Einführung in die theologische Hermeneutik 3534157400, 9783534157402

Dieses Lehrbuch führt erstmals umfassend und didaktisch in die Grundlagen theologischer Hermeneutik ein. Ulrich Körtner

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German Pages 192 [190] Year 2006

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Einführung in die theologische Hermeneutik
 3534157400, 9783534157402

Table of contents :
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Titel
Impressum
Inhalt
Vorwort
I. Theologie als hermeneutische Wissenschaft
1. Was ist Hermeneutik?
a) Die Frage nach der Frage, auf die die Hermeneutik die Antwort ist
b) Philosophische Hermeneutik und hermeneutische Philosophie
c) Nicht-hermeneutische Interpretationstheorien
2. Theologie als Interpretationspraxis
a) Das hermeneutische Problem in der Theologie und ihren Einzeldisziplinen
b) Glauben – Verstehen – Deuten
c) Auslegung und Interpretation des Evangeliums
d) Hermeneutische Theologie oder theologische Hermeneutik?
3. Hermeneutik kontextueller Theologien
a) Kontextuelle Theologien
b) Befreiungstheologische Hermeneutik
c) Feministisch-theologische Hermeneutik
d) Vielfalt und Verbindlichkeit
4. Grenzen des Verstehens
a) Die Wut des Verstehens
b) Das Andere und das Fremde in der Theologie
c) Hermeneutik des Unverständnisses und Sünde im Verstehen
II. Positionen hermeneutischer Theologie
1. Rudolf Bultmann
a) Glauben und Verstehen
b) Konsequente Exegese
c) Entmythologisierung und existentiale Interpretation
2. Hermeneutische Theologie nach Bultmann
a) Hermeneutische Theologie
b) Die „neue Hermeneutik"
c) Die Frage nach dem historischen Jesus
d) Katholische Konzeptionen hermeneutischer Theologie: Karl Rahner und Eugen Biser
3. Ernst Fuchs
a) Marburger Hermeneutik
b) Sprachereignis und existentiale Interpretation
c) Kerygma und historischer Jesus
4. Gerhard Ebeling
a) Erfahrung und Leben
b) Fundamentalunterscheidungen
c) Wort und Glaube
5. Paul Ricoeur
a) Ricoeurs Bultmann-Kritik
b) Philosophische und theologische Hermeneutik
III. Biblische Hermeneutik
1. Hermeneutik und Exegese
a) Begriff und Aufgabe biblischer Hermeneutik
b) Methoden der Bibelauslegung
2. Schriftauslegung und literarische Hermeneutik
a) Hören, Lesen und Verstehen
b) Oralität und Literalität in der Geschichte des Christentums
c) Literarische Hermeneutik
d) Die Autonomie des Textes
3. Biblischer Kanon und Hermeneutik des Buches
a) Heilige Schriften
b) Kanon und kanonische Schriftauslegung
c) Christliche und jüdische Bibel
4. Schrift und Tradition
a) Die Kirche(n) als Auslegungsgemeinschaft
b) Schrift und Tradition im ökumenischen Dialog
5. Reformatorisches Schriftprinzip
a) Sola Scriptura?
b) Historisch-kritische und erfahrungsbezogene Zugänge zur Bibel
c) Die Lehre vom mehrfachen Schriftsinn und ihre Kritik
d) Reformatorisches Schriftprinzip und leserorientierte Texttheorien
IV. Hermeneutik der Geschichte des Christentums
1. Geschichte und Geschichtlichkeit des christlichen Glaubens
a) Historismus und „neue Hermeneutik"
b) Der Begriff der Geschichtlichkeit
2. Historische und narrative Theologie
a) Geschichte und Wort Gottes bei Karl Barth
b) Neuere Positionen zum theologischen Charakter der Kirchengeschichtsschreibung
c) Geschichte und Geschichten
3. „Story" als Rohmaterial der Theologie
a) Narrative Theologie
b) Die Kirche als Subjekt und Objekt erzählter Geschichte
4. Zur Konstitution einer erzählbaren Kirchengeschichte
a) Profanität und Gottesbezug von Geschichte
b) Das hermeneutische Problem der Rede vom Handeln Gottes
V. Hermeneutik in der Systematischen Theologie
1. Historische und Systematische Theologie
a) Das Problem des Historismus in der Systematischen Theologie
b) Normativität und Zukunftsbezug dogmatischer Aussagen
2. Dogmatik als soteriologische Deutung der Wirklichkeit
a) Erlösungsbedürftigkeit und Erlösungswirklichkeit
b) Soteriologische Deutung der Wirklichkeit bei Paul Tillich und Gerhard Ebeling
3. Dogmatische Hermeneutik
a) Dogma und Dogmatik
b) Dogmenhermeneutik und Dogmenkritik
c) Dogmatische und metaphorische Sprache
d) Hermeneutische und analytische Methode in der Systematischen Theologie
VI. Hermeneutik in der theologischen Ethik
1. Hermeneutische Ethik
a) Ethik als selbstreflexive Theorie der Moral
b) Analytische Ethik und Theorie der Moral
c) Deskriptiv-hermeneutische Ethik
2. Ethische Wahrnehmung
a) Wahrnehmen und Verstehen
b) Ethik und Anthropologie
c) Christologie als Schule der Wahrnehmung
3. Hermeneutik und Gebotsethik
a) Gebot und Gesetz
b) Gesetz und Evangelium
c) Interpretationen und Interpretamente des Gebotes
VII. Praktisch-theologische Hermeneutik
1. Praktische Theologie als hermeneutische Theorie christlicher Praxis
a) Das hermeneutische Problem in der Geschichte der Praktischen Theologie
b) Neue Entwicklungen in der Predigtlehre
c) Die hermeneutische Frage in der Seelsorge
2. Praktische Theologie als Kunst der Wahrnehmung
a) Wahrnehmen und Annehmen
b) Die Wahrnehmung der Wahrnehmung
3. Praktische Theologie als Religionshermeneutik
a) „Gelebte Religion" als Programmbegriff Praktischer Theologie
b) Lebensgeschichtliche Sinndeutung
c) Defizite einer praktisch-theologischen Religionshermeneutik
VIII. Ökumenische Hermeneutik
1. Hermeneutische Probleme ökumenischer Theologie
a) Ökumenische Theologie
b) Einheit und Vielfalt der Kirchen
2. Hermeneutik der Einheit?
a) Das Dokument „A Treasure in Earthen Vessels"
b) Zur Kritik der „Hermeneutik für die Einheit"
3. Ökumenische Differenzhermeneutik
a) Konsensökumene und „differenzierter Konsens"
b) Vom Konsens- zum Differenzmodell
c) Grundzüge einer ökumenischen Differenzhermeneutik
d) Konfessionen, Sprachspiele und Lebensformen
Epilog: Die hermeneutische Frage in der Theologie
Literatur
Register
1. Namen
2. Sachen

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Ulrich H. J. Körtner

Einführung in die theologische Hermeneutik

Wissenschaftliche Buchgesellschaft

Einbandgestaltung: Peter Lohse, Büttelborn Abbildung: Symbolische Darstellung der Durchbrechung des mittelalterlichen Weltbildes, 1888. Aus: Camille Flammarion: L’atmosphère, et la météorologie populaire, Paris 1888. i akg-images.

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://www.dnb.ddb.de abrufbar.

Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung in und Verarbeitung durch elektronische Systeme. i 2006 by WBG (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), Darmstadt Die Herausgabe dieses Werkes wurde durch die Vereinsmitglieder der WBG ermöglicht. Satz: Lichtsatz Michael Glaese GmbH, Hemsbach Einbandgestaltung: schreiberVIS, Seeheim Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Papier Printed in Germany Besuchen Sie uns im Internet: www.wbg-darmstadt.de

ISBN-13: 978-3-534-15740-2 ISBN-10: 3-534-15740-0

Inhalt Vorwort

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

I. Theologie als hermeneutische Wissenschaft . . . . . . . . . . 1. Was ist Hermeneutik? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Frage nach der Frage, auf die die Hermeneutik die Antwort ist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Philosophische Hermeneutik und hermeneutische Philosophie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Nicht-hermeneutische Interpretationstheorien . . . . 2. Theologie als Interpretationspraxis . . . . . . . . . . . . . a) Das hermeneutische Problem in der Theologie und ihren Einzeldisziplinen . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Glauben – Verstehen – Deuten . . . . . . . . . . . . c) Auslegung und Interpretation des Evangeliums . . . . d) Hermeneutische Theologie oder theologische Hermeneutik? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Hermeneutik kontextueller Theologien . . . . . . . . . . a) Kontextuelle Theologien . . . . . . . . . . . . . . . . b) Befreiungstheologische Hermeneutik . . . . . . . . . c) Feministisch-theologische Hermeneutik . . . . . . . . d) Vielfalt und Verbindlichkeit . . . . . . . . . . . . . . 4. Grenzen des Verstehens . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Wut des Verstehens . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das Andere und das Fremde in der Theologie . . . . . c) Hermeneutik des Unverständnisses und Sünde im Verstehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Positionen hermeneutischer Theologie . . . . . . . . . . . . 1. Rudolf Bultmann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Glauben und Verstehen . . . . . . . . . . . . . . . . b) Konsequente Exegese . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Entmythologisierung und existentiale Interpretation . . 2. Hermeneutische Theologie nach Bultmann . . . . . . . . a) Hermeneutische Theologie . . . . . . . . . . . . . . . b) Die „neue Hermeneutik“ . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Frage nach dem historischen Jesus . . . . . . . . . d) Katholische Konzeptionen hermeneutischer Theologie: Karl Rahner und Eugen Biser . . . . . . . . . . . . . . 3. Ernst Fuchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Marburger Hermeneutik . . . . . . . . . . . . . . . . b) Sprachereignis und existentiale Interpretation . . . . . c) Kerygma und historischer Jesus . . . . . . . . . . . . .

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Inhalt

4. Gerhard Ebeling . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Erfahrung und Leben . . . . . . . . . . . . . . b) Fundamentalunterscheidungen . . . . . . . . c) Wort und Glaube . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Paul Ricœur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ricœurs Bultmann-Kritik . . . . . . . . . . . . b) Philosophische und theologische Hermeneutik

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III. Biblische Hermeneutik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Hermeneutik und Exegese . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Begriff und Aufgabe biblischer Hermeneutik . . . . . b) Methoden der Bibelauslegung . . . . . . . . . . . . . 2. Schriftauslegung und literarische Hermeneutik . . . . . . a) Hören, Lesen und Verstehen . . . . . . . . . . . . . . b) Oralität und Literalität in der Geschichte des Christentums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Literarische Hermeneutik . . . . . . . . . . . . . . . . d) Die Autonomie des Textes . . . . . . . . . . . . . . . 3. Biblischer Kanon und Hermeneutik des Buches . . . . . . a) Heilige Schriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kanon und kanonische Schriftauslegung . . . . . . . . c) Christliche und jüdische Bibel . . . . . . . . . . . . . 4. Schrift und Tradition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Kirche(n) als Auslegungsgemeinschaft . . . . . . . b) Schrift und Tradition im ökumenischen Dialog . . . . 5. Reformatorisches Schriftprinzip . . . . . . . . . . . . . . a) Sola Scriptura? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Historisch-kritische und erfahrungsbezogene Zugänge zur Bibel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Lehre vom mehrfachen Schriftsinn und ihre Kritik . d) Reformatorisches Schriftprinzip und leserorientierte Texttheorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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IV. Hermeneutik der Geschichte des Christentums . . . . . . . . . 1. Geschichte und Geschichtlichkeit des christlichen Glaubens a) Historismus und „neue Hermeneutik“ . . . . . . . . . . b) Der Begriff der Geschichtlichkeit . . . . . . . . . . . . . 2. Historische und narrative Theologie . . . . . . . . . . . . . a) Geschichte und Wort Gottes bei Karl Barth . . . . . . . b) Neuere Positionen zum theologischen Charakter der Kirchengeschichtsschreibung . . . . . . . . . . . . . . c) Geschichte und Geschichten . . . . . . . . . . . . . . . 3. „Story“ als Rohmaterial der Theologie . . . . . . . . . . . . a) Narrative Theologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Kirche als Subjekt und Objekt erzählter Geschichte . 4. Zur Konstitution einer erzählbaren Kirchengeschichte . . . a) Profanität und Gottesbezug von Geschichte . . . . . . .

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Inhalt

b) Das hermeneutische Problem der Rede vom Handeln Gottes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Hermeneutik in der Systematischen Theologie . . . . . . . . . 1. Historische und Systematische Theologie . . . . . . . . . . a) Das Problem des Historismus in der Systematischen Theologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Normativität und Zukunftsbezug dogmatischer Aussagen 2. Dogmatik als soteriologische Deutung der Wirklichkeit . . . a) Erlösungsbedürftigkeit und Erlösungswirklichkeit . . . . b) Soteriologische Deutung der Wirklichkeit bei Paul Tillich und Gerhard Ebeling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Dogmatische Hermeneutik . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Dogma und Dogmatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Dogmenhermeneutik und Dogmenkritik . . . . . . . . c) Dogmatische und metaphorische Sprache . . . . . . . . d) Hermeneutische und analytische Methode in der Systematischen Theologie . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Hermeneutik in der theologischen Ethik . . . . . . . . . 1. Hermeneutische Ethik . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ethik als selbstreflexive Theorie der Moral . . . . b) Analytische Ethik und Theorie der Moral . . . . . c) Deskriptiv-hermeneutische Ethik . . . . . . . . . 2. Ethische Wahrnehmung . . . . . . . . . . . . . . . a) Wahrnehmen und Verstehen . . . . . . . . . . . b) Ethik und Anthropologie . . . . . . . . . . . . . c) Christologie als Schule der Wahrnehmung . . . . 3. Hermeneutik und Gebotsethik . . . . . . . . . . . . a) Gebot und Gesetz . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gesetz und Evangelium . . . . . . . . . . . . . . c) Interpretationen und Interpretamente des Gebotes

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VII. Praktisch-theologische Hermeneutik . . . . . . . . . . . 1. Praktische Theologie als hermeneutische Theorie christlicher Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das hermeneutische Problem in der Geschichte der Praktischen Theologie . . . . . . . . . . . . . . . b) Neue Entwicklungen in der Predigtlehre . . . . . . c) Die hermeneutische Frage in der Seelsorge . . . . 2. Praktische Theologie als Kunst der Wahrnehmung . . a) Wahrnehmen und Annehmen . . . . . . . . . . . b) Die Wahrnehmung der Wahrnehmung . . . . . . 3. Praktische Theologie als Religionshermeneutik . . . . a) „Gelebte Religion“ als Programmbegriff Praktischer Theologie . . . . . . . . . . . . . . . . b) Lebensgeschichtliche Sinndeutung . . . . . . . .

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Inhalt

c) Defizite einer praktisch-theologischen Religionshermeneutik . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Ökumenische Hermeneutik . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Hermeneutische Probleme ökumenischer Theologie . . . a) Ökumenische Theologie . . . . . . . . . . . . . . . . b) Einheit und Vielfalt der Kirchen . . . . . . . . . . . . 2. Hermeneutik der Einheit? . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das Dokument „A Treasure in Earthen Vessels“ . . . . b) Zur Kritik der „Hermeneutik für die Einheit“ . . . . . . 3. Ökumenische Differenzhermeneutik . . . . . . . . . . . a) Konsensökumene und „differenzierter Konsens“ . . . b) Vom Konsens- zum Differenzmodell . . . . . . . . . . c) Grundzüge einer ökumenischen Differenzhermeneutik d) Konfessionen, Sprachspiele und Lebensformen . . . .

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Epilog: Die hermeneutische Frage in der Theologie . . . . . . . . . .

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Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Namen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Sachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Vorwort Die Geschichte der Hermeneutik ist aufs engste mit der Geschichte christlicher Theologie verwoben. Bedeutende Vertreter der modernen Hermeneutik wie Wilhelm Dilthey, Hans-Georg Gadamer und Odo Marquard vertreten die Ansicht, daß die Hermeneutik als wissenschaftliche Theorie als Reaktion auf die theologischen Streitigkeiten der Reformationszeit um die richtige Bibelauslegung entstanden ist. Die Auslegung der Bibel als Heiliger Schrift stand und steht freilich von Beginn des Christentums an im Zentrum der Theologie und ihrer Disziplinen. Da die gedankliche Rechenschaft des christlichen Glaubens als Schriftauslegung vollzogen wird, spielt die biblische Hermeneutik eine theologische Schlüsselrolle. Über Gegenstand, Probleme und Konzeptionen biblischer Hermeneutik informiert das bei der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft erschienene vorzügliche Lehrbuch von Manfred Oeming (Biblische Hermeneutik. Eine Einführung, Darmstadt 1998). Theologische Hermeneutik ist freilich mehr als biblische Hermeneutik, nämlich eine Hermeneutik des christlichen Glaubens und seiner Lebenspraxis. Hermeneutische Theologie im umfassenden Sinne des Wortes ist die Interpretationspraxis einer soteriologischen Deutung der Wirklichkeit, welche deren Erlösungsbedürftigkeit im Lichte der biblisch bezeugten Erlösungswirklichkeit zur Sprache bringt. Das vorliegende Lehrbuch führt in die Grundlagen theologischer Hermeneutik ein und gibt sodann einen Überblick über die hermeneutischen Fragestellungen in den einzelnen theologischen Disziplinen. Grundlegend ist dabei ein Verständnis von Theologie als hermeneutischer Wissenschaft. Im Unterschied zur Diskussionslage in der Mitte des 20. Jahrhunderts wird jedoch ein Begriff von Hermeneutik und hermeneutischer Theologie entwickelt, der die Alternativen von Hermeneutik und Semiotik bzw. von Hermeneutik und Linguistik zu überwinden versucht. Mein Dank gilt den Mitarbeitern am Institut für Systematische Theologie der Universität Wien, Herrn stud. theol. Bernhard Petri-Hasenöhrl, Herrn Dr. theol. Andreas Klein und Herrn Mag. theol. Martin Fischer, die das Manuskript korrekturgelesen haben und bei den Registern behilflich waren. Wien, im März 2006

Ulrich H. J. Körtner

I. Theologie als hermeneutische Wissenschaft 1. Was ist Hermeneutik? a) Die Frage nach der Frage, auf die die Hermeneutik die Antwort ist Hermeneutik ist die Lehre vom Verstehen. Etwas verstehen aber bedeutet, daß man es als Antwort auf eine Frage versteht (26: 375 ff.; 41: 118). Solange man die Frage nicht kennt und versteht, bleibt das, was man zu verstehen versucht, unverstanden. Hermeneutik ist notwendig, weil sich das Verstehen nicht von selbst versteht. Vielen Dingen begegnen wir von Haus aus mit Verständnislosigkeit. Und auch das Mißverstehen ergibt sich meist von selbst, wohingegen das Verstehen eigens gewollt und gesucht werden muß, wie Friedrich Schleiermacher (1768 – 1834) treffend bemerkt hat (47: 86). Verstehen heißt, den Sinn von etwas zu erfassen. Sinn und Bedeutung sind grundlegende Kategorien jeder Hermeneutik. Das Bedürfnis nach Sinn ist anthropologisch elementar. Es geht über das Verstehen einzelner Äußerungen oder Erscheinungen hinaus. Der Sinn, den es im Einzelfall zu erfassen oder zu entdecken gilt, verweist stets auf einen größeren Sinnzusammenhang. Mit Gottlob Frege (1848 – 1925) läßt sich zwischen Sinn und Bedeutung unterscheiden (25). Demnach ist der Sinn eines sprachlichen Zeichens seine semantische Funktion innerhalb eines Satzes, seine Bedeutung dagegen der durch das Zeichen bezeichnete Gegenstand bzw. sein Referent. So haben die Wörter „Morgenstern und Abendstern“ unterschiedlichen Sinn, aber ein und dieselbe Bedeutung, nämlich den Planeten Venus. Kompliziert wird das Verhältnis von Sinn und Bedeutung allerdings dadurch, daß sprachliche Zeichen stets auf andere sprachliche Zeichen verweisen, niemals auf Dinge an sich. Schließlich ist auch „Venus“ wieder nur ein sprachliches Zeichen und ebenso das zur näheren Erläuterung verwendete Wort „Planet“. Insofern bleibt die Rede vom Sinn einer sprachlichen Äußerung und ihre Unterscheidung von der Bedeutung mehrdeutig. Die Frage nach dem Sinn bzw. der Bedeutung von „Sinn“ und „Bedeutung“ ist daher selbst ein Grundproblem jeder Hermeneutik. Alles Verstehen enthält sowohl ein rezeptiv-passives als auch ein konstruktiv-aktives Element. Den Sinn erfassen heißt, etwas zunächst Unverstandenes oder Unverständliches zu deuten. Ihre Bedeutung gewinnen die Dinge dadurch, daß sie ihnen zugesprochen wird, indem sie von jemandem gedeutet werden. Sinn und Bedeutung bestehen also nicht an sich, sondern stets für jemanden. Verstehen heißt, daß etwas von jemandem als etwas verstanden wird. Die Frage nach demjenigen, der zu verstehen sucht, ist darum ein fester Bestandteil der hermeneutischen Frage nach Sinn und Bedeutung. Etwas verstehen heißt immer auch, sich selbst in einer bestimmten Weise verstehen. Wer verstehen will, muß fragen. Auch wer sich sicher ist, etwas oder jemanden verstanden zu haben, kann dies nur überprüfen, indem er nachfragt. Insofern steht am Anfang jeder Hermeneutik die Frage. Die Fähigkeit

Sinn und Bedeutung

Frage und Antwort

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I. Theologie als hermeneutische Wissenschaft

Begriff und Anfänge der Hermeneutik

zu fragen ist Voraussetzung jedes Verstehens, und Hermeneutik ist eine Anleitung in der Kunst des Fragens. Das Fragen aber ist, einmal begonnen, unabschließbar. Fragen werden mit Rückfragen und Gegenfragen beantwortet. Auch gibt es eine Geschichte der Frage und des Fragens (61: 15). Daß alles Fragen in einer historischen Perspektive stattfindet, gilt nun auch für die Hermeneutik selbst. Das Frage-Antwort-Schema ist nicht nur das entscheidende methodische Instrumentarium für die Kunst des Verstehens, sondern es läßt sich auch auf die Hermeneutik selbst anwenden. Wie es eine Geschichte des Fragens gibt, so auch eine Problemgeschichte der Hermeneutik, in deren Verlauf die Frage, auf die die Hermeneutik die Antwort ist, manche Veränderungen erfahren hat. Der Begriff der Hermeneutik stammt von dem griechischen Ausdruck hermeneutiké (téchne). Der früheste Beleg findet sich bei Platon (Epin. 975c 4 – 8). Der hermeneús ist der Dolmetscher, und hermeneúein heißt im Griechischen sowohl „deuten“, als auch „mitteilen“ und „erklären“. Erst im weiteren Verlauf der Geschichte der Hermeneutik sind das Problem des Verstehens und sein Begriff in das Zentrum der Hermeneutik gerückt. Ursprünglich geht es um die Kunst des Deutens, welche aus zunächst sinnlosen Zeichen ein sinnvolles Ganzes entwirft. Bei Platon steht die Hermeneutik daher neben der Mantik, d. h. in der Nähe zum Deuten der Zeichen der Götter oder zur Traumdeutung. Sodann bezeichnet die Kunst der Hermeneutik die Fähigkeit des Übersetzens von einer Sprache in eine andere, schließlich die Auslegung oder Interpretation sprachlicher Äußerungen. Faßt man die Befunde zusammen, so bedeutet Hermeneutik in der Antike soviel wie „das Mitteilungsvermögen der Sprache, den sprachlichen Ausdruck und schließlich auch die Aussage“ (68: 111). Erst bei Schleiermacher, dem Begründer der modernen Hermeneutik, rückt der Begriff des Verstehens ins Zentrum. Wie die Dialektik in seinem System der Wissenschaften die Kunstlehre des Sichverständigens ist, so die Hermeneutik die Kunstlehre des Verstehens, welches, wie schon gesagt wurde, sich nicht von selbst ergibt, sondern eigens gewollt und gesucht werden muß. Schleiermachers Schüler August Boeckh (1785 – 1867) verstand unter Hermeneutik die Methode vornehmlich der philologischen Wissenschaften, wogegen Wilhelm Dilthey (1833 – 1911) in der Hermeneutik umfassender die Grundlage der Geisteswissenschaften überhaupt sah und den Unterschied zwischen Natur- und Geisteswissenschaften auf den Unterschied zwischen Erklären und Verstehen zurückführte. Wie man schon hier leicht erkennt, haben sich im Verlauf der Geschichte der Hermeneutik Begriffe und Aspekte des Verstehens verselbständigt und sind teilweise in einen Gegensatz getreten, die ursprünglich zusammen gesehen wurden. So gibt es heute Theorien der Interpretation und des Deutens, die sich dezidiert als antihermeneutische Theorien verstehen und die zeitweilige Dominanz der Hermeneutik Martin Heideggers (1889 – 1976) und Hans-Georg Gadamers (1900 – 2002) in den Geisteswissenschaften, die inzwischen geschwunden ist, kritisieren und ablehnen. Über die Anfänge der modernen Hermeneutik als Wissenschaft vom Verstehen oder vom Interpretieren, d. h. über die Frage nach der Frage, auf die die moderne Hermeneutik die Antwort ist, herrschen zwei unterschiedliche Ansichten. Nach der ersten Auffassung entstand die Hermeneutik als eigene

1. Was ist Hermeneutik?

Theorie als Reaktion auf die theologischen Streitigkeiten der Reformationszeit, die im Kern ein Streit um die richtige Bibelauslegung waren, und die mit ihnen verbundene Konfessionalisierung und Pluralisierung des Christentums. Die hermeneutische Wissenschaft, so notierte Dilthey, habe erst mit dem Protestantismus begonnen (68: 112). Dem steht eine zweite Auffassung gegenüber, wonach die wissenschaftliche Hermeneutik im Zusammenhang mit wissenschaftstheoretischen Auseinandersetzungen am Ende des 16. Jahrhunderts, konkret mit der Abkehr von der aristotelisch-scholastischen Methode entstanden ist. Historisch betrachtet konzentriert sich die hermeneutische Wissenschaft zunächst auf die Interpretation von Texten. Hermeneutik ist so verstanden die Kunst des Lesens. Odo Marquard deutet die Entwicklung der Hermeneutik seit der Aufklärung als Reaktion auf den konfessionellen Bürgerkrieg (41: 127 ff.). Eine singularisierende Hermeneutik, die stets nur eine einzige Auslegung eines Bibeltextes für möglich hielt, wurde durch eine pluralisierende Hermeneutik abgelöst, wonach zwar nicht jede beliebige Textinterpretation, gleichwohl aber unterschiedliche Auslegungen legitim sein können. An die Stelle des absoluten, einsinnigen Textes trat der literarische, mehrsinnige Text. Textauslegung, nicht nur die Exegese biblischer Texte, wird zum unendlichen, prinzipiell unabschließbaren und vielstimmigen Gespräch. Im Gefolge Diltheys, Heideggers und Gadamers ist das Verständnis von Hermeneutik erheblich ausgeweitet worden. Gegenstand des Verstehens sind demnach nicht nur Texte, auch nicht nur mündliche sprachliche Äußerungen, sondern die Welt als ganze und die menschliche Existenz innerhalb derselben. Wenn schon das Modell des Lesens bemüht wird, ist von der Lesbarkeit der Welt die Rede (9). Die Welt aber wird in der Neuzeit als eine geschichtlich gewordene und sich fortlaufend verändernde verstanden. So antwortet die Hermeneutik insgesamt auf das Problem der Geschichte. Nach Michel Foucault (1926 – 1984) vollzog sich in der Zeit um 1800 ein Paradigmenwechsel „von der Ordnung zur Geschichte“ (23: 272). Dieser Paradigmenwechsel bedeutet nicht nur in den Geschichts- und Kulturwissenschaften, sondern auch innerhalb der Bibelexegese eine Zäsur (92). Im modernen Sinne ist das hermeneutische Problem der Geschichte mit dem Problem des Historismus verknüpft, der schlußendlich auch zu einer radikalen Historisierung christlicher Dogmatik bzw. der Systematischen Theologie geführt hat (413). In der Auseinandersetzung mit dem Historismus ist schließlich die begriffliche Unterscheidung zwischen Geschichte und Geschichtlichkeit (Heidegger) aufgekommen. Nach der scheinbaren Gewißheit, in der das 19. Jahrhundert seine Arbeit betrieb, um zu „erkennen, was wirklich gewesen“ ist (Leopold v. Ranke, William Wrede), erfolgte unter dem Einfluß der Dialektischen Theologie auch in der Theologie der Perspektivenwechsel von der objektivierenden Darstellung der Geschichte zur in der Geschichtlichkeit des Menschen angeeigneten Geschichte. Für die historische Theologie wie für die Geschichtswissenschaft insgesamt stellt sich in der gegenwärtigen Situation allerdings die Aufgabe, die erkenntnistheoretischen Grundlagen der historischen Arbeit einer grundsätzlichen Überprüfung zu unterziehen. Parallel zur neueren Entwicklung innerhalb der Geschichtswissenschaft wurde der Universalitätsanspruch der Hermeneutik in den vergangenen

Grundprobleme der Hermeneutik

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I. Theologie als hermeneutische Wissenschaft

Theologie und Hermeneutik

Jahrzehnten in Zweifel gezogen. Ihre metaphysischen bzw. erkenntnistheoretischen Prämissen wurden „dekonstruiert, ihr scheinbar allmächtiges Auslegungssubjekt wurde strukturalistisch domestiziert und die Sinnstiftung des Verstehens rezeptionsästhetisch überholt“ (88: 7). Dennoch hat sich die hermeneutische Fragestellung in den Geisteswissenschaften durchgehalten. Freilich werden nicht einfach jene Fragen wiederholt, auf welche die Hermeneutik im 19. und 20. Jahrhundert die Antwort zu sein schien, sondern es rücken zum Teil neue Fragen an die Stelle der alten. Was heutige Entwürfe zur Hermeneutik kennzeichnet, ist ihre kulturwissenschaftliche Ausrichtung. Stärker als die Hermeneutik Heideggers, aber auch Gadamers, berücksichtigen sie die soziale und kulturelle Einbettung von Verstehensprozessen. Dabei fällt allerdings auf, daß die neue hermeneutische Frage so neu wiederum doch nicht ist, sondern zu einem nicht unerheblichen Teil in der Wiederaufnahme von Fragen besteht, die bereits der Historismus gestellt hat. Was sich unter dem Vorzeichen einer kulturwissenschaftlichen Erneuerung der Hermeneutik beobachten läßt, ist über weite Strecken der Versuch eines erneuerten und reflektierten Historismus (92: 17). Darin aber kommt die Geschichtlichkeit nicht nur als Problem der Hermeneutik, sondern als Kennzeichen ihrer selbst zum Vorschein. Zur Geschichtlichkeit aller Wirklichkeit wie der Hermeneutik selbst gehört ihre „Herkömmlichkeit“ (41: 122 ff.). Menschliche Existenz ist stets geprägt durch Traditionen. Niemand fängt sein Leben an einem historischen Nullpunkt an. Das Vergangene ist nicht abgeschlossene Vergangenheit, sondern prägt die jeweilige Gegenwart, selbst dort, wo man sich von der Vergangenheit lossagt. Aufklärung und Moderne sind zwar mit dem Anspruch angetreten, die Autorität von Traditionen einer grundlegenden Kritik zu unterziehen. Die Distanzierung von Herkömmlichkeiten gelingt freilich nur begrenzt. Da sich nicht alles gleichzeitig in Frage stellen läßt, müssen die Menschen und die Gesellschaft stets auch in gewissen Üblichkeiten bzw. Konventionen leben. Leben heißt anknüpfen. Das gilt auch für die Hermeneutik. Letztlich kann man sagen, daß die Frage, auf die die Hermeneutik die Antwort ist, in der Endlichkeit von Mensch und Welt besteht. Endlichkeit meint freilich nicht nur Sterblichkeit, sondern auch „Geburtlichkeit“ (Hannah Ahrendt). Der Mensch existiert nicht nur im Bewußtsein seines unausweichlichen Todes, sondern er tritt mit seiner Geburt in die geschichtlich verfaßte Welt. Daß der Mensch geboren wird, heißt, daß er sich selbst nicht hervorgebracht, sondern eine von ihm unbeeinflußbare Herkunft hat. Insofern ist Geburtlichkeit der Inbegriff dessen, was Marquard als Herkömmlichkeit bezeichnet. Zwar kann ein Mensch mit seiner Herkunft und Vergangenheit brechen. Aber selbst noch im radikalen Widerspruch zur eigenen Herkunft muß sich ein Mensch auf diese beziehen. Hermeneutik als Antwort auf die Endlichkeit bedeutet also nicht nur die Auseinandersetzung mit der Vergänglichkeit, sondern auch mit der Geburtlichkeit des Menschen. Die Grundbewegung aller Hermeneutik, so sagten wir, ist die Frage. Wer fragt, geht freilich davon aus, daß es grundsätzlich Antworten geben muß. Nach Ludwig Wittgenstein (1889 – 1951) geht die Antwort der Frage voraus. „Zu einer Antwort, die man nicht aussprechen kann, kann man auch die Frage nicht aussprechen“ (57: 114). Inwiefern alles Fragen von den Antwor-

1. Was ist Hermeneutik?

ten abhängig ist oder umgekehrt die Antworten von den Fragen gehört zu den grundlegenden Problemen jeder Hermeneutik. Das Problem des hermeneutischen Zirkels von Frage und Antwort ist auch für die Theologie essentiell, weil sich damit das Problem der sogenannten Gottesfrage, die Frage nach dem Ursprung von Religion, der Möglichkeit einer natürlichen Gotteserkenntnis und dem Verständnis von Offenbarung verbindet. Es war insbesondere der evangelische Theologe Karl Barth (1886 – 1968), der streng offenbarungstheologisch argumentiert und jeden Anknüpfungspunkt der göttlichen Offenbarung im Menschen bestritten hat. Der hermeneutischen Theologie im Anschluß an Rudolf Bultmann (1884 – 1976) stand er dementsprechend äußerst reserviert bis ablehnend gegenüber (126). Barth wurde und wird freilich von verschiedener Seite seine Neoorthodoxie (Paul Tillich), sein Offenbarungspositivismus (Dietrich Bonhoeffer) oder sein vermeintlicher Antimodernismus (Trutz Rendtorff) vorgeworfen. Die Kontroverse um Barth und seine Theologie kann an dieser Stelle nicht im Detail nachgezeichnet werden. Barths Kritik an der philosophischen Hermeneutik und der von ihr beeinflußten hermeneutischen Theologie macht jedoch auf eine Grundfrage im Verhältnis von Theologie und Hermeneutik aufmerksam, nämlich auf das Problem des Skepsis. Odo Marquard vertritt die These, „der Kern der Hermeneutik sei Skepsis und die aktuelle Form der Skepsis sei Hermeneutik“ (41: 117). Dem steht die These Martin Luthers gegenüber, der Heilige Geist, der die Menschen nach Joh 16,13 in alle Wahrheit leitet, sei kein Skeptiker (WA 18, 605, 32 – 34). Nach Luther und der ihm folgenden evangelischen Theologie ist Glaube unbedingte Gewißheit. Wie aber soll auf dem Boden der Skepsis Gewißheit entstehen können? Bezeichnenderweise wird die erste Frage in der Bibel von der Schlange gestellt, die Adam und Eva zur Sünde verführt: „Sollte Gott gesagt haben …?“ (Gen 3,1). Sind die Skepsis und ihre Fragen nicht immer ein Zeichen von Unglauben? Oder läßt sich das Verhältnis von Glaube und Skepsis und damit von Theologie und Hermeneutik differenzierter bestimmen (303)? Das ist die Frage, auf die die theologische Hermeneutik im 20. Jahrhundert eine Antwort zu geben versucht hat.

b) Philosophische Hermeneutik und hermeneutische Philosophie Hermeneutik ist eine Querschnittswissenschaft bzw. ein Teilbereich der Wissenschaftstheorie (51: 43 ff.). Bedarf an Hermeneutik besteht grundsätzlich in allen Wissenschaften, die es mit der Interpretation von Texten und sonstigen sprachlichen Äußerungen zu tun haben, von der Philologie bis zur Rechtswissenschaft. Im Prinzip gilt das auch für die Naturwissenschaften, auch wenn in ihnen das Bewußtsein für die hermeneutischen Probleme ihrer eigenen Textgattungen schwächer als in den Geistes- und Kulturwissenschaften ausgeprägt ist. Neben einer allgemeinen Hermeneutik haben die unterschiedlichen Wissenschaften verschiedene spezielle Hermeneutiken entwickelt, deren Unterschiede aber nicht in den Methoden der Interpretation, sondern allein in dem zu interpretierenden Gegenstand liegen. Insofern gibt es eine philosophische, eine theologische, eine rechtswissenschaftliche, eine geschichtswissenschaftliche und eine kulturwissenschaftliche Hermeneutik.

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I. Theologie als hermeneutische Wissenschaft Die philosophische Hermeneutik H.-G. Gadamers

Hans-Georg Gadamers Hauptwerk „Wahrheit und Methode“ (1960) trägt den Untertitel „Grundzüge einer philosophischen Hermeneutik“. Bei Gadamer bedeutet philosophische Hermeneutik als Titel, daß die Hermeneutik die grundlegende Aufgabe übernommen hat, „den vorgängigen Zusammenhang von Erkanntem und Erkennendem darzulegen“, wobei sie vom endlich existierenden Menschen und seinem faktischen Leben ausgeht und auf diese Weise zeigen will, „wie Wissenschaft möglich ist und welche Relevanz sie hat“ (68: 123). Im Sinne Gadamers ist philosophische Hermeneutik nicht nur eine philosophische Theorie des Verstehens, sondern eine verstehende Philosophie mit dem „Charakter einer praktischen Philos[ophie], die den Lebenszusammenhang, in den sie selbst gehört, begrifflich zu klären unternimmt“ (20: 1653). Gadamers philosophische Hermeneutik läßt sich daher mit gutem Grund ebenso gut als hermeneutische Philosophie charakterisieren. Die Aufgabe der Philosophie und diejenige der Hermeneutik fallen in ihr weitgehend zusammen. Maßgeblich für Gadamers Konzeption sind die Erfahrungen von Kunst, Geschichte und Philosophie. In „Wahrheit und Methode“ will Gadamer zeigen, daß es „Erfahrung von Wahrheit“ und einen berechtigten Wahrheitsanspruch nicht nur innerhalb der Wissenschaften und ihren methodisch geleiteten Erkenntnisbemühungen gibt, sondern in der menschlichen Lebenspraxis überhaupt (26: 1 f.). Gadamer hat sich ausdrücklich in die Linie von Dilthey, Husserl und Heidegger gestellt (26: 5). Die schon bei ihnen zu beobachtende radikale Verallgemeinerung des Verstehensbegriffs geht letztlich auf Schleiermacher zurück. Bei Heidegger tritt die Hermeneutik an die Stelle der Metaphysik, die es seiner Ansicht nach zu überwinden gilt. Ontologie wird zur „hermeneutischen Phänomenologie“, ist sie doch nach Heidegger „nur als Phänomenologie möglich“ (29: 35). Zugleich gilt: „Phänomenologie des Daseins ist Hermeneutik in der ursprünglichen Bedeutung des Wortes, wonach es das Geschäft der Auslegung bezeichnet“ (29: 37), wogegen man die Methodenlehre der Geistes- und Geschichtswissenschaften nur im abgeleiteten Sinne als Hermeneutik bezeichnen könne (29: 38). Grundlegend ist Hermeneutik bei Heidegger „Hermeneutik der Faktizität“ des Daseins (29: 72, Anm. 1), nämlich der menschlichen Existenz, verstanden als „In-der-Weltsein“. In diesem Sinne rekonstruiert Heidegger die Ontologie als „,Hermeneutik‘ des ko´coy“ (29: 25). Auch Gadamers philosophische Hermeneutik ist eine Hermeneutik des Logos. Sie interpretiert Sprache als Medium aller hermeneutischer Erfahrung (26: 387 ff.). „Sprachlichkeit“ ist für Gadamer die Bestimmung sowohl des hermeneutischen Gegenstandes als auch des hermeneutischen Vollzugs. Die hermeneutische Erfahrung besteht also nicht etwa nur im Verstehen von Sprache, sondern im Verstehen durch Sprache, weil die menschliche Existenz insgesamt sprachlich verfaßt ist. Sprache ist „eine Mitte, in der sich Ich und Welt zusammenschließen oder besser: in ihrer ursprünglichen Zusammengehörigkeit darstellen“ (26: 478). Hieraus ergibt sich für Gadamer der universale Aspekt der Hermeneutik. „Sein, das verstanden werden kann, ist Sprache“ (ebd.). Was in diesem Zusammenhang Wahrheit heißt, entwickelt Gadamer von der Erfahrung der Kunst aus, näherhin vom Begriff des Spiels her. Wahrheit ereignet sich gewissermaßen in einem „Spiel mit Worten, die das Gemeinte umspielen“ (26: 493).

1. Was ist Hermeneutik?

Wenn Gadamer von „sprachlichen Spielen“ spricht, erinnert das an Wittgensteins Begriff des Sprachspiels (56: 19), der freilich von Gadamer nicht ausdrücklich zitiert wird. Vordergründig scheint zwischen der Tradition einer philosophischen Hermeneutik bzw. einer hermeneutischen Philosophie und der von Wittgenstein mitbegründeten sprachanalytischen Philosophie ein Gegensatz zu bestehen. Wie Karl-Otto Apel gezeigt hat, läßt sich zwischen diesen für das 20. Jahrhundert maßgeblichen philosophischen Traditionen eine Beziehung herstellen, weil es in beiden zentral um das Problem des Verstehens von Sinn geht (3). Auch Richard Rorty sieht an dieser Stelle einen Zusammenhang (45). Der frühe Wittgenstein formuliert in seinem „Tractatus logico-philosophicus“ allerdings eine antihermeneutische Position (57). An die Stelle des individuell-geschichtlichen Verstehens tritt beim frühen Wittgenstein die logische Analyse der Sprachform. Die Sprachspieltheorie des späten Wittgenstein setzt dagegen voraus, daß alle Sprache in eine Lebenspraxis eingebettet und die Bedeutung eines Wortes sein Gebrauch in der Sprache ist (56: 41). Das Wort „Sprachspiel“ soll dabei hervorheben, „daß das Sprechen der Sprache ein Teil ist einer Tätigkeit, oder einer Lebensform“ (56: 28). Das Modell des Sprachspiels impliziert nun aber nicht nur das unmittelbare Welt- bzw. Situationsverständnis, das im „Meinen von etwas“ liegt, sondern auch „das im engeren Sinn ,hermeneutische‘ Verstehen der Intention des unmittelbaren Weltverständnisses, die in Handlungen und Werken der Menschen zum Ausdruck kommen“ (3: 73). Die Brücke zum hermeneutischen Begriff des Verstehens läßt sich deshalb schlagen, weil auch das Verstehen der Wittgensteinschen Sprachspiele anstelle einer distanzierten Beobachterperspektive die Teilnahme am Spiel und seiner Lebensform voraussetzt. Das kommt der Beschreibung der hermeneutischen Grundsituation bei Gadamer sehr nahe. Gadamers hermeneutische Philosophie hat die weitere Entwicklung der Hermeneutik entschieden geprägt, ist aber auf Kritik gestoßen. Jürgen Habermas hat vor allem Gadamers Rehabilitierung von Autorität und Tradition kritisiert (28; vgl. 26: 281 ff.). Alles Verstehen setzt nach Gadamer immer schon ein Verstandenhaben voraus, das freilich im Prozeß des Neuverstehens überprüft werden muß. Da man sich im Akt der hermeneutischen Distanznahme nicht gleichzeitig von allem distanzieren kann, ist alles endliche Verstehen auf Vorannahmen bzw. Vorurteile angewiesen. Gadamer hat daher für die Rehabilitierung des Vorurteils-Begriffs plädiert, der erst durch die Aufklärung in Mißkredit geraten sei. „Vorurteil“ müsse nicht notwendig „falsches Urteil“ heißen. Außerdem sitze die Aufklärung selbst einem Vorurteil auf, „das ihr Wesen trägt und bestimmt: Dies grundlegende Vorurteil der Aufklärung ist das Vorurteil gegen Vorurteile überhaupt und damit die Entmachtung der Überlieferung“ (26: 275). Habermas, dessen Sozialphilosophie allerdings selbst stark durch Gadamers Hermeneutik des Gesprächs beeinflußt ist, hat Gadamer an dieser Stelle einen Mangel an kritischem Bewußtsein und emanzipatorischer Kraft vorgeworfen. Wie allerdings die späteren Debatten über eine „Hermeneutik des Verdachts“ im Anschluß an Marx, Nietzsche und Freud zeigen, schließen sich ein kritisches und emanzipatorisches Verhältnis zur Tradition und hermeneutisches Denken nicht notwendigerweise aus. „Man kann“, wie Paul Ricœur schreibt, „Hermeneutik und Ideologiekritik nicht mehr einander entgegen-

Kritik an Gadamer

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I. Theologie als hermeneutische Wissenschaft

J. Derridas Interpretationstheorie

Die philosophische Hermeneutik P. Ricœurs

setzen; die Ideologiekritik ist der notwendige Umweg, den das Sich-verstehen machen muß, wenn es sich durch die Sache des Textes, nicht durch die Vorurteile des Lesers bestimmen lassen will“ (201: 34). Insofern hat die Kritik von Habermas einen wichtigen Beitrag zur gesteigerten Reflexivität philosophischer Hermeneutik geleistet. Eine radikale Abkehr von der hermeneutischen Philosophie Gadamers vollziehen dagegen Jacques Derrida (1930 – 2004) und andere Vertreter des Dekonstruktivismus (22). Hatte schon Heidegger im Anschluß an Nietzsche das Ende der Metaphysik postuliert und ihre Überwindung im Sinne einer beständigen „Verwindung“ zur Aufgabe der Philosophie erklärt, so gehört für Derrida Gadamers philosophische Hermeneutik noch in den Zusammenhang der zu überwindenden Metaphysik, weil sie am Gedanken der Identität von sprachlichem Sinn festhalte. In Wahrheit unterliege der Sinn sprachlicher Ausdrücke in jedem neuen Akt des Sprechens einem Wandel. Für diese unaufhebbare Differenz hat Derrida das Kunstwort der „différance“ geprägt. Gadamer hat sich auf die Diskussion mit Derrida eingelassen und auf dessen Kritik entgegnet, daß auch der Gedanke des sich beständig wandelnden sprachlichen Sinnes in das Konzept einer philosophischen Hermeneutik integriert werden kann. Poststrukturalistische oder dekonstruktivistische Theorien der Interpretationen müssen nicht zwangsläufig darauf hinauslaufen, den Begriff der Hermeneutik überhaupt aufzugeben. Sie geben aber wichtige Impulse für eine Erweiterung hermeneutischer Fragestellungen. Den Titel einer philosophischen Hermeneutik verwendet auch Paul Ricœur (1913 – 2005). Anders als die Hermeneutik Gadamers orientiert sich diejenige Ricœurs – ähnlich wie die Hermeneutik Emilio Bettis (6) – am individuellen Sinn. Dabei betont er die Produktivität jedes Verstehensaktes. Die Situation der Interpretation wird nach Ricœur ebenso durch die Gabe eines Vorhergehenden als auch durch einen Neubeginn, die Initiative des Denkens gekennzeichnet. Verstehen heißt demnach weder wiederholen noch übersetzen, sondern schöpferisches Hervorbringen. Gegenüber Gadamer fällt die Konzentration auf den Begriff des Textes auf. Ricœur definiert Hermeneutik als „Untersuchung der Kunst des Verstehens, die durch die Interpretation von Texten ermöglicht wird“ (202: 27). Verglichen mit dem Universalitätsanspruch einer an der Sprachlichkeit orientierten Hermeneutik bedeutet dies zunächst eine Eingrenzung. Jedoch zielt Ricœurs Hermeneutik „nicht eigentlich auf eine Hermeneutik des Textes, sondern auf eine Hermeneutik, die von dem durch den Text gestellten Problem ausgeht“ (ebd.). Das grundlegende Problem des Textes aber ist die Beziehung zwischen Rede und Schrift und die mit der Verschriftlichung von Sprache verbundene Erfahrung der Verfremdung. Durch seine Schriftwerdung gewinnt der Text sowohl gegenüber seinem Autor als auch gegenüber jedem Leser Autonomie. Was der Text zu sagen hat, fällt weder mit der Aussageabsicht des Autors noch mit der Interpretation des Lesers zusammen. Indem aber der Text als Werk zu beständig neuer Interpretation reizt, ist er schöpferisch. Im Akt des Lesens bringt der Text ständig neuen Sinn hervor, ohne sich je zu erschöpfen. Im Gegensatz zu dem Verfallscharakter, den Gadamer in der Verfremdung von sprachlichem Sinn durch Verschriftlichung sieht, erkennt ihr Ricœur eine positive Bedeutung zu. „Die Verfremdung ist nicht nur das,

1. Was ist Hermeneutik?

was das Verstehen besiegen muß, sondern auch das, was dieses bedingt“ (202: 29). Ricœur zieht aus seinen hermeneutischen Überlegungen die Konsequenz, daß der von Dilthey überkommene Gegensatz zwischen Verstehen und Erklären, der noch im Titel von Gadamers Hauptwerk „Wahrheit und Methode“ nachwirkt, grundsätzlich in Frage zu stellen ist. Konkret bedeutet dies, daß sich die Hermeneutik strukturalistischer und linguistischer Methoden zur Erfassung der Struktur von Texten bedienen kann. Den Strukturalismus weist Ricœur allerdings als das einfache Gegenteil der Romantik zurück und bestreitet dessen These von der Trennung zwischen Sinn und Referenz. Zwar wird durch die Schriftwerdung des Textes der ursprüngliche Verweisungsbezug von Sprache zerstört, dadurch jedoch ein sekundärer Verweisungsbezug freigelegt (202: 31 f.). Einen Text interpretieren bedeutet, ihn als einen Entwurf von Welt zu verstehen, die der Interpret bewohnen kann, um eine seiner wesenhaften Möglichkeiten darein zu entwerfen. Ricœur nennt dies die Textwelt oder die Welt des Werkes, welcher bei Gadamer die „Sache des Textes“ entspricht (201: 33). Eine Entgrenzung des Hermeneutikbegriffs findet wiederum bei Gianni Vattimo statt. Anders als Ricœur geht Vattimo nicht von dem durch den Text gestellten Problem aus, sondern von der Spätphilosophie Heideggers und dem Denken Friedrich Nietzsches. Nach Vattimo lautet die grundlegende These der Hermeneutik, mit Nietzsche gesprochen, „dass es keine Tatsachen gibt, sondern nur Interpretationen“ (113: 17; vgl. F. Nietzsche, KSA 12, 315). Auch diese Aussage beschreibt keine Tatsache, sondern ist selbst nur eine Interpretation. Die Interpretation ist folglich die einzige „Tatsache“, über die man sprechen kann. Sie ist „wie ein Virus, das alles infiziert, womit es in Berührung kommt“ (113: 19). Die Erfahrung von Wahrheit ist „vor allem eine Erfahrung des Hinhörens auf – und der Interpretation von Botschaften“ (113: 29). Unter Berufung auf Gadamer deutet Vattimo „Wahrheit als unendliche Konstruktion von Gemeinschaft“ (113: 27), die letztendlich mit Gadamers „Horizontverschmelzung“ (26: 311) zusammenfällt. Bei Vattimo verbindet sich die Tradition hermeneutischer Philosophie mit dem postmodernen Denken, wenn er erklärt: „die Hermeneutik ist keine Philosophie, sondern die Erscheinung der geschichtlichen Existenz selbst, wie sie sich im Zeitalter des Endes der Metaphysik gibt“ (113: 20). Die jüngste Entwicklung zeigt, daß das Thema der Hermeneutik in der Philosophie nach wie vor präsent ist. 1971 lautete die Diagnose Klaus Scholders: „Die Hermeneutik wurde von ihrem Thron gestoßen, und wer heute nach ihr fragt, beweist nur, daß er von gestern ist“ (248: 1). Dieses Urteil ist aus heutiger Sicht korrekturbedürftig. Wohl stimmt es, daß der Einfluß Heideggers und seiner Schule auf Philosophie und Theologie stark zurückgegangen ist. Das Sachproblem der Hermeneutik steht und fällt aber nicht mit einer bestimmten Spielart philosophischer Hermeneutik. Im Gegenteil läßt sich heute ein neues Interesse an hermeneutischen Fragestellungen beobachten. Das kann auch nicht weiter verwundern, insofern das hermeneutische Problem des Verstehens und Interpretierens, das durch Mißverstehen und Unverständnis konterkariert wird, unabweisbar ist.

Hermeneutik bei G. Vattimo

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I. Theologie als hermeneutische Wissenschaft

c) Nicht-hermeneutische Interpretationstheorien Synchrone und diachrone Interpretation

Gleichwohl haben sich im 20. Jahrhundert Interpretationstheorien etabliert, die man als nicht-hermeneutisch bezeichnen kann, weil sie eine entscheidende Voraussetzung hermeneutischen Denkens nicht teilen: den Gedanken der radikalen Historisierung aller erkenntnistheoretischen Bedingungen von Verstehensprozessen. Odo Marquard bezeichnet die Gegenspieler der Hermeneutik als „Code-Knacker“ und versteht darunter vor allem Kommunikationstheorie und Semiotik (41: 134 ff.). Linguistik, Semiotik und Kommunikationstheorie entwickeln eine konsequent synchrone Betrachtungsweise menschlicher Kommunikations- und Verstehensprozesse. Sie blenden die diachrone Betrachtungsweise, welche für die historischen Geisteswissenschaften und die Hermeneutik grundlegend ist, konsequent aus. Das gilt letztlich auch für die Sprachspieltheorie des späten Wittgenstein, selbst wenn sich zwischen ihr und der philosophischen Hermeneutik Gadamers eine positive Beziehung herstellen läßt. Auch Wittgenstein kann „das eigentlich geschichtliche des Verstehens, die Vermittlung zwischen den zerfallenden und entstehenden Sprachspielen (das normale Phänomen der Traditionsvermittlung) und wiederum die Vermittlung über die Zeiten hinweg, die Wiederbelebung und Aneignung der Vergangenheit in die gegenwärtige Lebensform hinein mit seinem Denkmodell nicht eigentlich fassen, sondern allenfalls von ihm her konzedieren“ (3: 87). In synchronen Theorien menschlicher Kommunikation spielt der Begriff des Codes eine Schlüsselrolle. Für Marquard verweist sein Begriffsfeld auf „die Optik des Dechiffrierers“, der sich z. B. in der Spionage mit einer „Geheimsprache“ konfrontiert sieht, die er selbst zunächst nicht spricht und nicht kennt (41: 137). Während die Beobachterperspektive synchroner Sprachtheorien letztlich unverständliche oder unverständlich gewordene Welt unterstellt, geht das hermeneutische Denken davon aus, daß wir zwar niemals alles, aber auch niemals gar nichts verstehen. Verstehen ist nur möglich, wie und soweit wir schon etwas verstanden haben. Eben das meint bei Heidegger und Gadamer das Vorverständnis oder Vorurteil: die Situation der immer oder doch irgendwie schon – und sei es in aller Vorläufigkeit – verstandenen Sprache, Textwelt oder Sozialwelt. Hermeneutik ist erklärtermaßen zirkulär. Sie setzt voraus, was doch ihr Ziel ist: gelingendes Verstehen. Eine antihermeneutische Theorie des Verstehens, welche diesen Zirkel durchbrechen möchte, gerät jedoch in einen Widerspruch, weil es keinen Weg vom radikalen Nichtverstehen zum Verstehen gibt. Auch vernachlässigt das Verständnis von Sprache als Code, daß nicht nur Worte, sondern auch Grammatiken eine Geschichte haben. Im Sinne Wittgensteins ist die Bedeutung von Worten ihr Gebrauch in der Sprache, der in eine soziale Praxis eingebettet ist. Diese aber ist stets eine geschichtlich gewordene und bedingte. Die Stärken der Hermeneutik gegenüber nichthermeneutischen Interpretationstheorien sprechen jedoch nicht grundsätzlich gegen synchrone Theorien des Verstehens. Vielmehr kommt es darauf an, diachrone und synchrone Verstehenstheorien sinnvoll miteinander zu verbinden. Anschlußmöglichkeiten gibt es dafür beispielsweise in der Semiotik Umberto Ecos, der ausdrücklich die Seinsfrage erörtert, die im Zentrum der hermeneutischen

1. Was ist Hermeneutik?

Phänomenologie Heideggers steht. Auch wenn er Heideggers Unterscheidung zwischen Sein und Seiendem als unnötige sprachliche Verdopplung zurückweist, erkennt Eco doch einen unauflöslichen Zusammenhang zwischen Sein und Sprache: „Das Sein, insofern es denkbar ist, zeigt sich von Beginn an als eine Wirkung von Sprache. Sobald es vor uns steht, erzeugt das Sein Interpretationen; sobald wir über es sprechen können, ist es bereits interpretiert. Andere Möglichkeiten gibt es nicht“ (18: 33). Die Sprache wiederum „konstruiert das Sein nicht ex ovo: Sie befragt es, und sie findet immer und in irgendeiner Weise etwas Vorgegebenes“ (18: 69). Vattimo formuliert als hermeneutisches Prinzip, daß es nicht Fakten gibt, sondern nur Interpretationen. Das schließt nach Eco freilich nicht aus, „daß man sich fragen kann, ob es nicht möglicherweise auch ,schlechte‘ Interpretationen gibt“ (18: 62). Eco spricht an dieser Stelle von „Tendenzlinien“ bzw. von „Resistenzlinien“, was besagt, „daß die Wirklichkeit unserem Erkennen nur in dem Sinn Einschränkungen auferlegt, als sie falsche Interpretationen ablehnt“. Man könnte auch sagen, daß Eco die Aufgabe der Kritik einmahnt, die schon bei Schleiermacher neben der Hermeneutik ihren Aufgabenbereich hat. Tatsächlich gibt es heute unterschiedliche Versuche einer Synthese von Semiotik und Hermeneutik. So plädiert beispielsweise Eberhard Hauschildt zugleich für eine deutliche Eingrenzung des Geltungsanspruchs wie für eine Ausweitung ihres Gegenstandsbereichs. Wie bei Schleiermacher die Kritik ihren Geltungsbereich neben Grammatik und Hermeneutik hat, die beide zusammengehören wie Verstehen und Beurteilen, eröffnet die Hermeneutik eine Zugangsweise zur Wirklichkeit neben anderen. Sie ist bei Schleiermacher auch keineswegs identisch mit Erkenntnistheorie überhaupt oder die Basis der Geisteswissenschaften, sondern „eine Anleitungslehre“, die der Wissenschaftspraxis des Verstehens dient, ohne selbst Erkenntnistheorie zu sein“ (476: 84 f.). Mag Hermeneutik dabei ihren Ausgangspunkt beim Problem des Textes nehmen, wie es Paul Ricœur vorschlägt, so hat sie es doch nicht nur mit der Interpretation von Texten zu tun, „sondern mit den fixierbaren Verwendungen aller Zeichencodes. So steht Hermeneutik heute im Geviert von Grammatik, Kritik, Semiotik und Phänomenologie“ (476: 85). Die Verbindung von Hermeneutik und Semiotik führt dazu, daß die phänomenologische Beschreibung und Deutung von Wirklichkeit konsequenter, als es in der Phänomenologie meist der Fall ist, auf fixierbare Äußerungen zurückgeführt werden, wodurch die intersubjektive Kontrolle an der Oberflächenerscheinung von Phänomenen ermöglicht wird. Die Beziehung auf konkrete empirische Phänomene verbindet die Hermeneutik mit Grammatik und Semiotik, doch bringt sie diesen strukturalen Wissenschaften gegenüber „gewollt in die allgemeinen Systeme die Kreativität im Moment der Interpretation ein – entschiedener auch, als solche Vertreter der Semiotik das tun, die sich für das Problem der Abduktion zwischen Deduktion und Induktion interessieren“ (ebd.). In diesem Sinne zeichnen sich Möglichkeiten ab, falsche Alternativen zwischen Hermeneutik und Semiotik zu überwinden, ohne die Gegensätze oder Spannungen zwischen diachronen und synchronen Theorien der Interpretation leugnen zu wollen.

Synthese von Hermeneutik und Semiotik

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I. Theologie als hermeneutische Wissenschaft

2. Theologie als Interpretationspraxis a) Das hermeneutische Problem in der Theologie und ihren Einzeldisziplinen

Begriff der Theologie

Für Gianni Vattimo ist die Beziehung, in der die moderne Hermeneutik zur Geschichte des Christentum steht, „nicht nur, wie man immer angenommen hat, durch die wesentliche Nähe von hermeneutischer Interpretation und exegetischer Ausdeutung biblischer Texte bestimmt, sondern Hermeneutik – im radikalsten Sinne des Wortes, wie ihn Nietzsche und Heidegger verkörpern – ist nichts anderes als die konsequent entwickelte und zu ihrer Reife gebrachte christliche Botschaft“ (113: 22). Das ist die kühne These eines Philosophen, der sich selbst einen „Halbgläubigen“ nennt (53: 85). Ob man in der modernen Hermeneutik tatsächlich die säkulare Tochter der christlichen Tradition zu sehen hat, ist philosophisch wie theologisch gleichermaßen umstritten. Man wird diese Frage nicht beantworten können, ohne auf das bereits angesprochene Verhältnis von Hermeneutik, Glaube und Skepsis einzugehen (vgl. oben S. 15). Ob die christliche Hermeneutik immer schon theologisch zu bestimmen oder ob umgekehrt die Theologie immer schon hermeneutisch zu verstehen sei, gehört zu den großen Auseinandersetzungen der Theologiegeschichte des 20. Jahrhunderts. Von außen betrachtet ist Theologie die praxisorientierte und normative Wissenschaft vom Christentum. Praxisorientiert ist sie, insofern es sich um die akademische Berufsvorbildung für Tätigkeiten innerhalb oder im Auftrag der Kirche handelt (Pfarrerinnen und Pfarrer, Religionslehrerinnen und Religionslehrer). Normativ ist sie, insofern sie um ihrer Praxisorientierung willen die Frage nach der Geltung christlicher Glaubensinhalte und der mit ihnen übereinstimmenden Begründung christlicher Glaubens- und Lebensvollzüge bearbeiten muß. Insofern die Kirche, d. h. die christliche Religionsgemeinschaft nur in Gestalt verschiedener Kirchen bzw. Konfessionen existiert, der Praxisbezug also stets zu einer konkreten konfessionellen Ausgestaltung des Christentums besteht, ist die Koexistenz konfessionell unterschiedener theologischer Fakultäten gerechtfertigt. Der Sache nach aber gibt es nur eine einzige Theologie. Erfreulicherweise hat es seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962 – 1965) auch auf dem Gebiet der theologischen Hermeneutik substantielle ökumenische Annäherungen gegeben. Nicht nur auf dem Gebiet der Bibelauslegung, sondern auch in den anderen theologischen Disziplinen hat sich die katholische Theologie seither den Fragestellungen moderner Hermeneutik geöffnet. Wie in der evangelischen Theologie wurde auch in der katholischen Theologie die philosophische Hermeneutik Hans-Georg Gadamers auf breiter Front – manche Beobachter sagen freilich auch: „erstaunlich unkritisch“ (108: 122) – rezipiert. Zeitweilig konnte der Eindruck entstehen, als ob auf hermeneutischem Gebiet konfessionelle Unterschiede keine wichtige Rolle mehr spielen (80: 1657). Neuerdings sind freilich wieder katholische Stimmen zu hören, die auf der dogmatischen Gebundenheit der Exegese und der konstitutiven Bedeutung der kirchlichen Tradition insistieren. Sie kritisieren an Gadamers Konzept der Wirkungsgeschichte, welches auf die Aussageabsicht des Autors als Maßstab für die Richtigkeit oder An-

2. Theologie als Interpretationspraxis

gemessenheit des Verstehens verzichtet, daß es gegen die durch das katholische Lehramt auferlegten Pflicht verstoße, den historischen Aussagesinn der biblischen Schriften zu erheben (108: 129 ff.). Was die Aneignung zeitgenössischer philosophisch-hermeneutischer Theorieansätze betrifft, scheint sich die deutschsprachige katholische Theologie gegenwärtig in Zurückhaltung zu üben. Das Werk von Theologen, die sich solchen Theorien zuwenden (z. B. Edmund Arens, Alex Stock, David Tracy oder Hansjürgen Verweyen), wird kaum oder gar nicht rezipiert (115: 151). Das ist durchaus verständlich, verliert doch die Tradition in der Perspektive postmoderner Interpretationstheorien jenen Anschein bruchloser Kontinuität, welche das kirchliche Lehramt nach wie vor behauptet (115: 174). Insofern gibt es bei der theologischen Rezeption moderner und postmoderner Hermeneutikkonzeptionen nach wie vor durchaus konfessionsspezifische Fragestellungen. Daß hermeneutische Fragen für die Theologie seit den Anfängen des Christentums zentral sind, liegt auf der Hand, ist sie doch eine textorientierte Wissenschaft, in deren Mittelpunkt die Interpretation der Bibel Alten und Neuen Testaments steht. Bis heute gilt: Wer Theologie studieren will, muß Bücher lesen. Das Studium der Theologie leitet zum Umgang mit Texten an, und zwar zum Umgang mit religiösen Texten wie mit theologischen Texten, d. h. mit Texten über religiöse Texte bzw. mit religiösen Texten zweiter Ordnung. Da dies für alle Disziplinen der Theologie gilt, kann man mit Fug und Recht sagen, daß die Theologie insgesamt eine hermeneutische Wissenschaft ist, was freilich nicht bedeutet, daß sie sich ausschließlich hermeneutischer Methoden bedient. Ihre Aufgabe besteht nicht allein im Interpretieren und Verstehen von Glaubensäußerungen, sondern auch in der kritischen Urteilsbildung. Anders als die moderne Religionswissenschaft verfährt Theologie nicht nur deskriptiv-hermeneutisch, sondern auch normativ. Wissenschaftliche Theologie ist Arbeit an und mit Texten, auch wenn sie sich nicht ausschließlich mit solchen, sondern mit allen Erscheinungen christlicher Lebenspraxis in Geschichte und Gegenwart befaßt. Dazu gehört die Beschäftigung mit Zeugnissen der christlichen Kunst ebenso wie mit Riten und individuellen Lebensgeschichten. Theologinnen und Theologen haben es in ihrer späteren beruflichen Praxis „mit Texten und mit Menschen zu tun, und zwar nicht im Sinn einer Alternative, sondern auf dem Weg einer wechselseitigen Verweisung und Angewiesenheit“ (480: 222). Als umfassendsten Horizont der Theologie bestimmt Gerhard Ebeling das Leben überhaupt. Ingolf U. Dalferth greift Husserls Begriff der Lebenswelt auf und bezeichnet die Theologie als „christliche Lebensweltreflexion“ (71: 33). Recht verstanden ist Theologie eine „Lebenswissenschaft“, deren Fragestellungen über die biotechologischen Wissenszweige, die man heute „life sciences“ nennt, aber auch noch über diejenigen einer Ethik, verstanden als „Theorie menschlicher Lebensführung“ (Trutz Rendtorff), hinausreicht. Unter der Perspektive der Gottesrelation aller Wirklichkeit, ist die Frage der Wissenschaftlichkeit der Theologie, „recht verstanden, nicht ein apologetisches Bemühen um wissenschaftliche Anerkennung der Theologie, sondern ein stellvertretendes Bemühen der Mitarbeit daran, daß das Verhältnis von Wissenschaft und leben zurechtgebracht wird, das weltweit in ein Stadium akutester Lebensbedrohung geraten ist“ (164: 60). Das Ethische aber, nämlich „das komplexe Gewebe der Lebenswirklichkeit in ihrem Vorgegeben-

Theologie als Textund Lebenswissenschaft

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I. Theologie als hermeneutische Wissenschaft

Das hermeneutische Problem der Vermittlung

sein und Aufgegebensein, ihrem Gelingen und Scheitern“, geht dem Glauben zwar immer schon voraus, begleitet ihn und folgt ihm, ist aber dennoch von ihm „kategorial verschieden“ (164: 21), weil es sich dabei gerade nicht um ein menschliches Werk, eine menschliche Leistung handelt. Insofern hermeneutische und nichthermeneutische Methoden der Interpretation zum Tragen kommen, läßt sich die Theologie allgemein als Interpretationspraxis charakterisieren. Das bedeutet nach Ingolf U. Dalferth, „sie als semiotisches und hermeneutisches Phänomen in den Blick zu fassen“ (71: 60). Damit wird auch auf dem Gebiet der Theologie eine Synthese von Hermeneutik und Semiotik angestrebt. Der Bezug der Theologie auf den christlichen Glauben und das ihn ebenso bezeugende wie hervorrufende Evangelium ist eine mehrschichtige Interpretationsbeziehung, die ebenso rekonstruierend wie produktiv oder kreativ ist. Theologie ist produktive „Interpretation von Interpretation von Interpretationen“ (71: 63), wobei jedes Verstehen ein Anders- und Neuverstehen ist. Die hermeneutische Frage verbindet die Theologie mit den übrigen Geistes- und Kulturwissenschaften, insbesondere mit Geschichtswissenschaft und Literaturwissenschaft, aber auch mit der Rechtswissenschaft und der Philosophie. Von dieser unterscheidet sich die Theologie allerdings dadurch, daß sie wesensmäßig an bestimmte Texte gebunden ist, die für den christlichen Glauben und die Kirche als Gemeinschaft der Glaubenden kanonischen Rang haben. Der Grund hierfür besteht darin, daß das christliche Gottesverhältnis – Glaube genannt – ein in doppelter Weise vermitteltes ist, besteht es doch nach christlichem Selbstverständnis nur in Form eines gläubigen Verhältnisses zu Jesus von Nazareth als letztgültigem Offenbarungsereignis. Zu diesem Ereignis der Vergangenheit tritt der Glaube wiederum durch geschichtliche Vermittlung in ein Verhältnis der Gleichzeitigkeit. Das Medium der Gleichzeitigkeit intendierenden Vermittlung aber ist die christliche Verkündigung (im denkbar weitesten Sinne des Wortes), die (wiederum im weitesten Sinne, den Bereich der verbalen Kommunikation übersteigenden) Anredecharakter hat (Glaubensbotschaft). Es ist mißverständlich, wenn man das Christentum neben Judentum und Islam zu den Buchreligionen rechnet. Im strengen Sinne des Wortes ist wohl nur der Islam eine Buchreligion, insofern der vermeintlich himmlische Koran als unmittelbare Offenbarung Gottes verehrt wird. Für das Christentum ist die Bibel das grundlegende Zeugnis der Offenbarung, welche von diesem aber zu unterscheiden ist. Zwar gehört das Zeugnis mit in das Offenbarungsgeschehen hinein. Als Moment desselben ist es jedoch nicht mit diesem gleichzusetzen. Gleichwohl kann man auch das Christentum in einem spezifischen Sinne als Buchreligion bezeichnen, insofern die Glauben bezeugende und neuen Glauben intendierende mündliche Verkündigung die Gestalt der applikativen Schriftauslegung hat. Der Kanon der biblischen Schriften Alten und Neuen Testaments hat für das Christentum als Urkunde der eigenen Verkündigung sowohl ätiologischen, als auch paradigmatischen und normierenden Charakter. Auch die Theologie als Reflexionsgestalt des christlichen Glaubens ist ihrem Wesen nach Schriftauslegung. Christlicher Glaube vollzieht seine Selbstauslegung in der Form der Schriftauslegung, indem er darlegt,

2. Theologie als Interpretationspraxis

wie die menschliche Existenz ihrerseits von den Texten der Schrift her ausgelegt und verstehbar wird. Insofern ist Theologie insgesamt ein Auslegungsvorgang (81: 174 ff.). Nach evangelischem Verständnis haben theologische Aussagen den beiden Kriterien der Schriftgemäßheit und der Zeit- bzw. Situationsgemäßheit zu entsprechen (89: 27). Die ausgelegte und in einer bestimmten Situation angewandte Schrift läßt sich mit Friedrich Mildenberger als Evangelium verstehen (ebd.), wobei Evangelium die Kurzformel für die Botschaft des christlichen Glaubens ist. Kriterium einer evangeliumsgemäßen Theologie ist demnach, inwieweit das gegenwärtige Glaubensbewußtsein durch die auf die Zeit angewandte Schrift bestimmt wird und nicht etwa umgekehrt die Schriftauslegung durch den allgemeinen religiösen Zeitgeist. Wer „Evangelium“ sagt, muß nach evangelischem Verständnis freilich auch „Gesetz“ sagen. Die richtige Unterscheidung und Zuordnung von Gesetz und Evangelium gilt nach reformatorischer Tradition als grundlegendes Kriterium aller Theologie. Luther urteilt: „Wer das Evangelium recht vom Gesetz zu unterscheiden weiß, der danke Gott und darf wissen, daß er ein Theologe ist“ (WA 40/I, 207,17 f.). Die Predigt des Gesetzes lehrt nach Luther die Erkenntnis der Sünde, der Verdammungswürdigkeit und des Gerichts, die Predigt des Evangeliums aber die Sündenvergebung und Rechtfertigung allein aus Gnaden. Der Inhalt der göttlichen Selbstoffenbarung läßt sich deshalb durch die dem biblischen Sprachgebrauch entnommenen Begriffe des Gesetzes und des Evangeliums zusammenfassen, weil in der Begegnung mit Gott grundsätzlich Gottes Zorn oder Gericht sowie Gottes Gnade und dementsprechend des Menschen Unglaube bzw. Sünde oder Glaube und Rettung zutage treten. Eine nähere Bestimmung finden der Begriff des Evangeliums sowie die theologische Fundamentalunterscheidung von Evangelium und Gesetz freilich erst im hermeneutischen Zirkel zwischen Schrift und Situation. In ihm erschließt sich auch der Sinn des sogenannten reformatorischen Schriftprinzips, wonach die Heilige Schrift allein Quelle des Glaubens und jedes kirchliche Auslegungsprivileg zurückzuweisen ist. Wie das Schriftprinzip ist auch der Kanon „in entscheidender Hinsicht nicht ein Textabgrenzungsprinzip, sondern ein hermeneutisches Prinzip“ (164: 34). Als Moment christlicher Religion hat Theologie zunächst die Gestalt einer religiösen, wenngleich begrifflich reflektierten und argumentativ begründeten Lehre vom Glauben, seinem Grund und dem ihm entsprechenden Handeln. Sofern sie nach dem Grund des Glaubens und seiner Praxis fragt, ist Theologie die Lehre von Gott als derjenigen Größe, welche die Botschaft des christlichen Glaubens als vermittels ihrer selbst Glauben provozierende und als solche in Erscheinung tretende zur Sprache bringt. Dieser Sachverhalt wird in der zur Wissenschaft ausgebauten Theologie in historischer, systematischer und praktischer Hinsicht und mittels entsprechender Methoden analysiert und metatheoretisch reflektiert. Soweit Theologie als Wissenschaft betrieben wird, verschränken sich in ihr auf spannungsvolle Weise die Binnenperspektive der Selbstbeschreibung christlichen Glaubens und die Außenperspektive wissenschaftlicher Fremdbeschreibung. Aus der Strittigkeit des Glaubensgrundes aber folgt die Strittigkeit der Wissenschaftlichkeit der Theologie.

Kriterien theologischer Hermeneutik

Die Theologie und ihre Einzeldisziplinen

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I. Theologie als hermeneutische Wissenschaft

Die heutige Auffächerung der Theologie in mehrere Hauptdisziplinen geht nicht auf einen konstruktiven enzyklopädischen Entwurf zurück, sondern ist das Resultat einer längeren geschichtlichen Entwicklung. Ausdifferenzierungen des Christentums und Ausdifferenzierungen der Theologie gehen dabei Hand in Hand. Schleiermacher hat zwischen historischer, praktischer und systematischer Theologie unterschieden. Diese Unterteilung ist nach wie vor sinnvoll, sofern sie primär nicht als Abgrenzung unterschiedlicher Gegenstände, sondern als Unterscheidung verschiedener Perspektiven auf denselben Gegenstand verstanden wird. Die Aufteilung von Bearbeitungsgegenständen ist lediglich eine Frage der Arbeitsteilung. Tatsächlich bestehen vielfältige Überschneidungen zwischen den Disziplinen. Was diese vor allem unterscheidet, ist die jeweilige Fragestellung und damit verbunden eine unterschiedliche Methodik. Wir können zwischen historisch-kritischen, philosophisch-systematischen und empirisch-humanwissenschaftlichen Methoden unterscheiden. Tatsächlich wird aber in allen Disziplinen der Theologie mit all den genannten Methoden gearbeitet. Historisch-kritisch wird nach der Genese und geschichtlichen Entwicklung des Christentums gefragt, systematisch-theologisch nach der Geltung seiner Glaubensinhalte, praktisch-theologisch nach den Bedingungen und der Praxis ihrer heutigen Vermittlung. Dabei ist jeweils der Textbezug des christlichen Glaubens zu untersuchen. Die biblische Theologie (Wissenschaft vom Alten und Neuen Testament) beschäftigt sich einerseits mit der Entstehungsgeschichte des Christentums und seiner Vorgeschichte, andererseits aber sowohl literaturwissenschaftlich als auch systematisch mit den normativen Texten des Christentums, die nicht nur als historische Quelle dienen, sondern vor allem als Grund und Norm heutiger christlicher Verkündigung und christlicher Praxis in Geltung stehen. Aufgabe der exegetischen Fächer ist die sachgemäße Interpretation der kanonischen Texte des Christentums, die darin besteht, die in ihnen jeweils zur Sprache kommende Sache und den für diese erhobenen Geltungsanspruch sowie dessen heutige Relevanz herauszuarbeiten. Die Kirchengeschichte untersucht nicht nur die Geschichte des Christentums von seinen Anfängen bis in die Gegenwart und ihre Einbettung in die allgemeine Geschichte, sondern auch speziell (im weitesten Sinne des Wortes) die Auslegungsgeschichte der normativen Texte des Christentums. Sie zeigt also auf, welche Formen Verkündigung und Theologie als Schriftauslegung im Verlauf der bisherigen Geschichte angenommen haben. Die Disziplin der Kirchengeschichte macht die Geschichtlichkeit des christlichen Glaubens, d. h. seine doppelte Vermitteltheit und Pluralität unter konkreten räumlichen, zeitlichen und sozialen Bedingungen ausdrücklich zum Thema. Die Systematische Theologie stellt die Frage nach der Geltung christlicher Glaubens- und Verkündigungsinhalte in der Spannung zwischen ihrer für das Christentum grundlegenden Schriftgemäßheit und der Wirklichkeitsoder Situationsgemäßheit. Ihre Aufgabe ist sowohl die Interpretation als auch die Auslegung der Botschaft des christlichen Glaubens. Sie fragt, worin die Botschaft des Christentums für die Gegenwart besteht (Interpretation) und was diese zu denken bzw. über Gott, den Menschen und seine Lebensführung sowie über die Welt zu verstehen gibt (Auslegung) und versucht beides auf den Begriff zu bringen.

2. Theologie als Interpretationspraxis

Die Praktische Theologie untersucht die soziokulturellen Bedingungen, unter denen christlicher Glaube heute entsteht, die konkreten Formen seiner heutigen Vermittlung und seiner individuellen wie kollektiven Praxis gemäß der Unterscheidung zwischen individueller, kirchlicher und öffentlicher Gestalt christlicher Religion. Im weitesten Sinne des Wortes untersucht die Praktische Theologie die Kommunikations- und Bildungsprozesse christlichen Glaubens und alles Handeln, in denen dieser zur Wirkung und Darstellung gelangt.

b) Glauben – Verstehen – Deuten Gottes Offenbarung oder sein Wort wird durch Menschenworte vermittelt, nämlich durch das Wort und Zeugnis des Glaubens. Verhält es sich so, dann ist der Glaube selbst – wie von Rudolf Bultmann zu lernen bleibt – als eine Weise des Verstehens zu interpretieren. Glaube bedeutet nichts anderes, als das Wort des Glaubens in einer ganz bestimmen Weise zu verstehen. Und zwar ist ein Verstehen menschlicher Rede von Gott in Christus gemeint, durch welches der Adressat solcher Rede sich selbst und seine Wirklichkeit neu verstehen lernt. Der Glaube als ausgezeichnete Weise des Selbstverständnisses begreift sich aber passivisch als ein von Gott Erkanntund Verstandenwerden. Auf ein letztes Offenbarwerden des eigenen Selbst richtet sich die eschatologische Hoffnung des Paulus in I Kor 13,12: „Jetzt erkenne ich stückweise; dann aber werde ich erkennen, wie ich erkannt bin.“ Søren Kierkegaard (1813 – 1855) hat den Glauben als Verstehen im Kontrast zur Sünde folgendermaßen bestimmt: Sünde ist Verzweiflung, sei es der Versuch, verzweifelt man selbst sein zu wollen, sei es der Versuch, verzweifelt nicht man selbst sein zu wollen, oder schließlich die völlige Resignation in Geistlosigkeit und Abgestumpftheit (84). Der Glaube als das Gegenteil der Verzweiflung ist folgender Zustand des Selbst: „indem es sich zu sich selbst verhält, und indem es es selbst sein will, gründet sich das Selbst durchsichtig in der Macht, welche es gesetzt hat“ (84: 10). Wiewohl der Glaubende im Glauben sich selbst neu versteht bzw. das gläubige Selbst sich selbst in Gott gründet, bleibt der Glaube doch ein Widerfahrnis, das sich bei aller Tätigkeit des Subjekts gerade nicht als eigenmächtige Tat, sondern nur als Gabe verstehen läßt. Neuere Entwürfe theologischer Hermeneutik bevorzugen anstelle der Kategorie des Verstehens den Begriff des Deutens. Dieser erfreut sich seit einiger Zeit auch in den Geistes- und Kulturwissenschaften zunehmender Beliebtheit. Historisch verweist er auf die ursprüngliche Nähe der Hermeneutik zur Mantik. Gegenstand mantischer Deutung sind Träume und Zeichen der Götter. Zur Ambivalenz der Deutung gehören die Mehrdeutigkeit ihrer Gegenstände und der konstruktive bzw. hypothetische Charakter der Deutung. Dieser Umstand spielt beispielweise in der alttestamentlichen Josefserzählung eine Rolle. Die Geschichte, in der Josef zwei Mitgefangenen, dem Mundschenk und dem Bäcker des Pharao, ihre Träume deutet (Gen 40), trägt durchaus ironische Züge. Beide haben einen ähnlichen Traum, doch im einen Fall bedeutet er die Rehabilitierung des Mundschenks, im anderen Fall die Hinrichtung des Bäckers. Man kann aus dieser

Glauben und Verstehen

Deuten

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I. Theologie als hermeneutische Wissenschaft

Der Deutungsbegriff bei D. Korsch und U. Barth

Erzählung durchaus einen gegenüber Traumdeutungen kritischen Unterton heraushören. Deuten heißt offensichtlich mehr mutmaßen als exakt bestimmen. Es haftet ihm etwas Subjektives und Willkürliches an. Allerdings ist es gerade diese Offenheit, die den Deutungsbegriff hermeneutisch und kulturwissenschaftlich attraktiv macht, weil er zur Kritik an der Vorstellung von der Einsinnigkeit sprachlicher und nichtsprachlicher Phänomene paßt. „Deutungen sind Prädikationsvorgänge, d. h. Konstruktionen des menschlichen Geistes, in denen ,etwas als etwas verstanden wird‘“ (88: 10). Im Anschluß an Kant heißt Deuten, daß im Bewußtsein Bedeutungszusammenhänge hergestellt werden. Sinn und Bedeutung von Phänomenen sind demnach nicht für sich gegeben, sondern stets nur für ein deutendes Subjekt, das die Dinge deutet und ihnen Bedeutsamkeit zuschreibt. Mit Hilfe des Deutungsbegriffs soll also das Verstehen als Konstruktionsleistung verständlich gemacht werden. Über Kulturphilosophie und Kulturwissenschaften kehrt nun der Deutungsbegriff auch in die Theologie zurück. Das geschieht vornehmlich bei solchen Theologen, welche an das Erbe des Kulturprotestantismus anknüpfen und die Theologie als Kulturwissenschaft definieren oder zumindest im Kontext der Kulturwissenschaften verorten wollen. Mit der Einführung des Deutungsbegriff wird nicht nur die Abkehr vom Erbe der Dialektischen Theologie und ihrer fundamentaltheologischen Begründungsfigur der Selbstoffenbarung Gottes vollzogen, sondern auch an Versuchen einer metaphysischen Begründung von Religion Kritik geübt. Glauben und Verstehen erscheinen nun als Interpretations- und Konstruktionsleistung des menschlichen Subjekts. Religion läßt sich im Anschluß an Ernst Cassirer (1874 – 1945) als eine Form der Wirklichkeitsinterpretation neben anderen wie Sprache, Mythos, Kunst oder Wissenschaft interpretieren, d. h. als ein spezifisches Segment menschlicher Kultur. Ein Schlüsselbegriff ist die Kategorie des Deutens z. B. für Dietrich Korschs Verständnis von Theologie als hermeneutischer Praxis (393: 125 ff., 192 ff.), das er im Anschluß an Cassirer als Symbolgebrauch versteht (126). Das christliche Glaubensbekenntnis ist nach Korsch „eine grundsätzliche, das Handeln orientierende, den Zehn Geboten parallel gehende Deutung des menschlichen Lebens überhaupt“ (393: 128), näherhin „eine Deutung des Deutens selbst“ (393: 127) und somit der „ausgezeichnete Fall religiösen Deutens überhaupt“ (393: 194). Auffällig ist die Verbindung der Hermeneutik mit der ethischen, nämlich am Handlungsbegriff orientierten Fundierung der Dogmatik. Korsch operiert an dieser Stelle mit dem Religionsbegriff, wobei Religion ebenfalls ethisch interpretiert wird. Sie nimmt nämlich „stets eine wichtige Orientierungsfunktion für das Handeln“ wahr (393: 193). Der Bezugspunkt von „Religion überhaupt“ wie auch der Ort des christlichen Gottesverhältnisses ist nach Korsch „das Ineinander von Selbstverhältnis und Weltverhältnis“ (393: 15). Das Gottesverhältnis aber, so formuliert Korsch thetisch, „ist die Dimension der Unbedingtheit in dem soeben analysierten Zusammenhang von Selbstverhältnis und Weltverhältnis“ (ebd.). Versetzt man sich „ – und sei es nur probeweise – “ in die Position der Unbedingtheit des Gottesverhältnisses bzw. nimmt man die Innenperspektive des (christlichen) Glaubens ein, dann „folgt daraus nichts weniger als die klassische Struktur der christlichen Dogmatik“ (393: 18), als da

2. Theologie als Interpretationspraxis

wäre die Einsicht in die Gegebenheit des Lebens (Schöpfung), in die „Anfälligkeit der Verhältnisse“ und das Wissen darum, daß das Leben in seiner Zerbrechlichkeit erhalten bleibt (Versöhnung), schließlich die „Gewißheit, daß Leben letztlich gelingt“ (Erlösung und Vollendung) (393: 18 f.). Programmatisch zitiert Korsch den Satz aus Hegels „Phänomenologie des Geistes“, die Sprache sei das Dasein des Geistes (393: 19.271). Wie Hegels Religionsphilosophie läßt sich auch Korschs Dogmatik als subjektivitätstheoretische Variante natürlicher Theologie, als Naturalisierung des biblisch bezeugten Heils- und Offenbarungsgeschehens charakterisieren. Ausgangsund ständiger Bezugspunkt ist das religiös gestimmte, sich selbst und seine Welt auslegende Subjekt. Von ihm wird Gott in der religiösen Sprache „eingeführt und vorgestellt als diejenige Instanz, in der die Sprachhandlung ,du sollst …‘ wurzelt“ (393: 36). Und wenn Korsch fragt: „wie können wir Gott so denken, daß wir an ihn glauben können?“ (393: 124), legt sich der Verdacht nahe, daß hier das Denken Gottes dem Glauben nicht nachfolgt, nicht von ihm angestoßen und herausgefordert wird, sondern daß umgekehrt der Gottesgedanke des Gott denkenden Subjekts zur Bedingung des Glaubens gemacht wird. Religion ist für Korsch ein Teil der Kultur, alle Kultur aber ist (menschliche) „Arbeit gegen den Tod“ (393: 271). Bezeichnenderweise mündet Korschs Argumentationsgang in den ethischen Appell: „Es muß [!] also ein Bewußtsein ausgebildet werden von dem Zusammenhang der Kultur mit den Mechanismen der Selbstdeutung, die die Wahl von Handlungen steuern. Solche Deutungsvollzüge erfüllen die Funktion der Religion“ (393: 273). Das Verstehen des Glaubens kommt einzig als menschliche Aktivität des Deutens und Aneignens (393: 272) in den Blick. Daß das Verstehen des Glaubens ein Verstandenwerden, das Erkennen ein Erkanntwerden, das Deuten ein Ausgelegtwerden ist (vgl. I Kor 8,3; 13,12), bleibt hier ganz unbegriffen. Damit bleibt aber auch das Wirken des Heiligen Geistes unterbestimmt. Nach Luthers Auslegung des dritten Credo-Artikels bekennt der Glaubende, „daß ich nicht aus eigener Vernunft noch Kraft an Jesum Christum, meinen Herrn, gläuben oder zu ihm kommen kann, sondern der heilige Geist hat mich durchs Euangelion berufen, mit seinen Gaben erleuchtet, im rechten Glauben geheiliget und erhalten, gleichwie er die ganze Christenheit auf Erden berüft, sammlet, erleuchtet, heiliget und bei Jesu Christo erhält im rechten einigen Glauben“ (BSLK 511 f.). Daraus wird bei Korsch die „auf dem Grunde des Lebens ruhende [!] Verbundenheit mit Gott“ (393: 175). Die Grundpassivität des Glaubens wird zur Aktivität des sich selbst und die Welt deutenden Subjekts uminterpretiert, die biblische Dramatik von Gericht und Gnade, Heil und Unheil, Tod und Leben, Gesetz und Evangelium, Offenbarung und Verborgenheit Gottes, von Glaube und Anfechtung zu einem wohltemperierten religiösen Grundvertrauen heruntergekühlt. Ähnlich liegen die Dinge bei Ulrich Barth. Auch er interpretiert Religion auf subjektivitätsphilosophischer Grundlage als spezifische Form der „Selbstdeutung“ (60: 19). „Religion – ihrem allgemeinsten Wesen nach – ist Deutung der Welt im Horizont der Idee des Unbedingten“ (60: 71). Dabei soll nicht substantialistisch oder hypostasierend die Existenz eines absoluten Sinnes behauptet werden, sondern Transzendenz und die „Unbe-

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I. Theologie als hermeneutische Wissenschaft

Theologische Probleme des Deutungsbegriffs

dingtheitsdimension von Sinn“ gehen dem Subjekt indirekt am Vollzug seiner eigenen Struktur im Weltbezug auf (60: 70). Kulturhermeneutisch wird Religion als „Deutungskultur“ beschrieben, wobei die Philosophie der Religion „ein unveräußerliches Moment der Metaphysik des Geistes“ (60: 72) bildet. Wie bei Korsch steht auch bei Barth das deutungsfreudige Subjekt im Zentrum seiner theologischen Konzeption. Sie steht und fällt freilich mit der Plausibilität der Subjektivitätsphilosophie, auf die sie sich beruft. Zwischen dem Subjektbegriff und einer Theorie der Subjektivität als einer Form von metaphysischer Abschlußtheorie ist bekanntlich zu unterscheiden. Wenn die Sinnhaftigkeit von Dogmatik oder Systematischer Theologie in der Moderne mit der neuzeitlichen Subjektivitätsphilosophie steht und fällt, ist ihre Lage freilich einigermaßen brenzlig. Denn eben diese Form einer metaphysischen Letztbegründungstheorie steht seit längerem im Kreuzfeuer philosophischer Kritik (72). Insofern bleibt die Allianz von Subjektivität und Glaube, die heute auch in anderen Konzeptionen einer systematischen oder auch praktischen Theologie gelebter Religion beschworen wird, merkwürdig rückwärtsgewandt. Sie ist eher ein Symptom der Krise heutiger Theologie als ein Lösungsweg. Philosophische und theologische Hermeneutik haben im 20. Jahrhundert darauf insistiert, daß für Aussagen, welche auf hermeneutischem Wege gewonnen werden, ein mit Gründen gerechtfertigter Wahrheitsanspruch erhoben werden kann. Wird die religiöse Deutung der Wirklichkeit jedoch einseitig als Leistung des Subjektes beschrieben, muß sich das auf den Wahrheitsanspruch des christlichen Glaubens desaströs auswirken. Besonders deutlich zeigt sich das an Wilhelm Gräbs schroffer Entgegensetzung von symbolischer oder religiöser Sinnstiftung und objektiver Wirklichkeitsbehauptung. Glaubenssätze über die Welt, die Geschichte und den Menschen sind für Gräb keine objektiven Wirklichkeitsaussagen, sondern „Deutungen, vermöge derer wir die Welt, die Natur und die Geschichte, die an sich keinen Sinn haben [!], in einen solchen für uns überführen können“ (466: 18). Zu Recht kritisiert Jörg Lauster: „Wenn […] religiöse Deutungen tatsächlich Sinnstiftungen da leisten, wo es an sich keinen Sinn gibt, dann wäre eine symbolische Wirklichkeitsdeutung letztlich gleichzusetzen mit einer wirklichkeitskompensierenden Projektion und Fiktion“ (88: 15). Zwar versteht auch Lauster unter Religion „eine ganz bestimmte Form, mit der Menschen ihr Leben deuten und interpretieren“ (88: 9), wobei in der religiösen Erfahrung „Erlebnisse unter Rückgriff auf eine übernatürliche, göttliche und transzendente Dimension der Wirklichkeit gedeutet“ werden, so daß sich religiöse Erfahrungen „von ihren Interpretationsmustern her als Transzendenzserfahrungen“ beschreiben lassen (88: 24). Zwischen kulturtheologischer Orientierung am Religionsbegriff und einer Offenbarungstheologie wie auch allgemein erkenntnistheoretisch möchte Lauster jedoch einen Mittelweg einschlagen. Aussagen über Phänomene versteht er zwar als „eine bewusste Konstruktion“, die aber „durch einen Gegenstand unserer Wahrnehmung hervorgebracht wird. Deutungen sind damit konstruierte Reaktionen, sie sind Antwort darauf, wie wir Wirklichkeit erleben“ (88: 14). Analog deutet er jede Transzendenzerfahrung als eine bestimmte Art der Selbsterfahrung, in der sich aktive Deutungsleistung und passives

2. Theologie als Interpretationspraxis

Bestimmtsein verbinden. „Das Subjekt erfährt sich von der Wirklichkeit so angegangen, dass es in seiner Interpretation dieser Wirklichkeit nicht anders kann, als jene Deutungsmuster des Göttlichen, des Heiligen, des Übersinnlichen und des Übernatürlichen anzuwenden. Der Begriff der Transzendenz fungiert dabei als Oberbegriff, der es erlaubt, diese Vielfalt der verschiedenen Erscheinungsformen der religiösen Erfahrung zusammenzufassen“ (88: 25). Auch wenn Lauster das passivische Moment des Glaubens zutreffend als ein Ergriffen- und „Überwältigtwerden“ (ebd.) beschreibt, bleibt das extra nos des Glaubens doch unterbestimmt. Das hängt schon damit zusammen, daß von Lausters vagem Transzendenzbegriff kein schlüssiger Weg zum Gedanken des sich selbst offenbarenden Gottes führt, der für das biblische Gottes- und Glaubensverständnis schlechthin konstitutiv ist. Theologische Hermeneutik beginnt erst dort, wo der Gedanke gewagt wird, daß alles Deuten des Glaubens im Gedeutetwerden durch Gott gründet (71: 57). Wie bei Korsch, Barth oder Gräb muß auch bei Lauster der Versuch, Theologie als Kulturwissenschaft der christlichen Religion oder als einen Sonderfall von Religionswissenschaft zu definieren, mißlingen. Er scheitert u. a., wie Dalferth mit Recht einwendet, am „Zerfließen des Religionsbegriffs“ (71: 16). Statt sich an einem vagen Begriff von Religion und Transzendenz zu orientieren, tut theologische Hermeneutik besser daran, vom Begriff des Evangeliums bzw. von der „Kommunikation des Evangeliums“ auszugehen (71: 90ff), die immer auch als dessen bzw. als Gottes „Selbstkommunikation“ zu verstehen ist (71: 110 ff.). Der Überstieg auf Gott als Subjekt semiotischer und interpretatorischer Prozesse ist aus Sicht eines evangelischen Glaubensverständnisses unaufgebbar. Die Synthese von Semiotik und theologischer Hermeneutik wird dadurch allerdings zunächst erschwert. Auch wenn der sprachliche Ausdruck „Gottes Selbstinterpretation“ auf kein vorinterpretatives Offenbarungsereignis verweisen soll, sondern Offenbarung nach Dalferth stets in und mit der christlichen Kommunikation des Evangeliums stattfindet (71: 116), reimen sich doch die Selbstmächtigkeit des Wortes Gottes und die Rede von der „Sache“ des Evangeliums zugegebenermaßen nicht ohne weiteres mit einer semiotischen Theorie der Interpretation zusammen. Bei Dalferth werden die gedanklichen Spannungen, zeichentheoretisch betrachtet, durch den Wechsel von der semiotischen Begrifflichkeit in die religiösmetaphorische Sprache markiert, die vom schöpferischen Wirken Gottes, seiner lebensverändernde Kraft, seinem Urteil und seiner Gegenwart spricht. Dieser Wechsel der Sprachspiele verweist auf die Differenz zwischen Außen- bzw. Fremdperspektive und Binnenperspektive der Theologie als Glaubenswissenschaft (71: 124), die nach Dalferth in jeder theologischen Disziplin zu kombinieren sind (71: 128). Sein Hinweis auf das „unvermischt und ungetrennt“ der chalcedonensischen Zweinaturenlehre (71: 135) ist noch keine Lösung der offenen Theorieprobleme. Der kulturprotestantische Weg ist jedoch keine überzeugende Alternative.

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I. Theologie als hermeneutische Wissenschaft

c) Auslegung und Interpretation des Evangeliums Der Begriff der Interpretation

Anstelle des Deutungsbegriffs bevorzugt Dalferth den Begriff der Interpretation. Der Aufstieg dieses Begriffes in der Gegenwartsphilosophie beginnt der Sache nach mit Immanuel Kant (1722 – 1804), der gezeigt hat, daß jeder Gegenstand für das menschliche Bewußtsein immer nur Gegenstand in der Erscheinung bzw. Erkenntnis ist. Die Erscheinungswelt hat folglich konstruktionalen Charakter, und die Einheit unserer Erfahrungen ist von den grundlegenden Verstandesfunktionen abhängig (14: 658b f.). Eine Schlüsselstellung nimmt der Begriff der Interpretation in der Philosophie Friedrich Nietzsches (1844 – 1900) ein, der die These aufstellt, daß es keine Tatsachen gibt, sondern nur Interpretationen. Im Anschluß an Kant und Nietzsche entwickeln Günter Abel (1) und Hans Lenk (37) eine konstruktivistische Philosophie der Interpretation bzw. der interpretatorischen Vernunft. So spielt der Interpretationsbegriff in der Debatte zum Konstruktivismus eine entscheidende Rolle. Dalferth greift für seinen Begriff der Interpretation auf die Zeichentheorien von Charles S. Peirce (1839 – 1914) zurück. Demnach sind Zeichen dreistellige Relationen, in denen etwas durch bzw. für jemanden als etwas interpretiert wird. Jedes Zeichen läßt sich beschreiben als eine Repräsentation in Beziehung zu einem Objekt, das in einem Interpreten, der das Zeichen als Zeichen wahrnimmt, eine Reaktion hervorruft. Im Anschluß an Peirce bezeichnet man das Objekt auch als „Referenten“, das Zeichen als „Interpretant“ oder „Signifikat“ und die Zeichengestalt in ihrem Verweisungsbezug auf das Objekt als „Signifikant“ oder „Repräsentamen“ (542: 54 f.). Charles W. Morris (1901 – 1979) hat die semiotische Theorie verhaltenstheoretisch modifiziert (542: 64 f.). Der Vorgang der Semiose, d. h. des mittelbaren Notiznehmens von etwas, besteht demnach aus den vermittelnden Zeichenträgern (Signifikant) – bei Dalferth „Interpretamen“ genannt – , demjenigen, welches bezeichnet wird (Designat) – bei Dalferth das „Interpretat“ – und dem Verhalten des Interpreten oder seiner Notiznahme (Interpretant/Signifikat). Die Akteure in diesem Prozeß sind die Interpreten. Dalferth erklärt nun: „Jedes Zeichen ist als Interpretamen so über einen Interpretanten auf ein Interpretat bezogen, dass dieser Interpretant seinerseits als Zeichen fungiert, das als Interpretamen über einen Interpretanten auf ein Interpretat bezogen ist, der seinerseits in der selben Weise als Zeichen fungiert usf. Jedes Zeichen verweist also auf einen Zeichen- und Interpretationsprozess, der ohne Ende weiter geht, wenn er nicht aus externen Gründen abgebrochen wird“ (71: 60 f.). Christliche Theologie interpretiert nun alle Phänomene menschlicher Selbst-, Welt- und Gotteserfahrung coram deo, d. h. „unter dem Gesichtspunkt von Gottes dynamischer Gegenwart bei ihnen und der wirksamen Beziehung zu ihnen“ (71: 61). Die solchermaßen interpretierten Phänomene sind freilich kein Ding an sich, sondern stets nur durch bereits vorgängige, anderweitige Interpretationen präsent. Sie haben also einen der Glaubensperspektive vorlaufenden Eigensinn, der nun theologisch in eine andere Perspektive gerückt und auf diese Weise neu bestimmt wird. Theologie ist also nicht einfach Interpretation von Wirklichkeit, sondern Interpretation von Interpretationen, genauer gesagt sogar eine Interpretation von Interpretationen von Interpretationen, nämlich die „theologische Interpretation

2. Theologie als Interpretationspraxis

christlicher Interpretationen des Glaubens von Lebensphänomenen in ihrem Eigensinn“ (71: 61 f.). Gerhard Ebeling und Eberhard Jüngel haben in diesem Zusammenhang den Erfahrungsbegriff verwendet und den christlichen Glauben als „Erfahrung mit der Erfahrung“ bezeichnet (159: 22; 82: 122; 83: 225). Christlicher Glaube interpretiert die Wirklichkeit und ihre Phänomene aus der Perspektive des Evangeliums. Mit „Evangelium“ ist bei Dalferth „die Kraft der Veränderung eines Lebens durch Gottes Gegenwart“ gemeint (71: 87). Solche Interpretation geschieht in der „Kommunikation des Evangeliums“ – eine Formulierung, die auf Ernst Lange zurückgeht (486: 11 ff.). Im Sinne der Definition, die Dalferth gibt, ist das Evangelium selbst von menschlichen Kommunikationsvorgängen zwar nicht zu trennen, wohl aber zu unterscheiden, handelt es sich doch nicht um eine fixierbare Lehre, sondern um das Ereignis und Widerfahrnis, das Gottes heilvolle Gegenwart das Leben eines Menschen verändert und neu orientiert. Das Evangelium als Wort oder Kraft Gottes (vgl. Röm 1,16; I Kor 1,18) teilt sich zwar in, mit und unter menschlichen Kommunikationsprozessen mit, ist aber mit diesen nicht identisch. Es hat die Form der indirekten Mitteilung (vgl. S. Kierkegaard). Keine menschliche Symbolisierung des Evangeliums ist demnach so, „dass dieses damit für irgend jemanden direkt symbolisiert wurde, sondern es wird immer nur in dem, was jeweils direkt kommuniziert wird, indirekt mitthematisiert“ (71: 109). Dabei findet ein Perspektivenwechsel statt: Der Glaubende versteht sich und sein Leben vor Gott vermittels des Evangeliums auf solche Weise neu, daß er sich im Vorgang dieses Neuverstehens nicht als Subjekt, sondern als Objekt der Interpretation begreift. Die Interpretation der Wirklichkeit und der eigenen Existenz des Glaubenden erschließt sich ihm zugleich als Selbstinterpretation Gottes (vgl. 71: 121 ff.). Die Umkehr der Subjekt-Objekt-Struktur des Erkennens im Akt des Glaubens besagt, daß Theologie im Unterschied zu dem von ihr interpretierten Evangelium keine soteriologische Qualität besitzt. Als Soteriologie bezeichnet man die dogmatische Lehre von der Erlösung bzw. vom Heil (sotería [griech.] = Rettung, Heil). Es führt kein Weg vom Erkennen zum Glauben, wohl aber ein Weg vom Glauben zum Erkennen, welches der Vergewisserung des Erkennenden im Glauben dient. Theologische Erkenntnis dient nicht der Begründung des Glaubens, der gleichbedeutend mit Heilsgewißheit ist, sondern bestenfalls der Vergewisserung. Um die Interpretationspraxis der Theologie genauer zu charakterisieren, erscheint es mir hilfreich, nochmals zwischen Interpretation und Auslegung zu unterscheiden. In seiner 1723 erschienenen Hermeneutik mit dem Titel „Institutiones Hermeneuticae Sacrae“ führte der pietistische Theologie Johann Jakob Rambach (1693 – 1735) neben der subtilitas intelligendi, d. h. der hermeneutischen Aufgabe, Mißverständnisse zu vermeiden, und der subtilitas explicandi, also dem erläuternden Erklären, die subtilitas applicandi, d. h. die Anwendung auf den Leser oder Hörer, ein. Den Begriff der Interpretation wende ich auf die subtilitas explicandi an, denjenigen der Auslegung auf die subtilitas applicandi. Sprachlich würde es sich vielleicht nahelegen, die subtilitas explicandi als Auslegung zu bezeichnen, doch meint man im Deutschen eher eine applikative Textinterpretation, wenn man z. B. von Bibelauslegung oder Auslegung eines Bibeltextes in der Pre-

Der Begriff des Evangeliums

Explikation, Interpretation und Applikation

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I. Theologie als hermeneutische Wissenschaft

digt spricht. Dis subtilitas intelligendi aber hat ihren Ort sowohl in der Interpretation als auch in der Auslegung, sofern nämlich das Verstehen im umfassenden Sinne insgesamt das Ziel jedes hermeneutischen Prozesses ist, das Mißverstehen aber sowohl im explikativen wie im applikativen Bereich angesiedelt sein kann. Hans-Georg Gadamer hat die Trennung zwischen Explikation bzw. Interpretation und Applikation kritisiert und die innere Einheit beider geltend gemacht. „Auslegung ist nicht ein zum Verstehen nachträglich und gelegentlich hinzukommender Akt, sondern Verstehen ist immer Auslegung, und Auslegung ist daher die explizite Form des Verstehens“ (26: 312). Die Anwendung sei ebenso ein integrierender Bestandteil des hermeneutischen Vorgangs wie Verstehen und Auslegen. Auch die historische Hermeneutik, z.B. die historisch-kritische Exegese, habe daher stets eine Leistung der Applikation zu vollbringen (26: 316). Gegen diese Sichtweise wird in jüngster Zeit Einspruch erhoben. Sowohl Klaus Berger als auch Gerd Theißen treten wieder für eine Unterscheidung zwischen applikationsferner wissenschaftlicher Exegese und auf Applikation zielender engagierter Lektüre ein (258; 327). Klaus Neumann schließt sich der Kritik mit der Begründung an, alles andere wäre „die Bankrotterklärung der Religionswissenschaft, wie auch des interkulturellen, interreligiösen und interkonfessionellen Dialogs“ (92: 137). Auch wäre es dann „prinzipiell unmöglich ,das Fremde zu verstehen, mit dem wir nicht durch eine ,Wirkungsgeschichte‘ verklammert sind“ (92: 137 f.). Diese Kritik halte ich jedoch nicht für überzeugend. Zunächst einmal ist zwischen Verständnis und Einverständnis zu unterscheiden. Daß allem Verstehen, wie Gadamer behauptet, ein applikatives Element zugehört, bedeutet noch nicht, mit dem einverstanden zu sein, was man zu verstehen glaubt. Das Programm einer Hermeneutik des Einverständnisses, wie es der Neutestamentler Peter Stuhlmacher formuliert hat (268; vgl. 92: 137) und die philosophische Hermeneutik Gadamers müssen in diesem Punkt sorgfältig auseinander gehalten werden. Verstehen heißt nicht zustimmen. Wohl aber heißt Verstehen in jedem Fall Stellung beziehen. Auch wo Zustimmung oder Widerspruch nicht explizit gemacht werden, sind sie ein unaufgebbarer Bestandteil des Verstehensprozesses, gehört doch zum Verstehen notwendigerweise eine Form des Unterscheidens, ohne welches kein Erkennen möglich ist. In diesem Sinne kann es auch kein neutrales Verstehen des Fremden geben. Sofern Verstehen mit Vereinnahmung verwechselt wird, ist Neumanns Protest gegen eine applikative, d. h. aneignende Hermeneutik des Fremden verständlich. Doch ist die Redewendung vom Verstehen des Fremden in gewisser Weise paradox. Sofern ich etwas verstehe, ist es mir nicht mehr völlig fremd, und solange es mir völlig fremd ist, habe ich es auch in keiner Weise verstanden. Aus diesem Grunde ist auch die Unterscheidung zwischen Verstehen und Erklären kein unüberbrückbarer Gegensatz, sondern relativ. Das Verstehen folgt also nicht auf das Erklären, z. B. auf die philologische Interpretation eines biblischen Textes, sondern jede Erklärung setzt bereits, weil sie Verständnis wecken will, mögliches Verstehen voraus (184: 18). Eine mathematische Regel erklären heißt sie anwenden, indem ich z. B. jemanden vormache, wie man nach ihr eine Rechenaufgabe löst. Auch einen naturwissen-

2. Theologie als Interpretationspraxis

schaftlichen Sachverhalt kann man nur erklären, wenn man ihn verstanden hat. Die Rekonstruktion eines Sachverhalts setzt, wie schon Kant gezeigt hat, voraus, daß man ihn nachbilden kann. Das aber ist nur möglich, wenn man zu ihm einen Lebensbezug entwickelt hat. Unbeschadet der Einsicht, daß bereits jede Explikation einer sprachlichen Äußerung oder sonst eines Phänomens einen applikativen Grundzug hat, läßt sich sinnvoll zwischen Interpretation und Auslegung unterscheiden. Theologie ist sowohl Auslegung als auch Interpretation der Botschaft des christlichen Glaubens. Die Botschaft des Glaubens (a’jog` sga ˜ y pi´rsexy; Gal 3,2.5) ist eine solche, die zum Glauben aufruft und ihrerseits Glauben begründet. Weil der Glaube selbst nur in der Einheit mit der Botschaft, auf die er sich applikativ bezieht, besteht, ist Theologie sowohl Auslegung als auch Interpretation der Glaubensbotschaft. Als Interpretation der Botschaft des Glaubens ist Theologie Wissenschaft, deren wissenschaftstheoretische Problematik freilich im Nebeneinander und Hin und Her von Auslegung und Interpretation besteht. Ihrem Charakter nach ist die Botschaft des Glaubens nicht Lehre oder eine Zusammenstellung von Behauptungen oder Aussagen, sondern Anrede, Zuspruch und Anspruch. Sie ist Rede über Jesus von Nazareth in Gestalt einer absolut metaphorischen Redeweise. In absoluter, d. h. begrifflich nicht auflösbarer Metaphorik deutet die christliche Botschaft das Geschick Jesu von Nazareth als für den jeweils Angeredeten schlechthin entscheidende Aussage über dessen Existenz. Sie hat die Form des Zuspruchs, der zugleich ein Urteil impliziert, dessen Annahme – der Glaube – schlechthin über Gelingen oder Scheitern der Existenz des Angeredeten entscheidet. Theologie ist Auslegung und Interpretation der als Zuspruch und Anspruch formulierten Rede von Jesu von Nazareth als einer alle Menschen betreffenden, über sie gefällten Entscheidung. Die primäre Aufgabe der Theologie besteht darin, immer wieder neu ihren Gegenstand, nämlich die Botschaft des Glaubens zu identifizieren und zu reformulieren, d. h. aber zu rekonstruieren. Diese Aufgabe stellt sich immer wieder neu, da es die Botschaft des Glaubens nicht als ein für alle Mal fixierten Text gibt, sondern nur in einer geschichtlichen Vielfalt von Interpretationen. Zwar ist sie eine auf ein vergangenes Ereignis bezogene, jedoch nicht eine ihrerseits historisch vergangene, sondern eine präsentische Größe. Hat bereits jede Interpretation und Rekonstruktion ein applikatives Element, so besteht die applikative Aufgabe der Auslegung darin, nach dem zu fragen, was die Botschaft des Glaubens zu denken und weiterzudenken gibt. Während die Interpretation fragt, worin die Botschaft des Glaubens besteht und wie sie überhaupt zu verstehen ist, fragt die Auslegung nach dem, was die Botschaft des Glaubens ihrerseits zu verstehen gibt. Auslegung und Interpretation der Botschaft des Glaubens müssen insofern sachlich unterschieden werden, sie können und dürfen in der Interpretationspraxis der Theologie aber nicht getrennt werden. Sachgemäße Auslegung, d. h. aber Beschreibung und Entfaltung der christlichen Botschaft in einer zusammenhängenden Darstellung, setzt notwendigerweise die Interpretation konkreter Einzelzeugnisse dieser Botschaft in Geschichte und Gegenwart voraus. Theologie ist demnach eine auf Interpretation basierende Auslegung der a’jog` sga ˜ y pi´rsexy.

Unterscheidung zwischen Auslegung und Interpretation

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I. Theologie als hermeneutische Wissenschaft

Die Interpretation wie die Auslegung greifen in allen Disziplinen der Theologie ineinander. Allgemein läßt sich sagen, daß Interpretation die historische, Auslegung dagegen die systematische Aufgabe innerhalb der Theologie ist. Interpretation geschieht also primär in der neutestamentlichen und der alttestamentlichen Exegese, in der Kirchengeschichte, der Dogmenund Theologiegeschichte. Auslegung findet dagegen vor allem in der Systematischen Theologie, in Fundamentaltheologie, Dogmatik und Ethik statt. Beide, Interpretation und Auslegung spielen schließlich in der Praktischen Theologie und ihren Disziplinen ineinander. Hier tritt aber auch in erhöhtem Maße die Spannung zwischen beiden Funktionen der Theologie zutage. Vor allem unter dem Einfluß der modernen Humanwissenschaften ist die Praktische Theologie weithin zu einer interpretierenden Disziplin geworden, womit Schwierigkeiten verbunden sind, den Bogen zur Auslegung zu schlagen. Auslegung geschieht in Gestalt einer zusammenhängenden Darstellung dessen, was die Botschaft des Glaubens ist und was sie zu verstehen gibt. Eine solche Darstellung ist freilich bereits ein Akt des von der Botschaft des Glaubens geforderten Verstehens bzw. setzt es bereits voraus. Mit anderen Worten ist Auslegung innerhalb der Theologie ein Akt des Glaubens. Während die Interpretation dem Verstehen eines einzelnen Textes oder eines sonstigen Zeugnisses der christlichen Botschaft dient, kann Auslegung nur erfolgen, wenn die durch Interpretation erhobenen Aussagen der christlichen Tradition einer Beurteilung am Maßstab der Botschaft des Glaubens unterzogen werden. Auslegung als zusammenhängende Darstellung setzt also ein Verständnis der Glaubensbotschaft voraus, mit anderen Worten Glauben. Und weiter ist die Zuordnung von religiösen Aussagen zu einer zusammenhängenden Darstellung, welche immer auch die Kritik religiöser Aussagen einschließt, wiederum nichts anderes als ein Akt des Glaubens, nämlich gläubigen Verstehens.

d) Hermeneutische Theologie oder theologische Hermeneutik? W. Nethöfels Kritik der hermeneutischen Theologie und G. Ebelings Replik

In bewußtem Kontrast zum älteren Programm einer hermeneutischen Theologie hat Wolfgang Nethöfel einen „Theologische Hermeneutik“ genannten Entwurf veröffentlicht (91), bei dem man sich allerdings fragt, weshalb überhaupt noch der Begriff der Hermeneutik beibehalten wird und was er genau bedeuten soll. Nethöfel fordert jedenfalls die „Dekonstruktion Hermeneutischer Theologie“ (91: 244 – 261), der er vorwirft, dem inzwischen angeblich obsoleten Geschichtsbild der Moderne verhaftet zu sein. Die Postmoderne als neuer Verstehenshorizont erzwinge den Übergang vom Paradigma hermeneutischer Theologie zur Theologischen Hermeneutik. Dieser Übergang besage, daß man zu den Texten als Gegenstand der Interpretation zurückkehren müsse, die nun freilich dekonstruktivistisch und radikal pluralistisch zu interpretieren und anzueignen seien. Gerhard Ebeling ist auf Nethöfels Kritik eher beiläufig eingegangen (171: 210 f.). In einem Aufsatz über „Hermeneutik zwischen der Macht des Gotteswortes und seiner Entmachtung in der Moderne“ hat er sein Sachanliegen nochmals konzentriert beschrieben. Theologische Hermeneutik ist nach Ebeling „Hermeneutik des Wortes Gottes“. Wie ihr Gegenstand sei auch die

3. Hermeneutik kontextueller Theologien

theologische Hermeneutik geschichtstranszendent: „Denn nicht in einem bestimmten Zeitalter wollte ich der Hermeneutik ihren Ort anweisen – ob nun in der Moderne oder in der Vor- bzw. Postmoderne! – , vielmehr in der Strittigkeit des Wortes Gottes selbst“ (171: 211). Die Postmoderne-Diskussion sollte allerdings weder philosophisch noch theologisch überschätzt werden. Wenn der Begriff der Postmoderne überhaupt eine sinnvolle Bezeichnung ist, dann noch am ehesten für eine im 20. Jahrhundert erreichte neue Stufe der Selbstreflexivität der Moderne, deren Wurzeln freilich bis in die Romantik zurückreichen. Die so verstandene Postmoderne repräsentiert also einen Traditionsstrang der Moderne selbst, keine Alternative zu ihr. Insofern läßt sich schwerlich behaupten, das Grundanliegen einer hermeneutischen Theologie habe sich mit der Postmoderne-Debatte erledigt. Allerdings wird der Begriff der Hermeneutik auf problematische Weise überfrachtet, wenn er unvermittelt auf die geschichtstranszendente Größe des Wortes Gottes bezogen wird. Aus diesem Einwand folgt m.E. jedoch nicht, daß darum der Begriff einer hermeneutischen Theologie überhaupt aufzugeben ist. Er muß aber vor dem Hintergrund der jüngeren Debatte über die Grundlagen, den Geltungsanspruch und die Reichweite von Hermeneutik neu bestimmt werden.

3. Hermeneutik kontextueller Theologien a) Kontextuelle Theologien Nicht nur der christliche Glaube, sondern auch die Theologie, d. h. die reflexive Rechenschaft des christlichen Glaubens, steht unter dem Sog moderner Pluralisierungstendenzen. So sind in den vergangenen Jahrzehnten verschiedene Formen einer kontextuellen Theologie entstanden. Wie man von einer Vielfalt von Christentümern sprechen kann, muß man heute auch von einer Pluralität von Theologien sprechen. Allen voran sei die auf dem lateinamerikanischen Kontinent entstandene Theologie der Befreiung erwähnt. Neben ihr haben sich spezifische Formen einer afrikanischen, einer afroamerikanischen („Black Theology“), einer asiatischen, speziell einer koreanischen (Minjung-Theologie) und einer indischen Befreiungstheologie (Dalit-Theologie) entwickelt (97). Sodann ist die feministische Theologie zu nennen, die ihrerseits einen befreiungstheologischen Anspruch erhebt, sich aber nochmals in sehr verschiedene und teilweise gegensätzliche Konzeptionen ausdifferenziert hat. Die Frage nach dem Kontext von Theologie ist im Grunde so alt wie das Christentum, das sich seit dem Beginn seiner Missionsgeschichte in unterschiedliche Kulturen und sozioökonomische Kontexte inkulturiert hat. Letztlich ist alle apologetische Theologie kontextuelle Theologie. In der Vergangenheit galt jedoch die abendländische Gestalt des Christentums und seiner Theologie als normative Tradition für alle Kontinente und Kulturen. Eben diese Dominanz der abendländischen Tradition wird heute in Frage gestellt. Die neuen Theologien mit ihrem befreiungstheologischen Impetus begegnen der Tradition des abendländischen Christentums und seiner Theologie

Inkulturation und Pluralisierung der Theologie

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I. Theologie als hermeneutische Wissenschaft

nicht länger mit einer Hermeneutik des Einverständnisses, sondern mit einer Hermeneutik des Verdachts, welche dekonstruktivistisch die gesellschaftlichen Hintergründe und Machtverhältnisse theologischer Theorienbildungen freilegt. Kontextuelle Theologien, seien sie nun ökologisch, feministisch oder ethnisch-gruppenbezogen, messen Begriffen wie Pluralität oder Alterität eine große und positive Bedeutung zu. Pluralität und Pluralisierung sind nicht nur ein Kennzeichen moderner Gesellschaften, sondern auch des Christentums in Geschichte und Gegenwart. Gerade auf dem Gebiet der theologischen Hermeneutik ist das Bewußtsein gewachsen, daß der christliche Glaube und seine Botschaft immer nur in Gestalt partikularer, geschichtlich und soziokulturell begrenzter Interpretationen in Erscheinung tritt. Dabei darf jedoch der universale Wahrheitsanspruch des Evangeliums nicht aus dem Blick geraten.

b) Befreiungstheologische Hermeneutik Grundzüge befreiungstheologischer Hermeneutik

Die Theologie der Befreiung und ihre unterschiedlichen Ausprägungen in Lateinamerika, Afrika und Asien stellt eine Form der politischen Theologie dar. Der Begriff der Befreiung ist sowohl politisch als auch theologisch zu verstehen (73). Die von Gott geschenkte Befreiung des Menschen von der Macht der Sünde soll in der Umgestaltung gesellschaftlicher Verhältnisse, im Aufbau einer gerechten Gesellschaft und in der Überwindung von Armut sichtbare Gestalt annehmen. Dabei wird das Reich Gottes als Chiffre einer klassenlosen Gesellschaft gedeutet, für deren Utopie die Befreiungstheologie Anleihen beim Marxismus nimmt. Die Fragen nach dem Verhältnis von christlicher Eschatologie und politischer Utopie, nach der Vereinbarkeit von Christentum und Marxismus, konkret nach der Stellung der Befreiungstheologie zu politischen Befreiungsbewegungen, d. h. aber auch die Frage nach der Legitimität von revolutionärer Gewalt, sind Hauptstreitpunkte in der Auseinandersetzung um die Befreiungstheologie. Für die katholische Form der Befreiungstheologie kommen noch Fragen der Ekklesiologie, die Kritik an der kirchlichen Hierarchie und am römischen Zentralismus hinzu. Die von der Befreiungstheologie entwickelte Hermeneutik ist vor allem Bibelhermeneutik (103). Ihre Anfänge reichen in die sechziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts zurück. Ihren Sitz im Leben hat sie in der Bibelarbeit mit theologischen Laien und in den sogenannten Basisgemeinden (z. B. 69). Die Bibel wird im Kontext der Armen gelesen, d. h. aus dem Blickwinkel unterdrückter und marginalisierter sozialer Schichten und Völker (70). Befreiungstheologie versteht sich als „Theologie von unten“, als Theologie „des Volkes“, wobei das Volk hier nicht im nationalstaatlichen Sinne, sondern als die Menge der Entrechteten und Ausgebeuteten, als das „einfache Volk“, aber auch als das „Volk Gottes“ im ekklesiologischen Sinne gemeint ist (65). Die Armen als das wahre Volk Gottes gewinnen eine geradezu heilsgeschichtliche Bedeutung. Als sozioökonomische und als religiöse Größe (vgl. Mt 5,3) ist ihr Schicksal der hermeneutische Schlüssel einer befreiungstheologischen Bibelinterpretation. Dementsprechend haben die prophetischen Traditionen des Alten und Neuen Testaments, vor allem die Sozialkritik der alttestamentlichen Propheten oder des Lukasevangeliums in der

3. Hermeneutik kontextueller Theologien

Befreiungstheologie großes Gewicht. Auch die neutestamentliche Johannesoffenbarung mit ihrer apokalyptischen Vision vom Ende aller Unrechtsverhältnisse und einem neuen Himmel und einer neuen Erde gehört zu den intensiv gelesenen Texten der Bibel. Das Gewicht der Bibelauslegung liegt auf der Applikation. Man kann mit Fug und Recht von einer „engagierten Lektüre“ sprechen, wobei die Exegese eine stark ethische Ausrichtung hat. Orthopraxie steht vor Orthodoxie, was die berechtige Frage aufwirft, ob nicht im Ergebnis das Evangelium von der unverfügbaren und freien Gnade Gottes ethisiert, d. h. auf einen Impuls für die geforderte politische Praxis reduziert wird. Daß Gottes Handeln ein Befreiungsgeschehen ist, ist eine zentrale biblische Einsicht. Umstritten ist aber, ob dieses Befreiungshandeln von politischen Emanzipationsbewegungen noch zu unterscheiden ist oder letztlich mit ihnen zusammenfällt, so daß der Mensch, wenn nicht zur Selbsterlösung, so doch zur Miterlösung der Welt aufgerufen wäre. Theologen der sogenannten Ersten Welt erkennen heute an, daß die Befreiungstheologie der Bibelwissenschaft eine Reihe positiver Impulse gibt (264: 126). Sie öffnet nicht nur die Augen für den sozialen Kontext jeder Bibelauslegung, sondern hat auch die sozialgeschichtliche Exegese befördert, welche die sozioökonomischen Entstehungs- und Rezeptionsbedingungen biblischer Texte untersucht. Außerdem hebt sie die politische Dimension sowohl des Glaubens Israels als auch der Botschaft Jesu und des Evangeliums von ihm hervor. Kritik richtet sich allerdings gegen die Reduktion der biblischen Texte und ihrer Botschaft auf die Dimension des Politischen. Einseitig ist auch die Perspektive der Armen. Historisch stimmt es einfach nicht, daß die Autoren biblischer Texte samt und sonders Arme waren oder ihre Perspektive eingenommen haben (264: 127). Man denke nur an Könige wie David und Salomo, an die hinter der Weisheitsliteratur stehende Bildungsschicht oder an die alttestamentliche Priesterschaft. Weder von den Autoren noch von den ursprünglichen Adressaten her kann man die biblischen Schriften pauschal als Sprachrohr der Armen bezeichnen. Das gilt übrigens auch für das gern als „Evangelium der Armen“ apostrophierte Lukasevangelium, das laut Proömium für einen Menschen von vornehmem Stand geschrieben wurde (Lk 1,3). Problematisch ist ferner die Rolle des Marxismus in der befreiungstheologischen Hermeneutik. Das betrifft nicht nur die biblische Hermeneutik, sondern auch die Gegenwartsdeutung. Im Sinne der 11. These von Marx zu Feuerbach, wonach die bisherige Philosophie die Welt zu erklären versucht habe, es aber darauf ankomme, sie zu verändern, wollen marxistische Theorien erklärtermaßen keine wertneutrale Wirklichkeitsdeutung liefern, sondern ein Instrument zur politischen Veränderung bestehender Verhältnisse sein. Bei allem ideologiekritischen Pathos, das marxistische Theorien auszeichnet, wird man aus heutiger Sicht doch sagen müssen, daß diese selbst hochgradig ideologisch sind. Unter der Vormacht einer ideologisch aufgeladenen Hermeneutik verlieren aber die biblischen Texte ihre kritische Kraft. Das ist nicht als eine pauschale Absage an die durchaus berechtigten Anliegen der Befreiungstheologie zu verstehen. Notwendig ist aber, daß diese ihr Prinzip einer Hermeneutik des Verdachts selbstkritisch auch auf sich selbst anwendet.

Kritik an der Befreiungstheologie

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I. Theologie als hermeneutische Wissenschaft

c) Feministisch-theologische Hermeneutik Grundzüge feministischtheologischer Hermeneutik

Der Begriff des Sexismus

Gleiches gilt für die Hermeneutik der feministischen Theologie, welche Bibelauslegung und Theologie aus dem Blickwinkel der Geschlechterdifferenz betreibt. „Frauenerfahrung“ ist ein Schlüsselbegriff dieser Erfahrungstheologie. Daneben sind „Erinnerung“, „Erzählung“ und „Solidarität“ hermeneutische und fundamentaltheologische Grundkategorien feministischer Theologie (106). Tatsächlich hat die traditionelle Theologie den Blick auf bestehende Machtverhältnisse zwischen Mann und Frau sowie auf patriarchale Strukturen im theologischen Denken wie auch in den biblischen Traditionen weitgehend verstellt. Insofern gehen von der feministischen Theologie und ihrer Hermeneutik emanzipatorische Impulse aus, welche die Theologie nur zu ihrem Schaden ignorieren kann. Was die Bibelauslegung betrifft, so lassen sich verschiedene Formen feministischer Lektüre unterscheiden (93; 264: 130 ff.). Zum einen fördert feministische Theologie die historisch-kritische Erforschung der Rolle der Frau in der Bibel bzw. in der Geschichte Israels und in der Geschichte des Urchristentums (104). Untersuchungen zu biblischen Frauengestalten wie zur Stellung der Frau im alten Israel und im ältesten Christentum bilden ein wichtiges Korrektiv gegenüber einer männerdominierten Auslegungsgeschichte der Bibel. Sie sind auch systematisch-theologisch und praktisch-theologisch von größter Bedeutung. Man denke nur an die Frage der Frauenordination, an die Gleichheit von Mann und Frau, an den Wandel der Geschlechterverhältnisse in Familie, Sexualität und Gesellschaft. Weiter reicht jedoch das Anliegen einer feministisch-theologischen „Hermeneutik des Verdachts“ (106; 107), die sich bis zur „Hermeneutik der Verurteilung“ (264: 131) steigern kann. Damit ist gemeint, daß biblische Texte nicht mehr nur von patriachalischen Interpretationen befreit werden sollen, sondern daß ihre theologischen Gehalte überhaupt einer fundamentalen Sachkritik unterzogen werden, mit dem Ergebnis, daß christliche Glaubensgehalte entweder überhaupt verworfen oder zugunsten einer synkretistischen Religiosität umgeformt werden. Solche Entwicklungen sind freilich auch Gegenstand innerfeministischer Kritik. Eine feministisch-theologische Hermeneutik des Verdachts rezipiert die theoretischen Annahmen des allgemeinen Feminismus, die sich auf den Begriff des Sexismus bringen lassen. Der Begriff des Sexismus ist demjenigen des Rassismus nachgebildet (87). Er bezeichnet „die soziale Konstruktion derjenigen Ungleichheit innerhalb einer Gesellschaft, die auf der angenommenen Überlegenheit eines Geschlechts über das andere beruht“ (Mary Ann Tolbert). Der gesellschaftliche Druck, sich entsprechend den konventionellen Geschlechterrollen zu verhalten, impliziert die negative moralische Bewertung abweichenden sexuellen Verhaltens, insbesondere der Homosexualität, sowie im Patriarchat eine sich bis zur Gewalt steigernde Frauenfeindlichkeit. Eine sexistische Sichtweise führt die Geschlechterdifferenz und bestehende Ungleichheiten auf biologische Ursachen zurück. Aus ihnen wird die Behauptung abgeleitet, daß sich Frauen und Männer auch in ihrem Empfinden, Denken und Handeln fundamental unterscheiden. Jedem Sexismus liegt ein doppeltes Konstrukt zugrunde, nämlich dasjenige von klar abge-

3. Hermeneutik kontextueller Theologien

grenzten gesellschaftlichen Geschlechterrollen (gender), die wiederum auf das Konstrukt von naturgegebenen biologischen Geschlechtern (sex) zurückgeführt werden. Als Sexismus läßt sich also die jeweilige Ideologie bezeichnen, die entweder eine patriarchale oder eine matriarchale Gesellschaftsform und ihre Machtverhältnisse legitimiert. Tatsächlich ist Sexismus seinem Wesen nach ein ideologiekritischer Begriff. Darin besteht freilich auch seine Problematik, weil die ihn verwendenden feministischen Theorien ihrerseits auf mögliche ideologische Voreingenommenheiten überprüft werden müssen. Manche feministischen Theorien der Geschlechterdifferenz operieren selbst mit biologistischen Grundannahmen, die denen des kritisierten Sexismus strukturell vergleichbar sind. In hohem Maße hypothetisch und ideologieanfällig sind auch die verschiedenen Theorien über die evolutionsgeschichtlichen oder die historischen Ursprünge der Geschlechterungleichheit. In der feministischen Theologie und ihrer Hermeneutik spielt die Sexismus-Kritik exegetisch wie systematisch-theologisch eine zentrale Rolle. Der Sexismus-Vorwurf betrifft nicht nur die Ekklesiologie und die traditionelle Gotteslehre, sondern hat auch weitreichende Konsequenzen für die Sündenlehre. Wird Sünde mit männlichem Sexismus gleichgesetzt, gelten Frauen weniger als Täter denn als Opfer des Bösen. Nach Rosemary Radford Ruether bedeutet die „Monopolisierung von Macht und Privilegien seitens der Männer der herrschenden Klasse […] auch eine Monopolisierung der Möglichkeiten des Bösen.“ Zwar seien Männer wie Frauen zum Bösen fähig, „aber nicht alle gleichermaßen für das Böse verantwortlich“ (100: 217). Die dahinter stehende Vorstellung von einer Frauen immer schon zugänglichen unmittelbaren religiösen Erkenntnis, zu welcher die Männer erst befreit werden müssen, läßt sich freilich ihrerseits als „sexistisch“ kritisieren, trägt sie doch unverkennbar ideologische Züge, die christlicher Theologie zuwiderlaufen. Scharf formuliert Elke Axmacher: „Die Behauptung der Vereinbarkeit von nur partiell zugänglichem Wissen mit allgemeiner Verbindlichkeit dieses Wissens ist ein wesentliches Kennzeichen totalitärer Denkweisen“ (58: 8). Nicht nur die Bibelexegese, sondern auch Dogmatik und Ethik geraten dabei unter die Herrschaft einer Ganzheitsvision (58: 13 ff.), bei der Natur, Göttlichkeit und Weiblichkeit zu einer Trias verschmelzen. Geschichte, die grundlegende Bezugsgröße aller Hermeneutik, wird zur „Wunschphantasie“ (77: 33 ff.). Wie für die Theologie der Befreiung gilt auch für die Hermeneutik der feministischen Theologie, daß sie selbst zum Gegenstand der Ideologiekritik und einer Hermeneutik des Verdachts gemacht werden muß, damit ihre produktiven Einsichten für die Theologie insgesamt fruchtbar gemacht werden können (75; 76).

Kritik an der feministischen Theologie

d) Vielfalt und Verbindlichkeit Die heutige Vielfalt kontextueller Theologien verschärft das Problem der Verallgemeinerbarkeit theologischer Erkenntnisse. Es geht dabei um das alte Problem aller Hermeneutik, wie sich das Individuelle und das Allgemeine, das Konkrete und das Universale zueinander verhalten. Der Kritik und dem hohen moralischen Anspruch einer Hermeneutik des Verdachts haben sich dabei auch die verschiedenen kontextuellen Theologien selbst zu stellen.

Das Problem der Verallgemeinerbarkeit theologischer Erkenntnisse

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I. Theologie als hermeneutische Wissenschaft

Das Wahrheitsproblem in der Theologie

Sie weisen leider keineswegs nur evangeliumsgemäße Wege der Befreiung, sondern zeigen streckenweise auch „ein schon apokalyptisch anmutendes Bild heilloser Zerfledderung und Auflösung in religiös verbrämte Interessenund Identitätsreflexionen“ (225: 1106). Daß mit der Kontextualisierung der Theologie keineswegs die Preisgabe des christlichen Universalitätsanspruchs gegeben sein muß, zeigt das Beispiel der lateinamerikanischen Befreiungstheologie. Sie erhebt vielmehr den Anspruch, in einem begrenzten sozioökonomischen und soziokulturellen Kontext Einsichten gewonnen zu haben, die für die gesamte Christenheit relevant sind. Partikular sei lediglich, wie Leonardo Boff erklärt, die jeweilige theologische Sprache, nicht jedoch die universale Wahrheit Gottes (64: 132). Gleichwohl erhebt die Theologie der Befreiung den Anspruch, eine Theologie für die ganze Kirche zu sein. Sie will ausdrücklich „keine Reflexion nur für eine bestimmte Region sein: für einen geographischen Ausschnitt der Kirche oder für ein eingegrenztes inhaltliches Thema des Glaubens. Sie betrifft die ganze Kirche“ (65: 130). Wenngleich kontextuell gebunden, sieht doch die Theologie der Befreiung ihren „Endzweck“ darin, daß „alle Theologien, je auf ihre Weise, Befreiungstheologien“ werden müssen; „andernfalls werden sie überhaupt keine christliche Theologie mehr sein“ (66: 111). Hieraus leitet sich das universale Sendungsbewußtsein lateinamerikanischer Befreiungstheologen ab: „Ex peripheria lux et salus Ecclesiae“ (66: 130). Das Beispiel der Befreiungstheologie läßt freilich auch die Gefahr erkennen, den universalen Wahrheitsanspruch christlicher Theologie im Zeichen ihrer Kontextualisierung gegen den Absolutheitsanspruch partikularer theologischer Einsichten und Anliegen einzutauschen. Selbstkritisch räumen Leonardo und Clodovis Boff ein, daß in der „Verabsolutierung der Theologie der Befreiung, durch die die Gestalt anderer Theologien mindergeachtet wird, sowie Überbetonung der sozio-ökonomischen Gestalt der Armen im Sinne des Evangeliums“ für die lateinamerikanische Befreiungstheologie durchaus eine Versuchung besteht (66: 80). Die Gefahr der Verabsolutierung partikularer Erfahrungen der aus ihnen gewonnenen theologischen Einsichten bedroht letztlich jede Form von kontextueller Theologie. Um so mehr ist es erforderlich, das Wahrheitsproblem im theologischen und hermeneutischen Diskurs, gerade auch im Gespräch zwischen unterschiedlichen Kontexttheologien, wachzuhalten und neu zu durchdenken. Daß die von der Botschaft des Glaubens bezeugte und von der Theologie zu erfragende Wahrheit jeden endlichen sprachlichen Ausdruck übersteigt, darf nicht mit theologischer Sprachlosigkeit und dem Ende theologischer Kommunikationsmöglichkeiten verwechselt werden. An die Stelle des prinzipiell für jeden Menschen offenen und herrschaftsfreien „hermeneutischen Dialogs“ (502) träte dann eine „Hermeneutik“ des Rechthabens. Eine fragwürdige Antwort auf die Herausforderungen des Pluralismus liegt im Fundamentalismus. Evangelikale und charismatische Kirchen und Theologien sind weltweit auf dem Vormarsch. Mag der Fundamentalismus auch in der volkskirchlichen Situation, von welcher z. B. die deutschen evangelischen Landeskirchen noch immer ausgehen, keine befriedigende Lösung darstellen, so besteht gleichwohl die Notwendigkeit einer „Wiedergewinnung des Positionellen“ (85), d. h. einer Form von Verbindlichkeit,

4. Grenzen des Verstehens

welche den Pluralismus nicht dementiert oder bekämpft, sehr wohl aber zu seiner Kritik fähig ist und zum kritischen Umgang mit ihm befähigt. In der Wiedergewinnung von Verbindlichkeit liegt die große Herausforderung angesichts des „Abschieds vom Prinzipiellen“ (42), der zur Signatur des modernen Pluralismus gehört. Sofern das prinzipielle Denken mit irgendeiner metaphysischen oder nachmetaphysischen Abschluß- oder Supertheorie verwechselt wird, muß sich auch die Theologie von ihm lösen. Sofern aber der Anfang gemeint ist, mit dem alle Theologie immer wieder anzufangen hat (59: 130), fragmentarisch und vielstimmig, darf sich Theologie von ihm keinesfalls verabschieden, es sei denn um den Preis ihrer Selbstauflösung.

4. Grenzen des Verstehens a) Die Wut des Verstehens Schleiermacher, der Wegbereiter der modernen Hermeneutik, wußte auch um ihre Gefährdungen. In der dritten seiner Reden über die Religion (1799) warnte er vor der „Wuth des Verstehens“, durch welche der Mensch daran gehindert werde, seine religiöse Anlage, von der Schleiermacher ausging, unverbildet entwickeln zu können (102: 120). Jochen Hörisch hat diese Redewendung aufgegriffen und zum Motto einer grundlegenden Kritik der Hermeneutik gemacht (30). Diese wendet sich gegen die Allmachtsphantasien einer Hermeneutik, die alle Wirklichkeit ihren universalen Auslegungsregeln glaubt unterwerfen zu können und einen Totalitätsanspruch der Verstehbarkeit erhebt, der seinem Wesen nach totalitär ist. Hermeneutik ist, wie Marquard argumentiert, die Antwort auf die Erfahrung der Endlichkeit. Wo Hermeneutik aber nicht ihre eigene Endlichkeit, d. h. aber die Fragmenthaftigkeit und Vorläufigkeit des Verstehens ausblendet, macht sie sich anheischig eine Sinntotalität zu postulieren, die den Geltungsansprüchen metaphysischer Letztbegründungstheorien in nichts nachsteht, aus deren fundamentaler Krise die moderne Hermeneutik hervorgegangen ist. Auch kontextuelle Theologien sind, wie wir gesehen haben, nicht gegen die Wut des Verstehens gefeit. Es gehört nicht nur zu den Alltagserfahrungen, daß unser Verstehen an Grenzen stoßen kann. Vielmehr muß der Versuch des Verstehenwollens sich selbst Grenzen setzen, soll nicht der Andere, soll nicht das Fremde seiner Eigenständigkeit und seines Eigensinns beraubt werden. Alle hermeneutischen Versuche der Aneignung des Fremden stehen in der beständigen Gefahr seiner Einverleibung und damit seiner Zerstörung. Theologisch betrachtet meldet sich in den Erfahrungen von Kontingenz, des Sinnwidrigen und des Absurden das Theodizeeproblem. Die Wut des Verstehens ist der verzweifelte Versuch, diesem Problem zu entkommen. Die moderne Hermeneutik versucht die Theodizeefrage wenn schon nicht zu beantworten, so doch zu kompensieren. Darin besteht eine ihrer Zweideutigkeiten. Nach theologischer Auffassung verweist die Theodizeefrage auf den eschatologischen Horizont des christlichen Glaubens. Eschatologie als Lehre von der endgültigen Versöhnung verweist auf eine Vollendung, die der Mensch von sich aus nicht leisten kann, sondern einzig von Gott

Kritik an hermeneutischen Totalitätsansprüchen

Kontingenzerfahrung und Theodizeeproblem

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I. Theologie als hermeneutische Wissenschaft

Das hermeneutische Problem der Macht

erhoffen darf. Sie unterzieht jedes Einheitsdenken, welches Identität als Leistung der menschlichen Vernunft, sei es der theoretischen oder der praktischen, auffaßt, einer radikalen Kritik. Theologische Hermeneutik ist daher eine Absage an den „Traum der totalen Vermittlung, an deren Ende sich die Reflexion wiederum mit der intellektuellen Anschauung gleichstellt in der Transparenz für sich selbst als ein absolutes Subjekt“ (203: 251). Es ist die Eschatologie, welche es der Hermeneutik ermöglicht, sich selbst zu relativieren (62: 136 ff., 201 ff.). Darin liegt ein wesentlicher Beitrag der Theologie zum hermeneutischen Diskurs. Theologie beginnt nicht mit dem Sein Gottes, sondern mit seinem Strittigsein (164: 169 ff.). Strittig ist Gottes Existenz ebenso wie seine Güte und seine Gerechtigkeit. Mit dem Strittigsein Gottes aber verbindet sich die Strittigkeit des Menschen und seiner Existenz. Nach christlichem Verständnis sind Gott und Mensch gemeinsam dem „Konflikt der Interpretationen“ (Ricœur) ausgesetzt. In diesem Sinne ist eine theologische Hermeneutik, welche die Theodizeefrage offenhält, statt sie durch ein Identitätsdenken stillzustellen, eine Konflikt- und Kontroverswissenschaft (62: 17). Das hermeneutische Machtstreben wird in ihr durch die Ohnmacht des Gekreuzigten konterkariert. Schon Nietzsche erkannte das Machtförmige aller Hermeneutik, als er schrieb: „Der Wille zur Macht interpretirt“ (F. Nietzsche, KGW VIII, 1, Fragment 2 [148], 137). Hörisch knüpft daran an, wenn er erklärt, hinter den unterschiedlichen Interpretationen stünden „unterschiedliche Formen des Willens zur Macht. Die vereinheitlichende Wut des Verstehens will, indem sie Texte liebedienerisch-herrisch bis zur Unkenntlichkeit überschreibt und umschreibt, ein geistiges Zentrum errichten, das alle ,Großen dasselbe sagen‘ (Emil Staiger) und kleine Geister erst gar nicht mitreden läßt“ (30: 76 f.). Mit imperialem Gestus nehme der Hermeneutiker vom Text Besitz; „wer interpretiert, will Herr über den interpretierten Text werden“ (30: 76). Postmoderne Kritik, welche den Text vor den Bemächtigungsversuchen der modernen Hermeneutik zu schützen versucht, läßt nicht nur ein ethisches, sondern auch ein religiöses Motiv erkennen. Das ethische Motiv besagt, daß das Bemühen um Werktreue, der Versuch der Interpretation, dem Werk zu dienen, oder die Autonomie des Werkes zu achten, zu einer Praxis des guten Willens gehört (22: 10). Religiöse Motive aber werden erkennbar, sofern z. B. Texte der Dichtung unter Rückgriff auf die Kategorie des Erhabenen als Manifestation eines Heiligen und „Unberührbaren“ (Derrida) rekonstituiert werden. „Kundgaben aber“, so Hörisch, „sind vor Interpreten und vielen Übermittlern zu schützen“ (30: 24). Erkennbar sind beide Motive der Christentumskritik Franz Overbecks. Für ihn besteht die Aufgabe des Exegeten, die neutestamentlichen Texte „gegen die Akte ungewaschener Subjektivität ihrer Ausleger zu schützen“ (95: 76). Die Wut des Verstehens sieht Overbeck freilich nicht nur in der kirchlichen Tradition allegorischer Schriftauslegung, sondern auch noch in der historisch-kritischen Exegese am Werke, welche sich wie die vorneuzeitliche Bibelauslegung nicht damit abfinden will, daß das wahre Christentum schon längst untergegangen ist. Overbeck bezeichnet die Schriften des Neuen Testaments als „Urliteratur“, die das Zeugnis einer mit dem Ausbleiben der Parusie Christi unwiderruflich vergangenen Urgeschichte sind. Mit der Kanonbildung habe die Kirche dem wahren Christentum den Totenschein

4. Grenzen des Verstehens

ausgestellt (96: 29). Ein wirkliches Verstehen der neutestamentlichen Schriften sei gar nicht mehr möglich. Die sie kanonisierende Kirche aber bzw. „die Nachwelt hat darauf verzichtet, sie zu verstehen, und sich vorbehalten, sie auszulegen“ (95: 24). Für Overbeck repräsentieren die Schriften des Urchristentums letztlich den abwesenden Gott des christlichen Glaubens. Die Pietät gegenüber diesen Dokumenten des unwiderruflich verloren geglaubten Christentums ist ein letzter Akt der Frömmigkeit eines Mannes, der seinen Glauben verloren hat.

b) Das Andere und das Fremde in der Theologie Gegen die Wut des Verstehens richten sich Versuche einer Hermeneutik des Fremden (54; 109). Sie gründet in einer Philosophie des Anderen bzw. einer Philosophie des Fremden, welche den Anderen in seinem Anderssein achten will. Darum geht es z. B. in heutigen Konzeptionen einer interkulturellen und interreligiösen Hermeneutik (67). Grundlegend ist hierfür das Denken von Emanuel Levinas (1906 – 1995). Für eine Hermeneutik des Fremden hat daher auch die Verfremdung, die z. B. durch die Verschriftlichung von Sprache stattfindet, eine positive Funktion. Die Aufgabe der Hermeneutik besteht dann gerade darin, das Anderssein des Textes, seine Nichtidentität mit den Intentionen seines Autors wie seiner Leser, zu schützen. Es läßt sich zeigen, daß die Kategorie des Fremden im neuzeitlichen Sinne zumindest implizit eine religiöse Kategorie ist. Die neuzeitliche Erfahrung der Fremdheit Gottes verweist aber zugleich auf die Erfahrung der Fremdheit des eigenen Selbst, der Erfahrung nämlich, seiner selbst keineswegs so mächtig zu sein, wie wir glauben möchten und gewöhnlich vorgeben. Das von außen auf uns zukommende Fremde, das wir ablehnen und abzuwehren suchen, ist die Fläche und teilweise überhaupt das Produkt unserer Projektionen eines Fremden und Unbeherrschbaren, das wir in uns selbst entdecken und an uns selbst fürchten. Die Bibel deutet dieses Fremde als Macht der Sünde. Das Phänomen der Fremdenfeindschaft verweist auf die grundlegende Ambivalenz des Fremden. Dabei ist das Fremde, ist der Fremde nicht fremd an sich, sondern fremd für einen jeweils anderen. Begrifflich ist aber zwischen dem Fremden und dem Anderen zu unterscheiden (101). Der oder das Andere ist nicht notwendigerweise das mir Fremde. Es ist zunächst das Andere meiner selbst und kann als solches als dialektisch zu mir gehörig begriffen werden. Sofern es nicht auf solche Weise vereinnahmt und letztlich in seiner Eigenständigkeit negiert werden soll, existieren das Eigene wie das Andere aufgrund eines wechselseitigen Anerkennungsverhältnisses. Insofern aber das Andere oder der Andere anerkannt wird, wir er auch verstanden. Verstehen aber ist die Voraussetzung für die Überwindung von Angst. Das Fremde dagegen ist das nicht Zugehörige, vom Eigenen Abgegrenzte und Ausgeschlossene. Es ist das zunächst Unbekannte und Unverstandene, welches völlig offenläßt, ob es zu einem wechselseitigen Anerkennungsverhältnis und einer Form des Verstehens kommt oder nicht. Sofern es vom Eigenen abgegrenzt ist, wird es von diesem definiert, was bereits ein Mindestmaß von Verstehen oder jedenfalls die subjektive Überzeugung voraussetzt, das Fremde in irgendeiner Weise bereits verstanden zu haben. Inso-

Hermeneutik des Fremden

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Der unbekannte Gott

fern ist die Fremdheit des Fremden abhängig von der Selbstdefinition oder Identitätsbildung eines Anderen. Andererseits kann aber die sich selbst bestimmende Identität das Fremde gar nicht im vorhinein definieren. Es macht gerade das Wesen des Fremden aus, daß es undurchdringlich bleibt, so daß sich gar nicht sagen läßt, ob seine Verstehbarkeit noch aussteht oder grundsätzlich ausgeschlossen bleibt, ob es zum Anderen meiner Selbst und also zu einem mir dialektisch Zugehörigen werden kann oder meine Identität und Existenz bedroht. Der Andere als der Fremde kann, wie Emanuel Levinas gezeigt hat, nicht durch mich konstituiert werden, sondern ich kann ihm nur begegnen (38). Das Fremde in seiner Rätselhaftigkeit wird nicht nur als potentiell bedrohlich, sondern zugleich als anziehend erlebt. Es fasziniert, weil es jenseits des Vertrauten neue Möglichkeiten erahnen läßt. Unter die Furcht vor dem anderen und Unbekannten mischt sich die Sehnsucht nach dem ganz anderen. Dieses birgt in sich die Möglichkeit der Identitätszerstörung wie der Erweiterung und Bereicherung der Identität. Die religiöse Dimension der Angst vor dem Fremden und ihrer Ambivalenz hat der evangelische Theologe Rudolf Otto (1869 – 1937) auf den Begriff des Numinosen gebracht. In seiner berühmten Abhandlung über „Das Heilige“ deutet er dieses als das Numinose, welches sich in Gefühlen der Ergriffenheit wie in solchen der Furcht und der Ohnmacht vor einem Überwältigenden äußert (94). Die biblische Tradition spricht von der Ambivalenz des Numinosen in der Weise, daß man Gott sowohl über alle Dinge lieben als auch fürchten soll. Das Mysterium des Numinosen bezeichnet Otto auch als das Geheimnis des „Ganz Anderen“. Das Numinose ist mit anderen Worten der religiöse Inbegriff des Fremden. Die Begrifflichkeit Ottos aufgreifend, seinen Ansatz jedoch vom Gedanken der worthaften Selbstoffenbarung Gottes her kritisierend, hat der evangelische Theologe Karl Barth, einer der Begründer der sogenannten Dialektischen Theologie, den biblischen Gott personal als den Ganz Anderen bezeichnet. Der ganz andere Gott ist der von allen sonstigen Gottesvorstellungen strikt unterschiedene „unbekannte Gott“, welchem nach Apg 17,23 ff. die Athener auf dem Areopag einen Altar errichtet hatten und den Paulus in seiner Areopagrede mit dem Gott Jesu Christi identifizierte (125: 11). Der unbekannte Gott ist verborgen und somit der menschlichen Verfügungsmacht, d. h. aber auch jeder religiösen Strategie zur Bewältigung und Eindämmung seiner Fremdheit grundsätzlich entzogen. Nach Barth besteht alle Religion in dem hoffnungslosen Versuch, die Unberechenbarkeit Gottes als des „Ganz Anderen“ – wir können auch sagen seine radikale Freiheit und somit Fremdheit – zu vermindern. Indem der Mensch sich Gott in der Religion zuwendet und seiner zu vergewissern versucht, wehrt er ihn zugleich ab. Von Haus aus ist der Mensch dem fremden Gott feindlich gesonnen, weil er sich vor ihm ängstigt wie Adam, der sich nach dem Sündenfall vor Gott verbirgt. Religion als ambivalente Begegnung mit dem Ganz Anderen wie als Strategie seiner Abwehr entspringt also im Kern der Angst vor dem Fremden, welche in offene Feindschaft umschlagen kann. Und in der Tat ist Gottesfeindschaft nach biblischer Tradition das Wesen der Sünde. Die Angst vor dem Ganz Anderen als dem vermeintlichen Feind läßt den Menschen seinerseits zum Feind werden.

4. Grenzen des Verstehens

Das Neue Testament schildert, wie Gott in Jesus von Nazareth als Fremder in die Welt kommt und abgelehnt wird. Das Geschick Jesu von Nazareth, der in der Vollmacht des fremden Gottes wirkt und predigt, wird zum Geschick dieses Gottes, der sich ganz mit diesem Menschen identifiziert und so mit denen versöhnen will, die in Feindschaft mit im leben. Dementsprechend findet die schon im Alten Testament gebotene Liebe zum Fremden ihre Zuspitzung im Gebot der Feindesliebe. Die von Jesus geforderte Feindesliebe hat nach Paulus (Röm 5) in der Feindesliebe Gottes ihren sachlichen Grund. Im Lichte dieser Offenbarung tritt nun aber auch eine Fremdheit zutage, die dem Menschen in seinem eigenen Selbst begegnet. Sünde ist nach neutestamentlicher Auffassung nicht nur Feindschaft gegen Gott, sondern zugleich ein Widerspruch im Sünder selbst. Der sündige Mensch, welcher sein Leben selbstmächtig führen will, ist in Wahrheit seiner selbst gar nicht mächtig. Er wird sich selbst fremd bzw. entdeckt er in sich eine unheimliche, fremde Kraft, die seine Selbstmächtigkeit unterläuft, von ihm grundsätzlich nicht beherrscht werden kann, sondern sich seiner bemächtigt. Paulus hat diesen inneren Widerspruch eindrucksvoll in Röm 7 analysiert. Wo die Liebe Gottes erwidert wird, wo mit anderen Worten Glaube entsteht, da wird die unheilvolle fremde Macht, über welche das Ich in Röm 7 tief erschrocken ist, überwunden durch den fremden, jedoch in Wahrheit gerade nicht feindlichen, sondern menschenfreundlichen Gott. Wo es zur Einwohnung des Ganz Anderen im Selbst des Menschen kommt, erfährt der Mensch nun an sich selbst eine anders geartete Transzendenz, die darin besteht, daß er sich selbst uneinholbar (vor)gegeben ist und zugleich gnädig entzogen bleibt. Durch diese Erfahrung wird die Angst vor dem Fremden überwunden, ohne daß dieses sein Geheimnis verliert. Vor diesem Hintergrund unternimmt Hans Weder den Versuch einer neutestamentlichen Hermeneutik des Fremden. Er bedient sich dabei der Metapher vom fremden Gast, anhand derer die neutestamentlichen Texte wahrgenommen werden sollen (269: 428 ff.). Es geht Weder nicht nur darum, die Texte des Neuen Testaments durch eine historische Kultur gegen ihre Vereinnahmung durch Assimiliation zu schützen. Seine Hermeneutik des Fremden möchte vielmehr dazu anleiten, diese Texte als Platzhalter des fremden Gottes anzusehen. Die Ohnmacht der Texte gegenüber der machtförmigen Wut des Verstehens ist eine Gestalt der Ohnmacht Gottes, der sich in der Person Jesu von Nazareth dem Tod am Kreuz ausliefert. Die Beschäftigung mit den neutestamentlichen Texten wird somit zur „Einübung in ein Leben, das aus der Schwachheit allererst entsteht“. In der Begegnung mit ihnen sollen Menschen zu der Einsicht gelangen, „daß die göttliche Lebenskraft in der Schwachheit zur Vollendung kommt“ (269: 435).

Das hermeneutische Problem der Sünde

c) Hermeneutik des Unverständnisses und Sünde im Verstehen Der Begriff des Verstehens bedarf im theologischen Kontext einer Differenzierung: Es gibt einerseits die gläubige Annahme der Glaubensbotschaft, andererseits die „Sünde im Verstehen“ (269: 83 ff.; vgl. 111: 35,37). Sofern das Verstehen des Glaubens, sein Erkennen, ein Erkanntwerden und Anerkennen Gottes wie seines Urteils über das Selbst des Menschen ist, meint

Einverständnis und Unverständnis

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I. Theologie als hermeneutische Wissenschaft

Glaube und Skepsis

Verstehen als neues Selbstverständnis das Einverständnis mit der Botschaft des Glaubens. Dieses Einverständnis kann aber nicht, wie Peter Stuhlmacher unterstellt (268: 205 ff.), zur Voraussetzung des Verstehens der Glaubensbotschaft oder ihrer literarischen Gestalt, der Bibel, gemacht werden. Zunächst herrscht überhaupt kein angemessenes Vorverständnis, sondern ein Unverständnis, das nicht etwa nur aus der historischen Abständigkeit der ältesten christlichen Quellen, sondern aus dem sachlichen Widerspruch des Menschen gegen den Inhalt ihrer Verkündigung resultiert (300: 44 ff.). Theologische Hermeneutik hat nicht nur unter den Bedingungen unserer Gegenwart und ihrer Gottesvergessenheit, sondern grundsätzlich davon auszugehen, daß das Lebensverhältnis des Menschen zum biblischen Evangelium grundlegend gestört ist (112: 298 f.). In diesem Punkt gibt es einen Zusammenhang zwischen theologischer Hermeneutik und Sündenlehre, die auch als Hamartiologie bezeichnet wird (hamartía [griech.] = Sünde). Eine hamartiologisch begründete Hermeneutik des Unverständnisses ist nicht mit jener Theorie des Unverständnisses zu verwechseln, die Odo Maquard als Interpretationstheorie der Code-Knacker kritisiert hat (41: 134 ff.). Unterscheidet man mit Luther zwischen der äußeren und der inneren Klarheit der Schrift, so liegt das Unverständnis des Unglaubens auf der Ebene der inneren Klarheit (claritas interna). Die Botschaft des Glaubens provoziert Verstehen ebenso wie Unverständnis. Auch deshalb ist zwischen einem äußerlichen Verstehen im Sinne einer sachgerechten Interpretation der Glaubensbotschaft und einem innerlichen Verstehen im Sinne der Applikation oder Aneignung zu unterscheiden. In diesem Zusammenhang ist auf die bereits eingangs aufgeworfene Frage nach dem Verhältnis von Glaube und Skepsis einzugehen. Marquard erklärt ja, das Wesen der Hermeneutik sei Skepsis (41: 117). Weil aber der christliche Glaube – jedenfalls nach reformatorischem Verständnis – Gewißheit ist, kann es offenbar kein neutrales Verhältnis zwischen philosophischer und theologischer Hermeneutik geben. Hieraus erklärt sich auch die Schärfe der Kontroverse, die in der Theologie des 20. Jahrhundert darüber geführt wurde, ob alle Theologie immer schon hermeneutisch ist, d. h. auf der Grundlage einer allgemeinen Hermeneutik zu entfalten ist, oder ob christliche Hermeneutik von vornherein eine dezidiert theologische Ausrichtung haben muß, so daß sich theologische Hermeneutik zu sonstiger Hermeneutik kritisch verhält. Greift man den Gedanken auf, daß die theologische Interpretationspraxis in der Interpretation von Interpretationen von Interpretationen im Lichte des Evangeliums besteht, dann ist diese Interpretationspraxis auch auf die Hermeneutik selbst anzuwenden. Das heißt, daß die moderne Hermeneutik in ihrem Eigensinn durch die Konfrontation mit dem Evangelium in eine neue Perspektive einrückt. Die vorgängige hermeneutische Erfahrung erfährt eine Veränderung und Neuorientierung. Es gehört zur hermeneutischen Erfahrung des Glaubens mit der hermeneutischen Erfahrung, daß die hermeneutische Weisheit der Welt vor Gott zur Torheit wird (vgl. I Kor 1,18 ff.). Auch das Problem der Skepsis rückt damit in ein neues Licht. Vordergründig scheinen sich Glaube und Skepsis auszuschließen, wenn man nur an die Kontroverse zwischen Luther und Erasmus von Rotterdam über den unfreien Willen denkt. Nun gehört aber zum Glauben nach Luther die

4. Grenzen des Verstehens

Erfahrung der Anfechtung. Der Konflikt zwischen Gewißheit und Zweifel gehört zur Signatur des Glaubens in der noch unerlösten Welt. Es gibt nun eine „Skepsis des Glaubens, die kraft des unbedingten und bedingungslosen Lebens, das Gott zusagt, eine glückliche Skepsis ist“ (62: 140). Sie verhält sich kritisch gegenüber den metaphysischen Absolutheitsprädikaten des Einen, Guten, Wahren und Schönen, auch gegenüber ihren geschichtsphilosophischen und ethischen Transformationen in der Moderne. Insofern besteht zwischen der Skepsis der modernen Hermeneutik, von der Odo Marquard spricht, und der Skepsis des Glaubens eine innere Verwandtschaft. Darin besteht auch das Wahrheitsmoment der These Vattimos, die moderne Hermeneutik sei „die konsequent entwickelte und zu ihrer Reife gebrachte christliche Botschaft“ (113: 22). Zwischen moderner Hermeneutik und theologischer Hermeneutik steht aber die christliche Lehre von der Sünde, die eben auch Sünde im Verstehen ist. Diese Lehre ist für die theologische Hermeneutik unaufgebbar, weil erst durch sie die hermeneutische Skepsis zum wahren Verständnis ihrer selbst gelangt.

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II. Positionen hermeneutischer Theologie 1. Rudolf Bultmann a) Glauben und Verstehen Person und Werk R. Bultmanns

„Glauben und Verstehen“ lautet der programmatische Titel einer vierbändigen Aufsatzsammlung Rudolf Bultmanns (1884 – 1976) (140). Auch wenn Bultmann die Wahl des Titels nicht näher begründet hat, trifft er doch sehr genau den Charakter der 1933 begonnenen Sammlung seiner Aufsätze, „in denen wir den Exegeten als Systematiker am Werke sehen“ (230: 17). Sie charakterisiert darüber hinaus Bultmanns Grundverständnis von Theologie, das von der inneren Einheit von Exegese und Systematischer Theologie und dem für beide konstitutiven Praxisbezug überzeugt ist. Die Wendung „Glauben und Verstehen“ erinnert an das theologische Programm des mittelalterlichen Theologen Anselm v. Canterbury (1033 – 1109): Fides quaerens intellectum – der Glaube fragt und sucht nach Erkenntnis. „Ich glaube“, wie Anselm bekannte, „um zu erkennen“: Credo ut intelligam. Theologie ist dementsprechend ein Programm der Erkenntnisgewinnung. Die Formel „Glauben und Erkennen“ wird nun bei Bultmann auf bezeichnende Weise zu „Glauben und Verstehen“ abgewandelt. An die Stelle einer metaphysischen Erkenntnistheorie tritt bei Bultmann die Hermeneutik. Geboren am 20. August 1884 als Sohn eines oldenburgischen Pfarrers in Wiefelstede, promovierte Bultmann 1910 mit einer Studie zur Rhetorik des Paulus und habilitierte sich 1912 mit einer Untersuchung über die Exegese des Theodor von Mopsuestia. Bultmann wurde Professor für Neues Testament, zunächst 1916 in Breslau, dann 1920 in Gießen und von 1921 bis zu seinem Tod in Marburg an der Lahn. Zu seinen exegetischen Hauptwerken zählen neben der bereits erwähnten Theologie des Neuen Testaments seine „Geschichte der Synoptischen Tradition“ (1921, stark erweitert 1931), ein Standardwerk der sogenannten formgeschichtlichen Methode, sein Jesusbuch von 1926 sowie sein 1941 erschienener Kommentar zum Johannesevangelium. Von der liberalen Theologie herkommend, wandte sich Bultmann schon früh der Dialektischen Theologie zu, die mit dem Erbe des Kulturprotestantismus radikal abrechnete und die Theologe des 20. Jahrhunderts weit über den deutschen Sprachraum hinaus nachhaltig prägen sollte. Wortführer dieser neuen theologischen Richtung nach dem Ersten Weltkrieg waren der Schweizer Theologen Karl Barth (1886 – 1968), sein Freund Eduard Thurneysen (1888 – 1974), Friedrich Gogarten (1887 – 1967), Emil Brunner (1889 – 1966) und Georg Merz (1892 – 1959). Unter dem Eindruck des Ersten Weltkrieges und dem Zerbrechen der Synthese von Thron und Altar forderten die dialektischen Theologen einen theologischen Neubeginn. Auch die das 19. Jahrhundert prägende Überzeugung, zwischen Christentum und

1. Rudolf Bultmann

moderner Kultur bestehe eine Synthese, wurde von ihnen grundlegend kritisiert. Theologische Kulturkritik konnte sich so mit theologisch motivierter Religionskritik verbinden. Nicht beim frommen Selbstbewußtsein der religiösen Individuen, sondern bei der Selbstoffenbarung Gottes, bei seinem Wort, habe alle Theologie ihren Ausgangspunkt zu suchen. Der Begriff des Wortes Gottes diente fortan als Letztbegründung aller Theologie.

b) Konsequente Exegese Wie Bultmann in den Epilegomena seiner „Theologie des Neuen Testaments“ ausgeführt hat, besteht die Aufgabe der Theologie in der Einheit ihrer Disziplinen darin, „das aus dem Glauben erwachsende Verständnis von Gott und damit von Welt und Mensch zu entwickeln“ (135: 585). Versteht man diese Aufgabe mit Bultmann als systematische Theologie, die freilich von jeder unhistorisch verfahrenden „Normaldogmatik“ unterschieden wird, so war Bultmann ganz gewiß nicht nur ein Exeget und ein Systematiker von Rang, sondern als Exeget ein Systematischer Theologe. Systematische Theologie, wie Bultmann sie versteht, ist nämlich nichts anderes als „konsequente, d. h. auf die Existenz des gegenwärtigen Menschen ausgerichtete Exegese“ (Jüngel 1990: 22). Weil für Bultmann, wie er in seiner postum veröffentlichten ,Theologischen Enzyklopädie‘ ausgeführt hat, die Aufgabe der „begriffliche[n] Darstellung der Existenz des Menschen als durch Gott bestimmter“ und diejenige der „Erklärung der Schrift“ zusammenfallen (136: 169), die Bestimmtheit menschlicher Existenz durch Gott, wie sie der christliche Glaube versteht, also nur im Medium der biblischen Texte erschließbar ist, kann es neben solcher Exegese „keine besondere systematische Theologie mehr“ geben, „die nach eigenen Prinzipien ein System christlicher Lehre darstellte. Was systematische Theologie heißen könnte […], kann nur eine durch konkrete augenblickliche Fragen motivierte Selbstverständigung über die historische Aufgabe der Exegese selbst sein“ (136: 170; vgl. auch 147: 34). Bultmanns theologisches Programm stellt freilich nicht nur einen gängigen Begriff von Systematischer Theologie in Frage, sondern auch das Selbstverständnis der Exegese. Was Bultmann will und tatsächlich auch auf beispielhafte Weise betrieben hat, ist eine theologische Exegese der biblischen Texte, d. h. ihre Interpretation als Heilige Schrift. Notabene spricht Bultmann nicht nur von der Bibel oder biblischen Texten, sondern immer wieder vom „Wort der Schrift“ (Bultmann 1993c: 110). Die Bibel ist zunächst eine Sammlung antiker heiliger Texte des Judentums und des Christentums, mit der man sich religionswissenschaftlich und literaturgeschichtlich beschäftigen kann. Zur Schrift werden sie, wenn sie als Texte gelesen und ausgelegt werden, die einen gegenwärtigen Anspruch an den Leser bzw. den Ausleger richten, dem es sich zu stellen gilt. „Wir mögen uns ja wundern“, schreibt Bultmann 1927, „aber die konkrete Situation ist doch für den konkreten Verkündiger einfach die, daß, wenn er auf die Kanzel steigt, ein gedrucktes Buch vor ihm liegt, auf Grund dessen er verkündigen soll; wie ,vom Himmel gefallen‘, gewiß: denn seine historischkritisch zu ergründende Entstehung geht ihn offenbar in diesem Momente nichts an“ (141: 100). Über solche Sätze kann sich wiederum nur wundern,

Einheit von Exegese und Systematischer Theologie

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II. Positionen hermeneutischer Theologie

Die Wahrheitsfrage in der biblischen Exegese

Historische Theologie

wer bestenfalls ein oberflächliche Kenntnis der Werke Bultmanns besitzt. Auf den ersten Blick scheint es, als würden durch Bultmann alle heute gängigen Vorurteile gegenüber einer wissenschaftlichen, historisch-kritischen Exegese und ihrer vermeintlichen Irrelevanz für die kirchliche Praxis bestätigt. Verwunderlich scheint nur zu sein, daß ausgerechnet Bultmann, der doch in manchen kirchlichen Kreisen bis heute als Vertreter einer den Glauben bedrohenden historisch-kritischen Exegese gilt, derart fromm klingende Töne anschlägt. Tatsächlich aber wäre beides ein krasses Mißverständnis. Denn weder vertritt Bultmann das klassische Programm historisch-kritischer Forschung, wie es die sogenannte liberale Theologie des 19. Jahrhunderts aufgelegt hat, noch denkt er in Gegensätzen von Theorie und Praxis. Theologie ist für Bultmann nämlich nicht die Theorie einer Praxis (vgl. 143: 294). Ihr praktischer Charakter besteht nicht in ihrem unmittelbaren Bezug auf kirchliches Handeln, sondern in ihrem Lebensbezug, dem „lebensmäßigen Verhältnis“ zu den biblischen Texten und ihrem Gegenstand, der die „Möglichkeit zum Praktisch-werden“ enthält (143: 296). Und praktisch wird die Theologie nicht, indem sie die Einsichten historisch-kritischer Exegese irgendwann hinter sich läßt, sondern sie ist es oder ist es nicht im Vollzug historisch-kritischer Auslegung. Theologische Exegese ist nach Bultmann Schriftinterpretation des Glaubens, „d. h. eine solche, die im Glauben als der Beziehung zum Gegenstand, zur Offenbarung klarstellt, was die Schrift sagt“ (136: 169). Gläubige Schriftauslegung ist nun aber weder eine besondere Methode der Exegese, z. B. eine von der historisch-kritischen Exegese unterschiedene „geistliche Schriftauslegung“, wie sie einerseits in der lehramtlichen katholischen Dogmatik, andererseits von neupietistischen oder fundamentalistischen Kreisen gefordert wird, noch erschöpft sie sich darin, den Glauben oder eine besondere Form der Inspiration zur Prämisse der Auslegung zu erklären. Die einzige Vorbedingung einer theologischen Interpretation, d. h. einer auf Gott und die durch ihn bestimmte menschliche Existenz als Gegenstand der biblischen Texte bezogenen Interpretation, besteht nach Bultmann darin, daß wir „die Neutralität dem Text gegenüber“ aufgeben, so daß „die Wahrheitsfrage“ – wir können auch sagen: die Geltungsfrage – „die Exegese beherrscht“ (147: 17). Es gibt aber gegenüber den biblischen Texten nach Bultmann in Wahrheit niemals Neutralität, sondern nur eine Verweigerung oder aber Öffnung gegenüber dem von ihnen erhobenen Anspruch. Wo die Haltung vermeintlicher Objektivität, d. h. die bloße Beobachterperspektive eingenommen wird, handelt es sich de facto um die Haltung des Unglaubens. Umgekehrt ist der Glaube nicht eine von den Texten unabhängige Prämisse, sondern eine bestimmte Weise, sie zu verstehen, indem sich der Interpret durch den Text und vor demselben selbst neu verstehen lernt. Was Bultmann Glauben nennt, ist also weder die bloße Prämisse der Interpretation, noch das von ihr ablösbare Resultat, sondern deren in bestimmter Weise qualifizierte Vollzug selbst. Für das Verhältnis zur historisch-kritischen Exegese bedeutet dies: „Theologie ist eigentlich und immer historische Theologie. Die Rückwendung der Theologie zur Geschichte ist dabei keine grundsätzlich andere als in jeder Geschichtswissenschaft, d. h. sie ist die unter dem in der Gegenwart vernommenen Anspruch der Zukunft erfolgende kritische [!] Rückwendung zur

1. Rudolf Bultmann

eigenen Geschichte. Zum Glauben wird [!] diese Rückwendung, wenn sie den Anspruch dieses geschichtlichen Faktums (Faktums meiner Geschichte), der Schrift anerkennt, was nicht als Voraussetzung von der Interpretation erledigt sein kann, sondern sich nur in ihr vollzieht“ (136: 169). Von hier aus bestimmt sich nun die Leistungsfähigkeit historisch-kritischer Exegese. Das Diktum Barths, wonach ihm die Historisch-Kritischen kritischer sein müßten (125: XII), gilt auch – wenngleich in ganz anderer Weise – für Bultmann. Was er der liberalen Theologie und ihrem Verständnis von Theologie als historischer Wissenschaft vorwirft, ist nicht ihre Methode als solche, sondern die Verwechslung von Historie mit neutraler Beobachtung der Vergangenheit. Nicht daß sie sich um Objektivität bemüht, sondern was sie darunter versteht, macht Bultmann ihr zum Vorwurf. Was er ihr vorhält ist die Selbsttäuschung, als könne es auf dem Feld der Exegese wie auf demjenigen der Geschichte überhaupt eine bloße Beobachterposition geben. Unser Verhältnis zur Geschichte und zu den Texten der Bibel ist nach Bultmann immer ein solches der Teilnahme, sei es im Einverständnis, sei es im Widerspruch. Daher ist „die einzige Garantie für die ,Objektivität‘ der Exegese, bzw. dafür, daß in ihr die Wirklichkeit der Geschichte zu Worte kommt, […] eben die, daß der Text auf den Exegeten selbst als Wirklichkeit wirkt“ (147: 24). Geschichtsauslegung ist immer zugleich Selbstauslegung, und je klarer dies ist, „um so deutlicher ist es auch, daß die Exegese ausdrücklich von der Frage der Selbstauslegung geleitet sein muß, wenn sie nicht dem Subjektivismus verfallen will“ (ebd.).

c) Entmythologisierung und existentiale Interpretation Die praktische Konsequenz aus diesen Überlegungen besteht in Bultmanns Programm der existentialen Interpretation, deren Kehrseite die sogenannte Entmythologisierung ist. In ihr wird der Vollzug dessen, was er als Schriftauslegung des Glaubens bezeichnet, praktisch. Gerade als historisch-kritisch geschulter Exeget stellte Bultmann eindringlich die Frage, was die Texte des neuen Testaments dem modernen Menschen zu sagen haben. Klarsichtig arbeitet er die erheblichen Schwierigkeiten heraus, vor die sich jedes Bemühen um ein zeitgemäßes Verstehen der biblischen Botschaft gestellt sieht. Oberflächlich betrachtet besteht das Grundproblem in den mythischen Zügen des neutestamentlichen Weltbildes, die dem aufgeklärt-naturwissenschaftlichen Weltbild gänzlich widersprechen. Lapidar stellt Bultmann fest, das mythische Weltbild der Bibel habe sich „erledigt“ (139: 15). „Man kann“, so schreibt Bultmann 1941, „nicht elektrisches Licht und Radioapparat benutzen, in Krankheitsfällen moderne medizinische und klinische Mittel in Anspruch nehmen und gleichzeitig an die Geister- und Wunderwelt des Neuen Testaments glauben“ (139: 16). Das Neue Testament sei darum zu „entmythologisieren“. Entmythologisierung bedeutet bei Bultmann freilich nicht die Eliminierung des Mythos, sondern seine Reinterpretation. Positiv gewendet geht es Bultmann um die „existentiale Interpretation“ des Neuen Testaments. Der Glaube ist vom Mythos zu unterscheiden, weil er sich wie die Rede von Gott jeder weltbildhaften Verobjektivierung entzieht. In den 50er und 60er Jahren des 20. Jahrhunderts wurde Bultmanns Entmythologisierungsprogramm zum innerkirchlichen Streitfall. Konservative

Bultmanns Begriff der Entmythologisierung

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II. Positionen hermeneutischer Theologie

Bultmann und Heidegger

Glauben und Verstehen

Kreise machten dem Marburger Theologen den Vorwurf, das christliche Glaubensbekenntnis abzuschaffen, und strebten sogar ein Lehrzuchtverfahren an. Anderen Kritikern, z. B. Fritz Buri (1907 – 1995), ging Bultmanns Modernisierung der Theologie im Gegenteil nicht weit genug. Die verzweigte Debatte ist in den Bänden der Reihe „Kerygma und Mythos“ dokumentiert (127). Will man Bultmanns Entmythologisierungsprogramm historisch würdigen, ist es nicht nur im Kontext der Diskussion über das Verhältnis von Christentum und Moderne, sondern auch im Kontext der Auseinandersetzung mit der Ideologie des Nationalsozialismus zu lesen. Bultmann gehörte wie Barth der Bekennenden Kirche an und war einer der Mitverfasser des Gutachtens der Marburger Theologischen Fakultät (1933), das sich deutlich gegen die Einführung des „Arierparagraphen“ in die evangelische Kirche aussprach (Text in: Theologische Blätter 12, 1933, Nr. 10, 289 – 294). Das sollte nicht vergessen werden. Ferner gebührt Bultmann das Verdienst, die Fragestellungen der Wort-Gottes-Theologie mit denjenigen des von ihr kritisierten Neuprotestantismus metakritisch verbunden und so ihr relatives Recht anerkannt zu haben. Neben der Lektüre Søren Kierkegaards (1813 – 1855) und Wilhelm Diltheys (1833 – 1911) und neben Bultmanns Lehrer Wilhelm Herrmann (1846 – 1922) hat vor allem das intensive Gespräch mit Martin Heidegger (1889 – 1976) Bultmanns hermeneutisches Programm beeinflußt. Zwischen Bultmann und Heidegger bestand in dessen Marburger Zeit eine intensive Arbeitsgemeinschaft. Doch geht die Kritik fehl, die Bultmann eine einseitige Abhängigkeit von Heideggers Philosophie unterstellt. Bultmann ist weder der Epigone Heideggers, dem zwar der erste Band von ,Glauben und Verstehen‘ gewidmet war und – trotz der politischen Verirrungen Heideggers nach 1933 – ausdrücklich gewidmet blieb, noch derjenige Diltheys, dessen Name im ersten Band der Aufsatzsammlung nicht einmal erwähnt wird (Belege bei 123: 37). Daß sich Bultmanns Verwendung der Kategorie des Verstehens der Beschäftigung mit Dilthey und dem Gespräch mit Heidegger verdankt, soll gar nicht in Abrede gestellt werden. Doch wird Verstehen bei Bultmann zu einer eigenständigen theologischen Kategorie, die einen fundamentalen biblischen Sachverhalt beschreibt. Erst wenn man dies beachtet, versteht man Bultmanns Formel „Glauben und Verstehen“. Sie gibt der mit Gegenüberstellungen wie Glauben und Erkennen, Glauben und Wissen oder auch Offenbarung und Vernunft, Natur und Gnade bezeichneten Fragestellung eine neue Wendung und führt sie einer neuen Lösung zu. In Bultmanns Formel bilden Glauben und Verstehen keine Alternative, sondern eine spannungsvolle Einheit. Wie kaum ein anderer in diesem Jahrhundert hat Bultmann die hermeneutische Frage nach den Verstehensbedingungen des biblischen Zeugnisses in der Moderne in das Zentrum der theologischen Arbeit gerückt. Die Wendung, die Bultmann dem hermeneutischen Problem gibt, besteht nun aber darin, daß er den Glauben selbst als eine Weise des Verstehens interpretiert, so daß sich die Frage, ob und inwiefern die Texte der Bibel und das in ihnen überlieferte Glaubenszeugnis noch verständlich sind, verkehrt in diejenige, was dieses Zeugnis zu verstehen gibt. Die Frage nach der Verstehbarkeit der biblischen Texte wandelt sich in diejenige nach der Verstehbarkeit unserer

2. Hermeneutische Theologie nach Bultmann

selbst und unserer Welt. Textauslegung wie Geschichtsauslegung ist nach Bultmann, wie wir schon hörten, immer Selbstauslegung. Doch ist nun der biblische Glaube eine Selbstauslegung, in der sich das üblicherweise unsere Erkenntnis und unser Verstehen leitende Verhältnis von Subjekt und Objekt umkehrt. Der Glaube ist eine Weise des Verstehens bei welcher sich der Mensch nicht als Subjekt, sondern als Objekt des Verstehens erfährt. Nach Bultmanns berühmter Formulierung aus seinem Aufsatz von 1925 „Welchen Sinn hat es, von Gott zu reden?“ (146) ist Gott „die Alles bestimmende Wirklichkeit“ (146: 1). Dieser Satz ist freilich nicht in einem objektivistischen Sinne mißzuverstehen, sondern wird von Bultmann dahingehend präzisiert, „daß Gott die unsere Existenz bestimmende Wirklichkeit ist“ (146: 4). Der Glaube ist folglich nicht eine Weise der Selbstbestimmung, sondern passivisch ein Bestimmtsein. Von Selbstbestimmung kann allenfalls so gesprochen werden, daß in ihr das vorgängige Bestimmtsein durch Gott anerkannt und nachvollzogen wird. Das menschliche Selbstverständnis, welches Glauben genannt wird, ist im Sinne von I Kor 13,12 ein Verstandensein, d. h. aber zugleich ein Überführtsein und ein Ansichtigwerden der Wahrheit über das eigene Dasein, die auf heilvolle Weise richtend und rettend zugleich ist. Allerdings realisiert sich dieses Verstandensein nach Bultmann in der freien menschlichen Tat, die als nicht objektivierbare Größe vom Werk unterschieden wird. Daher kann Bultmann den Glauben selbst als „geschichtliche Tat“ charakterisieren (136: 130 ff.), deren Aktivität aber zur Grundpassivität des Glaubens nicht im Widerspruch stehen soll.

2. Hermeneutische Theologie nach Bultmann a) Hermeneutische Theologie Indem er den Zusammenhang von Glauben und menschlichem Existenzverständnis herausgestellt und den christlichen Glauben als ausgezeichnete Weise des Verstehens einsichtig gemacht hat, hat Bultmann die fundamentaltheologische Bedeutung der Hermeneutik für alle theologischen Disziplinen zu Bewußtsein gebracht. Auch insofern ist die Formel „Glauben und Verstehen“ programmatisch. Sie steht für eine sich in gewisser Weise insgesamt als Hermeneutik verstehende Theologie. Der Begriff „hermeneutische Theologie“ stammt allerdings nicht von Bultmann selbst, sondern aus der Bultmann-Schule. Bei Bultmann ist dagegen von theologischer Hermeneutik die Rede, die freilich vor dem Mißverständnis geschützt wird, eine Hermeneutica sacra vormodernen Zuschnitts zu sein. Theologisch ist Hermeneutik nach Bultmann im theologischen Zusammenhang, sofern und soweit sie bei ihrer Sache ist. Das aber ist die in den biblischen Texten verhandelte Sache, nämlich die menschliche Existenz in ihrer Gottesrelation, d. h. als durch Gott bestimmte (147: 34 f.). Dennoch kann man Bultmanns Theologie der Sache nach als Konzept einer hermeneutischen Theologie interpretieren, wie es vor allem seine Schüler Gerhard Ebeling (1912 – 2001) und Ernst Fuchs (1903 – 1983) getan haben. Wenn sich Ebeling „mit entschiedener Verwahrung gegen leichtfertigen Mißbrauch“ (155: 104) auf die Wendung „hermeneutische Theologie“

Der Begriff „hermeneutische Theologie“

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II. Positionen hermeneutischer Theologie

eingelassen hat, so deshalb, weil er sie als fundamentaltheologische Bestimmung verwendet hat. „Die Kennzeichnung der Theologie als ,hermeneutisch‘ muß einerseits als tautologische Wiederholung dessen gelten, was schon mit dem Wort ,Theologie‘ als deren Sache in den Blick kommt, andererseits als eine nur unter bestimmten Bedingungen sich aufdrängende Erkenntnis und Formulierung“ (155: 105). Wichtig ist auch, daß Ebelings Begriff einer hermeneutischen Theologie den innerhalb der Wort-Gottes-Theologie aufgebrochenen Gegensatz zwischen der Barth-Schule und der Bultmann-Schule schon im Ansatz überwinden bzw. die von Jürgen Moltmann aufgestellte Alternative zwischen einer „Theologie der Verkündigung“ und einer „Theologie der Hermeneutik“ (236: XVII) hinter sich lassen will. Überhaupt ist der Begriff einer „Theologie der Hermeneutik“ oder einer „Hermeneutischen Theologie“ bemerkenswerterweise zunächst gar nicht innerhalb der Bultmann-Schule verwendet, sondern auf diese von Moltmann in polemischer Absicht gemünzt worden. Ebeling hält die von Moltmann aufgestellte Alternative für ebenso schief wie schon die ihr zugrunde liegende Spannung innerhalb der Dialektischen Theologie. „Eine ,Theologie der Verkündigung‘, die nicht ,Theologie der Hermeneutik‘ und eine ,Theologie der Hermeneutik‘, die nicht ,Theologie der Verkündigung‘ sein wollen, sind gleichermaßen Unsinn“ (155: 109). Das wird Ebeling später allerdings nicht davon abhalten, an der Theologie Karl Barths scharfe Kritik zu üben, vor allem an dessen Lutherinterpretation (172).

b) Die „neue Hermeneutik“ Rezeption der Spätphilosophie Heideggers und theologische Gadamer-Rezeption

Die hermeneutische Theologie nach Bultmann ist durch eigene Wege der Heidegger-Rezeption gekennzeichnet. Während Bultmann sich nur auf die Philosophie des frühen Heidegger bezieht, setzt sich die Schülergeneration auch mit Heideggers Spätphilosophie intensiv auseinander. Sie vollzieht Heideggers Kehre vom Dasein zum Sein und von diesem zur Sprache nach (240; 227). Sprachlichkeit ist denn auch ein Grundthema hermeneutischer Theologie bei Ebeling und Fuchs. Beider Verständnis von Hermeneutik steht in Verbindung mit der sogenannten „neuen Hermeneutik“ (245), deren philosophischer Hauptvertreter Hans-Georg Gadamer ist (vgl. 26). War Hermeneutik vor Schleiermacher die Lehre von den Kunstregeln der Textinterpretation gewesen, so begründete Schleiermacher die Hermeneutik von der Dialektik aus, die als „Kunst des Gedankenwechsels von einer Differenz des Denkens aus“ (46), d. h. aber als Kunstlehre der Verständigung im Streit auf dem Gebiet des reinen Denkens, die Basis seines Systems der Wissenschaften ist. Im Anschluß an Schleiermacher, der freilich als Vertreter einer romantischen Hermeneutik der Subjektivität interpretiert wird, hat Wilhelm Dilthey das Verstehen zur Grundkategorie der Geisteswissenschaften erhoben (12), allerdings daran festgehalten, daß Gegenstand der Hermeneutik abgeschlossene, d. h. zum Text verschriftete Äußerungen des Geistes seien (13). Hermeneutik ist nach Dilthey nicht nur die hauptsächliche Methode, sondern die an die Stelle herkömmlicher Metaphysik tretende Grundlegung der Geisteswissenschaften. Gadamer wiederum hat im Anschluß an Heideggers „hermeneutische Phänomenologie“ bzw. „Hermeneutik des Daseins“ (29: 37 f.) die Geschichtlichkeit des Verste-

2. Hermeneutische Theologie nach Bultmann

hens zum Gegenstand erhoben und unter dem Einfluß der Spätphilosophie Heideggers die Sprache als „das universale Medium“ interpretiert, „in dem sich das Verstehen selber vollzieht“ (26: 366). Sprache bzw. „Sprachlichkeit“ (26: 367) ist also nach Gadamer nicht etwa nur der Gegenstand, sondern „die Vollzugsweise der hermeneutischen Erfahrung“ (26: 445). Wie Fuchs erklärt Ebeling: „Die oberflächliche Auffassung von Verstehen stellt die Dinge auf den Kopf und muß darum selbst genau umgekehrt werden. Das primäre Verstehensproblem ist nicht das Verstehen von Sprache, sondern das Verstehen durch Sprache“ (152: 333). Damit erhält die hermeneutische Frage gegenüber Bultmann eine neue Wendung.

c) Die Frage nach dem historischen Jesus Worin Ebeling und Fuchs außerdem über Bultmann hinausgehen, ist die Wiederaufnahme der Frage nach dem historischen Jesus, welche ihr Lehrer mit größter Skepsis verfolgt. Ihr Mitstreiter ist Ernst Käsemann (1906 – 1998), der sich auch sonst zunehmend von Bultmanns Konzept einer existentialen Interpretation des Neuen Testaments entfernen wird, der er einen verengten Begriff der menschlichen Existenz und ihrer Geschichtlichkeit vorwirft. Im Gegensatz zu Bultmann ist Käsemann zunehmend an der „Frage nach dem Sinn der Universalgeschichte“ (192: 238) interessiert. Das Problem des historischen Jesus ist dafür der theologische Fokus, von dem aus sich auch für Käsemann die hermeneutische Frage ganz neu stellt. Durch die Wiederaufnahme der Frage nach dem historischen Jesus wird die Hermeneutik zu einem Moment der historischen Fragestellung bzw. einer Theologie der Geschichte, wie sich vor allem an Käsemann zeigen läßt. Die Frage nach dem historischen Jesus, der nach Bultmann nicht in die christliche Theologie, sondern lediglich zu ihren Voraussetzungen gehört, wird deshalb unter seinen Schülern theologisch virulent, weil sie die Abstraktheit und Inhaltsleere des Bultmannschen Kerygmabegriffs überwinden wollen. An die Stelle des bloßen Daß des Dagewesenseins Jesu von Nazareth suchen sie das Wie und Was der Verkündigung Jesu und die inhaltliche Bestimmung seines Lebensweges zu setzen. Bultmann hatte die Verkündigung Jesu ins Zentrum seiner Darstellung gestellt (138), zugleich aber der Frage nach dem historischen Jesus für den christlichen Glauben nur wenig Gewicht beigemessen. Demgegenüber hob die Mitte des 20. Jahrhunderts aufkommende „neue Frage“ nach dem historischen Jesus die theologische Bedeutung der historischen Rückfrage nach Jesus von Nazareth hervor. Auf dem Boden historischer Skepsis, so urteilte beispielsweise der Neutestamentler Hans Conzelmann (1915 – 1989), könne man keine dogmatischen Christrosen züchten. Wenn Bultmann den Bemühungen seiner Schüler kritisch gegenüberstand, so vor allem deshalb, weil er insbesondere bei Paulus und im Johannesevangelium einen vergleichbaren Rückbezug auf den irdischen Jesus nicht feststellen konnte. Allerdings stimmt beispielsweise Conzelmann im Ergebnis doch wieder seinem Lehrer Bultmann ausdrücklich darin zu, daß der Bezug des Glaubens auf den historischen Jesus „nur ein jeweils punktueller“, sein historischer Fixpunkt also doch nur das Daß seines Gewesenseins sein könne (148: 651). Wie zwischen dem unanschaulichen Wort Gottes bzw. dem

Jesus-Forschung in der Bultmann-Schule

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II. Positionen hermeneutischer Theologie

Der „third quest“ der Jesus-Forschung

Kerygma und seinen sprachlichen Vermittlungen, so wird von den Schülern Bultmanns letztlich auch zwischen dem historischen Jesus als Zeichen und der von ihm bezeichneten Sache selbst unterschieden. Die Mitte, nämlich das Jesusbild, das dogmatische Relevanz haben könnte, bleibt folglich leer (vgl. 244: 658 f.). Seit den achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts ist in die Jesusforschung neue Bewegung gekommen. Man spricht geradezu von einer dritten Phase der Beschäftigung mit dem historischen Jesus, dem „third quest“ (vgl. 233). Ihr gingen eine erste Phase, nämlich die Jesusforschung des 19. Jahrhunderts bis zu Albert Schweitzers „Geschichte der Leben-Jesu-Forschung“, und eine zweite Phase, eben die „neue Frage“ nach dem Jesus, die in den fünfziger und sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts von Bultmanns Schülern gestellt wurde, voraus. Die klassischen Fragestellungen hermeneutischer Theologie treten bei Vertretern des „third quest“ allerdings stark in den Hintergrund.

d) Katholische Konzeptionen hermeneutischer Theologie: Karl Rahner und Eugen Biser

Hermeneutik bei K. Rahner

Mitte der sechziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts setzte auch in der katholischen Theologie eine intensive hermeneutische Diskussion ein, die – mit Ausnahme weniger kritischer Stimmen (253) – im wesentlichen durch die überwiegend zustimmende Rezeption der Hermeneutik Gadamers bestimmt war. Gadamers Lehrer Heidegger fand vor allem im Kreis der sogenannten „Transzendentalisten“ um Karl Rahner Einfluß, während Eugen Bisers eigenständiger Entwurf einer hermeneutischen Theologie bis heute weitgehend unbeachtet geblieben ist. Karl Rahner (1904 – 1984), der an der Universität Innnsbruck lehrte, gehört zu den prägenden katholischen Theologen während und nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil. Seine von früh an gnadentheologisch bestimmte Theologie erfuhr in seinem religionsphilosophischen und fundamentaltheologischen Hauptwerk „Hörer des Wortes“ (1941) eine anthropologische Wende (194), der von seinen Kritikern zu Unrecht anthropologischer Reduktionismus vorgeworfen wurde (214). Rahner hörte nach Abschluß seiner theologische Lehrjahre einige Semester bei Martin Heidegger in Freiburg. Seine von Heideggers Phänomenologie beeinflußte Theorie des Verstehens läßt sich als transzendentaltheologische Hermeneutik bezeichnen (242: 47 ff.), die den seinerzeit beherrschenden Formalismus der Neuscholastik überwinden half. Rahner ging es um nicht weniger als eine umfassende Transformation der Theologie insgesamt. Die Grunderfahrung des Christentums besteht für Rahner darin, daß sich Gott, das „absolute Geheimnis“, auf das alle menschliche Existenz ausgerichtet ist und auf das hin die endliche Existenz transzendiert, als die absolute Liebe geschichtlich zu erkennen gibt. Diese Erfahrung hat für Rahner die Struktur einer transzendentalen Erfahrung. Der Mensch ist nach Rahner das „Wesen der Transzendenz“ (193: 42), dessen vorgreifende Erkenntnisstruktur die Struktur des vorgreifenden Fragens ist. Indem jeder endliche Fragehorizont durch weiteres Fragen transzendiert wird, erweist sich der Mensch als das Wesen eines unendlichen Horizontes, der auf ein absolutes Geheimnis deutet. Der Mensch als „Hörer des Wortes“ hört zunächst nicht

2. Hermeneutische Theologie nach Bultmann

Gottes Selbstmitteilung, sondern „wir hören erleidend das Wort ,Gott‘, es kommt auf uns in der Sprachgeschichte, in die wir, ob wir wollen oder nicht, eingefangen sind“ (193: 60). Dadurch wird die Gottesfrage im engeren Sinne provoziert. Transzendentalhermeneutisch interpretiert Rahner den Menschen als das Ereignis der Selbstmitteilung Gottes, genauer gesagt seiner freien und vergebenden Selbstmitteilung (193: 122 ff.). „Dabei ist ,Selbstmitteilung‘ in einem streng ontologischen Sinn gemeint, wie es dem Wesen des Menschen entspricht, des Menschen, dessen Sein Beisichsein, personale Selbstüberantwortetheit in Selbstbewußtsein und Freiheit ist“ (193: 124). Gottes Selbstmitteilung besagt, „daß Gott sich als er selbst an das Nicht-Göttliche mitteilen kann, ohne aufzuhören, die unendliche Wirklichkeit und das absolute Geheimnis zu sein, und ohne daß der Mensch aufhört, das endliche, von Gott unterschiedene Seiende zu sein“ (193: 125 f.). Das Angebot der göttlichen Selbstmitteilung, bei welcher der Geber zugleich die Gabe ist, bezeichnet Rahner auch mit einem auf Heideggers Philosophie anspielenden Begriff als „übernatürliches Existential“ (193: 132 ff.). Hinter der Bezeichnung dieses Existentials als übernatürlich steht zugleich die katholische Gnadenlehre mit ihrer Unterscheidung zwischen Natur und Gnade. Zwar wird Gottes Selbstmitteilung nur im Glauben voll realisiert, aber sie ist doch nach Ansicht Rahners „bei jedem Menschen mindestens im Modus des Angebotes gegeben“ (193: 133). Konkret bedeutet dies, daß der Mensch, wenn ihm die christliche bzw. theologisch-dogmatische Interpretation seiner transzendentalen Erfahrung geboten wird, in ihr seine eigene Erfahrung wiedererkennen kann (193: 136 f.). Die Möglichkeit, sich in der christlich bezeugten Offenbarungsgeschichte wiederzuerkennen, entspricht insofern der „Erfahrung mit der Erfahrung“, von der Gerhard Ebeling oder Eberhard Jüngel sprechen. Nach Rahner kann der Mensch in ihr „den Mut und das Vertrauen finden, nach ihr das Unsagbare seiner eigenen Erfahrung zu interpretieren, die Unendlichkeit seiner dunklen Erfahrung ohne Vorbehalt und Abstrich anzunehmen“ (193: 137). Insofern ist alle Theologie bei Rahner Hermeneutik der menschlichen Existenz. Klärungsbedürftig bleibt bei Rahner, welche Rolle hierbei der Andere spielt, durch dessen Begegnung sich das absolute Geheimnis vermittelt. Immerhin hat Rahner die Einheit von Gottes- und Nächstenliebe behauptet und die Erfahrung des menschlichen Du als Vermittlung der transzendentalen Erfahrung Gottes gedeutet. Von daher hat Rahner nicht nur den Zugang zur Christologie, sondern zur christlichen Trinitätslehre zu entwickeln versucht. „Eine Theorie menschlicher intersubjektiver Existenz in Geschichte wird zur hermeneutischen Basis für eine Trinitätstheologie, die auch als Rede von Gott an sich eine Theorie der Erfahrung bleibt“ (242: 54). In ganz anderer Weise als die Konzeption Rahners orientiert sich Eugen Biser (geb. 1918), der von 1974 bis 1986 den Romano-Guardini-Lehrstuhl für Christliche Weltanschauung und Religionsphilosophie an der Universität München innehatte, am Phänomen der Sprache und insbesondere an der biblischen Bildsprache (128). Besonderes Augenmerk richtet sein höchst eigenständiger Entwurf einer theologischen Hermeneutik auch auf Sprachbarrieren, Blockaden im religiösen Sprachfeld, die das Verstehen, welches der Glaube ist, verhindern oder erschweren (131). Es gehört zu den bestürzenden Spracherfahrungen, daß Sprache nicht nur Inbegriff und Medium

Rahners Begriff des „übernatürlichen Existentials“

Hermeneutik bei E. Biser

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II. Positionen hermeneutischer Theologie

Pneumatologie und „ChristusHermeneutik“

von Kommunikation ist, sondern auch das Gegenteil (131: 14). Die Offenbarung ist nach Biser das grundlegende Sprachereignis (129: 122). Es gibt aber auch eine Sprachnot des Glaubens, welche verhindert, daß Menschen sowohl sich selbst als auch Gott verstehen. Bei Biser wird die Hermeneutik zur Basis der Fundamentaltheologie (130). Biser fordert nicht weniger als eine „kopernikanische Wende“ (130: 52) in der Begründung des Glaubens. Der hermeneutische Zirkel, wonach das Verstehen immer schon ein Verstandenhaben voraussetzt, wird von ihm auf das fundamentaltheologische Problem der Glaubensbegründung übertragen. „Wenn man von der Vernunft und dem Existenzakt aus nicht gut zum Glauben kommt, muß zugesehen werden, ob nicht der umgekehrte Weg zum Ziel führt, das aber ist, methodologisch gesehen, gleichbedeutend mit dem – zunächst fast paradox erscheinenden – Versuch, den Ausgangspunkt der Glaubensbegründung im Glauben selbst zu suchen“ (ebd.). Hierbei spielt die Schrift als Offenbarungszeugnis eine entscheidende Rolle. Nach Biser ist das Wort der Schrift stets auf die von ihm bezeugte Offenbarung gerichtet, „ihr entgegengespannt und dadurch in einer Eigenbewegung begriffen, auf die der hermeneutische Akt nur einzugehen braucht. Oder nun in letzter Radikalität gesprochen: dann ist das Schriftwort in seinem Sagen selbst schon ein Verstehen und als solches darauf angelegt, Verständnis zu wecken und zum Gegenstand interpretatorischer Befragung zu werden“ (129: 137). Neben der philosophischen Hermeneutik Gadamers hat Bisers Denken Anstöße von der sprachanalytischen Philosophie, von Rahner sowie von Martin Buber empfangen. Auch bei Biser vollzieht sich eine Wende vom Satz- und Bekenntnisglauben zum Erfahrungsglauben. Hierbei spielt der Begriff der Innerlichkeit eine wichtige Rolle. Ein neuer Zugang zur christlichen Botschaft läßt sich nach Bisers Überzeugung nur dann finden, wenn ein Paradigmenwechsel vom Gegenstands- zum Innerlichkeits- und Identitätsglauben stattfindet. Die Mitte des Glaubens findet nur, wer sich auf die Bilderfülle seiner Botschaft einläßt, in welcher ein geheimnisvolles Inneres aufleuchtet. Theologische Hermeneutik ist bei Biser christologisch und pneumatologisch fundiert – Pneumatologie ist die Lehre vom Heiligen Geist – , wobei die johanneische Theologie für ihn von tragender Bedeutung ist. Durch seine Auferstehung ist Christus, der Botschafter der göttlichen Liebe, zunächst selbst zur Botschaft, der Lehrer zur Lehre, der Grund des Glaubens zum Gegenstand des Glaubens geworden. Damit es zum lebendigen Glauben kommt, müssen nun aber die geschichtlichen und doktrinalen Vergegenständlichungen des Glaubens sich existentiell auf neue Weise erschließen. Daher plädiert Biser unter Berufung auf Paulus (133) für eine „Christus-Hermeneutik“, die sich als kritisches Korrektiv gegenüber der historisch-kritischen Methode versteht (132). Der hermeneutische Vorgang wird von Biser so gedeutet, daß der zur Botschaft und Lehre verfestigte Christus wieder selbst zu reden und zu lehren beginnt, und zwar in der Form des „inwendigen Lehrers“, der an das von Jesus Gesagte erinnert und zu seiner lebendigen Aneignung verhilft. Solche Hinführung zur Wahrheit und zur lebendigen Aneignung ist nach dem Zeugnis des Johannesevangeliums das Werk des Parakleten, d. h. des Heiligen Geistes (Joh 14,26; 16,13 f.). So sucht Biser

3. Ernst Fuchs

über die Pneumatologie den Horizont der Bibel-Hermeneutik auf den einer Glaubens- und Lebenshermeneutik hin zu überschreiten, die einen mystischen Grundzug hat. Bei Biser wie für die weitere hermeneutische Debatte innerhalb der katholischen Theologie spielt die Auseinandersetzung mit den Positionen Bultmanns und seiner Schüler eine wichtige Rolle. Deren hermeneutische Konzeptionen sind nun im einzelnen darzustellen.

3. Ernst Fuchs a) Marburger Hermeneutik Unter den Schülern Bultmanns hat sich vor allem Ernst Fuchs mit dem Problem der Hermeneutik befaßt und auch das systematische Verständnis der Begriffe „Offenbarung“ und „Wort Gottes“, die zu Leitbegriffen der Dialektischen Theologie geworden waren, nachhaltig beeinflußt, dabei jedoch die hermeneutische Position seines Lehrers Bultmann bewußt verlassen (vgl. 210; 221). Viele Gedanken und sprachliche Wendungen von Fuchs sind zum theologischen Allgemeingut geworden, ohne daß dies immer bewußt ist. Schon zu Lebzeiten von Fuchs urteilte Johannes B. Brantschen, man werde „schwerlich einen anderen gegenwärtigen Theologen nennen können, von dem ohne Quellenangabe so viel und von so vielen verschiedenen Seiten entliehen worden ist und wird“, wobei „dessen Einfallsreichtum und mehr aphoristische Schreibweise zu einem solchen ,Entleih‘ sicherlich auch selbst verführen“ (210: 127). Fuchs, der am 11. Juni 1903 in Heilbronn zur Welt kam, studierte zunächst Rechtswissenschaften, bevor er, beeindruckt durch eine Vorlesung Adolf Schlatters, in Tübingen begann, Theologie zu studieren. 1924 wechselte er nach Marburg, wo er zum Schüler Bultmanns wurde, dem er sich zeitlebens verpflichtet wußte, auch wenn er von Anfang an eigene theologische Wege zu gehen versuchte. In Marburg lernte Fuchs auch Martin Heidegger kennen, der dort von 1923 bis 1928 lehrte und mit Bultmann eine enge Arbeitsgemeinschaft pflegte. 1929 promovierte Fuchs mit einer von Bultmann angeregten Dissertation über „Das Verhältnis des Glaubens zur Tat im Hermasbuch“ (176) und wurde anschließend Assistent bei Karl Ludwig Schmidt in Bonn, wo er sich 1932 habilitierte. Aufgrund seiner ablehnenden Haltung gegenüber dem Nationalsozialismus wurde er freilich bereits 1933 aus seiner akademischen Tätigkeit als Privatdozent entfernt und an einer Fortführung seiner Universitätskarriere zunächst gehindert. Bekanntlich mußte auch Karl Barth die Universität Bonn aufgrund politischen Drucks verlassen. Von 1933 bis 1949 arbeitete Fuchs als Pfarrer in seiner württembergischen Heimatkirche und stand auf der Seite der Bekennenden Kirche. 1946/47 nahm er kurzfristig einen Lehrauftrag in Marburg an, wo er 1947 Ehrendoktor der dortigen theologischen Fakultät wurde. 1949 wechselte er an die Theologische Fakultät der Universität Tübingen, wo er zunächst als Dozent, später als außerplanmäßiger Professor lehrte. Seine Landeskirche verweigerte ihm aber jegliche Unterstützung. Als Fuchs im Streit um Bultmanns Entmythologisierungsprogramm für

Person und Werk von E. Fuchs

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II. Positionen hermeneutischer Theologie

seinen Lehrer Partei ergriff, wurde er sogar für mehrere Monate mit einem Predigtverbot belegt und zog heftige Kritik pietistischer Kreise auf sich. Seine Berufung an die Evangelisch-Theologische Fakultät Bonn wurde von der rheinischen Kirchenleitung verhindert. „Fuchs hat unter diesen Pressionen kirchlicher Provenienz weit mehr gelitten als unter der politischen Verfolgung während des ,Dritten Reichs‘“ (221: 267). Halt fand er vor allem bei seiner Familie sowie den Tübinger Freunden Hanns Rückert und Gerhard Ebeling. Befreiend wirkte in dieser Lage seine Berufung an die Kirchliche Hochschule Berlin im Jahre 1955. „Die Berliner Phase war die eigentliche Blütezeit seines akademischen Wirkens“ (221: 268). Einen Ruf an die Universität Zürich schlug Fuchs 1961 aus und kehrte stattdessen im selben Jahr an die Universität Marburg zurück, wo er bis zu seiner Emeritierung 1970 als Professor für Neues Testament und Hermeneutik lehrte. Gerd Schunack würdigte ihn in einem Nachruf als einen „alten Marburger“, „der seinen eigenen theologischen Weg gefunden hatte […] und doch auch wieder an dem Ort angelangt war, wo er die stets durchgehaltene spannungsvolle Nähe zum Lehrer R. Bultmann in Erfahrung bringen konnte und zu bringen suchte“ (249: 2). Bezeichnenderweise trägt eines seiner Hauptwerke von Fuchs den Titel „Marburger Hermeneutik“ (184). Fuchs starb am 15. Januar 1983 in Langenau bei Ulm und liegt auf dem Friedhof von Pfullingen begraben.

b) Sprachereignis und existentiale Interpretation

Theologische Hermeneutik als Sprachlehre des Glaubens

Das Problem der Hermeneutik und die Frage nach dem historischen Jesus sind die beiden Schwerpunkte der theologischen Konzeption von Ernst Fuchs, die aber einen inneren Zusammenhang darstellen. Denn die Hinwendung zum Problem des historischen Jesus geschieht gerade in der hermeneutischen Absicht, den Inhalt dessen, was sich im Neuen Testament als Kerygma Gehör verschaffen will, näher zu bestimmen. Es ist aber nicht erst die erneute Beschäftigung mit dem historischen Jesus, die Fuchs in Distanz zu seinem Lehrer Bultmann bringt. Bereits in der Bestimmung der hermeneutischen Frage als solcher treten Unterschiede zwischen beiden Theologen zutage. Nach Fuchs besteht die Aufgabe der Hermeneutik darin, eine „Sprachlehre des Glaubens“ auszuarbeiten (185: III; 180: 400), worin er mit seinem Freund Ebeling übereinstimmt (vgl. 156). Fuchs charakterisiert die Offenbarung, d. h. die in Christus sich vollziehende Selbsterschließung Gottes als „Sprachereignis“ (184: 2), das vom Spracherlebnis zu unterscheiden ist. „Im Sprachereignis […] kommt Sprache in der Weise zu Wort, daß sie als Wort erscheint“ (184: 11), durch welches sich der Mensch existentiell betroffen und ausgelegt weiß. Ausdrücklich bezieht sich Fuchs auf Bultmann und Heidegger. Aber in seiner Hermeneutik wandelt sich die Fraglichkeit der Existenz in das Phänomen ihrer Sprachlichkeit (184: 53). Die Thematik der Sprachlichkeit verbindet Fuchs sowohl mit Ebeling als auch mit Friedrich Gogarten (vgl. 220), dem die „Marburger Hermeneutik“ aus dem Jahre 1968 gewidmet ist. Zugleich lenkt Fuchs aber den Blick auf die besondere Situation des Verstehens von Texten zurück. Und zwar geht es ihm nicht etwa nur um die methodische Frage nach angemessenen Regeln der Textauslegung, sondern

3. Ernst Fuchs

um die hermeneutische, d. h. die existenz- und welterschließende Kraft der Texte selbst. Wie Ebeling fragt Fuchs, „mit und nach Bultmann, […] was die Texte selbst zu dem Ausleger bringen, was sie beim Ausleger verändern, eben weil Texte selber leben oder da sind“ (184: 31). Das Auslegungsgeschehen aber läuft nach Fuchs auf einen Weg zwischen dem biblischen Text und der Predigt hinaus: „Der Maßstab unserer Auslegung ist die Verkündigung. Der Text ist ausgelegt, wenn Gott verkündigt wird!“ (182: 169) Die „neue Hermeneutik“ (183), zu deren Repräsentanten Fuchs zählt, „will den Text wieder als Text der Verkündigung (Gen. und Dat.) zurückgewinnen“ (186: 140). Für Fuchs bedeutet dies, daß der biblische Text „sakramental“ verstanden werden will, „sozusagen als Gabentisch, der austeilt, satt macht, weil er zur Sprache bringt, worin der Überfluß Gottes besteht“ (ebd.). Erfahrbar aber wird die Wahrheit des Neuen Testaments allein im „Zusammenspiel des Textes mit dem alltäglichen Leben“ (182: 170). Keinesfalls tritt hinter diesen hermeneutisch-theologischen Erwägungen die historisch-kritische und philologische Arbeit am Text zurück. Sie darf jedoch nicht von der theologischen Interpretation isoliert werden. Daher wendet sich Fuchs gegen die methodische Trennung von Tatsachenermittlung und Tatsachendeutung bzw. von Erklären und Verstehen oder von Rekonstruktion und Interpretation. Das Verstehen folgt also nicht auf das Erklären, sondern beide bewegen sich in einem hermeneutischen Zirkel: „Eine Erklärung setzt, weil sie Verständnis wecken will, mögliches Verstehen voraus“ (184: 18). Die Denkfigur des hermeneutischen Zirkels impliziert nicht nur ein Wechselspiel von Frage und Antwort, sondern auch die von Fuchs betonte „Kehre“ (184: 11.146 u. ö.) im Verhältnis von Text und Ausleger. Vorderhand erscheint der Text als Objekt und der Ausleger als Subjekt des Interpretationsakts. Schon Bultmann, aber auch Gadamer formulieren jedoch den Gedanken, daß im Verlauf des Auslegungsgeschehens der Ausleger zum Befragten wird, während der Text einen Anspruch bzw. eine Frage an seinen Interpreten richtet. Während der mögliche Rollentausch von Ausleger und Text bei Bultmann und Gadamer jedoch eher beiläufig thematisiert wird, ist diese Kehre für das Verständnis des hermeneutischen Zirkels bei Fuchs von entscheidender Bedeutung. Ausdrücklich weist Fuchs die Ansicht Gadamers zurück, „daß der hermeneutische Zirkel primär aus der Sinnfrage entsteht, so daß Teilaussagen perspektivisch am ausstehenden Ganzen zu klären wären, falls eine ,Horizontverschmelzung‘ (Gadamer) möglich ist. Auf diese Weise kommt man nur zu Seinspostulaten, die allenfalls Geschichtswirksames zur Diskussion stellen“ (184: 85). Die Aufgabe theologischer Hermeneutik besteht nicht darin, eine z. B. von der Philosophie oder den Geisteswissenschaften entlehnte Hermeneutik auf die biblischen Texte anzuwenden, sondern darin, das in diesen selbst liegende hermeneutische Potential zu entdecken und begrifflich zu explizieren. „Das Neue Testament ist selbst ein hermeneutisches Lehrbuch. Es lehrt die Hermeneutik des Glaubens, kurz, die Sprache des Glaubens, und ermutigt uns, diese Sprache selbst auszuprobieren, damit wir mit – Gott vertraut werden“ (182: 169). Fuchs’ Auffassung der existentialen Interpretation neutestamentlicher Texte reicht freilich über Bultmann hinaus (vgl. 178). Während dieser eine vorgläubige phänomenologische Analyse menschlicher Existenz hermeneu-

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II. Positionen hermeneutischer Theologie

Das Zur-SpracheKommen Gottes

tisch in Anspruch nimmt, die er bei Heidegger findet, bestreitet Fuchs, daß es eine rein formale, glaubensneutrale Existenzanalyse geben könnte (184: 46). Die Korrelation von Glauben und Verstehen wird auch in der Hinsicht anders als bei Bultmann gefaßt, der die Konfrontation mit dem Kerygma im Sinne Kierkegaards als ausdehnungslosen Augenblick der Entscheidung deutet, wogegen Fuchs durch das Kerygma Zeit eingeräumt sieht und die Frage nach dem Raum bzw. dem Wo gläubiger Existenz stellt (vgl. 184: 8.45). Als Sprachereignis verstanden bedeutet Gottes Wort: „Gott kommt zur Sprache“ (184: 19). Dies geschieht zu allererst im Wort Jesu, vor allem in seinen Gleichnissen (184: 243). Gottes Zur-Sprache-Kommen enthält also auch Elemente des Poetischen, Metaphorischen und Narrativen, gibt es doch „Wahrheitsfindung durch Erzählung“ (184: 30). Erkennbar ist Eberhard Jüngel von diesen Überlegungen stark angeregt worden, wie sich beispielsweise an seinem Werk „Gott als Geheimnis der Welt“ zeigen läßt (83). Das Sprachereignis ist bei Fuchs aber nicht bloß ein Sprechereignis, sondern enthält zugleich ein Moment der Stille, ohne welche das Wort nicht gehört werden könnte. Einprägsam spricht Fuchs von der „Stille der Sprache“ und erläutert: „Die Stille ist der eigentliche Raum der Sprache. Gewinnt die Sprache die ihr angemessene Kraft, so führt sie selbst als Sprachereignis in die Stille, von der sie lebt“ (184: 242). Theologisch gedeutet aber ist die Stille der Sprache „das Wort der Liebe“ (184: 244). Von diesen Überlegungen aus bestimmt Fuchs das Verhältnis von Wort Gottes und Wirklichkeit. Kommt Gott gleichnishaft zur Sprache, so kann die Wirklichkeit „zu einem eschatologischen Begriff, zur Chiffre für Gott“ werden (184: 243). Die Gleichnisfähigkeit der Wirklichkeit ist freilich nicht mit der Identität von Wirklichkeit und Gott zu verwechseln. „Gott ist nicht ,Wirklichkeit‘. Aber Gott offenbart sich zu seiner Zeit ,wirklich‘“ (184: 2). Oder anders gesagt: „Wirklichkeit ist nicht das Wort Gottes, auch kein Prädikat dieses Wortes, wohl aber ein Adverb des Wortes Gottes und nur insofern vox theologica“ (184: 245). Strittig ist, ob und inwiefern der Begriff des Sprachereignisses bei Fuchs in der Theoriebildung der angelsächsischen Sprachphilosophie, insbesondere in den Grundannahmen der Sprechakttheorie von John L. Austin und John R. Searle eine Entsprechung findet (vgl. 254). Immerhin erklärt Fuchs: „Das Ereignis des Wortes ist selbst schon die Vollmacht des Worts. Sicher, des Worts als Zusage“ (184: 19). Das erinnert an die Konzeption des performativen Sprechaktes, in welchem und durch welchen sich ereignet, was vom Sprecher ausgesagt wird (4; 50). Johannes B. Brantschen interpretiert den Begriff des Sprachereignisses jedoch als „eine durch und durch christologische Kategorie“ (211: 333), wonach die Selbstzusage Gottes in Jesus Christus, verstanden als die Zusage der göttlichen Liebe, das Sprachereignis schlechthin ist. Damit ein performativer Sprechakt gültig ist, muß der Sprecher legitimiert sein. Fuchs allerdings bestreitet jede äußere Legitimation des Sprachereignisses und der ihm zugrunde liegenden Vollmacht. Die Annahme Wolfhart Pannenbergs, Jesu Vollmacht werde erst durch seine als historisches Faktum zu behauptende Auferstehung legitimiert (241: 59 f.), weist Fuchs schroff zurück (vgl. auch 189). Das Sprachereignis wird einzig durch den Glauben beglaubigt, der selber Vollmacht ist. Jesus teilt seine Vollmacht mit dem Glauben, indem er Glauben weckt, so daß der Glaube nichts Geringeres als eine creatio ex nihilo ist (184: 19).

3. Ernst Fuchs

c) Kerygma und historischer Jesus Freilich besteht die Gefahr, daß die Selbstevidenz des Glaubens bzw. des den Glauben erweckenden Sprachereignisses in einen Zirkelschluß gerät. An dieser Stelle wird für Fuchs das Problem des historischen Jesus virulent. Im Skandalon des Kreuzes, „auch im Evangelium, steckt ein objektives Moment“ (184: 119), freilich nicht dasjenige von vermeintlich objektiven, historisch verifizierbaren „Heilstatsachen“. Die Skepsis seines Lehrers Bultmann hinsichtlich der neuen Frage nach dem historischen Jesus kontert Fuchs mit dem Hinweis auf mögliche Inkonsequenzen in Bultmanns eigener Position, hatte dieser doch selbst davon gesprochen, Jesus sei vom Verkündiger zum Verkündigten geworden und sein Entscheidungsruf impliziere eine Christologie (vgl. 135: 35). Wie aber soll der in solchen Wendungen angesprochene Transformationsprozeß einsichtig gemacht werden, wenn der vorösterliche Jesus von Nazareth kein eigenständiges Thema der Theologie ist, sondern lediglich zu ihren historischen Voraussetzungen gerechnet wird? Was die Notwendigkeit der erneuten Beschäftigung mit dem historischen Jesus betrifft, weiß sich Fuchs mit Ernst Käsemann einig. Dieser hatte die Debatte innerhalb der Bultmann-Schule mit einem im Oktober 1953 gehaltenen Vortrag eröffnet (190). Fuchs kritisiert aber, daß Jesus als Person bei Käsemann zu kurz komme, wenn man ihn oder das urchristliche Bekenntnis apokalyptisch interpretiere, wie es jener getan hat. Keinesfalls nämlich gehöre Jesus in das Kontinuum der Weltgeschichte hinein, sondern indem er „durch sein beispielgebendes Wort Geschichte schafft, nämlich diejenige Geschichte, die sich nunmehr ganz zwischen Gott und Mensch, zwischen Gott und Adam abspielt“, verliert die Welt „ihre die Geschichte der Sünde und des Todes stiftende Macht“ (187: 187). Während Käsemann in Abkehr von seinem Lehrer Bultmann für sich „die Frage nach dem Sinn der Universalgeschichte als Schlüssel zur Existenzproblematik und als Mitte wie des Neuen Testaments, so der Bibel überhaupt und der christlichen Verkündigung“ entdeckt (192: 238), hält Fuchs an einem existentialen Begriff von Geschichte und Geschichtlichkeit fest, der von dem der historischen Forschung zugänglichen Kontinuum der Weltgeschichte unterschieden wird. Fuchs stellt nun die Frage nach dem historischen Jesus in kerygmatischer Absicht. „Interpretierten wir früher den historischen Jesus mit Hilfe des urchristlichen Kerygmas, so interpretieren wir heute dieses Kerygma mit Hilfe des historischen Jesus – beide Richtungen der Interpretation ergänzen sich“ (179: VII). Fuchs sucht also strukturelle Entsprechungen zwischen der Verkündigung Jesu und dem neutestamentlichen Kerygma. Und zwar betreffen die gesuchten Entsprechungen nicht irgendwelche isolierten Inhalte, sondern auch ihren Anredecharakter. Inwiefern also findet das Sprachereignis, welches die neutestamentlichen Texte bezeugen und auslegen, in der Verkündigung Jesu seine Entsprechung? Zur Beantwortung dieser Frage verweist Fuchs auf die Gleichnisse Jesu. An ihnen wie an zahlreichen anderen Jesuslogien wird deutlich, daß das Kerygma Jesu in den Alltag der Welt hinein gesprochen wird. Aus dem Alltagsleben nimmt Jesus die Beispiele für seine Gleichnisse: „Man sieht Leute über die Straße gehen und ans Fenster klopfen, man hört den lauten Ton ihrer Feste. […] Es gibt da Reiche und Arme, Ehrliche und Halunken, Freude

Die theologische Absicht der Frage nach dem historischen Jesus

Die Gleichnisse Jesu

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und Not, Trauer und Dankbarkeit. Aber das alles ist nicht nur Milieu, nicht nur Stoff für einen Dichter. […] Jesus benützt nicht nur die Details dieser Welt als eine Art ,Anknüpfungspunkt‘, sondern er meint gerade diese ,Welt‘“ (182: 153). Besonders an der Gleichnisinterpretation von Fuchs wird der innere Zusammenhang zwischen der hermeneutischen Frage und dem Problem des historischen Jesus bei Fuchs deutlich, weil dieser die historische Frage sogleich in diejenige der existentialen Interpretation wendet. „Faustregel: man muß diese Gleichnisse in unser Unglück eintauchen, wenn man dahinterkommen will, was sie als ihr Wort hergeben“ (184: 232). Dieser im Gleichnis geschilderten alltäglichen Welt aber in ihrer Erlösungsbedürftigkeit wird das Reich Gottes bzw. sein Kommen zugemutet und zugesagt. Im Erzählen und Hören der Gleichnisse bzw. überhaupt in der Verkündigung Jesu ist die Zeit des Reiches Gottes gekommen. Sobald man das Reich Gottes versteht, ist seine Zeit gekommen. Verstanden und ausgelegt aber wird es von Jesus als Macht der Liebe, die den von seinem Wort getroffenen Menschen Zeit zur Liebe als das Gebot der Stunde zumutet. „Dann wäre Jesu Verkündigung in seinem Zeitverständnis und dieses wiederum im Geheimnis seiner Gotteserkenntnis begründet? Dies scheint in der Tat die Pointe der Jesus-Darstellung von Fuchs zu sein“ (221: 264). Im Gleichnis und durch dasselbe als einem besonderen Sprachgeschehen kommt Gott selbst zur Sprache, und zwar sowohl in der ursprünglichen Verkündigung Jesu als auch in ihrer neutestamentlichen Überlieferung und Auslegung. Nicht selten haben die Gleichnisse Jesu einen ironischen Unterton. „Das Gleichnis hat sich der Wirklichkeit bemächtigt, indem es eine ironische Analogie bildete, mit deren Hilfe Gott selbst zur Sprache kam. Das besagt: das Gleichnis erprobt die Kraft der Sprache inmitten einer Wirklichkeit, die dem Wort hier und jetzt durch das Wort dienstbar gemacht wird“ (184: 232). Fuchs, dessen theologische Arbeit zeit seines Lebens um die hermeneutische Frage kreist, weiß freilich auch um die hermeneutische Gefahr. Die Sprache ist einerseits das Medium christlicher Verkündigung und christlicher Existenz. Andererseits kann sie zum Instrument werden, mit dessen Hilfe sich der Mensch Gottes bemächtigen will, so daß der Glaube gerade verfehlt wird. „Wo steckt nun die hermeneutische Gefahr? Ich meine: In der Aussagbarkeit der christlichen Existenz“ (184: 58). Gerade die Theologie, welche den Glauben auszusagen versucht, steht beständig in der hermeneutischen Gefahr. „Es wird also darauf ankommen, wie sich diese Aussagen dagegen wehren, zum Werk zu werden. Das ist eine theologische Aufgabe, vermutlich die zentrale Aufgabe der Theologie“ (ebd.).

4. Gerhard Ebeling a) Erfahrung und Leben Person und Werk G. Ebelings

Gerhard Ebeling war ein enger Freund von Ernst Fuchs (vgl. den Briefwechsel in: 157) und Schüler Bultmanns, aber auch Dietrich Bonhoeffers, wenngleich er die Bezeichnung eines Bonhoeffer- oder eines Bultmann-Schülers später für sich nur eingeschränkt gelten ließ. „Wenn ich eines Schüler bin,

4. Gerhard Ebeling

dann am ehesten Luthers“ (173: 647). Allerdings bestehen durchaus gewisse Affinitäten zwischen Ebelings Theologie und der Gedankenwelt des „späten“ Bonhoeffer (vgl. 173: 647; 151). Im Denken Ebelings verbindet sich das Erbe Schleiermachers und Diltheys mit demjenigen Luthers, wobei Ebeling die existentiale Interpretation Bultmanns für die Luther-Interpretation fruchtbar macht. Ebeling kam 1912 in Berlin-Steglitz zur Welt. Sein Theologiestudium begann er in Marburg, wo er bei Bultmann studierte. Ein Semester lang studierte er in Berlin, wechselte dann aber nach Zürich, um mit Emil Brunner zu arbeiten. Sein Studium schloß er in Berlin im Rahmen der Bekennenden Kirche Berlin-Brandenburg ab. Auch sein Vikariat absolvierte er als „Illegaler“ in den Jahren des Kirchenkampfes. Im Predigerseminar der Bekennenden Kirche in Finkenwalde war er Schüler Dietrich Bonhoeffers. Dieser war es auch, der dafür sorgte, daß Ebeling noch kurz vor Ausbruch des 2. Weltkrieges in Zürich über Luthers Hermeneutik und Evangelienauslegung promovieren konnte (167). Während des Krieges wirkte er als Pfarrer der Bekennenden Kirche in der Notgemeinde Berlin-Hermsdorf und -Frohnau. Seine akademische Laufbahn begann Ebeling nach erfolgter Habilitation als Kirchenhistoriker in Tübingen. Später wechselte er in die Systematische Theologie. 1956 übernahm er eine Professur für Dogmatik, Dogmengeschichte und Symbolik an der Universität Zürich. 1965 nahm er einen Ruf nach Tübingen an, um aber schon drei Jahre später nach Zürich auf einen für ihn eingerichteten Lehrstuhl für Hermeneutik und Fundamentaltheologie zurückzukehren und ein Institut für Hermeneutik zu gründen. In Zürich, wo Ebeling bis zu seiner Emeritierung im Jahr 1979 lehrte, ist er auch am 30. September 2001 gestorben. In einem Vortrag anläßlich seiner Ehrenpromotion an der EvangelischTheologischen Fakultät der Universität Tübingen hat Ebeling 1997 unter der Devise: „Ein Leben für die Theologie – eine Theologie für das Leben“ Rückschau gehalten (174). Nach eigenem Bekunden waren es Bultmann und die Beschäftigung mit Luther, die ihn vom Beginn des Studiums an nachhaltig geprägt haben (174: 159). In Tübingen entstand später die Freundschaft mit Hanns Rückert, Ernst Fuchs, Ernst Käsemann und Werner Jetter. „Ein Leben für die Theologie“: Mit dieser Devise bezieht sich Ebeling auf die Formel Luthers: „experientia facit theologum“ (174: 163). Erfahrung ist einer der Leitbegriffe in Ebelings Theologie. Die Erfahrung, um die es Ebeling geht, ist freilich nicht die vorgängige Alltagserfahrung, sondern eine Erfahrung zweiter Ordnung, die aus der Konfrontation mit dem Wort Gottes bzw. dem Zeugnis des christlichen Glaubens kommt. Glaube ist nach Ebeling eine „Erfahrung mit der Erfahrung“ (159: 22; vgl. auch E. Jüngel [82: 122; 83: 225]), d. h. keine religiöse Sondererfahrung oder Sonderwelt, sondern die gewöhnliche Lebenserfahrung erscheint in einem neuen Licht, wird neu gedeutet und verstehbar, indem unser Leben vom Wort Gottes ausgelegt wird. In seinem dogmatischen Hauptwerk, der nach seiner Emeritierung erschienenen dreibändigen „Dogmatik des christlichen Glaubens“, erklärt Ebeling, alle Quellen der Dogmatik, also auch die Bibel als Heilige Schrift und Urzeugnis des christlichen Glaubens, ließen sich „auf einen einzigen Begriff bringen: den der Erfahrung“ (164: 41; vgl. dazu 223).

Erfahrungsbegriff und Lebensbegriff bei G. Ebeling

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II. Positionen hermeneutischer Theologie

Ein zweites Leitmotiv in Ebelings Dogmatik ist der Begriff des Lebens. Ihn möchte Ebeling „gleichsam zum Katalysator eines theologisch konzentrierten weltoffenen Denkprozesses machen“ (164: 93), dabei sich freilich gegen Lebens- und Existenzphilosophie abgrenzend (164: 91 f.). Seine theologische Konzeption charakterisiert Ebeling selbst als „Theologie in den Gegensätzen des Lebens“ (169). Im Leben hat der Glaube seinen Ort. Das erinnert an die Konzeption von Ebelings Freund Ernst Fuchs. Nach Ebeling ist der „Inhalt des Glaubens mit dem Thema des Lebens derartig verschmolzen, daß es auf allen Stufen der dogmatischen Entfaltung um eine Darstellung der Beziehung von Glauben und Leben geht“ (164: 105). Seine Konzentration aber erfährt das menschliche Leben im Phänomen des Gewissens (164: 6.106f). Gewissen ist nach Ebeling nicht etwas, was der Mensch hat, sondern was er gewissermaßen ist. Nähe und Unterschied zu Schleiermacher werden hier deutlich. Während Schleiermacher das Gefühl – gemeint ist das unmittelbare Selbstbewußtsein – als Sitz im Leben des Glaubens bestimmt, spricht Ebeling vom Gewissen als Ort des Glaubens. Im Gewissen erfährt sich der Mensch als grundlegend sprachlich verfaßtes Wesen, das wesentlich in Relationen existiert: „Sein ist Zusammensein“, und „Sein ist Sprachlichsein“ (164: 352). Im Anschluß an Luther spricht Ebeling von der coram-Relation als Grundstruktur menschlichen Lebens (164: 348 – 355). Der Mensch existiert gleichermaßen in der Relation zu sich selbst, zu seinen Mitmenschen und seiner Welt wie auch in der Relation zu Gott. Dementsprechend hält es Ebeling für erforderlich, die traditionelle Substanzontologie durch eine relationale Ontologie zu ersetzen (vgl. 164: 215, 346 ff.), die auch das Sein Gottes in Beziehungen zu denken erlaubt. Mit der Sprachlichkeit und Relationalität des Menschseins ist nun aber eine eigentümliche Grundpassivität gegeben: „das Angesprochensein, das Gehörsein, das einer Urteilsinstanz Ausgesetztsein“ (164: 107). Das sprachlich verfaßte Sein des Menschen ist daher wesentlich ein „Verantwortlichsein, in dem der Mensch durch Gott und Welt zur Verantwortung gezogen ist und über Gott und Welt Rechenschaft geben muß“ (164: 353). Allerdings ist dies nicht derart mißzuverstehen, als solle die Theologie auf die Ethik reduziert werden. Das käme nach Ebeling der Selbstauflösung der Theologie gleich. Das Zusammensein von Gott, Welt und Mensch meint vielmehr „ein Verantwortungsgeschehen, das den ethischen Sinn von Verantwortung mit einschließt, jedoch weit übersteigt und in dem sich vielfältig ein gegenseitiges Antworten und Sich-Überantworten, eine Geben und Sich-Hingeben vollziehen“ (164: 353).

b) Fundamentalunterscheidungen Ebelings Begriff der Fundamentalunterscheidung

Nach Ebeling kommt theologisch gerade alles darauf an, den Glauben als Wirkung des Evangeliums von jeder Form des Gesetzes und der Gesetzlichkeit zu unterscheiden. Im Anschluß an Luther kann Ebeling sogar sagen, es sei geradezu eine Hauptaufgabe der Dogmatik, die Unterscheidung von Gesetz und Evangelium einzuüben (164: 21). Es handelt sich hierbei um eine „Fundamentalunterscheidung“ (164: 261). Der Vorgang des Unterscheidens meint nicht die Trennung oder Abstraktion, sondern setzt das Unterschiedene gerade in die rechte Beziehung. „An der Weise, wie die

4. Gerhard Ebeling

Fundamentalunterscheidung gefaßt wird, entscheidet sich der Wirklichkeitsbezug der Theologie, welchen Sitz im Leben die Sache der Theologie hat“ (160: 172). Dies ist ein zentrales Thema der Fundamentaltheologie, zu deren Etablierung als eigenständiger Disziplin evangelischer Theologie Ebeling wesentlich beigetragen hat. Theologisch grundlegend ist die Fundamentalunterscheidung zwischen Gott und Welt (164: 233). Daneben gibt es eine Reihe weiterer Fundamentalunterscheidungen, für die sich Ebeling auf Luther beruft, nämlich diejenige von Buchstabe und Geist, Person und Werk, Glaube und Liebe, Reich Christi und Reich der Welt, Christperson und Weltperson, Freiheit und Unfreiheit sowie von verborgenem und offenbarem Gott (vgl. 163). Die Theologie Luthers nimmt in Ebelings Konzeption hermeneutischer Theologie eine zentrale Stellung ein. Hier findet er nicht nur eine wichtige Quelle seiner theologischen Arbeit – seine mehrbändigen Lutherstudien dokumentieren seine lebenslange Auseinandersetzung mit dem Wittenberger Reformator. Luther selbst wird vielmehr zum Gegenstand der theologisch-hermeneutischen Reflexion. Als Schlüssel zur Theologie Luthers wählt Ebeling den von Fuchs stammenden Begriff des Sprachereignisses. „Luther als Sprachereignis“ ist die Wendung, mit der Ebeling seine Lutherdarstellung programmatisch umreißt (163: 1 – 17). Wir erinnern uns, daß Fuchs zwischen Spracherlebnis und Sprachereignis als einer theologischen Kategorie deutlich unterschieden hat (184: 2). Ganz im Sinne dieser Unterscheidung geht es Ebeling nicht um Luther als Spracherlebnis, sondern um „eine Begegnung mit Luther als Sprachereignis. Denn worum sonst war es ihm überhaupt zu tun, als um das rechte Zur-Sprache-Bringen des Wortes?“ (163: 17) Die Auseinandersetzung mit Luther ist also ein hermeneutisches Geschehen, in welchem der heutige Interpret mit der transzendenten Größe des Wortes Gottes in Berührung kommen soll. „Wir müssen hineingenommen werden in Luthers Denken, in die Bewegung, die wir selbst mitzuvollziehen haben, wenn wir seine Gedanken nicht bloß feststellen, sondern verstehen, sein Wort nicht bloß nachsprechen, sondern verantworten wollen“ (163: 16). In einem Interview zum 85. Geburtstag hat Ebeling den Reformator geradezu als „Instrument Gottes“ bezeichnen können (243: 9). Ebelings Luther-Darstellung verdeutlicht exemplarisch die innere Einheit von historischer und systematisch-theologischer Fragestellung in dessen Werk. Der Wechsel von der Kirchengeschichte zur Systematischen Theologie bedeutete keineswegs den Abschied von der historischen Forschung. Ebelings Lutherstudien und seine Mitwirkung an der Edition der Weimarer Lutherausgabe bezeugen dies eindrücklich. Ebeling hat jedoch von Beginn seiner akademischen Laufbahn an ein dezidiert theologisches Verständnis der Kirchengeschichte vertreten. Programmatisch war und blieb sein Vortrag aus dem Jahr 1947: „Kirchengeschichte als Geschichte der Auslegung der Heiligen Schrift“ (340). Der Titel wäre freilich mißverstanden, wollte man ihn nur auf die Geschichte der christlichen Exegese beziehen. Auslegungsgeschichte ist vielmehr gemäß dem Grundanliegen einer hermeneutischen Theologie in einem denkbar umfassenden Sinne gemeint. Es ist das Leben der Christen in Geschichte und Gegenwart in allen seinen Bezügen, welches als Auslegung der christlichen Glaubensbotschaft, wie sie die Heilige Schrift bezeugt, verstanden werden kann. Wieweit die vielfältigen Aus-

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II. Positionen hermeneutischer Theologie

legungsversuche und Lebensantworten der Botschaft des Glaubens entsprochen oder auch widersprochen haben, ist die entscheidende theologische Frage, vor welche die Kirchengeschichte uns stellt.

c) Wort und Glaube Der Begriff des Wortes Gottes bei G. Ebeling

Die Kirchengeschichte ist die Geschichte der Auslegung des Wortes Gottes und des Ausgelegtwerdens von Menschen durch eben dieses Wort. „Wort und Glaube“ lautet denn auch der Titel der vierbändigen Aufsatzsammlung Ebelings. Das Gotteswort aber begegnet uns im Menschenwort. Es klingt wiederum eine Wendung von Fuchs an, wenn Ebeling erklärt, Gottes Wort sei „das Wort, in dem Gott zur Sprache kommt“ (164: 260). Das Wort Gottes ereignet sich im Wort des Glaubens (162: 249 – 330), wobei dieser Genetiv als Genetivus subiectivus wie auch als Genetivus obiectivus zu lesen ist. „Der Ausdruck Wort des Glaubens dient als Erläuterung von Wort Gottes im Hinblick auf die darin gesetzte Relation von Wort und Glaube“ (162: 249). Und zwar spricht das Wort Gottes „in der Weise vom Glauben, daß es ihn zuspricht und gibt, anstatt ihn nur zu fordern und abzuverlangen“ (162: 251). Die Lehre vom Wort Gottes wird eingebettet in eine umfassende Analyse des Redens von Gott überhaupt. In seiner „Dogmatik des christlichen Glaubens“ handelt Ebeling zunächst vom Reden über Gott (§ 8), der Gotteslehre, dann vom Reden zu Gott, also dem Gebet (§ 9), und schließlich vom Reden von Gott her, d. h. der Verkündigung oder dem Bekenntnis (vgl. 164: 158 – 261). Hier erst wird der Begriff des Wortes Gottes bestimmt (164: 257 ff.) und dem Begriff der Offenbarung zugeordnet (164: 245 ff.). Ebeling definiert den Offenbarungsbegriff, der bei ihm im Unterschied etwa zu Barths exklusiver Rede von der Selbstoffenbarung Gottes in Jesus Christus eine denkbare Weite hat, wie folgt: „Offenbarung im theologischen Sinne ist ein Geschehen, welches das Zusammensein Gottes und des Menschen betrifft, und zwar des Menschen in seinem Zusammensein mit der Welt“ (164: 249). Als Offenbarung Gottes an den Menschen ist sie „wesenhaft soteriologisch“ (164: 251). In seiner Offenbarung offenbart sich Gott als „Geheimnis der Wirklichkeit“ (164: 257). Der Begriff des Wortes Gottes dient bei Ebeling der Präzisierung des Offenbarungsbegriffs: „Der Deus revelatus ist der Deus praedicatus“ (ebd.). Im Anschluß an Heinrich Bullingers Definition in der Confessio Helvetica posterior: „Praedicatio verbi Dei est verbum Dei“ (239: 171) definiert Ebeling das Wort Gottes primär als verbum praedicatum (164: 258). Das Wort Gottes wird also primär als mündliche Rede aufgefaßt, wogegen das geschriebene Wort der Bibel nur im „Übergang aus dem mündlichen Wort in den Buchstaben, der wieder zum mündlichen Wort werden will“ (ebd.), als Wort Gottes in Betracht kommt. Verbum praedicatum und verbum scriptum haben ihren Grund im verbum incarnatum, welches das verbum aeternum ist. Für Ebeling bildet somit „der Begriff des Wortes einen Leitfaden der ganzen Dogmatik“ (164: 259). Das Wort Gottes aber ist als verbum praedicatum zugleich das menschliche Wort des Glaubens, nämlich das den Glauben bezeugende wie schaffende Wort. In den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts wurde die bis dahin von der hermeneutischen Diskussion bestimmte deutschsprachige Theologie auf die

4. Gerhard Ebeling

sprachanalytische Philosophie und Religionsphilosophie aufmerksam, die bisweilen als Alternative bzw. als Konkurrenz zur Hermeneutik aufgefaßt wurde. Ebeling war jedoch von Anfang an der Auffassung, daß die Verfahrensweisen der Hermeneutik und der Sprachanalyse letztlich keine echte Alternative darstellen, doch bedürfe es „noch erheblicher Anstrengungen, beide Denktraditionen so in Beziehung zueinander zu setzen, daß die Gemeinsamkeit der Sprachverantwortung deutlich und fruchtbar wird“ (160: 173). Zu beachten ist allerdings, daß „Wort“ und „Sprache“ bei Ebeling (ähnlich wie bei Fuchs) nochmals zu unterscheiden sind, sofern mit „Wort“ die transzendente Wirklichkeit des Wortes Gottes gemeint ist. Das Wort Gottes als Sprachereignis ist nicht gleichbedeutend mit religiöser Rede von Gott, wie sie die sprachanalytische Religionsphilosophie untersucht. Der Zusammenhang von Wort und Glaube führt uns zur Christologie Ebelings, für welche nun die von Ernst Käsemann aufgeworfene neue Frage nach dem historischen Jesus von Belang ist. In diesem Zusammenhang hat sich Ebeling ausführlich mit der Position seines Lehrers Bultmann auseinandergesetzt (153: 19 – 82). Jesus Christus ist „Gottes Wort in Person“ (165: 69 ff.). In ihm ist die sonst notwendige Unterscheidung von Person und Werk aufgehoben. Jesus wurde „als ein Mensch erfahren, bei dem sich Person und Werk in völliger Deckung befinden. Er wurde deshalb als Gottes Wort in Person verstanden und verkündigt, als ein Mensch, dessen Werk Gottes Werk, dessen Wort Gottes Wort, dessen Person Gottes Person selbst ist“ (165: 73). Die Christologie würde jedoch doketisch, wenn nicht in kritischer Fortführung der altkirchlichen Zweinaturenlehre auch das Menschsein Jesu, und d. h. die Existenz des historischen Jesus bedacht würde. Das Problem des historischen Jesus ist für Ebeling deshalb dogmatisch relevant, weil daran deutlich wird, daß die Christologie „ein hermeneutisches Problem des historischen Bewußtseins“ (165: 381 ff.) ist. Christologie basiert auf der Möglichkeit, daß sich christologische und historische Interpretation Jesu sinnvoll aufeinander beziehen lassen (165: 399 ff.). Ebeling erörtert den hypothetischen Fall, durch historische Nachforschungen könnte eines Tages der Nachweis erbracht werden, Jesus von Nazareth habe niemals existiert. „Damit würde die Christologie jedenfalls in ihrem bisherigen Verständnis hinfällig“, wenngleich nicht zu erwarten wäre, „daß zusammen damit schlechterdings alles seine Wahrheit und Kraft einbüßte, was in der christlichen Glaubensüberlieferung beschlossen liegt“ (165: 384). Sodann geht es theologisch um das Verhältnis von Kontinuität und Diskontinuität zwischen der Verkündigung Jesu und dem nachösterlichen Christusglauben. Inwiefern haben sich die ersten Christen zu Recht auf Jesus von Nazareth berufen? „Die Christologie überhaupt wird letztlich in Frage gestellt, indem bestritten wird, daß sie an Jesus Anhalt habe“ (165: 391). Jesus muß als Grund christologischer Aussagen erkennbar bleiben, was bedeutet, daß christologische Aussagen von Jesus her kritisch zu interpretieren sind, und daß die christologische Situation von Jesus her zu erschließen ist: „Christologie kann auch gegenwärtig nur so weit verantwortet werden, wie die Erscheinung Jesus dazu provoziert, das, was er ist, im umfassendsten Horizont auszusagen, ihn also in bezug auf unser eigenes Verhältnis zu Gott, zur Welt und zu den Mitmenschen entscheidend zu Wort kommen zu lassen“ (165: 407). Weil

Ebelings Christologie

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II. Positionen hermeneutischer Theologie

der Zusammenhang zwischen Wort und Glaube christologisch begründet und vermittelt ist, sind nicht nur die Verkündigung und das Wirken Jesu, sondern auch sein Glauben theologisch von Bedeutung. Die Kontinuität und Diskontinuität zwischen dem Verkündiger und dem nachösterlich Verkündigten macht Ebeling unter anderem daran fest, daß der Glaube an Jesus zugleich ein Glauben wie Jesus ist. Freilich ist damit gerade nicht die Reduktion Jesu auf ein historisches Vorbild gemeint. Die Formel „glauben wie Jesus“ ist „nur dann begriffen, wenn das ,wie Jesus‘ aus einem ,durch Jesus‘ hervorgeht“ (165: 532). Der christliche Glaube bleibt also auf die Externität seines Glaubensgrundes angewiesen.

5. Paul Ricœur a) Ricœurs Bultmann-Kritik Kritik an Bultmanns Mythos-Begriff

In Kapitel I wurde Paul Ricœurs philosophische Hermeneutik vorgestellt (s. o. S. 18 f.). Ricœur, der am 27. Februar 1913 in Frankreich geboren wurde, hat aber auch zur neueren theologischen Hermeneutik wichtige Beiträge geleistet. Er gehört nicht nur zu den bedeutendsten Philosophen des 20. Jahrhunderts, sondern gilt zumindest in der amerikanischen Welt auch als theologischer Denker, übernahm er doch an der Universität Chicago die Nachfolge auf dem Lehrstuhl Paul Tillichs. Zuvor wirkte er in Colmar und an der Sorbonne in Paris. Er starb am 20. Mai 2005. Mit der deutschsprachigen Theologie im allgemeinen wie mit Bultmanns Theologie im besonderen hat sich Ricœur intensiv auseinandergesetzt. 1968 erschien in Frankreich eine Ausgabe von Bultmanns Jesusbuch in Verbindung mit seiner Studie über „Jesus Christus und die Mythologie“, zu der Ricœur das Vorwort schrieb (198; zitiert nach 200: 175 – 198). Darin unterzog er Bultmanns Konzeption der existentialen Interpretation einer eingehenden Kritik (vgl. 224; 218). Zunächst kritisiert Ricœur Bultmanns Verständnis des Mythos. Dieser ist der Ansicht, daß zwar die mythischen Objektivationen Gottes theologisch aufhebbar sind, nicht aber die Rede vom Handeln Gottes als solche (139: 63 f.). Die Rede von der Tat oder dem Handeln Gottes sei nicht unbedingt mythisch, sondern könne sich auch als analoge Redeweise interpretieren lassen. „Bultmann glaubt anscheinend, eine Sprache, die nicht mehr ,objektiviert‘, sei makellos rein. Aber inwiefern ist sie dann noch Sprache? Und was bedeutet sie?“ (200: 192) Über den Sachverhalt, „daß eine andere Sprache diejenige des Mythos ablöst und daher eine neue Weise des Interpretierens erfordert“ (ebd.), mache sich Bultmann kaum Gedanken. Da Bultmann nicht hinreichend auf die Sprache des Glaubens als Sprache reflektiere, werden nicht nur Kerygma und Mythos voneinander getrennt, sondern auch das Ereignis und sein Sinn, wie er in den neutestamentlichen Texten zur Sprache kommt. Bultmanns Begriff des Kerygma überspringe den Umstand, daß dieses nicht in makelloser Unmittelbarkeit, sondern nur in Gestalt von Texten präsent ist. Der Sinn der neutestamentlichen Texte ist nicht selbstevident, sondern bedarf der Interpretation. Nach Ricœurs Urteil kürzt Bultmann den hermeneutischen Weg zum Verstehen, der über die vor dem und im Text poetisch

5. Paul Ricœur

entworfene Welt führt, durch die Konzeption des Kerygmas ab, das den Rezipienten unmittelbar vor die existentielle Entscheidung führt. Text und Sinn lassen sich nach Ricœur ebenso wenig trennen wie Kerygma und Mythos. „Wenn der objektive Sinn fehlt, sagt der Text nichts mehr aus; ohne existentielle Aneignung ist das, was er sagt, nicht mehr lebendiges Wort“ (200: 195). Seine Auseinandersetzung mit Bultmanns problematischem Mythosbegriff führt Ricœur schließlich dazu, eine Theorie der Metapher und der Metaphorik zu entwickeln (208; 205), die er in einem weiteren Schritt zu einer Erzähltheorie erweitert hat (203; 204).

b) Philosophische und theologische Hermeneutik Ricœurs hermeneutische Grundkonzeption weicht nicht nur von derjenigen Bultmanns, sondern auch von der philosophischen Hermeneutik Gadamers ab, auf welche sich die „neue Hermeneutik“ und die hermeneutische Theologie seit Fuchs und Ebeling stark bezogen haben. Indem sie die Textualität des Textes ins Zentrum der hermeneutischen Reflexion rückt, scheint Ricœurs Theorie eine geringere Reichweite als diejenige Gadamers zu haben und „auf den ersten Blick von der Absicht bestimmt zu sein, die Hermeneutik wieder als eine Teilsdisziplin zu verstehen“ (202: 25). In Wirklichkeit bedeutet aber die Konzentration auf das Problem des Textes „eine Rückkehr zum deutlichsten und schärfsten Problem der Hermeneutik bei Schleiermacher und Dilthey selbst“ (202: 26). Abweichend von einem allgemeinen Begriff des Verstehens definiert Ricœur die Hermeneutik als „Untersuchung der Kunst des Verstehens, die durch die Interpretation von Texten ermöglicht wird“ (202: 27). Hermeneutik ist also mehr als die Lehre von der Textinterpretation und ihren Auslegungsmethoden. Sie ist eine Theorie eines weitgespannten Verstehens von Welt und menschlicher Existenz, das sich im Medium der Textinterpretation vollzieht. Grundlegend für Ricœurs weitere Ausführungen ist der Gedanke, daß der Text durch seine Verschriftung Autonomie sowohl gegenüber seinem Autor als auch gegenüber seinem Leser gewinnt. „Was der Text bedeutet, fällt nicht mehr mit dem zusammen, was der Autor sagen wollte. Wörtliche, d. h. Text gewordene, und gedachte oder psychologische Bedeutung haben von nun an unterschiedliche Schicksale“ (202: 28) Das bedeutet, daß er sich von seiner Entstehungssituation ablösen und in einen neuen Kontext einfügen läßt, was je und je neu im Akt des Lesens geschieht (ebd.). Sodann gilt es, den Text als Werk zu begreifen. Ein Werk ist mehr als eine Reihe von Sätzen, nämlich ein strukturiertes ganzes, das eine Welt entwirft. Der Text zerstört die empirische Welt, um durch Fiktion und Poesie eine neue aufzubauen. Einen Text interpretieren heißt nun, „die Weise des vor dem Text entfalteten In-der-Welt-Seins darzustellen“ (202: 32). Dabei mündet die Interpretation des Textes in ein Sich-Verstehen vor dem Text (202: 33 f.), und genau in diesem Sinne ist Ricœurs Definition zu verstehen, Hermeneutik sei die Theorie des Verstehens, das durch die Interpretation von Texten ermöglicht werde. Wie verhält sich nun diese Konzeption einer philosophischen Hermeneutik zur biblischen Hermeneutik? Bei letzterer scheint es sich zunächst lediglich um die spezielle Hermeneutik eines Teilbereichs zu handeln. Nach

Rückbesinnung auf das hermeneutische Problem des Textes

Biblische Hermeneutik

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II. Positionen hermeneutischer Theologie

Ricœurs Auffassung weist die theologische Hermeneutik jedoch „so eigenständige Merkmale auf, daß das Verhältnis zwischen ihr und der philosophischen Hermeneutik sich Schritt für Schritt umkehrt, so daß die theologische Hermeneutik sich die philosophische Hermeneutik schließlich als ihr Organon unterordnet“ (202: 34). Mit kritischem Seitenblick auf die zeitgenössische hermeneutische Theologie warnt Ricœur allerdings, „nicht vorschnell eine Theologie des Wortes zu entwerfen, die nicht von vornherein und prinzipiell den Übergang vom Wort zur Schrift mit einschließt“ (202: 35). Theologische Hermeneutik muß also in einem eminenten Sinne Schrifthermeneutik sein. Dazu gehört nicht nur eine Hermeneutik des Alten Testaments als der den neutestamentlichen Autoren vorgegebenen Schrift, sondern auch eine besondere Hermeneutik der unterschiedlichen literarischen Formen und Gattungen biblischer Texte (202: 36 ff.). Die „Sache“ des Textes läßt sich von seiner äußeren Form und ihrer Struktur nicht ablösen. In deutlicher Abkehr von Bultmann und seinem Konzept des Kerygmas erklärt Ricœur: „erste Aufgabe der Hermeneutik ist es nicht, eine Entscheidung des Lesers hervorzurufen, sondern die Seinswelt sich entfalten zu lassen, die die ,Sache‘ des biblischen Textes ist“ (202: 40). Der neue Weltentwurf, vor dem sich der Leser verstehen soll, aber heißt in der Sprache der Bibel „neue Welt, neuer Bund, Gottesherrschaft, Wiedergeburt“ (ebd.). Theologische Hermeneutik stellt schließlich die Gottesfrage. Doch kann sie nicht unmittelbar bzw. in einem supranaturalistischen Sinn Gott als Autor der biblischen Texte voraussetzen, wie dies die vormoderne Schrifttheologie getan hat. „Das Wort Gott zu verstehen heißt, dem Richtungspfeil seines Sinnes zu folgen“ (202: 42), der wiederum durch das neutestamentlich bezeugte Christusgeschehen bestimmt wird. Für die Theologie aber ist die Hermeneutik essentiell, weil der biblische Glaube selbst hermeneutisch konstituiert ist. Dies besagt, daß er „von der Bewegung der Interpretation, die ihn zur Sprache bringt, nicht zu trennen ist. Das, was mich unbedingt angeht, bliebe stumm, wenn es nicht die Kraft des Wortes einer Interpretation empfangen würde, einer immer wieder neu beginnenden Interpretation der Zeichen und Symbole, die, wenn ich so sagen darf, das unbedingt Angehende im Lauf der Zeiten geprägt und geformt haben“ (202: 43 f.). Zentrale Kategorie einer theologischen Hermeneutik ist deshalb die Kategorie der Aneigung. Bei allen Abgrenzungen und Korrekturen, die Ricœur an der Position Bultmanns vornimmt, orientiert sich seine Hermeneutik durchaus weiterhin an seinen Fragestellungen und denjenigen einer hermeneutischen Theologie. Unbeschadet seiner Kritik an der vorschnellen Gleichsetzung der theologischen Hermeneutik mit der Lehre vom Wort Gottes ist doch auch sein eigener Entwurf als Konzeption einer hermeneutischen Theologie zu verstehen.

III. Biblische Hermeneutik 1. Hermeneutik und Exegese a) Begriff und Aufgabe biblischer Hermeneutik Bedeutet Hermeneutik ganz allgemein die Wissenschaft vom Verstehen und seinen jeweiligen Bedingungen, so bezeichnet der Begriff der biblischen Hermeneutik die Wissenschaft vom Verstehen der biblischen Schriften und ihrer Texte. Innerhalb der theologischen Hermeneutik nimmt die biblische Hermeneutik eine Zentralstellung ein, weil Theologie als umfassende Interpretation von Wirklichkeit ganz wesentlich als Schriftauslegung vollzogen wird. Christlicher Glaube vollzieht seine Selbstauslegung in der Form der Schriftauslegung, indem er darlegt, wie die menschliche Existenz ihrerseits von den Texten der Schrift her ausgelegt und verstehbar wird. Die biblischen Schriften dienen der Theologie also nicht nur als Gegenstand von Verstehensprozessen, sondern auch als deren Medium. Biblisch ist eine Hermeneutik, die nicht nur in Grundlegung und Methodenlehre auf ihren besonderen Gegenstand, nämlich den Schriften des Alten und Neuen Testaments, zugeschnitten ist, sondern die darüber hinaus nach dem hermeneutischen Potential dieser Texte fragt und für das Verstehen heutiger Lebenswelten fruchtbar zu machen versucht. Wenn es zutrifft, daß die biblischen Texte etwas zu verstehen geben, „dann sind davon auch Aufschlüsse über das Verstehen selbst zu erwarten“ (269: 5). In diesem Sinne ist eine biblische Hermeneutik immer auch eine theologische Hermeneutik. Im strengen Sinn des Wortes konnte eine biblische Hermeneutik erst entstehen, als die Bibel insgesamt als abgeschlossener Kanon vorlag, d. h. nicht vor dem 4. Jahrhundert n. Chr. (vgl. 264: 1). Umfang und Aufbau des biblischen Kanons variieren bis heute allerdings. Das gilt für das Alte wie für das Neue Testament. Die Idee des Kanons und ihre unterschiedlichen Realisierungen sowie die Bedeutung, welche die Eingliederung in den Kanon für die Interpretation der einzelnen biblischen Schriften hat, ist somit eine zentrale Fragestellung jeder biblischen Hermeneutik. Entsprechend der Zweiteilung des christlichen Kanons unterscheidet man zwischen einer Hermeneutik des Alten und einer Hermeneutik des Neuen Testaments. Hinzu kommt, daß das Alte Testament der Christen für sich genommen die Bibel der Juden ist. Heutzutage ist die jüdische Bibel identisch mit der Hebräischen Bibel. Die Anordnung der einzelnen Schriften unterscheidet sich freilich vom Aufbau des christlichen Alten Testaments. Hinter den unterschiedlichen Kompositionen stehen folgenreiche theologische Grundentscheidungen, die auch etwas mit der Trennung des Christentums vom Judentum zu tun haben. Neben der Biblia Hebraica gab es in der Geschichte freilich auch noch andere Versionen einer jüdischen Bibel. Für das Christentum ist darunter die in griechischer Sprache verfaßte Septuaginta die Wichtigste, weil die jüdische Bibel vom ältesten Christentum vor allem in dieser Gestalt

Der christliche Kanon

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III. Biblische Hermeneutik

Innerbiblische Hermeneutik

Biblische Hermeneutik und wissenschaftliche Exegese

als Heilige Schrift rezipiert wurde. Die hermeneutischen Implikationen der Übereinstimmung wie der Differenz zwischen jüdischer Bibel und christlichem Alten Testament sind von einer Hermeneutik des Alten Testaments ebenso wie von einer gesamtbiblischen Hermeneutik gesondert zu thematisieren (vgl. 260). Setzt biblische Hermeneutik im strengen Wortsinn die Existenz des christlichen Kanons voraus, so findet sie sich im weiteren Sinne freilich schon innerhalb der biblischen Schriften selbst. Bereits im Alten Testament läßt sich beobachten, wie ältere Texte fortgeschrieben, in späteren Texten neu interpretiert und in einem anderen Kontext verortet werden. Das läßt sich z. B. an der Entstehungs-, Überlieferungs- und Redaktionsgeschichte des Pentateuch oder der Prophetenbücher zeigen. Das Deuteronomium unterzieht die übrigen Bücher des Pentateuch einer Relektüre. Gleiches tun die Chronikbücher mit den Samuel- und Königsbüchern. Ein konkretes Einzelbeispiel für die Neuinterpretation und Umdeutung eines früheren in einem späteren alttestamentlichen Text ist Dan 9. Der Prophet Jeremia hatte geweissagt, daß die aus Jerusalem deportierten Judäer siebzig Jahre in Babylon würden leben müssen (Jer 25,11 f.; 29,10). Das Buch Daniel, die älteste uns bekannte Apokalypse, deutet diese siebzig Jahre Jahrhunderte später zu siebzig Jahrwochen, d. h. zu 490 Jahren um, die bis zur Erlösung Israels vergehen sollen (Dan 9,24). Auch die neutestamentlichen Schriften legen alttestamentliche Texte aus. Manche von ihnen „sind geradezu als eine Biblische Hermeneutik des Alten Testaments zu verstehen“ (264: 2). Genauer gesagt handelt es sich um eine christologische Hermeneutik der Septuaginta, welche die alttestamentlichen Glaubenszeugnisse im Lichte des Glaubens an das mit Jesus von Nazareth verbundene Heilsgeschehen deutet. Gleichzeitig entwickelt sich in ihnen eine Hermeneutik frühchristlicher Texte (270: 7 ff.). Eine besondere Rolle spielt z. B. die Interpretation der Paulusbriefe, die den Kern des entstehenden Neuen Testaments bilden, aber bereits zu Lebzeiten ihres Autors als schwer verständlich galten (vgl. II Kor 10,10). Diesen Eindruck bestätigt der pseudonyme 2. Petrusbrief, der am Anfang des 2. Jahrhunderts gegen Fehlinterpretationen der paulinischen Briefe vorzugehen versucht (II Petr 3,16). Der ebenfalls pseudonyme 2. Thessalonicherbrief wendet sich konkret gegen Fehldeutungen des authentischen 1. Thessalonicherbriefes in nachpaulinischer Zeit. Wie gründlich Paulus tatsächlich mißverstanden werden konnte, veranschaulicht der Jakobusbrief, dessen heftige Polemik gegen die Rechtfertigungslehre möglicherweise aber auch dadurch zu erklären ist, daß der Verfasser die Briefe des Paulus nur vom Hörensagen kannte, selbst jedoch nie gelesen hat. Eine weiteres Beispiel für die neutestamentliche Hermeneutik frühchristlicher Schriften ist schließlich der 1. Johannesbrief, der in scharfen Worten gegen eine Fehlinterpretation der Christologie des Johannesevangelium zu Felde zieht. Biblische Hermeneutik ist im Alten und Neuen Testament freilich „ein mehr implizit-praktisches als theoretisch-reflektiertes Bemühen, die älteren biblischen Schriften in je veränderter geschichtlicher Situation neu und angemessen zu interpretieren“ (264: 1). Im Rahmen der theologischen Wissenschaft handelt es sich dagegen um eine wissenschaftlich fundierte Theorie und Methodenlehre des Verstehens biblischer Texte und ihrer für heutige

1. Hermeneutik und Exegese

Welt- und Daseinserschließung relevanten Verstehenspotentiale. Sie arbeitet deskriptiv interpretierend, nicht aber präskriptiv normierend (270: 5). Das unterscheidet sie von einem dogmatischen Schriftgebrauch, der die Frage nach der Geltung biblischer Texte und ihrer Aussagen zu beantworten versucht. Biblische Hermeneutik ist die wissenschaftliche Darstellung eines sachgemäßen Verstehens der Bibel, ihrer Schriften und ihrer einzelnen Texte. Dabei ist nochmals zwischen wissenschaftlicher Bibelauslegung und einer außer- oder vorwissenschaftlichen Bibellektüre zu unterscheiden. Diese Unterscheidung bedeutet nicht, daß der „einfache“ Schriftgebrauch aus wissenschaftlich-theologischer Sicht abzulehnen wäre. Es sind die biblischen Texte selbst, die auch den Wissenschaftler zur existentiellen Auseinandersetzung mit ihrem Inhalt führen können. Im Sinne einer „zweiten Naivität“ (Ricœur) kann auch dem wissenschaftlich arbeitenden Theologen nichts Besseres geraten werden, als zum Bibelleser zu werden, der sich von den Texten selbst betreffen läßt. Wissenschaftliche Hermeneutik hat aber eine kritische Funktion, insofern sie auf methodisch kontrollierte Weise hilft, zwischen sinnvollen Interpretationen und offenkundigen Über- oder Fehlinterpretationen zu unterscheiden. Sie übt dabei eine kommunikative Funktion innerhalb der Wissenschaft, innerhalb der Kirche als Interpretationsgemeinschaft und innerhalb der Gesellschaft aus, weil sie zu intersubjektiver und argumentativer Rechenschaft über Interpretationen und ihre praktischen und geschichtlichen Folgen nötigt (vgl. 270: 6 f.). Insofern biblische Hermeneutik die Existenz der Bibel als Kanon voraussetzt, berühren sich ihre Fragestellungen eng mit der heutigen Diskussion über eine biblische Theologie. Darunter versteht man nicht nur je für sich eine Theologie des Alten oder des Neuen Testaments, sondern Konzeptionen einer gesamtbiblischen Theologie, welche die Einheit beider Testamente und ihre innere Kohärenz bei aller historischer und sachlicher Disparatheit plausibel zu machen versucht (vgl. 313). Fundamentaltheologisch ist durchaus strittig, ob eine biblische Theologie mehr ein exegetisches oder doch eher ein systematisch-theologisches Unternehmen ist. Friedrich Mildenberger verortet die Darstellung einer gesamtbiblischen Theologie zwischen einer biblischen Theologie des Alten oder des Neuen Testaments exegetischen Zuschnitts und einer klassischen Dogmatik (396: 11). Auch der systematische Ort einer biblischen Hermeneutik ist Gegenstand theologischer Diskussionen. Als Reflexion auf das Verstehen überhaupt, ist eine biblische Hermeneutik ebenso wie eine spezielle Hermeneutik des Alten oder des Neuen Testaments eng mit der philosophischen Hermeneutik verbunden (vgl. 264: 5 – 30; 270: 4). Man kann sie auch der Fundamentaltheologie als Metatheorie oder Wissenschaftstheorie der Theologie zuweisen, die als Disziplin der Systematischen Theologie gilt. Die wichtigsten neueren Darstellungen biblischer Hermeneutik verorten sich allerdings innerhalb der exegetischen Disziplinen des Alten und des Neuen Testaments. Die Neutestamentlerin Oda Wischmeyer beklagt jedoch die „Exegeseferne“ von Lehrbüchern wie den neutestamentlichen Hermeneutiken von Stuhlmacher (268), Weder (269) und Berger (258). Sie haben „nicht den Anschluß an die tatsächliche Arbeit der Exegeten an ihrem Text gesucht, sondern theologisch deutende Meta-Hermeneutiken entworfen, deren Inter-

Biblische Hermeneutik und biblische Theologie

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III. Biblische Hermeneutik

esse jeweils außengeleitet war und die daher für die Arbeit an den Texten keine Bedeutung gewinnen konnten. Sie behalten ihren Platz in der theologischen Literatur, in der neutestamentlichen Exegese haben sie keine Spuren hinterlassen (270: 1). In Abwandlung eines Diktums von Eberhard Jüngel muß man also fragen, ob Dogmatik tatsächlich konsequente Exegese oder ob Exegese zumindest auf dem Gebiet der biblischen Hermeneutik entgegen ihrem Selbstverständnis konsequente Dogmatik ist. Gerade auf dem Gebiet der biblischen Hermeneutik ist das spannungsvolle Verhältnis von Dogmatik und Exegese besonders virulent.

b) Methoden der Bibelauslegung Texthermeneutik

Moderner Methodenpluralismus

Als Aufgabe der alttestamentlichen bzw. neutestamentlichen Wissenschaft wird biblische Hermeneutik dann wahrgenommen, wenn sie einerseits konsequent als Texthermeneutik begriffen und andererseits als textwissenschaftliche Methodenlehre konzipiert wird. In dieser Richtung haben sich seit dreißig Jahren gegenüber der Blütezeit hermeneutischer Theologie (vgl. Kap. II). erhebliche Veränderungen vollzogen. Das geistesgeschichtliche Verstehensmodell Wilhelm Diltheys und der von ihm beeinflußten Konzeptionen einer hermeneutischen Philosophie ist durch Sprachphilosophie, Linguistik, Semiotik und Literaturtheorie abgelöst worden, die vor allem im anglo-amerikanischen Raum leserorientierte Texttheorien hervorgebracht haben. Aber auch im deutschsprachigen Raum sind wirkungsvolle Theorien der Rezeptionsästhetik und der literarischen Hermeneutik entstanden, deren Rezeption innerhalb der biblischen Exegese noch am Anfang steht (vgl. 265). Das bisherige Monopol der klassischen Methoden historisch-kritischer Exegese wird inzwischen nicht nur von fundamentalistischen Kreisen, sondern innerhalb der wissenschaftlichen Theologie in Frage gestellt. Schon aus diesem Grund kann die Methodenfrage nicht länger aus der biblischen Hermeneutik ausgeklammert werden. Hans Weder konnte noch erklären, seine Hermeneutik des Neuen Testaments sei keine Methodenlehre, sondern führe lediglich implizit das Gespräch mit historisch-kritischen, psychologischen, soziologischen und linguistischen Erkenntnisweisen (269: 5). Seine knappen Ausführungen zur Methodenlehre konzentrieren sich vor allem auf das Problem des methodischen Atheismus in der historisch-kritischen Exegese (269: 27 ff.). Demgegenüber legt Oda Wischmeyer gerade auf die Methodenlehre großes Gewicht, weil nur eine methodengeleitete Auslegung der neutestamentlichen Texte auch ein sachgemäßes Verstehen dieser Texte sei. „Ein Verstehen der neutestamentlichen Texte an ihrer methodischen Auslegung vorbei ist ein nonsens“ (270: X). Hinsichtlich der wissenschaftlich anerkannten Methoden der Bibelauslegung lassen sich mit Manfred Oeming drei Tendenzen feststellen (264: 29 f.): 1. eine Pluralisierung der Methoden, 2. eine Pluralisierung des Textsinns, 3. die Entobjektivierung der Exegese bzw. eine Relativierung der Wahrheitsfrage und eine Aufwertung der Subjektivität des Auslegers. Was den neuen Methodenpluralismus betrifft, so unterscheidet Oeming an den Autoren und ihren Welten orientierten Methoden von solchen, die an den Texten und ihren Welten ausgerichtet sind, von Methoden, die an den Lesern und ihren

2. Schriftauslegung und literarische Hermeneutik

Welten orientiert sind, sowie von Methoden, die nach der Sache des Textes und ihrer Welt fragen (264: 31 – 174). Oda Wischmeyer unterscheidet methodisch zwischen historischem Verstehen, rezeptionsgeschichtlichem Verstehen, sachlichem Verstehen und textuellem Verstehen (270: 21 ff., 63 ff., 129 ff., 175 ff.). Im ersten Fall dienen die Sprache, die literarischen Gattungen und Formen sowie die historischen Bedingtheiten einen Zugang zum Verstehen biblischer – im konkreten Fall neutestamentlicher – Texte. Im zweiten Fall wird der Zugang über die Kanonisierungs- und Auslegungsprozesse, über gegenwartsbezogene kontextuelle Hermeneutiken sowie über die Person des seine Arbeit reflektierenden Interpreten gesucht. Das sachliche Verstehen bezieht sich auf die Propositionen, die Geltungsansprüche und die literarische Ästhetik biblischer Texte. Das textuelle Verstehen schließlich wählt die Textstruktur und Phänomene der Intertextualität als Verstehenszugang. Eine ins Detail gehende Methodenlehre biblischer Hermeneutik kann im Rahmen dieser allgemeinen Einführung in die theologische Hermeneutik nicht entwickelt werden. Dazu sei auf die erwähnten einschlägigen Lehrbücher verwiesen. Auch ein historischer Abriß der Geschichte der christlichen Bibelauslegung ist nicht beabsichtigt (vgl. dazu 266). Wir müssen uns darauf beschränken, die Grundfragen und theoretischen Voraussetzungen einer Texthermeneutik Alten und Neuen Testaments zu diskutieren.

2. Schriftauslegung und literarische Hermeneutik a) Hören, Lesen und Verstehen Das Christentum, namentlich in seiner evangelischen bzw. protestantischen Gestalt, ist Religion des Wortes. Das grundlegende Modell, nach welchem im Christentum wie im Judentum die Kommunikation zwischen Gott und Mensch gedacht wird, ist die Zwiesprache. Gott und Mensch verhalten sich als redende Instanzen zueinander dialogisch. Im Alten wie im Neuen Testament wird Gott als Redender vorgestellt, wobei die Kommunikation zwischen ihm und dem Menschen durch Gottes Reden allererst initiiert wird. Der angeredete Mensch ist zunächst ein Hörender, bevor er selbst zum Sprecher wird: Gott spricht, der Mensch hört und antwortet, wobei das Gebet wie der Gehorsam gegenüber dem göttlichen Gebot als Antwort des Menschen gedeutet werden. Mit kritischem Seitenblick auf Rudolf Bultmanns Konzeption von Glauben und Verstehen, das ihm zugrunde liegende Modell der durch das Kerygma provozierten Entscheidung, das Konzept des hermeneutischen Zirkels und seine Kategorie des Vorverständnisses hat der Zürcher Neutestamentler Hans Weder das Hörenkönnen als basale Voraussetzung des Glaubens bestimmt (269: 145 ff.). Weder beruft sich für diese Modifikation des Ansatzes einer hermeneutischen Theologie auf Paulus. Dieser erklärt in Röm 10,17: „So kommt der Glaube aus dem Hören [bzw. der gehörten Predigt], die Predigt aber durch das Wort Christi.“ Das Hören ist nach Weder das anthropologische Korrelat zur paulinischen bzw. reformatorischen Rechtfertigungslehre, weil der Mensch als Hörender rezeptiv ist. Hörend erreicht ihn der

Hörsinn und Sehsinn

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III. Biblische Hermeneutik

Zuspruch, die promissio der göttlichen Gnade, die Zusage der Sündenvergebung. Der Hörsinn ist demnach der anthropologische Anknüpfungspunkt für die biblische Religion des Wortes: Der glaubende Mensch ist ganz Ohr. Fragt man nun aber, wie Paulus seine in Röm 10,17 formulierte These begründet, so stellt man überrascht fest, daß er sich auf die Schrift beruft, d. h. auf die jüdische Bibel, welche auch das heilige Buch der ältesten Christenheit war (299). In Röm 10 zitiert Paulus eine Reihe alttestamentlicher Schriftstellen. In V.16 z. B. führt er Jes 53,1 in der griechischen Version der Septuaginta an. Bemerkenswert ist die Formulierung in Röm 10,11: „Denn die Schrift spricht …“. Wer es liest, der merke auf: Die Schrift – spricht! Wogegen Paulus an anderen Stellen alttestamentliche Zitate mit der Wendung „wie geschrieben steht“ einführen kann (z. B. Röm 9,33). Das Wort Christi bzw. das Evangelium oder Kerygma will sich in mündlicher Kommunikation Gehör verschaffen. Aber es bezieht sich auf die Schrift, d. h. zunächst auf die jüdische Bibel (und zwar nicht nur in ihrer hebräischen, sondern auch in ihrer griechischen Version). Es kommt zur Sprache bzw. zu Gehör, indem die Schrift gelesen und ausgelegt wird. Die neu entstehenden Schriften des ältesten Christentums suchen die Legitimität des christlichen Glaubens gerade durch Schriftinterpretation zu erweisen. Und auch die mündliche Predigt vollzieht sich als Auslegung der Schrift. Oralität und Literalität bilden im Christentum folglich keine Alternative, sondern sind komplementäre Formen der Kommunikation (322; vgl. allgemein auch 44). Der theologische Zusammenhang von Hören und Lesen hat Konsequenzen für den Begriff des Glaubens. Rudolf Bultmann hat zu Recht gesagt, der Glaube sei eine Weise des Verstehens (s. o. Kap. II.1). Glauben im christlichen Sinne heißt, sich selbst neu zu verstehen, wobei dieses Selbstverständnis aus einem Verstandenwerden und Verstandensein resultiert, als dessen Subjekt Gott zu denken ist (vgl. I Kor 13,12). Aber es ist nun offenbar der christliche Glaube nicht einfach ein Hören, sondern ein Hören der Schrift, d. h. der im Akt des Lesen applizierten biblischen Texte. Als heilige Schrift kann sich die Bibel nur dann Gehör verschaffen, wenn sie gelesen bzw. vorgelesen wird. Bultmanns durchaus zutreffende Formel „Glauben und Verstehen“ ist folglich nicht einfach mit der Formel „Hören und Verstehen“ gleichzusetzen, sondern muß komplementär durch „Lesen und Verstehen“ interpretiert werden.

b) Oralität und Literalität in der Geschichte des Christentums Das Christentum als semiliterale Religion

Wie das antike Judentum ist auch das aus ihm hervorgegangene Christentum semiliterale Religion. Judentum und Christen haben heilige, kanonische Schriften, welche Quelle und Norm des Glaubens sind. Die Interpretation der Schriften spielt nicht nur eine wichtige Rolle für die jeweilige religiös motivierte Lebensführung. Sie ist auch zentraler Bestandteil des Gottesdienstes. Die Schrift wird im Gottesdienst verlesen und in einer Predigt ausgelegt. Aber nicht alle waren in der Antike des Schreibens und Lesens kundig. Es gab viele Analphabeten. Die Schriftgelehrten waren daher nicht nur eine wichtige soziale, sondern auch eine religiöse Instanz. Schließlich ist zu beachten, daß das Lesen im Judentum wie im Christentum

2. Schriftauslegung und literarische Hermeneutik

ein religiöser Akt ist. Das gilt nicht nur von der gottesdienstlichen, gemeinschaftlichen Rezitation, sondern auch von der privaten Schriftlektüre (312: 38 ff.). Zu beachten ist, daß in der Antike und noch bis in die Neuzeit hinein laut gelesen wurde. Lesen war gleichbedeutend mit vorlesen. Daher resultiert die enge Verbindung von Hören und Lesen aus den kulturellen Gegebenheiten vormoderner Schriftkultur. Erst in der Moderne kommt das wortlose Lesen des Individuums als Kulturleistung auf (49). Noch im 19. Jahrhundert gehörte das gegenseitige Vorlesen zur bürgerlichen Kultur. Die zunehmende Individualisierung führt dann unter anderem nicht nur zur Individualisierung der Lesekultur, sondern auch zur verstärkten Pluralisierung der Interpretationen. Dazu hat im Christentum auch die Reformation als Lesebewegung beigetragen. Durch die Übersetzung der Bibel ins Deutsche und in andere Landessprachen wurden die sogenannten Laien aus bloßen Hörern zu autonomen Leserinnen und Lesern der Schrift. Das eigenständige Lesen der Bibel ermöglichte Autonomie in Glaubensdingen und trug auf diese Weise zur modernen Individualisierung des Glaubens bei. Zunächst ist das Interpretieren wie das Lesen jedoch eine Gemeinschaftsangelegenheit im Wechselspiel von Lesen, Auslegung und Hören. Die Gemeinde im Judentum wie im Christentum ist eine Lese- und damit zugleich eine Interpretationsgemeinschaft. Die Regeln der Interpretation sind nicht Sache des Individuums, sondern werden gemeinschaftlich festgelegt. Wie gemeinsame Auslegungs-, Lese- und Hörtradition bzw. Hörgewohnheiten (Vorverständnis!) und Individualität einander zuzuordnen sind, wird in der Moderne zum zentralen Problem in Hermeneutik und Theologie. Grundlegend für das Verhältnis von Lesen und Verstehen ist der Zusammenhang von Lesen und Übersetzen. Jede Übersetzung von einer Sprache in die andere ist immer schon eine Interpretation, wie umgekehrt jeder Akt des Verstehens immer auch ein Akt des Übersetzens ist; auch dann, wenn es nicht um die Übertragung eines fremdsprachigen Textes in die eigene Sprache geht. Jedes Verstehen ist insofern ein Übersetzen, als es um die Aneignung des Gehörten oder Gelesenen in die eigene Lebenswelt geht. Insofern es keine Interpretation ohne Applikation gibt, ist die Übersetzungsproblematik hermeneutisch elementar. Um den Zusammenhang von Lesen und Verstehen zu erfassen, ist der Begriff des Verstehens auf doppelte Weise zu fassen. Entsprechend der Unterscheidung zwischen Sinn und Bedeutung meint Verstehen in einer vordergründigen Bedeutung des Wortes das Erfassen des Sinnes sprachlicher Ausdrücke, was das Verstehen im ästhetischen Sinne voraussetzt, nämlich die akustische oder visuelle Erfassung und korrekte Entschlüsselung der akustischen bzw. optischen Signale, durch welche eine Aussage materiell vermittelt wird. Zum anderen meint Verstehen das Erfassen der Bedeutung eines Satzes. Martin Luther hat diese Differenz theologisch auf die Begriffe der inneren und äußeren Klarheit (claritas externa/claritas interna) gebracht (s. u. Kap. IV.5 a u. b).

Religiöse Schrift- und Lesekultur

Die hermeneutische Bedeutung des Übersetzens

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III. Biblische Hermeneutik

c) Literarische Hermeneutik

Schriftlichkeit keine defizitäre Form der Kommunikation

Unterschiede zwischen mündlicher und schriftlicher Kommunikation

Die Unterscheidung zwischen mündlicher und schriftlicher Kommunikation nötigt nun dazu, die Schriftlichkeit der biblischen Texte eigens zum hermeneutischen und theologischen Thema zu machen (vgl. 294). Wegweisende Überlegungen dazu haben wir bereits bei P. Ricœur gefunden (s. o. Kap. II. 6 b). Die Hermeneutik vor Schleiermacher beschränkte sich bekanntlich auf die Kunstregeln der Textinterpretation. Schleiermacher hat dann die Reichweite der Hermeneutik erweitert und eine Entwicklung eingeleitet, die über Dilthey, Heidegger und Gadamer zum Konzept einer universalen Hermeneutik und hermeneutischen Philosophie geführt hat. Das Problem einer universalen Hermeneutik im Anschluß an die Heidegger-Schule besteht freilich darin, daß das Verstehen der Welt und des eigenen Daseins am Paradigma der Textinterpretation orientiert ist, während umgekehrt das Verstehen von Texten nach Analogie des mündlichen Dialogs, nämlich im Schema von Frage und Antwort gedacht wird. Letztlich wirkt im Konzept einer universalen Hermeneutik noch immer die antike Auffassung nach, die Verschriftlichung von Sprache sei lediglich ein Ersatz für mündliche Kommunikation und gegenüber der mündlichen Rede defizitär. Während nämlich die mündliche Rede durch Unmittelbarkeit ausgezeichnet sei, führe die Verschriftung zum Verlust solcher Unmittelbarkeit und sei somit eine Gestalt der Entfremdung der Geistes. Die neuere hermeneutische Debatte hat jedoch gezeigt, daß die der mündlichen Rede zugestandene Unmittelbarkeit eine Fiktion ist. Außerdem ist unsere Kultur ganz wesenhaft eine Schriftkultur. Nach Emanuel Levinas sind wir vom Buche her. Jacques Derrida dagegen erklärt, der Mensch sei zwar nicht vom Buch als abgeschlossenem Text, jedoch von der Schrift als unabgeschlossener Intertextualität und somit vom Lesen her (292: 15 – 46). Allerdings sollte man sich vor hermeneutischen Kurzschlüssen und Einseitigkeiten im Gegenschlag zur Philosophie der universalen Hermeneutik hüten. Schließlich ist nicht zu vergessen, daß es bis heute auch schriftlose Kulturen gibt. Zweifellos aber spielen Texte und Bücher eine grundlegende Rolle für das kollektive Gedächtnis unserer eigenen Kultur. Neben dieser Erinnerung ist eine weitere Einsicht der jüngsten hermeneutischen Debatte bzw. der neueren Literaturwissenschaften von Bedeutung, nämlich die Einsicht in den qualitativen Unterschied der Verstehenssituation und Verstehensbedingungen, welcher zwischen mündlicher und schriftlicher Kommunikation besteht. In den letzten Jahrzehnten wurden verschiedene Positionen einer rezeptionsorientierten literarischen Hermeneutik entwickelt. Man kann grob zwischen rezeptionsästhetischen und Intertextualitätskonzeptionen unterscheiden, zwischen denen es aber fließende Übergänge gibt (290: 23 ff.). Die unterschiedlichen Theorien konvergieren darin, daß sie die Hermeneutik auf den eingeschränkten Hermeneutikbegriff vor Schleiermacher zurückführen, d. h. die spezifischen Bedingungen und Regeln der Interpretation von Texten analysieren. Gegenüber seiner philosophischen Ausweitung in der hermeneutischen Philosophie nach Heidegger wird der Begriff der Hermeneutik damit wieder auf sein technisches Grundverständnis reduziert. Für die Textinterpretation bedeutet dies, daß ganz fundamental dem Faktum Rechnung zu tragen ist, daß es sich um materielle Artefakte handelt,

2. Schriftauslegung und literarische Hermeneutik

die gegenüber mündlicher Kommunikation eine eigenständige Form der Kommunikation darstellen. Peter Szondi hat dementsprechend das Programm einer literarischen Hermeneutik aufgestellt, welche sich von der philologischen Hermeneutik vor Schleiermacher dadurch unterscheidet, daß sie den ästhetischen Charakter von Texten nicht erst sekundär zum Gegenstand der Untersuchung erhebt, sondern zur Prämisse der Auslegung erklärt (52: 13; 33). Entsprechend verlangt eine literarische Hermeneutik die Beachtung unterschiedlicher Textsorten (Gattungen) und textsortenspezifische Vorgangsweisen bei der Interpretation. Die literarische Hermeneutik lenkt den Blick vom Autor und seiner Textproduktion zum Leser und zum Akt des Lesens als Textrezeption. Diesen Aspekt schriftlicher Texte und literarischer Werke untersucht unter verschiedenen Fragestellungen und auf unterschiedlichen Wegen die sogenannte Rezeptionsästhetik (55). Unter Aufnahme der semiotischen Begrifflichkeit von Charles Morris läßt sich sagen, daß die Rezeptionsästhetik literarische Texte in pragmatischer Hinsicht analysiert und pragmatische Textmodelle entwickelt, die nicht nur die Kategorie des Autors, sondern auch diejenige des Lesers in den Interpretationsvorgang einbeziehen.

d) Die Autonomie des Textes Eine grundlegende Erkenntnis von literarischer Hermeneutik und Rezeptionsästhetik bzw. poststrukturalistischer Texttheorien besteht in der Autonomie, die ein Text im Zuge seiner Verschriftung gegenüber seinem Autor gewinnt. Pointiert hat Roland Barthes diesen Vorgang der Autonomie als Tod des Autors bezeichnet: „La voix perd son origine, l’auteur entre dans sa propre mort, l’écriture commence“ (272: 491). Ähnlich gibt Umberto Eco zu bedenken: „Der Autor müßte das Zeitliche segnen, nachdem er geschrieben hat. Damit er die Eigenbewegung des Textes nicht stört“ (15: 14). Und Paul Ricœur erklärt: „Was der Text bedeutet, fällt nicht mehr mit dem zusammen, was der Autor sagen wollte. Wörtliche, das heißt Text gewordene, und nur gedachte oder psychologische Bedeutung haben von nun an unterschiedliche Schicksale“ (202: 28). Aufgrund des Vorgangs Autonomie gewinnen nun der Leser bzw. die Leserin und der jeweilige Akt des Lesens fundamentale Bedeutung nicht nur für das Verstehen des Verstehens, sondern überhaupt für das Vorhandensein von Sinn und Bedeutung eines Textes. Der Sinn eines Textes ist diesem nicht substanzontologisch inhärent, sondern wird jeweils neu erschaffen im Akt des Lesens (31; 32). Texte erfordern die Mitarbeit des Lesers, soll ihr Sinn sich einstellen. Der Sinn eines Textes konstituiert sich mit anderen Worten jeweils neu im Akt seiner Applikation. Texte sind, mit Umberto Eco gesprochen, „Maschinen zur Erzeugung [!] von Bedeutungen“ (15: 13 f.). Autonom ist der Text sowohl gegenüber dem empirischen Autor als auch gegenüber dem empirischen Leser. Daher ist der Sinn des Textes nicht identisch mit der Intention des realen Autors bei seiner Abfassung. Überhaupt ist die produktionsästhetische Kategorie der Intention des Autors eine psychologische. Freilich ist der Sinn eines Textes, wie Eco mit Recht gegen radikal dekonstruktivistische Texttheorien einwendet, auch nicht mit der intentio lectoris gleichzusetzen, d. h. mit dem Sinn, welchen der empirische Leser in

Autonomie des Textes gegenüber dem Autor

Autonomie des Textes gegenüber dem Leser

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III. Biblische Hermeneutik

Intentio operis

Komplementarität von Oralität und Literalität

ihm zu finden glaubt. Neben der intentio auctoris und der intentio lectoris ist vielmehr von einer dem Text innewohnenden intentio operis auszugehen (17). Diese Kategorie darf nicht als Hypostasierung des Textes zu einem eigenständigen Subjekt mißverstanden werden. Daß dem Text eine Intention unterstellt wird, besagt zunächst nur, daß ein Text wohl vieldeutig ist, aber entgegen einseitig leserorientierten Texttheorien offensichtlich nicht alles bedeuten kann, so daß uns gewisse Interpretationen unter im Einzelnen zu klärenden Voraussetzungen als wenig überzeugend oder sogar als ganz abwegig erscheinen. Die intentio operis ist mit anderen Worten eine regulative Idee der Interpretation, welche das Modell des hermeneutischen Zirkels modifiziert und den Text vor seiner Vereinnahmung durch den Leser schützen soll. „Zwischen der unergründlichen Intention des Autors und der anfechtbaren Intention des Lesers liegt die transparente Textintention, an der unhaltbare Interpretationen scheitern“ (17: 87). Hinzu kommt, daß Texte nicht isoliert auftreten, sondern in einem intertextuellen Kontext stehen. Texte entstehen, wenn Leser oder Leserinnen zu Autorinnen oder Autoren werden. Sie beziehen sich auf vorausliegende Texte und provozieren die Produktion neuer Texte. Insbesondere kanonische Texte begegnen dem Leser nicht unmittelbar, sondern vermittelt. Ihre Überlieferung geht einher mit der Geschichte ihrer Auslegung und Aneignung, und zwar nicht nur durch Individuen, sondern durch religiöse Gemeinschaften, also z. B. die christlichen Kirchen als Auslegungsgemeinschaften. So unabgeschlossen der intertextuelle Kontext eines einzelnen Textes ist, so unabgeschlossen ist die Möglichkeit seiner Sinnbezüge. Die Idee der intentio operis dient dabei dem Leser, sich selbst im Sinne einer Hermeneutik des Verdachts vor der bloßen Willkür zu hüten. Sie leitet den Leser außerdem dazu an, sich seine soziale Zugehörigkeit zu einer Interpretationsgemeinschaft und ihrer Auslegungsgeschichte bewußtzumachen, was freilich auch bedeutet, zwischen Auslegungstradition und intentio operis nochmals zu unterscheiden. Auch die Komplementarität von Oralität und Literalität (vgl. oben Kap. IV.2 b) spielt in diesem Zusammenhang ein Rolle. Texte sind im Unterschied zu mündlicher Rede stumm. Sie werden beredt erst im Akt des Lesens. Des Lesens und Schreibens mächtige Subjekte aber existieren ihrerseits nicht als stumme Wesen, sondern als solche, die zuvor das Sprechen erlernt haben und sich über ihre Textlektüre mündlich austauschen. Es ist alles andere als trivial darauf hinzuweisen, daß beim Erlernen der Kulturtechniken des Schreibens und Lesens die mündliche Rede zum Einsatz kommt. Das ist auch kritisch gegen einseitig textorientierte Konzepte der Intertextualität einzuwenden. Nicht Texte, sondern Leser, die einer Interpretationsgemeinschaft angehören und zu Autoren werden, produzieren neue Texte. Intertextualität wird durch lebende, sprechende und hörende Subjekte hergestellt. Sie sind das missing link zwischen Texten. Das schließt aber nicht aus, daß Texten als materiellen Artefakten eine Wirkung zugesprochen wird. Texte sind eben nicht bloßes Material, das der Rezipient beliebig verformt wie Töpfer den Ton, sondern als strukturiertes Material üben sie auf ihre Rezipienten eine von diesen selbst nicht intendierte Wirkung aus. Diesen Umstand bringt die Kategorie der intentio operis zum Ausdruck.

3. Biblischer Kanon und Hermeneutik des Buches

3. Biblischer Kanon und Hermeneutik des Buches a) Heilige Schriften Religionswissenschaftlich betrachtet gehört das Christentum zu den sogenannten Buchreligionen. Dieser Begriff ist jedoch erklärungsbedürftig. Religionsgeschichtliche Typologien und Zuordnungen sind bekanntlich äußerst schwierig. Möglich ist die Einteilung in traditionale Religionen (früher auch Naturreligionen genannt) und sogenannte Hochreligionen. Eine andere Typologie unterscheidet zwischen schriftlosen und Schrift- bzw. Buchreligionen. In vielen Religionen stehen besondere, als heilig geltende Schriften in Ansehen (331). Im einzelnen ist zwischen Ritualbüchern und Offenbarungsschriften zu unterscheiden. Von Buchreligionen sprechen wir, wo Schriften der letztgenannten Art in Geltung stehen. Es ist freilich irreführend, wenn man religionswissenschaftlich oder auch im Rahmen einer Theologie der Religionen Judentum, Christentum und Islam unterschiedslos unter dem Begriff der Buchreligion subsumiert. Denn die Stellung der jeweils heiligen Offenbarungsschrift oder Schriftensammlung ist verschieden. Im Judentum steht gleichberechtigt neben der schriftlichen die mündliche Tora, die wie die schriftliche auf die Offenbarung am Sinai zurückgeführt wird. Das Christentum hat einen zweigeteilten Kanon, dessen erster Teil aus der jüdischen Bibel besteht, die bemerkenswerterweise nicht christlich redigiert worden ist, sondern im Neuen Testament und durch dieses als Ganzes christlich, d. h. christologisch interpretiert wird. Während der jüdische Tanach und die christliche Bibel eine Sammlung von Schriften unterschiedlicher Literaturgattungen sind, ist der Koran ein durchgängig als prophetischer Text gestaltetes Buch, das als Abschrift einer himmlischen Urschrift gilt. Der religionsgeschichtliche Vergleich zeigt, daß die Heiligen Schriften im Gedankensystem der verschiedenen Religionen keineswegs dieselbe Stellung einnehmen. Dieser Sachverhalt ist auch systematisch-theologisch von Gewicht. Der Prophet Mohammed ist streng genommen nicht der Autor, sondern der Empfänger des Koran. „Koran“ (arabisch quran) heißt wörtlich „Lesung“, d. h. die Rezitation eines Heiligen Textes (Koran, Sure 96,1 – 5). Nach islamischer Lehre verläuft der Offenbarungsvorgang in vier Schritten. Im Himmel befinden sich Gott und seine Rede; hier also ist das ewige Wort Gottes zu finden. Aus dieser himmlischen Urform des Koran wählt ein Engel, zumeist der Erzengel Gabriel, Teile, die den Menschen offenbart werden sollen durch den Gesandten Gottes. Der Engel flüstert nun dem menschlichen Gesandten Wort für Wort ein. Dieser wiederum hat die Botschaft wortgetreu dem Volk oder der Gemeinde weiterzugeben. Schließlich werden alle Offenbarungen in einem heiligen Buch gesammelt, ohne daß der Wortlaut verfälscht werden darf. Im Islam nimmt also der himmlische Koran jenen Platz ein, den im Christentum der göttliche Logos hat. Christentum und Islam haben also ein unterschiedliches Vorverständnis sowohl von der Instanz „Wort Gottes“ als auch von „Heiliger Schrift“. Heißt es bei Paulus in Gal 4,4, daß Gott, als die Zeit erfüllt war, seinen Sohn sandte, so in Sure 97, daß Allah in der Nacht der Bestimmung den Koran herabsandte. Während also der Koran für den

Buchreligionen

Die unterschiedliche religiöse Stellung und Funktion heiliger Schriften

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III. Biblische Hermeneutik

Muslim unmittelbar Gottes Wort ist, steht die christliche Bibel nur indirekt als Wort Gottes in Geltung, weil dieses nicht mit einem Buch oder dessen himmlischer Vorlage, sondern mit dem menschgewordenen Logos, d. h. mit der Person Jesu Christi identisch ist. Dies hat weitreichende Konsequenzen für die Auslegung der jeweiligen Offenbarungsschriften und ihre Methode. So hat der Islam bezeichnenderweise bis heute keine historisch-kritische Koran-Exegese entwickelt. Die islamwissenschaftliche Untersuchung des Koran und seiner Entstehungsgeschichte läuft dem religiösen Selbstverständnis des Islam zuwider. Islamische Theologen, welche sich für eine historisch-kritische Exegese des Koran einsetzen, gelten nicht als orthodox. Auch der Begriff der heiligen Schrift ist erklärungsbedürftig. Den Terminus „heilige Schriften“ (ai‘ ‘ieqai´ cqauai´) findet man im Judentum bei Philo v. Alexandrien und in rabbinischen Texten (kitve ha-qodesh). Der neutestamentliche Sprachgebrauch verzichtet dagegen weitgehend darauf, die Schriften als heilig zu apostrophieren und bezeichnet die in den ältesten christlichen Gemeinden gelesenen biblischen (d. h. nach heutigem Sprachgebrauch alttestamentlichen) Schriften als g‘ cqaug´ oder als ai‘ cqauai´ . „Biblia Sacra“, „Scriptura sacra“, „Heilige Schrift“ ist im späteren Christentum die Bezeichnung für den gesamten Kanon, der in Umfang und Anordnung freilich variiert. Eine spezifisch christliche Theologie der Schrift wurde erst durch den – vor allem durch Marcion angestoßenen – Prozeß der Kanonisierung frühchristlicher Schriften ermöglicht.

b) Kanon und kanonische Schriftauslegung Klassische, heilige und kanonische Texte

Die Bibel als Kanon und als Literatur

Der Ägyptologe Jan Assmann unterscheidet kulturwissenschaftlich zwischen heiligen, kanonischen und klassischen Texten. „Ein heiliger Text ist eine Art sprachlicher Tempel, eine Vergegenwärtigung des Heiligen im Medium der Stimme. Der heilige Text verlangt keine Deutung, sondern rituell geschützte Rezitation unter sorgfältiger Beachtung der Vorschriften hinsichtlich Ort, Zeit, Reinheit usw. Ein kanonischer Text dagegen verkörpert die normativen und formativen Werte einer Gemeinschaft, die ,Wahrheit‘. Diese Texte wollen beherzigt, befolgt und in gelebte Wirklichkeit umgesetzt werden. Dafür bedarf es weniger der Rezitation als der Deutung“ (271: 94 f.). Der Alttestamentler Jürgen Ebach unterscheidet nach den Rezipienten von Texten wie folgt: „Klassische Texte bedürfen des gebildeten Publikums, heilige des Priesters bzw. vergleichbarer RezitatorInnen, die ihn zu Gehör bringen, kanonische der Schriftgelehrten bzw. der Interpretationen, die ihn auslegen“ (286: 102). Wie die jüdische umfaßt die christliche Bibel alle drei Aspekte. Sie ist primär heiliger Text, der im Gottesdienst rezitiert wird, dann aber auch kanonischer Text, der in der Predigt, aber auch in der Lehre der Kirche und in der Theologie ausgelegt wird. Und schließlich ist er ein klassischer Text in der Kulturgeschichte des sogenannten christlichen Abendlandes. Die Überschneidung, aber auch die Unterscheidung der drei genannten Aspekte ist theologisch und hermeneutisch von Belang. Einerseits ergeben sich aus dem Gespräch zwischen Theologie, Literaturund Kulturwissenschaft neue Möglichkeiten für die Exegese, genauer gesagt für eine synchrone Bibellektüre, welche nicht nur die einzelnen biblischen

3. Biblischer Kanon und Hermeneutik des Buches

Schriften, sondern auch den Kanon in seiner Gesamtheit als Buch, d. h. als Werk zu lesen gestattet. Andererseits ist zu beachten, daß zwischen einer Lektüre der Bibel als Literatur und ihrer Lektüre als kanonischer bzw. heiliger Text ein Unterschied besteht. Der Unterschied liegt in der Haltung gegenüber dem Geltungsanspruch ihrer Texte bzw. in der Erwartungshaltung, die die Lektüre bestimmt. Das Wort „Kanon“ bedeutet soviel wie „Regel“ oder „Richtschnur“. Im abgeleiteten Sinn bezeichnet es eine Liste von Schriften, die für den gottesdienstlichen Gebrauch zugelassen und als Norm und Quelle der christlichen Glaubenslehre und der theologischen Urteilsbildung kirchlich in Geltung stehen. Wird die Bibel als Heilige Schrift gelesen, so wird sie nicht nur als Dokument vergangener religiöser Erfahrungen, sondern als Medium möglicher gegenwärtiger und künftiger Gotteserfahrung betrachtet. Dies aber ist die Erwartungshaltung einer theologischen Schriftlehre. Andererseits läßt sich nicht bestreiten, daß es sich bei der Bibel und ihren Büchern um das Werk menschlicher Autoren, also um Literatur handelt. Eine systematische Schriftlehre hat die Aufgabe, eine Lektüre der Bibel als heiliger Schrift zu ihrer Lektüre als Literatur ins rechte Verhältnis zu setzen (vgl. dazu 290: 68 ff.). Nicht nur der komplexe Prozeß der Kanonisierung der einzelnen biblischen Bücher, der hier nicht im einzelnen nachgezeichnet werden kann, sondern auch die Idee des Kanons als einem Gesamtwerk ist das Resultat gläubiger Rezeption und Applikation. Umfang und Aufbau des Kanons können allerdings variieren. Man denke nur an die Stellung der sogenannten Alttestamentlichen Apokryphen oder an Martin Luther, der in seiner Bibelübersetzung im Neuen Testament aus theologischen Gründen Umstellungen vorgenommen und den Hebräer- und den Jakobusbrief hinter die Johannesbriefe gestellt hat. Erhebliche Unterschiede im Aufbau bestehen außerdem zwischen dem Alten Testament des christlichen Kanons und der jüdischen Bibel, dem Tanach. Dabei handelt sich keineswegs nur um „künstlerische Entscheidungen“, wie Jack Miles meint (311: 28), sondern auch und in erster Linie um theologische Grundentscheidungen (s. u. Kap. IV.3. c). Allerdings zeigt die Variationsbreite bei der Abfolge der kanonisierten Bücher, daß nicht nur die Einzelexegese, sondern auch eine gesamtbiblische Lektüre für den einzelnen Leser wie für die Auslegungsgemeinschaft Spielräume läßt. Die hermeneutisch und systematisch-theologisch entscheidende Frage lautet nun aber, ob der Kanon lediglich formal kohärent oder auch inhaltlich kohärent ist, und wenn ja, ob seine inhaltliche Kohärenz lediglich durch seine Leser im Akt der Lektüre erzeugt wird, oder ob diese einer inhaltlichen Anweisung der kanonisierten Schriften folgt. Wenn es einen einheitsstiftenden Bezugspunkt aller biblischen Schriften gibt, so ist es Gott, der Gott Israels und Vater Jesu Christi, von dem in diesen Büchern auf vielfältige Weise geredet und dessen Reden in ihnen bezeugt wird. Gott ist, wie Paul Ricœur zu bedenken gibt, zugleich das Maß und der Grund für die Unvollkommenheit aller verschiedenartigen Gottesrede in der Bibel. „Das Wort Gott zu verstehen heißt, dem Richtungspfeil seines Sinnes zu folgen. Unter dem Richtungspfeil seines Sinnes verstehe ich seine zweifache Fähigkeit, alle aus den Einzelreden hervorgegangenen Bedeutungen zu vereinen und einen Horizont zu eröffnen, der sich dem Abschluß der Rede entzieht“ (202: 42).

Unterschiede im Umfang und Aufbau des biblischen Kanons

Vielfalt, äußere und innere Einheit des Kanons

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III. Biblische Hermeneutik

Das Wort „Gott“ erfährt aber in der christlichen Bibel seine letztgültige Bestimmung erst dadurch, daß es zum Namen Jesu Christi in Beziehung gesetzt wird. Im Neuen Testament interpretieren sich das Wort „Gott“ und der Name Christi wechselseitig. Gott ist der Vater Jesu Christi. Der Vater Jesu Christi aber ist der Gott Israels, den die Schriften des Alten Testamentes bezeugen. Der christliche Kanon versetzt die Schriften des Alten und des Neuen Testamentes in einen hermeneutischen Zirkel, in welchem sich diese wechselseitig interpretieren. Erst in diesem von Altem und Neuem Testament gebildeten hermeneutischen Zirkel erschließt sich also nach christlicher Auffassung der Sinn des Wortes „Gott“ bzw. des christlichen Bekenntnisses, daß der Gott Israels der Vater Jesu Christi und als solcher als Geist gegenwärtig ist. Implizit hat der christliche Kanon demnach eine trinitarische Struktur. Insofern abgekürzt das Wort „Christus“ der Einheit stiftende Bezugspunkt des christlichen Kanons ist, können seine Schriften letztlich nur in einer Dialektik von pluralisierender und singularisierender Exegese interpretiert werden. Versucht eine singularisierende Hermeneutik „die eine einzig richtige und sozusagen heilsabsolute Lesung der Bibel festzulegen“, so hat man unter einer pluralisierenden Hermeneutik mit Odo Marquard eine Texttheorie zu verstehen, die „in der einen und selben buchstäblichen Gestalt viele Sinnmöglichkeiten und verschiedenartigsten Geist aufspürt“ (41: 128 f.). Das Wort „Christus“ bzw. die Wortverbindung von „Gott“ und „Christus“ verstehen, heißt dem Richtungspfeil ihres Sinnes zu folgen. Dieser Pfeil aber schießt, um bei der Metapher zu bleiben, über den Wortlaut jedes biblischen Einzeltextes hinaus. „Hermeneutik“ – so Odo Marquard – „ist die Kunst, aus einem Text herauszukriegen, was nicht drinsteht“ (41: 117). Wie bei allen Texten, so ist auch an einem biblischen Text wichtig nicht allein das Gesagte oder Geschriebene, sondern auch das Ungesagte und Ungeschriebene, die Leerstellen zwischen den Wörtern und Zeilen. Auch die neutestamentlichen Aussagen über Christus weisen über sich hinaus, nicht nur zurück zu den Texten des Alten Testaments, sondern auch über die Grenzen des Kanons hinaus, zumal dieser in mehreren Versionen vorliegt und an den Rändern offen ist. Die Wirklichkeit, die mit dem Wort „Christus“ im Neuen Testament in ganz unterschiedlichen Wortverbindungen bezeichnet wird, nämlich das Vonwoher gläubiger Existenz in der Gemeinschaft der Glaubenden, findet sich nicht in den Texten selbst, sondern ist zwischen den Zeilen je und je neu, im Ereignis des Lesens und Verstehens, zu entdecken.

c) Christliche und jüdische Bibel „Altes Testament“, „jüdische Bibel“ und „hebräische Bibel“

Zum christlichen Kanon gehört konstitutiv das Alte Testament, d. h. eine bestimmte Variante der jüdischen Bibel. In diesem Umstand findet nicht nur die bleibende Rückbindung des Christentums an das Judentum, aus dem es hervorgegangen ist, sondern auch der christliche Gottesglaube seinen Ausdruck, ist dieser Glaube doch Glaube an den Gott Israels, seine Selbigkeit und Treue wie sein eschatologisches Heilshandeln im Christusgeschehen, das als Erfüllung der Israel gegebenen Verheißungen verstanden wird. Die hier als jüdische Bibel bezeichnete Größe läßt sich allerdings nicht leicht bestimmen (vgl. 260). Sie ist keineswegs identisch mit der sogenann-

3. Biblischer Kanon und Hermeneutik des Buches

ten Hebräischen Bibel, d. h. dem Tanach der Masoreten. Schon kanonsgeschichtlich ist daher die Formel von der Hebräischen Bibel und ihrer zweifachen Nachgeschichte in Judentum und Christentum (vgl. 276) eine grobe Vereinfachung, die zu falschen Schlüssen verleitet. Die ersten christlichen Gemeinden haben „die Schrift“ bzw. „die Schriften“ Israels als heilige Schrift gelesen und im Gottesdienst verwendet, und zwar auch, nachdem ihre Mitglieder keineswegs mehr mehrheitlich Juden waren. Ob zur Zeit Jesu und der ersten Christen bereits eine Vorform des späteren jüdischen Kanons vorlag (so 278), ist strittig, kann hier aber auf sich beruhen. Zumindest die Abfolge des hebräischen Kanons ist erst späteren Datums und möglicherweise sogar eine Reaktion auf das Christentum, dessen jüdischem Teil seines Kanons damit die Legitimität abgesprochen werden soll. Erwähnt werden muß auch der samaritanische Kanon, der sich aber im späteren, von den Rabbinen dominierten und geprägten Judentum nicht behaupten konnte. Die maßgebliche Gestalt des jüdischen Kanons, den das Christentum übernommen hat, war aber die Septuaginta, d. h. die griechische Übersetzung der Schriften Israels, die in Umfang und Aufbau vom Tanach deutlich abweicht (vgl. 262; 263). Die Abweichungen im Umfang und Aufbau sind aber sowohl literaturwissenschaftlich als auch theologisch belangvoll. Es macht nämlich theologisch einen erheblichen Unterschied, ob die Bibel Israels mit den Prophetenbüchern und also einem eschatologischen Ausblick oder aber mit den Büchern der Chronik endet. Selbst innerhalb des Christentums gibt es verschiedene Versionen des alttestamentlichen Kanons, was seinen Umfang und seine Anordnung betrifft, je nachdem ob man sich am Tanach oder an der Septuaginta orientiert. Man kann daher nicht behaupten, daß es sich bei „Tanach“ bzw. „hebräische Bibel“ und „Altes Testament“ lediglich um zwei verschiedene Namen für ein und dasselbe Werk handelt. Bezeichnungen wie „Hebräische Bibel“, „Bibel Israels“ oder „Erstes Testament“ sind terminologische „Kompromißversuche im Bereich des christlich-jüdischen Dialogs“ (290: 8), die aber alle gewisse Nachteile haben und jeweils wichtige Sachaspekte vernachlässigen oder aber bestehende Differenzen verschleiern. Hinzu kommt, daß der literarische Kontext, in dem einerseits der Tanach, andererseits das christliche Alte Testament steht und gelesen wird, verschieden ist. Das eine Mal handelt es sich um die mündliche Tora, die in Talmud und Midrasch schriftlich fixiert, aber prinzipiell unabgeschlossen ist, das andere Mal um das Neue Testament. Allein schon der Begriff des Kanons ist darum keineswegs theologisch neutral, sondern bezeichnet im Judentum und in den christlichen Konfessionen Unterschiedliches. Wird das literaturwissenschaftliche Konzept der Intertextualität herangezogen, um das jeweilige Verhältnis von Prätexten, sich auf sie beziehenden späteren Texten und heutigem Kontext verständlich zu machen (vgl. 290: 29 ff.), treten die Unterschiede zwischen jüdischer Bibel und christlichem Alten Testament noch deutlicher hervor. Daher unterscheidet auch ein jüdischer Exeget wie Jon D. Levenson strikt zwischen „Altem Testament“ und Tanach bzw. „Hebräischer Bibel“ (304: 10). Die Bezeichnung „Altes Testament“ für den ersten Teil des christlichen Kanons ist also auch aus jüdischer Sicht durchaus legitim. Die markanteste Trennungslinie zwischen jüdischer und christlicher Schriftauslegung wird zweifellos durch die Christologie gezogen. Dieser

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III. Biblische Hermeneutik Die Christologie als entscheidende Differenz zwischen Judentum und Christentum

Keine Enteignung der jüdischen Bibel durch das Christentum

Hinweis bleibt allerdings vordergründig und formal, solange nicht beachtet wird, daß die Christologie ihrerseits auf eine Differenz innerhalb der Gotteslehre hinweist. Strittig ist zwischen Judentum und Christentum nicht nur, ob Jesus von Nazareth der vom Judentum erwartete Messias ist, sondern ob der Gott Israels in und an Jesus von Narazeth auf epochale, besser gesagt eschatologische Weise gehandelt hat. Was Juden und Christen eint, ist der Glaube an den einen Gott Israels. Was sie trennt, ist die unterschiedliche Auffassung vom Heilshandeln Gottes bzw. vom Verlauf seiner Geschichte mit Israel und den Völkern. In der Sprache der christlichen Dogmatik geredet, liegt die Differenz zwischen Judentum und Christentum auf dem Gebiet der Ökonomie, d. h. der Lehre vom Heils- und Welthandeln Gottes. Aus dieser resultieren die Differenzen im Bereich der Soteriologie (Lehre vom Heil bzw. Erlösungslehre) und des Toraverständnisses. Die Frage der Messianität Jesu ist demgegenüber von nachrangiger Bedeutung, zumal der Messianismus nicht für alle Strömungen des spätantiken Judentums konstitutiv war und vorhandene Messiasvorstellungen große Unterschiede aufwiesen (273: 234 ff.). Die theologischen und biblisch-hermeneutischen Differenzen lassen sich offen aussprechen, ohne daraus das Recht zur Herabwürdigung oder Diffamierung des Judentums abzuleiten, zu der es in der Geschichte des Christentums gekommen ist. Vielmehr gilt es den Konflikt der Interpretationen auszuhalten und anzuerkennen, daß verschiedene und konkurrierende Gesamtinterpretationen der jüdischen Bibel möglich sind, die bereits in den unterschiedlichen Gestalten des alttestamentlichen Kanons ihren Ausdruck finden. Wird die Bibel und somit auch die hebräische oder jüdische Bibel bzw. das Alte Testament erst im Prozeß der Aneignung und Auslegung zur Heiligen Schrift, so läßt sich der Pluralismus der Interpretationen, der rückgebunden ist an die unterschiedlichen Interpretationsgemeinschaften und ihre Auslegungstraditionen, nicht aufheben. Daher bleibt es legitim, das Alte Testament christlich, d. h. im Lichte des Neuen Testaments und des in ihm bezeugten Christusereignisses zu lesen, ohne daß diese Form gläubiger Applikation zur Enteignung jüdischer Tradition führen muß.

4. Schrift und Tradition a) Die Kirche(n) als Auslegungsgemeinschaft Sowohl die jüdische als auch die christliche Bibel sind nicht ohne die Synagoge und die Kirche zu denken, d. h. jene Auslegungsgemeinschaften, die von diesen Schriftsammlungen religiösen Gebrauch machen. Eine der Kernfragen einer christliche Lehre von der heiligen Schrift lautet, ob der Kanon und damit die heilige Schrift als Gesamtwerk als geschichtliches Produkt der Kirche oder als deren Gegenüber zu deuten ist, das letztlich die Stelle Gottes und seiner Offenbarung gegenüber dem Menschen vertritt. Üblicherweise bezeichnet man diese Frage als das Problem von Schrift und Tradition. Die evangelische Theologie macht zwischen Schrift und Tradition herkömmlicherweise eine qualitativen Unterschied und betont die Unabhän-

4. Schrift und Tradition

gigkeit der Autorität der Bibel von allen menschlichen Autoritäten. So kann man z. B. bei dem evangelischen Theologen Karl Barth lesen, die Schrift sei zwar in der Hand, nicht aber in der Macht der Kirche (380: 764). Im Unterschied zu Barth kann man darin freilich sehr wohl ein Ausgeliefert- und nicht nur ein Ausgesetztsein erkennen. Die Schriftwerdung des Wortes Gottes läßt sich inkarnationstheologisch so deuten, daß sich Gott selbst dem Konflikt der Interpretationen ausgeliefert hat. Der evangelische Neutestamentler Ernst Käsemann hat die These vertreten, der neutestamentliche Kanon begründe nicht die Einheit der Kirche, sondern die Vielfalt der Konfessionen (191). Zwar kann man einwenden, daß diese These ein schiefe Alternative aufstellt. Wilfried Härle modifiziert sie dahingehend, daß der Kanon „als solcher in der Vielzahl der Konfessionen bzw. kirchlichen Richtungen die Einheit der Kirche (sing!) bewahrt“ (387: 134). Gleichwohl hat Käsemann richtig gesehen, daß Pluralität im Christentum nicht erst eine Folge von Spaltungen war, sondern bereits für das älteste Christentum charakteristisch war. Der neutestamentliche Kanon aber repräsentiert diese Pluralität, die zur geglaubten Einheit der Kirche theologisch in eine angemessenes Verhältnis zu setzen ist. Schriftauslegung geschieht nicht nur unvermeidlich plural, sondern ist auch niemals voraussetzungslos, hat sie doch ihren Ort in der Kirche bzw. den einzelnen Konfessionen als Auslegungsgemeinschaften (zum Begriff vgl. 288). Biblische Hermeneutik und Theologie des Kanons werden von diesem Umstand, den der neuprotestantische Individualismus gern ausblendet, nicht absehen können (324: 56 ff.). Daraus folgt freilich noch keine „Hermeneutik des Einverständnisses“ wie sie der evangelische Neutestamentler Peter Stuhlmacher vertritt (268). Einverständnis mit dem biblischen Text kann bestenfalls das Resultat des Verstehensvorgangs, keinesfalls die Prämisse sein. Folglich kann es nach evangelischem Verständnis auch kein kirchliches bzw. lehramtliches Auslegungsprivileg geben, das die Pluralität des prinzipiell unabschließbaren Auslegungsprozesses steuern und domestizieren soll. Zudem existiert die Kirche geschichtlich nur in der Pluralität der Konfessionen, so daß auch die Idee einer kirchlichen Hermeneutik das Pluralitätsproblem nicht stillstellen kann. Der biblische Kanon ist wie das reformatorische Schriftprinzip „in entscheidender Hinsicht nicht ein Textabgrenzungsprinzip, sondern ein hermeneutisches Prinzip“ (164: 34). Überhaupt ist nach Luther streng genommen nicht die Schrift als solche, sondern die Klarheit der Schrift das „principium“ aller Theologie (WA 7,97,26 – 28; 7,317; vgl. 317). Erst die protestantische Theologie des 19. Jahrhunderts hat das reformatorische Schriftprinzip zu einem Formalprinzip verkürzt und ihm die Rechtfertigungslehre als Materialprinzip des Protestantismus zu Seite gestellt. Es ist die von Luther vorausgesetzte äußere, die Sprache und den Sinn betreffende, wie die innere, die Bedeutung betreffende, Klarheit der Schrift, welche seine These, die Schrift sei ihr eigener Interpret, überhaupt erst plausibel macht. In diesem Sinne besagt das reformatorische Schriftprinzip, daß keinem kirchlichen Lehramt, sondern der Theologie selbst die Aufgabe zufällt, „die Schrift daraufhin zu befragen und auszulegen, was als Glaubensartikel zu gelten hat. Indem die Vorschaltung des kirchlichen Lehramts entfällt, ist die Theologie der Wucht des hermeneutischen Problems ausgesetzt, wie

Die Vielstimmigkeit des neutestamentlichen Kanons und die Vielfalt der christlichen Konfessionen

Das reformatorische Schriftprinzip – ein hermeneutisches Prinzip, kein Textabgrenzungsprinzip

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III. Biblische Hermeneutik

Die Kirche als „Geschöpf des Evangeliums“

der Schrift Glaubensartikel zu entnehmen sind“ (164: 31). Hinter diese Einsicht darf die evangelische Theologie im ökumenischen Gespräch über Schrift und Tradition nicht zurückfallen. Nach reformatorischer Tradition ist die Kirche, konkret die gottesdienstliche Gemeinde, nicht das Subjekt, sondern das Objekt der Auslegung. Eben in diesem Sinne ist sie creatura verbi. Das evangelische Verständnis von der Kirche als Geschöpf des Evangeliums bringt die Erfahrung zum Ausdruck, daß das menschliche Bemühen um die Auslegung der Schrift in die pneumatologische Erfahrung umschlägt, umgekehrt vom Text der Schrift ausgelegt zu werden. Entsprechend ist die klassische Inspirationslehre vom Akt der Textproduktion auf den Akt des Lesens zu übertragen: Der „implizite Leser“ (32) biblischer Texte ist ein solcher, der vom Geist Gottes im Akt des Lesens inspiriert wird und zu einem neuen Verständnis seiner selbst gelangt (300). Unbeschadet aller Annäherungen im ökumenischen Gespräch besteht an dieser Stelle weiterhin ein theoretischer Gegensatz zwischen protestantischer und römisch-katholischer Schriftauslegung. Nach katholischer Tradition ist nämlich die Heilige Schrift „eher ins Herz der Kirche als auf Pergament geschrieben“ (Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 113). Die Schrift ist daher „in der lebendigen Überlieferung der Gesamtkirche zu lesen“ (ebd.), was nichts anderes bedeutet, als daß alles, was die Art der Schrifterklärung betrifft „letztlich dem Urteil der Kirche“ untersteht (II. Vaticanum, Dei Verbum 12,3). Die wissenschaftliche Exegese hat sich also nach wie vor dem kirchlichen Lehramt unterzuordnen. Dagegen besagt nach evangelischer Auffassung das Faktum, daß in der Kirche die Bibel gelesen wird, daß zwischen dem göttlichen Wort und jeder menschlichen Interpretation desselben zu unterscheiden ist. Das Einverständnis mit den biblischen Texten kann daher auch nicht zur Prämisse der Schriftauslegung erklärt werden, sondern realisiert sich je und je neu im Akt des Lesens als Überwindung der vorgängigen „Sünde im Verstehen“ (269: 83 ff.). Erschwert wird das Verstehen der biblischen Texte nämlich keineswegs in erster Linie durch ihren historischen Abstand, sondern durch den Widerspruch in der Sache, den der ungläubige Mensch gegen die biblische Sicht der menschlichen Existenz vor Gott einlegt. Wie jede Einzelauslegung sind freilich auch die Konfessionen als Gesamtinterpretationen der biblischen Schriften (550: 424) stets nur eine endliche Realisierung des biblischen Sinnpotentials. Dementsprechend ist heute eine ökumenische Hermeneutik zu entwickeln, welche sich nicht in der Aufgabe einer interkonfessionellen historisch-kritischen Bibelexegese erschöpft, sondern auf eine ökumenische Theologie zielt, die sich als dialogischer Versuch einer „konsequenten Exegese“ (Eberhard Jüngel) versteht (s. u. Kap. VIII).

b) Schrift und Tradition im ökumenischen Dialog Das Verhältnis von Schrift und Tradition gehört zu den wichtigen Themen des ökumenischen Dialogs. Zur Diskussion steht nicht nur das Verhältnis von Heiliger Schrift und kirchlicher Tradition oder das Problem eines kirchlichen Lehramtes und seines Auslegungsprivilegs, sondern auch die grundlegende Auffassung vom Wesen der Kirche und ihres geschichtlichen Auftrags.

4. Schrift und Tradition

In der Geschichte des Christentums haben sich drei klassische Positionen herausgebildet. Während die orthodoxen Kirchen die grundlegende Einheit von Schrift und Tradition behaupten, wobei die maßgebliche Tradition diejenige der Alten Kirche ist, erweitert sich dieses Schema in der römischkatholischen Tradition zur dreistelligen Relation von Schrift, Tradition und kirchlichem Lehramt. Demgegenüber besteht die klassische reformatorische Position auf dem unbedingten Primat der Heiligen Schrift gegenüber kirchlicher Tradition und Schriftauslegung und fordert, daß auch die Gestalt des Amtes biblisch zu begründen und seine Autorität durch die Schrift allein zu begrenzen ist. Die geschichtlichen Umbrüche der vergangenen Jahrhunderte, aber auch die verschiedenen bilateralen ökumenischen Dialoge der letzten Jahrzehnte haben seit dem 16. Jahrhundert bestehende Verhärtungen der konfessionellen Positionen aufweichen können und zu theologischen Annäherungen geführt (298; 399). Der katholische Neutestamentler Thomas Söding hält die Exegese des Alten und Neuen Testaments inzwischen sogar für „eine Vorkämpferin theologischer Ökumene“ (324: 76). Die gemeinsame Anerkennung der Bibel als maßgeblicher Urkunde der göttlichen Offenbarung bzw. des Wortes Gottes ist heute im Grundsatz unumstritten und hat sogar dazu geführt, daß das reformatorische „sola scriptura“ – in traditionsspezifischen Modifikationen – auch von anderen Konfessionen vertreten werden kann. Insbesondere die römisch-katholische Theologie hat im Zusammenhang mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil ihre traditionelle, von reformatorischer Seite vehement bekämpfte Deutung der kirchlichen bzw. lehramtlichen Tradition als einer eigenständigen Offenbarungsquelle neben der Heiligen Schrift deutlich korrigiert. Umgekehrt ist auf seiten des Protestantismus die ihm innewohnende Gefahr eines ahistorischen Biblizismus erkannt worden. Ferner sieht sich die evangelische Theologie durch die Krise des reformatorischen – besser gesagt: des altprotestantischen! – Schriftprinzips, die durch das moderne Geschichtsverständnis und die Aufklärung ausgelöst wurde, zu einer Neubewertung der Tradition und der Einbindung der Schrift in einen umfassenden Überlieferungsprozeß genötigt. Dementsprechend hat sich die kontroverstheologische Diskussionslage in den letzten Jahrzehnten grundlegend verändert. „Brachen die Dissense bisher zwischen den Konfessionen auf – teilweise ja unmittelbar im Prozeß ihrer Profilierung und daran maßgeblich beteiligt – oder aber innerhalb einer Kirche oder Konfession, so verlaufen die Bruchlinien heute weitgehend quer durch die Konfessionen und Kirchen“ (298: 162). Außerdem ist außerhalb Europas eine Reihe von kontextuellen Theologien entstanden, welche die Autorität der abendländischen Tradition des Christentums als alleiniger Norm für Theologie und Kirche bestreiten (s. o. Kap. III). Je radikaler und konsequenter solche Ansätze vertreten werden, desto deutlicher wird die Kluft zwischen einer Hermeneutik der (abendländischen) Tradition und einer pluralistischen Hermeneutik permanenter Inkulturation in eine Vielzahl von Kontexten. Hinzu kommt die Begegnung des Christentums mit anderen Religionen, die eine Vielzahl von zum Teil gegensätzlichen Entwürfen einer Theologie der Religionen hervorgebracht hat (513; 517). Umso dringlicher stellt sich das Problem einer neuen ökumenischen Hermeneutik (s. u. Kap. IX).

Drei klassische Positionen

Annäherungen im ökumenischen Dialog

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III. Biblische Hermeneutik Verbleibende Unterschiede

Die bisherige ökumenische Diskussion läßt jedoch noch viele Fragen offen. Das Verhältnis der Exegese zum kirchliche Lehramt gehört im evangelisch-katholischen Dialog nach wie vor zu den kritischen Punkten. Unbeschadet ihrer Aufwertung durch das Zweite Vatikanische Konzil bleibt die katholische Exegese an lehramtliche Entscheidungen von Papst und Bischöfen gebunden. Nach wie vor sollte sie sich „keinerlei Illusionen über ihren faktischen Einfluss und Stellenwert hingeben“ (324: 79). Daß auch die ökumenische Vorreiterrolle der Bibelexegese an ihre Grenzen stößt, hat sich 2005 gezeigt, als sich die Evangelische Kirche in Deutschland aus dem Projekt der katholischen Einheitsübersetzung zurückgezogen hat. Gemäß einer 2001 veröffentlichten vatikanischen Instruktion über den Gebrauch der Volkssprachen bei der Herausgabe der Bücher der römischen Liturgie behält sich Rom die Entscheidung über strittige Übersetzungen von Bibeltexten vor. Dieser Entscheidung hätten sich im Zweifelsfall auch evangelische Exegeten, die sich an der neuen Einheitsübersetzung beteiligen sollten, unterwerfen müssen. Evangelische Theologie und Kirche sehen dadurch das reformatorische Schriftprinzip in Frage gestellt. Problematisch ist auch das Verhältnis der westlichen zur östlichen Tradition auf dem Feld der biblischen Hermeneutik. Bisher sind die ökumenischen Dialoge mit Vertretern der orthodoxen Kirchen über einen gewissen Punkt der Annäherung nicht hinausgelangt, weil das beeindruckend geschlossene orthodoxe Modell der prinzipiellen Einheit von Schrift und Tradition an einer vorneuzeitlichen und vorkritischen Position festhält und die Moderne und die Tradition der europäischen Aufklärung prinzipiell ablehnt (vgl. 298: 148 f.). Stellt man sich aber den durch die Aufklärung und das neuzeitliche Geschichtsbewußtsein aufgeworfenen Fragen, stößt die den bisherigen ökumenischen Dialogen zugrunde liegende „Hermeneutik der Tradition, welche die Tradition des apostolischen Glaubens, wie er von der frühen Kirche bekannt worden ist, als normatives Kriterium für die ökumenische Kommunikation akzeptiert“ (548: 159), an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit. Das hermeneutische Problem betrifft dann nämlich nicht mehr Schrift und Kirche als einander statisch gegenüberstehende Größen, sondern den dynamischen Prozeß, in welchem sich Schrift und Geschichte befinden (298: 151). Es ist dieser dynamische Prozeß, der unter anderem zur Krise des sogenannten protestantischen Schriftprinzips geführt hat. Dabei sind die Transformationsprozesse mit zu berücksichtigen, denen die evangelische Lehre von der Heiligen Schrift und vom Wort Gottes in den vergangenen zwei Jahrhunderten unterworfen war (vgl. 86).

5. Reformatorisches Schriftprinzip a) Sola Scriptura? Das vierfache reformatorische „solus“

Es war die Reformation, welche der Schriftauslegung innerhalb der Theologie ihre zentrale Stellung zuwies, vollzog sich doch Luthers reformatorische Wende als exegetischer und hermeneutischer Paradigmenwechsel. Das Paradigma reformatorischer Schriftauslegung im Anschluß an Luther wird

5. Reformatorisches Schriftprinzip

durch das Geviert von sola scriptura, solus Christus, sola gratia und sola fide, charakterisiert, wobei das erkenntnisleitende Prinzip die auf doppelte Weise – nämlich als claritas externa und claritas interna – zu bestimmende claritas scripturae ist (WA 7,94 ff.; 7,309 ff.). Wie Luther hat auch Calvin seine Theologie in der Form der Schriftauslegung entfaltet, konkret in umfangreichen Kommentaren zu den biblischen Büchern. Auch Calvins „Institutio Christianae religionis“ (1536, 31559) muß in diesem Zusammenhang gewürdigt werden, wurde sie doch unter anderem zu dem Zweck verfaßt, Studierenden der Theologie einen Leitfaden zur rechten Schriftlektüre und Schriftauslegung an die Hand zu geben. Die Konkordienformel (1577) hat das sogenannte reformatorische Schriftprinzip folgendermaßen zusammengefaßt: „Solchergestalt wird der Unterschied zwischen der Heiligen Schrift Altes und Neuen Testamentes und allen andern Schriften erhalten, und bleibt allein die Heilige Schrift der einig Richter, Regel und Richtschnur, nach welcher als dem einigen Probierstein sollen und müssen alle Lehren erkannt und geurteilt werden, ob sie gut oder bös, recht oder unrecht sein. Die andere Symbola aber und angezogene Schriften sind nicht Richter wie die Heilige Schrift, sondern allein Zeugnis und Erklärung des Glaubens, wie jderzeit die Heilige Schrift in streitigen Artikuln in der Kirchen Gottes von den damals Lebenden vorstanden und ausgeleget, und derselben widerwärtige Lehr vorworfen und vordambt worden“ (BSLK 769,19 – 35). Gegenüber Luthers Verständnis der claritas scripturae als Ausgangspunkt und Grund (primum principium) aller Theologie beschränkt sich das so formulierte Schriftprinzip allerdings auf die kriteriologische Funktion der Schrift. Aufklärung und historische Kritik haben nicht nur die theoretischen Voraussetzungen reformatorischer Schriftauslegung, sondern den Begriff der Schrift als solchen, der ein dogmatisch-normativer ist, in Frage gestellt. Anders als der deskriptiv-literaturgeschichtliche Begriff „Bibel“ impliziert derjenige der Schrift Singularität, Normativität, Autorität und Kohärenz, welche nicht etwa in historischen Entwicklungen und kirchlichen Entscheidungen, sondern in Gott als dem eigentlichen Autor ihren Grund haben. Per definitionem aber kann die nachaufklärerische Geschichtswissenschaft nicht Gott selbst, sondern lediglich das sich sprachlich äußernde Gottesbewußtsein, nicht das Reden Gottes, sondern lediglich die Rede von Gott und den Gottesbegriff zum Gegenstand der Untersuchung machen. Eine der historischen Methode verpflichtete Theologie gerät in die Aporie, daß sich der von den biblischen Schriften intendierte Gegenstand als solcher – d. h. so, wie er beschrieben wird bzw. vorgeblich sich selbst beschreibt – der historischen Erkenntnis grundsätzlich entzieht. In seiner Göttinger Dogmatikvorlesung von 1924 bezeichnet Barth den Historismus schlicht als „Katastrophe“ (383: 265), die ihrerseits freilich die höchst problematische und von der historischen Kritik zu Recht destruierte Inspirationslehre der altprotestantischen Orthodoxie zur Voraussetzung habe. Die einfache Gleichsetzung von Schrift und Wort Gottes verbietet sich fortan. Die dadurch fraglich gewordene Autorität der Schrift versucht Barth durch die These zu verteidigen, wonach die Schrift zwar nicht Offenbarung ist, wohl aber bezeugt (380: 511). Doch bleibt das Problem der Inspirationslehre virulent, ist doch in erster Linie der Inspirationsbegriff für

Die klassische Beschreibung des reformatorischen Schriftprinzips in der Konkordienformel (1577)

Das Problem des Historismus

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III. Biblische Hermeneutik

Die Folgen der Aufklärung für das protestantische Schriftverständnis

die neuzeitliche Dauerkrise des protestantischen Schriftprinzips verantwortlich. Eine theologische Schrifthermeneutik muß sich daher auf neue Weise mit dem Problem der Inspirationslehre auseinandersetzen, und zwar nicht nur innerhalb ihrer Prinzipienlehre, sondern auch innerhalb der materialen Methodenlehre. Die mit der Aufklärung einsetzende Krise des sogenannten Schriftprinzips ist eine permanente. Seit überhaupt explizit von einem Schriftprinzip gesprochen wird, das als Formalprinzip neben dem Materialprinzip der Rechtfertigungslehre das Wesen des Protestantismus bestimme – und das ist erst seit dem 19. Jahrhundert der Fall – , ist dieses auch schon fraglich. Neben der historisch-kritischen Relativierung des Kanons steht die Kritik an der einseitigen Dominanz des Mediums Schrift, d. h. der Literalität gegenüber der Oralität im Protestantismus. Dieser Vorwurf ist heute z. B. von der Befreiungstheologie zu hören. „In der Optik der ,Peripheriebevölkerung‘, der Armen, die nicht lesen und nicht schreiben, sondern ,religiöse Inhalte durch Riten, Symbole, Lieder, Tänze, Ekstase, heilige Handlungen, Gebetsformeln, Merkverse, Erzählungen – aber auch durch Protestmärsche, Streiks und gewalttätige Aktionen‘ kommunizieren, erscheint das reformatorische Sola-ScripturaPrinzip als ,Monopol der Gebildeten über die Wahrheit‘“ (298: 55). Im Rückblick auf den Kirchenkampf während der Zeit des Nationalsozialismus hat freilich Karl Barth die positive Bedeutung des Schriftprinzips gerade für eine politische Theologie herausgestellt. Überhaupt ist zu beachten, daß schon für Luther keineswegs die Schrift als solche, sondern deren äußere und innere Klarheit das „primum principium“ aller Theologie war. Die Rede von einem formalen Schriftprinzip bzw. einem formalen Prinzip der Schriftgemäßheit bedeutet gegenüber Luthers inhaltlicher Bestimmung der Klarheit der Schrift eine deutliche Verkürzung, die sich nach Barth bereits in der altprotestantischen Hochorthodoxie abzeichnet. Seit der Aufklärung aber wurde das Schriftprinzip „durch das neue Dogma De religione erst konkurrenziert, dann faktisch, dann weithin auch theoretisch verdrängt“ (380: 508). Nach Barth aber kulminiert die Krise des protestantischen Schriftprinzips aber im Kirchenkampf 1933 ff., in welchem die „ganze schleichende Erkrankung der letzten Jahrhunderte [!] auf einmal akut geworden sein dürfte“, wie umgekehrt die Barmer Theologische Erklärung von 1934 als Bewährungsprobe des unaufgebbaren Schriftprinzips zu verstehen gewesen sei (380: 508 f.).

b) Historisch-kritische und erfahrungsbezogene Zugänge zur Bibel Exegese und Spiritualität

Nach christlicher Tradition gilt die Heilige Schrift in besonderer Weise als vom Heiligen Geist inspiriert. Das Problem der Inspirationslehre macht sich auch an der Unterscheidung von Geist und Buchstabe fest. Beide bilden nach reformatorischer Tradition freilich keinen Gegensatz. Vielmehr gilt gerade die Auslegung der Schrift als ausgezeichneter Ort der Geisterfahrung. Exegese und Spiritualität bilden freilich einen hermeneutischen Zirkel. So wenig Exegese ohne den Beistand des Geistes zum Ort der Geisterfahrung werden kann, so sehr ist die Exegese ihrerseits als Medium des Wirkens des Geistes zu verstehen. Eine Exegese ohne Spiritualität ist darum ebenso abzulehnen wie eine Spiritualität ohne Exegese.

5. Reformatorisches Schriftprinzip

Dieser Sachverhalt läßt sich an Luthers Unterscheidung zwischen äußerer und innerer Klarheit der Schrift, zwischen der claritas externa und der claritas interna verdeutlichen (vgl. WA 18,606 ff.). Das äußere Wort vermag nichts ohne das Wirken bzw. das innere Zeugnis des Heiligen Geistes, auch testimonium spiritus sancti internum genannt. Nur so kann das äußere Wort zum Medium des Geistes werden, dessen Werk in der Gewißheit des Glaubens besteht. Es bezieht sich das testimonium spiritus sancti internum aber auf nichts anderes als das äußere Wort, d. h. auf die äußere, philologischgrammatische Klarheit des Wortlauts der biblischen Texte (317; 274). Zwischen Exegese und Spiritualität besteht also bei Luther ein innerer Zusammenhang, der sich freilich unter neuzeitlichen Bedingungen aufzulösen droht. Nachdem mit dem Entstehen der historisch-kritischen Bibelauslegung die voraufklärerische Inspirationslehre in die Krise geriet, wird inzwischen die historisch-kritische Exegese selbst von einer Legitimationskrise erschüttert (334). An den Universitäten ist sie weiterhin unangefochten. In der kirchlichen und religionspädagogischen Praxis aber wird ihr Nutzen durchaus in Frage gestellt. Sogenannte alternative Methoden der Bibelauslegung und eine „wilde Exegese“ stoßen dagegen auf breite Zustimmung. Im Kern lautet die sich formierende Kritik an der historisch-kritischen Exegese, daß sie dem Bedeutungsverlust der Bibel Vorschub leistet, indem sie zu einem religiösen Erfahrungsverlust führt (308). Entgegen ihrem erklärten Ziel gelinge es der historisch-kritischen Bibelauslegung nicht, die Lebensund Erfahrungswelt der biblischen Schriften, ihrer Autoren und ihrer ursprünglichen Leser zu erschließen, geschweige denn diese mit unserer heutigen Erfahrungswelt zu vermitteln. Die Historie erwecke die alten Texte nicht zu neuem Leben, sondern sei deren Totengräber. Historische Textanalyse und Rekonstruktion verhindere jene Leseerfahrung, die doch das Ziel jeder Bibellektüre sein sollte, nämlich eine neue „Erfahrung mit der Erfahrung“ zu machen (161: 114). So nimmt es nicht wunder, daß nach neuen, erfahrungsbezogenen Zugängen zur Bibel gesucht wird (301; 275). Um solche Zugänge bemühen sich je auf ihre Weise die Ansätze einer tiefenpsychologischen, einer feministischen, einer befreiungstheologischen oder auch einer materialistischen Exegese. So unterschiedlich ihre Zugangsweisen im einzelnen sind, so verbindet sie doch die Überzeugung, daß Sinn und Bedeutung biblischer Texte nicht auf die – historisch-kritisch zu erhebende – bewußte Aussageabsicht ihrer Verfasser reduziert werden darf, sondern daß auch Tieferliegendes, Unbewußtes in die Texte eingeflossen ist. Der Sinn eines biblischen Textes erschließe sich daher in vollem Umfang erst, wenn seine Tiefenschichten freigelegt würden. Gegenüber der von der historisch-kritischen Bibelauslegung postulierten Eindeutigkeit und Einsinnigkeit wird den Texten der Bibel somit eine Mehrdeutigkeit und Vielstimmigkeit zugestanden, wie sie – wenn auch unter anderen gedanklichen Voraussetzungen – in ähnlicher Weise die altkirchliche und mittelalterliche Lehre vom mehrfachen Schriftsinn angenommen hat. Führt also die Kritik an der historisch-kritischen Forschung zur Rehabilitierung der von dieser wie von der Reformation (vor allem von Luther) verworfenen allegorischen Schriftauslegung? Unübersehbar sind jedenfalls die Berührungspunkte zwischen der vorreformatorischen Auslegungstradition und heutigen Ansätzen einer tiefenpsy-

Erfahrungsverlust und erfahrungsbezogene Zugänge zur Bibel

Tiefenpsychologie und Exegese

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III. Biblische Hermeneutik

Offene Fragen allegorischer Schriftauslegung

chologischen Exegese. Beide Auslegungsweisen teilen die Überzeugung, daß die biblischen Texte nicht eindimensional gelesen werden dürfen, weil ihr Wortlaut doppeldeutlich ist (325). Wie die mittelalterliche Lehre vom mehrfachen Schriftsinn begreifen auch die verschiedenen Ansätze einer tiefenpsychologischen Schriftauslegung die Texte der Bibel nicht nur als historische Dokumente vergangener Glaubens- und Lebenserfahrungen, sondern auch als Medium heutiger, persönlicher Glaubenserfahrungen. Nach allegorischer wie nach tiefenpsychologischer Auffassung sprechen die biblischen Texte nicht nur den menschlichen Verstand, sondern alle Schichten des Daseins an. Sie haben es also auch mit unserem Körper und unseren Gefühlen zu tun. Die Frage drängt sich auf, ob nicht das heutige Gespräch zwischen Tiefenpsychologie und biblischer Exegese zu einer Neubewertung der von den Reformatoren wie von der Aufklärung abgelehnten Tradition allegorischer Schriftauslegung führen muß. Gleiches gilt vom Bibliodrama, das den Zugang zu biblischen Texten auf dem Weg eines in einer Gruppe stattfindenden Spiel- und Interaktionsprozesses sucht, in dem sich Texterfahrung und Selbsterfahrung wechselseitig durchdringen (321: 132). Wie aber läßt sich das sachliche Recht der Tradition allegorischer Schriftauslegung und ihrer Lehre von einem mehrfachen Schriftsinn vom exegetischen Standpunkt aus begründen? Und wo überschreitet geistliche Exegese möglicherweise die Grenze zur Spiritualität ohne echte Exegese, d. h. zu einer Lektüre, die aus den Texten der Bibel nichts herausliest, sondern nur etwas in sie hineinliest, so daß die Texte selbst allenfalls der Aufhänger oder das Ornament für religiöse Bewußseinslagen sind?

c) Die Lehre vom mehrfachen Schriftsinn und ihre Kritik Allegorie und Allegorese

Typologie und typologische Schriftauslegung

„Allegorese“ ist ein noch recht junger Begriff aus den Sprach- und Literaturwissenschaften. Er bezeichnet eine Auslegungstechnik, die einen Text, der keine Allegorie darstellt, so behandelt, als ob er allegorisch wäre (277). Ist die Allegorese eine Methode der Auslegung, d. h. der Rezeption von Texten, so die Allegorie ein Verfahren der Textproduktion. Unter dem seit dem 1. Jahrhundert v. Chr. nachweisbaren griechischen Begriff allegoria faßt die antike Rhetorik sowohl Regeln zur Abfassung wie zur Interpretation von Texten zusammen. Als Auslegungstechnik spielt die Allegorese schon in vorchristlicher Zeit eine wichtige Rolle bei der Interpretation heiliger Texte. Im Unterschied zu einer historisch-philologischen Interpretation erfordert jede Allegorese die Annahme eines mindestens zweifachen Textsinns. Die buchstäbliche Bedeutung eines Textes, um dessen Erfassung sich die grammatische Interpretation bemüht, wird seit der Antike als sensus litteralis oder Literalsinn bezeichnet, seine unterstellte figurative, übertragene Bedeutung als sensus spiritualis, d. h. als geistiger oder geistlicher Sinn. Diese Unterscheidung ist auch für die im folgenden nachzuzeichnende Tradition christlicher Allegorese grundlegend. Die Ursprünge allegorischer Bibelauslegung liegen bereits in neutestamentlicher Zeit. Ihr Anstoß war die Frage, mit welchem Recht und mit welcher Auslegungsmethode die christliche Gemeinde die heiligen Schriften des Judentums als heilige Schriften auch für den christlichen Glauben in

5. Reformatorisches Schriftprinzip

Anspruch nehmen durfte. Paulus gab eine Antwort, indem er das Alte Testament typologisch interpretierte. Wiewohl der Begriff der Typologie eine sprachliche Neuschöpfung des 19. Jahrhunderts ist (vgl. 307: 451), findet sich die Sache doch schon bei Paulus, der in I Kor 10,6 erklärt, die Bestrafung der abtrünnigen Israeliten auf der Wüstenwanderung durch Gott sei als Vorbild (griechisch: typos) für die Christen zu deren Warnung erfolgt. Adam war nach Röm 5,14 ein Bild (typos) des kommenden Christus. Typologisch ist auch die Deutung von Hagar und Sara in Gal 4,24ff, welche nach Auffassung des Paulus urbildlich den Sinaibund und den Neuen Bund darstellen und zugleich auf das irdische bzw. das himmlische Jerusalem hinweisen. Daß Paulus die alttestamentliche Erzählung von Hagar und Sara als Allegorie bezeichnet (allegoreuein), zeigt uns, daß die spezifisch neutestamentliche Typologie eine Variante der allgemein bekannten Allegorese ist. Was sie von der üblichen Allegorese unterscheidet, ist allerdings der Grundgedanke, wonach die Doppeldeutlichkeit alttestamentlicher Texte nicht etwa bloß in der Mehrdeutigkeit einzelner Wörter besteht. Die typologische Exegese geht vielmehr davon aus, daß die durch ein Wort bezeichnete Sache doppeldeutig ist. Doppeldeutlich sind die Personen oder Ereignisse, von denen das Alte Testament berichtet, nach typologischer Auffassung aber deshalb, weil sie in einem heilsgeschichtlichen Zusammenhang mit den neutestamentlichen Vorgängen stehen. Sie bereiten selbst das Christusgeschehen vor, das sie zugleich urbildlich vorwegnehmen. Im Unterschied zur Homer-Allegorese der Stoa, die sowohl für das hellenistische Judentum als auch für die christliche Exegese zum methodischen Vorbild wurde, blendet die typologische Auslegung den geschichtlichen Abstand zwischen Text und Leser nicht einfach aus, sondern macht ihn im Schema von Verheißung und Erfüllung ausdrücklich, um ihn so freilich auch zu überbrücken. Durch den heilsgeschichtlichen Ansatz einer typologischen Auslegung des Alten Testaments erhält die Allegorese darüber hinaus schon bei Paulus eine spezifisch christlich-theologische Begründung. In altkirchlicher Zeit wurde die allegorische Schriftauslegung auf die neutestamentlichen Schriften ausgedehnt, die im Verlauf eines im 2. Jahrhundert einsetzenden Prozesses neben dem alten Testament kanonischen Rang erhielten. Als theologische Begründung diente vor allem die folgenreich umgedeutete Aussage des Paulus aus II Kor 3,6: „Der Buchstabe tötet, aber der Geist macht lebendig.“ Während Paulus das mosaische Gesetz mit dem Wirken des lebendigen Christus kontrastiert hatte, wurde seine Antithese von Buchstabe und Geist abgewandelt und nicht mehr als heilsgeschichtlich-eschatologische Aussage, sondern als Beschreibung einer ontologischen und erkenntnistheoretischen Stufenfolge verstanden. Zu Beginn des 3. Jahrhunderts hat der alexandrinische Theologe Origenes erstmals die allegorische Bibelexegese eingehend theoretisch reflektiert und eine spezifisch christlich-theologische Theorie der Hermeneutik entwickelt. Im 4. Buch seines Werks „Über die Grundlehren der Glaubenswissenschaft (Peri archon)“ (314: 668 – 821) formuliert Origenes die Lehre eines dreifachen Schriftsinns, die er in seinen Kommentaren und Homilien freilich keineswegs konsequent angewandt hat. Die Auslegungsgeschichte der Bibel im lateinischen Westen ist nachhaltig von Augustin bestimmt worden. Er

Geschichte und Entwicklung der Lehre vom mehrfachen Schriftsinn

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III. Biblische Hermeneutik

Geistliche Exegese im 20. Jahrhundert

verband die von Origenes herkommende Methode geistlicher Schriftauslegung mit derjenigen der sogenannten Antiochenischen Schule, welche im Gegensatz zu Origenes die grammatisch-philologische Erhebung des Literalsinns als Hauptaufgabe der Exegese betrachtet. Besonders einflußreich wurde Augustins Schrift „De spiritu et littera“ (Text in: CSEL 60, 155 – 230; MPL 44, 199 – 246). Augustin hielt die Allegorese allerdings nur dort für erlaubt, wo sie nicht lediglich in der Mehrdeutigkeit der Einzelwörter, sondern in der Symbolträchtigkeit der von ihr bezeichneten Gegenstände begründet sei. Seine Schriftauslegung fußt also auf der (neuplatonischen) Auffassung, daß die sichtbare Wirklichkeit Gottes zu symbolisieren vermag. Im Mittelalter wurde die Lehre von der Doppeldeutlichkeit der Heiligen Schrift zur Lehre von einem vierfachen Schriftsinn ausgebaut (280). Bereits im 5. Jahrhundert hat Johannes Cassianus diese Lehre formuliert. Er unterschied zwischen historischer Erklärung (historica interpretatio) und geistlichem Verstehen (intelligentia spiritualis), welches sich in tropologia, allegoria und anagoge untergliederte. Ein bekannter mittelalterlicher Merkvers bringt die Theorie des mehrfachen Schriftsinns auf die griffige Formel: „Littera gesta docet, quid credas allegoria, / moralis quid agas, quo tendas anagogia.“ Ungeachtet der noch zu erörternden Kritik der Reformatoren am vierfachen Schriftsinn und des Aufkommens historisch-kritischer Auslegungsmethoden hielt sich die Allegorese nicht nur in der katholischen Kirche, sondern auch im neuzeitlichen Protestantismus. Das gilt für die altprotestantische Orthodoxie wie für den Pietismus. Während die geistliche Schriftauslegung katholischer Prägung eher der Allegorese zuneigt, praktizieren protestantische Vertreter geistlicher Exegese eher eine typologische Auslegung. Ein klassisches Beispiel der typologischen Exegese des Alten Testaments im 20. Jahrhundert ist das Werk des evangelischen Theologen Wilhelm Vischer (332). An den Universitäten führt die geistliche Exegese nur noch ein Schattendasein. Das gilt seit dem zweiten vatikanischen Konzil auch für die katholische Theologie, die sich seither den Methoden der historisch-kritischen Bibelauslegung geöffnet hat. Einzig in der katholischen Theologie Frankreichs hat sie sich in gewissem Umfang behaupten können. Vor allem das Lebenswerk der beiden Jesuiten-Kardinäle Jean Daniélou und Henri de Lubac, die sich intensiv der Origenes-Interpretation gewidmet haben, muß in diesem Zusammenhang erwähnt werden. Im deutschen Sprachraum lebt die Tradition geistlicher Exegese im Werk des Theologen Hans Urs von Balthasar sowie in den Schriften Romano Guardinis und Hugo Rahners fort. Lubac und andere Vertreter einer geistlichen Exegese im 20. Jahrhundert bevorzugen die Bezeichnung „geistige“ bzw. „geistliche Exegese“, um ihren Ansatz von jenen Spielarten der Allegorese abzugrenzen, denen man den Vorwurf exegetischer Willkür machen kann. Die Arbeiten Lubacs oder auch Hugo Rahners (z. B. 316) sind für die gegenwärtige Diskussion auch deshalb bedeutsam, weil sie bereits die Frage nach dem Verhältnis von Tiefenpsychologie und Exegese aufgeworfen haben. Lubac etwa hat sich zwar gegen die Gleichsetzung von göttlichem Geist (pneuma) und menschlicher Psyche verwahrt und die geistliche Exegese von einer tiefenpsychologischen Bibelauslegung deutlich abgehoben. Gleichwohl konnte er die Arbeiten Sigmund

5. Reformatorisches Schriftprinzip

Freuds und Carl Gustav Jungs als Wegbereiter eines Denkklimas würdigen, das der alten Tradition geistlicher Schriftauslegung weitaus besser entspreche als dasjenige des Rationalismus oder des Pragmatismus. Tiefenpsychologie und philosophischer Existentialismus könnten den Weg zu einer Synthese von historisch-kritischer und geistlicher Schriftauslegung bereiten (307: 503). Diesen Brückenschlag hält heute auch der katholische Theologe Josef Sudbrack für möglich und nötig (326). Während das katholische Lehramt die Tradition der geistlichen Exegese und die Lehre vom vierfachen Schriftsinn ausdrücklich bejaht (vgl. Katechismus der Katholischen Kirche Nr. 115 – 119), wirkt in der evangelischen Theologie bis heute die Kritik der Reformatoren, insbesondere Luthers, an dieser Lehre nach. Wiewohl Luther in seinen Anfängen selbst das Alte Testament allegorisch ausgelegt hatte, lautete sein Urteil später: „Wehren kan mans nicht, das man nicht solt Historien fur sich nemen und heimliche bedeutung draus ziehen, welches Paulus nennet Mysteria […]. Aber man verleuret daruber den rechten grund und verstand der Schrifft und furet die leute auff eitel Holczwege“ (Martin Luther, WA 16,68,11 f.; 69,28 – 30). Schon die vorreformatorische Reformbewegungen hatten die Lehre vom vierfachen Schriftsinn verworfen. Aber erst Luthers These, allein die Schrift habe als Quelle und Norm des Glaubens zu gelten, weil allein der von ihr bezeugte Christus der Grund des Glaubens sei, allein aber der Glaube den Sünder vor Gott rechtfertige, stellte die Kritik an der Lehre vom vierfachen Schriftsinn auf eine neue theologische Grundlage. Es war seine reformatorische Grunderkenntnis von der Rechtfertigung des Sünders aufgrund des Christusglaubens, durch die bei Luther das traditionelle Schema von Buchstabe und Geist und des vierfachen Schriftsinns von innen her umgewandelt wurde (149: 251). Für Luther verband sich der allegorische Sinn der Schrift, nämlich der Glaube an Christus, mit dem Literalsinn, den er mit Christus und dem, „was Christum treibet“ gleichsetzte. Das dreifache „allein“ (solus) Luthers hat zur Voraussetzung, daß die Schrift in sich klar und für jedermann verständlich ist. Das Verstehen konzentriert sich darum bei Luther zunehmend auf den buchstäblichen Sinn. Die Schrift legt sich selbst aus für den, der von jenen Texten aus, deren Literalsinn sich eindeutig feststellen läßt, die Aussagen mehrdeutiger Texte zu interpretieren versucht. Trotz seiner Ablehnung der Lehre vom vierfachen Schriftsinn gehört Luther in die Tradition der geistlichen Schriftauslegung, insofern sein „Christus allein“ in Verbindung mit dem „allein die Schrift“ bedeutet, daß er das alte Testament als Christuszeugnis interpretiert. Die Gründe, welche Luther gegen die Auslegungsmethode der Allegorese vorbringt, decken sich nicht mit denjenigen, die in späterer Zeit die historisch-kritische Forschung gegen die Allegorese vorgebracht hat. Während für Luther Jesus Christus der Literalsinn des alten Testaments ist, besteht der buchstäbliche Sinn der alttestamentlichen Schriften für eine historisch-kritische Lektüre einzig in dem historisch Berichteten bzw. in der vorchristlichen Aussageabsicht der historischen Verfasser. Wenn die Neuzeit die historisch-kritische Erforschung der Bibel hervorbrachte, entwickelte sie damit nicht ohne weiteres das reformatorische Schriftverständnis Luthers fort. Aus Sicht der modernen Linguistik und der heutigen Literaturwissenschaften wird man sagen müssen, daß die Theorie des vierfachen Schriftsinns,

Luthers Kritik an der Lehre vom mehrfachen Schriftsinn

Unterschiede zwischen Luthers Schriftverständnis und moderner historisch-kritischer Exegese

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III. Biblische Hermeneutik Allegorische Schriftauslegung aus Sicht der modernen Literaturwissenschaften

die sämtlichen Texten der Bibel eine allegorische Bedeutung unterstellt, einen Kategorienfehler begeht. Was sie nämlich bei Texten, die von ihren Autoren gar nicht allegorisch gemeint sind, als weitere Bedeutungsebenen zu erkennen glaubt, sind in Wahrheit keine weiteren Bedeutungen, die dem Text innewohnen, sondern Auslegungsebenen, die der Leser wählt, um den Text auf sich und seine Lebenswelt zu beziehen. Sie verwechselt Sinn und Bedeutung eines Textes mit seinem Gebrauch. Die Unterscheidung von Sinn und Gebrauch eines Textes wird auch in der gegenwärtigen Diskussion um das Recht alternativer Auslegungsmethoden, insbesondere einer tiefenpsychologischen Exegese, nicht immer hinreichend beachtet. Übersieht die heute vorherrschende historisch-kritische Exegese die Autonomie des Textes gegenüber seinem Autor, so freilich die Allegorese im Extremfall seine Autonomie gegenüber dem Leser. Ungeachtet dieser Kritik behalten Typologie und Allegorese ihr Recht, insofern jeder Akt des Bibellesens ein doppelter Auslegungsvorgang ist: In ihm wird nicht etwa nur der Text durch den Leser ausgelegt, sondern auch umgekehrt der Leser durch den Text. Allegorische oder typologische Exegese legt weniger den Text als seinen Leser aus, gehört aber insofern legitimerweise in einen umfassenden Akt des Lesens.

d) Reformatorisches Schriftprinzip und leserorientierte Texttheorien Defizite historischkritischer Texttheorien

Sinnvolle Ergänzung von historischkritischer Exegese und synchronen Interpretationsmethoden

Der gegenwärtige Methodenstreit um die richtige Bibelauslegung kann aus falschen Alternativen herauskommen, wenn die Ergebnisse der neueren Literaturwissenschaften in die Diskussion einbezogen werden (vgl. auch 287). Diese besagen u. a., daß jedes Verstehen eines Textes immer schon zugleich eine Form der Aneignung ist. Sie zeigen außerdem, daß der buchstäbliche Sinn eines Textes keineswegs so eindeutig feststeht, wie uns die historisch-kritische Exegese glauben machen will. Nach Auffassung der herkömmlichen historisch-kritischen Bibelauslegung besteht der Sinn eines Textes in dem, was sein Verfasser seinen einstigen Lesern hat sagen wollen. Ihr Ziel ist daher die Rekonstruktion der Aussageabsicht des historischen Autors. Die historisch-kritische Exegese übersieht jedoch zumeist, daß die Frage nach der Intention des Verfassers bei vielen Texten, insbesondere bei solchen, die wie die biblischen eine poetische Qualität haben, nicht sehr weit trägt. Auch vernachlässigt sie weithin, daß sich die Verstehensbedingungen schriftlicher Texten von denjenigen der mündlichen Kommunikation grundlegend unterscheiden. Sobald nämlich die Rede vom mündlichen Wort zur Schrift übergeht, wird sie, wie oben schon dargestellt wurde, gegenüber der Intention ihres Urhebers autonom. Wird dies beachtet, so lassen sich aber aus der Beschäftigung mit rezeptionsorientierten Texttheorien wichtige Grundeinsichten für die biblische Exegese gewinnen. Eine dieser Einsichten lautet, daß die Exegese vor aller Einzelauslegung nicht nur den Werkcharakter biblischer Bücher, sondern auch den Standort des Auslegers zu reflektieren hat. Ferner ist gegenüber der herkömmlichen Schrittfolge des historisch-kritischen Methodenkanons die Synchronie vor der Diachronie zu betonen. Das bedeutet keineswegs, daß Methoden der diachronen Textinterpretation aufzugeben und nur noch werkimmanente Interpretationen vorzunehmen wären. Aber noetisch ist zu

5. Reformatorisches Schriftprinzip

bedenken, daß alle Fragen nach diachronen Merkmalen von Texten und solche nach den Umständen seiner Abfassung immer an den uns als synchrone Einheit vorliegenden Text in seiner Endfassung zu richten sind. Insofern gewinnt auch eine sogenannte kanonische Bibellektüre ihr Recht zurück, ohne daß sie gegen die historisch-kritische Werkanalyse und Einzelanalyse ausgespielt werden dürfte. So fruchtbar das Gespräch zwischen Theologie und moderner Literaturwissenschaft für die Exegese auch ist, so problematisch ist es, wenn die Einsichten der literarischen Hermeneutik, der Rezeptionsästhetik oder poststrukturalistischer Texttheorien unkritisch auf die grundlegenden Texte des Christentums, d. h. die Texte der Bibel angewandt werden (318: 351 ff.). Als Heilige Schrift gelesen sind die biblischen Texte im Christentum nämlich nicht nur klassische, sondern autoritative und normative Texte, die zudem als Medium gegenwärtiger Gotteserfahrung gelten. Die Anschlußfähigkeit, welche Theologie und Exegese durch die Übernahme der genannten Texttheorien vorderhand gewinnt, birgt die Gefahr in sich, die Theologie in Literaturwissenschaft aufzulösen. Zwar eröffnet die von der Semiotik, dem Strukturalismus und Poststrukturalismus angestoßene Debatte über eine „nachkritische“ Exegese neue Verständigungsmöglichkeiten zwischen dogmatisch und historisch verfahrender Schriftauslegung. Hinter dem vieldeutigen Begriff einer „nachkritischen Schriftauslegung“ (330) stehen aber recht disparate Ansätze, in denen die Aporie von historischer und dogmatischer Methode keineswegs schon gelöst ist, sondern wiederkehrt, sofern die Wahrheitsfrage nicht preisgegeben wird. Die dogmatischen Probleme, welche leserorientierte Texttheorien einer reformatorischen Schriftlehre bereiten, sollen an einigen Bemerkungen Umberto Ecos verdeutlicht werden. Wie auch andere Vertreter einer literarischen Hermeneutik oder Rezeptionsästhetik unterstreicht Eco die Notwendigkeit der Mitarbeit des Lesers am Zustandekommen eines Textsinnes. Der Text ist für ihn „eine träge Maschine […], welche dem Leser ein hartes Stück Mitarbeit abverlangt, um gewissermaßen die weißen Stellen, die frei geblieben sind, die Räume des Nicht-Gesagten und des Schon-Gesagten auszufüllen“ (16: 29). Der Text fordert „die Mitarbeit des Lesers als wesentliche Bedingung seiner Aktualisierung“, weil er „ein Produkt ist, dessen Interpretation Bestandteil des eigentlichen Mechanismus seiner Erzeugung sein muß“ (16: 65). Folglich lautet die negative Konsequenz: „Insofern ein Text aktualisierbar ist, ist er unvollständig“ (16: 61). Sofern diese Feststellung auch auf die Texte des biblischen Kanons zutrifft, stellt sich um so dringlicher die Frage nach der Stichhaltigkeit des reformatorischen Schriftprinzips. Die altprotestantische Orthodoxie hat dieses durch die Behauptung absichern wollen, die Schrift allein sei vollkommen und alleinwirksam beim Entstehen des Glaubens. Die behauptete perfectio (Vollkommenheit), sufficientia (Hinlänglichkeit) und efficacia (Wirksamkeit) der Schrift scheint nun aber durch rezeptionsorientierte Texttheorien, welche der Mitarbeit des Lesers beim Zustandekommen des Textsinnes und damit des Textes selbst eine wesentliche Rolle zuschreiben, ebenso widerlegt zu werden wie schon zuvor auf andere Weise durch die historisch-kritische Exegese. Dogmatisch gesprochen stellt sich das Problem des Synergismus, das weitreichende Konsequenzen nicht nur für die Schrift-

„Nachkritische Schriftauslegung“

Dogmatische Probleme leserorientierter Texttheorien

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III. Biblische Hermeneutik

Lösungsansätze bei M. Kähler und P. Tillich

Biblische Hermeneutik und Inspirationslehre

Glauben als Weise des Sich-Verstehens vor dem biblischen Text

lehre, sondern auch für die Rechtfertigungs- und Gnadenlehre hat. Gehört der Leser konstitutiv in den biblischen Text, ist er es, der den Text durch seine Aktualisierung im Akt des applikativen Lesens allererst neu produziert, dann scheint sich der Glaubensgrund außerhalb des religiösen Subjektes, das extra nos des Heils, auf welchem die Reformatoren mit Nachdruck bestanden haben, als Illusion zu entpuppen. Dieser Schluß ist jedoch nicht zwingend, wie ein Blick auf die Christologie Martin Kählers und die durch ihn beeinflußte Christologie Paul Tillichs zeigt. Kählers christologische Konzeption ist gerade darin wegweisend, daß sie im Grunde ein rezeptionsästhetisches Modell entwickelt. Nach Kähler besteht die Geschichtlichkeit Jesu nämlich in seiner Wirkungsgeschichte. „Was aber ist die Wirkung, die durchschlagende, welche dieser Jesus hinterlassen hat? Laut Bibel und Kirchengeschichte keine andere als der Glaube seiner Jünger“ (296: 38 f.). Kählers Schüler Tillich hat seinen wirkungsgeschichtlichen Ansatz in seiner eigenen Christologie fortgeführt und erklärt, nicht nur der Glaube der Christen, sondern auch das Neue Testament, also die schriftliche Urkunde dieses Glaubens, sei „ein integrierender Bestandteil des Ereignisses, das es bezeugt. Es repräsentiert die aufnehmende Seite jenes Ereignisses und bezeugt seine faktische Seite“ (411: 128). Unter Aufnahme rezeptionsästhetischer Einsichten läßt sich der Gedanke Tillichs in der Weise fortführen, daß nicht nur der Glaube der ersten Jünger, sondern auch der heutige Leser ein integrierender Bestandteil des von den neutestamentlichen Schriften bezeugten Ereignisses und somit ein Bestandteil der Schrift selbst ist. Eine dogmatische Interpretation der im Sinne einer literarischen Hermeneutik bestehenden Unvollständigkeit der biblischen Texte hat ihren Ausgangspunkt in der Pneumatologie zu suchen. Ebenso hat es ja die als produktionsästhetische Texttheorie interpretierbare altprotestantische Lehre von der Verbalinspiration getan. Sie unterschied zwischen Gott als der causa principalis und den inspirierten menschlichen Autoren als den causae instrumentales (289: 16 [Loci Theologici I,12,18]). Eine literarische Hermeneutik erlaubt es und nötigt geradezu, zu der anscheinend längst obsolet gewordenen Inspirationslehre zurückzukehren, um sie freilich grundlegend umzuformulieren. Rezeptionsästhetisch muß sie als Lehre vom inspirierten Leser rekonstruiert werden (300). Zwischen subjektiver Aufnahme des Christusereignisses im Sinne Tillichs und Rezeption oder Applikation im Sinne einer allgemeinen Hermeneutik ist allerdings theologisch zu unterscheiden. Aufnahme meint bei Tillich eine qualifizierte Weise der Rezeption, nämlich den Glauben als bestimmte Weise des Verstehens. Der Glaube aber ist ein Verstehen biblischer Texte, durch welches der Leser nicht nur in den Text gerät, um ihn zu vervollständigen, sondern durch welches er seinerseits verwandelt wird, indem er sich neu verstehen lernt. Ist Glaube im Sinne Bultmanns ein Sich-Verstehen, so mit Ricœur gesprochen ein Sich-Verstehen vor dem Text. „Es heißt nicht, dem Text die eigene begrenzte Fähigkeit des Verstehens aufzuzwingen, sondern sich dem Text auszusetzen und von ihm ein erweitertes Selbst zu gewinnen, einen Existenzentwurf als wirklich angeeignete Entsprechung des Weltentwurfs“, den ein Text bereitstellt (202: 33). Dies bedeutet, daß im Akt des Lesens nicht

5. Reformatorisches Schriftprinzip

etwa nur der Text durch den Leser, sondern dieser durch den Text als Subjekt neu konstituiert wird. Der Leser findet sich nur, indem er sich im Akt des Lesens verliert und so eine neue Freiheit gewinnt, welche theologisch gesprochen die Freiheit des Glaubens ist. Für das soteriologische Problem der Suffizienz der Schrift folgt aus diesen Überlegungen, daß die biblischen Texte zwar in gewissem Sinne durchaus unvollständig sind, sich aber selbst den Leser schaffen, dessen sie zu ihrer Vervollständigung bedürfen. Sie sind eine Strategie, traditionell gesprochen ein medium salutis (Heilsmittel), das Glauben provoziert. Wo sich im Akt des Lesens gläubige Rezeption ereignet, vervollständigt sich der Text im Sinne der ihm innewohnenden intentio operis. Suffizient, wie dies die altprotestantische Orthodoxie genannt hat, sind die biblischen Texte in dem Sinne, daß sie hinreichend sind als alleiniges Stimulans gläubiger Rezeption, die sich ihrerseits nicht als autonome Leseleistung, sondern als Gabe, nämlich als Frucht des Lesens begreift. Die rezeptionsästhetische Feststellung, daß die biblischen Texte wie andere Texte auch erst durch den Leser realisiert werden, muß also dem sola scriptura reformatorischer Theologie nicht unbedingt widersprechen.

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IV. Hermeneutik der Geschichte des Christentums 1. Geschichte und Geschichtlichkeit des christlichen Glaubens a) Historismus und „neue Hermeneutik“ Grundthesen des Historismus

Die Krise des Historismus

Wie Hermeneutik allgemein eine Antwort auf das Problem der Geschichte ist, nämlich auf die Erfahrung von Herkömmlichkeit und Vergänglichkeit, so ist die moderne Hermeneutik im besonderen eine Reaktion auf die Krise des Historismus. Der Historismus des 19. Jahrhunderts vertrat zwei Grundthesen, einerseits die These von der grundsätzlichen Verschiedenheit aller historischen Phänomene und Epochen, andererseits die These von ihrer prinzipiellen Gleichwertigkeit. Beide Gesichtpunkte kommen in dem berühmten Diktum Leopold von Rankes (1795 – 1886) zum Ausdruck: „Jede Epoche ist unmittelbar zu Gott, und ihr Wert beruht gar nicht auf dem, was aus ihr hervorgeht, sondern in ihrer Existenz selbst“ (362: 7). Historie, die nichts als Historie sein will, bricht mit der Idee einer Fortschrittsgeschichte ebenso wie mit ihrem Gegenteil, der Idee einer Verfallsgeschichte, wie auch mit der Idee eines zyklischen Geschichtsverlaufs. Voraussetzung einer historistischen Sichtweise der Geschichte ist der Positivismus des Verstehens (92: 91 f.). Unbeschadet der These von der Individualität und Verschiedenheit aller geschichtlichen Phänomene konnte Johann Gustav Droysen (1808 – 1884) den Grundsatz formulieren, daß alles Menschliche verstehbar ist. Wenn also nichts Menschliches dem Historiker unverständlich ist, ergibt sich die Idee einer universalen Hermeneutik. Droysen war sich dabei freilich sehr wohl der konstruktivistischen Natur der Geschichtswissenschaft bewußt. Diese beruhe darauf, daß wir aus noch vorhandenen Quellen „nicht die Vergangenheiten herstellen, sondern unsere Vorstellungen [!] von ihnen begründen, berichtigen, erweitern wollen“ (339: 20). Ernst Troeltsch (1865 – 1923) und Max Weber (1864 – 1920) erkannten freilich, daß die umfassende Historisierung allen Wissens mit innerer Notwendigkeit zur Relativierung aller Wahrheits- und Geltungsansprüche führt. Ethische Letztbegründungen geraten dadurch ebenso in die Krise wie der Gedanke einer göttlichen Offenbarung und letzten Wahrheit. Die „neue Hermeneutik“ Gadamers, aber auch schon die hermeneutische Phänomenologie Heideggers und die von beiden beeinflußte hermeneutische Theologie der Bultmann-Schule sind als bewußte Gegenposition zum Historismus entstanden. Die Auseinandersetzung der Dialektischen Theologie – auch der antihermeneutischen Theologie Karl Barths – mit dem sogenannten Kulturprotestantismus und der liberalen Theologie war im Kern ein Historismusstreit (371: 196).

1. Geschichte und Geschichtlichkeit des christlichen Glaubens

b) Der Begriff der Geschichtlichkeit Der Infragestellung philosophischer und theologischer Wahrheitsansprüche durch den Historismus versuchte die „neue Hermeneutik“ durch die Unterscheidung von Geschichte und Geschichtlichkeit zu begegnen. Vereinzelt findet sich der Begriff der Geschichtlichkeit bereits bei Hegel. Erst bei Wilhelm Dilthey steigt er zum philosophischen Grundbegriff auf. Paul Graf York von Wartenburg arbeitet mit seiner Hilfe den kategorialen Unterschied zwischen dem Seienden als Natur und dem Seienden als geschichtlicher Existenz heraus. Martin Heidegger knüpft daran in seinem Hauptwerk „Sein und Zeit“ an (§ 72 – 77). Unter Geschichtlichkeit versteht Heidegger die je eigene Geschichte, die das Dasein hat. Ihr verborgener Grund ist das „eigentliche Sein zum Tode, das heißt die Endlichkeit der Zeitlichkeit“ (29: 386). „Eigentlich“ existieren heißt für Heidegger eine Selbstwahl zu treffen. „Die Entschlossenheit, in der das Dasein auf sich selbst zurückkommt, erschließt die jeweiligen faktischen Möglichkeiten eigentlichen Existierens aus dem Erbe, das sie als geworfene übernimmt. Das entschlossene Zurückkommen auf die Geworfenheit birgt ein Sichüberliefern überkommener Möglichkeiten in sich“ (29: 383). Geschichte und Tradition, welche der Gegenstand der Geschichtswissenschaft ist, gründet nach Heidegger in dieser Geschichtlichkeit menschlicher Existenz. Sie ist abkünftig von existentialer Geschichtlichkeit. An Heidegger anschließend hat Hans-Georg Gadamer den Begriff der Wirkungsgeschichte geprägt (26: 305 ff.). Das wirkungsgeschichtliche Bewußtsein macht die Tradition nicht zum Gegenstand einer wissenschaftlich distanzierten Betrachtung, sondern begreift sie als lebendige und existenzbestimmende Tradition, die immer wieder neu zur Sprache zu bringen und anzueignen ist. „Wirkungsgeschichtliches Bewußtsein ist […] Bewußtsein der hermeneutischen Situation“ (26: 307). Der „Horizont“ der Gegenwart kann sich gar nicht ohne die Vergangenheit bilden, die jedoch nicht in sich abgeschlossen ist, sondern im Vorgang des Verstehens mit dem Horizont der Gegenwart „verschmilzt“: „Im Vollzug des Verstehens geschieht eine wirkliche Horizontverschmelzung, die mit dem Entwurf des historischen Horizontes zugleich dessen Aufhebung vollbringt“ (26: 312). Die gegenwärtige Debatte zum Geschichtsbegriff und zur Theorie der Geschichtsschreibung orientiert sich freilich nicht mehr so sehr an der Hermeneutik Gadamers und seiner Konzeption des wirkungsgeschichtlichen Bewußtseins, sondern steht unter dem Einfluß sozialgeschichtlicher Betrachtungsweisen, die besonders aus der französischen Schule um die Zeitschrift „Annales“ kommen (92: 157 ff.). Damit verbindet sich die Abkehr von „dem“ Menschen hin zu den Menschen im Plural, von der Geschichtlichkeit zu konkreten Geschichten, zur historischen Anthropologie, z. B. zur Geschichte der Kindheit und des Todes (Philippe Ariès), zur Alltags- und zur Mentalitätsgeschichte sowie zur Geschlechterforschung. Zur Neuorientierung der Geschichtswissenschaft gehört schließlich auch, daß das Prinzip des Erzählens ins Zentrum der geschichtstheoretischen Aufmerksamkeit rückt, damit aber auch die Frage nach Faktizität und Fiktionalität von Geschichte, von Rekonstruktion und Konstruktion erzählter Historie (378). Vor diesem Hintergrund fragen wir nun, worin das hermeneutische Problem für die wissenschaftliche Disziplin der Kirchengeschichte besteht.

Unterscheidung zwischen Geschichte und Geschichtlichkeit

Gadamers Begriff der Wirkungsgeschichte

Geschichtsbegriff der sog. französischen Schule

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IV. Hermeneutik der Geschichte des Christentums

2. Historische und narrative Theologie a) Geschichte und Wort Gottes bei Karl Barth Die gegensätzliche Stellung der Kirchengeschichte bei K. Barth und F. Schleiermacher

Kirchengeschichte unter dem Vorzeichen des Historismus

„Die sogenannte Kirchengeschichte antwortet auf keine selbständig zu stellende Frage hinsichtlich der christlichen Rede von Gott und ist darum nicht als selbständige theologische Disziplin aufzufassen. Sie ist die unentbehrliche Hilfswissenschaft der exegetischen, der dogmatischen und der praktischen Disziplin“ (381: 3). Karl Barth begründet seine vielzitierte enzyklopädische Einordnung der Kirchengeschichtsdisziplin damit, daß Theologie die Selbstprüfung der Kirche hinsichtlich der ihr eigentümlichen Rede von Gott sei. „So ist Theologie als biblische Theologie die Frage nach der Begründung, als praktische Theologie die Frage nach dem Ziel, als dogmatische Theologie die Frage nach dem Inhalt der der Kirche eigentümlichen Rede“ (381: 3). Mit der Ausgliederung der Kirchengeschichte aus dem eigentlichen Kanon theologischer Disziplinen widerspricht Barth dem Theologiebegriff Schleiermachers, wonach die Kirchengeschichte „der eigentliche Körper des theologischen Studiums“ ist (405: 28 [§ 11]). Barths Widerspruch gegen Schleiermacher resultiert freilich gerade aus der Zustimmung zu dessen Charakterisierung der Kirchengeschichte als „Teil der neueren Geschichtskunde“ (405: 31 [§ 69]), d. h. als Profanhistorie. Dies gilt nicht nur von der Kirchengeschichte im engeren Sinne, sondern auch von der exegetischen Theologie, der dogmatischen Theologie und der kirchlichen Statistik, d. h. der Kirchensoziologie, die Schleiermacher als „historische Theologie“ zu einer Abteilung zusammengefaßt und von der philosophischen sowie der praktischen Theologie unterschieden hat. Aufgabe der Theologie insgesamt ist nach Schleiermacher die wissenschaftliche Vorbildung für das kirchenleitende Handeln im weitesten Sinne des Wortes, d. h. aber der Gestaltung und Fortentwicklung der christlichen Glaubensgemeinschaft und des in ihr stattfindenden Lebens. Die historische Theologie im weitesten Sinne ist für Schleiermacher deshalb das Zentrum der Theologie, weil die Gegenwart „nicht als Keim einer dem Begriff mehr entsprechenden Zukunft richtig behandelt werden“ kann, „wenn nicht erkannt wird, wie sie sich aus der Vergangenheit entwickelt hat“ (405: 11 [§ 26]). Indem die historische Theologie „jeden Zeitpunkt in seinem wahren Verhältnis zu der Idee des Christentums darstellt“, ist sie „zugleich nicht nur die Begründung der praktischen, sondern auch die Bewährung der philosophischen Theologie“ (ebd. [§ 27]). Die Verhältnisbestimmung von Idee und geschichtlich kontingenter Realisierung des Christentums stellt freilich ein bei Schleiermacher nicht befriedigend gelöstes Problem dar. Unter dem Vorzeichen des Historismus hat sich das Problem im Streit des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts über das Wesen des Christentums weiter zugespitzt. Diese Kontroverse „hat deutlich genug gezeigt, daß die Historie allein nicht genügt, daß ohne charaktervolle Prinzipien, die zwar an der Geschichte entwickelt sind, aber nicht aus der Geschichte stammen, eine wirksame, probehaltige, überzeugende Theologie unmöglich ist“ (370: XXXIII). Die auf dem Internationalen Historikerkongreß 1908 in Berlin vertretene Ansicht, der Kirchenhistoriker sei in jeder Hinsicht zum Profanhistoriker geworden, die Profangeschichte aber von jeder geschichtstheologischen Voraussetzung frei geworden (337: 146),

2. Historische und narrative Theologie

offenbarte die Aporie einer Theologie, die sich im Anschluß an Schleiermacher wesentlich als historische Wissenschaft begriff und ihre Wissenschaftlichkeit über die durchgängige Anwendung der historischen Methode auszuweisen versuchte. Diese Aporie ist scharf von Franz Overbeck gesehen worden, dessen Programm einer profanen Kirchengeschichtsschreibung als Angriff auf eine sich modern dünkende Theologie gedacht war. Sie ist auch von Ernst Troeltsch empfunden worden (413). Barth sucht diese Aporie des Historismus nicht durch die Rückkehr zu Schleiermacher und dessen kritischer Methode zu überwinden, die man mit Heinrich Scholz als „Synthese des Empirischen und des Rationalen“ bzw. „als die Verbindung des Historischen mit dem Produktiven“ (370: XXXIII) charakterisieren kann. Barths fundamentaltheologische Kategorie ist nicht „Geschichte“, sondern „Wort Gottes“. Diese Kategorie hat den Charakter einer Letztbegründung, die ihrerseits keiner weiteren Begründung bedürftig ist. Das Wort Gottes, dessen Sein im Werden bzw. im Kommen ist, ist ein unverfügbares, je und je aktuelles Geschehen, das als eschatologisches, historiographisch beschreibbare Zeitabläufe transzendierendes, Ereignis bestimmt wird. „Das Wort Gottes ist Geschichte geworden. Aber es hat keine Geschichte“ (382: 443). Das Wort Gottes kann keine Geschichte haben, sofern der neuzeitliche Geschichtsbegriff vorausgesetzt wird, wonach sich einzig Menschen als handelnde Subjekte der Geschichte verifizieren lassen, nicht aber der alle endlichen Verstandeskategorien transzendierende Gott. Auf diesem Geschichtsbegriff beruhen auch die von Johann Lorenz von Mosheim (1693 – 1755) und Christoph Matthäus Pfaff (1686 – 1760) begründete moderne Kirchengeschichtsschreibung und ihre pragmatische Methode. Wie die neuzeitliche Naturwissenschaft so deutet auch die moderne Geschichtswissenschaft die Welt etsi Deus non daretur. Nicht Gott selbst, sondern lediglich menschliche Gottesvorstellungen sind ein Gegenstand historischer Forschung und Erkenntnis. Wenn Barth in Abkehr von der Theologie des Neuprotestantismus die Kirchengeschichte zur Hilfswissenschaft der Theologie erklärt, von dieser selbst aber strikt unterscheidet, so deshalb, weil er die erkenntnistheoretischen Prämissen und methodologischen Konsequenzen des Historismus anerkennt.

Barths Reaktion auf die Aporien des Historismus

b) Neuere Positionen zum theologischen Charakter der Kirchengeschichtsschreibung Kritik an Barths Verständnis der Kirchengeschichte kann in zwei Richtungen geäußert werden. Einerseits kann der vorausgesetzte Geschichtsbegriff des Historismus, andererseits sein Begriff des Wortes Gottes bzw. der Offenbarung kritisiert werden. Beides geschieht in Wolfhart Pannenbergs Konzeption von Offenbarung als Geschichte. Pannenberg übernimmt zwar Barths Begriff der Selbstoffenbarung Gottes, erklärt aber, diese habe sich „nach den biblischen Zeugnissen nicht direkt, etwa in der Weise einer Theophanie, sondern indirekt, durch Gottes Geschichtstaten, vollzogen“ (361: 91). Die Rede von Gottes Geschichtstaten, insbesondere vom eschatologischen Ereignis der Auferweckung Jesu von den Toten, soll nun aber keinesfalls mythologisch zu verstehen, sondern eine rationaler Überprüfung zugäng-

Kirchengeschichte bei W. Pannenberg

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IV. Hermeneutik der Geschichte des Christentums

Kirchengeschichte als Formgeschichte

liche Interpretation von historisch verifizierbaren Ereignissen sein. Diese Ereignisse sprechen nach Pannenberg „ihre eigene Sprache, die Sprache der Tatsachen. In dieser Sprache der Tatsachen hat Gott seine Gottheit erwiesen“ (361: 100). Zwangsläufig gerät eine solche These zum gängigen Geschichtsbegriff der modernen Geschichtswissenschaft in Konflikt. Pannenberg sucht ihn dadurch zu lösen, daß er einerseits einschränkt, die Gott offenbarenden Begebenheiten seien „natürlich [!] nicht als bruta facta, sondern in ihrem überlieferungsgeschichtlichen Kontext zu sehen“ (ebd.), und daß er andererseits den Begriff von Historie einschließlich der Methodologie von Kritik, Analogie und Korrelation seinen theologischen Bedürfnissen entsprechend abzuwandeln versucht (359). Theologische Sätze, d. h. aber auch solche, in denen Geschichte einer religiösen Deutung unterzogen wird, sollen auf diese Weise den wissenschaftstheoretischen Rang verifizierbarer Hypothesen erhalten. Die so verstandene Geschichte, d. h. aber ein heilsgeschichtlich bestimmter Begriff von Universalgeschichte, ist nach Pannenberg „der umfassendste Horizont christlicher Theologie“ (359: 218). Pannenberg versucht also zwischen dem modernen Geschichtsbegriff und demjenigen des Handelns Gottes derart zu vermitteln, daß zumindest indirekt wieder von Gott als Handlungssubjekt neben dem Menschen gesprochen werden kann. Die Disziplin der Kirchengeschichte ist Pannenbergs Vorschlägen bisher jedoch bezeichnenderweise weitgehend nicht gefolgt. Nicht nur seine von Hegel beeinflußte Geschichtstheologie, sondern auch sein Begriff des historisch verifizierbaren oder doch zumindest hypothetisch plausiblen Handelns Gottes lassen sich bei näherem Hinsehen eben nicht in einen modernen Geschichtsbegriff integrieren. Einzig Ekkehard Mühlenberg hat Pannenbergs Begründungsversuch der Kirchengeschichte unter der Überschrift „Gott in der Geschichte“ fortzuführen versucht (354). Nach Mühlenberg ist der Gegenstand der Kirchengeschichtsschreibung das, was Pannenberg Religionsgeschichte nennt. Diese ist die „Geschichte der Strittigkeit des christlichen Gottes“ (354: 260), dessen Wahrheit sich im Verlauf der Universalgeschichte erweisen wird. Entsprechend Pannenbergs Auffassung der Religionswissenschaft als „Theologie der Religion“ (360: 361 ff.) begreift Mühlenberg die Kirchengeschichte als „Teilaufgabe der systematischen Theologie“ (354: 17). Kritiker fragen allerdings mit Recht, ob der Kirchengeschichte durch die Zuordnung zur systematischen Theologie „nicht eine unzulässige Beschränkung auferlegt wird“ (337: 152), da die Geschichte der Kirche bzw. des Christentums „als Geschichte schlechterdings unsystematisch ist“ (341: 453). Gegen den vorausgesetzten universalgeschichtlichen Offenbarungsbegriff Pannenbergs läßt sich außerdem einwenden, daß seine Formel „Offenbarung als Geschichte“ in der Gefahr steht, Subjekt und Prädikat zu vertauschen, so daß am Ende Geschichte im Sinne Hegels als Offenbarung interpretiert wird. Eine derartige Geschichtstheodizee aber scheitert an der widerständigen Wirklichkeit. Systematisch-theologisch ist darum mit Barth festzuhalten, daß Offenbarung nicht ein Prädikat der Geschichte, sondern Geschichte ein Prädikat der Offenbarung ist (380: 64). Barths Bestreitung des theologischen Charakters der modernen Kirchengeschichtsschreibung kann freilich auch mit anderen Gründen kritisiert wer-

2. Historische und narrative Theologie

den. Daß die Disziplin der Kirchengeschichte keine selbständige Frage hinsichtlich der eigentümlichen christlichen Rede von Gott bearbeitet, ergibt sich keineswegs zwingend aus Barths fundamentaltheologischen Grundannahmen. Fragen die exegetischen Disziplinen nach der Begründung, die praktische Theologie nach dem Ziel und die systematische Theologie nach dem Inhalt christlicher Rede von Gott, so die Kirchengeschichte, wie sich argumentieren läßt nach ihrer Form. Das Wort Gottes, von welchem Barth ausgeht, ist nur als ein vermitteltes erfahrbar. Entzieht es sich als Ereignis auch jeder historischen Verifikation, so ereignet sich Gottes Wort als Anrede doch nur in, mit und unter historisch, kultur- und humanwissenschaftlich beschreibbaren Formen menschlicher Kommunikation. Kirchengeschichtliche Forschung wäre also genau insoweit eine theologische Bemühung, als sie die von ihr untersuchten Formen christlicher Kommunikation, ihrer historischen und soziokulturellen Gestalten und Bedingungen als Formen möglicher Gotteserfahrung begreift. Diese Formen aber sind theologisch betrachtet stets ambivalent. Gerade die Untersuchung und Verdeutlichung ihrer Ambivalenz ist eine eminent theologische Aufgabe. In diesem Sinne bestimmt Gerhard Ebeling den theologischen Charakter der Kirchengeschichtsschreibung. „Die Kirchengeschichte ist das, was zwischen uns und der Offenbarung Gottes in Jesus Christus steht. Sie steht dazwischen trennend und verbindend, verdunkelnd und erhellend, belastend und bereichernd. Nur durch sie hindurch erreicht uns das Zeugnis von Jesus Christus“ (518: 25). Insofern sich mit der Frage nach der Vermittlung des Wortes Gottes und ihrer Form das Problem der Hermeneutik stellt, ist nach Ebeling die Kategorie der Auslegung für ein theologisches Verständnis der Kirchengeschichte zentral. Daß seine gelegentlich mißverstandene Formel von „Kirchengeschichte als Geschichte der Auslegung der Heiligen Schrift“ nicht auf die Geschichte textbezogener Verkündigung eingegrenzt werden darf, hat Ebeling selbst betont (160: 80). Unter dieser Voraussetzung kann Ebeling, zu Schleiermacher zurücklenkend, die Kirchengeschichte als „die umfassendste theologische Disziplin“ (160: 82) bezeichnen.

G. Ebelings Definition der Kirchengeschichte

c) Geschichte und Geschichten Der Begriff der Form legt es nahe, Ebelings Überlegungen zur theologischen Funktion der Kirchengeschichte in einer Richtung fortzuführen, die durch den Begriff der narrativen Theologie angezeigt wird, der heute sowohl in der biblischen Exegese als auch in der systematischen Theologie eine wichtige Rolle spielt (377). Ausgehend von der neueren Gleichnisforschung und der formgeschichtlichen Einsicht in die Relevanz der Form für den Inhalt eines Textes ist inzwischen auch die systematische Bedeutung des Umstandes erkannt worden, daß das Erzählen eine wesentliche Form biblischer Rede von Gott ist. Auch in Geschichte und Gegenwart äußert sich der Glaube wesentlich im Modus des Erzählens. Gotteserfahrungen werden bekannt, indem die eigene Lebensgeschichte oder Begebenheiten aus dieser erzählt werden. Auch Glaubensgemeinschaften wie das Judentum oder die Kirche bezeugen ihren Glauben in Form von Erzählungen. Über solche Erzählungen definieren die einzelnen Glaubenden wie die Glaubensgemeinschaft ihre Identität. Sie sind „in Geschichten verstrickt“ (366; 367), und diese Ver-

Narrative Theologie

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IV. Hermeneutik der Geschichte des Christentums

Story und History

strickung bleibt auch dann für ihre Identität konstitutiv, wenn das Konstrukt einer Universalgeschichte, d. h. einer Makroerzählung, sich nicht als unhaltbar bzw. als Utopie erweist. Es legt sich nun nahe, die Funktion der Erzählung auch in kirchenhistorischer Hinsicht zu untersuchen. Auf diese Weise können neue Einsichten in den Zusammenhang der theologischen Disziplinen gewonnen werden. Der Begriff der Geschichte ist also in seiner doppelten Bedeutung zu bedenken. „Geschichte“ meint sowohl story als auch history (347). Die moderne wissenschaftliche Geschichtsschreibung ist zunächst als history von der story zu unterscheiden. Unter history ist freilich nicht mehr unbedingt die große Welterzählung, sondern bescheidener eine wissenschaftlich überprüfte Geschichte zu verstehen, von der es viele gibt. Dieser Entwicklung folgend, schlägt Eckehart Stöve einen neuen Begriff von Kirchengeschichte vor: „Das Ganze der Historie, Geschichte als Kollektivsingular verstanden, ist kaum mehr ein Thema für Historiker. Historiker haben es mit Geschichten zu tun. Analog hätten es Kirchenhistoriker nicht mit der Kirchengeschichte, sondern mit Geschichten, die von der Kirche handeln bzw. in ihrem Umkreis angesiedelt sind, zu tun“ (374: 557). Stories sind das Material der Kirchengeschichtsschreibung, das kritisch auf seinen Wahrheitsgehalt zu befragen ist. Die Wahrheitsfrage historischer Forschung gliedert sich nochmals in mehrere Teilfragen. Die kritische Funktion historischer Forschung besteht zum einen in der Unterscheidung von Fiktion und Realität, von erfundenen und tatsächlichen Begebenheiten, von Mythos und verifizierbarer Geschichte, von Wahrheit und Fälschung, zum anderen in der Unterscheidung des nachweisbaren Geschehens von seiner Deutung, wobei oft eine Vielzahl von Deutungen vorliegt. Bisweilen sind Geschehen und Deutung derart miteinander verwoben, daß das Geschehen abgesehen von seiner Deutung gar nicht oder nur schattenhaft greifbar ist. Ein eklatantes Beispiel ist die Gestalt des historischen Jesus. Die kritische Rekonstruktion von Vergangenheit, welche die Geschichtswissenschaft vornimmt, hat freilich ihrerseits die Form einer Erzählung, wenn auch eines besonderen Erzähltypus. Wie alle Geschichtswissenschaft hat auch die Kirchengeschichtsschreibung sowohl eine identitätskritische wie eine identitätsstiftende oder -stabilisierende Funktion. Beide Funktionen sind theologisch relevant. Die theologische Funktion des Erzählens ist also nicht nur auf der Ebene der Objekte, sondern metatheoretisch auf der Ebene der Kirchengeschichtsschreibung selbst, d. h. im Hinblick auf die gewählte Form der Darstellung zu untersuchen (353: 11 ff.). Die Frage lautet also, wieweit es möglich ist, historische Theologie dezidiert als Theologie zu begreifen, indem man sie als eine Gestalt narrativer Theologie interpretiert. Eine Antwort setzt freilich voraus, daß der Begriff einer narrativen Theologie präzisiert wird.

3. „Story“ als Rohmaterial der Theologie

3. „Story“ als Rohmaterial der Theologie a) Narrative Theologie Der Begriff „narrative Theologie“ hat eine dreifache Bedeutung. Zunächst bezeichnet er den Umstand, daß Erzähltexte der Bibel implizit eine Theologie enthalten, sei es daß sich innerhalb der biblischen Schriften Texteinheiten, z. B. die Gleichnisse Jesu, finden, die einen theologischen, d. h. begrifflich explizierbaren, Inhalt in erzählerischer Form präsentieren, sei es, daß epische Werke wie die synoptischen Evangelien als ganze einem theologischen Programm folgen. Man spricht in diesem Fall von „der Theologie“ des Markus-, Matthäus- oder Lukasevangeliums (349; 348). In diesem Fall wird der Begriff „narrative Theologie“ zur Bezeichnung eines auf der objektsprachlichen Ebene der Theologie angesiedelten Sachverhalts verwendet. Sodann kann unter narrativer Theologie die metasprachliche Theorie des genannten Sachverhaltes verstanden werden. Es geht dann also um eine theologische Theorie des Erzählens, und zwar nicht nur in exegetischer oder systematisch-theologischer (352; 83: 427), sondern auch in praktischtheologischer Absicht (343). Schließlich kann die Kritik dogmatischer bzw. metaphysisch-begrifflicher Denk- und Darstellungsformen beabsichtigt sein, d. h. eine Transformation dessen, was üblicherweise Dogmatik oder systematische Theologie genannt wird. Gerade die letztgenannte Bedeutungsmöglichkeit führt freilich zu nicht geringen Theorieproblemen (376; 375). Zunächst ist unklar, was genau unter der Transformation der argumentierenden oder diskursiven Theologie in eine narrative Theologie verstanden werden soll. Im ursprünglichen Sinne bezeichnet das – vom Christentum lange Zeit mit Bedacht nicht übernommene – Wort „Theologie“ die Göttermythen der Antike. Theologie in dem Wortsinn, der sich im Christentum herausgebildet hat, bezeichnet aber die denkende Verantwortung und Selbstprüfung des Glaubens, die ihren Ort spannungsvoll zwischen Mythos und Logos bzw. Metaphysik hat (336: 21 ff.; 338). Sowenig sich das biblische Erzählen von Gott im Sinne Hegels vollständig in den Begriff aufheben läßt, so wenig kann der theologische Begriff in eine neue Form der Erzählung aufgehoben werden, es sei denn, die Theologie wollte den argumentativ erhobenen Geltungsanspruch christlicher Glaubensaussagen preisgeben und in eine – letztlich polytheistische – Mythologie zurückfallen, wie es dem postmodernen Zeitgeist entspräche. So notwendig theologische Metaphysikkritik ist, so wenig kann Theologie jeder Metaphysik entraten. Theologie als Reflexion und Diskurs ist ein eigenständiger Modus des Glaubensvollzugs neben Gebet und Verkündigung, die Argumentation ein eigenständiges Sprachspiel neben dem Lyrischen und dem Epischen. Nicht nur, daß die diskursive Theologie, soll sie wieder narrativ werden, unbedingt einer diskursiven Theorie des Narrativen bedarf (439: 304), so daß lediglich darüber zu diskutieren wäre, welche Theorie die angemessene ist, sondern ob sie dies überhaupt soll bzw. was denn damit gemeint sein soll, ist umstritten. Wie die Rückführbarkeit in die Sprache des Gebetes (164: 192 ff.), so ist zweifellos auch die Rückführbarkeit in die Sprache des Erzählens ein Kriterium für die Sachgemäßheit dogmatischer Reflexion. Aber es ist die Frage, inwieweit die Dogmatik selbst

Dreifache Bedeutung des Begriffs „narrative Theologie“

Theorieprobleme narrativer Theologie

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IV. Hermeneutik der Geschichte des Christentums

Das Story-Konzept D. Ritschls

bzw. die Theologie als metasprachlicher Reflexionsvorgang der Ort des Erzählens ist – und sei es auch im Modus einer „zweiten Naivität“ (83: 427) – oder nicht vielmehr die kirchliche Verkündigung bzw. das persönliche Glaubenszeugnis. Sofern das Erzählen ein grundlegender Modus biblischer Rede von Gott wie auch einer ihr entsprechenden gegenwärtigen Glaubenserfahrung ist, bleibt der Begriff einer narrativen Theologie als Bezeichnung für eine „Theorie des Narrativen in der Theologie“ sinnvoll, welche „einerseits die linguistischen Merkmale und Strukturen des Erzählens im Unterschied zu anderen Sprachmodi mit deren linguistischer Charakteristik“ und „andererseits das zu Erzählende in seiner nach Erzählung verlangenden Eigenart“ (83: 427) reflektiert. Gegen das Mißverständnis, wonach das Erzählen auch der primäre Sprachmodus der Theologie selbst sei, wendet sich das Story-Konzept Dietrich Ritschls, das auf den Begriff einer narrativen Theologie verzichtet. Stories im Sinne Ritschls sind als „Rohmaterial“ der Theologie von dieser als metasprachlicher Theorie zu unterscheiden (365). Ritschl, der zwischen Stories und Detail-Stories unterscheidet, bezeichnet als Story „das nie vollständig erzählbare Gesamt aller nacherzählbaren Einzelstories (auch DetailStories) eines Menschen oder einer Sozietät“ (364: 23). Den Begriffsinhalt entnimmt Ritschl sowohl der alttestamentlichen Forschung als auch der Psychoanalyse. Die Story ist das Medium von Identitätsbildung und eine psycho-soziale Konstruktion. „Ein Mensch (eine Gruppe) ist das, was seine Story erzählt und was er aus seiner Story macht. Sie ist das Bündel und die Heimat seiner Perspektiven“ (ebd.). Jeder Mensch und jede Gemeinschaft verwendet zur „Selektion, Interpretation und Summierung“ der Stories „regulative Sätze“, d. h. „implizite Axiome“, die „für überprüfbares Denken und Sprechen und für geordnetes Handeln“ sorgen, aber „nicht unbedingt und immer ausformuliert“ sind (364: 21). Von den identitätsstiftenden Stories werden wiederum Begriffe abgeleitet, wobei Ritschl zwischen abgeleiteten und autonomen Begriffen unterscheidet. Abgeleitete Begriffe lassen den Zusammenhang zur ursprünglichen Story noch erkennen, autonome dagegen nicht mehr. Ritschls Story-Konzept vermeidet nicht nur Mißverständnissse, mit denen der Begriff einer narrativen Theologie behaftet ist, sondern bietet auch theoretische Begründung für die Verbindung von biblischer Geschichte, Lebensgeschichte und Kirchengeschichte. Die biblischen Erzählungen, selbst Ausdruck identitätsstiftender Gotteserfahrungen, wirken in der Lebensgeschichte einzelner Menschen und in der Geschichte Israels bzw. der Kirche identitätsbildend fort. Sie bieten nicht nur Identifikationsangebote, sondern entwerfen eine Lebensform, Formen der Inszenierung, die von Menschen, die sich auf sie beziehen, im eigenen Leben – wenn auch vielleicht nur fragmentarisch – realisiert werden. Mimetisch entsteht so ein Zusammenhang zwischen biblischen Texten, eigener Biographie und der Geschichte der stets vorausliegenden Glaubensgemeinschaft. Dieser Zusammenhang hat Konsequenzen für die christliche Rede von Gott. Gott erscheint nicht nur als Urheber der biblisch bezeugten Geschichte und – zumindest indirekt – der sie bezeugenden und zur Darstellung bringenden Texte, sondern auch als Autor individueller Lebensgeschichten wie der Geschichte der Kir-

3. „Story“ als Rohmaterial der Theologie

che, in deren Rahmen wiederum individuelle Lebensgeschichten als Identifikationsmöglichkeiten eine nicht geringe Rolle spielen (373). Ritschls Story-Konzept ermöglicht es, Ebelings Bestimmung der Kirchengeschichte als Auslegungsgeschichte der Heiligen Schrift zu erweitern und gegen ein auf Text- und Überlieferungsgeschichte reduziertes Mißverständnis zu schützen. Auslegungsgeschichte vollzieht sich in mimetischen Inszenierungen, d. h. aber Verlängerungen biblischer Geschichten in das gegenwärtige Leben (293).

b) Die Kirche als Subjekt und Objekt erzählter Geschichte Ebenso wie der Begriff einer narrativen Theologie ist in diesem Zusammenhang freilich auch derjenige der Kirchengeschichte klärungsbedürftig. Nicht nur, daß über Vor- und Nachteile der Bezeichnungen „Kirchengeschichte“ und „Christentumsgeschichte“ diskutiert werden kann. Sondern vor allem ist zwischen Kirchengeschichte als Erzählung der Kirche und Kirchengeschichte als kritischer Überprüfung und Neuerzählung derselben zu unterscheiden. Zunächst gibt es im Sinne des Story-Begriffs Dietrich Ritschls eine Geschichte, welche die Kirche von sich selbst erzählt, über die sie ihre Identität und diejenige ihrer Mitglieder artikuliert. Wie Menschen, so ist auch die Kirche bzw. sind die einzelnen Kirchen „das, was sie in ihrer ,Story‘ über sich sagen (bzw. was zu ihnen gesagt wird) und was sie aus dieser ,story‘ machen“ (364: 45). Als religiöse Erzählung kann sie auch von Gott als Handlungssubjekt sprechen. Davon zu unterscheiden ist aber die Erzählung, welche das Resultat historischer, d. h. aber historisch-kritischer und ideologiekritischer Geschichtsforschung ist. Es gibt also eine erzählbare Kirchengeschichte erster und zweiter Ordnung. Vor der Konstruktion steht bei der historischen Forschung die Kritik. Während die Kirche ihre Geschichte bzw. ihre Geschichten sich selbst und anderen in erster Linie in legitimatorischer bzw. apologetischer Absicht erzählt, ist die Funktion der Kirchengeschichtsforschung zunächst eine mythologie- und ideologiekritische. Die Gefährlichkeit historischer Erinnerung, die von Johann Baptist Metz und der von ihm inaugurierten politischen Theologie gern betont wird, ist in Wahrheit ambivalent. Nicht nur eine subversive Geschichtsschreibung aus der Perspektive der Opfer, sondern auch eine solche aus der Perspektive der Sieger der Geschichte erweist sich als gefährlich, da beide dazu angetan sind, Gewalt und die Inkaufnahme neuer Opfer zu legitimieren. Wie die biblische Geschichte hängt auch die Kirchengeschichte von der Wahrheit des Erzählten ab. Gibt es auch die „erfundene Wahrheit“ (363: 507 ff.; 300: 166 ff.) literarischer Fiktionen, bei denen es einzig auf die „Wahrheit der Pointe“ ankommt, und kann auch die wissenschaftliche Geschichtsschreibung in solcher Pointe ihre Wahrheit haben, so kommt es bei dieser doch in erster Linie auf die davon zu unterscheidende „Wahrheit des Faktischen“ an, ohne welche man auch nicht zur „Wahrheit der Pointe“ historiographischer Darstellungen gelangt (83: 422). Wissenschaftliche Kirchengeschichtsschreibung ist über weite Strecken eine Kritik jener Geschichte(n), welche die Kirche von sich selbst erzählt. Ob und inwieweit diese kritische Metaerzählung von der Kirche selbst übernommen und zu ihrer eigenen gemacht werden kann, so daß sie ihre Identi-

Erzählungen erster und zweiter Ordnung

Historische Forschung als Kritik von Erzählungen

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IV. Hermeneutik der Geschichte des Christentums

Die theologische Funktion der Kirchengeschichte

tät erzählend neu definiert und dementsprechend ihre Praxis verändert, läßt sich nicht im Voraus sagen. Historisch-kritische, d. h. profane Kirchengeschichtsschreibung ist jedenfalls als solche zunächst gewiß nicht diejenige, welche die Kirche sich und anderen erzählt (372: 236). Was die von der Kirche selbst erzählte Geschichte und die profanhistorische Fremderzählung unterscheidet, ist ferner die Rede vom Handeln Gottes. Für eine religiöse Selbstdarstellung derer, die in die biblischen Geschichten verstrickt sind, ist die Rede vom Handeln Gottes auch in der eigenen Lebens- und Gemeinschaftsgeschichte konstitutiv. Vom Handeln Gottes aber läßt sich nicht in den Kategorien der modernen Geschichtswissenschaft erzählen. Es kann nur metasprachlich, d. h. also indirekt thematisiert werden, insofern die kirchenbildenden Stories von seinem Handeln Objekt und Rohmaterial auch der Kirchengeschichte sind. Als kritische Auslegungsgeschichte hat die Kirchengeschichte freilich auch insofern eine theologische Funktion, als sie nicht nur die Fortführung, sondern auch die Verzerrungen und Verdunkelungen des biblischen Gotteszeugnisses bearbeitet. Die wissenschaftliche Kirchengeschichtsschreibung zeigt auf, wie jede Gestalt der Auslegung der christlichen Botschaft durch diese selbst bzw. durch ihren Gegenstand relativiert wird. Zur theologischen Theoriebildung leistet sie außerdem dadurch einen wesentlichen Beitrag, daß sie nicht nur die geschichtliche Bedingtheit christlichen Glaubens, sondern auch seines reflexiven Vollzuges, d. h. der Theologie ausdrücklich macht und somit dazu nötigt, den geschichtlichen Ort der Theologie immer neu zu bestimmen. Als geschichtlich vermitteltes Gottesverhältnis ist der christliche Glaube ein Gemeinschaftsphänomen. Die Disziplin der Kirchengeschichte analysiert mit profanhistorischen Methoden die geschichtliche Bedingtheit und Partikularität bzw. Relativität jeder Erscheinungsform christlichen Glaubens und christlicher Gemeinschaftsbildung. Gerade indem sie so den Geltungsanspruch jeder Einzelkirche und jeder Auslegung der biblisch begründeten Glaubensbotschaft relativiert, leistet sie einen wichtigen Beitrag zur Theologie als Reflexionsbemühung über das Selbstverständnis des christlichen Glaubens. Wegen der grundsätzlichen Differenz zwischen der Universalität der christlichen Glaubensbotschaft und der Partikularität jeder seiner Realisierungen, also auch jeder Einzelkirche, ist die Bezeichnung „Christentumsgeschichte“ zu bevorzugen. Gleichwohl bleibt die Bezeichnung „Kirchengeschichte“ sinnvoll, hat die Historiographie des Christentums auch eine ekklesiologische Funktion. Als Geschichte der Kirche bringt die Christentumsgeschichte die grundlegende Differenz zwischen der geglaubten Einheit aller Christen als Leib Christi und der unaufhebbaren Pluralität und Konfessionalität der Kirchen zu Bewußtsein. Sie übt damit die theologisch notwendige Funktion der Kirchenkritik aus. Zu fragen bleibt nun aber, inwiefern die solchermaßen bestimmte Kirchengeschichte den christlichen Glauben und seine geschichtlichen Realisierungen nicht nur zum Gegenstand hat, sondern selbst als eine Form des Glaubenszeugnisses bzw. als Moment reflexiven Glaubensvollzugs möglich ist.

4. Zur Konstitution einer erzählbaren Kirchengeschichte

4. Zur Konstitution einer erzählbaren Kirchengeschichte a) Profanität und Gottesbezug von Geschichte Wie also läßt sich von Gott unter den Bedingungen der modernen Welt erzählen, ohne daß es zu einer Spaltung des Bewußtseins zwischen einem religiös-mythischen und einem wissenschaftlich-rationalen Weltbild kommt? Für Ingolf U. Dalferth folgt aus der an sich richtigen Einsicht der Aufklärungstradition, daß Gott kein Gegenstand empirischer oder historischer Forschung und keine Arbeitshypothese anstelle sonstiger wissenschaftlicher Erklärungen ist, „nicht, daß Gott nirgends, sondern gerade umgekehrt, daß Gott überall thematisiert werden kann. Mag es einst ein Fortschritt gewesen sein, die Welt zu betrachten etsi deus non daretur, so geht es heute gerade umgekehrt darum, sie zu betrachten etsi deus daretur“ (384: 345). Damit reklamiert Dalferth nochmals den Geltungsanspruch der religiösen Welt- und Geschichtsdeutung des Glaubens. Doch wie diese in eine moderne Historiographie integriert werden soll, ist damit nicht erklärt. Während Pannenberg zu diesem Zweck den geschichtswissenschaftlichen Begriff von Universalgeschichte modifizieren möchte, hat Kurt Dietrich Schmidt im Anschluß an die lutherische Zweireichelehre und die Unterscheidung zwischen dem Deus revelatus und dem Deus absconditus für die Verbindung einer heilsgeschichtlichen Schau mit einer profanhistorischen plädiert (369: 17; vgl. 337: 153 f.). Möglich soll dies auf der Basis einer Zweiweltentheorie sein, derzufolge der Christ bzw. die Kirche gleichzeitig in der Heilszeit und in der Weltzeit lebt, die trotz ihrer Gegensätzlichkeit empirisch „unscheidbar“ seien (369: 14). Ein und dieselbe Kirchengeschichte soll also unter einer doppelten Perspektive erzählt werden, einerseits als Resultat menschlichen Handelns, andererseits als „Geschichte des in der Welt fortwirkenden Christus“ (369: 9). Aus dem profanhistorischen Blickwinkel sind es ausschließlich die Menschen, aus dem heilsgeschichtlichen aber ist es allein Gott, der die Geschichte wirkt (368: 324). Die zweifache Perspektive der Kirchengeschichte führt bei Schmidt zu der methodischen Konsequenz einer Verschränkung der rein historischen Darstellung mit geschichtstheologischen Betrachtungen und assertorisch-dogmatischen Aussagen. Einerseits gibt es für Schmidt „nur eine Methode, die historische; sie gilt es anzuwenden“ (369: 18). Andererseits hält er es aber für „ebenso klar, daß eine Methodik, die die Kirche nur als ein menschlichsoziologisches Gebilde betrachtet und sie dementsprechend allein mit den Mitteln rationaler Wissenschaft erforscht, der Wirklichkeit der Kirche keineswegs gerecht wird“ (369: 19). Die profanhistorische Darstellung der Kirchengeschichte wird daher von Schmidt in einem zweiten Schritt einer theologisch-hermeneutischen, divinatorischen Interpretation unterzogen, welche voraussetzt, „daß wir alle Geschichte nur recht verstehen, wenn wir ,Gottes guten, gnädigen Willen‘ in ihr wirksam sehen. Und weil wir in Christus das Herz dessen kennen, der die Geschichte lenkt, deshalb können wir auch glaubend erspüren, welchen Sinn die Wege haben, die er sie führt, und dürfen, ja müssen das aussprechen“ (ebd.). Neben die wissenschaftliche Erforschung tritt „die gläubige Schau der Kirchengeschichte“ (369: 21), für

Die Kirchengeschichtskonzeption K. D. Schmidts

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IV. Hermeneutik der Geschichte des Christentums

die es freilich keine präzise Methode gibt. Schmidt läßt es bei der Empfehlung bewenden, bei Luther in die Lehre zu gehen (369: 22). Schmidts Darstellung der Kirchengeschichte ist von geschichtstheologischen Betrachtungen durchzogen, die erbaulichen Charakter haben. Einige Beispiele müssen genügen. „So bietet die Reformationsgeschichte“ nach Schmidts Urteil „ein klassisches Anschauungsbild für die Tatsache, daß Gott auch seiner Kirche geschichtlich immer nur das tägliche Brot, die tägliche Existenzmöglichkeit schenkt, nicht eine klare Sicherung für alle Jahrzehnte“ (369: 352). Oder am Schluß des Kapitels über Christenverfolgungen im 20. Jahrhunderts heißt es: „Was Gott mit dieser Riesenverfolgung für die Geschichte seiner Kirche will, ist unseren Augen noch verborgen“ (369: 561).

b) Das hermeneutische Problem der Rede vom Handeln Gottes Die kategoriale Unterscheidung zwischen Handeln Gottes und menschlichem Handeln

Schmidts Weise des kirchengeschichtlichen Erzählens verdient Respekt. Es handelt sich um den Versuch einer auf wissenschaftliche Forschung gestützten Erzählung, welche die Kirche sich selbst erzählt. Abgesehen davon, daß der Standort einer konsequent profanhistorischen Kirchengeschichtsschreibung verlassen wird, besteht ein systematisch-theologisches Problem der Darstellung Schmidts darin, daß die kategoriale Verhältnisbestimmung von Gottes Handeln und demjenigen des Menschen unklar bleibt. Einerseits soll die Alleinwirksamkeit Gottes gedacht, andererseits aber die Mitwirkung des Menschen, traditionell gesprochen die cooperatio von Gott und Mensch ausgesagt werden. Die Rede vom Handeln Gottes und diejenige vom menschlichen Handeln liegen aber auf unterschiedlichen Ebenen bzw. gehören verschiedenartigen Sprachspielen an. Gottes Handeln, von dem der Glaube erzählt, und das Handeln des Menschen sind kategorial zu unterscheiden, dabei aber nicht zu trennen (387: 74 ff.). D. h. aber für das Problem der Kirchengeschichtsschreibung, daß nicht eine heilsgeschichtliche Betrachtung neben eine rein profane zu treten hätte, sondern daß die profane Geschichtsschreibung als solche eine theologische Qualität gewinnt, ohne daß Gottes Handeln mit dem Weltgeschehen identifiziert bzw. zu einer Dublette desselben wird. Die Rede vom Handeln Gottes ist außerdem nicht nur dann plausibel zu machen, wenn am Konstrukt einer Universalgeschichte, d. h. einer einzigen Makroerzählung festgehalten wird. Es bleibt wohl der metaphysische Hintergrund jeder Geschichtsschreibung, läßt sich aber nicht mehr historiographisch durchführen. Die eine Heilsgeschichte bezeichnet den eschatologischen Horizont christlichen Glaubens, aber sie läßt sich nicht als innerweltliches Kontinuum beschreiben. Hat es der Historiker mit einer Vielzahl von Geschichten zu tun, so der Theologe mit einer Vielzahl kontingenter Zeugnisse von Gottes Wirken in der Welt. Die scholastische Lehre von Erst- und Zweitursache modifizierend argumentiert Wilfried Härle, „daß das geschichtliche Wirken Gottes weder zu bestreiten noch im Sinne eines Eingreifens auf der Ebene des geschöpflichen Wirkens zu denken ist, sondern als diejenige Begleitung alles geschöpflichen Wirkens, die es ermöglicht. Liebe befreit und inspiriert die Geschöpfe, genauer: den Menschen zum verantwortlichen geschichtlichen Wirken. Aber diese Befreiung muß dem Menschen immer wieder zuteil werden“

4. Zur Konstitution einer erzählbaren Kirchengeschichte

(387: 292). Eben dies kann die Kirchengeschichte mit den Mitteln profaner Geschichtsschreibung zur Darstellung bringen, soweit diese für religiöse Fragestellungen offen ist bzw. die Frage nach Gott offenhält. Eine theologische Begründung für eine profanhistorische Erzählung von Geschichten, die von der Kirche handeln, läßt sich im Anschluß an Dietrich Bonhoeffer geben. Gerade die profane Geschichtsdarstellung – schon der Begriff der Profangeschichte ist problematisch, weil es neben dieser keine historia sacra gibt (160: 77) – kann die Erkenntnis ins Bewußtsein heben, „daß wir in der Welt leben müssen – ,etsi deus non daretur‘. Und eben dies erkennen wir – vor Gott! Gott selbst zwingt uns zu dieser Erkenntnis. […] Gott gibt uns zu wissen, daß wir leben müssen als solche, die mit dem Leben ohne Gott fertig werden. Der Gott der mit uns ist, ist der Gott, der uns verläßt (Markus 15,34!). Der Gott, der uns in der Welt leben läßt ohne die Arbeitshypothese Gott, ist der Gott, vor dem wir dauernd stehen. Vor und mit Gott leben wir ohne Gott“ (134: 394; vgl. dort auch 20 f.). Davon erzählt der Glaube in einer mündig gewordenen Welt.

Theologische Begründung der Profanität moderner Kirchengeschiche im Anschluß an D. Bonhoeffer

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V. Hermeneutik in der Systematischen Theologie 1. Historische und Systematische Theologie a) Das Problem des Historismus in der Systematischen Theologie

Die Historisierung der Dogmatik seit der Aufklärung

Die moderne Hermeneutik, so sahen wir in den beiden vorigen Kapiteln, antwortet auf den Historismus und seine Aporien. Von ihnen ist die Theologie in besonderer Weise betroffen, da diese im Unterschied zur Religionswissenschaft nicht ausschließlich deskriptiv-hermeneutisch verfährt, sondern auch normative Urteile über Glaubensinhalte fällen muß. Anders als eine rein deskriptive Religionswissenschaft des Christentums bearbeitet die Theologie die Geltungsfragen, welche durch den Wahrheitsanspruch des christlichen Glaubens aufgeworfen werden. Die Bearbeitung der Geltungsfragen des christlichen Glaubens ist die Aufgabe der Systematischen Theologie, die sich in Fundamentaltheologie, Dogmatik (Glaubenslehre) und Ethik gliedert. Welche Rolle die hermeneutische Frage in der Systematischen Theologie des 20. Jahrhunderts gespielt hat, wurde bereits im II. Kapitel ausführlich dargestellt. In diesem Kapitel sollen nun im Speziellen die hermeneutischen Probleme der dogmatischen Disziplin dargestellt werden. Zu den Folgen der Aufklärung gehört die Entwicklung des historischen Bewußtseins, d. h. des Bewußtseins für die Geschichtlichkeit aller Phänomene der menschlichen Lebenswelt. Die damit verbundene Ausbildung historisch-kritischer Interpretationsmethoden war nicht nur für die Kirchengeschichtsschreibung, sondern vor allem für die Auslegung der biblischen Schriften folgenreich. Bis heute wird es als Problem empfunden, daß ein konsequent historisches Verständnis die Normativität und Verbindlichkeit der biblischen Texte relativiert. Die mit dem Siegeszug der historisch-kritischen Methode verbundene Relativierung aller Wahrheitsansprüche erfaßte seit dem 19. Jahrhundert schließlich die gesamte Theologie, also auch die Dogmatik oder Glaubenslehre. Die Einsicht in die historische Bedingtheit des Christentums und die geschichtliche Relativität seiner Dogmen und Glaubenslehren ließ es zunehmend fragwürdig erscheinen, das überzeitliche Wesen des Christentums zu bestimmen bzw. formulieren zu wollen, was nach christlicher Auffassung ein für alle Mal gültige, wahre Aussagen über Gott, Welt und Mensch sind. Bereits Friedrich Schleiermacher zog die Konsequenz, die Dogmatik der historischen Theologie zuzuordnen, neben der er freilich noch eine philosophische Theologie vorsah. Als Dogmatik oder dogmatische Theologie bezeichnet Schleiermacher allgemein die „zusammenhängende Darstellung der Lehre, wie sie zu einer gegebenen Zeit, sei es nun in der Kirche im allgemeinen, wann nämlich keine Trennung obwaltet, sonst aber in einer einzelnen Kirchenpartei, geltend ist“ (405: 41 [§ 97]). Dementsprechend definiert Schleiermacher die evangelische Dogmatik als „Kenntnis der jetzt

1. Historische und Systematische Theologie

in der evangelischen Kirche geltenden Lehre“ (405: 73 [§ 195]). Sie ist darum neben der Statistik – heute würde man sagen: der Kirchensoziologie – Teil der „geschichtlichen Kenntnis von dem gegenwärtigen Zustand des Christentums“ (ebd.). Welche Begründungsprobleme sich dadurch für die Dogmatik ergeben, hat vor allem Ernst Troeltsch analysiert. Er schrieb: „Die historische Methode, einmal auf die biblische Wissenschaft und auf die Kirchengeschichte angewandt, ist ein Sauerteig, der alles verwandelt und der schließlich die ganze bisherige Form theologischer Formen sprengt“ (413: 730). „Wer ihr den kleinen Finger gegeben hat, der muß ihr auch die ganze Hand geben“ (413: 735). Wie die modernen Naturwissenschaften gegenüber dem Altertum und der Antike bedeutet die historische Methode „eine völlige Revolution unserer Denkweise. Enthalten diese eine neue Stellung zur Natur, so enthält die Historie eine neue Stellung zum menschlichen Geist und zu seinen idealen Hervorbringungen“ (413: 734 f.). Die „Historisierung unseres ganzen Denkens“ (413: 735) hat auch die Disziplin der Dogmatik erfaßt. Dogmatik im voraufklärerischen Sinne, d. h. als Aufstellung vermeintlich objektiver und unverrückbarer Glaubenswahrheiten, ist demnach keine Möglichkeit mehr. Das Wesen vormoderner Dogmatik ist, „daß sie dem Gesamtzusammenhang der Historie, der Analogie mit dem übrigen Geschehen und damit der alles das in sich einschließenden historischen Kritik und der Unsicherheit ihrer Ergebnisse entrückt ist“ (413: 740). An die Stelle von Wahrheitsurteilen treten Wahrscheinlichkeitsurteile. An die Stelle der Dogmatik tritt bei Troeltsch eine religionsgeschichtliche Theologie (413: 738). Er wehrt sich allerdings gegen den Vorwurf des Relativismus, „der nur bei atheistischer oder religiös-skeptischer Stellung die Folge der historischen Methode ist“ (413: 747). Halt sucht Troeltsch in der Überzeugung, „daß die Geschichte kein Chaos ist“ (ebd.). Gegen die Konsequenzen des Historismus wird die persönliche Gewißheit aufgeboten, für den „ethisch und religiös gläubigen Menschen“ sei die Geschichte „eine geordnete Folge, in der die zentrale Wahrheit und Tiefe des menschlichen Geisteslebens, aus dem transzendenten Grunde des Geistes unter allerhand Kampf und Irrung, aber auch mit der notwendigen Konsequenz einer normal begonnenen Entwicklung emporsteigt“ (413: 747). Das ist freilich keine innerhalb des historischen Paradigmas zu begründende Feststellung, sondern eine dieses sprengende Glaubensaussage. Von daher ist es zu verstehen, wenn Rudolf Bultmann Troeltsch als den „großen Aporetiker der liberalen Theologie“ bezeichnet hat (144: 2).

Die Problemlage bei E. Troeltsch

b) Normativität und Zukunftsbezug dogmatischer Aussagen Kritisch läßt sich außerdem gegen Troeltsch einwenden, daß sein Entwicklungsgedanke dem Phänomen der Zukunft nicht gerecht wird. Diese ist nicht nur ein Gegenstand von Prognosen, sondern sie wirft stets normative Fragen auf. Wer nach der Zukunft fragt, will nicht nur wissen, was sein wird, sondern auch, was sein soll. Das jedenfalls ist die Frage, die sich jeder Ethik stellt. Es ist dies auch die Frage allen kirchlichen Handelns sowie der christlichen Lebensführung. Dogmatik und theologische Ethik fragen, was sein soll, weil es richtig ist (89: 12). Das aber ist – mit Troeltsch gesprochen –

Historische und systematische Aufgabe der Dogmatik

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V. Hermeneutik in der Systematischen Theologie

keine Frage von Wahrscheinlichkeitsurteilen, sondern von Wahrheitsurteilen. Im Unterscheid zu Schleiermacher ist daher die Aufgabe der Dogmatik nicht ausschließlich als historische, sondern auch als systematische zu bestimmen. Zwar begegnet der christliche Glaube immer nur in Gestalt von partikularen und historisch bedingten Interpretationen, die sich nur verstehen lassen, wenn sie unter dem Aspekt ihres historischen Gewordenseins interpretiert werden. Eben dies ist die Konsequenz aus der Geschichtlichkeit des Glaubens, der eben kein unmittelbares, sondern auf zweifache Weise vermitteltes Gottesverhältnisses ist. Die Aufgabe der Dogmatik ist es aber, den gegenwärtigen Glauben und seine Ausdrucksweisen nicht nur unter dem Gesichtspunkt des Gewordenseins zu interpretieren, sondern auch die normative Frage zu stellen, „wie es weitergehen soll“ (89: 12). Die Zielsetzung der Dogmatik ist die Befähigung zur theologischen Urteilsbildung. Die Wahrheitsfrage ist somit für die Dogmatik unabweisbar.

2. Dogmatik als soteriologische Deutung der Wirklichkeit a) Erlösungsbedürftigkeit und Erlösungswirklichkeit Soteriologie als Proprium theologischer Wirklichkeitsdeutung

Verschränkung von Gotteslehre und Anthropologie

Theologie als Interpretationspraxis befaßt sich mit der gesamten Wirklichkeit, d. h. mit allem, was Gegenstand menschlicher Erfahrung ist, unter dem Gesichtspunkt der Gottesrelation. Rudolf Bultmann hat Gott als „die Alles bestimmende Wirklichkeit“ bezeichnet (146: 1). Von der theologischen Interpretation der Wirklichkeit ist grundsätzlich kein Bereich ausgenommen, weil grundsätzlich kein Bereich des Lebens von der Gottesrelation des Glaubens ausgenommen ist. Der christliche Glaube ist keine religiöse Provinz im Gemüt oder ein Segment der Wirklichkeit, sondern eine Relation zur Wirklichkeit, die in einer bestimmten Gottesrelation begründet ist. Theologie ist somit die Wissenschaft von der Gottesrelation der Wirklichkeit, des Menschen wie der Welt. Das bedeutet nun aber, daß die dogmatische Urteilsbildung über die Wirklichkeit abhängig von der Urteilsbildung Gottes über die Wirklichkeit ist, wie sie vom Evangelium als der Botschaft des Glaubens bezeugt wird. Die Urteilsbildung Gottes über den Menschen und die Welt ist in der Sprache des Paulus und der Reformatoren das Geschehen der Rechtfertigung des Sünders allein aus Gnaden. Theologie spricht nicht abstrakt von Gott, Mensch und Welt, sondern konkret. Das aber heißt: Sie deutet die Wirklichkeit unter dem Gesichtspunkt ihrer Erlösungsbedürftigkeit im Lichte der biblisch bezeugten, an Person und Geschick Jesu von Nazareth festgemachten Erlösungswirklichkeit. Kurz: Theologie ist die soteriologische Deutung der Wirklichkeit (sotería [griech.] = Rettung, Heil). Die soteriologische Fragestellung unterscheidet ihren Zugang zur Wirklichkeit von anderen Wirklichkeitsdeutungen und Wissenschaften. In diesem Sinne hat Martin Luther erklärt, eigentlicher Gegenstand der Theologie sei „der Mensch als der in Sünde verschuldete und Verlorene, und Gott als der Gott, der den Sünder rechtfertigt und rettet (homo reus et

2. Dogmatik als soteriologische Deutung der Wirklichkeit

perditus et deus iustificans vel salvator)“ (WA 40/II, 328). Bultmann knüpft an diese Bestimmung an und erklärt, von Gott könne man nur reden, indem man vom Menschen redet, und zwar vom sündigen Menschen, der von Gott gerechtfertigt wird. Wie hinzuzufügen ist, kann man von Gott nur reden, indem man vom Menschen als Sünder und Gerechtfertigten in seiner Leibhaftigkeit und das heißt auch von seiner Welthaftigkeit redet. Das ist nun in besonderer Weise die Aufgabe der Dogmatik.

b) Soteriologische Deutung der Wirklichkeit bei Paul Tillich und Gerhard Ebeling Was unter der soteriologischen Deutung der Wirklichkeit zu verstehen ist, läßt sich im Anschluß an die Verhältnisbestimmung von Theologie und Philosophie bei Paul Tillich (1886 – 1965) genauer erklären. Theologie und Philosophie erheben nach Tillich beide den Anspruch, die Wirklichkeit, und zwar die Wirklichkeit als solche oder als Ganzes zu beschreiben. „Die Philosophie beschäftigt sich mit der Struktur des Seins an sich, die Theologie mit dem Sinn von Sein für uns“ (410: 30). Soteriologisch aber ist die theologische Deutung der Wirklichkeit, weil in ihr die Sinnfrage zur Heilsfrage wird. Der philosophische Erkenntnisweg zur Wirklichkeit besteht für Tillich darin, „jene Strukturen, Kategorien und Begriffe“ zu erforschen, „die beim erkennenden Begegnen mit jedem Bereich der Wirklichkeit vorausgesetzt werden“ (410: 26). Philosophie ist bei Tillich also im wesentlichen Ontologie. Auch die Theologie kann der ontologischen Frage nicht ausweichen. Sie „stellt notwendig dieselbe Frage“, denn Gott als „das, was uns unbedingt angeht, muß zur Wirklichkeit als solcher gehören, es muß zum Sein gehören. Sonst könnten wir ihm nicht begegnen, es könnte uns nichts angehen“ (410: 29). Anders als die Philosophie bezieht die Theologie jedoch „dieselben Kategorien und Begriffe auf die Frage nach einem ,Neuen Sein‘“ (410: 33). Ihre Aussagen haben soteriologischen Charakter. Man wird ergänzen müssen, daß dabei auch die verwendeten Kategorien und Begriffe eine neue Bedeutung erhalten. Um den biblischen Gott denken zu können, bedarf der Glaube der Sprache der Ontologie bzw. der Metaphysik, die freilich von dem her, was die Bibel als Wirklichkeit Gottes bezeugt, entscheidend umgeformt, geläutert oder – wie es Martin Luther gesagt hat – getauft werden muß (WA 39/I, 231, 16 ff.). Luthers Kritik an der (aristotelischen) Metaphysik richtet sich vor allem gegen ihre soteriologische Überfrachtung. Die menschliche Vernunft sei nicht imstande, von sich aus das eschatologische Wesen und den soteriologischen Inhalt des Evangeliums bzw. der göttlichen Zusage (promissio) der Rechtfertigung des Gottlosen zu erfassen. Theologie als soteriologische Deutung der Wirklichkeit, welche die Erlösungsbedürftigkeit der Welt im Lichte der biblisch bezeugten Wirklichkeit der Erlösung beschreibt, überschreitet in der Tat die Grenzen philosophischer Ontologie bzw. bestreitet den heimlichen oder offenen soteriologischen Geltungsanspruch philosophischer Systeme. „Es gibt“, wie Tillich richtig bemerkt, „keine erlösende Ontologie, aber die Ontologie ist in der Frage nach der Erlösung enthalten“ (408: 183). Das gilt bei genauerem Hinsehen auch für die Theologie Luthers (392).

Theologie und Philosophie bei P. Tillich

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V. Hermeneutik in der Systematischen Theologie Der Wirklichkeitsbezug der Theologie bei G. Ebeling

In der Charakterisierung der Theologie als soteriologischer Deutung der Wirklichkeit trifft sich Tillich mit Gerhard Ebeling. Wie die Wissenschaft beansprucht nach Ebeling auch der christliche Glaube „in dem emphatischen Sinn es mit der Wirklichkeit zu tun zu haben, daß diese gegen allen täuschenden Schein als wahre Wirklichkeit entdeckt und zur Sprache gebracht wird“ (385: 193). Daß die Theologie von der Wirklichkeit in soteriologischer Hinsicht spricht, heißt für Ebeling, „daß das Reden von Gott und von seiner Offenbarung auf gar nichts anderes abzielt als darauf, in der rechten Weise von der Welt, von der Geschichte, vom Menschen, also von unserer Wirklichkeit zu reden, d. h. so von unserer Wirklichkeit zu reden, daß sie getroffen wird. Wie getroffen wird? Doch so, daß diese unsere Wirklichkeit wahrgenommen wird im Sinne sachgemäßen In-Brauch-Nehmens und Waltens und daß diese unsere Wirklichkeit wahrgemacht wird in dem Sinne, daß zur Erfüllung kommt, wozu sie berufen ist“ (385: 199).

3. Dogmatische Hermeneutik a) Dogma und Dogmatik Dogmatik als Hermeneutik des Dogmas

Unter dem Blickwinkel der Geltungsfrage entfaltet Dogmatik als systematische Disziplin der Theologie das Verhältnis von Glauben und Verstehen. Dogmatik ist also, kurz gefaßt, „Hermeneutik des Glaubens“ (98: 5). In diesem Verständnis von Dogmatik treffen sich heute katholische und evangelische Theologie (z. B. 393: 16,271 ff.). Unterschiede bestehen jedoch nach wie vor in der Auffassung vom Dogma und seinem Verhältnis zur Dogmatik. Nach katholischem Verständnis ist Dogmatik als Hermeneutik des Glaubens an das kirchliche Dogma und an die Verkündigung des kirchlichen Lehramts gebunden, da „der Konsens der Glaubensgemeinschaft u[nd] seine rechtlich normierten repräsentativen kirchl[lichen] Ausdrucksformen eine conditio sine qua non der Richtigkeit des Glaubensverständnisses darstellen“ (414: 7). Dogmatische Hermeneutik ist daher im katholischen Bereich wesentlich Dogmenhermeneutik (z. B. 403). Aber auch im Bereich ökumenischer Theologie dominiert ein Begriff von dogmatischer Hermeneutik, der kirchlich bzw. lehrmäßig normierte Dogmen zu ihrem Gegenstand erklärt. In diesem Sinne hat z. B. der evangelische Theologe Edmund Schlink (1903 – 1984) Grundlinien eine dogmatischen Hermeneutik gezeichnet (553: 655 ff.). Schlinks dogmenhermeneutische Überlegungen haben vor allem im ökumenischen Kontext Beachtung gefunden. Im ökumenischen Gespräch darf sich Dogmatik „nicht darauf beschränken, das Miteinander und Gegeneinander der vorhandenen und sonstigen Lebensäußerungen der gespaltenen Christenheit ins Auge zu fassen. Es muß angesichts der Mannigfaltigkeit der biblischen Aussagen mit der Möglichkeit solcher dogmatischen Aussagen gerechnet werden, die in der bisherigen Dogmengeschichte noch nicht verwirklicht sind“ (553: 56). Auch besteht die hermeneutische Aufgabe im ökumenischen Gespräch nach Schlink in „einer nicht nur sprachlichen Übersetzung. Lehraussagen, die in verschiedenen geschichtlichen Fronten, unter Verwendung verschiedener Begrifflichkeiten, in verschiedenen Grundfor-

3. Dogmatische Hermeneutik

men der theologischen Aussage und von verschiedenen anthropologischen Voraussetzungen des Erkennens aus gemacht worden sind, können nicht direkt miteinander verglichen, sondern müssen aus der einen geschichtlichen Front, Begrifflichkeit und Aussagestruktur in die andere übersetzt werden, wenn Übereinstimmung und Unterschied und das Gewicht des Unterschieds in Wahrheit erkannt werden sollen“ (553: 57). Beim Vergleich unterschiedlicher Lehrtraditionen kann man die überraschende Entdeckung machen, daß verschiedene Aussagen inhaltlich gleich sein oder einander widerspruchsfrei ergänzen können, während wiederum gleichlautende Aussagen inhaltlich verschieden sein können. So nötigt eine dogmatische Hermeneutik zur „Forderung einer Rückbesinnung auf die elementaren Strukturen, in denen der Glaube sich äußert“ (ebd.). Allerdings können auch die Strukturen dogmatischer Aussagen nach Ansicht Schlinks nicht unmittelbar miteinander verglichen werden. Hier ist vielmehr mit Strukturverschiebungen zu rechnen, die erhebliche inhaltliche Verschiebungen zur Folge haben können, „ja manche dogmatischen Probleme sind überhaupt erst durch solche Strukturverschiebungen entstanden“ (553: 58). Wie die römisch-katholische und die orthodoxe Dogmatik entwickelt Schlink sein Dogmatikverständnis vom Begriff des Dogmas aus. Im engeren Sinne versteht er unter einer dogmatischen Aussage „eine von einer Kirche als Dogma formulierte oder doch rezipierte und als für ihr gesamtes Reden und Handeln verpflichtend anerkannte Aussage“ (553: 42). Dogmatische Aussagen im weiteren Sinne sind für Schlink „eine Aussage der Dogmatik, sei es, daß sie das geltende Dogma begründet und interpretiert, sei es, daß sie darüber hinaus Aussagen macht, die von der Kirche unter Umständen als Vorarbeit für die Fixierung weiterer Dogmen aufgenommen und verwendet werden“ (ebd.). Insofern ist Dogmatik bei Schlink stets kirchliche Dogmatik. Nach römisch-katholischer Definition sind Dogmen „in einer das christliche Volk zu einer unwiderruflichen Glaubenszustimmung verpflichtenden Form“ formulierte Wahrheiten, „die in der göttlichen Offenbarung enthalten sind oder die mit solchen Wahrheiten in einem notwendigen Zusammenhang stehen“ (Katechismus der katholischen Kirche, 1993, Nr. 88). Das Erste Vatikanische Konzil hat festgelegt: „Mit göttlichem und katholischem Glauben ist also all das zu glauben, was im geschriebenen oder überlieferten Wort Gottes enthalten ist und von der Kirche in feierlichem Entscheid oder durch gewöhnliche und allgemeine Lehrverkündigung als von Gott geoffenbart zu glauben vorgelegt wird“ (DH 3011; Neuner/Roos, Nr. 34). Aus diesen Bestimmungen ergibt sich: 1. Der Inhalt des Dogmas ist nach katholischem Verständnis Offenbarungswahrheit, unabhängig davon, ob sich diese in der Bibel oder in der kirchlichen Tradition findet. 2. Was als Glaubenswahrheit zu gelten hat, entscheidet die Kirche vermittels des Lehramts mit dem Papst an der Spitze, der nach dem Dogma „Pastor aeternus“ des I. Vatikanums (1870) unfehlbar ist, wenn er kraft seiner ihm von Gott verliehenen Vollmacht „ex kathedra“ lehrt. 3. Dogmen sind nicht nur verbindliche Lehrgesetze, sondern auch allgemein verbindliche Glaubenssätze. Abgesehen davon, daß es in den orthodoxen Kirchen kein dem Papsttum vergleichbares zentralistisches Lehramt gibt, teilt die Orthodoxie die römisch-katholische Auffassung von der Heilsnotwendigkeit des Glaubens an die dogmatisch und damit rechtlich fixierte Lehre der Kirche. Der evan-

Der Begriff des Dogmas

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V. Hermeneutik in der Systematischen Theologie

Die Geschichtlichkeit des Dogmas

gelische Begriff von Dogmatik unterscheidet sich von beiden schon deshalb, weil Dogmatik in der evangelischen Theologie nicht unbedingt als Wissenschaft vom Dogma verstanden wird. Die Bezeichnung „Dogmatik“ für die uns hier interessierende Disziplin stammt aus dem 17. Jahrhundert und ist relativ unabhängig von Begriff und Sache des Dogmas im Sinne eines kirchlichen terminus technicus entstanden. „Dogma“ heißt im Griechischen ganz allgemein Lehre, Lehrsatz oder Lehrmeinung. Christliche Dogmatik befaßt sich in jedem Fall mit der lehrhaften Darstellung des christlichen Glaubens, die freilich stets geschichtlich geprägt ist. Seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil wird die Geschichtlichkeit des Dogmas und seiner sprachlichen Formen auch von der römisch-katholischen Theologie anerkannt und durchdacht. So wurde die neuscholastische Methode durch eine geschichtlich-hermeneutische Betrachtungsweise abgelöst, ohne freilich den Gedanken des lehrmäßig und kirchenrechtlich verbindlichen Dogmas überhaupt preiszugeben. Programmatisch erklärt Karl Rahner: „Die Regeln der biblischen Hermeneutik, die seit der Aufklärung langsam ins reflexe Bewußtsein der Kirche gekommen sind und heute nach einer langen und schwierigen Entwicklung auch vom Lehramt der Kirche ausdrücklich oder stillschweigend anerkannt worden sind, müssen auch (natürlich mutatis mutandis) als Regeln der Interpretation der Lehren des späteren Lehramts gesehen und anerkannt werden“ (195: 33). Der verbindliche Inhalt des Dogmas trete nie rein in Erscheinung, sondern in einem „Amalgam“ von Vorstellungen und Interpretamenten (195: 20 ff.). Rahner spricht sogar von „lehramtlichen Fehlentscheidungen“, die zur Geschichtlichkeit der Wahrheit gehören (195: 18), und davon, daß die Dogmengeschichte in ihrem weiteren Verlauf offen und nicht vorhersehbar sei (195: 42 ff.). Es gibt aber einen verbindlichen Inhalt des Dogmas, der nicht zur Disposition steht. Die Dogmenentwicklung ist daher auch für Rahner „nicht mehr nach rückwärts revidierbar […] in dem Sinne, daß ein solcher Satz später wieder als irrig erklärt werden könnte“ (195: 28). Historisch-kritische Dogmenhermeneutik vollzieht lediglich einen „Ausscheidungsprozeß“, bei dem neue Denkformen und Begriffe an die Stelle der alten treten können, jedoch „die Selbigkeit des Dogmas im alten Sinn gewahrt wird“ (195: 22). Hinter der neueren katholischen Dogmenhermeneutik steht nach wie vor ein gegenstandsorientierter, korrespondenztheoretischer Wahrheitsbegriff, mag dieser auch durch die Vorstellung von einer „Hierarchie der Wahrheiten“ (Unitatis Redintegratio 11) ausdifferenziert werden. Bereits 1957 schrieb Hans Küng in seinem für den ökumenischen Dialog bahnbrechenden Buch zur Rechtfertigungslehre, die lehrende Kirche habe ihre dogmatischen Entscheidungen „nie [!] als eingefrorene, tote Formeln betrachtet […], sondern als lebendige Wegweiser für weiteres Forschen im unerschöpflichen Reichtum der Offenbarung Jesu Christi“ (395: 106). Die Gültigkeit und Verbindlichkeit lehramtlicher Formulierungen wurde auch von Küng nicht angezweifelt, aber dahingehend abgeschwächt, daß Dogmen stets die geschichtsbedingte Sprache ihrer Zeit sprechen und immer nur einen begrenzten Aspekt der unendlichen Wahrheit ausdrücken. Als Küng jedoch das Dogma von der Unfehlbarkeit päpstlicher Lehrentscheidungen anzweifelte (394), wurde ihm bezeichnenderweise von Rom die Lehrerlaubnis entzogen.

3. Dogmatische Hermeneutik

b) Dogmenhermeneutik und Dogmenkritik Im Vergleich mit der Geschichte römisch-katholischer Dogmatik fällt auf, daß die Bezeichnung „Dogmatik“ im Protestantismus in einer Zeit aufkam, als man der Idee des Dogmas kritisch gegenüberzustehen begann (412: 15). Dieser kritische Grundzug ist auch für die evangelische Disziplin der Dogmengeschichte kennzeichnend. Namentlich für die liberale Theologie des 19. Jahrhunderts bestand die Aufgabe der Dogmengeschichte nicht in Dogmenhermeneutik, sondern in Dogmenkritik. David Friedrich Strauß (1808 – 1874) schrieb programmatisch: „die wahre Kritik des Dogmas ist seine Geschichte“ (407: 71). Und für Adolf von Harnack (1851 – 1930) ist die Dogmengeschichte „die Geschichte der sich steigernden Konfusionen und der wachsenden Indifferenz nicht nur gegen Absurde, sondern auch gegen die Widersprüche, weil die Kirche nur schwer im Stande ist, irgend etwas Traditionelles aufzugeben“ (388: 25). Harnack leugnete zwar nicht, daß der christliche Glaube auch in lehrhafter Gestalt zur Darstellung gebracht und mit den Mitteln des begrifflichen Denkens entfaltet werden muß. Er bestritt aber jede Möglichkeit, für zeitbedingte Formulierungen bleibende Geltung und kirchliche Verbindlichkeit zu fordern. Damit zog er die Konsequenz aus der radikalen Historisierung von Theologie und Christentum, wie sie mit dem Historismus verbunden waren. Schon Friedrich Schleiermacher hat, wie gesehen, die Dogmatik dem Gebiet der historischen Theologie zugewiesen. In seinem eigenen dogmatischen Entwurf vermeidet er sowohl den Begriff des Dogmas als auch die Bezeichnung „Dogmatik“. Schleiermacher spricht statt dessen von Glaubenslehre. Ihr Gegenstand seien „dogmatische Sätze“, d. h. „Glaubenssätze von der darstellend belehrenden Art, bei welchem der höchstmögliche Grad der Bestimmtheit bezweckt wird“ (404, I: 107 [§ 16]). Wie bei allen sonstigen Formen christlicher Glaubenssätze – zeugnishaften, predigtmäßigen und dichterischen – handelt es sich auch bei den „dogmatischen Sätzen“ um „Auffassungen der christlich frommen Gemütszustände in der Rede dargestellt“ (404, I: 105 [§ 15]). Sie haben notwendigerweise einen subjektiven bzw. einen geschichtlich-partikularen Charakter, weshalb ihre Geltung geschichtlich relativ ist. Konkret gilt dies auch für die Bekenntnisschriften der Reformationszeit, die bis heute in den evangelischen Kirchen normativen Rang haben. Schleiermachers Glaubenslehre, welche den christlichen Glauben nach den „Grundsätzen der evangelischen Kirche“ – und zwar lutherisch wie reformiert! – darstellen möchte, ist das Beispiel einer (unionistischen) geschichtlich orientierten Hermeneutik evangelischer Bekenntnisse. Für das geschichtlich geprägte Bewußtsein von der historischen Relativität aller sprachlichen Ausdrucksformen des christlichen Glaubens ist der Gegensatz zwischen Rechtgläubigkeit und Häresie, der bis heute das orthodoxe und das römisch-katholische Verständnis von Dogma und Dogmatik bestimmt, obsolet. Schleiermacher verflüssigt ihn zum relativen Gegensatz zwischen dem kirchlichen Common sense und verschiedenen Formen der Heterodoxie, die legitimerweise innerhalb der Kirche bestehen können, wiewohl sich Schleiermacher selbst noch vor der Anwendung des Heterodoxiebegriffs scheut (404, I: 145 f.).

Dogmengeschichte als Dogmenkritik

„Dogmatik“ und „Glaubenslehre“

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V. Hermeneutik in der Systematischen Theologie

c) Dogmatische und metaphorische Sprache Rückbindung dogmatischer Begriffe an religiöse Metaphorik bei Schleiermacher und Ricœur

Der hermeneutische Charakter aller Dogmatik hängt bei Schleiermacher auch damit zusammen, daß alle lehrhaften Ausdruckformen des christlichen Glaubens an die dichterisch-expressive Sprache des Glaubens gebunden bleiben. Es ist, wie Schleiermacher erklärt, „der dogmatischen Begriffsbildung nicht gelungen, ja man dürfte wohl sagen, es kann ihr auch des Gegenstandes wegen nicht gelingen, den eigentlichen Ausdruck überall an die Stelle des bildlichen zu setzen; und der wissenschaftliche Wert dogmatischer Sätze beruht also von dieser Seite größtenteils nur auf der möglichst genauen und bestimmten Erklärung der vorkommenden bildlichen Ausdrücke“ (404, I: 114). Religiöse Rede, so läßt sich Schleiermachers Gedanke interpretieren, ist im Kern metaphorische Rede. Mit Paul Ricœur läßt sich hinzufügen, daß metaphorische Sprache keineswegs eine uneigentliche und damit gegenüber der Begriffssprache defizitäre Form der Rede, sondern eine andere Form der eigentlichen Rede ist. Metaphern sagen nicht, was die Dinge sind, sondern als was sie sind. Auf diese schiefe Weise aber sprechen sie von den Dingen eigentlich und zeigen damit etwas von ihrem Sein, das sich der Sprache der Begriffe gerade nicht erschließt (401). Es ist aber die Offenheit aller Metaphorik, mithin auch der metaphorischen Rede von Gott, welche einen unabschließbaren Prozeß der Interpretationen freisetzt. Eben darum kann auch die Dogmatik nicht allein logisch-begrifflich arbeiten, sondern bedarf hermeneutischer Methoden. Eben wegen der Rückbindung aller Versuche begrifflichen Denkens an die metaphorische Sprache des Glaubens ist Dogmatik ihrem Wesen nach Hermeneutik des Glaubens.

d) Hermeneutische und analytische Methode in der Systematischen Theologie

Merkmale des analytischen Denktyps

Abgesehen davon, daß das hermeneutische Problem die gesamte Theologie und somit auch die Systematische Theologie und ihre Disziplinen durchzieht, lassen sich doch unterschiedliche Denkweisen ausmachen. Gerhard Sauter und Alex Stock unterscheiden zwischen einem hermeneutischen und einem analytischen Denkstil (402: 21 ff.). Während die hermeneutische Denkweise am Verstehen orientiert ist, verfährt der analytische Denkstil beschreibend-distanziert. Wer analytisch verfährt, sieht sich im Unterschied zur hermeneutischen Methode nicht von vornherein in einen bedeutsamen Erfahrungszusammenhang eingebettet, sondern ist zunächst an Strukturen und Relationen interessiert. Zwar darf dabei die Beziehung des Beobachters zum beobachteten Sachverhalt nicht aus dem Blick geraten, doch wird diese Beziehung nicht zum Schlüssel der Untersuchung gemacht. Der analytischen Beschreibung kommt es auf den Verallgemeinerungsgrad an, der sich durch Beschreiben und Unterscheiden, Vergleichen und hierarchische Ordnung von Beobachtungen erreichen läßt. „Aus alledem ergibt sich ein von dem hermeneutischen Denktypus deutlich abgehobenes Argumentationsverhalten, auch ein anderer Gesprächsstil, der daran interessiert ist, durch genaue Beschreibung ein Einverständnis zu erreichen und sich dadurch auch formulierbaren Ver-

3. Dogmatische Hermeneutik

bindlichkeiten auszusetzen. Dabei müssen die sprachlichen Mittel von dem jeweils Bezeichneten klar unterschieden werden können. Das heißt praktisch, daß Aussagen über etwas auch als richtig oder falsch zu erweisen sind“ (402: 25). Während der hermeneutische Denktypus eine geschichtliche, d. h. aber diachrone Betrachtungsweise dogmatischer Sachverhalte an den Tag legt, vernachlässigt der analytische Denktypus die historische Dimension zugunsten einer synchronen Betrachtungsweise. Zwar berücksichtigt die analytische Beschreibung eines dogmatischen Problems „durchaus, was vergangen, was gegenwärtig und was zukünftig ist. Aber es kommt ihr nicht auf den Gegenwartsbezug oder auf den Vergangenheitsbezug als Verstehensrelation an, sondern auf die (jeweils ,gleichzeitige‘, synchrone) Feststellung dessen, was sich als vergangen, gegenwärtig und zukünftig erweist“ (ebd.). Nach Ansicht von Sauter und Stock rechnet der analytische Denkstil stärker als der hermeneutische mit Erkenntnisgewinn durch die Überschreitung bekannter, vertrauter Erfahrungen. Anders als beim hermeneutischen Denktypus, der ja überholbare und neue Erkenntnisse keineswegs ausschließt, geschieht dies beim analytischen Denkstil „nicht in einer allgemeinen Besinnung auf die Geschichtlichkeit des Denkens, das immer wieder Neues und Altes miteinander zu vermitteln hat, sondern im Blick auf erledigte Problemstellungen (die entweder als ungültig erwiesen sind oder als gelöste Probleme berücksichtigt werden müssen oder sich als strukturelle Probleme in jeder Situation neu stellen) und bisher unbekannte Probleme, die ein Weiterschreiten der Erkenntnis verlangen, ohne daß dies gleich schon als ein qualitativer Erkenntnisfortschritt beurteilt werden könnte“ (402: 26). Sauter und Stock vertreten die Ansicht, daß der hermeneutische Denktyp grundsätzlich in der Dogmatik dominiere, die analytische Denkweise dagegen in der Ethik (402: 29). Sie relativieren ihre Aussage aber dahingehend, daß sich beide Typen auch in einer dogmatischen Argumentation ergänzen können (ebd.). Zu ergänzen ist, daß es innerhalb der theologischen Ethik auch eine namhafte Tradition einer deskriptiv-hermeneutischen Denkweise gibt, wie wir im folgenden Kapitel sehen werden. Insofern lassen sich die unterschiedlichen Denktypen doch nicht so einfach den verschiedenen Disziplinen der Systematischen Theologie zuordnen. Sowohl in der Dogmatik als auch in der theologischen Ethik können sich hermeneutische und analytische Denkweise sinnvoll ergänzen. Das ergibt sich auch aus den Ausführungen im I. Kapitel zum Verhältnis von Hermeneutik und Kritik sowie von Semiotik und Hermeneutik (vgl. oben Kap. I, bes. Abschnitt 2). Die Sensibilität für unterschiedliche Denkweisen in der Systematischen Theologie ist ihrerseits eine hermeneutische Fragestellung. Sie orientiert sich eindeutig an der Kategorie des Verstehens, weil sie z. B. eine analytische Vorgangsweise im konkreten Einzelfall als Bestandteil der hermeneutischen Situation bewußt macht. Das Bewußtsein für die Unterschiede zwischen analytischer und hermeneutischer Denkweise ist hermeneutisch deshalb so wichtig, weil Verschiedenheiten in der Denkweise allzu leicht mit Differenzen in der Sache verwechselt werden. Dogmatische Hermeneutik ist so gesehen also auch eine Antwort auf die Verschiedenheit dogmatischer Denkstile und die durch sie provozierten Mißverständnisse im Konflikt der Interpretationen dessen, was die Botschaft des Glaubens ist.

Ergänzung von analytischem und hermeneutischem Denktyp

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VI. Hermeneutik in der theologischen Ethik 1. Hermeneutische Ethik a) Ethik als selbstreflexive Theorie der Moral

Unterscheidung von Ethik und Moral

Wie in der Dogmatik sind auch in der theologischen Ethik ein analytischer und ein hermeneutischer Denktypus anzutreffen. Auch in der Ethik ist es wichtig, sich vor falschen Alternativen zwischen hermeneutischen und semiotischen oder strukturalistischen Methoden zu hüten. Zunächst ist der Begriff der Ethik zu bestimmen. Dabei ist zwischen Ethik und Moral begrifflich zu unterscheiden. Während Moral oder Ethos – ich verwende die Begriffe hier synonym – die sittliche Grundorientierung menschlicher Lebensführung sowie die Verhaltensnormen einer Gesellschaft oder einer Gemeinschaft bezeichnet, ist unter Ethik eine Theorie der Moral oder des Ethos zu verstehen. Von einer rein deskriptiven Ethosforschung oder einer Moralsoziologie unterscheidet sich Ethik dadurch, daß es sich um die selbstreflexive Theorie der Moral handelt (438). Als selbstreflexive Theorie der Moral ist Ethik aber nicht moralfrei, sondern selbst moralhaltig. Moralfreie Theorien der Moral werden von der Psychologie, der Soziologie, von den Kulturwissenschaften, z. B. in Sozialgeschichte und Religionswissenschaft, oder auch von der Verhaltensbiologie aufgestellt. In diesen Wissenschaften geht es darum, menschliches Verhalten zu beschreiben. Dabei werden auch Normen und Werte, moralische Maximen und Regeln, Gebote und Verbote zum Gegenstand der Untersuchung gemacht. Aber diese sind eben nur Gegenstand einer beobachtenden Beschreibung. Eine bloße Beschreibung von Moral klammert die Frage nach der Begründung moralischer Normen und ihrer Geltung methodisch aus. Eine deskriptiv-analytische Beschreibung gesellschaftlicher Normen, ihrer Herkunftsgeschichte und Wirkungsweise ist freilich noch keine Ethik. Ethik beruht auf der Unterscheidung von Faktizität und Geltung moralischer Normen. „Die Eigentümlichkeit der Moralität etwa in Abgrenzung zum Ästhetischen, Religiösen oder Politischen ist nicht anders zu bestimmen als durch den Anspruch des Guten und die Abweisung des Bösen/Schlechten“ (442: 219). Ethik fragt also nicht nur, was ist, sondern was sein soll, weil es in jeder Hinsicht gut wäre. Sie setzt sich aber auch mit der Frage auseinander, warum es gut ist, sich ethische Fragen zu stellen, und schlecht, diesen Fragen auszuweichen.

b) Analytische Ethik und Theorie der Moral Wenn von einer analytischen und einer hermeneutischen Denkweise in der Ethik gesprochen wird, ist die Unterscheidung zwischen einer moralfreien Moraltheorie und einer ethischen, d. h. moralhaltigen und selbstreflexiven

1. Hermeneutische Ethik

Theorie der Moral zu beachten. Nicht nur eine moralhaltige, sondern auch einer moralfreie Theorie der Moral kann sowohl analytisch als auch hermeneutisch verfahren. Eine analytische Theorie der Moral, welche sich normativer Urteile in moralischen Fragen zu enthalten versucht, ist die Moraltheorie Niklas Luhmanns (1927 – 1998). Luhmann beschreibt das Phänomen der Moral im Rahmen seiner funktionalen Systemtheorie. Als Beobachter zweiter Ordnung versucht er, Moral nicht zu begründen – das eben wäre auf der Ebene eines Beobachters erster Ordnung die Aufgabe einer sich selbst moralisch bestimmenden Ethik – , sondern von einem moralfreien Beobachterstandpunkt aus funktionsanalytisch zu beschreiben. Luhmann definiert Moral allgemein als „die Kommunikation über Bedingungen wechselseitiger Achtung“ zwischen Personen bzw. psychischen Systemen (437: 46). Die Moral einer Gesellschaft besteht in der „Gesamtheit der faktisch praktizierten Bedingungen wechselseitiger Achtung oder Mißachtung“ (437: 51). Die Funktion der Moral, für die es in der modernen Gesellschaft möglicherweise moralfreie Äquivalente wie z. B. das positive Recht gibt, sieht Luhmann darin, „über Achtungsbedingungen Achtungskommunikation und damit eine laufende Abgleichung von Ego/Alter-Synthesen zu steuern“ (ebd.). Codiert aber wird die Zuteilung von Achtung bzw. der abgestufte Achtungsentzug durch die binäre Unterscheidung zwischen Gut und Böse bzw. Gut und Schlecht. Wo es um Achtung geht, ist Streit nicht fern. Gegenüber einem vor allem an der Befriedung der Gesellschaft und am Konsens über Werte und Normen orientierten Moralverständnis thematisiert Luhmann vor allem die „polemogenen“, Streit entfachenden Züge der Moral (437: 54). Moral ist eine zweischneidige Angelegenheit, was sich spätestens dann zeigt, wenn die Frage auftritt, ob eigentlich die Anwendung der Unterscheidung von gut und böse ihrerseits gut oder böse ist. Hier tritt nun nach Luhmann die Ethik als Reflexionstheorie der Moral auf den Plan. Während die Funktion der Moral in der gesellschaftlichen Zuteilung oder Verweigerung von Achtung besteht, hat Ethik die Funktion, „der Moral eine Theorie der Moral zu liefern“ (438: 371). Doch gerade darin besteht für Luhmann in der modernen Gesellschaft ihr Problem. Angesichts der zunehmenden Komplexität moderner Gesellschaften zeigen sich Moral und Ethik immer hilfloser, die ursprüngliche Funktion von Moral wahrzunehmen. Die Ethik reagiert darauf mit immer anspruchsvolleren und komplexeren Theorieleistungen, die dabei zunehmend abstrakter und im konkreten Einzelfall immer weniger handhabbar werden. Luhmann sieht seine Aufgabe freilich nicht darin, die Probleme der Ethik zu lösen, sondern lediglich darin, sie soziologisch bzw. systemtheoretisch zu beschreiben. Auf andere Weise versucht dies die Analytische Ethik auf der Grundlage der sprachanalytischen Philosophie. Sie wird auch als Metaethik bezeichnet (429). Analytische Ethik ist über weite Strecken eine rein deskriptive Analyse der Sprache der Moral, die selbst keine normativen Aussagen formulieren will. Ihr Ziel ist allein „die logische Untersuchung der Moralsprache“ (428: 13). Insofern ist der Begriff der Ethik in diesem Zusammenhang durchaus mißverständlich. Auch der Begriff des Analytischen darf nicht mit demjenigen verwechseln werden, der im vorigen Kapitel bei der Unterscheidung

Die Moraltheorie N. Luhmanns

Analytische Ethik

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VI. Hermeneutik in der theologischen Ethik

zwischen einem analytischen und einem hermeneutischen Denktypus Systematischer Theologie verwendet wurde. Als eigentlicher Begründer der Analytischen Ethik gilt George Edward Moore (1873 – 1958) mit seinem 1903 erschienenen Hauptwerk „Principia Ethica“ (440). Die fundamentalste Frage der ganzen Ethik ist für Moore das semantische Problem, wie moralische Begriffe, allen voran „gut“ und „richtig“ überhaupt definiert werden können. Läßt sich diese semantische Frage nicht beantworten, sei jede normative Ethik zum Scheitern verurteilt. Moore ist davon überzeugt, daß sich gut und böse nicht kognitivistisch definieren lassen. Daraus folgt für ihn, daß Moral lediglich auf Intuitionen des Guten beruht. So ist nach Moores Ansicht eine Handlung moralisch richtig, weil sie Notleidenden Hilfe bringt. Dies aber werde intuitiv für gut gehalten. Die theoretischen Schwächen dieser Konzeption brauchen hier nicht weiter diskutiert zu werden (429: 63 ff.). Es genügt, Moores Theorie der Moral als Beispiel für eine analytisch-deskriptive Moraltheorie anzuführen, die zunächst moralfrei zu bleiben versucht, schließlich aber doch zu normativen Fragen übergeht. Im Sinne einer Verbindung von hermeneutischen und semiotischen Zugangsweisen ist es sinnvoll und hilfreich, auch die Sprache und die Sprachspiele von Moral und Ethik einer semantischen Analyse zu unterziehen. Die theoretischen Schwierigkeiten der Analytischen Ethik zeigen allerdings, daß die Beschränkung der Ethik auf metaethische Fragestellungen unzureichend ist. Der Begriff des Analytischen läßt sich freilich noch in einem weiteren Sinne verwenden, wie es im vorigen Kapitel geschehen ist. In diesem Sinne begegnet ein analytischer Denktyp in der Ethik auch dort, wo sie nicht der Richtung der Analytischen Ethik oder Metaethik angehört, sondern sehr wohl normative Fragestellungen nach der Begründbarkeit und Rechtfertigung moralischer Sollensaussagen bearbeitet, um im Einzelfall zu moralischen Urteilen zu gelangen (402: 28 f.).

c) Deskriptiv-hermeneutische Ethik Hermeneutische und normative Theorie der Moral

Versteht man unter Ethik im weitesten Sinne die Theorie menschlicher Lebensführung, liegt ihr hermeneutischer Charakter auf der Hand. Eine Theorie menschlicher Lebensführung setzt voraus, daß menschliches Leben und menschliche Lebenswelten verstanden werden müssen und immer schon in einer bestimmten Weise verstanden sind, weil derjenige, der sich mit ethischen Fragen konfrontiert sieht, kein neutraler Beobachter des Lebens, sondern in dieses immer schon involviert ist. Ausgehend von der Phänomenologie Husserls und der daseinsanalytischen Philosophie Heideggers entwirft z. B. Bernhard Irrgang eine „Praktische Ethik aus hermeneutischer Sicht“ (432). Allerdings begründet eine hermeneutische Zugangsweise zum Phänomen des Ethischen als solche noch keine normative Theorie der Moral. Denn auch die hermeneutische Bearbeitung ethischer Fragen kann sich zunächst auf die phänomenologische oder auch die historischgenetische Beschreibung ethischer Verhaltensweisen beschränken. Bereits Friedrich Schleiermacher, der Begründer moderner Hermeneutik, hat an der Kantischen Engführung der Ethik auf den im Sinne der Autonomie

1. Hermeneutische Ethik

interpretierten Pflicht- bzw. Sollensbegriff Kritik geübt und seinerseits eine deskriptiv verfahrende theologische Ethik entworfen, welche eine christliche Güter- und Tugendlehre bietet (448). Schleiermachers Idee einer deskriptiven Ethik wird bei ihm dezidiert theologisch begründet. Ausgehend von der reformatorischen Unterscheidung zwischen Gesetz und Evangelium und der paulinischen These vom Ende des Gesetzes (448: 57,92), rückt er das urbildliche Leben Christi sowie das von ihm verheißene Reich Gottes ins Zentrum der Ethik. Theologische Ethik ist also bei Schleiermacher primär eine Lehre vom höchsten Gut, nämlich der absoluten Gemeinschaft mit Gott, die einerseits als das gemeinschaftliche Ziel sozialen Handelns, andererseits aber als proleptisch bereits im Leben Jesu vorgegeben beschrieben wird. Der Typus einer Gebotsethik, der sich auf den Dekalog und die christliche Katechismustradition zurückführen läßt und durch das Modell einer Pflichtenlehre repräsentiert wird, erscheint demgegenüber als unorganisch mit der Dogmatik verbunden. Freilich will auch Schleiermacher das Thema der Pflichtenlehre in die Ethik integrieren, indem er darauf hinweist, daß jede Beschreibung immer auch normativen Charakter hat. „Die christliche Sittenlehre ist Beschreibung der christlichen Handlungsweise, sofern sie auf den Erlöser zurükkgeht, und eben als solche Beschreibung ist sie Gebot für alle, die in der christlichen Kirche sind, für welche eben nichts anderes Gebot ist, als was sich aus der absoluten Gemeinschaft, wie sie in Christo, dem Erlöser ist, entwikkeln läßt“ (448: 34). So vertritt Schleiermacher einen integrativen Ethikansatz, der die innere Einheit von Sein und Sollen behauptet. Im Gegensatz zu Hans Krämer, der heute für eine postteleologische Strebensethik plädiert (436), hat Schleiermacher jedoch den Typus einer teleologischen Strebensethik vertreten, der sich aus der eschatologischen Vorstellung des Reiches Gottes ergibt. Im 20. Jahrhundert ist der Schleiermachersche Ansatz von Karl Barth aufgegriffen worden. Auch seine Ethik, die er in die Dogmatik integriert, ist als deskriptive Ethik zu bezeichnen. Die Einheit von Sein und Sollen, von Güterlehre und Pflichtenethik, sucht Barth durch eine neue Verhältnisbestimmung von Gesetz und Evangelium zu erweisen (415). Nach Barth gibt es nur ein einziges, mit seiner Selbstoffenbarung in Christus identisches Wort Gottes, das sowohl Gesetz als auch Evangelium ist. Evangelium ist es seinem Inhalt nach, Gesetz seiner Form nach. Das Gesetz ist nicht ein zweites Wort neben dem Evangelium, sondern dessen Form (416: 564 ff.). Zwar stellt Barth seine Ethik unter den Begriff des göttlichen Gebotes, erklärt aber, daß ihr primärer Gegenstand nicht das Handeln des Menschen, sondern dasjenige Gottes ist, welches dem Menschen zugute kommt, dann aber auch zur Norm wird. Barths offenbarungstheologische Konzeption kann freilich nicht im strikten Sinne des Wortes als hermeneutische Theologie oder Ethik bezeichnet werden. Seine Theorie der Selbstoffenbarung Gottes grenzt sich vielmehr von der hermeneutischen Theologie Bultmanns und seiner Schule scharf ab. In ganz anderer Richtung als Barth versucht in jüngster Zeit vor allem Johannes Fischer den Ansatz Schleiermachers fortzuführen. Fischer unterscheidet dabei zwischen Moral und Ethos bzw. zwischen moralischer und sittlicher Orientierung (425: 472). Unser Handeln, so argumentiert Fischer, läßt sich zwar möglicherweise moralisch begründen oder nachträglich

F. Schleiermachers Konzeption theologischer Ethik

Das Ethikverständnis K. Barths

Deskriptiv-hermeneutische Ethik bei J. Fischer

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VI. Hermeneutik in der theologischen Ethik

moralisch rechfertigen. Es folgt aber nicht immer moralischen Regeln oder Urteilen, sondern nichtmoralischen praktischen Orientierungen, die sich erst in einem weiteren Schritt moralisch bewerten und möglicherweise auch rechtfertigen lassen. Fischer verdeutlicht dies an dem Beispiel einer Mutter, die sich in einer für sie schwierigen Situation entschließt, ihr Kind nicht im Stich zu lassen. Ihre Entscheidung ist nicht das Ergebnis einer ethischen Urteilsbildung anhand eines komplizierten Verfahrens, in dem moralische Normen gegeneinander abgewogen werden, sondern sie folgt allein aus der Bindung der Frau an ihr Kind. „Auch wenn ihre Entscheidung zu bleiben, moralisch als gut bewertet werden kann, entscheidet die Mutter sich doch nicht deshalb zum Bleiben, weil dies gut ist bzw. weil es einen moralischen Wert hat“ (ebd.). Der Vorrang der Hermeneutik vor dem analytisch-normativen Denken in der Ethik aber ergibt sich für Fischer daraus, daß das Verstehen elementarer als das Begründen ist (423: 81). Im Sinne seiner Unterscheidung zwischen Ethos und Moral geht nun Fischer wie Schleiermacher davon aus, daß es ein spezifisches christliches Ethos gibt, das nicht aus allgemeinen moralischen oder besonderen religiösen Normen folgt, sondern das sich als Lebensform beschreiben läßt, die sich organisch aus dem christlichen Glauben ergibt. So wie es christliche Theologie gibt, weil es den christlichen Glauben gibt, gibt es nach Fischers Auffassung auch „so etwas wie ,theologische Ethik‘“, weil es faktisch ein unterscheidbar christliches Ethos gibt (424: 78 f.). Allerdings gibt es nicht das christliche Ethos an sich, sondern es begegnet geschichtlich und gegenwärtig stets nur in einer Vielfalt von Interpretationen. So besteht der Pluralismus der Konfessionen nicht nur auf dogmatischem, sondern auch auf ethischem Gebiet. Daher kann auch eine heute angestrebte ökumenische Ethik nicht jenseits der konfessionellen Unterschiede, sondern nur multiperspektivisch betrieben werden (426). Freilich lassen sich nicht nur konfessionelle Unterschiede ausmachen, sondern unterschiedliche Typen eines gelebten christlichen Ethos und verschiedene Begründungsmodelle bestehen heute zum Teil über traditionelle Konfessionsgrenzen hinweg. Das gehört zur Geschichtlichkeit jedes Ethos, mit der sich insbesondere die Ethosforschung als Teil einer hermeneutisch verfahrenden Ethik befaßt. Bei Fischer verbindet sich damit nun eine Absage an den in der theologischen Ethik weithin vorherrschenden Typ einer Gebotsethik. Das mag zunächst überraschen, scheint doch die Ableitung moralischer Normen aus dem Willen Gottes für eine theologische Ethik konstitutiv zu sein. Fischer beruft sich jedoch auf die reformatorische Lehre von der Rechtfertigung des Sünders, der ohne gute Werk oder Werke des Gesetzes von Gott angenommen wird. Die Botschaft von der Rechtfertigung allein durch den Glauben bedeutet das Ende des Gesetzes als Heilsweg und somit auch, daß der Christenmensch frei ist von allen Geboten (423: 83 f.). Die christliche Rede vom Gebot Gottes versucht Fischer nun mit Hilfe der Unterscheidung zwischen Begründen und Rechtfertigen zu interpretieren. Daß der Glaube einerseits frei vom Gesetz ist, andererseits aber sehr wohl unter Gottes Gebot steht, bedeute, daß sich das christliche Handeln vor Gott zwar jederzeit rechtfertigen müsse, daß dieses Handeln selbst aber nicht durch diesen Rechtfertigungszwang motiviert werde. Was das Han-

2. Ethische Wahrnehmung

deln aus Glauben leite, sei vielmehr der Geist der Liebe, die in Jesus von Nazareth konkrete Gestalt angenommen hat (423: 84 ff., 120 ff.). In diesem Sinne ist es zu verstehen, wenn Fischer erklärt, theologische Ethik sei „ihrem ganzen Wesen nach nicht der normativen Ethik zuzurechnen, sondern sie ist eine deskriptiv-hermeneutisch verfahrende Ethik“ (424: 80). Eine Ethik, die diesen Namen verdient, kann sich jedoch nicht auf die hermeneutische Beschreibung eines gelebten Ethos beschränken, sondern muß die normative Frage nach der Begründbarkeit eines solchen Verhaltens bearbeiten. Auch eine theologische Ethik, die sich moralkritisch verhält, erhebt einen normativen Geltungsanspruch. Wie schon bei Schleiermacher werden die normativen Anteile der Ethik bei Fischer zugunsten eines primär normativitätskritischen bzw. eines tugendethischen Verständnisses von Ethik zu sehr abgeschattet. Die Frage nach dem normativen Aspekt theologischer Ethik bleibt freilich auch bei Fischer virulent, sofern er nicht auf seine Bestreitung abzielt, sondern sich – und dies völlig zu Recht – lediglich gegen die „Abkoppelung der normativen Reflexion von den theologischen Tugenden“ wendet, „so als fände sie ihre Kriterien unabhängig von diesen“, bzw. gegen „die Entgegensetzung von normativer und tugendethischer Orientierung“, die in der Tat „im Widerspruch zur christlichen Tradition“ steht (424: 91).

Unaufgebbarkeit normativer Ethik

2. Ethische Wahrnehmung a) Wahrnehmen und Verstehen Wie von der Phänomenologie zu lernen ist, besteht ein enger Zusammenhang zwischen Verstehen und Wahrnehmen. Für eine hermeneutische Theorie der Ethik ist eine Phänomenologie der Wahrnehmung ganz elementar. Es besteht somit ein Zusammenhang zwischen Hermeneutik und Ästhetik, verstanden als Theorie der Wahrnehmungs- und Urteilsfähigkeit im umfassenden Sinne des Begriffs. Diese schließt den leiblichen und affektiven Bereich des Menschseins ein. Der Leib ist nicht nur die Weise, in welcher der Mensch in der Welt existiert, er ist auch das Medium aller Kommunikation und der Repräsentant der menschlichen Person. Eine hermeneutische Ethik schließt daher notwendigerweise eine Phänomenologie des Leibes ein (43: 89 – 235), die ihrerseits nicht nur anthropologisch, sondern auch christologisch bzw. inkarnationstheologisch zu begründen ist. Grundlage einer theologischen Phänomenologie des Leibes ist das biblische Zeugnis von der Fleischwerdung des Wortes Gottes (Joh 1,14). Der Begriff der Wahrnehmung ist ethisch in seinem doppelten Wortsinn zu bedenken: Nur wenn einzelne sich entschließen, moralische Verantwortung zu übernehmen, wird diese überhaupt als zu realisierende Möglichkeit neu entdeckt und wahrgenommen. Die Wahrnehmung von Verantwortung im Sinne ihrer Übernahme setzt ihre Wahrnehmung im Sinne ihres Erkennens voraus (422; 421). Beispielhaft läßt sich dieser Zusammenhang am Gleichnis Jesu vom barmherzigen Samariter erkennen (Lk 10,25 – 37). Die Moral, die Jesus aus der Beispielgeschichte zieht: „Gehe hin und tue desgleichen!“ (V.37), ist als Anleitung zu einer entsprechenden Aufmerksam-

Phänomenologie der Wahrnehmung

Doppelter Wortsinn des Begriffs der Wahrnehmung

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VI. Hermeneutik in der theologischen Ethik

Hermeneutische Kompetenz in der Ethik

keit und somit Schulung der ethischen Wahrnehmungsfähigkeit zu verstehen. Auch auf ethischem Gebiet ist der Zusammenhang von Wahrnehmen und Verstehen evident. Die Frage des Schriftgelehrten in Lk 10, wer denn sein Nächster sei, zeigt daß jede sogenannte angewandte Ethik auf hermeneutische Kompetenz angewiesen ist. Sowohl dogmatisch als auch ethisch besteht also ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Hermeneutik und Ästhetik. Die Interpretation der konkreten ethischen Situation erfordert schon deshalb hermeneutische Kompetenz, weil im Konfliktfall nicht etwa nur die Handlungsnormen, sondern schon die Analyse der Sachverhalte, also die Beschreibung der Phänomene strittig ist. Ob z. B. ein in vitro gezeugter Embryo im Mehrzellstadium lediglich ein Zellhaufen oder bereits ein werdender Mensch mit Person- und Menschenwürde ist, läßt sich nicht naturwissenschaftlich entscheiden, sondern ist ein in hohem Maße von anthropologischen, weltanschaulichen und religiösen Überzeugungen abhängiges Urteil. Ob ich in einem Menschen, der meine Hilfe fordert, einen Hilfsbedürftigen sehe oder nicht und zu welchem Handeln mich sein Anblick führt, hängt nicht nur von meiner Einschätzung der konkreten Einzelsituation ab, sondern auch von Bildern, die meine Wahrnehmung steuern, wie z. B. das biblische Gleichnis vom barmherzigen Samariter oder der Ausspruch Jesu im Matthäusevangelium: „Was ihr einem meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“ (Mt 25, 40). Ohne eine der Wahrnehmung entsprechende Motivation, für die Begriffe wie Liebe, Mitleid, Wohlwollen oder Barmherzigkeit stehen, gibt es kein moralisches bzw. moralfähiges, d. h. einer nachträglichen moralischen Beurteilung standhaltendes Handeln. Umgekehrt gilt freilich, daß auch Liebe, Mitleid oder Wohlwollen allein kein hinreichendes Kriterium für die Sittlichkeit des Handelns sind. Denn der Wille, Gutes zu tun, sagt noch nicht, was in einer konkreten Situation das für alle Beteiligten Gute tatsächlich ist. Man kann aus Mitleid das Falsche tun oder sich sogar zu unmoralischen Handlungsweisen verleiten lassen.

b) Ethik und Anthropologie Der Begriff der angewandten Ethik und seine Kritik

Die Wahrnehmung ethischer Probleme und Situationen hängt in hohem Maße vom jeweiligen Menschenbild ab. Der evangelische Theologie Wolfgang Trillhaas hat die Ansicht vertreten, alle Ethik sei „in jedem Sinne angewandte Anthropologie“ (449: 19). Der Begriff der Anwendung ist freilich ebenso mißverständlich, wie der heute gebräuchliche Begriff einer angewandten Ethik (im Englischen „applied ethics“; vgl. zur Kritik 441; 431). Er erweckt den Eindruck, als ginge es lediglich darum, ein irgendwie schon feststehendes Menschenbild kasuistisch auf praktische Probleme der Lebensführung anzuwenden. Wer oder was wird hier von wem worauf angewendet? Wer ist das Subjekt der Anwendung? Wer sind die Adressaten? Und bedeutet „angewandte Anthropologie“, daß die anthropologische Reflexion vor dem Handeln steht, oder meint sie die nachträgliche Rechenschaft unserer moralisch begründeten Entscheidungen? Was der Mensch ist, was er sein kann, soll oder will, steht nicht von vornherein fest, muß in allen ethischen Konflikten um medizinische und techni-

2. Ethische Wahrnehmung

sche Innovationen, in politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen und Umbrüchen immer wieder neu durchbuchstabiert werden. Auf die Frage, was der Mensch ist, gibt es keine abschließende Antwort. Wohl aber läßt sich sagen, daß es zum Menschsein des Menschen gehört, die Frage nach sich selbst immer wieder neu zu stellen. Die in bioethischen Diskussionen häufig gestellte Frage, ob oder wie weit der medizinische Fortschritt mit einem bestimmten Menschenbild, zum Beispiel dem christlichen, vereinbar sei, greift zu kurz. Genauso muß man nämlich auch fragen, welches Menschenbild mit der inneren Dynamik der technologischen Gesellschaft vereinbar ist und welchen Transformationen Menschenbilder, die eine ethische Orientierung zu geben versprechen, in Geschichte und Gegenwart ausgesetzt sind. Auch die verbreitete Rede von dem christlichen Menschenbild stellt eine Vereinfachung dar. Wie es nicht das Christentum, sondern eine geschichtliche Vielfalt von Christentümern gibt, so begegnet auch ein christliches Menschenbild in einer gewissen Variationsbreite (435). Außerdem unterliegt es geschichtlichen Transformationsprozessen, die unter anderem das Ergebnis der Auseinandersetzung mit der Aufklärung, mit den Ergebnissen und Fortschritten der modernen Natur- und Humanwissenschaften sowie gesellschaftlichen Umbrüchen, zum Beispiel dem Übergang von der Agrarzur Industriegesellschaft und weiter zur postindustriellen Dienstleistungsund Wissensgesellschaft sind. Überdies gibt es nicht nur in dogmatischen, sondern auch in anthropologischen Fragen zwischen den verschiedenen christlichen Konfessionen signifikante Unterschiede, die etwa den Naturbegriff, das Verständnis menschlicher Freiheit und den Sündenbegriff betreffen. Damit hängt zusammen, daß die Antworten der Kirchen und der einzelnen Christen in ethischen Fragen unterschiedlich ausfallen können. Die christliche Sicht des Menschen weist also eine gewisse Pluralität auf, die teilweise sogar quer zu den Konfessionen besteht. Menschenbilder sind das Ergebnis komplexer kultur- und religionshermeneutischer Prozesse. Die Frage ist daher einseitig gestellt, wenn sie nur lautet, wie lange der technologische Fortschritt (noch) mit einem bestimmten Menschenbild vereinbar ist. Ebenso muß gefragt werden, wie weit es einer weltanschaulichen oder religiösen Tradition gelingen kann, geschichtliche Veränderungen produktiv zu verarbeiten und überkommene Traditionsbestände neu zu interpretieren, so daß sie es auch noch Menschen der Gegenwart erlauben, das eigene Dasein unter Gegenwartsbedingungen sinnvoll zu deuten. Das bedeutet z. B. nicht, daß der technologische und biomedizinische Fortschritt kritiklos hinzunehmen ist. Im Spannungsfeld von Hermeneutik und Kritik sind vielmehr die Ambivalenzen dieses epochalen Prozesses in den Blick zu nehmen. Zweifellos hat eine bestimmte Anthropologie in ethischer Hinsicht immer auch eine kritische Funktion. Kritik und Hermeneutik stehen aber zueinander in einem dialektischen Wechselverhältnis. Zur ethischen Wahrnehmung gehört nach theologischer Erkenntnis die Auseinandersetzung mit dem Phänomen der Sünde. Das Problem der Ethik besteht schließlich nicht nur darin, das Gute zu erkennen, sondern sich auch der Frage zu stellen, weshalb der Mensch das, was angeblich das Gute ist, oftmals bewußt nicht tut. Die Deutung dieses Phänomens im Rahmen

Der problematische Begriff des Menschenbildes

Hermeneutik und Kritik in der Ethik

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VI. Hermeneutik in der theologischen Ethik

der christlichen Lehre von Sünde und Vergebung transzendiert freilich den Bereich des Ethischen, weil das Gottesverhältnis der Menschen kein moralisches, sondern ein transmoralisches ist.

c) Christologie als Schule der Wahrnehmung Das kritische Potential theologischer Ästhetik

Eine theologische Phänomenologie der Wahrnehmung bzw. Ästhetik läßt sich freilich nicht mehr ungebrochen metaphysisch als Lehre vom Schönen in seiner Einheit mit dem Wahren und Guten ausarbeiten. Denn abgesehen von der Grundlagenkrise der Metaphysik in der Moderne ist auch die Kategorie des Schönen christologisch gebrochen und somit ein eschatologischer Begriff. Auch die Natur läßt sich nicht unmittelbar als Schöpfung und somit als Anrede durch Gott erfahren, sondern ist als solche eine Quelle ambivalenter Erfahrungen des Sinnhaften wie des Sinnwidrigen. Ist aber die Erfahrung der Natur als Schöpfung – wie der biblische Gedanke der Schöpfungsmittlerschaft Christi besagt (Joh 1,3; I Kor 8,6; Kol 1,16 f.; Hebr 1,2; Apk 3,14) – christologisch begründet, so kann auch eine Ästhetik der Schöpfung nicht von der Theologie des Kreuzes absehen. Das älteste Christentum hat das Gottesknechtslied aus Jes 53 auf Christus gedeutet. In diesem Text wird gesagt, daß der gefolterte Gottesknecht nichts Schönes an sich hatte, sondern geradezu abstoßend wirkte. „Er war der Allerverachtetste und Unwerteste, voller Schmerzen und Krankheit. Er war so verachtet, daß man das Angesicht vor ihm verbarg; darum haben wir ihn für nichts geachtet“ (Jes 53,3). Im Unterschied zur Ästhetik einer ideologischen Ganzheitlichkeit, welche das Leben überhöht, um den Preis, seine Zweideutigkeiten zu überspielen, führt der Geist Christi zu einer „Ästhetik des Häßlichen“ (447), dessen Erlösung verheißen und zu erhoffen ist. Das Wahre, das Schöne und das Gute treten in der unerlösten, von der Sünde des Menschen bestimmten Welt, zueinander in Spannung, die sich nicht in einen metaphysischen Abschlußgedanken auflösen läßt. Das bleibt auch das Wahrheitsmoment der folgenreichen Differenzierung des Ästhetischen vom Ethischen bei Søren Kierkegaard. Eine theologische Ästhetik hat die Zweideutigkeit des schönen Scheins kritisch zu reflektieren, und zwar gerade dann, wenn es um das Wort des Glaubens geht. Die beständige Aufgabe der Theologie besteht nämlich darin, zwischen Wahrheit und Lüge zu unterscheiden. Ist das Wort vom Kreuz eine Torheit bzw. ein Skandalon, so bedeutet dies keineswegs die Absage der christlichen Verkündigung an Rhetorik und handwerkliches Können, wohl aber, daß Form und Inhalt kongruent zu sein haben. Die Botschaft des Evangeliums weckt Gefühle der Freude und beflügelt die Phantasie mit dem Geist der Hoffnung und der Zuversicht. Aber sie besteht nicht aus vordergründig schönen Worten, sondern aus solchen, die ärgerlich und anstößig klingen. Wie darum Schönheit nur als eschatologische Kategorie zu fassen ist, so kann auch die Herrlichkeit Gottes, seine kabod, nicht unmittelbar mit der sinnlichen Präsentation des geordneten Kosmos identifiziert werden, sondern nur im Modus ihrer biblisch bezeugten, eschatologischen Wiederkehr (427). Entgegen dem neureligiösen, ästhetizistischen Ideal der Ganzheitlichkeit ist das Leben im Anschluß an das Neue Testament als ein Fragment zu

3. Hermeneutik und Gebotsethik

begreifen, das wohl auf eine höhere Vollendung verweist, die aber von uns selbst nicht zu leisten ist und die nicht unsere Selbstvervollkommnung, sondern die vollkommene Gemeinschaft aller zum Ziel hat, in welcher keiner ohne den anderen ist und Gott alles in allem und deren gleichnishafter Ausdruck das Bild vom Reiche Gottes ist. Weil der Geist Gottes der Geist des Gekreuzigten ist, zeigt sich das Wirken dieses Geistes gerade dort, wo nicht eine harmonistische Weltsicht dominiert, sondern wo das vermeintlich Wertlose und Abstoßende wahrgenommen und geachtet wird, wo die Beschädigungen des Lebens erkannt und klagend vor Gott gebracht werden. Eine theologische Ästhetik hat schließlich auch das Verhältnis des Ästhetischen zum Ethischen zu reflektieren. Ihre bereits angesprochene Unterscheidung bei Kierkegaard darf nicht als völlige Entgegensetzung gelesen werden, wie dies in der Wort-Gottes-Theologie des 20. Jahrhunderts weithin der Fall war. Vielmehr läßt sich im Anschluß an Johann Georg Hamann (1730 – 1788) gerade kreuzestheologisch eine „Ästhetik der Nachfolge“ begründen (417: 100 ff.), die, wie der Begriff der Nachfolge besagt, die Dimension des Ethischen einschließt. Ethik und Ästhetik sind zwei Formen der Betrachtung von Lebensführung und Lebensformen, die nicht aufeinander rückführbar sind, sich aber durchaus aufeinander beziehen.

Das Ästhetische und das Ethische

3. Hermeneutik und Gebotsethik a) Gebot und Gesetz Johannes Fischers hermeneutisch-deskriptive Ethik kritisiert den Typ einer Gebotsethik, welche das Gebot als Inbegriff des göttlichen Willens zur Basis theologischer Ethik erklärt. Auf der Grundlage der reformatorischen Unterscheidung von Gesetz und Evangelium entwickelt theologische Ethik, zumindest nach evangelischem Verständnis, in der Tat ein normenkritisches Potential. Theologische Ethik hat freilich auch die positive und lebensfördernde Funktion des Gebotes zu bedenken, die es nicht nur im Alten Testament, sondern auch in der neutestamentlichen Überlieferung hat. In der neueren Theologiegeschichte ist zu diesem Zweck teilweise zwischen Gebot und Gesetz unterschieden worden. Namentlich Karl Barth und Dietrich Bonhoeffer verwenden den Terminus „Gottes Gebot“ streng singularisch und bezeichnen mit ihm die Erfahrung des aktuellen Gebietens Gottes. Sie identifizieren Gottes Gebot also nicht mit biblischen Gesetzesüberlieferungen oder paränetischen Texten der neutestamentlichen Tradition, sondern sie verstehen Gottes Gebieten als eine Weise der göttlichen Anrede im Hier und Jetzt. Sowohl Barth als auch Bonhoeffer interpretieren Gottes Gebot somit situationsethisch. Ihre Stärke hat diese theologische Ethik, welche die ethische Ausnahmesituation zum Regelfall erklärt, im Kirchenkampf erwiesen. Eine am Modell Abrahams oder der alttestamentlichen Propheten orientierte Ethik konnte der Ethik eines Volksnomos und der Inhumanität widerstehen. In diesem Zusammenhang sei an die zweite These der Barmer Theologischen Erklärung erinnert. In der Ausnahmesituation des Kirchen-

Der Typus der Gebotsethik

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VI. Hermeneutik in der theologischen Ethik

Schwächen einer Ethik des Gebotes Gottes

Die theologische Unterscheidung eines dreifachen Gebrauchs des Gesetzes

kampfes bot die Kategorie des Einzelnen, der doch nicht in der Vereinzelung bleibt, sondern sich in die Gemeinde Christi hineingestellt weiß, ebenso Rückhalt wie die Berufung auf das hier und jetzt an den Einzelnen wie die Kirche ergehende Gebot Gottes. Die Schwäche einer Ethik des Gebotes Gottes besteht jedoch darin, die ethische Begründungskapazität des Einzelnen zu übersteigen. Wie das neuzeitliche Autonomiedenken bedeutet auch der Gedanke der Theonomie, wie Ingo Klaer bemerkt, tendenziell „eine Überforderung – als ob der einzelne Mensch immer in Unmittelbarkeit zu einer singulären Aufforderung durch Gott handeln müßte“ (433: 51). Gerade weil der Mensch ein Einzelner ist, ist er in der täglichen Lebensführung wie in seiner ethischen Urteilsbildung, auf überkommene Normen und ethische Konventionen angewiesen. Dies ist, wie Odo Marquard zu bedenken gibt, eine unvermeidliche Folge unserer Sterblichkeit. Der Mensch, welcher im Tode unvertretbar und darum ein Einzelner ist, ist aufgrund der Kürze seiner Lebensspanne gezwungen, „gemäß den ,Sitten der Väter‘ zu leben, d. h. – wo es keine zwingenden Gründe fürs Abweichen gibt – nach Üblichkeiten zu handeln“ (42: 16). Das Leben des Einzelnen ist „stets zu kurz, um sich von dem, was er schon ist, in beliebigem Umfang durch Ändern zu lösen: er hat schlechtweg keine Zeit dazu. Darum muß er stets überwiegend das bleiben, was er geschichtlich schon war: er muß ,anknüpfen‘. Zukunft braucht Herkunft: die Wahl, die ich bin, wird ,getragen‘ durch die Nichtwahl, die ich bin; und diese ist für uns stets so sehr das meiste, daß es – wegen unserer Lebenskürze – auch unsere Begründungskapazität übersteigt“ (ebd.). Außerdem besteht die Schattenproblematik einer einseitig am Gebotsgedanken orientierten Ethik im theologischen Dezisionismus, der aus der Not des Begründungsmangels eine theologische Tugend machen möchte. Nicht zuletzt von Calvin aus ist daher an Barth die kritische Rückfrage zu richten, ob Gottes Gebot nicht auch „jene allgemeine und allgemein-verbindliche Form der Norm“ annehmen kann, und zwar nun nicht als richtendes und tötendes Gesetz, sondern als hilfreiche Lebensorientierung (433: 51). Die reformierte Tradition spricht in diesem Zusammenhang vom „dritten Gebrauch des Gesetzes“ (tertius usus legis). Wie die reformierte Theologie unterscheiden auch Teile der lutherischen Theologie drei Funktionen des von Gott gegebenen Gesetzes: usus politicus (Gesetz als Norm moralischen und politischen Handelns), usus elenchthicus (Gesetz als Sündenspiegel), usus in renatis (auch usus praecipuus oder tertius usus legis: Gesetz als Lebensregel für die im Glauben Wiedergeborenen). Maßgebliche biblische Texte, in denen das Gesetz zu finden ist, sind der Dekalog (Ex 20,1 – 17; Dtn 5,6 – 21) und die Bergpredigt (Mt 5 – 7; Lk 6,20 – 49).

b) Gesetz und Evangelium Kritik der traditionellen Lehre vom Gesetz

Die bisherige Lehre von den usus legis ist freilich einer fundamentalen Kritik zu unterziehen. Es ist Friedrich Mildenberger darin zuzustimmen, daß nicht der zwischen Luther und Calvin bzw. Melanchthon strittige tertius usus legis, sondern vielmehr der primus usus legis das zentrale Problem darstellt (398: 193 ff.). Die herkömmliche Auffassung vom primus usus legis suggeriert nämlich, daß das Gesetz Gottes abseits der biblisch bezeugten Offen-

3. Hermeneutik und Gebotsethik

barung eine zeitlose Norm sei, gleichbedeutend mit einer außerbiblisch ermittelten lex naturalis (natürliches Sittengesetz). Dieser Deutung widerspricht aber schon die Herleitung der Tora im Alten Testament, ist diese doch nicht lex naturalis, sondern geoffenbarter Gotteswille für ein konkretes Volk in Raum und Zeit. Das Gesetz als Inbegriff des Willens Gottes ist nicht zeitlos zu denken, weil Gott zeitlos wäre. Sondern wie Gott nicht dem philosophischen Begriff des unbewegten Bewegers entspricht, so auch nicht sein Gesetz einem abstrakt philosophischen Begriff der lex naturalis. Die theologische Lehre vom Gesetz hat die Dimension der Zeit neu zu bedenken. Das aber bedeutet, daß der Begriff des Gesetzes zuerst im Zusammenhang der Erwählung zu erörtern ist, was wiederum nicht metaphysisch-zeitlos geschehen darf, sondern als existentiale Interpretation eines Geschehens in Raum und Zeit erfolgen muß. Fällt aber die Erwählung neutestamentlich gedacht mit dem Christusgeschehen zusammen, dann ist das Gesetz als theologische Größe in der Dialektik von alt und neu zu bedenken. Diese Überlegungen haben Konsequenzen für die theologische Ethik. Nötigt die biblische Rede von der Sünde gegenüber der reformatorischen, vor allem lutherischen Tradition, zwischen Menschensatzungen und göttlicher Anordnung deutlicher zu unterscheiden, so ist der Gesetzesbegriff seinerseits dynamisch zu fassen. Gottes befreiendes Handeln in der Geschichte hat zur Folge, daß der Begriff des Gesetzes und sein Inhalt immer wieder neu bestimmt und in neuer Gestalt verbindlich gemacht werden müssen. Wie es zwischen alten und neuen Gestalten des Gesetzes Kontinuität und Diskontinuität gibt, so auch zwischen Altem und Neuem Testament. In christologischer Perspektive ist zu sagen: Das Evangelium, welches das Christusgeschehen bezeugt, ist der letztgültige Erkenntnisgrund des Gesetzes, das in gewisser Hinsicht gültig bleibt, in gewisser Hinsicht jedoch – und zwar nicht nur, was seine jüdische, sondern überhaupt seine vorchristliche Gestalt betrifft – abgetan ist. In neutestamentlicher Perspektive ist das Gesetz Gottes nun das Gesetz Christi. Dieses ist in der Tat ein neues Gebot (Joh 13,34), nicht nur die Erneuerung des alten Gebotes. Der Glaube kann und muß, mit Luther gesprochen, neue Dekaloge schreiben (WA 39 I, 47), wobei das Kriterium, besser gesagt das Krites, d. h. die prüfende Instanz, die Liebe ist (446: 168 f.), welche die überlieferten Gestalten des Gesetzes bzw. seine historisch-kontingenten Interpretamente sichtet, gemäß dem Grundsatz aus I Thess 5,21: „Prüft alles, und das Gute behaltet.“ Es gibt eine durch das Evangelium provozierte, in der Dialektik von Kontinuität und Diskontinuität sich vollziehende Entwicklungsgeschichte menschlichen Rechts und der Moral. Sie ist durch das Evangelium motiviert und bleibt doch von diesem klar geschieden. In diesem Sinne lassen sich beispielsweise die Menschenrechte theologisch interpretieren (434: 141 ff.), nämlich als Rechtsschöpfung, welche sich Impulsen des biblischen Evangeliums verdankt, jedoch nicht nur von diesem unterschieden bleibt, sondern als ein Interpretament des göttlichen Rechtes, in das vielfältige Traditionen Eingang gefunden haben, auch von diesem nochmals unterschieden bleibt. Insofern aber das Gesetz als Größe des christlichen Glaubens, und zwar nicht nur im Sinne des traditionellen usus elenchticus, sondern auch im Sinne des usus politicus legis, eine dynamische Größe ist, können die Menschenrechte ihrerseits christlich rezipiert werden, was freilich wiederum

Das Evangelium als Erkenntnisgrund und Kriterium des Gesetzes

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VI. Hermeneutik in der theologischen Ethik

nur in kritischer Freiheit geschehen kann, die im Glauben an das Evangelium gewonnen wird. Die Liebe als des Gesetzes Erfüllung, kann in evangelischer Freiheit auf vorfindliche Moralvorstellungen, Konventionen oder Gesetze zurückgreifen, ohne deren Ambivalenz überspielen oder sich ihnen gar heteronom unterwerfen zu müssen.

c) Interpretationen und Interpretamente des Gebotes G. Ebelings Begriff des Interpretaments

Zu den Einsichten hermeneutischer Theologie gehört die Feststellung, daß das, was in der Sprache der Bibel und der Theologie Gesetz heißt, weder mit einem vorgängigen Ethos noch mit menschlichen Rechtsbeständen umstandslos zu identifizieren ist. Im Anschluß an Gerhard Ebeling läßt sich vielmehr sagen, daß sowohl jedes Ethos als auch jede Gesetzgebung bestenfalls als Interpretament des streng singularisch zu denkenden göttlichen Gesetzes verstanden werden kann (419: 291; 162: 270 ff.). Es ist nun interessant, wie Ebeling das Problem von Einheit und Vielfalt der Wirklichkeit wie auch der Einheit und Pluralität des Gesetzes löst. Ohne darauf explizit einzugehen, hebt sich seine Lösung bezeichnend ab vom neulutherischen Modell der Schöpfungsordnungen, welches Konstanten des Gesetzes mit bestimmten menschlichen Institutionen identifiziert. Demgegenüber fragt Ebeling ja nach Konstanten unserer Erfahrung und unseres Angegangenseins durch die Wirklichkeit. Dieser Pluralität an Wirklichkeitserfahrungen entspricht nun nach Ebeling auch die Pluralität von kulturell eingebundenen und geschichtlich begrenzten Gesetzen und Moralvorstellungen. Ebeling erklärt sie mit Hilfe des hermeneutischen Modells der Interpretation. „Die geschichtliche Vielfalt läßt sich als Vielzahl von Deutungen des Gesetzes auffassen, das in und mit dem Leben immer schon in Aktion ist“ (162: 271). Jedes positive Gesetz, jeder Kodex bestimmter Wert- und Moralvorstellungen verhält sich zum Gesetz an sich als „Interpretament“ (419: 291). Das gilt selbst von dem Offenbarungscharakter für sich in Anspruch nehmenden alttestamentlichen Gesetz wie von den neutestamentlichen Paränesen oder der Bergpredigt. Bezogen auf die Frage nach der Wirklichkeit heißt dies nun: Thematisiert der Gesetzesbegriff die Einheit der Wirklichkeit und ihre Struktur, so sind alle konkreten Gesetze und Ordnungen Interpretationen der Wirklichkeit. Es kennzeichnet unser Verhältnis zur Wirklichkeit, daß wir von ihr immer schon angegangen sind, uns zu ihr aber stets nur verhalten können, indem wir sie interpretieren, einen Entwurf von ihr machen und diesem Entwurf entsprechend zu leben versuchen. Abgesehen vom Hinweis auf das Doppelgebot der Liebe (Mt 22,37 – 40 par.) muß daher das Gesetz inhaltlich notgedrungen unbestimmt bleiben. Das Gesetz an sich begegnet uns immer nur in Gestalt einer bestimmten Auslegung seiner selbst. Es muß also je neu konkretisiert werden, indem alle Menschen sich je neu einen Entwurf von der Wirklichkeit zu machen haben. Wie ein juristisches Gesetz, so ist also auch die Wirklichkeit stets aufs Neue auslegungsbedürftig. Erst in solcher Auslegung gewinnt sie und damit das Gesetz für uns Verbindlichkeit. Indem der Gesetzesbegriff die Struktur der Wirklichkeit als umfassende Lebensordnung benennt, dient er seinerseits der Strukturierung von Wirk-

3. Hermeneutik und Gebotsethik

lichkeit und der Zentrierung unserer vielfältigen Erfahrungen. Gesetz als Lebensordnung ist immer schon in Aktion. Aber erst der singularische Gesetzesbegriff macht sagbar, „was sonst im Leben zwar wirksam ist, aber nicht richtig erkannt wird“ (162: 279). Dies wiederum vermag der Gesetzesbegriff nur, wenn er seinerseits vom Evangelium her ausgelegt wird. Erst das Evangelium präzisiert und vereindeutigt den Gesetzesbegriff, indem es das Gesetz begrenzt. Erst der Begriff des Evangeliums definiert also theologisch endgültig den Begriff des Gesetzes. Allerdings ist diese Definition des Gesetzes nicht ein für allemal gegeben, sondern ist je neu zu vollziehen. Konkret und situationsbezogen ist dabei jeweils zwischen zwischen Gesetz und Evangelium zu unterscheiden. Diese Unterscheidung hat bei Ebeling deshalb eine Analogie in der von ihm so genannten „Dialektik des Lebens“. Das Gesetz fordert nämlich immer schon „auf Grund dessen, was bedingungslos gegeben wurde“ und hat die Tendenz, „das Leben auf Letztgültiges zu beziehen. […] Wie das Leben selbst Gabe und Aufgabe in einem ist, so ist die darin wirksame Tendenz auf Letztgültiges stets beides zugleich: ein Haben und ein Erst-noch-erwerben-Müssen“ (162: 279). Wie im Leben Gabe und Aufgabe ineinander liegen, so ist analog „Vermischung von Gesetz und Evangelium … sozusagen der anormale Normalzustand“ (162: 293). Erst das Evangelium führt zur Erkenntnis des Gesetzes, seiner lebensordnenden und lebenserhaltenden wie seiner anklagenden und tötenden Funktion. Konstituiert das Gesetz im Singular als Struktur der Wirklichkeit deren Einheit und dient sein Begriff zur Zentrierung unserer Lebens- und Wirklichkeitserfahrungen, so wird ein Gesetzesbegriff, der dies zu leisten vermag, seinerseits allererst durch das Evangelium begründet. Sofern durch das Evangelium aber eine soteriologische Deutung der Wirklichkeit notwendig wird, bedarf eine solche des Begriffs des Gesetzes als der Struktur der Wirklichkeit.

„Gesetz“ als hermeneutische Kategorie theologischer Ethik

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VII. Praktisch-theologische Hermeneutik 1. Praktische Theologie als hermeneutische Theorie christlicher Praxis a) Das hermeneutische Problem in der Geschichte der Praktischen Theologie Begriff und Gegenstand Praktischer Theologie

Gegenstand der Praktischen Theologie sind die soziokulturellen Bedingungen, unter denen christlicher Glaube heute entsteht, die konkreten Formen seiner heutigen Vermittlung und seiner individuellen wie kollektiven Praxis gemäß der Unterscheidung zwischen individueller, kirchlicher und öffentlicher Gestalt christlicher Religion. Im weitesten Sinne des Wortes untersucht die Praktische Theologie die Kommunikations- und Bildungsprozesse christlichen Glaubens und alles Handeln, in denen dieser zur Wirkung und Darstellung gelangt. Dietrich Rössler definiert ihren Begriff folgendermaßen: „Praktische Theologie ist die Verbindung von Grundsätzen der christlichen Überlieferung mit Einsichten der gegenwärtigen Erfahrung zu der wissenschaftlichen Theorie, die die Grundlage der Verantwortung für die geschichtliche Gestalt der Kirche und für das gemeinsame Leben der Christen in der Kirche bildet“ (496: 23). Überlieferung, Erfahrung, Leben und Geschichte aber sind zentrale Begriffe jeder Hermeneutik, wodurch die tragende Rolle hermeneutischer Fragen auch für die Praktische Theologie unterstrichen wird (505). Als eigenständiges Fach im modernen Sinne des Begriffs hat Friedrich Schleiermacher die Praktische Theologie begründet. Im Unterschied zur historischen und zur systematischen Theologie betrachtete er sie als „Technik“, d. h. als Kunstlehre wie Hermeneutik und Pädagogik (405: 10 [§ 25]). Darin war freilich keine Abwertung gegenüber den übrigen theologischen Disziplinen zu sehen, sondern vielmehr eine Aufwertung, ist doch die Theologie insgesamt nach Schleiermacher eine praktische Wissenschaft, welche diejenigen „wissenschaftlichen Kenntnisse und Kunstregeln“ vermittelt, „ohne deren Besitz und Gebrauch eine zusammenhängende Leitung der christlichen Kirche, d. h. ein christliches Kirchenregiment, nicht möglich ist“ (405: 12 [§ 5]). In der ersten Auflage seiner Enzyklopädie (1811) konnte Schleiermacher sogar sagen: „Die praktische Theologie ist die Krone des theologischen Studiums“ (405: 10, Anm. 1 [§ 31]). Wie die Hermeneutik vermittelt die Praktische Theologie nach Schleiermachers Verständnis „Kunstregeln im engeren Sinne des Wortes“ (405: 102 [§ 265]), die, „wie alle Kunstregeln, den Künstler nicht bilden, sondern nur leiten können“ (ebd., Anm. 2: [1. Aufl., § 25]). Wenn sich Schleiermachers Programm nicht durchsetzen konnte, so deshalb, weil seine Trennung der Disziplin, die „die Aufgaben richtig fassen“ lehrt, von der Praktischen Theologie, die allein der „richtigen Verfahrensweise bei der Erledigung gelten soll“ (405: 100 [§ 260]), als abstrakt erwies. „Die Praxis der Praktischen Theologie beginnt

1. Praktische Theologie als hermeneutische Theorie christlicher Praxis

unvermeidlich damit, „die Aufgaben richtig fassen“ zu lehren und also mit der theologischen Bearbeitung ihrer eigenen Grundlagen und Voraussetzungen“ (496: 6). Voraussetzung für die enge Verwandtschaft von Praktischer Theologie und Hermeneutik war der Umstand, daß Schleiermacher nicht, wie die Hermeneutik vor und nach ihm, die Aufgabe der Hermeneutik auf das Interpretieren von Texten reduzierte, sondern auch das Gespräch als hermeneutischen Gegenstand fassen konnte. Ein demgegenüber verengtes Verständnis von Hermeneutik als Textwissenschaft war ein wesentlicher Grund dafür, daß sich die Praktische Theologie in ihren Anfängen nur begrenzt an den hermeneutischen Fragen beteiligte, richtet sich doch ihr Interesse nicht nur auf Texte, sondern auf Handlungen und Regeln für Handlungen. Bezeichnenderweise hat außer Schleiermacher im 19. Jahrhundert „keiner der sonst bedeutsamen Vertreter des Fachs Praktische Theologie eine Hermeneutik entworfen“ (500: 150). Sofern es die Praktische Theologie mit der Auslegung von Texten, vornehmlich den Texten der Bibel, zu tun hat, sind hermeneutische Fragen in ihr selbstverständlich immer präsent gewesen. Das gilt vor allem für die Predigtlehre (Homiletik) und für die Katechetik bzw. für die spätere Religionspädagogik. Gegenüber Exegese und Systematischer Theologie spielten diese Disziplinen jedoch eine nachgeordnete Rolle, so daß man auch in hermeneutischen Fragen von einer Einbahnstraße zwischen historischer und systematischer Theologie auf der einen und praktischer Theologie sprechen konnte (500: 151). Auch der Aufstieg der Hermeneutik im 20. Jahrhundert brachte zunächst keine grundlegende Änderung. Zwar führte die Rezeption der Theologie Bultmanns z. B. in der Religionspädagogik dazu, daß die Konzeption vom Religionsunterricht als Evangelischer Unterweisung und kirchlicher Verkündigung am Ort der Schule kritisiert und durch das Modell eines hermeneutischen Religionsunterrichts abgelöst wurde (506; 491). Zwar übernahm der Religionsunterricht die Aufgabe einer existentiell engagierten Interpretation der biblischen Tradition. Aber auch diese Konzeption war in hohem Maße an Texten der Vergangenheit orientiert, um nicht zu sagen: textlastig. Die Frage nach der Lebenswirklichkeit der Kinder und Jugendlichen blieb weitgehend ungeklärt (510: 52). Inzwischen sind freilich auch die Einseitigkeiten eines problemorientierten Religionsunterrichts erkannt worden. Symboldidaktik und Erzähldidaktik lenken den Blick wieder auf die Bedeutung biblischer Texte, ohne diese gegen die Lebenswirklichkeit von Kindern und Jugendlichen auszuspielen. Die pädagogische Bedeutung der Hermeneutik beschränkt sich freilich nicht auf Bibeldidaktik und Religionspädagogik. Sie muß vielmehr im Kontext einer allgemeinen pädagogischen Hermeneutik gesehen werden (495). Wie für die allgemeine Pädagogik gilt auch für die Religionspädagogik, daß die Hermeneutik ihren Ort nicht nur innerhalb der Didaktik hat, sondern durchgängig eine pädagogische Fragestellung ist, weil jeder Bildungsprozeß ein Verstehensprozeß ist. Große Wirkung übte die hermeneutische Theologie im vergangenen Jahrhundert auf die Predigtlehre aus, stand doch das Problem der Verkündigung von Anfang an im Zentrum der Dialektischen Theologie. Weitgehend ableh-

Praktische Theologie und Hermeneutik bei F. Schleiermacher

Hermeneutische Fragen in der Praktischen Theologie des 19. und 20. Jahrhunderts

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VII. Praktisch-theologische Hermeneutik

nend verhielten sich allerdings sowohl die Wort-Gottes-Theologie der Barth-Schule als auch die hermeneutische Theologie gegenüber der Rhetorik, die in heutigen Konzeptionen der Predigtheorie eine Schlüsselrolle spielt (z. B. 492). Aus der Mahnung Eduard Thurneysens: „Keine Beredtsamkeit in der Predigt!“ sprach die durchaus berechtigte theologische Kritik an einem instrumentellen Verständnis der Rhetorik, der im Zweifelsfall jedes Mittel recht ist, um Menschen für eine Sache einzunehmen. Abgesehen von den negativen Erfahrungen mit Rhetorik und Massenästhetik in der Diktatur des Nationalsozialismus stand hinter der Kritik an der Rhetorik die These, daß der Glaube, der aus dem Hören kommt (Röm 10,17), nicht mit äußerlich herstellbaren Erlebnissen und psychischen Zuständen verwechselt werden darf. Die neuere Diskussion zur Predigttheorie hat freilich in Erinnerung gerufen, daß Schleiermacher ein hermeneutisches Verständnis von Rhetorik entwickelt hat, welches sich von einem instrumentellen Rhetorikbegriff unterscheidet und sehr wohl mit der Unverfügbarkeit des Glaubens sowie des Wortes Gottes vereinbar ist (469: 73 ff.). Eine hermeneutische Rhetorik lenkt den Blick auf die Verbindung zwischen Form und Inhalt von Sprache. Für die Predigtlehre bedeutet dies, daß sich die Frage stellt, welche Form dem zu vermittelnden Inhalt, d. h. aber der Kommunikation des Evangeliums in Gestalt der Rede eines Einzelnen im Gottesdienst, angemessen ist. Die Öffnung gegenüber den Einsichten der Sprechakttheorie, der Semiotik oder auch der Rezeptionsästhetik hat der hermeneutischen Frage in der Predigtlehre in den vergangenen Jahrzehnten neue Impulse gegeben.

b) Neue Entwicklungen in der Predigtlehre

Rezeptionsästhetische Hermeneutik in der neueren Predigtlehre

Insgesamt läßt sich feststellen, daß die hermeneutische Asymmetrie zwischen Exegese und Systematischer Theologie auf der einen und der Praktische Theologie auf der anderen Seite in letzter Zeit zunehmend überwunden worden ist. So ist z. B. auf dem Feld der Bibelauslegung eine Wechselwirkung zwischen Exegese und Praktischer Theologie bzw. zwischen wissenschaftlich-deskriptiver Interpretation und applikativ-engagierter Bibellektüre zu verzeichnen. Befreiungstheologische Bibelarbeit oder auch das Bibliodrama sind Beispiele dafür, daß Bibelfrömmigkeit und Bibelgebrauch nicht mehr länger nur Material der Hermeneutik sind, sondern zu mitbestimmenden Faktoren der Exegese werden können (500: 151). Auch für die Homiletik erweist es sich als hilfreich, Einsichten der verschiedenen Konzeptionen einer rezipientenorientierten Texthermeneutik sowie der Semiotik (455; 457) fruchtbar zu machen. Das legt sich schon deshalb nahe, weil die Predigt eine textgebundene Rede ist. Erinnert sei an die Hermeneutik Paul Ricœurs, die in Abkehr von Bultmanns durch die Kategorie der Entscheidung bestimmter Hermeneutik die Aufgabe theologischer Hermeneutik darin sieht, nicht auf eine Entscheidung des Lesers zu drängen, sondern die Welt des Textes zur Entfaltung zu bringen, welche dem Leser Zeit zur Besinnung einräumt. In analoger Weise läßt sich die Aufgabe der Predigt bestimmen, nämlich als Aufgabe, die Seinswelt des Textes sich entfalten zu lassen, und dies heißt m.E. hermeneutisch predigen (vgl. 86: 265 ff.).

1. Praktische Theologie als hermeneutische Theorie christlicher Praxis

Für die Predigt bedeutet dies, daß ihre Aufgabe nicht darin besteht, sich in den historischen Autor hineinzuversetzen und dessen Aussageabsicht, die intentio auctoris, zu rekonstruieren. Die Predigt soll nicht die Fiktion erzeugen, als spreche der Autor des biblischen Textes durch den Prediger. Der Prediger, die Predigerin ist nicht der Bauchredner des Autors, sondern ein Leser, eine Leserin, die im Akt des Lesens selbst zu einem eigenverantwortlichen Autor, einer Autorin wird. Die Predigt erschöpft sich nicht in der Wiederholung des biblischen Textes, sondern ein diesem gegenüber neuer Text, zwar ein vom biblischen Text provozierter und inspirierter, jedoch ein eigenständiger Text. Der biblische Text ist ein im Akt des Lesens gewissermaßen zum Schwingen gebrachter Resonanzboden, der nun im Leser neue Töne hervorbringt, die wiederum in der Predigt zum Klingen gebracht werden. Die Predigt ist also nicht nur ein gegenüber dem biblischen Text und seinem Autor eigenständiger Text, sondern sie gewinnt im Akt des Predigens und Hörens Autonomie gegenüber ihrem Autor, dem Prediger. Kann (und soll!) der Prediger auch bei der Abfassung seiner Predigt eine bestimmte Absicht verfolgen, so sollte seine Predigt doch ihrer Anlage nach dem Hörer, der Hörerin von vornherein die Freiheit der Interpretation im Akt des Hörens einräumen. Das beginnt schon damit, daß die Kategorie der homiletischen Situation (486: 22 ff.) nicht zu eng gefaßt wird und den Hörern schon allein durch die Anlage der Predigt Freiräume gewährt werden, welche die Beantwortung eigener Fragen ermöglicht, von denen der Prediger nichts wissen kann. „Dies setzt wiederum eine Predigt voraus, die überhaupt zu befragen ist, weil der Hörer in ihr einen Fuß auf eigenes Territorium setzen, in ihr sich verankern und damit beginnen kann, die Bedeutung der Predigt zu ihren Bedingungen mit seinem Leben und seinem Glauben in Verbindung zu bringen“ (456: 478 f.). Hermeneutische Predigt bedarf dazu einer die Rhetorik einschließenden ästhetischen Theorie. Wie die Exegese hat auch die Predigt als hermeneutische Bemühung auf die ästhetische Qualität der biblischen Texte zu achten, auf ihre Poesie. Ihr hat die Predigt auf eigenständige Weise durch die Poetik ihrer eigenen Rede zu entsprechen. Sie soll es dem Hörer, der Hörerin, im Akt des Hörens ermöglichen, sich der Welt des zur Sprache gebrachten Textes einzubilden. Nicht nur im Akte des Lesens, sondern auch im Akt hörender Einbildung „entspricht die Poetik der Existenz der Poetik der Rede“ (202: 44). Statt also auf die Entscheidung gläubiger Selbstwahl im Hier und Jetzt zu drängen, soll die Predigt in Entsprechung zum Text dem Hörer, der Hörerin „Bilder der Befreiung“ (202: 45) vor Augen malen. Wie der Text als materielles Artefakt mit seiner ästhetischen Qualität zuerst unsere Einbildungskraft anspricht, so soll dies auch die Predigt tun. Allerdings besteht heute die Gefahr einer Ästhetisierung der Predigt, welche die Frage nach der Wahrheit und Verbindlichkeit des gepredigten Wortes ausblendet und mit einer Atomisierung der Hörerinnen und Hörer bzw. einer „homiletischen Vereinsamung“ (484: 225) einhergeht. Mit ihr werden Traditionen des theologischen Liberalismus des 19. Jahrhunderts fortgeführt. Ihnen gegenüber ist die Predigtlehre der Wort-Gottes-Theologie, insbesondere diejenige Barths, auch heute noch ein wichtiger Kontrapunkt. Es kommt alles darauf an, daß die Predigt nicht nur als Rede über ein Reden Gottes, sondern als möglicher Ort, an dem Gott selbst redet, begriffen wird.

Das homiletische Wahrheitsmoment der Wort-GottesTheologie

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VII. Praktisch-theologische Hermeneutik

Predigt als offenes Kunstwerk?

Soll die Wahrheitsfrage in der Predigt nicht suspendiert werden, hat die Homiletik nicht nur den Schriftbezug der Predigt, sondern auch die hermeneutische Funktion der Kirche als Auslegungsgemeinschaft und damit der Relevanz der Tradition für den individuellen Akt des Predigens und Predigthörens herauszuarbeiten. Es gilt in der Konsequenz der bisherigen Ausführungen, daß nicht nur der Prediger, sondern auch der Hörer als Medium des Evangeliums bzw. des Wortes Gottes begriffen werden muß. Die Kompetenz einer Gottesdienstgemeinde darf also nicht auf die Fähigkeit zur Beurteilung der Lehre beschränkt werden, die ihr Luther zugesprochen hat. Sie „erstreckt sich auch auf die Tätigkeit der Gemeinde, sich im buchstäblichen Sinne eigene Verse auf die Predigt zu machen, die wiederum zu hundert Prozent vom Evangelium und zu hundert Prozent von ihrer Situation motiviert sind“ (456: 480). Umstritten ist aber, ob die Predigt im Sinne Umberto Ecos als „offenes Kunstwerk“ (454) zu verstehen und als solche zu konzipieren ist, wofür Gerhard Marcel Martin plädiert hat (489; kritisch dagegen 499). Nun ist allerdings zu beachten, daß Eco zwischen Kunstwerken, die Eindeutigkeit intendieren, und solchen unterscheidet, die schon von sich aus Mehrdeutigkeit beabsichtigen, was namentlich von moderner Lyrik und moderner Malerei oder auch sogenannter absoluter Musik gilt. Sowohl hermeneutisch als auch homiletisch ist diese Differenz relevant, zwar nicht in dem Sinne, daß am Ende doch wieder die Aussage eines Textes mit der Aussageabsicht seines Autors identifiziert wird, wohl aber so, daß im Blick auf die unterschiedlichen Textsorten zwischen Eindeutigkeit und Mehrdeutigkeit intendierenden Texten unterschieden wird. Die biblischen Texte intendieren nun insofern Eindeutigkeit, als sie die Eindeutigkeit, mit welcher Gott seine Verheißung bzw. sein Evangelium versehen hat (vgl. II Kor 1,19 f.), zur Sprache bringen wollen. Sie gewinnen ihre Eindeutigkeit teilweise erst im Kontext des Kanons. Dennoch ist dies meist eine mehrdimensionale Eindeutigkeit, keine starre, lehrhaft fixierte Satzwahrheit, sondern die Eindeutigkeit eines polyphonen Richtungssinnes, der nach christlichem Verständnis durch den Namen Christi bzw. durch „das, was Christum treibet“ (Luther) angezeigt wird. Es handelt sich hierbei freilich nicht nur um den Konvergenzpunkt aller Texte der Bibel, sondern auch um ihren eschatologischen Horizont, der sich sowohl dem Abschluß im Akt des Lesens als auch dem Abschluß der Rede in der Predigt entzieht. Darum können die biblischen Texte nur in einer Dialektik von pluralisierender und singularisierender Exegese ausgelegt werden (vgl. 41: 127 ff.). Wiewohl die biblischen Texte einen gemeinsamen Richtungssinn haben, der durch das Wort „Christus“ als Näherbestimmung des Wortes „Gott“ benannt wird (202: 42), sind sie polysem bzw. polyphon wie eine vielstimmige Musik, aus welcher doch ein cantus firmus herauszuhören ist. In ihrer Vielstimmigkeit sind sie wiederum offen für Übertragungen und Assoziationen. Sie bringen ihre Leserinnen und Leser, ihre Hörerinnen und Hörer zum Schwingen und Klingen. Pneumatologisch aber gilt, daß es wohl mancherlei Auslegungen, Deutungen und Aneignungen der biblischen Texte gibt, aber es ist ein Geist, der da wirkt alles in allem (I Kor 12,6). Auch auf dem Gebiet der Homiletik kommt damit der Zusammenhang zwischen Pneumatologie und Hermeneutik zum Tragen.

1. Praktische Theologie als hermeneutische Theorie christlicher Praxis

c) Die hermeneutische Frage in der Seelsorge Seit den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts ist auch in der Seelsorgetheorie ein neues Interesse an der Hermeneutik zu verzeichnen. Vollzog sich in den 70er Jahren in der deutschsprachigen Seelsorgebewegung unter nordamerikanischem Einfluß eine Abkehr von Wort-Gottes-Theologie und Hermeneutik zur Psychologie, so wenden sich amerikanische Autoren nun erneut der Hermeneutik Gadamers und Ricœurs zu (453; 464; 465). Dabei wird Gadamer nicht mehr mit den Augen der 60er Jahre gelesen, sondern in einem postmodernen Kontext. Für Charles V. Gerkin ist Hermeneutik ein Verfahren zur Vermittlung zwischen Theologie und Psychologie. „Ihre Methode relativiert einerseits die psychologische Fixierung auf die Subjekte und andererseits die theologische Fixierung auf die Sprache“ (476: 89). Neben die Texte der Bibel treten gleichberechtigt die Lebensgeschichten von Menschen, mit denen es die Seelsorge zu tun hat, als zweiter Text der Theologie. Sie sind „living human documents“ (464). Anders als in der philosophischen und theologischen Diskussion der 60er Jahre des vergangenen Jahrhunderts wird die Hermeneutik nicht zur Grundwissenschaft erklärt, sondern als eine Methodik neben anderen. Von ihr wird also nicht die vollständige Fundierung einer ausgebauten Seelsorgetheorie erwartet. In der deutschsprachigen Seelsorgetheorie ist das Bewußtsein für die hermeneutische Frage in den letzten Jahrzehnten zwar ebenfalls gewachsen. Das Hermeneutikverständnis von Kritikern der einseitig psychologisch ausgerichteten Seelsorgebewegung bleibt freilich zumeist „im Bann der fünfziger Jahre“ (476: 91). Im Unterschied zur amerikanischen Diskussion wird z. B. nach wie vor die Nicht-Methodisierbarkeit der Hermeneutik vorausgesetzt (498; 490). Oder aber die Hermeneutik soll mit der Pastoralpsychologie im Stil der Horizontverschmelzung von Gadamers Universalhermeneutik fusionieren (497). Demgegenüber plädiert Eberhard Hauschildt für eine multidisziplinäre Konzeption von Seelsorge (476: 92 ff.). Dies bedeutet, daß das Deutungsmonopol psychologischer Interpretation in der Seelsorge zugunsten einer multiperspektivischen Zugangsweise aufzugeben ist, bei der soziologische, systemische und semiotische Interpretationsweisen ebenso relevant wie psychologische sind. Auf diese Weise entwickelt er ein Modell hermeneutischer Seelsorge, die er als „Verstehen helfender Gespräche“ bezeichnet. Eine solche Seelsorge bleibt durchaus an der Wahrheitsfrage interessiert, auf der Gadamer ebenso wie die Vertreter der hermeneutischen Theologie insistiert haben. Seelsorge, wie Hauschildt sie versteht, ist eben nicht nur ein „Ort der Hilfe durch Worte“, sondern bedeutsam auch „als Ort einer dialogischen Hermeneutik, mithin als Ort der Produktion von Theologie, einer Theologie, die mehr oder minder mittelbar erwächst im Verstehen der christlichen Tradition, im lustvoll kreativen wie zugleich schmerzvoll erarbeiteten Verstehen der christlichen Tradition samt der sie fundierenden biblischen Textüberlieferungen“ (476: 96).

Hermeneutik und Pastoralpsychologie

E. Hauschildts Konzeption hermeneutischer Seelsorge

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VII. Praktisch-theologische Hermeneutik

2. Praktische Theologie als Kunst der Wahrnehmung a) Wahrnehmen und Annehmen

Der Wahrnehmungsbegriff in der Seelsorgebewegung nach 1970

Den Zusammenhang zwischen Hermeneutik und Ästhetik markiert der Begriff der Wahrnehmung. Wenn heutige Theorien einer theologischen Ästhetik bzw. einer ästhetischen Theologie (389; 390; 391) auf vorhandene oder vermeintliche Defizite der Dialektischen Theologie des Wortes Gottes reagieren, darf doch nicht übersehen werden, daß Praktische Theologie auch in ihrem Kontext von der „Kunst der Wahrnehmung“ sprechen konnte. So schreibt Rudolf Bohren, in der Seelsorgelehre Eduard Thurneysens sei „die Weisheit aus einem neuen Sehen, der Kunst der Wahrnehmung hervorgegangen“ (452: 225), deren theologischer Gewinn aber durch eine unselige Opposition von Worttheologie und Psychologie verspielt worden sei. Bohren, der selbst aus der Barth-Schule kommt urteilt, das „Fehlen einer Lehre vom Sehen“ sei für das Versagen der Seelsorgelehre Thurneysens bei vielen seiner Schüler verantwortlich. „Sprache gibt es nicht ohne das Auge. Brächten wir den ,primären Akt‘ aller wirklichen Seelsorge neu zu Ehren, würde sich auch die Praxis erneuern. Eine ,neue Psychologie‘ wäre ,Prophetie‘ im Hinblick auf den einzelnen. In ihr wäre der Streit zwischen Seelsorge und Psychologie zu Ende geführt“ (452: 226) Der Begriff der Wahrnehmung taucht nicht erst in heutigen Konzeptionen Praktischer Theologie als „Kunst der Wahrnehmung“ auf (471), sondern schon in der Seelsorgetheorie der 70er Jahre des 20. Jahrhunderts. Exemplarisch ist Dietrich Stollbergs Buch „Wahrnehmen und Annehmen“ (509). Stollberg hat den Terminus einer „Kunst der Wahrnehmung“ aus der Gestalttherapie übernommen (508). Für Stollberg ist „eine adäquate Wahrnehmung dessen, was in der seelsorgerlichen Situation und in der für diese konstitutiven Beziehung geschieht, durch den Seelsorger“ ebenso eine Grundvoraussetzung der Seelsorge wie „eine trainierte Selbstwahrnehmung“ (509: 90). Die Wahrnehmung erfordert eine Beobachterperspektive, die Stollberg durch „solidarische Distanz“ charakterisiert sieht (ebd.). Sie verlangt freilich ebenso Empathie. Zur Grundhaltung des Wahrnehmens aber gehört eine sowohl theologisch als auch humanwissenschaftlich fundierte „Wahrnehmungseinstellung“ (509: 91). So ist es eine Frage der Einstellung, „ob ein Seelsorger prinzipiell Toleranz oder Sündenschnüffelei praktiziert, ob er ,gesetzlich‘ oder ,tabufrei‘ wirkt“ (ebd.). Gegenüber einem einseitigen Verständnis von Seelsorge als Verkündigung an den Einzelnen betont Stollberg, daß zur Grundhaltung des Wahrnehmens vor allem das Zuhörenkönnen zählt, wobei freilich schon das Zuhören „vergebende oder strafende Implikationen“ haben kann (509: 92). Die Kunst der Wahrnehmung beschränkt sich freilich nicht auf das gesprochene Wort, sondern bezieht die nonverbale Ebene ein. Sie achtet auf „das eigene und fremde Atmen, die Art des Sitzens oder Stehens usw. Seelsorge geschieht entweder ,außer Atem‘ oder als ruhige Angleichung an den Rhythmus des atmenden Lebens, das sich bewegt, wie Wind und Welle, die einander berühren“ (ebd.). Wahrnehmen und Zuhören haben bei Stollberg von vornherein theologische, genauer gesagt rechtfertigungstheologische, Implikationen. Der Kontrast zur „Gesetzlichkeit“ ist für ihn das „Annehmen“ des Anderen. Den

2. Praktische Theologie als Kunst der Wahrnehmung

Ratsuchenden annehmen wie er ist, heißt für Stollberg, die praktischen Konsequenzen aus der Lehre von der Rechtfertigung des Sünders allein aus Gnaden zu ziehen. Das Thema von Schuld und Vergebung, welches doch für das Evangelium, die Botschaft des Glaubens, zentral ist, wird bei Stollberg allerdings erheblich abgeschwächt. So gewiß zur Seelsorge für ihn auch das Wort der Vergebung gehört (509: 148), steht doch der Zuspruch der Freiheit bei ihm im Vordergrund: „Gott gibt mündigen Partnern keine Anweisungen. Er läßt uns frei. Er übt Verzicht. Das ist seine Seelsorge“ (509: 147). Einzuwenden ist, daß die berechtigte Kritik an Moralismus und Gesetzlichkeit in der Seelsorge einen einseitig negativen Begriff des Gesetzes bzw. des göttlichen Gebotes voraussetzt. Daher werden auch die Probleme der Ethik, die in der heutigen Seelsorgetheorie wieder stärker als in der Seelsorgebewegung der 70er Jahre thematisiert werden, nicht angemessen beschrieben. Hier hat in den letzten Jahren ein Umdenken eingesetzt (483).

b) Die Wahrnehmung der Wahrnehmung Als Kunst der Wahrnehmung im Sinne einer ästhetischen Theorie bestimmt Albrecht Grözinger die Praktische Theologie (468; 471). Seine Fragestellungen und Überlegungen, die in vielem denjenigen von Henning Luther (1947 – 1991) verwandt sind (488), knüpfen – durchaus kritisch – an Schleiermacher sowie an die Konzeptionen von Dietrich Rössler und Gert Otto an (471: 50 ff.). Im Unterschied zu den letztgenannten Autoren geht es Grözinger jedoch darum, die Wahrnehmung von einem impliziten zum expliziten Thema praktisch-theologischer Theoriebildung zu machen (471: 65). Über die Situation der Wahrnehmung hinaus gewinnt der Begriff der Wahrnehmung bei Grözinger einen fundamentaltheologischen Rang. „Sowohl das biblische Offenbarungszeugnis wie auch eine zu ermittelnde Situation sind auf doppelte Weise auf Wahrnehmung bezogen: sie sind ihrerseits das Resultat von Wahrnehmungen wie sie andererseits neue Wahrnehmungen provozieren“ (470: 151). Gegenüber älteren Konzeptionen, welche die Praktische Theologie in erste Linie als Handlungstheorie konzipieren, verbindet sich mit dem Wahrnehmungsbegriff allgemein ein Theoriewechsel, welcher hermeneutischen Fragen wieder einen größeren Stellenwert einräumt, ohne die „neue Hermeneutik“ der 60er Jahre des vergangenen Jahrhunderts erneut zur erkenntnistheoretischen Grundlage zu erklären. Grözingers Begriff der Wahrnehmung ist jedenfalls ein hermeneutischer, wie auch der Begriff der Situation aus der Hermeneutik stammt. Im Anschluß an Lafcadio Hearn und Aby Warburg argumentiert Grözinger, daß unsere Wahrnehmungsakte nicht autonom sind, insofern sie nicht an einem Null-Punkt anknüpfen, sondern stets in einer Geschichte der Wahrnehmung verankert sind. „Wahrnehmen ist so immer auch ein WiederErkennen“ (471: 68). Allerdings intendiert Grözinger ausdrücklich eine „kritische Hermeneutik“, welche sich von Peter Stuhlmachers biblischer „Hermeneutik des Einverständnisses“ (268) abgrenzt. Die biblischen Zeugnisse führen nämlich, wie Grözinger zutreffend feststellt, „immer in Einverständnis und Wider-

A. Grözingers Konzeption Praktischer Theologie

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VII. Praktisch-theologische Hermeneutik

spruch, in Engagement und Distanz gleichermaßen hinein, sind doch die biblischen Texte ihrerseits das Ergebnis eines kritischen Dialogs und nicht nur eines bruchlosen Einverständnisses“ (470: 153). Im übrigen bringt Grözinger mit dem Begriff der Wahrnehmung zum Ausdruck, daß es ihm nicht ausschließlich um eine textorientierte Hermeneutik, sondern um eine umfassende Theorie des Wahrnehmens und Verstehens geht, die z. B. eine „Hermeneutik der Schöpfung“ und „die ganze Bandbreite sinnlichen Vernehmens“ einschließt (470: 152). Da nun nicht selbstverständlich ist, wie konkret wahrgenommen wird, was und mit welchen Folgen man wahrnimmt, bedarf es der Theologie im allgemeinen wie der Praktischen Theologie im besonderen als einer „Wahrnehmung unserer Wahrnehmung“, die, mit Gernot Böhme gesprochen (450; 451) eine kritische Prüfung derjenigen „Atmosphären“ zum Ziel hat, welche die Bedingungen unserer Wahrnehmungen und unseres Handelns sind (470: 155). Theologische Urteile werden so zu Wahrnehmungs-Urteilen, die ihrerseits auf eine kritische, d. h. inhaltlich argumentierende Ästhetik angewiesen sind. Praktische Theologie und theologische Hermeneutik entwickeln nach Grözinger eine „Ästhetik der Freiheit“ (470: 158), so gewiß der Glaube ein Befreiungsgeschehen ist.

3. Praktische Theologie als Religionshermeneutik a) „Gelebte Religion“ als Programmbegriff Praktischer Theologie

„Gelebte Religion“ bei H.-G. Heimbrock

Während Grözinger Einsichten der Wort-Gottes-Theologie, namentlich der Theologie Barths mit den neuen Fragestellungen einer theologischen Ästhetik zu verbinden versucht, treten unter dem Programmbegriff der „gelebten Religion“ andere praktisch-theologische und systematisch-theologische Entwürfe auf, die sich teilweise dezidiert als Gegenprogramm zu einer Theologie des Wortes und der Selbstoffenbarung Gottes verstehen (474). Das ist z. B. bei Hans-Günter Heimbrock, Wolfgang Steck und Wilhelm Gräb der Fall. Schon vor zwei Jahrzehnten plädierte Heimbrock für eine „Hermeneutik der religiösen Lebenswelt“ (477). „Gelebte Religion wahrnehmen“ lautet die Aufgabe der Praktischen Theologie gut ein Jahrzehnt später (459). Wie bei Heimbrock übernimmt „gelebte Religion“ auch bei Steck und Gräb die Funktion einer fundamentaltheologischen Grundkategorie (493: 40). Gelebte Religion wird keineswegs mit kirchlich geprägtem Christentum gleichgesetzt, sondern meint ein denkbar weites Feld von Religiosität, das auch noch jene „unsichtbare Religion“ einschließt, von der der Religionssoziologie Thomas Luckmann spricht (487). Praktische Theologie soll sich demnach nicht an einem dogmatisch normierten Begriff von Glaube, Kirche und Religion orientieren, sondern ihren Ausgang bei einer empirischen Beschreibung religiöser Phänomene und Lebenspraxen nehmen. Praktische Theologie als Wahrnehmungswissenschaft, wie Failing und Heimbrock sie verstehen, will den „Wirklichkeitsverlust der gesamten Theologie“ kompensieren (459: 22), indem auch die Fülle von Kontingenz- und Transzendenzerfahrungen in die theologische Reflexions- und Deutungskultur hinein-

3. Praktische Theologie als Religionshermeneutik

geholt wird. Religionstheoretische Leitkategorie ist nicht „Offenbarung“, „Wort Gottes“ oder „Evangelium“ sondern – im Anschluß an Rudolf Otto – „das Heilige“ (459: 159). Als Theorie gelebter Religion entwirft auch Wolfgang Steck seine Christentumstheorie. Praktische Theologie, wie Steck sie versteht, beschreibt das neuzeitliche Christentum als Deutungskultur (507: 194 ff.), wobei er zwischen privater und öffentlicher Religionskultur unterscheidet. Weil die Deutungsdimension von Religion sowohl auf der Ebene der Alltagsphänomene als auch auf der Theorieebene für grundlegend gehalten wird, ist die „Praktische Theologie untrennbar mit der Praxis der gelebten Religion verwoben“ (507: 14). Der dogmatisch gefüllte und negativ besetzte Religionsbegriff der Dialektischen Theologie, namentlich bei Karl Barth und Dietrich Bonhoeffer, will auch Wilhelm Gräb „ziemlich abwegig erscheinen. Uns ist die Rede von einem rational mündigen Menschen, der diese Mündigkeit in Wissenschaft und Technik, Politik und Recht, Bildung und Erziehung gewinne und beweise, sie in der Religion jedoch aufgebe, nicht mehr nachvollziehbar“ (466: 41). Wenn Gräb demgegenüber Religion zum festen, wenngleich in höchst pluraler und oftmals nachchristlicher Gestalt in Erscheinung tretenden Bestandteil moderner Kultur bzw. der unterschiedlichen Alltagskulturen erklärt, gelingt dies nur um den Preis, daß die religionssoziologisch beschriebenen Phänomene von Religionslosigkeit und Gewohnheitsatheismus zugunsten von „religionsproduktiven Tendenzen“ (466: 32) der fortgeschrittenen Moderne abgeschattet werden. Dies gelingt außerdem nur deshalb, weil Gräb die Religionsthematik auf die Sinnfrage bezieht und unter Religion „die Kultur der Symbolisierung letztinstanzlicher Sinnhorizonte alltagsweltlicher Lebensorientierung“ versteht (466: 51). „Gelebte Religion“ ist für Gräb die einzig denkbare fundamentaltheologische Kategorie, weil sich nach seiner festen Überzeugung die „Zielbestimmungen und die Leitkategorien für die Organisationsformen kirchlichen Handelns“ nicht mehr „den reformatorischen oder biblischen Lehrbegriffen abgewinnen“ lassen (466: 23). Der Begriff der gelebten Religion ist freilich keineswegs bloß ein empirisch-religionssoziologischer. Er fungiert bei Gräb vielmehr als „geistige Deutungskategorie“ (466: 39). Das aber bedeutet, daß sich Praktische Theologie, wie Gräb sie versteht, ebenso an der „Kommunikation über Religion beteiligen muß, wie sie „zur Beförderung der sich als Kommunikation praktisch vollziehenden Religion beitragen“ soll (ebd.). Zusammenfassend erklärt Gräb: „Als Hermeneutik der gelebten Religion sucht die Praktische Theologie deren kulturelle Ausdrucksgestalten zu verstehen, in ihren Motiven, in der Artikulation ihrer symbolischen Gehalte und rituellen Praktiken, immer am Leitfaden der kritischen Frage nach der lebensorientierenden Evidenz, die sie für Menschen, ihre Welt und deren Gestaltung erfüllen können“ (466: 44). Sie soll eine „kritische Hermeneutik“ sein, deren Maßstab jedoch „nicht in offenbarungstheologischer Manier von außen an die gelebte Religion herangetragen“ werden. „Sie wird die der gelebten Religion eigenen Kräfte der Selbstkritik vielmehr zu stärken versuchen. Dadurch etwas, daß sie zur Unterscheidung von Letztem, letztgültigem und bloß Vorletztem, weltlich Bedingten anhält und die Einsicht zu verbreiten sucht, daß nur eine zur Selbstkritik fähige, somit aus ideologi-

„Gelebte Religion“ bei W. Steck und W. Gräb

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VII. Praktisch-theologische Hermeneutik

schen Befangenheiten befreiende Religion gut ist für die sie lebenden Menschen“ (466: 45).

b) Lebensgeschichtliche Sinndeutung Die Sinnfrage in der Konzeption W. Gräbs

Hermeneutik ist die Praktische Theologie in zweifacher Hinsicht. Einerseits bietet sie – als Kommunikation über Religion eine theoretische Interpretation gelebter Religion, andererseits – als Kommunikation gelebter Religion – eine „religiöse Hermeneutik der Alltagskultur“ (466: 54 ff.). Leitkategorie ist dabei der Sinnbegriff. Religion bearbeitet auf spezifische Weise die unabweisbare Sinnfrage. Dabei entpuppt sich Gräbs Religionshermeneutik als Krisentheorie und Krisenphänomen. Die Frage, auf die bei Gräb die Religionshermeneutik die Antwort ist, ist die Erfahrung von Sinnkrisen und die Krise des Christentums in der Moderne. „Der christliche Glaube gibt uns keine Auskunft mehr hinsichtlich dessen, was mit der Welt im ganzen und der Geschichte der Menschheit auf der winzig kleinen Erde am Rande des unermeßlichen Universums in einem objektiv gültigen Sinne der Fall ist. Die symbolische Welt- und Lebensdeutung des christlichen Religion hat genau damit auch die Funktion eines kollektiv verbindlichen Sinn-Daches für unsere Lebensführung eingebüßt“ (466: 17). Die Aufgabe einer praktisch-theologischen Religionshermeneutik ist es, die „Erfahrung von Vergewisserung, eines Gespürs für den Sinn des Sinns“ zu eröffnen. „Was wir brauchen, ist die Vergewisserung in einem Lebenssinn, der uns unbedingt gilt, jedem einzelnen, so wie er ist und was es auch immer um die Geschichte seines Lebens, um seine Leistungen oder sein Versagen sein mag: Du bist gewollt, du bist wertgeachtet, dir kommt eine unverlierbare Würde vor, dein Leben war auf keinen Fall umsonst. Das ist der Trost des Evangeliums. Das ist die Antwort des christlichen Glaubens auf die Sinnfrage“ (466: 19). In einer Zeit der allgemeinen Sinnkrise ist freilich auch die Botschaft des Evangeliums zunächst nicht mehr als ein „Sinnangebot“ (466: 20). Lebensbestimmend und sinnstiftend wird sie erst dadurch, „daß wir anfangen, unser Leben, unsere Geschichte und unsere Zukunftsentwürfe in seiner Perspektive zu deuten“ (ebd. ). Der Trost des Evangeliums, die Entdeckung von Lebenssinn und die Sinnvergewisserung hängen somit allein vom menschlichen Subjekt ab, das sich entschließt, das „Sinnangebot“ des Evangeliums auszuprobieren. Die Botschaft des christlichen Glaubens ermöglicht, wie andere Sinnangebote auch, „Deutungen, vermöge derer wir die Welt, die Natur und die Geschichte, die an sich keinen Sinn haben, in einen solchen für uns überführen können. Religiöse Deutungen der Welt und unseres menschlichen Lebens schaffen Zusammenhänge, wo wir sonst keine entdecken. Sie stellen Beziehungen her, wo wir ohne sie in die absolute Beziehungslosigkeit geraten“ (466: 18). Man könnte den Glauben bei Gräb als Mut der Verzweiflung deuten. Ihm haftet etwas Dezisionistisches, Willkürliches an. In einer an sich sinnlosen Welt scheint es ganz im Belieben des einzelnen Subjektes zu stehen, welche Deutungen es produzieren oder übernehmen will. Die Erfahrung, daß der Mensch von der Botschaft des Glaubens ergriffen, von Gott angerührt und überwältigt wird, so daß sich sein Leben ändert und neu wird, wird von

3. Praktische Theologie als Religionshermeneutik

einer derartigen Religionshermeneutik nicht erfaßt. Daß das Verstehen des Glaubens ein Gedeutetwerden ist, bei dem sich das die Welt und seine Existenz deutende Subjekt mit einem Mal als Objekt der Deutung eines Anderen erlebt, kommt bei Gräb nicht angemessen zur Sprache. Jörg Lauster versucht das Konzept einer Hermeneutik religiöser Lebensdeutung in diesem Punkt zu korrigieren, indem er die Deutungsaktivität des religiösen Bewußtseins als Antwort auf die Erfahrung eines Transzendenzeinbruchs interpretiert (88: 25). Gewissermaßen als ein „synthetisches Urteil“ werden christliche Lebensdeutungen aber doch auch von ihm einseitig als Leitungen des religiösen Subjekts aufgefaßt (88: 182) und auf ein geradezu natürliches Bedürfnis nach religiöser Lebensdeutung zurückgeführt (88: 178). Auch bleibt der Begriff der Transzendenz äußerst vage.

c) Defizite einer praktisch-theologischen Religionshermeneutik Zu den Schwächen der vorgestellten Religionshermeneutiken gehört die Unbestimmtheit sowohl des verwendeten Transzendenzbegriffs als auch des Begriffs der Religion. Die Definitionen von Religion sind Legion. Eine allgemein anerkannte Begriffsbestimmung gibt es jedoch bis heute nicht (460; 461; 462). Die Etymologie ist unsicher. Cicero leitet das Wort von dem Verb „relegere“ ab und versteht unter Religion den Dienst der den Göttern entgegenzubringenden Verehrung. Augustin führt den Begriff auf das lateinische „religare“ zurück. Religion sei demnach die Rückbindung des Menschen an Gott. Begriffe wie „Religion“ und „religiös“ werden sowohl beschreibend, als auch normativ verwendet. Der Unterschied zwischen einem deskriptiven und einem normativen Religionsbegriff macht die Differenz zwischen Theologie und moderner Religionswissenschaft aus. Allerdings müssen wir uns vor dem Mißverständnis hüten, als sei die moderne Religionswissenschaft wissenschaftlich-objektiv, während christliche oder sonstige Theologie eine subjektive bzw. unwissenschaftliche Sichtweise von Religion vertrete. Denn jede Beschreibung eines Phänomens setzt ein bestimmtes Verständnis der fraglichen Sache voraus. Überhaupt steht man als Beobachter vor dem merkwürdigen Umstand, daß ausgerechnet die moderne Religionswissenschaft den Religionsbegriff überhaupt in Frage stellt. Religionswissenschaft, so kann man ein wenig überspitzt sagen, redet heute von allem Möglichen, nur nicht von Religion. Das ist durchaus verständlich. Es gibt nicht die Religion, sondern eine Vielzahl von Religionen. Religiöse Phänomene sind aber so vielfältig und z. T. widersprüchlich, daß es mehr als gewagt erscheint, sie alle unter einen Oberbegriff zu stellen. Versuche, das allgemeine Wesen von Religion zu bestimmen, sei es philosophisch, theologisch oder religionsphänomenologisch, sind in der Religionswissenschaft weitgehend aus der Mode gekommen. Statt dessen herrschen funktionale und semiotische Begriffsdefinitionen vor. Zu Recht weisen Religionswissenschaftler auf den christlichen und eurozentrischen Hintergrund des Religionsbegriffs hin, der in vielen Kulturräumen keine Entsprechung habe. Die Religionswissenschaftlerin Karénina Kollmar-Paulenz wendet allerdings ein, daß es nicht nur im Christentum

Probleme des Religionsbegriffs

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VII. Praktisch-theologische Hermeneutik

Wiederkehr der Religion?

und im vom ihm geprägten Europa, sondern z. B. auch in tibetischen buddhistischen dogmatischen und polemischen Abhandlungen einen Begriff gibt, mit dessen Hilfe fremde religiöse Systeme verglichen und beschrieben werden (481: 42). Es wäre daher nicht sinnvoll, wollte die Religionswissenschaft auf den Religionsbegriff überhaupt verzichten. Ein rein funktionaler Religionsbegriff, wie er heute in Religionswissenschaft und Religionssoziologie vorherrscht, hat freilich mit der Schwierigkeit zu kämpfen, daß er am Ende völlig willkürlich und beliebig wird. Die These von der unsichtbaren Religion oder auch die Behauptung eines neuen religiösen muß mit einem denkbar weiten Religionsbegriff arbeiten, der selbst noch Fußballeidenschaft, Popkultur und Kunstgenuß als quasireligös oder „religioid“ interpretiert und das Phänomen Religion in der Freizeitgesellschaft, in der Werbung und im Wirtschaftsleben ausfindig macht. Der Versuch Religion in einer Vielzahl alltäglicher Sinnstiftungen zu entdecken, läßt sich als eine Form der „Rache Gottes“ interpretieren. „Denn gewissermaßen als Rache für die vermeintliche gesellschaftliche Marginalisierung von Religion wird nahezu alles und jedes als Religion bezeichnet“ (88: 168). Sofern aber nicht jedes beliebige Phänomen für „religioid“ erklärt wird, kann man statt von Wiederkehr der Religion (485) oder Respiritualisierung (479) mit gleichem Recht von einem Megatrend Gottvergessenheit sprechen. Behauptungen über die Wiederkehr der Religion und einen spirituellen Megatrend hält der Religionssoziologe Detlef Pollack für „Zeitgeiststimmungen, in denen sich das Modernitätsbewußtsein kritisch auf sich selbst wendet“ (494: 1). Bezeichnenderweise greift Gräb einerseits auf die kultursoziologische Theorie Gerhard Schulzes zurück (504) und will doch andererseits nicht akzeptieren, daß Schulze nicht jede Form von lebensorientierender Grundeinstellung als Religion bezeichnet, sondern stattdessen lieber von „Lebensphilosophien“ oder „persönlicher Grundeinstellung“ spricht (466: 50 ff.). Der von Kritikern der Säkularisierungsthese und der These von einem mit der Säkularisierung schwindenden religiösen Sinndeutungsverlangen, zu denen auch Gräb gehört (466: 42), ins Feld geführte Prozeß der Respiritualisierung wird weithin überschätzt. „Religiosität“, so Pollack, „ist noch immer vor allem kirchlich bestimmt“ (494: 137). Selbst wenn man Religion weit faßt und auch noch das Staunen über die Wunder der Natur, das Ergriffensein von einer bestimmten Musik (88: 170 ff.) oder das besondere Gefühl von Gemeinschaft im Gespräch hinzunimmt, sind es immer noch eher die Kirchennahen, die solche Erfahrungen als religiös empfinden. Dagegen geben viele Menschen, die aus der Kirche austreten, als Motiv an, sie brauchten in ihrem Leben keine Religion oder könnten mit dem Glauben nichts mehr anfangen. Pollack resümiert: „Die Formen der Religion wandeln sich in den modernen Gesellschaften. Zweifellos. Aber mit dem Formenwandel geht ein Bedeutungsverlust der Religion einher, der alle ihre Dimensionen betrifft, ihre institutionelle und rituelle ebenso wie ihre individuelle und erfahrungs- und überzeugungsmäßige. Es ist einfach nicht wahr, dass die Kirchen sich leeren, aber Religion boomt“ (494: 137). Pollack schlägt stattdessen vor, ein funktionales mit einem substantialistischen Religionsverständnis zu verbinden (494: 46 ff.). Zugleich bestreitet er, daß Religion zum Wesen des Menschen gehöre, für eine ausgebildete Per-

3. Praktische Theologie als Religionshermeneutik

sönlichkeit also unvermeidlich sei. Wohl sei das Problem, auf das sich Religion bezieht, universell, nicht aber Religion selbst. Diese habe vielmehr als eine Lösungsmöglichkeit neben anderen zu gelten. Das Bezugsproblem von Religion wird von vielen Religionstheoretikern in der Erfahrung von Kontingenz bzw. in der Erfahrung von Sinnwidrigkeiten gesehen. Religion ist also eine Antwort auf die Sinnfrage – allerdings nur eine neben anderen. Religion versucht die Erfahrung von Kontingenz durch Bezug auf das Unfaßbare, d. h. aber durch die Einführung der Unterscheidung zwischen Immanenz und Transzendenz zu bewältigen. Reine Transzendenz wäre für uns Menschen freilich gleichgültig. So hat z. B. Luther gesagt, Gott in seiner reinen Absolutheit gehe uns nichts an. Angehen müsse uns aber der Gott, der in Jesus Christus Mensch geworden sei und sich uns in seiner grundlosen Liebe und Barmherzigkeit zugewandt habe. Abstrakt formuliert: Nur jene Transzendenz ist für uns relevant, die sich von der Immanenz unterscheidet und doch in ihr präsent ist. Und genau darum geht es bei jeder Form von Religion: Um die Erfahrung von Transzendenz am Ort der Immanenz. Dies bleibt freilich wie der Transzendenzbegriff selbst zunächst eine abstrakte Bestimmung. Will Theologie konkret werden, kommt sie nicht umhin, sich auf die biblisch bezeugte Gottesrede und die Botschaft des Glaubens von der Offenbarung Gottes in Jesus von Nazareth zu beziehen. Theologisch wie humanwissenschaftlich und religionssoziologisch ist nun aber auch auf die Ambivalenz jeglicher Religion hinzuweisen. Geschichte und Gegenwart sind reich an bedrückenden Beispielen für religiöse Herrschaftsansprüche, religiösen Fanatismus und religiöse Zwietracht und Intoleranz. Eine zur Religionshermeneutik erweiterte Theologie bedarf daher theologischer Kriterien für den Umgang mit den Ambivalenzen des Religiösen, von denen auch das Christentum nicht ausgenommen ist. Ob „Lebensdienlichkeit“ ein hinreichendes Kriterium ist (466: 47), darf bezweifelt werden, bedarf doch gerade der schillernde Begriff des Lebens einer gründlichen – und zwar auch theologischen! – Klärung (164: 89 ff.). Und ebenso bedarf auch eine Religionshermeneutik, wenn sie denn wirklich Theologie und nicht eine Kulturtheorie der Religion sein will, einer theologischen Fundierung und Kriteriologie. Die Fragestellung einer hermeneutischen Theologie ist in diesem Sinne bereits von Gerhard Ebeling erweitert worden, indem er einerseits das Christentum konsequent als Religion interpretiert und andererseits nach der Bedeutung des christlichen Glaubens für die Existenz von Religion gefragt hat. Ein dezidiert theologischer Zugang zum Phänomen der Religion(en) und seinen Ambivalenzen ist nach Ebeling über den im Evangelium zentrierten Glauben zu finden bzw. über die rechte Unterscheidung und gleichzeitige Zuordnung von Evangelium und Religion. Sie gewinnt bei Ebeling ihr Gewicht zurück, das sie bei Barth und Bonhoeffer hatte, wenngleich mit anderer Nuance. „Die Unterscheidung zwischen Evangelium und Religion darf keinesfalls dazu dienen, das Christentum offenbarungspositivistisch und pauschal als die göttliche Wahrheit den Religionen als bloßem Menschenwerk entgegenzusetzen. Die Unterscheidung zwischen Evangelium und Religion intendiert vielmehr in erster Linie eine christliche Selbstkritik am Maßstab des Evangeliums“ (170: 52). Doch darf die notwendige Unter-

Verbindung von funktionalem und substantialistischem Religionsverständnis

Die Zweideutigkeit aller Religion und ihre theologische Kritik

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VII. Praktisch-theologische Hermeneutik

scheidung zwischen Evangelium und Religion nicht auf ihre Scheidung hinauslaufen. Alle Religionen einschließlich des Christentums in seiner Gesamtheit – ganz zu schweigen von der Vielfalt seiner Konfessionen und Denominationen – bleiben trotz ihres universalen Geltungsanspruches und ihrer teilweise missionarischen Ausrichtung partikular. Das Evangelium bzw. die Botschaft des Glaubens – Bultmann sprach vom Kerygma – transzendiert jedoch die auch dem Christentum innewohnende Partikularität zur universalen Menschlichkeit hin (170: 53). Christlicher Glaube deutet dies nach Ebeling so, daß alle Religion darin zu ihrer Erfüllung gebracht wird, was aber keine religionswissenschaftlich-empirische Aussage ist und auch nicht die Möglichkeit ausschließt, daß auch andere Religionen an der christlicherseits mit dem Evangelium in Verbindung gebrachten Erfüllung der Religion auf verborgene Weise partizipieren. Nur sofern sie dem Evangelium gemäß in Gebrauch genommen wird, darf die christliche Religion nach Ebeling als „die zur Wahrheit gebrachte Religion“ gelten (170: 54). Ebeling ist hier deshalb so ausführlich zu Wort gekommen, weil er als einer der führenden Vertreter hermeneutischer Theologie nachdrücklich betont, daß die bloße Antithetik von Evangelium, Wort Gottes oder Kerygma auf der einen und Religion auf der anderen Seite, theologisch nicht weiterhilft. Insofern verdient es Beachtung, daß beispielsweise Albrecht Grözinger als Vertreter des Konzeptes einer Theologie der gelebten Religion ausdrücklich die Brücke zum theologischen Ansatz der Dialektischen Theologie schlagen will, „deren Geltungsanspruch – davon bin ich überzeugt – auch im 21. Jahrhundert nicht erloschen ist“ (472: 272).

VIII. Ökumenische Hermeneutik 1. Hermeneutische Probleme ökumenischer Theologie a) Ökumenische Theologie Die Vielgestaltigkeit des Christentums ist das Thema ökumenischer Theologie. Die Sehnsucht nach sichtbarer Einheit der Kirchen ist seit mehr als hundert Jahren die treibende Kraft hinter der ökumenischen Bewegung. Das Grundproblem aller Hermeneutik, wonach sich das Mißverstehen von selbst ergibt und das Verstehen eigens gesucht werden muß (Schleiermacher), zeigt sich im ökumenischen Dialog der Kirchen ganz besonders. Für den Dialog der Konfessionen ist eine hermeneutische Theorie, welche nicht nur die Grundlagen des gemeinsamen Verstehens schafft, sondern auch das Verständnis für das jeweilige Andersverstehen fördert, unumgänglich. Das Problem der Hermeneutik findet daher in der ökumenischen Bewegung zunehmende Aufmerksamkeit. Die Aufgabe ökumenischer Theologie besteht nicht nur darin, eine ekklesiologische Bestimmung des Verhältnisses von Einheit und Vielfalt der Kirchen zu geben, sondern auch darin, die Einheit und Differenz von Kirchen und universaler Christenheit zu reflektieren. Es gehört zu den grundlegenden Wandlungen, die sich in der Moderne in der Geschichte des Christentums vollzogen haben, daß sich zwischen dem kulturellen Erbe der modernen Gesellschaften und den Kirchen als organisierter Gestalt christlicher Religion eine Differenz auftut. Die Grenzen des Christlichen lassen sich nicht mehr mit den Grenzen einer Kirche, auch nicht ihrer ökumenischen Summe, zur Deckung bringen. Darin besteht die Herausforderung des Christentums gegenüber einer Gesellschaft, die nicht nur säkular, sondern zugleich multireligiös geworden ist. Die Identität des Christentums ist also nicht nur im Verhältnis der Kirchen zueinander zu bestimmen, sondern zugleich im Gegenüber zur säkularen Gesellschaft, zu den nichtchristlichen Religionen wie auch gegenüber neuen Strömungen einer synkretistischen Religiosität. Entsprechend stark variiert heute der Begriff der Ökumene. Der ökumenische Gedanke hat sich von einer ekklesialen Bewegung zu einer Weltanschauung ausgeweitet, in welcher Einheit als Leitidee für die Zukunft der Menschheit insgesamt fungiert. Daher spricht man neben der konziliaren Ökumene, welche die Einheit der Kirchen zum Ziel hat, nicht nur von einem transkonfessionellen, sondern auch von einem säkularen und einem interreligiösen Ökumenismus, wobei die verschiedenen Ökumenebegriffe keineswegs miteinander ausgeglichen sind (521). Mangelnde Klarheit über Begriff und Zielvorstellungen der Ökumene gehört heute zu den Hauptschwierigkeiten ökumenischer Theologie. Es genügt nicht, lediglich den Begriff der Einheit oder Strategien zur Erreichung derselben zu diskutieren. Vielmehr bedarf es einer theologischen Theorie, in welcher der Begriff der Einheit überhaupt erst eine sinnvolle Funktion

Begriff und Gegenstand ökumenischer Theologie

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VIII. Ökumenische Hermeneutik

bekommt. Wenn es gegenwärtig eine Krise oder Stagnation der ökumenischen Bewegung gibt, so liegen ihre Ursachen nicht nur in einer Erschöpfung des ökumenischen Engagements und nicht nur (gewiß auch!) an Abgrenzungsbedürfnissen innerhalb von Kirchenleitungen, welche auf ein verstärktes Selbsterhaltungsbedürfnis zurückzuführen sind, sondern auch an einem Mangel an Theorie bzw. an Tendenzen zu ihrer Ideologisierung.

b) Einheit und Vielfalt der Kirchen Theorieprobleme einer gegenstandsorientierten Konzeption ökumenischer Theologie

Der Begriff der Ökumene bezeichnet das Problem von Vielfalt und Einheit der Christenheit. Doch stellt sich schon die Frage, ob deren Komplexität mit der begrifflichen Unterscheidung von Einheit und Vielfalt zureichend bezeichnet ist. Eine mit diesen Begriffen operierende ökumenische Theologie bzw. Ekklesiologie gehört erkenntnistheoretisch dem Typus einer am Begriff des Gegenstandes orientierten Theorie und Ontologie an, welcher die europäische Philosophie- und Theologiegeschichte nachhaltig bestimmt hat. Es handelt sich um die theologische Variante des antiken Denkschemas vom Ganzen und seinen Teilen, welches in der Ekklesiologie mit der Metapher vom Leib Christi und seinen Gliedern verknüpft ist. Dieses Modell leidet jedoch an der Schwierigkeit, daß es die Einheit bzw. Ganzheit der Kirche bzw. der Christenheit doppelt denken muß, nämlich einerseits als Einheit, andererseits aber als Gesamtheit der Teile. So läßt sich zwar sagen, das Ganze, nämlich die geglaubte Kirche, von welcher die altkirchlichen Glaubensbekenntnisse sprechen, sei mehr als die bloße Summe seiner Teile, doch besteht das Problem der Ekklesiologie bei diesem Theorieansatz bekanntlich darin, wie die Ganzheit der Kirche auf der Ebene ihrer Teile als Einheit zur Geltung gebracht werden kann. Die Unklarheit des gegenstandsorientierten Theoriekonzepts von der aus Teilen bestehenden Ganzheit wird an der Unklarheit der in der ökumenischen Diskussion verwendeten Begriffe der unitas und der communio bzw. koinonia sowie ihrer ungeklärten Verhältnisbestimmung offenkundig. Neuere Ansätze ökumenischer Theologie versuchen, das Problem der Einheit von Ganzheit und Vielfalt mit Hilfe des Begriffs der Gemeinschaft statt desjenigen der Einheit zu lösen. Verbunden mit einem Wechsel von einer christologischen zu einer trinitarischen Begründung der Ekklesiologie rückt so an die Stelle der Metapher des Leibes Christi diejenige von der Tisch- bzw. Hausgemeinschaft Gottes, welche in der Feier der Eucharistie realsymbolische Gestalt gewinnt (546: 143 ff.). Abgesehen von der theologischen Problematik der Übertragung der immanenten Trinitätslehre in den Bereich der Ekklesiologie (vgl. 551; 554), stellt sich auch hier die Frage nach der Tauglichkeit des begrifflichen Instrumentariums. Denn die Vorstellung eines Hauswesens, dessen Glieder regelmäßig um den Tisch des Hauses versammelt sind, gehört in eine vormoderne Gesellschaftsform, welche mit der heutigen nichts mehr gemein hat. In den modernen Gesellschaften fallen die Selbstbeschreibung der Kirche als Hausgemeinschaft Gottes und ihre sozialwissenschaftlich beschreibbare Realität auseinander. Im folgenden wird die These vertreten, daß das ekklesiologische Problem von Identität und Differenz im Christentum nicht, wie es in der gegenwärtigen Diskussion häufig geschieht, vom Gedanken der immanenten Trinität

2. Hermeneutik der Einheit?

oder von einem einseitigen „Ökumenismus des Heiligen Geistes“ aus zu bestimmen ist, sondern inkarnations- und kreuzestheologisch. Grundlegend für eine künftige ökumenische Ekklesiologie ist daher nicht ein undialektischer Begriff von Einheit, sondern ein theologischer Begriff von Differenz. Entsprechend der Unterscheidung von sichtbarer und unsichtbarer Kirche besteht die eine Kirche Jesu Christi im Glauben. Zumindest nach evangelischem Verständnis ist daher die Katholizität der Kirche Jesu Christi als kreuzestheologisch begründetes Paradox zu deuten. Systemtheoretisch gesprochen handelt es sich bei der Einheit der Kirche um die Einheit einer unaufhebbaren Differenz, d. h. um eine paradoxe Einheit. Sie ist nicht uniforme Einheit, sondern eine in sich differente und komplexe Gemeinschaft. Theologisch ist diese paradoxe Einheit nun zwar sehr wohl pneumatologisch, d. h. als Gemeinschaft des Heiligen Geistes zu bestimmen. Der Geist Gottes aber muß seinerseits christologisch bestimmt werden. D.h. es ist der Geist des gekreuzigten und auferweckten Christus, der Gemeinschaft stiftet und bestehende Widersprüche miteinander versöhnt. Die eine Kirche als Gemeinschaft seines Geistes ist nur im Glauben gegeben. Die im Glauben erfahrbare Kirche Jesu Christi aber existiert nur in, mit und unter den Bedingungen ihrer Ausdifferenzierung in Konfessionen und Denominationen, die ihrerseits einer weiteren Binnendifferenzierung ausgesetzt sind.

Inkarnations- und kreuzestheologische Begründung ökumenischer Theologie

2. Hermeneutik der Einheit? a) Das Dokument „A Treasure in Earthen Vessels“ Bisherige Konzepte einer ökumenischen Hermeneutik orientieren sich überwiegend am Begriff der Einheit (549), mag diese auch als Koinonia (Gemeinschaft) gedeutet werden (531; 526). 1998 veröffentlichte die Ständige Kommission Faith and Order des Weltrats der Kirchen ihren Entwurf einer ökumenischen Hermeneutik mit dem Titel „A Treasure in Earthen Vessels“ (512). Dieses Dokument versucht, die bisherige Diskussion über die Fragestellungen und das Ziel einer ökumenischen Hermeneutik zu bündeln und Perspektiven für die weitere Arbeit am Thema aufzuzeigen. Standen in der Vergangenheit Probleme der Schrifthermeneutik und der Dogmenhermeneutik im Vordergrund, wird nun die Aufgabenstellung ökumenischer Hermeneutik um das Thema einer Hermeneutik der Symbole, Riten und Bräuche erweitert. Das Dokument „A Treasure in Earthen Vessels“ erklärt, ökumenische Hermeneutik sei eine „Hermeneutik für die Einheit der Kirche“ („a hermeneutics for [!] the unity of the Church“ (§ 5). Was darunter zu verstehen ist, erläutert der Text wie folgt: „Eine Hermeneutik für die Einheit sollte auf eine größere Kohärenz in der Interpretation des Glaubens und in der Gemeinschaft aller Gläubigen hinzielen, deren Stimmen sich im gemeinsamen Lobpreis Gottes vereinen; eine gegenseitig anerkennbare (Wieder-)Aneignung der Quellen des christlichen Glaubens ermöglichen und Möglichkeiten gemeinsamen Bekennens und Betens im Geist und in der Wahrheit vorbereiten“ (§ 6). Allgemein gesprochen versucht eine Hermeneutik für die Einheit der Kirche, „die wesentliche Einheit des christlichen Glaubens und der christlichen Gemeinschaft zu bekunden“ (ebd.).

Das Konzept einer „Hermeneutik für die Einheit“

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VIII. Ökumenische Hermeneutik

Hermeneutik der Kohärenz, des Verdachts und des Vertrauens

Nun steht am Anfang der ökumenischen Bewegung freilich nicht die Erfahrung von Einheit, sondern die Erfahrung von Differenz. Einheit, sichtbare Einheit oder gar volle Einheit (full koinonia, § 61 u. 68) sowie die „volle Verwirklichung des gemeinsamen Lebens in Christus“ (§ 45) sind das Ziel, dem sich die ökumenische Bewegung verschrieben hat, nicht der Ausgangspunkt. Das Dokument „A Treasure in Earthen Vessels“ versteht ökumenische Hermeneutik als Instrument, um diesem Ziel näher zu kommen. Gegenüber der klassischen Lehr- und Konsensökumene bemüht sich das Dokument allerdings, die Erfahrung von Differenz und Diversität stärker zu reflektieren. Dieses Bemühen kommt bereits im Titel des Dokuments zum Ausdruck, der II Kor 4,7 zitiert. Die Einleitung spricht von den „Zweideutigkeiten der menschlichen Geschichte“ und den „Herausforderungen des täglichen christlichen Lebens“ (§ 2). Das wird wie folgt erläutert: „Daher ist der Glaube auch auf menschliche Ausdruck- und Interpretations-, Dialog- und Kommunikationsformen angewiesen, die alle zerbrechliche und allzu oft bruchstückhafte Darstellungen des offenbarten Geheimnisses sind und dieses nie vollständig erfassen können“ (ebd.). Die Kirche selbst wird als „hermeneutische Gemeinschaft“ charakterisiert (§ 7), d. h. als Auslegungs- und Interpretationsgemeinschaft, die sich beständig um das Verstehen der überlieferten Texte, Symbole und Praxen bemüht. Neben den Begriff der Einheit (unity) tritt der Begriff der Kohärenz (coherence). Ökumenische Hermeneutik, so das Dokument, sei „eine Hermeneutik der Kohärenz“ (§ 6), „die die positive Komplementarität der Traditionen aufzeigt“ (§ 28). Offenbar dient der Kohärenzbegriff dazu, die Erfahrung von Differenz und Diversität in das traditionelle Konzept der sichtbaren Einheit der Kirchen zu integrieren (547). Eine ökumenische Hermeneutik soll aber nicht nur eine integrative, sondern auch eine kritische Funktion ausüben. Das Dokument übernimmt daher die Idee einer „Hermeneutik des Verdachts“ (§ 6), die wiederum durch eine „Hermeneutik des Vertrauens“ kontrastiert wird (§ 8). Wie sich hinzufügen läßt, gründet das Vertrauen, welches überhaupt erst zum ökumenischen Dialog und seiner Fortsetzung motiviert, im Glauben an den dreieinigen Gott und sein Handeln in der Geschichte der Kirche und der Menschheit. Wo solches Vertrauen entsteht, muß es als Wirken des heiligen Geistes verstanden werden, wie überhaupt das Verstehen im Glauben pneumatologisch begründet ist. Gerade darin unterscheidet sich eine theologische Hermeneutik von aller sonstigen Hermeneutik, daß sie das Verstehen als Wirkung des Heiligen Geistes deutet. Eine „Hermeneutik des Vertrauens“, wie sie das Dokument „A Treasure in Earthen Vessels“ versteht, ist nun allerdings dem Ziel der sichtbaren Einheit verpflichtet: „Hermeneutik im Dienst der Einheit muß auch mit der Annahme arbeiten, dass jeder und jede von denen, die die christliche Tradition unterschiedlich auslegen, die ,rechte Absicht des Glaubens‘ hat“ (§ 30).

b) Zur Kritik der „Hermeneutik für die Einheit“ Das vorgestellte Dokument ist zum Teil scharf kritisiert worden. Der lutherische Theologe Ingolf U. Dalferth würdigt zwar das Bemühen, „von einer vorneuzeitlichen Lehr-Ökumene zur einer neuzeitlichen Methoden-Öku-

2. Hermeneutik der Einheit?

mene“ vorzustoßen (516: 257). Er kritisiert aber, daß das Dokument an der seiner Ansicht nach falschen Idee der sichtbaren Einheit der Kirchen festhalte. Solange die ökumenische Bewegung die „ekklesiozentrische[] Perspektive einer sichtbaren Lehr-, Amts und Kircheneinheit“ nicht aufgebe, könne man nicht davon sprechen, „daß die Ökumene damit in der Moderne angekommen ist“ (ebd.). Allerdings fällt auf, daß der Begriff „Hermeneutik“ im gesamten Dokument nicht wirklich präzisiert wird. Vage erfährt man, daß sich in letzter Zeit „die Definitionen von Hermeneutik in Philosophie und Theologie vervielfacht“ haben, „und die Bedeutung des Begriffs geht inzwischen über die Aufstellung von Auslegungsprinzipien für die Interpretation der Heiligen Schrift hinaus“ (§ 5). Weiter heißt es in § 5 lediglich: „Im vorliegenden Text soll der Begriff ,Hermeneutik‘ sowohl die Kunst der Interpretation und Anwendung [application] von Texten, Symbolen und Bräuchen in der Gegenwart und in der Vergangenheit als auch die Theorie über die Methoden einer solchen Interpretation und Anwendung beinhalten.“ Eine Fußnote verweist nicht etwa auf einschlägige Konzeptionen heutiger Hermeneutik, sondern zitiert lediglich einige neuere Lexika zur Philosophie. Eine eigene Definition von Hermeneutik gibt das Dokument aber nicht. Ohne eine klare Theorie der Hermeneutik und ihrer Methoden lassen sich aber im ökumenischen Dialog keine Fortschritte erzielen. Das Dokument „A Treasure in Earthen Vessels“ legt großen Wert auf die Rolle von Erfahrung gegenüber jeder bloßen Theorie. Die Kirche wird als „eine hermeneutische Gemeinschaft“ charakterisiert, in der Hermeneutik nicht nur Angelegenheit von Spezialisten ist. „Ökumenische Hermeneutik im Streben nach sichtbarer Einheit der Kirche ist zuerst und vor allem die Arbeit des ganzen Volkes, das sich in Glaubensgemeinschaften in verschiedenen Kontexten versammelt. Gläubige, Pfarrer, Theologen und biblische Exegeten haben alle ihre jeweils spezifischen Gaben in die hermeneutische Aufgabe einzubringen. Diese Gaben werden am angemessensten zusammengetragen und ausgeübt in den verschiedenen Zusammenhängen, in denen die Kirche ihre Arbeit als hermeneutische Gemeinschaft durchführt“ (§ 50). Es muß aber klar gesagt werden, daß Hermeneutik als Kunstlehre (Schleiermacher) von einfachen Verstehensprozessen unterschieden werden muß. Das Bedürfnis nach Hermeneutik als einer Theorie und Methodenlehre des Verstehens entsteht aus der Erfahrung des Nichtverstehens und des Nichtverstandenwerdens. Wie jede Hermeneutik müßte also auch eine ökumenische Hermeneutik eine Theorie des Verstehens und seiner Methoden sein, welche sowohl die Bedingungen für gelingendes Verstehen als auch die Gründe für das Nichtverstehen reflektiert. Allerdings gilt auch, daß sich das Verstehen im ökumenischen Dialog wie auch sonst im Leben nicht vorschreiben und normieren läßt. Auch kann es nicht als einsinniger Konsens festgeschrieben werden. Zu Recht warnt Dalferth davor, Hermeneutik mit einem Einheitsprogramm zu verknüpfen und kirchlich zu verzwecken. Sobald dies geschieht, hat jede Hermeneutik ihre kritische Funktion verloren. „Hermeneutik – das ist gegenüber allen ökumenischen Verzweckungstendenzen hermeneutischer Reflexion nachdrücklich zu betonen – hat es nur und ausschließlich mit Verstehen zu tun“

Unzureichender Hermeneutikbegriff

Kirchenpolitische Instrumentalisierung ökumenischer Hermeneutik

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VIII. Ökumenische Hermeneutik

Hermeneutik der Verschiedenheit

(516: 262). Verstehen aber läßt sich nicht herstellen und regulieren, sondern schließt immer die Freiheit des Andersverstehens ein. Nach Ansicht von „A Treasure in Earthen Vessels“ soll eine ökumenische Hermeneutik „Möglichkeiten gemeinsamen Bekennens und Betens im Geist und in der Wahrheit vorbereiten“ (§ 6). Doch ist jedes gemeinsame Bekenntnis ebenso wie jeder liturgische Akt wiederum dem unendlichen Prozeß des individuellen Verstehens und Andersverstehens ausgesetzt. Daher muß klar gesagt werden: Wenn die Voraussetzung für das gemeinsame Bekennen und die gemeinsame Feier des Gottesdienstes einschließlich des Abendmahls in multilateralen Konsenstexten gesehen wird, die auch noch ihre Rezeption normieren wollen, also ihr eigenes Verstandenwerden, dann wird die Ökumene ihr Ziel niemals erreichen können. Nun läßt sich der christliche Glaube selbst als eine Weise des Verstehens charakterisieren. Glauben heißt verstehen, wie wir von Gott verstanden sind (vgl. I Kor 13,12). Der Glaube ist somit etwas anderes als ein normierter Lehrzusammenhang. Er schließt die Freiheit des individuellen Andersverstehens ein, in welcher der Heilige Geist seine Wirkung entfaltet: „Der Herr ist der Geist, wo aber der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit“ (II Kor 3,17). Eine ökumenische Hermeneutik ist daher nach meinem Verständnis nicht eine Hermeneutik für die Einheit, sondern eine Hermeneutik der Verschiedenheit, welche in Gott als der Fülle des Lebens ihren Grund hat. Hermeneutik ist kein theologisches Instrument zur Konsensbildung und zur Überwindung kirchlicher Spaltungen, weil ein bestehender Konsens oder sein Fehlen lediglich methodisch – und das heißt hermeneutisch – festgestellt, aber nicht hergestellt werden kann (516: 264 ff.). Eine ökumenische Hermeneutik, verstanden als eine Hermeneutik der Differenz und der Diversität, ist darum nicht die Fortsetzung der bisherigen Konsensökumene mit anderen Mitteln, sondern ihr kritisches Korrektiv.

3. Ökumenische Differenzhermeneutik a) Konsensökumene und „differenzierter Konsens“ Krise der Konsensökumene

Kritik des Begriffs „differenzierter Konsens“

Offenkundig befindet sich die sogenannte Konsensökumene in einer Sackgasse. Beispielsweise können die Kompromißformeln, die zu guter Letzt doch noch die Unterzeichnung einer gemeinsamen Erklärung von Lutherischem Weltbund und römisch-katholischer Kirche ermöglicht haben, über theologischen Fragwürdigkeiten und begrenzte Tragfähigkeit des Dokumentes nicht hinwegtäuschen. Nach Ansicht ihrer Kritiker zeugen die Gemeinsame Erklärung (GER) und die „Gemeinsame offizielle Feststellung“ (GOF) nicht von echten theologischen Fortschritten, sondern sie sind eher ein Indiz dafür, „daß Lehren wie die zur Rechtfertigung, Eucharistie und Amt schon deswegen ihre kirchentrennenden Wirkung verloren haben, weil sie – allen feierlichen Beteuerungen zum Trotz – doch faktisch die Bedeutung verloren haben, die ihnen vom Wesen des Christlichen her zukäme“ (552: 233). Die Verfechter von GER und GOF betonen, zwischen Lutheranern und Katholiken sei in der Rechtfertigungslehre keineswegs ein völliger, sondern ein „differenzierter Konsens“ erzielt worden. Dieser von dem lutherischen

3. Ökumenische Differenzhermeneutik

Theologen Harding Meyer geprägte Begriff (539; 541: 626 ff.; 555) zeigt noch deutlicher als die nicht minder dehnbare Formulierung der GER, die von einem „Konsens in den [!] Grundwahrheiten“ spricht, mit dem „die unterschiedlichen Entfaltungen in den Einzelaussagen […] vereinbar“ seien (GER Nr. 14), das Dilemma, in welches die bisherige Konsensökumene geraten ist. Nicht erst die Behauptung, unterschiedliche Entfaltungen in Einzelaussagen würden den erzielten Konsens nicht tangieren, sondern schon die postmodern anmutende Rede von „Grundwahrheiten“ im Plural stellt die übliche Semantik des Begriffes „Konsens“ in Frage. Völlig zu Recht hat Eberhard Jüngel den Terminus des differenzierten Konsenses als eine „begriffliche Mißgeburt“ kritisiert (533: 258, Anm. 15). Sein Erfinder Harding Meyer definiert den Begriff folgendermaßen: Ein in sich differenzierter Konsens enthalte im Blick auf die jeweils erörterte Lehrfrage stets zwei Konsensaussagen: „eine Aussage der Übereinstimmung in dem, was in dieser Lehrfrage gemeinsam als das Grundlegende oder Wesentliche erachtet wird und eine gemeinsame Aussage darüber, daß und warum die verbleibenden Verschiedenheiten in dieser Lehrfrage als zulässig und legitim gelten können und die Übereinstimmung im Grundlegenden oder Wesentlichen nicht in Frage stellen“ (541: 629). Der katholische Dogmatiker Harald Wagner geht noch einen Schritt weiter und verknüpft die Idee des differenzierten Konsenses mit dem Programm einer „Hermeneutik für die Einheit“ der Kirche, welches in „A Treasure in Earthen Vessels“ skizziert wurde. Ganz unverblümt erklärt Wagner: „Nur wenn der Wille zur Kircheneinheit als Grundvoraussetzung und Grundimpuls akzeptiert ist, kann auch das Instrument des ,differenzierten Konsenses‘ erfolgreich sein“ (555: 137). Zudem behauptet er, faktisch sei ein solcher Weg in der katholischen Kirche immer schon praktiziert worden, er entspreche aber zugleich der Idee einer „Einheit von [!] versöhnter Verschiedenheit“, die ja im Luthertum entstanden ist (556: 254). Das nennt man Verunklarung. Die „immer schon“ von der katholischen Kirche praktizierte Methode, zur sichtbaren Einheit der Kirche(n) zu gelangen, ist mit dem Verständnis evangelischer Kirchen von einer Gemeinschaft der Kirchen in versöhnter Verschiedenheit keineswegs deckungsgleich. Durch die Verknüpfung mit dem ideologisch-klerikalen Programm einer „Hermeneutik für die Einheit“ wird der Unbegriff eines „differenzierten Konsenses“ vollends diskreditiert. Aus Sicht der Konsensökumene sind GER und GOF ein Meilenstein der ökumenischen Bewegung. Man kann die Vorgänge freilich auch gegenläufig lesen. Das bilaterale Konsensdokument, seine offiziell verbindlichen Ergänzungstexte (GOF und Annex), aber auch die von seinen Verfassern, Unterzeichnern und Unterstützern gegebenen Interpretationen zeigen in Wahrheit, daß das ursprüngliche Ziel der Konsens-Ökumene nicht nur noch nicht erreicht worden ist, sondern offenbar gar nicht erreicht werden kann. In einem Atemzug kann semantisch völlig unscharf von einem „differenzierten Konsens“ und geradezu affirmativ von verbleibenden Differenzen gesprochen werden, die zwar nicht länger Gegenstand von Lehrverurteilungen seien, mitnichten aber ihre kirchentrennende Bedeutung verloren hätten. Die zur Verteidigung der GER und zur Beschwichtigung ihrer Gegner vorgebrachten Argumente sind ein Lehrbeispiel für die Aporie des Konsens-

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VIII. Ökumenische Hermeneutik

Neue Herausforderungen durch evangelikale und charismatische Kirchen

oder konvergenzökumenischen Theorieansatzes, weil sie sich nun doch wieder um die Herausstellung heterogener Ansätze bemühen müssen – und damit das ökumenische Gespräch ungewollt verlängern. Außerdem platzt die „künstliche Harmonisierung […] spätestens dann, wenn nach dem bilateralen Gespräch wieder multilateral verhandelt werden muß“ (552: 231 f.). Die großen Konfessionen stehen außerdem gemeinsam vor der Herausforderung einer beständig wachsenden Zahl neuer Kirchen, deren Verständnis für die bisherige ökumenische Bewegung sich – gelinde gesagt – in Grenzen hält. Es handelt sich um evangelikale oder charismatische Kirchen, die im weitesten Sinne der protestantischen Tradition zuzurechnen sind. Häufig verbreiten sie jedoch fundamentalistisches Gedankengut und unterhalten zu den sogenannten „main churches“, also auch zu den in der Reformationszeit entstandenen lutherischen und reformierten Kirchen, keine ökumenischen Beziehungen. Natürlich kann man sich auf den Standpunkt stellen, all diesen christlichen Gemeinschaften ihr Kirchesein abzusprechen, so wie es bis heute die römisch-katholische Kirche gegenüber den Kirchen der Reformation tut. Die ökumenische Bewegung und ihre Idee der sichtbaren Einheit der Kirchen bliebe dann auf etablierte Konfessionen beschränkt, die in der Vergangenheit entstanden sind. Auch wenn man nicht alle charismatischen Neuaufbrüche unkritisch auf das Wirken des Heiligen Geistes zurückführen darf, würde doch eine solche Selbstgenügsamkeit der ökumenischen Bewegung der Dynamik des göttlichen Wirkens in der Geschichte nicht gerecht.

b) Vom Konsens- zum Differenzmodell Paradigmenwechsel in der ökumenischen Theologie

Wenn nicht alles täuscht, vollzieht sich in der ökumenischen Theologie ein Paradigmenwechsel, der sich als Übergang vom Modell der Konsensökumene zu demjenigen einer Differenzökumene charakterisieren läßt. Die Versuche, dem Konsensbegriff im ökumenischen Gespräch einen neuen Sinn zu unterlegen, sind ein wichtiger Indikator dafür, daß sich in Wahrheit ein Paradigmawechsel von der Konsens- oder Konvergenzökumene zu einer neuen Form der Differenzökumene vollzieht (535). Diese Einschätzung trifft sich mit einigen neueren katholischen Veröffentlichungen (538; 530) Bei aller Kritik, die man an GER und GOF äußern kann, läßt sich ihrer Unterzeichnung und Rezeption doch etwas Positives abgewinnen. Das angeblich gute Ende, das die Bemühungen, die GER vor dem Scheitern zu retten, im Oktober 1999 in Augsburg gefunden haben, ist in Wahrheit das „Ende eines ökumenischen Umweges“, welches nun gerade „nicht mit dem Ende der ökumenischen Bewegung schlechthin gleichzusetzen“ ist (552: 240), sondern den Weg zu einem Neubeginn ökumenischer Theologie öffnet. Es ist dies der Weg einer neuen ökumenischen Hermeneutik, der Weg einer am Begriff der Differenz orientierten neuen ökumenischen Ekklesiologie, die davon ausgeht, „daß die eigentliche Problematik heutiger Ökumene nicht so sehr in der Einebnung, als vielmehr in der Zuordnung des Unterschiedlichen liegt, so sehr auch diese nur aufgrund grundsätzlicherer Identität zu denken ist“ (552: 234).

3. Ökumenische Differenzhermeneutik

c) Grundzüge einer ökumenischen Differenzhermeneutik Die GOF bekennt sich zur Einheit der Kirchen in versöhnter Verschiedenheit. Wer die früheren katholischen Vorbehalte gegen diese Formel kennt, wird es zu schätzen wissen, daß sie nun überhaupt einmal in einem bilateralen Dokument aufgegriffen wird. Doch kommt nun alles darauf an, wie diese Formel künftig interpretiert wird. Die Kirchengemeinschaft der Leuenberger Konkordie, die inzwischen „Gemeinschaft evangelischer Kirchen in Europa“ heißt, versteht darunter eine nicht hierarchisch organisierte Gemeinschaft von selbstständig bleibenden Kirchen, die sich gegenseitig Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft gewähren. Wie Walter Kardinal Kasper, der Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen, mehrfach betont hat, wird diese Interpretation von der römisch-katholischen Kirche für unzureichend gehalten und daher strikt abgelehnt. Die Formel von der Einheit in versöhnter Verschiedenheit wurde zu Beginn der siebziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts von lutherischen Theologen geprägt, um die Einheit der Kirchen unter der Voraussetzung der theologischen Legitimität konfessioneller Verschiedenheit zu bestimmen. Diese ist einerseits auf die Differenz zwischen Kirchen und Christentum hin zu erweitern, zugleich aber auch gegen ihren ideologischen Mißbrauch zur Legitimation ökumenischer Stagnation abzusichern. Soll der Begriff der Versöhnung nicht ideologisch verflachen, gilt es die Zweideutigkeit aller Differenzen theologisch zu bedenken. Dazu scheint es mir erforderlich, die heute von manchen kritisierte Christozentrik ökumenischer Ekklesiologie auf neue Weise zur Geltung zu bringen und den Gedanken einer Ökumene im Zeichen des Kreuzes zu formulieren. Was Paulus von den Aposteln schreibt, gilt ebenso von der Gemeinde und den getrennten Kirchen: “Wir tragen allezeit das Sterben Christi an unserem Leibe, damit auch das Leben Jesu an unserem Leibe offenbar werde. Denn wir, die wir leben, werden immerdar in den Tod gegeben um Jesu willen, damit auch das Leben Jesu offenbar werde an unserem sterblichen Fleisch“ (II Kor 4,10 f.). In diesem kreuzestheologischen Sinn ist m. E. das reformatorische „ecclesia semper reformanda“ zu verstehen und in die ökumenische Diskussion über die Einheit der Kirchen einzubringen. Kreuzestheologisch gewendet steht der Grundsatz der „ecclesia semper reformanda“ sowohl jedem totalitären Einheitsstreben als auch einer pluralistischen Ekklesiologie, deren pneumatologischer Enthusiasmus die Fülle des in Christus erschienenen neuen Lebens von der geschöpflichen Vielfalt geschichtlicher Individuationen nicht zu unterscheiden weiß, in gleicher Weise kritisch gegenüber. Welche Perspektiven ergeben sich aus den bisherigen Überlegungen für eine ökumenische Hermeneutik? Eine erste Konsequenz ist die Grundeinstellung des konfessionellen Respekts. Wechselseitige Anerkennung als gleichwertige Gesprächspartner ist notwendige Voraussetzung für jeden Dialog, der diesen Namen verdient. Wer sich allein im Vollbesitz der Wahrheit wähnt, führt mit anderen keinen der gemeinsamen Wahrheitssuche dienenden Dialog, sondern will das Gegenüber diskursiv über die ihm fehlende Wahrheit belehren. Demgegenüber gründen Anerkennung und konstruktive Toleranz in dem gemeinsamen Glauben an die allen Menschen und

Ökumene im Zeichen des Kreuzes

Konsequenzen für eine ökumenische Hermeneutik

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VIII. Ökumenische Hermeneutik

Konsens und Differenz

Ökumene des Einspruchs

auch den Kirchen zuvorkommende Gnade Christi, der nicht für die Gerechten, sondern für die Gottlosen und um ihrer Sünden willen gestorben ist. Sodann muß sich eine ökumenische Hermeneutik der unaufhebbaren Vielfalt von Glaubensweisen, Liturgien, theologischen Begriffssystemen und Denkstilen am Grundbegriff der Differenz orientieren, dessen ekklesiologischer Gehalt erörtert wurde. Hermeneutisch ist zunächst zwischen sprachlichem Ausdruck und bezeichneter Sache zu unterscheiden, andererseits freilich zu bedenken, daß die intendierte Sache nie ohne ihren konkreten sprachlichen Ausdruck präsent ist. Eine ökumenische Hermeneutik hat ihr Ziel nicht schon dann erreicht, wenn man einander und den jeweils maßgeblichen Lehrtraditionen wechselseitig gute Absichten unterstellt, sondern wenn es zu gemeinsamen Erkenntnisfortschritten in der Sache kommt, die sich nur dann zeigen, wenn man zu einer neuen, gemeinsamen Sprache findet. Konsense und neue Formen des gemeinsamen Bekennens sind also nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Das „consentire“ in den Grundzügen der Evangeliumsverkündigung und in der Verwaltung der Sakramente bleibt für die Kirchengemeinschaft nach evangelischem Verständnis notwendig und hinreichend (Confessio Augustana VII). Angesichts der Vielfalt sprachlicher und liturgischer Ausdrucksformen ist das consentire aber offensichtlich neu zu bestimmen, nämlich als Kohärenz des unaufhebbar Differenten (547). Für die Bestimmung solcher Kohärenz müssen hermeneutische Kriterien erst noch entwickelt werden. Theologische Erkenntnisfortschritte sind jedenfalls nur zu erwarten, wenn die in der bisherigen Konsensökumene praktizierte Hermeneutik des Entgegenkommens durch eine solche des Einspruchs ergänzt und relativiert wird, welche den ökumenischen Gesprächspartner zur Selbstprüfung und Profilierung zwingt – und zwar aufgrund der gemeinsamen Einsicht, einander wechselseitig als bleibend Anderer zu bedürfen, weil die Wahrheit des Glaubens nur in der unaufhebbaren Pluralität aufscheint. Eine Differenzhermeneutik bietet die theoretische Grundlage für eine „Ökumene des Einspruchs“ (552). Die Kirchen sind wechselseitig auf den Einspruch von außen angewiesen. Solcher Einspruch kann sich fallweise, muß sich aber nicht in allen Fragen als dauerhaft nötig erweisen. Die Gemeinschaft der Kirchen muß sich also nicht im wechselseitigen Einspruch erschöpfen, sondern kann – ubi et quando visum est Deo! – auch dazu führen, daß eine Glaubenslehre „allen Kirchen gleichermaßen einleuchtet“ (532: 406), so daß es zu einem ganz neuen gemeinsamen Bekennen, Lehren und Feiern kommt. Diese Hoffnung läßt sich aber nur pneumatologisch begründen, ist es doch nicht menschlicher Wille, sondern allein der Geist Gottes, der uns zu neuer Erkenntnis der Wahrheit führt. Wo freilich die konfessionelle Verschiedenheit einseitig als Wesenszug aller Gemeinschaft hervorgehoben wird, ist in Erinnerung zu rufen, daß mit dem Wort von der Versöhnung die kirchliche Vielfalt von Gott nicht etwa nur anerkannt, sondern auch unter sein Gericht gestellt ist. Die Ambivalenz der Verschiedenheit bzw. der Einheit von Identität und Differenz besteht darin, daß sie nicht nur legitime Vielfalt, sondern auch schuldhafte Trennung bedeutet. Eine Ökumene des Einspruchs ist zu verstehen als mutuum consolatio fratrum der Kirchen und schließt die Bereitschaft aller Kirchen zur Selbstkorrektur und Reform ein. Zur ökumenischen Methode aber wird der

3. Ökumenische Differenzhermeneutik

Einspruch dann, wenn man nicht nur an einer anderen Teilkirche im Geist der Liebe wie der Wahrhaftigkeit Kritik übt, sondern bereit ist, „den geäußerten Einspruch einer anderen Teilkirche zum Zweck der Selbstkorrektur in der eigenen Gemeinde zu Gehör zu bringen“ (552: 236; vgl. 529: 22 ff.). Gleichwohl werden die konfessionelle und die kontextuelle Pluralität der geglaubten einen Kirche Jesu Christi fortbestehen, weil sie ihren Grund keineswegs nur in der menschlichen Sünde, sondern auch in der schöpfungsgemäßen anthropologischen und soziokulturellen Vielfalt hat (519: 13 ff., 274 ff.; 520: 478 ff.). Das ekklesiologische Konzept der organischen Einheit, das auf die Union von Kirchen drängt, bzw. das römisch-katholische Konzept eines Ökumenismus der Re-Integration der nicht-katholischen in die römische Kirche (Ökumenismusdekret des Zweiten Vatikanums „Unitatis redintegratio“), neigt dazu, diese Realität zu negieren. Das demgegenüber wirklichkeitsgerechtere Modell der Einheit in versöhnter Verschiedenheit, das in Europa in der Kirchengemeinschaft der Leuenberger Konkordie sichtbare Gestalt angenommen hat, kann freilich dazu mißbraucht werden, den Selbstbehauptungswillen bestehender Organisationen und kirchlicher Machtstrukturen gegen den bußfertigen Wandel auszuspielen. Sowenig die Auflösung jeglicher konfessioneller Identitäten das Ziel von Versöhnung ist, sowenig das unbedingte Festhalten an gewachsenen Strukturen und Glaubensweisen. Vom Modell der organischen Einheit bleibt daher zu lernen, daß auch eine versöhnte Verschiedenheit nur um den Preis des Mit-Christus-Sterbens zu haben ist, so daß konfessionelle Identitäten nicht nur relativiert, sondern auch transformiert werden können.

d) Konfessionen, Sprachspiele und Lebensformen Eine am Begriff der Differenz orientierte ökumenische Hermeneutik findet wichtige Anregungen in der Semiotik und in der Sprachspieltheorie Ludwig Wittgensteins. Religionen oder Konfessionen unterscheiden sich nicht durch einzelne Begriffe oder isolierte Symbole, sondern sie bilden in sich kohärente Sprachspiele, die jeweils Teil einer bestimmten Lebensform sind (56: 28 f. [§ 23]). Diese wiederum können nicht ohne die jeweiligen Sprachspiele bestehen. Wie die Lebensform einer bestimmten Religion oder christlichen Denomination, so haben auch die sie strukturierenden Sprachspiele für die religiösen Praktikanten einen hohen Grand an Verbindlichkeit. In diesem Sinne möchte ich die Formel aus „A Treasure in Earthen Vessels“ aufgreifen, wonach die Kirche „eine hermeneutische Gemeinschaft“ ist: Die Kirche bzw. die einzelnen Kirchen sind jene Interpretationsgemeinschaften, in denen die Sprachspiele eine bestimmte Lebensform ausbilden. So bieten die verschiedenen Konfessionen unterschiedliche Gesamtinterpretationen der christlichen Botschaft, die mit einer bestimmten Glaubens- und Lebenspraxis verbunden sind (550). Ihren Sinn erhalten die einzelnen Wörter oder Zeichen – auch Wörter sind ja Zeichen – allein innerhalb eines bestimmten Sprachspiels, d. h. aber auf Grund einer bestimmten Grammatik. Der Prozeß der Semiose, d. h. der Interpretation von und durch Zeichen und Symbole findet jeweils innerhalb eines bestimmten Sprachspiels statt. Oder um mit Wittgenstein zu sprechen: „Die Bedeutung eines Wortes ist sein Gebrauch in der Sprache“ (56: 41

Konfessionen als Sprachspiele

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VIII. Ökumenische Hermeneutik

Theologie als Grammatik christlicher Sprach- und Lebensformen

Kritik des Begriffs der sichtbaren Einheit der Kirchen

[§ 43]). Ein und dasselbe Wort oder Zeichen kann also in verschiedenen Sprachspielen eine ganz unterschiedliche Bedeutung haben, ganz so wie dieselben Spielfiguren in verschiedenen Spielen und nach unterschiedlichen Regeln eingesetzt werden können. Das gilt auch für das Christentum. Schon im Neuen Testament beobachten wir, wie Begriffe und Bilder bei den verschiedenen Autoren unterschiedliche Bedeutung annehmen. Und Gleiches gilt von den Konfessionen. Sie unterscheiden sich dadurch, daß sie in sich kohärente, aber verschiedenartige Gesamtinterpretationen des neutestamentlich bezeugten Evangeliums vorlegen. Dieselben Zeichen und Wörter können daher Unterschiedliches bedeuten. Und wiederum können verschiedene Zeichen und Wörter der Sache nach äquivalent sein. Auf die Bedeutung dieses Sachverhalts für eine ökumenische Theologie hat bereits der lutherische Theologe Edmund Schlink aufmerksam gemacht. Er sieht „die Aufgabe einer nicht nur sprachlichen Übersetzung. Lehraussagen, die an verschiedenen geschichtlichen Fronten, unter Verwendung verschiedener Begrifflichkeiten, in verschiedenen Grundformen der theologischen Aussage und von verschiedenen anthropologischen Voraussetzungen des Erkennens aus gemacht worden sind, können nicht direkt miteinander verglichen, sondern müssen aus der einen geschichtlichen Front, Begrifflichkeit und Aussagestruktur in die andere übersetzt werden, wenn Übereinstimmung und Unterschied und das Gewicht des Unterschieds in Wahrheit erkannt werden sollen“ (553: 57). Die Zeichensysteme der verschiedenen Konfessionen haben eine unterschiedliche Grammatik. Diese ist es, welche die Konfessionen und Denominationen voneinander unterscheidet. Die Aufgabe einer ökumenischen Hermeneutik besteht darin, nicht einfach die verschiedenen Zeichen, sondern die unterschiedlichen Grammatiken miteinander zu vergleichen. Theologie ist somit die Grammatik des christlichen Glaubens (537; 338; 336). Wie bei allen Sprachen ist auch die Grammatik des christlichen Glaubens bzw. sind die Grammatiken der verschiedenen christlichen Konfessionen keine statischen und abgeschlossenen Regelwerke, sondern dynamisch. Die biblischen Texte sind die lebendige Quelle, aus der die Sprache des Glaubens immer wieder neu geboren wird. Die Sprachwissenschaft kennt das Konzept einer generativen Grammatik bzw. einer generativen Poetik (525; 515: 55 ff.). Im besten Fall kann eine ökumenische Hermeneutik solch eine generative Grammatik sein, die konfessionsübergreifend oder konfessionsverbindend neue Sprachformen und neue gemeinsame Ausdrucksformen entstehen läßt. Dabei ist auch damit zu rechnen, daß sich die verschiedenen Konfessionen in ihren Riten und Praktiken wechselseitig beeinflussen, z. B. durch Übernahme von liturgischen Elementen aus anderen liturgischen Traditionen. Für eine ökumenische Hermeneutik ist dabei von Interesse, wie liturgische Neubildungen innerhalb der verschiedenen Traditionen theologisch gerechtfertigt werden. In der gegenwärtigen Debatte zur ökumenischen Hermeneutik spielt der Begriff der Kohärenz ein wichtige Rolle. Theologie als Grammatik wacht zunächst über die Kohärenz innerhalb der Konfessionen und ihrer Sprachspiele. Wie aber steht es mit der Kohärenz zwischen den Konfessionen? Hier möchte ich an die Stelle des m.E. fragwürdigen Ziels einer sichtbaren Einheit der Kirchen den von Wittgenstein verwendeten Begriff der Familien-

3. Ökumenische Differenzhermeneutik

ähnlichkeit setzen. Verschiedene Sprachspiele und ihre Grammatiken weisen bisweilen eine Verwandtschaft auf, die Wittgenstein als Familienähnlichkeit bezeichnet. Was Wittgenstein generell von den Sprachspielen sagt, charakterisiert treffend auch die christliche Ökumene: „Wir sehen ein kompliziertes Netz von Ähnlichkeiten, die einander übergreifen und kreuzen. Ähnlichkeiten im Großen und Kleinen“ (56: 57 [§ 66]) Bei aller Ähnlichkeit sollen aber auch die Differenzen zwischen den Konfessionen, ihren Zeichensystemen und ihren Grammatiken nicht geleugnet werden. Gleichwohl bilden die christlichen Konfessionen eine Familie, theologisch gesprochen die Familie Gottes. Wittgensteins Begriff der Familienähnlichkeit hat dabei den großen Vorzug, daß er es gestattet, von einer Kohärenz der Konfessionen zu sprechen, die nicht hierarchisch gedacht ist und auch nicht in einem kleinsten gemeinsamen Nenner besteht, auf den sich alle einigen müssen. Um seinen Begriff der Familienähnlichkeit zu erläutern, wählt Wittgenstein den vergleich mit einem Faden. Wir dehnen z. B. den Begriff der Zahl aus, „wie wir beim Spinnen eines Fadens Faser an Faser drehen. Und die Stärke des Fadens liegt nicht darin, daß irgend eine Faser durch seine ganze Länge läuft, sondern darin, daß viele Fasern einander übergreifen. Wenn aber Einer sagen wollte: ,Also ist allen diesen Gebilden etwas gemeinsam – nämlich die Disjunktion aller dieser Gemeinsamkeiten‘ – so würde ich antworten: hier spielst du nur mit einem Wort. Ebenso könnte man sagen: Es läuft ein Etwas durch den ganzen Faden, nämlich das lückenlose Übergreifen dieser Fäden“ (56: 58 [§ 67]). In ähnlicher Weise lassen sich auch die Begriffe des Christlichen oder der Ökumene verwenden. Die bisherige ökumenische Zielsetzung der sichtbaren Einheit der Kirchen beruht offenbar auf einem grundlegenden Mißverständnis dessen, was die Christen und die Kirchen eint. Um im Bilde Wittgensteins zu sprechen: Es gibt keinen roten Faden, der die Kirchen und die Christen wie eine durchgängige Substanz miteinander verbindet, sei dies nun das dreifach gegliederte Amt, ein Bekenntnistext oder eine bestimmte Liturgie. Was uns verbindet, ist vielmehr ein Prozeß, nämlich das lückenlose Übergreifen der verschiedenen Stränge christlicher Überlieferung, in deren Geschichte es nicht nur Kontinuitäten, sondern auch Diskontinuitäten, Trennungen, Abbrüche und Neuanfänge gibt. Das lückenlose Übergreifen der Fäden aber geschieht einzig durch das Wirken des Heiligen Geistes. Sein Wirken schafft jene Kohärenz der Ökumene, die sich in einem beständigen dynamischen und eschatologischen Prozeß befindet. In diesem Sinne läßt sich ökumenische Hermeneutik durchaus als „eine Hermeneutik der Kohärenz“ interpretieren. Sie ist freilich kein Instrument zur Umsetzung oder Durchsetzung eines wie auch immer gearteten Einheitsprogramms, sondern jene Kunst, welche der Theologie und den Kirchen hilft, jene komplexen und dynamischen Familienähnlichkeiten zu entdecken und besser zu verstehen, welche die Konfessionen unbeschadet ihrer Differenzen verbindet. Solches Entdecken und Verstehen ist freilich wiederum ein Interpretationsvorgang, ein offener Prozeß der Semiose. Wir können auch sagen: Er ist ein Glaubenswagnis. Jenes Verstehen, welches der Glaube ist, läßt sich durch Hermeneutik weder herstellen noch sichern.

Ökumenische Hermeneutik der Kohärenz

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Epilog: Die hermeneutische Frage in der Theologie

Die Gottesfrage als hermeneutisches Problem

Nach einer allgemeinen Einführung in die Probleme theologischer Hermeneutik, ihre Aufgabe und ihre Voraussetzungen und einem weiteren Kapitel über markante Positionen hermeneutischer Theologie im 20. Jahrhundert sind wir der hermeneutischen Frage in den theologischen Einzeldisziplinen nachgegangen. Unter hermeneutischem Blickwinkel hat dieses Lehrbuch eine enzyklopädische Orientierung über die Theologie und ihre Disziplinen gegeben, wobei wir dem Fächerkanon der evangelischen Theologie gefolgt sind. Das geschah freilich durchgängig in ökumenischer Absicht, weshalb der Durchgang durch die Einzeldisziplinen konsequenterweise in einem Kapitel über Aufgabenstellung und hermeneutische Probleme ökumenischer Theologie mündete. Der hermeneutische Zugang zum christlichen Glauben fördert das Verständnis für die innere Einheit der theologischen Disziplinen wie auch für ihre Ausdifferenzierung. Die Vielfalt der theologischen Disziplinen erklärt sich nicht als ein bloßes Konglomerat von Einzelfächern, sondern ist das Ergebnis einer bestimmten Problemgeschichte. Sie gehört zur Geschichtlichkeit des christlichen Glaubens und muß somit selbst einer hermeneutischen Betrachtung unterzogen werden. Wie für die Hermeneutik allgemein ist auch für die theologische Hermeneutik der Zirkel von Frage und Antwort elementar. Theologie fragt nach Gott bzw. geht der Frage nach, in welcher Weise Menschen in Geschichte und Gegenwart nach Gott fragen und von ihm reden. Die Frage nach Gott ist allerdings ebensowenig unvermeidlich wie die Rede von ihm. Wohl mag es sein, daß der Mensch nicht umhin kann, nach Sinn zu fragen. Die Frage nach dem Sinn des Lebens ist aber nicht einfach mit der Gottesfrage identisch. Und nicht alle Antworten auf die Sinnfrage lassen sich als religiös bezeichnen. Religion ist eine Möglichkeit neben anderen, aber nicht die einzige, Sinnfragen und Erfahrungen von Sinnwidrigkeiten zu bearbeiten. Theologie als Denken Gottes sieht sich heute auf doppelte Weise herausgefordert: einerseits durch die neuzeitliche Skepsis, die an der Existenz und Wirkmächtigkeit Gottes zweifelt, andererseits durch den (post)modernen religiösen Pluralismus, der ebenso gut auf eine synkretistische Religion ohne Gott wie auf eine neue Form des Polytheismus hinausläuft. Zur Signatur der Gegenwart gehört nicht nur ein neues Interesse an Religion, sondern auch ein massenhafter Gewohnheitsatheismus, der mit dem kirchlich repräsentierten Christentum jede Religion überhaupt verabschiedet. Der biblische Gott ist vielen Menschen zutiefst fremd geworden. Theologische Hermeneutik kann daher nicht mehr wie selbstverständlich davon ausgehen, daß der biblische Gott zumindest im Modus einer offenen und offengehaltenen Frage präsent ist, wie beispielsweise die apologetische Theologie Paul Tillichs oder Rudolf Bultmanns existentiale Interpretation des Neuen Testaments unterstellt haben. Der hermeneutische Zirkel von Frage und Antwort wird dadurch empfindlich gestört, um nicht zu sagen zerbrochen, daß die Gottesfrage in der Moderne nachchristliche Antworten gefunden hat, durch welche sogar die ursprüngliche Frage verdeckt wird. Aus der Überzeugung,

Epilog: Die hermeneutische Frage in der Theologie

bessere Antworten auf die falsch gestellten Fragen des Christentums gefunden zu haben, speist sich das Selbstbewußtsein der Neuzeit (8). Nicht nur die christliche Antwort auf die Gottesfrage, sondern sogar diese selbst scheint in Vergessenheit zu geraten. Unter neuzeitlichen Bedingungen hängt die Möglichkeit, von Gott zu reden, also offensichtlich nicht von einer wie auch immer gearteten Frage nach Gott ab, sondern an der Erinnerungsspur der biblisch bezeugten Gottesoffenbarung, so gewiß es keinen natürlichen oder evolutionären Weg von einem allgemeinen Religionsbegriff zum Geltungs- und Wahrheitsanspruch jedes wirklichen Monotheismus gibt. Ludwig Wittgensteins grundsätzliche philosophische Feststellung trifft auch auf den biblisch bezeugten Gott zu: „Zu einer Antwort, die man nicht aussprechen kann, kann man auch die Frage nicht aussprechen“ (57: 114). Die Gottesfrage liegt der Offenbarung nicht voraus, sondern wird allererst durch sie in der angemessenen Weise provoziert. Andernfalls läßt sich nicht einmal die Frage nach Gott angemessen stellen. Erst aus dem Mißlingen des Gotteswortes entsteht die Frage nach Gott (185: 70). Die Frage nach Gott kann nur gestellt werden, weil bereits vor uns Menschen von Gott geredet haben. Die neutestamentlichen Texte aber tun dies so, daß sie zugleich von Jesus Christus sprechen. Wer verstehen will, welchen Sinn es hat, im christlichen Sinne von Gott zu reden, muß auch die Eigentümlichkeit der Sprachformen und Textsorten beachten, in denen dies geschieht. Die Rede von Gott und die Rede von Jesus als dem Christus bedingen einander wechselseitig. Auf diese Weise gewinnen die Rede von Gott und die Frage nach ihm ihr unverwechselbares christliches Profil. Theologie wurde in diesem Buch als soteriologische Deutung der Wirklichkeit interpretiert. Aus der Perspektive des christlichen Glaubens nimmt die sogenannte Gottesfrage eine völlig andere Gestalt an, weil das menschliche Subjekt der Frage nach Gott zum Objekt der Frage Gottes nach dem Menschen wird. Gottes Frage nach dem sündigen Menschen ist die eigentliche Gottesfrage und des Menschen Erlösung die Antwort auf diese Frage. Es ist also der Mensch, der sich solchermaßen von Gott selbst in Frage gestellt sieht. Indem wir erkennen, wie wir von Gott erkannt sind (I Kor 13,12) findet die Gottesfrage ihre überraschende Antwort. Unversehens sieht sich das nach Gott fragende Subjekt selbst in Frage gestellt. Aber nicht, daß nun die abstrakte Frage nach Gott durch die nicht minder abstrakte Frage nach dem Menschen ersetzt würde. Gottes Frage lautet nicht: „Was ist der Mensch?“ sondern: „Adam, wo bist du?“ (Gen 3,9). Ihre letzte Antwort findet die Frage nach Gott dadurch, daß sie zum Verschwinden gebracht wird. Damit ist nun nicht gemeint, daß sie vergessen oder verdrängt wird, sondern die Erfahrung unbedingter Glaubensgewißheit. Im Johannesevangelium ist die Wiederkunft Christi nicht erst am Ende der Zeiten, sondern schon für die Gegenwart verheißen, nämlich als Geistes-Gegenwart in den Glaubenden. Der johanneische Christus verheißt seinen Jüngern den Heiligen Geist als Beistand und Lehrer. „An jenem Tag, werdet ihr mich nichts mehr fragen“ (Joh 16,23). In solchen Momenten wird der Zirkel theologischen Fragens und Antwortens unterbrochen, freilich nicht auf Dauer, hat doch die christliche Existenz ihren Ort im Vorletzten und nicht im Letzten.

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Literatur Die Abkürzungen folgen Siegfried Schwertner, Internationales Abkürzungsverzeichnis für Theologie und Grenzgebiete (IATG), Berlin/ New York 21992.

I. Allgemeine und theologische Hermeneutik a) Allgemeine Hermeneutik 1 Abel, Günter: Sprache, Zeichen, Interpretation, Frankfurt a. M. 1999 2 Angehrn, Emil: Interpretation und Dekonstruktion. Untersuchungen zur Hermeneutik, Weilerswist 2003 3 Apel, Karl-Otto: Wittgenstein und das Problem des hermeneutischen Verstehens, in: ZThK 63, 1966, 48 – 87 4 Austin, John L.: Zur Theorie der Sprechakte (How to do things with Words), Stuttgart 21979 5 Betti, Emilio: Zur Grundlegung einer allgemeinen Auslegungslehre, in: „Hermeneutisches Manifest“ (FS E. Rabel), Tübingen 1954, 79 – 168 6 Betti, Emilio: Allgemeine Auslegungslehre als Methodik der Geisteswissenschaften, Tübingen 21972 7 Bianco, Franco (Hg.): Beiträge zur Hermeneutik aus Italien, Freiburg i.B. 1993 8 Blumenberg, Hans: Die Legitimität der Neuzeit, Frankfurt a. M. 1966 9 Blumenberg, Hans: Die Lesbarkeit der Welt, Frankfurt a. M. 1981 10 Bühler, Axel (Hg.): Unzeitgemäße Hermeneutik. Verstehen und Interpretation im Zeitalter der Aufklärung, Frankfurt a. M. 1994 11 Derrida, Jacques: Grammatologie, Frankfurt a. M. 1974 12 Dilthey, Wilhelm: Einleitung in die Geisteswissenschaften (1883), Gesammelte Schriften I, hg. v. B. Groethuysen, Göttingen 51962 13 Dilthey, Wilhelm: Die Entstehung der Hermeneutik (1900), in: ders., Gesammelte Schriften V, hg. v. G. Misch, Göttingen 41964, 317 – 338 14 Dirks, Ulrich: Art. Interpretation, in: Enzyklopädie Philosophie, hg. v. Hans Jörg Sandkühler, Bd. 2, Hamburg 1999, 657 – 661 15 Eco, Umberto: Nachschrift zum Namen der Rose, München 1984 16 Eco, Umberto: Lector in fabula. Die Mitarbeit der Interpretation in erzählenden Texten, München 1987

17 Eco, Umberto: Zwischen Autor und Text. Interpretation und Überinterpretation. Mit Einwürfen von R. Rorty, J. Culler, Chr. Brooke-Rose und S. Collini, München 1996 18 Eco, Umberto: Kant und das Schnabeltier, München 2000 19 Figal, Günter: Der Sinn des Verstehens. Beiträge zur hermeneutischen Philosophie, Stuttgart 1996 20 Figal, Günter: Art. Hermeneutik IV. Philosophisch, in: RGG4 III, Tübingen 2000, 1652 – 1654 21 Figal, Günter (Hg.): Internationales Jahrbuch für Hermeneutik 1, 2002 ff. 22 Forget, Philippe (Hg.): Text und Interpretation. Deutsch-französische Debatte mit Beiträgen von J. Derrida, Ph. Forget, M. Frank, H.-G. Gadamer, J. Greisch u. F. Laruelle (UTB 1257), München 1984 23 Foucault, Michel: Die Ordnung der Dinge. Eine Archäologie der Humanwissenschaften, Frankfurt a. M. 71988 24 Foucault, Michel: Hermeneutik des Subjekts, Frankfurt a. M. 2004 25 Frege, Gottlob: Funktion, Begriff, Bedeutung. Fünf logische Studien, hg. und eingel. von Günther Patzig, Göttingen 41975 26 Gadamer, Hans-Georg: Wahrheit und Methode. Grundzüge einer philosophischen Hermeneutik (1960), GW 1, Tübingen 1986 27 Grondin, Jean: Einführung in die philosophische Hermeneutik, Darmstadt 22001 28 Habermas, Jürgen: Zur Logik der Sozialwissenschaften, Frankfurt a. M. 1970 29 Heidegger, Martin: Sein und Zeit (1927), Tübingen 15 1979 30 Hörisch, Jochen: Die Wut des Verstehens. Zur Kritik der Hermeneutik, Frankfurt a. M. 1988 31 Iser, Wolfgang: Der Akt des Lesens. Theorie ästhetischer Wirkung (UTB 636), München 41994 32 Iser, Wolfgang: Der implizite Leser. Kommunikationsformen des Romans von Bunyan bis Beckett (UTB 163), München 31994 33 Jauß, Hans Robert: Zur Abgrenzung und Bestimmung einer literarischen Hermeneutik, in: Manfred Fuhrmann (Hg.), Poetik und Hermeneutik IX. Text und Applikation, München 1981, 459 – 481 34 Jauß, Hans Robert: Ästhetische Erfahrung und literarische Hermeneutik, Frankfurt a. M. 1982 35 Jung, Matthias: Hermeneutik zur Einführung, Hamburg 2001 36 Lenk, Hans: Einführung in die Erkenntnistheorie. Interpretation – Interaktion – Intervention (UTB 2005), München 1998

Literatur 37 Lenk, Hans: Bewußtsein als Schemainterpretation. Ein methodologischer Integrationsansatz, Paderborn 2004 38 Levinas, Emanuel: Die Spur des Anderen. Untersuchungen zur Phänomenologie und Sozialphilosophie, München 1983 39 Levinas, Emanuel: Philosophie, Gerechtigkeit und Liebe. Ein Gespräch, in: Concordia 4, 1983, 48 – 62 40 Marquard, Odo: Lob des Polytheismus. Über Monomythie und Polymythie, in: ders., Abschied vom Prinzipiellen. Philosophische Studien, Stuttgart 1981, 99 – 116 41 Marquard, Odo: Frage nach der Frage, auf die die Hermeneutik die Antwort ist, in: ders., Abschied vom Prinzipiellen. Philosophische Studien, Stuttgart 1981, 117 – 146 42 Marquard, Odo: Abschied vom Prinzipiellen. Auch eine autobiographische Einleitung, in: ders., Abschied vom Prinzipiellen. Philosophische Studien, Stuttgart 1981, 4 – 22 43 Merleau-Ponty, Maurice: Phänomenologie der Wahrnehmung, Berlin 1966 44 Ong, Walter J.: Oralität und Literalität. Die Technologisierung des Wortes, Opladen 1987 45 Rorty, Richard: Der Spiegel der Natur. Eine Kritik der Philosophie, Frankfurt a. M. 1981 46 Schleiermacher, Friedrich Daniel Ernst: Dialektik, hg. v. Ludwig Jonas, SW III, 4, 2, Berlin 1839 47 Schleiermacher, Friedrich Daniel Ernst: Hermeneutik, nach den Handschriften neu hg. u. eingel. v. Heinz Kimmerle, Heidelberg 1959 48 Schleiermacher, Friedrich Daniel Ernst: Hermeneutik und Kritik. Mit einem Anhang sprachphilosophischer Texte Schleiermachers, hg. u. eingel. v. Manfred Frank (stw 211), Frankfurt a. M.1977 49 Schön, Erich: Der Verlust der Sinnlichkeit oder Die Verwandlung des Lesers (Sprache u. Geschichte 12), Stuttgart 1993 50 Searle, John R.: Sprechakte. Ein sprachphilosophischer Essay, Frankfurt a. M. 1971 51 Seiffert, Helmut: Einführung in die Wissenschaftstheorie, Bd. 2, Geisteswissenschaftliche Methoden, München 61975 52 Szondi, Peter: Einführung in die literarische Hermeneutik, hg. v. J. Bollack u. H. Stierlin, Frankfurt a. M. 1975 53 Vattimo, Gianni: Glauben – Philosophieren, Stuttgart 1997 54 Waldenfels, Bernhard: Der Stachel des Fremden, Frankfurt a. M. 1990 55 Warning, Rainer (Hg.): Rezeptionsästhetik. Theorie und Praxis (UTB 303), München 31988 56 Wittgenstein, Ludwig: Philosophische Untersuchungen (stw 203), Frankfurt a. M. 1977 57 Wittgenstein, Ludwig: Tractatus logico-philosophicus (edition suhrkamp 12), Frankfurt a. M. 121997

b) Theologische Hermeneutik 58 Axmacher, Elke: Feministisch von Gott reden? Eine Auseinandersetzung mit Rosemary Radford Ruethers Buch „Sexismus und die Rede von Gott“, in: ZEE 35, 1991, 5 – 20 59 Barth, Karl: Einführung in die evangelische Theologie, Gütersloh 31980 60 Barth, Ulrich: Religion in der Moderne, Tübingen 2003 61 Bastian, Hans-Dieter: Theologie der Frage. Ideen zur Grundlegung einer theologischen Didaktik und zur Kommunikation der Kirche in der Gegenwart, München 21970 62 Bayer, Oswald: Autorität und Kritik. Zu Hermeneutik und Wissenschaftstheorie, Tübingen 1991 63 Behrens, Achim: Verstehen des Glaubens. Eine Einführung in die Fragstellungen evangelischer Hermeneutik, Neukirchen-Vluyn 2005 64 Boff, Leonardo: Der Fall Boff. Eine Dokumentation, hg. von der Brasilianischen Bewegung für die Menschenrechte, Düsseldorf 1986 65 Boff, Leonardo: Und die Kirche ist Volk geworden. Ekklesiogenesis, Düsseldorf 1987 66 Boff, Leonardo/Boff, Clodvis: Wie treibt man Theologie der Befreiung?, Düsseldorf 31988 67 Bongardt, Michael/Kampling, Rainer/Wörner, Markus (Hg.): Verstehen an der Grenze. Beiträge zur Hermeneutik interkultureller und interreligiöser Kommunikation (Jerusalemer Theologisches Forum 4), Münster 2003 68 Bormann, Claus von: Art. Hermeneutik I. Philosophisch-theologisch, in: TRE 15, Berlin/New York 1986, 108 – 137 69 Cardenal, Ernesto: Das Evangelium der Bauern von Solentiname. Gespräche über das Leben Jesu in Lateinamerika, Wuppertal 31991 70 Croatto, José Severino: Die Bibel gehört den Armen. Perspektiven einer befreiungstheologischen Hermeneutik, München 1989 71 Dalferth, Ingolf U.: Evangelische Theologie als Interpretationspraxis. Eine systematische Orientierung (ThLZ.F 11/12), Leipzig 2004 72 Dalferth, Ingolf U./Stoellger, Philipp (Hg.): Krisen der Subjektivität, Tübingen 2005 73 Gutiérrez, Gustavo: Theologie der Befreiung, München/Mainz 101992 74 Halkes, Catharina J. M.: Gott hat nicht nur starke Söhne. Grundzüge einer feministischen Theologie, Gütersloh 31982 75 Heine, Susanne: Wiederbelebung der Göttinnen? Zur systematischen Kritik einer feministischen Theologie, Göttingen 1987 76 Heine, Susanne: Frauen der frühen Christenheit. Zur historischen Kritik einer feministischen Theologie, Göttingen 31990 77 Heine, Susanne: in: Charlotte Kohn-Ley/Ilse Korotin (Hg.), Der feministische „Sündenfall“? Antisemiti-

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Literatur

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sche Vorurteile in der Frauenbewegung, Wien 1994, 15 – 59 Jeanrond, Werner G.: Text und Interpretation als Kategorien theologischen Denkens (HUTh 23), Tübingen 1986 Jeanrond, Werner G.: Theological Hermeneutics. Development and significance, New York 1991 Jeanrond, Werner G.: Art. Hermeneutik V. Fundamentaltheologisch, in: RGG4 III, Tübingen 2000, 1654 – 1659 Joest, Wilfried: Fundamentaltheologie. Theologische Grundlagen- und Methodenprobleme (ThW 11), Stuttgart 1974 Jüngel, Eberhard: Metaphorische Wahrheit, in: Paul Ricœur/Eberhard Jüngel, Metapher, München 1974, 71 – 122 Jüngel, Eberhard: Gott als Geheimnis der Welt. Zur Begründung der Theologie des Gekreuzigten im Streit zwischen Theismus und Atheismus, Tübingen 6 1992 Kierkegaard, Søren: Die Krankheit zum Tode, GW 24, Gütersloh 21982 Klumbies, Paul-Gerhard: Wiedergewinnung des Positionellen, in: DtPfBl 95, 1995, 177 – 179 Körtner, Ulrich H. J.: Theologie des Wortes Gottes. Positionen – Probleme – Perspektiven, Göttingen 2001 Körtner, Ulrich H. J.: Art. Sexismus, in: RGG4 VII, Tübingen 2004, 1241 – 1242 Lauster, Jörg: Religion als Lebensdeutung. Theologische Hermeneutik heute, Darmstadt 2005 Mildenberger, Friedrich: Grundwissen der Dogmatik. Ein Arbeitsbuch, Stuttgart 31987 Moltmann-Wendel, Elisabeth: Das Land, wo Milch und Honig fließt. Perspektiven einer feministischen Theologie, Gütersloh 21987 Nethöfel, Wolfgang: Theologische Hermeneutik. Vom Mythos zu den Medien (NBSTh 9), NeukirchenVluyn 1992 Neumann, Klaus: Die Geburt der Interpretation. Die hermeneutische Revolution des Historismus als Beginn der Postmoderne (Forum Systematik 16), Stuttgart 2002 Noller, Annette: Feministische Hermeneutik. Wege einer neuen Schriftauslegung, Neukirchen-Vluyn 1995 Otto, Rudolf: Das Heilige. Über das Irrationale in der Idee des Göttlichen und sein Verhältnis zum Rationalen, Breslau 1917 (Sonderausgabe München 1971) Overbeck, Franz: Christentum und Kultur. Gedanken und Anmerkungen zur modernen Theologie, aus dem Nachlaß hg. v. C. A. Bernoulli, Basel 1919 Overbeck, Franz: Über die Anfänge der patristischen Literatur (1882), Nachdruck Darmstadt 1966 Pieris, Aloysius: Theologie der Befreiung in Asien. Christentum im Kontext der Armut und der Religionen, Freiburg/Basel/Wien 1986

98 Pröpper, Thomas: Evangelium und freie Vernunft. Konturen einer theologischen Hermeneutik, Freiburg/Basel/Wien 2001 99 Raddatz, W./Sauter, Gerhard/Ulrich Hans G.: Verstehen, in: Gerd Otto (Hg.), Praktisch-theologisches Handbuch, Hamburg 1970, 483 – 513 100 Ruether, Rosemarie Radford: Sexismus und die Rede von Gott. Schritte zu einer anderen Theologie, Gütersloh 1985 101 Schäffter, Ortfried (Hg.): Das Fremde. Erfahrungsmöglichkeiten zwischen Faszination und Bedrohung, Opladen 1991 102 Schleiermacher, Friedrich Daniel Ernst: Über die Religion. Reden an die Gebildeten unter ihren Verächtern (1799), hg. v. Günther Meckenstock, Berlin/ New 1999 103 Schoenborn, Ulrich: Hermeneutik in der Theologie der Befreiung (Franziskanische Hefte 4), Mettingen 1994 104 Schottroff, Luise/Schroer, Silvia/Wacker, Marie-Theres (Hg.): Feministische Exegese. Forschungserträge zur Bibel aus der Perspektive von Frauen, Darmstadt 1995 105 Schroer, Silvia/Bietenhard, Sophia (Hg.): Feminist Interpretation of the Bible and the Hermeneutics of Liberation, London 2003 106 Schüssler-Fiorenza, Elisabeth: Zu ihrem Gedächtnis … Eine feministisch-theologische Rekonstruktion der christlichen Ursprünge, München 1988 107 Schüssler-Fiorenza, Elisabeth: Brot statt Steine. Die Herausforderung einer feministischen Interpretation der Bibel, Freiburg/Schweiz 1988 108 Stobbe, Heinz-Günther: Schädliche Einheit. Ein Beitrag zur Wiederbelebung der hermeneutischen Debatte, in: Klaus Müller (Hg.), Fundamentaltheologie – Fluchtlinien und gegenwärtige Herausforderungen. In konzeptioneller Zusammenarbeit mit Gerhard Larcher, Regensburg 1998, 121 – 149 109 Sundermeier, Theo: Den Fremden verstehen. Eine praktische Hermeneutik, Göttingen 1996 110 Tracy, David: Theologie als Gespräch. Eine postmoderne Hermeneutik, Mainz 1993 111 Trowitzsch, Michael: Verstehen und Freiheit. Umrisse zu einer theologischen Kritik der hermeneutischen Urteilskraft (ThSt 126), Zürich 1981 112 Trowitzsch, Michael: „Auf die Anfänge des Verstehens zurückgeworfen“. Bemerkungen zu Dietrich Bonhoeffers Hermeneutik, in: NZSTh 34, 1992, 292 – 314 113 Vattimo, Gianni: Christentum im Zeitalter der Interpretation, in: ders./Richard Schröder/Ulrich Engel, Christentum im Zeitalter der Interpretation, hg. v. Thomas Eggensperger, Wien 2004, 17 – 31 114 Verweyen, Hansjürgen: Theologische Hermeneutik heute, in: Klaus Müller (Hg.), Fundamentaltheologie – Fluchtlinien und gegenwärtige Herausforderungen. In konzeptioneller Zusammenarbeit mit Gerhard Larcher, Regensburg 1998, 177 – 191

Literatur 115 Wenzel, Knut: Die Gegenwart des Verstehens. Hermeneutik im Schatten theologischer Rezeptionsdefizite, in: Klaus Müller (Hg.), Fundamentaltheologie – Fluchtlinien und gegenwärtige Herausforderungen. In konzeptioneller Zusammenarbeit mit Gerhard Larcher, Regensburg 1998, 151 – 175 116 West, Gerald O.: Biblical hermeneutics of liberation. Modes of Reading the Bible in the South African Context, Pietermaritzburg 1991

II. Positionen hermeneutischer Theologie a) Bibliographien 117 Baumgartner, Walter/Dinkler, Erich/Siebeck, Hans/ Bultmann, Rudolf: Bibliography of the Publications of Rudolf Bultmann to 1965, in: Charles W. Kegley (Hg.), The Theology of Rudolf Bultmann, London 1966, 289 – 310 118 Bibliographie Ernst Fuchs 1927 – 1973, in: Gerhard Ebeling/Eberhard Jüngel/Gerd Schunack (Hg.), Festschrift für Ernst Fuchs, Tübingen 1973, 348 – 361 (zusammengestellt von J. Brantschen) 119 Bibliographie Gerhard Ebeling 1933 – 1993, in: Hans Friedrich Geißer/Hans Jürgen Luibl/Walter Mostert/Hans Weder (Hg.), Wahrheit der Schrift – Wahrheit der Auslegung. Eine Zürcher Vorlesungsreihe zu Gerhard Ebelings 80. Geburtstag am 6. Juli 1992, Zürich 1993, 326 – 352 (bearb. v. J. Bauke) 120 Dinkler, Erich: Veröffentlichungen von Rudolf Bultmann, in: Rudolf Bultmann, Exegetica: Aufsätze zur Erforschung des Neuen Testaments, Tübingen 1967, 483 – 503 121 Dinkler, Erich: Veröffentlichungen von Rudolf Bultmann (1967 – 1974): Ergänzungen zur Bibliographie, in: ThR 39, 1975, 91 – 93 122 Kwiran, Manfred: Index to Literature on Barth, Bonhoeffer and Bultmann, Theologische Zeitschrift, Sonderbd. VI, 1977 123 Lattke, Michael: Register zu Rudolf Bultmanns Glauben und Verstehen Band I – IV, Tübingen 1984 124 Valerio, Karolina de: Quellenverzeichnis: I. Bultmanns veröffentlichte Schriften [und] II. Nachlaß in Tübingen, in: Karonila de Valerio, Altes Testament und Judentum im Frühwerk Rudolf Bultmanns, Berlin [u. a.] 1994, 385 – 411

b) Quellentexte 125 Barth, Karl: Der Römerbrief, München 21922 126 Barth, Karl: Rudolf Bultmann. Ein Versuch, ihn zu verstehen (ThSt [B] 34), Zollikon-Zürich 21953 127 Bartsch, Hans W. (Hg.): Kergyma und Mythos, 6 Bde. (in Teilbänden), Hamburg 1948 – 1964 128 Biser, Eugen: Theologische Sprachtheorie und Hermeneutik, München 1970

129 Biser, Eugen: Gott verstehen. Erwägungen zum Verhältnis von Mensch und Offenbarung, München/ Freiburg i. Br. 1971 130 Biser, Eugen: Glaubensverständnis. Grundlegung einer hermeneutischen Fundamentaltheologie, Freiburg i. Br. 1975 131 Biser, Eugen: Religiöse Sprachbarrieren. Aufbau einer Logaporetik, München 1980 132 Biser, Eugen: Gott im Horizont des Menschen, Limburg 2001 133 Biser, Eugen: Paulus. Zeugnis – Begegnung – Wirkung, Darmstadt 2003 134 Bonhoeffer, Dietrich: Widerstand und Ergebung. Briefe und Aufzeichnungen aus der Haft, hg. v. Eberhard Bethge, Neuausgabe München 31985 135 Bultmann, Rudolf: Theologie des Neuen Testaments, hg. v. Otto Merk (UTB 630), Tübingen 91984 136 Bultmann, Rudolf: Theologische Enzyklopädie, hg. v. Eberhard Jüngel u. Klaus W. Müller, Tübingen 1984 137 Bultmann, Rudolf: Das Evangelium des Johannes (KEK 2), Göttingen 1941, 211986 138 Bultmann, Rudolf: Jesus, Berlin o.J. (1926), Tübingen 1988 139 Bultmann, Rudolf: Neues Testament und Mythologie, hg. v. Eberhard Jüngel (BEvTh 96), München 3 1988 140 Bultmann, Rudolf: Glauben und Verstehen, Bd. I – IV, Tübingen 1933 ff., Taschenbuchausgabe (UTB) 1993 141 Bultmann, Rudolf: Zur Frage der Christologie, in: ders., Glauben und Verstehen I, Tübingen 1993, 85 – 113 142 Bultmann, Rudolf: Das Problem der Hermeneutik, in: ders., Glauben und Verstehen II, Tübingen 1993, 211 – 235 143 Bultmann, Rudolf: Zur Frage der Reform des theologischen Studiums, in: ders., Glauben und Verstehen II, Tübingen 1993, 294 – 300 144 Bultmann, Rudolf: Die liberale Theologie und die jüngste theologische Bewegung, in: ders., Glauben und Verstehen I, Tübingen 1993, 1 – 25 145 Bultmann, Rudolf: Neues Testament und christliche Existenz. Theologische Aufsätze, ausgewählt, eingel. u. hg. v. Andreas Lindemann (UTB 2316), Tübingen 2002 146 Bultmann, Rudolf: Welchen Sinn hat es, von Gott zu reden?, in: ders., Glauben und Verstehen I, Tübingen 1993, 26 – 37, jetzt in: ders., Neues Testament und christliche Existenz. Theologische Aufsätze, ausgewählt, eingel. u. hg. v. Andreas Lindemann (UTB 2316), Tübingen 2002, 1 – 12 147 Bultmann, Rudolf: Das Problem einer theologischen Exegese des Neuen Testaments, in: ZZ 3, 1925, 334 – 357, jetzt in: ders., Neues Testament und christliche Existenz. Theologische Aufsätze, ausgewählt, eingel. u. hg. v. Andreas Lindemann (UTB 2316), Tübingen 2002, 13 – 38

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Literatur 148 Conzelmann, Hans: Art. Jesus Christus, in: RGG3 III, Tübingen 1959, 619 – 653 149 Ebeling, Gerhard: Art. Hermeneutik, in: RGG3 III, Tübingen 1959, 242 – 262 150 Ebeling, Gerhard: Wort und Glaube [Bd. I], Tübingen 1960 151 Ebeling, Gerhard: Die „nicht-religiöse Interpretation biblischer Begriffe“, in: ders., Wort und Glaube [I], Tübingen 1960, 90 – 160 152 Ebeling, Gerhard: Wort Gottes und Hermeneutik (1959), in: ders., Wort und Glaube [I], Tübingen 1960, 319 – 348 153 Ebeling, Gerhard: Theologie und Verkündigung. Ein Gespräch mit Rudolf Bultmann (HUTh 1),Tübingen 2 1963 154 Ebeling, Gerhard: Wort und Glaube, Bd. II: Beiträge zur Fundamentaltheologie und zur Lehre von Gott, Tübingen 1969 155 Ebeling, Gerhard: Hermeneutische Theologie? (1965), in: ders., Wort und Glaube II, Tübingen 1969, 99 – 120 156 Ebeling, Gerhard: Einführung in die theologische Sprachlehre, Tübingen 1971 157 Ebeling, Gerhard (Hg.): Freundesbriefe von Ernst Fuchs, in: Gerhard Ebeling/Eberhard Jüngel/Gerd Schunack (Hg.), Festschrift für Ernst Fuchs, Tübingen 1973, 1 – 66 158 Ebeling, Gerhard: Wort und Glaube, Bd. III: Beiträge zur Fundamentaltheologie, Soteriologie und Ekklesiologie, Tübingen 1975 159 Ebeling, Gerhard: Die Klage über das Erfahrungsdefizit in der Theologie als Frage nach ihrer Sache, in: ders., Wort und Glaube III, Tübingen 1975, 3 – 28 160 Ebeling, Gerhard: Studium der Theologie. Eine enzyklopädische Orientierung (UTB 446), Tübingen 1975 161 Ebeling, Gerhard: Schrift und Erfahrung als Quelle theologischer Aussagen, in: ZThK 65, 1978, 99 – 116 162 Ebeling, Gerhard: Dogmatik des christlichen Glaubens, Bd. III, Tübingen 1979 163 Ebeling, Gerhard: Luther. Einführung in sein Denken (UTB 1090), Tübingen 41981 164 Ebeling, Gerhard: Dogmatik des christlichen Glaubens, Bd. I, Tübingen 21982 165 Ebeling, Gerhard: Dogmatik des christlichen Glaubens, Bd. II, Tübingen 21982 166 Ebeling, Gerhard: Dogmatik des christlichen Glaubens, Bd. I – III: 31987 – 1993 167 Ebeling, Gerhard: Evangelische Evangelienauslegung (1942), Tübingen 31991 168 Ebeling, Gerhard: Wort und Glaube, Bd. IV: Theologie in den Gegensätzen des Lebens, Tübingen 1995 169 Ebeling, Gerhard: Theologie in den Gegensätzen des Lebens, in: ders., Wort und Glaube IV, Tübingen 1995, 3 – 23

170 Ebeling, Gerhard: Religionslose Welt? Religionsloses Christentum?, in: ders., Wort und Glaube IV, Tübingen 1995, 44 – 54 171 Ebeling, Gerhard: Hermeneutik zwischen der Macht des Gotteswortes und seiner Entmachtung in der Moderne (1994), in: ders., Wort und Glaube IV, Tübingen 1995, 209 – 225 172 Ebeling, Gerhard: Über die Reformation hinaus? Zur Luther-Kritik Karl Barths (1986), in: ders., Wort und Glaube IV, Tübingen 1995, 270 – 312 173 Ebeling, Gerhard: Gespräch über Dietrich Bonhoeffer. Ein Interview, in: ders., Wort und Glaube IV, Tübingen 1995, 647 – 657 174 Ebeling, Gerhard: Ein Leben für die Theologie – eine Theologie für das Leben, in: ZThK 95, 1998, 158 – 166 175 Ebeling, Gerhard/Jüngel, Eberhard/Schunack, Gerd (Hg.): Festschrift für Ernst Fuchs, Tübingen 1973 176 Fuchs, Ernst: Glaube und Tat in den Mandata des Hirten des Hermas, Teil 1, Marburg 1931 177 Fuchs, Ernst: Zum hermeneutischen Problem in der Theologie. Gesammelte Aufsätze I, Tübingen 2 1965 178 Fuchs, Ernst: Was ist existentiale Interpretation?, A – C, in: ders., Zum hermeneutischen Problem in der Theologie. Gesammelte Aufsätze I, Tübingen 2 1965, 91 – 106, 107 – 115, 116 – 137 179 Fuchs, Ernst: Zur Frage nach dem historischen Jesus. Gesammelte Aufsätze II, Tübingen 1965 180 Fuchs, Ernst: Die Theologie des Neuen Testaments und der historische Jesus, in: ders., Zur Frage nach dem historischen Jesus. Gesammelte Aufsätze II, Tübingen 1965, 377 – 404 181 Fuchs, Ernst: Glaube und Erfahrung, Gesammelte Aufsätze III, Tübingen 1965 182 Fuchs, Ernst: Das Neue Testament und das hermeneutische Problem, in: ders., Glaube und Erfahrung, Gesammelte Aufsätze III, Tübingen 1965, 136 – 173 183 Fuchs, Ernst: Alte und neue Hermeneutik, in: ders., Glaube und Erfahrung. Gesammelte Aufsätze III, Tübingen 1965, 193 – 230 184 Fuchs, Ernst: Marburger Hermeneutik, Tübingen 1968 185 Fuchs, Ernst: Hermeneutik, Tübingen 41970 186 Fuchs, Ernst: Jesus. Wort und Tat, Tübingen 1971 187 Fuchs, Ernst: Über die Aufgabe einer christlichen Theologie (1961), in: ders., Wagnis des Glaubens. Aufsätze und Vorträge, hg. v. E. Grötzinger, Neukirchen-Vluyn 1979, 182 – 201 188 Fuchs, Ernst: Lesebuch. Ausgewählte Texte, hg. v. Eberhard Jüngel und Gerd Schunack (UTB 2419), Tübingen 2003 189 Fuchs, Ernst/Künneth, Walter: Die Auferstehung Jesu Christi von den Toten. Dokumentation eines Streitgesprächs, Neukirchen-Vluyn 1973 190 Käsemann, Ernst: Das Problem des historischen Jesus, in: ders., Exegetische Versuche und Besinnungen I, Göttingen 1960, 61970, 187 – 214

Literatur 191 Käsemann, Ernst: Begründet der neutestamentliche Kanon die Einheit der Kirche? (1951), in: ders., Exegetische Versuche und Besinnungen I, Göttingen 6 1970, 214 – 223 192 Käsemann, Ernst: Was ich als deutscher Theologe in fünfzig Jahren verlernte, in: ders., Kirchliche Konflikte, Bd. 1, Göttingen 1982, 233 – 244 193 Rahner, Karl: Grundkurs des Glaubens. Einführung in den Begriff des Christentums, Sonderausgabe Freiburg/Basel/Wien 51984 194 Rahner, Karl: Hörer des Wortes. Zur Grundlegung einer Religionsphilosophie, in: ders., Sämtliche Werke, Bd. 4, hg. v. der Karl-Rahner-Stiftung, Düsseldorf/Freiburg i. Br. 1997, 1 – 281 195 Rahner, Karl: Dogmen- und Theologiegeschichte von gestern für morgen, in: ders., Schriften zur Theologie, Bd. XIII, Zürich/Einsiedeln/Köln 1978, 11 – 47 196 Rahner, Karl: Scheinprobleme in der ökumenischen Diskussion, in: ders., Schriften zur Theologie, Bd. XIII, Zürich/Einsiedeln/Köln 1978, 48 – 68 197 Rahner, Karl: Lehramt und Theologie, in: ders., Schriften zur Theologie, Bd. XIII, Zürich/Einsiedeln/ Köln 1978, 69 – 92 198 Ricœur, Paul: Préface, in: Rudolf Bultmann, Jésus. Mythologie et démythologisation, Paris 1968 199 Ricœur, Paul: Phänomenologie der Schuld, Bd. 1: Die Fehlbarkeit des Menschen, Freiburg i. Br. 1971; Bd. 2: Symbolik des Bösen, Freiburg i. Br. 1971 200 Ricœur, Paul: Hermeneutik und Strukturalismus: Der Konflikt der Interpretationen, Bd. I, München 1973 201 Ricœur, Paul: Hermeneutik und Psychoanalyse: Der Konflikt der Interpretationen, Bd. II, München 1974 202 Ricœur, Paul: Philosophische und theologische Hermeneutik, in: ders./Eberhard Jüngel, Metapher, München 1974, 24 – 45 203 Ricœur, Paul: Erzählung, Metapher und Interpretationstheorie, in: ZThK 84, 1987, 232 – 253 204 Ricœur, Paul: Zeit und Erzählung, 3 Bde., München 1988/89/91 205 Ricœur, Paul: Die lebendige Metapher, München 2 1991 206 Ricœur, Paul: Die Interpretation. Ein Versuch über Freud, Frankfurt a. M. 31993 207 Ricœur, Paul: Das Selbst als ein Anderer, München 1996 208 Ricœur, Paul/Jüngel, Eberhard: Metapher. Zur Hermeneutik religiöser Sprache. Mit einer Einführung von P. Gisel (Sonderheft der EvTh), München 1974

c) Sekundärliteratur 209 Beutel, Albrecht: Wort und Glaube. Ein Nachruf auf den evangelischen Theologen Gerhard Ebeling, in: ThRev 97, 2001, 523 – 526 210 Brantschen, Johannes B.: Zeit zu verstehen. Wege und Umwege heutiger Theologie. Zu einer Orts-

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bestimmung der Theologie von Ernst Fuchs, Zürich 1974 Brantschen, Johannes B.: Ernst Fuchs. Skizze zu einem Portrait, in: FZPhTh 22, 1975, 327 – 342 Clark, Stephen H.: Paul Ricœur, London/New York 2 2001 Ehler, Bernard: Die Herrschaft des Gekreuzigten. Ernst Käsemanns Frage nach der Mitte der Schrift (BZNW 46), Berlin/New York 1986 Eicher, Peter: Die anthropologische Wende. Karl Rahners philosophischer Weg vom Wesen des Menschen zur personalen Existenz, Freiburg/Schweiz 1970 Fangmeier, Jürgen: Ernst Fuchs. Versuch einer Orientierung (ThST 80), Zürich 1964 Geißer, Hans Friedrich/Luibl, Hans Jürgen/Mostert, Walter/Weder, Hans (Hg.): Wahrheit der Schrift – Wahrheit der Auslegung. Eine Zürcher Vorlesungsreihe zu Gerhard Ebelings 80. Geburtstag am 6. Juli 1992, Zürich 1993 Gelder, Kathrin: Glaube und Erfahrung. Eine kritische Auseinandersetzung mit G. Ebelings „Dogmatik des christlichen Glaubens“ im Kontext der gegenwärtigen evangelisch-theologischen Diskussion, Neukirchen-Vluyn 1992 Gisel, Pierre: Paul Ricœur. Eine Einführung in sein Denken, in: Paul Ricœur/Eberhard Jüngel, Metapher. Zur Hermeneutik religiöser Sprache. Mit einer Einführung von Pierre Gisel (Sonderheft der EvTh), München 1974, 5 – 23 Goebel, Hans Theodor: Wort Gottes als Auftrag. Zur Theologie von Rudolf Bultmann, Gerhard Ebeling und Wolfhart Pannenberg, Neukirchen-Vluyn 1972 Gogarten, Friedrich: Der Mensch zwischen Gott und Welt, Heidelberg 1952 Harnisch, Wolfgang: Freude an der Liebe. Skizze zu einem Portrait des Theologen Ernst Fuchs, in: BThZ 4, 1987, 252 – 268 Heijne, Rien: Sprache des Glaubens. Systematische Darstellung der Theologie von Ernst Fuchs, Tübingen 1972 Hiller, Doris: Konkretes Erkennen. Glaube und Erfahrung als Kriterien einer im Gebet begründeten theologischen Erkenntnistheorie (NThDH 24), Neukirchen-Vluyn 1999 Hiller, Doris: Von Gott reden – eine hermeneutische Erinnerung, in: Ulrich H. J. Körtner (Hg.), Gott und Götter. Die Gottesfrage in Theologie und Religionswissenschaft, Neukirchen-Vluyn 2005, 103 – 117 Hütter, Reinhard: „After Dogmatics?“. Beobachtungen zur evangelischen Systematischen Theologie in den USA und in Deutschland an der Jahrhundertschwelle, in: ThLZ 125, 2000, 1103 – 1122 Huxel, Kirsten: Theologie als Sprachlehre des Glaubens. Zum hermeneutischen Programm von Ernst Fuchs, in: ZThK 101, 2004, 292 – 314

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Literatur 227 Jäger, Alfred: Gott. Nochmals Martin Heidegger, Tübingen 1978 228 Mattern, Jens: Paul Ricœur zur Einführung, Hamburg 1996 229 Jaspert, Bernd (Hg.): Rudolf Bultmanns Werk und Wirkung, Darmstadt 1984 230 Jüngel, Eberhard: Glauben und Verstehen. Zum Theologiebegriff Rudolf Bultmanns, in: ders., Wertlose Wahrheit. Zur Identität und Relevanz des christlichen Glaubens. Theologische Erörterungen III, München 1990, 16 – 77 231 Klein, Günter: Rudolf Bultmann – ein unerledigtes Vermächtnis, in: ZThK 94, 1997, 177 – 201 232 Körtner, Ulrich H. J. (Hg.): Glauben und Verstehen. Perspektiven hermeneutischer Theologie, Neukirchen-Vluyn 2000 233 Körtner, Ulrich H. J. (Hg.): Jesus im 21. Jahrhundert. Bultmanns Jesusbuch und die heutige Jesusforschung, Neukirchen-Vluyn 2002 234 Lindemann, Andreas: Zur Einführung. Die Frage nach dem historischen Jesus als historisches und theologisches Problem, in: Ulrich H. J. Körtner (Hg.), Jesus im 21. Jahrhundert. Bultmanns Jesusbuch und die heutige Jesusforschung, NeukirchenVluyn 2002, 1 – 21 235 Lorenzmeier, Theodor: Exegese und Hermeneutik. Eine vergleichende Darstellung der Theologie Rudolf Bultmanns, Herbert Brauns und Gerhard Ebelings, Hamburg 1968 236 Moltmann, Jürgen (Hg.): Anfänge der dialektischen Theologie I (TB 17/I), München 1962, 41977 237 Moltmann, Jürgen (Hg.): Anfänge der dialektischen Theologie II (TB 17/II), München 31977 238 Mostert, Walter: Glaube – der christliche Begriff für Religion, in: ders., Glaube und Hermeneutik. GAufs., hg. v. P. Bühler u. G. Ebeling, Tübingen 1998, 186 – 199 239 Müller, E. F. Karl (Hg.): Die Bekenntnisschriften der reformierten Kirche, Leipzig 1903, Nachdruck Zürich 1987 240 Noller, Gerhard (Hg.): Heidegger und die Theologie. Beginn und Fortgang der Diskussion, TB 38, München 1967 241 Pannenberg, Wolfhart: Grundzüge der Christologie, Gütersloh 1964 242 Peukert, Helmut: Wissenschaftstheorie – Handlungstheorie – Fundamentale Theologie. Analysen zu Ansatz und Status theologischer Theoriebildung (stw 231), Frankfurt a. M. 1978 243 Rathner, Christian: Luther ins Heute [Nachruf auf G. Ebeling], Die Furche, Nr. 41, 11. 10. 2001, 9 244 Ratschow, Carl Heinz: Art. Jesusbild der Gegenwart, in: RGG3 III, Tübingen 1959, 655 – 663 245 Robinson, James M./Cobb jr., John B. (Hg.): Die neue Hermeneutik, Neuland in der Theologie II, Zürich 1965 246 Schmithals, Walter: Die Theologie Rudolf Bultmanns: eine Einführung, Tübingen 21967

247 Schmithals, Walter: Art. Bultmann, Rudolf, in: TRE 7, Berlin/New York 1981, 387 – 396 248 Scholder, Klaus: Einführung, in: VF 16, 1971, 1 – 4 249 Schunack, Gerd: Zum Gedenken an Ernst Fuchs, in: Protokoll der Tagungen ,Alter Marburger‘ in Hofgeismar 2. – 5. Januar 1984, 2 250 Selvatico, Pietro: Glaubensgewißheit. Eine Untersuchung zur Theologie von Gerhard Ebeling (ÖB 11), Freiburg/Schweiz 1977 251 Sölle, Dorothee: Politische Theologie. Auseinandersetzung mit Rudolf Bultmann (1971), erw. Neuaufl. Stuttgart 1982 252 Stegemann, Wolfgang: Der Denkweg Rudolf Bultmanns: Darstellung der Entwicklung und der Grundlagen seiner Theologie, Stuttgart 1978 253 Stobbe, Heinz-Günther: Hermeneutik – ein ökumenisches Problem. Eine Kritik der katholischen Gadamer-Rezeption (ÖTh 8), Zürich/Köln/Gütersloh 1981 254 Thiselton, Anthony C.: The Parables as LanguageEvent. Some Comments on Fuchs’s Hermeneutics in the Light of Linguistic Philosophie, in: SJTh 23, 1970, 437 – 468 255 Werbick, Jürgen: Die Aporetik des Ethischen und der christliche Glaube. Studien zur Fundamentaltheologie Gerhard Ebelings (BÖT 12), München/ Paderborn/Wien 1976 256 Zwanepol, Klaas: Unterscheiden. Eine Studie über den Hintergrund, das Motiv und die Methode der Theologie Gerhard Ebelings (EHS XXIII, Bd. 494), Bern u. a. 1993

III. Biblische Hermeneutik a) Gesamtdarstellungen und Lehrbücher 257 Becker, Joachim: Grundzüge einer Hermeneutik des Alten Testaments, Frankfurt a. M. u. a. 1993 258 Berger, Klaus: Hermeneutik des Neuen Testaments (UTB 2035), Tübingen 1999 259 Childs, Brevard S.: Die Theologie der einen Bibel, 2 Bde., Freiburg/Basel/Wien 1996 260 Dohmen, Christoph/Stemberger, Günter: Hermeneutik der Jüdischen Bibel und des Alten Testaments, Stuttgart u. a. 1996 261 Gunneweg, Antonius H. J.: Vom Verstehen des Alten Testaments. Eine Hermeneutik (GAT 5), Göttingen 21988 262 Hübner, Hans: Vetus Testamentum in Novo receptum. Die Frage nach dem Kanon des Alten Testaments aus neutestamentlicher Sicht, in: JBTh 3, 1988, 147 – 162 263 Hübner, Hans: Biblische Theologie des Neuen Testaments, 3 Bde., Göttingen 1990/93/95 264 Oeming, Manfred: Biblische Hermeneutik. Eine Einführung, Darmstadt 1998

Literatur 265 Reinmuth, Eckart: Hermeneutik des Neuen Testaments. Eine Einführung in die Lektüre des Neuen Testaments (UTB 2310), Göttingen 2002 266 Reventlow, Henning Graf: Epochen der Bibelauslegung, 4 Bde., München 1990/94/97/2001 267 Seebaß, Horst: Biblische Hermeneutik, Stuttgart u. a. 1974 268 Stuhlmacher, Peter: Vom Verstehen des Neuen Testaments. Eine Hermeneutik (GNT 6), Göttingen 2 1986 269 Weder, Hans: Neutestamentliche Hermeneutik, Zürich 1986 270 Wischmeyer, Oda: Hermeneutik des Neuen Testaments. Ein Lehrbuch, Tübingen/Basel 2004

b) Biblisch-hermeneutische Einzelthemen 271 Assmann, Jan: Das kulturelle Gedächtnis. Schrift, Erinnerung und politische Identität in frühen Hochkulturen, München 1992 272 Barthes, Roland: La mort de l’auteur, in: ders., Oeuvres complètes, Edition établie et présentée par E. Marty, Paris 1994, 491 – 495 273 Becker, Jürgen: Jesus von Nazareth, Berlin/New York 1996 274 Beißer, Friedrich: Claritas scripturae bei Martin Luther (FKDG 18), Göttingen 1966 275 Berg, Horst Klaus: Ein Wort wie Feuer. Wege lebendiger Bibelauslegung, München/Stuttgart 1991 276 Blum, Erhard/u. a. (Hg.): Die Hebräische Bibel und ihre zweifache Nachgeschichte (FS R. Rendtorff), Neukirchen-Vluyn 1990 277 Cancik-Lindemaier, Hildegard: Art. Allegorese/Allegorie, in: Handbuch religionswissenschaftlicher Grundbegriffe I, Stuttgart 1988, 424 – 432 278 Childs, Brevard S.: Biblische Theologie und christlicher Kanon, in: JBTh 3, 1988, 13 – 27 279 Daniélou, Jean: Origène, Paris 1948 280 Dobschütz, Ernst von: Vom vierfachen Schriftsinn, in: Harnack-Ehrung, Leipzig 1921, 1 – 14 281 Dohmen, Christoph: Die Bibel und ihre Auslegung (BsR 2099), München 1998 282 Dohmen, Christoph/Oeming, Manfred: Biblischer Kanon – warum und wozu? Eine Kanontheologie (QD 127), Freiburg/Basel/Wien 1992 283 Dohmen, Christoph/Söding, Thomas (Hg.): Eine Bibel – zwei Testamente (UTB 1893), Paderborn 1995 284 Drewermann, Eugen: Tiefenpsychologie und Exegese, Bd. 2., Olten 61988 285 Drewermann, Eugen: Tiefenpsychologie und Exegese, Bd. 1, Olten 51989 286 Ebach, Jürgen: Die Bibel beginnt mit „b“. Vielfalt ohne Beliebigkeit, in: ders., Gott im Wort. Drei Studien zur biblischen Exegese und Hermeneutik, Neukirchen-Vluyn 1997, 85 – 114 287 Frey, Jörg: Der implizite Leser und die biblischen Texte, in: ThBeitr 23, 1992, 266 – 290

288 Fish, Stanley E.: Is There a Text in This Class? The Authority of Interpretive Communities, Cambridge, Mass. 1980 289 Gerhard, Johann: Loci Theologici, Bd. I, hg. von Eduard Reuß, Leipzig 21885 290 Grohmann, Marianne: Aneignung der Schrift. Wege einer christlichen Rezeption jüdischer Hermeneutik, Neukirchen-Vluyn 2000 291 Hübner, Hans: Biblische Theologie als Hermeneutik. GAufs., hg. v. Antje u. Michael Labahn, Göttingen 1995 292 Huizing, Klaas: Homo legens. Vom Ursprung der Theologie im Lesen (TBT 75), Berlin/New York 1996 293 Huizing, Klaas: Das Gesicht der Schrift. Grundzüge einer bibelliterarischen Anthropologie, in: ders./ Ulrich H. J. Körtner/Peter Müller, Lesen und Leben. Drei Essays zur Grundlegung einer Lesetheologie, Bielefeld 1997, 13 – 51 294 Huizing, Klaas/Körtner, Ulrich H. J./Müller, Peter: Lesen und Leben. Drei Essays zur Grundlegung einer Lesetheologie, Bielefeld 1997 295 JBTh 12: Biblische Hermeneutik. Jahrbuch für Biblische Theologie 12, Neukirchen-Vluyn 1998 296 Kähler, Martin: Der sogenannte historische Jesus und der geschichtliche, biblische Christus (1892), München 41969 297 Karpp, Heinrich: Schrift, Geist und Wort Gottes. Geltung und Wirkung der Bibel in der Geschichte der Kirche – von der Alten Kirche bis zum Ausgang der Reformationszeit, Darmstadt 1992 298 Kirchner, Hubert: Wort Gottes, Schrift und Tradition (BenshH 89), Göttingen 1998 299 Koch, Dietrich-Alex: Die Schrift als Zeugnis des Evangeliums. Untersuchungen zum Verständnis der Schrift bei Paulus (BHTh 69), Tübingen 1986 300 Körtner, Ulrich H. J.: Der inspirierte Leser. Zentrale Aspekte biblischer Hermeneutik, Göttingen 1994 301 Langer, Wolfgang (Hg.): Handbuch der Bibelarbeit, München 1987 302 Lauster, Jörg: Prinzip und Methode. Die Transformation des protestantischen Schriftprinzips und die historische Kritik von Schleiermacher (HUTh 46), Tübingen 2004 303 Leonhardt, Rochus: Skeptizismus und Protestantismus. Der philosophische Ansatz Odo Marquards als Herausforderung an die evangelische Theologie (HUTh 44), Tübingen 2003 304 Levenson, Jon D.: The Hebrew Bible, the Old Testament and Historical Criticism. Jews and Christians in Historical Studies, Louisville 1993 305 Loader, James A.: Stromab – Gedanken zur Hermeneutik biblischer Texte im Kontext der neueren angelsächsischen Diskussion, in: Ulrich H. J. Körtner (Hg.), Hermeneutik und Ästhetik. Die Theologie des Wortes im multimedialen Zeitalter, Neukirchen-Vluyn 2001, 34 – 56 306 Lubac, Henri de: Eégèse mediéval. Les quatre sens de l’écriture, 4 Bde., Paris 1959 – 1964

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Literatur 307 Lubac, Henri de: Geist aus der Geschichte. Das Schriftverständnis des Origenes, Einsiedeln 1968 308 Lüdemann, Gerd: Träume – die vergessene Sprache Gottes? Zur tiefenpsychologischen Exegese Eugen Drewermanns, in: MdKI 41, 1990, 67 – 73 309 Lüdemann, Gerd: Texte und Träume. Ein Gang durch das Markusevangelium in Auseinadersetzung mit Eugen Drewermann (BenshH 71), Göttingen 1992 310 McKnight, Edgar V.: Postmodern Use of the Bible. The Emergence of Reader-Oriented Criticism, Nashville 1988 311 Miles, Jack: Gott. Eine Biographie, München 1996 312 Müller, Peter: „Verstehst Du auch, was du liest?“ Lesen und Verstehen im Neuen Testament, Darmstadt 1994 313 Oeming, Manfred: Gesamtbiblische Theologie der Gegenwart. Das Verhältnis von AT und NT in der hermeneutischen Diskussion seit Gerhard von Rad, Stuttgart 21987 314 Origenes: Vier Bücher von den Prinzipien, hg., übers., mit kritischen u. erl. Anm. versehen v. H. Görgemanns u. H. Karpp, Darmstadt 1976 315 Raguse, Hartmut: Der Raum des Textes. Elemente einer transdisziplinären theologischen Hermeneutik, Stuttgart 1994 316 Rahner, Hugo: Griechische Mythen in christlicher Deutung, Basel 51985 317 Rothen, Bernhard: Die Klarheit der Schrift, 2 Teile, Göttingen 1990 318 Sauter, Gerhard: Die Kunst des Bibellesens, in: EvTh 52, 1992, 347 – 359 319 Schenk, Wolfgang: Art. Hermeneutik III. Neues Testament, in: TRE 15, Berlin/New York 1986, 144 – 150 320 Schmidt, Ludwig: Art. Hermeneutik II. Altes Testament, in: TRE 15, Berlin/New York 1986, 137 – 143 321 Schramm, Tim: Bibliodrama und Exegese, in: Antje Kiehn u. a., Bibliodrama, Stuttgart 1987, 116 – 135 322 Sellin, Gerhard/Vouga, François (Hg.): Logos und Buchstabe. Mündlichkeit und Schriftlichkeit im Judentum und Christentum der Antike (TANZ 20), Heidelberg 1997 323 Söding, Thomas: Mehr als ein Buch. Die Bibel begreifen, Freiburg/Basel/Wien 1995 324 Söding, Thomas: Einheit der Heiligen Schrift? Zur Theologie des biblischen Kanons (QD 211), Freiburg/Basel/Wien 2005 325 Spiegel, Yorick: Doppeldeutlich. Tiefendimensionen biblischer Texte, München 1978 326 Sudbrack, Josef: Exegese und Tiefenpsychologie aus der Sicht geistlicher Exegese, in: Albert Görres/Walter Kasper (Hg.), Tiefenpsychologische Deutung des Glaubens? Anfragen an Eugen Drewermann (QD 113), Freiburg/Basel/Wien 1988, 98 – 114 327 Theißen, Gerd: Methodenkonkurrenz und hermeneutischer Konflikt. Pluralismus in Exegese und Lektüre der Bibel, in: Joachim Mehlhausen (Hg.), Plura-

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lismus und Identität (VWGTh 8), Gütersloh 1995, 127 – 140 Thiselton, Anthony C.: New Horizons in Hermeneutics, Grand Rapids, Mich. 1992 Timm, Hermann: Sage und Schreibe. Inszenierungen religiöser Lesekultur, Kampen 1995 Trowitzsch, Michael: „Nachkritische Schriftauslegung“. Wiederaufnahme und Fortführung einer Fragestellung, in: ders. (Hg.), Karl Barths Schriftauslegung, Tübingen 1996, 73 – 109 Tworuschka, Udo (Hg.): Heilige Schriften. Eine Einführung, Darmstadt 2000 Vischer, Wilhelm: Das Christuszeugnis des Alten Testaments, 1. Bd.: Das Gesetz, München 1934 Weder, Hans: Einblicke ins Evangelium. Exegetische Beiträge zur neutestamentlichen Hermeneutik, Göttingen 1992 Wink, Walter: Bibelauslegung als Interaktion. Über die Grenzen historisch-kritischer Methode, Stuttgart 1976

IV. Hermeneutik der Geschichte des Christentums 335 Bauer, Gerhard: Geschichtlichkeit. Wege und Irrwege eines Begriffs, Berlin 1963 336 Bayer, Oswald: Theologie (HST 1), Gütersloh 1994 337 Bienert, Wolfgang: Kirchengeschichte (KG): Erster Teil, in: Georg Strecker (Hg.), Theologie im 20. Jahrhundert. Stand und Aufgaben (UTB 1238), Tübingen 1983, 146 – 202 338 Dalferth, Ingolf U.: Jenseits von Mythos und Logos. Die christologische Transformation der Theologie, Freiburg/Basel/Wien 1993 339 Droysen, Johann Gustav: Historik. Vorlesungen über Enzyklopädie und Methodologie der Geschichte, hg. v. Rudolf Hübner, Nachdruck Darmstadt 1977 340 Ebeling, Gerhard: Kirchengeschichte als Geschichte der Auslegung der Heiligen Schrift (SGV 189), Tübingen 1947, jetzt in: ders., Wort Gottes und Tradition. Studien zu einer Hermeneutik der Konfessionen (KiKonf 7), Göttingen 21966, 9 – 27 341 Ebeling, Gerhard: Diskussionsthesen für eine Vorlesung zur Einführung in das Studium der Theologie, in: ders., Wort und Glaube [I], Tübingen 31967, 447 – 457 342 Goertz, Hans-Jürgen: Geschichte. Ein Grundkurs, Reinbek 1998 343 Grözinger, Albrecht: Das „Epische“ als Aufgabe der Praktischen Theologie, in: EvTh 48, 1988, 199 – 217 344 Herms, Eilert: Theologische Geschichtsschreibung, in: KGZ 10, 1997, 305 – 330 345 Jaspert, Bernd: Hermeneutik der Kirchengeschichte, in: ZThK 86, 1989, 59 – 108 346 Körtner, Ulrich H. J.: Zwischen den Zeiten. Studien zur Zukunft der Theologie, Bielefeld 1997

Literatur 347 Koselleck, Reinhart/Stempel, Wolf-Dieter (Hg.): Geschichte – Ereignis und Erzählung (Poetik und Hermeneutik 5), München 1973 348 Lindemann, Andreas: Erwägungen zu einer „Theologie der synoptischen Evangelien“, in: ZNW 77, 1986, 1 – 33 349 Lohfink, Gerhard: Erzählung als Theologie. Zur sprachlichen Grundstruktur der Evangelien, in: StZ 192, 1974, 521 – 532 350 Lübbe, Hermann: Bewußtsein in Geschichten. Studien zur Phänomenologie der Subjektivität. Mach – Husserl – Schapp – Wittgenstein,Freiburgi. Br.1972 351 Markschies, Christoph: Kirchengeschichte, in: Hans-Jürgen Goertz, Geschichte. Ein Grundkurs, Reinbek 1998, 408 – 422 352 Metz, Johann Baptist: Kleine Apologie des Erzählens, in: Conc 9, 1973, 334 – 341 353 Mildenberger, Friedrich: Geschichte der deutschen evangelischen Theologie im 19. und 20. Jahrhundert (ThW 10), Stuttgart 1981 354 Mühlenberg, Ekkehard: Gott in der Geschichte, in: KuD 24, 1978, 244 – 261. 355 Mühlenberg, Ekkehard: Epochen der Kirchengeschichte (UTB 1046), Heidelberg 1980 356 Novak, Kurt: Wie theologisch ist die Kirchengeschichte?, in: ThLZ 122, 1997, 3 – 12 357 Overbeck, Franz: Über die Christlichkeit unserer heutigen Theologie, Leipzig 21903, Nachdruck Darmstadt 1981 358 Overbeck, Franz: Kirchenlexicon. Texte, ausgewählte Artikel J-Z, in Zusammenarbeit mit M. Stauffacher-Schaub hg. v. B. v. Reibnitz, Stuttgart/Weimar 1995 359 Pannenberg, Wolfhart: Heilsgeschehen und Geschichte, in: KuD 5, 1959, 218 – 237, 259 – 288, jetzt in: ders., Grundfragen systematischer Theologie (GAufs. 1), Göttingen 1967, 22 – 78 360 Pannenberg, Wolfhart: Wissenschaftstheorie und Theologie, Frankfurt a. M. 1977. 361 Pannenberg, Wolfhart: Dogmatische Thesen zur Lehre von der Offenbarung, in: ders. (Hg.), Offenbarung als Geschichte, Göttingen 51982, 91 – 114 362 Ranke, Leopold von: Über die Epochen der neueren Geschichte. Vorträge, dem Könige Maximilian II. von Bayern gehalten, Darmstadt 1954 363 Reich-Ranicki, Marcel (Hg.): Erfundene Wahrheit. Deutsche Geschichten seit 1945, München 1965 364 Ritschl, Dietrich: Zur Logik der Theologie, München 1984 365 Ritschl, Dietrich/Jones, Hugh O.: „Story“ als Rohmaterial der Theologie (TEH 192), München 1976 366 Schapp, Wilhelm: Philosophie der Geschichten, Frankfurt a. M. 1981 367 Schapp, Wilhelm: In Geschichten verstrickt. Zum Sein von Mensch und Ding, Frankfurt a. M. 31985 368 Schmidt, Kurt Dietrich: Zur Grundlegung der Kirchengeschichte, in: ders., Gesammelte Aufsätze, Göttingen 1967, 314 – 325

369 Schmidt, Kurt Dietrich: Kirchengeschichte, Göttingen 61975 370 Scholz, Heinrich: Einleitung zu F. Schleiermacher, Kurze Darstellung des theologischen Studiums zum Behuf einleitender Vorlesungen [21830], Darmstadt 5 1982, XII – XXXVII 371 Scholtz, Gunter: Zum Historismusstreit in der Hermeneutik, in: ders. (Hg.), Historismus am Ende des 20. Jahrhunderts. Eine internationale Diskussion, Berlin 1997, 192 – 214 372 Seeliger, Hans Reinhard: Kirchengeschichte – Geschichtstheologie – Geschichtswissenschaft. Analysen zur Wissenschaftstheorie und Theologie der katholischen Kirchengeschichtsschreibung, Düsseldorf 1981 373 Sparn, Walter (Hg.): Wer schreibt meine Lebensgeschichte? Biographie, Autobiographie, Hagiographie und ihre Entstehungszusammenhänge, Gütersloh 1990 374 Stöve, Eckehart: Art. Kirchengeschichtsschreibung, in: TRE 18, Berlin/New York 1989, 535 – 560 375 Stroup, George W.: The Promise of Narrative Theology. Recovering the gospel in the church, Atlanta 1981 376 Wacker, Bernd: Narrative Theologie?, München 1977 377 Weinrich, Harald: Narrative Theologie, in: Conc 9, 1973, 329 – 334 378 White, Hayden: Die Bedeutung der Form. Erzählstrukturen in der Geschichtsschreibung, Frankfurt a. M. 1990 379 White, Hayden: Metahistory. Die historische Einbildungskraft im 19. Jahrhundert in Europa, Frankfurt a. M. 1994

V. Hermeneutik in der Systematischen Theologie 380 Barth, Karl: Die Kirchliche Dogmatik [= KD], Bd. I/ 2, Zürich 41948 381 Barth, Karl: Die Kirchliche Dogmatik [= KD], Bd. I/ 1, Zürich 91975 382 Barth, Karl: Die christliche Dogmatik im Entwurf, 1. Bd.: Die Lehre vom Wort Gottes. Prolegomena zur christlichen Dogmatik (1927), hg. v. Gerhard Sauter (GA II), Zürich 1982 383 Barth, Karl: Unterricht in der christlichen Religion, Bd. I (1924), hg. v. H. Reiffen (GA II), Zürich 1985 384 Dalferth, Ingolf U.: Kritisch erkunden, denkend verantworten. Glaube und Wissenschaft aus evangelischer Sicht, in: Forschung & Lehre 6, 1999, H. 7, 343 – 345 385 Ebeling, Gerhard: Theologie und Wirklichkeit, in: ders., Wort und Glaube [I], Tübingen 1960, 191 – 202

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Literatur 386 Ebeling, Gerhard: Dogmatik und Exegese, in: ders., Wort und Glaube, Bd. IV: Theologie in den Gegensätzen des Lebens, Tübingen 1995, 492 – 509 387 Härle, Wilfried: Dogmatik, Berlin/New York 1995 388 Harnack, Adolf von: Lehrbuch der Dogmengeschichte, Bd. I, 41909, Nachdruck Tübingen 1990 389 Huizing, Klaas: Ästhetische Theologie, Bd. I: Der erlesene Mensch. Eine literarische Anthropologie, Stuttgart 2000 390 Huizing, Klaas: Ästhetische Theologie, Bd. II: Der inszenierte Mensch. Eine Medien-Anthropologie, Stuttgart 2002 391 Huizing, Klaas: Ästhetische Theologie, Bd. III: Der dramatisierte Mensch, Eine Theater-Anthropologie. Ein Theaterstück, Stuttgart 2004 392 Joest, Wilfried: Ontologie der Person bei Luther, Göttingen 1967 393 Korsch, Dietrich: Dogmatik im Grundriß. Eine Einführung in die christliche Deutung menschlichen Lebens mit Gott (UTB 2155), Tübingen 2000 394 Küng, Hans: Unfehlbar? Eine Anfrage. Zürich 1970 395 Küng, Hans: Rechtfertigung. Die Lehre Karl Barths und eine theologische Besinnung, Einsiedeln 1957, Taschenbuchausgabe München 1986 396 Mildenberger, Friedrich: Biblische Dogmatik. Eine Biblische Theologie in dogmatischer Perspektive, Bd. 1, Stuttgart u. a. 1991 397 Mildenberger, Friedrich: Biblische Dogmatik. Eine Biblische Theologie in dogmatischer Perspektive, Bd. 2, Stuttgart u. a. 1992 398 Mildenberger, Friedrich: Biblische Dogmatik. Eine Biblische Theologie in dogmatischer Perspektive, Bd. 3, Stuttgart u. a. 1993 399 Pannenberg, Wolfhart/Schneider, Theodor (Hg.): Schriftauslegung – Lehramt – Rezeption (Verbindliches Zeugnis II), Freiburg/Göttingen 1995 400 Podhorecki, Norbert: Offenbarung – Schrift – Tradition. Walter Kaspers Beitrag zum Problem der Dogmenhermeneutik (EHS, R. 23; Bd. 719), Frankfurt a. M. u. a. 2001 401 Ricœur, Paul: Stellung und Funktion der Metapher in der biblischen Sprache, in: ders./Eberhard Jüngel, Metapher, München 1974, 45 – 70 402 Sauter, Gerhard/Stock, Alex: Arbeitsweisen Systematischer Theologie (studium theologie 2), München/Mainz 1976 403 Scheffczyk, Leo: Dogma der Kirche, heute noch verstehbar? Grundzüge einer dogmatischen Hermeneutik, Berlin 1973 404 Schleiermacher, Friedrich Daniel Ernst: Der christliche Glaube nach den Grundsätzen der evangelischen Kirche im Zusammenhange dargestellt (21830), hg. v. M. Redeker, Berlin 71960 405 Schleiermacher, Friedrich Daniel Ernst: Kurze Darstellung des theologischen Studiums zum Behuf einleitender Vorlesungen [21830], hg. v. Heinrich Scholz, Darmstadt 51982

406 Schoonenberg, Piet (Hg.): Die Interpretation des Dogmas, Düsseldorf 1969 407 Strauß, David Friedrich: Die Christliche Glaubenslehre in ihrer geschichtlichen Entwicklung und im Kampfe mit der modernen Wissenschaft, Bd. 1, Tübingen 1840 408 Tillich, Paul: Biblische Religion und die Frage nach dem Sein, in: ders., GW V, hg. v. R. Albrecht, Stuttgart 1964, 138 – 184 409 Tillich, Paul: Systematische Theologie, Bd. III, Stuttgart 1966 410 Tillich, Paul: Systematische Theologie, Bd. I, Stuttgart 51977 411 Tillich, Paul: Systematische Theologie, Bd. II, Stuttgart 51977 412 Trillhaas, Wolfgang: Dogmatik, Berlin/New York 4 1980 413 Troeltsch, Ernst: Ueber historische und dogmatische Methode in der Theologie, in: ders., Gesammelte Schriften, Bd. II, Tübingen 1913, 729 – 753 414 Wiedenhofer, Siegfried: Art. Hermeneutik III. Systematisch-theologisch, in: LThK3 V, Freiburg i. Br. u. a. 1996, 6 – 7

VI. Hermeneutik in der Ethik 415 Barth, Karl: Evangelium und Gesetz (TEH NF 50), München 1956 (= TEH 32, München 1935) 416 Barth, Karl: Die Kirchliche Dogmatik [= KD], Bd. II/ 2, Zürich 61981 417 Bayer, Oswald/Knudsen, Christian: Kreuz und Kritik. Johann Georg Hamanns Letztes Blatt (BHTh 66), Tübingen 1983 418 Ebeling, Gerhard: Die Evidenz des Ethischen und die Theologie, in: ders., Wort und Glaube II, Tübingen 1969, 1 – 41 419 Ebeling, Gerhard: Erwägungen zur Lehre vom Gesetz, in: ders., Wort Gottes und Glaube [I], Tübingen 1960, 255 – 293 420 Ebeling, Gerhard: Usus politicus legis – usus politicus evangelii, in: ZThK 79, 1982, 323 – 348 421 Harbeck-Pingel, Bernd: Ethische Wahrnehmung. Eine systematisch-theologische Skizze (Beiträge zur Theologie und Religionsphilosophie 2), Aachen 1998 422 Fischer, Johannes: Wahrnehmung als Aufgabe und Proprium christlicher Ethik, in: ders., Glaube als Erkenntnis. Zum Wahrnehmungscharakter des christlichen Glaubens, München 1989, 91 – 118 423 Fischer, Johannes: Theologische Ethik. Grundwissen und Orientierung, Stuttgart/Berlin/Köln 2002 424 Fischer, Johannes: Bioethik in theologischer Perspektive, in: ders., Medizin- und bioethische Perspektiven. Beiträge zur Urteilsbildung im Bereich von Medizin und Biologie, Zürich 2002, 77 – 104

Literatur 425 Fischer, Johannes: Moralische und sittliche Orientierung, in: ThLZ 130, 2005, 472 – 488 426 Gabriel, Ingeborg/Papaderos, Alexandros K./Körtner, Ulrich H. J.: Perspektiven Ökumenischer Sozialethik. Der Auftrag der Kirchen im größeren Europa, Mainz 2005 427 Gestrich, Christof: Die Wiederkehr des Glanzes in der Welt. Die christliche Lehre von der Sünde und ihrer Vergebung in gegenwärtiger Verantwortung, Tübingen 1989 428 Hare, Richard M.: Die Sprache der Moral, Frankfurt a. M. 1972 429 Hoffmann-Riedinger, Monika: Metaethik, in: Annemarie Pieper (Hg.), Geschichte der neueren Ethik, Bd. 2: Gegenwart (UTB1702), Tübingen 1992, 55 – 81 430 Honecker, Martin: Einführung in die Theologische Ethik, Berlin/New York 1990 431 Honecker, Martin: Von der Dreiständelehre zur Bereichsethik. Zu den Grundlagen der Sozialethik, in: ZEE 43, 1999, 262 – 276 432 Irrgang, Bernhard: Praktische Ethik aus hermeneutischer Sicht (UTB 2020), Paderborn 1998 433 Klaer, Ingo: Sinn und Geltungsweisen sittlicher Normen in der Sicht evangelischer Ethik, in: Wilhelm Ernst (Hg.), Norm und Gewissen. Beiträge aus katholischer und evangelischer Sicht, Leipzig 1984, 39 – 71 434 Körtner, Ulrich H. J.: Evangelische Sozialethik. Grundlagen uud Themenfelder (UTB 2107), Göttingen 1999 435 Körtner, Ulrich H. J.: „Lasset uns Menschen machen“. Christliche Anthropologie im biotechnologischen Zeitalter, München 2005 436 Krämer, Hans: Integrative Ethik (stw 1204), Frankfurt a. M. 1995 437 Luhmann, Niklas: Soziologie der Moral, in: ders./ Stephan H. Pfürtner (Hg.), Theorietechnik und Moral (stw 206), Frankfurt a. M. 1978, 8 – 116 438 Luhmann, Niklas: Ethik als Reflexionstheorie der Moral, in: ders., Gesellschaftsstruktur und Semantik. Studien zur Wissenssoziologie, Bd. 3 (stw 1093), Frankfurt a. M. 1993, 358 – 447 439 Mieth, Dietmar: Narrative Ethik, in: FZPhTh 22, 1975, 297 – 326 440 Moore, George Edward: Principia Ethica, Stuttgart 1970 441 Nida-Rümelin, Julian: Theoretische und angewandte Ethik: Paradigmen, Begründungen, Bereiche, in: ders. (Hg.), Angewandte Ethik. Die Bereichsethiken und ihre theoretische Fundierung, Stuttgart 1996, 2 – 85 442 Pfürtner, Stephan H.: Zur wissenschaftstheoretischen Begründung der Moral, in: Niklas Luhmann/ Stephan H. Pfürtner (Hg.), Theorietechnik und Moral (stw 206), Frankfurt a. M. 1978, 176 – 267 443 Pieper, Annemarie: Geschichte der neueren Ethik, Bd. 1: Neuzeit (UTB1701), Tübingen 1992

444 Pieper, Annemarie: Geschichte der neueren Ethik, Bd. 2: Gegenwart (UTB1702), Tübingen 1992 445 Quante, Michael: Einführung in die Allgemeine Ethik, Darmstadt 2003 446 Rich, Arthur: Wirtschaftsethik. Grundlagen in theologischer Perspektive, Gütersloh 1984 447 Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen (1853), Nachdruck Darmstadt 1989 448 Schleiermacher, Friedrich Daniel Ernst: Die christliche Sitte nach den Grundsätzen der evangelischen Kirche im Zusammenhange dargestellt. Aus Schleiermacher’s handschriftlichem Nachlasse und nachgeschriebenen Vorlesungen, hg. v. Ludwig Jonas, Berlin 21884 449 Trillhaas, Wolfgang: Ethik, Berlin 31970

VII. Praktisch-theologische Hermeneutik 450 Böhme, Gernot: Für eine ökologische Naturästhetik, Frankfurt a. M. 1989 451 Böhme, Gernot: Atmosphäre. Essays zur neuen Ästhetik, Frankfurt a. M. 1995 452 Bohren, Rudolf: Prophetie und Seelsorge. Eduard Thurneysen, Neukirchen-Vluyn 1982 453 Capps, Donald: Pastoral Care and Hermeneutics, Philadephia 1984 454 Eco, Umberto: Das offene Kunstwerk (stw 222), Frankfurt a. M. 1977 455 Engemann, Wilfried: Semiotische Homiletik. Prämissen – Analysen – Konsequenzen (THLI 5), Tübingen 1993 456 Engemann, Wilfried: „Unser Text sagt …“. Hermeneutischer Versuch zur Interpretation und Überwindung des „Texttods“ der Predigt, in: ZThK 93, 1996, 450 – 480 457 Engemann, Wilfried: Einführung in die Homiletik (UTB 2128), Tübingen 2002 458 Engemann, Wilfried: Personen, Zeichen und das Evangelium (Arbeiten zur Praktischen Theologie 23), Leipzig 2003 459 Failing, Wolf-Eckart/Heimbrock, Hans-Günter: Gelebte Religion wahrnehmen. Lebenswelt, Alltagskultur, Religionspraxis, Stuttgart 1998 460 Feil, Ernst: Religio, Bd. 1: Die Geschichte eines neuzeitlichen Grundbegriffs vom Frühchristentum bis zur Reformation (FKDG 36), Göttingen 1986 461 Feil, Ernst: Religio, Bd. 2: Die Geschichte eines neuzeitlichen Grundbegriffs zwischen Reformation und Rationalismus (FKDG 70), Göttingen 1997 462 Feil, Ernst: Religio, Bd. 3: Geschichte eines neuzeitlichen Grundbegriffs im 17. und frühen 18. Jahrhundert (FKDG 79), Göttingen 2001 463 Frör, Kurt: Biblische Hermeneutik. Zur Schriftauslegung in Predigt und Unterricht, München 31967 464 Gerkin, Charles V.: The Living Human Document: Re-Visioning Pastoral Counceling in a Hermeneutical Mode, Philadelphia 1984

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Literatur 465 Gerkin, Charles V.: Widening the Horizons. Pastoral Responses to a Fragmented Society, Philadelphia 1986 466 Gräb, Wilhelm: Lebensgeschichten – Lebensentwürfe – Sinndeutungen. Eine Praktische Theologie gelebter Religion, Gütersloh 22000 467 Gräb, Wilhelm: Wahrnehmen und Deuten, in: Albrecht Grözinger/Georg Pfleiderer (Hg.), „Gelebte Religion“ als Programmbegriff Systematischer und Praktischer Theologie (Christentum und Kultur 1), Zürich 2002, 43 – 63 468 Grözinger, Albrecht: Praktische Theologie und Ästhetik. Ein Beitrag zur Grundlegung der Praktischen Theologie, München 21991 469 Grözinger, Albrecht: Die Sprache des Menschen. Ein Handbuch. Grundwissen für Theologinnen und Theologen, München 1991 470 Grözinger, Albrecht: Es bröckelt an den Rändern. Kirche und Theologie in einer multikulturellen Gesellschaft, München 1992 471 Grözinger, Albrecht: Praktische Theologie als Kunst der Wahrnehmung, Gütersloh 1995 472 Grözinger, Albrecht: Orte, in: Georg Lämmlin/Stefan Scholpp (Hg.), Praktische Theologie der Gegenwart in Selbstdarstellungen (UTB 2213), Tübingen/ Basel 2001, 257 – 274 473 Grözinger, Albrecht/Otto, Gert (Hg.): Gelebte Religion im Brennpunkt praktisch-theologischen Denkens und Handelns (Hermeneutica 6), Rheinbach 1997 474 Grözinger, Albrecht/Pfleiderer, Georg (Hg.): „Gelebte Religion“ als Programmbegriff Systematischer und Praktischer Theologie (Christentum und Kultur 1), Zürich 2002 475 Gunneweg, Antonius H. J./Schröer, Henning (Hg.): Standort und Bedeutung der Hermeneutik in der gegenwärtigen Theologie (BAR 61), Bonn 1986 476 Hauschildt, Eberhard: Seelsorge und Hermeneutik, in: Ulrich H. J. Körtner (Hg.), Glauben und Verstehen. Perspektiven Hermeneutischer Theologie, Neukirchen-Vluyn 2000, 75 – 96 477 Heimbrock, Hans-Günter: Frömmigkeit als Problem der Praktischen Theologie, in: PTh 71, 1982, 18 – 32 478 Heimbrock, Hans-Günter: Wahrnehmung als Element der Wahr-Nehmung, in: Albrecht Grözinger/ Georg Pfleiderer (Hg.), „Gelebte Religion“ als Programmbegriff Systematischer und Praktischer Theologie (Christentum und Kultur 1), Zürich 2002 479 Horx, Matthias: Trendbuch, Bd. 1: Der erste große deutsche Trendreport, München 1993 480 Josuttis, Manfred: Der Pfarrer ist anders. Aspekte einer zeitgenössischen Pastoraltheologie, München 3 1987 481 Kollmar-Paulenz, Karénina: Zur Relevanz der Gottesfrage für eine transkulturell orientierte Religionswissenschaft, in: Ulrich H. J. Körtner (Hg.), Gott und Götter. Die Gottesfrage in Theologie und Religionswissenschaft, Neukirchen-Vluyn 2005, 23 – 49

482 Körtner, Ulrich H. J. (Hg.): Poetologische Theologie. Zur ästhetischen Theorie christlicher Sprach- und Lebensformen. Ein Werkstattbericht (Interdisziplinäre Forschung u. fächerverbindender Unterricht 2), Ludwigsfelde 1999 483 Körtner, Ulrich H. J.: Seelsorge und Ethik. Zur ethischen Dimension ethischen Handelns, in: Christoph Schneider-Harpprecht (Hg.), Zukunftsperspektiven für Seelsorge und Beratung, Neukirchen-Vluyn 2000, 87 – 104 484 Krieg, Gustav A.: Die Rede vom Ende der Rede. Frühe Dialektische Theologie und prinzipielle Homiletik, in: ZThK 94, 1997, 224 – 252 485 Küenzlen, Gottfried: Die Wiederkehr der Religion. Lage und Schicksal in der säkularen Moderne, München 2003 486 Lange, Ernst: Predigen als Beruf. Aufsätze, hg. v. R. Schloz, Stuttgart/Berlin 1976 487 Luckmann, Thomas: Die unsichtbare Religion, Frankfurt a. M. 21993 488 Luther, Henning: Religion und Alltag. Bausteine zu einer praktischen Theologie des Subjekts, Stuttgart 1992 489 Martin, Gerhard Marcel: Predigt als „offenes Kunstwerk“? Zum Dialog zwischen Homiletik und Rezeptionsästhetik, in: EvTh 44, 1984, 46 – 58 490 Nicol, Martin: Gespräch als Seelsorge. Theologische Fragmente zu einer Kultur des Gesprächs, Göttingen 1990 491 Otto, Gert: Schule – Religionsunterricht – Kirche, Göttingen 1961 492 Otto, Gert: Rhetorische Predigtlehre. Ein Grundriß, Mainz/Leipzig 1999 493 Pfleiderer, Georg: „Gelebte Religion“ – Notizen zu einem Theoriephänomen, in: Albrecht Grözinger/ Georg Pfleiderer (Hg.), „Gelebte Religion“ als Programmbegriff Systematischer und Praktischer Theologie (Christentum und Kultur 1), Zürich 2002, 3 – 41 494 Pollack, Detlef: Säkularisierung – ein moderner Mythos? Studien zum religiösen Wandel in Deutschland, Tübingen 2003 495 Rittelmeyer, Christian/Parmentier, Michael: Einführung in die pädagogische Hermeneutik, mit einem Beitrag von Wolfgang Klafki, Darmstadt 2001 496 Rössler, Dietrich: Grundriß der Praktischen Theologie, Berlin 21994 497 Scharfenberg, Joachim: Seelsorge als Gespräch. Zur Theorie und Praxis der seelsorgerlichen Gesprächsführung, Göttingen 51992 498 Schmidt-Rost, Reinhard: Seelsorge zwischen Amt und Beruf. Studien zur Entwicklung einer modernen evangelischen Seelsorgelehre seit dem 19. Jahrhundert (APTh 22), Göttingen 1988 499 Schröer, Henning: Umberto Eco als Predigthelfer? Fragen an Gerhard Marcel Martin, in: EvTh 44, 1984, 58 – 63

Literatur 500 Schröer, Henning: Art. Hermeneutik IV. Praktischtheologisch, in: TRE 15, Berlin/New York 1986, 150 – 157 501 Schröer, Henning: Art. Hermeneutik VII. Praktischtheologisch, in: RGG4 III, Tübingen 2000, 1660 – 1662 502 Schröer, Henning: Art. Hermeneutischer Dialog, in: RGG4 III, Tübingen 2000, 1664 503 Schröer, Henning/Fermor, Gotthard/Schroeter, Harald (Hg.): Theopoesie. Theologie und Poesie in hermeneutischer Sicht (Hermeneutica 7), Rheinbach 1998 504 Schulze, Gerhard: Die Erlebnisgesellschaft. Kultursoziologie der Gegenwart, Frankfurt a. M. 21992 505 Schweitzer, Friedrich: Praktische Theologie und Hermeneutik. Paradigma – Wissenschaftstheorie – Methodologie, in: Johannes A. van der Veen/HansGeorg Ziebertz (Hg.), Paradigmenwechsel in der Praktischen Theologie, Kampen 1993, 19 – 47 506 Stallmann, Martin: Christentum und Schule. Göttingen 1958 507 Steck, Wolfgang: Praktische Theologie. Horizonte der Religion – Konturen des neuzeitlichen Christentums – Strukturen der religiösen Lebenswelt, Bd. 1, Stuttgart 2000 508 Stevens, John O.: Die Kunst der Wahrnehmung. Übungen der Gestalt-Therapie, München 1975 509 Stollberg, Dietrich: Wahrnehmen und Annehmen. Seelsorge in Theorie und Praxis, Gütersloh 1978 510 Sturm, Wilhelm: Religionspädagogische Konzeptionen, in: Gottfried Adam/Rainer Lachmann (Hg.), Religionspädagogisches Kompendium, Göttingen 5 1997, 37 – 86 511 Zillessen, Dietrich/u. a. (Hg.): Praktisch-theologische Hermeneutik. Ansätze – Anregungen – Aufgaben, Rheinbach 1992

VIII. Ökumenische Hermeneutik 512 A Treasure in Earthen Vessels. An Instrument for an Ecumenical Reflection on Hermeneutics, http:// wcc-coe.org/wcc/what/faith/treasure.html. Deutsche Übersetzung: D. Heller (Hg.), Ein Schatz in zerbrechlichen Gefäßen. Eine Anleitung zu ökumenischem Nachdenken über Hermeneutik, Frankfurt a. M. 1999 513 Bernhardt, Reinhold: Der Absolutheitsanspruch des Christentums. Von der Aufklärung bis zur Pluralistischen Religionstheologie, Gütersloh 1990 514 Dahling-Sander, Christoph/Kratzert, Thomas (Hg.): Leitfaden Ökumenische Theologie, Wuppertal 1998 515 Dalferth, Ingolf U.: Sprachlogik des Glaubens. Texte analytischer Religionsphilosophie und Theologie zur religiösen Sprache (BEvTh 66), München 1974

516 Dalferth, Ingolf U.: Auf dem Weg der Ökumene. Die Gemeinschaft evangelischer und anglikanischer Kirchen nach der Meißener Erklärung, Leipzig 2002 517 Danz, Christian/Körtner, Ulrich H. J. (Hg.): Theologie der Religionen. Positionen und Perspektiven evangelischer Theologie, Neukirchen-Vluyn 2005 518 Ebeling, Gerhard: Wort Gottes und Tradition. Studien zu einer Hermeneutik der Konfessionen (KiKonf 7), Göttingen 21966 519 Fahlbusch, Erwin: Kirchenkunde der Gegenwart (ThW 9), Stuttgart 1979 520 Fahlbusch, Erwin: Abschied von der Konfessionskunde? Überlegungen zu einer Phänomenologie der universalen Christenheit, in: Gottfried Maron (Hg.), Evangelisch und ökumenisch. Beiträge zum 100jährigen Bestehen des Evangelischen Bundes, Göttingen 1986, 456 – 493 521 Fahlbusch, Erwin: Art. Ökumenismus 6, in: EKL3 3, Göttingen 1992, 870 – 873 522 Frey, Jörg/Rohls, Jan/Zimmermann, Ruben (Hg.): Metaphorik und Christologie (TBT 120), Berlin/New York 2003 523 Frieling, Reinhard: Art. Ökumene, in: TRE 25, Berlin/New York 1995, 46 – 77 524 Fries, Heinrich/Rahner, Karl (1983): Einigung der Kirche – reale Möglichkeit (QD 100), Freiburg/ Basel/Wien 1983 525 Güttgemanns, Erhardt: Qu’est-ce-que la Poétique Générative?, in: LingBibl 17/18, 1972, 53 – 68 526 Haudel, Matthias: Vergessene Kriterien. Hermeneutische Kriterien für die Weiterentwicklung des Koinonia-Konzepts, in: ÖR 43, 1994, 292 – 304 527 Hennig, Gerhard: „Aus der Traum“ – oder: welche Ökumene meinen wir (nicht)?, in: ThBeitr 30, 1999, 50 – 59 528 Herms, Eilert: Einheit der Christen in der Gemeinschaft der Kirchen. Die ökumenische Bewegung der römischen Kirche im Lichte der reformatorischen Theologie. Antwort auf den Rahner-Plan, Göttingen 1984 529 Herms, Eilert: Die ökumenischen Beziehungen zwischen der evangelischen und der römisch-katholischen Kirche im Spätsommer 1998. Stand, Aussichten, Wünschbarkeiten, in: epd-Dokumentation 37/ 98, 1 – 23 530 Hoff, Gregor Maria: Ökumenische Passagen – zwischen Identität und Differenz. Fundamentaltheologische Überlegungen zum Stand des Gesprächs zwischen römisch-katholischer und evangelischlutherischer Kirche (STS 25), Innsbruck 2005 531 Houtepen, Anton W. J.: Koinonia und Konsensus. Auf dem Weg zur Gemeinschaft in einem Glauben, in: Geiko Müller-Fahrenholz (Hg.), Bangalore 1978. Sitzung der Kommission für Glauben und Kirchenverfassung. Berichte, Reden, Dokumente (ÖR.B 35), Frankfurt a. M. 1979, 201 – 204 532 Jüngel, Eberhard: Um Gottes willen – Klarheit! Kritische Bemerkungen zur Verharmlosung der krite-

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Literatur

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riologischen Funktion des Rechtfertigungsartikels – aus Anlaß einer ökumenischen „Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre“, in: ZThK 94, 1997, 394 – 406 Jüngel, Eberhard: Amica Exegesis einer römischen Note, in: ZThK.B 10, 1998, 252 – 279 Körtner, Ulrich H. J.: Versöhnte Verschiedenheit. Ökumenische Theologie im Zeichen des Kreuzes, Bielefeld 1996 Körtner, Ulrich H. J.: Wohin steuert die Ökumene? Vom Konsens- zum Differenzmodell, Göttingen 2005 Leiner, Martin: „… des anderen und der Zeit zu bedürfen“ (Fr. Rosenzweig) – Die Hermeneutik des anderen als Aufgabe der Konfessionskunde, in: MdKI 48, 1997, 43 – 47 Lindbeck, George A.: Christliche Lehre als Grammatik des Glaubens. Religion im postliberalen Zeitalter, Gütersloh 1994 (The Nature of Doctrine, Philadelphia 1984) Lüning, Peter: Offenbarung und Rechtfertigung. Eine Studie zu ihrer Verhältnisbestimmung anhand des anglikanisch/römisch-katholischen Dialogs (KKTS 70), Paderborn 1999 Meyer, Harding: Sündige Kirche? Bemerkungen zum ekklesiologischen Aspekt der Debatte um eine Katholisch/evangelische „Grunddifferenz“, in: ÖR 38, 1989, 397 – 410 Meyer, Harding: Ökumenische Zielvorstellungen (Ökum. Studienhefte 3), Göttingen 1996 Meyer, Harding: Zur Gestalt ökumenischer Konsense, in: Wolfgang Beinert/Konrad Feiereis/Hans-Jürgen Röhrig (Hg.), Unterwegs zum einen Glauben. FS L. Ullrich (EThSt 74), Leipzig 1997, 621 – 630 Meyer-Blanck, Michael: Vom Symbol zum Zeichen. Symboldidaktik und Semiotik (Vorlagen NF 25), Hannover 1995 Morris, Charles: Grundlagen der Zeichentheorie, Frankfurt a. M. 1988 Neuner, Peter: Ökumenische Theologie. Die Suche nach der Einheit der christlichen Kirchen, Darmstadt 1997

545 Petri, Heinrich/Raem, Heinz-Albert: Art. Ökumenismus, in: TRE 25, Berlin/New York 1995, 77 – 86 546 Raiser, Konrad: Ökumene im Übergang. Paradigmenwechsel in der ökumenischen Bewegung, München 1989 547 Raiser, Konrad: Jenseits von Tradition und Kontext. Zum Problem einer ökumenischen Hermeneutik, in: ÖR 40, 1991, 425 – 435 548 Raiser, Konrad: Das Problem des Synkretismus und die Suche nach einer ökumenischen Hermeneutik, in: ders., Wir stehen noch am Anfang, Gütersloh 1994, 153 – 167 549 Raiser, Konrad: Hermeneutik der Einheit, in: ÖR 45, 1996, 401 – 415 550 Ratschow, Carl Heinz: Art. Konfession/Konfessionalität, in: TRE 19, Berlin/New York 1990, 419 – 426 551 Ritschl, Dietrich: Paradigmenwechsel für eine ökumenische Ekklesiologie?, in: Peter Neuner/Dietrich Ritschl (Hg.), Kirchen in Gemeinschaft – Gemeinschaft der Kirche. Studie der DÖSTA zu Fragen der Ekklesiologie (ÖR.B 66), Frankfurt a. M. 1993, 201 – 214 552 Schenk, Richard: Eine Ökumene des Einspruchs. Systematische Überlegungen zum heutigen ökumenischen Prozeß aus einer römisch-katholischen Sicht, in: Hans Otte/Richard Schenk (Hg.), Die Reunionsgespräche im Niedersachsen des 17. Jahrhunderts. Royas y Spinola – Molan – Leibniz (SKGNS 37), Göttingen 1999, 225 – 250 553 Schlink, Edmund: Ökumenische Dogmatik. Grundzüge, Göttingen 21985 554 Schöpsdau, Walter: Trinitarische Ekklesiologie – ein Weg zur Heilung der Risse?, in: MdKI 45, 1994, 23 – 27 555 Wagner, Harald (Hg.): Einheit – aber wie? Zur Tragfähigkeit der Formel vom „differenzierten Konsens“ (QD 184), 2000 556 Wagner, Harald: Dogmatik (Studienbücher Theologie 18), 2003 557 Weinrich, Michael: Ökumene am Ende? Plädoyer für einen neuen Realismus, Neukirchen-Vluyn 1995

Register 1. Namen Abel, Günter 32 Ahrendt, Hannah 14 Anselm v. Canterbury 50 Apel, Karl-Otto 17 Ariès, Philippe 107 Arens, Edmund 23 Assmann, Jan 86 Augustinus, Aurelius 99 f., 155 Austin, John L. 64 Axmacher, Elke 41 Balthasar, Hans Urs v. 100 Barth, Karl 15, 46, 50, 53 f., 61, 70, 91, 95 f., 106, 108 ff., 133, 139 f., 147, 152 f., 157 Barth, Ulrich 28 ff. Barthes, Roland 83 Berger, Klaus 34, 77 Betti, Emilio 18 Biser, Eugen 58 ff. Boeckh, August 12 Boff, Clodovis 42 Boff, Leonardo 42 Böhme, Gernot 152 Bohren, Rudolf 150 Bonhoeffer, Dietrich 15, 66 f., 119, 139, 153, 157 Brantschen, Johannes B. 61, 64 Brunner, Emil 50, 67 Buber, Martin 60 Bultman, Rudolf 15, 27, 50 ff., 61 ff., 71 f., 79 f., 104, 106, 121 ff., 133, 145 f., 158, 172 Buri, Fritz 54 Calvin, Johannes 95, 140 Cassirer, Ernst 28 Conzelmann, Hans 57 Dalferth, Ingolf U. 23 f., 31 ff., 117, 163 f. Daniélou, Jean 100 Derrida, Jacques 18, 44, 82 Dilthey, Wilhelm 9, 12 f., 16, 19, 54, 56, 67, 73, 78, 82, 107 Droysen, Johann Gustav 106

Ebeling, Gerhard 23, 33, 36, 55 ff., 59, 62 f., 66 ff., 111, 115, 123 f., 142 f., 157 f. Erasmus v. Rotterdam 48 Fischer, Johannes 133 ff., 139 Foucault, Michel 13 Freud, Siegmund 17, 100 f. Fuchs, Ernst 55 ff., 61 ff., 73 Feurbach, Ludwig 39 Gadamer, Hans-Georg 9, 12 ff., 16 ff., 22, 34, 56 ff., 60, 63, 73, 82, 106 f., 149 Gerkin, Charles V. 149 Gogarten, Friedrich 50, 62 Gräb, Wilhelm 30 f., 152 ff., 156 Grözinger, Albrecht 151 f., 158 Guardini, Romano 59, 100 Habermas, Jürgen 17 f. Hamann, Johann Georg 139 Härle, Wilfried 91, 118 Harnack, Adolf v. 127 Hauschildt, Eberhard 21, 149 Hearn, Lafcadio 151 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich 29, 107, 110, 113 Heidegger, Martin 12 ff., 16, 18 ff., 54, 56 ff., 61 f., 64, 82, 106 f., 132 Heimbrock, Hans-Günther 152 Herrmann, Wilhelm 54 Hörisch, Jochen 43 f. Husserl, Edmund 16, 23, 132 Irrgang, Bernhard 132 Jetter, Werner 67 Johannes Cassianus 100 Jung, Carl Gustav 101 Jüngel, Eberhard 33, 51, 59, 64, 67, 78, 92, 165, Kähler, Martin 104 Kant, Immanuel 28, 32, 35, 132 Käsemann, Ernst 57, 65, 67, 71, 91 Kierkegaard, Søren 27, 33, 54, 64, 138 f.

Klaer, Ingo 140 Korsch, Dietrich 28 ff. Lange, Ernst 33 Lauster, Jörg 30 f., 155 Lenk, Hans 32 Levenson, Jon D. 89 Levinas, Emanuel 45 f., 82 Lubac, Henri de 100 Luckmann, Thomas 152 Luhmann, Niklas 131 Luther, Henning 151 Luther, Martin 15, 25, 29, 48, 67 ff., 81, 87, 91, 94 ff., 101, 117 f., 122 f., 127, 140 f., 148, 157 Marquard, Odo 9, 13 ff., 20, 43, 48 f., 88, 140 Marx, Karl 17, 39 Merz, Georg 50 Meyer, Harding 165 Mildenberger, Friedrich 25, 77, 140 Miles, Jack 87 Mohammed (Prophet) 85 Moore, George Edward 132 Mosheim, Johann Lorenz v. 109 Mühlenberg, Ekkehard 110 Nethöfel, Wolfgang 36 Neumann Klaus 34 Nietzsche, Friedrich 17 ff., 22, 32, 44 Oeming, Manfred 9, 78 Origenes 99 f. Otto, Rudolf 46, 153 Otto, Gert 151 Overbeck, Franz 44 f., 109 Pannenberg, Wolfhart 64, 109 f., 117 Paulus 27, 46 f., 50, 57, 60, 76, 79 f., 85, 99, 101, 122, 167 Peirce, Charles S. 32 Pfaff, Christoph Matthäus 109 Philo v. Alexandrien 86

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Register Platon 12 Pollack, Detlef 156 Rahner, Hugo 100 Rahner, Karl 58 ff., 126 Rambach, Johann Jakob 33 Ranke, Leopold v. 13, 106 Rendtorff, Trutz 15, 23 Ricœur, Paul 17 ff., 21, 44, 72 ff., 77, 82 f., 87, 104, 128, 146, 149 Ritschl, Dietrich 114 f. Rössler, Dietrich 144, 151 Rückert, Hanns 62, 67 Ruether, Rosemary Radford 41 Sauter, Gerhard 128 f. Schlatter, Adolf 61 Schleiermacher, Friedrich 11 ff., 16, 21, 26, 43, 56, 67 f., 73, 82 f., 108 f., 111, 120, 122, 127 f., 132 ff., 144 ff., 151, 160, 163

Schlink, Edmund 124 f., 170 Schmidt, Karl Ludwig 61 Schmidt, Kurt Dietrich 117 f. Scholder, Klaus 19 Schulze, Gerhard 156 Schunack, Gerd 62 Searle, John R. 64 Söding, Thomas 93 Staiger, Emil 44 Steck, Wolfgang 152 f. Stock, Alex 23, 128 f. Stollberg, Dietrich 150 f. Strauß, David Friedrich 127 Stuhlmacher, Peter 34, 48, 77, 91, 151 Sudbrack, Josef 101 Szondi, Peter 83 Theißen, Gerd 34 Thurneysen, Eduard 50, 146, 150

Tillich, Paul 15, 72, 104, 123 f., 172 Tolbert, Mary Ann 40 Tracy, David 23 Trillhaas, Wolfgang 136 Troeltsch, Ernst 106, 109, 121 Vattimo, Gianni 19, 21 f., 49 Vischer, Wilhelm 100 Wagner, Harald 165 Warburg, Aby 151 Wartenburg, Paul Graf York v. 107 Weber, Max 106 Weder, Hans 47, 77 ff. Wischmeyer, Oda 77 ff. Wittgenstein, Ludwig 14, 17, 20, 169 ff., 173 Wrede, William 13

2. Sachen Altes Testament 23 f., 26, 38, 47, 74 ff., 79 f., 87 ff., 93, 95, 99 ff., 129, 139, 141 Andere, der/das 43, 45 ff., 54, 59, 150, 155, 167 f. Aneignung 20, 23, 29, 34, 43, 48, 60, 73, 81, 84, 90, 102, 148, 161 Anthropologie 11, 58, 79 f., 107, 122, 125, 135 ff., 169 f. Antwort 11 ff., 30, 42 f., 63, 68 f., 70, 77, 79, 82, 99, 106, 112, 129, 137, 154 f., 157, 173 f. Apokalyptik 39, 42, 65, 76 Applikation 24, 33 ff., 39, 48, 81, 83, 87, 90, 104, 146 Ästhetik 79, 81, 83, 130, 135 f., 138 f., 146 f., 150 ff. Auslegen/Auslegung 9, 12 ff., 16, 22, 24 ff., 29, 32 ff., 39 f., 43 f., 51 ff., 55, 62 f., 65 ff., 69 f., 73, 75, 77 ff., 86 f., 89 ff., 103, 111, 115 f., 121, 142, 145 f., 148, 162 f. Auslegungsgemeinschaft 84, 87, 90 f., 148, 162 Autonomie des Textes 18, 44, 73, 83 f., 102 Autor 18, 22, 39, 45, 73 f, 76, 78, 83 ff., 87, 95, 97, 102, 104, 114, 147 ff., 151, 170

Bedeutung 11, 16 ff., 20, 22, 28, 38, 40, 55, 57, 60, 63, 72 f., 75, 78, 81 ff., 87, 90 f., 96 ff., 101 f., 111 ff., 123, 145, 147, 156 f., 163, 165, 169 f. Bibel 9, 13, 15, 22 ff., 33, 38 ff., 44 f., 48, 51, 53 f., 61, 65, 67, 70, 74 ff., 85 ff., 113, 123, 125, 142, 145, 148 f. – jüdische 75 f., 80, 85, 87 ff., 90 Bibliodrama 98, 146 Buchreligion 24, 85 Christentumsgeschichte 115 f. Christologie 59 f., 64 f., 71 f., 76, 85, 89 f., 104, 135, 138, 141, 160 f. Deuten 11 f., 27 ff., 77, 90 f., 137, 154 f., 161 Dialektik 12, 45 f., 56, 88, 137, 141, 143, 148 Dialektische Theologie 13, 28, 46, 50, 56, 61, 106, 145, 150, 153, 158 Differenz 18, 31, 40 f., 56, 76, 81, 89 f., 116, 129, 138, 148, 155, 159 ff., 164 ff., 171 Differenzökumene 166 ff. Dogma 96, 124 ff.

Dogmatik 13, 22, 28 ff., 36, 41, 51 f., 57 ff., 67 f., 70 f., 77 f., 90, 95, 103 f., 108, 113, 117, 120 ff., 133 f., 136 f., 152 f., 156 Dogmengeschichte 67, 124, 126 f. Dogmenhermeneutik 124, 126 f., 161 Dogmenkritik 127 Einheit 32, 34 f., 50 f., 54, 59, 69, 77, 87 f., 91, 93 f., 103, 113, 133, 138, 142 f., 159 ff., 168 ff. Ekklesiologie 38, 41, 116, 159 ff., 167 ff. Entmythologisierung 53 f., 61 Erfahrung 16, 18 f., 30 ff., 40, 42 f., 45, 47 ff., 57 ff., 62, 66 f., 87, 92, 96 ff., 103, 106, 111, 114, 122, 128 f., 138 f., 142 ff., 146, 152, 154 ff., 162 f., 172 f. Erkenntnis 15 f., 25, 32 f., 41, 50, 55 f., 58, 66, 78, 83, 95, 101, 109, 119, 123, 129, 137, 141, 143, 168 Erklären 12, 19, 33 ff., 39, 51, 63, 92, 95, 100, 117 Erzählen 27 f., 40, 64, 66, 73, 96, 99, 107, 111 ff., 145 Ethik 23, 36, 41, 68, 120 f., 129 ff., 151

2. Sachen – analytische 130 ff., 134 – angewandte 136 – deskriptiv-hermeneutische 132 f., 135 – normative 132, 135 Ethos 130, 133 ff., 142 Evangelium 24 f., 29, 31 ff., 38 f., 42, 48, 65, 68, 80, 92, 122 f., 133, 138 f., 140 ff., 146, 148, 151, 153 f., 157 f., 168, 170 Exegese 13, 22, 34, 36, 39, 41, 44, 50 ff., 69, 75 ff., 86 ff., 92 ff., 96 ff., 111, 145 ff. – geistliche 52, 98, 100 f. – historisch-kritische 26, 34, 40, 44, 52 f., 60, 63, 78, 86, 92, 96 f., 100 ff., 115 f., 120, 126 Existentiale Interpretation 53, 57, 62 f., 65 ff., 72, 141, 172 Frage 11 f., 14 f., 57 f., 63, 82, 137, 149, 154, 172 f. Freiheit 46, 59, 69, 105, 137, 142, 147, 151 f., 164 Fremde, das 34, 43, 45 ff., 116 Fundamentalismus 42, 52, 78, 166 Fundamentaltheologie 28, 36, 40, 55 f., 58, 60, 67, 69, 77, 109, 111, 120, 151 ff. Gebet 70, 79, 96, 113 Gebot 28, 47, 66, 79, 130, 133 f., 139 ff. Gebotsethik 133 f., 139 Geist 15, 29, 60, 69, 88, 92, 96, 99 ff., 104, 121, 135, 138 f., 148, 161, 164, 168 f., 173 Geschichte 9, 12 f., 16, 20, 22 f., 26, 28, 30, 35, 38, 40 f., 50, 52 f., 57 ff., 65, 69 f., 75, 79 f., 84, 90, 93 f., 99, 106 ff., 114 ff., 121, 124, 127, 137, 141, 144, 151, 154, 157, 159, 162, 167, 171 f. Geschichtlichkeit 13 f., 26, 56 f., 65, 104, 106 f., 120, 122, 126, 129, 134, 172 f. Gesetz 25, 99, 133 f., 139 ff. Gesetz und Evangelium 25, 29, 68, 133, 139 f., 143 Gewissen 68 Glaube 15, 24 ff., 33, 35 ff., 47 ff., 70 ff., 75 ff., 103 ff., 122 ff., 164 Gleichnis 64 ff., 113, 135 f. Gott 15, 25 ff., 29, 31, 33, 38, 43 ff., 51 ff., 55, 58 ff., 63 ff., 74, 79 f., 85, 87 f., 90 ff., 95, 99, 101, 104, 106, 108 ff., 113 ff., 117 ff.,

128, 133 f., 138 ff., 147 f., 151, 154 f., 157, 162, 164, 168, 172 f. Gottesdienst 80 f., 86 f., 89, 92, 146, 148, 164 Gottesfrage 15, 59, 74, 173 f. Grammatik 20 f., 97 f., 100, 169 f. Handeln Gottes 72, 90, 116, 118 Hermeneutik 9, 11 f., 24 f., 27 f., 30 f., 33 f., 36 ff., 47 ff., 55 ff., 67, 71 ff., 81 ff., 91 ff., 99, 103 f., 106 f., 111, 120, 124 ff., 132, 134 ff., 139, 144 ff., 148 ff., 159, 161 ff., 166 ff. – biblische 9, 39, 73, 75 ff., 94, 126 – des Einverständnisses 34, 38, 91, 151 – des Unverständnisses 47 f. – des Verdachts 17, 38 ff., 84, 162 – literarische 78 f., 82 f., 103 f. – neue 56, 63, 73, 106 f., 151 Hermeneutische Theologie 9, 15, 36 f., 50, 55 f., 58, 69, 73 f., 78 f., 106, 133, 142, 145 f., 149, 157 f., 172 Hermeneutischer Zirkel 15, 25, 60, 63, 79, 84, 88, 96, 172 Historismus 95, 106 ff., 120 f., 127 History 112 Homiletik 145 ff. Hören 19, 22, 28, 59, 66, 79 ff., 84, 96, 146 ff., 150 Horizontverschmelzung 19, 63, 107, 149 Inspiration 52, 92, 95 ff., 104 Inspirationslehre 92, 95 ff., 104 intentio operis 84, 105 Interpretament 126, 141 f. Interpretation 9, 12 f., 15, 18 ff., 38, 40, 44, 48, 51 ff., 56 f., 59, 62 f., 65 ff., 69, 71 ff., 80 ff., 86, 90 ff., 98, 100, 102 ff., 110, 114, 117, 120, 122, 126, 128 f., 134, 136, 141 f., 145 ff., 149, 154, 161 ff., 165, 167, 169, 171 f. – diachrone 20 f., 102 f., 129 – synchrone 20 f., 86, 102 f., 129 Islam 24, 85 f. Jesus Christus 64, 70 ff., 101, 111, 157, 173 Jesusforschung/historischer Jesus 57 f., 62, 65 f., 71, 112 Judentum 24, 51, 75, 79 f., 85 f., 88 ff., 98 f., 111

Kanon 24 ff., 44 f., 75 ff., 79 f., 84 ff., 96, 99, 102 f., 108, 148 Kerygma 54, 57 f., 62, 64 f., 72 ff., 79 f., 158 Kirche 22, 24, 42, 44 f., 54, 61, 67, 77, 84, 86, 90 ff., 100 f., 108, 110 ff., 114 ff., 125 ff., 133, 137, 140, 144, 148, 152, 156, 159 ff., 169 ff. Kirchengeschichte 26, 36, 69 f., 104, 107 ff., 114 ff. Klarheit der Schrift 48, 81, 91, 96 f. Kohärenz 77, 87, 95, 161 f., 168 ff. Kommunikation 20, 24, 31, 33, 60, 79 f., 82 ff., 102, 111, 131, 135, 146, 153 f. Kommunikationstheorie 20 Konfession 13, 22 f., 34, 89, 91 ff., 116, 134, 137, 158, 159, 161, 166 ff. Konsens 124, 131, 164 ff., 168 – differenzierter 164 ff. Konsensökumene 162, 164 ff., 168 Konstruktivismus 18, 32 Kritik 14 f., 17 f., 21, 28, 30, 34, 36, 38 ff., 43 f., 54, 56, 62, 72, 74, 95, 95 ff., 100 ff., 109 f., 113, 115, 121, 123, 127, 129, 133, 136 f., 140, 146, 151, 157, 163, 165 f., 169, 170 Kulturhermeneutik 30 Kulturprotestantismus 28, 31, 50, 106 Kulturwissenschaft 13 ff., 24, 27 f., 31, 86, 130 Leben 14, 16, 23, 29 f., 33, 38, 47, 58, 63, 66 ff., 97, 114 f., 119, 132 f, 138, 140, 142 ff., 147, 154, 156, 163, 167 Lebensgeschichte 23, 111, 114 f., 149, 154 Lebenswelt 23, 75, 81, 102, 121, 132, 152 Lehramt, kirchliches 23, 52, 91 ff., 101, 124 ff. Lesen 13, 18, 23, 38 f., 51, 73, 79 ff., 86 ff., 96, 98, 102 ff., 147 f. Leser 18, 33, 45, 51, 73 f., 78, 81, 83 f., 87, 92, 97, 99, 102 ff., 146 ff. Liebe 47, 58, 60, 64, 66, 69, 118, 135 f., 141 f., 157, 169 Linguistik 9, 19 f., 78, 101, 114 Literalität/ Schriftlichkeit 80, 82, 84, 96 Liturgie 94, 164, 168, 170 f.

191

192

Register Mantik 12, 27 Metapher 31, 35, 47, 64, 73, 88, 128, 160 Metaphysik 14, 16, 18 f., 28, 30, 43, 49, 50, 56, 113, 118, 123, 138, 141 Methode 12 f., 15 f., 19, 23 ff., 50, 52 f., 56, 60, 73, 75 f., 78 f., 86, 95 ff., 100 ff., 109, 116, 117 f., 120 f., 126, 128, 130, 149, 163, 165, 168 – analytische 128 ff. – hermeneutische 23 f., 44, 128 – historisch-kritische siehe Exegese Methodenlehre 16, 75 f., 78 f., 96, 163 Moral 40 f., 130 ff., 138, 140 ff., 151 Mythos 28, 53 f., 72 f., 112 f. Neues Testament 23 f., 26, 38, 44, 47, 50 f., 53, 57, 62 f., 65, 75 ff., 85, 87 ff., 93, 95, 104, 138, 170, 172 Offenbarung 15, 24 f., 27 ff., 39, 46 f., 51 f., 54, 59 ff., 70, 85 f., 90, 93, 95, 106, 109 ff., 124 ff., 133, 142, 151 ff., 157, 173 Ökumene 22, 45, 54, 69, 87, 92 ff., 98, 124, 126, 134, 159 ff. – ökumenische Bewegung 159 f., 162 f., 165 ff. Ontologie 16, 59, 68, 83, 99, 123, 160 Oralität/Mündlichkeit 13, 24, 70, 80 ff., 89, 96, 102 Phänomenologie 16, 21, 29, 56, 58, 63, 106, 132, 135, 138, 155 Pluralismus 13, 36 ff., 42 f., 78, 81, 88, 90, 93, 134, 148, 167, 172 Pneumatologie 60 f., 92, 104, 148, 161 f., 167 Postmoderne 19, 23, 36 f., 44, 113, 149, 165 Praktische Theologie 27, 30, 36, 108, 111, 144 ff. Predigt 25, 47, 62 f., 79 f., 86, 127, 140, 142, 145 ff. Produktionsästhetik 83, 104 Psychologie 73, 78, 83, 97 ff., 130, 149 f. Rechtfertigung (des Sünders) 25, 76, 79, 91, 96, 101, 104, 122 f., 126, 132, 134, 150 f., 164 f.

Rekonstruktion 35, 63, 97, 102, 107, 112 Religion 15, 25, 27 ff., 43, 46, 79 f., 110, 144, 152 ff., 169, 173 – gelebte 30, 152 f., 158 Religionshermeneutik 137, 152, 154 f., 157 Religionskritik 51 Religionspädagogik 97, 145 Religionswissenschaft 23, 31, 34, 51, 85, 110, 120, 130, 155 f., 158 Rezeptionsästhetik 14, 78, 82 f., 103 ff., 146 Rhetorik 50, 98, 138, 146 f. Schriftauslegung 9, 24 ff., 44, 52 f., 75, 79, 86, 89, 91 ff., 94 f., 97 ff. Schriftprinzip 25, 91, 93 ff., 102 f. Schriftsinn 97 ff. – mehrfacher 97 ff. Seelsorge 149 ff. Selbstverständnis 24, 27, 48, 51, 55, 78, 80, 86, 116 Semiotik 9, 20 f., 24, 31 f., 78, 83, 103, 129, 130, 132, 146, 149, 155, 169 Septuaginta 75 f., 80, 89 Sinn 11, 17 ff., 21, 23, 25, 28, 30, 55, 57, 59, 65, 68, 72 ff., 75, 81, 83, 87 f., 91, 97 f., 101 f., 117, 123 f., 126, 154, 166 f., 169, 172 f. Skepsis 15, 22, 48 f., 57, 65, 121, 172 Soteriologie 9, 33, 70, 90, 105, 122 ff., 143, 173 Spiritualität 96 ff. Sprache 9, 12, 16 ff., 25 f., 28 f., 31, 42, 45, 56 f., 59, 62 ff., 66, 69 ff., 74 f., 79 ff., 90 f., 107, 110, 113, 122 ff., 126, 128, 131 f., 142, 146 ff., 155, 168 ff. Sprachereignis 60, 62, 64 ff., 69, 71 Sprachlichkeit 16, 18, 56 f., 62, 68 Sprachspiel 17, 20, 31, 113, 118, 132, 169 ff. Story 112 ff. Subjektivität 29 f., 44, 56, 78 Subjekt-Objekt-Struktur 33 Sünde 15, 25, 27, 38, 41, 45 ff., 65, 92, 122, 137 f., 141, 168 Systematische Theologie 9, 13, 26, 30, 36, 50 f., 67, 69, 77, 110 f., 113, 120, 128 f., 132, 144 ff.

Tanach 85, 87, 89 tertitus usus legis 140 Text 13, 18 ff., 35, 44, 52 ff., 56, 63, 72 f., 76 f., 82 ff., 91 f., 98 ff., 102 ff., 115, 138, 147, 149, 161, 163 Theologie – der Befreiung 37 ff., 41 f., 96 f., 146 – biblische 26, 77, 108 – Feministische 37, 40 f., 97 – historische 13, 52, 108, 112, 120, 127 – kontextuelle 37 f., 41, 43, 93 – Narrative 108, 111 ff. – ökumenische 92, 124, 159 ff., 164 ff., 169, 172 – politische 38, 96, 115 Tiefenpsychologie 97 f., 100 ff. Typologie 85, 98 ff., 102 Übersetzen 12, 18, 81, 87, 89, 94, 124 f., 170 Unverständnis 11, 19 f., 45, 47 f., 106 Vatikanum, II. 125, 169 Verbalinspiration 104 Verfremdung 18, 45 Verstehen 11 f., 16 ff., 23 f., 27 ff., 34, 36, 43, 45, 47 ff., 59 f., 63 f., 72 f., 75, 77 ff., 92, 100 ff., 104, 124, 128, 134 ff., 149, 155, 159, 162 ff., 171 Vertrauen 29, 59, 162 Vorurteil 17 f., 20, 52 Vorverständnis 20, 48, 79, 81, 85 Wahrnehmen 30, 135 ff., 150 ff. Wirklichkeit 9, 14, 21, 23, 26 ff., 30 ff., 39, 43, 53, 55, 59, 64, 66, 69 f., 71, 73, 75, 86, 88, 100, 110, 117, 122 ff., 142 f., 145, 152, 160, 169, 173 Wissenschaftstheorie 13, 15, 35, 77, 110 Wort Gottes 54, 56 f., 61, 64, 67, 70 f., 74, 85 ff., 94 f., 108 f., 111, 125, 133, 139, 146 f., 149, 152 f., 158 Wut des Verstehens 43 ff., 47 Zeichen 11 f., 15, 27, 32, 42, 58, 74, 167, 169 f. Zukunft 52, 108, 121, 140, 154, 159