Einführung in Aristoteles' Theorie vom Seienden 9783787327478, 9783787304226

Diese knappe Einführung in die aristotelische Wissenschaft vom Seienden als Seiendem möchte den Fachstudenten der Philos

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Einführung in Aristoteles' Theorie vom Seienden
 9783787327478, 9783787304226

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Werner Marx Einführung in Aristoteles ̓ Theorie vom Seienden

FELIX MEINER VERLAG HAMBURG

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Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliogra­phi­­sche Daten sind im Internet über ‹http://portal.dnb.de› abrufbar. isbn 978-3-7873-0422-6 ISBN eBook: 978-3-7873-2747-8

© Felix Meiner Verlag GmbH, Hamburg 1972. Alle Rechte vorbehalten. Dies gilt auch für Vervielfältigungen, Übertragungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen, soweit es nicht §§  53 und 54 URG ausdrücklich gestatten. Gesamtherstellung: BoD, Norderstedt. Gedruckt auf alterungsbeständigem Werkdruck­papier, hergestellt aus 100 % chlor­frei gebleich­tem Zellstoff. Printed in Germany.  www.meiner.de

Inhalt

Vorbemerkung Einleitung

9

Erster Teil

Wissen, Wissenschaft und philosophische Theorie

15

Zweiter Teil

Die Ousiologie

30

Dritter Teil

Ontologie (Ousiologie) und Theologie

64

Ausgewählte Literatur

84

Sachverzeichnis

87

Vorbemerkung

In der heutigen Lage der Philosophie »Zwischen Tradition und anderem Anfang« 1 scheint es geboten, die Grundlegungen des traditionellen Philosophierens neu zu überdenken, damit vielleicht aus einer Rückbesinnung auf sie neue Fragen erwachsen, die zu einer anderen philosophischen »Grundlegung« führen mögen. Für ein solches Vorhaben sind weder das große Handbuch noch die Monographie geeignet, eher einige in die Sache einer jeweiligen Grundlegung hineinführende Gedankenschritte. In diesem Sinne will die vorliegende Abhandlung in diejenige philosophische Grundlegung »einführen«, die das bis zu Hegel reichende traditionelle Philosophieren maßgebend bestimmte. Sie sieht darum ihre Aufgabe nicht darin, einen überblick über deren Gesamtproblematik zu geben, noch bietet sie neue Lösungen an für die Fragen, die die zweitausend Jahre alte Aristoteles-Forschung an die schwierigen Texte gestellt hat. Sie geht vielmehr einen bestimmten Weg, der dem Philosophierenden - mag er dem Fach angehören oder nicht - die aristotelische Wissenschaft näherbringen soll, die Theorie, die das Seiende als Seiendes - on hei on - zu bestimmen versuchte. Ich möchte meiner Assistentin, der Dozentin Frau Dr. Ute Guzzoni, meinen Dank dafür aussprechen, daß sie mir dabei behilflich war, Grundgedanken zu überprüfen, von denen ich einige bereits in einer vor etwa 20 Jahren veröffentlichten Monographie zur aristotelischen »Üntologie« 2 vorgelegt hatte, und sie in die für den genannten Zweck geeignete Form zu bringen.

vgl. hierzu vom Verfasser: Vernunftund Welt- Zwischen Tradition und anderem Anfang. Den Haag 1970. a The Meaning of Aristotle's >ÜntologySeiend< wird auf vielfältige Art gesagt.« Die Mehrdeutigkeit philosophischer Grundbegriffe ist für Aristoteles nicht lediglich eine lästige und möglichst auszuschaltende Folge ungenauen Umgangs mit der Sprache, sondern eine innere Mehrfältigkeit der Sachen selbst, auf die zu achten und die zu entfalten einen wesentlichen Teil seines Philosophierens ausmacht. Dabei ist die Bedeutungsmannigfalt des on zweifellos die wichtigste. Diese sachliche Mehrdeutigkeit ist von der neueren Forschung besonders beachtet worden. 1 Wir hatten in der Einleitung den Anfang des zweiten Kapitels des Buches Gamma zitiert und kurz erörtert, wie Aristoteles von der Mannigfalt des on ausgeht und die bestimmte Weise, wie seine mannig1 Aristoteles hat eine eigene Schrift über die pollachos legomena verfaßt, in der

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nach Art eines Begriffslexikons Grundbegriffe in ihre verschiedenen Bedeutungen auseinandergelegt werden. Diese - von Aristoteles ständig revidierte Schrift lesen wir als das 5. (ß) Buch der Metaphysik (vgl. Düring: Aristoteles. Darstellung und Interpretation seines Denkens. Heidelberg 1966, S. 593). Ihre Systematik zeigt noch die alte akademische Unterscheidung von onoma und Iogos (vgl. Topik I, 15), die dann durch das aristotelische Ordnungsprinzip der pros hen-Relation (im Falle »nicht-zufälliger« Homonymie) überwunden werden wird. Zum Verhältnis des Aristoteles zur Sprache in diesem Punkt vgl. Kurt v. Fritz: Philosophie und sprachlicher Ausdruck bei Demokrit, Plato und Aristoteles. Darmstadt 1966, S. 70ff.; Specht: Über die primäre Bedeutung der Wörter bei Aristoteles. Kant-Studien 51, S. 102 ff.; H. J. Krämer: Zur geschichtlichen Stellung der aristotelischen Metaphysik. II. Zur Aristotelischen Ontologie. Kant-Studien 58, 1967, S. 337 ff., vgl. unten Anm. 3. Zu der nachfolgenden Problematik vgl. des weiteren Fr. Brentano: Von der mannigfachen Bedeutung des Seienden nach Aristoteles. Freiburg 1862, S. 85ff., 108 f.; J. Owens: The doctrine of Being in the Aristotelian Metaphysics. Toronto 1951, S. 55 ff., S. 151 ff.; F. Wagner: Zum Problem des aristotelischen Metaphysikbegriffs. In: Philosophische Rundschau, 1959, S. 129 ff.

fachen Bedeutungen alle auf »eine gewisse physis« bezogen sind, anhand zweier Beispiele erläutert: ,. ... wie alles Gesunde in bezug auf die Gesundheit gesagt wird - das eine, indem es sie schützt, anderes, indem es sie hervorbringt, anderes wiederum, indem es Anzeichen der Gesundheit ist oder indem es sie aufzunehmen vermag -, und das Medizinische in bezug auf die Heilkunst (das eine wird nämlich medizinisch genannt, weil es die Heilkunst kennt, anderes, weil es die Veranlagung zu ihr hat, anderes, weil es ihr Werk ist), ... «2 Heilkräuter, die Kunst des Arztes, eine Hautfarbe, der menschliche Leib - bei diesen Gegenständen scheint es sich um jeweils grundsätzlich Verschiedenes zu handeln. Jeder von ihnen läßt sich je für sich einer anderen Klasse von Gegenständen ein- und zuordnen; die Heilkräuter den Pflanzen, die Medizin den Wissenschaften, die Hautfarbe den Farben überhaupt und der menschliche Leib den lebenden Körpern. Jeder läßt sich durch diese Subsumtion unter ein Allgemeineres und durch die Angabe der bestimmten Weise, wie er sich von anderem, unter dasselbe Allgemeine Subsumierbarem, unterscheidet, eindeutig bestimmen, und das heißt definieren. Dabei geht Aristoteles von einem durchgängigen Zusammenhang gattungsmäßiger Allgemeinheiten aus, in den jedes bestimmte Seiende sich einordnen läßt (s. u. S. 43). Er spricht im Hinblick auf diese genos-Allgemeinheit von der synonymen Ordnung eines kath'hen, insofern die verschiedenen untergeordneten Individuen beziehungsweise Arten jeweils im Hinblick auf eines (kath'hen) als selbig anzusprechen sind. Medizin, Theologie, Mathematik sind in diesem Sinne kath'hen legomena, da ein Selbes in bezug auf jedes von ihnen ausgesagt werden kann, nämlich, daß jedes von ihnen eine Wissenschaft ist. Formal gesehen ist es gleichgültig, ob das dem Allgemeinen Untergeordnete das Individuum oder die Art ist. Jeweils handelt es sich um eine spezifische Differenzierung des übergeordneten Allgemeinen, sei dieses nun die Art gegenüber dem Individuum oder die Gattung gegenüber der Art. Formal gesehen sind hier die Verhältnisse Mensch I Sokrates und Lebewesen I Mensch dieselben. Näher liegt für Aristoteles in der Ordnung des kath'hen die Ermöglichung jener Allgemeinheit, Notwendigkeit und Eindeu:a Met. r 2, 1003a 34-b 3

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tigkeit, die die wesenhafte Auszeichnung des wissenschaftlichen Erkennens sind. Insofern scheint die gattungsmäßige Einheit eines bestimmten Seinszusammenhanges unabdingbare Voraussetzung dafür zu sein, daß dieser als Gegenstandsbereich einer bestimmten Wissenschaft gefaßt werden kann. Wenn nun Aristoteles an der zitierten Stelle von der Bedeutungsmannigfalt von »gesund« beziehungsweise »medizinisch« handelt, so hat er gleichwohl auch hier das einheitliche Gegenstandsfeld einer bestimmten Wissenschaft im Blick - gleichwohl, das heißt unbeschadet dessen, daß es sich hier gerade nicht um die Allgemeinheit eines umfassenden genos handelt. Die oben angeführten Gegenstände - Heilkräuter, Hautfarbe usw. - sind zwar gattungsmäßig voneinander unterschieden, das heißt gehören je in die Ordnung eines anderen genos, sind aber dennoch alle gesund zu nennen. Die Gesundheit ist keine gemeinsame Gattung für all jenes, von dem wir sagen können, daß es gesund sei; es gibt keine spezifischen Differenzen, mit deren Hilfe wir zu den »Arten« Heilkräuter, Medizin usw. gelangen könnten. Vielmehr ist jedes von ihnen in einer grundsätzlich verschiedenen, das heißt eben nicht durch das Hineingehören in ein Gefüge von größerer oder geringerer Allgemeinheit vermittelten Weise gesund zu nennen. Jedes von ihnen steht in einem je unterschiedlichen unmittelbaren Bezug zu gesund oder Gesundheit. Dementsprechend spricht Aristoteles hier von einer pros hen-Mannigfalt, die allein auf Grund des jeweiligen Bezugs auf ein selbes Eines als eine gewisse Einheit gefaßt werden kann. 3 3 H.

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J. Krämer

(a. a. 0., s. o. Anm. 1) hat, die historisch orientierten Anstöße der Gegenwartsforschung vertiefend, die Vorgeschichte dieser für die aristotelische Philosophie so wichtigen Ordnungsrelation der »pros hen legomena« genauer untersucht. Er kommt zu dem Ergebnis, daß gerade auch diese Strukrur, die man im Hinblick auf die platonische Ideenlehre als für Aristoteles eigenrumlieh anzusehen geneigt ist, problemgeschichtlich durchaus noch in der Kontinuität der Enrwicklung der akademischen Metaphysik steht - wie überhaupt das Aristotelische nach der neueren Forschung »weit stärker als vermutet« sich durch die Herkunft aus der gemeinakademischen Doktrin bestimmt zeigt (S. 353 und Anm. 134, 135; für den Zusammenhang von Metaphysik und Theologie bei Aristoteles vgl. u. Teil 3). Man wird mit Krämer davon ausgehen dürfen, daß sich in der pros hen-Relation ein immanentes, koordinierendes Gliederungs- und Ordnungsprinzip manifestiert, das in Konkurrenz zu einem generalisierenden, subordinierenden Prinzip steht, wie es in der platonischen Ideenlehre vorliegt. Die Priorität eines Einzelnen, in dem sich das Ganze repräsentiert, tritt darin an die Stelle des genos im Gatrungsgefüge: So

Dieses selbe Eine aber ist nun für Aristoteles nicht eine irgendwie übergeordnete Allgemeinheit, sondern - und das ist das Entscheidende - selbst eine der mannigfaltigen Bedeutungen. Alles Gesunde ist in irgendeiner, aber je verschiedenen Weise auf den bestimmten Leibzustand, der das Prädikat gesund verdient, bezogen, alles Medizinische auf die medizinische Wissenschaft. Garant der Einheitlichkeit des Gegenstandsbereichs ist hier also jeweils eine ausgezeichnete Bedeutung, wobei der je unterschiedliche Bezug auf diese ausgezeichnete Bedeutung den jeweiligen Sinn aller anderen Bedeutungen darstellt. So ist das Gesunde an einem Heilkraut sein spezifisches Verhältnis zum gesunden Leibzustand, daß es nämlich diesem förderlich beziehungsweise imstande ist, ihn hervorzubringen oder zu bewahren. Die eine Bedeutung hat somit in bezug auf die anderen den würde innerhalb der onta die hervorgehobene (»erste«) Kategorie der ousia gleichsam die Funktion einer Gattung übernehmen. Die Emanzipation vom generalisierenden Prinzip, die sich in der aristotelischen pros hen-Relation manifestiert, verweist indes, wie Aristoteles selbst zu erkennen gibt, auf jenen Vorgang der Ersetzung des Gattungsgefüges durch proteron-hysteron-Stufenfolgen in der akademischen Metaphysik. Der akademischen Stufentheorie zufolge, wie aus den aristotelischen Referaten Nik. Eth. A 4, 1096 a 17 ff. (weitere Belege bei Krämer, S. 342, Anm. 98) am Beispiel der quantifizierenden (mathematisierenden) Dimensionenfolgen (Zahl-Linie-Fläche-Körper) sichtbar wird, bezeichnet dabei die Abfolge des proteron-hysteron die Abfolge der Glieder einer Reihe, die vom Einfacheren, Unbestimmteren, dem »Element« (stoicheion) zum Zusammengesetzten, Komplexen, Abgeleiteten fortschreitet. »Allgemeinheit« oder besser das Äquivalent von Allgemeinheit (wenn dieser Begriff für das Abstraktive des genus reserviert sein soll) bestimmt sich in dieser »elementarischen Ontologie« als die Vorgängigkeit (proteron) und Vorrangigkeit (dem Sein und der Erkenntnis nach) des Einfachen als eines Teils innerhalb der Reihe, »das dem Komplexen als immanentes Prinzip konstituierend einwohnt (enhyparchei)« (a. a. 0., S. 352). An diese Lehre, die Platon selber in seinen mündlichen Vorträgen über das Gute entwickelt hat, knüpft nach Krämer Aristoteles in seiner an der Kritik der Ideenlehre gewonnenen Gegenposition an. Sie übernimmt daraus unter Aufgabe des quantifizierenden Momentes den Grundgedanken der Immanenz der ontologischen Ordnung, wonach es kein Allgemeines neben dem Einzelnen gibt, und bildet ihn in Anlehnung an die Gerichtetheit der Reihenstruktur zu jener pros hen-Relation um, die die Einheit der Seinswissenschaft gerade in der Wendung zum kath'hekaston gewährleistet. Die aristotelische Gegenposition ist daher nicht primär als die Abweichung von der akademischen Philosophie schlechthin zu verstehen, sondern vielmehr zunächst als die Option für eine der beiden Weisen des Philosophierens innerhalb der Alteren Akademie, die als elementarisierende und generalisierende Denkform miteinander konkurrieren. Die aristotelische Ontologie erscheint dabei in der Entwicklung der akademischen Doktrin als die »letzte Konsequenz und das abschließende Resultat einer elementarisierenden Reorganisation des Gattungsgefüges« (a. a. 0., S. 353).

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Charakter eines bestimmenden Faktors. Sie ist es, die ihnen ihre je eigene Bedeutung gibt. Die Gesundheit ist der bestimmende Faktor oder der Grund dafür, daß diese Hautfarbe eine gesunde Hautfarbe, diese Pflanze eine Heilpflanze ist. Auf Grund der durch diesen bestimmenden Faktor gewährleisteten Einheitlichkeit kann es darum auch im Falle von pros henMannigfaltigkeiten eine einzige und festumrissene Wissenschaft geben, und es ist somit auch nicht zufällig, daß die von Aristoteles als Beispiel gewählten Bedeutungsmannigfaltigkeiten beide eine bestimmte Wissenschaft, nämlich die Medizin, betreffen. Die Einheitlichkeit des jeweiligen Wissenschaftsgebietes erhält ihre innere Ordnung durch die Rück.bezüglichkeit aller einzelnen Bedeutungen auf eine, die maßgebliche unter ihnen. Auch von »seiend« sprechen wir in unterschiedlichen Bedeutungen. Wenn wir von etwas sagen, »es ist ... «, so kann damit eine bestimmte Größe, Lage, Qualität, ein Zustand, ein Verhältnis oder manches andere impliziert sein. Aber auch hier gibt es eine Bedeutung, auf die alle anderen zu beziehen sind. Durch den je verschiedenen Bezug auf diese eine ergeben sich die verschiedenen Weisen, wie etwas >>seiend« sein kann, und das heißt auch, wie wir von ihm sagen können, >>es ist ... «.Jene anfängliche Bedeutung sieht Aristoteles in der ousia, das heißt in demjenigen Sinn von »seiend«, wonach es ein Selbständiges, Fürsichbestehendes ist - also etwa der Sinn von >>ist«, der in der Aussage >>dies ist ein Haus« liegt. So kann von etwas Großem nur darum gesagt werden, daß es groß ist, weil sein Großsein sich auf etwas, das groß ist, bezieht, auf ein selbständig Seiendes, von dem Größe - oder Qualität oder ein bestimmtes Verhältnis usw. - ausgesagt werden kann, das heißt auf eine ousia. Die ousia spielt somit im Bezugsganzen der Bedeutungsmannigfalt von on die entsprechende Rolle, die vorher der Gesundheit des Leibes und der medizinischen Wissenschaft zukam. Die verschiedenen Weisen oder Sinne von »seiend« - mit Aristoteles gesprochen: die verschiedenen Kategorien4 - sind auf eine unter ihnen, eben auf die ousia als erste und maßgebliche bezogen. Von ' Genauer finden sich bei Aristoteles zwei Einteilungen des >>seiend«. Das on ist zum einen und vor allem ein vierfältiges, es kann in der Weise des on kata symbebekos, des on hos alethes e pseudos, der schemata tes kategodas und des dynamei oder energeiaiongesagt werden (Met. E 2, 1026 a 33ff.) Zum anderen

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ihr hängen sie ab, und durch sie erhalten sie ihre Bedeutung. 5 Gerade daher rührt die eigene Erstlichkeit der ousia, daß »Von den anderen Kategorien keine selbständig existiert, nur sie allein«. 6 Nur sie hat darum auch den Sinn des »einfach und schlechthin seiend« (haplos on), während die anderen lediglich »irgendwie« (pos), das heißt vermittelt durch ihre Abhängigkeit von der ousia, seiend genannt werden können. Die unselbständigen Kategorien hängen in ihrem Sinne von der ousia ab, insofern dieser Sinn von ihr her bestimmt wird: dieousia ist der bestimmende Faktor innerhalb der Bedeutungsmannigfalt des on. Aristoteles kann sie darum auch als »Grund«, arche, bezeichnen: »So wird auch das on vielfältig gesagt, jeweils aber [ist jede seiner Bedeutungen] bezogen auf einen Grund.« 7 Die ousia ist in dem Sinne Grund, daß sie den übrigen Kategorien ihren je eigenen Seinssinn verleiht. Als solcher Grund wird die ousia »das Erste« genannt; 8 sie ist das Erste sowohl dem Iogos (dem Begriff) wie der gnosis (dem Erkennen) wie dem chronos (der Zeit) nach.D Die Bedeutung von »seiend«, wonach es als ousia zu fassen ist, besagt, so sahen wir, das selbständige Fürsichbestehen, dasjenige also, was in der Tradition den Namen »Substanz« erhielt. Diese Substanz ist der bestimmende Faktor in der Bedeutungsmannigfalt der Weisen des Seiendseins. Sie ist aber zugleich auch das Bestimmende in jedem einzelnen Seienden, in den einzelnen Substanzen. Sie bestimmt die Weise, wie alles, was als ein selbständig Seiendes ist, ist. Diese bestimmend-konstituierende Funktion kommt der ousia allerdings nicht als einem transzendenten Prinzip zu. Will man diese moderne Begrifflichkeit überhaupt verwenden, so würde gelten, daß es sich bei der aristotelischen ousia um so etwas wie ein immanentes Organisationsist mit der einen dieser Weisen die genannte pros hen-Mannigfalt gemeint: Das kategoriale on weist 10 verschiedene Bedeutungsweisen auf, von denen die ousia die erste und maßgebliche ist. Um diese letztere Mannigfalt ist es in unserem Zusammenhang vornehmlich zu tun. Ii Met. r 2, 1003 b 16 f .... t~ o?i '\"cX &Ma. 'l]p'l"7)'1"CXL, xcx! IH' & AEYOV'l"CXL. 6 Met. z 1, 1028 a 33 f. '\"WV 1-lev ycltp &Mwv XCX'l"7)YOP"t)IJ.CXTWV oö&ev xwpLCIT6v, CXÖ'\"7) 8e !J.6V"t). 7 Met. r 2, 1003 b 5 f. oö-rw 8e xcx! '\"0 liv AEYE:'l"CXL T'WAACXXWt:.!Lev (J.).).' &:rccxv npoc; !J.la.v &.pxfJv. 8 vgl. ebd., b 16 ff. 9 Met. z 1, 1028 a 32 f .... ij oöa(cx npw-rov, xcx! A6y xa.! yvwae:t xcx! xp6v.

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prinzip handelt. Substanz in diesem Sinne - wir sprechen hier vielleicht besser von »Substantialität« oder »Wesenheit« wohnt als Grundverfassung jedem Besonderen inne, indem sie es als eine ousia sein läßt. »Sein>ewige« Wesen im konkreten Sein, dem vergänglichen synholon, vorliegt. Für das abendländische Denken war es von besonderer Bedeutung, daß Aristoteles eine Synthese von Sein und Werden für den Bereich zu denken suchte, der von Vergänglichkeit beherrscht ist, für den Bereich der irdisch seienden synhola. Es gehört zu den großen denkerischen Taten der Philosophiegeschichte, daß Aristoteles das bewegte, vergängliche Seiende, das on gignomenon, nicht - wie Platon - als Nichtseiendes, als me on, bestimmte, sondern daß er »in« ihm etwas Unvergängliches erschaute und dadurch das vergängliche Einzelne in die ewige Seinswirklichkeit einer gleichwohl bewegten Ordnung »hinübergerettet« hat. Das eidoskommt weder, noch vergeht es; es ist nicht dem Entstehen, der genesis, und dem V ergehen, der phthora, unterworfen36 - wie dagegen das Seiende, dessen eidos es ist. 37 Die Anschon darin aus, daß für gewöhnlich der Name einer Sache mit dem Namen ihrer Form zusammenfällt, vgl. Met. H 3, 1043 a 29 ff. 34 Met.~ 18, 1022 a 17 f. TO IJ.EV oi'.iv 7tpC:m:ilc; :Ae:y61J.EVOV xcx.&' 8 TO e:!86c; ~aTLV, 8e:uTepwc; 8e 7j ÖAl] bctiaTOU ••• 35 Hierin liegt eine Konsequenz, die problemgeschichtlich entscheidend wurde: Gibt es keinen Wandel des Wesens, so kann es auch kein wirklich Neues, nie Dagewesenes geben. Diese Wesensfolge des Grundzugs der Selbigkeit und Ewigkeit der ousia hat die nachfolgende Philosophie bestimmt und sie in große Schwierigkeiten verstrickt, wenn die Ankunft von Neuern erklärt werden sollte; sie hat alle Ansätze »geschichtlichen« oder »epochalen« Denkens in Widersprüche versetzt, sie hat gewisse Ergebnisse der Naturwissenschaften, etwa die Einsichten in die Entstehung »neuer Arten« und Mutationen ungeklärt gelassen, und sie hat das Geheimnis des Kunstwerks, das radikal Neues schafft, immer wieder dem philosophierenden Zugang versperrt. 38 Met. A 3, 1070 a 15; vgl. auch Met. Z 8, 1033 b 5-19; H 3, 1043 b 17; 010, 1051 b 29 f.;A3, 1069 b 35 ff. 37 Es muß angemerkt werden, daß trotz der Selbigkeit und Ewigkeit der ousia für Aristoteles das Problem einer Entstehung des Wesens qua synholon (genesis haplos) bestand. Für ihn lag in dem Ins-Sein- oder Ins-Wesen-Treten eines Men-

wc;

nahme wäre absurd, daß der Künstler, der etwa eine Bronzekugel herstellt, auch allererst die Form des Runden selbst erzeugt; denn das würde bedeuten, daß der Prozeß der Herstellung niemals an ein Ende gelangen würde, da die Form wiederum aus anderem, dieses aus weiterem erzeugt werden müßte usf. So ist zum Beispiel auch das Wesen »Haus« - nach Aristoteles ungeworden und unvergänglich. Wird ein Haus gebaut, so bedeutet dies kein Entstehen des eidos Haus, vielmehr wird lediglich die in der »Seele« des Baumeisters schon vorhandene Ansicht und Form, die ein Haus zu einem solchen macht, den Baumaterialien eingeprägt. »Ein Haus entsteht immer nur aus einem Haus, Gesundheit immer nur aus Gesundheit« oder allgemein »ein Gleichnamiges aus einem Gleichnamigen«.ss In der Physik 39 hat Aristoteles in seiner Abhandlung über das Wesen der Zeit die Ewigkeit der onta, das immerwährend Seiende, von der Region der »In-der-Zeit-Seienden« getrennt; die ewigen Seienden sind nicht »VOn der Zeit umfaßt«, und ihr Sein ist nicht »von der Zeit gemessen«. 40 Der Sinn der Ewigkeit bestimmt sich für die ousia daraus, »nicht-zeitlich« oder »außerzeitlich« zu sein. Die ousia als eidos unterliegt weder der zerstörenden Macht der Zeit, noch ist sie durch die Zahl einer nur räumlichen Bewegung meßbar, 41 sie ist insbesondere nicht vom Jetzt, der Gegenwart her, aufzufassen. Im Bereich der natürlichen Seienden sieht Aristoteles die Unvergänglichkeit des eidos dadurch gewährleistet, daß durch die Kette der Erzeugungen und Geburten das Wesen »Mensch« jenseits allen Werdens und Vergehens bleibt, obwohl der einzelne Mensch in seine Materie kommt und vergeht, geboren wird und stirbt. Wie das eidos eines sehen, eines Tieres, eines Dinges oder eines Kunstwerks das eigentliche Problem der genesis. In diesem Geschehen greifen das eidos, das Wohin der Bewegung, und dessen privative Form, die steresis, das Woher der Bewegung, ineinander. Diese aufeinander bezogenen Bestimmungen strukturieren zusammen mit dem Zugrundeliegenden (dem hypokeimenon) den Prozeß der genesis (vgl. Phys. A 5-7), so daß das aristotelische Ideal einer sich durchhaltenden wenn auch bewegten - Ordnung durch die Möglichkeit einer solchen» Wandlung« in keiner Weise gefährdet wird. 38 vgl. Met. Z 9, 1034 a 21 ff. 39 Phys. !:J. 10,217 b 29 ff. 40 Phys. !:J. 12, 221 b 3-7 41 Bekanntlich ist dies die aristotelische Definition der Zeit; vgl. Phys.!:J. 11, 219b 1 f. 't'OU't'O ycip t