher Einbeziehung der Instandhaltung von Medizinprodukten zusammengefasst ohne die jeweiligen Verordnungsermächtigungen, die nun in § 37 Abs. 5 MPG enthalten sind. 625 Schorn, Medizinprodukte-Recht – Band 1, B 1.2.2; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1210; Böckmann, in: Anhalt/Dieners, Handbuch des Medizinprodukterechts, § 9 Rn. 2. 626 Vgl. dazu Lorenz, VR 1995, 8, 9; Stoll, S. 75. 627 s. Fn. 34. 628 So die kurze schriftliche Auskunft der Ärztekammer Sachsen-Anhalts.

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dd) Nationale Verbraucherschutzvorschriften Hinsichtlich deutscher Verbraucherschutzvorschriften ist man sich weitgehend einig, dass für die Vertragstypen, die in den sachlichen und persönlichen Anwendungsbereich des Art. 29 EGBGB fallen, die dort vorgesehene allseitige Sonderanknüpfung gilt und damit eine darüber hinausgehende Sonderanknüpfung gem. Art. 34 EGBGB grundsätzlich ausscheidet629, ganz abgesehen von der Frage, ob die zwingenden Verbraucherschutznormen auch einen international zwingenden Charakter haben630. Wie bereits gezeigt, fallen Gesundheitsdienstleistungen grundsätzlich sowohl in den persönlichen als auch in den sachlichen Anwendungsbereich des Art. 29 EGBGB, so dass sich an dieser Stelle ein Rückgriff auf Art. 34 EGBGB erübrigt. Zwar wird es häufig so sein, dass der nach Art. 29 Abs. 1 Nr. 1–3 EGBGB erforderliche Inlandsbezug nicht gegeben ist. Jedoch wäre es ein kollisionsrechtliches Paradoxon, diese Lücke mit der Anwendbarkeit des Art. 34 EGBGB schließen zu wollen. Man würde ansonsten auf ein „Weniger“ an Inlandskontakt mit einem stärkeren Geltungsanspruch des deutschen Rechts reagieren.631 e) Schranke des Art. 6 EGBGB (Ordre Public) Eine Grenze in der Anwendbarkeit des fremden gewählten Rechts kann auch der Ordre Public gem. Art. 6 EGBGB darstellen. Gegen den deutschen Ordre Public verstößt ein gewähltes Recht dann, wenn dessen Anwendung zu einem Ergebnis führen würde, dass mit den wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts, insbesondere den Grundrechten, nicht vereinbar ist. Zu denken wäre in dieser Hinsicht z. B. an Fälle der unbeschränkten Lebendorganspende oder der Einschränkung von bestimmten Aufklärungspflichten. Stumpf 632 denkt zudem an Verträge, in denen der Patient der ungebremsten Willkür des Arztes ausgelie629 von Hoffmann/Thorn, IPR, § 10 Rn. 96 m. zahlr. Nachw.; Borges, ZIP 1999, 565, 571 m.w. N.; Palandt-Heldrich, EGBGB, Art. 34 Rn. 3 a; BGHZ 123, 380, 391; 135, 124, 136; OLG Celle, RIW 1991, 421, 422; Lando, CMLRev 24 (1987), 159, 181; Roth, RIW 1994, 275, 278; Lorenz, IPRax, 1994, 429, 431; a. A. Flesner, Die Behinderungen des binnenmarktgrenzüberschreitenden Vertragsschlusses und die Möglichkeiten ihrer Beseitigung, S. 81 f., welcher unabhängig davon, ob der Vertragstyp von Art. 29 EGBGB erfasst ist, Art. 34 EGBGB für vorrangig hält, sofern die Vorschrift in erheblichem Maße eine überindividuelle Zweckrichtung hat; vgl. zum Ganzen auch: Backert, Kollisionsrechtlicher Verbraucherschutz im Mosaik der Sonderanknüpfungen des deutschen internationalen Schuldvertragsrechts, S. 191 ff., 193. 630 Vgl. zum Streitstand: Bamberger/Roth-Spickhoff, EGBGB, Art. 34 Rn. 12 f.; Reithmann/Martiny-Freitag, Internationales Vertragsrecht, Rn. 403 ff.; Looschelders, EGBGB, Art. 34 Rn. 18 ff.; Backert, S. 184 ff. 631 Kropholler, IPR, § 52 V 2. b) sowie § 52 IX 3. a); BGHZ 135, 124; 123, 380 (390 f.); Roth, RIW 1994, 275, 277; Lorenz, IPRax 1994, 429, 431; in Ausnahmefällen kommt lediglich ein Verstoß gegen Art. 6 EGBGB (Ordre Public) in Betracht. 632 Stumpf, MedR 1998, 546, 547 f.

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fert ist sowie an bestimmte Formen des Schwangerschaftsabbruchs oder drastische Fälle der Fortpflanzungsmedizin. Eine diesbezügliche praktische Relevanz innerhalb der Mitgliedstaaten ist jedoch bisher nicht ersichtlich. 4. Zwischenergebnis Resümierend kann festgestellt werden, dass es den Parteien eines ärztlichen Behandlungsvertrags grundsätzlich freisteht, über die Anwendbarkeit einer bestimmten Rechtsordnung auf das Rechtsverhältnis zu befinden, welche dann regelmäßig in vollem Umfang zugunsten wie zu Lasten der Parteien anzuwenden ist. Einschränkungen dieser Parteiautonomie für die interessierenden Fälle des grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehrs innerhalb der EU-Mitgliedstaaten können sich derzeit vor allem aus Art. 29 Abs. 1 EGBGB und Art. 29a EGBGB ergeben. Besonders zu berücksichtigen ist, dass es sich bei dem deutschen Arzthaftungsrecht regelmäßig um zwingende Vorschriften handelt, so dass in Konstellationen des Art. 29 Abs. 1 EGBGB dem deutschen Patienten der durch diese Vorschriften gewährte Schutz nicht entzogen wird. Grundsätzlich kommt auch der Ordre-Public-Vorbehalt als Rechtswahlschranke in Betracht, wobei jedoch derzeit kein praktisch relevantes Beispiel eines Ordre-Public-Verstoßes innerhalb der Mitgliedstaaten ersichtlich ist. Die Schranke des Art. 27 Abs. 3 EGBGB berührt die Rechtswahl nicht, da in den Fällen der Wahrnehmung der Dienstleistungsfreiheit kein reiner Binnensachverhalt vorliegt. Zu beachtende international zwingende Vorschriften des deutschen Rechts i. S. d. Art. 34 EGBGB mit Bezug auf die Dienstleistungsfreiheit der Ärzte belaufen sich derzeitig auf die in der BÄO niedergelegte Anzeigepflicht einer vorübergehenden oder auf bestimmte Tätigkeiten beschränkten Berufsausübung im Inland sowie die damit verbundenen deutschen Standesregeln, die im MPG i.V. m. der MPBetreibV festgeschriebenen Organisationspflichten für Betreiber und Anwender von Medizinprodukten sowie auf die in der Strahlenschutz- und Röntgenverordnung enthaltenen Genehmigungsvorbehalte im Rahmen des Umgangs mit radioaktiven Stoffen bzw. ionisierenden Strahlen. 5. Objektive Anknüpfung des Arztvertrages Liegt weder eine ausdrückliche noch eine stillschweigende Vereinbarung über das anzuwendende Recht vor oder nach der schädigenden Handlung vor bzw. ist die Rechtswahl der Parteien ungültig, wird das Vertragsstatut durch objektive Anknüpfung ermittelt, und zwar im Falle eines spezifischen Verbrauchervertrages i. S. d. Art. 29 Abs. 1 EGBGB gem. Art. 29 Abs. 2 EGBGB, im Übrigen gem. Art. 28 EGBGB.633 633 Liegt nur eine Teilrechtswahl vor oder ist die vorgenommene Rechtswahl unwirksam, muss der restliche Vertragsteil bzw. der Vertrag insgesamt ebenfalls objektiv

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a) Objektive Anknüpfung gem. Art. 29 Abs. 2 EGBGB (lex specialis) Ist der Vertrag zwischen Arzt und Patient nach den in Art. 29 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 EGBGB genannten Modalitäten zustande gekommen, kommt im Rahmen der objektiven Anknüpfung gem. Art. 29 Abs. 2 EGBGB das Recht des Staates zur Anwendung, in dem der Patient seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Somit erreicht der Schutz des Verbrauchers bei Geschäften mit einem ausländischen Anbieter von Gesundheitsdienstleistungen bei fehlender oder unwirksamer Rechtswahl das Niveau von Inlandsgeschäften. Wie bereits oben angesprochen, fallen hierunter vor allem Konstellationen des über das Internet hergestellten Arzt-Patienten-Kontaktes, sofern die Internetwerbung des Arztes einen objektiv erkennbaren, spezifischen Bezug zum Verbraucherland aufweist und der Patient die zum Abschluss des Vertrags erforderlichen Rechtshandlungen auch dort getätigt hat. Bedeutung erlangt die objektive Anknüpfung des Art. 29 Abs. 2 EGBGB somit vor allem in den Fällen, in denen Patienten die Möglichkeit nutzen, sich über Gesundheitsportale im Internet ärztlichen Rat einzuholen. Das Recht des gewöhnlichen Aufenthaltes des Patienten wird dann alleiniges Vertrags- und Formstatut (Art. 29 Abs. 2 und 3 EGBGB). In den Fällen der Hinzuziehung eines ausländischen Telemediziners durch den behandelnden Arzt oder das Krankenhaus vor Ort im Rahmen von Diagnose oder Therapie eines Patienten wird die Anwendbarkeit von Art. 29 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 EGBGB häufig schon am Fehlen eines ausdrücklichen Angebots oder einer Werbung des Telemediziners am Aufenthaltsort des Patienten bzw. an einer entsprechenden Abschlusshandlung des Patienten scheitern. b) Objektive Anknüpfung gem. Art. 28 EGBGB Die objektive Anknüpfung nach Art. 28 EGBGB kommt aufgrund der Spezialität des Art. 29 EGBGB dann zum Tragen, wenn keine der in Art. 29 Abs. 1 EGBGB genannten Modalitäten vorliegt. Nach dem Grundprinzip des Art. 28 Abs. 1 S. 1 EGBGB soll das Recht des Staates zur Anwendung gelangen, mit welchem der Sachverhalt die engste Verbindung aufweist. In den Absätzen 2–4 werden hierfür drei gesetzliche Vermutungsregelungen aufgestellt und damit der Grundsatz des Abs. 1 konkretisiert. Während Art. 28 Abs. 2 EGBGB grundsätzlich für alle Schuldvertragsarten gilt, enthalten die Abs. 3 und 4 gesonderte Vermutungsregelungen für Grundstücks- und Güterbeförderungsverträge. angeknüpft werden. Aufgrund der Tatsache, dass der Arztberuf zu den freien Berufen zählt und es hier nicht um ein mögliches Arbeitsverhältnis z. B. im Krankenhausbetrieb geht, sondern um das Arzt-Patienten-Verhältnis, scheidet die objektive Anknüpfung nach Art. 30 Abs. 2 EGBGB als zweite lex-specialis-Vorschrift aus.

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Für Behandlungsverträge einschlägig bleibt damit die Grundsatzanknüpfung des Art. 28 Abs. 2 EGBGB. Danach wird vermutet, dass der Vertrag die engste Verbindung mit dem Recht des Staates aufweist, in dem die Partei, welche die charakteristische Leistung zu erbringen hat, im Zeitpunkt des Vertragsschlusses ihren gewöhnlichen Aufenthalt (bzw. bei Gesellschaften und juristischen Personen ihre Hauptverwaltung) hat (Art. 28 Abs. 2 S. 1 EGBGB). Handelt jemand in Ausübung einer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit, wird gem. Art. 28 Abs. 2 S. 2 EGBGB die engste Verbindung zu dem Staat vermutet, in dem sich die Hauptniederlassung dieser Partei befindet, oder, falls die Leistung nach dem Vertrag von einer anderen als der Hauptniederlassung zu erbringen ist, in dem sich diese Niederlassung befindet. Bei einem gegenseitigen entgeltlichen Vertrag ist nicht die Geldleistung charakteristisch für den Vertragstyp, sondern die Naturalleistung, „für die die Zahlung geschuldet wird“.634 Bei dem medizinischen Behandlungsvertrag zwischen Arzt und Patient handelt es sich nach deutschem Recht in der Regel um einen Dienstvertrag, bei dem der Arzt als Dienstleistender die charakteristische Vertragsleistung und der Patient lediglich die „unspezifische“ Geldleistung erbringt. Entsprechendes gilt auch in den Fällen der ärztlichen Verpflichtung zur erfolgreichen Fertigung eines Werkes (ärztliches Gutachten, Zahnprothese usw.). Daran ändert sich auch nichts dadurch, dass der Patient nicht privatversichert ist und damit der Sozialversicherungsträger (die Krankenkasse) den erforderlichen Geldbetrag für die Behandlung des Patienten leistet. Indem der Arzt als Freiberufler in Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit handelt, kommt es für die Anknüpfung des Vertragsverhältnisses gem. Art. 28 Abs. 2 S. 2 EGBGB grundsätzlich auf das Recht am Ort der beruflichen Hauptniederlassung (principal place of business; principal établissement) bzw. der (Stamm-)Praxis an.635 Auch beim Krankenhausvertrag als gemischtem Vertrag leistet der Patient nur die „unspezifische“ Geldleistung, während der Krankenhausträger die sich aus verschiedenen (dienst-, miet- und werkvertraglichen) Elementen zusammengesetzte, charakteristische Naturalleistung erbringt (Unterkunft, Pflege und medizinisch-technische Ausstattung). Damit kommt es auch hier auf das Recht des Staates an, in dem der Krankenhausträger seine Hauptniederlassung hat.

634 Allg. Meinung; vgl. Bericht Giuliano/Lagarde, BT-Drs. 10/503, S. 33, 52 f.; von Hoffmann/Thorn, IPR, § 10 Rn. 45 f.; Erman-Hohloch, EGBGB, Art. 28 Rn. 22; MünchKomm-Martiny, EGBGB, Art. 28 Rn. 33; Staudinger-Magnus, EGBGB, Art. 28 Rn. 75; Soergel-von Hoffmann, EGBGB, Art. 28 Rn. 22; Könning-Feil, Das Internationale Arzthaftungsrecht, S. 206 m.w. N. 635 Staudinger-Magnus, EGBGB, Art. 28 Rn. 257; Könning-Feil, S. 208; Muschner, Die haftungsrechtliche Stellung ausländischer Patienten und Medizinalpersonen in Fällen sprachbedingter Missverständnisse, S. 35; Soergel-von Hoffmann, EGBGB, Art. 28 Rn. 201; MünchKomm-Martiny, EGBGB, Art. 28 Rn. 210; Geisler, Die engste Verbindung im Internationalen Privatrecht, S. 223.

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Gesondert betrachtet werden müssen die Fälle, in denen der Arzt mehrere Niederlassungen unterhält, indem er neben seiner Stammpraxis noch eine zweite Praxis im Ausland hat, bzw. in denen der Krankenhausträger mehrere Niederlassungen bzw. mehrere Kliniken in verschiedenen Ländern betreibt. Nachdem lange Zeit zweifelhaft war, ob die Errichtung und Unterhaltung einer solchen ärztlichen Zweigpraxis rechtlich überhaupt zulässig ist636, entschied der EuGH im Jahre 1992, dass mit Blick auf die Gewährleistung der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit innerhalb der EU die Eröffnung einer Zweitpraxis nicht grundsätzlich verweigert werden darf.637 In diesen Konstellationen kommen das Recht am Ort der Hauptniederlassung (Stammpraxis bzw. -klinik) und das Recht am Ort der weiteren beruflichen Niederlassung in Betracht. Grundsätzlich wird in Fällen von Mehrfachniederlassungen in verschiedenen Staaten die engste Verbindung gem. Art. 28 Abs. 2 S. 2, 1. HS EGBGB zu dem Staat vermutet, in dem sich die Hauptniederlassung befindet, es sei denn, die charakteristische Leistung ist nach dem Vertrag von einer anderen Niederlassung (der Zweigniederlassung) zu erbringen. Dann gilt die Vermutung, dass der Vertrag die engste Verbindung zu dem Recht dieses Staates aufweist, Art. 28 Abs. 2 S. 2, 2. HS EGBGB. Zweck dieser Vorschrift ist es zu vermeiden, dass Verträge dem Recht der Hauptniederlassung unterworfen werden, obwohl die geschäftliche Aktivität an einem anderen Ort erfolgt.638 Dies entspricht auch dem Interesse des Patienten, dem oft gar nicht bekannt ist, wo sich die Hauptniederlassung befindet und daher nicht mit der Anwendung des Rechts dieses Ortes rechnet.639 Auch für den Arzt entstehen keine rechtlichen Nachteile, da er durch die jeweiligen Zulassungs- und Berufsausübungsregelungen sowohl mit der Rechtsordnung der Haupt- als auch der Zweigniederlassung verbunden ist.640 Es genügt jedoch nicht, dass die andere Niederlassung nachträglich zur Geschäftsabwicklung eingeschaltet wird bzw. dort der Vertragsschluss oder diesen vorbereitende Gespräche erfolgen.641 Vielmehr ist erforderlich, dass die be-

636 Die Bedenken ergaben sich vor allem vor dem Hintergrund, dass der persönliche Kontakt zu den in der Zweigpraxis zu behandelnden Patienten hinsichtlich eines fachgerechten Bemühens um Diagnose und Therapie nicht ausreichend gewährleistet sein könnte, vgl. Schädlich, Grenzüberschreitende Telemedizin-Anwendungen, S. 130 Fn. 711. 637 EuGH, Urteil v. 16.6.1992, Rs. C-351/90 (Kommission/Luxemburg), Slg. 1992, I-3945; im vergleichbaren Fall des Rechtsanwaltsvertrages wurde dies bereits mit der „Klopp-Entscheidung“ des EuGH aus dem Jahre 1984 klargestellt – EuGH, Urteil v. 12.7.1984, Rs. 107/63 (Klopp), Slg. 1984, 2971. 638 Reithmann/Martiny-Martiny, Internationales Vertragsrecht, Rn. 132 unter Verweis auf OLG Nürnberg 18.2.1993, IPRspr. 1993 Nr. 31; in diesem Sinne schon vor der Einführung des Anknüpfungsmoments der vertragscharakteristischen Leistung: Mansel, in: FS für Weitnauer, S. 33, 46; Schnitzer, RabelsZ 33 (1969), 17, 24. 639 Könning-Feil, Das Internationale Arzthaftungsrecht, S. 224; Reithmann/MartinyMartiny, Rn. 132. 640 Könning-Feil, S. 224.

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rufstypische Leistung vertraglich vorgesehen von dieser Niederlassung schwerpunktmäßig zu erbringen ist und tatsächlich auch dort erbracht wird.642 Die Beachtung des Schwerpunktcharakters ist notwendig, um eine Vertragsspaltung (Anwendung zweier Rechtsordnungen) in den Fällen zu vermeiden, in denen in der Zweigpraxis vertragsmäßig lediglich Nebenleistungen (z. B. Routine-LaborUntersuchungen) erbracht werden, während in der Hauptniederlassung die eigentliche Behandlung und Koordinierung der verschiedenen Nebenleistungen erfolgt.643 Um von einer Zweigniederlassung sprechen zu können, bedarf es jedoch der Erfüllung gewisser Anforderungen. Bedingung ist zum einen das Vorhandensein einer entsprechenden sachlichen und personellen Ausstattung (räumliches und personelles Substrat)644, mithin einer medizinisch-technisch vollständig ausgestatteten und mit dem notwendigen Personal versehenen Arztpraxis.645 Zum anderen muss diese Einrichtung für eine gewisse Dauer betrieben werden, so dass eine nur kurzfristige Präsenz bzw. Einrichtung nicht ausreicht.646 In den Fällen, in denen mehrere Ärzte im Rahmen einer grenzüberschreitenden horizontalen medizinischen Arbeitsteilung647 (Arbeiten im Ärzteteam) bei 641 Staudinger-Magnus, EGBGB, Art. 28 Rn. 89; MünchKomm-Martiny, EGBGB, Art. 28 Rn. 54; Reithmann/Martiny-Martiny, Rn. 132 a. E.; Könning-Feil, S. 221 f. 642 Reithmann/Martiny-Martiny, Rn. 132 a. E.; Könning-Feil, S. 221–223 f.; MünchKomm-Martiny, EGBGB, Art. 28 Rn. 54. 643 Könning-Feil, S. 223 f.; in diesem Sinne auch Staudinger-Magnus, EGBGB, Art. 28 Rn. 90. 644 Reithmann/Martiny-Martiny, Rn. 131; MünchKomm-Martiny, EGBGB, Art. 28 Rn. 50; von Hoffmann/Thorn, IPR, § 10 Rn. 51; Soergel-von Hoffmann, EGBGB, Art. 28 Rn. 67. 645 Könning-Feil, S. 221, 230. 646 Könning-Feil, S. 221 m.w. N.; von Hoffmann/Thorn, IPR, § 10 Rn. 51; Reithmann/Martiny-Martiny, Rn. 132; Soergel-von Hoffmann, EGBGB, Art. 28 Rn. 67; was die notwendige Dauerhaftigkeit betrifft, wird selten auf konkrete Zeitspannen eingegangen – Könning-Feil, a. a. O., spricht von mindestens einem Jahr. 647 Die vertikale Arbeitsteilung ist von fachlicher Über- und Unterordnung geprägt (ärztlicher Direktor, Chefarzt, Assistenzärzte, nichtärztliches Personal; vgl. Laufs, Arztrecht, Rn. 518 ff.; ders., in: Laufs/Uhlenbruck, § 101 Rn. 3; Debong, ArztR 2001, 284 f.), während für die horizontale Arbeitsteilung Gleichordnung und Weisungsfreiheit charakteristisch ist (Laufs, Arztrecht, Rn. 527 ff.; Debong, ArztR 2001, 284, 285 ff.). Das Heranziehen eines Telemediziners bzw. das Herbeirufen eines ausländischen Arztes durch einen Präsenzarzt führt in der Regel zum interdisziplinären Zusammenwirken zwischen Spezialisten bzw. Fachleuten und damit zur horizontalen Arbeitsteilung. Unbeachtlich ist dabei, dass z. B. das deutsche Recht herangezogene (Tele-) Mediziner in einer Reihe von Konstellationen als Erfüllungsgehilfen des heranziehenden Arztes/Krankenhausträgers ansieht und damit eine zusätzliche eigene Vertragsbeziehung zum Patienten verneint. Trotz Einordnung als Erfüllungsgehilfe werden sie als fachlich gleichberechtigt und selbstverantwortend angesehen. Es kommt also nicht darauf an, dass zwischen den beteiligten Ärzten und dem Patienten jeweils eigenständige Behandlungsverträge bestehen (so aber das französische Recht, vgl. Fischer, in: Fischer/Lilie, Ärztliche Verantwortung im europäischen Rechtsvergleich, S. 58 m.w. N.),

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der Behandlung eines Patienten zusammenwirken, ist zu beachten, dass grundsätzlich das Vertragsstatut für jeden beteiligten Arzt separat ermittelt werden muss. Der Schluss von dem Vorliegen eines dem deutschen Recht unterliegenden totalen Krankenhausaufnahmevertrages, bei welchem nach deutschem Sachrecht alleinige Vertragsparteien Patient und Krankenhausträger und damit die beteiligten Ärzte entweder Organe des Krankenhausträgers oder Erfüllungsgehilfen sind648, darauf, dass zwischen dem Patienten und dem involvierten (Tele-) Mediziner aus dem Ausland kein Behandlungsvertrag zustande gekommen ist, ist daher etwas voreilig.649 Genauso wenig kann im Falle der Hinzuziehung eines im Ausland praktizierenden Arztes durch einen im Inland niedergelassenen Arzt oder Belegarzt automatisch von einer Vertragsbegründung zwischen dem Patient und dem konsultierten ausländischen Arzt ausgegangen werden, bloß weil das deutsche Sachrecht650 in diesen Fällen in der Regel jeweils eisondern es genügt die funktionsbedingte Gleichordnung verschiedener zusammenarbeitender Disziplinen (Laufs, in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, § 101 Rn. 3; Ulsenheimer, in: Laufs/Uhlenbruck, § 140 Rn. 21; Rspr. zur horizontalen Arbeitsteilung vgl. Kern, in: Laufs/Uhlenbruck, § 155 Rn. 1 ff.). 648 Näher dazu Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 73; Laufs, Arztrecht, Rn. 89; Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 23; Neuefeind, Arzthaftungsrecht, S. 75; Geiß/ Greiner, Arzthaftpflichtrecht, Abschnitt A Rn. 26; Weyland, Gemeinschaftsrechtliche Vorgaben im Arzthaftungsrecht, S. 20; Ulsenheimer/Erlinger, in: Dierks/Feussner/ Wienke, Rechtsfragen der Telemedizin, S. 67, 71; Ulsenheimer/Erlinger, ZaeFQ 2001, 609, 611; Hoppe, MedR 1998, 462 f.; Tillmanns, Die persönliche Leistungserbringungspflicht im Arztrecht und die Telemedizin, S. 233. 649 Diesen Schluss zieht aber Dierks, in: Deutsche Gesellschaft für Chirurgie, Kongressband 1999, S. 732, 735; ders., Rechtliche und praktische Probleme der Integration der Telemedizin in das Gesundheitswesen in Deutschland, S. 34; ders., Telemedicine: Reimbursement and legal aspects in Germany, S. 34; wohl auch Fischer, in: FS für Laufs, S. 781, 782; vgl. die gegenläufige Regelung in der Schweiz, wonach der hinzugezogene Spezialist trotz „umfassenden Spitalaufnahmevertrages“ gleichfalls vertraglich als fachlich unabhängiges Substitut verantwortlich ist, vgl. Schädlich, Grenzüberschreitende Telemedizin-Anwendungen, S. 133. 650 Vgl. Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, Abschnitt A Rn. 40; BGH NJW 1992, 2962; BGH NJW 1989, 2943; Katzenmeier, Arzthaftung, S. 103; Laufs, Arztrecht, Rn. 98, 557; Ulsenheimer/Erlinger, in: Dierks/Feussner/Wienke, Rechtsfragen der Telemedizin, S. 67, 69 f.; dies., ZaeFQ 2001, 609, 610; Hoppe, MedR 1998, 462 f.; Tillmanns, S. 230, 235 f.; Frahm/Nixdorf, Arzthaftungsrecht, Rn. 14, 52 m.w. N.; aber auch im deutschen Recht ist die Klärung der Frage, wann zwischen dem Patienten und dem extern hinzutretenden Arzt ein eigenes Vertragsverhältnis zustande gekommen ist, nicht immer ganz einfach. Während man beim vorherigen persönlichen Kontakt der beiden Parteien häufig die Begründung eines neuen Behandlungsverhältnisses annimmt, wird die Beurteilung schon schwieriger, wenn allein der hinzuziehende niedergelassene Arzt in direkten Kontakt zu dem ausländischen (Tele-)Mediziner tritt. Hier kann man lediglich im Wege der Stellvertretung oder, aufgrund der Inkenntnissetzung des Patienten über die Einbeziehung eines auswärtigen Spezialisten, im Wege der konkludenten Zustimmungserteilung vom Zustandekommen eines neuen Rechtsgeschäfts ausgehen, vgl. Frahm/Nixdorf, Rn. 14; Ulsenheimer/Erlinger, in: Dierks/ Feussner/Wienke, S. 67, 70; Laufs, Arztrecht, Rn. 97; Tillmanns, S. 230 ff. Häufig geht man sogar so weit, auch in den Fällen ohne oder nicht hinreichender Kenntniserlangung des Patienten von der Einschaltung dritter Ärzte in die Heilbehandlung ei-

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gene Vertragsverhältnisse der verschiedenen Ärzte mit dem Patienten annimmt.651 Die Frage, ob mit dem jeweils hinzugezogenen Mediziner überhaupt eine Vertragsbeziehung begründet wurde, unterliegt gem. Art. 31 Abs. 1 EGBGB grundsätzlich652 der Beurteilung durch die lex causae.653 Die soeben gezogenen Schlüsse treffen also erst dann zu, wenn auch das Verhältnis Patient – hinzugezogener ausländischer Arzt dem deutschen Recht unterliegt bzw. die lex causae des Vertragsschlusses dieses ebenso beurteilt wie das deutsche Recht. Lediglich in den Fällen der ausschließlichen Behandlung durch angestellte Krankenhausärzte kann die Antwort auf die Frage, zwischen welchen der involvierten Personen eine vertragliche Beziehung besteht, von vornherein einheitlich dem Statut des Krankenhausaufnahmevertrages entnommen werden654, denn hier besteht Übereinstimmung hinsichtlich der Niederlassung/des gewöhnlichen Aufenthaltes der beteiligten in Betracht kommenden Haftungssubjekte (Krankenhausträger, die einzelnen behandelnden Ärzte). aa) Bedeutung des Art. 28 Abs. 2 EGBGB für die passive Dienstleistungsfreiheit In den Fällen der passiven Dienstleistungsfreiheit, bei denen sich die Patienten als Leistungsempfänger grenzüberschreitend zu medizinischen Behandlungen ins Ausland begeben655, handelt es sich um Konstellationen, in denen Niederlassungsort und Behandlungsort identisch sind, d. h. die berufstypische Leistung, das fachgerechte Bemühen um Diagnose und Therapie, am Niederlassungsort des behandelnden Arztes/Krankenhausträgers erbracht wird. Für diese

nen weiteren Behandlungsvertrag zu bejahen, vgl. Hoppe, MedR 1998, 462, 463; kritisch dazu Frahm/Nixdorf, Rn. 14; Ulsenheimer/Erlinger, in: Dierks/Feussner/Wienke, S. 67, 70. Nach österreichischem Recht stellt sich die Beantwortung dieser Frage ganz anders dar. Hier verneint man, außer in den Fällen der Überweisung, bei der Heranziehung eines Telemediziners durch einen frei praktizierenden Arzt eine unmittelbare vertragliche Beziehung zum Patienten ausdrücklich, vgl. Wirbel-Rusch, Telemedizin, S. 52 ff. 651 So aber bezüglich dieses und des vorgenannten Falles Hoppe, MedR 1998, 462, 465. 652 Beachte aber Art. 31 Abs. 2 EGBGB. 653 So i. E. auch Schädlich, Grenzüberschreitende Telemedizin-Anwendungen, S. 127 und 132, welcher jedoch fälschlich auf Art. 32 Abs. 1 EGBGB abstellt. 654 Zur Frage der Haftung von Krankenhausträger und Arzt bei stationärer Behandlung im deutschen Recht Könning-Feil, Das Internationale Arzthaftungsrecht, S. 60 ff.; rechtsvergleichend Fischer, in: Fischer/Lilie, Ärztliche Verantwortung im europäischen Rechtsvergleich, S. 51 ff. sowie Könning-Feil, S. 66 ff. 655 Z. B. deutsche Patienten lassen eine zahnärztliche Behandlung in Spanien oder Polen vornehmen, oder britische Patienten begeben sich aufgrund von Versorgungsengpässen im eigenen Land (Wartelisten) zur Operation nach Deutschland.

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Vertragsbeziehungen ergeben sich hinsichtlich der Tragfähigkeit der in Art. 28 Abs. 2 EGBGB vorgegebenen Anknüpfung keine Zweifel. Hierfür spricht zunächst die mit der Anknüpfung einhergehende Parallelisierung von Haftung und (örtlichen/territorial wirkenden) Verhaltensnormen.656 So ist die gesamte ärztliche Berufsausübung ohnehin geprägt vom am Niederlassungsort des Arztes geltenden Regelungen. Zum einen erfolgt die Zulassung nach den dort geltenden Regeln, womit gleichsam eine Unterwerfung unter das dort geltende Standesrecht einhergeht. Zum anderen muss der Arzt seine Leistungen auch nach dem am Praxisort geltenden Gebührenrecht abrechnen. Darüber hinaus begibt sich der Patient bewusst zur Behandlung in einen ausländischen Staat, so dass sich diese Anknüpfung auch mit der regelmäßigen Erwartung des Patienten deckt, vom Arzt medizinisch so behandelt zu werden, wie es an Ort und Stelle üblich ist.657 Zumindest muss der Patient in einem solchen Fall mit der Anwendung des Rechts dieses Staates rechnen.658 Hinzu kommt noch ein weiterer Aspekt. Die medizinischen Kenntnisse und Fähigkeiten eines Arztes werden regelmäßig gemessen an dem am Niederlassungsort geltenden medizinischen Entwicklungs- und Wissensstand. Gleiches gilt für den von Krankenhausträgern zu erwartenden Sorgfaltsmaßstab.659 Lässt sich ein deutscher Patient im Ausland behandeln und ist dort der Standard niedriger als in Deutschland, geht das zu seinen Lasten. Dies ist auch nicht unangemessen, wenn man bedenkt, dass sich der Patient mit der grenzüberschreitenden Inanspruchnahme der medizinischen Fähigkeiten eines ausländischen Arztes bewusst und zumeist auch gewollt dem dortigen medizinischen Standard unterwirft. Eine einheitliche Anwendung dieses Rechts sowohl auf den Abschluss und die Wirksamkeit des Vertrages als auch auf die Vertragshaftung (Rechtsfolgen von Vertragsverletzungen) liegt somit nahe und erscheint sachgerecht. In den grenzüberschreitenden Fällen, bei denen Niederlassungs- und Behandlungsort zusammenfallen, ergeben sich hinsichtlich der Tragfähigkeit des Anknüpfungsmoments „Niederlassungsort des Arztes“ somit keine Bedenken.660 Etwas anderes könnte sich lediglich dann ergeben, wenn beide Vertragsparteien demselben Staat angehören661 bzw. denselben gewöhnlichen Aufenthalts656 Mansel, in: FS für Weitnauer, S. 33, 45; Deutsch, in: FS für Ferid, S. 117, 122; Könning-Feil, S. 211; näher dazu unter VIII. 1. a). 657 Mansel und Deutsch, a. a. O. 658 So auch Hoppe, Der Arzt und sein Recht 1998, 3, 7. 659 Hierzu Könning-Feil, S. 216. 660 So auch Deutsch bzgl. des Deliktsrechts in: FS für Ferid, S. 117, 127: „Wenn Niederlassungsort und Behandlungsort zusammenfallen, liegt dort der Konzentrationspunkt des Rechtsverhältnisses.“ 661 Nach Soergel-von Hoffmann, EGBGB, Art. 28 Rn. 103 f. und von Hoffmann/ Thorn, IPR, § 10 Rn. 60 ist die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit der Parteien zweifelhaft, da diese kein objektives, auf den Leistungsaustausch bezogenes Kriterium

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ort besitzen und das Recht dieses Staates ein anderes ist als das in Art. 28 Abs. 2 EGBGB vermutete. Eine grundsätzliche Abweichung von der Regelanknüpfung ist jedoch in diesen Fällen nicht gerechtfertigt, sofern der Arzt seine Tätigkeit auf den Ort der Niederlassung beschränkt und damit der Konzentrationspunkt seines Schaffens am Niederlassungs- und Behandlungsort liegt, denn hier wäre die Anknüpfung an das Personalstatut häufig nur zufälliger Natur.662 Vielmehr müssen im Einzelfall besondere Umstände hinzutreten, woraus sich eine engere Verbindung zum Staatsangehörigkeits- bzw. gewöhnlichen Aufenthaltsrecht663 ergibt, die ein Abweichen vom Niederlassungsrecht rechtfertigt. Zu denken wäre z. B. an den Fall, dass ein im Ausland niedergelassener Arzt gezielt mit im Heimatland erworbenen Kenntnissen, Fähigkeiten und Qualifikationen auf sich aufmerksam macht bzw. wirbt, um für im Ausland ansässige Landsleute als Vertragspartner besonders interessant zu sein, sei es, um eine gezielte Inanspruchnahme des Könnens im Ausland zu erreichen bzw. um Touristen aus diesem Land bei einem Aufenthalt am Niederlassungsort anzusprechen. Hier sollen die geweckten Parteierwartungen mit der Anwendung des gemeinsamen Heimatrechts gem. Art. 28 Abs. 5 EGBGB auch im Rahmen der kollisionsrechtlichen Einordnung des zustande kommenden Vertrages ihren Niederschlag finden.664 Vorrangig ist natürlich zu überprüfen, ob im Einzelfall nicht sogar eine entsprechende stillschweigende Rechtswahl in Betracht kommt. Des Weiteren ist Art. 28 Abs. 5 EGBGB nur dann in Betracht zu ziehen, wenn der Vertrag nicht in den Anwendungsbereich des Art. 29 Abs. 1 EGBGB fällt und damit im Rahmen der objektiven Anknüpfung ohnehin gem. Art. 29 Abs. 2 EGBGB an den gewöhnlichen Aufenthaltsort des Patienten angeknüpft wird. Somit kommen neben den Verträgen, die nicht unter einer der Abschlussmodalitäten des Art. 29 Abs. 1 Nr. 1–3 EGBGB zustande gekommen sind, in jedem Fall die Konstellationen der Wahrnehmung der passiven Dienstleistungsfreiheit in Form planmäßiger und gezielter Inanspruchnahme von Gesundheitsdienstleistungen im Ausland sowie der Inanspruchnahme der Hilfe eines landsmännischen Arztes durch Touristen im Ausland aufgrund von Art. 29 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 EGBGB in Betracht. Freilich könnte man hierin eine Umgehung der Wertungen des Art. 29 EGBGB vermudarstelle; a. A. ist die wohl h. M., vgl. MünchKomm-Martiny, EGBGB, Art. 28 Rn. 88, 98 m.w. N.; vgl. auch Fn. 672. 662 Vgl. Deutsch, in: FS für Ferid, S. 117, 130. 663 Die Fälle, in denen Niederlassungsort des Arztes und gewöhnlicher Aufenthalt desselben auseinanderfallen, dürften relativ selten sein; zu denken wäre lediglich an den Arzt, der im Inland wohnt und jenseits der Grenze seine Niederlassung betreibt (Grenzgebietsfälle). 664 So auch Deutsch, in: FS für Ferid, S. 117, 131, der als Beispiel die Tätigkeit „englischer Ärzte“ in Mexiko anführt, welche auf ihre Aus- und Weiterbildung im anglo-amerikanischen Bereich hinweisen und damit Touristen aus diesen Ländern anzusprechen suchen.

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ten, da über die Anknüpfung gem. Art. 28 Abs. 5 EGBGB faktisch das gleiche Anknüpfungsergebnis wie im Rahmen von Art. 29 Abs. 2 EGBGB erzielt wird. Jedoch geht der Patient durch die Angaben des Arztes von der Einhaltung des Qualitäts- und Sorgfaltsmaßstabes im gemeinsamen Heimatland aus, so dass unter dem Gesichtspunkt der geweckten Parteierwartungen eine ausnahmsweise Anwendung des gemeinsamen Heimatrechts gerechtfertigt ist.665 Hinzu kommt, dass der Arzt aufgrund seiner gerade hervorgehobenen Verbundenheit zum Recht seines Heimatlandes durch dessen Anwendung in seinen Interessen nicht als beeinträchtigt angesehen werden kann, so dass diese Konstellation nicht ohne weiteres mit denen im Rahmen von Art. 29 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 EGBGB vergleichbar ist. bb) Bedeutung des Art. 28 Abs. 2 EGBGB für die aktive Dienstleistungsfreiheit Fraglich ist, ob sich das Anknüpfungsmoment des Niederlassungsortes des Arztes auch in den Fällen aktiver Dienstleistungsfreiheit als tragfähig erweist, wenn sich also der Arzt als Dienstleistungserbringer vorübergehend EU-grenzüberschreitend zum Dienstleistungsempfänger begibt, die ärztliche Behandlung somit außerhalb seines Niederlassungsstaates stattfindet. Hier ist der Schwerpunkt des Vertrages nicht mehr so eindeutig zu bestimmen wie in den Fällen, in denen Niederlassungs- und Behandlungsort zusammenfallen. Art. 28 Abs. 2 EGBGB selbst sagt nichts aus über die Anknüpfung eines Vertrags in den Fällen, in denen die vertragstypische Leistung außerhalb der beruflichen Niederlassung erbracht wird. Dem Wortlaut dieser Vermutungsregelung zufolge bliebe es also bei der Anknüpfung an das Recht des ärztlichen Niederlassungsortes. In Betracht käme aber auch eine Korrektur zugunsten des Rechts am Behandlungsort gem. Art. 28 Abs. 5 EGBGB. Nach dieser Norm gelten die Vermutungen des Art. 28 Abs. 2–4 EGBGB dann nicht, wenn sich aus der Gesamtheit der Umstände ergibt, dass der Vertrag engere Verbindungen zu einem anderen Staat aufweist. Die Vermutung des Art. 28 Abs. 2 EGBGB geht somit zwar zunächst vor666, trotzdem steht die Ausweichklausel des Art. 28 Abs. 5 EGBGB nicht nachgeordnet, sondern in ihrer Funktion und dogmatischen Stellung vielmehr gleichberechtigt neben den Vermutungen der vorangestellten Absätze.667 Denn sie setzt wiederum die Grundregel der engsten Verbindung durch und ist nicht etwa nur dann zu Rate zu ziehen, wenn sich die vertragscharakteristische Leistung nicht feststellen lässt oder wenn Umstände 665

Vgl. auch Geisler, Die engste Verbindung im Internationalen Privatrecht, S. 224. Bericht Giuliano/Lagarde, BT-Drs. 10/503, S. 52. 667 Könning-Feil, Das Internationale Arzthaftungsrecht, S. 207, 226; Reithmann/ Martiny-Martiny, Internationales Vertragsrecht, Rn. 159 a. E.; MünchKomm-Martiny, EGBGB, Art. 28 Rn. 110 m.w. N. 666

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der Absätze 2–4 streitig und nicht beweisbar sind668. Vielmehr besteht vor allem dann Anwendungsbedarf, wenn die Vermutungen des Art. 28 EGBGB ihren Zweck, auf die Rechtsordnung hinzuweisen, zu der die engste Verbindung besteht, im konkreten Einzelfall nicht mehr erfüllen können bzw. für die in Betracht kommenden Vertragsgestaltungen nicht zu einem interessengerechten Ergebnis führen669. Für den Bereich des Arztvertrages ist somit fraglich, ob besondere, vertragsbegleitende Umstände vorliegen, die es sachgerecht erscheinen lassen, von der allgemeinen Vermutung des Art. 28 Abs. 2 EGBGB abzuweichen und stattdessen eine Individualanknüpfung vorzunehmen.670 Mit anderen Worten muss ermittelt werden, ob ein anderes als das in Abs. 2 bestimmte regelmäßige Zentrum des Leistungsaustausches besteht. Hinsichtlich der Lokalisierung dieses Zentrums ist strittig, ob hierbei lediglich die auf den objektiven Leistungsaustausch bezogenen Kriterien (Sitz der Parteien (speziell des Leitungserbringers), Ort der Vertragserfüllung bzw. Leistungserbringung, Lageort des Vertragsgegenstandes, u. U. auch die vertraglich vereinbarte Währung)671 oder auch subjektive Elemente, in denen sich die Rechtsanwendungsinteressen der Parteien manifestieren (Staatsangehörigkeit der Parteien, Vertragssprache, Ort des Vertragsschlusses – also Anknüpfungskriterien, die auch bei der stillschweigenden Rechtswahl Beachtung finden), beachtet werden müssen672. Letztgenannte Ansicht griffe auf die gleichen Kriterien zurück, die auch für die Ermittlung der engsten Verbindung nach Art. 28 Abs. 1 S. 1 und 2 EGBGB Verwendung finden. Bevor jedoch übereilt auf die Ausweichklausel des Art. 28 Abs. 5 EGBGB zurückgegriffen wird, ist zu prüfen, inwieweit die im Rahmen der passiven Dienstleistungsfreiheit erörterte dogmatische Rechtfertigung für die Maßgeblichkeit der Niederlassung des Erbringers der charakteristischen Leistung gem. Art. 28 Abs. 2 EGBGB auf die Fälle der aktiven Dienstleistungsfreiheit übertragbar ist.

668 Merschformann, Die objektive Bestimmung des Vertragsstatuts beim internationalen Warenkauf, S. 190 ff.; Reithmann/Martiny-Martiny, Rn. 148 a. E.; Könning-Feil, S. 207. 669 MünchKomm-Martiny, EGBGB, Art. 28 Rn. 108 f.; vgl. Bericht Giuliano/Lagarde, BT-Drs. 10/503, S. 33, 54 f. 670 Sandrock-Steinschulte, Handbuch der internationalen Vertragsgestaltung – Band I, S. 223 ff.; Sandrock, RIW 1986, 841, 851. 671 von Hoffmann/Thorn, IPR, § 10 Rn. 59; Soergel-von Hoffmann, EGBGB, Art. 28 Rn. 98. 672 So die wohl noch überwiegende Meinung im Schrifttum: z. B. Erman-Hohloch, EGBGB, Art. 28 Rn. 11; MünchKomm-Martiny, EGBGB, Art. 28 Rn. 111; Reithmann/Martiny-Martiny, Internationales Vertragsrecht, Rn. 158 i.V. m. Rn. 141 ff.; Staudinger-Magnus, EGBGB, Art. 28 Rn. 129; von Bar, IPR II, Rn. 490; Lüderitz, IPR, Rn. 280; Dicey/Morris, Dicey, Morris and Collins on the Conflict of Laws – Vol. 2, 32–124 ff., 33–117; wohl auch Könning-Feil, S. 206 f.

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(1) Zulassung und Standesrecht Die Argumentation der Prägung durch das Niederlassungsrecht in zulassungsund standesrechtlicher Hinsicht greift im Falle der Berufsausübung außerhalb des Niederlassungsstaates nicht mehr ohne weiteres. Denn wie bereits im Rahmen der Rechtswahlschranken erörtert, kommt das öffentlich-rechtliche Zulassungserfordernis über Art. 34 EGBGB auch gegen ein gegebenenfalls abweichendes Vertragsstatut zur Geltung, sofern ein bestimmter Bezug zum Behandlungsstaat existiert.673 Die tatsächliche Tätigkeit in diesem Staat, auch wenn sie nur vorübergehender Natur ist, stellt einen solchen nennenswerten Bezug ohne weiteres dar. Der Arzt unterliegt damit auch grundsätzlich der Zulassungspflicht am Tätigkeitsort. Unweigerlich verbunden damit ist die Geltung der entsprechenden Standesregeln am Behandlungsort.674 Das Argument der Anknüpfung des Arztvertrags an den ärztlichen Niederlassungsort aufgrund der Geltung des heimischen Standesrechts und des damit erstrebten Gleichlaufs von Haftung und Verhaltenspflichten trägt hier also nicht mehr. Da eine Auslandsbehandlung die Einhaltung des Berufszulassungs- und damit verbunden des Standesrechts des Behandlungsortes erfordert, wäre es jedoch denkbar, den zweiten Halbsatz des Art. 28 Abs. 2 S. 2 EGBGB entsprechend auch auf den Fall der Mehrfachzulassung anzuwenden. So wurde früher im Rahmen des Rechtsanwaltsvertrages bezüglich des Parallelproblems die Auffassung vertreten, dass es die Differenzierung zwischen Haupt- und anderer Niederlassung in dieser Norm mit sich bringt, an das Recht des Zulassungsortes anzuknüpfen, wo die berufstypische Leistung schwerpunktmäßig erbracht wird.675 Unter den Gesetzeswortlaut der „anderen Niederlassung“ falle also auch der Ort der hauptsächlichen Dienstleistungserbringung ohne formelle Residenz. Diese Ausdehnung des Anwendungsbereichs des zweiten Halbsatzes des Art. 28 Abs. 2 S. 2 EGBGB erscheint zunächst nachvollziehbar vor dem Hintergrund der Erwartungshaltungen der Parteien in den hier relevanten Fällen. So wird der Patient in Vertretungsfällen (Urlaub oder Krankheit) davon ausgehen, dass den ausländischen Arzt dieselben Pflichten treffen wie den vertretenen inländischen Arzt.676 Das Recht der Heimatniederlassung des ausländischen Ver673

s. unter III. 3. d) aa). s. unter III. 3. d) bb); vgl. zudem die Rechtsvergleichung bei Schädlich, Grenzüberschreitende Telemedizin-Anwendungen, 1. Kapitel; vgl. zudem Johansson, in: Niederlassungsfreiheit von freien Berufen in Europa, S. 17, 21; die zwischenstaatlichen Verträge für die ärztliche Tätigkeit in den Grenzregionen von Deutschland und Luxemburg, Deutschland und der Schweiz sowie dem Deutschen Reich und den Niederlanden bezeichnen dies in den jeweiligen Art. 4 sogar als selbstverständlich (vgl. Fn. 372). 675 So Reithmann/Martiny-Joch, Internationales Vertragsrecht (4. Aufl.), Rn. 835; vgl. Könning-Feil, S. 228 f. 674

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tretungsarztes wird dem Patienten, der seine inländische Stammpraxis aufsucht, im Zweifel gar nicht bekannt sein, so dass er auch nicht mit dessen Anwendung rechnet. Nach Könning-Feil 677 würde diese entsprechende Anwendung des Wortlautes auf den Fall der mehrfachen Zulassung auch für den Arzt keine unangemessene Benachteiligung gegenüber dem Normalfall (Anwendung des Rechts der Hauptniederlassung) darstellen, denn auch er sei schon durch die Erfüllung der Zulassungsvoraussetzungen zur Berufsausübung auf gewisse Weise mit dem Recht des Zulassungsortes verbunden, so dass die Anknüpfung an den Zulassungsort, an dem die vertragstypische Leistung schwerpunktmäßig erbracht wird, nachvollziehbar und vernünftig sei. Jedoch ist letztgenannter Aspekt im Rahmen des grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehrs von Ärzten mit Niederlassung in einem Mitgliedstaat nicht in dem Maße aussagekräftig, da für diese, wie unter III. 3. d) aa) ausgeführt, lediglich eine Anzeigepflicht besteht, die in dringenden Fällen sogar nachträglich erfüllt werden kann, so dass von einer gesteigerten Verbundenheit zu dem Recht des Behandlungsstaates durch Erfüllung der Zulassungsvoraussetzungen nicht ausgegangen werden kann. Fraglich ist zudem, ob der Wortlaut des Art. 28 Abs. 2 S. 2 EGBGB eine solch extensive Auslegung hergibt. Wie bereits erwähnt, kann von einer Niederlassung i. S. d. Art. 28 Abs. 2 S. 2 EGBGB erst dann die Rede sein, wenn am Zulassungsort eine mit den notwendigen räumlichen, sachlichen und personellen Voraussetzungen ausgestattete Praxis (Zweigstelle) betrieben wird, die eine dauerhafte ärztliche Betätigung möglich macht und eine solche auch vorliegt.678 676 Bildet das deutsche Recht das hypothetische Vertragsstatut im Verhältnis vertretender Arzt – Patient, scheitert es bereits an der Annahme eines Vertragsverhältnisses zwischen den beiden Parteien, da nach deutschem Sachrecht der Urlaubsvertreter eines niedergelassenen Arztes dessen Erfüllungsgehilfe i. S. d. § 278 BGB ist und damit nicht selbst Vertragspartner wird, vgl. Fischer, in: Fischer/Lilie, Ärztliche Verantwortung europäischen Rechtsvergleich, S. 52 unter Verweis auf OLG Düsseldorf VersR 1985, 370; ebenso Könning-Feil, S. 57 (bezugnehmend auf BGH NJW 1956, 1834, 1835), sofern die Praxisvertretung im Namen des Vertretenen handelt; entsprechendes gilt für das österreichische (§ 1313a ABGB) und niederländische (Art. 6.1.8.3. BW) Recht, vgl. Könning-Feil, S. 59 f.; differenziert betrachtet werden muss der Fall, wenn Schweizer Recht die lex causae stellt, denn in diesem Fall gilt die Praxisvertretung im Urlaub grds. als Substitution, so dass der Arzt, welcher den Substituten einsetzt, nur für die gehörige Sorgfalt bei Auswahl und Instruktion desselben haftet, nicht jedoch hinsichtlich der Überwachung (Art. 399 Abs. 2 OR) – der Substitut haftet nämlich selbst für die Vertragsverletzung, vgl. Könning-Feil, S. 58 f. sowie Hausheer, in: Medical Responsibility in Western Europe, CH Rn. 96; eine Erfüllungsgehilfenhaftung gem. Art. 101 OR entsprechend der deutschen Regelung wird lediglich dann in Betracht gezogen, wenn die Urlaubsvertretung des ausländischen Mediziners in der Praxis des abwesenden Arztes stattfindet, da hier regelmäßig von einem Arbeitsverhältnis ausgegangen wird, welches es dem abwesenden Arzt ermöglicht, den Praxisbetrieb aufrecht zu erhalten, vgl. Könning-Feil, S. 59. 677 Könning-Feil, S. 229. 678 Vgl. Fn. 645 f.

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Die bloße schwerpunktmäßige Erbringung der vertragscharakteristischen Leistung im konkreten Behandlungsfall am Ort der beruflichen Zulassung erfüllt diese Voraussetzungen nicht. Eine derart großzügige Auslegung des Art. 28 Abs. 2 S. 2 EGBGB ist abgesehen von der „Überdehnung“ des Wortlauts zudem gar nicht erforderlich, zumal es schon an der Analogievoraussetzung der „Regelungslücke“ fehlt. Denn über die Regelung (Ausweichklausel) des Art. 28 Abs. 5 EGBGB lässt sich dogmatisch besser nachvollziehbar und damit sauberer ein Ergebnis erzielen. (2) Parteierwartungen Während bei der passiven Dienstleistungsfreiheit der Patient bewusst seinen persönlichen Rechtskreis verlässt und sich zum Niederlassungsort des Mediziners begibt, gibt bei der Auslandsbehandlung der Arzt seine vertraute berufliche Umgebung zugunsten eines für ihn fremden Umfelds auf. Man kann also hier nicht grundsätzlich davon ausgehen, dass der Patient zwingend mit der Anwendung ausländischen (Haftungs-)Rechts rechnen muss. Trotzdem spricht sich Deutsch679 für die Mitnahme des ärztlichen Heimatrechts bei Auslandsbehandlungen mit der Argumentation aus, der Patient hätte sich im Falle seiner Reisefähigkeit zum Arzt begeben und nicht umgekehrt. Wie Schädlich680 richtig betont, wird dadurch aber mit Hilfe einer gerade nicht einschlägigen Alternativerwägung der tatsächliche Behandlungsort mit dem Niederlassungsort des Mediziners gleichgesetzt und dem Sinn und Zweck des Art. 28 Abs. 5 EGBGB, die Gesamtheit der Sachverhaltsumstände zu berücksichtigen, widersprochen. Abgesehen davon ist die Hypothese Deutschs in der heutigen Zeit alles andere als verallgemeinerungsfähig. Die vorübergehende Auslandstätigkeit von Ärzten beschränkt sich, wie schon mehrfach gezeigt, nicht mehr wie früher auf die Fälle, in denen bestimmte anerkannte Kapazitäten für spezielle Operationen ins Ausland gerufen wurden, sondern hat im Laufe der Zeit ganz andere Dimensionen angenommen. Aufgrund des Rechts auf freie Berufsausübung innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraumes sind z. B. auch (Urlaubs-/Praxis-)Vertretungen eines inländischen Kollegen durch einen ausländischen Arzt oder umgekehrt keine Seltenheit mehr. Der grenzüberschreitende Dienstleistungsverkehr bezüglich Gesundheitsleistungen wird zudem von einer Menge mehr Faktoren beeinflusst, z. B. arbeitsmarktpolitische Fragen, Versorgungsengpässe in anderen Mitgliedstaaten (England und Norwegen) usw., so dass nicht grundsätzlich von einem speziellen Interesse des Patienten an einer Behandlung durch einen bestimmten ausländischen Arzt ausgegangen werden kann, das eine Mitnahme des Heimatrechts des Arztes ins Ausland rechtfertigen 679 680

Deutsch, in: FS für Ferid, S. 117, 129. Schädlich, S. 139.

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könnte. In diesen Fällen hilft die Konstruktion der hypothetischen Reisefähigkeit nicht weiter. (3) Sozialsphäre Wie schon im Bericht von Giuliano/Lagarde681 erkennbar, steckt hinter der Anknüpfung an den Niederlassungsort der Partei, die die charakteristische Leistung erbringt, der allgemeine Gedanke, dass der Vertrag an das sozio-ökonomische Milieu angeknüpft wird, in das er gehört. Diesen Gedanken der Einbettung des Vertragsverhältnisses in eine bestimmte Sozialsphäre verfolgte bereits Schnitzer682 im Jahre 1969. Mit der Begründung, über die Tätigkeit eines Arztes bestimme das Recht am Ort der ständigen Berufsausübung (also am Niederlassungsort), da diese nach den „dortigen Usancen und Standesregeln ausgeübt wird und einheitlich gegenüber jedermann geregelt werden muss“, soll dieses Recht stets auch dann gelten, wenn der Arzt ausnahmsweise einmal außerhalb des Ortes seiner ständigen Berufsausübung tätig wird. Als Beispiel führt Schnitzer die Fälle an, in denen der Arzt zu einem kranken Patienten ins Ausland fährt (Hausbesuche). Diese Auffassung deckt sich mit der bisher vorliegenden Rechtsprechung683 bezüglich des entsprechenden Problems im Rahmen des Rechtsanwaltsvertrages. Auch hier wurde (aufgrund der Zulassung als Anwalt und der damit einhergehenden Unterwerfung unter die Standesregeln) trotz vorübergehender tatsächlicher Tätigkeit in einem anderen Staat grundsätzlich das Niederlassungsrecht für anwendbar erachtet. Auch Mansel 684 befürwortet im Falle des Auseinanderfallens von Behandlungs- und Niederlassungsstaat im Rahmen der ärztlichen Tätigkeit die eben geschilderten Erwägungen und fügt hinzu, dass eine Behandlung außerhalb der Niederlassung des Arztes nur auf Zufall beruhe und ein solcher ein Abweichen vom Recht des Niederlassungsortes nicht rechtfertige. Doch in Zeiten des freien Dienstleistungsverkehrs innerhalb der Europäischen Union kann bei einer, wenn auch nur vorübergehenden, Auslandstätigkeit nicht mehr von einer zu vernachlässigenden Ausnahme bzw. von Zufall gesprochen werden. Sicher ergibt sich die Erforderlichkeit einer Behandlung im Ausland meist zeitlich nicht vorhersehbar, jedoch sind die entsprechenden Ärzte auf der681

BT-Drs. 10/503, S. 33, 52. Schnitzer, RabelsZ 33 (1969), 17, 21 f. – zwar beziehen sich Schnitzers Ausführungen auf das Schweizer Recht, welches aber in enger Verwandtschaft zu den entsprechenden deutschen Normen steht; die Formulierung des Art. 4 Abs. 1 EVÜ und damit auch die des Art. 28 Abs. 1 S. 1 EGBGB gehen sogar auf eine Entscheidung des Schweizerischen Bundesgerichts zurück, vgl. Schädlich, S. 128 Fn. 701. 683 KG IPRspr 1962/63 Nr. 202, 653, 655; LG München IPRax 1982, 117; vgl. Könning-Feil, S. 231. 684 Mansel, in FS für Weitnauer, S. 33, 46 f.; vgl. auch Schädlich, S. 136. 682

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artige Situationen vorbereitet und begeben sich bewusst in das Land, in welchem sie gebraucht werden. Gleiches gilt erst recht für die oben erwähnten Praxis- bzw. Urlaubsvertretungen jenseits der Grenze. Die Ärzte profitieren ja gerade von diesen Gegebenheiten des freien Binnenmarktes. Wie Schädlich schließlich treffend zum Ausdruck bringt, ist die ärztliche Tätigkeit vordergründig patienten- und weniger ortsbezogen, so dass sich der Schwerpunkt des Vertragsverhältnisses in diesen Fällen von der den Arzt mit Unbeteiligten verbindenden Sozialsphäre (Heimatniederlassung) hin zu derjenigen seines jeweiligen Wirkungsortes verschiebt.685 (4) Zwischenbilanz Es zeigt sich somit insgesamt, dass die Erwägungen für eine Anknüpfung an die Niederlassung des Arztes gem. Art. 28 Abs. 2 S. 2 EGBGB als dem regelmäßig wichtigsten auf den Leistungsaustausch bezogenen Kriterium im Falle eines auswärtigen Behandlungsortes erheblich an Gewicht verlieren. Eine grundsätzliche Korrektur des bzw. Abkehr von Art. 28 Abs. 2 EGBGB zugunsten des Rechts am tatsächlichen Wirkungsort wäre jedoch im Hinblick auf die Schaffung eines gewissen Maßes an Rechtssicherheit aufgrund der grundsätzlichen Vorhersehbarkeit der lex causae durch diese Regelvermutung und mit Blick auf die Gesetzeskonzeption686 ebenfalls kein befriedigendes Alternativkonzept. Zudem können die Möglichkeiten und Faktoren eines vorübergehenden Wirkens außerhalb des ärztlichen Niederlassungsstaates von Fall zu Fall derart verschieden sein, dass sich ein einheitlicher kollisionsrechtlich relevanter Schwerpunkt des Vertrages wohl kaum ausmachen lassen wird. (5) Bisherige Ansätze einer Fallgruppenbildung (a) Differenzierungspunkt Zulassung Könning-Feil 687 differenziert in Fällen der grenzüberschreitenden ärztlichen Dienstleistungserbringung zwischen zwei Konstellationen. Zum einen sei es möglich, dass der Arzt in dem vom Niederlassungsstaat verschiedenen Behandlungsstaat zugelassen ist, ohne dort der Residenzpflicht zu unterliegen (eine Zweigpraxis/Zweigniederlassung zu unterhalten bzw. niedergelassen zu sein). Zum anderen seien Fälle denkbar, in denen der Arzt mehr oder weniger zufällig vorübergehend in einem anderen als dem Niederlassungsstaat tätig wird, ohne dort zugelassen zu sein. In den Fällen der Behandlung in einem Zulassungsstaat, der nicht gleichzeitig Niederlassungsstaat ist, trete neben den Umstand, 685 686 687

Schädlich, S. 138. Vgl. dazu Kropholler, IPR, § 52 III 4. Zu dieser Unterscheidung Könning-Feil, S. 228.

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dass dort die Vertragsleistung erbracht wird, das Kriterium der Arztzulassung hinzu. Darin sei eine Manifestation der Bindung des Mediziners an die Rechtsordnung dieses Staates zu sehen, die die Vermutung des Art. 28 Abs. 2 EGBGB zurücktreten lässt. Dieses Zusammenfallen von Behandlungs- und Zulassungsort sei ein Indiz für eine engere Verbindung i. S. d. Art. 28 Abs. 5 EGBGB. Jedoch in den Konstellationen, in denen der Arzt am Wirkungsort nicht zugelassen ist, sei einer Abweichung von der Regelanknüpfung nach Art. 28 Abs. 2 EGBGB grundsätzlich nicht zuzustimmen, da es sich hier bei dem Behandlungsort nur um ein zeitlich flüchtiges Anknüpfungsmoment handle.688 Warum gerade eine tatsächlich bestehende Zulassung der ausschlaggebende Punkt für die abweichende Anknüpfung sein soll, leuchtet vor dem Hintergrund der ärztlichen Interessenlage nicht ein. Jeder Arzt dürfte regelmäßig daran interessiert sein, dass das ihm vertraute Heimatrecht auf das Vertragsverhältnis Anwendung findet und er sich nicht auf für ihn unbekannte Rechtsregeln einstellen muss. Die Einstellung auf nicht vertraute Rechtsregeln trifft nach der Konzeption Könning-Feils aber gerade denjenigen, welcher sich rechtstreu verhält und das in jedem Land grundsätzlich bestehende öffentlich-rechtliche Zulassungserfordernis einhält bzw. beachtet. Der Mediziner hingegen, der bewusst oder unbewusst gegen das Zulassungserfordernis verstößt und ohne Lizenz im Ausland praktiziert, wird durch die Anwendung seines ärztlichen Heimatrechts sogar noch belohnt. Diese Privilegierung gegenüber dem sich rechtstreu verhaltenden Mediziner, der nicht in den Genuss der Anwendung seines vertrauten Heimatrechts gelangt, leuchtet nicht ein.689 Im Rahmen des vorübergehenden binnenmarktgrenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehrs kommt hinzu, dass sich das Zulassungserfordernis für Ärzte auf eine bloße Anzeigepflicht bei der jeweiligen Landesbehörde beschränkt, sofern sie lediglich vorübergehend Erbringer von Dienstleistungen i. S. d. Art. 50 EGV (bzw. Art. 60 EWG-Vertrag)690 im Inland sind.691 Eine solche Anzeige ist grundsätzlich vor Erbringung der Dienstleistung, bei Dringlichkeit des Tätigwerdens unverzüglich nach Erbringen der Dienstleistung bei der zuständigen Behörde zu tätigen. Die Beziehung bzw. Bindung zum Behandlungsstaat kann nicht als verfestigter bezeichnet werden, allein deshalb, weil es dem Arzt vor seinem Tätigwerden noch gelingt, seine grenzüberschreitende Dienstleistungserbringung anzuzeigen. Das zeitliche Kriterium der Dringlichkeit und die damit verbundene Entscheidung für einen gerechtfertigten oder ungerechtfertigten Verstoß gegen das natio688

Könning-Feil, S. 233. Ebenso Schädlich, S. 140 f. 690 Vgl. § 10b Abs. 1 BÄO. 691 Deutsche Umsetzung der Anerkennungsrichtlinie 93/16/EWG in §§ 2 Abs. 3 S. 2, 10b Abs. 2 BÄO, vgl. Fn. 34, 556. 689

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nale Zulassungsrecht stellt kein taugliches Kriterium für eine derartige internationalprivatrechtliche Ungleichbehandlung dar. (b) Vermittelnde Ansicht Deutschs Deutsch geht im Grundsatz davon aus, dass das Niederlassungsrecht des Arztes bestimmend sein soll.692 Betrachtet wird dabei der Fall des aus dem Ausland herbeigerufenen Spezialisten. Der Arzt bringe neben seinen Behandlungsmethoden und medizinischen Kenntnissen sein „Heimatrecht“ mit (worunter der Verfasser auch die Sorgfaltsmaßstäbe im Heimatland fasst), könne jedoch nicht erwarten, dass er von den rechtlichen Gegebenheiten am Ort des medizinischen Eingriffs ganz freigestellt ist. So soll sich der Patient hinsichtlich der ärztlichen Aufklärungspflichten (speziell über die Behandlungsrisiken) auf die Regeln des Behandlungsortes verlassen können, auch wenn das Heimatrecht des Arztes eine Haftung für die Unterlassung der erforderlichen Aufklärung überhaupt nicht kennt. Auch Rechtsfolgenormen seien dem Recht am Ort der Behandlung zu entnehmen. Deutsch führt den deutschen Schmerzensgeldanspruch an, der bei einer Behandlung in Deutschland maßgeblich sei, ganz gleich, ob im ärztlichen Heimatrecht ein solcher Anspruch bekannt ist. Ergebnis dieser von Deutsch präferierten Lösung wäre die Aufgabe eines einheitlichen Vertragsstatuts für den Gesamtvertrag zugunsten einer Vertragsspaltung bzw. Kumulation der Rechtsordnungen. Aus Art. 28 Abs. 1 S. 2 EGBGB ergibt sich zwar, dass eine Aufspaltung des Vertrages (Teilanknüpfung) neben Art. 27 Abs. 1 S. 3 EGBGB auch im Rahmen der objektiven Anknüpfung erfolgen kann. Dies soll jedoch nur dann möglich sein, wenn sich ein Teil des Vertrages vom Restvertrag trennen lässt und seinerseits eine engere Verbindung zu einem anderen Recht als dem des Restvertrages aufweist. Zusätzlich bestimmt der Wortlaut der Norm, dass dann eine Aufspaltung nur „ausnahmsweise“ vorgenommen werden soll.693 Wie auch im Rahmen der teilweisen Rechtswahl ist hierfür grundsätzlich eine Abspaltbarkeit Voraussetzung, d. h. die Rechtsspaltung muss sich auf inhaltlich abgrenzbare und gesondert behandelbare Vertragselemente beziehen, die verschiedenen Rechten unterworfen werden können, ohne dass dies zu widersprüchlichen Ergebnissen führt.694 692 Deutsch, in FS für Ferid, S. 117, 129 f., betreffend den Normalfall einer vorübergehenden ärztlichen Tätigkeit im Ausland; Die Fälle der ärztlich betreuten Personengruppen mit gemeinsamer Staatsangehörigkeit bzw. gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt von Arzt und Patienten werden gesondert betrachtet. 693 Im Bericht Giuliano/Lagarde, BT-Drs. 10/503, S. 33, 55 ist sogar von „so selten wie möglich“ die Rede; vgl. auch Soergel-von Hoffmann, EGBGB, Art. 28 Rn. 131; MünchKomm-Martiny, EGBGB, Art. 28 Rn. 24; Staudinger-Magnus, EGBGB, Art. 28 Rn. 55 ff. 694 Bericht Giuliano/Lagarde, BT-Drs. 10/503, S. 33, 49; Reithmann/Martiny-Martiny, Internationales Vertragsrecht, Rn. 119; Kropholler, IPR, § 52 II 3. b).

III. Vertragsrechtliche Aspekte

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Den Ausführungen Deutschs ist nicht zu entnehmen, warum sich gerade für die Aufklärungspflicht als eine Verhaltensnorm sowie für den Schmerzensgeldanspruch als Rechtsfolgenorm im Gegensatz zum Restvertrag ein selbständiger Schwerpunkt am Ort des medizinischen Eingriffs ergeben sollte. Im Rahmen einer einheitlichen Heilbehandlung sind die Maßstäbe für Behandlungsfehler, ärztliche Sorgfalt und Aufklärungspflichten eng miteinander verknüpft. Es besteht kein Anlass dafür, sie auseinander zu reißen und verschiedenen Rechten zu unterwerfen. Gründe dafür, warum gerade die ärztlichen Aufklärungspflichten sowie die Rechtsfolge Schmerzensgeld einen selbständigen Schwerpunkt am Behandlungsort haben sollen, sind ebenfalls nicht ersichtlich. Hierbei handelt es sich jeweils um einen kleinen Bereich von Verhaltens- bzw. Rechtsfolgenormen, so dass von einer inhaltlichen Abgrenzbarkeit bzw. in sich geschlossenen, abtrennbaren Vertragselementen wohl kaum die Rede sein kann. Schädlich695 spricht zu Recht von der Schaffung eines „rechtlichen Kunstgebildes“, welches Anpassungsschwierigkeiten nach sich zieht. (c) Reisegruppen- bzw. Leibarztfälle In den Fällen aktiver ärztlicher Dienstleistungsfreiheit, bei denen sich Reisegruppen, Sportmannschaften oder Staatsmänner von „Leibärzten“ aus ihrem Heimatland begleiten lassen, um im Ausland ausreichend medizinisch versorgt zu sein, wird sowohl von Deutsch wie auch von Könning-Feil die Regelanknüpfung an das Niederlassungsrecht als auch die zufällige Anknüpfung an den Behandlungsort verneint, wenn eine gemeinsame Staatsangehörigkeit oder ein gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthalt der beiden Parteien vorliegen.696 Diesen beiden Anknüpfungspunkten komme eine Indizwirkung i. S. d. Art. 28 Abs. 5 EGBGB zu, da sowohl Arzt als auch Patient mit dieser Rechtsordnung als Heimatrecht vertraut sind und damit eine entsprechende Bindung an diese vorliegt.697 Unerwähnt bleibt jedoch, dass in diesen Konstellationen in der Regel das Recht der gemeinsamen Staatsangehörigkeit bzw. des gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthaltes auch das Niederlassungsrecht des begleitenden Arztes sein wird, so dass es faktisch wiederum zur Anwendung des dem Arzt vertrauten Niederlassungsrechts i. S. v. Art. 28 Abs. 2 S. 2 EGBGB kommt. Ob der Umweg über Art. 28 Abs. 5 EGBGB dann erforderlich ist, ist deshalb zweifelhaft. Einig ist man sich jedoch zu Recht darin, dass in diesen Fällen eine Anknüpfung an den zufälligen Behandlungsort noch weniger nachvollziehbar ist. Denn an welchem Aufenthaltsort der zu betreuenden Gruppe das konkrete Be695

Schädlich, S. 139. Könning-Feil, S. 234; Deutsch, in: FS für Ferid, S. 117, 128 f. – die dort gemachten Ausführungen zur Auflockerung des Deliktsstatuts sollen auf das Vertragsstatut übertragbar sein, vgl. a. a. O., S. 122. 697 Könning-Feil, S. 234; Deutsch, in: FS für Ferid, S. 117, 129. 696

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handlungserfordernis eintritt, steht im Gegensatz zum Regelfall des gezielten Tätigwerdens im Ausland bei Reiseantritt noch nicht fest. Daran ändert sich auch nichts aufgrund der Tatsache, dass der betreuende Arzt den nationalen Gesetzgebungen der jeweils bereisten Länder unterworfen ist und daher eine nationale Zulassung zur ärztlichen Berufsausübung benötigt, die sich innerhalb des EWR auf eine Pflicht zur Anzeige der kurzfristigen Berufsausübung bei den hierfür zuständigen Stellen beschränkt.698 Für den Fall, dass im Rahmen einer Reisegruppe vereinzelt ausländische oder im Ausland domizilierte Teilnehmer mitfahren und damit im Behandlungsfall eine Anknüpfung an das gemeinsame Staatsangehörigkeits- bzw. gewöhnliche Aufenthaltsrecht scheitert, ist nach Deutsch das Ausgangsrecht der Gruppe maßgebend.699 Im Ergebnis ergibt sich damit hinsichtlich der Anknüpfung wiederum nichts anderes gegenüber dem Ausgangsfall, solange das Ausgangsrecht auch das Niederlassungsrecht des begleitenden Arztes ist und es so letztendlich doch wieder zur Regelanknüpfung des Art. 28 Abs. 2 S. 2 EGBGB kommt. Der Weg über die individuelle Anknüpfung gem. Abs. 5 könnte jedoch für die Fälle interessant sein, in denen das gemeinsame Staatsangehörigkeits- bzw. gewöhnliche Aufenthaltsrecht von Patient und Arzt und das Niederlassungsrecht des Arztes nicht übereinstimmen. Zu denken wäre an die Konstellationen, in denen sich eine ausländische Sportmannschaft bei ihren Auslandsaufenthalten durch einen in Deutschland niedergelassenen Landsmann (z. B. die niederländische Nationalmannschaft durch einen in Deutschland niedergelassenen Arzt mit niederländischer Staatsangehörigkeit) medizinisch versorgt wissen will. Zu klären ist, ob auch hier von einer „besonderen Vertrauenssituation“ hinsichtlich des gemeinsamen Heimatrechts/gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthaltsrechts gesprochen werden kann. Ob diese Konstellationen von der von Deutsch und Könning-Feil vertretenen Ausnahmeanknüpfung an das gemeinsame Staatsangehörigkeits- bzw. Aufenthaltsrecht erfasst sein sollen, geht aus den Ausführungen der Verfasser nicht eindeutig hervor. Deutsch beschränkt sich in diesem Zusammenhang auf Fälle des passiven Dienstleistungsverkehrs, bei denen sich also Patienten mit der gleichen Staatsangehörigkeit wie der Arzt in dessen ausländischer Niederlassung behandeln lassen. Trotz übereinstimmender Staatsangehörigkeit der Parteien sei hier ein Abweichen von der Regelanknüpfung des Abs. 2 nicht in jedem Fall gerechtfertigt, denn das Niederlassungsrecht sei das grundsätzlich erwartete700 und garantiere durch die Vorhersehbarkeit der lex causae ein Mindestmaß an Rechtssi698 Wer ohne vorherige Zulassung (kurzfristig nicht erhältlich) außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraumes ärztlich tätig wird, macht sich strafbar, vgl. dazu http:// www.bundesaerztekammer.de/30/Auslandsdienst/20/FAQ/FAQ_A/A13.html. 699 Deutsch, in: FS für Ferid, S. 117, 129. 700 Vgl. Deutsch, in: FS für Ferid, S. 117, 131.

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cherheit701. Dies sei vor allem dann der Fall, wenn die Niederlassung schon langjährig betrieben wird und außer der Staatsangehörigkeit keine weiteren Umstände auf das Herkunftsland hindeuten.702 Dann überwiege die Bindung des Arztes zum Niederlassungsort, der zugleich Zulassungs- und Behandlungsort ist und dessen Standesregeln für den Arzt verbindlich sind. Der innere Bezug des Arztes zum Berufsrecht des Landes, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, fehle hier, so dass eine Anknüpfung an das Personalstatut hier nur zufälliger Natur und ohne innere Rechtfertigung sei.703 Eine Übertragung dieser Argumentation auf den oben genannten Fall ist jedoch nicht ohne weiteres möglich. Denn hier erfolgt die Behandlung ja gerade nicht an der Niederlassung des Arztes als Ort der ständigen Berufsausübung. Könning-Feil verneint aber auch im Fall der aktiven Dienstleistungsfreiheit, bei welchem sich der deutsche Arzt mit langjähriger Niederlassung in England nach Frankreich begibt, um dort einen deutschen Patienten zu behandeln, eine ausschlaggebende Bedeutung des gemeinsamen Staatsangehörigkeitsrechts, denn der Bezug des Arztes zu seinem Niederlassungs- und Zulassungsstaat als dem Staat der ständigen Berufsausübung sei viel stärker als die Bindung zum deutschen Recht, welche allein aufgrund der Staatsangehörigkeit gegeben ist.704 Eine „starre Ersatzanknüpfung“ an das Recht der gemeinsamen Staatsangehörigkeit/des gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthaltes der Parteien unter Verdrängung der Regelanknüpfung an das Niederlassungsrecht führe daher zu keinem sachgerechten Ergebnis.705 Jedoch ist auch diese Form der aktiven Dienstleistungsfreiheit nicht ohne weiteres vergleichbar mit dem Fall der Begleitung einer Reisegruppe durch einen Arzt mit der gleichen Staatsangehörigkeit trotz abweichender Niederlassung. Denn hier kommt es dem Patienten gerade darauf an, von einem Arzt mit gleicher Verbundenheit zu einem bestimmten Staat begleitet zu werden. Trotzdem erscheint es auch in diesen Fällen nicht grundsätzlich angebracht, schematisch ein Abweichen von der Niederlassungsvermutung zugunsten des gemeinsamen Staatsangehörigkeitsrechts gem. Art. 28 Abs. 5 EGBGB zu befürworten, denn im vertraglichen Bereich spielt regelmäßig nicht das Heimatrecht der Vertragsparteien, sondern ihre Einbettung in das wirtschaftliche und soziale Umfeld die entscheidende Rolle.706 Ausgehend davon ist eine Verdrängung der Regelanknüpfung an das Niederlassungsrecht des die Reisegruppe begleitenden Arztes zugunsten des gemeinsamen Staatsangehörigkeits701

Schädlich, S. 135. So auch Könning-Feil, S. 234 f. 703 So auch Deutsch, in: FS für Ferid, S. 117, 130 f. 704 Könning-Feil, S. 235 f. 705 Könning-Feil, a. a. O. 706 Vgl. Fischer, in: von Bar, Europäisches Gemeinschaftsrecht und Internationales Privatrecht, S. 157, 171 f.; Reithmann/Martiny-Martiny, Internationales Vertragsrecht, Rn. 145; Geisler, Die engste Verbindung im Internationalen Privatrecht, S. 283 f. 702

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rechts nur dann als gerechtfertigt anzusehen, wenn sich auch der gewöhnliche Aufenthalt der Parteien im gemeinsamen Heimatstaat befindet und dieser nicht zugleich Niederlassungsstaat des Arztes ist.707 (d) Fälle horizontaler Arbeitsteilung Näherer Betrachtung bedarf zudem die Fallgruppe grenzüberschreitender horizontaler Arbeitsteilung, also gleichberechtigter Zusammenarbeit und Erbringung rechtlich gleichwertiger Beiträge von Ärzten und Hospitälern mit Niederlassungen in jeweils unterschiedlichen Staaten bei der Behandlung eines Patienten. Charakteristische Fälle in diesem Zusammenhang sind das Herbeirufen ausländischer Spezialisten ins Inland zu einer komplizierten bzw. riskanten Operation. Hier treffen ausländische Ärzte mit jeweils unterschiedlichen Niederlassungsstaaten auf inländische Ärzte sowie Krankenhausträger am Behandlungsort. Die rechtliche Gleichwertigkeit der Behandlungsbeiträge im Rahmen der horizontalen Arbeitsteilung bringt es mit sich, dass man das Statut des in diesen Fällen grundsätzlich bestehenden Krankenhausaufnahmevertrages nicht als Hauptvertragsstatut ansehen und damit die Beziehungen des Patienten zu den involvierten ausländischen Medizinern akzessorisch an dieses anknüpfen kann.708 Bei den vor Ort tätigen Ärzten stimmt der Niederlassungsort demgegenüber ohnehin mit dem Verwaltungssitz des Krankenhausträgers und dem Behandlungsort überein. Soweit bisher ersichtlich, beschäftigt sich allein Schädlich mit der Frage, inwieweit in Fällen der grenzüberschreitenden horizontalen Arbeitsteilung die zum Niederlassungsrecht des Arztes bzw. zum Verwaltungssitzrecht des Krankenhausträgers führende Vermutung des Art. 28 Abs. 2 EGBGB aufrecht zu erhalten ist. Besonderes Augenmerk legt der Verfasser dabei auf die Konstellationen im Rahmen der Telemedizin.709 Wie Schädlich richtig bemerkt, handelt es sich bei der grenzüberschreitenden horizontalen Arbeitsteilung jedoch nicht etwa um ein Charakteristikum der Telemedizin, vielmehr stellt die Präsenzbehandlung unter Mitwirkung auswärtiger Ärzte den klassischen Fall dar, so dass eine unterschiedslose Übertragung der im Rahmen der Telemedizin zu diesem Thema gemachten Ausführungen problemlos möglich ist.710 707 Für die Notwendigkeit des Hinzutretens des Kriteriums des gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthaltes ausdrücklich Reithmann/Martiny-Martiny, Rn. 145; in den Fällen der Übereinstimmung mit dem Niederlassungsrecht des Arztes bleibt es letztendlich bei dem Anknüpfungsergebnis des Art. 28 Abs. 2 EGBGB, da es an einer engeren Verbindung mit einem „anderen Staat“ i. S. d. Art. 28 Abs. 5 EGBGB fehlt. 708 s. unter III. 5. b); vgl. auch Schädlich, a. a. O., Fn. 791; zur akzessorischen Anknüpfung angelehnter Verträge an das Recht des Hauptstatuts vgl. Reithmann/Martiny-Martiny, Internationales Vertragsrecht, Rn. 165 m.w. N.; MünchKomm-Martiny, EGBGB, Art. 28 Rn. 121. 709 Vgl. a. a. O., S. 131 ff., 144 ff.

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Schädlich sieht in der kollisionsrechtlich gesonderten Anknüpfung der jeweiligen Verhältnisse zwischen beteiligten Ärzten/Krankenhausträger und Patient trotz fehlenden Bezugs zu den Sozialsphären der jeweils einzelnen Praxisorte ein Zerreißen des einheitlichen Lebenssachverhaltes von Diagnose und Therapie und verweist auf die Gefahr der Entstehung von positiven oder negativen Haftungskonflikten bzw. von Normwidersprüchen.711 Schädlich nennt als mögliche Beispiele Normwidersprüche bei Überweisungen, Konsiliartätigkeit, Mitbehandlung, Sorgfaltsmaßstab sowie vor allem bei der Abgrenzung von Vertrauensund Verantwortungsprinzip (eigene Haftung des Mediziners auf vertraglicher Basis/Erfüllungsgehilfenhaftung im Rahmen eines totalen Krankenhausaufnahmevertrages).712 Letztgenannten Punkt verdeutlicht Schädlich durch den Vergleich der rechtlichen Wertungen des deutschen und schweizerischen Rechts im Falle der Hinzuziehung eines ausländischen Spezialisten. Nach deutschem Recht haftet allein der Krankenhausträger im Rahmen eines totalen Krankenhausaufnahmevertrages für alle, d. h. sowohl in- als auch ausländische Ärzte als seine Erfüllungsgehilfen, während nach Schweizer Recht hinzugezogene Spezialisten selbst vertraglich als fachlich unabhängiges Substitut verantwortlich sind.713 Folge dieser Normendiskrepanz ist, dass im Falle der Behandlung eines Patienten in einem deutschen Krankenhaus durch deutsche Ärzte und einen hinzugezogenen Schweizer Kollegen bei Schädigung durch letztgenannten der geschädigte Patient sowohl das Krankenhaus als auch den Schweizer Arzt im Rahmen eines Arzthaftungsprozesses belangen kann (Normenhäufung/positiver Haftungskonflikt). Wird derselbe Patient jedoch in einem Schweizer Privatspital714 von inländischen Ärzten und einem hinzugezogenen deutschen Spezialisten behandelt und unterläuft dem deutschen Arzt ein Fehler, verkehrt sich die Situation in einen Normenmangel bzw. negativen Haftungskonflikt. Denn das deutsche Niederlassungsrecht des Spezialisten erachtet allein das Hospital als vertragliches Haftungssubjekt und den hinzugezogenen Mediziner lediglich als dessen Erfüllungsgehilfe, während das Sitzrecht des Spitals trotz eines „umfassenden Spitalaufnahmevertrages“ den Spitalträger nur für Auswahl- und Instruktionsverschulden bezüglich des unabhängigen Substituten haften lässt (vgl.

710

Schädlich, S. 150. Schädlich, S. 144. 712 Schädlich, S. 132 ff.; zum Vertrauensgrundsatz im Rahmen der horizontalen Arbeitsteilung vgl. Tillmanns, Die persönliche Leistungserbringungspflicht im Arztrecht und die Telemedizin, S. 226 ff. 713 Schädlich, S. 133. 714 Krankenhäuser in staatlicher Trägerschaft wie die Kantonshospitäler unterliegen der öffentlich-rechtlichen Haftung, wobei die geschädigten Patienten den Verwaltungsrechtsweg beschreiten müssen (nur ein Teil der kantonalen Staatshaftungsgesetze verweist auf Bundesprivatrecht), vgl. Kuhn, MedR 1999, 248 f.; Könning-Feil, S. 66; gleiches gilt auch für die französischen staatlichen Gesundheitseinrichtungen, vgl. Penneau, in: Medical Responsibility in Western Europe, F 9, 62 ff.; Könning-Feil, S. 69. 711

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Art. 399 Abs. 2 OR). Auch die neben der vertraglichen in Betracht zu ziehende deliktische Anknüpfung hilft in diesem Fall dem Geschädigten nicht weiter, da, wie noch näher zu zeigen sein wird, im Falle der Berufshaftung ein grundsätzlicher Gleichlauf hinsichtlich der Anknüpfung vertraglicher und deliktischer Haftung anzustreben ist, so dass es grundsätzlich bei der Anwendung mehrerer Rechtsordnungen auf einen Haftungssachverhalt bleiben würde. Die Möglichkeit von Haftungskonflikten im Rahmen der strengen Abgrenzung von Vertrauensprinzip und Verantwortungsgrundsatz bei arbeitsteiliger Behandlung kann sich zudem aus der unterschiedlichen Einordnung bestimmter Pflichten (z. B. Überwachungspflichten im Verhältnis Chirurg – Anästhesist) ergeben, und zwar dann wenn die verschiedenen Rechtsordnungen dem jeweils anderen beteiligten Arzt die Verantwortung zuschieben. Aufgrund der gleichzeitigen physischen Präsenz der Berufskollegen aus verschiedenen Staaten verschiebe sich, so Schädlich, der Schwerpunkt der Rechtsbeziehung gem. Art. 28 Abs. 5 EGBGB hin zum Ort der Präsenzbehandlung bzw. des Kooperationserfordernisses.715 Er sieht in dem tatsächlichen Aufenthaltsort des Patienten zur Zeit der Behandlung das „Gravitationszentrum“ bzw. den „Kristallisationspunkt des koordinierten ärztlichen Wirkens“716, was eine einheitliche Anknüpfung aller Teilleistungen im Rahmen der Gesamtbehandlung des Patienten an das Recht dieses Ortes erfordere. Das kollisionsrechtliche Interesse des Arztes an der Berufung seines Niederlassungsrechts trete damit zurück hinter dem objektiven Interesse an einer homogenen Anknüpfung der einzelnen Arztverträge bzw. Arzt-Patienten-Beziehungen bei horizontaler Arbeitsteilung, womit gleichzeitig der Wahrung des inneren und äußeren Entscheidungseinklangs gedient sei.717 Zudem wird mit dem Aspekt der Vorhersehbarkeit argumentiert. Kein Arzt werde gezwungen, grenzüberschreitend tätig zu sein. Wenn er sich dennoch dafür entscheidet und in der Kenntnis handelt, dass am Behandlungsort des Patienten planmäßig andere Kollegen tätig sind, müsse er auch mit der Anwendung des fremden Rechts rechnen. Wie im materiellen Recht, welches bestrebt ist, dass im Haftungsfall das Tätigwerden mehrerer Ärzte nicht zu Lasten des Patienten geht, müsse auch im Kollisionsrecht versucht werden, den Sachverhalt einem einheitlichen Haftungsstatut zu unterstellen und damit eine „kollisionsrechtliche Zersplitterung des Sachverhaltes“ zu vermeiden, auch wenn die kollisionsrechtlichen Interessen auf Seiten des Arztes dabei (teilweise) in den Hintergrund treten. 715

Schädlich, S. 150. Schädlich, S. 144 f.; Für die vor Ort beteiligten Ärzte sowie Krankenhausträger, deren Niederlassungsort bzw. Verwaltungssitz mit dem Behandlungsort identisch sind, bleibt es natürlich bei der Regelanknüpfung nach Art. 28 Abs. 2 EGBGB; eine engere Verbindung zu einem anderen Staat i. S. d. Art. 28 Abs. 5 EGBGB besteht in diesen Fällen nicht. 717 Schädlich, S. 145. 716

III. Vertragsrechtliche Aspekte

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Den Ausführungen Schädlichs ist grundsätzlich zuzustimmen. Die Einheitlichkeit eines Haftungsstatuts ist von immenser Wichtigkeit nicht nur für die Patienten als Inhaber möglicher Ansprüche. Auch für die beteiligten Mediziner als potentielle Anspruchsgegner ist die kollisionsrechtliche Vorhersehbarkeit vertrags- und haftungsrechtlicher Fragen von nicht zu unterschätzendem Interesse. Das auf beiden Seiten bestehende Ordnungsinteresse am Gleichlauf der einzelnen Beziehungen (Grundsatz der materiellen Harmonie) wäre ohne einheitliche Anknüpfung gestört. Während die Anwendung der einen oder der anderen Rechtsordnung kalkulierbar/abschätzbar ist, handelt es sich bei der Anpassung als notwendige Form der Lösung von Normwidersprüchen um eine Modifizierung entweder des Kollisionsrechts (Kollisionsrechtliche Lösung) oder des Sachrechts (Materiellrechtliche Lösung).718 Da die Lösungsfindung im Einzelfall auf einer Wertentscheidung beruht und damit ein gewisses „subjektives, dezisionistisches Moment“719 beinhaltet, ist die endgültige haftungsrechtliche Würdigung des Sachverhaltes im Einzelnen nicht voraussehbar. Auch Martiny betont, dass die unterschiedliche Anknüpfung mehrerer Einzelverträge, die einen einheitlichen wirtschaftlichen Zweck verfolgen, fast zwangsläufig zu Spannungen und Anpassungsproblemen führt, so dass zu prüfen ist, ob alle Rechtsbeziehungen derselben Rechtsordnung unterworfen werden können.720 Gerade im internationalen Schuldvertragsrecht sollen derartige Normenwidersprüche durch die akzessorische Anknüpfung sämtlicher Anspruchsarten an das Statut des den Schwerpunkt der Rechtsbeziehungen bildenden Rechtsverhältnisses von vornherein vermieden werden.721 Wie schon erwähnt, kann im Rahmen horizontaler Arbeitsteilung nicht von einem beherrschenden Hauptgeschäft und diesem dienenden Verträgen (Nebenverträgen) gesprochen werden, so dass eine akzessorische Anknüpfung an ein bestimmtes dominantes Rechtsverhältnis nicht in Betracht kommt.722 Trotz der rechtlichen Selbständigkeit handelt es sich jedoch um zusammenhängende Verträge, die einem einheitlichen Zweck, nämlich dem sachgerechten Bemühen um Diagnose und Therapie im Rahmen der Behandlung eines Patienten dienen. Martiny723 spricht insoweit von zusammengesetzten Verträgen, die von den Vertragsparteien dergestalt miteinander verknüpft wurden, dass sie ein einheitliches Ganzes bilden und daher eine Aufspaltung nach den einzelnen Leistungen möglichst zu vermeiden ist. Hinsichtlich der Er718

Vgl. Kropholler, IPR, § 34 IV; von Hoffmann/Thorn, IPR, § 6 Rn. 36 f. Kropholler, IPR, § 34 IV 2. 720 MünchKomm-Martiny, EGBGB, Art. 28 Rn. 116 m.w. N. 721 von Hoffmann/Thorn, IPR, § 6 Rn. 34. 722 Ausführlich zu den Voraussetzungen einer akzessorischen Anknüpfung an das Statut des dominanten Rechtverhältnisses Soergel-von Hoffmann, EGBGB, Art. 28 Rn. 115 ff. 723 MünchKomm-Martiny, EGBGB, Art. 28 Rn. 120; Reithmann/Martiny-Martiny, Internationales Vertragsrecht, Rn. 164. 719

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mittlung des engsten Zusammenhangs der gesamten Vertragsbeziehung zu einer Rechtsordnung sei auf den Zweck des zusammengesetzten Vertrages abzustellen, wobei meist die qualitative Bewertung der einzelnen Vertragsverhältnisse eine Entscheidungshilfe sein soll.724 Wie schon oben bemerkt, stellt im Rahmen der horizontalen Arbeitsteilung das Erfordernis der ärztlichen Kooperation, das heißt das planmäßig koordinierte Zusammenwirken mehrerer Ärzte am physischen Aufenthaltsort des Patienten, die entscheidende Intention des zusammengesetzten Vertrages dar. In den Fällen der aktiven Dienstleistungsfreiheit kommt zu diesem koordinierten Zusammenwirken noch die gleichzeitige physische Präsenz sowohl ausländischer als auch inländischer Ärzte hinzu, so dass der Ort der ärztlichen Zusammenarbeit eine qualifizierte engere Verbindung i. S. d. Art. 28 Abs. 5 EGBGB darstellt. Neben Martiny beschäftigt sich auch von Hoffmann725 mit der hier erörterten Problematik, wenn auch unter einer anderen Terminologie. Von Hoffmann spricht statt von „zusammengesetzten Verträgen“ von Fällen der „gemeinschaftlichen Schulderfüllung i. e. S.“, worunter er die Fälle der Verpflichtung mehrerer Schuldner zu einer Leistung zählt, die nur gemeinschaftlich erbracht werden kann, ohne dass diese Schuldner eine Gesamthandsgemeinschaft bilden. Als Beispiele führt er die gemeinschaftliche Verpflichtung mehrerer einzelner Musiker zu einem Auftritt sowie Schiedsrichterverträge im Rahmen eines Kollegialschiedsgerichts an. Auch hier würde es bei internationaler Zusammensetzung und Anknüpfung der einzelnen Verträge aufgrund der Vermutung des Art. 28 Abs. 2 EGBGB zur Anwendbarkeit mehrerer Rechte kommen, was Wertungswidersprüche nach sich zöge, die es bei einer notwendigerweise gemeinschaftlichen Schulderfüllung durch eine einheitliche Anknüpfung der einzelnen Verträge gem. Art. 28 Abs. 5 EGBGB zu vermeiden gelte.726 Gerade der Fall des Vertragsschlusses mit mehreren einzelnen Musikern zwecks eines gemeinsamen Auftritts entspricht bildlich dem organisierten Zusammenwirken mehrerer Ärzte bei der Behandlung eines Patienten im Rahmen der horizontalen Arbeitsteilung, z. B. bei einer komplizierten Operation. Auch hier arbeiten mehrere Fachärzte (Chirurg, Anästhesist, u. U. auch noch Radiologe und Histologe) gleichrangig in einem Team zusammen, vergleichbar mit dem gemeinsamen Auftritt der einzelnen Musiker. Wie von Hoffmann im Falle der Musiker den Auftrittsort als engste Verbindung ansieht727 und an diesen anknüpft, so muss dies auch für den Behandlungsort des Patienten gelten. Dem besonderen Ordnungsinteresse am Gleichlauf der einzelnen Verträge und dem Prinzip der

724 Reithmann/Martiny-Martiny, Rn. 164 unter Verweis auf Kreuzer, in: FS für von Caemmerer, S. 705, 733. 725 Soergel-von Hoffmann, EGBGB, Art. 28 Rn. 122. 726 Soergel-von Hoffmann, EGBGB, Art. 28 Rn. 122 f. 727 Soergel-von Hoffmann, EGBGB, Art. 28 Rn. 123.

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materiellen Harmonie bzw. des inneren Einscheidungseinklangs ist damit vollumfänglich Genüge getan und Anpassungsprobleme entfallen. Zweifelhaft ist jedoch das von Schädlich vorgebrachte Argument der Wahrung des äußeren Entscheidungseinklangs.728 Zwar müssen die aus dem EVÜ stammenden Vorschriften des EGBGB gem. Art. 36 EGBGB so ausgelegt und angewandt werden, dass die erstrebte Rechtseinheit mit den anderen europäischen Vertragsstaaten gewahrt bleibt.729 Bisher wurde die in Art. 18 EVÜ (Art. 36 EGBGB) vorgesehene einheitliche Auslegung jedoch dadurch erschwert, dass der EuGH keine unmittelbare Auslegungskompetenz besaß. Die Aufgabe der Wahrung der Rechtseinheit lag daher allein bei den staatlichen Gerichten. Ob und inwieweit diese bisher der Lösung Schädlichs im Falle grenzüberschreitender horizontaler Arbeitsteilung folgen, d. h. den Behandlungsort als Schwerpunkt des Rechtsverhältnisses ansehen, einheitlich auf die Ausweichklausel des Art. 4 Abs. 5 S. 2 EVÜ zurückgreifen und damit die Vermutung des Art. 4 Abs. 2 EVÜ zurückdrängen, so dass von einem äußeren Entscheidungseinklang gesprochen werden könnte, ist den Ausführungen Schädlichs nicht zu entnehmen und auch im Übrigen nicht erkennbar. Erst seit dem 1.8.2004 sind die beiden Protokolle über die Auslegung des EVÜ durch den EuGH und zur Übertragung bestimmter Zuständigkeiten für die Auslegung des EVÜ auf den EuGH in Kraft, nachdem Belgien sie ratifiziert hat.730 Die Zukunft wird zeigen, wie sich der EuGH hinsichtlich der Anknüpfung von Verträgen, deren Erfüllung in horizontaler Arbeitsteilung erfolgt, verhält. (6) Zusammenfassung Auch im Rahmen der aktiven Dienstleistungsfreiheit ist es zunächst angebracht, entsprechend der Gesetzeskonzeption und im Interesse der Rechtssicherheit durch die Vorhersehbarkeit der lex causae zu prüfen, inwieweit eine Anknüpfung gem. Art. 28 Abs. 2 EGBGB nach der Gesamtheit der Umstände gerechtfertigt ist. Die dort geregelte gesetzliche Vermutung zeigt, dass die Begründung eines ständigen beruflichen Mittelpunktes eine entscheidende Rolle für die kollisionsrechtliche Bestimmung der engsten Verbindung i. S. d. Art. 28 Abs. 1 EGBGB spielt und im Falle des Tätigwerdens außerhalb des Staates der Hauptniederlassung eine Anknüpfung an den Behandlungsort unproblematisch dann gerechtfertigt ist, wenn sich die Tätigkeit auch dort wiederum durch eine verstärkte und kontinuierliche Integration in das dortige Wirtschaftsleben aus-

728 729 730

Schädlich, S. 145. Vgl. dazu Reinhart, RIW 1994, 445 ff.; Junker, RabelsZ 55 (1991), 674 ff. Vgl. IPRax 2004, Heft 5, S. II.

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zeichnet, so dass man von einer Zweigniederlassung/Zweitpraxis sprechen kann (Art. 28 Abs. 2 S. 2 a. E. EGBGB).731 Ein Festhalten an der gesetzlichen Vermutung des Art. 28 Abs. 2 S. 2 EGBGB dürfte m. E. vor allem in den Konstellationen gerechtfertigt sein, in denen die Parteierwartungen gerade darauf gerichtet sind, dass ein ausländischer Spezialist entsprechend seiner ausländischen Ausbildung, Behandlungsmethoden und Spezialkenntnisse die Behandlung vornimmt. Unter diese Fallgruppe fallen des Weiteren Operationen zu Vorführungszwecken im Ausland. Denn einig ist man sich darin, dass der aus dem Ausland herbeigerufene Spezialist hinsichtlich des Sorgfaltsstandards sowie der Behandlungsmethoden und medizinischen Fachkenntnisse stark vom Recht seiner Niederlassung geprägt ist.732 Zudem wird dieser gerade deshalb von inländischen Kliniken gerufen, um die nach den dortigen Sorgfaltsmaßstäben entwickelten Behandlungsmethoden bei einem inländischen Patienten anzuwenden.733 Der Patient ist sich darüber hinaus regelmäßig (bei ordnungsgemäßer Aufklärung) dieser ausländischen Behandlungsmethode bewusst, wenn er sie nicht sogar selbst gefordert hat. Gegen eine Anwendung der Regelanknüpfung des Art. 28 Abs. 2 S. 2 EGBGB (Niederlassungsort des Arztes) spricht daher grundsätzlich nichts. Aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit sollten jedoch neben Abschluss und Wirksamkeit des Vertrages sämtliche Rechtsfolgen einheitlich dem Vertragsstatut unterstellt werden. Bestimmte Vertragspflichten und Rechtsfolgenormen selbständig an den Wirkungsort anzuknüpfen, leuchtet, sofern es sich nicht um örtliche Verhaltenspflichten handelt, nicht ein.734 Neben den Fällen des ärztlichen Spezialistenaustauschs sprechen auch in den Fällen von Hausbesuchen über die Grenze hinweg die Parteierwartungen für die Maßgeblichkeit des Niederlassungsortrechts. Denn der Patient, der sich im Normalfall auf den Weg über die Grenze zum ausländischen Arzt begibt, kann nicht erwarten, dass sich bei Hausbesuchen, zu denen es regelmäßig nur in Notfallsituationen kommt und die die Ausnahme sein werden, der Behandlungsvertrag nun nach seinem Aufenthaltsortsrecht richtet. In diesen Konstellationen hat der Patient selbst die Initiative ergriffen und den Arzt von seiner ärztlichen Niederlassung aus in eine fremde Sozialsphäre bestellt.735 Schließlich ist die Anwendung des Niederlassungsrechts unproblematisch dann gerechtfertigt, wenn ein Arzt außerhalb seines Niederlassungsstaates unvorhersehbar in eine Situation gerät, in der seine ärztliche Hilfe gefragt ist. Zu

731 732 733 734 735

So auch Deutsch, in: FS für Ferid, S. 117, 130. Könning-Feil, S. 232. Deutsch, in: FS für Ferid, S. 117, 129; Könning-Feil, S. 233. Vgl. zu örtlichen Verhaltensnormen unter VIII. 1. Vgl. Schädlich, S. 151.

III. Vertragsrechtliche Aspekte

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denken ist dabei z. B. an einen Notfall an Bord eines Flugzeuges, in dem sich auch ein Arzt als mitreisender Passagier befindet736, oder dann, wenn sich der Arzt als Tourist im Ausland befindet (vorausgesetzt, in derartigen Not- bzw. Sondersituationen ist mit Blick auf die Konstitution des Patienten überhaupt ein Vertragsschluss möglich737). Sowohl dem Vergleich mit der ursprünglichen dogmatischen Begründung der gesetzlichen Vermutung des Art. 28 Abs. 2 EGBGB im Falle des Gleichlaufs von Niederlassungs- und Behandlungsort sowie der Fallgruppenbildung in der Literatur im Falle eines auswärtigen Behandlungsortes ist jedoch zu entnehmen, dass auch in den Fällen des aktiven Dienstleistungsverkehrs von Medizinern nicht in jedem Fall eine Anknüpfung an das Recht der ärztlichen Niederlassung gerechtfertigt ist. Jedoch dürfte es regelmäßig für die Bejahung einer „qualifizierten engeren Verbindung zu einem anderen Staat“738 nicht ausreichen, dass Erfüllungsort von Leistung und Gegenleistung (Behandlungsort), der Sitz des Leistungsempfängers (Patienten) sowie u. U. der Ort des Vertragsschlusses identisch sind739, denn diese Punkte werden in fast allen Fällen des aktiven Dienstleistungsverkehrs kumulieren. Hinzukommen müssen gewichtigere Umstände, um von einer verfestigten Beziehung zum Behandlungsstaat sprechen zu können und die grundsätzlich dogmatisch gerechtfertigte Anknüpfung an den Ort der ärztlichen Niederlassung damit in den Hintergrund treten zu lassen. Das Innehaben einer ärztlichen Zulassung am ausländischen Behandlungsort reicht als Differenzierungskriterium nicht aus. Zum einen hätte dies eine kollisionsrechtliche Besserstellung des am Wirkungsort nicht zugelassenen und damit rechtsuntreuen Mediziners zur Folge, dessen Tätigkeit weiter nach dem ihm vertrauten Niederlassungsrecht beurteilt würde. Zum anderen obliegt den Ärzten mit Staatsangehörigkeit eines EU-/EWR-Staates bei lediglich vorübergehendem grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehr innerhalb des Binnenmarktes eine bloße Anzeigepflicht, die zudem in bestimmten Fällen auch noch nachträglich erbracht werden kann, so dass die Zulassung grundsätzlich nicht als nennenswerter Umstand erachtet werden kann, der den Bezug zum Behandlungsstaat entscheidend intensiviert. In den Leibarzt- bzw. Reisegruppenfällen wird das Ausgangsrecht der Gruppe bzw. das gemeinsame Staatsangehörigkeitsrecht/ Recht des gewöhnlichen Aufenthaltes regelmäßig mit dem Niederlassungsrecht 736

So auch Schädlich, S. 148 f. Das Vertragsstatut ist nicht einschlägig bei der medizinischen Betreuung Bewusstloser, Ohnmächtiger und Minderjähriger (sofern nicht die Einwilligung der Eltern vorliegt). Diese Konstellationen unterliegen dem Statut der Geschäftsführung ohne Auftrag, geregelt in Art. 39, 41 und 42 EGBGB, vgl. dazu unter V. 738 Könning-Feil, S. 227. 739 Sowie u. U. die (konkludent vereinbarte) Zahlungswährung, was nach der Einführung des Euro nur noch im Verhältnis zum Vereinigten Königreich, Schweden und Dänemark von Interesse ist. 737

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des Arztes übereinstimmen, so dass sich der Weg über die Ausweichklausel des Art. 28 Abs. 5 EGBGB erübrigt bzw. mit Blick auf den Wortlaut der Norm sogar verbietet („. . . engere Verbindung mit einem anderen Staat . . .“). Lediglich in den Fällen, in denen diese Rechtsordnungen nicht mit dem Niederlassungsrecht des Arztes übereinstimmen und in denen die besondere Vertrauenssituation der potentiellen Patienten aus der gemeinsamen Staatsangehörigkeit (in Verbindung mit dem gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt im Heimatstaat) bzw. dem gemeinsamen Ausgangsrecht der Gruppe resultiert, kommt eine individuelle Anknüpfung gem. Art. 28 Abs. 5 EGBGB in Betracht. Die Anknüpfung an die Hauptniederlassung des Arztes tritt zugunsten der Individualanknüpfung gem. Art. 28 Abs. 5 EGBGB jedenfalls dann zurück, wenn ein Fall der grenzüberschreitenden horizontalen Arbeitsteilung von inländischen und ausländischen Ärzten vorliegt. Hier gewinnt der Ort des ärztlichen Kooperationserfordernisses (Behandlungsort bzw. Aufenthaltsort des Patienten) gegenüber den kollisionsrechtlichen Interessen der beteiligten Ärzte an der Anwendung des jeweils vertrauten Niederlassungsrechts mit Blick auf die anzustrebende Vermeidung von Haftungskonflikten bzw. -widersprüchen die Oberhand bei der Suche nach der engsten Verbindung des einheitlichen Lebenssachverhaltes mit einer Rechtsordnung. Neben den Fällen der horizontalen ärztlichen Arbeitsteilung sprechen auch in den Fällen der Praxis-/Urlaubsvertretungen eines inländischen Kollegen durch einen ausländischen Arzt oder umgekehrt die Parteierwartungen für die Maßgeblichkeit des Behandlungsortsrechts, welches mit dem Niederlassungsrecht des vertretenen Arztes übereinstimmt. Denn der Patient, der seine Stammpraxis aufsucht, wird nicht erwarten, dass sich nun der Behandlungsvertrag nach dem Niederlassungsrecht der Vertretung beurteilt, ganz abgesehen von der Frage, ob diese ihm überhaupt bekannt ist. Er kann vielmehr davon ausgehen, dass den vertretenden Arzt das gleiche Pflichtenprogramm trifft wie seinen Hausarzt. Die gesonderte Ermittlung der lex causae für den vertretenden Arzt mag zunächst verwundern, da das deutsche Sachrecht bei Praxisvertretungen den vertretenden Arzt als Erfüllungsgehilfen im Sinne des § 278 BGB ansieht und damit ein eigenständiges Vertragsverhältnis verneint740. Jedoch darf diese Einordnung des deutschen Sachrechts wie schon ihm Rahmen der horizontalen Arbeitsteilung nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich gem. Art. 31 Abs. 1 EGBGB erst aus der zur Anwendung berufenen lex causae (hypothetisches Vertragsstatut) ergibt, ob eine vertragliche Beziehung zu dem jeweiligen hinzutretenden Arzt begründet wurde. Bestimmt das Behandlungsortrecht als hypothetisches Vertragsstatut gem. Art. 28 Abs. 5 EGBGB, dass zwischen der Praxisvertretung und dem Patienten kein eigenes Vertragsverhältnis zustande kommt, sondern der vertretende Arzt nur Erfüllungsgehilfe des Vertretenen ist (wie es nach deutschem Sachrecht 740

Vgl. Fn. 676.

III. Vertragsrechtliche Aspekte

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der Fall ist), kommen ohnehin vertragliche Ansprüche nur gegenüber dem Praxisinhaber in Betracht, für welchen gem. Art. 28 Abs. 2 EGBGB das Niederlassungsrecht bestimmend ist. Erreicht wird damit wiederum die Vermeidung von Normendiskrepanzen741. Denn das Behandlungsortrecht (gleich Niederlassungsrecht des vertretenen Arztes) entscheidet sowohl über die Frage der Haftung des vertretenen als auch des vertretenden Arztes. cc) Bedeutung des Art. 28 Abs. 2 EGBGB für Korrespondenzdienstleistungen (Telemedizinanwendungen) (1) Verhältnis des Kollisionsrechts zur E-Commerce-Richtlinie Soweit im Rahmen der objektiven Anknüpfung Art. 29 Abs. 2 EGBGB nicht einschlägig ist742, muss grundsätzlich auch im Falle von Telemedizinanwendungen auf Art. 28 EGBGB zurückgegriffen werden. Fraglich ist jedoch, ob hinsichtlich der gemeinschaftsinternen Telemedizin743 der Rückgriff auf das nationale Kollisionsrecht aufgrund des in Art. 3 der E-Commerce-Richtlinie (ECRL)744 verankerten und in § 3 des TMG745 als innerstaatliche Umsetzung übernommenen Herkunftslandprinzips überhaupt noch möglich ist. Nach diesem Prinzip soll die Rechtsordnung des Landes zur Anwendung gelangen, in welchem der Dienstleistungsanbieter seine Niederlassung unterhält, um den freien Dienstleistungsverkehr und die Rechtssicherheit für Anbieter und Nutzer wirk-

741 Z. B. in der Form, dass die Niederlassungsrechte von vertretenem und vertretendem Arzt die Frage der Haftung der Praxisvertretung unterschiedlich einordnen, vgl. Fn. 676. 742 Mit Blick auf die grundsätzliche Einordnung des Arztvertrages als Verbrauchervertrag i. S. d. Art. 29 Abs. 1 EGBGB kommt eine Anwendbarkeit des Art. 28 EGBGB nur dann in Betracht, wenn keine Rechtswahl vorliegt und der situative Anwendungsbereich des Art. 29 Abs. 1 Nr. 1–3 EGBGB nicht eröffnet ist. 743 Das Herkunftslandprinzip gilt nur für die Diensteanbieter, die innerhalb der EU niedergelassen sind und innerhalb der EU ihre Dienste anbieten (vgl. Art. 3 Abs. 1 und 2 ECRL/§ 3 Abs. 1 und 2 TMG). Für Tätigkeiten von Drittstaatenanbietern innerhalb der EU und für solche von EU-Unternehmern außerhalb der EU bleibt es damit von vornherein bei der Anwendbarkeit der nationalen Kollisionsregeln. Wann und wo ein Anbieter von Diensten der Informationsgesellschaft als niedergelassen anzusehen ist, bestimmt Art. 2 lit. c) ECRL/§ 2 Nr. 2 TMG. 744 Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt, ABl. EG Nr. L 178/1 ff. v. 17.7.2000. 745 Vor dem Inkrafttreten des Telemediengesetzes (TMG) am 1.3.2007 geregelt in dem im Wesentlichen gleichlautenden § 4 Teledienstegesetz (TDG), auf welchen sich auch die Literaturnachweise im folgenden Verlauf beziehen; zum neuen TMG im Allgemeinen vgl. Hoeren, NJW 2007, 801 ff.; Spindler, CR 2007, 239 ff.; Kitz, ZUM 2007, 368 ff.

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sam zu gewährleisten746. Hiernach könnte man zu dem Schluss kommen, das Verhältnis zwischen Patient und Telemediziner747 sei grundsätzlich und vollumfänglich dem Recht am Niederlassungsort des Arztes unterstellt und das Herkunftslandprinzip stelle damit einen vorrangigen kollisionsrechtlichen Anknüpfungsgrundsatz dar. Zwar steht dem der Wortlaut des Art. 1 Abs. 4 ECRL sowie des § 1 Abs. 5 TMG entgegen, welcher die kollisionsrechtliche Neutralität der Richtlinie zum Ausdruck bringt, indem bestimmt wird, dass die Richtlinie keinerlei zusätzliche Regeln im Bereich des Internationalen Privatrechts schafft.748 Trotz des eindeutigen Wortlauts wird diese Aussage jedoch wegen des Widerspruchs zur Realität749 von einem Teil der Literatur als unbeachtlich angesehen, da die Organe der EU nicht die Kompetenz besäßen, zu bestimmen, was unter Internationalem Privatrecht zu verstehen sei. Es stellt sich somit die Frage nach dem Normcharakter des Herkunftslandprinzips. In der Literatur bestanden und bestehen diesbezüglich intensive Auseinandersetzungen, wobei sich hauptsächlich750 zwei konträre Standpunkte der Deutung des Verhältnisses des Herkunftslandprinzips zu den nationalen Kollisionsregeln abzeichnen. (a) Herkunftslandprinzip als IPR-Regel Eine nicht geringe Zahl von Stimmen in der Literatur versteht das Herkunftslandprinzip trotz des Wortlautes des Art. 1 Abs. 4 ECRL/§ 1 Abs. 5 TMG als kollisionsrechtliches Prinzip, welches Vorrang vor den allgemeinen Regeln des nationalen Kollisionsrechts beansprucht. Hierbei ist jedoch umstritten, ob es sich bei der Anknüpfung an das Herkunftsland des Anbieters um eine reine

746 ABl. EG Nr. C 169/26, 38; Anmerkung 3.6; CES 457/99 (DE) hi, S. 5; Erwägungsgrund (22). 747 Art. 3 ECRL umfasst gem. Art. 2 lit. h) (i) Spiegelstrich 2 ECRL u. a. die auf die Verträge und Verantwortlichkeit des Diensteanbieters anwendbaren Anforderungen. 748 Auch dem Erwägungsgrund 23 der ECRL ist zu entnehmen, dass die Richtlinie nicht darauf abzielt, zusätzliche Regeln im Bereich des Internationalen Privatrechts zu schaffen. 749 So Mankowski, IPRax 2002, 257, 266. 750 Auf die Ansicht Sonnenbergers, ZVglRWiss 100 (2001), 107, 126 ff., welcher im Herkunftslandprinzip lediglich eine bloße Vorgabe an das öffentliche Recht sieht (speziell mit Blick auf das Wirtschaftsaufsichtsrecht) und damit eine Anwendbarkeit auf privatrechtliche Materien gänzlich verneint, soll an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden. Sie verkennt den Verweisungsgehalt des Art. 3 Abs. 1 ECRL sowie den systematischen Zusammenhang der Bestimmung, wie sich aus den im Anhang zu Art. 3 Abs. 3 ECRL genannten Ausnahmen mit privatrechtlichem Charakter (z. B. Urheberrechte, vertragliche Schuldverhältnisse in Bezug auf Verbraucherverträge, Freiheit der Rechtswahl) ergibt; vgl. zu dieser Argumentation auch Lurger/Vallant, RIW 2002, 188, 198.

III. Vertragsrechtliche Aspekte

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Sachnormverweisung751 nach dem Günstigkeits- bzw. Favorprinzip752 oder eine Gesamtnormverweisung753 handelt. Nach der ersten Alternative kommt nur das materielle Recht des Niederlassungsstaates des Diensteanbieters in Betracht. Der Anbieter/Telemediziner würde dann von vornherein nicht mit dem Risiko fremder Rechtsanwendung (z. B. des Haftungsrechts der Zielstaaten) belastet werden, sondern könnte sich hinsichtlich seiner Aktivitäten lediglich an seinem Heimatrecht orientieren. Nach der zweiten Alternative kommt, wie nach der ersten Alternative, das materielle Recht des Herkunftslandes zur Anwendung, jedoch nur unter der Bedingung, dass dieses für den Anbieter günstiger, d. h. weniger freiheitsbeschränkend ist als das Recht der durch das IPR des Gerichtsstaates bestimmten Vergleichsrechtsordnung. Ist dies nicht der Fall, bleibt es bei der Entscheidung des IPR des Gerichtsstaates. Bedeutung erlangt diese kollisionsrechtliche Sachnormverweisung nach dem Günstigkeitsprinzip somit nur, wenn das nationale IPR im speziellen Fall nicht ohnehin auf das materielle Recht des Niederlassungsstaates verweist. Im Unterschied zum materiell-rechtlichen Günstigkeitsvergleich werden hier verschiedene Rechtsordnungen als Einheit abstrakt nach ihrer Günstigkeit für eine bestimmte Person oder Rechtsverhältnisse verglichen. Die dritte Alternative versteht das Herkunftslandprinzip als einen Verweis nicht nur in das Sachrecht, sondern auch in das Kollisionsrecht am Ort der Heimatniederlassung des Anbieters. Das letztendlich entscheidende anwendbare Recht hinge somit davon ab, ob das Kollisionsrecht des Herkunftslandes die Verweisung annimmt oder eine Rück- oder Weiterverweisung ausspricht. Im Gegensatz zur ersten Alternative kann sich hier der Anbieter hinsichtlich der

751 Mankowski, GRUR Int. 1999, 909, 912 f.; ders., ZVglRWiss 100 (2001), 137, 140 f., 152 ff., 179 f.; ders., CR 2001, 630, 632; ders., IPRax 2002, 257, 261 f.; Waldenberger, EuZW 1999, 296, 298; Gierschmann, DB 2000, 1315, 1316; Maennel, MMR 1999, 187, 188 f.; Lindholm/Maennel, CRi 2000, 65, 66; Dethloff, JZ 2000, 179, 181; Naskret, Das Verhältnis zwischen Herkunftslandprinzip und Internationalem Privatrecht in der Richtlinie zum elektronischen Geschäftsverkehr, S. 114; Bender/ Sommer, RIW 2000, 260, 261 f.; Fallenböck, Internet und Internationales Privatrecht, S. 188 ff., 202 ff.; Thünken, IPRax 2001, 15, 20 ff.; ders., Das kollisionsrechtliche Herkunftslandprinzip, S. 84 f.; Härting, DB 2001, 80 f.; ders., CR 2001, 271, 273; Lurger/Vallant, RIW 2002, 188, 198; seit RabelsZ 66 (2002), 633, 655 auch Spindler (vgl. Fn. 753). 752 Vgl. dazu Ausführungen bei Lurger/Vallant, RIW 2002, 188, 195 f.; Fezer/ Koos, IPRax 2000, 349, 531 m.w. N.; Drasch, Das Herkunftslandprinzip im internationalen Privatrecht, S. 331 f.; Spindler, RabelsZ 66 (2002), 633, 655 ff.; zum Günstigkeitsprinzip in Form der kollisionsrechtlichen Sachnormverweisung allgemein: Lurger, ZfRV 1995, 178. 753 Spindler, ZUM 1999, 775, 785; ders., MMR 2000 Beilage 7, 4, 9; ders., NJW 2002, 921, 926; Hanika, MedR 2000, 205, 211; Hoeren, MMR 1999, 192, 195; Hübner, EuZW 2001, 225, 225.

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Anwendbarkeit des materiellen Rechts seines Niederlassungsstaates nicht immer sicher sein. (b) Herkunftslandprinzip als materiell-rechtliche Korrektur der lex causae Eine andere Ansicht in der Literatur754 sieht in dem Herkunftslandprinzip lediglich ein Korrektiv der lex causae zugunsten des Niederlassungsrechts des Anbieters auf materiell-rechtlicher Ebene, also eine Art Günstigkeitsprinzip bzw. „Rosinentheorie“ wie man es, allerdings mit umgekehrten Vorzeichen, aus Art. 29 Abs. 1 EGBGB kennt.755 Das anzuwendende Sachrecht wird hier zunächst nach den allgemeinen Kollisionsregeln ermittelt und dieses materiellrechtliche Anwendungsergebnis im konkreten Fall gegebenenfalls zugunsten der niedrigeren (weniger strengen) Anforderungen der entsprechenden Normen des Herkunftslandes modifiziert. Nach dieser Deutung ließe das Herkunftslandprinzip die nationalen Kollisionsregeln des Forumstaates unberührt und käme wie die Grundfreiheiten des EGV erst im Rahmen eines konkreten Günstigkeitsvergleichs auf materiell-rechtlicher Ebene zum Einsatz.756 Die berufenen Normen der lex causae gelangen hiernach insofern nicht zur Anwendung, als sie den freien Dienstleistungsverkehr über die Anforderungen des Herkunftslandrechts des Anbieters hinaus einschränken würden.757

754 Fezer/Koos, IPRax, 2000, 349, 353; Staudinger-Fezer/Koos, Int. WirtR, Rn. 555 ff.; Flesner, Die Behinderungen des binnenmarktgrenzüberschreitenden Vertragsschlusses und die Möglichkeiten ihrer Beseitigung, S. 63; Halfmeier, ZEuP 2001, 837, 864 ff.; Staudenmayer, in: Lando/Magnus/Novak-Stief, Angleichung des materiellen und des internationalen Privatrechts in der EU, S. 57, 73; Schmidt und Prieß, in: Spindler/Börner, E-Commerce-Recht in Europa und den USA, S. 177; Reich/Halfmeier, 106 Dickinson Law Review (2001), 111, 133; Sack, WRP 2000, 269, 282 f.; ders., WRP 2001, 1408, 1411 f.; ders., WRP 2002, 271, 273 ff.; Ahrens, CR 2000, 835, 837 ff.; Maennel, MMR 1999, 187, 188 f.; Schack, MMR 2000, 59, 63; Brenn, ÖJZ 1999, 481, 483 f.; Menzel/Ofner, in: Bauknecht/Brauer/Mück, Informatik 2001 – Band 2, S. 994, 998 f.; Naumann, Präsentationen im Internet als Verstoß gegen §§ 1, 3 UWG, S. 103 f.; Lehmann, ZUM 1999, 180, 181; Glöckner, ZVglRWiss 99 (2000), 278, 305 f.; Landfermann, in: FS 75 Jahre MPI, S. 503, 512; Tettenborn, K&R 2000, 59, 60; Leible, in: Nordhausen, Neue Entwicklungen in der Dienstleistungs- und Warenverkehrsfreiheit, S. 71, 83; Rosenboom, Das Herkunftslandprinzip im europäischen Dienstleistungsrecht, S. 119 ff.; Crabit, Rev. Droit de l’U.E. 2000, 749, 798; vermittelnd Ohly, GRUR Int. 2001, 899, 902. 755 Vgl. zu Art. 29 EGBGB: Looschelders, EGBGB, Art. 29 Rn. 64 m.w. N. – konkreter Ergebnisvergleich im zu entscheidenden Fall. 756 Vgl. Fezer/Koos, IPRax 2000, 349, 352; Spindler, MMR 1999, 199, 206; Arndt/ Köhler, EWS 2001, 102, 106; Ahrens, CR 2000, 835, 837 f. 757 Schädlich, Grenzüberschreitende Telemedizin-Anwendungen, S. 107 f.

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(c) Stellungnahme Die Antwort auf die Frage, welcher der erörterten Deutungsansätze hinsichtlich des Verhältnisses des Herkunftslandprinzips zum Kollisionsrecht der Mitgliedstaaten vorzugswürdig ist, bleibt entgegen vereinzelter widersprüchlicher Stimmen in der Literatur758 auch nach der vom deutschen Gesetzgeber getroffenen Umsetzung des Herkunftslandprinzips in § 3 Abs. 1 und 2 TMG, welche sich sehr eng an den Richtlinientext hält, nach wie vor unklar.759 Befürworter der Einordnung als Kollisionsnorm schließen zwar aufgrund der ausdrücklichen Ausnahme der Rechtswahlfreiheit auf eine entsprechende kollisionsrechtliche Würdigung des Herkunftslandprinzips. Mit Blick auf die fehlende Struktur des Ausnahmenkatalogs im Anhang zu Art. 3 Abs. 3 ECRL bzw. § 3 Abs. 3 TMG kann dies aber allenfalls ein Indiz sein.760 Gegen die Deutung des Herkunftslandprinzips als Kollisionsnorm bzw. Regelung mit kollisionsrechtlichem Gehalt761, gleich in welcher Ausrichtung, spricht jedoch schon der klare Wortlaut des Art. 1 Abs. 4 ECRL bzw. des § 1 Abs. 5 TMG sowie die erklärte Zielrichtung des Normgebers selbst, das in den Mitgliedstaaten geltende Internationale Privatrecht nicht antasten zu wollen.762 Abgesehen von der ausdrücklich angestrebten IPR-Neutralität führen die aufgezeigten möglichen Interpretationen der kollisionsrechtlichen Qualifikation zu eher fragwürdigen Ergebnissen. Versteht man das Herkunftslandprinzip als Sachnormverweisung, so wird zwar grundsätzlich umfassend den Anbieterinteressen entsprochen. Jedoch ergibt sich aufgrund der noch bestehenden erheblichen Abweichungen der mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen in einigen Bereichen (z. B. im allgemeinen Haftungsrecht, Lauterkeitsrecht) die Gefahr der Abwanderung von Diensteanbietern in jene Mitgliedstaaten mit den jeweils geringsten rechtlichen Anforderungen.763 Diesem Standortwettbewerb sind aber erfahrungsgemäß nur Großunternehmen gewachsen, so dass kleine und mittel-

758 Vgl. z. B. Schädlich, S. 107 f., der ohne nähere Begründung in § 3 TMG (ehemals § 4 TDG) eine Entscheidung des deutschen Gesetzgebers für den Weg der materiell-rechtlichen Korrektur der lex causae sieht; anders: Lurger/Vallant, RIW 2002, 188, 199, 201, welche in § 3 TMG (ehemals § 4 TDG) eine Normierung eines „kollisionsrechtlichen Herkunftslandprinzips“ sehen; ebenso Naskret, Das Verhältnis zwischen Herkunftslandprinzip und Internationalem Privatrecht in der Richtlinie zum elektronischen Geschäftsverkehr, S. 138 f. 759 So auch Spindler, NJW 2002, 921, 926; ders., RIW 2002, 183, 185. 760 So auch Naskret, S. 62. 761 Zur Unterscheidung in der Terminologie Nachweise bei Handig, WBl. 2003, 253, 255; Thünken, IPRax 2001, 15, 20 spricht auch von einer „versteckten Kollisionsnorm“ bzw. einer „supranationalen Kollisionsnorm“. 762 Vgl. Fezer/Koos, IPRax, 2000, 349, 352; Staudinger-von Hoffmann, EGBGB, Art. 40 Rn. 298; Nickels, DB 2001, 1919, 1922; so auch ausdrücklich Kropholler, IPR, § 52 III 3. h).

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große Betriebe häufig nicht mehr mithalten könnten und damit benachteiligt würden.764 Aus diesem „Wettbewerb der Rechtsordnungen“ könnte sich das Risiko eines sogenannten „race to the bottom“ ergeben, also eine Rechtsangleichung/Nivellierung innerhalb der EU auf minimalem Schutzniveau.765 Die Annahme einer Sachnormverweisung auf das Herkunftsland könnte lediglich im Falle der Verkopplung mit einer umfassenden Harmonisierung der Rechtsgebiete, auf die sich das Herkunftslandprinzip bezieht, befürwortet werden. Daran mangelt es im Falle der E-Commerce-Richtlinie. Hier ist das Herkunftslandprinzip nicht rechtsgebietsspezifisch ausgelegt, m. a. W. fallen hierunter alle Regelungen, die auf Online-Diensteanbieter anwendbar sind.766 Die Alternative der Sachnormverweisung nach dem Günstigkeitsprinzip (Vergleich der in Betracht kommenden Rechtsordnungen) vermeidet eine solche Benachteiligung der in Ländern mit hohen Schutzstandards niedergelassenen Anbieter, indem die Rechtsordnungen mit höheren Anforderungen auf Kosten der Interessen der jeweiligen Vertragspartner nicht zur Anwendung kommen.767 Jedoch käme man hier dem erklärten Ziel der E-Commerce-Richtlinie, Rechtssicherheit für die Anbieter zu schaffen768, keinen Schritt näher. Im Gegenteil: die Ungewissheit und die damit verbundenen Rechtsermittlungskosten werden bei einem Günstigkeitsvergleich verschiedener Rechtsordnungen noch weiter in die Höhe getrieben, da der Anbieter mit verschiedenen Rechtsordnungen konfrontiert wäre, deren Konsequenzen er für sich nur schwer abschätzen kann.769 Zudem ergibt sich weder aus dem Wortlaut des Art. 3 Abs. 1 und 2 ECRL noch aus der Umsetzung in § 3 Abs. 1 und 2 TMG ein Anhaltspunkt für eine Auslegung nach dem Günstigkeitsprinzip. Die deutschen Umsetzungsentwürfe zur Neufassung des damaligen Teledienstegesetzes, die eine entsprechende kollisionsrechtliche Verweisung nach dem Günstigkeitsprinzip enthielten, scheiterten letztendlich.770 Im Übrigen erscheint fraglich, inwieweit ein abstrakter Günstigkeitsvergleich der Rechtsordnungen überhaupt möglich ist. 763 Spindler, ZUM 1999, 775, 781, 785; ders., MMR 2000 Beilage 7, 4, 8; Mankowski, GRUR Int. 1999, 909, 914; Huppertz, MMR 2000, 329, 333; Karenfort/Weißgerber, MMR 2000 Beilage 7, 38, 39. 764 Mankowski, GRUR Int. 1999, 909, 914; ders., ZVglRWiss 100 (2001), 137, 162; Fritze/Holzbach, WRP 2000, 872, 875; Lurger/Vallant, RIW 2002, 188, 194. 765 Fezer/Koos, IPRax 2000, 349, 354; Landfermann, ZUM 1999, 795, 799; Hoeren, MMR 1999, 192, 194; Mankowski, GRUR Int. 1999, 909, 914; Bender/Sommer, RIW 2000, 260, 262; Bodewig, GRUR Int. 2000, 475, 482 f.; Karenfort/Weißgerber, MMR 2000 Beilage 7, 38, 39; Lurger/Vallant, RIW 2002, 188, 194 m.w. N.; Naskret, S. 146 ff.; kritisch hinsichtlich des Schutzes der öffentlichen Gesundheit vor allem Hanika, MedR 2000, 205, 212. 766 Vgl. Ausführungen bei Spindler, RabelsZ 66 (2002), 633, 639 f. 767 Vgl. Lurger/Vallant, RIW 2002, 188, 195 m.w. N. 768 Vgl. Erwägungsgründe 5, 7 und 22 S. 3 der ECRL. 769 Vgl. Spindler, RabelsZ 66 (2002), 633, 657 f.; Lurger/Vallant, RIW 2002, 188, 195 m.w. N.

III. Vertragsrechtliche Aspekte

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Auch das Verständnis des Herkunftslandprinzips als Gesamtnormverweisung kann letztlich nicht überzeugen. Zwar besteht hier aufgrund der Tatsache, dass das anwendbare materielle Recht von etwaigen Rück- und Weiterweisungen der zur Anwendung berufenen Rechtsordnung abhängig ist und damit der Anbieter sich hinsichtlich der Anwendbarkeit des materiellen Niederlassungsrechts nicht sicher sein kann771, eine geringere Gefahr eines „race to the bottom“. Jedoch spricht bereits der Normzweck der E-Commerce-Richtlinie, die Rechtslage deutlich zu vereinfachen und damit mehr Rechtssicherheit zu schaffen, gegen diese Auslegung. Denn indem die jeweiligen Herkunftsländer frei darin sind, den Sachverhalt nach einem vom Herkunftsrecht abweichenden Statut zu beurteilen, besteht die Gefahr von Mehrfachanknüpfungen mit unterschiedlichen Schutzstandards, was dem Ziel der Schaffung eines einheitlichen Euro-Marketings zuwiderliefe.772 Je nach IPR des Niederlassungsortes und je nach Rechtsgebiet würde ein anderes Recht gelten. Der Ort der Niederlassung würde materiell-rechtlich an Bedeutung verlieren.773 Die Rechtslage würde sich für die Anbieter bei Auslegung des Herkunftslandprinzips als Gesamtverweisung damit eher unübersichtlich gestalten. Die Ansicht in der Literatur, nach der das Herkunftslandprinzip lediglich als materiell-rechtliches Korrektiv marktstörender Ergebnisse der kollisionsrechtlichen Anknüpfung zum Einsatz kommt, trägt den ausdrücklich erklärten Zielen des Normgebers, keine zusätzlichen Regeln im Bereich des Internationalen Privatrechts hinsichtlich des anwendbaren Rechts zu schaffen sowie die Rechtslage für die Internet-Anbieter deutlich zu vereinfachen, am ehesten Rechnung. Hier bleibt die Ermittlung des grundsätzlich anwendbaren Rechts zunächst den nationalen Kollisionsnormen des jeweiligen Forumstaates überlassen. Kommt danach ohnehin das Recht des Herkunftslandes zur Anwendung, ist dieses auch dann maßgebend, wenn es höhere rechtliche Anforderungen als die rechtlichen Regelungen des Bestimmungslandes stellt. Zwar wird damit die EG-rechtlich erlaubte „Inländerdiskriminierung“ in das Ausland transportiert774, was aber im Hinblick darauf, dass der Anbieter sich für Inlandssachverhalte ohnehin auf diesen rechtlichen Standard einstellen muss und dieser damit keinen strengeren

770 Vgl. Ausführungen bei Lurger/Vallant, RIW 2002, 188, 198 f.; Spindler, RabelsZ 66 (2002), 633, 655 ff.; ders., NJW 2002, 921, 926; Sack, WRP 2002, 271, 272; Tettenborn, in: Moritz/Dreier, Rechts-Handbuch zum E-Commerce, Teil C Rn. 451. 771 Hier besteht für den Anbieter lediglich die Sicherheit der Anwendung des IPR seines Niederlassungsstaates, vgl. Lurger/Vallant, RIW 2002, 188, 196. 772 Fezer/Koos, IPRax 2000, 349, 353; Staudinger-Fezer/Koos, Int. WirtR, Rn. 551. 773 Hanika, MedR 2000, 205, 211, Hoeren, MMR 1999, 192, 195; Mankowski, GRUR Int. 1999, 909, 913; Staudinger-von Hoffmann, EGBGB, Art. 40 Rn. 298. 774 Vgl. Lurger/Vallant, RIW 2002, 188 bzgl. der vergleichbaren Situation bei Annahme einer Sachnormverweisung.

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§ 3 Kollisionsrechtliche Behandlung des Arzthaftungsrechts

Anforderungen ausgesetzt ist, als ihm schon bekannt sind, hinzunehmen ist.775 Führt jedoch die kollisionsrechtliche Prüfung des Sachverhaltes zur Anwendung eines anderen Rechts (meist dem des Empfangslandes/Bestimmungslandes), erfolgt in einer zweiten Stufe im Falle eines liberaleren Herkunftslandrechts eine Modifizierung des zur Anwendung berufenen Sachrechts.776 Im Falle eines für den Telemediziner günstigeren Empfangsstaatsrechts, z. B. hinsichtlich des Umfangs der Beweislast oder der Aufklärungs- und Sorgfaltpflichten, kommt dieses zur Anwendung, d. h. es bleibt bei den kollisionsrechtlich ermittelten anwendbaren Rechtsregeln. Damit wird das Herkunftslandrecht sachrechtlicher Prüfungsmaßstab und wirkt wie eine verschärfte777 Sonderform der Grundfreiheitenprüfung. Ohne das jeweilige nationale Kollisionsrecht des Forumstaates anzutasten, wird damit m. E. der Gesetzes- bzw. Richtlinienintention hinsichtlich der Anwendung des dem Anbieter bekannten Niederlassungsrechts778 optimal entsprochen. Sollte sich in naher Zukunft auf europäischer Ebene kein einheitliches Verständnis hinsichtlich des Verhältnisses des Herkunftslandprinzips zum nationalen Kollisionsrecht entwickeln, wird es wohl die Aufgabe des Europäischen Gerichtshofs sein, eine letztendliche Klärung dieses Streitpunkts herbeizuführen. Nach der hier vertretenen Auffassung bleibt es damit bei der grundsätzlichen Anwendung des Kollisionsrechts des Forumstaates. Das in der E-CommerceRichtlinie und im TMG verankerte Herkunftslandprinzip stellt nur ein materiellrechtliches Korrektiv zur berufenen lex causae dar. (2) Vermutungsregelung des Art. 28 Abs. 2 EGBGB Grundsätzlich ist daher zunächst das deutsche Kollisionsrecht maßgeblich. Somit bleibt es auch für den Bereich der Telemedizin grundsätzlich bei der widerleglichen Vermutung des Art. 28 Abs. 2 EGBGB, wonach das Recht des Staates anzuwenden ist, in dem der Telearzt bei Vertragsschluss praktiziert, d. h. seine Niederlassung hat, was regelmäßig mit dem Ort übereinstimmen wird, von dem aus er seinen Beitrag zur Behandlung leistet.779 Im Rahmen von Inter775 Anders jedoch Sack, WRP 2001, 1408, 1411 f. und WRP 2002, 271, 275, der auch im Rahmen dieser Ansicht immer einen Günstigkeitsvergleich befürwortet, also auch im Falle der nach dem Kollisionsrecht ermittelten Anwendbarkeit des Herkunftslandrechts. 776 Dies betrifft jedoch nur die außervertraglichen Ansprüche, vgl. unter (4) (a). 777 Die Grundfreiheitenprüfung nach dem EGV besitzt mit Blick auf die weiten Rechtfertigungsmöglichkeiten sowie die Lockerung der Prüfung durch die „Keck“Rechtsprechung gegenüber dem Herkunftslandprinzip mit seinen engen Rechtfertigungsgründen (Art. 3 Abs. 2 i.V. m. Abs. 4 bis 6 ECRL bzw. § 3 Abs. 2 i.V. m. Abs. 5 TMG) und dem in diesem Zusammenhang einzuhaltenden Verfahren einen durchlässigeren Standard, vgl. Lurger/Vallant, RIW 2002, 188, 197; Handig, WBl. 2003, 253, 255. 778 Vgl. Erwägungsgrund 22 ECRL.

III. Vertragsrechtliche Aspekte

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netgeschäften ist dabei unerheblich, wo sich der Server befindet, über den der Anbieter von Gesundheitsleistungen seine Informationen in das Internet einstellt oder über welchen er seine Geschäfte abwickelt, da hierbei nicht von einer dauerhaften Einrichtung gesprochen werden kann, die in der Gesamtorganisation des Anbieters von entscheidender Bedeutung ist. Der Server ist vielmehr durch eine bloße Schaltung örtlich sehr variabel, und zwar in kürzester Zeit, so dass man mit Blick auf den Rechtsverkehr hierin keinen verlässlichen Geschäftsschwerpunkt erblicken kann.780 Er erfüllt nur eine Hilfsfunktion und ist daher unbeachtlich. Zu überprüfen ist jedoch auch hier wiederum, ob die Vermutung zugunsten des Niederlassungsrechts trotz ihrer Schaffung von Rechtssicherheit aufgrund der Vorhersehbarkeit der lex causae in allen Fällen grenzüberschreitender Telemedizin-Applikationen das geeignete Anknüpfungsmerkmal der engsten Verbindung ist oder ob u. U. eine Korrektur zugunsten des Rechts des tatsächlichen Behandlungsortes (physische Präsenz des Patienten) angebracht ist. Der literarische Meinungsstand dazu ist aufgrund der Tatsache, dass der weltweite Trend zur Entwicklung der Telemedizin erst in den vergangenen Jahren ein geradezu exponentielles Wachstum erfahren hat und sich diese neuen Formen der Leistungserbringung bis dahin im nahezu rechtsfreien Raum bewegten, überschaubar. Hoppe781 als einer der ersten, die sich mit dem Verhältnis von Telemedizinanwendungen und internationalem Arztrecht (v. a. Arzthaftungsrecht) auseinander setzten, bleibt bezüglich der grenzüberschreitenden Involvierung eines Telemediziners grundsätzlich bei der Wertung des Art. 28 Abs. 2 S. 2 EGBGB. Der Behandlungsbeitrag des z. B. „online“ zugeschalteten Arztes im Rahmen einer in einem anderen Land stattfindenden Operation sei ausschließlich in dessen Heimatland782 zu lokalisieren. Nirgendwo sonst erbringe er die in Art. 28 Abs. 2 EGBGB beschriebene vertragscharakteristische Leistung. Zugunsten des Art. 28 Abs. 5 EGBGB macht er für die Fälle eine Ausnahme, in denen beide Parteien demselben Staat angehören oder denselben gewöhnlichen Aufenthalt haben. Als Beispiel führt er die Behandlung eines inländischen Patienten durch einen im 779 Bei dem Behandlungsort des Patienten (Ort, an dem sich der Patient physisch befindet) handelt es sich nicht um eine Zweigniederlassung i. S. d. Art. 28 Abs. 2 S. 2, 2. HS EGBGB. Es fehlt schon an der ausschließlichen Leistungserbringung durch die Zweigniederlassung, was für eine Abweichung von der Anknüpfung an die Hauptniederlassung erforderlich ist – dazu eingehend Schädlich, Grenzüberschreitende Telemedizin-Anwendungen, S. 130 f. 780 Mankowski, RabelsZ 63 (1999), 203, 226 ff.; Junker, RIW 1999, 809, 818; Spindler-Börner, E-Commerce-Recht in Europa und den USA, S. 176 f.; a. A. Busse, CR 1996, 392. 781 Hoppe, MedR 1998, 462, 465; ebenso Pielach, Haftungsfragen in der Telemedizin, S. 207. 782 Gemeint ist in diesem Zusammenhang das Niederlassungsland.

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Ausland praktizierenden Telemediziner mit deutscher Staatsangehörigkeit bzw. durch einen ausländischen Telemediziner, der vorübergehend im Ausland praktiziert, aber seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, an. Dem folgt im Ergebnis auch Stellpflug783, der neben Art. 29 Abs. 2 EGBGB die Vermutung des Art. 28 Abs. 2 EGBGB für grundsätzlich anwendbar erachtet. Auch Steffen784 sieht bei Fehlen einer Parteivereinbarung die Anknüpfung an das Recht am Praxisort, von dem aus der Telearzt seinen Behandlungsbeitrag leistet, als die sachlich richtige an, da der Arzt gerade wegen des dort praktizierten und erworbenen Wissens bzw. der Spezialerfahrung hinzugezogen wird. Zu demselben Ergebnis kommt Wirbel-Rusch785. Bohle, der sich in seinen Ausführungen hauptsächlich mit der Möglichkeit der Rechtswahl auseinandersetzt, bleibt ebenfalls im Falle deren Fehlens bei der Wertung des Art. 28 Abs. 2 EGBGB.786 Dierks hingegen äußert sich zu diesem Thema eher widersprüchlich. Während er in seiner Habilitationsschrift787 die Anwendung des „Rechts des gewöhnlichen Aufenthaltslandes“788 des telekonsiliarisch tätigen Arztes als für den Patienten überraschend erachtet und die Gefahr von Haftungsverkürzungen sieht, hält er kurz darauf das von der G-8-Telemedizin-Arbeitsgruppe empfohlene Prinzip des „lokalen Standards“ für begrüßenswert und Rechtssicherheit schaffend789. Danach sollen Ärzte verpflichtet sein, den für ihr berufliches Umfeld verbindlichen Standard einzuhalten, unabhängig davon, aus welchem Land eine Leistung nachgefragt wird. Durch die Möglichkeit des Patienten und seines Arztes vor Ort, sich über diesen lokalen Standard im Vorfeld zu informieren, sei auch ein gewisses Maß an Vorhersehbarkeit gegeben. Die Umsetzung dieses „Lokalprinzips“ auch auf haftungsrechtliche Fragen wird als nächster Schritt hin zur Schaffung von Rechtssicherheit innerhalb der Telemedizin gesehen. Soweit ersichtlich, steht lediglich Schädlich790 dieser fast einhelligen Meinung zur Anwendung des Art. 28 Abs. 2 EGBGB im bisherigen Schrifttum kritisch gegenüber. In seinem Lösungsvorschlag stellt er für die Ermittlung der engsten Verbindung vor allem auf die kollisionsrechtlichen Interessen der Beteiligten, die Vorhersehbarkeit der lex causae und die möglichst erfolgreiche Herstellung des inneren und äußeren Entscheidungseinklangs ab. Er bedient sich dabei des Vergleichs dreier unterschiedlicher Erscheinungsformen von Telemedizin-Applikationen: die Telemedizin in horizontaler Arbeitsteilung (z. B. Tele783

ZaeFQ 2001, 615, 616. Steffen, in: FS für Stoll, S. 71, 87. 785 Wirbel-Rusch, Telemedizin, S. 118 f. (bezogen auf Art. 4 EVÜ). 786 Bohle, in: Dierks/Feussner/Wienke, Rechtsfragen der Telemedizin, S. 81, 85. 787 Dierks, Rechtliche und praktische Probleme der Integration von Telemedizin in das Gesundheitswesen in Deutschland, S. 32. 788 Es dürfte der Niederlassungsort des Arztes gemeint sein. 789 Dierks, Ärzte Zeitung v. 26.07.2000. 790 Schädlich, S. 138 ff. 784

III. Vertragsrechtliche Aspekte

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konsil, Teleoperationen), die Telemedizin im Rahmen der Luft- und Schifffahrt und der direkte telemedizinische Arzt-Patienten-Kontakt (z. B. in Form von Gesundheitsportalen im Internet).791 Lediglich bei letztgenannter Fallgruppe teilt er die fast ausnahmslose Zustimmung in der Literatur hinsichtlich der Vermutung des Art. 28 Abs. 2 EGBGB, sofern Art. 29 Abs. 2 EGBGB nicht einschlägig ist. Hier findet keine gleichzeitige Präsenzbehandlung durch weitere Ärzte statt, so dass die Gefahr von Haftungskonflikten nicht besteht. Zudem begeben sich sowohl der Patient als Internetnutzer als auch der konsultierte Arzt bewusst in die Rechtssphäre des jeweils anderen. Ein vorzugswürdiges kollisionsrechtliches Interesse des Patienten, das eine Anknüpfung an das Recht seines gewöhnlichen Aufenthaltes (Behandlungsortrecht) rechtfertigte, ist auch nicht gegeben.792 Eine Wertung des gegenüber Art. 28 EGBGB speziellen Art. 29 EGBGB ergibt, dass ein solches Interesse dann besteht, wenn dem Vertragsschluss eine Werbung oder ein ausdrückliches Angebot des Arztes im Aufenthaltsstaat des Patienten vorausgegangen ist und dieser die erforderlichen Rechtshandlungen an diesem Ort vorgenommen hat. Geht die Initiative also vom Patienten aus und begibt er sich von sich aus „virtuell“ ins Ausland – im Falle des Nichtvorliegens einer zielgerichteten Werbung im Land des Verbraucheraufenthaltes793 – oder nimmt der Patient die erforderlichen Rechtshandlungen im Ausland vor, rechtfertigt dies im Umkehrschluss die Widerlegung der Vermutungsregelung des Art. 28 Abs. 2 EGBGB nicht. Gegenstück dazu sei die Form der horizontalen Arbeitsteilung, die den Hauptanteil der Telemedizinanwendungen („Charakteristikum der Telemedizin“794) ausmacht. Hier liege, entsprechend den Fällen der Präsenzbehandlung, ein einheitliches Ganzes bildender Lebenssachverhalt von Diagnose und Therapie zwischen Patient, Präsenzarzt und Telemediziner vor, der durch die haftungsrechtliche Beurteilung nach dem jeweiligen Niederlassungsrecht des Arztes bzw. Verwaltungssitz des Krankenhausträgers kollisionsrechtlich zerrissen und damit positive bzw. negative Haftungskonflikte nach sich ziehen würde. Hinsichtlich der näheren Begründung kann auf die Ausführungen im Rahmen des aktiven Dienstleistungsverkehrs verwiesen werden. Auch bezüglich des Zusammentreffens von Telemediziner(n) und Präsenzsärzten überwiege daher das Interesse an einem einheitlichen Haftungsstatut hinsichtlich aller Teilleistungen 791

Schädlich, S. 144 ff. Schädlich, S. 149 f. 793 Folgt man der Ansicht, wonach aufgrund der weltweiten Zugangsmöglichkeit jede Internetpräsenz eines Gesundheitsportals Werbung i. S. d. Art. 29 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB darstellt, wäre – vorausgesetzt die erforderlichen Rechtshandlungen des Verbrauchers erfolgen an dessen gewöhnlichem Aufenthaltsort – immer Art. 29 Abs. 2 EGBGB einschlägig. 794 Schädlich, S. 150; vgl. dazu auch Pflüger, VersR 1999, 1070, 1073 ff. 792

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§ 3 Kollisionsrechtliche Behandlung des Arzthaftungsrechts

der Gesamtbehandlung, was mit der Anknüpfung an den Aufenthaltsort des Patienten zur Zeit der Behandlung als das „Gravitationszentrum“ bzw. den „Kristallisationspunkt des koordinierten ärztlichen Wirkens“795 realisiert wird. Während Schädlich damit in den zwei Hauptkategorien der Telemedizin (direkter Arzt-Patienten-Kontakt, horizontale Arbeitsteilung) hinsichtlich der engsten Verbindung des Lebenssachtverhaltes zu eindeutigen Ergebnissen kommt (Niederlassungsort des Arztes bzw. Verwaltungssitz des Krankenhauses, Ort des ärztlichen Kooperationsbedürfnisses), fällt bezüglich der Fälle in Luft- und Schifffahrt796 die Ermittlung der engsten Verbindung nicht so einmütig aus. In Betracht kommen grundsätzlich wieder gemäß der Vermutungsregel des Art. 28 Abs. 2 EGBGB das jeweilige Niederlassungsrecht/Verwaltungssitzrecht der beteiligten Ärzte/Krankenhäuser oder das Recht am Ort der kooperativen Zusammenarbeit (Flaggenrecht des Schiffes/Flugzeuges) gem. Art. 28 Abs. 5 EGBGB. Hier sei zu differenzieren, ob neben den durch die Reederei bzw. Fluggesellschaft ausgewählten Telemedizinern ein Bordarzt anwesend ist oder nicht bzw. ob es sich bei dem vor Ort behandelnden Mediziner um einen als Passagier mitreisenden Arzt handelt. Bei letzterem soll es bei der Anwendung des ihm vertrauten Niederlassungsrechts gem. der Vermutung des Art. 28 Abs. 2 EGBGB bleiben, da die Geltung des Flaggenrechts im Falle des schicksalhaften und unvorhersehbaren Zusammentreffens an Bord für den Arzt völlig überraschend sei und das Verhalten von Ärzten in der Hinsicht beeinflussen könnte, sich in Notsituationen aufgrund der möglichen Anwendung eines fremden Rechts nicht als solche zu erkennen zu geben.797 Das Interesse des Patienten an einem einheitlichen Haftungsstatut müsse in diesen Fällen hinter dem Interesse an der Notfallhilfe zurücktreten. Bei der horizontalen Arbeitsteilung der Telemediziner mit Bordärzten sei jedoch wiederum gem. Art. 28 Abs. 5 EGBGB auf den Behandlungsort als den Ort des koordinierten Zusammenwirkens und damit qualifizierte engere Verbindung abzustellen. Aber auch dann, wenn an Bord ein Arzt gänzlich fehlt, sieht Schädlich in dem Behandlungsortrecht, das mit dem Flaggenrecht identisch ist, 795

Schädlich, S. 144 f. Vor allem im Rahmen des Flugverkehrs setzt sich der drahtlose Netzzugang mittels der WLAN-Technik als Alternative zur dritten Mobilfunkgeneration UMTS immer mehr durch. Durch eine Verkabelung des Patienten mit einem Computer im Notfallkoffer können medizinische Werte (durch Anlegung von EKG-Elektroden, Blutdruckmessgerät am Arm, Sauerstoffmessung durch Sensoren am Finger) aufgezeichnet und über mehrere Zwischenstationen (bordinternes Netz, Antenne am Flugzeug, Satelliten, Bodenstation) per Internet in Echtzeit an ein rund um die Uhr mit einem Notfallarzt besetztes Call-Center geleitet werden, welches nach Auswertung der Daten bestimmte Behandlungsempfehlungen zurück ins Flugzeug schicken kann; vgl. dazu http:// www.aerztezeitung.de/docs/2004/02/13/027a2201.asp?cat= (Titel: Drahtloses Internet im Flugzeug kann Leben retten). 797 Schädlich, S. 148 f. 796

III. Vertragsrechtliche Aspekte

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eine engere Verbindung zu Art. 28 Abs. 5 EGBGB. Zwar kommt es hier lediglich zu einer vertikalen Arbeitsteilung des Telemediziners mit dem sonstigen Personal an Bord, so dass Haftungskonflikte nicht zu erwarten sind. Jedoch sei das Niederlassungs- bzw. Verwaltungssitzrecht des Telemedizinanbieters nur vom Beförderer, welcher diesen auswählt, beeinflussbar, und für den Patienten völlig überraschend und zufällig. Der Behandlungsort und damit das Flaggenrecht sei jedoch für beide Parteien vorhersehbar, für den Patienten mit der Wahl des Transportmittels und dem latenten Bewusstsein um die Möglichkeit der Benötigung ärztlicher Hilfe an Bord, für den Telemediziner mit dem Zurverfügungstellen seiner Dienstleistung gegenüber dem Beförderer. Die gleichen Erwägungen hinsichtlich der Anknüpfung des Telemedizinstatuts greifen nach Schädlich auch im Falle einer Kooperation mit einem unter den Passagieren befindlichen Arzt, für den es, wie oben erwähnt, bei der Anwendung des ihm bekannten Niederlassungsrechts bleibt. Zu näheren Einzelheiten sei an dieser Stelle aufgrund der praktisch nicht vordergründigen Relevanz auf die entsprechenden Ausführungen des Verfassers verwiesen.798 (3) Stellungnahme Wie auch im Rahmen der aktiven Dienstleistungsfreiheit steht der Anknüpfung gemäß der Vermutung des Art. 28 Abs. 2 EGBGB (Niederlassung des Telemediziners bzw. Verwaltungssitz des Krankenhausträgers) grundsätzlich so lange nichts entgegen, wie der Telemediziner allein, also ohne das Zusammenwirken mit einem „Primärbehandler“ vor Ort, tätig wird. Fraglich ist, inwieweit in der Praxis derartige Telemedizin-Konstellationen vorkommen. Wie Schädlich richtig anführt, ist zum einen an die beratende Tätigkeit über Gesundheitsportale im Internet zu denken. Der Anwendungsbereich verkleinert sich in diesen Fällen aber entscheidend dadurch, dass es sich hierbei überwiegend um Verbraucherverträge i. S. d. Art. 29 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB handeln wird, so dass gem. Art. 29 Abs. 2 und 3 EGBGB das Heimatrecht des Verbrauchers bzw. Patienten das alleinige Vertrags- und Formstatut bildet. Nur die Fälle, in denen nach dem objektiven Verbraucherhorizont ein Zuschnitt der Werbung auf den Verbraucherstaat nicht gegeben ist oder der Verbraucher die erforderlichen Rechtshandlungen nicht an seinem gewöhnlichen Aufenthaltsort vornimmt, unterliegen im Rahmen der objektiven Anknüpfung dem Art. 28 EGBGB. Diese dürften jedoch einen vergleichsweise geringen Teil ausmachen. Aber gerade die Tatsache, dass es sich hier nicht um Verbraucherverträge i. S. d. Art. 29 Abs. 1 EGBGB handelt, die des kollisionsrechtlichen Schutzes des Art. 29 Abs. 2 und 3 EGBGB bedürfen, spricht für eine Anwendung der Vermutungsregel des Art. 28 Abs. 2 EGBGB in diesem Fall. 798

Schädlich, S. 146 ff.

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§ 3 Kollisionsrechtliche Behandlung des Arzthaftungsrechts

Neben dem Bereich der Gesundheitsplattformen spielen Telemedizin-Applikationen durch einen im Ausland befindlichen Arzt ohne die Beteiligung eines Präsenzarztes vor Ort nur in den seltensten Fällen eine Rolle. Eine ärztliche Behandlung, die ausschließlich auf Telekommunikation beruht (Fernbehandlung), genügt bereits nicht den Anforderungen des Weltärztebundes, da sie nicht der geforderten Sorgfalt entspricht.799 Zudem sind die Grundsätze der unzulässigen Fernbehandlung auch im Rahmen der Telemedizin im Berufsrecht der einzelnen Mitgliedstaaten weitgehend verankert.800 Ausgenommen hiervon ist selbstverständlich die vorläufige Betreuung bei Neuerkrankungen zur Überbrückung der Zeit bis zum Arztbesuch/zum Eintreffen ärztlicher Hilfe und die sonstige Tätigkeit im Rahmen von Notdiensten in Situationen, in denen kein Arzt vor Ort ist (z. B. in Flugzeugen oder auf hoher See/Handelsschifffahrt). Ob und inwieweit gerade in den letztgenannten Fällen das Flaggenrecht eine qualifizierte engere Verbindung i. S. v. Art. 28 Abs. 5 EGBGB darstellt und eine „interessengerechte Waffengleichheit“ zwischen Telemediziner und Patient herstellen kann, ist zweifelhaft. Die Vorhersehbarkeit des Behandlungsortes für beide Parteien als entscheidendes Kriterium vermag nicht zu überzeugen. Bei der Wahl der Fluggesellschaft bzw. der Reederei durch den potentiellen Patienten wird die Möglichkeit eines medizinischen Notfalls wohl kaum eine Rolle spielen, vielmehr dürften Reisedauer und der Preis die ausschlaggebenden Kriterien sein. Zwar würde das zur Anwendung kommende Niederlassungsrecht des Telemediziners allein durch die im Vorfeld getroffene Wahl des Transportunternehmens beeinflusst, meist ist dieser bzw. das dahinterstehende Krankenhaus sogar vertraglich an den Beförderer gebunden. Eine stärkere Vertrauensbeziehung des Fluggastes zum Flaggenrecht als zum Niederlassungsrecht des Telemediziners, was Anlass zu einer abweichenden rechtlichen Beurteilung bieten würde, kann aber trotzdem nicht angenommen werden. Außer der Tatsache, dass an Bord der Wirkungsort des telemedizinischen Handelns liegt, weist das Recht der Flagge keinen weiteren Bezug zum Leistungsaustausch auf. Vielmehr hat es den Charakter eines interessenneutralen Drittrechts. Daher sollte es m. E. auch in diesen Fällen bei der Regelanknüpfung an das Recht des Niederlassungsorts des Telemediziners bleiben, von dem aus er auch aktiv wird. Eine abweichende Anknüpfung gem. Art. 28 Abs. 5 EGBGB an den Aufenthaltsort des Patienten als dem Ort des vorhersehbaren ärztlichen Kooperationsbedürfnisses ist jedoch, wie schon im Rahmen des aktiven Dienstleistungsverkehrs, in den Bereichen grenzüberschreitender Telemedizin zu befürworten, die von horizontaler Arbeitsteilung geprägt sind. Es spielt dabei keine Rolle, welche Qualität diese Arbeitsteilung hat, also ob der spezialisierte Telearzt ledig799 Vgl. Dierks, in: Dierks/Feussner/Wienke, Rechtsfragen der Telemedizin, S. 1, 23 unter Verweis auf die von der 44. Generalversammlung in Marbella, Spanien, verabschiedeten Erklärung des Weltärztebundes, September 1992. 800 Vgl. zur Situation in Deutschland Fn. 586.

III. Vertragsrechtliche Aspekte

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lich konsiliarisch zur weiteren Diagnostik und Befundung herangezogen wird, ohne die Behandlung selbst zu übernehmen, oder ob eine selbständige diagnostische oder therapeutische Mitbehandlung getrennt von der des Erstbehandlers erfolgt.801 Die Entscheidung, wann eine konsiliarische Behandlung802 in eine Mitbehandlung übergeht803, ist ohnehin nicht immer klar zu treffen.804 (4) Bedeutung des Herkunftslandprinzips gem. § 3 TMG Hat der Anbieter von Telediensten seine Niederlassung in einem EU-Mitgliedstaat und erbringt dieser seine Leistungen auch grenzüberschreitend innerhalb des Binnenmarktes, gilt gem. § 3 Abs. 1 und 2 TMG im Falle einer vom Herkunfts- bzw. Niederlassungsrecht verschiedenen lex causae folgende Besonderheit: Schränken bestimmte Vorschriften der lex causae den freien Dienstleistungsverkehr über die Anforderungen des Niederlassungsrechts hinausgehend ein, kommen diese nicht zur Anwendung. (a) Sachliche Reichweite des Herkunftslandprinzips – Ausklammerung des gesamten internationalen Vertragsrechts? Dieses Herkunftslandprinzip gilt für den so genannten „koordinierten Bereich“, definiert in Art. 2 h) ECRL. Hierbei handelt es sich um eine weitreichende Formel, die sich im Ergebnis auf sämtliche Rechtsvorschriften bezieht, die in irgendeiner Weise Online-Aktivitäten berühren.805 Dazu zählen gem. Art. 2 i) ECRL auch alle rechtlichen Anforderungen an Diensteanbieter und deren Dienste bezüglich der Aufnahme sowie Ausübung der Tätigkeit (Verhaltens-, Qualitäts- und Inhaltsanforderungen) einschließlich der auf Werbung und Verträge anwendbaren Anforderungen sowie Anforderungen betreffend die Verantwortlichkeit des Diensteanbieters. Daraus folgert die h. M., dass das Herkunftslandprinzip grundsätzlich auch ein gemeinschaftsrechtliches Korrektiv binnenmarktstörender Ergebnisse im Rahmen des internationalen Schuldvertragsrechts bilden muss.806 801

So auch Schädlich, S. 144, 146. Konsiliarische Befundung (second opinion) – häufig im Rahmen der Telepathologie (Schnellschnittdiagnose) und Teleradiologie (z. B. Analysierung von Mammographiefilmen) zu finden. 803 Häufig im Rahmen der Teletherapie (Teleoperationen, Telechirurgie durch Robotertechnik). 804 Vgl. Tillmanns, Die persönliche Leistungserbringungspflicht im Arztrecht und die Telemedizin, S. 46 ff. i.V. m. Fn. 110. 805 Vgl. Spindler, ZUM 1999, 775, 781. 806 So u. a. Spindler, RabelsZ 66 (2002), 633, 684; ders., IPRax 2001, 400, 402; ders., NJW 2002, 921, 926; Ahrens, CR 2000, 835, 837; Nickels, DB 2001, 1919, 1921; Lurger/Vallant, RIW 2002, 188, 189. 802

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§ 3 Kollisionsrechtliche Behandlung des Arzthaftungsrechts

Einige Stimmen in der Literatur bezweifeln jedoch, dass das Herkunftslandprinzip des § 3 TMG im Rahmen des internationalen Schuldvertragsrechts Geltung erlangen soll – verwunderlich im Hinblick auf den eindeutigen Wortlaut des Art. 2 i) ECRL – und klammern diesen Bereich vollständig aus der sachlichen Reichweite des Herkunftslandprinzips aus.807 Mankowski 808 begründet diese sachliche Ausnahme des internationalen Schuldvertragsrechts mit dem Respekt des Gemeinschaftsrechtsgebers vor den bestehenden Staatsverträgen EVÜ und EuGVÜ sowie den Vorarbeiten zur bereits in Kraft getretenen EuGVO. Die ausdrückliche Ausnahme der Rechtswahlfreiheit sowie des gesamten Bereichs der Verbraucherverträge bewertet er als bloße Klarstellung mit deklaratorischem Charakter, die die grundsätzliche Ausnahme des internationalen Schuldvertragsrechts vom Herkunftslandprinzip gerade untermauert. Zudem spreche das kollisionsrechtliche Prinzip der engsten Verbindung, auf welches in Art. 4 Abs. 5 EVÜ bzw. Art. 28 Abs. 5 EGBGB als einer „Zentralnorm in dem Versuch, Vorhersehbarkeit und Flexibilität, Sicherheit schaffende Regelbildung und Einzelfallgerechtigkeit miteinander in Einklang zu bringen“809, ausdrücklich Bezug genommen wird, dafür, das Herkunftslandprinzip zumindest teleologisch zu reduzieren, soweit es ansonsten die Anwendung der Art. 4 Abs. 5 EVÜ/Art. 28 Abs. 5 EGBGB auszuschließen drohe.810 Angesichts der Systematik der E-Commerce-Richtlinie sowie deren Umsetzung im TMG erscheint die Haltbarkeit dieser Argumentation äußerst zweifelhaft. Die ausdrücklich gemachten Bereichsausnahmen bezüglich der Rechtswahlfreiheit und des vertraglichen Verbraucherschutzrechts zeigen, dass der übrige gesamte Vertragsbereich sehr wohl im Blickpunkt des Herkunftslandprinzips stehen muss. Sollte das internationale Vertragsrecht generell ausgenommen sein, wären die gemachten Ausnahmen zum Herkunftslandprinzip sinnentleert bzw. hätte es dieser nicht bedurft.811 Hinzu kommt, dass im Zuge der Beratungen zur E-Commerce-Richtlinie gerade um den Umfang des vertraglichen Verbraucherschutzes heftig gerungen wurde. Schließlich widersprechen die Ausfüh807 Vgl. Mankowski, ZVglRWiss 100 (2001), 137, 153 ff.; ders., in: Grosheide, ECommerce issue, Molengrafica 1999/2000, S. 97, 132 f.; ders., IPRax 2002, 257, 264; bezogen auf Art. 3 Abs. 3 des geänderten Vorschlags der E-Commerce-Richtlinie vom 1.9.1999 (welcher später wieder aufgehoben wurde) Dethloff, JZ 2000, 179, 181; Schädlich, S. 164 f.; Menzel/Ofner, in: Bauknecht/Brauer/Mück, Informatik 2001 – Band 2, S. 994, 999. 808 Vgl. nur ZVglRWiss 100 (2001) 137, 154 f.; so auch Dethloff, JZ 2000, 179, 180 f. 809 Mankowski, ZVglRWiss 100 (2001), 137, 157. 810 Mankowski, ZVglRWiss 100 (2001), 137, 157; ders., IPRax 2002, 257, 264 f. 811 So auch Spindler, IPRax 2001, 400, 402; ders., RabelsZ 66 (2002) 633, 684 f.; Naskret, Das Verhältnis zwischen Herkunftslandprinzip und Internationalem Privatrecht in der Richtlinie zum elektronischen Geschäftsverkehr, S. 35 f.

III. Vertragsrechtliche Aspekte

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rungen Mankowskis dem ausdrücklichen Wortlaut der oben genannten Bestimmung des „koordinierten Bereiches“ in Art. 2 h), i) ECRL812 sowie dem zweiten Halbsatz des Erwägungsgrundes Nr. 23 der Richtlinie, in welchem noch einmal klargestellt wird, dass auch die durch das Kollisionsrecht der Mitgliedstaaten zur Anwendung berufenen Normen die Freiheit des Dienstleistungsverkehrs nicht einschränken dürfen. Warum gerade bezüglich des Vertragsrechts im Gegensatz zu anderen Rechtsgebieten (internationales Wettbewerbs- und Deliktsrecht) eine Ausnahme gemacht werden soll, ist zudem im Hinblick darauf nicht zu verstehen, dass kollisionsrechtlich in jedem Rechtsgebiet, nicht nur im Vertragsrecht, das sachnächste Recht zur Anwendung kommen soll. Warum sollte ausgerechnet im Vertragsrecht dieses allgemeine Prinzip des Kollisionsrechts gegenüber der Schaffung von Rechtssicherheit für den Diensteanbieter durch Geltung des Herkunftslandprinzips überwiegen? Der staatsvertragliche Ursprung allein dürfte als Argument wohl kaum ausreichend sein. Brenn813 sowie Menzel und Ofner814 geben schließlich zu bedenken, dass die Nichterwähnung des Art. 4 EVÜ im Anhang der Richtlinie zu Art. 3 ECRL darauf zurückzuführen sei, dass die Europäische Kommission Art. 4 EVÜ und Art. 3 ECRL fälschlich als deckungsgleich eingestuft und damit dessen ausdrückliche Ausnahme für entbehrlich gehalten hat. Die Kommission habe das Prinzip der charakteristischen Leistung gem. Art. 4 Abs. 2 EVÜ als widerlegbare gesetzliche Vermutung und die Möglichkeit der Korrektur gem. Art. 4 Abs. 5 EVÜ verkannt und daher lediglich Art. 3 und 5 EVÜ im Anhang der Richtlinie als nicht vom Herkunftslandprinzip verdrängte Bestimmungen genannt. Jedoch erscheint es mehr als zweifelhaft, aufgrund derartiger Spekulationen über einen möglicherweise bestehenden Rechtsirrtum der Kommission über den eindeutigen Wortlaut der Richtlinie hinwegzugehen. Zudem klärt auch diese Argumentation nicht die grundsätzliche Frage, warum gerade im Rahmen der objektiven Anknüpfung im Vertragsrecht die Schaffung von Rechtssicherheit für den Diensteanbieter von geringerem Interesse sein soll als in anderen Bereichen, die ohne Zweifel dem Herkunftslandprinzip unterliegen.815 Schädlich816 kommt in seinen Ausführungen zu demselben Ergebnis wie Mankowski, jedoch mit einer völlig anderen Argumentation. Er gibt zu bedenken, dass das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Kollisionsrecht durch das EVÜ bzw. durch die korrespondierenden Vorschriften des EGBGB EWG-weit einheitlich gestaltet ist, d. h. unabhängig vom Standort des zu entscheidenden Gerichts innerhalb der Mitgliedstaaten vorhersehbar sei, welchem 812 813 814

Hier werden explizit die auf Verträge anwendbaren Anforderungen erwähnt. Brenn, ÖJZ 1999, 481, 483 ff. Menzel/Ofner, in: Bauknecht/Brauer/Mück, Informatik 2001 – Band 2, S. 994,

999. 815 816

Wie z. B. internationales Wettbewerbsrecht, internationales Deliktsrecht. A. a. O., S. 164 f.

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§ 3 Kollisionsrechtliche Behandlung des Arzthaftungsrechts

Recht der jeweilige Vertrag unterliegt. Daher sei es gar nicht möglich, dass die Anforderungen der lex causae den freien Dienstleistungsverkehr mehr einschränken als die des Rechts des Niederlassungsstaates. Das in der E-Commerce-Richtlinie und jetzt auch im § 3 TMG verankerte Herkunftslandprinzip habe somit auf das Vertragsstatut keinen Einfluss. Diese Argumentation leuchtet jedoch unter zwei verschiedenen Aspekten nicht ein. Zum einen ist zu beachten, dass es sich bei dem EVÜ um die einzige Materie im europäischen Internationalen Privatrecht handelt, welche noch die Form eines völkerrechtlichen Vertrages hat. Daraus resultierte bis zum 1.8.2004 und damit auch noch zur Zeit der von Schädlich gemachten Ausführungen, dass es allein den nationalen Gerichten obliegt, die Regeln des Übereinkommens zu interpretieren und auszulegen. Zwar bestimmen Art. 18 EVÜ und der korrespondierende Art. 36 EGBGB, dass die für vertragliche Schuldverhältnisse geltenden Vorschriften in den Vertragsstaaten einheitlich ausgelegt und angewendet werden sollen. Damit ist jedoch die Gefahr der unterschiedlichen Interpretation von Gesetzeslücken bzw. auslegungsbedürftigen Bestimmungen durch die nationalen Gerichte nicht gebannt. Derartige Divergenzen könnten sich auch im Rahmen der Fallgruppenbildung hinsichtlich der „engeren Verbindung mit einem anderen Staat“ gem. Art. 28 Abs. 5 EGBGB/Art. 4 Abs. 5 EVÜ ergeben. Insbesondere wurde die Ausweichklausel des Art. 4 Abs. 5 EVÜ von nationalen Gerichten teilweise dazu genutzt, die Wertungen des nationalen althergebrachten Kollisionsrechts im „neuen“ IPR versteckt fortzuführen.817 Diese großzügige Handhabung des Art. 4 Abs. 5 EVÜ ist bisher vor allem bei den englischen und schottischen Gerichten auszumachen.818 Hierin liegt ein eindeutiger Verstoß gegen Art. 18 EVÜ, wonach auch die Ausweichklausel übereinkommensautonom auszulegen und auszufüllen ist.819 Eine weitere Tendenz im Rahmen der Auslegung des Art. 4 Abs. 5 EVÜ ist die Bevorzugung bzw. übermäßige Anwendung der lex fori, je nach Sachverhaltslage durch eine großzügige oder durch eine strenge Handhabung der Ausweichklausel.820 Daher ist es z. B. auch nicht gesagt, dass die Gerichte aller Staaten in den Fällen der horizontalen Arbeitsteilung einheitlich an den Ort des ärztlichen Kooperationsbedürfnisses (physischer Aufenthaltsort des Patienten) anknüpfen, so dass es sein kann, dass ein Gericht abweichend von dem oben präferierten Ergebnis das jeweilige Niederlassungs817 Vgl. Grünbuch über die Umwandlung des Übereinkommens von Rom aus dem Jahr 1980 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht in ein Gemeinschaftsinstrument sowie über seine Aktualisierung (von der Kommission vorgelegt), S. 18; KOM (2002) 654 endg.; Mankowski, ZEuP 2002, 811, 819 f.; ders., IPRax 2003, 464, 466 m. zahlr. Nachw. 818 Vgl. die Ausführungen Mankowskis zu Kenburn Waste Management Ltd. v. Heinz Bergmann (2002) I.L.Pr. 588 (C.A.) und Ennstone Building Products Ltd. v. Stanger Ltd. (2002) 2 All ER (Comm) 479 (C.A.) in IPRax 2003, 464 ff. 819 Mankowski, IPRax 2003, 464, 466. 820 Mankowski, ZEuP 2002, 811, 820; ders., IPRax 2003, 464, 466 f.

III. Vertragsrechtliche Aspekte

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recht der beteiligten Ärzte gemäß der Regelvermutung des Art. 28 Abs. 2 EGBGB/Art. 4 Abs. 2 EVÜ als Vertragsstatut bestimmt. Die dem Übereinkommen von Rom beigefügten zwei Protokolle, wonach dem Europäischen Gerichtshof die Zuständigkeit für die Auslegung des Übereinkommens übertragen werden wird, sind zum 1.8.2004 in Kraft getreten, so dass es nun an diesem ist, für eine einheitliche Auslegung zu sorgen. Erst recht die bereits geplante Überleitung des Übereinkommens in einen Rechtsakt des sekundären Gemeinschaftsrechts – angedacht ist die Regelung in einer EG-Verordnung i. S. d. Art. 249 Abs. 2 EGV821 – würde es gem. Art. 220 EGV erlauben, dass der Europäische Gerichtshof über die einheitliche Auslegung und Anwendung der Kollisionsregeln auf Gemeinschaftsniveau wacht, so dass der Dienstleistungserbringer immer unabhängig vom gemeinschaftsinternen Forum vorhersehbar einer einzigen Rechtsordnung unterliegt.822 Die von Schädlich angeführte Vorhersehbarkeit des anwendbaren Vertragsrechts unabhängig vom Standort des zu entscheidenden Gerichts ergibt sich also nicht schon automatisch aufgrund EU-weit vereinheitlichter Kollisionsnormen, vielmehr ist die einheitliche Auslegung der Kollisionsnormen hierfür entscheidend, die de facto erst mit dem Inkrafttreten der beiden Auslegungsprotokolle zum EVÜ für die Zukunft sichergestellt wurde. Der zweite Aspekt betrifft die Frage, inwieweit sich tatsächlich aus einer EUweiten Vereinheitlichung des schuldvertraglichen Kollisionsrechts die fehlende Notwendigkeit einer materiellen Korrektur der lex causae zugunsten des Rechts des Herkunftslandes in einem Binnenmarktsachverhalt ergibt. Schädlich823 begründet sein Ergebnis mit der Ratio legis sowie mit der richtlinienkonformen Interpretation des TMG bezüglich des Herkunftslandprinzips, da es das Ziel der Richtlinie sei, „. . . Rechtsunsicherheit der auf Dienste der Informationsgesellschaft jeweils anzuwendenden nationalen Regelungen“824 zu vermeiden. Diese Argumentation ist jedoch verwunderlich, vor allem vor dem Hintergrund, dass Schädlich sich im Grundsatz für das Herkunftslandprinzip als sachrechtliche Korrektur der lex causae im Sinne eines günstigeren Herkunftsrechts ausspricht, also die Anwendbarkeit der vom IPR des Forumstaates berufenen lex causae dann verneint, wenn sie im Verhältnis zum Niederlassungsrecht den freien Dienstleistungsverkehr einschränkt. Nur wenn man das Herkunftslandprinzip als kollisionsrechtliches Prinzip (entweder in der Form einer Gesamt- oder einer Sachnormverweisung) versteht, wäre die Argumentation Schädlichs nachvollziehbar. Betrachtet man jedoch das Recht des Herkunftslandes nur als Prüfungs821 Vgl. Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I), KOM (2005) 650 endg. 822 Zum Vorabentscheidungsverfahren gem. Art. 2 des Ersten Protokolls zum EVÜ bzw. Art. 234 EG vgl. von Hoffmann/Thorn, IPR, § 10 Rn. 22 a. 823 Schädlich, S. 164 f. 824 Erwägungsgrund 5 der ECRL.

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§ 3 Kollisionsrechtliche Behandlung des Arzthaftungsrechts

maßstab, d. h. misst man das anzuwendende Sachrecht materiell-rechtlich an den Normen des Herkunftslandes und reduziert es, sobald es über den Standard des Herkunftslandes hinausgeht bzw. sich diese Normen als permissiv erweisen, so hat die Einheitlichkeit oder Unterschiedlichkeit der jeweiligen nationalen Kollisionsregeln hierauf keinen Einfluss. Die EU-weite kollisionsrechtliche Einheitlichkeit kann damit für die Frage einer Korrektur des Vertragsstatuts durch das Herkunftslandprinzip nicht ausschlaggebend sein. Insgesamt ist somit der herrschenden Ansicht zu folgen, wonach das Herkunftslandprinzip grundsätzlich auch ein gemeinschaftsrechtliches Korrektiv binnenmarktstörender Ergebnisse im Rahmen des internationalen Schuldvertragsrechts bilden muss. (b) Freiheit der Rechtswahl und Vorschriften über die vertraglichen Schuldverhältnisse in Bezug auf Verbraucherverträge als Ausnahmen zum Herkunftslandprinzip Im Weiteren ist zu klären, inwieweit die Beachtung bzw. Umsetzung des Herkunftslandprinzips im Rahmen vertragsrechtlicher Ansprüche im Bereich der Telemedizin Bedeutung erlangen könnte. Gem. Art. 28 Abs. 2 EGBGB/Art. 4 Abs. 2 EVÜ kommt auf den Vertrag ohnehin regelmäßig das Niederlassungsrecht des Anbieters der charakteristischen Leistung zur Anwendung. Die Anwendbarkeit einer anderen Rechtsordnung als der des Niederlassungsstaates des Anbieters kann sich, wie bereits erörtert, lediglich in den Fällen einer anderweitigen Rechtswahl (Art. 27 EGBGB/Art. 3 EVÜ), des Verbrauchervertragsrechts (Art. 29 EGBGB/Art. 5 EVÜ) und einer engeren Verbindung gem. Art. 28 Abs. 5 EGBGB/Art. 4 Abs. 5 EVÜ ergeben. Nach § 3 Abs. 3 Nr. 1 und 2 TMG bzw. Art. 3 Abs. 3 i.V. m. Anhang der ECRL (5. und 6. Spiegelstrich) werden jedoch vom Anwendungsbereich des Herkunftslandprinzips die Vorschriften über die freie Rechtswahl sowie die Vorschriften für vertragliche Schuldverhältnisse in Bezug auf Verbraucherverträge825 ausdrücklich ausgenommen. In diesen Fällen ist das kollisionsrechtlich ermittelte Vertragsstatut unumstößlich, es kann somit unter keinen Umständen im Sinne des Herkunftsrechts des Telemediziners korrigiert werden. Kommt es also zu einer autonomen Bestimmung des anwendbaren Rechts durch Vereinbarung zwischen Arzt und Patient und wird nicht das Niederlassungsrecht des Arztes gewählt, so kommt dieser nicht in den Genuss der Privilegierung nach § 3 Abs. 1 und 2 TMG/Art. 3 Abs. 1 und 2 ECRL. Fraglich ist jedoch, was genau unter „Vorschriften für vertragliche Schuldverhältnisse in Bezug auf Verbraucherverträge“ zu verstehen ist. Weithin Einigkeit besteht mittlerweile zunächst darin, dass von dieser Regelung nicht nur spezifi825

Vgl. Erwägungsgründe 11, 23 und 55 der Richtlinie.

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sche Verbraucherschutzvorschriften (z. B. §§ 312 ff. BGB), sondern auch „verbraucherneutrale“ Vorschriften826 umfasst sind, die den unterlegenen Vertragsteil und damit de facto den Verbraucher schützen (z. B. § 138, culpa in contrahendo bzw. jetziger Anspruch aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 BGB).827 Folglich sind auch allgemeine vertragsrechtliche Fragen im Rahmen eines Verbrauchervertrages vom Herkunftslandprinzip ausgenommen. Gewonnen wird diese Auslegung zum einen aus dem allgemein gehaltenen Wortlaut des § 3 Abs. 3 Nr. 2 TMG/Art. 3 Abs. 3 i.V. m. Anhang der ECRL (6. Spiegelstrich), in welchen nur die Rede davon ist, dass es sich um „Vorschriften über die vertraglichen Schuldverhältnisse in Bezug auf Verbraucherverträge“ handeln muss und nicht etwa eine Begrenzung auf nur dem Verbraucherschutz dienenden Vorschriften besteht.828 Auch der 56. Erwägungsgrund der ECRL, welcher auch vorvertragliche Informationspflichten in diese Ausnahme mit einbezieht, legt eine solche Auslegung nahe.829 Schließlich spricht die parallele Handhabung im Rahmen von Art. 29 EGBGB/Art. 5 EVÜ und der damit erreichte Gleichklang für die Einbeziehung neutraler Vertragsvorschriften, die im Rahmen eines Verbrauchervertrages Anwendung finden.830 Wie bereits unter Art. 29 EGBGB erörtert, handelt es sich bei den zwingenden vertraglichen Schadensersatzansprüchen im Rahmen der Arzthaftung um Regelungen, die geeignet und bestimmt sind, den Patienten als Verbraucher und Vertragspartner zu schützen, auch wenn die Verbrauchereigenschaft des Geschädigten nicht Grundlage für die Geltendmachung vertraglicher Schadensersatzansprüche ist. Somit können

826 Gemeint sind Normen, die nicht spezifisch auf Verbraucher ausgerichtet sind bzw. nicht tatbestandlich die Beteiligung eines Verbrauchers als Vertragspartner voraussetzen. 827 Spindler, RabelsZ 66 (2002), 633, 686 f.; ders., ZHR 165 (2001), 324, 343 f.; ders., IPRax 2001, 400, 403; Naskret, Das Verhältnis zwischen Herkunftslandprinzip und Internationalem Privatrecht in der Richtlinie zum elektronischen Geschäftsverkehr, S. 33; im Gegensatz dazu ging der deutsche Gesetzgeber im Rahmen des Umsetzungsentwurfs zunächst davon aus, dass hiervon nur Vorschriften erfasst sind, die explizit auf den Schutz des Verbrauchers ausgerichtet sind und nicht solche, die generell für Verträge gelten, vgl. Entwurf eines Gesetzes über rechtliche Rahmenbedingungen für den elektronischen Geschäftsverkehr (Elektronischer-Geschäftsverkehr-Gesetz – EGG), Begründung zu § 4 Abs. 3 Nr. 2 TDG, BT-Drs. 14/6098 vom 17.5.2001, S. 17 f. Jedoch wurde nach heftiger Kritik der ursprüngliche Wortlaut („die Vorschriften für Verbraucherverträge, die im Rahmen von Telediensten geschlossen werden“) entsprechend der Vorgabe der ECRL („die Vorschriften für vertragliche Schuldverhältnisse in Bezug auf Verbraucherverträge“) angepasst, so dass nun anders als in der Entwurfsfassung nicht mehr nur spezifische Verbraucherschutzbestimmungen umfasst sind, vgl. Naskret, S. 135. 828 Spindler, RabelsZ 66 (2002), 633, 687. 829 Vgl. Staudenmayer, in: Lando/Magnus/Novak-Stief, Angleichung des materiellen und des internationalen Privatrechts in der EU, S. 57, 73; Naskret, S. 33; Spindler, IPRax 2001, 400, 408. 830 Spindler, RabelsZ 66 (2002), 633, 687 f.; Naskret, S. 135.

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§ 3 Kollisionsrechtliche Behandlung des Arzthaftungsrechts

die Regelungen vertraglicher Arzthaftungsansprüche grundsätzlich der Ausnahme des vertraglichen Verbraucherschutzes unterfallen. Fraglich ist jedoch, von welchen Kriterien die Annahme eines Verbrauchervertrages i. S. d. § 3 Abs. 3 Nr. 2 TMG/Art. 3 Abs. 3 i.V. m. Anhang der ECRL (6. Spiegelstrich) abhängt. Nach einem Teil der Literatur kann sich der Ausschluss vom Anwendungsbereich des Herkunftslandprinzips zur Vermeidung von Konflikten mit dem nationalen Kollisionsrecht bzw. dem Verbraucherkollisionsrecht des EVÜ lediglich auf die gem. Art. 29 EGBGB/Art. 5 EVÜ begünstigten Verträge beziehen831 und nicht auf den gesamten Business-to-Consumer(B2C)-Bereich. Folgt man dieser Ansicht, ist unter dem Aspekt der Geltung des Herkunftslandprinzips wiederum von besonderem Interesse, ob man für die Annahme eines unter den in Art. 29 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB bezeichneten Umständen zustande gekommenen Verbrauchervertrages einen Zuschnitt der Web-Seite des Diensteanbieters auf die lokale Zielgruppe nach dem Verbraucherhorizont für notwendig erachtet oder nicht. Nimmt der Verbraucher nicht, wie in Art. 29 Abs. 1 Nr. 1 a. E. EGBGB bestimmt, die zum Vertrag erforderlichen Rechtshandlungen an seinem gewöhnlichen Aufenthalt832 vor, findet die Dienstleistungserbringung ausschließlich in einem anderen Staat als dem des gewöhnlichen Aufenthalts des Patienten statt bzw. kommt der Vertrag über die Erbringung grenzüberschreitender telemedizinischer Dienste insgesamt nicht aufgrund der Werbung oder des ausdrücklichen Angebots des ausländischen Arztes sondern allein auf Initiative des Patienten zustande833 und bestimmt sich das auf den Vertrag anzuwendende Recht damit nach der objektiven Anknüpfung gem. Art. 28 EGBGB, würden die zur Anwendung berufenen Sachnormen dem „Einzugsgebiet“ des Herkunftslandprinzips unterfallen. Da Art. 28 Abs. 2 EGBGB dann ohnehin das Niederlassungsrecht des Anbieters von Telediensten zur Anwendung beruft, würde sich das Herkunftslandprinzip damit faktisch auf die Fälle auswirken, in denen gem. Art. 28 Abs. 5 EGBGB eine engere Verbindung zu einem anderen Staat als dem Sitzstaat des Telemediziners gemäß der Regelanknüpfung des Art. 28 Abs. 2 EGBGB besteht. Wie eben bereits gezeigt, kommt vor allem bei grenzüberschreitenden Telemedizinanwendungen, die in horizontaler Arbeitsteilung mit einem oder mehreren Primärbehandlern vor Ort erfolgen, ein vom Niederlas831 Schädlich, Grenzüberschreitende Telemedizin-Anwendungen, S. 164; Handig, WBl. 2003, 253, 256; vgl. hierzu auch die Argumentation bei Fallenböck, Internet und Internationales Privatrecht, S. 191 und Brenn, ÖJZ 1999, 481, 483 f. 832 Der gewöhnliche Aufenthalt des Verbrauchers muss sich natürlich innerhalb der Europäischen Gemeinschaft befinden, ansonsten kommt das Herkunftslandprinzip ohnehin nicht zur Anwendung, vgl. unter § 1 V. 833 Allesamt Fälle eines „aktiven Verbrauchers“, während Art. 29 EGBGB nur den „passiven Verbraucher“ schützen will, vgl. Staudenmayer, in: Lando/Magnus/NovakStief, Angleichung des materiellen und des internationalen Privatrechts in der EU, S. 57, 73 m.w. N.

III. Vertragsrechtliche Aspekte

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sungsrecht abweichendes Recht, nämlich das tatsächliche Aufenthaltsortsrecht des Patienten, zur Anwendung, welches regelmäßig mit dem des gewöhnlichen Aufenthaltes übereinstimmt. Enthielte dieses Recht über das teleärztliche Niederlassungsrecht hinausgehende Anforderungen, die den freien Dienstleistungsverkehr innerhalb des Binnenmarkts einschränken, würde das Herkunftslandprinzip Bedeutung erlangen und es bliebe diesbezüglich bei den entsprechenden Regelungen des Niederlassungsrechts des Arztes.834 Ist also ein spanischer Telemediziner an einer Operation in Deutschland in horizontaler Arbeitsteilung beteiligt, so ist zwar nach vorzugswürdiger Ansicht gem. Art. 28 Abs. 5 EGBGB lex causae deutsches Sachrecht, jedoch würden im Falle überschießender Standards die jeweiligen strengeren deutschen Sachnormen als europarechtswidrig nicht angewandt und durch das spanische Sachrecht überlagert. Der überwiegende Teil der Stimmen in der Literatur beschränkt die Bereichsausnahme für „Vorschriften über vertragliche Schuldverhältnisse in Bezug auf Verbraucherverträge“ gem. § 3 Abs. 3 Nr. 2 TMG (bzw. 6. Spiegelstrich des Anhangs zu Art. 3 ECRL) nicht lediglich auf die durch Art. 29 EGBGB bzw. Art. 5 EVÜ begünstigten Verbraucherverträge, sondern sieht hiervon alle Verträge zwischen Unternehmern und Verbrauchern (den gesamten B2C-Bereich) erfasst.835 Entscheidend soll also nur sein, dass es sich bei dem Vertragspartner des Anbieters von Telediensten um einen Verbraucher handelt. Als Verbraucher gilt gem. Art. 2 e) ECRL jede natürliche Person, die zu Zwecken handelt, die nicht zu ihren gewerblichen, geschäftlichen oder beruflichen Tätigkeiten gehören. Für das TM G ergibt sich die Definition des Verbraucherbegriffs aus dem inhaltlich deckungsgleichen § 13 BGB. Folgt man dieser Ansicht, wird vom Herkunftslandprinzip lediglich der zwischen Unternehmern stattfindende Vertragsrechtsverkehr (Business-to-Business (B2B)-Verträge), für den keine Rechtswahl getroffen wurde, erfasst. Daraus resultiert ein relativ schmaler Anwendungsbereich, zumal regelmäßig gem. Art. 28 Abs. 2 S. 2 EGBGB ohnehin das Niederlassungsrecht des Anbieters maßgeblich für die Bestimmung der zur Anwendung berufenen Rechtsordnung ist. Lediglich in den B2B-Konstellationen, in denen gem. Art. 28 Abs. 5 EGBGB eine engere Verbindung als zum Niederlassungsrecht des Anbieters besteht, können sich Abweichungen ergeben. Liegt ein Vertrag mit einem Verbraucher vor, bestimmt sich das anwendbare Sachrecht dagegen allein nach den kollisionsrechtlichen Verweisungsnormen des internationalen Schuldvertragsrechts, ganz gleich, ob dieses aufgrund der Anknüp834 Zu beachten ist an dieser Stelle, dass hier keine gewöhnliche Grundfreiheitenprüfung stattfindet, vielmehr das Niederlassungsrecht des Anbieters Vergleichsobjekt ist, vgl. unter III. 5. b) cc) (1) (c) a. E. 835 Staudenmayer, in: Lando/Magnus/Novak-Stief, S. 57, 73; Naskret, Das Verhältnis zwischen Herkunftslandprinzip und Internationalem Privatrecht in der Richtlinie zum elektronischen Geschäftsverkehr, S. 36; Spindler, RabelsZ 66 (2002), 633, 685; ders., MMR 2000 Beilage 7, 4, 13; Tettenborn, K&R 2000, 59, 60; Tettenborn/Bender/Lübben/Karenfort, BB Beilage 10/2001, 1, 10.

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§ 3 Kollisionsrechtliche Behandlung des Arzthaftungsrechts

fung in Art. 29 EGBGB/Art. 5 EVÜ oder Art. 28 EGBGB/Art. 4 EVÜ zur Anwendung berufen wird.836 Für den Bereich der grenzüberschreitenden telemedizinischen Dienstleistungserbringung bedeutet dies folgendes: da es sich bei dem Patienten als Vertragspartner eines Arztes immer um einen Verbraucher im Sinne der genannten Vorschriften handelt, wäre jeder Arztvertrag ein Verbrauchervertrag i. S. d. § 3 Abs. 3 Nr. 2 TMG, so dass der gesamte Bereich vertraglicher Schadensersatzansprüche im Bereich der Telemedizin vom Herkunftslandprinzip ausgenommen ist, ganz gleich welcher Rechtsanwendungsbefehl (Art. 29, Art. 28 Abs. 2 oder 5 EGBGB) zur Anwendung kommt. Insgesamt betrachtet, beschränkt sich der Unterschied zwischen den beiden hinsichtlich der Definition des Verbrauchervertrags divergierenden Ansichten damit auf die Fälle, in denen eine Anknüpfung des Vertrages gem. Art. 29 nicht in Betracht kommt (mangels Eröffnung des räumlich-situativen Anwendungsbereichs bzw. aufgrund des Vorliegens einer reinen Auslandsdienstleistung gem. Art. 29 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 EGBGB) und eine von der Regelvermutung des Art. 28 Abs. 2 EGBGB abweichende Anknüpfung gem. Art. 28 Abs. 5 vorliegt. Die Frage ist also, ob man neben den von Art. 29 EGBGB geschützten „passiven Verbrauchern“ auch die „aktiven Verbraucher“ schützen will. Der ersten Ansicht ist zuzugeben, dass mit dem bloßen Schutz der „passiven Verbraucher“ im vertraglichen Bereich ein Gleichklang mit Art. 29 EGBGB erreicht würde, wie er schon hinsichtlich der Frage, welche Art von Normen erfasst sein sollen, besteht. Jedoch ist nicht ersichtlich, inwieweit im Falle einer anderweitigen Auslegung zu vermeidende Wertungswidersprüche zu erwarten wären. Abgesehen davon ist weder der Definition des Verbraucherbegriffs in Art. 2 e) ECRL noch dem Wortlaut des 55. Erwägungsgrundes837 zu entnehmen, dass der Verbraucher im Rahmen des E-Commerce ebenso wie im Rahmen der kollisionsrechtlichen Anknüpfung lediglich in den Fällen schützenswert ist, in denen der Vertrag aufgrund verschiedener Beziehungen zum Aufenthaltsstaat des Verbrauchers in die Nähe eines Inlandsgeschäfts rückt. Aus dem 55. Erwägungsgrund wird zwar deutlich, dass durch die Ausnahme der sich aus Verbraucherverträgen ergebenden vertraglichen Schuldverhältnisse vermieden werden soll, dass durch die Richtlinie dem Verbraucher der Schutz entzogen wird, der ihm durch die zwingenden Vorschriften bzgl. vertraglicher Verpflichtungen des Mitgliedstaates, in dem er seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, ge836 Vgl. Staudenmayer, in: Lando/Magnus/Novak-Stief, S. 57, 73, der sich ausdrücklich dafür ausspricht, „. . . dass auf jeden Fall bei Verbraucherverträgen das anwendbare Recht durch die Vorschriften der Art. 3–5 EVÜ bestimmt wird.“ 837 „Diese Richtlinie lässt das Recht unberührt, das für die sich aus Verbraucherverträgen ergebenden vertraglichen Schuldverhältnisse gilt. Dementsprechend kann diese Richtlinie nicht dazu führen, dass dem Verbraucher der Schutz entzogen wird, der ihm von den zwingenden Vorschriften für vertragliche Verpflichtungen nach dem Recht des Mitgliedstaates, in dem er seinen gewöhnlichen Wohnsitz hat, gewährt wird.“

III. Vertragsrechtliche Aspekte

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währt wird. Daraus kann jedoch nicht im Umkehrschluss gefolgert werden, dass nur solche Verbraucherverträge von der Ausnahme des § 3 Abs. 3 Nr. 2 TMG erfasst sein sollen, die aufgrund kollisionsrechtlicher Anknüpfung explizit dem Heimatrecht des Verbrauchers unterstellt sind. Die Anwendung des gewöhnlichen Aufenthaltsrechts kann sich genauso über Art. 28 Abs. 5 EGBGB ergeben, ohne dass die Norm selbst auf den gewöhnlichen Aufenthalt des Verbrauchers als Anknüpfungsmoment abstellt. Dem 55. Erwägungsgrund der ECRL ist nicht zu entnehmen, dass die auf diesem Wege zur Anwendung kommenden zwingenden vertraglichen Regelungen des Heimatrechts des Verbrauchers nicht vom Herkunftslandprinzip ausgenommen sein sollen, genauso wenig wie sich Anlass für die Deutungsmöglichkeit ergibt, dass allein solche Verträge von der Ausnahme erfasst sind, bei denen das Heimatrecht des Verbrauchers die lex causae stellt. Schließlich widerspräche es dem von der ECRL verfolgten Ziel, Rechtssicherheit hinsichtlich des anwendbaren Rechts zu schaffen838, wenn man bereits innerhalb des Ausnahmenkatalogs zwischen verschiedenen (kollisionsrechtlich privilegierten und nicht privilegierten) Verbrauchervertragskonstellationen differenziert, noch dazu ohne Anhaltspunkt im Wortlaut der Norm. Selbst aus Art. 29 EGBGB ergibt sich, dass die dort angeführten Abschlussmodalitäten (Art. 29 Abs. 1 Nr. 1–3 EGBGB) selbst keine Voraussetzungen für das Vorliegen eines Verbrauchervertrages darstellen, sondern diesen vielmehr voraussetzen. Denn Art. 29 Abs. 2 spricht von „. . . Verbraucherverträge[n], die unter den in Absatz 1 bezeichneten Umständen zustande gekommen sind.“839 Es besteht folglich auch kein Anlass zur Annahme, dass unter „Verbraucherverträgen“ i. S. d. § 3 Abs. 3 Nr. 2 TMG/6. Spiegelstrich des Anhangs zu Art. 3 ECRL kollisionsrechtlich begünstigte Verträge i. S. d. Art. 29 EGBGB/Art. 5 EVÜ zu verstehen seien. Damit erscheint es vorzugswürdig, den gesamten B2C-Bereich bezüglich Vorschriften über die vertraglichen Schuldverhältnisse auszunehmen, so dass nur der Vertragsrechtsverkehr zwischen Unternehmern vom Herkunftslandprinzip erfasst ist, sofern keine Rechtswahl vorliegt. Es bleibt somit auch im Rahmen telemedizinisch praktizierter Assistenz oder Konsultation hinsichtlich vertraglicher Ansprüche bei der Anwendbarkeit der international-privatrechtlich maßgeblichen Rechtsordnung, ganz gleich ob es sich damit um das dem Verbraucher vertraute Recht des gewöhnlichen Aufenthaltes handelt.840 In den Fällen der einheitlichen Anknüpfung an den Ort des Kooperationsbedürfnisses gem. Art. 28 Abs. 5 EGBGB im Falle grenzüberschreitender horizon838 839

Vgl. 5. und 7. Erwägungsgrund. Vgl. zudem Art. 29 Abs. 3 EGBGB sowie die entsprechenden Vorschriften im

EVÜ. 840 Also auch dann, wenn das gem. Art. 28 Abs. 5 EGBGB zur Anwendung berufene Recht am tatsächlichen Aufenthaltsort der Patienten nicht mit dem Recht am gewöhnlichen Aufenthaltsort deckungsgleich ist.

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§ 3 Kollisionsrechtliche Behandlung des Arzthaftungsrechts

taler Arbeitsteilung wird damit die ansonsten drohende Aufhebung der mit der Anknüpfung intendierten Vermeidung einer kollisionsrechtlichen Zersplitterung des Sachverhaltes verhindert.

IV. Deliktsrechtliche Aspekte Im Falle einer fehlerhaften Behandlung kommt, wie bereits eingangs erwähnt, neben der vertraglichen Haftung als zweite Säule der Arzthaftung auch eine Haftung aus unerlaubter Handlung in Betracht.841 Diese Parallelität der Ansprüche resultiert daraus, dass die Bezugsobjekte der vertraglich geschuldeten Dienste das menschliche Leben, der Körper und die Gesundheit sind, welche gleichzeitig im Deliktsrecht absolut geschützte Rechtsgüter darstellen. Eine dem EVÜ vergleichbare staatsvertragliche Kodifikation für außervertragliche Schuldverhältnisse gibt es nicht. Jedoch wurde auf der Ebene der EU nach vier Jahren Verhandlungen am 11. Juli 2007 die Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom II“)842 erlassen (im Folgenden „VO“), so dass für die Zukunft aufgrund der unmittelbaren Geltung der darin geschaffenen Normen in diesem Bereich eine Vereinheitlichung der Bestimmungen des Internationalen Privatrechts erreicht wird. Die Verordnung gilt gem. Art. 31 und 32 VO jedoch erst ab dem 11. Januar 2009, und zwar für schadensbegründende Ereignisse, die nach diesem Zeitpunkt eintreten. Bis dahin ist weiterhin das autonome internationale Deliktsrecht anwendbar, welches mit dem Gesetz zum Internationalen Privatrecht für außervertragliche Schuldverhältnisse und für Sachen vom 21. Mai 1999843 in den Art. 40–42 EGBGB erstmals umfassend844 positivrechtlich normiert wurde.

841 Die Anspruchskonkurrenz aus Vertrag, Delikt und GoA ist in den europäischen Rechtsordnungen weit verbreitet. Lediglich in Frankreich gilt der Grundsatz des „non cumul“, d. h. im Falle einer vertraglichen Verpflichtung zwischen den Beteiligten scheiden weitere Anspruchsgrundlagen, z. B. aus dem Deliktsrecht, aus – vgl. Penneau, in: Medical Responsibility in Western Europe, F 41; von Bar, Gemeineuropäisches Deliktsrecht – Band II, Rn. 297; eingehend dazu Fischer, in: Fischer/Lilie, Ärztliche Verantwortung europäischen Rechtsvergleich, S. 5 ff. 842 Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom II“), ABl. EU L 199 vom 31.7.2007, S. 40 ff. 843 BGBl. 1999 I, S. 1026. 844 Eine ansatzweise (rudimentäre) Regelung fand sich bis dahin nur in Art 38 EGBGB a. F. sowie in der RAnwVO aus dem Jahre 1942 (Verordnung des Ministerrates für die Reichsverteidigung über die Rechtsanwendung bei Schädigungen deutscher Staatsangehöriger außerhalb des Reichsgebietes vom 7.12.1942, RGBl. 1942 I, S. 706); beide Regelungen wurden durch Art. 1 und 4 des Gesetzes (Fn. 843) im Rahmen der Neuregelung aufgehoben.

IV. Deliktsrechtliche Aspekte

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1. Objektive Grundanknüpfungen gem. Art. 40 Abs. 1 und 2 EGBGB bzw. Art. 4 Abs. 1 und 2 VO Grundsätzlich bestimmt sich das Deliktsstatut anhand der Grundanknüpfungen in Art. 40 Abs. 1, Abs. 2 EGBGB bzw. Art. 4 Abs. 1, Abs. 2 VO, wobei die Anknüpfung gem. Art. 40 Abs. 2 EGBGB bzw. Art. 4 Abs. 2 VO bei einem gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt von Schädiger und Verletztem im Zeitpunkt des Haftungsereignisses (gem. Art. 4 Abs. 2 VO im Zeitpunkt des Schadenseintritts) der Anknüpfung an den Tatort gem. Art. 40 Abs. 1 EGBGB/Art. 4 Abs. 1 VO vorgeht. 2. Wesentlich engere Verbindung gem. Art. 41 Abs. 1 EGBGB/ Art. 4 Abs. 3 S. 1 VO (Ausweichklausel) – Vertragsakzessorische Anknüpfung gem. Art. 41 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB/Art. 4 Abs. 3 S. 2 VO Von den beiden Grundanknüpfungen des Art. 40 Abs. 1, Abs. 2 EGBGB kann jedoch dann abgewichen werden, wenn mit dem Recht eines Staates eine wesentlich engere Verbindung besteht als mit dem Tatortrecht oder dem Recht des gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthaltes (Art. 41 Abs. 1 EGBGB). Entsprechendes ist in Art. 4 Abs. 3 S. 1 VO bezogen auf die Anknüpfungen in Art. 4 Abs. 1 und 2 VO geregelt. Aufgrund der angedeuteten negativen Erfahrungen bezüglich der Auslegung der Ausweichklausel des Art. 4 Abs. 5 EVÜ in einzelnen Mitgliedstaaten845 ging man im Rahmen der Verordnung dazu über, die Anknüpfungspunkte in Art. 4 Abs. 1 und 2 VO als verbindliche Regeln statt als Vermutungen (vgl. Art. 40 Abs. 1 und 2 EGBGB) zu formulieren und den Ausnahmecharakter des Art. 4 Abs. 3 VO durch die Betonung des Erfordernisses der „Offensichtlichkeit“ hervorzuheben. Für den Fall des grenzüberschreitenden ärztlichen Dienstleistungsverkehrs ist unter diesem Aspekt vor allem die sonderverbindungs-(bzw. vertrags-)akzessorische Anknüpfung nach Art. 41 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB/Art. 4 Abs. 3 S. 2 VO von immenser Bedeutung. Das Bestehen eines wirksamen Behandlungsvertrags/ Krankenhausaufnahmevertrags zwischen Arzt bzw. Krankenhaus und Patient ist auch im Rahmen der deliktsrechtlichen Heranziehung zur Verantwortung der Regelfall.846 Es ist gerade die Natur der Nutzung/Inanspruchnahme des freien 845 Vgl. Ziff. 3.25 des Grünbuchs Rom I, KOM(2002) 654 endg. und oben unter III. 5. b) cc) (4) (a). 846 Auch für den Fall, dass der materiell-rechtliche Behandlungsvertrag aus irgendeinem Grund nichtig bzw. unwirksam ist, kommt eine vertragsakzessorische Anknüpfung deliktischer Ansprüche in Betracht, vgl. MünchKomm-Kreuzer (3. Aufl.), EGBGB, Art. 38 Rn. 65, 67 a. E., a. A. Schädlich, Grenzüberschreitende TelemedizinAnwendungen, S. 160, welcher die tatsächliche Existenz und damit die Wirksamkeit des Schuldverhältnisses für eine akzessorische Anknüpfung für notwendig erachtet; vgl. zur entsprechenden Problematik im Rahmen des GoA-Statuts unter V. 2.

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Dienstleistungsverkehrs, dass Arzt/Klinik und Patient willensgesteuert grenzüberschreitend in eine vertragliche Rechtsbeziehung treten. Vor diesem Hintergrund ist es verwunderlich, dass ein Großteil der Literatur im Rahmen des internationalen Arzthaftungsrechts die Grundanknüpfungen des Art. 40 Abs. 1 und 2 EGBGB ausführlich und vor allem gleichberechtigt bzw. noch vor der vertragsakzessorischen Anknüpfung erörtern.847 Aus den bisherigen Ausführungen geht hervor, dass das internationale Vertrags- und Deliktsrecht grundsätzlich unterschiedlichen Anknüpfungen unterliegt. Bei gesonderter kollisionsrechtlicher Behandlung käme man zu dem Ergebnis, dass derselbe Lebenssachverhalt in verschiedene Rechtsbeziehungen aufgesplittert würde (Auseinanderfallen bzw. dépeçage vertraglicher und außervertraglicher Ansprüche), die jeweils unterschiedlichen Rechtsordnungen unterstehen. Qualifikations- und Angleichungsprobleme und damit die Störung des inneren Entscheidungseinklangs wären die unausweichlichen Folgen.848 Dem wirkt die akzessorische Anknüpfung des Deliktsstatuts an das gem. Art. 27 ff. EGBGB auf den Behandlungsvertrag anzuwendende Vertragsstatut entgegen. Bei dem Behandlungsvertrag bzw. Krankenhausaufnahmevertrag handelt es sich um eine besondere rechtliche Beziehung zwischen den Parteien i. S. d. Art. 41 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB (Art. 4 Abs. 3 S. 2 VO spricht ausdrücklich von „Vertrag“). Durch den intendierten Gleichlauf von vertraglicher und deliktischer Haftung innerhalb dieser Sonderverbindung kommt es zur Beurteilung des arzthaftungsrechtlichen Sachverhalts nach einem innerstaatlich abgestimmten Haftungssystem (Förderung des inneren Entscheidungseinklangs).849 Dies ist auch sachgerecht, denn grundsätzlich schafft das Bestehen einer vertraglichen Beziehung zwischen den Vertragsparteien die Grundlage bzw. Möglichkeit für eine unerlaubte Handlung bzw. resultiert die deliktische Haftung regelmäßig auch aus der Verletzung vertraglicher Pflichten.850 Speziell im deutschen Sachrecht besteht im Bereich des Arzthaftungsrechts eine „Strukturgleichheit“ von vertraglichen und deliktischen Sorgfaltspflichten/Verhaltensstandards eines Arztes.851 Zudem fördert die vertragsakzessorische Anknüpfung der deliktsrechtlichen Haftung das Vertrauen von Arzt und Patient in die bestehende Sonderverbindung (Arztvertrag) sowie die Rechtssicherheit.852 Die Parteien sollen davon 847 Vgl. Hoppe, MedR 1998, 462, 465 f.; bei Bohle, in: Dierks/Feussner/Wienke, Rechtsfragen der Telemedizin, S. 83 ff. und Stellpflug, ZaeFQ 2001, 615 ff. bleibt die vertragsakzessorische Anknüpfung sogar völlig unerwähnt. 848 Vgl. dazu eingehend Könning-Feil, Das Internationale Arzthaftungsrecht, S. 276 ff.; Staudinger-von Hoffmann, EGBGB, Art. 41 Rn. 9; Palandt-Heldrich, EGBGB, Art. 40 Rn. 6; Spickhoff, IPRax 2000, 1, 2. 849 Schädlich, S. 160 f. 850 So auch Könning-Feil, Das Internationale Arzthaftungsrecht, S. 289. 851 BGH NJW 1987, 705, 705 f.; vgl. auch Giesen, Arzthaftungsrecht, Rn. 401; Schütt, Deliktstyp und Internationales Privatrecht, S. 77, 112, 168. 852 Vgl. Könning-Feil, S. 289.

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ausgehen können, dass die im Zusammenhang mit der rechtlichen Sonderverbindung „Vertrag“ stehenden Fragen nach nur einer Rechtsordnung beurteilt werden.853 Neben der Berücksichtigung der berechtigten Erwartungen der Parteien entspricht die Herrschaft einer Rechtsordnung über das Verhältnis der Parteien zudem dem Bemühen um eine geordnete Rechtspflege.854 Im Verordnungsvorschlag der Kommission aus dem Jahre 2003 heißt es speziell zur vertragsakzessorischen Anknüpfung gem. Art. 4 Abs. 3 S. 2 VO, dass diese Lösung besonders interessant für Rechtssysteme sei, die eine Kumulierung von vertraglicher und außervertraglicher Haftung zulassen.855 Dem im französischen Recht herrschenden Prinzip des „non cumul“, welches eine Konkurrenz zwischen vertraglichen und deliktischen Ansprüchen nicht kennt, sondern im Falle einer vertraglichen Verpflichtung zwischen den Beteiligten keine weiteren Anspruchsgrundlagen als die Haftung aus Vertrag zulässt, kommt diese Schaffung eines einheitlichen Haftungsstatuts ohnehin entgegen.856 Richtigerweise wird jedoch das alleinige Bestehen eines Vertragsverhältnisses zwischen den Parteien für die vertragsakzessorische Anknüpfung nicht als ausreichend erachtet, d. h. es sollen nicht sämtliche Schadensereignisse zwischen den Parteien automatisch dieser Sonderbeziehung unterstellt werden. Zwar spricht der Wortlaut des Art. 41 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB nur allgemein von einem Zusammenhang der besonderen rechtlichen Beziehung zum Schuldverhältnis857, trotzdem soll nicht irgendein Zusammenhang mit dem bereits bestehenden Vertrag ausreichen. Bezüglich der gebotenen Eingrenzung wird vor allem an Delikte gedacht, die sich lediglich bei Gelegenheit der Vertragserfüllung ereignen.858 Ganz überwiegend wird ein sachlicher Zusammenhang zwischen den bei der Durchführung der Sonderbeziehung zwischen den Parteien vorgenommenen Handlungen und dem Schadensereignis gefordert.859 Ein solcher dürfte im Rah853

Vgl. Leible/Engel, EuZW 2004, 7, 11. Vgl. EG-Verordnung über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anwendbare Recht, Vorschlag der Kommission vom 22.7.2003 KOM(2003) 427 endg., S. 14. 855 Vorschlag der Kommission vom 22.7.2003 KOM(2003) 427 endg., S. 14; Schütt, S. 11, 177 verkennt bzgl. der Figur der akzessorischen Anknüpfung fälschlich, dass hierbei die deliktischen Ansprüche zwischen Arzt und Patient lediglich der Rechtsordnung zu entnehmen sind, welcher bereits die vertraglichen Ansprüche unterliegen – Verf. geht offensichtlich vielmehr davon aus, dass in Fällen des Bestehens des Behandlungsvertrages lediglich vertragliche Ansprüche in Betracht kommen. 856 Vgl. auch Schädlich, S. 160. 857 Art. 4 Abs. 3 S. 2 VO fordert eine enge Verbindung zwischen der betreffenden unerlaubten Handlung und dem bereits bestehenden Rechtsverhältnis. 858 Palandt-Heldrich, EGBGB, Art. 40 Rn. 6; Staudinger, DB 1999, 1589, 1593, von Hoffmann/Thorn, IPR, § 11 Rn. 40; von der Seipen, Akzessorische Anknüpfung und engste Verbindung im Kollisionsrecht der komplexen Vertragsverhältnisse, S. 63. 859 Staudinger-von Hoffmann, EGBGB, Art. 41 Rn. 11; hinsichtlich der Frage, wann ein solcher sachlicher Zusammenhang anzunehmen ist, kann auf die Parallelwer854

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men von Arzthaftungssachverhalten im Falle des Bestehens eines Behandlungsbzw. Diagnosevertrages zwischen Arzt und Patient regelmäßig gegeben sein.860 Dies gilt auch für das Bestehen eines Krankenhausaufnahmevertrages hinsichtlich der deliktischen Haftung des Krankenhauses für seine Organe, die behandelnden Ärzte, und sein Personal. Zu weit geht die von einigen Stimmen in der Literatur befürwortete differenzierte Lösung in der Form, dass der gesamte Sachverhalt entweder nach Deliktsstatut oder nach Vertragsstatut beurteilt wird, je nachdem, ob vertragliche oder deliktische Pflichten verletzt wurden.861 Die vertragsakzessorische Anknüpfung deliktischer Ansprüche kommt hiernach nur dann in Betracht, wenn der Schutzumfang des Vertrages auch das Integritätsinteresse beinhaltet, m. a. W. jedermann schützende, allgemeine Pflichten durch den vereinbarten Zweck in das vertragliche Erfüllungsprogramm aufgenommen und damit originäre Vertragspflichten geworden sind. Ist die Rechtsgüterintegrität nicht Vertragsbestandteil geworden und wurden jedermann schützende Pflichten verletzt, so soll die deliktsrechtliche Prägung des Sachverhaltes überwiegen, so dass das Vertragsstatut dem Deliktsstatut folgt (deliktsakzessorische Anknüpfung). In die gleiche Richtung, jedoch schon im Rahmen der Qualifikation der unter dem Begriff der „positiven Forderungsverletzung“ zusammengefassten Verhaltensnormen, geht die dritte Ansicht von Leicht 862. Auch hier wird nach ihrer Funktion zwischen vertraglichen und deliktischen Pflichten differenziert. Bei einer als deliktisch zu qualifizierenden Pflichtverletzung handele es sich um einen vom Vertrag zu trennenden Sachverhalt, der demzufolge auch gesondert anzuknüpfen sei. Pflichtverletzung und Vertrag bilden in diesem Fall nach Leicht keinen einheitlichen Lebenssachverhalt, so dass es auf eine Korrektur des Anknüpfungsergebnisses auf der Rechtsfolgenseite der Verweisungsnorm nicht ankommt. Leichts sowie die zuvor genannte Verfahrensweise erfordern beide eine genaue Ermittlung/Einordnung des Charakters der Pflichtverletzung als überwie-

tung im materiellen Recht verwiesen werden, so z. B. bei der Beurteilung, ob ein Verrichtungsgehilfe i. S. d. § 831 BGB in Ausübung der Verrichtung oder nur bei deren Gelegenheit gehandelt hat, vgl. Staudinger-von Hoffmann, a. a. O. 860 So auch Hoppe, MedR 1998, 462, 466 f.; ders., Der Arzt und sein Recht, 3, 11; Stumpf, MedR 1998, 546, 549 f.; Staudinger-von Hoffmann, EGBGB, Art. 41 Rn. 18; a. A. jedoch Schütt, Deliktstyp und Internationales Privatrecht, S. 176 ff., vgl. Fn. 855. 861 So MünchKomm-Kreuzer (3. Aufl.), EGBGB, Art. 38 Rn. 67 f.; Lorenz, in: FS für Coing – Band II, S. 257, 258; ders., in: von Caemmerer, Vorschläge und Gutachten, S. 97 f., 155 ff. geht in die gleiche Richtung, wenn er fordert, dass eine akzessorische Anknüpfung nur dann vorzunehmen ist, wenn das besondere Rechtsverhältnis (der Vertrag) eine auf das verletzte Rechtsgut bezogene Schutzpflicht vorsieht. 862 Leicht, Die Qualifikation der Haftung von Angehörigen rechts- und wirtschaftsberatender Berufe im grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehr, S. 194; dem (angeblich) folgend von Bar, IPR II, Rn. 560.

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gend deliktische oder überwiegend vertragliche. Im Rahmen der ersten Ansicht muss zudem ermittelt werden, ob nach dem Vertragszweck grundsätzlich deliktische Pflichten in den vertraglichen Pflichtenkreis mit aufgenommen worden sind. Die Grenzziehung zwischen deliktischen und vertraglichen Pflichten bzw. die entsprechende Einordnung der Pflichtverletzungen ist mangels eindeutiger Unterscheidungsmerkmale häufig schwer vorzunehmen und gerade beim Arztvertrag fließend. Denn aus der Tatsache heraus, dass im Rahmen des Arztvertrages die Maximalrechtsgüter Leben, Gesundheit und das Selbstbestimmungsrecht des Patienten Bezugsobjekte der geschuldeten Dienste sind, ergibt sich die grundsätzliche Identität vertraglicher und deliktischer Sorgfalts- bzw. Verhaltenspflichten.863 Dies macht den entscheidenden Unterschied zur Tätigkeit im Rahmen rechts- und wirtschaftsberatender Berufe (Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater) aus, auf die sich Leichts Argumentation bezieht. Unter dem Aspekt der Rechtssicherheit und der Vorhersehbarkeit eines bestimmten Anknüpfungs- (1. Ansicht) oder Qualifikationsergebnisses (2. Ansicht) durch die Vertragsparteien sind diese abweichenden Ansichten damit sehr fragwürdig. Die Zuordnung der Pflichtverletzungen wäre letztendlich häufig Sache des Gerichts. Neben der Vorhersehbarkeit spielt auch der Vertrauensschutz eine gewisse Rolle. Gerade bei vertraglicher Vereinbarung der auf den Arztvertrag anwendbaren Rechtsordnung rechnen die Parteien mit der allumfassenden und damit auch die Haftungsfragen betreffenden Anwendung dieses Rechts und nicht etwa mit der Geltung eines anderen – möglicherweise bis dahin noch gar nicht absehbaren – Tatortrechts. Aber auch bei fehlender Rechtswahl dürften die Parteien, wie oben schon erwähnt, von der umfassenden Geltung der das Sonderrechtsverhältnis Vertrag beherrschenden Rechtsordnung ausgehen.864 Die akzessorische Anknüpfung kommt jedoch nur dann in Betracht, wenn das vertragliche Rechtsverhältnis zwischen Schädiger und Geschädigtem und damit Parteiidentität besteht. Wenn der schädigende (Tele-)Mediziner aus dem Ausland vom den Patienten behandelnden Krankenhaus bzw. betreuenden (Beleg-)Arzt beauftragt bzw. herangezogen wird und das präsumtive Vertragsstatut (gem. Art. 28 Abs. 5 EGBGB das Recht am Behandlungsort als dem Kristallisationspunkt des koordinierten ärztlichen Wirkens865) zwischen Patient und herangezogenem Arzt einen 863 BGH NJW 1989, 767; Giesen, Arzthaftungsrecht, Rn. 4 a. E.; Weber-Steinhaus, Ärztliche Berufshaftung als Sonderdeliktsrecht, S. 6; Palandt-Sprau, BGB, § 823 Rn. 135; Schütt, Deliktstyp und Internationales Privatrecht, S. 77. 864 Vgl. Könning-Feil, Das Internationale Arzthaftungsrecht, S. 293; auch der BGH, 28.2.1996 – XII ZR 181/93, NJW 1996, 1411 ff., 1414 linke Spalte, sieht (wenn auch nur in einem obiter dictum) die akzessorische Anknüpfung aufgrund des Parallellaufens von vertraglicher und deliktischer Haftung im Rahmen des Arzthaftungsrechts als ein dem Arztdelikt gerecht werdendes Anknüpfungsmodell an. 865 Vgl. unter III. 5. b) bb) (5) (d).

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eigenständigen Behandlungsvertrag verneint866, scheidet damit auch eine akzessorische Anknüpfung an den bestehenden Arztvertrag/Krankenhausaufnahmevertrag zwischen Patient und hinzuziehendem Arzt aus. Bei akzessorischer Anknüpfung der deliktischen Ansprüche gegen den hinzugezogenen Schädiger an den bestehenden Arztvertrag/Krankenhausaufnahmevertrag würden die kollisionsrechtlichen Interessen dieses am Rechtsverhältnis nicht beteiligten Dritten von vornherein unbeachtet bleiben. Das Verbot des Abschlusses von Verträgen zu Lasten Dritter und die kollisionsrechtliche Gerechtigkeit i. S. d. Chancengleichheit zwischen den Beteiligten stehen somit einer Anknüpfung an dieses Rechtsverhältnis entgegen.867 Fraglich ist nun, ob in diesen Fällen der horizontalen Arbeitsteilung generell auf die Grundanknüpfungen des Art. 40 Abs. 1 und 2 EGBGB zurückzugreifen ist oder ob hier unter Umständen trotzdem eine sonderverbindungsakzessorische Anknüpfung vorrangig ist. Fischer868 befürwortet im Falle der Schädigung durch einen nicht in Vertragsbeziehung zum Patienten stehenden Telemediziner eine akzessorische Anknüpfung der deliktischen Ansprüche nach Art. 41 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB an den Vertrag zwischen Telemediziner und Krankenhaus bzw. betreuendem Arzt, welcher eine besondere tatsächliche Beziehung darstelle, „. . . die vor der Schädigung begründet worden ist und auf der letztere beruht.“ Damit entscheide das Recht, das seine Haftung gegenüber dem Krankenhaus bzw. betreuenden Arzt bestimmt (Vertragsstatut), auch über die deliktische Haftung des Telemediziners gegenüber dem Patienten. Mangels Rechtswahl gem. Art. 27 EGBGB werde dies regelmäßig das Niederlassungsrecht des Telemediziners gem. Art. 28 Abs. 2 S. 2 EGBGB als dem Erbringer der charakteristischen Leistung sein. Zwar besteht im Falle des Scheiterns der akzessorischen Anknüpfung an eine besondere rechtliche Beziehung wegen fehlender Parteiidentität die Möglichkeit der Annahme einer besonderen tatsächlichen Beziehung zwischen den Parteien, wie dies z. B. für die Fälle der deliktischen Schädigung zwischen Arbeitnehmern anerkannt ist (akzessorische Anknüpfung an das gemeinsame Arbeitsvertragsstatut).869 Doch auch die akzessorische Anknüpfung in dieser Konstellation ist nicht ganz unproblematisch. Denn auch hier würden, wie eben bereits im Rahmen einer möglichen Anknüpfung an das bestehende Vertragsverhältnis Patient – hinzuziehender Arzt, die kollisionsrechtlichen Interessen des an diesem 866 Die Frage, wann ein selbständiger Vertrag mit dem hinzugezogenen Mediziner anzunehmen ist, kann in den mitgliedstaatlichen Sachrechten sehr unterschiedlich gesehen werden, vgl. unter § 2 VI. und § 3 III. 5. b) bb) (5) (d). 867 Staudinger-von Hoffmann, EGBGB, Art. 41 Rn. 13 mit Verweis auf die gleiche Handhabung im Rahmen der akzessorischen Anknüpfung dienender Verträge im Internationalen Vertragsrecht: Soergel-von Hoffmann, EGBGB, Art. 28 Rn. 116. 868 Fischer, in: FS für Laufs, S. 781, 782 f. 869 Staudinger-von Hoffmann, EGBGB, Art. 41 Rn. 14.

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Rechtsverhältnis nicht beteiligten Dritten, nämlich diesmal des Patienten, von vornherein unbeachtet bleiben. So kann es vorkommen, dass diesem nicht einmal offengelegt wird, dass ein ausländischer Spezialist z. B. als Konsiliararzt zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit hinzugezogen bzw. zugeschaltet wurde, oft muss der Patient aufgrund der gegebenen Umstände auch gar nicht damit rechnen.870 Den Patienten unter diesen Umständen hinsichtlich eventueller deliktischer Ansprüche dem den fremden Vertrag beherrschenden Recht zu unterwerfen bzw. „auszuliefern“, widerspräche in gleicher Weise dem Grundsatz der kollisionsrechtlichen Gerechtigkeit i. S. d. Chancengleichheit zwischen den Beteiligten wie im umgekehrten Falle der akzessorischen Anknüpfung an den Vertrag zwischen Patient und hinzuziehendem Arzt/Krankenhausträger. Die Unschlüssigkeit dieses Konzepts zeigt sich vor allem in den, in der Praxis zwar eher selten vorkommenden, aber doch denkbaren Fällen der Wahl eines neutralen Drittrechts im Verhältnis hinzuziehender Arzt/Krankenhausträger – ausländischer (Tele-)Mediziner. Es kann nicht interessengerecht sein, den Patienten, welcher von der Hinzuziehung eines Telemediziners u. U. gar nichts wusste, im Falle einer Fehldiagnose, falschen Auskunft oder einer unrichtigen Anweisung hinsichtlich der Geltendmachung deliktischer Schadensersatzansprüche diesem fremden Recht zu unterwerfen. Resümierend kann festgehalten werden, dass eine akzessorische Anknüpfung der deliktischen Ansprüche des Patienten gegen den nicht mit ihm im Vertragsverhältnis stehenden ausländischen (Tele-)Mediziner sowohl an den Vertrag Patient – betreuender Arzt/Krankenhausträger als auch an den Vertrag betreuender Arzt – hinzugezogener Arzt mit Blick auf den jeweils außerhalb des Verhältnisses stehenden Dritten (hinzugezogener Arzt bzw. Patient) nicht interessengerecht wäre. Woraus sich die tatsächliche Sonderbeziehung i. S. d. Art. 41 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 EGBGB ergeben sollte, ist zudem nicht ersichtlich. Denn gemäß dem Wortlaut der Norm muss diese zwischen den beiden Parteien bestehen, also zwischen dem Anspruchsteller (Patient) und dem Anspruchsgegner (hinzugezogener Arzt). Die vertragliche Heranziehung des ausländischen Arztes durch den betreuenden Arzt/Krankenhausträger ist im Falle der Schädigung durch erstgenannten zwar kausal. Trotzdem besteht die Beziehung faktisch gerade nicht im Verhältnis der Parteien zueinander, wie das bei familienähnlichen Gemeinschaften, Gruppenbeziehungen, dem gemeinsamen Band des Beschäftigungsverhältnisses871 (gemeinsames Arbeitsvertragsstatut) usw. der Fall ist. Daran ändert sich auch dann nichts, wenn der Patient vor dem Eingriff grundsätzlich mit der entsprechenden Delegation einzelner diagnostischer oder therapeutischer Maßnahmen einverstanden war. Auch in diesem Fall bildet der Ver870 Ulsenheimer/Erlinger, in: Dierks/Feussner/Wienke, Rechtsfragen der Telemedizin, S. 67, 70; dies., ZaeFQ 2001, 609, 610 f. 871 Staudinger-von Hoffmann, EGBGB, Art. 41 Rn. 17, 24; Seetzen, VersR 1970, 1, 10: Drittwirkung des Vertrages.

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trag zwischen dem hinzugezogenen (Tele-)Mediziner und dem Krankenhaus/ hinzuziehenden Arzt genauso wenig eine „. . . tatsächliche Beziehung zwischen den Beteiligten im Zusammenhang mit dem Schuldverhältnis . . .“ wie der Vertrag zwischen dem Patienten und dem Krankenhaus/hinzuziehenden Arzt.

3. Verbleibender Raum für die Anwendung der Grundanknüpfungen gem. Art. 40 Abs. 1 und 2 EGBGB bzw. Art. 4 Abs. 1 und 2 VO Damit bleibt es in diesen Konstellationen zunächst bei der Ermittlung des Deliktsstatuts anhand der Grundregeln des Art. 40 Abs. 1, Abs. 2 EGBGB. a) Gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthalt, Art. 40 Abs. 2 EGBGB/Art. 4 Abs. 2 VO Hatten hinzugezogener Arzt/Krankenhausträger und Geschädigter zur Zeit des haftungsbegründenden Ereignisses ihren gewöhnlichen Aufenthalt (bzw. bei Ärzten und Krankenhausträgern die Hauptniederlassung/Hauptverwaltung, Art. 40 Abs. 2 S. 2 EGBGB) in demselben Staat, dann ist nach Art. 40 Abs. 2 EGBGB das Recht dieses Staates anzuwenden. Diese Sonderanknüpfung geht der allgemeinen Tatortregel des Art. 40 Abs. 1 EGBGB vor. Eine entsprechende Regelung enthält auch Art. 4 Abs. 2 VO. In der überwiegenden Zahl der Fälle wird diese Anknüpfung an das gemeinsame Aufenthaltsrecht nicht in Betracht kommen. Sie ist nur dann denkbar, wenn ein Patient aus einem EU-Mitgliedstaat im Inland ärztliche Hilfe in Anspruch nimmt und der inländische behandelnde Arzt einen (Tele-)Mediziner aus dem Heimatland des Patienten hinzuzieht. Gleiches gilt für die Behandlung eines Deutschen im Ausland und der Hinzuziehung eines in Deutschland ansässigen Mediziners. Problematisch wird die Anknüpfung an den gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt wiederum in den Konstellationen der horizontalen Arbeitsteilung. Knüpfte man aufgrund eines gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthaltes Beziehungen zu einem bestimmten Arzt gegenüber den übrigen Beteiligten anders an, so käme es auch im Rahmen des Deliktsstatuts zur Zersplitterung eines einheitlichen Lebenssachverhaltes, da der Arzt mit gleichem gewöhnlichen Aufenthalt (Niederlassung) wie der Patient diesem Aufenthaltsrecht unterliegen würde, während die anderen Beteiligten nach Tatortrecht haften. Wie bereits an entsprechender Stelle im Rahmen des internationalen Vertragsrechts erörtert, sind aufgrund der drohenden Haftungskonflikte derartige unterschiedliche Anknüpfungen möglichst zu vermeiden. Daher ist wie im vertragsrechtlichen Bereich mit der vorrangigen Anknüpfung an den Ort des ärztlichen Kooperationsbedürfnisses (Aufenthaltsort des Patienten) dem Interesse an einer einheitlichen Lö-

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sung des Haftungssachverhalts der Vorrang einzuräumen.872 Als Rechtsgrundlage für die vertypte Fallgruppe der horizontalen Arbeitsteilung dient im internationalen Deliktsrecht Art. 41 Abs. 1 EGBGB. Denn bei Art. 41 Abs. 2 Nr. 1 und 2 EGBGB handelt es sich lediglich um nicht abschließende Regelbeispiele. b) Tatortstatut, Art. 40 Abs. 1 EGBGB/Art. 4 Abs. 1 VO Liegen die Voraussetzungen des Art. 40 Abs. 2 EGBGB nicht vor, bestimmt sich das Haftungsstatut nach der Tatortregel (lex loci delicti) des Art. 40 Abs. 1 EGBGB. Dabei ist grundsätzlich das Recht des Ortes maßgebend, an welchem die schädigende Handlung begangen wurde bzw. an dem die nach dem Recht des Aufenthaltsortes der zu schützenden Person gebotene Handlung vorzunehmen gewesen wäre873 (Handlungsort, Art. 40 Abs. 1 S. 1 EGBGB). Fallen Handlungs- und Erfolgsort auseinander, kann auch der vom Handlungsort verschiedene Erfolgsort zur Anwendung gelangen, Art. 40 Abs. 1 S. 2 EGBGB. Dies ist der Ort, an dem der Verletzungserfolg eingetreten ist bzw. sich die Rechtsgutsverletzung manifestiert hat oder bei Unterlassungen der Ort, an dem das Rechtsgut verletzt worden ist, zu dessen Schutz eine Erfolgsabwendungspflicht bestand874. Bei der Ermittlung des Erfolgsortes kommt es nicht darauf an, wo die endgültigen Schadens- bzw. Verletzungsfolgen eintreten.875 So ist es z. B. im Falle der Infektion des Patienten ohne Belang, wo die Krankheit ausbricht, da dieser Ort oft zufällig ist (z. B. nach längerer Inkubationszeit auf einer Weltreise) und damit dem Schädiger nicht zugerechnet werden kann. Für die Bestimmung des Erfolgsortes ist vielmehr relevant, wo die Infektion stattgefunden hat.876 In den Fällen aktiver und passiver Dienstleistungsfreiheit ist die Bestimmung des Tatortrechts unproblematisch, da es sich in beiden Fallgruppen aufgrund der regelmäßigen Übereinstimmung von Handlungs- und Erfolgsort um ein reines Inlands- oder Auslandsdelikt (Platzdelikt) handelt. Lediglich in den Fällen der passiven Dienstleistungsfreiheit, in denen der Patient von einem Arzt im Ausland ein Medikament verordnet bekommt und dieses nach seiner Rückkehr in sein Heimatland erwirbt und einnimmt, treten im Falle der Fehlerhaftigkeit der 872 Schädlich, S. 160; anders wiederum Pielach, Haftungsfragen in der Telemedizin, S. 209, welche auch im deliktischen Bereich keine Sonderanknüpfung befürwortet, sondern es bei der Anknüpfung gem. Art. 40 Abs. 2 EGBGB belässt. 873 Staudinger-von Hoffmann, EGBGB, Art. 40 Rn. 22; Palandt-Heldrich, EGBGB, Art. 40 Rn. 3; Erman-Hohloch, EGBGB, Art. 40 Rn. 24. 874 Könning-Feil, S. 260 f. m.w. N. 875 So die ganz h. M., vgl. statt aller: Staudinger-von Hoffmann, EGBGB, Art. 40 Rn. 24 f. 876 Staudinger-von Hoffmann, a. a. O.

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Verordnung Handlung und Erfolg in unterschiedlichen Staaten auf, so dass somit von einem Distanzdelikt gesprochen werden kann.877 Mit der fortschreitenden Etablierung der grenzüberschreitenden Telemedizin als Korrespondenzdienstleistung sind jedoch im Rahmen von Arzthaftungsfällen Distanzdelikte keine Seltenheit mehr.878 Sie werden in diesem Bereich vielmehr zum Regelfall. Sowohl in den Fällen der Telekonsultation als auch der Teletherapie (z. B. Teleoperationen) werden die Handlungen (Begutachtung, Entscheidungsfindung bzw. Befundung, Bewegung der Hand des Chirurgen) am Aufenthaltsort des Arztes getätigt. Hier ist der Ort der primären Verhaltenssteuerung und damit Handlungsort i. S. d. Art. 40 Abs. 1 S. 1 EGBGB.879 Der kausale Auswirkungsort der Handlung und damit Erfolgsort i. S. d. Art. 40 Abs. 1 S. 2 EGBGB kann sich jedoch Tausende von Kilometern entfernt befinden, nämlich am tatsächlichen Aufenthaltsort des Patienten, denn auf die Verletzung seiner körperlichen Unversehrtheit bzw. seines Selbstbestimmungsrechts kommt es im Rahmen des Deliktsrechts an. Die Bestimmung des Haftungsstatuts fällt damit nicht so eindeutig aus. Zwar kommt gem. Art. 40 Abs. 1 S. 1 EGBGB auch hier grundsätzlich das Recht des Handlungsortes zur Anwendung. Jedoch gibt Art. 40 Abs. 1 S. 2 EGBGB dem geschädigten Patienten ein Bestimmungsrecht (Optionsrecht) zugunsten des Rechts am Erfolgsort, d. h. im Falle des Auseinanderfallens von Handlungs- und Erfolgsort kann der Patient als Geschädigter verlangen, dass Ansprüche nach dem – möglicherweise günstigeren – Recht des Erfolgsortes beurteilt werden. Jedoch obliegt es nach der Neuregelung des internationalen Deliktsrechts ab dem 1.6.1999 dem Patienten selbst (bzw. seinem Anwalt), von den in Frage kommenden Rechtsordnungen die im konkreten Fall günstigere zu ermitteln. Das vor der Kodifizierung des internationalen Deliktsrechts anerkannte Ubiquitätsprinzip (Günstigkeitsprinzip), wonach bei fehlender Bestimmung des anwendbaren Rechts durch den Geschädigten, eine solche Ermittlung von Amts wegen (ex officio) erfolgte, wurde damit zur Entlastung der Gerichte modifiziert. Von dem Wahlrecht kann der Geschädigte gem. Art. 40 Abs. 1 S. 3 EGBGB jedoch nur im ersten Rechtszug bis zum Ende des frühen ersten Termins (§ 275 ZPO) oder des schriftlichen Vorverfahrens (§ 276 ZPO)

877 So auch in einem Beispielsfall von Hoppe, Der Arzt und sein Recht 1998, 3, 11; auf den Erwerbsort der Tabletten als Erfolgsort stellen auch ab: Staudinger-von Hoffmann, EGBGB, Art. 40 Rn. 25 sowie von Hoffmann/Thorn, IPR, § 11 Rn. 31, denn ab diesem Zeitpunkt sei die Schadensquelle so in den Rechtskreis des Geschädigten eingetreten, dass der Zeitpunkt und damit der Ort des Erfolgseintritts nur noch von dessen Willen abhängt (Verweis auf Rabel, Conflict of Laws II, S. 323: „first invasion of the interest“). 878 Dierks, in: Deutsche Gesellschaft für Chirurgie, Kongressband 1999, S. 732 ff.; Hoppe, MedR 1998, 462, 466. 879 Zu den Fällen des Einsatzes von Operationsrobotern im Rahmen der Telechirurgie genauer Schädlich, S. 157 ff.

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Gebrauch machen.880 In der Rechtspraxis wird es häufig so sein, dass der Patient das Recht des Erfolgsortes als das ihm bekannte Heimatrecht wählt. Bei Ablösung der Regelungen des EGBGB bezüglich außervertraglicher Schuldverhältnisse durch die Regelungen der „Rom II“-Verordnung ab dem 11. Januar 2009 wird dieser Wahlmöglichkeit eine Absage erteilt, indem die Grundregel des Art. 4 Abs. 1 VO allein das Recht des Erfolgsortes als Tatortrecht bestimmt. Danach ist das Recht des Staates anwendbar, in dem der Schaden eintritt, unabhängig davon, in welchem Staat das schadensbegründende Ereignis oder indirekte Schadensfolgen eingetreten sind. Damit soll der allgemeinen Zielsetzung des Verordnungsvorschlags, Rechtssicherheit zu schaffen, Rechnung getragen werden.

Für die erörterten Fälle der Hinzuziehung eines ausländischen Arztes ohne Zustandekommen eines eigenständigen Vertrages zwischen diesem und dem Patienten bedeutet die bisherige Rechtslage folgendes: Begibt sich der hinzugezogene Arzt persönlich grenzüberschreitend zur Behandlung zum Patienten, fallen im Falle einer Schädigung Handlungs- und Erfolgsort immer zusammen (Platzdelikt), so dass ein Gleichlauf der Haftungsansprüche sowohl gegen den vor Ort betreuenden Arzt (Art. 28 Abs. 2 EGBGB) als auch gegen den hinzuziehenden Arzt/Krankenhausträger (Art. 40 Abs. 1 EGBGB) gewährleistet ist. Dies ist an dieser Stelle nicht nur wichtig für die eher seltenen Fälle881 einer Schädigung aufgrund einer fehlerhaften Behandlung (Pflichtverletzung) durch beide bzw. mehrere beteiligte Ärzte. Denn im Falle der Annahme einer bloßen Erfüllungsgehilfeneigenschaft des herbeigerufenen Arztes (aufgrund der Verneinung des Zustandekommens eines eigenen Vertragsverhältnisses durch das präsumtive Vertragsstatut882) kommt es auch immer zu einer vertraglichen Haftung des betreuenden Arztes/Krankenhausträgers für das fremde Verschulden. Für den Fall einer Schädigung durch einen hinzugezogenen Telemediziner ohne vertragliche Verbindung zum Patienten fallen Handlungs- und Erfolgsort auseinander, wobei gem. Art. 40 Abs. 1 S. 1 EGBGB vorrangig auf den Handlungsort abgestellt wird, welcher in der überwiegenden Zahl der Fälle mit dem Ort der Niederlassung übereinstimmen wird. Damit kommt es in diesen Konstellationen zunächst wiederum zu einer kollisionsrechtlichen Zersplitterung der haftungsrechtlichen Beurteilung der Beziehungen zwischen dem Patienten und den behandelnden Ärzten. Für eine grundsätzliche Abkehr von der Regelanknüpfung des Artikels 40 Abs. 1 EGBGB im Falle unterschiedlicher Handlungsorte der beteiligten Personen aufgrund der Einschaltung eines oder mehrerer Telemediziner besteht je880

Näher dazu Koch, VersR 1999, 1453 ff. Vgl. Könning-Feil, S. 295 f.; Schädlich, S. 134 spricht von „vermeintlich raren pathologischen Konstellationen“. 882 Vgl. unter III. 5. b). 881

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doch kein vergleichbares dringendes Bedürfnis wie bei Art. 40 Abs. 2 EGBGB, da hier für den Patienten gem. Art. 40 Abs. 1 S. 3 EGBGB bis zum Ende des frühen ersten Termins bzw. dem Ende des schriftlichen Vorverfahrens die Möglichkeit besteht, das Recht des Erfolgsortes zu wählen und damit im Falle medizinischer Kooperation zwischen den beteiligten Ärzten negative Haftungskonflikte zu vermeiden. Der Geschädigte hat es in der Hand, durch die Wahl des Erfolgsortrechts zu einem einheitlichen Haftungsstatut zu gelangen bzw. durch die Nichtwahl bewusst auf den Schutz vor Haftungslücken durch die unterschiedliche Anknüpfung zu verzichten. Hier ist also, wie auch in den normalen Fällen der Vereinbarung eines weder mit dem Handlungs- noch mit dem Erfolgsortrechts übereinstimmenden Drittrechts im Verhältnis zu einem der behandelnden Ärzte (gem. Art. 27 oder Art. 42 EGBGB), das gesetzlich eingeräumte Wahlrecht für den Geschädigten gegenüber dem kollisionsrechtlichen Bedürfnis der Vermeidung von Haftungslücken als vorrangig anzusehen.883 Dass das Wahlrecht zwischen Handlungs- und Erfolgsortrecht gem. Art. 40 Abs. 1 S. 2 EGBGB im Gegensatz zur normalen Rechtswahl ein einseitiges Rechtsgeschäft des Patienten ist, ändert mit Blick auf den Sinn und Zweck des Optionsrechts, den kollisionsrechtlichen Interessen des Geschädigten im deliktischen Bereich Vorrang einzuräumen, nichts an dieser Wertung. Bei Ersetzung der Art. 40–42 EGBGB durch die Vorschriften der „Rom II“-Verordnung ab dem 11. Januar 2009 kommt es gem. Art. 4 Abs. 1 VO sowohl bei Platz- als auch bei Distanzdelikten maßgeblich auf das Recht des Erfolgsortes an, so dass die eben erörterte Diskrepanz obsolet ist.

4. Möglichkeit der nachträglichen Rechtswahl gem. Art. 42 EGBGB Auch im Rahmen des internationalen Deliktsrechts haben die Parteien gem. Art. 42 EGBGB die Möglichkeit der Rechtswahl, hier aber im Gegensatz zum Vertragsstatut erst nach Eintritt des das außervertragliche Schuldverhältnis begründenden bzw. schadensstiftenden Ereignisses.884 Eine Haftungsregelung in883 Vgl. Schädlich, S. 127, 159 für den Bereich des Vertragsstatuts: „. . . Die Parteien sind selbst schuld, wenn sie den Lebenssachverhalt gleichzeitig verschiedenen Rechtsordnungen unterwerfen wollen.“ 884 Vor der IPR-Reform von 1999 befürwortete ein Großteil der Literatur auch die Zulässigkeit der vorherigen einvernehmlichen Bestimmung des Deliktsstatuts (vgl. Staudinger-von Hoffmann, EGBGB, Art. 42 Rn. 3 m.w. N.); auch in der Rechtsprechung bestand keine Einigkeit: gegen vorherige Rechtswahl vgl. Nachweise bei von Bar/Mankowski, IPR I, Rn. 72 Fn. 346; für vorherige Rechtswahl BGH NJW 1974, 410 = IPRspr. 73 Rn. 137 sowie BGHZ 98, 263, 274 = IPRspr. 86 Nr. 144, S. 344 f. – trotz des nunmehr entgegenstehenden Wortlauts des Art. 42 EGBGB und des eindeutig entgegenstehenden Willens des Gesetzgebers (BT-Drs. 14/243, S. 14) für die vorherige Rechtswahl: von Hoffmann/Thorn, IPR, § 11 Rn. 45; Staudinger-von Hoffmann, EGBGB, Art. 42 Rn. 4 f.; Seidel, Die Anknüpfung der unerlaubten Handlung im deut-

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nerhalb einer vertraglichen Vereinbarung kann damit nicht ohne weiteres als gleichzeitige Wahl des Deliktsstatuts gewertet werden. Vielmehr erlangt diese hierfür nur Bedeutung im Wege der vertragsakzessorischen Anknüpfung gem. Art. 41 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB. Auch Art. 14 Abs. 1 S 1 VO geht in lit. a) vom Grundsatz der nachträglichen Rechtswahl aus. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz macht die ab dem 11. Januar 2009 anwendbare Norm in lit. b) lediglich dann, wenn alle Parteien einer kommerziellen Tätigkeit nachgehen. In diesem Fall können die Parteien das Recht, dem das außervertragliche Schuldverhältnis unterliegen soll, auch durch eine vor Eintritt des schadensbegründenden Ereignisses frei ausgehandelte Vereinbarung wählen. Für das Arzt-Patienten-Verhältnis ist diese Ausnahme jedoch aufgrund der fehlenden kommerziellen Tätigkeit des Patienten ohne Bedeutung.

Eine wirksame Rechtswahl gem. Art. 42 EGBGB/Art. 14 VO geht, wie auch im internationalen Vertragsrecht, allen anderen (objektiven) Anknüpfungen (Art. 40, 41 EGBGB) vor.885 Rechte Dritter bleiben jedoch gem. Art. 42 S. 2 EGBGB/Art. 14 Abs. 1 S. 2, 2. HS VO unberührt.886 Gemäß Art. 4 Abs. 2 EGBGB führt die Rechtswahl auch im Deliktsrecht zur Anwendung des gewählten Sachrechts. Bei Geltung des vereinheitlichten Kollisionsrechts ab dem 11. Januar 2009 ist ein Renvoi wie üblich ausgeschlossen (vgl. Art. 24 VO). Eine zeitliche Limitierung der Rechtswahl nach Eintritt des schädigenden Ereignisses, etwa analog Art. 40 Abs. 1 S. 3 EGBGB, gibt es nicht.887 Sie wirkt jedoch (ex tunc) auf den Zeitpunkt des schadensbegründenden Ereignisses zurück und schafft damit ein einheitliches Statut für die früheren und jetzigen Rechtsbeziehungen.888 Hinsichtlich der wählbaren Rechtsordnung sind die Parteien nach überwiegender Ansicht889 völlig frei, d. h. es bedarf keines Sachverhaltsbezugs zur gewählten Rechtsordnung. Grundsätzlich handelt es sich hier schen internationalen Privatrecht, S. 145 ff.; unter dem Aspekt der Verwirklichung der Grundfreiheiten auch von Hein, RabelsZ 64 (2000), 595, 606 ff.; von Wilmowsky, RabelsZ 62 (1998), 1, 19 f.; der Vorschlag für eine „Rom II“-Verordnung beschränkt ebenfalls ausdrücklich die Rechtswahl auf die Zeit nach Eintritt des schädigenden Ereignisses, was mit dem Schutzcharakter des Deliktsrechts rechtfertigt wird, vgl. dazu Huber/Bach, IPRax 2005, 73, 75 m.w. N. 885 Junker, JZ 2000, 477, 478; Spickhoff, NJW 1999, 2209, 2213. 886 Wichtig insbesondere für Versicherungsunternehmen, für die die deliktischen Ansprüche zwischen Schädiger und Geschädigtem den objektiven Anknüpfungen nach Art. 40, 41 EGBGB unterliegen. 887 Staudinger, DB 1999, 1589, 1593; Wagner, IPRax 1998, 429, 434. 888 Staudinger-von Hoffmann, EGBGB, Art. 42 Rn. 14 m.w. N.; Freitag/Leible, ZVglRWiss 99 (2000), 101, 108. 889 Staudinger-von Hoffmann, EGBGB, Art. 42 Rn. 6 m.w. N.; Palandt-Heldrich, EGBGB, Art. 42 Rn. 1; Erman-Hohloch, EGBGB, Art. 42 Rn. 8; Huber, JA 2000, 67, 70; von Hein, RabelsZ 64 (2000), 595, 603; einschränkend jedoch Freitag/Leible, ZVglRWiss 99 (2000) 101, 107, die in den Fällen ohne grenzüberschreitenden Bezug (von der Rechtswahl abgesehen) aufgrund von Art. 3 Abs. 1 S. 1 EGBGB die Möglichkeit einer kollisionsrechtlichen Rechtswahl verneinen.

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ebenso wie im internationalen Schuldvertragsrecht um eine kollisionsrechtliche Verweisung, die sowohl dispositive als auch zwingende Vorschriften erfasst.890 Fraglich ist jedoch, ob die im Rahmen des internationalen Vertragsrechts bestehenden sachlichen Grenzen der Rechtswahl auch innerhalb des Deliktsrechts zum Tragen kommen. Hinsichtlich der allgemeinen Beschränkung durch den Ordre-Public-Grundsatz bestehen diesbezüglich keine Bedenken.891 Wenn das schädigende Ereignis, abgesehen von einer anderweitigen Rechtswahl lediglich Verbindungen zu einer Rechtsordnung aufweist (Binnensachverhalt), kommt nach allgemeiner Ansicht auch analog Art. 27 Abs. 3 EGBGB die Beschränkung der Rechtswahl auf eine materiell-rechtliche Verweisung zum Tragen.892 Die „Rom II“-Verordnung bestimmt in Art. 14 Abs. 2 VO ausdrücklich, dass die Anwendung der zwingenden (nicht durch Vereinbarung abdingbaren) Vorschriften (ius cogens) des Staates, in welchem sich im Zeitpunkt des Eintritts des schadensbegründenden Ereignisses alle anderen Sachverhaltselemente befinden, von der Rechtswahl der Parteien unberührt bleiben.893 Denselben Zweck verfolgt Abs. 3 des Art. 14 VO bezogen auf den Fall, dass alle anderen Sachverhaltselemente in einem oder mehr Mitgliedstaaten belegen sind. Hier sollen mit der Wahl eines nicht mitgliedstaatlichen Rechts (Rechts eines Drittstaates) nicht die zwingenden Normen des Gemeinschaftsrechts abbedungen werden können. Zudem bestimmt Art. 16 VO entsprechend der Regelung in Art. 7 Abs. 2 EVÜ, dass die Verordnung nicht die Anwendung der nach dem Recht des Staates des angerufenen Gerichts geltenden Vorschriften berührt, die ohne Rücksicht auf das für das außervertragliche Schuldverhältnis maßgebende Recht den Sachverhalt zwingend regeln. Das angerufene Gericht kann also seine eigenen Eingriffsnormen anwenden.

Zum Teil wird bei Vorliegen typischer Ungleichgewichtslagen zum Schutz der schwächeren Partei schließlich eine analoge Anwendung der Art. 29 und 30 EGBGB befürwortet.894 Soweit ersichtlich, soll dies jedoch nur in den Fällen 890

Staudinger-von Hoffmann, EGBGB, Art. 42 Rn. 2 und 14 m.w. N. Vgl. Beispiele bei Hohloch, NZV 1988, 161, 166. 892 Staudinger-von Hoffmann, EGBGB, Art. 42 Rn. 2; Freitag/Leible, ZVglRWiss 99 (2000), 101, 106 f.; so auch schon Art. 6 Nr. 2 EGKom-RefE 1999; von Hein, RabelsZ 64 (2000), 595, 612 f. 893 Hierbei handelt es sich um wesentliche innerstaatliche Rechtsgrundsätze eines Landes, insbesondere um Vorschriften zum Schutz der schwächeren Partei; zu unterscheiden sind sie zum einen von den Eingriffsnormen i. S. v. Art. 34 EGBGB/Art. 16 VO und zum anderen von der öffentlichen Ordnung am Ort des Gerichtsstandes (Ordre Public der lex fori) in Art. 26 VO – vgl. Vorschlag der Kommission zu „Rom II“ vom 22.7.2003 KOM(2003) 427 endg., S. 25. 894 Staudinger-von Hoffmann, EGBGB, Art. 42 Rn. 7, 15 m.w. N.; Staudinger, DB 1999, 1589, 1593; von Hein, RabelsZ 64 (2000), 595, 612 f.; jedenfalls hinsichtlich des Verbraucherschutzes auch Stumpf, MedR 1998, 546, 550; anders jedoch Huber, JA 2000, 67, 71, der aufgrund des Fehlens derartiger Vorschriften im Rahmen außervertraglicher Schuldverhältnisse einen Mindestschutz nur aus der Anwendung des Art. 40 Abs. 3 EGBGB herleitet; zweifelnd auch Junker, JZ 2000, 477, 478 Fn. 14, der diese Rechtswahlbeschränkungen nur dann für einschlägig erachtet, wenn das Ver891

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einer – von den Bearbeitern befürworteten, jedoch dem ausdrücklichen Wortlaut des Art. 42 EGBGB widersprechenden – vorherigen Rechtswahl gelten.895 In den Fällen nachträglicher Rechtswahl dürfte die praktische Relevanz ohnehin relativ gering sein, da eine solche nachträgliche Bestimmung der Anwendbarkeit einer Rechtsordnung für deliktische Ansprüche durch Verbraucher/Unternehmer bzw. Arbeitgeber/Arbeitnehmer neben der Rechtswahl im Rahmen des Vertragsstatuts oder allein, d. h. ohne die Wahl des auf den Vertrag anwendbaren Rechts, sehr selten vorkommen wird. Vielmehr werden die Parteien, die schon vor dem Schadensereignis aufgrund einer vertraglichen oder vertragsähnlichen Sonderbeziehung miteinander verbunden sind, durch die Wahl des auf den Vertrag anwendbaren Rechts (Art. 27 EGBGB) die indirekte Möglichkeit nutzen, schon vor Eintritt des schadensbegründenden Ereignisses auf das anwendbare Deliktsrecht Einfluss zu nehmen.896 Denn in diesen Fällen beherrscht das gewählte Vertragsstatut gem. Art. 41 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1 EGBGB/Art. 4 Abs. 3 S. 2 VO regelmäßig auch die deliktischen Ansprüche.897 Abgesehen davon bedarf es bei einer Rechtswahl nach Eintritt des schädigenden Ereignisses keiner besonderen Vorschriften zum Schutz der schwächeren Partei.898 Über die Form der Rechtswahlvereinbarung enthält Art. 42 EGBGB/Art. 14 VO keine Regelung, so dass davon auszugehen ist, dass sie schriftlich oder mündlich, ausdrücklich oder konkludent erfolgen kann.899 Hinsichtlich der Antragsstatut über Art. 41 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB zugleich das Deliktsstatut ist (unter Verweis auf MünchKomm-Kreuzer (3. Aufl.), EGBGB, Art. 38 Rn. 63) – diese Argumentation ist jedoch vor dem Hintergrund nicht nachvollziehbar, dass eine Rechtswahl gem. Art. 42 EGBGB den Anknüpfungen nach Art. 40, 41 EGBGB vorgeht. 895 Vgl. Fn. 884, 894; bis auf Staudinger, DB 1999, 1589, 1593 Fn. 76, der trotz Befürwortung einer ausschließlich nachträglichen Rechtswahl eine analoge Anwendung der Art. 29, 30 EGBGB bejaht. 896 Freitag/Leible, ZVglRWiss 99 (2000), 101, 114 f. (und dem zustimmend Staudinger-von Hoffmann, EGBGB, Art. 42 Rn. 5; von Hein, RabelsZ 64 (2000), 595, 602) sehen in der akzessorischen Anknüpfung gem. Art. 41 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB und der gleichzeitigen Ablehnung einer vorherigen Rechtswahl im Deliktsrecht eine unbillige Einschränkung der Parteiautonomie, da die Parteien mit einer vertraglichen Rechtswahl automatisch zugleich das Deliktsstatut festlegen; mitunter könne aber auch das Interesse bestehen, ein vom Vertragsstatut abweichendes Recht zum Deliktsstatut (z. B. aufgrund überzogener gesetzlicher Haftungsvorschriften des Vertragsstatuts) zu berufen. Diese Argumentation ist jedoch, neben der Fragwürdigkeit der tatsächlichen praktischen Relevanz dieser Konstellationen, zweifelhaft vor dem Hintergrund der kollisionsrechtlichen Gerechtigkeit, wonach möglichst der gesamte Lebenssachverhalt einheitlich einer Rechtsordnung zu unterstellen ist, um schwierige nachträgliche Korrekturen (Anpassungen) zu vermeiden. Dieses gesetzgeberische Interesse fand nun in der Beschränkung auf die nachträgliche Rechtswahl im Rahmen des Art. 42 EGBGB seinen Niederschlag. 897 Junker, Internationales Privatrecht, Rn. 452; Huber, JA 2000, 67, 70. 898 So auch im Rahmen der Erläuterung der Artikel bzgl. des Vorschlags der Kommission zu „Rom II“ vom 22.7.2003, S. 25. 899 Staudinger-von Hoffmann, EGBGB, Art. 42 Rn. 10 m.w. N.; Huber, JA 2000, 67, 70.

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knüpfung von Zustandekommen und materieller Wirksamkeit der Rechtswahl werden überwiegend die Art. 27 Abs. 4, 31 Abs. 1 EGBGB analog herangezogen, d. h. hierüber entscheidet das gewählte Recht selbst.900 Nur über die Zulässigkeit der Rechtswahl befindet die lex fori.901 Auch im Rahmen der „Rom II“Verordnung wurde nicht klargestellt, welchem Recht die Rechtswahlvereinbarung unterliegen soll. Überwiegend wird eine dem EVÜ entsprechende Regelung, d. h. ein Abstellen auf das gewählte Recht gefordert.902 Die Bedeutung der nachträglichen Rechtswahlmöglichkeit des Art. 42 EGBGB/Art. 14 Abs. 1 S. 1 lit. a) VO in der Praxis dürfte aufgrund der gegensätzlichen Interessen der Parteien – des Schädigers an einem milden Haftungsrecht, des Geschädigten an einem strengen Haftungsrecht mit hohen Schadensersatzforderungen wie z. B. in den USA – als eher gering einzuschätzen sein, da sich keine Partei freiwillig auf ein für sie möglicherweise ungünstiges Recht einlassen wird. Lediglich in schwer kalkulierbaren und komplizierten Fällen kann die nachträgliche Wahl einer Rechtsordnung – vor allem der dem zur Entscheidung berufenen Gericht am besten vertrauten lex fori – zur Förderung von Rechtsklarheit und Rechtssicherheit von erheblicher Bedeutung sein. Das Anliegen einer Kalkulierbarkeit der Haftungsrisiken gibt einem Teil der Literatur Anlass zur Kritik hinsichtlich der Limitierung des Wahlrechts auf die Zeit nach dem Eintritt des Schadensereignisses.903 Es seien auch eine Reihe von Fallkonstellationen denkbar, in denen die Parteien Interesse an einer anfänglichen Rechtswahl haben dürften. Zwar bestünde die Möglichkeit, durch die anfängliche Rechtswahl für vertragliche Ansprüche aufgrund der akzessorischen Anknüpfung an den Vertrag gem. Art. 41 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1 EGBGB/Art. 4 Abs. 3 S. 2 VO indirekt bzw. mittelbar das auf deliktische Ansprüche anwendbare Recht gleichzeitig mit zu bestimmen.904 Wie jedoch richtig bemängelt wird, bleibt ein Rest an Unsicherheit auch dann bestehen, da den Gerichten hinsichtlich der Frage, ab wann man von einer „wesentlich engeren Verbindung“

900 Vgl. Staudinger-von Hoffmann, EGBGB Art. 42 Rn. 9 m.w. N.; Freitag/Leible, ZVglRWiss 99 (2000), 101, 107; Deutsch, in: FS für Ferid, S. 117, 125 fordert zusätzlich die Zulässigkeit der Rechtswahl nach dem objektiven Deliktsstatut; a. A. PalandtHeldrich, EGBGB, Art. 42 Rn. 1; Junker, JZ 2000, 477, 478 (mangels ausdrücklicher Regelung im Rahmen der außervertraglichen Schuldverhältnisse sei die lex fori entscheidend). 901 Hinfällig ab dem Zeitpunkt der Anwendbarkeit der „Rom II“-Verordnung (11. Januar 2009). 902 Vgl. Leible/Engel, EuZW 2004, 7, 15 m.w. N. 903 So in jüngster Zeit Leible/Engel, EuZW 2004, 7, 15; zudem von Hein, RabelsZ 64 (2000), 595, 610, 613; von Hoffmann/Thorn, IPR, § 11 Rn. 45; Kadner Graziano, Europäisches Internationales Deliktsrecht, S. 30 f.; ders., Gemeineuropäisches Internationales Privatrecht, S. 170 ff., 185 f. 904 von Hein, RabelsZ 64 (2000), 595, 600 f.; Huber, JA 2000, 67, 69 f.; Sonnenberger, Rev. crit. d. i. p. 88 (1999), 67, 69 f.

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(Art. 41 EGBGB)/„offensichtlich engeren Verbindung“ (Art. 4 Abs. 3 VO) sprechen kann, immer ein gewisser Auslegungs- bzw. Ermessensspielraum zusteht.905 Zudem wird bemerkt, dass auch in Konstellationen ohne vertragliche Beziehungen ein anerkennenswertes Interesse der Parteien an einer Vorhersehbarkeit des anwendbaren Rechts bestehen kann. Von Hoffmann und von Hein nennen in diesem Zusammenhang als Beispiele Gefälligkeitsverhältnisse (z. B. Mitfahrgelegenheit), komplexe Infrastrukturprojekte (z. B. Bauvorhaben906) sowie Sportveranstaltungen.907 Von Hein weist zudem hin auf die Konstellationen, in denen die vertragsakzessorische Anknüpfung und damit der materiell rechtliche Gleichlauf in der Beurteilung vertraglicher und deliktischer Ansprüche daran scheitert, dass das Vertragsverhältnis dem Einheitsrecht des Wiener UNÜbereinkommens (CISG) unterliegt statt einem nationalen Recht.908 Bezogen auf grenzüberschreitende Arzthaftungsfälle hält sich die Notwendigkeit der Erweiterung der Rechtswahlmöglichkeit (ex ante erfolgende Festlegung) noch in Grenzen. Zum einen ist die vertragsakzessorische Anknüpfung im Rahmen von Dienstverträgen wie dem Arztvertrag weithin anerkannt.909 Zum anderen sind praktisch kaum Fälle denkbar, bei denen bei bestehendem Behandlungsvertrag der notwendige sachliche Zusammenhang zwischen schädigendem Ereignis und dem Schuldverhältnis fehlt. Die Konstellationen, in denen kein Vertragsverhältnis zwischen Arzt und Patienten zustande kommt, unterliegen, wie unten noch näher zu zeigen sein wird, häufig dem GoA-Statut, dessen parteiautonome Bestimmung zwar ebenfalls gem. Art. 42 EGBGB nur nachträglich möglich ist. Jedoch fehlt es hier wohl mangels unmittelbarer Vorhersehbarkeit des schädigenden Ereignisses an dem Bedürfnis der Kalkulierbarkeit der Haftungsrisiken, wie das in den soeben genannten Beispielen der Fall ist. Denn einen Anlass zum Abschluss einer Rechtswahlvereinbarung gibt es mangels vorheriger Beziehung zwischen den Parteien meist nicht. Problematisch sind jedoch die Fälle der Hinzuziehung eines Arztes aus dem Ausland, sofern das hypothetische Vertragsstatut die Annahme eines eigenständigen Vertragsverhältnisses zwischen diesem und dem Patienten ablehnt. Vertragsbeziehungen bestehen in diesen Konstellationen lediglich zwischen Patient und Krankenhaus und/oder Präsenzarzt und gegebenenfalls zwischen dem Prä905

Vgl. nur von Hein, RabelsZ 64 (2000), 595, 601. Hier besteht das Problem darin, dass nicht alle Subunternehmer zueinander in vertraglichen Beziehungen stehen. 907 Staudinger-von Hoffmann, EGBGB, Art. 42 Rn. 4; von Hoffmann/Thorn, IPR, § 11 Rn. 45; von Hein, RabelsZ 64 (2000), 595, 602. 908 von Hein, RabelsZ 64 (2000), 595, 601. 909 Vgl. Staudinger-von Hoffmann, Art. 41 Rn. 18 m.w. N.; Auch der BGH, 28.2.1996 – XII ZR 181/93 NJW 1996, 1411, 1414 linke Spalte betont, wenn auch nur in einem obiter dictum, die Haftungsparallele von Vertrags- und Deliktsrecht im Arztvertrag und die daraus resultierende Anwendbarkeit der akzessorischen Anknüpfung. 906

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senzarzt/Krankenhaus und dem ausländischen Arzt. Vertraglich haftet dann nur der Vertragspartner des Patienten sowohl für das eigene Verschulden als auch für das Verschulden des hinzugezogenen Arztes als Erfüllungsgehilfen. Dies schließt jedoch nicht das Bestehen von deliktischen Ansprüchen des Patienten gegen den auswärtigen Arzt aus, sofern der entstandene Schaden auf seinem Handeln bzw. seiner Mitwirkung beruht. Hier besteht ein Interesse des Arztes an der Kalkulierbarkeit der Haftungsrisiken, da die Beteiligung an der Behandlung des Patienten bereits eine gewisse Zeit vor deren Beginn feststeht. Ohne Rechtswahl wäre im Falle einer schuldhaften Schädigung des Patienten für deliktische Ansprüche gegen den hinzugezogenen Arzt das Handlungsortrecht gem. Art. 40 Abs. 1 EGBGB anwendbar, was in den Fällen der Präsenzbehandlung regelmäßig mit dem Aufenthaltsrecht des Patienten übereinstimmt, mithin für den ausländischen Arzt fremd ist. Handelt es sich um eine telemedizinische Mitwirkung eines ausländischen Arztes ohne vertragliche Beziehung zum Patienten, stimmt das Handlungsortrecht zwar regelmäßig mit dem Niederlassungsrecht des Telemediziners überein, jedoch besteht für den geschädigten Patienten gem. Art. 40 Abs. 1 S. 2 EGBGB ein Optionsrecht zugunsten des Erfolgsortrechts, so dass der Arzt dann doch zwingend mit dem fremden Recht konfrontiert ist. Die nachträgliche Rechtswahl zugunsten des eigenen Rechts dürfte daran scheitern, dass sich der Patient in den seltensten Fällen freiwillig auf die nachträgliche Wahl eines fremden Rechts einlassen wird. Das legitime Interesse an der Vorhersehbarkeit des anwendbaren Rechts und damit der Kalkulierbarkeit der Haftungsrisiken ist durchaus vergleichbar mit dem in den von von Hoffmann und von Hein genannten Fallkonstellationen, so dass eine Zulässigkeit der vorherigen Rechtswahl grundsätzlich auch bezüglich grenzüberschreitender Arzthaftungsfälle zu befürworten ist.910 5. Beachtlichkeit des Renvoi im internationalen Deliktsrecht Im Gegensatz zu Art. 35 EGBGB im Rahmen der vertraglichen Schuldverhältnisse, der die Beachtung einer Rückverweisung ausdrücklich ausschließt, schweigt das internationale Deliktsrecht zu dieser Frage, so dass es im Grundsatz bei der Beachtung des Renvoi gem. Art. 4 Abs. 1 EGBGB bleibt. Für den Bereich der grenzüberschreitenden ärztlichen Dienstleistungserbringung innerhalb des Binnenmarktes ist dies jedoch nur die halbe Wahrheit. Hier steht der Abschluss eines Dienstleistungsvertrages zwischen den in unterschiedlichen Mitgliedstaaten ansässigen Parteien im Mittelpunkt. Bezogen auf die Ermittlung des anwendbaren Deliktsstatuts bedeutet dies grundsätzlich eine ver910 Ob und inwiefern diese strikte zeitliche Limitierung auf die nachträgliche Rechtswahl mit Blick auf die Grundfreiheiten bedenklich ist, soll unter § 4 IV. 3. Thema sein.

IV. Deliktsrechtliche Aspekte

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tragsakzessorische Anknüpfung an das renvoifeindliche Vertragsstatut. Da eine solche akzessorische Anknüpfung gerade eine einheitliche materiell-rechtliche Beurteilung des Sachverhaltes bezweckt, muss in diesen Fällen der Renvoi unberücksichtigt bleiben. Die Beachtung des Renvoi würde gem. Art. 4 Abs. 1 S. 1, 2. HS EGBGB dem Sinn der Verweisung widersprechen.911 Auch im Falle einer nachträglichen Rechtswahl des Deliktsstatuts gem. Art. 42 EGBGB bleibt es gem. Art. 4 Abs. 2 EGBGB bei einer unbedingten Verweisung. Zudem wird sogar in den Fällen des Art. 40 Abs. 1 S. 2 EGBGB (Bestimmungsrecht des Geschädigten zugunsten des Erfolgsortrechts) von einigen Stimmen im Schrifttum in Analogie zu Art. 4 Abs. 2 EGBGB von einer Sachnormverweisung ausgegangen, und zwar aufgrund der Erwägung, dass sich bei Beachtung des Renvoi die Anzahl der zur Verfügung stehenden Rechtsordnungen verringern und damit das Ziel der alternativen Anknüpfung beeinträchtigt werden könnte.912 Auch im Rahmen von Art. 40 Abs. 2 EGBGB sei eine Abweichung von der Grundregel der Gesamtverweisung gem. Art. 4 Abs. 1 EGBGB in Erwägung zu ziehen913, da es dem Sinn der Verweisung i. S. d. Art. 4 Abs. 1 S. 1, 2. HS EGBGB widersprechen würde, das Anknüpfungsergebnis wieder aufzugeben. Ob dem Optionsrecht zugunsten des Erfolgsorts gem. Art. 40 Abs. 1 S. 2 EGBGB bzw. der Auflockerung des Deliktsstatuts gem. Art. Art. 40 Abs. 2 EGBGB tatsächlich die Funktion der Ermittlung des materiell besten Rechts zukommt, ist zweifelhaft.914 Bei Betrachtung der Gesetzesbegründung sind sowohl Art. 40 Abs. 2 als auch Art. 40 Abs. 1 EGBGB Gesamtverweisungen i. S. d. Art. 4 Abs. 1 S. 1 EGBGB.915 Folgt man dem, ist lediglich der Fall des Gleichlaufs von Sonderverbindungsstatut gem. Art. 41 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB und der Grundanknüpfungen gem. Art. 40 Abs. 1 oder 2 EGBGB explizit zu 911 Allg. Ansicht, vgl. von Hoffmann/Thorn, IPR, § 6 Rn. 114, § 11 Rn. 61; Staudinger-von Hoffmann, EGBGB, Vorbem zu Art. 40 EGBGB Rn. 70; Schädlich, Grenzüberschreitende Telemedizin-Anwendungen, S. 163; Vogelsang, NZV 1999, 497, 501; Junker, JZ 2000, 477, 484; ausführlich dazu von Hein, ZVglWiss 99 (2000) 251; so auch die Gesetzesbegründung: BegrRegE, BR-Drs. 759/98, S. 14 = BT-Drs. 14/343, S. 8. 912 von Hoffmann/Thorn, IPR, § 11 Rn. 61; Junker, Internationales Privatrecht, Rn. 197; MünchKomm-Kreuzer (3. Aufl.), EGBGB, Art. 38 Rn. 26; MünchKommJunker, EGBGB, Art. 40 Rn. 237; a. A. Looschelders, VersR 1999, 1316, 1324; Schurig, in: GS für Lüderitz, S. 699 ff.; Palandt-Heldrich, EGBGB, Art. 40 Rn. 1; von Hein, ZVglRWiss 99 (2000), 251, 271; Bamberger/Roth-Spickhoff, EGBGB, Art. 40 Rn. 51; Dörner, in: FS für Stoll, S. 491, 495. 913 Staudinger-von Hoffmann, EGBGB, Vorbem zu Art. 40 Rn. 70; von Hoffmann/ Thorn, IPR, § 11 Rn. 61; Könning-Feil, Das Internationale Arzthaftungsrecht, S. 312; Huber, JA 2000, 67, 73. 914 Vogelsang, NVZ 1999, 497, 501 m.w. N. 915 BegrRegE, BR-Drs. 759/98, S. 14 = BT-Drs. 14/343, S. 8; vgl. Junker, JZ 2000, 477, 481 m.w. N.

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§ 3 Kollisionsrechtliche Behandlung des Arzthaftungsrechts

betrachten. Hier bleibt es zwar bei der Grundanknüpfung gem. Art. 40 Abs. 1 bzw. Abs. 2 EGBGB, da es an einer wesentlich engeren Verbindung zu einem anderen Staat fehlt. Es wäre jedoch verfehlt, allein deshalb eine Beachtlichkeit eines Renvoi anzunehmen. Denn da auch hier wieder die Durchsetzung des Akzessorietätsgedankens bestimmend ist und damit die einheitliche materiell-rechtliche Beurteilung zusammenhängender Rechtsfragen im Vordergrund steht, würde die Beachtlichkeit des Renvoi dem Sinn der Verweisung widersprechen.916 Damit bleibt es allein in den Fällen der Regelanknüpfungen gem. Art. 40 Abs. 1 oder 2 EGBGB ohne bestehende Sonderverbindung bei dem Grundsatz der bedingten Verweisung. Gem. Art. 24 VO sind unter dem nach dieser Verordnung anwendbaren Recht eines Staates dessen geltende Rechtsnormen unter Ausschluss derjenigen des Internationalen Privatrechts zu verstehen. Mit Anwendbarkeit der „Rom II“-Verordnung ab dem 11. Januar 2009 ist damit die hoch umstrittene Frage der Annahme der Rückverweisung im internationalen Deliktsrecht obsolet.

V. Arzthaftung und das Statut der Geschäftsführung ohne Auftrag Neben dem Regelfall des Bestehens eines grenzüberschreitenden Behandlungsvertrages/Arztvertrages sind auch Fallkonstellationen denkbar, in denen die ärztliche Betreuung ohne das Bestehen einer solchen vertraglichen Beziehung zwischen Arzt und Behandelten erfolgt. Einen Großteil machen dabei Nothilfesituationen in Form der Behandlung Bewusstloser, Ohnmächtiger, Schwerverletzter und minderjähriger Kinder ohne Einwilligung bzw. Genehmigung der gesetzlichen Vertreter aus. Diese Personen sind entweder aufgrund ihrer gesundheitlichen/konstitutionellen Verfassung bzw. ihrer fehlenden Geschäftsfähigkeit nicht in der Lage, einen entsprechenden Vertrag wirksam zu schließen. Das internationale Recht der Geschäftsführung ohne Auftrag umfasst zudem regelmäßig die Fälle, in denen der geschlossene Vertrag nichtig ist, die vermeintliche Vertragserfüllung aber trotzdem erfolgt.917 Schließlich spielen speziell auf dem Gebiet des Arzthaftungsrechts die Fälle eine Rolle, in denen die ärztliche Behandlung, z. B. im Rahmen einer Operation, über den vom Patienten eingewilligten Teil hinaus erweitert wird. Auf sachrechtlicher Ebene wird es sich hierbei regelmäßig um eine berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag handeln, die also dem objektiven Interesse sowie dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des in Not Geratenen entspricht.918 Nur sehr selten wird man von einer unberechtigten GoA ausgehen können. Hinsichtlich der kollisionsrechtlichen An-

916 917 918

Schädlich, S. 163. Vgl. Schädlich, S. 153 ff.; Könning-Feil, S. 314 ff. So auch Könning-Feil, S. 317.

V. Arzthaftung und das Statut der Geschäftsführung ohne Auftrag

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knüpfung wird im EGBGB jedoch nicht zwischen den Fällen der berechtigten und unberechtigten GoA differenziert. 1. Rechtswahl gem. Art. 42 EGBGB/Art. 14 VO Wie im Rahmen des Deliktsstatuts haben hier die Parteien wiederum die Möglichkeit, das auf die Ansprüche aus GoA anwendbare Recht durch Rechtswahlvereinbarung im Nachhinein frei zu bestimmen, Art. 42 EGBGB/Art. 14 VO. Es gelten die an entsprechender Stelle gemachten Ausführungen. Besteht eine vorherige Vereinbarung über das auf gesetzliche Ausgleichsansprüche anwendbare Recht, wird man wohl regelmäßig von einem Auftrag statt einer GoA ausgehen können.919 Die praktische Relevanz solcher vorherigen Vereinbarungen dürfte jedoch im Arzt-Patienten-Verhältnis sehr gering sein. 2. Ausweichklausel des Art. 41 EGBGB Ist die Geschäftsführung veranlasst oder ausgelöst worden durch einen (wenn auch nichtigen) Vertrag zwischen Geschäftsherr und Geschäftsführer und geschieht diese im Zusammenhang mit diesem Vertrag, so kommt wiederum primär die vertragsakzessorische Anknüpfung gem. Art. 41 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 EGBGB/Art. 11 Abs. 1 VO zur Anwendung.920 Während Art. 41 EGBGB von einer „wesentlich engere[n] Verbindung“ spricht, fordert Art. 11 Abs. 1 VO lediglich eine „enge Verbindung“ der Geschäftsführung mit dem bestehenden Rechtsverhältnis (Vertrag) und ist im Gegensatz zu Art. 41 EGBGB keine im Ermessen des Richters stehende fakultative Auflockerung, sondern eine zwingende Anknüpfung und damit verbindliche Kollisionsnorm.921 Liegt eine solche Verbindung vor, werden sämtliche Rechtsfragen der Geschäftsbesorgung nach demselben Recht wie das bestehende Rechtsverhältnis beurteilt. Neben der Zahlung/Tilgung einer fremden Schuld, wofür sich die akzessorische Anknüpfung an das auf die Verbindlichkeit anwendbare Recht (Schuldstatut bzw. Statut der getilgten Verbindlichkeit) ausdrücklich aus Art. 39 Abs. 2 EGBGB ergibt922, sind hierbei vor allem die Fälle der Besorgung eines fremden Geschäfts relevant, die über den eigentlichen Auftrag hinausgeht.923 Geradezu beispielhaft ist

919

von Hoffmann/Thorn, IPR, § 11 Rn. 13. Das Bestehen einer tatsächlichen Sonderverbindung ist bei medizinischen Behandlungsverträgen von eher untergeordneter Bedeutung. 921 Eine dem Charakter des Art. 41 EGBGB entsprechende Ausweichklausel normiert Art. 11 Abs. 4 VO. 922 Die „Rom II“-Verordnung enthält keine derart gesonderte Bestimmung; hier fällt die Zahlung einer fremden Schuld unter die akzessorische Anknüpfung gem. Art. 11 Abs. 1 VO. 923 Vorschlag der Kommission zu „Rom II“ vom 22.7.2003, S. 24. 920

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§ 3 Kollisionsrechtliche Behandlung des Arzthaftungsrechts

die Erweiterung eines operativen Eingriffs aufgrund während der Operation erworbener neuer ärztlicher Erkenntnisse über den Zustand des Patienten.924 Hier stellt der von der Einwilligung des Patienten gedeckte konkrete Behandlungsvertrag bzw. Operationsplan eine rechtliche Sonderverbindung dar, die die Handlung des Arztes (Geschäftsführung) zwar nicht umfasst, durch welche sie aber initiiert wird und folglich mit ihr im Zusammenhang steht. Erreicht wird damit wiederum die Vermeidung eventueller Qualifikations- und Anpassungsprobleme aufgrund von Normwidersprüchen sowie die Förderung des inneren Entscheidungseinklangs. Gerade bei Bestehen einer Vertragsbeziehung zwischen den Parteien können so Probleme bezüglich der Abgrenzung zwischen vertraglicher Berechtigung und auftragsloser Geschäftsführung vermieden werden.925 Zudem ist die Verbindung von vertraglichen Pflichten und auftragsloser Handlung des Arztes nicht zu unterschätzen. Durch die Beurteilung des gesamten Rechtsverhältnisses nach einem Statut kann etwaigen Wertungswidersprüchen auch in diesem Bereich vorgebeugt werden. Neben der Konstellation einer tatsächlich existierenden Vertragsverbindung kommt eine akzessorische Anknüpfung der Geschäftsführung an das Schuldvertragsstatut auch in den Fällen eines vermeintlichen Vertragsverhältnisses (unwirksamer bzw. nichtiger Vertrag) zum Tragen.926 Es kann im Rahmen der akzessorischen Anknüpfung des GoA-Statuts nicht darauf ankommen, ob die Vertragsbeziehung wirksam oder unwirksam ist. Vielmehr muss entscheidend sein, dass eventuelle Ausgleichsansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag durch die vertragliche Beziehung veranlasst wurden.927 In diesen Fällen ist eine Anknüpfung dieser vertragsbezogenen GoA an das Statut der (vermeintlichen) Verbindlichkeit gerechtfertigt. Art. 32 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB bestimmt die Anwendbarkeit des Vertragsstatuts für Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag wegen Tätigwerdens zur Erfüllung eines nichtigen Vertrages ausdrücklich.928 Zweifelhaft ist daher die Ansicht von Schädlich, für die Einschlägigkeit des Art. 41 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB sei das tatsächliche Existieren einer vertraglichen Sonderverbindung notwendig.929 Abgestellt wird zum einen auf den Wortlaut des Art. 41 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB, in welchem ausdrücklich ein „Schuldverhältnis“ gefordert werde. Fehle es an einem solchen aufgrund der Nichtig924 Vgl. OLG Koblenz FamRZ 1992, 53 = VersR 1992, 612 m. Anm. Wandt = IPRax 1992, 383 m. Anm. Brückner, 366 = IPRspr 1991 Nr. 49; Schädlich, S. 154; Könning-Feil, S. 319. 925 von Hoffmann/Thorn, IPR, § 11 Rn. 14; Staudinger-von Hoffmann/Thorn, EGBGB, Art. 39 Rn. 54. 926 Vgl. Rauscher, IPR, S. 298; Könning-Feil, S. 319; Soergel-Lüderitz, EGBGB, Art. 38 Anh. I Rn. 4; MünchKomm-Junker, EGBGB, Art. 39 Rn. 27. 927 Vgl. Könning-Feil, S. 319. 928 Rauscher, IPR, S. 298; Staudinger-von Hoffmann/Thorn, EGBGB, Art. 39 Rn. 54. 929 Schädlich, S. 154.

V. Arzthaftung und das Statut der Geschäftsführung ohne Auftrag

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keit oder Unwirksamkeit des Vertrages, würde mit der Anknüpfung an etwas nicht Existentes die Bedeutung des Vertragsstatuts überhöht.930 Es sei nicht zu rechtfertigen, Patienten (Geschäftsherrn) dem Vertragsstatut zu unterwerfen, welches gerade diese Sonderverbindung negiert.931 Doch m. E. sprechen gerade umgekehrt die berechtigten Erwartungen der Parteien durch die Annahme eines vermeintlich bestehenden Vertrages regelmäßig für die Geltung des Vertragsstatuts. Dies gilt vor allem dann, wenn sogar eine kollisionsrechtliche Rechtswahlvereinbarung im Hinblick auf einen Vertrag getroffen wurde. Der Patient als Geschäftsherr wird in diesen Fällen von der Tätigkeit des behandelnden Arztes weder überrascht noch durch die Geltung des Vertragsstatuts für die Geschäftsführung unbillig belastet, auch wenn das Vertragsstatut gem. Art. 28 Abs. 2 das Niederlassungsrecht des Arztes (Geschäftsführers) ist.932 Sollte es doch in bestimmten Fällen tatsächlich an den berechtigten Erwartungen hinsichtlich der Anknüpfung an das Vertragsstatut fehlen (z. B. in den Fällen einer beschränkten Geschäftsfähigkeit), kommt die Annahme einer engeren Beziehung zu dem Staat, welcher das Vertragsstatut stellt, nicht in Betracht. Auch der Erläuterung zu Art. 11 VO (Verordnungsvorschlag aus dem Jahre 2003)933 ist zu entnehmen, dass mit dem Begriff „bestehendes Rechtsverhältnis“ wie bei der Generalausnahme des Art. 4 Abs. 3 VO (Recht der unerlaubten Handlung) insbesondere auch vorvertragliche Beziehungen und nichtige Verträge gemeint sind. Neben der besonderen rechtlichen Beziehung kann sich eine wesentlich engere Verbindung zu einem anderen Staat weiterhin aus dem gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt der Parteien im Zeitpunkt des Eintritts des schadensbegründenden Ereignisses (Art. 11 Abs. 2 VO) bzw. des rechtserheblichen Geschehens (Art. 41 Abs. 2 Nr. 2 EGBGB) ergeben. Die Berücksichtigung des gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts kommt jedoch gem. Art. 11 Abs. 2 VO nur dann in Betracht, wenn kein Rechtsverhältnis zwischen den Parteien 930

Schädlich, Fn. 832. In den von Schädlich, Fn. 832 angeführten Fällen einer beschränkten Geschäftsfähigkeit/Bewusstlosigkeit ist das Argument der Negierung der Sonderverbindung durch das Vertragsstatut zudem fraglich, da in diesen Fällen gerade nicht das Vertragsstatut als Wirkungsstatut, sondern gem. Art. 7 Abs. 1 EGBGB das Personalstatut (Heimatrecht des Betroffenen) über die Voraussetzungen der Geschäftsfähigkeit entscheidet und damit letztlich die Sonderverbindung negiert. Im Übrigen bedarf es auch bei der akzessorischen Anknüpfung an einen unwirksamen/nichtigen Vertrag zumindest des Bestehens einer – abgesehen vom Unwirksamkeitsgrund – vertraglichen Beziehung zwischen den Parteien (vgl. bzgl. der parallelen Wertung in Art. 32 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB: Staudinger-Magnus, EGBGB, Art. 32 Rn. 77), so dass in den Fällen der Bewusstlosigkeit des Patienten eine vertragsakzessorische Anknüpfung von vornherein nicht in Betracht gezogen werden kann. 932 Vgl. auch Staudinger-von Hoffmann/Thorn, EGBGB, Art. 39 Rn. 54 a. E. 933 Vorschlag der Kommission zu „Rom II“ vom 22.7.2003, S. 24 (in diesem Vorschlag noch Art. 9 VO). 931

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§ 3 Kollisionsrechtliche Behandlung des Arzthaftungsrechts

gem. Art. 11 Abs. 1 VO besteht, welches vorrangig zu berücksichtigen ist.934 Im Rahmen des bislang gültigen Art. 41 EGBGB ist keine Rangfolge beim Aufeinandertreffen von der Sonderverbindung gem. Art. 41 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB und dem gemeinsamen Aufenthalt gem. Art. 41 Abs. 2 Nr. 2 EGBGB ohne Berufung des gleichen Rechts auszumachen.935 Man könnte allenthalben aus der Reihenfolge des Art. 41 Abs. 2 EGBGB, welcher die sonderverbindungsakzessorische Anknüpfung als erste anführt, eine Präferenz des Gesetzgebers herleiten. Es spricht jedoch auch ohne ausdrückliche Bestimmung einiges dafür, im Falle einer bestehendenden Sonderverbindung ((vermeintlicher) Behandlungsvertrag) zwischen den Parteien, dieser gegenüber der gemeinsamen Sozialsphäre den Vorzug zu geben. Zum einen bleibt wiederum der innere Entscheidungseinklang gewahrt. Eine einheitliche Beurteilung des gesamten Sachverhaltes nach einem Recht dürfte zudem regelmäßig im Interesse der Parteien liegen, vor allem dann, wenn eine Rechtswahl bezüglich des Behandlungsvertrages vorliegt. Schließlich zeigt der Vergleich mit dem internationalen Deliktsrecht zum Verhältnis zwischen Art. 40 Abs. 2 EGBGB und Art. 41 Abs. 2 EGBGB, dass auch die systematische Auslegung für den Vorrang der Sonderverbindung des Art. 41 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB spricht.936 Anders als beim Deliktsstatut (Art. 40 Abs. 2 EGBGB) ist der gemeinsame gewöhnliche Aufenthalt hier keine Sonderanknüpfung, welche generellen Vorrang vor der Regelanknüpfung des Art. 39 Abs. 1 EGBGB genießt, sondern nur eine mögliche Form der Auflockerung937, die wohl nur zusammen mit anderen Faktoren eine Auflockerung rechtfertigt.938 Beim nur zufälligen Zusammentreffen von Arzt und Patient mit gleichem gewöhnlichen Aufenthaltsstaat wird man daher nicht notwendigerweise von einer wesentlich engeren Verbindung sprechen können. Wenn jedoch neben dem gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt auch noch die gemeinsame Staatsangehörigkeit auf ein anderes als das Vornahmerecht verweist, muss die Regelanknüpfung gem. Art. 39 EGBGB zurücktreten.939 Im Rahmen der „Rom II“-Verordnung ist demgegenüber gem. Art. 11 Abs. 2 VO grundsätzlich das Recht des gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts anzuwenden, sofern keine Anknüpfung gem. Art. 11 Abs. 1 VO in Betracht kommt.

934

Vgl. Freitag/Leible, EuZW 2004, 7, 14. So auch Staudinger-von Hoffmann/Thorn, EGBGB, Art. 39 Rn. 52. 936 Für den Vorrang der sonderverbindungsakzessorischen Anknüpfung sprach sich bereits der BGH zum alten Recht aus, Urteil vom 25.9.1997, NJW 1998, 1321 = IPRax 1999, 45 m. Anm. Stoll, 29 = IPRspr. 1997 Nr. 60. 937 Vgl. Wortlaut des Art. 41 Abs. 2 EGBGB: „Eine wesentlich engere Verbindung kann sich insbesondere ergeben . . .“ 938 Rauscher, IPR, S. 299. 939 Geisler, Die engste Verbindung im Internationalen Privatrecht, S. 327 m.w. N. 935

V. Arzthaftung und das Statut der Geschäftsführung ohne Auftrag

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Problematisch wird die Anknüpfung an den gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt, wie im vertraglichen und auch deliktischen Bereich, in den Konstellationen der horizontalen Arbeitsteilung. Denn auch hier besteht die Gefahr der kollisionsrechtlichen Zersplitterung des Haftungssachverhaltes. Zur Schaffung eines einheitlichen GoA-Statuts und des Ausschlusses von Haftungskonflikten ist es wiederum angebracht, bei der durch horizontale Arbeitsteilung geprägten GoA abweichend auf den Ort des ärztlichen Kooperationsbedürfnisses abzustellen.940 Im Ergebnis wird jedoch damit das Ergebnis der Grundanknüpfung des Art. 39 Abs. 1 EGBGB bestätigt, denn der Behandlungsort als Ort des ärztlichen Zusammenwirkens entspricht dem Vornahmeort des Geschäfts. Folglich fehlt es an einer wesentlich engeren Verbindung zu einem anderen Staat i. S. d. Art. 41 Abs. 1 EGBGB. Daraus folgt, dass die Näherbeziehung aufgrund des gemeinsamen Aufenthaltes i. S. d. Art. 41 Abs. 2 Nr. 2 EGBGB lediglich in Nothilfesituationen ohne vorherige vertragliche Beziehung in Betracht kommt, in denen ein Arzt allein oder alle beteiligten Ärzte den Ort des gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthaltes mit dem Patienten teilen. Sobald einer von mehreren beteiligten Ärzten seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen Staat hat, was bei der Zusammenarbeit von Präsenzärzten mit einem ausländischen Telemediziner regelmäßig der Fall sein wird, wird der Ort des ärztlichen Kooperationsbedürfnisses bestimmend für die Anknüpfung. Die Einheitlichkeit des GoA-Statuts ist damit gesichert. 3. Grundregel der objektiven Anknüpfung, Art. 39 Abs. 1 EGBGB Besteht weder eine vertragliche Beziehung zwischen Geschäftsherr (Patient) und Geschäftsführer (Arzt) im Vorfeld der Geschäftsführung, mit welcher diese im Zusammenhang steht, noch ein gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthalt zwischen den Parteien, kommt die Grundregel des Art. 39 Abs. 1 EGBGB zur Anwendung. Danach ist der Vornahmeort der Geschäftsführung entscheidend, in Nothilfefällen also der Ort der Hilfeleistung.941 Im Rahmen der aktiven und passiven Dienstleistungsfreiheit ergeben sich hinsichtlich der Bestimmung dieses Ortes keine Probleme, da hier der Arzt als 940 Schädlich, S. 156. Der von Schädlich als gleichwertig in Erwägung gezogene Lösungsweg einer Auslegung des Art. 41 Abs. 2 Nr. 2 EGBGB in der Form, dass alle Beteiligten ihren gewöhnlichen Aufenthalt in ein und demselben Staat haben müssen, wirkt unnötig konstruiert. Denn wie bereits angesprochen, handelt es sich bei Art. 41 Abs. 2 Nr. 1 und 2 EGBGB lediglich um nicht abschließende Regelbeispiele. Wie bei Art. 28 Abs. 5 EGBGB sollte man auch hier die horizontale Arbeitsteilung grundsätzlich als vertypte Fallgruppe des Art. 41 EGBGB ansehen und den Umweg über eine „restriktive Auslegung“ des Art. 41 Abs. 2 Nr. 2 EGBGB vermeiden. 941 Staudinger-von Hoffmann/Thorn, EGBGB, Art. 39 Rn. 18; Rauscher, IPR, S. 296.

236

§ 3 Kollisionsrechtliche Behandlung des Arzthaftungsrechts

Nothelfer am Aufenthaltsort des Hilfebedürftigen handelt und damit Handlungsund Erfolgsort regelmäßig nicht auseinanderfallen. Jedoch mit Blick auf Telemedizinanwendungen ist wiederum fraglich, ob mit dem Begriff des Vornahmeortes i. S. d. Art. 39 Abs. 1 EGBGB der Ort der Handlung des Geschäftsführers oder der Ort des Erfolgseintritts gemeint ist. Aus dem Terminus allein ergibt sich keine Präferenz für den einen oder den anderen Weg. Auch der Vergleich mit dem Deliktsrecht, welches dem Geschädigten ein Wahlrecht zwischen Handlungs- und Erfolgsortrecht einräumt (Art. 40 Abs. 1 S. 2 EGBGB), gibt diesbezüglich keinen direkten Aufschluss, da dort eine ausdrückliche begriffliche Unterscheidung zwischen Handlungs- und Erfolgsort getroffen wird und es sich des Weiteren im Gegensatz zu deliktischen Ansprüchen in Fällen der Geschäftsführung ohne Auftrag regelmäßig um zwei Anspruchsberechtigte (Geschäftsführer und Geschäftsherr) handelt, so dass bei einem entsprechenden Wahlrecht die Gefahr der Anwendung unterschiedlicher Rechtsordnungen auf die gegenseitigen Ansprüche besteht.942 Wollte man allein den Handlungsort für maßgeblich erachten, käme es zu einer ungerechtfertigten Begünstigung des Geschäftsführers, da es ihm grundsätzlich möglich ist, sich den Handlungsort auszusuchen, dessen Rechtsordnung der Geschäftsherr dann unweigerlich unterstellt wäre.943 Eine besondere Schutzwürdigkeit der einen oder der anderen Partei bereits auf kollisionsrechtlicher Ebene ist jedoch nicht auszumachen.944 Die Wahrung der Neutralität der Parteiinteressen spricht somit dafür, dem Erfolgsort den Vorzug zu geben.945 Bezogen auf die telemedizinische Hilfeleistung hat der Patient als Geschäftsherr durch seinen Aufenthalt zurechenbar seinen Rechtskreis auf den Erfolgsort erstreckt, genauso wie der Arzt als Geschäftsführer seine telemedizinische Behandlung auf die Einwirkung in diesen Rechtskreis gerichtet hat. Beide Parteien haben damit einen gewissen Bezug zu diesem Ort, so dass die Anknüpfung für keinen der Beteiligten unvorhersehbar ist. Unter dem Aspekt der Neutralität der Parteiinteressen sowie der einfachen Bestimmbarkeit des Erfolgsortes spricht sich auch Schädlich946 speziell im Rahmen ärztlicher Hilfeleistung für die Maßgeblichkeit desselben aus. Richtig gibt er zudem zu bedenken, dass hierdurch wiederum eine einheitliche Beurteilung der Hilfeleistung durch mehrere Ärzte in Form horizontaler Arbeitsteilung erreicht wird.

942

Staudinger-von Hoffmann/Thorn, EGBGB, Art. 39 Rn. 12. Schädlich, S. 154; Staudinger-von Hoffmann/Thorn, EGBGB, Art. 39 Rn. 12. 944 Rauscher, IPR, S. 296; Staudinger-von Hoffmann/Thorn, EGBGB, Art. 39 Rn. 7. 945 MünchKomm-Junker, EGBGB, Art. 39 Rn. 9; Staudinger-von Hoffmann/Thorn, EGBGB, Art. 39 Rn. 12 a. E.; Kreuzer, RabelsZ 65 (2001), 383, 411; von Hoffmann/ Thorn, IPR, § 11 Rn. 10; Habermann, Die Geschäftsführung ohne Auftrag im System des deutschen Internationalen Privatrechts, S. 120 ff., 130 f.; a. A. Fischer, IPRax 2002, 1, 11, welcher in Entsprechung zu Art. 11 Abs. 1 EGBGB nur das Recht des Handlungsortes für maßgeblich erachtet. 946 Schädlich, S. 154. 943

V. Arzthaftung und das Statut der Geschäftsführung ohne Auftrag

237

Nach Art. 11 Abs. 3 VO kommt das Recht des Staates, in dem die Geschäftsführung erfolgt ist, nur dann zur Anwendung, wenn das anzuwendende Recht nicht nach den Abs. 1 und 2 bestimmt werden kann. Der Wortlaut der Norm erlaubt die Übertragbarkeit der Argumentation hinsichtlich der Maßgeblichkeit des Erfolgsortes im Falle des Auseinanderfallens von Handlungsund Erfolgsort der Geschäftsführung. Zudem wird dadurch ein Gleichlauf mit der allgemeinen Kollisionsnorm des Art. 4 Abs. 1 VO erreicht, im Rahmen derer aus Gründen der Rechtssicherheit und eines angemessenen Interessenausgleichs zwischen den Parteien ebenfalls auf das Erfolgsortrecht abgestellt wird.947

4. Beachtlichkeit des Renvoi im Rahmen des GoA-Statuts Wie schon für die Wahl des Deliktsstatuts gilt auch für die Wahl des GoAStatuts das Prinzip der unbedingten Verweisung gem. Art. 4 Abs. 2 EGBGB. Im Falle einer vertragsakzessorischen Anknüpfung gem. Art. 41 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 EGBGB gilt das Gleiche, da hier wiederum unter dem Aspekt des inneren Entscheidungseinklangs (einheitliche materielle Beurteilung des Sachverhaltes) gem. Art. 4 Abs. 1 S. 1 a. E. EGBGB die Annahme einer Rückverweisung dem Sinn der Verweisung widersprechen würde.948 Im Falle einer Anknüpfung an den gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt gem. Art. 41 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 EGBGB als der wesentlich engeren Verbindung zu einem beiden Parteien vertrauten Recht ist jedoch im Gegensatz zu Art. 41 Abs. 2 Nr. 1 und im Gleichklang mit Art. 40 Abs. 2 EGBGB nach richtiger Ansicht von einer Gesamtnormverweisung auszugehen, da ansonsten ein Widerspruch zur Annahme einer Gesamtverweisung im entsprechenden Fall im Rahmen des Deliktsrechts bestünde.949 Auch in den Fällen einer fehlenden Sonderverbindung und des daraus resultierenden Rückgriffs auf die Grundanknüpfung des Art. 39 Abs. 1 EGBGB bleibt es bei der bedingten Verweisung gem. Art. 4 Abs. 1 EGBGB. Im Falle des Gleichlaufs von Sonderverbindungsstatut und gem. Art. 39 Abs. 1 EGBGB ermitteltem Statut, aufgrund dessen nicht von einer wesentlich engeren Verbindung zu einem anderen Staat i. S. d. Art. 41 EGBGB gesprochen werden kann, gilt das im Rahmen des Deliktsstatuts Gesagte.950

947

Freitag/Leible, EuZW 2004, 7, 14 Fn. 109. Vgl. MünchKomm-Junker, EGBGB, Art. 41 Rn. 27 mit zahlreichen Nachweisen; Looschelders, EGBGB, Art. 4 Rn. 24 m.w. N. 949 Vgl. MünchKomm-Junker, EGBGB Art. 41 Rn. 31; Fischer, IPRax 2002, 1, 10, 17; Erman-Hohloch, EGBGB, Art. 41 Rn. 4; Kreuzer, RabelsZ 65 (2001), 383, 431 f.; Palandt-Heldrich, EGBGB, Art. 41 Rn. 2. 950 Vgl. Fn. 916. 948

238

§ 3 Kollisionsrechtliche Behandlung des Arzthaftungsrechts

VI. Korrektur des auf außervertragliche Schuldverhältnisse anwendbaren Rechts bei gemeinschaftsinternen Telemedizinapplikationen gem. § 3 TMG Wie bereits erörtert, handelt es sich bei dem in § 3 TMG verankerten Herkunftslandprinzip nach richtiger Ansicht um eine materielle Korrektur der lex causae zugunsten des günstigeren Herkunftsrechts. Es besitzt damit keinen kollisionsrechtlichen Gehalt bzw. keine eigenständigen kollisionsrechtlichen Wirkungen. Neben dem Vertragsstatut (abgesehen von den erörterten Ausnahmen der freien Rechtswahl und der Vorschriften für vertragliche Schuldverhältnisse in Bezug auf Verbraucherverträge) sind auch das Deliktsstatut sowie das GoAStatut Anwendungsgebiete des Herkunftslandprinzips.951 Während der vertragliche Verbraucherschutzbereich vollständig dem Herkunftslandprinzip entzogen ist952, unterfallen die als nicht-vertraglich zu qualifizierenden Schutzinstrumente diesem vollumfänglich. Relevant sind wiederum lediglich die Fälle des Auseinanderfallens von lex causae und Herkunftslandrecht des Anbieters und der Einschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs über die Anforderungen des Niederlassungsrechts hinaus durch die Vorschriften der lex causae. Da im internationalen Deliktsrecht der Telemedizin die vertragsakzessorische Anknüpfung der Regelfall sein wird, kann es bezüglich deliktischer Ansprüche recht häufig zu Fallkonstellationen kommen, in denen der Telearzt nach kollisionsrechtlicher Anknüpfung einem fremden Regelungsregime unterliegt (Art. 29, Art. 28 Abs. 5 EGBGB). Gleiches gilt für die Konstellationen der nicht von der Einwilligung des Patienten gedeckten Erweiterung einer Behandlung (speziell bei Operationen) hinsichtlich des GoA-Statuts. In den Fällen der Anknüpfung der GoA an den Ort des gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts gem. Art. 41 Abs. 2 Nr. 2 EGBGB wird regelmäßig das Herkunftslandrecht des Arztes mit dem GoA-Statut übereinstimmen. Nur in Ausnahmefällen sind Niederlassung des Telemediziners und gewöhnlicher Aufenthalt nicht deckungsgleich. In den Fällen der Regelanknüpfung des Art. 39 Abs. 1 EGBGB/Art. 11 Abs. 3 VO sowie einer Erfolgsortanknüpfung gem. Art. 40 Abs. 1 S. 2 EGBGB953 ist eine vom Niederlassungsrecht des Telemediziners verschiedene lex causae die Regel.

951 Spindler, NJW 2002, 921, 926; ders., MMR 2000 Beilage 7, 14, 19; Mankowski, ZVglRWiss 100 (2001), 137, 173 f. 952 Vgl. unter III. 5. b) cc) (4) (b). 953 Bei dem Bestimmungsrecht zugunsten des Rechts des Erfolgsortes handelt es sich nicht um einen Fall der Rechtswahl gem. § 3 Abs. 3 Nr. 1 TMG bzw. Art. 3 Abs. 3 i.V. m. Anhang der ECRL (5. Spiegelstrich), sondern um ein einseitiges Rechtsgeschäft bzw. Gestaltungsgeschäft, vgl. von Hoffmann/Thorn, IPR, § 11 Rn. 25; vgl. zur Anwendbarkeit des Herkunftslandprinzips für den Fall der Wahl des Erfolgsortrechts explizit Spindler, RabelsZ 66 (2002), 633, 690.

VI. Korrektur bei Telemedizinapplikationen gem. § 3 TMG

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Sollte das maßgebende fremde Deliktsrecht und Recht der GoA die Freiheit zur Erbringung von Diensten der Informationsgesellschaft einschränken, z. B. indem dieses für den Arzt strengere Haftungsregelungen vorsieht als das Recht der Niederlassung des Anbieters oder höhere Sorgfaltsanforderungen statuiert, kommt vorbehaltlich des aufwendigen Schutzklauselverfahrens nach § 3 Abs. 5 TMG/Art. 3 Abs. 4 ECRL954 das Herkunftslandprinzip zum Tragen, so dass dann das Recht des Niederlassungsstaates des Telemediziners anzuwenden ist, da dieses bezogen auf den speziellen Sachverhalt für ihn das liberalere bzw. permissive „Regime“ darstellt. Denn zu beachten ist, dass es sich um ein sekundärrechtliches Herkunftslandprinzip handelt, es mithin nicht auf die Überprüfung der Vereinbarkeit des mitgliedstaatlichen Rechts mit dem EG-Primärrecht (Waren- und Dienstleistungsverkehrsfreiheit) ankommt, sondern sich die Überprüfung auf die Frage bezieht, ob die berufenen Sachvorschriften den freien Verkehr der Dienste der Informationsgesellschaft einschränken, indem sie strengere Anforderungen stellen als das Niederlassungsrecht des Anbieters. Der Beschränkungsbegriff der Grundfreiheiten ist in diesem Rahmen ohne Belang955, so dass z. B. auch Verkaufsmodalitäten i. S. d. „Keck“-Rechtsprechung vom Herkunftslandprinzip erfasst sind.956 Würde man im Herkunftslandprinzip lediglich einen Verweis auf die bestehende Grundrechtsdogmatik sehen, käme diesem lediglich ein rein deklaratorischer Charakter und damit kein eigener Regelungsgehalt zu.957 Das ausdifferenzierte Ausnahmensystem des Herkunftslandprinzips wäre sinnentleert und die für die Diensteanbieter angestrebte Rechtssicherheit würde aufgrund der Tatsache, dass sie die Grundfreiheitendogmatik des EuGH zu Rate ziehen müssten, um herauszufinden, welchen Anforderungen sie letztlich unterliegen, konterkariert.958 Die Regelungen der lex causae treten also im Rahmen eines Günstigkeitsvergleichs dann zurück, sobald sie über die Anforderungen bzw. Standards des Herkunftslandes hinausgehen. Mit Blick auf den arzthaftungsrechtlichen Aspekt im Rahmen der Telemedizin droht bei Anwen-

954 Die Rechtfertigung der Anwendung einer „strengeren“ Vorschrift und damit eine Abweichung vom Herkunftslandslandprinzip setzt voraus: 1. Vorliegen einer der in § 3 Abs. 5 Nr. 1–3 TMG genannten Rechtfertigungsgründe, 2. Vorliegen einer ernsthaften oder schwerwiegenden Gefahr für den Schutzzweck der Regelung, 3. Verhältnismäßigkeit der Einschränkungen im Hinblick auf die entsprechenden Schutzziele; hier Abwägung der Interessen der Patienten als Verbraucher ggü. denjenigen der Diensteanbieter nach § 3 Abs. 5 Nr. 3 TMG i.V. m. § 4 Abs. 5 Nr. 2 TMG (sofern Schadensfall mit einer Körperverletzung verbunden); vgl. dazu Naskret, Das Verhältnis zwischen Herkunftslandprinzip und Internationalem Privatrecht in der Richtlinie zum elektronischen Geschäftsverkehr, S. 37 ff.; Lurger/Vallant, RIW 2002, 188, 190 f., 197; Spindler, RabelsZ 66 (2002), 633, 673 ff. 955 Fezer/Koos, IPRax 2000, 349, 353; Thünken, IPRax 2001, 15, 19. 956 Vgl. Naskret, S. 72 m.w. N. 957 Vgl. Naskret, S. 78 f. 958 Thünken, IPRax 2001, 15, 20.

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dung des Herkunftslandprinzips auf die deliktischen Schadensersatznormen im Falle einer vertragsakzessorischen Anknüpfung nach Art. 41 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB zwar die Störung des durch die Anknüpfung erreichten inneren Entscheidungseinklangs. Eine dem Patienten als Verbraucher günstige deliktische Norm würde dann aufgrund des Herkunftslandprinzips nicht angewendet, während ihm der bereits angesprochene vertragliche Verbraucherschutz erhalten bleibt.959 Außerhalb des vertragsrechtlichen Verbraucherschutzes überwiegt wohl das rechtspolitische Ziel der Richtlinie, den Diensteanbietern ein größtmögliches Maß an Rechtssicherheit zu gewährleisten.960 Trotz Qualifizierung des § 3 TMG als materielle Korrektur der lex causae im Falle der Einschränkung des freien Verkehrs der Informationsdienste über die Anforderungen des Rechts des Niederlassungsstaates hinaus961 sowie bisher fehlender gemeinschaftsinterner Angleichung der Kollisionsnormen, welche er im Rahmen des Vertragsrechts als Argument anführt, spricht sich Schädlich auch bezüglich der außervertraglichen Schuldverhältnisse gegen die Anwendbarkeit des Herkunftslandprinzips aus. Er befürwortet vielmehr eine teleologische Reduktion des § 3 TMG für den Bereich der Telemedizin.962 Die Erscheinungsform der Gesundheitsportale sei aufgrund des § 3 Abs. 3 Nr. 2 TMG (Verbraucherverträge) ohnehin bereits ausgenommen.963 Die anderen Formen der Telemedizin seien vergleichbar mit den klassischen Konstellationen grenzüberschreitender Sachverhalte, da regelmäßig nur der Behandlungsort bzw. Aufenthaltsort des Patienten betroffen und damit die Auslandsberührung beschränkt ist. Mit der Interessenlage eines Internetanbieters mit weltweiter Präsenz sei dies nicht zu vergleichen. An einer internettypischen Beziehung zwischen Telearzt und Patienten fehle es damit, so dass mangels Multi-State-Problematik eine Korrektur der lex causae zwecklos bzw. sinnentleert sei.964 Schädlichs Argumentation wäre grundsätzlich nachvollziehbar, wenn man nur die klassischen Fälle zu Beginn der Entwicklung der Telemedizin ins Blickfeld rückt, in denen ein Spezialist vereinzelt auf einem bestimmten medizinischen Fachgebiet aufgrund der Distanz zum Aufenthaltsort des Patienten oder aufgrund der gebotenen Eile medizinischen Handelns ausnahmsweise einmal auf telemedizinischem Wege auf den Patienten in der Ferne einwirkt. Hier besteht tatsächlich ein Unterschied zu einer Vielzahl von Unternehmern und Unternehmen im Bereich der New Economy, die bezüglich der grenzüberschreitenden

959

Vgl. auch Spindler, IPRax, 66 (2002), 633, 693. Vgl. Erwägungsgrund 22 S. 3 der ECRL. 961 Schädlich, S. 107 f. 962 Schädlich, S. 167 f. 963 Übergangen wird die Tatsache, dass diese Ausnahme nur den vertraglichen Bereich umfasst. 964 Schädlich, S. 169. 960

VII. Zusammenfassung zum kollisionsrechtlichen Teil

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Kundengewinnung und Pflege der Kundenbeziehungen das Internet nutzen. Jedoch ist auch im Rahmen der Telemedizin eine fortschreitende Entwicklung zu verzeichnen, und zwar vom klassischen Fall des gelegentlichen telemedizinischen Tätigwerdens hin zu standardisierten telemedizinischen Verfahren (Telebefundung, Telemonitoring, Telerehabilitation). Vor allem in der Teleradiologie ist bereits jetzt eine Herausbildung telediagnostischer Zentren (Befundungszentren) zu erkennen, die ihr Spezialwissen hinsichtlich der Auswertung von über das Netz verschickten Röntgen-, CT-, MR- und Ultraschallbildern der gesamten medizinischen Welt zur Verfügung stellen.965 Es ist nur eine Frage der Zeit, wann sich die Bündelung bzw. Konzentration von Kompetenz durch vernetzte medizinische Dienste für eine Effizienz- und Qualitätssteigerung sowohl innerstaatlicher als auch grenzüberschreitender medizinischer Versorgungsprozesse auch in anderen Bereichen der Telemedizin966 durchsetzen wird. Die teleologische Reduktion des Herkunftslandprinzips speziell für den Bereich der Telemedizin mangels Multi-State-Problematik ist daher nicht nachvollziehbar. Es bestehen in den genannten Fällen bezüglich der Interessenlage keine Unterschiede zu anderen Anbietern von Telediensten, welche eine Ausnahme vom Herkunftslandprinzip rechtfertigen würde. Auch bezüglich der von Schädlich angeführten klassischen Fälle der vorhersehbaren und beschränkten Auslandsberührung gibt der Wortlaut der ECRL sowie der entsprechenden Vorschriften im deutschen TMG keinen Anhaltspunkt für eine Einschränkung der Regelung in diesen Konstellationen. Eine genaue Grenzziehung, ab welchem Stadium der Auslandsberührung der Übergang zur Geltung des Herkunftslandprinzips interessengerecht ist, ließe sich ohnehin schwer treffen und wäre mit enormer Rechtsunsicherheit verbunden. Es ist damit auch im Bereich gemeinschaftsinterner Telemedizin-Anwendungen grundsätzlich an der Korrektur des auf außervertragliche Schuldverhältnisse anwendbaren Rechts gem. Art. 3 TMG festzuhalten.

VII. Zusammenfassung zum kollisionsrechtlichen Teil Für den Bereich des internationalen Arzthaftungsrechts unter dem besonderen Aspekt der Dienstleistungsfreiheit innerhalb der Mitgliedstaaten der EU kann insgesamt folgender Stand festgehalten werden: 965 Vgl. Ärzte Zeitung, 24.02.2004 „Telemedizin über die Grenzen im Drei-LänderEck“; Kleinschmidt, ZaeFQ 2001, 624, 627. 966 Z. B. im Bereich der Teleradiologie: Hier werden Gewebeproben noch im Operationssaal auf ein ferngesteuertes Mikroskop gelegt, die entsprechenden Bilder von einer Videokamera aufgenommen und auf die Fernsteuerseite übertragen; nach Sichtung durch einen Pathologen in der Ferne können die Ergebnisse der Befundung dem Chirurgen im Operationssaal sofort telefonisch mitgeteilt werden; kleine Krankenhäuser ohne Pathologen können damit eine wohnortnahe und zügige Versorgung ihrer Tumorpatienten sicherstellen.

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Zentrale Bedeutung für die kollisionsrechtliche Beurteilung der Arzthaftung hat – gerade im Rahmen des grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehrs der Ärzteschaft innerhalb der EU – das Vertragsstatut bzw. das internationale Schuldvertragsrecht, geregelt in den Art. 27 ff. EGBGB. Im Mittelpunkt steht die Parteiautonomie von Patient und Arzt durch die jederzeitige Rechtswahlmöglichkeit gem. Art. 27 EGBGB, jedoch begrenzt durch die Schranken der Art. 29 Abs. 1, 29a, 34 und 6 EGBGB. Ein reger Gebrauch wäre in Verbindung mit einer wirksamen Gerichtsstandsvereinbarung unter dem Aspekt der Rechtsklarheit – nach den jüngsten EuGH-Entscheidungen vor allem für die Krankenversicherungen wichtig – wünschenswert und vor allem bei länger geplanten medizinischen Auslandsbehandlungen kein allzu großes praktisches Problem. Fehlt eine solche wirksame Rechtswahl, richtet sich das auf grenzüberschreitende Behandlungsverträge anzuwendende Recht regelmäßig nach der Anknüpfung in Art. 28 Abs. 2 EGBGB, d. h. ausschlaggebend ist das Recht am Ort der ärztlichen Niederlassung bzw. der Hauptverwaltung des Krankenhausträgers. Wird die medizinische Dienstleistung auch tatsächlich an diesem Ort erbracht (Regelfall der passiven Dienstleistungsfreiheit), bestehen hinsichtlich der Tragfähigkeit dieser Anknüpfung grundsätzlich keine Bedenken. Begibt sich der Arzt grenzüberschreitend zum Patienten (aktive Dienstleistungsfreiheit), ist dies nur der Fall, solange keine gleichzeitige Präsenz mehrerer Ärzte aus verschiedenen Mitgliedstaaten in Kooperation gegeben ist. In letztgenannten Konstellationen erscheint es vor allem hinsichtlich der Vermeidung jeglicher Haftungskonflikte vorzugswürdiger, gem. Art. 28 Abs. 5 EGBGB auf den Behandlungsort als den Ort des ärztlichen Kooperationsbedürfnisses abzustellen. Dies gilt z. T. auch für den Bereich der Telemedizin als typische Korrespondenzdienstleistung, und zwar immer dann, wenn eine horizontale Arbeitsteilung zwischen Telemedizinern und „Präsenzärzten“ (kooperatives Zusammenwirken) vorliegt (klassischer Fall: Telekonsultation, Telechirurgie). In den Fällen der grenzüberschreitenden Inanspruchnahme von Gesundheitsportalen durch Patienten ist ein solcher Schwerpunkt der Rechtsbeziehung am Aufenthaltsort des Patienten nicht gegeben und damit ein Abweichen von der Vermutung des Art. 28 Abs. 2 EGBGB nicht angezeigt. Zu beachten ist schließlich, dass Art. 28 EGBGB im Rahmen der objektiven Anknüpfung des Vertragsstatuts nur dann zur Anwendung kommt, wenn es sich bei dem geschlossenen Arztvertrag nicht um einen Verbrauchervertrag i. S. d. Art. 29 Abs. 1 EGBGB handelt. Im letztgenannten Fall ist mangels Rechtswahlvereinbarung gem. Art. 29 Abs. 2 EGBGB (lex specialis) das Recht des Staates maßgeblich, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Resümierend kann festgehalten werden, dass im Rahmen der objektiven Anknüpfung der regelmäßigen Vermutung des Art. 28 Abs. 2 EGBGB, die das

VII. Zusammenfassung zum kollisionsrechtlichen Teil

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dem Arzt vertraute Niederlassungsrecht zur Anwendung beruft, in einer nicht unerheblichen Reihe von Fallkonstellationen – vor allem die aktive Dienstleistungsfreiheit und die Korrespondenzdienstleistungen betreffend – nicht gefolgt werden kann. Statt dessen bildet das fremde Behandlungsortrecht am Aufenthaltsort des Patienten die lex causae. Dies hat für den Mediziner weitreichende Folgen. Denn neben dem Zustandekommen und der Wirksamkeit des Vertrages (Art. 31 Abs. 1 EGBGB) umfasst der Geltungsbereich des Vertragsstatuts gem. Art. 32 EGBGB alle mit dem Vertrag zusammenhängenden Fragen, z. B. den im Arzthaftungsrecht interessierenden Inhalt und den Umfang der Pflichten der Vertragsparteien, die Voraussetzungen (z. B. notwendiger Verschuldensgrad für einen Haftungsanspruch) und Folgen/Wirkungen von Leistungsstörungen (z. B. Schmerzengeldanspruch, Art und Umfang des Schadensersatzes), die Haftung für Erfüllungsgehilfen bzw., allgemeiner formuliert, die Zurechnung des Verhaltens Dritter, die Beweislastverteilung und die Anspruchsverjährung.967 Weiterhin strittig bzw. noch nicht ausreichend diskutiert sind das Problem des anwendbaren Rechts hinsichtlich der Bemessung des Schmerzensgeldes sowie die zentrale Frage, mit welcher Sorgfalt der Arzt seine Leistung zu erbringen hat (der medizinische Sorgfaltsstandard). Beim Vergleich der verschiedenen mitgliedstaatlichen Sachrechte ergeben sich in diesen Punkten z. T. erhebliche Unterschiede, denen sich der grenzüberschreitend tätige Arzt nicht entziehen kann.968 Aufgrund der zentralen Bedeutung dieser beiden Fragen der Einordnung, auch in Fällen der außervertraglichen Haftung, wird auf diesen Bereich im Folgenden (VIII.) gesondert eingegangen. Das internationale Deliktsrecht spielt aufgrund der im Dienstleistungsverkehr regelmäßigen vertragsakzessorischen Anknüpfung gem. Art. 41 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1 EGBGB eine untergeordnete Rolle, so dass die grundsätzliche Zweigleisigkeit der Arzthaftung auf kollisionsrechtlicher Ebene hinter dem Interesse an einem uniformen Haftungsstatut durch die Harmonisierung beider Anknüpfungen zurücktritt. Lediglich in den Fällen der Heranziehung ausländischer Ärzte im Wege der horizontalen Arbeitsteilung ohne das Zustandekommen eigenständiger Verträge zwischen diesen und dem Patienten scheidet eine akzessorische Anknüpfung aus, so dass hier die Grundanknüpfungen des Art. 40 Abs. 1 und 2 EGBGB relevant werden. Jedoch ist im Falle der Einschlägigkeit des Art. 40 Abs. 2 EGBGB in der Beziehung zu einem behandelnden Arzt aufgrund der Gefahr 967 Näher zum Geltungsbereich des Vertragsstatuts Schädlich, S. 152; Könning-Feil, S. 235. 968 Zum Vergleich des ärztlichen Verschuldens im deutschen Recht und in ausländischen Rechtsordnungen vgl. Könning-Feil, S. 121 ff.

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möglicher Kompetenzkonflikte durch die gleichzeitige Anwendbarkeit verschiedener Rechtsordnungen wie im vertragsrechtlichen Bereich mit der vorrangigen Anknüpfung an den Ort der ärztlichen Zusammenarbeit (Aufenthaltsort des Patienten) dem Interesse an einer einheitlichen Lösung des Haftungssachverhaltes der Vorrang einzuräumen. Für eine entsprechende Abkehr von der Regelanknüpfung des Art. 40 Abs. 1 EGBGB im Falle unterschiedlicher Handlungsorte der beteiligten Personen aufgrund der Einschaltung eines oder mehrerer Telemediziner besteht wegen des gesetzlich eingeräumten Wahlrechts des Geschädigten (Art. 40 Abs. 1 S. 2 EGBGB) kein vergleichbares dringendes Bedürfnis der Schaffung eines uniformen Haftungsstatuts über die Ausweichklausel des Art. 41 EGBGB. Sollte aufgrund einer Notsituation bzw. aufgrund der Minderjährigkeit des Patienten kein Vertrag zustande gekommen bzw. der geschlossene Vertrag unwirksam sein oder die Behandlung des Arztes über den von der Einwilligung des Patienten gedeckten Bereich hinausgehen, ist das GoA-Statut einschlägig. Parallel dazu in Betracht kommende deliktische Ansprüche orientieren sich dann grundsätzlich gem. Art. 41 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1 EGBGB an der gesetzlichen Sonderverbindung der Geschäftsführung ohne Auftrag. Liegt bezüglich des GoA-Statuts keine Rechtswahl vor, ist zunächst wieder zu überprüfen, ob eine wesentlich engere Verbindung zu einem anderen als den in der Grundanknüpfung (Art. 39 Abs. 1 EGBGB) vorgesehenen Vornahmestaat gegeben ist, Art. 41 Abs. 1, Abs. 2 EGBGB. Nicht selten ist der Fall einer unvorhersehbaren und damit nicht von der Einwilligung des Patienten gedeckten Operationserweiterung, ein Paradefall der vertragsakzessorischen Anknüpfung des GoA-Statuts gem. Art. 41 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB. Die Fälle der wesentlich engeren Verbindung zwischen Arzt und Patient aufgrund eines gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthaltes gem. der Nr. 2 sind im Falle eines bestehenden Vertrages969 nachrangig. Das Gleiche gilt bei horizontaler Arbeitsteilung der Ärzte, sofern durch die Anknüpfung gem. Art. 41 Abs. 2 Nr. 2 EGBGB wieder ein zusammenhängender Lebenssachverhalt nach unterschiedlichen Rechten behandelt werden würde970. Im übrigen sind die Konstellationen des Art. 41 Abs. 2 Nr. 2 EGBGB jedoch in jedem Falle vor der Grundanknüpfung des Art. 39 Abs. 1 EGBGB in Erwägung zu ziehen.

969 970

Vorrangigkeit der akzessorischen Anknüpfung an die Sonderverbindung. Engste Verbindung ist dann der Ort des ärztlichen Kooperationsbedürfnisses.

VIII. Grenzen der lex causae

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VIII. Grenzen der lex causae Grundsätzlich bestimmt die lex causae umfassend das auf das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien anwendbare Recht. Für das Vertragsstatut ist dies ausdrücklich in den Art. 31 und 32 EGBGB geregelt. Sonderanknüpfungen sind lediglich für die Rechts- und Geschäftsfähigkeit (Art. 7 EGBGB), die Form (Art. 11 und 29 Abs. 3 S. 2 EGBGB) sowie für die Art und Weise der Erfüllung (Art. 32 Abs. 2 EGBGB) vorgesehen.971 Auch das Deliktsstatut bestimmt grundsätzlich sämtliche Tatbestandsvoraussetzungen und Rechtsfolgen der deliktischen Haftung. Entsprechendes gilt für das GoA-Statut. In den folgenden zwei Bereichen ist die Reichweite der Haftungsstatute jedoch problematisch: 1. Bedeutung des Tatortrechts hinsichtlich örtlicher Verhaltensnormen und Sicherheitsvorschriften Das Tatortrecht kann abweichend von der lex causae dann Bedeutung erlangen, wenn bestimmte örtliche Verhaltensnormen und Sicherheitsvorschriften für die Beurteilung des Sachverhaltes (v. a. im Rahmen des Verschuldens) zu beachten sind und die Haftungsstatute nicht mit dem Tatortrecht übereinstimmen. Bisher stellte sich die Frage der kollisionsrechtlichen Behandlung derartiger Vorschriften vor allem im Rahmen des Unfallrechts bei aufgelockertem Deliktsstatut (Straßenverkehrs- und Skiunfälle).972 Einig ist man sich darin, dass die verkehrsrechtlichen Verhaltensnormen des Tatortes (Handlungsortes) bei der Ermittlung des verkehrsrichtigen Verhaltens bzw. der Bestimmung des Fahrlässigkeitsvorwurfs heranzuziehen sind, d. h. das Verhalten der Beteiligten ist an den im Schädigungszeitpunkt am Ort des Geschehens geltenden Normen auszurichten.973 Es sei Sache des Staates zu bestimmen, wie sich die Verkehrsteilnehmer auf seinem Hoheitsgebiet974 zu verhalten haben. Stoll weist zudem auf das schutzwürdige Vertrauen des Verletzten hinsichtlich der Geltung des Sicherheitsstandards am Unfallort hin, welcher durch die allgemeinen Verkehrsregeln 971

Vgl. dazu Könning-Feil, S. 235 ff.; Schädlich, S. 152 f. Könning-Feil, S. 300; Staudinger-von Hoffmann, EGBGB, Art. 40 Rn. 195; Bamberger/Roth-Spickhoff, EGBGB, Art. 40 Rn. 11; Stoll, in: von Caemmerer, Vorschläge und Gutachten, S. 160, 161 ff. 973 Staudinger-von Hoffmann, EGBGB, Vorbem. zu Art. 40 Rn. 57 m.w. N.; Könning-Feil, S. 300 Fn. 1845 m.w. N.; Brandt, Die Sonderanknüpfung im Internationalen Deliktsrecht, S. 34 ff., 35 m.w. N. in Fn. 120; Dörner, JR 1994, 6, 9 ff.; ders., in: FS für Stoll, S. 491, 496 ff.; Kropholler, IPR, § 53 IV 7. a); Bamberger/Roth-Spickhoff, EGBGB, Art. 40 Rn. 11. 974 Im Rahmen der bisherigen Entscheidungen genauer: Straßen des Hoheitsgebiets. 972

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und Sicherheitsvorschriften gewährleistet werde.975 Im Rahmen der „Rom II“Verordnung werden diese Überlegungen in Art. 17 VO erstmals positivrechtlich normiert. Nach dieser Norm sind bei der Beurteilung des Verhaltens einer haftungsrechtlich in Anspruch genommenen Person faktisch und soweit angemessen die Sicherheits- und Verhaltensregeln zu berücksichtigen, die an dem Ort und zu dem Zeitpunkt des haftungsbegründenden Ereignisses in Kraft sind. Mit Ort des „haftungsbegründenden Ereignisses“ ist hierbei der Handlungsort gemeint. Dies zeigt der Wortlaut des Art. 4 Abs. 1 VO, welcher streng zwischen Ort des Eintritts des schadensbegründenden Ereignisses (Handlungsort) und Ort des Schadenseintritts (Erfolgsort) unterscheidet. Strittig ist in diesen Fällen bisher lediglich, ob es sich hierbei um eine echte Sonderanknüpfung an den Handlungsort („kollisionsrechtliches Nebenstatut“976) handelt977 oder (vielmehr) nur um einen Auslandssachverhalt, welchem Tatbestandswirkung und damit eine materiell-rechtliche Wertung zukommt (Berücksichtigung als „local data“)978. Folgt man der ersten Ansicht, käme es aufgrund der gesonderten Bewertung des Verstoßes gegen eine entsprechende Vorschrift nach dem Recht des Handlungsortes (Sonderanknüpfung des Verschuldens) unweigerlich zu einer Zerstörung des Haftungssystems der lex causae. Folgt man der herrschenden Meinung, die sich lediglich für eine Tatbestandswirkung im Rahmen des Deliktsstatuts ausspricht, kommt es nur zu einer Konkretisierung der Sorgfaltsgebote, die von Ort und Zeit abhängig und damit relativ sind. Hinsichtlich der rechtlichen Bewertung des Verstoßes gegen die entsprechenden örtlichen Regeln und Vorschriften (der schädigenden Handlung) bleibt es hingegen ausschließlich bei dem Deliktsstatut, so dass es auch denkbar ist, dass die örtlichen Regeln und Vorschriften durch die Sorgfaltsanforderungen des Deliktsstatuts ergänzt oder sogar verschärft werden.979 Die Berücksichtigung der Verhaltens- und Sicherheitsvorschriften als „local data“ macht aus dem Verschuldenselement damit keinen eigenständigen kollisionsrechtlichen Gesichtspunkt, sondern berücksichtigt die Frage der Vorwerfbarkeit als einen vom Haftungssystem untrennbaren Prüfungspunkt. Zu einer misslichen Aufspaltung der lex causae kommt es hier nicht, so dass dieser Ansicht der Vorzug zu geben ist.980 Auch der von der Kommission vorgelegte Verordnungsvorschlag zu „Rom II“ aus dem Jahre 2003 folgt in seiner Begründung der Heranziehung der örtlichen Sicherheits- und Verhaltensregeln als Sachverhaltselemente.981 975

Stoll, in: von Caemmerer, Vorschläge und Gutachten, S. 160, 175. von Hoffmann/Thorn, IPR, § 11 Rn. 58. 977 Nachweise bei Stoll, in: von Caemmerer, Vorschläge und Gutachten, S. 160, 171 ff. 978 Ganz h. M. – Nachweise bei Brandt, S. 34, 35 f. 979 Stoll, IPRax, 1989, 89, 92; ders., in: von Caemmerer, Vorschläge und Gutachten, S. 160, 175. 980 Diese Streitfrage umfassend beleuchtend: Brandt, S. 34, 35 ff.; zur herrschenden Ansicht, Staudinger-von Hoffmann, EGBGB, Vorbem zu Art. 40 Rn. 58. 976

VIII. Grenzen der lex causae

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Obwohl die Frage der Berücksichtigung örtlicher Verhaltens- und Sicherheitsvorschriften bisher überwiegend im Rahmen des internationalen Deliktsrechts erörtert wurde, ist dieses Problem nicht minder im Rahmen des internationalen Schuldvertragsrechts von Bedeutung. Zwar regelt das Vertragsstatut gem. Art. 32 Abs. 1 Nr. 2 und 3 EGBGB auch die Fragen der Erfüllung der vertraglich begründeten Verpflichtungen982 sowie die Folgen von Vertragsverletzungen und damit auch die Art sowie den Umfang der Pflichten und die Voraussetzungen der Verantwortlichkeit des Schuldners.983 Demgegenüber bestimmt Art. 32 Abs. 2 EGBGB, dass bezüglich der Art und Weise der Erfüllung das Recht des Staates, in dem die Erfüllung erfolgt, zu berücksichtigen ist. Dabei kommt es auf den tatsächlichen, nicht auf den vereinbarten oder rechtlichen Erfüllungsort an, so dass die Handlungen im Hinblick auf das Recht des Ortes auszuführen sind, an dem sie tatsächlich vorgenommen werden.984 Wie im Deliktsrecht sind somit wiederum die örtlichen Vorschriften am Handlungsort bestimmend. Wie Fischer985 richtig anmerkt, kann im Falle der Berücksichtigung örtlicher Verhaltens- und Sicherheitsvorschriften im Rahmen deliktischer Ansprüche nichts anderes hinsichtlich konkurrierender vertraglicher Ansprüche gelten, erst recht nicht, wenn es sich um eine vertragsakzessorische Anknüpfung der deliktischen Ansprüche handelt. Denn hier soll durch die akzessorische Anknüpfung an das Vertragsstatut ein innerstaatlich abgestimmtes Haftungssystem geschaffen werden, was gerade mit Blick auf die Parallelität von deliktischen und vertraglichen Sorgfaltspflichten bzw. Verhaltensstandards986 im Bereich der Arzthaftung von Bedeutung ist. Das eigentliche Problem ist jedoch, ob und in welchen Bereichen man im Arztrecht überhaupt von ortsgebundenen Verhaltensregeln sprechen kann. a) Allgemeiner medizinischer Sorgfaltsstandard Ortsgebundene Verhaltensnormen und sonstige Sicherheitsvorschriften mit Tatbestandswirkung können sowohl öffentlich-rechtlich als auch privatrechtlich sein.987 Genauso wenig kommt es darauf an, ob diese Regeln Rechtsnormqualität aufweisen. Auch von der Rechtsprechung entwickelte oder im Tatortland tat981

Vorschlag der Kommission zu „Rom II“ vom 22.7.2003, S. 28. Gemeint ist die Gesamtheit der gegenseitigen vertraglichen Pflichten, nicht lediglich die Erfüllungswirkung, vgl. Staudinger-Magnus, EGBGB, Art. 32 Rn. 33; Bericht Giuliano/Lagarde, BT-Drs. 10/503, S. 33, 36, 64. 983 Soergel-von Hoffmann, EGBGB, Art. 32 Rn. 35. 984 Staudinger-Magnus, EGBGB, Art. 32 Rn. 82; MünchKomm-Spellenberg, EGBGB, Art. 32 Rn. 137; Lüderitz, IPR, Rn. 296. 985 In: FS für Laufs, S. 781, 784. 986 Vgl. Fn. 269, 851. 987 Stoll, in: FS für Lipstein, S. 259, 265; Könning-Feil, S. 300. 982

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sächlich befolgte Verhaltensregeln gehören dazu.988 Damit tritt neben dem Unfallrecht auch das Recht der Berufshaftung und damit auch der Arzthaftung in den Blickpunkt des Interesses.989 Auch hier sind die örtlichen oder ortsgebundenen Verhaltensvorschriften zu beachten. Doch kann man schon bei den allgemeinen ärztlichen Sorgfaltsstandards von ortsgebundenen Verhaltenregeln sprechen, bloß weil diese territorial sehr verschieden sein können? aa) Einordnung als verkehrsrechtliche Verhaltensnormen Ein Teil der Literatur lässt die von Land zu Land unterschiedliche Ortsüblichkeit hinsichtlich des medizinischen Standards und Sorgfaltsmaßstabs genügen, um eine Ortsgebundenheit und damit die Einordnung als verkehrsrechtliche Verhaltensnormen zu bejahen.990 Diese Gleichsetzung von „Ortsüblichkeit“ und „Ortsgebundenheit“ kann für die grenzüberschreitende Arzttätigkeit fatale Folgen haben. Denn Resultat dieser dogmatischen Einordnung wäre, dass sich der Mediziner bei jeder auch noch so flüchtigen Tätigkeit außerhalb seines Niederlassungsstaats an den dort geltenden Sorgfaltsmaßstäben messen lassen müsste. Für die Reisegruppenfälle würde dies bedeuten, dass sich der Arzt bei einer Reise durch mehrere Länder auf einen häufigen Wechsel der Sorgfaltsmaßstäbe innerhalb eines relativ kurzen Zeitrahmens je nach Behandlungsort einstellen müsste, und das trotz sonderverbindungsakzessorischer Ermittlung des Deliktsstatuts. Man käme somit wiederum zu einem Ergebnis, welches man gerade durch die Anknüpfung gem. Art. 28 Abs. 5 EGBGB zur Ermittlung des Vertragsstatuts sowie durch die sonderverbindungsakzessorische Anknüpfung des Deliktsstatuts vermeiden will.991 Gleiches gilt für die Anknüpfung an den Ort des ärztlichen Kooperationsbedürfnisses bei Heranziehung eines ausländischen Telemediziners992 im Wege der horizontalen Arbeitsteilung. Eine homogene Anknüpfung zur Vermeidung einer kollisionsrechtlichen Zersplitterung des Sachverhaltes und der damit verbundenen Gefahr von Haftungskonflikten würde unter dem Aspekt der Sorgfaltsstandards ins Leere laufen.993 988 Staudinger-von Hoffmann, EGBGB, Vorbem zu Art. 40 Rn. 58 m.w. N.; Stoll, in: von Caemmerer, Vorschläge und Gutachten, S. 160, 173. 989 Könning-Feil, S. 300 m.w. N. 990 Hoppe, Der Arzt und sein Recht 1998, 3, 10; ders., MedR 1998, 462, 466. 991 So auch Könning-Feil, S. 300 f. 992 Bei einer Präsenztätigkeit des herangezogenen Mediziners stimmen Handlungsort der beteiligten Ärzte und Ort des ärztlichen Kooperationsbedürfnisses ohnehin überein. 993 In Hoppes Ausführungen kommt diese Problematik nicht auf, da sich die von ihm angesprochenen Fälle allesamt im Kreis von passiver Dienstleistungsfreiheit und Korrespondenzdienstleistungsfreiheit bewegen, so dass Handlungsort des Arztes und Niederlassungsort übereinstimmen (Hoppe, Der Arzt und sein Recht 1998, 3: durch

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Abgesehen davon fehlt in den Sachverhaltskonstellationen der Arzthaftung regelmäßig das Element des Zufalls, wie es für Verkehrsunfälle typisch ist. Während sich hier die Beteiligten erst durch den Unfall kennen lernen und in Anspruchsbeziehungen treten, sich also ihre Beziehung in der Abwicklung der Schadensfolgen erschöpft994, treten Arzt und Patient regelmäßig willensgesteuert in eine Rechtsbeziehung995. Sie treffen damit nicht wie zwei „Autobahn-Raser“ aufeinander996. Im Rahmen der persönlichen Vertrauensbeziehung zwischen Arzt und Patient liegen Ort, Zeit und sonstige Begleitumstände eines möglichen Schadensfalles in der Hand der Parteien, so dass die territoriale gegenüber der personalen Komponente in den Hintergrund tritt. Die Arzt-Patienten-Beziehung geht in ihrer Intensität auch weit über die Fälle des gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthaltes von Unfallopfer und -schädiger (Art. 40 Abs. 2 EGBGB) hinaus997, bei welcher trotz Übergang von der rein territorial indizierten zu einer persönlichen Beziehung die Anforderungen an das verkehrsrichtige Verhalten nach den Verkehrsregeln des Unfallortes zu bestimmen sind.998 Abgesehen davon ist der Regelungsgehalt von verkehrsrechtlichen Verhaltensnormen im Rahmen des Straßenverkehrs und von medizinischen Qualitätsstandards, an denen sich die ärztliche Haftung ausrichtet, nicht vergleichbar. Während die Bestimmung erstgenannter nach dem Handlungsortrecht den nationalen Hoheitsrechten Rechnung tragen soll, besteht diesbezüglich bei den ärztlichen Sorgfaltspflichten kein entsprechendes Bedürfnis.999 bb) Bestimmung nach dem vertrauten Niederlassungsrecht Die gegenläufige Position in der Literatur spricht sich für eine grundsätzliche Bestimmung des allgemeinen medizinischen Behandlungsstandards nach dem Niederlassungsrecht des Arztes1000 bzw. dem prägenden räumlichen Verkehrskreis aus, in dem und für den der Arzt arbeitet1001. Schnitzer spricht dabei vom den Patienten geplante medizinische Behandlung im Ausland; Hoppe, MedR 1998, 462, 465: objektives Vertragsstatut gem. Art. 28 Abs. 2 EGBGB auch bei grenzüberschreitenden Telemedizinanwendungen in horizontaler Arbeitsteilung). 994 Vgl. Deutsch, in: FS für Ferid, S. 117, 128; Schütt, Deliktstyp und Internationales Privatrecht, S. 167. 995 Zur Vergleichbarkeit in den Fällen des Bestehens des gesetzlichen Schuldverhältnisses der GoA vgl. Schütt, S. 168 f. 996 Schütt, S. 167. 997 Schütt, S. 167. 998 Stoll, in: von Caemmerer, Vorschläge und Gutachten, S. 160, 161. 999 So auch Steffen, in: FS für Stoll, S. 71, 87. 1000 Deutsch, in: FS für Ferid, S. 117, 134 f.; Schnitzer, RabelsZ 33 (1969), 17, 21 f. 1001 Könning-Feil, Das Internationale Arzthaftungsrecht, S. 301 f.; eine Übereinstimmung mit dem Niederlassungsrecht wird der Regelfall sein, ist jedoch nicht zwingend; ebenso von Bar, JZ 1985, 961, 968.

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Recht des Ortes der Berufsausübung als dem Ort, an dem der Arzt seine „Funktion im sozialen und ökonomischen Dasein der Gesellschaft“ ständig ausübt. Die Frage der Fahrlässigkeit soll sowohl in den Fällen der inländischen als auch der auswärtigen Behandlung durch den Arzt nach diesem Recht beurteilt werden.1002 Deutsch spricht von einer Bemessung des Standards nach den Heimatkollegen.1003 Mit Blick auf den Bereich der Telemedizin ist teilweise auch vom Prinzip des „lokalen Standards“ bzw. „Lokalprinzip“ die Rede, wonach die Bestimmung des Behandlungsstandards grundsätzlich nach dem Standard am Ort der Leistungserbringung des Arztes (also wiederum am vertrauten Niederlassungsort) ohne Rücksicht darauf, aus welchem Land eine Leistung nachgefragt wird, erfolgen soll.1004 Bei einer Beurteilung der Ausübung der Sorgfaltspflichten nach dem Niveau des Landes der Leistungsnachfrage (Aufenthaltsort des Patienten) könne es je nach ausländischer Rechtsordnung zu einer Unterbzw. Überforderung des Arztes kommen. Auch den Parteierwartungen sei damit entsprochen, denn indem Patient und Primärbehandler vor Ort über die Einschaltung eines ausländischen Arztes informiert sind, könnten sich beide im Vorfeld über dessen lokalen Standard informieren, so dass im Haftungsfall hinsichtlich der gültigen Standards von keinem Überraschungseffekt gesprochen werden kann.1005 Steffen befürwortet die Anknüpfung des medizinischen Standards an das Heimatrecht des Telearztes, da er dort sein Wissen und die Spezialerfahrung erworben hat, wegen welcher er zu einer Behandlung im Ausland hinzugezogen wird.1006 Leider erfolgt grundsätzlich keine kollisionsrechtliche Einordnung des Problems. So geht aus den Ausführungen der Verfasser nicht hervor, ob dieses „Lokalprinzip“ ausnahmslos gelten soll (als eine Art Sonderanknüpfung hinsichtlich der Ermittlung des gültigen Sorgfaltsstandards), oder ob den Parteien trotz allem die Möglichkeit erhalten bleiben soll, über die Wahl eines auf den Vertrag anzuwendenden Rechts vom Niederlassungsrecht des Arztes abweichende (strengere oder mildere) Sorgfaltsstandards zu vereinbaren.

1002

Schnitzer, RabelsZ 33 (1969), 17, 22. A. a. O., S. 117, 134. 1004 Dierks, Ärzte Zeitung v. 26.7.2000; Debong, ArztR 2001, 284, 287 – beide in Unterstützung des Vorschlages der G8-Arbeitsgruppe zur Telemedizin auf dem 5. Europäischen Kongress für Telepathologie im Juli 2000 in Aurich. 1005 Widersprüchlich sind dazu die anderen Veröffentlichungen Dierks’, in: Deutsche Gesellschaft für Chirurgie, Kongressband 1999, S. 732, 734; ders., in: Rechtliche und praktische Probleme der Integration von Telemedizin in das Gesundheitswesen in Deutschland, S. 32: hier hält Dierks die Anwendung des Niederlassungsrechts des Arztes bei der Bestimmung des einzuhaltenden Sorgfaltsstandards für überraschend seitens des Patienten (v. a. aufgrund der Möglichkeit von Haftungsverkürzungen) und stellt auf die Rechtswahl als Möglichkeit der Umgehung derartiger Probleme ab. 1006 Steffen, in: FS für Stoll, S. 71, 87. 1003

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Insgesamt erreicht jedoch auch die generelle Relevanz des Heimatrechts bzw. Niederlassungsrechts des Arztes kein zufriedenstellendes Ergebnis. Für den Fall der Telemedizinanwendungen im Rahmen eines Ärzteteams kommt die Anknüpfung an das den Arzt umgebende Heimatrecht im Ergebnis der ersten Ansicht gleich. Auch hier würde die Intention der objektiven Anknüpfung an das Recht des Ortes des Kooperationsbedürfnisses (Aufenthaltsort des Patienten) im Falle der horizontalen Arbeitsteilung durch die Ermittlung des für die Ärzte relevanten medizinischen Qualitätsstandards nach dem jeweiligen Heimatrecht konterkariert. Gleiches gilt wiederum für die entsprechende Teamarbeit und Präsenz aller Ärzte vor Ort. Zudem darf bezweifelt werden, dass der Arzt tatsächlich in allen Fällen auf die Geltung seiner heimatlichen Sorgfaltsstandards vertrauen darf. Wer Patienten in einem anderen Staat behandelt (entweder im Rahmen von Telemedizin-Applikationen oder in Form der Präsenzbehandlung) weiß, dass seine Tätigkeit einen Rechtskreis betrifft, in welchem möglicherweise andere Sorgfaltsstandards als in seinem Niederlassungsland gelten. Allein die Tatsache, dass diese vom ärztlichen Heimatrecht abweichen, machen ihre Beachtung für den behandelnden Arzt nicht von vornherein unzumutbar.1007 Dies muss vor allem dann gelten, wenn eine vom Niederlassungsrecht abweichende Rechtswahl getroffen, z. B. das Heimatrecht des Patienten als Vertragsstatut vereinbart wurde. Lässt sich der Arzt auf eine solche Rechtswahl ein, kann er nicht darauf vertrauen, trotz allem nur an die ihm vertrauten Sorgfaltsmaßstäbe gebunden zu sein. Kein Arzt ist gezwungen, einen ihn verpflichtendenden Vertrag einem für ihn ungünstigeren bzw. nicht vertrautem Recht zu unterstellen. cc) Fazit Sowohl die Einordnung des allgemeinen ärztlichen Sorgfaltsstandards als ortsgebundene Verhaltensnormen als auch die generelle Orientierung an den Verhaltensregeln des Niederlassungsstaates des Arztes ist damit nicht überzeugend. Es bestehen m. E. keine Gründe, die es notwendig erscheinen lassen, den allgemeinen Qualitätsstandard, den ein Arzt zu erfüllen hat, von der lex causae „abzukoppeln“ und entweder dem Handlungsortrecht oder dem Heimatrecht des Arztes zu unterstellen.1008 Im Falle des Bestehens eines Vertragsverhältnisses zwischen Arzt und Patient ist also das Vertragsstatut entscheidend, welches im 1007

So auch Fischer, in: FS für Laufs, S. 781, 785 f. So wohl auch Schädlich, Grenzüberschreitende Telemedizin-Anwendungen, S. 152, 161; Fischer, in: FS für Laufs, S. 781, 785 ff.; Könning-Feil, Das Internationale Arzthaftungsrecht, S. 238 f. (jedoch nur für vertragliche Sorgfaltspflichten; bzgl. Sorgfaltsanforderungen im Rahmen der deliktischen Haftung spricht sich die Verf. für die verkehrskreisbezogene Ermittlung aus (vgl. Fn. 1001), was sich aber mit Blick auf die vertragsakzessorische Anknüpfung deliktischer Ansprüche als problematisch erweist; denn im Falle eines vom Niederlassungsstaat des Arztes verschiedenen Ver1008

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Wege der akzessorischen Anknüpfung in der Regel auch für deliktische Ansprüche relevant ist. Grundsätzlich gilt damit der allgemeine medizinische Sorgfaltsmaßstab am Niederlassungsort des Arztes gemäß der Regelanknüpfung des Art. 28 Abs. 2 EGBGB. Rechtfertigen besondere Umstände des Sachverhaltes, gem. Art. 28 Abs. 5 EGBGB von der Regelvermutung des Art. 28 Abs. 2 EGBGB abzuweichen und an den Aufenthaltsort des Patienten anzuknüpfen, so spricht auch nichts dagegen, das Handeln des Arztes den dort geltenden Sorgfaltsanforderungen zu unterstellen. Gleiches gilt im Falle der Werbung des Arztes im Aufenthaltsstaat des Patienten und der Beauftragung des Arztes von dort aus (Art. 29 Abs. 2 EGBGB) und dann, wenn es dem Patienten gelingt, die Wahl des eigenen Heimatrechts durchzusetzen. Die im konkreten Fall relevanten Verhaltensnormen ergeben sich damit grundsätzlich aus dem auf das Rechtsverhältnis anwendbaren (Haftungs-)Recht.1009 Für eine generelle Heranziehung des Handlungsortrechts in dieser Frage fehlt es an der Ortsgebundenheit allgemeiner ärztlicher Verhaltenspflichten. Eine von der lex causae abweichende Ermittlung anhand des Heimatrechts des Arztes hingegen würde eine doppelte kollisionsrechtliche Begünstigung darstellen. Denn der vorrangigen Schutzwürdigkeit der Vertragspartei, die die charakteristische, gegenüber der reinen Geldleistung „anspruchsvollere“ Leistung erbringt, wird bereits durch die Regelanknüpfung des Art. 28 Abs. 2 EGBGB Rechnung getragen.1010 Liegt ein Fall der Rechtswahl, eine Verbrauchervertragskonstellation i. S. d. Art. 29 EGBGB oder ein von der Regelanknüpfung abweichender Schwerpunkt vor, so muss diese Abweichung vom grundsätzlichen „Interessenmuster“ auch in den Fragen der allgemeinen medizinischen Qualitätsstandards Berücksichtigung finden und darf nicht ein zweites Mal eine Abwägung zugunsten des Arztes als Anbieter der Dienstleistung getroffen werden. b) Ärztliche Aufklärungspflichten Abweichend von der Einordnung allgemeiner ärztlicher Verhaltenspflichten befürwortet Deutsch eine kollisionsrechtliche Sonderbehandlung hinsichtlich der Maßstäbe für die ärztliche Aufklärung. Stelle der Behandlungsort höhere Anforderungen an die Aufklärungspflichten des Arztes, so seien – vermutlich in Kumulation zu den Vorschriften am Niederlassungsort des Arztes1011 – diese als tragsstatuts ist der Gleichlaufgrundsatz der akzessorischen Anknüpfung, bezogen auf die Sorgfaltspflichten des Arztes, gestört). 1009 Für das Vertragsstatut ausdrücklich: Giuliano/Lagarde, BT-Drs. 10/503, S. 33, 65; Reithmann/Martiny-Martiny, Internationales Vertragsrecht, Rn. 269; StaudingerMagnus, EGBGB, Art. 32 Rn. 38; Dicey/Morris, Dicey, Morris and Collins on the Conflict of Laws – Vol. 2, Rn. 32–195. 1010 So auch Fischer, in: FS für Laufs, S. 781, 786. 1011 So vermutlich auch verstanden von Schädlich, S. 136, 139.

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Verhaltensnormen zu berücksichtigen.1012 Warum gerade die ärztlichen Aufklärungspflichten anders behandelt werden sollen als allgemeine Sorgfaltspflichten wird jedoch nicht begründet. Die Einordnung als Verhaltensnorm ist wenig aussagekräftig, da es sich bei Sorgfaltspflichten generell um Verhaltensnormen handelt. Möglicherweise hält Deutsch Aufklärungspflichten für örtlich gebundene (rein territorial wirkende bzw. verkehrsrechtliche) Verhaltensnormen, die grundsätzlich unabhängig von der berufenen lex causae dem Recht des Tatortes zu entnehmen sind. Die gegenüber sonstigen Sorgfaltspflichten rechtlich unterschiedliche Würdigung leuchtet jedoch nicht ein, da Umfang und Intensität der Aufklärung regelmäßig nicht losgelöst vom medizinischen Sorgfaltsstandard betrachtet werden können.1013 Was zudem die Ortsgebundenheit von Aufklärungspflichten im Gegensatz zu sonstigen Sorgfaltspflichten ausmachen soll, ist nicht nachvollziehbar. Die ärztliche Aufklärung betrifft lediglich die zwei beteiligten Personen Arzt und Patient. Ihre Erfüllung hat rein privatrechtliche Relevanz im Rahmen des Zweipersonenverhältnisses. Es besteht weder ein besonderes staatliches Interesse an der Einhaltung der Aufklärungspflicht noch ist dies für unbeteiligte Dritte von Bedeutung, wie es bei Verkehrsregeln im Straßenverkehr der Fall ist. Es handelt sich vielmehr um personenbezogene Verhaltensnormen. Zudem gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dem Vertrauen des Patienten in die Geltung des ihm vertrauten Rechts bezüglich der ärztlichen Aufklärungspflichten einen höheren Stellenwert beizumessen als hinsichtlich der allgemeinen Sorgfaltspflichten des Arztes. Gerade die Möglichkeit des Aufklärungsverzichts auf sachrechtlicher Ebene zeigt, dass ein Bedürfnis an einer von der lex causae abweichenden Bestimmung der Aufklärungspflichten nach dem möglicherweise strengeren Recht des Handlungsortes nicht angezeigt ist.1014 Damit unterfallen auch die ärztlichen Aufklärungspflichten dem kollisionsrechtlich berufenen Vertragsbzw. Deliktsstatut. c) Sicherheitsvorschriften Während die Einordnung der allgemeinen Sorgfalts- und Aufklärungspflichten des Arztes als ortsgebundene Verhaltensnormen ausscheidet, gelten für den Mediziner auf dem Gebiet des Arztrechts jedoch zusätzlich eine Reihe von Si1012 Gleiches gelte hinsichtlich des im Rahmen dieses Abschnitts nicht relevanten Anspruchs auf Schmerzensgeld als Rechtsfolgenorm, vgl. unter 2. 1013 So auch Schädlich, S. 139. 1014 Ähnlich auch Fischer, in: FS für Laufs, S. 781, 788 mit zahlreichen Nachweisen zur Möglichkeit des Aufklärungsverzichts; Ehlers, Die ärztliche Aufklärung vor medizinischen Eingriffen, S. 99; zum Aufklärungsverzicht im europäischen Rechtsvergleich: Fischer, in: Fischer/Lilie, Ärztliche Verantwortung europäischen Rechtsvergleich, S. 46 f.

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cherheitsvorschriften, die einen gewissen örtlichen Sicherheitsstandard gewährleisten sollen, vergleichbar der Einhaltung von Sicherheitseinrichtungen an Kfz oder sonstigen Fahrzeugen im Straßenverkehr. Dies bezieht sich im medizinischen Bereich vor allem auf medizinische Geräte (Röntgengeräte, Geräte im Rahmen computer- und roboterassistierter OP-Verfahren1015 sowie Datenübertragungs- und Expertensysteme). Wie bereits im Rahmen von Art. 34 EGBGB erwähnt, handelt es sich bei Regelungen hinsichtlich der Sicherheit dieser Geräte bzw. Medizinprodukte um den Bereich der präventiven Gefahrsteuerung und damit um öffentlich-rechtliche Regelungen, jedoch besitzen sie auch Schutzgesetzcharakter1016 und können im Falle ihrer Verletzung zu deliktischen wie auch vertraglichen Schadensersatzansprüchen führen. Die Anwendung von vom Vertragsstatut/Deliktsstatut abweichenden abstrakten Gefährdungsnormen des Handlungsortes kommt demgegenüber nicht in Betracht, wenn diese lediglich den Schutz des einzelnen Patienten bezwecken und er auf diesen Schutz wirksam verzichten kann, es sich also um dispositives Recht handelt.1017 Ist auf sachrechtlicher Ebene eine Einwilligung des Patienten in die Gefährdung möglich, wäre es sinnwidrig auf kollisionsrechtlicher Ebene trotz abweichender lex causae derartige Normen zwingend anwenden zu wollen. Dabei muss ohne Belang sein, ob sich die abweichende lex causae durch Rechtswahl gem. Art. 27 EGBGB oder aufgrund objektiver Anknüpfung (z. B. gem. Art. 28 Abs. 5 EGBGB im Rahmen von grenzüberschreitenden Telemedizin-Anwendungen in horizontaler Arbeitsteilung) ergibt.1018 Hinsichtlich der Ortsgebundenheit bestimmen die entsprechenden Gesetze und Verordnungen zumeist selbst den Inlandsbezug, wie z. B. das MPG, welches für das Inverkehrbringen, Aufstellen, Betreiben und Verwenden von Medizinprodukten im Inland Geltung beansprucht.1019 Sie betreffen dabei auch alle im Inland praktizierenden Ärzte, die gemäß den Bestimmungen tätig werden, ganz gleich, ob im Inland eine Niederlassung besteht oder das Haftungsstatut ein anderes als das Inlandsrecht ist. Im Rahmen der aktiven und passiven Dienstleistungsfreiheit, also in der klassischen Form der Präsenzbehandlung, ist der Charakter dieser Normen als örtliche Sicherheitsvorschriften unproblematisch. 1015

Heeckt, ArztR 2001, 60. Vgl. Fischer, in: FS für Laufs, S. 781, 789; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1248. 1017 Fischer, in: FS für Laufs, S. 781, 790. 1018 A. A. wohl Fischer, in: FS für Laufs, S. 781, 790, welcher gerade die Wahl eines anderen Rechts als Möglichkeit anführt, mittelbar auf den Schutz eines entsprechenden Gefährdungsverbots (Beispiel der vorgeschriebenen Strahlendosierung) zu verzichten. 1019 Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1201. 1016

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Fraglich ist jedoch, inwieweit inländische Telemedizinanwendungen an Patienten im Ausland und umgekehrt von diesen Regelungen erfasst sind. Befinden sich die Geräte im Inland und betätigt sie ein Telemediziner grenzüberschreitend zur Behandlung eines Patienten im Ausland, so spricht einiges dafür, auch den ausländischen Patienten dem Schutz dieser Vorschriften zu unterstellen. Denn auch im Bereich von Gesundheitsdienstleistungen besteht ein wirtschaftliches Exportinteresse der europäischen Staaten, für dessen Verwirklichung es abträglich wäre, „Konsumenten“ im Ausland den eigenen hohen Sicherheitsstandard im Inland nicht zwingend zu gewähren.1020 Zudem müssen inländische Telemediziner für die Behandlung inländischer Patienten ohnehin die entsprechenden abstrakten Gefährdungsverbote einhalten, so dass keine Mehrbelastung zu verzeichnen ist.1021 Abgesehen davon werden die Sicherheitsvorschriften entsprechend der Formulierung des Geltungsbereichs auf alle Fälle des Betreibens und Verwendens entsprechender Geräte im Niederlassungs- bzw. Handlungsstaat anwendbar sein, ohne dass danach unterschieden wird, ob ein Patient im Inland behandelt wird oder der Betrieb grenzüberschreitend erfolgt. Nicht so eindeutig ist jedoch der umgekehrte Fall, wenn also ein ausländischer Telemediziner einen im Inland befindlichen Patienten behandelt bzw. der inländische Telemediziner einen Patienten im Ausland behandelt und am Erfolgsort/Aufenthaltsort des Patienten strengere örtliche Sicherheitsvorschriften zu beachten sind. Der im Rahmen der Frage örtlicher Verhaltens- und Sicherheitsvorschriften interessierende Handlungsort ist hier der Aufenthaltsort des Telemediziners zur Zeit der Behandlung. Von hier aus leistet er seinen Beitrag zur Behandlung.1022 Von hier aus wird das Geschehen in Gang gesetzt und beherrscht, beeinflusst und auch gestoppt, hier liegt also der Ort der primären Verhaltenssteuerung.1023 Erfolgsort bzw. Behandlungsort ist der Aufenthaltsort des Patienten. Hinsichtlich örtlicher Sicherheitsvorschriften unterliegt der ausländische Telemediziner ebenso wie in der umgekehrten Konstellation der inländische Telemediziner zunächst den örtlichen Sicherheitsvorschriften am ausländischen Handlungs- bzw. Niederlassungsort. Fraglich ist jedoch, ob er zusätzlich zu diesen auch die örtlichen Sicherheitsvorschriften am Erfolgsort (Aufenthaltsort des Patienten) zu berücksichtigen hat oder ob er allein auf die Geltung ihm bekannter örtlicher Sicherheitsstandards vertrauen kann. Im Grundsatz gilt folgendes: Ist das Erfolgsortrecht zugleich auch die lex causae1024, ist eine kumulative Heranziehung der Sicherheitsvorschriften an diesem Ort inte1020 Fischer, in: FS für Laufs, S. 781, 789; vgl. die obigen Ausführungen zum Geltungsbereich der BÄO, S. 121 f. 1021 Vgl. Fischer, in: FS für Laufs, S. 781, 789. 1022 Steffen, in: FS für Stoll, S. 71, 87. 1023 Stoll, in: GS für Lüderitz, S. 733, 742; Schädlich, S. 158. 1024 Wie im Rahmen der objektiven Anknüpfung gem. Art. 28 Abs. 5 EGBGB bei horizontaler Arbeitsteilung, infolge einer entsprechenden Rechtswahl bzw. im Rahmen

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ressengerecht und für den Arzt nicht unzumutbar.1025 Zum Teil wird in der Literatur in Fällen der überregionalen Ausrichtung von örtlichen Sicherheitsvorschriften, die der Einhaltung eines allgemeinen Sicherheitsstandards dienen, eine (konkurrierende) Heranziehung der lex causae befürwortet.1026 Vorschriften eines Landes, welche die Sicherheit von medizinischen Geräten betreffen, sind im Grundsatz vergleichbar mit allgemeinen Vorschriften über das Fahrverhalten (z. B. Sicherheitsabstände, Lenkdauer- und Blutalkoholgrenzen), so dass auch die entsprechenden Wertungen diesbezüglich herangezogen werden können. Enthält das Recht der lex causae strengere bzw. zusätzliche Anforderungen hinsichtlich der Sicherheit medizinischer Geräte, so sind diese über die des Handlungsortes des Telemediziners hinaus grundsätzlich zu berücksichtigen. Vereinzelt geht man sogar so weit, dass man die Sicherheitsvorschriften des Erfolgsortes neben denen des Handlungsortes auch dann für anwendbar erachtet, wenn das Erfolgsortrecht nicht die lex causae darstellt.1027 Dies lässt sich jedoch weder mit dem Vertrauen des Arztes noch dem des Patienten in die Anwendbarkeit dieser Sicherheitsvorschriften begründen. Hauptzweck der Berücksichtigung der Sicherheitsvorschriften des Handlungsortrechts abweichend von denen der lex causae ist zum einen die Rücksichtnahme auf den „Täter“; er soll sein Verhalten nach den örtlichen Regeln ausrichten dürfen.1028 Zum anderen geht es zwar auch darum, dass der Verletzte bei seinem Aufenthalt am Unfallort auf einen bestimmten Sicherheitsstandard vertrauen darf, der durch allgemeine Sicherheitsvorschriften gewährleistet wird.1029 Nur befindet sich beim Distanzdelikt aus der Natur der Sache heraus der Geschädigte nicht am Ort der schädigenden Handlung. Erfolgsortrecht ist gerade nicht Handlungsortrecht, so dass die zusätzliche Beachtung der Sicherheitsvorschriften des Erfolgsortes nicht mit der des Deliktsrechts infolge der Anknüpfung gem. Art. 41 Abs. 1 EGBGB an den Ort des ärztlichen Kooperationsbedürfnisses. 1025 Vgl. Schädlich, S. 161, welcher bei Tätigkeiten, die über den Handlungsort hinausreichen, die Regeln und Maßstäbe am Erfolgsort bei Anwendbarkeit dieses Rechts (gemeint ist wohl das Erfolgsortrecht als lex causae) gelten lassen will; jedoch bezieht sich Schädlich dabei auf den Sorgfaltsmaßstab allgemein, welcher nach hier vertretener Ansicht nicht als ortsgebundene Verhaltensnorm zu qualifizieren ist. 1026 Stoll, in: von Caemmerer, Vorschläge und Gutachten, S. 160, 177 f.; ders., in: FS für Lipstein, S. 259, 266; Schwimann, Grundriss des internationalen Privatrechts, S. 162; Beitzke, RabelsZ 33 (1969), 204, 231 f.; vgl. auch Staudinger-von Hoffmann, EGBGB, Vorbem zu Art. 40 Rn. 58 f. 1027 Fischer, in: FS für Laufs, S. 781, 790; Soergel-Lüderitz, EGBGB, Art. 38 Rn. 91: „Betreffen die Vorschriften ein Verhalten, das über den Handlungsort hinauswirkt, so können sie die Rechts- oder Pflichtwidrigkeit dieser Handlung am Erfolgsort nicht beeinflussen; es gelten die dortigen Regeln und Maßstäbe.“ (im Gegensatz zu Schädlich (vgl. Fn. 1025), welcher sich auf diese Ausführungen bezieht, macht Lüderitz nicht die Einschränkung, dass die Geltung der Maßstäbe am Erfolgsort von der Anwendbarkeit dieses Rechts als lex causae abhängig ist). 1028 Stoll, in: von Caemmerer, Vorschläge und Gutachten, S. 160, 173. 1029 Stoll, S. 160, 175.

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Tatbestandswirkung örtlicher Verhaltensnormen bei Verschiedenheit von Handlungsort und Haftungsstatut begründet werden kann. Der Patient darf nicht auf den Schutz des Erfolgsortrechts vertrauen, sofern es sich hierbei nicht um das anwendbare Haftungsstatut, sondern um ein Drittrecht handelt.1030 Eine generelle Beachtung der Sicherheitsvorschriften des Erfolgsortes kommt nur dann in Betracht, wenn es sich um international zwingende inländische Bestimmungen i. S. v. Art. 34 EGBGB handelt. Zu beachten ist jedoch, dass hinsichtlich der soeben gemachten grundsätzlichen Ausführungen gemeinschaftsinterne telemedizinische Dienstleistungen wiederum eine Sonderstellung einnehmen. Denn hier hebelt das Herkunftslandprinzip gem. § 3 TMG/Art. 3 ECRL von vornherein den Anwendungsanspruch anderer Sicherheitsvorschriften als der des Niederlassungsstaates des Telemediziners aus, sobald sie gegenüber dem Niederlassungsstaat rechtlich höhere Anforderungen stellen, so dass Telemediziner im EU-grenzüberschreitenden Verkehr auch in diesem Bereich zusätzliche Restriktionen nicht zu befürchten haben. d) Standesrechtliche Regelungen Die Antwort auf die Frage, inwieweit es sich bei standesrechtlichen Regelungen um ortsgebundene, territorial begrenzte Verhaltensregeln handelt, ergibt sich für Deutschland aus § 10b Abs. 3 BÄO sowie aus den ärztlichen Berufsordnungen1031. Danach sind alle Ärzte, welche im Rahmen der Dienstleistungsfreiheit ihre ärztliche Tätigkeit im Geltungsbereich der Bundesärzteordnung aufnehmen, an das deutsche Standesrecht bzw. die jeweiligen Berufsordnungen der Länder gebunden. Der Anwendungs- und Geltungswille der Bundesärzteordnung betrifft dabei, wie bereits unter Art. 34 EGBGB erörtert, nicht nur die Fälle der Präsenz des ausländischen Arztes in Deutschland, sondern mit Blick auf den Schutzzweck der Normen auch die Konstellationen, in denen ein ausländischer Arzt mittels Telemedizinapplikationen auf einen Patienten in Deutschland einwirkt.1032 Dies ist unabhängig von einer Mitgliedschaft des ausländischen Dienstleistungserbringers in der jeweiligen Standesorganisation (in Deutschland 1030 Vgl. von Bar, JZ 1985, 961, 968, welcher als typischen Fall von Distanzdelikten im Rahmen der Berufshaftung fahrlässig falsche Kreditauskünfte von Banken heranzieht und betont, dass sich in derartigen Fällen der Anfragende nicht durch sein Umweltrecht geschützt fühlen darf. 1031 MBO-Ä und Berufsordnungen der Ärztekammern in den Bundesländern. 1032 Vgl. unter III. 3. d) aa); s. auch MBO-Ä, Abschnitt III. Pflichten bei grenzüberschreitender Tätigkeit, Nr. 13: „Wird ein Arzt, der in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union niedergelassen ist oder dort seine berufliche Tätigkeit entfaltet, vorübergehend im Geltungsbereich dieser Berufsordnung grenzüberschreitend ärztlich tätig, ohne eine Niederlassung zu begründen, so hat er die Vorschriften dieser Berufsordnung zu beachten. Dies gilt auch, wenn der Arzt sich darauf beschränken will, im

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die Ärztekammern), da das Mitgliedschaftserfordernis für Ärzte, die ihre Dienstleistung nur vorübergehend in einem anderen Mitgliedstaat erbringen bzw. die Dienstleistung selbst EU-grenzüberschreitend erbracht wird (Korrespondenzdienstleistungen), entfällt, sofern eine Pflichtmitgliedschaft des Arztes in seinem Sitzstaat besteht.1033 Damit unterliegen Ärzte und Telemediziner, welche im EU-Ausland ihre Niederlassung haben, bei Tätigkeit im Inland sowohl den Standesregeln ihres Niederlassungslandes als auch dem deutschen Standesrecht, da sie hier ihre vorübergehende Tätigkeit ausüben. Eine entsprechende Regelung enthielt auch die Anerkennungsrichtlinie 93/16/EWG1034 in Art. 17 Abs. 1 UAbs. 2, wonach der Dienstleistungserbringer die gleichen Rechte und Pflichten wie die Staatsangehörigen des Aufnahmestaates hat und er insbesondere den beruflichen und administrativen Disziplinarvorschriften dieses Mitgliedstaates unterliegt. Auch die bereits in Kraft getretene Berufsanerkennungsrichtlinie, welche aufgrund ihres sektorübergreifenden Regelungsansatzes auch die zuvor genannte EU-Ärzterichtlinie ersetzt, regelt in Art. 5 Abs. 3: „Begibt sich der Dienstleister in einen anderen Mitgliedstaat, so unterliegt er im Aufnahmemitgliedstaat den berufsständischen, gesetzlichen oder verwaltungsrechtlichen Berufsregeln, die dort in unmittelbarem Zusammenhang mit den Berufsqualifikationen für Personen gelten, die denselben Beruf wie er ausüben, und den dort geltenden Disziplinarbestimmungen; zu diesen Bestimmungen gehören etwa Regelungen für die Definition des Berufs, das Führen von Titeln und schwerwiegende berufliche Fehler in unmittelbarem und speziellem Zusammenhang mit dem Schutz und der Sicherheit der Verbraucher.“ Somit ist davon auszugehen, dass Ärzte eines Mitgliedstaates, welche in einem anderen Mitgliedstaat vorübergehend tätig werden, auch die dortigen Standesregeln zu beachten haben. Hinsichtlich des Regelungscharakters der Standesregeln besteht eine Vergleichbarkeit mit oben erörterten Sicherheitsvorschriften, die der Einhaltung eines allgemeinen Sicherheitsstandards dienen.1035 Lediglich im Falle grenzüberschreitender Telemedizinanwendungen eines ausländischen Arztes an einem deutschen Patienten ist der Anwendungsbereich weiter zu ziehen als bei den Sicherheitsvorschriften.1036 Geltungsbereich dieser Berufsordnung auf seine Tätigkeit aufmerksam zu machen . . .“; vgl. zudem Schädlich, S. 36–44. 1033 Vgl. dazu Kröck, Der Einfluß der europäischen Grundfreiheiten am Beispiel der Ärzte und Arzneimittel, S. 161 ff.; Kort, JZ 1996, 132, 139 f.; Art. 17 Abs. 1 Richtlinie 93/16/EWG; a. A. wohl Fischer, in: FS für Laufs, S. 781, 790, der auch im Rahmen der grenzüberschreitenden Telemedizin die Mitgliedschaft in der jeweiligen Standesorganisation des Empfangslandes für den entscheidenden Anknüpfungspunkt erachtet. 1034 Vgl. Fn. 34. 1035 So wohl auch Fischer, in: FS für Laufs, S. 781, 790; für die deutschen Standesregeln ergibt sich der zwingende Charakter im Rahmen des Vertragsstatuts bereits aus der Anwendbarkeit des Art. 34 EGBGB, vgl. unter III. 3. d) bb). 1036 s. unter III. 3. d) bb).

VIII. Grenzen der lex causae

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Rechtsfolge ist, dass abgesehen von den standesrechtlichen Vorschriften des Niederlassungsstaates auch die des Staates, in dem die Dienstleistung erbracht wird, neben den allgemeinen Verhaltensregeln des Haftungsstatuts zu beachten sind, falls nicht ohnehin lediglich ein Fall der passiven Dienstleistungsfreiheit gegeben ist. Ist das ärztliche Verhalten nach einem dieser Rechte standeswidrig, kann es auch dann nicht verlangt werden, wenn das Haftungsstatut ein solches Verhalten zulässt. Ist umgekehrt das anwendbare Standesrecht von Niederlassungs- bzw. Tatortrecht weniger streng als die Standesregeln des Haftungsstatuts, so werden die permissiven Standesregeln von den Regeln der lex causae überlagert. Fischer spricht in diesem Fall von einer „Konkretisierung des Sorgfaltsgebots“, sofern die Standesregel des Haftungsstatuts speziell dem Schutz von Körper und Gesundheit des Patienten dient.1037 Da die einzelnen mitgliedstaatlichen Standesrechte keine rein territorial wirkenden Verkehrsregeln (wie z. B. Rechts- bzw. Linksfahrgebote, Überholverbote und andere Straßenverkehrsregeln) darstellen, sondern vielmehr vergleichbar mit oben erörterten Sicherheitsvorschriften sind, ist auch hier eine konkurrierende Heranziehung der lex causae zu befürworten. Im Übrigen ist man sich im Rahmen der h. M., welche eine Berücksichtigung der örtlichen Verhaltens- und Sicherheitsvorschriften als Auslandssachverhalt bzw. „local data“ statt als Sonderanknüpfung befürwortet, weitgehend einig, dass die Regeln und Vorschriften des Handlungsortes durch die Sorgfaltsanforderungen des Haftungsstatuts ergänzt und eventuell verschärft werden können.1038 Im Rahmen von gemeinschaftsinternen Telemedizinapplikationen ist wiederum zu beachten, dass aufgrund von § 3 TMG/Art. 3 ECRL der Anwendungsanspruch der standesrechtlichen Regelungen des Aufenthaltsortes des Patienten (Erfolgsortes) dann nicht besteht bzw. eine konkurrierende Heranziehung der lex causae dann nicht in Betracht kommt, wenn die dort geltenden Regelungen gegenüber den entsprechenden Vorschriften des Niederlassungsrechts des Telemediziners höhere Anforderungen stellen bzw. restriktiver sind. Effektiv darf der in einem EU-Mitgliedstaat niedergelassene Telemediziner Patienten gemeinschaftsweit auf telemedizinischem Wege behandeln, sofern er den Zulassungserfordernissen am Ort der seiner Hauptniederlassung genügt und ihn das dortige Standesrecht dazu berechtigt.1039

1037 Fischer, in: FS für Laufs, S. 781, 790, welcher im Rahmen der Telemedizin jedoch davon ausgeht, dass ansonsten nur die Standesregeln am Niederlassungsort des Telemediziners anwendbar sind und nicht die am Behandlungsort des Patienten, vgl. a. a. O., S. 791. 1038 Stoll, IPRax 1989, 89, 92; ders., in: von Caemmerer, Vorschläge und Gutachten, S. 160, 175 f.; vgl. Brandt, Die Sonderanknüpfung im Internationalen Deliktsrecht, S. 36; Soergel-Lüderitz, EGBGB, Art. 38 Rn. 91 i.V. m. Fn. 16. 1039 Vgl. Kern, MedR 2001, 495, 497; Schädlich, Grenzüberschreitende Telemedizin-Anwendungen, S. 47 f.

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e) Tatsächliche Gegebenheiten Neben den örtlichen Verhaltensvorschriften sind auch tatsächliche Gegebenheiten vor Ort, die eine vom Vertragsstatut an sich vorgesehene Art und Weise der Vertragserfüllung (Behandlung nach den medizinischen Qualitätsstandards des Vertragsstatuts) unmöglich machen oder sehr erschweren, gem. Art. 32 Abs. 2 EGBGB im Rahmen der Frage der ordnungsgemäßen Vertragserfüllung zu berücksichtigen.1040 Zu denken ist dabei im medizinischen Bereich vor allem an eine nicht dem Standard der lex causae entsprechende medizinisch-technische Ausstattung (z. B. in den Reisegruppenfällen). Besteht kein Vertrag zwischen den Parteien, sind derartige Hindernisse regelmäßig im Rahmen der persönlichen Vorwerfbarkeit (des Verschuldens) zu berücksichtigen. 2. Bedeutung des Rechts am Ort des gewöhnlichen Aufenthaltes des Geschädigten hinsichtlich der Höhe des Schmerzensgeldanspruchs Weitgehend einig ist man sich, dass in der Frage, ob der Geschädigte gegen den Schädiger überhaupt einen Schmerzensgeldanspruch geltend machen kann, wie beim Ersatz des materiellen Schadens die lex causae bestimmend ist.1041 Wie bereits im Rahmen der objektiven Anknüpfung des Arztvertrages erwähnt, muss jedoch nach Meinung eines Teils der Literatur bei der Frage, inwieweit ein nach dem kollisionsrechtlichen Rechtsanwendungsbefehl bestehender Schmerzensgeldanspruch zu bemessen ist, den Verhältnissen in dem Land, in dem der Geschädigte lebt, Rechnung getragen werden.1042 Mit anderen Worten wird eine Bestimmung der Schmerzensgeldhöhe nach den Maßstäben des 1040 MünchKomm-Spellenberg, EGBGB, Art. 32 Rn. 139 f. (während in der Vorauflage (Rn. 126) ausdrücklich von „tatsächlichen Gegebenheiten“ die Rede ist, heißt es jetzt: „Ob die vom Vertragsstatut vorgesehenen Erfüllungsmodalitäten am Leistungsort rechtlich verboten oder nur tatsächlich unmöglich sind, steht gleich.“); da nur von Berücksichtigung und nicht von Anwendung des Erfüllungsortrechts die Rede ist, räumt Art. 32 Abs. 2 EGBGB dem Richter eine Art Tatbestandsermessen ein, so dass es grundsätzlich beim Vertragsstatut bleibt – vgl. Bamberger/Roth-Spickhoff, EGBGB, Art. 32 Rn. 18; MünchKomm-Spellenberg, EGBGB, Art. 32 Rn. 147. 1041 Vgl. von Bar, JZ 1985, 961, 968; Könning-Feil, Das Internationale Arzthaftungsrecht, S. 241 (hinsichtlich des Vertragsstatuts) und S. 299 (hinsichtlich des Deliktsstatuts); Staudinger-von Hoffmann, EGBGB, Vorbem. zu Art. 40 Rn. 43; a. A. Deutsch, in: FS für Ferid, S. 117, 130, welcher auch hinsichtlich der Frage des „Ob“ des Schmerzensgeldanspruchs eine Ausnahme von der lex causae zugunsten des Aufenthaltsrechts des Patienten machen will, vgl. Ausführungen unter III. 5. b) bb) (5) (b). 1042 von Hoffmann/Thorn, IPR, § 1 Rn. 129; Könning-Feil, S. 242, 302 ff.; von Bar, JZ 1985, 961, 968 (da zur Zeit dieser Veröffentlichungen noch § 253 BGB a. F. galt, beziehen sich die Ausführungen zumeist auf die Ausnahme von der Geltung des Deliktsstatuts).

VIII. Grenzen der lex causae

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Rechts des gewöhnlichen Aufenthaltes/Lebensmittelpunktes des Geschädigten gefordert. Man zieht in diesem Punkt damit bereits auf kollisionsrechtlicher Ebene die Wertung verschiedener europäischer Sachrechte1043 heran. Die Entwicklung der Sachrechte gehe dahin, hinsichtlich der Höhe des Schmerzensgeldes auch bei Inlandssachverhalten Bemessungskriterien am Ort des Lebensmittelpunktes des Geschädigten zu berücksichtigen.1044 Schließlich diene der Ersatz des immateriellen Schadens dazu, dass sich das Opfer „. . . an dem Ort, an dem es lebt, mit finanziellen Mitteln zu den dort üblichen Kosten ein Stück Lebensfreude zurückholen . . .“1045 kann. Fraglich jedoch ist, ob diese vorgezogene Wertung verschiedener Sachrechte schon auf kollisionsrechtlicher Ebene in jedem Fall angezeigt ist. Handelt es sich bei der lex causae um ein Sachrecht, welches sich ohnehin hinsichtlich der Bemessung am Lebensmittelpunkt des Patienten orientiert, ganz gleich, ob ein grenzüberschreitender Fall gegeben ist oder nicht, so ist die Berücksichtigung des Rechts an diesem Ort obligatorische Rechtsfolge der Anwendung der lex causae, so dass eine „sachrechtsbezogene Sonderanknüpfung“1046 unnötig konstruiert wirkt1047. Verfolgt das auf den Anspruch an sich anzuwendende Sachrecht jedoch nicht die Leitidee der Schmerzensgeldbemessung nach dem gewöhnlichen Aufenthaltsrecht des Geschädigten, sondern bevorzugt grundsätzlich einheitliche Bemessungskriterien, z. B. unter Zuhilfenahme von Schmerzensgeldtabellen ohne Ansehen des rechtlichen Umfeldes des Opfers, ergibt sich m. E. kein durchschlagender Grund für ein Aufzwingen dieser materiell-rechtlichen Ausprägung der Bemessung, auch wenn sie wohl überwiegend verbreitet ist. Von einem Ordre-Public-Verstoß gem. Art. 6 EGBGB im Falle einheitlicher Maßstäbe der Schmerzensgeldbemessung ohne Berücksichtigung der individuellen wirtschaftlichen und sozialen Stellung des Geschädigten in seinem Rechtskreis kann wohl noch nicht die Rede sein. Zudem weist schließlich Schädlich auf die praktisch wohl eher selten vorkommende, aber durchaus denkbare Gefahr des „forum-shopping“ hin, wenn zur Berechnung der Höhe des Schmerzensgeldes ohne Berücksichtung der Wertungen der lex causae in diesem Bereich grundsätzlich das Statut des gewöhnlichen Aufenthaltes herangezogen wird.1048 Insgesamt ist damit eine Bemessung des Schmerzensgeldes nach den 1043 von Bar, JZ 1985, 962, 968 m.w. N. spricht von den Sachrechten der „europäischen Reiseländer“. 1044 Könning-Feil, S. 303. 1045 von Bar, JZ 1985, 962, 968; ähnlich auch Könning-Feil, S. 303. 1046 So von Bar, JZ 1985, 962, 968. 1047 von Bar, JZ 1985, 962, 968 geht jedoch paradoxerweise davon aus, dass auf diese Art gerade ein unnötiger Umweg (Rückverweisung) vermieden werde; zu dieser Auffassung kann man nur gelangen, wenn man das Recht, nach dem sich die Schmerzensgeldbemessung bestimmt, als ein kollisionsrechtliches Neben- bzw. Sonderstatut statt als eine zu berücksichtigende ausländische materiell-rechtliche Wertung ansieht. 1048 Schädlich, Grenzüberschreitende Telemedizin-Anwendungen, S. 162.

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§ 3 Kollisionsrechtliche Behandlung des Arzthaftungsrechts

besonderen Lebensumständen am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Geschädigten nur dann zu begrüßen, wenn die lex causae eine dementsprechende materiell-rechtliche Anordnung trifft. Eine grundsätzliche abweichende Bestimmung der Schmerzensgeldhöhe nach dem Recht des gewöhnlichen Aufenthalts in dieser Frage ist nicht angezeigt.1049

1049

So wohl auch Staudinger-von Hoffmann, EGBGB, Vorbem. zu Art. 40 Rn. 44.

§ 4 Unterschiedliche arzthaftungsrechtliche Regelungen und Sorgfaltsstandards als Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit? Wie unter § 3 ermittelt, haben es die Parteien grundsätzlich selbst in der Hand, das für ihre Vertragsbeziehung maßgebliche Recht zu bestimmen und damit die haftungsrechtlichen Vorschriften des Staates auszuschalten, die bei objektiver Ermittlung des anzuwendenden Rechts berufen worden wären. Dies gilt aber nur für diejenigen mitgliedstaatlichen Vorschriften, welche durch Rechtswahl abgewählt werden können. Im Rahmen des binnenmarktgrenzüberschreitenden Arzt-Patienten-Verhältnisses ist die Rechtswahl jedoch in bestimmten Fällen bezüglich intern bzw. international zwingenden Rechts durch die Regelungen in den Art. 29, 29a, 34 und 6 EGBGB eingeschränkt.1050 Wird von der Parteiautonomie kein Gebrauch gemacht bzw. konnte bezüglich der anzuwendenden Rechtsordnung keine Einigung erreicht werden, kommt es zur objektiven Anknüpfung gem. Art. 28 bzw. Art. 29 Abs. 2 EGBGB, mit der Folge, dass entweder das Herkunftsrecht des Arztes (Art. 28 Abs. 2 EGBGB), das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Patienten im Falle eines Verbrauchervertrages (Art. 29 Abs. 2 EGBGB) oder, bei grenzüberschreitender horizontaler Arbeitsteilung, das Recht am Ort des ärztlichen Kooperationsbedürfnisses (Art. 28 Abs. 5 EGBGB), welches regelmäßig mit dem gewöhnlichen Aufenthaltsrecht des Patienten übereinstimmt, Anwendung findet. Sucht der Patient den Arzt grenzüberschreitend an seinem Niederlassungsort auf, unterliegt das Arzt-Patienten-Verhältnis, sofern er nicht die Wahl seines Heimatrechts durchsetzen kann, dem Niederlassungsrecht des Arztes, welches möglicherweise für ihn weniger günstige Regelungen bereit hält. Genauso wird der Arzt mit den Haftungsregeln des für ihn fremden Behandlungsortrechts konfrontiert, wenn er vorübergehend außerhalb seines Niederlassungslandes praktiziert und zum Staat der Tätigkeitsausübung kollisionsrechtlich eine wesentlich engere Verbindung auszumachen ist, z. B. wenn er bei der Behandlung eines im Ausland befindlichen Patienten in einem Ärzteteam mitwirkt. Liegt ein unter den Voraussetzungen des Art. 29 Abs. 1 EGBGB zustande gekommener Verbrauchervertrag zwischen Arzt und Patient vor, muss sich der Arzt auf das Recht des gewöhnlichen Aufenthaltes des Verbrauchers einstellen, und das so1050 Art. 27 Abs. 3 und Art. 30 EGBGB spielen in den hier untersuchten Konstellationen des Arzt-Patienten-Verhältnisses keine Rolle, vgl. unter § 3 III. 3. a) sowie Fn. 633.

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§ 4 Arzthaftungsregelungen als Beschränkungen des Art. 49 EGV?

wohl bei objektiver Anknüpfung gem. Art. 29 Abs. 2 EGBGB als auch bei abweichender Rechtswahl, sofern die arzthaftungsrechtlichen Regelungen am Aufenthaltsort des Patienten für diesen günstiger sind (Art. 29 Abs. 1 EGBGB). Die hinzutretende Geltung von international zwingenden Bestimmungen des deutschen Rechts gem. Art. 34 EGBGB sowie die verbraucherschützende Sonderanknüpfung gem. Art. 29a EGBGB können an dieser Stelle außer Betracht bleiben, da die nationalen arzthaftungsrechtlichen Bestimmungen weder international zwingende Eingriffsnormen darstellen noch hinsichtlich ihres Regelungsgehalts unter das umgesetzte Verbraucherschutzrichtlinienrecht gem. Art. 29a Abs. 4 EGBGB fallen.1051

I. Mögliche faktische Auswirkungen der Unterschiedlichkeit der nationalen Arzthaftungsrechte bzw. Sorgfaltsstandards Hinsichtlich der Frage, inwieweit die Unterschiede in den mitgliedstaatlichen arzthaftungsrechtlichen Regelungen sowie Sorgfaltsstandards Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit darstellen, soll zunächst untersucht werden, welche faktischen Auswirkungen aufgrund dieser Unterschiede denkbar sind. 1. Verweis auf ein anderes Recht als das des Herkunftsstaates a) Rechtsermittlungskosten bzw. -risiko Unterliegt das Arzt-Patienten-Verhältnis aufgrund des kollisionsrechtlichen Rechtsanwendungsbefehls einem anderen Recht als dem bekannten Heimatrecht, was in den Fällen des grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehrs aufgrund der unterschiedlichen Herkunft von Arzt und Patient regelmäßig für mindestens eine Partei der Fall ist1052, können zunächst Kosten dadurch entstehen, dass sich diese Partei über den Inhalt der berufenen Rechtsordnung informieren muss. Mit zunehmender Erweiterung der Europäischen Union1053 werden der europäische Binnenmarkt und damit auch die in Betracht kommenden Rechtsordnungen immer weniger überschaubar und das Risiko der falschen Er1051

Vgl. § 3 III. 3. c) und d). In den Fällen, in denen Erbringer und Empfänger der Dienstleistung in demselben Land ansässig sind, die Dienstleistung selbst jedoch in einem anderen Mitgliedstaat erbracht wird (z. B. bei dem Herbeirufen eines Spezialisten aus dem Heimatland des Patienten, der im Ausland operiert wird), kann es sogar dazu kommen, dass ein für beide Parteien fremdes Recht zur Anwendung gelangt, vgl. unter § 3 III. 5. b) bb) (5) (d) (Art. 28 Abs. 5 EGBGB, Anknüpfung an den Ort der ärztlichen Kooperation in den Fällen der horizontalen Arbeitsteilung). 1053 Mit der Aufnahme von Bulgarien und Rumänien seit dem 1.1.2007 nunmehr 27 Mitgliedstaaten. 1052

I. Auswirkungen der Unterschiedlichkeit der Arzthaftungsrechte

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mittlung oder Interpretation der eigenen Rechte und Pflichten im Arzt-Patienten-Verhältnis und der daraus möglicherweise entstehenden wirtschaftlichen Nachteile steigt. Auch eine juristische Rechtsberatung kann nicht in jedem Falle vollständige Rechtssicherheit bringen. Die Kosten für die Information über das fremde Recht entstehen dabei unabhängig davon, ob es sich bei dem anwendbaren ausländischen Sachrecht um ein günstigeres oder strengeres Recht handelt, denn ermittelt werden muss es in jedem Falle. Daraus ergibt sich, dass bezüglich einer möglichen Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit hier nicht das berufene Sachrecht, sondern lediglich das Kollisionsrecht in Betracht kommt, denn dieses entscheidet je nach Anknüpfungspunkt mittelbar auch über die Verteilung der Risiken und Kosten, die mit der Ermittlung des fremden Rechts verbunden sind.1054 So ist es z. B. denkbar, dass sich ein ausländischer Mediziner von der Teilnahme an der Behandlung eines inländischen Patienten in Anbetracht der Tatsache abschrecken lässt, dass er sich mit der kostenerzeugenden Ermittlung der für ihn geltenden deutschen Rechte und Pflichten beschäftigen und das finanzielle Risiko einer Fehlermittlung bzw. -interpretation einkalkulieren muss. Ein weiterer Aspekt neben der Rechtsermittlung ist die Rechtsverfolgung. Neben der Tatsache, dass sich die Rechtsverfolgung bei grenzüberschreitenden Sachverhalten regelmäßig verzögert, bedarf es bei Auslandsprozessen häufig der Einschaltung eines Korrespondenzanwaltes, der die Interessen der Partei am Gerichtsort vertritt, was einen weiteren potentiellen Kostenfaktor darstellt, welcher die Attraktivität des Abschlusses binnenmarktgrenzüberschreitender Verträge mindern kann. Jedoch handelt es sich hierbei nicht um eine mögliche Beschränkung, die aus der Anwendbarkeit eines anderen Arzthaftungsrechts folgt, so dass dieser Anknüpfungspunkt außer Betracht bleiben kann.1055 b) Anpassung an den abweichenden sachlichen Regelungsgehalt der fremden Rechtsordnung Mit Blick auf die im rechtsvergleichenden Teil aufgezeigten Unterschiede, vor allem hinsichtlich der Ausgestaltung der Sorgfaltsstandards und ärztlichen Pflichten in den einzelnen Mitgliedstaaten sowie hinsichtlich der Beweislast und des Umfangs des Schadensersatzes, wird der Anpassungszwang an eine fremde Rechtsordnung regelmäßig die weitaus einschneidendere Belastung darstellen. Während auf der Stufe der Rechtsermittlung der Inhalt der berufenen 1054 Vgl. Langner, RabelsZ 65 (2001), 222, 226; Roth, in: GS für Lüderitz, S. 635, 639; ders., VersR 1993, 129, 133; Höpping, Auswirkungen der Warenverkehrsfreiheit auf das IPR, S. 114 ff. 1055 Vgl. zur Frage der Erstattung der Anwaltskosten im Rahmen des grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehrs: EuGH, Urteil v. 11.12.2003, Rs. C-289/02 (AMOK Verlags GmbH), Slg. 2003, I-15059.

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§ 4 Arzthaftungsregelungen als Beschränkungen des Art. 49 EGV?

Sachrechtsordnung ohne Belang ist, kommt es hier darauf an, ob die ermittelte lex causae im Vergleich zum Heimatrecht des Anbieters bzw. Nachfragers der ärztlichen Leistung hinsichtlich der Bedingungen für sein Tätigwerden bzw. die Inanspruchnahme strenger sind oder eher günstiger bzw. liberaler. Anknüpfungspunkt hinsichtlich der Frage einer möglicherweise bestehenden Beschränkung ist damit im Unterschied zu a) der materiell-rechtliche Regelungsgehalt des Sachrechts. Auf Seiten der Ärzte ist diesbezüglich an unterschiedliche finanzielle Belastungen zu denken, z. B. für Kosten für Präventivmaßnahmen1056 oder durch das Anfallen höherer Versicherungsprämien bei der Berufshaftpflichtversicherung aufgrund unterschiedlicher Schadensersatzrisiken, je nachdem, ob sie bei grenzüberschreitender Tätigkeit materiell ungünstigeren Bestimmungen als denen des Heimatrechtes unterliegen oder nicht1057. Die Patienten als Leistungsempfänger müssen sich bei grenzüberschreitendender Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen möglicherweise auf ein anderes, für sie weniger günstiges Arzthaftungsrecht einstellen, so dass man von einem unterschiedlichen Schutzniveau innerhalb der Mitgliedstaaten sprechen kann, was die Patienten unter Umständen vom Gang zum Arzt über die Grenze abschreckt. Der Anpassungszwang aufgrund ungünstigerer Haftungsvoraussetzungen kann somit seitens der Ärzte in einer Verteuerung grenzüberschreitender Aktivitäten (erhöhten Kostenbelastung) und seitens der Patienten in einer Reduzierung des Schutzniveaus liegen. 2. Verweis auf das Recht des Herkunftsstaates Doch nicht nur die Anknüpfung an ein anderes als das Heimatrecht kann beeinträchtigende Auswirkungen haben. Auch der Verweis auf das Recht des Herkunftsstaates könnte sich als nachteilig für die betroffene Partei erweisen. Zwar entstehen in diesem Fall keinerlei zusätzliche Informationskosten oder -risiken bezüglich der anwendbaren Rechtsordnung. Auch eine Anpassung an abweichende rechtliche Rahmenbedingungen des Arzt-Patienten-Verhältnisses ist nicht erforderlich. Sind jedoch z. B. im Rahmen der aktiven Dienstleistungsfreiheit des Arztes die haftungsrechtlichen Vorgaben des Bestimmungslandes/Zielstaates, also des Aufenthaltslandes des Patienten, liberaler bzw. weniger streng, ist das Interesse des Arztes, genauso wie die inländischen Ärzte von den dortigen geringeren Anforderungen zu profitieren, augenfällig.1058 Gleiches gilt spie1056

Heinemann, ZIP 1991, 1193, 1202. Vgl. Reich, in: Reich/Micklitz, Europäisches Verbraucherrecht, S. 62; Deutsch, in: Deutsch/Taupitz, Haftung der Dienstleistungsberufe, S. 275, 282; Gaidzik, JR 1992, 323, 325; Baumgärtel, JZ 1992, 321, 323. 1058 Vgl. Feiden, Die Bedeutung der „Keck“-Rechtsprechung im System der Grundfreiheiten, S. 258 ff., 260. 1057

II. Verbotene Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit

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gelbildlich für den Patienten im Falle des Verweises auf das im Vergleich zum Niederlassungsrecht des Arztes patientenunfreundlichere Recht an seinem gewöhnlichen Aufenthaltsort. Aber auch wenn die materiell-rechtlichen Gegebenheiten am Aufenthaltsort des Patienten keine Vorteile mit sich bringen würden, könnte dem Arzt daran gelegen sein, nicht dem Recht seines Heimatstaates zu unterliegen. Dies ist insbesondere dann denkbar, wenn die Geltung des ihm vertrauten Herkunftslandrechts bei der Behandlung von Patienten im Ausland zum Wettbewerbsnachteil wird, weil ausländische Patienten Vorbehalte gegen einen Arztvertrag haben, der dem möglicherweise patientenunfreundlicheren Heimatrecht des Arztes unterliegt, welches einen niedrigeren Schutzstandard aufweist. Ebenso kann der Patient als Leistungsempfänger ein Interesse daran haben, auf die Anwendbarkeit seines gewöhnlichen Aufenthaltsrechts im Falle einer entsprechenden Anknüpfung zu verzichten, um von einem ausländischen Spezialisten behandelt zu werden, der sein gesamtes Wirken allein seinem eigenen Herkunftsrecht unterstellen möchte. Damit ist eine Reihe von Anknüpfungspunkten genannt, die zeigen, dass auch im Bereich des Arzthaftungsrechts eine Auswirkung unterschiedlicher privatrechtlicher Haftungsregelungen auf die Freiheit des Dienstleistungsverkehrs nicht von vornherein ausgeschlossen ist.

II. Verbotene Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit Vor der Erörterung der Frage, ob diese möglichen Auswirkungen der kollisionsrechtlichen Anknüpfungen im Rahmen des grenzüberschreitenden Dienstleistungserbringung der Ärzte sowie der Unterschiede in den arzthaftungsrechtlichen Regelungen und Sorgfaltsstandards als verbotene Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit in Betracht kommen, soll zunächst kurz auf die grundsätzliche Reichweite des Beschränkungsverbotes im Rahmen der Freiheit des Dienstleistungsverkehrs eingegangen werden. 1. Verbot der Schlechterstellung ausländischer Unionsbürger (Diskriminierungsverbot) Art. 50 Abs. 3 EGV bestimmt als Unterfall des allgemeinen Beschränkungsverbots1059 gem. Art. 49 Abs. 1 EGV ausdrücklich, dass die Freiheit des Dienstleistungsverkehrs auch die vorübergehende Tätigkeit in einem anderen Staat 1059 Die Diskriminierung als Unterfall der Beschränkung gem. Art. 49 Abs. 1 EGV ist heute allgemein anerkannt, vgl. dazu Rolshoven, „Beschränkungen“ des freien Dienstleistungsverkehrs, S. 126 f. m.w. N.

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§ 4 Arzthaftungsregelungen als Beschränkungen des Art. 49 EGV?

„unter den Voraussetzungen, welche dieser Staat für seine eigenen Angehörigen vorschreibt“, umfasst. Gemeint ist damit die Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur rechtlichen und faktischen1060 Gleichbehandlung von Inländern und EGAusländern im grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehr oder anders formuliert das Verbot der Schlechterstellung ausländischer Unionsbürger. Innerhalb des sachlichen und personalen Anwendungsbereichs der Dienstleistungsfreiheit geht dieses Diskriminierungsverbot dem allgemeinen Diskriminierungsverbot des Art. 12 EGV vor.1061 Umfasst sind davon alle offenen und auch versteckten Diskriminierungen. Mit letztgenannter Konstellation sind Regelungen gemeint, welche an scheinbar neutrale Merkmale, also nicht an die Staatsangehörigkeit, anknüpfen, rechtstatsächlich aber ebenfalls zu dem Ergebnis führen, dass gebietsfremde Personen schlechter gestellt werden.1062 Eine Unterscheidung im Einzelnen ist nicht erforderlich. Aufgrund der Erstreckung des Anwendungsbereichs der Dienstleistungsfreiheit auf den Empfang von Dienstleistungen gilt auch in diesem Bereich der Grundsatz der Inländergleichbehandlung.1063 2. Verbot sonstiger Beschränkungen (diskriminierungsfreie Beschränkungen) Während in der Anfangszeit der Europäischen Gemeinschaft die Art. 49 f. EGV als reines Diskriminierungsverbot angesehen wurden, ist die Diskriminierung nach heutigem Stand der Rechtsprechung des EuGH nur ein „klassischer“ Fall einer unzulässigen Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit. Die „Dassonville“1064- wie auch die „Cassis-de-Dijon“-Rechtsprechung1065 des EuGH be1060 Auch rein faktisch wirkende Realakte ohne rechtliche Bindung können die Dienstleistungsfreiheit beschränken, vgl. Rolshoven, S. 134 unter Verweis auf EuGH, Urteil v. 24.11.1982, Rs. 249/81 (Kommission/Irland), Slg. 1982, 4005. 1061 Hakenberg, in: Lenz/Borchardt, EUV/EGV, Art. 49/50 Rn. 20; Bruinier, Der Einfluss der Grundfreiheiten auf das Internationale Privatrecht, S. 25; Körber, Grundfreiheiten und Privatrecht, S. 105 f.; EuGH, Urteil v. 2.2.1989, Rs. 186/87 (Cowan), Slg. 1989, 195, Rn. 18; ausführlich Rolshoven, S. 127 f.; zur Frage, ob hier ein Fall der Subsidiarität oder der Spezialität gegeben ist, ders., a. a. O., S. 143 ff. 1062 Tiedje/Troberg, in: von der Groeben/Schwarze, EUV/EGV, Art. 49 Rn. 43 ff.; vgl. die Rechtsprechungsauswertung bzgl. versteckter Diskriminierungen zum Dienstleistungsrecht bei Rolshoven, S. 158 ff. 1063 Völker, Passive Dienstleistungsfreiheit im Europäischen Gemeinschaftsrecht, S. 129 ff.; Kluth, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 49, 50 Rn. 51. 1064 EuGH, Urteil v. 11.7.1974, Rs. 8/74 (Dassonville), Slg. 1974, 837, Rn. 5: „Jede Handelsregelung der Mitgliedstaaten, die geeignet ist, den innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell zu behindern, ist als Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Beschränkung anzusehen.“ 1065 EuGH, Urteil v. 20.2.1979, Rs. 120/78 (Cassis de Dijon), Slg. 1979, 649, Rn. 14 (danach ist eine beschränkungsgleiche Maßnahme auch dann gegeben, wenn

II. Verbotene Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit

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züglich der Warenverkehrsfreiheit, deren Grundsätze analog auch für den Dienstleistungsverkehr übernommen wurden1066, läutete eine neue Entwicklung dahingehend ein, dass auch nicht-diskriminierende Regelungen der Mitgliedstaaten verbotene Beschränkungen i. S. v. Art. 49 f. EGV sein können (umfassendes Beschränkungsverbot). Verboten sind damit auch sonstige Beschränkungen aufgrund innerstaatlicher Bestimmungen oder Praktiken, selbst wenn sie unterschiedslos für einheimische Dienstleistende wie für Dienstleistende anderer Mitgliedstaaten gelten, sofern sie geeignet sind, die Tätigkeit des Dienstleistenden, der in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist und dort rechtmäßig entsprechende Dienstleistungen erbringt, zu unterbinden oder zu behindern.1067 In späteren Urteilen variiert der EuGH sprachlich in der Umschreibung des Beschränkungstatbestandes. So soll es für die Annahme einer Beschränkung auch ausreichend sein, wenn die mitgliedstaatlichen Vorschriften die Ausübung der garantierten Freiheit „weniger attraktiv“ machen.1068 Später heißt es: „Die Anwendung der nationalen Regelungen des Aufnahmemitgliedstaates auf Dienstleistende ist geeignet, Dienstleistungen zu unterbinden, zu behindern oder weniger attraktiv zu machen, soweit daraus zusätzliche Kosten und zusätzliche administrative und wirtschaftliche Belastungen folgen.“1069 Bei diesem sehr weitgehend formulierten Beschränkungstatbestand, wonach es keiner schon eingetretenen Beschränkung bedarf, sondern vielmehr die Eignung zur Behinderung der Grundfreiheit ausreichend ist, kommt es zudem nicht darauf an, welches Ausmaß die Beeinträchtigung für den Betroffenen hat, so dass auch geringfügige Hemmnisse verboten sind.1070 Denn Leitidee der Dienstsie inländische und ausländische Angebote gleichermaßen betrifft, letztgenannte aber faktisch schwerer belastet). 1066 Ausdrücklich erstmals im Urteil des EuGH v. 25.7.1991, Rs. C-76/90 (Säger), Slg. 1991, I-4221, Rn. 12; zur Rechtsprechung vor und nach dem Urteil „Säger“ vgl. Rolshoven, S. 212 ff.; Drasch, Das Herkunftslandprinzip im internationalen Privatrecht, S. 123 ff. 1067 Vgl. EuGH, Urteil v. 25.7.1991, Rs. C-76/90 (Säger), Slg. 1991, I-4221, Rn. 12; EuGH, Urteil v. 18.6.1998, Rs. C-266/96 (Corsica Ferris II), Slg. 1998, I-3949, Rn. 56 m.w. N.; Schmid, Freier Dienstleistungsverkehr und Recht des unlauteren Wettbewerbs, dargestellt am Beispiel der Telefonwerbung, S. 219; Randelzhofer/Forsthoff, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Art. 49/50 Rn. 90; Rolshoven, S. 206 f.; Rosenboom, Das Herkunftslandprinzip im europäischen Dienstleistungsrecht, S. 28. 1068 EuGH, Urteil v. 30.11.1995, Rs. C-55/94 (Gebhard), Slg. 1995, I-4165, Rn. 37; Urteil v. 12.12.1996, Rs. C-3/95 (Reisebüro Broede), Slg. 1996, I-6511, Rn. 25; EuGH, Urteil v. 28.3.1996, Rs. C-272/94 (Guiot), Slg. 1996, I-1905, Rn. 10; EuGH, Urteil v. 9.7.1997, Rs. C-222/95 (Parodi), Slg. 1997, I-3899, Rn. 18; EuGH, Urteil v. 3.10.2000, Rs. C-58/98 (Corsten), Slg. 2000, 7919, Rn. 33; Schmid, S. 219. 1069 EuGH, Urteil v. 25.10.2001, verb. Rs. C-49/98, C-50/98, C-52/98 bis C-54/98 und C-68/98 bis C-71/98 (Finalarte u. a.), Slg. 2001, I-7831, Rn. 30; ebenso EuGH, Urteil v. 15.3.2001, Rs. C-165/98 (Mazzoleni/ISA), Slg. 2001, I-2189, Rn. 24. 1070 Vgl. Schmid, S. 221 m.w. N.

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§ 4 Arzthaftungsregelungen als Beschränkungen des Art. 49 EGV?

leistungsfreiheit ist es, dass Dienstleistungserbringer und -empfänger überall in der Europäischen Union grundsätzlich unter den gleichen Bedingungen Dienstleistungen anbieten und nachfragen können.1071 Zu beachten ist zudem, dass das Beschränkungsverbot grundsätzlich für alle Formen der Dienstleistungsfreiheit gilt und somit nicht nur, wie häufig in den Formulierungen einseitig erwähnt, der Dienstleistungserbringer, sondern auch der Dienstleistungsempfänger durch das Beschränkungsverbot geschützt ist.1072 Während jedoch bezüglich Dienstleistungserbringern (im Rahmen der aktiven und Korrespondenzdienstleistungsfreiheit) sowohl Hindernisse durch Regelungen des Sitzstaates des Dienstleistungsempfängers1073 („Importfreiheit“) als auch durch Bestimmungen des Sitzstaates des Dienstleistungserbringers1074 („Exportfreiheit“) vom allgemeinen Beschränkungstatbestand erfasst sind, ist im Rahmen der Empfängerfreiheit zu unterscheiden, von welchem Staat die Beschränkung auferlegt wird. Während behindernde Regelungen des Herkunftsstaates des Dienstleistungsempfängers unproblematisch dem Beschränkungsverbot unterliegen1075, kann der Leistungsempfänger in dem Staat, in den er reist, nur zu den gleichen Bedingungen (und damit auch unter Einschluss aller Behinderungen), wie sie der Gaststaat für die dort ansässigen Inländer vorsieht, Dienstleistungen nachfragen, so dass sich in diesem Bereich der Schutzumfang der Art. 49 f. EGV auf das Gebot der Inländergleichbehandlung begrenzt.1076 Die in Teilen der Literatur1077 vertretene Ansicht, die Anwendung der Dienstleistungsfreiheit als allgemeines Beschränkungsverbot sei nur auf grenz1071

Vgl. Steindorff, EG-Vertrag und Privatrecht, S. 65; Schmid, S. 220. Vgl. EuGH, Urteil v. 28.4.1998, Rs. C-158/96 (Kohll), Slg. 1998, I-1931, 1946, Rn. 31 ff.; EuGH, Urteil v. 31.1.1984, verb. Rs. 286/82 und 26/83 (Luisi und Carbone), Slg. 1984, 377, Rn. 10 ff.; Schmid, S. 223; Rolshoven, S. 277. 1073 Dies betrifft die überwiegende Zahl der Fälle und der bereits angeführten Urteile; vgl. dazu Rolshoven, S. 256. 1074 Vgl. EuGH, Urteil v. 10.5.1995, Rs. C-384/93 (Alpine Investments), Slg. 1995, I-1141, Rn. 30; Tiedje/Troberg, in: von der Groeben/Schwarze, EUV/EGV, Art. 49 Rn. 67 f.; vgl. Schmid, S. 222 f.; Rolshoven, S. 256 ff. 1075 EuGH, Urteil v. 28.4.1998, Rs. C-158/96 (Kohll), Slg. 1998, I-1931, Rn. 31 ff.; EuGH, Urteil v. 31.1.1984, verb. Rs. 286/82 und 26/83 (Luisi und Carbone), Slg. 1984, 377, Rn. 10 ff.; Rolshoven, S. 279. 1076 Vgl. Völker, Passive Dienstleistungsfreiheit in der Europäischen Gemeinschaft, S. 133 f., S. 143 f.; Seidel, in: Schwarze, Der Gemeinsame Markt, Bestand und Zukunft in wirtschaftsrechtlicher Perspektive, S. 113, 126; Classen, EWS 1995, 97, 102; Schmid, S. 224; Roth, in: Dauses, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts – Band 1, E. I Rn. 191; Müller-Graff, in: FS für Lukes, S. 471, 489; bisher hat der EuGH in den Fällen der passiven Dienstleistungsfreiheit bei Beschränkungen durch den Sitzstaat des Dienstleistungserbringers nur die Konstellation der Diskriminierung des ausländischen Dienstleistungsempfängers entschieden, vgl. EuGH, Urteil v. 2.2.1989, Rs. 186/87 (Cowan), Slg. 1989, 195, Rn. 17; EuGH, Urteil v. 15.3.1994, Rs. C-45/93 (Museum), Slg. 1994, I-911, Rn. 10; EuGH, Urteil v. 29.4.1999, Rs. C-224/97 (Ciola/Voralberg), Slg. 1999, I-2517, Rn. 14; Rolshoven, S. 284, 288 f. 1072

III. Privatrecht als Prüfungsgegenstand der Grundfreiheiten

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überschreitend erbrachte Korrespondenzdienstleistungen zu begrenzen, während in den Fällen, in denen sich Dienstleistungserbringer oder -empfänger in den fremden Rechtsraum begeben, lediglich eine Kontrolle am Maßstab des Diskriminierungsverbots erfolgen soll, lässt sich weder dem Wortlaut der Art. 49 und 50 EGV entnehmen noch liefert die Rechtsprechung des EuGH Anhaltspunkte für eine derartige Differenzierung. Begründet wird diese Ansicht damit, dass bei Dienstleistungen, die mit einem persönlichen Aufenthalt im Zielstaat und damit fremden Rechtsraum verbunden sind, eine Parallele zur Niederlassungsfreiheit und damit eine Anwendung der Dienstleistungsfreiheit als Diskriminierungsverbot nahe liege, während eine unumschränkte Vergleichbarkeit von Waren und Dienstleistungen nur bei Korrespondenzdienstleistungen existiere. Es leuchtet jedoch nicht ein, warum der Schutz des Dienstleistungserbringers nur aufgrund der persönlichen Erbringung im Bestimmungsland geringer sein soll. Zwar ist in einigen Fällen schwer zu bestimmen, ob die Dienstleistungen zeitlich begrenzt oder auf unbestimmte Dauer erbracht oder empfangen werden sollen, so dass die Abgrenzung von ständiger Niederlassung und vorübergehenden Aufenthalt zwecks Dienstleistungserbringung oder -empfangnahme oft fließend ist. Es wäre jedoch verfehlt, dieser Problematik mit einer Aufspaltung des Gewährleistungsgehalts des einheitlichen Rechts der Dienstleistungsfreiheit entgegenzutreten.1078

III. Privatrecht als Prüfungsgegenstand im Rahmen der Grundfreiheiten Dass auch Normen des nationalen Privatrechts uneingeschränkt auf ihre Vereinbarkeit mit den Grundfreiheiten überprüfbar sind, zeigt eine Reihe von Urteilen des Europäischen Gerichtshofs.1079 Auch in der Literatur ist man sich – im Einklang mit den Untersuchungen des EuGH – weitgehend einig, dass auch mitgliedstaatliche Regelungen des Privatrechts von der Prüfung auf ihre Vereinbarkeit mit den Grundfreiheiten nicht ausgeschlossen sein dürfen.1080 Lediglich 1077

Weber, EWS 1995, 292, 294 f.; ähnlich Classen, EWS 1995, 97, 101 f. Vgl. auch Kort, JZ 1996, 132, 135 f.; Körber, S. 334 f. 1079 EuGH, Urteil v. 24.10.1978, Rs. 15/78 (Koestler), Slg. 1978, 1971; EuGH, Urteil v. 7.3.1990, Rs. C-362/88 (GB-INNO-BM), Slg. 1990, I-667; EuGH, Urteil v. 24.1.1991, Rs. C-339/89 (Alsthom Atlantique), Slg. 1991, I-107; EuGH, Urteil v. 18.5.1993, Rs. C-126/91 (Yves Rocher), Slg. 1993 I-2361; EuGH, Urteil v. verb. Rs. C-267/91 und C-268/91 (Keck und Mithouard), Slg. 1993, I-6097; EuGH, Urteil v. 15.12.1993, Rs. C-292/92 (Hünermund), Slg. 1993, I-6787; EuGH, Urteil v. 13.10. 1993, Rs. C-93/92 (CMC Motorradcenter), Slg. 1993, I-5009. 1080 Roth, RabelsZ 55 (1991), 623, 641; ders., ZEuP 1994, 5, 6; ders., Europäisches Versicherungsrecht, in: Honsell, Berliner Kommentar zum Versicherungsvertragsgesetz, Rn. 32 f.; von Wilmowsky, JZ 1996, 590, 591; Flesner, Die Behinderungen des binnenmarktgrenzüberschreitenden Vertragsschlusses und die Möglichkeiten ihrer Beseitigung S. 92 f.; Steindorff, in: FS für Lorenz, S. 561, 573 f.; ders., EG-Vertrag und 1078

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§ 4 Arzthaftungsregelungen als Beschränkungen des Art. 49 EGV?

vereinzelte Stimmen befürchten durch eine umfassende, das heißt auch das allgemeine Beschränkungsverbot einbeziehende, Überprüfung zivilrechtlicher Normen im Lichte der Grundfreiheiten eine Beschädigung der „tragenden Säulen des deutschen Zivilrechtssystems“, so dass schließlich eine „systembildende Durchformung des Zivilrechts, die Aufdeckung seines „inneren Systems“, gar nicht mehr zu leisten“ sei1081. Im Ergebnis wird jedoch auch hier die Privatrechtskontrolle anhand der Grundfreiheiten grundsätzlich als europarechtlich konsequent angesehen.1082 Zu beachten ist, dass unter nationalem Privatrecht nicht nur die Summe der gesetzlich festgeschriebenen Normen, also das kodifizierte Recht zu verstehen ist, sondern auch das Rechtsprechungsrecht.1083 Dies ist gerade im Bereich des nationalen Arzthaftungsrechts von Bedeutung, da das deutsche Recht, wie bereits erwähnt, keine speziellen Vorschriften zur Regelung der zivilrechtlichen Arzthaftung kennt und das Recht der Arzthaftung heute überwiegend Resultat richterlicher Spruchpraxis ist. Wollte man grundsätzlich die mitgliedstaatlichen Privatrechte der Kontrolle durch die Grundfreiheiten entziehen, liefe man Gefahr, dass nationale Gesetzgeber bestimmte staatliche Ziele in Normen der Privatrechtsordnung (z. B. in Form von zivilrechtlichen Haftungsvorschriften) statt in öffentlich-rechtlichen Normen (z. B. öffentlich-rechtlichen Sicherheitsvorschriften) umsetzen.1084 Bereits jetzt bestehen in den Mitgliedstaaten zum Teil Unterschiede hinsichtlich der Einordnung in den öffentlich-rechtlichen und in den privatrechtlichen Bereich1085, so dass eine Überprüfbarkeit lediglich des öffentlichen Rechts dazu führen würde, dass eine binnenmarktstörende Regelung in dem Staat mit öffentlich-rechtlicher Umsetzung durch den EuGH untersagt werden könnte, im Staat mit privatrechtlicher Umsetzung aber weiterhin anwendbar bliebe. Im Übrigen kann auch die Aufgabe zivilrechtlicher Normen, einen angemessenen Ausgleich der kollidierenden und konkurrierenden Individualinteressen herbeizuführen, kein Argument für einen Ausschluss aus der Grundfreiheitenkontrolle sein, da Privatrecht, S. 48 ff.; Leible, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Art. 28 Rn. 43; Remien, Zwingendes Vertragsrecht und Grundfreiheiten des EG-Vertrages, S. 178 ff., 185; ders., JZ 1994, 349, 352; Fezer, JZ 1994, 623, 624 f.; Franzen, Privatrechtsangleichung durch die Europäische Gemeinschaft, S. 122 f.; Taupitz, ZEuP 1997, 986, 993; Storme, in: FS für Drobnig, S. 195, 200–202. 1081 Mülbert, ZHR 159 (1995), 2, 7; kritisch auch Schrödermeier, DB 1990, 2511, 2513. 1082 Mülbert, ZHR 159 (1995), 2, 33; Einschränkungen werden erst im Rahmen der Reichweite des Beschränkungsverbots befürwortet, vgl. dazu unter V. 1083 Müller-Graff, in: von der Groeben/Schwarze, EUV/EGV, Art. 28 Rn. 291; Schlussanträge GA van Gerven, Rs. C-93/92 (CMC Motorradcenter), Slg. 1993, I5009, Rn. 8. 1084 Mülbert, ZHR 159 (1995), 2, 11 f. 1085 MünchKomm-Martiny, EGBGB, Art. 34 Rn. 12; Drasch, Das Herkunftslandprinzip im internationalen Privatrecht, S. 211; Taupitz, ZEuP 1997, 986, 994 Fn. 38; Roth, RabelsZ 55 (1991), 623, 667; vgl. auch Mülbert, ZHR 159 (1995), 2, 10 f.

IV. Nationale Kollisionsnormen im Lichte des Art. 49 EGV

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es sich hierbei nicht um ein Spezifikum des Privatrechts handelt, sondern in vielen Bereichen auch Aufgabe des öffentlichen Rechts ist.1086

IV. Überprüfung nationaler Kollisionsnormen mit Bezug zur Arzthaftung im Lichte der Dienstleistungsfreiheit In Art. 3 Abs. 2 S. 2 EGBGB hat der deutsche Gesetzgeber mit deklaratorischer Wirkung den Vorrang des Gemeinschaftsrechts vor dem nationalen IPR ausdrücklich festgeschrieben, also das im Verhältnis von Gemeinschaftsrecht und nationalem Recht ohnehin geltende Prinzip vom Vorrang des Gemeinschaftsrechts für das IPR konkretisiert. Daraus ergibt sich, dass sich die Wirkungen der Grundfreiheiten auch auf die nationalen Kollisionsnormen als Gesamtheit der Rechtssätze, die aus der Vielzahl nationaler Rechtsordnungen diejenige berufen, die auf ein konkretes Lebensverhältnis zur Anwendung kommen soll1087, erstrecken kann und folglich bereits hier zu prüfen ist, ob eine nicht zu rechtfertigende Behinderung der Grundfreiheiten durch die Wahl eines bestimmten Anknüpfungspunktes vorliegt.1088 Die Notwendigkeit der Überprüfung des Kollisionsrechts neben dem Sachrecht resultiert zudem daraus, dass bereits auf dieser Ebene entschieden wird, welche der beiden Parteien die Rechtsermittlungskosten bzw. das mit der Rechtsermittlung verbundene Risiko zu tragen hat und sich einer fremden Rechtsordnung anpassen muss.1089

1086

Mülbert, ZHR 159 (1995), 2, 11 mit Hinweis auf den baurechtlichen Nachbar-

schutz. 1087

Vgl. von Hoffmann/Thorn, IPR, § 1 Rn. 34. Vgl. Höpping, Auswirkungen der Warenverkehrsfreiheit auf das IPR, S. 7, 96, 106; Bruinier, Der Einfluss der Grundfreiheiten auf das Internationale Privatrecht, S. 41, 117; Reithmann/Martiny-Martiny, Internationales Vertragsrecht, Rn. 38; Roth, RabelsZ 55 (1991), 623, 639 f.; Fischer, in: von Bar, Europäisches Gemeinschaftsrecht und Internationales Privatrecht, S. 157 ff.; Steindorff, EG-Vertrag und Privatrecht, S. 83; Basedow, RabelsZ 59 (1995), 1, 4 f.; Brödermann, in: Brödermann/Iversen, Europäisches Gemeinschaftsrecht und IPR, Rn. 419 ff.; Kreuzer, in: Müller-Graff, Gemeinsames Privatrecht in der Europäischen Gemeinschaft, S. 457, 509 ff.; von Hein, RabelsZ 64 (2000), 595, 608.; von Wilmowsky, RabelsZ 62 (1998), 1, 2 f.; MüllerGraff, in: von der Groeben/Schwarze, EUV/EGV, Art. 28 Rn. 162; Reich, in: Reich/ Micklitz, Europäisches Verbraucherrecht, S. 62; a. A. jedoch Prölss/Armbrüster, DZWir 1993, 449, 457, welche hinsichtlich Normen, die lediglich über das anwendbare Recht entscheiden, den Schutzbereich der Grundfreiheiten nicht für eröffnet erachten; ebenso Sonnenberger, ZVglRWiss 95 (1996), 3, 22. 1089 Vgl. § 4 I. 1. 1088

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§ 4 Arzthaftungsregelungen als Beschränkungen des Art. 49 EGV?

1. Grundlagen Vorauszuschicken ist, dass eine spezifisch kollisionsrechtliche Behinderung der Grundfreiheiten überhaupt nur bezüglich Sachnormverweisungen in Betracht kommt.1090 Denn während die Gesamtverweisung die Ermittlung des letztendlich anwendbaren Sachrechts dem IPR der zur Anwendung berufenen Rechtsordnung überlässt, beruft die Sachnormverweisung unmittelbar das materielle Recht der entsprechenden Rechtsordnung zur Entscheidung des Sachverhaltes. Wie Bruinier1091 richtig anmerkt, kann eine Beeinträchtigung der Grundfreiheiten durch eine Kollisionsnorm nur dann festgestellt werden, wenn hierdurch eine konkrete Sachrechtsordnung lokalisiert werden kann, anhand derer man die Auswirkungen auf den freien Binnenmarktverkehr überprüfen kann. Die Gesamtnormverweisung hingegen überlässt einer fremden Kollisionsnorm das endgültige Urteil über das anwendbare Sachrecht, so dass dem Verweisungsbefehl an sich nicht entnommen werden kann, welches Recht letztendlich materiell-rechtlich über den Sachverhalt entscheidet und ob hierdurch eine Beeinträchtigung der Grundfreiheiten gegeben ist. Zwar ist die zwischengeschaltete Kollisionsnorm gewissermaßen auf die Gesamtverweisung zurückzuführen.1092 Jedoch trifft sie letztendlich die Entscheidung in der Rechtsverweisung (Ermittlung des anwendbaren Sachrechts) und darum kann auch nur sie als berufene Kollisionsnorm und nicht die ursprüngliche Gesamtverweisung Gegenstand der Grundfreiheitenprüfung sein. Bei der Gesamtverweisung ist damit aufgrund der erhöhten Abstraktheit vom materiellen Recht im Vergleich zur Sachnormverweisung eine legitimationsbedürftige Behinderung der Grundfreiheiten ausgeschlossen. Jedoch ist zu berücksichtigen, dass eine Beeinträchtigung der Grundfreiheiten durch das Kollisionsrecht auch nur dann möglich ist, wenn diese spezifisch kollisionsrechtliche Relevanz besitzt und nicht allein durch das zur Lösung des Sachverhaltes berufene materielle Recht verursacht wird.1093 Bei dem nationalen Sachrecht und dem nationalen IPR handelt es sich um unterschiedliche Normenkomplexe mit unterschiedlichen Regelungszielen, so dass auch im Rahmen der Grundfreiheiten zwischen spezifisch kollisionsrechtlichen und spezifisch sachrechtlichen Beeinträchtigungen zu unterscheiden ist.

1090 Vgl. Bruinier, Der Einfluss der Grundfreiheiten auf das Internationale Privatrecht, S. 201. 1091 A. a. O. 1092 Vgl. Kropholler, IPR, § 24 I 2; Neuhaus, Die Grundbegriffe des Internationalen Privatrechts, S. 269. 1093 Vgl. Roth, in: GS für Lüderitz, S. 635, 641; Kaufhold, Internationales und Europäisches Mobiliarsicherungsrecht, S. 310 f.; Höpping, Auswirkungen der Warenverkehrsfreiheit auf das IPR, S. 112 ff., 211 ff., 219 f.; Bruinier, S. 77 f.

IV. Nationale Kollisionsnormen im Lichte des Art. 49 EGV

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Zwar ist es nicht von der Hand zu weisen, dass auch eine beschränkende Wirkung des Sachrechts indirekt auf die seine Anwendung bestimmende Kollisionsnorm zurückzuführen ist, was einige dazu veranlasst, eine aus Sach- und Kollisionsnorm zusammengefasste Gesamtnorm anzunehmen und diese im Lichte der Grundfreiheiten zu prüfen.1094 Würde man jedoch dem konsequent folgen, käme es zu einer Vermischung von Sach- und Kollisionsrecht und in jedem Falle einer unzulässig beschränkenden Sachnorm wäre die zugrunde liegende Kollisionsnorm allein aufgrund des zur Anwendung von materiellem Recht unerlässlichen Verweisungsbefehls ebenfalls als Beeinträchtigung der Grundfreiheit zu werten. Dies würde bedeuten, dass sowohl die Sachrechtsnorm, die die eigentliche freiheitsbeschränkende Wirkung innehat und die entsprechende Kollisionsnorm kassiert würden. Bedenkt man jedoch, dass bereits bei der Nichtanwendung einer der beiden Normen die entsprechende Verletzung der Grundfreiheit entfallen würde, so zeigt sich die mangelnde Notwendigkeit der zusätzlichen Kassation der kollisionsrechtlichen Regelung. Im Sinne einer effektiven und in der Rechtsfolge angemessenen Grundfreiheitenprüfung ist damit eine Unterscheidung zwischen sach- und kollisionsrechtlichen Beschränkungen des Binnenmarktes unerlässlich. Es muss daher genau untersucht werden, ob die möglichen Beschränkungen des Dienstleistungsverkehrs vom anwendbaren Sachrecht, welches die materielle Entscheidung über den Sachverhalt trifft, herrührt, oder ob bereits die kollisionsrechtliche Verweisung an sich, also unabhängig vom Inhalt der anwendbaren Sachrechtsordnung, eine Beeinträchtigung der Grundfreiheit darstellt. Hinsichtlich dieser Frage ist im Rahmen des internationalen Arzthaftungsrechts wiederum zwischen den Bestimmungen des internationalen Schuldvertragsrechts, des internationalen Deliktsrechts und des internationalen Rechts der GoA zu unterscheiden. 2. Internationales Schuldvertragsrecht Wie bereits im Rahmen von § 3 erörtert, handelt es sich bei den Bestimmungen der Art. 27 ff. EGBGB um kollisionsrechtliche Regelungen, die unmittelbar bestimmte Sachnormen zur Anwendung berufen, Art. 35 Abs. 1 EGBGB. Damit ist der Bereich des internationalen Schuldvertragsrechts zunächst vollumfänglich einer Grundfreiheitenprüfung zugänglich.

1094 Freitag, Der Einfluss des Europäischen Gemeinschaftsrechts auf das internationale Produkthaftungsrecht, S. 308 f.; Flesner, Die Behinderungen des binnenmarktgrenzüberschreitenden Vertragsschlusses und die Möglichkeiten ihrer Beseitigung, S. 71 f.

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§ 4 Arzthaftungsregelungen als Beschränkungen des Art. 49 EGV?

a) Rechtswahl Hinsichtlich der parteiautonomen Vertragsanknüpfung liegt es auf der Hand, dass diese keine die Grundfreiheiten behindernde Wirkung entfalten kann.1095 Eine größere Freiheit im Binnenmarktverkehr als die Parteiautonomie kann das Kollisionsrecht nicht geben. Die Möglichkeit, sich vertraglich über das maßgebliche Recht zu einigen, versetzt die Parteien in die Lage, das Recht zu wählen, das den Interessengegensatz zwischen ihnen überbrückt und den Besonderheiten des Einzelfalls Rechnung trägt. Zudem können Dienstleistungserbringer und -empfänger ein neutrales Recht wählen, um keinem der Beteiligten einen Vorteil zu verschaffen, oder ein Recht, mit dem alle Beteiligten vertraut sind. b) Objektive Anknüpfung mangels Ausübung der Rechtswahl Im Rahmen der objektiven Anknüpfung ist an eine Beeinträchtigung des Dienstleistungserbringers durch Art. 29 Abs. 2 sowie Art. 28 Abs. 5 EGBGB (Anwendung des Rechts des gewöhnlichen Aufenthaltes des Patienten bzw. des ärztlichen Kooperationsbedürfnisses, was regelmäßig mit der erstgenannten Rechtsordnung übereinstimmt) bzw. an eine Beeinträchtigung des Dienstleistungsempfängers durch Art. 28 Abs. 2 EGBGB (Anwendung des Niederlassungsrechts des Arztes) zu denken. Anknüpfungspunkt für eine mögliche Behinderung der Parteien könnte sein, dass sie bei objektiver Anknüpfung an das jeweils fremde Recht gezwungen wären, sich über dessen Inhalt zu informieren und sich an die dortigen (zumindest zwingenden) Regeln anzupassen.1096 Jede Partei ist aufgrund der daraus resultierenden höheren Informations- und Transaktionskosten grundsätzlich daran interessiert, dass ein ihr vertrautes Recht zur Anwendung gelangt, also das jeweils gewöhnliche Aufenthalts- bzw. Niederlassungsrecht.1097 Daher entscheidet die jeweilige objektive Anknüpfung über die Verteilung der Last bzw. die Aufbürdung der Sorge zur Anregung und Durchsetzung einer anderweitigen Rechtswahl.1098 Dies könnte man zum Anlass nehmen, in der jeweils für eine Partei nachteiligen objektiven Anknüpfung eine rechtfertigungsbedürftige Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit zu sehen.1099 1095 Roth, RabelsZ 55 (1991), 623, 652 f.; Basedow, RabelsZ 59 (1995), 1, 27 f.; ders., CMLRev 33 (1996), 1169, 1174; Remien, Zwingendes Vertragsrecht und Grundfreiheiten des EG-Vertrages, S. 189; Bruinier, Der Einfluss der Grundfreiheiten auf das Internationale Privatrecht, S. 152; Höpping, S. 206 m.w. N.; zur Parteiautonomie als Ausfluss des Beschränkungsverbots der Grundfreiheiten ausführlich von Wilmowsky, RabelsZ 62 (1998), 1, 3 ff. 1096 Vgl. unter I. 1. 1097 Kegel/Schurig, IPR, § 2 II 1, S. 135; Bruinier, S. 118 f.; Remien, a. a. O., S. 190. 1098 Vgl. Remien, a. a. O., S. 190; Höpping, S. 233. 1099 In diese Richtung tendierend: Sousi-Roubi, DSChron 1993, 183, 188 ff. für Bankdienstleistungen; Radicati di Brozolo, Il Foro Italiano 115 (1990) IV, 454, 474 Fn. 79 i.V. m. Fn. 75; i. E. auch Steindorff, EG-Vertrag und Privatrecht, S. 78 f. (wenn

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Jedoch ist sich das Schrifttum weitgehend einig darin, dass eine Behinderung der Grundfreiheiten und damit auch der Dienstleistungsfreiheit ausscheidet, wenn den Parteien die Bestimmung des anwendbaren Rechts durch freie Rechtswahl (Parteiautonomie) selbst in die Hand gelegt wird.1100 Denn mehr als die Einräumung der umfassenden Rechtswahlfreiheit vermag das Kollisionsrecht für die Binnenmarktidee des EG-Vertrages nicht zu leisten. Im internationalen Schuldvertragsrecht gilt sowohl in Deutschland wie auch in allen anderen Mitgliedstaaten der Grundsatz der Parteiautonomie.1101 Die Parteien können also mittels Bestimmung des anwendbaren Rechts darüber entscheiden, welche Rechtsordnung samt dispositiver und zwingender Normen auf die vertragliche Beziehung anwendbar sein soll (kollisionsrechtliche Verweisung). Zudem wird richtig bemerkt, dass es gerade das Wesensmerkmal eines grenzüberschreitenden Vertragschlusses ist, dass regelmäßig eine der beteiligten Parteien mit einem für sie fremden Recht konfrontiert wird, so dass die objektive Anknüpfung aufgrund des Fehlens einer anderweitigen Rechtswahl nicht gegen Art. 49 f. EGV als die gemeinsame Grundfreiheit von Dienstleistungserbringer und -empfänger verstoßen kann.1102 Die Begünstigung des einen Marktteilnehmers durch die Anwendung seines Heimatrechts korrespondiert immer mit der Benachteiligung der anderen Seite. Art. 27 EGBGB eröffnet den Parteien die Option, diese für grenzüberschreitende Verträge typischen widerstreitenden Interessen durch übereinstimmende Willenserklärungen beider Parteien zur Anwendbarkeit eines bestimmten Rechts in Einklang zu bringen. Die Parteiautonomie ist gerade der Inbegriff des europäischen Binnenmarktverkehrs. In diese Richtung weist auch das EuGH-Urteil „Alsthom Atlantique“1103. Hier ging es um die Frage, ob die auch nur allgemein bezogen auf dispositives Privatrecht); vgl. zudem Klauer, Die Europäisierung des Privatrechts, S. 70; weitere Nachweise bei Fetsch, Eingriffsnormen und EG-Vertrag, S. 128 Fn. 13. 1100 Roth, RabelsZ 55 (1991), 623, 653; ders., VersR 1993, 129, 133; Bruinier, S. 110 ff., S. 152; Drasch, Das Herkunftslandprinzip im internationalen Privatrecht, S. 303 ff., 307; Körber, Grundfreiheiten und Privatrecht, S. 440; Kropholler, IPR, § 10 I 2; Basedow, RabelsZ 59 (1995), 1, 27 f.; von Wilmowsky, RabelsZ 62 (1998), 1, 19 ff.; ders., Kreditsicherungsrecht, S. 39 ff.; Völker, Passive Dienstleistungsfreiheit in der Europäischen Gemeinschaft, S. 143 f. für die passive Dienstleistungsfreiheit; Remien, JbJgZivWiss 1991, 11, 37; ders., Zwingendes Vertragsrecht und Grundfreiheiten des EG-Vertrages, S. 191; unklar Höpping, Auswirkungen der Warenverkehrsfreiheit auf das IPR, S. 205 ff. und S. 232 ff. 1101 Remien, Zwingendes Vertragsrecht und Grundfreiheiten des EG-Vertrages, S. 186; Siehr, in: FS für Keller, S. 485 ff.; vgl. Art. 27 EGBGB, Art. 3 Abs. 1 und 2 EVÜ. 1102 Drasch, Das Herkunftslandprinzip im internationalen Privatrecht, S. 304; dass die Grundfreiheiten nicht nur die Anbieter, sondern auch die Nachfrager von Waren, Dienstleistungen, Arbeit oder Kapital schützen, ist u. a. ein Grund dafür, aus den Grundfreiheiten keine herkunftslandorientierten Kollisionsnormen (aus der Sicht der Anbieter) abzuleiten, vgl. dazu von Wilmowsky, RabelsZ 62 (1998), 1, 17 ff. 1103 EuGH, Urteil v. 24.1.1991, Rs. C-339/89 (Alsthom Atlantique), Slg. 1991, I107, Rn. 15.

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Rechtsprechung der französischen Gerichte zur Sachmängelhaftung gegen Art. 34 EGV a. F. (jetzt Art. 29 EGV) verstößt. Der Gerichtshof führte unter anderem aus, dass es „den Parteien eines internationalen Kaufvertrags im allgemeinen freistehe, das auf ihre Vertragsbeziehungen anwendbare Recht zu bestimmen und so die Unterwerfung unter das französische Recht zu vermeiden.“ Daraus resultiert mittelbar, dass die objektive Anknüpfung eines Vertrages mit Blick auf die Grundfreiheiten unbedenklich sein muss, wenn und soweit eine abweichende Rechtswahl der Parteien möglich ist.1104 Gegen die Kontrollfreiheit international dispositiver Verweisungsnormen lässt sich zudem nicht ernsthaft einwenden, dass die Wahrnehmung der Rechtswahlmöglichkeit von der Zustimmung der anderen Vertragspartei abhängt, da gerade dies ein Wesensmerkmal des Vertrages und die Wahrnehmung der Dispositionsmöglichkeit ein „notwendiges Korrelat“ dieser Freiheit ist.1105 Die gemachten Ausführungen müssen ebenso im Falle der Anknüpfung an das Herkunftslandrecht1106 gelten, sofern dieses für die entsprechende Partei ungünstiger ist bzw. einen Vertragsabschluss unattraktiv für die andere Vertragspartei macht. Der Verweis auf das Recht des Herkunftsstaates einer Partei kann denklogisch auch nur dann grundfreiheitenbeschränkenden Charakter haben, wenn dieser zwingend ist. Jedoch besteht sowohl für den Anbieter von Dienstleistungen als auch für den Nachfrager grundsätzlich die Option, zugunsten des Heimatrechts der Gegenseite auf die an sich durch objektive Anknüpfung anwendbare, vertraute Rechtsordnung zu verzichten. Gleiches gilt für die deliktischen Ansprüche im Wege der akzessorischen Anknüpfung. Aufgrund der abweichenden Rechtswahlmöglichkeit scheidet eine legitimationsbedürftige Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit im Arzt-Patienten-Verhältnis auch hier aus. Bei der unerwünschten Anknüpfung an das Herkunftslandrecht kommt nicht einmal die Erwägung zum Tragen, dass die betreffende Partei diese Rechtswahl nicht durchsetzen kann, denn in diesen Fällen kommt sie ja der anderen Vertragspartei durch eine wunschgemäße Rechtswahl entgegen. Drasch gibt schließlich zu bedenken, dass alle Mitgliedstaaten der EU auch Vertragsstaaten des EVÜ sind (bzw. im Falle von Deutschland den Vertragstext zu großen Teilen in das nationale Kollisionsrecht inkorporiert haben)1107, so 1104 Roth, VersR 1993, 129, 133; Remien, JbJgZivWiss 1991, 11, 37; ders., Zwingendes Vertragsrecht und Grundfreiheiten des EG-Vertrages, S. 186, 189; Drasch, S. 306; Bruinier, S. 112 ff., S. 116; Basedow, RabelsZ 59 (1995), 1, 28; Grundmann, Europäisches Schuldvertragsrecht, Rn. 68; ders., JZ 1996, 274, 278; ders., ZHR 163 (1999), 635, 656 und Fn. 68; Giesberts, Anlegerschutz und anwendbares Recht bei ausländischen Börsentermingeschäften, S. 296; Langner, RabelsZ 65 (2001), 222, 228. 1105 Riesenhuber, System und Prinzipien des Europäischen Vertragsrechts, S. 100. 1106 Vgl. unter § 4 I. 2. 1107 Zur unterschiedlichen Art der Überführung des EVÜ in innerstaatliches Recht durch die einzelnen Mitgliedstaaten Reithmann/Martiny-Martiny, Internationales Vertragsrecht, Rn. 6; von Hoffmann/Thorn, IPR, § 1 Rn. 64.

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dass es bei richtiger und einheitlicher Anwendung der objektiven Anknüpfung ohnehin stets zur Anwendbarkeit derselben Rechtsordnung kommen dürfte, womit ein binnenmarktbeschränkender Charakter der objektiven Anknüpfung ohnehin „kraft Natur der Sache“ ausscheide.1108 Während die herrschende Meinung die parteidispositiven Vertragsanknüpfungen damit grundsätzlich der Grundfreiheitenkontrolle entzieht, stellt Höpping1109 an diese gewisse Anforderungen hinsichtlich der Vereinbarkeit mit den Grundfreiheiten, speziell mit der Warenverkehrsfreiheit. Neben der leichten Feststellbarkeit der maßgeblichen Rechtsordnungen durch die Parteien während der Vertragsverhandlungen komme es darauf an, dass ein den Parteien vertrautes Recht Anwendung findet, womit eine Erfüllungs- bzw. Abschlussortanknüpfung nicht akzeptabel sei. Ebenso wichtig sei die Anknüpfung an lediglich eine Rechtsordnung, um Rechtssicherheit zu schaffen und Abgrenzungsschwierigkeiten zu vermeiden. Schließlich sei eine gewisse Flexibilität zur Erfassung von Besonderheiten bestimmter Einzelfälle erforderlich. Letztgenanntem Punkt werde Art. 28 EGBGB durch die Anknüpfung an die engste Verbindung in Abs. 1 und 5 gerecht. Den Aspekten der Rechtssicherheit, Vertrautheit und leichten Feststellbarkeit der anwendbaren Rechtsordnung entspreche die Regelanknüpfung gem. Abs. 2, wobei mit Blick auf diese Vorteile eine abweichende Anknüpfung nur in Ausnahmefällen vorzunehmen sei. Die objektive Anknüpfung gem. Art. 29 Abs. 2 EGBGB an das Recht am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Verbrauchers wird diesen Anforderungen nach Ansicht der Verfasserin ebenfalls gerecht, denn der durch die Anknüpfung beeinträchtigte Warenanbieter könne als stärkere Vertragspartei in den Grenzen des Art. 29 Abs. 1 EGBGB unproblematisch (z. B. durch AGB) die Wahl seines Herkunftslandes durchsetzen. Sei aufgrund der Vertragsumstände eine entsprechende Rechtswahl nicht möglich, sei die Behinderung des Handels durch die objektive Anknüpfung aufgrund der in Art. 29 Abs. 1 EGBGB festgelegten Beschränkung der Rechtswahlmöglichkeit ohnehin nur geringfügig und aus Gründen des Verbraucherschutzes gerechtfertigt. Zwar kommt die Verfasserin damit zur Vereinbarkeit der objektiven Vertragsanknüpfungen mit der Warenverkehrsfreiheit, jedoch handelt es sich bei den dargestellten Anforderungen um grundsätzliche kollisionsrechtliche Erwägungen hinsichtlich des optimalen Ausgleichs zwischen dem Prinzip der Gerechtigkeit im IPR und dem Gegenpol der formalen Rechtssicherheit.1110 Schließlich 1108

Drasch, S. 307. Höpping, Auswirkungen der Warenverkehrsfreiheit auf das IPR, S. 233 ff. 1110 Hierzu umfassend Kropholler, IPR, § 4; auch Drasch, S. 307 unterscheidet zwischen Grundfreiheitenkonformität der objektiven Anknüpfung und deren sachlichen Angemessenheit, also der Frage, ob sie den Interessen der beteiligten Personen unter allen Umständen Rechnung trägt (dieser Bereich entzieht sich der Kontrolle durch die Grundfreiheiten). 1109

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kommt im Rahmen der Prüfung des Art. 29 Abs. 2 EGBGB auch bei Höpping zum Ausdruck, dass die Möglichkeit der Durchsetzung des vertrauten Rechts durch Rechtswahl eine entscheidende Bedeutung zukommt. Abgesehen von den eben gemachten Ausführungen merkt die herrschende Meinung1111 richtig an, dass es ohnehin voreilig ist, allein aus der kollisionsrechtlichen Verteilung der Kosten und Risiken, die mit der Information über die fremde Rechtsordnung zusammenhängen, auf eine spezifische Handelsbehinderung zu schließen. Solange die unterschiedlichen Privatrechtsordnungen der Mitgliedstaaten existieren und nicht durch eine völlige Rechtsangleichung beseitigt werden, werden diese Rechtsermittlungslasten für eine Vertragspartei immer bestehen bleiben. Mit der Entlastung der einen Partei hinsichtlich der Informationskosten und -risiken korrespondiert die gleichzeitige Belastung der anderen Partei. Da die Schutzrichtung der Grundfreiheiten sowohl die Anbieter- als auch die Nachfragerfreiheit erfasst, kann diesen auch keine Wertung hinsichtlich der Zuweisung von Informations- und Kostenrisiken entnommen werden.1112 Bei Bewertung einer entsprechenden Zuweisung als grundfreiheitenrelevante Handelsbeschränkung wäre jede kollisionsrechtliche Verweisung auf eine andere Rechtsordnung als die des Herkunftsrechts rechtfertigungsbedürftig. Der EGVertrag geht jedoch von der Existenz konkurrierender mitgliedstaatlicher Zivilrechtsordnungen aus und damit auch von der Erforderlichkeit ihrer kollisionsrechtlichen Vermittlung (dezentrales Entscheidungssystem). Eine Beschränkung der Grundfreiheiten ist erst auf der Ebene der Anpassung an das fremde Recht in Betracht zu ziehen, aber auch erst dann, wenn das zur Anwendung berufene Sachrecht strenger als das Heimatrecht des Marktteilnehmers ist.1113 Daraus wird ersichtlich, dass hier nicht das Kollisionsrecht, sondern erst das hierdurch berufene materielle Recht beschränkend wirken kann. Es fehlt somit an einer spezifisch kollisionsrechtlichen Belastung.1114 Dass eine Rechtswahl zulässig ist, heißt jedoch nicht automatisch, dass das durch objektive Anknüpfung zur Anwendung berufene (zwingende) Sachrecht keine Beschränkung der Grundfreiheiten enthält.1115 Denn dies ist selbst bei vollkommener Parteiautonomie als dem liberalsten kollisionsrechtlichen System 1111 Fetsch, Eingriffsnormen und EG-Vertrag, S. 128 f.; Bruinier, S. 119; Freitag, Der Einfluß des Europäischen Gemeinschaftsrechts auf das internationale Produkthaftungsrecht, S. 358 f.; Roth, in: GS für Lüderitz, S. 640, 656; ders., in: Systemwechsel im europäischen Kollisionsrecht, S. 47, 55, 57; Mülbert, ZHR 159 (1995), 1, 22; Langner, RabelsZ 65 (2001), 222, 237; Grandpierre, Herkunftsprinzip kontra Marktortanknüpfung, S. 113 f.; Ackermann, JbJgZivWiss 1997, 203, 217 f. 1112 Fetsch, Eingriffsnormen und EG-Vertrag, S. 129. 1113 Bei gleichlautenden Sachnormen der von dem Rechtsverhältnis berührten Mitgliedstaaten ist nach vorzugswürdiger Ansicht ein Konflikt zwischen Grundfreiheiten und Privatrecht nicht möglich, vgl. dazu ausführlich Bruinier, S. 29 ff., 110. 1114 Bruinier, S. 120 ff. mit zahlreichen Nachweisen in Fn. 379. 1115 Vgl. Bruinier, S. 115 f.

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möglich. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um eine Behinderung auf kollisionsrechtlicher, sondern auf sachrechtlicher Ebene und dieser kann auch nur dort begegnet werden.1116 Dies ergibt sich schon aus der wertneutralen Ordnungsfunktion des IPR, welche nicht darauf gerichtet ist, das materiell beste bzw. den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben am ehesten gerecht werdende Sachrecht durchzusetzen. Rein sachrechtliche Beschränkungen können damit nicht in den Bereich des Internationalen Privatrechts verlagert werden. c) Zwingendes Kollisionsrecht im internationalen Schuldvertragsrecht Aus den gemachten Ausführungen ergibt sich im Umkehrschluss, dass sich auf kollisionsrechtlicher Ebene Spannungen zu den Grundfreiheiten und damit der Dienstleistungsfreiheit nur dort ergeben können, wo die Verweisung nicht parteidispositiv ist, also das IPR die alleinige oder ergänzende zwingende Geltung einzelner Rechtssätze anordnet.1117 So ist im internationalen Schuldvertragsrecht die kollisionsrechtliche Rechtswahlfreiheit wie folgt begrenzt: im Bereich der Verbraucherverträge durch Art. 29 Abs. 1 EGBGB/Art. 5 Abs. 2 EVÜ1118, welcher im Rahmen eines konkreten Günstigkeitsvergleichs die zwingenden Verbraucherschutznormen des Rechts des Aufenthaltsortes des Verbrauchers abweichend vom gewählten Vertragsstatut für anwendbar erklärt, sowie durch Art. 29a EGBGB, im Übrigen durch die Sonderanknüpfung international zwingender Bestimmungen der lex fori gem. Art. 34 EGBGB/Art. 7 Abs. 2 EVÜ und durch den Ordre-Public-Vorbehalt gem. Art. 6 EGBGB/Art. 16 EVÜ, wobei die beiden letztgenannten

1116

Vgl. unter § 4 V. 2. a) cc). Wie von Wilmowsky, RabelsZ 62 (1998), 1, 10 richtig anmerkt, scheiden zwingende Kollisionsnormen nicht als sog. Verkaufsmodalitäten i. S. d. „Keck“-Rechtsprechung (dazu unter V. 2. b)) aus der Grundfreiheitenkontrolle aus, da Voraussetzung hierfür ist, dass diese Normen „den Absatz der inländischen Erzeugnisse und der Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten rechtlich wie tatsächlich in der gleichen Weise berühren“ (vgl. EuGH, Urteil v. 24.11.1993, Rs. C-267/91 und 268/91 (Keck und Mithouard), Slg. 1993, I-6097, Rn. 16). Zwingende Anknüpfungsregeln wirken jedoch zumindest in tatsächlicher Hinsicht stärker auf grenzüberschreitende als auf innerstaatliche Geschäfte ein, da diese nur bei erstgenannten Transaktionen zu Unsicherheiten über das anwendbare Recht führen. 1118 Entsprechendes gilt für Arbeitsverträge (Art. 30 Abs. 1 EGBGB/Art. 6 Abs. 1 EVÜ). Art. 27 Abs. 3 EGBGB/Art. 3 Abs. 3 EVÜ ist im Rahmen der Frage der Vereinbarkeit mit der Dienstleistungsfreiheit ohne Belang, da es sich in den dort erfassten Konstellationen um reine Binnensachverhalte und nicht um grenzüberschreitende Binnenmarktsachverhalte handelt, es also am entscheidenden grenzüberschreitenden Element fehlt, vgl. dazu Flesner, Die Behinderungen des binnenmarktgrenzüberschreitenden Vertragsschlusses und die Möglichkeiten ihrer Beseitigung, S. 95 f.; Höpping, Auswirkungen der Warenverkehrsfreiheit auf das IPR, S. 208 ff. problematisiert jedoch trotzdem die Vereinbarkeit des Art. 27 Abs. 3 EGBGB mit der Warenverkehrsfreiheit. 1117

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zwingenden Kollisionsnormen auch im Rahmen der objektiven Anknüpfung Platz greifen. In den genannten Bereichen ist es gerade nicht möglich, durch parteiautonomes Handeln potentiell belastende privatrechtliche Regelungen ganz auszuschalten. aa) Zwingende Anknüpfung verbraucherschützender Vorschriften gem. Art. 29 Abs. 1 EGBGB Bei Art. 29 Abs. 1 EGBGB, welcher rechtswahlbeschränkend den zwingenden Verbraucherschutznormen des Aufenthaltsstaates des passiven Verbrauchers Geltung verschafft, sofern diese für den Verbraucher günstiger sind als die des berufenen Rechts, handelt es sich nach herrschender Ansicht zwar für den Dienstleistungserbringer um eine Behinderung der Dienstleistungsfreiheit, da die Norm den Dienstleistenden daran hindert, die alleinige Geltung seines heimischen Rechts zu vereinbaren, jedoch ist diese nach allgemeiner Ansicht aus Gründen des Verbraucherschutzes gerechtfertigt, welcher nach der Rechtsprechung als zwingendes Erfordernis des Allgemeininteresses gilt.1119 Zu beachten sei jedoch, dass die Rechtfertigung der verbraucherschützenden kollisionsrechtlichen Anknüpfung nicht automatisch von der Grundfreiheitenprüfung hinsichtlich der zur Anwendung berufenen verbraucherschützenden Sachnormen entbindet.1120 Eine andere Ansicht in der Literatur sieht in der Sonderanknüpfung des Art. 29 Abs. 1 EGBGB ebenso wie in Art. 34 und Art. 6 EGBGB eine gemeinschaftsrechtlich unbedenkliche Öffnungsklausel, da sie in materiell-rechtlicher Hinsicht einen konkreten Günstigkeitsvergleich zwischen gewähltem Recht und Aufenthaltsrecht des Verbrauchers voraussetzt und damit die Frage der Konformität mit den Grundfreiheiten wiederum von den Entscheidungen bzw. Wertungen des Sachrechts abhängig ist.1121 Diese Argumentation ist zwar fragwürdig, da hier bereits auf kollisionsrechtlicher Ebene, wenn auch abstrakt, eine Bevor1119 Ausführlich dazu Drasch, Das Herkunftslandprinzip im internationalen Privatrecht, S. 288, 292; Roth, RabelsZ 55 (1991), 623, 652, 658; ders., Europäisches Versicherungsrecht, in: Honsell, Berliner Kommentar zum Versicherungsvertragsgesetz, Rn. 61; Basedow, RabelsZ 59 (1995), 1, 29 f.; von Wilmowsky, ZEuP 1995, 735, 737 ff.; ders., RabelsZ 62 (1998), 1, 20; Höpping, Auswirkungen der Warenverkehrsfreiheit auf das IPR, S. 219 f.; Armbrüster, RabelsZ 60 (1996), 72, 76; Remien, Zwingendes Vertragsrecht und Grundfreiheiten des EG-Vertrages, S. 191; Grundmann, IPRax 1992, 1, 4; Giesberts, Anlegerschutz und anwendbares Recht bei ausländischen Börsentermingeschäften, S. 328 ff. 1120 Remien, Zwingendes Vertragsrecht und Grundfreiheiten des EG-Vertrages, S. 191 f. m.w. N.; anders jedoch Armbrüster, RabelsZ 60 (1996), 72, 76, welcher für den Bereich des Schuldvertragsrechts, speziell mit Blick auf Verbraucherschutzregeln, nicht das materielle Recht, sondern nur das Kollisionsrecht der Grundfreiheitenkontrolle unterwirft; kritisch zu Armbrüsters Ansicht Lurger, Regulierung und Deregulierung im europäischen Privatrecht, S. 68.

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zugung der Verbraucherinteressen gegenüber den Interessen des Dienstleistenden zu verzeichnen ist. Der Streitpunkt bedarf jedoch am Ende keiner Entscheidung für den einen oder den anderen Weg, da auch die erste Ansicht aus zwingenden Gründen des Verbraucherschutzes eine Rechtfertigung und damit die Grundrechtskonformität der Kollisionsnorm bejaht.1122 bb) Zwingende Anknüpfung verbraucherschützender Vorschriften gem. Art. 29a EGBGB Die zu Art. 29 EGBGB gemachten Ausführungen gelten auch im Rahmen von Art. 29a EGBGB.1123 Jedoch trägt die Argumentation der letztgenannten abweichenden Literaturansicht hier nicht, da es bei der Wahl eines Drittrechts nicht zu einem konkreten Günstigkeitsvergleich, sondern vielmehr stets zur Anwendung des mitgliedstaatlichen Umsetzungsaktes kommt, so dass es auf den Inhalt der konkreten Sachnorm nicht ankommt.1124 cc) Zwingende Anknüpfungen gem. Art. 34 und Art. 6 EGBGB Bezüglich der Öffnungs- oder Vorbehaltsklausel des Art. 34 EGBGB und des Ordre-Public-Vorbehalts des Art. 6 EGBGB ist man sich weitgehend einig, dass sich regelmäßig nur die Frage stellt, inwieweit das konkrete Rechtsanwendungsergebnis einer materiell-rechtlichen Korrektur bedarf, so dass es hinsichtlich der Verletzung der Dienstleistungsfreiheit nicht auf die zwingende kollisionsrechtliche Anknüpfung als solche, sondern auf die konkrete Sachnorm ankommt.1125 Als rein deklaratorische Öffnungs- bzw. Vorbehaltsklauseln sind sie bezüglich einer Verletzung der Grundfreiheiten unbedenklich. Nur das zur Anwendung berufene materielle Recht unterliegt der gemeinschaftskonformen Auslegung und

1121 Bruinier, Der Einfluss der Grundfreiheiten auf das Internationale Privatrecht, S. 152 f.; Körber, Grundfreiheiten und Privatrecht, S. 499 f. 1122 Vgl. Drasch, S. 292. 1123 So auch Flesner, S. 121. 1124 Vgl. Fn. 1121; Nach Körber, S. 500 f. scheiden Konflikte des Art. 29a EGBGB mit den Grundfreiheiten schon deshalb aus, weil diese Regelung nur die Wahl eines Drittlandrechts einschränkt. 1125 Sonnenberger, ZVglRWiss 95 (1996), 3, 35, 42; Martiny, in: von Bar, Europäisches Gemeinschaftsrecht und Internationales Privatrecht, S. 211, 238; Lorenz, VR 1995, 8, 9; Drasch, S. 293, 299; Giesberts, Anlegerschutz und anwendbares Recht bei ausländischen Börsentermingeschäften, S. 297; Körber, S. 502 f.; Höpping, S. 238 ff. Radicati di Brozolo, Rev. crit. d. i. p. 82 (1993), 401, 416 Fn. 44; Bruinier, S. 124; Roth, RIW 1994, 275, 278; Flesner, S. 123; a. A. Steindorff, EuR 1981, 426, 438 ff.; Brödermann, MDR 1992, 89, 91; Freitag, Der Einfluß des Europäischen Gemeinschaftsrechts auf das internationale Produkthaftungsrecht, S. 277 ff.; Roth, RabelsZ 55 (1991), 623, 660 ff.

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muss im Falle eines Verstoßes gegen die Dienstleistungsfreiheit unangewendet bleiben. 3. Internationales Deliktsrecht und internationales Recht der GoA Das internationale Deliktsrecht und das internationale Recht der GoA sind grundsätzlich von Gesamtnormverweisungen geprägt und damit von einer Grundfreiheitenprüfung ausgenommen.1126 In den Fällen einer vertragsakzessorischen Anknüpfung sowie einer nachträglichen Rechtswahl gilt das unter 2. a) und b) Gesagte. Problematisch hinsichtlich der Vereinbarkeit mit den Grundfreiheiten könnte jedoch der gänzliche Ausschluss einer vorherigen Rechtswahl in diesem Bereich sein. Für den Fall, dass zwischen Arzt und Patient bereits ein Vertragsverhältnis besteht, wird das Bedürfnis der umfassenden antizipierten Gestaltung der Rechtsbeziehung einschließlich mit dem Vertrag zusammenhängender deliktischer Ansprüche durch die vertragsakzessorische Anknüpfung gem. Art. 41 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB gewährleistet.1127 Damit ist fast der gesamte Bereich denkbarer Konstellationen im grenzüberschreitenden Verkehr ärztlicher Gesundheitsleistungen abgedeckt. Wie bereits unter § 3 angesprochen, ist dies jedoch anders in den angeführten Fällen der Hinzuziehung eines ausländischen Arztes durch den inländischen Arzt/Krankenhausträger zu einer Mitbehandlung im Inland, mit welchem kein gesonderter Arztvertrag zustande kommt. Die Beteiligung des hinzugezogenen Arztes an der Behandlung/Diagnose steht in der Regel wie die vertragliche Beziehung zum Präsenzarzt/Krankenhausträger bereits vor dem Eingriff fest, so dass auch hier ein anerkennenswertes Interesse an einer Festlegung des Deliktsstatuts im Vorhinein (ex ante) besteht. von Hein sieht in dem im Wortlaut des Art. 42 EGBGB sowie in der dazugehörigen Gesetzesbegründung1128 klar zum Ausdruck kommenden gesetzgeberischen Willen zum Ausschluss der antizipierten Rechtswahl zutreffend eine aus europarechtlicher Perspektive problematische Einschränkung der Parteiautono1126

Vgl. unter IV. 1. von Hein, RabelsZ 64 (2000), 595, 610 f. spricht sich in diesem Zusammenhang mit Blick auf die Grundfreiheiten zutreffend für eine Ermessensreduzierung des gerichtlichen Kontrollvorbehalts bezüglich des Art. 41 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB („Kann“Vorschrift) aus, um so eine mit der antizipierten Rechtswahl vergleichbare Rechtssicherheit zu erreichen. 1128 Begründung: „Mit Rücksicht auf den Schutzcharakter außervertraglicher Schuldverhältnisse und aus praktischen Erwägungen (. . .) wird die Rechtswahl nach Satz 1 erst für die Zeit nach Entstehung des Schuldverhältnisses zugelassen.“, Regierungsentwurf eines Gesetzes zum Internationalen Privatrecht für außervertragliche Schuldverhältnisse und für Sachen vom 24. August 1998, S. 36 f. zu Art. 42 EGBGB (Rechtswahl). 1127

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mie.1129 In Anlehnung an die im Schrifttum vertretene Ansicht, aus den Grundfreiheiten sei das Gebot der kollisionsrechtlichen Rechtswahlfreiheit (Parteiautonomie) abzuleiten1130, spricht er sich für die Zulässigkeit einer unmittelbaren vorherigen Wahl des Deliktsstatuts aus, sofern keine Ausnahmen aus Gründen des Allgemeinwohls vorliegen.1131 Das aus Art. 42 S. 1 EGBGB resultierende Verbot müsse insoweit europarechtskonform eingeschränkt werden. Dem ist für den genannten Bereich der Konsultierung eines ausländischen Arztes durch den Vertragspartner des Patienten (Krankenhausträger bzw. Präsenzarzt vor Ort) zuzustimmen. Bei fehlendem Vertragsverhältnis zwischen Patient und hinzugezogenem Arzt kommt hier eine akzessorische Anknüpfung gem. Art. 41 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB nicht in Betracht. Eine akzessorische Anknüpfung an das Vertragsverhältnis Patient – Präsenzarzt/Krankenhausträger bzw. Präsenzarzt/Krankenhausträger – konsultierter Arzt scheidet, wie bereits unter § 3 IV. 2. ermittelt, ebenfalls aus. Der dem Ausschluss der antizipierten Rechtswahl zugrundeliegende Schutzgedanke1132 muss in diesem Fall hinter dem beiderseitig bestehenden Interesse an Rechtssicherheit und -klarheit zurücktreten. Der Patient als die im Rahmen des Arzthaftungsrechts schutzwürdige Partei weiß regelmäßig im Vorfeld der Behandlung um die Hinzuziehung des auswärtigen Arztes und wünscht diese auch. Der zum „potentiell“ schadenstiftenden Ereignis führende Umstand kommt also für keine der Parteien überraschend. Mithin ist hier ebenso wie im vertraglichen Bereich die Erlangung von Rechtssicherheit über die rechtlichen Grundlagen einer eventuellen Haftung sinnvoll, und dies nicht nur für den hinzugezogenen Arzt. Der Gewährleistung des Schutzes des Schwächeren (Patient) würde durch eine entsprechende Geltung der Art. 27 Abs. 3, 29, 29a EGBGB Genüge getan.1133 Ein weiterer Punkt, der für die Ermöglichung der antizipierten Rechtswahl in diesen Fällen spricht, ergibt sich aus der von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedlichen rechtlichen Einordnung des Verhältnisses Patient – hinzugezogener Arzt.1134 Denn bei unterschiedlicher Reichweite der Rechtswahlfreiheit im vertraglichen und außervertraglichen Bereich würde man die Möglichkeit der vorherigen Bestimmung des anwendbaren Rechts von der jeweiligen materiell-rechtlichen Qualifizierung durch das hypothetische Vertragsstatut abhängig machen. Betrachtet man die Situation in anderen Mitgliedstaaten, zeigt sich, dass die Skepsis gegenüber der antizipierten Rechtswahlmöglichkeit im deliktischen Bereich nicht überall so groß ist wie in Deutschland. So lassen z. B. Art. 35 Abs. 1 des 1129

von Hein, RabelsZ 64 (2000), 595, 596, 610. von Wilmowsky, RabelsZ 62 (1998), 1, 19 f.; Grundmann, in: FS für Rolland, S. 145, 150 ff. 1131 von Hein, RabelsZ 64 (2000), 595, 611. 1132 Vgl. Fn. 1128. 1133 So wohl auch von Hein, RabelsZ 64 (2000), 595, 612 f. 1134 s. unter § 2 VI. sowie § 3 III. 5. b) bb) (5) (d). 1130

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österreichischen, Art. 6 des niederländischen und Art. 39 des liechtensteinischen IPR-Gesetzes eine vorherige Rechtswahl zu, wenn die Parteien schon vor dem schädigenden Ereignis in Kontakt stehen.1135 Es wäre zu begrüßen gewesen, wenn man im Rahmen der „Rom II“-Verordnung diesem Beispiel gefolgt wäre und sich von der kollisionsrechtlichen Untersagung einer Vereinbarung über das Deliktsstatut vor Eintritt des haftungsauslösenden Ereignisses gänzlich verabschiedet hätte.1136 4. Fazit Das internationale Arzthaftungsrecht gibt damit, abgesehen vom bisherigen Ausschluss einer die Haftungsrisiken kalkulierbar machenden ex-ante-Bestimmung des anwendbaren Rechts im außervertraglichen Bereich, insgesamt keinen Anhaltspunkt hinsichtlich der Annahme einer die Dienstleistungsfreiheit ungerechtfertigt beschränkenden Wirkung. Im Rahmen des internationalen Vertragsrechts beruht dies auf dem allgemeinen Grundsatz der Rechtswahlfreiheit, welcher spezifisch kollisionsrechtliche Beeinträchtigungen von vornherein ausschließt. Art. 29 Abs. 1 EGBGB, welcher die kollisionsrechtliche Rechtswahlmöglichkeit grundsätzlich unberührt lässt und lediglich dem Ziel dient, dem Verbraucher in bestimmten Vertragsabschlusssituationen (Art. 29 Abs. 1 Nr. 1–3 EGBGB) die bezüglich des konkreten Streitgegenstandes günstigeren Verbraucherschutznormen seines Heimatlandes trotz abweichender Rechtswahl zu erhalten, hat nach richtiger Ansicht zwar einen die andere Vertragspartei (den Dienstleistungserbringer) beschränkenden Charakter. Jedoch ist dieser aus zwingenden Gründen des Verbraucherschutzes gerechtfertigt. Letzteres gilt auch für Art. 29a EGBGB. Bei den zwingenden kollisionsrechtlichen Bestimmungen der Art. 34 EGBGB und Art. 6 EGBGB kommt es hinsichtlich der Frage des Einklangs mit den Grundfreiheiten nur auf das konkrete Rechtsanwendungsergebnis (Art. 6 EGBGB) bzw. auf den Inhalt der international zwingenden Bestimmungen (Art. 34 EGBGB) an. Im Rahmen des internationalen Deliktsrechts und des Rechts der GoA herrscht das Prinzip der Gesamtnormverweisung vor. Im Falle der vertragsakzessorischen Anknüpfung gilt das im Rahmen des internationalen Schuldvertragsrechts Gesagte.

1135 Kadner Graziano, Europäisches Internationales Deliktsrecht, S. 27 Fn. 140; ders., Gemeineuropäisches Internationales Privatrecht, S. 171 f. 1136 Vgl. zum stattdessen gewählten Weg: Art. 14 Abs. 1 S. 1 VO.

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V. Überprüfung des berufenen Sachrechts im Lichte der Dienstleistungsfreiheit Fraglich ist nun, ob dem nationalen Arzthaftungsrecht mit Blick auf die Dienstleistungsfreiheit eine handelsbeschränkende Wirkung innewohnen kann. 1. Beschränkungscharakter dispositiven nationalen Privatrechts Hinsichtlich des dispositiven nationalen Privatrechts ist man sich weitgehend einig, dass diesem bereits aufgrund seiner Abdingbarkeit auf sachrechtlicher Ebene keine binnenmarktbeschränkende Wirkung zukommen kann.1137 Dem ist, wie auch im Rahmen des dispositiven Internationalen Privatrechts, zuzustimmen, denn im Gegensatz zu den Grundrechten stellen die Grundfreiheiten keine allgemeinen Freiheitsgewährleistungen dar, sondern wenden sich lediglich gegen die spezifischen Beschränkungen des grenzüberschreitenden Verkehrs.1138 Die für das nicht zwingende Recht typische Dispositionslast sowie die Informationslast sind nicht solche beachtlichen Beschränkungen, sondern resultieren aus der vom Vertragsgeber akzeptierten Divergenz der mitgliedstaatlichen Rechtssysteme. Zudem ist auch im materiellen Recht die Verantwortung zu rechtlicher Gestaltung ein notwendiges Korrelat der Freiheit des grenzüberschreitenden Verkehrs.1139 Würde man dem dispositiven Sachrecht eine freiheitsbeschränkende Wirkung zubilligen und damit dem Rechtfertigungserfordernis unterwerfen, hätte dies eine nicht erstrebenswerte Konturlosigkeit des Beschränkungsbegriffs zur Folge.1140 Wie jedoch im Rahmen von Art. 29 Abs. 1 EGBGB (§ 3) dargestellt, ist deutsches Arzthaftungsrecht grundsätzlich zwingendes Sachrecht.

1137 Grundmann, JZ 1996, 274, 278 f.; ders., EWS 1990, 214, 216; Riesenhuber, System und Prinzipien des Europäischen Vertragsrechts, S. 96 ff. (für das dispositive Vertragsrecht); Basedow, in: FS für Mestmäcker, S. 347, 354; ders., Europäisches Vertragsrecht für europäische Märkte, S. 12; Roth, VersR 1993, 129, 133; ders., ZEuP 1994, 5, 25, 28; Remien, JbJgZivWiss 1991, 11, 37; Klauer, Die Europäisierung des Privatrechts, S. 62; Fetsch, Eingriffsnormen und EG-Vertrag, S. 129; Körber, Grundfreiheiten und Privatrecht, S. 411 ff.; a. A. von Wilmowsky, JZ 1996, 590, 595 f. (welcher von der zu weitgehenden These ausgeht, die Grundfreiheiten enthielten eine Gewährleistung der Privatautonomie, a. a. O., 590, 593); Langner, RabelsZ 65 (2001), 222, 227; Steindorff, EG-Vertrag und Privatrecht, S. 78 f.; Reich, in: Schulte-Nölke/ Schulze, Europäische Rechtsangleichung und nationale Privatrechte, S. 79, 84 f.; Herwig, Der Gestaltungsspielraum des nationalen Gesetzgebers bei der Umsetzung von europäischen Richtlinien zum Verbrauchervertragsrecht, S. 92 ff., 95 ff. 1138 Riesenhuber, S. 97; Höpping, Auswirkungen der Warenverkehrsfreiheit auf das IPR, S. 210 f.; ebenso Fetsch, Eingriffsnormen und EG-Vertrag, S. 130 (keine Ausweitung der Grundfreiheiten zur allgemeinen Handlungsfreiheit). 1139 Riesenhuber, S. 98. 1140 Vgl. Fetsch, S. 129.

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Nur in bestimmten Sonderfällen kommt den arzthaftungsrechtlichen Bestimmungen lediglich ein „vorformulierungsfester“ Charakter zu. Da damit bei Verwendung von AGB faktisch die Unabdingbarkeit der Arzthaftungsvorschriften herbeigeführt wird, wirken sie insoweit ebenfalls wie zwingende Vorschriften.1141 2. Beschränkungscharakter zwingenden und „vorformulierungsfesten“ nationalen Privatrechts Bei zwingendem und „vorformulierungsfestem“ nationalen Recht ist es gerade nicht möglich, im Wege der Privatautonomie die Vorschrift ohne weiteres abzubedingen. Innerhalb der Literatur besteht jedoch Uneinigkeit in der Frage, ob und inwieweit diese Einschränkung in der Privatautonomie auch eine spezifische Beschränkung des grenzüberschreitenden Verkehrs darstellen kann. a) Bedeutung der Rechtswahlmöglichkeit aa) Keine beschränkende Wirkung bei Möglichkeit einer anderweitigen Rechtswahl Weit verbreitet ist die Ansicht, dass zwingendes bzw. vorformulierungsfestes Sachrecht bei möglicher Rechtswahl schon gar nicht mit den Grundfreiheiten in Konflikt geraten kann.1142 Denn die Binnenmarktidee des Privatrechts sei dadurch gekennzeichnet, dass der Binnenmarkt vor allem durch private Initiative verwirklicht werden soll. Wenn belastende privatrechtliche Regelungen durch parteiautonomes Handeln ganz ausgeschaltet werden können, sei dies auf ideale Weise erfüllt. Somit wird aus der von den Mitgliedstaaten anerkannten Rechtswahlfreiheit gleichzeitig die grundsätzliche gegenseitige Anerkennung der ausländischen vertragsrechtlichen Vorschriften durch die Staaten gefolgert. Gestützt 1141 Vgl. Roth, Europäisches Versicherungsrecht, in: Honsell, Berliner Kommentar zum Versicherungsvertragsgesetz, Rn. 44. 1142 Grundmann, JZ 1996, 274, 278 f.; ders., ZHR 163 (1999), 635, 655 ff.; ders., RabelsZ 64 (2000), 457, 464; ders., JuS 2001, 946, 947; ders., Europäisches Schuldvertragsrecht, Rn. 68 ff.; Basedow, RabelsZ 59 (1995), 1, 27 f.; Drasch, Das Herkunftslandprinzip im internationalen Privatrecht, S. 220, 303 ff.; Körber, Grundfreiheiten und Privatrecht, S. 417 ff.; ebenso der Standpunkt der Kommission im Sitzungsbericht in EuGH, Urteil v. 24.1.1991, Rs. C-339/89 (Alsthom Atlantique), Slg. 1991, I107, Rn. 17; Roth, RabelsZ 55 (1991), 623, 652 f.; ders., VersR 1993, 129, 133; ders., ZEuP 1994, 5, 25; Remien, ZfRV, 1995, 116, 129 f.; ders., JbJgZivWiss 1991, 11, 37; ders., Zwingendes Vertragsrecht und Grundfreiheiten des EG-Vertrages, S. 212 sowie S. 592 für vorformulierungsfeste Regeln; Giesberts, Anlegerschutz und anwendbares Recht bei ausländischen Börsentermingeschäften, S. 295 ff.; Buchmann, Die Vorschrift des § 609a BGB und die Grundfreiheiten des EGV, S. 155 ff.; Armbrüster, RabelsZ 60 (1996), 72, 75 f.; Wernicke, Privates Bankvertragsrecht im EG-Binnenmarkt, S. 75; Fetsch, S. 127 f.

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wird diese Argumentation auch hier wieder auf das „Alsthom-Atlantique“-Urteil des EuGH. Dort wurde die beschränkende Wirkung der unabdingbaren Sachmängelgewährleistungspflicht des französischen Rechts u. a. deshalb verneint, weil dessen Anwendbarkeit durch anderweitige Rechtswahl hätte vermieden werden können.1143 Ein Eingriff in die Grundfreiheiten kommt nach dieser Ansicht somit nur in Betracht, wenn zwingendes Kollisionsrecht die Parteiautonomie einschränkt und darüber hinaus zwingendes/vorformulierungsfestes Sachrecht die Privatautonomie.1144 Folgt man dem, stünden allein die durch Art. 29 Abs. 1, Art. 29a, Art. 34 und Art. 6 EGBGB berufenen Sachrechtsnormen einer Grundfreiheitenprüfung offen, denn diese sind nicht abwählbar. Die Frage, inwiefern das nationale Arzthaftungsrecht eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs darstellen kann, würde sich damit lediglich in den Fällen des Art. 29 Abs. 1 EGBGB1145 stellen, also dann, wenn neben den durch Rechtswahl zur Anwendung berufenen Regelungen die günstigeren Arzthaftungsregeln des Aufenthaltsortes des Verbrauchers Anwendung finden. Das nationale Arzthaftungsrecht jedoch, welches durch objektive Anknüpfung gem. Art. 28 bzw. Art. 29 Abs. 2 EGBGB zur Anwendung berufen wird, würde von vornherein der Grundfreiheitenkontrolle entzogen. bb) Beschränkungswirkung zwingenden Sachrechts trotz kollisionsrechtlicher Rechtswahlfreiheit möglich Eine andere Ansicht1146 hält diese Rechtsprechung für nicht eindeutig. Mit dem Hinweis auf die Rechtswahlmöglichkeit könne nicht jeder zwingenden 1143 Nach der auf Art. 1643 Code civil beruhenden französischen Rechtsprechung besteht hinsichtlich eines gewerblichen Herstellers oder Verkäufers die unwiderlegliche Vermutung, dass dieser die Mängel der verkauften Sache kennt, so dass eine Haftungsfreizeichnung nach französischem Recht nicht möglich ist. Mit anderen Worten gilt nach französischer Rechtsprechung die Haftungsregel, dass die Haftung für verborgene Mängel („vices cachés“) einer Sache zumindest im gewerbsmäßigen Bereich nicht ausgeschlossen werden kann. 1144 So auch Fetsch, Eingriffsnormen und EG-Vertrag, S. 127: „Eine Beschränkung kann nur dann vorliegen, wenn sowohl Sach- als auch Kollisionsnorm nicht dispositiv sind.“ 1145 Art. 29a EGBGB verweist lediglich auf die in Umsetzung der in Art. 29a Abs. 4 EGBGB abschließend aufgezählten Verbraucherschutzrichtlinien geschaffenen Bestimmungen dieses Staates und ist damit hinsichtlich zwingender arzthaftungsrechtlicher Regelungen nicht von Bedeutung. 1146 Steindorff, EG-Vertrag und Privatrecht, S. 78 f; Bruinier, Der Einfluss der Grundfreiheiten auf das Internationale Privatrecht, S. 112 ff.; Langner, RabelsZ 65 (2001), 222, 228 ff.; Lorenz, VR 1995, 8, 15 f.; Mülbert, ZHR 159 (1995), 2, 10; von Wilmowsky, JZ 1996, 590, 595; ders., Europäisches Kreditsicherungsrecht, S. 39 ff.; GA van Gerven, Schlussantrag EuGH, Urteil v. 24.1.1991, Rs. C-339/89 (Alsthom Atlantique), Slg. 1991 I-107, Rn. 8 Fn. 15; Herwig, Der Gestaltungsspielraum des nationalen Gesetzgebers bei der Umsetzung von europäischen Richtlinien zum Verbrauchervertragsrecht, S. 92 ff., 95 ff.; grundsätzlich auch Franzen, Privatrechtsanglei-

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Sachrechtsregelung jegliche grundfreiheitenbeschränkende Wirkung abgesprochen werden. Denn wenn eine Partei ihren Wunsch hinsichtlich der Rechtswahl nicht durchsetzen kann, sei sie doch den durch objektive Anknüpfung ermittelten zwingenden Vorschriften ausgeliefert. Im Übrigen werde die Rechtswahloption durch den EuGH lediglich in einem obiter dictum als zusätzliche Erwägung gegen den Beschränkungscharakter der zwingenden Gewährleistungsvorschrift angeführt. Im Vordergrund stehe das Argument, dass das französische Gewährleistungsrecht keine spezifische Beschränkung der Ausfuhrströme beinhaltet, woraus ersichtlich sei, dass die Grundfreiheiten bei zwingendem Sachrecht offenbar grundsätzlich beschränkungstatbestandlich für einschlägig erachtet werden.1147 Würde zwingendes Sachrecht bei der Möglichkeit einer anderweitigen Rechtswahl generell aus der Grundfreiheitenkontrolle ausscheiden, hätte man dies auch als zentrales Argument anführen müssen. Es sei daher für jeden Einzelfall zu prüfen, ob eine spezifische Behinderung des innergemeinschaftlichen Handels gegeben ist. Folgt man dieser Ansicht, kommen nicht nur die aufgrund der Anknüpfung gem. Art. 29, 29a, 34 und 6 EGBGB zur Anwendung berufenen zwingenden Sachnormen, sondern grundsätzlich auch die gem. Art. 28 und 29 Abs. 2 EGBGB anwendbaren nationalen Arzthaftungsregelungen, sofern diesen wie im deutschen Recht zwingender bzw. „vorformulierungsfester“ Charakter zukommt, als beschränkende staatliche Maßnahmen in Betracht. cc) Stellungnahme Betrachtet man das Resultat der ersten Ansicht, so fällt auf, dass das Kollisionsrecht allein durch die Einräumung der Rechtswahloption eine Abschottung der gesamten durch die objektive Anknüpfung ermittelten lex causae bewirken würde und lediglich der kleine Teil von Sachnormen, der durch die von der lex causae abweichenden oder diese ergänzenden Sonderanknüpfungen (Art. 34 EGBGB/Art. 7 EVÜ, Art. 29 Abs. 1 EGBGB/Art. 5 Abs. 2 EVÜ1148, Art. 29a EGBGB, Art. 6 EGBGB/Art. 16 EVÜ) zur Anwendung berufen wird, unterliegt der Grundfreiheitenkontrolle. Damit besteht die Gefahr, dass die Mitgliedstaaten z. B. statt öffentlich-rechtlicher Regelungsmodalitäten den privatrechtlichen Weg wählen und folglich einer Kontrolle durch die Grundfreiheiten entgehen können. chung durch die Europäische Gemeinschaft, S. 145 ff.; zweifelnd auch Lurger, Regulierung und Deregulierung im europäischen Privatrecht, S. 89 ff., 96 Fn. 216. 1147 Mülbert, ZHR 159 (1995), 2, 8, 10; auch GA van Gerven, a. a. O., spricht von der Unerheblichkeit der Rechtswahlmöglichkeit, da selbst bei einer Haftungsregelung aufgrund nicht durch Rechtswahl abdingbarer Bestimmungen keine spezifische Beschränkung der Ausfuhrfreiheit i. S. v. Art. 34 EGV a. F. (jetzt Art. 29 EGV) vorgelegen habe. 1148 Art. 30 Abs. 1 EGBGB/Art. 6 Abs. 1 EVÜ sowie Art. 27 Abs. 3 EGBGB/ Art. 3 Abs. 3 EVÜ spielen, wie bereits erwähnt, im grenzüberschreitenden Arzt-Patienten-Verhältnis keine Rolle.

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Diese Substitutionsmöglichkeit für den Staat, bestimmte Zielsetzungen sowohl durch öffentlich-rechtliche Ver- bzw. Gebote als auch durch zivilrechtliche Regelungen verfolgen zu können, ist ein entscheidender Punkt, welcher gegen die grundsätzliche Ausklammerung intern zwingenden Rechts bei bestehender Rechtswahlmöglichkeit spricht. Zudem macht es sich die erste Ansicht zu einfach, indem sie auf sachrechtlicher Ebene die gleichen Argumente heranzieht, mit denen sie bereits auf kollisionsrechtlicher Ebene eine Beeinträchtigung durch das Kollisionsrecht abgelehnt hat. Kollisionsrechtliche und sachrechtliche Beeinträchtigungen sind aber gerade getrennt voneinander zu betrachten. Im Rahmen der Frage, inwieweit die zur Anwendung berufene lex causae eine Beeinträchtigung der Grundfreiheiten, speziell der Dienstleistungsfreiheit darstellen kann, darf der Aspekt der Abwählbarkeit bestimmter Normen damit auch nur aus sachrechtlicher Sicht eine Rolle spielen. Mithin ist hier nicht die Parteiautonomie sondern die Privatautonomie das entscheidende Kriterium, um aufgrund der Abwählbarkeit bestimmte Rechtsnormen (die oben genannten dispositiven Normen) von vornherein aus der Grundfreiheitenkontrolle auszuschließen. Die Möglichkeit der freien Wahl der anzuwendenden Rechtsordnung kann an dieser Stelle nicht der entscheidende Aspekt sein. Sie ist im Rahmen der Grundfreiheitenkontrolle lediglich auf der kollisionsrechtlichen Ebene relevant und damit auch „verbraucht“.1149 Würde man allein auf das Kriterium der Rechtswahlmöglichkeit abstellen, würde die gesamte Problematik auf die „abstrakte“ Ebene des IPR verlagert werden. Einziger Prüfungspunkt im Rahmen der Vereinbarkeit des nationalen Sachrechts mit den Grundfreiheiten wäre dann, ob die beeinträchtigende Regelung durch Rechtswahl hätte umgangen werden können. Zur Durchsetzung eines einheitlichen Marktes würde es genügen, das gesamte IPR mit der Möglichkeit der Rechtswahl zu „durchlöchern“1150, um eventuellen Verstößen des Sachrechts gegen die Grundfreiheiten auszuweichen. Mit der Rechtswahlmöglichkeit fallen jedoch nicht alle Beschränkungen des innergemeinschaftlichen Handels automatisch weg. Denn mit der Wahl einer komplett neuen Rechtsordnung bzw. eines neuen Regelungskomplexes zur Vermeidung eines bestimmten sonst anwendbaren Rechts, können unter Umständen andere zwingende Regelungen zur Anwendung gelangen, die gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen widersprechen.1151 Zudem impliziert die Rechtswahl 1149 von Wilmowsky, JZ 1996, 590, 595 gibt richtig zu bedenken, dass die kollisionsrechtliche Parteiautonomie die Belastungswirkung zwingenden Zivilsachrechts lediglich vermindern kann. 1150 Vgl. Langner, RabelsZ 65 (2001), 222, 230; auch Franzen, Privatrechtsangleichung durch die Europäische Gemeinschaft, S. 145 merkt an, dass hinsichtlich der Beurteilung über eine grundfreiheitenbeschränkende Wirkung nicht entscheidend sein kann, aufgrund welches Rechtsanwendungsbefehls die Sachnorm auf das in Frage stehende Rechtsverhältnis angewandt werden soll, vielmehr sei die kollisionsrechtliche Anwendbarkeit einer Rechtsvorschrift dogmatisch strikt zu unterscheiden von einer möglichen Kollision der innerstaatlichen Sachnorm mit den Grundfreiheiten. 1151 von Wilmowsky, JZ 1996, 590, 595.

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lediglich die Vermeidung einer belastenden Regelung für eine Vertragspartei, für die andere bedeutet sie jedoch unter Umständen eine neue Belastung. Das Kriterium der Rechtswahl erübrigt damit nicht die Klärung des Ausgangsproblems, ob und inwieweit zwingenden sachrechtlichen Regelungen ein Beschränkungscharakter zukommt. Darauf deutet im Übrigen auch die zurückhaltende Argumentation des EuGH im „Alsthom-Atlantique“-Urteil hin, in welcher trotz Abwählbarkeit der französischen Gewährleistungsvorschriften zunächst eine Beschränkung des freien Warenverkehrs mit der Begründung verneint wurde, dass die in der Rechtssache angeführte Rechtsprechung der französischen Cour de cassation unterschiedslos für alle dem französischen Recht unterliegenden Handelsbeziehungen gilt und weder den Zweck noch die Wirkung habe, speziell die Ausfuhrströme zu beschränken und somit die nationale Produktion oder den nationalen Binnenmarkt zu begünstigen.1152 Die Möglichkeit der Abwählbarkeit französischen Rechts wurde lediglich hinweisartig als weiterer Punkt nachgeschoben. Damit ist m. E. der zweiten Ansicht zu folgen, so dass das deutsche Arzthaftungsrecht nicht allein schon deshalb als Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit ausscheidet, weil gem. Art. 27 EGBGB ein anderes Recht zwischen Arzt und Patient vereinbart werden und damit der objektiven Anknüpfung im Rahmen des Kollisionsrechts entgangen werden kann. b) Einfluss der „Keck“-Rechtsprechung – Zwingendes Vertrags- und Haftungsrecht bloße Vertriebsmodalitäten bzw. „Dienstleistungsmodalitäten“? Hinsichtlich der Relevanz bestimmter Belastungen im Rahmen der Grundfreiheitenkontrolle stellt sich neben dem Rechtswahlkriterium die Frage, inwieweit die zur Warenverkehrsfreiheit ergangene „Keck“-Rechtsprechung für die Feststellung eines möglichen Beschränkungscharakters des nationalen Arzthaftungsrechts von Bedeutung ist. aa) Inhalt der „Keck“-Rechtsprechung Mit seiner Entscheidung „Keck und Mithouard“1153 aus dem Jahre 1993 führte der EuGH hinsichtlich der Frage der Anwendbarkeit des Art. 28 EGV „entgegen der bisherigen Rechtsprechung“1154 eine Differenzierung zwi1152 Vgl. EuGH, Urteil v. 24.1.1991, Rs. C-339/89 (Alsthom Atlantique), Slg. 1991 I-107, Rn. 15. 1153 EuGH, Urteil v. 24.11.1993, Rs. C-267/91 und C-268/91 (Keck und Mithouard), Slg. 1993, I-6097. 1154 EuGH, Urteil v. 24.11.1993, Rs. C-267/91 und C-268/91 (Keck und Mithouard), Slg. 1993, I-6097, Rn. 16.

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schen produktbezogenen Regelungen und bloßen „Verkaufsmodalitäten“ ein und vollzog damit eine Kurskorrektur, die weithin, und das nicht nur auf dem Gebiet der Warenverkehrsfreiheit, Verunsicherung ausgelöst hat. Während nach der „Dassonville“-Rechtsprechung1155 jede Maßnahme eine beschränkungsgleiche Wirkung hat, die geeignet ist, den innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell zu behindern – und das nach „Cassis de Dijon“1156 auch dann, wenn sie inländische und ausländische Angebote gleichermaßen betrifft, letztere aber faktisch schwerer belastet –, sind diese Grundsätze nach der „Keck“-Entscheidung nur anwendbar, soweit es sich um Produktvorschriften über Bezeichnung, Form, Abmessung, Gewicht, Zusammensetzung, Aufmachung, Etikettierung oder Verpackung einer Ware handelt.1157 Demgegenüber sei „. . . die Anwendung nationaler Bestimmungen, die bestimmte Verkaufsmodalitäten beschränken oder verbieten, auf Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten nicht geeignet, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten im Sinn des Urteils Dassonville [. . .] unmittelbar oder mittelbar zu behindern, sofern diese Bestimmungen für alle betroffenen Wirtschaftsteilnehmer gelten, die ihre Tätigkeit im Inland ausüben, und sofern sie den Absatz der inländischen Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten rechtlich wie tatsächlich in der gleichen Weise berühren. Sind diese Voraussetzungen nämlich erfüllt, so ist die Anwendung derartiger Regelungen nicht geeignet, den Marktzugang für diese Erzeugnisse zu versperren oder stärker zu behindern, als sie dies für inländische Erzeugnisse tut.“1158 Während damit produktbezogene Regelungen weiterhin uneingeschränkt unter den Anwendungsbereich von Art. 28 EGV fallen, stellen das Verbot oder die Beschränkung bestimmter Verkaufsmodalitäten keine Maßnahmen gleicher Wirkung im Sinne dieser Norm dar, wenn der Absatz in- und ausländischer Produkte rechtlich und tatsächlich in gleicher Weise berührt wird.1159 Regelungen über Verkaufsmodalitäten bleiben nur dann der Kontrolle des Art. 28 EGV unterstellt, wenn sie Auslandsware rechtlich oder faktisch besonders berüh-

1155 EuGH, Urteil v. 11.7.1974, Rs. 8/74 (Dassonville), Slg. 1974, 837, Rn. 5, vgl. auch EuGH, Urteil v. 13.10.1993, Rs. C-93/92 (CMC Motorradcenter), Slg. 1993, I5009, Rn. 9. 1156 EuGH, Urteil v. 20.2.1979, Rs. 120/78 (Cassis de Dijon), Slg. 1979, 649, Rn. 14. 1157 Slg. 1993, I-6097, Rn. 15 (Keck und Mithouard); Sack, WRP 1998, 103, 105. 1158 Slg. 1993, I-6097, Rn. 16 (Keck und Mithouard). 1159 Teilweise wird von einer Art „Unschädlichkeitsvermutung“ gesprochen, die durch den Nachweis einer besonderen Belastung der Einfuhr widerlegt werden kann, vgl. Ackermann, RIW 1994, 189, 193 f.; GA van Gerven, Schlussantrag EuGH, Urteil v. 2.6.1994, verb. Rs. C-401/92 und 402/92 (Tankstation ’t Heuske und Boermans), Slg. 1994, I-2199, Rn. 20 f. und Fn. 53.

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ren.1160 Liegen diese Voraussetzungen vor, sind sie wie produktbezogene Vorschriften auf ihre Rechtfertigung hin zu überprüfen, während unterschiedslos wirkende Regelungen über bloße Leistungsmodalitäten keiner Rechtfertigung bedürfen. Ratio der Entscheidung ist nach allgemeiner Ansicht der Verzicht auf eine völlige rechtliche Homogenität, welche für einen funktionierenden Binnenmarkt nicht erforderlich ist (Paradigma des unvollkommenen Binnenmarktes).1161 Jedoch findet sich in dem Urteil des EuGH keine Definition hinsichtlich des Begriffs „bestimmte Verkaufsmodalitäten“, sondern lediglich die Feststellung, dass das fragliche Verbot des Verkaufs zu Verlustpreisen als Beschränkung einer bestimmten Verkaufsmodalität anzusehen ist.1162 Die fehlende Präzisierung macht einen Großteil der oben angesprochenen Verunsicherung aus.1163 So stellt sich vor allem die Frage, ob und inwieweit nationales Privatrecht, speziell das Vertragsrecht, als nicht-diskriminierende Vertriebsmodalität anzusehen und damit von der Grundfreiheitenkontrolle ausgeschlossen ist. Ein weiterer Aspekt, welcher Rechtsunsicherheit auslöst, ist die Frage der Übertragbarkeit der „Keck“-Rechtsprechung auf den freien Dienstleistungsverkehr, speziell mit Blick auf die bis dahin bestehende Parallelentwicklung der beiden Grundfreiheiten. Da Letztgenanntes die Grundvoraussetzung ist für die Überprüfung der Frage, inwieweit nationales Arzthaftungsrecht durch die Differenzierung im Rahmen des „Keck“-Urteils beeinflusst wird, soll zunächst der hierzu bestehende Meinungsstand untersucht werden. bb) Übertragbarkeit der „Keck“-Formel auf den freien Dienstleistungsverkehr Das derzeitige Meinungsspektrum zu der Frage, ob die Einschränkungen der „Keck“-Rechtsprechung auch im Bereich der Dienstleistungsfreiheit zur Anwendung kommen, geht weit auseinander.

1160 Schwartz, ZEuP 1994, 559, 580; Tiedje/Troberg, in: von der Groeben/ Schwarze, EUV/EGV, Art. 49 Rn. 102; Remien, Zwingendes Vertragsrecht und Grundfreiheiten des EG-Vertrages, S. 196; Roth, ZHR 159 (1995), 78, 86 m.w. N. 1161 Vgl. Mülbert, ZHR 159 (1995), 2, 18; Steindorff, ZHR 158 (1994), 149, 160; Everling, ZLR 1994, 221, 230; Feiden, Die Bedeutung der „Keck“-Rechtsprechung im System der Grundfreiheiten, S. 48 ff., 58 f.; Höpping, Auswirkungen der Warenverkehrsfreiheit auf das IPR, S. 210 f. 1162 Slg. 1993, I-6097, Rn. 16 f. (Keck und Mithouard). 1163 Vgl. Mülbert, ZHR 159 (1995), 2, 17; Steindorff, ZHR 158 (1994), 149, 160; Schwartz, ZEuP 1994, 559, 581; Schmid, Freier Dienstleistungsverkehr und Recht des unlauteren Wettbewerbs, dargestellt am Beispiel der Telefonwerbung, S. 290; MüllerGraff, in: von der Groeben/Schwarze, EUV/EGV, Art. 28 Rn. 252, Roth, in: Marktwirtschaft und Wettbewerb im sich erweiternden europäischen Raum, S. 21, 30.

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(1) Grundsätzliche Anwendbarkeit auf Art. 49 EGV Ein Großteil der Literatur spricht sich unter Hinweis auf das Urteil „Alpine Investments“1164 für eine entsprechende Anwendbarkeit der für den Art. 28 EGV aufgestellten Grundsätze („Keck“-Formel) auf Art. 49 EGV aus.1165 In diesem Urteil sei die Parallelität zwischen Warenverkehrs- und Dienstleistungsfreiheit hinsichtlich der Inhaltsbestimmung des Begriffs der nicht-diskriminierenden Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit bestätig worden. In dem genannten Urteil ging es um das niederländische Verbot der unerbetenen telefonischen Werbung („cold calling“1166) für Finanzdienstleistungen, welches nicht nur für die Kontaktaufnahme mit inländischen, sondern auch mit ausländischen Kunden galt. Hier hatte sich der EuGH im Rahmen der Freiheit des Dienstleistungsverkehrs (bezüglich Korrespondenzdienstleistungen) mit der Übertragbarkeit der „Keck“-Grundsätze auseinander zu setzen, nachdem die Regierungen des Vereinigten Königreichs und der Niederlande geltend machten, dass das besagte Verbot nicht diskriminiere, nur die Art und Weise beträfe, in der Dienstleistungen erbracht würden und somit den Regelungen von Verkaufsmodalitäten im Sinne der „Keck“-Rechtsprechung entspreche, für die Art. 49

1164

EuGH, Urteil v. 10.5.1995, Rs. C-384/93 (Alpine Investments), Slg. 1995, I-

1141. 1165 Feiden, Die Bedeutung der „Keck“-Rechtsprechung im System der Grundfreiheiten, S. 146 ff.; Riesenhuber, System und Prinzipien des Europäischen Vertragsrechts, S. 95 f.; Franzen, Privatrechtsangleichung durch die Europäische Gemeinschaft, S. 132; Kröck, Der Einfluß der europäischen Grundfreiheiten am Beispiel der Ärzte und Arzneimittel, S. 119; Martin, ELRev 21 (1996), 313, 322; Kort, JZ 1996, 132, 136; Grandpierre, Herkunftsprinzip kontra Marktortanknüpfung, S. 68 ff.; Sonnenberger, ZVglRWiss 95 (1996), 3, 11 f., 22; Drasch, Das Herkunftslandprinzip im internationalen Privatrecht, S. 181; Kluth, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 49, 50 Rn. 58; Körber, Grundfreiheiten und Privatrecht, S. 328 ff.; Eilmansberger, JBl. 1999, 434, 440 f.; Eberhartinger, EWS 1997, 43, 49 f.; Lurger, Regulierung und Deregulierung im europäischen Privatrecht, S. 55; Remien, ZfRV 1995, 116, 130; ders., Zwingendes Vertragsrecht und Grundfreiheiten des EG-Vertrages, S. 200; Nordemann, Wettbewerbsrecht, Markenrecht, Rn. 26; Reuthal, WRP 1997, 1154, 1158; Mülbert, ZHR 159 (1995), 2, 29 (bzgl. der aktiven Dienstleistungsfreiheit); Everling, ZLR 1994, 221, 231; Knobl, MJ 2 (1995), 306, 311 ff.; Nettesheim, NVwZ 1996, 342, 344 Fn. 22; Wördemann, International zwingende Normen im Internationalen Privatrecht des europäischen Versicherungsvertrages, S. 279; Ohler, WM 1996, 1801, 1806; Krebber, JbJgZivWiss 1997, 129, 143; Nicolaysen, Europarecht II, S. 178; GA Gulmann, Schlussantrag EuGH, Urteil v. 24.3.1994, Rs. C-275/92 (Schindler), Slg. 1994, I-1039, Rn. 56 f. und Fn. 25; Streinz, Europarecht, Rn. 808, 864, 894. 1166 Telefonische Kontaktaufnahme mit potentiellen Kunden ohne deren vorherige schriftliche Zustimmung, um verschiedene Finanzdienstleistungen anzubieten, vgl. EuGH, Urteil v. 10.5.1995, Rs. C-384/93 (Alpine Investments), Slg. 1995, I-1141, Rn. 2; hier hatte die Firma „Alpine Investments BV“ aus den Niederlanden potentiellen Kunden in anderen Mitgliedstaaten telefonisch den Abschluss von Warentermingeschäften angeboten.

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§ 4 Arzthaftungsregelungen als Beschränkungen des Art. 49 EGV?

EGV gleichfalls nicht gelte.1167 Der EuGH widersprach dieser Argumentation. Zwar sei das Verbot nicht diskriminierend und bezwecke bzw. bewirke auch nicht, dem nationalen Markt einen Vorteil gegenüber Dienstleistungserbringern aus anderen Mitgliedstaaten zu verschaffen.1168 Jedoch gehe das Verbot nicht wie im Fall „Keck“ vom Einfuhrstaat der Dienstleistungen aus, sondern vom Sitzstaat des Leistungserbringers und betreffe damit nicht nur Angebote, die er Leistungsempfängern macht, die in seinem Herkunftsstaat ansässig sind, sondern auch die Angebote an Leistungsempfänger in einem anderen Mitgliedstaat.1169 Aufgrund dieser unterschiedlichen Fallgestaltungen bejahte der EuGH eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs.1170 Trotz der Ablehnung der Einordnung als „Verkaufsmodalität“ im oben beschriebenen Sinne sieht man schon in der Heranziehung der „Keck“-Formel und der ausdrücklichen Überprüfung dahingehend, ob es sich bei dem Verbot des „cold calling“ um eine Regelung handelt, die den Verkaufsmodalitäten entspricht, welche nach der „Keck“-Rechtsprechung dem Anwendungsbereich des Art. 28 EGV entzogen ist, ein deutliches Zeichen für die Übertragbarkeit dieser Grundsätze auf die Dienstleistungsfreiheit. Schließlich habe der EuGH die Entsprechung einer Regelung über Vertriebsmodalitäten nicht mit der Begründung abgelehnt, dass diese Rechtsprechung im Rahmen von Art. 49 EGV keine Anwendung finde, sondern aufgrund der Exportsituation in Abweichung zur Importsituation bei „Keck“ und damit des unmittelbar den Zugang zum Dienstleistungsmarkt anderer Mitgliedstaaten faktisch benachteiligenden Charakters.1171 Fest stehe damit nur, dass die „Keck“-Formel jedenfalls keine Anwendung auf Vorschriften des Herkunftsstaates des Dienstleistungsbringers findet, die wie im Fall „Alpine Investments“ auch den Export und damit den Zugang zu den Märkten anderer Mitgliedstaaten (Ausgangsfreiheit) regelt, so dass sich deren Zulässigkeit nach den allgemeinen Kriterien richtet; betrifft die Regelung jedoch ausschließlich die Dienstleistungserbringung im Inland durch in- oder ausländische Dienstleistende, ist sie also nicht exportbezogen, kommt eine Übertragbarkeit der „Keck“-Rechtsprechung zu Verkaufsmodalitäten in Betracht.1172 Die vom EuGH in der Sache „Alpine Investments“ gemachten Ausführungen bedeuten nach dieser Ansicht also nicht, dass das Verbot des „cold calling“ allgemein keine Verkaufsmodalität sei und die „Keck“-Formel nicht für die 1167 EuGH, Urteil v. 10.5.1995, Rs. C-384/93 (Alpine Investments), Slg. 1995, I1141, Rn. 33 sowie GA Jacobs, Schlussanträge zu EuGH, Urteil v. 10.5.1995, Rs. C384/93 (Alpine Investments), Slg. 1995, I-1141, Rn. 59. 1168 Slg. 1995, I-1141, Rn. 35 (Alpine Investments). 1169 A. a. O., Rn. 38 (Alpine Investments). 1170 A. a. O., Rn. 39 (Alpine Investments). 1171 Feiden, S. 147. 1172 Kort, JZ 1996, 132, 138; Schmid, S. 312; Eilmansberger, JBl. 1999, 434; Sack, WRP 1998, 103, 112 f.

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Dienstleistungsfreiheit gelte. Nur in dieser Konstellation komme eine Übertragbarkeit nicht in Betracht. Auch im Dienstleistungsbereich gäbe es Regelungen, die sich nur auf innerstaatliche Vorgänge, also auf „Modalitäten“ der Dienstleistungserbringung beziehen und daher die grenzüberschreitende Leistung nicht spezifisch treffen, sofern ihnen keine diskriminierende und extrem zugangsbeschränkende Wirkung zugrunde liegt.1173 Zwar ließen sich derartige Regelungen nicht wie bei der Warenverkehrsfreiheit einer physischen Beschaffenheit der Leistung gegenüberstellen, gleichwohl könne auch hier zwischen dem Inhalt der Dienstleistung und der Art und Weise ihres Vertriebs unterschieden werden.1174 Eine terminologisch angepasste Übertragung der Unterscheidung zwischen produktbezogenen und vertriebsbezogenen Vorschriften auch auf den Dienstleistungsverkehr sei damit möglich. (2) Keine Übertragung der „Keck“-Formel auf Art. 49 EGV Demgegenüber resultiert nach einer nicht minder bedeutenden Gegenansicht aus den Ausführungen zu dem Urteil „Alpine Investments“ sowie den Urteilen „Schindler“1175 und „De Agostini“1176 gerade die Ablehnung der Übertragung der „Keck“-Doktrin auf den freien Dienstleistungsverkehr.1177 Zum einen wird angemerkt, dass der EuGH im „Alpine Investments“-Urteil nicht ausdrücklich zu der Frage der grundsätzlichen Übertragbarkeit der „Keck“-Rechtsprechung 1173

Feiden, S. 147. Vgl. Troberg, in: von der Groeben/Thiesing/Ehlermann, EUV/EGV, Art. 59 Rn. 34 mit Beispielen (in der Neuauflage, Tiedje/Troberg, in: von der Groeben/ Schwarze, EUV/EGV, Art. 49 Rn. 103, wird jedoch abweichend von der Vorauflage die Übertragbarkeit der „Keck“-Rechtsprechung auf die Dienstleistungsfreiheit verneint, vgl. Fn. 1177). 1175 EuGH, Urteil v. 24.3.1994, Rs. C-275/92 (Schindler), Slg. 1994, I-1039: britisches Verbot der Veranstaltung und Bewerbung von Lotterien in Großbritannien, von dem konkret eine in Deutschland organisierte Lotterie betroffen war, für die lediglich in Großbritannien Werbung gemacht werden sollte. 1176 EuGH, Urteil v. 9.7.1997, Rs. C-34/95, C-35/95 und C-36/95 (De Agostini), Slg. 1997, I-3843: Verstoß gegen das schwedische Lauterkeitsrecht durch eine von Großbritannien nach Schweden ausgestrahlte Fernsehwerbung für eine Kinderzeitschrift und für ein Hautpflege- bzw. Reinigungsmittel. 1177 Hakenberg, in: Lenz/Borchardt, EUV/EGV, Art. 49/50 Rn. 22; Tiedje/Troberg, in: von der Groeben/Schwarze, EUV/EGV, Art. 49 Rn. 103 ff.; Kieninger, EWS 1998, 277, 285; Greaves, ELRev 23 (1998), 305, 313 ff.; Klauer, Die Europäisierung des Privatrechts, S. 100; Giesen, Sozialversicherungsmonopol und EG-Vertrag, S. 51 f.; Roth, CMLRev 31 (1994), 845, 853; Rosenboom, Das Herkunftslandprinzip im europäischen Dienstleistungsrecht, S. 18 f.; Idot, CMLRev 33 (1996), 113, 122 f.; GA Lenz, Schlussanträge zu EuGH, Urteil v. 15.12.1995, Rs. C-415/93 (Bosman), Slg. 1995, I-4921, Rn. 206; GA Elmer, Schlussanträge zu EuGH, Urteil v. 23.10.1997, Rs. C-189/95 (Franzén), Slg. 1997, I-5909, Rn. 64; ebenso i. E. Stuyck, WRP 1994, 578, 584 (zum Urteil „Schindler“); ders., CMLRev 34 (1997), 1445, 1466 ff. (zum Urteil „De Agostini“). 1174

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Stellung bezogen und auch in den genannten Urteilen, bei welchen es ebenfalls um mitgliedstaatliche Beschränkungen der grenzüberschreitenden Werbung ging, nicht auf die entsprechenden Grundsätze zurückgegriffen hat, obwohl sich in beiden Fällen eine Übertragung angeboten hätte1178. Zum anderen wird angeführt, dass eine schematische Übertragung der Unterscheidung zwischen Produkt- und Vertriebsmodalitäten im Dienstleistungsbereich nicht möglich ist. Denn im Gegensatz zum Warenverkehr ließen sich hier Verkauf, Modalitäten des Verkaufs und Produktgestaltung regelmäßig nicht voneinander trennen; vielmehr wirke bei der Dienstleistung als „unsichtbare Ware“ jede Veränderung der Leistungsmodalitäten wie eine Veränderung des Produkts selbst und umgekehrt.1179 (3) Übertragbarkeit der „Keck“-Formel noch offen Die dritte Ansicht schließlich erachtet mangels ausdrücklicher Aussage des Gerichtshofs die Entwicklung in dieser Sache sowohl in die eine als auch in die andere Richtung noch für offen.1180 Erst wenn eine eindeutige Entscheidung in der Sache fällt, können verlässliche Aussagen getroffen werden. Den Ausführungen zu „Alpine Investments“ sei bisher nur zu entnehmen, dass die Anwendung der „Keck“-Formel jedenfalls bei Beschränkungen des Dienstleistungserbringers durch seinen Herkunftsstaat hinsichtlich des Angebots von Leistungen in anderen Mitgliedstaaten ausscheidet. Im Grundsatz stünde jedoch die Klärung der Übertragbarkeit noch aus. (4) Fazit Damit geht das Meinungsspektrum von einer generellen Annahme der Parallelität von Warenverkehrs- und Dienstleistungsfreiheit bezüglich des Beschrän1178 Vgl. Rosenboom, S. 17 ff.; nach Rolshoven, „Beschränkungen“ des freien Dienstleistungsverkehrs, S. 272 ergibt sich aus dem Urteil „Alpine Investments“ nur, „. . . dass der EuGH die Keck-Formel auf die Dienstleistungsfreiheit (zumindest) im Fall der Beschränkung durch den Sitzstaat des Leistenden nicht für anwendbar hält.“ 1179 Vgl. Giesen, Sozialversicherungsmonopol und EG-Vertrag, S. 51; Rolshoven, „Beschränkungen“ des freien Dienstleistungsverkehrs, S. 240, der schon im Warenverkehrsbereich die Unterscheidung zwischen vertriebsbezogenen und produktbezogenen Regelungen für schwer möglich hält. 1180 Schricker, GRUR Int. 1994, 586, 589; Sack, WRP 1998, 103, 113; Schmid, Freier Dienstleistungsverkehr und Recht des unlauteren Wettbewerbs, dargestellt am Beispiel der Telefonwerbung, S. 315 ff. (mit Tendenz zur Ablehnung der Übertragung); Ross, ELRev 1995, 507, 512 f.; Hatzopoulos, CMLRev 32 (1995), 1427, 1436 ff.; von Wild, Der „vernünftige Verbraucher“ im Wettbewerbsrecht, S. 128 ff.; Weatherill, ICLQ 1997, 704, 706; ebenso offengelassen vom BGH in BGH BB 1999, 550, 552; für ein Abwarten ebenfalls Hirsch, in: Horn/Baur/Stern, 40 Jahre Römische Verträge, S. 79, 90.

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kungstatbestandes bis hin zur Ablehnung der Vergleichbarkeit beider Grundfreiheiten hinsichtlich der bei „Keck“ gemachten Differenzierung. Einer Übertragbarkeit steht m. E. so weit nichts entgegen, als eine Unterscheidung zwischen einer reinen Beschränkung der Art und Weise des Vertriebes (Vertriebs- bzw. Verkaufsmodalität) und einer Beschränkung betreffend den Inhalt der Dienstleistung (Produktgestaltung) bei der konkret zu betrachtenden Dienstleistung ohne weiteres möglich ist. Denn dann kommen die tragenden Überlegungen bzw. die Ratio der im Rahmen der Warenverkehrsfreiheit gemachten Unterscheidung mit Blick auf die bisherige Parallelität bzw. Konvergenz in der Entwicklung beider Grundfreiheiten sowie der gleichsamen Einordnung der Dienstleistungsfreiheit als Produktverkehrsfreiheit auch hier zum Tragen. Ist die Art der Dienstleistung aufgrund ihrer rechtlichen Ausgestaltung derart abhängig von der Art und Weise ihrer Erbringung, dass diese Modalitäten praktisch den Inhalt der Dienstleistung an sich ausmachen, ist eine Differenzierung von produktgestaltenden und vertriebsgestaltenden Regelungen von vornherein nicht zu leisten, so dass mit der zweiten Ansicht eine Übertragbarkeit abzulehnen ist. Die Frage der Übertragbarkeit hängt somit von der rechtlichen und tatsächlichen Ausgestaltung der Dienstleistung ab. Im Folgenden ist damit zu untersuchen, ob bzw. in welcher Form bei arzthaftungsrechtlichen Regelungen eine solche Unterscheidung möglich ist. cc) Übertragbarkeit der „Keck“-Formel auf das nationale Arzthaftungsrecht Die Frage ist also, ob der Geltung eines strengeren bzw. patientenunfreundlicheren Haftungsregimes ein produkt- oder lediglich ein vertriebsgestaltender Charakter zugesprochen werden kann. Nur wenn es sich hierbei um reine den Vertrieb der Dienstleistung regelnde Vorschriften handeln sollte, hätte die „Keck“-Rechtsprechung und ihre Übertragbarkeit auf die Dienstleistungsfreiheit Relevanz. Dafür lohnt es, sich zunächst einen Überblick über Bestimmungen zu verschaffen, die bisher im Rahmen der Warenverkehrsfreiheit als Regelungen von Verkaufsmodalitäten angesehen wurden, bzw. über die bisherigen Versuche in der Literatur, diesen Begriff näher zu umschreiben. Der EuGH hat es im Fall „Keck“ vermieden, zu konkretisieren, was unter Regelungen über Verkaufsmodalitäten zu verstehen ist. Lediglich aus einer Folgeentscheidung1181 geht hervor, dass es sich hierbei um Bestimmungen über die Umstände, unter denen Waren vermarktet werden dürfen, handelt. Bisher wurde dies positiv festgestellt 1181 EuGH, Urteil v. 2.6.1994, Rs. 69/93 und C-258/93 (Punto Casa und PPV), Slg. 1994, I-2355, Rn. 13; ebenso Dauses/Roth, ZLR 1996, 507, 522; Koos, Europäischer Lauterkeitsmaßstab und globale Integration, S. 172 f.

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bei dem Verbot des Weiterverkaufs unter dem Einkaufspreis oder zu einer äußerst niedrigen Gewinnspanne1182, beim standesrechtlichen Verbot der Werbung für apothekenübliche Ware außerhalb von Apotheken1183, bei Beschränkungen der Ladenöffnungszeiten1184, bei dem Verbot der Fernsehwerbung für bestimmte Erzeugnisse1185 und bei Regelungen über die Vertriebswege bestimmter Produkte1186. Generalanwalt Jacobs spricht von Regelungen darüber, „wann, wo, wie, von wem und zu welchem Preis Waren verkauft werden dürfen“.1187 Bei dem deutschen Arzthaftungsrecht handelt es sich um einen zivilrechtlichen Schadensersatz- bzw. Haftungskomplex, wobei sich Schadensersatzansprüche bei Missachtung der dem Arzt obliegenden Sorgfalt bzw. des Selbstbestimmungsrechts des Patienten in der Regel sowohl aus vertraglicher als auch aus deliktischer Haftung ergeben können.1188 Die Vertragsverletzung als Haftungsgrund ist dabei als Leistungsstörung (früher positive Vertragsverletzung, nun § 280 Abs. 1 S. 1 BGB) einzuordnen. Im Rahmen des grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehrs steht das Vertragsrecht regelmäßig im Vordergrund. Wie unter § 3 ermittelt, werden neben vertraglichen Ansprüchen in Betracht kommende deliktische Ansprüche gem. Art. 41 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB vertragsakzessorisch angeknüpft, so dass regelmäßig ein und dieselbe Rechtsordnung für beide Anspruchsarten maßgeblich ist. In der Literatur bestehen verschiedene Ansatzpunkte, wie zivilrechtliche Normen mit Blick auf die „Keck“-Rechtsprechung zu bewerten sind. Als Grundlage ist hierbei nochmals zu bedenken, dass das nationale Arzthaftungsrecht nicht schon deshalb der Grundfreiheitenkontrolle entzogen ist, weil gem. Art. 27 EGBGB grundsätzlich die Möglichkeit der Abwählbarkeit besteht.1189 Aber 1182 EuGH, Urteil v. 24.11.1993, Rs. C-267/91 und C-268/91 (Keck und Mithouard), Slg. 1993, I-6097, Rn. 12; ebenso EuGH, Urteil v. 11.8.1995, Rs. C-63/94 (Belgapom), Slg. 1995, I-2467, Rn. 13. 1183 EuGH, Urteil v. 15.12.1993, Rs. C-292/92 (Hünermund), Slg. 1993, I-6787, Rn. 22 f. 1184 EuGH, Urteil v. 2.6.1994, verb. Rs. C-401/92 und C-402/92 (Tankstation ’t Heukske und Boermans), Slg. 1994, I-2199, Rn. 13 f.; EuGH, Urteil v. 2.6.1994, Rs. 69/93 und C-258/93 (Punto Casa und PPV), Slg. 1994, I-2355, Rn. 13 f.; EuGH, Urteil v. 20.6.1996, verb. Rs. C-418/93 bis C-421/93, C-460/93 bis C-62/93, C-464/93, C-9/94 bis C-11/94, C-14/94, C-15/94, C-23/94, C-24/94 und C-332/94 (Semeraro Casa Uno u. a.), Slg. 1996, I-2975, Rn. 14 ff. 1185 EuGH, Urteil v. 9.2.1995, Rs. C-412/95 (Lecerc-Siplec), Slg. 1995, I-179, Rn. 22. 1186 EuGH, Urteil v. 29.6.1995, Rs. C-391/92 (Kommission/Griechenland), Slg. 1995, I-1621, Rn. 15; EuGH, Urteil v. 14.12.1995, Rs. 387/93 (Banchero), Slg. 1995, I-4663, Rn. 34 f. 1187 GA Jacobs, Schlussanträge zu EuGH, Urteil v. 9.2.1995, Rs. C-412/93 (Leclerc-Siplec), Slg. 1995, I-179, Rn. 26. 1188 Giesen, Arzthaftungsrecht, Rn. 2; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 125 sprechen von einem „. . . gemeinsamen, weitgehend verschmolzenen Haftungsgrund der Arzthaftung“; vgl. auch Bolsinger, Dogmatik der Arzthaftung, S. 37.

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auch die Vertreter der Ansicht, dass international dispositives, also auf kollisionsrechtlicher Ebene abwählbares Vertragsrecht wegen der Dispositionsmöglichkeit der Grundfreiheitenkontrolle grundsätzlich entzogen ist, müssen sich die Frage stellen, inwieweit das nationale Arzthaftungsrecht von der „Keck“Rechtsprechung beeinflusst wird, wenn auch nur in den wohl recht selten vorkommenden Fällen1190 des Art. 29 Abs. 1 EGBGB. Denn wie bereits dargelegt, handelt es sich bei dem deutschen Arzthaftungsrecht um zwingende Bestimmungen im Sinne dieser Norm, so dass bei einem Vertrag, der unter den Voraussetzungen des Art. 29 Abs. 1 EGBGB zustande kommt, das deutsche Arzthaftungsrecht nicht abwählbar ist. (1) Vertragsrecht als produktbezogene Regelungen Steindorff 1191 vertritt die Ansicht, das Vertragsrecht sei grundsätzlich zu den von der Einengung des Beschränkungsbegriffs durch „Keck“ nicht erfassten produktbezogenen Regelungen zu zählen, soweit hierdurch Haupt- und Nebenpflichten sowie die Primär- und Sekundärpflichten der Parteien bestimmt werden. Denn das Vertragsrecht lege damit das Leistungsprogramm fest und bestimme gleichsam das Produkt mit. Dies wirke sich nicht nur auf den Vertrieb von Waren, sondern insbesondere auch auf die insgesamt rechtlich bestimmten Dienstleistungen aus. Als Produktvorschriften bleiben nach dieser Ansicht die leistungsbezogenen Vertragsrechtsvorschriften dem Zugriff der Grundfreiheiten unterworfen. Dem folgt im Rahmen der Überprüfung des nationalen Kaufrechts im Lichte der „Keck“-Rechtsprechung auch Langner, welcher das Kaufgewährleistungsrecht bzw. die Regeln über Schlechtleistung ebenfalls als Produktvorschriften wertet.1192 Als Begründung werden die mittelbaren Auswirkungen von Gewährleistungsrechten auf die zu verkaufende Ware angeführt. Die Gewährleistungsrechte und die Ware stellen nach Ansicht des Verfassers ein gekoppeltes Produkt dar, da erstgenannte einer Versicherungszusage gleichstehen und daher mit der Warenqualität eng verbunden seien. Je besser die Ausgestaltung der Ge1189

Vgl. unter V. 2. a) aa). Aufgrund des engen situativen Anwendungsbereichs gem. Art. 29 Abs. 1 Nr. 1– 3 EGBGB sowie aufgrund einer häufig vorkommenden, reinen Auslandsbehandlung gem. Art. 29 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 EGBGB. 1191 Steindorff, EG-Vertrag und Privatrecht, S. 98 f., 107; anders noch ders., ZHR 150 (1986), 687, 698, wonach das auf Verträge über Waren und Dienstleistungen anwendbare Zivilrecht den Waren- und Dienstleistungsverkehr im Gemeinsamen Markt nicht spezifisch behindern; vorsichtiger schon ders., ZHR 158 (1994), 149, 163 ff., indem er klarstellt, dass wie bei Qualitätsanforderungen an Waren auch Anforderungen an Werbung und Vertrieb unter bestimmten Voraussetzungen zu Anpassungszwängen führen können, die eine Kontrolle anhand des Art. 28 EGV rechtfertigen. 1192 Langner, RabelsZ 65 (2001) 222, 232; a. A. Mülbert, ZHR 159 (1995), 2, 24, welcher in Haftungsregeln im Gegensatz zu primären Leistungspflichten gerade keine die Ware selbst betreffenden Vorschriften sieht. 1190

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währleistungsrechte, umso attraktiver sei die Ware für den Käufer. Auf Seiten des Verkäufers/Herstellers seien ebenfalls mögliche Aufwendungen für Gewährleistungsansprüche zu berücksichtigen und bei der Ermittlung der Stückkosten zu beachten. Im Gegensatz dazu seien Vorschriften über das Zustandekommen des Kaufvertrages (Angebot, Annahme, Zugang usw.) als bloße Verkaufsmodalitäten zu werten, da sie keinen Einfluss auf die zu verkaufende Ware ausüben. Folgt man den Ausführungen von Steindorff und Langner, hätte die Einengung des Beschränkungstatbestandes durch die „Keck“-Rechtsprechung keinen Einfluss auf die Beurteilung eines möglichen Beschränkungscharakters der deutschen Arzthaftungsvorschriften, da diese sekundäre Leistungspflichten gestalten und somit zu den produktgestaltenden Regelungen gezählt werden müssten, die im Hinblick auf Art. 49 EGV einer Rechtfertigung bedürfen. (2) Vertragsrecht als Vertriebsmodalitäten Die entgegengesetzte Ansicht in der Literatur ordnet das unterschiedslos geltende (nicht-diskriminierende) Schuldvertragsrecht insgesamt den Vertriebsmodalitäten bzw. Verkaufsmodalitäten im Sinne der „Keck“-Rechtsprechung zu.1193 Schadensersatzansprüche vertraglicher (und auch deliktischer) Art könnten zwar mittelbar als Kostenfaktor auf den Handel eine hemmende Wirkung haben. Jedoch gehe es hier nur um Modalitäten der Vermarktung, „. . . die den sozialen Besonderheiten angepasst, Ausdruck einer bestimmten politischen und wirtschaftlichen Entscheidung . . .“ sind.1194 Roth will nur dann eine Ausnahme machen, wenn die Höhe der Haftungssummen die Einfuhr sowie die inländische Produktion nicht nur verteuert, sondern geradezu unattraktiv macht.1195 Mülbert, der sich in seinen Ausführungen auf das Kaufrecht bezieht, erkennt ebenfalls die Verursachung unterschiedlicher Kosten je nach verfolgtem Haftungskonzept an, jedoch habe dieses nichts zu tun mit den primären kaufvertraglichen Leistungspflichten des Verkäufers, so dass in den Haftungsregeln keine die Ware selbst betreffenden Vorschriften und damit produktgestaltenden Bestimmungen zu sehen seien.1196 Remien hält es zwar noch am ehesten im Dienstleistungsbereich für möglich, dass schuldrechtliche Regelungen nicht nur als Verkaufsmodalitäten anzusehen sind, sondern auch selbst produktgestaltenden Charakter besitzen, jedoch scheint sich diese Überlegung ebenso wie bei Roth1197 1193 Roth, ZEuP 1994, 5, 25 ff., 28 f.; Armbrüster, RabelsZ 60 (1996), 72, 77; Remien, JZ 1994, 349, 353; Reich, in: Reich/Micklitz, Europäisches Verbraucherrecht, S. 62; Nettesheim, NVwZ 1996, 342, 344. 1194 Roth, ZEuP 1994, 5, 25 ff., 28. 1195 A. a. O. 1196 Mülbert, ZHR 159 (1995), 2, 24. 1197 Roth, Europäisches Versicherungsrecht, in: Honsell, Berliner Kommentar zum Versicherungsvertragsgesetz, Rn. 40, 43 („Das Versicherungsprodukt ist ein Rechtspro-

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nur auf das Versicherungs- und Bankgewerbe zu erstrecken.1198 Aufgrund der Tatsache, dass Versicherungs- und Bankdienstleistungen einer stärkeren rechtlichen Prägung als Warenlieferungen unterliegen, kommt in diesen Bereichen dem Schuldvertragsrecht eine produktgestaltende und nicht bloß vertriebgestaltende Wirkung zu, „wenn und soweit der Inhalt der Leistung durch Gesetz festgelegt wird“.1199 Folgt man dieser Ansicht, müsste man dem nationalen Arzthaftungsrecht lediglich einen vertriebsgestaltenden Charakter i. S. d. „Keck“-Rechtsprechung beimessen, womit es der Grundfreiheitenkontrolle vollständig entzogen wäre. Eine so ausufernde Kostenintensivierung hinsichtlich der Haftungssummen bzw. der diesbezüglichen Versicherungsprämien, die entsprechend den Ausführungen Roths die grenzüberschreitende Tätigkeit als Arzt innerhalb des Binnenmarktes nicht nur erschweren, sondern gänzlich unattraktiv machen würden, ist kaum denkbar.1200 (3) Differenzierung zwischen absoluten und relativen, nicht-diskriminierenden Dienstleistungsbeschränkungen Kröck, der in der „Keck“-Rechtsprechung den Schlüssel zu einer einheitlichen Dogmatik der Grundfreiheiten sieht und damit auch die Übertragbarkeit der Grundsätze auf die Dienstleistungsfreiheit ohne weiteres annimmt1201, differenziert grundsätzlich zwischen absoluten und relativen, nicht-diskriminierenden Dienstleistungsbeschränkungen.1202 Bei der erstgenannten Konstellation handelt es sich um Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit, „. . . die eine Erbringung der Dienstleistung sowohl für Inländer in ihrem EU-Heimatstaat als auch für

dukt.“); ders., in: Marktwirtschaft und Wettbewerb im sich erweiternden europäischen Raum, S. 21, 42. 1198 Remien, JZ 1994, 349, 353 Fn. 59; ders., JbJgZivWiss 1991, 11, 36.; ders., Zwingendes Vertragsrecht und Grundfreiheiten des EG-Vertrages, S. 201 f.; vgl. auch Franzen, Privatrechtsangleichung durch die Europäische Gemeinschaft, S. 153; gegen eine Sonderbehandlung des Versicherungsvertrages als „Rechtsprodukt“ Gärtner, EWS 1994, 114, 117. 1199 Roth, Europäisches Versicherungsrecht, in: Honsell, Berliner Kommentar zum Versicherungsvertragsgesetz, Rn. 40; ebenso Remien, Zwingendes Vertragsrecht und Grundfreiheiten des EG-Vertrages, S. 201. 1200 An eine solche Konstellation könnte man lediglich im Verhältnis zu den Vereinigten Staaten denken, da dort im Vergleich zum europäischen Rechtsraum exorbitant hohe Haftungssummen an der Tagesordnung sind; ausführlich zur Situation in den USA Katzenmeier, Arzthaftung, S. 42 ff. sowie Thumann, Reform der Arzthaftung in den Vereinigten Staaten von Amerika. 1201 Kröck, Der Einfluß der europäischen Grundfreiheiten am Beispiel der Ärzte und Arzneimittel, S. 9 f., 118 ff. 1202 Kröck, S. 122 ff. (für Dienstleistungsfreiheit), S. 211 ff. (für Warenverkehrsfreiheit), S. 38 ff. (für Niederlassungsfreiheit).

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EU-ausländische Leistungserbringer im Empfängerstaat gänzlich unmöglich . . .“ machen, also das „Ob“ der Dienstleistungserbringung betreffen.1203 Sie entsprechen den produktbezogenen Vorschriften nach der „Keck“-Formel und sind demgemäß selbst dann hinsichtlich der Vereinbarkeit mit den Grundfreiheiten überprüfbar, wenn sie nicht-diskriminierend sind.1204 Als Beispiel wird das Inländer wie Ausländer gleichermaßen betreffende Verbot einer bestimmten ärztlichen Behandlungsmethode angeführt. Relative, nicht-diskriminierende Beschränkungen zeichnen sich im Gegensatz dazu dadurch aus, dass sie die Erbringung der Dienstleistung nicht verbieten, sondern lediglich Umstände bestimmen, unter denen die Dienstleistung ausgeübt bzw. erbracht werden kann.1205 Diese Regelungen betreffen also das „Wie“ der Dienstleistungserbringung und fallen damit unter die Gruppe der Verkaufsmodalitäten entsprechend dem „Keck“-Urteil, so dass diese nicht in den Anwendungsbereich der Dienstleistungsfreiheit fallen.1206 Bei lediglich die Modalitäten der Dienstleistungserbringung regelnden Vorschriften sei somit in Übertragung der „Keck“-Formel eine Anwendbarkeit des Art. 49 f. EGV von vornherein ausgeschlossen. Daher sei zuförderst auszuloten, ob lediglich eine relative, nicht-diskriminierende Dienstleistungsbeschränkung (Dienstleistungsmodalität/Modalität der Berufsausübung) vorliegt. Bei zivilrechtlichen Vertragspflichten/Leistungspflichten fällt unter diesen Vorgaben die Einordnung nicht schwer. Sie sind gerade ein Paradebeispiel für 1203

Kröck, S. 122. Kröck, S. 10 f., 133 ff. 1205 Kröck, S. 10. 1206 Kröck, S. 10, 122, 126, 308, wobei jedoch teilweise Widersprüchlichkeiten in der Formulierung verwirren: so scheint der Verf., abweichend von den Ausführungen zu Beginn der Bearbeitung (S. 10 f.) und zu den zusammenfassenden Schaubildern (S. 48, 143, 209, 221, 283, 293) innerhalb der relativen, nicht-diskriminierenden Beschränkungen noch einmal zu unterscheiden, ob die Ausübung der Grundfreiheiten von bestimmten individuellen Voraussetzungen (z. B. Nachweis einer entsprechenden ärztlichen Ausbildung) abhängig gemacht wird oder ob tatsächlich bloße Modalitäten der Ausübung der Grundfreiheiten geregelt werden (vgl. S. 38 f., S. 122, S. 126); jedoch ist bis auf den Punkt, dass im Rahmen der ersten Fallgruppe besonders zu prüfen sei, ob nicht doch eine versteckte Diskriminierung vorliegt, den Ausführungen nicht zu entnehmen, ob sich aus dieser Unterscheidung Folgen hinsichtlich der Anwendbarkeit der Grundfreiheiten ergeben; unklar wiederum die begrifflichen Gleichstellungen auf S. 133 („Nicht-diskriminierende Dienstleistungsmodalitäten, also relative Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit, sind von vornherein aus deren Anwendungsbereich der Dienstleistungsfreiheit ausgenommen.“) sowie auf S. 280 und 285 („Relative, nicht-diskriminierende Beschränkungen (Modalitäten der Berufsausübung) fallen unter entsprechender Anwendung der Keck-Formel nicht in den Anwendungsbereich des Art. 49 EGV.“; „. . . relative, nicht-diskriminierende Beschränkungen (Modalitäten) bedürfen keiner europarechtlichen Rechtfertigung, da der Anwendungsbereich von vornherein nicht eröffnet ist.“); genau entgegengesetzt ordnet Troberg, in: von der Groeben/Thiesing/Ehlermann, EUV/EGV, Art. 59 Rn. 29 Regelungen, die das „Wie“ einer Leistung bestimmen, sich also auf ihren Inhalt beziehen, als „produktbezogen“ ein. 1204

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Vorschriften, die das „Wie“ der Dienstleistungserbringung betreffen. Primäre Leistungspflichten regeln das vertragliche Pflichtengefüge zwischen Dienstleistungserbringer (Arzt) und Dienstleistungsempfänger (Patient), sekundäre Leistungspflichten bestimmen den Ausgleich bei Verletzung der Primärleistungspflichten. Geregelt wird also lediglich die privatrechtliche Beziehung zwischen beiden Parteien und nicht die Frage, ob die grenzüberschreitende Erbringung der Dienstleistung überhaupt möglich ist. Eine Herkunftsdiskriminierung1207, weder offen noch versteckt, wohnt diesen Regelungen ebenfalls nicht inne, so dass auch gemäß der Differenzierung Kröcks eine Einordnung des nationalen Arzthaftungsrechts, welches sekundäre Leistungspflichten zum Inhalt hat, als Dienstleistungsmodalität vorzunehmen ist und damit ein rechtfertigungsbedürftiger Beschränkungscharakter des nationalen Arzthaftungsrechts mangels Eröffnung des Anwendungsbereichs der Art. 49 f. EGV ausscheiden würde. (4) „Marktverhaltensrecht“ als dritte Kategorie Klauer1208 hält die Einordnung des allgemeinen Privatrechts, speziell des Schuldrechts, unter die „Keck“-Kriterien nur in seltenen Fällen1209 für möglich. Eine Qualifizierung als eindeutig produktbezogene oder vertriebsbezogene Bestimmung scheitere im Zivilrecht regelmäßig daran, dass die Normen weder die Herstellung oder Darbietung von Produkten noch deren Vertrieb regeln, sondern vielmehr einer dritten Kategorie staatlicher Normen angehören, die sich am besten mit dem Begriff „Marktverhaltensrecht“ umschreiben lasse. Die Behandlung dieser dritten Kategorie sei noch offen. Nur wenn man die Kategorie der vertriebsbezogenen Regelungen als Sammelbegriff für alle staatlichen Normen ansehen würde, die nicht produktbezogen sind, sei es möglich, diesen Seitenzweig zukünftig in der „Keck“-Rechtsprechung als Vertriebsmodalitäten aufgehen zu lassen.1210 Jedoch sei noch unsicher, wie sich der EuGH hinsichtlich der Reichweite des Begriffs der Vertriebsbezogenheit entscheiden wird. Klauer vermutet, dass der EuGH zur Umgehung einer konkreten Einordnung dieser Normen die bereits in den Entscheidungen „Krantz“1211 und „CMC Motorradcenter“1212 verfolgte Argumentationslinie der „zu ungewissen und zu mittelbaren“ 1207 Denkbar sind z. B. besondere Sorgfaltsvorschriften für Importeure vgl. Reich, in: Reich/Micklitz, Europäisches Verbraucherrecht, S. 62 unter Verweis auf EuGH, Urteil v. 20.5.1976, Rs. 104/75 (de Peijper), Slg. 1976, I-613. 1208 Klauer, Europäisierung des Privatrechts, S. 83; auch Mülbert, ZHR 159 (1995), 2, 18 merkt an, dass die meisten zivilrechtlichen Normen einer dritten Normengruppe angehören, über deren Behandlung der EuGH in „Keck“ und den Folgeurteilen schweigt. 1209 Als Beispiel werden privatrechtliche Regelungen der Haustürwerbung als eindeutige vertriebsbezogene Regelungen angeführt. 1210 Klauer, Die Europäisierung des Privatrechts, S. 95. 1211 EuGH, Urteil v. 7.3.1990, Rs. C-69/88 (Krantz), Slg. 1990, I-583, Rn. 10 f.

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Beschränkungen parallel zu „Keck“ weiterverfolgen wird.1213 Hier ging es um für den Verkäufer nachteilige gesetzliche Regelungen eines Mitgliedstaates (im Fall Krantz um ein staatliches Pfändungspfandrecht auch unter Eigentumsvorbehalt stehender Sachen im Besitz des Käufers, im Fall CMC Motorradcenter um Aufklärungspflichten des Verkäufers), die Marktteilnehmer aus anderen Mitgliedstaaten möglicherweise davon abhalten könnten, diesen Staat mit Waren zu beliefern. Der EuGH lehnte den Beschränkungscharakter derartiger Regelungen damit ab, dass diese unterschiedslos für alle Produkte gelten und nicht den Handelsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten regeln sollten und entschied weiterhin, dass die beschränkenden Wirkungen auf den Warenverkehr zu ungewiss und zu mittelbar seien, um als geeignet angesehen werden zu können, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu behindern.1214 Auch Remien erkennt an, dass das allgemeine Zivilrecht begrifflich eher zu einer dritten Kategorie „zivilrechtliches Marktverhaltensrecht“ zu zählen ist, jedoch müsse im Hinblick auf die Wahrung der privatrechtlichen Aufgabe des gerechten Interessenausgleichs für eine solche nicht einmal modalitätenbezogene dritte Kategorie erst recht das gleiche gelten wie für Verkaufsmodalitäten.1215 (5) Stellungnahme Ebenso wie bei der Frage, ob die „Keck“-Rechtsprechung auf die Dienstleistungsfreiheit übertragbar ist, geht auch das Meinungsspektrum hinsichtlich der Einordnung vertraglicher bzw. haftungsrechtlicher Privatrechtsnormen unter diesem Aspekt weit auseinander. Dies resultiert vorrangig aus der bestehenden Ungewissheit hinsichtlich der Begrifflichkeiten Produkt- und Verkaufs-/Vertriebsmodalitäten. Kröck bringt die „Keck“-Formel hinsichtlich nicht-diskriminierender Vorschriften auf ein schlichtes „Ob“ oder „Wie“ der Dienstleistungserbringung. 1212 EuGH, Urteil v. 13.10.1993, Rs. C-93/92 (CMC Motorradcenter), Slg. 1993, I5009, Rn. 10, 12. 1213 Zur parallel zu „Keck“ verfolgten „zu ungewiss und zu mittelbar“-Rechtsprechung des EuGH vgl. Feiden, Die Bedeutung der „Keck“-Rechtsprechung im System der Grundfreiheiten, S. 13, 25 f. m.w. N., welche die Formulierung „bestimmte Verkaufsmodalitäten“ ebenfalls für zu eng erachtet, um eine Erfassung aller Fälle, die aus dem Anwendungsbereich der Produktverkehrsfreiheiten ausgeschieden werden sollen, zu gewährleisten. 1214 Jeweils a. a. O. Fn. 1211, 1212. 1215 Remien, Zwingendes Vertragsrecht und Grundfreiheiten des EG-Vertrages, S. 194 f. unter Verweis auf die Ausführungen der Kommission und GA Mischo in EuGH, Urteil v. 11.5.1999, Schlussanträge von GA Mischo v. 7.7.1998, Rs. C-255/97 (Pfeiffer Großhandel GmbH/Löwa Warenhandel GmbH), Slg. 1999, I-2835, Rn. 26 (Vortrag der Kommission) und Rn. 37 (GA).

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Diese Unterscheidung wäre jedoch zu einfach, denn das „Wie“ der Leistungserbringung betrifft regelmäßig den Inhalt des „unsichtbaren Produkts“ Dienstleistung. Andere stellen demgegenüber bei der Einordnung allein auf das begriffliche Schema „Produktregelungen“ – „Verkaufsmodalitäten“ ab, ohne ein hinter der Terminologie stehendes, weitergehendes Konzept zu vermuten und kommen trotz allem zu unterschiedlichen Ergebnissen.1216 Insgesamt ist damit eine große Unsicherheit zu verzeichnen. „Keck“ hat nicht nur im Bereich der Warenverkehrsfreiheit mehr Fragen aufgeworfen als geklärt. Es erscheint daher meines Erachtens nicht sinnvoll, hinsichtlich der grundfreiheitlichen Relevanz des nationalen Arzthaftungsrechts allein auf eine mögliche Subsumierbarkeit unter die „Keck“-Terminologie zu vertrauen. Die Unsicherheit hinsichtlich klarer, handhabbarer Kriterien bezüglich der Differenzierung, die bereits für den Bereich des Art. 28 EGV besteht, würde damit verdoppelt, zumal bereits die Übertragbarkeit auf andere Grundfreiheiten als die Warenverkehrsfreiheit alles andere als geklärt ist. Auch aus dem Urteil „Alpine Investments“ scheint man nur auf den ersten Blick herauszulesen zu können, dass der EuGH von der grundsätzlichen Heranziehung der „Keck“-Formel auch im Rahmen der Dienstleistungsfreiheit ausgeht. Denn der Gerichtshof vermied in diesem Urteil grundsätzliche Aussagen zur Übertragung auf den freien Dienstleistungsverkehr. Vielmehr reagierte er lediglich auf das von den Regierungen der Niederlande und des Vereinigten Königreichs hervorgebrachte Argument, das fragliche Verbot der unerbetenen telefonischen Werbung für Finanzdienstleistungen wirke nicht diskriminierend und betreffe allein die Art und Weise der Dienstleistungserbringung und sei somit als Verkaufsmodalität i. S. d. „Keck“-Formel anzusehen. Der EuGH stellte nur fest, dass die „Keck“-Formel jedenfalls auf Vorschriften des Herkunftsstaats des Leistungserbringers (exportbezogene Vorschriften) keine Anwendung findet, da diese unmittelbar den Zugang zum Markt eines anderen Mitgliedstaates behindern und damit geeignet seien, den Dienstleistungsverkehr zu behindern.1217 Ob das fragliche Verbot des „cold calling“ grundsätzlich eine Vertriebsmodalität darstellt oder die „Keck“Formel im Falle einer vergleichbaren beschränkenden Vorschrift des Einfuhrstaates der Dienstleistung (Sitzstaat des Leistungsempfängers) übertragbar ist, wurde jedoch nicht erörtert. Eine Einordnung unter die Begrifflichkeit „Produktmodalität“ bzw. „Vertriebsmodalität“ erscheint m. E. mit Blick auf die daran geknüpften Schlussfolgerungen eher willkürlich. Die Grenzen zwischen beiden Kategorien sind im Dienstleistungssektor in vielen Bereichen fließend. Gerade bezüglich des Arzthaftungsrechts ließen sich für beide Kategorien gute Argumente anführen. Wäh1216

Vgl. unter (1) und (2). EuGH, Urteil v. 10.5.1995, Rs. C-384/95 (Alpine Investments), Slg. 1995, I1141, Rn. 36 ff.; vgl. auch Kort, JZ 1996, 132, 138. 1217

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rend im Bereich des Warenverkehrs regelmäßig zwischen Produkteigenschaften sowie den vertraglichen Primär- und Sekundärleistungspflichten unterschieden werden kann, ist hier das Produkt der „Einsatz des fachlichen Könnens gemäß den ärztlichen Berufsregeln zum Zweck der Heilung des Patienten nach Maßgabe des diesem zustehenden Selbstbestimmungsrechts“1218. Neben dem Versicherungs- und Bankgewerbe ist kaum ein Dienstleistungsbereich hinsichtlich der zu erbringenden Leistung so umfassend rechtlich determiniert wie das Rechtsverhältnis zwischen Arzt und Patient.1219 Die zu erfüllenden ärztlichen Sorgfalts- und Aufklärungspflichten sind durch die Rechtsprechung (richterliche Spruchpraxis) dezidiert festgelegt. Man spricht von Rechtsprechungsrecht bzw. „typisierte[r] Kasuistik der Zivilgerichte“1220. Wie bereits erörtert, kann der vertragliche Leistungsinhalt nur in ganz eng gefassten Ausnahmefällen Gegenstand individueller Vereinbarungen zwischen den Parteien sein. Damit formuliert die Judikatur durch die bereichsbezogene Ausdifferenzierung der allgemeinen Haftungsnormen die wesentlichen Maßgaben der ärztlichen Berufsausübung.1221 Der Gegenstand des Vertrages steht damit in unmittelbarer Wechselbeziehung zu dem durch richterliche Spruchpraxis geschaffenen Arzthaftungsrecht. Dies legt es nahe, entsprechend den Ausführungen der Ansicht zu (1) den nationalen arzthaftungsrechtlichen Regelungen produktgestaltenden Charakter beizumessen, so dass der Beschränkungstatbestand der Grundfreiheiten gemäß der „Keck“Formel nicht eingeengt wäre.1222 Demgegenüber könnte für eine Einordnung als reine Vertriebsmodalität sprechen, dass nationale Arzthaftungsregelungen in jedem Mitgliedstaat anzutreffen sind und grundsätzlich die Vorgänge betreffen, die sich innerhalb dieses Staates abspielen, also nicht schon sachrechtlich, sondern höchstens durch kollisionsrechtliche Anknüpfung auf außerhalb des diese Regelungen treffenden Staates stattfindende Behandlungen anwendbar sind.1223 Darüber hinaus resultiert aus der Anwendbarkeit eines fremden Arzthaftungsrechts regelmäßig keine Doppelbelastung des Arztes1224, die einen Wettbewerbsvorteil für die Wirtschaft des 1218

Bolsinger, Dogmatik der Arzthaftung, S. 18. Zur „Verrechtlichung“ der Arzt-Patienten-Beziehung ausführlich Katzenmeier, Arzthaftung, S. 30 ff. 1220 Isele, in: Mergen, Die juristische Problematik in der Medizin – Band 3, S. 11, 12; Laufs, in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, § 5 Rn. 9. 1221 Vgl. Katzenmeier, Arzthaftung, S. 79. 1222 Folge wäre, dass die Regelungen, auch wenn sie unterschiedslos für inländische wie für eingeführte Dienstleistungen gelten, verboten wären, es sei denn sie können durch zwingende Erfordernisse des Allgemeininteresses gerechtfertigt werden, vgl. EuGH, Urteil v. 24.11.1993, Rs. C-267/91 und C-268/91 (Keck und Mithouard), Slg. 1993, I-6097, Rn. 15. 1223 Vgl. Feiden, Die Bedeutung der „Keck“ Rechtsprechung im System der Grundfreiheiten, S. 58: „Regelungen über Verkaufsmodalitäten (. . .) haben in der Regel Vorgänge zum Gegenstand, die nur in diesem Staat stattfinden und nicht auch Gegenstand der entsprechenden Regelungen eines anderen Staates sein können.“ 1219

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Importlandes mit sich bringen könnte, da er sich, abgesehen von den Fällen des Art. 29 Abs. 1 EGBGB, auf die noch gesondert einzugehen ist, lediglich auf das Haftungsrecht der lex causae einzustellen hat. Die Situation der Erbringung einer Dienstleistung ist regelmäßig nicht vergleichbar mit der Produktion und dem Vertrieb einer Ware. Im grenzüberschreitenden Warenverkehr muss der Hersteller, sofern eine produktgestaltende Vorschrift vorliegt, sich sowohl auf die entsprechenden Regelungen im Herkunftsland der Ware als auch im Empfangsland einstellen, zumal ansonsten die Ware nicht zirkulationsfähig ist. Die besondere Belastung der Grenzüberschreitung durch produktbezogene Regelungen des Importstaates ist darin zu sehen, dass hierdurch Waren, die schon im Produktionsstaat (Exportstaat) bzw. in dem Staat, in dem sie bereits vorher rechtmäßig gehandelt wurden, hinsichtlich eines bestimmten Merkmals nacheinander von zwei Rechtsordnungen betroffen sind.1225 Verkaufsmodalitäten zeichnen sich demgegenüber regelmäßig dadurch aus, dass sie sich auf Vorgänge beziehen, die nur in diesem Staat stattfinden und damit schon faktisch nicht gleichzeitig Gegenstand entsprechender Regelungen eines anderen Mitgliedstaates sein können. Das Kriterium der Doppelbelastung, welches im freien Warenverkehr das Vorliegen einer produktgestaltenden Regelung auszeichnet, greift im Dienstleistungsbereich jedoch regelmäßig nicht, da hier der Anbieter nicht zwei Regelungsregimen unterliegt. Im Gegensatz zu Waren, die in einem Staat produziert und in einem anderen verkauft werden, fallen bei Dienstleistungen im allgemeinen Entstehung und Erbringung der Leistung gegenüber dem Empfänger in einem „Moment“ zusammen. Lediglich in den Fällen einer Standardisierung der Leistung, genauer gesagt, wenn die Dienstleistung als vorgefertigtes (vergegenständlichtes), lediglich zu reproduzierendes Produkt ausgeprägt ist, besteht die Möglichkeit, dass eine bereits in einem anderen Staat im vorhinein konzipierte Leistung im Empfangsstaat nicht in der geplanten Form erbracht werden kann.1226 Bei der ärztlichen Behandlungsleistung jedoch handelt es sich 1224 Eine Ausnahme bilden lediglich die Fälle der Sonderanknüpfung gem. Art. 29 Abs. 1 EGBGB, in welchen sich der Arzt abweichend von dem gewählten Recht auf das Arzthaftungsrecht im Verbraucherstaat einstellen muss, sofern dieses für den Verbraucher günstigere Normen bereit hält. 1225 Vgl. auch Feiden, S. 58. 1226 Roth, in: Andenas/Roth, Services and Free Movement in EU Law, S. 1, 18; Feiden, S. 131, 142 sowie 145 (Beispiel des Aufstellens eines Fertighauses); weitere Beispiele bei Troberg, in: von der Groeben/Thiesing/Ehlermann, EUV/EGV, Art. 59 Rn. 30, welcher u. a. das Standesrecht des Gastlandes als produktbezogene Hindernisse des Dienstleistungsverkehrs ansieht; wie bereits unter § 3 III. 3. d) bb) ermittelt, unterliegt der Arzt bei der Wahrnehmung der aktiven Dienstleistungsfreiheit sowie im Rahmen der grenzüberschreitenden Telemedizin (hier regelmäßig begrenzt durch das Herkunftslandprinzip) sowohl dem Standesrecht des Niederlassungs-/Sitzstaates als auch dem Standesrecht des Wirkungs-/Empfangslandes (Art. 34 EGBGB), so dass hier eindeutig eine Doppelbelastung vorliegt; dass das Standesrecht als Satzungsrecht der Kammern trotz des nicht staatlichen Ursprungs an den Freizügigkeitsregeln gemessen werden kann, entspricht der st. Rspr. des EuGH, vgl. zahlr. Nachweise bei Stumpf, in:

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um eine individuelle Leistung, die mit einer standardisierten und im Empfangsstaat nur zu reproduzierenden Dienstleistung nicht zu vergleichen ist. So individuell wie der Gesundheitszustand des einzelnen Patienten ist, so individuell ist auch die konkrete Einzelleistung, die der Arzt als Dienstleistungserbringer im Rahmen der Behandlung zu erbringen hat. Auf diese ist lediglich das durch kollisionsrechtliche Anknüpfung ermittelte Recht anwendbar. Auf dieses Recht kann sich der Erbringer der Behandlungsleistung kurzfristig bzw. vorübergehend und bezüglich jeder grenzüberschreitenden Leistung einstellen. Die im Rahmen der „Keck“-Rechtsprechung zu Art. 28 EGV gemachten Überlegungen hinsichtlich produktbezogener Vorschriften sind daher nicht ohne weiteres auf das nationale Arzthaftungsrecht übertragbar. Die enge Verknüpfung bzw. schwer mögliche Unterscheidung von Regelungen hinsichtlich des „unsichtbaren Produkts“ der Dienstleistung und der Art und Weise (Vertrieb) der Leistungserbringung machen eine „formale“ Reduzierung des Beschränkungsbegriffs entsprechend der „Keck“-Rechtsprechung im Bereich des Arzthaftungsrechts damit unmöglich. c) Ansätze zur Tatbestandseingrenzung der Dienstleistungsfreiheit Das heißt jedoch nicht, dass sich die hinter der „Keck“-Rechtsprechung stehende Problematik nicht auch im Dienstleistungsbereich stellt. Sollen tatsächlich staatliche Maßnahmen, auch wenn sie nur indirekt und höchst mittelbar den Dienstleistungsverkehr behindern, als zu rechtfertigender Verstoß gegen Art. 49 EGV zu werten sein? Gibt es vielleicht im Bereich des Dienstleistungsverkehrs ähnliche Ansätze für einen Tatbestandsausschluss von nur mittelbar den Dienstleistungsverkehr beeinträchtigenden Maßnahmen? Für die Klärung dieser Fragen gilt es im weiteren Verlauf zunächst genauer zu untersuchen, in welchen Konstellationen es hinsichtlich des grenzüberschreitenden Verkehrs der Erbringung respektive der Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen zu Behinderungen durch strengeres bzw. patientenunfreundlicheres nationales Arzthaftungsrecht kommen kann.

Dauses, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts – Band 1, E. II Rn. 17. Jedoch ist man sich hinsichtlich der standesrechtlichen Regelungen für freie Berufe weitgehend einig, dass diese mit Blick auf die Grundfreiheiten grundsätzlich zulässig sind, sofern sie dem Schutz wichtiger Gemeinwohlbelange dienen und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechen. Trotzdem gibt es allmählich Bestrebungen hinsichtlich einer Harmonisierung der mitgliedstaatlichen Berufsrechte (vgl. zum Ganzen Stumpf, in: Dauses, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts – Band 1, E. II Rn. 120 m.w. N.). Feiden, S. 146 spricht sich gegen eine generelle Einordnung des Standesrechts als produktbezogene Regelungen aus.

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aa) Fallgruppenbildung (1) Behinderungen des Dienstleistungserbringers (a) Arzt unterliegt bei Wahrnehmung der aktiven Dienstleistungsfreiheit/ Korrespondenzdienstleistungsfreiheit dem strengeren Arzthaftungsrecht des Sitzstaates (Art. 28 Abs. 2 EGBGB) Zunächst geht es um die Fallgruppe einer möglichen Beschränkung durch den Heimatstaat des Leistenden. Dass die Dienstleistungsfreiheit auch den Heimatstaat gegenüber Inländern verpflichtet und damit von Art. 49 EGV auch Behinderungen durch den Sitzstaat des Dienstleistungserbringers erfasst sind, ist allgemein anerkannt.1227 Fraglich ist jedoch, ob in diesen Fällen der Beschränkungsbegriff ebenso wie bei Maßnahmen des Importstaates nicht-diskriminierende, sonstige Beschränkungen in gleichem Maße erfasst. Anlass zur Erwägung einer unterschiedlich rechtlichen Bewertung gibt die Tatsache, dass es sich bei Regelungen des Imports einerseits und des Exports andererseits um zwei grundlegend verschiedene Situationen handelt. Während Regelungen des Imports auch ausländische Waren oder Dienstleistungserbringer betreffen, wirken sich Regelungen des Exports lediglich auf Inlandswaren bzw. inländische Dienstleistungserbringer aus.1228 Im Rahmen der Warenverkehrsfreiheit reduziert der EuGH die „Exportfreiheit“ gem. Art. 29 EGV (Ausfuhrbeschränkungen und Maßnahmen gleicher Wirkung) anders als bei Art. 28 EGV trotz des parallelen Wortlauts auf eine Art „Diskriminierungsverbot“1229, wobei jedoch nicht die Diskriminierung nach der Staatsangehörigkeit bzw. Ansässigkeit gemeint ist. Vielmehr darf grundsätzlich nicht danach differenziert werden, ob eine Ware die innergemeinschaftliche Grenze überschreitet oder nicht (keine „Diskriminierung“ des Außenhandels gegenüber dem Binnenhandel).1230 Neben den speziell die Ausfuhr von Waren betreffenden Regelungen werden somit nur Maßnahmen erfasst, die „spezifi1227 Vgl. Jarass, EuR 1995, 202, 210; Rolshoven, „Beschränkungen“ des freien Dienstleistungsverkehrs, S. 256 f.; Randelzhofer/Forsthoff, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Art. 49/50 Rn. 62 ff.; EuGH, Urteil v. 10.5.1995, Rs. C-384/93 (Alpine Investments), Slg. 1995, I-1141, Rn. 30 f. 1228 Vgl. dazu Kort, JZ 1996, 132, 137 m.w. N. 1229 Vgl. Roth, ZHR 159 (1995), 78, 82 („Reduktion der Exportfreiheit auf ein Diskriminierungsverbot“). 1230 St. Rspr. seit EuGH, Urteil v. 8.11.1979, Rs. C-15/79 (Groenveld), Slg. 1979, 3409, Rn. 7; vgl. auch EuGH, Urteil v. 14.7.1981, Rs. 155/80 (Oebel), Slg. 1981, I1993, Rn. 15; EuGH, Urteil v. 22.6.1999, Rs. C-412/97 (ED), Slg. 1999, I-3845, Rn. 10; EuGH, Urteil v. 16.5.2000, Rs. C-388/95 (Belgien/Spanien), Slg. 2000, I3123, Rn. 41; Roth, ZHR (159) 1995, 78, 81 f.; Rolshoven, S. 259 f.; Schmid, Freier Dienstleistungsverkehr und Recht des unlauteren Wettbewerbs, dargestellt am Beispiel der Telefonwerbung, S. 222.

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sche Beschränkungen der Ausfuhrströme bezwecken oder bewirken und damit unterschiedliche Bedingungen für den Binnenhandel innerhalb eines Mitgliedstaats und seinen Außenhandel schaffen, so dass die nationale Produktion oder der Binnenmarkt des betroffenen Staates zum Nachteil der Produktion oder des Handels anderer Mitgliedstaaten einen besonderen Vorteil erlangt.“1231 Würde man diese wesentlich restriktivere Auslegung des Beschränkungsbegriffs auf die Dienstleistungsfreiheit übertragen1232, wäre das nationale Arzthaftungsrecht als Maßnahme des Sitzstaates nicht von Art. 49 EGV erfasst. Denn im Falle der Anwendbarkeit des inländischen Arzthaftungsrechts auf Behandlungen, die im Ausland stattfinden, kommt es ja gerade zu einer Gleichbehandlung bzw. unterschiedslosen Behandlung von reinen Inlandssachverhalten und grenzüberschreitender Dienstleistungserbringung, so dass von einer Schlechterstellung der „Ausfuhr“ von Dienstleistungen gegenüber der Leistungserbringung im Ausfuhrmitgliedstaat und damit von einer protektionistischen Beschränkung nicht die Rede sein kann. Die Geltung des vertrauten Arzthaftungsrechts des Sitzstaates für Behandlungen im Ausland macht diese nicht weniger attraktiv für den Arzt als entsprechende Behandlungen im Inland. In einigen Urteilen zum freien Dienstleistungsverkehr scheint sich der EuGH für eine Übertragung des „untechnischen“ Diskriminierungsbegriffs1233 und damit der wesentlich restriktiveren Auslegung des Beschränkungsbegriffs auf die Fälle der Beeinträchtigung durch Maßnahmen des Sitzstaates des Leistenden auszusprechen, indem darauf abgestellt wird, ob die entsprechende Regelung die Erbringung von Dienstleistungen zwischen Mitgliedstaaten gegenüber der Erbringung von Dienstleistungen allein innerhalb eines Mitgliedstaates erschwert (spezifische Grenzübertrittsbehinderungen).1234 Im Gegensatz dazu steht die weite, im Vergleich zu den anderen Urteilen nicht an Art. 29 EGV 1231 EuGH, Urteil v. 8.11.1979, Rs. C-15/79 (Groenveld), Slg. 1979, 3409, Rn. 7; vgl. auch EuGH, Urteil v. 24.1.1991, C-339/89 (Alsthom Atlantique), Slg. 1991, I107, Rn. 15. 1232 Für eine analoge Anwendung im Bereich des Dienstleistungsverkehrs Roth, in: Dauses, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts – Band 1, E. I Rn. 182 ff., 186; ders., ZEuP 1994, 5, 8, 29; Schöne, Dienstleistungsfreiheit in der EG und deutsche Wirtschaftsaufsicht, S. 90 Fn. 338; Eilmansberger, JBl. 1999, 434, 450 f.; Holoubek, in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 49 EGV Rn. 92; gegen eine analoge Anwendung der Grundsätze zu Art. 29 EGV spricht sich ausdrücklich Drasch, Das Herkunftslandprinzip im internationalen Privatrecht, S. 161 ff. aus, welcher Behinderungen der Dienstleistungsfreiheit durch den Heimatstaat des Dienstleistenden nicht an den Art. 49 ff. EGV messen, sondern allein anhand von Art. 12 EGV überprüfen will, so dass allein offene und versteckte Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit als relevante Beschränkungen in Betracht kommen. 1233 So GA Lenz, Schlussanträge zu EuGH, Urteil v. 14.7.1994, Rs. C-379/92 (Peralta), Slg. 1994, I-3453, 3481. 1234 EuGH, Urteil v. 14.7.1994, Rs. C-379/92 (Peralta), Slg. 1994, I-3453, Rn. 50 f.; EuGH, Urteil v. 5.10.1994, Rs. C-381/93 (Kommission/Frankreich), Slg. 1994, 5145, Rn. 17 f.; EuGH, Urteil v. 28.4.1998, Rs. C-118/96 (Safir), Slg. 1998, I-1897,

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orientierte Auslegung des Beschränkungsbegriffs im bereits erwähnten Urteil „Alpine Investments“. Hier wird nicht darauf abgestellt, ob die Norm des Sitzstaats des Leistungserbringers dem eigenen Markt einen Vorteil gegenüber der grenzüberschreitenden Leistungserbringung verschafft. Vielmehr soll eine Beschränkung i. S. d. Art. 49 EGV auch dann in Betracht kommen, wenn die Regelung des Sitzstaates des Leistenden nicht nur Angebote betrifft, die Leistungsempfängern gemacht werden, die im Inland ansässig sind, sondern auch Angebote an Leistungsempfänger in einem anderen Mitgliedstaat.1235 Es handelt sich im besagten Fall um ein Verbot einer speziellen Art der Offerte von Dienstleistungen („cold calling“ – unaufgeforderte telefonische Werbung), welches auch die Kontaktaufnahme mit potentiellen Kunden in anderen Staaten betrifft. Da somit unmittelbar der Zugang zum Dienstleistungsmarkt in den anderen Mitgliedstaaten beeinflusst wird, sieht der EuGH diese Regelung des Sitzstaates des Dienstleistungserbringers als rechtfertigungsbedürftige Beschränkung i. S. v. Art. 49 EGV an.1236 Grundsätzlich erinnert der vom EuGH entschiedene Fall „Alpine Investments“ an die vorliegende Fallkonstellation, da hier die Dienstleistung bzw. der Dienstleistungserbringer die Grenze zum Dienstleistungsempfänger in einen anderen Mitgliedstaat überschreitet, mithin aus Sicht des Arztes eine Exportsituation gegeben ist. Möchte z. B. der deutsche Arzt per Telemedizin oder persönlich vor Ort einen Patienten in Tschechien behandeln und unterliegt er aufgrund entsprechender kollisionsrechtlicher Anknüpfung bezogen auf den konkreten Sachverhalt dem im Vergleich zum tschechischen Arzthaftungsrecht möglicherweise strengeren deutschen Heimatrecht, wäre er gegenüber dem tschechischen Arzt bei Tätigkeit am tschechischen Markt benachteiligt. Es ist jedoch fragwürdig, ob die Geltung des heimischen Arzthaftungsrechts entsprechend dem Verbot des „cold calling“ im Fall „Alpine Investments“ den Zugang zum Dienstleistungsmarkt anderer Mitgliedstaaten beeinflusst. Denn die nationalen Arzthaftungsbestimmungen greifen erst dann, wenn die Behandlung bereits vorgenommen worden ist und ein Kunstfehler bzw. eine Aufklärungspflichtverletzung zu verzeichnen ist. Der Charakter als zivilrechtliche Schadensersatz- und Haftungsnormen (Sekundäransprüche) impliziert, dass der Zugang zum Dienstleistungsmarkt anderer Mitgliedstaaten nicht unmittelbar behindert wird. Obwohl die Bestimmungen aufgrund des kollisionsrechtlichen Rechtsanwendungsbefehls (Art. 28 Abs. 2 EGBGB) nicht auf das Territorium des Sitzstaates des Rn. 22 f.; ebenso Roth, in: Dauses, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts – Band 1, E. I Rn. 186. 1235 EuGH, Urteil v. 10.5.1995, Rs. C-384/93 (Alpine Investments), Slg. 1995, I1141, Rn. 38. 1236 Vgl. auch Schmid, S. 223, welcher ebenfalls bei Beschränkungen durch den Herkunftsstaat die Behinderung des Zugangs zum Dienstleistungsmarkt in den anderen Mitgliedstaat als entscheidend erachtet.

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Arztes beschränkt sind, sondern auch zur Anwendung kommen können, wenn dieser außerhalb des Sitzstaates tätig ist, besteht die Gefahr der Doppelregelung für den Arzt bei der Ausgestaltung des grenzüberschreitenden Dienstleistungsprodukts nicht, so dass die Regelungen auch unter diesem Aspekt keine spezifische Beschränkung der Ausgangsfreiheit darstellen können. Dass die Geltung des heimischen Arzthaftungsrechts auch für Behandlungen im Ausland (sei es durch Wahrnehmung der aktiven Dienstleistungsfreiheit, sei es im Wege der Telemedizin) für den Arzt als Leistungserbringer nachteilig ist, beruht einzig und allein darauf, dass andere Mitgliedstaaten für in ihrem Gebiet ansässige Ärzte weniger strenge Arzthaftungsbestimmungen vorsehen. Denn nicht einmal Regelungsunterschieds- bzw. Regelungsanpassungskosten, die unter Umständen bei der Geltung der fremden Arzthaftungsbestimmungen des Ansässigkeitsstaates des Dienstleistungsempfängers (Tätigkeits- bzw. Bestimmungsstaat) anfallen, treten bei der Geltung des vertrauten Heimatrechts zutage. Der Unterschied in den nationalen Rechtsordnungen allein soll nicht ausreichend für die Annahme einer Beschränkung sein. Das macht der EuGH im Urteil „Alpine Investments“ ausdrücklich noch einmal deutlich. Das Verbot des „cold calling“ sei „. . . nicht allein deshalb eine Beschränkung [. . .] im Sinne des Art. 59 [a. F.], weil andere Mitgliedstaaten in ihrem Gebiet ansässige Erbringer gleichartiger Dienstleistungen weniger strengen Vorschriften unterwerfen“1237. Die bloße Tatsache, dass dieselbe Tätigkeit in einem Mitgliedstaat haftungsrechtlich weniger strengen Privatrechtsnormen unterworfen ist als in einem anderen, kann für sich genommen meines Erachtens noch keine Beschränkungswirkung auslösen. Denn ansonsten bestünde die Gefahr, dass jede regulierende staatliche Maßnahme, die sich kostenverursachend auf die Erbringung von Dienstleistungen im Inland auswirkt und aufgrund kollisionsrechtlicher Anknüpfung auch geeignet sein kann, die grenzüberschreitende Leistungserbringung zu regeln, auf den Prüfstand des primärrechtlichen Beschränkungsverbots zu stellen und damit einem Rechtfertigungszwang zu unterwerfen wäre. Die Anwendung der strengeren Regelungen des Herkunftslandes müssten sich dann an den zwingenden Erfordernissen des Allgemeinwohls und den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeitskontrolle messen lassen, was dazu führen könnte, dass der permissive Schutzstandard des Import- bzw. Empfangslandes mit Blick auf die Schutzziele als hinreichend anerkannt wird. Man würde dem Binnenmarktteilnehmer mittelbar das Recht einräumen, sich im Rahmen der grenzüberschreitenden Dienstleistungserbringung auf die Rechtsordnung zu berufen, die für ihn die liberaleren Regelungen bereithält.1238 Das kollisionsrechtliche Prinzip der ver1237 EuGH, Urteil v. 10.5.1995, Rs. C-384/93 (Alpine Investments), Slg. 1995, I1141, Rn. 27; ebenso schon EuGH, Urteil v. 14.7.1994, Rs. C-379/92 (Peralta), Slg. 1994, I-3453, Rn. 48. 1238 Für eine derart weite Auslegung des Beschränkungsverbots auch im Rahmen der Exportfreiheiten wohl Feiden, Die Bedeutung der „Keck“-Rechtsprechung im Sys-

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muteten engsten Verbindung vertraglicher Schuldverhältnisse zum Herkunftsland des Dienstleistungserbringers würde auf Rechtfertigungsebene der Grundfreiheitenkontrolle, genauer im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung, in eine Art „Günstigkeitsprinzip“ bzw. „Günstigkeitsanknüpfung“ umgewandelt.1239 Ein so weit verstandenes Beschränkungsverbot wäre mit dem bestehenden Binnenmarktkonzept, welches nicht darauf gerichtet, einen Markt mit einheitlichen Regeln zu schaffen,1240 wohl schwerlich vereinbar.1241 Auch der Sinn und Zweck der Schlusswendung in Art. 50 Abs. 3 EGV, wonach ein Dienstleistender seine Tätigkeit vorübergehend in einem anderen Mitgliedstaat ausüben darf, „und zwar unter den Voraussetzungen, welche dieser Staat für seine eigenen Angehörigen vorschreibt“, ist nicht darauf angelegt, das Recht des Tätigkeitsstaates vollumfänglich auf alle in- und ausländischen Dienstleistungserbringer für anwendbar zu erklären.1242 So führt der EuGH in seinem Urteil „Webb“ ausdrücklich aus: „Art. 60 Absatz 3 [a. F.] soll es in erster Linie dem Leistungserbringer ermöglichen, seine Tätigkeit in dem Mitgliedstaat, in dem die Leistung erbracht wird, ohne Diskriminierung gegenüber den Staatsangehörigen dieses Staats auszuüben. Er impliziert hingegen nicht, dass jede für die Staatsangehörigen dieses Staats geltende nationale Regelung, die normalerweise eine Dauertätigkeit von in diesem Staat ansässigen Unternehmen zum Gegenstand hat, in vollem Umfang auf zeitlich begrenzte Tätigkeiten angewandt werden könnte . . .“1243 Es geht also nicht darum, den Dienstleistenden zwingend unter erschwerende oder begünstigende Tätigkeitslandvorschriften zu

tem der Grundfreiheiten, S. 260 ff., welche das mögliche Interesse Dienstleistungserbringers, gezielt auf einem anderen Markt zu den dortigen Bedingungen anbieten zu wollen, ebenso umfassend geschützt wissen will wie das Interesse am Zugang zum Importmarkt mit den Standards seines Herkunftslandes im Rahmen der Importfreiheiten; erst im Rahmen der Rechtfertigung sei komplementär zur Intensität der Beschränkung ein entsprechend großzügig bemessener Beurteilungsspielraum zu gewähren, vgl. a. a. O., S. 263 f. 1239 In einem ähnlichen Zusammenhang auch Basedow, RabelsZ 59 (1995), 1, 16 f. und Gebauer, IPRax 1995, 152, 156. 1240 Vgl. dazu Kluth, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 49, 50 Rn. 56; Classen, EWS 1995, 97, 105. 1241 So wohl ebenfalls, wenn auch nicht ausdrücklich auf die kollisionsrechtliche Anwendbarkeit von Inlandsbestimmungen bezogen: Rolshoven, „Beschränkungen“ des freien Dienstleistungsverkehrs, S. 258 f., welcher jedoch m. E. zu weitgehend aus „Alpine Investments“ ableitet, dass der EuGH den Beschränkungsbegriff genauso weit fassen will wie in der „Grundkonstellation“ der Beschränkung durch den Tätigkeitsbzw. Empfangsstaat der Dienstleistung, vgl. a. a. O., S. 275; jedoch ergibt sich aus dem Urteil „Alpine Investments“ lediglich, dass auch nicht-diskriminierende Regelungen des Sitzstaates des Leistungserbringers Beschränkungen i. S. v. Art. 49 EGV darstellen können, wenn sie unmittelbar den Zugang zum Dienstleistungsmarkt in einem anderen Mitgliedstaat behindern. 1242 Vgl. unter § 4 II. 1. 1243 EuGH, Urteil v. 17.12.1981, Rs. C-279/80 (Webb), Slg. 1981, I-3305, Rn. 16.

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bringen, sondern darum, ihm den Zugang zu dem anderen Mitgliedstaat im Rahmen des freien Dienstleistungsverkehrs zu erleichtern.1244 Staatliche Maßnahmen des Heimatstaats des Leistenden besitzen also nur dann einen rechtfertigungsbedürftigen Beschränkungscharakter, wenn sie die grenzüberschreitende Dienstleistungserbringung in einem anderen Mitgliedstaat gegenüber der rein innerstaatlichen Dienstleistungserbringung benachteiligen oder unmittelbar den Zugang zum Dienstleistungsmarkt eines anderen Mitgliedstaates beeinflussen. Beides vermag die alleinige Anwendung des heimischen nationalen Arzthaftungsrechts des Arztes nicht zu leisten. (b) Arzt unterliegt bei Wahrnehmung der aktiven Dienstleistungsfreiheit/Korrespondenzdienstleistungsfreiheit dem strengeren Arzthaftungsrecht des Empfangsstaats (Art. 28 Abs. 5 EGBGB, Art. 29 Abs. 2 EGBGB) Hierbei handelt es sich um die Grundkonstellation im Rahmen der Grundfreiheiten, nämlich die einer möglichen Beschränkung des ausländischen Binnenmarktteilnehmers durch eine Regelung des Importstaates. Auch und gerade hier stellt sich die Frage nach der Tragweite des Beschränkungsverbots des Art. 49 EGV und damit der Tatbestandsmäßigkeit des nationalen Arzthaftungsrechts. Die weite Beschränkungsformel des EuGH gibt mit Blick auf den Wortlaut kaum Anhaltspunkte für eine verlässliche Eingrenzung. Auch die Rechtsprechung bzgl. einer sinnvollen Reduktion des weitläufigen Beschränkungsbegriffs ist in diesem Bereich keineswegs als gefestigt anzusehen. Vielmehr weichen die Argumentationslinien hinsichtlich nur mittelbar den Dienstleistungsverkehr beschränkender Regelungen voneinander ab. Zudem besteht auch in der Literatur alles andere als Einigkeit. Dass die „Keck“-Formel auf das Zusammenspiel von Dienstleistungsfreiheit und nationalem Arzthaftungsrecht nicht ohne weiteres übertragbar ist und daher als Anknüpfungspunkt für eine „formale“ Reduktion des Beschränkungsbegriffs nicht in Betracht kommt, wurde bereits festgestellt. (aa) Subsumtion unter den Begriff „sonstige Beschränkung“ Da die Anwendung nationaler Arzthaftungsvorschriften im grenzüberschreitenden Verkehr zunächst immer von der kollisionsrechtlichen Entscheidung des Forumstaates abhängt und aufgrund der unterschiedslosen Anwendbarkeit der Regelungen weder die Beschränkungsformen der offenen noch versteckten Ausländerdiskriminierung in Betracht kommen, ist im Weiteren der Frage nachzu1244 Vgl. auch Tiedje/Troberg, in: von der Groeben/Schwarze, EUV/EGV, Art. 49 Rn. 115 ff.

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gehen, inwieweit unterschiedslos anwendbares zwingendes Arzthaftungsrecht von dem Begriff der „sonstigen Beschränkungen“ erfasst ist. Erstmals ausdrücklich zu der Frage, in welchen Fällen nicht-diskriminierende Regelungen als „sonstige Beschränkungen“ der Dienstleistungsfreiheit in Betracht kommen, kam der EuGH im Jahre 1991 im Urteil „Säger“. In diesem weist er darauf hin, „. . . dass Art. 59 [a. F.] nicht nur die Beseitigung sämtlicher Diskriminierungen des Dienstleistungserbringers aufgrund seiner Staatsangehörigkeit, sondern auch die Aufhebung aller Beschränkungen – selbst wenn sie unterschiedslos für einheimische Dienstleistende wie für Dienstleistende anderer Mitgliedstaaten gelten – verlangt, wenn sie geeignet sind, die Tätigkeit des Dienstleistenden, der in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist und dort rechtmäßig ähnliche Dienstleistungen erbringt, zu unterbinden oder zu behindern.“1245 Damit war die Anwendbarkeit der Art. 49 f. EGV auf nicht-diskriminierende Regelungen bestätigt. In den darauffolgenden Jahren wurde diese Formel noch „verfeinert“, indem man zu den „sonstigen Beschränkungen“ auch Regelungen zählte, die geeignet sind, die Tätigkeit des Dienstleistungserbringers „. . . weniger attraktiv zu machen“.1246 Bei arzthaftungsrechtlichen Regelungen des Gastlandes des ausländischen Arztes handelt es sich regelmäßig um zwingende Vorschriften, die bei entsprechender kollisionsrechtlicher Anknüpfung sowohl für ihn als auch die inländischen Kollegen unterschiedslos gelten. Sind diese Regelungen strenger als die entsprechenden Regelungen des Niederlassungsrechts des ausländischen Arztes, unterbinden sie zwar nicht die Dienstleistungserbringung in dem anderen Mitgliedstaat. Auch ist eine Behinderung der Möglichkeit der Erbringung der ärztlichen Behandlungsleistung allein durch patientenfreundlichere Sekundäransprüche wohl schwer begründbar. Jedoch können aus der Geltung eines strengeren Arzthaftungsrechts für den Arzt wirtschaftliche Nachteile dergestalt erwachsen, dass gegenüber der reinen Inlandsbehandlung (gemeint ist die Behandlung im Niederlassungsstaat des Arztes) höhere Schadensersatzrisiken denkbar sind, die sich in höheren Prämien bei der Berufshaftpflichtversicherung niederschlagen können.1247 Dies ist geeignet, die Ausübung der Tätigkeit im ausländischen Regelungsstaat gegenüber der Inlandstätigkeit wirtschaftlich weniger attraktiv zu machen, auch wenn der Haftpflichtfall nicht die Regel, sondern regelmäßig die zu vermeidende Ausnahme darstellt. Die unterschiedlichen Sorgfaltsstandards und Aufklärungspflichten, welche neben dem Maßstab für die Feststellung ei1245

EuGH, Urteil v. 25.7.1991, Rs. C 76/90 (Säger), Slg. 1991, I-4221, Rn. 12. EuGH, Urteil v. 30.11.1995, Rs. C-55/94 (Gebhard), Slg. 1995, I-4165, Rn. 37; EuGH, Urteil v. 12.12.1996, Rs. C-3/95 (Reisebüro Broede), Slg. 1996, I-6511, Rn. 25; EuGH, Urteil v. 28.3.1996, Rs. C-272/94 (Guiot), Slg. 1996, I-1905, Rn. 10; EuGH, Urteil v. 9.7.1997, Rs. C-222/95 (Parodi), Slg. 1997, I-3899, Rn. 18; EuGH, Urteil v. 3.10.2000, Rs. C-58/98 (Corsten), Slg. 2000, 7919, Rn. 33. 1247 Vgl. unter § 4 I. 1. b). 1246

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nes Behandlungsfehlers/einer Aufklärungspflichtverletzung auch Inhalt der Primärleistungspflicht sind1248, zwingen den Arzt zudem, sich mit den höheren Anforderungen an seine Tätigkeit umfassend auseinander zu setzen, um sich nicht schadensersatzpflichtig zu machen. All dies kann dazu führen, dass der Arzt als Leistungserbringer von einem Engagement im Gesundheitsbereich dieses Mitgliedstaates absieht. Im Ergebnis erinnert die Geltung eines strengeren Arzthaftungsrechts damit an die jüngst verwendete Formel des EuGH hinsichtlich des Beschränkungsbegriffs, in der es heißt: „Die Anwendung der nationalen Regelungen des Aufnahmemitgliedstaates auf Dienstleistende ist geeignet, Dienstleistungen zu unterbinden, zu behindern oder weniger attraktiv zu machen, soweit daraus zusätzliche Kosten und zusätzliche administrative und wirtschaftliche Belastungen folgen.“1249 Zwar mag der Effekt in einem Großteil der Fälle eher geringfügig sein. Da es nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes aber zum einen nicht darauf ankommt, ob die Beschränkung bereits eingetreten ist oder die staatliche Maßnahme nur geeignet ist, die Behinderung hervorzurufen1250 und zum anderen das Ausmaß der Beeinträchtigung nicht entscheidend ist, so dass auch Hemmnisse von nur geringer Bedeutung relevant sind1251, scheint der Subsumtion strengerer arzthaftungsrechtlicher Regelungen des Empfangslandes/Bestimmungslandes unter den weiten Beschränkungsbegriff der EuGH-Rechtsprechung grundsätzlich nichts entgegenzustehen. An dieser Stelle sei noch einmal, wie bereits im Rahmen der Prüfung des Kollisionsrechts, erwähnt, dass den aus der Anwendbarkeit einer fremden Rechtsordnung folgenden Informations- bzw. Rechtsberatungskosten und -risiken allein keine grundfreiheitenrelevante Bedeutung zukommt, da diese Mehrbelastung allein schon aus der Unterschiedlichkeit der mitgliedstaatlichen privatrechtlichen Regelungen resultiert, welche in den nicht harmonisierten Rechtsgebieten eine gemeinschaftsrechtlich tolerierte Folge der Regelungszuständigkeiten der Mitgliedstaaten ist.1252 Anknüpfungspunkt einer möglichen Beschränkungswirkung kann somit im Rahmen des Sachrechts allein die Geltung eines strengeren Rechts sein.

1248 Vgl. Katzenmeier, in: FS für Laufs, S. 909, 925, welcher die Enttäuschung des Vertrauens in die Zusage eines bestimmten Standards als Gedanken der Berufshaftung anführt. 1249 EuGH, Urteil v. 25.10.2001, verb. Rs. C-49/98, C-50/98, C-52/98 bis C-54/98 und C-68/98 bis C-71/98 (Finalarte u. a.), Slg. 2001, I-783, Rn. 30; ebenso EuGH, Urteil v. 15.3. 2001, Rs. C-165/98 (Mazzoleni/ISA), Slg. 2001, I-2189, Rn. 24. 1250 Schmid, Freier Dienstleistungsverkehr und Recht des unlauteren Wettbewerbs, dargestellt am Beispiel der Telefonwerbung, S. 221. 1251 Vgl. EuGH, Urteil v. 13.12.1989, C-49/89 (Corsica Ferries France), Slg. 1989, 4441, Rn. 8; vgl. auch Reich, in: Reich/Micklitz, Europäisches Verbraucherrecht, S. 62. 1252 Fetsch, Eingriffsnormen und EG-Vertrag, S. 183; Langner, RabelsZ 65 (2001), 222, 237; Franzen, Privatrechtsangleichung durch die europäische Gemeinschaft, S. 157; vgl. auch unter IV. 2. b) a. E.

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Die Frage ist nun, ob dieses weite Verständnis des Beschränkungstatbestandes mit Blick auf Hindernisse durch den Bestimmungsstaat der Leistung tatsächlich angezeigt und von Rechtsprechung und Literatur durchgehend verfolgt wird. Sollen tatsächlich alle mitgliedstaatlichen Regelungen, die Wirtschaftsteilnehmer davon abhalten könnten, in diesem Staat Dienstleistungen zu erbringen, an den Art. 49 ff. EGV zu messen sein? Mit anderen Worten: Soll die eben beschriebene hemmende Wirkung zwingenden nationalen Arzthaftungsrechts ausreichen, um im Rahmen des Beschränkungsverbots der Dienstleistungsfreiheit eine Überprüfung anhand der zwingenden Erfordernissen des Allgemeininteresses und des Verhältnismäßigkeitsprinzips auszulösen? Wenn die „Keck“-Judikatur auf den vorliegenden Rechtsbereich im Rahmen der Dienstleistungsfreiheit auch nicht, wie oben festgestellt, übertragbar ist, so ist doch zumindest eine Tendenz zur Abkehr von dem von der Rechtsprechung entwickelten, sehr weitreichenden Beschränkungsverbot zu erkennen und zwar in der Form, dass von den Grundfreiheiten nicht jegliche Belastung der wirtschaftlichen Betätigung erfasst und damit dem Rechtfertigungserfordernis unterworfen sein soll.1253 Ansonsten würde eine Ausweitung der Grundfreiheiten zur allgemeinen Handlungsfreiheit mit der Folge der Notwendigkeit immer weitergehender Rechtfertigungsmöglichkeiten drohen. Eine völlige Konturlosigkeit des Beschränkungsbegriffs wäre das Resultat. (bb) „Zu ungewiss und zu mittelbar“ Die Frage, inwieweit die Auswirkungen der in den Mitgliedstaaten unterschiedlich geregelten Haftungskonzepte (etwa in Form zwingender vertraglicher oder deliktischer Haftung) als Handelsbeeinträchtigungen in Betracht kommen, stellte sich bisher lediglich im Rahmen zweier Urteile des EuGH, beide im Bereich des freien Warenverkehrs. In der bereits erwähnten „Alsthom-Atlantique“-Entscheidung des EuGH wurde diskutiert, inwieweit die strengen französischen Grundsätze der Haftung des Verkäufers in der Absatzkette eine für die französischen Exporteure nachteilige Exportbeschränkung darstellen kann. Eine solche Beschränkung1254 wurde mit der Begründung verneint, dass die in der Rechtssache angeführte Rechtsprechung der französischen Cour de cassation unterschiedslos für alle dem französischen Recht unterliegenden Handelsbeziehungen gilt und weder den Zweck noch die Wirkung habe, speziell die Ausfuhrströme zu beschränken und somit die nationale Produktion oder den nationalen Binnenmarkt zu begünstigen.1255 1253

Vgl. dazu Fetsch, S. 91 ff. Anknüpfungspunkt war die Mehrbelastung der französischen Verkäufer im Vergleich zu den deutschen Konkurrenten. 1255 Vgl. EuGH, Urteil vom 24.1.1991, Rs. C-339/89 (Alsthom Atlantique), Slg. 1991 I-107, Rn. 15. 1254

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Es fehlte also an der unter (a) angesprochenen Diskriminierung des Außenhandels gegenüber dem Binnenhandel (spezifischen Ausfuhrbeschränkung), so dass ein Verstoß gegen Art. 29 EGV nicht vorliegt. Da es damit nicht um eine mit der vorliegenden Konstellation vergleichbare Importsituation und damit um die Frage der Anwendbarkeit des Art. 28 EGV geht, bringt diese Entscheidung in dieser Hinsicht keinen weiteren Erkenntnisgewinn. Im bereits vor „Keck“ entschiedenen Yamaha-Fall „CMC Motorradcenter“1256 ging es um die Frage, inwieweit eine (richterliche) Regel, wonach ein Händler (Parallelimporteur) Käufer eines Markengutes darauf aufmerksam machen muss, dass die Kaufsache aus einem Parallelimport stammt und die offiziellen Vertragshändler dieser Firma regelmäßig die Ausführung von Herstellergarantiearbeiten verweigern, mit dem Verbot von Maßnahmen gleicher Wirkung vereinbar ist. In diesem ein Einfuhrhindernis bzw. eine Importkonstellation betreffenden Fall stellte der EuGH zum einen fest, dass „. . . die vorvertragliche Aufklärungspflicht nach deutschem Schuldrecht zumindest bei Erzeugnissen aus der Gemeinschaft ohne Unterschied für alle diesem Recht unterliegenden vertraglichen Beziehungen gilt und nicht den Handelsverkehr regeln soll.“1257 Zum anderen seien „. . . die restriktiven Wirkungen, die von der Aufklärungspflicht auf den freien Warenverkehr ausgehen könnten, zu ungewiß und zu mittelbar, als daß diese Verpflichtung als geeignet angesehen werden könnte, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu behindern.“1258 In die gleiche Richtung geht das zweite wichtige Urteil des EuGH hinsichtlich einer Behinderung durch nationales Privatrecht, die Entscheidung „Krantz“1259. Hier ging es zwar nicht, wie in den Urteilen „Alsthom Atlantique“ und „CMC Motorradcenter“ um haftungsrechtliche Aspekte. Die für den Verkäufer nachteilige gesetzliche Regelung bestand vielmehr in einer sachenrechtlichen Vorschrift, und zwar in einem staatlichen Pfändungspfandrecht auch unter Eigentumsvorbehalt stehender Sachen im Besitz des Käufers, das die Marktteilnehmer aus anderen Mitgliedstaaten möglicherweise davon abhalten könnte, diesen Staat mit Waren zu beliefern. Der EuGH lehnte aber auch hier den Beschränkungscharakter des streitigen Pfandrechts ab, und zwar mit der Begründung, dass dieses unterschiedslos für alle Produkte (inländische wie ein1256

EuGH, Urteil v. 13.10.1993, Rs. C-93/92 (CMC Motorradcenter), Slg. 1993, I-

5009. 1257

Slg. 1993, I-5009, Rn. 10 (CMC Motorradcenter). Slg. 1993, I-5009, Rn. 10, 12 (CMC Motorradcenter); Klauer, Die Europäisierung des Privatrechts, S. 92 ff. nimmt entgegen der Ansicht des EuGH eine relevante Behinderung des freien Warenverkehrs an und verlagert die Diskussion auf die Rechtfertigungsebene (übergeordnete Allgemeinwohlinteressen, insbesondere Verhältnismäßigkeitsprüfung). 1259 EuGH, Urteil v. 7.3.1990, Rs. C-69/88 (Krantz), Slg. 1990, I-583; gegen die Verneinung des Anwendungsbereichs der Warenverkehrsfreiheit wiederum Klauer, Die Europäisierung des Privatrechts, S. 90 f. 1258

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geführte) gelte und nicht den Warenverkehr mit anderen Mitgliedstaaten regeln soll und dass die beschränkenden Wirkungen der angesprochenen nationalen Rechtsvorschrift auf den Warenverkehr so ungewiss und nur von mittelbarer Bedeutung seien, dass sie nicht als geeignet angesehen werden können, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu behindern.1260 Erscheint dem EuGH eine Beschränkung durch bestimmte mitgliedstaatliche Regelungen für nahezu ausgeschlossen, so verwendet er also die Formel, dass ihre Auswirkungen auf die Warenströme „zu ungewiss und zu mittelbar“ sind, um dem strengen Kontrollstandard des Beschränkungsverbots unterworfen werden zu müssen; vielmehr unterliegen derartige Regelungen ebenso wie Verkaufsmodalitäten i. S. d. „Keck“-Doktrin dem weniger strengen Diskriminierungsverbot. Zwar stammen die Urteile „Alsthom Atlantique“, „CMC Motorradcenter“ und „Krantz“ aus der Zeit vor „Keck“, jedoch wurde diese Rechtsprechungslinie neben der in „Keck“ vollzogenen formalen Reduzierung des Anwendungsbereichs der Warenverkehrsfreiheit fortgeführt.1261 Klauer vermutet in der parallelen Weiterverfolgung dieser Rechtsprechung durch den EuGH die Umgehung einer Einordnung von Normen, die jedenfalls nicht produktbezogen sind, als vertriebsbezogene Regelungen, obwohl sie ebenso wenig eine Beziehung zum Vertrieb konkreter Waren haben.1262 Feiden sieht in der wiederholten Anwendung dieser Rechtsprechungslinie nach „Keck“ ein Zeichen dafür, dass die Formulierung „bestimmte Verkaufmodalitäten“ zu eng sei, um alle Fälle zu erfassen, die aus dem Anwendungsbereich der Warenverkehrsfreiheit ausgeschlossen sein sollen.1263 Fetsch erkennt die Normen, deren Einwirkung auf die Warenströme als „zu ungewiss und zu mittelbar“ bezeichnet wird, im Bereich der Warenverkehrsfreiheit gem. Art. 28 EGV als dritte Normengruppe neben den Produktregelungen und den Verkaufsmodalitäten i. S. d. „Keck“-Doktrin an, die ebenso wie Verkaufsmodalitäten dem weniger strengen Diskriminierungsverbot unterliegen.1264 Tatsächlich handelt es sich im Rahmen der „zu ungewiss und zu mittelbar“-Rechtsprechung des EuGH regelmäßig um Normen,

1260

EuGH, Urteil v. 7.3.1990, Rs. C-69/88 (Krantz), Slg. 1990, I-583, Rn. 10 f. EuGH, Urteil v. 14.7.1994, Rs. C-379/92 (Peralta), Slg. 1994, I 3453, Rn. 24 (Vorgaben für Schiffsausrüstungen aus Umweltschutzgründen), EuGH, Urteil v. 5.10.1995, Rs. C-96/94 (Centro Servizi Spediporto), Slg. 1995, I-2883, Rn. 41 (Zwingende Transporttarife); EuGH, Urteil vom 30.11.1995, Rs. C-134, 94 (Esso Española), Slg. 1995, I-4223, Rn. 24 (Versorgungspflicht für spanische Inseln durch Ölgroßhändler); EuGH, Urteil v. 17.10.1995, verb. Rs. C-140 bis 142/94 (DIP u. a.), Slg. 1995, I3257, Rn. 29 (Genehmigungspflicht für Einzelhandelsgeschäft); EuGH, Urteil v. 18.6.1998, Rs. C-266/96 (Corsica Ferries France), Slg. 1998, I-3949, Rn. 31; EuGH, Urteil v. 21.9.1999, Rs. C-44/98 (BASF), Slg. 1999, I-6269, Rn. 16, 21. 1262 Klauer, S. 95. 1263 Feiden, Die Bedeutung der „Keck“-Rechtsprechung im System der Grundfreiheiten, S. 25 f. 1264 Fetsch, Eingriffsnormen und EG-Vertrag, S. 96. 1261

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die die innerstaatliche Geschäftstätigkeit ohne einen spezifischen Bezug zur Einfuhr von Waren bzw. Dienstleistungen zum Inhalt haben. Schmid sieht in der erörterten Rechtsprechung eine sinnvolle Einschränkung des Gewährleistungsbereichs der Grundfreiheiten bezüglich Sachverhalten ohne wirklichen innergemeinschaftlichen Bezug.1265 Für den Bereich der Dienstleistungsfreiheit folgert er daraus, dass die „. . . bloße Tatsache, dass dieselbe Tätigkeit in einem Mitgliedstaat stärkeren Restriktionen unterworfen ist als in einem anderen . . .“, keine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit darstellen kann. In den nicht gemeinschaftsrechtlich harmonisierten Bereichen sei dies die natürliche Folge der Regelungszuständigkeit der Mitgliedstaaten. Diese Wertung sei zudem den Ausführungen des EuGH in einer Reihe von Urteilen zu entnehmen, wonach ein Verstoß gegen den Grundsatz der Nichtdiskriminierung nicht darin gesehen werden kann, dass die Marktteilnehmer in anderen Mitgliedstaaten weniger strengen Vorschriften unterworfen sind.1266 Hinsichtlich der letztgenannten Erwägung ist jedoch zu beachten, dass sich diese Urteile allein auf die unter (a) besprochenen Fälle der Ausfuhrfreiheit beziehen und damit nicht ohne weiteres auf den umgekehrten Fall der Beeinträchtigung durch strengere Vorschriften des Importstaates übertragen werden können. Auch die Regelungszuständigkeit der Mitgliedstaaten in noch nicht harmonisierten Bereichen kann kein entscheidendes Abgrenzungskriterium sein, da gerade in diesen Rechtsgebieten das Beschränkungspotential durch einzelne nationale Rechtsvorschriften gegeben ist, während durch Harmonisierung auf europarechtlicher Ebene in Form der Angleichung bzw. Vereinheitlichung der nationalen Standards eine Beschränkung aufgrund bestimmter mitgliedstaatlicher Vorschriften vermieden wird. Fraglich ist damit letztendlich doch wieder, ab wann von einer „zu ungewissen und zu mittelbaren“ Regelung gesprochen werden kann. Ein greifbares Abgrenzungsmerkmal zeigt auch Schmid nicht auf. Insgesamt ist damit die Übertragung der erörterten Rechtsprechung im Bereich des Warenverkehrs aufgrund der vagen Formulierung ebenso wenig Rechtssicherheit schaffend wie der Versuch der Einordnung von Haftungsvorschriften unter die formale Differenzierung nach „Keck“. (cc) Beschränkungsverbot als Prüfungsmaßstab für Regelungen mit marktzugangssperrender oder -behindernder Wirkung (spezifisch grenzüberschreitende Belastung) Nach einer immer stärker werdenden Ansicht in der Literatur1267 ist der durch das „Keck“-Urteil eingeleiteten „partielle[n] Rückkehr zum Diskriminie1265 Schmid, Freier Dienstleistungsverkehr und Recht des unlauteren Wettbewerbs, dargestellt am Beispiel der Telefonwerbung, S. 226. 1266 Vgl. Nachweise bei Schmid, Fn. 645.

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rungsverbot“1268 sowohl für die Warenverkehrsfreiheit als auch für die anderen Grundfreiheiten, unabhängig von der Frage der Übertragbarkeit der „Keck“-Formel, folgendes zu entnehmen: Die Haupterwägung der „Keck“-Rechtsprechung, dass grenzüberschreitende Wirtschaftsvorgänge nicht stärker belastet werden dürfen als innerstaatliche, impliziere eine Beschränkungswirkung dann, „. . . wenn Rechtsvorschriften aus zwei Rechtsordnungen (Sitz- und Empfangsstaat) kumulativ Beachtung verlangen, und auch dann, wenn der Grenzübertritt als solcher gegenüber dem rein innerstaatlichen Vorgang schlechter gestellt wird.“1269 Lediglich Regelungen des Aufnahmestaates mit potentiell marktzugangssperrender bzw. -behindernder Wirkung (z. B. Vertriebs- und Tätigkeitsverbote1270 sowie Zulassungsregelungen1271) sowie Normen, die trotz oder gerade aufgrund ihrer unterschiedslosen Anwendbarkeit bei ausländischen Anbietern zu einer Doppelregelung und damit -belastung führen und diesen folglich stärker belasten bzw. materiell diskriminieren1272, seien damit weiterhin am Prüfungsmaßstab des Beschränkungsverbotes zu messen. Produktgestaltende Regelungen im Sinne der „Keck“-Rechtsprechung, welche Anforderungen an die Aufmachung und Zusammensetzung des Erzeugnisses stellen, würden deshalb ohne weiteres in den Anwendungsbereich der Produkt-

1267 Fetsch, S. 100 f. i.V. m. S. 92 f.; Roth, Europäisches Versicherungsrecht, in: Honsell, Berliner Kommentar zum Versicherungsvertragsgesetz, Rn. 22 f.; ders., in: Dauses, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts – Band 1, E. I Rn. 178 f.; ders., in: CMLRev 31 (1994), 845, 853; Franzen, Privatrechtsangleichung durch die europäische Gemeinschaft, S. 127 f., 131 f., 156 ff.; Streinz, Europarecht, Rn. 806–809; Classen, EWS 1995, 97, 101; Fallenböck, Internet und Internationales Privatrecht, S. 138 f.; Ludwigs, Rechtsangleichung nach Art. 94, 95 EG-Vertrag, S. 364; Randelzhofer/Forsthoff, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Art. 49/50 Rn. 54, 98 ff.; Matthies, in: FS für Everling, S. 803, 813 ff.; Steiner, CMLRev 29 (1992), 749, 770; Ackermann, RIW 1994, 189, 194 bzgl. der Warenverkehrsfreiheit: „Ein der Funktion der Warenverkehrsfreiheit gerecht werdender Ausgleich zwischen dem Ziel der Binnenmarktintegration und der mitgliedstaatlichen Regelungsautonomie ist nur dann gewährleistet, wenn man von einer „mechanischen“ Anwendung der Dassonville-Formel absieht und nur solche mitgliedstaatlichen Regelungen den gemeinschaftlichen Rechtfertigungsanforderungen unterwirft, die geeignet sind, die Wareneinfuhr spezifisch zu beschränken.“ 1268 Vgl. Fetsch, S. 100; Mülbert, ZHR 159 (1995), 2, 33; Sack, EWS 1994, 37, 44; Wolf, JZ 1994, 1151, 1155 i.V. m. Fn. 66; Rohe, RabelsZ 61 (1997), 1, 18; Roth, in: Marktwirtschaft und Wettbewerb im sich erweiternden europäischen Raum, S. 21, 28. 1269 Franzen, S. 132 unter Verweis auf Classen, EWS 1995, 97, 101. 1270 Vgl. EuGH, Urteil v. 24.3.1994, Rs. C-275/92 (Schindler), Slg. 1994, I-1039, Rn. 43–45; EuGH, Urteil v. 18.3.1980, Rs. 52/79 (Debauve), Slg. 1980, 833, Rn. 12. 1271 EuGH, Urteil v. 6.6.1996, Rs. C-101/94 (Kommission/Italien), Slg. 1996, I2691, Rn. 31. 1272 Zur Formulierung der „materiellen Diskriminierung“ vgl. Roth, Europäisches Versicherungsrecht, in: Honsell, Rn. 23; Fetsch, S. 100 m.w. N. aus der EuGH-Rechtsprechung.

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verkehrsfreiheiten fallen, weil regelmäßig eine Doppelregelung sowohl durch den Herkunfts- als auch den Empfangsstaat vorliegt.1273 Gleiches gelte für die Dienstleistungsfreiheit. Auch hier gehe es darum, „doppelte Anforderungen an die Gestaltung des unkörperlichen Produkts sowohl durch Regelungen des Herkunfts- als auch des Empfangsstaates“ zu vermeiden.1274 Mit anderen Worten komme einer intern zwingenden schuldvertragsrechtlichen Vorschrift erst dann eine potentiell produktgestaltende und damit den Marktzutritt behindernde Wirkung zu, wenn sie ein abweichendes objektiv oder subjektiv bestimmtes Vertragsstatut durchbricht.1275 Versteht man das Verbot der belastenden Doppelregelung in diesem Sinne, kommt eine Doppelbelastung bezogen auf das ArztPatienten-Verhältnis lediglich in den Fällen der Anwendbarkeit der Art. 29 Abs. 1, 29a, 34, 6 EGBGB in Betracht, da sich nur dort Abweichungen vom objektiv (Art. 28, Art. 29 Abs. 2 EGBGB) oder subjektiv (Art. 27 EGBGB) ermittelten Vertragsstatut ergeben. Dieses Verständnis einer belastenden Doppelregelung wird jedoch von Franzen im Rahmen der Erörterungen zum Vertragsstatut nicht konsequent weiterverfolgt. Vielmehr stellt dieser an anderer Stelle im Widerspruch zu den eben gemachten Ausführungen darauf ab, ob es sich um Verträge handelt, die dem „Grundsatz der objektiven Anknüpfung an die vertragscharakteristische Leistung“1276 (gemeint ist die Regelanknüpfung gem. Art. 28 Abs. 2 EGBGB) unterliegen oder nicht. Unterliegen Verträge nicht der Vertragsrechtsordnung des Leistungserbringers, wie z. B. Verträge mit Verbrauchern, die unter den Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 2 EVÜ (Art. 29 Abs. 1 EGBGB) zustande kommen und mangels Rechtswahl gem. Art. 5 Abs. 3 EVÜ (Art. 29 Abs. 2 EGBGB) dem Umweltrecht des Verbrauchers unterstellt sind, sei von einer belastenden Doppelregelung auszugehen.1277 Verstünde man das Verbot der belastenden Doppelregelung in diesem Sinne, fielen nicht nur Sachnormen, die aufgrund der oben genannten, vom objektiven oder subjektiven Vertragsstatut abweichenden Anknüpfungen zur Anwendung berufenen werden, darunter, sondern auch die vertragsrechtlichen Normen, die aufgrund einer anderen objektiven Anknüpfung als der des Art. 28 Abs. 2 EGBGB/Art. 4 Abs. 2 EVÜ zur Anwendung kommen. Neben der genannten objektiven Anknüpfung gem. Art. 29 Abs. 2 EGBGB würde dies zudem Art. 28 Abs. 5 EGBGB/Art. 4 Abs. 5 EVÜ betreffen. Schlägt man diesen Weg ein, erscheint jedoch der Begriff der Doppelregelung sehr fraglich, da hier gerade nicht zwei Rechtsordnungen kumulativ Beachtung verlangen, 1273

Franzen, S. 127, 146. Franzen, S. 132. 1275 Franzen, S. 148, 153, 162. 1276 Vgl. Franzen, S. 147, wobei die Wortwahl irreführend ist, da nicht die vertragscharakteristische Leistung Anknüpfungspunkt i. S. d. Art. 28 Abs. 2 EGBGB (Art. 4 Abs. 2 EVÜ) ist, sondern der Sitz/Aufenthalt des Erbringers der charakteristischen Leistung; noch unverständlicher ist daher die Formulierung a. a. O., S. 146, wonach die Art. 4 Abs. 2 EVÜ, Art. 28 Abs. 2 EGBGB objektiv anknüpfen „. . . an die Erbringung der vertragscharakteristischen Leistung und hilfsweise an den Sitz des Leistenden“. 1277 Franzen, S. 147. 1274

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sondern lediglich eine andere als die dem Dienstleistungserbringer bekannte. Diese zum oben angeführten Verständnis einer Doppelregelung widersprüchlichen Ausführungen gründen m. E. lediglich in einem falschen Verständnis der Ermittlung des objektiven Vertragsstatuts im Rahmen des internationalen Schuldvertragsrechts. Franzen verkennt anscheinend, dass es sich bei der Anknüpfung gem. Art. 28 Abs. 2 EGBGB/ Art. 4 Abs. 2 EVÜ nur um eine Vermutung der maßgeblichen engsten Verbindung gem. Art. 28 Abs. 1 EGBGB/Art. 4 Abs. 1 EVÜ handelt, von der bei Bestehen einer engeren Verbindung i. S. d. Art. 28 Abs. 5 EGBGB/Art. 4 Abs. 5 EVÜ oder eines unter den Voraussetzungen des Art. 29 Abs. 1 EGBGB/Art. 5 Abs. 1 und 2 EVÜ zustande gekommenen Verbrauchervertrages abgewichen werden muss. Vielmehr erachtet er z. B. die Anknüpfung gem. Art. 29 Abs. 2 EGBGB/Art. 5 Abs. 3 EVÜ als Einschränkung des objektiven Vertragsstatuts statt als eigenständige objektive Anknüpfung zur Ermittlung des Vertragsstatuts.1278 Daher muss es bei der grundsätzlichen Wertung bleiben, dass erst dann eine Doppelregelung vorliegt, wenn sich eine zwingende vertragliche Vorschrift gegen das objektiv oder subjektiv bestimmte Vertragsstatut durchsetzt, wie es in den Konstellationen der Art. 29 Abs. 1, 29a, Art. 34 und Art. 6 EGBGB der Fall ist.

Mit Blick darauf, dass nationale Arzthaftungsvorschriften keine Eingriffsnormen i. S. d. Art. 34 EGBGB darstellen und der sachliche Anwendungsbereich des Art. 29a EGBGB zwingende Arzthaftungsbestimmungen nicht erfasst, spielen für die Frage der Doppelregelung durch arzthaftungsrechtliche Vorschriften praktisch allein die durch Art. 29 Abs. 1 EGBGB geschaffenen Grenzen der Parteiautonomie eine Rolle.1279 Die weitere theoretische Möglichkeit des Aufkommens von Doppelregelungen aufgrund unterschiedlicher kollisionsrechtlicher Anknüpfungen des fraglichen Rechtsverhältnisses in Herkunfts-/Sitz- und Empfangs-/Bestimmungsland1280 und daraus resultierender unterschiedlicher Vertrags-/Haftungsstatute dürfte für den Bereich der vertraglichen Schuldverhältnisse mit Blick auf die seit dem 1.8.2004 bestehende unmittelbare Auslegungskompetenz des EuGH praktisch nicht mehr relevant werden. Mit Inkrafttreten der „Rom I“-Verordnung werden zudem auch die Neumitglieder der EU automatisch an das gemeinschaftsweit einheitliche internationale Schuldvertragsrecht gebunden sein, was die bisherige Praxis des eigens notwendigen Beitritts zum EVÜ überflüssig machen wird. Gleiches gilt für den Bereich der außervertraglichen Schuldverhältnisse mit dem Inkrafttreten der „Rom II“-Verordnung. 1278 Ersichtlich aus der Wortwahl, welche sich an die Ausführungen zu Art. 5 Abs. 3 EVÜ (Art. 29 Abs. 2 EGBGB) unmittelbar anschließt: „. . . Außerdem erfährt das objektive Vertragsstatut Einschränkungen durch zwingende Vorschriften („mandatory rules, lois de police“) des Forumstaates (Art. 7 Abs. 2 EVÜ = Art. 34 EGBGB) sowie im Einzelfall bei Verstößen gegen den „Ordre Public“ (Art. 16 EVÜ = Art. 6 EGBGB).“, vgl. Franzen, S. 147. 1279 Dazu unter (c). 1280 Dazu auch Roth, Europäisches Versicherungsrecht, in: Honsell, Berliner Kommentar zum Versicherungsvertragsgesetz, Rn. 39; ders., ZEuP 1994, 5, 27; Lurger, Regulierung und Deregulierung im europäischen Privatrecht, S. 70.

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Auch eine Doppelbelastung der grenzüberschreitenden Dienstleistungstätigkeit in Form einer zusätzlichen Geltung der Regelungen des Empfangslandes liegt nicht vor, da außer in den Fällen des Art. 29 Abs. 1 EGBGB vom Arzt immer nur das Recht einer Rechtsordnung (der lex causae), in diesem Fall der des Empfangslandes, zur Anwendung gelangt.1281 Der Arzt ist also nicht zusätzlich dem Haftungsrecht seines Herkunftslandes unterworfen. Gerade im Schuldvertragsrecht werden Doppelregelungen der grenzüberschreitenden Tätigkeit durch das vereinheitlichte Kollisionsrecht im Rahmen des Römer Schuldvertragsübereinkommens vermieden.1282 Nach Franzen reicht jedoch das Vorliegen einer Doppelregelung für die Annahme einer produktgestaltenden Vorschrift i. S. d. „Keck“-Rechtsprechung nicht aus. Hinzukommen müsse auch bei unkörperlichen Dienstleistungen eine konkrete produktgestaltende Wirkung der so zur Anwendung berufenen Normen.1283 Denn nur dann seien die Vorschriften geeignet, den Zugang zum Markt eines anderen Mitgliedstaates für dieses Produkt/diese Dienstleistung zu versperren oder stärker zu behindern, als dies für inländische Erzeugnisse der Fall ist.1284 Franzen unterscheidet hierbei danach, ob durch die Vorschriften die Leistung selbst determiniert und damit das Produkt selbst inhaltlich bestimmt wird, oder ob lediglich der Anspruch auf die Leistung ausgestaltet wird.1285 Sowohl bezüglich der Warenverkehrsfreiheit als auch bezüglich der Dienstleistungsfreiheit geht er davon aus, dass vertragsrechtliche Vorschriften, welche lediglich die (primären und sekundären) Ansprüche auf das Produkt (die Leistung) ausgestalten bzw. umschreiben, grundsätzlich keine marktzugangsbehindernde Wirkung und damit keinen produktgestaltenden Charakter i. S. d. „Keck“-Doktrin aufweisen.1286 Dies gelte gleichermaßen für deliktsrechtliche Ansprüche, da auch zivilrechtliche Verkehrspflichten als solche den Marktzugang für das Produkt/die Leistung in einem anderen Mitgliedstaat nicht verhindern und damit keine kontingentierende Wirkung haben.1287 Dieser fehlende nicht unmittelbar produktgestaltende Charakter bedeute aber nicht ein grundsätzliches Herausfallen der entsprechenden Vorschriften aus dem Anwendungsbereich der Produktverkehrsfreiheiten (Freiheit des Waren- und Dienstleistungsverkehrs). Lediglich die bei Produktregelungen anzunehmende „Vermutungswirkung“ entfalle. Letztendlich kommt es, fordert man mit Franzen über das Erfordernis der Doppelregelung hinaus einen produktgestaltenden Charakter der Regelung,

1281

Vgl. die Ausführungen im Rahmen der Ausgangsfreiheit, S. 293 f. Vgl. auch Roth, Europäisches Versicherungsrecht, in: Honsell, Berliner Kommentar zum Versicherungsvertragsgesetz, Rn. 39. 1283 Franzen, S. 147. 1284 Franzen, S. 127 f., 147, 153, 162. 1285 Franzen, S. 135, 162. 1286 Franzen, S. 135 (bzgl. Warenverkehrsfreiheit), S. 152 (bzgl. Dienstleistungsfreiheit); Im Rahmen des freien Dienstleistungsverkehrs zieht Franzen ebenso wie Remien (Fn. 1198) eine produktgestaltende Wirkung am ehesten bei vertraglichen Vorschriften bezüglich Bank- oder Versicherungsgeschäften in Betracht, aber auch nur dann, wenn sie sich auf den Umfang des Versicherungsschutzes beziehen, vgl. Franzen, S. 151– 153. 1287 Franzen, S. 135 (bezogen auf die Produkthaftpflicht), S. 136, 153. 1282

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doch wieder zu der unter V. 2. b) cc) erörterten, im Rahmen des Dienstleistungssektors fragwürdigen Abgrenzung zwischen Produkt- und Verkaufsmodalitäten.

Hinsichtlich der Einordnung anderweitiger materiell-privatrechtlicher Vorschriften sei lediglich entscheidend, inwieweit den entsprechenden Vorschriften marktzugangsbehindernde Wirkung zukommt, ohne dass auf eine klare Subsumtion unter den Terminus „Verkaufsmodalitäten“ i. S. d. „Keck“-Rechtsprechung ankommen soll. Während bei produktbezogenen Vorschriften von einer Schlechterstellung des grenzüberschreitenden gegenüber dem innerstaatlichen Handel aufgrund der Doppelregelung grundsätzlich auszugehen ist1288, muss hier die Schlechterstellung eigens geprüft werden.1289 Ein Beschränkungscharakter und damit die Eröffnung des Anwendungsbereichs der Produktverkehrsfreiheiten sei nach der Terminologie der „Keck“-Rechtsprechung außerhalb von produktgestaltenden Regelungen dann nicht gegeben, wenn die Vorschriften „für alle im Inland tätigen Wirtschaftsteilnehmer gelten und den Absatz der inländischen Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten rechtlich wie tatsächlich in gleicher Weise berühren.“1290 Bezüglich privatrechtlicher Vorschriften komme lediglich die Frage auf, inwieweit der Zwang zur Anpassung des Produktumfeldes an die unterschiedlichen Rechtsordnungen als „tatsächlich ungleiche Berührung“ im Sinne der „Keck“-Rechtsprechung gewertet werden kann, etwa dadurch, dass der Importeur gezwungen werde, je nach Mitgliedstaat unterschiedliche Absatzförderungssysteme anzuwenden, was sich in einer Verteuerung der einzuführenden Erzeugnisse auswirken könne.1291 Als Beispiele werden der Verlust dinglicher Sicherheiten an Exportgütern bei Grenzübertritt sowie der Anpassungszwang der allgemeinen Geschäftsbedingungen an die unterschiedlichen Vertragsrechte der einzelnen Mitgliedstaaten genannt, letzteres aufgrund der zwingenden Wirkung der Regelungen über die Verwendung allgemeiner Geschäftsbedingungen bei Verträgen gegenüber Nichtkaufleuten.1292 Darüber hinaus könne man auch im Banken- und Versicherungsgewerbe aufgrund der kol1288

Franzen, S. 130, 133, 146 f. Vgl. Franzen, S. 131 (im Gegensatz zu der Vermutungswirkung bei produktgestaltenden Vorschriften). 1290 Franzen, S. 154 unter Verweis auf EuGH, Urteil v. 24.11.1993, Rs. C-267, 268/ 91 (Keck und Mithouard), Slg. 1993 I-6097, Rn. 16. 1291 Franzen, S. 154. 1292 Vgl. z. B. §§ 24 Abs. 1 Nr. 1, 12 AGBG a. F.; § 12 AGBG ist mit der Übernahme in den neuen Art. 29a EGBGB durch Art. 3 Nr. 3 und Art. 6 Abs. 3 Nr. 5 des Gesetzes über Fernabsatzverträge zum 30.6.2000 aufgehoben worden; im Gegensatz zu § 12 AGBG findet Art. 29a EGBGB jedoch keine Anwendung, wenn das Recht eines EU/EWR-Staates gewählt wurde, da der Gesetzgeber davon ausging, dass es dann mit dem in diesem Mitgliedstaat geltenden Recht sein Bewenden haben sollte, zumal jeder EU/EWR-Staat zur Umsetzung von EG-Richtlinien verpflichtet ist und damit kein weitergehendes Schutzbedürfnis besteht, vgl. Begründung BT-Drs. 14/2658, S. 50; vgl. dazu Palandt-Heldrich, EGBGB, Art. 29a Rn. 4 f.; Staudinger-Magnus, EGBGB, Art. 29a Rn. 31 f., 60. 1289

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lisionsrechtlichen Vorgaben in den einschlägigen Richtlinien, welche den Anbieter zwingen, sich auf die unterschiedlichen vertragsrechtlichen Vorschriften der Vermarktungsstaaten einzustellen, Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit vermuten.1293 In diese Beispielreihe ließe sich unter Umständen auch der Anpassungszwang an ein möglicherweise strengeres Arzthaftungsrecht des Empfangsstaates einordnen, und zwar aufgrund der alleinigen Geltung der fremden Arzthaftungsvorschriften des Empfangsstaates gem. Art. 28 Abs. 5 EGBGB (hauptsächlich Fälle der horizontalen Arbeitsteilung) oder gem. Art. 29 Abs. 2 EGBGB.1294 Auf die denkbaren Kostenfaktoren für den Arzt wurde bereits unter I. 1. b) eingegangen. Wie jedoch Franzen richtig bemerkt, kann nicht jede Beeinträchtigung durch Verteuerung für den Unternehmer aufgrund materiell unterschiedlicher Rechtsordnungen eine Behinderung des freien Produktverkehrs darstellen. Entscheidend muss nach Sinn und Zweck der „Keck“-Rechtsprechung sein, dass daraus eine Schlechterstellung des grenzüberschreitenden gegenüber dem innerstaatlichen Vorgang resultiert, also die den ausländischen Importeur (Arzt) treffende erhöhte Kostenbelastung zu einem relevanten Wettbewerbsvorteil für den inländischen Anbieter führt.1295 Dies sei beispielsweise dann der Fall, wenn die Kostenbelastungen für ausländische Anbieter einen Marktzugang vollständig verhindern würden, was regelmäßig jedoch nicht zutreffe.1296 Als weitere Beispiele werden genannt: innerstaatliche Bestimmungen, die im grenzüberschreitenden Verkehr häufiger als im innerstaatlichen Verkehr vorkommende Vertriebs- oder Absatztätigkeiten beschränken, eine hinreichende Produktinformation der Verbraucher unterbinden oder die eine innerstaatliche Produktion schützen.1297 Liege eine solche faktische Schlechterstellung nicht 1293 Franzen, S. 155 sowie für Versicherungsverträge S. 231 f.; ausführlich zum Schuldstatut der Versicherungsverträge Reithmann/Martiny-Mankowski, Internationales Vertragsrecht, Rn. 1320 ff.; Bruinier, Der Einfluss der Grundfreiheiten auf das Internationale Privatrecht, S. 153 f. m.w. N. sieht bereits in den entsprechenden mitgliedstaatlichen Kollisionsnormen, die für Versicherungsverträge über Massenrisiken und Lebensversicherungen zwingend die Anwendung des Rechts am Aufenthaltsort des Versicherungsnehmers vorschreiben, eine rechtfertigungsbedürftige Beeinträchtigung der von den Grundfreiheiten geschützten Nachfragerfreiheit der Versicherungsnehmer. 1294 Bei dem Anpassungszwang an das strengere Arzthaftungsrecht des Empfangsstaates zusätzlich zur Geltung des Rechts des Herkunftslandes des Arztes aufgrund der Anknüpfung gem. Art. 29 Abs. 1 EGBGB ergibt sich der marktzutrittsbehindernde Charakter bereits aus der Doppelregelung, vgl. dazu unter V. 2. c) aa) (1) (c). 1295 Franzen, S. 128, 154, 157, vgl. EuGH, Urteil v. 24.11.1993, verb. Rs. C-267/91 und C-268/91 (Keck und Mithouard), Slg. 1993, I-6131, Rn. 17: „Sind diese Voraussetzungen nämlich erfüllt, so ist die Anwendung derartiger Regelungen auf den Verkauf von Erzeugnissen aus einem anderen Mitgliedstaat, die den von diesem Staat aufgestellten Bestimmungen entsprechen, nicht geeignet, den Marktzugang für diese Erzeugnisse zu versperren oder stärker zu behindern, als sie dies für inländische Erzeugnisse tut. Diese Regelungen fallen daher nicht in den Anwendungsbereich von Artikel 30 EWG-Vertrag.“ 1296 Franzen, S. 157 f. 1297 Franzen, S. 161 i.V. m. Fn. 267, 268.

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vor, sei der Gewährleistungsgehalt der Produktverkehrsfreiheiten nicht betroffen, eine Überprüfung hinsichtlich der sachlichen Berechtigung einer innerstaatlichen Privatrechtsnorm sei vom Kontrollumfang der Grundfreiheiten nicht erfasst.1298 Derartige Regelungen ohne spezifisch marktzutrittsbehindernde Wirkungen seien damit aus dem Beschränkungsverbot des Art. 49 EGV auszunehmen. Wie bereits unter (aa) angemerkt, besitzen arzthaftungsrechtliche Regelungen keine mit Vertriebs- und Tätigkeitsverboten bzw. Zulassungsregelungen vergleichbaren, unmittelbar marktzutrittbehindernden Wirkungen. Im Bereich der mitgliedstaatlichen Arzthaftungsrechte existieren auch keine fremdenrechtlichen Bestimmungen, die den ausländischen Arzt materiell-rechtlich schlechter stellen, z. B. indem sie ihm besondere Sorgfaltspflichten auferlegen.1299 Zudem kommt den erhöhten Kostenbelastungen für ausländische Ärzte aufgrund strengerer Arzthaftungsvorschriften kein prohibitiver Effekt in der Form zu, dass der Marktzugang für Ärzte aus anderen Mitgliedstaaten verhindert wird und damit ein relevanter Wettbewerbsvorteil für die Ärzte im Importstaat entsteht.1300 Vielmehr gelangen die strengeren Vorschriften erst dann zur Anwendung, wenn infolge einer bereits erfolgten Tätigkeit im Empfangsland der Patient als Empfänger der ärztlichen Leistung zu Schaden gekommen ist. Zudem wird der ausländische Arzt im Haftungsfall auch nicht mit zusätzlichen Kosten (Schadensersatzsummen bzw. Versicherungsprämien) belastet, die den konkurrierenden inländischen Anbieter in der konkreten Situation nicht träfen. Denn inländische wie ausländische Anbieter unterliegen bei Anwendung derselben arzthaftungsrechtlichen Regelungen gleichermaßen einer entsprechenden Kostenbelastung.1301 Damit fehlt es auch an einer faktischen Schlechterstellung des grenzüberschreitenden gegenüber dem innerstaatlichen Dienstleistungsverkehr. Unter diesen Gesichtspunkten dürfte den unterschiedlichen arzthaftungsrechtlichen Bestimmungen der einzelnen Mitgliedstaaten keine marktzugangsbeschränkende Wirkung beizumessen sein.1302 1298

Franzen, S. 128. Vgl. Roth, ZEuP 1994, 5, 25 f.; Mülbert, ZHR 159 (1995), 2, 32, welcher bzgl. der Vorschriften des BGB insgesamt keine Anhaltspunkte für einen diskriminierenden Charakter sieht. 1300 Vgl. Franzen, S. 157 f. 1301 Zur Frage der Kostenbelastung aufgrund doppelter Regelungsanforderungen vgl. Fetsch, Eingriffsnormen und EG-Vertrag, S. 145, 196. 1302 Fetsch, S. 183 f. sieht selbst in divergierenden nationalen Vorschriften, die als international zwingende Normen eine besondere Haftung vorschreiben, grundsätzlich keine Beschränkungen der Waren- oder Dienstleistungsfreiheit. Die Belastung für den Marktzutritt sei deshalb als „zu ungewiss und zu mittelbar“ anzusehen, weil die Verkehrsfähigkeit der Ware bzw. Dienstleistung durch derartige Regelungen unberührt bleibe. Für den Bereich der rein intern zwingenden Haftungsvorschriften dürfte diese Argumentation des Verfassers damit erst recht gelten. 1299

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In die gleiche Richtung geht auch der von Feiden statuierte „EG-weit-Test“, wonach nur eine besondere Belastung der Grenzüberschreitung im Gegensatz zu Regelungen, die lediglich einen Teilmarkt weniger attraktiv machen, dem allgemeinen Beschränkungsverbot unterliegen soll.1303 Sofern kein direktes Anknüpfen an die Grenzüberschreitung bzw. eine offene oder versteckte Diskriminierung vorliegt, soll mit Blick auf die Abgrenzung und Herausfilterung grenzüberschreitender Belastungen die Frage gestellt werden, ob eine EG-weite Regelung des gleichen Inhalts wie die zu überprüfende mitgliedstaatliche Maßnahme die gleiche Belastung für die konkret in Frage stehende Dienstleistung bewirken oder doch anders auf den Marktteilnehmer wirken würde.1304 Hinter dieser Überlegung steht die Intention, die Fälle, in denen ein Produkt nacheinander von zwei Rechtsordnungen zum Anknüpfungspunkt einer Regelung gemacht wird, von den Konstellationen zu unterscheiden, bei denen lediglich parallel gleichartige Vorgänge in verschiedenen Mitgliedstaaten von möglicherweise unterschiedlichen Regelungen betroffen sind. Mit Blick auf die Geltung des strengeren Arzthaftungsrechts des Importstaates ist diesbezüglich folgendes zu sagen: Würden die entsprechend höheren Sorgfalts- bzw. Aufklärungspflichten EG-weit bestehen, müsste sie der Arzt auch in seinem Herkunftsstaat erfüllen. Gleiches gilt hinsichtlich bestimmter Beweislastregeln, Kausalitätsvermutungen oder Haftungssummen. Im Bereich der Erbringung medizinischer Behandlungsleistungen ist es nicht so, dass der Anbieter nacheinander zwei Regelungsregimen unterliegt. Denn es handelt sich nicht um eine im Voraus nach den am Herkunftsort gültigen Vorschriften konzipierte Leistung, bei welcher die EGweit geltende Regelung des Importstaates eine andere Wirkung hätte, da eine rechtmäßige Produktkonzeption im Herkunftsstaat gar nicht möglich gewesen wäre, so dass beim Grenzübergang keine Probleme aufgetreten wären.1305 Die 1303 Feiden, Die Bedeutung der „Keck“-Rechtsprechung im System der Grundfreiheiten, S. 125 ff., 131. 1304 So im Ansatz auch Roth, Europäisches Versicherungsrecht, in: Honsell, Berliner Kommentar zum Versicherungsvertragsgesetz, Rn. 37. 1305 Vgl. Feiden, S. 131 f.; der grenzüberschreitenden Dienstleistungserbringung kommt regelmäßig kein zirkulierender Charakter zu, so dass die dem freien Warenverkehr eigene, dezentrale Regelungszuständigkeit für Produktanforderungen an dieser Stelle keine Bedeutung erlangt, vgl. auch Roth, Europäisches Versicherungsrecht, in: Honsell, Berliner Kommentar zum Versicherungsvertragsgesetz, Rn. 37 f.; dies gilt auch für den Bereich der grenzüberschreitenden diagnostischen Verfahren (z. B. Teleradiologie und Telepathologie). Zwar ist auf diesen Gebieten eine umfangreiche technische Standardisierung zu verzeichnen, so dass man sich fragen könnte, ob die Unterwerfung unter die Sorgfaltsanforderungen des Empfangsstaates möglicherweise Abweichungen von dem im Herkunftsstaat ablaufenden Programm erforderlich machen können. Hier ist jedoch zu beachten, dass diese Telemedizinanwendungen Telemediendienste i. S. d. § 1 TMG darstellen und damit auch grundsätzlich dem Herkunftslandprinzip nach § 3 TMG unterfallen. Die Standardisierung der technischen Programme im Rahmen der Telemedizin beruht auf öffentlich-rechtlichen Normen zur Gerätesicherheit. In Deutschland ergeben sich die entsprechenden Betreiberpflichten aus dem Medizinproduktegesetz und seinen Verordnungen. Denn auch die zur telematischen In-

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Leistung entsteht vielmehr erst dann, wenn sie dem Patienten gegenüber erbracht wird. Dies gilt auch hinsichtlich der Tätigkeit des Telemediziners, welcher die Behandlung des Patienten von seinem Herkunftsland aus vornimmt. Auch dieser unterliegt hinsichtlich der zivilrechtlichen Haftung allein einer Rechtsordnung und ist nicht nacheinander zwei Regelungsregimen unterworfen. Wirkt ein deutscher Arzt in Großbritannien in einem Ärzteteam bei einer Operation mit, unterliegt er allein den dortigen arzthaftungsrechtlichen Regelungen, genauso wie der britische Arzt in der spiegelbildlichen Situation den deutschen Regelungen unterliegen würde. Es handelt sich also um die Fallgruppe, in denen nur parallel gleichartige Vorgänge in verschiedenen Mitgliedstaaten von unterschiedlichen Regelungen betroffen sind, so dass auch nach Feidens Differenzierung die strengeren privatrechtlichen Haftungsvorschriften des Importstaates keine spezifische Belastung der Grenzüberschreitung darstellen, sondern einen Teilmarkt des Binnenmarktes weniger attraktiv machen und damit wie vertriebsbezogene Regelungen nicht-diskriminierender Natur entsprechend der „Keck“-Doktrin im Warenverkehrsbereich aus der Grundfreiheitenkontrolle ausscheiden. (dd) Berücksichtigung „entfernt“ beschränkender Maßnahmen auf der Rechtfertigungsebene (Güterabwägung) Andere halten schließlich die genannten Begrenzungen des Beschränkungsbegriffs mit Blick auf das Binnenmarktprinzip nicht für überzeugend und präferieren eine materiell-wertende Berücksichtigung der genannten Aspekte auf der Rechtfertigungsebene.1306 Der Anwendungsbereich der Grundfreiheiten sei bei Behinderungen durch unterschiedliche Anforderungen aufgrund der Kollision

formationsübermittlung erforderliche Hard- und Software fällt in den Anwendungsbereich des MPG. Wie auch das öffentliche Berufsrecht unterliegen diese Sicherheitsvorschriften dem Herkunftslandprinzip, so dass der Arzt, der seine Dienste entsprechend dem technischen Standard seines Heimatrechts erbringt, diesbezüglich keine zusätzlichen Restriktionen im Empfangsstaat zu befürchten hat. 1306 Rolshoven, „Beschränkungen“ des freien Dienstleistungsverkehrs, S. 243; Klauer, Die Europäisierung des Privatrechts, S. 96 ff.; Lurger, Regulierung und Deregulierung im europäischen Privatrecht, S. 100 ff.; wohl auch in diese Richtung tendierend: Müller-Graff, in: Lando/Magnus/Novak-Stief, Angleichung des materiellen und des internationalen Privatrechts in der EU, S. 7, 11; Langer, RabelsZ 65 (2001), 222, 234 ff.; von Wilmowsky, ZEuP 1995, 735, 736 f.; ders., JZ 1996, 590, 593, welcher jedoch von der These ausgeht, dass das Ziel der Grundfreiheiten die Gewährleistung der Privatautonomie sei und daher, unter Ablehnung der „Keck“-Rechtsprechung, im Grundsatz jede mitgliedstaatliche Regelung, die geeignet ist, den binnenmarktgrenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehr zu belasten, einem Rechtfertigungszwang zu unterwerfen sei; daher sei auch das gesamte (sowohl zwingende als auch dispositive) Vertragsrecht im Falle grenzüberschreitender Sachverhalte im Rahmen einer umfassenden Kontrolle anhand der zwingenden Erfordernisse des Allgemeininteresses überprüfbar.

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zweier Rechtsordnungen grundsätzlich eröffnet.1307 Sofern die Unterschiedlichkeit der berührten Rechtsordnungen wie in den Fällen „Alsthom Atlantique“ und „Krantz“ die grenzüberschreitende Tätigkeit beeinträchtige und einen Diversifikationszwang hervorrufe, wenn auch nur sehr entfernt, sei der Schutzbereich der Grundfreiheiten eröffnet. Eine Doppelbelastung in Form der Anwendbarkeit beider Rechtsordnungen hinsichtlich eines bestimmten Produktmerkmals sei für die Annahme eines Diversifikationszwangs nicht erforderlich. Die Berührungspunkte zu zwei Rechtsordnungen, deren Unterschiedlichkeit zu Problemen des Falles führt, sollen für die Annahme eines rechtfertigungsbedürftigen Beschränkungscharakters genügen.1308 Man erkennt zwar an, dass dies zu einem weiten Anwendungsbereich der Grundfreiheiten führt. Im Rahmen der inhaltlichen Überprüfung der entsprechenden Regelungen auf ihre Verhältnismäßigkeit werde jedoch häufig eine inhaltliche Rechtfertigung gegeben sein. Die Ausweitung des Anwendungsbereichs der Grundfreiheiten werde gewissermaßen durch die nachfolgende großzügige Verhältnismäßigkeitsprüfung wieder ausgeglichen, so dass nur überschießende Regelungen im Privatrecht, für die keine zwingenden Gründe hinsichtlich ihrer Notwendigkeit bestehen, unzulässig sind.1309 Im Übrigen habe die Feststellung einer, wenn auch gerechtfertigten, Behinderung der Grundfreiheit eine wichtige Signalfunktion hinsichtlich einer möglicherweise gebotenen Rechtsangleichung, sofern derartige Fallkonstellationen gehäuft auftreten sollten.1310 Im Falle strengerer Arzthaftungsvorschriften dürfte wohl regelmäßig unter Verbraucherschutzgesichtspunkten, zumal jeder Patient zugleich als Verbraucher einzuordnen ist1311, eine inhaltliche Rechtfertigung aufgrund zwingender Allgemeininteressen möglich sein.1312

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Klauer, S. 97. Klauer, S. 72, 88, 96 f. 1309 Klauer, S. 72 f.; Langner, RabelsZ 65 (2001), 222, 243; Lurger, S. 102. 1310 Klauer, S. 94, 99 sowie S. 74. 1311 Vgl. unter § 3 III. 3. b) bb); auf die zusätzlichen Anforderungen im Rahmen der kollisionsrechtlichen Einordnung in Art. 29 Abs. 1 Nr. 1–3 EGBGB kommt es an dieser Stelle nicht an, so dass auch bei der Berufung eines für den Arzt fremden Sachrechts gem. Art. 28 Abs. 5 EGBGB eine Rechtfertigung unter Verbraucherschutzgesichtspunkten möglich ist. 1312 Vgl. Klauer, S. 149 f., 151 ff.; Langner, RabelsZ 65 (2001), 222, 239 bzgl. des deutschen Kaufgewährleistungsrechts sowie vorvertraglicher Aufklärungspflichten; von Wilmowsky, ZEuP 1995, 735, 737 ff.; zum Verbraucherschutz als einem zwingenden Grund des Allgemeininteresses; vgl. auch Rolshoven, S. 251 m.w. N.; s. auch unter V. 2. c) aa) (1) (c). 1308

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(c) Anwendbarkeit des günstigeren Verbraucherschutzrechts des Aufenthaltsstaats des Verbrauchers gem. Art. 29 Abs. 1 EGBGB Im Falle des Eingreifens der kollisionsrechtlichen Sonderregelung des Art. 29 Abs. 1 EGBGB muss sich der Arzt abgesehen von den Regelungen der lex causae auch auf die arzthaftungsrechtlichen Bestimmungen des Ansässigkeitsstaates des Patienten einstellen, sofern diese für letztgenannten günstiger sind. In den Bereichen, in denen die für Dienstleistungen geltenden Vorschriften nicht harmonisiert sind, ergeben sich im Falle der Geltung zweier Rechtsordnungen die Beschränkungen schon daraus, dass die Leistungserbringer hinsichtlich derselben Tätigkeit sowohl den Vorschriften seines Sitzstaates als auch denen des Bestimmungsstaates genügen müssen.1313 Die Doppelbelastung in Form der Notwendigkeit der Beachtung zweier Rechtsordnungen ist ein Paradebeispiel für eine stärkere Belastung grenzüberschreitender Geschäfte gegenüber rein inländischen Vorgängen. Aus der Doppelregelung resultiert eine Schlechterstellung bzw. Wettbewerbsnachteil gegenüber inländischen Anbietern, die sich lediglich auf die eigene Rechtsordnung einstellen müssen. Im vorliegenden Fall ist es so, dass die Normen des Verbraucherstaates beschwerend zu denjenigen hinzutreten bzw. zusätzlich zur Anwendung berufen werden, die er im Rahmen des gewählten Vertragsstatuts (regelmäßig des Herkunftsstaates des Arztes) beachten muss. Schließlich wirkt im Falle der Anknüpfung nach Art. 29 Abs. 1 EGBGB nicht allein der Unterschied zwischen den zwei Rechtsordnungen beschränkend, sondern auch der spezifische Inhalt des zum gewählten Recht hinzutretenden, verbraucherfreundlicheren Arzthaftungsrechts des Ansässigkeitsstaats des Patienten. Von diesen zusätzlich zur erfolgten Rechtswahl hinzutretenden zwingenden Bestimmungen geht die Beschränkungswirkung aus.1314 Wie bereits im Rahmen der Vereinbarkeit von Art. 29 Abs. 1 EGBGB mit der Dienstleistungsfreiheit erörtert1315, hat der EuGH den Verbraucherschutz als 1313 Classen, EWS 1995, 97, 101; Steindorff, EG-Vertrag und Privatrecht, S. 63; Schmid, Freier Dienstleistungsverkehr und Recht des unlauteren Wettbewerbs, dargestellt am Beispiel der Telefonwerbung, S. 220; vgl. auch EuGH, Urteil v. 25.7.1991, Rs. C-288/89 (Collectieve Antennevoorziening Gouda), Slg. 1991, I-4007, Rn. 12; EuGH, Urteil v. 9.7.1997, verb. Rs. C-34/95, C-35/95 und C-36/95 (De Agostini und TV-Shop), Slg. 1997, I-3843, Rn. 51. 1314 Flesner, Die Behinderungen des binnenmarktgrenzüberschreitenden Vertragsschlusses und die Möglichkeiten ihrer Beseitigung, S. 99; vgl. zur allgemeinen Problematik der Beschränkung durch Rechtsunterschiede Steindorff, EG-Vertrag und Privatrecht, S. 79 ff., 80 f.; zur Annahme des Beschränkungscharakters müssten vorliegend auch diejenigen Vertreter kommen, welche den Beschränkungsbegriff restriktiv auslegen und aus der „Keck“-Rechtsprechung für alle Grundfreiheiten grundsätzlich ableiten, dass eine Beschränkung nur dann in Betracht kommt, wenn ein ausländischer Dienstleistungserbringer durch eine mitgliedstaatliche Maßnahme stärker belastet wird, indem sie zur Notwendigkeit der Beachtung zweier Rechtsordnungen führt, vgl. Flesner, S. 36. 1315 Vgl. unter IV. 2. c) aa).

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legitimes Ziel i. S. d. „Cassis“-Rechtsprechung anerkannt1316, so dass auch die über Art. 29 EGBGB berufenen zwingenden Arzthaftungsbestimmungen des Verbraucherstaates grundsätzlich aus zwingenden Gründen bzw. Erfordernissen des Allgemeininteresses i. S. d. „Cassis“-Rechtsprechung gerechtfertigt sein können.1317 Im Einzelfall kommt es darauf an, inwieweit die Anwendung der zwingenden Bestimmung auf das grenzüberschreitende Arzt-Patienten-Verhältnis auch verhältnismäßig ist, wobei von besonderer Bedeutung ist, ob der mit der zwingenden Vorschrift verfolgte Zweck (Schutz des Verbrauchers) auch auf anderem Wege mit weniger einschneidenden Mitteln realisiert werden kann (Grundsatz der Erforderlichkeit). Lässt sich der Schutz des Patienten durch eine die Dienstleistungsfreiheit des Arztes weniger beschränkende Vorschrift erreichen, ist diese anzuwenden. (2) Behinderungen des Dienstleistungsempfängers Im Rahmen der passiven Dienstleistungsfreiheit geht es im Hinblick auf mögliche Beschränkungen i. S. v. Art. 49 EGV nicht wie bei aktiven und Korrespondenzdienstleistungen um Beschränkungen, die dem Leistungserbringer, sondern um solche, die dem Empfänger der Dienstleistung auferlegt werden. Dementsprechend ändert sich auch die Blickrichtung, indem eine Dienstleistungsbeschränkung dann vorliegt, wenn der Empfänger durch die Maßnahme gehindert wird, die Dienstleistung entgegenzunehmen.1318 (a) Patient unterliegt bei Wahrnehmung der passiven Dienstleistungsfreiheit dem patientenunfreundlicheren Recht des Heimatstaats Zunächst soll wiederum eine mögliche Beschränkung von Seiten des Sitzlandes bzw. Herkunftsstaates beleuchtet werden.1319 Einig ist man sich darin, dass die Dienstleistungsfreiheit Behinderungen durch den Herkunftsstaat nicht nur dann erfasst, wenn sie sich gegen den Dienstleistungserbringer richten, sondern auch dann, wenn sie dem Dienstleistungsempfänger gelten.1320 1316

Vgl. dazu auch Wilmowsky, ZEuP 1995, 735, 737 ff. Flesner, S. 121; Kort, JZ 1996, 132, 138 f. 1318 Vgl. Tiedje/Troberg, in: von der Groeben/Schwarze, EUV/EGV, Art. 49 Rn. 8; Schmid, Freier Dienstleistungsverkehr und Recht des unlauteren Wettbewerbs, dargestellt am Beispiel der Telefonwerbung, S. 223; Roth, in: Dauses, Handbuch des EUWirtschaftsrechts – Band 1, E. I Rn. 187 f. („Auswahlfreiheit des Dienstleistungsempfängers“). 1319 Vgl. unter V. 2. c) aa) (1) (a). 1320 Randelzhofer/Forsthoff, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Art. 49/50 Rn. 64; Roth, in: Dauses, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts – Band 1, E. I Rn. 145; Rolshoven, „Beschränkungen“ des freien Dienstleistungsverkehrs, S. 283 f. 1317

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In den Konstellationen der passiven Dienstleistungsfreiheit, in welchen sich die Patienten grenzüberschreitend zu in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Arzt begeben, um sich dort behandeln zu lassen, sind jedoch kollisionsrechtlich kaum Konstellationen denkbar, in denen die Patienten ihrem eventuell patientenunfreundlicheren gewöhnlichen Aufenthaltsrecht unterliegen. Eine Anwendbarkeit dieses Rechts aufgrund der Anknüpfung gem. Art. 29 Abs. 2 EGBGB scheitert regelmäßig an Art. 29 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 EGBGB (ausschließliche Erbringung der Dienstleistung in einem anderen als dem Verbraucherstaat)1321, so dass sich die objektive Anknüpfung des Vertragsstatuts nach Art. 28 EGBGB richtet. Hiernach wäre eine Anwendbarkeit des gewöhnlichen Aufenthaltrechts des Patienten nur in den äußerst selten vorkommenden Fällen denkbar, in denen sich eine engere Verbindung zu dem Staat der gemeinsamen Staatsangehörigkeit ergibt und sich dort gleichzeitig der gewöhnliche Aufenthaltsort des Patienten befindet (Art. 28 Abs. 5 EGBGB).1322 Wie bereits im Rahmen der kollisionsrechtlichen Anknüpfung erörtert, reicht das Vorliegen einer gemeinsamen Staatsangehörigkeit für die Annahme einer engeren Verbindung und damit für ein Abweichen von der Regelanknüpfung nicht aus. Vielmehr kommt eine solche Anknüpfung nur dann in Betracht, wenn im Einzelfall besondere Umstände, wie z. B. die geweckten Parteierwartungen, ein Abweichen von der Regelanknüpfung zugunsten des gemeinsamen Heimatrechts rechtfertigen. Jedoch wird in derartigen Konstellationen das Interesse der beiden Parteien gerade darauf gerichtet sein, dass dieses beiden vertraute Recht zur Anwendung kommt, wenn nicht sogar im konkreten Fall von einer stillschweigenden Rechtswahl auszugehen ist.1323 Damit dürfte sich schon faktisch keine Konstellation ergeben, in welcher der Patient bei der Behandlung in einem anderen Mitgliedstaat eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs aufgrund der Anwendung des für ihn eventuell aus Patientenschutzgesichtspunkten ungünstigeren Herkunftsrechts moniert. Im Übrigen besteht auch im Rahmen des passiven Dienstleistungsverkehrs, wie schon bei der Dienstleistungserbringungsfreiheit1324, die zu befürwortende Tendenz, Behinderungen durch Regelungen des Herkunftsstaates vom Beschränkungsverbot der Grundfreiheit nur dann als erfasst anzusehen, wenn diese spezifisch die Möglichkeit der Inanspruchnahme ausländischer Dienstleistungserbringer gegenüber der des inländischen Dienstleistungsaustauschs erschwe1321 Häufig wird schon der situative Anwendungsbereich des Art. 29 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB nicht eröffnet sein, da die zum Abschluss des Vertrages erforderlichen Rechtshandlungen, auch bei vorheriger Werbung im Verbraucherstaat, wohl in der überwiegenden Zahl der Fälle vor Ort (im Niederlassungsstaat Arztes) vorgenommen werden. 1322 Vgl. unter § 3 III. 5. b) aa). 1323 Vgl. unter § 3 III. 5. b) aa). 1324 Vgl. unter V. 2. c) aa) (1) (a) „untechnischer Diskriminierungsbegriff“.

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ren.1325 Im Urteil „Kohll“, in welchem es ebenfalls um die grenzüberschreitende Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen im Rahmen der passiven Dienstleistungsfreiheit ging, führte der EuGH aus, dass jede nationale Regelung gegen die Dienstleistungsfreiheit verstößt, „die die Leistung von Diensten zwischen Mitgliedstaaten im Ergebnis gegenüber der Leistung von Diensten im Inneren eines Mitgliedstaates erschwert“.1326 Da die Anwendung der heimischen Arzthaftungsregeln den Patienten weder daran hindern, Gesundheitsdienstleistungen eines Arztes in einem anderen Mitgliedstaat in Anspruch zu nehmen noch die Inanspruchnahme von Leistungen im Ausland gegenüber der Inanspruchnahme von Leistungen im Inland erschweren, geht ebenso wie im spiegelbildlichen Fall der aktiven Dienstleistungsfreiheit auch für den Patienten als Dienstleistungsempfänger von den arzthaftungsrechtlichen Regelungen des eigenen Mitgliedstaates keine grundfreiheitlich relevante Beschränkung der Ausgangsfreiheit aus. Ein beschränkender Charakter der heimischen Vorschriften ist nicht allein aus der Tatsache heraus abzuleiten, dass andere Mitgliedstaaten Empfänger von Gesundheitsleistungen arzthaftungsrechtlich in umfassenderen Maße schützen.1327 Der Patient hat im Falle eines höheren Schutzniveaus des ausländischen Marktes kein Recht auf eine Gleichbehandlung mit den dort ansässigen Dienstleistungsempfängern. In den Fällen der Behandlung des Patienten an seinem gewöhnlichen Aufenthaltsort durch einen in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Arzt1328 kann er sich von vornherein nicht auf eine mögliche Beschränkung durch die Geltung des im Vergleich zum Niederlassungsstaat des Arztes patientenunfreundlicheren Arzthaftungsrechts seines gewöhnlichen Aufenthaltsortes berufen. Denn hier fehlt es an der Grenzüberschreitung des Dienstleistungsempfängers und damit bereits am entscheidenden Anknüpfungspunkt für die spezifische Erschwerung der Inanspruchnahme ärztlicher Behandlungsleistungen in anderen Mitgliedstaaten. In derartigen Fällen ist eine Berufung auf Art. 49 EGV dann möglich, wenn durch die inländischen Vorschriften die Nachfrage bzw. Inanspruchnahme ausländischer Dienstleistungen erschwert wird oder nachteilhaft ist und der Empfänger damit abgehalten wird, Dienstleistungen aus anderen Mitgliedstaaten nachzufragen oder zu beziehen1329 Beides vermag ein aus Patientenschutzgesichtspunkten ungünstiges Arzthaftungsrecht im Empfangsstaat nicht zu leis-

1325 Randelzhofer/Forsthoff, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Art. 49/50 Rn. 64 ff.; Rolshoven, S. 288. 1326 EuGH, Urteil v. 28.4.1998, Rs. C-158/96 (Kohll), Slg. 1998, I-1931, Rn. 33; ebenso bereits EuGH, Urteil v. 5.10.1994, Rs. C-381/93 (Kommission/Frankreich), Slg. 1994, 5145, Rn. 17; vgl. dazu auch Rolshoven, S. 283 f. 1327 Vgl. unter V. 2. c) aa) (1) (a). 1328 Vgl. Fn. 90. 1329 Vgl. Tiedje/Troberg, in: von der Groeben/Schwarze, EUV/EGV, Art. 49 Rn. 8; Troberg, in: von der Groeben/Thiesing/Ehlermann, Art. 59 Rn. 48.

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ten.1330 Auch unter dem Gesichtspunkt der Parallelität der Rechtsstellung, wonach Empfänger und Erbringer von Dienstleistungen eine relevante Behinderung des jeweils anderen Vertragsteils als Behinderung ihrer eigenen Freiheit geltend machen können1331, ist in dieser Konstellation beim Patienten als Dienstleistungsempfänger keine Behinderung der Dienstleistungsfreiheit auszumachen, da hier im Gegensatz zu anderen Rechtsbereichen kein Gleichlauf der Interessenlage gegeben ist, sondern vielmehr konkurrierende und kollidierende Individualinteressen der Parteien aufeinandertreffen. Die Geltung des weniger strengen Arzthaftungsrechts des Aufenthaltsstaates des Patienten kommt dem Arzt gerade entgegen. (b) Patient unterliegt bei Wahrnehmung der passiven Dienstleistungsfreiheit dem patientenunfreundlicheren Recht des Niederlassungsstaats des Arztes (Art. 28 Abs. 2 EGBGB) Begibt sich der Patient grenzüberschreitend zu dem in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Arzt, ergibt sich wiederum spiegelbildlich zu (1) (b) die Frage, ob aus der Empfängerperspektive eine spezifische Behinderung der grenzüberschreitenden Inanspruchnahme der Gesundheitsdienstleistungen durch die Anwendbarkeit arzthaftungsrechtlicher Regelungen des Niederlassungsrechts des Arztes mit einem niedrigeren Patientenschutzstandard gegeben ist. Soll sich aus dem Gewährleistungsgehalt der passiven Dienstleistungsfreiheit grundsätzlich das Recht ergeben, in allen europäischen Mitgliedstaaten Behandlungsleistungen zu den Verbraucherschutzstandards1332 seines gewöhnlichen Aufenthaltstaates nachzufragen, so dass ihm keine Nachteile aus der Inanspruchnahme der Dienstleistung am ausländischen Markt erwachsen?1333 Die Schwierigkeit dieser Frage liegt darin, dass in diesen Fällen kollidierende bzw. widerstreitende Regelungsinteressen zweier vom Schutzumfang der Dienstleistungsfreiheit gleichermaßen erfasster Parteien gegeben sind. Die bisherige Rechtsprechung des EuGH zur passiven Dienstleistungsfreiheit bezog sich auf Fälle, in denen die Freiheitsbestrebungen des Dienstleistungsempfängers/-nachfragers mit denen des Anbieters konform liefen, also die potentielle

1330 Zur davon abweichenden Frage der Zulässigkeit bestimmter grenzüberschreitender Telemedizinapplikationen nach den Berufsordnungen und dem Berufszulassungsrecht der Mitgliedstaaten vgl. S. 120 ff. und S. 125 f. 1331 Vgl. dazu Randelzhofer/Forsthoff, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Art. 49/50 Rn. 57 mit Verweis auf EuGH, Urteil v. 26.10.1999, Rs. C-294/97 (Eurowings Luftverkehr), Slg. 1999, I-7447, Rn. 34; vgl. auch EuGH, Urteil v. 12.7.2001, Rs. C-167/ 99 (Smits/Peerbooms), Slg. 2001, I-5473, Rn. 69. 1332 Hier günstigere Arzthaftungsbestimmungen. 1333 Diese Frage stellen sich auch Basedow, RabelsZ 59 (1995), 1, 18 f.; Franzen, Privatrechtsangleichung durch die europäische Gemeinschaft, S. 141 f.

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Freiheit des Nachfragers auch im Interesse des ausländischen Anbieters lag.1334 Würde man die oben jeweils angeführten Interessen des Patienten grundsätzlich für schutzwürdig erachten und damit von der Nachfragerfreiheit erfasst sehen, liefe dies auf eine umfassende Grundfreiheitenabwägung hinsichtlich der Interessen von Anbieter und Nachfrager hinaus1335, was wegen der grundfreiheitlichen Gleichstellung von Anbieter- und Nachfragerinteressen ein äußerst schwieriges Unterfangen darstellen würde. Zweifelhaft ist ein derartiges Vorgehen insbesondere unter dem Aspekt der Kompetenzverteilung, und zwar bezüglich des Verhältnisses des EuGH sowohl gegenüber der EU-Legislative als auch gegenüber der Regelungskompetenz der Mitgliedstaaten.1336 Der umfassende Schutz der Freiheit des Verbrauchers als schwächere Partei eines Privatrechtsverhältnisses würde nur dann unter die Kontrollkompetenzen des EuGH fallen, wenn ein für die Gemeinschaft verbindlicher Grundrechtskatalog existierte.1337 Franzen gibt zudem richtig zu bedenken, dass das Prinzip der gegenseitigen Anerkennung und damit auch der Herkunftsrechtsordnung nur dort in Betracht kommt, wo aufgrund territorialer Anknüpfung Regulierungsansprüche von zwei Rechtsordnungen (Herkunfts- und Empfangsland) bestehen können, wie es bei Vorschriften über die Beschaffenheit im Rahmen der Warenverkehrsfreiheit der Fall sein kann.1338 Da die vertragsrechtliche Ausgestaltung von Dienstleistungen jedoch wegen fehlender territorialer Anknüpfung nur einer Rechtsordnung unterliegt, kommt das Prinzip der gegenseitigen Anerkennung im Rahmen der Nachfragerfreiheit nicht in Betracht. Im Übrigen sei trotz Einbeziehung der Nachfrager in den Schutz der Produktverkehrsfreiheiten immer noch die Anbieterfreiheit für die Verwirklichung der Waren- und Dienstleistungsfreiheit die wichtigere, da die Anbieter die „eigentlichen Träger der wirtschaftlichen Integration Europas“1339 sind. Diese Überlegungen spiegeln sich auch in der Reichweite des Beschränkungstatbestandes bezüglich Regelungen des Sitzstaates des Dienstleistungserbringers im Rahmen der passiven Dienstleistungsfreiheit wieder. Wie bereits unter II. 2. angemerkt, kann der Leistungsempfänger nach einhelliger Ansicht 1334

Lurger, Regulierung und Deregulierung im europäischen Privatrecht, S. 96 f. Für ein derart weites Verständnis der Nachfragerfreiheit wohl Lurger, Regulierung und Deregulierung im europäischen Privatrecht, S. 96 ff.; vgl. Remien, Zwingendes Vertragsrecht und Grundfreiheiten des EG-Vertrages, S. 495, welcher das Verständnis des Deregulierungsinstruments der Grundfreiheiten als Mittel hinsichtlich der Schaffung eines Interessenausgleichs der verschiedenen Vertragsparteien für zweifelhaft erachtet. 1336 Dies gibt auch Lurger, S. 99 zu bedenken. 1337 Vgl. Lurger, a. a. O. 1338 Franzen, S. 142. 1339 So Basedow, RabelsZ 59 (1995), 1, 18 f.; ebenso Franzen, S. 142; vgl. auch Tiedje/Troberg, in: von der Groeben/Schwarze, EUV/EGV, Art. 49 Rn. 10 welcher von einer „Rangfolge der Begünstigten“ spricht. 1335

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in dem Staat, in den er reist, nur zu den gleichen Bedingungen (und damit auch unter Einschluss aller Behinderungen), wie sie der Gaststaat für die dort ansässigen Inländer vorsieht, Dienstleistungen nachfragen, so dass sich im Bereich möglicher Beschränkungen durch Vorschriften des Empfangsstaates der Schutzumfang der Art. 49 f. EGV auf das Gebot der Inländergleichbehandlung bzw. Verbot der Ausländerdiskriminierung begrenzt.1340 Die Dienstleistungsempfangsfreiheit ist dem folgend bereits dann verwirklicht, wenn der ausländische Patient nach den Vorschriften des Niederlassungsstaates des Arztes in das Land einreisen und dort Behandlungsleistungen zu den gleichen Bedingungen nachfragen kann wie die dort ansässigen Patienten. Remien betont ausdrücklich, dass es im Rahmen der Nachfragerfreiheit hinsichtlich der national unterschiedlichen Schuldvertragsrechte keinen Anspruch darauf geben soll, im anderen Mitgliedstaat ebenso behandelt zu werden wie im eigenen („kein Personalitätsprinzip im innereuropäischen Schuldrecht“).1341 Dies ist auch interessengerecht, denn Patienten, die sich aus eigener Initiative ins Ausland begeben, um dort Behandlungsleistungen in Anspruch zu nehmen, können und werden nicht erwarten, dass sie ihr heimisches, günstigeres Arzthaftungsrecht quasi im Handgepäck ständig mit sich führen. Unterliegt also das Arzt-Patienten-Verhältnis im Falle der Entgegennahme der ärztlichen Behandlungsleistung im Niederlassungsstaat des Arztes dem dortigen Arzthaftungsrecht und hält dieses für den Patienten im Vergleich zu seinem Heimatrecht weniger günstige Regelungen bereit, ist darin keine relevante Beschränkung der Empfängerfreiheit zu sehen, da die haftungsrechtlichen Regelungen den ausländischen Patienten nicht gegenüber dem inländischen Patienten benachteiligen, sondern beide gerade gleichstellen.

1340 Vgl. Völker, Passive Dienstleistungsfreiheit in der Europäischen Gemeinschaft, S. 133 f., S. 143 f.; Seidel, in: Schwarze, Der Gemeinsame Markt, Bestand und Zukunft in wirtschaftsrechtlicher Perspektive, S. 113, 126; Classen, EWS 1995, 97, 103; Schmid, Freier Dienstleistungsverkehr und Recht des unlauteren Wettbewerbs, dargestellt am Beispiel der Telefonwerbung, S. 224; Roth, in: Dauses, Handbuch des EUWirtschaftsrechts – Band 1, E. I Rn. 191; Müller-Graff, in: FS für Lukes, S. 471, 489; Remien, Zwingendes Vertragsrecht und Grundfreiheiten des EG-Vertrages, S. 495; bisher hat auch der EuGH in den Fällen der passiven Dienstleistungsfreiheit bei Beschränkungen durch den Sitzstaat des Dienstleistungserbringers nur die Konstellation der Diskriminierung des ausländischen Dienstleistungsempfängers entschieden, vgl. EuGH, Urteil v. 2.2.1989, Rs. 186/87 (Cowan), Slg. 1989, 195, Rn. 17; EuGH, Urteil v. 15.3.1994, Rs. C-45/93 (Museum), Slg. 1994, I-911, Rn. 10; EuGH, Urteil v. 29.4.1999, Rs. C-224/97 (Ciola/Voralberg), Slg. 1999, I-2517, Rn. 14; Rolshoven, S. 284, 288 f. 1341 Remien, Zwingendes Vertragsrecht und Grundfreiheiten des EG-Vertrages, S. 495.

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bb) Fazit und Stellungnahme Im Rahmen der Fallgruppenbildung zeigt sich damit folgende Tendenz: Im Falle der Geltung des ungünstigeren Rechts des Niederlassungsstaates bzw. Rechts des gewöhnlichen Aufenthaltes des Dienstleistungserbringers oder Empfängers bei Wahrnehmung der aktiven bzw. passiven Dienstleistungsfreiheit scheitert die Annahme einer rechtfertigungsbedürftigen Beschränkung bereits daran, dass von den nationalen Arzthaftungsregelungen weder eine Schlechterstellung des „Exports“ von Dienstleistungen gegenüber der Leistungserbringung im Inland bzw. der Inanspruchnahme ausländischer Dienstleistungen gegenüber der Nachfrage inländischer Leistungen noch eine spezifische Zugangsbehinderung zum Markt des anderen Mitgliedstaates ausgeht. Die Reduktion des Beschränkungsbegriffs in diesem Bereich ist zu begrüßen, da ansonsten der permissive Schutzstandard des Import- bzw. Empfangslandes im Rahmen der Rechtfertigungsprüfung als Vergleichsmaßstab für die Frage der Verhältnismäßigkeit herangezogen werden würde und so die Gefahr bestünde, dass sich der aus der Dienstleistungsfreiheit Berechtigte bei jeder regulierenden staatlichen Maßnahme seines Herkunftslandes, die aufgrund kollisionsrechtlicher Anknüpfung auch die grenzüberschreitende Leistungserbringung bzw. Inanspruchnahme regelt, auf Art. 49 EGV berufen und damit jede für ihn ungünstige Regelung einer Rechtfertigungs- und damit auch Verhältnismäßigkeitskontrolle unterwerfen könnte. Im Rahmen der Geltung des strengeren Rechts des Importstaates bzw. Niederlassungsrechts des Dienstleistungserbringers (im Rahmen der passiven Dienstleistungsfreiheit) wird danach differenziert, ob sich der Dienstleistungserbringer als aktives Element oder der Empfänger der Dienstleistung auf Art. 49 f. EGV beruft. Hinsichtlich der passiven Dienstleistungsfreiheit reduziert sich der Gewährleistungsgehalt der Grundfreiheit auf das Gebot der Inländergleichbehandlung (Beschränkung auf ein Diskriminierungsverbot). Der Patient kann sich damit lediglich darauf berufen, unter den gleichen lokalen Bedingungen wie die Patienten im Niederlassungsstaat des Arztes die Behandlungsleistung in Empfang zu nehmen. Eine weiterreichende binnenmarktrechtliche Kontrolle der den Dienstleistungsempfänger treffenden Regelungen des Sitzstaates des Dienstleistungserbringers wird weder als notwendig noch als legitim erachtet.1342 Im Gegensatz dazu gehen bezüglich der spiegelbildlichen Situation im Bereich des aktiven Dienstleistungsverkehrs die Argumentationslinien hinsichtlich der Annahme eines grundfreiheitlich relevanten Beschränkungscharakters auseinander. Die Unsicherheit hinsichtlich eventueller Eingrenzungen der Reichweite des Beschränkungsbegriffs in dieser Konstellation im Vergleich zu den 1342 Vgl. Roth, in: Dauses, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts – Band 1, E. I Rn. 191.

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anderen Fallgruppen beruht wohl vorrangig darauf, dass der unter II. 2. erörterte, umfassende Beschränkungsbegriff gerade im Hinblick auf Regelungen, die die Erbringung von Dienstleistungen im Empfängerland behindern, entwickelt worden ist. Eine Verwirklichung des Binnenmarktes ist im Idealfall dann gegeben, wenn der Dienstleistungserbringer zu den in seinem Herkunftsland geltenden Standards im gesamten Binnenmarkt leisten kann (Herkunftsprinzip bzw. Herkunftslandprinzip).1343 Die Frage ist, ob dies auch das Recht des Arztes umfassen soll, das heimische Arzthaftungsrecht im gesamten Binnenmarkt „mitzunehmen“ und sich darauf zu berufen, sobald das nach den Grundsätzen des Internationalen Privatrechts auf das Arzt-Patienten-Verhältnis anwendbare und vom Herkunftsrecht abweichende Recht für den Arzt strengere Regelungen vorsieht. Es lässt sich zwar nicht leugnen, dass von der Anwendbarkeit strengerer arzthaftungsrechtlicher Regelungen des Importstaates hinsichtlich (dort geplanter) vorübergehender Tätigkeiten faktisch ein gewisser ökonomischer Abschreckungseffekt und damit handelshemmende Wirkung ausgeht.1344 Würde man aber den strengeren Arzthaftungsvorschriften des Importstaates grundsätzlich einen grundfreiheitlich relevanten Beschränkungscharakter beimessen, was mit Blick auf die weitgefasste Formulierung des Beschränkungsbegriffs in der ursprünglichen „Dassonville“-Rechtsprechungslinie und den darauffolgenden Konkretisierungen1345 nicht ausgeschlossen wäre bzw. sogar nahe liegt, würde dies bedeuten, dass im Rahmen der Verhältnismäßigkeit zu überprüfen ist, ob nicht schon die entsprechenden Regelungen des dem Arzt vertrauten Herkunftsrechts dem Allgemeininteresse (hier Verbraucherschutz) ausreichend Rechnung tragen.1346 Faktisch könnte jede dem Arzt unliebsame Beweisregel, Kausalitätsvermutung usw. auf den Prüfstand gestellt und so das für die legislative Rechtsangleichung geltende Subsidiaritätsprinzip (Art. 5 Abs. 2 EGV)1347 durch die Möglichkeit der unbegrenzten „Liberalisierung durch Rechtsprechung“1348 ausgehöhlt werden.1349 Aus nahezu allen zwingenden Privatrechtsnormen ließe 1343 Vgl. Roth, in: Dauses, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts – Band 1, E. I Rn. 165; Mülbert, ZHR 159 (1995), 2, 19 f.; Steindorff, ZHR 150 (1986), 687, 689 f. 1344 Vgl. Mülbert, ZHR 159 (1995), 2, 21, welcher als Ausgangspunkt für die Ermittlung einer Beschränkungswirkung einen Vergleich der Kosten, die dem Anbieter durch die Vorschriften des Herkunftsstaates bzw. des Empfangsstaates entstehen, vornimmt, bevor er im Weiteren das weite Kriterium der Kostenerhöhung entsprechend der „Keck“-Rechtsprechung und der Aufgabe des Beschränkungsverbotes des freien Warenverkehrs einengt; allgemein für das nationale Schuldvertragsrecht Armbrüster, RabelsZ 60 (1996), 72, 75 i.V. m. 77 m.w. N. 1345 Vgl. unter II. 2. 1346 Vgl. Roth, in: Dauses, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts – Band 1, E. I Rn. 205. 1347 Vgl. dazu Franzen, S. 58 ff. 1348 Schricker, in: Jacobs/Lindacher/Teplitzky, UWG, Einl. Rn. F 389. 1349 So auch Remien, JZ 1994, 349, 353, welcher in diesem Zusammenhang von „gerichtlicher Rechtsangleichung“ spricht; kritisch zu dieser Wortwahl Franzen,

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sich für eine der beteiligten Parteien, im vorliegenden Fall für den Arzt als Dienstleistungserbringer, eine Beeinträchtigung ableiten. Man muss sich fragen, was von den gesetzgeberischen Entscheidungen der einzelnen Mitgliedstaaten auf dem Gebiet des Privatrechts bei einem derart extensiven Rückgriff auf die Grundfreiheiten noch übrig bleibt. Würde man das Beschränkungsverbot der Grundfreiheiten so verstehen, dass es letztlich darum geht, den Anbieter für den ganzen Binnenmarkt „im Sinne einer umfassenden Betätigungsgarantie [. . .], die auch die Anerkennung der dienstleistungsspezifischen zivilrechtlichen Institute umfasst“1350, die Gewinnchancen des Herkunftslandes zu erhalten, würden zudem die Regelungen des Internationalen Privatrechts, deren Ziel es ist, für ein Rechtsverhältnis mit Auslandsberührung die sachgerechtesten Anknüpfungspunkte zu bestimmen, sinnentleert.1351 Die Interessenerwägungen des Kollisionsrechts, die im Falle der Geltung der privatrechtlichen Haftungsvorschriften des Empfangslandes gerade zu einer engeren Verbindung des Sachverhaltes zu einem anderen als dem Niederlassungsstaat des Anbieters geführt haben, werden grundsätzlich wieder in Frage gestellt. Der Konzeption der formalen Unterscheidung im Rahmen der „Keck“-Rechtsprechung ist jedoch grundsätzlich zu entnehmen, dass es nicht das Ziel der Grundfreiheiten sein kann, den Anbieter von Produkten allgemein vor der Verursachung von Kostenerhöhungen durch unterschiedliche rechtliche Regelungen zwischen Herkunfts- und Empfängerstaat (lex causae) zu schützen und insoweit der Anwendungsbereich der Grundfreiheiten wieder enger zu fassen ist. Nur solche Regelungen, die den Marktzugang versperren oder den grenzüberschreitenden Handel schlechter stellen als den innerstaatlichen und nicht solche, die die ökonomischen Gewinnchancen in anderer Weise beeinflussen, sollen einer Rechtfertigungsprüfung unterliegen.1352 Steindorff spricht von dem Bekenntnis S. 11 f., welcher unter Rechtsangleichung nur die „positive Harmonisierung“ der Rechtsordnungen versteht; durch die „negative Harmonisierung“ in Form der Grundfreiheiten werde mehr oder weniger weitgehend übereinstimmendes Recht nicht geschaffen, sondern nur gemeinschaftsrechtswidrige innerstaatliche Regelungen kassiert; von einer gerichtlichen bzw. judikativen Rechtsangleichung könne man nur dann sprechen, wenn Harmonisierungswirkungen in den einzelnen Privatrechtsordnungen aufgrund der Auslegung und Fortbildung des sekundärrechtlichen Normenbestandes durch den EuGH erreicht werden. 1350 So Wolf, WM 1990, 1941, 1944 bezüglich der zweiten Bankrechtskoordinierungsrichtlinie, jedoch nicht allgemein bzgl. des Art. 49 EGV; vgl. auch Remien, JZ 1994, 349, 353. 1351 So wohl auch Franzen, S. 144. 1352 Vgl. EuGH, Urteil v. 24.11.1993, verb. Rs. C-267/91 und C-268/91(Keck und Mithouard), Slg. 1993, I-6097, Rn. 17: „Sind diese Voraussetzungen nämlich erfüllt, so ist die Anwendung derartiger Regelungen auf den Verkauf von Erzeugnissen aus einem anderen Mitgliedstaat, die den von diesem Staat aufgestellten Bedingungen entsprechen, nicht geeignet, den Marktzugang für diese Erzeugnisse zu versperren oder stärker zu behindern, als sie dies für inländische Erzeugnisse tut. Diese Regelungen fallen daher nicht in den Anwendungsbereich von Artikel 30 EWG-Vertrag.“

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des EuGH zum „Paradigma des [. . .] unvollkommenen Binnenmarkts, welcher „. . . durch den Fortbestand von Rechtsunterschieden und gewissen normativen Hindernissen für gewerbliche Handlungsfreiheit gekennzeichnet ist und in welchem die Grundfreiheiten als fundamentale Normen nur Hindernisse des zwischenstaatlichen Verkehrs beseitigen.“1353 Würde man alle die wirtschaftliche Freiheit beschränkenden privatrechtlichen Regelungen der Grundfreiheitenkontrolle unterwerfen, würde aus den Grundfreiheiten gleichsam wie aus den staatlichen Grundrechten das Recht auf allgemeine wirtschaftliche Handlungsfreiheit resultieren, womit die Ratio der Grundfreiheiten auf eine vollständige rechtliche Homogenisierung des Binnenmarktes hinauslaufen würde.1354 Es käme zur Überprüfung der innerstaatlichen Vorschriften auf ihre sachliche Berechtigung hin, hinsichtlich derer es der Gemeinschaftsrechtsordnung an hinreichenden Prüfungsmaßstäben fehlt.1355 Im „Keck“-Urteil bringt der EuGH selbst zum Ausdruck, dass eine Überprüfung und Restriktion der weiten „Dassonville“Rechtsprechung notwendig ist, da sich die Wirtschaftsteilnehmer immer häufiger auf die Grundfreiheit des freien Warenverkehrs berufen würden, „. . . um jedwede Regelung zu beanstanden, die sich als Beschränkung ihrer geschäftlichen Freiheit auswirkt.“1356 Spätestens seit dieser Wende in der Rechtsprechung des EuGH ist klar, dass die Funktion des Beschränkungsverbotes der Produktfreiheiten nicht die umfassende Homogenisierung des Rechtsrahmens des Binnenmarktes sein kann.1357 Daher erscheint es weder sinnvoll noch aus prüfungsökonomischen Gründen erstrebenswert, mit Blick auf den ursprünglich weiten Beschränkungsbegriff alle Rechtsvorschriften des Empfängerstaates, aus denen, wenn auch nur höchst mittelbar, wirtschaftlich höhere Kosten als bei der Anwendung der entsprechenden Normen des Herkunftsstaates resultieren, mit Blick auf die Grundfreiheiten als rechtfertigungsbedürftig zu erachten. Der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit wäre nicht gedient und der Funktion der Grundfreiheiten würde es widersprechen, wollte man diese tatbestandlich zu 1353

Steindorff, ZHR 158 (1994), 149, 160. Für die Interpretation der Grundfreiheiten als eine Art unbegrenzte privatautonome Marktfreiheiten von Wilmowsky, JZ 1996, 590, 593, 595; ders., Europäisches Kreditsicherungsrecht, S. 40; seiner Ansicht nach rechtfertigt die durch die Grundfreiheiten angeblich gewährleistete Privatautonomie es sogar, das vertragsergänzende dispositive Gesetzesrecht dem Rechtfertigungserfordernis der Grundfreiheiten zu unterstellen, vgl. Fn. 1137; gegen ein solches „Paradigma des vollkommenen Binnenmarktes“ ausdrücklich auch Mülbert, ZHR 159 (1995), 2, 23; Roth, in: Marktwirtschaft und Wettbewerb im sich erweiternden europäischen Raum, S. 21, 34. 1355 Franzen, Privatrechtsangleichung durch die europäische Gemeinschaft, S. 128; Ackermann, RIW 1994, 189, 193; Everling, ZLR 1994, 221, 223 f.; Streinz, Europarecht, Rn. 808. 1356 Vgl. EuGH, Urteil v. 24.11.1993, verb. Rs. C-267/91 und C-268/91 (Keck und Mithouard), Slg. 1993, I-6097, Rn. 14. 1357 Nach Steindorff, ZHR 158 (1994), 149, 160 wäre zudem mit der Vervollkommnung des Marktes in dieser Form die Urteils- und Regelungsfähigkeit der EG-Instanzen überfordert. 1354

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einer wirtschaftlichen Handlungsfreiheit ausweiten, um dann auf der Rechtfertigungsebene den konturlosen Beschränkungsbegriff mit Blick auf die nun einmal bestehende grundsätzliche Regelungsautonomie der Mitgliedstaaten hinsichtlich des Privatrechts wieder sinnvoll einzugrenzen. Fraglich ist, mit welcher Restriktion des Beschränkungsverbotes der Ausgleich zwischen dem Ziel der Binnenmarktintegration unter Berücksichtigung der die Freiheiten beherrschenden Kontrollstandards und der mitgliedstaatlichen Regelungsautonomie optimal gewährleistet ist. Eine klare und deutliche Linie ist in der Rechtsprechung des EuGH diesbezüglich noch nicht zu erkennen.1358 Wie bereits unter V. 2. b) cc) (5) festgestellt, ermöglicht die formale Reduktion nach „Keck“ in Form der Unterscheidung zwischen produktgestaltenden Vorschriften einerseits und Verkaufsmodalitäten andererseits für den Bereich der Dienstleistungsfreiheit und die grenzüberschreitende Erbringung ärztlicher Behandlungsleistungen keine befriedigende Lösung. Die Rechtsprechungstendenz, welche privatrechtliche Regelungen mit den Grundfreiheiten für vereinbar erachtet, weil ihre Auswirkungen auf den innergemeinschaftlichen Handel „zu ungewiss und zu mittelbar“ seien, entspricht faktisch der Einführung einer Spürbarkeitsgrenze vergleichbar dem Wettbewerbsrecht1359 bzw. einer Differenzierung nach der quantitativen Wirkung auf den innergemeinschaftlichen Handel, welche im Rahmen der Grundfreiheiten jedoch gerade abgelehnt wird.1360 Sie eignet sich damit ebenfalls nicht als adäquate Restriktion der Reichweite des Beschränkungstatbestandes. Statt nach formalen Kriterien zu suchen, um eine sinnvolle Begrenzung des Beschränkungsbegriffs zu erreichen, scheint es m. E. vorzugswürdiger, auf die Ziele des Binnenmarktes und den Sinn und Zweck der Grundfreiheiten in diesem Bereich abzustellen. Während die legislative Rechtsangleichung durch Richtlinien und Verordnungen auf europarechtlicher Ebene präventiv wirkt und immer dann greift, wenn beschränkende Regelungen nicht verboten werden können, haben die Gemeinschaftsfreiheiten einen repressiven Charakter, indem sie sich gegen bestehende spezifische Behinderungen des grenzüberschreitenden Verkehrs richten.1361 Im „Keck“-Urteil stellt der EuGH in einem Nebensatz zur Unterscheidung von Produkt- und Verkaufsmodalitäten ausdrücklich klar, dass es für die Annahme eines relevanten Beschränkungscharakters darauf ankommen muss, ob die fragliche staatliche Maßnahme den Marktzugang für ausländische Erzeugnisse zu versperren oder zu behindern vermag und damit die grenzüberschreitenden Wirtschaftsvorgänge stärker belastet, als sie dies für in1358

Vgl. Ausführungen bei Mülbert, ZHR 159 (1995), 2, 14 ff. Vgl. Art. 81 Abs. 1 EGV; dazu Reich, in: Reich/Micklitz, Europäisches Verbraucherrecht, S. 162 ff. 1360 Vgl. unter II. 2.; Franzen, S. 121 m.w. N. 1361 Steindorff, ZHR 150 (1986), 687, 693, 699. 1359

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ländische Erzeugnisse tut.1362 Aufgrund der bisherigen systematischen und dogmatischen Parallelität von Waren- und Dienstleistungsfreiheit1363 müssen diese hinter der „Keck“-Rechtsprechung stehenden Überlegungen grundsätzlich auch auf die Dienstleistungsfreiheit übertragen werden. Im Falle der Geltung von Regelungen des Empfangslandes, die zu den entsprechenden Regelungen des Herkunftsstaates hinzutreten, resultiert die gegenüber der reinen Inlandserbringung stärkere Behinderung der grenzüberschreitenden Dienstleistungserbringung bereits aus der mit der Doppelregelung verbundenen Doppelbelastung des Anbieters.1364 Denn die innerstaatliche Dienstleistungserbringung muss nur den Anforderungen des Importstaates genügen. Dabei sollte es jedoch im Hinblick auf die „Vermutungswirkung“ einer solchen Doppelregelung m. E. nicht darauf ankommen, dass es sich zusätzlich um eine Regelung mit produktgestaltenden Charakter handelt.1365 Denn in allen Fällen der Kumulation der Rechtsvorschriften von Herkunfts- und Empfangsstaat hinsichtlich der grenzüberschreitenden Transaktion ist zumindest eine tatsächliche (faktische) Schlechterstellung gegenüber der rein innerstaatlichen Leistungserbringung zu sehen, welche nur einer Rechtsordnung unterliegt. Was im Bereich des Warenverkehrs regelmäßig bei produktbezogenen marktaufsichtsrechtlichen Regelungen zutrifft, kommt hinsichtlich des Arzthaftungsrechts nur in den Verbrauchervertragskonstellationen des Art. 29 Abs. 1 EGBGB in Betracht, in welchen sich regelmäßig eine Rechtfertigung unter Verbraucherschutzgesichtspunkten als wichtigen Allgemeinwohlbelangen ergibt. Ansonsten besteht die Gefahr der Schlechterstellung der grenzüberschreitenden Dienstleistungserbringung aufgrund einer gleichzeitigen oder in zeitlicher Streckung erfolgenden Doppelregelung in Form unterschiedlicher kollisionsrechtlicher Anknüpfungen des Arzt-Patienten-Verhältnisses in Herkunfts- und Empfangsstaat regelmäßig nicht. Im Bereich der vertraglichen Schuldverhältnisse ist dies durch die Vereinheitlichung der Kollisionsnormen im EVÜ (einschließlich der ratifizierten Auslegungsprotokolle) sowie durch die geplante Überleitung des Übereinkommens in eine EG-Verordnung („Rom I“-VO) gewährleistet. Lediglich im außervertraglichen Bereich besteht derzeit theoretisch noch das Risiko sich widersprechender kollisionsrechtlicher Anknüpfungen in den einzelnen Mitgliedstaaten. Mit der Europäisierung des IPR auch für außervertragliche Schuldverhältnisse („Rom II“-Verordnung) ist aber für die Zukunft auch in diesem Bereich die Gefahr einer Kumulierung verschiedener Rechtsordnungen durch das Kollisionsrecht von Sitz- und Empfangsstaat ausgeräumt.

1362 1363 1364 1365

Vgl. Fn. 1352; Franzen, S. 127 f., 162. Vgl. bzgl. des Beschränkungsbegriffs unter II. 2. Franzen, S. 127; Weyer, DZWir 1994, 89, 92. So aber Franzen, S. 147; vgl. auch Fn. 1283.

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Im Übrigen ergibt sich eine marktzugangssperrende oder -hemmende Wirkung, wenn die Bestimmungen des Importlandes nicht für alle inländischen Wirtschaftsteilnehmer gelten oder den Absatz ausländischer Erzeugnisse formell oder tatsächlich gegenüber dem Absatz inländischer Produkte stärker belasten und damit zu Wettbewerbsvorteilen für die inländischen Wettbewerber führen.1366 Bei vertraglichen wie deliktischen arzthaftungsrechtlichen Regelungen handelt es sich nicht um bestimmte Qualitätsanforderungen, die bewirken, dass die Dienstleistung für jedes Land anders gestaltet werden muss, denn die Behandlungsleistung ist kein vorgefertigtes Produkt, dessen Anpassung an die Regelungen des Empfangsstaates wirtschaftliche Nachteile nach sich zieht. Zwar muss sich der Arzt im Falle der Anwendbarkeit der arzthaftungsrechtlichen Regelungen des Bestimmungslandes über die dort geltenden Sorgfaltsanforderungen und Aufklärungspflichten informieren, um sich nicht schadensersatzpflichtig zu machen. Jedoch hat er wie die inländischen Ärzte grundsätzlich die Möglichkeit, seine Dienste im Inland zu erbringen, ohne rechtlich oder faktisch dadurch mehr belastet zu sein. Das Erfüllen eines bestimmten Sorgfaltsstandards ist nicht mit der Behinderung durch unterschiedliche Produktanforderungen in wirtschaftsaufsichtsrechtlichen Normen im Rahmen des Warenverkehrs vergleichbar. Während in diesem Bereich der Anbieter aufgrund der Inanspruchnahme der Regelungszuständigkeit durch mehrere Staaten nacheinander gleich zwei Regelungsregimen gerecht werden muss und damit trotz nicht-diskriminierenden Charakters der Regelungen des Empfangsstaates mehr belastet ist als inländische Wettbewerber, indem er nicht das in seinem Heimatland rechtmäßig hergestellte oder in den Verkehr gebrachte Produkt auch gemeinschaftsweit vermarkten kann, liegt im Falle der Dienstleistungserbringung vor dem Tätigwerden des Arztes im Empfangsland noch gar keine rechtmäßig „hergestellte“ oder in Verkehr gebrachte Dienstleistung vor. Es handelt sich damit nicht um zirkulierende Produkte wie Waren. Die Vorteile eines großen Binnenmarktes werden durch die Geltung der Sorgfaltsstandards und strengeren arzthaftungsrechtlichen Regelungen (Kausalitätsvermutungen, Beweiserleichterungen für den Patienten usw.) des Importsstaates folglich auch nicht zunichte gemacht. Nur wenn das Herkunftsland des Arztes das Haftungsstatut stellen würde, wäre eine zusätzliche Geltung bestimmter Sorgfaltsanforderungen oder anderer arzthaftungsrechtlicher Regelungen des Empfangslandes der Dienstleistung eine spezifische Beschränkung des grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehrs und damit eine stärkere Behinderung des Marktzugangs als für inländische Erzeugnisse gegeben.1367 Im Rahmen der Dienstleistungserbringung wird es selten so sein, dass bestimmte Qualitätsanforderungen an die Leistungen den Leistungserbringer 1366 1367

Franzen, S. 127. Vgl. unter V. 2. c) aa) (1) (c) bzgl. Art. 29 Abs. 1 EGBGB.

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dazu zwingen, seine Dienstleistung so umzugestalten, dass, wie im Rahmen des Warenverkehrs, die Effektivität durch die Möglichkeit großer „Produktionsserien“ genommen wird.1368 Bei der ärztlichen Haftung handelt es sich vielmehr um einen Regelungskomplex, welcher in jedem Mitgliedstaat anzutreffen ist, ohne dass dadurch der Zugang zu dem Markt dieses Staates spezifisch behindert wird. Allein der Umstand, dass im Rahmen der kollisionsrechtlichen Beurteilung des Haftungssachverhaltes ein anderes Recht als das Heimatrecht des Arztes zur Anwendung gelangt und dieses bezogen auf den konkreten Sachverhalt für den Arzt materiell ungünstigere Regelungen im Falles des Eintritts eines Haftungsfalles bereit hält, ohne jedoch entsprechende grenzüberschreitende Transaktionen rechtlich oder faktisch zu behindern, kann für die Annahme einer rechtfertigungsbedürftigen Handelsbeschränkung nicht ausreichen. Die hierdurch entstehenden Kosten sind Folge des dezentralen Entscheidungssystems bzw. der nebeneinander existierenden Privatrechtsordnungen der Mitgliedstaaten. Die Erforderlichkeit einer weitergehenden haftpflichtversicherungsrechtlichen Absicherung für den Fall der Tätigkeit im Empfangsstaat beschränkt den ausländischen Arzt nicht hinsichtlich des Marktzutritts und entfaltet auch keine protektionistische Wirkung in der Form, dass sie den inländischen Ärzten einen Wettbewerbsvorteil verschafft. Denn für die Ärzte des Importlandes gelten im gleichen Umfang die strengeren Arzthaftungsbestimmungen, und diese unterliegen ebenfalls den daraus resultierenden Kosten für Präventivmaßnahmen und Versicherungsprämien bei der Berufshaftpflichtversicherung, so dass eine rechtlich wie tatsächlich gleichwertige Berührung durch die entsprechenden Vorschriften gegeben ist. Der ökonomische Mehraufwand resultiert allein aus der unterschiedlichen Regelungsintensität der mitgliedstaatlichen Haftungsvorschriften, welche ohne binnenmarktspezifischen Bezug sind. Wie Feiden richtig anmerkt, kann eine Regelung aus der Binnenmarktperspektive keine spezifische Schlechterstellung des innergemeinschaftlichen Dienstleistungsverkehrs bewirken, wenn und soweit eine EG-weit einheitliche Regelung dieser Art zu denselben Belastungen führen würde.1369 Die Unterscheidung danach, ob die unterschiedslos anwendbaren und nichtdiskriminierenden privatrechtlichen Regelungen des Empfangsstaates den Zugang zum nationalen Markt versperren oder stärker behindern als sie dies für Dienstleistungserbringer des Empfangslandes tun, entspricht im Übrigen spie1368 Am ehesten bzgl. Dienstleistungen, die vergleichbar mit Waren nach den im Herkunftsstaat geltenden Standards „vorgefertigt“ werden (z. B. Versicherungen, Bankdienstleistungen), kommt eine solche Schlechterstellung des Grenzübertritts und damit eine Marktzugangsbehinderung in Betracht, vgl. Roth, Europäisches Versicherungsrecht, in: Honsell, Berliner Kommentar zum Versicherungsvertragsgesetz, Rn. 40, 43. 1369 So auch Roth, Europäisches Versicherungsrecht, in: Honsell, Berliner Kommentar zum Versicherungsvertragsgesetz, Rn. 38.

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gelbildlich der oben erörterten Behandlung von beschränkenden Regelungen des Herkunftslandes, so dass zudem eine unterschiedliche Beurteilung von Importund Exportbeschränkungen vermieden wird.1370 Abschließend ist damit zu konstatieren, dass sich über die Freiheit des Dienstleistungsverkehrs grundsätzlich keine Annäherung der mitgliedstaatlichen arzthaftungsrechtlichen Regelungen und Sorgfaltsstandards erreichen lässt. Arzthaftungsrechtliche Schadensersatzregelungen vertraglicher und auch deliktischer Art wirken sich nicht als dem Binnenmarktprinzip zuwiderlaufende Beschränkungen aus, sondern im Falle eines erhöhten Haftungsrisikos bzw. des Eintritts eines Schadensfalles mittelbar als Kostenfaktoren, die zwar eine Behinderung der allgemeinen wirtschaftlichen Handlungsfreiheit darstellen können, jedoch nicht spezifisch auf der Grenzüberschreitung beruhen.

1370 Gegen die Aufrechterhaltung der Dichotomie von Maßnahmen des Importstaates und Exportstaates ebenfalls Kort, JZ 1996, 132, 137.

§ 5 Schlussbetrachtung 1. Durch die Rechtsprechung des EuGH von „Kohll“ bis „Müller-Fauré“ und „van Riet“ wurden die nationalen Grenzen der kassenärztlichen Versorgung beseitigt und die Grundlagen für einen freien Austausch ärztlicher Behandlungsleistungen geschaffen. Die Binnenmarktfähigkeit ärztlicher Leistungen ist damit, wenn auch im stationären Sektor eingeschränkt, gegeben. Für die Patienten besteht nun die Möglichkeit, im Rahmen der passiven Dienstleistungsfreiheit ärztliche Leistungen auch außerhalb des Landes, in welchem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, in Anspruch zu nehmen. Die Bereitschaft der deutschen Patienten zur Nutzung dieser Möglichkeit dürfte sich mit Blick auf das hohe medizinische Qualitäts- und Versorgungsniveau in Deutschland lediglich auf die Inanspruchnahme ausländischer Behandlungsleistungen erstrecken, für die in Deutschland hohe Eigenbeteiligungen vorgesehen sind. Für in Deutschland niedergelassene Ärzte und Krankenhäuser bedeutet die nun bestehende europaweite Wahlfreiheit für Patienten zwischen Anbietern von Gesundheitsdienstleistungen aufgrund bestehender Versorgungsengpässe in einer Reihe von Mitgliedstaaten einen nicht zu unterschätzenden Wettbewerbsvorteil. 2. Die Freiheit des Dienstleistungsverkehrs gewährt aber auch den Ärzten die Möglichkeit, außerhalb ihres Niederlassungsstaates Behandlungsleistungen zu erbringen. Vor allem für spezialisierte Ärzte ist die Nutzung der aktiven Dienstleistungsfreiheit von besonderem Interesse. Die rasante Entwicklung im Bereich der telemedizinischen Anwendungen macht häufig sogar die Grenzüberschreitung des Spezialisten überflüssig, welche durch den bloßen Austausch von Daten ersetzt wird. Nicht selten resultiert hieraus das gezielte Zusammenwirken mehrerer Ärzte aus verschiedenen Mitgliedstaaten in horizontaler Arbeitsteilung ohne räumliche Koinzidenz. 3. Für die so geschaffene Konkurrenzsituation der Ärzte als Dienstleister im Rahmen des Gesundheitsbinnenmarktes sind die Unterschiede des Arzthaftungsrechts in den einzelnen Mitgliedstaaten nicht ohne Bedeutung. Neben der Qualität und der Kosten für eine medizinische Behandlung kann auch die Haftungssituation in den einzelnen Mitgliedstaaten bei der Auswahl des Arztes als Leistungserbringer für den Patienten an Relevanz gewinnen, vor allem bei riskanten Eingriffen. Ebenso ist die Ausgestaltung des Arzthaftungsrechts in den verschiedenen Mitgliedstaaten für Ärzte von wirtschaftlichem Interesse, da davon der Umfang des Schadensersatzrisikos und der Kosten für Präventivmaßnahmen bzw. die Berufshaftpflichtversicherung abhängen.

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4. Zwar gibt es innerhalb der Mitgliedstaaten keine signifikanten „Haftungsoasen“. Jedoch besteht je nach wissenschaftlichem und technischem Niveau und sozialen sowie kulturellen Umfeldbedingungen ein entsprechendes tatsächliches Leistungsgefälle, woraus unterschiedliche Behandlungsstandards und damit unterschiedlich hohe Anforderungen an die ärztliche Sorgfalt und den Umfang der Aufklärungspflichten resultieren können. Unterschiedliche soziale Standards können sich zudem auf der Rechtsfolgenseite in der Höhe der Schadensersatzbeträge, besonders im Rahmen der Schmerzensgeldbemessung niederschlagen. Trotz weitgehend gemeinsamer Prinzipien im Rahmen der Arzthaftung folgen bereits daraus unterschiedliche faktische Auswirkungen. Darüber hinaus bestehen hinsichtlich prozessualer Fragen z. B. im Bereich der Beweisanforderungen sowie des Kausalitätsnachweises von Rechtsordnung zu Rechtsordnung divergierende rechtliche Auffassungen. Ein weiterer Punkt, welcher sich vor allem im Rahmen des arbeitsteiligen Zusammenwirkens mehrerer Ärzte aus verschiedenen Mitgliedstaaten als problematisch erweisen kann, ist die Frage der Zurechnung fremden ärztlichen Handelns bzw. Verschuldens sowie die Zuordnung bestimmter Organisations- und Überwachungspflichten. All diese Unterschiede zwischen den Rechtssystemen können bewirken, dass die Patienten in einem Mitgliedstaat entschädigt würden und in einem anderen nicht bzw. nur in einem geringeren Umfang bzw. spiegelbildlich Ärzten in einem Rechtssystem die schadensersatzrechtliche Inanspruchnahme droht, während sie z. B. nach dem Niederlassungsrecht kein oder nur ein geringeres Haftungsrisiko zu befürchten hätten. 5. Wann die Ärzte bzw. Patienten auf ein fremdes und möglicherweise materiell-rechtlich aus der jeweiligen Sicht der Partei ungünstigeres Arzthaftungsrecht stoßen, entscheidet sich bereits auf kollisionsrechtlicher Ebene. Hier ist es nicht das Ziel, für die Lösung des Sachverhaltes mit Bezug zu mehreren Rechtsordnungen das im Einzelfall materiell-rechtlich gerechteste Recht zu ermitteln. Vielmehr kommt es darauf an, die räumlich beste und damit sachnächste Rechtsordnung zu finden. Da im Rahmen des grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehrs die Inanspruchnahme ausländischer Dienstleistungserbringer bzw. die Erbringung der Dienstleistung in einem anderen Mitgliedstaat zielgerichtet erfolgt, ist für die kollisionsrechtliche Beurteilung der Arzthaftung das Vertragsstatut bzw. das internationale Schuldvertragsrecht von zentraler Bedeutung. Daraus resultiert zunächst die Möglichkeit einer umfassenden Rechtswahl hinsichtlich der auf das Arzt-Patienten-Verhältnis anwendbaren Rechtsordnung. Die Parteien haben es also grundsätzlich selbst in der Hand, das für ihr Vertragsverhältnis anwendbare Recht zu bestimmen und die haftungsrechtlichen Vorschriften des Staates, die bei objektiver Ermittlung des anwendbaren Rechts zur Anwendung gekommen wären, auszuschalten. Ist der Arzt-

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vertrag unter den Voraussetzungen des Art. 29 Abs. 1 EGBGB zustande gekommen, ist die Rechtswahl jedoch insoweit eingeschränkt, als die am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Patienten geltenden zwingenden Bestimmungen nicht abgewählt werden können, sofern dadurch der dem Patienten gewährte Schutz entzogen werden würde. Bei dem deutschen Arzthaftungsrecht handelt es sich regelmäßig um einen intern zwingenden Regelungsbereich zum Schutze des Patienten als Verbraucher i. S. d. Art. 29 Abs. 1 EGBGB, so dass sich deutsche Patienten im Falle der Vereinbarung eines ausländischen Rechts mit niedrigeren verbraucherrechtlichen Schutzstandards auf das heimische Arzthaftungsrecht berufen können. Voraussetzung ist jedoch die Eröffnung des situativen Anwendungsbereichs, welcher derzeit noch relativ eng gefasst ist. Eine weitere Schranke der Rechtswahl ergibt sich aus Art. 34 EGBGB hinsichtlich international zwingender Vorschriften, die sich im Bereich des Arztrechts lediglich auf ärztliche Berufszulassungs- und Berufsausübungsregelungen sowie die präventive Gefahrsteuerung durch Vorschriften des MPG, der StrlSchV und der RöV erstreckt, sofern aus diesen privatrechtliche, vertragsbezogene Rechtsfolgen erwachsen. Befinden die Parteien nicht selbst über die Anwendbarkeit einer bestimmten Rechtsordnung auf das Rechtsverhältnis und kommt der Vertrag zwischen Arzt und Patient unter den in Art. 29 Abs. 1 EGBGB genannten Modalitäten zustande, unterliegt das Vertragsverhältnis dem Recht am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Patienten. Ansonsten gilt die gesetzliche Vermutungsregelung gem. Art. 28 Abs. 2 EGBGB, wonach der Vertrag die engste Verbindung zu dem Staat aufweist, in dem der Arzt als Leistungserbringer im Zeitpunkt des Vertragsschlusses seine (Haupt-)Niederlassung hat. Für den Fall der grenzüberschreitenden Inanspruchnahme medizinischer Leistungen durch Patienten im Ausland an der Niederlassung des Arztes (Konstellation der passiven Dienstleistungsfreiheit) ergeben sich hinsichtlich der Tragfähigkeit dieser Anknüpfung regelmäßig keine Zweifel. In den Fällen der aktiven Dienstleistungsfreiheit und der Telemedizinapplikationen kann diese Anknüpfung jedoch in einer Reihe von Konstellationen nicht als engste Verbindung des Arzt-Patienten-Verhältnisses angesehen werden. Dies ergibt sich vor allem aufgrund der Tendenz des arbeitsteiligen Zusammenwirkens mehrerer Spezialisten aus unterschiedlichen Mitgliedstaaten bei bestimmten Eingriffen, sei es im Rahmen einer ausschließlichen Präsenzbehandlung, sei es in Form der Hinzuziehung ausländischer Telemediziner zu einer Behandlung im Inland. Die Gefahr von Haftungskonflikten bzw. Normwidersprüchen im Falle der Anknüpfung an die jeweilige Niederlassung des behandelnden Arztes spricht in diesem Bereich regelmäßig für eine Anknüpfung an den Ort der ärztlichen Kooperation (Aufenthaltsort des Patienten), so dass es auch auf diesem Wege zur Geltung einer für den Arzt fremden Rechtsordnung kommen kann.

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6. Im außervertraglichen Bereich ist die kollisionsrechtliche Rechtswahlmöglichkeit auf die Zeit nach dem Eintritt des das außervertragliche Schuldverhältnis begründenden bzw. schadensstiftenden Ereignisses begrenzt. Aufgrund des im grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehr regelmäßigen kollisionsrechtlichen Gleichlaufs von vertraglicher und außervertraglicher Haftung im Wege der vertragsakzessorischen Anknüpfung gem. Art. 41 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 EGBGB spielt das internationale Deliktsrecht bzw. internationale Recht der GoA grundsätzlich eine untergeordnete Rolle. Lediglich dann, wenn kein eigenständiger Vertrag mit einem herangezogenen ausländischen Arzt zustande gekommen ist, können die Grundanknüpfungen im deliktischen Bereich (Art. 40 Abs. 1 und 2 EGBGB) bzw. im Bereich der GoA (Art. 39 Abs. 1 EGBGB) zur Anwendung gelangen. Hinsichtlich der Frage, inwieweit dann in den Fällen des ärztlichen Zusammenwirkens mehrerer Ärzte in horizontaler Arbeitsteilung eine vorrangige Anknüpfung an den Ort der ärztlichen Kooperation (tatsächlicher Aufenthaltsort des Patienten) gem. Art. 41 Abs. 1 EGBGB in Betracht kommt, ist zu differenzieren: Während im internationalen Deliktsrecht in dieser Konstellation für eine entsprechende Abkehr von der Regelanknüpfung des Art. 40 Abs. 1 EGBGB aufgrund des gesetzlich eingeräumten Wahlrechts des Geschädigten zwischen Handlungs- und Erfolgsortrecht (Art. 40 Abs. 1 S. 2 EGBGB) kein vergleichbares dringendes Bedürfnis an der Schaffung eines uniformen Haftungsstatuts über die Ausweichklausel des Art. 41 EGBGB besteht, ist im Falle der Einschlägigkeit des Art. 40 Abs. 2 EGBGB aufgrund der Gefahr möglicher Kompetenzkonflikte durch die gleichzeitige Anwendbarkeit verschiedener Rechtsordnungen auf den Sachverhalt eine vorrangige Anknüpfung an den Ort der ärztlichen Kooperation gem. Art. 41 Abs. 1 EGBGB angezeigt. Letzteres gilt auch bezüglich des GoA-Statuts im Falle einer ansonsten drohenden Zersplitterung des einheitlichen Lebenssachverhalts aufgrund einer Anknüpfung gem. Art. 41 Abs. 2 Nr. 2 EGBGB, wenn also ein beteiligter Arzt und der Patient ihren gewöhnlichen Aufenthalt in demselben Staat haben. Im Rahmen gemeinschaftsinterner Telemedizinapplikationen findet gem. § 3 TMG/Art. 3 ECRL eine materielle Korrektur des auf außervertragliche Schuldverhältnisse anwendbaren Rechts zugunsten des Niederlassungsrechts des Telemediziners statt, sofern dieses bezogen auf den konkreten Sachverhalt das liberalere bzw. permissive „Regime“ darstellt. 7. Da nach richtiger Ansicht die allgemeinen ärztlichen Sorgfaltsstandards sowie Aufklärungspflichten keine ortsgebundenen Verhaltensnormen bzw. Sicherheitsvorschriften darstellen, erlangt in diesem Bereich das Handlungsortrecht abweichend vom Haftungsstatut keine Bedeutung. Ebenso wenig besteht ein legitimes Bedürfnis, diesen Bereich von der lex causae „abzukoppeln“ und grundsätzlich dem Niederlassungsrecht des Arztes zu unter-

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stellen. Vielmehr müssen sich die ärztlichen Sorgfalts- und Aufklärungspflichten ebenfalls nach dem auf das Rechtsverhältnis anwendbaren (Haftungs-)Recht richten. Auch hinsichtlich der Bemessung des Schmerzensgeldes ist eine grundsätzliche Bestimmung nach den Maßstäben des Sachrechts am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Patienten ohne Berücksichtigung der Bewertung der lex causae nicht angezeigt. 8. Unterliegt das Arzt-Patienten-Verhältnis aufgrund des kollisionsrechtlichen Rechtsanwendungsbefehls einem anderen als dem bekannten Heimatrecht des Arztes bzw. Patienten, so entstehen zunächst Kosten dadurch, dass sich die betreffende Partei über den Inhalt der berufenen Rechtsordnung informieren muss und damit gleichzeitig das Rechtsermittlungsrisiko trägt. Aufgrund der Tatsache, dass die Entstehung dieser Kosten unabhängig vom Inhalt des berufenen Sachrechts ist, kommt diesbezüglich als mögliche Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit lediglich das Kollisionsrecht in Betracht. 9. Demgegenüber spielt der materiell-rechtliche Regelungsgehalt des zur Anwendung berufenen Sachrechts dann eine Rolle, wenn es um die Auswirkungen der Anwendbarkeit materiell ungünstigerer Bestimmungen als derjenigen des Herkunftslandes des Arztes bzw. Patienten geht. Auf Seiten der Ärzte können sich strenge Haftungsvorschriften in einer erhöhten Kostenbelastung (entweder direkt in Form der Verpflichtung zur Schadensbegleichung oder mittelbar in Form der Erhöhung der Versicherungsprämien bei der Berufshaftpflichtversicherung bzw. durch Präventivmaßnahmen) niederschlagen. Auf der Patientenseite ergibt sich spiegelbildlich aus liberaleren Arzthaftungsvorschriften der lex causae eine Reduzierung des gesetzlichen Schutzniveaus. 10. Der Verweis auf das Recht des Herkunftslandes des Arztes kann sich dann ungünstig auswirken, wenn die Haftungsregelungen des Bestimmungslandes bzw. Zielstaates (Aufenthaltsstaat des Patienten) liberaler sind und damit das Interesse des Arztes augenfällig ist, in diesem Falle nicht dem vertrauten Recht des Herkunftsstaates zu unterliegen. Gleiches gilt spiegelbildlich für den Patienten im Falle des Verweises auf das im Vergleich zum Niederlassungsrecht des Arztes patientenunfreundlichere Recht an seinem gewöhnlichen Aufenthaltsort. Eine Anknüpfung an das Herkunftsrecht kann sich zudem dann ungünstig auswirken, wenn dies einen Vertragsabschluss unattraktiv für die andere Vertragspartei macht. 11. Dass auch die Normen des nationalen Privatrechts – sei es in Form nationaler Kollisionsnormen, sei es im Rahmen des Sachrechts – grundsätzlich uneingeschränkt auf ihre Vereinbarkeit mit den Grundfreiheiten überprüfbar sind, zeigt eine Reihe von Urteilen des EuGH und muss aufgrund der möglichen mitgliedstaatlichen Unterschiede in der Umsetzung bestimmter staat-

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licher Ziele in Normen des Privatrechts oder des öffentlichen Rechts als europarechtlich konsequent bezeichnet werden. Damit erstreckt sich die Überprüfung hinsichtlich der Vereinbarkeit mit der Dienstleistungsfreiheit sowohl auf die nationalen Kollisionsnormen als auch auf die Sachnormen mit Bezug zur Arzthaftung. Dabei muss danach differenziert werden, ob die Beschränkung vom zur Anwendung berufenen Sachrecht herrührt, welches die materielle Entscheidung über den Sachverhalt trifft, oder ob bereits die kollisionsrechtliche Verweisung an sich, unabhängig von der anwendbaren Sachrechtsordnung, eine Beeinträchtigung der Grundfreiheit darstellt. 12. Aufgrund der Tatsache, dass im internationalen Schuldvertragsrecht der Grundsatz der Parteiautonomie gilt, welcher es dem Arzt und Patienten grundsätzlich ermöglicht, darüber zu entscheiden, welche Rechtsordnung samt dispositiver und zwingender Normen auf den Behandlungsvertrag Anwendung finden soll, sind nach richtiger Ansicht die parteidispositiven Vertragsanknüpfungen der Grundfreiheitenkontrolle entzogen. Denn mehr als die freie Rechtswahl vermag das Internationale Privatrecht für die Binnenmarktidee des EG-Vertrages nicht zu leisten. Die Abhängigkeit der Wahrnehmung dieser Rechtswahlmöglichkeit von der Zustimmung der jeweils anderen Vertragspartei ist Wesensmerkmal eines Vertrages und die Wahrnehmung der Dispositionsmöglichkeit ein notwendiges Korrelat dieser Freiheit. In den Fällen, in denen die Behinderung in der bei objektiver Anknüpfung unerwünschten Anwendbarkeit des Rechts des Herkunftsstaates liegen würde, kommt man mit der Wahl des Herkunftsrechts der anderen Vertragspartei deren Wunsch häufig sogar entgegen. Zudem kann in der den objektiven Anknüpfungen innewohnenden Entscheidung hinsichtlich der Verteilung der Rechtsermittlungslasten – denn nur hierin liegt die spezifisch kollisionsrechtliche Belastung in diesem Fall – keine grundfreiheitenrelevante Beschränkung gesehen werden, da der EG-Vertrag von der Existenz konkurrierender mitgliedstaatlicher Zivilrechtsordnungen und damit von der Erforderlichkeit ihrer kollisionsrechtlichen Vermittlung ausgeht. Ordnet das IPR wie in den Art. 29 Abs. 1, 29a, 34 und 6 EGBGB die alleinige oder ergänzende zwingende Geltung einzelner Rechtssätze an, besteht zwar nicht die Möglichkeit, durch parteiautonomes Handeln potentiell belastende Regelungen ganz auszuschalten. Jedoch ist auch in diesem Bereich wiederum zu prüfen, inwieweit die daraus resultierenden Belastungen spezifisch kollisionsrechtlicher Natur sind. Die zwingenden Anknüpfungen gem. Art. 34 und 6 EGBGB sind als rein deklaratorische Öffnungs- bzw. Vorbehaltsklauseln unbedenklich, da es hier hinsichtlich der Frage der Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit auf den Inhalt der konkreten Sachnorm bzw. auf das konkrete Rechtsanwendungsergebnis ankommt. Demgegenüber begünstigt die zwingende Anknüpfung verbraucherschützender

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Vorschriften gem. Art. 29, 29a EGBGB den Verbraucher und benachteiligt demzufolge den Dienstleister, da dieser daran gehindert wird, die alleinige Geltung seines heimischen Niederlassungsrechts zu vereinbaren. Dies ist jedoch nach zu befürwortender Ansicht aus zwingenden Gründen des Verbraucherschutzes gerechtfertigt. 13. Im Bereich der außervertraglichen Schuldverhältnisse entziehen sich die kollisionsrechtlichen Anknüpfungen weitestgehend einer Kontrolle durch die Grundfreiheiten, da diese bis auf die vertragsakzessorische Anknüpfung gem. Art. 41 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB (bzw. die Grundanknüpfungen bei Gleichlauf mit dem Sonderverbindungsstatut gem. Art. 41 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB) und die Rechtswahl gem. Art. 42 EGBGB als Gesamtnormverweisungen ausgestaltet sind. In diesem Fall trifft eine fremde Kollisionsnorm letztendlich die Entscheidung in der Rechtsverweisung, so dass auch nur sie und nicht die ursprüngliche Gesamtverweisung Gegenstand der Grundfreiheitenprüfung sein kann. Hinsichtlich der vertragsakzessorischen Anknüpfung kann auf die Ausführungen zum internationalen Schuldvertragsrecht verwiesen werden. Aus europarechtlicher Perspektive problematisch erscheint jedoch der grundsätzliche Ausschluss der antizipierten Rechtswahl in Art. 42 EGBGB. Im internationalen Arzthaftungsrecht ist eine die Haftungsrisiken kalkulierbar machende ex-ante-Bestimmung des anwendbaren Rechts nicht nur im vertraglichen, sondern auch im außervertraglichen Bereich von Interesse. Dies betrifft vor allem die Hinzuziehung eines ausländischen Arztes durch den Präsenzarzt vor Ort. Besteht zwischen Patient und hinzugezogenem Arzt kein eigenes Vertragsverhältnis, kommen bei einer Schadensverursachung lediglich deliktische Ansprüche gegen diesen in Betracht. In diesen Fällen besteht ebenso ein beiderseitiges legitimes Interesse an der Kalkulierbarkeit der Haftungsrisiken bzw. Rechtsklarheit wie im vertraglichen Bereich. Durch eine entsprechende Geltung der Grenzen der vertraglichen Rechtswahl auch im deliktischen Bereich würde dem Schutz des Patienten hinreichend Genüge getan. Für einen generellen Ausschluss der antizipierten Rechtswahlmöglichkeit bestehen damit keine zwingenden Gründe des Allgemeinwohls. 14. Hinsichtlich der Frage, ob dem nationalen Arzthaftungsrecht mit Blick auf die Freiheit des Dienstleistungsverkehrs eine handelsbeschränkende Wirkung innewohnen kann, ist zunächst wiederum auf den zwingenden bzw. in ganz wenigen Sonderfällen zumindest „vorformulierungsfesten“ Charakter der arzthaftungsrechtlichen Regelungen hinzuweisen, so dass diese nicht bereits aufgrund ihrer grundsätzlichen Abdingbarkeit auf sachrechtlicher Ebene aus der Grundfreiheitenkontrolle herausfallen. Inwieweit zwingendes bzw. „vorformulierungsfestes“ nationales Privatrecht eine relevante Beschränkung des grenzüberschreitenden Verkehrs darstellt, kann nach vorzugswürdiger Ansicht grundsätzlich auch nicht davon abhängen, ob die

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Möglichkeit einer anderweitigen Rechtswahl besteht und so die belastenden privatrechtlichen Regelungen durch parteiautonomes Handeln ganz ausgeschaltet werden können. Bei einer solchen umfassenden Ausklammerung des intern zwingenden Rechts bei bestehender Rechtswahlmöglichkeit würde die gesamte Problematik der Beeinträchtigung durch zwingende Sachrechtsvorschriften auf die „abstrakte Ebene“ des Kollisionsrechts verlagert werden und es käme zu einer Verwischung hinsichtlich der zu treffenden Unterscheidung zwischen spezifisch kollisionsrechtlichen und spezifisch sachrechtlichen Beeinträchtigungen. Die nochmalige Heranziehung (vgl. unter 12.) des Arguments der Abwählbarkeit einer Rechtsordnung einschließlich der zwingenden Regelungen ist daher nicht sachgerecht. 15. Aufgrund der Tatsache, dass die nationalen arzthaftungsrechtlichen Regelungen unterschiedslos anwendbar sind und kein Sonderrecht für ausländische Anbieter und Empfänger von Gesundheitsleistungen enthalten, hängt die Frage eines möglichen Beschränkungscharakters davon ab, ob sie im Einzelfall tatsächlich die Ausübung der Dienstleistungsfreiheit behindern und damit in ihrer Ausprägung dem Beschränkungsverbot unterfallen. Wichtig ist dabei zunächst die Frage der Übertragbarkeit der zur Warenverkehrsfreiheit ergangenen, vieldiskutierten „Keck“-Rechtsprechung auf die Fälle des grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehrs sowie die Übertragbarkeit der im Rahmen der „Keck“-Formel getroffenen Unterscheidung zwischen produktbezogenen Regelungen und „Verkaufsmodalitäten“ auf das nationale Arzthaftungsrecht und der damit einhergehenden Eingrenzung des weitreichenden Beschränkungsverbots. 16. Zwar hat sich der EuGH in dem Urteil „Alpine Investments“ nicht ausdrücklich für eine Übertragung der Grundsätze der „Keck“-Rechtsprechung auf die Dienstleistungsfreiheit ausgesprochen, sondern nur festgestellt, dass sie jedenfalls keine Anwendung auf Vorschriften des Herkunftsstaates des Leistungserbringers finden können, die wie im entsprechenden Fall auch den Export und damit den Zugang zu den Märkten anderer Mitgliedstaaten (Ausgangsfreiheit) regeln. Jedoch spricht angesichts der bisherigen Konvergenz in der Entwicklung von Warenverkehrs- und Dienstleistungsfreiheit so lange nichts gegen die Übertragbarkeit der im Rahmen der Warenverkehrsfreiheit entwickelten Differenzierung, als bezogen auf die konkrete Dienstleistung ebenso zwischen einer reinen Beschränkung der Art und Weise des Vertriebs (Vertriebs- bzw. Verkaufsmodalität) und der Beschränkung des Inhalts der Dienstleistung (Produktgestaltung) unterschieden werden kann. 17. Im Rahmen des nationalen Arzthaftungsrechts ist eine solche zweifelsfreie Einordnung der vertraglichen bzw. deliktischen Haftungsregelungen unter diese Zweiteilung nicht möglich. Die Grenzen zwischen beiden Kategorien sind in diesem Bereich fließend. Gegenüber der Produktion und dem Ver-

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trieb einer Ware fallen hier „Entstehung“ und Erbringung der Behandlungsleistung zeitlich in einem „Moment“ zusammen. Zwischen den „Produkteigenschaften“ der Behandlungsleistung und der Art und Weise ihrer Erbringung kann nicht so eindeutig unterschieden werden wie häufig im Bereich des Warenverkehrs. Von einer Standardisierung der Dienstleistung, die als ein im Empfangsstaat lediglich zu reproduzierendes Produkt ausgeprägt ist, kann keine Rede sein, da so individuell wie der Gesundheitszustand des Patienten auch die konkret zu erbringende Behandlungsleistung ist. Während im grenzüberschreitenden Warenverkehr die besondere Belastung produktbezogener Regelungen des Importstaates darin zu sehen ist, dass Waren, die bereits im Herkunftsland rechtmäßig gehandelt wurden, nacheinander von zwei Rechtsordnungen betroffen sind, ist der Arzt hinsichtlich arzthaftungsrechtlicher Bestimmungen regelmäßig keiner rechtlichen Doppelbelastung ausgesetzt. Die schwer mögliche Differenzierung zwischen Regelungen bezüglich des Inhalts und Art und Weise der Erbringung des „unsichtbaren Produkts“ Dienstleistung sprechen damit gegen eine „formale“ Reduzierung des Beschränkungsverbots entsprechend der „Keck“Rechtsprechung im Bereich des nationalen Arzthaftungsrechts. 18. Da weder ein grundsätzlicher Ausschluss zwingender Sachrechtsregelungen mit Hinweis auf die anderweitige Rechtswahlmöglichkeit noch die Begrenzung des weitgehenden Beschränkungsbegriffs durch die „Keck“-Formel mit Blick auf das nationale Arzthaftungsrecht sachgerecht erscheint, ist hinsichtlich der Frage einer möglichen rechtfertigungsbedürftigen Beschränkung durch strengeres (aus Sicht des Arztes) bzw. patientenunfreundlicheres (aus Patientensicht) Arzthaftungsrecht auf die einzelnen Fallkonstellationen, in denen derartige Beeinträchtigungen auftreten können, einzugehen. Dabei ist hinsichtlich der beeinträchtigten Person (Dienstleistungserbringer oder Dienstleistungsempfänger) sowie der Frage, ob der Herkunftsstaat/ Sitzstaat oder der Empfangsstaat die ungünstigere Regelung stellt, zu unterscheiden. 19. Unterliegt der Arzt im Rahmen der aktiven Dienstleistungsfreiheit bzw. Korrespondenzdienstleistungsfreiheit den strengeren Arzthaftungsbestimmungen seines Niederlassungsstaates, beruht der diesbezügliche Nachteil des Leistungserbringers einzig und allein darauf, dass andere Mitgliedstaaten für gebietsansässige Dienstleister weniger strenge Regelungen vorsehen. Würde man in einem solchen Fall den Dienstleistungserbringer grundsätzlich als berechtigt ansehen, die strengen Haftungsnormen seines Herkunftslandes auf den Prüfstand des primärrechtlichen Beschränkungsverbotes zu stellen und damit einem Rechtfertigungszwang unterwerfen, bestünde die Gefahr, dass auf der Rechtfertigungsebene der Grundfreiheitenkontrolle (speziell im Rahmen der Verhältnismäßigkeit) das kollisionsrechtliche Prinzip der vermuteten engsten Verbindung vertraglicher Schuldverhältnisse

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zum Niederlassungsstaat des Dienstleistungserbringers in eine Art „Günstigkeitsanknüpfung“ umgewandelt wird. Dies wäre mit dem bestehenden Binnenmarktkonzept, welches nach wie vor von der Koexistenz selbständiger und vielfältiger Privatrechtsordnungen der Mitgliedstaaten und damit einer Rechtsvielfalt ausgeht, schwerlich vereinbar. Daher ist auf die Fälle der Beeinträchtigung durch Maßnahmen des Sitzstaates des Leistenden ein wesentlich restriktiverer Beschränkungsbegriff anzuwenden als in den Fällen der Beeinträchtigung durch Regelungen des Empfangsstaates. Nur dann, wenn durch die entsprechenden Regelungen die Dienstleistungserbringung zwischen den Mitgliedstaaten gegenüber der Dienstleistungserbringung innerhalb eines Mitgliedstaates erschwert („Diskriminierung“ des Außenhandels gegenüber dem Binnenhandel) bzw. der Zugang zum Dienstleistungsmarkt eines anderen Mitgliedstaates unmittelbar behindert wird, ist eine rechtfertigungsbedürftige Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit anzunehmen. Beides vermag die alleinige Anwendung des heimischen Arzthaftungsrechts nicht zu leisten. 20. Unterliegt der Arzt im Rahmen der aktiven Dienstleistungsfreiheit bzw. Korrespondenzdienstleistungsfreiheit den strengeren Arzthaftungsbestimmungen des Empfangslandes bzw. Importstaates (regelmäßig gewöhnlicher Aufenthaltsort des Patienten), handelt es sich um den klassischen Fall im Rahmen der Grundfreiheiten, nämlich um eine mögliche Beschränkung des ausländischen Leistungserbringers durch eine Regelung des Importstaates. Nach dem in diesem Rahmen vom EuGH geprägten, grundsätzlich weiten Verständnis des Beschränkungstatbestandes, wonach es bereits für die Annahme einer Beschränkung genügen soll, dass die Regelung geeignet ist, die grenzüberschreitende Tätigkeit für den Dienstleistungserbringers weniger attraktiv zu machen, scheint der Subsumtion strengerer arzthaftungsrechtlicher Regelungen des Empfangs- bzw. Bestimmungslandes grundsätzlich nichts entgegenzustehen. Jedoch ist sowohl in der Rechtsprechung wie auch in der Literatur eine Abkehr von dem auf der „Dassonville“-Formel gründenden und im Urteil „Säger“ erstmals für den Bereich der Dienstleistungsfreiheit ausdrücklich übernommenen weiten Verständnis des Beschränkungstatbestandes zu verzeichnen, und zwar insoweit, als von den Grundfreiheiten nicht jedwede Belastung der wirtschaftlichen Betätigung erfasst und damit dem Rechtfertigungserfordernis unterworfen sein soll. Der vom EuGH neben „Keck“ verfolgte Ansatz, wonach privatrechtliche Regelungen mit den Grundfreiheiten vereinbar sind, deren beschränkende Wirkungen zu ungewiss und zu mittelbar erscheinen, dass sie als geeignet angesehen werden können, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu behindern, entspricht faktisch der Einführung einer Spürbarkeitsgrenze, die im Bereich der Grundfreiheiten gerade abgelehnt wird. Auch der teilweise in der Literatur befürwortete Weg, zunächst für die Eröffnung des Anwen-

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dungsbereichs der Grundfreiheiten jeden einen Diversifikationszwang auslösenden Regelungscharakter als ausreichend zu erachten, um dann durch eine nachfolgende großzügige Verhältnismäßigkeitsprüfung auf der Rechtfertigungsebene die Ausweitung des Anwendungsbereichs gewissermaßen wieder auszugleichen, ist mit Blick auf die daraus resultierende Konturlosigkeit des Beschränkungsbegriffs anzulehnen. Vorzuziehen ist vielmehr eine Rückbesinnung auf die Ziele des Binnenmarktes sowie Sinn und Zweck der Grundfreiheiten, welche sich in den hinter der „Keck“-Rechtsprechung stehenden Überlegungen widerspiegeln. Für die Annahme eines grundfreiheitlich relevanten Beschränkungscharakters muss es darauf ankommen, ob die fragliche staatliche Maßnahme den Marktzugang für ausländische Erzeugnisse/Dienstleistungen zu versperren oder zu behindern vermag und damit die grenzüberschreitenden Wirtschaftsvorgänge stärker belastet als sie dies für inländische Erzeugnisse tut. Treten die Regelungen des Importstaates zu denen des Herkunftsstaates hinzu, resultiert die stärkere Belastung der grenzüberschreitenden Dienstleistungserbringung bereits aus der Notwendigkeit der Beachtung zweier Rechtsordnungen, während die innerstaatliche Dienstleistungserbringung nur die Anforderungen des Importstaates erfüllen muss. Im Rahmen des internationalen Arzthaftungsrechts betrifft dies die Fälle der Anwendbarkeit der günstigeren zwingenden verbraucherschützenden Normen des Rechts am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Verbrauchers zusätzlich zur erfolgten Rechtswahl gem. Art. 29 Abs. 1 EGBGB, welche jedoch regelmäßig, sofern sie verhältnismäßig sind, aus Gründen des Verbraucherschutzes gerechtfertigt sind. Ist allein das strengere Arzthaftungsrecht des Empfangslandes bzw. Bestimmungsstaates anwendbar, kann es zwar zu erhöhten Kostenbelastungen für ausländische Ärzte kommen, jedoch hat dies keinen prohibitiven Effekt in der Form zur Folge, dass der Marktzugang für Ärzte aus anderen Mitgliedstaaten erschwert wird und damit ein relevanter Wettbewerbsvorteil für die Ärzte im Importstaat entsteht. Eine spezifische Belastung der Grenzüberschreitung durch strengere arzthaftungsrechtliche Vorschriften des Importstaates wäre nur dann in Erwägung zu ziehen, wenn es sich bei der ärztlichen Behandlungsleistung um eine nach den im Herkunftsland geltenden Vorschriften konzipierte und standardisierte Dienstleistung handelte, so dass durch die Geltung der strengeren Vorschriften des Bestimmungslandes ein Anpassungszwang und eine damit verbundene erhöhte Kostenbelastung, folglich eine tatsächlich ungleiche Berührung im Vergleich zu den Ärzten des Importstaates entstünde. Da es sich hierbei jedoch nicht um eine derart standardisierte, sondern vielmehr um eine individuelle Leistung handelt, die im Moment ihrer Erbringung erst entsteht, kann bei der Geltung der strengeren Vorschriften des Importstaates nicht von einer spezifischen Belastung der grenzüberschreitenden Tätigkeit gegenüber der reinen Inlandserbringung die

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Rede sein. Vielmehr sind ausländische und inländische Dienstleistungserbringer von den entsprechenden Regelungen gleichermaßen betroffen. Der ökonomische Mehraufwand des ausländischen Arztes gegenüber der Dienstleistungserbringung in seinem Heimatstaat ist allein Folge der unterschiedlichen Regelungsintensität der mitgliedstaatlichen Haftungsvorschriften, was noch keine relevante Behinderung des Dienstleistungsverkehrs begründet. Eine zum Rechtsunterschied hinzutretende, spezifisch auf der Grenzüberschreitung beruhende Behinderung liegt nicht vor. 21. Während es im Rahmen der aktiven und Korrespondenzdienstleistungsfreiheit darum geht, für den Dienstleistungserbringer die ungehinderte grenzüberschreitende Dienstleistungserbringung zu gewährleisten, kommt es im Rahmen der passiven Dienstleistungsfreiheit auf die Gewährleistung der ungehinderten Entgegennahme der Behandlungsleistung an. Eine Behinderung der grenzüberschreitenden Inanspruchnahme der ärztlichen Behandlung durch das patientenunfreundlichere Recht des Herkunftsstaates des Patienten kommt wie in der oben erörterten spiegelbildlichen Konstellation (unter 19.) nicht in Betracht. Abgesehen von der Tatsache, dass der Patient bei Wahrnehmung der passiven Dienstleistungsfreiheit in kollisionsrechtlicher Hinsicht in den seltensten Fällen dem eigenen (patientenunfreundlicheren) Herkunfts-recht unterliegen wird, lässt sich allein aus der Tatsache heraus, dass das Privatrecht anderer Mitgliedstaaten Patienten arzthaftungsrechtlich in umfassenderem Maße schützt, noch kein binnenmarktsbeschränkender Charakter des Herkunftsrechts des Patienten ableiten. Die Anwendung der heimischen Arzthaftungsregeln hindern den Patienten weder daran, die Leistungen eines Arztes im Ausland in Anspruch zu nehmen, noch erschweren sie die grenzüberschreitende Inanspruchnahme gegenüber der Inanspruchnahme von Leistungen im Inland. Unterliegt der Patient bei Wahrnehmung seiner passiven Dienstleistungsfreiheit dem patientenunfreundlicheren Recht des Niederlassungsstaates des Arztes, beschränkt sich der Schutzumfang der Art. 49 f. EGV auf das Gebot der Inländergleichbehandlung bzw. das Verbot der Ausländerdiskriminierung, so dass die Dienstleistungsempfangsfreiheit bereits dann verwirklicht ist, wenn der Patient nach den Vorschriften des Niederlassungsstaates des Arztes einreisen und dort Behandlungsleistungen unter den gleichen Bedingungen nachfragen kann wie die dort ansässigen Patienten. Da die haftungsrechtlichen Regelungen am ärztlichen Niederlassungsort den ausländischen Patienten gegenüber dem inländischen Patienten nicht benachteiligen, sondern beide gerade gleichstellen, liegt hierin keine relevante Beschränkung der passiven Dienstleistungsfreiheit.

§ 6 Ausblick Die erhöhten Kostenbelastungen bzw. niedrigeren Patientenschutzniveaus können damit als bloße Folgen der Unterschiede in den nationalen Privatrechtsordnungen – sofern sie wettbewerbsverzerrend bzw. -verfälschend wirken – ein Thema für die legislative Rechtsangleichung sein.1371 Denn das Fehlen einer handelsbeschränkenden Wirkung im Sinne der Grundfreiheiten heißt noch nicht, dass fortbestehende Unterschiede zwischen den nationalen privatrechtlichen Regelungen den Wettbewerb nicht verfälschen können und diese damit im Wege der Rechtsangleichung zu beseitigen sind (vgl. Art. 3 Abs. 1 lit. g) und h) EGV).1372 Ein Rechtsangleichungserfordernis bezüglich der Regelungen im Arzthaftungsrecht lässt sich nur nicht bereits mit dem Vorliegen spezifischer, wenn möglicherweise auch gerechtfertigter Beschränkungen des grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehrs begründen. Vereinheitlichungsbestrebungen der Rechtslage im Haftungsrecht zeigten sich, anknüpfend an die im Jahre 1985 erlassene Richtlinie zur Haftung für fehlerhafte Produkte1373, bereits am 9. November 1990 mit dem Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie des Rates über die Haftung der Dienstleistungsberufe1374, welche sich auch auf das Arzthaftungsrecht erstrecken sollte. Allgemeines Ziel war es, den Schutz von Dienstleistungsempfängern durch die 1371 Vgl. Roth, Europäisches Versicherungsrecht, in: Honsell, Berliner Kommentar zum Versicherungsvertragsgesetz, Rn. 38; ders., in: Schulte-Nölke/Schulze, Europäisches Vertragsrecht und Gemeinschaftsrecht, S. 11, 27 f.; Steindorff, EG-Vertrag und Privatrecht, S. 82; auch Matthies, in: FS für Everling, S. 803, 814 f., 816 betont die aus der „Keck“-Rechtsprechung folgende Erweiterung des Kreises für die der Rechtsangleichung zugänglichen Maßnahmen aufgrund der Eingrenzung des Anwendungsbereichs der Grundfreiheiten; ebenso Schwartz, ZEuP 1994, 559, 583 f. 1372 Vgl. Lubitz, Die Angleichung des Privatrechts in den Mitgliedstaaten durch die europäische Richtlinie und Verordnung, S. 9 f.; Ludwigs, Rechtsangleichung nach Art. 94, 95 EG-Vertrag, S. 196 ff., 368 ff.; Schwartz, ZEuP 1994, 559, 568 f., 576, speziell zum Wechselspiel der Grundfreiheitenkontrolle und dem Bedürfnis der Rechtsangleichung; ebenso Steindorff, EG-Vertrag und Privatrecht, S. 82, welcher ausdrücklich klarstellt, dass Rechtsunterschieden, die lediglich zu Wettbewerbsverzerrungen bzw. -verfälschungen führen und damit den Grundfreiheiten nicht entgegenstehen, nur im Wege der Rechtsangleichung entgegengewirkt werden kann. 1373 Richtlinie des Rates vom 25. Juli 1985 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Haftung für fehlerhafte Produkte (85/374/EWG), ABl. EG Nr. L 210 vom 7.8.1985, S. 29; vgl. Produkthaftungsgesetz vom 15.12.1989, BGBl. I 1989, 2198 ff. 1374 KOM(90) 482 endg. (= BT-Drs. 12/180) – SYN 308, ABl. EG Nr. C 12 vom 18.1.1991, S. 8 ff.

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Harmonisierung der Haftungsregeln zu verstärken, wobei u. a. eine generelle Beweislastumkehr für das Verschulden angestrebt wurde. Jedoch scheiterte am 23. Juni 1994 mit dem offiziellen Rückzug des Richtlinienvorschlags1375 der Versuch, die Haftung sämtlicher Dienstleistungsbranchen in nur einem Regelwerk ohne Berücksichtigung der spezifischen Gegebenheiten der einzelnen Bereiche des Dienstleistungssektors zu erfassen. Die Kommission räumte dabei ein, dass man in Zukunft bei der eventuellen Ausarbeitung weiterer Legislativentwürfe „den Besonderheiten der einzelnen Dienstleistungsbereiche, speziell des Gesundheitswesens, stärker Rechnung zu tragen“ habe.1376 Trotz der gleichzeitigen, mit dem Rückzug einhergehenden Ankündigung einer Sonderrichtlinie für die Ärzteschaft1377 sind bisher keine konkreten Pläne hierzu bekannt geworden. Zwar hat die Kommission für einige Länder Gutachten in Auftrag gegeben, mit denen „ein vollständiger und aktualisierter Überblick über die Relation Verbraucher/medizinische Dienste in den einzelnen Mitgliedstaaten“ ermittelt werden sollte.1378 Derartige Gutachtenaufträge werden, so Hirsch1379, „üblicherweise zur Ermittlung eines gemeinschaftlichen Handlungsbedarfs und als Grundlage für entsprechende Regelungen erteilt“ und können wohl nur „als Vorstufe für ein Tätigwerden der Kommission speziell im Arzthaftungsbereich gedeutet werden“. Trotz fehlender konkreter Pläne einer Arzthaftungsrichtlinie kann man jedoch mit Blick auf die Beseitigung nationaler Grenzen bei der kassenärztlichen Versorgung durch die EuGH-Rechtsprechung und die daraus resultierende Schaffung der Grundlage für einen freien Austausch ärztlicher Leistungen nicht davon ausgehen, dass dieses Thema ganz vom Tisch ist. Fraglich ist jedoch die Kompetenz der EU für Rechtsangleichungsmaßnahmen in diesem Bereich. In Betracht kommt lediglich eine Regelungskompetenz aus Art. 95 EGV, auf welche sich auch der Richtlinienvorschlag aus dem Jahre 1991 stützte (seinerzeitig noch Art. 100a EGV a. F.).1380 Dieser hat die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarktes durch den Erlass von Maßnahmen zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten zum Gegenstand und dient damit der Verwirklichung der Grundfreihei1375

KOM(94) 260 endg. KOM(94) 260 endg., Ziff. 8 und 16. 1377 KOM(94) 260 endg., Ziff. 16; eine solche wurde bereits während der Beratungsphase des Kommissionsentwurfs in Aussicht gestellt – vgl. Europa-Report, EuZW 1991, 100. 1378 Hirsch, in: Laufs/Dierks/Wienke/Graf-Baumann/Hirsch, Die Entwicklung der Arzthaftung, S. 149, 157. 1379 Hirsch, a. a. O. 1380 Die sektorielle Kompetenz im Gesundheitswesen (Art. 152 EGV) erlaubt keine Rechtsangleichung, vgl. Art. 152 Abs. 4 lit. c) EGV; im Rahmen der Kompetenz für den Verbraucherschutz (Art. 153 EGV) wird ebenfalls auf Art. 95 EGV verwiesen, vgl. Art. 153 Abs. 3 EGV; vgl. zur Kompetenzfrage: Hirte, Berufshaftung, S. 221 f.; Gaidzik, JR 1992, 323, 325; Heinemann, ZIP 1991, 1193, 1200 ff. 1376

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ten durch die Beseitigung von bestehenden bzw. wahrscheinlich entstehenden Handelshemmnissen sowie von spürbaren Wettbewerbsverfälschungen durch vorhandene Divergenzen zwischen den nationalen Rechtsvorschriften.1381 Da die unterschiedlichen arzthaftungsrechtlichen Bestimmungen der Mitgliedstaaten, wie oben herausgearbeitet, unter dem Aspekt der Dienstleistungsfreiheit keine relevante handelsbeschränkende Wirkung aufweisen, weil sie weder den Marktzugang versperren noch eine Ungleichbehandlung innerstaatlicher und „eingeführter“ Behandlungsleistungen zur Folge haben, kommt eine Rechtsangleichung nur unter dem Aspekt der Herstellung von Wettbewerbsgleichheit in Betracht.1382 Dafür ist jedoch eingehend zu untersuchen, in welchem Ausmaß sich unterschiedliche Arzthaftungsnormen als Wettbewerbshindernisse auswirken und damit eine Einzelrichtlinie notwendig machen. Denn die Angleichung der entsprechenden Rechtsmaterie und damit die Kompetenzzuweisung an den Rat gilt unter dem Vorbehalt, dass die Rechtsangleichung für die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarktes erforderlich ist.1383 Eine bloße Förderlichkeit bzw. Nützlichkeit für die Verwirklichung des gemeinschaftlichen Binnenmarktes genügt nicht. Die Frage der Erforderlichkeit haftungsvereinheitlichender Regelungen auf europäischer Ebene stellt sich vor allem vor dem Hintergrund des gemeinschaftsrechtlichen Subsidiaritätsprinzips (Art. 5 Abs. 2 EGV), einem noch recht jungen Leitgedanken der europäischen Politik, welcher seit dem Vertrag von Maastricht1384 ausdrücklich für die europäische Normsetzung gilt. Hiernach ist die Gemeinschaft in den Bereichen, die nicht in ihre ausschließliche Zuständigkeit fallen, darauf beschränkt, nur dann tätig zu werden, wenn und soweit die Ziele der in Betracht gezogenen Maßnahmen nicht ausreichend auf der Ebene der Mitgliedstaaten erreicht werden können und daher wegen ihres Umfangs oder ihrer Wirkungen ein Handeln auf Gemeinschaftsebene angezeigt ist. Hinsichtlich der Frage der Erforderlichkeit besteht eine gerichtlich nachprüfbare Pflicht zur substantiierten Begründung nach Art. 253 EGV. Wie bereits im ersten Teil erörtert, wurde durch die EuGH-Urteile von „Kohll“ und 1381 Ludwigs, Rechtsangleichung durch Art. 94, 95 EG-Vertrag, S. 192 ff.; Riesenhuber, Systeme und Prinzipien des Europäischen Privatrechts, S. 137 ff.; Lukes/von Danwitz, in: Dauses, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts – Band 1, B. II Rn. 100 ff.; Franzen, Privatrechtsangleichung durch die Europäische Gemeinschaft, S. 93 ff. 1382 Zum abgestuften Angleichungsbedarf vgl. Franzen, S. 117; Schwartz, ZEuP 1994, 559, 576 ff. 1383 Vgl. Art. 3 Abs. 1 lit. h) EGV, Art. 14 Abs. 1 EGV; Armbrüster, RabelsZ 60 (1996), 72, 82; Heinemann, ZIP 1991, 1193, 1201; Ludwigs, Rechtsangleichung nach Art. 94, 95 EG-Vertrag, S. 188 ff., 422 f. 1384 Damals noch Art. 3b Abs. 2 EGV a. F.; vgl. Franzen, Rechtsangleichung durch die Europäische Gemeinschaft, S. 57 ff., 68; Lukes/von Danwitz, in: Dauses, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts – Band 1, B. II Rn. 118; Remien, JZ 1994, 349, 353; das Subsidiaritätsprinzip ist im Bereich der Privatrechtsangleichung uneingeschränkt anwendbar, da das Privatrecht als tradierter Bestandteil der mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen nicht zu der ausschließlichen Zuständigkeit der Gemeinschaft gehört.

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„Decker“ bis „Müller-Fauré“ ein europäischer Markt für ärztliche Behandlungsleistungen geschaffen. Neben den Kriterien der Qualität der Behandlung außerhalb des eigenen Mitgliedstaates sowie der diesbezüglich anfallenden Kosten dürfte auch die Haftungssituation in dem jeweiligen Mitgliedstaat für den ausländischen Patienten nicht ohne Einfluss auf die Entscheidung der Inanspruchnahme ärztlicher Leistungen in anderen Mitgliedstaaten sein. Gleiches gilt mit umgekehrten Vorzeichen für die Ärzte innerhalb der Gemeinschaft mit Blick auf die divergierenden Kostenbelastungen. Ein Angleichungsbedürfnis des Arzthaftungsrechts mit dem zweidimensionalen Schutzzweck der Schaffung gleichmäßiger Wettbewerbsbedingungen sowie der Stärkung des Verbraucherschutzes wäre damit zumindest denkbar1385, wenngleich auch einige Stimmen1386 grundsätzlich eine kollisionsrechtliche Harmonisierung statt einer Sachrechtsangleichung favorisieren, um so den Wettbewerb der Sachrechtsordnungen1387 aufrecht zu erhalten. Eine andere Frage ist, in welchem Umfang ein Regelungsbedürfnis für die Harmonisierung der Haftungsvorschriften bzw. die einheitliche Behandlung von Schadensersatzbegehren auf Gemeinschaftsebene besteht.1388 Zwar zeigte sich in der Vergangenheit und zeigt sich auch noch derzeit in einer Reihe von Rechtsgebieten die Neigung bzw. Tendenz, die Frage, ob eine Rechtsharmonisierung zur Beseitigung der bestehenden Unterschiede auf EGrechtlicher Ebene wünschenswert ist, intuitiv zu bejahen.1389 Jedoch ist die Problematik bei Heilwesenschäden hinsichtlich einer Rechtsangleichung auf normativer Ebene komplizierter als in manch anderen Rechtsgebieten. Wollte man z. B. allein das Haftungsrecht ohne entsprechende Berücksichtung der in den einzelnen Mitgliedstaaten herrschenden, unterschiedlichen medizinischen Qualitätsstandards und technischen Niveaus mit Blick auf den Verbraucherschutz auf hohem Niveau vereinheitlichen, besteht die Gefahr, die Wettbewerbsnachteile der Ärzte mit Niederlassung in einem medizinisch hochentwickelten Mitgliedstaat, welche damit entsprechend hohen Leistungsstandards unterliegen, noch zu 1385

So auch Heinemann, ZIP 1991, 1193, 1202 f.; zur vergleichbaren Situation im Rahmen der kompetenzrechtlichen Situation bzgl. der Produkthaftungsrichtlinie Ludwigs, Rechtsangleichung durch Art. 94, 95 EG-Vertrag, S. 386 f.; a. A. Schalast/Voigtländer-Tetzner, VersR 1994, 1266, 1268, welche in der unterschiedlichen Haftung des Arztes in den Mitgliedstaaten wohl kein Wettbewerbshindernis sehen; die Notwendigkeit einer Rechtsangleichung des Haftungsrechts ebenfalls bezweifelnd Faure, ZEuP 2000, 575, 600. 1386 Vgl. Taupitz, JZ 1993, 533 ff., 538; ders., Privat- oder Kollisionsrechtsvereinheitlichung in Europa?, S. 28 ff.; Rittner, JZ 1995, 849, 853; Rohe, RabelsZ 61 (1997), 1, 58 ff.; Ulmer, JZ 1992, 1, 6 f.; ablehnend demgegenüber: Schmidtchen, RabelsZ 95 (1995), 56, 89; Lando, in: FS für Drobnig, S. 361 ff. 1387 Ausführlich zur Frage der Tragfähigkeit dieser Alternative Körber, Grundfreiheiten und Privatrecht, S. 29 ff. 1388 Zweifelnd Pitschas, in: Jahrbuch des Sozialrechts der Gegenwart 1993, S. 285, 322 f. 1389 Vgl. Taupitz, Privatrechts- oder Kollisionsrechtsvereinheitlichung in Europa, S. 4 ff.

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potenzieren.1390 Es ist damit zu überlegen, ob der Angleichung der Rechtsgrundlagen nicht zuerst eine Harmonisierung der medizinischen Qualitätsstandards bzw. Sorgfaltsmaßstäbe vorauszugehen hat, die sich meist nicht normativ fassen lassen.1391 Hier stellt sich aber bereits die Frage der praktischen Durchführbarkeit. In jüngster Zeit sorgte der von der Europäischen Kommission am 25.2.2004 vorgelegte Vorschlag für eine Richtlinie über Dienstleistungen im Binnenmarkt1392 für heftige Diskussionen sowohl auf europäischer als auch auf mitgliedstaatlicher Ebene. Als deren Kern galt die Ausweitung des nach der Rechtsprechung des EuGH für Waren bereits geltenden Herkunftslandprinzips auf Dienstleistungen (Art. 16 des Richtlinienvorschlags von 2004), wonach die Dienstleistungserbringer u. a. auch bezüglich der privatrechtlichen Rahmenbedingungen ihrer Aktivitäten lediglich den Bestimmungen ihres Herkunftsmitgliedstaates unterfallen sollten, so dass die anderen Mitgliedstaaten die Erbringung von Dienstleistungen nicht durch zusätzliche Anforderungen beschränken dürfen. Nach ausdrücklicher Anordnung sollte dies gerade auch für die Haftung der Dienstleistungserbringer gelten (vgl. Art. 16 Abs. 1 S. 2 des Richtlinienvorschlags von 2004). Jedoch konnte sich die Einführung eines Herkunftslandprinzips und die damit verbundene gegenseitige Anerkennung ausländischen (Haftungs-)Rechts der Dienstleistungsberufe in der nunmehr am 12. Dezember 2006 verabschiedeten EU-Dienstleistungsrichtlinie1393 nicht durchsetzen (vgl. Art. 16 der Richtlinie). Zudem wurde der Bereich der Gesundheitsdienstleistungen ganz aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie gestrichen (Art. 2 Abs. 2 lit. f der Richtlinie). Schließlich soll von dieser Richtlinie der Bereich des Internationalen Privatrechts ausgenommen sein (Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie). Damit wird mit Blick auf diese Entwicklung für den Bereich der grenzüberschreitenden Erbringung ärztlicher Behandlungsleistungen die EU-Dienstleistungsrichtlinie nicht relevant. Auch Art. 5 Abs. 31394 der am 20.10.2005 in Kraft getretenen EU-Berufsanerkennungsrichtlinie1395 hat auf die Frage der Anwendbarkeit eines bestimmten 1390 So auch Hirsch, in: Laufs/Dierks/Wienke/Graf-Baumann/Hirsch, Die Entwicklung der Arzthaftung, S. 149, 153 bzgl. der im Jahre 1990 vorgeschlagenen Richtlinie über die Haftung bei Dienstleistungen. 1391 Vgl. Fn. 275. 1392 Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Dienstleistungen im Binnenmarkt vom 25.2.2004, KOM(2004) 2 endg./2. 1393 Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt, ABl. EU L 376 vom 27.12.2006, S. 36 ff. 1394 „Begibt sich der Dienstleister in einen anderen Mitgliedstaat, so unterliegt er im Aufnahmemitgliedstaat den berufsständischen, gesetzlichen oder verwaltungsrechtlichen Berufsregeln, die dort in unmittelbarem Zusammenhang mit den Berufsqualifikationen für Personen gelten, die denselben Beruf wie er ausüben, und den dort gel-

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Arzthaftungsrechts im grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehr keinen Einfluss. Zwar könnte man aus dem Wortlaut der Norm auf eine Einführung des Bestimmungslandprinzips hinsichtlich der Beurteilung von Behandlungsfehlern schließen. Jedoch ergibt sich aus der Formulierung sowie dem Kontext der Norm, dass es sich bei den angesprochenen berufsständischen, gesetzlichen oder verwaltungsrechtlichen Berufsregeln des Aufnahmemitgliedstaates lediglich um Vorschriften handeln soll, die im unmittelbaren Zusammenhang mit der Berufsqualifikation und dem Berufsrecht stehen, so dass das Privatrecht und damit auch die zivilrechtlichen Haftungsvorschriften nicht dem Regelungsgehalt dieser Norm unterstehen.1396 Solange eine Angleichung des materiellen Rechts der Mitgliedstaaten im arzthaftungsrechtlichen Bereich bzw. der in den einzelnen Mitgliedstaaten herrschenden medizinischen Qualitätsstandards nicht in Betracht gezogen wird und auch die Verfolgung horizontaler Tendenzen durch die Einführung eines Herkunfts- oder Bestimmungslandprinzips nicht weiter verfolgt werden, spielt mittelfristig zunächst allein die Kollisionsrechtsvereinheitlichung durch die Verordnungen über das auf vertragliche und auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom I“ und „Rom II“) für das Arzt-Patienten-Verhältnis eine Rolle. Zwar werden die fraglichen Fälle damit nicht in allen beteiligten Rechtsordnungen gleich entschieden, da nur das verweisende und nicht das materiell-entscheidende Privatrecht eine Vereinheitlichung erfährt. Jedoch unterliegen Arzt und Patient bei der binnenmarktgrenzüberschreitenden Erbringung bzw. Inanspruchnahme medizinischer Behandlungsleistungen unabhängig vom gemeinschaftsinternen Forum in vorhersehbarer Weise stets derselben nationalen Rechtsordnung, womit zumindest, soweit nicht bereits durch das EVÜ geschehen, der distributive Zufall beseitigt wird. Die Zukunft wird zeigen, ob dann im Rahmen der Rechtsvereinheitlichungsbemühungen der EU hinsichtlich der nationalen arzthaftungsrechtlichen Regelungen eine Sachrechtsvereinheitlichung bzw. -angleichung noch sinnvoll und anzustreben ist.

tenden Disziplinarbestimmungen; zu diesen Bestimmungen gehören etwa Regelungen für die Definition des Berufs, das Führen von Titeln und schwerwiegende berufliche Fehler in unmittelbarem und speziellem Zusammenhang mit dem Schutz und der Sicherheit der Verbraucher.“ 1395 Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. September 2005 über die Anerkennung von Berufsqualifikationen, ABl. EU L 255 vom 30.9.2005, S. 22 ff. 1396 Vgl. Kluth/Rieger, EuZW 2005, 486, 490 f.; das die Berufsrechte und -pflichten regelnde ärztliche Standesrecht kann im Bereich des Arzthaftungsrechts keine unmittelbare Geltung beanspruchen, sondern spielt lediglich, sofern mit den berufsständischen Grundsätzen der Schutz des Patienten bezweckt wird, als Interpretationshilfe für die ärztlichen Pflichten im medizinischen Behandlungsverhältnis eine Rolle, vgl. dazu Schütt, Deliktstyp und Internationales Privatrecht, S. 107 f.

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Sachwortverzeichnis Allgemeine Geschäftsbedingungen 106, 107 f., 129, 131 f., 279, 288, 327 Alpine Investments 313 f.

27, 295 ff., 307,

Alsthom Atlantique 319 f., 321, 332

277 f., 289, 292,

Anknüpfung – Objektive (Art. 28 EGBGB) 156 ff., 276, 311, 324 f., 337 – Sonder- (Art. 29 EGBGB) 112 ff., 135 f., 154 f., 156, 163 f., 195, 197, 205 ff., 242, 263 f., 279, 282 f., 286, 288 f., 301, 324 f., 333 f., 345 – Sonder- (Art. 29a EGBGB) 134 ff., 155, 264, 283, 289 f., 325 – Sonder- (Art. 34 EGBGB) 137 ff., 166, 254, 257, 264, 281, 283, 289 f. Arbeitnehmerfreizügigkeit 36 ff., 79 f. Aufklärungspflicht 87 f., 90, 154, 172 f., 252 f. Behandlungsfehlerhaftung 317 f., 366

84 ff., 89 f.,

Berufsanerkennungsrichtlinie 365 f.

39, 258,

Berufsausübungsrecht siehe Standesrecht Berufshaftpflichtversicherung 317, 347

27, 266,

Berufszulassungsrecht 138 ff., 166 f. Beschränkungsverbot, allgemeines 268 ff., 272, 314 f., 316, 319, 321, 322 ff., 329 f., 335, 342 f., 344 Beweislast 89 ff., 363 Cassis de Dijon 62, 268 f., 293, 334 CMC Motorradcenter 305 f., 320 f.

Dassonville-Formel 268 f., 293, 341, 343, 358 Deliktsstatut 103, 210 ff., 238 ff., 243, 245 ff., 284 ff. Dienstleistungsfreiheit – Abgrenzung zu anderen Grundfreiheiten 30 ff. – aktive Dienstleistungsfreiheit 42, 45 ff., 127, 164 ff., 242 f., 311 ff. – Ausfuhrfreiheit 296, 307, 311 ff., 322, 340 – Dienstleistungsbegriff 29 f. – Einfuhrfreiheit 302, 309, 316 ff., 320, 322 – Entgeltlichkeit 40 f. – Korrespondenzdienstleistungsfreiheit 43 f., 49, 111, 127, 185, 270 f., 295, 311 ff. – passive Dienstleistungsfreiheit 42 f., 47 ff., 126 f., 161 ff., 219 f., 235 f., 334 ff. – Personaler Anwendungsbereich 45 ff. – Rechtfertigungsgründe 55 f., 58 ff., 73, 294, 302, 314 ff., 331 f., 340, 344 f. Dienstleistungsrichtlinie 361 f., 365 Diskriminierungsverbot 60, 70, 267 f., 271, 305, 311 f., 315, 316 f., 321, 339, 340 Dispositives Recht 110, 224, 254, 277, 278 f., 291, 301 Doppelbelastung 308 f., 314, 323 ff., 332 f., 345, 357 Eingriffsnormen siehe Anknüpfung, Sonder- (Art. 34 EGBGB) EU-Osterweiterung 79 ff. Euregios 78 f.

400

Sachwortverzeichnis

Fernbehandlung 86, 146, 198 Gerichtsstände 97 ff. Gerichtsstandsvereinbarung 100, 107, 242 GoA-Statut 230 ff., 238 f., 244 f., 284 Haftungsausschluss/-beschränkung 132 ff. Herkunftslandprinzip (TMG/ECRL) 142 f., 145, 185 ff., 199 ff., 238 ff., 257, 259 Horizontale Arbeitsteilung 44, 159 ff., 176 ff., 194 ff., 202 f., 207, 209 f., 216 ff., 219, 235 f., 242 ff., 248, 251, 254, 263, 328 Kausalität 88 f., 90 Keck und Mithouard 27, 239, 292 ff., 310, 316, 319, 321 ff., 326 ff., 331, 342 ff. Kohll und Decker 52 ff., 336 Kostenerstattungsprinzip 56 f., 72 Krankenhausleistungen 59 f., 62, 64 f., 69 ff., 92, 177 f. Krantz 305 f., 320 f., 332 Marktzugangsbeschränkung 297, 322 ff., 340, 346 Medizinprodukterecht siehe Präventive Gefahrsteuerung Müller-Fauré und van Riet 61 ff. Niederlassungsfreiheit 31 ff., 271 Ordre Public 154 f., 224, 261, 281, 283 Präventive Gefahrsteuerung 147 ff., 254 Produktbezogene Regelungen 293 f., 297 ff., 309 f., 321, 323 f., 326 ff., 344 f. Race to the bottom 146, 190 f. Rechtsangleichung 190, 280, 332, 341, 344, 361 ff.

Rechtsermittlungskosten/-risiko 97, 190, 264 f., 273, 280 Rechtswahlfreiheit 106 ff., 163, 204, 222 ff., 231, 242, 251, 276 ff., 284 ff., 288 ff., 335 Rechtswahlschranken 110 ff., 224, 281 ff., 325 Renvoi 223, 228 ff., 237 Risikoaufklärung 87 f. Röntgenverordnung siehe Präventive Gefahrsteuerung „Rom I“-Verordnung 325, 345, 366 „Rom II“-Verordnung 210, 221, 222, 224, 226, 230, 234, 246, 286, 325, 366 Sachleistungsprinzip 33, 40, 57 f., 71 Schadensersatz 94 f., 300, 302, 317, 329 Schmerzensgeld 94 f., 102, 172 f., 260 ff. Sicherheitsvorschriften 245 ff., 253 ff., 272 Sorgfaltsstandard 85, 162, 164, 172 f., 177, 182, 198, 212, 215, 239, 243, 246, 247 ff., 253, 259, 264 ff., 308, 317 f., 329, 346, 348, 365 Smits/Peerbooms 57 ff., 69 Standesrecht 117, 143 ff., 162, 166 ff., 257 ff., 366 Strahlenschutzverordnung siehe Präventive Gefahrsteuerung Subsidiaritätsprinzip 341, 363 Telemedizinanwendungen 35 f., 43 f., 49, 74, 86, 92 ff., 99 f., 107, 126 f., 129, 139 ff., 142 f., 145 f., 156, 176, 185 ff., 192 ff., 204 ff., 216 f., 220, 221, 228, 235, 238 ff., 242, 244, 248, 251, 255 ff., 313, 331 Territorialitätsprinzip 50 ff., 147 Therapeutisches Privileg 88 Vanbraekel 74 Verbraucherschutznormen 112, 114, 123, 127, 128 ff., 136, 139, 144, 154, 204 ff., 281 f., 333 f.

Sachwortverzeichnis

401

Verbrauchervertrag 102, 112 ff., 135, 155, 204 ff., 242, 252, 263, 325, 345 Verhaltensnormen, örtliche 162, 245 ff. Verjährung 84, 102, 243 Verkaufsmodalitäten/Vertriebsmodalitäten 27, 239, 293 ff., 302, 304 ff., 321, 327, 344 Vorformulierungsfestes Recht 131 ff., 288 ff.

Wettbewerb der Rechtsordnungen 190

Warenverkehrsfreiheit 35 ff., 269, 275, 292 ff., 299 f., 311 f., 321 ff. Werbung 99, 114, 115 ff., 195, 199, 252, 295, 307

Zwingendes Recht 110, 128 ff., 137 f., 155, 205, 208 f., 224, 280, 231 ff., 281 ff., 288 ff., 317, 333 f., 341 f., 351

Wettbewerbsverfälschungen/-verzerrungen 361, 363 f. Wettbewerbsvorteil/-nachteil 267, 308 f., 328 f., 333, 346 f., 364 f. Zurechnung fremden ärztlichen Handelns/Verschuldens 91 ff., 243, 103, 177 f., 184, 221, 228