Eine Karriere im Krieg: Graf Adam von Schwarzenberg und die kurbrandenburgische Politik von 1619 bis 1641 [1 ed.] 9783428511778, 9783428111770

Der katholische Reichsgraf Adam von Schwarzenberg war die einflußreichste Persönlichkeit unter den Beratern des calvinis

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Eine Karriere im Krieg: Graf Adam von Schwarzenberg und die kurbrandenburgische Politik von 1619 bis 1641 [1 ed.]
 9783428511778, 9783428111770

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ULRICH KOBER

Eine Karriere im Krieg

Quellen und Forschungen zur Brandenburgischen und Preußischen Geschichte Herausgegeben im Auftrag der Preußischen Historischen Kommission, Berlin von Prof. Dr. Johannes Kunisch und Prof. Dr. Wolfgang Neugebauer

Band 24

Eine Karriere im Krieg Graf Adam von Schwarzenberg und die kurbrandenburgische Politik von 1619 bis 1641

Von U1rich Kober

Duncker & Humblot . Berlin

Die Philosophische Fakultät der Universität zu Köln hat diese Arbeit im Jahre 2001 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Infonnation Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über < http://dnb.ddb.de > abrutbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2004 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Gennany ISSN 0943-8629 ISBN 3-428-1l177-X Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 @ Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 200 1/ 2002 von der Philosophischen Fakultät der Universität zu Köln als Dissertation angenommen; die mündliche Doktorprüfung fand im Januar 2002 statt. Die Arbeit wurde für den Druck geringfügig überarbeitet. Mein Dank gilt meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Johannes Kunisch, der in Kenntnis meiner Interessen diese Studie angeregt und begleitet hat. Daß er mir genügend Vertrauen entgegenbrachte, um mich der Studien stiftung des deutschen Volkes für ein Promotionsstipendium vorzuschlagen, trug zum Gelingen der Forschungsarbeit wesentlich bei. Danken möchte ich deshalb an dieser Stelle auch der Studienstiftung, die durch Bewilligung des Stipendiums die nötige materielle Sicherheit und akademische Freiheit gewährleistete, wie sie gerade für aufwendige Archivrecherchen unabdingbar sind. Das Korreferat übernahm Herr Prof. Dr. Harm Klueting; auch ihm spreche ich dafür und für daraus resultierende Hinweise meinen Dank aus. Bedanken möchte ich mich auch bei all den Archiven, deren Bestände ich nutzen durfte und auf deren Hilfe ich angewiesen war. Stellvertretend für alle anderen sei hier das Geheime Staats archiv Preußischer Kulturbesitz in Berlin genannt, das bei ohnehin hoher Benutzerfrequenz anderthalb Jahre lang meine umfangreichen Bestellungen zu bearbeiten hatte. Mein Dank gilt außerdem den Herren Dr. Michael Kaiser und Dr. Andreas Pecar, die penibel Korrektur gelesen und die Arbeit mit kritischen Anmerkungen versehen haben. Wo ich den Verbesserungsvorschlägen gefolgt bin, ist dies allemal der Arbeit zugute gekommen; alle Fehler und Schwächen sind jedoch, wie sollte es anders sein, mir anzulasten. Die Veröffentlichung der Dissertation wurde von Fürst Karl von Schwarzenberg mit einem stattlichen Druckkostenzuschuß gefördert, wofür ich auch ihm deshalb an dieser Stelle meinen verbindlichen Dank aussprechen möchte. Marburg, im September 2003

Ulrich Kober

Inhaltsverzeichnis Einleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

13

1. Schwarzenberg und Kurbrandenburg - die Fragestellung ..... . . . . ......... ...

13

2. Forschungen und Quellen . .. .. .... . ..... . ... .. .......... .. . . .. . . . . ..... .. .. ..

17

I. Grundlagen kurbrandenburgischer Politik zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges... .. .. .. ..... . . . . . ... ..... . ... ... .. ... . . . .. .. ... ... . . . . . .... . . .. . .. .....

25

1. Regent und Regierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

25

2. Dynastie und Erbschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

39

3. Konfession und Staatsraison . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

49

4. Kurbrandenburg und das Reich . .. ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

54

5. Land, Stände und Steuern .............. . .. . . . .. .. . . . . ... ..... ... . .. . . .. .. . ...

61

6. Graf Adam von Schwarzenberg .. .. .. .. ..... . .... .. ..... ... .... . .. ... . . ... . ..

68

. 11. Der schwierige Anfang (1619 -1624) . . .... ... ... . .. ... . .. .. . . ...... ... . . ......

82

1. Die Sicherung der Außenbesitzungen: Krisenmanagement in Ost und West . ..

82

a) Die Nachfolge in Preußen .............. ... ....... ...... .. .. .... .. ..... . . . .

82

b) Die niederrheinische Frage ... .. ....... .... .. .... .. ..... ... ... . ... .. . .. . ...

92

2. Moderates Desengagement und Distanz - Kurbrandenburg im Reich ... ...... 104 a) Der böhmische Krieg . . .. . ......... .... .. ... . ... ........... .. ........ . . . . .. 104 b) Entfernung vom Reich - Nähe zum Reich: Regensburg 1623 . ... .. . .. . .... 109 c) Annäherung an Kursachsen ? ........ . ....... ... ... .. ...... . .... . ..... . . .. . 114 3. Politik der Schwäche - Die Kurrnark ..... ..... ..... ..... . .. . . .... .. .. . ... .. .. 126

m.

Der Kampf um den Kurs (1624 -1627) . .. .. .. ... .. ... .. . .. ... . .... .... . . . ... .. 132 1. Die niederrheinischen Probleme und der Kampf um den Kurs ....... .. . .... . . 132 2. Kurbrandenburg und die antihabsburgischen Bündnispläne ... ... ... . .... .. . . . 142 a) Englisch-französische Fühlungnahme und Cöllner Reaktionen ..... . .. . ... . 142

8

Inhaltsverzeichnis b) Mißerfolge der kurbrandenburgischen Diplomatie im Reich und in Europa 1625 ...................................................................... 149 c) Die Verbindung zu Bethlen Gabor - Schwarzenberg als Brautführer....... 155 . 3. Der Umschwung - Die Politik Schwarzenbergs . . .. .. . . . . .. . . . .. . . . . . . . .. . . . .. 160 a) Das alle churfursten einig weren - die Anlehnung an Kaiser und Kursachsen ........................................................................ 160 b) Moderate Stellungnahme gegen Schweden unter Schwarzenberg .......... 171 c) Schwarzenbergs Schlag gegen den Geheimen Rat ......................... 174 4. Die Stände und ihr Einfluß auf die Politik ......... . .......................... 181 IV. Schwarzenbergs Niederlagen (1627 -1630) ................................... 188 1. Der Kurfürstentag zu Mühlhausen 1627 - Enttäuschung durch das Kurkolleg

188

2. Enttäuschung durch den Kaiser .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 a) Schwarzenbergs Mission nach Wien 1628 ............... . . . . . ............. 198 b) Schwarzenberg und des Kaisers General ................................... 209 c) Das Restitutionsedikt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 217 3. Achtverfahren und Sequester - Sorgen am Niederrhein ....................... 221 4. Regensburg 1630 ........................................... . . . ............... 229 a) Die Lage Georg Wilhelms 1630 ........................................... 229 b) Der Kurfürstentag ........................ . ................................ 234

V. Der Herr Meister, Graf Adam von Schwarzenberg, um 1630 - ein adeliger Aufsteiger im Dreißigjährigen Krieg.......................................... 247 VI. Vom schwedischen Krieg zum Prager Frieden (1630 -1635) . . . . . . . . . . . . . . . . .. 271 1. Die ungeliebte Partnerschaft - im Verbund mit Schweden .................... 271 a) Letzte Ausweichmanöver ...................................... . ..... . .... 271 b) Das Abkommen mit Gustav Adolf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 281 2. Schwarzenberg im Exil. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 288 3. Kurbrandenburg zwischen Schweden, Frankreich und Kursachsen ............ 293 a) Das Verhältnis zur Politik Oxenstiemas und die Rückkehr Schwarzenbergs

293

b) Kurbrandenburg als Objekt französischer Diplomatie...................... 304 c) Kurbrandenburg und Kursachsen: Gemeinsam oder getrennt? . . . . . . . . . . . . .. 311

Inhaltsverzeichnis

9

4. Schwarzenberg und der Friede von 1635 ..................................... 319 a) Die Reaktion auf die Pimaer Notein ....................................... 319 b) Schwarzenberg und der Prager Friede ..................................... 334

Vll. Schwarzenbergs Politik nach dem Prager Frieden (1635 -1641) ............. 343 1. Die ungelösten Probleme ..................................................... 343

a) Verhandlungen mit Schweden 1635 ....................................... 343 b) Der Regensburger Kurfürstentag 1636/37 - Schwarzenbergs letzter Auftritt auf reichspolitischem Parkett. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 348 2. Schwarzenberg als Statthalter in der Kurmark - die Wendung zur "Innenpolitik" ......................................................................... 358 a) Geheimer und Kriegsrat ................................................... 358 b) Die Armierung Kurbrandenburgs .......................................... 363 c) Die "Kriegsfinanzierung" in der Kurmark und das Ende der Ära Schwarzenberg ................................................................... 380 VIII. Schwarzenberg - ein Resümee ................................................. 389 Quellen- und Literaturverzeichnis ................................................... 399

Ungedruckte Quellen ................ . .......................................... 399 Gedruckte Quellen ...... . . . .......... . ........ . . . ........ . . . .......... . ......... 402 Literatur ....... . ..................... . .......... . ..................... . ......... 405 Personen-, Sach- und Ortsregister ................................................... 422

Abkürzungsverzeichnis ADB

Allgemeine deutsche Biographie

AOSB Ausf.

Axel Oxenstiernas Scrifter och Brevväxling Ausfertigung

BA

Briefe und Akten Bayerisches Hauptstaatsarchiv

BayHStA BLHA BPH

Brandenburgisches Landeshauptarchiv Brandenburg-Preußisches Hausarchiv Churfürstliche Durchlaucht

CD CP E.C.D.

Correspondance Politique Eure Churfürstliche Durchlaucht

E.F.D.

Eure Fürstliche Durchlaucht

EM FA

Etatministerium Farnilienarchiv

FBPG Fn. fo!.

Forschungen zur Brandenburgischen und Preußischen Geschichte Fußnote folio

FS

Festschrift Geheimer Rat Geheimes Staatsarchiv Preussischer Kulturbesitz

GR GStAPK HA Hg. /hg.

Hauptabteilung

Hs. l.C.D.

Handschrift Ihre Churfürstliche Durchlaucht Ihre Churfürstliche Gnaden

l.c.G. l.K.M. l.K.w. Jb. Kap. Kon. Konz. Kop. Loc.

MAE

Herausgeber / herausgegeben

Ihre Kaiserliche Majestät Ihre Königliche Würden Jahrbuch Kapitel Koniglich / Königlich Konzept Kopie Locat

MIÖG

Ministere des Affaires Etrangeres Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung

NDB

Neue deutsche Biographie

NF

Neue Folge

Abkürzungsverzeichnis

NI

Nachlaß

NRWHStA

Nordrhein-westfalisches Hauptstaatsarchiv

o.D.

ohne Datum

0.0. pp

ohne Ort Past and Present

PR

Protokolle und Relationen

Pr.Br

Provinz Brandenburg

RAS

Rodinny archiv Schwarzenbersky (=Familienarchiv Schwarzenberg)

Rep.

Repositur

R.K.M.

Römisch-kaiserliche Majestät

RT

Reichstaler

SächsHStA

Sächsisches Hauptstaatsarchiv

S.C.D.

Seine Churfürstliche Durchlaucht Seine Fürstliche Gnaden

S.F.G. S.K.M. StA

Seine Kaiserliche Majestät

UA

Urkunden und Acten

Staatsarchiv I Statni archiv

unfol.

unfoliiert

HZ

Historische Zeitschrift Zeitschrift für Historische Forschung

ZHF Zs.

Zeitschrift

11

Einleitung 1. Schwarzenberg und Kurbrandenburg -

die Fragestellung

Das konfessionelle Zeitalter, das des Dreißigjährigen Krieges zumal, war, so sollte man meinen, ein Zeitalter klarer Frontstellungen: hie Katholiken, dort Protestanten. Und mochte auch das Schaffen klarer und einheitlicher konfessioneller Verhältnisse gemäß dem cuius-regio-Prinzip in den einzelnen Territorien des Heiligen Römischen Reiches mitunter auf Schwierigkeiten stoßen, so galt doch Eines nahezu überall: Wer sich in der Nähe des Fürsten aufhielt, wer auf eine Karriere bei Hofe aus war, wer gar zum Beraterstab des Regenten stoßen wollte, der mußte dessen Konfession angehören, ganz gleich, welche das nun war. Um so erstaunlicher die Ausnahme: daß einer der engsten Berater und Vertrauten eines protestantischen Kurfürsten, eines calvinistischen dazu, ein katholischer Reichsgraf war. Daß dieser Graf Adam von Schwarzenberg dem brandenburgischen Kurfürsten Georg Wilhelm während dessen gesamter Regierungszeit als Geheimer Rat, ja als Direktor des Geheimen Rates zur Seite stand und während bestimmter Perioden die brandenburgisch-preußische Politik nahezu dominierte, muß erstaunen und zur Nachfrage anregen. Wer war dieser Schwarzenberg? Auf was für Voraussetzungen traf er am kurfürstlichen Hof? Was waren seine eigenen politischen Vorstellungen, wie setzte er sie durch? Welchen Einfluß besaß er zu unterschiedlichen Zeiten beim Kurfürsten, im Geheimen Rat, in den Ländern des Hohenzollern selber, auf welche Reaktionen traf er? Es sind das keine unwichtigen Fragen, die nur die Person Schwarzenbergs als solche beträfen, denn Berater dieses Kurfürsten zu sein, hieß, sich mit großer Politik abzugeben in einer Zeit, in der alles in Bewegung war und in der das hohenzollernsche Territorienkonglomerat sich existentiellen Herausforderungen gegenüber sah; hieß im Falle Schwarzenbergs, quer durch ganz Europa zu reisen, von Königsberg, von Warschau nach Den Haag, von Frederiksborg nach Wien und nach Siebenbürgen - ganz in der Art, wie es sein Vetter Georg Ludwig im Dienste des Kaisers tat -, um dort überall die Interessen seines Herrn wahrzunehmen. So geht es denn auch in dieser Studie nicht um Biographisches allein; sich mit Adam von Schwarzenberg zu befassen bedeutet, sich mit den unterschiedlichsten Aspekten der kurbrandenburgischen Politik jener Zeit zu beschäftigen: mit der Politik nach außen, dem Kaiser, dem Reich und den großen Mächten gegenüber, mit der Politik nach innen, den Ständen gegenüber, mit den Institutionen wie dem Geheimen Rat und mit den militärischen Verwicklungen und Zurüstungen, in die

14

Einleitung

während des Krieges Kurbrandenburg aktiv oder passiv involviert war. Persönlichkeit und Politik des Grafen werden überhaupt nur dann faßbar, wenn der Hintergrund, oder besser: der Kontext seines Wirkens genügend ausgeleuchtet wird, und so versteht sich diese Arbeit durchaus als ein Beitrag zur Geschichte der kurbrandenburgischen Politik im Dreißigjährigen Krieg und zur Geschichte des kurbrandenburgischen Staates vor dem Großen Kurfürsten. Graf Adam von Schwarzenberg befindet sich im Schnittpunkt verschiedener Perspektiven, und anhand des biographischen Fadens über die Bedingungen, Möglichkeiten, Entscheidungen und Konsequenzen kurbrandenburgischer Politik Aufschluß zu gewinnen, scheint ein lohnendes Vorhaben. l Ziel der Untersuchung ist also nicht, Schwarzenberg als Person oder gar als Menschen zu erforschen, was ohnehin aus verschiedenen historischen wie auch quellenkritischen Gründen ein aussichts- und wohl auch sinnloses Unternehmen wäre. Ziel ist vielmehr, Schwarzenberg als Amtsträger in seiner Funktion am kurfürstlichen Hof, in der kurfürstlichen Politik genauer zu betrachten; seine Position mit derjenigen seiner Kollegen im Geheimen Rat und mit der des Kurfürsten selbst zu vergleichen und so Aufschluß zu gewinnen über politische Motive, Zwänge und Handlungsspielräume der Hohenzollern in "innen-" und "außenpolitischer" Hinsicht. Gelänge es also, außer dem Weg eines adeligen Aufsteigers, wie es deren in diesem Krieg so manche gab, den Weg des hohenzollernschen Staatswesens durch die ersten zwanzig Jahre des großen Konflikts nachzuzeichnen und damit einhergehend Einsichten in die Lernerfahrungen und in die Ausgangsbedingungen des späteren Brandenburg-Preußen zu gewinnen, so wäre das Ziel dieser Studie erreicht. Und gerade dies letztere scheint wesentlich: man muß die existentielle Bedrohung des gerade erst werdenden kurbrandenburgischen Staates und die weitgespannten Ambitionen der hohenzollernschen Dynastie kennen und nachvollziehen, um zu verstehen, wie diese Dynastie aus dem Bewußtsein ihrer politischen Schwäche heraus sich, man möchte beinahe sagen: wider Willen, zur Stärke förmlich gezwungen sah. Denn wäre es nach Georg Wilhelms Willen gegangen, so hätte dieser für seine Lande so ruinöse Krieg an allen Enden Europas niemals stattgefunden; ihm hätte es genügt, unbehelligt im sicheren Besitz der Kurmark zu leben und von dort aus die Interessen seiner Dynastie in Preußen und am Niederrhein, in Schlesien und Norddeutschland wahrzunehmen, ohne sich allerdings auf allzu gefährliche Unternehmungen einlassen zu müssen. Das war ihm nicht vergönnt, denn gerade weil die hohenzollernschen Ambitionen so weit gespannt und auch so hoch waren, mußte die Dynastie zwangsläufig in die verschiedenen Konflikte des ZeitI Über den Typus von Biographien "jene[r] Ratgeber [ ... ], deren Klugheit die Politik dieses und jenes Königs, Kurfürsten, Markgrafen ihre Stringenz verdankt, jene Diplomaten, die, gewissermaßen im Aussendienst und unter oft beschwerlichen Lebensumständen [ ... ] die Interessen ihres Territoriums zu verfechten hatten", vgl. mit einem lebhaften Plädoyer für die Berechtigung bzw. Notwendigkeit solcher Studien Gotthard, Axel: Benjamin Bouwinghausen. Wie bekommen wir die "Männer im zweiten Glied" in den Griff ?, in: Altrichter, Helmut (Hg.): Persönlichkeit und Geschichte (Erlanger Studien zur Geschichte, 3), Erlangen/ Jena 1997, 69-103, das Zitat 70.

1. Schwarzen berg und Kurbrandenburg - die Fragestellung

15

alters - die schwedisch-polnische, die niederländisch-spanische, die habsburgischbourbonische Konkurrenz, die konfessionellen wie kaiserlich-reichsständischen Auseinandersetzungen im Reich - involviert werden. Kurbrandenburg trat in den Dreißigjährigen Krieg von einer Position der Schwäche aus ein, und deren Folgen sollten bald deutlich werden. Weder konnte man die Ansprüche der eigenen politischen Ziele kräftig vertreten, noch wurden sie von anderen, Mächtigeren geachtet. Die zwanziger Jahre des siebzehnten Jahrhunderts sahen die verzweifelten Bemühungen des Kurfürsten und seiner Berater, das Staatsschifflein durch die Unbilden der Zeit zu steuern, und sie sahen zugleich die zunehmende Erfolglosigkeit dieser Anstrengungen; die zeitweise überaus mächtige Position des Favoriten Schwarzenberg verdankt sich nicht zuletzt dieser Krise, die beim Kurfürsten das Bedürfnis nach einem "starken Mann" erwachen ließ - ob der mit seiner Politik Erfolg hatte oder haben konnte, stand vorerst dahin. Die Voraussetzungen und Gründe für diese starke Stellung Schwarzenbergs zu erhellen, für seinen zeitweiligen Einflußverlust infolge der Kriegsereignisse und für sein Wiedererstarken in der Mitte der dreißiger Jahre, als es ihm gelang, Kurbrandenburg bis zu seinem eigenen Tod auf eine konsistente Politik zu verpflichten, ist die Aufgabe dieser Arbeit. Das Vorgehen wird dabei ein vergleichsweise konventionelles sein; indem der Werdegang eines einzelnen dominierenden Politikers als roter Faden der Untersuchung dient, kommt sie nicht umhin, dessen Politik und diejenige des Kurstaates in ihrer chronologischen Entwicklung zu schildern. Daß bei einer solchen Darstellung die Gefahr eines Verlierens in Einzelheiten, des Fehlens einer großen Linie und einer zusammenhaltenden These stets gegeben ist, liegt auf der Hand; nicht immer ist die Studie ihr ausgewichen. Um die chronologische Darstellung thematisch zu gewichten und ihr strukturierende Leitmotive vorzugeben, werden darum Schwerpunkte gesetzt und als solche in einem ersten Kapitel ausführlich vorgestellt. Dieses benennt diejenigen Determinanten und Koordinaten, welche die kurbrandenburgische Politik der Kriegsjahre wesentlich bestimmen sollten. Es waren das zuerst die Person des Kurfürsten selbst und die Struktur seines Beratergremiums, des Geheimen Rates (1,1); den hierdurch anfangs gegebenen und sich ständig verändernden Bedingungen der politischen Entscheidungsfindung gilt durchgehend das Augenmerk der Arbeit. Wesentlich wird dabei sein, auch für Kurbrandenburg die Konstellationen innerhalb der höchsten Amtsträgerschaft zu beschreiben und ihre politischen Divergenzen auf eine Weise transparent zu machen, wie es auch im Falle anderer Akteure des Krieges (Bayern, Württemberg, Hessen-Kassel u. a.) unternommen worden ist. Eine weitere Determinante der Politik waren die dynastischen Ambitionen der Hohenzollern, die auf den Erwerb verschiedenster Territorien gerichtet waren; doch zugleich trat neben dieses Motiv politischer Aktion die Konfession, im vorliegenden Falle die calvinistische des Herrscherhauses (1,2; 1,3). Die Spannung zwischen diesen beiden Polen zog sich durch die gesamte hier untersuchte Epoche, und eine der wesentlichen Thesen dieser Arbeit: daß nämlich Schwarzenberg es war, der gegen die konfessionelle Linie der anderen Geheimen Räte die dynasti-

16

Einleitung

sche Staats(erwerbs)raison verfocht und letztlich durchsetzte, sei schon hier mit Nachdruck genannt. Beide Ziele kurbrandenburgischer Politik, Ländererwerb und Behauptung der reformierten Konfession, wurden nicht nur innerhalb des Geheimen Rates mit unterschiedlicher Gewichtung und wechselnden Resultaten diskutiert, sondern sie hatten sich eben zugleich den sich ständig ändernden politischen Bedingungen zu stellen. Das hieß vor allem, daß die kurbrandenburgische Politik mit dem Reich als einer festen Größe zu rechnen hatte, ja daß sie mit fortschreitender Zeit immer mehr in Reichsgeschäfte involviert wurde, ohne daß dies ihrem eigentlichen politischen Duktus der Vorkriegszeit entsprochen hätte (1,4). Man könnte für das Kurbrandenburg des Dreißigjährigen Krieges geradezu von einer "Verreichung" sprechen, und so wird ein weiteres Augenmerk der Studie dem spannungsgeladenen und widersprüchlichen Verhältnis Kurbrandenburgs zu dem wichtigsten protestantischen Reichsstand, Kursachsen, und zum habsburgischen Kaiser gelten. Dabei wird zu zeigen sein, wie sehr und weshalb gerade Schwarzenberg es war, der die Annäherung der Hohenzollern an Kaiser und Reich, oft im offenen Streit mit seinen Kollegen, von einem gewissen Zeitpunkt an betrieb. Da andererseits aber die Ländererwerbspolitik der Hohenzollern in einem internationalen Rahmen betrieben werden mußte, gilt es zugleich immer auch, den Einfluß der auswärtigen Mächte auf die Position Georg Wilhelms darzustellen. Die Durchsetzung von Interessen ist zumeist nur durch den Einsatz eigener Macht möglich. Deshalb wird im einleitenden Kapitel auch die Frage nach den finanziellen Mitteln der Hohenzollern angesprochen, womit das so wichtige Verhältnis Georg Wilhelms zu den Landständen in der Kurmark in den Blick gerät (1,5). Dabei wird im Verlauf der Studie interessieren, welche Folgen die Schwäche des Kurfürsten im Land selbst für seine äußere Politik hatte, bzw. was er unternahm, um jene zu kompensieren. Daß Schwarzenberg mit der Ständepolitik der Kurmark und anderer Territorien weniger befaßt war, als die bisherige Forschung postulierte, wird dabei als ein Ergebnis der Untersuchung auch ein neues Licht auf den gerne als solchen angesehenen "Frühabsolutisten" werfen. Zuletzt wird als bestimmender Faktor der kurbrandenburgischen Politik die Person des Grafen selbst vorgestellt (1,6). Hier geht es darum, einen ersten Eindruck vom Charakter und politischen Stil Schwarzenbergs zu vermitteln, einen Umriß, der im Laufe der Untersuchung noch schärfere Konturen gewinnen wird. Und weil diese Studie auch von einer Aufstiegsgeschichte, eben einer "Karriere im Krieg" berichten will, werden die verschiedenen Aspekte von Politik und Person des Grafen Schwarzenberg, von Aufstiegs- und Durchsetzungsmechanismen nicht nur eine durchgängige Fragestellung vorgeben, sondern es wird auch in der Mitte der Arbeit noch einmal in einem eigenen Kapitel der Faden der Einleitung aufgenommen und vor dem Hintergrund der kurbrandenburgischen Politik dezidiert nach den materiellen Bedingungen und Erfolgen, nach den Formen und den Zielen einer so exzeptionellen wie auch typischen Karriere gefragt.

2. Forschungen und Quellen

17

2. Forschungen und Quellen Wer sich mit der Person des Adam von Schwarzenberg beschäftigt, wird schnell feststellen, daß es neuere, quellengestützte Untersuchungen über ihn und seine Politik nicht gibt. Es waren das neunzehnte und die ersten Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts, in denen die wesentlichen Erkenntnisse zusammengetragen wurden, die bislang unser Wissen über ihn ausmachten. So widmete der ehemalige Archivrat Immanuel Wilhelm Carl Cosmar schon 1828 dem Grafen Schwarzenberg die bis heute umfangreichste, mehr als vierhundert Seiten starke Studie, dabei aus den Beständen des Geheimen Staatsarchives zu Berlin schöpfend. 2 Er unternahm es, als erster gegen eine Tradition der preußischen Historiographie anzuschreiben, die in Schwarzenberg so etwas wie den bösen Geist Georg Wilhelms sah, einen Verderber des Kurfürstentums und nicht zuletzt einen verlängerten Arm Wiens, wenn nicht gar Roms in der Mark Brandenburg? Eine so geartete negative Beurteilung der Episode Schwarzenberg in der kurbrandenburgischen Geschichte, wie sie Cosmar zu korrigieren versuchte, entsprang dabei nicht erst dem Unwissen und der verzerrten Wahrnehmung späterer Zeiten, die so genau nicht mehr wußten, wie es eigentlich gewesen war; sie hat ihre Wurzeln vielmehr noch in der Epoche selbst, in der zeitgenössischen Reaktion auf die Politik des mächtigen Ministers. So kursierte schon im Jahre 1630 in Berlin das Libell eines Wolf Dietrich von Rochow, Vorsitzender des Cöllner Konsistoriums, gegen den Grafen und seine Politik, das für diesen so ehrabschneidend war, daß es einer formellen Audienz beim Kurfürsten und eines Injurienprozesses bedurfte, um die Ehre von Person und Namen wiederherzustellen. Die Anwürfe: Schwarzenberg deprimiere durch seine consilia die Reputation des Kurfürsten und stabiliere hingegen seine eigene Autorität, rate Georg Wilhelm bewußt falsch, nehme Bestechungen an, verrate Geheimnisse, besetze die vornehmsten Ämter mit Jesuiten und was dergleichen Sachen mehr waren. 4 Damit war die Linie vorgezeichnet, auf der 2 Cosmar; Immanuel Wilhelm Carl: Beiträge zur Untersuchung der gegen den kurbrandenburgschen Geheimen Rath Grafen Adam zu Schwarzenberg erhobnen Beschuldigungen. Zur Berichtigung der Geschichte unserer Kurfürsten George Wilhelm und Friedrich Wilhelm, Berlin 1828. Seinem allzugroßen Interesse für seinen Gegenstand hatte er schließlich seine Entlassung zu verdanken, vgl. Cosmar; Carl Wilhe1m: Geschichte des Königlich-Preußischen Geheimen Staats- und Kabinettsarchivs bis 1806, hg. von Meta Kohnke (Veröffentlichungen aus den Archiven Preußischer Kulturbesitz, 32), Köln/Weimar/Wien 1993,7 ff. 3 Beispielhaft für diese ältere preußische Geschichtsschreibung z. B. Gallus, Gottfried Trautgott: Geschichte der Mark Brandenburg für Freunde historischer Kunde, 2. Aufl., Bd. 4, Züllichau/Freystadt 1801, 1 ff., der Schwarzenberg mit Bezeichnungen wie "Verräther", "Betrüger", "Geißel Brandenburgs", "Bösewicht", "Kundschafter des Wiener Kabinets", "Tirann", "hinterlistige, verrätherische Seele" regalierte, in vielem schon widerlegt bei Cosmar; Schwarzenberg, 3 ff.; oder auch Buchholtz. Samuel: Versuch einer Geschichte der Churmark Brandenburg, Bd. 3, Berlin 1767, 583 f. Vgl. dazu auch Meinardus, Otto: Die Legende vom Grafen Schwarzenberg, in: Preußische Jahrbücher 86 (1896), 1-58. 4 Adam von Schwarzenberg an Georg Wilhelm, Cölln 23. Dezember 1630/2. Januar 1631 (Ausf.), GStAPK, I. HA, GR Rep. 8, Nr. 168b unfol. Da die Arbeit sich mit einem reformier-

2 Kober

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Einleitung

sich fortan die Bewertung Schwarzenbergs bewegen sollte. Bald schon nach dem Tod des Ministers rückte eine Chronik vom Niederrhein das Wirken Schwarzenbergs in ein düsteres Licht, klagte über dessen unheilvolle Politik in den klevischen Landen, über die herausragende Stellung, die Schwarzenberg beim Kurfürsten eingenommen hatte und über die Exzentrizität, einen Katholiken mit den Belangen protestantischer Territorien zu betrauen. 5 Und wichtig für die Beurteilung der nächsten Jahrzehnte und Jahrhunderte war dabei eben, daß ein solches Verdikt durchaus auf die Zustimmung des Kurfürsten Friedrich Wilhelm traf, der in Schwarzenberg nur den allzumächtigen katholischen Günstling seines Vaters sah, der ihm, dem Kurprinzen, sogar nach dem Leben getrachtet habe, und dessen Politik für den Kurstaat ruinös gewesen sei. 6 Die negative Beurteilung des Grafen wurde schließlich zementiert durch die Bemerkungen, die ihm Friedrich der Große in seinen Memoires pour servir ii L'histoire de La maison de Brandebourg widmete: Schwarzenberg sei ein Verräter, sei als Katholik dem Kaiser hörig gewesen, habe sich selbst zum Kurfürsten machen wollen und habe zudem energischen Zurüstungen Georg Wilhelms im Wege gestanden. 7 Daß diese Vorwürfe sich einzig auf eine zweifelhafte Tradition, auf die allzu gegenwärtige Abneigung gegen das katholische Haus Österreich und auf die mehr als flüchtigen Nachforschungen des Grafen Hertzberg in den königlichen Archiven stützen konnten, störte dabei nicht und sollte der Wirksamkeit des Urteils keinen Abbruch tun. 8 So war es besagtem Costen Reichsstand beschäftigt, wird die Datierung im Folgenden zumindest in den Fußnoten nach altem und neuem Stil gegeben, auch bei Schriftstücken katholischer Provenienz, die dann umgerechnet werden, um mit der Cöllner Datierung kompatibel zu sein. Wo sich das Datum nicht eindeutig dem einen oder anderen Stil zuordnen läßt, wie es gerade bei Schwarzenberg der Fall sein kann, wird einfach die Datierung des Schriftstücks selbst wiedergegeben. Die Daten im Text folgen hingegen ausschließlich dem neuen Kalender. 5 Adolf Wüsthaus, Historische Beschreibung dessen, was sich von anno 1609 bis in dem iahr 1668 inclusive sich in dem hertzogtume Cleve und in der Grafschaft Marck auch in der nachbarschaft zugetragen hat, NRWHStA Düsseldorf, Hs. C III 5, Bd. 1 fol. 384 ff., v.a. 441 f.: Von auctorität des Graven zu Schwartzenberg: [ . .. 1Es kam dem Staet [den Generalstaatenlfremb vor, daß S.C.D. zU Brandenburg, welche der Evangelisch Reformirten Religion war zugethan, sich eines solchen ministri, welcher Römischer Catholischer Religion anhinge, und verfolglich bey dem Keyser und Konig von Hispanien ahngenehem war, gebrouchete, zumahlen einem landtsherren und regenten auch zuträglicher ist, dass er verschiedenen als etwa einem ministro undt diener die verwaltung aufftragen, dan die Erfahrung hat bezeuget, daß wan einer das ruder allein führet, oftmahlen sachen verabsoumet, Er viele unterthanen durch befodderung ahn sich ziehet, sich mechtig und bey dem herren verdächtig machet, und diejenige, welche zuruckgesetzet und vergessen werden, zu wiederwillen und beneidung reitzen kann. Über den Verfasser, den klevischen Archivar, Regierungsrat und Protokollführer der klevischen Regierung 1648-1690, vgl. Urkunden und Actenstücke zur Geschichte des Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg, Bd. 5: Ständische Verhandlungen (CleveMark 1640-1666), hg. von August v. Haeften, Berlin/Leipzig 1869,75 Anm. 97. 6 Vgl. dazu Cosmar, Schwarzenberg, 219 ff., Opgenoorth, Ernst: Friedrich Wilhelm. Der große Kurfürst von Brandenburg. Eine politische Biographie, Erster Teil: 1620-1660, Göttingen/Frankfurt am Main/Zürich 1971,57 f., 91 u.ö. 7 Vgl. (Euvres de Frederic le Grand, hg. von Johann D. E. Preuß, Bd. 1: Memoires pour servir al'histoire de la Maison de Brandebourg, Berlin 1846,48.

2. Forschungen und Quellen

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mar überlassen, als einer der ersten zahlreiche Behauptungen über Schwarzenberg in das Reich der Legende zu verweisen und, was die Forschung anhand der überlieferten archivalischen Quellen angeht, einen Maßstab zu setzen, den folgende Forschergenerationen nicht mißachten durften, ohne dieses Reich aufs neue zu betreten. Daß solches gleichwohl noch immer geschehen konnte, zeugt von der Macht der Tradition, der Konstanz konfessioneller Vorurteile und der Wirksamkeit einer preußisch-kleindeutschen Geschichtsbetrachtung bis weit in das zwanzigste Jahrhundert hinein. 9 Daß ein Johann Gustav Droysen der Gestalt Schwarzenbergs auch weiterhin, unter gänzlicher Mißachtung der Darlegungen Cosmars, wenige gute Seiten abgewinnen konnte, wird nicht überraschen, wenn auch verwundern, hatte er sich doch durchaus eingehend mit den Quellen beschäftigt. 10 Auch hier wieder der alte Vorwurf: Schwarzenberg als Vertreter einer an Kaiser und Reich orientierten Politik, der die spezifisch preußischen, protestantischen (und damit nach Droysen natürlich auch: die nationalen) Belange darüber vernachlässigt habe. 11 Es war Otto Meinardus, der dreißig Jahre später den Faden Cosmars wiederaufnahm, sich gegen die negative Darstellung Droysens abzusetzen versuchte und sich darum bemühte, das Bild Schwarzenbergs zurechtzurücken. Dabei war es jedoch vor allem die Epoche des späten Schwarzenberg, des Statthalters des Kurfürsten in der Kurrnark nach 1637, die er untersuchte, da Meinardus als Herausgeber der Protokolle und Relationen des Geheimen Rates unter Friedrich Wilhelm eben an der Übergangszeit vom einen Regenten zum anderen besonders interessiert war. Der "frühe" Schwarzenberg, der Mitgestalter der kurbrandenburgischen Politik seit 1619, war ihm 8 Hertzbergs Aufsatz über Schwarzenberg, von Friedrich 1750 in Auftrag gegeben und für seine Darstellung maßgeblich, scheint auf wenigen Dokumenten zu fußen; dem Original liegt als Beleg gerade ein einziger handschriftlicher Brief Schwarzenbergs bei, vgl. GStAPK, I. HA, Rep. 131, K. 124B unfol. Siehe auch Posner, Max: Zur literarischen Tätigkeit Friedrichs des Großen. Genesis der Histoire de mon temps und der brandenburgischen Denkwürdigkeiten, in: Miscellaneen zur Geschichte König Friedrichs des Grossen, hg. auf Veranlassung und mit Unterstützung der Königlich Preussischen Archiv-Verwaltung, Berlin 1878, 205 - 494, hier v.a. 260, 276 und 488 ff. 9 Daß Schwarzenberg nicht allein bei wenigen Geschichtskundigen in schlechtem Angedenken, sondern durchaus auch einem breiteren Publikum als genius malignus der preußischen Geschichte des 17. Jahrhunderts bekannt war, dafür zeugen u. a. die Ausführungen Fontanes über die sogenannte "Lehniner Wahrsagung", vgl. Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg, Bd. 2, Darrnstadt 1967,76 ff., oder auch das Schauspiel des Erfolgsautors Ernst von Wildenbruch: Der neue Herr. Schauspiel in sieben Vorgängen, Berlin 1891. 10 Droysen, Johann Gustav: Geschichte der Preußischen Politik, Dritter Theil: Der Staat des großen Kurfürsten, Erste Abtheilung, Leipzig 1861, hier v.a. 35. 11 Beispielsweise: "Daß das Haus Brandenburg eine besondere forma status haben, daß es sich der gemeinen Politik von Kaiser und Reich entziehen müsse, um etwas Neues und Eigenes zu sein, das war im Entferntesten nicht seine Meinung", ebda., 35. Als Feststellung nicht unrichtig, als Vorwurf anachronistisch; anachronistischer noch, wenn Schwarzenberg als dem Exponenten einer "territorialen Politik" dann seine calvinistischen Kollegen mit ihrer "neuen" Politik, die aber doch nur eine alte, d. h.: konfessionelle war, gegenübergestellt werden.

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zwar wohl einige Aufmerksamkeit, nicht aber ähnlich differenzierte Studien wert, wie er sie für den "späten" vorlegte. 12 Dennoch, auch die durch ihn versuchte Neubewertung vermochte sich nicht recht durchzusetzen; weder Koser in seiner "Geschichte der brandenburgischen Politik" noch andere, weniger kundige Historiker schlossen sich seinem Urteil an. l3 So konnte noch 1915 Burkhard von Bonin in einem Aufsatz an prominenter Stelle schreiben, Schwarzenbergs Ziel sei es gewesen, die Mark und das Kurhaus zu ruinieren, um sich dann durch einen militärischen Handstreich selbst zum Kurfürsten zu machen - was selbst bei übelwollender Deutung nach den damaligen Kenntnissen nur Humbug sein konnte.14 Auch Otto Hintze blieb bei der Beurteilung des Grafen weiterhin zurückhaltend, wenn er es auch verschmähte, die Fülle der kleinen und kleinlichen Beschuldigungen einmal mehr auszubreiten. 15 Das einzige, was ihn an Schwarzenberg, bei allem Mißtrauen gegenüber dessen angeblicher unbedingten kaisertreuen Haltung, doch auch als zukunftweisendes Element faszinierte, war die sogenannte "Militärdiktatur", die dieser nach 1637 in der Mark ausgeübt habe. Einzig hier folgte er den Ausführungen Meinardus' und war bereit, bei Schwarzenberg Ansätze einer frühabsolutistischen, gegen die Stände gerichteten Politik positiv zu würdigen l6 ; inwieweit nicht auch hier wieder ein Vorurteil mitspielt und ob Schwarzenberg tatsächlich der absolutistischen Politik eines Friedrich Wilhelm präludierte, wird in dieser Arbeit zu klären sein. Nach dem Ende der Hohenzollemdynastie als Herrscherhaus im Deutschen Reich und in Preußen gab es nur noch zweimal den Versuch, sich über Schwarzenbergs Stellung in der kurbrandenburgischen Geschichte Aufschluß zu verschaffen, und jeder dieser Versuche ist gescheitert. Im Jahre 1936 legte Günter Lindenau eine Dissertation über die Politik des Grafen vor, die jedoch nur die bisherigen 12 Vgl. Meinardus, Legende, passim; ders.: Art. "Schwarzenberg", in: ADB 33 (1891), 779-794; ders. : Schwarzenberg und die brandenburgische Kriegführung in den Jahren 1638-1640, in: FBPG 12 (1899), 411-463; und vor allem auch seine Einleitungen der Protokolle und Relationen des Brandenburgischen Geheimen Rathes aus der Zeit des Kurfürsten Friedrich Wilhelm, hg. von Ouo Meinardus, Bd. 1: Bis zum 14. April 1643 (Publicationen aus den Königl. Preußischen Staats archiven, 41) Leipzig 1889, I-LXXII, Bd. 2: Bis Ende Dezember 1644 (Publicationen aus den Königl. Preußischen Staatsarchiven, 54) Leipzig 1893, VII-XXXIII. \3 Koser; Reinhold: Geschichte der brandenburgischen Politik bis zum Westfälischen Frieden von 1648,2. Aufl., Stuttgart/BerJin 1913,387-474. 14 Bonin, Burkhard von: Der kurbrandenburgische Kriegsrat (1630-1641), in: FBPG 25 (1913),51-89, hier v.a. 52 und 62. 15 Hintze, OUo: Die Hohenzollem und ihr Werk. Fünfhundert Jahre vaterländischer Geschichte, Berlin 1915, 166-182. 16 Er spricht sogar vom "absolutistischen Schwarzenberg", oder auch positiv vom "kleinen Richelieu", vgl. Hintze, OUo: Der österreichische und der preußische Beamtenstaat im 17. und 18. Jahrhundert, in: ders.: Staat und Verfassung. Gesammelte Abhandlungen zur allgemeinen Verfassungsgeschichte, 2. Aufl., hg. von Gerhard Oestreich, Göttingen 1962, 321- 359, hier 335, und ders.: Das monarchische Prinzip und die konstitutionelle Verfassung, ebda., 359-390, hier 384.

2. Forschungen und Quellen

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Studien, vor allem Meinardus, zusammenfaßte, in unzureichender Weise zumal und ohne sich um die Erschließung neuer Quellen zu bemühen. Dementsprechend mager war das Ergebnis, zumal es im Hinblick auf das, was hinsichtlich des Zeitgeistes gerade opportun zu sein schien, zu eindeutig schon feststand. 17 Einen weiteren, diesmal ernsthaften Versuch zur Erforschung gerade der zwanziger Jahre des 17. Jahrhunderts und Schwarzenbergs "antikaiserlicher Politik" unternahm kurz darauf Wilhelm Marx und forschte zu diesem Zweck im Dahlemer Staatsarchiv. Die Daten seiner Einträge in den Benutzerbögen nähern sich jedoch in fataler Weise dem September 1939, um dann abzubrechen; die geplante Studie ist nie erschienen. 18 Dieses Schicksal erinnert an dasjenige des Archivars und Gelehrten Theodor von Moerner, der sich ebenfalls, mehrere Jahrzehnte zuvor, eingehend mit dem "ganzen" Schwarzenberg beschäftigt hatte. Seine Notizen und zahllosen Exzerpte sind erhalten, aber das Werk, das er zu schreiben gedachte, konnte er, gehindert durch schwere Krankheit, leider nicht zu Ende bringen; einzig in eine fundierte militärgeschichtliche Studie brachte er einige seiner Erkenntnisse über Schwarzenberg ein. 19 Nach dem Krieg nahm Johannes Schultze die alten Vorwürfe gegen Schwarzenberg in seiner Geschichte der Mark Brandenburg wieder auf, nahtlos an die schwarze Legende anknüpfend, die sich mit dem Namen Schwarzenberg seit alters verband?O Doch auch er konnte sich dabei nur auf das berufen, was vor ihm behauptet worden war, und den Erkenntnissen über den Grafen oder über die kurbrandenburgische Politik jener Zeit fügte er, was diese Epoche anlangt, nichts hinzu. So steht am Anfang einer neuerlichen Beschäftigung mit Schwarzenberg das nüchterne Wort Heinrich Muths, daß es an einer kritisch-wissenschaftlichen Biographie dieses umstrittenen Mannes fehle, ohne die sich die alten Vorurteile nicht von dem trennen ließen, was historisch tatsächlich verbürgt sei. 21 Und wenn diese Arbeit sich auch nicht als Biographie im engeren Sinne versteht, so ist es gleichwohl ihre Aufgabe und ihr Ziel, unter Berücksichtigung möglichst vieler Faktoren ein vorurteilsloseres, zumindest aber ein neues und anderes Bild vom politischen 17 Lindenau, Günter: Die Verfassung der Mark Brandenburg unter der Regierung des Kurfürsten Georg Wilhelm und seines Ratgebers Graf zu Schwarzen berg im Hinblick auf die Überwindung ständischer Verhältnisse durch den brandenburg-preußischen Obrigkeitsstaat, Kiel 1936; der Titel schon ist vielsagend. 18 Obschon sie angeführt ist bei Schreckenbach, Hans-Joachim: Bibliographie zur Geschichte der Mark Brandenburg, Teil 1 (Veröffentlichungen des Staatsarchivs Potsdam, 8), Weimar 1970, 290. 19 Der manches Mal sehr nützliche Nachlaß im GStAPK, VI. HA, NI Moerner, v.a. Bde. 24 - 31. Zudem vgl. Moemer; Theodor von: Märkische Kriegsobersten des siebzehnten Jahrhunderts. Ernst Georg und Ouo Christof Sparr, Berlin 1861. Zu Moerner selbst siehe den Artikel in der ADB, Bd. 52, 481 ff. 20 Schultze, Johannes: Die Mark Brandenburg, Bd. 4: Von der Reformation bis zum Westfälischen Frieden (1535-1648), Berlin 1964,202-280. 21 Muth, Heinrich: Zur Beurteilung des Grafen Adam zu Schwarzenberg, in: Monatshefte für Evangelische Kirchengeschichte des Rheinlandes 14 (1965), 77 - 113, hier 83.

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Wirken des Grafen Adam von Schwarzen berg zu geben, jenseits konfessioneller Vorbehalte, borussischer Identität und kleinlicher Aufrechnung angeblicher Verfehlungen. Es geht um eine Neubewertung seiner Person und der von ihm betriebenen Politik, um eine Betrachtung, die mehr als früher geschehen das zeitgenössische Reich in den Blick nimmt und weniger den späteren Aufstieg Preußens zur deutschen Großmacht zum Maßstab auch dieser Epoche macht. 22 Gälte es nun, diejenigen Werke anzuführen, die Aufschluß geben über die kurbrandenburgische Politik jener Zeit, so ergäbe dies einzig eine Wiederholung des bislang Genannten - was einmal mehr unterstreicht, daß mit Schwarzenberg sich zu beschäftigen heißt, sich mit brandenburgisch-preußischer Geschichte zu beschäftigen und vice versa. Von diesen Arbeiten sowie von mehreren Spezialstudien abgesehen, die erst im Laufe der Arbeit genannt werden sollen, sei hier nur erwähnt das Buch Karl Spannagels über Konrad von Burgsdorff, das sich bemüht, ebenfalls in Fonn einer biographischen Studie eine Fonnierungsphase des kurbrandenburgischen Staatsgebildes zu untersuchen. 23 Dennoch steht ein solches Buch nahezu einsam auf weiter Flur, und auch die angeführte Darstellung Kosers, so gehaltvoll sie ist, ist doch weit entfernt davon, die Linien kurbrandenburgischer Politik in ihren Feinheiten nachzuzeichnen. Wie dies zu geschehen hätte, führte einzig Bodo Nischan in seiner Dissertation aus dem Jahre 1971 vor, indem er seine Aufmerksamkeit dem Verhältnis von Politik und Konfession in den Jahren 1628-1631 widmete. 24 Es gilt, in einer Weise an das Problem heranzugehen und für Kurbrandenburg einen ähnlichen Beitrag zu leisten, wie dies etwa für Bayern Dieter Albrecht, für Württemberg Axel Gotthard oder für Sachsen Frank Müller getan haben, indem sie die Möglichkeiten und Chancen deutscher Territorialstaaten in bestimmten Phasen des Dreißigjährigen Krieges zu erläutern versuchten. 25 22 Auch hierfür stand Friedrich 11. Pate: der größte und nahezu einzige Fehler Kurfürst Georg Wilhelms sei es gewesen, keine Armee von 40.000 Mann geworben und im Mächtespiel der Zeit mitgemischt zu haben, vgl. Friedrich der Große,