Ein Russe in der Tschechoslowakei: Leben und Werk des Publizisten Valerij S. Vilinskij (1901-1955) 9783412213503, 9783412205522

144 104 6MB

German Pages [432] Year 2010

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD FILE

Polecaj historie

Ein Russe in der Tschechoslowakei: Leben und Werk des Publizisten Valerij S. Vilinskij (1901-1955)
 9783412213503, 9783412205522

Citation preview

BAUSTEINE ZUR SLAVISCHEN PHILOLOGIE UND KULTURGESCHICHTE NEUE FOLGE Begründet von HANS-BERND HARDER (†) und HANS ROTHE Herausgegeben von KARL GUTSCHMIDT, roland Marti, PETER THIERGEN, LUDGER UDOLPH und BODO ZELINSKY

Reihe A: slavistische forschungen Begründet von Reinhold Olesch (†)

Band 68

Ein Russe in der Tschechoslowakei Leben und Werk des Publizisten Valerij S. Vilinskij (1901–1955)

von

Anne Hultsch

2011 BÖH LAU V E R L A G K Ö L N WEIM AR WIEN

Gedruckt mit Unterstützung des Privatfonds Schulze-Thiergen

Anne Hultsch ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Slavistik/ Literaturwissenschaft der TU Dresden.

Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Umschlagabbildung: Porträt Vilinskijs. SÚA, fond KRUS, krabice 185, Vilinskij Frontispiz: Porträt Vilinskijs. SÚA, PŘ 1941-50, V 3256/4, Vilinskij Valerij – č 584789/1939.

© 2011 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Köln Weimar Wien Ursulaplatz 1, D-50668 Köln, www.boehlau-verlag.com Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Druck und Bindung: Strauss GmbH, Mörlenbach Gedruckt auf chlor- und säurefreiem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-412-20552-2

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

........................................................................................................................................................

Teil 1 – Leben

..............................................................................................................................................

9 17

1901-1923: Odessa – Tschechoslowakei ................................................................................ 17 Kindheit und Jugend in Odessa .............................................................................................. 17 Studienbeginn und Flucht .......................................................................................................... 19 Ruská pomocná akce – Russische Hilfsaktion .............................................................. 22 1923-1927: Studienjahre .................................................................................................................. 27 Русский юридический факультет в Праге – Russische juristische Fakultät in Prag .................................................................................. 27 Studium .................................................................................................................................................. 30 Außeruniversitäre Aktivitäten .................................................................................................. 33 1927-1936: Publizistische Tätigkeit .......................................................................................... 37 Freier Publizist .................................................................................................................................... 37 Verschiedene Bemühungen um Existenzsicherung .................................................... 42 Tschechoslowakische Staatsbürgerschaft .......................................................................... 45 Heirat ........................................................................................................................................................ 47 Vortragstätigkeit ................................................................................................................................ 48 Protestaktion gegen den antireligiösen Terror in Sowjetrußland (1930) ...... 50 Philokatholizismus statt Konversion .................................................................................... 52 Angestellter Redakteur .................................................................................................................. 54 Mitgliedschaften ................................................................................................................................ 57 1936-1951: In öffentlichen Diensten ...................................................................................... 61 Presseabteilung im Ministerratspräsidium ...................................................................... 62 Versetzung ins Statistische Zentralamt .............................................................................. 63 Aktivistický novinář – aktivistischer Journalist ............................................................ 65 Kollaboration ...................................................................................................................................... 69 Ministerien für Binnenhandel und Verkehr .................................................................... 72 Agent V-101 ........................................................................................................................................ 74 ‚Slowakischer Herbst‘ 1947 ........................................................................................................ 79 Februar 1948 ........................................................................................................................................ 83 Ministerien für Außenhandel und Unifizierung .......................................................... 85 1951-1955: Außerhalb des Aktionszentrums

....................................................................

89

Selbstmord ............................................................................................................................................ 92 Ende der Emigrantenkommune ............................................................................................ 97 Russisch-orthodoxe Kirche und die Diktaturen .......................................................... 99

6

Inhaltsverzeichnis

Teil 2 – Werk

..............................................................................................................................................

103

Essayistik – Rus se dívá na Č.S.R. [Ein Russe betrachtet die ČSR] (1931) ........ 107 Das Staatsgebilde Tschechoslowakische Republik .................................................. 108 Katholiken in der ČSR .............................................................................................................. 112 Josef Florian .................................................................................................................................. 115 Jaroslav Durych .......................................................................................................................... 117 Jakub Deml .................................................................................................................................. 125 Alfred Fuchs .................................................................................................................................. 139 Andrej Hlinka .............................................................................................................................. 141 Augustin Vrzal ............................................................................................................................ 142 Nichtkatholische Religionen und pseudoreligiöse Vereinigungen ................ 145 Weitere tschechische Besonderheiten .............................................................................. 147 Form ...................................................................................................................................................... 152 Die Tschechoslowakei in der Sicht anderer russischer Autoren ...................... 156 Lob von falscher Seite ................................................................................................................ 158 Belletristik ................................................................................................................................................ 165 Rezensionen ...................................................................................................................................... 165 Mařenka chce jinou vládu [Mařenka möchte eine andere Regierung] (1933) ........................................................ 169 Handlung ...................................................................................................................................... 170 Struktur ............................................................................................................................................ 171 Titel .................................................................................................................................................... 172 Hauptfigur .................................................................................................................................... 173 Ewiger Wanderer: Vagabund, Nomade, Ahasver, Argonaut, Pilger ........ 176 Zufall und Schicksal als Antipoden zu selbstbestimmtem Handeln ...... 177 Stereotypen .................................................................................................................................... 180 Geographie .................................................................................................................................... 182 Sprachliche Verständigung .................................................................................................. 184 Hitlerfigur ...................................................................................................................................... 186 Gattung ............................................................................................................................................ 189 Religion ............................................................................................................................................ 192 Mařenka chce jinou vládu und die zeitgenössische Kritik .............................. 193 Praha [Prag] (1933) ...................................................................................................................... 195 Personen .......................................................................................................................................... 196 Handlungszeit und -ort ........................................................................................................ 197 Personencharakterisierung .................................................................................................. 199 Auf der Suche nach einer Heimat .................................................................................. 202 Auf der Suche nach eigenen Entscheidungen ........................................................ 205 Prag als literarische Gestalt ................................................................................................ 205 Nový svět [Neue Welt] .......................................................................................................... 207 Religion ............................................................................................................................................ 211

Inhaltsverzeichnis

7

Revolten gegen Prag ................................................................................................................ 212 Politik ................................................................................................................................................ 215 Fiktion und Wirklichkeit .................................................................................................... 216 Vilinskij und die russische Literatur ................................................................................ 222 Religiös-theologische Schriften .................................................................................................. 229 Unionistisches Velehrad .................................................................................................................. 231 Zur Zeit Österreich-Ungarns ............................................................................................ 232 Zur Zeit der Tschechoslowakischen Republik ...................................................... 236 Bedeutung der Velehrader Kongresse .......................................................................... 238 Zur Zeit des Kommunismus ............................................................................................ 241 In der Zeit nach 1989 ............................................................................................................ 244 Konzeptionen der orthodox-katholischen Annäherung ...................................... 246 Cyrillomethodianismus und Unionismus ................................................................ 247 Neuthomismus bzw. Neuscholastik .............................................................................. 256 Philokatholizismus .................................................................................................................. 258 Vilinskijs religiöse Konzeption .............................................................................................. 264 Gegen gegenseitige Ignoranz – Bemühungen um die Popularisierung Velehrads .................................................................................. 264 Interkonfessionelle Bemühungen und russische Emigration ...................... 265 Konversion als (k)eine Lösung ........................................................................................ 268 Orthodoxie als frühere Entwicklungsstufe des Westens ................................ 273 Relativierung der byzantinischen Einflüsse auf die Orthodoxie ................ 278 Lateinischer Geist in der russischen Kirche ............................................................ 282 Hindernisse auf dem Weg zur Einheit ........................................................................ 285 Päpstlicher Primat und Unfehlbarkeit ........................................................................ 287 Filioque ............................................................................................................................................ 288 Fehlende Liebe ............................................................................................................................ 289 Das Bild der idealen Kirche .............................................................................................. 290 Jeder nach seinem Ritus ........................................................................................................ 291 Vilinskijs Konzeption im Kontext der russischen Geistesgeschichte ...... 293 Zweites Vatikanisches Konzil ................................................................................................ 297 Interkonfessioneller Dialog ................................................................................................ 303 Politisch-historische Schriften .................................................................................................... 307 Konzeptionen der slavischen Wechselbeziehungen ................................................ 310 Demokratische und russophile Konzeption ............................................................ 314 Katholische Konzeption ...................................................................................................... 316 Malá dohoda [Kleine Entente] ........................................................................................ 318 Eurasiertum .................................................................................................................................. 321 Eurasische Staatstheorie ........................................................................................................ 322 Eurasiertum als Gegenpol zum Philokatholizismus .......................................... 323 Sowjetrussische Innenpolitik .................................................................................................. 327

8

Inhaltsverzeichnis

Verfolgung der Religion ........................................................................................................ 328 Antikommunistischer Widerstand in Sowjetrußland: V Rusku boj trvá … [In Rußland dauert der Kampf an …] (1933) ................ 329 Entwicklung des Terrors ...................................................................................................... 329 Kampf um das Recht auf Freiheit des Einzelnen ................................................ 332 Stil ........................................................................................................................................................ 333 Ruská revolúcia [Die Russische Revolution] (1936) .................................................... 335 Periodisierung .............................................................................................................................. 336 Erste Periode ................................................................................................................................ 336 Übergangszeit .............................................................................................................................. 338 Zweite Periode ............................................................................................................................ 338 Grundzüge der Entwicklung der ersten beiden Perioden .............................. 340 Dritte Periode .............................................................................................................................. 341 Bolschewismus – laizisiertes Temperament der Theokratie .......................... 343 Erzieherische Diktatur .......................................................................................................... 345 Trotz allem: Patriotismus .......................................................................................................... 346 Schluß .............................................................................................................................................................. 349 Vilinskij im Kontext der russischen Emigration ............................................................ 349 Vilinskij im Kontext des Unionismus und der tschechischen Kultur ............ 353 Vilinskij im Kontext von Protektorat und ‚Februar‘ .................................................. 356 Synthesen .................................................................................................................................................. 358 Dank

................................................................................................................................................................

360

Anhang ............................................................................................................................................................ 361 Tabellarischer Lebenslauf

..............................................................................................................

361

Verzeichnis der Werke Vilinskijs und ihrer Rezensionen ........................................ 363 Selbständige Publikationen .................................................................................................... 363 Unselbständige Publikationen .............................................................................................. 367 Thematische Zuordnung der unselbständigen Publikationen ........................ 390 Übersetzungen ................................................................................................................................ 391 Redaktion ............................................................................................................................................ 392 Edition .................................................................................................................................................. 392 Werkindex ................................................................................................................................................ 393 Namensindex ........................................................................................................................................ 397 Alphabetisches Archiv- und Literaturverzeichnis .......................................................... 409 Archive .................................................................................................................................................. 409 Verwendete Literatur .................................................................................................................. 409 Internetquellen ................................................................................................................................ 431 Bildnachweis ...................................................................................................................................... 432

Einleitung

[P]ostava [Gestalt] – groß vlasy [Haare] – prošedivelé (meliert) oči [Augen] – hnědé (braun) nos [Nase] – souměrný (stumpf ) ústa [Mund] – souměrná (regelmäßig) zuby [Zähne] – vadné (fehlerhaft) kein Bart und keine besonderen Kennzeichen;1

gutes, teilnahmsvolles, feinfühliges Herz, edle, ritterliche Großmütigkeit, rechtschaffen.2 Um den von den Protektoratsbehörden einerseits, einem russischen Freund andererseits so charakterisierten Menschen soll es in dieser Arbeit gehen, um sein Leben und sein Werk, durch das er mit folgendem Eintrag in den Filosofický slovník [das Philosophische Wörterbuch] aufgenommen worden ist: Vilinský, Valerij S., *1903, rus. publicista, emigrant. Sp.: Duchovní život ruského národa (1931), Duch ruské církve (1930), K slovanské otázce (1930), Unionizmus (1932), V Rusku boj trvá (1933).3 Vilinský, Valerij S., *1903, russischer Publizist, Emigrant. Werke: Das Geistesleben des russischen Volkes (1931), Der Geist der russischen Kirche (1930), Zur slavischen Frage (1930), Unionismus (1932), In Rußland hält der Kampf an (1933).

Die Schwierigkeiten bei der Annäherung an ihn beginnen mit Unklarheiten bezüglich seines Geburtsdatums und setzen sich in seinem Lebensweg fort, den man, will man ihn nicht gewaltsam beschönigen, als in sich widersprüchlich und als Widerspruch zu seinem Werk hinnehmen muß: – Modli se, pracuj a obětavě pomáhej dílu sv. jednoty království Božího na zemi, a zabezpečíš si království Boží věčné! – Arma virumque cano! Velebím, ano docela vážně velebím muže i zbraň – i autora, který je stvořil. – Zbraň potřebuje, ježto k osobní ochraně. Zbrojní pas vystaven ihned z rozkazu obv. velitele ppor-Klauze na rozkaz velitele st. bezp. v Praze.4 1

2

3

4

Tiskopis na žádost za všeobecnou občanskou legitimaci 1939 (Státní ústřední archiv v Praze [im folgenden als SÚA abgekürzt], PŘ 1941-50, balík V 6982). Es wird die Bezeichnung der Archive beibehalten, die sie trugen, als ich sie aufgesucht habe. Der Státní ústřední archiv trägt heute den Namen Národní archiv. Briefe Andrej Deinekos an Vilinskij vom 27. April und 8. September 1925 (Zemský archiv v Opavě, prácoviště Olomouc [im weiteren als ZAO abgekürzt], fond Vilinskij). Kratochvil, J./Černocký, K./Charvát, O.: Filosofický slovník, Brno 31934, S. 310f. und 41937, S. 584. O sjednocení církví, Hlučín 1929, S. 29; Chvála detektivky, in: Archa, Jg. 20, 1932, S. 264267, hier: S. 264 und Zbrojní pas, ausgegeben am 24. April 1951 an Dr. V. S. Vilinskij (SÚA, PŘ 1941-50, balík V 6982).

10

Einleitung – Bete, arbeite und hilf opferbereit dem Werk der heiligen Einheit des Königreiches Gottes auf Erden, und du wirst dir das ewige Reich Gottes sichern! – Arma virumque cano [Die Waffen besinge ich und den Mann]! Ich preise, ja ich preise ganz ernsthaft den Mann und die Waffe – und den Autor, der sie schuf. – Eine Waffe braucht er zur persönlichen Verteidigung. Der Waffenschein wurde sofort im Auftrag des Bezirksleiters Unterleutnant Klauz auf Befehl der Leitung der Staatssicherheit in Prag ausgestellt.

Valerij Sergeevič Vilinskij war ein nachrevolutionärer russischer Emigrant in der Tschechoslowakischen Republik der Zwischenkriegszeit, der zu einem Immigranten geworden ist. Er begegnet uns im Laufe seines Lebens in dreierlei Gestalt: als Spectator, Moravskij und Karger oder, anders formuliert, als Immigrant, orthodoxer Philokatholik und Agent. Er hat schnell und für immer in der Tschechoslowakei seine Koffer ausgepackt, das Gastland als seine zweite Heimat angenommen und sich nicht an dem langjährigen ‚сидение на чемоданах‘ [Sitzen auf den Koffern] beteiligt, sondern seinen Blick als bereits quasi Außenstehender – Spectator – kommentierend auf die Emigrantenkommune gerichtet (1920er). Seine erste Heimat hat er dabei weder vergessen noch verleugnet, so daß er zu einem Wandernden zwischen zwei Kulturen wurde. Ein ausgeprägtes slavisches Bewußtsein, das national-russisches Denken in den Hintergrund treten ließ, und seine damit einhergehende Wahrnehmung der Tschechen und Slowaken als slavische Brüder dürfte diesen Prozeß ebenso erleichtert haben wie seine frühe Bekanntschaft und nachfolgende Begeisterung für das katholische Leben in einem abgelegenen mährischen Dorf. In Mähren hat er seine tschechoslowakische Akkulturation erfahren. Mähren stellt für ihn einerseits das Verbindungsglied zwischen Böhmen und der Slowakei dar, das den Staat zusammenhält, andererseits durch das Wirken von Cyrill und Method das Verbindungsglied zwischen allen christlichen Slaven, durch das die russisch-orthodoxe und die katholische Kirche zusammengehalten werden. Vilinskij beteiligte sich aktiv am orthodox-katholischen Dialog in Velehrad und sorgte durch zahlreiche Publikationen, die zum Teil unter dem Pseudonym Moravskij [der Mährische] erschienen, und Lobbyarbeit dafür, daß die Zahl der russischen Teilnehmer an den Velehrader unionistischen Kongressen stieg und Vorurteile abgebaut werden konnten (1930er). Den Ausgangs- und Mittelpunkt für seine publizistische Tätigkeit bildete also das Engagement für eine Annäherung zwischen der orthodoxen und der katholischen Kirche im Sinne der unionistischen Bemühungen Velehrads, die als ein Fortschreiben der cyrillomethodianischen Idee des 19. Jahrhunderts verstanden werden können. Er wurde dabei von der Überzeugung geleitet, daß eine kulturelle Synthese von Ost und West nicht als eigenständiges Ziel, sondern nur als Folge der religiösen Einheit erreicht werden könne. Seinen Beitrag zum Werk der Union formulierte er als ‚Philokatholizismus‘. Unter diesem Vorzeichen machte er zunächst die russischen Leser mit den modernen Formen des westlichen Katholizismus vertraut, ehe er dazu überging, die tschechischen Leser nicht nur unermüdlich mit der russischen Gläubigkeit und der russischen Geschichte bis in die jüngste Zeit bekannt zu machen, sondern ihnen auch eine neue Sicht auf tschechische Phänomene zu bieten, die er als

Einleitung

11

zunächst Außenstehender anders wahrnahm als die Tschechen selbst, oder denen er, da er sie unter religiösen Aspekten betrachtete, andere Bedeutung beimaß als sie. Es braucht nicht zu verwundern, daß er sich auf diese Weise schnell aus dem sehr in sich geschlossenen Umfeld der Emigranten hinausbegab, über das der Eurasier Nikolaj S. Trubeckoj aus einem ideologisch von Vilinskij grundverschiedenen Standpunkt heraus am 3. August 1922 seinem Kollegen und Freund Fedor Petrovskij schrieb, daß das Anknüpfen freundschaftlicher Beziehungen mit einem Tschechen so unmöglich sei wie die Quadratur des Kreises und hinzufügte, daß nicht ein einziger der russischen Studenten in Prag sich dazu herabgelassen habe, etwas mit einer Tschechin anzufangen. Die russischen Emigranten würden sich immer, unabhängig davon, wo sie leben, zu der einheimischen Bevölkerung wie Juden zu Gojim verhalten.5 Aber auch die Emigranten untereinander empfingen Neuankömmlinge nicht mit offenen Armen, sondern wollten ihren in der Kolonie bereits erreichten Status keinen Unberechenbarkeiten aussetzen. So beklagte sich unter anderen Nina Berberova darüber, daß sie in Prag nicht heimisch werden konnte, weil sie nur Kontakt zu Marina Cvetaeva und Roman Jakobson hatte, die selbst isoliert von dem sogenannten ‚Russischen Prag‘ lebten.6 Weil sich einerseits die Emigranten verstärkt zu dem ihrer Meinung nach originär Russischen hinwandten und sich damit betont von der sie aufnehmenden Umgebung abgrenzten, die viele Emigranten im Gegensatz zum Beispiel zur französischen Kultur für provinziell und wenig inspirierend hielten,7 und weil andererseits das tschechoslowakische Bürgertum und die Intelligenz mehrheitlich westlich orientiert waren, kam es im Allgemeinen zu keiner lebendigen, unmittelbaren gegenseitigen Berührung zwischen Emigranten und Tschechen.8 Vilinskij stellte im Hinblick auf seine zahlreichen tschechischen und slowakischen Kontakte also eher eine Ausnahme dar, die zeigt, daß es nicht zwangsläufig auf Ablehnung stoßen mußte, wenn sich jemand offen dem neuen Umfeld näherte. Sein publizistisches Interesse erweiterte sich zu Beginn der 1930er Jahre von dem religiös-geistesgeschichtlichen auf den literarischen Bereich, was neben einigen 5

6 7

8

Paraphrasiert nach Sládek, Zdeněk: České prostředí a ruská emigrace (1918-1938), in: Běloševská, L. (Hg.): Duchovní proudy ruské a ukrajinské emigrace v Československé republice (1919-1939). (Méně známé aspekty), Praha 1999, S. 7-46, hier: S. 31. Teile dieses Briefes sind in Original und deutscher Übersetzung zitiert bei Poljakov, Fedor B.: Nikolaj Trubetzkoys eurasische Vision: Hintergründe und Wirkung, in: Trubetzkoy, Nikolaj S.: Russland – Europa – Eurasien. Ausgewählte Schriften zur Kulturwissenschaft, Wien 2005 (= Schriften der BalkanKommission, Bd. 45), S. 315-414, hier: S. 400. Berberova, Nina: Ich komme aus St. Petersburg, Reinbek bei Hamburg 1994, S. 241f. Kostincová, Jana: Poustevna básníků – básníci Poustevny. Ruská poezie 20. a 30. let 20. století v pražském exilu, Praha 2008, S. 189 und 191. Diese Aussage bezieht sich vorrangig auf die Intelligenz in den Städten. Die Kosaken haben sich am schnellsten und besten in das Leben des Gastlandes eingefügt, wenn auch das von ihnen gesprochene Tschechisch aller grammatischen Regeln entbehrte (vgl. Andreyev, Catherine/Savický, Ivan: Russia Abroad. Prague and the Russian Diaspora 1918-1938, New Haven/London 2004, S. 126). Zudem fand ein hoher Grad an wirtschaftlicher Integration statt (Jochims, Isabel: Flüchtlinge russischer Nationalität in der Tschechoslowakei zwischen den Weltkriegen. Ein Beitrag zur Migrations- und Eingliederungsforschung, Köln 2002, S. 406).

12

Einleitung

Studien und zahlreichen Rezensionen belletristischer Werke auch in zwei eigenen Romanen Niederschlag fand, in denen er aus unterschiedlichem Blickwinkel die Problematik des Fremden aufnahm. Den Abschluß des publizistischen Werkes, durch das er sich als wichtigster tschechischschreibender russischer Publizist ausweist und uns zugleich einen vollständigen Einblick in die katholische Presselandschaft der Zwischenkriegszeit gewährt, bildeten Veröffentlichungen zu volkswirtschaftlichen Themen, die eng verknüpft sind mit politischen Fragestellungen. Die Erweiterung des Themenspektrums läßt sich genauso logisch aus seinem Werk und aus äußeren Umständen erklären wie sein individuelles Heimischwerden in der Tschechoslowakei. Das oben angedeutete Kopfzerbrechen wird durch seine Biographie ausgelöst, die nicht nur ein Spiegel der wechselvollen ost- und mitteleuropäischen Geschichte der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ist, sondern Ambitionen zeigt, diese selbst aktiv mit zu formen. Allerdings stellte er sich nicht in einem demokratischen System zur Wahl, sondern war unter dem Decknamen Karger (und anderen) für die tschechoslowakische Staatssicherheit tätig und wurde 1948 zu einem der wichtigsten Hintermänner des kommunistischen Putsches. Seiner Agententätigkeit verdankt er – unberührt von dem Wechsel der politischen Systeme – sein Verbleiben in höchsten Ämtern im Staatsdienst (1940er). Durch diese Tätigkeit hat er sich in die tschechoslowakische Geschichte eingeschrieben, wie nicht zuletzt Artikel in den beiden größten seriösen tschechischen Tageszeitungen vom 25. Februar 2008 klar vor Augen führen.9 Davon zeugt auch, daß dieser Bereich seines Wirkens mittlerweile am besten erforscht ist. Allen voran ist die annotierte Dokumentation V – 101. Agent, ze kterého se dalo žít [V – 101. Ein Agent, von dem man leben konnte] von Pavel Žáček, des ersten Leiters des Ústav pro studium totalitních režimů [Instituts zur Erforschung totalitärer Regime], der im Februar 2008 seine Arbeit aufgenommen hat, zu nennen, die sich in vielen Punkten mit dem Typoskript Šarka Rokosovás deckt, das diese 2003 im Rahmen ihrer Tätigkeit beim Ústav dokumentace a vyšetření zločinů komunismu [ÚDV; Institut für die Dokumentation und Erforschung der Verbrechen des Kommunismus] angefertigt hat.10 An diesem Institut ist ebenfalls die Studie Jiřína Dvořákovás über Bedřich Pokorný, das erste ‚Führungsorgan‘ Vilinskijs, entstanden.11 Diese Arbeiten konnten sich auf die zahlreichen, teils archivgestützten, teils ohne jegliche Quellenangaben 9

10

11

O. A. Klíčový muž únorového převratu: agent V-101, in: Lidové noviny, Jg. 21, Nr. 47, 25.02.2008, S. 1 und 4; Žáček, Pavel: Hvězdná chvíle agenta V-101, in: Lidové noviny, Jg. 21, Nr. 47, 25.02.2008, S. 11; Gazdik, Jan/Navara, Luděk: Špion pomohl Gottwaldovi vyhrát Únor. Sám pak skončil ve vězení, in: MF DNES, Jg. 19, Nr. 47, 25.02.2008, S. A/3. Žáček, Pavel: V – 101. Agent, ze kterého se dalo žít, in: Medvecký, Matej (Hg.): Posledné a prvé slobodné (?) voľby – 1946, 1990, Bratislava 2006, S. 102-159; Rokosová, Šárka: O charakterových vlastnostech a povaze JUDr. Valerije Vilinského […], Praha 2003 [Typoskript]. Dankenswerterweise hat mir Šarka Rokosová ihr Typoskript zur Verfügung gestellt und mir auch Einblick in die von ihr verwendeten Quellen gewährt. Diese werden im weiteren als ‚Unterlagen Rokosová‘ zitiert. Dvořáková, Jiřina: Bedřich Pokorný – vzestup a pád, in: Sborník Archivu ministerstva vnitra, Nr. 2, 2004, S. 233-279.

Einleitung

13

verfaßten Veröffentlichungen Karel Kaplans stützen. Im Rahmen der Beschäftigung mit Vilinskij ist besonders Pět kapitol o únoru [Fünf Kapitel über den Februar] interessant, in denen zwar nur an zwei Stellen wie aus Versehen der Name Vilinskijs fällt, den Berichten von V-101, der in dieser Arbeit noch nicht komplett namentlich identifiziert, sondern als Vasilij V. und enger Mitarbeiter, Büroleiter und Vertrauter des Ministers Ivan Pietor vorgestellt wird,12 kommt jedoch die zentrale Rolle zu, die sie gespielt haben. Die Auseinandersetzung mit den erhaltenen Dokumenten ist unbedingt erforderlich, um einen klareren Blick auf die Machtergreifung der Kommunisten 1948 zu erlangen. Ansonsten sind es vor allem slowakische Historiker und Politiker, in deren Arbeiten Vilinskijs Agententätigkeit, die mit seinen engen Beziehungen zu Vertretern der slowakischen Demokratischen Partei verbunden ist, kurze Erwähnung findet.13 Die Rezeption dieses Aspektes seines Wirkens hat also mittlerweile eingesetzt. Sie erfolgt allerdings vollkommen losgelöst von dem, was sich zuvor in seinem Leben ereignet hat. Die Angaben über seine Herkunft, die sich in diesen Arbeiten finden lassen, sind rein spekulativ oder basieren auf der Übernahme unüberprüfter Angaben, die als Fakten ausgegegben werden, das heißt, sie sind erstens nicht frei von Fehlern und zweitens meist nicht umfangreicher als ein, zwei Zeilen. Der seinem Leben gewidmete erste Teil der vorliegenden Arbeit fällt aus diesem Grunde relativ ausführlich aus und verfolgt detailiert alle Spuren. Einige Dinge können richtiggestellt werden, anderes bleibt spekulativ, weil aus den unterschiedlichsten Gründen, zu denen zum Beispiel eine keine Forschung mehr ermöglichende Auslegung des Personenschutzgesetzes in der Tschechischen Republik zählt, nicht alle Archivmaterialien zugänglich waren und weil es mir zu meinem Bedauern nicht gelungen ist, Vilinskijs Nachfahren ausfindig zu machen. Es wird in diesem Teil gleichzeitig versucht, mit nachzuzeichnen, welcher Boden den russischen Emigranten in der Tschechoslowakei bereitet worden ist, denn dieser institutionelle emigrantische Kontext bildete lediglich den Ausgangspunkt für Vilinskijs Wirken, so daß er bei der Betrachtung seines Werkes nur noch eine sehr untergeordnete Rolle spielt. In den drei Kontexten – russische Emigration, Unionismus, Agententätigkeit – taucht Vilinskij wie ein Phantom auf und verschwindet wieder. Seine ‚zwei Leben‘ wurden bisher restlos voneinander isoliert betrachtet.14 Der Blick auf jeweils nur einen Teil seines Lebens beschränkt sich nicht auf die historischen Ereignisse 1947/48, son12

13

14

Kaplan, Karel: Pět kapitol o únoru, Brno 1997. Der Name Vilinskijs fällt auf den S. 239 und 244; von Vasilij V. ist die Rede auf S. 156; V-101 findet u. a. Erwähnung auf den S. 69, 154ff., 237f., 291f. und 354. Barnovský, Michal: Na ceste k monopolu moci. Mocenskopoliticke zápasy na Slovensku v rokoch 1945-1948, Bratislava 1993, S. 219-222; Šutaj, Štefan: Občianske politické strany na Slovensku v rokoch 1944-1948, Bratislava 1999, S. 208, 246 und 258f.; Jablonický, Jozef: Podoby násilia, Bratislava 2000, S. 76 und 203; Ursíny, Ján: Z môjho života (Príspevok k vývoju slovenskej národnej myšlienky), Martin 2000, S. 111; Čársky, Viktor: Nahliadnutia dejinám pod sukňu. Spomienky spracovali Naďa Vokušová a Vladimír Skalský, Praha 2003, S. 62. Die einzige Ausnahme bildet Róbert Letz mit seiner Untersuchung über die Aprilvereinbarung der Demokratischen Partei (1946), in der er angesichts der Machenschaften Vilinskijs andeutet, daß diese „o to smutnejšie“ [um so trauriger] waren, weil es um einen Menschen

14

Einleitung

dern trifft genauso auf den Kontext der russischen Emigration und den religiösen Kontext zu. Einige wenige Hinweise auf ihn lassen sich nach 1990 im Zusammenhang mit der Erforschung der russischen Emigration in Prag finden, die jedoch durchweg fehlerhafte Angaben anführen.15 Ansonsten findet er in diesen Arbeiten keine Erwähnung, was bestätigt, daß er Immigrant war und deshalb nicht als Russe in Prag wahrgenommen wird. Die meisten Untersuchungen konzentrieren sich jedoch auf die Beschreibung des Russischen in der Fremde. Adaptionsprozesse wurden bisher nur vereinzelt untersucht – so in den Dissertationen von Heide Willich, Isabel Jochims und Gun-Britt Kohler.16 Lev Kobylinskij-Ėllis und Boris de Schloezer sind allerdings eine Generation älter als Vilinskij, schrieben bereits in Rußland und trugen durch Übersetzungen, Kritiken und Rezensionen russischer Literatur zur Kulturvermittlung bei. Kurz erwähnt wird Vilinskij von Vladimír Bystrov,17 dem als Nachfahren russischer Emigranten allerdings etwas der kritische Abstand zu seinem Untersuchungsgegenstand fehlt, so verdienstvoll seine Untersuchungen ansonsten sind. Er schreibt und rechtfertigt – ähnlich wie Ivan Savickij – seine Familiengeschichte. Bystrov stellt fest, daß „[p]růběh splývání a přínos integrace ruských emigrantů do československé společnosti bohužel však zatím zůstává mimo zájem historiků či publicistů“18 [der Adaptionsprozeß und der Beitrag der Integration russischer Emigranten in die tschechoslowakische Gesellschaft bisher leider außerhalb des Interesses von Historikern oder Publizisten geblieben ist]. Bystrov hat selbstverständlich einen positiven Beitrag zur gesellschaftlichen Entwicklung im Sinne, dafür ist Vilinskij sicherlich nicht das geeignete Beispiel, denn er widerlegt grundlegend Bystrovs Behauptung, daß „není znám ani jediný případ vystoupení bývalého emigranta z Ruska ve prospěch německých zájmů a cílů na stránkách českého tisku“19 [nicht ein einziger Fall bekannt ist, in dem ein ehemaliger Emigrant aus Rußland auf den Seiten der tschechischen Presse für deutsche Interessen und Ziele eingetreten sei]. Es scheint vielmehr wichtig, daß weitere Einzeluntersuchungen vorgelegt werden, damit es nicht zu einer einseitigen Verzerrung des Emigrantenbildes kommt. Zu der Idealisierung der Emigranten hat sicherlich beigetragen, daß in vielen Untersuchungen eine Fixierung auf die Emi-

15

16

17 18 19

ging, der Bücher über die Verfolgung der Christen in der SU, über die Geschichte des Unionismus und der russischen orthodoxen Kirche veröffentlicht hat (Aprílová dohoda ako podmienka volebného víťazstva Demokratickej strany v roku 1946, in: Medvecký 2006, S. 11-30, hier: S. 30). Zahradníková, Marta: Konstantin A. Čcheidze, Sergej J. Savinov, Michail A. Sukennikov, Alexandr A. Umancev, Valerij S. Vilinskij, Konstantin K. Viskovatyj: Pisemné pozůstalosti (fragmenty), Praha 1993, S. 20; Podaný, Václav/Barvíková, Hana (Hgg.): Ruská a ukrajinská emigrace v Československé republice 1918-1938: Přehled archivních fondů a sbírek uložených v České republice, Praha 1996, S. 75f.; Rachůnková, Z./Řeháková, M./Vacek, J.: Práce ruské, ukrajinské a běloruské emigrace vydané v Československu 1918-1945, Teil 1, Praha 1996, S. 103f. Willich, Heide: Lev L. Kobylinskij-Ėllis: Vom Symbolismus zur ars sacra. Eine Studie über Leben und Werk, München 1996; Jochims 2002; Kohler, Gun-Britt: Boris de Schloezer (18811969). Wege aus der russischen Emigration, Köln/Weimar/Wien 2003. Bystrov, Vladimír: Z Prahy do GULAGu aneb překáželi, Praha 1999, S. 223. Bystrov 1999, S. 26. Bystrov 1999, S. 43.

Einleitung

15

grantenprominenz stattgefunden hat, deren Lebenswelt zum Teil von der ‚normaler‘ Emigranten grundverschieden war, zudem ist die Anzahl allgemeiner Darstellungen verschiedener Aspekte der Emigration bislang immer noch größer als Einzelbetrachtungen.20 Die Emigranten, die nicht in den Periodika der russischen Diaspora vertreten sind, existieren gleichsam nicht für die Forschung.21 In den Bibliographien tauchen sie selten auf, wenn sie nicht in russischer Sprache publiziert haben. Das betrifft nicht nur Vilinskij, sondern zum Beispiel auch Vjačeslav Ivanov.22 Was den religiösen Kontext von Vilinskijs Wirken anbelangt, so fand zunächst eine Rezeption unter seinen Zeitgenossen statt. Nicht selten erschienen mehr als zehn Rezensionen seiner Werke. In František Cineks großem Velehrad-Buch findet er Erwähnung und entsprechend in den Arbeiten späterer Velehradforscher (wie z. B. Leonard Górkas), auch ist ihm neben dem oben zitierten Eintrag im Filosofický slovník [Philosophischen Lexikon] ein Eintrag im Biografický slovník žíjících kulturních pracovníků a pracovnic [Biographisches Lexikon der lebenden Kulturschaffenden] gewidmet,23 was eine Ehre ist, die nicht vielen Russen zuteil wurde. Nach der erzwungenen, 60 Jahre währenden Pause ist die Beschäftigung mit Fragen des religiösen Lebens in der Ersten Republik eher zögerlich. Martin C. Putna ist der erste, der auf Vilinskij hinweist, allerdings operiert auch er mit ungedeckten Behauptungen und dem Hinweis, daß sich Vilinskijs Spur in den Enddreißigern verloren habe.24 Die Jakub Deml-Monographien von Alexander Wöll und Vladimír Binar machen deutlich,25 daß ein Wille zur Rezeption von Vilinskijs Werk vorhanden ist, daß dazu jedoch bisher schlicht zu wenig von ihm und über ihn bekannt ist. Die vorliegende Darstellung folgt der klassischen Zweiteilung in Leben und Werk, weil beides, wie bereits bemerkt, seit spätestens Mitte der 1930er in großem 20

21

22

23

24

25

Schlögel, Karl: Russische Emigration in Deutschland 1918-1941. Fragen und Thesen, in: ders. (Hg.): Russische Emigration in Deutschland 1918 bis 1941. Leben im europäischen Bürgerkrieg, Berlin 1995, S. 11-16, hier: S. 15 und Kohler 2003, S. 2. Die Untersuchung von Jiří Vacek: Interakce ruské a ukrajinské emigrace s českou a slovenskou vědou a kulturou v letech 1919-1945, in: Veber, Václav (Hg.): Ruská a ukrajinská emigrace v ČSR v letech 1918-1945. Sborník studií, sv. 2, Praha 1994, S. 1-40 bildet in dieser Hinsicht eine Ausnahme, denn sie berücksichtigt auch (S. 22f.) die publizistische Tätigkeit der Emigranten in tschechischen und slowakischen Periodika. Die Tagespresse findet allerdings keine Berücksichtigung. Vgl. Lappo-Danilevskij, Konstantin: „V Rime, – govoril ja, uezžaja iz Rossii, – choču umereť!“ Pervye gody ėmigracii Vjačeslava Ivanova, in: Göbler, Frank (Hg.): Russische Emigration im 20. Jahrhundert. Literatur – Sprache – Kultur, München 2005, S. 241-259. Cinek, František: Velehrad víry. Duchovní dějiny Velehradu, Olomouc 1936; Górka, Leonard: Dziedzictwo ojców. Ekumeniczny charakter tradycji welehradzkiej, Warszawa 1995; Kratochvil/Černocký/Charvát 31934 und 41937; Dolenský, Ant. (Hg.): Kulturní adresář ČSR. Biografický slovník žijících kulturních pracovníků a pracovnic, roč. 1, Praha 1934 und roč. 2, Praha 1936. Putna, Martin C.: Česká katolická literatura v evropském kontextu 1848-1918, Praha 1998, S. 530. Wöll, Alexander: Jakub Deml. Leben und Werk (1878-1961). Eine Studie zur mitteleuropäischen Literatur, Köln/Weimar/Wien 2006 und Binar, Vladimír: Čin a slovo. Kniha o Jakubu Demlovi, Praha 2009.

16

Einleitung

Widerspruch zueinander steht. Das eigentliche Werk ist zu dieser Zeit abgeschlossen, wird jedoch durch die weitere persönliche Entwicklung Vilinskijs in ein neues Licht getaucht, wenn nicht gänzlich in Frage gestellt. Es schiene mir unredlich, der Chronologie zu folgen und dem Leser die Schriften, die voller moralischen Impetus sind, ohne Blick auf den Autor vorzustellen und erst im Anschluß mit den ‚großen Enthüllungen‘ aufzuwarten. Es ist der Vor- und Nachteil des später geborenen Rezipienten, das gesamte Leben und Werk vor sich zu haben. Der Blick auf das Werk selbst erfolgt in vier großen Abschnitten, wobei der erste den essayistischen Arbeiten gewidmet ist, die gut Vilinskijs Sicht auf Land und Leute zeigen, die ihn aufgenommen haben. Der zweite Abschnitt, der sich mit Vilinskijs Ansichten zur schönen Literatur und mit seinen beiden Romanen beschäftigt, knüpft thematisch relativ eng an den vorherigen an, weil Vilinskij in essayistischer Form auch tschechische Literaten vorgestellt hat. Im dritten Abschnitt erfolgt die Auseinandersetzung mit den religiös-theologischen Texten. Diese nimmt entsprechend der Bedeutung der in ihnen zur Sprache kommenden Themen sowohl für das Werk Vilinskijs als auch den kulturgeschichtlichen Kontext den größten Raum ein. Während das vorrangige Ziel der Arbeit darin besteht, das Material zu erschließen, darzustellen und das disparate Werk zu systematisieren, um überhaupt erst einmal den Grund für eine eingehendere Beschäftigung mit konkreten Einzelfragen zu legen, wird in diesem Abschnitt etwas weiter ausgeholt, denn gerade das Interesse an dem orthodox-katholischen Dialog, wie er in Velehrad stattfand, bildete den Ausgangspunkt für die vorliegende Untersuchung. Es wird deshalb neben Vilinskijs eigener religiöser Konzeption Velehrad als materialisierte Mitte der unionistischen Bestrebungen vorgestellt wie auch die weitere Entwicklung der interkonfessionellen Bemühungen bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil und darüber hinaus verfolgt. Der vierte Abschnitt schließlich befaßt sich mit den politisch-historischen Schriften. Darunter fallen unter anderem Vilinskijs Konzeption zur slavischen Frage und Arbeiten, die sich mit der russischen Revolution und ihrer Auswirkung auf die innenpolitische Situation auseinandersetzen. Weil das Werk Vilinskijs bisher weitgehend unerforscht ist, seine Schriften nicht bibliographisch erfaßt sind und nur einige wenige Werke von ihm in deutschen Bibliotheken vereinzelt nachgewiesen sind (besser sieht es in Prag, Brünn, Olmütz und dem Vatikan aus), so daß man sich nur mit Mühe einen Überblick über sein Gesamtwerk verschaffen kann, wird in einigen Fällen ihr Inhalt recht ausführlich referiert und außerdem im Anhang eine umfassende Auflistung aller Veröffentlichungen Vilinskijs und ihrer Rezensionen, die bisher gefunden werden konnten, vorgenommen.

Teil 1 – Leben 1901-1923: Odessa – Tschechoslowakei Kindheit und Jugend in Odessa Der Beginn mit allem Anfang, der Geburt, wirft die ersten Fragen im Zusammenhang mit Vilinskijs Leben auf. Sicher scheint, daß er zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Odessa in eine namhafte russische Adelsfamilie geboren worden ist, die sich noch mit dem Bojarentitel schmückte, auch wenn der letzte richtige Bojar bereits 1750 gestorben ist.26 Der Vater, Sergij Grigor’evič Vilinskij (geboren am 15. September 1876, gestorben am 15. Januar 195027), Sohn eines Stabsoffiziers,28 stammte aus dem bessarabischen Kišinev, das heute zu Moldavien gehört. Er war nach seinem Studium in Petersburg und Odessa an der Universität von Odessa zunächst außerordentlicher, dann ordentlicher Professor für russische Literatur mit dem Schwerpunkt Mediävistik. Valerij Sergeevičs Mutter, Pelagie Kuksiné, starb als er etwa zwei Jahre alt war.29 Geschwister hatte er keine.30 26

27

28

29

30

O. A. Sňatek pana JUDr. Valeria Vilinského, spolupracovníka „Hlasu“, se sl. Vojtěškou, rozenou Žižkovou, in: Hlas, Jg. 60, Nr. 4441, 22.11.1932, S. 1 und Torke, Hans-Joachim: Adel, in: ders. (Hg.): Lexikon der Geschichte Rußlands. Von den Anfängen bis zur Oktober-Revolution, München 1985, S. 11-16, hier: S. 14. Eine Todesanzeige, Photos der Trauerfeier und Kondolenzschreiben an den Sohn und den akademischen Senat der Masaryk-Universität befinden sich in Brünn, im Archiv Masarykovo University (234/4382; 18/7 osobní spis und C fot III-11). Obwohl sowohl in vá.: Sergij Grigorjevič Vilinskij, in: Slavica na univerzitě J. E. Purkyně v Brně (Filologie, Literární věda, historiografie, uměnovědy), Brno 1973, S. 255-256, hier: S. 255 als auch in Mandát, Jaroslav: Vzpomínka na S. G. Vilinského, in: Sborník prací filozofické fakulty brněnské univerzity, D 33, 1986, S. 125-126, hier: S. 126 das richtige Todesjahr angegeben ist, wird aus Kudělka, Milan/Šimeček, Zdeněk/Šťastný, Vladislav/Večerka, Radoslav: Československá slavistika v letech 1918-1939, Praha 1977, S. 270 die falsche Angabe – 1952 – von neueren Arbeiten übernommen, so z. B. in Emigrace ze SSSR v meziválečném Československu. Přinos vědě a kultuře (Národní knihovna v Praze. Katalog výstavy z fondů Slovanské knihovny), Praha 1991, S. 54; von Šimeček, Zdeněk: Ruští a ukrajinští slavisté v meziválečném Československu, in: Slovanský přehled, Jg. 79, Nr. 1, 1993, S. 25-37, hier: S. 30 und von Pospíšilová, L.: Spolky ruské meziválečné emigrace v Brně, in: Veber, Václav (Hg.) a kol.: Ruská a ukrajinská emigrace v ČSR 1918-1945. Sborník studií, sv. 1, Praha 1993, S. 46-62, hier: S. 62. Hausmann, Guido: Universität und städtische Gesellschaft in Odessa, 1865-1917. Soziale und nationale Selbstorganisation an der Peripherie des Zarenreiches, Stuttgart 1998, S. 556. Jurák, O. Jeronym M.: Rus – hlasatel unionismus – Valerij S. Vilinskij, in: Hlas, Jg. 59, Nr. 4378, 15.04.1932, S. 2. Bittgesuch des Vaters vom 12. Juli 1923 an den Komitét pro umožnění studia rus. studentům v ČSR (SÚA, fond KRUS, krabice 185).

18

Teil 1 – Leben

Die von Vilinskij selbst in verschiedenen Formularen angegebenen Geburtsdaten weichen nicht nur untereinander ab, sondern man kann in Sekundärquellen auch noch weitere Varianten finden. Dadurch entsteht die Frage, ob der 3. Juli 1901, der 3. Juli 1903, der 16. Juli 1903, der 18. Juli 1903 oder der 16. August 1903 als der tatsächliche Geburtstag zu betrachten ist.31 Beachtet man die Differenz zwischen dem Kalender gregorianischen und dem julianischen Stils von 13 Tagen, so kann man aufgrund der Häufigkeit annehmen, daß der Tag der 3. Juli alten oder der 16. Juli neuen Stils ist. Die voneinander abweichenden Geburtsjahre lassen sich nicht so einfach erklären. Es wäre falsch, die einmalige eindeutige Angabe von 1901 als Jahr der Geburt einfach als Irrtum hinzustellen, denn sowohl in dem Antrag auf einen Waffenschein aus dem Jahre 1938 als auch in einem Ausweisantrag aus dem darauffolgenden Jahr ist jeweils im Geburtsjahr herumgeschmiert32 und in seinem Buch Rus se dívá na Č.S.R. schreibt er selbst, daß er 1914 ein Junge von 13 Jahren gewesen sei.33 Eine Erklärung für die Korrektur des Geburtsjahres von 1901 auf 1903 kann man darin finden, daß er als 1903 Geborener im Jahr der Einreise seines Vaters in die ČSR noch keine Volljährigkeit erlangt hatte, so daß er als dessen Kind legal und problemlos mit einreisen konnte. Es wird hier also die Annahme vertreten, daß der tatsächliche Geburtstag der 3. Juli 1901 ist.34 Nebenbei bemerkt, ließen sich mit den zwei Jahren Altersdifferenz zudem die mehrfachen verwunderten Äußerungen über seine Reife erklären, ohne hier natürlich seine Reife schmälern zu wollen.35 Das Ändern des Geburtsjahres aus pragmatischen Gründen war in den verworrenen Zeiten von Flucht und Vertreibung nicht ungewöhnlich. Nikolaj Terlecký beschreibt zum Beispiel in seinen Erinnerungen, daß das Jahr seiner Geburt von 1903 auf 1906 korrigiert worden sei, damit er nach Jahren der fluchtbedingten Schulabsenz die Gymnasialklasse besuchen konnte, die seinem verhältnismäßig geringen Kenntnisstand entsprach.36 31

32

33 34

35

36

Quellen in der Reihenfolge der Nennung: Zeugnis/Studienbuch (SÚA, fond KRUS, krabice 185); Fragebogen vom 27. September 1923 für den Komitét pro umožnění studia rus. studentům v ČSR (SÚA, fond KRUS, krabice 185); Paßverlustmeldung (SÚA, PŘ 1941-50, balík V 6982); Báze NK ČR – Báze AUJ-Jmenné autority NK ČR; 2. Juni 2000 und Waffenscheine 1946 und 1951 (SÚA, PŘ 1941-50, balík V 6982). Antrag auf Waffenschein 1938 und Tiskopis na žádost za všeobecnou občanskou legitimaci 1939 (SÚA, PŘ 1941-50, balík V 6982). Rus se dívá na Č.S.R., Praha 1931, S. 9. Dieser Annahme widersprechen sämtliche gefundenen Angaben über Vilinskijs Geburtsjahr, die in vielen Fällen voneinander übernommen worden sind, wie man aus weiteren Fehlern ableiten kann. Es seien hier nur einige angeführt: Zahradníková 1993, S. 20; Podaný/Barvíková (Hgg.) 1996, S. 75f.; Rachůnková/Řeháková/Vacek 1996, S. 130f.; Sládek/Běloševská (Hgg.): Dokumenty k dějinam ruské a ukrajinské emigrace v Československé republice (19181939), Praha 1998, S. 272. So findet z. B. Zernov einen Artikel Vilinskijs „für sein junges Alter erstaunlich“ (Brief Zernovs an Vilinskij vom 13. Mai 1928; ZAO, fond Vilinskij). Im Gegensatz dazu tituliert ihn Deineko als „liebes Kind“ und „kindlich“ (Briefe Deinekos an Vilinskij vom 25. November 1925 und 26. Februar 1926; ZAO, fond Vilinskij). Terlecký, Nikolaj: Curriculum vitae, Praha 1997, S. 38.

1901-1923: Odessa – Tschechoslowakei

19

Vilinskij wuchs im ukrainischen Odessa auf, so daß er neben dem väterlichen Russisch auch Ukrainisch lernte.37 Er besuchte dort das Gymnasium Rovnjakovs, das er 1919 abschloß.38 Einem längeren Artikel von Jeroným Jurák über Vilinskij zufolge legte er das Abitur nicht wie allgemein üblich nach acht Jahren, sondern mit besonderer Genehmigung des Ministeriums bereits nach sechs Jahren ab. Um diese Aussage als Gegenargument zu der Diskussion über das wahre Geburtsjahr zuzulassen, müßte sie durch Archivmaterial aus Odessa überprüft werden. Sie kann ebenso als Versuch verstanden werden, die Spuren zu verwischen.39 Über seine Schulzeit erfährt man nur, daß er in Odessa sowohl von einem tschechischen Sport- als auch einem tschechischen Lateinlehrer unterrichtet worden ist, wobei er den Sportlehrer gern gemocht habe. Über den Lateinlehrer hingegen schreibt er, daß er sich wundere, daß dieser es nicht geschafft habe, ihm die Freude an Latein zu nehmen, das er liebe und recht gut beherrsche.40 Während dieser Zeit half er seinem Vater bei der wissenschaftlichen Arbeit, indem er für ihn alte Handschriften abschrieb, was sich später als gute Schule für das selbständige Einarbeiten in neue Fragestellungen erweisen sollte.41

Studienbeginn und Flucht Im Anschluß an das Gymnasium nahm er ein Studium an der Juristischen Fakultät des Novorossijskij universitet [der Neurussischen Universität] in Odessa auf. Das erste Studienjahr schloß er in den Fächern Religion und russische Rechtsgeschichte mit einer schriftlichen Arbeit ab. Seine Studienergebnisse in den juristischen Fächern waren durchweg sehr gut (Note vier), in Religion gut (Note drei) und in Englisch befriedigend (Note zwei).42 Sein Studium in Rußland fand nach zwei Semestern durch die Folgen der Revolution ein abruptes Ende. Er mußte die Universität verlassen, weil er sich an antibolschewistischen Aktionen beteiligte und weil er adliger Herkunft war. Da selbstverständlich auch der Vater, der zu dieser Zeit Prorektor war, nicht länger an der Universität lehren durfte, beschloß die Familie, nach Bulgarien zu fliehen. Kurz bevor sie den Hafen von Odessa erreicht hatten, wurde Valerij Sergeevič von den Bolschewiki an der weiteren Flucht gehindert. Die folgenden neun Monate versuchte er, ihnen auf irgendeine Weise doch noch zu entkommen, bis es ihm endlich 37 38

39

40 41 42

Rus se dívá na Č.S.R. 1931, S. 36. Fragebogen vom 27. September 1923 für Komitét pro umožnění studia rus. studentům v ČSR (SÚA, fond KRUS, krabice 185). Jurák 1932, von dem Svozil, Oldřich/Vrbík, Stanislav (Hgg.): Poselství. Almanach k dvacátému pátému výročí Družiny literární a umělecké, Olomouc 1938, S. 376 die Angabe übernommen haben, denn Vilinskij hatte ihnen zuvor den Artikel zugeschickt (Brief Vilinskijs an Svozil vom 9. April 1938; ZAO, fond DLU, karton 3). Rus se dívá na Č.S.R. 1931, S. 10. Jurák 1932. Zeugnis und Bestätigung über Studium in Odessa (SÚA, fond KRUS, krabice 185).

20

Teil 1 – Leben

im Winter 1920 gelang, nach Rumänien zu fliehen. Wegen Überquerung der Grenze ohne Paß wurde er vom Militärgericht der 5. Division zu dreimonatiger Haft verurteilt, von denen er zwei Monate im Krankenhaus verbrachte. Nach Einschreiten des bulgarischen Gesandten wurde er als Angehöriger des bessarabischen Adels durch den rumänischen König amnestiert43 – allerdings wurde ihm die Begnadigungsurkunde erst zwei Tage vor Ablauf der Haftzeit ausgehändigt. Im Anschluß arbeitete er einige Zeit als Journalist in dem damals rumänischen Kišinev (dem Geburtsort seines Vaters), bis es ihm schließlich glückte, nach Bulgarien zu gelangen.44 Dem Vater und dessen zweiter Frau Anna (geborene Grünmann[ova], 1. Januar 1883) gelang im Gegensatz zu dem Sohn, wie beabsichtigt, bereits am 7. Februar 1920 die Flucht,45 allerdings ohne alle ihre persönlichen Sachen, denn diese waren ihnen noch im Hafen von Odessa gestohlen worden.46 Sie erreichten zusammen mit ungefähr 2.500 weiteren russischen Flüchtlingen im März 1920 auf dem Dampfschiff „Vladimir“ Bulgarien – ein Teil der Flüchtlinge kam nach Varna, ein Teil nach Plevno. Die Vilinskijs gehörten zu letzteren. In Plevno funktionierte bis zum August 1920 die sogenannte Kommission für die Evakuierung der Familien und Teilnehmer der Freiwilligenarmee,47 die sich auch um Zivilisten kümmerte. Der Vater konnte in Plevno als Russischlehrer arbeiten, ab 1921 in Sofia als Lateinlehrer.48 In Bulgarien traf die Familie wieder zusammen. Valerij Sergeevič arbeitete dort in einer Salzmühle und in der Tabakregie.49 Trotz der hohen Studiengebühren in Bulgarien (800 Leva je Semester), die das familiäre Budget überstiegen, ermöglichte der Vater seinem Sohn zumindest für das Studienjahr 1921/22 das Studieren an der Juristischen Fakultät der Sofioter Universität.50 Er belegte dort die Fächer politische Ökonomie und Französisch mit einem Schein.51 Die ohnehin schon angespannte innenpolitische Situation in Bulgarien, das an den Folgen des Krieges zu tragen hatte, aus dem es nicht als Sieger hervorgegangen 43

44 45

46

47

48 49 50

51

Rumänien hatte im Zuge der russischen Revolution Ende 1918 Bessarabien annektiert, was jedoch erst im Oktober 1920 international sanktioniert wurde (Hupchick, Dennis P./Cox, Harold E.: The Palgrave Concise Historical Atlas of Eastern Europe, New York/Hampshire 2001, Map 45). Jurák 1932 und Svozil/Vrbík (Hgg.) 1938, S. 377. In der Abschrift der „Osobní tabulka“ vom 7. November 1941 heißt es: „7. 2. 1920 odjel dobrovolné do emigrace“ [am 7. Februar 1920 ging er freiwillig in die Emigration] (Archiv MU, 234/4382). Er verläßt also Odessa nicht bereits 1917 (vá, M. M.: Sergij Grigorjevič Vilinskij, in: Slavica na Masarykově univerzitě v Brně. Literární věda, jazykověda, historiografie, uměnovědy, Brno 21993, S. 252-253, hier: S. 252) oder 1919 (Mandát 1986, S. 126 und vá 1973, S. 255). Pospíšil, Ivo: Sergij Vilinskij an der Masaryk-Universität in Brünn: Fakten und Zusammenhänge, in: Wiener Slavistisches Jahrbuch, Jg. 42, 1996, S. 223-230, hier: S. 225. Vilinský, S. G.: V Bolgarii v 1920-23 godach (Iz ėmigrantskich pereživanij), in: Jubilejnyj sbornik. 1921 – Brno – 1931. Jubilejní sborník. Svaz ruských studentů, Brno 1932, S. 40-46, hier: S. 40. Pospíšil 1996, S. 225. Jurák 1932 und Svozil/Vrbík (Hgg.) 1938, S. 377. Väterliches Bittgesuch vom 18. März 1924 (SÚA, fond KRUS, krabice 185). Im Gegensatz dazu wird in Jurák 1932 und Svozil/Vrbík (Hgg.) 1938 kein Studium in Bulgarien erwähnt. Fragebogen vom 27. September 1923 für den Komitét pro umožnění studia rus. studentům v ČSR (SÚA, fond KRUS, krabice 185).

1901-1923: Odessa – Tschechoslowakei

21

war, spitzte sich im Winter 1921/22 zu, als Teile der Wrangel-Armee aus der Türkei nach Bulgarien kamen, und kulminierte im Herbst 1922, als der diktatorische Bauernführer Stambolijski an die Macht gelangte. Es herrschte große Hungersnot, die die Vilinskijs insofern noch besonders zu spüren bekamen, da das Prager Schul- und Volksbildungsministerium bei der bulgarischen Regierung angefragt hatte, ob Sergij Grigor’evič im Laufe des Schuljahres seinen Arbeitsvertrag kündigen dürfe, was diese verneint hatte. Das führte dazu, daß er sofort aus dem Dienst ausscheiden mußte. Er sollte in Brünn auf Einladung tschechischer Slavisten (v. a. Václav Vondrák) eine Vertragsprofessur für russische Literatur erhalten.52 Weil die tschechische Bürokratie jedoch geraume Zeit zur Bearbeitung der Einreiseformalitäten benötigte, zog sich die ganze Angelegenheit noch ein Jahr hin, in der die Familie das fehlende Einkommen des Vaters existentiell zu spüren bekam. Auch war die neue Politik in Bulgarien den russischen Flüchtlingen nicht gerade zugetan, so daß ab 1921 die größte und aktivste Filiale des Verbandes für die Rückkehr russischer Emigranten in Sofia ihre Tätigkeit entfalten konnte.53 Der Vater Vilinskij kam aufatmend mit den Seinen am 29. Mai 1923 in der Tschechoslowakei an. Ihre Reise führte sie mit dem Schiff nach Bratislava.54 Der drei Jahre dauernde entbehrungsreiche Weg von Odessa nach Brünn hinterließ seine Spuren: Valerij Sergeevič befand sich in einem schlechten Gesundheitszustand und litt unter ‚Tbc incipiens‘, als sie in der Tschechoslowakei eintrafen.55 Was wußten die russischen Emigranten über das Land, das sie aufnahm? Kannten sie den jungen Staat Tschechoslowakei überhaupt, der 1923 erst fünf Jahre existierte? Wie bereits erwähnt, begegnete Vilinskij in Rußland zumindest zwei Tschechen: seinem Sportlehrer Vojtěch Vojtěchovič und dem Lateinlehrer Scheller. Beide Lehrer scheinen jedoch wenig Wissen über ihr Volk verbreitet zu haben. Die Schüler hörten von ihnen lediglich den Spruch „Co Čech, to Sokol“ [Wer Tscheche ist, der ist Mitglied der Turnbewegung Sokol] und erfuhren, daß die Jesuiten Böhmen zerstört hätten. Das einzige, was Vilinskij über seine künftige Heimat zu dieser Zeit wußte, war, daß Brünn die Hauptstadt der Markgrafschaft Mährens und ein Zentrum der Textilindustrie sei und daß es in Prag einen schönen Blick von der Burg auf die Stadt geben soll. Er kannte Prager und Westfälischen Schinken, weshalb er Prag mit Westfalen in Verbindung brachte. Außerdem erfuhr er durch den Katecheten 52 53

54

55

Vilinský, S. G. 1932, S. 44 und Pospíšil 1996, S. 225. Šmigeľ, Michal: Ruská a ukrajinská politická emigrácia v Česko-Slovensku (1918-1945) a spôsoby jej likvidácie v povojnových rokoch, in: Hrodek, Dominik a kolektiv (Hgg.): Slovanství ve středoevropském prostoru. Iluze, deziluze a realita, Praha 2004, S. 326-344, hier: S. 327. Rus se dívá na Č.S.R. 1931, S. 12; das genaue Datum ist dem Fragebogen vom 27. September 1923 für den Komitét pro umožnění studia rus. studentům v ČSR (SÚA, fond KRUS, krabice 185) entnommen. Der Vater ist also nicht bereits zwei Jahre vor dem Sohn 1921 in der Tschechoslowakei eingetroffen, wie Bystrov behauptet (1999, S. 223). Fragebogen vom 27. September 1923 für den Komitét pro umožnění studia rus. studentům v ČSR (SÚA, fond KRUS, krabice 185). Allen Recherchen zufolge wird mit dem Begriff ‚Tbc incipiens‘ medizinisch keine spezielle Form der Tuberkulose bezeichnet, sondern es handelt sich wahrscheinlich um eine Wortschöpfung des philologisch gebildeten Vaters, um Tuberkulose im Anfangsstadium zu beschreiben.

22

Teil 1 – Leben

und den Geschichtslehrer, daß Hus ein Ketzer gewesen sei. Und er wußte, daß Chelčický lange vor Tolstoj dieselben Ideen geäußert haben soll. Als Junge las er die Legendy českého národa [Legenden des böhmischen Volkes], wobei er eine besondere Vorliebe für die Ritter vom Blaník und Václav entwickelt hat, und Jiráseks Psohlavci [Choden], welche er langweilig fand. In Bulgarien gesellte sich noch der Golem zu seiner tschechischen Lektüre, abends besuchte er einen tschechischen Sprachkurs und brachte mehr und mehr über die Tschechoslowakische Republik in Erfahrung, die er schließlich als „Traum aller Emigranten“ betitelte.56 Nicht ohne Grund. Aber auch die anderen Emigranten verfügten nur über äußerst lückenhafte Kenntnisse in Bezug auf das Land ihrer Träume. In den bereits erwähnten Erinnerungen von Terlecký heißt es dazu: „O Češích jsme věděli málo, jen že jsou Slovani, sportovní národ, že vaří znamenité pivo a mají zbrusu nový samostatný stát“ [Über die Tschechen wußten wir wenig, nur daß sie Slaven sind, ein sportliches Volk, daß sie bedeutendes Bier brauen und einen funkelnagelneuen selbständigen Staat haben].57

Ruská pomocná akce – Russische Hilfsaktion Die Tschechoslowakei stellt eine Ausnahme in der Geschichte der russischen Emigration dar. Wie Savickij konstatiert, war sie das einzige Land, das die Zusammensetzung der Emigrantenschaft bewußt den eigenen Interessen entsprechend formierte. Im Gegensatz zu anderen Staaten, die lediglich sagten, welchen Personengruppen sie keine Aufnahme gewähren, lud die tschechoslowakische Regierung bestimmte Emigranten gezielt zum Kommen ein. Dieses Vorgehen war vor allem möglich, weil die Tschechoslowakei kurze Zeit nach dem Ersten Weltkrieg als Land noch weitgehend unbekannt war, und wegen der geographischen Lage Prags außerhalb der Hauptflüchtlingstrasse.58 Zudem kann die ČSR als eines der liberalsten und stabilsten Staatswesen der Zwischenkriegszeit betrachtet werden. Das waren gute Voraussetzungen, um zum „gelobten Land“ der russischen Emigration zu werden.59 Die sogenannte Russische Hilfsaktion wurde 1921 mit zunächst zwei Schwerpunkten gegründet. Das erste Aufgabengebiet bildete die Hilfe für Hungernde in Rußland. Die Arbeit in diesem Bereich konnte nur mittelbar durch die Gewährung von Hilfe an öffentliche Organisationen in Rußland erfolgen. Diese Form der Unterstützung wurde Mitte 1922 von der Sowjetregierung verboten und die Organisatoren wurden zu Konterrevolutionären erklärt, denn das Zulassen dieser Hilfe wäre dem Eingeständnis gleichgekommen, daß die Regierung Probleme bei der Versorgung der Bevölkerung hatte. Von da an konzentrierte sich die Russische 56 57 58

59

Rus se dívá na Č.S.R. 1931, S. 9f. Terlecký 1997, S. 44. Savickij, Ivan: Specifika Pragi kak duchovnogo centra ėmigracii, in: Běloševská, L. (Red.) 1999, S. 47-95, hier: S. 48. Schlögel, Karl: Einführung, in: ders. (Hg.): Der große Exodus. Die russische Emigration und ihre Zentren. 1917 bis 1941, München 1994, S. 9-20, hier: S. 16.

1901-1923: Odessa – Tschechoslowakei

23

Hilfsaktion auf ihren zweiten Schwerpunkt, die Unterstützung russischer Emigranten in der ČSR,60 für den ihr Name bis heute steht. Die Russische Hilfsaktion war überparteilich, denn sie wurde unter Zustimmung und Wunsch aller tschechischen politischen Parteien in Gang gebracht,61 und sie war ebensowenig einer bestimmten russischen politischen Richtung geschuldet.62 Sehr unterschiedliche Ziele vereinten sich zu einem guten Werk. Auf der einen Seite stand der erste tschechoslowakische Ministerpräsident Karel Kramář, der mit einer Russin verheiratet war. Er setzte sich als Neoslavist für die gegenseitige Unterstützung der slavischen Völker besonders auf kulturellem und wirtschaftlichem Gebiet ein, denn er war überzeugt, daß Rußland für die (künftigen) kleinen slavischen Staaten eine wichtige Rolle zukommen werde. Eine politische Zusammenarbeit der Slaven wurde seitens der Neoslavisten bewußt nicht angesprochen, um „das Mißtrauen der österreichischen Regierung möglichst gering zu halten“, und ebenso lehnten sie die Orthodoxie als Kriterium für die gegenseitige Annäherung ab.63 Den russischen Nationalstaat sah Kramář als Garant für die nationale Entwicklung der Tschechen und Slowaken, denn allein Rußland könne die Bedrohung von deutscher Seite abwenden. Auf der anderen Seite stand der erste Staatspräsident Tomáš Garrigue Masaryk, der die einzige Chance für Rußland in seiner Europäisierung sah. Deshalb setzte er sich dafür ein, die russische Intelligenz systematisch auf ihre kommende Arbeit in Rußland vorzubereiten. Er betrachtete dies zudem als eine Gelegenheit, die ČSR zum wichtigsten slavischen Zentrum in Europa zu entwickeln64 und damit die Eigenständigkeit des neuen slavischen Nationalstaates gegenüber der ehemaligen Habsburgermonarchie und den Deutschen im eigenen Land zu betonen.65 Das Ziel der Aktion läßt sich wie folgt beschreiben: Program měl za cíl výchovou a přípravou nových odborníků a vysokoškolských kádrů pro ruské období rekonstrukce, které, jak se věřilo, mělo brzy začít. Byl to projev hluboké úcty k ruské kultuře a jejím reprezentantům a vděčnost za pomoc poskytovanou Ruskem během války.66 60

61

62 63

64 65

66

Chinyaeva, Elena: Ruská emigrace v Československu: vývoj ruské pomocné akce, in: Slovanský přehled, Jg. 79, Nr. 1, 1993, S. 14-24, hier: S. 17. Zdeněk Sládek zufolge lassen sich keine Nachweise finden, daß Masaryk – wie oft behauptet wird – ihr Initiator gewesen sei (Sládek 1999, S. 12). Chinyaeva 1993, S. 18. Winkler, Martina: Karel Kramář (1860-1937). Selbstbild, Fremdwahrnehmungen und Modernisierungsverständnis eines tschechischen Politikers, München 2002 (= Ordnungssysteme. Studien zur Ideengeschichte der Neuzeit, Bd. 10), S. 181. Vgl. auch Běhounek, V.: Novoslovanství, in: Chalupný, Emanuel und Krejčí, Dobroslav (Hgg.): Slovník národohospodářský, sociální a politický. III. Díl, Praha 1933, S. 138f. Chinyaeva 1993, S. 16ff. Glenny, Michael: The Emigration, in: Shukman, Harold (Hg.): The Blackwell Encyclopaedia of the Russian Revolution, Oxford 1995, S. 160-163, hier: S.162. Auch Katkov, Georgy Mikhailovich: Masaryk’s Guests, in: Stone, Norman/Glenny, Michael (Hgg.): The Other Russia, London 1990, S. 254f., hier: S. 255 betont diesen Aspekt der Hilfe. Tejchmanová, Světlana: Rusko v Československu. Bílá emigrace v ČSR 1917-1939, Praha 1993, S. 7 unterstreicht die politische Motivation, die über der karitativen dominiert habe. Chinyaeva 1993, S. 18.

24

Teil 1 – Leben Das Programm hatte die Bildung und Vorbereitung neuer Fachleute und Hochschulkader für die Zeit der Restauration in Rußland zum Ziel, die, wie man glaubte, bald einsetzen würde. Es war Ausdruck tiefer Wertschätzung der russischen Kultur und ihrer Repräsentanten und Zeichen der Dankbarkeit für die Hilfe, die von Rußland während des Krieges gewährt worden ist.

Die Hilfe richtete sich, wie sich aus dem hier formulierten Ziel ergibt, vor allem an die demokratische Intelligenz, weshalb in vielen Fällen für die Bewilligung des Asyls nicht zuletzt der Beruf oder die gewünschte Studienrichtung des Bewerbers den Ausschlag gab.67 Prag sollte zu einem Zentrum der russischen Intelligenz im Ausland werden. Während sich in Berlin und Paris die russischen Literaten und Künstler wiedertrafen, lag also in der Tschechoslowakei insgesamt und in Prag im besonderen das Hauptaugenmerk auf dem Schulwesen und der Wissenschaft. Zur Koordinierung der Unterstützung, die den russischen Studenten zuteil werden sollte, wurde ein Komitét pro zabezpečení studia ruských studentů v Č.S.R./Komitet po obespečeniju obrazovanija russkich studentov v Čechoslovackoj respublike [Komitee für die Absicherung des Studiums russischer Studenten in der ČSR] gebildet, in dem tschechoslowakische und russische Professoren und Studenten tätig waren.68 Außerdem wurden in den Jahren 1921/22 insgesamt siebzig russische und ukrainische Professoren aus Drittländern in die ČSR eingeladen,69 die gerne diese großzügige Möglichkeit wahrnahmen, ihre akademische Tätigkeit im Ausland fortzusetzen. Zu ihnen zählte Sergij Grigor’evič Vilinskij. Es ist nicht von ungefähr, daß das Prag jener Jahre als „russisches Oxford“ oder „Mekka des gelehrten Rußland jenseits der Grenzen“ bezeichnet wird.70 Trotz der zahlenmäßig geringen Bedeutung Prags im Rahmen der Gesamtemigration konnte es doch zu ihrem dritten Zentrum neben Paris und Berlin werden.71 Das russische Leben in Prag blühte dank der vielseitigen Unterstützung. Postnikov stellt in seinem Buch Russkie v Prage. 1918-1928 [Russen in Prag. 19181928] die zahlreichen russischen Organisationen und Einrichtungen vor (von ihm 67

68

69

70

71

Putna, Martin C.: Rusko mimo Rusko. Dějiny a kultura ruské emigrace 1917-1991, I, Brno 1993, S. 45ff. So wurde Prag auch kein Zentrum des russischen Unternehmertums oder der Aristokratie (Sládek, Zdeněk: Ruská emigrace v Československu. [Problémy a výsledky vyzkumu], in: Slovanský přehled, Jg. 79, Nr. 1, 1993, S. 1-13, hier: S. 1). Sergij G. Vilinskij hatte zum Beispiel in dem Brünner Büro des Komitees den Vorsitz des Professorenkollegiums inne (vgl. Podaný, Václav/Barvíková, Hana: Emigrace z Ruska v meziválečném Československu. Prameny v českých, moravských a slezských archivech, Praha 2000, S. 341f.). Chinyaeva 1993, S. 19. Diese Zahl widerspricht Savickijs deduktiver Statistik. Er leitet aus den Materialy dlja bibliografii russkich naučnych trudov za rubežom (1920-1930). Vypusk I., Belgrad 1931 ab, daß in der ČSR sechzehn russische Lehrende an Hochschulen tätig gewesen seien. Da er für Jugoslawien auf eine Zahl von 67 kommt, ist eher anzunehmen, daß diejenigen, die die Materialien zusammengestellt haben, nur bedingten Zugang zu den außerhalb Jugoslawiens erschienenen Arbeiten hatten (Savickij, Ivan: Praga i zarubežnaja Rossija, Praga 2002, S. 90). Sládek, Zdeněk: Prag: Das „russische Oxford“, in: Schlögel (Hg.) 1994, S. 218-233 und Schlögel, Karl: Wiedergelesen am Ende des 20. Jahrhunderts. T. G. Masaryks „Rußland und Europa“, in: Masaryk, Tomáš G.: Russische Geistes- und Religionsgeschichte. Erster Band, Frankfurt am Main/Wien 1992, S. V-XXVII, hier: S. X. Zu Beginn der 1920er Jahre waren 15.000 bis 20.000 russische Emigranten in der ČSR, 1938 waren es nur noch 8.000 (Tejchmanová 1993, S. 7).

1901-1923: Odessa – Tschechoslowakei

25

werden für diesen Zeitraum 76 genannt), die sich auf folgende Gebiete verteilten: gesellschaftliche und ökonomische Organisationen, wissenschaftliche Einrichtungen und Gesellschaften, Lehranstalten, kulturelle Organisationen und Zirkel, Berufsund Interessenverbände, Studenten-, Kosakenorganisationen, Verlage, Einrichtungen des Gesundheitsschutzes, juristische Konsultationen des Zemgor – des Ob’’edinenie Rossijskich Zemskich i Gorodskich Dejatelej v Čechoslovackoj Respublike [der Vereinigung der russischen Land- und Stadtvertreter in der Tschechoslowakischen Republik] – und die russische Kirche.72 Mitte der 1920er Jahre schwächte sich die Hoffnung, daß die Emigranten in absehbarer Zeit in ihre Heimat zurückkehren könnten, geschweige denn dort zukünftig öffentliche Verantwortung übernehmen würden, ab. Die Prämisse, unter der die Aktion angetreten war, war somit hinfällig geworden. Ab Beginn des Jahres 1927 war die Hilfsaktion verstärkt politischen Angriffen ausgesetzt – die tschechischen kommunistischen Abgeordneten forderten die Einstellung der Unterstützung von „Monarchisten und anderen antisowjetischen Gestalten in der ČSR“ und beschuldigten die Regierung, konterrevolutionäre Studentengruppen zu unterstützen73 –, hinzu kamen zunehmend finanzielle Schwierigkeiten. Die Unterstützung wurde deshalb reduziert und umstrukturiert. Der neu ausgearbeitete Plan verwies schon nicht mehr auf die Vorbereitung der Erneuerung in Rußland. Wichtige kulturelle Institutionen, wie z. B. die Slovanská knihovna [Slavische Bibliothek] und der Ruský zahraniční historický archiv [das Russische Historische Auslandsarchiv] sollten vorläufig weiter vom Außenministerium betreut werden, bis es zur Gründung eines Ústředí slovanských studií [Zentrums slavischer Studien] kommen würde, das den zuständigen Ministerien unterstellt werden sollte. Bis dahin lag die Leitung in den Händen des Zemgor. Die Übertragung an die Ministerien sollte eine Entpolitisierung gewährleisten, da der Zemgor sich hauptsächlich aus Sozialrevolutionären zusammensetzte.74 Dazu kam es jedoch nicht. Es wurde zwar der Slovanský ústav [das Slavische Institut] innerhalb der Tschechischen Akademie der Wissenschaften gegründet, aber die russischen und ukrainischen Institutionen wurden nicht integriert, sondern bestanden für sich weiter. Das Außenministerium übernahm schließlich ganz das Archiv, die Slavische Bibliothek und das ökonomische Kabinett Prof. Prokopovičs. Die Bibliothek fiel 1939 unter die Verwaltung des Schulministeriums, 1942 wurde sie der Landes- und Universitätsbibliothek angegliedert, in den Jahren 1948 bis 1958 war sie eigenständig. Sie besteht als einzige ehemalige Emigranteninstitution bis heute und ist seit Ende der 1950er Jahre der Nationalbibliothek inkorporiert.75 72

73 74 75

Postnikov, S. P. (Hg.): Russkie v Prage. 1918-1928, Praga 1928 [Reprint Praha 1995]. Bei Serapionova kann man eine Liste von 142 Organisationen und Bewegungen der russischen Emigration in der ČSR finden (Serapionova, E. P.: Rossijskaja ėmigracija v Čechoslovackoj respublike [20 - 30-e gody], Moskva 1995, S. 170-174). Chinyaeva 1993, S. 20. Chinyaeva 1993, S. 20 und Sládek 1994, S. 220 und 226. Chinyaeva 1993, S. 21ff. und Klímová, Milena: Slovanská knihovna a Slovanský ústav, in:

26

Teil 1 – Leben

Die Wirtschaftskrise, der Anfang der 1930er Jahre auch die ČSR nicht mehr entgehen konnte, verschärfte die Situation für die Emigranten noch einmal. Außerdem orientierte sich die tschechoslowakische Außenpolitik in Übereinstimmung mit der französischen Annäherung an die UdSSR Mitte der 1930er Jahre neu, denn es war klar geworden, daß sich die Lage in der Sowjetunion stabilisiert hatte. Das Interesse wandte sich deshalb mehr und mehr einer Transformation des sowjetischen Systems zu. Die tschechoslowakische Regierung erkannte die UdSSR 1934 de iure an.76 Damit wurde das Ende der offiziellen Sorge um die russischen und ukrainischen Emigranten eingeläutet, was unter anderem dadurch manifestiert wurde, daß Beamten verboten wurde, an Aktionen der russischen und ukrainischen Emigration teilzunehmen.77 Das Außenministerium setzte seine Zuwendungen zwar über das Tschechische Rote Kreuz fort,78 das Ausmaß war aber wesentlich geringer. Mit dem Münchner Abkommen schließlich endete jegliche Hilfe für die Russen in der ČSR. Spätestens ein Jahr nach seinem Abschluß waren alle Einrichtungen zu ihrer Unterstützung geschlossen.79

76 77

78 79

Slovanský ústav v Praze. 70 let činnosti. Sborník statí. Bibliografie, Praha 2000, S. 50-53, hier: S. 52. Im Frühjahr 2007 wurde die einmalige Sammlung russischer, ukrainischer und weißrussischer Periodika, über die die Slovanská knihovna verfügt, vom Generalsekretär der UNESCO in das ‚Verzeichnis des Weltgedächtnisses‘ aufgenommen (Vacek, Jiří/Babka, Lukáš: Hlasy vyhnaných. Periodický tisk emigrace ze sovětského Ruska [1918-1945], Praha 2009, S. 7ff.). Sládek 1993, S. 8 und 10. Valenta, Jaroslav: Slovanství v samostatném československém státě, in: Šťastný, Vladislav (Hg.): Slovanství v národním životě Čechů a Slováků, Praha 1968, S. 366-399, hier: S. 399 (FN 121). Chinyaeva 1993, S. 23. Raev, Mark: Rossija za rubežom. Istorija kuľtury russkoj ėmigracii 1919-1939, Moskau 1994, S. 57 (= russische Ausgabe von Raeff, M.: Russians Abroad. A Cultural History of the Russian Emigration 1919-39, Oxford 1990).

1923-1927: Studienjahre Valerij Sergeevič Vilinskij kam mit seinen Eltern nach Brünn, setzte aber unverzüglich sein Studium so in Prag fort, wie er es in Odessa begonnen hatte – russisches Recht in russischer Sprache. Er war einer der Studenten der Russischen juristischen Fakultät in Prag,80 die ihre Existenz der Russischen Hilfsaktion zu verdanken hatte, über die Vilinskij später anerkennend und dankbar schrieb: V ruské akci nejdůležitějším bylo to, že byla naprosto nezištnou: nežádala po Rusech žádných závazků, nenutila k ničemu, byla ethickou, spravedlivou a nezaujatou.81 An der russischen Aktion war am wichtigsten, daß sie einfach selbstlos war: sie forderte von den Russen keinerlei Verpflichtungen, zwang sie zu nichts, war ethisch, gerecht und unvoreingenommen.

Русский юридический факультет в Праге – Russische juristische Fakultät in Prag Die Russische juristische Fakultät in Prag war die einzige rein russische vollwertige universitäre Fakultät in der gesamten russischen Diaspora,82 weshalb sie von Oleg Michajlov überschwenglich als „die Krönung“ aller akademischen Zentren der Emigration bezeichnet wird.83 Postnikov gibt mehrere Gründe an, die dazu geführt haben, daß im Ausland eine juristische Fakultät eingerichtet worden ist: erstens war in der Sowjetunion die reguläre Juristenausbildung unterbrochen; zweitens waren für die künftige Arbeit in Rußland gut ausgebildete Juristen unabdingbar; drittens war die Rechtswissenschaft so stark national geprägt, daß man keine volle russische Juristenausbildung an ausländischen Universitäten abhalten konnte, und viertens befand sich in Prag eine bedeutende Zahl russischer Juraprofessoren, so daß man alle Zweige einer juristischen Fakultät damit bedienen konnte.84 Hinzu kam die demographische 80

81 82 83 84

Er war nie Student der Philosophischen Fakultät in Brünn, wie in folgenden Arbeiten fälschlich behauptet wird: Zahradníková 1993, S. 20; Podaný/Barvíková (Hgg.) 1996, S. 75f.; Rachůnková/Řeháková/Vacek 1996, S. 130f. Diese Angabe wird in dem Internet-Verzeichnis Religioznye dejateli i pisateli russkogo zarubež’ja (http://zarubezhje. narod.ru/av/v/v_039.htm; 27. September 2004) übernommen. Auch hat er nicht die Juristische Fakultät in Brünn absolviert (SÚA, f. 100/36, sv. 143-2. zpráva o JUDr. Vilinském z 30.09.1948, S. 279; Bystrov 1999, S. 223; Rokosová 2003). Das geht einerseits aus der eindeutigen schriftlichen Verneinung meiner Anfrage durch den Leiter des Archivs der Masaryk-Universität, PhDr. Jiří Pulec, vom 18. Juni 1997 hervor; andererseits aus den Archivalien im SÚA (fond KRUS, krabice 185), wo die Unterlagen von Vilinskijs Studium an der Russischen juristischen Fakultät aufbewahrt werden (Zeugnis, Studienbuch, Korrespondenz mit dem Komitét pro umožnění studia rus. studentům v ČSR). T. G. Masaryk, in: Jubilejní sborník 1932, S. 9. Savickij 1999, S. 76. Michajlov, Oleg N.: Literatura russkogo zarubež’ja, Moskva 1995, S. 22. Postnikov (Hg.) 1928, S. 83.

28

Teil 1 – Leben

Zusammensetzung der Emigration, deren Großteil junge Männer bildeten85 – ehemaliges Militär –, unter denen sich viele Studenten befanden, die nur das Gymnasium abgeschlossen hatten. Sie standen vor dem gleichen Problem wie die Professoren: aufgrund von Sprachproblemen konnten sie nicht so einfach die Universitäten der Gastländer besuchen oder an ihnen lehren, auch wenn die meisten von ihnen deutsch und/oder französisch beherrschten.86 Am 18. Mai 1922 wurde die Russische juristische Fakultät eröffnet. Ihr Gründer und erster Dekan (bis zu seinem Tod am 23. April 1924) war Prof. P. I. Novgorodcev. In den ersten Jahrgang schrieben sich 500 Studenten ein, was von einer großen Akzeptanz dieser neuen Lehranstalt zeugt, wenn man es mit der Zahl von nur 53 russischen Jurastudenten vergleicht, die im gleichen Studienjahr (1922/23) an der Karlsuniversität eingeschrieben waren.87 Als Professoren lehrten an der Russischen juristischen Fakultät: N. N. Alekseev, prot. S. N. Bulgakov (später Paris), G. V. Vernadskij (später Yale), A. A. Vilkov (1928 Dekan), P. I. Georgievskij, S. K. Gogeľ (später Berlin), D. D. Grimm (Nachfolger von Novgorodcev als Dekan; ab 1927 Tartu), S. V. Zavadskij, K. Ja. Kadlec, M. M. Katkov, A. A. Kizevetter, V. A. Kosinskij, I. I. Lapšin, N. O. Losskij, A. V. Maklecov (später Ljubljana), P. I. Novgorodcev und E. V. Spektorskij (1927 Dekan; später Belgrad). Als Wissenschaftler, bzw. (Privat-)Dozenten waren tätig: P. B. Struve, N. S. Timašev, V. F. Totomianc, G. Ja. Trošin, A. N. Fateev, A. V. Florovskij, M. A. Cimmerman, A. A. Čuprov, M. V. Šachmatov, A. A. Bogolepov, G. D. Gurvič, D. N. Ivancov, S. L. Volkobrun, A. I. Golan, N. S. Žekulin, K. I. Zajcev, S. S. Kon, I. I. Markov, G. N. Michajlovskij, P. A. Ostrouchov, P. N. Savickij, G. N. Smirnov, G. V. Florovskij. Bis 1928 erhielten sechzehn Personen nach einer Probevorlesung das Recht, sich Privatdozenten zu nennen, und es fanden zwei Magisterdisputationen (von Cimmerman und Šachmatov) statt. Zwölf weitere Personen wurden in eine fakultätsinterne Liste aufgenommen, derzufolge sie sich auf einen Ruf vorbereiteten. Von insgesamt 384 Diplomanden erlangten 63 das Diplom erster Stufe und 321 das Diplom zweiter Stufe.88 Der Hauptlehrinhalt war das russische nationale Recht, wie es sich bis zur Oktoberrevolution entwickelt hatte und gültig war.89 Es wurden deshalb die Programme der vorrevolutionären russischen staatlichen Universitäten übernommen, die unver85

86

87

88 89

Zu Beginn der Emigration (um 1920) waren 80% aller Emigranten zwischen 20 und 30 Jahren alt (Bělogvardějec: Rusko v exilu, Praha 1936, S. 5). Savickij, I./Savickaja, E.: Grustnyj jubilej. K 70-letiju dnja otkrytija Russkogo juridičeskogo fakuľteta v Prage, in: Gosudarstvo i pravo, Nr. 6, 1992, S. 96-105, hier: S. 96f. Tejchmanová 1993, S. 30. In der gesamten ČSR gab es nach damaligen Angaben rund 3.500 russische Studenten (2.728 in Prag, 606 in Brünn, 89 in Příbram, 36 in Bratislava). 60% aller Russen, die überhaupt im Ausland studieren konnten, studierten in der Tschechoslowakei. Nach heutigen Quellen dürften es wohl 6.000 gewesen sein (Tejchmanová 1993, S. 26). Welche neuen Quellen das sind, wird leider nicht angegeben. Postnikov (Hg.) 1928, S. 84ff. Postnikov (Hg.) 1928, S. 85.

1923-1927: Studienjahre

29

ändert in Kraft blieben.90 Das brachte der Fakultät den Vorwurf ein, Konterrevolutionäre heranzubilden. Sie habe jedoch Wissenschaft als kritische, unabhängige Analyse betrieben, die stets höher stehe als die größten politischen Ereignisse.91 Ein weiterer Vorwurf bezog sich darauf, daß es kein gültiges Recht war, das gelehrt wurde. Dem müsse man entgegenhalten, daß zunächst aufmerksam die Rechtsgeschichte studiert und die Grundlagen des russischen mit denen des internationalen Rechts verglichen werden mußten, um in einem zweiten Schritt die Möglichkeiten und Perspektiven des alten russischen Rechts erweitern zu können.92 Das alte Recht sollte in modernisierter Gestalt in einem erneuerten Rußland wiedererrichtet werden. Innerhalb der Slavistik konnte sich die Fakultät zum Zentrum für das Studium der slavischen, insbesondere der russischen und byzantinischen Rechtsgeschichte entwickeln, womit eng die Auslegung der russischen Geschichte verbunden ist, so daß es kein Zufall zu sein scheint, daß die Lehrenden, die ihr weiterer Weg nach Westeuropa und Amerika führte, größtenteils zu bedeutenden Vertretern der Slavistik (und nicht der Rechtswissenschaft) geworden sind.93 Als Besonderheit für eine juristische Fakultät kann man die angebotenen Ergänzungsfächer wie Logik, Psychologie und russische Geschichte werten. Besondere Aufmerksamkeit wurde zudem der Beschäftigung mit der Ökonomie gewidmet (politische Ökonomie, Wirtschaftsgeschichte).94 Die Russische juristische Fakultät fand ein frühes Ende. Ab 1926 fanden keine Neuaufnahmen mehr statt,95 1928 stellte sie ihre Arbeit ganz ein. Ihr Gewicht lag für eine wissenschaftliche Einrichtung zu sehr auf der pädagogischen Arbeit. In Ermangelung von Lehrbüchern, Gesetzessammlungen und Kommentaren mußten erst Skripte angefertigt und vervielfältigt werden, um den Studenten die Textgrundlagen für ihr Studium gewähren zu können.96 Dadurch blieb zu wenig Zeit für die Forschung und neue Lehrinhalte.97 So sieht Hans von Rimscha ihre Rolle als die einer reinen Lehranstalt, und das Verdienst der intellektuellen Emigranten insgesamt in der Wahrung der alten Werte. Die akademische Elite empfand mehrheitlich kein Bedürfnis, sich dem tschechischen wissenschaftlichen Umfeld anzunähern98 und produktiv zu den aktuellen Diskussionen beizutragen. Andererseits war selbst eine in sich geschlossene russische Studentenschaft keine Garantin für 90 91 92 93 94 95 96

97

98

Šimeček 1993, S. 27. Savickij/Savickaja 1992, S. 99. Savickij/Savickaja 1992, S. 99. Šimeček 1993, S. 26f. Postnikov (Hg.) 1928, S. 86. Savickij/Savickaja 1992, S. 104. In fünf Jahren wurden immerhin 15.000 Textseiten geschrieben und vervielfältigt (Savickij/Savickaja 1992, S. 101). Savickij 1999, S. 76. Dazu im Widerspruch steht der ausdrückliche Hinweis von Serapionova auf umfangreiche wissenschaftliche Publikationen von Professoren der Fakultät, für die sie 1931 durch das Ministerium für Volksbildung mit dem Ehrendiplom der Brünner Ausstellung für zeitgenössische Kultur ausgezeichnet worden sind (Serapionova 1995, S. 126). Rimscha, Hans v.: Rußland jenseits der Grenzen 1921-1926. Ein Beitag zur russischen Nachkriegsgeschichte, Jena 1927, S. 147 und 150.

30

Teil 1 – Leben

eine fruchtbare Auseinandersetzung mit der Kultur der alten Heimat, denn auch sie stand nicht in lebendigem Kontakt zu ihr.99 Am Beispiel der Russischen juristischen Fakultät kommen das Anliegen und die damit verbundenen Probleme, Russen für Rußland vorbereiten zu wollen, ganz deutlich zum Tragen. Außerhalb Rußlands konnten die Absolventen nicht in ihrem Fach arbeiten, weil das Recht so stark von den spezifischen nationalen Gegebenheiten geprägt war, daß sogar diese gesonderte Fakultät eingerichtet werden mußte, um es im Ausland lehren zu können. Der akademische Senat der Karlsuniversität übernahm zwar am 7. Juli 1922 das Protektorat über die junge russische Fakultät,100 das änderte jedoch nichts an ihrem Statut. Sie war keine tschechoslowakische Hochschule, was heißt, daß die Absolventen ihr Diplom nicht zur juristischen Praxis in der ČSR berechtigte, wenn sie auch ansonsten von vielen Seiten Förderung erfuhren.101 Die Russische juristische Fakultät war eine geschlossene Gesellschaft, die dennoch in den ersten Jahren ihrer Existenz nicht über mangelndes Interesse klagen konnte. Dieses ließ proportional zu der sinkenden Hoffnung auf eine baldige Rückkehr nach. Außerdem war sie natürlich von der finanziellen Unterstützung durch den tschechoslowakischen Staat abhängig, der diese Ende der 1920er Jahre nicht mehr in dem Umfang gewähren konnte wie noch zu Beginn des Jahrzehnts.

Studium Vilinskij wurden seine bereits erbrachten Studienleistungen zum Teil anerkannt (Latein und russische Rechtsgeschichte), so daß er am 9. Oktober 1923 in das dritte Semester aufgenommen wurde. Ob es nur ein Gedanke war, mit dem er gespielt hat, oder ob er sich ernsthaft darum bemüht hat, an die Sorbonne oder nach Lille zu wechseln, ist mir nicht bekannt, jedenfalls kommt dieser Wunsch in seiner Korrespondenz mit Vladimir Dluskij zur Sprache.102 Während seines Studiums in Prag legte er Examina in folgenden Fächern ab: allgemeine Theorie des Rechts, Geschichte des römischen Rechts, Geschichte der Rechtsphilosophie, politische Ökonomie, Statistik, Zivilrecht, System des römischen Rechts, Finanzrecht, Kirchenrecht, Verwaltungsrecht, tschechische Sprache und Psychologie. Von November 1926 bis März 1927 fanden seine Abschlußprüfungen statt, die er in Vertragsrecht, Zivilrecht, Vertragsprozeß, Zivilprozeß, Handelsrecht und internationalem Recht absolvierte. 99 100 101

102

Savickij 1999, S. 80. Postnikov (Hg.) 1928, S. 83. Sládek, Zdeněk: Ruské a ukrajinské školství v Československu, in: Veber, Václav a kol.: Ruská a ukrajinská emigrace v ČSR v letech 1918-1945. Sborník studií, sv. 4, Praha 1996, S. 15-21, hier: S. 15. Serapionova gibt die ‚Nichtverwendbarkeit‘ der Absolventen als Grund für die Schließung der Fakultät an (Serapionova 1995, S. 126) und Losskij weist in seinen Erinnerungen darauf hin, daß den Absolventen handwerkliche Praxiskurse angeboten wurden, die ihnen, wenn ihnen schon die Rückkehr nach Rußland verwehrt blieb, zumindest den Broterwerb in Europa ermöglichen sollten (Losskij, N. O.: Vospominanija. Žizn’ i filosofskij put’, München 1968, S. 223). Brief Dluskijs an Vilinskij ohne Datum (ZAO, fond Vilinskij).

1923-1927: Studienjahre

31

In seiner schriftlichen Arbeit, die mit Silbermedaille ausgezeichnet wurde, befaßte er sich mit der Formel „Periculum est emtoris“103 [Die Gefahr trägt der Käufer] aus dem römischen Recht. Am 4. März 1927 erlangte er als bester Student seines Jahrganges das Diplom erster Stufe104 – er war der einzige seines Zyklus, der diese Stufe erreichte105 –, was ihn dazu berechtigte, den Titel JUDr. zu führen106 und eine wissenschaftliche Laufbahn einzuschlagen. Der Vater klärte wie folgt das Professorenkollegium der Masaryk-Universität über den bis 1917 üblichen wissenschaftlichen Werdegang in Rußland auf, der für den Sohn genauso gegolten hat, weil ja die Russische juristische Fakultät nach den alten Ordnungen arbeitete: der wissenschaftlichen Tätigkeit durfte sich nur derjenige widmen, der das Diplom I. Stufe erlangt hatte. Dieses Diplom konnte nur derjenige erreichen, der über die Hälfte ausgezeichnete Noten und Prüfungen vorwies und der vor allem eine Dissertation vorlegte, die nicht nur eine bloße Kompilation sein durfte, sondern auch Ergebnis eigener Forschung. Der Inhaber des Diploms I. Stufe konnte sich erst zwei Jahre nach der Erlangung des Diploms den Habilitationsprüfungen (sogenannten Magisterprüfungen) unterziehen.107 Betrachtet man die von Vilinskij studierten Fächer, dann fällt auf, daß historischen und ökonomischen Fragestellungen besondere Bedeutung zukam und sie klar die klassischen juristischen Fächer überwogen, mit denen er sich im Staatsexamen befassen mußte. Zudem bringt er sein Bedauern darüber zum Ausdruck, daß an der Fakultät „nebyla sociologie, dík zvláštním názorům bývalého děkana prof. Novgorodceva, vůbec zařaděna do cyklu přednášek“108 [Soziologie wegen der merkwürdigen Ansichten des ehemaligen Dekans, Prof. Novgorodcevs, überhaupt nicht in den Vorlesungszyklus aufgenommen wurde]. Leider kann man dem Studienbuch nicht entnehmen, wer von den oben genannten Lehrenden der Fakultät zu seinen akademischen Lehrern zählte. Nach Beendigung des Studiums (genau: am 18. Mai 1927) wurde er in die erwähnte fakultätsinterne Liste eingetragen, daß er sich am Lehr103

104 105

106

107

108

O. A. Otčet o sostojanii i dejateľnosti russkogo juridičeskogo fakuľteta v Prage za 1926-1927 učebnyj god s obščim obzorom ego pjatiletnej dejateľnosti (1922-1927), Praga 1927, S. 47. Studienbuch (Nr. 641) (SÚA, fond KRUS, krabice 185). O. A. Otčet o sostojanii […] 1927, S. 49. Für die Zeit von Sommer 1922 bis Frühjahr 1927 waren es 47 von insgesamt 289 Absolventen (ebd., S. 51). Als PhDr. wird er fälschlicherweise bezeichnet von: Svozil, Oldřich: Osudy býv. Družiny literární a umělecké v Olomouci v letech 1939-1954 / Doplněk k almanachu „Poselství“, Typoskript (ZAO, fond DLU, karton 1 [Protokollbücher]); Báze NK ČR; Literární archív 1993, S. 286; Zahradníková 1993, S. 20; Podaný/Barvíková (Hgg.) 1996, S. 75f.; Rachůnková/Řeháková/Vacek 1996, S. 130f. Václav Durych tituliert ihn als Bohemisten (Durych, Václav: Jaroslav Durych 2.12.1886-7.4.1962 [stručný životopis], in: Jaroslav Durych. Život, ohlasy, soupis díla a literatury o něm, Brno 2000, S. 5-40, hier: S. 20f.). Brief S. G. Vilinskijs an das Professorenkollegium der MU vom 24. März 1935 (Archiv MU, 18/7 osobní spis). Sociologická soustava profesora A. M. Terne, in: Sociální rozhledy. Revue pro otázky sociální, hospodářské, kulturní a státovědecké, Jg. 6, 1930, S. 172-185, hier: S. 173. Das ist wohl nicht so sehr den „merkwürdigen Ansichten“ Novgorodcevs geschuldet, sondern der Tatsache, daß Soziologie als Wissenschaft im vorrevolutionären Rußland eigentlich (noch) nicht existent war. Wenn die Fakultät auf der Fortführung der alten Studienpläne besteht, kann sie keine grundlegend neuen Fächer einführen.

32

Teil 1 – Leben

stuhl für römisches Recht – es hätten ebenso Kirchenrecht oder russische Geschichte zur Wahl gestanden – „bez soderžanija“ [ohne Gehalt] auf einen Professorenruf vorbereitete, was er bis 1936 noch als Tätigkeit angab.109 Geschichte und Dogma des römischen Rechts vertraten als Professoren David Davidovič Grimm und Michail Mefodievič Katkov.110 Allerdings stand einer akademischen Karriere an der Russischen juristischen Fakultät deren Schließung im Wege, weshalb er sich an einer tschechischen Universität habilitieren wollte.111 Später hielten ihn jedoch die zahlreichen Zeitschriften- und Zeitungsartikel, von denen im weiteren Verlauf der vorliegenden Arbeit die Rede sein wird, von der gründlichen Beschäftigung mit einem Habilitationsthema ab.112 Vilinskij bemühte sich beim Komitét pro umožnění studia ruských studentů um finanzielle Unterstützung seines Studiums, die ihm nicht zu seiner – und vor allem des Vaters – Zufriedenheit gewährt wurde. In mehreren wortreichen Gesuchen an das Komitee, in denen er die wichtigen Stellen durch dicke Unterstreichungen hervorhob, schilderte der Vater die angespannte materielle Situation der Familie und forderte das Komitee auf, sich in die Lage eines Professors zu versetzen, der sein ganzes Leben der Wissenschaft gewidmet hat, über zwanzig Jahre lehrt und seinem einzigen Sohn keine höhere Bildung ermöglichen kann.113 Im Oktober 1923 wurde Vilinskij der sogenannte akademische Unterhalt (akademičeskoe iždivenie) bewilligt, der weder einer vollen noch einer teilweisen Unterstützung entsprach,114 ab 28. Dezember 1925 erhielt er für sechs Monate ein Teilstipendium, das am 17. Juni 1926 wieder eingestellt wurde, weil die Hilfsaktion vor ihrer Umstrukturierung stand und der Vater im Gegensatz zu den vollkommen mittellosen anderen Emigranten immerhin über seine professoralen Einnahmen verfügte.115 Losskij beschreibt in seinen Erinnerungen in Diskrepanz zu den Klagen Sergij Grigor’evičs die Entlohnung für russische Professoren in der Tschechoslowakei als geradezu fürstlich.116 Vilinskij zählte zu den ganz wenigen Studenten, deren Eltern wenigstens andeutungsweise für die Finanzierung des Studiums aufkommen konnten:117 unter 109

110 111

112 113 114

115

116

117

O. A. Otčet o sostojanii […] 1927, S. 18; o. A. Literaturnyj konkurs O-va (1927 g.). Protokol zasedanija komissii-žjuri po ustanovleniju premii imeni d-ra Simeona Sabova […], in: Karpatskij svet, Jg. 1, Nr. 1-2-3, 1928, S. 5; SÚA, PŘ 1941-50, balík V 6982; Dolenský (Hg.) 1934 und 1936, S. 488. O. A. Otčet o sostojanii […] 1927, S. 15. Brief Tomans an Jemelka vom 25. September 1928 (ZAO, fond ACM, karton 2 – Protokolovaná korespondence, 1928). Brief Vilinskijs an Jemelka vom 20. Februar 1930 (ZAO, fond ACM, karton 3 – Briefe 1932). Bittgesuch des Vaters vom 12. Juli 1923 (SÚA, fond KRUS, krabice 185). Bittgesuch des Vaters vom 18. März 1924 (SÚA, fond KRUS, krabice 185). Obwohl er am 27. September 1923 im Fragebogen des Komitees angab, daß er über keine finanziellen Mittel für das Leben in Prag verfüge (SÚA, fond KRUS, krabice 185). Stipendienbescheinigung vom 28. Dezember 1925 und Zettel vom 17. Juni 1926 über Liquidierung der Hilfsaktion (SÚA, fond KRUS, krabice 185). Losskij 1968, S. 222. Wie groß der Unterschied zwischen dem Einkommen von außerordentlichen (Vertrags-) und ordentlichen Professoren war, ist mir allerdings nicht bekannt. Durch den Komitét pro zabezpečení studia ruských studentů erhielten von 1921 bis 1934

1923-1927: Studienjahre

33

den 41 Kommilitonen seines Jahrganges war er der einzige, der zu Studienende keine finanzielle Unterstützung mehr erhielt.118 Seine oben erwähnte Erkrankung an ‚Tbc incipiens‘ erlaubte ihm nicht, in einem Wohnheim zu wohnen, denn er mußte – nach Aussage des Vaters – wegen seiner Gesundheit in einem separaten Zimmer bei geöffnetem Fenster und absolut reiner Luft schlafen.119 Deshalb nahm er während der Semester in Prag jeweils in der Umgebung ein Zimmer: in Úvaly, Dušníky, Mnichovice, also in typischen Wohngegenden russischer Studenten, die bald gemerkt hatten, daß das Leben außerhalb Prags billiger ist und daß sich dort leichter Zimmer zur Untermiete finden lassen.120 Im Sommer weilte er jedes Jahr im Dörfchen Dražůvky in der Mährischen Slowakei.121 Seine Postanschrift blieb noch lange Zeit die der Familie in Brünn – zu Beginn wohnten sie Úvoz 31, Tür 9, ab 1927 auf der Dr.-Al.-Tučka-Str. (heute Kotlářská) 13, Tür 6. Außerdem wurde seine Post bis 1927 auch häufig an das Dekanat der Philosophischen Fakultät der Masaryk-Universität (Falkensteinerová 14) adressiert.122

Außeruniversitäre Aktivitäten Da Vilinskij nicht zu den Studenten gehörte, die regelmäßig von der Russischen Hilfsaktion unterstützt wurden, verfügte er über viel mehr Zeit als seine Kommilitonen, die wartend Stunden in den Fluren der Zentrale des Russischen Hilfskomitees zubringen mußten. Diese Zeit nutzte er dazu, sein neues Umfeld zu erkunden. Zunächst besichtigte er zusammen mit E. V. Kalikin die Prager Museen, in denen sie gründlich die Sammlungen von Porzellan, böhmischem Glas und Kristall studierten. Danach machten sie sich mit dem alten Prag vertraut, was ihnen insofern Enttäuschung brachte, als sich die Legenden als Legenden erwiesen. Sie suchten auch nach Baudenkmälern der Hussiten, fanden zu ihrer abermaligen Enttäuschung jedoch nur solche, die auf die katholische Tradition der Stadt verwiesen, die ihnen also nichts spezifisch Tschechisches bieten konnten.123

118

119 120

121

122

123

6.818 Studenten eine Unterstützung, die meisten 1923. Von diesen beendeten 4.180 ihr Studium. 1935, nach Auflösung des Komitees, studierten 37 weiter (Chinyaeva 1993, S. 21). Allen anderen wurde zu Studienende noch einmal ein einmaliger Betrag ausgezahlt. Zwei von ihnen erhielten 1.000, alle anderen (außer Vilinskij) 500 Kronen (Spisok okončivšich Russkij Juridičeskij fakuľtet v Prage, 31. März 1927 [SÚA, fond KRUS, krabice 185]). Bittgesuch des Vaters vom 12. Juli 1923 (SÚA, fond KRUS, krabice 185). Kopřivová, Anastasie: Střediska ruského emigrantského života v Praze [1921-1952], Praha 2001, S. 23. Rus se dívá na Č.S.R. 1931, S. 13. Der Zemgor gewährte Tuberkulosekranken finanzielle Unterstützung für Aufenthalte in ländlicher Umgebung (Serapionova 1995, S. 103), denn das Klima Prags und die Studentenunterkünfte trugen nicht zur Genesung bei (Michlova, Maria: Komitet po obespečeniju obrazovanija russkich studentov, in: Dobuševa, Marina/Krymova, Viktorija [Hgg.]: Dom v izgnanii. Očerki o russkoj ėmigracii v Čechoslovakii 1918-1945, Praga 2008, S. 55-58, hier: S. 56). Anschriften auf den an ihn gerichteten Briefen (ZAO und Literární archiv des Památník národního písemnictví, Praha-Strahov [weiterhin als LA PNP]). Rus se dívá na Č.S.R. 1931, S. 13.

34

Teil 1 – Leben

Bereits in Sofia begann sich Vilinskij – infolge der Begegnung mit dem bulgarischen Kapuziner P. Damián Giulov, einem bekannten Teilnehmer der Velehrader Kongresse – für den Katholizismus zu interessieren.124 In der Tschechoslowakei führte ihn dann deshalb sein Weg schnell nach Velehrad. Er weilte dort erstmalig 1924 – als Teilnehmer am vierten unionistischen Kongreß, allerdings noch ohne selbst das Wort zu ergreifen.125 Zu dieser Zeit scheint er sich aber schon ernsthaft mit der Frage der Vereinigung der Kirchen beschäftigt zu haben, denn er arbeitete an einem Werk mit dem Arbeitstitel O soedinenij cerkvej [Über die Vereinigung der Kirchen].126 Während des Studiums zählte er zu einem der führenden Aktiven in einem Zirkel von russischen mit dem Katholizismus sympathisierenden Studenten, der sich in der Pfarrkanzlei des Prager Dominikanerklosters, „u sv. Jiljí“ [bei der St. Aegidius-Kirche] in der Altstadt traf.127 Auch am fünften unionistischen Kongreß in Velehrad (1927) nahm er teil,128 auf dem des 1.100. Geburtstages Cyrills gedacht wurde. Von offizieller Seite waren die Orthodoxen zwar nicht vertreten, aber es fehlten nicht die „soukromí přátelé myšlenky jednoty“129 [privaten Freunde des Einheitsgedankens]. Zu diesen gehörte Vilinskij, der in dieser Zeit (1926-1929) einen ausführlichen und intensiven Briefwechsel mit dem russischen katholischen Priester Vladimir Dluskij führte.130 Er 124

125

126

127

128

129 130

Jurák 1932. Wie der tatsächliche Name dieses Kapuziners lautet, konnte nicht geklärt werden. Es wurden neben Giulov noch folgende Varianten gefunden: Diulov, Djulov, Ghiulov und Gliulov (P. Alberti: Dr. Leopold Prečan. Arcibiskup olomoucký. K desátému výročí svěcení biskupského vydala Jednota duchovenstva arcidiecése olomoucké, Přerov 1934, S. 69; Cinek 1936, S. 557; Acta Conventus Pragensis pro studiis orientalibus. Anno MCMXXIX celebrati, Olomouc 1930, S. 65). In Bulgarien waren vor allem italienische Kapuziner aktiv (s. Winter, E.: Der unionistische Gedanke, in: Katholiken-Korrespondenz [= Bonifatius-Korrespondenz], Jg. 18 [NF 5], Nr. 9, 1924, S. 178-181, hier: S. 179). Teilnehmerliste in Acta IV. Conventus Velehradensis anno MCMXXIV, Olomouc 1925, S. 358. Auf der Teilnehmerliste, die in IV. Unionistický kongres na posv. Velehradě 1924 abgedruckt ist, taucht sein Name jedoch nicht auf. Andrej Deineko fragt in seinem Brief vom 16. August 1924 nach dessen Gedeihen (ZAO, fond Vilinskij). Von den später veröffentlichten Büchern kann es sich dem Titel zufolge nur um folgendes Werk handeln: O sjednocení církví 1929. Den Beginn seiner publizistischen Tätigkeit datierte Vilinskij später selbst auf 1927 (Brief Vilinskijs an Svozil vom 9. April 1938 [ZAO, fond DLU, karton 3]) und mir sind auch keine früheren Arbeiten bekannt. Jurák 1932. Es kann also nicht die Aussage bestätigt werden, daß es keine Anknüpfungspunkte für religiöse Kontakte zwischen Tschechen und Russen gegeben hätte (Jochims 2002, S. 399). O. A. Conspectus eorum, qui Congressui unionistico Velehradensi 1927 interfuerunt, iuxta ordinem alphabeticum composita, in: Quintus unionisticus congressus Velehradii anno MCMXXVII, Olomouc 1927, S. 37-54, hier: S. 53. Cinek 1936, S. 557. Die Briefe befinden sich heute im ZAO, fond Vilinskij. Vilinskij hat 1931 seine unionistische Korrespondenz dem Archiv des Olmützer Erzbistums in Kroměříže angeboten, was den Leiter, Antonín Breitenbacher, dazu veranlaßt hat, sowohl die Mitglieder der Akademie velehradská als auch den Apoštolát sv. Cyrila a Metoděje aufzufordern, ihre Materialien seinem Archiv zu überlassen (vgl. Breitenbacher, Antonín: Zpráva z archivu, knihovny atd. olomouckého arcibiskupství v Kroměříži za r. 1930 a 1931, in: Časopis archivní školy, Jg. 9/10, 1933, S. 368-375, hier: S. 374).

1923-1927: Studienjahre

35

hielt im Informationskurs ein lateinisches Referat über die Methoden der unionistischen Propaganda, das später in dem Kongreßband veröffentlicht wurde.131 Einen weiteren Artikel zu einer ähnlichen Thematik – über die missionarischen Aufgaben der katholischen Slaven – veröffentlichte er in demselben Jahr (1927) in dem Věstník společnosti sv. Cyrila a Metoděje [den Mitteilungen der Gesellschaft des hl. Cyrill und Method], der von der Redaktion sehr wohlwollend eingeführt wurde: Pisatel tohoto článku je mladý pravoslavný Rus-laik, žijící mezi námi a vážně se zajímající o časový problém sblížení církve východní se západní.132 Der Autor dieses Artikels ist ein junger orthodoxer Russe, Laie, der unter uns lebt und sich ernsthaft für das gegenwärtige Problem der Annäherung der östlichen und der westlichen Kirche interessiert.

Er weckte mit diesen ersten Veröffentlichungen vielerlei Erwartungen. Augustin Vrzal zeigte sich sehr erstaunt darüber, wie gut Vilinskij in die unionistische Fragestellung eingearbeitet sei.133 Zernov brachte seine Verwunderung über das junge Alter des Autors zum Ausdruck und äußerte die Hoffnung, auf seine weitere Hilfe bei dem Aufbau einer unabhängigen Zeitschrift russischer Provenienz in diesen schweren Tagen rechnen zu können.134

131

132

133 134

Methodi unionisticae propagandae, in: Acta V. Conventus Velehradensis anno MCMXXVII. Post s. Cyrillum natum MC, Olomouc 1927, S. 215-220. Misionářské úkoly katolického Slovanstva, in: Věstník společnosti sv. Cyrila a Metoděje. Vědeckého odboru křesťanské akademie v Praze, Jg. 9, Nr. 3-4, 1927, S. 49-55, hier: S. 49. Brief Vrzals an Vilinskij vom 12. Februar 1928 (ZAO, fond Vilinskij). Karte Zernovs an Vilinskij vom 13. Mai 1928 (ZAO, fond Vilinskij).

1927-1936: Publizistische Tätigkeit Freier Publizist Seine noch während des Studiums begonnene publizistische Tätigkeit setzte Vilinskij nach dem Abschluß des Studiums verstärkt fort. Sie diente seinem Lebensunterhalt und wurde für einige Jahre zu seinem Lebensinhalt. Schon in dem ersten Jahr nach Studienabschluß (1928) veröffentlichte Vilinskij neben Artikeln seine ersten vier Bücher bzw. Broschüren. Darunter befindet sich auch die anonym eingereichte Arbeit Korni edinstva russkoj kuľtury [Die Wurzeln der Einheit der russischen Kultur], in der er darstellt, daß alle Russen durch vier kulturelle Elemente gemeinsam miteinander verbunden sind: die lebendige Empfindung der Vergangenheit, die Eigenart des religiösen Gefühls, ein Nationalepos sowie Sprache und Literatur.135 Mit dieser Arbeit gewann er den literarischen Wettbewerb der Aleksandr-Duchnovič-Gesellschaft in Užgorod/Užhorod und erhielt für sie den mit 1.000 Kč dotierten Dr.-Simeon-Sabov-Preis für das Jahr 1927.136 Er schrieb zu dieser Zeit noch ausschließlich russisch. Drei der selbständigen Publikationen erschienen dementsprechend in russischer Sprache und die vierte, Ruský národ a sjednocení církví [Das russische Volk und die Vereinigung der Kirchen], die eine Sammlung von zuvor in Zeitschriften veröffentlichten Studien darstellt, in tschechischer Übersetzung. Dasselbe zahlenmäßige Verhältnis russischer zu tschechischen Arbeiten (3:1) wiederholte sich 1929. Diese frühen Arbeiten Vilinskijs fanden ein überwiegend positives Echo, wobei angemerkt werden muß, daß die Rezensenten für dieselben Zeitschriften schrieben, für die Vilinskij selbst tätig war, der Widerhall also noch nicht den Kreis der per se Interessierten überschritt. Schnell zeigte sich, mit welcher Art von Zeitschriften und Zeitungen er weiterhin zusammenarbeiten sollte. In den Jahren 1927 und 1928 veröffentlichte er in folgenden Periodika: Akord [Der Akkord], Praha; Apoštolát sv. Cyrila a Metoděje pod ochranou blahoslavené panny Marie [Apostolat des hl. Cyrill und Method unter dem Schutz der segensreichen Jungfrau Maria], Olomouc; Časopis katolického duchovenstva. Orgán České bohoslovecké fakulty Pražské a Akademie sv. Tomáše Aquinského [Zeitschrift der katholischen Geistlichkeit. Organ der 135 136

Vgl. Korni edinstva russkoj kuľtury, Užgorod 1928, S. 24. O. A. Literaturnyj konkurs 1928, S. 4-6. Die Duchnovič-Gesellschaft wurde 1924 von der russischen Emigration in Zusammenarbeit mit der ruthenischen Intelligenz als Protest gegen die massive kulturelle und Bildungsarbeit der ukrainischen Emigration in der Karpatoukraine gegründet. Die Ukrainer nahmen dieses Gebiet als Teil des historischen ukrainischen Territoriums wahr und benahmen sich dementsprechend nicht wie Gäste, sondern wie Einheimische, denen das Recht zusteht, die politische, gesellschaftliche und kulturelle Sphäre zu ukrainisieren (Šmigeľ 2004, S. 333).

38

Teil 1 – Leben

Prager Tschechischen theologischen Fakultät und der Akademie des hl. Thomas von Aquin], Praha; Hlídka [Die Warte], Brno; Lidové listy. Ústřední orgán československé strany lidové [Volksblätter. Zentralorgan der tschechoslowakischen Volkspartei], Praha; Na hlubinu. Časopis pro pěstování a prohloubení duchovního života, vydávají profesoři bohosloveckého učiliště řádu Dominikánů v Olomouci [Auf den Grund. Zeitschrift zur Pflege und Vertiefung des geistigen Lebens, herausgegeben von Professoren der theologischen Lehranstalt des Dominikanerordens in Olmütz], später mit dem kürzeren Untertitel Revue pro vnitřní život [Revue für das Innenleben], Olomouc; Věstník společnosti sv. Cyrila a Metoděje. Vědeckého odboru křesťanské akademie v Praze [Mitteilungen der Gesellschaft des hl. Cyrill und Method. Der wissenschaftlichen Abteilung der christlichen Akademie in Prag], Praha; Karpatskij svet. Literaturno-obščestvennyj žurnal o-va Aleksandra Duchnoviča v Užgorode [Karpatenwelt. Literarisch-gesellschaftliche Zeitschrift der Aleksandr-DuchnovičGesellschaft in Užgorod], Užhorod; Katoličeskij vremennik [Katholisches Jahrbuch], Paris; Kitež, Warszawa; Ruľ [Das Ruder], Berlin; Le Messager | Vestnik. Organ r. s. ch. dviženija [Der Bote. Organ der russischen studentischen christlichen Bewegung], ab 1930 Vestnik russkogo studenčeskogo christianskogo dviženija [Bote der russischen studentischen christlichen Bewegung], Paris; Volja Rossii. Žurnal politiki i kuľtury [Der Wille Rußlands. Zeitschrift für Politik und Kultur], Prag; Vozroždenie [Die Auferstehung], Paris; Irénikon, Amay sur Meuse. Das Arsenal sollte sich noch erheblich erweitern – so wie sich auch das Themenspektrum ausdehnte und er der unionistischen Thematik neue Aspekte hinzufügte –, die hier vorgegebene Ausrichtung blieb aber eindeutig bestehen. Es handelte sich hauptsächlich um Zeitungen und Zeitschriften, deren Leserschaft sich aus der katholischen, kulturell interessierten Intelligenz zusammensetzte. Zu den Mitarbeitern und Autoren von Akord, der von Jaroslav Durych und Josef Dostál herausgegeben wurde, zählten neben anderen Silvestr Maria Braito, Paul Eisner, Leopold Peřich, Mansvet Ston.137 Der Časopis katolického duchovenstva ging auf das Jahr 1828 zurück und bildete eine Plattform für bedeutende Theologen wie František Krásl, František Xaver Kryštůfek oder Josef Tumpach.138 Hlídka entwickelte sich unter Pavel Vychodil zu einer der qualitativ besten katholischen 137 138

Durych 2000, S. 20f. Marek, Pavel: Český katolicismus 1890-1914. Kapitoly z dějin českého katolického tábora na přelomu 19. a 20. století, Olomouc 2003, S. 260.

1927-1936: Publizistische Tätigkeit

39

literarischen und wissenschaftlichen Zeitschriften,139 die Masaryk als Zeitschrift der zwar konservativeren, dafür aber wahren und tieferen Richtung des katholischen Modernismus bezeichnete.140 Na hlubinu gaben die Olmützer Dominikaner unter Braito heraus. Diese Zeitschrift erfreute sich unter den katholischen, aber auch den religiös indifferenten literarischen Kreisen großen Ansehens.141 Putna beschreibt sie als erste tschechische Zeitschrift, die sich an ein katholisches Publikum außerhalb der Reihen der Priester wandte und auf die Bildung und die Herausbildung einer individuellen Geistigkeit der Laien ausgerichtet war.142 Verwundern muß jedoch, daß es Vilinskij gelang, als noch fast unbekannter, an Jahren junger russischer Emigrant für Přítomnost [Die Gegenwart] zu schreiben, zu deren Hausautoren neben dem Leiter Ferdinand Peroutka, Alfred Fuchs, die Brüder František und Jiří Langer, die Brüder Karel und Josef Čapek, Jaroslav Stránský, František Gel, Olga Scheinpflugová gehörten, also die herausragenden Gestalten der tschechoslowakischen Publizistik der Zwischenkriegszeit. In dieser unabhängigen Wochenzeitung kann man weitere Veröffentlichungen aus russischer Feder an einer Hand abzählen. Mit dem ersten Beitrag für Přítomnost (1929) begab er sich nicht nur aus dem russischen, sondern zudem aus dem engen tschechischen katholischen Lager hinaus. Vilinskij hatte nicht wie viele Mitemigranten Angst vor einer Entnationalisierung und Assimilierung, wie sie sich in vielen Beiträgen in den Zeitschriften der Emigration widerspiegelt. Weil die meisten Emigranten mit einer baldigen Rückkehr rechneten, wollten sie um jeden Preis ihre recht vordergründig verstandene nationale Identität wahren und scheuten sich deshalb, ihre neue Umgebung überhaupt zur Kenntnis zu nehmen. Erst später wurden sie sich der Ausweglosigkeit ihrer Lage und damit der Notwendigkeit, sich mit ihr konstruktiv auseinanderzusetzen, bewußt. Den Prager russischen Periodika kann man entnehmen, daß sie sich bemühten, ihre Leser mit der tschechischen Kultur bekannt zu machen und so die Barrieren abzubauen.143 Allerdings bezog sich dieses Bemühen wieder nur auf den geschlossenen Kreis der Emigranten. Es kam nur in Ausnahmefällen zu einem tatsächlichen Überschreiten der Grenzen. Aus dem informativen Überblick über Veröffentlichungen russischer und ukrainischer Emigranten in tschechischen und slowakischen Periodika,144 den Jiří Vacek liefert, geht die geringe Zahl an Veröffentlichungen in diesen Organen hervor, wenn man sie mit der Zahl russischer Periodika vergleicht, die im gleichen Zeitraum allein in Prag erschienen sind. Zwischen 1920 und 1940 wurden in Prag 139

140 141 142

143

144

Marek 2003, S. 262. Masaryk, T. G.: Jan Hus. Naše obrození a naše reformace, in: ders. Česká otázka. Naše nynější krize. Jan Hus, Praha 2000 (= Spisy T. G. Masaryka, Bd. 6), S. 310-366, hier: S. 333. Durych 2000, S. 18. Putna, Martin C.: Kulturní aktivity olomouckých dominikánů a jejich místo v dějinách české katolické literatury, in: Souvislosti, Jg. 11, Nr. 3-4 (45-46), 2000, S. 65-77, hier: S. 69. Podhájecká, Tat’jana: Ruský periodický tisk vycházející v Praze v meziválečném období, in: Slovanský přehled, Jg. 79, Nr. 1, 1993, S. 75-83, hier: S. 76. Vacek 1994, S. 32ff.

40

Teil 1 – Leben

gegen einhundert russische Zeitschriften und zwanzig Zeitungen herausgegeben (einige allerdings mit einer sehr kurzen Lebensdauer).145 Unter den sieben oben genannten russischsprachigen Periodika befinden sich mit Katoličeskij vremennik und Kitež zwei dezidiert katholische und mit dem Vestnik ein orthodoxes. Ruľ, Volja Rossii und Vozroždenie zählen zu den wichtigsten Periodika der russischen Emigration in Europa. Ruľ war eine der bedeutendsten Zeitungen der russischen Emigration außerhalb Frankreichs (in Prag selbst gab es keine bedeutende russische Tageszeitung), die unter den Bolschewiki den Ruf genoß, die schlechteste Zeitung überhaupt zu sein, weil sie jegliche Tendenzen zu einer Annäherung zwischen den Flüchtlingen und dem bolschewistischen Rußland ablehnte. Ihre Auflage überstieg schnell 20.000 Stück.146 Volja Rossii gilt zwar als reines Parteiorgan der Sozialrevolutionäre, war jedoch desungeachtet eine allgemein sehr populäre gesellschaftlich-politische und literarische Zeitschrift, die wiederum ausgesprochen antibolschewistisch orientiert war.147 Vozroždenie schließlich bestimmte maßgeblich das politische Leben der gesamten russischen Emigration.148 In den Organen der russischen Emigration, für die Vilinskij zwischen 1927 und 1929 Beiträge schrieb, die nicht rein religiös ausgerichtet waren, unterzeichnete er entweder mit seinen Initialen ‚V. V.‘ (in Volja Rossii) oder mit dem Pseudonym ‚Spectator‘ und diversen Abkürzungen davon wie ‚Sp-tor‘, ‚S-tor‘ oder ‚Sp.‘ (in Ruľ ).149 Dieses Pseudonym sticht im Gesamtbild der Zeitung aufgrund der lateinischen Buchstaben zwischen den kyrillischen hervor und unterstreicht auf diese Weise auch optisch die Position des etwas außerhalb stehenden Beobachters. Für den russischen katholischen Verlag Christianin [Der Christ], der in Vilnius ansässig war, und dessen gleichnamige Zeitschrift wählte er als Tribut an Mähren das Pseudonym ‚V. Moravskij‘. 145 146 147 148 149

Podhájecká 1993, S. 75. Vacek/Babka 2009, S. 37 und 40f. Vacek/Babka 2009, S. 37 und 43. Vacek/Babka 2009, S. 37. In Svozil/Vrbík (Hgg.) 1938 wird neben ‚Spectator‘ (S. 376) noch ‚Spektator‘ (S. 348) genannt. Vgl. dazu auch Vopravil, J.: Slovník pseudonymů v české a slovenské literatuře, Praha 1973, S. 281 und 1383, der nur ‚Spectator‘ anführt und zusätzlich ‚Ladislav Šulgan-Lazovský‘. Dieser figuriert als Übersetzer des Buches Unionizmus ins Slowakische. Wenn Vopravil sich nicht täuschen sollte, hätte Vilinskij dieses Buch selbst ins Slowakische übersetzt oder es gleich auf Slowakisch geschrieben. Solch ein Vorgehen würde keine Ausnahme unter Autoren fremder Muttersprache darstellen – es seien nur die unbekannte Eva Bloch erwähnt, die die französische Fassung von Milan Kunderas Unsterblichkeit aus dem Tschechischen angefertigt haben soll oder der Russe Andreï Makine, der für seine ersten beiden französischsprachigen Romane einen fiktiven Übersetzer erfand, damit der Verlag die Manuskripte akzeptiert, ohne an der Sprachkompetenz des Verfassers zu zweifeln. Es scheint mir allerdings höchst unwahrscheinlich, daß Vilinskij selbst auf Slowakisch geschrieben hat, denn es sind in dem Buch zahlreiche Anmerkungen des Übersetzers enthalten, aus denen der Leser etwas über dessen Studienort, akademische Lehrer etc. erfährt (s. Unionizmus, Trnava 1932, S. 18, 23, 55, 61, 81, 87, 90, 95, 102, 105, 139, 150, 155, 191, 218, 233, 346, 351 und 353 [FN 1, 4, 10, 14, 23, 25, 29, 34, 39, 40, 53, 56, 60, 74, 83, 86, 95, 97, 98 und 100]), die Vilinskij erfunden haben müßte. Dafür gibt es keine sinnvolle Begründung.

1927-1936: Publizistische Tätigkeit

41

Nach 1930 publizierte er nur noch vereinzelt in russischer Sprache,150 was ihn jedoch nicht daran hinderte, seine Bibliographie noch um Beiträge für die tschechische russischsprachige Zeitschrift Centraľnaja Evropa [Mitteleuropa] zu erweitern. Diese wird von Hans Lemberg als Informationsverbindung zwischen der russischen Emigration und ihrem Gastland ČSR charakterisiert, als eine vom tschechoslowakischen Außenministerium finanzierte Propagandazeitschrift offiziösen Charakters.151 Sie wurde ab 1930 einmal monatlich vom Orbis-Verlag herausgegeben (in den Jahren 19271929 erschien sie noch wöchentlich). Vilinskijs Rezensionen in der Centraľnaja Evropa sind ausschließlich Sachbüchern gewidmet, deren Thematik von der neuesten Politik der päpstlichen Kurie über den Einfluß von Mickiewicz auf die tschechische Literatur des Vormärz bis hin zum wirtschaftlichen Leben Polens und dessen Beziehungen zur Tschechoslowakei reichen. Er unterzeichnete auch in diesem Falle nicht alle Beiträge mit vollem Namen, sondern zum Teil nur mit ‚V. V.‘ oder ‚Vil., V.‘. Ausschließlich mit ‚V. V.‘ gezeichnet sind seine Übersetzungen tschechischer Dichter und Prosaautoren ins Russische (Jakub Deml, Josef Hora, Jiří Wolker, Hana Kvapilová), zu denen er sich offensichtlich nur halbherzig bekannte. Neben die Rezensionen von Sachbüchern, die polnische Inhalte aufweisen, traten ab 1929 Beiträge für polnische Zeitschriften wie Głos narodu [Die Stimme des Volkes], Przegląd katolicki [Katholische Rundschau] oder Przegląd powszechny [Allgemeine Rundschau]. Im Jahre 1930 gesellte sich eine Reihe von Beiträgen in den deutschen Zeitschriften West-östlicher Weg, Theologie und Glaube und Der christliche Orient hinzu und ab 1932 schließlich slowakischsprachige Veröffentlichungen, unter anderem in der Zeitschrift Kultúra. Časopis literárno-vedeckého odboru spolku sv. Vojtecha, Trnava [Kultur. Zeitschrift der literarisch-wissenschaftlichen Sektion des Adelbertvereins] und der Tageszeitung Slovák [Der Slowake]. Je nach Erscheinungsland der Beiträge variiert die Schreibweise seines Namens – in Polen: Walery Wiliński; in Frankreich: V. Vilinski; in Deutschland: Walerij Wilinskij oder W. Wilinsky und in der Tschechoslowakei: V. Vilinský. Bereits 1929 deuteten einige Artikel auf eine Erweiterung der unionistischen Thematik hin. In seiner Auseinandersetzung mit Vrzal und dem Eurasiertum kann man zum Beispiel erkennen, daß Vilinskij die Idee des Unionismus unter literarischen und politischen Aspekten zu betrachten begann. Das fand im darauffolgenden Jahr eine konsequente Fortsetzung darin, daß er einerseits den Rat Andrej Deinekos von 1925 aufnahm, sich mehr mit Politik zu beschäftigen, weil das religiöse Leben 150

151

Diese persönliche Entwicklung Vilinskijs (Abkehr von russischen, Hinwendung zu tschechischen Periodika) fällt zeitlich zusammen mit einer inhaltlichen Veränderung der russischen Presse, die zunächst ihren Fokus auf Rußland bzw. die Emigration als ganzer richtete, Ende der 1920er/Anfang der 30er Jahre jedoch zunehmend zur Presse der russischen Kolonie in Prag wurde (Andreyev/Savický 2004, S. 121). Lemberg, Hans: Die Slawistik in der tschechoslowakischen Republik. Wissenschaft im politischen Spannungsfeld, in: Bosl, Karl/Seibt, Ferdinand (Hgg.): Kultur und Gesellschaft in der Ersten Tschechoslowakischen Republik. Vorträge der Tagungen des Collegium Carolinum in Bad Wiessee vom 23. bis 25. November 1979 und vom 28. bis 30. November 1980, München 1982, S. 289301, hier: S. 299.

42

Teil 1 – Leben

nicht von dem gesellschaftlichen zu trennen sei.152 In dem Buch K slovanské otázce. Tři koncepce slovanské vzájemnosti [Zur slavischen Frage. Drei Konzeptionen der slavischen Wechselbeziehungen] untersucht Vilinskij die Möglichkeit, den Unionismus politisch fruchtbar zu machen. Andererseits widmete er 1930 Durych mehrere Untersuchungen und bereitete damit den Boden für weitere literarische Studien in den Folgejahren. Bei der Betrachtung des Zusammenspiels von Religion und Literatur verlagerte sich der Schwerpunkt von der Religion auf die Literatur. So erweiterte sich auch das Repertoire der rezensierten Bücher um belletristische Werke, denen nach und nach immer größerer Raum zukam, bis Vilinskij 1933 ein ausführliches Nachwort zu einer Gedichtauswahl von Nikolaj Gumilev und 1935 die Einleitung zu einer Gedichtauswahl von Konstantin Baľmont schrieb.153 Mit dem schon mehrfach zitierten Buch Rus se dívá na Č.S.R. [Ein Russe betrachtet die ČSR] gab er bereits 1931 ein essayistisches Werk heraus, in dem das Religiöse nur noch als Hintergrund durchscheint, vor dem die beschriebenen Erscheinungen betrachtet werden. Aber auch die Werke, in denen er sich mit religiösen Fragen auseinandersetzt, wurden zunehmend fundierter, so daß ihn schließlich Antonín Podlaha 1931 als Mitarbeiter für den von ihm herausgegebenen Český slovník bohovědný [Tschechisches theologisches Wörterbuch] gewann, der jedoch durch den Tod Podlahas im Februar 1932 ein mitten im Stichwort Itálie [Italien] endendes Fragment blieb.154 Vilinskijs letzte selbständige Publikation mit religiöser Thematik, Unionizmus [Unionismus], 1932, stellte gleichzeitig die erste größere Arbeit zu der Frage der Vereinigung der Kirchen in slowakischer Sprache dar und fand aus diesem Grund viel Beachtung. Nach dieser abschließenden unionistischen Arbeit widmete er sich einerseits für kurze Zeit eigener Belletristik – den beiden Romanen Mařenka chce jinou vládu [Mařenka möchte eine andere Regierung] und Praha [Prag], beide 1933 – und mehr und mehr rein politischen Themen, von denen er zu volkswirtschaftlichen Fragestellungen vordrang. Mit seinem Werk Ruská revolúcia bzw. Ruská revoluce 18251936 [Die russische Revolution], 1936, setzte er den Schlußpunkt unter seine selbständigen Publikationen.

Verschiedene Bemühungen um Existenzsicherung Die Arbeit als freier Publizist war nicht ganz freiwillig gewählt, auch wenn ihr Vilinskij mit großem Engagement nachging. Es lassen sich parallel zu ihr verschiedene Versuche finden, eine feste Anstellung und durch sie ein regelmäßiges Einkommen zu erhalten. Ob Vilinskij neben seiner umfangreichen publizistischen 152 153

154

Brief Deinekos an Vilinskij vom 27. Oktober 1925 (ZAO, fond Vilinskij). Die Einleitung stammt nicht von dem Brünner Professor S. V. Vilinskij [sic], wie Danuše Kšicová annimmt (Češskie perevody K. D. Baľmonta, in: Balmont, K. D.: Duše Českých zemí ve slovech a činech, Brno 2001, S. 323-331, hier: S. 328) Podlaha, Antonín/Tumpach, J. (Hgg.): Český slovník bohovědný. Sv. 1, Praha 1912 und Sv. 2, 1916; nur noch Podlaha (Hg.): Sv. 3, 1926; Sv. 4, 1926a und Sv. 5, 1932 [unvollendet].

1927-1936: Publizistische Tätigkeit

43

Tätigkeit tatsächlich auch als Jurist gearbeitet oder in Brünn sogar eine Anwaltskanzlei geführt hat,155 konnte nicht verifiziert werden. Es scheint jedoch höchst unwahrscheinlich. Erstens, darauf wurde oben bereits hingewiesen, berechtigte ihn sein Studium gar nicht dazu. Und zweitens fand weder in dem Artikel von Jurák noch in seiner regen Korrespondenz mit Jemelka ein praktisches juristisches Wirken Erwähnung. In dieser Korrespondenz, die auf die Jahre 1927 bis 1934 zu datieren ist, nimmt die Frage der Existenzsicherung großen Raum ein, denn Jemelka war aufrichtig bemüht, Vilinskij mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln zu unterstützen. Er unternahm bereits 1928 einen ersten Versuch, Vilinskij mit der Vermittlung von Alfred Fuchs eine Stelle im Staatsdienst zu beschaffen. Fuchs konvertierte 1921 vom Judentum zum Katholizismus, gab 1923 dann das Büchlein Sjednocení církví (Unionismus) [Vereinigung der Kirchen (Unionismus)] heraus und arbeitete 1923 bis 1939 in der Presseabteilung des Ministerratspräsidiums. Dort war er 1928 als Chefredakteur des Amtsblattes Prager Abendblatt tätig. Trotz der aussichtslosen Lage wollte er sich bemühen, alles zu tun, was in seinen Kräften stand, da es sich mit Vilinskij um einen Aktiven auf dem Gebiet des Unionismus handelte.156 Er war zunächst erfolglos, nahm sich der Sache 1931 – dann allerdings wieder ergebnislos – noch einmal in einem Gespräch mit dem späteren tschechoslowakischen Außenminister Kamil Krofta an.157 Im Jahr zuvor (1930) scheint sich, ebenfalls erfolglos, durch die Vermittlung von Fuchs auch Jaroslav Papoušek, der als Obersektionsrat im Außenministerium und gleichzeitig als Chefredakteur der Centraľnaja Evropa tätig war, für Vilinskij im Außenministerium eingesetzt zu haben.158 Eine weitere Hoffnung auf einen wenigstens vorübergehend gesicherten Lebensunterhalt zerschlug sich zu Beginn des Jahres 1930 – Vilinskijs Bemühungen um eine finanzielle Unterstützung seiner unionistischen Bestrebungen aus Rom. Der Präsident des Istituto Orientale, Msgr. Michel d’Herbigny, gab seine Bitte gar nicht erst weiter, weil er davon überzeugt war, daß die zuständige Kommission ihr ohnehin nicht nachkommen würde.159 Vilinskij bat jedoch nicht nur andere um Hilfe, sondern versuchte auch, sich selbst zu helfen. Zusammen mit Lev Magerovskij, dem Begründer und Leiter der Zeitschriftensammlung des Russischen Historischen Auslandsarchivs160 und Chefredakteur des russischen Pressedienstes Russunion (1920-1937), der ebenfalls aus 155

156

157

158

159

160

Rus se dívá na Č.S.R. 1931, S. 15; Svozil/Vrbík (Hgg.) 1938, S. 377 und Wurmová, Milada: Valerij Sergeevič Vilinskij 1924-1929. Inventář. Státní archiv v Brně, Brno 1962, S. 1. Brief von Fuchs an Jemelka vom 8. Dezember 1928 (ZAO, fond ACM, karton 2 – Protokolovaná korespondence, 1928). Brief Vilinskijs an Jemelka vom 24. September 1931 (ZAO, fond ACM, karton 3 – Briefe 1932). Brief Vilinskijs an Papoušek vom 31. März 1930 (Vojenský historický archiv, fond Papoušek, Jaroslav). Brief Spáčils aus Rom an Jemelka vom 10. Februar 1930 (ZAO, fond ACM, karton 3 – Briefe 1932). Bystrov 1999, S. 130.

44

Teil 1 – Leben

Odessa stammte und in Prag sein Jura-Studium beendete,161 unternahm er den Versuch, ein russisches Bulletin herauszugeben. Es blieb bei einer Probenummer, die statt im Oktober 1929 erst im Januar 1930 erschien, denn es meldeten sich zu wenige potentielle Abonnenten. Immerhin gestaltete sich dieses Unterfangen für die beiden Herausgeber nicht als Verlustgeschäft.162 Für Vilinskij nahmen die existentiellen Sorgen zu, so daß er seiner Enttäuschung Ausdruck verlieh und auch seinen Förderern gegenüber ungehalten und ungerecht wurde. Er schrieb an Jemelka: – Mám se špatně – všechny mojí podniky se končily nezdárem […]. [N]a světě je dosti místa pro každého, jenom pro mně ne!163 – Vy, lide, kteří máte vlasť a stálý příjem náprosto nemůžete pochopiti, že prosime-li Vás o něco, pak to pro nás skutečně má význam a káždý den jest důležitý.164 – Mir geht es schlecht – alle meine Unternehmungen sind fehlgeschlagen […]. [A]uf der Welt ist für jeden ausreichend Platz, nur für mich nicht! – Sie, die Sie eine Heimat und ständiges Einkommen haben, können einfach nicht verstehen, daß, wenn wir Sie um etwas bitten, dieses für uns wirklich von Bedeutung ist und jeder Tag zählt.

Ende 1930 konnte er allerdings Deml mitteilen, daß ihm das Außenministerium wieder einen/den Journalistenpreis in Höhe von 4.000 Kčs verliehen habe, „což není právě špatně, ačkoliv to mohlo býti lepši“165 [was nicht direkt schlecht ist, auch wenn es besser sein könnte] und was vor allem davon zeugt, daß ihm nicht sein Platz in der Welt verweigert worden war, wie er in dem eben zitierten Brief vom 5. Oktober 1930 beklagt. Das heißt jedoch nicht, daß ihm jeder das gab, was ihm zustand, denn zu Beginn des Jahres 1931 war er allein damit beschäftigt, ausstehende Honorare einzuklagen: Teď jsem poněkuď volnější poněvadž dopsal jsem novou knihu a nyní se zabývám jedině tím, že prostředníctvím advokata tahám nezaplacené honoráře od obratných nakladatelů. Dlouho jsem napínal svoje křesťanskou trpělivost, ale konečně již nevydrželo.166 Jetzt bin ich ein wenig freier, weil ich ein neues Buch beendet habe und mich jetzt einzig damit beschäftige, mit Hilfe eines Anwalts nicht bezahlte Honorare von gewandten Verlegern einzuziehen. Lange habe ich meine christliche Geduld auf die Probe gestellt, aber letztlich hielt sie nicht mehr aus.

Gleichzeitig bemühte er sich darum, durch die Vermittlung Josef Vašicas bei der Akademie Velehradská [Velehrader Akademie] eine wissenschaftliche Studie über 161 162

163 164 165

166

Vacek/Babka 2009, S. 27. Protokoll vom 13. November 1929 (ZAO, fond ACM, Kniha 1 – Kniha zápisů z výborných schůzí ACM 1922-1941) und Karten Vilinskijs an Jemelka vom 13. und 19. Januar 1930 (ZAO, fond ACM, karton 3 – Briefe 1932). Brief Vilinskijs an Jemelka vom 5. Oktober 1930 (ZAO, fond ACM, karton 3 – Briefe 1932). Karte Vilinskijs an Jemelka vom 16. Januar 1930 (ZAO, fond ACM, karton 3 – Briefe 1932). Brief Vilinskijs an Deml ohne Datum (LA PNP, fond Jakub Deml – Sig. 21/B/18). 1932 erhielt er für seinen Beitrag Aktualita a novinář den ersten von zwei vierten Preisen, was einer Preissumme von 1.500 Kčs entsprach (o. A., o. T., in: Národní politika, Jg. 50, 24.12.1932, Nr. 355 [Morgen], S. 3). Brief Vilinskijs an Deml vom 27. März 1931 (LA PNP, fond Deml – Sig. 21/B/18).

1927-1936: Publizistische Tätigkeit

45

die russischen Altgläubigen zu publizieren. Weil sie seine Tätigkeit bisher schmählich ignoriert hätte, mache er ihr dieses letzte Angebot.167 Dementsprechend selbstbewußt formulierte er seine Meinung über die Akademie, bevor er am 18. November 1931 auf der Hauptversammlung in den Ausschuß berufen und zum korrespondierenden Mitglied ernannt wurde:168 Ale jest obecné známo, že v ČSR, kromě ACM, jemuž nutno vzati všechnu čest, jest dvě unionistické instituci: ta první má peníze a níc nedělá, ta druhá nemá peněz, ale skutečně pracuje. První instituce je – Akademia Velehradská, druha – Valerij Vilinskij.169 Aber es ist allgemein bekannt, daß es in der ČSR außer dem Apoštolát sv. Cyrila a Metoděje, dem alle Ehre gebührt, zwei unionistische Institutionen gibt: die erste hat Geld und tut nichts, die zweite hat kein Geld und arbeitet wirklich. Die erste Institution ist – die Velehrader Akademie, die zweite – Valerij Vilinskij.

Ab 1. September 1932 erhielt er durch das Sekretariat des Apoštolát sv. Cyrila a Metoděje eine Art Stipendium. Für ein Jahr wurde ihm ein monatliches Pauschalhonorar in Höhe von 800 Kčs ausgezahlt.

Tschechoslowakische Staatsbürgerschaft Das wichtigste Ereignis des Jahres 1931 dürfte für Vilinskij gewesen sein, daß ihm am 2. Dezember die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft erteilt worden ist.170 Als Fürsprecher für Vilinskijs bürgerliche Unbescholtenheit trat der Apoštolát sv. Cyrila a Metoděje ein, den „domovský slib“ [Heimrecht] gewährte ihm Dražůvky.171 Bis zu dieser Zeit hatte Vilinskij einen sogenannten Nansenpaß. Mit Dekret vom 15. Dezember 1921 hatte die sowjetische Regierung allen Emigranten ihre russische Staatsbürgerschaft aberkannt. Wer nicht unmittelbar danach in die Sowjetunion zurückkehrte oder wenigstens in einer der sowjetischen Auslandsvertretungen um einen sowjetischen Paß ersuchte, wurde ab 1. Juni 1922 staatenlos und damit in 167

168 169

170 171

Briefe Vilinskijs an Vašica vom 21. und 24. Januar und 22. Oktober 1931 (LA PNP, fond Vilinskij). O. A. Z činnosti Akademie velehradské, in: Našinec, Jg. 67, Nr. 274, 29.11.1931, S. 1. Brief Vilinskijs an Jemelka vom 24. September 1931 (ZAO, fond ACM, karton 3 – Briefe 1932). SÚA, PŘ 1941-50, balík V 6982. Notiz vom 16. Juni 1931 (ZAO, fond ACM, kniha 9 – Ústřední. Protokolní kniha ACM od 1928-1934) und Dražůvky a Rus, in: Našinec, Jg. 66, Nr. 230, 07.10.1930, S. 1. In dem Slovník veřejného práva československého [Wörterbuch des tschechoslowakischen öffentlichen Rechts] findet sich folgende Definition des Heimrechts: „osobní právní poměr určité osoby k určité obci, jehož obsahem jest nárok na nerušený pobyt v obci a na chudinské zaopatření.“ [persönliche Rechtsbeziehung einer bestimmten Person zu einer bestimmten Gemeinde, deren Inhalt in dem Anspruch auf ungestörten Aufenthalt in der Gemeinde und auf Armenversorgung besteht] (Havelka, Jiří [Hg.]: Slovník veřejného práva československého. Svazek 1. A až CH, Brno 1929, S. 435f.). Die Anforderung, einen mindestens zehnjährigen Aufenthalt im Lande nachzuweisen (Jochims 2002, S. 328), muß Vilinskij auf irgendeine Weise umgangen haben.

46

Teil 1 – Leben

gewisser Weise rechtlos, denn Staatenlose waren schutzlos auf das Wohlwollen des Aufnahmestaates angewiesen.172 Die Vereinten Nationen bemühten sich deshalb um die Verbesserung der rechtlichen Stellung der russischen Emigranten, indem sie diese nach ihrem Kommissar E. Nansen benannten Pässe einführten, die dazu berechtigten, ohne Staatsbürgerschaft im Ausland zu leben.173 In der Tschechoslowakei wurden sie seit dem 1. Januar 1930 für die Dauer je eines Jahres ausgegeben.174 Auch wenn sie gewisse Sicherheiten gewährten, zum Teil das Reisen ermöglichten, waren sie bei weitem nicht einer Staatsbürgerschaft vergleichbar, denn durch sie wurden weder die lebenswichtige Frage des Erlangens einer Arbeitserlaubnis noch die Frage der sozialen Absicherung geklärt.175 Während die Nansenpässe für Emigranten in anderen Ländern die rechtliche Lage verbesserten, stellten sie für die Emigranten in der Tschechoslowakei, die bis zur Einführung der Nansenpässe eine Art Ausweis erhielten, eine Verschlechterung dar. In diesem ausweisähnlichen Dokument wurde ihnen bestätigt, daß sie sich legal in der Tschechoslowakei aufhalten. Für Reisen in weitere Länder wurde ihnen auf der Grundlage dieses Papiers – genau wie tschechoslowakischen Staatsbürgern – ein Reisepaß ausgestellt, der sie unter Schutz der jeweiligen tschechoslowakischen Auslandsvertretung stellte.176 Weil das Gesetz zur Erhaltung des nationalen Arbeitsmarktes aus dem Jahr 1928 es den Emigranten erschwerte, in der Tschechoslowakei Arbeit zu finden – nur wer nachweislich vor dem 1. Mai 1923 eingereist war und sich zudem ununterbrochen im Land aufhielt, hatte nach dem Gesetz ein Recht auf Arbeit177 –, standen viele vor der Alternative, entweder ihre Flucht gen Westen fortzusetzen oder um die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft zu ersuchen, die wiederum ebenfalls das Verlassen des Landes vereinfachte.178 Um eine solche bemühten sich deshalb mehr und mehr von ihnen, was selbstverständlich desto schwieriger wurde, je länger sie zögerten.179 172 173 174

175 176 177 178

179

Šmigeľ 2004, S. 327. Šmigeľ 2004, S. 339. Anastasie Kopřivová führt versehentlich als Datum für die Einführung der Nansenpässe in der ČSR bereits den 1. Januar 1929 an (Kopřivová, Anastasie: Střediska ruského emigrantského života v Praze [1921-1952], Praha 2001, S. 48). Die ČSR unterzeichnete jedoch erst im Mai 1929 die Vereinbarung der Vereinten Nationen über die Nansenpässe (Chinyaeva 2001, S. 87). Šmigeľ 2004, S. 339f. Serapionova 1995, S. 40. Serapionova 1995, S. 76 und Jochims 2002, S. 302-305. Das Verlassen der ČSR als Ausweg aus der Arbeitslosigkeit wählten Ende der 1920er Jahre ungefähr 7.600 russische Flüchtlinge, deren weiterer Weg sie nach Frankreich, Amerika, in die afrikanischen Kolonien oder nach Belgien führte. Im Gegensatz zu den teilweise sehr hohen Einreisegebühren, die von den Russen verlangt wurden, benötigten tschechoslowakische Staatsbürger entweder gar kein Visum oder erhielten dieses kostenlos (Serapionova 1995, S. 21 und 32f.). Diese Tatsache kam wenig später auch prominenten deutschen Emigranten wie Heinrich und Thomas Mann zugute, denen ohne größere bürokratische Hürden die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft verliehen wurde, was ihnen die weitere Flucht erleichterte. Sládek, Zdeněk: Russkaja i ukrainskaja ėmigracija v Čechoslovakii, in: Sovetskoe slavjanovedenie, Nr. 6, 1991, S. 24-36, hier: S. 32. Zwischen 1923 und 1936 erhielten insgesamt 5.492 Russen die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft (Chinyaeva, Elena: Russians outside Russia. The Émigré Community in Czechoslovakia 1918-1938, München 2001, S. 96).

1927-1936: Publizistische Tätigkeit

47

Heirat Auch das Jahr 1932 sollte für Vilinskij persönliche Veränderungen bringen: am 29. Oktober heiratete er in Brünn das „intelligente Fräulein“ Vojtěška Žižková, in der Privatkapelle des Bischofs Dr. Josef Kupka in dem Kostel sv. Tomáše [Thomaskirche].180 Es gab somit doch mindestens einen Absolventen der Russischen juristischen Fakultät, der eine Tschechin heiratete. Vojtěška Žižková, die am 17. August 1903 geboren worden ist,181 muß er schon länger gekannt haben, denn bereits in seinem 1928 erschienenen Buch Ruský národ a sjednocení církví wurde sie mit als Übersetzerin genannt.182 Sie arbeitete in einer Brünner Behörde, die dem Sozialministerium unterstellt war.183 Ihrer früheren Heirat lagen bürokratische Steine im Wege. Erstens: solange Valerij Sergeevič nicht über die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft verfügte, hätte seine Frau mit der Heirat die ihre verloren und wäre staatenlos geworden wie ihr Mann. Aus der Ehe hervorgehende Kinder wären ebenfalls staatenlos gewesen.184 Zudem wäre seine Frau als Staatenlose aus dem Staatsdienst entlassen worden und hätte ihre Rentenansprüche eingebüßt.185 Und zweitens drohte der Frau aus einem weiteren Grund der Verlust der Arbeit. Als Verheiratete hätte ihr Mann mit für sie sorgen müssen. Dabei war in ihrem Fall gerade sie es, die zumindest eine Regelmäßigkeit in die familiären Finanzen brachte. Durch Intervention und Überredungskünste behielt sie zunächst noch ihre Anstellung.186 Dieses Dilemma, das durch die bürokratische Praxis hervorgerufen wurde, führte dazu, daß den Betroffenen […] nezbývá nic jiného, než voliti mezi rozchodem anebo konkubinátem. Zde vidíme, jak formálně pojímaný zákon staví nábožensky myslícího člověka před velmi těžký duševní problém.187 […] nichts weiter übrigbleibt, als zwischen Trennung oder Konkubinat zu wählen. Hier sehen wir, wie ein formal aufgefaßtes Gesetz einen religiös denkenden Menschen vor ein sehr schwieriges seelisches Problem stellt.

Ganz offensichtlich entschieden sie sich, solange Vilinskij noch nicht über die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft verfügte, für das Konkubinat, denn aus einem Brief, den er zwei Jahre vor seiner Heirat an Deml schickte, scheint bereits das routinierte Zusammenleben durch: 180 181 182 183

184 185 186

187

SÚA, PŘ 1941-50, balík V 6982 und o. A. Sňatek […] 1932, S. 1. SÚA, PŘ 1941-50, balík V 6982. Ruský národ a sjednocení církví 1928, S. 65. Brief Vilinskijs an Jemelka vom 27. Januar 1932 (ZAO, fond ACM, karton Nr. 3 – Briefe 1932). Chinyaeva 2001, S. 96. Praxe českého rusofilství, in: Lidové listy, Jg. 7, Nr. 294, 21.12.1928, II. Ausg., S. 1. Brief bzw. Karte Vilinskijs an Jemelka vom 6. bzw. 21. Dezember 1933 (ZAO, fond ACM, karton 4 – Briefe). Praxe českého rusofilství 1928.

48

Teil 1 – Leben Nechtěl bych, aby Vojtěška vařila – jednak nechci, aby se unavovala, jednak bych musel umyvati nádobi.188 Ich würde nicht wollen, daß Vojtěška kocht – einerseits möchte ich nicht, daß sie ermüdet, andererseits müßte ich das Geschirr abwaschen.

Vortragstätigkeit Vor allem die frühen Schriften Vilinskijs, wegen derer Vrzal ihn als „slavnutný spisovatel“189 [glänzenden Schriftsteller] betitelte, gingen einher mit einem aktiven Engagement für die Dinge, über die er schrieb. Den Auftakt zu Vilinskijs öffentlichem Auftreten bildete 1927 sein bereits oben erwähnter Vortrag auf dem fünften unionistischen Kongreß. Im Jubiläumsjahr des sv. Václav [hl. Wenzel], 1929, fand in Prag ein Studienkongreß zu religiösen Fragen des Ostens statt, an dem sich Vilinskij mit einem lateinischen Vortrag über das kirchlich-religiöse Leben in Rußland (De religiositate russica) beteiligte. Er war einer von zehn orthodoxen Teilnehmern.190 Außerdem hielt er ebenfalls 1929 im Auftrag der Vereinigung Růže Sušilovy [Die Rose Sušils] einen Russischkurs, den diese veranstaltet hatte, um ein gründlicheres Studium der unionistischen Frage und aller untrennbar mit ihr verbundenen Fragestellungen ermöglichen zu können.191 Auch in den nächsten Jahren lehrte er Brünner Theologen Russisch, ob es dabei um eine Fortsetzung dieses Kurses ging, oder ob es sich um einen anderen Rahmen handelte, in dem der Unterricht stattfand, geht aus dem zugänglichen Material nicht hervor. Er stellte desillusioniert fest, daß die unionistische Begeisterung proportional zum steigenden Schwierigkeitsgrad der russischen Grammatik nachließ.192 Für den ersten Kurs hatten sich 30 Interessenten angemeldet.193 Im Sommer 1931 nahm Vilinskij in Bratislava am dritten Kongreß der slavischen katholischen Akademiker und Senioren teil – die geplante Teilnahme am zweiten Kongreß 1930 in Lubljana mußte er absagen, weil er kein Visum erhalten hatte194 –, auf dem er das Grußwort der Russen sprach, das mit großen Sympathien aufgenommen wurde, und über die praktische Umsetzung der ‚slavischen Wechselseitigkeit‘ vortrug.195 Im selben Jahr hielt er in verschiedenen Orten – im Prager Priesterseminar, 188 189 190 191

192 193 194

195

Brief Vilinskijs an Deml von Ende 1930 (LA PNP, fond Jakub Deml, 21/B/18). Brief Vrzals an Vilinskij vom 31. März 1930 (ZAO, fond Vilinskij). Cinek 1936, S. 570ff. Fiala, Alois: Zpráva o činnosti „Růže Sušilovy“ v Brně za správní rok 1928-29, in: Museum, Jg. 60, 1929, S. 160f., hier: S. 161. Budoucnost českého unionismu, in: Sborník Moravana 1931, S. 47-51, hier: S. 49. Notiz in: Apoštolát sv. Cyrila a Metoděje, Jg. 20, Nr. 5-6, Mai-Juni 1929, S. 176. Notiz vom 17. Juli 1930 (ZAO, fond ACM, kniha 9 – Ústřední. Protokolní kniha ACM od 1928-1934). Kaššovic, Ján/Klinovský, Karol (Hgg.): Pamätnica III. kongresu slovanských katolíckych akademikov a seniorov v Bratislave, 1931, S. 15 und o. A. III. kongres slovanských katolických akademikov a seniorov. Bratislava slovanská ožila – Slavianskí hostia v našom hlavnom meste,

1927-1936: Publizistische Tätigkeit

49

in Hradec Králové, Dejvice (Prag), Bučovice, České Budějovice, Bratislava – Vorträge unter dem Thema Rusko a Řím [Rußland und Rom].196 In Velehrad fand 1932 der sechste unionistische Kongreß statt, an dem sich Vilinskij wieder beteiligte. Er trat als Redner mit einer russischsprachigen (Begrüßungs-)Ansprache und mit einem lateinischsprachigen Vortrag über die russische philokatholische Bewegung auf.197 Im Folgejahr fanden in Nitra Feierlichkeiten zum 1.100jährigen Jubiläum der Errichtung der ersten christlichen Kirche statt. An den Feiern waren zwar offiziell keine russischen Vertreter beteiligt, die sich jedoch unter der Schirmherrschaft des Bischofs von Nitra, Kmeťko, zu einer kleinen Versammlung, die sie der Frage der christlichen Gewerkschaftsbewegung widmeten, zusammenfanden. Vilinskij, der weitere Vertreter der orthodoxen Emigration eingeladen hatte, eröffnete die Zusammenkunft und trat zudem als Redner auf.198 Am siebenten unionistischen Kongreß (1936) nahm er zwar noch teil, verhielt sich allerdings ähnlich schweigsam wie bei seiner ersten Teilnahme als unbekannter Student im Jahre 1924.199 Politisch äußerte er sich im Zusammenhang mit dem Erscheinen seines Buches über die politischen Morde, Prozesse und Verschwörungen in der Sowjetunion. Am 20. Januar 1933 war er zu einer Disputation mit Vertretern der Organisation Krest’janskaja Rossija [Bäuerliches Rußland], der Mladorusy [Jungrussen] und der Eurasier in das Eurasische Seminar in Prag eingeladen.200 Am 8. Juni 1933 hielt er vor der tschechischen akademischen Liga einen Vortrag über die religiösen Verfolgungen in Rußland. Für ebendiese führte er am 1. Januar 1934 in einen Diskussionsabend über das tschechisch-slowakische Verhältnis ein.201 Und am 18. April 1937 trat er vor der Gesellschaft des freien Kosakentums mit einem Vortrag zum Thema Položenie v rodnych krajach i puti kazačjej ėmigracii [Die Lage in den Heimatgebieten und die Wege der kosakischen Emigration] auf.202

196 197

198

199

200

201 202

in: Slovák, Jg. 13, Nr. 150, 08.07.1931, S. 3. Bei der Aufzählung der Teilnehmer erscheint er hier als „doc. dr. Vilinskij“. Vgl. Apoštolát sv. Cyrila a Metoděje, Jg. 22, Nr. 5, 1931, S. 176; Nr. 7, S. 249 und Nr. 8, S. 289. Cinek 1936, S. 613ff. Der Vortrag ist veröffentlicht unter dem Titel De philocatholicis motibus qui dicuntur Russorum, in: Acta VI. Conventus Velehradensis anno MCMCCCII, Olomouc 1933, S. 224-228. Cinek 1936, S. 632ff. und Kalikin, E.: Pribinovskie toržestva, in: Rossija i Slavjanstvo, Jg. 5, Nr. 224, September 1933, S. 5. Er war allerdings für diesen Kongreß als Referent angekündigt (vgl. S., Dr.: Záchrana slovanských národů v sjednocení s Římem, in: Našinec, Jg. 71, Nr. 165, 21.07.1938, S. 1f., hier: S. 2). O. A. Dr. Valerij S. Vilinský: V Rusku boj trvá, in: Apoštolát sv. Cyrila a Metoděje, Jg. 24, 1933, Klappentext. In den sogenannten Eurasischen Seminaren fanden Diskussionsveranstaltungen mit den politischen Gegnern innerhalb der Emigration statt (vgl. Wiederkehr, Stefan: Die eurasische Bewegung. Wissenschaft und Politik in der russischen Emigration der Zwischenkriegszeit und im postsowjetischen Rußland, Köln/Weimar/Wien 2007, S. 54). Ankündigung in: Národní politika [Ausgabe für Prag], Jg. 52, Nr. 30, 31.01.1934, S. 4. Beloševskaja, L. (Hg.): Chronika kuľturnoj, naučnoj i obščestvennoj žizni russkoj ėmigracii v Čechoslovackoj respublike. Tom II. 1930-1939, Praga 2001, S. 207 und 427.

50

Teil 1 – Leben

Protestaktion gegen den antireligiösen Terror in Sowjetrußland (1930) Der Apoštolát sv. Cyrila a Metoděje startete am 11. Januar 1930 in Olmütz einen Protestaufruf gegen den antireligiösen Terror der sowjetischen Regierungen in Rußland, den im Namen aller seiner Verbände der Vorsitzende, Erzbischof Leopold Prečan, und Jemelka unterzeichnet hatten: Apoštolát sv. Cyrila a Metoděje od počátku nových poměrů na slovanské Rusi sledoval s bolestí protikřesťanskou činnost sovětů, vřele cítil s nevinnými obětmi bezbožného násilí, odsuzoval nelidské metody uchvatitetlů moci a své členstvo nepřestával vybízet k vroucím modlitbám za trpící bratry a sestry, katolické a pravoslavné. Po neslýchaných krutostech, jež vyvrcholily na sklonku roku 1929, a zvláště po (šíleném) nepříčetném řádění bolševickém o posledních vánocích, kdy ďábelská zášť protikřesťanská snažila se přehlušit i evangelium pokoje svaté noci vánoční, nemůže už déle mlčet Apoštolát svatého Cyrila a Metoděje. Proto jednal ve své výborové schůzi dne 8. ledna 1930 také o náboženské situaci na Rusi a jednomyslně se usnesl, pozvednout svého hlasu k veřejnému protestu proti bezohlednému šlapání nejzákladnějších práv lidské svobody bezbožným bolševismem na Rusi, proti ničení tisícileté křesťanské kultury a mravnosti i proti pustému vraždění nevinných a bezbranných lidí téže slovanské krve. Ú. A. C. M. rozhořčeně odsuzuje hrubé porušování lidských práv a řádů za vlády sovětů a pokládá její stále stupňované násilí za výsměch všem kulturním statkům, ba samé lidské důstojnosti, jak za ni po věky bojovalo lidstvo proti každé tyranii. Svým protestem chce ACM. budit svědomí veřejných činitelů a potírat netečnost a necitelnost k nekonečnému utrpení bratrského národa ruského. Ale zároveň i prosí všechny české a slovenské katolíky, aby zvláště o blízké světové oktávě modliteb za sjednocení církví (od 18.-25. ledna) pamatovali vroucími prosbami a dobrými skutky na pronásledované stádce Kristovo na nešťastné Rusi, na děti těchže duchovních Otců, svatého Cyrila a Metoděje, apoštolů slovanských.203 Der Apoštolát sv. Cyrila a Metoděje verfolgte seit Beginn der neuen Verhältnisse im slavischen Rußland mit Schmerzen die antichristliche Tätigkeit der Sowjets, mit Wärme fühlte er mit den unschuldigen Opfern der gottlosen Gewalt, verurteilte die unmenschlichen Methoden der Machtergreifer und hörte nicht auf, seine Mitglieder zu inbrünstigen Gebeten für die leidenden katholischen und orthodoxen Brüder und Schwestern aufzufordern. Nach den unerhörten Grausamkeiten, die am Ende des Jahres 1929 kulminierten und vor allem nach dem (irrsinnigen) unzurechnungsfähigen Toben der Bolschewiki am letzten Weichnachtsfest, als der teuflische antichristliche Haß sich bemühte, selbst das Evangelium des Friedens der heiligen Weihnachtsnacht zu übertönen, kann der Apoštolát svatého Cyrila a Metoděje nicht länger schweigen. Deshalb verhandelte er auf seiner Vorstandssitzung am 8. Januar 1930 auch über die religiöse Situation in Rußland und beschloß einmütig, seine Stimme zum öffentlichen Protest gegen das rücksichtslose Treten der grundlegendsten Rechte der menschlichen Freiheit durch den gottlosen Bolschewismus in Rußland zu erheben, gegen die Vernichtung der tausendjährigen christlichen Kultur und Moral und gegen das wüste Morden unschuldiger und wehrloser Menschen desselben slavischen Blutes. Die Zentrale des Apoštolát verurteilt empört die grobe Verletzung der Menschenrechte und der Ordnung unter der Regierung der Sowjets und betrachtet ihre ständig gesteigerte Gewalt als Ver203

Jemelka, František/Prečan, Leopold: Proti náboženskému teroru sovětských vlád na Rusi. Protestní projev Ústředí Apoštolátu sv. Cyrila a Metoděje sdružujícího všechny diecésní svazy v čsl. republice i zahraniči, in: Našinec, Jg. 66, Nr. 9, 12.01.1930, S. 1.

1927-1936: Publizistische Tätigkeit

51

höhnung aller kulturellen Güter, ja der menschlichen Würde selbst, wie für sie über Jahrhunderte die Menschheit gegen jede Tyrannei gekämpft hat. Mit seinem Protest will der Apoštolát das Gewissen der öffentlichen Repräsentanten wecken und Gleichgültigkeit und Gefühllosigkeit gegenüber dem unendlichen Leiden des russischen Brudervolkes bekämpfen. Außerdem bittet er aber auch alle tschechischen und slowakischen Katholiken, daß sie besonders während der bevorstehenden Weltgebetsoktave für die Einheit der Kirchen (vom 18.-25. Januar) mit inbrünstigen Bitten und guten Taten der verfolgten Herde Christi im unglücklichen Rußland, der Kinder der gleichen geistigen Väter, des heiligen Cyrill und Method, der slavischen Apostel eingedenk sind.

Dieser Aufruf fand ein schnelles und reichhaltiges Echo. Der Münchner Kardinal Faulhaber schloß sich sofort an. Nach einigem Abwägen, von dem erst nicht klar war, ob es sich um das frühe fruchtlose Ende des Protestes oder die Ruhe vor dem Sturm handelt, gesellte sich eine dritte, autoritative Stimme hinzu: Pius XI. sanktionierte das, was in Olmütz und München begonnen hatte204 und ließ durch seinen Kardinal Pompili zu einem Kreuzzug der Gebete der gesamten christlichen Welt für Rußland aufrufen. In der Tschechoslowakei entfaltete sich eine breite Protestbewegung. Eine Zusammenkunft folgte der nächsten. Vilinskij trat auf ungefähr vierzig Versammlungen als Redner auf, unter anderem in Olmütz, Přerov, Brünn, Bratislava, die schätzungsweise 15.000 bis 20.000 Menschen besuchten.205 Ingesamt beteiligten sich an der öffentlichen Protestbewegung etwa eine halbe Million tschechoslowakischer Katholiken, was die Kommunisten zur Veranstaltung von Gegendemonstrationen unter dem Motto „proti papežskému teroru“206 [gegen päpstlichen Terror] provozierte. Auf illegalen Wegen gelangte der Aufruf in Übersetzung auch nach Rußland, wo er unter den Christen – unabhängig davon, ob sie katholisch oder orthodox waren – Hoffnung und das Bewußtsein weckte, von der restlichen Welt nicht vergessen worden zu sein. Das Verdienst Prečans bestand darin, die Christen in Rußland als Gesamtheit angesprochen zu haben.207 204

205

206 207

In Unionizmus und in seinem Beitrag Metrop. Sergjusz a emigracja rosyjska schreibt Vilinskij, daß die Initiative für die Protestbewegung auf anglikanische Laien zurückging und von Prečan auf die Tschechoslowakei übertragen worden ist (Unionizmus 1932, S. 132 und Metrop. Sergjusz a emigracja rosyjska, in: Przegląd katolicki, Jg. 68, Nr. 22, 01.06.1930, S. 342-344, hier: S. 344) – in allen anderen Quellen (auch an mehreren anderen Stellen bei Vilinskij) wird Prečan als der Initiator gewürdigt. Eine vollständige Liste aller von März bis Mai durch Vilinskij bereisten Orte führt Josef Doležal an (Řím – Moskva, Praha 1930, S. 100). O. A. Rusové děkují sv. Otci za jeho lásku k Rusku, in: Hlas, Jg. 57, Nr. 4166, 04.04.1930, S. 3. Eine Beschreibung der Protestbewegung liefert Vilinskij 1933 in einem Artikel über Prečan: Arcibiskup dr. Leopold Prečan a Rusko, in: Apoštolát sv. Cyrila a Metoděje, Jg. 24, 1933, S. 388390, der auch in P. Alberti 1934, S. 71-73, der ihn als „skvostný článek“ [brillanten Artikel] des „známý“ [bekannten] Publizisten Dr. V. Vilinskij einführt, abgedruckt ist. Auszüge daraus finden sich in Cinek 1936, S. 584f. Es ist interessant, daß selbst der streng orthodoxe Onkel Nikolaj Trubeckojs, Grigorij, für eine äußerliche, politisch-taktische Verbindung mit dem Vatikan plädiert, um gemeinsam gegen den allgemeinen Feind aller christlichen Bekenntnisse zu kämpfen (Poljakov, Fedor: Soblazn dialoga: predposylki mežkonfessionaľnoj pozicii evrazijcev v načale 1920-x godov, in: Davids, Adelbert J. M./Poljakov, Fedor B. [Hgg.]: Die russische Diaspora in Europa im 20. Jahrhundert. Religiöses und kulturelles Leben, Frankfurt am Main 2008 [= Russkaja kuľtura v Evrope. Russian Culture in Europe, Bd. 4], S. 173-191, hier: S. 188).

52

Teil 1 – Leben

Philokatholizismus statt Konversion Für seine Bemühungen auf unionistischem Gebiet und seinen Einsatz für die verfolgten Christen in Rußland wurde Vilinskij durch den Metropoliten vom Heiligen Grab, Erzbischof Ropp, der selbst durch die Bolschewiki aus Rußland vertrieben worden war,208 als erster orthodoxer Russe Ende 1931 mit dem päpstlichen Kreuz „Pro Fide et Ecclesia in Russia merito“ [Verdient um Glaube und Kirche in Rußland] ausgezeichnet.209 Er war insgesamt der einhundertdritte, dessen Bemühungen im Kampf gegen den Atheismus in Rußland gewürdigt wurden, auf tschechoslowakischem Boden war er nach Prečan, Vykoukal, Zavoral, Jemelka, Vašica, Matocha und Fuchs der achte, der diese Auszeichnung erhielt.210 Dazu sei noch angemerkt: trotz der Tatsache, daß es in der Urkunde zu dem Kreuz heißt: „multitudo magna catholicorum-fidelium sacerdotumque-optime de defendenda et propaganda Fide Catholica meriti sunt“211 [eine große Zahl von katholischen Gläubigen und ehrenwerten Priestern haben sich um die Verteidigung und Propagierung des katholischen Glaubens verdient gemacht] und trotz seines starken unionistischen Engagements lassen sich keine Hinweise auf eine Konversion Vilinskijs finden, obwohl er sich ganz offensichtlich den Katholiken näher als den Orthodoxen fühlte. Putna bezeichnet ihn zwar als Konvertiten, und Bystrov hält ihn für einen „příslušník katolické minority mezi převážně pravoslavnými emigranty“ [Angehörigen der katholischen Minderheit unter den vorwiegend orthodoxen Emigranten] – allerdings belegen beide ihre Vermutung durch keine einzige Quelle.212 Vielleicht sind sie auf eine der „üblen Nachreden“ (eben daß eine Konversion behauptet wird) gestoßen, die die Bolschewiki in die Welt setzten, um ihre aktiven Gegner in den Augen der anderen Emigranten, auf die diese einen nicht unerheblichen Einfluß hatten, zu diskreditieren. So erging es nach seinen eigenen Worten Kalikin und „[p]odobně a ještě hůře se mluví o jiném pánu, kterého čtenáři ‚Hlasu‘ zajisté znají ještě lépe 208

209

210 211 212

Vgl. o. A. „Andrej Hlinka zaslúžil sa a vieru a cirkev v Rusku“, in: Slovák, Jg. 14, Nr. 88, 17.04.1932, S. 1f., hier: S. 2. O. A. Různé zprávy. Dr. Valerij Vilinský, dopisovatel „Hlasu“ vyznamenán, in: Hlas, Jg. 59, Nr. 4342, 11.12.1931, S. 4; Kulturní adresář ČSR 1934 und 1936, S. 488 und Svozil/Vrbík (Hgg.) 1938, S. 377. O. A. Orden za bor’bu s bezbožiem, in: Jedinstvo, Nr. 40, 04.12.1931, S. 2. O. A. Andrej Hlinka […] 1932, S. 1. Putna 1998, S. 530 und Bystrov 1999, S. 223. Ein einziger marginaler Hinweis sei dennoch nicht verschwiegen, der in Vilinskijs Rezension von Rosenmeyers Konvertitenkatechismus gefunden werden kann. Dort schreibt er: „Kniha pro ty, kteří chtějí poznati katolicismus a nejsou naši, ale takovými se státi chtějí“ [Ein Buch für die, die den Katholizismus kennenlernen wollen und keine unsrigen sind, aber zu solchen werden wollen] (in: Na hlubinu, Jg. 5, Nr. 8, 1930, S. 395f., hier: S. 395). Allerdings scheint an dieser Stelle wahrscheinlich, daß er diese Worte aus dem Klappentext o. ä. übernommen hat. 1929 schreibt er ausdrücklich: „od narození až do dnešního dne jsem pravoslavným“ [von Geburt an bis zum heutigen Tag bin ich orthodox] (Sancta simplicitas …, in: Našinec, Jg. 65, Nr. 104, 04.05.1929, S. 1). Sowohl Ruský národ a sjednocení církví (1928) als auch Unionizmus (1932) widmet er etwas pathetisch als orthodoxer Russe den tschechoslowakischen Katholiken bzw. der katholischen Slowakei.

1927-1936: Publizistische Tätigkeit

53

nežli mne“213 [ähnlich und noch schlimmer spricht man über einen anderen Herrn, den die Leser von Hlas gewiß noch besser kennen als mich] – und ich füge hinzu, bei dem es sich zweifelsohne um Vilinskij handelt. Dabei habe es in der gesamten Tschechoslowakei nicht einen einzigen russischen Katholiken gegeben.214 Es war seiner offensichtlichen Distanz der orthodoxen Kirche gegenüber geschuldet, daß Vilinskij die eher politisch denn theologisch motivierten Kontroversen innerhalb der russischen Kirche in der Emigration zwar verfolgte und kommentierte,215 sich aber nicht aktiv in sie einmischte. Mit seiner Selbstbezeichnung als ‚Philokatholik‘ gab er zu verstehen, daß er sich durch sein Verhältnis zum Katholizismus definierte. Der Professor für Pastoraltheologie Josef Toman warf ihm sinngemäß vor, daß er den Apoštolát sv. Cyrila a Metoděje mißbrauche, um zu Namen und Geld zu gelangen.216 Aus dem eher proselytisch veranlagten Toman sprach die Enttäuschung, daß er Vilinskij nicht zu einer Konversion bewegen konnte.217 Für die Vertreter des Apoštolát sv. Cyrila a Metoděje hingegen konnte es von Vorteil sein, daß er nicht konvertierte. Sie schätzten ihn in erster Linie für seine Kompetenz in östlichen Fragen. Zweitens erhofften sie sich über ihn Zugang zu weiteren russischen Emigranten, der einem Katholiken unter Umständen verwehrt geblieben wäre. Und drittens konnten sie sich in dem einen oder anderen kritischen Fall von dem Aktionismus Vilinskijs distanzieren, denn er kam ja nicht aus den eigenen Reihen. Darauf wies er auch selbst hin, wenn es darum ging, Attacken gegen sich aus tschechischsprachigen Zeitschriften abzuwehren: „Nutno nezapomínati, že jsem netoliko český, ale především ruský spisovatel“218 [Man darf nicht vergessen, daß ich nicht so sehr ein tschechischer, sondern vor allem ein russischer Autor bin]. Einiger Angriffe ungeachtet konnte Vilinskij mehr und mehr Bekanntheit und Einfluß als Vermittler zwischen den beiden Kulturen gewinnen: S tajnou škodlivosti pozoruji, že jsem více a více vyhledáván od oficiálních ruských kruhů, které před třemi lety neměli pro mně jiného slova, nežli ‚jesuita‘.219 213

214 215 216

217

218 219

Kalikin, Dr. E.: Jak komunističtí agenti svádějí ruskou mládež mezi emigrací, in: Hlas, Jg. 60, Nr. 4465, 14.02.1933, S. 3. Honička pokračuje …, in: Našinec, Jg. 68, Nr. 183, 11.08.1932, S. 1. Z. B. in Duchovní život ruského národa, Praha 1931, S. 85-91. Brief Tomans an Jemelka vom 25. September 1928 (ZAO, fond ACM, karton 2 – Protokolovaná korespondence, 1928). Hier kann man eine Parallele zu Vladimir Solov’ev ziehen, in dem einige Katholiken ebenfalls „dobrý materiál na konvertitu“ [gutes Material für einen Konvertiten] sahen (Górka 2001a, S. 29). Zříkám se polemiky …, in: Život, Jg. 13, Nr. 18, 01.12.1931, S. 273f., hier: S. 273. Brief Vilinskijs an Jemelka vom 26. August (1931) (ZAO, fond ACM, karton Nr. 3 – Briefe 1932). Seine Denkart wird von der tschechisch-orthodoxen Zeitschrift Za pravdou nicht nur als jesuitisch, sondern zudem als „talmudicko-židovské“ [talmudisch-jüdisch] bezeichnet und er selbst als „Jidáš“ [Judas] tituliert (s. Sancta simplicitas … 1929). Ein ähnlicher Vorwurf galt vierzig Jahre zuvor Solov’ev, der von einigen Slavophilen und offiziellen Cäsaropapisten des „Papismus“ und „Jesuitismus“ geziehen wurde (Górka, Leonard: Biskup Juraj Josip Strossmayer a Vladimír Solovjov předchůdci slovanského ekumenismu. Ke stoletému výročí úmrtí Vladimíra

54

Teil 1 – Leben Mit geheimer Schadenfreude beobachte ich, daß ich von den offiziellen russischen Kreisen mehr und mehr gefragt bin, die noch vor drei Jahren keine andere Bezeichnung als ‚Jesuit‘ für mich hatten.

Fuchs faßt sein Wirken ähnlich mit den Worten zusammen, daß er langsam schon keine Person mehr sei, sondern sich zu einer Institution entwickelt habe.220

Angestellter Redakteur Bereits ab Anfang der 1930er Jahre war Vilinskij Vertragsredakteur der Tschechoslowakischen Presseagentur (ČTK).221 Außerdem war er Redakteur für Hlas [Die Stimme] (St. Louis, USA).222 1934 trat er in die Brünner Redaktion der Lidové noviny [Volkszeitung] ein, für die er bis 1936 arbeitete. In diesem Zusammenhang schrieb er natürlich sehr viel. Diese Artikel sind jedoch anders zu werten als die, die zuvor in Zeitschriften erschienen. Als fester Redakteur bei einer Tageszeitung war er deren Geschäft unterworfen, die Wahl der Themen lag nur noch bedingt bei ihm selbst. Die von ihm in den Lidové noviny223 bevorzugt behandelten Themen stehen in Zusammenhang mit der slowakischen Volkspartei (Hlinka) und katholischer Politik allgemein – dafür wurde ihm hin und wieder der Leitartikel überlassen, manchmal die Kolumne. Er schrieb sich damit in eine Reihe bekannter Namen ein: Ferdinand Peroutka, Rudolf Procházka, Hubert Ripka stehen für die Leitartikel, MelnikováPapoušková, Arne Novák, Karel Čapek, Karel Poláček für die Kolumnen, die im Kontext der tschechischen Publizistik aufgrund ihres Erscheinungsbildes häufig als Kursiva bezeichnet werden. Sein eigentliches Aufgabengebiet scheint aber die Wirtschaftsberichtserstattung gewesen zu sein, wenn die mit ‚vs‘ gezeichneten Artikel im Wirtschaftsteil, die fast täglich auftauchen, ihm zugeordnet werden können.224 Als Summe von Vilinskijs publizistischer Tätigkeit kann man ziehen, daß er insgesamt mindestens zwölf tschechische Bücher, sechs russische, zwei slowakische

220

221 222 223

224

Solovjova 1900-2000, in: Ambros, P./Górka, L./Grib, S. A./Komorovský, J./Lebrecque, N./Novotný, J./Petchuk, I./Pugačev, O./Sutton, J./Tenace, M./Žust, M.: Vladimír Solovjov a jednotná Evropa, Olomouc/Velehrad 2001, S. 21-31, hier: S. 29). Fuchs, Alfred: Pravoslavný Rus katolickému Slovensku, in: Život, Jg. 14, Nr. 7-8, 10.06.1932, S. 116f., hier: S. 117. Rokosová 2003. Svozil/Vrbík (Hgg.) 1938, S. 377. Chefredakteur war zunächst Pavel Váša, gedruckt wurden sie von der Lidová tiskárna in Brünn. Nach dem Tod von Arnošt Heinrich 1933 nahmen die Lidové noviny ihren Sitz in Prag. Neuer Chefredakteur wurde Eduard Bass (vgl. Vlašín, Štěpán: Dvacetiletí mezi válkami, in: Kubíček, Tomáš s kolektivem [Hg.]: Literární Morava. Vlastivěda Moravská. Země a lid. Nová řada. Sv. 11, Brno 2002, S. 198-227, hier: S. 216f.). Vgl. Lidové noviny, Jg. 42 (1934) und Jg. 43 (1935). Dafür spricht, daß vs hin und wieder auf der zweiten (Politik-)Seite Beiträge hatte, die sich sowohl vom Thema als auch der Art des Schreibens mit denen Vilinskijs decken. Dagegen spricht, daß die Berichte von vs ausschließlich aus Prag stammen, während Vilinskij die seinigen häufig aus Brünn schickte. Zudem rezensierte ein vs in den Národní listy Werke Vilinskijs (K slovanské otázce und V Rusku boj trvá …).

1927-1936: Publizistische Tätigkeit

55

und mehrere größere polnische Studien über tschechische Literatur schrieb.225 Den größten Teil seiner literarischen Tätigkeit widmete er religiösen Fragen, insbesondere dem Gedanken der Vereinigung der Kirchen. Im Jahre 1929 gibt er in einer Polemik eine Art Zwischenbilanz: […] již několik let v pěti řečích píši o sjednocení církví. Pouze v roce 1928 vydal jsem na toto téma 3 samostatné publikace a více než 60 článků; moje názory byly citovány a dosti často objevovalo se moje jméno v českých časopisech.226 […] bereits einige Jahre schreibe ich in fünf Sprachen über die Vereinigung der Kirchen. Allein im Jahre 1928 gab ich zu diesem Thema 3 selbständige Publikationen und über 60 Artikel heraus; meine Ansichten wurden zitiert und ziemlich oft tauchte mein Name in tschechischen Zeitschriften auf.

Die oben skizzierte thematische Entwicklung ging einher mit einem zunehmend selbstbewußten Umgang mit der tschechischen Sprache, wobei allerdings (vor allem im Hinblick auf Syntax und Lexik) die russische Muttersprache des Schreibers nicht verborgen bleibt.227 Auch soll Vilinskij bis zum Ende mit einem starken russischen Akzent gesprochen haben.228 Einige Rezensenten widmen sich der sprachlichen Seite von Vilinskijs Werken und kommen dabei zu vollkommen widersprüchlichen Ergebnissen, die weniger Auskunft über seine Sprachkompetenz geben als vielmehr darüber, ob der jeweilige Rezensent prinzipiell gewillt ist, das Werk eines tschechisch schreibenden Russen zu akzeptieren. A. Kolek schreibt in seiner Rezension von Mařenka chce jinou vládu: „Kniha je psána duchem ruského humoru, pěknou češtinou, autor – Rus – může býti po filologické stránce vzorem přemnohému českému domorodci […]“229 [Das Buch ist im Geiste des russischen Humors geschrieben, in einem schönen Tschechisch, der Autor – ein Russe – kann in philologischer Hinsicht den meisten tschechischen Eingeborenen ein Vorbild sein]. Ähnliches äußert ein namentlich nicht genannter Kritiker im Hinblick auf die Sprache von Duch ruské církve: […] je vesměs i skoro čistší a utříbenější než v mnohých našich podobných odborných knihách, psaných rodilými Čechy; někteří naši filosofové a vědci mohli by se u Vilinského přímo učit, jak mají dbát jazykové správnosti, ryzosti a úpravnosti.230 225

226 227

228 229

230

Vilinskij nennt in dem bereits zitierten Brief an Svozil vom 9. April 1938 davon abweichend folgende Zahlen: vierzehn tschechische, fünf russische und – übereinstimmend – zwei slowakische Bücher (ZAO, fond DLU, karton 3). Sancta simplicitas … 1929. Einige Probleme, die Vilinskij mit der tschechischen Schriftsprache hat, kann man gut an den Korrekturen des Manuskriptes von Praha sehen (s. LA PNP, fond Vilinskij). Neben den nötigen Verbesserungen der Wortstellung im Satz – besonders die Position des Reflexivpronomens „se“ [sich] bereitet ihm Mühe – beziehen sich die Korrekturen vor allem auf die Kennzeichnung langer Vokale. In der quantitativen Unterscheidung der Vokale besteht einer der wichtigen Unterschiede zwischen der tschechischen und der russischen Sprache. S. Žáček 2006, S. 109. Kolek, A. in: Našinec, Jg. 69, Nr. 117, 20.05.1933, S. 4. Von einem anderen Rezensenten wird ihm hingegen die fleißigere Benutzung eines Fremdwörterbuches empfohlen (tv in: Řád, Jg. 1, 1933, S. 287). O. A. Křesťanské Rusko, in: České slovo, Jg. 23, Nr. 194, 21.08.1931, II. Ausg., S. 8.

56

Teil 1 – Leben […] es ist durchweg sogar fast sauberer und geschliffener als in vielen unserer ähnlichen Fachbücher, die von gebürtigen Tschechen geschrieben sind; einige unserer Philosophen und Wissenschaftler könnten direkt bei Vilinskij lernen, wie sie auf sprachliche Richtigkeit, Reinheit und Gefälligkeit achten sollen.

Er interpretiert Vilinskijs Sprachwechsel als positiven Beweis dafür, daß die Tschechoslowakei ihm wirklich zur zweiten Heimat geworden ist. Genau dieser Aspekt der Sprachwahl scheint andere Kritiker, die man wohl als russophob bezeichnen muß, davon abzuhalten, Vilinskijs Tschechisch zu verstehen. Z. Hájek schreibt in seiner Rezension des gleichen Textes, daß seiner stilistischen Seite ein eigenes Kapitel gewidmet werden müßte, das die Überschrift verdient hätte: „je-li dovoleno vydávati knihy, psané hanebnou a místy vůbec nesrozumitelnou češtinou“231 [ist es erlaubt, Bücher herauszugeben, die in einem scheußlichen und stellenweise vollkommen unverständlichen Tschechisch geschrieben sind]. Später äußert er über das Werk Ruská revoluce, „že jest psána počeštěnou ruštinou a slohem duchu našeho jazyku naprosto nevyhovujícím“232 [daß es in einem tschechisierten Russisch und einem Stil geschrieben ist, der dem Geist unserer Sprache einfach nicht gerecht wird]. Es fällt auf, daß nur diejenigen, die mit dem Inhalt der Werke nicht einverstanden sind, auch ihre sprachliche Seite bemängeln. So schreibt kh über K slovanské otázce: „Po stránce jazykové je kniha Vilinského monstrum; její rozbor by vyplnil několik čísel ‚Naší Řeči‘“233 [In sprachlicher Hinsicht ist das Buch Vilinskijs ein Monstrum; seine Analyse würde einige Nummern der Zeitschrift Unsere Sprache füllen]. Als letztes Beispiel sei dazu Jan Slavík zitiert, der das Ende seiner ablehnenden Besprechung ebenfalls mit den Worten einleitet: „Autor napsal svou úvahu velmi chatrnou češtinou“234 [Der Autor schrieb seine Betrachtung in einem sehr erbärmlichen Tschechisch]. Wie bereits zu sehen war, hat dieses vermeintlich erbärmliche Tschechisch jedoch nichts daran geändert, daß Vilinskij gleich zu Beginn seiner publizistischen Tätigkeit Zugang zu tschechischen Zeitschriften und Zeitungen fand. Das mag einerseits durch die von ihm bevorzugte religiöse Thematik bedingt gewesen sein, die ihn unter den Russen zu einer Ausnahme machte. Über Vilinskijs Rolle innerhalb der katholischen Presse schreibt Kalikin: Myslím, že nebýti doktora V. Vilinského, jenž získal si velké obliby v české katolické veřejnosti a stále ji upozorňuje na kommunistické nebezpečí, katolický tisk v Československu by se zajímal ruskými otázkami jen náhodou a úplně se podroboval v této otázce pokynům tiskových kanceláří.235 Ich denke, wenn Doktor V. Vilinskij nicht wäre, der große Beliebtheit in der tschechischen katholischen Öffentlichkeit erlangt hat und sie unermüdlich auf die kommunistische Gefahr hinweist, 231

232 233 234 235

H., Z. [Hájek, Z.] über Duch ruské církve, in: Český časopis historický, Jg. 37, Nr. 2, 1931, S. 456f., hier: S. 457. H., Z. [Hájek, Z.] über Ruská revoluce, in: Český časopis historický, Jg. 44, Nr. 1, 1938, S. 222. Kh über K slovanské otázce, in: Rozpravy Aventina, Jg. 6, Nr. 39-40, 24.06.1931, S. 474. Slavík, Jan über K slovanské otázce, in: Slovanský přehled, Jg. 23, Nr. 2, Februar 1931, S. 143. Kalikin, E.: Několik myšlenek o těžkém boji ruských emigrantů proti bolševismu, in: Hlas, Jg. 59, Nr. 4358, 05.02.1932, S. 3.

1927-1936: Publizistische Tätigkeit

57

würde sich die katholische Presse in der Tschechoslowakei nur zufällig für russische Fragen interessieren und sich in dieser Frage vollkommen den Anweisungen der Presseagenturen unterwerfen.

Die „Beliebtheit in der tschechischen katholischen Öffentlichkeit“ kann man zum Beispiel daran erkennen, daß er von Jan Strakoš neben Josef Doležal, Alfred Fuchs, Josef Krlín, František Hanzelka und M. Sadovská mit zu den katholischen Publizisten gezählt wird, die sich „durch sorgfältige Form und künstlerischen Sinn“236 auszeichnen. Auch wird ihm eine reiche Lesergemeinde bescheinigt, die ihn wegen seiner unbedingten Glaubwürdigkeit, klugen Beobachtungen und witzigen Schlüsse sehr gerne lese.237 Andererseits fand Vilinskij in dem Zentralsekretär des Apoštolát sv. Cyrila a Metoděje [Apostolats des hl. Cyrill und Method] in Olmütz, František Jemelka, einen Förderer, der ihn an entsprechende Redaktionen wie zum Beispiel die der Lidové listy weiterempfahl.238

Mitgliedschaften Wie bereits erwähnt worden ist, war Vilinskij korrespondierendes Mitglied der Akademie Velehradská. Außerdem fand er 1931 Aufnahme in der Družina literární a umělecká in Olmütz [Literarische und künstlerische Vereinigung; DLU],239 deren tätiges Mitglied er bis zu ihrer Liquidierung im Jahre 1952 blieb.240 Das Kriterium für die Mitgliedschaft stellten die Arbeiten des Kandidaten dar, die er bis zum Zeitpunkt seiner Aufnahme veröffentlicht hatte. Sie sollten dem Ziel der Vereinigung, dem tschechischen Volk gute, christlich orientierte Bücher in die Hand zu geben, gerecht werden.241 Die DLU wollte die verstreuten Äußerungen der katholischen Intelligenz unter einem gemeinsamen Dach bündeln. Ihre Gründung geht auf das Motu proprio Inter pastoralis Officii (Tra le sollecitudini) (1903) von Pius X. und 236

237 238

239

240

241

Strakoš, Jan: Das katholische Schrifttum der Tschechoslowaken, in: Katholische Leistung in der Weltliteratur der Gegenwart. Dargestellt von führenden Schriftstellern und Gelehrten des Inund Auslandes, Freiburg im Breisgau 1934, S. 301-310, hier: S. 307. Kolek 1933, S. 4. Brief der Redaktion an Jemelka vom 4. Dezember 1928 (ZAO, fond ACM, karton 2 – Protokolovaná korespondence, 1928). Jemelka war von Vilinskijs perfekter Kenntnis der grundlegenden Lehre des Katholizismus beeindruckt, die er vielen katholischen Autoren, die überreligiöse Dinge schreiben, voraus habe (vgl. Jemelka, František: K slovanské otázce. II, in: Našinec, Jg. 67, Nr. 31, 07.02.1931, S. 1). Svozil/Vrbík (Hgg.) 1938, S. 378. Im Protokoll der 1. Sitzung der DLU am 29. Oktober 1931 in Přerov heißt es dazu: „Masák dále oznamuje, že Dr Valerij S. Vilinský se hlásí za člena DLU. Bude přijat. Masák mu dopíše“ [Masák teilt weiterhin mit, daß Dr. Valerij S. Vilinskij um Mitgliedschaft in der DLU ersucht. Er wird aufgenommen. Masák schreibt ihm] (ZAO, fond DLU, karton 1 – I. Jednatelská kniha). Svozil 1954. Nach der Angabe von Tomáš Kubíček existierte die DLU hingegen nur bis 1949 (Kubíček, Tomáš: Katolická literatura od konce 19. století do roku 1939, in: ders. s kolektivem [Hg.] 2002, S. 167-187, hier: S. 175). O. A. Poznámky a zprávy, in: Archa, Jg. 26, 1938, S. 94 und o. A. Poznámky a zprávy, in: Archa, Jg. 28, 1940, S. 227.

58

Teil 1 – Leben

die Enzyklika Pascendi dominici greges (1907) zurück, in denen die Priester dazu aufgefordert werden, ihre Arbeit nicht nur auf die Kanzel zu beschränken, sondern sie auf alle gesellschaftlichen Bereiche auszudehnen.242 Erster Vorsitzender der DLU war von 1919 bis 1923 Karel Dostál-Lutinov, nach dessen Tod 1924 der Vorsitz von Emanuel Masák übernommen wurde. Sie gab die Zeitschrift Archa. Sborník pro literaturu, umění, kulturu a život [Die Arche. Sammelband für Literatur, Kunst, Kultur und das Leben] heraus, deren Schwerpunkt entsprechend die Untersuchung und Pflege der katholischen Tradition in der tschechischen Literatur bildete. Vilinskij war das einzige außerhalb Österreich-Ungarns geborene Mitglied der DLU. Mit einer Ausnahme stammten alle Mitglieder aus Böhmen oder Mähren. Zu ihnen zählten u. a.: Otto František Babler, Alfred Fuchs, Jaroslav Durych, Antonín Cyril Stojan, Vilém Bitnar, Sigismund Bouška, František Cinek, Adolf Gajdoš, Antonín Podlaha.243 Putna rechnet Vilinskij unter diejenigen Mitglieder, deren Mitgliedschaft nur eine unter vielen Aktivitäten darstellte und die der Vereinigung dadurch gestatteten, sich mit ihren Erfolgen zu brüsten, als wären es ihre eigenen244 Dem widerspricht, daß Vilinskij selbst um Aufnahme bat und Archa um eine Vielzahl von Beiträgen bereicherte. Weitere Mitgliedschaften Vilinskijs, die an einzelnen Stellen genannt, jedoch leider nicht durch Quellen belegt werden, konnten nicht verifiziert werden. Sie scheinen allerdings nicht unwahrscheinlich. Er sei Mitglied des Sojuz russkich pisatelej i žurnalistov v Čechoslovackoj respublike [der Vereinigung der russischen Schriftsteller und Journalisten in der Tschechoslowakischen Republik; SRPiŽ] gewesen245 und zudem des Všeodborové sdružení ruských pracujících křesťanů v Československu [der Gewerkschaftsvereinigung der russischen arbeitenden Christen in der Tschechoslowakei], dessen Brünner Vorsitz er Mitte der 1930er Jahre innegehabt haben soll.246 Zu dieser Zeit bewegte sich Vilinskij im Umkreis Milan Hodžas und war Rokosová zufolge ein enger Mitarbeiter des führenden mährischen Politikers der Agrarpartei247 Viktor Stoupal (1888-1944), der selbst Volkswirtschaftler war und Vilinskijs Interesse an wirtschaftlichen Fragestellungen verstärkte. Stoupal galt als 242 243

244 245

246

247

Kubíček 2002, S. 175. Das geht aus den etwa 45 Lebensläufen von Mitgliedern hervor, die in Svozil/Vrbík (Hgg.) 1938 abgedruckt sind. Putna 1998, S. 530. Sládek/Běloševská 1998, S. 272. Es finden sich im SÚA weder in den Archivalien des Fonds MZV-RPA: Spolky cizí v ČSR. Spolek rus. spisovatelů a žurnalistů, noch in denen des Fonds KRUS, krabice 6, Komitét pro pomoc ruským spisovatelům a novinářům irgendwelche Hinweise auf Vilinskij. Auch im Fonds Svaz ruských spisovatelů a žurnalistů (1922-1942) im Archiv der Hauptstadt Prag konnten keine Hinweise auf Vilinskij gefunden werden (Brief von Doc. PhDr. Václav Ledvinka, CSc. vom 13. Juni 2001). Allerdings schrieb Vilinskij zum 10-jährigen Jubiläum der Vereinigung einen Artikel, der zumindest nicht distanziert klingt (Ruští spisovatelé v RČS, in: Příloha „Lidových listů“, Jg. 11, Nr. 245, 23.10.1932, S. 2). Rokosová 2003. Mir ist lediglich ein Všeodborové sdružení pracujících křesťanů v Československu bekannt, dessen Gründung 1932 nach französischem bzw. schweizerischem Vorbild erfolgte und auf die Enzyklika Rerum novarum zurückgeht. Der offizielle Parteiname lautete 1922 bis 1938: Republikanská strana zemědělského a ma-

1927-1936: Publizistische Tätigkeit

59

Vertreter des radikalen Flügels der Partei, der eine enge Zusammenarbeit mit der ‚Burg‘ ablehnte und in dem Bauernstand die Grundlage der tschechoslowakischen Gesellschaft sah. Er vertrat deshalb die Meinung, daß der Einfluß der Partei erweitert werden müsse.248 Nach den erfolgreichen Wahlen 1935 wollten die radikaleren Agrarier eine rechte Koalition bilden, weshalb Stoupal und der Parteivorsitzende Rudolf Beran mit Henleins Sudetendeutscher Partei verhandelten. Allerdings operierte Stoupal als Vorsitzender des mährischen Landwirtschaftsausschusses und Vertreter im mährischen Landwirtschaftsrat ansonsten wider die Interessen von Henleins Sudetendeutscher Partei, denn durch seine Taktik stärkte er den tschechischen Großgrundbesitz und die tschechische Agrarindustrie vor allem in Südmähren, was eine erhebliche Zunahme der tschechischen Bevölkerung in diesem Gebiet nach sich zog, das traditionell deutsch besiedelt war.249 Vilinskij schrieb von 1935 bis 1937 in größeren zeitlichen Abständen für Brázda. Agrární čtrnáctideník [Die Furche. Agrarisches Zweiwochenblatt], die Revue „der Intellektuellen des ‚Agrarierklubs‘“,250 und in den Jahren 1938/39 dann mit wesentlich erhöhter Frequenz unter Benutzung des Pseudonyms ‚Spektator‘. Es scheint zunächst unwahrscheinlich, daß Vilinskij selbst Agrarier war, weil die Agrarpartei „sich durch ein antiklerikales Programm“ auszeichnete, andererseits war sie längere Zeit stärkste politische Kraft,251 was Vilinskijs Hang zur jeweils herrschenden Macht, der in seinem weiteren Lebensweg noch deutlicher werden sollte, entgegengekommen sein dürfte. Außerdem war die Agrarpartei nach der Verschmelzung mit den slowakischen Agrarien eine tatsächlich tschechoslowakische Partei, in der bis Mitte der 1930er Jahre die ‚slavische Idee‘ eine Rolle spielte,252 was ebenfalls positiv auf Vilinskij gewirkt haben dürfte.

248

249

250

251

252

lorolnického lidu [Republikanische Partei des landwirtschaftlichen und kleinbäuerlichen Volkes] (Trapl, Miloš: Politické strany v Československu v letech 1918-1938, in: Kordiovský, Emil (Hg.): XXII. Mikulovské sympozium 1992, Brno 1993, S. 39-57, hier: S. 40). Vgl. dazu auch Hodža, Milan: Agrarism, Praha 1930 (= Cyklus přednášek „O ideologii českoslov. politických stran“, Bd. 1), S. 15f. Trapl 1993, S. 41. Vgl. dazu auch Tichi/Stenzl/Eckert/dr. Korlath/Mayer/Koczor/dr. Hanreich/Bollmann/Schubert/Nitsch/Szent-Ivany/dr. Holota/Halke/Hodina/Fussy/Platzer/Fisher/ Zierhut/Bohm/dr. Spina/Heller: XVI/97. Interpelace poslance Frant. Navratila a druhu ministru zemedelstvi o nepristojnostech v moravske zemedelske rade, in: http://psp.cz/cgibin/eng/eknih/ 1925ns/ps/tisky/0097_02.htm; 20. Juli 2007. Mikula, Karel, unter Mitarbeit von Schubert, Erich (Red.): Zeitungen und Zeitschriften im Protektorat Böhmen und Mähren, Prag 1941, S. 43. Šebek, Jaroslav: Der Tschechische Katholizismus im Spannungsfeld von Kirche, Staat und Gesellschaft zwischen den Weltkriegen, in: Maner, Hans-Christian/Schulze Wessel, Martin (Hgg.): Religion im Nationalstaat zwischen den Weltkriegen 1918-1939. Polen – Tschechoslowakei – Ungarn – Rumänien, Stuttgart 2002, S. 145-156, hier: S. 145. Aus den Parlamentswahlen 1925 und 1929 gingen die Agrarier als Wahlsieger hervor. 1935 erlitten sie zwar leichte Einbußen, erlangten jedoch abermals die meisten Mandate. Sie waren als einzige Partei in allen Koalitionsregierungen der Ersten Republik vertreten und stellten ab 1922 mit Ausnahme der Beamtenregierungen jeweils den Ministerpräsidenten (Trapl 1993, S. 40). Vgl. Lemberg, Hans: Die agrarischen Parteien in den Böhmischen Ländern und in der Tschechoslowakischen Republik, in: Gollwitzer, Heinz (Hg.): Europäische Bauernparteien im 20. Jahrhundert, Stuttgart/New York 1977, S. 323-358, hier: S. 336 und Jochims 2002, S. 20.

60

Teil 1 – Leben

Julius Firt schreibt jedenfalls, daß Vilinskij damals ein Mann Hodžas gewesen sei.253 Und in der katholischen Presse wird schließlich im September 1935 vermeldet, daß Vilinskij der Agrarpartei beigetreten sei.254 Als eine erste eindeutige Sympathiebekundung für diese Partei kann sein Artikel Agrárníci mezi katolíky [Die Agrarier zwischen den Katholiken] in Přítomnost gedeutet werden. In diesem nimmt er polemisch den Streit zwischen Agrar- und Volkspartei auf, der darüber ausgetragen wurde, welche von ihnen sich zu Recht als größte katholische Partei bezeichnet. Der Vorsitzende der Abgeordnetenkammer hatte 1935 auf dem gesamtstaatlichen Katholikentag der Agrarpartei dieses Etikett angeheftet.255 Vilinskij freute offenkundig dieser neue Status der Agrarier. Auf diesen Artikel nimmt auch UB Bezug, der das Gerücht weitergibt, daß Vilinskij zu Venkov, dem Organ der Agrarpartei, wechseln werde.256 Seiner Ansicht nach konnte dieser Schritt nach dem Beitrag in Přítomnost nicht lange auf sich warten lassen. Obwohl Vilinskij zwischen 1930 und 1933 rege für Našinec geschrieben hat, kann sich der Autor UB doch nicht enthalten, korrigierend darauf hinzuweisen, daß Vilinskij nicht katholisch, wie es in der Nachricht hieß, sondern orthodox sei.257 Mit der Präferierung der Agrarpartei gegenüber der Volkspartei erfolgt sofort die Distanznahme des (eindeutig) katholischen Lagers.

253 254 255 256

257

Firt, Julius: Záznamy – I, in: Svědectví, Jg. 10, Nr. 40, 1971, S. 517-539, hier: S. 526. O. A., o. T., in: Našinec, Jg. 71, 24.09.1935. Nr. 220, S. 2. Agrárníci mezi katolíky, in: Přítomnost, Jg. 12, Nr. 12, 27.03.1935, S. 180. Ob er es tatsächlich für kurze Zeit getan hat, ist mir nicht bekannt. 1935 ist jedenfalls kein Artikel unter seinem Namen in Venkov erschienen, im ersten Quartal 1936 erschien darin eine einzige mit „Dr. V. V.“ unterzeichnete Rezension. UB, o. T., in: Našinec, Jg. 71, 04.06.1935, Nr. 129, S. 2.

1936-1951: In öffentlichen Diensten Jeho přímým opakem do jisté míry byl Karger, člověk složený ze dvou protichůdných vlastností: z hypersensitivních nervů a z vůle k moci. […] Člověk s vášnivou touhou nahlížeti do kuchyně mocných, stát se novinářským důvěrníkem státníků, všecko vědět, do všeho zasahovat, mít neustále v ruce telefon. V době, kdy jej Arnold poznal, prožíval největší bohémskou bídu, nerozuměl ještě sám sobě, a jemu snad tehdy nejvíce zaimponoval známý literát-reportér Klein, ne snad pro svou znalost podsvětí, ale pro chytrost, s níž nahlížel za všecky kulisy, a také pro vnější úspěchy, které tento geniální reportér měl. Ten, kdo je směsí sensitiva a politika, nemůže být ničím jiným, než novinářem. […] Kargerovi se splnil jeho životní sen: stal se novinářským důvěrníkem vlivného politika a jeho rukama procházelo sta záležitosti, jež s neutuchající ochotou vyřizoval, hale při tom svoje citlivé srdce do drsné formy a tato forma často působila, že největšího nevděku se dočkal právě u těch, jimž nejvíce prospěl.258 Sein ganzes Gegenteil war in gewissem Maße Karger, ein Mensch, der aus zwei gegensätzlichen Eigenschaften bestand: aus hypersensiblen Nerven und aus Wille zur Macht. […] Ein Mensch mit starkem Drang, den Mächtigen in die Küche zu schauen, journalistischer Vertrauter der Staatsmänner zu werden, alles zu wissen, überall einzugreifen, ständig am Telefon zu hängen. Zu der Zeit, als ihn Arnold kennenlernte, durchlebte er die größte Armut der Bohéme, verstand sich selbst noch nicht, und ihm imponierte damals wahrscheinlich am meisten der bekannte Literat und Reporter Klein, wahrscheinlich nicht wegen seiner Kenntnis der Unterwelt, sondern wegen der Klugheit, mit der er hinter alle Kulissen schaute, und auch wegen der äußeren Erfolge, die dieser geniale Reporter hatte. Der, der eine Mischung aus Sensibelchen und Politiker ist, kann nichts anderes werden als Journalist. […] Karger erfüllte sich sein Lebenstraum: er wurde journalistischer Vertrauter eines einflußreichen Politikers und durch seine Hände gingen Hunderte Angelegenheiten, die er mit unermüdlicher Bereitschaft regelte, wobei er sein gefühlvolles Herz in einer harten Hülle versteckte und diese Hülle führte oft dazu, daß er den größten Undank gerade von denen erfuhr, denen er am meisten behilflich war.

Vilinskijs Übergang von freier publizistischer Tätigkeit zu einer festen Anstellung fiel zeitlich zusammen mit der veränderten Lage der Außenpolitik der Tschechoslowakei gegenüber der Sowjetunion. Die auf andere Emigranten zutreffenden Argumente jedoch, daß sie sich neu orientieren mußten, weil die Möglichkeit einer Rückkehr in die alte Heimat in noch viel weitere Ferne gerückt war, oder daß sich allgemein ihre Lage weiter zugespitzt hatte, zählen in seinem Fall nicht, da er ja bereits 1931 die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft angenommen hatte und seit 1932 in der Tschechoslowakei verheiratet war. Daß die Wirtschaftskrise Anfang der 1930er Jahre auch die Tschechoslowakei erreicht hatte, betraf ihn hingegen durchaus. Oben wurde bereits auf seine vielseitigen Bemühungen zur Existenzsicherung hingewiesen. Die Redaktion der Zeitschrift Apoštolát sv. Cyrila a Metoděje begründete 1940 in einer Fußnote Vilinskijs Schweigen auf unionistischem Gebiet damit, daß ihn existentielle Sorgen zur Aufnahme einer journalistischen Tätigkeit 258

Fuchs, Alfred: Oltář a rotačka, Praha 1930b, S. 140 und 210.

62

Teil 1 – Leben

gedrängt hätten, die ihn ganz beschäftige und keine Zeit mehr für Bemühungen auf unionistischem Gebiete lasse,259 deren schrittweise Abnahme von uns jedoch schon einige Jahre zuvor beobachtet werden konnte.

Presseabteilung im Ministerratspräsidium Ab 1936 arbeitete Vilinskij für den staatlichen Nachrichtendienst in Prag, wo er nun auch seinen endgültigen Wohnsitz nahm.260 Der staatliche Nachrichtendienst bildete eine Abteilung des Ministerratspräsidiums, welches wiederum zur Aufgabe hatte, als Vermittler zwischen den einzelnen Ministerien, zwischen der Regierung und der Nationalversammlung und dem Präsidenten der Republik zu fungieren.261 Bei Fuchs kann man folgende Zusammenfassung der Aufgaben der Presseabteilung finden: Tiskový odbor presidia ministerské rady podléhá ve všech věcech politických, žurnalistických i administrativních přímo předsedovi vlády. […] Jeho úkolem a povinností jest informační služba o československém tisku pro šefa kabinetu, péče o vládní oficiální orgány tiskové, dále informační služba pro denní a periodický tisk v otázkách politiky vnitřní i hospodářské, jakož i péče o zpravodajství pro tento tisk, kterou vykonává pomocí Československé Tiskové kanceláře, zpravodajské to agentury jemu podřízené. Tiskový odbor spravuje též jako nejvyšší administrativní instance všecky státní tiskárny a působnosti předsednictva ministerské rady.262 Die Presseabteilung des Ministerratspräsidiums unterliegt in allen politischen, journalistischen und administrativen Angelegenheiten direkt dem Vorsitzenden der Regierung. […] Ihre Aufgabe und Pflicht sind der Informationsdienst über die tschechoslowakische Presse für den Chef des Kabinetts, die Pflege der offiziellen Presseorgane der Regierung, weiter der Informationsdienst in Fragen der Innen- und Wirtschaftspolitik für die Tagespresse und Periodika wie auch die Pflege der Berichterstattung für diese Presse, die sie mittels der Tschechoslowakischen Presseagentur, der ihr unterstehenden Nachrichtenagentur, gewährleistet. Die Presseabteilung verwaltet außerdem als höchste administrative Instanz alle staatlichen Druckereien und Tätigkeitsbereiche des Ministerratspräsidiums.

Zu diesem Posten scheint Vilinskij letzten Endes doch noch Fuchs verholfen zu haben263 oder, wie Rokosová annimmt, Stoupal, dem Vilinskijs Dienste mit einer Forderung von 100.000 Kčs jährlich schlichtweg zu teuer geworden sind.264 259

260 261

262 263

264

Anmerkung der Redaktion in Fußnote 3 innerhalb des Artikels von Salajka, Antonín: Dva příspěvky k otázce církevního sjednocení, in: Apoštolát sv. Cyrila a Metoděje, Jg. 31, Nr. 12, 1940, S. 346. Teilnehmerliste in VII. unionisticus congressus Velehradii anno MCMXXXVI, Olomouc 1936. Pasák, Tomáš: Soupis legálních novin, časopisů a úředních věstníků v českých zemích z let 19391945, Praha 1980, S. 48 (FN 177). In Kryšpínová, Jitka (Hg.): Řízení legálního tisku v Protektorátu Čechy a Morava (Edice tiskových konferencí z let 1939-1945) [CD], Praha 2010, S. 11 wird sein Eintritt auf 1935 datiert. Fuchs, Alfred: Propaganda v demokracii a v diktaturách, Praha 1938, S. 39f. Im ZAO, fond DLU, karton 2, inv. č. 10, Seznamy členů, ist Vilinskijs Brünner Anschrift durch Bleistifteintrag durch die Angabe des Ministeriums (Praha v tisk. odbor. pres. min. rady) ersetzt und mit dem Zusatz „u Fuchse“ [bei Fuchs] in Klammern ergänzt. Rokosová 2003.

1936-1951: In öffentlichen Diensten

63

Im Jahre 1937 erschien ein neues Adressbuch für Prag, das Vilinskij zusammengestellt hat.265 Ansonsten arbeitete er 1936 bis 1938 als Redakteur für das offiziöse Regierungsblatt Pražské noviny [Prager Zeitung],266 das am 30. Dezember 1938 sein Erscheinen einstellte und damit eine über 150jährige Tradition beendete. Da diese Zeitung keine Autorenzeitung war, kann man nicht erkennen, welche Artikel von ihm stammen. Seine namentlich gezeichneten Leitartikel haben vor allem wirtschaftliche, seltener politische Themen zum Inhalt. Leitartikel mit eher religiöser Thematik stammen fast ausschließlich aus der Feder von Fuchs. Am 1. Januar 1938 wurde Vilinskij zum Rat des staatlichen Nachrichtendienstes ernannt.267 Im Gegensatz zu seinem Gönner Fuchs, der 1941 im Konzentrationslager Dachau zu Tode gequält wurde und damit zu einem von 112 unter dem Protektorat hingerichteten oder auf andere Weise umgebrachten Journalisten zählt,268 überlebte Vilinskij unter den verschiedenen sich nun ablösenden Regierungen im Staatsdienst. Ab 1938 kann man seine berufliche Tätigkeit, unabhängig von den wechselnden politischen Systemen, gut aus den Angaben immer wieder gestellter Anträge auf Ausgabe oder Verlängerung eines Waffenscheines verfolgen. Eine Waffe brauchte er zur eigenen Sicherheit, egal ob 1938, 1946 oder 1951, was auch die jeweils zuständigen Behörden einsahen.269 Eine gewisse Vorliebe für das Schießen scheint ihm jedoch schon länger eigen gewesen zu sein, denn 1931 reiste er zu Deml nach Tasov, der ihn gebeten hatte, einen Lerchenfalken abzuschießen, weil dieser die geliebten Meisen belästigte.270

Versetzung ins Statistische Zentralamt Vilinskij wurde 1939 von der Presseabteilung ins Statistische Zentralamt versetzt, wo er sich wieder wirtschaftlichen Fragen widmete. Dort blieb er die gesamte Protektoratszeit über. Aus dieser Tätigkeit gingen einige Studien hervor, die in den Jahren 1943 bis 1946 in dem Statistický obzor/der Statistischen Rundschau und den Statistischen Nachrichten/dem Statistický zpravodaj, die beide vom Statistischen Zentralamt herausgegeben wurden, erschienen sind. Vilinskij beschäftigt sich in ihnen, in den Jahren des Protektorats in deutscher und tschechischer Sprache, danach in Tschechisch und den Sprachen der Alliierten, mit dem Konzernaufbau, den verschiedenen Einflüssen, die in den Konzernen wirksam werden und dem Weg des Geldes innerhalb der Konzerne. Ein ganzes Buch über die tschechischen Konzerne, das er geplant hatte, wie eine Fußnote in einer der letzten Studien ankündigt, ist meines Wissens nicht erschienen.271 265 266 267 268 269 270 271

Pražský adresář 1937, 1938, Praha 1937. Antrag auf einen Waffenschein von 1938 (SÚA, PŘ 1941-50, balík V 6982). Svozil/Vrbík (Hgg.) 1938, S. 377. Pasák 1980, S. 72. SÚA, PŘ 1941-50, balík V 6982. Mé svědectví o P. Jakubu Demlovi, in: Lidové listy, Jg. 10, Nr. 189, 20.08.1931, S. 6. České koncerny za války, in: Statistický obzor, Jg. 26, Nr. 1, März 1946, S. 56-60, hier: S. 56.

64

Teil 1 – Leben

Seine Versetzung erfolgte zeitnah mit der Verhaftung von Zdeněk Schmoranz (1896-1942), dem Leiter der Presseabteilung, durch die Gestapo am 25. August 1939. Er hatte ein paralleles illegales Nachrichtennetz von Pressereferenten aufgebaut, das aus ehemaligen Nachrichtenoffizieren der tschechoslowakischen Armee bestand. Schmoranz wurde drei Jahre später hingerichtet.272 Vilinskij stellte nach dem Krieg seine Versetzung als eine Folge der Festnahme von Schmoranz dar. Er sei von den Deutschen aus der Presseabteilung suspendiert und in das – politisch unbedeutende – Statistikamt versetzt worden.273 Wie ‚politisch unbedeutend‘ das Statistikamt tatsächlich war, davon zeugt das strenge Verbot zu jener Zeit, statistische Daten ohne besondere Erlaubnis zu veröffentlichen.274 Die Statistischen Nachrichten, in denen Vilinskij publizierte, sind mit dem Vermerk „GEHEIM“ versehen, während man nach dem Mai 1945 aus ihrer tschechischen Mutation, dem Statistický zpravodaj, ausdrücklich unter Angabe der Quelle zitieren darf.275 Eine für ihn weniger vorteilhafte Begründung kann man seiner Akte beim Ministerium für Staatssicherheit entnehmen. Er habe sich während der Mobilmachung (ob die erste am 20. Mai oder die zweite am 23. September 1938 gemeint ist, geht nicht aus der Akte hervor) verdächtig gemacht, weil er sich nachts in Räumen bewegt habe, in denen sich geheime militärische Dokumente befanden, die durch Beamte bewacht wurden. Als einer der Beamten bemerkte, daß sich Vilinskij dort eingeschlichen hatte, stellte er ihn zur Rede. Dieser habe nur gestottert und nicht zufriedenstellend erklären können, was er dort in der Nacht suchte. Deshalb sei er bereits zu diesem Zeitpunkt in das Statistikamt versetzt worden.276 Im Widerspruch zu dieser Erklärung steht, daß er noch im Dezember 1938 für die Pražské noviny schrieb und auch noch bis mindestens Mitte 1939 seine Aufgabengebiete wie folgt angab: „rada zpravod. služby předsednictva min. rady“ [Rat der Presseabteilung des Ministerratspräsidiums] und etwas später: „odborný“ 272

273

274

275 276

Vgl. Brandes, Detlef: Die Tschechen unter deutschem Protektorat. Teil I. Besatzungpolitik, Kollaboration und Widerstand im Protektorat Böhmen und Mähren bis Heydrichs Tod (1939-1942), München/Wien 1969, S. 67f.; Kokoška, Stanislav/Pivcová, Zuzana: Generál Eliáš a Schmoranzova skupina tiskových důvěrníků, in: Historie a vojenství, Jg. 45, Nr. 6, 1996, S. 138-158 und Rokosová 2003. Brief Vilinskijs an Postminister Hála vom Frühjahr 1946 (SÚA, f. 10-1/361, pozůstalost ministra pošt Hály). Pasák, Tomáš: Problematika protektorátního tisku a formování tzv. skupiny aktivistických novinářů na počátku okupace, in: Příspěvky k dějinám KSČ, Jg. 7, Nr. 1, 1967a, S. 52-80, hier: S. 69f. S. Umschlagklappen der Statistischen Nachrichten und des Statistický zpravodaj, Jg. 8, 1945. SÚA, f. 100/36, sv. 143-2, zpráva o JUDr. Vilinském z 30.09.1948, S. 279. Beweise gibt es für diesen Vorfall, wenn er denn wirklich so stattgefunden hat, keine: „Bohužel tento svědek byl umučen a nežije“ [Leider wurde der Zeuge zu Tode gequält und ist nicht mehr am Leben]. Diese Aussage ist insofern mit Vorsicht zu nehmen, als der gesamte Lebenslauf verschiedene Fehler aufweist – vor allem im Hinblick auf die Zeit, bevor Vilinskij nach Prag kam. Zudem schreibt der anonyme Verfasser in einem sehr polemisch-mißgünstigen Ton, so daß es nicht verwundern müßte, wenn er die auch so schon unerfreuliche Wahrheit durch Dichtung noch weiter ausgeschmückt hätte.

1936-1951: In öffentlichen Diensten

65

bzw. „odborový rada předsednictva min. rady“277 [Sektionsrat beim Ministerratspräsidium], das heißt, er ist zu dieser Zeit abermals befördert worden. Im Einklang mit der Annahme, daß seine Versetzung nicht schon 1938 erfolgte, lassen sich Probleme mit seinem tschechischen Vorgesetzten und ein damit verbundener Wechsel der Position, bei dem ihm der Reichsprotektor in Böhmen und Mähren behilflich war, erst auf den Herbst 1939 datieren.278 Schmoranz ist durch einen Pressereferenten verraten worden.279 Die Aussage, daß die Versetzung mit der Festnahme des Vorgesetzten zusammenhing, würde eine andere Bedeutung bekommen (zum Schutz des Verräters), aber nach wie vor zutreffen, und es wäre ebenso nur zu verständlich, daß der Reichsprotektor persönlich sich für die erbrachten Dienste bedankte. Welche Begründung auch zutreffen mag, Vilinskij wurde zu Recht der Kollaboration mit den Deutschen verdächtigt.

Aktivistický novinář – aktivistischer Journalist Bereits am 17. März 1939, das heißt zwei Tage nach der Okkupation und einen Tag nach der Ausrufung des Protektorats Böhmen und Mähren, wurde eine Richtlinie für die neue Organisation des Pressedienstes erlassen. Die Presseaufsicht wurde direkt den Deutschen unterstellt. 1942 wurde das Ministerratspräsidium aufgelöst und die Presseabteilung dem Amt, später Ministerium für Volksaufklärung angegliedert.280 Vilinskij war während der Protektoratszeit – parallel zu seiner Anstellung im Statistischen Zentralamt(?) – weiterhin als Journalist tätig. Einerseits wirkte er 1939/1940 als Hauptschriftleiter der amtlichen tschechischen Korrespondenz für die Provinz-Presse, die „dodává tisku článkový materiál a jiné časové stati“281 [der Presse Material für Artikel und andere aktuelle Beiträge liefert], andererseits war 277

278

279

280

281

Ausweisantrag von 1939 (SÚA, PŘ 1941-50, balík V 6982) und Antrag auf einen Reisepaß vom 21.06.1939 (SÚA, PŘ 1941-50, balík V 6982). SÚA 109-12-178, Der Reichsprotektor in Böhmen und Mähren an SS-Sturmbannführer Oberregierungsrat Dr. Giess am 12.02.1940, S. 33f. Giess werden in dem Brief Informationen über Vilinskij übermittelt, die er angefordert hatte. Pasák 1980, S. 52. Wahrscheinlich handelte es sich nicht um Vilinskij, denn von Václav Černý wird der vermeintliche Verräter beim Namen genannt. Ihm zufolge handelte es sich um den Stabskapitän Václav Menert, der als Pressereferent für den Ort Polička vorgesehen war und mit einer Deutschen verlobt war, die er später heiratete (Černý, Václav: Křik koruny české. Paměti [1938-1945]. Náš kulturní odboj za války, Brno 31992, S. 151). Pasák 1980, S. 48f. und Gracová, Blažena: Zur Rolle der Presse im Okkupationsregime des Protektorats Böhmen und Mähren. Anpassung, Aktivismus, Widerstand und das Beispiel der antipolnischen Kampagne, in: Heumos, Peter (Hg.): Polen und die böhmischen Länder im 19. und 20. Jahrhundert. Politik und Gesellschaft im Vergleich, München 1997, S. 189-216, hier: S. 190. SÚA 109-12-178, Der Reichsprotektor in Böhmen und Mähren an SS-Sturmbannführer Oberregierungsrat Dr. Giess am 12.02.1940, S. 33f. und Tisková konference 24. XI. 1939. [Referát Dra F. Hofmana], in: Končelík, Jakub/Köpplová, Barbara/Kryšpínová, Jitka (Hgg.): Český tisk pod vládou Wolfganga Wolframa von Wolmara. Stenografické zápisy Antonína Fingera z protektorátních tiskových porad 1939-1941, Praha 2003, S. 34-41, hier: S. 34 und Všeobecná tisková porada šéfredaktorů denního a periodického politického tisku dne 24. [listopadu] 1939,

66

Teil 1 – Leben

er im Büro des Reichsprotektors als Prager Korrespondent von Hlas registriert und war außerdem für die Presseagentur CentroPress (= Central European Press Service; CEPS) tätig. Letztgenannte arbeitete während der Jahre 1939 bis 1945 unter der Leitung von Václav Fiala – er hatte zu Beginn der 1920er Jahre für die Agentur Russunion gearbeitet – als „německý zpravodajsko-propagandistický orgán“282 [deutsches nachrichtendienstlich-propagandistisches Organ]. Die tschechische Presseagentur erhielt die für das Protektorat bestimmten Meldungen von der deutschen Presseagentur (das waren längst nicht alle, die innerhalb des Reichs erscheinen konnten283) und stellte daraus wiederum Meldungen zusammen, die als Grundlage für die Veröffentlichungen in den einzelnen Zeitungen dienten. Für die Regionalpresse gab es noch einmal eine gesonderte Aufarbeitung dieser Informationen.284 Was den einzelnen Redaktionen letzten Endes als Material für ihre Artikel vorlag, war die sogenannte „Korrespondenz“. Auch vor der Okkupation wurde selbstverständlich mit Agenturmeldungen gearbeitet, welche allerdings wesentlich weniger Kontrollmechanismen unterlagen und nur einmal wöchentlich als „Korespondence pro tisk český“285 [Korrespondenz für die tschechische Presse] zusammengestellt worden sind. Die vollkommene Abhängigkeit der tschechischen Presse von den deutschen Behörden verdeutlicht gut ein als typisch bezeichneter Ausspruch Wolfgang Wolfram von Wolmars, des Leiters der Gruppe „Presse“ des Amtes des Reichsprotektors, auf einer der wöchentlich stattfindenden Pressekonferenzen: […] nur keine demokratische Schweinerei. Wir stehen unter der Pressehoheit des Reiches. Hier wird weder diskutiert noch debattiert, hier werden nur meine Instruktionen von Euch entgegengenommen und diese Instruktionen sind strengstens zu befolgen [...].286

Vilinskij wurde bescheinigt, es ausgezeichnet zu verstehen, die jeweiligen deutschen Richtlinien und Wünsche der tschechischen Öffentlichkeit „in seiner Korrespondenz zu verdolmetschen“.287 In der tschechischen Terminologie muß man ihn einen „aktivistický novinář“ [aktivistischen Journalisten] nennen. Mit diesem Terminus werden allgemein die Journalisten bezeichnet, die mit ihren Artikeln ausschließlich ideologische Ziele verfolgen und deshalb wider besseres Wissen einseitig informieren und den Teil der Wahrheit verschweigen, der nicht mit der jeweils verfolgten Ideologie vereinbar ist. Deshalb wird er auch den Waffenschein erhalten haben, denn wie Bořivoj Čelovský über die „aktivističtí novináři“ schreibt, wurden diese zwar

282 283

284 285 286 287

in: Kryšpínová (Hg.) 2010, S. 26-33, hier: S. 28. In der stenographischen Mitschrift Antonín Fingers wird sein Name versehentlich als „Vilímský“ angegeben (Tisková konference dne 24. listopadu 1939, in: Končelík/Köpplová/Kryšpínová [Hgg.] 2003, S. 25-28, hier: S. 25). Končelík/Köpplová/Kryšpínová (Hgg.) 2003, S. 20, 24 (FN) und 80 (FN). Vgl. Souborný přehled pokynů pro tiskovou přehlídku platných ode dne 17. září 1939, in: Končelík/Köpplová/Kryšpínová (Hgg.) 2003, S. 467-488 [= Příloha a]. Pasák 1980, S. 56. Fuchs 1938, S. 41. Cit. nach Pasák 1967a, S. 66. SÚA 109-12-178, Der Reichsprotektor in Böhmen und Mähren an SS-Sturmbannführer Oberregierungsrat Dr. Giess am 12.02.1940, S. 33f.

1936-1951: In öffentlichen Diensten

67

wesentlich besser als die höchsten Staatsbeamten bezahlt, erkauften sich dieses jedoch durch den größten Haß ihrer tschechischen Umgebung, so daß „[n]ěkteří z nich obdrželi povolení nosit zbraň“288 [einige unter ihnen die Erlaubnis erhielten, eine Waffe zu tragen]. Emanuel Moravec schreibt in einer anläßlich des fünfjährigen Jubiläums des Protektorats erschienenen Propagandaschrift in Übereinstimmung mit der ersten und im Widerspruch zu der zweiten Feststellung, daß sich die Lage der tschechischen Journalisten in diesen fünf Jahren nicht nur gesellschaftlich, sondern auch materiell verbessert habe.289 Ein Artikel vom März 1933 läßt bereits ahnen, daß Vilinskij vor lauter Russozentrik die von Hitler ausgehende Gefahr vollkommen unterschätzte. Ja, nicht nur das, sondern er gab zudem diejenigen, die auf sie hinwiesen, der Lächerlichkeit preis: Slečna Wichterlová protestuje … Proti čemu? Ale ovšem proti Hitlerovi, proti německému fašismu, který ohrožuje existenci … německé poesie! Nevěříte? Kupte si zvláštní vydání ‚Levé fronty‘, v němž slečna Hana Wichterlová spolu s řadou jiných našich intelektuálů obhajují německou poesii proti útokům lomeného kříže. […] Kameloti zuřivě vykřikují: ‚Zvláštní vydání ‚Levé fronty‘! … ‚Protest proti hrůzovládě v Německu‘ … ‚Fašistické listy‘ … Zvláštní vydání ‚Levé fronty‘ … ‚Kupte fašistické listy‘ – věru bych rád věděl, které noviny doopravdy by doporučili kameloti! Tedy Hana Wichterlová, Voskovec a Werich, nezbytný Bedřich Václavek & Companie rozhodli se zachrániti Německo. Nová křižácká výprava, podporovanou ligou pro lidská práva, pokryteckou to institucí, která zašveholí pokaždé, když jde o fašismus a zarytě mlčí, má-li protestovati proti teroru bolševickému. […] Čeho je nám opravdu líto – toť podpisu Šaldova. F. X. Šalda není rovným ani Nezvalovi, ani slečně Wichterlové. Protestuje proti nacionalismu a rasové teorii, což je v souhlase s jeho zásadami. Hájí duchovní svobodu, ač tato je nejvíce potlačovaná nikoliv v Německu, nýbrž v sovětském Rusku. Šalda, autor skvělého ‚Experimentu‘ staví se proti experimentu německému, který je přece výrazem vůle národa a pokusem, snad i zoufalým, o hledání nových cest. Šalda, který napsal: ‚Jen ten, kdo celý vhodil se někdy na jednu kartu a pod jediné rozhodnutí, jen ten, kdo celou minulost vrhl do sázky, aby je ve vteřině buď tisíckrát zmnoženou získal, nebo celou ztratil … jen ten ví … jaká očista života je v Experimentu‘. A dnes Šalda se postavil vedle pokrytců z ligy pro lidská práva, vedle těch, kdo bez boje utíkají z Německa, vedle naivních kavárenských intelektuálů, kteří se vážně domnívají, že jsou povolání k obraně německé poesie, divadla a architektury. Na celém tomto protestu, papírovém, falešném a plném předstíraného rozhořčení je pozoruhodný jedině článek Šaldův. Proto vystřihněme jej z tohoto dvacetihaléřového letáku, dříve, nežli odhodíme tento potištěný papír tam, kam patří – do koše.290 288

289

290

Čelovský, Bořivoj: strážce nové evropy. Prapodivná kariéra novináře Emanuela Vajtauera, Šenov u Ostravy 2002, S. 68. Moravec, Emanuel: Pět let kulturní práce, in: Po pěti letech 1939-1944, Praha 21944, S. 141154, hier: S. 145. Slečna Wichterlová protestuje …, in: Lidové listy, Jg. 12, Nr. 61, 14.03.1933, S. 6. Eine Konfrontation dieser Parodie mit dem Original des Protestes ist leider nicht möglich, weil der dritte Jahrgang der Levá fronta (1932/33) weder in einer tschechischen noch einer deutschen Bibliothek erhältlich ist. Hana Wichterlová (1903-1990) war eine der Avantgarde verbundene

68

Teil 1 – Leben Fräulein Wichterlová protestiert … Wogegen? Aber natürlich gegen Hitler, gegen den deutschen Faschismus, der die Existenz bedroht … der deutschen Poesie! Sie glauben das nicht? Kaufen Sie die Sonderausgabe der ‚Linken Front‘, in der Fräulein Hana Wichterlová zusammen mit einer Reihe anderer unserer Intellektuellen die deutsche Poesie gegen die Angriffe des Hakenkreuzes verteidigt. […] Die Zeitungsverkäufer schreien wild aus: ‚Sonderausgabe der ‚Linken Front‘! … ‚Protest gegen die Schreckensherrschaft in Deutschland‘ … ‚Faschistische Blätter‘ … Sonderausgabe der ‚Linken Front‘ … ‚Kaufen Sie die faschistischen Blätter‘ – ich würde wahrlich gern wissen wollen, welche Zeitung die Zeitungsverkäufer wirklich empfehlen! Es haben sich also Hana Wichterlová, Voskovec und Werich, der unentbehrliche Bedřich Václavek & Companie entschlossen, Deutschland zu retten. Ein neuer Kreuzzug, der von der Liga für Menschenrechte unterstützt wird, dieser heuchlerischen Institution, die immer jubiliert, wenn es um den Faschismus geht und hartnäckig schweigt, wenn sie gegen den bolschewistischen Terror protestieren sollte. […] Was uns aufrichtig leid tut – das ist die Unterschrift Šaldas. F. X. Šalda gleicht weder Nezval noch Fräulein Wichterlová. Er protestiert gegen den Nationalismus und die Rassentheorie, was im Einklang mit seinen Grundsätzen ist. Er verteidigt die geistige Freiheit, obgleich die keineswegs in Deutschland am meisten unterdrückt wird, sondern in Sowjetrußland. Šalda, der Autor des brillanten ‚Experiments‘ stellt sich gegen das deutsche Experiment, das doch ein Ausdruck des Willens des Volkes ist und ein Versuch, vielleicht auch ein verzweifelter, neue Wege zu suchen. Šalda, der geschrieben hat: ‚Nur der, der jemals ganz auf eine Karte gesetzt und sich einer einzigen Entscheidung ausgesetzt hat, nur der, der die ganze Vergangenheit in die Wette geworfen hat, damit er sie in einer Sekunde entweder tausendfach vermehrt gewinnt oder vollkommen verliert … nur der weiß … welche Reinigung des Lebens im Experiment liegt‘. Und heute stellte sich Šalda neben die Heuchler aus der Liga für Menschenrechte, neben die, die ohne Kampf aus Deutschland fliehen, neben die naiven Kaffeehausintellektuellen, die ernsthaft meinen, daß sie zur Verteidigung der deutschen Poesie, des Theaters und der Architektur berufen sind. An diesem ganzen Protest, der papieren, unaufrichtig und voller vorgetäuschter Empörung ist, ist allein der Artikel Šaldas beachtenswert. Deshalb schneiden wir ihn aus diesem Zwanzighellerflugblatt aus, bevor wir dieses bedruckte Papier dahin schleudern, wo es hingehört – in den Papierkorb.

So wenig sich Vilinskij 1933 von Šalda zum Nachdenken anregen ließ, dem er ungeachtet dessen kurz zuvor ein imponierendes Verantwortungsgefühl bescheinigt hat – „[…] je to člověk odhodlaný kdykoliv se postaviti před tvář Boží a klidně očekávati Jeho rozsudku“ [es ist ein Mensch, der in jedem beliebigen Augenblick bereit ist, vor das Antlitz Gottes zu treten und ruhig Sein Urteil zu erwarten],291 – so wenig scheint sich seine Haltung im Laufe der nächsten Jahre grundlegend geändert zu haben. Seine Akkreditierung für Hlas – für den er in den Jahren 1937 bis 1943 nicht

291

Bildhauerin, die aus der Familie eines Landwirtschaftsmaschinen- und Autofabrikanten stammte. — Bystrov erhebt über sechzig Jahre später den gleichen Vorwurf, wenn er schreibt, daß wegen des größeren Interesses an den Verhältnissen in Deutschland die in der Sowjetunion vollbrachten Verbrechen übersehen worden seien. Die darauf folgende Aufzählung des Leids bekommt den unschönen Beigeschmack des Wettbewerbs, wer mehr gelitten habe, Juden oder Russen (KZ vs. Lager, Rassismus/Antisemitismus vs. Verfolgung ganzer gesellschaftlicher Gruppen in der SU, Bücherverbrennungen vs. Verfolgungen russischer Intelligenz etc.), was in seiner Darstellung ‚zugunsten‘ der Russen ausfällt (Bystrov 1999, S. 38). Na okraj díla Šaldova, in: Lidové listy, Jg. 11, Nr. 293, 22.12.1932, S. 5.

1936-1951: In öffentlichen Diensten

69

einen Artikel unter seinem Namen schrieb292 – scheint reiner Vorwand gewesen zu sein, um sich in Gesellschaften bewegen zu können, zu denen er ansonsten keinen Zutritt gehabt hätte. Neben der journalistischen Tätigkeit konnte man Vilinskij bei verschiedenen Gesellschaften im Czerninpalais treffen,293 das zu dieser Zeit nicht Sitz des Außenministeriums war (wie früher und später wieder), sondern die Residenz des Reichsprotektors und Sitz der Gestapo.

Kollaboration Was jedoch noch schwerer wiegt, ist, daß er als bezahlter Agent mit der Gestapo zusammenarbeitete, während zum Beispiel das Olmützer Priesterseminar, dem er bis dahin herzlich verbunden war, von ebendieser Gestapo als „hnízdo rusofilství“ [Nest des Russophilentums] und František Cinek und andere als „schwarze Bolševiken“ bezeichnet wurden und Cinek zu vier Jahren Zuchthaus verurteilt wurde.294 Vilinskij wurde am häufigsten von dem Referat II O als Informator benutzt.295 Auch wenn es ihm vielleicht darum gegangen sein mag, einen Sieg der Bolschewiki über Europa zu verhindern oder wenn er hoffte, daß mit Hilfe Nazideutschlands das sowjetische System gestürzt werden könnte,296 muß seine Zusammenarbeit mit der Gestapo ohne Wenn und Aber als Kollaboration bezeichnet werden, denn er war tschechoslowakischer Staatsbürger. Zusammen mit dem Redakteur Antonín Jandáček stellte er ganz offensichtlich auf eigene Initiative, seine Kenntnisse als Korrespondent von Hlas nutzend, ein Verzeichnis der „Auslandsorganisation der deutschfeindlichen Tschechen und Slowaken in Amerika“ zusammen.297 292

293 294

295

296

297

An dieser Stelle gilt mein ganz herzlicher Dank David Muhlena, Bibliotheksdirektor des National Czech & Slovak Museum & Library in Cedar Rapids, Iowa (USA) und seinem Mitarbeiter, der diese Jahrgänge durchsucht hat. Ob Vilinskij in dieser Zeit unter Pseudonym oder Kürzel für Hlas schrieb, ist mir nicht bekannt. Die Ausgaben von Februar 1935 bis Dezember 1936 konnten leider nirgends ausfindig gemacht werden. SÚA, f. 114-205-6, S. 130, 233, 240, 251 und 304. Škrášek, Josef: Dělník na cyrilometodějské líše. Život a dílo preláta ThDr. Františka Cinka, Olomouc 1996, S. 106. Rokosová 2003. Den Aufgabenbereich des Referates II bildeten bis zur großen Umstrukturierung der Gestapo in Prag im Jahre 1944 allgemein „politické záležistosti (exekutiva)“ [politische Angelegenheiten (Exekutive)]. Die Existenz einer Abteilung O innerhalb dieses Referates konnte nicht verifiziert werden. Die Arbeitsgebiete anderer Abteilungen waren zum Beispiel: II B – církve, sekty, židé, zednáří; II D – ochranná vazba, předávání do koncentračních táborů; II P – záležitosti tisku [II B – Kirche, Sekten, Juden, Freimaurer; II D – Schutzhaft, Überweisung in Konzentrationslager; II P – Presseangelegenheiten] (Sládek, Oldřich: Zločinná role gestapa. Nacistická bezpečnostní policie v českých zemích 1938-1945, Praha 1986, S. 77 und 95f.). Die Kollaboration russischer Emigranten in Deutschland erlebte tatsächlich 1941 nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion ihren Höhepunkt (Schlögel 1995, S. 15). Vilinskijs Zusammenarbeit begann früher und scheint sein persönliches Wohlergehen im Protektorat zum Ziel gehabt zu haben. AMV 134-306-6, Abschrift, 01.06.1940, S. 21 und dass. AMV 302-224-1.

70

Teil 1 – Leben

Auch in anderen Fällen gingen die Aktivitäten von ihm aus. Am 3. Februar 1940 hielt er im Sender Prag auf eigenen Wunsch eine Ansprache unter dem Titel „Nur keine Bedenken“, die vollkommen einer Anordnung der Presseabteilung vom Vorjahr (Ende März 1939) entsprach, in der die Journalisten dazu aufgefordert wurden, in geeigneter Form auf den praktischen Nutzen des Protektorats für die Bürger hinzuweisen. Sie sollten das Bewußtsein fördern, daß das Protektorat ein Teil des Reichs ist, welches die Interessen des Protektorats wahrt, und daß im Rahmen des Reichs Möglichkeiten zur weiteren Entwicklung des Protektorats bestehen.298 „Zumal die Arbeiterschaft sollte in der Überzeugung bestärkt werden, daß sich ihre Situation grundlegend gebessert habe und mit der deutschen Okkupation die Folgen der Weltwirtschaftskrise endgültig überwunden worden seien“,299 denn die tschechische Wirtschaft war von großer Bedeutung für die deutsche Kriegsindustrie. Vilinskij folgte diesem Aufruf zur Kollaboration und verkündete als Wirtschaftsexperte den Radiohörern nach elf Monaten Protektorat, daß sich die Wirtschaft belebt habe und die Arbeitslosigkeit zurückgehe. Jeder wirtschaftliche Defätismus sei also überflüssig und unangebracht, weil die Bedeutung der tschechischen Industrie und Wirtschaft zusehends wachse. Da sie Teil des staatlichen Ganzen seien, sollten sie sich an seinem Leben beteiligen und das gemeinsame Schicksal schöpferisch mitbestimmen. Die Ambition sollte sich also in dem Bemühen ausdrücken, ein bedeutender und wichtiger Bestandteil dieses Ganzen zu werden.300 Darum bemühte er sich ebenfalls, denn er grüßte mit „Heil Hitler“, wie später berichtet wurde.301 Das Radio scheint er zu dieser Zeit als neues Medium entdeckt zu haben, denn bereits zwei Monate später wird ein weiterer Beitrag von ihm angekündigt: „Česká politika příštích let“ [Die tschechische Politik der nächsten Jahre].302 Zwischen diesen beiden Beiträgen nahm er an einer einwöchigen Besichtigung des Westwalls (Frankreich und Kanalküste) teil, die zu einer Reihe propagandistischer Exkursionen zählte, durch die die Teilnehmer für die Unterstützung des Okkupationsregimes gewonnen werden sollten.303 Bereits die Tatsache der Einladung lobt Vilinskij als 298

299 300

301 302 303

Pasák 1980, S. 50. Auch Jaroslava Milotová nennt als eine der wichtigsten Propagandatätigkeiten die Verkündigung des ganz normalen und durch nichts gestörten öffentlichen Lebens (Organizace nacistické propagandy a její působení v Protektorátu Čechy a Morava, in: Historie a vojenství, Jg. 49, Nr. 1, 2000, S. 87-99, hier: S. 91). Gracová 1997, S. 194. SÚA, f. 109-12-178, Rundfunk P. D – V. Vilinský – Nur keine Bedenken, 03.02.1940, S. 3032. Diese Ansprache deckt sich weitgehend mit seinem wenige Tage später erschienenen Artikel Náš význam nepoklesl [Unsere Bedeutung hat nicht abgenommen], in dem er mit Zitaten von Freiherr von Neurath und Karl Hermann Frank argumentiert (in: Ohlas od Nežárky, Jg. 70, 09.02.1940, Nr. 6, S. 1). SÚA, f. 100/36, sv. 144-4-3414, Hlášení z MVO pro MV z 08.07.1946. S. Radioprogramm in: Český deník, Jg. 29, 26.04.1940, Nr. 114, S. 6. AMV 301-4-6, Teilnehmer an der Westwall-Fahrt, S. 113. Laut Gracová nahmen insgesamt sechs Journalisten des Protektorats an dieser Fahrt teil (Gracová 1997, S. 199f.). Diese Angabe übernimmt sie von Vojtěch Dolejší, in dessen Auflistung der Teilnehmer Vilinskij jedoch fehlt (Dolejší, Vojtěch: Noviny a novináři. Z poznámek a vzpomínek, Praha 1963, S. 393). Vgl. auch Všeobecná tisková porada dne 8. března 1940, in: Kryšpínová (Hg.) 2010, S. 54-56.

1936-1951: In öffentlichen Diensten

71

Zeichen des Vertrauens gegenüber Vertretern der tschechischen Öffentlichkeit.304 Er berichtet von dieser Fahrt als „[z]vláštní zpravodaj Centropressu“ [Sonderberichterstatter von Centropress] und enttäuscht dabei sicher keinerlei Erwartung der deutschen Gastgeber, denn er ist voll des Lobs der Anlage, die er als unzerstörbares und unüberschreitbares gewaltiges Instrument der Friedenspolitik beschreibt, das jedoch tausendfach wirksamer als der einstige blinde Glaube an die Genfer Institutionen oder an die diplomatische Ehrenhaftigkeit Englands sei. Es sei eine neue kulturelle Grenze geschaffen worden, die in dem mitteleuropäischen Raum ein freies Leben und eine freie Entwicklung ermögliche.305 Auch in diesen Beiträgen wiederholt er wie in der ersten Rundfunkansprache, daß der vor einem Jahr eingeschlagene Weg also richtig sei, denn jeder, der auf diese Befestigung blicke, müsse innerlich fühlen, daß es zu keinen staatsrechtlichen Veränderungen mehr kommen werde, „že naše včlenění do okruhu řišského vlivu je trvalé, neboť je prostě nemožné, aby se ve střední Evropě opět uplatnil anglický vliv“306 [daß unsere Eingliederung in den Einflußbereich des Reiches dauerhaft ist, weil es einfach unmöglich ist, daß in Mitteleuropa wieder englischer Einfluß wirksam wird]. Nicht nur der modernen technischen Ausstattung zollt er Bewunderung, sondern auch der Wehrmacht, die er mit einem Ritterorden vergleicht, dessen Mitglieder durch die Treue zum gemeinsamen Gedanken zusammengehalten werden. Es herrsche freiwillige militärische Disziplin, weil die mutigen Männer perfekt die Kriegsziele des Reiches verstehen und „za nejposvátnější zájmy národa“307 [für die heiligsten Interessen der Nation] kämpfen. Seine Gestapo-Agenten-Tätigkeit endete mit dem Hinweis: „Wilinski wurde jedoch fallen gelassen, da es sich bei ihm um einen Intriganten übelster Natur handelte.“308 Das änderte nichts an seiner weiteren journalistischen Tätigkeit und seinen Mahnrufen nach einer „nová morálka společnosti a nová etika práce“309 [neuen Moral der Gesellschaft und einer neuen Arbeitsethik], um sich erfolgreich in die Struktur des großen Wirtschaftsgebietes einzupassen und diesem Raum zur Blüte zu verhelfen. Seine aus der Protektoratszeit überlieferten Äußerungen vermitteln den Eindruck, daß er es genieße, wieder in einem größeren politischen Gebilde zu leben, 304 305

306

307 308 309

Západní val, in: Zlín, Jg. 23, Nr. 10, 08.03.1940, S. 1. Západní val, in: Český deník, Jg. 29, Nr. 83, 26.03.1940a, S. 3. Fast neutral berichtet von der Fahrt hingegen Viktor Srkal, indem er die Anlage und die Situation in den besuchten Ortschaften beschreibt (Ocel, beton a statečné srdce říšského vojáka […] und V prvních liniích mezi Karlsruhe a Saarbrücken, in: Národní politika, Jg. 58, Nr. 66, 07.03.1940 und Nr. 67, 08.03.1940, jeweils S. 3). Západní val 1940. In einem weiteren Artikel bedauert er, daß wir uns (die Tschechen und er) auf die britische und französische Politik der Selbstbezogenheit eher verlassen hätten als auf ein ehrliches und anständiges Übereinkommen mit Großdeutschland. Zudem werde die öffentliche Meinung der USA von einer Gruppe jüdischer Politiker und Emigranten beherrscht, die die Zeitungen und den Rundfunk zur zügellosen Hetze gegen Deutschland mißbrauche (Čemu nás učí Bílá kniha, in: Žďár. List národního souručenství, Jg. 39, Nr. 15, 12.04.1940, S. 1). Západní val 1940. AMV 134-306-6, Abschrift, 01.06.1940, S. 21 und dass. AMV 302-224-1. Výhody zavazují, in: Národní práce, Jg. 2, Nr. 294, 27.10.1940, S. 1f. [vs].

72

Teil 1 – Leben

dessen internationale Bedeutung eher der Rußlands vergleichbar ist als die der Tschechoslowakei. Im Prozeß gegen den Journalisten Karel Werner, der 1947 wegen seiner Kollaboration während des Protektorats zum Tode verurteilt worden ist, sagte Vilinskij aus, daß er selbst als Berichterstatter für General Alois Eliáš gearbeitet habe. Dieser habe ihn aufgefordert, Werner zu kontaktieren, um über ihn die Anweisungen, die von Wolmar dem engsten Kreis der aktivistischen Journalisten gab, in Erfahrung zu bringen. Werner habe ihm diese Informationen überlassen.310 Vilinskij bestätigte damit Werners Aussage, daß er von Beginn der Okkupation bis Juli 1942 mit ihm in engstem Kontakt gestanden habe, damit er über seine Kontakte zu den deutschen Stellen ausführlich Beran311 und später Eliáš informieren konnte.312 Gerade das Verhalten Eliášs unterschied sich grundlegend von dem der aktivistischen Journalisten. Man kann es als „taktisch geführten Widerstand“ bezeichnen.313 Firt schreibt in Übereinstimmung damit, daß Vilinskij zu Beginn der nazistischen Okkupation als Verbindungsmann zwischen Beran und einer Gruppe der tschechischen politischen Rechten in Krakau – ihr gehörten u. a. der Redakteur von Venkov Ferdinand Kahánek und der Abgeordnete František Schwarz an – fungiert habe. Dorthin habe er Anweisungen überbracht, daß sich die tschechische Emigration nicht mit der Aktion von Beneš abfinden, sondern sich von ihr distanzieren möge. Firt erschien es seltsam, wieso sich Vilinskij so frei bewegen und so gut in Böhmen und der Slowakei leben konnte.314 Vilinskij hat also zu dieser Zeit ein doppeltes Spiel gespielt.

Ministerien für Binnenhandel und Verkehr Gegen Ende des Jahres 1944 lernte Vilinskij den Slowaken Ivan Pietor (19041977) kennen. Pietor war promovierter Jurist und Politiker, der in den Jahren 1945 bis 1948 zu den wichtigsten Vertretern des katholischen Flügels innerhalb der slowakischen Demokratischen Partei (Demokratická strana; DS) zählte. Während 310

311

312 313

314

Rödling, Jan: Causa Karla Wernera před Národním soudem (Bakalářská diplomová práce), Brno 2007 [pdf ], in: http://is.muni.cz/th/103064/fss_b/; 30. März 2007, S. 30. Auch 1947 im Prozeß gegen den Prager Erzbischof, Agrarier und Chef der letzten Regierung der Zweiten Republik und der ersten Protektoratsregierung, Beran, war Vilinskij als Zeuge geladen. In diesem Fall trat er ebenfalls zu Gunsten des Angeklagten auf (SÚA, f. 550220/3/81, soud proti Syrovému, Beranovi, Havelkovi, Fischerovi a Černému). Beran wurde 1947 zu 20 Jahren Kerker verurteilt. Er starb 1954 in Haft (Lemberg 1977, S. 353). Rödling 2007, S. 46. Pasák, Tomáš: Aktivističtí novináři a postoj generála Eliáše v roce 1941, in: Československý časopis historický, Jg. 15, Nr. 2, 1967, S. 173-192, hier: S. 177. Dieses Verhalten von Eliáš wurde durch die Tageszeitung Národní práce unter dem Chefredakteur Vl. Ryba, der sich positiv von anderen Chefredakteuren der Zeit abhebt, nicht angegriffen (Pasák 1967, S. 185). Andererseits ist es genau diese Zeitung, die wegen des oben zitierten Beitrags von ‚vs‘ auf einer der Pressekonferenzen durch von Wolmar als beispielhaft hingestellt wird (Končelík/Köpplová/Kryšpínová [Hgg.] 2003). Firt 1971, S. 526.

1936-1951: In öffentlichen Diensten

73

des Zweiten Weltkrieges engagierte er sich im antifaschistischen Widerstand. Von 1945 bis 1946 war er Minister für Binnenhandel, danach Verkehrsminister. Am 20. Februar 1948 reichte er zusammen mit den anderen nichtkommunistischen Ministern seinen Rücktritt ein.315 Bis zu dieser Zeit blieb Vilinskijs weiterer Weg eng mit ihm verbunden. Er war sein Vertrauter und Mitarbeiter und Begleiter auf fast allen privaten und dienstlichen Reisen.316 Mit ihm kam er zunächst an das Ministerium für Binnenhandel, wo er 1945/46 als Sektionsrat die Leitung der Studienabteilung übernahm.317 Im Juli 1946 wechselte er zusammen mit ihm in das Verkehrsministerium. Dort stieg er zum „vrchní odborový rada“ [Obersektionsrat] auf und wurde zum Chef von Pietors Kabinett (šef kabinetu ministra dopravy).318 Die Pistole, die er zu dieser Zeit trug, war ein Geschenk von Genossen Kvašnin, dem Chef der obersten Verkehrsleitung der sowjetischen Zone in Deutschland, der sie Vilinskij als Revanche für die Aufmerksamkeit überließ, die das tschechische Verkehrsministerium ihm entgegengebracht hat.319 Diese freundschaftliche Beziehung ging mit dem Eingriff Vilinskijs in die Kompetenzen des Leiters der tschechischen Staatsbahn, Radvanovský, einher, denn er verhandelte an dessen Stelle in Berlin über die Einführung einer direkten Verbindung von Berlin nach Prag, so daß es zu einem offenen Streit zwischen beiden kam.320 Die Zusammenarbeit zwischen dem Autor mehrerer Arbeiten über politische Morde und Verfolgungen in der Sowjetunion, der noch im Jahre 1939 zu Protokoll gab, daß er keine Kontakte in die alte Heimat habe,321 – übrigens gab es auch während des Protektorats ein Verbot, den Kommunismus wegen seiner antireligiösen und antikirchlichen Maßnahmen anzugreifen322 – und deren Vertretern in der deutschen Sowjetzone scheint jedoch recht gut funktioniert zu haben. Mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs hat Vilinskij aufgehört, zwischen Russen und Sowjetrussen zu unterscheiden. In seinen eigenen Worten klingt das folgendermaßen: „Po osvobození upravil jsem přátelský svůj vztah k bývalé vlasti“323 [Nach der Befreiung erneuerte ich meine freundschaftliche Beziehung zur alten Heimat]. Deshalb ist 315

316 317 318 319

320

321 322 323

Vgl. Rokosová 2003 und Rychlík, Jan: Češi a Slováci ve 20. století. Česko-slovenské vztahy 1945-1992, Bratislava 1998, S. 115. Firt 1971, S. 527. SÚA, PŘ 1941-50, balík V 6982. Paßverlustmeldung von 1947 (SÚA, PŘ 1941-50, balík V 6982). Verlängerung des Waffenscheines 1947 und Schreiben aus Ostberlin, in dem das Geschenk bestätigt wird (SÚA, PŘ 1941-50, balík V 6982). Vgl. Rokosová 2003; SÚA, f. 143-4, sv. 10339, Dr. Vilinskij contra gen Řed. Radvanovský, 10.09.1947. Tiskopis na žádost za všeobecnou občanskou legitimaci 1939 (SÚA, PŘ 1941-50, balík V 6982). Pasák 1967a, S. 72. Meldung vom 10.05.1946 (Unterlagen Rokosová). Andererseits heißt es in dem bereits erwähnten Lebenslauf über ihn: „[…] získal přízen velitelů SSSR, ale chrání se, aby jel do SSSR“ [er erlangte die Gunst der Führer der UdSSR, aber hütet sich davor, in die UdSSR zu fahren] (SÚA, f. 100/36, sv. 143-2, zpráva o JUDr. Vilinském z 30.09.1948, S. 279).

74

Teil 1 – Leben

es nicht überraschend, daß in der letzten statistischen Studie die Rolle des Tschechischen als erster Sprache durch Russisch verdrängt worden ist und er für die „rozumná a nezbytná“ [vernünftige und unerläßliche] Zusammenarbeit mit der Sowjetunion eintritt, wozu ein gründliches Studium des sowjetischen Fünfjahrplanes erforderlich sei.324

Agent V-101 Das braucht zu diesem Zeitpunkt nicht mehr zu verwundern, denn spätestens Ende 1946 stand auch fest, daß Vilinskij für seine Kollaboration nicht zur Verantwortung gezogen werden würde: Spojení s protistátními živly na Slovensku. Za okupace spolupracoval s Němci. Jest proti němu vedeno řízení MV – mjr Pokorný má v úmyslu věc zastavit.325 Er ist mit antistaatlichen Elementen in der Slowakei verbunden. Während der Okkupation arbeitete er mit den Deutschen zusammen. Beim Innenministerium ist gegen ihn ein Vorgang eingeleitet – Major Pokorný beabsichtigt, die Sache einzustellen.

Major Bedřich Pokorný war Vilinskijs erstes „Führungsorgan“ (řidící orgán; ŘO).326 Bereits Ende 1945 führte er mit ihm ein erstes Gespräch.327 Daß er wissentlich Zuträger der Gestapo in wichtige Funktionen der Sicherheit eingesetzt hat, wurde 1953 zu einem der Anklagepunkte im Prozeß gegen Pokorný. Es legt die Vermutung nahe, daß er selbst mit den Deutschen kollaboriert hat.328 Er stammte aus Brünn und war seit Juli 1945 im Innenministerium in Prag als Vorsteher der nachrichtendienstlichen Abwehr tätig.329 Mitte Januar 1946 wurde er zum Chef der Abteilung für politische Nachrichtendienste ernannt, womit auch die letzte Schlüsselposition im Innenministerium in die Hand der Kommunisten gelangt war.330 1947 übernahm er die neugeschaffene slowakische Sektion in der Prager Zentrale der Staatssicherheit, die im Herbst die angebliche Verschwörung in der Slowakei produzierte.331 Für sehr kurze Zeit befand er sich offiziell in diplomatischen Diensten in Wien (nach anderen 324

325 326 327 328 329 330

331

Osnovnye problemy čechoslovackoj vnešnej torgovli, in: Statistický obzor, Jg. 26, Nr. 3, September 1946, S. 289-303, hier: S. 301. Im Oktober 1946 wurde in der ČSR die Planwirtschaft eingeführt (Hoensch, Jörg K.: Die Slowakei im Jahre 1945 [1971], in: Lemberg, Hans/Marek, Michaela/Förster, Horst/Machilek, Franz/Seibt, Ferdinand [Hgg.]/Hoensch, Jörg K.: Studia Slovaca. Studien zur Geschichte der Slowaken und der Slowakei, München 2000, S. 299-350, hier: S. 336). SÚA, f. 131-7-6986, informace o V-101 vom 12.12.1946. AMV, a. č. 87145, osobní spisový svazek KARGER. Kaplan 1997, S. 157. Dvořáková 2004, S. 242 und 243-250. Dvořáková 2004, S. 240f. Hanzlík, František: Únor 1948 výsledek nerovného zápasu. Tajné služby na cestě k moci, Praha 1997, S. 129 und 139f. Vgl. dazu auch Ripka, Hubert: Únorová tragédie. Svědectví přímého účastníka, Brno 1995, S. 149. Kaplan, Karel: Nekrvavá revoluce, Praha 1993, S. 89.

1936-1951: In öffentlichen Diensten

75

Angaben im ‚Untergrund‘ in Prag, um gegen die Tschechoslowakische nationalsozialistische Partei [ČSNS]332 zu kämpfen). Anschließend wurde er zum Stellvertreter des Führers der Staatssicherheitsabteilung, Jindřich Veselý,333 und 1949 zum Chef der Abteilung für die Zwangsarbeitslager ernannt.334 Vilinskij hatte in der Person Pietors und durch ihn engste Verbindungen zu bedeutenden Vertretern der antikommunistischen Opposition – für kommunistische Stellen Grund genug, Vilinskij nicht mit seiner jüngsten Vergangenheit zu konfrontieren, obwohl gegen ihn auf der Grundlage des sogenannten kleinen Retributionsdekrets – Nr. 138/45 (über die Bestrafung einiger Vergehen gegen die nationale Ehre) – ein Verfahren lief, der NKVD drei und tschechische Behörden zwei Anzeigen gegen ihn erhalten hatten. Die Organe der Staatssicherheit erklärten diese Vorwürfe kurzerhand für frei erfunden, und es wurden die Ermittlungen eingestellt.335 Am 14. März 1947 gab Vilinskij schließlich selbst einen Antrag auf Überprüfung seiner Vergangenheit an das Innenministerium. Die Bescheinigung seines makellosen Verhaltens während der Okkupation unterzeichnete Oberst Janda, der neben Pokorný ein weiterer hochgestellter Empfänger von Informationen durch Vilinskij war. Er war Oberst des Generalstabs und ab Herbst 1947 Führer der zum Zweck der Machtkonzentration zusammengelegten „Gruppe der Sicherheit“ im Innenministerium.336 Als Agent V-101, A-6795, AV-6075, d. h. bezahlter geheimer Mitarbeiter, mit den Decknamen KARGER, SERGEJ, VALENTIN und VILDA lieferte Vilinskij der Staatssicherheit und der KSČ nicht nur während des sogenannten slowakischen Herbstes und der Februarkrise 1948 ausführliche Informationen über die Ver332

333 334

335

336

Die ČSNS stellte dem totalitären sozialistischen Regime, das die KSČ nach sowjetischem Vorbild errichten wollte, das Modell einer evolutionären sozialisierenden Demokratie auf der Basis eines gemischten Wirtschaftssystems und von politischem Pluralismus entgegen. Sie trat für einen Kompromiß zwischen Liberalismus und Sozialismus ein, durch den die bürgerlichen Freiheiten und die soziale Gerechtigkeit garantiert werden sollten (Tomeš, Josef: Hubert Ripka známý i neznámý, in: Ripka 1995, S. 7-19, hier: S. 14). Mit diesen Forderungen wurde die ČSNS zu dem größten politischen Gegner der Kommunisten. Dvořáková 2004, S. 242 und 260f. Kaplan, Karel: K politickým procesům v Československu 1948-1954. Dokumentace komise ÚV KSČ pro rehabilitaci 1968, Praha 1994, S. 205. Kaplan 1997, S. 156f. Insofern hat die Aussage Bystrovs – mit der er die demokratische Orientierung der russischen Emigration in der ČSR beweisen will –, daß bisher kein Fall nachgewiesen sei, in dem ein russischer Emigrant, der in der Tschechoslowakei wohnen blieb und nicht nach Kriegsende durch den NKVD in die Sowjetunion verschleppt worden ist, für Nichtloyalität oder gar Kollaboration mit den Deutschen von einer Säuberungskommission verurteilt oder gar dem Volksgericht übergeben worden wäre, nur bedingten Wert (Bystrov 1999, S. 113). SÚA, f. 314-44-8416 und Hanzlík 1997, S. 210. Es ist nicht auszuschließen, daß sich Janda und Vilinskij bereits längere Zeit kannten, denn Janda war bei der ČTK als Pressereferent für den Kreis Louny zuständig. Er schickte Schmoranz unter Decknamen milit⁄⁄ärische und politische Nachrichten, so daß er wie dieser 1939 inhaftiert wurde (Dvořáková, Jiřina: Státní bezpečnost v letech 1945-1953 [Organizační vývoj zpravodajských a státně bezpečnostních složek], Praha 2007 [= Sešity, Bd. 16], S. 65).

76

Teil 1 – Leben

handlungen der Demokratischen und der anderen nichtkommunistischen Parteien.337 Seine Kompetenzen wurden seitens der Staatssicherheit in folgenden Bereichen gesehen: Verkehr; hoher Klerus; Parteifunktionäre vor dem Februar; Emigration; Weißgardisten;338 Ukrainische Widerstandsarmee (UPA [Ukrajinská povstalecká armáda], deren Vertreter nach dem Führer Stepan Bandera „banderovci“ genannt wurden339); Freimaurer; Bauwesen; Ökonomie; Botschaften („KS ambasády“340); Körpererziehung; die Ministerien für Auswärtige Angelegenheiten und Außenhandel.341 Um an Informationen zu gelangen, habe er sich üblicher und unüblicher Tricks bedient,342 die man mit den Begriffen Trinken, Geld und Mädchen zusammenfassen kann. Auch wenn Vilinskij spätestens 1946 zur Mitarbeit gewonnen wurde oder seine Mitarbeit anbot343 – das läßt sich aus den nur fragmentarisch erhaltenen Akten 337

338

339 340

341

342 343

Rokosová 2003 und Žáček 2006, S. 102. Die Agenten (A) bilden zwischen 1948 und 1950 die höchste Kategorie. Ein Agent ist jemand, der sich voll bewährt hat und nicht nur zuverlässig, sondern auch aus innerer Überzeugung handelt. Ab 1950 wird unterschieden zwischen allgemeinen (Av) und operativen Agenten, wobei die Av die zweithöchste Kategorie darstellen. Es handelt sich um Mitarbeiter, die formal verpflichtet sind, regelmäßig benutzt werden, das Vertrauen des Feindes genießen und in feindlichem Umfeld agieren (Dvořáková 2007, S. 123f.). Vilinskij sei 1945 als Weißgardist vom NKVD gefaßt jedoch sofort entlassen worden, nachdem er eine Verpflichtung zur Zusammenarbeit unterzeichnet habe (Pacner, Karel: Československo ve zvláštních službách. Pohledy do historie čekoslovenských výzvědných služeb 1914-1989. Díl III. 1945-1961, Praha 2002, S. 22). Vgl. Mlynárik, Ján: Osud banderovců a tragédie řeckokatolické církve, Praha 2005. Es ist nicht gelungen, die Abkürzung „KS“ zu enträtseln. Ob damit eventuell kommunistische, oder gerade im Gegenteil kapitalistische Staaten gemeint sind, bleibt unklar. AMV, a. č. 87145, osobní spisový svazek KARGER. Von der Kanzlei des Präsidenten wurde er zudem als Experte für die slowakische Frage und die Demokratische Partei angesehen (AMV, a. j. 310-61-12, zpráva V-101, 21.10.1947). Die Einschätzung von Bystrov, daß Vilinskij vor allem als „vlivný český katolík“ [einflußreicher tschechischer Katholik] angeworben worden ist „a jeho minulost bývalého ruského emigranta […] irelevantní“ [und seine Vergangenheit als ehemaliger russischer Emigrant irrelevant] war (Bystrov 1999, S. 224), kann angesichts der Aufzählung der Einsatzgebiete Vilinskijs, die in der Akte auf die eindeutige Aussage: „pracuje v objektu: ruská emigrace“ [er arbeitet im Objekt: russische Emigration] folgt, nicht bestätigt werden. Bystrovs gesamte Argumentation, die eine Reihe von Fehlern im Hinblick auf Vilinskijs Biographie aufweist, auf die an gegebener Stelle bereits hingewiesen worden ist, erweckt vielmehr den Anschein, daß er sich – vielleicht aus eigener biographischer Betroffenheit – sein Bild von den russischen Emigranten nicht trüben lassen möchte. So könnte jedenfalls auch seine Annahme gedeutet werden, daß Vilinskij aufgrund seines Namens, seiner Konfession (Bystrov geht, wie gesagt, fälschlich davon aus, daß Vilinskij Katholik war) und seines Geburtsortes wahrscheinlich ukrainische Wurzeln gehabt habe (Bystrov 1999, S. 223). Dem widerspricht vollkommen Vilinskijs ablehnende Haltung gegenüber ukrainischen Bestrebungen, von Rußland unabhängig zu werden (vgl. u. a. Rus se dívá na Č.S.R. 1931, S. 134ff.). SÚA, f. 100/36, sv. 143-2, zpráva o JUDr. Vilinském z 30.09.1948, S. 279. Das Jahr 1946 als Beginn der Agententätigkeit wird in der abschließenden Notiz seiner Akte genannt (AMV, a. č. 87145, osobní spisový svazek KARGER). Am 25. Juli 1945 bestätigte jedoch bereits das Informationsministerium, daß Vilinskij dienstlich den Vorgesetzten gemeldet habe, daß er über seine Herkunft und frühere Tätigkeit unter der russischen Emigration den zuständigen Behörden Meldung erstattet habe (Žáček 2006, S. 103)

1936-1951: In öffentlichen Diensten

77

nicht rekonstruieren –, unterschrieb er erst am 16. Februar 1951 eine Verpflichtungserklärung. Auf den 25. Oktober 1949 ist zwar ein „ergänzender Verpflichtungsentwurf“ datiert, dieser blieb jedoch im Entwurf.344 Die Zusammenarbeit endete mit dem Tod Vilinskijs im Mai 1955.345 In seiner Akte findet sich folgende abschließende Beurteilung seiner Tätigkeit: Na schůzkách se choval sebevědomě. Nebyl správně řízen ŘO. Po ŘO žádal na vydržování přepychového bytu velké částky peněz.[346] Zprávy, které předával ústně, písemně a telefonem, byly hodnoceny jako pravdivé. ŘO za dobu spolupráce několikrát jmenovanému nalezli zaměstnání. Bylo zjištěno, že podával zprávy které byly alibistické a na jejích základě nebyla provedena realizace. Měl známosti na různých součástech MV, které využíval k svému prospěchu. Byl také zjištěn intimní styk s bývalou ŘO.[347] Zprávy které předával písemně pro něj psala jeho manželka. Neoficiálně oznámil ŘO, že je občan SSSR.[348] Byl podezírán spolupracovníky ze spolupráce s StB. Ve svazku se nachází podezření, že dubluje pro německou rozvědku. Neměl důvěru ŘO a byl dále rozpracováván jako objekt.349 344

345

346

347

348

349

AMV, a. č. 87145, osobní spisový svazek KARGER. Diese Diskrepanz zwischen tatsächlicher und beurkundeter Zusammenarbeit erklärt vielleicht den rapiden Anstieg der Agentenzahl in Prag von 75 im Jahre 1950 auf 529 im Jahre 1952 (Dvořáková 2007, Příloha č. 7). Seine Akte wurde 1956 endgültig geschlossen. 1964 wurde sie neu bewertet und ihre Aufbewahrung bis 1974 angeordnet. Diese Anordnung wurde 1974 noch einmal um zehn Jahre verlängert. 1984 wurde der Befehl zu ihrer fast vollständigen Vernichtung gegeben (AMV, a. č. 87145, osobní spisový svazek KARGER). Die wenigen erhaltenen Meldungen stehen hauptsächlich im Zusammenhang mit den Februarereignissen 1948. Der mißgünstige Verfasser von Vilinskijs Vita (s. o.) schreibt dazu, daß er über seine Verhältnisse lebe, denn in seiner (der offiziellen) Position könne er nicht derartige Einkünfte erzielen, daß er für eine Wohnung 36.000 Kronen im Jahr ausgeben kann. Bei einem Gehalt von 5.500 Kronen im Monat seien Mietausgaben in Höhe von 3.000 Kronen unangemessen. Außerdem würde er Gesellschaften und Empfänge veranstalten und einfach auf großem Fuße leben (SÚA, f. 100/36, sv. 143-2, zpráva o JUDr. Vilinském z 30.09.1948, S. 279). Vilinskijs Prager Adresse war bis 1949 Valentinská 7, 3. Etage, in der Altstadt (Pražský adresář 1937, 1938, Praha 1937, S. 1554; Teilnehmerliste 1949 [Archiv AV, fond SÚ, F2 Přednášky SÚ] u. a.). Ab 1950 wohnte er in Prag 7, Nad Štolou 6, dem Innenministerium am Letná direkt gegenüber (Kondolenzschreiben des Rektors der Brünner Universität Fr. Trávníček zum Tod des Vaters vom 17. Januar 1950 [Archiv MU, f. 234/4382] u. a.). Für Bewirtung, Aktionen und als Vergütung erhielt Vilinskij von der Staatssicherheit insgesamt 27.510 Kronen alter und 25 Kronen neuer Währung (AMV, a. č. 87145, osobní spisový svazek KARGER). Dabei handelte es sich wahrscheinlich um Milada Třískalová-Vašová, die Sekretärin Pokornýs (Dvořáková 2004, S. 266). Die Richtigkeit dieser Aussage kann nicht hundertprozentig ausgeschlossen werden, denn nach Anordnung Nr. 084 des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR vom 5. Oktober 1946 konnte Personen, die am 7. November 1917 Bürger des ehemaligen Russischen Reiches waren, die Staatsbürgerschaft der UdSSR wieder erteilt werden (Šmigeľ 2004, S. 338). Von dieser Möglichkeit machte z. B. der Freund des Vaters A. V. Florovskij Gebrauch, der dennoch nicht in die UdSSR zurückkkehrte (http://www.ras.ru/avflorovsky/about.aspx?print=1; 10. Mai 2010), obgleich der Sinn dieser Anordnung gerade darin bestand, daß man sich in dem Staat aufhalten sollte, über dessen Staatsbürgerschaft man verfügte. AMV, a. č. 87145, osobní spisový svazek KARGER. Als Sekretärin arbeitete für Vilinskij T[amara] A[pfelbeck], die vor 1948 geheimes Mitglied der KSČ war (Kaplan 1997, S. 69 und SÚA, f. 711-29-12650, záznam z 08.06.1948) und deshalb gut für seine Überwachung eingesetzt werden konnte.

78

Teil 1 – Leben Bei den Treffen benahm er sich selbstbewußt. Er wurde nicht richtig vom Führungsorgan geführt. Vom Führungsorgan forderte er zum Erhalt einer überdimensionierten Wohnung große Geldsummen. Die Mitteilungen, die er mündlich, schriftlich und per Telefon übergab, wurden als zuverlässig bewertet. Die Führungsorgane besorgten dem Genannten während der Zeit der Zusammenarbeit mehrmals Arbeit. Es wurde festgestellt, daß er Informationen übergab, die alibistisch waren und auf deren Grundlage keine Realisierung eingeleitet wurde. Er hatte Bekanntschaften in verschiedenen Teilen des Innenministeriums, die er zu seinem Vorteil nutzte. Es wurde auch intimer Kontakt zu einem ehemaligen [weiblichen] Führungsorgan festgestellt. Die Informationen, die er schriftlich lieferte, schrieb für ihn seine Frau. Inoffiziell teilte er dem Führungsorgan mit, daß er Bürger der UdSSR sei. Er wurde von Kollegen der Zusammenarbeit mit der Staatssicherheit verdächtigt. In der Akte findet sich der Verdacht, daß er parallel für den deutschen Geheimdienst tätig ist. Er hatte nicht das Vertrauen des Führungsorgans und wurde weiter als Objekt bearbeitet.

Auch wenn Pietor immer wieder mit Vermutungen über Vilinskijs Zuarbeit für die Kommunisten konfrontiert wurde, brachte er ihm uneingeschränktes Vertrauen entgegen. Zora Adamcová, die Sekretärin Ján Lichners (1945 Staatssekretär mit Kabinettsrang im Ministerium für Außenhandel, 1946 bis 1948 im Verteidigungsministerium, DS), schreibt über Pietor, daß ihm die Führung der Demokratischen Partei vorgeworfen habe, Vilinskij zu sehr zu vertrauen, daß er ihm geheime Aufgaben übertrage, die dieser wahrscheinlich mißbrauche und die Kommunisten informiere. Kaum mehr Zweifel bestanden darüber, als eine vertrauliche Information, die nur der engsten Führung der Demokratischen Partei zugänglich war, sich auf der Titelseite von Rudé právo [Rotes Recht] wiederfand. Trotzdem verteidigte ihn Pietor. Vilinskij sei ein hundertprozentig zuverlässiger Mensch und es sei gerade gut, daß er so geschickt sei und es verstehe, sich die Sympathie und das Vertrauen der russischen Diplomaten vor Ort zu erwerben, mit denen er angeblich eine freundschaftliche Beziehung unterhalte und deren Vertrauen er genieße.350 Kaplan nimmt an, daß Pietor über die Zusammenarbeit Vilinskijs mit der Nachrichtenabteilung des Innenministeriums informiert war.351 Er profitierte zunächst von den zahlreichen Intrigen seines Mitarbeiters, denn Vilinskij sorgte sich nicht nur um das Fortkommen seines Vorgesetzten, um in dessen Schatten ebenfalls jeweils bessere Positionen zu erreichen (allerdings galt das Verkehrsministerium als politisch eher bedeutungslos, auch wenn die Kommunisten es gerne übernommen hätten352), sondern es oblag ihm angeblich ebenfalls, sich um des Ministers Freundin ‚zu kümmern‘, wogegen er sich nicht wehrte, weil Pietor dadurch in gewisser Weise von 350

351

352

SÚA, f. 100/24, sv. 103, a. j. 1164, Zora Adamcová o Pietorovi 16.03.1948. Kaplan zitiert die gleiche Aussage der Sekretärin Lichners mit Datum vom 30. März 1948 (Kaplan 1997, S. 154). Kaplan 1997, S. 157. Außerdem sei Pietor selbst 1950 unter Druck zur Zusammenarbeit mit der Staatssicherheit verpflichtet worden, habe sich jedoch taktisch der Erfüllung der Aufgaben entzogen (Jablonický 2000, S. 204). Dem widerspricht, daß er bereits am 4. Februar 1949 gegenüber der Staatssicherheit in Bratislava aussagt, daß er während seiner Mitgliedschaft in der Regierung enweder persönlich oder mittels seines Untergebenen Vilímský [sic] sowohl den Regierungschef (Gottwald) als auch die nachrichtendienstliche Abteilung des Innenministeriums über das politische Geschehen informiert habe (Šutaj 1999, S. 246 und 258f.). Hanzlík 1997, S. 41; Kaplan 1997, S. 224 und Rychlík 1998, S. 50.

1936-1951: In öffentlichen Diensten

79

ihm abhängig wurde.353 Pietor wird durch seinen Kollegen Ján Ursíny als gut, ambitioniert, arbeitsam dargestellt. Bolo však nepríjemné, že ako šéfa kabinetu si vybral Ukrajinca Vilinského, nie najvhodnejšieho človeka pro túto funkciu, ktorý až nadmieru povzbudzoval Pietrove ambície.354 Es war jedoch unangenehm, daß er sich als Chef seines Kabinetts den Ukrainer Vilinskij auswählte, nicht gerade den geeignetsten Menschen für diese Funktion, der fast über die Maßen die Ambitionen Pietors anstachelte.

‚Slowakischer Herbst‘ 1947 Vilinskij je dnes hlavním původcem intrik uvnitř demokratické strany proti evangelické skupině demokratické strany ve prospěch katolíka Pietora.355 Vilinskij ist heute der Haupturheber der Intrigen innerhalb der Demokratischen Partei gegen die evangelische Gruppe der Demokratischen Partei zugunsten des Katholiken Pietor.

Dieser Fall sei als ein Beispiel für Vilinskijs Eingreifen in das politische Geschehen seiner Zeit angeführt. Die Demokratische Partei erhielt bei den Wahlen 1946 auf slowakischem Gebiet 61,43% der Stimmen, während die Kommunistische Partei der Slowakei (KSS) mit 30,48% nicht einmal die Hälfte davon erlangen konnte.356 Nach mehreren erfolglosen Versuchen der Kommunisten – zu denen unter anderem die Gründung neuer Parteien und die Hinrichtung Jozef Tisos zu zählen sind357 –, die Rolle der DS zu schwächen, wurde im Herbst 1947 die bereits er353 354 355

356

357

AMV 12824, S. 110. Ursíny 2000, S. 111. AMV 12824, S. 110. In einer späteren Meldung heißt es ähnlich: „Je velkým pletic jářem na ministerstvu a je to on, kdo zanáší velkou nedůvěru stran mezi ně“ [Er ist ein großer Ränkeschmied im Ministerium und er ist es, der großes Mißtrauen zwischen den Parteien sät] (SÚA, f. 100/36, sv. 143-2, zpráva o JUDr. Vilinském z 30.09.1948, S. 279). Rychlík 1998, S. 41f. Ausführlicher zu dem Wahlergebnis s. Zinner, Paul E.: Communist Strategy and Tactics in Czechoslovakia, 1918-48, New York 1963, S. 183ff. Kaplan 1993, S. 86f. Vilinskij intervenierte 1947 im Namen der tschechischen Bischofskonferenz und besonders im Namen von Bischof Lazík in der Kanzlei des Präsidenten der Republik zugunsten des Priesters und ersten Präsidenten (1939) des eigenständigen Slowakischen Staates. Darüber hinaus informierte er die Kanzlei darüber, wie sich die Begnadigung politisch nutzen ließe (Prečan, Vilém: Za záchranu vojnového zločina Tisu, in: ders. Slovenský katolicizmus pred februárom 1948, Bratislava 1961, S. 131-169; Vaško, Václav: Neumlčená. Kronika katolické církve v Československu po druhé světové válce. I, Praha 1990, S. 148-159; Kaplan, Karel: Dva retribuční procesy. Komentované dokumenty [1946-1947], Praha 1992, S. 23, 152 [Příloha č. 20] und 205f. [Příloha č. 31] und Rychlík 1998, S. 94). In dem Prozeß selbst sagte Vilinskij zugunsten Tisos aus. Im Vorfeld beschuldigte er Igor Daxner, der den Vorsitz des Senats übernehmen sollte, er habe verbreitet, der Präsident habe ihm befohlen, Tiso zum Tode zu verurteilen, als Gegenleistung würde er Generalkonsul in Kiev. Vilinskij kenne einen Dozenten, der bereit wäre zu bestätigen, daß Daxner an progressiver Paralyse leidet. Wenn Daxner nicht die Leitung des Senats entzogen werde, werde die DS ihre Vertreter abberufen, mit jedem anderen Vorsitzenden seien sie einverstanden (Bernáth, Viliam: Retribučný proces na Slovensku

80

Teil 1 – Leben

wähnte antistaatliche Verschwörung auf slowakischem Gebiet konstruiert und enthüllt, für die Vilinskijs Führungsorgan Pokorný zuständig war, das zu einem brutal verhörten Zeugen im Beran-Prozeß sagte, daß Beran hängen müsse, damit die Agrarpartei nie wieder erneuert werden könne:358 „S jeho [Vilinského] pomocí se podařilo vyvolat ‚spiknuti na Slovensku‘359 [Mit seiner [Vilinskijs] Hilfe gelang es, die ‚Verschwörung in der Slowakei‘ heraufzubeschwören]. Es wurden in Abständen von wenigen Tagen immer neue illegale Gruppierungen in der Slowakei ‚entdeckt‘, die angeblich die Abspaltung der Slowakei vorantrieben und sich um die beiden Generalsekretäre der Demokratischen Partei Jozef Kempný und Miloš Bugár gruppierten, die zu der jungen Generation des politischen Katholizismus gehörten. Des weiteren richtete sich der Angriff gegen Ursíny, den politisch höchstgestellten Slowaken, und sein Kabinett (v. a. Ota Obuch). Ursíny vertrat als stellvertretender Regierungschef die DS in Prag. Als die Zahl der inhaftierten und verdächtigten Mitglieder der DS zunehmend stieg, jedoch gegen niemanden Haftbefehl erteilt wurde,360 rückten die anderen nichtkommunistischen Parteien von ihrem bis dahin neutralen Standpunkt ab und verdächtigten zu Recht die Kommunisten, die politische Konsequenzen gegen die DS forderten, daß sie nur ihre eigenen Machtinteressen durchsetzen wollten. So trat das ein, was Klement Gottwald (KSČ) befürchtet hatte: die DS wurde aus ihrer Isolation von den anderen Parteien befreit und es formierte sich ein gemeinsames Vorgehen der Nationalsozialistischen, der Volks- und der Demokratischen Partei, so daß sich nun die Kommunistische Partei in der Isolation wiederfand.361 Dem großen Druck der Kommunisten und der Staatssicherheit auf die DS konnte diese nur standhalten, weil die anderen Parteien es ablehnten, sie für antistaatlich zu erklären. Den geschwächten Zustand der Partei versuchte eine Gruppe um Pietor mit dem Ziel auszunutzen, die Parteiführung zu übernehmen. Ihre Bestrebungen waren vor allem gegen den protestantischen Parteivorsitzenden Jozef Lettrich gerichtet, dem sie vorwarfen, daß er nicht in der Lage sei, die Partei gegenüber den Kommunisten zu verteidigen – die gesamte Partei war zunächst protestantisch orientiert und öffnete sich erst zu der Wahl 1946 den Katholiken, als es um die Stimmen der verbotenen

358

359 360

361

[60 rokov po procese], in: http://www.blisty.cz/art/35388.html; 15. Januar 2008). Die Aussage Daxners, daß Beneš vor dem Prozeß verkündet habe: „Dr. Jozef Tiso muß hängen!“, findet sich auch an anderer Stelle (Sekera, Jon: Einleitung, in: Tiso, Jozef: Die Wahrheit über die Slowakei [Verteidigungsrede gehalten am 17. und 18. März 1947 vor dem „National“-Gericht in Bratislava], o. O. [In der Emigration] 21948, S. 3-17, hier: S. 11). Veber 2008, S. 69. Die Vorbereitungen der ‚Verschwörung‘ begannen wesentlich früher – direkt nach den Wahlen im Mai 1946 (Kaplan 1997, S. 235). Das Innenministerium gab bereits im November 1947 eine Broschüre heraus, in der die Ergebnisse der Ermittlungen der Staatssicherheit dokumentiert sind: Spiknutí proti republice. Dokumentární vylíčení cílů, organisace, rozsahu a vývoje odhaleného protistátního spiknutí na Slovensku, Praha 1947. Vgl. hier und im weiteren über die ‚Verschwörung‘ Kaplan 1993, S. 89ff. und ders. 1997, S. 220ff. Dvořáková 2004, S. 266. Die Prozesse gegen Kempný, Bugár, Obuch, Ursíny und andere fanden erst nach dem Februar 1948 statt, als auch die Justiz in die Hand der Kommunisten gelangt war (Kaplan 1993, S. 95). Die nationalsozialistische Sicht auf die Ereignisse liefert Ripka 1995, S. 113ff.

1936-1951: In öffentlichen Diensten

81

slowakischen Volkspartei (Ľudová strana) Hlinkas ging.362 Pietor unternahm bereits im März 1947 einen ersten Versuch, ein Programm des slowakischen politischen Katholizismus aufzustellen363 –, weshalb er und Vilinskij Unterstützung durch den katholischen Flügel innerhalb der Partei und durch die slowakischen Bischöfe erhofften, die sie allerdings nicht erhielten. Die Bischöfe mißtrauten der von Pietor avisierten besseren Zusammenarbeit mit den Kommunisten (man erkennt, daß Vilinskij sein politischer Referent war). Pietor ging fälschlich davon aus, daß die Kommunisten nur die Richtung in der DS zerschlagen wollten, die von der ehemaligen Agrarpartei geprägt war (die 20% „Lutheraner, Feinde der KSS und der UdSSR“), während sie seiner Meinung nach den katholischen Flügel (die 80% Katholiken) erhalten wollten.364 Den größten Widerstand brachten ihm jedoch gerade die Kommunisten entgegen, denn sie wollten die gesamte Partei zerschlagen und hatten deshalb keinerlei Interesse daran, daß sie unter neuer Führung gestärkt aus den Machtkämpfen hervorgeht. Deshalb stellte sich Gottwald, der von Vilinskij fast täglich Meldungen über die Beratungen und die geplanten Schritte der Parteiführung erhielt, gegen Pietors Ansinnen. Die nichtkommunistischen Parteien hinwiederum fürchteten eine Schwächung ihres gesamten Lagers, wenn es nicht gelingen sollte, die Demokratische Partei zusammenzuhalten. Vilinskijs Meldungen aus dem demokratischen Lager gingen über reine Stimmungsberichte weit hinaus. Nach Einschätzung Kaplans war der Agent V-101, den Pokorný und Janda auch persönlich aufsuchten und der auch zu ihnen in die Wohnung kam, „[n]ejdůležitějším zpravodajským pramenem ministerstva vnitra v Demokratické straně […] od léta roku 1947“365 [seit dem Sommer 1947 die wichtigste nachrichtendienstliche Quelle für das Innenministerium in der Demokratischen Partei]. Seine Meldungen enthalten nicht nur psychologische Einschätzungen der Politiker, sondern auch direkte Handlungsempfehlungen. 1. Oktober 1947: […] v DS je všechno tak zastrašeno, že ještě jeden úder proti některému z význačnějších lidí, a všichni se zhroutí a budou ochotni k jakémukoliv řešení. […] V-101 řekl, že by přece bylo politickým nesmyslem rozbít DS a nechat masu této strany na pospas Vatikánu. V-101 přímo vyzývá, aby pan předseda vlády a pan ministr Nosek, až uzraje chvíle, promluvili s Pietorem, šli na něho trochu citově, ne cynicky, a Pietor prý bude dělat, co budou chtít. Předpokladem však je rozhodně provedení bezohledné čistky a pozavírání všech proskribovaných a zarytých luďáků, jinak by Pietor zbytek DS nezvládl. […]

362 363

364 365

Rychlík 1998, S. 41f. Kaplan 1997, S. 225. Pietors Selbstdarstellung als katholischer Politiker (z. B. anläßlich der Feiern zum 70. Geburtstag von Pius XII. und den 25jährigen Jubiläen der Priesterweihe dreier slowakischer Bischöfe) erweckte in der Partei Verwunderung, allerdings war das katholische Lager so dezimiert, daß jeder neue Vertreter hochwillkommen war (Letz 2006, S. 18f.). Kaplan 1997, S. 240f. Kaplan 1997, S. 69 und Žáček 2006, S. 108.

82

Teil 1 – Leben V-101 doporučil velmi široce založený útok na spišskou kapitulu, jež je pravým ohniskem, Athosem luďáctví.366 […] in der DS ist alles so verängstigt, daß noch ein Schlag gegen irgendjemand Bedeutenderes genügt, und alle brechen zusammen und sind zu jedweder Lösung bereit. […] V-101 sagte, daß es schließlich politischer Unsinn wäre, die DS zu zerschlagen und die Masse dieser Partei auf Gnade und Ungnade dem Vatikan auszuliefern. V-101 fordert direkt dazu auf, daß der Herr Regierungsvorsitzende und der Herr [kommunistische Innen-]Minister Nosek, wenn die Zeit dafür gekommen sei, mit Pietor redeten, etwas einfühlsam auf ihn zugingen, nicht zynisch, und Pietor wird angeblich tun, was sie wollen. Voraussetzung ist allerdings entschieden die Durchführung einer rücksichtslosen Säuberung und das Einsperren aller geächteten und verstockten Volksparteiler, anders würde Pietor den Rest der DS nicht beherrschen. […] V-101 empfahl einen sehr breit angelegten Angriff auf das Kapitel von Spiš, das der wahre Brennpunkt, der Athos des Volksparteitums ist.

Am 14. Oktober legte Vilinskij dem leitenden Beamten der Kanzlei des Präsidenten Edvard Beneš, František Škarvan, die Situation der DS dar und stellte seine Vorstellungen von zu vollziehenden personellen Veränderungen in den führenden Parteifunktionen vor. Es ist interessant, daß auch Ján Ševčík, Präsidiumsmitglied der DS, der sich Meldungen Vilinskijs zufolge mehrfach in betrunkenem Zustand als Mann der Sowjets, der alles, was sich in der DS ereignet, dem russischen Konsul in Bratislava mitteile, verraten habe, den Standpunkt vertrat, daß die DS einer gründlichen Säuberung bedürfe.367 Die Gegner der DS forcierten also ganz offensichtlich eine innere Selbstauflösung der Partei, um ihr alle Kraft zu nehmen. Vilinskij rechnete sicher mit dem Fall von Ursíny und damit, daß Pietor dessen Funktion übernehmen wird. Vilinskij suchte bewußt die Nähe Ursínys, beschaffte ihm Verkehrsmittel und reiste auch oft mit ihm, so daß dieser also unter spezieller Polizeiaufsicht stand, obwohl er Mitglied der Regierung war – „Bola to perverzná situácia“368 [Das war eine perverse Situation]. 17. Oktober 1947: V-101 sdělil […] telefonický ministerstvu vnitra: ,Nezávazně pro mě, pro vás i toho, koho se to týká, Janek je po včerejší události v parlamentu úplně měkký a je ochoten v klidu odejít, necháte-li ho v klidu odejít. Můj pán by to zařídil.‘369 V-101 teilte telefonisch dem Innenministerium mit: ‚Unverbindlich für mich, für Sie und für den, den es betrifft, Janek [Ursíny] ist nach den gestrigen Ereignissen im Parlament vollkommen weich und ist bereit, in Ruhe abzutreten, wenn Sie ihn in Ruhe abtreten lassen. Mein Herr [I. Pietor] würde das regeln.‘

Für den weiteren Verlauf der Krise sollte die Haltung der slowakischen Hierarchie von Bedeutung sein – Pietor übernahm die Initiative, um mit den Bischöfen zu 366 367 368 369

AMV, a. j. 310-71-5 [cit. nach Kaplan 1997, S. 237]. Barnovský 1993, S. 219. Jablonický 2000, S. 76. AMV, a. j. 310-61-10 [cit. nach Kaplan 1997, S. 239].

1936-1951: In öffentlichen Diensten

83

verhandeln. Um sie auf seine Seite zu bekommen, sprach er selbst mit Erzbischof Karol Kmeťko in Nitra, Vilinskij suchte Bischof Eduard Nécsey, außerdem den Sekretär des Erzbischofs Pavol Beňušek und Bischof Andrej Škrábik in Banská Bystrica auf. Pietor versprach den Bischöfen als Gegenleistung, Kempný bis zum äußersten zu verteidigen. Verantwortliche Stellen sollten mit jungen, zwar unerfahrenen, jedoch nicht durch die Vergangenheit zu belastenden Katholiken besetzt werden.370 Diese Initiative Pietors führte jedoch ebenso zur Verzögerung seines erhofften Aufstiegs innerhalb der Partei (die Agrariergruppe wollte gar erreichen, daß ihm verboten wird, mit den Bischöfen zu verhandeln371) wie sein allzu bereitwilliges Entgegenkommen den Kommunisten gegenüber. 11. November 1947: […] dostane-li Pietor funkci místopředsedy vlády, ‚V-101 zaň nabízí s námi nejtěsnější spolupráci a slibuje, že pro nás získají i lidovce.‘372 […] wenn Pietor die Funktion des Vizepräsidenten der Partei erhält, ‚bietet V-101 in seinem [Pietors] Namen engste Zusammenarbeit mit uns [den Kommunisten] an und verspricht, daß sie für uns auch die Vertreter der [tschechischen] Volkspartei gewinnen werden‘.

Es braucht wohl nicht darauf hingewiesen zu werden, daß sich Pietors Aktivität nicht mit der Linie und dem Vorgehen der Parteiführung deckte, sondern daß er vor allem seinen privaten Interessen folgte, durch die die Partei gefährdet wurde. Allerdings erwies sich das gemeinsame Auftreten der nichtkommunistischen Parteien (mit Ausnahme der Sozialdemokratie), des Präsidenten und der slowakischen kirchlichen Hierarchie gegen die Kommunisten als stärker. Der massive Druck, den die Kommunisten von außen auf die Demokratische Partei ausübten, führte letzten Endes zu deren innerer Stabilisierung, auch wenn sie zunächst aus dem Gefecht verunsichert und geschwächt hervorging.

Februar 1948 Seine Wichtigkeit spürte Vilinskij erneut im Februar 1948. Er berichtete täglich über die Lage in den Oppositionsparteien, wodurch die Kommunisten eindeutig im Vorteil waren.373 Veselý erinnert sich an diese Zeit wie folgt: Většinou [gen. František Janda] seděl pořád u Gottwalda … Já jsem k němu chodil v 1 hodinu v noci každý den referovat … Gottwald a politbyro [ÚV KSČ] vědělo dvě hodiny po zasedání těch dvanáct ministrů, co se tam jednalo. No, byl jeden ministr, nemohu jmenovat, jeho tajemník byl v našich službách. Ten dostal za ten únor 60.000 [korun]. A ten ministr, jak přišel z

370 371 372 373

Barnovský 1993, S. 220. Kaplan 1997, S. 244. Cit. nach Kaplan 1997, S. 253. Veber, Václav: Osudové únorové dny. 1948, Praha 2008, S. 164.

84

Teil 1 – Leben té porady, tak nemeškal a tomu tajemníkovi všechno vyklopil, takže ten tajemník byl 5x chytřejší, než ten ministr. Okamžitě nám podal zprávu, my jsme to oklepli a hned jsme ji předali partaji.374 Meistens saß [General František Janda] ununterbrochen bei Gottwald … Ich ging jeden Tag, ein Uhr nachts, zu ihm referieren … Gottwald und das Politbüro [ZK KSČ] wußten zwei Stunden nach der Sitzung dieser zwölf Minister, was dort verhandelt wurde. Naja, es gab einen Minister, den Namen kann ich nicht nennen, dessen Sekretär war in unseren Diensten. Der bekam für diesen Februar 60.000 [Kronen]. Und dieser Minister, wenn er von der Beratung kam, säumte nicht und platzte gegenüber diesem Sekretär mit allem heraus, der Sekretär war also fünfmal klüger als der Minister. Augenblicklich gab er uns Meldung, wir tippten das ab und übergaben es gleich der Partei.

Am 13. Februar rief Vilinskij direkt aus dem Parlament an, daß der kommunistische Innenminister Václav Nosek nicht zur Sitzung gehen solle, weil seine Suspendierung gefordert werden würde.375 Gottwald und die in seinem Kabinett anwesenden Kommunisten erfuhren am 20. Februar, 13.15 Uhr, zuerst durch Vilinskij, daß die DS, die Nationalsozialistische Partei und die Volkspartei ihre Demission einreichen werden. Bei einem Anruf in seiner Wohnung bestätigte er diese Mitteilung und ergänzte, daß die Sozialdemokraten noch nicht entschieden seien. 16.15 Uhr meldete er, daß die Minister der drei genannten Parteien ihren Rücktritt schriftlich mitteilen werden und fügte den Rat hinzu, daß Gottwald den Volksparteilern und den slowakischen Demokraten „nette Ressorts“ anbieten sollte („Opakuji: Bylo by to velmi dobré“ [Ich wiederhole: Das wäre sehr gut]).376 Am 19. Februar traf der stellvertretende sowjetische Außenminister, der von 1943 bis zum Herbst 1947 die Funktion des Botschafters der UdSSR in der Tschechoslowakei innegehabt hatte, in Prag ein.377 Vilinskij dolmetschte am 22. Februar Zorins Unterredung mit Pietor und brachte ihn anschließend im Auto vom Ministerium nach Hause.378 Die dabei erfolgte Unterredung sorgte für protokollarische Verwirrung, denn V-101 gab weiter, daß Valerian Aleksandrovič Zorin aus Moskau ausrichten lasse, daß die sowjetische Partei- und Staatsführung die Aktivität der Kommunisten begrüße (man spekulierte zuvor darüber, daß Moskau sie zügeln wolle), allerdings nicht den Standpunkt des Präsidenten verstehen könne, der sich doch bewußt sein müsse, daß die Sowjetunion hinter Gottwald stehe. Nosek, dem die Nachricht galt, war von ihrem 374

375 376

377

378

Jindřich Veselý zu dem Stellvertreter Josef Kudrna, 8. Januar 1963. Cit. nach Žáček 2006, S. 102. AMV, a. j. 310-61-12, 11-13, 13.02.1948. Kaplan 1997, S. 319 und 321. Über die Nationalsozialisten, für die er um keine „netten Posten“ bat, hatte er bereits in der Zeit des ‚slowakischen Herbstes‘ berichtet, daß die Abgeordneten der DS sie für eine „hovno strana“ [Scheißpartei] hielten (Kaplan 1997, S. 238). S. Josten, Josef: Oh my Country, London 1949, S. 107-134 und 196f.; Zinner 1963, S. 217 und Prečan, Vilém: Únorový převrat 1948 v Československu v mezinárodním kontextu. Bezprostřední a dlouhodobé důsledky, in: Beneš, Zdeněk/Kováč, Dušan/Lemberg, Hans (Hgg.): Hledání jistoty v bouřlivých časech. Češi, Slováci, Němci a mezinárodní systém v první polovině 20. století, Ústí nad Labem 2006, S. 345-413, hier: S. 377-385. Über die Beunruhigung, die dieser Besuch, der demonstrativ die Kommunisten stärkte und von dem demokratischen Lager als Drohung aufgefaßt wurde, innerhalb der demokratischen Parteien und bei Beneš auslöste, vgl. Firt 1971, S. 526f. und 529 und Ripka 1995, S. 204f. Firt 1971, S. 526f.

1936-1951: In öffentlichen Diensten

85

Weg zu ihm so irritiert, daß er sie von dem Agenten unterschreiben ließ, was vollkommen unüblich war. Vilinskij empfahl weiter, daß die Nachricht auf geeignetem Wege der Öffentlichkeit bekannt gegeben werden sollte, allerdings dürfte die ‚Burg‘ auf keinen Fall erfahren, auf welchem Wege sie in das Innenministerium gelangt ist. In dem Gespräch Zorin-Vilinskij ging es, wie gesagt, außerdem darum, daß der Präsident noch nicht die Demission der Minister angenommen hat, was Zorin für unmöglich erklärte, weil der Präsident doch wisse, daß das der Wunsch Moskaus sei – Vilinskij ging direkt danach auf die Burg und verlieh diesem Wunsch dort Nachdruck. Dieser unübliche Weg zur Übermittlung der Moskauer Vorstellungen läßt sich nur dadurch erklären, daß Zorin über die Mitarbeiter des tschechoslowakischen Nachrichtendienstes informiert war, die Nachrichten bis zur ‚Burg‘ oder zu anderen hohen politischen Kreisen lancieren konnten.379 Beneš sei von dem schnellen Eingreifen Moskaus in die inneren Angelegenheiten der Tschechoslowakei einfach überrascht gewesen.380 Vilinskijs Nachrichten während des Februar wurden als „velmi cenné“ [sehr wertvoll] eingestuft und er selbst als „nejvýznamnějším a nejúspěšnějším agentem“381 [bedeutendster und erfolgreichster Agent] Pokornýs bezeichnet. Die Informationen stammten entweder direkt von dem Stellvertreter des Regierungspräsidenten Štefan Kočvara (DS) oder über Pietor von dem Minister für Außenhandel Hubert Ripka (ČSNS) und einem weiteren Stellvertreter des Regierungspräsidenten, Petr Zenkl (ebenfalls ČSNS).382 Pokorný selbst konnte Vilinskij gegenüber seinen Sekretärinnen Milada Třískalová-Vašová und Vlasta Pitrová nicht genug loben, wenn er äußerte, „že má agenta, který mu pomohl ‚udělat únor 1948‘“ [daß er einen Agenten habe, der ihm half, ‚den Februar 1948‘ zu machen], „je to eso“ [das ist ein Ass] und „Z jednoho takového agenta se dá žít“ [von einem solchen Agenten kann man leben].383

Ministerien für Außenhandel und Unifizierung Eine der letzten erhaltenen Meldungen, die von dem ungebrochenen Vertrauen Pietors in Vilinskij zeugt, dürfte nicht mehr zu seinem vermeintlichen Vorteil weitergegeben worden sein: V-101 zeigte am 17. April 1948 seinem Führungsorgan einen Kassiber Pietors (auf Toilettenpapier) aus der Untersuchungshaft in Bratislava, auf dem er ihm mitteilte, daß er bisher noch nicht verhört worden ist, daß die Vernehmungen durch Beamte aus Prag erfolgen, daß er eine Hausdurchsuchung befürchtet, und: „Můžete-li pomozte mi“384 [Wenn Sie können, helfen Sie mir]. Zu dieser Zeit sann Vilinskij jedoch vor allem darüber nach, wie er sich selbst helfen könne, 379 380 381 382 383

384

Kaplan 1997, S. 354f. Firt 1971, S. 529. Dvořáková 2004, S. 266. AMV, a. j. 310-61-12, 18-20, 19.02.1948. Žáček 2006, S. 108. Vilinskij läßt sich dafür hofieren und stellt nicht geringe materielle Forderungen, die von Geld bis zu Karten für die Theaterloge reichen (s. ebd.). Meldung vom 20.04.1948 (Unterlagen Rokosová). Pietor wurde nicht verurteilt.

86

Teil 1 – Leben

denn seine gesamte Nachkriegskarriere verdankte er der Nähe zu Pietor, der nach seinem Rücktritt und der Machtergreifung durch die Kommunisten selbstverständlich nichts mehr für ihn tun konnte. Dies versuchte Vilinskij am 9. April zu ändern, indem er berichtete, daß Pietor bereit sei, seine Loyalität zur Regierung Gottwalds zu bekunden.385 Drei Tage nach der Demission Pietors (am 23. Februar 1948) meldete sich Vilinskij telefonisch von seiner Wohnung aus bei seinem Führungsorgan, „že ‚končí vysílání‘ jelikož je bez úřadu a bez auta“386 [daß er ‚die Sendung beende‘, weil er ohne Amt und Auto ist]. Er wurde noch direkt im Verlauf des Februarputsches von dem Aktionskomitee des Verkehrsministeriums seines Amtes enthoben, weil er zu Pietors Kabinett gehört hatte und als Reaktionär bekannt war.387 Ihm wurde jedoch seitens des Führungsorgans beruhigend mitgeteilt, daß er für seine Zukunft keine Befürchtungen haben müsse.388 Deshalb unterbreitete er zwei Tage später Jindřich Veselý, dem Chef der Staatssicherheit und Mitglied der Sicherheitskommission im Zentralkomitee der KSČ,389 bereits weniger theatralisch sehr konkrete Vorschläge zu seiner weiteren Verwendung: Alternativa 1. a) předsednictvo vlády, jako parlamentní zpravodaj, samostatný, b) předsednictvo vlády, věci hospodářské. Velmi by vítal alternativu 1 a). Alternativa 2. Zahraniční obchod na místo Horského. Alternativa 3. Ministerstvo výživy na místo Vaňka (cukr). Na druhém místě by mi vyhovovala alternativa 3. – cukr.390 Alternative 1. a) Regierungspräsidium, als Parlamentsberichterstatter, selbständig, b) Regierungspräsidium, Wirtschaftsangelegenheiten. Ich würde sehr Alternative 1 a) begrüßen. Alternative 2. Außenhandel auf die Stelle von Horský. Alternative 3. Ernährungsministerium auf die Stelle von Vaňek (Zucker). An zweiter Stelle käme mir Alternative 3. – Zucker – entgegen.

Die Wahl der Vertreter des Innenministeriums fiel auf das am wenigsten forcierte Ministerium für Außenhandel – Minister für Außenhandel war von Februar 1948 bis Dezember 1952 Antonín Gregor (KSČ) –, in dem er Leiter der Verkehrsabteilung und amtlicher Berater der russischen Handelsmission wurde.391 Der Betriebsrat 385 386 387

388

389 390

391

Jablonický 2000, S. 203. AMV, a. j. 305-365-1, 125. SÚA, f. 711-29-12650, záznam z 08.06.1948. Vgl. Frejka, Ludvík: 25. únor 1948 v československém hospodářství, Praha 31949, S. 50; Zinner 1963, S. 208 und Veber 2008, S. 289. Bei Frejka findet sich der falsche Name Velimský, den Zinner als Velimsky übernimmt. Es scheint nicht ausgeschlossen, daß Frejka Vilinskij, der zu dieser Zeit noch unter dem Schutz der Staatssicherheit stand, decken wollte. AMV, a. j. 305-365-1, 125. Das Material, das sich gegen ihn im Verkehrsministerium befand, übernahmen die Leute von Janda aus dem Innenministerium (SÚA, f. 711-29-12650, záznam z 08.06.1948). Kaplan 1993, S. 393. AMV, f. 310-61-12, S. 38, Hlášení z 25.02.1948. „Zucker“ mag ihm deshalb gelegen haben, weil er enge Kontakte zu dem Generaldirektor des tschechischen Verbandes für die Zuckerindustrie, Josef Hartmann, unterhielt (SÚA, f. 45-1/66/7, S. 32, pozůstalost průmyslníka Josefa Hartmanna) und weil Stoupal nicht nur Politiker, sondern auch Zuckerfabrikant gewesen war. Daß er in einer Zeitungsmeldung als „sovětský delegát ministr Vilinskij“ [sowjetischer Dele-

1936-1951: In öffentlichen Diensten

87

wurde darauf hingewiesen, daß die KSČ um diesen Fall keine Aufregung wünscht und daß das Innenministerium keine Einwände gegen diese Versetzung Vilinskijs hat. Damit er sich seinerseits ebenfalls ruhig verhielt, wurde Vilinskij gleichzeitig in die zweite Gehaltsstufe, d. i. zum Ministerrat, befördert.392 Die Bedeutung seiner Mitteilungen während des Februarputsches 1948 wurde also nicht unterschätzt, wenn man betrachtet, wie weiter für ihn gesorgt wurde. Aus dem Ministerium für Außenhandel wechselte Vilinskij relativ schnell in das Ministerium für die Vereinheitlichung der [tschechischen und slowakischen] Gesetze (kurz: Unifizierungsministerium), dem der Slowake Vavro Šrobár vorstand. Šrobár (Jahrgang 1867) war bereits in der Ersten Republik politisch aktiv. Von 1925 bis 1935 war er Senator für die Agrarpartei. Als angriffslustiger Tschechoslowakist, der 1919 aus der katholischen Kirche ausgetreten war,393 zählte er zu einem der schärfsten Kritiker Andrej Hlinkas, und er selbst war zudem wegen seiner undemokratischen Methoden sehr umstritten.394 Nach der Befreiung trat er der Demokratischen Partei bei, die er im Zuge des Wahlkampfes 1946 wieder verließ – als es darum ging, die katholischen Stimmen der verbotenen Volkspartei zu gewinnen –, um die Freiheitspartei (Strana slobody) zu gründen, deren Vorsitz er übernahm.395 1945/46 war er Finanzminister. Durch die Wahlen 1946 verlor er sein Ministeramt und kehrte erst nach dem Februarputsch 81jährig in die Regierung zurück, als seine Partei in die Nationale Front aufgenommen wurde. 1949 war Vilinskij sein persönlicher Sekretär,396 im folgenden Jahr war er in seinem Ministerium Abteilungsleiter.397 In den Erinnerungen Viktor Čárskys, des engsten Mitarbeiters Šrobárs nach dem Februar, wird deutlich, wie die Stellenvermittlung durch die Staatssicherheit funktionierte. Er schreibt: Na ministerstve unifikácií sme neraz museli zamestnávať i takého pracovníka, o ktorého sme vonkoncem nestáli. O jednom z nich sa zmieniem, lebo šlo o indivíduum, s akým sa väščina ľudí nestretne vari celý svoj život.398

392 393

394

395 396

397

398

gierter Minister Vilinskij] bezeichnet wird, beruht offensichtlich auf einem Irrtum (in: Lidové noviny, 14.06.1949, S. 3). SÚA, f. 711-29-12650, záznam z 08.06.1948. Hrabovec, Emilia: Die Atmosphäre und die Strömungen im slowakischen Katholizismus der Zwischenkriegszeit, in: Bendel, Rainer (Hg.): Aufbrüche und Umbrüche. Kirche und Gesellschaft Ostmittel- und Südosteuropas zwischen den Weltkriegen (1918-1939), Köln/Weimar/Wien 2007a, S. 103-179, hier: S. 131. Churaň, Milan a kol.: Kdo byl kdo v našich dějinách ve 20. století, Praha 1994, S. 527f. Auch Pietor gilt als tschechoslowakisch orientiert (Šutaj 1999, S. 208). Zu dem Wahlkampf und den Wahlen 1946 s. Rychlík 1998, S. 41f. Teilnehmerliste eines Vortrages von Doc. inž. dr. Miloš Horn am 13. Januar 1949 mit dem Thema: K dějinám sovětské měny [Zur Geschichte der sowjetischen Währung], veranstaltet von der tschechischen volkswirtschaftlichen Gesellschaft, dem Verband für tschechoslowakisch-sowjetische Freundschaft und der Kommerzienvereinigung der Ingenieure (Archiv AV, fond SÚ, F2 Přednášky SÚ). Brief des Ministerstvo školství, věd a umění an Vilinskij vom 13. Februar 1950 (Archiv MU, f. 234/4382). Čársky 2003, S. 61f.

88

Teil 1 – Leben Im Unifizierungsministerium mußten wir nicht nur einmal auch solch einen Menschen einstellen, auf den wir ganz und gar nicht scharf waren. Einen davon erwähne ich, denn es handelte sich um ein Individuum, wie es vermutlich die meisten Menschen ihr ganzes Leben lang nicht treffen werden.

Vilinskij mußte eingestellt werden, weil der höchste Chef der Staatssicherheit persönlich angerufen und ultimativ gefordert hatte, ihn in das Ministerium zu übernehmen, nicht jedoch als normalen Mitarbeiter, sondern entweder in das Präsidium oder in die Führungsabteilung, denn, so erklärte er weiter, sie hätten großes Interesse an Vilinskij und müßten ihm eine ordentliche Stelle besorgen. Čársky habe daraufhin den Minister informiert, um was für einen gefährlichen Menschen es sich handelt. Čársky kannte Vilinskij bereits von seiner Arbeit bei Pietor. Dort habe er sich damit gerühmt, daß er einmal in Berlin, ein andermal in Polen bei der Führung der Sowjetarmee war, wo er allerlei rätselhafte politische Nachrichten verbreitete. Sie hätten jedoch festgestellt, daß er am häufigsten in der Slowakei war, vor allem in der Zeit, in der auch Pietor dort war und die katholischen Bischöfe besuchte. „Bolo nám hneď jasné, že u nich robí špionaž“399 [Uns war sofort klar, daß er bei ihnen Spionage betreibt]. Vilinskij mußte trotzdem genommen werden, ihm wurde auch, wie gefordert, die Leitung einer Abteilung anvertraut, allerdings handelte es sich um eine Abteilung, die in ein anderes Gebäude ausgelagert war, so daß er nie bis zu Šrobár selbst vordrang.400 Nach dessen Tod am 6. Dezember 1950 mußte Vilinskij auch dieses Ministerium verlassen, wodurch er endgültig die Nähe zu den Mächtigen verlor.

399 400

Čársky 2003, S. 62. Čársky 2003, S. 62. In den Ausführungen Čárskys finden sich ansonsten wieder komplett falsche Angaben zu Vilinskijs Biographie: er sei Sohn eines zaristischen Generals, in Prag aufgewachsen, habe an der Karlsuniversität Jura studiert und während des Protektorats antibolschewistische Artikel geschrieben (ebd.). In dem ergänzenden Verpflichtungsentwurf vom 25.10.1949 wird jedoch sein Wert unter anderem in seiner engen Nähe zu Šrobár gesehen (vgl. Žáček 2006, S. 109).

1951-1955: Außerhalb des Aktionszentrums

Im Jahre 1951 klang Vilinskijs Tätigkeitsbezeichnung wesentlich zurückhaltender und unkonkreter als in den Jahren zuvor: „veř. zaměstnanec“401 [öffentlicher Angestellter]. Ob es sich bei dieser öffentlichen Anstellung um eine Beschäftigung im Staatsamt für Sport handelte, um die er sich im März bewarb, ist offen, jedenfalls erstellte das Unifizierungsministerium Ende März sein Kaderprofil. Für eine Arbeit im Sportamt spricht, daß eines seiner Themenfelder bei der Staatssicherheit die Körpererziehung darstellte, mit der ihn ansonsten nichts verband. Außerdem enthielt seine Akte noch einen undatierten Lebenslauf, der zwei Ziffern nach dem Kaderprofil einsortiert und für das Energieministerium geschrieben worden war.402 Da er im April wieder den Waffenschein sofort auf Weisung der Staatssicherheit ausgestellt bekommen hat, ist nicht anzunehmen, daß er bei dieser Stelle in Ungnade gefallen war, zudem unterzeichnete er ja gerade zwei Monate zuvor seine erste Verpflichtungserklärung und einen Monat zuvor stellte er einen Aufnahmeantrag in die KSČ.403 Dieses Faktum dürfte jedoch im Hinblick auf die Fortsetzung seiner Karriere ohne große Bedeutung geblieben sein.404 Es läßt allerdings den Schluß zu, daß er nicht Mitglied der DS war. Nach dem Februar 1948 wurde er für seinen zweiten Dienstherren wesentlich weniger interessant, denn die KSČ hatte ihr vorrangiges Ziel, d. h. die alleinige Macht im gesamten Staat erreicht, und mußte keine Oppositionsparteien mehr fürchten, deren Vertrauen Vilinskij genoß und mißbrauchte. Die hohen Kreise, deren Nähe er suchte, waren zerschlagen und zu den kommunistischen hatte die Staatssicherheit selbst besseren Zugang als er. Die Politiker Kočvara, Ripka und Zenkl kamen ihrer Verhaftung zuvor und emigrierten noch in der ersten Jahreshälfte 1948.405 Pietor zog sich aus der Politik zurück und war von 1948 bis 1970 als Justitiar in Betrieben in Bratislava und Trenčín tätig. Selbst die Führung der Staatssicherheit blieb von Veränderungen nicht unberührt. Diese Veränderungen betrafen selbstverständlich auch diejenigen, mit denen Vilinskij näher zu tun hatte. Janda wurde auf Entscheidung des ZK der KSČ im Juli 1948 vom Innenministerium in den Generalstab rückversetzt. Aufgrund seiner Willfährigkeit im Februar entschloß man sich zu seinem ehrbaren Abgang, der 401 402 403

404

405

Waffenschein vom 24.04.1951 (SÚA, PŘ 1941-50, balík V 6982). AMV, a. č. 87145, osobní spisový svazek KARGER, Inhaltsverzeichnis. Unter Ziffer 6 des Inhaltsverzeichnisses seiner Akte befindet sich der Eintrag „přihláška do Ksč, 2.3.51“ (AMV, a. č. 87145, osobní spisový svazek KARGER). Über die wertungsmäßige Unterscheidung der KSČ-Mitglieder, die vor und nach dem Februar 1948 der Partei beigetreten sind, vgl. Kaplan, Karel: Nebezpečná bezpečnost. Státní bezpečnost 1948-1956, Brno 1999, S. 100 und Kaplan, Karel/Paleček, Pavel: Komunistický režim a politické procesy v Československu, Praha 2001, S. 22. Kaplan, Karel: Největší politický proces „M. Horáková a spol.“, Praha 1995, S. 23f.

90

Teil 1 – Leben

mit einer Beförderung verbunden war.406 Veselý büßte 1950 nach einem Selbstmordversuch aufgrund interner Machtstreitigkeiten die Führung der Staatssicherheit ein. Kurz darauf gelang es ihm, die Staatssicherheit auf eigenen Wunsch zu verlassen.407 Schlechter erging es etwas später Pokorný. Er wurde im Januar 1951 zusammen mit anderen führenden Vertretern der Staatssicherheit inhaftiert (zu ihnen zählten die weiteren ŘO Vilinskijs Osvald Závodský, der Veselýs Nachfolger geworden war, und Zelenka408), im Mai aus der KSČ ausgeschlossen und im Dezember 1953 wegen Sabotage zu 16 Jahren Freiheitsentzug, Verfall seines Vermögens und Verlust der Bürgerrechte für zehn Jahre verurteilt.409 Die Ministerien besetzten ihre Posten mit Leuten aus den Reihen der Kommunisten, deren Loyalität sie sich sicher waren. Im Zuge der sogenannten „Kaderoffensive“ wechselte beispielsweise das Ministerium für Außenhandel 1950 insgesamt 126 Angestellte aus. In dem Zeitraum von 1949 bis 1953 wurden etwa 200.000 bis 250.000 Arbeiter aus der Produktion in die Bürokratie übernommen.410 Analog unterlag die Staatssicherheit in den ersten Jahren nach 1948 einer Vielzahl von Umstrukturierungen wie z. B. der Herauslösung aus dem Innenministerium und der Neugründung des Minsteriums für Nationale Sicherheit im Mai 1950, die vor allem erkennen lassen, daß sie sich mehr und mehr auf den brutalen sowjetischen Kurs einstellte und eher auf junge (ungebildete) Mitarbeiter aus dem Arbeitermilieu oder altbewährte Kommunisten setzte.411 Vilinskij gehörte weder zu der einen noch zu der anderen Gruppe, zudem entsprach seine Großspurigkeit in Verbindung mit seiner immer wieder konstatierten Intelligenz und schnellen Auffassungsgabe412 voll und ganz dem Klischee des wendigen Bourgeois. Einen Mann aus dem einfachen Volk zu mimen, paßte nicht in sein Repertoire und dürfte ihm bei allem Opportunismus zuwider gewesen sein. 406 407

408

409

410 411 412

Kaplan 1994, S. 22; ders. 1999, S. 37 und Dvořáková 2007, S. 110. Kaplan 1999, S. 40 und 48. Er entfernte sich allerdings nicht sehr weit, denn er wurde zum Historiographen der KSČ und verfaßte eine Kronika únorových dnů 1948 [Chronik der Februartage 1948], Praha 1958 (Veber 2008, S. 399 und 422). Er war einer der ganz wenigen höheren Funktionäre der Staatssicherheit, die weder inhaftiert noch vor Gericht gestellt wurden. 1964 beging er Selbstmord, indem er aus einem Fenster sprang (Dvořáková 2007, S. 95). Dvořáková 2004, S. 266-270. Nachdem Závodský die Verhaftung führender Mitarbeiter der Staatssicherheit und der KSČ vorbereitet hatte, wurde er selbst inhaftiert, 1953 wegen Hochverrats und Sabotage zum Tode verurteilt und 1954 hingerichtet (Dvořáková 2007, S. 117). Zelenka war unter Závodský Chef des politischen Nachrichtendienstes (ebd., S. 96 und 177). Kaplan 1994, S. 165 und ders. 1999, S. 136. Dazu sei angemerkt, daß er im November 1956 gerichtlich rehabilitiert und entlassen wurde. Seine Strafe wurde in ein Jahr mit zwei Jahren Bewährung wegen Mißbrauchs dienstlicher Macht verwandelt. Im Juni 1958 schließlich fiel er unter eine Amnestie, woraufhin ihn die KSČ wieder aufnahm und er 90.000 Kčs Entschädigung erhielt (ebd.). Im März 1968 erhängte er sich in einem Wald in der Nähe Brünns (Dvořáková 2004, S. 243). Kaplan 1993, S. 213. Vgl. Kaplan 1999 und Dvořáková 2007. U. a. SÚA, f. 100/36, sv. 144-4-3414, Hlášení z MVO pro MV z 08.07.1946 und sv. 143-2, zpráva o JUDr. Vilinském z 30.09.1948, S. 279.

1951-1955: Außerhalb des Aktionszentrums

91

Er gab jedoch weiter Berichte als V-101 (z. B. im Januar/Februar 1949 über kirchliche Beratungen und am 13. Dezember 1949 über Meinungen zu Tito).413 In den Jahren 1951 bis 1954 betrafen seine Informationen das Gebiet der inneren Berichterstattung, seine Nachrichten waren jedoch nicht mehr konkret und er stellte sie nur unter der Bedingung zur Verfügung, daß er Abteilungsleiter in einem der wichtigen Ministerien werde. Die Aussage von Čársky, daß Vilinskij, nachdem er das Unifizierungsministerium verlassen hatte, den Kampf mit der Spionage des Vatikans zum Auftrag gehabt habe und im Außenministerium arbeitete, konnte auf der Grundlage der Quellen nicht verifiziert werden.414 1954 wurde er als Agent von dem für die Eisenbahn zuständigen Sachbereich übernommen – diese letzte Zusammenarbeit war allerdings nur vorgetäuscht, damit er keinen Verdacht schöpfte, daß er selbst ‚bearbeitet‘ wird, weil man ihn der Tätigkeit für die deutsche Abwehr verdächtigte.415 Laut Čárský habe die Staatssicherheit festgestellt, daß er für beide Seiten Spionage betreibe – beide Seiten, das wären seinen Ausführungen zufolge die Kommunisten und der Vatikan (d. h. nicht die Deutschen).416 Vilinskijs weiterer Weg liegt sehr im Dunkeln. In der ersten Hälfte der 1950er Jahre fertigte er mehrere Übersetzungen aus dem Russischen an. Das Průmyslové vydavatelství [der Industrieverlag] gab 1952 eine auf fünf Bände gekürzte Übersetzung des im Russischen zwölfbändigen Werkes über die Technologija proizvodstva mašin [Technologie des Maschinenbaus] heraus. Nachdem ein Kollektiv der Vereinigung der Kriegsopfer bereits den ersten Band übersetzt hatte, wirkte Vilinskij an dem zweiten und dritten Band als Übersetzer mit. Er befaßte sich mit dem Gießereiwesen und dem Schmieden und Pressen. Das Werk sollte, wie es im Vorwort zum ersten Teil heißt, dazu dienen, die Bruderhilfe der erfolgreichen sowjetischen Techniker zu nutzen und aus den reichen Erfahrungen des Sowjetvolkes zu lernen.417 413

414

415 416

417

Kaplan 1997, S. 442 und Žáček 2006, S. 108. Da Vilinskij auch „25 Kronen neuer Währung“ als Vergütung erhielt, muß er noch nach der Währungreform am 30. Mai 1953 berichtet haben (AMV, a. č. 87145, osobní spisový svazek KARGER). Das letzte belegte Treffen mit Pokorný kann nicht am 16. September 1954 stattgefunden haben (Žáček 2006, S. 111), weil sich Pokorný zu dieser Zeit bereits in Untersuchungshaft befand. Čársky 2003, S. 62. Auch Žáček äußert die Vermutung, daß Vilinskij 1951 in die romanische Abteilung des Außenministeriums eingestellt worden sei (Žáček 2006, S. 111). Zumindest verfügte Vilinskij über ausgezeichnete Informationen aus dem Vatikan, so daß er zum Beispiel besser als der Prager Erzbischof Josef Beran zwischen der persönlichen Meinung des Papstes und dessen Umgebung differenzieren konnte (vgl. Hrabovec, Emilia: Die Tschechoslowakei und der Heilige Stuhl 1945-1948: Einige Aspekte eines schwierigen Verhältnisses, in: Mueller, Wolfgang/Portmann, Michael [Hgg.]: Osteuropa vom Weltkrieg bis zur Wende, Wien 2007, S. 99-130, hier: S. 120). Zudem reiste er 1947 zusammen mit Pietor nach Rom, London, Brüssel. Diese Reisen organisierte er und nutzte sie zu Treffen, die diplomatische Verwicklungen nach sich zogen (vgl. Žáček 2006, S. 105). Dvořáková 2004, S. 257. Čárský 2003, S. 62. Bystrov stellt zudem die Hypothese auf, daß Vilinskij sich mit dem Wissen des katholischen Klerus auf die Zusammenarbeit mit dem kommunistischen Nachrichtendienst eingelassen habe (Bystrov 1999, S. 234). Redakce: Předmluva k českému vydání, in: Technologie strojírenské výroby. Díl I. Montáž strojů, svařování, nýtování, Praha 1952, S. VIII.

92

Teil 1 – Leben

Einem ähnlichen Zweck diente sicherlich die für technische Kader im Hüttenwesen bestimmte Übersetzung des Werkes Práce mistra u vysoké pece [Die Arbeit des Meisters am Hochofen], die Vilinskij ebenfalls 1952 anfertigte. Unter dem Titel Mezi Papuánci [Unter Papuas] folgte im Jahre 1954 eine Kompilation des Werkes von N. N. Miklucho-Maklaj. Diese Auswahl aus dem zweibändigen Sobranie sočinenij [Gesammelte Werke] des Ethnographen und Anthropologen, das vier Jahre zuvor im Verlag der Akademie der Wissenschaften der UdSSR erschienen war, wurde von Vilinskij zusammengestellt und übersetzt. Der Autor des Vorwortes, Antonín Horský, stilisiert Miklucho-Maklaj zu einem Helden leninistisch-stalinistischer Prägung, der viel besser als alle angelsächsischen Kolonisatoren gewesen sei, weil er sich durch ein großes Verständnis für die Eingeborenen ausgezeichnet habe. Er habe den Papuas geholfen, sie geheilt und gelehrt und sollte deshalb ein Vorbild für alle Sowjetrussen abgeben.418 Diese Übersetzung ist das letzte Lebenszeichen Vilinskijs, das mir zugänglich war.

Selbstmord Valerij Sergeevič Vilinskij beging am 10. oder 11. Mai 1955 in Prag Selbstmord durch Erschießen.419 Die einzige konkrete Angabe dazu findet sich bei Čársky, der zwar nicht in allen Punkten ein zuverlässiger Zeuge ist, hier allerdings zu wissen scheint, wovon er redet: Naša štátna bezpečnosť […] v jeden utorok rozhodla, že Vilinskij bude v piatok uväznený a popravený. Jemu sa to však tiež donieslo, do piatku nečakal a zastrelil sa vo svojom byte. Tak skončila životná púť jedného dobrodruha.420 Unsere Staatssicherheit […] beschloß an einem Dienstag, daß Vilinskij am Freitag inhaftiert und hingerichtet wird. Ihm wurde das jedoch ebenfalls zugetragen, er wartete nicht bis Freitag und erschoß sich in seiner Wohnung. So endete der Lebensweg eines Abenteurers.

Für seinen Vater fand fünf Jahre zuvor im Prager Krematorium (Strašnice) eine Trauerfeier nach orthodoxem Ritus statt.421 Er wurde anschließend auf dem Zweiten Friedhof von Prag-Olšany beigesetzt. Auch der Sohn wurde dort bestattet. Die 418 419

420

421

Horský, Antonín: [Vorwort], in: Miklucho-Maklaj, N. N.: Mezí Papuánci, Praha 1954, S. 5f. Dvořáková 2004, S. 266. Als Datum wird in seiner Akte der 10. Mai angegeben (AMV, a. č. 87145, osobní spisový svazek KARGER). Zahradníková nennt hingegen als Todesdatum den 11. Mai (Zahradníková 1993, S. 20). Der Versuch der Verifizierung beim Zentralen Einwohnerregister, das dem Innenministerium der ČR angegliedert ist, wurde am 10. Mai 2001 von dem Leiter der 11. Abteilung, Ing. Antonín Rak, aus angeblich datenschutzrechtlichen Gründen zurückgewiesen. Čársky 2003, S. 62. Leider hilft diese konkrete Angabe der Wochentage nicht weiter bei der Suche nach dem konkreten Datum, weil der 10. bzw. 11. Mai 1955 auf einen Mittwoch bzw. Donnerstag gefallen sind, also beide zwischen Dienstag und Freitag liegen. Zeitungsartikel LN 18.01.1950 (Archiv AV, fond SÚ, P 1 Soupis slovanských odborníků [Slovník slavistů]) und Todesanzeige (Archiv MU, 234/4382).

1951-1955: Außerhalb des Aktionszentrums

93

genaue Grabstätte ist in beiden Fällen nicht mehr bekannt.422 Er hinterließ zwei Kinder, die nach 1941 geboren sein müssen, denn in den polizeilichen Fragebögen tauchten sie zuvor nicht auf.423 Den einzigen Hinweis auf ihre Existenz habe ich in der Todesanzeige für den (Groß-)Vater aus dem Jahre 1950 gefunden. Es handelt sich um die ältere Tochter Rita-Marie und den Sohn Sergij.424 Was aus Frau und Kindern geworden ist, konnte ich nicht herausfinden. Als Grund für den Selbstmord Vilinskijs bieten sich vier Erklärungen an. Die erste stammt von Čársky und wurde bereits zitiert. Es stellt sich die Frage, ob man in diesem Falle überhaupt von einem ‚richtigen‘ Selbstmord sprechen kann, oder ob Vilinskij nicht absichtlich zugetragen worden ist, daß seine Hinrichtung – ohne Prozeß – bevorsteht, damit sich die Staatssicherheit nicht selbst die Finger schmutzig machen muß. Den neuen Waffenschein hatte sie ihm zuvor bereitwillig ausgestellt. Neben dieser naheliegenden Erklärung, die den Selbstmord als Augenblicksreaktion zeigt, sollen hier als kleiner Beitrag zu seinem Psychogramm noch drei weitere Erklärungsmöglichkeiten gedanklich verfolgt werden, denn einerseits hätte er, statt sich umzubringen, versuchen können zu fliehen oder unterzutauchen, andererseits kann zu diesem Zeitpunkt der Entschluß zum Selbstmord bereits innerlich herangereift gewesen sein, so daß die Information nur der letzte Auslöser war, ihn in die Tat umzusetzen. Erstens kann nicht a priori ausgeschlossen werden, daß sein Gewissen doch noch erwacht ist. Diese Möglichkeit gestand er zwanzig Jahre zuvor Opperput und Jakušev, zwei sowjetischen Provokateuren zu, über deren Inneres er spekulierte: […] brzy se vpravili do nových poměrů, byli snad dokonce zaujati kouzlem nebezpečné hry, pocitem své démoničnosti, své síly a moci. Ale časem se mohl v nich ozvati hlas svědomí, etický cit, soustrast nebo lítost.425 […] schnell begaben sie sich in die neuen Verhältnisse, sie waren wahrscheinlich letzten Endes eingenommen von dem Zauber des gefährlichen Spiels, dem Gefühl ihrer Dämonizität, ihrer Stärke und Macht. Aber mit der Zeit konnte sich bei ihnen die Stimme des Gewissens melden, ein ethisches Gefühl, Mitleid oder Reue.

In den Prozessen zu Beginn der 1950er Jahre wurden viele kirchliche Würdenträger, mit denen Vilinskij in den 30er Jahren zusammengearbeitet hatte (u. a. der Dominikaner Braito), zu hohen Haftstrafen verurteilt. Im Juni 1956 waren 433 Kirchenleute inhaftiert, von denen 383 wegen Hochverrats verurteilt worden sind, 422

423 424 425

Ein Verzeichnis der in der russisch-orthodoxen Abteilung des Olšaner Friedhofs in Prag Beigesetzten, das V. A. Gavrinev zusammengestellt hat, gibt nur allgemein an, daß sie auf dem Zweiten städtischen Friedhof von Olšany begraben seien. Hier findet sich auch wieder das falsche Todesjahr des Vaters (1952) (Gavrinev, Vladimir A.: Russkij nekropoľ. Spisok memoriaľnych zachoronenij starogo russkogo kladbišča na Oľšanach, in: Dobuševa/Krymova [Hgg.] 2008, S. 433-452, hier: S. 438). SÚA, PŘ 1941-50, balík V 6982. Archiv MU, 234/4382 und C fot III-11. V Rusku boj trvá … 1933, S. 212.

94

Teil 1 – Leben

39 von ihnen zu mehr als 20 Jahren Haft.426 Ebenso müßten die brutalen Urteile der politischen Prozesse jener Zeit427 und die weitere politische Entwicklung Zweifel darüber ausgelöst haben, ob es richtig gewesen ist, den Kommunisten so gute Zuarbeit zu leisten. Diese Variante würde ihn zwar moralisch etwas rehabilitieren, scheint allerdings nicht sehr wahrscheinlich, denn man kann den erhaltenen Meldungen keinerlei Hinweis darauf entnehmen, daß er ein schlechtes Gewissen gehabt hat oder daß er nur halbherzig berichtete, um bestimmte Personen zu schützen. Die Diensteifrigkeit, mit der er zwischen Demokratischer Partei, Gottwald und ‚Burg‘ die Informationen kanalisierte, läßt eher darauf schließen, daß es ihm Freude bereitete, nicht nur mitten im Geschehen zu stehen, sondern es auch noch durch eigene Weichenstellungen beeinflussen zu können. Alles, was er tat, tat er mit ganzer Kraft und voller Aktion. In seinem Falle kann man nur schwer von einer fehlgeleiteten Loyalität sprechen oder davon, daß er nur Befehle ausgeführt habe. Es trifft vielmehr das Gegenteil zu, denn in vielen Fällen ging von ihm selbst die Initiative aus. Er hat nicht reagiert, sondern agiert. Das Selbstbewußtsein, mit dem er den Kommunisten bestimmte Empfehlungen erteilte, zeigt ihn auch nicht in der Rolle dessen, der erpreßbar war, weil er mit den Deutschen kollaboriert hatte, oder der sich unter Druck befand und sich deshalb auf etwas eingelassen hat, das er wider Willen tat, um zu überleben. Er erscheint vielmehr recht kampfeslustig, um sich den ihm seiner Meinung nach zustehenden Platz an der Seite der Mächtigen zu sichern – darin sah er übrigens auch die grundlegende Aufgabe jeder Außenpolitik: den Staat in die Reihen der stärksten Gruppe einzugliedern.428 Von Gewissen ist da kaum etwas zu spüren. Oder verbarg er es nur unter einer harten Schale wie die Gestalt in Alfred Fuchs’ autobiographischem Roman Oltář a rotačka [Altar und Druckmaschine], die seinen späteren Decknamen KARGER als Namen trägt und ihm charakterlich verwandt scheint?429 Wählte er gar diesen Decknamen selbst, um uns diesen versteckten Hinweis auf seine Psyche zu geben? Oder war sein Führungsorgan belesen und bewies zudem Menschenkenntnis und Humor?430 Zweitens könnte man als Grund für den Selbstmord annehmen, daß er den psychischen Druck, den das Doppelleben eines jeden Agenten mit sich bringt, nicht mehr aushalten konnte. György Csepeli schreibt darüber: Ob die Taten des Spitzels ans Licht kommen oder nicht, seine Rolle ist dermaßen widersprüchlich, daß er die entstandenen psychologischen Schäden, ob er nun aus eigenem Willen oder gegen seinen Willen hineingeraten ist, nie mehr ablegen kann.431 426 427 428 429

430

431

Kaplan 1993, S. 308. Vgl. Kaplan 1994 und Kaplan/Paleček 2001. Ruská revoluce 1936, S. 90. S. das einleitende Zitat zu diesem Kapitel. Das Buch war ihm bekannt, denn er hat es rezensiert (Nový román dra Alfreda Fuchse, in: Život, Jg. 12, Nr. 13-14, 20.11.1930, S. 23f.). Bedřich Pokorný wird von seinen ehemaligen Mitarbeitern Zdeněk Lukeš und Jaroslav Pokorný tatsächlich als gebildet und belesen beschrieben (Dvořáková 2004, S. 235 und 237). Cit. nach Esterházy, Péter: Verbesserte Ausgabe, Berlin 2004, S. 147.

1951-1955: Außerhalb des Aktionszentrums

95

Dagegen läßt sich im Falle Vilinskijs einwenden, daß er immerhin seine Frau als Mitwisserin hatte, die ihm, wie wir wissen, die maschinenschriftlichen Berichte schrieb. Er hatte also eine nahe Person als Vertraute, der gegenüber er er selbst sein konnte, die er allerdings, wie wir auch wissen, mit anderen Frauen betrog. Die dritte Variante erscheint mir am wahrscheinlichsten. – Er beging Selbstmord, weil er nicht ertragen konnte, seine Position im Herzen der Macht verloren zu haben. So konnte er einerseits nicht mehr aktiv ins Geschehen eingreifen, andererseits dürfte sich auch seine materielle Lage massiv verschlechtert haben. Großartige Empfänge, Dienstauto, Auslandsreisen gehörten der Vergangenheit an, wenn er sich mit dem sowjetischen Gießereiwesen auseinandersetzen mußte. Läßt man sein Leben Revue passieren, wird deutlich, daß es ihm nur kurze Zeit das bieten konnte, was er für angemessen hielt. In den Jahren seines wahrscheinlich größten Verrats ging es ihm wirtschaftlich am besten. Weil jedoch ein Großteil der Akten vernichtet ist, muß eine der wichtigsten Fragen unbeantwortet bleiben: hat er früheren Weggefährten und Freunden geschadet?432 – Was hat er über den hohen Klerus, über die russische Emigration berichtet? Was hatte er mit den Freimaurern zu tun, außer daß sich eine Loge in der Straße befand, in der er wohnte? Hatte er gar durch sie Pietor kennengelernt, von dem bekannt war, daß er ihnen zumindest vor dem Krieg angehört hatte?433 Vilinskij stammte aus einer altehrwürdigen Familie. Aus seinem gesamten Auftreten wird deutlich, daß er sich durchaus bewußt war, daß er zur Elite gehörte. Er wollte sich nicht anpassen oder einem Kollektivismus unterordnen. Wäre es in Rußland nicht zur Revolution gekommen, hätten die Vilinskijs ihr wohlsituiertes Leben weiterführen können und immer zur besseren Hälfte der Gesellschaft gehört. Die ersten Jahre der Emigration waren zweifellos hart, obwohl die Situation der Familie in der ČSR durch die Stellung des Vaters nicht so hoffnungslos erschien wie für viele andere Emigranten. Die Gesuche des Vaters zeigen, daß auch er wußte, was seinem Sohn ‚zusteht‘. Die Entbehrungen waren groß, wozu die allgemeine Wirtschaftskrise ihr übriges tat. Vilinskij lebte gerne gut, mochte auf einen guten Wein, Zigaretten und Schnupftabak nicht verzichten,434 was er dennoch häufig mußte. Er arbeitete ununterbrochen, spielte zum Teil auch die Redaktionen gegeneinander aus, wenn es um seine Honorarforderungen ging,435 ergriff immer neue Initiativen. Es zog ihn zu den Mächtigen und dem Zentrum der Macht, d. h. nach Prag, am liebsten ins Außenministerium.436 Als er einmal dort angekommen war – nicht direkt 432

433 434

435

436

Die Frage, ob er in der Lage wäre, Šrobár, höhere kirchliche Amtsträger oder die hohe Reaktion „‚přivést do neštěstí‘“ [‚ins Unglück zu stürzen‘] – soweit war sich die Staatssicherheit ihres Tuns bewußt –, verneinte Třískalová 1949 (Žáček 2006, S. 109). Letz 2006, S. 19. Vgl. u. a. Slovenský Athos, in: Hlas, Jg. 60, Nr. 4517, 15.08.1933, S. 4 und Jurák 1932. Schnupftabak lebenslänglich forderte er als Gegenleistung für eine russische Bibel (Brief Vilinskijs an Jemelka vom 20. Februar 1930 [ZAO, fond ACM, karton 3 – Briefe 1932]). Brief Zemeks an Vrzal vom 20. März 1930 (MZA, fond E 6 Benediktýni Rajhrad – Karton 237, Dn 23/2). Briefe Vilinskijs an Papoušek vom 31. März 1930 (Vojenský historický archiv, Praha, fond

96

Teil 1 – Leben

im Außenministerium, aber immerhin im staatlichen Nachrichtendienst, baute er die Kontakte, die er als Journalist gesammelt hatte, aus, tastete sich in immer höhere Ebenen vor. In der Tschechoslowakei spielte seine bessarabisch-adelige Herkunft keine Rolle. Was er erreichte, war sein eigenes Verdienst. Und er erreichte viel. Umso tiefer fiel er und umso unerträglicher wird dieser Fall für ihn gewesen sein. Die „angeblich existentiellen Gründe“,437 die in einer Aussage auftauchen, können allenfalls in diesem Sinne verstanden werden. Ihn selbst beim Wort seiner frühen Schriften zu nehmen, scheint nach der weiteren Entwicklung nicht ganz angebracht. Dort ist zum Beispiel zu lesen: Vnější blahobyt neznamená nic, není-li současně posvěcen vnitřním klidem naší duše; žádné materielní blaho nepřinese nám štěstí, opravdové štěstí dá jen vnitřní obrození a jistota, že svým životem plníme přikázání Páně. Jakmile jsme našli příčinu zla, musíme se snažití o nápravu. To nám poroučí Bůh, to nám přikazuje i vlastní zájem a povinná odpovědnost před budoucím pokolením, jemuž bychom jinak neodkázali nic jiného, než mravní zpustošení a duchovní bídu.438 Äußerer Wohlstand heißt nichts, wenn er nicht gleichzeitig mit der inneren Ruhe unserer Seele gesegnet ist; kein materielles Wohl bringt uns Glück, wahres Glück gibt allein die innere Erneuerung und die Sicherheit, daß wir mit unserem Leben die Gebote des Herrn erfüllen. In dem Moment, in dem wir die Ursache des Bösen gefunden haben, müssen wir uns um Korrektur bemühen. Das gibt uns Gott auf und das befiehlt uns auch unser eigenes Interesse und die pflichtmäßige Verantwortung gegenüber der künftigen Generation, der wir sonst nichts anderes als eine moralische Wüstenei und geistige Armut hinterlassen würden. […] в этических областях никакие компромиссы принципиально недопустимы. У религиозно и церковно мыслящего человека не может быть союзников, стоящих на другой стороне берега, его союзники необходимо должны быть полными, единомыленниками.439

Auf ethischen Gebieten sind prinzipiell keinerlei Kompromisse zulässig. Ein religiös oder kirchlich denkender Mensch kann keinen Verbündeten haben, der auf der anderen Seite des Ufers steht, seine Verbündeten müssen notwendig Ganze, Gleichgesinnte sein.

Das schrieb er in den Jahren, als es ihm materiell nicht gut ging und er noch an höhere Ideale glaubte. Nach den vorhandenen Unterlagen kann man als unwahrscheinlich ausschließen, daß der Grund für den Selbstmord darin zu suchen ist, daß er sich einer Ideologie hingegeben hatte, die ihn enttäuschte. In den politischen Fragen erscheint er nicht als ‚Überzeugungstäter‘, sonst hätte er weder in den beiden sich ablösenden Diktaturen jeweils als Agent tätig sein, noch als Doppelagent wirken können.

437 438 439

Papoušek, Jaroslav) und an Jemelka vom 24. September 1931 (ZAO, fond ACM, karton 3 – Briefe 1932). Dvořáková 2004, S. 266. Ruský národ a sjednocení církví 1928, S. 44. Social’naja programma slavjanstva, in: Kitež, Jg. 5, Nr. 3, 1931, S. 94-102, hier: S. 100.

1951-1955: Außerhalb des Aktionszentrums

97

Ende der Emigrantenkommune Reiner Karrierismus, purer Opportunismus und eine nicht zu unterschätzende Lust an Konspiration, Intrigen und Abenteuern scheinen also zusammen die Antwort auf die grundlegende Frage zu bilden, wie es dazu kommen konnte, daß ein Flüchtling vor dem kommunistischen Regime in Sowjetrußland, der sich zudem intensiv und kritisch mit der Revolution und den Verfolgungen in Rußland auseinandergesetzt hat, zunächst mit den Vertretern der deutschen Diktatur und darauf mit russischen, tschechischen und slowakischen Kommunisten konspirativ zusammenarbeiten konnte. Er ist zwar offiziell noch als ‚Kind‘ mit den Eltern geflohen, war aber doch bereits ein selbständig denkender Student. Für Vilinskij bestand ganz offensichtlich das „paradoxe Dilemma“440 nicht, dem sich die anderen Emigranten ausgesetzt sahen, als erst die Deutschen, dann die Sowjets das Land besetzten. Er litt nicht unter dem Protektorat,441 was naheliegend gewesen wäre, weil die Zeitschriften, für die er zuvor schrieb, nicht mehr erscheinen durften, keine Kongresse in Velehrad mehr stattfinden konnten und bekennende Russen für die Deutschen potentielle Feinde darstellten. Deshalb konnten ihm zu Kriegsende die Sowjetrussen auch nicht als ersehnte Befreier erscheinen. Warum unterschied sich sein Schicksal so grundlegend von dem der anderen Emigranten? War er so sehr Immigrant, daß die Deutschen ihn nicht mehr mit den Russen identifizierten? Allerdings wurden auch alle anderen, die bereits vor dem Krieg die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft erhalten hatten, als verräterische Emigranten behandelt. Den meisten von ihnen erging es schlecht, wenn ihnen nicht noch die Flucht weiter gen Westen gelang. Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten in Deutschland wuchs die Angst vor einem Krieg, die Emigranten mußten sich mit der sie umgebenden politischen Lage beschäftigen. Die Frage, wie man sich in einer Kriegssituation verhalten sollte, wurde sehr unterschiedlich beurteilt: ein Teil der Eurasier unterstützte die tschechischrussische Annäherung,442 Denikin wies dagegen auf einer Vortragstour durch Europa eindringlich darauf hin, daß es eine große Illusion sei zu glauben, daß die Zusammenarbeit mit der Sowjetunion dem Frieden diene, denn die Bolschewiki würden nur auf den Krieg warten, auf den sie zuarbeiteten.443 Er zeigte kein Verständnis für die Annäherung der Tschechoslowakei und Frankreichs an die Sowjetunion ab Mitte der 1930er Jahre, denn durch ihre Konsolidierung wurde die kommunistische Regierung nicht annehmbarer. Sládek stellt ergänzend dazu fest, daß sich nicht nur die hohe Politik, sondern auch russische Emigranten von der demonstrierten Stärke der 440 441

442 443

Schlögel 1994, S. 16. Sieht man einmal von einem Miniprozeß ab, der ihn ereilte, weil er am 5. Dezember 1941, 0.45 Uhr von einem Polizeiwachtmann mit nicht verdunkelter Taschenlampe erwischt worden ist und sich nicht einsichtig zeigte (SÚA, PŘ 1941-50, balík V 6982). Sládek 1993, S. 10. Veber, Václav: Emigranti z Ruska a 30. léta, in: Veber, Václav a kol.: Ruská a ukrajinská emigrace v ČSR v letech 1918-1945. Sborník studií, sv. 3, Praha 1995, S. 7-13, hier: S. 9.

98

Teil 1 – Leben

Sowjetunion täuschen ließen. Obwohl es seit der Revolution, dem Auslöser der Flüchtlingsbewegung, zu keinen grundsätzlichen Veränderungen des sowjetischen Systems gekommen war, begann in den 30er Jahren die Zusammenarbeit russischer Emigranten mit dem sowjetischen Geheimdienst zu blühen. Sládek erklärt dies mit den immer komplizierter werdenden Existenzbedingungen und den sozialen Problemen, mit denen die Emigranten zu kämpfen hatten.444 Nach dem Münchner Abkommen verließen viele Russen auf eigenen Wunsch die ČSR,445 denn Hitler war den russischen Emigranten gegenüber (nicht nur denen in Deutschland) betont negativ eingestellt.446 Ein Beispiel dafür, daß die Nationalsozialisten die russischen Emigranten als ideologische Gefahr ansahen, liefert Losskij. Nachdem die Nationalsozialisten die Slavische Bibliothek in Prag übernommen hatten, gaben sie den Befehl heraus, daß aus ihr kein russisches Buch ausgehändigt werden dürfe, das nach 1900 gedruckt worden ist. Ausgaben, die vor 1900 erschienen waren, durften unter Umständen in den Räumen der Bibliothek eingesehen werden – nach begründetem Antrag, für welche wissenschaftliche Arbeit sie benötigt wurden. Losskij betrat die Bibliothek seit diesem Tag nicht mehr.447 Einzelne Vertreter, die – wie Graf Dolgorukov – blieben, suchten Kontakt zu der neuen politischen Macht, nicht um ihr zu dienen, sondern um den Emigranten das Überleben zu sichern. Sie erwogen die durch die Errichtung des Protektorats und des Slowakischen Staates geschaffene neue Realität und entschieden sich, unter ihren Bedingungen zu leben. Politisch wurden sie immer weniger aktiv und warteten mit Befürchtungen den Ausgang des Krieges ab. Politische Richtungsstreitigkeiten wurden durch das Interesse für die reale politische Lage verdrängt, von der ihr Schicksal abhing.448 Während des Zweiten Weltkrieges wurden viele Russen zur Zwangsarbeit nach Deutschland deportiert. Wer noch die sowjetische Staatsbürgerschaft hatte, mußte nach dem Überfall Deutschlands auf die Sowjetunion 1941 mit seiner Inhaftierung rechnen.449 Viele der russischen Zwangsarbeiter und Häftlinge wurden 1945 von Deutschland aus direkt in sowjetische Arbeitslager verbracht. Aber auch wenn ihnen die Rückkehr in die Tschechoslowakei gelang, waren sie noch nicht gerettet, denn dort waren ebenfalls die sowjetischen Repatriierungsgruppen sehr aktiv, wobei sich die Repatriierung eben meist als direkte Fahrt nach Sibirien erwies.450 444 445 446

447 448 449

450

Sládek 1991, S. 33. Raeff 1990, S. 39. Rimscha, Hans v.: Die Entwicklung der rußländischen Emigration nach dem Zweiten Weltkrieg (1. Teil), in: Europa-Archiv, Jg. 7, Nr. 16, 1952, S. 5103-5112, hier: S. 5103. Losskij 1968, S. 280. Veber 1995, S. 11. So erging es z. B. Bulgakov, der bis 1945 im Schloß Wülzburg in Bayern festgehalten wurde (Vaněčková, Galina: Ličnosť Valentina Fedoroviča Bulgakova, in: dies. [Hg.]/Bulgakov, Valentin: Slovar’ russkich zarubežnych pisatelej [1940], New York 1992, S. XXIVff.). Kalinovska, Vera Fyodorovna: A Lonely Exile, in: Stone/Glenny (Hgg.) 1990, S. 256-259, hier: S. 257f.; Glenny 1995, S. 162 und Raev 1994, S. 263 [Anm.]. Nicht nur die, die sich in den von den Sowjets besetzten Gebieten befanden, mußten mit diesem Schicksal rechnen.

1951-1955: Außerhalb des Aktionszentrums

99

Mit dem Einmarsch der Sowjetarmee in Prag 1945 endete definitiv die Tätigkeit der Reste der russischen Emigrantenkommune.451 Besonders für die russischen Emigranten in Prag, die mit Literatur zu tun hatten, gestaltete sich das Kriegsende als tragisch. Sie wurden in großem Umfang inhaftiert, ausgewiesen, in die Sowjetunion gebracht, wenn es ihnen nicht gelungen war, noch rechtzeitig in den Westen zu fliehen. Magerovskij gelang die Flucht,452 Dolgorukov, Savickij, Postnikov und Bobrovskij wurden eingesperrt,453 Bém wurde nach der Besetzung Prags durch die Rote Armee inhaftiert und erschossen.454 Das Schicksal vieler anderer ist bislang unbekannt. Allein zwischen dem 11. und 31. Mai 1945 wurden 100 tschechoslowakische Bürger russischer Abstammung in die Sowjetunion verschleppt, insgesamt waren es in den ersten Nachkriegsjahren Zehntausende.455 Eine fatal gute Grundlage für das Vorgehen der Sowjets gegen ehemalige Russen bildete das ihnen überlassene Russische historische Auslandsarchiv, denn sie interessierte nicht deren etwaige Zusammenarbeit mit den Deutschen, sondern ihre politische und öffentliche Tätigkeit während ihres Lebens in der Emigration. Zahlreiche Emigranten, die im Lehrbetrieb tätig waren, wurden in den Ruhestand versetzt und durften ihren Aufenthaltsort nicht verlassen.456 Die Russisten unter ihnen genossen eine etwas bessere Stellung, denn wenn sie Glück hatten, wurden zumindest ihre sprachlichen Kompetenzen noch zum Lehren des Russischen genutzt. An tschechischen Hochschulen durften sie direkt nach 1945 aber auch nicht lesen.457

Russisch-orthodoxe Kirche im Ausland und die Diktaturen Für viele russische Emigranten bildete die Zugehörigkeit zur orthodoxen Kirche die Grundlage für ihre nationale Identität. Deshalb scheint es nicht uninteressant, einen kurzen Blick darauf zu werfen, wie sich die Kirchenführung im Ausland gegenüber den Diktatoren verhielt. Sie lieferte eine vollkommen unrealistische Einschätzung der politischen Lage, wenn man bedenkt, was gerade über das Ende der Emigrantenkommune gesagt worden ist. Bischof Tichon in Berlin bezeichnete den Tag der Machtübernahme der Nationalsozialisten als „Feiertag auch für die in Deutschland

451 452

453

454 455

456 457

Auch die anderen Alliierten lieferten Tausende Russen an die SU aus und trieben sie damit in den sicheren Tod (v. Rimscha 1952, S. 5104). Chinyaeva 1993, S. 23. Magerovskij floh 1945 aus Prag und baute ab 1947 das russische Archiv der Columbia University in New York auf (Bystrov 1999, S. 130). Struve, G. (Vil’danova, R. I./Kudrjavcev, V. B./Lappo-Danilevskij, K. Ju. [Hgg.]): Russkaja literatura v izgnanii. Kratkij biografičeskij slovar’ russkogo zarubež’ja, Paris/Moskau 31996 (New York 11956), S. 256. Michajlov 1995, S. 77. Bystrov, Vladimír: Únosy československých občanů do Sovětského svazu v letech 1945-1955, Praha 2003, S. 56 und 229. Struve 31996, S. 256. Šimeček 1993, S. 27f.

100

Teil 1 – Leben

wohnenden Russen“ und Berberova beschreibt, daß die Einnahme Berlins durch die Rote Armee 1945 einigen Emigranten als Anlaß diente, auf Stalins Gesundheit zu trinken.458 Während in dem von den Deutschen besetzten Prag die Rolle der russischen orthodoxen Kirche als geistiger Gegenpol wuchs, verlor sie nach dem Krieg jegliche Kraft, die den in Prag verbliebenen Russen hätte inneren Halt gewähren können. Als mit der Errichtung des Protektorats das reiche gesellschaftliche Leben der Emigranten fast gänzlich zum Erliegen kam, konnte allein die russisch-orthodoxe Kirche weiterbestehen. Auch nachdem die tschechisch-orthodoxe Kirche verboten worden war, weil sich in ihrer Krypta die Attentäter auf Heydrich versteckt gehalten hatten, wurde die russische Kirche nicht daran gehindert, weiter ihren Aufgaben nachzugehen.459 Vor dem Krieg stand sie unter der Jurisdiktion des Patriarchen von Konstantinopel, des Hauptes der russischen orthodoxen Kirche im Ausland mit Sitz in Paris, Evlogij. Als dieser freiwillig unter Idealisierung der wahren Verhältnisse in der Sowjetunion und unter neuen nationalen Hoffnungen, die durch den Kriegsausgang bestimmt waren, unter die Fittiche des Moskauer Patriarchats zurückkehrte, unterstellte er damit auch die Geistlichen in der Tschechoslowakei dem Moskauer Patriarchat. Nur ein einziger der in der Tschechoslowakei wirkenden russischen orthodoxen Priester konnte in Prag bleiben (dessen Sohn allerdings nicht aus der Gefangenschaft zurückkehrte), ansonsten wurden neue Priester aus der Sowjetunion in die ČSR geschickt. Da sie häufig die Kirchenordnung nicht richtig kannten, des Kirchenslavischen nicht mächtig und mit dem Ritus nicht vertraut waren, kurz, es ihnen an (religiöser) Bildung fehlte, stießen sie auf eine Mauer von Mißtrauen. Das war nicht unberechtigt, denn Moskau schickte allein nach ideologischen Kriterien überprüfte Vertreter ins Ausland. Dadurch verlor die Kirche ihren Charakter eines Zentrums für das geistige Leben und für menschliche Kontakte.460 Mit dem unbegründet wohlwollenden Verhalten der Hierarchie gegenüber den Diktatoren löste sich das letzte Band zwischen den verbliebenen Emigranten. Es gab keine gemeinsame Vertrauensbasis mehr, sondern sie waren mehr und mehr einzeln ihrem Schicksal ausgeliefert. 1951 übernahm die orthodoxe autokephale Kirche der Tschechoslowakei alle Gemeinden auf tschechoslowakischem Boden, deren Zahl durch Zwangsbekehrung der Unierten angewachsen war.461 Der Vater Vilinskij kommentierte das Verhalten der orthodoxen Kirche auf ganz eigene Art. Jiří Kratochvil schreibt über ihn: 458

459

460 461

Schlögel, Karl: Berlin: „Stiefmutter unter den russischen Städten“, in: Schlögel (Hg.) 1994, S. 234259, hier: S. 247 und Berberova 1994, S. 301 und 321. Kopřivová-Vukolová, Anastasie: Osudy ruské emigrace v ČSR po r. 1945, in: Veber (Hg.) 1993, S. 80-94, hier: S. 80f. Kopřivová-Vukolová 1993, S. 90f. Seide, Gernot: Geschichte der Russischen Orthodoxen Kirche im Ausland von der Gründung bis zur Gegenwart, Wiesbaden 1983, S. 182 und Struve, Nikita: Die Christen in der UdSSR, Mainz 1965, S. 112.

1951-1955: Außerhalb des Aktionszentrums

101

[…] pamatuju Sergeje Vilinského, který měl tenkrát své znamenité místo v hierarchii brněnských štatlařů. Ale jak ten nenáviděl komunisty! Byl autorem ústním podáním šířené kulinářské příručky ‚827 způsobů, jak chutně připravit biskupa z komunistického papaláše‘.462 […] ich erinnere Sergej Vilinskij, der zu dieser Zeit seinen bedeutenden Platz in der Hierarchie der Brünner Stadtbummler einnahm. Aber wie der die Kommunisten haßte! Er war der Verfasser des mündlich tradierten kulinarischen Handbuches ‚827 Arten, wie man wohlschmeckend einen Bischof aus einem kommunistischen Quatschkopf zubereitet‘.

Der bittere Unterton ist dabei nicht zu überhören.463 Obwohl Sergij Grigor’evič in der Universitätshierarchie aufstieg, während andere kompromißlos ihren Platz räumen mußten (bei der Schließung der Hochschule 1942 war er allerdings mit von den allgemeinen Kündigungen betroffen gewesen464), änderte sich nichts an seiner Einstellung gegenüber den Kommunisten, wegen derer er seine Heimat verlassen hatte. Im November 1945 wurde er zum ordentlichen Professor ernannt, nachdem bestätigt worden war, daß staatlicher- und politischerseits keine Einwände gegen ihn als Professor vorliegen.465 Wie Julius Dolanský in seinem Nachruf schreibt, war er ein stiller und ernster Wissenschaftler, der nicht viel in die Öffentlichkeit trat, sondern sich lieber seiner akademischen Tätigkeit widmete. Nachdem er 1948 formal in den Ruhestand getreten war, lehrte er noch bis Ende November 1949 weiter.466 Er hielt sich weitgehend von dem institutionalisierten akademischen Leben fern467 und suchte seine Öffentlichkeit lieber unter den Flaneuren. Seit 1942 hatte er keinen festen Wohnsitz mehr.468 Wie zu sehen war, kann man von dem Verhalten des Vaters keine Rückschlüsse auf das des Sohnes ziehen. Es scheint jedoch wahrscheinlich, daß der Vater in seinen letzten Lebensjahren durch die Agententätigkeit des Sohnes eine gewisse Narrenfreiheit genoß. Vilinskijs Schreiben begann unter der Anleitung des Vaters mit dem Abschreiben alter Handschriften und es endete mit dem Verfassen von Spitzelberichten. Da462 463

464

465

466

467

468

Kratochvil, Jiří: Vroucně nenávidím, in: Lidové noviny, 05.03.2001. In diesem Zusammenhang grenzt es an Boshaftigkeit, daß auch sein Vorname als Deckname für den Agenten-Sohn herhalten mußte. Lösung des Dienstverhältnisses durch die Landesbehörde in Brünn vom 23. Februar 1942 (Archiv MU, 234/4382). Bestätigung des Zemský národní výbor v Brně vom 19. November 1945 (Archiv MU, 234/4382). Zeitungsartikel LN 18.01.1950 (Archiv AV, fond SÚ, P 1 Soupis slovanských odborníků [Slovník slavistů]). Er spielte im Slovanský ústav tatsächlich keine bzw. nur eine ganz marginale Rolle (Archiv AV, fond SÚ). Er bezeichnete sich selbst als „bezdomný“ [obdachlos], weil er im Zusammenhang mit seiner Kündigung 1942 gezwungen war, seine Wohnung in einem staatlichen Haus zu verlassen. Eine neue Wohnung erhielt er nicht, weshalb er teilweise mit in Prag bei seinem Sohn und teilweise zur Untermiete oder im Hotel in Brünn wohnte (Brief S. G. Vilinskijs an Zemský národní výbor vom 7. Juli 1947 [Archiv MU, 234/4382]).

102

Teil 1 – Leben

zwischen entstand sein umfangreiches Werk, um das es im weiteren Verlauf der Arbeit gehen wird. Die Widersprüchlichkeit des Lebens von Vilinskij kann nicht aufgelöst werden, noch steht uns eine Be- oder gar Verurteilung seiner Biographie zu. Allerdings wirft diese Biographie einen großen Schatten auf sein Werk. Wie steht es um die Glaubwürdigkeit oder, anders formuliert, um die eigene existentielle Betroffenheit? Kann man die Schriften aus den 1930er Jahren überhaupt noch ernst nehmen, wenn man weiß, wie sich deren Verfasser in den Folgejahren verhielt? Sicher, man könnte in den Texten nach Symptomen für sein späteres Verhalten suchen, was ich allerdings für sehr undankbar hielte, denn das hieße, sein Werk nur noch unter dem Vorzeichen der Biographie zu betrachten und dem Verfasser in gewisser Weise nicht zuzugestehen, daß er sich verändern kann (diese Möglichkeit muß er haben, unabhängig davon, ob wir die Veränderung gutheißen können oder nicht). Man könnte die Werke rein textimmanent untersuchen, was ihnen jedoch nicht gerecht wird, weil viele der in ihnen geäußerten Ideen mit einem hohen persönlichen Engagement des Autors einhergehen. Am ehesten ließe sich das für die belletristischen Texte durchhalten. Die unionistischen Arbeiten sind hingegen kaum denkbar ohne praktischen Gegenpol, die Anklage gegen die Verfolgungen in Rußland nicht ohne die viel beachtete Protestaktion 1930. Es ließe sich fortfahren. Man hätte die Biographie unterschlagen können, denn in bisherigen Arbeiten, in denen Vilinskij Erwähnung findet, heißt es, worauf bereits in der Einleitung hingewiesen worden ist, daß sich seine Spur Ende der 30er Jahre vollkommen verliert. Betrachten wir sie weiter als verloren und verleugnen wir seine Identität mit V-101, Karger, Sergej, Valentin und Vilda. Das hieße, sein Leben in einen moralisch guten und einen verwerflichen Teil zu gliedern und also doch die Rolle des Richters zu übernehmen. Es wird deutlich, daß sich Leben und Werk nicht trennen lassen. Vilinskij selbst trat vehement dafür ein, daß das Werk nicht unabhängig von der Person seines Autors betrachtet werden sollte und stellt uns damit als Autor mit seiner Biographie vor ein Dilemma. Es soll nun der Blick Vilinskijs Werk zugewandt werden, das vor der Zeit des Verrats an seiner neuen Heimat entstanden ist.

Teil 2 – Werk

Die Gewichtung der einzelnen Werke Vilinskijs in dieser Arbeit richtet sich nach deren Bedeutung für sein Gesamtwerk. Einige Veröffentlichungen kann man als Studien zu späteren größeren Arbeiten werten, so daß sie nur in den Punkten Berücksichtigung finden, in denen sie sich von diesen späteren Arbeiten grundlegend unterscheiden. Ähnlich steht es um die Zeitschriftenaufsätze und Zeitungsartikel, die hauptsächlich dann Beachtung finden, wenn sie neue Aspekte für die Gesamtbetrachtung liefern. Einer näheren Analyse werden unter dieser Prämisse nachfolgende Werke unterzogen: Rus se dívá na Č.S.R. [Ein Russe betrachtet die ČSR] (1931). Auch wenn dieses Werk eher essayistisch ist, kann es gut zur Klärung beitragen, unter welchen Voraussetzungen sich Vilinskij den ernsteren Fragestellungen zuwendet, welchen Erscheinungen des tschechischen kulturellen Lebens sein Interesse gilt. Als Anhänger der tschechoslowakischen Einheit hinterfragt er die einzelnen Phänomene auch daraufhin, ob sie gesamtstaatlich Bestand haben können. Mařenka chce jinou vládu [Mařenka möchte eine andere Regierung] (1933) und Praha [Prag] (1933). Diese beiden Werke gehören ebenfalls dem tschechoslowakischen Kontext an. Es handelt sich um zwei Romane, die mit schneller Feder geschrieben sind. Ihr Ziel scheint die reine Unterhaltung – erst die des Autors beim Schreiben, dann die des Lesers. In ihnen findet kein Psychologisieren statt und es wird kein großer philosophischer Entwurf präsentiert. In Praha allerdings wird der Leser wie in Rus se dívá na Č.S.R. mit dem Blick eines Fremden – jetzt selbstverständlich dem Blick der literarischen Gestalt eines Fremden – auf die zeitgenössische Tschechoslowakei konfrontiert. Gerade weil die beiden Romane ‚dem Leben‘ entnommen sind, verdienen sie Beachtung. Sie müssen sich aus sich selbst rechtfertigen und erhellen zum anderen Vilinskijs Zugang zur Literatur, wie er sich in den zahlreichen Rezensionen, die er schreibt, niederschlägt. Duch ruské církve [Der Geist der russischen Kirche] (1930) und Unionizmus [Unionismus] (1932). Diese Arbeiten setzen sich mit der religiösen Thematik auseinander. Es wird in ihnen vor allem aus philosophischer Perspektive ein historischer Überblick über die russische Kirche gegeben, um zu zeigen, was die grundlegenden Ideen der Orthodoxie sind und worin sich ihre Welt von der des Westens unterscheidet. Vilinskij untersucht das Schisma und die sich daraus ergebende eigenständige Entwicklung der Schismatiker und geht den unionistischen Bestrebungen der einzelnen Kirchen nach. Unionizmus beschäftigt sich nicht einseitig mit speziellen nationalen oder religiösen Fragen, sondern bemüht sich darum, eine Synthese der ganzen Frage zu geben – religiös, historisch und organisatorisch-praktisch.

104

Teil 2 – Werk

K slovanské otázce. Tři koncepce slovanské vzájemnosti [Zur slavischen Frage. Drei Konzeptionen der slavischen Wechselbeziehungen] (1930), V Rusku boj trvá … politické vraždy, procesy a spiknutí v SSSR [In Rußland dauert der Kampf an … politische Morde, Prozesse und Verschwörungen in der UdSSR] (1933) und Ruská revolúcia [Russische Revolution] (1936). Im Unterschied zu der religiösen Thematik der beiden vorgenannten Bücher behandeln diese drei politisch-historische Fragestellungen, auch wenn den Hintergrund der Überlegungen in K slovanské otázce die katholische Sicht des Autors bildet. Das Titelblatt ziert eine Photomontage mit den Köpfen von Kramář, Masaryk, Beneš und Lenin (dieser findet in dem Buch selbst allerdings keine Erwähnung), wodurch bereits deutlich wird, daß Vilinskij sich dieser Frage weniger historisch nähert, sondern vielmehr von dem zeitgenössischen Stand der Diskussion der slavischen Frage ausgeht. Er unterscheidet dabei drei verschiedene Herangehensweisen: eine katholische, eine demokratische und eine russophile. Findet die Auseinandersetzung mit der zeitgenössischen Politik in K slovanské otázce vor allem auf theoretischer Ebene statt, wird der Blickwinkel in V Rusku boj trvá … auf ihre Auswirkungen auf die innenpolitische Lage in Sowjetrußland verlagert. Der Zugang zu Ruská revolúcia ist im Gegensatz zu diesen beiden früheren Werken ein historischer. Vilinskij gibt für das Verständnis der Ereignisse zu Beginn des 20. Jahrhunderts einen Überblick über die Entwicklungen in Rußland ab der Zeit Alexander I., ehe er auf die Revolution und ihre Folgen selbst zu sprechen kommt.

Essayistik – Rus se dívá na Č.S.R. [Ein Russe betrachtet die ČSR] (1931)

Das Buch Rus se dívá na Č.S.R. erscheint 1931 im Verlag von Václav Petr in Prag469 und erlangt noch in demselben Jahr eine zweite Auflage. Einzelne Kapitel werden zudem in verschiedenen Zeitungen und Zeitschriften abgedruckt, wodurch der Bekanntheitsgrad wesentlich gesteigert wird.470 Das Interesse scheint aber nicht sehr anhaltend gewesen zu sein, denn bereits 1935 wurde es verbilligt angeboten.471 Das Werk umfaßt vier größere Teile, die in eine Reihe kürzerer Unterabschnitte gegliedert sind: Místo předmluvy. Rozhovor autorův s nakladatelem

Statt eines Vorwortes. Ein Gespräch des Autors mit dem Verleger

I) Pitvám Č.S.R. Sen o Č.S.R. Iluse se hroutí Hledám čsl. jednotu Slováci a Češi Slováci a princ Hamlet Je to pevná jednota? Němci Maďaři Podkarpatská Rus Židé v Č.S.R. Idea Československa

I) Ich seziere die ČSR Traum von der ČSR Die Illusion spitzt sich zu Ich suche die tschechoslowakische Einheit Die Slowaken und die Tschechen Die Slowaken und Prinz Hamlet Ist das eine feste Einheit? Die Deutschen Die Ungarn Die Karpatoukraine Die Juden in der ČSR Die Idee der Tschechoslowakei

II) Katolické ghetto Katolické ghetto Unionistický arcibiskup Apoštol posledních dob Jaroslav Durych Jakub Deml Dr. Alfred Fuchs – contra Draf Srdce Slovenska Středověký mnich Jesuité Loučíme se s ghettem

II) Das Katholische Ghetto Das Katholische Ghetto Der unionistische Erzbischof Der Apostel der letzten Stunde Jaroslav Durych Jakub Deml Dr. Alfred Fuchs – vs. Draf Das Herz der Slowakei Der mittelalterliche Mönch Die Jesuiten Wir verabschieden uns vom Ghetto

III) Bůh v Československu III) Gott in der Tschechoslowakei Československý Mahatma Gandhi Der tschechoslowakische Mahatma Gandhi 469 470

471

Alle Seitenangaben im Haupttext dieses Kapitels beziehen sich auf diese Ausgabe. In Archa wird das Buch noch mit dem syntaktisch fehlerhaften Titel Rus dívá se na ČSR angekündigt (Jg. 19, 1931, S. 211). Statt ursprünglich 20 Kčs sollte es im Moderní antikvariát české expedice nakladatelské a knihkupecké spol. s r. o., Praha II, Spálená ulice 55 nur noch 7 Kčs kosten (Werbung in: Heidenreich, Julius [Hg.]: Co číst? z literatury ruské, ukrajinské a běloruské posledních let, Praha 1935).

108

Teil 2 – Werk Puella classica Protestanté Pravoslavní Češi Církev československá Církvičky a sekty Uzdravovatelé duší a těla Češi a Bůh

IV) Češi vůbec Československá ves Češi na hřbitovech Poznámky o Češích Češi a my Kouzlo Č.S.R.

Puella classica Die Protestanten Die orthodoxen Tschechen Die Tschechoslowakische Kirche Kleine Kirchen und Sekten Heiler der Seele und des Körpers Die Tschechen und Gott IV) Die Tschechen überhaupt Das tschechoslowakische Dorf Tschechen auf den Friedhöfen Anmerkungen über die Tschechen Die Tschechen und wir Der Zauber der ČSR

Der Umschlag wird wie der von K slovanské otázce von dem avantgardistischen Photographen Josef Kaplický gestaltet. Von einem Gesichtsausschnitt in Nahaufnahme werden allein die Augen nicht durch Schrift überlagert, so daß sie den Blick des Betrachters auf sich ziehen, wodurch das Anliegen Vilinskijs unterstrichen wird. Er will kein historisches Werk schreiben, sondern das beschreiben, was mit eigenen Augen zu sehen ist. Seine Quellen stellen einerseits zahlreiche Reisen durch das Land dar, auf denen er mit vielen Menschen in Kontakt kommt und andererseits sein Interesse für die politischen und literarischen Entwicklungen. Der Schwerpunkt seiner Betrachtung liegt auf der tschechoslowakischen Einheit und religiösen Tendenzen. Wie man bereits den Kapitelüberschriften entnehmen kann, handelt es sich um eine von ihm sehr eigenwillig ausgewählte und kommentierte Bestandsaufnahme der Tschechoslowakei. Etwas anderes ist auch nicht seine Absicht, wie aus dem fingierten Gespräch am Anfang hervorgeht: „Zařadil bych do knihy jen to, co bych chtěl“ [Ich würde in das Buch nur aufnehmen, worauf ich Lust hätte]. Dieses Buch stellt einen letzten Blick des Außenstehenden dar, bevor er die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft erhält.

Das Staatsgebilde Tschechoslowakische Republik Nachdem sich Vilinskij in den ersten beiden Abschnitten zunächst selbst kurz vorstellt und mit seinem Zugang zu dem Thema vertraut macht, widmet er sich dem Zusammenleben in der Republik. Die Vorstellung der einzelnen Bevölkerungsgruppen wird eingerahmt von der „Suche nach der tschechoslowakischen Einheit“ (S. 16ff.) und der „Idee der Tschechoslowakei“ (S. 41ff.). Die beiden Hauptnationalitäten – Tschechen und Slowaken – werden abgetrennt von den anderen Nationalitäten – Deutsche, Ungarn, Karpatoukrainer und Juden (Polen werden nicht genannt472) – durch die 472

Er scheint sie nicht zu vergessen, sondern bewußt auszuklammern, denn zum Beipiel in seinem Artikel Ludová strana na rozcestí wirft er der slowakischen Volkspartei polonophile

Essayistik – Rus se dívá na Č.S.R.

109

Frage danach, ob es eine feste Einheit ist, die die Tschechen mit den Slowaken verbindet (S. 29f.). Auch wenn es in der Slowakei Tschechophile und in Prag Slowakophile gibt, gleiche die tschechoslowakische Einheit eher dem Geheimnis der heiligen Dreifaltigkeit (S. 16), denn während die Tschechen auf die Slowaken als auf etwas minderes herabschauen, sind die Slowaken zwischen Tschechen und Ungarn hin und hergerissen (S. 20). Die Tschechen geben das im Umgang mit den Slowaken weiter, was sie ihrerseits von den Deutschen erleiden mußten (S. 24), die Slowaken hinwiederum könnten auch gut ohne spezifisch tschechische Ideen leben (S. 26). In dieser Situation helfen auch die Literaten nicht weiter, von denen er als Russe Hilfe erwartet, indem er ihnen die Rolle einer moralischen Instanz zuerkennt, die sie jedoch nicht erfüllen: Literatura a literáti v dnešní době nevedou lidstvo, jsou jim spíše sami vedeni. (S. 27) Die Literatur und die Literaten führen in der heutigen Zeit nicht die Menschheit, sondern werden vielmehr selbst von ihr geführt.

Trotz all der aufgezeigten Widersprüche und der Prognose, daß die Organisation des Zusammenlebens noch viele Köpfe beschäftigen werde, kommt Vilinskij zu dem Zwischenergebnis, daß das tschechoslowakische Bündnis eine organische Verbindung darstelle, der man nur Zeit geben müsse, sich zu festigen (S. 30). In einem Vorabdruck des Kapitels Je to pevná jednota? befindet sich noch ein zusätzlicher Absatz, der letztendlich nicht in das Buch aufgenommen worden ist, in dem Vilinskij vorübergehend eine nicht nur gleichberechtigte Behandlung der Slowaken fordert (die sie seiner Beobachtung nach erhalten), sondern eine privilegierte – bis sich ihr Gefühl einer dauerhaften Ergebenheit gegenüber dem Staat entwickelt habe.473 Die sich anschließenden Ausführungen über Deutsche und Ungarn gleichen sich dahingehend, daß diese beiden Nationalitäten als abgeschirmt für sich lebend dargestellt werden. Die Mauer zwischen den Welten werde nur manchmal durchbrochen (S. 32 bzw. 36), was darin eine Begründung erfahre, daß das Bekenntnis zu der einen oder anderen Nationalität programmatisch sei. Es gibt Vilinskij zufolge kaum reinblütige Tschechen oder Deutsche, so daß die Zugehörigkeit zu einer Nationalität nicht biologisch gegeben sei, sondern eine bewußte Entscheidung erfordere (S. 31). Die Akklimatisation in fremder Umgebung komme somit einer Flucht vom Kampfplatz gleich (S. 32). Bei aller gegenseitigen Isoliertheit sei ihre Beziehung doch symbiotisch. Tschechen und Deutsche können in großen wirtschaftlichen und rein praktischen Fragen immer Einigung erzielen, der Kampf komme jedoch nicht zum Stillstand, wenn es um Kleinigkeiten gehe (S. 33). Nur die Ungarn in der ČSR seien wirklich freie Ungarn, die Anspruch auf alle ihnen zugesicherten Rechte haben, denn die Geschichte Ungarns sei immer nur die Geschichte des Adels gewesen, das Volk konnte bisher keinen Einfluß auf den historischen Verlauf nehmen (S. 36).

473

Tendenzen vor (in: Lidové noviny, Jg. 42, Nr. 458**, 12.09.1934, S. 1). Je to pevná jednota?, in: Hlas, Jg. 59, Nr. 4322, 02.10.1931, S. 2. Dieser Absatz war eingefügt zwischen die beiden Absätzen auf S. 30 der Buchausgabe.

110

Teil 2 – Werk

So wenig die Deutschen und Ungarn im öffentlichen tschechischen Leben auffallen, weil sie sich auf ihre Insel zurückziehen, so wenig fallen die Juden als solche darin auf, weil sie vollkommen integriert sind. In Prag erkenne man sie vor allem daran, daß sie sich zu Verabredungen im Café Savoj treffen. Vilinskij bezeichnet in diesem Zusammenhang die Tschechoslowakei als einziges Land ohne Antisemitismus (S. 39), was 1930/31 so nicht mehr zutreffen dürfte, sondern eher davon zeugt, wie stark der Antisemitismus ist, den er anderswo beobachtet. Wenn dennoch in den letzten Jahren verstärkt versteckte – nur hinter vorgehaltener Hand, vergleichbar mit dem Verkauf von Pornobildern – antijüdische Tendenzen wahrzunehmen seien (er nennt Březina explizit als Antisemiten, S. 40), dann entstammen diese einer degenerierten Russophilie, die den Bolschewismus als Tat des internationalen Judentums verurteilt. Er meint, einen nicht geringen Einfluß des Jüdischen auf die tschechische Kultur ausmachen zu können, der von einer geistigen Nähe zwischen Tschechen und Juden zeuge (S. 39). Jeder Antisemitismus unterwandere den Staat, der auf dem friedlichen Zusammenleben basiere (S. 46). Einige der Kritiken legen beredtes Zeugnis davon ab, daß diese Sicht zu seiner Zeit nicht mehrheitsfähig ist: Jedno jest v díle Vilinského úplně mylné: Jeho názor na židy. Naším neštěstím spíše jest opak toho, co autor doporučuje. Že jest náš národ úplně v područí židovského vlivu, jest jeho velikým neštěstím a oproštění se od něho jest nutným předpokladem národní velikosti.474 Eines ist im Werk Vilinskijs vollkommen falsch: Seine Sicht auf die Juden. Unser Unglück ist eher das Gegenteil von dem, was der Autor empfiehlt. Daß sich unser Volk vollkommen unter der Abhängigkeit des jüdischen Einflusses befindet, ist sein großes Unglück und die Befreiung von ihm ist die nötige Voraussetzung für nationale Größe.

oder: Neví asi […], jak němčíci židé byli za války proti našemu národu a dodnes v mnohých místech tvoří oporu němectví proti nám (Pražská obec židovská, kde se úřaduje německy a. j.) – proto tak lehce rozřešil náš vzájemný poměr.475 Er weiß wahrscheinlich […] nicht, wie die deutsch sprechenden Juden während des Krieges gegen unser Volk waren und daß sie bis heute vielerorten eine Stütze des Deutschtums gegen uns bilden (die Prager jüdische Gemeinde, wo man Deutsch als Amtssprache hat u. a.) – deshalb löste er so leicht die Frage unseres gegenseitigen Verhältnisses.

Weniger aufgeklärt gibt Vilinskij sich in Bezug auf die Bewohner der Karpatoukraine, die seinen Worten nach selbst nicht wissen, wohin sie gehören und wo sie kultiviert werden müssen (S. 37f.). In dem abschließenden Kapitel des ersten Teiles stellt er sich die Frage, wie man einen schon einheitlichen Staat auch noch in eine einheitliche Nationalität 474

475

K., J. [Krlín]: Několik nových knih. V. S. Vilinskij: Rus se dívá na ČSR [u. a.], in: Lidové listy, Jg. 11, Nr. 26, 02.02.1932, S. 6. El. [Lauseger, Emanuel]: Rus se dívá na ČSR, in: Jedinstvo, Nr. 1 [44], 07.01.1932, S. 4.

Essayistik – Rus se dívá na Č.S.R.

111

überführen könne. Er betont noch einmal, daß die Symbiose der verschiedenen Nationalitäten nichts Künstliches an sich habe, sondern historisch gewachsen sei (S. 41). Die Metaphorik, die er wählt, um seine Argumentation zu stützen, macht deutlich, wie sehr er das Land idealisiert, das seiner Familie Aufnahme gewährt. Er fragt sich, ob Prag als das neue Rom verstanden werden müsse (S. 41). Außerdem erscheint ihm die Tschechoslowakei als ein großes Reich en miniature, weil sie ein Staat sei, der anstelle nationaler Minderheiten über ein Geflecht verschiedener Nationalitäten verfüge. Ungarn, Deutsche, Juden tragen gleichberechtigt mit dem reinsten Tschechen den Staat, der sowohl zum Westen als auch zum Osten gehöre. Die Brücke zum Osten könne gerade durch die Karpatoukraine geschlagen werden, deren Bewohner Vilinskij jedoch nicht mit unter den gleichberechtigten Partnern nennt. Eine Hoffnung für das neue Tschechoslowakentum stellen diejenigen dar, die schon immer über ein gering entwickeltes nationales Selbstbewußtsein verfügen und jene, die ihr breit entfaltetes nationales Selbstbewußtsein stückweise ablegen. Für die Entwicklung eines tschechoslowakischen Bewußtseins wird es als vorteilhaft betrachtet, wenn die Menschen sich gleichzeitig in der tschechischen und in der deutschen Sprache beheimatet fühlen (S. 45). Er führt in diesem Zusammenhang als Beispiel Eisners Studie über die deutschen Schriftsteller und die tschechische Frau an,476 die er als Studie „o embryonálním čechoslováctví“ [über das Tschechoslowakentum im Embryonalstadium] bezeichnet (S. 46). Die Hauptstadt Prag stellt sich ihm als das verkörperte Tschechoslowakentum dar – nur die Burg, die Kleinseite, die Altstadt, ein Teil des Vyšehrad seien allein Symbol des Tschechischen (d. h. das ganze historische Prag!), der Rest präsentiere das gesamte Reich, „empire“ (S. 47). Das Parlament – es hatte 1918 bis 1938 seinen Sitz im Rudolfinum – stehe symbolisch der Burg gegenüber, deren Rivale und Erbe es sei (S. 48). Er vergleicht weiter Prag mit Babylon, denn die verschiedenen Sprachen durchmischen sich. Es gebe keine Ghettos (S. 47), von denen er allerdings zuvor schreibt, daß sich in sie Deutsche und Ungarn zurückziehen würden. Die Amtssprache der Republik sei zwar Tschechoslowakisch (nach §1 des Gesetzes vom 29. Februar 1920), die Kultur habe hingegen viele Sprachen (S. 48), so daß es nie eine einheitliche Sprache geben werde (S. 44). Der Prozeß des Zusammenwachsens werde dadurch beschleunigt, daß in dem Staat für alle wirkliche Freiheit existiere (S. 45). Obwohl Vilinskij in diesem ersten Teil des Buches in drei Kapiteln refrainartig wiederholt, daß dieses Staatsgebilde organisch und historisch gewachsen sei, was ihm von tschechischen Rezensenten den Vorwurf einbringt, allzu wohlwollend zu urteilen – […] cítí se ještě hostem a proto soudí dobrosrdečně.477 […] er fühlt sich noch als Gast und urteilt deshalb wohlwollend. 476 477

Eisner, Pavel: Milenky. Německý básník a česká žena, Praha 1992 [11930]. O. A., in: Na hlubinu, Jg. 7, Nr. 5, 1932, S. 248.

112

Teil 2 – Werk

Kdo v knize podle nadpisu čeká Rusovu kritiku Československa, bude zklamán, neboť p. spis. k nám tu mluví více jako host než jako přísný posuzovatel, zdvořilé, šetrně, snad až příliš uznale.478 Wer dem Titel zufolge die Kritik des Russen an der Tschechoslowakei erwartet, wird enttäuscht, denn der Herr Schriftsteller spricht hier zu uns mehr als Gast denn als scharfer Kritiker, höflich, taktvoll, vielleicht schon zu einsichtig.

–, werden von slowakischer Seite nur die Aspekte wahrgenommen und zitiert – außerhalb des Kontextes erscheint die Polemik in zugespitzter Schärfe –, die als Kritik an dem tschechischen Verhalten gegenüber den Slowaken gedeutet werden können. Alle seine anderen Ausführungen finden unter den slowakischen Rezensenten kein Gehör. Vilinskijs Überlegungen werden von einem Kritiker so zusammengefaßt, daß von dem Gedanken des Buches nicht viel mehr übrigbleibt, als daß die Tschechen die Slowaken als Brüderchen, das heißt als kleinen Bruder, den man nicht ganz für voll nehmen muß, wahrnehmen. Zwischen der Sicht der Tschechen auf die Slowaken wird eine Parallele zu der Sicht der Russen auf die Bulgaren während des Balkankrieges gezogen. Der Tscheche würde gerne den Slowaken erziehen, die Slowakei werde nur als Exotikum wahrgenommen und das Slowakische sei für den Tschechen so angenehm wie die köstliche Sprache der Bewohner Tahitis.479 Die gesamte Rezension mündet in die Worte: Oči Slovanov sa na nás dívajú! Hore hlavy a do práce sa za uznanie práva slovenského národa na život v tejto republike! Do práce sa za autonomiu Slovenska!480 Die Augen der Slaven sind auf uns gerichtet! Die Köpfe hoch und an die Arbeit für die Anerkennung des Rechts des slowakischen Volkes für ein Leben in dieser Republik! An die Arbeit für die Autonomie der Slowakei!

Das Buch scheint nur willkommener Anlaß, einmal mehr slowakischen Nationalismus zum Ausdruck zu bringen, denn alle weiteren Teile des Werkes bleiben in dieser Rezension unberücksichtigt.

Katholiken in der ČSR Die Frage, ob die Tschechoslowakei ein katholisches Land sei oder nicht, kann auch Vilinskij nicht beantworten. Er findet einen Kompromiß in der Aussage: Je to prapodivný nekatolický národ, jehož všechny stavitelské a umělecké památky jsou výrazně katolické. (S. 53f.) Es ist ein höchst sonderbares nichtkatholisches Volk, dessen sämtliche baulichen und künstlerischen Denkmale ausgesprochen katholisch sind. 478 479

480

O. A., in: Hlídka, Jg. 49, Nr. 1, 1932, S. 17. O. A. Poliak a Rus o Slovákoch (Na margo knih dr. Batowského a dr. Vilinského), in: Slovák, Jg. 14, Nr. 95, 26.04.1932, S. 1. O. A. Poliak a Rus o Slovákoch 1932.

Essayistik – Rus se dívá na Č.S.R.

113

Die religiösen Vorstellungen der Tschechen seien primitiv. Sie wünschen sich einen angenehmen und liebenden Gott, ein strafender bzw. richtender Gott sei ihnen gegen den Sinn (S. 51), so widerspreche auch Hiob der tschechischen Vorstellung von Vollkommenheit. Wenn es für Tschechen einen Gott geben sollte, dann einen tschechischen und Rom wäre nicht schlecht, wenn es irgendwo in der Nähe Prags liegen würde. Die Tschechen lieben den Opfergestus nicht und die Gaben des Heiligen Geistes fürchten sie. Eine ihnen eigene Spezialität sei der religiös veranlagte Atheist. Sie seien ein protestantisches Volk katholischen Bekenntnisses. Die Katholiken seien geistige Exulanten, deren Bemühen um die Erhaltung und Ausweitung ihrer Rechte vergebens sei. Andererseits haben jedoch die Atheisten auch nicht Elan genug, „[…] aby usmažilo na rožni arcibiskupy, naházelo kněží do Vltavy a nadělalo z kostelů dancingy a bary“ [um die Erzbischöfe am Spieß zu braten, die Priester in die Moldau zu werfen und aus den Kirchen Bars und Tanzsäle zu machen]. Die Katholiken wohnen im Ghetto – allerdings ohne besondere Mäntel zu tragen oder aus der guten Gesellschaft ausgeschlossen zu sein (S. 52), sie werden jedoch alle gleichermaßen mit den Unzulänglichkeiten der katholischen Kultur konfrontiert, deren Zeitschriften schlecht seien und durch ein armseliges äußeres Erscheinungsbild auffallen, in der katholischen Presse fehle es häufig an Witz. Das entspreche jedoch dem ganz normalen tschechischen Durchschnitt (S. 54). Während Vilinskij zu Beginn des Kapitels nur die katholischen Tschechen im Blick hat, nimmt er am Ende eine regionale Abgrenzung vor, wobei er jedoch keine Unterschiede in der Glaubenspraxis oder im Zugang zum Glauben anführt. Die Grenzen des Ghettos seien in Böhmen genau abgegrenzt und nicht überschreitbar. Die Tschechen kämpfen gegen Rom, indem sie ihre Kinder nicht Priester werden lassen, so daß im Prager Priesterseminar bereits genau so viele deutsche wie tschechische Anwärter lernen, man müsse also damit rechnen, daß Prag in absehbarer Zeit eine deutsche Diözese werde.481 In Mähren und Schlesien falle der Unterschied zwischen Katholiken und Nichtkatholiken nicht auf, die Grenze sei fließend. Und in der Slowakei schließlich verlaufe die Ghettomauer auf der geographischen Grenze. Es gebe zudem noch eine Gruppe, die 60% der Gesamtbevölkerung ausmache, die aus Gläubigen bestehe, die sich nicht um ästhetische Probleme (i. S. katholischer Kultur oder Literatur) kümmere, jedoch die Kandidaten der Volkspartei wähle und sich den Traditionen der Heiligen Václav, Cyrill und Method verpflichtet fühle. Diese Gruppe trage auf ihrem Rücken den tschechoslowakischen Staat (S. 56) und dürfte sich wohl aus jenen zusammensetzen, deren Glauben er als primitiv bezeichnet. Am Ende des gesamten zweiten Teiles stellt er fest, daß in Böhmen das Vorurteil verbreitet sei, daß in der Slowakei irgendein vorgeschichtlicher Katholizismus herrsche, weil dort keine theoretischen Debatten oder sonstigen intellektuellen 481

In der zweiten Hälfte der 1930er kam es zu einem neuen Zustrom tschechischer Theologiestudenten und einer Abnhame der Deutschen in den Seminaren (Šebek, Jaroslav: Die geistliche Erneuerung und ihre Reflexion in den politischen Aktivitäten tschechischer und deutscher Katholiken in der Tschechoslowakei in der Zwischenkriegszeit, in: Bendel [Hg.] 2007, S. 83-101, hier: S. 90).

114

Teil 2 – Werk

Auseinandersetzungen über das Christentum geführt werden. Dem hält er entgegen, daß in der Slowakei die Kirchen voll sind, während sie in Prag leer sind. Außerdem gibt es in der Slowakei 2.700 kirchliche Schulen. Die Peripherie und das Dorf entscheiden also über die Zukunft des Katholizismus (S. 86). Die größte Gefahr für den Katholizismus bestehe darin, zu einer Mode unter den übersättigten Intellektuellen, den literarischen Jünglingen und den Grandes Dames der Salons zu werden. Genau dadurch sei die Entwicklung des Katholizismus in Rußland gefährdet und könne auch seine Entwicklung in der ČSR bedroht werden (S. 85). Die Hauptaufgabe der tschechischen und slowakischen Katholiken bestehe folglich darin – so der Rat dessen, der vorgibt, beobachten und vor allem sich nicht einmischen zu wollen –, einen tschechoslowakischen Katholizismus zu schaffen, denn beide Seiten haben etwas zu geben und zu nehmen. Nur so könne das Volk zu einer vollkommenen Einheit, also einer geistigen Einheit kommen (S. 87). In dem ersten Kapitel des zweiten Teiles werden drei Gruppen katholischer Autoren unterschieden, deren Vertreter im weiteren Verlauf zum Teil noch vorgestellt werden. Das sind zum ersten diejenigen, die durch ihre außerordentliche Begabung, ihr außerordentliches Temperament und das öffentliche Ärgernis, das sie bei irgendeiner ungewöhnlichen Gelegenheit erregt haben, bekannt sind. Dazu zählen: Jaroslav Durych, Alfred Fuchs, Jakub Deml, Karel Dostál-Lutinov, Jan Čep und Bedřich Fučík. Als zweite Gruppe nennt er diejenigen, die zwar begabt und temperamentvoll sind, jedoch keinen Skandal auslösen und deshalb nur mehr oder weniger bekannt sind und übersehen werden. Das sind: Josef Florian, Augustin Vrzal, Alois Lang, F. X. Novák, František Odvalil, Emanuel Masák, Václav Bělohlávek Svatohor und in der Vergangenheit vor allem die katholische Moderne, die gewöhnlich unterschätzt werde. Die dritte Gruppe bilden in seiner Klassifizierung schließlich diejenigen, die auch begabt sind, jedoch nicht laut sein können, oder es nicht wollen, so daß niemand außerhalb des katholischen Lagers auch nur etwas von ihrer Existenz ahnt. Zu diesen ruhigen Vertretern werden Antonín Kolek, Antonín Podlaha, die Zeitschrift Na hlubinu, die Caritas, der Spolok sv. Vojtecha [Adalbertgesellschaft], Marko Weirich und Felix Jenewein gezählt (S. 53f.). Neben diesen katholischen Autoren könne man noch weitere kleinere katholische Gruppierungen ausmachen – die Anhänger des politischen Katholizismus (Jan Šrámek, Bohumil Stašek) (S. 54f.), deren Bedeutung nicht unterschätzt werden sollte, weil der politische Katholizismus als Kulturkampf zu innerer Stabilität führe (S. 85); diejenigen, denen die Gnade als einziger möglicher Weg erscheine – sie lesen die Schriften von Maritain, d’Aurevilly und die Leben der heiligen Väter; des weiteren die einfachen Priester in feuchten Pfarren, die viel zu viel Arbeit haben und dennoch Beiträge für die katholischen Zeitschriften schreiben und als sehr interessante Gruppe die Sekretäre der Bischöfe, die durch ihren Charme an Rokoko-Abbés erinnern (S. 54f.). Gerade durch Nennung der letzten Gruppe wird noch einmal deutlich, wie speziell die Sicht Vilinskijs ist. Die Zahl der Bischofssekretäre ist im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung und selbst im Verhältnis zu den

Essayistik – Rus se dívá na Č.S.R.

115

bekennenden Katholiken verschwindend gering. Wie man dem Titel und dem Vorwort nach annehmen kann, hat er sich eigentlich zur Aufgabe gemacht, auf 140 Seiten ein Bild der Tschechoslowakei zu zeichnen, was mit sich bringt, Wichtiges von Unwichtigem zu trennen. Daß unter die Kategorie des Wichtigen die letzte Gruppe fällt, führt seinen selektiven Blick vor Augen, durch den er andererseits sicherlich auch tschechischen Lesern noch manche Neuigkeit eröffnen kann.

Josef Florian (1873-1941) Die Vorstellung einzelner Personen – es geht hier tatsächlich um ihre kurze Charakterisierung und nicht um ein Bekanntmachen mit ihrem Werk, dem sie diese Aufmerksamkeit erst verdanken – beginnt mit Josef Florian.482 Er ist der einzige, über den sich Vilinskij nur dieses eine Mal äußert, d. h. nicht noch weitere Arbeiten über ihn verfaßt oder zumindest seine Werke oder Editionen rezensiert.483 Auch ist er mit ihm im Gegensatz zu den anderen Personen, über die er in Rus se dívá na Č.S.R. schreibt, nicht persönlich bekannt. Da sich seine Darstellung also auf Kenntnisse aus zweiter Hand stützt – vor allem auf die Gespräche mit Ludvík Vrána, der 17 Jahre bei Florian aushält (wahrscheinlich, weil er selbst keinerlei literarische Ambitionen hat) –, bleibt sie letzten Endes sehr unbefriedigend. Über Florian könne man viele verschiedene Stimmen hören: er schreibe gute Bücher, interpretiere interessant die Geschichte, sei der Retter des tschechischen Katholizismus, ein Sektierer, ein rechter Katholik, eine Schlange, ein gesalbter Geschäftsmann mit der Geste eines Retters kultureller Werte u. s. w. (S. 59). Léon Bloy erscheine Florian als neuer Prophet (S. 60). Florians oberstes Ziel sei das Kritisieren, wobei ihm dreierlei als Grundlage für seinen Kampf gegen alles gelte: die Offenbarung von La Salette, das Dekret über die tägliche heilige Kommunion und die politische Tätigkeit der Priester (S. 61). Seiner guten Absicht entsprechen nicht immer die Mittel, die er wählt: Vidíme, že Josef Florian usiloval o dobré věci s takovou vehemencí, že jeho jednání připomínalo vhánění lidí holí do ráje. (S. 62) Wir sehen, daß Josef Florian sich mit solch einer Vehemenz für gute Dinge eingesetzt hat, daß sein Vorgehen dem ähnelt, als würde man die Menschen mit einem Knüppel ins Paradies treiben.

Er sei ein Mensch des Absoluten, der allein vor Gott lebe. Leben sei für ihn gleichbedeutend damit, Katholik zu sein. Die Kirche verstehe er als mythischen Körper 482

483

In einem Kapitel über das katholische Ghetto fehlt bei Vilinskij natürlich ebensowenig ein Abschnitt über den Olmützer Erzbischof Leopold Prečan und dessen Bestrebungen auf unionistischem Gebiet. Auf diese kommt die Sprache in einem weiteren Teil der Arbeit, so daß sie hier nicht näher betrachtet werden müssen. Für seine Beschäftigung mit Deml kommt Vilinskij jedoch ausführlicher auf ihn zurück (Jakub Deml. I. Poeta i ludzie, in: Przegląd powszechny, Jg. 50, Nr. 199 [595/596], 1933, S. 137-153, hier: S. 145-147).

116

Teil 2 – Werk

Christi, so daß die menschliche Gesellschaft alle Phasen des nachirdischen Lebens Christi durchlebe. Florian sei bereit, wie ein Kind vor Gott zu treten und ihn als Vater zu bitten (S. 63). Zu seinen Mitarbeitern zählen der ekstatische Otto Albert Tichý, die gotische Seele Jakub Deml, der Exorzist Antonín Ludvík Stříž und der asketische P. Ludvík Vrána. Sie haben bei ihm in Stará Říše gelebt, er ging jedoch mit allen im Schlechten auseinander (S. 65). Und er schickt seine zwölf Kinder nicht zur Schule, damit sie nicht verdummt würden (S. 66). Zu dem letzten Punkt muß man jedoch anmerken, daß, bevor er seine Herausgebertätigkeit in Stará Říše beginnt, er selbst an einer Mittelschule Naturwissenschaften unterrichtet hatte und es ihn sehr stört, daß an den öffentlichen Schulen nicht das selbständige Denken der Schüler unterstützt und ihre spezifischen Fähigkeiten entwickelt werden.484 Er tritt allgemein gegen die wissenschaftliche Atomisierung und die schulische Spezialisierung auf, denn Wissenschaft und Kunst seien vor allem Quellen für die Erkenntnis des Ganzen und der Zusammenhänge.485 Den Ausgangspunkt seines Denkens bilden die scholastische Universalität und die Synthese. In seiner Wertehierarchie steht die Kunst eindeutig höher als die Wissenschaft,486 wovon man sich nicht zuletzt durch die bibliophilen Ausgaben überzeugen kann, die er verantwortet. Für einen ästhetisch orientierten Zugang hat Vilinskij jedoch kein Verständnis, dem solche Buchausgaben als Geldverschwendung erscheinen. Mit der Bibliophilie werde Mißbrauch getrieben, oft würden es auch einfache oder billige Ausgaben tun.487 Liest man Vilinskijs Charakteristik, bekommt man keine Vorstellung davon, worin nun die Bedeutung Florians besteht. Zur Klärung trägt auch nicht bei, daß er ihn in der Überschrift als „Apostel der letzten Stunde“ bezeichnet. Man erhält lediglich den Eindruck, daß es sich wohl um einen Menschen handelt, der seinem eigenen Glauben anhängt, der gedanklich Bloy folgt und dem es keiner recht machen kann. Auch wenn Florian unbestritten ein schwieriger Mensch war, könnte man ihm auch in einer Kurzcharakteristik besser gerecht werden, zumal wenn das übergeordnete Ziel darin besteht, Sympathien für den Katholizismus zu wecken. Florian selbst gelang es, seinem religiösen Erleben Lebendigkeit und Überzeugungskraft zu geben, so daß davon auch andere inspiriert und durchdrungen wurden, 488 wovon seine vielen ergebenen Anhänger Zeugnis ablegen, auch wenn wegen seiner kompromißlosen Autorität ein längeres Zusammenleben mit ihm ganz offensichtlich 484

485 486 487 488

Nach Adalbert Vyskočil, der in einer Anmerkung bei Hlaváčková, Miroslava: Dobré dílo Josefa Floriana, in: Josef Florian. Dobré dílo, Roudnice n. L. 1992, S. 7-58, hier: S. 51 zitiert wird. Nach Aussage des Sohnes Gabriel besteht der Hauptgrund für den Unterricht zu Hause darin, daß sowohl vor als auch nach dem Ersten Weltkrieg „se na školách vyučuje ateismus“ [an den Schulen Atheismus gelehrt wird] (Florian, Gabriel/Mlejnek, Josef [rozhovor]: Otec byl po celý život ve finanční tísni, in: Zborovská, Zina/Mlejnek, Josef [Hgg.]: Dobré dílo, špatná doba. Sborník příspěvků z konferencí Křesťanská univerzita Josefa Floriana a Literatura a totalita, Havlíčkův Brod 2006, S. 33-40, hier: S. 38). Vgl. Med, Jaroslav: Spisovatelé ve stínu. Studie o české literatuře, Praha 1995, S. 89. Hlaváčková 1992, S. 7. Situacija knižnigo rynka v ČSR, in: Centraľnaja Evropa, Jg. 6, Nr. 1, 1933, S. 22-26, hier: S. 22. Med 1995, S. 92.

Essayistik – Rus se dívá na Č.S.R.

117

für jeden eine Überforderung darstellte. Florian ist es, der die Werke katholischer Autoren von Weltrang zum festen Begriff und zum festen Bestandteil des tschechischen intellektuellen Lebens macht.489 Durch ihn wird den tschechischen Lesern das gesamte literarische Renouveau catholique eröffnet,490 das Vilinskij jedoch als Konkurrenz zu einem potentiellen Interesse für den slavischen Osten erscheint, denn er stellt Maritain und Bloy Sušil und Stojan gegenüber.491 Florian wollte die Menschen provozieren, sich zu bilden. Seine Bedeutung liegt also in erster Linie in seiner kulturschaffenden und inspirierenden Tätigkeit.492

Jaroslav Durych (1886-1962) Mit Jaroslav Durych beschäftigt sich Vilinskij eingehender. Im Sommer/Herbst 1930 gibt er mehrere Artikel über ihn heraus – zuerst in dem Krakauer Przegląd powszechny, dann in der Centraľnaja Evropa und zuletzt in Hlas und den Kuncířovy noviny.493 In Rus se dívá na Č.S.R. führt er ihn ein durch das sarkastische Lächeln, das ihm eigen sei und das einen jeweils ab zwei Uhr im Olmützer Café Grand begrüße (S. 66). Man könne zwei Seiten seines Schaffens unterscheiden. Die eine sei die empirische, greifbare, tschechische (Durych als ethnographischer Autor), die andere die transzendentale, über Raum und Zeit erhobene (Durych als ökumenischer Autor). Durych sei ein tschechischer Schriftsteller, weil er allgemein menschlich sei, allgemein menschlich sei er, weil er Tscheche sei. Er sei derjenige Autor, der Ausländern am besten einen Einblick in die tschechische Seele vermitteln könne (S. 68). Er korrigiere die Geschichte seiner Heimat. Er sei gleichzeitig Tscheche und ein Geschöpf Gottes, welches die Schöpfung liebt, wobei Gott ihm ‚ens realissimum‘ sei. Als Quelle der Liebe diene ihm die Dreiheit von Liebe, Schönheit und Armut. Das Gebet zu Maria gelte ihm als höchstes Gebet (S. 69). Während „der größte Propagator Durychs“,494 Paul Eisner, ihn als „Anti-Švejk“ bezeichnet, geht Vilinskij mit seinem Vergleich wesentlich weiter: mit der Trilogie Bloudění [Irrungen] sei Durych zu einem tschechischen Dante geworden, der mit La Divina Commedia vergessene Werte erneuert oder wiedererweckt habe. Vor diesem Verdienst gerate die Kritik, 489

490

491

492 493

494

Florian selbst gibt bis zu seinem Tod 1941 140 selbständige Bücher, 131 Sammelbände und 27 künstlerische Publikationen heraus (vgl. Kubíček [Hg.] 2002, S. 172). Podivinský, Mirek: Kirche, Staat und religiöses Leben der Tschechen in der ersten Republik, in: Bosl/Seibt (Hgg.) 1982, S. 227-240, hier: S. 238. Slovanská myšlenka a idea unionistická. II. Československý unionismus, in: Orelská osvěta, Nr. 2-3, 1932, S. 58-67, hier: S. 66. Med 1995, S. 92. Jarosław Durych, in: Przegląd powszechny, Jg. 47, Nr. 186 (558), 1930, S. 305-316 und Nr. 187 (559/560), 1930, S. 70-89; Osnovnye motivy tvorčestva Jaroslava Durycha, in: Centraľnaja Evropa, Jg. 3, Nr. 8, 1930, S. 463-471; Básník a spisovatel Dr. Jaroslav Durych v očích cizince, in: Hlas, Jg. 58, Nr. 4218, 03.10.1930, S. 5 und Durych v očích cizince, in: Kuncířovy noviny, Jg. 1, Nr. 8, Oktober 1930, S. 1. Bartoš, Dr. Jan: Kdo jest Jaroslav Durych?, Kralupy n. Vlt. 1930, S. 34.

118

Teil 2 – Werk

die man an Durych üben könne, in den Hintergrund. Diese Kritik bezieht sich vor allem auf seine Zänkerei mit Kritikern und die Einmischung in politische Angelegenheiten, von denen er nichts verstehe. Das werde aber im Gegensatz zu seinen literarischen Werken in Vergessenheit geraten (S. 70). Mit dieser Vorstellung Durychs hätte sich Vilinskij nicht um ihn verdient gemacht, auch wenn man ihr im Gegensatz zu den Ausführungen über Florian unbestritten die Verehrung anmerkt, die er ihm entgegenbringt. Sein Denken scheint ihm wesentlich verständlicher als das Anliegen Florians. Die weniger oberflächlichen Arbeiten, die er ihm widmet, verdienen jedoch Beachtung.495 Věra Vladyková, von der die umfangreichste Werkbeschreibung Durychs stammt,496 bezeichnet Vilinskijs polnischen Aufsatz Jarosław Durych als: První rozsáhlá syntetická studie o J. D.; sleduje život, názory, duchovní obzory a zejména povahu katolicismu, analyzuje celou dosavadní tvorbu beletristickou i publicistickou, její tematiku, poetiku i jazyk a jako první se zabývá D. náboženskými úvahami v časopise Na hlubinu.497 Erste umfangreiche synthetische Studie über J[aroslav] D[urych]; sie verfolgt das Leben, die Ansichten, die geistigen Horizonte und vor allem den Charakter des Katholizismus, analysiert das ganze bisherige belletristische und publizistische Schaffen, dessen Thematik, Poetik und Sprache und beschäftigt sich als erste mit D[urychs] religiösen Überlegungen in der Zeitschrift Na hlubinu.

Paul Eisner würdigt Vilinskijs Aufsatz kurz nach seinem Erscheinen folgendermaßen in der Prager Presse: Über Jaroslav Durych verbreitet sich auf vollen 32 Druckseiten Dr. Walery Wiliński im Krakauer Przegląd Powszechny Nr. 558-560 und unternimmt damit den voll bejahenden und einschließlich der tschechischen kritischen Literatur umfänglichsten Versuch einer Würdigung von Durychs Erscheinung und Werk. Wiliński hebt hervor, daß Durych weder von einer Schule abkommt noch eine schaffen kann, so sehr gehört er aussschließlich sich selbst. Er ist ein gotischer Don Quijote des Geistes, der Romantiker einer unromantischen Zeit. Durychs religiöse Vorstellungs- und Gefühlswelt, die Elemente seiner Weltanschauung werden durchdringend analysiert – der Gott der Liebe, das Ideal ritterlicher Heiligkeit, das Glück der Armut, die Gnade der Jungfräulichkeit, die Schönheit als irdische Spiegelung Gottes, das Weib als Verheißung, als Werkzeug der Gottesliebe, als Mittlerin. Ausnehmend stark findet Wiliński bei Durych das Tschechische entwickelt: Durychs zum Messianismus sich wandelndes tschechisches Katholikentum ist es eben, was Durych in der Weltliteratur seine ganz besondere Bedeutung gibt. Durych ist weder reiner Gotiker noch auch ein ausschließlich barocker Geist; er ist eine Synthese, ein neuer, keiner Vergangenheit, sondern der Gegenwart 495

496

497

Merkwürdigerweise verweisen die Nováks in ihrer Literaturgeschichte gerade auf Vilinskijs Kapitel über Durych in Rus se dívá na Č.S.R., was allein dadurch erklärt werden kann, daß das sein umfangreichster tschechischsprachiger Beitrag über Durych ist (Novák, Arne und Jan V.: Přehledné dějiny literatury české od nejstarších dob až po naše dny, Olomouc 419361939 [Reprint Brno 1995], S. 1444). Vladyková, Věra: Soupis díla Jaroslava Durycha a literatury o něm, in: Jaroslav Durych 2000, S. 351-782. Vilinskijs Aufsätze in der Centraľnaja Evropa und in Hlas sind ihr entgangen, auch wenn das Verzeichnis ansonsten den Eindruck annähernder Vollständigkeit erweckt. Vladyková 2000, S. 506.

Essayistik – Rus se dívá na Č.S.R.

119

angehörender Stil, der sich erst bildet und den Durych für die Tschechoslowakei mitschafft. Eingehend befaßt sich Wiliński mit Durychs Symbolik, seiner Art der Gestaltung und seiner Sprache. Er schließt mit der Versicherung, daß die europäische Literatur nichts mit Durychs Wallensteintrilogie Vergleichbares besitzt. Was Durychs nationale Bedeutung anlange, sei er mit Ausnahme Březinas der einzige hervorragende Dichter der Tschechen, dessen Schaffen einen durchaus idealistischen Charakter hat und dauernd entlegenen Sphären der Mystik und eines hochfliegenden Christentums zugewendet ist. Hierin komme Durych die Bedeutung eines Befreiers der zeitgenössischen tschechischen Literatur zu.498

Doch nun zu dem Aufsatz selbst, durch welchen Vilinskij zum Hauptpropagator Durychs in Polen wurde.499 Der ganze erste Teil von Eisners Beitrag bildet die Paraphrase von Vilinskijs einführenden Worten. Während man die Biographie Durychs in einigen kurzen Sätzen umreißen könne, könne man ihm seinen Platz in der tschechischen Literatur nicht zuweisen, so sehr sei er zu einem ganz eigenständigen Meister geworden.500 Andererseits lasse er sich jedoch auch schwer mit anderen genialen europäischen Autoren vergleichen,501 weil er zutiefst mit der tschechischen nationalen Seele verbunden ist. Würde man ihn aus diesem Kontext herauslösen, verlöre man den Schlüssel zu seinem Verständnis. Durych gehöre zu den wenigen Autoren, die mit einem fertigen Bestand philosophischer Ideen an das Schreiben gehen, diese Ideen werden insofern entwickelt, daß gezeigt wird, was in ihnen verborgen ist. Um seine weitere Methode zu erklären, beschreibt Vilinskij, worin er die Aufgabe des Kritikers sieht. Er entschuldigt sich, daß er sich in den Bereich des Rezensenten oder Literaturhistorikers begibt, der die Entwicklung des Schaffens, die Biographie und die Auslegung der Fabel der Werke zum Gegenstand der Betrachtung habe. Der klassischen Aufgabenteilung unterwerfe er sich nicht, um den lebendigen Menschen Durych vorstellen zu können, denn allein durch die formale Bewertung seines Schaffens, das Anlegen eines Wörterbuches des Autors und die Aufzählung des Reichtums seines literarischen Arsenals könne man ihn nicht vollständig erfassen. Der Kritiker, der über einen lebenden Autor schreibt, sei dazu berufen, die Geheimnisse des Schaffens zu enthüllen, die Charakteristik der Persönlichkeit des Autors, das Bild des Dichters, das nicht das gleiche sein müsse wie das des Menschen. In dieser Hinsicht sei Durych schwierig, denn er sei zugleich Poet, Prosaiker, Publizist, Mystiker, was nicht nur einzelne Aspekte seiner Person seien, sondern zu einem harmonischen Ganzen zusammenfließe. Der Kritiker müsse sich in den Autor einleben, um das Bild der Welt zu sehen, auf das die Augen des Autors blicken, um die Klänge 498

499

500 501

EP [Eisner, Paul]: Über Jaroslav Durych […], in: Prager Presse, Jg. 10, Nr. 250, 11.09.1930, S. 8 (nicht S. 6, wie Vladyková 2000, S. 691 fälschlich angibt). Vgl. Bylina, Stanisław/Jaroszewicz-Kleindienst, Barbara/Madany, Edward/Russocka, Jadwiga: Stosunki literackie polsko-czeskie i polsko-słowackie 1890-1939, Wrocław/Warszawa/Kraków/ Gdańsk 1978, S. 322. Jarosław Durych 1930, S. 305. Strakoš sieht in den französischen katholischen Autoren durchaus Vorgänger für Durych. Er stehe nur in dem tschechischen Umfeld etwas vereinzelt da (Strakoš, Jan: Na obranu Durychovy Religiosity [Několik poznámek ke Götzově „podobizně“ Durycha], in: Tvar, Jg. 1, Nr. 2, 1927, S. 31-40, hier: S. 36).

120

Teil 2 – Werk

wahrzunehmen, die er hört.502 Diese Grundlage habe ihre logische Grenze erreicht, wenn der Kritiker mit dem Autor verschmilzt und sich in einen Apologeten oder Panegyriker verwandelt. Durychs literarische Tätigkeit bestehe aus drei Teilen, die nicht nur teilweise ineinander übergehen, sondern sich direkt vereinen: erstens poetisch-belletristische Werke, zweitens journalistische Polemiken in Rozmach [Aufschwung] und Akord und drittens Artikel über die Mystik in Na hlubinu.503 Da diese drei Elemente seines Schaffens zusammenspielen, könne man den Poeten Durych nicht verstehen, ohne sich mit dem Prediger und Journalisten vertraut zu machen. Durych vertrete nicht nur die Theokratie, sondern die „Hierokratie“. Da alle Macht von Gott ausgehe, sei die Hierarchie zur höchsten Macht berufen – wer über den Geist herrsche, habe auch Macht über alles andere.504 Trotz seiner Sicht auf Durychs Werke, die diese fest im (tschechischen) Katholizismus verankert, eröffnet Vilinskij ein weiteres Umfeld, das ihm selbst den Zugang zu Durych vereinfachen dürfte: Pogląd Durycha na powołanie, misję i wybranie chyba nie jest zupełnie katolicki, raczej nie jest wcale zachodni. Ma w sobie pewien odcień wschodniego gnostycyzmu, dzielącego wszystkich ludzi na ,duchowych‘ i ,ślepych‘ […].505 Die Sicht Durychs auf die Berufung, Mission und Auserwählung ist wohl nicht ganz und gar katholisch, vielmehr, sie ist nicht ganz westlich. Sie hat in sich eine gewisse Nuance des östlichen Gnostizismus, der alle Menschen in ,geistige‘ und ,blinde‘ unterteilt […].

Dieser Richtung, die andere Autoren dazu veranlaßt, seine Auffassungen mit denen Solov’evs in Verbindung zu bringen,506 geht er jedoch nicht weiter nach. Er schließt seine ganze Studie mit den Worten, daß Durych der einzige lebende tschechische Poet sei, dessen Schaffen idealistisch sei und das stets zu den entlegenen Sphären der Mystik und eines erhabenen Christentums weise. Darin liege die Bedeutung seines Wirkens, „działalność zbawcy czeskiej literatury współczesnej“507 [das Wirken eines/des Retters der zeitgenössischen tschechischen Literatur]. Vilinskij selbst gibt sich sehr zufrieden mit seinem Aufsatz. In einem Brief an Jemelka schreibt er, daß er das Gefühl habe, daß das sein bester Artikel überhaupt werde.508 Dazu trägt sicherlich bei, daß er sich fachkundige Hilfe holt. Nach dem Erscheinen bedankt er sich bei Arne Novák für ein Gespräch. Seine Hinweise seien ihm sehr hilfreich gewesen. In dem Gespräch geht es unter anderem um die Frage, ob Durych eine barocke Erscheinung sei,509 die er ja nun sehr ungewöhnlich beantworte. 502 503 504 505 506

507 508 509

Jarosław Durych 1930, S. 306. Jarosław Durych 1930, S. 307. Jarosław Durych 1930, S. 315. Jarosław Durych 1930, S. 72. Z. B. Seifert, Josef Leo: Jaroslav Durych. Der katholische Dichter der Tschechen, in: Hochland, Jg. 25, Nr. 1, Oktober 1927-März 1928, S. 540-547, hier: S. 543. Jarosław Durych 1930, S. 89. Brief Vilinskijs an Jemelka vom 20. Februar 1930 (ZAO, fond ACM, karton 3, Briefe 1932). Götz, František: Jarosław Durych, in: ders. Jasnící se horizont. Průhledy a podobizny, Praha 1926, S. 146-156, hier: S. 148 erklärt ihn dazu, wofür er von Strakoš 1927, S. 32 kritisiert wird.

Essayistik – Rus se dívá na Č.S.R.

121

Die Antwort besteht darin, daß er zunächst Textstellen findet, die das geistige Ideal der Gotik ausdrücken, nämlich das Aufgehen des Individuums im Kollektiv, den Zusammenfluß mit Gott und dem Universum, das Schöpfertum als Berufung, das Gesetz der Zunft.510 Andererseits lassen sich ebenfalls barocke Elemente nachweisen, wie zum Beispiel Nationalismus und Patriotismus, die den Katholizismus als einzigen Beschützer der Nation auffassen, der sie vor der Germanisierung (durch das Hussitentum) bewahre. Ein weiterer barocker Aspekt stelle das Zerstören all dessen dar, „co on uważa za śmiecie duchowe“511 [was er für geistigen Müll hält], womit er in die Nähe der eifernden Jesuiten zur Zeit der Gegenreformation gerate. Für Durych spiele die Schönheit eine herausragende Rolle, die in der Gotik sekundär gewesen sei. Die stilistische Ausführung seiner Romane erinnere an den verschrobenen Zierat barocker Heiligtümer. Die Darstellung der gottgegebenen reinen Natur sei wiederum gotisch. So ließe sich mit Argumenten und Gegenargumenten fortfahren. Die Reihe wird abgebrochen durch die Frage: „Czy jego katolicyzm jest bliższy gotykowi czy barokowi“512 [Ist sein Katholizismus der Gotik oder dem Barock näher]? Vilinskij lehnt eine Entscheidung zugunsten einer der beiden Möglichkeiten ab, indem er sie beide verneint. Durychs Stil habe sich noch nicht herauskristallisiert und trage keine bestimmte Bezeichnung. Es handle sich um den Stil des gegenwärtigen tschechischen Katholizismus. Dieser gegenwärtige Katholizismus müsse wie zur Zeit des Barocks fortwährende Kämpfe austragen, sich verteidigen, Schritt für Schritt Terrain erobern, seine Existenz schützen. Die Kraft des Geistes schöpfe wie zur Zeit der Gotik aus dem Gebet, dem Verkehr mit Gott, der Vernunft, die durch den Glauben beflügelt werde. Es sei ein neuer Stil, der synthetisch scheine, obwohl gegenwärtig wohl barocke Elemente überwiegen. Später, wenn der Kampf sich dem Ende neigen werde, werden wieder der Frieden und das Gleichgewicht der Gotik triumphieren. Dieser Stil bilde sich in der Tschechoslowakei jetzt erst heraus, Durych aber sei gerade der einzige seiner Schöpfer.513 So lautet also Vilinskijs „ungewöhnliche Antwort“ auf die Barock-Diskussion um das Werk Durychs. Außerdem bittet Vilinskij Novák um Erlaubnis, sich mit ihm über K. Čapek, Březina und Deml zu unterhalten, über die er gern weitere polnische und russische Aufsätze schreiben wolle.514 In einem weiteren Schreiben dankt er Novák für einen Brief, in dem dieser auf den Durych-Artikel eingeht. Er gibt sich in seiner Antwort als gelehriger Schüler zu erkennen:

510 511 512 513 514

Vgl. zu dieser Diskussion: Soldán, Ladislav: „Duch moderní se vší závaznou kletbou tohoto slova …“ (J. Durych v kontextu katolické literární kritiky 20. a 30. let), in: Bloudění časem a prostorem – Jaroslav Durych známý i neznámý, Hradec Králové 1997, S. 327-335. Jarosław Durych 1930, S. 74. Jarosław Durych 1930, S. 83. Jarosław Durych 1930, S. 84. Jarosław Durych 1930, S. 84. Brief Vilinskijs an Novák vom 17. Juli 1930 (LA PNP, fond Novák). Die polnischen Arbeiten über Deml (1933) und Březina (1931) sind tatsächlich erschienen (s. u.). Mir ist keine Arbeit Vilinskijs über Čapek bekannt.

122

Teil 2 – Werk

[…] Děkuji též upřimně za Vás úsudek o mém polském spisku. Zplna uznávám, že jsem snad opravdu podcenil idealistický živel v soudobé české literatuře; cítil jsem to také a proto ve své ruské studii o Durychovi, která vyšla v šasop. [sic] ‚Centrální Evropa‘ zdržel jsem se vůbec úsudku o místě Durychově v české literatuře. Rovněž i v článku, který vyjde v příštím čísle Kuncířových Novin, mluvím toliko o tom, jak se jeví Durych cizinci a zdůrazňuji především prophetickou stránku jeho tvorby. Vydám-li tuto studii česky, jak se mi nabízí, pak buď škrtnu tento odstavec, anebo patřičně pozměním. […]515 […] Ich danke ebenfalls aufrichtig für Ihr Urteil über mein polnisches Werkchen. Ich erkenne voll an, daß ich wahrscheinlich wirklich den idealistischen Zug in der zeitgenössischen tschechischen Literatur unterschätzt habe; ich habe das selbst auch gefühlt und habe deshalb in meiner russischen Studie über Durych, die in der Zeitschrift Centraľnaja Evropa herauskam, vollkommen auf ein Urteil über den Platz Durychs in der tschechischen Literatur verzichtet. Ebenso spreche ich in dem Artikel, der in der nächsten Nummer der Kuncířovy Noviny herauskommt, nur darüber, wie Durych einem Ausländer erscheint und betone vor allem die prophetische Seite seines Schaffens. Falls ich diese Studie tschechisch herausgebe, wie mir angeboten wird, dann streiche ich entweder diesen Absatz oder arbeite ihn teilweise um. […]

Damit ist bereits angedeutet, worin sich die weiteren Durych-Studien von dieser ersten unterscheiden. Der russischsprachige Artikel Osnovnye motivy tvorčestva Jaroslava Durycha [Grundlegende Motive des Schaffens Jaroslav Durychs] stellt Durych vor allem als katholischen Autor vor, der nach dem Tod Březinas nun allein übriggeblieben sei mit der ihm eigenen Zielstrebigkeit seines Talentes.516 Vilinskij untersucht nicht, wie man dem Titel zufolge erwarten kann, die grundlegenden Motive auf der Grundlage konkreter Texte, sondern leitet sie zunächst aus Durychs Denken ab. Seiner Darstellung zufolge gleicht Durychs Denken dem der Scholastiker. Die Motive der Gnade (milosť), der Güte (dobrota) und der Buße (iskuplenie) tauchen immer wieder auf. Gott bewache die Wege der Menschen, nur manchmal müsse er direkt eingreifen. So werde zum Beispiel nach der Meinung Durychs Böhmen durch die romanische Kultur gerettet. Gott helfe den Menschen im Kampf mit dem Teufel. Durych sei nicht nur ein Anhänger der Theokratie, wie Vilinskij schon in Jarosław Durych schrieb, sondern auch des Priestertums, was man am Anfang von Bloudění sehen könne.517 Hier wird ihm also keine Erhöhung des Priestertums zur „Hierokratie“ mehr zugeschrieben. Den Tod stelle er als Geschenk dar, das den Körper nur in einen anderen Zustand versetze.518 Wie Vilinskij ebenfalls bereits in der polnischen Studie ausgeführt hat, kann er bei Durych Anzeichen des östlichen Gnostizismus ausmachen, auch wenn er ihn vor allem vor dem Hintergrund seiner Katholizität versteht. Gnade werde vor allem den Einfachen und Armen zuteil.519 Barocke Spuren verfolgt Vilinskij in dieser Studie nicht mehr. Er 515 516 517 518 519

Brief Vilinskijs an Novák vom 23. September 1930 (LA PNP, fond Novák). Osnovnye motivy 1930, S. 463. Osnovnye motivy 1930, S. 465. Osnovnye motivy 1930, S. 466. Osnovnye motivy 1930, S. 467.

Essayistik – Rus se dívá na Č.S.R.

123

stellt lediglich mit den schon bekannten Argumenten fest, daß Durych das geistige Ideal der Gotik vertrete. Alles menschliche Schöpfertum sei Plagiat, weil die Schönheit transzendent sei.520 Ein weiteres grundlegendes Motiv von Durychs gesamtem Schaffen bilde der Kult der Keuschheit und der Weiblichkeit, der seine Wurzeln im katholischen Marienkult habe. An diesem Kult sei absolut nichts Erotisches, sondern er sei ganz im Gegenteil in der Mystik der Unberührbarkeit und in einer Reihe religiös-metaphysischer Ideen begründet. Das Geheimnis der Jungfrau bestehe in folgendem: 1.) aus ihren Augen blickt einen die Schönheit künftiger Generationen an; 2.) ihre geistige Armut wird in materieller symbolisiert (sie bebt vor Scham, Schmerz und der ersten Demütigung); 3.) man kann die Souveränität ihres Leidens, die Einfachheit des Märtyrertums und das Lachen des Schmerzes fühlen.521 Zwischen Mann und Frau bestehe immer ein Abgrund, denn sie sind zwei Teile eines Ganzen, das zur Einheit strebe, aber nie eins werden könne. Dieser Graben könne nur durch die Religion, das Gebet und den Glauben überbrückt werden.522 Abschließend schreibt Vilinskij, daß Durych oft vorgeworfen werde, daß er immer die gleichen Motive verwende. Das könne auch gar nicht anders sein, weil er einem Traum folge. Deshalb schreibe er letztlich immer nur über Gott, über das All und über den Kosmos. Dieses eine einzige Thema schließe in sich alle anderen ein. In diesem Sinne arbeite er also nicht in die Breite, sondern in die Tiefe, und man könne über den unerschöpflichen Reichtum seines einzigen aber um so vielseitigeren Themas nur seine Verwunderung zum Ausdruck bringen.523 Vilinskij sieht weniger als andere Betrachter die barocken Antithesen, die Durychs Denken und Schreiben prägen.524 Dem unerreichbar Göttlichen wird der Mensch in seiner Sündhaftigkeit gegenübergestellt, so daß Durychs gesamtes Werk einen spürbar pessimistischen Zug erhält. Insgesamt scheint die Reduzierung Durychs auf rein religiöse Komponenten etwas einseitig. Es erweist sich nicht als sinnvoll, als Prämisse aufzustellen, daß alles menschliche Handeln und der gesamte Verlauf der Geschichte in der Hand Gottes liegen, ja selbst ganze Völker sündigen können,525 denn unter dieser Voraussetzung müssen sich selbstverständlich alle Motive um das eine konzentrieren, das unbestritten in den Werken Durychs vorhanden ist. Aber es ist für das Textverständnis nicht fruchtbar, alle anderen Motive darauf zu reduzieren. Vilinskij geht es eher um die Vorstellung von Durychs Denken, weshalb er nicht direkt mit den Texten argumentiert, die jedoch den Ausgangspunkt seiner Betrachtungen bilden sollten, wenn er vorgibt, über die grundlegenden Motive im Werk Durychs zu schreiben. 520 521 522 523 524 525

Osnovnye motivy 1930, S. 468. Osnovnye motivy 1930, S. 469. Osnovnye motivy 1930, S. 470. Osnovnye motivy 1930, S. 471. Vgl. v. a. Med 1995, S. 95f. und 137. Osnovnye motivy 1930, S. 464.

124

Teil 2 – Werk

Im Oktober 1930 können sich schließlich auch die tschechischen Leser mit Vilinskijs Verständnis von Durych vertraut machen. Bei Durych v očích cizince [Durych in den Augen eines Ausländers] handelt es sich um eine Vorstufe zu dem Durych-Kapitel in Rus se dívá na Č.S.R. Der Artikel ist kürzer und erfährt noch leichte Änderungen, ehe er in das Buch aufgenommen wird.526 Bloudění wird hier eher als philosophischer denn als historischer Roman gedeutet. Durych schaffe in dem Roman ein neues System der tschechischen Historiosophie. Und indem er teilweise die Vergangenheit bewerte, errichte er auch eine neue Linie für die weitere Entwicklung der Gegenwart. Er sei also ein Herold neuer Zeiten, das Buch nehme künftige tschechische Schicksale vorweg. Die starke Betonung der „prophetischen Seite seines Schaffens“527 ist in Rus se dívá na Č.S.R. zugunsten der Betonung katholischer Aspekte etwas abgeschwächt. Vilinskij sieht als Ausländer die Notwendigkeit, für Durych in seinem eigenen Land um Verständnis zu werben. Durych habe ein Recht darauf, unpopulär zu sein, denn das sei das Privileg eines jeden, der im Namen einer höheren Ordnung gegen die bestehende kämpfe. Er werde zu Beginn mehr im Ausland geschätzt werden, wohin er sein Böhmen bringe, um die Ausländer an Böhmens Reichtum teilhaben zu lassen. Propheten müßten immer erst in die Wüste gehen, fremden Völkern predigen, um dann heimkehren zu können. Dies sei aber kein tragisches Schicksal, weil die Pilger das Bild ihrer Heimat mit sich tragen. Um Durych müsse man erst recht nicht besorgt sein. Zwar würde jedes andere Volk sein Werk als eigenes annehmen, er selbst sei aber zu sehr erfüllt vom Tschechentum, als daß er im fremden Element zerrinnen könne. Diese verschiedenen Aufsätze über Durych haben gemeinsam, daß es Vilinskij in ihnen in erster Linie darum geht, einen Denker vorzustellen. Ihm geht es nicht um die sprachlichen, literarischen, ästhetischen Aspekte der Werke, sondern um die in ihnen übermittelten Ideen.528 Er übersieht, daß ein enger Zusammenhang zwischen den ideologischen und den kompositorisch-sprachlichen Aspekten besteht. Durychs Werke sind in ihrer Komposition vielschichtig. Neben die reine Handlung tritt eine psychologische und metaphysische Dimension. Seine Sprache ist von dem Pathos des biblischen Tschechisch und dem Rhythmus des Kirchenlatein geprägt.529 Ein Grund für Vilinskijs Betrachtungsweise kann zum einen darin liegen, daß er kein Philologe ist und erst recht keiner, der mit den zu seiner Zeit neuen literaturtheoretischen Ansätzen vertraut ist. In Rußland wird lange Zeit Literaturgeschichte vor allem als Ideengeschichte wahrgenommen. Wenn man zudem die russische 526

527 528 529

Vladyková 2000, S. 513f. hält im Gegensatz dazu das Kapitel in Rus se dívá na Č.S.R. für primär, denn sie gibt Durych v očích cizince als dessen gekürzte und veränderte Fassung aus. Da Vilinskij meistens sehr schnell schreibt und Rus se dívá na Č.S.R. erst Ende 1931 erscheint – am 6. November erwähnt er, daß es „dieser Tage“ erscheine (in: Slovák, Jg. 13, Nr. 250, 06.11.1931, S. 2) –, scheint es recht unwahrscheinlich, daß dieses Kapitel schon ein Jahr zuvor fertiggestellt gewesen sein kann. Brief Vilinskijs an Novák vom 23. September 1930 (LA PNP, fond Novák). Das kann man auch in fast allen seinen Rezensionen feststellen. Med 1995, S. 97f.

Essayistik – Rus se dívá na Č.S.R.

125

theologische und philosophische Tradition betrachtet, die sich vor allem aus in der Literatur geäußerten Ideen nährt, dann liegt die Vermutung nahe, daß sich in seinem Zugang seine russische Denk- und Sichtweise äußert. Er wird mit dieser Betrachtungsweise Durych zum Teil besser gerecht, als wenn er an ihn die Maßstäbe der Moderne oder Avantgarde anlegen würde, die ihm selbst fremd sind.

Jakub Deml (1878-1961) Während Durych durch ein sarkastisches Lächeln charakterisiert wird, wird Deml ein bezeichnendes Lachen nachgesagt: […] zní a hřmí, trilkuje a zvoní jako rozsypané dukáty po celém Tasově. (S. 71)530 […] er tönt und donnert, trillert und läutet wie ausgeschüttete Dukaten durch ganz Tasov.

Deml wird alles in allem als offenherzig bis naiv dargestellt. Bei Bekanntschaften gebe er sich im Ganzen hin. Er denke, jeder habe einen christlichen Gruß auf den Lippen. Sein Schriftstellertum bestehe in einem ständigen Gespräch mit Gott, so daß einem jede Zeile als kleines Gebet erscheine. Es erinnere an manchen Stellen an das Gespräch eines Kindes mit dem Vater, worin er sich als vollkommener Priester zu erkennen gebe, der ebenfalls einem vollkommenen Kind gleichen müsse (S. 71). Unglaube, Rebellion, Ketzerei seien ihm fremd. Er trete immer für das ein, was er als Wahrheit erkannt habe. Deshalb folge er auch denen uneingeschränkt, die er für die Träger der Wahrheit halte: František Bílek, den er vollkommen überschätze, Josef Florian, der Sokol-Bewegung, die diese Liebe jedoch nicht erwidere, Otokar Březina, der ihm zugeraten habe, Priester zu werden (S. 72f.). In diesen Personen/Institutionen sehe er die Personifikation des Ewigen, sie erscheinen ihm als sichtbarer Ausdruck des Absoluten. Ihnen sei nur Gott als die ewige Wahrheit übergeordnet (S. 73). Deml lechze regelrecht nach einer Autorität, der er sich unterordnen könne. Alle Ratio werde von seiner Seele beherrscht. Deshalb werde er z. B. von den Polen, die in ihrem Denken eher östlich seien, mehr geschätzt als Durych (S. 74). Und die Russen verstehen ihn besser als die Tschechen, wie Vilinskij Deml in einem Brief mitteilt und dazu erklärt: Máte pravdu, že jste nám, Rusům, blížší nežli Čechům – Vaše užásná důslednost, přímočárost a extatická víra jest nám pochopitelná a cítíme jístou přibuznost. Výrok, že nepatříte do literatury jest samozřejmě správý, pokud literatura jest pojímáná 530

Deml seinerseits bestätigt, daß Vilinskij und er ununterbrochen lachen, sobald sie zusammen sind (Deml, Jakub: Šlépěje XVII, Brno 22000, S. 25). Auf das Lachen und den Humor Demls geht Miloš Dvořák in seinen Überlegungen Smích Jakuba Demla (Náčrt k studii), in: Host do domu, Jg. 16, Nr. 15, 1969, o. S. (Glosář zwischen S. 24 und 25) ein. Vgl. dazu Wöll, Alexander: Mezi apoteózou a tabu. Přehled bádání o Jakubu Demlovi, in: Fedrová, Stanislava (Hg.): Otázky českého kánonu. Sborník příspěvků z III. kongresu světové literárněvědné bohemistiky (Svazek 1), Praha 2006a, S. 381-398, hier: S. 383.

126

Teil 2 – Werk

jako cosi odlišného od života a víry. U Vás tohoto třídění není, jako ho neměl ani Dostojevský. Není literaturou dopisy určené pro konsistoř – je to však něco většího, stejně jako Dostojevského denník není v přesném smyslu slova literaturou. Není možno Vás uložiti do předem připraveného ramce.531 Sie haben recht, daß Sie uns, den Russen, näher sind als den Tschechen – Ihre erstaunliche Konsequenz, Geradlinigkeit und Ihr ekstatischer Glaube sind uns verständlich und wir fühlen eine gewisse Verwandtschaft. Die Äußerung, daß Sie nicht zur Literatur gehören, ist natürlich richtig, sofern Literatur als etwas vom Leben und Glauben Verschiedenes aufgefaßt wird. Bei Ihnen existiert eine solche Klassifikation nicht, wie sie nicht einmal Dostoevskij hatte. An das Konsistorium gerichtete Briefe sind keine Literatur – aber es ist doch etwas Größeres, so wie auch Dostoevskijs Tagebuch im genauen Sinn des Wortes keine Literatur ist. Es ist nicht möglich, Sie in einen vorher vorbereiteten Rahmen zu legen.

Deml wird wie Durych mit einer Kunstepoche in Beziehung gesetzt. Im Gegensatz zu Durych fällt der Vergleich im Falle Demls jedoch eindeutig aus: an ihm sei nichts Barockes, sondern er sei ein durch und durch gotischer Mensch (S. 72).532 Und die Gotik sei dem Osten näher als frühere Epochen. Deml unterscheide nicht zwischen Ziel und Mitteln, die oft nicht einander entsprechen (S. 73), er rechne sich nicht aus, wo das Ziel liege, lasse sich jedoch immer und ohne Skepsis von diesem Ziel leiten (S. 74). Mit Deml beschäftigt sich Vilinskij bis zu diesem Zeitpunkt nicht so eingehend wie mit Durych. Der Chefredakteur des Przegląd powszechny, Jan Urban, gibt zwar bei ihm bereits Ende 1930 eine Studie über Deml in Auftrag – ganz offensichtlich ist die Redaktion ähnlich zufrieden mit seinem Jarosław Durych wie Vilinskij selbst –, durch Verzögerungen bildet jedoch das Deml-Kapitel in Rus se dívá na Č.S.R. den Auftakt zu intensiverer Beschäftigung mit Deml. Nachdem Vilinskij die Bitte von Urban erhält, wendet er sich an Deml um Hilfe, der ihm am 23. Januar 1931 neunzehn seiner Bücher zusendet.533 Er besucht daraufhin Deml in Tasov, wovon er in den Lidové listy unter der Überschrift Mé svědectví o P. Jakubu Demlovi [Mein 531 532 533

Brief Vilinskijs an Deml vom 27. März 1931 (LA PNP, fond Jakub Deml, 21/B/18). Zu den Eigenschaften, die Vilinskij für typisch gotisch hält, s. das Durych-Kapitel. Brief Vilinskijs an Vašica vom 24. Januar 1931 (LA PNP, fond Vilinskij). Andersherum finden sich auch in Demls Bibliothek eine Reihe mit Widmung versehener Bücher Vilinskijs. Allerdings hat Deml nur Interesse an den Arbeiten Vilinskijs, die ihn selbst betreffen. Die Exemplare, die sich in seiner Bibliothek befinden (heute Teil der Moravská zemská knihovna, Brno [MZK]), sind zum größten Teil nicht aufgeschnitten gewesen. Anstreichungen betreffen Stellen, die ihn persönlich tangieren. Vilinskij macht sich keine Illusionen über Deml als seinem Leser. So schreibt er am 7. Dezember 1931 als Widmung zu Rus se dívá na Č.S.R.: „Milému a upřímně váženému příteli P. Jakubu Demlovi věnuje tuto knihu, která jej občas pohorší, občas rozveselí (přečte-li ji ovšem) oddaný dr V. Vilinskij“ [Dem lieben und aufrichtig geschätzten Freund P. Jakub Deml widmet dieses Buch, das ihn manchmal verärgern, manchmal belustigen wird (wenn er es überhaupt lesen sollte) der ergebene dr V. Vilinskij] (Signatur: J. Deml 645.890). Vgl. dazu allgemeiner Šalda: „Pochybuji, že Deml přečetl v životě dvacet knih do konce“ [Ich bezweifle, daß Deml in seinem Leben zwanzig Bücher bis zu Ende gelesen hat] (Šalda, František Xaver: Z nové literatury o Otokarovi Březinovi, in: Šaldův zápisník. IV. 1931-1932, Praha 1991, S. 24-35, hier: S. 35).

Essayistik – Rus se dívá na Č.S.R.

127

Zeugnis über P. Jakub Deml] berichtet,534 wobei natürlich die Anspielung an Demls Zeugnis über Březina nicht zu überhören ist. Vilinskij reagiert indirekt auf die scharfen Reaktionen auf Demls Text und rezensiert ihn schließlich im Februar 1932 in der Centraľnaja Evropa.535 Bevor der bereits Mitte 1931 wütend angemahnte Artikel536 zwei Jahre später im Przegląd powszechny erscheint,537 übersetzt er noch ein Gedicht Demls ins Russische.538 Auch nachdem Vilinskij sich weitestgehend aus der Publizistik zurückzieht, reißt der Kontakt zu Deml nicht vollkommen ab. Noch 1938, als Deml sich durch seine Angriffe in alle Richtungen endgültig isoliert,539 als gelehriger Schüler von Březina antisemitische Schriften veröffentlicht und dann auch Josef Florian und Alfred Fuchs angreift,540 schickt er ihm mit Widmung seine Verše české, für deren Erhalt sich Vilinskij mit einer Einladung und seiner Ruská revoluce 1825-1936 bedankt.541 Allerdings ist diese Freundschaft nicht frei von Erschütterungen. Aus seinem publizistischen Umgang mit Deml spricht weniger die Hochachtung, die Vilinskij Durych entgegenbringt, sondern ein eher vertrauter Umgangston. Das kommt besonders in dem Artikel Mé svědectví o P. Jakubu Demlovi zum Ausdruck, der anekdotisch von einem Besuch in Tasov berichtet. Deml wird mal „Jakub“, mal „Jakub Deml“, mal „P. Deml“, nur „Deml“ oder „P. Jakub“ genannt. Er beleidige von Berufs wegen alle anerkannten Autoritäten, die ihm zwar die Beleidigungen verzeihen, ihre Verehrer jedoch seien unerbittlich. Man könne auf Deml sein eigenes Zitat aus den Šlépějí anwenden: V našich očích je ztracen, ale snad Pán Bůh se ho zeptá: Kdo jsi? Odpoví: Borovice. I řekne milý Pán Bůh: Tak proč ti osli chtěli z tebe udělati jabloň?542 In unseren Augen ist er verloren, aber wahrscheinlich fragt ihn der Herrgott: Wer bist du? Er antwortet: Eine Kiefer. Und da sagt der liebe Herrgott: Und warum wollten diese Esel einen Apfelbaum aus dir machen?

Sowohl die Beamten der Hauptmannschaft als auch die Literaturkritik, die eine lustige 534 535

536 537

538 539 540

541

542

Mé svědectví o P. Jakubu Demlovi 1931. Deml, Jakub: Mé svědectví o Otakaru Březinovi. Praha 1931, in: Centraľnaja Evropa, Jg. 5, Nr. 2, 1932, S. 120f. Mé svědectví o P. Jakubu Demlovi 1931. Jakub Deml. I. 1933 und Jakub Deml. II. Twórczość, in: Przegląd powszechny, Jg. 50, Nr. 199 (597), 1933, S. 285-301. Die Aussage Wölls, daß es zu der „Studie über Deml […] nie kam“, kann also nicht bestätigt werden (Wöll 2006, S. 504). Auch Binar 2009, S. 310 spricht nur vage davon, daß eine Studie Vilinskijs geplant gewesen sei. Deml’, Jakov: To umen’šit eja pečal’. Perevel V. V., in: Jubilejní sborník 1932, S. 21. Med 1995, S. 82. Brabec, Jiří: Rozhovor nejen o nacionalismu, fašismu, antisemitismu a literatuře, in: Souvislosti, Jg. 6, Nr. 4 (26), 1995, S. 3-9 und Chalupecký, Jindřich: Jakub Deml, in: ders. Expresionisté, Praha 1992, S. 79-134, hier: S. 128f. Brief Vilinskijs an Deml vom 14. Juli 1938 (LA PNP, fond Jakub Deml, 21/B/18); abgedruckt in: Sládek/Běloševská (Hgg.) 1998, S. 272. Mé svědectví o P. Jakubu Demlovi 1931.

128

Teil 2 – Werk

Hetzjagd auf ihn vollführen, frage Deml beim Zusammentreffen, warum er noch nicht hinter Gittern sei. Jetzt habe er sein größtes Verbrechen begangen, indem er Aussagen Otokar Březinas über die Slowakei, über das Slowakische und über die Slowaken veröffentlicht habe. Er habe sich anno Domini 1920 erdreistet zu sagen, daß die slowakische Landschaft seinem Herzen widerstrebe und daß das Slowakisch von Rázus hundsmiserabel sei. Die Slowaken seien nie damit zufrieden gewesen, daß man sie als interessante Folklore betrachtet. Als Deml allerdings ein originelleres Urteil abgab, herrschte großer Aufruhr, denn die Slowaken seien nicht in der Lage, Demls Aussagen mit etwas Ruhe und Humor zu betrachten und prägten deshalb für Deml den Spitznamen „mrchožrút“ [Aasgeier].543 Vilinskij fährt polemisch fort, daß er deshalb erwartet habe, ihn deprimiert mit Asche auf dem Haupt, in härenem Gewand vorzufinden, vielleicht nur noch seinen erkalteten Leichnam, der unbezähmbare Deml vertreibe sich jedoch die Zeit damit, daß er mit Interesse die Schmähschriften über sein Buch lese, die Beete jäte, Blattläuse zerdrücke, Fische fange, Kindern Audienzen gebe und Vogelhäuser bewache. Er ist sich schlicht keiner Schuld bewußt. Er sei ein verstockter und unverbesserlicher Mensch. Er habe eine ganz idyllische Laune und sein Schlaf gleiche dem eines satten Säuglings. Mit schmachtender Stimme erzähle er, daß so viele Leute mit der Bitte um ein Autogramm oder eine Widmung zu ihm kommen – wenn es nur einem davon einfallen würde, ihm ein paar kleine, schöne grüne Papageien als Geschenk zu schicken! Sie würden in seinem Garten herumfliegen und er würde sie lehren, „Mrchožrút, mrchožrút, mrchožrút!“ zu sagen. In seiner später erscheinenden Besprechung von Demls Mé svědectví o Otakaru Březinovi [Mein Zeugnis über Otakar Březina], die er allerdings schon wesentlich früher geschrieben hat,544 schlägt Vilinskij einen ernsthafteren Ton an. Mehr als die anderen zahlreichen Rezensenten bemüht er sich darum, Deml zu verstehen, logisch zu erklären, wie es zu den umstrittenen Aussagen kommen konnte. Seine Verteidigung besteht im Prinzip darin, daß er die in Rus se dívá na Č.S.R. angedeutete Naivität oder Einfältigkeit Demls praktisch vorführt. Deml habe alles, was Březina gesagt habe, für dessen Meinung ausgegeben, ohne zu bedenken, daß in einem intellektuellen Gespräch die Tragfähigkeit der eigenen Argumente durch das Äußern von Gegenargumenten getestet werden könne. Die feinen Nuancen der Gespräche könne nur ein Phonogramm wiedergeben, während Deml nicht einmal zwischen Äußerungen in tiefgehenden Gesprächen und zufälligen Bemerkungen unterscheide. Daraus sei dann dieses Bild Březinas entstanden, auf dem er dem Leser als erbitterter Provinzlehrer erscheine, als kleiner Chauvinist, der Gehässigkeit atme und Sarkasmen streue. Deml lüge dennoch nicht, sondern beschreibe alles 543

544

Was damit genau gemeint ist, kann man in einem ausführlichen Artikel nachlesen, der zunächst einer biologischen Abhandlung gleicht, ehe dann die Übertragung auf das Menschengeschlecht erfolgt und Deml in seinem Verhalten gegenüber Březina als lehrreiches Beispiel angeführt wird (o. A. Mrchožrútstvo, in: Slovák, Jg. 13, Nr. 172, 02.08.1931, S. 1). In seinem Brief an Deml vom 16. Dezember 1931 schreibt er, daß sie schon einige Monate in der Redaktion der Centraľnaja Evropa liege (LA PNP, fond Jakub Deml, 21/B/18).

Essayistik – Rus se dívá na Č.S.R.

129

nach bestem Glauben, so wie er es verstehe. Allerdings sei Deml zu subjektiv. Da Březina zu seinen großen Vorbildern gehöre, erscheine Deml alles aus seinem Munde als heilig, vergleichbar mit dem Wort Gottes. Er unterliege demselben Fehler wie andere Schüler von Propheten: sie interpretieren ihren Lehrer nach ihrem Bilde. Vilinskij hält es für erstaunlich, daß sich keiner der Kritiker daran gestört habe, daß die Meinungen Březinas und Demls immer identisch seien. Darin irrt er, denn Šalda hat sie gleich, auf der Grundlage seiner Kenntnis Březinas, als die Meinungen allein des „geistlosen“ und „unintelligenten“ Deml aufgefaßt. 545 Deml hat also nach Meinung Vilinskijs Březina zu seiner privaten Ideologie zurechtinterpretiert – dies sei selbstverständlich ohne böse Absicht geschehen, das Ergebnis sei jedoch verheerend. Das Buch enthalte zweifellos wertvolle Stellen, allerdings könne man heute noch nicht entscheiden, welche Stellen wahr und welche falsch seien. Und so erfülle es nicht seinen Zweck, Březina ein Denkmal zu setzen, sondern sei vielmehr zu einem Gegenstand des Streits und des Kampfes der Leidenschaften geworden. Bei der hier kurz vorgestellten Rezension bleibt die Hauptfrage unbeantwortet, wie Deml charakterisiert werden muß, wenn die ganzen streitbaren Äußerungen ihm (und nur zu einem gewissen Teil Březina) angelastet werden müssen. Eine Beantwortung dieser Frage versucht Vilinskij in der Zeitung Slovák, die die Redaktion unter die Überschrift Demlovina v zrkadle V. Vilinského. Vilinský sa nestotožňuje s tým, čé Deml o Slovensku popísal. Má básnik právo vidieť veci „poněkud zvláštním způsobem“? [Demelei im Spiegel V. Vilinskijs. Vilinskij identifiziert sich nicht mit dem, was Deml über die Slowakei geschrieben hat. Hat ein Dichter das Recht, die Dinge auf „etwas eigene Art“ zu sehen?] stellt,546 denn er fühlt sich von den Slowaken in seiner Verteidigung Demls mißverstanden,547 so daß er sich, bzw. sein Zeugnis über Deml nun selbst verteidigen muß. Vilinskij drängt darauf, daß seine Sicht auf die Slowakei nicht mit der Demls gleichgesetzt werde und daß seine freundschaftlichen Beziehungen zu vielen kulturpolitischen Repräsentanten der Slowakei anhalten mögen. Er identifiziere sich nicht 545

546 547

Šalda 1991 und ders. „Ubohý Březina“?, in: Šaldův zápisník. IV. 1931-1932, Praha 1991a, S. 274-276, hier: S. 276. Demlovina v zrkadle V. Vilinského […], in: Slovák, Jg. 13, Nr. 250, 06.11.1931, S. 2. Aus ihrer Enttäuschung, daß Vilinskij nicht ihnen, sondern Deml recht gibt, machen sie tatsächlich keinen Hehl: „No, tým neuveriteľnejšie bolo naše sklamanie, keď úradné noviny českej katolickej (lidovej) strany, to jest pražské ‚Lidové listy‘, priniesly zanedlho článok z pera Vilimského [sic], ktorý v otáznych invektívach protislovenských veľmi urážlivým a nemiestným spôsobom dal plnú pravdu nie nám, ale Demlovi.“ [Nun, um so unglaublicher war unsere Enttäuschung, als die amtliche Zeitung der tschechischen katholischen (Volks-)Partei, das sind die Prager Lidové listy, kürzlich einen Artikel aus der Feder Vilinskijs brachte, der in fragwürdigen antislowakischen Invektiven auf sehr beleidigende und unangebrachte Weise nicht uns, sondern Deml voll recht gab] (o. A. Českí katolíci chránia demlovčinu. Nevysvetliteľné stanovisko „Lidových listov“, in: Slovák, Jg. 13, Nr. 237, 20.10.1931, S. 2; zuvor bereits ausführlicher in „Poněkud originálnější úsudek“ Jakuba Demla. „Lidové listy“ reparujú pošramotené renomé básnika Demla – Kde ja zákon na ochranu republiky?, in: Slovák, Jg. 13, Nr. 191, 26.08.1931, S. 4).

130

Teil 2 – Werk

mit dem, was Deml in seinem Svědectví o Otakaru Březinovi und dem vorherigen Buch Z mého okovu [Aus meinem Kübel] (1920, 1927) über die Slowakei sage, seiner Meinung nach seien vielmehr viele dieser Urteile vollkommen falsch: weder die Slowaken noch das Slowakische als Sprache seien so, wie Deml sie zeichne. Seinen eigenen Blick auf die Slowakei könne man in Rus se dívá na Č.S.R. nachlesen, das in den nächsten Tagen erscheine. Obwohl er sich also nicht mit Deml identifiziert, dessen Ansichten er für unrichtig hält, verteidigt Vilinskij ihn. – Warum? Ihm gehe es darum, auf das Recht des Dichters hinzuweisen, die Dinge auf seine eigene Weise zu sehen. Z mého okovu enthalte zwar einige Stellen, die den Charakter eines Pamphlets aufwiesen, andererseits stelle es aber auch eine wertvolle Sicht auf die slowakische Landschaft dar, so daß man die pamphletartigen Stellen lieber als Irrtum bezeichnen sollte. In dem Buch über Březina greife Deml nicht das Slowakische an sich an, sondern nur die Sprache von Martin Rázus. Außerdem erscheine ihm eine Verteidigung Demls schon deshalb gerechtfertigt, so Vilinskij, weil die Würde eines Volkes nicht von einem einzelnen oder einem Buch in Frage gestellt werden könne. Kein einziger Autor könne jemals die ganze Komplexität eines Volkes wahrnehmen, er sehe immer nur einen Ausschnitt und gebe diesen oft unrichtig wieder. – Ob man diese Aussage wohl als vorweggenommene Rechtfertigung für sein zu diesem Zeitpunkt noch im Druck befindliches Buch Rus se dívá na Č.S.R. auffassen soll? – Deml sei also kein „mrchožrút“, sondern ein Mensch, der sich irre. Des weiteren komme hinzu, daß Deml in dem ganzen Streit oft das vorgeworfen werde, was man eigentlich Březina anlasten müsse – und was Vilinskij in seinem zeitlich folgenden Artikel dann ebenso eher auf Demls denn Březinas Konto bucht (s. o.).548 Die Tschechen machten aus Březina einen Mythos und Deml sei nun derjenige aus Andersens Märchen, der zeige, daß der Kaiser nackt sei. Er zerstöre die Legende und alle seien enttäuscht. Karel Čapek habe in den Lidové noviny darauf hingewiesen, daß man Deml nicht der Lüge, sondern der Taktlosigkeit beschuldigen müsse, denn Březina sei wirklich Antisemit gewesen und ein sehr provinzieller Politiker. Es bestehe also kein Grund zum Zweifel, daß er sich wirklich so über die Slowaken ausgesprochen habe. Und könne es nicht sein, daß Deml gerade unter dem Einfluß Březinas begonnen habe, falsch über die Slowaken zu denken? Man müsse nicht nur Deml richten, sondern auch Březina. Březina habe sich immer sehr gegensätzlich geäußert und auch über Dinge geschrieben, die er überhaupt nicht kannte. In seinem Artikel über Březina, den er in Polen veröffentlicht hat,549 betone er (Vilinskij) Březinas Unbeständigkeit. Es existieren vollkommen gegensätzliche Versionen über Březinas Ansichten und sein Denken. In seiner polnischen Studie trage er neun solcher Interpretationen 548

549

Diesen Wandel kann man damit erklären, daß Vilinskij ein stark ausgeprägtes Harmoniebedürfnis hat, oder anders gesagt, daß er es sich mit niemandem verderben möchte, der ein potentieller Abkäufer seiner Artikel ist. Der Begründer und Chefredakteur des Slovák ist Hlinka, der gleichzeitig der Vorsitzende des Spolok sv. Vojtecha ist, der 1932 Vilinskijs Unionizmus und 1936 seine Ruská revolúcia herausgibt. Otokar Brzezina, in: Przegląd powszechny, Jg. 48, Nr. 190, 1931, S. 71-86 und 207-225.

Essayistik – Rus se dívá na Č.S.R.

131

zusammen, in Wirklichkeit seien es noch mehr. Er könne sich das nur damit erklären, daß Březina wirklich unstet war: heute ein Genie, morgen ein Mensch sehr kleinen Formats; ein Březina, der die Bücher schreibt und ein anderer, der beim Bier erzählt. Deml nun trage all diese Ansichten zusammen und denke naiv, daß er damit dem Andenken des Meisters diene. Das könne man als Naivität bezeichnen, nicht jedoch als Bösartigkeit und vor allem nicht als Lüge. Vilinskij verteidigt Deml als Menschen, nicht seine Ansichten und nicht die Ansichten Březinas. Abschließend wird noch einmal wiederholt, daß, wer Deml richten wolle, zuvor Březina richten müsse. Deml sei lediglich der Mitschuldige. Der Artikel endet mit den Worten, daß es immer noch Menschen gebe, die nicht die Größe der Seele und die Pein des slowakischen Volkes begreifen, womit sie nur ihre eigene Verständnislosigkeit unter Beweis stellen. Von denen man glaube, sie seien groß sind, die erweisen sich in Wirklichkeit als klein.550 Mit dieser seiner Verteidigung kann Vilinskij die Redaktion des Slovák nicht überzeugen, wovon die anschließende redaktionelle Bemerkung zeugt. Schließlich sei ihnen vollkommen gleich, aus welchen Gründen wer was sage oder nur kolportiere, wenn es sich um gegen die Slowakei gerichtete Auffassungen handle. Sie haben ebensowenig etwas gegen das Recht des Dichters einzuwenden, die Dinge mit eigenen Augen zu sehen, nur dürfe er dieses Recht eben nicht auf Kosten der objektiven Wahrheit in Anspruch nehmen. Unverständnis sei nur in solchen Fällen zu verzeihen, wo es niemandem schade. Vilinskij sieht bereits eine Welle von Angriffen und Gegenangriffen auf Deml zukommen, als das Buch noch gar nicht erschienen ist. Zu dieser Zeit ist er selbst auch nur aus zweiter Hand mit seinem Inhalt vertraut. Am 9. Mai 1931 schreibt er Deml, daß das Interesse groß sein werde und fährt fort: „Musíte se připraviti, že Vám budou všichni nadávati, ale nic si z toho nedělejte“551 [Sie müssen sich darauf vorbereiten, daß Sie alle beschimpfen werden, aber machen Sie sich nichts daraus]. Nach seinem Artikel im August in den Lidové listy und der darauf erfolgenden ersten Reaktion des Slovák beruhigt er Deml Anfang Oktober, daß er das Schlimmste schon hinter sich habe. Es werde jetzt Mode zu zeigen, daß Deml nichts dafür könne, sondern Březina das Ganze angezettelt habe. Mit seinem Rus se dívá na Č.S.R. werde Deml nicht zufrieden sein, weil er darin für die Juden eintrete, […] ale každý dělá to, co pokládá za správné – život je složity […] Zachovávejte veselý klid, až budete ve ,Šlepějich‘ odpovidati, žádnému nic neslevte, ale také nic víc nenaložte.552 […] aber jeder macht das, was er für richtig hält – das Leben ist kompliziert […] Bewahren Sie fröhliche Ruhe, bis Sie in den Fußstapfen erwidern werden, lassen Sie niemandem etwas nach, aber laden Sie auch niemandem mehr auf. 550 551 552

Demlovina v zrkadle V. Vilinského […] 1931, S. 2. Brief Vilinskijs an Deml vom 9. Mai 1931 (LA PNP, fond Deml, 21/B/18). Brief Vilinskijs an Deml vom 3. Oktober 1931 (LA PNP, fond Deml, 21/B/18).

132

Teil 2 – Werk

Am 26. Oktober (nach dem zweiten Artikel gegen Vilinskijs Sicht auf Deml im Slovák) schreibt er dem „lieben ,allgemein verurteilten‘ Freund“, daß sich nun schon nur noch das literarische Fußvolk zu der Angelegenheit äußere und bereitet ihn darauf vor, daß er in seinem Buch der Hoffnung Ausdruck verliehen habe, daß auch Deml einmal die Juden in sein Herz schließen werde.553 Es vermischt sich in diesen Briefen eine gewisse Angst davor, wie Deml auf sein dezidiert nicht antijüdisches Buch reagieren werde mit der Distanznahme zu den Kritikern, für die er nur Ironie übrig hat.554 Vielleicht ahnt er, daß Deml mit ihm bereits in den noch nicht erschienenen Šlépěje XVII [Fußstapfen XVII] (1931) polemisiert. Deml bezieht sich darauf, daß Vilinskij eine breite Pressekampagne gegen sein Březina-Buch vorausgesehen hat und schreibt: Pane doktore Vilinský, bratře Vilinský, buďto jste visionář, anebo vševědoucí, ale potom z Vás na mne jde hrůza, jaká dnes ze mne jde na celý národ. Víte, že by mezi námi mohlo se stát neštěstí? Kdyby totiž jeden z nás nechtěl za pravdu obětovat ani Dr. Alfreda Fuchse, ani Dr. Eduarda Beneše, dobře věda, že oba budou spaseni i bez naší oběti!555 Herr Doktor Vilinský, Bruder Vilinský, entweder sind Sie Visionär oder allwissend, aber dann geht von Ihnen auf mich Schrecken aus, wie er heute von mir auf das ganze Volk ausgeht. Wissen Sie, daß zwischen uns ein Unglück passieren könnte? Wenn nämlich einer von uns weder Dr. Alfred Fuchs noch Dr. Eduard Beneš für die Wahrheit opfern will, gut wissend, daß beide auch ohne unser Opfer gerettet werden.

Das angekündigte Unglück wird aber letzten Endes durch etwas anderes ausgelöst: durch Vilinskijs breit angelegte Auseinandersetzung mit Tomáš G. Masaryks Rusko a Evropa [Rußland und Europa] in der Filosofická revue [Philosophischen Revue],556 aus der Deml die abschließenden Worte zitiert, in denen Vilinskij schreibt, daß Masaryk über Dostoevskij gedanklich gesiegt habe, weil er sich als Erforscher des russischen Geistes nicht nur als kongenialer erwiesen, sondern Dostoevskij über553 554

555 556

Brief Vilinskijs an Deml vom 26. Oktober 1931 (LA PNP, fond Deml, 21/B/18). Zwischen den Briefen befindet sich ein Zettel, auf dem Vilinskij notiert: „Věc / Jakuba Demla / anebo / De bello gallico. / Motto: Tasov est divisus in partes tres …“ [Sache / Jakub Demls / oder / Vom gallischen Krieg (= Hahnenkampf) / Motto: Tasov ist in drei Teile geteilt …]. Dazu findet man einen Zeitungsausschnitt aus Přítomnost (Nr. 22), die einen Artikel über Březina aus Čin abdruckt, in dem Březina als Ausländer dargestellt wird, der seinen Freunden zu viel erzählt habe. Diese wiederum würden ihre Freundespflicht verletzen, weil sie, statt das große Werk dieses Ausländers zu propagieren, seine Schwächen darstellen. Auf diesem Ausschnitt vermerkt Vilinskij: „I fase – obléhání“ [I. Phase – Belagerung]. Ein weiterer Zeitungsausschnitt enthält einen Artikel von Emil Vachek Případ s Březinou [Der Fall mit Březina] aus Zpravodaj (Nr. 27). Vachek will sich ‚seinen‘ Březina ‚nicht kaputtmachen lassen‘. Er plädiert dafür, die Augen zu verschließen und sich an dem Werk zu erfreuen. Die Verantwortung liege allein bei denen, die derartige Dinge veröffentlichen. Darauf vermerkt Vilinskij: „II fase – útok“ [II. Phase – Angriff ] und schreibt außerdem in deutscher Sprache auf den Rand: „Mit Gott, für Kaiser und Vaterland!“ Als letzter Akt dient wieder ein Zettelchen mit der Aufschrift: „III fase / Jménem republiky!“ [III. Phase / Im Namen der Republik] (LA PNP, fond Jakub Deml). Deml 2000, S. 25. T. G. Masaryk a ruské pravoslaví („Rusko a Evropa“), in: Filosofická revue, Jg. 3, Nr. 1, 1931, S. 37-39; Nr. 2, S. 77-80 und Nr. 3, S. 125-129.

Essayistik – Rus se dívá na Č.S.R.

133

wunden habe. Masaryks Rußland sei ‚russischer‘, wahrer und überzeugender als das Dostoevskijs – seit er das geschrieben hat, meint Deml, von „unserem russischen Freund“ nichts mehr erwarten zu können.557 Etwas später schreibt er, daß ihm das, was Vilinskij über Dostoevskij geschrieben habe, bis zum Tode reichen werde, gleichzeitig wirft er ihm vor, sich noch nicht eingehender zu seinem Buch geäußert zu haben und droht an, sich weiter über ihn zu verbreiten: „Sám pro sebe nepochybuji, že o tomto pravoslavném a slavném cizinci budeme zde ještě mluviti“558 [Ich selbst zweifle nicht daran, daß wir über diesen orthodoxen und berühmten Ausländer hier noch reden werden]. Auf das Erscheinen dieser Nummer der Šlépěje reagiert Vilinskij mit einem Brief an Deml, in dem er zu den Vorwürfen Position bezieht. Er sei auch deshalb ausführlicher zitiert, weil in ihm sein klarer Standpunkt gegenüber den Juden deutlich wird, den man vielleicht nicht so eindeutig erwarten würde, wenn man mit Vilinskijs Biographie vertraut ist:559 Bohoslovci mne upozornili na to, že jste vydal nové ‚Šlépěje‘. Jelikož jste na mne zapomněl, musel jsem je vyhledávati. Přečetl jsem co o mně píšete – i to dobré i to zlé. Mám za to, že se mýlíte, ale nikterak Vám to nezazlívám, poněvadž Vás mám rád stejně jako dříve. Proto také chci Vám říci několik slov na vysvětlení. Neobětuji ani Beneše a Fuchse Vám, ani Vás Benešovi a Fuchsovi, kteří toho věřte od nikoho nežádají. Rovněž neobětoval jsem Vás ani Slovákům, či přesněji řečeno Kristině Hlinkové, která chtěla za každou cenu, abych Vás vypustil ze své knihy a hrozila časnými i věčnými tresty. Mohu s Vámi nesouhlasiti a také v otázce židovské a slovenské s Vámi nesouhlasím, ale mám Vás rád. Nedávám nikdy své srdce, abych je pak zase bral zpět. Myslím, že se můžeme rozcházeti v tisíci směrech, ale při tom si jeden druhého navzájem vážiti. [handschriftlich eingefügt: Nikdy nebudu spolu s Vami bojovati proti Židům, T. G. Masarykovi a td., ale vždy jsem ochoten bojovati za Vás, jako za člověka – dokonce i tehdy, když se rozejdeme.] S tím referátem jste na omylu. Nejsem Čech a není tudíž vhodné, abych se vměšoval v české spory, v nichž nebudu dle mínění některých osob, snad dobře orientován [handschriftlich eingefügt: , poněvadž jsem neznal Březinu osobně]. 557 558 559

T. G. Masaryk a ruské pravoslaví 1931, S. 129 und Deml 2000, S. 46. Deml 2000, S. 62. Der ihn jedoch nicht davon abhält, mit Hlas zusammenzuarbeiten, den Jurák als Träger „myšlenky na odžidovštění světa a hlavně osvobození Slovanů z židovksých spárů“ [des Gedankens der Entjüdisierung der Welt und vor allem der Befreiung der Slaven aus den jüdischen Klauen] bezeichnet. „,Hlas‘ v tomto ohledu předčí všechny ostatní časopisy svou důsledností, nekompromisností, věcností“ [,Hlas‘ ist in dieser Hinsicht allen anderen Zeitschriften durch seine Konsequenz, Kompromißlosigkeit, Sachlichkeit überlegen] (Jurák, P. Jeroným M. O. P.: Co s Židy?, in: Hlas, Jg. 60, Nr. 4499, 13.06.1933, S. 2). Über die „Bruderschaft der russischen Wahrheit“ schreibt Vilinskij zu gleicher Zeit: „Sympatickým jejich rysem je, že potírají antisemitismus“ [Ein sympathischer Zug von ihr ist, daß sie den Antisemitismus bekämpft] (V Rusku boj trvá … 1933, S. 310). Dies ist unter Umständen auch ein Aspekt, weshalb der Streit zwischen Deml und Vilinskij gerade um Dostoevskij entbrennt, der einen modernen Antisemitismus vertritt, weil er die Juden als Repräsentanten moderner, von ihm abgelehnter, westlicher Institutionen sieht.

134

Teil 2 – Werk

Ale mohu o těchže věcech pronésti svůj úsudek v tisku zahraničním. A také jej pronesu. V některém příštím čísle ‚Centrální Evropy‘ bude asi můj referát, který již leží v redakci pěkných pár měsíců. Také jak víte, chystám o Vás velkou polskou studii – není-li dosud hotova pak proto, že můj přítel Deml je bytost spletitá a nelze o něm psáti, aniž bych důkladně prostudoval jeho dílo. Ale na jaře to přece určitě bude. Rovněž jsem obhajoval Vaše jednání v tisku slovenském [im Original hervorgehoben] a svůj článek jsem Vám zaslal. [handschriftlich eingefügt: Nemluvím také o svém zákroku u Hlinky – myslete, že ‚Slovák‘ tak z ničeho nic přestal o Vás psáti?] […] Píšete, že jsem ‚odešel‘. Myslím, že moje kniha Vás přesvědčila že jsem zůstal s Vámi. Tedy správnějším by bylo říci že mne vyhazujete, ale já si vůbec nepřeji s Vámi se rozloučiti. Doufám, že se červenáte. […] Vždy zcela Váš – i když o mně pochybujete a mne zatracujete P. S. Je to ovšem Vaše věc, když pravíte, že mne máte dost za můj úsudek o Dostojevském. […] Nemyslete, že pronáším své názory, aniž bych je promyslil. Rozdíl je v tom, že já se dívám na Dostojevského očima Rusa, kdežto Vy se díváte na Rusko očima Dostojevského. […] A ještě jedno bych řekl na rozloučení: příliš spěcháte s odsuzováním [im Original hervorgehoben]. […] Saltykov-Ščedrin: spěch a shon jsou potřebny jedině při chytání blech.560 Die Theologen haben mich darauf aufmerksam gemacht, daß Sie die neuen Fußstapfen herausgegeben haben. Da Sie mich vergessen haben, mußte ich sie suchen. Ich habe gelesen, was Sie über mich schreiben – sowohl das gute als auch das schlechte. Ich bin der Meinung, daß Sie sich irren, aber ich werde Ihnen das nicht irgendwie verübeln, weil ich Sie gleich gern mag wie früher. Deshalb möchte ich Ihnen auch einige Worte zur Erklärung sagen. Ich werde weder Beneš und Fuchs Ihnen opfern, noch Sie Beneš und Fuchs, die das, das können Sie glauben, von niemandem fordern. Außerdem habe ich Sie nicht einmal den Slowaken geopfert, oder genauer gesagt Kristina Hlinka, die um jeden Preis wollte, daß ich Sie aus meinem Buch herauslasse und mit zeitlichen und ewigen Strafen drohte. Ich muß mit Ihnen nicht einer Meinung sein und ich bin auch in der jüdischen und der slowakischen Frage nicht einer Meinung mit Ihnen, aber ich habe Sie gern. Ich gebe niemals mein Herz hin, um es dann wieder zurückzunehmen. Ich denke, wir können in tausenderlei Richtungen auseinandergehen, uns dabei aber gegenseitig achten. [handschriftlich eingefügt: Niemals werde ich mit Ihnen gemeinsam gegen die Juden kämpfen, gegen T. G. Masaryk u. s. w., aber ich bin immer bereit, für Sie zu kämpfen, als Menschen – selbst dann, wenn wir auseinandergehen.] Mit diesem Referat sind Sie im Irrtum. Ich bin kein Tscheche und es ist daher nicht schicklich, daß ich mich in tschechische Streitereien einmische, in denen ich nach Meinung einiger Personen wahrscheinlich nicht gut orientiert bin [handschriftlich eingefügt: , weil ich Březina nicht persönlich kannte].

560

Brief Vilinskijs an Deml vom 16. Dezember 1931 (LA PNP, fond Deml, 21/B/18).

Essayistik – Rus se dívá na Č.S.R.

135

Aber ich kann über solcherlei Dinge mein Urteil in der ausländischen Presse vortragen. Und ich trage es auch vor. In einer der nächsten Nummern der Centraľnaja Evropa wird wahrscheinlich mein Referat sein, das schon ein paar hübsche Monate in der Redaktion liegt. Auch beabsichtige ich, wie Sie wissen, über Sie ein große polnische Studie – wenn sie bisher noch nicht fertig ist, dann deshalb, weil mein Freund Deml ein kompliziertes Wesen ist und es nicht möglich ist, über ihn zu schreiben, ohne daß ich gründlich sein Werk studiert habe. Aber im Frühling wird es dennoch gewiß. Außerdem habe ich Ihre Abhandlung in der slowakischen [im Original hervorgehoben] Presse verteidigt und Ihnen meinen Artikel geschickt. [handschriftlich eingefügt: Ich rede gar nicht von meinem Einschreiten bei Hlinka – denken Sie, daß der Slovák aus heiterem Himmel aufgehört hat, über Sie zu schreiben?] […] Sie schreiben, daß ich mich ‚zurückgezogen‘ hätte. Ich denke, daß Sie mein Buch überzeugt, daß ich mit Ihnen geblieben bin. Es wäre also richtiger zu sagen, daß Sie mich hinauswerfen, aber ich wünsche mir überhaupt nicht, mich von Ihnen zu trennen. Ich hoffe, daß Sie erröten. […] Immer ganz der Ihre – auch wenn Sie an mir zweifeln und mich verdammen P. S. Es ist freilich Ihre Sache, wenn Sie berichten, daß Sie von mir wegen meines Urteils über Dostoevskij genug haben. […] Denken Sie nicht, daß ich meine Ansichten vorbringe, ohne sie zu durchdenken. Der Unterschied besteht darin, daß ich Dostoevskij mit den Augen eines Russen betrachte, während Sie mit den Augen Dostoevskijs Rußland betrachten. […] Und noch einmal möchte ich zum Abschied sagen: Sie haben es zu eilig mit dem Verurteilen [im Original hervorgehoben]. […] Saltykov-Ščedrin: Eile und Hast sind einzig beim Fangen von Flöhen erforderlich.

Zum Zeitpunkt dieses Briefes konnte Vilinskij noch nicht wissen, daß Deml in den noch im Dezember folgenden Šlépěje XVIII noch weiter zum Schlag ausholen würde: […] Dr. Valerij Vilinskij, vyznamenaný od Svatého Otce zlatým záslužným křížem – on, první ze všech pravoslavných! – podle všeho nemá škapulíře, zato však hraje si s katolickým růžencem […]. Pan Dr. Valerij Vilinskij před Jakubem Demlem a před svou nevěstou a před odpolední svačinou hraje si s růžencem: z ruky do ruky vyhazuje hlíněné kuličky … Jakub Deml není tak slepý, aby neviděl, že Dr. Valerij Vilinskij má růženec, ačkoli je ostentativně pravoslavný a filosemita – a že tento filosemitskopravoslavný růženec skáče, podle toho, jak zlatý záslužný kříž papežský jej vyhazuje: hop, hop!561 […] Dr. Valerij Vilinskij, der vom Heiligen Vater mit dem goldenen Verdienstkreuz ausgezeichnet ist – er, der erste von allen Orthodoxen! – hat allem Anschein nach kein Skapulier, dafür spielt er jedoch mit einem katholischen Rosenkranz […]. Herr Dr. Valerij Vilinskij spielt vor Jakub Deml und vor seiner Braut und vor der nachmittäglichen Vesper mit einem Rosenkranz: aus einer Hand in die andere wirft er die Tonkügelchen … Jakub Deml ist nicht so blind, daß er

561

Deml, Jakub: Šlépěje XVIII, Brno 22001, S. 60. Eine interessante Parallele dazu bildet, daß der Vater mit einer Ikone in den gefalteten Händen aufgebahrt wurde, um die ein Rosenkranz geschlungen war (Archiv MU, C fot III-11). Andererseits teilt Deml etwa zu dieser Zeit Bohuslav Krula vollkommen neutral und ohne Unmut über den Autor mit, daß im Januar 1932 eine polnische Studie Dr. Vilinskijs über sein Werk erscheinen werde (Deml, Jakub: Zakázané světlo. Výbor z korespondence z let 1930-1939, Praha/Litomyšl 1999, S. 28).

136

Teil 2 – Werk

nicht sehen würde, daß Dr. Valerij Vilinskij einen Rosenkranz hat, obwohl er ostentativ orthodox ist und ein Philosemit – und daß dieser philosemitischorthodoxe Rosenkranz hüpft, je nachdem, wie das goldene päpstliche Verdienstkreuz ihn wirft: hopp, hopp!

Während Deml in den Šlépěje XVII vor allem Verteidiger seiner Březina-Arbeit zu Wort kommen läßt, sind es in den Šlépěje XVIII die Kritiker und Widersacher, wobei auffällt, daß dieser Band zu einer Generalabrechnung mit seinen ehemaligen Freunden wird.562 So wird auch Vilinskij die Ehre zuteil, in beiden Bänden seinen Platz zu finden. Sein darauf einsetzendes Schweigen wird durch den Tod von Demls Lebensgefährtin Pavla Kytlicová am 29. Januar 1932 unterbrochen. Sein Beileidsschreiben, das er nicht mehr an den „Lieben Freund“ wie noch den oben zitierten Brief, sondern an den „Hochwürdigen Herren“ richtet, beginnt er mit den Worten: „Život nás rozvedl, pravděpodobně navždy, nicméně byl bych rád, kdybychom dnes oba zapomněli na to, co nás navzájem odděluje“ [Das Leben hat uns geschieden, wahrscheinlich für immer, trotzdem wäre ich froh, wenn wir heute beide das vergessen könnten, was uns voneinander trennt].563 Vilinskij arbeitet jedoch ungeachtet dieser Auseinandersetzungen weiter an seinem polnischen Aufsatz, von dem er hofft, „že se mi zdařilo dobře a věcně zhodnotiti Vaše dílo a se povznésti nad všechny čistě lokální štvanice a útoky“ [daß es mir gelungen ist, Ihr Werk gut und sachlich zu bewerten und mich über alle rein lokalen Hetzkampagnen und Angriffe emporzuarbeiten], wie er Deml am 1. Dezember 1932 mitteilt.564 Mit dem Abschluß dieser Arbeit scheint sich Vilinskij Deml wieder innerlich anzunähern, denn in dem nächsten Brief redet er ihn mit „Teurer Freund“ an, berichtet nicht nur sachlich über den Stand der Arbeit, sondern macht lustige Anmerkungen wie in den früheren Briefen und erscheint insgesamt freier und wieder ungehemmter. Allerdings muß er mitteilen, daß die Herausgabe in Polen Probleme bereite, weil die Polen offensichtlich überhaupt nicht verstehen können, wie Deml Unannehmlichkeiten wegen der Propaganda eines päpstlichen Dekrets haben konnte. Der Artikel werde auf jeden Fall erscheinen, entweder da, wo er vorgesehen war, ohne Kapitel über Huyn – Paul de Huyn stand zu der Zeit dem Brünner Konsistorium vor, als Deml sich wider den Willen seiner unmittelbaren Vorgesetzten um die Durchsetzung des päpstlichen Dekrets von der täglichen Kommunion bemühte, was 1909 dazu führte, daß Deml „allen tätigen geistlichen Dienstes enthoben“ wurde565 – oder im Przegląd współczesny.566 Er erscheint da, wo er vorgesehen war, nämlich im Przegląd powszechny, der Absatz über Huyn ist gestrichen. 562

563 564 565

566

Vgl. Trávníček, Mojmír: Konec epopeje, in: Deml 22001, S. 66-68. Allerdings findet sich in dem Band kein Hinweis darauf, daß Deml auch allgemein mit den Orthodoxen abrechne, wie Trávníček schreibt (ebd., S. 67), denn es geht nur gegen den einen orthodoxen Vilinskij, dessen tatsächliche Orthodoxie Deml ja gerade bezweifelt oder ins Lächerliche zieht. Brief Vilinskijs an Deml vom 31. Januar 1932 (LA PNP, fond Deml, 21/B/18). Brief Vilinskijs an Deml vom 1. Dezember 1932 (LA PNP, fond Deml, 21/B/18). Babler, Otto F.: Jakub Deml. Zu des Dichters 50. Geburtstag, in: Hochland, Jg. 25, Nr. 2, AprilSeptember 1928, S. 628-635, hier: S. 631. Brief Vilinskijs an Deml vom 2. Januar 1933 (LA PNP, fond Deml, 21/B/18).

Essayistik – Rus se dívá na Č.S.R.

137

In diesem Aufsatz äußert sich Vilinskij wesentlich differenzierter als in seinen bisherigen Arbeiten über Deml. Er unterliegt nicht mehr den Kategorien Angriff und/oder Verteidigung wie alle Äußerungen, die 1931 über Deml im Umfeld des Erscheinens seines Zeugnisses über Březina gemacht worden sind. Dieser Aufsatz erscheint wie der über Durych in zwei Teilen. In diesem Fall weist jeder Teil einen Untertitel auf: Jakub Deml. I. Poeta i ludzie [I. Der Dichter und die Menschen] und Jakub Deml. II. Twórczość [II. Das Werk]. Vilinskij beginnt damit, daß er die tschechische Literatur als die unter den slavischen Literaturen vorstellt, die am häufigsten und hartnäckigsten auf religiöse Probleme zurückkomme, dabei jedoch oft irrige Antworten finde, da sie zu rationalistisch und somit häretisch sei. Die Tschechen würden häufig zugunsten der Erde den Himmel vergessen. Nicht nur einmal hätten sie Gott nach ihrem Ebenbild geformt. Auf ihrer Suche nach der Wahrheit seien sie häufig auf den falschen Weg geraten, was man nicht mit dem Begriff der Schuld, sondern dem des Unglücks fassen müsse. Er hält ihnen zugute, daß sie Gott nie vergessen hätten, wenn sie ihn auch nicht immer finden konnten. Darauf unterscheidet er zwei Gruppen von Autoren, deren erste diejenigen bilden, die suchen und berühren (Julius Zeyer, Jan Neruda, Otokar Březina), während die zweite Gruppe berühre und finde (Jaroslav Durych, Jakub Deml).567 Durych und Deml würden nicht mehr nach der Wahrheit suchen, sie trügen sie in sich, da sie ‚beati possidentes‘ seien. Zwischen ihrem eigenen Ich und dem Glauben gebe es keinen Unterschied, sie bilden eine Einheit. Deml sei ein genialer Jacobone da Todi der tschechischen Literatur.568 Dieser italienische Narr in Christo habe viele Gemeinsamkeiten mit den russischen Narren in Christo und mit Deml. Die Biographie von Deml müßte ein Kriegshistoriker schreiben, denn Deml kämpfe mit allen, laufe nicht vom Kampffeld fort, kapituliere nie, was die nächste Assoziation hervorrufe: Don Quijote. Die Beschreibung von Demls Lebensweg bettet Vilinskij in die Aufregung um das Březina-Buch,569 auf die er nur insofern kurz eingeht, als er noch einmal schreibt, daß Deml sich einfach täusche, jedoch nicht wider besseres Wissen etwas verbreite.570 Was in der Argumentation neu ist, ist der Hinweis darauf, daß Deml vor allem angegriffen werde, weil er Březina als gläubigen Katholiken darstelle, aber: „Dla poety wszystkie drzwi są otwarte, z wyjątkiem tylko jednych – prawdziwego katolicizmu“571 [Für die Poeten sind alle Türen geöffnet, mit der Ausnahme nur einer – der des wahren Katholizismus]. Demls Leben wird als eine Kette immer neu entstehender Einsamkeiten geschildert, weil er stets mit denen kämpfe, die er zuvor geliebt habe, seien es 567 568

569 570 571

Jakub Deml. I. 1933, S. 137. Es fällt auf, daß Vilinskij zur Beschreibung der Eigenart oder Größe tschechischer Autoren jeweils Vergleiche aus anderen Literaturen heranzieht, er erklärt sie nicht aus sich selbst, obwohl er andererseits ihre Eigenständigkeit betont und hervorhebt. Březina und Tolstoj (Otokar Brzezina 1931, S. 224), Durych und Dante, Deml und Jacobone da Todi. Jakub Deml. I. 1933, S. 139f. und 152. Jakub Deml. I. 1933, S. 152. Jakub Deml. I. 1933, S. 139.

138

Teil 2 – Werk

Březina, Bílek, Florian, die Sokol-Bewegung oder Jenewein. Vilinskij versucht dieses Phänomen psychologisch dadurch zu erklären, daß Deml die Liebe liebe. Als Priester habe er Gott geliebt und auf der Erde sein Spiegelbild gesucht. Immer wenn er es gefunden zu haben glaubte, diente er diesem Ideal – bis er erkannt habe, daß seine (irdischen) Götter auf tönernen Beinen stehen. Dann lief er von ihnen fort und suchte – nach neuen Göttchen.572 Hinsichtlich der Werke kommt Vilinskij auch auf deren Gestalt zu sprechen. Er nennt zunächst die verschiedenen Textformen und die von Deml verwendeten Techniken,573 später führt er eine Typologie mit vier großen Bereichen von Demls Schaffen an: Erinnerungen, Übersetzungen, Březinatexte und poetische sowie visionäre Werke.574 Bei der darauf folgenden Zuordnung merkt man jedoch aufgrund vieler Überschneidungen, daß diese Einteilung sich nicht bewährt, vor allem da der große Bereich der Erinnerungen häufig nicht von dem poetisch-visionären zu trennen ist. Viele Texte tragen meditativen Charakter, weil Deml immer in erster Linie Priester und erst an zweiter Stelle Dichter sei. Mit seiner Huldigung der Pflanzen habe er die franziskanische Lebensfreude in eine der pessimistischsten Literaturen der Welt gebracht.575 Das habe nichts Pantheistisches oder Animistisches an sich, sondern Deml sei durch und durch dem katholischen Glauben – wenn vielleicht auch nicht so sehr dem kanonischen wie Durych – verpflichtet. Zum Abschluß weist Vilinskij auf das offene Herz Demls hin, das alles liebe, in sich alle Freude und Trauer des Lebens aufnehme.576 Nach den vorherigen Debatten und Briefen ist diese allgemeine Formulierung zu allgemein, denn aus diesen Kontroversen geht hervor, daß Demls große Liebesfähigkeit klare Grenzen kennt: sie umfaßt weder die Slowaken noch die Juden noch Masaryk oder Beneš. Das kommt übrigens auch darin zum Ausdruck, daß sich in Demls Exemplar von Rus se dívá na Č.S.R. genau an den Stellen Anstreichungen befinden, an denen sich Vilinskij zu diesen Themen äußert. Die Selbsteinschränkung Vilinskijs, daß es nicht Sache eines Ausländers sei, über die Frage der Autonomie zu reden (S. 29), kommentiert er mit einem dicken Ausrufezeichen und der Anmerkung: „To ví dnes!“577 [Das weiß er heute!], also nachdem die Slowaken von ihm eine klare Stellungnahme erwartet haben. Es hat nichts mit dem Umgehen „rein lokaler Hetzkampagnen und Angriffe“ zu tun, wenn nun zur Abwechslung nicht über Březina, sondern über Deml der idealisierende Schleier ausgebreitet wird. In diesem Falle kann man die Einzigartigkeit, die Deml zugesprochen wird, aufatmend zur Kenntnis nehmen: Deml nikogo nie naśladował i jego również nie sposób naśladować. Nie stworzył i nie stworzy on szkoły, bo Deml się nie powtórzy.578 572 573 574 575 576 577 578

Jakub Deml. I. 1933, S. 152. Jakub Deml. II. 1933, S. 288f. Jakub Deml. II. 1933, S. 296. Jakub Deml. II. 1933, S. 291. Jakub Deml. II. 1933, S. 300f. MZK, Signatur: J.Deml 645.890. Jakub Deml. II. 1933, S. 301.

Essayistik – Rus se dívá na Č.S.R.

139

Deml ist niemandem nachgefolgt und es ist ebenfalls nicht möglich, ihm nachzufolgen. Er schuf keine Schule und er wird keine schaffen, denn Deml wiederholt sich nicht.

Diesem Aufsatz ist Jan Bartoš mit seiner 1932 erschienenen Monographie über Deml579 zuvorgekommen, auf die sich Vilinskij stützt. Bartoš verteidigt Deml gegen die Vorwürfe des Antisemitismus und des reaktionären Konservativismus, indem er besonders den nationalen Charakter von Demls Werk hervorhebt.580 Weder bei ihm noch später bei Josef Normon Rostinsky, der in Mé svědectví o Otokaru Březinovi „an outlet for his rage against the liberal republic led by Masaryk […], as well as against her present culture“581 [ein Ventil für seine Wut gegen die von Masaryk geführte liberale Republik ebenso wie gegen deren gegenwärtige Kultur] sieht, findet eine Auseinandersetzung mit Demls Antislowakismus statt, der insofern von besonderer Bedeutung ist, weil er sich nicht nur gegen die Slowaken richtet, sondern die Tschechoslowakische Republik an sich in Frage stellt.

Alfred Fuchs (1892-1941) Die Vorstellung von Fuchs gibt ein warmherziges Bild des Menschen in seiner angestammten Umgebung. Diese bilden die Redaktionsräume des Prager Abendblattes (Pražské noviny), die in einem ehemaligen Dominikanerkloster untergebracht sind. In einem Büro voller Antiquitäten, Zeitungen, Bücher empfange Fuchs Besucher und Bittsteller und schreibe gleichzeitig Artikel und telefoniere (S. 75). Fuchs kümmere sich um russische Emigranten und habe immer die Finger mit im Spiel, wenn es um die Zusammenarbeit katholischer Journalisten gehe. Mit der Presse spiele er so gerne wie andere auf dem Klavier. Er habe unzählige Freunde. Die humoristische Seite des wichtigen Dr. Fuchs, des Politikers, Beamten, Journalisten, Romanciers, stelle Draf – das ist ein/das Pseudonym von Fuchs – dar, der ironische und skeptische Artikel verfasse (S. 76). Fuchs stehe fest auf seinem Standpunkt und lasse sich nicht vereinnahmen noch verändern, weshalb er von den eingefleischten Fortschrittlern und integralen Katholiken (Čin, Akord, Florian) angefeindet werde. Als Katholik habe er einen gefächerten Blick auf die katholische Kirche und ihre verschiedenen Aspekte, so wie er überhaupt über verschiedenartigste Interessen verfüge. Man könne jedoch bei genauerer Betrachtung erkennen, daß sich alle seine Themen um den Katholizismus und Journalismus konzentrieren (S. 77). Vilinskij bezeichnet Fuchs als einzigen katholischen Autor, der unter starkem Einfluß 579

580

581

Bartoš, Jan: Znáte Jakuba Demla?, Velké Meziřící 1932. Bartoš seinerseits bezieht sich auf Vilinskijs Deml-Kapitel in Rus se dívá na Č.S.R., wenn er schreibt, daß Vilinskij „zdařile“ [gelungen] über Demls Humor geschrieben habe, auch wenn er keine konkrete Quelle nennt (ebd., S. 96). Vgl. Rostinsky, Josef Normon: Jakub Demľs Proximity to the Czech Avantgarde, Brown University 1981 [University Microfilms], S. 8. Rostinsky 1981, S. 104.

140

Teil 2 – Werk

Masaryks stehe, was er mit beider Interesse an den Beziehungen des Ostens zum Westen erklärt. Die menschliche Toleranz von Fuchs sei beispiellos (S. 78). Bevor es zwischen Vilinskij und Fuchs zu der bereits erwähnten redaktionellen Zusammenarbeit in den Pražské noviny kommt, nähern sie sich durch ihre gemeinsamen Bemühungen auf dem Gebiet des Unionismus.582 Zudem stehen sie insofern in Beziehung zueinander, daß sie gegenseitig ihre neu erscheinenden Bücher rezensieren. Fuchs setzt sich mit Vilinskijs K slovanské otázce, Duch ruské církve und Unionizmus auseinander.583 Vilinskij schreibt über Novější politika papežské kurie, Autorita, Oltář a rotačka, O deseti svatých und über Z boje o modus vivendi. Časové úvahy.584 Das Lob und die gegenseitige Anerkennung drängen jeweils kleinere kritische Bemerkungen in den Hintergrund. In seiner polemischen Art bezeichnet Deml im Herbst 1934 Fuchs und Vilinskij zusammen als „bratři sirotci“585 [Brüder Waisen], womit er auf Fuchs’ Abkehr vom Judentum und Vilinskijs eigenartiges Verhältnis zur Orthodoxie anspielt. In der Sicht Putnas sind sie sich als vielseitige Publizisten ebenbürtig.586 Die Worte eines Kritikers von Rus se dívá na Č.S.R., der schreibt, daß sowohl Florian als auch Durych und Deml über ‚ihr‘ Kapitel sicherlich empört sein und wohl allein Fuchs nicht erbost reagieren werde,587 machen zutreffend deutlich, daß sich das Fuchs-Kapitel von den anderen drei genannten grundlegend unterscheidet. Während Vilinskij bei den ersten drei versucht, ihr Denken auf den wenigen zur Verfügung stehenden Seiten zu skizzieren, wobei er natürlich nur sehr verkürzt auf ausgewählte Aspekte eingehen kann und man nichts über ihr sonstiges Tun erfährt, bekommt man von Fuchs insofern einen besseren Eindruck, weil er einem erst einmal als vielseitig tätiger Mensch vorgestellt wird. Außerdem bemüht sich Vilinskij in seinem Fall nicht, in die Tiefen seiner Seele vorzudringen, sondern beläßt es beim Benennen der Themen, denen sein Interesse gilt.

582 583

584

585

586 587

Závada, V.: Chvílka u Alfreda Fuchse, in: Rozpravy Aventina, Jg. 6, Nr. 9, 19.11.1930, S. 102. In: Život, Jg. 12, Nr. 17-18 (1930), 20.01.1931, S. 22-24; Život, Jg. 13, Nr. 15, 15.09.1931, S. 226f. und Život, Jg. 14, Nr. 7-8, 10.06.1932, S. 116f. In: Časopis katolického duchovenstva, Jg. 71 (96), 1930, S. 505f.; Centraľnaja Evropa, Jg. 3, Nr. 6, 1930, S. 377f. und Nr. 8, 1930, S. 490f.; Lidové listy, Jg. 9, Nr. 112, 15.05.1930, S. 6; West-östlicher Weg, Jg. 3, Nr. 7-8, 1930, S. 179f.; Život, Jg. 12, Nr. 13-14, 20.11.1930, S. 23f.; Archa, Jg. 20, Nr. 1932, S. 137f. und Lidové listy, Jg. 13, Nr. 54, 07.03.1934, S. 6. Deml, Jakub: Zapomenuté světlo, in: ders. Sen jeden svítí, Praha 1991, S. 112-221, hier: S. 177. Putna 1998, S. 238 und 530. K., J. (Krlín) 1932, S. 6. Er erkennt jedoch an, daß Vilinskij versucht, alle behandelten Personen wirklich zu verstehen. Bei ihrer Verschiedenheit sei es tatsächlich schwer, jeweils ein genaues und vollkommenes Porträt zu zeichnen.

Essayistik – Rus se dívá na Č.S.R.

141

Andrej Hlinka (1864-1938) Als nächster wird Hlinka, Priester und (Gründungs-)Vorsitzender der katholischkonservativen Slowakischen Volkspartei (Ľudova strana), vorgestellt, der von Vilinskij als „Herz der Slowakei“588 betitelt wird (S. 80). Bereits im November 1930 besucht er ihn auf Vermittlung des Senators Buday, der ihm ein väterlicher Freund sei, in Růžomberk und interviewt ihn für Pariser Emigrantenblätter und das Prager Pressebüro Russunion589 – dieser Besuch bildet die Grundlage für das Hlinka-Kapitel in Rus se dívá na Č.S.R. –, in dem es vor allem um das Verhältnis zwischen Russen und Slowaken und weniger um die Person Hlinkas geht. Hlinka sagt, daß die Slowakei den Russen ganz nah sei, daß Rußland für die Slowaken als Messias des Slaventums gelte, daß die russische Revolution in der Slowakei als Katastrophe aufgenommen werde, so daß alle Sympathien den russischen Emigranten gelten. Momentan sei man in der Slowakei zwar westlich orientiert, wenn im Osten der Bolschewismus falle, werde jedoch zweifellos wieder eine Hinwendung zum Osten erfolgen (S. 81). Obwohl es Hlinka ist, der Vilinskij die „größte Enttäuschung seines Lebens“ bereitet, interessiert er sich für ihn und seine Partei weiterhin. Seine Eitelkeit wird nach der ersten halben Stunde Unterhaltung während des Abendessens auf die Probe gestellt: ‚A prosím, pane doktore, jakou to řečí vlastně mluvíte – má to býti čeština, polština, slovenština anebo ruština?‘ Bylo to největší rozčarování v mém životě – já, autor šesti českých knih, mluvím řečí, kterou nelze rozeznati na první poslechnutí! (S. 80) ‚Entschuldigung, Herr Doktor, welche Sprache sprechen sie denn eigentlich – soll das Tschechisch, Polnisch, Slowakisch oder Russisch sein?‘ Das war die größte Enttäuschung in meinem Leben – ich, der Autor von sechs tschechischen Büchern, spreche eine Sprache, die man nicht beim ersten Hinhören erkennen kann!

Ein zweites Interview führt er mit ihm im Sommer 1934.590 In den unveröffentlichten Roman Praha (s. u.) geht Hlinka in der Gestalt des Abgeordneten Nižinský ein. Im Umfeld der Präsidentschaftswahlen 1934 berichtet Vilinskij in den Lidové noviny wiederholt über den „katholischen Block“, die Slowakische Volkspartei und die Autonomie- versus Dezentralisierungsbestrebungen. In der Folge (Ende 1934, 1935) schreibt er für Přítomnost mehrere Beiträge über die Volkspartei. In Luďáci – jací jsou591 [Volksparteiler – was für welche sie sind] bekennt er sich dazu, daß er die Slowaken und vor allem die Volksparteiler wirklich gern habe. Er selbst sei ein 588

589

590 591

Das sieht zum Beispiel Masaryk ganz anders, der an Hlinka schreibt, daß er den Eindruck habe, „že nemáte srdce, že místo něho máte druhá játra“ [daß Sie kein Herz haben, sondern daß Sie statt seiner eine zweite Leber haben] (cit. nach Klimek, Antonín: Muž, který rozbíjel Československo. Příběh otce Slovenského státu Andreje Hlinky, in: Respekt, 27.09.-03.10.2001). Dieses Interview verkauft sich gut, denn es wird außerdem in Lidové listy, Jg. 9, Nr. 263, 15.11.1930, S. 3; Našinec, Jg. 66, Nr. 263, 15.11.1930 und Hlas, Jg. 58, Nr. 4237, 09.12.1930, S. 1 abgedruckt. In: Lidové noviny, Jg. 42, Nr. 301**, 17.06.1934, S. 5. Luďáci – jací jsou, in: Přítomnost, Jg. 11, Nr. 52, 19.12.1934, S. 824-826.

142

Teil 2 – Werk

Anhänger der rechtlichen Dezentralisierung und habe den Eindruck, daß ihnen manchmal Unrecht getan werde. Seit 1928 verfolge er die Schritte der Volkspartei, lese aufmerksam alles, was über sie und auch andere autonomistische Gruppierungen geschrieben werde. Er kommt zu dem Schluß, daß es auch noch andere als die immer behandelten Seiten dieser Frage gebe. Die Volkspartei sei schutzlos, denn sie sei die Partei, mit der die meisten Koalitionsverhandlungen geführt werden und die letzten Endes chronisch nicht an der Regierung beteiligt werde. Dadurch sei sie zu lange in der Opposition und lehne unreflektiert schlichtweg alles ab, was von Seiten der Regierung vorgeschlagen werde. Vilinskij sieht es als Fehler der anderen Parteien, die Volkspartei nicht an der Regierung zu beteiligen, weil sie dadurch zu viel Zeit habe, sich irgendwelchen autonomistischen Überlegungen hinzugeben. Um die Jugend sei es in diesem Zusammenhang noch schlimmer bestellt, denn diejenigen, die ideologisch in der Nähe zur Volkspartei stehen, hätten per se keine Aussicht auf eine staatliche Karriere, was dazu führe, daß sie, wenn sie denn in den Dienst der Partei treten, radikal werden.592 Ein kleiner Kreis von Radikalen, deren Namen er nicht nennt, um ihnen nicht zu schaden, bilde die ideelle Vorratskammer der Volkspartei. Er bestimme zudem darüber, wer zu den wahren Autonomisten zu zählen sei und gebe den Abgeordneten bestimmte Ideen ein, die sie zu vertreten haben. So sei Hlinka z. B. dazu auserwählt, das Lob der Jugend zu singen und ihre Bedeutung zu betonen.593 In diesem Artikel scheint deutlich durch, was Vilinskij immer wieder Freude bereitet: dem Leser zu zeigen, daß er über mehr Informationen verfügt, es aber in seinem Ermessen steht, sie zurückzuhalten oder weiterzugeben; und daß er Zugang zu Kreisen hat, die sonst mit niemandem reden. Auch die Interviews mit Hlinka stehen unter einem solchen Stern. Das erste Interview (1930) wird der Beschreibung in Rus se dívá na Č.S.R. zufolge von Buday in eine bestimmte Richtung gelenkt, d. h., Hlinka ist gegenüber Vilinskij eigentlich bereit, wesentlich mehr zu sagen. Im zweiten Fall (1934) nutzt Vilinskij ein privates Gespräch, in dessen Anschluß er, ohne Hlinka Zeit zu einer Einwilligung zu lassen, einfach mit seinen Fragen beginnt. Auch in diesem Falle ist Hlinka nicht allein. Ein weiteres – offizielles – Zusammentreffen, das jedoch nicht publizistisch verarbeitet wird, findet im November 1933 im Hotel Palác in Prag statt.594

Augustin Vrzal (1864-1930) In der Vorstellung einzelner Personen kehrt Vilinskij nach diesem politischen Einschub zur Literatur zurück, indem er über einen der unermüdlichsten Vermittler russischer Kultur auf tschechischem Boden schreibt, den Benediktinermönch Augustin Vrzal, der unter dem Namen A. G. Stín (= Augustin) russische Literatur 592 593 594

Luďáci – jací jsou 1934, S. 824. Luďáci – jací jsou 1934, S. 825. Beloševskaja 2001, S. 225.

Essayistik – Rus se dívá na Č.S.R.

143

ins Tschechische übersetzt und sich als Kritiker betätigt, wodurch er unter den tschechischen Lesern die religiösen Ideen des russischen Geistes, wie sie sich in der Literatur wiederfinden, verbreitet. Er erinnere an einen mittelalterlichen Mönch, der als ein Vorgänger der modernen Intellektuellen sein Leben dem Gebet, der Wissenschaft und dem Dienst an der Menschheit widmet. Nachdem er ihn zunächst unterschätzt und 1927 eine Rezension zu seinem Buch über die neue russische Literatur (Přehledné dějiny nové literatury ruské, 1926) schreibt, das er nur sehr oberflächlich liest, lernen sie sich kennen und werden Freunde (S. 81). Ein Jahr später schickt Vilinskij ihm sein Buch Čerty ideologii russko-katoličeskogo dviženija [Grundzüge der Ideologie der russisch-katholischen Bewegung], in das er mit Tinte eine Widmung schreibt, daneben mit Bleistift: „Дайте рецензию“ [Schreiben Sie eine Rezension].595 Niemand sonst tue so viel für die Propaganda der russischen Kultur und für die geistige Annäherung beider Völker wie dieser bescheidene Dorfpfarrer, der über 50 Bücher übersetzt, mehr als 70 Autoren propagiert und drei Bücher über die russische Literatur verfaßt (S. 82). Erst kurz vor Lebensende erhält er den Staatspreis, während er in jedem anderen Land bereits seit Jahren in gelehrten Kreisen gefeiert worden wäre (S.83). Sie bleiben bis zu Vrzals Tod (1930) in engem Kontakt. Wenn es Vilinskij aus zeitlichen Gründen nicht gelingt, ihn in Ostrovačice aufzusuchen, treffen sie sich in der Občanská tiskárna [Bürgerdruckerei] in Brünn. Er stellt Vrzals Bibliographie zusammen, die 1929 in der Archa mit einem begleitenden Artikel abgedruckt wird,596 für dessen Verfassen ihm ganz offensichtlich das Tagebuch Vrzals zur Verfügung stand, denn es stimmen die ersten Sätze fast wortwörtlich überein.597 Als Vrzal das Manuskript gelesen und mit sachlichen und grammatikalischen Korrekturen versehen zurückschickt, äußert er seine Bedenken, daß Vilinskij zu panegyrisch über ihn schreibe und damit sicherlich böses Blut hervorrufen werde.598 Nicht minder des Lobes voll ist sein Nachruf auf Vrzal, den dieser jedoch nicht mehr bescheiden kritisieren kann.599 Vrzal erscheint Vilinskij gewissermaßen als Verkörperung der unionistischen Idee – als Typus des slavischen gelehrten Mönchs stehe er sowohl den tschechischen 595 596

597

598

599

MZK, Signatur: 3 520.744 (Aug. Vrzal). – Meines Wissens kommt Vrzal dieser Bitte nicht nach. Dílo P. Augustina Vrzala, in: Archa, Jg. 17, 1929, S. 229-238. Eine Würdigung Vrzals aus heutiger Sicht und seine Einordnung in den Kontext der tschechischsprachigen Literaturgeschichtsschreibung nimmt Ivo Pospíšil vor, der dessen Nähe zu S. G. Vilinskij sieht (Pospíšil, Ivo: Alois Augustin Vrzal: Koncepce a dokumenty, in: Sborník prací filosofické fakulty brněnské university, D 40, 1993a, S. 53-62; ders. Srdce literatury: Alois Augustin Vrzal [1864-1930], Brno 1993; ders. 1996, S. 229; Pospíšil, Ivo/Zelenka, Miloš: René Wellek a meziválečné Československo [Ke kořenům strukturální estetiky], Brno 1996, hier: S. 29 und zuletzt Pospíšil, Ivo: Mitteleuropa und Tschechoslowakei: Suche nach einem literaturwissenschaftlichen Kompromiss, in: ders. [Hg.] Litteraria Humanitas XI. Crossroads of cultures: Central Europe, Brno 2002, S. 143-158). Deník A. G. Stína 1898-1930, S. 14 (Abschrift und Original in: MZA, E 6 Benediktýni Rajhrad – Karton 238, Dn 23/3a). Brief und Manuskript Vilinskijs an Vrzal vom 1. Juli 1929 und dessen Antwort darauf (MZA, E 6 Benediktýni Rajhrad – Karton 237). Za P. Augustinem Vrzalem O. S. B., in: Lidové listy, Jg. 9, Nr. 251, 31.10.1930, S. 6 und Za P. Augustinem Vrzalem O. S. B., in: Našinec, Jg. 66, Nr. 250, 31.10.1930, S. 2.

144

Teil 2 – Werk

Katholiken als auch den orthodoxen Russen nahe, die er in sich als Synthese von Ost und West geistig vereine.600 Sein Interesse an der Literatur gehe von der Religion aus, d. h., er verstehe die Literatur vor allem als religiös-moralische Idee, blicke auf sie als eine Gesamterscheinung, die eine religiöse Vorlage habe.601 Das mache die Wahl der russischen Autoren deutlich, über die er schreibe. Sie verbinde alle, daß sie in den Gesetzen der Moral das höchste Ideal sehen. Sein Augenmerk sei nicht einseitig auf die pessimistischen Autoren gerichtet, sondern er habe in seinen Arbeiten ebenso optimistisch veranlagte berücksichtigt, so daß helle und dunkle Seiten des russischen Lebens gleichermaßen vertreten seien.602 Dieser doppelte Aspekt des russischen Lebens, das nicht nur kontemplativ, sondern auch aktiv sei, ist Vilinskij, wie seine Auffassung der russischen Mystik zeigt,603 besonders wichtig. Die Beschäftigung mit Vrzals Werk ist für Vilinskij eine Beschäftigung mit dem russischen Geistesleben aus tschechischer Sicht. Sie bildet für ihn also eine unverzichtbare Grundlage, um zu wissen, wo er am besten ansetzen sollte, wenn es um die Annäherung von Ost und West geht. Als letzte unter den Katholiken werden die Jesuiten gewürdigt, die er zum einen in einem Kloster in Opava kennenlernt (S. 83), zum anderen in Prag auf der Ječná. Sie würden eine ganz eigene Art brennender Liebe zum Vaterland ausstrahlen, die einem tiefen religiösen Gefühl entspringe. Da es ihrer nur noch wenige gebe und viele der Kirchen in Kasernen umgewandelt seien, rege er ein Denkmal für den „unbekannten Jesuiten“ an (S. 84). Vilinskij ist mit dem Jesuiten František Žák (1862-1934) bekannt, der noch zu Zarenzeiten in orthodoxen Klöstern zu Gast war. Er ist ein bekannter Theologe und Kenner Rußlands, der sich unter den verschiedensten Pseudonymen verbreitet (S. 83). Sie schreiben gegenseitig wohlwollende Rezensionen ihrer Werke – „Články dr. Vilinského jsou dobré, nerozhořčují Rusů a uvádějí je mile na srpávnou cestu“ [Die Artikel Dr. Vilinskijs sind gut, sie verbittern die Russen nicht und führen sie liebevoll auf den richtigen Weg].604 Vilinskij besucht ihn in Opava und nutzt später bei kürzeren Aufenthalten in Prag Žáks Adresse. Als er selbst in Prag wohnt, sehen sie sich monatlich.605

600 601 602 603 604

605

Dílo P. Augustina Vrzala 1929, S. 229. Pospíšil 1993, S. 18 und 25. Dílo P. Augustina Vrzala 1929, S. 232. Vgl. Povaha ruského mysticismu, in: Akord, Jg. 1, 1928, S. 215-219, hier: S. 219. Žák, Fr.: K otázce unionismu, in: Časopis katolického duchovenstva, Jg. 70 (95), Nr. 4, 1929, S. 321-332, hier: S. 331. Brief Vilinskijs an Jemelka vom 9. Februar 1932 (ZAO, fond ACM, karton 3, Briefe 1932) und Za P. Františkem Žákem, S. J., in: Apoštolát sv. Cyrila a Metoděje, Jg. 26, Nr. 2, 1935, S. 44-47, hier: S. 46.

Essayistik – Rus se dívá na Č.S.R.

145

Nichtkatholische Religionen und pseudoreligiöse Vereinigungen Nach der Vorstellung dieser recht unterschiedlichen Vertreter des Katholizismus wendet sich Vilinskij anderen Gruppierungen oder Personen zu, die einen religiösen Hintergrund haben. Zunächst richtet er sein Augenmerk auf abstruse Randerscheinungen, die auch nur wenige Tschechen und Slowaken seiner Zeit zur Kenntnis genommen haben dürften. Zu ihnen zählen der slowakische evangelische Pfarrer Jan Maliarik, der einen weltweiten Universalstaat propagiere, der auf der Idee basiere, daß alle Menschen Kinder Gottes seien (S. 91ff.), des weiteren Josefina Marečková, die dazu auffordere, sich auf sämtliche geistigen und kirchlichen Strömungen einzulassen, denn ihre vor Liebe zu allem Lebenden überlaufende Seele wolle niemanden ausschließen (S. 95ff.). Zudem finden in der ČSR Sekten aller Schattierungen einen sehr fruchtbaren Boden vor, denn die Tschechen lieben Dogmen, jedoch keine göttlichen, sondern menschliche Autoritäten, was sie für die Sekten so anfällig mache. Da es derer aber so viele gebe, werden immer nur einzelne und nie das ganze Volk ergriffen (S. 104ff.). Dieses Land erscheint ihm in seiner Aufnahmebereitschaft gegenüber neuen Gedanken als Resonanzboden der Welt (S. 114). Außer den Sekten finden noch konkrete Wunderheiler Erwähnung, die sich um das seelische Wohl sorgen (S. 108ff.). In dieses Kuriositätenkabinett reiht Vilinskij die Protestanten, die tschechischen Orthodoxen und die tschechoslowakische Kirche ein. Die Protestanten – zu ihnen zählt er die Böhmischen Brüder, die Protestanten, die lutherische slowakische Kirche, die deutschen Lutheraner, die Calvinisten und die Altkatholiken – fürchten sich vor der Sünde und strahlen deshalb eine Traurigkeit aus (S. 98), die von Stunde zu Stunde zunehme. Die Kirche biete ihnen keine Erleichterung von dem irdischen Leben, weil in ihr die gleichen Konflikte vorherrschen. Da die Protestanten nur in historischen Erinnerungen leben, bringen sie keine konstruktiven Denker hervor. Als einziger Vertreter wird Josef Lukl Hromádka (1889-1969) genannt (S. 99). Dieser weniger negativen denn verständnislosen Sicht des Protestantismus entspricht, daß Vilinskij in diesem Kapitel Katholiken, Orthodoxe und Protestanten nicht als unterschiedliche Konfessionen einer christlichen Religion betrachtet, sondern sie als unterschiedliche Religionen wahrnimmt, deren Mittelund Ausgangspunkt der Katholizismus bilde. Der erwähnte Hromádka läßt sich wesentlich mehr auf die Gedanken Vilinskijs ein als umgekehrt,606 und er ist auch nicht umsonst unter den tschechischen Protestanten dafür bekannt, daß er ein tieferes Verständnis und die Wertschätzung des Katholizismus für unerläßlich hält.607 606

607

H., J. L.: Valerij S. Vilinský: Duch ruské církve, in: Křesťanská revue, Jg. 4, 1931, S. 252f. An anderer Stelle gesteht Vilinskij Hromádka und dem tschechischen Protestantismus durchaus zu, über eine lebendige, vitale Kraft zu verfügen und nicht zuletzt wegen der religiösen Ethik, die er vertrete, wichtig für die Gesellschaft zu sein und berechtigt zu existieren (Vilinskij, V.: Hromádka, J. L.: Křesťanství v myšlení a životě. Pokus o výklad dějinných útvarů křesťanských. Praha 1931, in: Centraľnaja Evropa, Jg. 5, Nr. 6-7, 1932, S. 401). Horyna, Břetislav: Josef Lukl Hromádka, in: Gabriel, Jiří (Hg.): Slovník českých filozofů, Brno 1998, S. 199.

146

Teil 2 – Werk

Über die orthodoxen Tschechen könne er sich ungehemmt ablehnend äußern, da das aufgrund ihres gleichen Bekenntnisses eine interne Angelegenheit sei (S. 102). Vilinskij kann keinerlei Zusammenhang der tschechischen Orthodoxie mit dem ursprünglichen Cyrillomethodianismus erkennen (S. 99), sondern sieht ihre Rolle vielmehr als einen Kompromiß zwischen Katholizismus und Protestantismus. Da die meisten Orthodoxen zuvor katholisch waren (S. 100), könne man ihre Orthodoxie als negierten Katholizismus bestimmen. In vielen Fällen bilde die Hinwendung zur Orthodoxie eine Verlagerung politischer Ideen in den religiösen Bereich. Bisher könne er keinerlei Gemeinsamkeiten zwischen den russischen und tschechischen Orthodoxen ausmachen.608 Es sei dahingestellt, ob die Entwicklung in den nächsten 50 Jahren ein anderes Urteil zulassen werde (S. 101). Noch zurückhaltender gibt sich Vilinskij in der Beurteilung – zunächst ging es lediglich um die Vorstellung verschiedener Erscheinungen – der tschechoslowakischen Kirche, denn er verstehe sie nicht, auch wenn er alles über sie gelesen habe (S. 102). Die für sie vorgesehenen zwei Seiten füllt er mit wortreichen Entschuldigungen, weshalb es ihm nicht möglich sei, sich zu ihr zu äußern. Als Hauptargument beschreibt er seine eigene Position: er sei Philokatholik, halte die Dogmen für unaustauschbar (v. a. den Glauben an den päpstlichen Primat), er sehe keinen Bedarf, neue religiöse Organisationen oder Ideen zu entfalten und viertens sei die Kirche allgemeingültig und könne sich nicht nur auf ein Volk beziehen (S. 102f.). Als Begründung seines Schweigens in diesem einen Falle wirkt diese Argumentation nicht glaubwürdig, denn seine hier angeführten Überzeugungen stehen genauso zu den anderen in diesem Teil des Buches vorgestellten (Pseudo-)Religionen im Widerspruch. Er scheint irgendjemandem gegenüber Bedenken zu haben, sich despektierlich über diese Kirche zu äußern. Den Schluß des dritten Teiles bilden allgemeine Betrachtungen über die „Tschechen und Gott“. Vilinskij sucht danach, ob man in der Art und Weise des Glaubens die Einheit der Tschechoslowakei finden könne. Aufgrund der ungleichen Intensität sei es jedoch noch nicht möglich, von einem einheitlichen religiösen Gefühl von Tschechen und Slowaken zu sprechen. In den nächsten zehn Jahren rechnet er mit einem Wandel des Glaubens, wobei die Tschechen hinzugewinnen, die Slowaken etwas verlieren werden. Eine solche Veränderung sei normal, denn die Frage des (religiösen) Charakters müsse bei jedem Volk häufig revidiert werden (S. 111). Die folgenden Ausführungen über die tschechische Glaubenspraxis werden in Abgrenzung von der russischen getätigt. Der Katholizismus dient wiederum als Mittelpunkt, der die Wahrheit enthalte und das Ziel jeglicher religiösen Suche darstelle. Das Problem der Tschechen bestehe darin, daß sich ihr Weg von der Mitte in Richtung 608

Die Redaktion der tschechisch-orthodoxen Zeitschrift Za pravdou nennt Vilinskij in einem Atemzug mit kleinen Sekten und kirchlichen Neubildungen nach amerikanischem Vorbild (Sancta simplicitas … 1929). Andreyev/Savický bestätigen, daß in der ČSR die Lage der Russisch orthodoxen Kirche schwierig war, weil ihre Beziehung zur Tschechisch orthodoxen Kirche nicht geklärt war (Andreyev/Savický 2004, S. 120).

Essayistik – Rus se dívá na Č.S.R.

147

Peripherie richte und sich somit von der Wahrheit entferne (S. 112). Im Gegensatz zu den Tschechen, die an Ethik glauben, die Gott erst gebe (S. 114), suchen die Russen in voller Intensität und Tragik Gott selbst (S. 112). Den Tschechen sei die Historiosophie näher als die metaphysische Geschichte (S. 114), sie suchen Gott empirisch in der Vergangenheit, wobei die Transzendenz fehle. Daher rühre ihre Vorliebe für den historischen Roman, dessen Anliegen jeweils entweder in der Anschuldigung oder der Verteidigung des Katholizismus bestehe (S. 113). Es treten ethische Beispiele an die Stelle der Offenbarung (S. 114). Während die russische Gottsuche den ganzen Menschen und sein ganzes Leben berühre (S. 112), wollen die Tschechen in Ruhe und Frieden leben, sie seien weder heiß noch kalt (S. 114), die Kontemplation entspreche ihnen nicht. Sie gehen andererseits jedoch auch dem Märtyrertum nicht aus dem Wege, wenn sie es auch nicht bewußt suchen (S. 113). Vilinskij hält ihnen (mit bitterem Unterton) zugute, daß sie auch in ihren Irrtümern konsequent seien: […] nikdo jako Čech nedovede se tak zlostně, nelítostně a bezohledně vysmívati všem odtažitým, ideálním, náboženským. (S. 113) […] niemand kann so wütend, mitleidslos und rücksichtslos alles Abstrakte (Nichtfaßbare), Ideale, Religiöse verhöhnen wie ein Tscheche.

Die Schwierigkeit der Tschechen sei nicht, daß sie nicht glauben können, sie verfügen ganz im Gegenteil über einen ruhigen, festen, beständigen Glauben, sondern ihre Schwierigkeit bestehe darin, daß es ihnen noch nicht gelungen sei, sich auf einen Gegenstand ihres Glaubens zu einigen (S. 115).

Weitere tschechische Besonderheiten Mit dem letzten Teil des Buches schlägt Vilinskij die Brücke zum Anfang. Die Metaphorik ähnelt der des ersten Teiles. Sein Augenmerk gilt dem tschechoslowakischen Dorf, den Friedhöfen, sonstigen seiner Meinung nach spezifisch tschechischen Erscheinungen, dem Verhalten der Tschechen gegenüber den russischen Emigranten und dem, was er den „Zauber der ČSR“ nennt. Auch wenn er erst das dritte Kapitel des vierten Teiles als „zbytková kapitola“ [Restekapitel] bezeichnet (S. 125), erscheint dieser ganze Teil als ein Sammelsurium all dessen, was er beobachtet und noch unbedingt gesagt haben will. Alle Wege führen nach Prag, das die Krone oder den Kopf des ganzen Staates bilde. Wenn es für die Slowaken und Karpatoukrainer auch nicht mit Athen vergleichbar sei, so doch zumindest mit Washington oder Rom. Ansonsten könne man jedoch keinen großen Kontrast zwischen den Dörfern und den Städten ausmachen. In den Städten komme es nicht zur Vereinsamung, denn die Intellektuellen in den Städten vergessen letzten Endes nicht ihre Herkunft vom Dorf. Da der Staat trotz der Industrie vor allem landwirtschaftlich geprägt sei, könne man noch viele alte

148

Teil 2 – Werk

patriarchalische Dörfer finden, die jeweils die ganze Republik en miniature verkörpern. Unglücklich seien die Menschen nur in den Kleinstädten, die kein Dorf mehr und noch keine richtige Stadt seien (S. 119). Auf dem Dorf herrsche eine konkrete und wahre Ethik vor, das Leben sei dort einfach und wahrhaftig. Jedes Dorf verfüge über seine interessanten Typen (S. 120). Im Dorf werde auf die guten Traditionen gebaut. Man könne sich nur in die ČSR verlieben, wenn man solche ursprünglichen Dörfer mit ihren eigenen Geschichten und Legenden kenne (S. 121). Was an diesen Dörfern spezifisch tschechoslowakisch sein soll, bleibt rätselhaft, zumal Vilinskij am Ende dieses Kapitels schreibt, daß selbst die deutschen Dörfer und die in der Karpatoukraine gleich seien (S. 122). Es handelt sich eben um Dörfer. Deren Beschreibung ist so unkonkret, daß man sie auch in jeder beliebigen anderen Gegend Europas ansiedeln könnte. Vilinskijs Dorferfahrungen beruhen auf seinen jährlichen Aufenthalten in dem Dörfchen Dražůvky (S. 13) an der Trkmanka, Kreis Kyjov, dem er publizistisch in dem Artikel Dražůvky a Rus [Dražůvky und ein Russe] ein Denkmal setzt.609 Er sei gleich nach seiner Ankunft in der ČSR nach Dražůvky gekommen, wo er innerhalb von drei Monaten zehn Kilogramm zugenommen und Tschechisch gelernt habe. In den 80 Häusern des Dorfes leben 200 bis 250 wahlberechtigte Bürger, von denen 60% die Volkspartei und die restlichen 40% die Agrarier wählen. Selbst wenn sich ein Wahlkämpfer dorthin verirren sollte, würde das nichts an den Mehrheitsverhältnissen ändern, dies ist nur durch Geburten und Todesfälle möglich, denn die Überzeugungen stehen fest. In Dražůvky seien viele seiner Schriften entstanden, es liefere ihm Stoff für immer neue tschechische und russische Bücher und habe sein Interesse an der Vereinigung der Kirchen geweckt, denn dort habe er die ungeschminkte und direkte Gläubigkeit des mährischen Dorfes kennengelernt. Und andererseits gebe es dort keine Eile, keinen Lärm, keinen Dreck. Obwohl es nur 60 Kilometer von Brünn entfernt sei, brauche man mit dem Zug vier Stunden. Bei schmackhaftem Essen mit der obligatorischen Hühnersuppe sei das Wohnen verhältnismäßig billig. Früher seien mehr russische Studenten dorthin gefahren, die jedoch alle außer ihm Dražůvky verraten haben, er allein sei dem Dorf trotz aller akademischen Ehren, die er erlangt habe, treu geblieben. Dafür habe ihm, wie bereits oben kurz erwähnt, Dražůvky den sogenannten „domovský slib“ [Heimrecht] für den Fall gegeben, daß er um die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft ersuche – ein schönes Beispiel für die gegenseitige Liebe zwischen einem russischen Emigranten und einem kleinen mährischen Dorf.610 Zumindest in den Papieren des Vaters taucht später Dražůvky tatsächlich als Heimatort auf.611

609

610 611

Dražůvky a Rus 1930; auch als Dražůvky na morav. Slovácku a Rus, in: Hlas, Jg. 58, Nr. 4242, 26.12.1930, S. 4. Dražůvky a Rus 1930. Osvědčení o státným občanství republiky Československé – Abschrift vom 24. Mai 1932 (Archiv MU, 18/7 osobní spis).

Essayistik – Rus se dívá na Č.S.R.

149

Wesentlich konkreter sind seine Anmerkungen zu den tschechischen Friedhöfen. Die Politik mache an den Friedhofsmauern nicht halt, wie man an den Grabinschriften erkennen könne. Am Beispiel von Steinen auf Brünner, Prager und Dorffriedhöfen zeigt er, daß die Lebenden das Majestat des Todes nicht verstehen und überall, also auch auf den Friedhöfen, nationale und politische Motive geltend machen, die angesichts sich verändernder Verhältnisse um so lächerlicher wirken (S. 122). In dem weiteren Verlauf des vierten Teiles wird ein über die Maßen entwickeltes ethisches Gefühl der Tschechen konstatiert und die tschechische Bereitschaft zum Opfer. Diese Wahrnehmung korrespondiert mit seinen Äußerungen über das Gottesbild der Tschechen. Masaryk sei die Stimme des Bewußtseins, denn der kategorische Imperativ des inneren Gesetzes der Wahrheit stehe bei ihm über allem. Die gesamte ČSR sei für die Wahrheit und Ethik gebaut worden (S. 125). Allerdings werde die Tschechoslowakei allgemein nicht verstanden. Das Ausland finde keine Antwort auf die Frage nach dem tschechischen Typ, was Vilinskij damit zu erklären versucht, daß die übersetzte (historische) Literatur weniger werbewirksam sei, als es leichtere Stoffe sein können (S. 126). Ein weiteres Problem bestehe darin, daß tschechische Autoren (neben den ausführlicher behandelten Autoren Deml und Durych werden noch Čapek, Hora und Wolker erwähnt) unbegründeter Weise immer als Kopien westeuropäischer Originale rezipiert werden. Aber auch Masaryk werde in der ČSR selbst nicht so verstanden, wie er verstanden werden könnte und sollte (S. 127). Die gesamte Literatur und Kunst orientiere sich in Ismen und Strömungen, so daß sich kaum ein Literat erlaube, „zpívati tak, jak mu zobák narostl“ [so zu singen, wie ihm der Schnabel gewachsen ist], sondern fast alle bemühen sich darum, immer auf dem Boden der Gegenwart zu bleiben, um auf Interesse zu stoßen. Čapek zeige den einfachen, echten Menschen, was wesentlich mehr imponiere als die Gestalten Hašeks, die nur wenige Züge des tschechischen Wesens abbilden (S. 128). Weitere Eigenschaften der Tschechen seien ihre Verliebtheit in die Geschichte (S. 128) und ihre Wissenschaftsgläubigkeit, die sich in der Hochachtung gegenüber akademischen Titeln niederschlage (S. 129). Außerdem können sie sich ganz und gar auf eine Sache konzentrieren und dabei alles – also auch die Kehrseite – vergessen (S. 130). Die Grundlage, auf der alles basiere, und das Glanzlicht der Nation sei der ‚kleine Mann‘ (S. 130f.). Die Tschechoslowakei verhalte sich reserviert gegenüber russischen Emigranten. Die Formalitäten seien sehr, sehr schwer zu erfüllen. Sie tue alles dafür, daß ihnen die Russen, die sie in ein Ghetto gesperrt und denen sie ein bißchen Geld gegeben haben, nicht zu nahe kommen (S. 132f.).612 Die Russen dürfen sich nicht an den 612

Der Begriff des Ghettos findet in dem Werk inflationär Verwendung und verliert somit seine Bedeutung. Es leben Vilinskijs Ausführungen zufolge Deutsche, Ungarn, Katholiken und Russen in Ghettos, so daß es schon fast ratsamer erscheint zu fragen, wer eigentlich nicht. Ungeachtet dessen greift Putna (1998) Vilinskijs Begriff des „katholischen Ghettos“ auf, auf den er seine gesamte Argumentation aufbaut (vgl. dazu auch Schulze Wessel, Martin: Konfessionelle Konflikte in der Ersten Tschechoslowakischen Republik: Zum Problem des Status von Konfessionen im Nationalstaat, in: Maner/Schulze Wessel [Hgg.] 2002, S. 73-101, hier: S. 80f.).

150

Teil 2 – Werk

Wahlen beteiligen, nicht arbeiten, weshalb sie das Land nicht kennen, in dem sie ihre Emigration verbringen. Sie wissen nichts über die Politik, die Wirtschaft, Literatur, Kunst, Religion, das Geistesleben (S. 133). Auf der anderen Seiten müsse man viele Positiva anführen, zu denen Vilinskij nicht nur einfache menschliche Gesten zählt, sondern auch, daß die Jugend ihr Hochschulstudium fortsetzen könne, ohne hungern zu müssen, daß Tausende von Russen durch die Tschechoslowakei zu Bürgern mit allen Rechten werden und nach Frankreich, Amerika, auf den Balkan, in die ganze Welt gehen können und daß das Außenministerium im Rahmen der Russischen Aktion nicht nach politischer Überzeugung oder nationaler Zugehörigkeit frage. Gerade der letzte Punkt fordert eine nationalistische Kritik Vilinskijs an der Russischen Hilfsaktion heraus. Es werden viele Leute unterstützt, die nichts mit Rußland gemein haben: türkische Armenier mit persischem Paß, Georgier aus der Zeit der Selbständigkeit, Leute mit rumänischen, lettischen, estnischen Pässen, deren Muttersprache nicht das Russische und deren Denken häufig regelrecht antirussisch ist, ukrainische Separatisten, was in der Bewertung schon komplizierter sei. Wenn die Ukraine als autonomes Gebiet Rußland angegliedert würde, sei es in Ordnung, wenn sie jedoch von Rußland getrennt würde, werden die Russen der ČSR für die Unterstützung der Ukrainer nicht dankbar sein. Er wolle selbstverständlich der ČSR nicht vorschreiben, wen sie unterstützen solle und wen nicht, denn es sei ja schließlich ihr Geld, das sie dafür ausgebe. Ihm gehe es nur um die Grenze ihrer (der russischen) Dankbarkeit. Die Zahl der unterstützten Ukrainer übersteige 2.000, so daß man nicht mehr von einer Russischen Aktion sprechen könne, denn dieses Geld werde nicht für Russen allein ausgegeben (S. 134). Auf die Ukraine kommt er später noch einmal zu sprechen, für deren Unabhängigkeitsbestrebungen sich die Tschechen seiner Meinung nach zu sehr interessieren, was die Russen wiederum dazu herausfordere, ihr Verständnis für jegliche autonomen Schattierungen auf dem Boden der Tschechoslowakei zu pflegen (S. 138). Aus dem praktischen Tun der Tschechen können die Russen viel lernen. Zum einen seien die sozialen Institutionen vorbildlich, zum anderen sind die tschechische Zähigkeit, das Bahnbrechertum, die Beharrlichkeit, die Begeisterung, die Fähigkeit zu arbeiten und die Liebe zur Tat beispielhaft (S. 135). In diesem Zusammenhang fordert er die anderen Slaven zu mehr Nachsicht gegenüber dem orientalischen Barbarentum der Russen auf und verspricht seinerseits, daß die Russen ihre Überheblichkeit eines 150-Millionen-Volkes ablegen und nicht länger denken werden, daß es außer Rußland nichts Vollwertiges gebe (S. 136f.). Neben dieser rationalen Seite, die die Russen an den Tschechen bewundern, gebe es auf emotionaler Ebene einen Zauber der ČSR, der dieses Land den Russen zur zweiten Heimat werden lasse: „Chápeme její smutek a radujeme se z jejího jasu“ [Wir verstehen ihre Trauer und freuen uns ihres Glanzes] (S. 139). Das Land strahle eine begeisterungswürdige Schaffenskraft auf dem Weg zu dem neuen, einheitlichen Staat aus. Weil das Land auf der Suche sei, spüre man eine dämonische Unruhe, das Wirbeln der Wolken über der schlafenden Erde. Es sei das Land des unruhigen

Essayistik – Rus se dívá na Č.S.R.

151

Kain und des stillen Abel, verkörpere den Zauber der Tätigkeit und der Ruhe, des Chaos und des Paradieses. Skepsis stehe dem Glauben gegenüber (S. 140). Was jedoch das wichtigste sei: über den Verstand siege letzten Endes immer das Herz613 und das tschechische Herz sei der größte Zauber der ČSR (S. 141). Mit diesen Worten bringt er seine selbstgestellte Aufgabe, die Tschechoslowakei aus seiner Sicht vorzustellen, zu einem emotionsgeladenen Ende. Betrachtet man das Buch in seiner Gesamtheit, bekommt man den Eindruck, daß es Vilinskij nicht in letzter Linie darum geht, unter Beweis zu stellen, was er bisher für einen guten Einblick in das Land gewinnen konnte. An einigen Stellen gibt er sich tschechoslowakischer als jeder Tscheche oder Slowake, was für ihn selbstverständlich leichter ist, da er keine Bedenken haben muß, einen Teil seiner tschechischen oder slowakischen Identität einzubüßen. Er will den Tschechen und Slowaken helfen, ihren gemeinsamen Staat weiter zu entfalten. Ob er dazu tatsächlich beitragen kann, bleibt höchst zweifelhaft, denn der gesamte Ansatz des Werkes ist sehr fragwürdig. Er versucht, die ČSR religiös zu fassen. Dieser Zugang würde für eine Beschreibung des vorrevolutionären Rußland unter Umständen adäquat sein, wo man von der Orthodoxie als einer Staatsreligion sprechen kann. Eine solche gibt es jedoch in der ČSR nicht. Wenn auch der Statistik zufolge die Mehrheit der Bevölkerung katholisch ist, ist doch der Einfluß der katholischen Kirche auf das politische Handeln eher gering, zumal wenn man in Betracht zieht, daß Masaryk die hussitische Tradition zum eigentlichen Kernstück der ganzen sinnvollen tschechischen Geschichte erklärt.614 Andererseits ist es schwer, überhaupt Traditionen zu finden, auf die sich Tschechen und Slowaken gleichermaßen berufen und die dadurch vereinigend wirken könnten. Die Propagandathese, die Hans Lemberg zufolge zur tschechoslowakischen Staatsidee wurde, daß die Tschechen den westlichen Demokratien durch ihren spezifischen, hussitisch-protestantisch geprägten Demokratismus sehr nahe stünden und schon immer gegen den deutschen, katholischen und theokratischen Wiener Zentralismus eingetreten seien, bestätigt Vilinskij jedenfalls nicht.615 Er nimmt vielmehr vorweg, was L. Danišovič 1937 auf dem ersten tschechoslowakischen Historikerkongreß anregt, nämlich daß die Kirchengeschichte für die Erforschung der tschechoslowakischen Einheit genutzt werden sollte.616 613

614

615

616

Diese Diagnose bestätigt Alfred Fuchs (in: Rozpravy Aventina, Jg. 7, Nr. 21, 11.02.1932, S. 169). Vgl. Graus, František: Lebendige Vergangenheit. Überlieferung im Mittelalter und in den Vorstellungen vom Mittelalter, Köln/Wien 1975, S. 330; Masaryk, Tomáš Garrigue: Hus českému studentstvu, in: ders. Jan Hus. Naše obrození a naše reformace, Praha 1990, S. 107-118, bes. S. 117 und Masaryk 2000. Lemberg, Hans: Unvollendete Versuche nationaler Identitätsbildungen im 20. Jahrhundert im östlichen Europa: die „Tschechoslowaken“, die „Jugoslawen“, das „Sowjetvolk“, in: Berding, Helmut (Hg.): Nationales Bewußtsein und kollektive Identität. Studien zur Entwicklung des kollektiven Bewußtseins in der Neuzeit 2, Frankfurt am Main 1994, S. 581-607, hier: S. 593. Vgl. Lemberg, Hans: Gibt es eine tschechoslowakische Geschichte? Versuche einer nationalen

152

Teil 2 – Werk

Den größten Gewinn aus dem Buch dürften katholische Leser ziehen, die es als Spiegel wahrnehmen können und vielleicht dazu angeregt werden, ihre eigenen Wahrnehmungen zu hinterfragen.617

Form Bei der Lektüre von Rus se dívá na Č.S.R. stellt sich die Frage wie sich, bzw. ob sich andere russische Autoren ebenfalls über ihr Gastland Tschechoslowakei äußern und in welchem Verhältnis Vilinskijs Buch zu diesen Äußerungen steht. Um vergleichen zu können, soll zunächst betrachtet werden, welche Form Vilinskij für seine Darstellung wählt. Er ist in dieser nicht-fiktionalen Prosa frei in der Wahl der Struktur und der einzelnen Themen, die nicht durch eine (selbst) vorgegebene Gesetzmäßigkeit bestimmt werden. Die Darstellung ist insofern unsystematisch, als daß keine Rechtfertigung über die Auswahl bestimmter Gegenstände erfolgt und deren konkrete Darstellung unter dem Dach einer Überschrift doch nicht gleichen Kriterien folgt, sondern ebenso willkürlich erscheint wie ihre Auswahl selbst. Dadurch kommt indirekt die Vielfalt der Möglichkeiten zum Ausdruck, die Kontingenz der Erscheinungen. Das ganze Werk durchzieht eine spezifische geistige Haltung, die man mit den Begriffen „religiös“ und „tschechoslowaki(sti)sch“ fassen kann, wobei sich diese beiden Ideen noch gegenseitig durchdringen.618 Sie werden nicht als gegeben hingenommen, sondern in viele Richtungen skeptisch hinterfragt, was zu keinen einheitlichen, im voraus klaren Ergebnissen führt. Die Vielschichtigkeit der Phänomene wird nicht geleugnet, sondern sie werden in ihrer Komplexität, zum Teil Paradoxität hingenommen, so daß ihre Deutung häufig in einer Provokation mündet, zumindest jedoch ein absichtsvoller Subjektivismus – der die ganze Arbeit stark prägt – nicht zu überlesen ist, der sich nicht zuletzt in einer pointierten, oft aphoristischen oder ironischen Diktion äußert.619

617

618

619

Geschichtsintegration, in: ders./Nitsche, Peter/Oberländer, Erwin (Hgg.): Osteuropa in Geschichte und Gegenwart. Festschrift für Günther Stökl zum 60. Geburtstag, Köln/Wien 1977a, S. 376-391, hier: S. 382. Ein wohlwollender Rezensent meint selbstverständlich, daß kein Leser das Buch ohne Gewinn weglegen würde und daß Vilinskij vor allem durch seinen Blick auf die Gegenwart überraschen würde, weil die Tschechen selbst sich mehr der Vergangenheit zuwenden (D., J.: Valerij S. Vilinskij: Rus se dívá na ČSR, in: Život, Jg. 14, Nr. 1, 25.01.1932, S. 12f.). Ähnlich V., K. in: Našinec, Jg. 68, Nr. 137, 15.06.1932, S. 4 und Popelová, J. in: Pokroková revue Nové Čechy, Jg. 15, Nr. 2-3, 1932, S. 87f. Mit den Worten einer Rezensentin: „Vilinskij chce býti zvláště objevitelem katolického Československa“ [Vilinskij möchte eigentlich der Entdecker der katholischen Tschechoslowakei sein] (Popelová 1932, S. 87). Die deutsche Übersetzung des Titels als „Ein Russe betrachtet die ČSR“ (nicht: der Russe allgemein) kann eine potentiell falsche Erwartung an das Buch ausräumen, die in einer Rezension zum Ausdruck kommt (vgl. K., V.: Vilinskij, Valerij: Rus se dívá na Československo.

Essayistik – Rus se dívá na Č.S.R.

153

Es werden keine eigentlich neuen Fakten oder Enthüllungen geboten, sondern das Unerwartete liegt in der Auswahl und Kombination der Betrachtungsgegenstände, die sowohl vom Leser als auch vom Autor selbst einen guten Einblick in die tschechoslowakische Kultur erfordern. Die Grundlage der Darstellung bilden die Wahrnehmungen Vilinskijs. Er stützt sich nicht auf die Aussagen anderer zu den behandelten Themen, sondern gibt lediglich seine eigene Sicht wieder. Er notiert seine aus der Anschauung abgeleiteten Erkenntnisse. Auf die Zuschauerposition, die er einnimmt, weist bereits das Verb „dívat se“ [betrachten] im Titel hin. Die Verwendung des unvollendeten Aspekts verweist zudem darauf, daß er sich während des Schreibprozesses noch als Betrachter fühlt, d. h., er keine fertig gedachten Gedanken zu Papier bringt, sondern offen für immer neue Entdeckungen ist.620 In einem Brief an Deml bezeichnet er dieses Buch als „reportáž o Č.S.R.“621 [Reportage über die ČSR], wodurch er betont, daß es vollkommen der Gegenwart verhaftet ist und daß ein Augenzeuge berichtet. Nimmt man all diese Kennzeichen des Werkes zusammen, liegt klar auf der Hand, daß es sich um Essayistik handelt.622 Vilinskij nimmt damit eine Form auf, die besonders in der tschechisch-böhmischen Literatur gepflegt wird, während für die russische Prosa eher die großen Formen bezeichnend sind, die einen Totalitätsanspruch verkünden.623 Damit korrespondiert, daß er sein Werk in tschechischer Sprache schreibt, womit er eindeutig zu verstehen gibt, daß er es nicht als Teil der russischen Exilliteratur sieht. Von dieser unterscheidet es sich zudem darin, daß es der Gegenwart und in gewisser Weise der Zukunft verhaftet ist, denn seinen „Traum über die ČSR“ kann man durchaus als utopischen Entwurf verstehen. Die Literatur der russischen Emigration pflegt, wie bereits 1927 Hans von Rimscha feststellt, vor allem die Gattung(en) der Memoirenliteratur, das heißt, sie richtet

620

621

622

623

Praha 1931, in: Centraľnaja Evropa, Jg. 5, Nr. 4, 1932, S. 246f.). Nicht zufällig ist es die Kritik (zwar eines Tschechen) in einer russischen Zeitschrift, die meint, daß Vilinskijs subjektive Sicht nicht die anderer Russen repräsentiere. Der zeitgenössische Leser kann weitere von der Struktur her ähnliche Titel auf dem tschechischen Markt finden: Wells, Herbert George: Angličan se dívá na svět, Praha 1922; Zajíček, Břetislav: Lekář se dívá na SSSR, Olomouc 1937; Snow, Edgar: Američan se dívá na Sovětský svaz, Praha 1947. Brief Vilinskijs an Deml vom 27. März 1931 (LA PNP, fond Deml, 21/B/18). Bedřich Slavík kritisiert in seiner Rezension, daß Vilinskij nicht den Rahmen der subjektiven journalistischen Reportage überschreite (Slavík, Bedřich: Valerij S. Vilinskij Rus se dívá na ČSR, in: Studentský časopis, Jg. 11, Nr. 7, 10.03.1932, S. 220). Vielleicht wird seine Erwartung enttäuscht, weil das Kapitel Podkarpatská Rus im Almanach Kmene mit der Bemerkung, daß es sich um einen Auszug aus dem Originalroman eines russischen bzw. tschechischen Gefangenen handle, abgedruckt worden ist (Almanach Kmene 1931-32, Praha 1931, S. 160-162, 276 und 279). Wenn man die hier beschriebenen Kennzeichen von Rus se dívá na Č.S.R. z. B. mit der „klassischen“ Darstellung dieses Begriffs in Schweikle, Irmgard: Essay, in: Schweikle, Günther und Irmgard (Hgg.): Metzler-Literatur-Lexikon. Begriffe und Definitionen, Stuttgart 21990, S. 139f. vergleicht, sind die Entsprechungen evident. „Die Abwendung von Präsenzphantasien des Totalen“ kann als weiteres Merkmal des Essays verzeichnet werden (Schärf, Christian: Geschichte des Essays. Von Montaigne bis Adorno, Göttingen 1999, S. 37).

154

Teil 2 – Werk

sich in die Vergangenheit zurück.624 Daß Vilinskij seinem ersten Werk, das nicht in den engeren religiös-geistesgeschichtlichen Themenbereich gehört, eine essayistische Form verleiht, fordert einen Hinweis auf neuzeitliche Migrationsliteratur heraus, die den Essay sehr pflegt, der „seit seinen Anfängen der ‚Ent-Grenzung‘ dient“, sich „als literarisches Grenzgängertum“ erweist und dadurch zu einem „Reflexionsund Experimentierfeld von literarischen Schreibweisen“ wird, „die den Kanon von Muttersprachen und Nationalkulturen durch die Praxis kultureller Übersetzungen zu durchbrechen suchen“.625 Oder wie Vilém Flusser schreibt: „Eine der Ambivalenzen des Essays besteht darin, daß er ein Monolog auf der Suche nach einem Dialog ist“.626 Vilinskij schreibt sein Buch für tschechische Leser, die er für ihr eigenes – für ihn und sie gleichermaßen neues – Land interessieren will, indem er ihnen eine Sicht vorstellt, die bewußt anders ist. Er zeigt die Mirabilia, also das, was er aufgrund der kulturellen Alterität für merkwürdig hält und was ihn aufgrund der kontextuellen Verschiedenheit der Kulturen zur Selbstreflexion zwingt.627 Allerdings reflektiert er im Gegensatz zu den gegenwärtigen Migrationsautoren nicht sein eigenes Schreiben als Schreiben in einer Sprache, die nicht seine Muttersprache ist. Wie man der Beschreibung seiner ersten Begegnung mit Hlinka entnehmen kann, fühlt er sich seiner Tschechischkenntnisse sogar recht sicher. Daß er sich weiterhin in einer slavischen Sprache bewegen kann, trägt sicher dazu bei, daß sie ihm nicht als so fremd erscheint, wie zum Beispiel einer Japanerin das Deutsche. Seine beiden Romane entstehen erst zwei Jahre nach Rus se dívá na Č.S.R., man kann also in seinem Falle den Essay als Test für eine freiere Form ansehen, als eine Station auf dem Weg von reiner Publizistik zu Belletristik. Vilinskij nimmt mit seinem Werk Rus se dívá na Č.S.R. eine Zwischenposition innerhalb der russisch-tschechischen Literatur ein. Er zählt selbstverständlich nicht 624

625

626 627

Von Rimscha 1927, S. 144f. Er unterstreicht diese Beobachtung durch ein zeitgenössisches Diktum: „Wie Rußland krankt / An Kommissaren, / Ist das Ausland voll / Mit Memoiren“ (ebd., S. 145). Vgl. dazu Zadražilová, Miluše: Emigrace jako osud a volba. Několik kapitol z dějin ruské meziválečné emigrační literatury, in: Světová literatura, Jg. 37, Nr. 5, 1992, S. 120-139 und Sokolov, Aleksej G.: Sud’by russkoj literaturnoj ėmigracii 1920-x godov, Moskva 1991. Agenosov spricht in diesem Zusammenhang von „Roman-Biographien“ (Agenosov, V. V.: Literatura russkogo zarubež’ja [1918-1996], Moskva 1998, S. 9); Ponomarev von einem „[b]iografičeskij bum“ [biographischen Boom] (Ponomarev, E.: Rossija, rastvorennaja v večnosti. Žanr žitijnoj biografii v literature russkoj ėmigracii, in: Voprosy literatury, Nr. 1, 2004, cit. nach http://magazines.russ.ru/voplit/2004/1/pon6-pr.html; 20. Dezember 2005) und Wolfgang Kissel operiert im Hinblick auf die sogenannte „Erste Emigration“ mit dem Begriff der „mnemopoetischen Moderne“ (Kissel, Wolfgang: Im Exil: Die mnemopoetische Moderne [1922-1940], in: Städtke, Klaus [Hg.]: Russische Literaturgeschichte, Stuttgart/Weimar 2002, S. 277-289). Schenk, Klaus: Essayistik der Migration. Essayistisches Schreiben als kulturelle Übersetzung bei Libuše Moníková und Yoko Tawada, in: ders. et al. (Hgg.): Migrationsliteratur. Schreibweisen einer interkulturellen Moderne, Tübingen 2004, S. 97-114, hier: S. 97f. Flusser, Vilém: Bodenlos. Eine philosophische Autobiographie, Düsseldorf/Bensheim 1992, S. 92. Vgl. die Überlegungen zum Essay als Denken zweiter oder dritter Ordnung bei MüllerFunk, Wolfgang: Erfahrung und Experiment. Studien zu Theorie und Geschichte des Essayismus, Berlin 1995, S. 269ff.

Essayistik – Rus se dívá na Č.S.R.

155

zu den russischen Autoren, die fast ihr ganzes Leben in Rußland verbringen, russisch denken und für russische Leser schreiben (als Beispiele aus dem tschechischen Kontext seien angeführt: V. I. Nemirovič-Dančenko, Evgenij Čirikov, Arkadij Averčenko), aber er zählt auch noch nicht zu den jungen Autoren, die zum Teil erst in der Tschechoslowakei geboren werden, tschechisch schreiben und deren russische Wurzeln in den Tiefen ihres Denkens und ihres literarischen Schaffens verborgen bleiben (zu dieser Gruppe kann man Terlecký, K. Čcheidze, S. Machonin, A. Klimentiev [Kliment], P. Chudožilov, M. Ajvaz jr. zählen).628 Er nutzt vielmehr die essayistische Form, weil sie ihm das bewußte Spiel mit der Subjektivität und den zwei Welten, in denen sich das Subjekt bewegt, erlaubt. Läßt man sich auf das Spiel ein, kann man selbst im Titel die zwei Heimatländer finden, denn „Rus“ bedeutet ja nicht nur „Russe“, sondern in der gehobenen Literatursprache zugleich „Rußland“, so daß die Zeile von Rußland und der ČSR gerahmt wird.629 Der Autor ist der dazwischen, der schaut. Er ist einerseits der Russe, der von außen betrachtet, andererseits dringt er mit der Beschreibung höchst ausgefallener Randerscheinungen (der tschechischen religiösen Landschaft), von deren Existenz auch ‚richtige‘ Tschechen nichts ahnen, tief in tschechische Realien ein.630 Da er sich schon länger in dem beschriebenen Raum bewegt, in ihm bereits zu Hause ist, kommt es zu einer Überlagerung der Räume, so daß man den Eindruck gewinnt, daß er mit seiner Fremdheit kokettiert. Das ermöglicht ihm wiederum, aus tschechischer Sicht periphere Erscheinungen in die Mitte zu rücken und durch sie die für Tschechen zentralen Phänomene zu verdrängen. Er repräsentiert den von Simmel beschriebenen Fremden, den potentiell Wandernden, „der heute kommt und morgen bleibt […], der, obgleich er nicht weitergezogen ist, die Gelöstheit des Kommens und Gehens nicht ganz überwunden hat“ und der Qualitäten in das Umfeld hineinträgt, „die aus ihm nicht stammen und stammen können“.631 In Übereinstimmung von Inhalt und Form bedient er sich also der 628

629

630

631

Diese zweiteilige Klassifizierung nimmt Anastasie Kopřivová vor (Bludné cesty ruské emigrace, in: Terlecký 1997, S. 175-183, hier: S. 182). In diesem Zusammenhang ist interessant, daß so gut wie alle in der tschechischen Nationalbibliographie angeführten Titel, die das Wort „Rus“ enthalten (und das sind nicht wenige), dieses als geographische und nicht als Personenbezeichnung benutzen. In dem Titel von Rus se dívá na Č.S.R. klingt also der „Aufbruch zu neuen Ufern“ an, die Abenteuerlust, die dem Essay von jeher eigen ist. Die damit allgemein verbundene Schiffahrtsrhetorik kommt im Hinblick auf die Binnenlage der Tschechoslowakei nicht zur Anwendung (vgl. Müller-Funk 1995, S. 284). Das gestehen ihm auch seine Rezensenten zu: „A přiznejme si, že ani my [katolíci] jsme skoro neviděli neb aspoň si nevšímali lecčehos, co upoutalo, třebas jen svou kuriosností, zájem našeho hosta právě po stránce náboženské.“ [Und bekennen wir, daß selbst wir [die Katholiken] das eine oder andere fast nicht gesehen oder zumindest nicht wahrgenommen haben, was das Interesse, und sei es nur wegen seiner Kuriosität, unseres Gastes gerade in religiöser Hinsicht angesprochen hat]. (M.: Vilinskij, Valerij S.: Rus se dívá na ČSR, Praha 1931, in: Archa, Jg. 20, 1932, S. 65f.); ähnlich auch Popelová 1932, S. 87. Simmel, Georg: Exkurs über den Fremden, in: ders. Soziologie. Untersuchungen über die Formen der Vergesellschaftung, Frankfurt am Main 1992 (= Gesamtausgabe, Bd. 2), S. 764-771, hier: S. 764f.

156

Teil 2 – Werk

dem Essay eigenen „Freiheit des Geistes“,632 um sich damit in die gute Tradition des „klarsichtigen Beobachters“, der die Gastgesellschaft „direkt und indirekt zum Selbstverstehen, zur Selbstdistanzierung und zur Selbstkritik“ auffordert, zu begeben.633 Nicht zufällig sind es meist Fremde oder Menschen, die sich an der Peripherie der jeweiligen Gesellschaft bewegen, die als kulturelle Innovatoren auftreten,634 weil sie „durch keinerlei Festgelegtheiten gebunden“635 sind. Der Fremde ist objektiv. Er „übersieht die Verhältnisse vorurteilsloser, mißt sie an allgemeineren, objektiveren Idealen und ist in seiner Aktion nicht durch Gewöhnung, Pietät, Antezedentien gebunden“.636 Vilinskij bemüht sich, eine möglichst große Authentizität seiner Beobachtungen vorzuspiegeln – und damit die Objektivität seiner Ableitungen –, indem er Gespräche wiedergibt, die Menschen über die er schreibt, zitiert (selbstverständlich aus dem Gedächtnis) und die Gesprächspartner beschreibt. Die damit verbundene Konkretheit seiner Darstellung ist zweifelsohne eine der Stärken des Werkes.

Die Tschechoslowakei in der Sicht anderer russischer Autoren Kehren wir also zu der Frage zurück, was es für weitere russische Äußerungen über die Tschechoslowakei gibt. Von anderen Autoren erfährt man etwas über ihre Sicht auf dieses Land vor allem aus ihren Memoiren oder Erinnerungen, d. h. aus Texten, die zwar auch nicht-fiktional sind, im Gegensatz zum Essay jedoch als rein subjektiv bestimmt werden müssen. Ihnen geht es nicht in erster Linie um ihr Bild der Tschechoslowakei, sondern um ihr eigenes Erleben, die Rechtfertigung ihres Handelns, das mit der Tschechoslowakei verknüpft ist. Die einzigen Bücher, die sich für einen Vergleich anzubieten scheinen, stellen Arkadij Averčenkos Praha a Čechové637 [Prag und die Tschechen] und Mark Slonims Po zolotoj trope638 [Durch das Goldene Gäßchen] dar, das im Untertitel die Bezeichnung „Eindrücke“ oder „Impressionen“ (vpečatlenija) trägt, wodurch ein vermeintlicher Individualismus betont wird, der in der Darstellung selbst jedoch einer eher objektiven Beschreibung weicht. Während Averčenkos Buch in tschechischer Übersetzung 632

633

634 635 636

637 638

Adorno, Theodor W.: Der Essay als Form, in: ders. Noten zur Literatur, Frankfurt 31990 (= Gesammelte Schriften, Bd. 2), S. 9-33, hier: S. 10. Hettlage, Robert: Der Fremde: Kulturmittler, Kulturbringer, Herausforderer von Kultur, in: Lipp, Wolfgang (Hg.): Kulturtypen, Kulturcharaktere. Träger, Mittler und Stifter von Kultur, Berlin 1987, S. 25-44, hier: S. 38. Hettlage 1987, S. 33. Simmel 1992, S. 767. Simmel 1992, S. 767. Simmel läßt hier außer Betracht, daß der Fremde nicht aus dem Nichts auftaucht, sondern unter anderen Bedingungen sozialisiert worden ist, an die er sich durchaus gebunden fühlen kann. Seine Stärke besteht also vor allem darin, daß er kontrastiv wahrnimmt, daß seine Überlegungen durch eine zusätzliche Dimension bestimmt werden. Averčenko, Arkadij: Praha a Čechové. Přeložil Jiří Zákostelna, Praha 1923. Slonim, Mark L.: Po zolotoj trope. Čechoslovackie vpečatlenija, Paris 1928.

Essayistik – Rus se dívá na Č.S.R.

157

erscheint, gibt Slonim sein Buch in russischer Sprache in Paris heraus. Beide Titel geben keinen Hinweis auf die Fremdsicht der Autoren. Die Titel sind etwas irreführend, denn Averčenko meint mit den „Čechové“ ganz offensichtlich nur die in Prag, während Slonim das Prager „Goldene Gäßchen“ als Ausgangspunkt nimmt, um seine Betrachtungen auf die gesamte Tschechoslowakei auszudehnen, bzw., um genau zu sein, vor allem auf die Slowakei, etwas auf Mähren und am wenigsten auf Böhmen.639 Eine Gemeinsamkeit zwischen Vilinskij und Slonim kann man darin finden, daß beide das Land als Ganzes wahrnehmen und ihr Blick nicht nur auf Prag gerichtet ist. Slonim schreibt jedoch im Gegensatz zu Vilinskij eine Art Fremdenführer für seine russischen Leser, d. h., er wendet sich an ein vollkommen anderes Publikum als Vilinskij. Deshalb bietet Slonim viel Historisches. Er gibt seine Belesenheit kund. Er erzählt sehr lebendig, so also würde er gerade den beschriebenen Spaziergang in Prag unternehmen oder durch die Slowakei reisen, es fehlen also keine gegenwärtigen Eindrücke, diese treten aber vor den historischen Fakten stark in den Hintergrund bzw. durchmischen sich mit ihnen. Dem Charakter eines Führers entsprechend, sind die Beschreibungen so, daß man mit dem Buch in der Hand auf den Spuren Slonims wandeln könnte. Dieses Anliegen vertritt Vilinskij selbstverständlich nicht. Die aktuellen politischen Entwicklungen interessieren Slonim kaum und auch nicht, daß das Land dabei ist, sich selbst zu finden. Eine Ausnahme bildet das Kapitel Slovakija [Die Slowakei], in dem er auf das Verhältnis der Slowakei zu Rußland eingeht, das er als sehr gut beschreibt. Die Slowaken seien den Russen viel näher als den Tschechen. Masaryk sei ein großer Kritiker Rußlands. Die einzigen Slowaken, die ihr Augenmerk in den westlichen Landesteil richten, seien Priester, Politiker und einige Intellektuelle aus Bratislava.640 Slonim ist im Gegensatz zu Vilinskij weit davon entfernt, ein vieltöniges hoffnungsvolles Lied auf die tschechoslowakische Einheit zu singen. Po zolotoj trope und Rus se dívá na Č.S.R. sind vom Umfang her ähnlich, wesentlich schmaler ist Averčenkos Büchlein, was er damit begründet, daß er erst 4, 5 Monate im Lande sei und deshalb einfach noch nicht so viel zu berichten habe.641 Sein Buch ähnelt Vilinskijs insofern, als er aus seinen Erlebnissen schöpft, allerdings hat er nicht den Anspruch, in das tschech(oslowak)ische Wesen einzudringen. Er bleibt sehr an der Oberfläche und stützt sich eher auf das, was er auch über die Tschechen wissen könnte, wenn er nicht im Lande wäre oder was ihm auch in jedem anderen Land passieren könnte. Bei ihm überwiegen die Anekdoten, die in den meisten Fällen drastisch zugespitzt werden. Er beginnt die Kapitel jeweils mit einer kurzen Schilderung der Situation oder Umstände, die weitere Handlung wird dialogisch wiedergegeben, wobei nicht wie bei Vilinskij der Eindruck hervorgerufen wird, daß die Gespräche auch wirklich so stattgefunden haben. Es sind fiktionale Texte, die einen wahren Kern haben. Averčenko geht es offensichtlich hauptsächlich darum, seinen Leser zu amüsieren (was ihm gelingt). 639

640 641

Von den insgesamt zwölf Kapiteln beschäftigen sich sieben mit der Slowakei, drei mit Mähren und zwei mit Böhmen. Slonim 1928, S. 47ff. Averčenko 1923, S. 5.

158

Teil 2 – Werk

Fünf Jahre nach dem Erscheinen von Rus se dívá na Č.S.R. hielt sich Sergej Tret’jakov fünf Wochen in der Tschechoslowakei auf. Er legt davon zunächst in Budemte znakomy (Zametki o poezdke v Čechoslovakii) [Machen wir uns bekannt (Anmerkungen über eine Reise in der Tschechoslowakei)] 1936 in der Zeitschrift Krasnaja nov’ [Rotes Neuland] Zeugnis ab. In wesentlich erweiterter Form folgt im darauffolgenden Jahr eine selbständige Ausgabe unter dem Titel Strana-perekrestok. Pjat’ nedel’ v Čechoslovakii [Ein Land an der Kreuzung. Fünf Wochen in der Tschechoslowakei].642 Tret’jakovs Situation in der Tschechoslowakei ist selbstverständlich bereits insofern eine andere, als er sich dort als Tourist aus der Sowjetunion aufhält. Sein ganzes Augenmerk, das auch über die Grenzen Prags hinausgeht, ist auf die kommunistische Bewegung und die Avantgarde gerichtet643 und dadurch grundverschieden von dem Blickwinkel Vilinskijs. In Inhalt und Form unterscheiden sich alle drei Bücher von Rus se dívá na Č.S.R. auf ihre jeweils eigene Art, wodurch deutlich wird, daß Vilinskijs Werk singulär ist. Vilinskij fehlt es nicht an dem Selbstbewußtsein, als Ausländer über die gegenwärtige Situation seines Gastlandes zu schreiben, was ihn angreifbar macht. Das Buch strahlt zwar seine Liebe zu dem beschriebenen Land aus,644 nicht jeder möchte diese jedoch akzeptieren, wenn er sie denn erkennt.

Lob von falscher Seite Vilinskijs Eindrücke vom Gastland stießen auf breites, jedoch nicht immer zustimmendes Interesse. Sein Humor wurde wohl nicht immer verstanden, jedenfalls löste das Buch Streit aus, der in zwei Presseprozessen gerichtlich geklärt werden mußte.645 Da die Darstellungen und Gegendarstellungen einen kleinen Einblick in die Presselandschaft der Zwischenkriegszeit bieten, soll der Streit hier zumindest kurz skizziert werden. 642 643

644

645

S. Tret’jakov, Sergej: Strana-perekrestok. Dokumental’naja proza, Moskva 1991. Er untergliedert seinen Text in achtzehn Abschnitte: Vvod [Einführung] – 1. At’ žie! [Es lebe!] – 2. Jazyk [Sprache] – 3. Praga [Prag] – 4. Metall i ogon’ [Metall und Feuer] (über Škoda Plzeň) – 5. „Batja“ [Baťa] – 6. Zemlja [Erde] (über die Hána) – 7. Architektura [Architektur] (über den Funktionalismus in Brünn) – 8. Steklo [Glas] (über Jablonec) – 9. Narod-umelec [Das Volk – ein Künstler] (über Modra und Volkskunst) – 10. Narody rjadom [Die Völker nebeneinander] – 11. Macocha – 12. Pero i rampa [Feder und Bühne] – 13. Sozdatel’ „Robota“ [Der Schöpfer des „Roboters“] – 14. Ol’bracht. Vančura – 15. Sjurrealisty [Surrealisten] – 16. Gašek [Hašek] – 17. Dom pod tremja medvedjam [Das Haus zu den drei Bären] – 18. Zavtrašnie [Die Morgigen]. Seine abschließende Liebeserklärung unterstreicht die These von Klaus Günther Just, daß ein Essay „nur aus Liebe oder Haß, aus intensiver Zuneigung oder heftiger Ablehnung entstehen“ kann (Essay, in: Stammler, Wolfgang [Hg.]: Deutsche Philologie im Aufriß, Bd. II, Berlin 21960, Sp. 1897-1948, hier: Sp. 1902). Satira v Československu, in: Archa, Jg. 21, 1933, S. 38-41, hier: S. 38. Damit stand er nicht allein, denn nur zwischen 1918 und 1924 wurden in Böhmen und Mähren 240.000 Klagen gegen Journalisten wegen persönlicher Beleidigung eingereicht, von denen 15% zugunsten des Klägers ausgingen (Tabery, Erik: Přítomnost bourá mýty. Listování v legendárním časopise

Essayistik – Rus se dívá na Č.S.R.

159

Die bisher zitierten oder genannten Rezensionen erscheinen fast ausschließlich in katholischen Blättern. Die Zeitschrift Archa gibt die katholische Družina literární a umělecká (DLU) in Olmütz heraus, Na hlubinu ist eine Zeitschrift, die die Olmützer Dominikaner herausgeben, Hlídka ist die Zeitschrift des eher konservativen Flügels der modernen Katholiken, der Chefredakteur von Život, JUDr. Josef Doležal publiziert selbst vor allem auf dem Gebiet der katholischen Politik, die Zeitschrift bezeichnet sich im Untertitel als „Revue für öffentliche zeitgenössische Fragen, Religion, Kultur und Politik“. Die Tageszeitungen, die Kritiken abdrucken, sind mit Lidové listy einerseits das Organ der vor allem in Mähren agierenden tschechoslowakischen Volkspartei, das durch sein modernes Niveau eine herausragende Stellung unter den Tageszeitungen einnimmt,646 mit Slovák das der oppositionellen slowakischen Volkspartei, das sehr antitschechoslowakisch eingestellt war, und mit Našinec eine in Olomouc erscheinende katholische Tageszeitung mit einer umfangreichen literarischen und kulturellen Rubrik, die nicht nur regionalen Charakter trägt. Außerdem erscheint noch eine längere Rezension in Hlas,647 der als „ältestes Blatt der tschechisch-katholischen Menschen in Amerika“ keinen Zweifel darüber läßt, katholisch orientiert zu sein. Jurák betont in seiner Kritik – und das scheint auch den anderen katholischen Rezensenten nicht entgangen zu sein –, daß es „pro nás katolíky“ [für uns Katholiken] ein großes Plus sei, daß das Buch bei Václav Petr in Prag verlegt worden ist (bei Václav Petr werden allgemein zeitgenössische Belletristik und Essayistik und Übersetzungen solcher Literatur herausgegeben) und damit in die verschiedensten Hände gelange. Das positive Bild der Katholiken, das in dem Werk vermittelt wird, kann also seinen Weg aus dem „katholischen Ghetto“, um die Worte Vilinskijs aufzugreifen, hinausfinden. Dafür sind sie ihm grundsätzlich dankbar, auch wenn sie an der einen oder anderen Stelle Einwände gegen seine Sicht äußern. Nicht katholisch sind Rozpravy Aventina [Abhandlungen des Aventinums], Jedinstvo [Einheit] und Centraľnaja Evropa. Die Rezension in Rozpravy Aventina stammt aus der Feder von Alfred Fuchs und somit eines dezidiert katholischen Journalisten. Centraľnaja Evropa ist die Informationsquelle über das kulturelle Leben in der Tschechoslowakei für die nur Russisch verstehenden Emigranten, denen der Rezensent versichert, daß ihm als Tschechen deutlich sei, daß Vilinskij nicht die allgemein-russische Sicht auf die Tschechen liefere, sondern seine sehr persönliche. Er schützt die anonyme Masse der Emigranten vor dem einen individuellen Ansatz, dessen Wohlwollen den Tschechen gegenüber auch er nicht abstreiten kann. Das zweisprachige Jedinstvo. Edinstvo spielt in der Presselandschaft eher eine marginale

646

647

1. republiky odhaluje tajemství, kdo jsme, in: Respekt, Jg. 15, Nr. 4, 19.-25.01.2004, S. 13-15, hier: S. 13). Trapl, Miloš: Tisk Československé strany lidové 1918-1948, in: Marek, Pavel (Hg.): Tisk a politické strany. Sborník referátů připravených pro nerealizovanou konferenci „Tisk, jeho místo a role v dějinách a současnosti politických stran na území českých zemí a Československa v letech 18602000“ v Olomouci ve dnech 24.-25. října 2000, Olomouc 2001, S. 89-95, hier: S. 90. Jurák, Jeroným: „Rus dívá se na ČSR“. Kniha dra V. Vilinského, in: Hlas, Jg. 59, Nr. 4352, 15.01.1932, S. 2.

160

Teil 2 – Werk

Rolle. Es wird im März 1931 als Wochenblatt gegründet und stellt mit der ersten Nummer 1934 sein Erscheinen wieder ein, nachdem die Periodizität 1933 von zunächst zwei Heften im Monat, auf monatliches Erscheinen in der zweiten Jahreshälfte reduziert worden ist. Ziel dieses Blattes, das im Untertitel verkündet, ein „unabhängiges russisches Wochenblatt“ zu sein – dessen verantwortlicher Redakteur und Herausgeber in einer Person der Tscheche Emanuel Lauseger ist, der noch am ehesten im Kontext der Legionärsromane bekannt sein dürfte –, ist „die Vereinigung der Russen zu gemeinsamer Arbeit an der Erneuerung eines nationalen Rußlands und engste nationale, kulturelle und wirtschaftliche Annäherung an die Tschechoslowakei“.648 Lauseger sieht Vilinskij als Vorreiter für die angestrebte Annäherung: Ale z celé knihy lze vycítit, s ruskými Vilinskými bychom se dohodli o sblížení a harmonické spolupráci, protože tito Vilinští, kritisujíce, mají nás rádi a přejí nám dobra i rozkvětu.649 Aber aus dem ganzen Buch kann man herausspüren, mit den russischen Vilinskijs würden wir uns über eine Annäherung und harmonische Zusammenarbeit einigen, weil diese Vilinskijs, die uns kritisieren, uns gern haben und uns Gutes und Gedeihen wünschen.

Den friedlichen katholisch-russischen Reigen stören České slovo [Das tschechische Wort], das Zentralorgan der tschechoslowakischen nationalsozialistischen Partei und Fronta [Front], die sich als unabhängige Wochenzeitung versteht, jedoch ideologisch eindeutig als nationalistisch bezeichnet werden muß. Als Herausgeber fungiert das Zemědelské knihkupectví A. Neubert [die Landwirtschaftsbuchhandlung A. Neubert], Chefredakteur ist Karel Horký, der das Erscheinungsbild mit Artikeln gegen die ‚Burg‘, gegen Masaryk und Beneš sehr prägt. Weil Fronta finanzielle Unterstützung durch die Agrarpartei erhält, kann sie sich zur einflußreichsten der von Horký je gegründeten Zeitschriften entwickeln.650 Am 4. Februar 1932 druckt Fronta einige Auszüge aus den Kapiteln über das katholische Ghetto, über die Slowaken und Tschechen, über das tschechoslowakische Dorf und über die Tschechen auf den Friedhöfen ab. In dem kurzen einführenden Text heißt es, daß die politischen Sympathien des geistreichen Autors zwar woanders liegen würden als die der Redaktion, daß aber der Blick seiner jungen russischen Augen rein sei, woher auch die Anmut rühre, die seine Kapitel auf sie ausüben. Auch wenn der Text von seiner politischen Umgebung beeinflußt sei, würde er doch vor allem durch ein treues slavisches Gefühl diktiert.651 Die Gegenreaktion in České slovo läßt nicht lange auf sich warten. In der Ausgabe vom 7. Februar reagiert es darauf, 648

649 650

651

„Jedinstvo usiluje o sjednocení Rusů k společné práci na obnovení národního Ruska a nejtěsnější národní, kulturní a hospodářské sblížení s Československem.“ Etwas knapper wird das Programm auf russisch formuliert: „Naši celi: bor’ba za nacionaľnuju Rossiju, kuľturnoe i ėkonomičeskoe sbliženie čechoslovakov i russkich“ [Unsere Ziele: der Kampf für ein nationales Rußland, kulturelle und ökonomische Annäherung der Tschechoslowaken und Russen]. El. [Lauseger, Emanuel]: Rus se dívá na ČSR, in: Jedinstvo, Nr. 1 [44], 07.01.1932, S. 4. Kosatík, Pavel: Kde leží Rhodos. Karel Horký (1879-1965), in: Respekt, Nr. 33, 10.-16.08.2009, S. 60f., hier: S. 61. Jak Rus se dívá na Československo, in: Fronta, Jg. 4, Nr. 50, 04.02.1932, S. 785-787.

Essayistik – Rus se dívá na Č.S.R.

161

daß Fronta einen neuen Verbündeten gefunden habe und entfaltet vor allem auf der Grundlage der erwähnten „Reinheit der jungen russischen Augen“ eine breite Polemik gegen Rus se dívá na Č.S.R.652 – Das ganze Buch wird darauf untersucht, was vor diesem reinen Blick bestehen könne, wobei die Gegenprobe zeigt, daß Masaryk und Beneš nicht ehrfurchtsvoll genug behandelt werden, während die PolitikerPriester mit aller Achtung und vielen positiven Attributen dargestellt werden. Alle Nichtkatholiken seien unrein und verdorben. Die gesamte Polemik mündet in der Titulierung Vilinskijs als „nová fašistická atrakce“ [neue faschistische Attraktion].653 Zwei Nummern später erfolgt eine knappe Gegendarstellung: Spisovatel V. Vilinský nás žádá vzhledem k naší nedělní kursivce v kulturní hlídce o jeho knize ‚Rus se dívá na ČSR‘, že K. Horký otiskl ve Frontě několik kapitol z této knihy bez jeho vědomí a svolení. S Frontou si p. Vilinský nepřeje mít nic společného, ani nechce být fašistickou atrakcí.654 Der Schriftsteller V. Vilinský ersucht uns im Hinblick auf unser sonntägliches Kursivum über sein Buch Rus se dívá na ČSR, daß K. Horký in der Fronta einige Kapitel aus diesem Buch ohne sein Wissen und seine Einwilligung abgedruckt hat. Mit der Fronta will Hr. Vilinský nichts gemeinsam haben, auch will er keine faschistische Attraktion sein.

Eine längere Richtigstellung, die er an die Redaktion des České slovo adressiert, plaziert Vilinskij selbst am gleichen Tag in den Lidové listy. Er wiederholt, daß Horký von ihm keine Genehmigung zum Abdruck gehabt habe. Und weiter wirft er –o– von dem České slovo vor, daß er ihm die Worte im Munde umdrehe, und daß er das zudem auf einfach unzulässige und vollkommen grobe Weise tue. Ein befreundeter Anwalt prüfe die rechtliche Seite und werde die nötigen Schritte veranlassen. Es folgt eine Verteidigung seiner selbst, in der er auf seine bisherigen Verdienste hinweist und feststellt, daß –o– ganz offensichtlich nicht mit seinen sonstigen Arbeiten vertraut ist, obwohl er bereits das vierte Jahre mit den Lidové listy zusammenarbeite und auch das České slovo hin und wieder Artikel von ihm abgedruckt habe (u. a. auch einen Auszug aus dem Corpus delicti). Er sieht ganz richtig, daß er über das distanzierte Wohlwollen der Fronta zum Angriffspunkt geworden ist. Und dabei hätte er doch der Tschechen Dankbarkeit verdient: Také bych snad zasluhoval poněkud slušnějšího jednání již proto, že jako stálý spolupracovník řady zahraničních časopisů – referoval jsem vždy o politickém a kulturním vývoji v Č.S.R. tak, aby to bylo ku prospěchu pověsti republiky. A tato státotvorná práce, která byla nejednou uznána i místy nejpovolanějšími, zasluhuje snad toho, abych nebyl terčem surových útoků 652 653

654

–o–: Rus se dívá na ČSR, in: České slovo, Jg. 24, Nr. 33, 07.02.1932, S. 7. Stanislav Kostka Neumann operiert ebenfalls mit dem Begriff ‚faschistisch‘, als er Vilinskij vorwirft, die Prager Regierung gegen die Unabhängigkeitsforderungen der Ukrainer in der Karpatoukraine aufzuwiegeln: „Je to malá ukázka záludné činnosti, kterou desperátská a fašistická společnost zdánlivě rusofilská otravuje Zakarpatskou Ukrajinu.“ [Das ist eine kleine Kostprobe einer heimtückischen Tätigkeit, durch die die vermeintlich russophile, desperate und faschistische Gesellschaft die Karpatoukraine quält] (Československá cesta, in: ders. Stati o umění a politice, Praha 1980, S. 231-242, hier: S. 236). O. A. Spisovatel V. Vilinský […], in: České slovo, Jg. 24, Nr. 35, 10.02.1932, S. 7.

162

Teil 2 – Werk

anonymních přispěvatelů ‚Českého Slova‘. Je vskutku nutno poplivati každého cizince, který si zamiloval tuto zem jako vlastní?655 Auch hätte ich hoffentlich schon deshalb eine etwas anständigere Behandlung verdient, weil ich als ständiger Mitarbeiter einer Reihe ausländischer Zeitschriften immer so über die politische und kulturelle Entwicklung in der Č.S.R. referiert habe, daß es zum Vorteil des Rufs der Republik war. Und diese staatsbildende Arbeit, die nicht nur einmal auch von berufensten Stellen anerkannt worden ist, hat es wohl verdient, daß ich nicht Zielscheibe grober Angriffe anonymer Beiträger des České slovo werde. Ist es wirklich nötig, jeden Ausländer anzuspucken, der sich in dieses Land als seinem eigenen verliebt hat?

Das České slovo und –o– halten sich dem weiteren Gefecht fern, das noch eine neue Wendung erhalten soll. In der Fronta vom 18. Februar erfahren wir, daß Vilinskij am 20. Januar sein Buch mit persönlicher Widmung und einem herzlichen Begleitschreiben an Horký geschickt habe. Horký habe einige Auszüge abgedruckt, weil er es wirklich interessant fand. Daraufhin erhielt er am 4. Februar von Vilinskij einen zweiten herzlichen Brief, in dem er für den Abdruck der Auszüge herzlich danke und schreibe, daß er sich gern mit ihm persönlich treffen wolle, da er fast alles kenne, was Horký vor dem Krieg geschrieben habe. Gelegenheit gebe es dazu, wenn er demnächst in Prag sei. Weiter schreibe Vilinskij, daß er Horkýs Bewegung schon lange als Mitarbeiter polnischer, russischer und deutscher Blätter beobachte und Gelegenheit gehabt habe, über sie zu schreiben. Abschließend sage er ihr 30 Mandate voraus (um die Hälfte mehr als die Liga sich selbst zu erwarten zugestehe). Vilinskij begleitet seine offizielle Distanznahme zu Horký in dem České slovo wiederum mit einem Brief an ihn, in welchem er ihn auffordert, sich nicht aufzuregen, und der mit den Worten endet: „Nechte to usnout“ [Lassen Sie das einschlafen]. Das wird Horký nicht tun, denn ihn interessieren viele Dinge erst in dem Moment, wenn sie einzuschlafen drohen. Ihmzufolge bieten sich nun nur zwei Möglichkeiten als Nachwort an – entweder lüge das České slovo, wie schon so häufig, ganz fürchterlich nebo p. Vilinskij jako muž je k politování, a čeká-li Rusko spásu od emigrace těchto kvalit, potom ještě politováníhodnější je toto Rusko.656 oder Hr. Vilinskij als Mann ist zu bemitleiden, und wenn Rußland von einer Emigration solcher Güte Heil erwarten sollte, dann ist dieses Rußland noch bemitleidenswerter.

Vilinskijs Antwort darauf erfolgt am nächsten Tag, wiederum in den Lidové listy. Es sei eine geschmacklose Geschichte, in die er ohne eigenes Verschulden hineingeraten sei. Fronta weist er darauf hin, daß sie sich grundlegend irre. Horký wisse, daß die Initiative nicht von ihm (Vilinskij) ausgegangen sei, ihm zu schreiben, habe der Anstand erfordert. Von Anfang an habe er darauf hingewiesen, daß er politisch woanders stehe. Als Berichterstatter in polnischen Blättern habe er zwar die Bewegung verfolgt, das sei aber noch kein Ausdruck von Sympathie. Er habe es allerdings tatsächlich nicht für erforderlich gehalten, Horký auszuweichen, nur weil er nicht 655 656

Upozornění redakci „Českého Slova“, in: Lidové listy, Jg. 11, Nr. 33, 10.02.1932, S. 6. Hký [Horký, Karel]: „Nechte to usnout“, in: Fronta, Jg. 4, Nr. 52, 18.02.1932, S. 816f.

Essayistik – Rus se dívá na Č.S.R.

163

mit dessen Bewegung sympathisiere. Gegen ihn persönlich habe er nichts.657 Sein eigener Fehler bestehe darin, daß er gedacht habe, in der ČSR seien menschliche und gesellschaftliche Beziehungen möglich, ohne daß sie gleich politische Färbung annehmen müssen. Abschließend erinnert er daran, daß er Russe sei und sich absolut nicht in innenpolitische tschechische Angelegenheiten einmischen wolle. Sie sollten ihn da also ihrerseits auch nicht hineinziehen. Er endet mit den Worten: Vůbec se domnívám, že pro cizince je myslitelno pouze jediné stanovisko: všichni Čechoslováci jsou dobři a nesměji býti roztřiďováni na horší a lepší. Chtěl jsem zachovati toto stanovisko, avšak, kal vidí čtenář, nevyplatil se mi tento pokus, býti neutrálním a slušným.658 Überhaupt denke ich, daß für Ausländer nur ein einziger Standpunkt denkbar ist: alle Tschechoslowaken sind gut und dürfen nicht in schlechtere und bessere unterteilt werden. Ich wollte diesen Standpunkt wahren, jedoch, Dreck sieht der Leser, es hat sich mir der Versuch, neutral und anständig zu sein, nicht ausgezahlt.

Dieser vereinheitlichende Standpunkt kann selbstverständlich nicht der Heterogenität einer Gesellschaft gerecht werden. Zu dem ganzen Streit kann man nur anmerken, daß Vilinskij nicht differenziert überlegt hat, mit wem er eine Korrespondenz beginnt. Da er, so könnte man bei seiner Publikationsliste mutmaßen, sportlichen Ehrgeiz besitzt, in möglichst vielen Blättern zu publizieren, dürfte ihn die Aussicht auf ein weiteres Blatt in seiner Sammlung gegenüber ideologischen Bedenken immun gemacht haben – sofern er diese Bedenken denn überhaupt gehabt hat. Den ersten Brief hat allem Anschein nach kein anderer als Vilinskij geschrieben, die Initiative ging also durchaus von ihm aus. Fronta hat von Anfang an darauf hingewiesen, daß sie politisch woanders steht. Als Ausdruck von Sympathie kann man es durchaus werten, wenn er der Bewegung einen unrealistisch hohen Stimmenanteil voraussagt. Seine politische Enthaltsamkeit ist nicht mehr erforderlich, denn er ist zu diesem Zeitpunkt bereits seit zweieinhalb Monaten tschechoslowakischer Staatsbürger. Zudem ist es nicht wahr, daß er mit dem Abdruck nicht einverstanden gewesen sei und mit Fronta nichts zu tun haben wollte. Was wahr sein dürfte, ist, daß er dadurch aufgeschreckt wird, daß ihn das České slovo als „faschistische Attraktion“ bezeichnet. Zu diesem Zeitpunkt merkt er, daß er zu weit gegangen ist und versucht schnell, alle Schuld von sich zu weisen. Allerdings rechnet er nicht mit der Kampfeslust von Horký, der das letzte Wort in der Angelegenheit behalten sollte. Am 25. Februar betont er noch einmal, daß Vilinskij den Kontakt zu ihm gesucht habe, von dem er bis dahin noch nichts gehört hatte. „A tím tento ,ruský‘ případ uzavírám. Je mi nyní více než jasný“659 [Und damit schließe ich diesen ,russischen‘ Fall. Er ist mir jetzt mehr als klar].

657

658 659

Daß er nicht zu seinen Verehrern gehöre, ihn jedoch schätze, bestätigt Vilinskij zwei Jahre später noch einmal in einem Artikel zu einem vollkommen anderen Thema (Obchodování s ruskými zájmy, in: Hlas, Jg. 61, Nr. 4564, 26.01.1934, S. 4). Pozornosti „Fronty“ a „Českého Slova“, in: Lidové listy, Jg. 11, Nr. 41, 19.02.1932, S. 6. Hký [Horký, Karel]: Spisovatel Dr. Valerij Vilinskij, in: Fronta, Jg. 5, Nr. 1, 25.02.1932, S. 15.

Belletristik

Rezensionen Je to pozoruhodný fakt, že ruský emigrant píše česky: jeho čeština není snad všude úplně bezvadná, avšak je přece dosti uspokojivá.660 Es ist ein beachtenswertes Faktum, daß ein russischer Emigrant tschechisch schreibt: sein Tschechisch ist zwar nicht überall ganz fehlerfrei, aber es ist dennoch ziemlich zufriedenstellend.

Die Belletristik bildet weder quantitativ noch qualitativ den Mittelpunkt von Vilinskijs Gesamtwerk. Da er sich ihr jedoch in ihren verschiedenen Ausprägungen widmet, muß man sie auch auf keinen Nebenschauplatz verweisen. Er schreibt Literaturkritiken, verfaßt längere Studien über Autoren, äußert sich zum Buchmarkt, schreibt Nachworte, übersetzt und ist nicht zuletzt der Autor zweier Romane, die natürlich im Zentrum dieses Kapitels stehen werden. Zunächst richtet sich unser Blick jedoch auf die sekundären Texte, um ein besseres Bild davon zu gewinnen, was er von der Literatur erwartet und welche Anforderungen er selbst an sie stellt. In der Auseinandersetzung mit Rus se dívá na Č.S.R. konnte man bereits einen ersten Eindruck von Vilinskijs Umgang mit schöner Literatur gewinnen. Er konzentriert sich dort auf ausgewählte katholische Autoren und Übersetzer, die er vor allem als Vorreiter des Katholizismus sieht, weshalb er ihre Stellung in der tschechoslowakischen Gesellschaft unter die Lupe nimmt. Er würdigt deshalb auch weniger ihre literarischen als ihre ideologischen Qualitäten. Im Zusammenhang mit der Diskussion um Jakub Demls Verhältnis zur Slowakei besteht er vehement auf dem Recht des Autors auf eine eigene Sicht der Dinge.661 Das geschieht jedoch ebenfalls nicht im Sinne des Eintretens für künstlerische Freiheit, sondern im Gegenteil dafür, daß Autoren sich ungestraft über die jeweiligen gesellschaftlichen und sonstigen Zustände äußern dürfen sollen – eben weil sie Autoren sind. Was bedeutet das für sein Autorenbild? Entweder, daß er sie als Bürger nicht ernst nimmt und ihnen aus diesem Grunde Narrenfreiheit zugesteht, oder, was auf seinen Fall zutreffen dürfte, daß er in ihnen moralische Autoritäten sieht, deren Meinungen man zwar nicht unbedingt zustimmen muß, die jedoch unantastbar sind. Des weiteren kann man aus seinem Zugang zu Durych und Deml ablesen, daß er gegen eine rein werkimmanente 660

661

So das Urteil des tschechischschreibenden Migranten Vilinskij über seinen tschechischschreibenden Mitmigranten Kalikin (Román o Rusku. E. Kalikin: V boji za vlast, Hradec Králové 1932, in: Lidové listy, Jg. 11, Nr. 237, 14.10.1932, S. 6). Demlovina v zrkadle V. Vilinského 1931. Diese Freiheit gesteht er jedoch nicht bulgarischen Autoren zu, die sich abwertend und respektlos über die Kirche äußern (Pokřesťanění života v Bulharsku, in: Apoštolát sv. Cyrila a Metoděje, Jg. 24, 1933, S. 12-15 und 53-55, hier: S. 54).

166

Teil 2 – Werk

Betrachtung ist, was mit dem zuvor Gesagten in enger Beziehung steht. In Rus se dívá na Č.S.R. stellt er vor allem die Autoren und ihre Ideen vor, im Przegląd powszechny tritt neben diese Sicht auf die Personen zwar eine Untersuchung der Werke, diese erfolgt allerdings wiederum vor allem mit Blick auf die in den Werken geäußerten Ideen und weniger im Hinblick auf Form, Struktur, Sprache und andere Elemente, die die Werke erst zu literarischen Werken machen. Daß die meisten der tschechischen Literaturkritiken für Archa geschrieben sind, bringt mit sich, daß abermals die katholische oder zumindest eine religiöse Komponente eine Rolle spielt. Nicht viel anders verhält es sich mit den Kritiken, die in Centraľnaja Evropa erscheinen, die sich zwar hauptsächlich an ein russisches Publikum richten, dieses jedoch mit katholischem Schrifttum vertraut machen wollen. Über die tschechischen Autoren Otokar Březina, Jakub Deml, Jaroslav Durych, František Xaver Šalda und über die russischen Dichter Konstantin Baľmont und Nikolaj Gumilev schreibt Vilinskij längere Studien, auf die zum Teil oben bereits eingegangen worden ist. Er rezensiert Werke von Helena Dvořáková, Alfred Fuchs, Adolf Gajdoš, František Götz, Antonín Kolek, Antonín Lain, Josef Měchura, Marie Sadovská, Augustin Vrzal, des Slowaken Tido Gašpar, der russischen Autoren Mark Aldanov, K. A. Čcheidze, E. Kalikin, Aleksandr Saltykov, Boris Savinkov und des Bulgaren Stojan Zaimov. Weitere Besprechungen gelten Büchern, die außerhalb des slavischen Sprachraumes entstanden sind. Es handelt sich dabei um Werke von Sinclair Lewis, Emil Ludwig, Axel Munthe, Ludwig Renn662 und Agnes Smedley. Außerdem übersetzt er einzelne Gedichte von Jakub Deml, Josef Hora und Jiří Wolker sowie einen kürzeren Prosatext von Hana Kvapilová ins Russische.663 In seinen sonstigen Texten kommt selbstverständlich immer wieder die Sprache auf weitere Autoren, die dann jedoch auch wieder eher als die Verkünder von Ideen und weniger als Schöpfer ästhetischer Werke wahrgenommen werden (wie z. B. Dostoevskij). Diese Sicht auf die Literatur wird ganz besonders deutlich in seinem Vorwurf gegen die bulgarische Literatur, daß sie das Volk nicht religiös gebildet habe „a tak se mnoho a těžce na něm prohřešila“664 [und sich so an ihm vielfach und schwer versündigt hat]. Im besten Falle werde in den Werken bulgarischer Autoren Christus profaniert, weitaus häufiger jedoch werde die Kirche geschmäht oder lächerlich gemacht. Er räumt der Literatur eine erzieherische Funktion ein, der sie um so mehr verpflichtet sein sollte, je weniger Moral in einer Gesellschaft herrsche. 662

663

664

Renn mag in dieser Liste sehr fremd erscheinen, aber Vilinskij schreibt über Nachkrieg (Wien 1930) und merkt dazu selbst an: „Nad touto knihou čtenář zapomíná, že mezi jejími řádky autor chtěl propagovat i své soukromé politické přesvědčení“ [Über diesem Buch vergißt der Leser, daß der Autor zwischen seinen Zeilen auch seine private politische Überzeugung propagieren wollte] (Ludwig Renn, Po válce, in: Archa, Jg. 19, 1931, S. 161-162, hier: S. 161). Vilinskij wird von Ljubov’ Beloševskaja unter die Prosaübersetzer gezählt – ob sie damit nur diesen einen Text meint, oder ob sie noch weitere kennt, ist mir nicht bekannt (Beloševskaja, Ljubov’: Perevod v sisteme mežkul’turnych svjazej russkoj ėmigracii v Čechoslovakii v 20-ye - 30-ye gody, in: Slavia, Jg. 62, 1993, S. 507-519, hier: S. 514). Pokřesťanění života v Bulharsku 1933, S. 54.

Belletristik

167

Nach der Lektüre der verschiedenen Kritiken kann man erkennen, daß Vilinskij erstens vor allem Prosa rezensiert, unter der er historische Romane bevorzugt, und daß diese dann am besten aus katholischer Sicht geschrieben sein sollten.665 Zweitens zieht er Werke vor, in denen nicht psychologisiert wird, wie zum Beispiel aus der Rezension zu František Götzs Padající hvězdy deutlich wird: Snahou autorovou bylo zprostiti se tradičního psychologisování – dlužno však říci, že toto jeho úsilí zůstalo marným.666 Das Bestreben des Autors war es, sich von der traditionellen Psychologisiererei freizumachen – man muß jedoch sagen, daß dieses sein Bemühen erfolglos geblieben ist.

Drittens liebt er es, wenn die Handlung schnell ist und viertens, wenn sie witzig ist. Mit Chvála detektivky [Ein Lob des Kriminalromans] singt er, wie der Titel ankündigt, ein Loblied auf Kriminalromane, das dann auf Abenteuerromane insgesamt ausgedehnt wird. Er will in den Sog der Handlung hineingezogen worden, nicht so sehr außenstehender Betrachter sein, sondern Mitspieler, der während des Lesens sein eigenes (reales) Sein vergißt.667 Man kann also grob zwei Arten von Literatur unterscheiden, die vor Vilinskij bestehen können: einerseits Abenteuerromane verschiedenster Art, andererseits religiöse Literatur. Beiden ist gemeinsam, daß sie eine Vision von einem besseren Leben geben, am Ende die Wahrheit oder das Recht siegen. Das ‚happy end‘ sei nicht banal, sondern nichts anderes als eine Abwandlung des tschechischen „Pravda vítězí“668 [Die Wahrheit siegt]. Wenig Akzeptanz finden bei ihm rein ästhetisch orientierte Werke: „Rádi vydáme svědectví z vlastní méněcennosti v očích přesycených estetů!“669 [Gern legen wir Zeugnis von unserer eigenen Minderwertigkeit in den Augen der übersättigten Ästheten ab!]. In diesem Zusammenhang fällt übrigens auf, daß er sich weder für Musik noch für Malerei oder Graphik interessiert, jedenfalls nicht in dem Maße, daß er sich über sie äußern würde. Da er für Kunst um der Kunst willen also kein Verständnis hat, untersucht er die Werke vor allem nach ihren inhaltlichen Aussagen, ihre literarische Umsetzung interessiert ihn erst an zweiter Stelle. Deshalb bleibt ihm der Zugang zu den Werken der Avantgarde verschlossen und sicherlich auch aus politischen Gründen, weil ja besonders die russische und tschechische Avantgarde links orientiert sind. Das Zusammenspiel von Literatur und Politik beschreibt er wie folgt: 665

666 667

668 669

Vgl.: „[…] v dnešní době katolisující tendence je opravdu obrodnou pro český historický román“ [in der heutigen Zeit ist die katholisierende Tendenz für den tschechischen historischen Roman wirklich wiederbelebend] (Nový román historický, in: Příloha „Lidových listů“, Jg. 9, Nr. 242, 19.10.1930, S. 1). Fr. Götz, Padající hvězdy, in: Archa, Jg. 21, Nr. 11, 1933, S. 77f., hier: S.78. Chvála detektivky 1932, S. 266. Daß Detektivgeschichten nicht den guten Geschmack verderben und den Leser nicht um seine Ehrwürdigkeit bringen, sondern den eigenen Witz schulen und Intelligenz und Geist anregen, zu diesem Ergebnis kommt ein kleines Büchlein mit Überlegungen von Karel Čapek, John Rhode und A. E. W. Mason (Kazí detektivky literární vkus? [Verderben Detektivgeschichten den literarischen Geschmack?], Praha 1940, S. 5). Chvála detektivky 1932, S. 265. Chvála detektivky 1932, S. 267.

168

Teil 2 – Werk

Для оценки тематического распределения книг надо принять во внимание политическую структуру чешского общества. Конечно, голосования за партию не характерен для литературного вкуса читателей. Для нас существенно лишь мировоззрение. Во время выборов 1929 года среднее отношение было таково: 52,7% избирателей высказались за партии социалистической ориентации. Это до известной степени объясняет неуспех чисто эстетической буржуазной литературы, которая, будучи купленной, часто опять восвращается на рынок в качестве книг подержанных. Особняком стоит литература католическая, имеющая больше читателей, чем католическая партия – избирателей.670

Für die Bewertung der thematischen Verteilung der Bücher muß man die politische Struktur der tschechischen Bevölkerung berücksichtigen. Gewiß, die Stimmabgabe für eine Partei ist kein Charakterisierungsmittel für den literarischen Geschmack der Leser. Für uns ist allein die Weltanschauung wesentlich. Während der Wahlen 1929 war das durchschnittliche Verhalten folgendes: 52,7% der Wahlberechtigten sprachen sich für Parteien sozialistischer Orientierung aus. Das erklärt bis zu einem gewissen Grade die Erfolglosigkeit rein ästhetischer bürgerlicher Literatur, die, wenn sie gekauft wird, oft wieder in Form von gebrauchten Büchern auf den Markt zurückkehrt. Abgesondert steht die katholische Literatur da, die mehr Leser hat als die katholische Partei Wähler.

Nezval und Vančura hält er für Verbalisten, deren Spiel darin bestehe, schnell und deshalb nachlässig Worte aneinanderzureihen.671 Er und seine unglücklichen Zeitgenossen seien dazu verurteilt, die Literatur der Surrealisten, Urbanisten, Neorealisten und aller weiteren Dekadenten, seien sie nun etwas besser oder etwas schlechter, zu lesen672 – deshalb wohl macht er sich zum Anwalt der ‚namenlosen Lesermasse‘, die durch die Lektüre von Krimis, Abenteuer-, Piraten-, Indianerromanen dem literarischen Geschmack die Frische zurückgebe: „Musíme odpočinout od všech těchto finess ducha, ducha, který ztratil sám sebe a stal se naprosto bezduchým“673 [Wir müssen uns von all diesen Finessen des Geistes erholen, des Geistes, der sich selbst verloren hat und einfach geistlos geworden ist]. Aus diesem Grund bewertet er auch die nicht romantisch durchwirkte ‚Rückkehr zum Volk‘ in zeitgenössischen regionalistischen polnischen Romanen positiv674 und empfiehlt, die Frauenliteratur zu fördern, weil schließlich ein Drittel aller Gymnasiasten Mädchen seien.675 Obwohl man nicht verkennen kann, daß sich einige seiner an die Prosa gerichteten Forderungen vollkommen mit denen der Poetisten decken – wie unter anderem der Ruf nach Abenteuern, Humor, dem filmisch schnellen Wechsel von Szenen, nach Exotik (die er an Gumilev ausgesprochen schätzt676) auf der einen Seite, die Ablehnung von Ornamentalität, Romantik und Psychologisieren auf der anderen Seite677 –, empfindet er doch eine starke Abneigung gegenüber der Avantgarde. Diese 670 671 672 673 674

675 676 677

Situacija knižnigo rynka v ČSR 1933, S. 25. Kniha o životě a smrti a Země Prometheova, in: Archa, Jg. 21, Nr. 11, 1933, S. 156f. Chvála detektivky 1932, S. 265f. Chvála detektivky 1932, S. 267. Neskol’ko slov o pol’skoj proze, in: Centraľnaja Evropa, Jg. 5, Nr. 5, 1932, S. 271-275, hier: S. 275. Situacija knižnigo rynka v ČSR 1933, S. 26. Nikolaj Gumilev, in: Nikolaj Gumilev: Výbor z díla, Praha 1933, S. 73-100, hier: S. 89f. Vgl. Schulz, Karel: Próza, in: Chvatík, Květoslav/Pešat, Zdeněk (Hgg.): poetismus, Praha 1967, S. 123-125.

169

Belletristik

Ablehnung der Avantgarde bringt es mit sich, daß er frei ist, Randerscheinungen der Literatur seiner Zeit ins Zentrum zu rücken. Ein Beispiel dafür ist sein ausführlicher Artikel über Jaroslav Durych im Przegląd powszechny, in dem er als erster Durych einen herausragenden Platz in der tschechischen Literatur zuschreibt.

Mařenka chce jinou vládu [Mařenka möchte eine andere Regierung] (1933) Der Roman Mařenka chce jinou vládu wird 1933 mit dem Untertitel Humoristický román [Humoristischer Roman] als erster Band der Edition Bod, die Emanuel Masák (DLU) redigiert, in einer Auflage von 2.000 Exemplaren von der Občanská tiskárna in Brünn herausgegeben. Neben einem kürzeren Auszug in Archa unter dem Titel Láska Ivana Karmanova [Die Liebe Ivan Karmanovs] – dort wird das Buch mit dem Titel Ivana Karmanova bludné cesty životem [Ivan Karmanovs Irrwege durch das Leben] und dem Zusatz „humoristischer Roman“ angekündigt678 – wird der gesamte Roman in Fortsetzungen in Hlas vorabgedruckt und zwar unter dem Titel Ivan Karmanov. Román vesnický [Dorfroman].679 Der Inhalt beider Ausgaben ist identisch. Zur weiteren Verwirrung hinsichtlich der Gattung durch die Paratexte – humoristischer oder Dorfroman? – trägt bei, daß Vilinskij sich, bevor er die Zusage der Občanská tiskárna erhält, bei der DLU um Veröffentlichung eines Detektivromans bemüht.680 Die Frage muß also erweitert werden: humoristischer, Dorf- oder Detektivroman? Während in Ivan Karmanov die dreißig Kapitel nur numeriert werden, sind sie in Mařenka chce jinou vládu mit folgenden kurzen Überschriften versehen: Štíři Švábi Markétka Žalář Čáry Zázraky Čedok Věda Satan Mařenka Poslanec Výtržnost Exulant Hitlerovci Eulalie 678

679

680

1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15.

Skorpione Kakerlaken Markétka Gefängnis Zauberkünste Wunder Čedok [tschechoslowakisches Reisebüro] Wissenschaft Satan Mařenka Abgeordneter Ruhestörung Exulant Anhänger Hitlers Eulalie

Rosamunda Slon Bursiáni Anarchisté Paříž Červotoč Koně Négr Delia Vychovatel Láska Katastrofa Útok Vítězství Happy end

16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25. 26. 27. 28. 29. 30.

Rosamunda Elefant Börsianer Anarchisten Paris Holzwurm Pferde Neger Delia Erzieher Liebe Katastrophe Angriff Sieg Happy end

Láska Ivana Karmanova, in: Archa, Jg. 20, Nr. 20, 1932, S. 268-279. Es handelt sich um die Kapitel 10 bis 13. Der Hinweis auf das gesamte Werk ebd., S. 268. Ivan Karmanov. Román vesnický, in: Hlas, Jg. 60, Nr. 4457, 17.01.1933 bis Nr. 4475, 21.03.1933, jeweils S. 3. Auf einer Ausschußsitzung der DLU am 26.01.1933 in Přerov wird protokolliert, daß sie für dieses Jahr nicht mit einem Detektivroman von Vilinskij rechnen müssen, weil er diesen

170

Teil 2 – Werk

Dem Inhaltsverzeichnis kann man entnehmen, daß in dem Buch fünf Frauen eine Rolle spielen und fünf verschiedene Tierarten, daß als Schauplätze die Tschechoslowakei, Deutschland und Frankreich zu erwarten sind, daß es irgendwie um die zeitgenössische Politik geht und daß die Handlung sich extrem zuspitzt, ehe sie zu einem glücklichen Ende findet. Das ist alles richtig und gibt doch nur einen Bruchteil dessen wieder, womit der Leser tatsächlich konfrontiert wird.

Handlung Die Hauptfigur, Ivan Karmanov, stammt aus der Kosakensiedlung Novochoperská am Don. Mit einem Regiment der Wrangelarmee kommt er als Unteroffizier nach Gallipoli in die Türkei. Aus Langeweile läßt er sich nach Cařihrad beurlauben. Da er Rennkakerlaken dopt, wird er nach Bulgarien ausgewiesen, wo er in Pernik in den Kohlegruben arbeitet. Als er in Sofia hört, daß ein Ataman Kozyra an der polnischen Grenze eine Armee zusammenstellt, um nach Sowjetrußland einzufallen, macht er sich dorthin auf den Weg. Nach einem Aufenthalt in Bukarest, wo er auf die erforderlichen Papiere wartet, kommt er schließlich nach Warschau, wo er sofort verhaftet wird, da Kozyra nichts weiter als ein Betrüger ist, der in der Zwischenzeit nach Sowjetrußland geflohen ist. Nach einer Odyssee quer durch polnische Gefängnisse wird er zwar aus dem Krakauer Gefängnis entlassen, da er unschuldig ist, jedoch des Landes verwiesen, weil in der Zwischenzeit sein Visum abgelaufen ist. Er darf sich allerdings aussuchen, wohin er ausgewiesen werden will. Seine Wahl fällt auf die Tschechoslowakei. Über Zakopane gelangt er in die Karpatoukraine. In einem abgelegenen Dorf fungiert er einige Zeit als angesehener und sehr geschätzter Dorfzauberer, ehe er nach Prag weiterwandert. In Prag lernt er irgendwann Mařenka Vránová kennen und lieben, das Dienstmädchen eines Parlamentsabgeordneten, der ihm helfen soll, eine Anstellung im Staatsdienst zu finden, sich dazu jedoch nicht in der Lage sieht, weil seine liberale Partei sich gerade in der Opposition befindet – wenn es zu einem Regierungswechsel kommen sollte, würde er Ivan sofort helfen. Um diesen Regierungswechsel nicht dem Zufall zu überlassen, schickt er Ivan zum Stören auf eine Versammlung, auf der der Ministerpräsident redet, was zur Folge hat, daß Ivan aus der Tschechoslowakei nach Deutschland ausgewiesen wird. Kaum in München angekommen, gerät er in eine Straßenschlacht zwischen Kommunisten und Nationalsozialisten, in der er die Anhänger Hitlers erfolgreich verteidigt – mit dem Ziel, wieder (zurück-)ausgewiesen zu werden, was er jedoch nicht erreicht –, so daß er in Freiburg strategische Kurse für Straßenkämpfe geben soll. Von dort flieht er nach Oldenburg, wo er bei der Witwe eines Sargmachers arbeitet. Als sie in ihm ihren künftigen Mann sieht, sucht er abermals das Weite und gelangt nach Hamburg-Altona. Seine dortige Arbeit in einem Circus findet ihr jähes Ende als die in der Občanská tiskárna in Brünn untergebracht habe. Es handelt sich also ohne Zweifel um Mařenka chce jinou vládu (ZAO, fond DLU, karton 1 – I. Jednatelská kniha).

Belletristik

171

Freiburger Nazis ihn hocherfreut entdecken, die glaubten, er sei aus Freiburg entführt worden. Vor ihnen flüchtet er nach Berlin, wo er sich als Wahrsager selbständig macht. Da seine Dienste hochgestellte Politiker und Börsianer nutzen, gerät er zwischen die Interessensphären, so daß ein Auftraggeber unauffällig dafür sorgt, daß er nach Frankreich abgeschoben wird. In Paris baut er zertifiziert antike Möbel, für die er eigens eine Holzwurmfarm betreibt, betreut Pferde, mimt für amerikanische Touristen in einer Kneipe einen betrunkenen Apatschen, bis er in der neugegründeten prunkvollen russischen „Phönix“-Bar als Neger maître d’hotel wird. Er freundet sich mit dem Korrespondenten einer englischen Zeitung an, der wiederum befreundet ist mit einem Oberst und dessen Tochter. Nach Zusicherung, daß er kein Almosenempfänger, sondern der Erzieher seines Sohnes sein würde, willigt Ivan in die Einladung des Obersten nach Schottland ein. Dort holt ihn seine ganze Vergangenheit ein, denn es verliebt sich nicht nur die Tochter des Hauses in ihn, sondern die Sargmacherwitwe macht sich aus Oldenburg auf, um ihn doch noch zu überreden und auf dem Nachbarschloß weilen zufällig gleichzeitig die Freiburger – und in Prag ist immer noch kein Regierungswechsel in Sicht. Aus dieser ausweglos erscheinenden Situation befreit ihn der Journalist, der eine internationale Pressekampagne gegen den tschechoslowakischen Ministerpräsidenten initiiert. Dieser wird abgesetzt, Mařenkas Dienstherr wird sein Nachfolger, Ivan kann nach Prag zurückkehren. Happy end. Das ist in Kürze die Wiedergabe der Handlung.

Struktur Es wird deutlich, daß hier das Erzählen nicht auf verschiedenen, sich gegenseitig durchdringenden Handlungssträngen oder einer anders komplizierten Struktur basiert, sondern auf einer additiven Reihung von Episoden, deren kleinster gemeinsamer Nenner jeweils die Hauptfigur ist, die durch Europa getrieben wird oder sich treiben läßt. Mit den Schauplätzen wechseln jeweils die Beschäftigungen und die Figuren. Wenn sie doch aus der Vergangenheit auftauchen, dann dienen sie als Zerstörer der neuen Situation und treiben die Hauptfigur weiter. Den einzigen Fixpunkt stellt Mařenka dar, der Ivan trotz aller Anfechtungen treu bleibt und wodurch Prag nicht nur zum geographischen Mittelpunkt seiner Irrfahrt wird. Prag ist deshalb auch der einzige Ort, an den er noch einmal zurückkehrt. Der ordo artificialis weicht zu Beginn von dem ordo naturalis ab, denn die Handlung setzt mit Ivans Warten in der Krakauer Polizeistube ein, was zuvor geschehen ist, wird auf den ersten dreißig Seiten gerafft im Rückblick berichtet. Das heißt, daß durch diese Permutation der Roman mit dem bevorstehenden Überschreiten der tschechoslowakischen Grenze beginnt, wodurch dieser bereits eine besondere semantische Funktion, eine gesonderte Stellung unter den vielen Staatsgrenzen zugesprochen wird, die Ivan überquert. Dieser Aneinanderreihung von Episoden auf der Ebene der Geschichte entsprechen auf der Ebene der Verbalisierung der Erzählung häufig auftretende parataktische

172

Teil 2 – Werk

Reihungen, Aufzählungen, Accumulationes und leitmotivartige Wiederholungen – zu diesen kann man auch die Illustrationen von Richard Zemánek zählen, die sich ebenfalls wiederholen, um schnell einen Bezug zu einem bereits in der Vergangenheit liegenden Ereignis herzustellen681 –, wodurch der schnelle Handlungsverlauf vorangetrieben wird. Punkte, an denen die Handlung eine neue Richtung einschlägt, gehen oft mit gleichen Formulierungen einher, so daß ohne weitere Erklärungen klar wird, daß der Schauplatz abermals wechselt oder daß ein weiteres Abenteuer bevorsteht. Teil des Textes bilden neben Personen- und Erzählertext noch Authentizität vortäuschende weitere Textformen wie Pressemitteilungen (S. 25f.; 90f.; 94; 259f.682), eine Postkarte (S. 74), ein Kassiber (S. 97), Briefe (S. 122; 123; 157; 238f.; 250; 278), Anzeigen (S. 128; 137) und Telegramme (S. 252; 254f.; 255; 258f.; 278).

Titel Die Genese des Titels von Láska Ivana Karmanova über Ivan Karmanov. Román vesnický zu Mařenka chce jinou vládu. Humoristický román zeigt deutlich, daß zunächst vor allem die Liebe Ivan Karmanovs als handlungstragende Größe betrachtet worden ist. Allein die Liebe zu Mařenka läßt ihn nach seiner Ausweisung aus der Tschechoslowakei die immer neuen Abenteuer auf sich nehmen. Wie wir jedoch sehen werden, kann die Liebe allein das Schicksal nicht umstimmen und so scheint der Satz „[l]áska není příliš těžkým závažím na vahách osudu“ [die Liebe ist kein allzu schweres Gewicht auf der Waage des Schicksals] (S. 264) fast als eine Begründung für die Veränderung des Titels. Seine zweite Variante hält immer noch an Ivan als titelgebender Gestalt fest. Obwohl sich ein Großteil der Handlung in europäischen Hauptstädten zuträgt und ihn aus der Karpatoukraine gerade die Sehnsucht nach Großstadt, Menschen, Schaufenstern, Asphaltpflaster forttreibt (S. 44), verweist der Untertitel darauf, daß dieser Ivan Karmanov ein ländlicher Typ sei. Er versteht sich auf den Umgang mit Tieren (S. 129ff.), ist weder politisch, intellektuell noch kulturell veranlagt (vgl. z. B. seine Ableitungen aus der historischen Lektüre; S. 42) und sehnt sich nach ‚ehrlicher praktischer Arbeit‘ (S. 15; 118; 128; 198). Doch wird ihm diese nur in den seltensten Fällen zuteil. Wesentlich häufiger werden von ihm Verwandlung, Zauber und Wunder erwartet. Daß es Taschenspielertricks sein werden, die ihm das Überleben sichern, kann man bereits aufgrund seines Namens ahnen. Der Vorname Ivan weist einfach auf seine russische Herkunft hin, der Zuname Karmanov läßt sich von ‚karman‘ [Tasche] bzw. ‚karmanik‘ [Taschendieb] ableiten. 681

682

Diese Absicht wird jedoch nicht von jedem verstanden, denn ein Rezensent wertet dieses Vorgehen als Zeugnis dafür, daß dem Autor der Zeichnungen manchmal die Phantasie ausgegangen sei (Dr. Z. [Štefan Zlatoš?]: V. Vilinskij: Mařenka chce jinou vládu, in: Kultúra, Nr. 5, 1933, S. 397-399, hier: S. 399). Die im Text angegebenen Seitenzahlen beziehen sich in diesem Kapitel auf Mařenka chce jinou vládu 1932.

Belletristik

173

Der letzten Endes gewählte Titel, der zum einen den Fixpunkt Mařenka nennt, um den sich Ivans Treiben dreht, unterstreicht zum anderen, welche Allianzen Politik und Privatleben eingehen können. Der Leser fragt sich zunächst erstaunt, wieso sich eine einfache Mařenka für Politik interessiert. Was soll sich an ihrer Position als Dienstmädchen ändern, wenn eine andere Partei die Regierungsverantwortung trägt? Und doch sehnt sie den Regierungswechsel herbei. Daß sich dieser Wunsch nicht durch Interesse an Politik begründen läßt, sondern allein durch die Hoffnung auf Erfüllung ihrer Liebe, wird besonders deutlich aufgrund ihrer naiven Vorstellung davon, wie Politik funktioniert. Dennoch bekommt sie, was sie wünscht – und daß es im ‚wahren Leben‘ so nicht funktionieren wird, darauf deutet wiederum der Untertitel hin. Mit dem Widerspruch Dienstmädchen versus hohe Politik spielt auch die Anzeige für den Roman, die zwischen 12. März und 16. April 1933 insgesamt 28 Mal in Našinec geschaltet wird:

Gajda? Hitler? Mussolini? nein! nein! nein! Mařenka, Dienstmädchen im Haushalt des künftigen Ministerpräsidenten, fordert deshalb eine andere Regierung, damit sie Glück in der Liebe zum russischen Flüchtling Ivan Karmanov erlangen kann. Einen Spiegel heutiger Politik bei uns und im nahen Ausland führt im Lichte von Humor und geißelnder Satire witzig Valerij S. Vilinskij in seiner aktuellen Publikation ‚Mařenka möchte eine andere Regierung‘ vor. Lest – es belehrt und unterhält euch gut!

Hauptfigur Wenn Ivan Mařenka im Titel höflich den Vortritt lassen mußte, so bleibt er doch die Hauptperson. Über Unmut oder Wohlbefinden gibt sein Schnurrbart Auskunft, der ein Spiegel seiner Seele ist. Das erste Mal bekommt der Leser ihn in Gallipoli zu sehen: „Téměř bezbarvý, plavošedý knír visel ponuře dolů jako dva velké pro-

174

Teil 2 – Werk

užky chundelaté plsti“ [Der fast farblose, hellmatte Schnurrbart hing düster herab wie zwei breite Streifen zottligen Filzes] (S. 7). Erste Erfolge in Cařihrad lassen ihn emporragen (S. 11). Nachdem er wegen unlauteren Einflusses auf die Wetten nach Sofia weiterziehen muß, will er sich selbst disziplinieren. Zu dieser Zeit sucht er sich nicht nur schwere körperliche Arbeit, sondern gestattet seinem Schnurrbart auch kein stolzes Emporragen, sondern trägt ihn gestutzt waagrecht (S. 16). Bevor er von den polnischen Zöllnern an die Grenze zur geheimnisvollen Tschechoslowakei begleitet werden soll, „dodal knírku bojovný vzhled“ [gab er dem Schnurrbart ein kämpferisches Aussehen] (S. 32). Wenn man diese Bedeutung des Schnurrbartes für seine persönliche Identität erkannt hat, erscheint um so ungeheuerlicher, was ihm in München zustößt. Ein Nazibediensteter rasiert ihn so, daß Ivan sich im Spiegel nicht mehr wiedererkennt. An dieser Stelle wird man auch ausführlicher in die Geheimnisse seines Schnurrbartes eingeweiht: […] pyšný knír, jeho chlouba a zdoba, knír, který dovedl znázorniti a vyjádřiti každičký, i ten nejjemnější odstín nálady svého vlastníka – zmizel. Již se nebude tyčiti vzhůru, anebo v hodiny neštěstí a nezdaru ponuře viseti dolů – zmizel knír, který byl téměř živou, rozumovou bytostí. Místo něho zůstaly jen dvě černé tečky pod nosem, přesná kopie Hitlerova kníru, vyobrazeného na každé stránce brožur a letáků. (S. 108f.) […] der hochmütige Schnurrbart, sein Stolz und seine Zierde, der Schnurrbart, der jede, selbst die kleinste Nuance der Laune seines Eigentümers zu versinnbildlichen und auszudrücken verstand, war verschwunden. Er wird nicht mehr länger emporragen oder in Stunden des Unglücks und Mißerfolgs düster herabhängen – der Schnurrbart ist verschwunden, der ein fast lebendiges, vernunftbegabtes Wesen war. An seiner statt blieben nur zwei schwarze Punkte unter der Nase, eine genaue Kopie von Hitlers Schnurrbart, der auf jeder Seite der Broschüren und Flugblätter abgebildet ist.

Karmanov wäre nicht der unbekümmerte Karmanov, wenn er diesem Eingriff in seine Persönlichkeit nicht positive Seiten abgewinnen könnte. Selbst wenn ihm dieses neue Gesicht (noch) unbekannt erscheint, nimmt er es doch als gepflegt, schön und als letzten Akt einer langsamen Veränderung wahr. Er fühlt sich nun als vollkommener Mitteleuropäer. Im Hamburger Circus bezaubert er nicht nur ein junges Mädchen durch sein Hitlerbärtchen (S. 132), das er erst abrasiert als in Paris der Möbelhandel blüht (S. 171). So wie der Schnurrbart abwechselnd emporragen oder herabhängen kann, wird Ivan Karmanov als eine Figur geschildert, die einem Stehaufmännchen gleicht. Er muß immer wieder bei Null beginnen und erreicht recht schnell, daß er einerseits wirtschaftlich gut dasteht, andererseits den Mittelpunkt der jeweiligen Gesellschaft bildet – – – – – 683

Tak Karmanov trávil jaro a léto, získávaje popularitu mezi místním obyvatelstvem […]. (S. 44) […] všichni obklopili Karmanova a prokazovali mu neobyčejnou pozornost. (S. 112) Ivan se stal jakýmsi středem, kolem něhož se otáčel celý cirkus. (S. 132) Karmanov byl nemenší sensací nežli proslulá ,lvice z ulice Mouffetard‘[683] – stal se skvělou Über diese Touristenattraktion heißt es einige Seiten zuvor: „Největší úspěch měla zrzavá,

Belletristik

175

atrakcí, módní hříčkou moderní Paříže. (S. 194) – Zkrátka – Karmanov převychovával celé své okolí […]. (S. 220) – So verbrachte Karmanov das Frühjahr und den Sommer und erlangte unter der örtlichen Bevölkerung Popularität. – Alle umringten Karmanov und erwiesen ihm ungewöhnliche Aufmerksamkeit. – Ivan wurde zu einem gewissen Mittelpunkt, um den sich der ganze Circus drehte. – Karmanov war keine geringere Sensation als die berühmte ‚Löwin aus der Rue Mouffetard‘ – er wurde zu einer glänzenden Attraktion, zum modischen Spielzeug des modernen Paris. – Kurz und gut – Karmanov formte seine ganze Umgebung um.

–, die er dann mehr oder weniger bewußt nach seinen Vorstellungen gestaltet, vor allem dadurch, daß er gegen die Konventionen verstößt, was ihm jedoch niemand verübelt, da er ja ein Fremder ist und seine kosakischen Methoden oft effektiver – wenn auch nicht eleganter – sind. Als Beispiel mag das Forellenangeln in Schottland dienen, das er rationalisiert, indem er auf Mücken, Angeln, schattiges Plätzchen und Geduld verzichtet und statt dessen eine entzündete Dynamitpatrone ins Wasser wirft und nachdem sich das Wasser wieder beruhigt hat, die rund fünfzig oben treibenden betäubten Forellen einsammelt (S. 218). Die Gesellschaft nimmt seinen „demoralisující a desorganisující“ [demorali- und desorganisierenden] (S. 131) Einfluß gern hin. So erfolgreich er in seinen Unternehmungen ist, so kurzlebig sind diese Erfolge, was mehrere Ursachen hat. Zum einen beruhen sie zum Großteil darauf, daß die Menschen sich gerne betrügen lassen, wenn sie dadurch in ihren eigenen Vorstellungen und Vorurteilen bestätigt werden. So kann er ihnen als Zauberer, Satan, Wahrsager, Apatsche, Neger dienen. Damit steht im Zusammenhang, daß sie sich, ehe er überhaupt ausreden kann, ein Bild von ihm machen (die russische Seele!), von dem sie sich nicht abbringen lassen. In den meisten Fällen versucht er jedoch gar nicht erst zu widersprechen, da ihm die Ehren schmeicheln, die ihm zu Unrecht erwiesen werden. Die gehäuften Mißverständnisse führen zu den komischsten Situationen, die er aufgrund seiner Naivität erst durchschaut, wenn er wieder die Flucht antreten muß. Hinzu kommt, daß er immer wieder in die Politik hineingezogen wird, von der er nichts versteht, mit der er nichts zu tun haben will und die dennoch sein Schicksal maßgeblich bestimmt. Und die am Ende zu seinen höchstpersönlichen Gunsten durch die Presse manipuliert wird. se potácející žena – la lionne de la rue Mouffetard – která každý večer o jedenácté hodině, roztrhaná a necudná snažila se dýkou probodnouti svého zrádného milence. Teprv po půlnoci mohla si omýti tvář od ličidel, obléci se do skromného, nenápadného šatu a spěchati domů, kde ji očekávala roztomilá tříletá dceruška a náruč milujícího chotě, úředníka malé exportní kanceláře.“ [Größten Erfolg hatte eine rotblonde, betrunken wankende Frau – la lionne de la rue Mouffetard –, die sich jeden Abend, elf Uhr, zerlumpt und schamlos bemühte, mit einem Dolch ihren treulosen Geliebten zu erstechen. Erst nach Mitternacht konnte sie ihr Gesicht von der Schminke reinigen, eine bescheidenes, unauffälliges Kleid anziehen und nach Hause eilen, wo sie von einem liebenswerten dreijährigen Töchterchen und der Umarmung des sie liebenden Gatten, eines Beamten in einer kleinen Exportfirma, erwartet wurde.] (S. 187).

176

Teil 2 – Werk

Ewiger Wanderer: Vagabund, Nomade, Ahasver, Argonaut, Pilger Wie wir sehen konnten, gehört Seßhaftigkeit nicht zu den Eigenschaften Ivans. Die Karpatoukraine, in der er freundlich aufgenommen worden ist, verläßt er wie zuvor andere Orte ohne äußeren Zwang, denn: […] první závany studeného větru na strniskách probudily v něm cestovatelského ducha. Člověk, který byl vypovídán z tolika zemí, nedovede se tak snadno zastaviti ve svém pohybu. V jeho krvi uhnízdila se nákaza věčného tuláctví, odvěký neklid objevitelů, dobyvatelů a cikánských kočovníků. Chtěl pryč […]. (S. 44) […] der erste Hauch kühlen Windes auf den Stoppelfeldern weckte in ihm den Reisegeist. Ein Mensch, der aus so vielen Ländern ausgewiesen worden ist, kann nicht so einfach in seiner Bewegung innehalten. In seinem Blut hat sich die Seuche des ewigen Vagabundentums eingenistet, die uralte Unruhe der Entdecker, Eroberer und der Zigeunernomaden. Er wollte weg […].

Von sich aus zur Ruhe kommen und dauerhaft ansässig werden möchte er in Prag, nachdem er Mařenka kennengelernt hat. Mit aufkeimender Liebe hört er auf, ein Weltenbummler zu sein (S. 76). Doch die Ruhe ist ihm nicht vergönnt. Er wird des Landes verwiesen und von neuer Unruhe ergriffen. Mit dem Gedanken „Jen dále, jen zase pryč“ [Nur weiter, nur wieder weg] – der mit den Gefühlen des ewigen Vagabunden Ahasver verglichen wird – (S. 101) bemüht er sich darum, aus Deutschland ausgewiesen zu werden. Die überstürzte Flucht aus Freiburg ist allerdings kein Umherirren ohne Ziel mehr, sondern verfolgt die klar definierte Absicht, durch die Ausweisung aus Deutschland eine Möglichkeit zur Rückkehr in die Tschechoslowakei zu erlangen (S. 116). Hinter allen weiteren Ortsveränderungen leuchtet das Ziel Prag auf, auch wenn er sich geographisch immer weiter von ihm entfernt. Der Detektiv, der Ivan Karmanov nach Frankreich bringt, meint, dieser komme ihm so vor, als sei er zu einer lebenslänglichen Irrfahrt durch die Welt verurteilt (S. 156). Diese Überlegung nimmt Karmanov auf, wenn er einen Sinn für seine Wanderung sucht, die mit der Ahasvers verglichen wird. Er meint, er müsse mit ihr gewiß irgendeine Sendung, eine uralte Mission erfüllen, er müsse als irgendein Gärmittel, das fremdes Wirbeln entfacht, in fortwährender Bewegung sein und dürfe selbst nie innehalten. Diese Rolle lehnt er jedoch ab. Er möchte weder Gärmittel, noch ein ins Universum geworfener Stein, noch der Ewige Jude sein (S. 157). Einige Zeit später kann er schließlich positive Folgen seiner Irrfahrt sehen, denn er habe durch sie gelernt, Gutes von Schlechtem zu unterscheiden (S. 182). Allerdings empfindet er sich in einem aufgeregten Augenblick doch wieder nur als gejagtes Wild, das nicht an dem Ort leben darf, der ihm zusagt (S. 198). Doch wie wir wissen, findet seine Irrfahrt zu einem glücklichen Ende und der „‚[v]ěčný argonaut, poutník v nekonečnu, jde za zlatým rounem štěstí‘“ [ewige Argonaut, Pilger im Unendlichen, folgt dem goldenen Vlies des Glücks] (S. 281). Betrachtet man den Wechsel von freiwilligem zu unfreiwilligem Umherirren, dann stellt sich das freiwillige Pilgertum als unbewußte Suche nach Liebe dar, auch

Belletristik

177

wenn dieses Ziel nicht klar benannt werden kann. Als er dieses Ziel einmal erreicht hat, fühlt er sich Kräften ausgesetzt, die mit ihm wider seinen Willen verfahren und deren wahre Absichten er nicht ergründen kann.

Zufall und Schicksal als Antipoden zu selbstbestimmtem Handeln Ist der umhergetriebene Ivan Karmanov also nur ein Spielball des Schicksals, das gleich zu Beginn als ‚Schelm‘ bezeichnet wird (S. 12) und das nicht gewillt ist, ihn kampflos Mařenka zu überlassen? Der auktoriale Er-Erzähler, der das gesamte Geschehen schildert und sich in Kommentaren über die gutherzige Begriffsstutzigkeit Ivans gefällt, philosophiert in regelmäßigen Abständen über das heimtückische Schicksal (potměšilý osud), Zufall (náhoda) und eigenes Verschulden (vlastní vina). Gleich zu Beginn wird dem Leser mitgeteilt, daß Ivan sich allmählich an sein Schicksal gewöhnt habe und sich schon nicht mehr um die Impertinenz ungastlicher Staaten kümmere (S. 5). Er stellt sich diesem Schicksal nicht entgegen, versucht nicht, es zu überlisten oder selbst zu gestalten, sondern nimmt es zwar als ungerufen und unwillkommen (S. 11), doch als gegeben und unabwendbar hin. Osud anebo vlastní vina? Zpohodlnělý člověk ve snaze, aby nepravém ulehčil vlastnímu svědomí, rád, až příliš rád překládá břímě odpovědnosti na ramena osudu. Tíži osudu nikdy nepodlehne ten, jenž proti němu bojuje; kdo si je však jist přízní štěstěny, vždy je poražen. Karmanov, jenž neopatrně zapomněl na všechna poučení čítankové morálky, uvěřil ve šťastnou hvězdu a tak, vlastní nedbalostí nechráněn, vystavil se útoku číhající šelmy – osudu. (S. 12) Schicksal oder eigene Schuld? Im Bestreben, zu Unrecht sein eigenes Gewissen zu erleichtern, überträgt der bequem gewordene Mensch gern, allzu gern die Bürde der Verantwortung auf die Schultern des Schicksals. Der Wucht des Schicksals erliegt niemals der, der gegen es kämpft; wer sich jedoch der Gunst des Glücks sicher ist, wird immer zu Fall gebracht werden. Karmanov, der unvorsichtig alle Belehrungen der Lesebuchmoral vergaß, glaubte an einen glücklichen Stern und so, aus eigener Fahrlässigkeit ungeschützt, setzte er sich dem Angriff des nachstellenden Schelms, des Schicksals aus.

Er muß die Karpatoukraine wieder verlassen, da ihn „cosi“ [etwas] einer unbekannten Zukunft entgegenführt und sein Schicksal noch nicht ordentlich erfüllt ist (S. 45). Deshalb folgt er der Stimme „jakéhosi“ [irgendeines] dunklen und ungeklärten Rufens (S. 46). In Prag entscheidet das heimtückische Schicksal darüber, daß er sich wider seinen Willen mit Politik beschäftigen wird: „Zápas s osudem vstupoval do nové fase. Výsledek byl prozatím nerozhodný“ [Das Ringen mit dem Schicksal trat in eine neue Phase. Das Ergebnis war vorläufig unentschieden] (S. 60). Aus den verschiedenen Zeitungsmeldungen über seine Inhaftierung, die seiner Ausweisung nach Deutschland vorausgeht, blickt die Fratze des unerbittlichen Schicksals (S. 91). Vor seinem eigenen Schicksal flieht er aus Freiburg (S. 116), das heißt, er ergreift in diesem Falle selbst die Initiative und widersetzt sich dem durch das Schicksal vorgezeichneten Weg.

178

Teil 2 – Werk

Als er in Hamburg nach Arbeit sucht, hilft ihm „opět“ [wieder] der Zufall, von dem bis dahin noch nicht die Rede war. Der Zusammenhang zwischen Zufall und Schicksal wird im darauffolgenden Satz erklärt: „Naivní lidé říkají ‚náhoda‘ – osudu“ [Naive Menschen nennen das Schicksal ‚Zufall‘] (S. 128). Nicht erklärt wird jedoch, warum sich der sonst so klug gebende Erzähler selbst unter die naiven Menschen einreiht, denn von keinem anderen stammt der vorausgehende Satz. Als ihn im Hamburger Circus die Gräfin Eulalie und Dr. Allerhand, die Freiburger Nazis, überrascht bei seinem Auftritt mit einem Elefanten entdecken, blickt er in stummer Verzweiflung gen Himmel, als ob er wunderbare Rettung erwarte – und die Rettung kommt prompt: der Elefant packt ihn mit dem Rüssel und hebt ihn über eine Mauer auf die Straße, so daß er fliehen kann (S. 133). Als Wahrsager in Berlin verläßt er sich gewöhnlich auf den Zufall und erklärt einem Anarchisten, der ihn entführt hat, sehr bestimmt, daß er weder Wunder an der Börse vollbringen könne, noch über übernatürliche Kräfte verfüge (S. 147f.). Als das auch die Industriellen, die sich auf seine Dienste stützen, erkennen müssen, befindet er sich schnell im Zug nach Paris, wohin er abgeschoben wird, und bemitleidet sich selbst wegen seines ärmlichen Schicksals, bis er auf den Gedanken kommt, daß sich nichts ohne Ziel zutrage, daß das Schicksal nicht so verständnislos sei, wie es einem vielleicht erscheinen mag, sondern daß es eher heimtückisch sei (S. 157). Aber kaum ist er in Paris angekommen, hilft ihm wieder eine zufällige Begegnung. Er trifft in der russischen Kirche auf der rue Daru den Möbelhändler Petr Trofimov, dessen Gesellschafter er wird. „I zde tato náhoda byla mu opravdovým osudem. Byl řízen, aniž věděl, že jeho kroky nejsou svobodné“ [Auch hier erwies sich dieser Zufall für ihn als wahres Schicksal. Er wurde geleitet, ohne zu wissen, daß seine Schritte nicht frei sind] (S. 159). Nachdem ihr florierendes Geschäft mit antiken Möbeln als Betrug entlarvt und liquidiert wird, findet er nach langem Suchen ein Auskommen in einem Rennstall. Im Namen des Besitzers seines Lieblingspferdes wird er aufgefordert, diesem Pferd vor dem Rennen eine Injektion zu geben, damit es schneller laufe (S. 179). Obwohl er Kakerlaken ohne Bedenken gedopt hat, widersetzt er sich dem Wunsch des Besitzers, was er mit allgemeinen Gedanken über das Wetten verbindet: Lidé sázejí na náhodu, na zákmit a úsměv bláznivého nevyzpytatelného štěstí. Anebo snad jiní sázejí na předurčení – není přec rozdílu mezi předurčením a náhodou, dokud jsou obě neznámy. Jedná se toliko o tajemno, o nepředvídanost. (S. 181) Die Menschen setzen auf den Zufall, auf das Aufflammen und das Lächeln des tollen unerforschlichen Glücks. Oder andere setzen wahrscheinlich auf die Vorherbestimmung – schließlich gibt es keinen Unterschied zwischen der Vorherbestimmung und dem Zufall, solange beide unbekannt sind. Es handelt sich bloß um das Geheimnisvolle, um das nicht Vorauszusehende.

Es ist also der Zufall, der ein Pferderennen entscheidet und Ivan Karmanov ist einer der unerforschlichen Akteure, die den Zufall bilden. Im Gegensatz zu Napoleon, von dem „berichtet [wird], daß er beim Kartenspielen betrog, weil er den Zufall

Belletristik

179

haßte“,684 möchte er dem Zufall nicht im Wege stehen. Man könnte es fast als einen Akt der Demut bezeichnen, daß er sich dem Zufall unterordnet und ihn frei walten lassen möchte, vielleicht treibt ihn auch die Hoffnung, daß er ihm gesonnen bleiben möge. Zu dem Zeitpunkt, als er sich bereits mehr oder weniger mit seiner Negerrolle in der russischen Bar abgefunden hat, weiß es der Erzähler wieder einmal besser, daß für ihn ein anderes Ende „souzen“ [bestimmt] sei (S. 199). In die Bar kommen der Oberst Pattison und seine Tochter Delia, worauf sich wenig später der Schauplatz nach Schottland verlagert. Dort eingetroffen, schläft er erschöpft ein, „aniž vědel, že vstoupil do poslední fase svého zápasu s osudem, že stojí před poslední překážkou“ [ohne zu wissen, daß er in die letzte Phase seines Kampfes mit dem Schicksal eingetreten ist, daß er vor der letzten Hürde steht] (S. 211). Nach weiteren Peripetien kündigt sich schließlich das glückliche Ende an, das jedoch von den wenigsten als das Ergebnis der übergroßen Liebe Ivans zu Mařenka wahrgenommen wird. Und auch die beiden politischen Kontrahenten Baryba und Břicho erweisen sich nur als zwei elende Spielbälle eines launischen Schicksals, denn das Schicksal muß erfüllt werden, alles was vorherbestimmt ist, muß auch vollbracht werden (S. 267). Břicho deutet die gezielte Kampagne der ausländischen Presse gegen Baryba als für ihn zufällig günstige Konjunktur. Ausschlaggebend war selbstredend nicht die Liebe, sondern das Interesse des Staates (S. 275). Selbst Eulalie muß sich zum Schluß damit abfinden, daß Karmanov nur der Zufall nach Freiburg geführt hatte und sie ihn nie wieder sehen wird, nachdem er nach Prag zurückkehren konnte (S. 282). Einzig der Journalist Mac-Naughten ist ein konkreter Schmied von Karmanovs Glück (S. 281), das er nicht dem Zufall überläßt. So wird am Ende einerseits die Presse als stärkste Macht im Staate dargestellt, der sich Regierungen beugen müssen und gezeigt, daß die Politik in das Leben jedes einzelnen Bürgers eingreift.685 Andererseits wird unterstrichen, daß die aktive (strategische) Tat dem Zufall Einhalt gebieten kann, dem der Mensch – ungeachtet dessen, daß diese Tat sich anderen wiederum als Zufall darstellt – also nicht ausgeliefert sein muß. Darauf wurde bereits im zweiten Kapitel des Romans hingewiesen (s. obiges Zitat). Das selbstbestimmte Handeln trägt den Sieg über die kontingenten Kräfte davon. Während der Zufall als absichtslos betrachtet wird, generiert sich das Schicksal als Erfüller einer Vorbestimmung. Da der Mensch jedoch die Absichten des Schicksals nicht kennt und auch nicht ahnt, in welchem Moment es in das Leben eingreift, erscheint es ihm geheimnisvoll und heimtückisch. Seine eigene Bestimmung nicht kennend, kann er das Schicksal nur als Zufall wahrnehmen. In diesem Zusammenhang wird besonders deutlich, über welch übermenschliches Wissen der Erzähler verfügt, denn er kennt die Absichten des Schicksals und zeichnet 684

685

Köhler, Erich: Der literarische Zufall, das Mögliche und die Notwendigkeit, Frankfurt am Main 1993, S. 44. Insofern ist es erstaunlich, daß es Rezensenten gibt, die diese Manipulation vollkommen ausblenden und einfach schreiben, daß Karmanov zurückkehren konnte, weil sich die politischen Verhältnisse in Prag geändert haben (z. B. Kolek 1933, S. 4).

180

Teil 2 – Werk

die Hauptfigur als eine Marionette in dessen Händen. Er kennt das Ende, dem Weg dorthin muß jedoch mit allen einzelnen Stationen gefolgt werden. Das Schicksal wird zum Notwendigen. Der auktoriale Er-Erzähler, der zu Zeiten des Erscheinens dieses Buches weitgehend entmachtet war und durch personale Ich-Erzähler abgelöst worden ist, erlebt hier eine Renaissance, die damit zusammenhängen mag, daß der reale Autor Vilinskij den fiktionalen Text als Projektionsfläche seiner Überlegungen nutzen und durch den Erzähler Kommentare zu den einzelnen Ereignissen abgeben möchte.

Stereotypen Wie man bereits daran sehen konnte, daß ein richtiger Kosak natürlich mit einem hoch aufgedrehten Schnurrbart dargestellt wird, spielen in dem Werk Stereotypen eine wichtige Rolle. Sie kommen besonders im Zusammenhang mit den Vorstellungen über Kosaken, Russen, Journalisten und Politiker vor, hier sei auf die ersten beiden eingegangen. Es findet die romantische [Don-]Kosakenseele Erwähnung (S. 21). Ein Kosak zeichne sich durch einen spezifischen Umgang mit starkem Alkohol (S. 35) und Pferden (S. 39), durch ungestüme Brautwerbung (S. 75), lärmend-brüllende Einnahme eroberter Städte (S. 82) und eindrückliche Erziehungsmethoden (S. 215) aus. In Deutschland traut Ivan keiner zu, daß er zugunsten Mařenkas an ethischen Prinzipien festhalten werde, denn Kosaken müssen wild und unzivilisiert sein (S. 126), weshalb fragwürdige Heiratsvermittler für sie neue Wortverbindungen lernen müssen: „Kozák a zásady, Kozák a mravnost?!“ [Kosak und Prinzipien, Kosak und Moral?!], die mit einem ungläubigen „Phe!“ (S. 127) kommentiert werden. Wegen eben dieser von einem Kosaken so nicht erwarteten Treue zu Mařenka erhält er unter dem Hamburger Circusvolk schließlich den Spitznamen „Kozak mit Prinzipen“ [sic] (S. 132). Steht für ihn selbst seine Treue zu Mařenka für keinen Augenblick in Frage, so wundert er sich in Frankreich, als er das Pferd dopen soll, doch über sich selbst, daß er, ein kosakischer Unteroffizier, ethische Probleme zu lösen habe (S. 181). Er verhält sich in dieser Frage moralisch korrekt und stellt überrascht seine eigene Besserung fest (S. 182) – für die er anschließend als eigenwillig, dreist und ordinärer Orientale attributiert wird (S. 184). In der Fremd- und in der Selbstwahrnehmung ist ein Kosak also ein unzivilisierter, wilder Bursche, für den keinerlei Moralgesetze gelten und der wegen seiner derben Umgangsformen in städtischem Umfeld kurios oder exotisch erscheint. Der konkrete Kosak in Person Ivan Karmanovs hat jedoch in sich das Potential, sich zu entwickeln. Veränderung des Charakters heißt in seinem Falle Erweiterung um positive Aspekte, das heißt, er leugnet weder sein Kosakentum noch verliert er seine hochromantische Ader. So wie sein Äußeres immer gepflegter erscheint (S. 109), werden seine Umgangsformen auch gepflegter (S. 75), selbst sein Schönheitsideal ist europäisiert (S. 70f.). Da seine Umgebung nicht mit der Veränder-

Belletristik

181

lichkeit des kosakischen Charakters rechnet, kommt es zu Erwartungen, die enttäuscht werden. Andererseits pflegt er selbst das positive Vorurteil, daß aufgeklärte Deutsche oder Franzosen sich anständig benehmen müßten. Benehmen sie sich ihm gegenüber grob, sehnt er sich nach der direkten Art der Orientalen, die er einzuschätzen versteht (S. 9). Im Gegensatz dazu werden die Vorstellungen über Russen nicht enttäuscht, sondern gezielt bedient, um Profit daraus zu schlagen. Das ist nur möglich, weil hinsichtlich des typisch Russischen Selbst- und Fremdwahrnehmung weit auseinanderklaffen. Die „Phönix“-Bar spielt mit allen russischen Klischees. Sie wird nach angeblich russischem Vorbild eingerichtet, die Tänzerinnen tragen russische Nationaltrachten, die jedoch unmöglich gekürzt sind, die Kellnerinnen Kosaken- und Čerkessen-Uniformen, der Eigentümer erscheint in einem urtümlichen Bojarenaufzug. Und das Geschäft floriert: Bar se zalíbil cizincům, kteří byli nadšeni, že přímo v Paříži mohou studovati záhadnou ruskou duši, onu pověstnou ľ âme russe, která kolísá mezi svatostí a zločinem, hned je podlá a nízká, hned se povznáší až k největším mystickým vrcholům. (S. 189) Die Bar fand Gefallen bei den Ausländern, die begeistert waren, daß sie direkt in Paris die geheimnisvolle russische Seele studieren können, diese berüchtigte ľ âme russe, die zwischen Heiligkeit und Verbrechen schwebt, bald gemein und niedrig ist, sich bald zu den größten mystischen Höhen emporschwingt.

Die Bar wird als ein Stück des echten heiligen Rußlands wie es Tolstoj beschrieben, von dem Dostoevskij geträumt hat, wahrgenommen. Alles ist wie zu Zeiten des Zaren – Bojarenmäntel, Frauen mit hohen Perlendiademen, Balalajkas, russischer Volkstanz, Kaviar, Vodka (S. 202). Dem fröhlichen Mädchen am Tresen und dem Koch werden in der Phantasie der Gäste sagenhafte Rollen zugeschrieben – sei es als Gräfin, hysterische Millionärin oder Militärführer –, da jedoch jeder seine eigene Vorstellung von Rußland haben darf, werden diese Illusionen nicht zerstört, sondern schlagen sich lediglich in höheren Preisen auf der Speisekarte nieder (S. 190). Und als die Besucher dann auch noch in Paris die russische Seele eines Schwarzen aus dem Kaukasus studieren können, werden die Preise noch einmal um 10% erhöht (S. 194). Ivan Karmanov antwortet auf alle Fragen so, wie es der jeweilige Fragende erwartet. Die russische Seele definiert er ebenfalls wie erwartet als „Vášeň a děs, zbožnost a pokora“ [Leidenschaft und Schrecken, Frömmigkeit und Demut] (S. 196). Seine ernsthafte Antwort auf die Frage nach der russischen Seele – die er selbstverständlich keinem Gast gegenüber gibt – lautet jedoch: es gibt keine geheimnisvolle außergewöhnliche russische Seele. „Všechno to si vymyslili cizozemci“ [All das haben sich Ausländer ausgedacht] (S. 227).686 686

Mit dieser Aussage wird Ivan Karmanov zum Sprachrohr des realen Autors (vgl. Ruská duše a sjednocení církví, in: Hlídka, Jg. 45, Nr. 7, 1928, S. 265-269 und Nr. 8, S. 309-314). Vilinskij sieht vor allem bei Dostoevskij die Schuld für die westliche Sicht auf die russische Seele (vgl. Ruská duše, in: Lidové noviny, Jg. 42, Nr. 537**, 25.10.1934, S. 1f.). Andere – vor allem mystisch orientierte – Autoren haben selbstverständlich kein Problem damit, sich ernsthaft

182

Teil 2 – Werk

Mařenka macht sich keine Gedanken über irgendwelche besonderen russischen Seelen. Sie zivilisiert Ivan zwar in gewisser Hinsicht, aber schließt ihn ansonsten wie er ist in ihr Herz. Und er schließt sie in sein Herz. Alle anderen Frauen jedoch forschen der russischen Seele nach, meinen, ihr besondere Aufmerksamkeit widmen oder ihr Geheimnisse entlocken zu müssen und werden abgewiesen, denn sie sehen in Ivan statt eines ganz normalen Menschen einen geheimnisvollen Fremden.

Geographie Ivan Karmanov ist weit herumgekommen und hat deshalb eine eigene Meinung über Geographie als Wissenschaft: „Zeměpis je věda pro fiakristy, celní úředníky a emigranty“ [Geographie ist eine Wissenschaft für Fuhrleute, Zollbeamte und Emigranten] (S. 55). Wie sieht seine Landkarte aus? Es sei vorweggeschickt, die Schauplätze sind realistisch. Die Frage, der hier nachgegangen wird, ist demzufolge, welche Bedeutung ihnen für die Handlung zufällt. In Cařihrad erkennt Karmanov den Unterschied zwischen Westen und Osten, zwischen Europa und Asien (S. 9). Von dort führt ihn das Schicksal nach Norden (S. 17), wobei diesem Vormarsch gen Norden in Polen Einhalt geboten wird (S. 24). In Warschau fühlt er sich – unbewußt wegen der slavischen Sprache – irgendwie heimisch (S. 22). Die Polen sind seinem einfachen Geschichtsbild zufolge ehemalige Russen (S. 30). Von dort führen ihn die Umstände weiter in Richtung Westen (S. 31). Über die Tschechoslowakei weiß er nichts, denn vor dem Krieg existierte sie nicht und nach dem Krieg hatte er nur Gelegenheit, einige Aspekte der älteren europäischen Geschichte kennenzulernen. Auf Nachfrage werden ihm die Tschechoslowaken, in Analogie zu den Polen als ehemaligen Russen, als ehemalige Österreicher vorgestellt und Prag als Hauptstadt genannt (S. 30). Von Zakopane aus begibt er sich in die Karpatoukraine, das heißt an den äußersten östlichen Rand der ČSR und dort wiederum an den Rand eines Dorfes (S. 34). Als müßte er sich langsam vom Rande her an die Tschechoslowakei herantasten. Da die Richtung durch den Erzähler bereits pragozentrisch mit Westen angegeben war, verwundert nicht der Schnitt zwischen seinem Abschied aus der Karpatoukraine und dem Satz „Karmanov se octl v Praze“ [Karmanov geriet nach Prag] (S. 49). Und da er nun im Zentrum angekommen ist, wohnt er mitten im Zentrum des Zentrums, auf der Kleinseite, in unmittelbarer Nähe des Senats (S. 62). In Freiburg lernt er als Lehrer für die Taktik des Straßenkampfes in allen Einzelheiten den Stadtplan von Berlin kennen (S. 113) und als „Karmanov se octl v Berlíně“ [Karmanov nach Berlin geriet] (S. 134), kennt er sich bereits bestens aus, muß jedoch über die Vorzüge und die Erwählung der russischen (Volks-)Seele zu verbreiten (vgl. z. B. Kobilinski-Ellis, L.: Das „heilige Rußland“ – sein Wesen und seine Sendung innerhalb der ökumenischen Kirche Christi, in: Theologie der Zeit (= Theologische Beihefte zum „Seelsorger“), Folge 2, 1937, S. 57-86, hier: S. 60 und 66ff.).

Belletristik

183

seinen Blick auf die Stadt ändern, denn anfänglich sieht er nur, von wo aus man Berlin am besten angreifen und erobern könne. In Schottland fühlt er sich wegen der Sagen und Gespenster zunächst an die Karpatoukraine erinnert (S. 209), wegen des alten Schlosses und seiner Einrichtung dann an den Sitz des Grafen Detmold im süddeutschen Freiburg (S. 210), wegen der vielen antiken Möbel darauf an seine Zeit als Miteigentümer eines Möbelhandels in Paris (S. 211) und wegen der schottischen Wiesen schließlich an die weiten grünen Ebenen am Ufer des Dons (S. 213) – der Kreis hat sich geschlossen. In Schottland findet er die Stationen seiner Wanderung in nuce wieder und vor allem auch seinen Ausgangspunkt, so daß klar wird, daß dies die letzte Station sein wird. Betrachtet man die einzelnen Stationen auf der Karte Europas, dann wird das dadurch bestätigt, daß Schottland exakt genauso weit von Prag entfernt ist wie Gallipoli. Nebenbei bemerkt, auch München und Berlin, der Start- und Endpunkt seiner Zeit in Deutschland, sind beide etwa gleich weit von Prag entfernt. Prag bildet nicht nur den seelischen Mittelpunkt seiner Irrfahrt, sondern auch den geographischen.687

687

Die Begegnung von Ivan und Mařenka bildet hingegen nicht die Mitte. Der Bedeutung der Ivan-Mařenka-Geschichte entsprechend werden ihr genau 2/3 der Kapitel eingeräumt, d. h., sie lernen sich im 10. von 30 Kapiteln kennen.

184

Teil 2 – Werk

Die „vláda“ [Regierung] aus dem Titel steht metonymisch für die Stadt, für die Hauptstadt, für das Zentrum schlechthin. Diesem Innenbereich, in dessen Herzen Mařenka wohnt, steht Europa als das Außen gegenüber, das ihm den Weg nach Prag versperrt und wo er sich nicht frei bewegen kann, da andere jeweils darüber entscheiden, wo er sich aufhalten darf und wo nicht. Er muß sechs Hindernisse überwinden, um nach Prag zu gelangen und nochmals sechs, um wieder nach Prag zurückzugelangen. Prag bildet demzufolge jeweils den siebenten Ort seiner Wanderung, der für den Handlungsverlauf von Bedeutung ist:

Die Siebenzahl gilt seit alters her als Symbol der Vollkommenheit und Totalität, als Zahl des Heils und des Göttlichen.688 Unabhängig davon, auf welche Tradition sich Vilinskij bei der Struktur des Romans auch stützt, muß festgehalten werden, daß sich mit dem Erreichen Prags Karmanov am Ort seines Heils befindet, da sich sein jeweiliger Weg vollendet hat. In Prag kommt er nach all den Abenteuern zur Ruhe.

Sprachliche Verständigung Fast überall trifft Ivan Karmanov auf Russen, wenn er ihnen nicht wie in Hamburg bewußt ausweicht (S. 128). Aber auch ohne seine Muttersprache zu benutzen, wird er europaweit – von allen Völkern und Stämmen, wie es heißt (S. 169) – verstanden oder 688

Nicht nur die Mondphase (eine Woche) besteht aus sieben Tagen, sondern auch die Tonleiter aus sieben Tönen, der Regenbogen aus sieben Farben, die Welt des Altertums aus sieben Gestirnen (fünf Planeten, Sonne und Mond). Nach alttestamentlicher Vorstellung erfolgte die Schöpfung in sieben Tagen, wobei der siebente Tag der Ruhe diente (Gen 1,1-2,3), in der Heilsgeschichte spielt die Zahl Sieben eine wichtige Rolle (Gen 8,10.12; Gen 41,1-32; Jos 6,4; Jes 11,2 usw.), das Vaterunser besteht aus sieben Bitten, Maria hatte sieben Schmerzen zu erleiden, es gibt insgesamt sieben Tugenden, die sich in vier Kardinaltugenden (Klugheit, Gerechtigkeit, Starkmut, Mäßigung, d. h., sie beziehen sich auf den irdischen Leib) und drei göttliche Tugenden (Glaube, Hoffnung, Liebe, d. h., sie beziehen sich auf die gottsuchende Seele) gliedern lassen. Augustinus schließlich betrachtet die Sieben als ambivalente Zahl der Sünde und der Erlösung, da es außer den sieben Sakramenten auch sieben Todsünden gibt (vgl. Lurker, Manfred: Sieben, in: ders. Wörterbuch biblischer Bilder und Symbole, München 41990, S. 336-338).

Belletristik

185

kann sich zumindest verständigen. Dabei kann man nicht behaupten, daß er eine der europäischen Sprachen tatsächlich beherrschen würde. Er hat sich als personifiziertes ‚linguistisches Wunder‘ (S. 50) vielmehr eine internationale Sprache angeeignet: Za dva měsíce se naučil rozuměti několika řečem, či správněji řečeno – dovedl mluviti v jakési mezinárodní hantyrce, každému pochopitelné a dojista užitečnější nežli esperanto. (S. 11) Innerhalb von zwei Monaten hat er gelernt, mehrere Sprachen zu verstehen, oder korrekter ausgedrückt – er beherrschte es, in irgendeinem internationalen Kauderwelsch zu reden, das jeder verstand und das fürwahr brauchbarer war als Esperanto.

Dieses Kauderwelsch wird weiter als „internacionální esperanto“ [internationales Esperanto] (S. 20), „internacionální řeč“ [internationale Sprache] (S. 27), „panevropština“ [Paneuropäisch] (S. 50), „internacionální dialekt“ [internationaler Dialekt] (S. 102), „kosmopolitský dialekt“ [kosmopolitischer Dialekt] (S. 132) und „polyglotský jazyk“ [polyglotte Sprache] (S. 169) bezeichnet. Den Grundbestand erweitert er je nach Landessprache um neue Elemente: – – – –

[…] za několik dní svého rumunského pobytu […] rozmnožil zásobu slov […]. (S. 20) […] doplňoval svou internacionální řeč patřičnou zásobou polských slov […]. (S. 27) […] pochytil více německých slov […]. (S. 30) Rychle si osvojil celou dostihovou terminologii jak franzouzskou, tak anglickou […]. (S. 178)

– – – –

In wenigen Tagen seines Aufenthaltes in Rumänien vermehrte er den Wortschatz. Er ergänzte seine internationale Sprache um einen gehörigen Bestand polnischer Worte. Er schnappte mehr deutsche Worte auf. Schnell eignete er sich sowohl die gesamte französische als auch die englische Rennterminologie an.

Für den schriftlichen Gebrauch taugt dieses Verständigungsmittel jedoch nicht. Wie er in Prag erfährt, würde solch ein Kauderwelsch allenfalls einem Führer der extremen Nationalisten verziehen werden (S. 53). Ein knappes Telegramm, das den Ernst der Lage abbilden und die Katastrophe aufhalten soll, formuliert besser der Journalist Mac-Naughten als Ivan (S. 250). An eine weitere sprachliche Grenze gerät er, als er Mařenka wortreich und sehr romantisch die Liebe erklären will. Da sie jedoch sein erregtes Stottern und konfuses Reden auch so zu deuten weiß, gelingt in diesem Falle die Kommunikation natürlich trotzdem (S. 74). Etwas Mühe bereitet ihm die deutsche Sprache, obwohl er das Münchner Deutsch relativ gut versteht (S. 101f.). Zuerst heißt es, er sei sich der Aussprache nicht sicher (S. 30), dann, daß seine Kenntnisse des Deutschen unzulänglich seien (S. 104). Als Parallele dazu kann man sehen, daß er mit Deutschland nicht richtig warm wird und die gesamte Zeit eher neben denn mit den Deutschen lebt (S. 155f.). Wie man an seinen Erlebnissen in Deutschland sehen kann, gibt es aber auch dort keine echten Probleme sprachlicher Natur. Er kommt also auf seiner Irrfahrt nicht in ein Land, in dem er Verständigungsprobleme hätte. Er kann sich vielmehr seinen ständig wachsenden Sprachschatz bei den verschiedensten Beschäftigungen zunutze machen – und sei es für die Circusnummer „schůze Společnosti Národů projednává problém germánských reparací“

186

Teil 2 – Werk

[die Versammlung des Völkerbundes verhandelt das Problem der germanischen Reparationen] (S. 132). Das Russische ist und bleibt eindeutig die Sprache, die ihm am angenehmsten ist. Sie ist Teil seiner Identität und hat für ihn den höchsten emotionalen Gehalt. So gibt er seiner innersten Verzweiflung selbstverständlich auf Russisch Ausdruck (S. 119). Über die ersten polnischen Worte freut er sich, da er sie als singend und slavisch wahrnimmt. Diese Sprache sei zwar dem Russischen nicht ähnlich, erscheint ihm jedoch unbewußt vertraut und lieb (S. 22). Die Sprache der Karpatoukrainer erinnert ihn sowohl an Polnisch als auch an Russisch, denn sie ist für seine Ohren singend, weich und wohlklingend (S. 34).

Hitlerfigur Obwohl Ivan Karmanov durch viele Länder kommt und häufig auf die zeitgenössische politische Situation Bezug genommen wird, ist Hitler der einzige Politiker, der Teil der Handlung ist und bei seinem richtigen Namen genannt wird – es sei daran erinnert, die ersten Auszüge aus dem Roman erschienen 1932 (der Text ist also vor der Machtergreifung Hitlers geschrieben und kurz nach seinem Machtantritt publiziert worden). Im Falle von Mařenkas Dienstherr zum Beispiel ist sehr deutlich, daß mit dem Namen ‚Břicho‘ [Bauch, oder expressiver: Wanst] nicht auf eine konkrete Gestalt, sondern vielmehr auf einen Typ Politiker angespielt wird, der bequem, leicht selbstgefällig, jedoch grundanständig ist. Das wird noch dadurch unterstrichen, daß ihn seine Frau in einem aufgeregten Moment „můj Břicháček“ [mein Dickwänstchen] (S. 257) nennt. Und daß von dem Naziführer Dr. Allerhand tatsächlich allerhand zu erwarten ist, versteht sich von selbst. Im Falle von Mařenkas Nachnamen Vránová [Krähe] – der kaum Verwendung findet (er wird erst auf S. 125 eingeführt, Mařenka ist dem Leser bereits seit S. 70 bekannt) – sollte wohl eher keine weitere Bedeutung angenommen werden, denn der Krähe kommt als Aasfresser die Rolle des Unglücksbringers oder eines schlechten Vorzeichens zu. Wenn Mařenka auch indirekt für Ivans Ausweisung aus der Tschechoslowakei verantwortlich sein mag, ist sie doch sein ganzes Glück, so daß man in ihrem Namen höchstens eine leichte Distanz des Autors zu dieser Figur sehen kann. In der Münchner Straßenschlägerei, mit der sein Aufenthalt in Deutschland eingeläutet wird, hat Karmanov noch keinerlei Vorstellung davon, wer Hitler sei. Er schreit abwechselnd die Namen Hitler und Tahlmann [sic], die um ihn herum geschrien werden, ohne für einen von beiden Partei zu ergreifen. Da der Name Hitlers länger geschrien wird, bleibt es dann bei diesem (S. 101). Die Nazis zeigen sich dankbar für sein tatkräftiges Eingreifen in die Schlägerei und erklären ihm, daß sich Russen und Deutsche immer einigen werden, allein mit Polen und Tschechen sei keine Annäherung möglich (S. 102).

Belletristik

187

Dr. Allerhand erklärt ihm die politische Situation, preist die Monarchie und verdammt die Republik, indem er Ebert mit Karl dem Großen vergleicht (S. 105f.). Aber Hitler werde es richten und alles zum Besseren verändern, Deutschland werde erwachen (S. 106). Für den darauffolgenden Tag wird ihm eine Zusammenkunft mit Hitler angekündigt: Zítra, ano, zítra ho spatříte, příteli! Zítra sám vůdce přijede do Mnichova! Uvidíte ho, budete s ním mluviti a pak povíte našim historickým spojencům, donským Kozákům, jací to lidé vládnou dnešním Německem. (S. 106) Morgen, ja, morgen werden Sie ihn zu Gesicht bekommen, mein Freund! Morgen kommt der Führer selbst nach München! Sie werden ihn sehen, mit ihm sprechen und dann werden Sie unseren historischen Verbündeten, den Donkosaken, klarmachen, was für Leute das heutige Deutschland beherrschen.

Vor dem Einschlafen betrachtet er noch Propagandabroschüren, die ihm etwas weinerlich und sentimental erscheinen – Hitler im Wickeltuch, seine Mutter, Tante, Onkel, Mitschüler, Hitler am Fuße eines hohen Berges, zu seinen Füßen ein Hund. Bereits im Halbschlaf flüstert er: Ten Hitler, to je tedy zdejší Lenin, anebo německý generál Pilsudský. Až zemře, to bude jednou slávy! Avšak nechť lidový vůdce je jak chce velký, přece však, přeje-li si, aby byl pohřben se slevou a na státní útraty, musí především zemříti. (S. 107) Dieser Hitler, das ist der hiesige Lenin oder ein deutscher General Piłsudski. Wenn er erst mal stirbt, das wird ein Pomp! Allerdings, sei ein Volksführer auch noch so groß, muß er trotzdem zunächst einmal sterben, wenn er sich wünscht, mit Preisnachlaß und auf Staatskosten beerdigt zu werden.

Im Vorzimmer zu Hitler herrscht eine gespannt-erwartungsvolle Atmosphäre, gedämpfte Stimmen und wiederum Begeisterung anderer, daß Ivan ihn sehen, ja sprechen wird: Oh, jak vám závidím, jak nekonečně závidím. Brzy ho spatříte, Hitlera, budete si ním mluviti, snad dokonce stisknete jeho ruku! Jste šťasten, Herr Karmanov, nicht wahr? (S. 110) Oh, wie ich Sie beneide, wie unendlich neidisch ich bin. Bald werden Sie ihn, Hitler, sehen, werden mit ihm sprechen, vielleicht sogar seine Hand drücken! Sie sind glücklich, Herr Karmanov, nicht wahr?

Diese Stimmung um ihn herum bewirkt, daß auch er letzten Endes ein leichtes Beben und eine unerklärliche Scheu verspürt, als er vor den „osudný muž Německa“ [für Deutschland schicksalhaften/verhängnisvollen Mann] (S. 110), den „vůdce milionů“ [Führer von Millionen] (S. 111) tritt. Hitler stellt klar, daß Deutschland kein politischer Freund Rußlands sei – dennoch seien Dostojewski, Tolstojewski und Puschkinsohn oder Puschkinbaum interessante Autoren; grüner Einband; drei Mark der Band (S. 111 und 112) – und bietet den Kosaken an, sich mit seiner Hilfe von Rußland unabhängig zu machen. Wenig später willigt dann Hitler großzügig in Karmanovs nie vorgebrachten Wunsch ein, daß er das Protektorat über den kosakischen Staat übernehmen werde und daß dieser ein untrennbarer

188

Teil 2 – Werk

Teil des germanischen Reiches werden könne (S. 114). Karmanov flieht vor der Unterschrift, die er am Folgetag auf der deutsch-kosakischen Erklärung und dem gemeinsamen Vertrag leisten soll (S. 115). Seine Erfahrungen mit der deutschen Politik nutzend, übt er mit den Circustieren später eine lustige politische Satire ein. Er führt sie als Hitleranhänger, Reichsbanner oder Kommunisten vor (S. 131). Der Detektiv, der ein begeisterter Anhänger Hitlers ist, erklärt ihm auf der gemeinsamen Zugfahrt, daß Deutschland eine starke und feste Regierung brauche, daß die Bevölkerung sich innigst nach ihr sehne und daß das gesamte Volk sich inniglich eine Diktatur wünsche. Karmanov antwortet darauf: Věru, nevím, zdali obyvatelstvo skutečně touží po diktatuře, anebo diktatura touží po obyvatelstvu, jemuž by mohla vládnouti? Měl jsem vždy pocit, že každá ‚vláda silné ruky‘ až příliš ráda předpokládá vřelou lásku a spokojenost svého lidu – leč lid není vždy stejného názoru s vládou … (S. 155) Wirklich, ich weiß nicht, ob sich tatsächlich die Bevölkerung nach einer Diktatur sehnt oder ob die Diktatur sich nicht nach einer Bevölkerung sehnt, die sie beherrschen könnte? Ich hatte immer das Gefühl, daß jede ‚Regierung der starken Hand‘ all zu gern die innigliche Liebe und Zufriedenheit ihres Volkes voraussetzt – doch das Volk ist nicht immer einer Meinung mit der Regierung …

Nach Verlassen Deutschlands sehnt er sich nicht nach Deutschland zurück. Der Führer ist jedoch beunruhigt über sein geheimnisvolles Verschwinden (S. 246). Deutschland ist für Karmanov ein abgetaner Staat, für immer erledigt, ein Reich der Vergangenheit, längst verfallen und nicht mehr existierend (S. 155). Diese Replik ist so allgemein gehalten, daß sie lediglich auf sein persönliches Verhältnis zu Deutschland bezogen werden kann, daß sie aber ebensogut den Staat allgemein meinen kann. Karmanovs letzte Flucht vor Eulalie wird mit einer Flucht vor Furien und allen Höllenkräften verglichen (S. 247). Da Eulalie für ihn die nazistische Politik symbolisiert, kann man diese Textstelle ebenfalls zum einen als private Flucht vor einer unliebsamen Verehrerin oder zum anderen vor den bösen Mächten deutscher Politik deuten. Eulalie und Dr. Allerhand werden durch die Mitteilung beruhigt, daß Karmanov eine wichtige politische Sendung zu erfüllen habe, über die Hitler informiert sei. Dieser Zusatz schafft jede weitere Frage aus der Welt und läßt sie ruhig abwarten (S. 255), bis sie die gesamte Wahrheit erfahren und Dr. Allerhand Eulalie mit den Worten zu beruhigen versucht: „‚Vy … vy budete Hittlerovou starou pannou Orleánskou!‘“ [Sie … sie werden Hitlers alte Jungfrau von Orleans] (S. 283). Dieser Satz bildet den Schluß des gesamten Romans und hinterläßt im Hinblick auf die Darstellung der deutschen politischen Situation einen disparaten Eindruck, der allerdings der damaligen Sicht auf Deutschland aus dem Ausland recht gut entspricht. Man mußte zwar zur Kenntnis nehmen, daß Hitler der Führer einer Massenbewegung war, mußte ihn jedoch noch nicht vollkommen ernst nehmen, weil er sich nicht der Unterstützung des Reichskanzlers erfreute (die Abbildung Hindenburgs auf einer Briefmarke aus Deutschland wird in dem Roman explizit erwähnt; S. 237). Entsprechend wird in dem Text Hitler auf der einen Seite relativ

Belletristik

189

respektlos dargestellt – als ungebildet, wehleidig und als jemand, über den man Witze machen kann. Auf der anderen Seite gibt es in dem ganzen Werk nicht einen einzigen richtigen Kritiker seiner politischen Bestrebungen, es sei denn man rechnet Karmanovs nachdenkliche Überlegungen über die Diktatur als Staatsform, die aber wohl eher seiner Freiheitsliebe zuzuschreiben sind, und die absurd anmutenden Verhandlungen mit dem vermeintlichen Vertreter aller Kosaken in den Bereich grundlegender Kritik. Der Personenkult blüht, allen stockt der Atem, wenn Hitler sich nähert, ohne die parlamentarische Mehrheit zu haben, wird er als ‚Führer von Millionen‘ bezeichnet und über ihn geschrieben als hätte er bereits die Macht inne. Durch die Figuren Eulalie und Dr. Allerhand wird er indirekt immer wieder präsent gemacht.

Gattung Die Antwort auf die oben aufgeworfene Gattungsfrage nach der Lektüre lautet eindeutig: Abenteuerroman mit Kennzeichen des Pikaresken. Der letzten Endes gewählte Untertitel als „humoristischer Roman“ ist aufgrund der Unangemessenheit der Auswirkungen verschiedener Handlungen und der Gelassenheit, mit der der Held diese Auswirkungen – die er aufgrund seiner Begriffsstutzigkeit auch nicht vorausahnen kann – trägt, zutreffend. Allgemein für einen Abenteuerroman spricht die große Stoffülle, die Menge an Ereignissen, in die der Held nacheinander verstrickt ist, und an Schauplätzen. Die chronologische Kette der relativ selbständigen Begebenheiten wird allein durch den Helden zusammengehalten. Der Stil ist volkstümlich. Durch die Überzeichnungen und die große Rolle heteronomer Mächte erscheint er allerdings nicht realistisch, was ein häufiges, jedoch nicht notwendiges, Merkmal von Abenteuerromanen ist. Wiederum sehr typisch ist, daß der Held keine Entwicklung durchmacht. Die kleinen Veränderungen stehen in keinem Verhältnis zu den Lehren, die er aus seinen Erlebnissen ziehen könnte. Und wenn man Ivan Karmanov in Schottland erlebt, dann bewegt er sich dort so ungezwungen und frei, als hätte er nie die Ebenen des Don verlassen. Die Absicht des Autors ist also ganz offensichtlich, den Leser zu unterhalten und nicht, ihm Einblick in eine komplizierte Psyche zu geben. Deshalb wird nichts Genaues über die Herkunft des Helden mitgeteilt. Über seine Familie – von der er durch die kommunistische Macht in Rußland getrennt ist – ist genauso wenig bekannt wie über seine Militärzeit. Zudem erfolgte seine Zivilisierung nicht in europäisch-städtischem Umfeld, das er erst nach und nach kennenlernt und zum Teil verfremdet wahrnimmt. Gegen einen pikaresken Roman nach klassischer Definition würde sprechen, daß das Geschehen durch einen Er-Erzähler dargeboten wird, der im Gegensatz zu dem Helden mit den Absichten des Schicksals vertraut ist.689 Es ist also nicht 689

Jurij Striedter sieht noch die Ich-Form und die Darstellung der Abenteuer aus der Sicht eines Betrügers als entscheidendes Kriterium an (Striedter, Jurij: Der Schelmenroman in Russland.

190

Teil 2 – Werk

der Held, der uns nach dem Muster einer fiktiven Autobiographie reflektierend sein Leben erzählt, sondern ein an der Handlung nicht beteiligter Erzähler, der wider alle Gepflogenheiten der Moderne vollkommen zuverlässig ist und den Leser quasi an der Hand nimmt und durch alle Abenteuer des Helden geleitet. Der Held wird dabei mit Sympathie und viel Verständnis dargestellt. Deshalb generiert sich das Werk auch nicht als eine Lebensbilanz oder endet damit, daß sich der Erzähler aus der Welt zurückzieht, wie es für viele Pikaroromane typisch ist, sondern mit dem Ausblick auf ein ruhiges, seßhaftes Leben zu zweit. Eine Initiation, in der Matthias Bauer „eine obligatorische Handlungseinheit des Schelmenromans“ sieht,690 findet nicht statt. Sie ließe sich unter Umständen in dem vortextlichen Lebensbereich des Helden nachweisen, in dem er aufgrund der Revolution in Rußland die heimatlichen Weiten des Don verlassen mußte. Für einen pikaresken Roman spricht hingegen sehr deutlich, daß alle Ereignisse, die dargestellt werden, einzig und allein wegen ihrer Relevanz für den Helden erzählt werden. Selbst der Umsturz der tschechoslowakischen Regierung trägt vor allem für Ivan Karmanov Bedeutung, scheinbar nur am Rande sind davon Minister, Abgeordnete, Bürger, internationale Beziehungen betroffen. Obwohl Ereignisse der Weltgeschichte als Hintergrund für die Handlung dienen, geht es nicht um historische Situationen oder um den Menschen als Teil der Geschichte, sondern um das alltägliche Überleben, das sich vor der zeitgenössischen politischen Kulisse abspielt. Einzig interessant ist der jeweilige Augenblick, der in keine größeren Zusammenhänge eingeordnet wird, denn ihm folgt bereits der nächste Augenblick, den es zu bewältigen gilt. Deshalb lassen sich auch keine Aussagen über die Handlungszeit machen. Für welche Dauer sich der Held wo aufhält, wird nicht in Zeiteinheiten gemessen, sondern daran, ob sein Schicksal bereits einen neuen Handlungsort für ihn bestimmt hat oder noch nicht. Karmanov hat keine formelle Bildung genossen. Seine Lehrmeister sind die Menschen, denen er begegnet und da er ihre Lehren sofort in seine einfachen Begriffe und Vergleiche umsetzt, kann man seine Weltsicht nicht anders als schlicht bezeichnen. Er kann sich jedoch für sich fast alles mit seinen Begriffen und aus seinen Erfahrungen heraus erklären. Ebenfalls als Kennzeichen des pikaresken Romans können die vielen kommentierenden Einschübe gewertet werden, daß sich der einfältig-naive Held, der immer wieder zu Boden gedrückt wird, dem Weltenlauf ausgeliefert fühlt und vor allem, daß er sich mit recht zweifelhaften Beschäftigungen durchschlagen muß. Obwohl er sich nach ehrlicher, körperlicher Arbeit sehnt, wird ihm doch nicht ermöglicht, sie auszuführen, nicht einmal wenn es sich um die Tätigkeit russischer Emigranten per se handelt:

690

Ein Beitrag zur Geschichte des russischen Romans vor Gogoľ, Berlin 1961, S. 284f.), ebenso Claudio Guillén (Zur Frage der Begriffsbestimmung des Pikaresken, in: Heidenreich, Helmut [Hg.]: Pikarische Welt. Schriften zum europäischen Schelmenroman, Darmstadt 1969, S. 375-396, hier: S. 385 und vor allem S. 389). Bauer, Matthias: Der Schelmenroman, Stuttgart/Weimar 1994, S. 15f.

Belletristik

191

Nesměl se chopiti šoférského řemesla. Předpisy o ochraně domácího trhu práce znemožňovaly mu toto povolání. […] Ivan vysedával na lavičkách Tiergartenu, uvažoval o všech možnostech a konečně dospíval k názoru, že mu zbývá jen jediné východisko: musí se znovu pustiti do čarodějství, vykládání karet, případně i prorokování. (S. 136) Als Chauffeur durfte er [in Berlin] nicht arbeiten. Die Vorschriften über den Schutz des heimischen Arbeitsmarktes machten ihm diesen Beruf unmöglich [den er in Prag erlernt hatte]. Ivan saß auf den Bänken des Tiergartens herum, dachte über alle Möglichkeiten nach und kam letzten Endes zu dem Schluß, daß ihm nur ein einziger Ausweg bleibt: er muß sich wieder auf die Zauberei, das Kartenlegen, gegebenenfalls auch Wahrsagerei verlegen.

Seine Verantwortung dafür ist zwar insofern begrenzt als ihm als Emigranten, wenn er nicht verhungern will, eben kaum eine andere Möglichkeit bleibt und er den ‚Kunden‘, die die Vielschichtigkeit der gesamten Gesellschaft spiegeln,691 jeweils genau das bietet, was sie von ihm erwarten, Betrug ist es aber in den meisten Fällen dennoch, wenn er auch nicht in jedem Fall strafrechtlich relevant ist. Er erfüllt einfach die Ansprüche und Erwartungen der Menschen, ja, er ist sogar bemüht, sie möglichst gut zu erfüllen, und gibt sich dabei einerseits keinerlei Illusionen über die Gesellschaft hin – er profitiert z. B. von ihrer Unwissenheit über Rußland, andererseits plagt ihn auch keinerlei Schuldbewußtsein. Die entscheidende Frage ist, ob er in dem entsprechenden Moment seinen Lebensunterhalt sichern kann oder nicht, ohne Almosen annehmen zu müssen. In den Überlegungen zur Begriffsbestimmung des Pikaresken von Claudio Guillén findet sich folgende Formulierung: „Der Schelmenroman stellt den Verlauf eines Konfliktes zwischen dem Individuum und seiner Umwelt, zwischen innerem Wesen und äußerer Erfahrung dar.“692 Gerhart von Graevenitz und Odo Marquard deuten einen Zusammenhang zwischen pikareskem Roman und Kontingenz in neuzeitlichem Erzählen an, ohne diese Überlegung jedoch weiter auszuführen.693 Wenn Kontingenz ein konstituierendes Element für den pikaresken Roman darstellen sollte und sie genau an der Grenze zwischen Individuum und Umwelt wirksam wird, dann würde sich auch die Frage nach der moralischen Verantwortung des Helden neu stellen. Es würde dann eben nicht mehr zutreffen, daß er „strengsten sittlichen Grundsätzen folgend, […] unmoralisch aus der Erkenntnis heraus [handelt], daß alle Menschen bei dem Versuch, rechtschaffen und ehrlich zu sein, scheitern.“694 Ivan Karmanovs unmoralisches Handeln geschieht nicht aus Überzeugung und nicht aus einer desillusionierten Sicht auf die Menschheit, er will nicht der Gesellschaft einen Spiegel vorhalten. Die Spannung zwischen diesem konkreten Helden und der Gesellschaft basiert darauf, daß das Schicksal solange seine Schritte vorgibt, bis sich 691

692 693

694

Vgl. dazu Guillén: „Bei seiner Odyssee bewegt sich der Pikaro auf der horizontalen Linie durch den Raum und auf der vertikalen durch die Gesellschaft“ (Guillén 1969, S. 386). Guillén 1969, S. 382. „Neuzeitliches Erzählen hat eigene Gattungen des kontingenten Einzelfalls und seiner problematischen Rationalisierungen entwickelt, den pikaresken Roman und die Novelle.“ (von Graevenitz, Gerhart/Marquard, Odo: Vorwort, in: dies. (Hgg.): Kontingenz, München 1998, S. XI-XVI, hier: S. XV). Guillén 1969, S. 388.

192

Teil 2 – Werk

Mac-Naughten stellvertretend für ihn dagegen auflehnt. Solange Zufälle seinen Lebensrhythmus bestimmen, scheint sein Handeln außerhalb seiner selbst Rechtfertigung zu finden. Das kann man zwar als Trick des Autors sehen, um nicht in Verdacht zu geraten, unmoralische Handlungen gutzuheißen, es steht jedoch zweifelsohne die Frage dahinter, ob die Umwelt dem Helden überhaupt einen Freiraum läßt, anders zu handeln, als er handelt. Zu bestimmten Taten (z. B. als Lehrer für die Nazis) wird er gezwungen. Im Hinblick auf andere wird deutlich, daß die Gesellschaft keinen Platz für ihn vorgesehen hat, was sie durch die jeweils erfolgende Ausweisung eindeutig zu verstehen gibt. Moral wird als eine Konvention der jeweiligen in sich geschlossenen Gesellschaft dargestellt. Derjenige, den der Zufall an ihre Ufer spült, bewegt sich außerhalb dieser Gesetze. Sie nimmt seine Dienste solange dankbar an, wie er ihre Vorstellungen und Erwartungen bestätigt, empfindet aber ihrerseits nicht die geringste Verantwortung ihm gegenüber. Auf diese Weise erfährt die ambivalente Bedeutung des Wortes Gast (tschechisch ‚host‘) ihre Realisierung, das im Lateinischen (‚hostis‘) sowohl den Fremden als auch den (Staats- bzw. auswärtigen) Feind bezeichnet. Die Gesellschaft kann je nach Situation eine der Bedeutungen präferieren. Der Begriff des „halben Außenseiters“, den Bauer in Anlehnung an Guilleń verwendet,695 läßt sich auch auf Ivan Karmanov anwenden. Er ist ein mehrfacher Grenzgänger – sowohl in geographischer Hinsicht als auch hinsichtlich seiner Beschäftigungen und des Wechselspiels zwischen Mittelpunkt der Gemeinschaft und Ausgeschlossensein aus der Gesellschaft.

Religion Vor dem Hintergrund dieser Diskussion um Moral und kontingente Kräfte scheint es ebenfalls eine Bemerkung wert, daß in diesem Roman Religion fast gar keine Rolle spielt. Vilinskij trennt streng zwischen den beiden belletristischen Formen, die er, wie oben ausgeführt wurde, für akzeptabel hält. Je besser man sein sonstiges Werk kennt, in dem alle gesellschaftlichen Fragestellungen vor religiösem Hintergrund abgehandelt werden, fällt diese Absenz um so mehr auf. Er erholt sich wohl beim Schreiben tatsächlich von ernsthaften Themen.696 Das allgegenwärtige Schicksal wird nicht ein einziges Mal mit religiöser Vorsehung verwechselt, was geschieht, ist nicht Gottes, sondern des Schicksals Wille. Der gesamte abergläubische Zauber, den Ivan Karmanov vollführt, ist natürlich nicht vereinbar mit dem christlichen Glauben. Er selbst wird an einer Stelle jedoch als fromm bezeichnet und es wird erklärt, daß er ungern seine religiösen Verpflichtungen vernachlässige (S. 188). In Paris besucht er regelmäßig die russische Kirche. Daß Mařenka allenfalls katholisch ist, stellt allerdings kein Problem für ihn dar. 695 696

Bauer 1994, S. 10f. Vgl. M.: V. Vilinskij, Mařenka chce jinou vládu, in: Archa, Jg. 21, Nr. 11, 1933, S. 79f., hier: S. 79.

Belletristik

193

Die beiden russischen Mönche, Pamfil und Amfilochij, bei denen er in Prag zur Untermiete wohnt, befinden sich außerhalb der Aufsicht der kirchlichen Obrigkeit und repräsentieren somit nicht die offizielle Kirche. Der eine wird durch seine Naschhaftigkeit, der andere durch ein violettes Käppchen charakterisiert (S. 63f.). „Otcové ho bavili“ [Die Väter amüsierten ihn] (S. 65). Er gibt ihnen von seinem Essen ab, sitzt Modell für Heilige und Teufel und sorgt für immer neue Spuren von Gespenstern und Teufeln in ihrer Wohnung, durch deren Aufmerksamkeit sich die beiden erhoben fühlen. Sie glauben gerne an diese Spuren und sprechen überall über „Metapsychologie“ (S. 68). Als Ivan inhaftiert wird, beten sie für ihn zu allen russischen Heiligen (S. 97), als er zurückkehren kann, singen sie ein Dankgebet für Břicho (S. 276). Darin erschöpfen sich ihre rituellen Handlungen. Das heißt, es besteht kein Verdacht, daß man durch sie tatsächlich etwas über den orthodoxen Glauben erfahren könnte. Vilinskij hält es ganz offensichtlich nicht grundsätzlich für unangemessen, in einem humoristischen Roman religiöse Themen aufzunehmen. Sie zu diskutieren, ist allerdings kein Raum. Da der Roman sich an ein tschechisches Publikum richtet, muß er nicht befürchten, jemandes Gefühle zu verletzen, wenn er russische Mönche als komische Figuren darstellt.697 Die Rücksichtsnahme allein auf katholisches Empfinden ist außerdem ein Indiz dafür, daß er sich zugunsten des Unionismus oder Philokatholizismus selbst von der orthodoxen Kirche entfernt hat.

Mařenka chce jinou vládu und die zeitgenössische Kritik Mařenka chce jinou vládu ist die erste größere rein belletristische Arbeit Vilinskijs. Román překvapí asi mnohé, kteří znají dosavadní velmi bohatou literární činnost unionistického pracovníka a čilého publicisty.698 Der Roman überrascht wahrscheinlich viele, die das bisherige sehr reiche literarische Schaffen des auf dem Gebiet des Unionismus tätigen und regen Publizisten kennen.

Die Überraschung besteht nicht nur in dem Text an sich, sondern auch in der einhellig positiven Aufnahme durch die Kritik. Es werden gewissermaßen Vilinskijs Forderungen an die Literatur, die er im Namen der anonymen Lesermasse ausspricht, bestätigt, die er mit diesem Werk selbst umsetzt. Er hat sich für die – im Gegensatz zu historisch-religiösen Werken – leichte Form des Abenteuerromans entschieden. Der Roman bietet Unterhaltung, ist witzig, liest sich leicht,699 verliert sich nicht 697

698 699

Einzig ein slowakisch-katholischer Rezensent merkt kritisch an, daß der Korrektor den letzten Satz hätte streichen sollen, zumal der Autor auch an anderer Stelle über Heilige scherze (Dr. Z. 1933, S. 398). M. 1933, S. 79. „[…] čte se podivuhodně plynně, takže hledáte překladatele, marně však, neb nikde není uveden. Když se dotážete v nakladatelství, kdo překládal knihu ruského emigranta-spisovatele Vilinského, dozvíte se, že autor ovládá dokonale český spisovný jazyk a píše své práce v českém jazyku. To činí knihu tu dvojnásob milou a již za to by zasluhovala, aby byla co nejvíce rozšířena

194

Teil 2 – Werk

in psychologischer Motivation, die Ereignisse folgen vielmehr wie Filmsequenzen schnell aufeinander und am Ende tritt das angemahnte ‚happy end‘ ein. Man kann die Wahl der Gattung als Fremdreferenz auf die Werke der von ihm kritisierten Avantgarde sehen. Es ist Unterhaltungsliteratur im besten Sinne des Wortes. Und es scheint, daß der Untertitel dazu beiträgt, daß Vilinskijs Humor in diesem Falle verstanden wird, bzw. daß sich niemand wie durch Rus se dívá na Č.S.R. angegriffen fühlen muß – gerade die Darstellung politischer Versammlungen, die als Grobheit gegenüber dem (tschechoslowakischen) Parlamentarismus gedeutet werden könnten, halten verschiedene Rezensenten für besonders gelungen.700 Durch die Übertreibung in der Darstellung wird der fiktionale Charakter noch unterstrichen. Nach Meinung eines Rezensenten hatten die Tschechen bisher keinen ähnlichen originellen Abenteuerroman, dem dieser Rezensent die Gattungsbezeichnung „psina“ [Ulk] zugedenkt.701 Ein weiterer schreibt über den „‚dobrý voják‘ Karmanov“702 [‚guten Soldaten‘ Karmanov, bzw. ‚braven Soldaten‘, um im Einklang mit der bekanntesten deutschen Übersetzung von Jaroslav Hašeks Dobrý voják Švejk zu bleiben] und weitere nennen das Buch „nová Broučkiada“703 [neue Broučkiade] oder fühlen sich zumindest an Svatopluk Čechs humoristische Erzählungen Výlety pana Broučka [Ausflüge des Herrn Brouček] erinnert. Diese beiden Vergleiche sind insofern interessant, als sie – während Lauseger noch nach dem Übersetzer aus dem Russischen sucht – Vilinskij vorbehaltlos unter tschechische Literaten aufnehmen, womit seine eigene Beobachtung, daß russische Autoren zu wenig von der tschechischen Kritik beachtet werden, nicht bestätigt wird: Ruští spisovatelé zamilovali si tuto zem jako vlastní, přilnuli k ni a namnoze čerpají inspirace z tuzemských motivů. Česká kultura jim není cizi. Dalo by se snad říci, že spiše český literární svět projevuje poměrně malou a naprosto nedostatečnou všimavost vůči svým ruským spolubratrům […].704 Russische Schriftsteller verliebten sich in dieses Land als ihrem eigenen, haben an es ihr Herz gehängt und schöpfen vielfach Inspiration aus einheimischen Motiven. Die tschechische Kultur ist ihnen nicht fremd. Es ließe sich jedoch sagen, daß eher die tschechische literarische Welt eine verhältnismäßig geringe und einfach unzureichende Achtsamkeit gegenüber ihren russischen Mitbrüdern zeigt.

700

701 702 703 704

a čtena.“ [Es liest sich bewundernswert flüssig, also suchen sie den Übersetzer, allerdings vergeblich, denn er ist nirgends angegeben. Wenn sie beim Verlag nachfragen, wer das Buch des russischen Emigranten und Schriftstellers Vilinskij übersetzt hat, erfahren sie, daß der Autor perfekt die tschechische Schriftsprache beherrscht und seine Arbeiten auf Tschechisch schreibt. Das macht dieses Buch doppelt lieb und schon dafür würde es verdienen, daß es möglichst weit verbreitet und gelesen wird] (E-l. [Lauseger, Emanuel]: V. Vilinskij: Mařenka chce jinou vládu, in: Jedinstvo, Nr. 8 [92], 15.04.1933, S. 4). O. A. V. Vilinskij: Mařenka chce jinou vládu, in: Museum, Jg. 64, Nr. 4, 1933, Klappe und Dr. Z. 1933, S. 398. O. A. Vilinskij, Valerij S., Mařenka chce jinou vládu, in: Hlídka, Jg. 50, Nr. 2, 1933, S. 57. M. 1933, S. 80. O. A., in: Museum 1933 und -ka in: Orelská osvěta, Nr. 2-3, 1933, S. 67. Ruští spisovatelé v RČS 1932.

Belletristik

195

Vilinskij selbst verweist durch die Wahl der Gattung und die in ihr wirksamen kontingenten Kräfte auf das Schicksal vieler Migranten, wodurch der Ulk eine bittere Note bekommt. Ihre Heimat mußten sie verlassen, die Möglichkeit, ein anderes Land zur zweiten Heimat zu wählen, wird ihnen häufig verwehrt. Wenn sie sich auch nur im geringsten in die inneren Vorgänge ihres Gastlandes einmischen, müssen sie mit ihrer Ausweisung rechnen. Um zu überleben, müssen sie jede Arbeit annehmen. Sie stoßen auf die absurdesten Stereotypen, von denen niemand gewillt ist abzugehen und sich unvoreingenommen auf den Fremden einzulassen. Er nimmt damit Themen auf, die zeigen, wie wenig Migranten einerseits in ihrer Individualität ernst genommen werden und wie sehr sie andererseits Zufällen ausgeliefert sind, die nichts mit ihrem eigenen Willen gemein haben. Aus eigener Erfahrung wirbt Vilinskij also in gewisser Weise mit diesem Text für ein größeres Verständnis und eine größere Offenheit gegenüber fremden Schicksalen.

Praha [Prag] (1933) Den Roman Praha, an dem er drei Monate gearbeitet hat,705 beendete Vilinskij im Sommer 1933. Er blieb jedoch im Manuskript, denn Dr. Novotný, ein potentieller Herausgeber des Buches, „nemůže a nemůže přečísti rukopis, a ne a ne vyjednati honorář“706 [kann und kann das Manuskript nicht lesen und kein und kein Honorar vereinbaren], wie Vilinskij ungehalten unter einem Briefentwurf notiert. Ursprünglich war beabsichtigt, dieses Buch in der Reihe Vilímková knihovna [Vilímeks Bibliothek] des Verlages Jos. R. Vilímek zu veröffentlichen,707 die jedoch genau zu dieser Zeit eingestellt wurde, so daß er sein Manuskript zurückgeschickt bekam.708 Die noch mit zahlreichen sprachlichen Korrekturen versehene handschriftliche Vorlage für die Abschrift befindet sich in einem eigenständigen Fonds Vilinskijs im Literaturarchiv in Prag. Es handelt sich um 98 Blätter, von denen 11 705

706

707 708

Diese drei Monate erscheinen ihm selbst sehr viel, denn er führt diese Dauer als Beweis dafür an, wie sehr ihm das Werk am Herzen liege (Briefentwurf Vilinskijs an Novotný vom 7. Oktober 1933 [LA PNP, fond Vilinskij]). Notiz Vilinskijs unter dem Briefentwurf an Novotný vom 7. Oktober 1933 (LA PNP, fond Vilinskij). Bei der Häufigkeit des Namens Novotný im Tschechischen, bleibt unklar, wer der Adressat des Briefes ist. Unter Umständen handelt es sich um Miloslav Novotný, den Chefredakteur des Verlages „Kvasnička a Hampl“ (vgl. Čcheidze, Konstantin: Události, setkání, úvahy. Kapitola VIII. Praha – Paříž – Praha [Úryvky], in: Bystrov, Vladimír/Vacek, Jiří [Hgg.]: Zírající do slunce. Literárněvědný sborník o životě a díle gruzínského knížete Konstantina Čcheidzeho, spisovatele v Čechách, Praha 2002, S. 258-303, hier: S. 262). Briefentwurf Vilinskijs an Novotný vom 7. Oktober 1933 (LA PNP, fond Vilinskij). Karte Vilinskijs an Jemelka vom 16. Dezember 1933 (ZAO, fond ACM, karton Nr. 4 – Briefe). Im Jahre 1933 wird der Verlag in eine Kommanditgesellschaft ungewandelt, womit eine grundlegende Veränderung des Verlagsprogramms zugunsten von anspruchsvollem Schaffen einhergeht (Zach, Aleš: Stopami pražských nakladatelských domů. Procházka mizející pamětí českých kulturních dějin, Praha 1996, S. 30f.).

196

Teil 2 – Werk

beidseitig beschrieben sind. Das Manuskript nimmt also insgesamt 109 – eng beschriebene – Seiten ein.709 Es wurde lediglich das neunte Kapitel aus dem Roman unter der Überschrift Hladový průvod [Hungerzug] in dem Sammelband der Družina literární a umělecká, der zu Ehren des 50. Geburtstages von P. Emanuel Masák erschien, publiziert.710 In seinem zweiten Roman nimmt Vilinskij das Thema des Fremden noch einmal auf. Während das Fremdsein in Mařenka chce jinou vládu sich auf immer neue Situationen und Länder bezieht, durch die die Hauptfigur getrieben wird, geht es in Praha darum, wie eine Stadt einen Fremden aufnimmt, ob sie es zuläßt, daß er sich heimisch fühlt und was andererseits seine Kriterien sind, um sich dazugehörig zu fühlen. Da die Hauptfigur, Ondřej Horn, der Prager Berichterstatter einer der führenden englischen Zeitungen ist, wird der Leser in den zwölf Kapiteln außerdem in erheblichem Maße mit der realen zeitgenössischen tschechoslowakischen Politik konfrontiert, das heißt vor allem mit den Autonomiebestrebungen der Slowakei, den mit ihnen verbundenen Hoffnungen und Problemen und allgemein mit der schlechten wirtschaftlichen Lage zu Beginn der 1930er Jahre. In diesem Zusammenhang kommt dem Gegensatz zwischen Prag und dem Rest des Landes, d. h. dem Dorf allgemein und der Slowakei im speziellen eine besondere Rolle zu, wobei Korruptionsaffären, Protektionismus und politische Machenschaften zur Sprache kommen. Über der gesamten Handlung schwebt eine sich anbahnende Revolte gegen Prag, deren potentielle Urheber sich jedoch nicht eindeutig bestimmen lassen, weil Unzufriedenheit aus den verschiedenen Lagern zu vernehmen ist. Eine Liebesgeschichte entwickelt sich parallel zu dem sich verändernden Verhältnis Horns zu Prag. Durch die Personifizierung Prags sind diese beiden Beziehungen nicht immer klar voneinander zu trennen.

Personen In dem Roman treten – neben Horn, der als englischer Slave oder slavischer Engländer bezeichnet wird (S. 2711), weil er in Rußland geboren und aufgewachsen ist, das er jedoch gegen England, das Land seiner väterlichen Vorfahren und seiner Sehnsucht, eingetauscht hat – mehrere Journalisten auf: der Chefredakteur einer Prager Zeitung und ein weiterer nicht namentlich genannter Journalist; sowie Pater Alfred Kreis, ein Kapuziner, der als Berichterstatter einer katholischen holländischen Zeitung in Prag tätig ist. 709

710

711

Das verschickte Typoskript umfaßt 175 Schreibmaschinenseiten (Briefentwurf Vilinskijs an Novotný vom 7. Oktober 1933 [LA PNP, fond Vilinskij]). Hladový průvod. „Z nového románu Praha“, in: Sborník družiny literární a umělecké k padesátým narozeninám P. Emanuela Masáka, Olomouc 1933, S. 156-166. Die Seitenangaben im Haupttext beziehen sich hier und im gesamten weiteren Kapitel auf die von mir durchgängig numerierten Manuskriptseiten von Praha.

Belletristik

197

Eine weitere zahlreich vertretene Berufsgruppe bilden die Staatsbeamten und Politiker: Arnošt Matthias, ein verheirateter, müder Obersektionsrat, der regelmäßig eine der Kleinseitner Kirchen besucht; sein Kollege und Freund, der Ministerrat Neubauer; der slowakische Abgeordnete Nižinský, der in Trenčín Pfarrer ist; der Abgeordnete Jan Balický, der wegen seiner Vorfahren als Fremder wahrgenommen wird, auch wenn er Tscheche ist; der korrupte Senator Bartůnek; ein namentlich nicht genannter deutscher Oppositionspolitiker; der junge Jurastudent und künftige Politiker, Karoľko Detván, der Horn durch die Slowakei führt. Eine ebenfalls sehr wichtige Rolle spielen der Fabrikant und Spekulant Jan Bartoš, seine persönliche Sekretärin Milada Hladká und seine Tochter, Fräulein Anka Bartošová, weniger wichtig sind deren Verwandten Lidka Nečasová und Jiří Nečas. Weiterhin von Bedeutung für die Handlung sind Dr. Jan Kříž (er wird zunächst unter dem Namen Král eingeführt; S. 30), ein junger tschechischer Intellektueller, der sehr durch Katholizismus und Barock beeinflußt ist und Matěj Bartoš (bei seiner ersten Erwähnung noch mit dem Vornamen Marek; S. 34), auch genannt Marek IV., ein Gauner aus Holešovice. Bereits durch die Wahl identischer Nachnamen für den kleinen Verbrecher Matěj und den großen Unternehmer Jan Bartoš wird angedeutet, daß die Geschäftspraktiken Jan Bartošs sich nicht als sehr sauber erweisen werden. In Nebenrollen figurieren eine Kanzleidienerin, ein Staatswissenschaftler aus Dijon, ein Sekretär, ein untergeordneter und mehrere führende Beamte der Tabakregie, ein Agent von Jan Bartoš in Wien, der slowakische Institutsleiter Szémán, der Dichter und Provinzanwalt Imrich Moranýi und ein alter slowakischer Bauer.

Handlungszeit und -ort Die Handlungszeit deckt sich grob mit der realen Entstehungszeit des Textes. Das Geschehen setzt im Mai 1933 ein, erstreckt sich über den Sommer und endet mit dem beginnenden, noch sonnigen Herbst. Die Handlung wird chronologisch von einem vorwiegend personalen Er-Erzähler wiedergegeben, der sich wechselnder Reflektorfiguren bedient. Am häufigsten wird aus der Sicht Horns berichtet. In allen Momenten, in denen er auftritt, wird auch seine Perspektive eingenommen. Einigen vereinzelt auftretenden auktorialen Stellen muß keine größere Bedeutung beigemessen werden. Sie wirken nicht motiviert, sondern scheinen vielmehr davon zu zeugen, daß der Text nicht lektoriert ist, wie man unter anderem an dem oben erwähnten Wechsel der Namen zweier Personen sehen kann. Zeitliche Rückblicke sind in den Personentext oder erlebte Rede eingebettet. Weil das Geschehen im Gegensatz zu Mařenka chce jinou vládu mehrere Stränge aufweist, müssen einige sich zeitgleich ereignende Geschehensmomente nacheinander erzählt werden.

198

Teil 2 – Werk

Während dem Leser zu Beginn der Eindruck großer zeitlicher Genauigkeit vermittelt wird, weil der Verlauf des ersten Tages – beginnend mit dem Morgengebet von Matthias und endend mit dem abendlichen Gespräch mit seiner Frau im Schlafzimmer – wiedergegeben wird, verliert sich für den Leser die exakte zeitliche Orientierung nach diesem ersten Tag. Er wird nur noch manchmal über die Tageszeiten, die zeitlichen Abstände zwischen den Geschehensmomenten und die Dauer einzelner Handlungssequenzen informiert. Aus der Schilderung des ersten Tages, dessen Protagonisten Matthias und Horn sind, werden zwei verschiedene Lebensweisen deutlich, die die Grundopposition des gesamten Textes vorwegnehmen. Der Beamte bewegt sich zwischen seiner Wohnung, der Kirche und seinem Büro auf dem Dritten Burghof. Seinen Tagesablauf in der Kanzlei plant er genau, so daß er gegen elf Uhr eigentlich mit der Arbeit fertig ist (S. 3). Er setzt sich keinen Zufällen aus und überarbeitet sich nicht. Horn bewegt sich an diesem ersten Tag zwischen Prag und Trenčín. Am späteren Vormittag sucht er Matthias in seinem Büro auf, gegen ein Uhr fährt er mit dem Zug in die Slowakei (S. 4), führt dort ein Interview mit Nižinský und befindet sich nachts wieder im Zug gen Prag (S. 8). Er ist nicht nur konzentriert auf Prag und dessen Krönung – die Burg –, sondern verbindet an einem Tag geographisch die beiden namengebenden Teile der Tschechoslowakei und politisch das Gespräch mit einem Beamten der amtierenden Regierung und einem Oppositionspolitiker. Das Zentrum der gesamten Handlung bildet Prag, das auch der Ausgangspunkt dreier Reisen Horns in die Slowakei und einer nach Südböhmen ist, anläßlich derer sich der Schauplatz jeweils für kurze Zeit verlagert. Es ist kein Zufall, daß die Handlung mit einer Reise in die Slowakei einsetzt, als deren Ergebnis ein Artikel Horns erscheint, der ihm von den Prager Beamten den Vorwurf einbringt, sich zu sehr in die inneren Angelegenheiten des Landes einzumischen, statt sich einfach auf die Agenturmeldungen über die Slowakei zu verlassen (S. 15). Das Ende des gesamten Romans bildet eine abermalige Slowakeireise Horns, über die er einen Artikel verfaßt, der seitens der Beamten als unfreundlich, tendenziös und falsch bewertet wird. Er dient Neubauer schließlich zum Anlaß, ihm nahezulegen, das Land zu verlassen (S. 105). Dieser Aufforderung leistet Horn Folge, so daß die letzten zwei Seiten seinen ersten Tagen in Wien gewidmet sind. Die Romanhandlung ist also eingebettet in die sich zuspitzende Kritik, die Regierungsbeamte an den Berichten Horns aus der Slowakei üben. Der letzte Artikel kann zwar als logische Fortsetzung des ersten verstanden werden, dennoch ist der Weg Horns von dem einen zu dem anderen Artikel von inneren Ungewißheiten und Veränderungen geprägt. Zwischenzeitlich vergißt er sogar, sich weiter in die Nationalitätenfrage einzumischen und schreibt so regierungskonform und ohne der Opposition irgendwelche Aufmerksamkeit zu schenken, als wäre er für die offizielle Amtszeitung tätig (S. 21 und 57). Die Aufenthalte außerhalb Prags helfen ihm dabei, sich über sein Verhältnis zu Prag bewußt zu werden bzw. sich mit diesem Verhältnis auseinanderzusetzen.

199

Belletristik

Für ihn sind die leichte Distanz, der äußere und innere Abstand wichtig, um seine Gedanken zu ordnen. Deshalb wird er sich auch erst in Südböhmen seiner Liebe zu Anka bewußt (S. 38), obwohl er sich schon über eine geraume Zeit täglich mit ihr trifft, ohne jedoch auch nur auf den Gedanken zu kommen, daß er sie lieben könnte (S. 24 und 27).

Personencharakterisierung Neben Horn ist Nižinský die einzige Person, die sich ebenfalls nicht ausschließlich in Prag oder ausschließlich in der Slowakei aufhält, sondern hin- und herfährt, was sich in seinem im Vergleich zu anderen Personen differenzierteren Blick auf Prag niederschlägt. Und Balický trifft Horn immerhin im Zug auf der Rückfahrt aus Südböhmen (S. 40f.). Auch er ist eine Person des eigenen und häufig angegriffenen Urteils. Die Dynamik oder Statik der einzelnen Personen kann man jedoch nicht nur hinsichtlich ihrer Bewegung im Land, sondern auch ihrer Bewegung in der Stadt Prag selbst beobachten. Horn ist meistens an der frischen Luft anzutreffen, denn er durchwandert die Stadt. Und es ist bezeichnenderweise Nižinský, mit dem er zwischen Karlův most [Karlsbrücke] und Národní divadlo [Nationaltheater] hin- und herspaziert (S. 52f.). Auf seinem letzten Weg zum Bahnhof begleitet ihn Kreis. Ansonsten leistet ihm auf seinen Spaziergängen sehr häufig Anka Gesellschaft. Im Gegensatz zu diesen sich in körperlicher und geistiger Bewegung befindenden Protagonisten stehen die Beamten (Matthias, Neubauer), tschechischen Politiker (Bartůnek), tschechischen Katholiken (Kříž), Geschäftsleute (J. Bartoš) und deren Angestellte (Hladká), deren Aktionsfeld jede Form von geschlossenem Raum darstellt. Mag es sich nun um Kirchen, Arbeitszimmer, Empfangssalons, Bars, Kinos oder andere Räumlichkeiten handeln. Als weiteres Mittel der Personencharakterisierung dient, daß die verschiedenen Typen in oppositionellen Paaren auftreten, das heißt, man kann zu jeder Person einen Gegenspieler mit annähernd dem entgegengesetzten Verhalten oder den entgegengesetzten Ansichten finden: Journalisten Kriterium: eigene innere Beteiligung an den Angelegenheiten Horn > mischt sich ein, innere Beteiligung Kreis > mischt sich nicht ein, reiner Beobachter

Politiker Kriterium: Korruption Balický > bekämpft Korruption Bartůnek > ist korrupt

Beamte Kriterium: Ergreifen von Initiativen Matthias > passiv Neubauer > aktiv

200

Teil 2 – Werk

Arme Kriterium: Kampf um Brot M. Bartoš > durch Revolte slowakischer Bauer > durch Arbeit

Slowaken Kriterium: Verhältnis zu Prag Nižinský > Prag umgestalten Detván > Prag zerstören und etwas Neues errichten Moranýi > Prag zerstören

Prager Kriterium: Müdigkeit Geschäftsleute > keine Müdigkeit, Elan Beamte, Politiker > müde, Routine

Geschäftsleute Kriterium: Ehrlichkeit John Horn > ehrlich Jan Bartoš > Betrüger

Fremde Kriterium: Verhältnis zu ČSR Balický > nicht anerkannt, aber dient ihr Horn > nicht anerkannt und lassen ihn nicht dienen

Frauen Kriterium: Liebe Anka > stille Liebe & Vergebung Hladká > erfolglose Verführung & Rache

Katholiken Kriterium: Glaube junge Katholiken Detván > lebendiger Glaube, vital, barbarisch, „nemá mnoho slov“ [er hat nicht viele Worte] (S. 93) Kříž > papierner Glaube, müde, kultiviert, „věty se […] linuly proudem uhlazených slov“ [die Sätze ergossen sich in einem Strom eleganter Worte] (S. 30) ältere Katholiken Matthias > vordergründiger Glaube (Skapulier) Nižinský > Priester, äußert sich aber kaum zu religiösen Fragen

Liebende Kriterium: Opferbereitschaft Anka > zu Opfern bereit Horn > zunächst zu keinem Opfer bereit

Des weiteren werden zur Personencharakterisierung relativ häufig Vergleiche mit Tieren gebraucht, wobei in einigen Fällen auch auf den Vergleichspartikel verzichtet wird. Nižinský wird aufgrund des schwarzen Priesterrocks und seiner wehenden Schöße metaphorisch als „havran“ [Rabe] (S. 41, 57 und 84) oder als „černý pták“

Belletristik

201

[schwarzer Vogel] (S. 50) bezeichnet. Der Bezug geht über die rein äußere Ähnlichkeit hinaus, denn es wird durch ihn einerseits auf seine oben bereits erwähnte Beweglichkeit hingewiesen, andererseits galt der Rabe den alten Völkern als unheimlich. Er wurde wie die Krähe als Unheilsverkünder wahrgenommen (s. o.), weil man meinte, er stehe mit den Göttern in Verbindung und wisse durch sie um das Schicksal der Menschen. Die Kirchenväter sahen in ihm ein Symbol der Sünder, weil er sich bei den Eitelkeiten der Welt niedergelassen habe, statt in die Arche (d. i. die Kirche) zurückzukehren (vgl. Gen 8,7). Durch den Vergleich Nižinskýs mit einem Raben wird eine leichte Distanz zu dem Wirken eines Geistlichen als Politiker hergestellt. Außerdem wird darauf hingewiesen, daß die von ihm verkündeten Wahrheiten zwar unerfreulich, aber wahr seien. Matthias wird an zwei Stellen mit einem nicht spezifizierten Haustier – „domácí zvíře“ bzw. „domácí zvířátko“ (S. 59 und 97) – verglichen. Er ist bequem, bewegt sich nicht überflüssig, muß sich keine Sorgen um sein Überleben machen und möchte nicht nur mit allen in Frieden leben, sondern auch hin und wieder (seelisch) gestreichelt werden. Er ist beglückt, wenn er auf jemanden trifft, der interessiert seinen Ausführungen über religiöse Themen lauscht. Matthias entspricht dem Prototypen des Politikers, wie er bereits in Mařenka chce jinou vládu mit der Person Břichos gezeichnet worden ist. Detván wird seinem Alter entsprechend mit jungen Tieren verglichen: „štěně“, „kotě“ und „kosí ml[á]dě“ [Welpe; Kätzchen; Amseljunges] (S. 92, 94 und 99). Sie sind motorisch unsicher, bewegen sich jedoch sehr viel. Sie sind noch frei aller Schuld und voller Erwartungen an die Welt. Das Alter Detváns wird von Horn auf 23 Jahre geschätzt. Weil er ihn für „strašně mlád“ [furchtbar jung] (S. 93) hält, kann man annehmen, daß alle anderen Personen, deren Alter nicht mitgeteilt wird, älter sind. Sie werden lediglich als jung oder alt bezeichnet. Bei weiteren Personen treten die Vergleiche mit Tieren nicht wiederholt auf. Eine Zuspitzung der Tiermetaphorik wird am Ende des Romans erzielt, als es zu einer Umkehrung der Assoziationen kommt. Das Tier, ein „růžový plameňák“ [rosafarbener Flamingo] (S. 108), den Horn im Wiener Zoo sieht, erinnert ihn an Anka. Ansonsten wird über das Äußere der Personen nicht viel mitgeteilt. Allein Hladká wird vor allem durch ihre Kleidung vorgestellt (S. 55f. und 67), worin dem Klischee gefolgt wird, daß es für eine Sekretärin außer den Kleidern und ihren Versuchen, einen reichen Geliebten zu erobern, keine weiteren Charakterisierungsmöglichkeiten gibt. Das Aussehen von Horn und Anka wird aus zweifacher Sicht geschildert. Beide rufen sich zeitgleich an verschiedenen Orten ihr eigenes Bild und das des anderen ins Gedächtnis (S. 38f.). Selbstverständlich unterscheiden sich die jeweiligen Bilder. Die eigenen Mängel werden wahrgenommen, hinter denen der andere jedoch längst eine tiefere Schönheit entdeckt hat.

202

Teil 2 – Werk

Auf der Suche nach einer Heimat Auch wenn Horn in Rußland geboren worden ist, fühlte er sich nicht als Russe. Die Kuppeln der Moskauer Kirchen erschienen ihm wie ein letzter Gruß des fernen Asien, die Gesichter der Russen mit den leichten Schlitzaugen und den hervortretenden Wangenknochen atmeten für ihn wilde Exotik (S. 26). Alles war ihm dort fremd, so daß er eher neben den Russen denn mit ihnen lebte und sich wie in einem Hotel fühlte. Dazu muß angemerkt werden, daß er später, als Nižinský das Leben der Slowaken in der Tschechoslowakei mit dem Leben in einem Hotel vergleicht, sagt, er liebe Hotels (S. 51). Hotels sind der klassische Aufenthaltsort von Fremden und zeichnen sich durch Unverbindlichkeit aus. Sein Zimmer richtet der Gast zwar nicht selbst ein, aber er trägt im Gegensatz zum Hausherrn auch keine Verantwortung für das Haus. Er kann es jederzeit wieder verlassen. Horns Traum von England erwies sich als Trug. Das Bild, das er sich im fernen Rußland gemacht hatte, war wesentlich schöner, als sich ihm das Land schließlich selbst darstellte. Er mußte plötzlich begreifen, daß das Haus der Väter schon nicht mehr das eigene Haus ist und es auch niemals werden wird (S. 26). Der sonstige Westen gefiel ihm ebenfalls nicht, so daß er sich plötzlich gern an Schlitzaugen, hervortretende Wangenknochen und die Dächer der byzantinischen Kirchen erinnerte. Sein Leben in Rußland und England gehört der Vergangenheit an, die Handlung des Romans setzt ein, als er sich bereits das sechste Jahr in Prag aufhält (S. 5). Auf die Frage Ankas, welcher Landsmann er sei, antwortet er zunächst ausweichend, als sie dennoch auf einer konkreten Antwort beharrt, sagt er unverhofft: „Snad jsem Čech, anebo prostě člověk bez domova“ [Vielleicht bin ich Tscheche, oder einfach ein Mensch ohne Heimat] (S. 26). Prag erscheint ihm als Kreuzung, als Scheide zweier verschiedener Welten, die durch das russische Kirchlein auf dem Petřin und den Veitsdom repräsentiert werden. Östlich-asiatisches habe sich mit Westlichem vermischt. Er nimmt diese Kreuzung als Kreuzung seines Schicksals wahr, das ihm hier nach langem Herumirren durch Ost und West Einhalt geboten hat (S. 34), denn er empfindet die Tschechoslowakei als Abbild seiner eigenen Zwischenposition zwischen Rußland und England. Allerdings interpretiert er letztendlich diese Kreuzungsposition Prags anders: eine Kreuzung ist ein Ort, den man durchfährt, wo man nur einen Augenblick Station macht (S. 106). Sie ist also gerade kein Ort, an dem man sich länger aufhalten kann. Von anderen Personen wird Horn eindeutig als „cizinec“ [Fremder/Ausländer] wahrgenommen. Als solchen stellt ihn Anka vor (S. 31), der selbst sein Name – Ondřej(!) – fremdländisch erscheint (S. 47) und als Ausländer, der sich mit den örtlichen Geschäftsgepflogenheiten nicht auskenne, verweist ihn Jan Bartoš in die Schranken (S. 87). Matthias will dem fremden Journalisten gegenüber den angekündigten Hungerzug verschweigen (S. 60) und ebenso gibt sich die in verschiedene Lager gespaltene Slowakei dem Ausländer gegenüber einheitlich, weil ihn die Interna nichts angehen (S. 93).

Belletristik

203

Wenn er sich in einigen Momenten auch selbst als Tscheche oder Prager fühlt, wird er doch immer wieder eines besseren belehrt. Enttäuscht wiederholt er: „Cizinec! A on myslil, že mu Praha patří!” [Ausländer! Und er dachte, daß ihm Prag gehöre!] (S. 31). Er ist sich durchaus bewußt, daß immer ein Schatten von Fremdheit, von Unverständnis, von Mißtrauen bleiben werde, aber Prag ist für ihn der erste Ort, an dem er sich angekommen fühlt und nicht mehr nach Unterschieden, sondern nach Gemeinsamkeiten sucht. Prag nimmt ihn jedoch nicht so an, wie er Prag annimmt (S. 34). Die Fremd- und Eigenwahrnehmung kommen erst am Schluß in Einklang, als er sich eingestehen muß, daß er für die Stadt immer ein Fremder geblieben sei (S. 91). Der Versuch, mit diesem fremden Volk zu verschmelzen, verkürzt seinen Aufenthalt, denn es wird ihm nicht gestattet, die Beobachterposition des unbeteiligten Berichterstatters zu verlassen (S. 107). Horns Journalistenkollege Kreis erklärt ihm seinen Fehler. Von ihm wurden nur Artikel erwartet und er hat sein Herz angeboten, stand mitten im Geschehen und hat persönliches Interesse gezeigt. Für einen Ausländer schicke es sich nur, das historische Prag, die Museen und böhmisches Glas zu bewundern, das gegenwärtige Prag, von dem weiter unten noch die Rede sein wird, stehe ihm nicht offen (S. 107). Mit Horns Liebe zu Hotels hängt zusammen, daß er es liebt, unterwegs zu sein. Auch die Heimatgefühle, die er gegenüber Prag entwickelt, halten ihn jeweils nur für eine kurze Zeit in der Stadt (S. 5). Da er im Gegensatz zu Ivan Karmanov nicht fremdbestimmt durch die Lande getrieben wird, sucht er immer wieder Anlässe, um sich in die eine oder andere Richtung aufzumachen. Wenn er zu Hause ist, beginnt er, sich nach dem Reisen zu sehnen, auf Reisen sehnt er sich nach Hause (S. 38). Diese Unruhe verläßt ihn erst, als er zunächst unbewußt ahnt (S. 27) und bald darauf deutlich erkennt: „Domov je Anka“ [Heimat ist Anka] (S. 38). Als er dennoch an dem Kongreß der Agrarpartei außerhalb Prags teilnimmt, eilt er schnell nach Prag zurück, denn: „Praha volala Horna, Horna volala Anka“ [Prag rief Horn, Horn rief Anka] (S. 42). Eine Heimat zu haben, wird von ihm jedoch zunehmend als ideeller Wert erkannt, der an den Ort selbst gar nicht mehr gebunden ist. „Horn nalezl svou vlast. Zde na pražských ryncích, na náměstí malostránském. Ondřej ví, že teď toto zem je skutečně jeho. A nikoho jiného. Jeho a Anky“ [Horn hat seine Heimat gefunden. Hier auf den Prager Marktplätzen, auf dem Kleinseitner Platz. Ondřej weiß, daß jetzt dieses Land wirklich seines ist. Und niemandes anderen. Seines und Ankas] (S. 54). Je mehr er sich mit Anka anfreundet, desto kleiner wird ihm Prag und er findet Anka in allen Schönheiten der Stadt wieder (S. 27). Aus allen Häusern, Schatten, Perspektiven, Autos, dem sommerlichen Dunst scheint ihm Anka entgegen (S. 54). Sein inneres Prag, seinen Traum von Prag kann er nun an jedem beliebigen Ort aufleben lassen. Anka ist für ihn das Herz und die Seele Prags (S. 89 und 109). Deshalb kann er auf die etwas unvermittelte Frage, wann er endlich nach England zurückkehren werde, ebenso unvermittelt antworten: „Dobra. Odjedu. Příští týden“ [Gut. Ich fahre ab. Nächste Woche] (S. 105) und sich zur Bestürzung Neubauers empfehlen, der die Frage so direkt nun auch wieder

204

Teil 2 – Werk

nicht gemeint hatte. Er kann sich gelassen von Prag entfernen, weil er weiß, daß die innere Verbundenheit bestehen bleiben wird. Mit ihrem Verlassen wird er nicht seine neue Heimat verlieren. Aus eben diesem Grunde muß er sich auch nicht von der Stadt verabschieden, als er sie in Richtung Wien verläßt (S. 106). Es sind insgesamt drei Kriterien, die Horn im Laufe des Textes geltend macht, um sich selbst ein Recht auf dieses Land und alle seine Erscheinungen zuzugestehen – wie gesagt, wird ihm dieses Recht von den Einheimischen nicht gewährt. Vor seiner Abfahrt führt er selbst zusammenfassend das zweite und dritte Kriterium an (S. 106). Erstens denkt er in tschechischer Sprache an die wenigen Zentimeter, die ihn vom Tod trennen, als ihn vor dem Klementinum fast eine Straßenbahn erfaßt (S. 63). Die Landessprache ist also bereits bis in sein Unterbewußtsein vorgedrungen, auch wenn er sich ihrer sonst nicht immer sicher ist. Das wird besonders in Augenblicken deutlich, in denen er aufgeregt ist. Dann beginnt er zu stottern und sucht mühsam nach Worten (S. 64f., 87 und 89). Anka erscheint sein Tschechisch zu Beginn zu buchsprachlich (S. 27), das heißt, es ist zwar nicht fehlerhaft, wirkt jedoch wenig natürlich. Im täglichen Umgang mit ihr bessert es sich. Das Gespräch mit dem deutschen Oppositionspolitiker bricht Horn ab, weil er gegen sein Land, „proti řečí ve které myslil“ [gegen die Sprache, in der er gedacht hat] (S. 79), propagiert. Zu diesem Zeitpunkt stellt bereits die Sprache, in der er denkt, einen eigenen Wert dar, den es zu verteidigen gilt und der untrennbar mit dem Land verbunden ist. Zweitens stellt er in einem Zustand stiller Traurigkeit fest, daß Prag sich ihm nur in Form von Fassaden zeige und ansonsten Traum bleibe (S. 69). In diesem Moment hört er Gesang aus einer Kirche, der ihn zur Messe ruft, und er spricht gemeinsam mit der Gemeinde die Worte: „Smiluj se nad námi!“ [Erbarm dich unser!] und „Srdce Páně, smilování“ [Herz Gottes, Erbarmen] (S. 70f.), was seine eigenen Worte sind und durch die er Teil der gläubigen, betenden Menge wird. Drittens springt der Organisator des Hungerzuges der Ärmsten, Matěj Bartoš, zu ihm ins Auto, als die Manifestation durch die Polizei zerschlagen werden soll (S. 75f.). Horn wird dadurch zum Retter dessen, der die Menschheit revolutionieren will. Landessprache und -religion konnte man als Kriterien erwarten, der dritte – soziale – Aspekt überrascht. An seiner Stelle hätte man wohl eher vermutet, daß er seine Liebe zu einer Tschechin ins Feld führen würde. Es läßt sich aber dadurch erklären, daß es eben nicht nur darauf ankommt, die kosmopolitischen Reichen und Schönen kennenzulernen – die sich auch die Bekanntschaft eines Ausländers leisten können (dafür ist Ankas Vater ein gutes Beispiel, der sich ausgesprochen gern mit Ungarinnen, Deutschen, Jüdinnen, Serbinnen vergnügt [S. 66]) –, sondern daß man eine Gesellschaft erst dann wirklich kennt, wenn man sich auch mit Personen von ihrem Rande verständigen kann. Außerdem erscheinen ihm das hungernde und das betende Prag als die wahren Gesichter der Stadt, die in einem ihm unerklärlichen inneren Zusammenhang stehen (S. 77). Diese ihm jahrelang verborgene Seite der Stadt macht ihre existentielle Dimension aus.

Belletristik

205

Auf der Suche nach eigenen Entscheidungen Horn werden von anderen Menschen immer wieder klare Entscheidungen abverlangt, die er mit keinem Sowohl-als-auch beantworten darf. Das führt dazu, daß „Horn kolísá. Neví, kam se má přikloniti“ [Horn schwankt. Er weiß nicht, wohin er sich neigen soll] (S. 42). Er wird gefragt, ob er Russe oder Engländer sei (S. 26). Nižinský stellt ihn vor die Alternative: Prag oder Slowakei (S. 84). Die Beamten erwarten von ihm unausgesprochen eine Stellungnahme für oder gegen die amtierende Regierung. Auch in seiner eigenen Vorstellung schließen sich Nižinský und Matthias gegenseitig aus (S. 59). Anka fordert ihn auf, sich entweder für ein Leben mit ihr außerhalb Prags oder für eines ohne sie in Prag zu entscheiden (S. 89). Kreis weist ihn abschließend auf sein Manko hin: „Nepřimkl jste ani sem, ani tam, stal jste uprostřed, což je, prosím, – vždy hloupost“ [Sie haben sich weder der einen noch der anderen Seite angeschlossen, sie standen in der Mitte, was, ich bitte sie, immer eine Dummheit ist] (S. 106). Horn kommt erst zu innerer Ruhe, als er zu Synthesen findet, als er sich für einen dritten Weg entscheidet, der ihm jedoch von niemandem offeriert worden ist. Weil er weder Tscheche noch Slowake ist, muß er sich eben nicht für Prag oder die slowakische Autonomie entscheiden, sondern nimmt sich die Freiheit, den dritten Weg, den er mit den Worten „chléba všem!“ [Brot für alle] (S. 103) umreißt, zu forcieren. Der Text endet damit, daß Horn allein die Tschechoslowakei verläßt, auch in diesem Fall wird keine eindeutige Antwort auf das Entweder-Oder gegeben. Es zeigt sich damit, daß die Polarität, auf der nicht nur die inhaltliche, sondern auch die formale Struktur des gesamten Textes basiert (wie man besonders an dem tschechisch-slowakischen Verhältnis, aber auch der Personenkonstellation sehen kann), letzten Endes nicht tragfähig ist.

Prag als literarische Gestalt Auch wenn dieser Roman unter literarästhetischen Aspekten weniger interessant ist als unter ideologischen, sollte man doch nicht übersehen, daß Vilinskij ihn in die Tradition der Prag-Romane stellt und dadurch auch in diesem Falle zu verstehen gibt, daß er nicht als Werk eines Russen im Exil verstanden werden sollte, sondern als Teil der tschechischen/böhmischen Literatur, auch wenn er die Thematik eines Fremden aufnimmt. Diese dient ganz offensichtlich vor allem als Folie, um sich den verschiedenen Gesichtern der Stadt nähern zu können. Die Hauptperson, die sich als Mann um so mehr um die Gunst Prags bemühen muß, ist wohl auch nicht zufällig schon längst dem Russischen entfremdet. Vor und nach Praha sind zahlreiche Texte geschrieben worden, in denen Prag auf die eine oder andere Weise personifiziert als Frau dargestellt wird. Diese Sicht wird nicht zuletzt durch den Spruch auf dem Stadtwappen („mater urborum“

206

Teil 2 – Werk

[Mutter der Städte]) unterstützt. In der tschechischen Sprache ist das Wort ‚Praha‘ feminin, und weil es in den slavischen Sprachen allgemein zu einer relativ starken Semantisierung der grammatischen Genera kommt – es sei nur an ,die Vodka‘ erinnert, die als Frau besungen, als Verführerin verflucht, geliebt wird –, schwingt das Weibliche Prags bei der Nennung des Stadtnamens mit. Es braucht also nicht zu verwundern, daß Horn, in dessen Adern ein gewisser Anteil russischen Blutes fließt, das Weibliche dieser Stadt ebenfalls spürt. Einen weiteren Aspekt für eine noch zugespitzte Feminisierung, d. h. Erotisierung Prags spielt die Lage der Stadt. Dazu eine Stimme aus neuerer Zeit: Vom Rieger Park aus […] breitete sich die Stadt zu meinen Füßen fast zügellos aus und lag da unten – verfremdet, abweisend – so schön, wie ich es nach Jahren nur noch in Florenz auf der Forte di Belvedere erlebt habe. Da wußte ich, daß ich Prag liebte und daß die Stadt herbeigerufen werden will.712

Der Betrachter kann mehr oder weniger kommen, von wo er will und wird immer Prag ausgebreitet vor sich liegen sehen. Der Blick auf die Stadt unterscheidet sich zwar je nach Anhöhe, von der er erfolgt, der Eindruck bleibt jedoch gleich: aufsteigende Hügel, durch die sich die Moldau schlängelt. Das zugleich Abweisende und verhängnisvoll Anziehende dieser Stadt spielt sowohl mit Ivan Karmanov als auch mit Ondřej Horn sein Spiel. Beide fühlen sich in Prag angekommen, wollen es nach der Bekanntschaft mit einer schönen Frau selbst für kurze Reisen nicht mehr verlassen und werden doch dazu gezwungen. Karmanov findet nach vielen Peripetien den Weg zurück, von Horn wissen wir es nicht. Daß er sein Herz dort zurückläßt, erfahren wir jedoch.713 In beiden Romanen Vilinskijs ist die Hauptperson ein Fremder, der sich in (der und in die Stadt) Prag verliebt. Des weiteren spielt der Zentralismus eine nicht zu unterschätzende Rolle für das Bild Prags in der Literatur. Prag gilt (in Abgrenzung zu Wien) als Symbol des Tschechentums, als Ort des kollektiven historischen Gedächtnisses. In den alten Mauern hat sich die Geschichte der Tschechen als Palimpsest angesammelt. In der eigenen Wahrnehmung hat sich alles von Bedeutung dort zugetragen, so daß jeder aus dem Land, der etwas werden will, sein Dorf oder seine Kleinstadt verlassen und nach Prag gehen muß – sei es zum Studium, sei es für Geschäfte oder eine Beamtenkarriere. Daß nicht jeder tatsächlich erfolgreich ist, daß viele scheitern und in dem Gewimmel der Großstadt verloren gehen, versteht sich von selbst. In der Folge erscheint es als Schuld der Stadt, die die armen jungen Burschen vom Lande den Armen ihrer Mutter entrissen, sie verführt und anschließend fallen gelassen habe. 712

713

Gruša, Jiří: Das graue Prag, in: ders. Gebrauchsanweisung für Tschechien, München/Zürich 1999, S. 113-127, hier: S. 121. Vgl. Gabriel Laubs abschließende Worte in seinem Essay Die Stadt ist eine Frau: „Prag ist eine Geliebte fürs Leben. Man verläßt sie nie, auch wenn man ihr physisch untreu ist. Und man liebt sie, auch wenn man mit ihr verheiratet ist.“ (in: Fischer-Diehl, Gerlind (Hg.): Ein Lächeln zwischen den Zeilen, München 1999, S. 55-57, hier: S. 57).

Belletristik

207

So sehr Prag anzieht, so wenig ermöglichen einzelne Stadtviertel Neuankömmlingen die Existenz. Es sei nur an Herrn Vorel aus Jan Nerudas Kleinseitner Erzählung Jak si nakouřil pan Vorel pěnovku714 [Wie sich Herr Vorel eine Meerschaumpfeife einrauchte] erinnert, der durch die Eröffnung eines Ladens an einem Ort, wo bisher noch nie ein Laden war, die Passivität und Statik dieses Viertels empfindlich stört, das in dem gesamten Zyklus als abgeschlossene ‚Stadt in der Stadt‘ dargestellt wird. Das Überschreiten der Grenze vom Dorf zur Kleinseite muß Herr Vorel letzten Endes mit dem Leben bezahlen, er findet in dem neuen Umfeld keine Aufnahme.715 Andere werden von der Stadt regelrecht aufgezehrt, ihnen schwinden vollkommen die physischen Kräfte, wie z. B. dem mährischen Studenten Jiří Jordán in Vilém Mrštíks Roman Santa Lucia, der am Ende seines jungen Lebens nur noch bitter sagen kann: „Přišla mně draho ta Praha!“716 [Es kam mich teuer zu stehen, dieses Prag!], das ihm zuvor Erlösung und Rettung verhießen und ihm in einem Moment seine zweite, sündhafte Gestalt offenbart hatte.717

Nový svět [Neue Welt] Um konkreter werden zu können, findet im Folgenden eine Konzentration auf die Darstellung des Nový svět [der Neuen Welt] statt. Dieses Viertel, genau genommen handelt es sich um einen Straßenzug, erweist sich nicht nur für Horn als schicksalhaft. Ihm kommt ebenso eine wichtige Funktion in Gustav Meyrinks Walpurgisnacht (1917) und in Franz Werfels Der veruntreute Himmel (1939) zu, wo diese Gegend wie folgt beschrieben wird: Diese Gegend heißt mit Unrecht die ‚Neue Welt‘. Sie liegt auf der Höhe des uralten Burgbezirkes jenseits des Flusses, eingebettet zwischen der sogenannten Brandstätte und dem ehemaligen Garnisonsgericht. […] Diese ‚Neue Welt‘ hat einer neueren noch nicht Platz gemacht. Baufälliges Winkelwerk von Häusern drängt sich hier wie Abbruch. Versehentlich hat die weit ins Land hinauszielende Entwicklung der Stadt diesen Moder links liegen lassen, mit seinen schiefen Dächern, wurmstichigen Loggien, schmutzigen Höfchen und ausgetretenen Holzstiegen. Die Neue Welt hat die billigsten Mieten, denn man wohnt hier auch nur auf Abbruch und Widerruf, wiewohl auf historischem Boden. Das Prager Volk hat im Gegensatz zu den fremden Bewunderern seiner Stadt nicht allzu viel Sinn für Romantik. […] In den unausgetrockneten Sümpfen der Vergangenheit wie in dieser Neuen Welt leben nur mehr 714

715

716 717

Neruda, Jan: Jak si nakouřil pan Vorel pěnovku, in: ders. Povídky malostranské, Praha 2004, S. 137-142. Vgl. Sedmidubský, Miloš: Jan Nerudas „Kleinseitner Geschichten“ als Antiidylle. Zur Geschichte des Idyllischen in der tschechischen Literatur, in: Setschkareff, V./Rehder, P./Schmid, H. (Hgg.): Ars philologica slavica. Festschrift für Heinrich Kunstmann, München 1988, S. 412428 und Schmid, Wolf: Jak si nakouřil pan Vorel pěnovku. Událostnost v Nerudových Povídkách malostranských, in: Česká literatura, Jg. 42, Nr. 6, 1994, S. 570-583. Mrštík, Vilém: Santa Lucia. Román, Praha 1952, S. 14. Mrštík 1952, S. 79 und 185f. Vgl. Hodrová, Daniela: Praha jako město deziluze v českém románu přelomu století, in: Město v české kultuře 19. století, Praha 1983, S. 168-177.

208

Teil 2 – Werk

düstere Kleinbürger von der geringfügigsten Sorte, ein paar närrische Sonderlinge oder Schiffbrüchige und Herabgekommene, die sich ein besseres Obdach nicht leisten können.718

Die Neue Welt straft ihren Namen Lügen, denn sie hat ihre Wurzeln im Mittelalter und ist das letzte Zeugnis einer Burgvorstadt, einer im Nordwesten zu Füßen der Burg versteckten Armensiedlung. Als die Hradčany [Burgstadt] gegen 1320 als Stadt gegründet worden sind, befand sich die heutige Neue Welt außerhalb der Befestigungsanlagen. Das Viertel wurde nach 1360 neu – daher der Name – besiedelt, nachdem es unter Karl IV. in die neuen Befestigungsanlagen eingebunden worden ist, wovon die hohen Mauern auf der rechten Straßenseite zeugen. Die verwinkelten Häuschen linker Hand stammen aus der Zeit Rudolfs II., dem Übergang vom 16. zum 17. Jahrhundert (zu der Zeit hat sich der Name eingebürgert), sie mußten infolge von Bränden mehrmals neu errichtet werden oder unterlagen im 18. und 19. Jahrhundert Umbauten, was ihnen jedoch nichts von ihrem Scharm genommen hat. Die golddurchwirkten Namen der Häuser sollen ganz offensichtlich die Armut des Viertels vergessen oder zumindest erträglich machen – von fünfzehn Häusern heißen elf „U zlaté/ho xy“ [Zum/r goldenen xy].719 Horn, dem später sein Verständnis für die Armen zum Verhängnis werden soll, wird gleich zu Beginn des Romans mit einem klassischen Elendsviertel bekannt gemacht, das sich in unmittelbarer Nähe zum Zentrum der Macht befindet. Und das in sich einige Paradoxe der Stadt als solcher birgt, auf die er erst später stoßen wird. Horn bewundert Prag bereits längere Zeit, aber erst Anka, die als geborene Pragerin mit dem alten und dem neuen Prag vertraut ist, entdeckt ihm die Schönheit des Viertels Nový Svět. Sie stellt bald anerkennend über Horn fest: „Zajímá se o starou, možná, že také dokonce i o novou Prahu“ [Er interessiert sich für das alte, möglicherweise sogar auch für das neue Prag] (S. 21). In einem späteren Gespräch fährt sie fort: „Je to dosti nevšední od cízince“ [Das ist ziemlich ungewöhnlich von einem Ausländer] (S. 31). Dieses alte Viertel, das sich durch seinen Namen jung gibt – Anka täuscht sich, wenn sie sagt, daß der Nový svět nicht sehr alt, sondern lediglich heruntergekommen sei (S. 17) –, wird ihm zum Ausgangspunkt seiner Wanderungen durch das neue Prag. Auf dem Karlovo nám. [Karlsplatz] und in Bubeneč wird er neuer Häuser gewahr, die noch keine jahrhundertealte Müdigkeit atmen. Irgendwann stößt er bei seinen Streifzügen dann schließlich auf einen tatsächlichen „nový svět“ [neue Welt] (S. 77), dessen Existenz sowohl Touristen als auch seine slowakischen und Prager Bekannten, einschließlich Ankas, bestreiten dürften. Diese neue Welt, in der Menschen an der Prager Peripherie in Höhlen oder Löchern hausen, die beim Sandabbau entstanden sind, hat nichts mehr gemein mit der Neuen Welt, die einen idyllischen (laut Anka; S. 17) oder romantischen (laut Nižinský; S. 59) Anblick der Armut gewährt. Bei seinem ersten Blick auf die 718

719

Werfel, Franz: Der veruntreute Himmel. Die Geschichte einer Magd, Frankfurt am Main 61999, S. 170. Vgl. Lašťovka, M./Ledvinka, V. a kol.: Pražský uličník. Encyklopedie názvů pražských veřejných prostranství. 1. díl (A-N), Praha 1997, S. 601f.

Belletristik

209

Neue Welt empfindet Horn „pocit fysické nevolnosti“ [ein Gefühl physischen Unbehagens] (S. 16), aber Anka, die Tochter des reichen Unternehmers, belehrt ihn, daß Armut nicht elend sein muß. Ihren idyllischen Blick übernimmt er zwar nicht, er fühlt jedoch keinen Ekel mehr, wenn er später hin und wieder auf die Neue Welt sieht (S. 25f.). Wenn auch inmitten der grünen Gärten der Dreck des Viertels besonders zutage tritt, haben doch die Menschen ein Dach über dem Kopf und es wird gekocht, Wäsche gewaschen, gelebt. Die Sandlöcher können hingegen zu keinem Grün kontrastieren, sie haben keine Fenster, in denen Fetzen von Gardinen hängen können, Wasser zum Wäschewaschen gibt es nicht, Möbel sind durch Kisten ersetzt. Durch das Wörtlichnehmen des Namens Neue Welt, der nicht mehr als Eigenname verstanden wird, wird gegen die traditionelle Darstellung der Stadt verstoßen, denn, wie Claudio Magris schreibt, wird von den meisten Autoren: „[d]er Zauber Prags als etwas Undefinierbares und nur Andeutbares“ dargestellt, als Zauber einer Sehnsucht, die sich dem Leben zuzuwenden glaubt, – einem Leben, das immer als vergangen und verloren erscheint und nie in der Gegenwart erfaßt und erlebt wird –, die sich dagegen oft der Darstellung des Lebens zuwendet, seinem phantastischen Abbild oder besser gesagt der festen Tradition seiner phantastischen Abbilder, die sich alle ähnlich sind, weil alle einmalig und außergewöhnlich, grotesk und exzentrisch sind oder sich dafür halten.720

Die Sehnsucht Horns ist nicht „die Sehnsucht der Sehnsucht“, sondern sie ist in die Zukunft gerichtet und speist sich nicht aus dem „Nachtrauern nach einem bloßen Papiergebilde, das die Geschichte bereits zerrissen hat und das man in Wirklichkeit nie besessen hat“.721 Sowohl der Protagonist als auch der Autor von Praha trauern selbstverständlich nicht wie die deutschsprachigen Prager Autoren dem schwindenden Einfluß der deutschen Minderheit nach, sondern suchen ganz im Gegenteil in Prag einen Boden für ihre eigenen slavischen Wurzeln. Horns Prag bewohnen – wie bereits das Karmanovs – keine Deutschen. Für die Magd Teta in Werfels Roman wird die Neue Welt zum Ort der Enttäuschung. In der schäbigen Behausung ihres Neffen, den sie dreißig Jahre lang aus der Ferne materiell unterstützt hat, erfährt sie, daß er nicht, wie sie geglaubt und er behauptet hat, Priester geworden ist. Stattdessen bietet er „Jux-Artikel für fröhliche Geselligkeit“ und astrologische Beratung an.722 Ihre Zuversicht, daß sie sich durch die Finanzierung seiner Ausbildung ihren persönlichen Fürsprecher vor Gott kaufen könne, erweist sich als nichtig. Dadurch, daß sie sich den an ihr vollbrachten Betrug eingestehen und daß sie erkennen muß, daß ihr Lebensentwurf auf einem Lügengeflecht basiert, stellt sich ihr nach dem Besuch der Neuen Welt die Welt tatsächlich neu dar. Diese neue Welt ist allerdings keine bessere Welt, denn Teta fürchtet um ihr Seelenheil. 720 721 722

Magris, Claudio: Prag als Oxymoron, in: Neohelicon, Jg. 7, Nr. 2, 1979, S. 11-65, hier: S. 12. Magris 1979, S. 14. Werfel 61999, S. 171.

210

Teil 2 – Werk

In der Walpurgisnacht wird die Neue Welt der Welt,723 womit die Prager Altstadt jenseits der Moldau gemeint ist,724 gegenübergestellt. Wie der Leser erfährt, meiden die auf den Hradčany ansässigen Deutschen unter allen Umständen die tschechische Welt. Horn bewegt sich hingegen frei in der gesamten Stadt. Der kaiserliche Leibarzt Thaddäus Flugbeil besucht in der Neuen Welt die böhmische Liesel, um nähere Informationen über ihren Mieter Zrcadlo zu erhalten, der andere bis zum Tode erschrecken kann, indem er fremde Gestalt annimmt. Flugbeil betritt wie Teta eine dreckige unaufgeräumte Stube, in der einzelne Gegenstände an vergangene bessere Zeiten erinnern und er fühlt sich gleich Teta sehr unwohl in dieser Umgebung. Nachdem er sie mißgestimmt wieder verlassen hat, sinnt Liesel ihrer Jugend nach, in der sie und Flugbeil ineinander verliebt waren, und denkt laut vor sich hin: „Zukunft? Was ist das: Zukunft? […] Zukunft? – Es gibt doch gar keine Zukunft!“725 Kurze Zeit später zerbricht ihr ihr Bild von Flugbeil, seine Fotografie, die sie all die Jahre an seiner statt geliebt hat.726 Teta findet im Betrachten der Fotografie ihres Neffen Kraft und Trost. Im Gegensatz zu Liesel jedoch, die durch den Verlust des Bildes erkennt, daß das Bild, das sie im Herzen trägt, wahrer und unzerstörbar ist – deshalb können sie und einige Stunden nach ihr Flugbeil ruhig und miteinander versöhnt in den Tod gehen –, trägt Teta kein Bild ihres Neffen im Herzen. Horns Liebe gilt ebenfalls einem Bild, dem Bild, das er sich von Prag gemacht hat, das nicht dem tatsächlichen Prag entspricht. Auch sein Dasein gründet bis zu dem Zeitpunkt auf einer Illusion, als für ihn aus dem Nový svět der nový svět wird, als sich ihm abermals eine neue Welt Prags, nämlich die der wahren Armut, zeigt. Sein Traum von Prag wird nun endgültig zerschlagen (S. 77). Diese bevorstehende Desillusionierung bahnt sich bereits zuvor an, denn irgendwann beginnt ihn die Stadt zu langweilen, deren unveränderliche und ewig gleichen Erscheinungen ihm alle vertraut sind: „Prázdnota. […] Jen fasady. Město – přízrak. Jen dekorace […]. Praha je sen“ [Leere. Nur Fassaden. Die Stadt – ein Phantom. Nur Dekoration. Prag ist ein Traum] (S. 69). Dieses Prag sehnt sich nach dem vergangenen Ruhm des Königreichs Böhmen, ist eine herrschaftliche Stadt der Unterhaltung (S. 77). Es herrschen überall Müdigkeit und Langeweile, die auf Horn übergehen. Von ihnen sind nur die Unternehmer ausgenommen (S. 19). Erst das Prag der Armut und des Gebets gibt ihm neue Rätsel auf und fordert ihn heraus, seine bisherigen Erklärungen zu überdenken.

723 724 725 726

Meyrink, Gustav: Walpurgisnacht. Phantastischer Roman, Berlin 21987, S. 32 und 50f. Meyrink 21987, S. 7, 28, 99, 152, 179 und 191. Meyrink 21987, S. 46. Meyrink 21987, S. 184f.

Belletristik

211

Religion Der erste Satz des Romans lautet: „Vrchní odborový rada Arnošt Matthias malém by klopýtl přes schůdek kostelní brány“ [Der Obersektionsrat Arnošt Matthias wäre beinahe über die Stufe des Kirchenportals gestolpert] (S. 1). Diese Schwelle trennt den dämmerigen Kirchenraum von der sonnenbeschienenen Straße und die Stille der Kirche von der Stille der morgendlichen Straße. Matthias ist noch ganz benommen von der heiligen Kommunion, die er gerade empfangen hat. Ihm ist vor allem an den religiösen Ritualen und den äußeren Formen des Glaubens gelegen. Er liebt die Atmosphäre der Kirche. Eine seiner unbewußten nervösen Handlungen besteht darin, die Schnur seines Skapuliers unter den Kragen zurückzuschieben. Deshalb wissen alle Kollegen um seinen Glauben und halten ihn für besonders religiös. Dies hat ihm sogar Vorteile für seine Karriere eingebracht, denn er wird positiv diskriminiert. Seine Vorgesetzten behandeln ihn mit besonderer Aufmerksamkeit, um sich nicht dem Vorwurf auszusetzen, sich gegenüber einem gläubigen Menschen voreingenommen zu verhalten. Damit ist bereits gesagt, daß er als praktizierender Katholik unter den tschechischen Beamten eine Ausnahmeerscheinung darstellt. Er schätzt Horn, weil der sich von ihm stundenlang über kirchliche Themen belehren läßt (S. 104). Als Horn Wochen später dieselbe Kirche auf der Kleinseite betritt, geht der Tag zur Neige und es kontrastiert der hell erleuchtete Kirchenraum mit der dämmerigen Straße, die Leere der Straße mit der gut besuchten Kirche (S. 69). Obwohl Horn die Kirche betritt und nicht verläßt, geht er – wie zu Beginn Matthias – ins Licht. Matthias leuchtet der neue Tag, weil er erfüllt ist von der Morgenmesse, Horn leuchtet die Kirche, die ihm eine abermals neue Sicht auf Prag eröffnet und ihn eins werden läßt mit den Betenden. Matthias ist bekannt mit dem zweiten tschechischen Katholiken, der in dem Werk auftritt und in der Abendmesse neben ihm sitzt, Kříž [Kreuz]. Wie bereits erwähnt, gab ihm Vilinskij diesen Namen erst im Laufe des Schreibens, sicherlich um ihn bereits durch seinen Namen als Menschen zu charakterisieren, der religiös ist. Er wird vorgestellt als ein junger Intellektueller, der sich zum Katholizismus hingezogen fühlt, Jan z Jenštejna ins Tschechische übersetzt hat und sich für das böhmische Barock und die spanischen Einflüsse auf den tschechischen Katholizismus interessiert (S. 30). Das bringt ihm den Vorwurf ein, aus einer Verteidigungsposition heraus die bereits tote Kirche galvanisieren, sie wiederbeleben und künstlich beatmen zu wollen und gleichzeitig die gesamte Entwicklung seit dem Barock zu leugnen (S. 65). Dem Blick in die katholische Vergangenheit, der intellektuellen Auseinandersetzung mit dem Katholizismus, die sowohl Matthias als auch Kříž praktizieren, wovon nicht zuletzt ihre publizistische Tätigkeit zeugt, wird Horns Interesse an dem Katholizismus der Gegenwart und der Katholischen Aktion gegenübergestellt (S. 30). Während den einen der Katholizismus als Zuflucht vor der Gegenwart

212

Teil 2 – Werk

dient, die sie als unästhetisch ablehnen, sucht der andere in ihm Unterstützung für den politischen Kampf. Auch Horn nimmt wie die Opponenten Křížs zunächst an, daß die Kirche in Prag tot sei, bzw. falls sie leben sollte, dann ausschließlich für Kříž und einige wenige weitere junge Leute (S. 65) – bis er Männer jeden Alters im Gebet vereint erlebt (S. 69ff.), was sozusagen zu seinem zweiten Prager Initiationserlebnis wird. Anderer Gestalt ist auf den ersten Blick der Katholizismus in der Slowakei, der durch Detván personifiziert wird, der den lebendigen Glauben verkörpert. Er ist mit Herz und Seele Katholik und hat dabei keinen Bedarf, dies zu reflektieren. Der Begriff Barock zum Beispiel dürfte für ihn nicht mehr als ein leeres Wort darstellen. In seiner Unmittelbarkeit und intellektuellen Unbekümmertheit, die aus seiner dörflichen Herkunft rühren, liegen Kraft und Stärke, die mit einem lodernden Feuer verglichen werden (S. 93). Im Gegensatz zu Detváns Vitalität stehen die (existentielle) Müdigkeit und Sensibilität von Kříž.

Revolten gegen Prag Horn nimmt Prag als sein persönliches Schicksal wahr, weil es für ihn nicht von der Person Ankas zu trennen ist. Dennoch erkennt er: „Ano: město – osud. Praha je osudem této země“ [Ja: die Stadt – Schicksal. Prag ist das Schicksal dieses Landes] (S. 57) und eben nicht nur seiner selbst. Während Horns Prag stark personifiziert wird, stellt sich für die Slowaken Prag vor allem metonymisch dar. Sie können nicht, was Horn gelingt, gleichzeitig Prag lieben und die dort vertretene Politik verurteilen (S. 84). Es ist für sie vor allem der Sitz der Regierung, der Reichen und Egoisten, die auf Kosten der Slowaken gut leben. Nižinský schimpft deshalb von Trenčín aus auf Prag und lehnt es ab, die dortige Regierung zu unterstützen: Co je Praha – nic! Město úřednické, byrokratické, město, které chce převládati nad celou zemí. Obrovská a netvorná hlava trpaslikova je to. Ano, trpaslík s příliš velkou hlavou, která je tak velká, že trpaslík klopýtá. […] Slovák nemá nárok na moc v Praze. (S. 7) Was ist Prag – nichts! Eine Stadt der Beamten, der Bürokratie, eine Stadt, die über das ganze Land herrschen will. Ein gewaltiger und ungeheuerlicher Kopf eines Zwerges ist das. Ja, ein Zwerg mit einem allzu großen Kopf, der so groß ist, daß der Zwerg stolpert. […] Ein Slowake hat keinen Machtanspruch in Prag.

Als Pfarrer entwickelt er einen apokalyptischen Haß auf die Großstadt Prag, die sich ihm nicht rein, sondern böse und irgendwie unecht darstellt: „Co v Praze? Jenom vyumělkovanost a pokrytectví. Odbarvené vlasy, naličené rty, povrchnost, pozlátko, lesk, pokrytectví“ [Was in Prag? Nur Gekünsteltheit und Heuchelei. Gefärbte Haare, geschminkte Lippen, Oberflächlichkeit, Flittergold, Glanz, Heuchelei] (S. 8). Seine Sicht auf die Stadt ist nicht weit entfernt von der Vorstellung der ‚Hure Babylon‘, die dem Untergang geweiht ist (Offb 17f.). Mit den „gefärbten

Belletristik

213

Haaren“ trifft er zudem den Nagel auf den Kopf, denn es sind Ankas mit Henna gefärbten Haare, die Horn als erstes an ihr wahrnimmt (S. 3) und denen seine Sehnsucht gilt, wenn er gerade nicht mit ihr zusammen sein kann. Sie ziehen sich – mit insgesamt sechzehn Erwähnungen – leitmotivisch durch den Text. Für ihn stellen sie jeweils ein perfektes Spiel der Farben dar, in dem die Haarfarbe und die Farben der Umgebung korrespondieren (z. B. S. 17 und 35). Für sie sind ihre gefärbten Haare hingegen eine bloße Mode und unerläßliche Notwendigkeit, um sich von den einfachen Mädchen vom Dorfe zu unterscheiden (S. 39), womit sie Nižinský indirekt recht gibt. Nižinský sagt, daß das ganze gegenwärtige Prag auf fremdem Unglück errichtet sei, denn das Land sei zu arm, um sich den Luxus einer solchen Großstadt leisten zu können (S. 50). Einem Slowaken eröffnen sich erst Möglichkeiten in Prag, wenn er sich unterwerfe, wenn er seine Herkunft verleugne. Nur dem werde ein Lebensrecht zugestanden, der Prag treu sei. Aber auch die Slowaken seien Prag treu, das sich ihnen gegenüber jedoch wie eine Stiefmutter verhalte. Sie kämpfen um die Gunst Prags, weil ihnen durchaus bewußt sei, daß sie mit der Republik schicksalhaft verbunden seien, daß sie mit ihr stehen und fallen. Nižinský will die Hauptstadt so verändern, sie reinigen, daß es auch den Slowaken möglich sein wird, sich zu ihr zu bekennen. Er ist also nur gegen die Alleinherrschaft Prags. Er will Prag nicht zerstören, sondern er will an ihm partizipieren (S. 51). Während Nižinský Prag wie eine alte Abtrünnige liebt und um sie buhlt, erweist sich Detván, sein junger Nachfolger, im Gegensatz zu ihm als Barbar. Er träumt von der Vernichtung und anschließenden Errichtung eines neuen Reiches (S. 93). Dieses werde allerdings den Geist des alten Reiches in sich tragen, wie der Mythos von Orpheus lehre (S. 94). Kompromißlos gibt sich Moranýj, der Prag komplett verurteilt. Während Detván nach der Zerstörung etwas Neues errichten will, ist Moranýj nur destruktiv (S. 95). Er verfolgt keine Vision, er hat keine Hoffnungen, die auf ein neues Prag gerichtet sind, sondern aus seinen Worten klingt Verbitterung. Kritik an Prag erklingt aber auch aus Prag selbst. Matthias sieht überall in Prag Unverständnis gegenüber kirchlichen Angelegenheiten, gegenüber der Religion, die immerhin schon 2.000 Jahre existiere und bereits aus diesem Grund über Prag stehe (S. 30). Horn ist von dieser Revolte des Beamten überrascht, zumal er ihre innere Ehrlichkeit spürt. Matthias ist aufrichtig erbost über die Anmaßungen all derer, die bar aller Kenntnisse über Religion und Kirche urteilen. Im Gegensatz dazu erscheint Horn die Kritik Křížs an Prag und der Politik künstlich und fad. Sie berührt zwar denselben Gegenstand wie die Kritik, die Matthias übt, aber sie speist sich nicht aus der Gegenwart (S. 31). Seine Revolte ist nicht authentisch, er ist nicht selbst empört, sondern übernimmt fremde Mißbilligungen aus der Literatur. Die Mängel, die Balický im öffentlichen Leben sieht, betreffen die Regierung, der kein Vertrauen entgegengebracht werde, Protektionismus und Korruptheit. Es wird seiner Meinung nach zu häufig vergessen, daß eine Regierung nicht in erster

214

Teil 2 – Werk

Linie herrschen, sondern dienen solle. Die vorrangige Aufgabe bestehe also nicht in Reformen, sondern darin, sich an die bestehende Ordnung zu halten, die Gesetze zu achten und sich selbst zu bessern und zu vervollkommnen (S. 40f.), denn in Prag werde keine Affäre aufgeklärt, weil jeweils zu viele Personen in sie verwickelt seien (S. 86). Die Interessen Balickýs widersprechen nicht den Interessen Prags, das er bewahren will. Er opfert sich selbst, um die Stadt zu retten, um ihre Macht und ihren Schatz zu mehren (S. 41). Seine Ziele decken sich weitgehend mit denen Nižinskýs. Beide hoffen auf die Reinigung Prags. Ihre Ausgangssituationen sind allerdings grundverschieden und deshalb unterscheiden sich die von ihnen gewählten Wege. Balický ist ein Kind dieser Stadt. Sie ist bereits seine, er muß sie nicht erst erobern, und so glaubt er, sein gutes Beispiel reiche aus und stecke an. Während er also auf Kontinuität setzt, setzt Nižinský auf einen großen Sturm (S. 41), der über die Stadt hereinbrechen müsse, um allen Unrat zu beseitigen. Diesen Sturm werden weder die Agrarier (S. 50), noch die Armen Prags auslösen (S. 75), die Brot und Arbeit und „[p]ryč“ [weg] fordern (S. 74) – was verschwinden soll, ob es sich dabei vielleicht um Prag handelt, muß jeder für sich entscheiden. Horn ist zwischen den Alternativen hin- und hergerissen – läßt sich Prag bewahren, oder müssen die alten Mauern eingerissen und an ihrer Stelle eine neue Stadt errichtet werden (S. 42)? Nachdem Horn erkannt hat, daß Ankas Vater ihn und seinen Onkel in unlautere Geschäfte hineingezogen hat, stellt er ihn zur Rede. Darauf wird er vor die Tür gesetzt. Seine Liebe wird nur für die Zeit der geschäftlichen Beziehungen geduldet (S. 54, 66 und 87f.). Weil für Horn aber nicht nur im Traum gilt: „Anka … Praha … Praha … Anka“ [Anka … Prag … Prag … Anka] (S. 61), sondern er auch bei vollem Bewußtsein formuliert: „Anka je – Praha. A Praha – je Anka“ [Anka ist – Prag. Und Prag – ist Anka] (S. 85), weil für ihn also Anka und Prag eine untrennbare Einheit bilden, muß er sich von beiden lossagen. Als es zur Trennung von Anka kommt, fühlt sich Horn von Prag besiegt und ausgestoßen. Sein Kräftemessen mit Anka steht stellvertretend für ein Kräftemessen mit Prag, aus dem er selbstverständlich nicht als Sieger hervorgehen kann (S. 89 und 96). Um Anka zu vergessen, muß er Prag verlassen: „Pryč z Prahy a od Prahy …“ [Weg aus Prag und von Prag] (S. 91). Er folgt der Einladung Nižinskýs in die Slowakei, der ihn bereits seit längerem von seiner krankhaften Liebe zu Prag heilen möchte (S. 85). Die ihm zugefügte Verletzung ist noch zu frisch, um irgendjemandem zu vergeben, deshalb trägt Horn „odboj proti Praze“ [einen Widerstand gegen Prag] (S. 91) mit sich in die Slowakei, doch ist er nicht allzu lange unterwegs, als er bereits wieder an Anka denkt und ein leises Rufen Prags vernimmt (S. 95 und 98).727 Der Ärger legt sich in einer schlaflosen Mondnacht in Bratislava (S. 98) und sein Widerstand verläßt ihn ganz angesichts der Feierlichkeit, bei der sich das autonomistische und das Regierungslager physisch gegenüberstehen. Kein Lager siegt, kein Lager unterliegt. Beide sind im 727

Vgl. das Zitat aus der Walpurgisnacht von Meyrink: „Es gibt keine Stadt in der Welt, der man so gern den Rücken kehren möchte, wenn man in ihr wohnt, wie Prag; aber auch keine, nach der man sich so zurücksehnt, kaum daß man sie verlassen hat“ (Meyrink 21987, S. 152).

Belletristik

215

Recht. Daraus entwickelt Horn den Willen, der Annäherung dieser beiden Lager zu dienen (S. 103). Sein abschließendes Plädoyer gilt einem abermals neuen Prag, das ihn seinen Aufenthalt kostet, denn die Beamten halten das Gegenwartsprag für unantastbar, unveränderbar, heilig und ewig. Ein neues Prag werde es nicht geben, darf es nicht geben, auch in tausend Jahren nicht, davon ist Neubauer überzeugt (S. 104).

Politik Die Autonomieforderungen der Slowaken und die Unzufriedenheit im gesamten Lande sind neben den Affären, in die Beamte, Abgeordnete und Senatoren verwickelt sind, von hoher politischer Relevanz. Horn übernimmt jeweils relativ schnell die Ansichten seiner Umgebung – wenn diese nicht zu radikal sind. Destruktiven Tendenzen verweigert er grundsätzlich die Gefolgschaft. Er ist zu unentschlossen, um sich dauerhaft einer Gruppe anzuschließen (S. 108). Mit dem Wechsel der Kreise, in denen er sich bewegt, wechselt auch seine Einschätzung der aktuellen politischen Erfordernisse. Als er durch Anka bei den Prager Börsianern eingeführt ist, vertritt er die Meinung, daß die Slowaken keine Autonomie bräuchten, denn diese mache sie nicht satt (S. 22). Immer noch unter dem Einfluß der Börsianer stehend, sagt Horn nach dem Agrarkongreß in Gedanken „zemědělcům – ne“ [den Landwirten – nein] (S. 41). Die Beamten werden als langsam, kraftlos, abgespannt dargestellt. Sie verfolgen keine konkreten Vorstellungen, sondern wollen in ihrem ruhigen Dasein durch nichts gestört werden. Die virulente Nationalitätenfrage rühren sie lieber nicht an und hoffen, daß auch kein Journalist an ihr rühren möge. Sie fürchten die Wahrheit und ersetzen sie durch Konventionen und halbherzige Lügen oder unvollständige Wahrheiten (S. 15). Die deutsche Politik lehnt Horn ab. In einem konspirativen Treffen mit einem deutschen Politiker stellt dieser seine Sicht auf die Tschechoslowakei dar (S. 79). Er meint, die Deutschen seien gewaltsam an einen Staat gefesselt, mit dem sie nichts gemein haben und der sie wirtschaftlich und kulturell vernichtet habe. Das historische Zusammenleben verpflichte zu nichts und sei auch nicht richtungsweisend für die Zukunft. Sie orientieren sich gen Norden. Weil die deutschen Parteien in Prag schnell an Anhängern verlieren, „[c]hceme sdíleti osud naších bratří v říší“ [möchten wir das Schicksal unserer Brüder im Reich teilen] (S. 79), sagt der Politiker, der in der Tschechoslowakei mit seiner baldigen Verhaftung rechnet (S. 78). Für ihn stellt die Nationalität einen höheren Wert als die Republik dar. Horn lehnt es ab, diesem Menschen, der nicht umgestalten, sondern alles über Bord werfen will, eine Plattform zu gewähren. Die slowakischen Autonomisten kommen differenzierter zu Wort als andere politische Gruppierungen. Ihr Anführer, Nižinský, grenzt das Programm seiner Volkspartei von dem der Agrarier ab. Während seiner Interpretation nach die Agrarier Gutes für die Bauern erstreiten wollen, wolle die Volkpartei Gutes für das gesamte

216

Teil 2 – Werk

slowakische Volk erlangen (S. 50). Den tschechischen Landwirten gehe es schlecht, wenn es dem Staat schlecht gehe und dem Staat gehe es schlecht, wenn es der Slowakei schlecht gehe. Dieser Logik zufolge muß also an erster Stelle der Slowakei geholfen werden. Die Lösung der sozialen Frage müsse mit der gleichzeitigen Lösung der Nationalitätenfrage einhergehen, denn sonst erfolge die Korrektur wieder nur auf Kosten der Slowaken oder Deutschen (S. 60). Nižinský wird als pars pro toto für die Slowakei dargestellt. Zu der Feierlichkeit, die die Prager in ‚seiner‘ Slowakei veranstalten, ist er nicht eingeladen, ihm soll in seiner Stadt das Wort verboten werden. Das wird als Affront gegen die gesamte Slowakei interpretiert (S. 99). Die Feierlichkeit verwandelt sich in eine große autonomistische Kundgebung. Das Volk steht gegen die Regierung, das Land gegen Prag. Die Forderungen auf den Plakaten betreffen die Autonomie und die slowakische Sprache, es werden Glaube und Brot, Recht und Freiheit angemahnt, es lebe Nižinský, der Präsident, die Republik (S. 101). Die anwesende Prager Regierung sitzt da und schweigt, Nižinský wird hineingetragen und redet. Auf seine alten Tage überkommt ihn ein Gefühl der Eitelkeit, weshalb Horn zum wiederholten Male unglaubliches Mitleid mit ihm verspürt (S. 102, zuvor bereits S. 84). Mitgefühl empfindet er allerdings ganz offensichtlich allgemein mit älteren Politikern, die sich zugunsten einer Idee opfern und ihre eigenen Kräfte überschreiten, um auf ihre Anhänger einen starken Eindruck zu machen, denn auch der kranke Vorsitzende der Agrarier tut ihm leid (S. 37). Detván formuliert sein recht einfaches Programm mit den Punkten Freiheit, Autonomie, Nationalismus, Glaube und Brot für die Slowaken (S. 93). Damit kann er Horn nicht überzeugen, dem alle diese Forderungen längst bekannt sind und der zu ihnen auch die entsprechenden Statistiken kennt. Womit er jedoch zu überzeugen versteht, das sind seine Jugend, sein lebendiger Glaube, seine Begeisterung, seine Tatkraft, sein Elan (S. 94). Horn erkennt mehr und mehr zwei Lager, die beide recht haben. Sowohl die Prager Arbeitslosen als auch die armen Bauern in der Slowakei fordern zu Recht Brot, um überleben zu können. Der Artikel, in dem er sein Verständnis für die Armen kundtut, wird als staatsfeindlich interpretiert.

Fiktion und Wirklichkeit Da dieser Text nicht publiziert worden ist, gibt es selbstverständlich keine Reaktion auf ihn. Es ist anzunehmen, daß die Stimmen wesentlich kritischer ausgefallen wären als zu Mařenka chce jinou vládu, denn Vilinskij bezieht sich in ihm auf reale politische Ereignisse, die er nicht so überzogen darstellt, daß dadurch automatisch eine Distanz zur Wirklichkeit hergestellt wird. Die handelnden Personen tragen zwar andere Namen als in der Realität, sind jedoch leicht zuzuordnen, zumal weitere Personen namentlich erwähnt werden, die real existiert haben (Hlinka, Šrobar, R[á]zus, alle S. 2; Stambolijski, S. 7f.; Vlasta Burian, S. 15; Monsignore Šrámek, S. 30). Hodža, der Chef der Agrarier, tritt zwar auf, ohne daß sein Name genannt

Belletristik

217

wird (S. 37), später wird er jedoch namentlich erwähnt (S. 49), so daß er der einzige handelnde Politiker ist, der bei seinem richtigen Namen genannt wird. Nižinský kann mit Hlinka identifiziert werden und in diesem Zusammenhang Horn mit Vilinskij selbst. Der reale und der fiktionale Journalist führen in der slowakischen Pfarrei des betagten konservativen Abgeordneten ein Interview mit ihm.728 Die Feierlichkeit in der Slowakei, die in dem Roman nicht näher spezifiziert wird, ist die 1.100-Jahr-Feier des christlichen Fürsten Pribina in Nitra. Vilinskij hat die Arbeit an dem Roman unterbrochen, um an dieser Feier teilzunehmen, wie man einer Mitteilung an seine Frau entnehmen kann, die sich auf der Rückseite eines der Manuskriptblätter (von S. 27) befindet. Zudem enthält der archivarische Fonds unter anderem das mit handschriftlichen Notizen versehene Programm der Feier und zwei ebenfalls mit Randbemerkungen versehene Ausgaben der Tageszeitung Slovák.729 Die Notizen beinhalten zum einen Beobachtungen, wie sich verschiedene Menschen verhalten, zum anderen kurze Ausschnitte aus den Reden, Reaktionen auf sie und das zur Schau gestellte slowakische Selbstbewußtsein. Diese Aufzeichnungen kann man zum Teil wortwörtlich in dem Roman wiederfinden.730 Hlinka war wie die Romangestalt Nižinský in Nitra nicht als Redner vorgesehen, „[d]ie Volkspartei riß jedoch am Ende die Feier an sich, man trug Hlinka im Triumph auf den Schultern zur Tribüne und die Sache endete als autonomistische Kundgebung“,731 obwohl die Regierung bewußt als Veranstalter auftrat, um genau das zu verhindern. Hlinka und seine Slowakische Volkspartei erzielten „in Anwesenheit des Ministerpräsidenten Malypetr einen nachhaltenden propagandistischen Erfolg“,732 ihre „Forderung nach einer ‚nationalen Autonomie‘ für die Slowakei“ und ihr Eintreten „für eine stärkere Berücksichtigung der slowakischen nationalen und religiösen Belange in der tschechoslowakischen Innenpolitik“733 stießen auf ein breites Echo und vertieften erneut die Kluft zu Prag. In Praha wird lediglich die zeitliche Abfolge umgestellt, Nižinský ergreift noch vor der Regierung das Wort. Seine Worte und die Reaktion auf sie sind weitgehend identisch mit denen 728 729

730

731

732

733

S. o. die Ausführungen zu Rus se dívá na Č.S.R. Program 1100 ročných jubilárnych osláv založena prvého kresťanského chrámu kniežaťom pribinom v Nitre, Nitra 1933 und Slovák vom 05.07.1933 und 15.08.1933. So z. B. die Ausführungen von Bartošs Sekretärin gegenüber einer Freundin, daß Bartoš sie möge, Geld habe, sie immer ‚so‘ ansehe (vgl. Notizen auf Slovák vom 05.07.1933), daß jemand mit einem Regenschirm über dem Kopf den Takt angibt oder daß Hlinka bzw. Nižinský ermüdet den Kopf auf seinen Arm gelegt habe (vgl. Notizen auf Program). Huber, Augustinus Kurt: Die „Burg“ und die Kirchen, in: Bosl, Karl (Hg.): Die „Burg“. Einflußreiche politische Kräfte um Masaryk und Beneš, München/Wien 1974, S. 181-196, hier: S. 192. Hoensch, Jörg K.: Die Verfassungsstruktur der ČSR und die slowakische Frage, in: Bosl, Karl (Hg.): Die demokratisch-parlamentarische Struktur der Ersten Tschechoslowakischen Republik, München/Wien 1975, S. 83-120, hier: S. 99. Hoensch 1975, S. 86. Nach Hrabovec hatten die Feiern eine katholisch-religiöse, slowakischnationale und allslavisch-unionistische Dimension (Hrabovec 2007a, S. 149). Vgl. Kmeťko, der der gefeierten Kirche eine vierfache Bedeutung zuschreibt: kirchlich, national, gesamtstaatlich und allslavisch (Kmeťko, Karol: Význam Pribinovho chrámu, in: Katolícke Slovensko 1933, S. 399-406, hier: S. 399).

218

Teil 2 – Werk

Hlinkas. Hlinkas Ansprache wird gekürzt wiedergegeben, dabei werden jedoch besondere Situationen wie das Ausfallen des Mikrofons beibehalten (S. 101).734 Obwohl Hlinka im Vorfeld sogar angekündigt hatte, daß Nitra im August Zeuge einer großen slowakisch-nationalen Ansprache werde,735 hat Vilinskij einen vollkommen anderen Verlauf der Feierlichkeiten vorausgesagt: „Можна ожидать, что эти торжества выльются в форму могучей демонстрации чехословацкого единства“736 [Man kann erwarten, daß diese Feiern in eine gewaltige Demonstration der tschechoslowakischen Einheit münden], um sich durch die gemeinsamen tschechoslowakischen Traditionen vor allem gegenüber ungarischen Einflüssen auf die slowakische Kultur abzugrenzen. Er muß ziemlich überrascht gewesen sein von dem tatsächlichen Verlauf der Feierlichkeiten, zumal es ja die katholische Kirche ist, auf deren Boden die slowakische Unabhängigkeitsbewegung gedeiht. Vilinskij sah jedoch die Einheit des Landes gerade durch die gemeinsame katholische Tradition garantiert. Die vermittelnde Position, zu der Horn letzten Endes findet und die sich mit sowohl politischen als auch religiösen Positionen Vilinskijs deckt, wird wohl deshalb sehr vorsichtig formuliert. Es fallen nirgends in dem Roman die Worte ‚slavisch‘ oder ‚tschechoslowakisch‘. Die Einheit des Landes findet in dem Wort ‚Republik‘ Ausdruck, das wiederum in Vilinskijs sonstigen Texten kaum Verwendung findet. Wenn man sich noch einmal Rus se dívá na Č.S.R. in Erinnerung ruft, wo Vilinskij vehement für die tschechoslowakische Einheit plädiert, scheint Praha eine Revision seiner Ansichten darzustellen, die durchaus unter dem Eindruck der Feierlichkeiten stehen kann, bei denen er ganz offensichtlich über ein anderes als das bis dahin angenommene Kräfteverhältnis belehrt worden ist. Vielleicht reagiert er mit dem Roman auch auf die Kritik, die er sich mit der Titulierung Hlinkas als „Herz der Slowakei“ in Rus se dívá na Č.S.R. zugezogen hat. Auch die Darstellung des Hungerzuges auf dem Prager Václavské nám. [Wenzelsplatz] steht im Zusammenhang mit Demonstrationen, die tatsächlich stattgefunden haben. Die Wirtschaftskrise erreichte die Tschechoslowakei verzögert, so daß die Auswirkungen des Börsenkrachs von 1929 erst 1933 ihren Höhepunkt erreichten, was sich in einem vergleichsweise äußerst niedrigen Ausfuhrvolumen und hoher Arbeitslosigkeit niederschlug.737 Die Demonstration wird bei Vilinskij dadurch pathetisiert und gerechtfertigt, daß er das Pferd (das ist die Statue des sv. Václav [hl. Wenzel] von Josef Václav Myslbek am oberen Ende des Platzes) in die Handlung einbezieht. Er läßt den Fürsten mit dem arbeitslosen Volk demonstrieren (S. 74). Am Ende sind es allein Matěj Bartoš und der Reiter, die nicht sofort vor der Polizei 734 735

736

737

O. A. Pred tribúnou, in: Slovák, Jg. 15, Nr. 183, 15.08.1933, S. 4. Hlinka, Andrej: Spolok sv. Vojtecha s hľadiska slovensko-katolíckeho, in: Katolícke Slovensko 1933, S. 527-530, hier: S. 527. Pribinovskie toržestva v Slovakii, in: Centraľnaja Evropa, Jg. 6, Nr. 4, 1933, S. 299. Das war auch die Absicht der Regierung (Hrabovec 2007a, S. 150). Vgl. Hoensch, Jörg K.: Geschichte Böhmens. Von der slavischen Landnahme bis zur Gegenwart, München 31997, S. 428.

Belletristik

219

fliehen, sondern als Anführer ihre Leute beschützen und weiter vorwärtsschreiten (S. 75).738 Bartoš zieht also gewissermaßen als ein Krieger von Václavs Garde für die Revolution in den Kampf. Das Bild des Reiters Václav, der sich vorsieht, um mit seinem Pferd das Fußvolk nicht zu gefährden, taucht in dem Roman zuvor bereits auf. Horn sieht es in einem Porzellangeschäft in Bubeneč. Eine braune Reiterstatue des sv. Václav steht inmitten von weißen Tellern, Briefbeschwerern aus Porzellan, Väschen und chinesischen Teeservicen. Er führt vorsichtig sein Pferd, um nichts kaputt zu machen. Im Schein der Mittagssonne schläft jedoch alles – der Reiter, sein Pferd, Prag (S. 25). Bei der Demonstration befindet er sich dann inmitten der Arbeitslosen und sein schweres Pferd hebt vorsichtig die Hufe, um niemanden zu verletzen, denn es handelt sich bei den Demonstranten um das Volk seines Fürsten (S. 74). Die berittene Polizei, die wenig später erscheint und auf den sv. Václav zureitet, kennt hingegen keine Vorsicht gegenüber den Demonstranten (S. 75). Die Bezüge zur realen Zeitpolitik können noch aus weiteren Materialien abgeleitet werden, die sich in dem archivarischen Fonds befinden. Dazu zählt das Buch Poslanec píše vládě [Ein Abgeordneter schreibt der Regierung] des Politikers Jaroslav Stránský, das an einigen Stellen mit Anstreichungen versehen ist. Darin ist zu lesen: „Nejvíce práce však věnuje poslanec intervencím, tedy čemusi, co mu ústava rovnou zakazuje“739 [Die meiste Arbeit aber widmet der Abgeordnete Interventionen, also einem Anliegen, das ihm die Verfassung direkt verbietet]. Neben den Interventionen um Dienste und Arbeitsplätze gebe es noch schlimmere, nämlich die um öffentliche Lieferungen, Ein- und Ausfuhrgenehmigungen, Steuerabschreibungen, Straferlaß etc. – in diesen Fällen sei noch schlechter möglich zu überprüfen, in wessen Interesse interveniert werde, ob nicht das öffentliche Mandat für vollkommen private Angelegenheiten mißbraucht werde.740 Zu einem derartigen privaten Mißbrauch seines öffentlichen Mandats verleitet in dem Roman Bartoš Bartůnek. Auch Nižinský interveniert, obgleich er gegen den Prager Protektionismus eintritt (S. 59). Balickýs Kampf gegen Korruption und Protektionismus kann mit dem Stránskýs, der in Vilinskijs Notizen zum Aufbau der einzelnen Kapitel als „očista Prahy“741 [Reinigung Prags] bezeichnet wird, verglichen werden. Auch die Einschätzung des revolutionären Potentials, die Balický liefert, ist fast wortwörtlich von Stránský übernommen, bei dem zu lesen ist: Nevěřím v žádné násilné převraty v našich zemích. Nebude žádné revoluce, ani fašistické, ani komunistické, ani iredentistické, ani autonomistické. Všechno odkazuje všechny jen na pokojné uskutečňování přerozmanitých představ o veřejném blahu, protože každý si lehko 738

739 740 741

In der Zweiten Republik (Oktober 1938 bis März 1939) wurde die Tradition des hl. Wenzel belebt und versucht, die nationale Identität mit dem katholischen Glauben zu verschmelzen (vgl. bereits Vilinskij in Rus se dívá na Č.S.R.), wobei der hl. Wenzel als Symbol der nationalen Einheit und als Volksführer gedeutet wurde (Šebek 2007, S. 98). Stránský, Jaroslav: Poslanec píše vládě, Praha 1933, S. 34. Stránský 1933, S. 36f. S. pracovní materiály k románu Praha (LA PNP, fond Vilinskij).

220

Teil 2 – Werk

spočítá, na čí odpor by nezbytně narazil, kdyby podle představy a fasony své chtěl spasit všechny ostatní. Všichni naši spasitelé musí do houfu, máme-li nějaké spásičky dosáhnout a tomu se právě říká demokracie.742 Ich glaube an keine gewaltsamen Umstürze in unseren Ländern. Es wird keine Revolution geben, weder eine faschistische, noch eine kommunistische, noch eine irredentistische, noch eine autonomistische. Alles verweist alle nur auf das ruhige Verwirklichen mannigfaltiger Vorstellungen vom Allgemeinwohl, weil sich jeder leicht ausrechnet, auf wessen Widerstand er unweigerlich treffen würde, wenn er nach seinen Vorstellung und seiner Fasson alle anderen retten wollen würde. All unsere Retter müssen zusammengehen, wenn wir irgendwelche kleinen Rettungen erreichen wollen und das nennt man gerade Demokratie.

Im Vergleich dazu seien hier die Worte Balickýs angeführt: V našich zemích nemohou býti žádné násilné převraty. Nebude nikdy revoluce. Máme ovšem rozmanité představy o veřejném blahu, o tom, co by se mělo státi, co bychom potřebovali udělati. Ale každý, kdo by podle vlastního předpisu chtěl zachraňovati ostatní, něco obrozovati a měniti, naráží na nezdolný odpor. Nedovedete si ani představiti silu tohoto odporu, bude živelný. Všichni spasitelé se mají předem sraziti do houfu, pak teprv nějakého spasení dosáhnou. Bude snad kompromisní, avšak postačí, jinak bychom tu spásu marně čekali […]. (S. 40) In unseren Ländern können keine gewaltsamen Umstürze sein. Es wird niemals eine Revolution geben. Wir haben allerdings mannigfaltige Vorstellungen vom Allgemeinwohl, davon, was passieren sollte, was wir tun müßten. Aber jeder, der nach eigener Vorschrift die anderen retten wollte, etwas zu neuem Leben erwecken oder verändern wollte, trifft auf unüberwindlichen Widerstand. Sie können sich gar nicht die Kraft dieses Widerstandes vorstellen, er wird elementar. Alle Retter müssen zuvor zusammengehen, erst dann erreichen sie irgendeine Rettung. Sie wird zwar ein Kompromiß sein, aber das reicht, ansonsten würden wie vergeblich auf diese Rettung warten.

Balický wird von Vilinskij als assimilierter Fremder dargestellt, den seine Mitmenschen in kritischen Situationen nicht als einen der Ihren annehmen. Etwas Konkretes über seine Herkunft ist nicht aus dem Text zu erfahren, sondern nur, daß er nicht tschechischer Abstammung sei (S. 40). Stránskýs Vater, Adolf Stránský (1854-1931), war ein in der Nähe von Německý Brod (heute: Havlíčkův Brod) geborener tschechischer Jude, der zum Katholizismus konvertierte. Wenn man dies wieder auf Balický bezieht, ist seine Fremdheit eine andere als die Horns, denn sie ist nicht geographisch begründet. Allerdings sollte man die Parallelen nicht überstrapazieren, denn Vilinskij läßt Balický bewußt einer anderen Partei angehören (Stránský war Mitglied der ČSNS), die ihm selbst, wie aus seiner Biographie bekannt ist, sympathischer war. Der Parteikongreß, an dem Horn teilnimmt (S. 36ff.), weist Parallelen zu dem realen Kongreß der Agrarpartei, der im Mai 1929 stattgefunden hat, auf. Es wird ein Gruß des kranken Parteiführers verlesen. Dem Stellvertreter, der die Worte verliest, erscheinen sie zuvor zwar als zu offensiv, die Delegierten sind jedoch begeistert (S. 37). 1929 wurde als angeblicher Gruß des kranken Švehla das wahrscheinlich gefälschte Dokument Švehlův vzkaz [Švehlas Nachricht] verlesen, das einen demagogischen Mobilisierungsversuch der ländlichen Massen zum aktiven 742

Stránský 1933, S. 59.

Belletristik

221

politischen Kampf gegen die ‚schmarotzerischen‘ Elemente der nichtländlichen Bevölkerung darstellt, denn es gehe jetzt nicht mehr darum, zu fordern, daß der Staat den Bauern etwas gebe, sondern man werde es sich nehmen.743 In dem Roman werden also verschiedene Aspekte des öffentlichen Lebens, die Zeichen einer zunehmenden Unzufriedenheit und Unruhe im Lande sind, verarbeitet und in größere zeitliche Nähe gebracht. Je eindeutiger sich einzelne Politiker und Situationen identifizieren lassen, desto mehr ist der Leser geneigt, weitere Bezüge zwischen Horn und Vilinskij herzustellen, die über die Teilnahme an der Pribina-Feier und seine Bekanntschaft mit Hlinka hinausgehen. Genau an diesem Punkt würden sicherlich die Kritiker ansetzen, die ihm das gleiche vorwerfen würden wie Horn, nämlich ein allzu großes Verständnis für die slowakischen Autonomiebestrebungen seitens des tschechischen Lagers und die Relativierung der Armut in der Slowakei durch die Darstellung der hauptstädtischen Armut seitens des slowakischen Lagers und seitens beider, daß er sich in Dinge einmische, denen er sich als Fremder lieber fernhalten sollte. Die Prager Schauplätze sind authentisch. Wie man seinen Materialien entnehmen kann, fertigt Vilinskij sogar einige Textsegmente direkt an Ort und Stelle an: „psáno nad Novým světem“; „psáno na P. náměstí“; „[v]e vláku“744 [geschrieben über der Neuen Welt; geschrieben auf dem P[alacký]platz; im Zug]. Um den Hinweis auf Hlinka nicht noch eindeutiger zu machen, ist der Ort des Wirkens von Nižinský nicht Ružomberk, sondern Trenčín. Besonders im Vergleich mit Mařenka chce jinou vládu fällt auf, daß sich Vilinskij für Praha viel mehr auf Fakten denn auf seine Phantasie stützt. Der Mitteilung wird mehr Aufmerksamkeit gewidmet als ihrer ästhetischen Verarbeitung, so daß kaum formale Besonderheiten auffallen und er in diesem Falle auch nicht seine Postulate hinsichtlich lesenswerter Literatur illustriert. Das ‚happy end‘ wird nicht ausgeführt, der Schluß läßt lediglich die Möglichkeit, daß es später eintreten kann und das Werk weist auch nicht die Leichtigkeit und Unmittelbarkeit auf wie sein publiziertes Pendant. Vilinskij beschreibt vielmehr, was ihn als Fremden in der Tschechoslowakei umtreibt und wie er die tschechoslowakische Politik beurteilt. Das Werk ist also vor allem wegen seiner zeithistorischen Aktualität interessant und weil es die Fragestellungen, denen sich Vilinskij in seinen publizistischen Abhandlungen stellt, noch einmal einem anderen Publikum näherbringen möchte.

743 744

Lemberg 1977, S. 351. S. pracovní materiály k románu Praha (LA PNP, fond Vilinskij).

222

Teil 2 – Werk

Vilinskij und die russische Literatur Wie wir bereits sehen konnten, sucht Vilinskij seinen Platz in der tschechischen Literatur, auf die auch sein kritisches Interesse gerichtet ist. Wie nahm er jedoch die russische Literatur wahr? Diese Frage stellt sich vor dem Hintergrund, daß er sich intensiv mit dem ‚russischen Geistesleben‘ auseinandergesetzt hat, von dem die Literatur einen nicht unbedeutenden Bestandteil darstellt. Vilinskij mag Dostoevskij nicht. Eine der hauptsächlichen Ursachen für diese Ablehnung ist darin zu sehen, daß Dostoevskij durch das Kapitel Velikij inkvizitor [Großinquisitor] in den Brat’ja Karamazovy [Brüdern Karamazov] das Bild der katholischen Kirche in Rußland maßgeblich bestimmt und einseitig verfälscht hat. Alle Vorurteile, die die Russen dem Katholizismus entgegenbringen, habe ihren Grund in seiner Darstellung in dieser „болезненная фантастическая легенда“745 [krankhaft phantastischen Legende]. Aber auch auf die Orthodoxie übe Dostoevskijs „chorobné tvůrčí dílo“ [krankhaftes schöpferisches Werk] einen Einfluß aus. Seine Anhänger würden sich darum bemühen, die Orthodoxie „‚zveličiti‘“ [‚aufzublasen‘] und sich zu Neoorthodoxen zu stilisieren, anstatt stolz auf ihre alten mystischen Traditionen zu sein,746 dabei führe die Introspektion Dostoevskijs in der Mehrzahl der Fälle zu nichts, weil sie keine Auswirkung auf das praktische Leben habe und deshalb nur die Unbeweglichkeit der russischen Orthodoxie vergrößere.747 Die Kritik von Bertram Schmitt an Vilinskij gerät dann auch zu einer Apologie des Großinquisitors.748 Daß nicht nur in Rußland, sondern auch in Europa Dostoevskijs Wirkung nachhaltig verhängnisvoll war, darauf wurde im Zusammenhang mit der ‚russischen Seele‘ in Mařenka chce jinou vládu bereits hingewiesen. Die Strafe dafür habe nicht 745 746

747 748

Christos-Car’, in: Kitež, Jg. 2, Nr. 5-6, Mai-Juni 1928, S. 67-72, hier: S. 67. Povaha ruského mysticismu 1928, S. 219. Das Ersetzen einer sachlichen Beschäftigung mit den Ideen Dostoevskijs durch diese bedenklich einfache Lösung, ihn für krank zu erklären, findet sich noch in weiteren Arbeiten Vilinskijs. Im Kontext mit J. Polkovnikovs These über die messianische Berufung Rußlands, die sich u. a. auf Dostoevskij stützt, schreibt er: „Výplody chorobné tvorby spisovatelské zdají se býti zjevením božské pravdy“ [Die Produkte eines krankhaften schriftstellerischen Schaffens scheinen eine Offenbarung der göttlichen Wahrheit zu sein] (Zásady ruského unionismu, in: Apoštolát sv. Cyrila a Metoděje, Jg. 19, 1928, Příloha „Apoštolátu jednoty [CM]“, S. 7-12, hier: S. 10). Z Východu na Západ, in: Život, Jg. 11, Nr. 15, 01.10.1929, S. 10f., hier: S. 11. Schmitt, Bertram: Eine Zwischenbemerkung. Zu dem vorausgehenden Aufsatz von S. v. Popows und dem nachfolgenden Aufsatz Dr. W. Wilinskij’s, in: West-östlicher Weg, Jg. 2, Nr. 4, April 1929, S. 91-93. Schmitt mildert Vilinskijs Sicht auf Dostoevskij ab, indem er so tut, als habe Vilinskij nicht Dostoevskij für krank erklärt, sondern fiktive Gestalten aus seinen Werken (ebd., S. 92). Vgl. im Gegensatz zu Schmitt Felix Haase: „Geradezu Befremden erregen muß die Darstellung Dostojewskijs, die er in seiner Erzählung ,Der Großinquisitor‘ vom Papst und der katholischen Kirche gibt […]. Bei der Bedeutung Dostojewskijs muß man dieses Urteil bedauern“ (Haase, Felix: Die russische Kirche und die Union, in: Hollnsteiner, Johannes (Hg.): Die Union mit den Ostkirchen. Bericht über die Wiener Unionstagung Pfingsten 1926, Graz und Leipzig 1928, S. 39-51, hier: S. 49) oder Kolpinsky, Diodor: Die psychologischen Schwierigkeiten der Union mit den Russen, in: Hollnsteiner (Hg.) 1928, S. 52-57, hier: S. 56.

Belletristik

223

auf sich warten lassen: „Posmrtným trestem Dostojevskému je to, že se jím zabýval Sir Galahad[749], Spengler a pan Alfred Rosenberg“750 [Eine posthume Strafe für Dostoevskij ist es, daß sich mit ihm Sir Galahad, Spengler und Herr Alfred Rosenberg beschäftigt haben]. Um das Werk Dostoevskijs brach Streit zwischen Vilinskij und Deml aus, wie unter Rus se dívá na Č.S.R. ausgeführt worden ist. Der Vorwurf gegen Deml, daß sein Rußlandbild sich einzig aus den Werken Dostoevskijs ableite, impliziert noch einmal, daß Vilinskij Dostoevskijs Blick auf Rußland nicht teilt, weshalb er auch Masaryk positiv anrechnet, daß er in seiner Betrachtung Rußlands Dostoevskij überwunden habe, denn Dostoevskij „zamíchal všechny duchovní hodnoty a ze skutečnosti i řádu učinil chaos“751 [mischte alle geistigen Werte durcheinander und richtete aus Tatsachen und Ordnung ein Chaos an]. In diesem Zusammenhang muß erwähnt werden, daß Dostoevskij im vorrevolutionären Rußland noch keine ernstere wissenschaftliche Arbeit gewidmet worden war, während er zu dieser Zeit in Deutschland schon mehrfach übersetzt worden ist und seine Popularität in der Zeit zwischen 1918 und 1932 ihren Höhepunkt erlangte. Er war im westlichen Europa in aller Munde und wurde „von vielen als der entsprechendste und eigentümlichste Ausdruck russischer Art angesehen“,752 was Vilinskij für nicht gerechtfertigt hält. Er glaubt im Gegensatz zu Dostoevskij nicht an die Möglichkeit eines eigenen Weges für Rußland, der es auf der Grundlage seiner Einzigartigkeit aus sich selbst heraus geistig-religiös erneuern könnte. Für einen ‚richtigen Russen‘, das heißt für jemanden, dessen Rußlandbild er teilt, hält er Ivan Turgenev, der jedoch wiederum den Tschechen gleichgültig blieb, die an seiner statt Merežkovskij fleißig lesen, dessen neuere Arbeiten nicht einmal seinen Übersetzern verständlich seien und zu dem die russischen Leser nie einen inneren Zugang finden konnten, weil er ihnen als ziemlich westlicher vereinsamter Philosoph erschien.753 Neben der ausgesprochenen Verurteilung Dostoevskijs fällt auf, daß Vilinskij sich in seinen religionsphilosophischen Ausführungen ebensowenig auf Lev Tolstojs Ideen stützt – die ihm wie die Merežkovskijs eher westlich denn östlich 749

750

751 752

753

Dort heißt es: „Wer Allmensch und russische Psychologie sagt, meint DOSTOJEWSKI […] Was sonst russisch repräsentativ – sei’s europäisch oder anders hingeneigt – kann erst von diesem Schwerpunkt aus gewichtet werden“ und: „Mit der Inthronisierung des Idiotenideals in der russischen Literatur aber beginnt nun die systematische Welthetze gegen den vornehmen Menschen und die Vornehmheit als Qualität“ (Sir Galahad [d. i. Berta Eckstein-Diener]: Idiotenführer durch die russische Literatur, München 1925, S. 26 und 41). Die russische Seele wird als leer bzw. als bloße Hülle des Idiotismus dargestellt. Ruská duše 1934, S. 1. Rosenberg vertrat (ca. 1930) die Ansicht, daß ein Großrußland in den Grenzen von 1914 nicht wiederhergestellt werden könnte und daß eine nationalsozialistische Regierung die ukrainischen Separationsbestrebungen unterstützen sollte (s. Dodenhoeft, Bettina: Vasilij von Biskupskij – Eine Emigrantenkarriere in Deutschland, in: Schlögel [Hg.] 1995, S. 219-228, hier: S. 222), die Vilinskij strikt ablehnte. T. G. Masaryk a ruské pravoslaví 1931, S. 129. Muckermann, Friedrich: Vom östlichen Christentum, in: Theologische Revue, Jg. 25, Nr. 6, 1926, Sp. 201-205, hier: Sp. 202. Aldanov – láska zítřejšího dne, in: Lidové listy, Jg. 10, Nr. 133, 12.06.1931, S. 1f., hier: S. 1.

224

Teil 2 – Werk

erscheinen754 –, die in diesem Zusammenhang ansonsten viel zitiert sind, ja, oft als vollwertiger Beitrag zur russischen Philosophie betrachtet werden.755 Wegen der gelungenen Form und Tiefe der Gedanken sei Aldanovs Myslitel [Der Denker] Tolstojs Vojna i mir [Krieg und Frieden] ebenbürtig, auch wenn sich noch kein tschechischer Kritiker gefunden habe, der auf Aldanov hingewiesen und das offen gesagt hätte. Er ziehe die mystische Hingabe Aldanovs in das irrationale Schicksal vielen Stellen in Tolstojs Epos vor – sei sich jedoch bewußt, daß diese Aussage als Ketzerei aufgefaßt werden wird. Auch Aldanov sei ein Westler, allerdings einer, in dessen Werk die besten Traditionen der russischen Literatur zu einer Synthese zusammengeschlossen seien und der die russische Literatur zugleich mit dem Schrifttum anderer Völker verbinde.756 In seinem Werk vereine sich Nietzsches Idee der ewigen Wiederkehr mit dem Gedanken der Unwiederholbarkeit der Schicksale.757 Ein russischer Autor, zu dem Vilinskij mehrmals zurückkehrt und auf den er den Übersetzer Zdeněk Spilka aufmerksam macht, ist Gumilev.758 Außer der großen Farbigkeit und Plastizität seiner Poesie759 fasziniert ihn offensichtlich vor allem das abenteuerliche Leben und das tragische Ende des Dichters, der „dovedl žíti i zemříti jako konkvistador, dobyvatel a dravec“760 [wie ein Konquistador, Eroberer und reißendes Tier zu leben und zu sterben verstand], was Julius Heidenreich in seiner Rezension dazu veranlaßt festzustellen, daß es Vilinskij wesentlich besser gelungen sei, ein Porträt Gumilevs als Antirevolutionär denn als Dichter zu zeichnen.761 Überraschend ist, daß Vilinskij sich im Falle von Gumilev auch auf die formale Seite seines Werkes einläßt, die er sehr wohl zu würdigen weiß. Der Akmeismus sei nicht nur sein Werk, sondern Ausdruck seiner Person. Die berechtigten Einwände gegen diese Aussage ahnend, erfolgt später ihre Einschränkung: Gumilev nebyl akmeistou v běžném slova smyslu; v jeho duši se odehrával přerod. Je to nové opakování orphického mythu: vrah symbolismu nasákl duchem své oběti!762 Gumilev war kein Akmeist im herkömmlichen Sinne des Wortes; in seiner Seele spielte sich eine Wandlung ab. Das ist eine neue Wiederholung des Orpheus-Mythos: der Mörder des Symbolismus wurde vom Geist seines Opfers durchdrungen! 754

755

756 757 758 759 760 761 762

Z Východu na Západ 1929, S. 11. In theologischer Hinsicht kann man in der Tat einen Einfluß der liberalen Theologie des Protestantismus nicht abstreiten (vgl. Tschižewskij, Dmitrij: Zwischen Ost und West. Russische Geistesgeschichte II. 18.-20. Jahrhundert, Reinbek bei Hamburg 1961, S. 127). Den Umkehrschluß zieht Evgenij Barabanov: fast alle russischen religiösen Denker hinterließen ein literarisches Erbe, alle ohne Ausnahme Literaturkritik, was von der Macht der Literatur zeuge (Barabanov, Evgenij: Buchweisheit, Schule, Literatur, in: Deppermann, Maria [Hg.]: Russisches Denken im europäischen Dialog, Innsbruck/Wien 1998, S. 6-21, hier: S. 20). Vgl. Aldanov – láska zítřejšího dne 1931, S. 1. Psycholog lidských osudů, in: Archa, Jg. 20, 1932, S. 162-163, hier: S. 163. Spilka, Zdeněk: Úvod, in: Gumilev 1933, S. 7f., hier: S. 7. Vgl. Nikolaj Gumilev 1933, S. 87f. Mikuláš Gumilev, in: Archa, Jg.19, 1931, S. 315-316, hier: S. 316. Heidenreich, Jul. in: Lidové noviny, Jg. 41, Nr. 403 (Morgen), 13.08.1933, S. 9. Nikolaj Gumilev 1933, S. 97.

Belletristik

225

Was ihn in der Spätphase durchdrungen habe, sei die Mystik gewesen.763 Während der Symbolismus und der Futurismus jedoch das Wort prostituiert hätten,764 habe Gumilev erkannt, daß das Wort schon immer formendes Prinzip sei, Gestalt, Ausdruck des mystischen Zusammenfließens des Menschen mit der Natur. Der Umgang mit dem Wort sei die höchste Form des Zusammenfließens und dürfe deshalb nicht profaniert werden,765 weshalb man in seinem Werk keine Improvisation finde, sondern ausgefeilte Gebilde, in denen jedes Wort seinen festen Platz einnimmt.766 Die Grenze der Konkretheit habe er immer gewahrt und „nezradil Slova“767 [das Wort nicht verraten]. Aus seiner Fähigkeit zum Staunen, sowohl über die alltäglichsten als auch exotische Erscheinungen, leite sich das Postulat des Akmeismus nach Konkretisierung des Themas ab.768 Ethik und Ästhetik bedingen sich bei ihm einander, so sei auch sein Monarchismus im Grunde genommen ästhetisch,769 andererseits seien sein Gefühl für moralische Verantwortung, sein Mut, seine Abenteuerlichkeit und innere Ritterlichkeit grundlegend für seine optimistische Weltsicht.770 Deshalb blieben ihm auch Blok, Rozanov, Achmatova, Remizov, Sologub fremd, die den dionysischen Aspekt in der russischen Literatur vertreten771 – Elementarkraft, weibliche Fügsamkeit, Ungeklärtheit, dämonische und chaotische Elemente ergeben zusammen eine pessimistische Weltsicht.772 Aus Vilinskijs Sicht ist der Akmeismus bereits eine Angelegenheit der Vergangenheit, „[l]eč Gumilevova poesie žije, jeho dílo stojí pevně uprostřed trosek akmeismu, symbolismu a futurismu“773 [doch Gumilevs Poesie lebt, sein Werk steht fest inmitten der Trümmer des Akmeismus, Symbolismus und Futurismus]. Vilinskijs Vorliebe für Gumilev, dessen Werk als Herausforderung zu Heldentum und Kampf interpretiert worden ist, überrascht nicht. Mit ihr ist er ausnahmsweise einmal eins mit der Mehrheit der Emigranten, die sich für den Erhalt der vorrevolutionären 763 764 765 766 767 768 769 770 771

772 773

Vgl. Nikolaj Gumilev 1933, S. 99. Vgl. Nikolaj Gumilev 1933, S. 85. Vgl. Nikolaj Gumilev 1933, S. 86. Vgl. Nikolaj Gumilev 1933, S. 87. Nikolaj Gumilev 1933, S. 97. Vgl. Nikolaj Gumilev 1933, S. 90f. Vgl. Nikolaj Gumilev 1933, S. 91. Vgl. Nikolaj Gumilev 1933, S. 92. Anna Achmatova in dieser Reihe zu finden, mag zu Recht verwundern, läßt sich allerdings dadurch erklären, daß sie nach Meinung Vilinskijs Blok im Schaffen sehr ähnlich sei, so daß der Streit Gumilevs mit Achmatova stellvertretend für den mit Blok stattfinde. Das heißt, Vilinskij gesteht ihr keine eigenständige Rolle innerhalb der Dichtung zu (vgl. Nikolaj Gumilev 1933, S. 75f.). Dazu muß angemerkt werden, daß Vilinskij nur mit der Liebeslyrik ihres Frühwerkes vertraut war, weil sie nach 1922 für fast zwanzig Jahre Publikationsverbot hatte. Und wie man aus der ursprünglich 1926 in England erschienenen Geschichte der russischen Literatur von Dmitrij Mirskij ableiten kann, gelangten nur unzureichende Informationen über Achmatova in den Westen (Mirskij, Dmitrij Svjatopolk: Die Dichtung nach 1910, in: ders. Geschichte der russischen Literatur, München 1964, S. 438-444, hier: S. 441-443). Vgl. Nikolaj Gumilev 1933, S. 99. Nikolaj Gumilev 1933, S. 99.

226

Teil 2 – Werk

literarischen Traditionen und gegen die destruktiven Tendenzen der 1910er Jahre (v. a. den Futurismus) aussprechen, weshalb Texte des Realismus, Symbolismus und Akmeismus hoch im Kurs stehen. Das Verdienst Gumilevs sei es, daß nach ihm in Rußland keine formal unausgereiften Gedichte mehr geschrieben werden können.774 Der Beitrag Baľmonts zur russischen Literatur bestehe hingegen in seiner Freude am eigenen Körper und seiner Freude an der Liebe, so daß die Dichter „[p]o něm začali psát a myslit jinak, nežli před ním“775 [nach ihm begonnen haben, anders zu schreiben und zu denken als vor ihm], allerdings habe er nur viele Nachahmer, jedoch keinen richtigen Erben.776 Den Optimismus Gumilevs und die Lebensfreude Baľmonts777 setzt Vilinskij positiv der schwindelerregenden Vision Dostoevskijs, dem asketischen Tadeln Tolstojs und dem Schluchzen Čechovs über den kleinen und unbedeutenden Menschen gegenüber.778 Er erwartet also auch von der russischen Literatur eine positive Ausstrahlung, die den Alltag nicht so sehr ästhetisch verschönt, sondern ihn vielmehr durch suggestive Spannung vergessen läßt. Einen lebensbejahenden Grundzug findet er vor allem bei den russischen Autoren, die westlich orientiert sind und sich nicht in die ‚russische Tragik‘ versenken, sondern ihr mit einer gewissen Leichtigkeit entgegentreten. So muß es auch nicht verwundern, daß Vilinskij Baľmonts Platz in der europäischen Literatur sucht und als Leitmotiv des gesamten Bandes „Baľmont und die Tschechen“ ausgemacht werden kann.779 Wenn man Vilinskijs Zugang zu der russischen Literatur mit dem zur tschechischen Literatur vergleicht, fällt auf, daß er sich auch für die sprachliche und formale Seite der russischen Werke interessiert, die er an tschechischen Werken nur in seltenen Fällen zu schätzen weiß. Deshalb schreibt er auch über russische Lyrik, während im Hinblick auf die tschechische Literatur Überlegungen zu Prosawerken eindeutig 774 775 776

777

778 779

Vgl. Smrt Gumileva, in: Lidové listy, Jg. 10, Nr. 258, 10.11.1931, S. 6. Úvod, in: Balmont, K. D.: Z básnického díla, Praha 1935, S. 5-15, hier: S. 9. Úvod 1935, S. 13. Diese Thesen müßten an dieser Stelle an Vilinskijs eigenen russischsprachigen Gedichten überprüft werden, was jedoch nicht möglich ist, weil ich nicht weiß, ob sie überhaupt jemals geschrieben worden sind. Vielleicht sind sie in einem exilrussischen Periodikum unter seinen Initialen publiziert, denn in einem Brief an ihn finden sich folgende Worte: „ Ваши стихия […] читаю и знаю, что В. В. это Валерий Сергеевич Вилинский“ [Ihre Verse (…) lese ich und weiß, daß V. V. Valerij Sergeevič Vilinskij ist] (Brief Dluskijs an Vilinskij vom 31. März 1928 [ZAO, fond Vilinskij]). Vielleicht sind aber auch nur allgemein seine Artikel gemeint und die Suche nach Gedichten ist von vornherein zum Scheitern verurteilt. Wenn man von den außerhalb Rußlands entstandenen Texten absieht, die oft von einer schweren Trauer getragen sind (vgl. Úvod 1935, S. 14). Z básnického díla (1935) ist der erste eigenständige Gedichtband Baľmonts in tschechischer Übersetzung (besorgt von Jaroslav Vyplel). Die ersten Übersetzungen erschienen bereits 1903 und zeigten Baľmont nicht als lebensfrohen, sondern als pessimistischen dekadenten Dichter (Kšicová 2001, S. 323 und 328). Vgl. Úvod 1935, S. 8f. Vgl. Kšicová 2001, S. 328.

Belletristik

227

dominieren. In diesem Punkt kann man erkennen, was seine Muttersprache ist, was die Sprache ist, deren feine Nuancen er spürt und die ihm mehr bedeutet, als reines Kommunikationsmittel zu sein. Allerdings bringt der emotionale Bezug zu den russischen Texten mit sich, daß Vilinskijs Darstellungen von einem Pathos geprägt sind, das für tschechische Leser nur schwer verdaulich ist.780

780

Vgl. M. in: Moravskoslezský deník, Jg. 36, Nr. 158, 10.06.1935, S. 6.

Religiös-theologische Schriften Sie sehnten sich nach einem Glaubensbekenntnis, wie ein im Gefängnis sitzender Rauschgiftsüchtiger sich in seinen Freudenhimmel sehnt. Auf recht rührende Art beneideten sie Pariser Katholikenkreise um die würzigen Feinheiten, deren der russische Mystizismus ganz offenbar entriet. Dostojewskijscher Nieselnebel konnte sich nicht mit neu-thomistischem Denken messen; aber gab es denn keine anderen Möglichkeiten? Die Sehnsucht nach einem Glaubenssystem, ihr unablässiges Herumbalancieren am Rand irgendeiner allgemein akzeptierten Religion verschaffte ihnen eine Befriedigung eigener Art. Erst sehr viel später, in den vierziger Jahren, entdeckten einige dieser Schriftsteller endlich einen ganz bestimmten Abhang, den sie mit mehr oder weniger gebeugten Knien hinuntergleiten konnten. Es war der überschwengliche Nationalismus der einen Staat (in diesem Fall das stalinistische Rußland) gutheißen und liebenswert finden konnte, nur weil seine Armee einen Krieg gewonnen hatte. In den frühen dreißiger Jahren jedoch war dieser nationalistische Abgrund vorerst nur undeutlich erkennbar, und die Mystagogen genossen nach wie vor die Aufregungen ihres schlüpfrigen Schwebezustands. In ihrer Einstellung zur Literatur waren sie merkwürdig konservativ; für sie war die Rettung der Seelen die Hauptsache, dann kam die gegenseitige Reklame und ganz zum Schluß die Kunst.781

Die religiös-theologischen Texte machen nicht nur vom Umfang her den Hauptteil an Vilinskijs gesamtem Werk aus, sondern bilden auch seinen ideologischen Grundstock. Mit drei Arbeiten über verschiedene Aspekte der russischen Kultur und Kirche eröffnet er 1928 den Reigen seiner selbständigen Publikationen: in russischer Sprache geht er einerseits der Frage nach, was das verbindende Element der russischen Kultur sei und stellt seinen Landsleuten andererseits die russisch-katholische Bewegung vor; für tschechische Leser schreibt er über die Sicht des russischen Volkes auf die Vereinigung der Kirchen. Zu diesen Themen, die alle die Frage der kirchlichen Einheit berühren, kehrt er im Laufe der nächsten fünf Jahre immer wieder zurück. Geht es ihm zunächst vor allem darum, die russischen Emigranten mit dem Katholizismus als der einen heiligen, katholischen und apostolischen Kirche vertraut zu machen, geht er mehr und mehr dazu über, das westliche katholische Publikum mit der östlichen Gläubigkeit bekannt zu machen. Beides wird konstant von Schriften, die die Einheit der Christenheit propagieren, begleitet und kann als praktische Umsetzung der Erkenntnis, daß „[n]ejdříve nutno se vzájemně poznati, vyslechnouti mínění a názory druhé strany“782 [es zuallererst nötig ist, sich gegenseitig kennenzulernen, die Meinungen und Ansichten der anderen Seite anzuhören], 781

782

Nabokov, Vladimir: Erinnerung, sprich. Wiedersehen mit einer Autobiographie, Reinbek 1999, S. 387. Ruský národ a sjednocení církví 1928, S. 7.

230

Teil 2 – Werk

gewertet werden. Deshalb stehen diese Darstellungen unter dem Vorzeichen des Verbindenden. In viele der selbständigen Publikationen werden Texte aufgenommen, die zuvor bereits in verschiedenen Zeitschriften (manche [in Übersetzung] in mehreren) erschienen sind, und ebenso weisen die Bücher untereinander parallele Passagen auf. Die Frage, die sich stellt, ob es nicht ausreichend sei, wenn ein Gedanke einmal geäußert wird, muß auf mindestens zweierlei Weise beantwortet werden. Zum einen verdient Vilinskij sich zu dieser Zeit seinen Lebensunterhalt als freier Journalist. Von Büchern allein kann er nicht leben und so werden die Texte vorab in Zeitschriften veröffentlicht. Neben diesem pragmatischen Grund spielt sicherlich zum anderen eine wichtige Rolle, daß er mit allen seinen Texten ein praktisches Anliegen verfolgt, mit dem er gar nicht oft genug ‚auf den Markt gehen‘ kann. Das Buch Duch ruské církve [Der Geist der russischen Kirche] (1930) bildet einen ersten Kulminationspunkt seiner Suche nach dem, was den spezifischen Charakter der russischen Gläubigkeit ausmacht. Der eigentlichen Abhandlung, die mit Duch dějin ruské církve [Der Geist der Geschichte der russischen Kirche] überschrieben ist, stellt er das Kapitel Názor na dějiny ruské církve [Auffassung von der Geschichte der russischen Kirche] voran, in dem er seine Geschichtsphilosophie darlegt, die eng an die theophanische Geschichtsauffassung Lev Karsavins angelehnt ist.783 Den Schlußpunkt unter die selbständigen religiös-theologischen Schriften bildet das in slowakischer Sprache erschienene Buch Unionizmus (1932), das unter ihnen ohne Frage das am schönsten gestaltete Buch ist. Es ist eine Auftragsarbeit für den Spolok sv. Vojtecha [Adalbertgesellschaft] in Trnava, der es herausgegeben und auch Mittel zur Verfügung gestellt hat, das Buch aufwendig mit Illustrationen aus dem Bereich der russischen Kirchenkunst (Kirchengebäude, Ikonen und Porträts) zu gestalten, die im Anhang durch Jozef Myslivec erläutert werden. Es ist zudem das erste Werk, das über ein Literaturverzeichnis und Namensregister verfügt. Ein Rezensent bezeichnet es als Manifestation des wahren Unionismus, weil Russen, Slowaken und Tschechen gemeinsam daran gearbeitet haben.784 Ähnlich kann man eine weitere positive Kritik deuten: „Kniha pravoslavného autora mající imprimatur katolického biskupa, se, myslím, sama sebou doporučí“785 [Das Buch eines orthodoxen Autors, das das Imprimatur eines katholischen Bischofs hat, empfiehlt sich, denke ich, von selbst]. In inhaltlicher Hinsicht stellt diese Arbeit eine Synthese der bisherigen Untersuchungen Vilinskijs dar. Er zeichnet mit dieser Arbeit, die in zwei große Teile – 783

784 785

Vgl. Karsavin, L.: Filosofija istorii, Berlin 1923; Karsawin, Leo: Der Geist des russischen Christentums, in: v. Bubnoff, Nicolai/Ehrenberg, Hans (Hgg.): Östliches Christentum. Dokumente. II. Philosophie, München 1925, S. 307-377; Karsawin, L. P.: Die russische Idee, in: Der Gral. Katholische Monatsschrift für Dichtung und Leben, Jg. 19, Nr. 8, 1925a, S. 351-360 und Karsavin, Lev Platonovič: Křesťanská metafysika a dějiny, in: Pelikán, Ferdinand (Hg.): Současná ruská filosofie. Sborník statí, Praha 1929, S. 59-79. M.: Dr. Valerij Vilinskij: Unionizmus, in: Archa, Jg. 20, 1932, S. 221f., hier: S. 222. –a. in: Apoštolát sv. Cyrila a Metoděje, Jg. 23, Nr. 5, 1932, S. 192.

231

Religiös-theologische Schriften

Rozkol a unionizmus [Schisma und Unionismus]786 und Dejiny ruskej cirkvi [Geschichte der russischen Kirche] – untergliedert ist, (s)eine Kulturgeschichte Rußlands. Der zweite Teil deckt sich zwar von dem untersuchten Gegenstand her mit Duch ruské církve, wirkt in der Darstellung jedoch wesentlich klarer und übersichtlicher. Im ersten Teil stellt er die verschiedenen Trennungen und Annäherungsversuche zwischen den Konfessionen dar, die es im Laufe der Geschichte gegeben hat, wobei er den slavischen Völkern insgesamt eine besondere Verantwortung für das Werk der Union zuschreibt.

Unionistisches Velehrad Teď k Velehradu, národe, směr obrať svojich kroků, tam západe i východe lej vody svojich toků. Tam čiňte lásky obnovu, tam stavte míru budovu.787

Nation, wende jetzt deine Schritte in Richtung Velehrad dort, Westen und Osten, laßt das Wasser eurer Ströme zusammenfließen. Dort dient in Liebe der Erneuerung, dort baut dem Frieden ein Haus.

Děti Slávy jásají, s nebešťany plesají: svatou pravdu pochopili, by se všichni postavili v pevný nerozborný voj. Stojan líbá Solovjeva, Lev třináctý Strossmajera. Ustal mezi bratry boj, tvoří láskou mocný řád, žije, zkvétá Velehrad.788

Die Kinder der Sláva jubeln, mit den himmlischen Heerscharen jauchzen sie: die heilige Wahrheit haben sie verstanden, wenn sich alle in dem unverbrüchlichen standhaften Heer aufstellen. Stojan küßt Solov’ev, Leo XIII. Strossmajer. Es hielt der Kampf zwischen den Brüdern ein, durch die Liebe wird ein mächtiger Orden geschaffen es lebt Velehrad, es wird blühen.

Da Vilinskijs Wirken eng mit dem derart besungenen mährischen Wallfahrtsort Velehrad verbunden ist und er aus diesem Umfeld entscheidende Förderung und Anregungen erhielt, sollen die dortigen Aktivitäten an dieser Stelle ausführlicher vorgestellt werden.

786

787

788

Vilinskij verwendet den Begriff „rozkol“ gleichberechtigt für die innerrussische Kirchenspaltung im 17. Jahrhundert als auch für das Schisma im 11. Jahrhundert. František Sušil; cit. nach Tkadlčík, Vojtěch: Minulost a budoucnost velehradských kongresů, Velehrad o. J. [1993], S. 11. Hynek Dostál; cit. nach Kolísek, Karel (Hg.)/Kolísek, Dr. Alois: Cyrillo-Methodějství u Čechů a u Slováků, Brno 1935, S. 143 [zuvor in: Hlas, Jg. 53, 11.06.1926].

232

Teil 2 – Werk

Zur Zeit Österreich-Ungarns Im 19. Jahrhundert entwickelte sich in Böhmen und Mähren – mehr durch die Romantik denn politische Konzeptionen hervorgerufen – der Nationalismus als mächtige Strömung,789 der eine Ausprägung im Cyrillomethodianismus fand.790 Es wurde der Kult der Slavenapostel Cyrill und Method belebt, denn in ihnen sah man die glückliche Synthese des katholisch Religiösen mit dem slavisch Nationalen. Im Jahre 1848 wurde unter dem Namen Jednota moravská [Mährische Vereinigung] in der Wohnung des patriotischen Priesters Bedřich Graf Sylva Tarouka der Cyrillomethodianismus als organisierte Bewegung begründet. Im darauffolgenden Jahr wurde sie umbenannt in Národní jednota sv. Cyrila a Metoděje [Nationale Vereinigung des hl. Cyrill und Method]. Sie wurde zu einem Zentrum des literarischen Schaffens. Eine ihrer Aufgaben sah sie in der Erweckung des mährischen Selbstbewußtseins. Allerdings bildeten sich aufgrund ihrer Zusammensetzung – sie bestand zur Hälfte aus Priestern, zur Hälfte aus Laien – schnell zwei radikal entgegengesetzte Richtungen. Der Streit, welcher Art Bücher man herausgeben sollte, um das religiöse Bewußtsein zu fördern, führte schließlich zur Trennung. Infolgedessen entstand 1850 das Dědictví sv. Cyrila a Metoděje [Erbe des hl. Cyrill und Method] mit dem Ziel, gute katholische Bücher zu verbreiten. Der Erfolg dieser nationalreligiösen Erweckungsbemühungen war unerwartet groß: zu den Millenniumsfeiern der Ankunft der Brüder in Mähren 1863 und zu den jeweiligen Todesjubiläen 1869 (Cyrill) bzw. 1885 (Method) kamen hundert789

790

Kadlec, Jaroslav: Přehled českých církevních dějin II, Řím 1987, S. 209. Ob Kadlec oder Svoboda, Václav: Die innere Entwicklung des tschechischen Katholizismus in den letzten hundert Jahren, in: Seibt, Ferdinand (Hg.): Bohemia sacra. Das Christentum in Böhmen 973-1973, Düsseldorf 1974, S. 162-174 die Urheberrechte zustehen, können nur die Autoren selbst wissen. Es stimmen ganze lange Absätze in Übersetzung wortwörtlich überein. Die Arbeit von Kadlec erschien zwar erst 1987 im Druck, beruht jedoch auf einem Vorlesungsskript aus dem Jahre 1977, das sich auf Vorlesungen in den Jahren 1940-49 in České Budějovice, 1947-50 an der Karlsuniversität in Prag und ab 1969 in Litoměřice bezieht. Zur weiter zurückreichenden Vorgeschichte s. v. a. Cinek 1936, auf dem alle weiteren Arbeiten basieren; Zlámal, Bohumil: Die Entwicklung der kyrillo-methodianischen Tradition in der tschechoslovakischen Geschichte, in: Salajka, Antonín (Hg.): Konstantin-Kyrill aus Thessalonike, Würzburg 1969, S. 77-157; Machilek, Franz: Welehrad und die Cyrill-Method-Idee im 19. und 20. Jahrhundert, in: Archiv für Kirchengeschichte von Böhmen-Mähren-Schlesien, Band VI, Königstein/Taunus 1982, S. 156-183; stark umgearbeitet ders. „Velehrad ist unser Programm“. Zur Bedeutung der Kyrill-Method-Idee und der Velehradbewegung für den Katholizsimus in Mähren im 19. und 20. Jahrhundert, in: Bohemia, Jg. 45, 2004, S. 353-395 und Górka, Leonard: Dziedzictwo ojców. Ekumeniczny charakter tradycji welehradzkiej, Warszawa 1995, S. 26-38; vgl. ders. bereits 1982 in Doktryna ekumeniczna kongresów welehradzkich (19071936). Studium z zakresu historii katolickiej myśli ekumenicznej, in: Myśków, Józef (Hg.): Studia ekumeniczne. Tom 1, Warszawa 1982, S. 5-122, hier: S. 13-25 – da die Arbeit von 1995 ganz offensichtlich eine überarbeitete und erweiterte Fassung der letzten ist, werden die parallelen Stellen im folgenden nur mehr nach Górka 1995 zitiert – und ders. Święci Cyryl i Metody a pojednanie. Słowiańskie dziedzictwo w służbie jedności Kościołów i narodów, Warzawa/Lublin 2001a, S. 11-41 [tsch. Svatí Cyril a Metoděj. Ekumenická dimenze smíření, Olomouc 2007, S. 9-38].

Religiös-theologische Schriften

233

tausende Gläubige nach Velehrad. Es gelang allerdings nicht, Cyrill und Method zu Landespatronen zu erheben, denn die Deutschen ließen sich für diese Idee nicht begeistern, so daß sie eine rein tschechische, slavische Angelegenheit blieb, die allerdings unter dem Schutz des Olmützer Erzbischofs Friedrich Landgraf Fürstenberg (Bedřich lantkrabě Fürstenberk) stand, der aus einer Wiener Adelsfamilie stammte und deshalb nicht des Panslavismus verdächtigt werden konnte. Er verstand sich als 61. Nachfolger Methods im Amt.791 Es ist interessant, daß die Renaissance des Cyrill-Method-Kultes in den böhmischen Ländern in der Mitte des 19. Jahrhunderts mit einem neuen Typ der ikonischen Darstellung der Brüder einhergeht. Vom 14. bis zum 18. Jahrhundert wurden sie nämlich in Böhmen fast ausnahmslos als bartlose lateinische Bischöfe dargestellt, nun erscheint, wie man an der oben abgebildeten Statuengruppe der Velehrader Basilika sehen kann, Cyrill als Mönch mit einer Kapuze über dem Kopf, mit Buch und Kreuzstab, Method hält mit einer Hand das TafelGemälde des Jüngsten Gerichts, mit der anderen Hand segnet er als Erzbischof.792 1880, am tausendsten Jahrestag der Anerkennung der slavischen Liturgie durch Papst Johannes VIII., dehnte Papst Leo XIII. – der „Papst der Slaven“, wie er genannt wurde793 – mit der Verabschiedung der Enzyklika Grande munus den Feiertag der Slavenapostel auf die gesamte Kirche aus. Er war es auch, der in dem apostolischen Schreiben Praeclara gratulationis (1894) und im darauffolgenden Jahr in der apostolischen Konstitution Orientalium dignitas den Orientalen zugestand, eine eigene Kirchenordnung zu haben, was Zeichen wirklich grundlegend neuer Erkenntnisse und einer neuen Hoffnung war.794 Unter Antonín Cyril Stojan, der mit einer Arbeit zum Thema O sjednocení národů slovanských s církví římsko-katolickou dle úmyslů sv. Otce Lva XIII. [Über die Vereinigung der slavischen Völker mit der römisch-katholischen Kirche nach den Plänen des hl. Vaters Leo XIII.] promoviert hatte,795 entwickelte sich der mährische Kult Cyrills und 791

792

793

794

795

Zlámal 1969, S. 142-144 und Tkadlčík, Vojtěch: Cyrilometodějský kult na křesťanském západě, Olomouc 1995, S. 33. Zu den Vorkehrungen der österreichischen Regierung gegen die Gefahr des Panslavismus s. Kouřil, Miloš: Unionismus nebo panslavismus? K historii „Apoštolátu sv. Cyrila a Metoděje“, in: Kordiovský (Hg.) 1993, S. 127-132, hier: S. 129. Myslivec, J.: Cyrillus (Konstantin) und Methodius, in: Braunfels, Wolfgang (Hg.): Lexikon der christlichen Ikonographie, Bd. 6, Rom/Freiburg/Basel/Wien 1974 [Sonderausgabe 1990], Sp. 23-26, hier: Sp. 25f. Um einen abermals neuen Typus, der die Gemeinschaft der Tschechen und Slowaken im Cyrill-und-Method-Gedanken betont, bemühte sich Karel Dvořák in den Statuen der Karlsbrücke (1928-38) (ebd., Sp. 26). Janhuba, František: Velehradský unionizmus. Apoštolát sv. Cyrila a Metoděje pod ochranou Bl. Panny Marie, in: Theologos, Jg. 4, Nr. 1, 2002, S. 5-14, hier: S. 7. Vries, Wilhelm de: Das Problem der Wiedervereinigung mit dem getrennten Osten, in: Das Christentum des Ostens und die christliche Einheit 1965, S. 103-126, hier: S. 110. Über die weitreichenden Unionshoffnungen und -bemühungen Leos XIII. s. Stasiewski, Bernhard: Päpstliche Unionshoffnungen – Die selbständigen und die mit Rom unierten Ostkirchen, in: Jedin, Hubert (Hg.): Handbuch der Kirchengeschichte. Band VI. Die Kirche der Gegenwart. Zweiter Halbband: Die Kirche zwischen Anpassung und Widerstand (1878-1941), Freiburg/Basel/Wien 1973, S. 345-387, hier: S. 347-354. Libosvar, Zdeněk: Arcibiskup Stojan. Život a dílo, Brno 1995, S. 87

234

Teil 2 – Werk

Methods in seiner ganzen Breite. Stojan gründete 1891 den Apoštolát sv. Cyrila a Metoděje [Apostolat des hl. Cyrill und Method], eine allgemeinslavische Vereinigung, die durch Gebet, das Studium strittiger Fragen und Unterstützung missionarischer Aktionen zur Erneuerung der kirchlichen Einheit besonders unter den slavischen Völkern beitragen wollte, wobei deren gemeinsamer kultureller und religiöser Bezug zu Cyrill und Method als Mittler dienen sollte.796 Stojans großes Ziel war es, nach Wegen zu suchen, die den Abgrund zwischen dem christlichen Osten und der Mutterkirche zu überwinden helfen, und die slavischen Völker wieder im Glauben zu vereinen. Dabei sollten die theologisch strittigen Fragen aufgeworfen und unter Berücksichtigung der Ansichten der Theologen beider Seiten dikutiert und gegebenenfalls gelöst werden.797 Seine Methode war also der Dialog, sein Ziel bestand in dem besseren und tieferen gegenseitigen Kennenlernen und Vestehen. Damit beschritt er neue Wege.798 Daß Stojan mit dieser Konzeption seiner Zeit weit voraus war, kann man gut an den Worten sehen, mit denen später sein Nachfolger Leopold Prečan durch den apostolischen Nuntius in Prag, Marmaggi, in sein Amt eingeführt worden ist: Od Boha snad bylo této arcidiecési dáno, aby pomáhala rozkolníkům, zvláště východním, bratřím našim sice nešťastným, ale vřele milovaným, ke konečnému návratu do lůna mateřské Církve – aby jim podávala zvoucí ruku. To je svatá závěť Tvého předchůdce, Antonína Cyrila Stojana.799 Vielleicht ist es dieser Erzdiözese von Gott gegeben, daß sie den Schismatikern, insbesondere den östlichen, unseren zwar unglücklichen aber von Herzen geliebten Brüdern, zur endgültigen Rückkehr in den Schoß der Mutterkirche helfen möge – daß sie ihnen die einladende Hand reiche. Das ist das heilige Testament Deines Vorgängers, Antonín Cyril Stojans.

Stojan ging es um ein vorsichtiges gegenseitiges Kennenlernen und eine daraus erwachsende gegenseitige Annäherung, deren tatsächliche Form sich jedoch erst aus dem Inhalt und Verlauf der Gespräche ergeben kann. Er sprach nicht von „Schismatikern“, sondern hat vielmehr durchaus damit gerechnet, daß auch die Katholiken ihre eigenen Positionen überdenken und sich gedanklich auf die Positionen der orthodoxen Brüder einlassen. Auch wenn Pius X. kein ausgewiesener Förderer des orthodox-katholischen Dialogs war, ja er kaum mit der Geschichte und Spiritualität der Ostkirchen vertraut war, konnte doch unter seinem Pontifikat 1909 auf dem zweiten unionistischen 796

797 798

799

Kadlec 1987, S. 210f. Der genaue Wortlaut des ersten Artikels der Statuten des Apoštoláts sv. Cyrila a Metoděje ist u. a. in Olšr, Josef: Služebník boží. Antonín Cyril Stojan. Olomoucký arcibiskup, Řím 1966, S. 34 abgedruckt. Vgl. auch Kocourek, Ludomír: Unionismus jako jeden z výrazů vztahů k východní Evropě, in: Vodička, Stanislav/Goněc, Vladimír (Hgg.): Sborník vojenské akademie v Brně věnovaný mezinárodní konferenci Češi a Slováci a východní Evropa ve 20. století, Řada C (společenskovědní). Mimořádné číslo, Brno 1994, S. 257-261, hier: S. 258. Libosvar 1995, S. 82 und 90. Bárta, Jan: Krátký pohled na život a dílo arcibiskupa Antonína Cyrila Stojana, in: Studie, Nr. 130131, April/Mai 1990, S. 339-351, hier: S. 349 und Tkadlčík [1993], S. 5. P. Alberti 1934, S. 61.

Religiös-theologische Schriften

235

Kongreß die Gründung der Velehrader Akademie für wissenschaftliche Studien über den christlichen Osten erfolgen, die regelmäßig Studientagungen durchführte.800 Velehrad wurde zum Ort bedeutender Unionskongresse. In den Jahren 1907, 1909 und 1911 wurden diese von der österreichisch-ungarischen Bürokratie genauestens beobachtet, da sie hinter ihnen durch Rußland unterstützten Panslavismus vermutete. Doch Rußland stand den Kongressen selbst mit nicht geringerer Skepsis gegenüber. Die russische Presse stellte die Kongresse als ein politisches Unternehmen Österreichs dar, das gegen Rußland gerichtet sei.801 So blieben es eher geschlossene Veranstaltungen, wenngleich sich an ihnen Fachleute fast aller slavischen Völker beteiligten. Aber nicht nur Wien und die russische Presse, sondern auch der Vatikan (während des Pontifikats Benedikts XV.) verhielt sich gegenüber den Zusammenkünften zunächst abwartend bis ablehnend,802 denn er befürchtete modernistische Tendenzen, die sich in einigen ekklesiologischen Auffassungen äußerten wie zum Beispiel der Anerkennung der orthodoxen Kirche als wahrer Kirche. Ebenso schien der direkte Kontakt mit orthodoxen Theologen verdächtig803 und es wurde die (kleingläubige) Meinung vertreten, daß die Kongresse dazu führen würden, daß sich die Slaven mit Rußland in der Orthodoxie vereinen könnten.804 Aber gerade der zu dieser Zeit neuen Einsicht in die Notwendigkeit des gegenseitigen Kontaktes zwischen Katholiken und Orthodoxen sollte besondere Bedeutung zukommen, die wegweisend wurde.805 800

801

802

803 804

805

Gahbauer, Ferdinand R.: Der orthodox-katholische Dialog. Spannende Bewegung der Ökumene und ökumenische Spannungen zwischen den Schwesterkirchen von den Anfängen bis heute, Paderborn 1997, S. 210f. Janhuba, František: Unionistické sjezdy na Velehradě, in: Theologos, Jg. 4, Nr. 3, 2002a, S. 515, hier: S. 7. „The attitude of the Vatican to the Congresses moved from one of reserve to one of open support“ [Das Verhalten des Vatikans gegenüber den Kongressen wandelte sich von Reserviertheit zu offener Unterstützung] (Esterka, Peter: Toward Union. The Congresses at Velehrad, in: Journal of Ecumenical Studies, Jg. 8, Nr. 4, 1971, S. 10-51, hier: S. 10; ausführlicher zu diesem Wandel S. 39-41). Die pauschale Behauptung von Georges Tavard, daß die Kongresse von Velehrad zwischen 1907 und 1936 von den Päpsten unterstützt worden seien, muß relativiert werden. Die Unterstützung erfolgte erst, nachdem Rom erkannt hatte, daß sie „als theologische Begegnungen […] dem Meinungsaustausch im Geist objektiver Forschung und christlicher Brüderlichkeit“ dienten (Tavard, Georges: Geschichte der ökumenischen Bewegung, Mainz 1964, S. 150f.). Górka 1995, S. 13f. (FN 12). Górka 1995, S. 103. Aleksej Chomjakov sah nur in der Rückkehr der abgefallenen westlichen Kirchen zur orthodoxen eine Möglichkeit der Wiedervereinigung (Döpmann, Hans-Dieter: Die Russische Orthodoxe Kirche in Geschichte und Gegenwart, Berlin 1977, S. 175). Eine ebensolche Konzeption, die mit einer scharfen Kritik des Katholizismus einherging, vertrat in den 1850er Jahren der Protestant Ľudovít Štúr. Vgl. Štúr, L.: Das Slawenthum und die Welt der Zukunft. Slovanstvo a svět budoucnosti. Na základě německého rukopisu vydal v původním znění, s kritickými poznámkami a úvodem Dr Josef Jirásek, Bratislava 1931, v. a. S. 232-234. Dieses Werk erschien zuerst 1867 in russischer Übersetzung. Die erste slowakische Übersetzung wurde 1993 herausgegeben. S. zu Štúrs Konzeption Wollman, Frank: Slavismy a antislavismy za jara národů, Praha 1968, besonders S. 405-407. Vgl. auch Hankas Suche nach orthodoxen Spuren auf tschechischem Boden (Jirásek, Josef: Rusko a my. Studie vztahů československo-ruských od počátku 19. století do r. 1867, Praha 1929, S. 45-47). Górka 1995, S. 105.

236

Teil 2 – Werk

Vom zweiten (1909) bis zum siebenten (1936) unionistischen Kongreß fand jeweils direkt im Anschluß oder im Voraus die alljährliche Tagung der Theologen statt.806 Diese Verbindung von unionistischer und theologischer Zusammenkunft stärkte unter den Priestern das Interesse für unionistische Fragestellungen.

Zur Zeit der Tschechoslowakischen Republik Nach dem Ersten Weltkrieg wurden in Velehrad unter Stojans Nachfolger Leopold Prečan vier große Kongresse durchgeführt, die Anton Kasalaj als „Haupt-Unionskongresse“ bezeichnet:807 1924, 1927, 1932, 1936. Der für 1939 angekündigte achte Kongreß konnte nicht mehr stattfinden. Besonders dem vierten Kongreß (1924) schenkte der Vatikan große Aufmerksamkeit, was am besten die päpstliche Weihnachtsansprache vom 18. Dezember 1924, in der die große Bedeutung des Velehrader Kongresses nachdrücklich betont wird, beweist.808 Außerdem hatte der Vatikan Marmaggi beauftragt, den Heiligen Stuhl zu vertreten, wodurch dem Kongreß weltweite Bedeutung zugesprochen wurde.809 Diese Anerkennung hatte zur Folge, daß ab dem folgenden, fünften Kongreß (1927) die tschechoslowakische Regierung jeweils einen offiziellen Vertreter entsandte, für den siebenten Kongreß (1936) übernahm sie gar ein Ehren806 807

808

809

Škrášek 1996, S. 29. Kasalaj, Anton: Das Cyrillo-Methodianische Velehrad und seine Unionskongresse, in: Slovak Studies 12, 1972 (= Cyrillo-Methodiana, Bd. 2), S. 153-191, hier: S. 164. Hingegen nach der Auffassung Václav Durychs verlor die unionistische Bewegung nach dem Tod Stojans an Anziehungskraft und vegetierte nur noch vor sich hin (Durych, Václav: Durych v troskách komunismu, in: Bloudění časem a prostorem 1997, S. 59-68, hier: S. 65). Dem kann nicht zugestimmt werden. Seine Kritik richtet sich ganz offensichtlich gegen das Überdenken katholischer Positionen. Der Historiograph des geistigen Velehrads und treuer Nachfolger Stojans, Cinek, weist im Gegenteil darauf hin, daß Prečans Schwerpunkt auf der Realisierung des Programms Stojans lag (Cinek 1936, S. 498). In den Ausführungen Vilinskijs kann man eine Bestätigung der Ansichten Cineks und Kasalajs finden. Er unterstreicht, daß den Russen wegen des Krieges und des damit verbundenen Informationsvakuums der Name Prečans vertrauter sei als der Stojans und daß erst seit Prečan die großen Unionskongresse stattgefunden haben. Er denkt, daß einmal die Geschichte des Apoštolát sv. Cyrila a Metoděje nach 1924 mit Verwunderung gelesen werden wird (Arcibiskup dr. Leopold Prečan a Rusko 1933, S. 388f.). Berg, Ludwig: Die römisch-katholische Kirche und die orthodoxen Russen, Berlin 1926, S. 37f.; Hünermann, F.: Die Unionsbestrebungen der Gegenwart, in: Bonner Zeitschrift für Theologie und Seelsorge, Jg. 4, 1927, S. 219-242, hier: S. 227 und Winter, Eduard: Die Sowjetunion und der Vatikan. Teil 3 der Trilogie Russland und das Papsttum, Berlin 1972, S. 102. Die Wichtigkeit dieses Kongresses in den Augen des Vatikans lag zum einen darin begründet, daß er ein eindeutiges Zeichen an die russischen und ukrainischen Emigranten in Prag war, die fast geschlossen einer Kirchenunion äußerst kritisch gegenüberstanden, zum anderen vertrat Bischof Przeździecki auf dem Kongreß seine eben begonnene polnische Neounion, während der Metropolit Szepticki, wenn er auch nicht persönlich anwesend sein konnte, durch seinen Vertreter Pläne für eine ukrainische Kirchenunion vorlegte (Winter 1972, S. 102f.). P. Alberti 1934, S. 61f.

Religiös-theologische Schriften

237

protektorat und Alfred Fuchs sprach im Radio über die Bedeutung und Absicht des Kongresses.810 Ab 1924 veränderte sich der Apoštolát sv. Cyrila a Metoděje dahingehend, daß in ihm den Laien eine größere Rolle zugestanden wurde811 und daß er zu einer internationalen religiösen Vereinigung wurde, die sich für die Verbreitung des Interesses an der Frage der Wiedervereinigung der Kirchen einsetzte. Besonders groß war das Interesse in Jugoslawien und unter den in Amerika lebenden Tschechen.812 František Grivec weist darauf hin, daß der Apoštolát sv. Cyrila a Metoděje mit der Zeit so sehr an Bedeutung zunahm, daß er zur bedeutendsten internationalen religiösen Organisation überhaupt wurde, die sich dieser Fragestellung öffnete.813 Auf den Vorschlag des Bischofs von Nitra, Karol Kmeťko, in dessen Diözese der Apoštolát sv. Cyrila a Metoděje am weitesten verbreitet war,814 wurde der Rahmen der unionistischen Kongresse ausgedehnt. In der Folge beteiligte sich der tschechoslowakische Episkopat und es wurde die Vorlesungs- und editorische Tätigkeit erweitert.815 Die Früchte der herausgeberischen Tätigkeit der Akademie Velehradská [Velehrader Akademie] bilden – über den gesamten Zeitraum ihres Wirkens gesehen – neunzehn Bände ihrer Acta, die aus der von Antonín Podlaha gegründeten Zeitschrift Slavorum litterae theologicae hervorgegangen waren, und siebzehn Bände ihrer Opera.816 Die Zeitschrift Apoštolát sv. Cyrila a Metoděje pod ochranou bl. Panny Marie, deren insgesamt fünfunddreißig Jahrgänge von 1910 bis 1948 in Olmütz herausgegeben wurden, kann man als Hauptorgan der gesamten Bewegung bezeichnen. Man kann für das wachsende Interesse an der Unionsfrage seitens der katholischen Hierarchie kirchenpolitische Überlegungen geltend machen, denn die katholische Kirche befand sich in gewisser Weise unter Handlungszwang. Die neugegründete Tschechoslowakische Kirche nahm auf Initiative ihres Vertreters Bohumil Zahradník-Brodský um 1920 Verhandlungen mit der serbisch-orthodoxen Kirche auf. Zahradník-Brodský plädierte für eine kirchliche Vereinigung des Slaventums, an 810

811 812

813

814 815 816

Esterka 1971, S. 35 und Škrášek 1996, S. 89. Außerdem gewährte das Innenministerium finanzielle Unterstützung und für alle offiziell zu dem Kongreß reisenden Personen freie Visa, denn noch 1932 wurde Bischof Serafim an der österreichisch-tschechoslowakischen Grenze zurückgewiesen (Esterka 1971, S. 35). Die Regierung hatte ganz offensichtlich erkannt, daß sich die Kyrill-Method-Idee politisch „vor allem gegenüber den divergierenden Tendenzen zwischen Tschechen und Slowaken als einigendes Band“ erwies (Machilek 2004, S. 389). O. A. Hlídka unionistická, in: Apoštolát sv. Cyrila a Metoděje, Jg. 15, 1928, S. 22. Kadlec 1987, S. 211f. und Cinek 1936, S. 524. In der Tschechoslowakei waren es besonders die Diözesen Brünn und Olmütz und nach 1918 die gesamte Slowakei, in denen der Apoštolát sv. Cyrila a Metoděje seine meisten Anhänger fand (Nécsey, Eduard: Apoštolát sv. Cyrila a Metoda, in: Katolícke Slovensko 1933, S. 500-504, hier: S. 501f.). Grivec, František: Slovanští apoštolé sv. Cyril a Metoděj, přeložil Fr. Jemelka, Olomouc 1927, S. 146. Hrabovec 2007a, S. 135. Cinek 1936, S. 499. Kadlec 1987, S. 212 und Tkadlčík [1993], S. 13. Die Slavorum litterae theologicae erschienen zunächst als Beilage zu dem Časopis českého katolického duchovenstva.

238

Teil 2 – Werk

deren Anfang der Anschluß der Tschechoslowakischen Kirche an die Orthodoxie stehen sollte.817 Um die Rolle der katholischen Kirche zu stabilisieren – was gleichzeitig heißt, die Rolle der Tschechoslowakischen Kirche, die sich selbstverständlich ebenfalls auf Cyrill und Method berief, nicht zu groß werden zu lassen –, war es wichtig, selbst gutes Einvernehmen mit der orthodoxen Kirche herzustellen.818 Zudem wurde die katholische Welt durch die russischen Emigranten mit der Orthodoxie konfrontiert. Sie konnte nicht mehr nur als ferne Erscheinung betrachtet werden, sondern war plötzlich ganz nah, was eine Auseinandersetzung provozierte. Das kann man deutlich daran sehen, daß in den Randgebieten der katholischen Welt, die an orthodoxe Gebiete grenzen (z. B. in Polen oder der Ukraine) die Unionsbemühungen wesentlich konkretere Gestalt annahmen.

Bedeutung der Velehrader Kongresse Leonard Górka faßt die Bedeutung der sieben Velehrader Kongresse für den Weg der katholisch-orthodoxen Annäherung folgendermaßen zusammen: Powiązanie apostolatu modlitwy, miłości i czynnej nauki z dziełem jedności Kościołów przyczyniło się z jednej strony do krytyczno-reformatorskiej pracy nad własnym Kościołem i we własnym Kościele, z drugiej zaś strony zrodziło świadomość, że oba Kościoły łączy wspólna więź rzeczywistości chrześcijańskiej. Przeżycie tej świadomości dostarczało bodźca do podjęcia wspólnego działania dla wypracowania lepszych warunków współpracy i ekumenicznego współistnienia.819 Die Verknüpfung des Apostolats des Gebets, der Gnade und des tätigen Studiums mit dem Werk der Einheit der Kirchen trug einerseits zur kritisch-reformatorischen Arbeit über die eigene Kirche und in der eigenen Kirche bei, andererseits aber entstand das Bewußtsein, daß beide Kirchen das gemeinsame Band der christlichen Wahrheit verbindet. Das Erlebnis dieses Bewußtseins lieferte den Impuls zum Beginn des gemeinsamen Wirkens zur Ausarbeitung besserer Bedingungen der Zusammenarbeit und der ökumenischen Koexistenz.

Das Nachdenken über die eigene Kirche, das eigentlich zur Festigung und Erneuerung des eigenen Glaubens führen sollte, betrachteten Kritiker der Bewegung als Sakrileg. Es kann auch den heutigen Leser noch überraschen, 817 818

819

Urban, Rudolf: Die Tschechoslowakische Hussitische Kirche, Marburg 1973, S. 52. Zu den innerkirchlichen Problemen nach der Staatsgründung s. Marek, Pavel: Církevní krize na počátku první Československé republiky (1918-1924), Brno 2005. Bereits im Prerauer Programm der Katholischen Moderne (1907), das als programmatische Grundlage der späteren Tschechoslowakischen Kirche gesehen werden kann, findet sich die Selbstverpflichtung, das Erbe Cyrills und Methods zu wahren (vgl. Schmid-Egger, Barbara: Klerus und Politik in Böhmen um 1900, München 1974, S. 300 und Rabas, Josef: Die Cyrill- und Method-Idee in den Reformbestrebungen des tschechischen Klerus, in: Suttner, Ernst Chr./Patock, Colestin [Hgg.]: Wegzeichen. Festgabe zum 60. Geburtstag Prof. Dr. Hermenegild M. Biedermann, Würzburg 1971, S. 333-347, hier: S. 341f.). Górka 1995, S. 98.

Religiös-theologische Schriften

239

jak se v ACM psalo poctivě o pochybeních a nedostatcích na obou stranách v době, kdy mezi katolíky nebylo zvykem veřejně a příliš nahlas vyslovovat kritiku do vlastních řad, a nahmátne tak upřímnost tehdejších unionistů.820 wie ehrlich man im A[poštolát sv.]C[yrila a]M[etoděje] über die Zweifel und Unzulänglichkeiten auf beiden Seiten in einer Zeit schrieb, als es unter Katholiken nicht üblich war, öffentlich und allzu laut Kritik an den eigenen Reihen auszusprechen, man bekommt dadurch eine Ahnung von der Aufrichtigkeit der damaligen Unionisten.

Andere störten sich gerade an der Stärkung des religiösen Bewußtseins, z. B. in Form von Exerzitien, das der Vertiefung der eigenen (katholischen) Vorbereitung zu dem heiligen Werke dienen sollte.821 Es sei also nicht verschwiegen, daß es seiner Zeit auch Kritiker Velehrads und der Idee des Cyrillomethodianismus gegeben hat. Zu diesen zählt Kolísek besonders Alexander Brückner und Červinka und außerdem Šalda, Zavadil, Hugo Richter und Antonín Šín.822 Katholischen Politikern hinwiederum erschien die gesamte Bewegung als zu weltfremd bzw. als zu wenig mit den aktuellen Problemen der Tschechoslowakei verbunden. So äußert Hlinka privat gegenüber Kmeťko (1924): Wir sorgen uns im Russen und Unionen, doch die Tschechen sind zu 90% konfessionslos, wir gehen mit ihnen und ihretwegen unter – Lev muß ich in Konkurs gehen lassen, und in Velehrad tagt der unionistische Kongreß.823

Artemieff meint, daß die Ausbreitung des Unionsgedankens in den 1920er Jahren vor allem den Velehrader Kongressen zu verdanken sei.824 1920 wurde der Verwendung der Volkssprache stattgegeben und die altkirchenslavische Meßfeier zugelassen.825 Noch wesentlich konkretere Auswirkungen schreibt ihnen Grivec zu, der darauf aufmerksam macht, daß die Anregung zur Gründung der Sacra Congregatio pro Ecclesia Orientali und des Pontificio Istituto Orientale (beide 1917) in Rom durch Benedikt XV., der im Gegensatz zu seinem Nachfolger im Amt, Pius XI., dem die orientalischen Studien sehr am Herzen lagen, ansonsten keine direkten Maßnahmen zur Förderung des orthodox-katholischen Dialogs ergriffen hat,826 auf die Velehrader 820

821

822

823 824

825

826

Špaček, Michael: Apoštolát svatého Cyrila a Metoděje a jeho současný ekumenický význam, in: Ambros (Hg.) 2007, S. 58-71, hier: S. 64. Vgl. Böhminghaus, Ernst: Velehrad. Nachklänge zum 5. Internationalen Kongreß für Kirchenunion (Juli 1927), in: Stimmen der Zeit, Jg. 114, Nr. 3, 1928, S. 224-227, hier: S. 225. Kolísek 1935, S. 135f. Alexander Brückner entfaltet in Die Wahrheit über die Slavenapostel, Tübingen 1913 eine breite Polemik gegen diejenigen, die „die beiden Griechen [Cyrill und Method] zu Römlingen um jeden Preis machen“, obwohl sie seiner Meinung nach orthodoxe Griechen sind (S. 17). „[Z]ur Entfremdung der Ost- und Südslaven von europäischer Kultur hat die slavische Liturgie entschieden mächtig beigetragen“ (ebd., S. 125). Cit. nach Hrabovec 2007a, S. 136. Artemieff, Dr.: Vom V. Unionskongress zu Velehrad, in: Schönere Zukunft, Jg. 2, Nr. 45, 1926/27, S. 964-965; hier nach dem Abdruck in: Acta V. Conventus Velehradensis 1927, S. 267-272, hier: S. 268. Hrabovec, Emilia: Der tschechische Katholizismus nach dem Ersten Weltkrieg aus der Sicht des Heiligen Stuhls, in: Bohemia, Jg. 45, 2004, S. 396-429, hier: S. 417. Gahbauer 1997, S. 211.

240

Teil 2 – Werk

Unionskongresse vor dem Ersten Weltkrieg zurückging.827 Und Michel d’Herbigny schließlich, der Präsident des Istituto Orientale und der 1925 gegründeten Commissio pro Russia, richtet seinen Blick in die Zukunft, wenn er erklärt: „falls es einmal zur Wiedervereinigung des russischen Volkes mit der katholischen Kirche kommen sollte, dann wird es die Frucht der Velehrader Unionskongresse sein“.828 Diese vermeintliche Vorreiterrolle der mährischen Katholiken, deren Bemühungen auf unionistischem Gebiet als erstes und damals einziges ökumenisches Werk der Slaven aufgefaßt werden können,829 findet unter anderem darin eine Bestätigung, daß in Deutschland ab der zweiten Hälfte der 1930er Jahre verstärkte Bemühungen um die Einheit der Christenheit zu verzeichnen sind.830 Heide Willich sieht „das plötzliche Aufkommen eines großen Interesses an Vl. Solov’ev und seiner Unionsidee der Ost- und Westkirche unter den Katholiken im süddeutschen und österreichischen Raum“ als Verdienst der Publikationen von Lev Kobylinskij-Ėllis.831 Für den genannten Raum mag die Aussage zutreffen, allerdings ist das Interesse insgesamt wesentlich breiter. Dieses sich wandelnde Interesse kann man besonders gut in den verschiedenen Auflagen der bedeutenden katholischen Konfessionskunde von Konrad Algermissen ablesen,832 die auch im tschechischsprachigen Kontext viel rezipiert worden ist. Einerseits wird der Teil über „Die getrennten Kirchen des Ostens“, der zunächst „Die Orthodoxe Kirche und ihr Nationalkirchen- und Sektenwesen“ überschrieben war, immer ausführlicher. Das Gebot des gegenseitigen Kennenlernens, das jeder Annäherung vorausgehen muß, wird hier praktisch umgesetzt. Der veränderte Titel betont die ursprüngliche Zugehörigkeit der östlichen Kirchen zur allgemeinen Kirche, die nur in diesem historischen Moment voneinander getrennt sind. Andererseits unterliegt der jeweils letzte Teil der Ausführungen großen Veränderungen: „Die Einigung der Christenheit“ (1930 und 1939) – „Una Sancta“ (1950) – „Die Una Sancta und das Christentum im Ringen mit den Weltreligionen“ (1957) – „Der Ökumenische Rat der Kirchen“ (von Laurentius Klein, 1969), was die zunehmende Öffnung der katholischen Theologie für Fragen der Ökumene und ihre immer konkreter werdenden Bemühungen in diesem Bereich wiederspiegelt. 827

828 829 830

831

832

Vgl. Belás, Ladislav: Unionistické kongresy na Velehrade, in: http://158.194.150.2/sympozium/ 2000/Unie.html; 16. Februar 2004. Cit. nach Kasalaj 1972, S. 191. Spaček 2007, S. 58. Der Kirchenhistoriker Georg Pfeilschifter bedauert noch 1922 in seiner Antrittsrede als Rektor der Ludwig-Maximilians-Universität, daß man bis zu diesem Zeitpunkt in Deutschland die großen religiösen Wiedervereinigungsversuche (besonders durch amerikanische Christen) kaum zur Kenntnis genommen habe (Pfeilschifter, Georg: Die kirchlichen Wiedervereinigungsbestrebungen der Nachkriegszeit, München 1923, S. 4). Willich 1996, S. 183f. Bibliographie der deutschsprachigen Werke von Kobylinskij-Ėllis (einschließlich seiner Übersetzungen russischer Autoren ins Deutsche) ebd., S. 238-240. Algermissen, Konrad: Konfessionskunde. Ein Handbuch der christlichen Kirchen- und Sektenkunde der Gegenwart, Hannover 1930 (= 4., vollständig neu gearbeitete Auflage von Christliche Sekten und Kirche Christi); alle weiteren Auflagen ohne Untertitel, Hannover 51939; Celle 61950; Paderborn 71957; neu bearbeitet von Fries, H./de Vries, W./Iserloh, E./Klein, L./Keinath, K., Paderborn 81969.

Religiös-theologische Schriften

241

(Erst) 1938 wurde die Unionsbewegung Una Sancta begründet, die sich für die Vereinigung des katholischen Westens mit dem orthodoxen Osten einsetzte. Diesen Gedanken verbreitete in München die Zeitschrift Der christliche Orient in Vergangenheit und Gegenwart (1936).833 Mit Die Wiedervereinigung der christlichen Kirchen von Arnold Rademacher (1937) erschien ebenfalls zu dieser Zeit eine der bedeutendsten deutschsprachigen Arbeiten zu dem katholisch-orthodoxen Thema.834 Die besondere Bedeutung des gesamten Wirkens in Velehrad sieht Tkadlčík darin, daß hier im Gegensatz zu anderen unionistischen Bemühungen in der Geschichte keine politischen oder nationalen Nebenziele verfolgt wurden, die das religiöse Hauptziel hätten in den Hintergrund drängen können. Das erste und einzige Ziel galt den Interessen der Kirche und der Religion.835 Die Referate der orthodoxen Teilnehmer zeigen, daß die Orthodoxen nicht nur als Beobachter geladen waren, sondern tatsächlich als ebenbürtige Brüder.836

Zur Zeit des Kommunismus Nach dem Zweiten Weltkrieg fanden in den Jahren 1946 und 1947 in Velehrad unionistische Beratungen statt, zu einem achten unionistischen Kongreß kam es allerdings nicht.837 Die Zeitschriften, die 1941 eingestellt werden mußten,838 konnten vorübergehend erneuert werden, jedoch wurden sofort nach der Machtergreifung der Kommunisten (1948) alle Vereine wieder aufgelöst und das Erscheinen der entsprechenden Zeitschriften verboten, so selbstverständlich auch das der Acta und des Apoštolát sv. Cyrila a Metoděje.839 Gegen 1950 kam es zu Versuchen durch die Staatsmacht, sich der Idee Velehrads zu bemächtigen und sie mit neuem Inhalt zu füllen. Die kommunistische Propaganda bemächtigte sich „in entsprechend zurechtgebogener Form“ der Rolle der Tschechoslowakei in der unionistischen Bewegung, „um den Katholiken die Verbrüderung mit der Sowjetunion schmackhaft zu machen“.840 Es fand also eine Politisierung und Ideologisierung der einst rein religiösen Idee statt. An Feierlichkeiten in Velehrad 833 834 835 836

837

838 839

840

Škrášek 1996, S. 91. Rademacher, Arnold: Die Wiedervereinigung der christlichen Kirchen, Bonn 1937. Tkadlčík [1993], S. 16. Górka, Leonard: Trvalé hodnoty velehradské tradice. Ke 100. výročí založení velehradských kongresů (1907-2007), in: Ambros, Pavel (Hg.): Fórum Velehrad I. Communio ecclesiarum – očištění paměti, Olomouc 2007, S. 42-57, hier: S. 48. Górka 1995, S. 58 und Škrášek 1996, S. 90. Die Vorträge der Beratungen wurden nicht publiziert (Kasalaj 1972, S. 176f. Dort sind zumindest die Vortragsthemen nachzulesen). Zlámal 1969, S. 150. Zlámal 1969, S. 150 und Tkadlčík 1995, S. 42. Nach Čoupek, Jiří: Velehradské spolky, in: Kordiovský (Hg.) 1993, S. 253-255, hier: S. 254 kam es hingegen erst 1952 zur Auflösung der Vereinigung des Apoštolát sv. Cyrila a Metoděje. Hrabovec 2007, S. 104.

242

Teil 2 – Werk

im Juli 1950 nahm der erste kommunistische Staatspräsident Gottwald persönlich teil, denn es wurde bei dieser Gelegenheit formal die sogenannte Friedensbewegung der katholischen Geistlichkeit (Mírové hnutí katolického duchovenstva; MHKD) gegründet, die offiziell die katholische Kirche in der ČSR repräsentieren sollte.841 In seinem Grußwort Velehrad víry a slovanství [Velehrad des Glaubens und des Slaventums] erwähnte der Gesundheitsminister Josef Plojhar, der zum Vorsitzenden des MHKD gewählt worden war, zwar sogar, daß in Velehrad vor dem Krieg unionistische Kongresse stattgefunden haben, auf denen ein Weg zur kirchlichen Einheit gesucht worden sei, konstatierte allerdings sogleich: „Snahy unionismu zůstávaly přes všechno úsilí neplodné“842 [Die Bemühungen des Unionismus blieben trotz aller Anstrengungen unfruchtbar]. Wegen des großen internationalen Ansehens der Velehrader Akademie, die 1931 durch das Ministerium für Kultur und Bildung offiziell als wissenschaftliche Gesellschaft anerkannt worden ist,843 gab es zu Beginn der 1950er Jahre – ungeachtet des Faktums, daß zahlreiche Mitglieder zu dieser Zeit inhaftiert waren – zunächst Überlegungen, sie in die Tschechoslowakische Akademie der Wissenschaften zu integrieren. Im Jahre 1955 wurde jedoch über ihre amtliche Liquidierung, Enteignung und Überführung der Bibliothek in die Universitätsbibliothek Olmütz entschieden.844 Mit dem Jahre 1955 war also die gesamte weitentfaltete Velehrader Infrastruktur zerstört. Dieses gewaltsame Ende macht deutlich – und es sei deshalb an dieser Stelle ausdrücklich darauf hingewiesen –, daß die verbindende Idee der Kongresse so wirkmächtig war, daß ihr die beiden Weltkriege, die Revolution in Rußland, die Entstehung der kleineren slavischen Nationalstaaten, große Umbruchsprozesse und Krisen innerhalb der tschechisch-mährisch-slowakischen Kirche nichts anhaben konnten. Die innere Kraft der Idee, ihre Authentizität erwies sich über mehrere Jahrzehnte als größer als die äußeren Hindernisse, die ihr im Weg standen. Mit der Zerstörung der organisierten Strukturen gelang es nicht, gleichzeitig die Anziehungs- und Symbolkraft des Ortes Velehrad zu zerschlagen, wie die weitere Geschichte zeigt. So blieben auch die Tschechen im Exil der Idee Velehrads treu. In Lisle (Illinois, USA) fanden zwischen 1956 und 1959 auf Initiative von František Dvorník, der früher selbst regelmäßig in Velehrad war, unter dem Patronat der dortigen Benediktinerabtei drei unionistische Kongresse statt.845 Und als weiteres 841

842

843 844 845

Skalický, Karel: Osudy katolické církve v Československu (1918-1988), in: Studie, Nr. 130-131, Apri/Mai 1990, S. 358-376, hier: S. 375. Diese Bewegung bestand bis zum Ende der ČSSR und erwies sich als sehr regimetreu und kollaborierend (s. Štampach 1995, S. 30). O. A. Velehradské slavnosti 1950. Modlíme se za mír, pracujeme pro mír, Praha, S. 5. Dieser Sammelband wird von der Kirchenkommission des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei positiv als „antikirchliche Publikation“ verzeichnet (Církevní komise ÚV KSČ 1949-1951. Edice dokumentů I. Církevní komise ÚV KSČ [„Církevní šestka“]. Duben 1949 – Březen 1950, Praha/Brno 1994). Górka 1995, S. 98. Čoupek 1993, S. 254. Esterka 1971, S. 38f.; Górka 1995, S. 58 und Janhuba 2002a, S. 13.

Religiös-theologische Schriften

243

Beispiel mag dienen, daß 1963 in Chicago des 1.100. Jahrestages der Ankunft Cyrills und Methods in Großmähren gedacht wurde.846 Die Feierlichkeiten zu Cyrills 1.100. Todestag 1969 wurden in der Tschechoslowakei mit großen Pilgerfahrten nach Velehrad begangen, was nur aufgrund der noch in Folge des Prager Frühlings freieren politischen Atmosphäre möglich war, die noch nicht unter dem Vorzeichen der sogenannten Normalisierung stand.847 Und ebenfalls der 1.100. Todestag Methods im Jahre 1985 wurde begangen. Der Kulturminister Klusák war als Repräsentant der weltlichen und staatlichen Macht zugegen, die auch in diesem Jahr (vgl. 1950) darum bemüht war, die Regie der Feier fest in ihren Händen zu halten, was ihr jedoch nicht mehr gelang. Ihr ging es vor allem darum, den religiösen Charakter zu verschweigen und die Feier zu einer gewöhnlichen Friedensversammlung zu deklarieren (– an der außer ungefähr 250.000 Katholiken schätzungsweise 10.000 Polizisten in Zivil teilnahmen). Klusák wurde nicht nur gutherzig ausgelacht, als er Dankbarkeit gegenüber der herrschenden Macht dafür einforderte, daß sich die Menschen in Velehrad versammeln durften, sondern auch daran erinnert, daß Johannes Paul II. seine Anwesenheit zugesagt hatte, die ihm von der kommunistischen Macht jedoch verweigert wurde.848 Nikolaus Lobkowicz nimmt an, daß Johannes Paul II. die Enzyklika Slavorum Apostoli bewußt erst kurz vor den Jubiläumsfeiern in Velehrad – drei Monate nach dem Todestag Methods – veröffentlicht habe, um auf die ihm verweigerte Möglichkeit, „ein Gebet am Grab des hl. Methodius zu sprechen“ hinzuweisen.849 Im Fernsehen verlas ein Sprecher dann einen vollkommen anderen Text als den, den Klusák tatsächlich vorgetragen hatte, in dem ein haßerfüllter antideutscher Ton zu vernehmen war und das Bemühen, die Massen wenigstens durch einen Appell an ihren Chauvinismus zu fangen. Auch der eingeblendete Beifall war andernorts und aus einem anderen Anlaß aufgenommen,850 die skandierten Rufe „chceme svätú omšu!“851 [wir wollen die Heilige Messe] – unter den Teilnehmern befanden sich trotz der gleichzeitig 846

847 848

849

850 851

Vgl. z. B. Šmelhaus, Stanislav: Velehradské zvony. K jubilejnímu cyrilometodějskému roku 1963 vydal Český umělecký klub v Chicagu pod záštitou Národního svazu českých katolíků, Chicago 1962. Vgl. Tkadlčík 1995, S. 43. Auf die Einladung Kardinal Tomášeks, die durch 22.000 Unterschriften von Gläubigen gestützt wurde, reagierte der Papst mit Zustimmung. Die Regierung teilte Tomášek mit, daß der Besuch in dem gegebenen historischen Augenblick weder erwünscht sei, noch überhaupt in Betracht komme. Die Unterschriftensammler wurden verschiedensten Repressionen von einfachen Drohungen bis hin zu körperlicher Folter ausgesetzt (s. Benda, Václav: Jak dál po Velehradě?, in: Rozmluvy. Literární a filozofická revue, Londýn, Nr. 6, 1986, S. 7-37, hier: S. 7). Zu weiteren präventiven und repressiven Maßnahmen durch die Staatsmacht ebd., S. 8-13 – die Parallelen zu den Schikanen einhundert Jahre zuvor sind verblüffend (s. o. und Kouřil 1993, S. 129). S. auch Cuhra, Jaroslav: Staat und Kirche in der Tschechoslowakei, in: Schulze Wessel, Martin/Zückert, Martin (Hgg.): Handbuch der Religions- und Kirchengeschichte der böhmischen Länder und Tschechiens im 20. Jahrhundert, München 2009, S. 555-616, hier: S. 598-605. Lobkowicz, Nikolaus: Die Europäische Bedeutung der Heiligen Cyrill und Methodius. Zur Enzyklika „Slavorum Apostoli“, in: Forum katholische Theologie, Jg. 1, Nr. 4, 1985, S. 241-263, hier: S. 257. Benda 1986, S. 8 und 11. Benda 1986, S. 12.

244

Teil 2 – Werk

stattfindenden traditionellen Marienwallfahrt nach Levoča viele slowakische Katholiken – wurden hingegen ausgeblendet. Gerade dieser Ruf macht deutlich, daß die Anwesenden legalistisch von ihrer Religionsfreiheit Gebrauch machten und dadurch die Macht um so mehr verunsicherten und provozierten. Bohumír Janát beschreibt seinen hoffnungsvollen Eindruck von den Ereignissen: To velké a podstatné, co se toho dne na Velehradě událo, přímá a nekompromisní manifestace křesťanské opravdovosti, jež se i přes dlouhodobé a soustavné moratorium víry v zemi projevila, patrně zůstane jako hluboce a trvale konstitutivní obraz v paměti duše mnoha zúčastněných.852 Das Große und Grundlegende, das sich an diesem Tag in Velehrad ereignete, die direkte und kompromißlose Manifestation christlicher Wahrhaftigkeit, die ungeachtet des langanhaltenden und systematischen Moratoriums des Glaubens im Lande zum Ausdruck kam, bleibt sicherlich im Gedächtnis der Seele vieler Anwesenden als tief und ewig bestimmendes Bild erhalten.

Die Feierlichkeiten des Jahres 1985, die eine „řetězovou reakcí dalších poutí v Čechách i na Slovensku“ [Kettenreaktion weiterer Wallfahrten in Böhmen und der Slowakei] auslösten,853 gingen mit einem neu erwachten Selbstbewußtsein der tschechoslowakischen Katholiken einher, das sich aus dem Leiden der vorherigen Generationen und der eigenen Bereitschaft, Zeugnis abzulegen, speiste. In der Zeit des totalitären Drucks und der Verfolgungen galt das Bestreben vor allem der eigenen Wahrhaftigkeit. Die klassischen Velehrader Überlegungen und die cyrillomethodianische Tradition allgemein traten vor den politischen Gegebenheiten in den Hintergrund. Es war erst einmal wichtig, mit den eigenen Brüdern und Schwestern wieder authentisch im Glauben vereint zu sein. Benda hebt besonders positiv die 1985 in Velehrad erlebte Liebe zwischen Tschechen und Slowaken hervor, die sicherlich durch den Vertreter des Papstes, Kardinal Casaroli, unterstützt wurde, der ein Grußwort Johannes Pauls II. und die Messe in beiden Sprachen las.854

In der Zeit nach 1989 Pavel Ambros sieht in der cyrillomethodianischen Tradition der tschechisch-mährischen Kirche ihr Potential zur inneren Erneuerung nach der Zeit des Kommunismus und zur Bestimmung ihres Ortes in der gesamten katholischen Landschaft. Dieser Überlegung hat er 1999 eine ausführliche Analyse gewidmet.855 Er hält die Wiederbelebung dieser Tradition für eine Möglichkeit, die slavische Welt (d. i. auch die orthodoxe) in Europa zu integrieren, denn sie verweise auf den ursprünglichen Kontrast 852

853

854 855

Janát, Bohumír: Velehrad, in: Rozmluvy. Literární a filozofická revue, Londýn, Nr. 6, 1986, S. 3-6, hier: S. 5. Skalický, Karel: Gaudium et spes po třiceti pěti letech. Předmluva k 2. vydání, in: ders. Radost a naděje. Církev v dnešním světe, Kostelní Vydří 2000, S. 17-45, hier: S. 42. Benda 1986, S. 27 und 12. Ambros, Pavel: Kam směřuje česká katolická církev? Teologie obnovy místní církve v Čechách a na Moravě, její základní pastorační postoje a orientace pro třetí tisíciletí, Velehrad 1999.

Religiös-theologische Schriften

245

und die Verschiedenartigkeit der europäischen Identität und Kultur, die durch den byzantinischen, römischen und slavischen Kontext gleichermaßen gebildet werde:856 „Velehrad věrně vyjadřuje aspirace, kterých se Evropa nemůže zříci“857 [Velehrad verleiht treu den Erwartungen Ausdruck, derer sich Europa nicht entsagen kann]. Anläßlich des 800. Jubiläums der Gründung von Velehrad als geistlichem Zentrum wurde 2005 ein Sammelband unter dem Titel Velehrad – filologoi versus filosofoi. Příspěvek spirituální teologie k 800letému výročí [Velehrad – philologoi versus philosophoi. Ein Beitrag der Spiritualtheologie zum 800. Jubiläum] herausgegeben, in dem sich Michal Altrichter fragt: „Proč nás rozrušují řeči o slovanství Velehradu?“858 [Warum beunruhigen uns die Reden vom Slaventum Velehrads?]. Er sucht nach einem „ethos velehradensis“.859 In der Spiritualität der Zisterzienser, die den ersten Teil der Geschichte Velehrads bestimmt haben (1205-1784), sieht er östliche Wurzeln und in der Annahme der Idee des Cyrillomethodianismus eine Möglichkeit, sich mit der eigenen westlichen Prägung zu arrangieren.860 Die Velehrader Jesuiten (ab 1890[-1950]) kommunizierten zu Beginn mit den Mitbrüdern, die noch von der russischen Provinz der Zeit gehört hatten, als die Bruderschaft aufgelöst wurde. Ihrer Ankunft in Velehrad ging eine umfangreiche Kommunikation mit der russischen und slavischen Welt voraus.861 Die Rückkehr der Jesuiten 1990 – ihr wurde am 22. April desselben Jahres durch den Besuch des slavischen Papstes Johannes Pauls II., der eine Einheit zwischen Osten und Westen suchte, besondere Symbolik verliehen, was dadurch noch verstärkt wurde, daß es sich um den ersten Papstbesuch in der Tschechoslowakei überhaupt handelte862 – geht einher mit ständigen Diskussionen darüber, ob sie dort bleiben werden, was zu Spannungen zwischen der Diözese und dem Orden führt. Altrichter stellt sich die Fragen, ob der historisch missionarische Charakter Velehrads der gegenwärtigen pastoralen Ausrichtung des Jesuitenordens entspreche; ob das vorherige Werk, das die Jesuiten vollbracht haben, nicht beendet sei;863 und ob Velehrad für sie nicht als (psychologisch) neutraler Begriff existiere.864 Von den Jesuiten betreut wird das Centrum Aletti Velehrad – Roma in Olmütz, auf das die beiden erwähnten Publikationen aus neuerer Zeit zurückgehen. Es ist ein Studien- und Forschungszentrum, das den Dialog zwischen den Kulturen und 856 857 858

859 860 861 862

863

864

Ambros 1999, S. 15 und 135. Ambros 1999, S. 10. Altrichter, Michal: Velehrad – filologoi versus filosofoi, in: Altrichter, M./Ambros, P./Karczubová, L./Polách, O./Rupnik, M./Špidlík, T.: Velehrad – filologoi versus filosofoi. Příspěvek spirituální teologie k 800letému výročí, Olomouc 2005, S. 8-117, hier: S. 26. Altrichter 2005, S. 63. Vgl. Altrichter 2005, S. 36. Vgl. Altrichter 2005, S. 44 (FN 98) und 93. Pojsl, Miloslav/Hyhlík, Vladimír: Velehrad. Bazilika Nanebevzetí Panny Marie a sv. Cyrila a Metoděje, Velehrad 1997 (= Církevní památky, Bd. 19), S. 3. Vgl. zu diesem Werk Ambros, Pavel: Cyrilometodějství a jezuité na Velehradě od roku 1890 do roku 1919, in: Altrichter et al. 2005, S. 208-236. Altrichter 2005, S. 54.

246

Teil 2 – Werk

Religionen im neuen Europa anregen möchte.865 Im Jahre 2007 hat dieses Centrum einen „Jubilejní velehradský kongres 1907-2007“ [Velehrader Jubiläumskongreß] unter dem Titel K hlubší solidaritě mezi křesťany v Evropě [Zur tieferen Solidarität zwischen den Christen in Europa] veranstaltet und durch mehrere Publikationen begleitet.866 Diese Einrichtung beruft sich also ausdrücklich auf die cyrillomethodianische Tradition, die sie als geistiges Erbe sowohl des Westens als auch des Ostens im Geist des Ökumenismus versteht. Neben dem Dialog, der nicht mehr eingeschränkt als katholisch-orthodoxer Dialog verstanden wird, ist das zweite wichtige Ziel die neue Evangelisierung Europas. Das macht deutlich, daß die interkonfessionellen Bemühungen angesichts des schwindenden Einflusses des Christentums insgesamt in den Hintergrund gerückt sind. Wie man sehen kann, wird seit 1950 nicht mehr oder nur noch als Verweis auf die unionistische Tradition in Velehrad Bezug genommen, sondern es erfolgt eine Rückkehr zu ihrer Wurzel, dem Cyrillomethodianismus als dem Verbindungsglied zwischen Ost und West. Daß der Verdacht des Panslavismus und antideutscher bzw. antihabsburgischer Tendenzen, dem die cyrillomethodianische Tradition im 19. Jahrhundert ausgesetzt war, im 20. Jahrhundert in den Hintergrund trat, scheint nicht zuletzt dem Faktum zu verdanken zu sein, daß sich ihrer ab 1890 die Jesuiten in Velehrad annahmen.867 Zudem ist die Grundlegung der übernationalen cyrillomethodianischen Idee, die sich vor allem theologischen und historischen Fragen zuwendet, gerade eine gute Möglichkeit, sich kleinlichen nationalen und politischen Sympathien und Antipathien zu entziehen. Wenn man ernsthaft über die Einheit Europas nachdenkt, kommt man nicht an der Frage der in eine östliche und eine westliche Tradition geteilten Christenheit vorbei.

Konzeptionen der orthodox-katholischen Annäherung Die verschiedenen Werke, die sich mit der Frage der Annährung der Christen und den Velehrader Ideen befassen, arbeiten mit unterschiedlicher Terminologie und unterscheiden sich vor allem in dem Punkt grundlegend, ob sie mit einem einfachen Anschluß der Orthodoxie an den Katholizismus rechnen, oder ob sie Veränderungen auch innerhalb des Katholizismus für möglich und oder gar wünschenswert halten. Es wird im folgenden kurz vorgestellt, welche Inhalte die Begriffe cyrillomethodianische, unionistische, neuthomistische und philokatholische Bewegung zum Ausdruck bringen und welche Autoren welchen Begriff wie verwendet haben. 865

866 867

Vgl. Stanovy „Centrum Aletti Velehrad – Roma“ v Olomouci, in: http://www.aletti.cz/index.php?zobraz=aletti&file=stanovy; 7. März 2007. Górka 2007, Klappentext. Masaryk ist im Gegensatz dazu der Meinung, daß die Jesuiten gerade zur Untergrabung der

Religiös-theologische Schriften

247

Cyrillomethodianismus und Unionismus Der cyrillomethodianische Gedanke wurde zur Grundlage für die Bemühungen um die Vereinigung der katholischen und orthodoxen Slaven in einer Kirche, denn Cyrill und Method zählen einerseits zu den letzten ebenso von der katholischen wie von den orthodoxen Kirchen verehrten Heiligen aus der Zeit vor dem Schisma; andererseits lebten sie schon in einer Zeit, in welcher das Schisma sich ankündigte – und dennoch gelang ihnen, ihren Verpflichtungen gegenüber der byzantinischen Kirche, von der sie ausgesandt waren, gegenüber der Kirche von Rom, die Methodius als ihren Erzbischof ad gentes entsandt hatte, und schließlich auch gegenüber der ‚jungen Kirche auf slavischem Boden‘ treu zu bleiben.868

Cyrill und Method werden deshalb sowohl von den westlichen als auch den östlichen Slaven, die sich auf sie berufen, als Zeugen der Einheit und als Symbol der Tradition des gegenseitigen Einvernehmens und Friedens verehrt. Für die Brüder war laut Górka der Weg der Harmonie, der Synthese und der Versöhnung der Gegensätze entscheidend.869 Die Verehrung von Cyrill und Method bildete den Ausgangspunkt für Stojans unionistisches Engagement, wobei der Begriff des Unionismus bei ihm zunächst noch nicht vorkommt. Sein Verständnis der cyrillomethodianischen Idee ist gekennzeichnet durch „snaha uchovati víru neporušenou“870 [das Bemühen, den unverfälschten Glauben zu bewahren], so wie er von Cyrill und Method übernommen worden sei. Durch das Erbe der Slavenapostel seien die Slaven in der gemeinsamen Verehrung der Gottesmutter verbunden, deshalb stelle den Höhepunkt der cyrillomethodianischen Idee die Union dar, die Vereinigung aller Slaven im Glauben.871 Dieser Wunsch gilt seitens Stojans wirklich allen Slaven, gleich welcher Konfession oder Religion sie angehören.872 Das Bewußtsein der Zusammengehörigkeit der Slaven überwiegt also bei dieser ursprünglichen Konzeption vom Ende des 19. Jahrhunderts noch gegenüber der rein religiösen Idee, daß man sich nur durch die Vereinigung der Konfessionen der universalen Kirche nähern könne. Der oben verfolgte Wandel der Velehrader Tradition hat die Verlagerung ihres Schwerpunktes deutlich gemacht. Aus der slavischen wurde eine europäische Konzeption. Dies erfolgte im Einklang mit der Lehre der katholischen Kirche, die die cyrillomethodianische Idee zunehmend europäisierte. Unter Berufung auf das

868 869 870

871

872

cyrillomethodianischen Idee nach Velehrad geschickt worden seien (Masaryk, T. G.: Česká otázka, in: Masaryk 2000 [nach 41936], S. 11-169, hier: S. 146). Lobkowicz 1985, S. 258. Vgl. Górka 2001a, S. 62 und 81f. In der Dissertation Stojans; cit. nach Cinek, František: Arcibiskup Dr. Antonín Cyril Stojan. Život a dílo. Pokus o nárys duchovní fysiognomie, Olomouc 1933, S. 347. Stojan, Antonín Cyril: O idei cyrilometodějské [Rede auf dem III. Katolický sjezd in Brünn, 1903], in: Cinek 1933, S. 457-462, hier: S. 459f. Vgl. den Aufruf Stojans Katolíci! Dítky cyrilometodějské!, in: Cinek 1933, S. 248-250, hier: S. 249.

248

Teil 2 – Werk

Privilegium, das Papst Hadrian II. und Johannes VIII. Cyrill und Method eingeräumt haben, sich bei der Feier der Liturgie der slavischen Sprache zu bedienen, wurde in der zweiten Sitzung des Vaticanums (29. September bis 4. Dezember 1963) beschlossen, lebende Sprachen in der Liturgie zuzulassen. Im Jahre 1980 wurden Cyrill und Method – als Begründer der byzantinischen und griechischen europäischen Tradition in Velehrad – durch Papst Johannes Paul II. in dem apostolischen Schreiben Egregiae virtutis neben Benedikt (dem Errichter des lateinischen Europas auf dem Monte Casino) zu Mitpatronen und himmlischen Beschützern Europas erklärt und als geistige Führer und Helfer bei der Schaffung eines neuen christlich katholischen Europas apostrophiert.873 Ihr Wirkungskreis hat sich demzufolge Ende des 20. Jahrhunderts ausgedehnt. Sie gelten nicht mehr nur als Apostel der Slaven, sondern als slavische Apostel von europäischer Tragweite. Ihre Bedeutung ist nicht mehr nur historisch, sondern sie sollen ebenfalls eine Rolle für die Zukunft des Zusammenlebens in Europa spielen. Wie gezeigt, ist für Stojan die tragende Idee der Cyrillomethodianismus. ‚Amtlich‘ wird der Begriff des Unionismus erst 1907 mit dem „První sjezd unionistický“ [Ersten unionistischen Kongreß]. War die Cyrill-Method-Idee in ihrer religiösen Ausprägung eher regional auf den mährischen Raum beschränkt (im Unterschied zu ihrem national verstandenen Charakter in der Slowakei und Böhmen),874 wird durch die unionistischen Kongresse ein weltweites Forum angesprochen.875 Eine der ersten Definitionen des Unionismus, wenn nicht die erste überhaupt, stammt aus der Feder von Alfred Fuchs, den Vilinskij als Begründer der unionistischen Ideologie bezeichnet.876 Er definiert den Unionismus als: „snah[a] po sjednocení všech křesťanských církví, křesťanů všech věr a denominací, všech těch, kteří se hlásí ke jménu Kristovu“877 [Bemühen um die Vereinigung aller christlichen Kirchen, der Christen aller Glaubenszugehörigkeiten und Denominationen, all derer, die sich zum Namen Christi bekennen]. In einer späteren Arbeit differenziert er zwischen dieser Definition, die Unionismus im weitesten Sinne bezeichnet und einem engeren Verständnis, das das Bemühen um die Vereinigung der katholischen und der orthodoxen Kirche, auf der Grundlage der von ihnen anerkannten apostolischen Sukzession, zum Gegenstand hat. Es gehe allein um die Auflösung des Schismas.878 Uniaten sind Katholiken des östlichen Ritus, die ihre östliche Tradition bewahrt haben, die Fuchs als gleichwertig mit der westlichen einstuft.879 Einen grundle873 874

875 876 877 878 879

Tkadlčík 1995, S. 50. Vgl. Kolejka, Josef/Šťastný, Vladislav: Die cyrillomethodische und großmährische Tradition im tschechischen politischen Geschehen im 19. und 20. Jahrhundert, in: Magna Moravia. Sborník k 1100. výročí příchodu byzantské mise na Moravu, Praha 1965 (= Spisy University J. E. Purkyně v Brně. Filosofická fakulta, Bd. 102), S. 587-609, hier: S. 588f. Cinek 1933, S. 553. Budoucnost českého unionismu 1931, S. 48. Fuchs, Alfred: Sjednocení církví (Unionismus), Praha 1924, S. 3. Fuchs, Alfred: Novější papežská politika, Praha 1930a, S. 122 und 125. Fuchs 1930a, S. 128.

Religiös-theologische Schriften

249

genden Teil des unionistischen Problems stelle die Frage der Vereinigung der Slaven im Glauben dar, was allgemein als cyrillomethodianische, auch Velehrader, Idee bezeichnet werde, weil das Wirken der Brüder ein Vorbild für die künftige Synthese des Westens und des Ostens darstelle.880 Das mit dem Unionismus verbundene kulturelle Problem bestehe darin, eine Synthese der lateinischen und byzantinischen Kultur zu finden und durch sie zur Kulmination und wahrscheinlich auch Bewahrung der westlichen Zivilisation und Kultur beizutragen.881 Nach Fuchs ist der Unionismus also allumfassend. Der Cyrillomethodianismus stellt seiner Auffassung zufolge die spezifische Ausprägungsform des Unionismus unter den Slaven dar. Diese späteren Fuchs’schen Definitionen übernimmt Vilinskij – ohne Angabe der Quelle, der mehrere Rezensionen von ihm gelten – wortwörtlich.882 Den Unionismus im weiten Verständnis des Wortes bezeichnet er selbst später in Anlehnung an die Bewegung für Glaube und Kirchenverfassung (Faith and Order), die eine Zusammenschluß innerhalb der ökumenischen Bewegung darstellt, Söderblom und andere als Ökumenismus.883 Liegt der Akzent des engeren Unionismus-Begriffes auf der Einheit zweier Konfessionen (Orthodoxie und Katholizismus), wird er also rein religiös bestimmt, so wird der Begriff des Cyrillomethodianismus mit einem eher politisch-kulturellen Akzent verwendet. Es wird das gleiche Phänomen aus je verschiedenen Blickwinkeln beschrieben. Der Cyrillomethodianismus bemühe sich um die Glaubenseinheit aller Slaven nach dem Vorbild der Vergangenheit, als die Brüder aus Solun allen slavischen Stämmen das Evangelium verkündet haben sollen.884 880

881 882 883

884

Fuchs 1924, S. 23 und Fuchs 1930a, S. 144. Peter Hauptmann kritisiert im Zusammenhang mit der Berufung auf die besondere Lage der Tschechoslowakei und ihrer daraus erwachsenden Rolle, zwischen Ost und West zu vermitteln, daß dieser Zugang von ungeschichtlichem Denken zeuge, weil der Gegensatz zwischen West- und Ostkirche zur Zeit des Wirkens von Cyrill und Method ein anderer gewesen sei und die im Großmährischen Reich ansässigen Slaven nicht mit neuzeitlichen Tschechen und Slowaken identifiziert werden dürften (Hauptmann, Peter: Die Orthodoxe Kirche auf ihren Wegen ins tschechische Volkstum, in: Kirche im Osten, 11, 1968, S. 38-64, hier: S. 39f.). Trotzdem können natürlich tschechische und slowakische Katholiken, die heute auf dem Boden des historischen Großmährischen Reiches leben, daraus für sich eine Verantwortung ableiten (vgl. Janhuba 2002, S. 7). Fuchs 1930a, S. 135. Unionizmus 1932, S. 44. Podstata unionismu, in: Lidové noviny, Jg. 42, Nr. 333**, 05.07.1934, S. 5. Zu Faith and Order s. Bremer, Thomas: Konfessionelle Konflikte aus theologischer Sicht, in: Schulze Wessel, Martin (Hg.): Nationalisierung der Religion und Sakralisierung der Nation im östlichen Europa, Stuttgart 2006, S. 15-28, hier: S. 23; zu Söderblom s. Danilenko, Boris (Hg.)/Glubokovskij, Nikolaj: Archiepiskop Natan Sederbljum, kak christianskij i «ėkumeničeskij» dejateľ (po ličnym vpečatlenijam, nabljudenijam i vospominanijam), in: Davids/Poljakov (Hgg.) 2008, S. 95-117. Noch sechs Jahre zuvor erklärte Vilinskij eine allgemeinkirchliche Vereinigung (Panchristentum) für undenkbar, weil sich die einzelnen Konfessionen unterschiedlich nah seien und man deshalb keine Minimalbedingungen finden könne, die für alle annehmbar seien (vgl. Ruský národ a sjednocení církví 1928, S. 31). K slovanské otázce 1930, S. 99.

250

Teil 2 – Werk

Fuchs und Vilinskij weisen in ihrer Begriffsbestimmung des Unionismus keinen Weg, wer zu wem zurückkehren soll, sondern definieren als Anliegen das Ziel der Vereinigung, das Ende der Trennung. Damit umgehen sie eine implizite Schuldzuweisung, was dem Anliegen förderlich sein dürfte. Vilinskij rechnet zudem damit, daß sich aus dem Prozeß des gemeinsamen Dialogs neue Anschauungen ergeben, die vor allem das orthodoxe, aber auch das katholische Leben um neue Aspekte bereichern werden. Die folgende Darstellung der weiteren Entwicklung des Unionismus-Begriffs erfolgt in Abgrenzung zu den Auffassungen von Stojan, Fuchs und Vilinskij, die hier als zentral angesehen werden, weil es insgesamt um das Verstehen des Denkens Vilinskijs geht. Um die Übersicht in den verschiedenen Auffassungen nicht zu verlieren, werden sie hier vorab tabellarisch dargestellt, wobei die chronologische Anordnung deutlich werden läßt, daß der Begriff des Unionismus mehr und mehr abgelöst worden ist durch den des Ökumenismus, der umfassender ist als das ursprüngliche Verständnis des Unionismus und, wie man bei Císař und Ambros sehen kann, eine positivere Konnotation trägt. Damit kann man die oben konstatierte erneute Hinwendung zur cyrillomethodianischen Tradition erklären, die sich wieder konkreter der Ost-West-Annäherung verschrieben hat. Sie war über die Zeit fast vollkommen aus dem Sprachgebrauch verschwunden.

Vereinigung aller Slaven Stojan

1903

Cyrillomethodianismus

Fuchs

1924

Cyrillomethodianismus = Velehrader Idee

1930a Unionismus (kath.-orth.) Cyrillomethodianismus = Velehrader Idee Vilinskij 1930 1932

1934 Congar

1937

Vašica

1940

Vereinigung aller Christen

nach Studium Rückkehr Unionismus

Unionismus im weiteren Sinne

eigentlicher Unionismus = rein religiös verstandener Cyrillomethodianismus

Unionismus im weiteren Sinne

Unionismus (kath.-orth.)

= Ökumenismus x (ohne Begriff )

Unionismus

Vereinigung aller Menschen

einfache Rückkehr zum bestehenden Katholizismus oder dessen Veränderung

Veränderung

Veränderung nach Studium Rückkehr

251

Religiös-theologische Schriften Marianov 1948

Unionismus

Císař

Unionismus = Uniatismus

1987

katholischer Ökumenismus

katholischer Missionismus

Rückkehr

Ökumenismus Górka

1995

Rückkehr

Veränderung

Uniatismus

Rückkehr

Unionismus = Cyrillomethodianismus

Veränderung

Štampach 1995

Ökumenismus

Škrášek

1996

Unionismus = Ökumenismus

Janhuba

2002

Ambros

2003

Unionismus

interreligiöser Dialog

Ökumenismus Ökumenismus (= moderne Form des Unionismus)

Veränderung

Im ursprünglichen Sinne des Stojan’schen Unionismus, als einer gegenseitigen Annäherung, die positive Aspekte beider Seiten aufnimmt, argumentiert der Dominikaner Marie-Joseph Congar, dessen Überlegungen allerdings nicht auf den slavischen Bereich beschränkt sind, so daß bei ihm auch der Unionismusbegriff keine Verwendung findet: […] la catholicité de celle-ci n’est pas tout entière actualisée, et il y a un sens où il est vrai de dire non seulement que la catholicité de l’Église n’est qu’imparfaitement explicite, mais que le fait des séparations joue un rôle dans cette imperfection et que, ce que nos frères séparés tiennent indûment en dehors de l’Église manque à la catholicité actuelle de cette Église […].885 [D]ie Katholizität der Kirche ist nicht vollkommen aktualisiert und es hat nicht nur die Behauptung, daß die Katholizität der Kirche nicht nur nicht vollkommen entwickelt ist, einen gewissen Wahrheitsgehalt, sondern auch, daß das Faktum der Trennung selbst in dieser Unvollkommenheit eine gewisse Rolle spielt und daß das, was unsere getrennten Brüder zu Unrecht außerhalb der Kirche hält, aktuell der Katholizität der Kirche fehlt.

Die katholische Kirche könne bzw. müsse um Werte bereichert werden, die sich auf dem Boden der anderen Konfessionen und somit vor allem in dem slavischen und dem skandinavischen Bereich entwickelt haben, denn: „[…] parce que la Russie est orthodoxe et les Pays scandinaves luthériens, il manque à l’ Église une expression 885

Congar, M.-J.: Chrétiens désunis. Principes d’un „Œcuménisme“ catholique, Paris 1937 [Reprint 1964], S. 401. Vgl. ausführlicher ebd., S. 314-321.

252

Teil 2 – Werk

slave, une expression nordique de la grâce une et ‹bariolée› du Christ“886 [weil Rußland orthodox und Skandinavien lutherisch ist, fehlt der Kirche ein slavischer und ein nordischer Ausdruck der einen, vielgestaltigen Gnade Christi]. Erst durch sie werde die wiedervereinigte Kirche ein reicheres Ganzes bilden als irgendeine der bestehenden – ausdrücklich einschließlich der katholischen – christlichen Körperschaften.887 Es gehe um den gemeinsamen Eintritt in die Fülle und in die Gemeinschaft aller Güter des Neuen Bundes, in das Haus des Vaters.888 Seine Überlegungen werden zum Teil sehr positiv aufgenommen, bringen ihm jedoch andererseits schwere Verfolgungen innerhalb der katholischen Kirche ein.889 Es scheint nicht zufällig, daß große Zustimmung gerade aus den Acta Academiae Velehradensis und aus Eine heilige Kirche erfolgt.890 Letzgenannte ist die Zeitschrift der Hochkirchlichen Vereinigung, die 1918 gegründet worden ist. Seit 1938 ist ihr Name erweitert um den Zusatz Augsburgischen Bekenntnisses. Diese Bewegung vetritt eine evangelische bzw. lutherische Katholizität und sieht die altchristliche Primatsauffassung (Primat der dienenden Liebe) als Schlüssel zur Einigung der ganzen Christenheit.891 Josef Vašica definiert den Unionismus als: organisované úsilí, přispět modlitbou, studiem sporných otázek a podporou misijních akcí k obnovení církevní jednoty ve smyslu katolickém, jmenovitě mezi národy slovanskými, při čemž společná jejich úcta k sv. Cyrilu a Metoději a k jejich dílu náboženskému i kulturnímu slouží za prostředníka.892 organisierte Anstrengung, durch Gebet, das Studium strittiger Fragen und die Unterstützung missionarischer Aktionen zur Erneuerung der kirchlichen Einheit in katholischem Sinne beizutragen, vornehmlich unter den slavischen Völkern, wobei ihre gemeinsame Achtung gegenüber dem hl. Cyrill und Method und ihrem religiösen und kulturellen Werk als Vermittler dient.

Vašica, dessen Definition der Vorstellung von Stojan auch in der Formulierung sehr nahe kommt, läßt keinen Zweifel daran, daß die wahre Kirche die bestehende katholische ist. Im Gegensatz zu Stojan, dessen zentrales Anliegen das gegenseitige Verständnis ist, und im Gegensatz zu Congar, der die Trennung der Christenheit 886 887 888 889

890

891

892

Congar 1937, S. 316; s. auch S. 319. Congar 1937, S. 321. Congar 1937, S. 323f. Kolesnyk, Alexander: Modernes Denken im Katholizismus, in: Kučera, Zdeněk/Lášek, Jan B. (Hgg.): Modernismus. Historie nebo výzva? Studie ke genezi českého katolického modernismu, Praha 2002, S. 48-97, hier: S. 94. Salaville, S.: Ľ unité de ľ eglise et le probléme de la réunion des chrétiens séparés, in: Acta Academiae Velehradensis, Jg. 14, Nr. 1, 1938, S. 25-45 und Heiler, Friedrich: Römisch-katholische Stimmen zur Wiedervereinigung der christlichen Kirchen, in: Eine heilige Kirche (= Jg. 20 der Hochkirche), Januar/April 1938, S. 30-45, speziell zu Congar S. 36-45. Weiß, Otto: Der Modernismus in Deutschland. Ein Beitrag zur Theologiegeschichte, Regensburg 1995, S. 512. Hier zitiert nach Vašica, Josef: Český unionism, studie, S. 1f. (PNP LA, fond Vašica). Der Text ist aufgenommen in: Tomeš, J. (Hg.): Co daly naše země Evropě a lidstvu – II. Obrozený národ a jeho země na fóru evropském a světovém, Praha 21999, S. 328-336. Er muß also vor der ersten Auflage (1940) dieses Sammelbandes geschrieben worden sein.

Religiös-theologische Schriften

253

als Defizit für die Katholizität sieht und dadurch begründet, daß die katholische Kirche durch die Wiedervereinigung hinzugewinnt, es also deshalb unbedingt erforderlich ist, die strittigen Fragen zu studieren, führt Vašica nicht aus, was er sich von dem Studium der strittigen Fragen verspricht. Missionarischen Aktionen als Beitrag zur Erneuerung der Einheit, also der Unterstützung von Konversionen, räumt, wie weiter unten noch gezeigt wird, Vilinskij im Gegensatz zu Vašica keinerlei Bedeutung für den Unionismus ein. Ivan Marianov unterscheidet zwischen Unionismus, katholischem Ökumenismus und katholischem Missionismus.893 Von Unionismus in seiner eigentlichen oder spezifischen Ausprägungsform spricht er, wenn er das Interesse und Bemühen beschreibt, die östlichen Christen mit der katholischen Kirche zu vereinen. Das heißt, sein Unionismus-Begriff entspricht dem, was Fuchs als Cyrillomethodianismus und Vilinskij als Unionismus im eigentlichen Sinne bezeichnen. Einen größeren Wirkungskreis umfaßt der katholische Ökumenismus. Als solchen bezeichnet Marianov die Vereinigung aller nicht-katholischen Christen – er vergißt hinzuzufügen: mit den katholischen, denn diese Vereinigung soll ja nicht unabhängig von den katholischen Christen geschehen. Der zuerst genannte spezifische Unionismus stellt also einen Teil des katholischen Ökumenismus dar und entspricht Fuchs’ Unionismus und Vilinskijs Unionismus im weiteren Sinne. Der katholische Missionismus schließlich ist in Marianovs Terminologie die Christianisierung der Welt, das heißt, der Aktionsradius wird auf die nichtchristliche Menschheit ausgedehnt. Diese Variante ist bei Fuchs und Vilinskij (noch) nicht vorgesehen. Hat Fuchs noch eher andeutungsweise oder hypothetisch von der Bewahrung der westlichen Kultur und Zivilisation durch die Union gesprochen, führt Marianov zustimmend eine Reihe von Beispielen an, in denen Autoren die Katholisierung Rußlands als ‚Ende aller Probleme‘ Rußlands und Europas bezeichnen. Auch d’Herbigny zählt zu jenen, die meinen, nur wenn die katholische Kirche das Erbe der orthodoxen Kirche Rußlands antrete, könne das Christentum auf Dauer in Rußland erhalten werden.894 Ein katholisches Rußland bedeute das Ende des Islams und den „Triumph des Kreuzes über den Bosporus“ (Alphonse Guépin); wenn Rußland einst katholisch werde, werden China und Japan schnell folgen (Augustin Galen) – vor der Chinaisierung Rußlands hatten bereits Solov’ev895 und Merežkovskij gewarnt. In diesem Punkt werden kirchliche Interessen eindeutig von politischen überlagert und man kann Kartaševs Vorwurf, 893

894

895

Marianov, Ivan: K základům katolického unionismu, Sonderdruck Brno 1948, S. 4-7 (ursprünglich in: Saňka, Antonín [Hg.]: Tváří k východu. Příspěvky k poznání křesťanského východu 1, Brno 1948, S. 73-98). Suttner, Ernst Christoph: Die katholische Kirche in der Sowjetunion, Würzburg 1992, S. 25. Zu dem problematischen (proselytischen) Wirken d’Herbignys s. Hryniewicz, Wacław: Ökumene in Osteuropa. Einige Reflexionen über große Herausforderungen unserer Zeit, in: Ostkirchliche Studien, Jg. 48, 1999, S. 163-179, hier: S. 166 und Coudenys, Wim: Proselytism, Charity, Imperialism: Russian Émigrés in Belgium between Catholicism and Orthodoxy, in: Davids/Poljakov (Hgg.) 2008, S. 119-135, hier: S. 122 und 130. Marianov 1948, S. 14f.

254

Teil 2 – Werk

der sich aus seiner eurasischen Kritik an dem gesamten Katholizismus speist, einen „kirchlichen Imperialismus“ zu betreiben, durchaus verstehen.896 In der Auffassung Ivo Císařs kommt ein größerer Wandel des Verständnisses zum Ausdruck, der durch das Zweite Vatikanische Konzil – auf dieses wird unten noch ausführlicher eingegangen –, auf dem erstmals offiziell mit dem Begriff des Ökumenismus operiert wird, ausgelöst worden ist. Císař zufolge sind Unionismus und Uniatismus synonyme Begriffe, die die Angliederung von Teilen der östlichen an die katholische Kirche bezeichnen, wobei sie sich dem Primat des Papstes unterordnen, jedoch ihre eigene disziplinarische und liturgische Ordnung beibehalten (das entspricht einem Katholizismus nach östlichem Ritus). Es handelt sich um eine einseitige Bewegung der Um- oder Rückkehr der orthodoxen zur katholischen Kirche, was Císař kritikwürdig findet, so daß der Begriff des Unionismus eine negative Konnotation erhält. Von ihm grenzt er positiv den Ökumenismus ab, der nach seiner Auffassung eine Bewegung ist, die um die allgemeine und vollständige Erneuerung der kirchlichen Einheit bemüht ist und sich als Mittel zu deren Erlangung des beidseitigen Dialogs bedient. Dieser wird zwar als asymmetrisch charakterisiert, weil allein die katholische Seite in der Wahrheit sei, dennoch kommen sich in ihm beide Seiten entgegen.897 Der von Císař als positiv bewertete Ökumenismus entspricht voll und ganz der Vorstellung, die Fuchs und Vilinskij vom Unionismus (im weiteren Sinne) haben, das von ihm beschriebene Vorgehen entspricht dem von Stojan für den Cyrillomethodianismus angemahnten. František Janhuba grenzt ebenfalls Unionismus und Ökumenismus voneinander ab, allerdings nimmt er im Gegensatz zu Císař keine Wertung des jeweils damit verbundenen Vorgehens vor, sondern hält sich an die formale Differenzierung des Adressatenkreises. Die ökumenische Bewegung trete für die Vereinigung aller Christen aller Völker ein, die unionistische Bewegung bemühe sich um die Vereinigung der getrennten Slaven im Glauben.898 Insofern hat er den von Fuchs und Vilinskij verwendeten Begriff des Unionismus im weiteren Sinne nur durch den des Ökumenismus ersetzt, sein Unionismus entspricht deren Cyrillomethodianismus. Neben den Ökumenismus, der sich allein auf Christen bezieht, stellt Odilo Štampach den interreligiösen Dialog, der sich auf andere Religionen ausdehnt.899 Es ist bereits darauf hingewiesen worden, daß zur Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg an einen institutionalisierten Dialog mit anderen Religionen noch nicht zu denken war. Im Gegensatz zu Císař identifiziert Josef Škrášek die unionistische Bewegung mit der ökumenischen, sie werde heute ökumenische genannt.900 Dieser Auffassung ist auch Pavel Ambros, der in den unionistischen Kongressen, die er neben der liturgischen und der biblischen Bewegung als wichtigste geistige Erneuerungs896

897 898 899 900

Kartašev, A. V.: Puti edinenija, in: Rossija i latinstvo. Sbornik statej, Berlin 1923, S. 141-151, hier: S. 149f. Císař 1987, S. 19f. und 71. Janhuba 2002, S. 5 und ders. 2002a, S. 5. Štampach 1995, S. 97. Škrášek 1996, S. 90.

Religiös-theologische Schriften

255

bewegungen der Zwischenkriegszeit betrachtet,901 allererste Schritte zu einem modernen Ökumenismus sieht. Allerdings erscheinen ihm heute diese ersten Schritte angesichts der aktuellen Fragen der gegenwärtigen ökumenischen Beziehungen archaisch.902 Die Botschaft der damaligen ‚prophetischen Aktivität‘ faßt er mit zwei Worten zusammen: Dialog und Popularisierung.903 Wie die neue Form des Dialogs, „který se zakládal na vnitřní obnově, poctivém křesťanském životě, odstraňování přehrad a modlitbě“ [der auf der inneren Erneuerung, auf dem rechtschaffenen christlichen Leben, der Beseitigung der Barrikaden und dem Gebet gründete], aussah, beschreibt er folgendermaßen: Nový způsob dialogu postupoval na základě důsledného srovnání a posouzení sporných otázek. […] Klíčové však bylo vzájemné kulturní poznání, které připravovalo půdu pro teologický rozhovor.904 Die neue Form des Dialogs ging auf der Grundlage des gründlichen Vergleichs und der Beurteilung der strittigen Fragen vor. […] Entscheidend war jedoch das gegenseitige kulturelle Kennenlernen, das den Boden für das theologische Gespräch bereitet hat.

Damit beschreibt er ebenso zutreffend das Anliegen, das Stojan, Fuchs und Vilinskij verfolgt haben, wie es vor ihm bereits Leonard Górka getan hat. Dieser weist, um der fälschlichen Identifizierung von Uniatismus mit Unionismus (wie zum Beispiel durch Císař) entgegenzuwirken, deutlich darauf hin, daß die Velehrader Kongresse in volkstümlichen Abhandlungen zwar als Unionskongresse bezeichnet worden sind, daß sie jedoch „w całej historii unionizmu katolickiego pozytywny wyjątek“905 [in der gesamten Geschichte des katholischen Unionismus eine positive Ausnahme] darstellen, weil sie sich gerade nicht um eine (Teil-)Union im Sinne der Brester (1595/96), die fast zum gänzlichen Abbruch der Verbindungen zwischen Moskau und Rom geführt hat,906 bemühten, sondern es ihnen vor allem um den 901

902 903 904 905 906

Ambros, Pavel: Spirituální proudy v katolické církvi v Československu mezi světovými válkami a česká katolická moderna, in: Studia theologica 12, Jg. 5, Nr. 2, Sommer 2003, S. 1-14, hier: S. 12f. Vgl. zu den innerkirchlichen Erneuerungsbewegungen im deutschen Raum Rademacher 1937, S. 114ff. Ambros 1999, S. 8. Ambros 1999, S. 22. Ambros 2003, S. 13. Górka 1995, S. 15. Franz von Baader, in: Beumer, Johannes S. J. (Hg. und Einl.): Auf dem Wege zur christlichen Einheit. Vorläufer der ökumenischen Bewegung von den Anfängen des Humanismus bis zum Ende des 19. Jahrhunderts. Ausgewählte Texte, Bremen 1966, S. 289-297, hier: S. 292. Im Vorfeld der Union von Brest wurden fast gar keine dogmatischen Fragen diskutiert. Es fand ‚einfach‘ eine „Aufnahme der bisher von der wahren Kirche getrennten Metropolie von Kiev in die katholische Kirche“ statt (Lacko, Michael: Unionsbewegungen im slavischen Raum und in Rumänien, in: Nyssen, Wilhelm/Schulz, Hans-Joachim/Wiertz, Paul [Hgg.]: Handbuch der Ostkirchenkunde. Band I, Düsseldorf 1984, S. 269-286, hier: S. 271). Die russische Orthodoxie nahm bereits im 17. Jahrhundert den Kampf gegen die Union von Brest auf (Stasiewski, Bernhard: Geschichtliche Überlegungen zur kirchlichen Trennung zwischen Orient und Okzident, in: Das Christentum des Ostens und die christliche Einheit 1965, S. 13-40, hier: S. 36)

256

Teil 2 – Werk

stufenweisen Abbau der gegenseitigen Ignoranz und Gleichgültigkeit, das heißt um die Nivellierung psychologischer Barrieren ging. Er vergleicht deshalb die Velehrader Bewegung mit parallelen ökumenischen Initiativen seitens der Protestanten. Als Hauptpunkte nennt er: zasadnicza równość wszystkich, otwartość badań teologicznych, aktywny udział świeckich we współtworzeniu i współodpowiedzialności za losy chrześcijaństwa, rozłożenie winy za rozdział na członków obu Kościołów, przyznanie Kościołowi prawosławnemu wartości eklezjalnych.907 den Grundsatz der Gleichheit aller, die Offenheit der theologischen Forschungen, die aktive Teilhabe der Laien an der Mitschaffung und der Mitverantwortung für das Geschick der Christenheit, die Aufteilung der Schuld an der Trennung auf die Glieder beider Kirchen, die Anerkennung der ekklesialen Werte der orthodoxen Kirche.

Diese Punkte wurden ihrerzeit häufig nicht nur als utopisch, sondern als häretisch aufgefaßt. Nach dem Zweiten Vaticanum und weiteren Forschungen fanden sie wissenschaftlich breite Anerkennung und es zeigte sich, daß sie richtungsgebend für die weitere Entwicklung waren. Die Idee des Cyrillomethodianismus wurde in Velehrad als Modell einer pluralen Einheit verstanden, das seinen Niederschlag auch in den praktischen Aspekten der Kongresse fand.908

Neuthomismus bzw. Neuscholastik Die Entstehung der Nationalstaaten im 20. Jahrhundert und die damit einhergehende Trennung von Staat und Kirche läßt nicht nur den übernationalen Charakter der Religionen und Konfessionen neu bewußt werden, was zur Belebung der Idee ihrer Vereinigung führt, sondern es wird auf katholischem Boden auch die integrierende Funktion des Thomismus aktualisiert, denn Thomas war geprägt von dem Gedanken der Lebenseinheit, von der kein Problem ausgespart bleiben kann.909 Der Sinn der thomistischen Renaissance läßt sich mit Skalický als apologetisch bezeichnen,910 denn sie sei aus dem Bedürfnis der Verteidigung gegen die moderne Welt entstanden, die eine Spannung zwischen Religion und Profanem profiliert hat. Nach Thomas schließe jedoch „Gottes Allwirksamkeit die Eigenwirksamkeit der Geschöpfe nicht 907 908 909

910

Górka 1995, S. 121. Górka 1995, S. 135. Vgl. Absatz 6 in Leo XIII: Aeterni patris, in: http://www.vatican.va/holy_father/leo_xiii/encyclicals/ documents/hf_l-xiii_enc_04081879_aeterni-patis_en.html; 1. Februar 2010 und Głombik, Czesław: Český novotomismus třicátých let. Iniciativy, kulturní kontext, polemiky, Olomouc 1995, S. 25. Skalický, Karel: Katolická filosofie a teologie zvláště tomistická v české společnosti XIX. a XX. století, in: Slovo a naděje. Sborník, Řím 1978, S. 78.

Religiös-theologische Schriften

257

aus“, sondern bedinge sie.911 Es muß also keinen Konflikt zwischen Glauben und Naturwissenschaften geben.912 Die Hinwendung zur Scholastik setzt in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts vor allem in Italien (Matteo Liberatore), Spanien (José Fernandez Cuevas) und Deutschland (Josef Kleutgen) ein. In der Enzyklika Aeterni patris (1879) empfiehlt dann Leo XIII. der gesamten katholischen Welt das Studium der scholastischen Philosophie und deren Fortschreibung durch die Anwendung der Methoden Thomas von Aquins auf neue philosophische und theologische Forschungen. Diese Empfehlung fällt auf fruchtbaren Boden, der im mährischen Raum bereits durch Josef Pospíšil vorbereitet war. So wurde Olmütz nicht nur das organisatorische Zentrum des Velehrader Unionismus, sondern auch der zweiten Generation der Neuthomisten in den 1920/30er Jahren,913 deren bedeutendste Vertreter aus den Reihen der dortigen Dominikaner hervorgingen. Ihr bedeutendstes Werk ist die Übersetzung der Summa theologiae ins Tschechische unter der Leitung von Emilián Soukup (Theologické summy svatého Tomáše Akvinského, 1937-1940).914 Auf dem thomistischen Kongreß 1934 in Poznań propagierte der polnische Primas, Kardinal August Hlond, die Idee, die Annäherung der – es müßte hinzugefügt werden: katholischen – slavischen Völker durch den neu erwachenden Thomismus zu erreichen. Dem Thomismus komme eine integrierende Funktion zu, die analog zu seiner historischen Mission im klassischen Mittelalter aufgefaßt werden könne. Die Entstehung der slavischen Nationalstaaten mache eine religiöse Stärkung der gesamten Familie der slavischen Völker erforderlich.915 Durch den Thomismus, dem im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts die Neuscholastik vorausging, erneuerte sich der tschechische Katholizismus.916 Vilinskij publiziert in Zeitschriften und Zeitungen, die dem Neuthomismus nahestehen: Filosofická revue [Philosophische Rundschau] (1929-1941 und 1946-1948, Redakteur: Metoděj Habáň), die als Tribüne des thomistischen Denkens schlechthin 911

912 913

914

915

916

Przywara, Erich: Die Problematik der Neuscholastik, in: Kant-Studien, Jg. 33, Nr. 1-2, 1928, S. 73-98, hier: S. 96. Vgl. Absätze 9 und 30 von Aeterni patris 1879. Skalický und Sousedík nehmen diese Generationeneinteilung des Thomismus vor (s. Skalický 1978, S. 45-79 und Sousedík, Stanislav: Tschechoslowakei, in: Coreth, E./Neidl, W. M./Pfligersdorffer, G. [Hgg.]: Christliche Philosophie im katholischen Denken des 19. und 20. Jahrhunderts. Band 2. Rückgriff auf scholastisches Erbe, Graz/Wien/Köln 1988, S. 837-845). Trapl, Miloš: Vývoj římskokatolické církve na Moravě v letech 1918-1938, in: Acta Universitatis Palackianae Olomucensis, Facultas Philosophica. Historica, Nr. 31, 2002, S. 255-263, hier: S. 258. Głombik 1995, S. 25f. Gleichzeitig ergeht die Warnung, daß den Russen diese Philosophie wesensfremd sei und es deshalb unklug wäre, sie als die dem Katholizismus ganz allein gemäße darzustellen, denn das würde eher abstoßen als anziehen (s. Gülden, Josef: Die Union der katholischen mit den slavischen und orientalischen Kirchen, in: Acta V. Conventus Velehradensis 1927, S. 273-280, hier: S. 274 [ursprünglich in: Allgemeine Rundschau, Nr. 34, 27. August 1927, S. 536ff.]). Głombik 1995, S. 104 und 106.

258

Teil 2 – Werk

bezeichnet werden kann, Život [Das Leben] (1919-1941, Redakteur: Josef Doležal) und Na hlubinu [Auf den Grund] (1926-1948, Redakteur: Silvestr Maria Braito).917 Er widmet mehrere Rezensionen Arbeiten von Josef Kratochvil, einem der ältesten Vertreter der zweiten Generation,918 der „das wissenschaftliche Fundament der tschechischen katholischen Philosophie“ legte.919 Dieser schrieb nicht für die Filosofická revue, sondern gab in den frühen Jahren seines Wirkens eine eigene Zeitschrift heraus (Meditace [Meditation]; 1908-1911). Die Neuthomisten und Kratochvil, der nicht dem Olmützer Kontext zuzurechnen ist, ignorierten sich gegenseitig.920 Er selbst bezeichnete seine philosophische Orientierung als „křesťanský novoidealismus“921 [christlichen Neuidealismus], womit er auf den idealistischen Grundzug der gesamten christlichen Philosophie und ihr verstärktes Bestreben, das Leben zu vergeistigen, hinweisen wollte. Die Bedürfnisse des Verstandes und des Herzens sollten in Einklang gebracht werden. In der orthodoxen Theologie wurde gegen Ende des 19. Jahrhunderts die Bedeutung des Herzens und der Gefühle für das religiöse Leben – im Gegensatz zum ,kalten Verstand‘ und Rationalismus des lateinischen Westens – offiziell anerkannt.922 Der Gedankenaustausch zwischen Katholiken und Orthodoxen kann beide dem erhofften Einklang näherbringen, dem sie sich von unterschiedlichen Ausgangspunkten aus nähern. Erst im Ganzen sei der höhere kulturelle Wert zu finden.923 Man kann in diesem Sinne die neuthomistische Philosophie als die philosophische Rechtfertigung für die religiösen unionistischen Bestrebungen betrachten.

Philokatholizismus Der Begriff des Philokatholizismus ist im Tschechischen neu – Vilinskij selbst schreibt über die von ihm in Duch ruské církve dargestellte Entwicklung: „Novum, které jsem přinesl, spočívalo toliko v názvu ‚filokatolictví‘“924 [Das Novum, das ich gebracht habe, bestand nur in der Bezeichnung ‚Philokatholizismus‘] – und wird, soweit ich es verfolgen konnte, auch nur im Zusammenhang mit seiner Darstellung 917 918 919

920

921 922

923 924

Zur Filosofická revue vgl. Głombik 1995, S. 36; ausführlicher über Na hlubinu ebd., S. 180-199. Vgl. Skalický 1978, S. 63. Mácha, Karel: Die philosophischen Traditionen im Gebiet der vormaligen Tschechoslowakei, in: Dahm, Helmut/Ignatow, Assen (Hgg.): Geschichte der philosophischen Traditionen Osteuropas, Darmstadt 1996, S. 389-447, hier: S. 409. Vgl. Głombik 1995, S. 140f. In späteren Arbeiten – wie der Głombiks, Peckas, Sousedíks – werden frühere Fehlurteile revidiert und Kratochvil der ihm zustehende Platz eingeräumt. Gabriel bezeichnet ihn als markantesten Vertreter der tschechischen katholischen Philosophie der ersten Jahrhunderthälfte (Gabriel, Jiří: Josef Kratochvil, in: ders. [Hg.] 1998, S. 303ff., hier: S. 304). Cit. nach Skalický 1978, S. 66. Špidlík, Tomáš: Russische Spiritualität, Regensburg 1994, S. 17. Dort sind auch diesbezügliche Zitate russischer Theologen abgedruckt. Soukup, Emilian: Filosofie náboženství. Studijní přehled, Praha 1935, S. 73f. O Duchu ruské církve, in: Kuncířovy noviny, Jg. 2, Nr. 1, 1931, S. 1f., hier: S. 2.

Religiös-theologische Schriften

259

und der Rezeption der „russischen katholischen Bewegung“ gebraucht,925 die sprachlich dann zunehmend zur „philokatholischen Bewegung“ wird, deren Hauptpropagator Vilinskij ist.926 Der Begriff „russische katholische Bewegung“ – und nicht: russische katholisierende, mit dem Katholizismus sympathisierende o. ä. Bewegung – wurde insofern als anmaßend wahrgenommen, als mit ihm Katholischsein behauptet wird, also eine Selbsternennung zum Katholiken erfolgt. Dabei könne man doch nur durch Taufe oder Absage von einer anderen Konfession unter die Katholiken aufgenommen werden, so der russische Konvertit Kuzmin-Karavaev.927 Darin dürfte Vilinskij allerdings – wenn überhaupt – nur ein geringes Problem gesehen haben. Denn seiner Meinung nach wird daran, daß Isidor mit der Unterschrift unter die Union von Florenz die päpstliche Autorität anerkannt hat, deutlich, daß zur Wiedererlangung der kirchlichen Einheit kein kirchenrechtlicher Akt erforderlich sei, sondern lediglich die Unterordnung unter die Autorität des Papstes. Die Verbindung mit Rom bestehe also noch fort.928 Mit dem weniger strittigen Begriff Philokatholizismus werden die Sympathien zum Katholizismus zum Ausdruck gebracht, die jedem unbenommen seien. Im Russischen taucht er heute vereinzelt auf, jedoch nicht im Zusammenhang mit einer etwaigen philokatholischen Bewegung, sondern zur Beschreibung von ideologischen Tendenzen Einzelner. Philokatholiken seien diejenigen, die nicht – wie die meisten Westler – die zentrale Rolle Roms im Raummodell der europäischen Welt ignorierten.929 Daß Vilinskij „von einer Rekatholisierung Rußlands und der Welt im Sinne einer Synthese der drei christlichen Weltreligionen“ träumt, wie Eduard Winter schreibt, kann nicht auf der Grundlage seiner Texte bestätigt werden.930 Vilinskij hat nicht Orthodoxie, Katholizismus und Protestantismus als unterschiedliche „Religionen“ wahrgenommen. Zudem hat er keine Vereinigung mit dem Protestantismus angestrebt, dieser werde sich vielmehr später an die bereits vereinte katholisch-orthodoxe Kirche anschließen wollen, weil er neben ihr nicht existieren könne. Ebensowenig bezeichnet Vilinskij die philokatholische Bewegung als „‚russischen synthetischen Philokatholizismus‘“,931 sondern er schreibt dem Unionismus die Attribute „kon925

926 927

928

929

930

931

Im Český národní korpus – syn2000, in: http://ucnk.ff.cuni.cz; 23. April 2007 kommen dieser Begriff und Ableitungen von ihm nicht vor. Fuchs 1930a, S. 130. Vgl. Brief Kuzmin-Karawajews an Jemelka vom 18. Dezember 1928 (ZAO, fond ACM, karton 2 – Protokolovaná korespondence, 1928). Skutečný stav ruské církve. (Dokončení.) III., in: Hlas, Jg. 57, Nr. 4157, 04.03.1930, S. 3 und Isidor, in: Podlaha (Hg.) 1932, S. 389-398, hier: S. 398. Ščukin, Vasilij: O zakonomernosti russkogo zapadničestva, in: Evropa. Žurnal poľskogo instituta meždunarodnych del, Jg. 2, Nr. 3 (4), 2002, S. 55-72, hier: S. 69. Vgl. auch ders. Poľskie ėkskursii v oblasť duchovnoj biografii (Obzor poľskich issledovanij russkogo filokatoličestva) [ursprünglich in: Novoe literaturnoe obozrenie, Nr. 69, 2004], in: http://magazines.russ.ru/nlo/2004/69/sh31-pr.html; 11. Januar 2010. Winter, Eduard: Russland und das Papsttum. Teil 2. Von der Aufklärung bis zur Grossen Sozialistischen Oktoberrevolution, Berlin 1961, S. 457. Winter 1961, S. 457.

260

Teil 2 – Werk

struktivní“ [konstruktiv], „synthetický“ [synthetisch] und „irenický“ [irenisch] zu.932 Allein Solov’ev, der den Philokatholiken als geistiger Ahnherr gilt – Karl Pfleger nennt Solov’evs Werk La Russie et ľéglise universelle [Rußland und die universale Kirche] (1889), „in dem er den Anschluß der Orthodoxie an Rom verkündete“, „Evangelium der Union“, Petr Volkonskij bezeichnet ihn als „geistiges Haupt der russischen Bewegung zur katholischen Kirche“ und I. Romin-Petrov als „fanatischen Unionisten“933 –, wird an einer Stelle durch Vilinskij als „synthetischer Philokatholik“ bezeichnet,934 nicht jedoch die gesamte russische Bewegung. Solov’ev sei zwar nicht der erste originäre russische Philosoph, wie oft geschrieben wird, sondern Skovoroda, mit ihm beginne jedoch der Aufschwung der russischen Philosophie.935 Sein Versuch, den Kritizismus mit dem Mystizismus organisch zu vereinen, sei mißlungen und seine Schüler (Trubeckoj, Berdjaev und Frank) haben nach seinem Tod seine Philosophie so sehr verändert, daß man sie nicht mehr wiedererkennen könne – das gelte besonders für das Solov’ev selbst Teuerste: die Verkündigung der Notwendigkeit zur Vereinigung der Kirche. Vilinskij sucht seine Verdienste deshalb weniger im Bereich der Philosophie als vielmehr darin, daß er die russische Mystik zu den wahren Quellen des tatsächlichen mystischen Lebens zurückgeführt habe. Er habe dem religiösen Gefühl „pojem světovosti, obecnosti, ekumenity“936 [den Begriff der Weltbedeutung, der Allgemeinheit und der Ökumenität] zurückzugeben vermocht. Wenn es auch Vorgänger gab, die ebenfalls gegen das entstellte Verständnis der ökumenischen Idee kämpften, habe doch die Idee der Allgemeinheit der Kirche Christi in seinen Schriften die weiteste Entwicklung genommen, was man besonders an seiner Historiosophie und dort wiederum besonders an der Pansophie sehen könne.937 Diese bilde die ideologische Grundlage der unionistisch denkenden Russen.938 Seit der Zeit Solov’evs konnte sich das russische Philokatholikentum tatsächlich aktiv der ökumenischen Kirche nähern, um sich langsam zu einer rein katholischen Kirche zu entwickeln.939 932

933

934 935 936

937 938 939

Slovanská myšlenka a idea unionistická. II 1932, S. 63 und Nové období unionismu, in: Lidové listy, Jg. 10, Nr. 267, 20.11.1931, S. 1. Pfleger, Karl: Wladimir Solovjeff als Philosoph des Gottmenschentums und der Unionsidee, in: Hochland, Jg. 25, Nr. 1, Dezember 1927, S. 225-237 und 405-421, hier: S. 233; Wolkonskij, Peter: Um einen bodenständigen Katholizismus in Rußland, in: Stimmen der Zeit, Jg. 120, Nr. 1, 1931, S. 26-36, hier: S. 26 und Romin-Petrov, I.: Unionismus u Vladimíra Solověva, in: Vyšehrad, Jg. 1, Nr. 25-27, 24.04.1946, S. 20-23, hier: S. 21. Er sei als erster von innen heraus, aus seinem russischen orthodoxen Bewußtsein und aus den kirchlichen Traditionen der geistlichen Familie, in die er geboren worden ist, zur Einheit der Kirche Christi unter dem Primat des hl. Petrus und seiner Nachfolger übergetreten (paraphrasiert nach Mastyľak, Ivan: Význam Vladimíra Solověva, in: Vyšehrad, Jg. 1, Nr. 25-27, 24.04.1946, S. 4-7, hier: S. 5). Vladimír Solovjev, in: Filosofická revue, Jg. 2, Nr. 4, 1930, S. 155f., hier: S. 156. Vladimír Solovjev 1930, S. 155. Vladimír Solovjev 1930, S. 155. Allerdings schreibt er an anderer Stelle zu der hier vorgebrachten Kritik an den Nachfolgern im Widerspruch, daß Trubeckoj sich in den Fußstapfen Solov’evs bewege und daß sich in Trubeckojs Schriften die alte synthetische und konstruktive Tradition zeige (Duch ruské církve 1930, S. 26). Vladimír Solovjev 1930, S. 156. Ruský národ a sjednocení církví 1928, S. 25. Unionizmus 1932, S. 328.

Religiös-theologische Schriften

261

In dem frühen russischsprachigen Büchlein Čerty ideologii russko-katoličeskogo dviženija [Grundzüge der Ideologie der russisch-katholischen Bewegung] (1928), durch das vor allem die russischen Emigranten für die Frage der Union interessiert werden sollten, stellt Vilinskij die Bewegung vor. Er definiert sie folgendermaßen: [Э]то религиозно-философское течение русской мысли, сознающее обязательность для христианина работы в пользу соединения Церквей и искренне желающее осуществления того, о чем мы молимся за литургией – «благостояния Божьих Церквей и соединения всех».940

Es ist eine religiös-philosophische Strömung des russischen Denkens, die für den Christen die Notwendigkeit der Arbeit zum Nutzen der Vereinigung der Kirchen anerkennt und sich aufrichtig die Verwirklichung dessen wünscht, worum wir in der Liturgie beten – ‚das Wohlergehen der Kirchen Gottes und all ihrer Vereinigung‘.

Diese Richtung, die in dem slavischen Umfeld und der cyrillomethodianischen Atmosphäre der Tschechoslowakei entstanden ist, wolle im Rahmen der orthodoxen Kirche die Idee der Einheit propagieren.941 Aus drei Elementen bestehend, setze sie sich erstens aus dem Klerus der russisch-katholischen Kirche, zweitens aus katholischen Laien und drittens aus Orthodoxen, die sich der Idee der Union anschließen und bereit sind, immer nach den moralisch-historischen Unumgänglichkeiten der Einheit zu handeln, zusammen.942 In Duchovní život ruského národa [Das Geistesleben des russischen Volkes] (1931) wird eingestanden, daß diese Bewegung noch sehr schwach und unbedeutend sei. Sie befinde sich aber auf dem Vormarsch.943 Der Apoštolát sv. Cyrila a Metoděje habe sie von Anfang an begleitet und ihr durch seinen Einfluß mehrfach zu größerer Wirksamkeit verholfen.944 Etwas später werden als „prívrženci unionizmu“ [Anhänger des Unionismus] unter seinen Zeitgenossen bezeichnet: die Philosophen Dmitrij Merežkovskij und Nikolaj Berdjaev, deren Vereinigungskonzeption allerdings eher kulturellen denn religiösen Charakter trage, die Theologen Pavel Jakovlevič Svetlov, Aleksej Maľcev, Basilij Goeken, mit Einschränkungen Nikolaj Glubokovskij 945 und die Laien Vilinskij, E. Kalikin, N. Bartenev, A. Zgiersky, Michail V. Zyzykin, Lev Florianovič Magerovskij, die alle der jüngeren Generation der orthodoxen Philokatholiken angehören.946 Wie man sich bei dieser bunten Palette von Namen bereits denken kann, haben die Philokatholiken kein einheitliches Programm und auch keine dauerhafte Organisation. Und ebenso unterliegen Standpunkte, die im Namen der Bewegung geäußert werden, Veränderungen. In der Bewertung der Kirchenreform Peters I. (der Einführung des Synods) vollzieht die Bewegung – Vi940 941 942 943 944 945

946

Čerty ideologii russko-katoličeskogo dviženija 1928, S. 6. Slovanská myšlenka a idea unionistická. II 1932, S. 63. Čerty ideologii russko-katoličeskogo dviženija 1928, S. 7. Duchovní život ruského národa 1931, S. 17f. Slovanská myšlenka a idea unionistická. II 1932, S. 63. Glubokovskij stand Söderblom und durch ihn dem Protestantismus nahe (vgl. Danilenko [Hg.] 2008). Unionizmus 1932, S. 170.

262

Teil 2 – Werk

linskij – eine komplette Wendung. Heißt es 1928 noch pauschal, daß die russischkatholische Bewegung im Interesse der Orthodoxie die synodale Periode ablehne, weil sie in ihr nur „zotročení církve státem“947 [die Versklavung der Kirche durch den Staat] sehe, so kann man zwei Jahre später ein Loblied auf Peter lesen, der den Weg des lateinisch orientierten Klerus fortgesetzt habe. Durch die Reform sei keineswegs die Orthodoxie geschwächt worden, ganz im Gegenteil, sie entspreche voll und ganz dem Geist der russischen Orthodoxie und dem Sehnen nach der ökumenischen Kirche.948 Die Philokatholiken bemühen sich jedoch einheitlich darum, daß sich die orthodoxe Öffentlichkeit der katholischen nähert, und daß die orthodoxe Theologie auf den ihrer Meinung nach richtigen Weg zurückfindet. Ihr zweites Anliegen besteht darin, dem, wie sie finden, unguten Einfluß des philoprotestantischen Flügels des russischen Klerus in der Emigration (Zen’kovskij, Bulgakov) zu wehren:949 Především je nutno pokračovati v pěstování styků s Rusy a všímati si hnutí filokatolického, které má zprostředkovávati vzájemný styk, býti jakousi bránou mezi pravoslavím a katolictvím – ovšem bránou otevřenou, nikoliv zavřenou. Filokatolictví, které by pokládalo sebe za vrchol unionistických snah bylo by neplodné – konečným výsledkem má býti jednota – a filokatolictví je pouhým přechodním stavem. Spolu s filokatolíky bude moci ‚Apoštolát‘ navázati styky i s konservativním jádrem ruského pravoslaví, které je dnes vystaveno vlivům filoprotestanského křídla.950 Vor allem ist es erforderlich, in der Pflege der Beziehungen zu den Russen fortzufahren und die philokatholische Bewegung wahrzunehmen, die die gegenseitige Beziehung vermitteln muß, weil sie ein gewisses Tor zwischen Orthodoxie und Katholizismus darstellt – allerdings ein geöffnetes Tor, kein geschlossenes. Ein Philokatholizismus, der sich selbst als Krönung der unionistischen Bemühungen sehen würde, wäre unfruchtbar – das Endergebnis soll die Einheit sein – und der Philokatholizismus ist ein bloßes Übergangsstadium. Gemeinsam mit den Philokatholiken kann der Apoštolát auch Beziehungen zu dem konservativen Kern der russischen Orthodoxie anknüpfen, der heute den Einflüssen des philoprotestantischen Flügels ausgesetzt ist.

Dieser letzte Punkt macht deutlich, daß philokatholisch nicht identisch mit unionistisch im weiten Sinne, sondern nur im engen Sinne ist, denn sonst würde es um die eine universale Kirche gehen, in die auch Protestanten eingehen müßten. Im Grunde genommen sind die Philokatholiken schon recht weit von der Orthodoxie entfernt, denn: „váží si ruské pravoslavné církve, avšak plnou měrou uznávají, že její dnešní úpadek zaviněn jest jejím odloučením od světové jednoty – Říma“951 [sie schätzen die russische orthodoxe Kirche, erkennen aber im ganzen Umfang an, daß ihr heutiger Niedergang durch ihre Abspaltung von der weltweiten Einheit, von Rom, verschuldet ist]. So braucht auch nicht zu verwundern, daß 947

948 949 950 951

Dva směry v ruské emigraci, in: Časopis katolického duchovenstva, Jg. 69 (94), 1928, S. 571-575, hier: S. 574. Duch ruské církve 1930, S. 384ff. und 421. Unionizmus 1932, S. 170. Slovanská myšlenka a idea unionistická. II 1932, S. 65. Ruský národ a sjednocení církví 1928, S. 25.

Religiös-theologische Schriften

263

Spáčil, ein Professor des orientalischen Instituts in Rom, Vilinskijs Auffassung vom Unionismus als „très juste et perfaitement catholique“952 [sehr wahr und vollkommen katholisch] lobt und der Dominikaner Jeroným Jurák in seiner Besprechung von Unionizmus schreibt: „Autor stojí úplně na půdě katolické“953 [Der Autor steht vollkommen auf katholischem Boden]. Žák hält die psychologische Arbeit, die Vilinskij anmahnt, für unumgänglich und sympathisch. Er erkennt in Vilinskij und seinen Weggefährten Freunde: „A to je veliký zisk“954 [Und das ist ein großer Gewinn]. Aber er sieht, solange die Philokatholiken in formaler Trennung verharren und nicht alle Dogmen der katholischen Kirche anerkennen, in ihren Bemühungen im Gegensatz zu Spáčil und Jurák nur eine Vorbereitung auf den Katholizismus und nicht bereits Katholizismus selbst. Dies führt Kuzmin-Karavaev dazu, von der „Меж-церковное положение не-православного и не католика“955 [zwischenkirchlichen Lage des nicht Orthodoxen und nicht Katholiken] zu sprechen. Als Organe der Bewegung nennt Vilinskij den Katoličeskij vremennik [Katholisches Jahrbuch] (Paris, erscheint zwischen 1927 und 1929 einmal jährlich), Kitež. Russkij katoličeskij vestnik [Kitež. Russischer katholischer Bote] (Warschau, erscheint zwischen 1927 und 1931 mit zwei bis höchstens fünf Heften jährlich) und Irénikon (Amay sur Meuse, erscheint seit 1924 monatlich).956 Alle drei genannten Zeitschriften sind katholisch, räumen jedoch orthodoxen und unionistischen Fragen breiteren Raum ein. Wie oben angedeutet, existiert die philokatholische Bewegung ganz offensichtlich nur in den Schriften Vilinskijs, wofür sie in den katholischen unionistischen Kreisen erstaunlich ernst genommen wird. Selbstverständlich verbindet die namentlich genannten Personen, daß sie sich nicht ablehnend gegenüber dem Katholizismus äußern. Das macht aus ihnen jedoch noch keine gemeinsamen Streiter für dieselbe Sache.957

952

953

954 955

956

957

Spáčils Rezension zu Ruský národ a sjednocení církví, in: Orientalia Christiana, Nr. 49, Bd. 13 – 4., Dezember 1928, S. 335-337, hier: S. 336; auch in: Protokoll vom 30.01.1929 (ZAO, fond ACM, Kniha 1 – Kniha zápisů z výborných schůzí ACM 1922-1941). Jurák, Jeroným: „Unionizmus“. Nová kniha dra V. S. Vilinského, in: Hlas, Jg. 59, Nr. 4392, 03.06.1932, S. 8. Žák 1929, S. 332. Brief Kuzmin-Karawajews an Jemelka vom 18. Dezember 1928 (ZAO, fond ACM, karton 2 – Protokolovaná korespondence, 1928). Zásady ruského unionismu 1928, S. 12. Zu den Kontakten zwischen dem Kloster von Amay und der russischen Orthodoxie s. Lambrechts, P. Antoine: Les contacts entre l’Eglise orthodoxe russe et le Monastère d’Amay-Chevetogne 1925-2003, in: http://zarubezhje.narod.ru/texts/chevetogne.htm; 18. Juli 2007 (übernommen aus: Irénikon 2003). Dort wird Vilinskij als persönlicher Freund von P. Andre de Lilienfeld bezeichnet. Im Jahre 1933 haben Russen in Prag einen Spolek pro jednotu církve [Verein für die Einheit der Kirche] gegründet, zu dem Vilinskij Kontakt hatte, der jedoch nichts mit der imaginären Bewegung zu tun hatte, denn Vilinskij fragt bei Jemelka an, was er mit den Prager russischen Philokatholiken anstellen solle (Einträge vom 22. September und 7. Oktober 1933 [ZAO, fond ACM, Kniha 9 – Ústřední. Protokolní kniha ACM od 1928-1934]).

264

Teil 2 – Werk

Vilinskijs religiöse Konzeption Gegen gegenseitige Ignoranz – Bemühungen um die Popularisierung Velehrads Wie bereits erwähnt, nahm Vilinskij von 1924 bis 1936 regelmäßig an den Kongressen in Velehrad teil, die alle unter der Leitung des Olmützer Erzbischofs Leopold Prečan stattfanden. Seine Referate auf dem fünften und sechsten Kongreß sowie auf dem Kongreß in Prag galten ausnahmslos den Unionsbestrebungen958 – sein Augenmerk ist auf praktische Fragen gerichtet. Rein theologische Fragestellungen überläßt er den Theologen. War der Unionismus seiner Zeit voraus, so auch Vilinskijs Bemühungen um ihn, die vollkommen moderner Öffentlichkeitsarbeit entsprechen. Er stellte sich den mit ihm im Zusammenhang stehenden Fragen weniger sentimental als äußerst praktisch. Gleich sein erster Brief an den Apoštolát sv. Cyrila a Metoděje enthält eine Reihe von Vorschlägen, wie man für die unionistische Bewegung auch unter den russischen orthodoxen Emigranten Boden sichern könnte – durch die Herausgabe einer russischsprachigen Beilage zu der Zeitschrift und den Mitteilungen des Apoštolát sv. Cyrila a Metoděje, durch kostenlose Lieferung von Exemplaren an die russischen Bibliotheken und Lesehallen in Prag und Brünn, durch die Aufnahme auch russischer Mitglieder und Vertrauter in den Ausschuß, durch das Einwirken auf tschechische Klöster, daß sie ein oder zwei russische Studenten für eine gewisse Zeit zum Kennenlernen der katholischen Atmosphäre aufnehmen.959 Im Sommer des darauffolgenden Jahres spricht er persönlich vor und übergibt schriftliche Vorschläge zur Gewinnung russischer Orthodoxer für den nächsten Kongreß, die so umfangreich sind, daß Prečan die Bildung einer Kommission anregt, die diese Vorschläge prüft. Ihr gehören Ledochžarski, Matocha, Vašica und Jemelka an.960 Den folgenden sechs Protokollen nach zu urteilen, erschöpft sich die Arbeit des Apoštolát sv. Cyrila a Metoděje in der Umsetzung (und zum Teil aus finanziellen Gründen Ablehnung) von Vilinskijs Vorschlägen. Die Protestaktion 1930 erscheint ihm ebenfalls vor allem unter dem Vorzeichen des guten Eindrucks, den die katholische Kirche durch sie bei den Orthodoxen erwecken könne. Da die Union noch weit entfernt sei, bestehe die vorrangige Aufgabe darin, sich gegenseitig in richtigem Licht zu präsentieren und zu sehen. Die Emigration habe nun verstanden, wer der wahre Freund ihrer Heimat sei.961 Seine propagandistischen Bemühungen unter den orthodoxen Russen führten dazu, daß im Hinblick auf den sechsten unionistischen Kongreß im Jahre 1932 958

959

960

961

Kasalaj nimmt bei seiner Klassifizierung aller Vortragsthemen aller Kongresse diese Zuordnung vor (vgl. Kasalaj 1972, S. 179). Protokoll vom 30. November 1927 (ZAO, fond ACM, Kniha 1 – Kniha zápisů z výborných schůzí ACM 1922-1941). Protokoll vom 22. August 1928 (ZAO, fond ACM, Kniha 1 – Kniha zápisů z výborných schůzí ACM 1922-1941). Ohlas projevu Sv. Otce v ruském tisku, in: Lidové listy, Jg. 9, Nr. 52, 04.03.1930, S. 3.

Religiös-theologische Schriften

265

deren aktive Teilnahme besonders hervorgehoben werden konnte.962 Auf die offizielle Einladung russisch-orthodoxer Hierarchen und Theologen, die seitens des Vatikans im Gegensatz zu 1927, als sie nur als private Beobachter, nicht jedoch als offizielle Vertreter ihrer Kirchen anwesend sein durften, zugelassen wurde,963 reagierten sechzehn tatsächlich mit ihrer Teilnahme. Außerdem konnten auf die Initiative von Kartašev, Kalikin und Vilinskij erstmalig gemeinsame katholisch-orthodoxe Gespräche durchgeführt werden.964 Im Jahre 1924 zählte Vilinskij noch zu den drei orthodoxen Laien (neben N. Klimenko und K. Wrangel), die sich unter den insgesamt 405 Teilnehmern aus 13 europäischen Ländern befanden, die offizielle Orthodoxie sandte zumindest Telegramme und Briefe.965 Einer dieser Grüße kam von der Pariser Akademie, die eher für den Protestantismus denn den Katholizismus Sympathien hegte, aus der Feder Sergej Bulgakovs (mit Unterschriften von Kartašev, Trubeckoj, Berdjaev u. a.). Bulgakov betonte in diesem Gruß freundlich, aber bestimmt, daß die Orthodoxen das Unfehlbarkeitsdogma ablehnen.966 Genau auf die Beseitigung solcher Mißverständnisse – es konnten in Velehrad selbstverständlich keine dogmatischen Fragen geklärt werden, sondern es ging um ihre Diskussion – zielte Vilinskijs Lobbyarbeit für den folgenden Kongreß.

Interkonfessionelle Bemühungen und russische Emigration Die interkonfessionellen Bemühungen, mit denen die orthodoxen Laien und der Klerus im Exil konfrontiert wurden, waren ihnen größtenteils fremd und stießen auf Unverständnis.967 Das läßt sich sicherlich dadurch erklären, daß sich vielen Emigranten die Orthodoxie vor allem als „Emblem des Russischen“ und nicht des Religiösen darstellte, so daß sie selbst aufhörten, die Orthodoxie zu verstehen.968 Allerdings kommt es bei Vilinskij selbst zu der von ihm kritisierten Vermischung des Nationalen mit dem Religiösen und zu einer Entindividualisierung, die gerade 962 963 964 965 966

967 968

Škrášek 1996, S. 89. Esterka 1971, S. 29. Górka 1995, S. 55. Górka 1995, S. 52. Vgl. Bulgakov, Sergij: K velehradskému sjezdu (Ruská adresa), in: Rozmach, Jg. 2, Nr. 18, 15.09.1924, S. 265f.; Durych, Jaroslav: Odpověď Rusům, in: ebd., S. 266-272 und Cinek 1936, S. 508. Zernov, N.: Russkoe religioznoe vozroždenie XX. veka, Paris 1974, S. 260. O poznanii katoličestva, in: Kitež, Jg. 3, Nr. 4-8, April-August 1929, S. 43-49, hier: S. 44; Vývoj náboženského tisku ruské emigrace, in: Acta Academiae Velehradensis, Jg. 12, Nr. 1-2, 1932, S. 7077, hier: S. 73 und Bělogvardějec 1936, S. 42. Vgl. dazu auch Grivec, F.: Samobytnosť Vladimira Solov’eva, in: Berg, Ludwig (Hg.): Ex Oriente. Religiöse und philosophische Probleme des Ostens und des Westens. Beiträge orthodoxer, unierter und katholischer Schriftsteller in russischer, französischer und deutscher Sprache, Mainz 1927, S. 287-295, hier: S. 295 und Jochims, I.: Aspekte des religiösen Lebens russischer Emigranten orthodoxen Glaubens in der ČSR zwischen den Weltkriegen, in: Russkaja, ukrainskaja i belorusskaja ėmigracija v Čechoslovakii 1995, S. 685-696.

266

Teil 2 – Werk

bei Glaubensfragen höchst unpassend scheint, wenn er nicht über russische Christen und deren Gläubigkeit schreibt, sondern über die des ‚russischen Volkes‘. Vilinskij bemerkt kritisch über die Religiosität unter den russischen Emigranten: Ve zvycích a duchovní tvářnosti pravoslaví jsou vyhledávány a uměle pěstovány především takové prvky, které vedou k obrození vlasteneckého uvědomění. Tim stává se v představách věřících samotný pojem církve pouze jistým vyjádřením a projevem nacionální idee, dokonce i podstatou její. Náboženský cit se kalí chauvinismem a chrám stává se školou vlastenecké horlivosti, anebo museem, třeba drahých, ale přece nenávratně zašlých vzpomínek.969 In den Gebräuchen und der geistlichen Form der Orthodoxie werden vor allem solche Elemente hervorgesucht und künstlich gepflegt, welche zum Wiederaufleben des patriotischen Bewußtseins führen. Hierdurch wird in den Vorstellungen der Gläubigen der Begriff der Kirche selbst lediglich zu einer gewissen Erklärung und Kundgebung der nationalen Idee, ja sogar zum Wesen derselben. Das religiöse Gefühl wird durch Chauvinismus getrübt, und das Gotteshaus wird zur Schule des patriotischen Eifers oder zum Museum wenn auch teurer, so doch unwiederbringlich vergangener Erinnerungen.970

Die Orthodoxie bedeutet den Emigranten ein Stück ihrer eigenen Vergangenheit, ein Stück Rußlands in der Fremde. Jegliche Form der Offenheit gegenüber dem Katholizismus würde sie etwas von ihrer kollektiven russischen Identität einbüßen lassen. Damit korrespondiert, daß die Rußlandnostalgie selbst bei erfolgter Konversion oft eine Assimilation an den Westen verhindert.971 Vilinskij vertritt hingegen die Auffassung, daß „[k]do chce pracovati pro dílo sjednocení církve, musí nevyhnutelně začíti na západě“972 [wer für das Werk der Vereinigung der Kirche arbeiten will, unausweichbar im Westen beginnen muß]. Dementsprechend fremd fühlte er sich auf der Konferenz der russischen christlichen Studentenbewegung in Chudobín, an der er 1928 teilnahm. Die Teilnehmer zeichneten den allein möglichen religiösen Weg eines befreiten Rußlands in einer Vertiefung der orthodoxen Gläubigkeit und gaben damit nach Vilinskijs Worten zu verstehen, daß sie noch nicht begriffen hatten, „že cesta do Moskvy vede přes Řím“ [daß der Weg nach Moskau über Rom führt].973 Seiner Meinung nach kann nur in der Einheit mit dem Katholizismus die Orthodoxie erhalten werden.974 Bereits im Jahre 1923 löste auf der Sommerkonferenz der christlichen Studentenvereinigungen die Frage der interkonfessionellen Arbeit die heftigste Diskussion aus. 969 970

971

972 973

974

Duchovní život ruské emigrace, in: Duchovní život ruského národa 1931, S. 82-96, hier: S. 83f. Geistesleben der russischen Emigranten, in: Theologie und Glaube, Jg. 22, Nr. 1, 1930, S. 59-73, hier: S. 60f. William, Robert C.: Culture in exile. Russian emigrés in Germany, 1881-1941, Ithaca/London 1972, S. 288. O Duchu ruské církve 1931, S. 1. Dojmy z pravoslavné konference v Chudobíně, in: Apoštolát sv. Cyrila a Metoděje, Jg. 19, 1928, S. 256-257, hier: S. 257. Diese Formulierung, an der Vilinskij offensichtlich Freude hat, findet sich ebenfalls in: Ruský národ a sjednocení církví 1928, S. 10 und 15. Man könnte ihr noch ein Zitat Kolíseks voranstellen, dem Vilinskij sicherlich zustimmen würde: „Velehradem k Římu“ [durch Velehrad nach Rom] (Kolísek 1935, S. 14). Duchovní život ruského národa 1931, S. 121.

Religiös-theologische Schriften

267

Die Studenten sprachen sich anschließend für eine rein orthodoxe Kirchenarbeit in ihren Reihen aus.975 Und zwei Jahre später wurde zu einer ähnlichen Frage konstatiert: „Русское христианство есть православное христианство и только на почве православия возможно для русских творческое и плодотворное движение“976 [Das russische Christentum ist orthodoxes Christentum und nur auf dem Boden der Orthodoxie ist für Russen eine schöpferische und fruchtbare Bewegung möglich]. Das abschließende Plädoyer fiel dann zwar für brüderliche Beziehungen zu den anderen Konfessionen aus, allerdings mit der Begründung, daß man die höhere Form des Christentums, durch die sich die Orthodoxie auszeichne, an alle Völker und die ganze Welt weitergeben müsse.977 Daß es sich bei dem Fehlen der Bereitschaft, das Eigene in Frage zu stellen, hier um kein Plädoyer für Dialog oder gegenseitiges Verständnis handelt, muß wohl nicht betont werden. Wenn die ‚hoffnungsvolle Jugend‘ sich schon allen potentiellen fremden Einflüssen verschließt, braucht nicht zu verwundern, daß ebenfalls auf dem zweiten Gesamtkonzil der russischen orthodoxen Kirche im Ausland (1938) die Kritik gegenüber der katholischen Kirche breite Zustimmung fand und damit noch einmal bestätigt wurde, daß sich die Auslandskirche als Hüterin der wahren Orthodoxie versteht, großes Mißtrauen gegenüber dem Dialog mit den nicht-orthodoxen Kirchen hegt und insgesamt als sehr konservativ einzuschätzen ist.978 Hinsichtlich der Beteiligung an der ökumenischen Bewegung wurden zwei grundverschiedene Standpunkte vertreten: die Teilnahme entweder selbst den Laien zu verbieten oder aber bewußt teilzunehmen, um den Standpunkt der Orthodoxie deutlich zu machen.979 Diese Vermengung weltlicher mit religiösen Angelegenheiten, von Patriotismus und Glaube führte dazu, daß sich die meisten Orthodoxen noch eher eine Annäherung an die anglikanische Kirche vorstellen konnten – von der sie keinen Einfluß auf ihre Liturgie oder latinisierende Tendenzen befürchten zu müssen meinten980 –, die in dogmatischer, traditioneller, organisatorischer Hinsicht viel weiter von ihr entfernt ist als die katholische, obwohl auch sie eine Episkopalkirche ist. Die katholische Kirche erkennt die apostolische Nachfolge der orthodoxen Kirche an, die der anglikanischen jedoch nicht. Die Vertreter der mit dem Anglikanismus 975

976

977 978 979

980

S. o. A. Letnjaja konferencija v Šternberge, in: Duchovnyj mir studenčestva. Vestnik russkogo christianskogo studenčeskogo dviženija v Evrope, Praga, Nr. 2, Oktober 1923, S. 14-19, hier: S. 17. In der darauffolgenden Lektüreempfehlung wird allerdings im Widerspruch dazu an erster Stelle Solov’ev genannt (S. 20). O. A. Konfessionalizm i interkonfessionalizm v christianskom studenčeskom dviženii, in: Duchovnyj mir studenčestva. Vestnik russkogo christianskogo studenčeskogo dviženija v Evrope, Praga, Nr. 5, 1925, S. 12-15, hier: S. 13. O. A. Konfessionalizm i interkonfessionalizm v christianskom studenčeskom dviženii 1925, S. 15. Seide 1983, S. 149 und 371. Seide, Georg: Verantwortung in der Diaspora. Die Russische Orthodoxe Kirche im Ausland, München 1989, S. 109f. Brenninkmeyer, Adalbert: Einigendes und Trennendes zwischen der katholischen Kirche und dem christlichen Osten, in: Abendland, Slawentum und Ostkirchen. Drei Beiträge zur Unionsfrage, Wien 1926 (= Vorträge und Abhandlungen der Österreichischen Leo-Gesellschaft, Bd. 33/34), S. 45-64, hier: S. 52.

268

Teil 2 – Werk

sympathisierenden Richtung, wie zum Beispiel Sergej Bulgakov, verfechten jedoch eine Konzeption, die von einer Vereinigung in der Orthodoxie ausgeht.981 Das läßt sich psychologisch gegenüber den Russen besser vertreten, die gerade die Aussicht, sich dem Papst in irgendeiner Weise unterordnen zu müssen, zu einer eindeutigen Ablehnung des Katholizismus führt. Der protestantische Theologe Josef Lukl Hromádka bringt das zugespitzt mit den Worten zum Ausdruck: „[…] jsem se nesetkal s pravoslavným inteligentem, theologem, knězem nebo biskupem, který by věřil v unii s katolictvím“982 [ich bin auf keinen orthodoxen Intellektuellen, Theologen, Priester oder Bischof getroffen, der an eine Union mit dem Katholizismus glauben würde]. Deshalb bezeichnet auch Pechuška Čerty ideologii russko-katoličeskogo dviženija als „vlastně prvý krok na výboj do pravoslavného světa ruského“ [eigentlich ersten Schritt zur Eroberung der orthodoxen russischen Welt] und fährt ganz realistisch fort: Na výsledku mnoho nezáleží; i když bude obsah jimi napaden nebo i odmítnut, positivní výsledek bude aspoň ten, že ti, kteří to dostanou do rukou, budou nuceni aspoň o věci přemýšleti.983 Auf das Ergebnis kommt es nicht groß an; selbst wenn der Inhalt von ihnen angegriffen oder abgelehnt wird, ein positives Ergebnis wird zumindest sein, daß diejenigen, denen es in die Hände gerät, zumindest gezwungen sein werden, über die Sache nachzudenken.

Ehe es zu einer tatsächlich inhaltlichen Diskussion kommen kann, muß zunächst einmal die russische Öffentlichkeit mit der Fragestellung konfrontiert und für sie interessiert werden. Das steht im Einklang auch mit einer zwei Jahre später geschriebenen Rezension zu einem weiteren Werk Vilinskijs: „Je to tuším, u nás první publikace se strany pravoslavné inteligence, upřímně toužící po unii“984 [Das ist, glaube ich, bei uns von Seiten der orthodoxen Intelligenz die erste Publikation, die sich aufrichtig nach der Union sehnt].

Konversion als (k)eine Lösung Vilinskij akzeptiert Einzelkonversionen, wie sie zum Beispiel Lev Kobylinskij-Ėllis, der zunächst im Exil noch als „‚Laientheologe […] russisch-orthodoxen Bekenntnisses‘ […] mit romfreundlicher Gesinnung“985 bezeichnet worden ist, Vjačeslav Ivanov986 im italienischen Exil oder Leonid Fedorov in Rußland, der an den ersten drei 981

982

983

984 985 986

Gorbunov, Vladimir V.: Ideja sobornosti v russkoj religioznoj filosofii (pjat’ izbrannych portretov), Moskva 1994, S. 158. Hromádka, J. L.: Cesty dnešního pravoslaví II, in: Přítomnost, Jg. 3, Nr. 49, 16.12.1926, S. 779-781, hier: S. 780. Brief Pechuškas an Jemelka vom 12. September 1928 (ZAO, fond ACM, karton 2 – Protokolovaná korespondence, 1928). O. A. Besídka leterární a umělecká, in: Našinec, Jg. 64, Nr. 292, 21.12.1928, S. 1f., hier: S. 1. S. Willich 1996, S. 180f. Scherrer, Jutta: Die Petersburger Religiös-Philosophischen Vereinigungen. Die Entwicklung des religiösen Selbstverständnisses ihrer Intelligencija-Mitglieder (1901-1917), Wiesbaden 1973, S. 364.

Religiös-theologische Schriften

269

Velehrader Kongressen teilgenommen hat,987 vollzogen haben, nur als private Entscheidung.988 Die Frage der Konversionen und die Frage der Union seien zwei vollkommen unterschiedliche Angelegenheiten.989 Er gesteht den Konversionen keinerlei Bedeutung für die Lösung der Unionsfrage zu: „Je třeba obírati se ne proselytismem jedinců, nýbrž sjednocováním církví jako celků“990 [Es ist nötig, sich nicht mit dem Proselytismus Einzelner, sondern mit dem Vereinigen der Kirchen als Ganzen zu befassen]. Damit weist er einen neuen Weg in der gesamtunionistischen Tätigkeit auf,991 denn erst dadurch wird praktisch die Möglichkeit zur Mitarbeit orthodox bleibender Orthodoxer eröffnet. In diesem Zusammenhang zieht er sich das Unverständnis einiger wohlmeinender Katholiken zu, so zum Beispiel das des Jesuiten A. Bourgeois, der seitens des Apoštolát sv. Cyrila a Metoděje um ein Gutachten der vielen Vorschläge Vilinskijs gebeten worden war. Er plädiert gegen die Ablehnung der Konversionen und für die Arbeit auf sowohl dem irenischen als auch dem missionarischen Feld.992 In ähnlichem Sinne geht der Kritiker A. S. des Werkes Ruský národ a sjednocení církví [Das russische Volk und die Vereinigung der Kirchen] auf die Konversionsfrage ein. Aus politischen Überlegungen, die das Ganze im Blick haben müssen, gesteht er der Methode der Massenunion, das heißt der Union der Kirchen in ihrer Gesamtheit, Vorrang zu, aus religiös-psychologischen Überlegungen würde er jedoch der Union der Einzelnen Vorrang einräumen. In diesem Zusammenhang erinnert er daran, daß es das Recht und die Pflicht des Einzelnen sei, wenn er sich von der katholischen Wahrheit überzeugt habe, sich zu ihr zu bekennen.993 Auch Kuzmin-Karavaev stört sich – in Bezug auf das Büchlein Čerty ideologii russko-katoličeskogo dviženija, das im gleichen Jahr wie Ruský národ a sjednocení církví entstanden ist – am meisten daran, daß Vilinskij in Konversionen nicht die Lösung des Problems sieht.994 Und es ist wohl kein Zufall, daß das Typoskript zu seinem Artikel Zásady ruského unionismu [Die Grundlagen des russischen Unionismus] an der Stelle die meisten Korrekturen aufweist, an der es um die Konversionsfrage geht.995 In seinem Referat auf dem fünften unionistischen Kongreß sagt er in Abgrenzung zu Gleb Verchovskij, einem Vertreter der griechisch-katholischen Kirche, der in 987

988 989 990 991 992

993

994

995

S. Wolkonski, Fürst Peter: Der Exarch Leonid Fjodorow. Eine kurze biographische Skizze, in: Die Schildgenossen. Katholische Zweimonatsschrift, Jg. 18, 1939, S. 91-120, hier: S. 93 und 98. Úvaha o českém unionismu, in: Hlídka, Jg. 45, Nr. 11, 1928, S. 429-433, hier: S. 431. Čerty ideologii russko-katoličeskogo dviženija 1928, S. 21. Ruský národ a sjednocení církví 1928, S. 19. Jurák 1932. Protokoll vom 19. November 1928 (ZAO, fond ACM, Kniha 1 – Kniha zápisů z výborných schůzí ACM 1922-1941). S., A.: Valerij S. Vilinskij, Ruský národ a sjednocení církví, in: Hlídka, Jg. 45, Nr. 12, 1928, S. 482f., hier: S. 483. Brief Kuzmin-Karawajews an Jemelka vom 18. Dezember 1928 (ZAO, fond ACM, karton 2 – Protokolovaná korespondence, 1928). Typoskript von Valerij Vilinský: Zásady ruského unionismu (ZAO, fond ACM – Manuskripte).

270

Teil 2 – Werk

Prag Gottesdienste für Russen hielt,996 daß es schon allein aufgrund der Größe Rußlands (bei 130 Millionen Einwohnern) aussichtslos sei, durch Einzelkonversionen der universalen Einheit der Kirche näherkommen zu wollen.997 Wenn man außerdem das Schisma als Sünde der Orthodoxie und Rußlands verstehe – oder als tragischen Irrtum der Ostkirche998 –, dann handle es sich um eine kollektive Sünde, so daß auch ihre Sühne nicht individuell erfolgen könne. Es reiche in diesem Falle eben nicht aus, selbst von der Sünde wegzurennen und die Kirche in ihr zu belassen.999 Der Vorteil von Einzelkonversionen besteht darin, daß die Erfolge sofort sichtbar sind, während die Arbeit für die Union erst in weiter Zukunft Frucht tragen wird. Das spricht auch aus Ludwig Bergs einleitenden Worten zu dem von ihm 1927 herausgegebenen Sammelband Ex Oriente: Die Wiedervereinigung der christlichen Kirchen ist ein Werk der göttlichen Gnade, aber auch ein Werk menschlicher Mitarbeit. Nach menschlichem Ermessen wird dieses Problem der Union nicht in der nächsten Zukunft gelöst, wenn auch immer Einzelübertritte stattfinden.1000

Allerdings werde durch die Konversion Einzelner keine Resonanz bei der breiten russischen Masse ausgelöst, denn Konvertiten werden als fremd wahrgenommen,1001 so daß ihnen keine Vorbildrolle oder Einflußmöglichkeit gegenüber ihren ehemaligen Mitbrüdern mehr zukomme. Berichte von Konvertiten interessieren die Russen nicht, rein belletristische Arbeiten hingegen könnten durchaus auf den Katholizismus neugierig machen.1002 Den Gedanken der Union unter den Russen zu fördern und für ihn Interesse zu wecken, gehe nur, wenn die russischen Unionisten gleichzeitig aktive Mitglieder im orthodoxen religiösen Leben seien. 1003 Um vor allem der Einheit der organischen Kirche den psychologischen Boden zu bereiten, worin Vilinskij die Hauptaufgabe seiner Zeit sieht,1004 sei es wichtig, die Orthodoxen 996

997 998 999 1000

1001 1002

1003 1004

Hučko, Ladislav: Gréckokatolícka Cirkev v Československej republike, in: Koníček, Jiří (Hg.): Katolická církev v první Československé republice (1918-1938), Olomouc 2006, S. 4-8, hier: S. 5. Methodi unionisticae propagandae 1927, S. 217. O sjednocení církví 1929, S. 10. Čerty ideologii russko-katoličeskogo dviženija 1928, S. 22. Berg, Ludwig: Zur Einführung, in: ders. (Hg.) 1927, S. XIII-XVI, hier: S. XIII. Berg, der bis 1927 in Berlin hauptamtlich für die russische Emigranten-Fürsorge verantwortlich war (sein Nachfolger wurde Kuzmin-Karavaev), gilt als einer der Vorkämpfer für Konversionen unter den russischen Orthodoxen. Er erhoffte sich durch die konvertierten Russen eine mystische Erneuerung des Katholizismus, da sich im Osten im Gegensatz zum Westen noch das Gemeinsamkeitsgefühl des Christentums erhalten habe. Allerdings war seine Kampagne wohl nicht sehr erfolgreich (s. William 1972, S. 287). In Berlin konvertierten 1926/27 18 Personen (darunter 10 Kinder), 1927/28 7 Personen (Gaede, Käte: Russische Orthodoxe Kirche in Deutschland in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, Köln 1985, S. 120). Methodi unionisticae propagandae 1927, S. 218 und Ruský národ a sjednocení církví 1928, S. 45. Přehled ruské katolické literatury, in: Časopis katolického duchovenstva, Jg. 70 (95), 1929, S. 751-761, hier: S. 759. Zásady ruského unionismu 1928, S. 9. De philocatholicis motibus qui dicuntur Russorum 1933, S. 226 und Górka 1995, S. 72-74.

Religiös-theologische Schriften

271

davon zu überzeugen, daß „catholicos esse non inimicos sed fratres in Christo“1005 [die Katholiken nicht Feinde, sondern Brüder in Christo sind], wobei nicht aus dem Blick verloren werden darf, daß man sich nicht nur an die Intellektuellen, sondern auch an Bauern und Fabrikarbeiter wenden muß. Ebenfalls in Abgrenzung zu Verchovskij weist er darauf hin, daß er es gerade nicht für gut halte, wenn die Arbeit in Rußland allein auf den Schultern russischer Katholiken laste, denn dies könne zu einer Spaltung der russischen Gesellschaft führen. Außerdem gehe es um die universale und nicht nur um die russische Kirche, so daß man gerade von den Erfahrungen der westlichen Katholiken profitieren könne.1006 Unter dem Vorbildaspekt heißt das, durch die Zusammenarbeit von westlichen Katholiken und russischen Orthodoxen zu zeigen, daß diese Arbeit in Frieden und Einvernehmen möglich sei – als vorbildlich sieht er in diesem Zusammenhang zum Beispiel die Hungerhilfe an, die Rußland von Rom gewährt wurde1007 oder die Protestaktion, an der er selbst beteiligt war. Auf die Frage der Konversion kommt er 1931 in dem Werk Duchovní život ruského národa noch einmal zurück. Die Zahl der Konversionen sei bei wachsendem Interesse am Katholizismus relativ gering. Vielleicht führt ihn die Erkenntnis, daß es zu keinen Massenkonversionen gekommen ist, zu einer wesentlich milderen Sicht auf die vereinzelten Übertritte. Als mögliche Gründe führt er einerseits mangelnden Mut, sich gegen die veralteten Ansichten des Umfeldes durchzusetzen, andererseits einen gewissen kirchlichen Patriotismus, der Orthodoxie nicht in dem Moment den Rücken zuzukehren, in dem es ihr am schlechtesten gehe, an.1008 Diesen orthodoxen Patriotismus akzeptiert auch der Apoštolát sv. Cyrila a Metoděje, der über Vilinskij schreibt, daß er ein russischer Intellektueller sei, který v pravoslaví se narodil, byl vychován a zůstává a právě proto, že miluje svou rodnou církev a vidí hrozné dnešní její rány nevěrou a sektářstvím jí zasazované, touží a pracuje pro obnovení její cyrilometodějské jednoty s církví obecnou.1009 der in die Orthodoxie geboren wurde, in ihr erzogen wurde und bleiben wird, und gerade weil er seine Heimatkirche liebt und ihre heutigen furchtbaren Wunden sieht, die ihr Unglaube und Sektierertum zufügen, sehnt er sich nach der Erneuerung ihrer cyrillomethodianischen Einheit mit der allgemeinen Kirche und arbeitet für sie.

Den zuerst genannten mangelnden Mut kann man fast als Plädoyer für die Konversion auffassen. Beide Gründe haben mit Glaubensfragen wenig zu tun. Diese führt Vilinskij erst an, nachdem er den Philokatholizismus als eine Art Sammelbecken derjenigen vorgestellt hat, die, obwohl sie das Verlangen haben zu konvertieren, die Konversion vermeiden: 1005 1006 1007 1008 1009

Methodi unionisticae propagandae 1927, S. 218. Methodi unionisticae propagandae 1927, S. 219f. Ruský národ a sjednocení církví 1928, S. 18. Duchovní život ruského národa 1931, S. 95. O. A. [als Reaktion auf Angriffe gegen Vilinskij in Za pravdou], in: Apoštolát sv. Cyrila a Metoděje, Jg. 20, Nr. 5-6, April-Juni 1929, S. 176f., hier: S. 177.

272

Teil 2 – Werk

Překážeti rozmachu konversí filokatolictví zajisté nebude, za prvé proto, že akt konverse jest někdy nutným pro spásu duše, za druhé pak, že konec konců filokatolichtví jest jen poloviční pravdou, a duše člověka prahne po pravdě celé.1010 Der Philokatholizismus wird mit Sicherheit nicht einen Aufschwung von Konversionen verhindern, erstens deshalb nicht, weil der Akt der Konversion manchmal für die Rettung der Seele nötig ist und zweitens, weil letzten Endes der Philokatholizismus nur die halbe Wahrheit darstellt und die Seele des Menschen nach der ganzen Wahrheit dürstet.

Ob die „ganze Wahrheit“ auch in der Orthodoxie zu finden sei, darauf geht er nicht mehr ein, scheint sie für sich aber in ihr gefunden zu haben. Die Konversion Solov’evs, die er als Faktum hinnimmt, sieht er als Sieg des Glaubens über die Logik, denn allein in diesem Moment sei die Einheit von Glaube und Verstand, die für Solov’ev charakteristisch war, gestört worden.1011 Aus der gesamten Lehre Solov’evs gehe klar hervor, daß die russische Kirche implizit ein Teil der ökumenischen Kirche sei und es deshalb vollkommen ausreiche, sich dieses Faktum bewußt zu machen, ohne es durch eine Konversion bestätigen zu müssen.1012 Auch wenn man also von der Richtigkeit der katholischen Lehre überzeugt sei, könne man aus der Überzeugung heraus, daß man bereits zur ökumenischen Kirche gehöre, orthodox bleiben. Erst später erkennt er an, daß Einzelkonversionen für das individuelle Seelenheil unerläßlich sein können. In Unionizmus verzichtet er dann gänzlich auf die Formulierung seiner eigenen Sicht auf die Konversion, sondern stellt den seiner Aussage zufolge katholischen Standpunkt zu dieser Frage dar, der sie als Problem des Gewissens, mit dem jeder einzelne Nichtkatholik konfrontiert werde, sehe. Solange das Problem der Vereinigung nicht befriedigend durch die abgefallenen kirchlichen Organisationen – zu ihnen gehören die orthodoxe Kirche als ganze, aber auch östliche Patriarchate, Metropolen, Diözesen, Pfarreien – gelöst sei, müsse sie jeder Gläubige für sich lösen, indem er entweder zum Katholizismus zurückkehre, oder wenn er nichts über die wahre Kirche weiß, oder wenn er überzeugt ist, daß er auch im Schoß seiner Kirche zum Heil finde, da bleibe, wo er sei.1013 Mit der letzten Variante hat er sich – wenn man die obigen Einwände in Betracht zieht – bereits wieder von der Darstellung des katholischen Standpunktes entfernt und seiner eigenen Interpretation genähert, denn wenn man sich so entscheidet, bleibt man bewußt außerhalb der katholischen Kirche, was deren Lehre vor dem Zweiten Vaticanum nicht als Möglichkeit vorsieht, sondern als ‚Verstocktsein‘ auffaßt.1014 An anderer Stelle stellt er diesen Weg als 1010 1011 1012

1013 1014

Duchovní život ruského národa 1931, S. 95. Vladimír Solovjev 1930, S. 155. In diesem Zusammenhang scheint interessant, daß in der deutschen Fassung des Beitrags, die in der katholischen Zeitschrift Theologie und Glaube erschien, das Wort „konverse“ jeweils mit „Bekehrung“ übersetzt worden ist (Wladimir Solowiew, in: Theologie und Glaube, Jg. 23, Nr. 1, 1931, S. 99-102, hier: S. 100), was zeigt, daß die Argumentation nicht verstanden wurde, denn als Orthodoxer war er ja kein Heide. Unionizmus 1932, S. 32. Vgl. Bremer 2006, S. 20f.

Religiös-theologische Schriften

273

den philokatholischen dar: „Individuálne filokatolíci nepristupujú ku katolíctvu, keďže veria, že možné je v dohľadnom čase dosiahnuť sjednotenie cirkví, ale-ako celkov“1015 [Individuell treten die Philokatholiken nicht zum Katholizismus über, weil sie glauben, daß es möglich ist, in absehbarer Zeit die Einheit der Kirchen zu erreichen, jedoch als ganzes]. A. V. Červín – der Provenienz der Zeitschrift nach zu urteilen, in der sein Beitrag erschien, höchstwahrscheinlich ein Protestant – beobachtet von Wolhynien aus rozpor mezi katolickou praksi a teorií a jak katolická církev opravdu má v ohni dvě želízka: 1. vlídnou teorii vůči pravoslaví, působící dojmem, že názory Dr. Vilinského jsou jí sympatické, 2. pojištění pro všechny případy v převádění jednotlivců ke katolicismu především v Polsku.1016 einen Widerspruch zwischen katholischer Praxis und Theorie und wie die katholische Kirche wirklich zwei Eisen im Feuer hat: 1. die freundliche Theorie gegenüber der Orthodoxie, die den Eindruck erweckt, daß ihr die Meinungen Dr. Vilinskijs sympathisch sind, 2. die Absicherung für alle Fälle durch die Überführung Einzelner zum Katholizismus vor allem in Polen.

Die Katholiken würden Vilinskij nur zu gerne so großen Raum in ihren Zeitschriften gewähren, um ihn vom tieferen Nachdenken über ihre Praxis abzulenken, die Ausdruck dessen sei, daß sie sich nicht auf ihre Gebete verlassen, sondern ungeduldig Gott vorauseilen. Seiner Meinung nach hat Vilinskij „více víry i důvěry v Boha aspoň, pokud se týká unionismu, než katolická církev“1017 [mehr Glauben und Vertrauen in Gott, zumindest was den Unionismus betrifft, als die katholische Kirche]. In Auswertung des sechsten unionistischen Kongresses in Velehrad kommt noch einmal zum Tragen, daß Vilinskij die russischen Konvertiten nicht so recht akzeptieren kann – und wenn es nur ihr pauschal schlechtes Benehmen betrifft: „Působení ruských konvertitů, kteří za každou cenu chtěli se uplatniti ve sjezdovém jednání, zmařilo vlastně samotný cíl porad odborníků“1018 [Das Wirken der russischen Konvertiten, die um jeden Preis in der Kongreßhandlung zur Geltung kommen wollten, vereitelte im Grunde das eigentliche Ziel der Beratungen der Fachleute]. Das kann als seine letzte Äußerung in dieser Frage gewertet werden.

Orthodoxie als frühere Entwicklungsstufe des Westens Ähnlich Masaryk, der es auf die knappe Formel „Rusko je, čím Evropa byla …“1019 [Rußland ist, was Europa war …] bringt, vertritt Vilinskij die Meinung, daß das Wesen der Orthodoxie darin bestehe, daß sie gegenüber dem Westen nur eine 1015 1016

1017 1018

1019

Unionizmus 1932, S. 170. Červín, A. V.: Co lze vyčísti z jednoho úseku pravoslavné fronty, in: Křesťanská revue, Jg. 6, 1933, S. 87-90, hier: S. 87. Červín 1933, S. 87. Hlasy několika účastníků VI. unionistického kongresu o unionismu – u. a. Vilinskij, in: Museum, Jg. 64, 1933, S. 6-8, hier: S. 7. Masaryk, T. G.: Rusko a Evropa I, Praha 1995 (= Spisy T. G. Masaryka, Bd. 11), S. 15.

274

Teil 2 – Werk

langsamere, rückständigere Entwicklung genommen habe, also grob als unvollkommener, zurückgebliebener Katholizismus bezeichnet werden könne. Und um keinen Zweifel daran zu lassen, daß er tatsächlich an eine Wiederholung derselben unabwendbaren Geschichte denkt, die der Westen bereits durchlaufen habe, nimmt er sogar eine vorsichtige zeitliche Zuordnung vor, in welcher Epoche sich Rußland gerade befinde: Kdybych se nebál, že se uchýlím k paradoxům, řekl bych, že ruský náboženský cit nyní se snad nachází přibližně v právě takovém stavu, v jakém se nacházel náboženský cit v době Kostnického sněmu.1020 Wenn ich mich nicht fürchten würde, mich in Paradoxe zu verstricken, würde ich sagen, daß das russische religiöse Gefühl sich jetzt vielleicht annähernd in genau so einem Zustand befindet, in welchem sich das religiöse Gefühl in der Zeit des Konzils von Konstanz befand.

In der späteren Arbeit Duch ruské církve distanziert er sich indirekt von diesem gewagten Spiel mit historischen Parallelen, interessanterweise indem er Grivec mit einem ähnlichen Versuch (Grivec meint sinngemäß, Rußland sei im Mittelalter verharrt) ablehnend zitiert, weil sich historische Epochen nie genau wiederholen, wenn sie sich auch sehr ähnlich sein mögen.1021 An der Grundidee, die davon ausgeht, daß Kulturen nicht selbständig, sondern in Abhängigkeit voneinander existieren, ändert sich jedoch nichts. Er nennt diese Theorie „teorie ‚dětství ruského náboženského cítění‘“1022 [Theorie ‚der Kindheit des russischen religiösen Empfindens‘]. Als Beweis dafür führt er den Einfluß des noch nicht überlebten Heidentums an, den Doppelglauben, den er als die Vermischung des offiziellen Bekenntnisses zum Christentum mit der geheimen tatsächlichen Verehrung heidnischer Götter und Riten beschreibt. Nur wenige Russen seien rein orthodox, weil das Christentum per Verordnung angenommen wurde und sich nur langsam und nur unter den Teilen des Volkes verbreitete, die mit einem Herrschaftssitz in Beziehung kamen, ansonsten sei es vor allem eine Angelegenheit der Aristokratie geblieben.1023 In den Volksmassen sei es nur schwach und ungenügend 1020

1021 1022

1023

Ruský národ a sjednocení církví 1928, S. 40. An dieser Stelle provoziert er die polemische Überlegung, ob die Vereinigung mit dem Katholizismus durch ihn deshalb so vorangetrieben wird, weil er sie noch vor der bevorstehenden Reformation vollziehen möchte, auch wenn klar ist, daß er hier eher an das italienische quattrocento oder Shakespeares England denkt, in denen Heiligkeit und Verbrechen oft kaum voneinander zu trennen sind. Duch ruské církve 1930, S. 65f. Ruský národ a sjednocení církví 1928, S. 32. Vgl. Bulgakov, der der russischen Intelligencija bescheinigt, sich in sozusagen religiösem Kindheitszustand zu befinden (Bulgakov, Sergej: Heroentum und geistiger Kampf [Überlegungen zur religiösen Natur der russischen Intelligencija], in: Vechi. Wegzeichen. Zur Krise der russischen Intelligenz, übersetzt und eingeleitet von Karl Schlögel, Frankfurt am Main 1990, S. 80-139, hier: S. 116). Duch ruské církve 1930, S. 62. Die Reformen Peters I., die die fortschrittliche westlichorientierte Regierung und die höhere Bürokratie gegen den Konservativismus der Gesellschaft durchzusetzen versuchten, bilden dazu in soziologischer Hinsicht eine Parallele (vgl. Unionizmus 1932, S. 292). Vgl. auch das Faktum, daß fast alle russischen Heiligen aus den höheren Gesellschaftsschichten stammen (Unionizmus 1932, S. 315). Vgl. Poppe, Andrzej: Das Reich

Religiös-theologische Schriften

275

vertreten.1024 Desweiteren argumentiert er damit, daß sich die russische Religiosität noch im intensiven Stadium ihrer Entwicklung befinde, während die des katholischen Westens bereits begonnen habe, in die Form der Extension überzugehen.1025 Damit meint er vor allem die von ihm bewunderte ‚actio catholica‘, in der zum Ausdruck kommt, daß die christliche Ethik nicht nur im Leben Einzelner eine Rolle spielt, sondern im Leben des Volkes als Gesamtheit. Vilinskij braucht diese These, um von der sonst häufig vertretenen Ansicht eines qualitativen Unterschiedes zwischen westlicher und östlicher Gläubigkeit abkommen zu können. Erstens wird es damit hinfällig, den Wert der einen oder anderen Konfession bestimmen zu wollen, denn sie durchlaufen alle dieselben Phasen, um zu dem einen Ziel, der Alleinheit, das heißt der Verbindung von Empirie (in der Terminologie Karsavins: das Relative, Geschaffene) und Absolutem (Karsavin: das Göttliche), was für die endliche Welt nur im Akt der Theophanie, in dem Gott den Akt der Schöpfung vervollkommnet, denkbar ist,1026 zu gelangen. Damit wird der Idee des russischen Messianismus eine klare Absage erteilt. Und wenn es zweitens naturgegebene Unterschiede gäbe, dann wären sie für immer und ewig gegeben und man müßte sich für alle Zeiten mit der Unvereinbarkeit der Gegensätze abfinden. Wenn man jedoch Zeuge ein und desselben Prozesses der Entwicklung der christlichen Kultur ist, von dem man synchron zwei verschiedene Stadien wahrnehmen kann, dann sieht man auch deren Zusammengehörigkeit. Wenn Vilinskij also keine Annäherung unter slavischem Vorzeichen forciert, bei der Rußland schon allein aus geographischen und demographischen Gründen eine Vorreiterrolle zukommen würde, sondern den Anschluß Rußlands an Europa über den Katholizismus sucht, dann heißt das, daß er die russische Entwicklung beschleunigen und (möglichst schnell) eine Angleichung an den Westen erreichen möchte. Die unionistische Arbeit soll die Entwicklung der russischen Religiosität und des Geistes vorantreiben.1027 Das Zusammenfließen mit dem Katholizismus sei erforderlich, damit das russische Volk geregelt sein religiöses Empfinden entwickeln und vervollkommnen könne.1028 Wie man ableiten kann, stellen sich Vilinskij historische Prozesse als Entwicklung dar, als Aktualisierung von (embryonalen, wie er schreibt) Möglichkeiten, die bis dahin noch nicht aktuell waren.1029 Das potentiell Existierende wird unter den passenden Bedingungen zu real Existierendem. Die Rückständigkeitsthese provoziert wie die obige, daß Einzelkonversionen keinen Beitrag auf dem Weg zur Union leisten können, eine Reihe von Polemiken.

1024 1025

1026 1027 1028 1029

der Ruś im 10. und 11. Jahrhundert, in: Jahrbücher für die Geschichte Osteuropas, Jg. 28, Nr. 3, 1980, S. 334-354, hier: S. 341 und 353f. Duch ruské církve 1930, S. 64. Vgl. dazu Masaryk 1995, S. 38. Čerty ideologii russko-katoličeskogo dviženija 1928, S. 33 und Ruský národ a sjednocení církví 1928, S. 42. Duch ruské církve 1930, S. 98 und Karsavin 1929, S. 65. T. G. Masaryk a ruské pravoslaví 1931, S. 129. Ruský národ a sjednocení církví 1928, S. 32. Duch ruské církve 1930, S. 89f.

276

Teil 2 – Werk

Pfleger hebt hervor, daß sich Vilinskij mit dieser Ansicht „sogar von den katholischen und katholisierenden, erst recht von der Mehrzahl der orthodoxen Russen und auch von Berdjajew“ unterscheide.1030 Das ist im Hinblick auf Berdjaev keine Frage, der, wenn er den Westen als Land der Kultur, wo Gott durch Vermittler mit dem Menschen redet, und den Osten als Land der Offenbarung, wo Gott mit dem Menschen von Angesicht zu Angesicht redet, bezeichnet, gerade mit dem qualitativen Unterschied argumentiert, der nicht auflösbar ist. Von Popow bezeichnet Vilinskijs Sicht zumindest als „[e]igenartig“, will sie jedoch „Gewissenssache“ des Verfassers sein lassen und Smolitsch meint, daß Vilinskij eher eine Kritik der russischen Kirche denn eine historische Darstellung liefere, die zudem sehr subjektiv gefärbt sei.1031 Vilinskij stellt mit seiner Behauptung viele der westlichen Annäherungsbestrebungen in Frage, die gerade davon ausgehen, daß der Osten etwas zu bieten habe, was der Westen entweder nie besessen hat, oder was ihm spätestens mit der Aufklärung verloren gegangen ist. Wenn er die Orthodoxie gegenüber dem Katholizismus nicht als anders, aber trotzdem gleichwertig, sondern einfach als zurückgeblieben darstellt, dann geht die besondere Aufgabe und der besondere Wert, den der Westen dem russischen Denken zuschreibt, verloren. „Man möchte fragen, findet denn Wilinskij gar nichts, was Rußland dem Westen an Eigenem mitzuteilen hat?“,1032 so die fast verzweifelte Frage eines weiteren Kritikers, der die These der Zurückgebliebenheit neu formuliert: „Rußland ist nicht ‚zurückgebliebener Westen‘, sondern noch nicht zur Reife gelangter Osten, und das ist etwas wesentlich anderes“.1033 Es ist natürlich nur dann etwas anderes, wenn sich das Bild des reifen Ostens nicht doch als das des modernen Westens erweisen sollte. Auf die rhetorische Frage kann man bei Vilinskij folgende Antwort finden: „[P]otrebné je propagovať na Západe úctu k východnému obradu a zvykom, aby sa ho katolíci latinského obradu naučili plne pochopiť a vážiť“1034 [Es ist nötig, im Westen die Ehrfurcht vor dem östlichen Ritus und den Bräuchen zu propagieren, damit die Katholiken lateinischen Bekenntnisses lernen, sie voll zu verstehen und zu schätzen]. Das Element der russischen Gläubigkeit allerdings, das besonders gern aus westlicher Sicht für spezifisch russisch gehalten werde, der russische Mystizismus, 1030

1031

1032

1033 1034

Pfleger, Karl: Berdjajew, der ostchristliche Gnostiker, in: ders. Geister, die um Christus ringen, Salzburg/Leipzig 1934, S. 275-304, hier: S. 280. Da er sich allgemein vor allem auf Veröffentlichungen in der Zeitschrift West-östlicher Weg bezieht, ist anzunehmen, daß er hier Vilinskijs Beitrag Der Charakter des russischen Mystizismus (in: West-östlicher Weg, Jg. 2, Nr. 4, April 1929, S. 93-100) im Blick hat. Von Popow, Sergius: Ein „ost-westlicher“ Wegversuch, in: West-östlicher-Weg, Jg. 2, Nr. 4, April 1929, S. 85-91, hier: S. 87f. und Smolitsch, Igor: Geschichte der russischen Kirche. 17001917. Erster Band, Leiden 1964, S. 54. Schmitt 1929, S. 91f. Im Sinne Vilinskijs schließt hingegen Muckermann seine Rezension des von Nicolai v. Bubnoff und Hans Ehrenberg herausgegebenen Dokumentenbandes Östliches Christentum. II. Philosophie (1925): „Stellen wir nüchtern die Frage, was uns die Theologie des Ostens bieten könne, so geraten wir […] einigermaßen in Verlegenheit. Wir können die Schwärmerei für östliches Christentum nicht mitmachen […]“ (Muckermann 1926, Sp. 205). Schmitt 1929, S. 92. Unionizmus 1932, S. 352.

Religiös-theologische Schriften

277

ist nach Vilinskijs Auffassung nicht dazu geeignet, dem Westen Neues zu bieten. Er unterscheidet zwischen innerlich-asketischer und äußerlich-asketischer Mystik.1035 Der russische Mystizismus sei stets aktiv gewesen, worin er sich „von dem weltflüchtigen byzantinischen kontemplativen und passiven Mystizismus“ unterscheide.1036 Der praktische russische Mystizismus sei demzufolge dem westlichen, nicht dem byzantinischen Vorbild gefolgt1037 und habe die Elemente der katholischen Mystik dann so adaptiert, daß sie dem Abendland später als typisch östlich erschienen seien.1038 Er kommt zu dem Schluß: „Das russische Volk kann […] auf seine Mystik stolz sein. Trotz aller Schwierigkeiten, die sich ihm entgegenstellten, bewahrte es die gleichen christlichen Prinzipien, welche auch die westliche Mystik auszeichnen“.1039 Nach der Meinung Vilinskijs gibt es keine eigene russische Mystik. Er steht mit dieser Revision der westlichen Sicht auf die russische Gläubigkeit nicht vereinzelt da. Auch Graf Alexander Soltykoff wird dafür kritisiert,1040 daß er unter der – der westlichen verklärenden Formulierung „Ex oriente lux“ bewußt entgegengesetzten – Überschrift Ex occidente lux schreibt: Die von den Slawophilen und Dostojewski in Umlauf gesetzte Legende von der außergewöhnlichen Religiosität des russischen Volkes, dieses angeblich ‚Gott suchenden‘ und ‚Gott tragenden‘ Volkes, dessen Natur sich auf das religiöse Element begründe, wird kaum mehr auf einen langen Bestand rechnen können. […] Die Menschen mit der seltenen Eigenschaft, die Dinge so zu sehen, wie sie sind […], haben es von jeher gewußt, daß das russische ethnische Grundelement nicht nur eines der am meisten areligiösen in der Welt ist, sondern daß es sich sogar ausgesprochen feindlich zur Welt des Religiösen im Leben und im Menschen verhält.1041

Soltykoff unterscheidet auch für die neueste Zeit zwischen einer noch allein durch heidnisch-rituelle Elemente geprägten Religiosität auf dem Dorf und einer vagen religiösen Wiedergeburt einer Minderheit aus den Reihen der Intelligenz in den größeren Städten, die die alte Verbindung der russischen Religiosität mit der Herrenkultur bestätigt.1042 Dieses „doppelte Gesicht Rußlands“, wie er einen früheren Aufsatz überschreibt, sieht er nicht nur auf religiösem Gebiet, sondern spricht allgemein von einem „doppelspaltigen Nationalcharakter“ der Russen, von einem Nationalcharakter, dessen Extreme nirgends so groß sind wie in Ruß1035

1036 1037 1038

1039 1040

1041

1042

Der Charakter des russischen Mystizismus 1929, S. 98. Die Begriffe Mystizismus und Mystik finden in seinen Texten (und in Übersetzungen seiner Texte) gleichberechtigt Anwendung, sie werden terminologisch nicht unterschieden. Der Charakter des russischen Mystizismus 1929, S. 99. Duch ruské církve 1930, S. 215. De studio ecclesiasticae historiae russicae, in: Acta Academiae Velehradensis, Jg. 12, Nr. 1-2, 1932, S. 64-70, hier: S. 70. Der Charakter des russischen Mystizismus 1929, S. 100. Schmitt, Bertram: Zur russischen Frage, in: West-östlicher Weg, Jg. 2, Nr. 6, Juni 1929a, S. 137-139, hier: S. 138. Soltykoff, Graf Alexander: Ex occidente lux. Der Stand des religiösen Lebens im gegenwärtigen Rußland, in: Hochland, Jg. 25, Nr. 1, November 1927, S. 113-138, hier: S. 121. Soltykoff 1927, S. 121 und 125.

278

Teil 2 – Werk

land.1043 Soltykoff unterscheidet sich bei vielen Gemeinsamkeiten mit seinen Auffassungen von Vilinskij vor allem darin, daß er seine Hoffnungen nicht auf die katholische, sondern in erster Linie auf die anglikanische Kirche richtet.1044

Relativierung der byzantinischen Einflüsse auf die Orthodoxie Interessant daran, daß sich Vilinskij zu der cyrillomethodianischen Tradition hingezogen fühlt, die ihm als symbolisches Verbindungsglied zwischen Orthodoxen und Katholiken dient,1045 ist, daß er aus einer fast entgegengesetzten Intention zu seinen unionistischen Ansichten kommt. Sein Interesse galt nicht den beiden Slavenaposteln.1046 Er will keinen Nachweis darüber erbringen, daß Mähren schon immer byzantinisch und/oder römisch beeinflußt sei, wie es die fast mythische Sicht auf den Ort Velehrad und die späteren Ausgrabungen in Mikulčice versuchen. Vilinskij richtet im Gegensatz zu diesen romantischen Bestrebungen sein ganzes Augenmerk auf die lateinischen Einflüsse im Osten, wie wir gerade bereits an seiner Sicht auf den russischen Mystizismus sehen konnten. Er bestreitet die starke Rolle von Byzanz auf die russische Religiosität1047 und betont hingegen die lateinischen Anfänge der östlichen Kirche.1048 Zunächst sei seine Zusammenfassung des russischbyzantinischen und russisch-römischen Verhältnisses in der Kiever Rus’ zitiert: [O]d krstu Sv. Vladimíra až do roku 1053 ruská cirkev a spoločnosť boly pod právnym i duchovným vlivom Byzanca, ale nepochybovaly, že vo viere tvoria dokonalú jednotu s latinskou cirkvou. Od r. 1053 až do smrti Jaroslava ruská cirkev oddelila sa od gréckej a ďalej, ako 1043

1044 1045 1046

1047

1048

Soltykoff, Graf Alexander: Das doppelte Gesicht Rußlands, in: Hochland, Jg. 18, Nr. 1, Oktober 1920, S. 15-42, hier: S. 17 und 19. Soltykoff 1927, S. 136. Ruský národ a sjednocení církví 1928, S. 48. Als „cyrillomethodianischen Forscher“ bezeichnet ihn fälschlich Lášek, Jan B.: Cyrilometodějská tradice od roku 1880 do současnosti, in: ders./Tonzarová, Hana (Hgg.): I oni jsou otcové naši … Cyrilometodějský sborník, Brno 2005, S. 9-18, hier: S. 14. Vilinskij hielt nicht das Referat De cultu SS. Cyrilli et Methodii apud orthodoxos Russos [Über den Cyrill-Method-Kult unter den orthodoxen Russen] auf dem siebenten Velehrader Kongreß, wie Esterka 1971, S. 36 annimmt, sondern sein Vater (vgl. das Programm in VII. Unionisticus Congressus, S. 36), der allerdings nicht persönlich anwesend war, sondern sein Referat durch Professor Niechaj verlesen ließ (Cinek 1936, S. 724f.). Der Vater erachtete die Cyrill-Method-Tradition für eine bewegende Kraft zur neuen slavischen christlichen Vereinigung (s. Pražák, Albert: Cyrilometodějské a velkomoravské prvky v české slovesnosti, in: Kurz, Josef/Murko, Matyáš/Vašica, Josef (Hgg.): Slovanské studie. Sbírka statí věnovaných prelátu univ. profesoru Dr Josefu Vajsovi k uctění jeho životního díla, Praha 1948, S. 232-254, hier: S. 245). Alte Chroniken seien überarbeitet und den Interessen des Einflusses des byzantinischen Klerus angepaßt worden. Zum Beispiel die altrussische Chronik sei von einem Griechen redigiert worden (Duch ruské církve 1930, S. 157, 162 und 167f.). Darauf wies bereits Golubinskij hin (Golubinskij, E.: Istorija russkoj cerkvi. Tom I. Period pervyj, Kievskij ili domongoľskij. Pervaja polovina toma, Moskva 21901, S. 133ff.). S. Vozraženija o. Vladimira Dlusskogo na doklad o. Pavla Grečiškina i otvet na nich poslednego, 1951 g., in: http://vselenstvo.narod.ru/library/dis1951.htm; 5. Februar 2007, hier: Punkt 12.

Religiös-theologische Schriften

279

táto, ostala v spojení so Sv. Stolicou. Za nástupcov Jaroslavových jednota s carihradským patriarchátom sa obnovila, ale napriek všetkých námah gréckej hierarchie kijevská spoločnosť počítala sa do rodiny so Západom a zachovávala si úctu k pápežom.1049 Von der Taufe des Hl. Vladimir bis zum Jahr 1053 standen die russische Kirche und Gesellschaft unter dem rechtlichen und geistlichen Einfluß von Byzanz, bezweifelten jedoch nicht, daß sie im Glauben eine perfekte Einheit mit der lateinischen Kirche bilden. Von 1053 bis zum Tod Jaroslavs sonderte sich die russische Kirche von der griechischen ab und blieb weiter, wie diese, in Verbindung mit dem Heiligen Stuhl. Unter den Nachfolgern Jaroslavs erneuerte sich die Einheit mit dem Patriarchat von Konstantinopel, aber entgegen allen Bemühungen der griechischen Hierarchie zählte sich die Kiever Gesellschaft zu einer Familie mit dem Westen und bewahrte sich die Achtung gegenüber dem Papst.

Vilinskij erkennt an, daß die russische Kirche von Anfang an zum Patriarchat von Konstantinopel gehörte. Die eigentliche, durch Taufe bezeugte, Christianisierung erfolgte also auch aus seiner Sicht nicht aus dem Westen. Diese Ansicht ist heute allgemein verbreitet, nachdem Ludolf Müller noch einmal alle dafür und dagegen sprechenden Thesen an den Quellen überprüft hat,1050 war es zu Vilinskijs Zeit jedoch ganz und gar nicht,1051 was hier erwähnt werden muß, weil es zeigt, daß auch Vilinskij das Für und Wider erwogen hat und zu einem Schluß gekommen ist, der ihm seine Argumentation erschwert, jedoch der historischen Wahrheit näher zu sein scheint. Lášek beläßt es bei der Untersuchung der äußeren Struktur, der Frage der Jurisdiktion, und kommt dadurch natürlich zu dem Schluß, daß es keine westlichen Einflüsse gegeben habe, weil der Westen nicht am Aufbau der russischen kirchlichen Organisation beteiligt war. Der Glaube sei eine andere Sache (obwohl er die Anfänge des Christentums und nicht die der Kirche bei den Ostslaven als Titel für seine Arbeit gewählt hat).1052 Nun stellt sich aber die Frage, was das Christentum mehr prägt, sein institutioneller oder der religiöse Charakter. Das ist der Punkt, an dem ihm Vilinskij in gewisser Weise voraus ist, weil er den „duch“, den Geist, also die Einflüsse auf den gelebten Glauben untersucht – und diese sieht er aus einer anderen Richtung als die kirchliche Struktur zu den Russen kommen. Wegen seiner Suche nach dem Charakter des Glaubens spielt in seinen Werken die Frage des Doppelglaubens eine wesentlich größere Rolle als bei anderen Auto1049 1050

1051

1052

Unionizmus 1932, S. 276. Vgl. Müller, Ludolf: Die Taufe Rußlands. Die Frühgeschichte des russischen Christentums bis zum Jahre 988, München 1987. Vgl. Lášek, Jan Blahoslav: Počátky křesťanství u východných slovanů, Praha 1997 (= Pontes Pragenses, Bd. 3), v. a. S. 188-193, wo er verschiedene Thesen darstellt, die eine Christianisierung der Rus’ durch den Westen vertreten. Grivec steht auf dem Standpunkt, daß die Anfänge des russischen Christentums vollkommen katholisch gewesen seien, wobei er sich auf Josafat Kuncevič und Golubinskij beruft (Grivec, František: Pokřesťanění kijevské Rusi, in: Apoštolát sv. Cyrila a Metoděje, Jg. 29, Nr. 4, April 1938, S. 97-100). Und noch Tschižewskij hält es nicht für unwahrscheinlich, daß zu Zeiten Vladimirs ein westlicher Geistlicher „zur Organisation der neuen christlichen Kirche herangezogen“ worden sei, oder daß die ostslavische Kirche bis 1037 dem bulgarischen Erzbischof unterstellt war (Tschižewskij, Dmitrij: Das heilige Rußland. Russische Geistesgeschichte I. 10.-17. Jahrhundert, Hamburg 1959, S. 26f.). Lášek 1997, S. 191.

280

Teil 2 – Werk

ren.1053 Der Doppelglaube entsteht ja gerade erst durch die institutionalisierten Strukturen und wird nicht durch das flächendeckende Erbauen von Kirchen überwunden. Er habe unter anderem dazu geführt, daß das russische Volk den Ritus zu einem magischen Ritual zum Herbeirufen der Gottheit umdeutete, alle Legenden und Apokryphen wortwörtlich nahm und auch von seinen Priestern Wunder erwartete. Wenn diese nicht sofort eintraten, wurde die Religion in Frage gestellt.1054 Diese heidnischen Einflüsse würden – mehr oder weniger ausgeprägt, doch immer deutlich spürbar – bis heute einen Bestandteil des russischen Volksglaubens bilden. Hier soll es nun aber um den lateinischen Einfluß gehen, denn das Überdauern des Heidentums kann nur als Beweis für die unvollkommene Einflußnahme von Byzanz dienen, nicht aber für die „perfekte Einheit mit der lateinischen Kirche“ im Glauben, die für die Begründung von Vilinskijs unionistischen Bestrebungen wichtig ist. Er versucht, den metaphysischen Sinn der russischen Religions- bzw. Kirchengeschichte aufzudecken, wobei ihm wie Karsavin die absolute All-Einheit als Ideal der geschichtlichen Entwicklung dient: Vývoj stává se jen tam pochopitelným, kde všejednotný ideál vývoje dává mu jeho všečasovou úlohu, jeho všeempirický a nadempirický smysl, jen tam, kde vývoj směřuje k nadempirickému jsoucnu, ke zbožštění empirie (nikoli k časovému bodu, jak praví positivistická a socialistická víra v pokrok).1055 Die Entwicklung wird nur dort verständlich, wo das all-eine Ideal der Entwicklung ihm seine all-zeitliche Rolle gibt, seinen all-empirischen und überempirischen Sinn, nur dort, wo die Entwicklung auf das überempirische Sein abzielt, auf die Vergöttlichung der Empirie (keinesfalls auf einen Zeitpunkt, wie der positivistische und sozialistische Glaube an den Fortschritt sagt).

Weil sich ihm die katholische Kirche als die eine heilige, katholische und apostolische Kirche darstellt,1056 legt Vilinskij dieser Grundidee entsprechend bei der genaueren Darstellung der Christianisierung der Kiever Rus’ und der weiteren christlichen Entwicklung in Rußland großen Wert darauf, die Momente der Geschichte ausfindig zu machen, in denen lateinische Spuren verfolgt werden können und zwar vor allem lateinische Spuren, die nicht durch den Westen aufgedrängt worden sind. Er sucht 1053

1054 1055 1056

Tschižewskij meint zum Beispiel, daß die bewußte heidnische Psychologie von einigen Forschern, die über den ‚doppelten Glauben‘ der Russen nach der Christianisierung schrieben, sehr überschätzt worden sei (Tschižewskij 1959, S. 24). Vilinskij geht eher von einer unbewußten Beibehaltung heidnischer Elemente aus, die die Orthodoxie seiner Meinung nach allerdings bis in die Neuzeit und selbst in Zentralrußland prägen (vgl. u. a. O ruské náboženskosti, in: Akord, Jg. 2, 1929, S. 267-284, hier: S. 268). Unionizmus 1932, S. 309ff. Karsavin 1929, S. 78. Darin unterscheidet er sich von (dem eurasischen) Karsavin, der diese Rolle eindeutig der orthodoxen Kirche zuschreibt: „poka ona ešče istinnaja ličnosť, istinnyj moment Vseedinoj Cerkvi i, sledovateľno, sama Vseedinaja Cerkov’“ [solange sie noch die wahrhafte Person, der wahrhafte Moment der Einen Kirche und folglich die Eine Kirche selbst ist] (Karsavin 1923, S. 179), bzw.: „Der Orthodoxie stellt sich die universale Kirche als katholische oder symphonische Einheit aller partikularen Kirchen dar, unter denen der orthodoxen, welche die universale Überlieferung besser bewahrt als die anderen, die erste Stelle zukommt“ (Karsawin 1925, S. 366).

Religiös-theologische Schriften

281

keine Beweise für das Wirken westlicher Missionare unter den Russen, sondern ihn interessieren die Vorgänge, in denen sich russische Sympathie für den Westen äußert, in denen deutlich wird, daß sich Russen aus einem inneren Gefühl der Verbundenheit von sich aus an den Westen gewandt haben.1057 Im Gegensatz zu der Behandlung der Frage der Konversionen, bei der Vilinskij wenig Rücksicht auf die seelischen Bedürfnisse des Einzelnen nimmt, spielen diese hier eine wesentliche Rolle, denn in dem Individuum aktualisiert sich die empirische Menschheit. Die folgende kurze Skizze seiner Darstellung extrahiert ausschließlich diese lateinischen Spuren (von denen übrigens bis auf ganz wenige Ausnahmen keine bei Lášek zu finden sind und die für die spätere Zeit auch von Zernov schlicht als nichtexistent betrachtet werden1058) – in einer früheren Studie meint Vilinskij sogar, daß sie gegenüber den byzantinischen überwiegen1059 –, denen er sicherlich in dem einen oder anderen Fall zu große Bedeutung beimißt und die zum Teil konstruiert erscheinen, was hier jedoch nicht überprüft werden kann. Die neuesten Forschungen, auf die er sich beruft,1060 kommen ihm für seine Argumentation entgegen und werden von ihm aus diesem Grunde nicht hinterfragt. Die damit behauptete Objektivität der geschichtlichen Forschung und die Vorstellung von einer immer größeren Annäherung an die Wahrheit erscheinen eher als journalistisches denn als wissenschaftliches Argument. Zudem fragt man sich nach der Lektüre dieser vielen Bezüge, die über die Jahrhunderte verfolgt und als prägend angesehen werden, wie es trotzdem sein kann, daß es aufgrund fehlender Ausdrücke ein schweres Unterfangen sein soll, den katholischen Katechismus ins Russische zu übersetzen.1061 1057

1058

1059 1060

1061

Vgl. den Hinweis Volkonskijs, daß alle, die die katholische Kirche russischer Prägung gegründet haben, ohne westlichen Einfluß katholisch geworden seien. Dieser Schritt könne also nicht mehr mit einer Abkehr von Rußland identifiziert werden (Wolkonskij 1931, S. 36). Im 13. bis 17. Jahrhundert habe es überhaupt keinen Kontakt zum westlichen Christentum gegeben und auch Ende des 19. Jahrhunderts sei die Zahl der Russen, die vertraut mit dem Katholizismus oder Protestantismus waren, sehr gering gewesen (Zernov 1974, S. 259). Dahingegen decken sich Vilinskijs Ausführungen weitgehend mit Taube, Michael Freiherr von: Rom und Rußland in der vormongolischen Zeit (X. bis XIII. Jahrhundert), in: Berg (Hg.) 1927, S. 196-223, was vor allem damit zu erklären ist, daß beiden Golubinskij 21901 als Quelle dient, der selbst nicht als unionistisch bezeichnet werden kann, sich aber durch eine gelassene Distanz gegenüber seinem Untersuchungsgegenstand auszeichnet: „Papy delali popytki podčiniť Russkuju cerkov svoej vlasti. No uvy! vozmožno bylo i obratnoe“ [Die Päpste unternahmen Versuche, die russische Kirche ihrer Macht zu unterwerfen. Na und! es war auch das Gegenteil möglich] (Golubinskij 21901, S. 600f.). Vilinskij ist der genannte Aufsatz Taubes bekannt (vgl. O religijności rosyjskiej, in: Przegląd katolicki, Jg. 68, Nr. 27, 06.07.1930, S. 423-425, hier: S. 424). O ruské náboženskosti 1929, S. 268. O ruské náboženskosti 1929, S. 268. Autoren, auf die er sich bezieht, ohne jedoch konkrete Referenzwerke zu nennen, sind: Konrad Lübeck (Autor von Die christlichen Kirchen des Orients, Kempten 1911), Aurelio Palmieri (Autor von Le chiese ortodossa Greco-Slave e il problema della riunione della Cristianità, Monza 1921), Evgenij Francevič Šmurlo (Autor von Kurie a pravoslavný východ v letech 1609-1654, Praha 1928) und Wacław Zajikyn (Autor von Chrześcijaństwo w Europie wschodniej od czasów apostolskich do księcia Igora, Warszawa 1926). Vgl. Vilinskijs Rezension zu P. Stanislav Tyszkiewicz T. J.: „Katoličeskij katechisis“, Paříž 1929, in: Časopis katolického duchovenstva, Jg. 71 (94), 1930, S. 123f., hier: S. 123.

282

Teil 2 – Werk

Lateinischer Geist in der russischen Kirche In die altertümliche Rus’ sei das Christentum aus drei Richtungen gekommen: aus Byzanz, aus dem Westen (durch die Normannen) und aus dem Osten (durch Varäger, die einst von Konstantinopel überfallen worden waren).1062 Der Einfluß der christlichen Normannen und der durch sie Getauften sei aufgrund ihrer moralischen Autorität groß gewesen, so daß sie trotz ihrer geringeren Zahl gegenüber den Heiden bald die Vormacht gewannen, was sich an den Verhandlungen Igor’s mit den Griechen nachweisen lasse. Oľgas ganze Sympathie galt dem Westen, weshalb sie 959 Otto I. aufforderte, ihr einen Bischof und gebildete Priester zu schicken,1063 die allerdings bald vor den aufgebrachten Heiden aus Kiev fliehen mußten.1064 Jaropolk, der in dem Bemühen, die verschiedenen slavischen Stämme zu vereinen, von der Überzeugung geleitet wurde, daß sie in einem einheitlichen Glauben und einer gemeinsamen kirchlichen Organisation verbunden werden müssen, neigte zur Annahme des Christentums und es ist sehr wahrscheinlich, daß er sich selbst taufen ließ. Allerdings erlaubte die durch die Ermordung Svjatoslavs ausgelöste Feindschaft zwischen der Rus’ und Byzanz nicht, das Christentum mittels der Griechen zu verbreiten. Deshalb kam zu Zeiten Jaropolks diese Rolle der westlichen lateinischen Welt zu, die sich bereits unmittelbar den russischen Grenzen genähert hatte. Für die Anwesenheit westlichen katholischen Klerus und die Existenz lateinischer Gottesdienste sprechen die sogenannten Kiever Liturgiefragmente, die aus Polen in die Rus’ gebracht worden sind. Sofern die Rus’ zu Zeiten Jaropolks christlich war, dann katholisch, jedoch war sie wahrscheinlich nie Rom direkt kanonisch unterstellt. Im 10. Jahrhundert gehörte die Rus’ zur Familie der westlichen zivilisierten Völker, nahm aufgrund des Heidentums jedoch den letzten Platz unter ihnen ein.1065 Deshalb habe Vladimir vor allem aus kulturell-staatlichen Gründen das Christentum aus dem Westen übernommen – aus russischer Sicht galt zu dieser Zeit auch Byzanz als Westen bzw. Europa.1066 Hätte sich die Rus’ jedoch direkt Rom zugewandt, wäre es bei dem letzten Platz geblieben, weil sie der geistigen Mitte des europäischen Lebens fern war und weder über eigene Traditionen noch über eine berühmte christliche 1062

1063

1064

1065 1066

Für die hier wiedergegebene Darstellung Vilinskijs, welche christlichen Einflüsse es vor der offiziellen Christianisierung gegeben habe, vgl. Duch ruské církve 1930, S. 148-159. Diesen Kontakt zu Otto I. erwähnt auch Lášek, der jedoch meint, daß wirtschaftliche Interessen dahinter standen und Oľga vor allem in Otto einen Verbündeten gegen die Magyaren gesucht habe (Lášek 1997, S. 73f.). Golubinskij schreibt ebenfalls, daß Oľga eine Gesandtschaft zu Otto geschickt habe – jedoch mit einem vollkommen anderen Anliegen. Otto habe dies jedoch ausgenutzt, um einen Bischof und Priester zu der bereits getauften Oľga zu schicken, um ihre Hinwendung nach Rom zu erreichen (Golubinskij 21901, S. 82). Und Müller interpretiert die Bitte Oľgas um Entsendung eines Bischofs und mehrerer Priester als Druckmittel gegen Konstantinopel (Müller 1997, S. 85). Tschižewskij zufolge kam er (Bischof Adalbert) erst nach dem Tode der Fürstin in Kiev an und mußte aus diesem Grunde zurückkehren, ohne etwas erreicht zu haben (Tschižewskij 1959, S. 17). Duch ruské církve 1930, S. 173. Duch ruské církve 1930, S. 135.

Religiös-theologische Schriften

283

Vergangenheit verfügte, zudem war das Leben unter byzantinischem Vorzeichen bequemer und ließ mehr (religiöse und politische) Kompromisse zu.1067 Gleichzeitig unterhielt Vladimir gute Verbindungen nach Rom. Die slavischsprachigen liturgischen Bücher wurden von den Schülern Cyrills und Methods übernommen, weshalb Rußland und den Westen eine gemeinsame liturgische Tradition mit katholischem Ursprung verbindet. Jaroslav, der das Werk seines Vaters fortführte und gegenüber den Griechen eine reservierte Politik vertrat, fühlte sich mehr vom Westen als von Konstantinopel angezogen.1068 Kurz nach seiner Heirat mit der Tochter des schwedischen Königs – die Mehrheit seiner Familie ging eheliche Verbindungen mit Vertretern westlicher Herrschaftshäuser ein, wobei beide Eheleute jeweils ihren Ritus beibehielten, was heißt, daß sowohl die katholische als auch die orthodoxe Kirche verstand, daß die Einheit des Glaubens keinen Übertritt zum anderen Ritus erfordert1069 – erbat er sich vom Papst einen eigenen Bischof, der jedoch aufgrund griechischer Intrigen eiligst Kiev wieder verlassen mußte. Wegen dieser regen Beziehungen zum Westen könne man in dem Kirchenrecht aus jener Zeit viele Spuren und Nachbildungen des westeuropäischen kanonischen Rechts finden. Nach einem dreijährigen Krieg mit Byzanz (1043-1046) wollten die Griechen die Autokephalie der russischen Kirche nicht anerkennen und ernannten keinen neuen Metropoliten, weshalb Jaroslav 1051 ohne Beteiligung und Zustimmung des Patriarchen den ersten russischen Metropoliten (alle seine Vorgänger waren Griechen), Ilarion, berief, was zur Unterbrechung der kanonischen Beziehungen zu dem Patriarchat von Konstantinopel führte. Diese Situation hielt bis 1055 an, das heißt, die Trennung in Ost- und Westkirche erfolgte zu einer Zeit als die Russen in keinerlei Kontakt zu Byzanz standen. Das Schisma sei lediglich die Folge von Intrigantentum und Ehrgeizigkeit des byzantinischen Klerus, nicht von grundlegenden Unterschieden zwischen der europäischen und der östlichen Kultur1070 oder von unvereinbaren Glaubenslehren – sonst müßte man von Irrglauben, nicht aber von Schisma sprechen.1071 Weil die russische Kirche also das Schisma nur übernommen, nicht aber mitverantwortet habe, hätte die spätere Moskauer Geistlichkeit die Möglichkeit gehabt, sich von der Unwahrheit des griechischen Standpunktes zu überzeugen und die notwendigen Schritte für eine angemessene Wiedergutmachung zu unternehmen, was sie jedoch unterließ, da sie durch ihre eigenen messianistischen Vorstellungen geblendet war.1072 Auch nach dem Schisma wurden die Beziehungen nach Rom aufrechterhalten. Der Kiever Fürstenhof betrachtete Katholiken nicht als Häretiker oder Abgefallene und auch Ilarion sagte kein Wort gegen die lateinische Kirche. Nach dem Tod Jaroslavs 1067 1068 1069 1070 1071 1072

Zum Christentum in der Rus’ nach Vladimirs Taufe vgl. Duch ruské církve 1930, S. 173-180. Zum Christentum in der Rus’ unter Jaroslav vgl. Duch ruské církve 1930, S. 184-186. Unionizmus 1932, S. 274. Ruský národ a sjednocení církví 1928, S. 47. Unionizmus 1932, S. 47. Unionizmus 1932, S. 280.

284

Teil 2 – Werk

wurde dieser Schwebezustand zwischen den beiden christlichen Welten aufgehoben. Beide Seiten begannen, sich verstärkt um die Russen zu bemühen, woraus letztendlich die Griechen erfolgreich hervorgingen.1073 Aber auch weiterhin wandten sich russische Fürsten in Fällen an Rom, in denen sie ein verbindliches Urteil der höchsten Autorität brauchten, privat schätzten sie die römische Kirche, auch einige Metropoliten bemühten sich um die Wiederannäherung an Rom.1074 Erst zu Beginn des 13. Jahrhunderts gingen aufgrund des Einfalls der Kreuzritter im Norden (während das Reich bereits durch den Tatareneinfall geschwächt war) die brüderliche Beziehung zum Westen und das Bewußtsein der Ökumenität verloren.1075 Das feindliche Benehmen der Kreuzritter wurde mit ihrem Glauben identifiziert. Das Tatarenjoch weckte in den Russen das Gefühl eigener Besonderheit und der Isoliertheit von der gesamten christlichen Welt,1076 was ein Anwachsen des nationalen Selbstbewußtseins nach sich zog. Dieses fand seinen Ausdruck in der sich verfestigenden messianistischen Ideologie, die sich schädlich auf die römisch-russischen Beziehungen, aber auch auf die griechisch-russischen Beziehungen auswirkte.1077 Aus russischen Quellen des 15. bis 17. Jahrhunderts gehe jedoch abermals klar hervor, daß im russischen Volk immer die Sympathie für Rom lebendig war.1078 Und von Seiten der Päpste sei unermüdlich in väterlicher Weise das Ideal der einen christlichen Kirche betont worden. Deshalb unterstreicht Vilinskij, daß man zwischen dem Verhältnis der russischen Kirche und Regierung zu den benachbarten katholischen Völkern oder Staaten (wie z. B. zu Polen) und ihrer Beziehung zum Heiligen Stuhl unterscheiden müsse.1079 Er verfolgt selbstverständlich auch diese weitere Entwicklung der Beziehungen, denn in der Folgezeit sei es immer wieder zu Unionsbemühungen gekommen, die er als Vorläufer der russisch-katholischen Bewegung auffaßt, um deren tiefe Verwurzelung im russischen Volk zu zeigen. Allerdings weist er andererseits selbst darauf hin, daß es neben ukrainischen Theologen, die eine russische Theologie auf katholischem Fundament festigen – und die er deshalb wie folgt lobt: „Ukrajinci během tří set let byli těmi nejruštějšími Rusy“1080 [die Ukrainer waren dreihundert Jahre lang die russischsten Russen] –, häufig nach Rußland kommende Ausländer sind, die sich trauen, gegen den Strom zu schwimmen und die Initiative in ihre Hände zu nehmen. Sie greifen nicht die Orthodoxie an, sondern verteidigen den Katholizismus als Wahrer der apostolischen Tradition, wie 1073 1074 1075

1076 1077 1078 1079 1080

Vgl. Duch ruské církve 1930, S. 186. Vgl. Duch ruské církve 1930, S. 188ff. Duch ruské církve 1930, S. 209. In der Annahme, daß in der Zeit der Kiever Rus’ die Haltung der Russen gegenüber der westlichen Kirche nie so scharf war wie die Haltung der Griechen ihr gegenüber, stimmt ihm Luboš Marek zu (Marek, Luboš: Dějiny křesťanství na Rusi. I. Kyjevská Rus, Hostinné 1996, S. 52). Unionizmus 1932, S. 331. Unionizmus 1932, S. 276. Ruský národ a sjednocení církví 1928, S. 47. Unionizmus 1932, S. 346. Unionizmus 1932, S. 290 und Rus se dívá na Č.S.R. 1931, S. 16.

Religiös-theologische Schriften

285

zum Beispiel zu Zeiten Maksim Greks der Lübecker Arzt Mikuláš, allgemein Nemčín genannt [Nikolaus der Deutsche], der sich 1491 in Moskau niederließ1081 oder im 17. Jahrhundert der kroatische Missionar Juraj Križanić.1082 Einen besonders schlechten Einfluß auf die russische Religiosität (neben Häresien und dem Caesaropapismus) spricht Vilinskij den byzantinischen Mönchen zu, die in Scharen nach Rußland gekommmen und als Glaubenslehrer aufgetreten seien, obwohl ihnen oft die allerelementarste theologische Bildung gefehlt habe,1083 was wiederum heißt, daß selbst der byzantinische Einfluß auf den Glauben nicht wahrer byzantinischer Einfluß gewesen sein muß. In diesem Sinne ist auch seine Äußerung zu verstehen, daß erst nach der definitiven Abtrennung vom Patriarchat von Konstantinopel und der Aufnahme von Beziehungen zum Westen eine eigenständige russische theologische Wissenschaft entstand.1084 Die russische Priesterschaft sei allerdings ebenfalls ungebildet gewesen, wodurch sich das seltene Auftreten von Irrlehren im russischen Volk begründen lasse, denn die Priester seien einfach nicht in der Lage gewesen, diese als solche zu erkennen.1085 Im Hinblick auf die Interessen der allgemeinen Kirche stellt Vilinskij fest, daß das byzantinische Element mal nutzbringende, mal schädliche Wirkung gehabt habe und deshalb weder rücksichtslos verurteilt, noch vorbehaltlos gelobt werden könne.1086 In seiner Idee der verschiedenen Entwicklungsstufen des Ostens und des Westens rechnet er damit, daß sich auf dem der Orthodoxie noch bevorstehenden Weg die byzantinischen und anderen fremden Einflüsse mit der Zeit verlieren werden. Es zähle allein die gesamtchristliche Grundlage,1087 das Bewußtsein der Zugehörigkeit zur einen ökumenischen Kirche.1088

Hindernisse auf dem Weg zur Einheit Die Meinung, daß in keiner der gegenwärtigen Kirchen die vollkommene Wahrheit zu finden sei, sondern diese erst in der künftigen ökumenischen Kirche erlangt werde (man denke an den oben zitierten Congar), hält Vilinskij für falsch. Seiner 1081

1082 1083

1084 1085

1086 1087 1088

Unionizmus 1932, S. 281. Auf diesen konnten in der Literatur keine weiteren Hinweise gefunden werden. Unionizmus 1932, S. 288. Duch ruské církve 1930, S. 63. Golubinskij weist darauf hin, daß sich unter den vielen wenig gebildeten Priestern zur Zeit vor dem Mongoleneinfall auch Analphabeten befanden (Golubinskij 21901, S. 474-481). Unionizmus 1932, S. 313. Ruské starověrectví, in: Apoštolát sv. Cyrila a Metoděje, Jg. 21, 1930, S. 82-85, 114-115, 143147 und 206-208, hier: S. 82. Im Gegensatz dazu hebt Poppe das hohe Bildungsniveau der Geistlichkeit hervor, die er ausdrücklich als „eine mittelalterliche Intelligenz“ bezeichnet (Poppe 1980, S. 344f.). Unionizmus 1932, S. 345. Ruský národ a sjednocení církví 1928, S. 42. Duch ruské církve 1930, S. 423.

286

Teil 2 – Werk

Meinung nach haben der Katholizismus und mit Einschränkungen die Orthodoxie bereits jetzt das Recht, sich als wahre Kirche zu bezeichnen, da sie den „‚poklad víry‘“ [Glaubensschatz] oder ‚thesaurus fidei‘ beschützen,1089 das heißt, sie sich in ein und demselben Entwicklungsprozeß befinden: Ruské pravoslaví podle sve věroučné a náboženské podstaty jest příbuzné katolictví a není dosud vzdáleno od ekumenické církve, náleží až podnes k mystickému Kristovu tělu.1090 Die russische Orthodoxie ist ihrem theologischen und religiösen Wesen nach dem Katholizismus verwandt und sie ist bisher nicht von der ökumenischen Kirche entfernt, sie gehört bis auf den heutigen Tag zum mystischen Körper Christi.

Für ihn steht trotzdem außer Frage, daß die wahre Kirche die katholische sei, die er jedoch noch um einige Aspekte der orthodoxen Kirche, die von der kirchlichen Einheit abgefallen sei,1091 bereichern möchte: Východ převezme od Západu náboženskou kázeň a pevnost ve víře. Rusko odmění se Západu horlivým, mladistvým náboženským citem, kterého jest pouze ono schopno. Moskva jest pojítkem mezi Asií a Evropou; prostřednictvím ruského národa bude se katolictví na Východě šířiti dále a dále.1092 Der Osten übernimmt vom Westen die religiöse Disziplin und die Festigkeit im Glauben. Rußland lohnt es dem Westen mit eifrigem, jugendlichem religiösen Gefühl, zu dem allein es fähig ist. Moskau ist das Bindeglied zwischen Asien und Europa; mittels des russischen Volkes wird sich der Katholizismus im Osten mehr und mehr verbreiten.

Die dogmatischen Unterschiede seien nicht sehr groß und könnten bei gutem Willen auf beiden Seiten leicht aufgelöst werden. Daran wird in einem etwas populäreren Text kein Zweifel gelassen, demzufolge die russische Orthodoxie keine eigenständige Religion im Sinne eines gewissen Systems dogmatischer Lehren, sondern nur eine bestimmte Tendenz in der Auslegung der kirchlichen Tradition sei,1093 was einfach heißt, daß sie eine der christlichen Konfessionen ist. Diejenigen, die lange Listen der Unvereinbarkeiten zusammenstellen, trennen nicht Wichtiges von Unwichtigem.1094 In der Beleuchtung bzw. Widerlegung einzelner Vorwürfe orthodoxer Theologen gegen die katholische Lehre, die sich letzten Endes gar nicht als unüberwindbare Glaubensunterschiede erweisen, folgt Vilinskij wieder der vom Prinzip her schon bekannten Argumentationsstruktur. Nur sind es in diesem Fall keine lateinischen 1089 1090 1091 1092 1093

1094

Ruský národ a sjednocení církví 1928, S. 11 und Unionizmus 1932, S. 20. Duch ruské církve 1930, S. 418. Ruský národ a sjednocení církví 1928, S. 44. Ruský národ a sjednocení církví 1928, S. 14. Skutečný stav ruské církve. I., in: Hlas, Jg. 57, Nr. 4155, 25.02.1930, S. 3. Zugespitzter formuliert das Josef Leo Seifert, der schreibt, daß die orthodoxe Kirche „in ihrem Wesen keine religiöse Anstalt mehr“ sei. Deshalb könnte eine dogmatische Einigung schnell erzielt werden, der nationale Charakter der orthodoxen Kirche stehe jedoch einer Kirchenunion entgegen (Seifert, Josef Leo: Die Rolle der Slawen in der Geschichte Europas, in: Abendland, Slawentum und Ostkirchen 1926, S. 5-25, hier: S. 19). Unionizmus 1932, S. 86.

Religiös-theologische Schriften

287

Spuren, die er in der gesamten russischen Kirchengeschichte nachzuweisen beabsichtigt, sondern die Existenz der meisten angegriffenen lateinischen Lehren vor dem Schisma. Sind sie bereits zu dieser Zeit vertreten oder zumindest geduldet worden, ohne von einem ökumenischen Konzil verurteilt worden zu sein, heiße das, daß auch der Ostkirche kein berechtigter Grund zugestanden werden könne, sie in Frage zu stellen. Er versucht, die Rechtgläubigkeit der katholischen Kirche nachzuweisen, indem er zeigt, daß ihre westlichen örtlichen Gewohnheiten in keinem grundsätzlichen Gegensatz zu den Hauptvorschriften des Christentums stehen. Alle Christen, die bewußt einige Punkte der kirchlichen Lehre ablehnen, müssen ihren Irrtum erkennen und diejenigen, die zwar formal nichts ablehnen, aber bisher in ihrer Glaubenslehre über keine genauen Wahrheiten verfügen, müssen diese Lücken in ihrer unvollkommenen Auffassung vom Christentum füllen.1095

Päpstlicher Primat und Unfehlbarkeit Vilinskij meint sich nicht zu täuschen, wenn er behauptet, daß in wenigen Jahren das Hauptproblem, daß die Russen das Dogma über die päpstliche Macht nicht annehmen, kein Problem mehr darstellen werde, denn die russische Religiosität nähere sich westlichem Denken.1096 Die administrative Spaltung müsse durch das einheitliche Hören auf die Autorität des Nachfolgers Petri ersetzt werden.1097 Gerade wegen der Autokephalie sei es für die katholische Kirche schwierig, ein Gegenüber für ihre Unionsgespräche zu finden, denn die Orthodoxen erscheinen häufig unter sich uneins und erschweren dadurch das koordinierte Verhandeln mit ihnen.1098 Dieses Problem wurde besonders während der Sowjetzeit deutlich, als die russische Kirche ihre gesonderte Stellung gegenüber den anderen orthodoxen Kirchen ungemein betonte. Da es kein einheitliches orthodoxes Lehramt gebe, bestehe Gefahr, daß sich die orthodoxe Kirche mehr und mehr von der ursprünglichen christlichen Tradition und den Vermächtnissen der Kirchenväter entferne.1099 Daß diese Gefahr bereits Wirklichkeit sei, dafür erbringt Vilinskij in diesem Kapitel gleich den Beweis, indem er zeigt, daß die vermeintlichen Lehrunterschiede alle jüngeren Datums sind. In allen neuzeitlichen orthodoxen Theorien komme es zu einem logischen Fehler (metabasis eis allo genos), denn sie beschreiben zunächst die sichtbare Organisation der Kirche und setzen dieser dann den unsichtbaren Christus als Haupt auf, springen also in die mystische Ordnung, obwohl sie die irdische beschreiben.1100 Andererseits könne man daran sehen, daß auch die orthodoxe Kirche, die wie die katholische hier1095 1096 1097 1098

1099 1100

Unionizmus 1932, S. 32. Ruský národ a sjednocení církví 1928, S. 28. Unionizmus 1932, S. 32. Auch Kartašev nennt – in seiner posteurasischen Phase – die Unorganisiertheit und Zersplitterung der orthodoxen Kirche als eines ihrer Hauptprobleme (s. Kartašev 1936, S. 226f.). Unionizmus 1932, S. 109. Unionizmus 1932, S. 101f.

288

Teil 2 – Werk

archisch strukturiert sei, von der Notwendigkeit einer einzigen Autorität überzeugt sei. Der Grund für den Unterschied bei der Bestimmung der Quelle dieser Autorität sei die Nichtübereinstimmung mit den Katholiken im Verständnis des Dogmas von der Unfehlbarkeit des römischen Papstes. Wenn dieses Verständnis revidiert würde, würden sich beide Ansichten decken.1101 Die Leugnung des päpstlichen Primats sei keine Ursache, sondern eine logische Folge des Schismas und bringe ihrerseits die Ablehnung des Unfehlbarkeitsdogmas mit sich. Mit der Anerkennung dieser beiden Lehren würden also automatisch alle weiteren Lehrunterschiede fallen.1102 Die Autorität des Papstes sei erforderlich als Ausdruck der sichtbaren Einheit der Kirche.1103 In der Praxis, wie sie von den Kirchenvätern bezeugt werde und sich aus der Bibel ableite, werde immer die römische Kirche als die erste betrachtet und damit der Papst als höchste Autorität, was auch die orthodoxen Theologen anerkennen müssen, wenn sie nicht die Zuverlässigkeit der Evangelien in Frage stellen wollen. Zur Anerkennung der katholischen Lehren nötigen sie außerdem die eigenen östlichen Kirchenväter, die Geschichte der Konzilien und die östlichen liturgischen Texte.1104

Filioque Ein weiteres Problem zwischen orthodoxer und katholischer Kirche, das neben Primat und Unfehlbarkeit bis heute selbst bei katholisierenden Orthodoxen, die von einem Minimum an Trennendem ausgehen, als Hindernis der Union gilt,1105 ist das „Filioque“, also die Frage, ob der heilige Geist aus dem Vater und dem Sohne hervorgehe (ex Patre Filioque procedit), wie es die westliche Tradition lehrt, oder ob der heilige Geist aus dem Vater durch den Sohn hervorgehe (ex Patre per Filium procedit), wie es die östliche Tradition lehrt. Ganz in unionistischem Sinne sieht Vilinskij 1101 1102 1103 1104

1105

Unionizmus 1932, S. 33f. Unionizmus 1932, S. 89. Unionizmus 1932, S. 111. Unionizmus 1932, S. 107f. Vilinskij argumentiert damit, daß die Päpste Leo I. und Martin I. in der östlichen Liturgie als Nachfolger Petri angerufen werden; die Liturgie Petrus die Namen Glaubensgrundlage, oberster Apostel, Quelle der Orthodoxie, Vorsitzender von Christi Kirche, Pastor aller Apostel etc. gibt und daß die Päpste de facto schon immer allein grundsätzliche Entscheidungen treffen konnten, die von allen akzeptiert wurden (Bsp. Coelestin I., Leo I., Entscheidungen im Kontext des Chalzedonischen Konzils). Vilinskij führt die gegenteilige Auffassung an, daß zum Beispiel die orthodoxen Theologen Pobedonoscev und Bolotov dieses Problem nicht als grundlegend ansehen (Unionizmus 1932, S. 88 und 92). Bolotov formuliert ausdrücklich in seiner 26. These, daß es „nicht die Frage des Filioque [sei], welche die Trennung der Kirche verursacht habe“ ([Bolotov, V.]: Thesen über das „Filioque“, in: Revue internationale de Théologie, Jg. 24, Nr. 6, 1898, S. 684-712, hier: S. 712). Karsavin hingegen bezeichnet es als Grunddogma, aus dem alle unterscheidenden Merkmale der westlich-christlichen Kultur folgen (Karsawin 1925, S. 357). Auch Chomjakov hat die gesamte Kirchentrennung ausschließlich als Folge der Einführung des Filioque gesehen (vgl. Slenczka, Reinhard: Ostkirche und Ökumene. Die Einheit der Kirche als dogmatisches Problem in der neueren ostkirchlichen Theologie, Göttingen 1962, S. 74).

Religiös-theologische Schriften

289

auch diese Frage bereits als gelöst an, denn beide Lehren würden sich schön ergänzen und unter Berufung auf Grivec fährt er fort: der lateinische Ausdruck sei klarer und einfacher, der griechische dagegen tiefer, beide seien jedoch im Westen und im Osten verbreitet gewesen.1106 Aus den Schriften der Kirchenväter könne man auch in diesem Punkt wieder entnehmen und aus der Bibel ableiten, daß die Lehre der lateinischen Kirche die richtige sei. Bereits vor dem Schisma war besonders in Spanien die Formel des „Filioque“ verbreitet und keines der ersten sieben Konzilien hätte sie verurteilt, so daß sich die orthodoxe Kirche daran nicht stören müsse.1107

Fehlende Liebe Das einzige gravierende Hindernis, das der Vereinigung im Wege stehe, sei psychologischer Natur: „nedůvěra a neláska“1108 [Mißtrauen und Haß, wörtlich weniger hart: Nicht-Liebe] gegenüber dem Katholizismus, den u. a. die Griechen aus Angst, ihren Einfluß auf Moskau zu verlieren, geschürt haben.1109 Es seien politische Interessen, die tief die Religiosität der östlichen Christen verletzt und sie so paralysiert haben, daß sich der Glaube nicht weiterentwickeln konnte,1110 sondern bei dem Entwicklungsstand von 1054 verharrte. Die jeweils aktuellen Probleme des Lebens, das sich im Gegensatz zu der Glaubenslehre durchaus weiterentwickelt habe, werden deshalb von Fall zu Fall sehr unterschiedlich gelöst, so daß man auch nicht von einer einheitlichen orthodoxen Kirche sprechen könne, die mehr als der Name verbindet.1111 Leider mache die subjektive Voreingenommenheit breiter Schichten der orthodoxen Öffentlichkeit sie unfähig, klare Beweise anzuerkennen, vererbte Vorurteile hindern sie, das Licht dort zu sehen, wo es wirklich leuchte.1112 Deshalb sei es die 1106 1107 1108

1109

1110 1111 1112

Unionizmus 1932, S. 91. Unionizmus 1932, S. 91f. Ruský národ a sjednocení církví 1928, S. 16. Vgl. Berdjaev, der Chomjakov mangelnde Liebe gegenüber der christlichen Welt des Westens vorwirft (Slenczka 1962, S. 74). Mit der Ansicht, daß Byzanz das Mißtrauen gegenüber Rom auf die Russen übertragen habe, stimmt er mit seinen katholischen Zeitgenossen Erich Beck (Beck, Erich: Die russische Kirche. Ihre Geschichte, Lehre und Liturgie mit besonderer Berücksichtigung ihrer Unterscheidungslehren und ihres Verhältnisses zur röm. Kirche, Bühl 1922, S. 17) und Seifert überein. Dieser meint, daß die slavische Kirchensprache ein Zugeständnis gewesen sei, um den Anschluß der Slaven an den Westen möglichst zu verhindern (Seifert 1926, S. 17). Und Jaroslav Bidlo beweist durch den Hinweis auf zahlreiche Polemiken griechischer Vorsteher der russischen Kirche gegen die Lateiner das Vorhandensein westlicher Einflüsse auf die russische Kirche (Bidlo, Jaroslav: Dějiny Slovanstva, Praha 1927, S. 55). Žák führt zahlreiche Beispiele für antikatholische Äußerungen in orthodoxen Lehrbüchern an, um seine These zu untermauern, daß die orthodoxe Theologie Ende des 19. Jahrhunderts stark von protestantischen Einflüssen geprägt gewesen sei (Žák 1929, S. 324f.). Unionizmus 1932, S. 108. Vgl. dazu auch Masaryk 1995, S. 40. Unionizmus 1932, S. 116f. Duchovní život ruského národa 1931, S. 114.

290

Teil 2 – Werk

erste Aufgabe der Orthodoxen, daß sie in ihrer Orthodoxie die Grundlagen des gemeinsamen Glaubens finden, die bislang in ihrem Innern verborgen geblieben seien.1113 Ein weiteres großes Problem liege darin, daß der Osten sich in Glaubensdingen ängstlich vor Versuchen einer systematischen logischen Lösung schütze, in denen er eine gewisse Erniedrigung des mystischen Verständnisses der Religion sehe und deshalb dem Katholizismus unbegründet Juridismus vorwerfe.1114 Dabei lassen sich viele Heilige und Feiertage der Katholiken in ähnlicher Form in der orthodoxen Kirche finden, so daß es eher eine Sache der Kenntnis und Erklärung sei, die gemeinsamen Grundlagen anzuerkennen.1115 Seitens des Katholizismus sei es im Grunde genommen ausreichend, schreibt er in Übereinstimmung mit d’Herbigny, sich in seiner wahren Gestalt zu zeigen, um die Orthodoxen davon zu überzeugen, daß das, was heute so rein erscheine, nicht während des Schismas unrein gewesen sein könne: „Toto jest zcela novou methodou argumentace a mám za to, že právě tato methoda nejvíce se uplatní během příštích let“1116 [Das ist eine ganz neue Methode der Argumentation und ich nehme an, daß sich in den nächsten Jahren gerade diese Methode bewähren wird]. Durch das gegenseitige Kennenlernen müssen Vorurteile abgebaut werden, erst dann sei die gegenseitige Liebe möglich. Auf der Gegenseitigkeit liege hier die Betonung, denn unerwiderte Liebe könne ihre Sendung nicht erfüllen, meint Vilinskij.1117

Das Bild der idealen Kirche Nach all diesen Betrachtungen stellt sich die Frage, wie diese vereinigte Kirche, die von gegenseitiger Liebe und Verständnis geprägt ist, praktisch aussehen wird. Darauf findet man recht wenige Antworten, denn Vilinskij arbeitet, wie bereits dargestellt wurde, nicht auf der Grundlage einer Fortschrittskonzeption, bei der man zu einem bestimmten Zeitpunkt aufgrund menschlichen Bestrebens einen Endpunkt erreichen kann, der beschreibbar ist. Die Union hingegen sei nicht der Abschluß des irdischen Weges der Kirche Christi, sondern der Beginn ihrer Renaissance auf Erden.1118

1113 1114 1115

1116

1117 1118

Ruský národ a sjednocení církví 1928, S. 46. Duchovní život ruského národa 1931, S. 114. Katoličestvo i „ocerkovlenie žizni“, Paris 1929 (= Sonderdruck aus: Katoličeskij vremennik, Bd. 3), S. 3-56, hier: S. 5ff. Conventus pro studiis orientalibus (Poznámky pravoslavného účastníka sjezdu), in: Život, Jg. 11, Nr. 14, 15.09.1929, S. 15-19, hier: S. 18. Duchovní život ruského národa 1931, S. 114. Unionizmus 1932, S. 31.

Religiös-theologische Schriften

291

Jeder nach seinem Ritus Unifizierung sei nicht mit Identifizierung zu verwechseln, Römisierung nicht mit Latinisierung.1119 Die althergebrachten Traditionen sollen nicht zerstört werden, es gehe nicht um eine Latinisierung der Orthodoxie (dann wäre es in der Terminologie Górkas Uniatismus und nicht Unionismus). Als Beweis für die guten Absichten des Papsttums, die östlichen Riten anzuerkennen, führt Vilinskij die Entstehung der russisch-katholischen Kirche östlichen Ritus (1905) an. [S]jednotenie nikdy neznamená nejaké cudzonárodné ujarmenie, ale […] je ono náboženským pričlenením národa k svetovému Kristovej všeobecnej Cirkvi.1120 Vereinigung heißt nie irgendeine fremdnationale Vereinnahmung, sondern sie ist die religiöse Angliederung eines Volkes an die weltweite allgemeine christliche Kirche.

Es gehe um die Einheit der Substanz, nicht der äußeren Form, deshalb können die Bräuche beibehalten und die Riten in unterschiedlichen Sprachen und auf unterschiedliche Art und Weise vollzogen werden, wenn mit ihnen nur Gott geehrt und die weltweite Sendung der Kirche erfüllt werde: „pojem jednoty v Kristu znamená podstatnou totožnost věrouky a náboženského cítění, vyjádřenou různými vnějšími projevy“1121 [der Begriff der Einheit in Christo bedeutet wesentliche Gleichheit der Glaubenslehre und des religiösen Empfindens, die durch verschiedene äußere Zeichen ausgedrückt wird]. Vilinskij beschreibt die ihm vorschwebende Einheit metaphorisch als Mosaik, „kde každý osobitný, rôznofarebný, iným nie podobný kamienok práve svojou zvláštnosťou zvyšuje harmoniu a krásu celku“1122 [wo jedes einzelne, bunte, keinem anderen ähnliche Steinchen gerade durch seine Besonderheit die Harmonie und Schönheit des Ganzen erhöht]. Verschiedene Bräuche stellen für die Einheit also kein Hindernis, sondern einen besonderen Reiz dar. Der Unterschied in den Riten bestätige die kirchliche Einheit.1123 1119 1120 1121

1122 1123

Unionizmus 1932, S. 351 (FN 96). Unionizmus 1932, S. 352. Duchovní život ruského národa 1931, S. 113. Vgl. die Unterscheidung zwischen echter, auf den Logos gerichteter, und unechter, allein auf den Ethos abzielender, Unionsidee bei Friedrich Fuchs (Fuchs, Friedrich: Von der echten und der unechten Unionsidee, in: Hochland, Jg. 22, Nr. 9, 1924/25, S. 347-351, hier: S. 349). Unionizmus 1932, S. 26. Unionizmus 1932, S. 146. Vgl. die Gedanken von Joannes Hrynioch über Cyrill und Method, die „den Weg der Harmonie und der wirklichkeitsnahen Synthese zwischen universellem christlichen Gedankengut und der individuellen Eigenart der einzelnen Völker gegangen“ seien. Durch den Gebrauch der Sprache in der Liturgie „haben diese Heiligen nur die Universalität bereichert, gestärkt, belebt und glaubwürdig gemacht, der Personalität des Einzelteiles der Ganzheit haben sie zur vollen Entwicklung und Entfaltung geholfen“ (Hrynioch, Joannes: Widerhall der cyrillo-methodianischen Idee auf dem II. Vatikanischen Konzil, in: Zagiba, Franz [Hg.]: Geschichte der Ost- und Westkirche in ihren wechselseitigen Beziehungen. Acta Congressus historiae Slavicae Salisburgensis in memoriam SS. Cyrilli et Methodii anno 1963 celebrati, Wiesbaden 1967, S. 196-202, hier: S. 201).

292

Teil 2 – Werk

Die Substanz stellen ganz offensichtlich allein die Dogmen und die gemeinsame geistige Herkunft dar, nicht jedoch die einzelnen Christen, wie man an seiner Beantwortung der Konversionsfrage sehen konnte. Und wie man auch daran ablesen kann, daß er die gleiche Mosaik-Metapher noch zwei weitere Male verwendet – erstens zur Beschreibung seiner Konzeption der zwischenslavischen Beziehungen1124 und zweitens zur Beschreibung der Kultur in Rußland: Souhrn částí vytváří celek, ale žádná ze součástek v něm nezaniká, nýbrž toliko žije dvojím životem, užším a širším, řekl bych – ‚domácím‘ a ‚společenským‘. Cesta ruské kultury, toť cesta vzniku mosaikového obrazu: každá součástka podrží svou vlastní barvu a formu, zachrání svou neopakovatelnou osobitost a právě vlastním svérázem zvýší půvab harmonického celku.1125 Die Gesamtheit der Teile bildet das Ganze, aber keines der Einzelteile geht in ihm unter, sondern lebt nur durch ein doppeltes Leben, ein engeres und weiteres, ich würde sagen – ein ‚häusliches‘ und ein ‚gesellschaftliches‘. Der Weg der russischen Kultur ist der Weg der Entstehung eines Mosaikbildes: jedes Einzelteil behält seine eigene Farbe und Form bei, bewahrt seine unwiederholbare Individualität und gerade durch die eigene Eigenart erhöht es die Anmut des harmonischen Ganzen.

Durch die Wiederaufnahme der gleichen Metapher identifiziert er indirekt das durch pragmatische Vereinbarungen zu charakterisierende Zusammenleben der Völker in einem Staat mit dem der Christen in der einen Kirche. Seiner Meinung nach führt demzufolge nicht die Einheit in Christo auch zu äußerer Einheit, sondern die Einheit in Christo wird durch die äußere Einheit erlangt. Bereits der Sprachgebrauch Vilinskijs deutet an, daß es ihm allein um eine (institutionalisierte) universale Gesamtkirche zu tun ist, aus der irgendwie die einzelnen Glieder verloren gegangen sind. Er spricht fast nur von den Kirchen – „Einheit der Kirchen“, „Geist der russischen Kirche“ –, nicht jedoch von den Christen und ihrer angestrebten Vereinigung im Glauben, was wohl dem orthodoxen Verständnis geschuldet ist, in dem die Kirche in ihrer irdischen, sichtbaren Erscheinung eine wesentlich größere Rolle spielt als im Katholizismus oder Protestantismus, was dazu führt, daß Vilinskij die Idee der Gesamtunion der Frage der Einzelkonversionen überordnet.1126 Ein weiteres Merkmal der idealen Kirche ist, daß sie allgemein, das heißt übernational ist, denn erst in diesem Moment kann kirchliche Macht wirklich unabhängig sein. Eine Nationalkirche hingegen kann niemals selbständig und unabhängig vom Staat existieren. Daß die nichtkatholischen Kirchen fast alle territorial organisiert sind, bringt mit sich, daß es dogmatische Unterschiede selbst innerhalb eines Bekenntnisses gibt, so daß die rituellen Formen auf die Stufe veralteter Folklore degradiert werden. Die Trennung des Glaubens nach geographischen Grenzen stelle eine tiefe Erniedrigung des Christentums dar,1127 denn damit werde der Universalismus der Kirche geleugnet und die Kirche verliere ihre Dynamik. Solov’ev habe genau aus 1124 1125 1126

1127

Duchovní život ruského národa 1931, S. 124. O pojímání ruské kultury, in: Život, Jg. 12, Nr. 11-12, 20.09.1930, S. 28f., hier: S. 29. Vgl. Krebs, Engelbert: Die Unionsmöglichkeiten für die katholische und russische Kirche, in: ders. Die Kirche und das neue Europa. Sechs Vorträge für gläubige und suchende Menschen, Freiburg im Breisgau 1924, S. 181-188, hier: S. 182 und Slenczka 1962, S. 41, 45 und 50. Unionizmus 1932, S. 38.

Religiös-theologische Schriften

293

diesem Grund die Reformen Peters I. verteidigt, weil er weltliche und kirchliche Macht getrennt habe.1128 Die gemeinsame geistige Grundlage wirkt einerseits auf den christlichen Raum homogenisierend und schafft andererseits Verbindlichkeit.

Vilinskijs Konzeption im Kontext der russischen Geistesgeschichte An einigen Stellen ist bereits auf Personen verwiesen worden, auf die sich Vilinskij bezieht (Fuchs, Golubinskij, Karsavin, Solov’ev u. a.), hier soll zumindest vorsichtig angedeutet werden, wo er im Kontext der russischen Geistesgeschichte zu situieren ist. Zurückhaltung scheint in diesem Zusammenhang geboten, weil sein gesamtes Wirken auf das katholische Abendland konzentriert ist. Deshalb liegt der Großteil seiner Schriften nur in westslavischen Sprachen vor – er beansprucht also selbst keinen Platz in der russischen Geistesgeschichte. Ihm geht es im Gegensatz zu den meisten russischen Denkern nicht um Rußlands Rolle für den Westen.1129 Vilinskij ist selbstverständlich nicht der erste Russe, der sich Gedanken über das Verhältnis zwischen der orthodoxen und der katholischen Kirche macht. Im Zusammenhang mit einer vermeintlich philokatholischen Tradition in Rußland nennt er selbst Petr Čaadaev, Vladimir Solov’ev und Dmitrij Merežkovskij, die Versuche unternommen haben, die Idee der sobornosť [koinonia]1130 und des vseedinstvo [Alleinheit], der Katholizität als einer Einheit in Vielfalt praktisch umzusetzen. Die Meinung Čaadaevs, derzufolge Rußland weder zum Osten noch zum Westen gehöre und die russische Kirche gänzlich die Verbindung mit der römisch-katholischen Kirche, die allein Geschichtlichkeit und Kontinuität besitze, verloren habe,1131 versucht Vilinskij zu widerlegen, wenn er die lateinischen Einflüsse herausstreicht, die über die Jahrhunderte in Rußland wirksam waren. Deshalb ist Vilinskij im Gegensatz zu Čaadaev auch nicht der Meinung, daß Rußland – gewissermaßen als Flucht vor der eigenen Vergangenheit – den Katholizismus annehmen, erst zu ihm finden müsse,1132 es könne einfach in seine geistige Heimat zurückkehren. Ihre Auffassungen decken sich darin, daß die Orthodoxie das Schisma verursacht habe, daß sie gegen eine nationale Voreingenommenheit sind, die die Menschen spaltet, daß es ihnen vor allem um die Wirkung des Christentums geht, sie ihm also eine wichtige soziale und 1128 1129

1130

1131

1132

Duch ruské církve 1930, S. 25. Als Parallele dazu bietet sich an, daß auch seine Kollaboration mit den Deutschen ganz offensichtlich nicht mit Blick auf Rußland erfolgte. (Was man zumindest den Mitgliedern der Vlasov-Armee oder Vasilij von Biskupskij zugute halten könnte, daß sie für ein Rußland in den Grenzen von 1914 oder die Monarchie kämpften, wenn sie dazu auch die falschen Mittel wählten.) Zu den Schwierigkeiten, den Begriff sobornosť in seiner Vielschichtigkeit adäquat zu fassen s. Slenczka 1962, S. 125-149. Tschaadajew, Peter: Apologie eines Wahnsinnigen. Geschichtsphilosophische Schriften, Leipzig 1992, hier: S. 19 und 121. Vgl. Čiževskij, Dmitrij: Petr Jakovlevič Čaadajev, in: Čaadajev, P. J.: Filosofické listy, Praha 1947, S. 11-57, hier: S. 52.

294

Teil 2 – Werk

schöpferische Funktion zuschreiben, und daß sie das Papsttum als sichtbares Zeichen der Einheit und Symbol der Wiedervereinigung anerkennen.1133 Weil Vilinskij nicht Čaadaevs These von der Geschichtslosigkeit Rußlands teilt, sieht er das russische Volk auch nicht als Gottesvolk der Neuzeit, das die uranfängliche Reinheit des Christentums bewahrt habe.1134 Darin ist wohl auch der Hauptunterschied zu sehen, daß Čaadaev das Trennende, den Sonderweg Rußlands betont und den Westen als fundamentalen Gegensatz zu Rußland wahrnimmt1135 – „‚wir gehören zu einem andern Sonnensystem‘“1136 –, was selbstverständlich nicht ohne Ressentiments gegenüber dem Westen einhergeht. Bei der Bestimmung der eigenen Identität werden von Čaadaev die kulturellen Differenzen herausgestrichen, während Vilinskij gerade die Gemeinsamkeiten betont. Mit dem späten Solov’ev stimmt Vilinskij in vielen Punkten überein, ganz besonders in der Behauptung, daß nie eine Trennung der Kirchen stattgefunden habe, sondern sie sich nur historisch entfremdet haben, es zu einem äußerlichen Bruch gekommen sei. Es sollte also auf der Grundlage der apostolischen Sukzession die sichtbare Erscheinung der Kirche (die Kirchen sind getrennt) mit ihrem Wesen (sie sind eins in Christo) in Einklang gebracht werden.1137 Sowohl Solov’ev als auch Vilinskij lehnen eine national begrenzte Staatskirche ab, denn die Spaltung der Kirche erscheint ihnen als Folge weltlichen Machtstrebens. Beide erkennen die Autorität Roms an und beiden erscheint das Filioque nicht als ernsthafter Grund für die Trennung, weil es nur von lokaler Bedeutung sei und weil es von keinem ökumenischen Konzil definiert und auch von keinem anathematisiert worden sei.1138 Sie sind sich, im Gegensatz zu Čaadaev, der an die Errichtung des Reiches Gottes auf Erden glaubte,1139 dessen bewußt, daß die Einheit nur durch Heilshandeln Gottes in der Geschichte zu erreichen sei und die wahre Einheit erst am Weltende erreicht werden könne, weshalb die Aufgabe der Gegenwart darin bestehe, Vorurteile und Verdächtigungen zu beseitigen, ohne Kompromisse einzugehen, sich in einem gleichberechtigten Dialog und unter Wahrung gegenseitiger Achtung zu begegnen. Deshalb lehnen sie Uniatismus und latinisierende Tendenzen ab. Hinzu kommt, daß beide sich mit diesem Problem nicht nur theoretisch auseinandersetzen, sondern auch Männer der Praxis sind (Solov’ev zumindest in seiner zweiten, theokratischen Periode). Im Gegensatz zu Vilinskij glaubt Solov’ev jedoch, ähnlich wie Čaadaev, an eine weltgeschichtliche und religiös-metaphysische Berufung Rußlands. Er stellt den russischen Mystizismus dem westlichen 1133

1134 1135

1136 1137 1138 1139

Falk, Heinrich: Das Weltbild Peter J. Tschaadajews nach seinen acht „Philosophischen Briefen“. Ein Beitrag zur russischen Geistesgeschichte des 19. Jahrhunderts, München 1954, S. 20 und 26. Vgl. Čiževskij 1947, S. 55f. S. Barabanov, Evgenij V.: Der „Erste philosophische Brief“ von P. J. Čaadaev und die Wege der russischen religiösen Philosophie, in: Müller, Eberhard/Klehr, Franz Josef (Hgg.): Russische religiöse Philosophie. Das wiedergewonnene Erbe: Aneignung und Distanz, Stuttgart 1992, S. 103-120, hier besonders: S. 105f. und 115. Čaadaev an Friedrich Wilhelm Schelling (1832 oder 1833), cit. nach: Falk 1954, S. 63. Slenczka 1962, S. 101. Slenczka 1962, S. 98f. Barabanov 1992, S. 107.

Religiös-theologische Schriften

295

Rationalismus und Empirismus, die Statik der Dynamik, die liturgische und mystische Tradition der Tradition der Autorität und des praktischen Tuns gegenüber. Čaadaev, Solov’ev und Vilinskij treten für eine Verständigung mit der römischen Kirche ein, der sie die erste Stellung in der Christenheit zuerkennen. Für Čaadaev und Solov’ev bildet ihre Kritik an der westlichen Philosophie und Religion den Ausgangspunkt.1140 Sie vertreten ein binäres Modell, in dem Europa und der römische Katholizismus auf der einen und Rußland und der christliche Osten auf der anderen Seite stehen, wobei sie der Meinung sind, daß Rußland dem Westen etwas ‚zu bieten‘ habe, der seit dem Mittelalter unter Verfallserscheinungen leidende Westen also durch Rußland gerettet werden könne.1141 Vilinskij hingegen sieht Gegensätze vor allem in Rußland selbst, die dazu führen, daß die Herkunft der in Rußland fortlebenden westlichen Traditionen verwischt wird. Das vermeintlich Neue, das der Westen in Rußland entdecken könne, sei eigentlich vertrautes Altes, das sich nur nicht weiterentwickelt habe. Die Konzeption, die Merežkovskij vertritt, ist grundverschieden. Er hat eine völlig neue Kirche im Sinn, die johanneische Kirche, die als vierte Dimension des Christentums sowohl Orthodoxie als auch Katholizismus und Protestantismus aufheben würde.1142 Welche Ideen Merežkovskijs Vilinskij für unionistisch hält, bleibt unklar, zumal er ja, darauf ist bereits im Zusammenhang mit Vilinskijs Verhältnis zur russischen Literatur hingewiesen worden, schreibt, daß die neueren Schriften Merežkovskijs vollkommen unverständlich seien. Die größte Parallele weisen Vilinskijs Gedanken zu denen seines Zeitgenossen Lev Kobylinskij-Ėllis auf, der allerdings, das wurde bereits gesagt, zu Beginn der 1930er Jahre zum Katholizismus konvertiert ist. Zudem war er in seiner ganzen Art wesentlich schwärmerischer und mystischer veranlagt als Vilinskij und sprach dem ‚heiligen Rußland‘, dessen Wesen er in der russischen Volksseele verkörpert sah, eine spezielle Sendung innerhalb der ökumenischen Kirche Christi zu.1143 Da sich sowohl Kobylinskij-Ėllis als auch Vilinskij in der Emigration befanden, konnten sie mit katholischen Zeitschriften und Verlagen zusammenarbeiten.1144 Beide publizierten in der nur kurz (1928-1931) erscheinenden Zeitschrift West-östlicher Weg, deren Ziel darin bestand, die westliche katholische Welt mit der Religiosität der Ostkirche vertraut zu machen. Kobylinskij-Ėllis popularisierte nicht nur Solov’ev, von dem er gedanklich stark abhängig war, sondern war überhaupt aktiv bestrebt, deutschsprachige Katholiken mit der religiösen Kultur der Ostkirche bekannt zu machen, um eine mögliche Wiedervereinigung der Ost- und Westkirche voranzubringen, die er als Konvertit selbstverständlich unter dem Vorzeichen Roms sah.1145 Wie Vilinskij stellt 1140

1141 1142 1143 1144 1145

Vašica, Josef: Přechůdce Solověvův, in: Vyšehrad, Jg. 1, Nr. 25-27, 24.04.1946, S. 28-31, hier: S. 28 und Tschaadajew 1992, S. 168f. Vgl. Čiževskij 1947, S. 57. Vgl. Slenczka 1962, S. 132. S. Kobilinski-Ellis 1937, S. 60 und 66f. Vgl. Willich 1996, S. 182f. Kobilinski-Ellis 1937, S. 73 und Willich 1996, S. 184.

296

Teil 2 – Werk

Kobylinskij-Ėllis die Verbindung der Rus’ zu Rom intensiver dar, als sie tatsächlich gewesen sein dürfte, so werten beide Pilgerreisen und Ehen als Zeichen der Ökumenizität während der Kiever Epoche.1146 Während Vilinskij jedoch noch nach weiteren ökumenischen Spuren auch in der Moskauer Periode sucht, hält sie Kobylinskij-Ėllis in dieser Zeit für eindeutig abgebrochen.1147 Für Čaadaev und Kobylinskij-Ėllis verkörpert das katholische Mittelalter bzw. der mittelalterliche Katholizismus das Ideal.1148 In diesem Punkte würde ihnen Vilinskij sicherlich nicht zustimmen, der vor allem den zeitgenössischen Katholizismus, der (soziale) Verantwortung in der Welt übernimmt, bewundert.1149 Im Gegensatz zu Čaadaev und Solov’ev weist Kobylinskij-Ėllis wie auch Vilinskij auf die Nähe zwischen der östlichen und der westlichen Kultur hin und sieht eher eine polare Dualität in der russischen Volksseele selbst, die tief gespalten sei.1150 In ihr verbinde sich Heiliges (die östlich-christliche Weisheitssendung) mit gottlos Dämonischem (Sekten, Bolschewismus), weshalb Kobylinskij-Ėllis auch den Bolschewismus weniger als wirtschaftliche und politische Erscheinung denn als vorrangig antireligöses Phänomen, als „fanatische Diesseitsreligion des menschlichen Kollektivismus“ auffaßt.1151 Es konnten keine Hinweise darauf gefunden werden, daß Vilinskij tatsächlich mit den Ideen Kobylinskij-Ėllis vertraut gewesen ist. Es scheint jedoch für ihre Situation als russische Immigranten, die sich nicht „in a Russian-speaking Russian Orthodox milieu“1152 [in einem russisch sprechenden russisch-orthodoxen Milieu] bewegen, sondern in eher abgeschiedenen westlichen Gegenden – süddeutscher katholischer Raum und Mähren –, die von einer starken traditionellen Gläubigkeit geprägt sind, spezifisch, wie sie die Lehre(n) Solov’evs weiterentwickeln, wobei ihnen Kobylinskij-Ėllis sicherlich wesentlich mehr verpflichtet bleibt als Vilinskij. Sie suchen ihren Platz in diesen Gemeinschaften, den sie natürlich umso leichter finden können, je mehr Gemeinsamkeiten sie zu ihrer eigenen russisch-orthodoxen Herkunftskultur aufweisen. Insofern liegt es nahe, daß sie nach dem Verbindenden suchen. Darin unterscheiden sie sich von den in den Zentren der Emigration (v. a. Paris) verbreiteten Ideen, deren Focus eher darauf liegt, der über Europa verstreuten russischen Emigration eine Gruppenidentität zu verleihen, durch die sie sich von dem Katholizismus abgrenzt, und die Religiöses mit Patriotischem vereint.1153 1146 1147 1148 1149

1150 1151 1152

1153

Kobilinski-Ellis 1937, S. 67. Kobilinski-Ellis 1937, S. 71. Vgl. Willich 1996, S. 166. Das heißt, daß sich beide Sichtweisen von der der Slavophilen unterscheiden, die das radikale, revolutionäre Ideal der französischen Revolution in den Mittelpunkt stellen und für die scharfe Trennung zwischen Rußland und dem Westen verantwortlich sind (s. Čiževskij 1947, S. 27 und Falk 1954, S. 25). Kobilinski-Ellis 1937, S. 67 und 72f. Kobilinski-Ellis 1937, S. 73f. So Halperin über Vernadskijs Leben in Prag (Halperin, Charles J.: Russia and the Steppe: George Vernadsky and Eurasianism, in: Forschungen zur osteuropäischen Geschichte, Berlin 1985, S. 55-194, hier: S. 74). Diesem Zusammenhang ordnet Vladimir Kozlovsky die Herausgabe von Rossija i latinstvo

Religiös-theologische Schriften

297

Zweites Vatikanisches Konzil In Velehrad wurde keine konsequente und methodisch geschlossene Synthese einer ökumenischen Theologie entwickelt, die man mit der Terminologie der systematischen Theologie beschreiben könnte. Trotzdem kann man sehen, daß die Hauptgedanken sich in der Konzilslehre wiederfinden lassen.1154 Ludvik Nemec unterstreicht diese avantgardistische Rolle der unionistischen Kongresse von Velehrad: The Unionistic Congresses in Velehrad represent a truly pioneering ecumenical effort on the part of the Slavs. […] one can clearly see the preoccupation of these Congresses with efforts toward a Catholic-Orthodox dialogue on both the theological and practical levels so long before the steps of Vatican II in that direction.1155 Die unionistischen Kongresse in Velehrad repräsentieren eine wirklich ökumenische Pioniertat eines Teils der Slaven. Man kann in den Bemühungen dieser Kongresse um den katholisch-orthodoxen Dialog auf sowohl theologischer als auch praktischer Ebene klar sehen, daß sie die Schritte des Zweiten Vaticanums in dieser Richtung lange vorweggenommen haben.

Ähnlich kann man es bei Skalický lesen, der die Kongresse als eine der ersten und bedeutendsten Initiativen der späteren ökumenischen Bewegung bezeichnet: „Můžeme zde, myslím, být právem hrdi na to, že opět jednou jsme v něčem stáli v čele křesťanského duchovního proudění“1156 [Wir können hier meiner Meinung nach zurecht stolz darauf sein, daß wir wieder einmal auf irgendeine Weise an der Spitze einer christlichen geistigen Strömung standen], deren Kontinuität allerdings aufgrund der weiteren historischen Entwicklung unterbrochen wurde. In die Zeit des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) fiel das einhundertjährige Jubiläum der Millenniumsfeiern von 1863 und somit der 1.100. Jahrestag der Ankunft Cyrill und Methods in Großmähren. Papst Johannes XXIII., der übrigens 1927 – noch als Apostolischer Visitator in Bulgarien, Angelo Giuseppe Roncalli – einen Gruß an den fünften Kongreß in Velehrad schickte,1157 stellt deshalb in dem

1154

1155

1156

1157

[Rußland und das Lateinertum] zu, die er als politischen Akt gegen die gegenseitige Entfremdung der russischen Emigration deutet (Kozlovsky, Vladimir: Der Eurasismus – Ideengeschichte und Entwicklung einer russischen Bewegung, in: Kaiser, Markus [Hg.]: Auf der Suche nach Eurasien. Politik, Religion und Alltagskultur zwischen Russland und Europa, Bielefeld 2004, S. 139-172, hier: S. 158). Górka 1995, S. 121. Hrynioch erkennt – noch vor Abschluß des Konzils – den Einfluß der cyrillo-methodianischen Idee am deutlichsten „bei der Behandlung des Schemas über die hl. Liturgie“ (Hrynioch 1967, S. 202). Nemec, Ludvik: The Czech Jednota, the Avant-garde of Modern Clerical Progressivism and Unionism, in: Proceedings of the American Philosophical Society, Jg. 112, Nr. 1, Februar 1968, S. 74-100, hier: S. 79 (FN 18). Auch Lášek weist auf die Bedeutung der wissenschaftlichen Ergebnisse der Velehrader Kongresse hin, die zu wesentlichen Verschiebungen des Verhältnisses der römisch-katholischen Kirche gegenüber dem christlichen Osten beigetragen und ihren Niederschlag in den Konzilsdokumenten gefunden haben (Lášek 2005, S. 11). Skalický, Karel: Radost a naděje, Řím 1968, S. 211. Vgl. dazu auch Kasalaj 1972, S. 191; Górka 1995, S. 108f. und Machilek 2004, S. 394 (dort noch weiter ähnliche Einschätzungen). Esterka 1971, S. 28 und 40.

298

Teil 2 – Werk

apostolischen Brief Magnifici eventus dieses Ereignis und das Wirken des Apoštolát sv. Cyrila a Metoděje unter der geistigen Führung Stojans, dessen geistige Haltung Dominik Pecka als „slovanský ekumenismus“1158 [slavischen Ökumenismus] bezeichnet, ausdrücklich in einen Zusammenhang mit den Zielen des Zweiten Vaticanums.1159 Das verabschiedete Dekret über den Ökumenismus De Oecumenismu oder nach den Anfangsworten Unitatis redintegratio1160 bildet zweifelsohne neben dem neu definierten Verständnis von der Kirche einen der Kernpunkte des gesamten Konzils. Karel Skalický beschreibt in seinem Werk Ekumenismus na druhém vatikánském koncilu1161 [Ökumenismus auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil], daß das nicht konkretisierte Hauptanliegen Johannes XXIII. für die Einberufung des Konzils die Vereinigung der Christenheit gewesen sei. Das wird durch die Einrichtung eines gesonderten Sekretariats zur Förderung der Einheit der Christen neben den elf Konzilskommissionen bestätigt, mit dessen Vorsitz Kardinal Augustin Bea betraut wurde1162 und durch die Einladung von Vertretern nicht-katholischer Kirchen als „delegierte Beobachter“, das heißt als offizielle Abgesandte ihrer Kirchen, die über das Einheitssekretariat Anregungen und Vorschläge zur Verbesserung der Vorlagenentwürfe geben konnten.1163 An dem Dekret über den Ökumenismus fällt eine neue Rhetorik auf: die Orthodoxen werden nicht mehr als Schismatiker bezeichnet und es wird nicht mehr über die Rückkehr der getrennten Brüder in den Schoß der römisch-katholischen Mutterkirche gesprochen, sondern von der Einheit der Kirche, die durch immer größere Annäherung aller an Christus wiedererlangt werden soll, was jedoch nicht heißt, daß die katholische Kirche nicht nach wie vor als die existierende eine Kirche verstanden werden würde, von der sich die anderen abgespalten haben.1164 Als Weg dorthin soll der (gleichberechtigte) brüderliche Dialog, der „sachkundig“ und „bußfertig“, „offenherzig“ und „lernbereit“ sein soll, dienen.1165 Der Ausdruck des brüderlichen Dialogs wird neu in eine offizielle katholische Lehre aufgenommen und stark frequentiert, ist uns jedoch seit Stojan bekannt und wurde durch Congar bestätigt.1166 1158

1159

1160

1161

1162

1163 1164 1165 1166

Pecka, Dominik: České katolictví 20. století v evropském kontextu, in: Neradová, Květoslava (Hg.): Katolická ročenka 1970, S. 60-70, hier: S. 63. Vgl. Ioannes XXIII: Magnifici eventus, in: http://www.vatican.va/holy_father/john_xxiii/apost_ letters/documents/hf_j-xxiii_apl_19630511_magnifici-eventus_lt.html; 1. Februar 2010. S. Jaeger, Kardinal Lorenz: Das Konzilsdekret „Über den Ökumenismis“. Sein Werden, sein Inhalt und seine Bedeutung. Lateinischer und deutscher Text mit Kommentar, Paderborn 1965 und Becker, Werner (Einführung)/Feiner, Johannes (Kommentar): Dekret über den Ökumenismus, in: Das Zweite Vatikanische Konzil. Konstitutionen, Dekrete und Erklärungen. Lateinisch und Deutsch. Kommentare, Teil II, Freiburg/Basel/Wien 1967, S. 10-126. Skalický, Karel: Ekumenismus na druhém vatikánském koncilu, Kostelní Vydří 1997, u. a. S. 14-16. Pesch, Otto Hermann: Das Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965). Vorgeschichte – Verlauf – Ergebnisse – Nachgeschichte, Würzburg 21994, S. 68f. und Skalický 1997, S. 36f. Pesch 21994, S. 72 und Skalický 1997, S. 59. Vgl. Pesch 21994, S. 217. Pesch 21994, S. 229f. Die Methode des Dialogs, die im Dekret über den Ökumenismus beschrieben wird, ist also keine grundsätzliche historische Neuheit auf diesem Gebiet, was Císař behauptet (vgl. Císař 1987, S. 70).

Religiös-theologische Schriften

299

Den nicht-katholischen Christen werden nicht mehr sämtliche christlichen Werte und Sakramente abgesprochen, sondern sie werden (weil sie getauft sind) als Glieder von Kirchen oder Kirchengemeinschaften bzw. kirchlichen Gemeinschaften (im Original: „communitates ecclesiales“) akzeptiert – das ist im Hinblick auf die Protestanten neu. Es wird also eingeräumt, daß es Kirchlichkeit außerhalb der römisch-katholischen Kirche gibt und daß es in diesen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften ebenfalls möglich ist, zum Heil zu finden. Damit wird auch die protestantische ökumenische Bewegung anerkannt, was darin praktisch zum Ausdruck kommt, daß sich die katholische Kirche nach dem Konzil offiziell an den ökumenischen Versammlungen beteiligt.1167 Sie begibt sich in die bestehende ökumenische Bewegung hinein, die außerhalb ihrer selbst entstanden ist. Pesch weist ausdrücklich auf das Bedeutsame dieses Vorgangs hin, denn [d]amit begibt sich die Kirche, die ja gleichzeitig den Integrationsgrundsatz aufrechterhält, in eine logisch ausweglose Lage,

aber: Die logisch ausweglose Lage, auf der ,Eingliederung‘ aller Christen bestehen zu müssen und zu wollen und gleichzeitig an Wege der Einheit zu glauben, enthält die ganze Pointe der Konzilslehre von der Einheit der Kirche. […] Das Konzil weiß keinen dem katholischen Christen möglichen Weg zur Einheit der Kirchen.1168

Die römisch-katholische Kirche nimmt diese paradoxe Situation an und vertraut darauf, sie unter Führung des Geistes Christi zu bestehen.1169 Skalický sieht als eine Folge des Zweiten Vaticanums, daß innerhalb des Katholizismus eine demütigere und realistischere Auffassung von der Vereinigung Oberhand gewinnen konnte, die auch mit nötigen Reformen innerhalb der katholischen Kirche rechnet. Alle Kirchen müßten sich gemeinsam um die möglichst vollkommene Verwirklichung der einen Kirche bemühen, was innere Reformen aller beteiligten Kirchen erfordert, also auch der katholischen.1170 1167

1168 1169 1170

Císař 1987, S. 42, vgl. auch Filipi, Pavel: Od Unitatis redintegratio k Ut unum sint. Ekumenická otázka 30 let po II. vatikánském koncilu, in: Hanuš, J./Štampach, O. I./Ryšková, M./Fiala, P./Filipi, P./Kunetka, F./Smolík, J./Ventura, V./Spousta, J. Ve znamení naděje. Proměny teologie a církve po II. vatikánském koncilu, Brno 1997, S. 59-66, hier: S. 60. Noch 1948 bzw. 1954 wurde durch Pius XII. die Teilnahme katholischer Beobachter an der Weltkirchenkonferenz in Amsterdam bzw. Evanston untersagt. In der Instruction Ecclesia Catholica von 1950, in der das Wirken des Heiligen Geistes in der Ökumenischen Bewegung anerkannt wird, kann jedoch das erste Anzeichen einer Wende in der Haltung der katholischen Kirche gegenüber der Ökumenischen Bewegung verzeichnet werden (vgl. Becker, Werner: Einführung, in: Becker/Feiner 1967, S. 1139, hier: S. 11). Auch Thomas Bremer hält die Teilnahme an der ökumenischen Bewegung für ein entscheidendes Indiz dafür, daß eine Kirche ein gewisses Maß an Toleranz gegenüber anderen Konfessionen walten lassen kann, sich also dem Dialog verschreibt (Bremer 2006, S. 22). Pesch 21994, S. 228f. Vgl. Pesch 21994, S. 231. Vgl. Skalický 1968, S. 211f. Bereits Rademacher vertrat die Überzeugung: „Wie auch die Verwicklungen zwischen Religion und Gesellschaft und die Unionsfragen sich eines Tages lösen werden, so ist das eine sicher, daß auch die katholische Kirche als eine andere, nicht

300

Teil 2 – Werk

Wenn man sich noch einmal die Terminologie Marianovs vergegenwärtigt, der noch von „katholischem Ökumenismus“ spricht, fällt beim Blick auf das Dekret über den Ökumenismus auf, daß es sein neues ökumenisches Denken auch darin zum Ausdruck bringt, daß die Konzilsväter bewußt davon Abstand nahmen, das erste Kapitel wie geplant mit Die Prinzipien des katholischen Ökumenismus zu überschreiben. Sie änderten die Formulierung in Die katholischen Prinzipien des Ökumenismus [De catholicis Oecumenismi principiis]1171 und erkennen damit an, daß es bereits eine weltweite ökumenische Bewegung gibt und eröffnen den Katholiken die Möglichkeit, sich an ihr nach ihren katholischen Prinzipien zu beteiligen.1172 Es gibt keinen spezifischen katholischen Ökumenismus, sondern Ökumenismus (auch) von Katholiken. Die katholische Kirche hatte erkannt, daß es an der Zeit ist, ihren Beitrag zum Ökumenismus zu leisten und verknüpfte ihr Rufen nach der Einheit der Christenheit mit der Wiederbelebung der cyrillomethodianischen Tradition. Die Erkenntnis, daß die Aussöhnung zwischen Ost und West untrennbar mit der religiösen Aussöhnung der Slaven verbunden ist, stellte eine der Grunderkenntnisse für die gesamte theologisch-praktische Tätigkeit der Velehrader Kongresse dar. Sie zeigten, daß es unerläßlich sei, sowohl von den als proselytisch aufzufassenden uniatischen Praktiken als auch von Einzelkonversionen als auch von panslavischen Utopien, die dauerhaft nicht fruchtbar sein können, Abstand zu nehmen, weil diese außer acht lassen, daß die Einheit nur ein übernatürliches Werk sein kann, da es um den mystischen Körper der Kirche geht (zu der auch die orthodoxe Kirche zählt).1173 Wichtige Möglichkeiten, sich diesem zu nähern, stellen das Gebet und das Vertrauen auf Gnade dar. Da die Kongresse keine außerreligiösen Ziele verfolgt haben, begingen sie nicht den Fehler, die Einheit gewaltsam vorantreiben oder in den Lauf der Geschichte eingreifen zu wollen, sondern bereiteten lediglich den Boden für die gegenseitige Annäherung. Als Wendepunkt in den unionistischen Bestrebungen kann die Tendenz bezeichnet werden, sie von einer neuen ekklesiologischen Konzeption her abzuleiten. Diese Ideen fanden Eingang in die Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium und wurden in dem Dekret über den Ökumenismus ausgeweitet.1174

1171

1172 1173 1174

der Substanz, aber der Erscheinung nach, und […] heiliger aus ihnen hervorgehen wird“ (Rademacher 1937, S. 145). In der Enzyklika Ad Petri Cathedram (1959) werden die getrennten Brüder eingeladen, ins Vaterhaus zurückzukehren, dieses werde jedoch erneuert sein (vgl. Schulz, Hans-Joachim: Der Ökumenische Dialog zwischen der katholischen Kirche und den orthodoxen Kirchenfamilien, in: Nyssen, Wilhelm/Schulz, Hans-Joachim/Wiertz, Paul [Hgg.]: Handbuch der Ostkirchenkunde. Band III, Düsseldorf 1997, S. 211-244, hier: S. 213). Jaeger 1965, S. 27f.; Feiner, Johannes: Kommentar, in: Becker/Feiner 1969, S. 40-126, hier: S. 44-69 und Pesch 21994, S. 227. Jaeger 1965, S. 54f. Vgl. Górka 1995, S. 115ff. Pesch 21994, S. 212-215. Górka untermauert die (nicht nur personelle) Kontinuität dieser ekklesiologischen Überlegungen, indem er in dem Kapitel Powiązanie tradycji welehradzkiej z II Soborem Watykańskim [Verbindungen der Velehrader Tradition mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil], in: Górka 1995, S. 107-115 eine ganze Reihe von Vertretern anführt, die Pesch 21994, S. 212-215. Górka untermauert die (nicht nur personelle) Kontinuität dieser ekklesiologischen Überlegungen, indem er in dem Kapitel Powiązanie tradycji welehradzkiej z II Soborem

Religiös-theologische Schriften

301

Kocourek hält mit dem Zweiten Vaticanum das Kapitel Unionismus für abgeschlossen.1175 Allerdings ist die Belebung der ökumenischen Theologie und Praxis in direkter Folgezeit des Konzils längst wieder abgeschwächt und es muß etwa seit 1970 das Stocken des ökumenischen Dialoges konstatiert werden. Die Suche nach konfessioneller Eindeutigkeit hat in vielen Fällen längst wieder die ökumenische Offenheit verdrängt, was mit einer Reihe antiökumenischer Maßnahmen Roms einhergeht.1176 Was man in diesem Zusammenhang nicht unterschätzen sollte, ist, daß selbstverständlich den Beschlüssen des Vaticanums ein ganz anderes Gewicht und eine andere Autorität zufallen als denselben dreißig Jahre zuvor in Velehrad ausgesprochenen Worten und Ideen.1177 Allerdings bürgen die Velehrader Aussagen durch die Wahrhaftigkeit des Dialogs, der an diesem Ort stattgefunden hat. Seit dieser Zeit sind die Bemühungen auch der nachfolgenden Päpste um eine Wiedervereinigung zwischen Katholiken und Orthodoxen nicht mehr abgerissen.1178 Dem Dekret folgten neben verschiedenen Erklärungen und Schreiben eine zweiteilige Ökumenische Direktive (Ad totam Ecclesiam, 1967 und Spiritus Domini, 1970) und Réflexiones et suggestions concernant le dialogue oecuménique, 1970,1179 außerdem

1175 1176 1177

1178

1179

Watykańskim [Verbindungen der Velehrader Tradition mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil], in: Górka 1995, S. 107-115 eine ganze Reihe von Vertretern anführt, die sowohl an den Beratungen in Velehrad als auch ungefähr dreißig Jahre später im Vatikan aktiv beteiligt waren. Kocourek 1994, S. 260. Vgl. Pesch 21994, S. 230f. und 370f. Weltweite Wirkung kann erst durch ein Konzil erlangt werden. So schreibt zum Beispiel D. Ė. Pučkin unter Vernachlässigung aller vorherigen Bemühungen pauschal, daß bis zum Zweiten Vaticanum innerhalb der katholischen Kirche überhaupt keine Ökumene gefördert worden sei (Pučkin, D. Ė.: Blaž. Leonid Fedorov i latinskij obrjad, in: http://www.crusader.org.ru/fedoroff.html; 10. Januar 2005). Die Hoffnung von Johannes Paul II., der bei seinem Türkeibesuch im November 1979 von zwanzig Jahren sprach, in denen die Vereinigung der beiden Kirchen wieder erfolgt sein sollte (vgl. Škrášek 1996, S. 95), war, wie wir heute wissen, zu optimistisch. Aus orthodoxer Sicht stellt sich die Beziehung (v. a. nach 1990) nicht als so problemlos dar. Imrich Belejkanič meint, daß das Dekret über den Ökumenismus eine Form der gegenseitigen Beziehungen zeichne, für die der römische Katholizismus noch nicht reif sei (Belejkanič, Imrich: Unionizmus ako ekleziologický problém, Prešov 1999, S. 77). Der Hauptvorwurf ist die fortdauernde Unterstützung des griechischen Katholizismus (der hier und ansonsten ebenfalls häufig mißverständlich als ,Unionismus‘ bezeichnet wird) durch den Vatikan, was von orthodoxer Seite als Proselytismus aufgefaßt wird – allerdings wird auch von katholischer Seite von dieser Form des Unionismus Abstand genommen, da erkannt worden ist, daß er nicht zur Einheit der Christenheit beiträgt, sondern im Gegenteil zu neuen Spaltungen führt. Die Beziehung beruhe nicht auf christlicher Liebe, sondern fordere Gerechtigkeit (ebd., S. 77 und 111 und Hryniewicz 1999, S. 164). Nach Einführung der Religionsfreiheit in den ehemaligen kommunistischen Ländern kam es zu einer Explosion des Uniatismus (Galitis, Geordios: Die orthodoxe Kirche im Dialog, in: NyssenSchulz/Wiertz (Hgg.) 1997, S. 245-257, hier: S. 249). Vgl. auch Ventura, Václav: Ekumenické snahy na Východě, in: Hanuš et al. 1997, S. 83-93, hier: S. 88. Über die rechtlich-politischen Schwierigkeiten einer Annäherung der Konfessionen innerhalb Rußlands nach 1990 Kääriäinen, Kimmo: Die Russische Orthodoxe Kirche und ihr Verhältnis zu anderen Konfessionen, Köln 1995 (= Berichte des Bundesinstituts für ostwissenschaftliche und internationale Studien). Vgl. die Liste der Dokumente, die nach dem Konzil herausgegeben worden sind, bei Císař 1987, S. 118-120.

302

Teil 2 – Werk

wird es berücksichtigt in den verbindlichen Direktiven des danach (1983) erschienenen neuen katholischen Rechtskodexes. Die Arbeit des Sekretariats für die Einheit der Christenheit wurde abgelöst durch den Päpstlichen Rat für die Einheit der Christenheit, der die Grundlagen des Ökumenismus interpretiert und bei der Koordination der ökumenischen Arbeit hilft.1180 Besonders engagiert hat sich für die Überwindung der Kirchenspaltung Johannes Paul II. eingesetzt, der immer wieder an das Glaubenserbe der slavischen Völker erinnerte (u. a. mit den Enzykliken Slavorum apostoli, 1985 und Ut unum sint, 1995 und den apostolischen Schreiben Egregiae virtutis, 1980 und Orientale Lumen, 1995). Seine Bemühungen finden ihre Fortsetzung unter Papst Benedikt XVI., der bei seinem Amtsantritt im April 2005 verkündete, daß die Aussöhnung der katholischen Kirche mit den orthodoxen Gläubigen die Priorität seines Pontifikats bilde, und was er im darauffolgenden Jahr mit einer Reise in die Türkei praktisch bestätigte. Das bisherige Wirken von Benedikt XVI. läßt eine Abgrenzung von allgemein ökumenischen Bemühungen zugunsten einer einseitigen Ausrichtung auf die katholisch-orthodoxe Annäherung erkennen. Die durch ihn bestätigten Antworten auf Fragen zu einigen Aspekten bezüglich der Lehre über die Kirche, die die Kongregation für die Glaubenslehre am 29. Juni 2007 beschlossen hat, stellen wesentlich schärfer als das Zweite Vaticanum den Gegensatz zwischen den Ostkirchen und „den Gemeinschaften, die aus der Reformation des 16. Jahrhunderts hervorgegangen sind“, heraus. Die ersten können als „Kirchen“ bezeichnet werden, die zweiten können hingegen nicht als „Kirchen“ bezeichnet werden, „[w]eil diese Gemeinschaften nach katholischer Lehre die apostolische Sukzession im Weihesakrament nicht besitzen und ihnen deshalb ein wesentliches konstitutives Element des Kircheseins fehlt“.1181 In dem Dekret über den Ökumenismus ist dahingegen die Rede von den „getrennten Kirchen und Kirchlichen Gemeinschaften im Abendland“ (Art. 19), wobei das Dekret bewußt nicht entscheidet, „welche von diesen Gemeinschaften vom katholischen Glaubensstandpunkt aus als Kirchen im theologischen Sinn zu bezeichnen sind“.1182 Die Antworten […] 1180

1181

1182

Štampach, Odilo Ivan: Nástin ekumenické teologie. Informace a úvahy s ohledem na českou ekumenickou situaci, Praha 1995, S. 13. Kongregation für die Glaubenslehre (unter Präfekt William Kardinal Levada): Antworten auf Fragen zu einigen Aspekten bezüglich der Lehre über die Kirche, in: http://www.vatican.va/roman_ curia/congregations/cfaith/documents/rc_con_cfaith_doc_20070629_responsa-quaestiones_ge.html; 19. Juli 2007. Wie bereits in der Note über den Ausdruck „Schwesterkirchen“ (2000) deutlich gemacht worden sei, sei die katholische Kirche die Mutter aller Teilkirchen, Schwesterkirchen können deshalb nur die Teilkirchen untereinander sein, auf die auch nur der Plural Kirchen anwendbar sei (Kongregation für die Glaubenslehre: Note über den Ausdruck „Schwesterkirchen“, in: http://www.vatican.va/roman_curia/congregations/cfaith/documents/rc_con_cfaith_doc_200006 30_chiese-sorelle_ge.html; 21. Januar 2008). Das wird wenig später in der Erklärung „Dominus Iesus“ noch deutlicher ausgeführt (Kongregation für die Glaubenslehre: Erklärung „Dominus Iesus“. Über die Einzigartigkeit und die Heilsuniversalität Jesu Christi und der Kirche, in: http://www.vatican.va/roman_curia/congregations/cfaith/documents/rc_con_ cfaith_doc_200008 06_dominus-iesus_ge.html; 21. Januar 2008). Feiner 1969, S. 110.

Religiös-theologische Schriften

303

sagen dreiundvierzig Jahre später ohne Zögern, daß keine der Reformationskirchen als „Kirche“ bezeichnet werden könne. In dem Dekret wird vor allem das Bemühen deutlich, die Gemeinsamkeiten und nicht vorrangig das Trennende darzustellen. Deshalb wird zuerst auf die beiden Sakramente hingewiesen, die die reformatorischen Kirchen vollziehen: Taufe und Abendmahl (Art. 22), durch die sie mit der katholischen Kirche verbunden sind, die diesen die erste Stelle unter allen Sakramenten zuerkennt, weil es „die im Neuen Testament am klarsten bezeugten und am stärksten betonten“ Sakramente sind.1183 Das Fehlen des Weihesakraments, das die Kongregation für die Glaubenslehre 2007 als Hauptargument gegen die Zuerkennung des KirchenStatus anführt, wird erst im letzten Absatz des Artikels 22 genannt, wobei seine Bedeutung nicht relativiert wird. Sie wird jedoch ebensowenig absolut gesetzt, denn es wird eben nicht ausgeschlossen, daß es im Abendland trotzdem „getrennte Kirchen“ gibt. Es wird deutlich, daß die Versuche, zu allumfassenden Lösungen hinsichtlich der kirchlichen Einheit zu gelangen, zu Beginn des 21. Jahrhunderts seitens der katholischen Kirche durch ‚kleine Schritte‘ abgelöst worden sind, die realisierbarer erscheinen. Daß das mit einer Rückkehr zu Auffassungen verbunden ist, die durch das Zweite Vaticanum bereits neu bewertet worden sind – es schleicht sich in den offiziellen Kommentar zum Beispiel wieder der Begriff des „katholischen Ökumenismus“ ein1184 –, ruft die ursprünglichen Velehrader Überlegungen wach, die sich ebenfalls nicht als allgemein ökumenisch verstanden haben, die ihrer Zeit jedoch fortschrittlich waren, während die Antworten […] einen Rückschritt für die Überwindung der Kirchenspaltung darstellen, weil sie von einem bereits erzielten Konsensus wieder abrücken.

Interkonfessioneller Dialog Ohne die verschiedenen Formen des Dialogs zwischen den Konfessionen, das heißt des Dialogs, der keine kontingenten Fragen, sondern die Kernfragen des eigenen Daseins, die von existentieller und letztgültiger Bedeutung sind, zum Gegenstand hat,1185 hier eingehender betrachten zu können, soll ihnen doch ein kurzer Blick gelten, denn mit Stojans Bemühungen wurden neue Wege beschritten, die Vilinskij aufnahm und die im weiteren Verlauf des 20. Jahrhunderts ausgebaut wurden. Der Institutionalisierung der Kommunikation zwischen den Christen kommt eine wichtige Bedeutung zu, denn erst durch sie kann Verbindlichkeit erreicht werden. Auf dem Zweiten Vaticanum stellte der belgische Bischof aus Brugge, Emiel-Jozef De Smedt, eine Methode des ökumenischen Dialoges vor. Grundvoraussetzung sei, 1183 1184

1185

Feiner 1969, S. 116. Kongregation für die Glaubenslehre: Kommentar zu den Antworten auf Fragen zu einigen Aspekten bezüglich der Lehre über die Kirche, in: http://www.vatican.va/roman_curia/con gregations/ cfaith/documents/rc_con_cfaith_doc_20070629_commentoresponsa_ge.html; 19. Juli 2007. Bremer 2006, S. 15.

304

Teil 2 – Werk

daß jeweils die gesamte und vollständige katholische Lehre zu jedem Argument dargelegt werde, das heißt nichts zu verschleiern, weil es sonst zu späteren Enttäuschungen und daraus erwachsendem Mißtrauen kommen könne.1186 Als weitere Bedingungen für den Dialog führt er an: – gut mit der gegenwärtigen Lehre der anderen Kirchen vertraut zu sein; – zu wissen, was die anderen an der eigenen Lehre für unvollendet oder unzulänglich halten; – bereit zu sein, zu prüfen, ob die eigene Ausdrucksweise nicht Vokabular und Rhetorik aufweist, die anderen schwer zugänglich sind; – die Kunst, die richtige Terminologie zu wählen, die sich nicht der Art des Denkens und Fühlens der anderen entgegenstellt; – sich jeder unfruchtbaren Polemik zu enthalten.1187 An demselben Ort stellt auch der spätere Kardinal, Prager Erzbischof und tschechische Primas František Tomášek seine Auffassung von dem Weg zu einer potentiellen Vereinigung vor, die sich vollkommen in der Velehrader Tradition bewegt und seitens der orthodoxen Beobachter mit viel Zustimmung aufgenommen wird: Dříve, než cokoli z naší strany podnikneme k jednotě, vyslechněme názor našich odloučených bratří. […] Mám na mysli přímý, čestný, užitečný a nutný styk. Je to první podmínka, aby náš rozhovor s nimi měl nějaký užitek. K dosažení jednoty mezi pravoslavnými a katolíky by měl být svolán nový všeobecný sněm, skládající se jak s biskupů pravoslavných, tak i katolických. […] Při všech diskusích obě strany musí mít za heslo: Znát smýšlení druhé strany, přiznat a přijmout vše, co prospívá jednotě.1188 Bevor wir von unserer Seite irgendetwas zur Einheit unternehmen, hören wir die Meinung unserer getrennten Brüder an. […] Ich denke an eine direkte, ehrbare, fruchtbare und notwendige Beziehung. Das ist die erste Bedingung, damit unser Gespräch mit ihnen irgendeinen Nutzen bringen kann. Zur Erlangung der Einheit von Orthodoxen und Katholiken sollte ein neues allgemeines Konzil einberufen werden, das sich sowohl aus orthodoxen als auch katholischen Bischöfen zusammensetzt. […] Bei allen Diskussionen sollten sich beide Seiten nach dem Motto richten: die Denkart der anderen Seite kennen, alles anerkennen und annehmen, was der Einheit dient.

Auch wenn er sich auf den interreligiösen – der nicht die Einheit der Christen, sondern „die Offenheit für ein menschliches Miteinander jenseits aller Vorurteile, Utopien und Fiktionen“1189 (Konvivenz) als Ziel formuliert – und nicht auf den interkonfessionellen Dialog bezieht, seien doch einige Ausführungen Christoffer Grundmanns in die Überlegungen aufgenommen, weil sie mir allgemein für den Dialog richtungsweisend scheinen, den er definiert: […] als das thematische, sachorientierte Gespräch über strittige Fragen von existentieller 1186

1187 1188 1189

Er wendet sich damit gegen den sogenannten falschen Irenismus, der – um zu einer schnellen Annäherung zu gelangen – absichtlich konfessionelle Unterschiede verschweigt und deshalb von der katholischen Kirche im 20. Jahrhundert abgelehnt wird (vgl. Císař 1987, S. 18). Vgl. Skalický 1997, S. 70f. und Císař 1987, S. 35. Cit. nach Vystrčil, Jaroslav: Křesťanský východ, Olomouc 1992, S. 38f. Grundmann, Christoffer H.: In Wahrheit und Wahrhaftigkeit. Für einen kritischen Dialog der Religionen, Hannover 1999, S. 16.

Religiös-theologische Schriften

305

Bedeutung, das im Prozeß des aufrichtigen Miteinanderringens zu einer sachgemäßeren Erkenntnis der anliegenden Probleme führt […].1190

Der so verstandene Dialog verfolgt nicht ein bestimmtes normatives Ziel, keinen Zweck und auch keinen Kompromiß, sondern es geht um den gemeinsamen Erkenntnisprozeß, um verständnisvolle Einsichten, die aus dem Prozeß des vorbehaltlosen miteinander Redens erwachsen. Voraussetzung ist die grundsätzliche Bereitschaft aller Beteiligten, „aufzubrechen und vertraute Ausgangspositionen hinter sich zu lassen“ und dabei keine „bewährten und geschätzten Fundamentaleinsichten als solche dem dialogischen Erkenntnisprozeß vorzuenthalten“ oder etwas zu verheimlichen.1191 Aufrichtigkeit und Wahrhaftigkeit stellen die Grundprinzipien eines erfolgreichen Dialogs dar, was impliziert, „bewußt das unpopuläre Risiko des Konflikts“1192 einzugehen. Das schließt den eventuellen Konflikt mit sich selbst ein, denn die eigene Verführbarkeit sollte nicht unterschätzt, sondern mit angemessenem Mißtrauen bedacht werden. Die Orientierung müsse mehr auf dem Weg als auf dem Ziel liegen,1193 um dieses nicht durch Voreingenommenheiten und mangelnde Offenheit zu verstellen. Diese Offenheit wird durch die Verwendung des Begriffs Dialog unterstrichen, der auf zwei gleichberechtigt am Gespräch beteiligte Partner hinweist. Der Begriff des Cyrillomethodianismus verweist auf die historische Tradition, auf der der eigene Standpunkt basiert. Es stellt sich also die Frage, wie offen die Teilnehmer eines solchen Dialogs sind, tatsächlich ihre eigene Position zu hinterfragen. Der Unionismus-Begriff gibt das Ziel des Dialogs vor und es scheint deshalb angesichts der gerade beschriebenen Form eines konstruktiven und kritischen Dialogs nicht mehr sinnvoll, diesen Begriff zu verwenden. Allerdings muß man unterstreichen, daß er in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts nicht einengend verstanden worden ist. In Velehrad wurde das echte Gespräch gesucht. Durch die Mithilfe Vilinskijs und einiger weiterer russischer Emigranten blieb es nicht auf katholische Teilnehmer beschränkt, die mit dem östlichen Ritus sympathisieren, sondern fand auch Interesse in orthodoxen Kreisen. Die unionistischen Kongresse sind ein gutes Beispiel dafür, daß nicht jede These sofort auf Zustimmung stoßen muß, um eine weitere Verständigung zu ermöglichen. Angesichts der neuesten Entwicklungen innerhalb der offiziellen katholischen Kirche wäre es bereits ein Fortschritt, wenn an den in Velehrad beschrittenen Weg wieder angeknüpft werden würde, der heute paradoxerweise zum zweiten Mal in der Geschichte seiner Zeit voraus ist. 1190 1191 1192 1193

Grundmann 1999, S. 78. Grundmann 1999, S. 78. Grundmann 1999, S. 117. Ein Problem des „Projektes Weltethos“ von Hans Küng, das sich aus der These speist, daß es kein Überleben ohne Weltethos, kein Weltfriede ohne Religionsfriede, kein Religionsfriede ohne Religionsdialog und kein Religionsdialog ohne theologische Grundlagenforschung gibt, scheint gerade darin zu liegen, daß Küng sehr imperativisch das Ziel des Dialogs vorgibt und sowohl von einer europäischen wirtschaftlich-politischen (öko-soziale Marktwirtschaft und Demokratie) als auch religiösen Situation (Monotheismus) ausgeht (vgl. Küng, Hans: Projekt Weltethos, München/Zürich 31991 und Küng, Hans/Kuschel, Karl-Josef: Erklärung zum Weltethos. Die Deklaration des Parlaments der Weltreligionen, München 21996).

Politisch-historische Schriften Der Bereich der politisch-historischen Schriften ist nicht in allen Fällen eindeutig von dem der religiös-theologischen zu trennen. So spielt zum Beispiel in die Überlegungen zur sogenannten slavischen Frage die cyrillomethodianische Idee hinein. Hier soll sie jedoch nicht unter dem unionistisch-religiösen, sondern dem allgemein slavischen Gesichtspunkt betrachtet werden. Damit ist bereits das erste Thema angedeutet, das in diesem Kapitel zur Sprache kommt: Vilinskijs Sicht auf verschiedene Konzeptionen vom Zusammenleben der Slaven. Dieser Frage hat er sich explizit in dem Buch K slovanské otázce. Tři koncepce slovanské vzájemnosti [Zur slavischen Frage. Drei Konzeptionen der slavischen Wechselbeziehungen] (1930) verschrieben, das eine erweiterte Zusammenstellung von Artikeln zu diesem Thema ist, die 1929 in verschiedenen Zeitungen bzw. Zeitschriften veröffentlicht worden sind. Es ist wie Rus se dívá na Č.S.R. im Verlag Václav Petr in Prag erschienen, wodurch deutlich wird, daß es nicht in den Bereich der religiösen Propagandaschriften gehört, die meistens von kirchlichen oder kirchennahen Verlagen verlegt worden sind. Dementsprechend findet es auch ein breiteres Publikum wie zum Beispiel den Außenminister Beneš, dessen Aufmerksamkeit Vilinskij durch dieses Werk auf sich zieht.1194 Das zweite Thema, zu dem Vilinskij immer wieder zurückkehrt, ist die Frage der Verfolgungen in Rußland. Diesem Themenkreis wird besonders in den Lidové listy und in Hlas breiter Raum gewährt. Andere Publikationsorgane lehnen es grundsätzlich ab, Kritik am sowjetrussischen System abzudrucken, was sie damit begründen, daß sie sich nicht in die Innenpolitik fremder Staaten einmischen wollen. Dazu zählt unter anderen Stan. Měsičník přátel literatury a umění [Das Zelt. Monatsschrift der Literatur- und Kunstfreunde], was insofern unglaubwürdig wirkt, weil Oldřich Zemek ostentativ für Toleranz eintritt, die sich aber ganz offensichtlich auf das Abdrucken prosowjetischer Meinungen beschränkt.1195 Bei den Texten, die Vilinskij für Hlas schreibt, fällt einerseits auf, daß die Darstellung für die in Amerika lebende Leserschaft immer einige Stufen drastischer ausfällt, als wenn er über die gleichen Themen in der Tschechoslowakei schreibt und daß andererseits die Formulierungen einen ganz offenen Antibolschewismus atmen, bzw. zum Teil primitiv polemisch erscheinen. Als Illustration sei der Titel 1194

1195

Protokoll vom 4. März 1931 (ZAO, fond ACM, Kniha 1 – Kniha zápisů z výborných schůzí ACM 1922-1941). Dazu sei angemerkt, daß es als „první ruská glosa k studii dra E. Beneše o slovanské politice a k odpovědi dra K. Kramáře Na obranu slovanské politiky“ [erste russische Glosse auf die Studie Dr. E. Benešs über die slavische Politik und auf die Antwort Dr. K. Kramářs Zur Verteidigung der slavischen Politik] angekündigt worden ist (in: Našinec, Jg. 65, Nr. 256, 08.11.1930, S. 4). Brief Zemeks an Vrzal vom 20. März 1930 und Karte Vilinskijs an Vrzal vom 13. März 1930 (Moravský zemský archiv, Brno [MZA], fond E 6 Benediktýni Rajhrad – Karton 237, Dn 23/2).

308

Teil 2 – Werk

eines Beitrages zur Gesinnungsprüfung, der sich russische Professoren unterziehen müssen, zitiert: Prohlídka profesorské hlavy (Četba pro ty, kdož z naší intelligence a z pánů redaktorů stále ještě velebí bolševickou triumfující bestii)1196 [Untersuchung des Professorenkopfes (Lektüre für diejenigen unter unserer Intelligenz und den Herren Redakteuren, die immer noch die bolschewistische triumphierende Bestie preisen)]. Da Vilinskij viele Artikel mehrfach verwertet, kann man den hier zitierten Untertitel mit dem ursprünglichen vergleichen, der dann für Amerika abgeändert worden ist – ob durch Vilinskij selbst oder den Chefredakteur Hynek Dostál, ist schwer zu sagen: Svoboda vědy v socialistickém státě1197 [Die Freiheit der Wissenschaft im sozialistischen Staat]. Auch werden gerne Anekdoten wiedergegeben, wie zum Beispiel die Antwort auf die Frage nach dem Unterschied zwischen Pius XI. und Stalin: „Papež Pius XI. je bohoslov (theolog), kdežto Stalin je bohoslov – bůh oslů!“1198 [Papst Pius XI. ist boho-slov (Theo-loge), wogegen Stalin boh-oslov (Gott der Esel) ist]. Mit dieser Sehnsucht nach einem klar definierten Feind scheint zusammenzuhängen, daß auch der „Nationalverband der russischen Jugend im Ausland“, der im Nationalismus das Mittel zur Befreiung Rußlands sieht,1199 seine antibolschewistische Tätigkeit im Hinblick auf die tschechischsprachige Presse vor allem auf Hlas konzentriert.1200 Die erste eigenständige Publikation in dem Bereich Verfolgungen in Sowjetrußland ist mit Pronásledování náboženství v Rusku [Die Verfolgung der Religion in Rußland] (1930) noch allein auf die Verfolgung der Christen ausgerichtet, was damit zusammenhängt, daß sie im Zusammenhang mit der bereits mehrfach erwähnten Protestaktion entstanden ist. Mit dieser Broschüre, in der Vilinskij Statistiken und erschütternde Beispiele sprechen läßt, sollen einerseits dem katholischen Leser Hintergrundinformationen gegeben werden und andererseits sein Mitgefühl mit den leidenden getrennten Brüdern geweckt werden, damit er versteht, weshalb ihn der Papst zum Gebet für die russische Kirche und das russische Volk aufgerufen hat. Diese Schrift hat großes Interesse geweckt und weite Verbreitung gefunden, so daß schnell eine zweite Auflage herausgegeben werden mußte.1201 Wesentlich interessanter sind jedoch die beiden weiteren Publikationen, die unter diesen Themenbereich fallen und nicht ein so vordergründiges Ziel verfolgen. Das ist zum einen mit V Rusku boj trvá … politické vraždy, procesy a spiknutí v SSSR [In Rußland dauert der Kampf an … politische Morde, Prozesse und Verschwörungen in der UdSSR] (1933) ein Buch über die verschiedenen Aspekte des innerrussischen 1196

1197

1198 1199 1200 1201

Prohlídka profesorské hlavy (Četba pro ty, kdož z naší intelligence a z pánů redaktorů stále ještě velebí bolševickou triumfující bestii), in: Hlas, Jg. 57, Nr. 4197, 22.07.1930, S. 2. Prohlídka profesorské hlavy. Svoboda vědy v socialistickém státě, in: Lidové listy, Jg. 9, Nr. 149, 01.07.1930, S. 6. Revoluční kvašení v sovětském Rusku, in: Hlas, Jg. 59, Nr. 4425, 27.09.1932, S. 4. Ruská kritika slovanské vzájemnosti, in: Lidové listy, Jg. 10, Nr. 198, 30.08.1931, S. 2. Kalikin, E.: Národní svaz ruské mládeže v zahraničí, in: Jedinstvo, Nr. 19, 10.07.1931, S. 4. Vgl. Protokoll vom 5. Mai 1930 (ZAO, fond ACM, Kniha 3 – Jednatelská kniha Apoštolátu 1920-1941).

Politisch-historische Schriften

309

antibolschewistischen Widerstandes und mit Ruská revolúcia1202 bzw. Ruská revoluce 1825-1936 [Russische Revolution] (beide 1936) ein Werk über die Entwicklung der russischen Revolution. Wie bereits aus Vilinskijs Biographie deutlich geworden ist, wendet er sich mehr und mehr wirtschaftlichen Fragestellungen zu, die hier nur ganz kurz angedeutet seien. Sowohl seiner Kritik an dem ersten sowjetischen Fünfjahrplan als auch der belletristischen Darstellung wirtschaftlicher Machenschaften in Praha kann man entnehmen, daß er staatlichen Eingriffen in wirtschaftliche Abläufe, wie es das im Frühjahr 1933 verabschiedete Kartellgesetz tut, das wirtschaftlichen Zusammenschlüssen besondere Vorzüge und besonderen Schutz einräumte, äußerst skeptisch gegenübersteht.1203 Diese Skepsis bezieht sich auch auf das Gewähren von Subventionen durch Steuernachlässe für Genossenschaften, das er für schädlich und unmoralisch hält, weil es willkürlich eine Gruppe privilegiert. Durch diese Form des kollektiven Unternehmertums entstanden jedoch große Unternehmen, die über viel Kapital verfügen, und die sich deshalb im Wettbewerb mit den privaten Unternehmen messen müßten. Erst auf dieser Grundlage werde sich zeigen, welcher Typ unternehmerischer Tätigkeit gesund sei und überlebe und welcher ohne fremde Hilfe zugrunde gehe. Die Gesellschaft basiere nun einmal auf Privateigentum und unternehmerischer Verantwortung, am Beispiel des unglücklichen Rußland könne man klar sehen, daß jede Form von Kollektivismus einen Schritt zurück darstelle, der zur Verelendung des Volkes führe.1204 1202

1203

1204

Die slowakische Ausgabe in der Übersetzung Vojtech Hatalas gilt als Originalausgabe (Ruská revoluce 1936, S. 5). S. Lemberg, Hans: Die Tschechoslowakei im Epochenjahr 1933, in: Bohemia, Jg. 25, 1984, S. 313-332, hier: S. 318. Spectator: Jednotlivecký obchod a družstevnictví konsumní a zemědělské, Brno 1934, S. 23, 51 und 60f. Dieses Buch ist unter dem Pseudonym Spectator erschienen, das Vilinskij nutzte. Die in ihm geäußerten Ansichten decken sich mit denen Vilinskijs, die man an anderer Stelle nachlesen kann, so daß wohl die Annahme berechtigt ist, daß er der Verfasser ist. Wie Bystrov ausführt, wurde der Verkauf der Restauflage dieses Buches nach dem Krieg (1945/46) verboten. Es wurden 405 Exemplare sichergestellt, denn das Buch enthalte fehlerhafte Stellen, die zwar nicht strafrechtlich verfolgt werden könnten, aber der demokratischen Ordnung und den staatsrechtlichen Verhältnissen zuwiderlaufen und so die öffentliche Ruhe und Ordnung stören, wie es in der Begründung an das Innenministerium hieß (Bystrov, Vladimír: Svobodná nesvoboda. Některé příklady postupující komunizace a sovětizace mediální krajiny v Československu a snah komunistů umlčet český nekomunistický a církevní tisk v letech 1945-1948, Praha 2006, S. 22f.). — Inhaltlich das Gegenteil, das heißt eine Verteidigung des Genossenschaftswesens, kann man dem Buch eines offensichtlich anderen Spektators – der eben auch anders geschrieben wird –, entnehmen, das im Folgejahr unter dem Titel Zrcadlo odpůrců družstevní svépomoci (O hospodaření v obchodnických družstvech) in Prag im Selbstverlag veröffentlicht worden ist. — Leider nicht zugänglich war mir das Buch Získali jsme uznáním SSSR de jure?, Brno 1934, das ebenfalls Spectator zum Autor hat. Martina Lustigová schreibt die Autorschaft ohne Erklärung Karel Kramář zu und betrachtet Spectator nicht als Pseudonym, sondern als Teil des Titels: Spectator: Získali jsme uznáním SSSR de jure? (s. Lustigová, Martina: Karel Kramář. První československý premiér, Praha 2007, S. 347 und 360). Dieser Auffassung widerspricht eine Anzeige, die 1936 in Národní myšlenka abgedruckt worden ist, in der als Autor Dušan Janko angegeben wird, der das Buch zu Kramářs Jubiläum herausgegeben habe (u. a. Jg. 13, Nr. 6-7, März/April 1936, S. 208b).

310

Teil 2 – Werk

Das Buch über die russische Revolution kann man als eine gute Vorbereitung auf seine Arbeit im Statistischen Zentralamt betrachten. Das ist auch der Grund, weshalb die politisch-historischen Arbeiten hier in der Chronologie ihrer Entstehung und nicht in der Chronologie der Ereignisse, die sie behandeln, betrachtet werden. Ihre Form wird zunehmend nüchterner, so als würde Vilinskij sich selbst durch Zahlen und Statistiken disziplinieren wollen. Die Artikel von Vilinskij, die mir aus der Zeit zwischen der Annexion Österreichs und kurz nach der Ausrufung des Protektorats Böhmen und Mähren bekannt sind, die in der Brázda und den Pražské noviny erschienen, behandeln vor allem wirtschaftliche Themen, wobei er – in Brázda als ‚Spektator‘ – die Methoden der Diktaturen zwar als hart und drastisch, doch als erfolgreich für die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit darstellt. Wenn es denn nach der Ernte zur Errichtung von Arbeitslagern kommen sollte, werde das nur ein Beweis dafür sein, daß die Tschechen mit den Arbeitsmethoden der Koalition wieder nicht auf der Höhe waren.1205 Er geht also davon aus, daß die diktatorischen Methoden übernommen werden, spricht von einer gezielten und breiten Säuberung1206 und von einem wirklich neuen Kurs,1207 die in der Wirtschaft nötig seien. Allerdings hatte er in den beiden Jahren zuvor (1936/37) in den Pražské noviny ein Loblied auf die erfolgreiche und umsichtige Wirtschaftspolitik der Regierung Hodža angestimmt und in einer Rezension in Venkov auf die Notwendigkeit der Demokratisierung des Wissens über komplizierte wirtschaftliche und finanzielle Fragen hingewiesen.1208 Nun begründet er im Interesse der Wirtschaft selbst die Notwendigkeit „rázné likvidace různých našich edicí, deníků i týdeníků, a soustředění tisku“1209 [einer energischen Liquidierung verschiedener unserer Editionen, Tages- und Wochenzeitungen und der Konzentration der Presse], womit er psychologisch den Boden für die bald erfolgenden Schließungen vieler Redaktionen durch die Protektoratsbehörden vorbereitet. Auf die Artikel, die 1940 in Protektoratszeitungen erschienen sind, ist oben bereits im Zusammenhang mit Vilinskijs Kollaboration eingegangen worden.

Konzeptionen der slavischen Wechselbeziehungen Nach dem Ersten Weltkrieg stellt sich durch die Entstehung der slavischen Nationalstaaten die Frage der slavischen Wechselbeziehungen vollkommen neu. Die einzelnen slavischen Völker (mit Ausnahme der Sorben) müssen nicht mehr gegen eine fremde Vorherrschaft um ihre Existenz kämpfen, sondern sie müssen nunmehr ihren Platz im gesamten europäischen politischen System finden, dessen Bestandteil 1205 1206 1207 1208 1209

Co bude s pracovními tábory, in: Brázda, Jg. 1 (19), Nr. 30, 27.07.1938, S. 475f., hier: S. 476. Přestavba, in: Brázda, Jg. 1 (19), Nr. 37, 14.09.1938, S. 589-591, hier: S. 591. Nový kurs, in: Brázda, Jg. 1 (19), Nr. 43, 26.10.1938, S. 653f., hier: S. 654. Economicus: „Časové otázky finanční politiky“, in: Venkov, Jg. 31, Nr. 4, 05.01.1936, S. 11. Co se stranickým hospodářstvím?, in: Brázda, Jg. 1 (19), Nr. 46, 23.11.1938, S. 709f., hier: S. 709.

Politisch-historische Schriften

311

sie geworden sind, sowohl im Hinblick auf die Diplomatie als auch auf die Wirtschaft. Außerdem zeigt Rußland keine Verbundenheit und kein besonderes Interesse gegenüber den anderen slavischen Völkern und lehnt zudem die in Versailles ausgehandelte neue Ordnung in Europa ab, durch die die Existenz der neuen slavischen Nationalstaaten garantiert wird.1210 Definitiv sind die Slavophilie allgemein1211 und jede Form der Idee des Messianismus gefallen, gleich, ob sie gesamtslavisch gemeint war oder nur von einzelnen slavischen Völkern (vor allem den Russen und den Polen) ausging.1212 Der Abschwächung der praktisch-politischen Dimension der slavischen Frage – Beneš spricht von dieser Zeit als einer Epoche „stagnace slovanství“1213 [der Stagnation der slavischen Idee] – steht besonders unter tschechischen Slavisten eine verstärkte Beschäftigung mit ihr auf akademischem Boden gegenüber, zu der es selbstverständlich in der Zeit vor der Staatsgründung in diesem Umfang nicht kommen konnte.1214 Es seien nur die Arbeiten von Jan Máchal, Lubor Niederle, Miloš Weingart, Jaroslav Bidlo, Frank Wollman, Josef Jirásek und das neu erwachte Interesse an Jan Kollár erwähnt.1215 1925 wurde der Slovanský ústav [Slavisches Institut] gegründet, der seine wirkliche Tätigkeit jedoch erst 1928 aufnahm, bereits auf das Jahr 1922 geht die Zeitschrift Slavia und auf 1929 die Zeitschrift Byzantinoslavica zurück, 1924 wurde der Slovanský přehled [Slavische Rundschau] nach zehnjähriger kriegsbedingter Pause erneuert.1216 Alle diese Initiativen wurden durch das tschechoslowakische Außenministerium unterstützt, so daß Beneš mit leichtem Stolz schreibt: „Praha v kulturní slovanské spolupráci vedla; dělal jsem to společně s T. G. Masarykem plánovitě a záměrně“1217 [Prag war in der kulturellen slavischen Zusammenarbeit führend; ich habe das zusammen mit T. G. Masaryk planmäßig und gezielt betrieben]. Für den objektiven, nichtromantischen Blick auf das Slaventum ist es zweifelsohne von Vorteil, daß durch die Forschungen keine aktuelle Politik gerechtfertigt 1210

1211 1212

1213 1214 1215

1216 1217

Vgl. Mágr, A. St.: Die Zukunft des Kongresses der slavischen Geographen und Ethnographen, in: Slavische Rundschau, Jg. 3, 1931, S. 101-110, hier: S. 105 und Valenta 1968, S. 368 und 393. Weingart, Miloš: Slovanská vzájemnost. Úvahy o jejích základech a osudech, Bratislava 1926, S. 210. K slovanské otázce 1930, S. 17f. Beneš meint, daß viele dieser Ideen bereits vor 1914 überholt waren, was durch den Krieg nur endgültig bestätigt worden sei (Beneš, Edvard: Úvahy o slovanství. Hlavní problémy slovanské politiky, London o. J. [1944], S. 162). Beneš o. J. [1944], S. 168. Vgl. Kudělka, Milan: [Einleitung], in: Šťastný (Hg.) 1968, S. 5-15, hier: S. 5. Máchal, Jan: Slovanské literatury. Díl I-III, Praha 1922-1929; Niederle, Lubor: Manuel de ľantiquité slave – Ľhistoire, Paris 1923 und – La civilisation, Paris 1926 (s. Eisner, Jan: Předmluva k českému vydání, in: Niederle, Lubor: Rukověť slovanských starožitností. K vydání připravil akademik Jan Eisner, Praha 1953, S. 9-11, hier: S. 9); Weingart 1926; Bidlo 1927; Wollman, Frank: Slovesnost Slovanů, Praha 1928 (dt. Frankfurt am Main et al. 2003); Jirásek 1929; Kollár, Jan: Rozpravy o slovanské vzájemnosti. Souborné vydání uspořádal Miloš Weingart, Praha 1929 und Horák, Jiří (Hg.): Slovanská vzájemnost. 1836-1936. Sborník prací k 100. výročí vydání rozpravy Jana Kollára o slovanské vzájemnosti, Praha 1938. Valenta 1968, S. 379 und 396. Beneš o. J. [1944], S. 171.

312

Teil 2 – Werk

werden soll. Bidlo betont zwar, daß slavische Wechselbeziehungen nach dem Krieg von viel wichtigerer Bedeutung seien als vor ihm, weil die internationalen Verhältnisse besonders für die kleinen Staaten sehr kompliziert sind, sieht die Aufgabe dieser Beziehungen letzten Endes jedoch nicht auf politischem Gebiet, sondern dem gegenseitiger Ratschläge, Hilfe und Sensibilität für die Interessen der anderen Slaven, wozu ein tiefes und systematisches, unparteiisches und kritisches Studium die Grundlage bilden könne.1218 Slavische Politik wich realer Staatspolitik,1219 in der „nationale Hilfsideologien wie die slavische keine tragende Bedeutung mehr“1220 haben und die sich nicht in einem Abhängigkeitsverhältnis von einem anderen Staat entwickeln darf. Damit sind positiv das vorrevolutionäre Rußland und negativ Deutschland gemeint, denn es handelt sich selbstverständlich ebenfalls um ein Abhängigkeitsverhältnis, wenn die slavische Politik als reine Abgrenzungspolitik gegenüber Deutschland verstanden wird.1221 Die relativ späte Anerkennung der Sowjetunion durch die Tschechoslowakische Republik, die im Gegensatz zu einer relativ frühen Aufnahme von gegenseitigen Beziehungen (1920) steht1222 – Masaryk: „Uznání de facto je dáno samým jednáním s bolševistickým Ruskem“1223 [Die Anerkennung de facto ist allein durch die Verhandlungen mit dem bolschewistischen Rußland gegeben] –, führt Hans Lemberg dann auch auf die Außenpolitik der Nationaldemokratischen Partei um Karel Kramář zurück, deren einziger Programmpunkt in der Umsetzung einer ‚Idee des echten Slaventums‘ bestand, die sich aus Dankbarkeit gegenüber Rußland speisen sollte, „das so viel Blut geopfert habe für die Freiheit der Tschechoslowakei, Serbiens usw.“1224 Nach der Auffassung Kramářs hat Rußland im Ersten Weltkrieg ohne eigene politisch-territoriale Absichten das Slaventum verteidigt, deshalb ist er aus moralischen Gründen gegen die Aufnahme von diplomatischen Beziehungen mit der Sowjetunion (Beneš ist aus politischen Gründen für ihre Aufnahme).1225 Der Abhängigkeit voneinander stellt Vilinskij die Freundschaft zueinander gegenüber und argumentiert dabei mit kulturellen und nationalen Ähnlichkeiten, die eine natürliche Sympathie begründen: Avšak zárukou existence všech slovanských národů může býti společné jejich přatelství, vedoucí ke koordinaci zájmů. Jest přirozeno, aby spolčení politické šlo po linii kulturní a národnostní příbuznosti.1226 1218 1219 1220

1221

1222 1223

1224 1225 1226

Bidlo 1927, S. 256. K slovanské otázce 1930, S. 10f. Lemberg, Hans: Tschechen und Russen. Die slavische Idee in der Tschechoslowakei 1918-1938, in: Bosl (Hg.) 1975, S. 185-200, hier: S. 199. Vgl. Jaworski, Rudolf: Die polnische und die tschechische Variante des Neoslawismus, in: Heumos (Hg.) 1997, S. 43-55, hier: S. 49. Lemberg 1975, S. 189f. Masaryk, Tomáš Garrigue: Pomoc Rusku Evropou a Amerikou, in: ders./Beneš, Edvard: Otevřít Rusko Evropě. Ruská otázka v roce 1922, Praha 1997, S. 7-19, hier: S. 8. Lemberg 1975, S. 186f. Lustigová 2007, S. 184 und 198. Duchovní život ruského národa 1931, S. 127.

Politisch-historische Schriften

313

Jedoch kann eine Garantie für die Existenz aller slavischen Völker ihre gegenseitige Freundschaft sein, die zur Koordinierung der Interessen führt. Es ist natürlich, daß die Bildung eines politischen Bündnisses auf der Grundlage verwandter Kultur und Nationalität erfolgt.

Moralische Autorität, die nicht ohne Einfluß auf das slavische Denken bleiben könne und durch deren Anerkennung das slavische Denken sich Achtung auch bei anderen Völkern verschaffen könne, sieht Vilinskij beim Völkerbund und beim Heiligen Stuhl,1227 denn die endgültige Lösung des slavischen Problems falle nicht in den Bereich der Politik, sondern der Ethik. Vom Herzen und Verstand aus müsse der Anfang gemacht werden, ehe man sich der Lösung der Grenzfragen (zum Beispiel der russisch-polnischen oder der bulgarisch-serbischen) zuwende.1228 Nicht nur in der Frage der Vereinigung der Kirchen bildet die psychologische Komponente also nach Meinung Vilinskijs den Schlüssel zur Lösung, sondern auch in der slavischen Frage. Die Überlegung, gerade diesen Bereich als gemeinsamen Ausgangspunkt für weitere Beziehungen fruchtbar zu machen, kann als logische Folgerung daraus aufgefaßt werden, daß ein ‚slavischer Geist‘ in der Idee der Menschlichkeit, Humanität und brüderlichen Liebe (Máchal) oder in einer ethischen Religiosität bzw. religiösen Ethik (Wollman) vermutet wird.1229 Vilinskij will von dem Verbindenden zur Überwindung des Trennenden gelangen. In K slovanské otázce stellt er unter Verwendung vieler Zitate die ablehnenden oder zustimmenden Äußerungen verschiedener Vertreter der einzelnen slavischen Staaten zu einer gemeinsamen slavischen Konzeption dar, wobei er selektiv vorgeht, denn sein Augenmerk gilt nur den modernen, konstruktiven, staatlichen und staatserhaltenden Interpretationen der Idee der Gemeinschaft, die also auf den Staat ausgerichtet sind, und nicht dem auf die Nationalität ausgerichteten revolutionären Verständnis,1230 wie es aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg bekannt ist. Dabei fällt auf, daß jeweils das Verhältnis zu Rußland die zentrale Frage bildet.1231 Die von ihm favorisierte Einbettung der slavischen in die staatlichen Interessen, was er staatserhaltendes Verständnis nennt,1232 geht mit den Forderungen einher, Loyalität gegenüber anderen slavischen und nichtslavischen Staaten gleichermaßen zu wahren, die Demokratie zu achten und den status quo anzuerkennen.1233 Vilinskij unterscheidet drei Richtungen, die verbindet, daß sie die Notwendigkeit und Berechtigung einer staatlichen slavischen Politik anerkennen: eine katholische, eine demokratische und eine traditionelle russophile.1234 1227

1228 1229 1230 1231 1232 1233 1234

K slovanské otázce 1930, S. 24. Deshalb plädiert er auch für die Aufnahme der UdSSR in den Völkerbund, denn nur durch sie könne der Weltfrieden gesichert werden (Námitky proti vstupu SSSR do Ženevy, in: Lidové noviny, Jg. 42, Nr. 449, 07.09.1934, S. 2; s. auch Ženeva. Východní pakt v jiné formě?, in: Zlín, Jg. 3, Nr. 38, 19.09.1934, S. 3). Duchovní život ruského národa 1931, S. 127. Máchal 1929, S. 751 und Wollman 1928, S. 234f. K slovanské otázce 1930, S. 45. K slovanské otázce 1930, S. 31. K slovanské otázce 1930, S. 56. K slovanské otázce 1930, S. 59. K slovanské otázce 1930, S. 59ff.

314

Teil 2 – Werk

Demokratische und russophile Konzeption Die demokratische und die russophile Position werden gleichberechtigt vorgestellt und gegeneinander abgegrenzt, der katholischen Position wird eine Sonderrolle zugedacht. Die demokratische Konzeption, die kein umfangreiches slavisches Programm habe, könne flexibel auf die jeweilige Situation reagieren, indem sie ihre philoso-

Politisch-historische Schriften

315

phischen Voraussetzungen bzw. moralischen Wertmaßstäbe auf den konkreten Fall appliziere. Dadurch werden alle Möglichkeiten offengehalten, den jeweils adäquaten Standpunkt einzunehmen.1235 Diese Konzeption richte sich an der Gegenwart aus und unterscheide sich vor allem dahingehend von der russophilen, daß sie eine bestimmte Weltanschauung habe, ihr eine unveränderliche Hierarchie allgemein menschlicher Werte zugrunde liege, die unabhängig von der Politik bestehen. Die Politik an sich stelle für sie keinen selbständigen Wert dar.1236 Ganz im Gegensatz dazu begrenze die russophile Strömung ihren Blick durch ein genaues Programm, das einen festen Rahmen bildet und sich nicht an die Wirklichkeit anpasse, so daß eine Kollision zwischen Ideal und Wirklichkeit vorprogrammiert sei.1237 Das Slaventum erscheint ihr als Endziel, als eigenständiger Wert, der nicht an weiteren – zum Beispiel moralischen – Maßstäben gestestet werden müsse.1238 Ihr Blick sei in die Zukunft gerichtet und sie rechnet dabei mit zwei Unbekannten: dem Fall des Bolschewismus und dem Interesse eines künftigen russischen Nationalstaates an der slavischen Frage, weshalb Vilinskij die Bezeichnungen „‚podmíněný panslavism‘“ [,bedingter Panslavismus‘] oder „‚prorocké, prophetické slovanství‘“1239 [‚wahrsagendes, prophetisches Slaventum‘] passender erscheinen würden. Methodologisch stellt Vilinskij der russophilen Konzeption ein konsequentes, rein konkretes und streng wissenschaftliches Vorgehen gegenüber, das nicht nur eine Diskussion ermögliche, sondern auch die Suche nach Wegen zur Korrektur und zur Erhellung des tatsächlichen Sachstandes eröffne. Denn die Konzeption einer slavischen Politik müsse auch Kritik ertragen und mit ihr umgehen können.1240 Diese Methode entspricht dem „kritický slavismus“ [kritischen Slavismus], dessen Inhalt Frank Wollman später als „vědecký realismus“ [wissenschaftlichen Realismus] definiert, der durch objektives Untersuchen aller Lebensbereiche der slavischen Völker die Grundlage zum kulturellen, wirtschaftlichen und politischen Zusammenwirken legen soll.1241 Zur Beurteilung der demokratischen und der russophilen Konzeption dient Vilinskij ihre Flexibilität und Praktikabilität als Hauptkriterium, dessen Tragbarkeit er an der russisch-polnisch-ukrainischen Frage näher untersucht. Weil sie nur mit einer von vielen potentiell möglichen Entwicklungen rechnet und sich nicht an der Wirklichkeit orientiere, lehnt er die russophile Konzeption, der großer Raum in der Gesamtdarstellung gewährt wird, ab.

1235 1236 1237 1238 1239 1240 1241

K slovanské otázce 1930, S. 63. K slovanské otázce 1930, S. 94. K slovanské otázce 1930, S. 63f. K slovanské otázce 1930, S. 94. K slovanské otázce 1930, S. 69. K slovanské otázce 1930, S. 75. Wollman, Frank: Český slavismus, jeho minulost a program, in: Macůrek, Josef (Hg.): Slovanství v českém národním životě, Brno 1947, S. 224-241, hier: S. 240f.

316

Teil 2 – Werk

Katholische Konzeption Die katholische Position stimmt nach Vilinskij kategorial mit der demokratischen überein und läßt sich deshalb nach denselben Kriterien von der russophilen abgrenzen – der Unterschied bestehe darin, daß die demokratische sich auf humanistische Werte beziehe, die katholische hingegen die slavischen Angelegenheiten an der katholischen Weltanschauung messe.1242 Diese katholische Weltanschauung stellt Vilinskij näher vor. Den Katholiken gehe es in erster Linie um eine kulturelle und geistige Annäherung, weil sie annehmen, daß die kulturelle Synthese der politischen vorausgehen müsse. Ein politisches Gebilde, welches nur auf wirtschaftlichen Interessen basiere, halten sie für unethisch.1243 Die Antwort auf die Frage, welche Werte zu den humanistischen zählen, bleibt er schuldig, was insofern tatsächlich eine Lücke darstellt, weil man nicht erfährt, woher sie ihre Verbindlichkeit oder moralische Autorität erhalten. Genau dieses Problem berührt Alfred Fuchs in seinem von Vilinskij rezensierten Werk Autorita,1244 in dem er schreibt, daß auch für die Demokratie eine höhere ethische Rechtfertigung unerläßlich sei. Getreu seiner Auffassung, daß Katholizismus und Orthodoxie die gleichen, nur zeitlich versetzten, Erscheinungen seien, schließt Vilinskij die Orthodoxie in die katholische Konzeption mit ein. Jeder Katholik habe die apostolische Pflicht, sich um die Verchristlichung aller Erscheinungen des Lebens zu bemühen, die noch nicht christlich sind.1245 Zu dieser innerkatholischen Aufgabe geselle sich die cyrillomethodianische als das Bemühen, alle slavischen Völker im Glauben zu vereinen. An dem Cyrillomethodianismus, der sich auf realer Grundlage – kulturelles und historisches Band zwischen Ost und West zu sein – einem Ideal verschrieben habe – der Vereinigung der Kirchen –,1246 könne man gut sehen, daß in der katholischen Konzeption die slavischen Beziehungen als Mittel verstanden werden, um zu einem höheren und allgemeineren Ziel zu gelangen:1247 „Přes slovanství k Bohu“1248 [Durch das Slaventum zu Gott]. Der Staat könne ebenfalls nur vom Unionismus profitieren. Weil der Vatikan, in dem sich die verschiedensten Interessen und daraus erwachsenden Einflußmöglichkeiten kreuzen, den Unionismus unterstütze, wachse auch seitens der päpstlichen Kurie das Interesse an dem Staat, in dem diese Bewegung aktiv sei. Als Folge werde dieser Staat an Prestige innerhalb der gesamten katholischen Welt gewinnen.1249 1242 1243 1244

1245 1246 1247 1248 1249

K slovanské otázce 1930, S. 98. K slovanské otázce 1930, S. 117. Fuchs, Alfred: Autorita, Praha 1930. Vgl. dazu Vilinskijs Rezension Fuchs, dr. Alfred: Autorita, in: Centraľnaja Evropa, Jg. 1 (3), Nr. 6, 1930, S. 377f. und Pavlincová, Helena: Alfred Fuchs, in: Gabriel (Hg.) 1998, S. 139f. K slovanské otázce 1930, S. 100. Vgl. Katoličestvo i „ocerkovlenie žizni“ 1929, S. 3-56. K slovanské otázce 1930, S. 99. K slovanské otázce 1930, S. 103. Duchovní život ruského národa 1931, S. 129. K slovanské otázce 1930, S. 105.

Politisch-historische Schriften

317

Andererseits würde das bewußte Ignorieren katholischer Interessen durch den Staat dazu führen, daß sich die katholische Öffentlichkeit wie in einem Ghetto fühle, wodurch ihr Verständnis der slavischen Beziehungen ihren staatserhaltenden Charakter verlieren und stattdessen revolutionären Charakter annehmen könnte.1250 Gegenseitiges Einvernehmen wirke sich also fruchtbar aus. Wenn die Katholiken ihren unionistischen Beitrag zur slavischen Politik des Staates leisten (dürfen), werden sie sich für diese im Ganzen mitverantwortlich fühlen,1251 wodurch der Staat abermals profitieren würde. Wenn man es konsequent betrachtet, ist die von Vilinskij vorgestellte katholische Konzeption keine dritte neben der russophilen und der demokratischen, sondern eine Ergänzung der letztgenannten um den katholischen Blickwinkel. Sie erweitert die politischen Überlegungen um eine religiöse oder zumindest kulturelle Dimension, die aber ihrerseits nur im Rahmen des Staates für die slavische Politik geltend gemacht werden kann. Das kann man gut in der oben vorgenommenen schematisierten Darstellung erkennen, in der die katholische Konzeption als präzisierter Ausschnitt aus der demokratischen erscheint. Durch die Einführung der katholischen Konzeption, die von der katholischen Kritik freudig angenommen worden ist, obwohl sie zu einer neuen Verantwortung aufruft, die über die eigenen Grenzen hinausreicht, schafft Vilinskij die Möglichkeit, auch die Auseinandersetzung mit der slavischen Frage zur Propagierung der Idee Velehrads zu nutzen und andererseits darauf aufmerksam zu machen, daß die Katholiken von ihren Verbindlichkeiten her zunächst Christen, dann Slaven und dann Bürger eines Staates sind, wobei das Übergeordnete im Einklang zu dem Untergeordneten stehen muß. Während er also die katholische Seite erfreut, dürfte seine Konzeption von russischer Seite auf kein Wohlwollen treffen, denn von ihr wird die slavische Idee in den meisten Fällen unter orthodoxem Vorzeichen betrachtet, weshalb der Katholizismus als Feind des slavischen Gedankens und aller slavischen Einrichtungen aufgefaßt wird und die Orthodoxie als allein wirksames Mittel gegen den abzuwehrenden deutschen Einfluß gilt.1252 Beneš als Vertreter der demokratischen Konzeption erkennt in religiöser Hinsicht für eine künftige slavische Politik lediglich an, daß sie von Respekt gegenüber allen Religionen und Kirchen, Toleranz und Neutralität geprägt sein sollte. Keine Religion oder Kirche sei spezifisch slavisch „nebo slovanštější nežli jiná“1253 [oder slavischer als eine andere]. Unionistische Bemühungen lehnt er entschieden ab, wenn sie nicht rein religiös verstanden werden, sondern sich in den Bereich der Politik begeben und sich in ihrer Argumentation auf die slavische Idee stützen wollen.1254 1250 1251 1252

1253 1254

K slovanské otázce 1930, S. 108. K slovanské otázce 1930, S. 112. Vgl. Jirásek 1929, S. 297. Vilinskij will nicht die Westslaven in den Osten führen, sondern Rußland den Weg in den Westen öffnen. Beneš o. J. [1944], S. 205. Beneš o. J. [1944], S. 206.

318

Teil 2 – Werk

Malá dohoda [Kleine Entente] Die Kleine Entente (im August 1920 unterzeichnet), in der das slavische Element überwiegt, ohne sich gegenüber anderen Staaten ausschließend oder feindlich zu verhalten,1255 hält Vilinskij für beispielhaft hinsichtlich einer offenen slavischen Politik, die die Gleichberechtigung aller Glieder achtet und ihren Rahmen auf nichtslavische Völker ausdehnt, die ebenfalls von der gemeinsamen europäischen Kultur geprägt sind. In ihr sind zwei slavische und ein nichtslavischer Staat – die Tschechoslowakei, Jugoslawien und Rumänien – politisch und wirtschaftlich miteinander verbunden. Er bezeichnet die Staaten der Kleinen Entente als ‚Mitteleuropa‘,1256 ohne diesen Begriff jedoch klar zu bestimmen, denn nach der Annexion Österreichs an das Deutsche Reich im März 1938 schreibt er von der Lage der Tschechoslowakei als ‚Zwischeneuropa‘, weil sie zwischen Mitteleuropa (Großdeutschland) und dem Osten (Rußland) liege.1257 Drei Monate später zählt er Deutschland nicht zu Mitteleuropa, denn er stellt die Staaten der Kleinen Entente neben Deutschland, als er eine stärkere wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen beiden anmahnt.1258 Vilinskij plädiert für die Einbindung Polens in die Kleine Entente, weil er Polen als Vermittler zwischen Rußland und dem Westen sieht. Polen könne Rußland den Weg nach Europa ebnen, indem es Rußland systematisch und zielbewußt in die Familie der slavischen Staaten zurückführe. Aus diesem Grunde müsse der Stellung Polens selbst besondere Bedeutung im Nachdenken über eine slavische Politik zukommen.1259 Ins Zentrum seiner Überlegungen rückt unmittelbar Polen und verdrängt die Vorrangstellung Rußlands, dem nur noch mittelbar Aufmerksamkeit geschenkt wird. Wenn es (Polen) irgendwann gelingen sollte, Rußlands Interesse an den anderen slavischen Staaten zu wecken, sollte der Boden für eine gemeinsame Politik bereitet sein. Es sollen alle Möglichkeiten offengehalten werden, die jedoch allesamt von der Prämisse ausgehen, daß die einzelnen Staaten eine gleichberechtigte Stellung haben, weshalb zunächst Polen näher an die anderen slavischen europäischen und Balkanstaaten herangeführt werden soll. Auch Weingart meint in den 1920er Jahren wegen der unerfreulichen Entwicklung in Sowjetrußland und des schwachen Interesses, das es an der slavischen Frage zeigt, daß sich die slavischen Beziehungen auf die außerrussischen, kleinen slavischen Völker beschränken müssen. In diesem Sinne würde der Austroslavismus 1255 1256 1257 1258 1259

K slovanské otázce 1930, S. 89f. Hodžův plán je stále časový, in: Brázda, Jg. 1 (19), Nr. 31, 03.08.1938, S. 485f., hier: S. 485. Podunajská Evropa žije!, in: Brázda, Jg. 1 (19), Nr. 18, 04.05.1938, S. 278-280, hier: S. 280. Hodžův plán je stále časový 1938, S. 485. K slovanské otázce 1930, S. 89. Allerdings sah der polnische Außenminister Józef Beck Polen als Riegel, Beneš hingegen ähnlich wie Vilinskij als Brücke zwischen Rußland und dem Westen (s. Hoensch, Jörg K.: Polen und die Tschechoslowakei – oder das Scheitern der slawischen Solidarität, in: Bosl 1976, S. 277-313, hier: S. 312). In diesem Punkt der tschechoslowakisch-polnischen Beziehungen wird besonders deutlich, daß Vilinskij in K slovanské otázce zufällig ausgewählten Zitaten aus der Presse größeres Gewicht verleiht als der politischen Wirklichkeit (vgl. kh 1931).

Politisch-historische Schriften

319

im „slavismus podunajský“ [Donauslavismus] eine Fortsetzung finden, im Zusammenwirken der mitteleuropäischen und der Balkanslaven, die das Donaugebiet und die angrenzenden Staaten bewohnen.1260 Er hofft jedoch, daß diese Begrenzung nur vorübergehend erforderlich sei. Die idealisierende Vorstellung der Slaven als besonders friedliebend (Herder) weise ihnen die Aufgabe zu, durch ihre slavische Zusammenarbeit zur Schaffung der „Spojené Státy Evropské“ [Vereinigten Staaten von Europa] beizutragen.1261 Es geht ihm nicht mehr allein um die Slaven, sondern um das Zusammenleben in einem Europa, in dem alle slavischen Staaten (einschließlich Rußlands) in einem größeren Ganzen gleichberechtigt zum Wohle Europas und der gesamten Menschheit vereint sind. So weit, daß er für ein vereinigtes Europa plädieren würde, geht Vilinskij zwar nicht, aber auch er ahnt das Potential, das die gemeinsame europäische Kultur bietet und schreibt außerdem dem Außenhandel eine wichtige politische Bedeutung zu.1262 Diese Überlegung wird in der europäischen Politik nach dem Zweiten Weltkrieg (in den Römischen Verträgen als Grundlage der Europäischen Union) als richtig bestätigt. Durch die Annahme, daß die Kleine Entente ein guter Boden sei, um die slavischen Beziehungen sinnvoll zu praktizieren, erweitert Vilinskij deren Aktionsfeld auf die nichtslavischen Nachbarn der Slaven. Genau in dieser Anpassung an die konkreten politischen Gegebenheiten kann man die Umsetzung seiner oben beschriebenen demokratischen Konzeption wiederfinden. Es stellt sich allerdings die Frage, warum es erforderlich sein soll, die Zusammenarbeit slavischer mit nichtslavischen Staaten unter dem Oberbegriff des Slavischen zusammenzufassen und diesen dadurch eine untergeordnete Rolle zuzuschreiben, oder, anders formuliert, sie zur Aufrechterhaltung einer überholten politischen Konzeption zu vereinnahmen. Dadurch sind Konflikte vorprogrammiert. Auf der anderen Seite wird in der Öffnung gegenüber anderen Staaten noch einmal Vilinskijs grundsätzliche Ablehnung einer allein auf Rußland ausgerichteten Konzeption sehr deutlich. Mit der ‚Slavisierung‘ der Kleinen Entente steht Vilinskij nicht vollkommen vereinzelt da. Die Slowakische Volkspartei wiederholte andauernd (bereits 1920 konnte man diese Forderung in der Zeitung Slovák lesen), daß es notwendig sei, Polen, das sich ihr als anti-kommunistischer, katholischer Staat mit Sympathien und Verständnis für die Volkspartei darstellte, in die Kleine Entente einzubeziehen. Sie argumentierte dabei mit der ‚slavischen Idee‘, durch die die internationale Position der Tschechoslowakei gestärkt und gleichzeitig die slowakische Nation, deren Autonomie sie forderte, ins Licht gerückt werden sollte.1263 Allerdings sehen weder zeitgenössische tschechische 1260 1261

1262

1263

Weingart 1926, S. 211. Weingart 1926, S. 218. Vgl. Aristide Briands im September 1929 vorgetragenen Paneuropaplan, in dem er als Ziel eine föderale europäische Union fordert (s. Sládek, Zdeněk: Malá dohoda 1919-1938. Její hospodářské, politické a vojenské komponenty, Praha 2000, S. 114). O jednotný plán zahraničního obchodu, in: Brázda, Jg. 18, Nr. 11, 15.07.1937, S. 177-179, hier: S. 179. Kirschbaum, Stanislav J.: Die Stellung der slowakischen Volkspartei zur Außenpolitik Prags, in: Bosl, Karl (Hg.): Gleichgewicht – Revision – Restauration. Die Außenpolitik der Ersten Tschecho-

320

Teil 2 – Werk

Politiker wie etwa der enge Mitarbeiter von Beneš, Ripka, noch spätere Forscher wie Zdeněk Sládek in der Konzeption der Kleinen Entente irgendeinen Bezug zur slavischen Idee.1264 Man darf eher im Gegenteil nicht übersehen, daß Rumänien Angst vor Rußland hat und deshalb in seiner Außenpolitik bewußt antirussisch ausgerichtet ist. Rumänien und Polen unterzeichnen am 3. März 1921 in Bukarest einen „Vertrag, der ein gemeinsames Vorgehen gegenüber russischen territorialen Ambitionen“ vorsieht.1265 Wegen dieses – slavischen(!) – Feindes, den Rumänien mit Polen verbindet, sind beide interessiert an einer Annäherung Polens an die Kleine Entente, wohingegen die Tschechoslowakei darum bemüht ist, sich dem antirussischen Block fernzuhalten und stattdessen die Zusammenarbeit der mitteleuropäischen Staaten mit Frankreich auszubauen.1266 Es geht in der Kleinen Entente eindeutig um einen pragmatischen regionalen Zusammenschluß, der aufgrund der abwehrenden Haltung seiner Mitglieder gegenüber Ungarn entstanden ist, um eine habsburgische Restauration zu verhindern. Gemeinsam zählen die drei Staaten 45 Millionen Einwohner und können dadurch ihren „Kleinstaatskomplex“ kompensieren.1267 Die weitere Entwicklung zeigt, daß die Sowjetunion dann auf die slavische Karte setzt, wenn sie sich dazu nutzen läßt, ihren Einflußbereich auszudehnen und weitere Staaten Moskau unterzuordnen, wie man z. B. an der oben dargestellten Umdeutung der unionistischen Idee durch die Kommunisten sehen kann. Das muß jedoch eher als Mißbrauch der – früheren – Russophilie bezeichnet werden statt als tatsächliche slavische Konzeption Rußlands. Während in dem offiziellen Verhältnis der Ersten Tschechoslowakischen Republik zur Sowjetunion die slavische Idee keine Rolle spielte,1268 wird der Zweite Weltkrieg sowjetischerseits als Kampf des russischen Volkes für die eigene Freiheit und die Befreiung aller Slaven interpretiert und die Sowjetunion als Garant für das Überleben der kleineren slavischen Staaten dargestellt. 1264

1264 1265

1266

1267 1268

slowakischen Republik im Europasystem der Pariser Vororteverträge, München/Wien 1976, S. 315335, hier: S. 322, 324 und 334. Der ab 1932 amtierende Beck erneuerte die polnischen Kontakte zu den slowakischen Autonomisten, deren polonophile Gruppe um Karol Sidor Gelder aus Polen erhielt (s. Kozeński, Jerzi: Die Historiographie der polnisch-tschechoslowakischen Beziehungen 1918-1945, in: Lemberg/Nitsche/Oberländer [Hgg.] 1977, S. 392-407, hier: S. 399 und Hoensch, Jörg K.: Polen und die Tschechoslowakei. Ihr Verhältnis im Spannungsfeld der internationalen Politik 1932 bis 1934, in: Bohemia, Jg. 25, 1984, S. 295-312, hier: S. 311). Valenta 1968, S. 393 und Sládek 2000. Hösch, Edgar: Geschichte der Balkanländer von der Frühzeit bis zur Gegenwart, München 1999, S. 220. Vgl. Lemberg, Hans: Die Tschechoslowakei in der Kleinen Entente, in: Bosl (Hg.) 1976, S. 265276, hier: S. 268 und Sládek 2000, S. 69. Die späte de-iure-Anerkennung der Sowjetunion durch die ČSR kann als Rücksicht auf die Partner in der Kleinen Entente gedeutet werden. Rumänien erkannte die Sowjetunion am gleichen Tag an, an dem es auch die ČSR tat (Lukes, Igor: Czechoslovakia between Stalin and Hitler. The Diplomacy of Edvard Beneš in the 1930s, New York/Oxford 1996, S. 13 und 38). Lemberg 1976, S. 275. Lemberg 1975, S. 192.

Politisch-historische Schriften

321

Diesem neuen slavischen Bewußtsein wird durch den allslavischen Kongreß, der im August 1941 in Moskau abgehalten und auf dem das Allslavische Komitee gegründet wird, Nachdruck verliehen. Von dieser Argumentation wird jedoch bereits 1948 wieder Abstand genommen, um sich nicht den Weg zu den anderen sogenannten ‚Volksdemokratien‘ zu versperren – sich dem sozialistischen Diktat zu unterwerfen, wird schnell wichtiger, als slavisch zu sein.1269

Eurasiertum Während seines Studiums an der Russischen juristischen Fakultät dürfte Vilinskij intensiv mit den Ideen der Eurasier in Kontakt gekommen sein, denn ein nicht geringer Teil des Kollegiums (Alekseev, G. V. Florovskij, Savickij, Šachmatov, Vernadskij u. a.) hing ihnen – zumindest für einen gewissen Zeitraum – an und propagierte sie unter den Studenten. Prag muß als eines, wenn nicht gar das Zentrum dieser Bewegung bezeichnet werden.1270 Er widmet dem Eurasiertum relativ große Aufmerksamkeit. Eine erste ausführlichere kritische Auseinandersetzung erfolgt bereits 1928 noch in russischer Sprache: „Tvorimaja legenda“ i istoričeskaja dejstviteľnosť [Legende im Werden und die historische Wahrheit], die als Auftragsarbeit für den Katoličeskij vremennik [Katholisches Jahrbuch] entsteht, der bewußt einen gläubigen Orthodoxen mit dieser Aufgabe betraut, weil die Eurasier Kritik aus katholischer Feder prinzipiell ablehnen.1271 Mit dem ersten Teil des Titels und dem vorangestellten Motto stellt Vilinskij einen Bezug zu Fedor Sologub her, der der groben und grauen Realität eine schöne Legende entgegenstellt. Ähnlich ‚poetisch‘ im negativen Sinne (i. S. von fiktiv) gehen nach Vilinskij die Eurasier mit der historischen Wahrheit um. Es folgt eine Reihe weiterer Arbeiten, in denen das eurasische Problem polemisch berührt wird. Leider führt das nicht zu einer tatsächlichen Polemik zwischen beiden Seiten, denn Savickij, einer der eurasischen ‚Chefideologen‘, betrachtet Vilinskij 1269

1270

1271

Vgl. Kořalková, Květa: Ústup a doznívání slovanství v době prosazování socialistické revoluce v Československu, in: Šťastný (Hg.) 1968, S. 468-479; Rychlík, Jan: Metamorfóza slovanské myšlenky a idejí panslavismu v období komunismu, in: Hrodek a kol. (Hgg.) 2004, S. 127-134, hier: S. 131f. Vgl. zu der tschechoslowakischen slavischen Politik in den Jahren 1945-1948 Pehr, Michal: Slovanství a třetí republika aneb Slovanství v programech českých poválečných politických stran, in: Hrodek a kol. (Hgg.) 2004, S. 166-173. Vgl. Böss, Otto: Die Lehre der Eurasier. Ein Beitrag zur russischen Ideengeschichte des 20. Jahrhunderts, Wiesbaden 1961, S. 10f.; Chinyaeva 2001, S. 186 und Andreyev/Savický 2004, S. 145. Allerdings kann Chinyaevas Behauptung, daß die vielen Schriften der Prager Eurasier von der Fruchtbarkeit der Unterstützung des russischen intellektuellen Lebens durch die tschechoslowakische Regierung zeuge, nicht zugestimmt werden. Die Regierung hat die eurasischen Ideen vielmehr als ungewolltes Produkt ihrer Unterstützung in Kauf genommen, was von ihrer Toleranz und tatsächlichen Unparteilichkeit gegenüber den russischen Emigranten zeugt. Die Abspaltung Rußlands von Europa war ganz und gar nicht das Ziel tschechoslowakischer Politik. Redaktionelle Anmerkung zu „Tvorimaja legenda“ i istoričeskaja dejstviteľnosť, Paris 1928 (= Sonderdruck aus: Katoličeskij vremennik, Bd. 2), S. 62-103, hier: S. 62.

322

Teil 2 – Werk

nicht als seinen wirklichen Opponenten, weil dieser seine klimatischen und geographischen Untersuchungen für widerlegt halte.1272 Vilinskijs Kurzdefinition der eurasischen Bewegung lautet: „pozdní reminiscence slavjanofilské nacionálně-náboženské xenofobie“1273 [späte Reminiszenz der slavophilen national-religiösen Xenophobie] und an anderer Stelle findet er eine noch knappere Formulierung: „obyčejný fašismus“1274 [gewöhnlicher Faschismus] bzw. „poněkud upravený fašismus“1275 [ein wenig hergerichteter Faschismus]. Das ganze kulturelle und politische Programm der Eurasier erschöpfe sich darin, daß sie Rußland in geographischer, ethnographischer, historischer und religiöser Hinsicht als sechsten Weltteil betrachten, als einen Kontinent, der sich grundsätzlich vom restlichen Europa unterscheide. Als eigenständige Synthese aus Ost und West sei Rußland dazu bestimmt, Führer der Völker Indiens und Chinas zu sein.1276 Vilinskijs gesamtes ideologisches Gebäude basiert darauf, daß es keinen grundsätzlichen Unterschied zwischen Ost und West gebe – erst die Bolschewiki hätten ironischerweise die Behauptung der Slavophilen und Narodniki erfüllt, daß Rußlands Entwicklung eigene Wege gehe.1277 Ost und West sind ihmzufolge, wie seiner Sicht auf die russische Kirchengeschichte zu entnehmen ist, nur ungleich weit entwickelt. Deshalb ist er sehr verwundert darüber, daß es Russen selbst sind, die sich zu Asien bekennen und damit eine Argumentation übernehmen, die sonst nur von Feinden Rußlands vertreten worden sei, die die Russen nicht zu den Slaven gezählt haben, sondern sie (in den meisten Fällen) als Turkvolk betrachteten.1278 Die Eurasier sprechen von überhaupt keinen europäischen Elementen in der russischen Kultur, sondern legen das Schwergewicht auf die asiatischen.1279 Sie verabsolutieren das Trennende zwischen Rußland und dem Westen und ignorieren das Verbindende.1280

Eurasische Staatstheorie Die eurasische Lehre verkündet die Notwendigkeit, Demokratie, Freiheit und Gleichheit aufzugeben und eine östliche orthodoxe Theokratie oder Oligarchie aufzubauen.1281 Die Eurasier selbst sprechen von einer „Ideokratie, in der sowohl 1272 1273 1274 1275 1276 1277 1278

1279

1280

1281

Savickij, Petr N.: V bor’be za evrazijstvo, Paris 1931, S. 34. Ruský národ a sjednocení církví 1928, S. 17. Ruský národ a sjednocení církví 1928, S. 30. Duchovní život ruského národa 1931, S. 105. Duch ruské církve 1930, S. 38f. Ruská revoluce 1936, S. 224. Ruský národ a sjednocení církví 1928, S. 22 und Duchovní život ruského národa 1931, S. 98f., wo verschiedene Ansichten vorgestellt werden. Gorlin, Michael: Die philosophisch-politischen Strömungen in der russischen Emigration, in: Osteuropa, Jg. 8, Oktober 1932 – September 1933 [Reprint Graz 1967], S. 279-294, hier: S. 283. Luks, Leonid: Die Ideologie der Eurasier im zeitgeschichtlichen Zusammenhang, in: Jahrbücher für Geschichte Osteuropas, Jg. 34, Nr. 3, 1986, S. 374-395, hier: S. 381. Duchovní život ruského národa 1931, S. 104f.

Politisch-historische Schriften

323

die Einzelpersönlichkeit als auch die Gesamtpersönlichkeit (sobornaja ličnosť) ihre volle Entfaltung nur als Organ der leitenden staatlichen Idee erhalten sollten“.1282 Damit geht einher, daß sie ein Ein-Parteien-System propagieren.1283 Vilinskij verteidigt die Demokratie, der er positiv anrechnet, daß sie der Selbstkritik fähig sei und daß sie auch andere, selbst gegenteilige oder feindliche, Meinungen zulasse. Die eurasische Theorie rechne hingegen nur mit einer einzigen sozialen Wahrheit, auf die die herrschende Schicht das Monopol habe1284 – ihr schwebe also eine Regierungsform vor, vor der die Emigranten aus Sowjetrußland geflohen seien. Und so ist es naheliegend, daß die Eurasier auch tatsächlich mit den Bolschewiki sympathisieren (auch wenn sie die Klassenidee ablehnen,1285 die sich jedoch mit dem Erreichen des Zustandes der klassenlosen Gesellschaft aufhebt [s. u.]). Eigentlich müßten nur die Kommunisten durch Eurasier ersetzt werden und ansonsten könnte alles belassen werden, wie es ist, schreibt Vilinskij.1286 Aleksandr Kizevetter formuliert es etwas drastischer: „Kratzen Sie einen Eurasier – und es erscheint ein Bolschewik.“1287 Die Eurasier gehen selbst davon aus, daß nach dem Untergang der Sowjetmacht auch sowjetische Eliten aus den Reihen der kommunistischen Partei zu denjenigen gehören werden, die den ideokratischen Staat aufbauen.1288 In seiner Ablehnung der Eurasier ist Vilinskij sehr undifferenziert. So einheitlich, wie sich ihm diese Bewegung ungeachtet der Feststellung, daß sie über keine einheitliche harmonische Weltanschauung verfüge,1289 darstellt, ist sie nicht,1290 denn es sind nicht nur verschiedene Autoren aus verschiedenen Wissenschaftsbereichen, die zusammen die einzelnen Elemente der eurasischen Welt beschreiben, sondern mit Emil Voráček kann man zudem noch eine Differenz zwischen wissenschaftlichem und oberflächlich propagandistischem Zugang in ihren Verlautbarungen beobachten.1291

Eurasiertum als Gegenpol zum Philokatholizismus Das ablehnende Interesse Vilinskijs am Eurasiertum rührt daher, daß er es als Gegenpol zur philokatholischen Bewegung wahrnimmt. Der Begriff „Eurasiertum“ war bis dahin für eine geistige Strömung genauso unbekannt1292 wie „Philokatholizismus“ und beide erklären sich ähnlich leicht selbst. Während die Philokatholiken per 1282 1283

1284 1285 1286 1287 1288 1289 1290 1291 1292

Böss 1961, S. 82. Voráček, Emil: Eurasijství v ruském politickém myšlení. Osudy jednoho z porevolučních ideových směrů ruské meziválečné emigrace, Praha 2004, S. 166. Duchovní život ruského národa 1931, S. 106. Voráček 2004, S. 162. Duchovní život ruského národa 1931, S. 106. Cit. nach Wiederkehr 2007, S. 185. Voráček 2004, S. 164. „Tvorimaja legenda“ i istoričeskaja dejstviteľnosť 1928, S. 64. Vgl. Böss 1961, S. 118ff. und Chinyaeva 2001, S. 204. Voráček 2004, S. 157. Duchovní život ruského národa 1931, S. 97.

324

Teil 2 – Werk

definitionem mit dem Katholizismus sympathisieren und an der lateinisch-europäischen Kultur teilhaben wollen, ist für die eurasische Bewegung eine große Unfreundlichkeit gegenüber der westlichen Kultur und dem Katholizismus charakteristisch, wie unter anderem der Sammelband Rossija i latinstvo [Rußland und das Lateinertum] (1923) zeigt, dessen Titel bereits als Polemik gegen Solov’evs La Russie et ľ Eglise universelle aufgefaßt werden kann. Michael Freiherr von Taube spricht von einem „förmlichen Krieg“, den das Eurasiertum „der westeuropäischen Kultur überhaupt und der katholischen Kirche im besonderen“ erklärt habe.1293 Der Aufforderung zum ‚Dialog der Liebe‘ steht eine Haltung der Eurasier zum Westen und zum westlichen Christentum gegenüber, die, so Berdjaev, an der Wurzel falsch und unchristlich ist: „‚Die Kultivierung der Ablehnung und der Zurückweisung anderer Völker ist eine Sünde […] Völker, Rassen und kulturelle Werte können nicht exklusive Träger des Bösen oder Schlechten sein. Dies ist ein völlig unchristlicher Gedanke.‘“1294 Vilinskij sieht die Aufgabe der Kirche darin, die christliche, europäische Kultur in den Osten, nach Asien zu bringen,1295 um den asiatischen Vormarsch nach Europa unmöglich zu machen und um die römisch-byzantinische Kultur gegenüber dem „Andrang mongolischen Denkens“ zu verteidigen.1296 In diesem Punkt nähert sich die kulturelle Bedeutung des Unionismus seiner politischen, was in den Überlegungen Vilinskijs noch deutlicher zu Tage tritt, in denen er auf die aktuellen politischen Konflikte im sowjetisch-asiatischen Raum eingeht und vor einer Bolschewisierung Chinas warnt. Diese würde zur Schwächung der Möglichkeit europäisch-christlicher Einflußnahme führen, weil sich Europa China durch die Bolschewiki von seiner schlechten Seite zeige. Damit werde jede Mission unmöglich.1297 Die Eurasier wollen sich hingegen an die Spitze der Asiaten stellen: Toto hnutí pokládá musulmanství za ‚potenciální pravoslaví‘, přeje si přenésti zájmy Ruska z Evropy do Asie a zameziti jakékoli pokusy katolického misionářství a hlásání sjednocení církví.1298 Diese Bewegung hält den Islam für ‚potentielle Orthodoxie‘, wünscht sich, die Interessen Rußlands 1293

1294

1295 1296 1297 1298

Taube 1927, S. 197. Sergej Choružij bestätigt das, wenn er schreibt, daß von den Eurasiern konstant nur eine Ansicht vertreten werde: „Die Eurasier waren zweifellos und aufrichtig leidenschaftliche Antikatholiken“ (Choružij, Sergej: Nicht nur Eurasiertum: Drei Modelle russischer Geschichtsphilosophie im 20. Jahrhundert, in: Deppermann [Hg.] 1998, S. 48-71, hier: S. 62). Vgl. auch Riasanovsky, Nicholas V.: The Emergence of Eurasianism, in: California Slavic Studies, Nr. 4, 1967, S. 39-72, hier: S. 47 und 50; Luks 1986; ders. Zwischen Bruch und Kontinuität – Zur Ideengeschichte der „ersten“ russischen Emigration (1920-1939), in: Müller/Klehr (Hgg.) 1992, S. 129-140, hier: S. 133f. und Wiederkehr 2007, S. 95. Cit. nach Wiederkehr 2007, S. 186. Damit korrespondiert, daß Valerij Senderov von einer „nichtchristlichen Orthodoxie“ spricht, die die Eurasier erfunden haben, denn sie fassen die Orthodoxie nicht als einen Teil des universalen Christentums auf (Senderov, Valerij: Das Eurasiertum – ein Mythos des 21. Jahrhunderts?, in: Luks, Leonid [Hg.]: Das Christentum und die totalitären Herausforderungen des 20. Jahrhunderts, Köln/Weimar/Wien 2002, S. 115131, hier: S. 127). Unionizmus 1932, S. 21. Unionismus katolický a pravoslavný, in: Hlas, Jg. 62, Nr. 4657, 18.12.1934, S. 2. Věci východní, in: Jitro, Jg. 13, Nr. 7, 1932, S. 193-195, hier: S. 195. Ruský národ a sjednocení církví 1928, S. 17.

Politisch-historische Schriften

325

von Europa auf Asien zu lenken und sämtliche Versuche katholischer Mission oder die Verkündung der Einheit der Kirche einzuschränken.

In einer späteren Arbeit ist es das gesamte Asien, das die Eurasier nach der Interpretation Vilinskijs für „potentiell orthodox“ halten.1299 Im Islam finden sie den aktiven Aspekt der Orthodoxie wieder (den Vilinskij in den lateinischen Einflüssen findet), im Buddhismus den passiven (den Vilinskij in den byzantinischen Einflüssen findet). Ihrer Meinung nach habe ein Großteil der russischen Traditionen nicht in der Kiever Epoche der russischen Geschichte ihren Ursprung, sondern in der Zeit des Tatarenjochs.1300 Auch die Eurasier suchen demzufolge nach der geistigen Prägung der russischen Kultur, finden jedoch andere Spuren als Vilinskij, der sie für ihre Suche nach dem „skrytý smysl ruských dějin“1301 [verborgenen Sinn der russischen Geschichte] verlacht. Bei aller Verschiedenheit der Ansichten sind die Parallelen – und damit die Notwendigkeit, sich abzugrenzen – nicht zu übersehen. Im Gegensatz zu vielen anderen Konzeptionen, die Rußland als (christlichen) Osten dem abendländischen Westen gegenüberstellen,1302 gerät bei beiden der Aspekt der Vermittlerrolle Rußlands zwischen Ost und West in den Blick. Die Beziehungen Rußlands zum Osten werden in die Überlegungen einbezogen. Beide sehen Unzulänglichkeiten bei der bis dahin üblichen kulturellen Zuordnung Rußlands. Die eurasische Sicht ist insofern radikaler und angreifbarer, als sie den rein christlichen Kontext verläßt und Prägungen durch außerchristliche Kulturen als wahrscheinlich erachtet. In einer Zeit, in der die interkonfessionellen Beziehungen schon fast als revolutionär betrachtet werden, wollen die Eurasier sich gar auf interreligiöse Beziehungen einlassen. Vilinskij bezeichnet ihre gesamte religiöse Konzeption als schlichtweg „nicht christlich“ und geht so weit, ihnen nicht einmal zuzugestehen, häretisch zu sein.1303 Das stößt allerdings unter den Russen deswegen auf weniger Widerstand, weil der Islam und der Buddhismus sich gegenüber der Orthodoxie noch so fremd und gleichgültig verhalten, daß man bei ihnen keine bösen Absichten erkennen kann, die man hingegen hinter jeder Äußerung des Katholizismus vermutet. Dazu gibt es bereits im 17. Jahrhundert eine Parallele, als die russischen Theologen zu der protestantischen Theologie in die Lehre gingen, weil die Protestanten für weniger gefährlich als die Katholiken angesehen wurden.1304 1299

1300 1301 1302

1303

1304

Pieśń łabędzia potomków Dżingis-Chana, in: Przegląd katolicki, Jg. 68, Nr. 43, 09.11.1930, S. 677-679, hier: S. 678. Die Idee der potentiellen Rechtgläubigkeit, derzufolge Fremdgläubige der Orthodoxie näher stehen als Andersgläubige, vertritt Karsavin in dem Band Evrazijstvo. Opyt sistematičeskogo izloženija (Paris 1926), der als ein Manifest der Eurasier betrachtet werden kann. In ähnlich programmatischen Arbeiten im Folgejahr fällt allerdings nicht einmal mehr das Wort „Orthodoxie“ (s. Choružij 1998, S. 61f.). Ruský národ a sjednocení církví 1928, S. 24. Duchovní život ruského národa 1931, S. 98. Tschižewskij 1961, S. 159. Vgl. dazu auch die Ausführungen von Černý, Václav: Vývoj a zločiny panslavismu, Praha 1995, S. 48ff. Dva směry v ruské emigraci 1928, S. 573 und „Tvorimaja legenda“ i istoričeskaja dejstviteľnosť 1928, S. 94f. und 102. Masaryk 1995, S. 43.

326

Teil 2 – Werk

Im Gegensatz zu Vilinskijs Auffassung, daß die russische Gläubigkeit vor allem durch den Doppelglauben geprägt sei, was heißt, daß jeder auf seine Art und Weise die nur äußerlich gleichen Riten mit Inhalten füllt und daß es zudem große Unterschiede zwischen dem religiösen Leben der verschiedenen Gesellschaftsschichten und den in unterschiedlichem Maße aufgeklärten Regionen gibt, gehen die Eurasier gerade von einer vollkommen statischen und homogenen Religiosität des gesamten russischen Volkes aus, in der Glaube, Bräuche und Staatsideologie eine Synthese bilden.1305 In diesem Zusammenhang ist auch zu verstehen, daß die Eurasier keine Konzeption für die Beziehungen zwischen Rußland und den anderen slavischen Staaten entwickelt haben. Die slavische Frage interessiert sie nur in dem Umfang, in dem sie als russischer Messianismus interpretiert wird. Die Bindung an die anderen Slaven haben sie völlig aufgegeben, dafür beziehen sie aber alle Völker Rußlands in dieselbe geopolitische und kulturelle Einheit ein.1306 Das religiöse Bewußtsein der anderen orthodoxen Slaven erscheine ihnen im Vergleich zu dem eigenen minderwertig und die katholischen Slaven seien von der häretischen Kultur und dem Rationalismus, in dem logische Argumente und das Recht dominieren, angesteckt,1307 so daß es keine gegenseitigen Anknüpfungspunkte gebe. Daraus resultiert selbstverständlich eine Ablehnung nicht nur Solov’evs, sondern der gesamten Soziallehre, die der Vatikan in den letzten Dekaden des 19. Jahrhunderts entwickelt hat, und wie sie zum Beispiel in der Enzyklika Rerum novarum dargestellt wird.1308 Mit der Argumentation, daß ein natürlicher Zug der Russen, oder überhaupt aller Slaven, die Orthodoxie sei, in der sich die Eurasier mit den Slavophilen treffen1309 – und die dazu führt, daß der religiöse Aspekt ihrer Lehre am wenigsten umstritten ist1310 –, stimmt Vilinskij selbstverständlich nicht überein, was mit seiner Ablehnung Dostoevskijs Hand in Hand geht. Aber auch er versteht Rußland als Brücke zwischen Europa und Asien und muß sich deshalb der Frage stellen, ob Rußland eine Rolle als Avantgarde des Westens oder als Avantgarde des Ostens bestimmt sei.1311 Damit ist man wieder bei der Frage angekommen, ob die byzantinischen oder die lateinischen Einflüsse in Rußland kulturtragend sind, wobei uns die Antwort Vilinskijs bereits bekannt ist.

1305

1306 1307

1308 1309 1310 1311

„Tvorimaja legenda“ i istoričeskaja dejstviteľnosť 1928, S. 67, 85ff., 93 und 100; Duchovní život ruského národa 1931, S. 101f. Gorlin 1932/33, S. 283. K slovanské otázce 1930, S. 55. Vgl. dazu Florovskij, Georgij: Chitrosť razuma, in: Ischod k vostoku. Predčuvstvija i sveršenija, Sofija 1921 (= Utverždenija evrazijcev, Bd. 1), S. 28-39 und Gorlin 1932/33, S. 286f., der darauf hinweist, daß sich in der eurasischen Lehre zwei absolute Werte (absolute Wahrheit der christlichen Religion und absolute Eigenart jeder Kultur) schroff gegenüberstehen. Voráček 2004, S. 159. Ruský národ a sjednocení církví 1928, S. 34. „Tvorimaja legenda“ i istoričeskaja dejstviteľnosť 1928, S. 65. Duch ruské církve 1930, S. 13.

Politisch-historische Schriften

327

Sowjetrussische Innenpolitik Neben der Propagierung des Unionismus, die, wie bereits zu sehen war, in die meisten weiteren Themenbereiche hineinspielt, sieht Vilinskij seine publizistische Aufgabe in der Information des westlichen Lesers über die Zustände in Sowjetrußland, denn es wurde, wie Bystrov schreibt, die Entwicklung in Rußland stets vor allem als soziales Experiment mit einer etwas ungewöhnlichen politisch-organisatorischen Staatsform aufgefaßt und nur sehr selten als grundlegender ideologischer Angriff auf alle bisherigen Pfeiler des menschlichen Zusammenlebens gewertet.1312 Es wurde meist nur die Verstaatlichung des Eigentums, nicht jedoch die totale Liquidierung der Menschenrechte wahrgenommen und die brutale Intensität der globalen Interessen des Kommunismus bagatellisiert.1313 Neben dem Wecken des Mitgefühls und historiographischen Interessen geht es Vilinskij immer mit darum zu warnen, daß Ähnliches sich nicht auf Europa ausbreite. Auch unter diesem Vorzeichen kann man sein vehementes Eintreten dafür sehen, Rußland nicht als Gegenpol zu Europa zu betrachten. Man kann das gut an seiner Darstellung der bolschewistischen Macht ablesen. Die Sowjetregierung erhalte Anweisungen von der russischen kommunistischen Partei und die russische kommunistische Partei erhalte ihrerseits Anweisungen von der Dritten Internationale (Komintern). Da jedoch in der Komintern sowohl Vertreter der Sowjetregierung als auch der russischen kommunistischen Partei bestimmend seien, haben diese Einfluß auf alle kommunistischen Parteien weltweit1314 und können damit auch eine Gefahr für Europa darstellen. Welche konkreten Versuche seitens der russischen Kommunisten unternommen worden sind, um die Weltrevolution voranzutreiben, beschreibt Vilinskij in seinem Buch über die russische Revolution.1315 Über die Gegenwart eines Staates zu berichten, von dem man geographisch entfernt ist, bringt selbstverständlich Schwierigkeiten mit sich. Vilinskij kann sich nicht wie im Falle von Rus se dívá na Č.S.R. auf seine eigenen Beobachtungen verlassen, wie im Falle des Unionismus auf kirchenhistorischen und religionssoziologischen Arbeiten basieren, wie im Falle der slavischen Fragen auf historische und zeitgenössische Konzeptionen zurückgreifen. Er ist auf die Informationen angewiesen, die auf irgendeinem Wege aus der alten Heimat zu ihm gelangen, die er jedoch nur in den seltensten Fällen überprüfen kann. In Pronásledování náboženství v Rusku bezieht er sich fast ausschließlich auf amtliche Meldungen aus der sowjetischen Presse1316 und offiziellen kommunistischen Propagandaschriften. Den Presseübersichten, die er für verschiedene Zeitschriften zusammenstellt, kann man entnehmen, daß er unter anderem mit besonderer Aufmerksamkeit die Zeitschrift Bezbožnik [Der Gottlose oder Atheist] verfolgt. Was 1312 1313 1314 1315 1316

Bystrov 1999, S. 36. Bystrov 1999, S. 101. Vgl. Pronásledování náboženství v Rusku 1930, S. 3. Vgl. Ruská revoluce 1936, S. 195ff. Pronásledování náboženství v Rusku 1930, S. 3.

328

Teil 2 – Werk

ihn zu ihrer Weiterverarbeitung prädestiniert, ist, daß er aufgrund seiner Erfahrungen sowohl mit dem kriegskommunistischen System in Sowjetrußland als auch dem demokratischen System der Tschechoslowakei fähig ist, die Meldungen kritisch zu beurteilen. Für V Rusku boj trvá … bilden auf der einen Seite Materialien aus Privatbesitz und unveröffentlichte Manuskripte,1317 auf der anderen Seite die sowjetische und exilrussische Presse seine Quellen. Da die Angaben aus diesen unterschiedlichen Quellen nur in den seltensten Fällen übereinstimmen, stellt er häufig mehrere Varianten der Vorgänge vor, die er gegeneinander abwägt und nach ihrer Wahrscheinlichkeit wertet. Für sein Bemühen, so objektiv wie möglich den tatsächlichen Tathergang zu rekonstruieren, spricht, daß er nicht einseitig eine Informationsquelle bevorzugt, sondern in dem einen Fall die kommunistische für wahrscheinlicher hält, in dem anderen die Tagebuchaufzeichnung eines Betroffenen.

Verfolgung der Religion Die Verfolgung der Religion richte sich nicht in erster Linie gegen die Institution Kirche, sondern genau genommen gegen Gott selbst, der den Gläubigen mitsamt der christlichen Moral ausgetrieben werden solle. Die Wirksamkeit der Maßnahmen gegen die Religion werde demzufolge immer daran gemessen, ob durch sie Christen bewegt werden können, ihrem Glauben zu entsagen. Vilinskij beschreibt verschiedene Taktiken des staatlichen antireligiösen Kampfes, die sich abgelöst haben, weil die jeweils vorherige Taktik sich nicht als wirksam genug erwiesen habe.1318 Sie unterscheiden sich jedoch nicht darin, ob Priester und Bischöfe umgebracht worden sind oder nicht, sondern darin, daß es einmal in Form einer öffentlichen Hinrichtung erfolgte, das andere Mal als „‚suchá‘ poprava“1319 [‚trockene‘ Hinrichtung] in Sibirien oder auf den Soloveckie ostrova [Soloveckij-Inseln], um keine Märtyrer aus ihnen zu machen.1320 Auch die Entweihung der Kirchen fand unter allen Taktiken statt, das eine Mal wurden sie niedergerissen, das andere Mal zum Lager- oder zum Versammlungsraum umfunktioniert. Die russischen Ikonen tauchen etwas später in Prager Antiquitätenläden auf, durch die die sowjetische Ausfuhrbehörde Valuta ins Land bringen will.1321 Neben die großen Verfolgungen treten kleine absurde Schikanen, die das Abhalten von Gottesdiensten erschweren, indem zum Beispiel für die liturgischen Gesänge Gebühren für Autorenrechte verlangt werden und für das Abhalten der Messe Vergnügungssteuer erhoben wird.1322 1317 1318 1319 1320

1321 1322

V Rusku boj trvá … 1933, S. 5. Vgl. Pronásledování náboženství v Rusku 1930, S. 7ff. Pronásledování náboženství v Rusku 1930, S. 9. Vgl. Kněží ve vězení na Soloveckých ostrovech. Na galejích otrokářského státu, in: Lidové listy, Jg. 11, Nr. 7, 10.01.1932, S. 3. Export ruských ikon, in: Brázda, Jg. 16, Nr. 19, 02.12.1935, S. 316. Nová zprávy o stavu církve v Rusku, in: Našinec, Jg. 66, Nr. 175, 02.08.1930, S. 1.

Politisch-historische Schriften

329

Zunächst erschien die Verfolgung chaotisch und unkoordiniert, durch die Einführung eines Kirchengesetzes wurde ein sehr enger Rahmen festgeschrieben, in dem die Kirche mit vielen Einschränkungen existieren durfte. Weil sie sich dadurch noch nicht entmutigen ließ, wurde im Mai 1932 ein antireligiöser Fünfjahrplan in Kraft gesetzt, dessen 118 Paragraphen im Detail beschreiben, wie bis zum Jahre 1937 die vollständige Liquidierung alles Religiösen auf sowjetischem Boden erreicht werden soll.1323 Im Zusammenhang mit der Verfolgung der Religion weist Vilinskij auf weitere Aspekte hin, die aus der Ablehnung der christlichen Moral hervorgehen. Hier berührt er den Bereich der Ehe, Familie und vor allem der Kinder(erziehung), die ihre ethische Grundlage verloren haben und sich auch untereinander in keiner Weise mehr bedingen. Es seien einige Beispiele angeführt, weil sie vielleicht weniger bekannt sind als das direkte Vorgehen gegen die kirchlichen Vertreter und Einrichtungen: mehrmaliger Geschlechtsverkehr zwischen denselben Personen gelte als faktische Heirat, die amtliche Registrierung einer Ehe sollte mit der Zeit ganz wegfallen; es wurde die ‚kollektive Vaterschaft‘ eingeführt, das heißt, wenn eine Frau während der Schwangerschaft mit mehreren Männern zusammengelebt hat, werden sie alle als Väter betrachtet; Polygamie wird nicht strafrechtlich verfolgt; zur Scheidung reicht eine einseitige Erklärung, die andere Seite wird durch das Amt darüber informiert; Abtreibungen werden durch Filme propagiert; die Erziehung soll vollkommen aus der Hand der Eltern in die staatlich organisierte öffentliche Erziehung übergehen, deren Erfolg von Vilinskij durch Statistiken über jugendliche Straftäter belegt wird.1324

Antikommunistischer Widerstand in Sowjetrußland: V Rusku boj trvá … [In Rußland dauert der Kampf an …] (1933) Entwicklung des Terrors Anhand der Verschwörungen und Prozesse, die seit der Machtergreifung der Bolschewiki stattgefunden haben, kann man die innere Entwicklung der sowjetischen Diktatur verfolgen und das Verhältnis der russischen Öffentlichkeit zur kommunistischen Regierung charakterisieren. Vilinskij sieht entsprechend die einzelnen Ereignisse nicht als isolierte Erscheinungen, sondern als Glieder einer Kette, deren er – beginnend mit dem Mord Urickijs und endend mit dem Schuß Jidáš Šterns – insgesamt 27 nennt, auf die er jedoch nicht alle eingeht.1325 Seine Darstellung umfaßt die Jahre von 1917 bis etwa 1930, spätere Vorkommnisse (bis 1932/33) werden nur 1323 1324

1325

V sovětském Rusku chtějí pochovati Bohu …, in: Našinec, Jg. 68, Nr. 249, 30.10.1932, S. 1f. Vgl. Pronásledování náboženství v Rusku 1930, S. 17ff.; vgl. auch Kobieta w Rosji sowieckiej, in: Przegląd katolicki, Jg. 68, Nr. 40, 19.10.1930, S. 631f. und Ruská revoluce 1936, S. 221f. V Rusku boj trvá … 1933, S. 6.

330

Teil 2 – Werk

am Rande erwähnt. Die Auswahl der dargestellten Taten erfolgt also nicht nach politischen Kriterien bzw. eigenen politischen Vorlieben, sondern es geht Vilinskij vor allem darum, eine Entwicklung deutlich zu machen, in die alle politischen Lager eingebunden sind. Trotzdem kann man an der Art der Darstellung Vorlieben erkennen. Der Anarchismus wird zum Beispiel folgendermaßen charakterisiert: Anarchismus spočívá na etických předpokladech, je úžasně optimistický, věří v člověka a proto zavrhuje každé státní násilí ve jménu svobodně osobnosti.1326 Der Anarchismus beruht auf ethischen Prämissen, ist unheimlich optimistisch, glaubt an den Menschen und mißbilligt deshalb jede staatliche Gewalt im Namen der freien Persönlichkeit.

Die Linie, die er durch die Einzeldarstellungen nachzeichnet, macht deutlich, daß direkt nach der Machtergreifung der Kommunisten der Widerstand groß war, daß der Terror dieser Zeit jedoch in vielen Fällen individuell ausgeübt wurde und Zufälle, das heißt ‚günstige Gelegenheiten‘ dabei eine große Rolle gespielt haben. Häufig sind die Attentäter zwar Mitglieder einer der Gruppierungen, üben die Gewalttaten jedoch direkt gegen den Willen oder zumindest ohne Wissen ihrer Anführer aus. Während der Zeit des Kriegskommunismus und des schlimmsten Hungers nehmen die Anschläge ab und steigen mit der Einführung der sogenannten Neuen ökonomischen Politik (ab 1921) wieder an, erscheinen dann allerdings wesentlich organisierter und koordinierter. Die Verfolgung der Attentäter und vor allem die damit einhergehenden konstruierten Beschuldigungen oder auch Provokationen (wie zum Beispiel die Errichtung der Widerstandsgruppe „Trust“, deren Leitung vollkommen in der Hand von Provokateuren lag1327) seitens der Kommunisten unterliegen ebenso einer Entwicklung. Hier kann man sehen, daß der Kampf zunächst rechten Kreisen galt und daß er im Namen des Klassenkampfes geführt wurde. Aber bereits Ende der 1910er Jahre wandte er sich gegen die linken Kreise (Linkssozialisten und Anarchisten) und etwas später gegen die Mitte (rechte Sozialisten), woran man sehen kann, daß […] přestala býti rada lidových komisařů výkonným orgánem diktatury proletariátu, za jaký se stále vydávala, a stala se diktaturou nad proletariátem, udržující zoufalé své mocenské postavení.1328 der Rat der Volkskommissare aufhörte, Vollzugsorgan der Diktatur des Proletariats zu sein, als welches er sich ständig ausgab, und zu einer Diktatur über das Proletariat wurde, die verzweifelt ihre Machtposition erhält.

In dem Moment, in dem die Kommunisten keine Gruppierung links von sich mehr zuließen, war im Grunde genommen die Revolution beendet. Ende der 1920er Jahre wurde der Staatsterror wieder aufgenommen, wobei sich nun die Beschuldigungen bis in das Ausland, besonders nach England, erstreckten. Erstens 1326 1327 1328

V Rusku boj trvá … 1933, S. 86. Vgl. V Rusku boj trvá … 1933, S. 167-220. V Rusku boj trvá … 1933, S. 112.

Politisch-historische Schriften

331

sollte damit die einheimische Bevölkerung in Angst versetzt werden, daß Ausländer Rußland versklaven wollen, wodurch indirekt ihre Loyalität gegenüber dem Sowjetregime gestärkt werden sollte, denn ein gemeinsamer Feind verbindet. Zweitens sollte dem Ausland deutlich gemacht werden, daß keinerlei antisowjetische Tätigkeiten zugelassen werden. Drittens sollte gezeigt werden, daß es im Land selbst keine Unzufriedenheit gibt, sondern die Auflehnung vom Ausland aus organisiert wird und viertens sollte England kompromittiert werden, weil es 1927 die diplomatischen Beziehungen zu Rußland abgebrochen hatte (nachdem die Dritte Internationale einen Streik englischer Bergleute unterstützt hatte und die Propaganda in den Kolonien verstärkte).1329 Die Rolle der russischen Emigranten für den Kampf innerhalb Rußlands wird als sehr gering eingeschätzt, denn sie hatten dazu keine Kraft, keine finanziellen Mittel, keine Kenntnisse der Bedingungen vor Ort. Ihre einzige Möglichkeit, sich am Kampf gegen die Bolschewiki zu beteiligen, bestand darin, die politischen Aktivitäten der inländischen Bevölkerung zu unterstützen.1330 Damit ist auch die grundlegende Frage geklärt, die sich Vilinskij zufolge alle gestellt haben, ob das, was sie tun, der Bevölkerung in Sowjetrußland helfe, ob die Bevölkerung überhaupt befreit werden wolle oder sich diesen Bemühungen gegenüber gleichgültig verhalte. Im Gegensatz zu dieser allgemeinen Skepsis gegenüber dem exilrussischen Einfluß schreibt er aber über die illegale Partei Krest’janskaja Rossija [Bäuerliches Rußland, tschechisch: Rolnické Rusko], mit der er sympathisiert, weil sie dem Bauernstand gegenüber der faktisch minoritären Arbeiterschaft wieder die ihm gebührende Rolle verleihen möchte, daß ihre Tätigkeit zum Teil aus dem Ausland geleitet werde, sie zwei Zeitschriften in Prag herausgibt und in zwölf Staaten mit Organisationen vertreten sei.1331 Für die unwahre Berichterstattung über nichtexistierende politische Parteien im Exil, die angeblich für die Befreiung Rußlands arbeiten, führt Vilinskij in Anlehnung an den Mörder des französischen Präsidenten, Pavel Gorgulov, und die damit einhergehenden politischen Phantastereien den Begriff „Gorgulovština“ ein.1332

1329 1330 1331

1332

V Rusku boj trvá … 1933, S. 274f. und Ruská revoluce 1936, S. 198. V Rusku boj trvá … 1933, S. 304. „Rolnické Rusko“, in: Lidové listy, Jg. 9, Nr. 107, 09.05.1930, S. 3. Diese Organisation, die für eine bürgerlich-demokratische Republik mit föderativer Struktur eintrat, wurde 1922 von den rechten Sozialrevolutionären S. S. Maslov und A. A. Argunov gegründet. 1928 wurde sie offiziell in „Trudovaja kresťanskaja partija“ [Werktätige Bauernpartei] umbenannt und mit ihr die zuvor gleichnamige Zeitung in „Znamja Rossii“ [Banner Rußlands]. Der Name „Kresťanskaja Rossija“ wurde jedoch für den parteieigenen Verlag beibehalten (Serapionova 1995, S. 46). Gorgulovština v Praze, in: Hlas, Jg. 59, Nr. 4418, 02.09.1932, S. 3.

332

Teil 2 – Werk

Kampf um das Recht auf Freiheit des Einzelnen Alle Anschläge werden von Vilinskij so dargestellt, daß das vollkommene Mißverhältnis zwischen Tat und Vergeltung deutlich wird. Die Reaktion der kommunistischen Macht ist immer unangemessen oder willkürlich und entbehrt jeder rechtlichen Grundlage. Bei der Schilderung der Prozesse kommt übrigens das zum Tragen, was man den anderen Arbeiten Vilinskijs nur bedingt anmerkt, nämlich daß er Jurist ist. Es fällt nicht nur auf, daß er die korrekte Terminologie verwendet, sondern vor allem, daß er die Prozesse nach rechtsstaatlichen Kriterien beurteilt. Er nimmt sie, auch wenn sie noch so konstruiert sind oder die Todesurteile auch ohne Tat bereits beschlossen waren, erst einmal ernst und mißt den realen Prozeßverlauf mit seinen Rechtsmaßstäben. In dieser Hinsicht läßt er sich auf das Spiel ein, das die Kommunisten vor der Weltöffentlichkeit spielen, weist es aber zurück, weil sie die Spielregeln verletzen. In diesen Zusammenhang gehört auch, daß Vilinskij als gemeinsames Merkmal aller Taten des Widerstandes sieht, daß sie in erster Linie im Namen des Rechts, der Gerechtigkeit1333 oder in heutiger Terminologie: der Rechtsstaatlichkeit vollbracht worden sind, in der nicht die Interessen des Einzelnen denen der Klasse untergeordnet werden. Es geht den Tätern um die Freiheit des Menschen und das Recht auf Individualität, vollkommen gleich, ob sie Einzeltäter sind oder zu welcher Gruppierung sie sich selbst zählen. Damit korrespondiert, daß er alle Verurteilten und Umgekommenen beim Namen nennt (sofern ihm dieser zugänglich ist), selbst wenn sie als Person in der sonstigen Darstellung keinerlei Rolle spielen, weil sie an der Tat, die zur Verurteilung geführt hat, gar nicht beteiligt waren. Er gibt ihnen damit zumindest ihre Identität zurück.1334 Auch im Zeichen der Suche nach der individuellen Identität steht der Blick auf die Biographie der Beteiligten (Opfer, Mörder, Verräter, Provokateure, Richter gleichermaßen), wobei dieser recht oft ausgedehnt wird in den spekulativen Bereich – was hätte sein können, wenn … – und vor allem auf die psychologische Ebene. Er rechtfertigt durch sie zwar keinen Verrat und keine Gewalttat, verurteilt diese aber auch an keiner Stelle und führt weder eine Diskussion darüber, ob seiner Meinung nach Mord als politisches Mittel zulässig ist, noch wie die Attentate aus Sicht der christlichen Moral, die er ja als Wertmaßstab der Staatspolitik sehen möchte, zu beurteilen sind. An einigen Stellen scheint das Verständnis doch etwas groß, dann taucht die Titulierung des Täters als ‚Ritter‘ auf, die uns schon von seiner Charakteristik der Wehrmacht und Gumilevs bekannt ist und ganz offensichtlich seine höchste Anerkennung ausdrückt, wozu angemerkt sei, daß es in Rußland keine Tradition des Rittertums gibt, er sie also westlichen Helden mit einem festgelegten Kodex von Tugenden gleichsetzt. 1333 1334

V Rusku boj trvá … 1933, S. 8f. Vgl. Berdjaev, der die Leugnung der menschlichen Persönlichkeit als gewaltige Lüge des Kommunismus bezeichnet (Kopf, Franz Rudolf: Nikolaj Berdjajew. Leben und Schaffen, in: Theologie der Zeit (= Theologische Beihefte zum „Seelsorger“), Folge 2, 1937, S. 117-128, hier: S. 125).

Politisch-historische Schriften

333

Stil In dem Vorwort bezeichnet Vilinskij V Rusku boj trvá … als „reportáž“ [Reportage] und „informativní příručk[a]“1335 [informatives Handbuch]. Historisch oder wissenschaftlich könne das Buch nicht oder nur zum Teil sein, weil der zeitliche Abstand und der Zugang zu den Archivalien, womit er die Prozeß- und Polizeiakten meint, fehle. Man bekommt allerdings bei der Lektüre sehr schnell den Eindruck, daß die Schreibweise auch bewußt nicht wissenschaftlich ist. Was bereits im Zusammenhang mit den religiös-theologischen Schriften erwähnt worden ist, trifft ebenfalls auf die Darstellung des innersowjetischen Widerstandes zu: einzelne Kapitel wurden zuvor bereits in Zeitschriften oder Zeitungen veröffentlicht, was einerseits zu Wiederholungen führt, weil die Zusammenhänge jeweils neu erklärt werden müssen, damit die Kapitel in sich abgeschlossen verständlich sind. Andererseits soll ein breites Publikum angesprochen werden, was er durch poetische Ausschmückungen erreicht. Seine Freude an Abenteuerromanen und eine fast romantische Vorstellung vom heldenhaften Kampf gegen das Böse verleugnet er dabei nicht, auch wenn er sie in die psychologischen Spekulationen über andere einbettet. Es sei daran erinnert, daß im gleichen Jahr wie V Rusku boj trvá … seine beiden Romane fertiggestellt worden sind, die sich ebenfalls sehr leicht lesen. Diese leichte Lesbarkeit steht hier allerdings im Gegensatz zum Inhalt. Zur Illustration seien einige Zitate angeführt. Aleksandr Solskij wird folgendermaßen charakterisiert: Solskij je fanaticky zbožný, zabarvuje monarchistickou myšlenku jakýmsi mystickým odstínem. K ženám je rytířský, je velmi přísný v otázkách cti. Zřejmě na něho působila výchova v duchu předrevolučním, bez zřetel k přítomnosti. Kolik je podobných ruských mladíků, kteří bolestně pociťují své vyhnanství, nevyznají se v prostředcích pomoci svému národu! Zdá se jim, že by mohli Rusku tolik dáti – ale pak se zjistí, že nemají nic než neujasněné snění o dnech zaniklé slávy. Není toho mnoho, objektivně je to totéž jako nic. Ale subjektivně? Tyto sny byly nejdražším, co Solskij měl. Co měl, to dal.1336 Solskij ist fanatisch fromm, färbt den monarchistischen Gedanken mit irgendeiner mystischen Schattierung. Zu Frauen ist er ritterlich, er ist sehr rigoros in Fragen der Ehre. Wahrscheinlich wirkte auf ihn die Erziehung im vorrevolutionären Geist, ohne Rücksicht auf die Gegenwart. Wie viele ähnliche russische Jünglinge gibt es, die schmerzhaft ihre Verbannung fühlen, sich nicht in den Mitteln auskennen, mit denen sie ihrem Volk helfen können! Es scheint ihnen, daß sie Rußland so viel geben könnten – und dann stellen sie fest, daß sie über nichts verfügen als über ein unklares Träumen von den Tagen des untergegangenen Ruhmes. Das ist nicht viel, objektiv ist es gleich nichts. Aber subjektiv? Diese Träume waren das Teuerste, was Solskij hatte. Was er hatte, das gab er.

Das Ende von Grigorij Radkovič, der 1928 im Gebäude der GPU eine Bombe zündete, durch die zehn bis zwölf Menschen ums Leben kamen, und sich dann 1335 1336

V Rusku boj trvá … 1933, S. 5. V Rusku boj trvá … 1933, S. 237.

334

Teil 2 – Werk

selbst erschoß, weil ihm die Flucht nicht mehr gelang, wird in die Theatermetaphorik eingekleidet: „Hra byla skončena a opona padla“1337 [Das Spiel war beendet und der Vorhang fiel]. Über den umstrittenen Selbstmord Boris Savinkovs, den Vilinskij dennoch für wahrscheinlich hält, schreibt er folgendes – und dabei entsteht die Frage, ob er das Ende seines eigenen Lebens zwanzig Jahre später auf gleiche Weise rechtfertigen würde: Než potupný život – raději pád s okna, praskot kostí, přelámaných o betonovou dlažbu, skrvny rozstříkané krve a vyhřezlého mozku. Savinkov nechtěl býti pouhým ‚žijícím psem‘ – dobrovolně si zvolil osud mrtvého lva.1338 Statt eines schmachvollen Lebens – lieber der Fall aus dem Fenster, das Krachen der Knochen, die auf dem Betonpflaster entzweibrechen, die Flecken des verspritzten Blutes und des herausgetretenen Gehirns. Savinkov wollte kein bloßer ‚lebender Hund‘ sein – freiwillig wählte er das Schicksal des toten Löwen.

Für das letzte Beispiel wird der Blick von den Attentätern auf V. V. Ulrich gelenkt, der vorsitzender Richter im Prozeß gegen die Legitimisten (Schiller, Gajer, Kartašev, Fedotov und Bitkin) war: Maličký, kulaťoučký Ulrich, který se nevinně dívá na svět průsvitnýma, modrýma očima a sedává vždy v soudní síni pod velkým obrazem Leninovým, odsoudil na smrt více lidí nežli jakýkoliv jiný sovětský soudce.1339 Der winzig kleine, kugelrunde Ulrich, der mit durchsichtigen, blauen Augen unschuldig auf die Welt schaut und im Gerichtssaal immer unter dem großen Bild Lenins sitzt, verurteilte mehr Menschen zum Tode als jeder beliebige andere sowjetische Richter.

Die Oszillation zwischen der möglichst genauen Rekonstruktion des tatsächlichen Tatherganges und ihrer hyperrealistischen Poetisierung führt zu einer merkwürdigen Spannung zwischen Objektivität und Subjektivität und – wie man deutlich am Fall Radkovič sehen kann – zwischen Realität und Fiktionalität. Durch die Metaphorik werden die realen Ereignisse in den Bereich der Fiktion verschoben und damit ihrer menschlichen Tragik beraubt. Wenn das Leben als Theaterstück betrachtet wird, verliert der Tod seine Endgültigkeit, es scheint eine Reprise möglich. Vilinskij unterwandert durch seinen Stil die Glaubwürdigkeit der gesamten Darstellung, die er zuvor verantwortungsvoll rekonstruiert hat. Am besten, obwohl es ungewollt geschieht, weil es nur um den verpackten Hinweis geht, daß sich das Buch spannend lese, trifft den vermischten Stil die Ankündigung des Buches in Hlas: „Je to práce historická, avšak taková, že se bude čísti jako román“ [Es ist eine historische Arbeit, jedoch so eine, daß sie sich wie ein Roman lesen wird].1340 1337 1338 1339 1340

V Rusku boj trvá … 1933, S. 261. V Rusku boj trvá … 1933, S. 165. V Rusku boj trvá … 1933, S. 289. In: Hlas, Jg. 59, Nr. 4374, 01.04.1932, S. 3.

Politisch-historische Schriften

335

Man kann diesen Widerspruch nicht im Sinne von Dokumentarliteratur auflösen, die auf Dokumente und Fakten zurückgreift, durch die sie das Verhältnis von Literatur und Realität neu bestimmen möchte. Es geht hier nicht um die schöne Literatur, dann wäre selbstverständlich die Kritik gerade der literarisch gestalteten Textstellen verfehlt, sondern es geht hier allein um die Realität und die vielen Menschenleben, die ihr zum Opfer gefallen sind. Und wenn Vilinskij vor der sowjetischen Schreckensherrschaft warnen und gleichzeitig zeigen will, daß die Bürger im Land noch nicht durch sie paralysiert sind, sondern sich mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln unter Einsatz ihres Lebens gegen sie auflehnen, ist es kontraproduktiv, diese zum – zugespitzt formuliert – Abenteuerspielplatz zu verharmlosen. Sein Stil erleichtert zwar den emotionalen Zugang des Lesers zu dem Text, hält ihn jedoch davon ab, das Ausmaß und die Ernsthaftigkeit der Katastrophe an sich herankommen zu lassen und daraus auch für sich selbst Konsequenzen zu ziehen. Ob seine eigene Konsequenz darin bestand, sich von dem konspirativen Geist, dem er eingehend nachgespürt hat, anstecken zu lassen, sei dahingestellt. Die spielerische Komponente, die dem Verrat innewohnt, die Bereitschaft, das Glück herauszufordern, übte ganz offensichtlich eine große Faszination auf ihn aus, was auch aus seiner oben zitierten Kritik an Šalda spricht. Dabei war er sich dessen bewußt, daß die Folgen solchen Tuns nicht vorhersagbar sind, weil die angegriffene Macht irrational darauf reagiert.

Ruská revolúcia [Die Russische Revolution] (1936) Vilinskij dient der Blick auf die Vergangenheit zur Erklärung der Gegenwart.1341 Das war bereits im Zusammenhang seiner Beschäftigung mit der russischen Kirchengeschichte zu sehen, die ihm dazu nützlich war, die tiefe Verwurzelung der orthodox-katholischen Beziehungen im russischen Volk nachzuweisen und damit die Notwendigkeit der zeitgenössischen unionistischen Tendenzen zu rechtfertigen. Im Falle der russischen Revolution zeigt er durch das Nachverfolgen ihrer Entstehung den engen Zusammenhang zwischen wirtschaftlich-sozialer und politischer Situation, wobei er hier weniger einem vordergründigen Interesse bei der Auswahl der dargestellten Ereignisse folgt. Im Gegensatz zu religiösen Einflüssen läßt sich die wirtschaftliche Entwicklung statistisch messen. Er fragt sich, auf welche Weise revolutionäre Energie entsteht und welche Bedingungen erfüllt sein müssen, daß tatsächlich eine Revolution ausbricht. Dem Inhalt des Werkes Ruská revoluce würde besser der weniger verkaufsträchtige Titel „Die Geschichte der russischen revolutionären Bewegung“ entsprechen. Es ist – wie Duch ruské církve und Unionizmus – in zwei große Teile untergliedert. 1341

Ruská revoluce 1936, S. 9.

336

Teil 2 – Werk

In dem ersten, der die Überschrift Zrození revoluce [Die Geburt der Revolution] trägt, wird die Zeit vom Dekabristenaufstand 1825 bis zur Februarrevolution 1917, bzw. bis zur Abdiktion des Zaren dargestellt. Der zweite Teil, Revoluce na postupu [Die Revolution auf dem Vormarsch], setzt dort ein und beschreibt den weiteren Verlauf der Ereignisse bis zu Vilinskijs Gegenwart. In diesem Werk entspricht dem Inhalt der sachliche Stil, den er gewählt hat. Ein Rezensent bestätigt, daß es unparteiisch geschrieben sei.1342

Periodisierung Ohne hier auf die Einzelheiten eingehen zu wollen, sei die Entwicklungslinie, die Vilinskij darstellt, grob nachgezeichnet. Dabei werden die vielen Gruppierungen und Richtungen und Einzelentwürfe, die die ideologische Grundlage für den revolutionären Gedanken bilden, vernachlässigt. Er unterscheidet drei Perioden der revolutionären Bewegung. Die ersten beiden Perioden verfolgt er aus historischer Perspektive, wobei er auf ungezählte Einzelheiten eingeht, die durch statistische Angaben – deren Herkunft allerdings nicht nachgewiesen wird (Quellen werden insgesamt nur an wenigen Stellen genannt, dann jedoch zum Teil sogar mit Bibliothekssignatur) – belegt werden, die auf die Person genau die Zahl der für welche Ziele streikenden Arbeiter usw. angeben. Die ausführlichste Darstellung erfährt die Entwicklung zwischen Februar und Herbst 1917, in der man die Ereignisse in politischem und militärischem Bereich fast Tag für Tag nachverfolgen kann. Dieser Prozeß ist abgeschlossen. Die Prozesse der dritten Periode sind für ihn noch nicht Geschichte, sondern Gegenwartspolitik,1343 weshalb er zu ihrer Beschreibung die Position des Chronisten verläßt und eher soziologisch vorgeht, ohne jedoch darauf zu verzichten, hier ebenso die grundsätzliche Entwicklungslinie zu beschreiben. Die nebenstehende Übersicht kann zur besseren Orientierung in diesem materialreichen Werk helfen.

Erste Periode Die erste Periode beginne Ende des 18. Jahrhunderts und reiche bis zu dem Krimkrieg und der Inthronisierung Alexanders II. im Jahre 1855, wobei der Dekabristenaufstand, mit dem Vilinskij seine eigentliche Darstellung beginnen läßt, einen Höhepunkt bilde. In dieser Zeit sei die Wirtschaft davon gekennzeichnet, daß das anwachsende Geschäftskapital beginne, die Industrie zu unterstützen, die dadurch prosperiere, was wiederum nach sich ziehe, daß sie einen steigenden Bedarf an freien Arbeitern habe. Nach 1848 kommt es deshalb zu massiven Versuchen, die Bauern zu befreien. Die 1342 1343

Salajka, Ant. in: Časopis katolického duchovenstva, Nr. 3, 1938, S. 287-288, hier: S. 288. Ruská revoluce 1936, S. 169.

337

Politisch-historische Schriften Buchkapitel

Revolutionäre Bewegung

Öffentliches Leben

Jahr

1

1. Teil

6

Alexander I.

Höhepunkt 1825 Dekabristenaufstand

1801 bis 1818 1818 bis 1825

Liberalismus Reaktion

8

1825 bis 1855

Nikolaus I.

9

1825 bis 1848 1848 bis 1855

Reaktion Verstärkung der Reaktion

10

2. Periode

12

15

1830

1840

11

14

1810

1820

7

13

1800

1. Periode

5

1801 bis 1825

1855 bis 1864 Übergangszeit 1853 bis 1856 Krimkrieg Bauernbefreiung 1861 Zemstvo 1864

1855 bis 1881

Alexander II.

1855 bis 1863

Zusammenarbeit zwischen Gesellschaft und Regierung

1850

1860

ÜZ

4

Ende 18. Jh. bis 1855 1. Periode

ÜZ

3

1. Periode

2

18

1864 bis 1917 2. Periode

19

Reaktion, Einschränkung der Reformen

1870

1881 bis 1894

Alexander III.

1880

schwerste Reaktion „Rußland war auf Eis gelegt.“ (Ruská revoluce, S. 57)

20 21 22 23 24 25 26 27

3. Periode

2. Teil

1863 bis 1881

ab Herbst 1917 (hier bis 1936) 3. Periode

1894 bis 1917

Nikolaus II.

1894 bis 1911

Mäßigung administrativer Strenge Reaktion durch Kriegsausbruch bedingte Mäßigung Desorganisation des staatlichen Lebens

1911 bis 1914 1914 bis 1915 ab 1916

1890

1900

1910 Frühjahr 1917 Herbst 1917

1920

3. Periode

17

2. Periode

16

338

Teil 2 – Werk

weitere Festigung des russischen Kapitalismus (dieser Begriff wird im Gegensatz zu anderen nirgends definiert) habe zur Folge, daß sich die bis dahin geltende Wirtschaftsund damit auch die Sozialordnung auflösen. Es entstehen neue Klassen wie zum Beispiel das Bürgertum, wohingegen der Adel als Klasse zunehmend geschwächt werde. Wie der Dekabristenaufstand deutlich mache, seien es die höheren Kreise, die sich für Veränderungen einsetzen, die jedoch weder versucht haben, das Volk für ihre Ideen zu gewinnen, noch selbst eine einheitliche Vorstellung davon haben, welche neue Staatsform sie sich wünschen.1344 Es seien Einzelne, die den sozialen Kampf propagieren, Revolutionäre, die aus den Reihen der Intelligenz kommen und die Bauern agitieren.

Übergangszeit Während einer Übergangszeit, die Vilinskij mit den Jahren 1855 bis 1864 datiert, in die also die Bauernbefreiung und die Einrichtung des Zemstvo fallen, ändere sich die Agitation dahingehend, daß die Agitatoren ‚unters Volk gehen‘, das heißt, sich unter die Bauern mischen, mit ihnen auf dem Feld arbeiten und nicht nur zur reinen Agitation aufs Land fahren. In dieser Zeit werde langsam deutlich, daß die Arbeiter eine Gruppe für sich darstellen, sie nicht mehr nur als Bauern, die gerade in der Fabrik arbeiten, aufgefaßt werden können und es ihnen deshalb nicht länger gerecht wird, sie mit denselben Mitteln zu agitieren wie die Bauern.

Zweite Periode Die zweite Periode setzt Vilinskij mit der Zeit von 1864 bis 1917 an. Sie setze damit ein, daß Alexander II. seine eigenen Reformen wieder einschränkt, was sich durch ein Attentat, das 1866 auf ihn verübt wird, noch einmal zuspitzt. Sein Nachfolger Alexander III. verschärft die Reaktion abermals, so daß die Gesellschaft, die nach 1855 Vertrauen zu der Regierung gefaßt hatte, sich in sehr niedergeschlagener Stimmung befindet. Das ändert sich erst 1894 durch den Machtantritt von Nikolaus II., der die Zügel etwas lockert, ehe er sie nach der Ermordung des Ministerpräsidenten Stolypin 1911 wieder anzieht. Es fällt auf, daß in Vilinskijs Periodisierung das Jahr 1905 keine Rolle spielt. Er verneint ausdrücklich, daß es sich um eine Revolution gehandelt habe.1345 Da diese Ereignisse zu keinem tatsächlichen Umbruch geführt haben, könne man sie 1344

1345

Vgl. Ruská revoluce 1936, S. 27f., wo er zwei verschiedene Verfassungsentwürfe vorstellt, von dem einer eine Republik beschreibt, der andere eine konstitutionelle Monarchie. Das steht im Widerspruch zu den Auffassungen Pavel Miljukovs, Petr Struves, Sem’en Franks, Nikolaj Berdjaevs, Pavel Novgorodcevs u. a., die sie als erste Revolution bezeichnen (vgl. Šaur, Josef: Ruské revoluce v pojetí ruské emigrace na příkladu P. N. Miljukova, in: Hanuš/Vlček [Hgg.] 2008, S. 54-68, hier: S. 59).

Politisch-historische Schriften

339

eher als Episode in der Kette der gesamten Entwicklung betrachten. Das öffentliche Leben bewege sich aber ab 1905 im Flußbett der Revolution, es finde ein Ringen mit der Duma statt, wobei sich die liberale Richtung durchsetze. Vilinskij stimmt der Bezeichnung der Duma durch Karpovitch als „constitutional experiment“ oder durch deutsche Juristen als „Scheinkonstitucionalismus“ zu.1346 In wirtschaftlicher Hinsicht sei die Zeit bis zum Ende des Jahrhunderts durch die weiterhin schnelle Entwicklung des russischen Kapitalismus und ab den 1880er Jahren vor allem durch die Industrialisierung geprägt. Es entstehen große Industriezentren außerhalb der Städte, in die die Dorfbevölkerung abwandert, was zu einer Entvölkerung des Dorfes führe. Aufgrund der Hungersnot im europäischen Teil Rußlands müsse die Regierung 1891 private Initiativen dulden. In dieser Zeit nehmen die Streiks massiv zu, was bedeutet, daß das Proletariat organisiert ist und zwar als Arbeiterbewegung und nicht durch theoretisierende Intellektuelle, die versuchen, die Theorie in die Praxis umzusetzen. Die Arbeiterschaft, die sich nun als eigene Klasse definiere, gehe von ihren aktuellen Bedürfnissen aus und belehre die Theoretiker zum Beispiel in der Hinsicht, daß sie neben dem sozialen und wirtschaftlichen Kampf den politischen für unerläßlich halte. Die Parteien als solche können die Arbeiter nicht anführen, sondern seien nur in den Fällen erfolgreich, in denen sie der Arbeiterbewegung folgen. Außer den Streiks der Arbeiter gebe es auch große Unruhen unter den Studenten und den Landarbeitern, die revolutionäre Tätigkeit werde also immer intensiver und breiter. Das 20. Jahrhundert beginne mit einer langwierigen industriellen Krise. Zwischen den Unruhen, die zu dieser Krisenzeit stattfinden und denen, die während der Konjunktur stattfinden – das kann aus Vilinskijs gesamter Abhandlung für jede Krise bzw. Konjunktur verallgemeinert werden –, könne man einen qualitativen Unterschied ausmachen. In Krisenzeiten seien die Streiks vor allem wirtschaftlicher Natur, in Konjunkturzeiten vor allem politischer. Die Konjunktur, die man ab 1910 verzeichnen könne, werde durch Bankkapital, das in die Industrie investiert werde, in Bewegung gebracht. Bestimmte Industriezweige werden in Konzernen monopolisiert. Die Zahl der Arbeiter wachse erheblich und damit erwache auch wieder die Arbeiterbewegung, was mit einer Vertiefung der Streitigkeiten innerhalb der Parteien (Spaltung der Sozialdemokratie) einhergehe. Man könne in der Gesellschaft eine Entwicklung nach links verzeichnen, die vor allem durch die Verschärfung des innenpolitischen Drucks nach 1911 ausgelöst werde. Mit dem Ersten Weltkrieg setzen abermals wirtschaftliche Probleme ein, weil die Kriegsindustrie zwar große Gewinne mache, der Staat sich dabei jedoch zutiefst verschulde. Das Volk reagiere zunächst patriotisch auf den Krieg und schränke die Streiks, die 1914 kulminiert waren, ein, doch wachse ab 1916 die Unzufriedenheit stark an, die in die Februarrevolution münde. Nach dieser gerate die wirtschaftliche Entwicklung aus allen regulierten Bahnen, die Industrie breche zusammen, das Pro1346

Ruská revoluce 1936, S. 73.

340

Teil 2 – Werk

letariat habe einen übermäßigen politischen Einfluß, der Großgrundbesitz werde zugrunde gerichtet, Fabriken werden beschlagnahmt und es erfolge eine unüberlegte Emission von Banknoten. Das Militär befinde sich ebenfalls in einem Prozeß der zunehmenden Auflösung – die Hierarchie werde unterwandert, Befehle werden nicht erfüllt: „Rusové prchali jako divoká horda“1347 [Die Russen ergriffen die Flucht wie eine wilde Horde] und die Eisenbahn verweigere den Truppentransport.

Grundzüge der Entwicklung der ersten beiden Perioden Zusammenfassend über die Darstellung der Entwicklung von 1825 bis 1917 kann man sagen, daß Vilinskij sich bei jeder Gruppierung oder Ideologie, über die er schreibt, an erster Stelle fragt, wen sie als Träger der Revolution sehe. Weitere Betrachtungen gelten den Ideen und Zielen und dem Vorgehen, durch das diese erreicht werden sollen. Hinzu kommen weiterhin jeweils die Fragen, wann die Revolution stattfinden solle und ob die jeweilige Ideologie Vorbildern folge. Werde zu Beginn des 19. Jahrhunderts die Rolle der revolutionären Kraft noch dem Adel zugeschrieben, gehe sie in der Mitte des Jahrhunderts auf die Bauern und von diesen auf die Arbeiterschaft über. Waren sich einzelne Vertreter des Adels selbst noch Anführer, wechsle diese Funktion über zu Gruppierungen aus der Intelligenz, den Berufsrevolutionären, Studenten, Terroristen, dem Bürgertum, der Armee, bis es letzten Endes die Arbeiter selbst seien, die über ihr Schicksal bestimmen wollen. Die anfängliche Forderung nach sozialem Kampf, die die Revolutionäre aus den Reihen der Intelligenz ausgesprochen haben, werde durch die nach politischem Kampf, den die Arbeiterbewegung ausspricht, erweitert. Gleichzeitig werde der Versuch, die Theorie in die Praxis umzusetzen, abgelöst durch den Versuch der Umsetzung der Praxis in die Theorie. Hauptsächlich in der Frage, ob es fremde oder eigene Ideen seien, für die man die Revolution mache, unterscheidet sich die erste von der zweiten Periode. Die Streikwelle von 1905 ging von den Arbeitern und Landarbeitern aus, die von 1914 und 1917 schließlich von dem gesamten Volk, was den politischen Umbruch auslöste, dem der soziale folgen sollte. Vilinskij zeichnet also eine Entwicklung, die sich gesellschaftlich von oben nach unten bewegt und durch die Zunahme der Lohnarbeit und das wachsende Selbstbewußtsein der Arbeiterschaft immer breitere Schichten erfaßt und mehr oder weniger gesetzmäßig in einen Umsturz münden mußte, dessen Zeitpunkt allerdings seiner Meinung nach künstlich herbeigeführt worden sei. Er vertritt also nicht die seiner Zeit weit verbreitete These, daß die Februarrevolution spontan ausgebrochen sei.1348 Die Frage nach ihrer Autorschaft beantwortet Vilinskij dahin1347 1348

Ruská revoluce 1936, S. 135. Ruská revoluce 1936, S. 111f. Vgl. zur Sicht der Emigration auf die Revolution Omeľčenko, N. A.: V poiskach Rossii. Obščestvenno-političeskaja mysľ russkogo zarubež’ja o revoljucii 1917 g., boľševizme i buduščich suďbach rossijskoj gosudarstevennosti, Sankt-Peterburg 1996 und Šaur 2008.

Politisch-historische Schriften

341

gehend, daß diese kollektiv den Liberalen, Revolutionären, Monarchisten, Bolschewiki zukomme, die die unabwendbaren Reformen, die die Zaren verzögert haben, einforderten. Die Ausführenden seien das Proletariat, Volk, die Masse, die allerdings durch Einzelne, Politiker, Industrielle, Intellektuelle, das liberale Bürgertum dazu inspiriert worden seien.1349 Seinen Hang zu Synthesen macht er auch hier geltend, indem er die Sicht der Bolschewiki und die des Bürgertums auf die Revolution zusammenführt und somit keiner einzelnen politischen Kraft das Recht gibt, sich allein mit der moralischen Verantwortung zu schmücken oder sich im Gegenteil von ihr zu distanzieren. Darin liege auch der Unterschied zur Oktoberrevolution, die sich genau von diesen Nebeneinflüssen freimacht und damit weit über die politischen Ziele, die das Bürgertum erreichen wollte, hinausgeht. Die Arbeiterschaft konnte in ihrem revolutionären Elan von niemandem mehr gebremst werden: [D]ějiny únorové revoluce až do bolševického převratu [jsou] dějinami postupného rozpoutávání revolučního živlu, osvobozujícího se od všech postranních vlivů. Je to proces pomalého přerodu revoluce politické v revoluci sociální.1350 Die Geschichte der Februarrevolution bis zum bolschewistischen Umsturz ist die Geschichte der schrittweisen Entfesselung des revolutionären Elements, das sich von allen Nebeneinflüssen befreite. Es ist der Prozeß der langsamen Umwandlung einer politischen Revolution in eine soziale Revolution.

Diese soziale Revolution, deren Ziel die regierungslose Gesellschaft ist, wurde jedoch nicht zu Ende geführt, sondern die Sowjetdiktatur als eine Übergangsform zu ihr eingeführt, die noch andauert und bei Vilinskij als dritte Periode bezeichnet wird. Gerade darin, daß seiner Meinung nach nicht der Oktoberumsturz, sondern Stalins erster Fünfjahrplan einen Meilenstein in der Geschichte der sozialen Revolution in Rußland bildet, unterscheidet sich seine Darstellung von der anderer Historiographen.1351

Dritte Periode Während der Zeit nach der Oktoberrevolution, mit der Vilinskij diese dritte Periode der russischen revolutionären Bewegung einsetzen läßt, werden die Banken, nach und nach die einzelnen Industriezweige, die Geschäfte, die Handelsmarine und damit der gesamte Bereich des Außenhandels verstaatlicht. Die staatliche Verwaltung 1349 1350 1351

Ruská revoluce 1936, S. 107. Ruská revoluce 1936, S. 107. Vgl. Harbuľová, Ľubica: Interpretácie a dezinterpretácie októbra 1917 na Slovensku, in: Hanuš/Vlček (Hgg.) 2008, S. 145-155, hier: S. 149. Er geht also durchaus auf sozialökonomische Faktoren ein und betrachtet die Revolution nicht nur als soziologische Erscheinung, wie es „praktisch alle Forscher in der Emigration“ getan haben (Kovalev, M. V.: Russkie istoriki-ėmigranty o pričinach revoljucii 1917 g., in: Saburova, Taťjana A. [Hg.]: Sociaľnye konflikty v istorii Rossii. Materialy vserossijskoj naučnoj konferencii, Omsk 2004, S. 58-62, hier: S. 61).

342

Teil 2 – Werk

wird streng zentralisiert. Und der psychische Druck auf die Bevölkerung werde durch den kommunistischen Terror verstärkt. Wegen des mit dem Bürgerkrieg einhergehenden Verfalls der Wirtschaft wird die Neue ökonomische Politik eingeführt, die neben dem Sektor der sozialistischen Wirtschaft auch einen privaten zuläßt, der jedoch nur so lange geduldet werde, bis der staatliche Bereich sich regeneriert habe, so daß es zwischen 1926 und 1929 zur sozialistischen Rekonstruktion komme. Vilinskij vergleicht die sowjetische Wirtschaft mit der von Byzanz zur Zeit der Palaeologen. In Byzanz habe ebenfalls der Staat die Qualität und die Quantität der Produktion bestimmt und die Höhe der Löhne, außerdem habe Byzanz gezeigt, daß das Zusammenleben von verstaatlichter Wirtschaft mit privater Wirtschaft grundsätzlich möglich sei, was eines der grundlegendsten Lebensprobleme Sowjetrußlands darstelle.1352 In dem Maße, in dem er die religiösen Einflüsse von Byzanz auf Rußland herabspielt, empfiehlt er Sowjetrußland, in wirtschaftlicher Hinsicht gerade von Byzanz zu lernen. Im Jahre 1929 wird der erste Fünfjahrplan verabschiedet, dessen Ergebnissen Vilinskij genaue Beachtung schenkt. Der Wirtschaft sei es in dieser Zeit besser als während des Bürgerkrieges gegangen, jedoch – auf das Gesamte gesehen – kaum anders als in der Zeit vor der Revolution. Die Effizienz der Arbeit sei gesunken, denn es wurde mit wesentlich mehr Arbeitern nur etwas mehr in schlechterer Qualität produziert. Die Wirtschaft habe sich wieder belebt, aber nicht durch planmäßiges, sondern durch chaotisches Vorgehen, so daß der erste Fünfjahrplan ganz und gar kein Erfolg im Hinblick auf eine vernünftig gelenkte Wirtschaft darstelle, was vor allem daran liege, daß er nicht den Bedürfnissen des Landes angepaßt worden sei. Die Maßnahmen, die zur Planerfüllung ergriffen worden sind, reichen von zusätzlichen Schichten bis zur „diefikace“1353 [Diefizierung], dem Versuch, den Unterschied zwischen Tag und Nacht zu negieren. Die weitgehende Kollektivierung der Landwirtschaft, die in die Zeit des ersten Fünfjahrplanes fällt und für die bolschewistische Regierung vor allem den Vorteil habe, daß die politische Bedeutung der Bauern stark gemindert werde, habe zu einer wesentlich geringeren Ernte geführt, was Vilinskij mit einem passiven Widerstand des Dorfes erklärt. Der zweite Fünfjahrplan erscheint ihm realistischer, allerdings sind 1936 seine Ergebnisse noch nicht bekannt, weil er erst 1934 verabschiedet worden ist. Außer diesen wirtschaftlichen Aspekten richtet sich der Blick auf den Bereich der Diplomatie, der nach Meinung Vilinskijs unzuverlässig sei, weil die Sowjets sich an ihre Bündnisse nur gebunden fühlen, um die Zeit bis zur Weltrevolution zu überbrücken. Daß sie diese auch unter Stalin noch anstreben und daß ihr Ziel tatsächlich die regierungslose Gesellschaft und nicht nur die Erhaltung der eigenen diktatorischen Macht sei, davon geht Vilinskij 1936 noch aus, obwohl er bereits 1933 geschrieben hatte: 1352 1353

Ruská revoluce 1936, S. 10. Rozdíl mezi nocí a dnem chtějí bolševici zrušit jako přežitek buržoazního řádu, in: Lidové listy, Jg. 9, Nr. 150, 02.07.1930, S. 5.

Politisch-historische Schriften

343

Moc se udržuje pouhým násilím: dnes, když nikdo vážně nemyslí na pjatiletku, nelze ani tvrditi, že by Rusku vládla komunistická idea. Vládnou jenom určití lidé, idea ztroskotala.1354 Die Macht erhält sich durch pure Gewalt: heute, wo keiner ernsthaft an den Fünfjahrplan denkt, kann man nicht einmal behaupten, daß in Rußland die kommunistische Idee herrschen würde. Es herrschen nur bestimmte Leute, die Idee ist gescheitert.

Bolschewismus – laizisiertes Temperament der Theokratie1355 Mit Blick auf Vilinskijs Interesse an religiösen Fragestellungen und dem Plädoyer für eine katholische Konzeption der slavischen Frage scheint interessant, daß er den Bolschewismus für eine Religion in soziologischem Sinn hält. Der Prozeß der Festigung des Bolschewismus sei ein Prozeß der Entwicklung einer neuen mythischen Religion, die jeden kritischen Verstand bekämpfe, weil sie selbst ausschließliche Wahrheit beanspruche.1356 In diesen eher allgemeinen Überlegungen verläßt ihn die oben konstatierte Sachlichkeit der Darstellung. Die Lehre von der bevorstehenden Weltrevolution sei in ihren Grundzügen reine Eschatologie. Das Gefühl der Solidarität finde sich in der Lehre vom Klassenhaß, der die Arbeiter zwinge, im Namen des künftigen Sozialismus zu hungern. Eine neue gesellschaftliche Moral und Ästhetik sei formuliert worden, die die Verstaatlichung der öffentlichen Meinung in Form des Pressemonopols rechtfertige. Spuren von Kult und Ritual seien in den nicht endenden Zusammenkünften, Kommissionen und Resolutionen zu finden – als Ritus, der die Mystik der Ablehnung des freien menschlichen Willens ausdrücken solle. Die eine einzige philosophische Richtung sei der Materialismus, der nicht selbst Religion sei – später wird er von Vilinskij selbst als solche bezeichnet1357 –, sondern nur Theologie, in der die Lehre von Marx irgendein altes Testament darstelle und der Leninismus und Stalinismus irgendein neues Testament bilden (was die heiligen Schriften des Christentums mit der allgemeinen Soziologie von Religionen zu tun haben, bleibt Vilinskijs Geheimnis). Der Trockismus sei selbstverständlich eine Häresie. Die fehlende Tradition und Überlieferung seien in die Zukunft (die eschatologische Erwartung) projiziert. Die Hoffnung auf die Errichtung des Reiches Gottes auf Erden sei das gemeinsame gesellschaftliche Ideal, das die Grundlage der bolschewistischen Religion bilde. Des weiteren trage der künstlich geweckte Enthusiasmus der Jugend für den Fünfjahrplan rein religiösen Charakter. Der Leichnam Lenins sei in eine Reliquie verwandelt und die Gestalt Lenins mit dem Mythos einer Legende umwoben worden, deren widerscheinender Glanz den Hohepriester des Kommunismus, Stalin, weihen solle. 1354 1355 1356

1357

Situace v SSSR, in: Našinec, Jg. 69, Nr. 25, 31.01.1933, S. 1. Mit diesem Begriff operiert er in Ruská revoluce 1936, S. 11, 19, 140 und 220. Hier und für die weitere Charakteristik vgl. Ruská revoluce 1936, S. 11f. Karsavin beschreibt den Bolschewismus unter Verweis auf verschiedene Parallelen ebenfalls als eine „religiöse Bewegung“ (Karsawin 1925, S. 373). Ruská revoluce 1936, S. 220.

344

Teil 2 – Werk

Und dieser Hohepriester wiederum werde durch den Personenkult zum Träger des Göttlichen: […] pro nejbližší dobu státní aparát, škola, komunistická strana, tisk a nevěrecká propaganda učiní vše, aby na místo Kristovo byla nastolena obtloustlá postava budovatele pětiletky, nového Mohameda – Josefa Džugašvili-Stalina. Stalin je viditelným vyjádřením laicisovaného teokratického temperamentu ruské revoluce.1358 […] in der unmittelbar folgenden Zeit unternehmen der Staatsapparat, die Schule, die kommunistische Partei, die Presse und die atheistische Propaganda alles, damit an die Stelle Christi die beleibte Gestalt des Erbauers des Fünfjahrplanes, des neuen Mohammed – Josef Džugašvili-Stalins erhoben wird. Stalin ist der sichtbare Ausdruck des laizisierten theokratischen Temperaments der russischen Revolution.

Die Wirkung bleibe nicht auf den innersowjetischen Bereich beschränkt, denn die tschechoslowakischen Russophilen kaufen deshalb keine Ikonen, weil sie „spíše horují pro podobenky Jeho Excelence J. Stalina, nežli pro zbožné náměty církevních malířů“1359 [eher nach Abbildungen Seiner Exzellenz J. Stalins lechzen als nach frommen Motiven kirchlicher Maler]. Vilinskij täuscht sich in dem Punkt, daß er meint, daß die Armee und die GPU mächtiger seien als Stalin selbst. Er hält es für möglich, daß Stalin, „nedovede-li umřít včas, aby byl mumifikován a uložen vedle mrtvoly Leninovy – může očekávat osud Zinověvův“1360 [wenn es ihm nicht gelingt, rechtzeitig zu sterben, um mumifiziert und neben dem Leichnam Lenins niedergelegt zu werden, das Schicksal Zinovevs erwarten kann]. Daß oben Mohammed ins Spiel gebracht worden ist, hängt damit zusammen, daß Vilinskij zuvor zustimmend darauf hingewiesen hatte, daß jemand den Bolschewismus als „Islamisierung der Orthodoxie“ bezeichnet hat, womit gemeint war, daß er die Religion materialisiert und die ewigen Ideale auf die Erde, in das Reich von Raum und Zeit übertragen hat. Das, was Vilinskij hier mit immer neuen Parallelen beschreibt, entspricht keiner Religion, sondern einer Sekte, die zwar einzelne religiöse Elemente aufnimmt, aber die Menschen der Freiheit beraubt, indem sie sie in wirtschaftliche und psychische Abhängigkeit von sich bringt. Wie man an dem oben beschriebenen Versuch, familiäre Strukturen zu zerstören, sehen kann, besteht ebenfalls im Einklang zu diesem Sektenbegriff das Anliegen, die Hauptbindung des Menschen an sich zu ziehen. Religion läßt sich nicht mit Masaryk nur als „ústřední duchovní síla jednotlivce a společnosti“1361 [zentrale Kraft des Einzelnen und der Gesellschaft] beschreiben – die Frage ist doch gerade, wo diese Kraft herkommt, daß sie Verbindlichkeit und Letztgültigkeit erlangt. Deshalb sollte man Religion sinnvoller definieren „als Gestalt gewordenen Ausdruck menschlichen Sich-Verhaltens und in-Beziehung-Setzens zu einem letzten Gegenüber (das als personal, apersonal oder transpersonal erlebt und gedacht werden 1358 1359 1360 1361

Ruská revoluce 1936, S. 221. Export ruských ikon 1935. Rudý Napoleon?, in: Brázda, Jg. 17, Nr. 13, 12.09.1936, S. 208-210, hier: S. 209. Masaryk, T. G.: Rusko a Evropa II, Praha 1996 (= Spisy T. G. Masaryka, Bd. 12), S. 371.

Politisch-historische Schriften

345

kann)“.1362 Was macht den Bolschewismus verbindlich, wenn „[…] komunisté tvoří vlastní ‚teokracii‘ bez Boha, teokracii, která se má projeviti ve spáse lidstva pomocí komunistické teorie“1363 [die Kommunisten eine eigene ‚Theokratie‘ ohne Gott schaffen, eine Theokratie, die sich im Heil der Menschheit mittels der kommunistischen Theorie äußern soll]? Stellt die Bestätigung der Theorie die Rückbindung dar? Vilinskij läßt sich oberflächlich durch einige Ausprägungsformen von Religion in der Kirche leiten. Er lehnt selbstverständlich diese neue Religion ab, weil sie keine andere neben sich duldet. Diese ganze These wirft aber trotzdem ein fragwürdiges Licht auf sein Religionsverständnis. Wenn ihm selbst die Religion nicht mehr ist, dann stellt sich natürlich auch die Frage, aus welcher existentiellen Betroffenheit heraus er für die Einheit der Kirchen eintritt.

Erzieherische Diktatur Die russische Revolution ist nach Vilinskij nicht abgeschlossen, weil sie ihr Ziel noch nicht erreicht hat, deshalb herrsche vorübergehend eine Diktatur, darauf ist bereits hingewiesen worden. Wenn man weiß, daß sich Vilinskij später selbst in erheblichem Maße auf Diktaturen eingelassen hat, ist nicht von geringem Interesse, wie er ihre russische Variante wahrnimmt. Vilinskijs Kurzdefinition des sowjetrussischen Systems lautet: Je to monopolní vychovatelská diktatura, sledující cíl likvidace státu a uskutečňovaná s laicisivaným temperamentem theokracie.1364 Es ist eine erzieherische Diktatur mit Monopolanspruch, die das Ziel verfolgt, den Staat zu liquidieren und die mit dem laizisierten Temperament der Theokratie verwirklicht wird.

Was er mit dem zweiten Teil der Definition meint, ist bereits zur Sprache gekommen. Was meint er jedoch mit dem ersten Teil? Die Sowjetregierung wolle nicht nur vollkommen die wirtschaftliche und soziale Struktur des Staates umgestalten, sondern an erster Stelle die gesamte Bevölkerung so umerziehen, daß sie vom Geist dieses neuen Staates durchdrungen werde und daß die öffentliche Meinung der offiziellen Ideologie der herrschenden Schichten angepaßt werde. In diesen Kontext bettet Vilinskij auch die Diskussion um die Einführung des lateinischen Alphabets ein, denn wenn die klassischen Texte nicht mehr gelesen werden können, könne die offizielle Kulturpolitik einen neuen russischen Kanon schaffen, der mit ihrer Ideologie in Einklang steht.1365 1362 1363 1364 1365

Grundmann 1999, S. 24. Ruská revoluce 1936, S. 220. Ruská revoluce 1936, S. 19. Poslední mytus, in: Našinec, Jg. 66, Nr. 157, 12.07.1930, S. 1. Schon in seiner allerersten eigenständigen Publikation hat Vilinskij die Sprache als Träger kultureller Traditionen ausgemacht, mit ihr stehe oder falle die Nation (Korni edinstva russkoj kuľtury 1928, S. 18). Eines ihrer Elemente ist die geschriebene Sprache. In den mittelasiatischen Sowjetrepubliken

346

Teil 2 – Werk

Wenn schließlich irgendwann die vollkommene Meinungsidentität hergestellt sei, sei der Augenblick der unvermeidlichen Selbstliquidierung der Diktatur eingetreten, denn: Je-li každý sedlák úplně stejného nazírání jako Stalin a má-li stejný komunistický výcvik, pak není vlastně příčiny, aby držitelem moci byl právě Stalin a sedlák zůstával u pluhu.1366 Wenn jeder Bauer vollkommen der gleichen Ansicht wie Stalin ist und wenn er die gleiche kommunistische Ausbildung/Dressur erhalten hat, dann gibt es eigentlich keinen Grund mehr, daß der Inhaber der Macht gerade Stalin ist und der Bauer beim Pflug bleibt.

Das Erlangung des Ziels stelle also gleichzeitig die größte Gefahr für die amtierende Macht dar und habe deshalb auch keinen Eingang in die Verfassung gefunden, die sowieso insofern konservativ und undemokratisch sei, als sie nur den Ist-Zustand beschreibe.1367 Die erzieherischen Eingriffe zeigen sich auf zweierlei Weise – erstens in Form eines vollkommenen Monopols, das der Staat im Bereich des bürgerlichen Lebens geltend mache und zweitens in Form eines teilweisen Monopols, das dort zu beobachten sei, wo die Regierung nicht das menschliche Verhalten reguliere.1368 Die Entwicklung gehe natürlich dahin, daß sich die Sphäre des vollkommenen Monopols auf Kosten des teilweisen ausweitet, bis schließlich alle Bereiche unter uneingeschränkter staatlicher Kontrolle stehen und die absolute Unfreiheit erlangt sei. Die Nivellierung und Unifizierung des Einzelnen, als deren Opfer Majakovskij und Esenin angeführt werden,1369 führe zu einer allgemeinen geistigen und seelischen Verarmung: „Pakliť by všichni byli jeden úd, kde by bylo tělo?“1370 [Wenn aber alle ein Glied wären, wo wäre der Körper?]. Wie man sehen kann, erweckt Vilinskijs Darstellung nicht den Anschein, daß er sich Illusionen über das Sowjetsystem hingegeben hätte.

Trotz allem: Patriotismus Wie man den Ausführungen zu V Rusku boj trvá … entnehmen kann, betrachtet Vilinskij den oppositionellen Terror nicht gerade kritisch, was im Widerspruch zu seinen allgemeinen Rechtsvorstellungen steht. Das hängt damit zusammen, daß er

1366 1367 1368 1369 1370

erfolgte auf Beschluß des Kongresses der Turkologen in Baku 1926 die Alphabetisierung auf der Grundlage des lateinischen Alphabets. 1931 wurden bereits 59 Sprachen der Sowjetunion mit lateinischen Lettern geschrieben (Sládek, Zdeněk: Revoluční mesianismus a nerevoluční kontinuita, in: Švankmajer, Milan/Veber, Václav/Sládek, Zdeněk/Moulis, Vladislav/ Dvořák, Libor: Dějiny Ruska, Praha 42004, S. 339-355, hier: S. 354). Ruská revoluce 1936, S. 18. Nová sovětská ústava, in: Brázda, Jg. 17, Nr. 11, 20.06.1936, S. 162-166, hier: S. 165. Ruská revoluce 1936, S. 212f. Ruská revoluce 1936, S. 222. Ruská revoluce 1936, S. 223.

Politisch-historische Schriften

347

ihn als letztes Zeichen der Anständigkeit, des Patriotismus, der die wahren russischen Interessen wahrt, sieht.1371 In Ruská revoluce schreibt er in Bezug auf den Bürgerkrieg: […] tato revoluce byla násilná a proto odboj proti ní byl přirozený. Tento odboj diktovaly všechny živé síly země. Kdyby Rusko nemělo tohoto odboje, musilo by se styděti, protože by to znamenalo, že je pouhým objektem libovolných pokusů.1372 […] diese Revolution war gewaltsam und deshalb war der Widerstand gegen sie natürlich. Diesen Widerstand diktierten alle lebendigen Kräfte des Landes. Wenn Rußland diesen Widerstand nicht gehabt hätte, müßte es sich schämen, weil das heißen würde, daß es das bloße Objekt beliebiger Versuche ist.

Die Frage der Mittel ist zweitrangig. Ihm geht es vor allem darum, daß nicht alle dem Bolschewismus blind wie eine Herde gefolgt sind, damit auch er sich für ‚sein Rußland‘ nicht schämen muß. Wohlwollend kann man in diesem Sinne auch einige pamphletartige Äußerungen deuten, denen zufolge die Usurpatoren in Sowjetrußland natürlich keine Slaven seien, denn nur mit der Hilfe Deutschlands und der Berliner Regierung könne sich in Moskau Stalin und die ganze Meute von Verbrechern und Mördern an der Macht halten.1373 Ebenso ist verwunderlich, gerade wenn man alle von ihm aufgelisteten Grausamkeiten des Sowjetsystems im Gedächtnis behält – und zeugt von seiner Prägung durch das demokratische System der Tschechoslowakei, wo ein ganz anderes Rechtsbewußtsein herrschte als in Rußland1374 –, daß er sich immer wieder auf die Untersuchung der sowjetrussischen Verfassung, der Fünfjahrpläne, Gesetze und ähnlicher offiziell verabschiedeter Papiere einläßt, als würde er doch noch davon ausgehen, daß sich die Diktatur durch sie gebunden fühlen würde. So begrüßt er 1934 die Veränderung des sowjetischen Wahlrechts, das 90% der Bevölkerung eingeräumt wurde, mit den Worten: „Je-li na západě vývoj k diktatuře, je v Rusku vývoj k demokracii“1375 [Wenn es im Westen eine Entwicklung zur Diktatur gibt, gibt es in Rußland eine Entwicklung zur Demokratie]. Welchen demokratischen Fortschritt stellt jedoch die Möglichkeit zu wählen dar, wenn es nichts zu wählen gibt und ein großer Teil der politisch interessierten Bürger ohne Wahlrecht in Sibirien leiden muß? Diese Art der Sicht Vilinskijs auf die sowjetische Realität ist damit zu erklären, daß er in der Hoffnung auf einmal veränderte Verhältnisse alles 1371

1372 1373

1374

1375

Nach den Überlegungen von Assen Ignatow über die ‚säkularen Spätfolgen‘ des Prinzips der Sobornosť folgt Vilinskij damit einem typischen Denkmuster: „Moral steht höher als Recht und Justiz; ein Angeklagter, der sich von edlen Motiven leiten ließ oder ein leidender und unglücklicher Mensch ist, soll freigesprochen werden, sogar wenn er das Gesetz verletzt hat“ (Ignatow, Assen: Zur Frage nach den Verhältnissen zwischen westlichem und russischem Philosophieren, in: Dahm/Ignatow [Hgg.] 1996, S. 230-256, hier: S. 238). Ruská revoluce 1936, S. 179. Vgl. My vyražaem iskrennee sostradanie, in: Kitež, Jg. 4, Nr. 3, 1930, S. 106 und Ruské memorandum Římu, in: Hlas, Jg. 59, Nr. 4371, 22.03.1932, S. 2. Vgl. Kistjakovskij, Bogdan: Zur Verteidigung des Rechts (Die Intelligencija und das Rechtsbewußtsein), in: Vechi 1990, S. 212-250. Osvobození sovětského občana, in: Lidové noviny, Jg. 42, Nr. 548**, 31.10.1934, S. 2.

348

Teil 2 – Werk

von Sowjetrußland fernhalten will, was sich negativ auf den Ruf der Russen in ihrer Gesamtheit und nicht nur auf den der Bolschewiki auswirken könnte. Es ist seine Form von Patriotismus. Das wird besonders deutlich in dem Artikel „Smažená nemluvňata“ [Gebratene Säuglinge],1376 dessen Titel einen Ausdruck aufnimmt, der in Europa zu Beginn der 1920er Jahre zur Bezeichnung tendenziöser journalistischer Lügen gängig war, die gegen den Bolschewismus allgemein oder einzelne seiner Vertreter gerichtet waren. In diesem Artikel schreibt er, daß russische Emigranten oft über bestimmte Themen (besonders über die Leiden und Verfolgungen) gegenüber den Europäern schweigen würden, weil sie erstens unmöglich und einfach unwahr erscheinen müssen und sie zweitens für ihr Volk Scham empfinden, das natürlich ihr Volk sei und bleibe. Wenn ausländische Journalisten sich im Gegensatz dazu noch wirkungsvolle Einzelheiten des sowjetrussischen Alltags ausdenken, schaden sie seiner Meinung nach dem russischen Volk. Sie schmälern damit unwiderruflich dessen Ansehen, denn es werde die Vorstellung bestehen bleiben, daß die Russen ein Volk seien, über das man mittels Karabatsche herrschen könne und das gebratene Säuglinge verspeise. So kann er auch nicht gutheißen, daß die westlichen Demokratien (aus negativer Erfahrung, das gesteht er ein) die Achtung gegenüber dem Sowjetregime verloren haben und dort schlichtweg alle Verbrechen und Verletzungen der Gesetze für möglich halten. Für sie höre Rußland auf, ein europäisches Land zu sein. In ihrer Vorstellung werde es Orient,1377 von dem er, wie man aus seiner Auseinandersetzung mit dem Eurasiertum ableiten kann, eine äußerst schlechte Meinung hat. Diese Sicht ist ihm selbstverständlich fremd, denn in allen seinen Arbeiten wird Rußland als gleichberechtigt europäisch dargestellt.

1376 1377

„Smažená nemluvňata“, in: Našinec, Jg. 68, Nr. 36, 13.02.1932, S. 1. Kutěpov straší, in: Našinec, Jg. 68, Nr. 28, 04.02.1932, S. 1.

Schluß

Nach dem hiermit abgeschlossenen Gang durch Vilinskijs Leben und Werk seien die Fragen aufgenommen, die den gesamten Entstehungsprozeß der vorliegenden Arbeit begleitet und ihn immer wieder in Frage gestellt haben. Wer war Valerij Sergeevič Vilinskij? Welcher Gewinn kann aus Kenntnissen über sein Wirken gezogen werden? Der Blick auf das Leben Vilinskijs zeigt ihn vor allem als Agenten, der in einem historischen Augenblick zu einer zentralen Gestalt der tschechoslowakischen Geschichte wird. Der Blick auf sein Werk zeigt ihn als den aktivsten und schnell wichtigsten tschechischschreibenden russischen Publizisten der Zwischenkriegszeit. Es scheint im weiteren Zusammenhang sinnvoll, uns von der Trennung zwischen Leben und Werk, die zur sachlichen Erschließung des Materials erforderlich war, zu verabschieden und auf die einleitend angedeutete Dreiteilung der Wirkungsfelder – Emigration, Unionismus, Kollaboration – zurückzukommen.

Vilinskij im Kontext der russischen Emigration Vilinskij fällt aus dem engen Kontext der russischen Emigration heraus. Jeder Versuch, ihn in diesem zu verorten, stößt schnell an Grenzen, auch wenn man an seinen ersten Jahren in der Tschechoslowakei gut die Bedeutung der sogenannten Russischen Hilfsaktion für eine konkrete Biographie nachverfolgen kann. In die in der Literatur immer wieder vorgebrachte Klage, daß die Russen weder im Hinblick auf ihr privates Leben noch in schöpferischer Hinsicht mit dem neuen Umfeld verschmolzen seien,1378 kann im Falle Vilinskijs nicht eingestimmt werden. Er studiert zwar an der Russischen juristischen Fakultät in Prag, wohnt während des Studiums in typischen Wohngegenden für Emigranten und pflegt auch nach dem Studium noch private Kontakte zu einzelnen Russen (Magerovskij, Kalikin, Dluskij, Deineko). Er bewegt sich hingegen kaum in den breit entfalteten organisatorischen Strukturen der Emigration – in der Tschechoslowakei gibt es immerhin 142 russische Vereinigungen –, sondern verkehrt als Student bei den Dominikanern, um sich über den Katholizismus zu informieren.1379 In den Periodika der russischen Emigration, von denen ihm im Zeitraum von 1920 bis 1940 allein in Prag 100 Zeitschriften und 20 Zeitungen zur Verfügung stehen, publiziert er verhältnismäßig wenig, nach 1929 legt er keine selbständigen russischsprachigen Publikationen mehr vor. 1378

1379

Chinyaeva 2001, S. 213. Dieser Meinung widerspricht hingegen ganz ausdrücklich Jochims (2002) mit ihrer gesamten Untersuchung. Auf diesen russischen Studentenzirkel bei den Dominikanern konnte in der seit 1989 doch recht umfangreichen Literatur über die russische Emigration in Prag kein Hinweis gefunden werden, er scheint es jedoch wert, daß seiner Spur nachgegangen wird.

350

Schluß

Seine tschechoslowakische Akkulturation erfährt er in dem mährischen Dorf Dražůvky. Während anderen intellektuellen Emigranten selbst die Hauptstadt Prag zu provinziell erscheint, zieht er sich, sobald es seine Zeit erlaubt, in eine Gegend zurück, die mit öffentlichen Verkehrsmitteln nur schwer erreichbar ist, in der er jedoch mit dem noch ursprünglichen, ‚wahren‘ Leben konfrontiert wird, das tiefe katholische Wurzeln aufweist. Seine neue Heimat betrachtet er nicht nur als Zwischenstation, sondern er bemüht sich, sie in allen ihren Facetten kennenzulernen und sucht nach dem, was für ihn neu ist und was ihm deshalb spezifisch erscheint. Mit Rus se dívá na Č.S.R. vollzieht er gewissermaßen den Wandel vom Emigranten zum Immigranten. Mařenka chce jinou vládu wird bereits als tschechisches Werk rezipiert. Vilinskijs Migration schlägt sich nicht nur thematisch, sondern auch formal in diesen beiden Werken nieder, denn die Textformen Essay und pikaresker Roman sind typisch für Migrationsliteratur. Selbst wenn Vilinskij also nach Studienabschluß nur noch marginale Berührungspunkte mit dem Emigrantenkontext hat, heißt das nicht zwangsläufig, daß er in einem anderen Kontext angekommen ist. Was macht ihn also zu einem Immigranten, wenn man einmal von der tschechoslowakischen Staatsbürgerschaft und der Ehe mit einer Tschechin absieht? In dem Romanmanuskript Praha sind es drei Kriterien, an denen der Protagonist festmacht, daß er sich nicht mehr als Fremder fühlen muß. Es ist erstens der sprachliche Aspekt, daß er Tschechisch denkt, zweitens der religiöse Aspekt, daß er gemeinsam mit Tschechen betet und drittens der soziale Aspekt, daß er auch die Schattenseiten der Gesellschaft kennt. Diese Kriterien erfüllt auch Vilinskij. Er vollzieht den Sprachwechsel. Er findet für sich einen Weg, um als orthodoxer Russe mit katholischen Tschechen beten zu können. Er kennt nicht nur Prag, sondern auch das Landleben in Mähren und der Slowakei. Und als viertes Kriterium ließe sich hinzufügen, daß er zu einem Apologeten der jungen Tschechoslowakei wird. Seine Begeisterung für dieses Staatsgebilde, das zum Bezugs- und Ausgangspunkt aller seiner Aktivitäten und Ideen wird, wird erst 1933 getrübt, als er in Nitra den ersten mächtigen Manifestationen des slowakischen Autonomismus beiwohnt. Daß er sich weiterhin im slavischen Kontext bewegt, macht es für ihn einfacher als für russische Emigranten, die sich in anderen Ländern ansiedeln, sich auf seine neue Umgebung einzulassen. Es fällt dabei auf, daß er – ganz im Sinne der tschechischen Politik – dem slavischen Charakter seiner Umgebung ‚nachhilft‘, denn er ignoriert zunächst nicht nur Probleme im Zusammenleben zwischen Tschechen und Slowaken, die besonders von der klerikalen slowakischen Volkspartei Hlinkas und ihrer ‚Los-von-Prag-Bewegung‘ genährt werden, sondern übersieht auch nahezu vollständig die große deutsche Minderheit, die seit alters her die böhmische und mährische Kultur entscheidend mitgeprägt hat. Wenn man sich fragt, woran sich dennoch Vilinskijs russische Herkunft erkennen lasse, so kann man nur schwerlich auf sein wiederholtes ostentatives Bekenntnis zur Orthodoxie verweisen, denn seine Ansichten über die Orthodoxie sind höchst strittig bzw. kaum von der katholischen Lehre zu unterscheiden – ganz offensichtlich

Schluß

351

will er die Orthodoxie von innen heraus katholisieren, um Rußland durch den sozial engagierten Katholizismus zu retten –, wobei man andererseits aber gerade seinen undogmatischen Umgang mit der Orthodoxie wiederum für typisch russisch halten kann. Er will sich durch sein Bekenntnis zur Orthodoxie nicht wie andere Emigranten, die zeitlebens Emigranten bleiben, des Russischen versichern und dieses konservieren, um der als Gefahr empfundenen Assimilierung an das neue Umfeld entgegenzuwirken. Er erprobt sein Russisch-Sein außerhalb der russischen Kommune in der Differenz. Seine kirchengeschichtlichen Arbeiten, in denen er römische bzw. katholische Spuren in Rußland nachzeichnet, sind ein Gegenentwurf zu dem binären Modell, demzufolge Rußland, das ‚heilige Rußland‘, etwas grundlegend anderes sei als Europa.1380 Vilinskij ‚entheiligt‘ dagegen das ‚heilige Land‘ im Osten. Das stößt allerdings nicht nur unter den russischen Emigranten auf Unverständnis, sondern auch unter russophilen Westeuropäern, von denen die einen Rußland aufgrund der russischen Mystik, die anderen aufgrund der russischen Revolution, die auch mystisch wahrgenommen wird, bewundern. Das ‚Licht aus dem Osten‘ erlischt, wenn Vilinskij dessen Nähe zu Rom untersucht und über die verheerenden Folgen der Revolution in Rußland schreibt. Er will der Orthodoxie ihr westliches Gepräge (zurück-)geben und sie wieder an Europa anschließen, was vor allem heißt, sie zu entnationalisieren. So erscheinen ihm auch die neuen geistigen Strömungen der russischen Emigration (Eurasiertum, Smenovechovcy, Mladorossy), die er genau verfolgt, weshalb sein Werk einen guten Einblick in sie bietet, entweder als zu national, zu vergangenheitsorientiert, zu prosowjetisch oder all dies zusammen. Er schließt sich ihnen nicht an, weil sie sich für eine kulturelle Annäherung an die Aufnahmekultur, um die er sich bemüht, selbstverständlich als vollkommen unfruchtbar erweisen. In seinem Denken bleibt er dennoch immer ein eher konservativer Russe, was man vor allem daran sehen kann, daß er versucht, die ČSR religiös zu fassen und daß ihm Literatur vor allem als Fokus weltanschaulicher Ideen und Literaten als moralische Instanzen dienen. Am ‚russischsten‘ scheint jedoch sein Bewußtsein, einer Großmacht anzugehören, woraus sich auch sein Patriotismus und sein hin und wieder durchscheinendes Pathos erklären lassen. Sein Bemühen, unter tschechoslowakischen Intellektuellen Interesse für Rußland zu wecken, kann als Reaktion auf deren Frankreichorientierung betrachtet werden. Je mehr er sich in dem neuen Umfeld heimisch fühlt, das er sich selbst schreibend erschließt (vor allem mit Rus se dívá na Č.S.R.), desto mehr wendet er sich in seinen Publikationen russischen Themen zu, um das westliche Publikum mit ihnen vertraut zu machen. Dabei 1380

Dieses Modell ist typisch für die gesamte russische Kultur, die als binäre bzw. dichotomisch angelegte kulturelle Formation definiert werden kann (vgl. Schultze, Brigitte: Mythen, Topoi, Kulturthemen und andere sinntragende Ordnungen in neueren Identitätsdebatten. Am Beispiel der russischen, polnischen und tschechischen Kultur, in: Turk, Horst/Schultze, Brigitte/Simanowski, Roberto [Hgg.]: Kulturelle Grenzziehungen im Spiegel der Literaturen: Nationalismus, Regionalismus, Fundamentalismus, Göttingen 1998, S. 220-238, hier: S. 221).

352

Schluß

ermöglicht ihm der Abstand von Rußland einen neuen Blick auf die russischen Phänomene, die er durch den Filter der demokratischen tschechoslowakischen Staatlichkeit wahrnimmt und als Jurist an rechtsstaatlichen Prinzipien mißt. Rußlandnostalgie liegt ihm deshalb fern. Seine Arbeiten zum russischen Geistesleben und zur russischen Geschichte sind also nicht in den Kontext der ‚emigrantischen Memoirenliteratur‘ einzuordnen, durch die gegen das in der Sowjetunion staatlich verordnete Vergessen angeschrieben und der Versuch unternommen wird, zu bewahren, was sich in schriftlicher Form bewahren läßt. Er wendet sich mit seinen Arbeiten nicht an das russische, sondern an das tschechoslowakische Publikum, sie sind nicht in die Vergangenheit, sondern in die Gegenwart bzw. Zukunft gerichtet, denn es geht ihm darum, seine zweite Heimat mit einigen ausgewählten, ihm wichtigen Aspekten seiner ersten Heimat vertraut zu machen: My, ruští emigranti, máme osud nepříliš odlišný od osudu židovského. Setrvání v diaspoře nemůže nemíti jistých následků. Vyhnanství vede k tomu, že v nás žije jistá rozpoltěnost mezi západem a východem; ten, kdo léta stojí na rozhraní dvou kultur, hlouběji nežli jiní, pociťuje potřebu synthesy. Český katolicismus dal mnoho mému vnitřnímu životu a nyní mu jen splácím svůj dluh tím, že píši o kultuře své první vlasti – Ruska.1381 Wir, die russischen Emigranten, haben ein Schicksal, das nicht sehr verschieden von dem jüdischen Schicksal ist. Das Verweilen in der Diaspora kann nicht ohne gewisse Auswirkungen bleiben. Die Vertreibung führt dazu, daß in uns eine gewisse Ambivalenz zwischen Westen und Osten lebt; derjenige, der jahrelang an der Grenze zweier Kulturen steht, spürt tiefer als andere die Notwendigkeit einer Synthese. Der tschechische Katholizismus gab mir viel für mein Innenleben und nun begleiche ich nur dadurch meine Schuld, daß ich über die Kultur meiner ersten Heimat, Rußlands, schreibe.

In dem Maße, in dem die Sowjetmacht erstarkt, nimmt seine Scham für das Chaos, das sie zuvor angerichtet hat, ab. Reagiert er auf die zunehmend prosowjetischen Tendenzen in der Tschechoslowakei, die in der Russophilie vom Ende des 19. Jahrhunderts ihre wichtigste und bestimmende psychologische Voraussetzung haben,1382 noch mit publizistischen und praktischen Warnrufen vor dem Bolschewismus, mildert sich mit der de jure Anerkennung der UdSSR durch die ČSR seine kritische und den Sowjets gegenüber scharf ablehnende Haltung, wovon der Unterschied zwischen dem Stil von V Rusku boj trvá … politické vraždy, procesy a spiknutí v SSSR und Ruská revolúcia oder sein Plädoyer für die Aufnahme der UdSSR in den Völkerbund beredtes Zeugnis ablegen.1383

1381 1382

1383

O duchu ruské církve 1931, S. 2. Kostrba-Skalicky, Oswald: Pathologie einer Beziehung: Die Sowjetunion und die Tschechoslowakei 1918-1938, in: Bosl (Hg.) 1976, S. 153-182, hier: S. 156. Die Frage, welcher Stellenwert den beiden Büchern im Kontext der historischen Forschung zukommt, können nur Historiker beantworten, die mit der vorliegenden Arbeit auf sie hingewiesen seien.

Schluß

353

Trotzdem idealisiert er die Verhältnisse in der UdSSR nicht, denn er ist durch seine Arbeiten gründlich damit vertraut, wie totalitäre Macht funktioniert. Selbst als er sich nach dem Krieg mit sowjetischen Militärs und Diplomaten einläßt, ist er weit davon entfernt, ihnen in dem Maße zu trauen, daß er in die UdSSR reisen würde. Er rechnet von dem Beginn seiner Emigration an nicht einen einzigen Augenblick mit seiner Rückkehr nach Rußland, darin bleibt er sich bis zum Ende treu, und darin unterscheidet er sich von vielen, vor allem älteren Emigranten.

Vilinskij im Kontext des Unionismus und der tschechischen Kultur Der unionistische Kontext ist personell klar getrennt von dem der Emigration, denn Bemühungen um den Katholizismus stoßen „až na naprosté výjimky“1384 [bis auf absolute Ausnahmen], zu denen Vilinskij und sein Freund Kalikin zählen, unter den Russen auf keinerlei Unterstützung. Die russischen Emigranten außerhalb der Tschechoslowakei, die sich ähnlich offen und intensiv zum Katholizismus bekennen wie Vilinskij (Ivanov, Kuzmin-Karavaev, Kobylinskij-Ėllis), bringen dies im Gegensatz zu Vilinskij meist früher oder später durch ihre Konversion zum Ausdruck. Es wäre also vor allem lohnenswert, Vilinskijs Konzeption der orthodoxkatholischen Annäherung, die man als Gegenentwurf zu den philoprotestantischen Strömungen vor allem im Umfeld des Institut St. Serge in Paris sehen kann, mit Argumenten zu vergleichen, die stärker in der orthodoxen Lehre verhaftet sind. Worin unterscheidet sich seine Argumentation z. B. von der Petr Evgrafovič Kovalevskijs?1385 Durch Vilinskij erfahren die Velehrader Bemühungen eine Rechtfertigung, denn an seiner Person wird exemplarisch deutlich, wie die Zusammenarbeit zwischen Katholiken und Orthodoxen aussehen kann. Es wird in diesem Zusammenhang aber ebenfalls deutlich, wie sehr gerade Bemühungen um einen gleichberechtigten Dialog zwischen Vertretern verschiedener Konfessionen von konkreten Einzelpersonen abhängig sind. Stojan, Jemelka, Prečan und andere überzeugen durch die Authentizität und Ehrlichkeit ihrer Bemühungen, was um so augenfälliger wird, wenn man ihr Verhalten mit dem Proselytismus vergleicht, den andere Katholiken (d’Herbigny, Berg) emigrierten Russen gegenüber an den Tag legen. Der Velehrader Umgang zeichnet sich durch Demut und Gleichberechtigung aus und erscheint dadurch im gesamteuropäischen Kontext als unzeitgemäß. In dem kulturgeschichtlichen Kontext der Ersten Republik hingegen, der sich insgesamt durch einen, angesichts der ihn umgebenden kulturpessimistischen Tendenzen in Deutschland und Österreich, merkwürdigen Optimismus auszeichnet, erscheint der Unionismus als durchaus zeitgemäß. Der durch Masaryk vertretene 1384 1385

Putna, Martin C.: Jaroslav Durych, Praha 2003, S. 29f. Vgl. Lambrechts, Antoine: L’activité ecclésiale de Pierre E. Kovalevsky. Au service de l’Unité de l’Église, in: Davids/Poljakov (Hgg.) 2008, S. 165-172.

354

Schluß

idealistische Traum von einer humanistischen Demokratie kann für eine gewisse Zeit nationalen Stolz und Eitelkeit, die sich aus einer (durch Alois Jirásek und Mikoláš Aleš) verfälschten Vorstellung vom hussitischen Erbe speisen, verdrängen. 1386 Auf Dauer kann er jedoch nicht nationalistische Tendenzen überwinden. Wenn man diese Vorstellungen von der staatlichen auf die kirchliche Ebene überträgt, lassen sich Parallelen erkennen. Die Unionshoffnungen sind selbstverständlich ebenfalls von Geschichtsoptimismus geprägt und rechnen mit der unaufdringlichen Überzeugungskraft des eigenen Vorbilds, wobei ausgeblendet wird, daß nicht alle Beteiligten die Geduld und das Vertrauen aufzubringen vermögen, Gott sein Werk selbst zur Vollendung bringen zu lassen. Weil die Unionisten ihrer Zeit voraus sind, können sie jedoch zum einen wegweisend für die auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil formulierten katholischen Prinzipien des Ökumenismus werden, die auf einer veränderten Ekklesiologie basieren, und zum anderen für die Erneuerung der nun europäisch verstandenen cyrillomethodianischen Tradition nach 1989. Wie läßt sich unter diesen Gesichtspunkten die in der Forschung vernachlässigte Zeit zwischen dem Ersten und dem Zweiten Vaticanum theologisch am besten fassen, in der es im Westen zu einer verstärkten Beschäftigung mit dem Osten kam, in der aber gleichzeitig in Rußland der Fundamentalismus zu neuer Blüte gelangte? Neuere Entwicklungen in der katholischen Kirche deuten darauf hin, daß durchaus nicht alle Ideen aus der Zeit zwischen den Konzilen durch die Beschlüsse des zweiten Konzils überholt sind. Es ist sicherlich nicht überzogen, dem Unionismus eine wichtige Bedeutung für den mährischen und slowakischen Katholizismus in der Zeit der Ersten Republik zuzuschreiben, für den böhmischen Landesteil kommt ihm keine solche Bedeutung zu. Entsprechend nimmt Vilinskijs publizistisches und lobbyistisches unionistisches Engagement, durch das es ihm gelingt, russische Teilnehmer für die unionistischen Kongresse in Velehrad zu gewinnen und zum Abbau von Vorurteilen beizutragen,1387 mit seiner zunehmenden Hinwendung nach Prag ab. Er bestätigt jedoch noch 1952, daß er sich als Mitglied der Družina literární a umělecká fühle, deren Mitglied er aufgrund seiner Arbeiten über das russische Geistesleben und die Frage der Vereinigung der orthodoxen mit der katholischen Kirche geworden ist. Er scheint sich später also nicht innerlich von seiner früheren Tätigkeit loszusagen. Eine dringend zu klärende Frage, die hier jedoch nicht weiter verfolgt werden kann, ist die nach der Bedeutung der tschechoslowakischen katholischen Kirche für die russischen Emigranten in der Tschechoslowakei (und die nach der Bedeutung der katholischen Kirche für die russischen Emigranten in Europa allgemein). Welche Rolle kommt Vilinskij für das auffallend wohlwollende Verhalten der katholischen 1386

1387

Vgl. Kohák, Erazim: Domov a dálava. Kulturní totožnost a obecné lidství v českém myšlení, Praha 2009, S. 182ff. Seiner Initiative ist es z. B. zu verdanken, daß Vertreter der Orthodoxie als Dank für die Protestaktion gegen den antireligiösen Terror in Sowjetrußland an einem Gottesdienst im Veitsdom teilnehmen.

Schluß

355

Kirche gegenüber den Emigranten in der ČSR zu, der zwischen beiden als Vermittler auftritt, indem er einerseits die Kirche in einigen Fragen berät und Empfehlungen abgibt und an den sich andererseits russische Emigranten mit der Bitte um Hilfe wenden, wenn sie Unterstützung bei den Katholiken suchen? Hat dieses Wohlwollen seine Grundlage in dem cyrillomethodianischen bzw. unionistischen Verständnis der tschechoslowakisch-russischen Beziehungen? Bringen vor allem die mährischen Geistlichen den russischen Emigranten ein größeres Verständnis entgegen als andere Bevölkerungsgruppen, weil viele von ihnen Russisch beherrschen, mit der russischen Literatur vertraut sind und sich zum Teil im vorrevolutionären Rußland aufhielten? Während die tschechische Öffentlichkeit mit Erstarken des Nationalsozialismus in Deutschland zunehmend prosowjetisch wird, warnt die Kirche vor Bolschewismus und antireligiösem Terror; während viele Presseorgane antibolschewistische Beiträge ablehnen, stellt die Kirche ihre Presse für solche Beiträge zur Verfügung; während der Staat sich zurückzieht und die Russische Hilfsaktion beendet, leistet die Kirche russischen Emigranten finanzielle Unterstützung etc., so daß in diesem Zusammenhang Vilinskijs Aussage, daß „cesta do Moskvy vede přes Řím“1388 [der Weg nach Moskau über Rom führt], nicht nur religiös, sondern auch politisch verstanden werden kann. Ihm stellt sich der römische Katholizismus als westlicher Hauptgegner der negativen Veränderungen in seiner alten Heimat dar (Pius XI. hatte bereits 1924 alle Christen zum gemeinsamen Kampf gegen den Sozialismus und den bolschewistischen Kommunismus aufgerufen), so daß sich die Frage aufdrängt, ob nicht gerade daraus Vilinskijs Philokatholizismus erwächst bzw., anders formuliert, ob ihm sein unionistisches Engagement nur als Ersatz für politische Ambitionen dient, denen er als staatenloser Emigrant nicht nachgehen kann. Die oben vorgenommene kulturgeographische Begründung für den Rückgang seiner unionistischen Aktivitäten würde damit fragwürdig. Ein Jahr nachdem er die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft erhält, erscheint Unionizmus – man könnte also die Abnahme seiner religiösen Publikationen damit erklären, daß er mit diesem Buch alles gesagt habe. Dem steht die Zunahme seiner politischen Publikationen gegenüber, die 1935 in seinen Eintritt in die Agrarpartei mündet. Auch mit diesem Eintritt in eine tschechoslowakische Partei gibt er zu erkennen, daß er sich in diesem Lande angekommen fühlt. Daß er sich für die Agrarpartei entscheidet, weist darauf hin, daß er sich vor allem dem bäuerlichen Dorfleben verbunden fühlt. Die Beschäftigung mit Vilinskij gewährt außerdem einen vollständigen Einblick in die katholische Presselandschaft (und einzelne Aspekte des staatlichen Nachrichtendienstes), wobei sich besonders Alfred Fuchs als Autor erweist, der eine eingehendere Betrachtung verdienen würde. Vilinskijs Sicht auf katholische Literaten wirkt zudem inspirierend, weil trotz einer nach 1989 eingetretenen leichten Verschiebung der Wahrnehmung die tschechische Literatur der Zwischenkriegszeit 1388

Ruský národ a sjednocení církví 1928, S. 10 und 15.

356

Schluß

noch allzu oft auf Erscheinungen der Avantgarde reduziert wird. Mit seiner Bevorzugung von Abenteuerromanen und religiöser Literatur (läßt sich die beschriebene Beziehung zwischen religiöser Literatur und Abenteuerromanen verallgemeinern?) reagiert Vilinskij negativ auf rein ästhetisch orientierte Werke, die keine Massen, sondern vor allem die Intellektuellen in Prag, die mit der modernen französischen Kunst vertraut sind, erreichen können. Darin manifestiert sich abermals seine Verbundenheit mit den einfachen Bewohnern des mährischen Dorfes. Der Vorabdruck von Mařenka chce jinou vládu in Hlas ist nicht zufällig mit dem Untertitel Román vesnický versehen. So muß auch nicht verwundern, daß seine eigenen Werke vor allem als ‚gute Literatur für Katholiken‘ empfohlen werden, wovon auch seine Mitgliedschaft in der Družina literární a umělecká zeugt. In konservativen (nichtmodernistischen) katholischen Kreisen genießt er ein hohes Ansehen. In anderen Kreisen wird er zwar durchaus zur Kenntnis genommen, entweder wegen seiner prokatholischen Ansichten oder wegen seiner kritischen Haltung gegenüber Sowjetrußland aber mehrheitlich abgelehnt. Daß er sich an slowakische Rezipienten wendet (mit den Büchern Unionizmus und Ruská revolúcia, sowie Artikeln in Slovák und Kultúra), kann als bewußter Affront gegen die auf das Prager Publikum fixierten Intellektuellen gewertet werden, die er damit indirekt auf ihre kulturelle Vernachlässigung des slowakischen Landesteiles hinweist, zudem sichert er sich dadurch ein dankbares Publikum.

Vilinskij im Kontext von Protektorat und ‚Februar‘ Auch und vor allem im Zusammenhang mit seiner Kollaboration wird deutlich, daß Vilinskij einen anderen Weg wählt als die meisten russischen Emigranten in der Tschechoslowakei. Sie sehen sich alle vor das Problem gestellt, daß sowohl Beneš als auch die tschechische Widerstandsbewegung einen prosowjetischen Kurs einschlagen. Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten in Deutschland verdrängt die Diktatur in der Nähe den Blick auf die in Rußland verübten Verbrechen, so daß sich die tschechoslowakische Gesellschaft durch die politischen Erfahrungen und die demonstrativ antisowjetische Haltung einiger russischer Emigranten, die auf die globalen Interessen und mit ihnen verbundenen Gefahren des Kommunismus hinweisen, gestört fühlt. Einiges deutet darauf hin, daß Vilinskij aufgrund seiner Kenntnis der in Sowjetrußland verübten Verbrechen die Verbrechen der Deutschen verharmlost. Wie seine illegale Zusammenarbeit mit der tschechischen politischen Rechten beweist, geht er während des Protektorats auf Distanz zu Beneš, was sich durch das gerade Gesagte begründen läßt. Nicht begründen läßt sich dadurch jedoch seine Kollaboration mit den Deutschen, denn auf ihn trifft ebenfalls zu, was man über die meisten russischen Emigranten sagen kann: Sie sind von Masaryks humanistischen und demokratischen Vorstellungen ‚infiziert‘, reagieren mit Mißtrauen auf die Vlasov-Armee und fühlen sich der

Schluß

357

Tschechoslowakei als Slaven verbunden, so daß die Deutschen sie (zu Recht) für unzuverlässig halten. Darin unterscheidet sich die Lage in der Tschechoslowakei grundsätzlich von der in Deutschland, wo russische Militärs spätestens seit 1941 den Nationalsozialisten oft relativ nah stehen. Über die Gründe, was Vilinskij letztlich zur Kollaboration geführt habe, kann man nur spekulieren, weil aus dieser Zeit kaum noch Publikationen von ihm vorliegen, von Selbstzeugnissen ganz zu schweigen. Besonders im Hinblick auf diese Frage stellt die teilweise Vernichtung oder Unzugänglichkeit der Archivalien ein Dilemma dar. Wie aus seinen relativ spät erschienenen Werken V Rusku boj trvá … politické vraždy, procesy a spiknutí v SSSR und Ruská revolúcia sowie aus seinen während der Protektoratszeit publizierten Artikeln und während des ‚Februars‘ verfaßten Spitzelberichten hervorgeht, wendet er einerseits seine Vorstellung von guter Außenpolitik – sich dem Stärkeren anzuschließen – auf sein eigenes Leben an und wird andererseits davon getrieben, aktiv in den Gang der historischen Geschehnisse einzugreifen. Dabei bereitet es ihm ganz offensichtlich keine Gewissensprobleme, sich an der Unterwanderung der Demokratie zu beteiligen und den Wandel der ČSR von einem demokratischen zu einem totalitären Staat mitzuvollziehen, was in großem Widerspruch zu seiner Anfang der 1930er Jahre formulierten Kritik an den Verhältnissen in Sowjetrußland (Pronásledování náboženství v Rusku) und an den Lehren der Eurasier („Tvorimaja legenda“ i istoričeskaja skutečnosť) steht. Besonders in den Spitzelberichten fällt sein großes Selbstbewußtsein auf. Dieses dürfte ihn dazu verleiten, der Meinung zu sein, daß er noch die Kontrolle über sein Tun habe, denn ansonsten könnte er wohl kaum sowohl im Protektorat als auch im Kommunismus für jeweils zwei Seiten tätig sein. In seinem Roman Mařenka chce jinou vládu basiert die Auflösung des Konflikts auf der Idee, daß durch das Eingreifen eines einzigen Journalisten eine ganze Regierung gestürzt werden kann, um ein getrenntes Liebespaar wieder zusammenzubringen. Welchen Anteil haben an gesellschaftlichen und politischen Umbrüchen Intrigen Einzelner, in welchem Verhältnis stehen Banalität und Visionen zueinander, oder ist alles nur ein Spiel, das zumindest Vilinskij mit dem Leben bezahlt? Er schafft es, sich trotz seiner schlechten Ausgangslage als einst unbekannter und mittelloser Emigrant in die höchsten kirchlichen und politischen Kreise vorzuarbeiten, im Sitz der Gestapo zu verkehren und während des Herbstes 1947 und Frühjahrs 1948 schließlich zu dem wichtigsten Agenten für die Staatssicherheit zu werden. Unklar bleibt, abgesehen von der nicht zu unterschätzenden Lust an der Macht und der romantischen Bewunderung von Stärke und ‚Ritterlichkeit‘ (Západní val), seine Motivation, denn es lassen sich hinter seinem Handeln keine Anzeichen mehr für eine Vision finden, von der sein unionistisches Engagement noch geprägt ist.

358

Schluß

Synthesen In seinem gesamten Werk sucht Vilinskij intensiv nach Synthesen, die es ermöglichen, die verschiedenen Wege, die auf der Kreuzung Mitteleuropas, die er als Kreuzung der Kulturen wahrnimmt (Praha), zusammentreffen, auf einer übergeordneten Ebene zu vereinen. Er sucht nach den Wurzeln der Einheit der russischen Kultur (Korni edinstva russkoj kuľtury); nach einer Konzeption, auf deren Grundlage sich die Slaven gemeinsam zum Wohle ihrer Staaten einsetzen können (K slovanské otázce); nach einem vereinigenden Band zwischen Tschechen und Slowaken, das die tschechoslowakische Einheit untermauert (Rus se dívá na Č.S.R.); nach Gemeinsamkeiten zwischen der orthodoxen und der katholischen Kirche, um den Doppelglauben in Rußland (Duch ruské církve) und die Glaubensspaltung (Unionizmus) überwinden zu können. Synthesen wirken homogenisierend, weil sie zur Erkenntnis der Einheit in der Vielfalt führen. Es geht also um den produktiven Umgang mit kulturellen Differenzen. Dieser kann Vilinskij persönlich dazu dienen, sich unter Wahrung seiner individuellen Identität nicht mehr fremd fühlen zu müssen und die ambivalente Position eines Menschen zwischen verschiedenen Kontexten aufzubrechen.1389 Vilinskijs Leben und Werk bilden einen wichtigen Spiegel für unterschiedliche Erscheinungen des Geisteslebens seiner Zeit, auf die er häufig mit einem Gegenentwurf reagiert, wobei er als Wandernder zwischen der russischen und der tschechischen Kultur den Spiegel immer wieder in eine andere Richtung zu drehen versteht. Er betrachtet die tschechischen Verhältnisse aus einem internationaleren, paneuropäischen Blickwinkel.1390 Dadurch nimmt er Erscheinungen wahr, die anderen verborgen bleiben, weil sie auf bereits festgelegte Erklärungsmuster zurückgreifen. Seine Sicht auf die Tschechoslowakei, wie er sie in Rus se dívá na Č.S.R. darlegt, erscheint auch heute noch in einigen Aspekten originell,1391 weil er den Blick von außen bewahrt, den er allerdings auf innerste Erscheinungen zu richten versteht, denen er sich unvoreingenommen und offen zuwendet. Vilinskij ist, das ist sicherlich deutlich geworden, eine sehr schillernde Person, eine „osobnost záhadná“1392 [rätselhafte Persönlichkeit] bzw. „podivná, trochu obskurní postava“1393 [merkwürdige, leicht obskure Gestalt], deren Leben und Denken nur schwer mit wenigen Begriffen adäquat beschrieben werden kann. Seine Vorliebe für synthetische Modelle bewahrt ihn jedenfalls nicht davor, selbst ein Leben voller 1389

1390 1391

1392 1393

Vgl. Singer, Mona: Fremd. Bestimmung. Zur kulturellen Verortung von Identität, Tübingen 1997 (= Perspektiven, Bd. 6), S. 129f. Vgl. Kolek 1933, S. 4. Das bestätigt indirekt ‚tundra84‘, eine Studentin der Lomonosov-Universität, die 2007 während eines Auslandssemesters in Pilsen dieses Buch (als Čechoslovakija glazami russkogo) ins Russische übersetzt hat (s. tundra84: Severní vítr je krutý, počítej, lasko má, s tím … Ja vernulas’. K sožaleniju [20.11.2007], in: http://tundra84.livejournal.com/ 18274.html; 9. Februar 2010). Vaško 1990, S. 155. Firt 1971, S. 526.

Schluß

359

Widersprüche zu führen und sehr polarisierend zu wirken. Das durch ihn für belletristische Texte angemahnte ‚happy end‘ (Chvála detektivky), das eine Parallele zu den in gewisser Weise utopischen vereinigenden Entwürfen bildet, erlangt er in seinem realen Leben nicht, denn er beherzigt nicht seine eigene Mahnung, daß „не все пути ведут в Рим“1394 [nicht alle Wege nach Rom führen], wenn er von seinem früheren Gottvertrauen abläßt und sich statt dessen politischer Intrigen bedient. Mit der vorliegenden Arbeit wurde etwas Licht in das Dunkel um Vilinskij gebracht, damit sowohl sein Leben als auch sein Werk, das neben Publizistik Spitzelberichte umfaßt, von der Geburt bis zum Tod verfolgt werden kann. Einen starken Akzent auf die Darstellung der Biographie zu legen, schien vor allem deshalb erforderlich, weil sämtliche Arbeiten, in denen Vilinskij bisher Erwähnung findet, mit fehlerhaften biographischen Angaben operieren. Zudem ist sein Leben so reich an Peripetien und sein Wirken so heterogen, daß davon bis jetzt je nach Forschungsinteresse jeweils nur einzelne Ausschnitte wahrgenommen wurden. Die sich in letzter Zeit in verschiedenen Zusammenhängen mehrenden kurzen Verweise auf Vilinskij ließen ein tiefes Informationsbedürfnis erkennen, das zunächst durch das Auffinden, Darstellen und Systematisieren des Materials befriedigt werden sollte. Für gründlichere Untersuchungen zu konkreten Einzelfragen bzw. die Einbettung in den gesamteuropäischen Kontext der russischen Emigration,1395 die sich anschließen müßten, liegt mit der Bibliographie nunmehr eine solide Materialbasis vor, deren Zusammenstellung sich als ähnlich abenteuerlich erwies wie das Leben Vilinkijs.

1394

1395

Puti katoličeskoj propagandy, in: Vestnik. Organ r. s. ch. dviženija, Jg. 3, Nr. 4, April 1928, S. 29-31, hier: S. 31. Dazu bietet sich, wie oben bereits angedeutet, besonders ein Vergleich mit den ersten vorgelegten Ergebnissen der informellen Russian Diaspora Research Group an (Davids/Poljakov [Hgg.] 2008). Welche Rolle spielen Konversionen, Proselytismus, interkonfessioneller Dialog etc. im Leben der Emigranten in den verschiedenen Ländern, welche Gemeinsamkeiten, welche Unterschiede können im Hinblick auf diese Fragen festgestellt werden?

Dank

Es ist bei der Veröffentlichung von Dissertationen Brauch, derer dankend zu gedenken, die auf die eine oder andere Weise ihre Entstehung begleitet haben. Es ist mir ein Bedürfnis und eine Freude, diesen Brauch aufzugreifen. Zu danken fange ich nunmehr an: Martin C. Putna, vermittelt durch Antonín Brousek, danke ich – mit etwas gemischten Gefühlen – für den ersten Hinweis auf den „interessanten Publizisten Vilinskij“; Herrn Prof. Dr. Ludger Udolph bin ich zu aufrichtigem Dank verpflichtet, daß er spontan Interesse bekundet hat, mich mit diesem Thema ‚unter seine Fittiche zu nehmen‘; der Tschechisch-deutschen Gesellschaft in Prag danke ich ebenso für ein Stipendium wie ganz besonders der Studienstiftung des deutschen Volkes für die finanzielle und ideelle Förderung; viele Mitarbeiter tschechischer Bibliotheken und Archive haben mich bei meinen Recherchen unterstützt, den Dank an sie alle richte ich stellvertretend an Josef Hrdlička; den Gutachtern und Opponenten Herren Professoren Ludger Udolph, Reinhard Ibler, Christian Prunitsch, Matthias Klinghardt und Holger Kuße danke ich für wertvolle Fragen und Anregungen, die ich bei der vorliegenden Überarbeitung der ursprünglich unter dem Titel „Nicht alle Wege führen nach Rom.“ Leben und Werk des Russen Valerij S. Vilinskij in der Tschechoslowakei. Emigration – Unionismus – Kollaboration verfaßten und im Februar 2008 an der Fakultät Sprach-, Literatur- und Kulturwissenschaften der Technischen Universität Dresden als Dissertation angenommenen Arbeit berücksichtigt habe; den Herausgebern danke ich für die Aufnahme in ihre schöne dunkelblaue Reihe; für die Beteiligung an den Druckkosten danke ich sehr herzlich Herrn Prof. Dr. Peter Thiergen als Vertreter des Privatfonds Schulze-Thiergen und meinen Eltern; ihnen sowie meinen Brüdern und Freunden gilt ein lieber Dank für uneingeschränkte seelische und moralische Unterstützung, Hagen für schlaflose Nächte, in denen er dem Buch sein Layout gegeben hat. Vielen Dank! Dresden/Prag im Frühjahr 2010

Anne Hultsch

Anhang Tabellarischer Lebenslauf Valerij Sergeevič Vilinskij

3. Juli 1901

in Odessa geboren Vater:

1919

Sergij Grigor’evič Vilinskij (* 15.09.1876 Kišinev, † 15.01.1950 Prag) Prof. für altrussische Literatur

Mutter:

Pelagie Kuksiné († ca. 1903)

zweite Frau des Vaters:

Anna, geb. Grünmann[ova] (* 1883, † ca. 1936)

Abschluß des Gymnasiums Rovnjakovs in Odessa

1919/20

Studium an der Juristischen Fakultät der Neurussischen Universität in Odessa

1920

Flucht über Rumänien (dort drei Monate inhaftiert) nach Bulgarien

1921/22

Studium an der Juristischen Fakultät der Sofioter Universität

29. Mai 1923

Ankunft in der Tschechoslowakei (Brünn)

1923 bis 1927 4. März 1927

Studium an der Russischen juristischen Fakultät in Prag Diplom erster Stufe (JUDr.)

1924-1936 [1927-1932 1927 1927 bis 1933 bis ca. 1930

regelmäßige Teilnahme an den unionistischen Kongressen in Velehrad mit Wortbeiträgen] erste Publikationen Arbeit als freier Publizist in Brünn (s. Werkverzeichnis) überwiegend russischsprachige Veröffentlichungen, dann Übergang zum Tschechischen als Schreibsprache

1930

Beteiligung an der Protestbewegung gegen religiösen Terror in Sowjetrußland mit zahlreichen Vorträgen landesweit

1931

Auszeichnung mit dem päpstlichen Kreuz Pro Fide et Ecclesia in Russia merito

seit 1931

Mitglied in der Literarischen und künstlerischen Vereinigung (DLU) in Olmütz korrespondierendes Mitglied der Velehrader Akademie

seit Anfang 1930er

Vertragsredakteur der Tschechoslowakischen Presseagentur (ČTK)

2. Dezember 1931

tschechoslowakische Staatsbürgerschaft

362

Tabellarischer Lebenslauf

29. Oktober 1932 1934 bis 1936 1935 gegen 1936 1936 1936 bis 1938 1938 1939/1940 1939

Heirat mit Vojtěška Žižková (* 17.08.1903) angestellter Redakteur der Lidové Noviny in Brünn Eintritt in die Agrarpartei Mitarbeiter des Politikers Viktor Stoupal (Agrarpartei) Umzug nach Prag Tätigkeit für den staatlichen Nachrichtendienst (= Presseabteilung im Ministerratspräsidium) Ernennung zum ‚Rat‘ Hauptschriftleiter der amtlichen tschechischen Korrespondenz für die Provinz-Presse Beförderung zum ‚Sektionsrat‘ Agent der Gestapo

1939 bis 1942

Berichterstatter für General Eliáš

1939 bis 1945

Tätigkeit im Statistischen Zentralamt

Februar 1940 Frühjahr 1940 1945/46

Akkreditierung für Hlas (St. Louis) und Tätigkeit für die Presseagentur CentroPress Radioansprache Nur keine Bedenken Teilnahme an einer einwöchigen Besichtigung des Westwalls Leiter der Studienabteilung im Ministerium für Binnenhandel (bei Ivan Pietor; DS)

1946 bis 1955

Agent der Staatssicherheit

1946 bis 1948

Chef von Pietors Kabinett im Verkehrsministerium

1946

Beförderung zum ‚Obersektionsrat‘

1948

Beförderung zum ‚Ministerrat‘ Leiter der Verkehrsabteilung und amtlicher Berater der russischen Handelsmission im Ministerium für Außenhandel (bei Antonín Gregor; KSČ)

1949/50

Arbeit im Unifizierungsministerium als persönlicher Sekretär von Vavro Šrobár (Strana slobody) und Abteilungsleiter

1951 1952 bis 1954 10/11. Mai 1955 zwei Kinder:

Aufnahmeantrag in die KSČ öffentlicher Angestellter Übersetzungen russischer Sachbücher ins Tschechische Selbstmord durch Erschießen Tochter Rita-Marie und Sohn Sergij (beide nach 1941 geboren)

Verzeichnis der Werke Vilinskijs und ihrer Rezensionen

Selbständige Publikationen 1928 Čerty ideologii russko-katoličeskogo dviženija, Užgorod 1928, 51 S. Rezensionen: Popow, Sergius in: West-östlicher Weg, Jg. 2, Nr. 4, April 1929, S. 85-91 Schmitt, Bertram in: West-östlicher Weg, Jg. 2, Nr. 4, April 1929, S. 91-93 Schmitt, Bertram in: West-östlicher Weg, Jg. 2, Nr. 6, Juni 1929a, S. 137-139 K., D. in: Kitež, Jg. 2, Nr. 5-6, Mai-Juni 1928, S. 97f. K., D. in: Kitež, Jg. 2, Nr. 7-10, Juli-Oktober 1928, S. 136-139 o. A. in: Apoštolát sv. Cyrila a Metoděje, Jg. 20, Nr. 2, Februar 1929, S. 61 o. A. in: Christianin, Nr. 6, S. 23 Korni edinstva russkoj kuľtury, Užgorod 1928, 27 S. dass. als Sonderdruck aus: Karpatskij svet, Jg. 1, Nr. 1-2-3, 1928, S. 21-28; Nr. 4, S. 66-71 und Nr. 5, S. 111-122; Wiederabdruck in: Vestnik Jugo-Zapadnoj Rusi. Obščerusskoe izdanie, Jg. 7, Nr. 1, 2008, S. 81-95 Ruský národ a sjednocení církví, Olomouc 1928, 64 S. Rezensionen: Spáčil, Th. in: Orientalia Christiana, Nr. 49, Bd. 13 - 4., Dezember 1928, S. 335-337 Žák, Fr. in: Časopis katolického duchovenstva, Jg. 70 (95), Nr. 4, 1929, S. 321-332 S., A. in: Hlídka, Jg. 45, Nr. 12, 1928, S. 482f. Š., A. V. in: Za pravdou, Nr. 17, 1929 Verteidigung: Našinec, Jg. 65, Nr. 104, 04.05.1929, S. 1 o. A. in: Apoštolát sv. Cyrila a Metoděje, Jg. 20, Nr. 5-6, April-Juni 1929, S. 176f. o. A. in: Apoštolát sv. Cyrila a Metoděje, Jg. 20, Nr. 8, August 1929, S. 251 o. A. in: Našinec, Jg. 64, Nr. 292, 21.12.1928, S. 1f. „Tvorimaja legenda“ i istoričeskaja dejstviteľnosť, Paris 1928 (= Sonderdruck aus: Katoličeskij vremennik, Bd. 2), S. 62-103 Rezensionen: Kizevetter, A. in: Ruľ, Jg. 9, Nr. 2418, 07.11.1928, S. 4 K., D. in: Kitež, Jg. 2, Nr. 11-12, November-Dezember 1928, S. 157f.

1929 I. Katoličestvo i „ocerkovlenie žizni“, II. Apostolat svv. Kirilla i Mefodija i velegradskie s’’ezdy, Paris 1929 (= Sonderdruck aus: Katoličeskij vremennik, Bd. 3), S. 3-56 und 56-67 Rezensionen: Czarnecki in: Przegląd katolicki, 1929 Koritnik, R. in: Hlas, Jg. 60, Nr. 4471, 07.03.1933, S. 3

364

Anhang

Schmitt in: West-östlicher Weg Spáčil in: Orientalia christiana, Nr. 18, 1930, S. 222-223 Žák, Fr. in: Časopis katolického duchovenstva, Jg. 70 (95), 1929, S. 947 o. A. in: Kitež, Jg. 3, Nr. 9-12, September-Dezember 1929, S. 31 O cerkovnom edinstve, Viľno 1929 [V. Moravskij], 39 S. O sjednocení církví, Hlučín 1929 (= Životem, Bd. 65), 32 S. Sovremennoe položenie russkoj cerkvi, Viľno 1929 [V. Moravskij] Rezension: o. A. in: Apoštolát sv. Cyrila a Metoděje, Jg. 20, Nr. 8, August 1929, S. 245f.

1930 Duch ruské církve, Praha 1930, 434 S. Rezensionen: F[ajfr], F[rantišek] in: Čin, Jg. 2, 1930-1931, S. 830 Fuchs, Alfred in: Život, Jg. 13, Nr. 15, 15.09.1931, S. 226f. Hájek, Zd. in: Lidové noviny, Jg. 39, Nr. 209**, 25.04.1931, S. 9f. Verteidigung: Lidové listy, Jg. 10, Nr. 116, 21.05.1931, S. 6 Jurák, J. in: Filosofická revue, Jg. 3, Nr. 2, 1931, S. 89-90 Urban, J. in: Przegląd powszechny, Jg. 48, Nr. 190, 1931, S. 362-364 Žák, Fr. in: Lidové listy, Jg. 10, Nr. 94, 23.04.1931, S. 6 H., J. L. [Hromádka, Josef L.] in: Křesťanská revue, Jg. 4, 1931, S. 252f. H., Z. [Hájek, Z.] in: Český časopis historický, Jg. 37, Nr. 2, 1931, S. 456f. M. in: Archa, Jg. 19, 1931, S. 75f. o. A. in: Apoštolát sv. Cyrila a Metoděje, Jg. 22, Nr. 3, 1931, Klappentext o. A. in: České slovo, Jg. 23, Nr. 194, 21.08.1931, II. Ausg., S. 8 o. A. in: Filosofická revue, Jg. 3, Nr. 4, 1931, letztes Hinterblatt Verteidigung: Život, Jg. 13, Nr. 18, 01.12.1931, S. 273f. o. A. in: Kitež, Jg. 5, Nr. 1, 1931, S. 42f. o. A. in: Národní politika, Jg. 49, Nr. 115, 26.04.1931 (Nedělní zábavná a poučná příloha), S. 4 o. A. in: Orientalia christiana, Nr. 26, 1932, S. 258-260 o. A. in: Věstník společnosti sv. Cyrila a Metoděje, Jg. 12, Nr. 1, 1931, S. 20 K slovanské otázce. Tři koncepce slovanské vzájemnosti, Praha 1930, 118 S. Rezensionen: Fuchs, Alfred in: Život, Jg. 12, Nr. 17-18, 20.01.1931, S. 22-24 Hájek, Zd. in: Lidové noviny, Jg. 39, Nr. 159, 28.03.1931, S. 9 Jemelka, Fr. in: Hlas, Jg. 58, Nr. 4259, 24.02.1931 und Nr. 4260, 27.02.1931, jeweils S. 4 Jemelka, Fr. in: Našinec, Jg. 67, Nr. 30, 06.02.1931 und Nr. 31, 07.02.1931, jeweils S. 1 Jurák, Jeronym M. in: Lidové listy, Jg. 10, Nr. 15, 20.01.1931, S. 6 Kalikin, E. in: Centraľnaja Evropa, Jg. 4, Nr. 5, 1931, S. 308f. Slavík, Jan in: Slovanský přehled, Jg. 23, Nr. 2, Februar 1931, S. 143 Urban, Ks. J. in: Przegląd powszechny, Jg. 48, Nr. 190, 1931, S. 362-364 -ae- in: České slovo, Jg. 23, Nr. 82, 05.04.1931, II. Ausg., S. 9 kh in: Rozpravy Aventina, Jg. 6, Nr. 39-40, 24.06.1931, S. 474

Werke Vilinskijs und ihre Rezensionen M. in: Archa, Jg. 19, 1931, S. 75 vs. in: Národní listy, Jg. 71, Nr. 99 (II.), 10.04.1931, S. 5 o. A. [Dr. H.?] in: Filosofická revue, Jg. 3, Nr. 2, 1931, S. 96 o. A. in: Apoštolát sv. Cyrila a Metoděje, Jg. 22, Nr. 1, 1931, S. 37 o. A. in: Orientalia christiana, Nr. 22, 1931, S. 272-273 Pronásledování náboženství v Rusku, Hlučín 1/21930 (= Životem, Bd. 74), 31 S. Rezension: o. A. in: Našinec, Jg. 66, Nr. 48, 27.02.1930, S. 2

1931 Duchovní život ruského národa, Praha 1931, 131 S. Rezensionen: Jurák, Jeroným M. in: Hlas, Jg. 59, Nr. 4353, 19.01.1932, S. 3 –a., in: Apoštolát sv. Cyrila a Metoděje, Jg. 22, Nr. 12, 1931, Klappentext M. in: Archa, Jg. 19, Nr. 12, 1931, S. 325f. r. in: Časopis katolického duchovenstva, Jg. 73 (98), 1932, S. 208 Rus se dívá na Č.S.R., Praha 1/21931, 141 S. Rezensionen: Fuchs, Alfred in: Rozpravy Aventina, Jg. 7, Nr. 21, 11.02.1932, S. 169 Jurák, Jeroným in: Hlas, Jg. 59, Nr. 4352, 15.01.1932, S. 2 Popelová, J[iřina] in: Pokroková revue Nové Čechy, Jg. 15, Nr. 2-3, 1932, S. 87f. Slavík, B[edřich] in: Studentský časopis, Jg. 11, Nr. 7, 10.03.1932, S. 220 D., J. in: Život, Jg. 14, Nr. 1, 25.01.1932, S. 12f. El. [Lauseger, Emanuel] in: Jedinstvo, Nr. 1 (44), 07.01.1932, S. 4 Hký [Horký, Karel] in: Fronta, Jg. 4, Nr. 52, 18.02.1932, S. 816f. H[or]ký in: Fronta, Jg. 5, Nr. 1, 25.02.1932, S. 15 -jn in: Pestrý týden, Jg. 7, Nr. 2, 09.01.1932, S. 8 K., J. [Krlín] in: Lidové listy, Jg. 11, Nr. 26, 02.02.1932, S. 6 K., V. in: Centraľnaja Evropa, Jg. 5, Nr. 4, 1932, S. 246f. M. in: Archa, Jg. 20, 1932, S. 65f. V., K. in: Našinec, Jg. 68, Nr. 137, 15.06.1932, S. 4 -o- in: České Slovo, Jg. 24, Nr. 33, 07.02.1932, S. 7 und Nr. 35, 10.02.1932, S. 7 Verteidigung: Lidové listy, Jg. 11, Nr. 33, 10.02.1932, S. 6 und Nr. 41, 19.02.1932, S. 6 o. A. in: Fronta, Jg. 4, Nr. 50, 04.02.1932, S. 785-787 o. A. in: Hlídka, Jg. 49, 1932, S. 17 o. A. in: Na hlubinu, Jg. 7, 1932, S. 248 o. A. in: Slovák, Jg. 14, Nr. 95, 26.04.1932, S. 1

1932 Slovanství – unionismus – Orelstvo, Brno 1932 (= Sonderdruck aus: Orelská osvěta), 31 S. Unionizmus, Trnava 1932, 375 S. Rezensionen: Fuchs, Alfred in: Život, Jg. 14, Nr. 7-8, 10.06.1932, S. 116f. Jurák, Jeroným in: Hlas, Jg. 59, Nr. 4392, 03.06.1932, S. 8

365

366

Anhang

Šedivý, J. in: Čas. Revija Leonova družba, Jg. 27, Nr. 6-7, 1932-33, S. 240-242 –a., in: Apoštolát sv. Cyrila a Metoděje, Jg. 23, Nr. 5, 1932, S. 192 -g- in: Lidové listy, Jg. 11, Nr. 82, 08.04.1932, S. 6 H. A. B. in: Kwartalnik historyczny (Wiadomości historyczne, Heft 2), Jg. 47, Nr. 2, 1933, S. 116f. K[alikin]., E. in: Centraľnaja Evropa, Jg. 5, Nr. 6-7, 1932, S. 402f. M. in: Archa, Jg. 20, 1932, S. 221f. Z., A. in: Przegląd powszechny, Jg. 49, Nr. 194, 1932, S. 377 o. A. in: Acta Academiae Velehradensis, Jg. 12, Nr. 3-4, 1934, S. 158 o. A. in: Hlídka, Jg. 49, 1932, S. 158f. o. A. in: Věstník společnosti sv. Cyrila a Metoděje, Jg. 13, Nr. 2, 1932, S. 50

1933 Mařenka chce jinou vládu. Humoristický román, Brno 1933, 282 S. dass. unter dem Titel Ivan Karmanov. Román vesnický als Vorabdruck in: Hlas, Jg. 60, Nr. 4457, 17.01.1933 bis Nr. 4475, 21.03.1933, jeweils S. 3 Rezensionen: Kolek, A. in: Našinec, Jg. 69, Nr. 117, 20.05.1933, S. 4 Lazar, Otto in: Našinec, Jg. 69, Nr. 136, 14.06.1933, S. 2 E[manuel]-l[auseger]. in: Jedinstvo, Nr. 8 (92), 15.04.1933, S. 4 -ka in: Orelská osvěta, Nr. 2-3, 1933, S. 67 M. in: Archa, Jg. 21, Nr. 11, 1933, S. 79f. tv in: Řád. Revue pro kulturu a život, Jg. 1, 1933, S. 287 Z., Dr. [Zlatoš, Štefan?] in: Kultúra, Nr. 5, 1933, S. 397-399 o. A. in: Hlídka, Jg. 50, Nr. 2, 1933, S. 57 o. A. in: Jitro, Jg. 14, Nr. 8, 1933, S. 243 o. A. in: Museum, Jg. 64, Nr. 4, 1933, Klappentext Praha [Manuskript], LA PNP, 109 S. V Rusku boj trvá … politické vraždy, procesy a spiknutí v SSSR, Praha 1933, 312 S. Rezensionen: Hudec, Imrich in: Slovák, Jg. 15, Nr. 62, 16.03.1933, S. 6 Hudec, Ján in: Kultúra, Nr. 6, 1933, S. 467-469 Lazar, Otto in: Našinec, Jg. 69, Nr. 72, 26.03.1933, S. 2 jza in: Jitro, Jg. 14, Nr. 6, 1933, S. 181f. M. in: Archa, Jg. 21, Nr. 11, 1933, S. 73 Sk. in: Museum, Jg. 64, 1933, S. 97 vs. in: Národní listy, Jg. 73, Nr. 215 (Abend), 08.08.1933, S. 4 und dass. ebd., Nr. 153, 09.08.1933, S. 4 o. A. in: Hlídka, Jg. 50, 1933, S. 17 o. A. in: Lidové listy, Jg. 12, Nr. 39, 16.02.1933, S. 6 o. A. in: Život, Jg. 15, 1933, S. 38

1934 Jednotlivecký obchod a družstevnictví konsumní a zemědělské, Brno 1934 [Spectator], 60 S. Rezension: Reichert, Dr. in: Všehrd. List československých právníků, Jg. 16, Nr. 4, Januar 1935, S. 187

Werke Vilinskijs und ihre Rezensionen

367

1936 Ruská revolúcia, Trnava 1936, 289 S. dass. tschechisch Ruská revoluce 1825-1936, Přerov 1936, 226 S. Rezensionen: Salajka, Ant. in: Časopis katolického duchovenstva, Nr. 3, 1938, S. 287-288 H., Z. [Hájek, Z.] in: Český časopis historický, Jg. 44, Nr. 1, 1938, S. 222 o. A. in: Acta Academiae Velehradensis, Jg. 13, Nr. 4, 1937, S. 313-317 o. A. in: Hlas, Jg. 64, 02.03.1937, S. 2 o. A. in: Hlídka, Jg. 54, 1937, S. 70

Unselbständige Publikationen

Diese Zusammenstellung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, denn es finden keine Artikel Berücksichtigung, die in den Wirtschaftsrubriken der Tageszeitungen erschienen sind, für die Vilinskij hauptberuflich tätig war. Aus diesen Zeitungen werden nur größere Artikel und seine Leitartikel genannt. Außerdem waren mir bisher einige Zeitschriften (komplett oder einzelne Ausgaben) nicht zugänglich, in denen Vilinskij nachweislich publiziert hat, oder in denen sich Reaktionen auf seine Publikationen befinden.1396

1927 1 2 3 4 5 6 7 8

Anna Pavlova v Prage, in: Ruľ, Jg. 8, Nr. 1893, 20.02.1927, S. 7 [Spectator] Čechoslovackaja pečať o kazni dvadcati v Moskve (Pis’mo iz Pragi), in: Ruľ, Jg. 8, Nr. 1985, 12.06.1927, S. 7 [Sp.] Den’ russkoj kuľtury v Prage, in: Ruľ, Jg. 8, Nr. 1985, 12.06.1927, S. 7 [Sp.] Evrazijskoe bdenie, in: Ruľ, Jg. 8, Nr. 2132, 02.12.1927, S. 2 [Spectator] Kak koncentriruetsja oppozicija (Pis’mo iz Pragi), in: Ruľ, Jg. 8, Nr. 1944, 23.04.1927, S. 4 [Spectator] Kn. Pavel Dolgorukov (Pis’mo iz Pragi), in: Ruľ, Jg. 8, Nr. 2005, 06.07.1927, S. 2 [Spectator] Kommunističeskoe bezstydstvo, in: Ruľ, Jg. 8, Nr. 1990, 18.06.1927, S. 3 [Sp.] Lazarevskij, Vladimir: «Rusko a ceskoslovenske znovzrozeni. Nastin cesko-ruskych styku v letech

1396

Dazu zählen: Christianin, Vilno; Czas, Warszawa; Głos narodu, Kraków; Katholikus szemle, Budapest; Kraljestvo Božje, Slowenien; Orientalia christiana, Roma; Polska, Warszawa; Rossija i slavjanstvo, Paris; Przegląd katolicki, Warszawa; The Tablet, London; Vozroždenie, Paris; Za pravdou, Olomouc; Zora, Bulgarien (vgl. ZAO, fond ACM, Kniha 9 – Ústřední. Protokolní kniha ACM od 1928-1934; ebd. Kniha 1 – Kniha zápisů z výborných schůzí ACM 19221941; ebd. karton 3 – Briefe 1932; K slovanské otázce 1930, S. 7; Pieśń łabędzia potomków Dżingis-Chana 1930, S. 678; O. A. Wdzięczność rosji emigranckiej, in: Przegląd katolicki, Jg. 68, Nr. 17, 27.06.1933, S. 266; Kolísek 1935, S. 120).

368

9

10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29

Anhang

1914-1918». S predmluvou V. V. Sulgina. Prelozil Jaroslav Haug. Praha, 1927 [Rezension], in: Volja Rossii, Jg. 6, Nr. 11-12, 1927, S. 298-299 [V. V.]1397 Methodi unionisticae propagandae, in: Acta V. Conventus Velehradensis anno MCMXXVII, Olomouc 1927, S. 215-220 Rezension: Schlagenhaufen, Florian in: Zeitschrift für katholische Theologie, Jg. 53, Nr. 1, 1929, S. 148f. Misionářské úkoly katolického Slovanstva, in: Věstník společnosti sv. Cyrila a Metoděje, Jg. 9, Nr. 3-4, 1927, S. 49-55 Naš Gogoľ (Pis’mo iz Pragi), in: Ruľ, Jg. 8, Nr. 1952, 03.05.1927, S. 3 [Spectator] O meždunarodnom položenii Sov. Rossii, in: Ruľ, Jg. 8, Nr. 2097, 21.10.1927, S. 4 [Sp-tor] Otlogoski Venskich sobytij iz Pragi (Pis’mo iz Pragi), in: Ruľ, Jg. 8, Nr. 2020, 23.07.1927, S. 4 [Spectator] Palomničestvo na mogily russkich voinov (Pis’mo iz Pragi), in: Ruľ, Jg. 8, Nr. 2078, 29.09.1927, S. 4 [Spectator] Pered političeskim sezonom v Čechoslovakii, in: Ruľ, Jg. 8, Nr. 2069, 18.09.1927, S. 2 [Spectator] Pervyj Russkij S’’ezd po doškoľnomu vospitaniju (Pis’mo iz Pragi), in: Ruľ, Jg. 8, Nr. 2011, 13.07.1927, S. 2 [Spectator] Posle vyborov prezidenta v Čechoslovakii, in: Ruľ, Jg. 8, Nr. 1976, 01.06.1927, S. 2 [Spectator] Pražskija nastroenija (Pis’mo iz Pragi), in: Ruľ, Jg. 8, Nr. 1873, 28.01.1927, S. 2 [Spectator] Rasin, D-r Ladislas: «Vsnik a uznani Ceskeslovenskeho Statu». Praha 1926 [Rezension], in: Volja Rossii, Jg. 6, Nr. 8-9, 1927, S. 220-221 [V. V.] Russkaja vystavka v Prage, in: Ruľ, Jg. 8, Nr. 2133, 03.12.1927, S. 3 [Sp.] Russkie na francuzkoj zemle, in: Ruľ, Jg. 8, Nr. 2095, 19.10.1927, S. 2 [S-tor] Russkoe iskusstvo v Čechoslovakii (Pis’mo iz Pragi), in: Ruľ, Jg. 8, Nr. 2153, 28.12.1927, S. 6 [Spectator] Seľskochozjajstvennaja vystavka v Prage (Pis’mo iz Pragi), in: Ruľ, Jg. 8, Nr. 1958, 10.05.1927, S. 1f. [S-tor] Toržestva v pamjať 50-letija russko-tureckoj vojny (Pis’mo iz Pragi), in: Ruľ, Jg. 8, Nr. 1950, 30.04.1927, S. 2 [Sp.] Unylyj večer s P. N. Miljukovym (Pis’mo iz Pragi), in: Ruľ, Jg. 8, Nr. 2139, 10.12.1927, S. 2 [Spectator] Vybory prezidenta v Čechoslovakii, in: Ruľ, Jg. 8, Nr. 1972, 26.05.1927, S. 2 [S-tor] Vybory v mestnye samoupravlenija, in: Ruľ, Jg. 8, Nr. 2091, 14.10.1927, S. 2 [Spectator] Vychod delavoj gruppy iz pražskogo „Zemgora“, in: Ruľ, Jg. 8, Nr. 1938, 14.04.1927, S. 2 [S-tor] Vystavka rukodelij – Russkij den’ v Piske, in: Ruľ, Jg. 8, Nr. 1937, 13.04.1927, S. 5 [Sp.]

1928 30 31 32 33

Apostolat Svv. Kirilla i Mefodija, in: Vestnik. Organ r. s. ch. dviženija, Jg. 3, Nr. 8, August 1928, S. 19-20 Čechi o nas, in: Vozroždenie, Jg. 3, Nr. 979, 06.02.1928, S. 2 [V. V.] Christos-Car’, in: Kitež, Jg. 2, Nr. 5-6, Mai-Juni 1928, S. 67-72 de Lilienfeld, Dom André: Pour l’Union / de Solages, Abbé Bruno: L’Eglise et l’Occident / Korolevsky, C.: L’uniatijme [alle im Irénikon-Verlag; Rezension], in: Vozroždenie, Jg. 4, Nr. 1267, 20.11.1928, S. 5 1397

Es wird jeweils die Schreibweise aus den Periodika übernommen, auch wenn sie fehlerhaft ist, ohne auf die Fehler hinzuweisen.

Werke Vilinskijs und ihre Rezensionen 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50

51 52 53 54 55 56 57 58

59 60 61 62 63 64

65 66 67

369

Den’ russkoj kuľtury v Prage, in: Ruľ, Jg. 9, Nr. 2292, 13.06.1928, S. 4 [Spectator] Den’ San-Stefanskogo mira (Pis’mo iz Pragi), in: Ruľ, Jg. 9, Nr. 2214, 08.03.1928, S. 2 [Spectator] Dojmy z pravoslavné konference v Chudobíně, in: Apoštolát sv. Cyrila a Metoděje, Jg. 19, 1928, S. 256-257 Dr Eduard Benes. «Svêtova valka a nase revoluce». 2 toma. Izdateľstvo «Orbis». 1927 g. Praga [Rezension], in: Volja Rossii, Jg. 7, Nr. 3, 1928, S. 127-128 [V. V.] Dr. František Grivec: «Slovanští apostolé sv. Cyril a Metoděj», Olomouc 1927 [Rezension], in: Karpatskij svet, Jg. 1, Nr. 7, 1928, S. 246f. Dva směry v ruské emigraci, in: Časopis katolického duchovenstva, Jg. 69 (94), 1928, S. 571-575 Evcharistija, in: Kitež, Jg. 2, Nr. 11-12, November-Dezember 1928, S. 150-154 Extraits de l’histoire de l’Eglise russe, in: Irénikon, Jg. 5, Nr. 7-9, 1928, S. 365-371 Katoličeskij vremennik. Kniga vtoraja, Pariž 1928 [Rezension], in: Vozroždenie, Jg. 4, Nr. 1129, 05.07.1928, S. 3 Kitež, Varšava, Nr. 1-6/1928 [Rezension], in: Vozroždenie, Jg. 4, Nr. 1206, 20.09.1928, S. 4 Konec dvuch avantjur (Pis’mo iz Pragi), in: Ruľ, Jg. 9, Nr. 2174, 21.01.1928, S. 2 [Spectator] „Kto smeetsja poslednim“ … (Pis’mo iz Pragi), in: Ruľ, Jg. 9, Nr. 2225, 21.03.1928, S. 1 [Spectator] Náboženský život ruské emigrace, in: Apoštolát sv. Cyrila a Metoděje, Jg. 19, 1928, S. 1-6 Ne tak prosto …, in: Kitež, Jg. 2, Nr. 7-10, Juli-Oktober 1928, S. 131-135 [Spectator] Novyj slavjanskij centr (Pis’mo iz Pragi), in: Ruľ, Jg. 9, Nr. 2185, 03.02.1928, S. 4 [Sp.] Ob ukrainskom jazyke (Pis’mo iz Pragi), in: Ruľ, Jg. 9, Nr. 2200, 21.02.1928, S. 3 [Sp-tor] O českém rusofilství, in: Lidové listy, Jg. 7, Nr. 275, 29.11.1928, II. Ausg., S. 1 Rezension: T., A. in: Ruľ, Jg. 9, Nr. 2439, 02.12.1928, S. 4 O dviženii, in: Vestnik. Organ r. s. ch. dviženija, Jg. 3, Nr. 5, Mai 1928, S. 23-25 Pamjati S. D. Sazonova (Pis’mo iz Pragi), in: Ruľ, Jg. 9, Nr. 2182, 31.01.1928, S. 3 [Sp-tor] Pered pervym maja v Čechoslovakii, in: Ruľ, Jg. 9, Nr. 2256, 28.04.1928, S. 4 [Spectator] Pis’mo iz Pragi, in: Ruľ, Jg. 9, Nr. 2193, 12.02.1928, S. 5 [Sp-tor] Pis’mo iz Pragi, in: Ruľ, Jg. 9, Nr. 2257, 29.04.1928, S. 5 [Spectator] Povaha ruského mysticismu, in: Akord, Jg. 1, 1928, S. 215-219 Praxe českého rusofilství, in: Lidové listy, Jg. 7, Nr. 294, 21.12.1928, II. Ausg., S. 1 Puti katoličeskoj propagandy, in: Vestnik. Organ r. s. ch. dviženija, Jg. 3, Nr. 4, April 1928, S. 29-31 Rezension: T., M. in: Kitež, Jg. 2, Nr. 3-4, März-April 1928, S. 59f. Ruská duše a sjednocení církví, in: Hlídka, Jg. 45, Nr. 7, 1928, S. 265-269 und Nr. 8, S. 309-314 Russkoe roždestvo v Čechoslovakii (Pis’mo iz Pragi), in: Ruľ, Jg. 9, Nr. 2166, 12.01.1928, S. 4 [Sp-tor] Saltykov, Aleksandr: Ody i gimny. Novye pesni, München 21928 [Rezension], in: Vozroždenie, Jg. 4, Nr. 1127, 11.10.1928, S. 3 Skutečný stav ruské církve, in: Lidové listy, Jg. 7, Nr. 297, 25.12.1928, II. Ausg., S. 2 Úvaha o českém unionismu, in: Hlídka, Jg. 45, Nr. 11, 1928, S. 429-433 Vatikan o soedinenii Cerkvej, in: Vozroždenie, Jg. 3, Nr. 977, 04.02.1928, S. 4 Rezensionen: o. A. in: West-östlicher Weg, Jg. 1, Nr. 3, 1928 o. A. in: Irénikon, Jg. 5, 1928 Vystavka pamjati Tolstogo, in: Ruľ, Jg. 9, Nr. 2383, 27.09.1928, S. 4 [Spectator] Význam unionistické otázky, in: Na hlubinu, Jg. 3, Nr. 7, 1928, S. 353-355 und Nr. 8, S. 394-399 [auch zu finden unter: http://www.katolikrevue.cz/traditio_orientalis/vyznam_unie.htm; 5. Juli 2005] Zásady ruského unionismu, in: Apoštolát sv. Cyrila a Metoděje, Jg. 19, 1928, Příloha „Apoštolátu jednoty (CM)“, S. 7-12

370

Anhang

1929 68 69 70 71 72 73 74

75 76

77

78

79 80 81 82 83 84 85 86

87 88

89 90

91

Der Charakter des russischen Mystizismus, in: West-östlicher Weg, Jg. 2, Nr. 4, April 1929, S. 93-100 Conventus pro studiis orientalibus [11.-15.08.1929 in Prag], in: Vozroždenie, 07.09.1929 [auch in: Ruľ und Rossija i slavjanstvo] Conventus pro studiis orientalibus (Poznámky pravoslavného účastníka sjezdu), in: Život, Jg. 11, Nr. 14, 15.09.1929, S. 15-19 Dílo P. Augustina Vrzala, in: Archa. Sborník pro literaturu, umění, kulturu a život, Jg. 17, 1929, S. 229-238 (einschl. Bibliographie bis S. 258) Dr. Lev Borsky. – Znovudobyti samostatnosti, Praha 1928 [Rezension], in: Volja Rossii, Jg. 8, Nr. 10-11, 1929, S. 214-216 [V. V.] Drogi zjednoczenia kościołów, in: Przegląd katolicki, Jg. 67, Nr. 34, 1929 Duchovní život ruské emigrace I, in: Život, Jg. 11, Nr. 11, 15.06.1929, S. 6-9 Rezension: o. A. in: Život, Jg. 11, Nr. 11, 15.06.1929, S. 13 Duchovní život ruské emigrace II, in: Život, Jg. 11, Nr. 13, 15.07.1929, S. 7-9 Eurazjanizm, in: Przegląd powszechny, Jg. 45, Nr. 182 (544), 1928, S. 85-100 Rezension: Forst-Battaglia, Otto in: Jahrbücher für Kultur und Geschichte der Slaven, Jg. NF 7, 1931, S. 471 Evrasijství, in: Přítomnost, Jg. 6, 1929, S. 497f. und 533-536 Rezension: Savickij, Petr N. in: V bor’be za evrazijstvo, Paris 1931, S. 33f. Jerzy Kryżanicz a Polska, in: Przegląd powszechny, Jg. 45, Nr. 184 (550), 1928, S. 61-86 Rezension: Esih, I. in: Obzor, Nr. 177, 1930, S. 2-3 Konec „Rimskogo voprosa“ (po povodu Lateranskogo Akta), in: Kitež, Jg. 3, Nr. 1-3, Januar-März 1929, S. 6-16 K slovanské otázce, in: Našinec, Jg. 65, Nr. 206, 08.09.1929, S. 1 K slovanské otázce II, in: Našinec, Jg. 65, Nr. 213, 17.09.1929, S. 1 Minulost a budoucnost ruského unionismu, in: Apoštolát sv. Cyrila a Metoděje, Jg. 20, Nr. 2, Februar 1929, S. 53-57 und Nr. 3, März 1929, S. 93-96 Mosty a můstky, in: Apoštolát sv. Cyrila a Metoděje, Jg. 10, Nr. 1, Januar 1929, S. 23-25 Obnovené slavofilství, in: Našinec, Jg. 65, Nr. 133, 11.06.1929, S. 1 O poznanii katoličestva, in: Kitež, Jg. 3, Nr. 4-8, April-August 1929, S. 43-49 [Spectator] O ruské náboženskosti, in: Akord, Jg. 2, 1929, S. 267-284 [auch zu finden unter: http://www.katolikrevue.cz/traditio_orientalis/ruska_nabozenskost_valerij_vilinsky.htm; 5. Juli 2005] Rezension: o. A. in: Lidové listy, Jg. 8, Nr. 254, 05.11.1929, S. 1 Papež Pius XI. a Rusko, in: Lidové listy, Jg. 8, Nr. 294, 21.12.1929, S. 1 Přehled ruské katolické literatury, in: Časopis katolického duchovenstva, Jg. 70 (95), 1929, S. 751-761 Rezension: o. A. in: Kitež, Jg. 3, Nr. 9-12, September-Dezember 1929, S. 31 Přípravné dílo k sjednocení církví, in: Život, Jg. 11, Nr. 5, 15.03.1929, S. 8-10 Rozřešení římské otázky a dílo sjednocení církví, in: Lidové listy, Jg. 8, Nr. 45, 22.02.1929, S. 1 Rezension: o. A. in: Apoštolát sv. Cyrila a Metoděje, Jg. 20, Nr. 3, März 1929, S. 102 [Ruská duše. Straničestvo – Poutníci, in: Apoštolát sv. Cyrila a Metoděje, Jg. 20, Nr. 8, August

Werke Vilinskijs und ihre Rezensionen

92 93 94 95 96

97 98 99

371

1929, S. 230-235 (V. V.)] Sancta simplicitas …, in: Našinec, Jg. 65, Nr. 104, 04.05.1919, S. 1 II. Skutečný stav ruské církve, in: Příloha Lidových listů, Jg. 8, Nr. 11, 13.01.1929, S. 3f. V den Božího těla, in: Našinec, Jg. 65, Nr. 124, 30.05.1929, S. 3 Zabota o detjach v katoličeskom mire, in: Vestnik. Organ r. s. ch. dviženija, Jg. 4, Nr. 1-2, JanuarFebruar 1929, Beilage Bjulleten’ Religiozno-Pedagogičeskogo Kabineta, Nr. 3, S. 9 [V. V-ij] Zachód i wschód, in: Polska, 21.09.1929 Rezension: Filosofov, D. V. in: Za svobodu!, Jg. 10, Nr. 281 (2914), 22.10.1929, S. 2 Kolpinskij, D. in: Za svobodu!, Jg. 10, Nr. 281 (2914), 22.10.1929, S. 3 o. A. in: Za svobodu!, Jg. 10, Nr. 251 (2884), 22.09.1929, S. 2 Z dějin ruské církve, in: Apoštolát sv. Cyrila a Metoděje, Jg. 20, Nr. 11, November 1929, S. 313-316 und Nr. 12, Dezember 1929, S. 350-352 Z Východu na Západ, in: Život, Jg. 11, Nr. 15, 01.10.1929, S. 10f. Życie religijne emigracji rosyjskiej, in: Przegląd powszechny, Jg. 46, Nr. 183 (547-549), 1929, S. 118-137 Rezension: Filosofov, D. V. in: Za svobodu!, Jg. 10, Nr. 236 (2869), 07.09.1929, S. 2 o. A. in: Czas

1930 100 101 102 103 104 105 106 107 108 109 110 111 112 113 114 115 116 117 118

Apoštolát a Rusko, in: Našinec, Jg. 66, Nr. 113, 17.05.1930, S. 1 A. Vissarionov: „Katoličeskaja Akcija“, Wilno 1929 [Rezension], in: Časopis katolického duchovenstva, Jg. 71 (96), 1930, S. 124f. Básník a spisovatel Dr. Jaroslav Durych v očích cizince, in: Hlas, Jg. 58, Nr. 4218, 03.10.1930, S. 5 Bolševismus a Evropa. Tajemné zmizení ruského generála Kupetova v Paříži, in: Hlas, Jg. 57, Nr. 4155, 25.02.1930, S. 1 Borovička, J.: Zehn Jahre der tschechoslovakischen Politik, Praga 1929 [Rezension], in: Centraľnaja Evropa, Jg. 1 (3), Nr. 3, 1930, S. 176f. Čechoslovakija, in: Kitež, Jg. 4, Nr. 1, 1930, S. 22-25 Činnost protibolševických revolucionářů v Rusku, in: Hlas, Jg. 58, Nr. 4218, 03.10.1930, S. 2 Dekolektywizacja, in: Przegląd katolicki, Jg. 68, Nr. 25, 22.06.1930, S. 390-392 “Diefikace“ (Systém “Stálého dne“), in: Hlas, Jg. 57, Nr. 4195, 15.07.1930, S. 2 Die Orthodoxie in lateinischen Ländern, in: Der christliche Orient, Nr. 11, 1930, S. 73-75 Doktor Aľfred Fuks: Novejšaja politika papskoj kurii [Rezension], in: Kitež, Jg. 4, Nr. 2, 1930, S. 79 Doležal, dr. Josef: Řím - Moskva, Praha 1930 (edice Život) [Rezension], in: Příloha „Lidových listů“, Jg. 9, Nr. 153, 05.07.1930, S. 1 Dopisy z Ruska, in: Lidové listy, Jg. 9, Nr. 143, 24.06.1930, S. 3 Dr. Alfred Fuchs: Najnowsza polityka kurji papieskiej [Rezension], in: Przegląd katolicki, Jg. 68, Nr. 23, 08.06.1930, S. 362f. Dr. Alfred Fuchs: Novější politika papežské kurie [Rezension], in: Lidové noviny, Jg. 38, Nr. 253, 20.05.1930, S. 7 Dr. Alfred Fuchs: „Novější politika papežské kurie“, Praha 1930 [Rezension], in: Časopis katolického duchovenstva, 71 (96), 1930, S. 505f. Dražůvky a Rus, in: Našinec, Jg. 66, Nr. 230, 07.10.1930, S. 1 Dražůvky na morav. Slovácku a Rus, in: Hlas, Jg. 58, Nr. 4242, 26.12.1930, S. 4 Dr. Josef Doležal „Rim – Moskwa“ [Rezension], in: Kitež, Jg. 4, Nr. 3, 1930, S. 107

372 119 120 121 122 123 124 125 126 127 128 129

130 131 132 133 134 135 136 137

138 139 140 141 142 143 144 145 146

Anhang

Dr. Josef Kratochvil „Novoscholasticism“ [Rezension], in: Kitež, Jg. 4, Nr. 3, 1930, S. 106f. Dr. Józef Doleżał. „Rim – Moskva“ [Rezension], in: Przegląd katolicki, Jg. 68, Nr. 35, 14.09.1930, S. 555 Dr. Józef Kratochvil „Novoscholasticism“ [Rezension], in: Przegląd katolicki, Jg. 68, Nr. 42, 02.11.1930, S. 668 Durych v očích cizince, in: Kuncířovy noviny, Jg. 1, Nr. 8, Oktober 1930, S. 1 Emigracja rosyjska a protest Ojca św., in: Czas, Nr. 78, 1930 Front antybolszewicki Europy – koniecznością, in: Głos narodu, 14.02.1930, S. 2 Fuchs, dr. Alfred: Autorita, Prag 1930 [Rezension], in: Centraľnaja Evropa, Jg. 1 (3), Nr. 6, 1930, S. 377f. Fuchs, Dr. Alfred: Neuere Politik der päpstlichen Kurie [Rezension], in: West-östlicher Weg, Jg. 3, Nr. 7/8, Juli/August 1930, S. 179f. Fuchs, dr. Alfred: Novější politika papežské kurie, Praga 1930 [Rezension], in: Centraľnaja Evropa, Jg. 1 (3), Nr. 8, 1930, S. 490f. Fuchs, Dr. Alfred: „Novější politika papežské kurie“ [Rezension], in: Lidové listy, Jg. 9, Nr. 112, 15.05.1930, S. 6 Geistesleben der russischen Emigranten, in: Theologie und Glaube, Jg. 22, Nr. 1, 1930, S. 59-73 Rezension: K[östers, Ludwig] in: Scholastik, Jg. 5, Nr. 2, 1930, S. 294f. Generál Miller, zástupce gen. Kutěpova, v Praze, in: Našinec, Jg. 66, Nr. 119, 24.05.1930, S. 1 Heidenreich, Jul.: Vliv Mickiewiczův na českou literaturu předbřeznovou, Praha 1930 [Rezension], in: Centraľnaja Evropa, Jg. 1 (3), Nr. 9, 1930, S. 560 Hrabě A. Saltykov, in: Archa, Jg. 18, 1930, S. 307-309 Hrabě P. Bobrinskoj: „Starčik Grigorij Skovoroda“, Paříž 1929 [Rezension], in: Časopis katolického duchovenstva, Jg. 71 (96), 1930, S. 504f. Inženýrský proces v Rusku, in: Hlas, Jg. 58, Nr. 4242, 26.12.1930, S. 1 Inženýrský proces v Rusku, in: Našinec, Jg. 66, Nr. 278, 04.12.1930, S. 1 Jak třeba hodnotit projev metropolity Sergije, in: Hlas, Jg. 57, Nr. 4184, 06.06.1930, S. 2 Jarosław Durych, in: Przegląd powszechny, Jg. 47, Nr. 186 (558), 1930, S. 305-316 und Nr. 187 (559/560), S. 70-89 Rezensionen: Cza-cki, J [Czarnecki] in: Przegląd katolicki, Jg. 68, Nr. 29, 20.07.1930, S. 459 EP [Eisner, Paul] in: Prager Presse, Jg. 10, Nr. 250, 11.09.1930, S. 8 o. A. in: Kulturní Hlídka. Našinec, Jg. 66, Nr. 172, 30.07.1930, S. 4. Jeroným M. Jurák, O. P.: Náš apoštol sv. Hyacint, Praha 1930 [Rezension], in: Časopis katolického duchovenstva, Jg. 71 (96), 1930, S. 503f. Julius Heidenreich. Vliv Mickiewiczuv na ceskou literaturu predbreznovou [Rezension], in: Przegląd katolicki, Jg. 68, Nr. 33, 31.08.1930, S. 524 K slovanské otázce, in: Hlas, Jg. 57, Nr. 4154, 21.02.1930, S. 3 Ke slovanské otázce II., in: Hlas, Jg. 57, Nr. 4153, 18.02.1930, S. 3 Kobieta w Rosji sowieckiej, in: Przegląd katolicki, Jg. 68, Nr. 40, 19.10.1930, S. 631f. Kolek, Antonín: O klíče markrabství. Historický obraz, Vyškov 1930 [Rezension], in: Příloha „Lidových listů“, Jg. 9, Nr. 242, 19.10.1930, S. 1 Kratochvil, Dr. Josef: „Meditace věků“. Dějinný vývoj filosofického myšlení. Díl třetí. Filosofie novověku, Brno 1930 [Rezension], in: Lidové listy, Jg. 9, Nr. 227, 02.10.1930, S. 6 Kratochvil, Dr. Jos.: Novoscholasticism, Brno 1930 [Rezension], in: Lidové listy, Jg. 9, Nr. 160, 15.07.1930, S. 6 Ks. Jan Urban T. J.: „Stanovisko ireniczne w traktacie o kościele“, Lvov 1929 [Rezension], in:

Werke Vilinskijs und ihre Rezensionen

147 148 149 150 151 152 153 154 155 156 157 158 159 160 161 162 163 164 165 166 167 168 169 170 171 172 173 174 175 176 177 178

373

Časopis katolického duchovenstva, Jg. 71 (96), 1930, S. 686f. La lêgende dorée au delà des mers, Paris 1930 [Rezension], in: Na hlubinu, Jg. 5, 1930, S. 395 Laudet, Fernand: Životopis sv. Jana de la Salle, Tours 1930 [Rezension], in: Na hlubinu, Jg. 5, 1930, S. 396 Lubaczewski, JUDr. Tadeusz: O hospodářeském životě Polska a jeho stycích s Československem, Mladá Boleslav [Rezension], in: Centraľnaja Evropa, Jg. 1 (3), Nr. 11, 1930, S. 684-686 Metropolita Sergij a ruská emigrace. Bolševická vláda znásilnila církev v Rusku, in: Hlas, Jg. 57, Nr. 4181, 27.05.1930, S. 2 Metropolita Sergij a ruská emigrace. Mezi Kristem a satanem nemůže býti nic společného!, in: Hlas, Jg. 57, Nr. 4182, 30.05.1930, S. 2 Metropolita Sergij a ruská emigrace. Těžký zápas pravoslavné církve s bolševismem, in: Hlas, Jg. 57, Nr. 4180, 23.05.1930, S. 2 Metropolita Sergij a sovětská vláda, in: Našinec, Jg. 66, Nr. 53, 05.03.1930, S. 1 Metrop. Sergjusz a emigracja rosyjska, in: Przegląd katolicki, Jg. 68, Nr. 22, 01.06.1930, S. 342-344 und Nr. 23, 08.06.1930, S. 356f. Minulost ruského unionismu, in: Hlas, Jg. 57, Nr. 4179, 20.05.1930, S. 4 Minulost ruského unionismu. II., in: Hlas, Jg. 57, Nr. 4178, 16.05.1930, S. 4 Misionářská činnost katolického Polska, in: Hlas, Jg. 57, Nr. 4161, 18.03.1930, S. 2 Misionářská činnost katolického Polska, in: Lidové listy, Jg. 9, Nr. 38, 15.01.1930, S. 6 My vyražaem iskrennee sostradanie, in: Kitež, Jg. 4, Nr. 3, 1930, S. 106 [V. V.] Najświeższe wiadomości o stanie religijnym w Rosji, in: Przegląd katolicki, Jg. 68, Nr. 28, 13.07.1930, S. 440f. Nejnovější politika papežské kurie [Rezension], in: Život, Jg. 12, Nr. 8-9, 01.06.1930, S. 29f. Nová zprávy o stavu církve v Rusku, in: Našinec, Jg. 66, Nr. 175, 02.08.1930, S. 1 Nový román dra Alfreda Fuchse [Oltář a rotačka; Rezension], in: Život, Jg. 12, Nr. 1330, S. 23f. Nový román historický, in: Hlas, Jg. 58, Nr. 4229, 11.11.1930, S. 4 Oblicze Francji współczesnej [Rezension], in: Przegląd katolicki, Jg. 68, Nr. 30, 10.08.1930, S. 471f. Ohlas českého protestního hnutí v ruském tisku, in: Našinec, Jg. 66, Nr. 35, 12.02.1930, S. 1 [ý] Ohlas projevu Sv. Otce v ruském tisku, in: Lidové listy, Jg. 9, Nr. 52, 04.03.1930, S. 3 O pojímání ruské kultury, in: Život, Jg. 12, Nr. 11-12, 20.09.1930, S. 28f. O religijności rosyjskiej, in: Przegląd katolicki, Jg. 68, Nr. 27, 06.07.1930, S. 423-425; Nr. 28, 13.07.1930, S. 435-437 und Nr. 29, 20.07.1930, S. 454-458 O ruské náboženskosti, in: Acta Conventus Pragensis pro studiis orientalibus. Anno MCMXXIX celebrati, Olomouc 1930, S. 185-206 Osnovnye motivy tvorčestva Jaroslava Durycha, in: Centraľnaja Evropa, Jg. 1 (3), Nr. 8, 1930, S. 463-471 Papoušek, Jar.: Carské Rusko a naše osvobození, Praga [Rezension], in: Centraľnaja Evropa, Jg. 1 (3), Nr. 7, 1930, S. 429f. Pieśń łabędzia potomków Dżingis-Chana, in: Przegląd katolicki, Jg. 68, Nr. 43, 09.11.1930, S. 677-679 Pohádka o dobrém draku (Doporučuje se přetisknouti „Rudému právu“), in: Lidové listy, Jg. 9, Nr. 288, 16.12.1930, S. 1f. Polemika o unję, in: Przegląd katolicki, Jg. 68, Nr. 47, 07.12.1930, S. 740f.; Nr. 48, 14.12.1930, S. 756-759 und Nr. 49, 21.12.1930, S. 773f. Poslední bolševický mythus, in: Hlas, Jg. 57, Nr. 4199, 29.07.1930, S. 2 Poslední mytus, in: Našinec, Jg. 66, Nr. 157, 12.07.1930, S. 1 Pravoslaví v latinských zemích, in: Apoštolát sv. Cyrila a Metoděje, Jg. 21, 1930, S. 305-308

374 179 180 181 182 183 184 185 186 187 188 189 190 191 192 193 194 195 196 197 198 199 200 201 202 203 204 205 206 207 208 209 210 211 212 213

Anhang

Pravoslaví v latinských zemích, in: Hlas, Jg. 58, Nr. 4229, 11.11.1930, S. 2 Před sjezdem komunistické strany, in: Našinec, Jg. 66, Nr. 124, 31.05.1930, S. 1 Přehled pravoslavných církví, in: Hlas, Jg. 57, Nr. 4159, 11.03.1930, S. 3 Přehled ruského katolického tisku z prvého čtvrtletí r. 1930, in: Časopis katolického duchovenstva, Jg. 71 (96), 1930, S. 489-492 Příklad sovětských koncesí, in: Hlas, Jg. 57, Nr. 4187, 17.06.1930, S. 3 Příklad sovětských koncesi, in: Našinec, Jg. 66, Nr. 137, 17.06.1930, S. 1 Prof. Pavel N. Miljukov o hospodářské situaci Ruska, in: Hlas, Jg. 57, Nr. 4186, 13.06.1930, S. 4 Prof. P. N. Miljukov o hospodářské situaci Ruska, in: Lidové listy, Jg. 9, Nr. 123, 28.05.1930, S. 5 Prohlídka profesorské hlavy (Četba pro ty, kdož z naší intelligence a z pánů redaktorů stále ještě velebí bolševickou triumfující bestii), in: Hlas, Jg. 57, Nr. 4197, 22.07.1930, S. 2 Prohlídka profesorské hlavy. Svoboda vědy v socialistickém státě, in: Lidové listy, Jg. 9, Nr. 149, 01.07.1930, S. 6 Projev metropolity Sergěje, in: Lidové listy, Jg. 9, Nr. 42, 20.01.1930, S. 1 P. Stanislav Tyszkiewicz T. J.: „Katoličeskij katechisis“, Paříž 1929 [Rezension], in: Časopis katolického duchovenstva, Jg. 71 (96), 1930, S. 123f. Religija pod terrorom. Dviženie v Poľše, in: Vozroždenie, Jg. 6, Nr. 1713, 09.02.1930, S. 5 Rolnické Rusko, in: Hlas, Jg. 57, Nr. 4188, 20.06.1930, S. 2 „Rolnické Rusko“, in: Lidové listy, Jg. 9, Nr. 107, 09.05.1930, S. 3 Rosenmeyer: Konvertitenkatechismus [Rezension], in: Na hlubinu, Jg. 5, 1930, S. 396 Rozdíl mezi nocí a dnem chtějí bolševici zrušit jako přežitek buržoazního řádu, in: Lidové listy, Jg. 9, Nr. 150, 02.07.1930, S. 5 Ruská církev pravoslavná, in: Život, Jg. 12, Nr. 10, 01.07.1930, S. 2-6 Ruské starověrectví, in: Apoštolát sv. Cyrila a Metoděje, Jg. 21, 1930, S. 82-85; 114-115; 143-147 und 206-208 [angekündigte Fortsetzung fehlt] Sborník přednášek pronesených na I. sjezdu čsl. profesorů filosofie, filologie a historie v dubnu 1929, Praga 1929 [Rezension], in: Centraľnaja Evropa, Jg. 1 (3), Nr. 4, 1930, S. 242-244 Schisma, které schismem není, in: Lidové listy, Jg. 9, Nr. 53, 05.03.1930, S. 6 Síla či slabost?, in: Hlas, Jg. 57, Nr. 4158, 07.03.1930, S. 2 Síla či slabost?, in: Našinec, Jg. 66, Nr. 32, 08.02.1930, S. 1 Skutečný stav ruské církve. I.-III., in: Hlas, Jg. 57, Nr. 4155, 25.02.1930, S. 3; Nr. 4156, 28.02.1930, S. 2 und Nr. 4157, 04.03.1930, S. 3 Slovanstvo a sovětské Rusko, in: Našinec, Jg. 66, Nr. 263, 15.11.1930 Slovanstvo a sovětské Rusko. Projev msgr. A. Hlinky a sen. Budaye o ruských záležitostech, in: Lidové listy, Jg. 9, Nr. 263, 15.11.1930, S. 3 Sociologická soustava profesora A. M. Terne, in: Sociální rozhledy. Revue pro otázky sociální, hospodářské, kulturní a státovědecké, Jg. 6, 1930, S. 172-185 Sovětský tisk o hospodářské situaci Ruska, in: Hlas, Jg. 57, Nr. 4184, 06.06.1930, S. 5 Sovětský tisk o hospodářské situaci Ruska, in: Lidové listy, Jg. 9, Nr. 117, 21.05.1930, S. 5 Sovremennoe unionističeskoe dviženie, in: Kitež, Jg. 4, Nr. 2, 1930, S. 50-58 Sredi žurnalov [Rezension], in: Centraľnaja Evropa, Jg. 1 (3), Nr. 8, 1930, S. 501-503 [V.V.] Těžké náboženské poměry v Rusku, in: Hlas, Jg. 57, Nr. 4183, 03.06.1930, S. 4 Thugutt, Stan.: Osvobozené Polsko, Praga 1929 [Rezension], in: Centraľnaja Evropa, Jg. 1 (3), Nr. 3, 1930, S. 177 Unie v Polsku, in: Našinec, Jg. 66, Nr. 132, 11.06.1930, S. 1f. Unie v Polsku - II, in: Našinec, Jg. 66, Nr. 148, 01.07.1930, S. 1 Rezension: o. A. in: Przegląd katolicki, Jg. 68, Nr. 26, 29.06.1930, S. 409f. und Nr. 30, 10.08.1930, S. 475

Werke Vilinskijs und ihre Rezensionen 214 215 216 217 218 219 220 221 222 223

375

Vatikan o boľševizme, in: Vozroždenie, Jg. 6, Nr. 1720, 16.02.1930, S. 2 Vladimir Solov’ev (k tridcatiletiju so dnja smerti), in: Kitež, Jg. 4, Nr. 3, 1930, S. 82-87 Vladimír Solovjev, in: Filosofická revue, Jg. 2, Nr. 4, 1930, S. 155f. Vladimír Solovjev (K třicétému výroču jeho smrti), in: Hlas, Jg. 58, Nr. 4219, 07.10.1930, S. 2 Włodzimierz Sołowjow (w związku z trzydziestoleciem jego śmierci), in: Przegląd katolicki, Jg. 68, Nr. 36, 21.09.1930, S. 580f. Žák T. J.: Ježíš Kristus, I. díl, Opava [Rezension], in: Na hlubinu, Jg. 5, 1930, S. 396 Za † P. Augustinem Vrzalem O. S. B., in: Hlas, Jg. 58, Nr. 4235, 02.12.1930, S. 2 Za P. Augustinem Vrzalem O. S. B., in: Lidové listy, Jg. 9, Nr. 251, 31.10.1930, S. 6 Za P. Augustinem Vrzalem O. S. B., in: Našinec, Jg. 66, Nr. 250, 31.10.1930, S. 2 Zásady ruského unionismu. I., in: Hlas, Jg. 57, Nr. 4177, 13.05.1930, S. 4

1931 224 225 226 227 228 229 230 231 232 233 234 235 236 237 238 239

240 241 242 243 244 245 246

Agnes Smedley, Sama [Rezension], in: Archa, Jg. 19, 1931, S. 331-332 Aldanov – láska zítřejšího dne [Rezension], in: Lidové listy, Jg. 10, Nr. 133, 12.06.1931, S. 1f. Apoštolát CM ctí českého unionismu, in: Našinec, Jg. 66 [sic], Nr. 152, 05.07.1931, S. 1 Autor o duchu ruské církve, in: Hlas, Jg. 58, Nr. 4253, 03.02.1931, S. 2 Belgický ministr o sovětském režimu, in: Lidové listy, Jg. 10, Nr. 209, 12.09.1931, S. 3 Bolševici chtějí zbořiti největší a nejkrásnější chrám v Moskvě. Sověty pokračují ve vandalismu, in: Lidové listy, Jg. 10, Nr. 195, 27.08.1931, S. 1f. Budoucnost českého unionismu, in: Hlas, Jg. 58, Nr. 4294, 26.06.1931, S. 5 Budoucnost českého unionismu, in: Sborník Moravana k pětadvacátému výročí trvání, Brno 1931, S. 47-51 „Centralnaja Evropa“, in: Lidové listy, Jg. 10, Nr. 57, 10.03.1931, S. 6 Češi a my (Z chystané knihy „Rus dívá se na Československo“), in: Život, Jg. 13, Nr. 16, 05.10.1931, S. 237-240 Chlystové (a chlystovské sekty), in: Podlaha, Antonín (Hg.): Český slovník bohovědný, Bd. V, 1931/32, S. 236-239 Co je to Čsl. republika? [aus: Rus se dívá na Č.S.R.], in: Hlas, Jg. 58, Nr. 4318, 18.09.1931, S. 2 Co s Rusy v čsl. republice?, in: Hlas, Jg. 59, Nr. 4323, 06.10.1931, S. 2 Dr. Alfred Fuchs: Zákulisí novin. Psychologie novinářského povolání, Praha 1931 [Rezension], in: Hlas, Jg. 58, Nr. 4271, 07.04.1931, S. 2 Dr. M. Sadovská: Světla v temnotách. Román z doby pobělohorské, Hradec Králové [Rezension], in: Hlas, Jg. 58, Nr. 4271, 07.04.1931, S. 2 Duchovní život ruského národa. O ruské náboženskosti, in: Hlas, Jg. 59, Nr. 4346, 25.12.1931, S. 3; Nr. 4347, 29.12.1931, S. 5; Nr. 4348, 01.01.1932, S. 4; Nr. 4349, 05.01.1932, S. 5; Nr. 4350, 08.01.1932, S. 4 und Nr. 4351, 12.01.1932, S. 3 F. V. Krejčí: Češství a evropanství [Rezension], in: Archa, Jg. 19, 1931, S. 156-157 Hledám československou jednotu [aus: Rus se dívá na Č.S.R.], in: Hlas, Jg. 58, Nr. 4319, 22.09.1931, S. 2 Hrabě A. Soltykov, in: Hlas, Jg. 58, Nr. 4260, 27.02.1931, S. 4 Illuse se hroutí [aus: Rus se dívá na Č.S.R.], in: Hlas, Jg. 58, Nr. 4317, 15.09.1931, S. 2 Jar. Kunz, Tajnosti rakouského generálního štábu [Rezension], in: Archa, Jg. 19, 1931, S. 330 Je český unionismus povrchní a vlažný?, in: Lidové listy, Jg. 10, Nr. 30, 06.02.1931, S. 6 Jeronym M. Jurák O. P.: „Orden bratjev propovědnikov ili dominikancev“, Vilno 1930; Tajemství ženských klášterů středověkých, Prakšice 1931 [Rezension], in: Časopis katolického duchovenstva, Jg. 72, 1931, S. 920f.

376 247 248 249 250 251 252 253 254

255 256 257 258 259 260 261 262 263 264 265 266 267 268 269 270 271 272 273 274 275 276 277

Anhang

Je to pevná jednota? [aus: Rus se dívá na Č.S.R.], in: Hlas, Jg. 59, Nr. 4322, 02.10.1931, S. 2 Katolické ghetto [aus: Rus se dívá na Č.S.R.], in: Našinec, Jg. 67, Nr. 272, 27.11.1931, Nr. 273, 28.11.1931 und Nr. 275, 01.12.1931, jeweils S. 2 Katolické ghetto. Z chystané knihy „Rus dívá se na ČSR“, in: Hlas, Jg. 58, Nr. 4301, 21.07.1931, S. 2 K dorozumění Čechů se Slováky [aus: Rus se dívá na Č.S.R.], in: Hlas, Jg. 58, Nr. 4321, 29.09.1931, S. 2 Kratkij očerk istorii filosofii v Poľše, in: Centraľnaja Evropa, Jg. 4, Nr. 11, 1931, S. 663-668 Loučíme se s ghettem. Z knihy „Jak se Rus dívá na Čsl. republiku“, in: Hlas, Jg. 58, Nr. 4312, 28.08.1931, S. 2 Ludwig Renn, Po válce [Rezension], in: Archa, Jg. 19, 1931, S. 161-162 Mé svědectví o P. Jakubu Demlovi, in: Lidové listy, Jg. 10, Nr. 189, 20.08.1931, S. 6 Rezensionen: o. A. „Poněkud originálnější úsudek“ Jakuba Demla. „Lidové listy“ reparujú pošramotené renomé básnika Demla – Kde ja zákon na ochranu republiky?, in: Slovák, Jg. 13, Nr. 191, 26.08.1931, S. 4 o. A. Českí katolíci chránia demlovčinu. Nevysvetliteľné stanovisko „Lidových listov“, in: Slovák, Jg. 13, Nr. 237, 20.10.1931, S. 2 Verteidigung: Demlovina v zrkadle V. Vilinského. Vilinský sa nestotožňuje s tým, čé Deml o Slovensku popísal. Má básnik právo vidieť veci „poněkud zvláštním způsobem“?, in: Slovák, Jg. 13, Nr. 250, 06.11.1931, S. 2 Michel d’Herbigny S. J. et Alexandre Deubner: „Éveques russe en exil“, Roma 1931 [Rezension], in: Časopis katolického duchovenstva, Jg. 72, 1931, S. 918-920 Mikuláš Gumilev, in: Archa, Jg. 19, 1931, S. 315-316 Mikuláš Gumilev, in: České slovo, Jg. 23, Nr. 262, 11.11.1931, II. Ausg., S. 7 Mikuláš Gumilev. Popraven před 10 lety sovětskou vládou, in: Hlas, Jg. 59, Nr. 4345, 22.12.1931, S. 3 Nové období unionismu, in: Hlas, Jg. 59, Nr. 4343, 15.12.1931, S. 2 Nové období unionismu, in: Lidové listy, Jg. 10, Nr. 267, 20.11.1931, S. 1 O Duchu ruské církve, in: Kuncířovy noviny, Jg. 2, Nr. 1, 1931, S. 1f. Otokar Brzezina, in: Przegląd powszechny, Jg. 48, Nr. 190, 1931, S. 71-86 und 207-225 Podkarpatská Rus [aus: Rus se dívá na Č.S.R.], in: Hlas, Jg. 58, Nr. 4314, 04.09.1931, S. 2 Podkarpatská Rus [aus: Rus se dívá na Č.S.R.], in: Almanach Kmene 1931-32, Praha 1931, S. 160162 Puella classica, in: České slovo, Jg. 23, Nr. 245, 21.10.1931, II. Ausg., S. 1f. Racionalistické sekty v Rusku, in: Časopis katolického duchovenstva, Jg. 72, 1931, S. 817-828 Ruggiero, Guido, de: Dějiny evropského liberalismu. Praha 1929 [Rezension], in: Centraľnaja Evropa, Jg. 4, Nr. 2, 1931, S. 117-118 Rus díva se na české lidi, in: Archa, Jg. 19, 1931, S. 211-220 Ruská kritika slovanské vzájemnosti, in: Lidové listy, Jg. 10, Nr. 198, 30.08.1931, S. 2 Ruská mládež v emigraci, in: Hlas, Jg. 58, Nr. 4266, 20.03.1931, S. 2 Ruský vyhnanec [Około-Kułak], in: Apoštolát sv. Cyrila a Metoděje, Jg. 22, Nr. 9, S. 304-306 Rus o slovanské vzájemnosti, in: Hlas, Jg. 59, Nr. 4324, 09.10.1931, S. 2 Sen o Československu [aus: Rus se dívá na Č.S.R.], in: Hlas, Jg. 58, Nr. 4316, 11.09.1931, S. 3 Sinclair Lewis, Náš pan Wrenn [Rezension], in: Archa, Jg. 19, 1931, S. 245-246 Slováci a Češi [aus: Rus se dívá na Č.S.R.], in: Hlas, Jg. 58, Nr. 4320, 25.09.1931, S. 2 Smrt Gumileva, in: Lidové listy, Jg. 10, Nr. 258, 10.11.1931, S. 6 Šmurlo, E., Prof.: Voltaire et son oeuvre „Histoire de l’empire de Russie sous Pierre le Grand“, Praha 1929 [Rezension], in: Centraľnaja Evropa, Jg. 4, Nr. 8, 1931, S. 492-493

Werke Vilinskijs und ihre Rezensionen 278 279 280 281 282 283 284 285 286 287 288 289 290 291

377

Social’naja programma slavjanstva, in: Kitež, Jg. 5, Nr. 3, 1931, S. 94-102 Socialnaja programma slavjanstva, in: Kaššovic, Ján/Klinovský, Karol (Hgg.): Pamätnica III. kongresu slovanských katolíckych akademikov a seniorov v Bratislave 1931, S. 157-166 Srdce Slovenska. Z chystané knihy „Rus dívá se na ČSR“, in: Hlas, Jg. 58, Nr. 4304, 31.07.1931, S. 2 Středověký mnich. Rajhradský benediktin, P. Augustin G. Vrzal. Z knihy „Jak se Rus dívá na čsl. republiku“, in: Hlas, Jg. 58, Nr. 4313, 01.09.1931, S. 2 T. G. Masaryk a ruské pravoslaví („Rusko a Evropa“), in: Filosofická revue, Jg. 3, Nr. 1, 1931, S. 37-39; Nr. 2, S. 77-80 und Nr. 3, S. 125-129 [angekündigte Fortsetzung fehlt] Unionistický arcibiskup [aus: Rus se dívá na Č.S.R.], in: Hlas, Jg. 58, Nr. 4314, 04.09.1931, S. 3 Unionistický přehled za duben-září 1930. Události a knihy, in: Časopis katolického duchovenstva, Jg. 72, 1931, S. 130-145 V Rusku sa opäť rúcajú chrámy, in: Slovák, Jg. 13, Nr. 193, 28.08.1931, S. 1 Významné jubileum, in: Časopis katolického duchovenstva, Jg. 72, 1931, S. 762f. Významné jubileum, in: Hlas, Jg. 58, Nr. 4311, 25.08.1931, S. 5 Významné jubileum, in: Lidové listy, Jg. 10, Nr. 182, 11.08.1931, S. 6 Wagner, Vladimír, Dr.: Dějiny výtvarného umenia na Slovensku. Trnava 1930 [Rezension], in: Centraľnaja Evropa, Jg. 4, Nr. 6, 1931, S. 371-372 Wladimir Solowiew, in: Theologie und Glaube, Jg. 23, Nr. 1, 1931, S. 99-102 Zemědělská pětiletka v Rusku, in: Hlas, Jg. 59, Nr. 4327, 20.10.1931, S. 2

1932 292 293 294 295 296 297 298 299 300 301 302 303 304

305 306 307 308

Alfred Fuchs, O deseti svatých [Rezension], in: Archa, Jg. 20, 1932, S. 137-138 Anarchistický odboj a výbuch v Leontjevské uličce v Moskvě, in: Hlas, Jg. 60, Nr. 4429, 11.10.1932, S. 2 und Nr. 4430, 14.10.1932, S. 3 Antonín Lain, Na Makarijských ostrovech [Rezension], in: Archa, Jg. 20, 1932, S. 147 Atentát bolševiků na Agabekova, in: Hlas, Jg. 59, Nr. 4386, 13.05.1932, S. 2 A zase honička …, in: Našinec, Jg. 68, Nr. 170, 27.07.1932, S. 1 Boj uvnitř Ruska (Z chystané knihy, jež vyjde nákladem Šolce a Šimáčka), in: Život, Jg. 14, Nr. 6, 15.05.1932, S. 86-89 Bošković, Hijacint, Dr.: Problem spoznaje. Zagreb 1932 [Rezension], in: Centraľnaja Evropa, Jg. 5, Nr. 11, 1932, S. 630 Bulharsko anebo Srbsko?, in: Našinec, Jg. 68, Nr. 204, 06.09.1932, S. 1 Česká studie o ruských ikonech – Dr. Josef Myslivec: Liturgické hymny, jako náměty ruských ikon, Praha 1932 [Rezension], in: Hlas, Jg. 59, Nr. 4384, 06.05.1932, S. 2 Československá ves [aus: Rus se dívá na Č.S.R.], in: Jubilejnyj sbornik. 1921 – Brno – 1931. Jubilejní sborník. Svaz ruských studentů, Brno 1932, S. 71 Český unionismus před VI. velehradským sjezdem, in: Časopis katolického duchovenstva, Jg. 73 (98), 1932, S. 48-56 Čeští dominikáni budou pracovati pro Unionismus, in: Lidové listy, Jg. 11, Nr. 132, 09.06.1932, S. 6 Chvála detektivky, in: Archa, Jg. 20, 1932, S. 264-267 Rezension: fl in: Řád. Revue pro kulturu a život, Jg. 1, 1933, S. 286f. Chvolson, in: Podlaha, Antonín (Hg.): Český slovník bohovědný, Bd. V, 1931/32, S. 278f. [V. Vil.] Chvostova, in: Podlaha, Antonín (Hg.): Český slovník bohovědný, Bd. V, 1931/32, S. 279 [V. Vil.] Co udělali bolševici z ruských klášterů, in: Lidové listy, Jg. 11, Nr. 279, 04.12.1932, S. 2 Deml, Jakub: Mé svědectví o Otakaru Březinovi. Praha 1931 [Rezension], in: Centraľnaja Evropa, Jg. 5, Nr. 2, 1932, S. 120-121

378 309 310 311 312 313 314 315 316 317 318 319 320 321 322 323 324 325 326 327 328 329 330 331 332 333 334 335 336 337 338

339

340

Anhang

Den v klášteře svatého Sergije, blíže Moskvy, in: Hlas, Jg. 60, Nr. 4448, 16.12.1932, S. 5 Deň v kláštore sv. Sergija, in: Slovák, Jg. 14, Nr. 276, 04.12.1932, S. 7 De studio ecclesiasticae historiae russicae, in: Acta Academiae Velehradensis, Jg. 12, Nr. 132, S. 64-70 Dr. Josef Myslivec: Liturgické hymny, jako náměty ruských ikon, Praha 1932 [Rezension], in: Časopis katolického duchovenstva, Jg. 73 (98), 1932, S. 271f. E. Kalikin: V boji za vlast, Hradec Králové 1932 [Rezension], in: Lidové listy, Jg. 11, Nr. 237, 14.10.1932, S. 6 Emil Ludwig, Dary života [Rezension], in: Archa, Jg. 20, 1932, S. 139-140 Ex Oriente … Přehled nové literatury ruské a o ruských věcech bohosl., in: Časopis katolického duchovenstva, Jg. 73 (98), 1932, S. 265-269 Filosofický sborník, věnovaný dru Josefu Kratochvilovi k 50. narozeninám. Brno 1932 [Rezension], in: Centraľnaja Evropa, Jg. 5, Nr. 11, 1932, S. 631 Gorgulovština v Praze, in: Hlas, Jg. 59, Nr. 4418, 02.09.1932, S. 3 Honička pokračuje …, in: Hlas, Jg. 60, Nr. 4432, 21.10.1932, S. 8 Honička pokračuje …, in: Našinec, Jg. 68, Nr. 183, 11.08.1932, S. 1 Hospodářský vývoj v Rusku, in: Hlas, Jg. 60, Nr. 4435, 01.11.1932, S. 5 Hromádka, J. L.: Křesťanství v myšlení a životě. Pokus o výklad dějinných útvarů křesťanských. Praha 1931 [Rezension], in: Centraľnaja Evropa, Jg. 5, Nr. 6-7, 1932, S. 401 Hrůzné pronásledování křesťanů bolševickými katany. Poprava biskupa Stekliňského, in: Hlas, Jg. 59, Nr. 4372, 25.03.1932, S. 1 Ignác [11.-16.], in: Podlaha, Antonín (Hg.): Český slovník bohovědný, Bd. V, 1931/32, S. 289f. [V. V.] igumen, in: Podlaha, Antonín (Hg.): Český slovník bohovědný, Bd. V, 1931/32, S. 291 [V-ij] ijerej, in: Podlaha, Antonín (Hg.): Český slovník bohovědný, Bd. V, 1931/32, S. 291 [V-ij] ijeromach, in: Podlaha, Antonín (Hg.): Český slovník bohovědný, Bd. V, 1931/32, S. 291 [V-ij] ikonoborci, in: Podlaha, Antonín (Hg.): Český slovník bohovědný, Bd. V, 1931/32, S. 293-295 [V. V.] Ilarion [2.-10.], in: Podlaha, Antonín (Hg.): Český slovník bohovědný, Bd. V, 1931/32, S. 297 [V. V.] Innocenc [2.; 21.], in: Podlaha, Antonín (Hg.): Český slovník bohovědný, Bd. V, 1931/32, S. 333-338 [V. V.; V. V-ij] Irenaeus [4.; 7.; 9.], in: Podlaha, Antonín (Hg.): Český slovník bohovědný, Bd. V, 1931/32, S. 369-371 [V. V.] irmologij, in: Podlaha, Antonín (Hg.): Český slovník bohovědný, Bd. V, 1931/32, S. 373 [V. V.] Isák [5.; 6.; 11.; 17.; 24.], in: Podlaha, Antonín (Hg.): Český slovník bohovědný, Bd. V, 1931/32, S. 385-386 [V. V.] Isidor [11.; 12.; 13.; 17.; 20.], in Podlaha, Antonín (Hg.): Český slovník bohovědný, Bd. V, 1931/32, S. 389-398 [V. V.] Janvar’skij no „Věstnika russkago studenčeskago christianskago dviženija“ [Rezension], in: Acta Academiae Velehradensis, Jg. 12, Nr. 1-2, 1932, S. 94-96 Jar. Kunz: Tajnosti rakouského generálního štabu, Praha 1931 [Rezension], in: Hlas, Jg. 59, Nr. 4403, 12.07.1932, S. 5 Josef Měchura, Rozvědčíci u Kazaně [Rezension], in: Archa, Jg. 20, 1932, S. 223 Je to prevrat?, in: Slovák, Jg. 14, Nr. 188, 20.08.1932, S. 1 Je v Rusku vysokoškolské vzdělání? Nový dekret sovětské vlády. – Krise vysokých škol. – Školské poměry a hmotné poměry studentské. – „Polévkou lze se umývati …“, in: Příloha „Lidových listů“, Jg. 11, Nr. 227, 02.10.1932, S. 1 Jestvuje v Rusku vysokoškolské vzdelanie? Nový dekret sovietskej vlády – Kríza vysokých škôl. Školské pomery a hmotné pomery študentstva „Polievkou možno sa umývať“ …, in: Slovák, Jg. 14, Nr. 240, 21.10.1932, S. 4 Kněží ve vězení na soloveckých ostrovech, in: Hlas, Jg. 59, Nr. 4356, 29.01.1932, S. 1

Werke Vilinskijs und ihre Rezensionen 341 342 343 344 345 346 347 348 349 350 351 352 353 354 355 356 357 358 359 360 361 362 363 364 365 366 367 368 369 370 371 372 373 374 375 376

379

Kněží ve vězení na Soloveckých ostrovech. Na galejích otrokářského státu, in: Lidové listy, Jg. 11, Nr. 7, 10.01.1932, S. 3 Knieža Obolenskij o tajných náboženských hnutiach v Rusku. Náboženské organizácie v kavkazských horách – Tajné reholníčky, in: Slovák, Jg. 14, Nr. 183, 13.08.1932, S. 4 Kolchozy – katakomby pravoslavných na Rusi, in: Lidové listy, Jg. 11, Nr. 193, 23.08.1932, S. 1f. Kolem druhé pjatiletky, in: Lidové listy, Jg. 11, Nr. 209, 10.09.1932, S. 1 Krise amerických strýčků, in: Lidové listy, Jg. 11, Nr. 48, 27.02.1932, S. 1 Krise ruské strany komunistické, in: Našinec, Jg. 68, Nr. 268, 23.11.1932, S. 1 Kutepov straší, in: Hlas, Jg. 59, Nr. 4421, 13.09.1932, S. 3 Kutěpov straší, in: Našinec, Jg. 68, Nr. 28, 04.02.1932, S. 1 Láska Ivana Karmanova, in: Archa, Jg. 20, 1932, S. 268-279 Legenda o Kitěži, in: Hlas, Jg. 60, Nr. 4430, 14.10.1932, S. 5 Legenda o Kiteži, in: Slovák, Jg. 14, Nr. 195, 28.08.1932, S. 8 Náboženský tisk ruských emigrantů, in: Hlas, Jg. 60, Nr. 4437, 08.11.1932, S. 3 Nam dostavlena organisaciej „Krestjanskaja Rossija“ [Rezension], in: Acta Academiae Velehradensis, Jg. 12, Nr. 1-2, 1932, S. 96f. Na okraj díla Šaldova, in: Lidové listy, Jg. 11, Nr. 293, 22.12.1932, S. 5 Napjaté poměry na Dálném Východu, in: Hlas, Jg. 59, Nr. 4370, 18.03.1932, S. 3 Na prahu nové pětiletky, in: Našinec, Jg. 68, Nr. 75, 31.03.1932, S. 1 Následky kolektivisace v Rusku, in: Našinec, Jg. 68, Nr. 65, 18.03.1932, S. 1 Nebezpečné kvašení protibolševické v Rusku, in: Hlas, Jg. 59, Nr. 4421, 13.09.1932, S. 2 [V. V.] Nemecký zprávodajca o SSSR. Nepravdivé zprávy o poklese nezamestnanosti. Kapitalizmus vniká do Ruska, in: Slovák, Jg. 14, Nr. 242, 23.10.1932, S. 8 Neskol’ko slov o pol’skoj proze, in: Centraľnaja Evropa, Jg. 5, Nr. 5, 1932, S. 271-275 Nevěrectví v Čechoslovensku, in: Hlas, Jg. 59, Nr. 4414, 19.08.1932, S. 1 Nik. Gumilev, in: Archa, Jg. 20, 1932, S. 183-198 Nikolaj Gumilev, in: Hlas, Jg. 59, Nr. 4410, 05.08.1932, S. 3; Nr. 4411, 09.08.1932, S. 5; Nr. 4412, 12.08.1932, S. 5 und Nr. 4413, 16.08.1932, S. 5 NN 21 a 22 „Bezbožnika“ [Rezension], in: Acta Academiae Velehradensis, Jg. 12, Nr. 1-2, 1932, S. 96 Nové politické hnutí v Asii. „Da Tun“ – „velká asijská jednota“. Mandžuský stát jako most mezi Čínou a Japonskem, in: Lidové listy, Jg. 11, Nr. 178, 04.08.1932, S. 2 Okolo druhej päťročenky, in: Slovák, Jg. 14, Nr. 216, 22.09.1932, S. 7 Osud starověreckých biskupů, in: Apoštolát sv. Cyrila a Metoděje, Jg. 23, Nr. 7-8, 1932, S. 267 Pamäti ruského konvertitu [Pečerin; Rezension], in: Slovák, Jg. 14, Nr. 256, 11.11.1932, S. 6 Poprava biskupa Stekliňského, in: Lidové listy, Jg. 11, Nr. 57, 09.03.1932, S. 1f. Poprava biskupa Stekliňského v Archangelsku. Staručký biskup bez slova sa dal mučiť – Dokonal a nezradil nikoho, in: Slovák, Jg. 14, Nr. 54, 06.03.1932, S. 4 Poprava dvaceti, in: Našinec, Jg. 68, Nr. 199, 31.08.1932; Nr. 201, 02.09.1932; Nr. 202, 03.09.1932; Nr. 207, 09.09.1932 und Nr. 208, 10.09.1932, jeweils S. 2 Poznámky k III. části knihy prof. J. L. Hromádky „Křesťanství v myšlení a životě“ [Rezension], in: Časopis katolického duchovenstva, Jg. 73 (98), 1932, S. 75-77 Přehled československého unionismu, in: Hlas, Jg. 59, Nr. 4362, 19.02.1932, S. 2; Nr. 4363, 23.02.1932, S. 2 und Nr. 4364, 26.02.1932, S. 3 Příčiny a důsledky krise české knihy, in: Lidové listy, Jg. 11, Nr. 275, 30.11.1932, S. 6 Proces legitimistů, in: Hlas, Jg. 59, Nr. 4404, 15.07.1932, S. 3; Nr. 4405, 19.07.1932; Nr. 4406, 22.07.1932 und Nr. 4407, 26.07.1932, jeweils S. 3 Proces pěti teroristů, in: Lidové listy, Jg. 11, Nr. 31, 07.02.1932; Nr. 32, 09.02.1932; Nr. 33, 10.02.1932; Nr. 34, 11.02.1932; Nr. 35, 12.02.1932; Nr. 36, 13.02.1932; Nr. 37, 14.02.1932;

380

377

378 379

380 381 382 383 384 385 386 387 388 389 390 391 392 393 394 395 396 397 398 399 400 401 402 403 404

405

Anhang

Nr. 38, 16.02.1932; Nr. 39, 17.02.1932; Nr. 40, 18.02.1932 und Nr. 41, 19.02.1932, jeweils S. 5 Proces pěti teroristů, in: Hlas, Jg. 59, Nr. 4374, 01.04.1932, S. 3; Nr. 4375, 05.04.1932, S. 3; Nr. 4376, 08.04.1932, S. 5; Nr. 4377, 12.04.1932, S. 3; Nr. 4378, 15.04.1932, S. 3; Nr. 4379, 19.04.1932, S. 3 und Nr. 4380, 22.04.1932, S. 3 Psycholog lidských osudů [Aldanov], in: Archa, Jg. 20, 1932, S. 162-163 Revolučné kvasenie v SSSR. Nové nálady v Rusku – Napäté pomery – Uvoľnenie obchodu nezlepšilo situáciu – Všade sú protirevolucionári. Anekdota o pápežovi a Stalinovi – Kde je Rakovskij?, in: Slovák, Jg. 14, Nr. 150, 03.07.1932, S. 9 Revoluční kvašení v sovětském Rusku, in: Hlas, Jg. 59, Nr. 4425, 27.09.1932, S. 4 Ruská mládež, in: Apoštolát sv. Cyrila a Metoděje, Jg. 23, Nr. 11, 1932, S. 363-365 Ruská mládež na čele protirevolucionárov. Pod terorem bolševizmu mladí nespia – Otázka jedenia a šiat nevyriešená, in: Slovák, Jg. 14, Nr. 260, 18.11.1932, S. 3 Ruské filokatolické hnutí, in: Příloha „Lidových listů“, Jg. 9, Nr. 168, 24.07.1932, S. 3 Ruské memorandum Římu, in: Hlas, Jg. 59, Nr. 4371, 22.03.1932, S. 2 Ruské memorandum Římu, in: Našinec, Jg. 68, Nr. 57, 09.03.1932, S. 1 Ruský historický archiv v Praze, in: Hlas, Jg. 59, Nr. 4382, 29.04.1932, S. 2 Ruský historický archiv v Praze, in: Lidové listy, Jg. 11, Nr. 74, 30.03.1932, S. 6 Ruský pravoslavní tisk o velehradském unionistickém kongresu, in: Hlas, Jg. 60, Nr. 4429, 11.10.1932, S. 4 Ruský tisk o situaci na Rusi, in: Našinec, Jg. 68, Nr. 176, 03.08.1932, S. 1 Ruští spisovatelé v RČS, in: Příloha „Lidových listů“, Jg. 11, Nr. 245, 23.10.1932, S. 2 Situace knižního trhu, in: Našinec, Jg. 68, Nr. 274, 30.11.1932, S. 1f. Slovanská myšlenka a idea unionistická. I. Současný stav slovanské otázky, in: Orelská osvěta, Nr. 1, 1932, S. 4-19 Slovanská myšlenka a idea unionistická. II. Československý unionismus; III. Orel a Slovanstvo, in: Orelská osvěta, Nr. 2-3, 1932, S. 58-72 „Smažená nemluvňata“, in: Našinec, Jg. 68, Nr. 36, 13.02.1932, S. 1 Smrť Borisa Savinkova 1-12 [aus: V Rusku boj …], in: Slovák, Jg. 14, Nr. 198-200, 21.08.-03.09.1932, jeweils S. 6 (z. T. S. 6f.) Současný stav slovanské otázky, in: Hlas, Jg. 59, Nr. 4353, 19.01.1932; Nr. 4354, 22.01.1932; Nr. 4355, 26.01.1932; Nr. 4356, 29.01.1932 und Nr. 4357, 02.02.1932, jeweils S. 3 Sovětskij žurnal „Věstnik znanija“ [Rezension], in: Acta Academiae Velehradensis, Jg. 12, Nr. 1-2, 1932, S. 97f. Spiknutí G. Semenova, in: Hlas, Jg. 60, Nr. 4449, 20.12.1932, S. 4; Nr. 4450, 23.12.1932, S. 7; Nr. 4451, 27.12.1932, S. 3; Nr. 4452, 30.12.1932, S. 3 und Nr. 4453, 03.01.1933, S. 3 Sredi žurnalov [Rezension], in: Centraľnaja Evropa, Jg. 5, Nr. 11, 1932, S. 634-637 [V. V.] Stojan Zaimov, in: Centraľnaja Evropa, Jg. 5, Nr. 11, 1932, S. 617 Svätý kláštor solovecký symbolom utrpenia ruského národa. Osud kňazov na Soloveckých ostrovoch – Proroctvo mníche Rehora, in: Slovák, Jg. 14, Nr. 8, 12.01.1932, S. 4 Svaz obrany vlasti a svobody, in: Hlas, Jg. 60, Nr. 4441, 22.11.1932, S. 2; Nr. 4442, 25.11.1932, S. 4; Nr. 4443, 29.11.1932, S. 5 und Nr. 4444, 02.12.1932, S. 3 T. G. Masaryk, in: Jubilejnyj sbornik. 1921 – Brno – 1931. Jubilejní sborník. Svaz ruských studentů, Brno 1932, S. 9 Trust, in: Hlas, Jg. 59, Nr. 4389, 24.05.1932, S. 2; Nr. 4390, 27.05.1932, S. 2; Nr. 4391, 31.05.1932, S. 2; Nr. 4392, 03.06.1932, S. 3; Nr. 4393, 07.06.1932, S. 3; Nr. 4394, 10.06.1932, S. 3; Nr. 4395, 14.06.1932, S. 3; Nr. 4396, 17.06.1932, S. 3 und Nr. 4397, 21.06.1932, S. 3 Trust (Z chystané knihy o SSSR), in: Lidové listy, Jg. 11, Nr. 90, 17.04.1932; Nr. 91, 19.04.1932;

Werke Vilinskijs und ihre Rezensionen

406

407 408 409 410 411 412 413 414 415 416 417

381

Nr. 92, 20.04.1932; Nr. 93, 21.04.1932; Nr. 94, 22.04.1932; Nr. 95, 23.04.1932; Nr. 96, 24.04.1932; Nr. 97, 26.04.1932; Nr. 98, 27.04.1932; Nr. 99, 28.04.1932; Nr. 100, 29.04.1932 und Nr. 101, 30.04.1932, jeweils S. 5 Unavená duše, in: Hlas, Jg. 59, Nr. 4415, 23.08.1932, S. 2; Nr. 4416, 26.08.1932, S. 3; Nr. 4417, 30.08.1932, S. 3; Nr. 4418, 02.09.1932, S. 3; Nr. 4419, 06.09.1932, S. 5; Nr. 4420, 09.09.1932, S. 5; Nr. 4421, 13.09.1932, S. 3; Nr. 4422, 16.09.1932, S. 3 und Nr. 4423, 20.09.1932, S. 3 Unavená duše. Osud spisovatele Borise Savinkova-Ropšina, in: Archa, Jg. 20, 1932, S. 111-128 Unionismus a naše doba, in: Hlas, Jg. 59, Nr. 4381, 26.04.1932, S. 3 Urickij a Kannegiser (Z chystané knihy o politických vraždách v SSSR), in: Lidové listy, Jg. 11, Nr. 10, 14.01.1932, S. 5 und Nr. 11, 15.01.1932, S. 5f. Věci východní, in: Jitro, Jg. 13, Nr. 7, 1932, S. 193-195 „V Rusku boj trvá …“, in: Lidové listy, Jg. 11, Nr. 260, 12.11.1932, S. 6 V Rusku opět teror …, in: Hlas, Jg. 59, Nr. 4420, 09.09.1932, S. 2 V sovětském Rusku chtějí pochovati Bohu …, in: Našinec, Jg. 68, Nr. 249, 30.10.1932, S. 1f. Vývoj náboženského tisku ruské emigrace, in: Acta Academiae Velehradensis, Jg. 12, Nr. 1-2, 1932, S. 70-77 Vzpoura levicových ruských sociálních revolucionářů, in: Hlas, Jg. 59, Nr. 4426, 30.09.1932, S. 3 und Jg. 60, Nr. 4427, 04.10.1932, S. 3 Životné dielo dr. Jozefa Kratochvila, in: Kultúra, Nr. 10, 1932, S. 733-734 Z Ruska o Rusku, in: Hlas, Jg. 59, Nr. 4412, 12.08.1932, S. 1

1933 418 419 420 421 422 423 424 425 426 427 428 429 430 431 432 433 434 435 436

Adolf Gajdoš „Pokorné soužení“. Básně. Brno 1932 [Rezension], in: Centraľnaja Evropa, Jg. 6, Nr. 1, 1933, S. 66f. [Aesop literární, in: Řád, Jg. 1, 1933, S. 337-342 (Spectator)] [Afrodite a veřejné hlasování, in: Řád, Jg. 1, 1933, S. 40-42 (Spectator)] Arcibiskup dr. Leopold Prečan a Rusko, in: Apoštolát sv. Cyrila a Metoděje, Jg. 24, 1933, S. 388-390 Bulharsko nebo Srbsko?, in: Hlas, Jg. 60, Nr. 4465, 14.02.1933, S. 2 Bulharský exarchát, in: Hlas, Jg. 60, Nr. 4505, 04.07.1933, S. 3 De philocatholicis motibus qui dicuntur Russorum, in: Acta VI. Conventus Velehradensis anno MCMXXXII, Olomouc 1933, S. 224-228 Diplomatické úspěchy Sovětů, in: Lidové listy, Jg. 12, Nr. 174, 02.08.1933, S. 1 Diplomatické úspěchy sovětů?, in: Hlas, Jg. 61, Nr. 4538, 27.10.1933, S. 2 Francisk Ksaverij Šaľda, in: Centraľnaja Evropa, Jg. 6, Nr. 1, 1933, S. 39-41 Franciszek Ksawery Szalda, in: Przegląd powszechny, Jg. 50, Nr. 197, 1933, S. 336-340 Frank Harris, Bernhard Shaw [Rezension], in: Archa, Jg. 21, Nr. 11, 1933, S. 72f. Fr. Götz, Padající hvězdy [Rezension], in: Archa, Jg. 21, Nr. 11, 1933, S. 77f. Helena Dvořáková „Veliký proud“. Román. Praha 1932 [Rezension], in: Centraľnaja Evropa, Jg. 6, Nr. 1, 1933, S. 65f. Hladový průvod [aus: Praha], in: Sborník družiny literární a umělecké k padesátým narozeninám P. Emanuela Masáka, Olomouc 1933, S. 156-166 Hlasy několika účastníků VI. unionistického kongresu o unionismu, in: Museum, Jg. 64, 1933, S. 6-8 Jak byla zavražděna carská rodina, in: Jedinstvo, Nr. 7 (91), 01.04.1933, S. 1-3 Jakub Deml, in: Przegląd powszechny, Jg. 50, Nr. 199, 1933, S. 137-153 und 285-301 [Jasnící se horizont, in: Řád, Jg. 1, 1933, S. 167-171 (Spectator)]

382 437 438 439 440 441 442 443 444 445 446 447 448 449 450

451

452 453 454 455 456 457 458 459 460 461 462 463 464 465 466 467

Anhang

Je v Rusku vysokoškolská vzdělání?, in: Hlas, Jg. 60, Nr. 4457, 17.01.1933, S. 4 Jsme jedno, in: Příloha „Lidových listů“, Jg. 12, Nr. 90, 16.04.1933, S. 17 Jsme jedno!, in: Hlas, Jg. 60, Nr. 4485, 25.04.1933; Nr. 4486, 28.04.1933 und Nr. 4487, 02.05.1933, jeweils S. 1 Juraj Šujan, Mladý Štefánik a mladé Slovensko [Rezension], in: Archa, Jg. 21, Nr. 11, 1933, S. 73 Kněží ve vězení na Soloveckých ostrovech v Rusku, in: Vlast. Časopis pro poučení a zábavu, Jg. 49, Nr. 2-5, 1933, S. 141-143 Kniha o životě a smrti a Země Prometheova [Axel Munthe und K. A. Čcheidze; Rezension], in: Archa, Jg. 21, Nr. 11, 1933, S. 156f. Kníže Privina a čsl. Sokol, in: Hlas, Jg. 60, Nr. 4509, 18.07.1933, S. 3 [Dr. V. V.] Kolem druhé pjatiletky v Rusku, in: Hlas, Jg. 60, Nr. 4458, 20.01.1933, S. 3 Krise ruské strany komunistické, in: Hlas, Jg. 60, Nr. 4464, 10.02.1933, S. 2 Maďarská kniha o ruské literatuře [Széman, Stepan; Rezension], in: Hlas, Jg. 61, Nr. 4539, 31.10.1933, S. 8 Maďarská kniha o ruské literatuře [Széman, Stepan; Rezension], in: Lidové listy, Jg. 12, Nr. 205, 08.09.1933, S. 6 Náboženství a slovanská otázka, in: Vánoční příloha Lidových listů, Jg. 12, Nr. 293, 01.03.1933, S. 5 Na okraj díla Šaldova, in: Archa, Jg. 21, 1933, S. 21f. Nejlepší odpověď na maďarské i jiné revisní úklady: Imposantní Privinovy oslavy! J. E. njdp. Dr. K. Kmeťko znovu zdůrazňuje celostátní a slovanský význam oslav, in: Lidové listy, Jg. 12, Nr. 112, 14.05.1933, S. 1 Nikolaj Gumilev, in: Nikolaj Gumilev: Výbor z díla, Praha 1933, S. 73-100 Rezension: Heidenreich, Jul. in: Lidové noviny, Jg. 41, Nr. 403, 13.08.1933, S. 9 Lazar, Otto in: Našinec, Jg. 69, Nr. 197, 30.08.1933, S. 2 Sekanina, Fr. in: Národní politika, Jg. 51, Nr. 241, 03.09.1933 (příloha), S. 4 Píseň o moři [T. Gašpar; Rezension], in: Archa, Jg. 21, 1933, S. 329 Píseň o moři [T. Gašpar; Rezension], in: Lidové listy, Jg. 12, Nr. 227, 05.10.1933, S. 6 Pokřesťanění života v Bulharsku, in: Apoštolát sv. Cyrila a Metoděje, Jg. 24, 1933, S. 12-15.53-55 Pokřesťanění života v Bulharsku, in: Hlas, Jg. 60, Nr. 4512, 28.07.1933, S. 2 und Nr. 4513, 01.08.1933, S. 4 Polská cesta do Ruska, in: Apoštolát sv. Cyrila a Metoděje, Jg. 24, 1933, S. 136-138 [fälschlich 1934 in „Obsah XXV. ročníku“ angeführt] Pribinovskie toržestva v Slovakii, in: Centraľnaja Evropa, Jg. 6, Nr. 4, 1933, S. 299 Princ a vyzvědači, in: Hlas, Jg. 60, Nr. 4487, 02.05.1933, S. 3 Privinovy oslavy v Nitře, in: Hlas, Jg. 60, Nr. 4497, 06.06.1933, S. 2; Nr. 4500, 16.06.1933, S. 2; Nr. 4501, 20.06.1933, S. 3; Nr. 4502, 23.06.1933, S. 3 und Nr. 4503, 27.06.1933, S. 4 Projev J. E. nejdp. arcibiskupa pražského Dra Karla Kašpara, zástupcům cizího tisku, in: Hlas, Jg. 60, Nr. 4496, 02.06.1933, S. 3 [Prolegomena k charakterologii českého pokrokáře, in: Řád, Jg. 1, 1933, S. 473-477 (Spectator)] Protináboženská pjatiletka v Rusku, in: Orelská osvěta, Nr. 2-3, 1933, S. 34-38 Ruská mládež, in: Hlas, Jg. 60, Nr. 4461, 31.01.1933, S. 3 Ruské filokatolícke hnutie, in: Kultúra, Nr. 11, 1933, S. 823-827 Ruský fašismus na postupu. Mladorusové v Praze. Myšlenka národní revoluce. Přirozený car, in: Lidové listy, Jg. 12, Nr. 204, 07.09.1933, S. 3 Ruský hitlerismus na postupu, in: Hlas, Jg. 61, Nr. 4540, 03.11.1933, S. 3 Ruský zahraniční historický archiv v Praze, in: Hlas, Jg. 60, Nr. 4498, 09.06.1933, S. 2 und Nr. 4499, 13.06.1933, S. 3

Werke Vilinskijs und ihre Rezensionen 468 469 470 471 472 473 474 475 476 477 478 479 480

383

Satira v Československu, in: Archa, Jg. 21, 1933, S. 38-41 Situace v SSSR, in: Našinec, Jg. 69, Nr. 25, 31.01.1933, S. 1 Situacija knižnigo rynka v ČSR, in: Centraľnaja Evropa, Jg. 6, Nr. 1, 1933, S. 22-26 Slečna Wichterlová protestuje …, in: Lidové listy, Jg. 12, Nr. 61, 14.03.1933, S. 6 Slovensko a Rusko, in: Hlas, Jg. 60, Nr. 4462, 03.02.1933, S. 6 Slovensko kedysi a teraz [Rezension], in: Archa, Jg. 21, Nr. 11, 1933, S. 73 Slovenský Athos, in: Hlas, Jg. 60, Nr. 4517, 15.08.1933, S. 4 Sovětský vyzvědač ve Vatikáně?, in: Apoštolát sv. Cyrila a Metoděje, Jg. 24, 1933, S. 88-90 Urickij a Kannegiser, in: Hlas, Jg. 60, Nr. 4514, 04.08.1933 und Nr. 4515, 08.08.1933, jeweils S. 3 Větry od východu. L. A. Čcheidze „Země Prometheova“ [Rezension], in: Lidové listy, Jg. 12, Nr. 50, 01.03.1933, S. 6 Vůdce Pribina, in: Lidové listy, Jg. 12, Nr. 172, 30.07.1933, S. 1 Zástupci světového tisku u J. E. nejdp. arcibiskupa dra Karla Kašpara, in: Lidové listy, Jg. 12, Nr. 113, 16.05.1933, S. 1 Životní díla dra Josefa Kratochvila, in: Hlas, Jg. 60, Nr. 4460, 27.01.1933, S. 3

1934 481 482 483 484 485 486 487 488 489 490 491 492 493 494 495 496 497 498 499

500 501

Arcibiskup Dr. Leopold Prečan a Rusko, in: Hlas, Jg. 61, Nr. 4568, 09.02.1934, S. 2 Autonomie či decentralisace?, in: Lidové noviny, Jg. 42, Nr. 293**, 13.06.1934, S. 1 Boj o Asii. Zápas o Mongolsko, in: Zlín, Jg. 3, 05.09.1934, Nr. 36, S. 1 Církevně-politická publikace. Dr. Alfred Fuchs: „Z boje o modus vivendi.“ Časové úvahy, Hradec Král., č. 1, část 1 [Rezension], in: Lidové listy, Jg. 13, Nr. 54, 07.03.1934, S. 6 [Dr. V. V.] Daně a Číňané, in: Lidové noviny, Jg. 42, Nr. 605**, 01.12.1934, S. 1f. Decentralisační návrh luďáku. Zmoudření dona Quichota?, in: Lidové noviny, Jg. 42, Nr. 323**, 29.06.1934, S. 5 2. díl naší Vánéční ankety: Slované mluví k Slovanům, in: Příloha Lidových listů, Jg. 13, Nr. 4, 06.01.1934, S. 1 Estonský převrat. Předčasně rozpuštění parlamentu, in: Lidové noviny, Jg. 42, Nr. 498, 04.10.1934, S. 3 Hlinka o věcech politických. Rozhovor s vůdcem ľudové strany, in: Lidové noviny, Jg. 42, Nr. 301**, 17.06.1934, S. 5 Jan Slavík: Lenin [Rezension], in: Lidové noviny, Jg. 42, Nr. 266, 29.05.1934, S. 9 Jehlička chce kompromitovat Hlinku, in: Lidové noviny, Jg. 42, Nr. 415, 20.08.1934, S. 2 Katolický tisk o volbě pana presidenta, in: Lidové noviny, Jg. 42, Nr. 264, 28.05.1934, S. 2 [Dr. V. V.] K novému memorandu mladé generace čs. lidové strany, in: Lidové noviny, Jg. 42, Nr. 180, 10.04.1934, S. 2 Lotyšský převrat, in: Lidové noviny, Jg. 42, Nr. 257, 24.05.1934, S. 3 Luďáci a volba presidenta republiky, in: Lidové noviny, Jg. 42, Nr. 259**, 25.05.1934, S. 4 [Dr. V. V.] Luďáci – jací jsou, in: Přítomnost, Jg. 11, Nr. 52, 29.12.1934, S. 824-826 Ludová strana na rozcestí, in: Lidové noviny, Jg. 42, Nr. 458**, 12.09.1934, S. 1 Maďarská kniha o ruské literatuře, in: Hlas, Jg. 61, Nr. 4569, 13.02.1934, S. 4 [wie Nr. 4539, 31.10.1933, S. 8] Náboženství a slovanská otázka, in: Hlas, Jg. 61, Nr. 4570, 16.02.1934, S. 2; Nr. 4572, 23.02.1934, S. 2; Nr. 4573, 27.02.1934, S. 3; Nr. 4574, 02.03.1934, S. 2; Nr. 4575, 06.03.1934, S. 5; Nr. 4576, 09.03.1934, S. 3; Nr. 4577, 13.03.1934, S. 3 und Nr. 4578, 16.03.1934, S. 3 Námitky proti vstupu SSSR do Ženevy, in: Lidové noviny, Jg. 42, Nr. 449, 07.09.1934, S. 2 Obchodování s ruskými zájmy, in: Hlas, Jg. 61, Nr. 4564, 26.01.1934, S. 4

384 502 503 504 505 506 507 508 509 510 511 512 513 514 515 516 517 518 519 520 521 522 523 524 525 526 527

Anhang

O dovoz ze SSSR. Co má vědět dovozce, in: Lidové noviny, Jg. 42, Nr. 568, 11.11.1934, S. 12 O katolický blok, in: Lidové noviny, Jg. 42, Nr. 255**, 23.05.1934, S. 2 [Dr. V. V.] O katolický blok, in: Lidové noviny, Jg. 42, Nr. 297**, 15.06.1934, S. 2 [Dr. V. V.] O katolický blok, in: Lidové noviny, Jg. 42, Nr. 464**, 15.09.1934, S. 2 O podpory křesťansko-sociálních odborářů, in: Lidové noviny, Jg. 42, Nr. 289, 11.06.1934, S. 3 [Dr. V. V.] O pražského nuncia, in: Lidové noviny, Jg. 42, Nr. 301**, 17.06.1934, S. 2 [V. V.] Osvobození sovětského občana, in: Lidové noviny, Jg. 42, Nr. 548**, 31.10.1934, S. 2 P. Alberti: Dr. Leopold Prečan, arcibiskup olomucky [Rezension], in: Lidové noviny, Jg. 42, Nr. 206, 24.04.1934, S. 9 Podmínky obchodu SSSR. Státní úvěrové záruky, in: Lidové noviny, Jg. 42, Nr. 498, 04.10.1934, S. 10 Podstata unionismu, in: Lidové noviny, Jg. 42, Nr. 333**, 05.07.1934, S. 5 Pohádky národné-hospodářské, in: Lidové noviny, Jg. 42, Nr. 575**, 15.11.1934, S. 1f. Potíže katolického bloku, in: Lidové noviny, Jg. 42, Nr. 173, 06.04.1934, S. 12 Ruská duše, in: Lidové noviny, Jg. 42, Nr. 537**, 25.10.1934, S. 1f. Rusko-anglické vztahy, in: Lidové noviny, Jg. 42, Nr. 579**, 17.11.1934, S. 1 Ruský hitlerismus na postupu, in: Hlas, Jg. 61, Nr. 4565, 30.01.1934, S. 2 [wie Nr. 4540, 03.11.1933, S. 3] Slovenská iredenta, in: Lidové noviny, Jg. 42, Nr. 324**, 30.06.1934, S. 1f. Slovenská mládež, in: Lidové noviny, Jg. 42, Nr. 407**, 15.08.1934, S. 1 Smrt Giacoma Mateottiho, in: Lidové noviny, Jg. 42, Nr. 287, 09.06.1934, S. 5 Taktika autonomistů, in: Lidové noviny, Jg. 42, Nr. 612**, 05.12.1934, S. 1 Turecko opět v Evropě, in: Lidové noviny, Jg. 42, Nr. 601**, 29.11.1934, S. 1 „Umřel velekněz“. Napsal Josef Hronek. Praha 1934 [Rezension], in: Hlas, Jg. 61, Nr. 4633, 25.09.1934, S. 4 [Dr. V. V.] Unionismus katolický a pravoslavný, in: Hlas, Jg. 62, Nr. 4657, 18.12.1934, S. 2 Velký odkaz, in: Zlín. Časopis pro šíření zásad služby veřejnosti, Jg. 3, 17.10.1934, Nr. 42, S. 1 Vítězný šedý vlk, in: Hlas, Jg. 62, Nr. 4635, 02.10.1934, S. 2 Volba ve Vladislavském sále, in: Lidové noviny, Jg. 42, Nr. 260, 25.05.1934, S. 1 [V. V.] Ženeva. Východní pakt v jiné formě?, in: Zlín. Časopis pro šíření zásad služby veřejnosti, Jg. 3, 19.09.1934, Nr. 38, S. 3

1935 528 529 530 531 532 533 534

535 536 537 538 539

Agrárníci mezi katolíky, in: Přítomnost, Jg. 12, Nr. 12, 27.03.1935, S. 180 Brožurková aféra, in: Přítomnost, Jg. 12, 04.09.1935, S. 547 [V. V.] Čs. strana lidová a volby, in: Lidové noviny, Jg. 43, Nr. 168, 02.04.1935, S. 2 [V. V.] Export ruských ikon, in: Brázda, Jg. 16, Nr. 19, 02.12.1935, S. 316 Katolické duchovenstvo a volby na Slovensku, in: Lidové noviny, Jg. 43, Nr. 185, 11.04.1935, S. 2 [V. V.] Katolický blok a katolický sjezd, in: Lidové noviny, Jg. 43, Nr. 92**, 20.02.1935, S. 2 [V. V.] Ku předu a dál …, in: Svoboda [Brno], Jg. 17, Nr. 223, 24.09.1935, S. 1 Rezension: o. A. in: Našinec, Jg. 71, 24.09.1935, Nr. 220, S. 2 Ludová strana po volbách, in: Přítomnost, Jg. 12, Nr. 32, 14.08.1935, S. 497-499 Mezi dvěma bloky, in: Lidové noviny, Jg. 43, Nr. 9**, 06.01.1935, S. 1 [vs] Ministr dr. Krofta o čs. politice, in: Lidové noviny, Jg. 43, Nr. 215, 28.04.1935, S. 3 [V. V.] Nástup na mandaty, in: Lidové noviny, Jg. 43, Nr. 42**, 24.01.1935, S. 2 Na troskách katolického bloku. Ludová strana kandiduje v Čechách, in: Lidové noviny, Jg. 43,

Werke Vilinskijs und ihre Rezensionen

540 541 542 543 544 545 546 547 548 549

550 551

552 553

554 555 556 557 558

385

Nr. 122**, 08.03.1935, S. 2 [V. V.] O činnost Exportního ústavu, in: Lidové noviny, Jg. 43, Nr. 187, 12.04.1935, S. 9 [vs] O katolický sjezd, in: Lidové noviny, Jg. 43, Nr. 25**, 15.01.1935, S. 2 [V. V.] O kněžské mandáty, in: Lidové noviny, Jg. 43, Nr. 72**, 09.02.1935, S. 2 [V] O tajemníka poslaneckého klubu ludové strany, in: Lidové noviny, Jg. 43, Nr. 59**, 02.02.1935, S. 2 [V. V.] O úvěr pro dodávky do Ruska. Jednání přerušeno. – Zájem bankovního konsorcia zatím převládl nad zájmem obecným, in: Lidové noviny, Jg. 43, Nr. 209, 25.04.1935, S. 1 [vs] Papežský legát na Moravě. V sídle sv. Cyrilla a Methoděje, in: Lidové noviny, Jg. 43, Nr. 334**, 06.07.1935, S. 6 [V. V.] Reforma důlního majetku, in: Našinec, Jg. 71, Nr. 46, 24.02.1935, S. 1 [V. V.] Regionalistická hospodářská konference. Velký zájem, in: Lidové noviny, Jg. 43, Nr. 191, 14.04.1935, S. 5 [vs] Regionalistická hospodářská konference. Významné projevy. – Návrhy komisí, in: Lidové noviny, Jg. 43, Nr. 192, 15.04.1935, S. 3 [vs] Situace v lidové straně, in: Přítomnost, Jg. 12, Nr. 14, 10.04.1935, S. 209-210 Rezensionen: H. R. in: Našinec, Jg. 71, Nr. 96 (volební číslo), 24.04.1935, S. 2 dass. in: Našinec, Jg. 71, Nr. 97 (příloha), 25.04.1935, S. 2 o. A. in: Našinec, Jg. 71, Nr. 89, 15.04.1935, S. 2 Sjezdy lidové strany, in: Lidové noviny, Jg. 43, Nr. 49, 28.01.1935, S. 2 [V. V.] Slováci varují Prahu před Hlinkou [Leserbrief ], in: Přítomnost, Jg. 12, Nr. 24, 19.06.1935, S. 384 Reaktionen: Loubal, Fr. in: Přítomnost, Jg. 12, Nr. 27, 10.07.1935, S. 432 H., G. in: Přítomnost, Jg. 12, Nr. 25, 26.06.1935, S. 400 Stabilisační bilance, in: Našinec, Jg. 71, Nr. 28, 03.02.1935, S. 1 [V. V.] Úvod, in: Balmont, K. D.: Z básnického díla, Praha 1935, S. 5-15 Rezensionen: Hrbek, V. in: Lumír. Revue pro literaturu, umění a společnost, Jg. 62, 1936, S. 304-306, hier: S. 305f. A[ntonín] F[rinta] in: Slovanský přehled, roč. 27, 1935, S. 394 Hch., J. [Heidenreich, Julius] in: Lidové noviny, Jg. 44, Nr. 41**, 24.01.1936, S. 9 j[osef ] h[ora] in: České slovo, Jg. 28, Nr. 22, 26.01.1936, S. 14 M. in: Moravskoslezský denik, Jg. 36, Nr. 158, 10.06.1935, S. 6 –pa– in: Zvon. Belletristický týdenník, Jg. 35, Nr. 42-43, 03.07.1935, S. 601 Vatikán a ruská otázka, in: Lidové noviny, Jg. 43, Nr. 129**, 12.03.1935, S. 2f. V. Molov zemřel, in: Lidové noviny, Jg. 43, Nr. 218, 30.04.1935, S. 3 [V. V.] Za P. Františkem Žákem, S. J., in: Apoštolát sv. Cyrila a Metoděje, Jg. 26, Nr. 2, 1935, S. 44-47 Zájem agrárníků o katolictví, in: Lidové noviny, Jg. 43, Nr. 85**, 16.02.1935, S. 2 [V. V.] Z výkonného výboru strany křesťansko-sociální, in: Lidové noviny, Jg. 43, Nr. 165**, 31.03.1935, S. 2 [V. V.]

1936 559 560 561

Důsledky podkarpatoruské autonomie, in: Brázda, Jg. 17, Nr. 8, 05.05.1936, S. 118-120 Economicus: „Časové otázky finanční politiky“ [Rezension], in: Venkov, Jg. 31, Nr. 4, 05.01.1936, S. 11 [Dr. V. V.] Ideové základy nové střední Evropy. Hodža na valné schůzi Čs. akademie zemědělské, in: Lidové noviny,

386

562 563 564 565 566 567 568 569 570 571 572 573 574 575 576 577 578

579 580 581 582 583 584 585 586

Anhang

Jg. 44, Nr. 137, 16.03.1936, S. 2 [vs] Je náš parlament dobrý?, in: Pražské noviny, Jg. 257, Nr. 102, 30.04.1936, S. 1 Kdy skončíme?, in: Pražské noviny, Jg. 257, Nr. 210, 09.09.1936, S. 1 Moderní veřejná správa. Máme dobré úřednictvo, ale špatné zřízení, in: Lidové noviny, Jg. 44, Nr. 61**, 04.02.1936, S. 2 [vs] Nová sovětská ústava, in: Brázda, Jg. 17, Nr. 11, 20.06.1936, S. 162-166 Obilní monopol se osvědčil, in: Pražské noviny, Jg. 257, Nr. 205, 03.09.1936, S. 1 Podstatné známky zlepšení, in: Pražské noviny, Jg. 257, Nr. 173, 26.07.1936, S. 1f. Politická sezona začíná, in: Pražské noviny, Jg. 257, Nr. 203, 01.09.1936, S. 1 Polsko a my, in: Pražské noviny, Jg. 257, Nr. 220, 20.09.1936, S. 1 Práce úsporného výboru, in: Pražské noviny, Jg. 257, Nr. 159, 10.07.1936, S. 1 Půjčka na obranu státu, in: Pražské noviny, Jg. 257, Nr. 124, 27.05.1936, S. 1 Půjdeme vlastní cestou!, in: Pražské noviny, Jg. 257, Nr. 226, 27.09.1936, S. 1 Reforma přímých daní, in: Pražské noviny, Jg. 257, Nr. 149, 26.06.1936, S. 1 Rok Hodžovy vlády, in: Pražské noviny, Jg. 257, Nr. 258, 06.11.1936, S. 1 Rudý Napoleon?, in: Brázda, Jg. 17, Nr. 13, 12.09.1936, S. 208-210 Síla ducha i státu, in: Pražské noviny, Jg. 257, Nr. 82, 05.04.1936, S. 1 Společnost národů před novými úkoly, in: Pražské noviny, Jg. 257, Nr. 87, 11.04.1936, S. 1 Statistika blahobytu. Dubnový stavební ruch. – Stoprocentní zlepšení v cihlářském průmyslu. – Spotřeba pohonné směsi stoupá. – Nezaměstnanost klesá, in: Pražské noviny, Jg. 257, Nr. 111, 12.05.1936, S. 1f. [Útěk od zodpovědnosti nad dnešní střední školou, in: Život, Jg. 18, Nr. 23-24, 1936, S. 224f. (Spectator)] Výměna státních dluhopisů, in: Pražské noviny, Jg. 257, Nr. 118, 20.05.1936, S. 1 Význam a úkoly československé jednoty, in: Pražské noviny, Jg. 257, Nr. 122, 24.05.1936, S. 1f. Zahraniční obchod se zlepšil, in: Pražské noviny, Jg. 257, Nr. 141, 17.06.1936, S. 1 Zápas o přední úkol, in: Pražské noviny, Jg. 257, Nr. 213, 12.09.1936, S. 1 Železniční zákon, in: Pražské noviny, Jg. 257, Nr. 108, 08.05.1936, S. 1 Zlepšení doopravdy, in: Pražské noviny, Jg. 257, Nr. 91, 17.04.1936, S. 1 Zpytování svědomí statistikou, in: Pražské noviny, Jg. 257, Nr. 222, 23.09.1936, S. 3

1937 587 588 589 590 591 592 593 594 595 596 597 598 599 600

Bělehradské komuniké, in: Pražské noviny, Jg. 258, Nr. 79, 04.04.1937, S. 1 Bilance naší práce, in: Pražské noviny, Jg. 258, Nr. 15, 19.01.1937, S. 3 Cesta do Bukurešti, in: Pražské noviny, Jg. 258, Nr. 137, 13.06.1937, S. 1 Cesta středoevropská, in: Pražské noviny, Jg. 258, Nr. 57, 09.03.1937, S. 1 Dr. Karel Kramář zemřel, in: Pražské noviny, Jg. 258, Nr. 122, 27.05.1937, S. 1f. Italie a střední Evropa, in: Pražské noviny, Jg. 258, Nr. 35, 11.02.1937, S. 1 Italská součinnost s Berlínem je jenom přechodná. Větší italský zájem o střední Evropu. Základní je osa Řím – Vídeň – Pešť., in: Pražské noviny, Jg. 258, Nr. 34, 10.02.1937, S. 1 [V. V.] Jarní zasedání zahájeno, in: Pražské noviny, Jg. 258, Nr. 77, 02.04.1937, S. 1 Jenom ústava, in: Pražské noviny, Jg. 258, Nr. 24, 29.01.1937, S. 2 Kalkulační jistota, in: Pražské noviny, Jg. 258, Nr. 129, 04.06.1937, S. 1 Kartely, in: Pražské noviny, Jg. 258, Nr. 173, 28.07.1937, S. 1 Klidem překonáme krisi, in: Pražské noviny, Jg. 258, Nr. 165, 18.07.1937, S. 1 Lázeňský ruch, in: Pražské noviny, Jg. 258, Nr. 19, 23.01.1937, S. 3 Lex – nikoliv Rex, in: Pražské noviny, Jg. 258, Nr. 86, 13.04.1937, S. 1

Werke Vilinskijs und ihre Rezensionen 601 602

603 604 605 606 607 608 609 610 611 612 613 614 615 616 617 618 619 620 621 622 623 624 625 626 627 628 629 630

387

Nové slovo z Maďarska?, in: Pražské noviny, Jg. 258, Nr. 95, 23.04.1937, S. 1 Odpovědnost a program, in: Pražské noviny, Jg. 258, Nr. 233, 05.10.1937, S. 1 Rezension: ff in: Našinec, Jg. 73, Nr. 230, 07.10.1937, S. 3 O jednotný plán zahraničního obchodu, in: Brázda, r. 18, č. 11, 15.07.1937, S. 177-179 Opět jugoslavský konkordát, in: Pražské noviny, Jg. 258, Nr. 167, 21.07.1937, S. 1 [V. V.] Otázka Fénixu rozřešena, in: Pražské noviny, Jg. 258, Nr. 94, 22.04.1937, S. 3 O větší právní bezpečnost, in: Pražské noviny, Jg. 258, Nr. 18, 22.01.1937, S. 3 Péče o smíšené území, in: Pražské noviny, Jg. 258, Nr. 48, 26.02.1937, S. 1 Polský zápas o kolonie?, in: Pražské noviny, Jg. 258, Nr. 289, 11.12.1937, S. 1 Pomoc Moravě, in: Pražské noviny, Jg. 258, Nr. 91, 18.04.1937, S. 1 Přece nová vláda, in: Pražské noviny, Jg. 258, Nr. 168, 22.07.1937, S. 1 Průmysl sněmuje, in: Pražské noviny, Jg. 258, Nr. 142, 19.06.1937, S. 1f. Reforma na podkladě ústavy, in: Pražské noviny, Jg. 258, Nr. 62, 14.03.1937, S. 1 Řízené hospodářství zůstane, in: Pražské noviny, Jg. 258, Nr. 17, 21.01.1937, S. 2 Stavební právo, in: Pražské noviny, Jg. 258, Nr. 36, 12.02.1937, S. 1 Události těchto dní, in: Pražské noviny, Jg. 258, Nr. 125, 30.05.1937, S. 2 [V. V.] Ukázněná demokracie účtuje, in: Pražské noviny, Jg. 258, Nr. 21, 26.01.1937, S. 1 Úkoly vlády, in: Pražské noviny, Jg. 258, Nr. 85, 11.04.1937, S. 1 Všem stejnou měrou, in: Pražské noviny, Jg. 258, Nr. 33, 09.02.1937, S. 1 Vyrovnejte šiky!, in: Pražské noviny, Jg. 258, Nr. 104, 05.05.1937, S. 1 Výsledky jednání s Němcí, in: Pražské noviny, Jg. 258, Nr. 44, 21.02.1937, S. 1f. Vývoz a spotřeba, in: Pražské noviny, Jg. 258, Nr. 163, 16.07.1937, S. 1 Vývoz a výroba, in: Pražské noviny, Jg. 258, Nr. 40, 17.02.1937, S. 1 Zahraniční obchod v přerodu, in: Pražské noviny, Jg. 258, Nr. 170, 24.07.1937, S. 1 Záruky klidu, in: Pražské noviny, Jg. 258, Nr. 92, 20.04.1937, S. 1 [Dr. V. V.] Zástupci moravskoslezské samosprávy u předsedy vlády, in: Pražské noviny, Jg. 258, Nr. 95, 23.04.1937, S. 1 Železo a sklo, in: Pražské noviny, Jg. 258, Nr. 90, 17.04.1937, S. 1 Živý svazek Tří, in: Pražské noviny, Jg. 258, Nr. 82, 08.04.1937, S. 1 Zkouška Římských protokolů, in: Pražské noviny, Jg. 258, Nr. 106, 07.05.1937, S. 1 Znervosněná bursa, in: Pražské noviny, Jg. 258, Nr. 241, 14.10.1937, S. 1 Zpět ke konjunktuře, in: Pražské noviny, Jg. 258, Nr. 30, 05.02.1937, S. 1

1938 631 632 633 634 635 636 637 638 639 640 641 642

Američtí Rusíni v ČSR, in: Pražské noviny, Jg. 259, Nr. 113, 14.05.1938, S. 1 [V. V.] Cestou součinnosti, in: Pražské noviny, Jg. 259, Nr. 291, 18.12.1938, S. 1 [V. V.] Co bude s pracovními tábory, in: Brázda, Jg. 1 (19), Nr. 30, 27.07.1938, S. 475f. [Spektator] Co se stranickým hospodářstvím?, in: Brázda, Jg. 1 (19), Nr. 46, 23.11.1938, S. 709f. [Spektator] Dohoda o presidentských volbách, in: Pražské noviny, Jg. 259, Nr. 270, 24.11.1938, S. 1f. [V. V.] Ekonomika našeho novinářství, in: Brázda, Jg. 1 (19), Nr. 50-51, 21.12.1938, S. 773-775 [Spektator] Hodžův plán je stále časový, in: Brázda, Jg. 1 (19), Nr. 31, 03.08.1938, S. 485f. [Spektator] Hospodářský plán, in: Pražské noviny, Jg. 259, Nr. 239, 16.10.1938, S. 1 [V. V.] Hospodářský zmocňovací zákon, in: Pražské noviny, Jg. 259, Nr. 159, 14.07.1938, S. 1 [V. V.] Jak zrychlit vládní činnost, in: Brázda, Jg. 1 (19), Nr. 48, 07.12.1938, S. 740 [Spectator] Jednota – čin, in: Pražské noviny, Jg. 259, Nr. 265, 18.11.1938, S. 1 [V. V.] Naléhavé úkoly hospodářské, in: Brázda, Jg. 1 (19), Nr. 23, 08.06.1938, S. 366-368 [Spektator]

388 643 644 645 646 647 648 649 650 651 652 653 654 655 656 657 658 659 660 661 662 663 664 665 666 667 668

Anhang

Náš zahraniční obchod je aktivní více než miliardou Kč. Celkový obrat poněkud menší než loni, in: Pražské noviny, Jg. 259, Nr. 160, 15.07.1938, S. 8 [V. V.] Nečasova »Žaluji«, in: Brázda, Jg. 1 (19), Nr. 20, 18.05.1938, S. 309f. [Spektator] Nové základy státu, in: Pražské noviny, Jg. 259, Nr. 267, 20.11.1938, S. 1 [V. V.] Nový kurs, in: Brázda, Jg. 1 (19), Nr. 43, 26.10.1938, S. 653f. [Spektator] O naši hospodářskou budoucnost, in: Brázda, Jg. 1 (19), Nr. 22, 01.06.1938, S. 351-354 [Spektator] Péče o nezaměstnané, in: Brázda, Jg. 1 (19), Nr. 10, 09.03.1938, S. 149-152 [Spektator] Podunajská Evropa žije!, in: Brázda, Jg. 1 (19), Nr. 18, 04.05.1938, S. 278-280 Poučení z Bledu, in: Pražské noviny, Jg. 259, Nr. 194, 25.08.1938, S. 1 [V. V.] Přestavba, in: Brázda, Jg. 1 (19), Nr. 37, 14.09.1938, S. 589-591 [Spektator] Příjezd lorda Runcimana, in: Pražské noviny, Jg. 259, Nr. 176, 03.08.1938, S. 1 [V. V.] Příliš staré metody, in: Pražské noviny, Jg. 259, Nr. 115, 17.05.1938, S. 1 [V. V.] Pro správnou dopravní politiku (K druhé etapě vládní pomoci motorismu), in: Brázda, Jg. 1 (19), Nr. 28, 13.07.1938, S. 437-439 [Spektator] Průmysl a zemědělství (K jubilejní valné hromadě svazu průmyslníků), in: Brázda, Jg. 1 (19), Nr. 25, 22.06.1938, S. 389-392 [Spektator] Soumrak poradních sborů, in: Brázda, Jg. 1 (19), Nr. 49, 14.12.1938, S. 757 [Spektator] Státní rada hospodářská, in: Brázda, Jg. 1 (19), Nr. 52, 28.12.1938, S. 796 [Spektator] Svůj k svému (Několik variací na Bráfův program »národohospodářského vlastenectví«), in: Brázda, Jg. 1 (19), Nr. 29, 20.07.1938, S. 453-455 [Spektator] Úkoly vlády, in: Pražské noviny, Jg. 259, Nr. 285, 11.12.1938, S. 1 [V. V.] Uprostřed jednání, in: Pražské noviny, Jg. 259, Nr. 147, 26.06.1938, S. 1 [V. V.] Varovný příklad Francie, in: Brázda, Jg. 1 (19), Nr. 47, 30.11.1938, S. 717f. [Spektator] Vláda Rudolfa Berana, in: Pražské noviny, Jg. 259, Nr. 278, 03.12.1938, S. 1 [V. V.] Vláda se představila, in: Pražské noviny, Jg. 259, Nr. 288, 15.12.1938, S. 1 [V. V.] Vláda zahajuje, in: Pražské noviny, Jg. 259, Nr. 281, 07.12.1938, S. 1f. [V. V.] Vyrovnaný rozpočet, in: Pražské noviny, Jg. 259, Nr. 174, 31.07.1938, S. 1 [V. V.] Začínáme přestavovat, in: Pražské noviny, Jg. 259, Nr. 232, 08.10.1938, S. 1 [V. V.] Zaměstnanost v březnu, in: Pražské noviny, Jg. 259, Nr. 81, 06.04.1938, S. 1 Záruky správného řešení, in: Pražské noviny, Jg. 259, Nr. 156, 10.07.1938, S. 1f. [V. V.]

1939 669 670 671 672 673 674 675

Česko-Slovensko hospodářsky, in: Brázda, Jg. 2 (20), Nr. 6, 08.02.1939, S. 86f. [Spektator] Hospodářský dozor nad cenami, in: Brázda, Jg. 2 (20), Nr. 17, 03.05.1939, S. 261f.. [Spektator] I pro Ameriku se zmenšil svět, in: Brázda, Jg. 2 (20), Nr. 2, 11.01.1939, S. 23f. [Spektator] Nová organisace průmyslu, in: Brázda, Jg. 2 (20), Nr. 15, 19.04.1939, S. 226 [Spektator] Nové poměry a byrokracie, in: Brázda, Jg. 2 (20), Nr. 1, 04.01.1939, S. 3-5 [Spektator] Rozpočet 1939, in: Brázda, Jg. 2 (20), Nr. 8, 22.02.1939, S. 125-127 [Spektator] Výměna stráží i v hospodářství, in: Brázda, Jg. 2 (20), Nr. 12, 29.03.1939, S. 180f. [Spektator]

1940 676 677 678 679

Čemu nás učí Bílá kniha, in: Žďár. List národního souručenství, Jg. 39, 12.04.1940, Nr. 15, S. 1 Náš význam nepoklesl, in: Ohlas od Nežárky. List Národního souručenství, Jindřichův Hradec, Jg. 70, 09.02.1940, Nr. 6, S. 1 Výhody zavazují, in: Národní práce, Jg. 2, Nr. 294, 27.10.1940, S. 1f. [vs] Západní val, in: Český deník, Jg. 29, 26.03.1940, Nr. 83, S. 3

Werke Vilinskijs und ihre Rezensionen 680

389

Západní val, in: Zlín, Jg. 23, 08.03.1940, Nr. 10, S. 1

1943 681

Die Konzernerhebung des statistischen Zentralamtes. Koncernové šetření ústředního statistického úřadu, in: Statistische Rundschau/Statistický obzor, Jg. 24, Nr. 3-4, Dezember 1943, S. 59-84 [auch als Sonderdruck, 1944] Rezension: Kodet, Lad. in: Družstevník, Jg. 36, Nr. 10, 1944, S. 146-148

1944 682

Der entscheidende Kapitaleinfluß im Konzernaufbau. Rozhodující kapitálový vliv v koncernové výstavbě, in: Statistische Rundschau/Statistický obzor, Jg. 25, Nr. 1-2, Juni 1944, S. 44-65 [auch als Sonderdruck, 1945]

1945 683 684 685 686 687 688

Die Finanzwirtschaft der Aktienbrauereien und -mälzereien im J. 1942, in: Statistische Nachrichten, Jg. 8, Nr. 1, Januar 1945, S. 20-21 [V. V.] Die Finanzwirtschaft der Aktienzuckerfabriken im J. 1942, in: Statistische Nachrichten, Jg. 8, Nr. 1, Januar 1945, S. 19-20 [V. V.] Kapitálová účast v průmyslu, in: Československý průmysl. Orgán ministerstva průmyslu pro průmyslovou a řemeslnou výrobu, Jg. 1, 1945 [zusammen mit Pravdomil Hušek] Koncerny v květnu 1945, in: Statistický zpravodaj, Jg. 8, Nr. 6, 01.12.1945, S. 149-150 [V. V.] Rückgang der Kartellvereinbarungen im Jahre 1944, in: Statistische Nachrichten, Jg. 8, Nr. 2, 02.03.1945, S. 45-46 [V. V.] Účast anonymního kapitálu v průmyslu, in: Československý průmysl. Orgán ministerstva průmyslu pro průmyslovou a řemeslnou výrobu, Jg. 1, 1945 [zusammen mit Pravdomil Hušek]

1946 689

690

691

692

České koncerny za války. Češskie koncerny vo vremja vojny. The Czech Concerns during the War. Les groupes industriels et bancaires Tchèques au cours de la guerre, in: Statistický obzor. Revue pro statistickou theorii a praksi, Jg. 26, Nr. 1, März 1946, S. 56-62 [č.: S. 56-60, russ.: S. 60-61, engl.: S. 61, frz.: S. 62] [auch als Sonderdruck, 1946] Cizí kapitálové účasti v průmyslu, in: Československý průmysl. Orgán ministerstva průmyslu pro průmyslovou a řemeslnou výrobu, Jg. 2, Nr. 2, Februar 1946, S. 46-48 [zusammen mit Pravdomil Hušek] Osnovnye problemy čechoslovackoj vnešnej torgovli. Základní problémy čs. zahraničního obchodu. Fundamental Problems of Czechoslovak Foreign Trade. Problemes fondamentaux du commerce exterieur Tchecoslovaque, in: Statistický obzor. Revue pro statistickou theorii a praksi, Jg. 26, Nr. 3, September 1946, S. 289-303 [russ.: S. 289-299, č.: S. 300-301, engl.: S. 302, frz.: S. 302-303] Tuzemské koncernové podniky v květnu 1945, in: Statistický zpravodaj, Jg. 9, Nr. 6, 01.06.1946, S. 196-199

390

Anhang

Thematische Zuordnung der unselbständigen Publikationen Russische Emigration 1, 3, 4, 6, 11, 14, 16, 20, 21, 22, 24, 25, 28, 29, 31, 34, 36, 39, 42, 43, 46, 47, 49, 50, 54, 57, 60, 65, 74, 75, 76, 77, 84, 85, 103, 116, 117, 123, 129, 130, 132, 136, 150, 151, 152, 153, 154, 168, 169, 170, 173, 200, 201, 232, 233, 236, 242, 243, 255, 269, 270, 272, 301, 313, 315, 317, 347, 348, 352, 353, 386, 387, 390, 394, 414, 465, 466, 467, 472, 501, 516, 591

Tschechoslowakische Politik und Wirtschaft 2, 5, 7, 8, 13, 15, 17, 18, 19, 23, 26, 27, 35, 37, 45, 48, 49, 52, 53, 55, 57, 72, 80, 81, 104, 105, 116, 117, 125, 140, 141, 149, 172, 174, 180, 203, 204, 235, 240, 241, 243, 247, 248, 249, 250, 263, 264, 268, 273, 275, 280, 403, 436, 438, 439, 440, 443, 450, 457, 459, 460, 461, 471, 473, 474, 478, 479, 482, 486, 489, 491, 492, 493, 495, 496, 497, 503, 504, 505, 506, 513, 517, 518, 520, 526, 528, 529, 530, 532, 533, 534, 535, 536, 537, 538, 539, 540, 541, 542, 543, 544, 546, 547, 548, 549, 550, 551, 552, 557, 558, 559, 560, 561, 562, 563, 564, 566, 567, 568, 569, 570, 571, 572, 573, 574, 576, 578, 579, 580, 581, 582, 583, 584, 585, 586, 588, 589, 590, 592, 594, 595, 596, 597, 598, 599, 602, 603, 605, 606, 607, 609, 610, 611, 612, 613, 614, 615, 616, 617, 618, 619, 620, 621, 622, 623, 624, 625, 626, 627, 629, 630, 631, 632, 633, 634, 635, 636, 637, 638, 639, 640, 641, 642, 643, 644, 645, 646, 647, 648, 649, 650, 651, 652, 653, 654, 655, 656, 657, 658, 659, 660, 662, 663, 664, 665, 666, 667, 668, 669, 670, 672, 673, 674, 675, 676, 677, 678, 679, 680, 681, 682, 683, 684, 685, 686, 687, 688, 689, 690, 691, 692

(Sowjet-)russische Politik und Wirtschaft 2, 7, 8, 12, 44, 45, 105, 106, 107, 108, 112, 123, 134, 135, 136, 142, 153, 159, 160, 162, 176, 177, 183, 184, 185, 186, 187, 188, 189, 192, 193, 195, 199, 200, 201, 205, 206, 207, 210, 214, 228, 229, 285, 291, 293, 294, 295, 297, 307, 309, 310, 320, 322, 336, 338, 339, 340, 341, 342, 343, 344, 346, 347, 348, 350, 351, 353, 355, 356, 357, 358, 359, 364, 365, 366, 367, 369, 370, 371, 375, 376, 377, 379, 380, 381, 382, 384, 385, 389, 395, 397, 398, 400, 402, 404, 405, 406, 407, 409, 410, 411, 412, 413, 415, 417, 425, 426, 434, 437, 441, 444, 445, 458, 462, 463, 469, 475, 476, 483, 485, 490, 500, 502, 508, 510, 512, 515, 521, 531, 565, 575

Religion, Theologie, Philosophie 9, 10, 30, 32, 33, 36, 38, 40, 41, 42, 43, 46, 47, 49, 51, 56, 58, 59, 62, 63, 64, 66, 67, 68, 69, 70, 73, 78, 79, 82, 83, 85, 86, 87, 88, 89, 90, 91, 92, 93, 94, 95, 97, 98, 99, 100, 101, 105, 109, 110, 111, 113, 114, 115, 118, 119, 120, 121, 123, 126, 127, 128, 129, 132, 133, 136, 138, 144, 145, 146, 147, 148, 150, 151, 152, 153, 154, 155, 156, 157, 158, 159, 160, 161, 162, 165, 166, 167, 168, 169, 170, 175, 178, 179, 181, 182, 189, 190, 191, 194, 196, 197, 198, 199, 202, 208, 209, 210, 212, 213, 214, 215, 216, 217, 218, 219, 223, 226, 227, 229, 230, 231, 234, 239, 242, 245, 246, 251, 252, 255, 259, 260,

391

Werke Vilinskijs und ihre Rezensionen 261, 265, 266, 292, 296, 298, 324, 325, 326, 361, 367, 368, 413, 414, 416, 464, 475, 478, 556, 604, 671

268, 300, 327, 369, 421, 479,

269, 302, 328, 370, 423, 480,

271, 303, 329, 372, 424, 481,

277, 305, 330, 373, 433, 484,

278, 306, 331, 383, 441, 487,

279, 311, 332, 384, 443, 499,

281, 312, 333, 385, 448, 507,

282, 315, 334, 388, 450, 509,

283, 316, 340, 392, 454, 511,

284, 318, 341, 393, 455, 514,

286, 319, 342, 396, 457, 522,

287, 321, 343, 401, 459, 523,

288, 322, 352, 408, 460, 545,

290, 323, 353, 410, 462, 554,

Belletristik 61, 71, 102, 122, 131, 137, 139, 143, 163, 164, 171, 220, 221, 222, 224, 225, 238, 253, 254, 256, 257, 258, 262, 268, 274, 276, 281, 304, 308, 314, 336, 349, 354, 360, 362, 363, 374, 378, 391, 399, 400, 418, 419, 420, 427, 428, 429, 430, 431, 432, 435, 436, 442, 446, 447, 449, 451, 452, 453, 468, 470, 477, 498, 553

Sonstige 96, 211, 237, 244, 267, 289, 299, 335, 345, 355, 365, 422, 456, 488, 494, 519, 524, 525, 527, 555, 577, 587, 593, 600, 601, 608, 628, 661, 671, 676, 679, 680

Übersetzungen tschechisch-russisch 1929 Fuks, Aľfred: Aktivizm Zapada, in: Kitež, Jg. 3, Nr. 9-12, September-Dezember 1929, S. 18-21 [V. V.]

1930 Obraščenie k pravoslavnym bogoslovam, in: Kitež, Jg. 4, Nr. 1, 1930, S. 39-43

1932 Deml’, Jakov: To umen’šit eja pečal’, in: Jubilejnyj sbornik. 1921 – Brno – 1931. Jubilejní sborník. Svaz ruských studentů, Brno 1932, S. 21 Gora, Iosif: Pulkovo, in: Jubilejnyj sbornik. 1921 – Brno – 1931. Jubilejní sborník. Svaz ruských studentů, Brno 1932, S. 51 Vol’ker, Georgij: Strastnaja pjatnica, in: Jubilejnyj sbornik. 1921 – Brno – 1931. Jubilejní sborník. Svaz ruských studentů, Brno 1932, S. 79 Vol’ker, Irži: 1. Smech satany (Iz rannich proizvedenij, 15.V.1918). 2. Nu, ešče odin tanec. 3. Te, kto utrom, in: Centraľnaja Evropa, Jg. 5, Nr. 2, 1932, S. 66-67

1933 Kvapilová, Hana: Vesennjaja toska, in: Centraľnaja Evropa, Jg. 6, Nr. 3, 1933, S. 164-166

392

Anhang

lateinisch-russisch 1930 Primer pis’ma sv. Ekateriny svoemu bratu Beninkaso vo Florencii (pis’mo 20), in: Kitež, Jg. 4, Nr. 4, 1930

serbisch-tschechisch 1934 Varnava [jugoslawischer Patriarch]: Náboženství a slovanská otázka, in: Hlas, Jg. 61, Nr. 4576, 09.03.1934; Nr. 4577, 13.03.1934; Nr. 4578, 16.03.1934, jeweils S. 3 Varnava [jugoslawischer Patriarch]: Náboženství a slovanská otázka, in: Příloha Lidových listů, Jg. 13, Nr. 4, 06.01.1934, S. 1

russisch-tschechisch 1952 Aristov, V. A. et al.: Technologie strojírenské výroby. Díl 2. Slévárenství, Praha 1952 Aristov, V. A. et al.: I. Technologie kovárenské výroby, in: dies. Technologie strojírenské výroby. Díl 3. Kování, lisování, metalokeramická výroba, Praha 1952, S. 1-253 Aristov, V. A. et al.: II. Technologie lisování za studena, in: dies. Technologie strojírenské výroby. Díl 3. Kování, lisování, metalokeramická výroba, Praha 1952, S. 254-303 Krasavcev, N. I./Ostrouchov, M. J.: Práce mistra u vysoké pece. Určeno pro techn. kádry hutnické, Praha 1952

1954 Miklucho-Maklaj, N. N.: Mezi Papuánci, Praha 1954

Redaktion 1930 Svatogor, Ot. V.: Orden češskich krestonoscev s aloj zvezdoj. Perevod s češskogo originala K. A. Likina [= Kalikina] pod redakciej V. S. Vilinskago, Viľno 1930

Edition 1937 Pražský adresář 1937, 1938, Praha 1937

Werkindex Es werden hier die selbständigen Publikationen Vilinskijs und die Periodika und Sammelbände, in denen er publiziert hat bzw. in denen seine Werke rezensiert worden sind, angeführt.

Acta Academiae Velehradensis 237, 241, 252, 265, 277 | 366, 367, 378, 379, 380, 381 Acta Conventus Pragensis pro studiis orientalibus | 373 Acta V. Conventus Velehradensis 35, 270, 271 | 368 Acta VI. Conventus Velehradensis 49, 270 | 381 Akord 37, 38, 144, 280, 281 | 369, 370 Almanach Kmene 153 | 376 Apoštolát sv. Cyrila a Metoděje 37, 49, 51, 61, 62, 144, 165, 166, 222, 230, 236, 237, 241, 263, 266, 269, 270, 271, 285 | 363, 364, 365, 366, 369, 370, 371, 373, 374, 376, 379, 380, 381, 382, 383, 385 Archa 9, 58, 107, 140, 143, 144, 155, 158, 159, 166, 167, 168, 169, 192, 193, 194, 224, 230, 359 | 364, 365, 366, 370, 372, 375, 376, 377, 378, 379, 380, 381, 382, 383 Aristov: Technologie strojírenské výroby 91 | 392

Český deník 70, 71, 357 | 388 Český slovník bohovědný 42, 259 | 375, 377, 378 Christianin 40 | 363, 367 Čin | 364 Czas | 367, 371, 372

Baľmont: Z básnického díla 42, 226 | 385 Brázda 59, 310, 318, 319, 328, 344, 346 | 384, 385, 386, 387, 388

Głos narodu 41 | 367, 372 Gumilev: Výbor z díla 42, 168, 224, 225 | 382

Čas | 366 Časopis katolického duchovenstva 37, 38, 140, 144, 262, 270, 281, 325, 336 | 363, 364, 365, 367, 369, 370, 371, 372, 373, 374, 375, 376, 377, 378, 379 Centraľnaja Evropa 41, 43, 116, 117, 118, 122, 127, 128, 134, 135, 140, 145, 153, 159, 166, 168, 218, 316 | 364, 365, 366, 371, 372, 373, 374, 376, 377, 378, 379, 380, 381, 382, 383, 391 Čerty ideologii russko-katoličeskogo dviženija 143, 229, 261, 268, 269, 270, 275 | 363 České slovo 160, 161, 162, 163 | 364, 365, 376, 385 Československý průmysl | 389 Český časopis historický 56 | 364, 367

Der christliche Orient 41 | 371 Družstevník | 389 Duchovní život ruského národa 9, 53, 266, 271, 272, 289, 290, 291, 292, 313, 316, 322, 323, 325, 326 | 365 Duch ruské církve 9, 55, 56, 103, 140, 230, 231, 258, 260, 262, 274, 275, 278, 282, 283, 284, 285, 286, 293, 326, 335, 358 | 364

261, 312, 145, 277, 322,

Filosofická revue 132, 133, 223, 257, 258, 260, 272, 275 | 364, 365, 375, 377 Fronta 160, 161, 162, 163 | 365

Hlas 54, 66, 68, 69, 95, 109, 117, 118, 133, 141, 148, 159, 163, 169, 259, 263, 286, 307, 308, 324, 331, 334, 347, 356 | 362, 363, 364, 365, 366, 367, 371, 372, 373, 374, 375, 376, 377, 378, 379, 380, 381, 382, 383, 384, 392 Hlídka 38, 112, 159, 181, 194, 269 | 363, 365, 366, 367, 369 Irénikon 38, 263 | 369 Ivan Karmanov. Román vesnický s. Mařenka chce jinou vládu 169, 172, 356 | 366 Jahrbücher für Kultur und Geschichte der Slaven | 370 Jedinstvo 110, 159, 160, 194 | 365, 366, 381 Jednotlivecký obchod a družstevnictví konsumní

394 a zemědělské 309 | 366 Jitro 324 | 366, 381 Jubilejní sborník 27, 127 | 377, 380, 391 Karpatskij svet 38 | 363, 369 Katholikus szemle | 367 Katoličeskij vremennik 38, 40, 263, 290, 316, 321, 323, 325, 326 | 363 Kitež 38, 40, 96, 222, 263, 265, 347 | 363, 364, 368, 369, 370, 371, 372, 373, 374, 375, 377, 391, 392 Korni edinstva russkoj kuľtury 37, 229, 345 358 | 363 Kraljestvo Božje | 367 Krasavcev/Ostrouchov: Práce mistra u vysoké pece 92 | 392 Křesťanská revue 145, 273 | 364 K slovanské otázce 9, 42, 54, 56, 57, 104, 108, 140, 249, 307, 311, 312, 313, 315, 316, 317, 318, 326, 358 | 364, 367 Kultúra 41, 172, 193, 194, 356 | 366, 381, 382 Kuncířový noviny 117, 122, 124, 258, 266, 352 | 372, 376 Kwartalnik historyczny | 366 Lidové listy 38, 47, 57, 63, 67, 68, 110, 126, 127, 129, 131, 140, 141, 143, 159, 161, 162, 163, 165, 223, 224, 226, 260, 264, 307, 308, 328, 331, 342 | 364, 365, 366, 369, 370, 371, 372, 373, 374, 375, 376, 377, 378, 379, 380, 381, 382, 383 Lidové noviny 54, 109, 141, 181, 223, 224, 249, 313, 347 | 362, 364, 371, 382, 383, 384, 385, 386 Lumír | 385 Mařenka chce jinou vládu. Humoristický román 42, 55, 103, 169-195, 196, 197, 201, 209, 216, 221, 222, 333, 350, 356, 357 | 366 Moravskoslezský denik 227 | 385 Miklucho-Maklaj: Mezi Papuánci 92 | 392 Museum 194, 273 | 366, 381 Na hlubinu 38, 39, 52, 111, 114, 159, 258 | 356, 369, 373, 374, 375 Národní listy 54 | 356, 366 Národní politika | 364, 382 Národní práce 71 | 388

Anhang Našinec 45, 52, 53, 55, 57, 60, 141, 143, 146, 152, 159, 173, 268, 307, 328, 329, 343, 345, 348 | 363, 364, 365, 366, 370, 371, 372, 373, 374, 375, 376, 377, 378, 379, 380, 381, 382, 383, 384, 385, 387 Obzor | 370 O cerkovnom edinstve | 364 Ohlas od Nežárky 70 | 388 Orelská osvěta 117, 194, 260, 261, 262 | 365, 366, 380, 382 Orientalia Christiana 263 | 363, 364, 365, 367 O sjednocení církví 9, 34, 270 | 364 Pamätnica III. kongresu slovanských katolíckych akademikov a seniorov v Bratislave | 377 Pestrý týden | 365 Pokroková revue Nové Čechy 152, 155 | 365 Polska | 367, 371 Prager Presse 118, 119 | 372 Praha [Manuskript] 42, 55, 103, 141, 195221, 309, 333, 350, 358 | 366, 381 Pražské noviny 63, 64, 140, 310 | 386, 387, 388 Pražský adresář 63 | 392 Příloha „Lidových listů“ 58, 167, 194 | 371, 372, 378, 380, 382 Přítomnost 39, 60, 141 | 370, 383, 384, 385 Pronásledování náboženství v Rusku 308, 327 328, 329, 357 | 365 Przegląd katolicki 41, 51, 281, 325, 329 | 363, 367, 370, 371, 372, 373, 374, 375 Przegląd powszechny 41, 115, 117, 118, 119, 120, 121, 122, 126, 127, 130, 136, 137, 138, 166, 169 | 364, 366, 370, 371, 372, 376, 381 Řád | 366, 377, 381, 382 Rossija i slavjanstvo | 367, 370 Rozpravy Aventina 54, 151, 159, 318 | 364, 365 Ruľ 38, 40 | 363, 367, 368, 369, 370 Ruská revolúcia s. Ruská revoluce 1825-1936 42, 56, 94, 104, 127, 130, 309, 322, 327, 329, 331, 335346, 347, 352, 356, 357 | 367 Ruský národ a sjednocení církví 37, 47, 52, 96, 229, 249, 260, 262, 263, 266, 269, 270,

Werkindex 271, 274, 275, 278, 283, 284, 285, 286, 287, 289, 290, 322, 324, 325, 326, 355 | 363 Rus se dívá na ČSR 18, 19, 21, 22, 33, 42, 43, 76, 103, 107-163, 165, 166, 194, 217, 218, 219, 223, 284, 307, 327, 350, 351, 358 | 365, 375, 376, 377 Sborník družiny literární a umělecké k padesátým narozeninám P. Emanuela Masáka 196 | 381 Sborník Moravana k pětadvacátému výročí trvání 48, 248 | 375 Scholastik | 372 Slovák 41, 112, 124, 129, 131, 132, 134, 135, 159, 165, 356 | 365, 366, 376, 377, 378, 379, 380 Slovanský přehled 56 | 364, 385 Slovanství – unionismus – Orelstvo | 365 Sociální rozhledy 31 | 374 Sovremennoe položenie russkoj cerkvi | 364 Statistický zpravodaj 63, 64 | 389 Statistische Nachrichten 63, 64 | 389 Statistische Rundschau/Statistický obzor 63, 74 | 389 Studentský časopis 153 | 365 Svoboda (Brno) | 384 Theologie und Glaube 41, 266, 272 | 372, 377 The Tablet | 367 Unionizmus 9, 40, 42, 51, 52, 103, 130, 140, 230, 249, 260, 261, 262, 263, 272, 273, 274, 276, 279, 280, 283, 284, 285, 286,

395 287, 288, 289, 290, 291, 292, 324, 335, 355, 356, 358 | 365, 366 V bor’be za evrazijstvo 322 | 370 Venkov 60, 72, 310 | 385 Vestnik Jugo-Zapadnoj Rusi | 363 Vestnik. Organ r. s. ch. dviženija 38, 40, 359 | 368, 369, 371 Věstník společnosti sv. Cyrila a Metoděje 35, 38 | 364, 366, 368 Vlast | 382 Volja Rossii 38, 40 | 368, 369, 370 Vozroždenie 38, 40 | 367, 368, 369, 370, 374, 375 V Rusku boj trvá … politické vraždy, procesy a spiknutí v SSSR 9, 49, 54, 93, 104, 133, 308, 328, 329-335, 346, 352, 357 | 366, 377, 380, 381 Všehrd | 366 West-östlicher Weg 41, 140, 222, 276, 277, 295 | 363, 364, 369, 370, 372 Za pravdou 53, 146, 271 | 363, 367 Za svobodu! | 371 Žďár 71 | 388 Zeitschrift für katholische Theologie | 368 Život 53, 54, 94, 140, 152, 159, 222, 224, 258, 290, 292 | 364, 365, 366, 370, 371, 373, 374, 375, 377, 386 Zlín 71, 313, 357 | 383, 384, 389 Zora | 367 Zvon | 385

Namensindex

Achmatova, Anna 225 Adalbert 282 Adamcová, Zora 78 Adorno, Theodor W. 153, 156 Agabekov (d. i. Arutjunov, Jiří) | 377 Agenosov, V. V. 154 Ajvaz jr., M. 155 Alberti, P. (d. i. Dokoupil, Antonín) 34, 51, 234, 236 | 384 Aldanov, Mark 166, 223, 224 | 375, 380 Alexander I. 104, 337 Alexander II. 337, 338 Alexander III. 337, 338 Alekseev, Nikolaj Nikolaevič 28, 321 Aleš, Mikoláš 354 Algermissen, Konrad 240 Altrichter, Michal 245 Ambros, Pavel 54, 239, 241, 244, 245, 250, 251, 254, 255 Andersen, Hans Christian 130 Andreyev, Catherine 11, 41, 146, 321 Apfelbeck, Tamara 77 Aquin, Thomas von 256, 257 Argunov, Andrej Aleksandrovič 331 Aristov, V. A. 91 | 392 Artemieff, D. 239 Augusta, J. M. 314 Augustinus, hl. 184 Aurevilly, Jules-Amédée Barbey d’ 114 Averčenko, Arkadij Timofeevič 155, 156, 157 Baader, Franz von 255 Babka, Lukáš 26, 40, 44 Babler, Otto František 58, 136 Baľmont, Konstantin D. 42, 166, 226 | 385 Bandera, Stepan 76 Barabanov, Evgenij V. 224, 294 Barnovský, Michal 13, 82, 83 Bárta, Jan 234 Bartenev, N. 261 Bartoš, Jan 117, 139 Barvíková, Hana 14, 18, 24, 27, 31 Bass, Eduard 54 Bauer, Matthias 190, 192 Bea, Augustin 298 Beck, Erich 289 Beck, Józef 318, 320 Becker, Werner 298, 299, 300 Běhounek, V. 23

Belás, Ladislav 240 Belejkanič, Imrich 301 Bělogvardějec 28, 265 Bělohlávek Svatohor, Václav 114 Beloševskaja, Ljubov’ 11, 18, 22, 49, 58, 127, 142, 166 Bém, Aľfred Ljudvigovič 99 Benda, Václav 243, 244 Bendel, Rainer 87, 113 Benedikt, hl. 248 Benedikt XV. 235, 239 Benedikt XVI. 302 Beneš, Edvard 72, 80, 82, 84, 85, 104, 132, 133, 134, 138, 160, 161, 217, 307, 311, 312, 314, 317, 318, 320, 356 | 369 Beneš, Zdeněk 84 Beninkaso | 392 Beňušek, Pavol 83 Beran, Josef 91 Beran, Rudolf 59, 72, 80 | 388 Berberova, Nina 11, 100 Berding, Helmut 151 Berdjaev, Nikolaj 260, 261, 265, 276, 289, 324, 332, 338 Berg, Ludwig 236, 265, 270, 353 Bernáth, Viliam 79 Beumer, Johannes 255 Bidlo, Jaroslav 289, 311, 312 Biedermann, Hermenegild M. 238 Bílek, František 125, 138 Binar, Vladimír 15, 127 Biskupskij, Vasilij von 223, 293 Bitkin 334 Bitnar, Vilém 58 Bloch, Eva 40 Blok, Aleksandr 225 Bloy, Léon 115, 116, 117 Bobčev, S. 314 Bobrinskoj, P. | 372 Bobrovskij, Petr Sem’enovič 99 Bogolepov, A. A. 28 Böhminghaus, Ernst 239 Bolotov, V. 288 Borovička, J. | 371 Borsky, Lev | 370 Bošković, Hijacint | 377 Bosl, Karl 41, 117, 217, 312, 318, 319, 320, 352 Böss, Otto 321, 323

398 Bourgeois, A. 269 Bouška, Sigismund 58 Brabec, Jiří 127 Bráf, Albín | 388 Braito, Silvestr Maria 38, 39, 93, 258 Brandes, Detlef 64 Braunfels, Wolfgang 233 Breitenbacher, Antonín 34 Bremer, Thomas 249, 272, 299, 303 Brenninkmeyer, Adalbert 267 Březina, Otokar 110, 119, 121, 122, 125, 126, 127, 128, 129, 130, 131, 132, 133, 134, 136, 137, 138, 139, 166 | 376, 377 Briand, Aristide 319 Brückner, Alexander 239 Bubnoff, Nicolai v. 230, 276 Buday, Jozef 141, 142 | 374 Bugár, Miloš 80 Bulgakov, Sergej Nikolaevič 28, 262, 265, 268, 274 Bulgakov, Valentin Fedorovič 98 Burian, Vlasta 216 Bylina, Stanisław 119 Bystrov, Vladimír 14, 21, 27, 43, 52, 68, 75, 76, 91, 99, 195, 309, 327 Čaadaev, Petr Jakovlevič 293, 294, 295, 296 Čapek, Josef 39 Čapek, Karel 39, 54, 121, 130, 149, 167 Čársky, Viktor 13, 87, 88, 91, 92, 93 Casaroli, Agostino 244 Čcheidze, Konstantin Aleksandrovič 14, 155, 166, 195 | 382, 383 Čech, Svatopluk 194 Čechov, Anton 226 Čelovský, Bořivoj 66, 67 Cemovič 314 Čep, Jan 114 Černocký, K. 9, 15 Černý, Josef 72 Černý, Václav 65, 325 Červín, A. V. 273 Červinka, Miloš 239, 314 Chalupecký, Jindřich 127 Chalupný, Emanuel 23 Charvát, O. 9, 15 Chelčický, Petr 22 Chinyaeva, Elena 23, 24, 25, 26, 33, 46, 47, 99, 321, 323, 349 Chomjakov, Aleksej 235, 288, 289 Choružij, Sergej 324, 325 Chudožilov, P. 155 Churaň, Milan 87

Anhang Chvatík, Květoslav 168 Chvolson, Daniel Abramovič und Orest Danilovic | 377 Chvostova, Alexandra Petrovna | 377 Cimmerman, M. A. 28 Cinek, František 15, 34, 48, 49, 51, 58, 69, 232, 236, 237, 247, 248, 265, 278 Čirikov, Evgenij Nikolaevič 155 Císař, Ivo 250, 251, 254, 255, 298, 299, 301, 304 Čiževskij, Dmitrij s. Tschižewskij Coelestin I. 288 Congar, Marie-Joseph 250, 251, 252, 285, 298 Coreth, E. 257 Coudenys, Wim 253 Čoupek, Jiří 241, 242 Cox, Harold E. 20 Csepeli, György 94 Cuevas, José Fernandez 257 Cuhra, Jaroslav 243 Čuprov, A. A. 28 Cvetaeva, Marina 11 Cyrill, hl. 10, 34, 50, 51, 113, 232, 233, 234, 237, 238, 239, 243, 247, 248, 249, 252, 283, 291, 297 | 369, 358 Czarnecki, J. | 363, 372 Dahm, Helmut 258, 347 Danilenko, Boris 249, 261 Danišovič, L. 151 Dante Alighieri 117, 137 Davids, Adelbert J. M. 51, 249, 253, 353, 359 Daxner, Igor 79, 80 Deineko, Andrej 9, 18, 34, 41, 42, 349 Deml, Jakub 15, 41, 44, 47, 48, 63, 107, 114, 115, 116, 121, 125-139, 140, 149, 153, 165, 166, 223 | 376, 377, 381, 391 Denikin, Anton Ivanovič 97 Deppermann, Maria 224, 324 Deubner, Alexandre | 376 Diulov; Djulov s. Giulov Dluskij, Vladimir 30, 34, 226, 278, 349 Dobuševa, Marina 33, 93 Dodenhoeft, Bettina 223 Dolanský, Julius 101 Dolejší, Vojtěch 70 Dolenský, Ant. 15, 32 Doležal, Josef 51, 57, 159, 258 | 371 Dolgorukov, Pavel 98, 99 | 367 Döpmann, Hans-Dieter 235 Dostál, Hynek 231, 308 Dostál, Josef 38 Dostál-Lutinov, Karel 58, 114

Namensindex Dostoevskij, Fedor Michailovič 126, 132, 133, 134, 135, 166, 181, 187, 222, 223, 226, 229, 277, 326 Durych, Jaroslav 38, 42, 58, 107, 114, 117125, 126, 127, 137, 138, 140, 149, 165, 166, 169, 236, 265, 353 | 371, 372, 373 Durych, Václav 31, 38, 39, 236 Dvořák, Karel 233 Dvořák, Libor 346 Dvořák, Miloš 125 Dvořáková, Helena 166 | 381 Dvořáková, Jiřina 12, 74, 75, 76, 77, 80, 85, 90, 91, 92, 94, 96 Dvorník, František 242 Dyk, Viktor 314 Ebert, Friedrich 187 Economicus 310 | 385 Eckstein-Diener, Berta 223 Ehrenberg, Hans 230, 276 Eisner, Jan 311 Eisner, Paul (Pavel) 38, 111, 117, 118, 119 | 372 Ekaterina, hl. | 392 Eliáš, Alois 64, 72 | 362 Esenin, Sergej 346 Esih, I. | 370 Esterházy, Péter 94 Esterka, Peter 235, 237, 242, 265, 278, 297 Evlogij (Georgievskij) 100 Fajfr, František | 364 Falk, Heinrich 294, 296 Fateev, Arkadij Nikolaevič 28 Faulhaber, Michael von 51 Fedorov, Leonid I. 268, 269, 301 Fedotov 334 Fedrová, Stanislava 125 Feiner, Johannes 298, 299, 300, 302, 303 Fiala, Alois 48 Fiala, Petr 299 Fiala, Václav 66 Filipi, Pavel 299 Filosofov, D. V. 371 Finger, Antonín 65, 66 Firt, Julius 60, 72, 73, 84, 85, 358 Fischer, Otakar 72 Fischer-Diehl, Gerlind 206 Florian, Gabriel 116 Florian, Josef 114, 115-117, 118, 125, 127, 138, 139, 140 Florovskij, Antonij Vasiľevič 28, 77 Florovskij, Georgij V. 28, 321, 326

399 Flusser, Vilém 154 Forst-Battaglia, Otto | 370 Förster, Horst 74 Frank, Karl Hermann 70 Frank, Sem’en 260, 338 Frejka, Ludvík 86 Fries, H. 240 Frinta, Antonín | 385 Fuchs, Alfred 39, 43, 52, 54, 57, 58, 61, 62, 63, 66, 94, 107, 114, 127, 132, 133, 134, 139-140, 151, 159, 166, 237, 248, 249, 250, 253, 254, 255, 259, 293, 316, 355 | 364, 365, 371, 372, 373, 375, 377, 383 Fuchs, Friedrich 291 Fučík, Bedřich 114 Fürstenberg, Friedrich Landgraf 233 Gabriel, Jiří 145, 258, 316 Gaede, Käte 270 Gahbauer, Ferdinand R. 235, 239 Gajda, Radola 173 Gajdoš, Adolf 58, 166 | 381 Gajer 334 Galahad, Sir s. Eckstein-Diener Galen, Augustin 253 Galitis, Geordios 301 Gašpar, Tido 166 | 382 Gavrinev, Vladimir A. 93 Gazdik, Jan 12 Gel, František 39 Georgievskij, P. I. 28 Ghiulov s. Giulov Giess 65, 66 Giulov, Damián 34 Glenny, Michael 23, 98 Gliulov s. Giulov Głombik, Czezław 256, 257, 258 Glubokovskij, Nikolaj 249, 261 Göbler, Frank 15 Goeken, Basilij 261 Gogeľ, S. K. 28 Gogoľ, Nikolaj Vasiľevič 190 | 368 Golan, A. I. 28 Gollwitzer, Heinz 59 Golubinskij, E. 278, 279, 281, 282, 285, 293 Goněc, Vladimír 234 Gorbunov, Vladimir V. 268 Gorgulov, Pavel 331 Górka, Leonard 15, 53, 54, 232, 235, 238, 241, 242, 246, 247, 251, 255, 256, 265, 270, 291, 297, 300, 301 Gorlin, Michael 322, 326 Gottwald, Klement 12, 78, 80, 81, 83, 84,

400 86, 94, 242 Götz, František 119, 120, 166, 167 | 381 Gracová, Blažena 65, 70 Graevenitz, Gerhart von 191 Graus, František 151 Grečiškin, Pavel 278 Gregor, Antonín 86 | 362 Grek, Maksim 285 Grib, S. A. 54 Grimm, David Davidovič 28, 32 Grivec, František 237, 239, 265, 274, 279, 289 | 369 Grundmann, Christoffer H. 304, 305, 345 Grünmann(ova), Anna 20 | 361 Gruša, Jiří 206 Guépin, Alphonse 253 Guillén, Claudio 190, 191, 192 Gülden, Josef 257 Gumilev, Nikolaj 42, 166, 168, 224, 225, 226, 332 | 376, 379, 382 Gurvič, G. D. 28 Haase, Felix 222 Habáň, Metoděj 257 Hadrian II. 248 Hájek, Zdeněk 56 | 364, 367 Hála, František 64 Halperin, Charles J. 296 Hanka, Václav 235 Hanuš, Jiří 299, 301, 338, 341 Hanzelka, František 57 Hanzlík, František 74, 75, 78 Harbuľová, Ľubica 341 Harris, Frank | 381 Hartmann, Josef 86 Hašek, Jaroslav 149, 158, 194 Hatala, Vojtech 309 Haug, Jaroslav | 368 Hauptmann, Peter 249 Hausmann, Guido 17 Havelka, Jiří 45 Heidenreich, Helmut 190 Heidenreich, Julius 107, 224 | 372, 382, 385 Heiler, Friedrich 252 Heinrich, Arnošt 54 Henlein, Konrad 59 Herbigny, Michel d’ 43, 240, 253, 290, 353 | 376 Herder, Johann Gottfried 319 Hettlage, Robert 156 Heumos, Peter 65, 312 Heydrich, Reinhard 64, 100 Hindenburg, Paul von 188

Anhang Hitler, Adolf 67, 68, 98, 173, 186, 188, 189, 320 Hlaváčková, Miroslava 116 Hlinka, Andrej 52, 54, 81, 87, 130, 134, 135, 141-142, 154, 216, 217, 218, 221, 239, 350 | 374, 383, 385 Hlinka, Kristina 133, 134 Hlond, August 257 Hodrová, Daniela 207 Hodža, Milan 58, 59, 60, 216, 310, 318 | 385, 386, 387 Hoensch, Jörg K. 74, 217, 218, 318, 320 Hofman, F. 65 Hollnsteiner, Johannes 222 Hora, Josef 41, 149, 166 | 385, 391 Horák, Jiří 311 Horáková, Milada 89 Horký, Karel 160, 161, 162, 163 | 365 Horn, Miloš 87 Horský, Antonín 92 Horský 86 Horyna, Břetislav 145 Hösch, Edgar 320 Hrabovec, Emilia 87, 91, 217, 218, 237, 239, 241 Hrbek, V. | 385 Hromádka, Josef Lukl 145, 268 | 364, 378, 379 Hrodek, Dominik 21, 321 Hronek, Josef | 384 Hryniewicz, Wacław 253, 301 Hrynioch, Joannes 291, 297 Huber, Augustinus Kurt 217 Hučko, Ladislav 270 Hudec, Imrich | 366 Hudec, Ján | 366 Hünermann, F. 236 Hupchick, Dennis P. 20 Hus, Jan 22, 39, 151 Hušek, Pravdomil | 389 Huyn, Paul de 136 Hyacint, hl. | 372 Hyhlík, Vladimír 245 Ignác bzw. Ignatij | 378 Ignatow, Assen 258, 347 Igor’ 281, 282 Ilarion 283 | 378 Innocenc bzw. Innokentij | 378 Irenaeus bzw. Irinej | 378 Isák bzw. Isaakij | 378 Iserloh, E. 240 Isidor 259 | 378

Namensindex Ivancov, Dmitrij Nikolaevič 28 Ivanov, Vjačeslav 15, 268, 353 Jablonický, Jozef 13, 78, 82, 86 Jaeger, Lorenz 298, 300 Jakobson, Roman 11 Jakušev, A. A. 93 Jan, de la Salle | 373 Janát, Bohumír 244 Janda, František 75, 81, 83, 84, 86, 89 Jandáček, Antonín 69 Janhuba, František 233, 235, 242, 249, 251, 254 Janko, Dušan s. Spectator Jaropolk 282 Jaroslav 278, 279, 283 Jaroszewicz-Kleindienst, Barbara 119 Jaworski, Rudolf 312 Jedin, Hubert 233 Jehlička, František | 383 Jemelka, František 32, 43, 44, 45, 47, 50, 52, 53, 57, 95, 96, 120, 144, 195, 237, 259, 263, 264, 268, 269, 353 | 364 Jenewein, Felix 114, 138 Jenštejna, Jan z 211 Jirásek, Alois 22, 354 Jirásek, Josef 235, 311, 317 Jochims, Isabel 11, 14, 34, 45, 46, 59, 265, 349 Johannes VIII. 233, 248 Johannes XXIII. 297, 298 Johannes Paul II. 243, 244, 245, 248, 301, 302 Josten, Josef 84 Jurák, Jeroným 17, 19, 20, 34, 43, 95, 133, 159, 263, 269 | 364, 365, 372, 375 Just, Klaus Günther 158 Kääriäinen, Kimmo 301 Kadlec, Jaroslav 232, 234, 237 Kadlec, K. Ja. 28 Kahánek, Ferdinand 72 Kaiser, Markus 297 Kalikin, E. V. 33, 49, 52, 53, 56, 165, 166, 261, 265, 308, 349, 353 | 364, 366, 378, 392 Kalinovska, Vera Fyodorovna 98 Kannegiser, Leonid Akymovič | 381, 383 Kaplan, Karel 13, 74, 75, 77, 78, 79, 80, 81, 82, 83, 84, 85, 86, 89, 90, 91, 94 Kaplický, Josef 108 Karczubová, L. 245 Karl IV. 187, 208 Karpovič, M. M. 339 Karsavin, Lev Platonovič 230, 275, 280, 288, 293, 325, 343

401 Kartašev, Anton V. 253, 254, 265, 287 Kartašev, Nikolaj Vasiľevič 334 Kasalaj, Anton 236, 240, 241, 264, 297 Kašpar, Karel | 382, 383 Kaššovic, Ján 48 | 377 Katkov, Georgy Mikhailovich 23 Katkov, Michail Mefodievič 28, 32 Keinath, K. 240 Kempný, Jozef 80, 83 Kirschbaum, Stanislav J. 319 Kissel, Wolfgang 154 Kistjakovskij, Bogdan 347 Kizevetter, Aleksandr Aleksandrovič 28, 323 | 363 Klauz 9, 10 Klehr, Franz Josef 294, 324 Klein, Laurentius 240 Kleutgen, Josef 257 Klimek, Antonín 141 Klimenko, N. 265 Kliment(iev), A. 155 Klímová, Milena 25 Klinovský, Karol 48 | 377 Klusák, Milan 243 Kmeťko, Karol 49, 83, 217, 237, 239 | 382 Kobylinskij-Ėllis, Lev 14, 182, 240, 268, 295, 296, 353 Kocourek, Ludomír 234, 301 Kočvara, Štefan 85, 89 Kodet, Lad. | 389 Kohák, Erazim 354 Kohler, Gun-Britt 14, 15 Köhler, Erich 179 Kokoška, Stanislav 64 Kolejka, Josef 248 Kolek, Antonín 55, 57, 114, 166, 179, 358 | 366, 372 Kolesnyk, Alexander 252 Kolísek, Alois und Karel 231, 239, 266 | 367 Kollár, Jan 311 Kolpinsky, Diodor 222 | 371 Komorovský, J. 54 Kon, S. S. 28 Končelík, Jakub 65, 66, 72 Koníček, Jiří 270 Kopf, Franz Rudolf 332 Köpplová, Barbara 65, 66, 72 Kopřivová, Anastasie 33, 46, 100, 155 Kořalková, Květa 321 Kordiovský, Emil 59, 233, 241 Koritnik, R. 363 Korolevsky, C. | 368 Kosatík, Pavel 160

402 Kosinskij, V. A. 28 Kösters, Ludwig | 372 Kostincová, Jana 11 Kostrba-Skalicky, Oswald 352 Kouřil, Miloš 233, 243 Kováč, Dušan 84 Kovalev, M. V. 341 Kovalevskij, Petr Evgrafovič 353 Kozeński, Jerzi 320 Kozlovsky, Vladimir 296, 297 Kramář, Karel 23, 104, 307, 309, 312, 314 | 386 Krasavcev, N. I. | 392 Krásl, František 38 Kratochvil, Jiří 100, 101 Kratochvil, Josef 9, 15, 258 | 372, 378, 381, 383 Krebs, Engelbert 292 Krejčí, Dobroslav 23 Krejčí, F. V. | 375 Križanić, Juraj 285 | 370 Krlín, Josef 57, 110, 140 | 365 Krofta, Kamil 43 | 384 Krula, Bohuslav 135 Krymova, Viktorija 33, 93 Kryšpínová, Jitka 62, 65, 66, 70, 72 Kryštůfek, František Xaver 38 Kšicová, Danuše 42, 226 Kubíček, Tomáš 54, 57, 58, 117 Kučera, Zdeněk 252 Kudělka, Milan 17, 311 Kudrjavcev, V. B. 99 Kudrna, Josef 84 Kuksiné, Pelagie 17 | 361 Kuncevič, Josafat 279 Kundera, Milan 40 Kunetka, F. 299 Küng, Hans 305 Kunstmann, Heinrich 207 Kunz, Jar. | 375, 378 Kupka, Josef 47 Kurz, Josef 278 Kuschel, Karl-Josef 305 Kutepov, Aleksandr Pavlovič 348 | 371, 372, 379 Kuzmin-Karavaev, Dmitrij V. 259, 263, 269, 270, 353 Kvapilová, Hana 41, 166 | 391 Kvašnin 73 Kytlicová, Pavla 136 Lacko, Michael 255 Lain, Antonín 166 | 377

Anhang Lambrechts, P. Antoine 263, 353 Lang, Alois 114 Langer, František 39 Langer, Jiří 39 Lappo-Danilevskij, Konstantin Ju. 15, 99 Lapšin, Ivan Ivanovič 28 Lášek, Jan Blahoslav 252, 278, 279, 281, 282, 297 Lašťovka, M. 208 Laub, Gabriel 206 Laudet, Fernand | 373 Lauseger, Emanuel 110, 160, 194 | 365, 366 Lazar, Otto | 366, 382 Lazarevskij, Vladimir | 367 Lazík, Ambróz 79 Lebrecque, N. 54 Lednicki, A. 314 Ledochžarski 264 Ledvinka, Václav 58, 208 Lemberg, Hans 41, 59, 72, 74, 84, 151, 221, 309, 312, 320 Lenin, Vladimir Iľič 104, 334, 343, 344 | 383 Leo I. 288 Leo XIII. 231, 233, 256, 257 Lettrich, Jozef 80 Letz, Róbert 13, 81, 95 Levada, William 302 Lewis, Sinclair 166 | 376 Liberatore, Matteo 257 Libosvar, Zdeněk 233, 234 Lichner, Ján 78 Lilienfeld, André de 263 | 368 Lipp, Wolfgang 156 Lobkowicz, Nikolaus 243, 247 Losskij, Nikolaj Onufrievič 28, 30, 32, 98 Loubal, Fr. | 385 Lubaczewski,Tadeusz | 373 Lübeck, Konrad 281 Ludwig, Emil 166 | 378 Lukes, Igor 320 Lukeš, Zdeněk 94 Luks, Leonid 322, 324 Lurker, Manfred 184 Lustigová, Martina 309, 312 Mácha, Karel 258 Máchal, Jan 311, 313 Machilek, Franz 74, 232, 237, 297 Machonin, S. 155 Macůrek, Josef 315 Madany, Edward 119 Magerovskij, Lev Florianovič 43, 99, 261, 349 Mágr, A. St. 311 Magris, Claudio 209

Namensindex Majakovskij, Vladimir 346 Makine, Andreï 40 Maklecov, A. V. 28 Maľcev, Aleksej 261 Maliarik, Jan 145 Malinov, A. 314 Malypetr, Jan 217 Mandát, Jaroslav 17, 20 Maner, Hans-Christian 59, 149 Mann, Heinrich 46 Mann, Thomas 46 Marečková, Josefina 145 Marek, Luboš 284 Marek, Michaela 74 Marek, Pavel 38, 39, 159, 238 Marianov, Ivan 251, 253, 300 Maritain, Jacques 114, 117 Markov, I. I. 28 Marmaggi, Fr. 234, 236 Marquard, Odo 191 Martin I. 288 Marx, Karl 343 Masák, Emanuel 57, 58, 114, 169, 196 | 381 Masaryk, Tomáš Garrigue 23, 24, 27, 39, 104, 132, 133, 134, 138, 139, 140, 141, 149, 151, 157, 160, 161, 217, 223, 246, 247, 273, 275, 289, 311, 312, 314, 325, 344, 353, 356 | 375, 380 Maslov, S. S. 331 Mason, A. E. W. 167 Mastyľak, Ivan 260 Mateotti, Giacomo | 384 Matocha, Josef Karel 52, 264 Měchura, Josef 166 | 378 Med, Jaroslav 116, 117, 123, 124, 127 Medvecký, Matej 12, 14 Melniková-Papoušková, N. F. 54 Menert, Václav 65 Merežkovskij, Dmitrij 223, 253, 261, 293, 295 Method, hl. 10, 50, 51, 113, 232, 233, 234, 237, 238, 239, 243, 247, 248, 249, 252, 283, 291, 297 | 369, 385 Meyrink, Gustav 207, 210, 214 Michajlov, Oleg N. 27, 99 Michajlovskij, Georgij Nikolaevič 28 Michlova, Maria 33 Mickiewicz, Adam 41 | 372 Miklucho-Maklaj, N. N. 92 | 392 Mikula, Karel 59 Miljukov, Pavel N. 314, 338 | 368, 374 Miller [General] | 372 Milotová, Jaroslava 70 Mirskij, Dmitrij Svjatopolk 225

403 Mlejnek, Josef 116 Mlynárik, Ján 76 Molov, V. | 385 Moníková, Libuše 154 Montaigne, Michel de 153 Moravec, Emanuel 67 Moravskij, V. [d. i. V. S. Vilinskij] 10, 40 | 364 Moulis, Vladislav 346 Mrštík, Vilém 207 Muckermann, Friedrich 223, 276 Mueller, Wolfgang 91 Muhlena, David 69 Müller, Eberhard 294, 324 Müller, Ludolf 279, 282 Müller-Funk, Wolfgang 154, 155 Munthe, Axel 166 | 382 Murko, Matyáš 278 Mussolini, Benito 173 Myśków, Józef 232 Myslbek, Josef Václav 218 Myslivec, Jozef 230, 233 | 377, 378 Nabokov, Vladimir 229 Nansen, E. 46 Napoleon I. Bonaparte 178, 344 | 386 Navara, Luděk 12 Navratil, Frant. 59 Nečas, Jaromír | 388 Nécsey, Eduard 83, 237 Neidl, W. M. 257 Nemčín, Mikuláš 285 Nemec, Ludvik 297 Nemirovič-Dančenko, Vasilij Ivanovič 155 Neradová, Květoslava 298 Neruda, Jan 137, 207 Neubert, A. 160 Neumann, Stanislav Kostka 161 Neurath, Konstantin Freiherr von 65, 66, 70 Nezval, Vítězslav 67, 68, 168 Niechaj, M. 278 Niederle, Lubor 311 Nietzsche, Friedrich 224 Nikolaus I. 337 Nikolaus II. 337, 338 Nitsche, Peter 152, 320 Nosek, Václav 81, 82, 84 Novák, Arne 54, 118, 120, 121, 122, 124 Novák, F. X. 114 Novák, Jan V. 118 Novgorodcev, Pavel Ivanovič 28, 31, 338 Novotný, J. 54 Novotný, evt. Miloslav 195, 196 Nyssen, Wilhelm 255, 300, 301

404 Oberländer, Erwin 152, 320 Obolenskij, Sergej | 379 Obuch, Ota 80 Odvalil, František 114 Około-Kułak, Antonin 314 | 376 Olbracht, Ivan 158 Oľga 282 Olšr, Josef 234 Omeľčenko, N. A. 340 Opperput (Upelins-), Aleksandr Ottovič 93 Ostrouchov, M. J. | 392 Ostrouchov, Petr Aleksandrovič 28 Otto I. 282 Pacner, Karel 76 Paleček, Pavel 89, 94 Palmieri, Aurelio 281 Papoušek, Jaroslav 43, 95, 96, 314 | 373 Pasák, Tomáš 62, 63, 64, 65, 66, 70, 72, 73 Patock, Colestin 238 Pavlincová, Helena 316 Pavlova, Anna | 367 Pečerin, V. | 379 Pechuška, František 268 Pecka, Dominik 258, 298 Pehr, Michal 321 Pelikán, Ferdinand 230 Peřich, Leopold 38 Peroutka, Ferdinand 39, 54 Pešat, Zdeněk 168 Pesch, Otto Hermann 298, 299, 300, 301 Petchuk, I. 54 Peter I. 261, 274, 293 Petr, Václav 107, 159, 307 Petrovskij, Fedor 11 Petrus, hl. 260, 287, 288, 300 Pfeilschifter, Georg 240 Pfleger, Karl 260, 276 Pfligersdorffer, G. 257 Pietor, Ivan 13, 72, 73, 75, 78, 79, 80, 81, 82, 83, 84, 85, 86, 87, 88, 89, 91, 95 | 362 Pitrová, Vlasta 85 Pius X. 57, 234 Pius XI. 51, 239, 308, 355 | 370 Pius XII. 81, 299 Pivcová, Zuzana 64 Plojhar, Josef 242 Pobedonoscev, K. P. 288 Podaný, Václav 14, 18, 24, 27, 31 Podhájecká, Tat’jana 39, 40 Podivinský, Mirek 117 Podlaha, Antonín 42, 58, 114, 237, 259 | 375, 377, 378

Anhang Pojsl, Miloslav 245 Pokorný, Bedřich 12, 74, 75, 77, 80, 81, 85, 90, 91, 94 Pokorný, Jaroslav 94 Poláček, Karel 54 Polách, O. 245 Poljakov, Fedor B. 11, 51, 249, 253, 353, 359 Polkovnikov, J. 222 Pompili, Basilio 51 Ponomarev, E. 154 Popelová, Jiřina 152, 155 | 365 Popow, Sergius von 222, 276 | 363 Poppe, Andzrej 274, 285 Portmann, Michael 91 Pospíšil, Ivo 20, 21, 143, 144 Pospíšil, Josef 257 Pospíšilová, L. 17 Postnikov, Sergej Profirevič 24, 25, 27, 28, 29, 30, 99 Pražák, Albert 278 Prečan, Leopold 34, 50, 51, 52, 115, 234, 236, 264, 353 | 381, 383, 384 Prečan, Vilém 79, 84 Pribina (Privina) 49, 217, 218, 221 | 382, 383 Procházka, Rudolf 54 Prokopovič, Sergej Nikolaevič 25 Przeździecki, Heinrich 236 Przywara, Erich 257 Pučkin, D. Ė. 301 Pugačev, O. 54 Pulec, Jiří 27 Putna, Martin C. 15, 24, 39, 52, 58, 140, 149, 353 Rabas, Josef 238 Rachůnková, Z. 14, 18, 27, 31 Rademacher, Arnold 241, 255, 299, 300 Radkovič, Grigorij 333, 334 Radojčič 314 Radvanovský 73 Raev, Mark 26, 98 Rak, Antonín 92 Rakovskij, Christian Georgievič | 380 Rasin, Ladislas | 368 Rázus, Martin 128, 130, 216 Řeháková, M. 14, 18, 27, 31 Rehder, P. 207 Rehor | 380 Reichert, Dr. | 366 Remizov, Aleksej Michajlovič 225 Renn, Ludwig 166 | 376 Rhode, John 167 Riasanovsky, Nicholas V. 324

Namensindex Richter, Hugo 239 Rimscha, Hans von 29, 98, 99, 153, 154 Ripka, Hubert 54, 74, 75, 80, 84, 85, 89, 320 Roncalli, Angelo Giuseppe s. Johannes XXIII. Rödling, Jan 72 Ropp, Eduard de 52 Rokosová, Šárka 12, 27, 54, 58, 62, 64, 69, 73, 76, 85 Romin-Petrov, I. 260 Rosenberg, Alfred 223 Rosenmeyer, Friedrich 52 | 374 Rostinsky, Josef Normon 139 Rozanov, Vasilij 225 Rudolf II. 208 Ruggiero, Guido de | 376 Runciman, Walter | 388 Rupnik, M. 245 Russocka, Jadwiga 119 Ryba, Vl. 72 Rychlík, Jan 73, 78, 79, 81, 87, 321 Ryšková, M. 299 Sabov, Simeon 314 Saburova, Taťjana A. 341 Sadovská, Marie 57, 166 | 375 Šachmatov, Mstislav Vjačeslavovič 28, 321 Salajka, Antonín 62, 232, 336 | 367 Salaville, S. 252 Šalda, František Xaver 67, 68, 126, 129, 166, 239, 335 | 379, 381, 382 Saltykov, Aleksandr s. Soltykov Saltykov-Ščedrin, Michail 134, 135 Saňka, Antonín 253 Šaur, Josef 338, 340 Savickaja, E. 28, 29 Savickij, Ivan Petrovič 11, 14, 22, 24, 27, 28, 29, 30, 41, 146, 321 Savickij, Petr Nikolaevič 28, 99, 321, 322 | 370 Savinkov, Boris 166, 334 | 380, 381 Savinov, Sergej Jakovlevič 14 Sazonov, S. D. | 369 Schärf, Christian 153 Scheinpflugová, Olga 39 Scheller 21 Schelling, Friedrich Wilhelm 294 Schenk, Klaus154 Scherrer, Jutta 268 Schiller, Albert Christianovič 334 Schlagenhaufen, Florian | 368 Schlögel, Karl 15, 22, 24, 69, 97, 100, 223, 274 Schloezer, Boris de 14 Schmid, Herta 207 Schmid, Wolf 207

405 Schmid-Egger, Barbara 238 Schmitt, Bertram 222, 276, 277 | 363, 364 Schmoranz, Zdeněk 64, 65, 75 Schubert, Erich 59 Schultze, Brigitte 351 Schulz, Hans-Joachim 255, 300, 301 Schulz, Karel 168 Schulze Wessel, Martin 59, 149, 243, 249 Schwarz, František 72 Schweikle, Günther 153 Schweikle, Irmgard 153 Ščukin, Vasilij 259 Šebek, Jaroslav 59, 113, 219 Šedivý, J. | 366 Sedmidubský, Miloš 207 Seibt, Ferdinand 41, 74, 117, 232 Seide, Georg 267 Seide, Gernot 100, 267 Seifert, Josef Leo 120, 286, 289 Sekanina, Fr. | 382 Sekera, Jon 80 Semenov, G. | 380 Senderov, Valerij 324 Serafim (Sobolev) 237 Serapionova, E. P. 25, 29, 30, 33, 46, 331 Sergij (Korolev) | 372, 373 Setschkareff, V. 207 Ševčík, Ján 82 Shakespeare, William 274 Shaw, Bernhard | 381 Shukman, Harold 23 Sidor, Karol 320 Simanowski, Roberto 351 Šimeček, Zdeněk 17, 29, 99 Simmel, Georg 155, 156 Šín, Antonín 239 Singer, Mona 358 Skalický, Karel 242, 244, 256, 257, 258, 297, 298, 299, 304 Skalský, Vladimír 13 Škarvan, František 82 Skovoroda, Grigorij 260 | 372 Škrábik, Andrej 83 Škrášek, Josef 69, 236, 237, 241, 251, 254, 265, 301 Sládek, Oldřich 69 Sládek, Zdeněk 11, 18, 23, 24, 25, 26, 30, 46, 58, 97, 98, 127, 319, 320, 346 Slavík, Bedřich 153 | 365 Slavík, Jan 56 | 364, 383 Slenczka, Reinhard 288, 289, 292, 293, 294, 295 Slonim, Mark L. 156, 157

406 Smedley, Agnes 166 | 375 Smedt, Emiel-Jozef De 303 Šmelhaus, Stanislav 243 Šmigeľ, Michal 21, 37, 46, 77 Smirnov, G. N. 28 Smolík, J. 299 Smolitsch, Igor 276 Šmurlo, Evgenij Francevič 281 | 376 Snow, Edgar 153 Söderblom, Lars Olof Jonathan (Nathan) 249, 261 Sokolov, Aleksej G. 154 Solages, Bruno de | 368 Soldán, Ladislav 121 Sologub, Fedor 225, 321 Solov’ev, Vladimir 53, 54, 120, 231, 240, 253, 260, 265, 267, 272, 292, 293, 294, 295, 296, 324, 326 | 375, 377 Solskij, Aleksandr 333 Soltykov, Aleksandr 166, 277, 278 | 369, 372, 375 Soukup, Emilián 257, 258 Sousedík, Stanislav 257, 258 Špaček, Michael 239, 240 Spáčil, Th. 43, 263 | 363, 364 Spectator [d. i. V. S. Vilinskij] 10, 40, 309 | 366, 367, 368, 369, 370, 381, 382, 386, 387 Spectator [d. i. D. Janko] 309 Spektator [d. i. V. S. Vilinskij] 40, 59, 310 | 387, 388 Spektator [d. i. nicht V. S. Vilinskij] 309 Spektorskij, E. V. 28 Spengler, Oswald 223 Špidlík, Tomáš 245, 258 Spilka, Zdeněk 224 Spousta, J. 299 Šrámek, Jan 114, 216 Srkal, Viktor 71 Šrobár, Vavro 87, 88, 95, 216 | 362 Städtke, Klaus 154 Stalin, Iosif 100, 308, 320, 341, 342, 344, 346, 347 | 380 Stambolijski, Aleksandar 21, 216, 314 Stammler, Wolfgang 158 Štampach, Odilo Ivan 242, 251, 254, 299, 302 Stašek, Bohumil 114 Stasiewski, Bernhard 233, 255 Šťastný, Vladislav 17, 26, 248, 311, 321 Štefan, Metropolit 314 Štefáník, Ivan | 382 Stekliňskij | 378, 379 Štern, Jidáš 329

Anhang Stojan, Antonín Cyril 58, 117, 231, 233, 234, 236, 247, 248, 250, 251, 252, 254, 255, 298, 303, 353 Stökl, Günther 152, 320 Stolypin, Petr Arkadeevič 338 Ston, Mansvet 38 Stone, Norman 23, 98 Stoupal, Viktor 58, 59, 62, 86 | 362 Strakoš, Jan 57, 119, 120 Stránský, Adolf 220 Stránský, Jaroslav 39, 219, 220 Striedter, Jurij 189 Stříž, Antonín Ludvík 116 Strossmayer, Juraj Josip 53, 231 Struve, Gleb 99 Struve, Nikita 100 Struve, Petr Bernhardovič 28, 314, 338 Štúr, Ľudovít 235 Šujan, Juraj | 382 Sukennikov, Michail A. 14 Šulgan-Lazovský, Ladislav 40 Šulgin, V. V. | 368 Sušil, František 117, 231 Šutaj, Štefan 13, 78, 87 Suttner, Ernst Christoph 238, 253 Sutton, J. 54 Švankmajer, Milan 346 Svatogor, Ot. V. | 392 Švehla, Antonín 220 Svetlov, Pavel Jakovlevič 261 Svjatoslav 282 Svoboda, Václav 232 Svozil, Oldřich 19, 20, 31, 34, 40, 43, 52, 54, 55, 57, 58, 63 Sylva Tarouka, Bedřich Graf 232 Syrový, Jan 72 Széman, Stepan | 382 Szepticki, Andrej 236 Tabery, Erik 158 Taranovskij, F. 314 Taube, Michael Freiherr von 281, 324 Tavard, Georges 235 Tawada, Yoko 154 Tejchmanová, Světlana 23, 24, 28 Tenace, M. 54 Terlecký, Nikolaj 18, 22, 155 Terne, A. M. 31 | 374 Thugutt, Stan. | 374 Tichon (Ljaščenko) 99 Tichý, Otto Albert 116 Timašev, N. S. 28 Tiso, Jozef 79, 80

407

Namensindex Tito, Josip Broz 91 Tkadlčík, Vojtěch 231, 233, 234, 237, 241, 243, 248 Todi, Jacobone da 137 Tolstoj, Lev Nikolaevič 22, 137, 181, 223, 224, 226 | 369 Toman, Josef 32, 53 Tomášek, František 243, 304 Tomeš, Josef 75, 252 Tonzarová, Hana 278 Torke, Hans-Joachim 17 Totomianc, V. F. 28 Trapl, Miloš 59, 159, 257 Trávníček, František 77 Trávníček, Mojmír 136 Treťjakov, Sergej 158 Třískalová-Vašová, Milada 77, 85, 95 Trošin, Grigorij Jakovlevič 28 Trubeckoj, Grigorij 51 Trubeckoj, Nikolaj S. 11, 51, 260, 265 Tschižewskij, Dmitrij 224, 279, 280, 282, 293, 294, 295, 296, 325 Tumpach, Josef 38, 42 tundra84 358 Turgenev, Ivan 223 Turk, Horst 351 Tyszkiewicz, Stanislav 281 | 374 Ulrich, V. V. 334 Umancev, Alexandr A. 14 Urban, Jan 126 | 364, 372 Urban, Rudolf 238 Urickij, Mojžíš Solomonovič 329 | 381, 383 Ursíny, Ján 13, 79, 80, 82 Vacek, Jiří 14, 15, 18, 26, 27, 31, 39, 40, 44, 195 Vachek, Emil 132 Václav, hl. 22, 48, 113, 218 Václavek, Bedřich 67, 68 Vajs, Josef 278 Vajtauer, Emanuel 67 Valenta, Jaroslav 26, 311, 320 Vančura, Vladislav 158, 168 Vaněčková, Galina 98 Vaňek 86 Varnava, Rosić | 392 Váša, Pavel 54 Vašica, Josef 44, 45, 52, 126, 250, 252, 253, 264, 278, 295 Vaško, Václav 79, 358 Veber, Václav 15, 17, 30, 80, 83, 86, 90, 97, 98, 100, 346

Večerka, Radoslav 17 Ventura, Václav 299, 301 Verchovskij, Gleb 269, 271 Vernadskij, George V. 28, 296, 321 Veselý, Jindřich 75, 83, 84, 86, 90 Vil’danova, R. I. 99 Vilímek, Jos. R. 195 Vilinská, Rita-Marie 93 | 362 Vilinská, Vojtěška s. Žižková Vilinskij, Sergij 93 | 362 Vilinskij, Sergij Grigor’evič 17, 18, 19, 20, 21, 24, 31, 32, 33, 42, 77, 92, 93, 95, 100, 101, 135, 148, 278 | 361 Vilkov, Aleksandr Aleksandrovič 28 Viskovatyj, Konstantin K. 14 Vissarionov, A. | 371 Vladimir, hl. 278, 279, 282, 283 Vladyková, Věra 118, 119, 124 Vlašín, Štěpán 54 Vlček, Radomír 338, 341 Vodička, Stanislav 234 Vojtěchovič, Vojtěch 21 Vokušová, Naďa 13 Volkobrun, S. L. 28 Volkonski, Petr 260, 269, 281 Voltaire, Fr. M. | 376 Vondrák, Václav 21 Vopravil, J. 40 Voráček, Emil 323, 326 Voskovec, Jiří 67, 68 Vošňak 314 Vrána, Ludvík 115, 116 Vrbík, Stanislav 19, 20, 40, 43, 52, 54, 57, 58, 63 Vries, Wilhelm de 233, 240 Vrzal, Augustin 35, 41, 48, 95, 114, 142-144, 166, 307 | 370, 375, 377 Vychodil, Pavel 38 Vykoukal, Arnošt 52 Vyplel, Jaroslav 226 Vyskočil, Adalbert 116 Vystrčil, Jaroslav 304 Wagner, Vladimír | 377 Weingart, Miloš 311, 318, 319 Weirich, Marko 114 Weiß, Otto 252 Wellek, René 143 Wells, Herbert George 153 Werich, Jan 67, 68 Werfel, Franz 207, 208, 209 Werner, Karel 72 Wichterlová, Hana 67, 68 | 383

408 Wiederkehr, Stefan 49, 323, 324 Wiertz, Paul 255, 300, 301 William, Robert C. 266, 270 Willich, Heide 14, 240, 268, 295, 296 Winkler, Martina 23 Winter, Eduard 34, 236, 259 Wolker, Jiří 41, 149, 166 | 391 Wöll, Alexander 15, 125, 127 Wollman, Frank 235, 311, 313, 315 Wolmar, Wolfgang Wolfram von 65, 66, 72 Wurmová, Milada 43 Wrangel, K. 265 Žáček, Pavel 12, 55, 76, 81, 84, 85, 88, 91, 95 Zach, Aleš 195 Zadražilová, Miluše 154 Zagiba, Franz 291 Zahradník-Brodský, Bohumil 237 Zahradníková, Marta 14, 18, 27, 31, 92 Zaimov, Stojan 166 | 380 Zajcev, Kirill I. 28, 314 Zajíček, Břetislav 153 Zajikyn, Wacław 281 Žák, František 144, 263, 289 | 363, 364, 375, 385 Zákostelná, Jiří 156

Anhang Závada, V. 140 Zavadil, Ladislav 239 Zavadskij, Sergej Vladislavovič 28 Závodský, Osvald 90 Zavoral, Metoděj 52 Zborovská, Zina 116 Žekulin, N. S. 28 Zelenka, Ladislav 90 Zelenka, Miloš 143 Zemánek, Richard 172 Zemek, Oldřich 95, 307 Zenkl, Petr 85, 89 Zen’kovskij, Vasilij V. 262 Zernov, Nikolaj Michailovič 18, 35, 265, 281 Zeyer, Julius 137 Zgiersky, A. 261 Zinner, Paul E. 79, 84, 86 Zinovev, Grigorij Evseevič 344 Žižková, Vojtěška 17, 47, 48, 77, 78, 93, 95 | 362 Zlámal, Bohumil 232, 233, 241 Zlatoš, Štefan 172, 193, 194 | 366 Zorin, Valerian Aleksandrovič 84, 85 Zückert, Martin 243 Žust, M. 54 Zyzykin, Michail V. 261

Alphabetisches Archiv- und Literaturverzeichnis

Archive Archiv Akademie Věd (Archiv AV) Archiv hlavního města Prahy Archiv Masarykovy univerzity (Archiv MU) Archiv Ministerstva Vnitra (AMV [im SÚA]) Archiv des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei (A ÚV KSČ [im SÚA]) Historický ústav Armády ČR – Vojenský historický archiv Moravský zemský archiv v Brně (MZA) Památník Národního pisemnictví – Literární archiv (LA PNP) Státní ústřední archiv (SÚA) Úřad dokumentace a vyšetřování zločinů komunismu (ÚDV) Zemský archiv v Opavě, pracoviště Olomouc (ZAO)

Verwendete Literatur Übliche Nachschlagewerke (Wörterbücher, Lexika, Literaturgeschichten u. ä.), die konsultiert wurden, ohne daß auf sie direkt Bezug genommen wird, werden hier nicht mit angeführt, angeführt werden hingegen zu Rate gezogene Bibliographien.

A Abendland, Slawentum und Ostkirchen. Drei Beiträge zur Unionsfrage, Wien 1926 (= Vorträge und Abhandlungen der Österreichischen Leo-Gesellschaft, Bd. 33/34) Acta Conventus Pragensis pro studiis orientalibus. Anno MCMXXIX celebrati, Olomouc 1930 Acta IV. Conventus Velehradensis anno MCMXXIV, Olomouc 1925 Acta V. Conventus Velehradensis anno MCMXXVII. Post s. Cyrillum natum MC, Olomouc 1927 Acta VI. Conventus Velehradensis anno MCMXXXII, Olomouc 1933 Adorno, Theodor W.: Der Essay als Form, in: ders. Noten zur Literatur, Frankfurt 31990 (= Gesammelte Schriften, Bd. 2), S. 9-33 Agenosov, V. V.: Literatura russkogo zarubež’ja (1918-1996), Moskva 1998 P. Alberti: Dr. Leopold Prečan. Arcibiskup olomoucký. K desátému výročí svěcení biskupského vydala Jednota duchovenstva arcidiecése olomoucké, Přerov 1934 Algermissen, Konrad: Konfessionskunde. Ein Handbuch der christlichen Kirchen- und Sektenkunde der Gegenwart, Hannover 1930 (= 4., vollständig neu gearbeitete Auflage von Christliche Sekten und Kirche Christi) Algermissen, Konrad: Konfessionskunde, Hannover 51939 Algermissen, Konrad: Konfessionskunde, Celle 61950 Algermissen, Konrad: Konfessionskunde, Paderborn 71957 Algermissen, Konrad: Konfessionskunde, neu bearbeitet von Fries, H./de Vries, W./Iserloh, E./Klein, L./Keinath, K., Paderborn 81969 Altrichter, M./Ambros, P./Karczubová, L./Polách, O./Rupnik, M./Špidlík, T.: Velehrad – filologoi versus filosofoi. Příspěvek spirituální teologie k 800letému výročí, Olomouc 2005 Altrichter, Michal: Velehrad – filologoi versus filosofoi, in: ders. et al. 2005, S. 8-117 Ambros, Pavel: Kam směřuje česká katolická církev? Teologie obnovy místní církve v Čechách a na

410

Anhang

Moravě, její základní pastorační postoje a orientace pro třetí tisíciletí, Velehrad 1999 Ambros, Pavel: Spirituální proudy v katolické církvi v Československu mezi světovými válkami a česká katolická moderna, in: Studia theologica 12, Jg. 5, Nr. 2, Sommer 2003, S. 1-14 Ambros, Pavel: Cyrilometodějství a jezuité na Velehradě od roku 1890 do roku 1919, in: Altrichter et al. 2005, S. 208-236 Ambros, Pavel (Hg.): Fórum Velehrad I. Communio ecclesiarum – očištění paměti, Olomouc 2007 „Andrej Hlinka zaslúžil sa a vieru a cirkev v Rusku“, in: Slovák, Jg. 14, Nr. 88, 17.04.1932, S. 1f. Andreyev, Catherine/Savický, Ivan: Russia Abroad. Prague and the Russian Diaspora 1918-1938, New Haven/London 2004 Arans, David: How we lost the Civil war. Bibliography of Russian emigre memoirs on the Russian Revolution 1917-1921, Newtonville 1988 Artemieff, Dr.: Vom V. Unionskongress zu Velehrad, in: Schönere Zukunft, Jg. 2, Nr. 45, 1926/27, S. 964-965; auch abgedruckt in: Acta V. Conventus Velehradensis 1927, S. 267-272 Averčenko, Arkadij: Praha a Čechové. Přeložil Jiří Zákostelna, Praha 1923

B Babler, Otto F.: Jakub Deml. Zu des Dichters 50. Geburtstag, in: Hochland, Jg. 25, Nr. 2, April 1928-September 1928, S. 628-635 Balmont, K. D.: Z básnického díla. S básníkovým souhlasem přeložil Jaroslav Vyplel, Praha 1935 Barabanov, Evgenij V.: Der „Erste philosophische Brief“ von P. J. Čaadaev und die Wege der russischen religiösen Philosophie, in: Müller/Klehr (Hgg.) 1992, S. 103-120 Barabanov, Evgenij: Buchweisheit, Schule, Literatur, in: Deppermann (Hg.) 1998, S. 6-21 Barnovský, Michal: Na ceste k monopolu moci. Mocenskopoliticke zápasy na Slovensku v rokoch 1945-1948, Bratislava 1993 Bárta, Jan: Krátký pohled na život a dílo arcibiskupa Antonína Cyrila Stojana, in: Studie, Nr. 130131, April/Mai 1990, S. 339-351 Bartoš, Jan: Kdo jest Jaroslav Durych?, Kralupy n. Vlt. 1930 Bartoš, Jan: Znáte Jakuba Demla?, Velké Meziřící 1932 Bauer, Matthias: Der Schelmenroman, Stuttgart/Weimar 1994 Beck, Erich: Die russische Kirche. Ihre Geschichte, Lehre und Liturgie mit besonderer Berücksichtigung ihrer Unterscheidungslehren und ihres Verhältnisses zur röm. Kirche, Bühl 1922 Becker, Werner (Einführung)/Feiner, Johannes (Kommentar): Dekret über den Ökumenismus, in: Das Zweite Vatikanische Konzil. Konstitutionen, Dekrete und Erklärungen. Lateinisch und Deutsch. Kommentare, Teil II, Freiburg/Basel/Wien 1967, S. 10-126 Becker, Werner: Einführung, in: Becker/Feiner 1967, S. 11-3 Běhounek, V.: Novoslovanství, in: Chalupný, Emanuel und Krejčí, Dobroslav (Hgg.): Slovník národohospodářský, sociální a politický. III. Díl, Praha 1933, S. 138f. Belejkanič, Imrich: Unionizmus ako ekleziologický problém, Prešov 1999 Bělogvardějec: Rusko v exilu, Praha 1936 Běloševská, L. (Hg.): Duchovní proudy ruské a ukrajinské emigrace v Československé republice (1919-1939). (Méně známé aspekty), Praha 1999 Beloševskaja, Ljubov’: Perevod v sisteme mežkul’turnych svjazej russkoj ėmigracii v Čechoslovakii v 20-ye - 30-ye gody, in: Slavia, Jg. 62, 1993, S. 507-519 Beloševskaja, L. (Hg.): Chronika kuľturnoj, naučnoj i obščestvennoj žizni russkoj ėmigracii v Čechoslovackoj respublike. Tom II. 1930-1939, Praga 2001 Benda, Václav: Jak dál po Velehradě?, in: Rozmluvy. Literární a filozofická revue, Londýn 6/1986, S. 7-37 Bendel, Rainer (Hg.): Aufbrüche und Umbrüche. Kirche und Gesellschaft Ostmittel- und Südosteuropas zwischen den Weltkriegen (1918-1939), Köln/Weimar/Wien 2007 Beneš, Edvard: Úvahy o slovanství. Hlavní problémy slovanské politiky, London o. J. [1944] Berberova, Nina: Ich komme aus St. Petersburg, Reinbek bei Hamburg 1994 Berg, Ludwig: Die römisch-katholische Kirche und die orthodoxen Russen, Berlin 1926 Berg, Ludwig (Hg.): Ex Oriente. Religiöse und philosophische Probleme des Ostens und des Westens.

Archiv- und Literaturverzeichnis

411

Beiträge orthodoxer, unierter und katholischer Schriftsteller in russischer, französischer und deutscher Sprache, Mainz 1927 Berg, Ludwig: Zur Einführung, in: ders. (Hg.) 1927, S. XIII-XVI Bidlo, Jaroslav: Dějiny Slovanstva, Praha 1927 (= Slované. Kulturní obraz slovanského světa, Bd. 1) Binar, Vladimír: Čin a slovo. Kniha o Jakubu Demlovi, Praha 2009 Blinov, Sergej G. (Hg.)/Postnikov, S. P.: Politika, ideologija, byt, učenye trudy russkoj ėmigracii 1918-1945. Bibliografija. Iz kataloga biblioteki R. Z. I. Archiva, 2 Bände, New York 1993 Bloudění časem a prostorem – Jaroslav Durych známý i neznámý, Hradec Králové 1997 Böhminghaus, Ernst: Velehrad. Nachklänge zum 5. Internationalen Kongreß für Kirchenunion (Juli 1927), in: Stimmen der Zeit, Jg. 114, Nr. 3, 1928, S. 224-227 [Bolotov, V.]: Thesen über das „Filioque“, in: Revue internationale de Théologie, Jg. 24, Nr. 6, 1898, S. 684-712 Bosl, Karl (Hg.): Die „Burg“. Einflußreiche politische Kräfte um Masaryk und Beneš, München/Wien 1974 Bosl, Karl (Hg.): Die demokratisch-parlamentarische Struktur der Ersten Tschechoslowakischen Republik, München/Wien 1975 Bosl, Karl (Hg.): Gleichgewicht – Revision – Restauration. Die Außenpolitik der Ersten Tschechoslowakischen Republik im Europasystem der Pariser Vorortverträge, München/Wien 1976 Bosl, Karl/Seibt, Ferdinand (Hgg.): Kultur und Gesellschaft in der Ersten Tschechoslowakischen Republik. Vorträge der Tagungen des Collegium Carolinum in Bad Wiessee vom 23. bis 25. November 1979 und vom 28. bis 30. November 1980, München 1982 Böss, Otto: Die Lehre der Eurasier. Ein Beitrag zur russischen Ideengeschichte des 20. Jahrhunderts, Wiesbaden 1961 Brabec, Jiří: Rozhovor nejen o nacionalismu, fašismu, antisemitismu a literatuře, in: Souvislosti, Jg. 6, Nr. 4 (26), 1995, S. 3-9 Brandes, Detlef: Die Tschechen unter deutschem Protektorat. Teil I. Besatzungpolitik, Kollaboration und Widerstand im Protektorat Böhmen und Mähren bis Heydrichs Tod (1939-1942), München/Wien 1969 Breitenbacher, Antonín: Zpráva z archivu, knihovny atd. olomouckého arcibiskupství v Kroměříži za r. 1930 a 1931, in: Časopis archivní školy, Jg. 9/10, 1933, S. 368-375 Bremer, Thomas: Konfessionelle Konflikte aus theologischer Sicht, in: Schulze Wessel, Martin (Hg.): Nationalisierung der Religion und Sakralisierung der Nation im östlichen Europa, Stuttgart 2006, S. 15-28 Brenninkmeyer, Adalbert: Einigendes und Trennendes zwischen der katholischen Kirche und dem christlichen Osten, in: Abendland, Slawentum und Ostkirchen 1926, S. 45-64 Brückner, Alexander: Die Wahrheit über die Slavenapostel, Tübingen 1913 Bulgakov, Sergej: Heroentum und geistiger Kampf (Überlegungen zur religiösen Natur der russischen Intelligencija), in: Vechi 1990, S. 80-139 Bulgakov, Sergij: K velehradskému sjezdu (Ruská adresa), in: Rozmach, Jg. 2, Nr. 18, 15.09.1924, S. 265f. Bylina, Stanisław/Jaroszewicz-Kleindienst, Barbara/Madany, Edward/Russocka, Jadwiga: Stosunki literackie polsko-czeskie i polsko-słowackie 1890-1939, Wrocław/Warszawa/Kraków/Gdańsk 1978 Bystrov, Vladimír: Z Prahy do GULAGu aneb překáželi, Praha 1999 Bystrov, Vladimír: Únosy československých občanů do Sovětského svazu v letech 1945-1955, Praha 2003 Bystrov, Vladimír: Svobodná nesvoboda. Některé příklady postupující komunizace a sovětizace mediální krajiny v Československu a snah komunistů umlčet český nekomunistický a církevní tisk v letech 19451948, Praha 2006

C/Č Čapek, Karel/Rhode, John/Mason, A. E. W.: Kazí detektivky literární vkus?, Praha 1940 Čársky, Viktor: Nahliadnutia dejinám pod sukňu. Spomienky spracovali Naďa Vokušová a Vladimír Skalský, Praha 2003 Čcheidze, Konstantin: Události, setkání, úvahy. Kapitola VIII. Praha – Paříž – Praha (Úryvky),

412

Anhang

in: Bystrov, Vladimír/Vacek, Jiří (Hgg.): Zírající do slunce. Literárněvědný sborník o životě a díle gruzínského knížete Konstantina Čcheidzeho, spisovatele v Čechách, Praha 2002, S. 258-303 Čelovský, Bořivoj: strážce nové evropy. Prapodivná kariéra novináře Emanuela Vajtauera, Šenov u Ostravy 2002 Černý, Václav: Křik koruny české. Paměti (1938-1945). Náš kulturní odboj za války, Brno 31992 Černý, Václav: Vývoj a zločiny panslavismu, Praha 1995 Červín, A. V.: Co lze vyčísti z jednoho úseku pravoslavné fronty, in: Křesťanská revue, roč. 6, 1933, S. 87-90 Chalupecký, Jindřich: Jakub Deml, in: ders. Expresionisté, Praha 1992, S. 79-134 Chinyaeva, Elena: Ruská emigrace v Československu: vývoj ruské pomocné akce, in: Slovanský přehled 79, 1/1993, S. 14-24 Chinyaeva, Elena: Russians outside Russia. The Émigré Community in Czechoslovakia 1918-1938, München 2001 Choružij, Sergej: Nicht nur Eurasiertum: Drei Modelle russischer Geschichtsphilosophie im 20. Jahrhundert, in: Deppermann (Hg.) 1998, S. 48-71 Churaň, Milan a kol.: Kdo byl kdo v našich dějinách ve 20. století, Praha 1994 Cinek, František: Arcibiskup Dr. Antonín Cyril Stojan. Život a dílo. Pokus o nárys duchovní fysiognomie, Olomouc 1933 Cinek, František: Velehrad víry. Duchovní dějiny Velehradu, Olomouc 1936 Církevní komise ÚV KSČ 1949-1951. Edice dokumentů I. Církevní komise ÚV KSČ („Církevní šestka“). Duben 1949 - Březen 1950, Praha/Brno 1994 Císař, Ivo: Jednota křesťanů, Řím 1987 Čiževskij, Dmitrij: Petr Jakovlevič Čaadajev, in: Čaadajev, P. J.: Filosofické listy, Praha 1947, S. 11-57 Congar, M.-J.: Chrétiens désunis. Principes d’un „Œcuménisme“ catholique, Paris 1937 [Reprint 1964] Coudenys, Wim: Proselytism, Charity, Imperialism: Russian Émigrés in Belgium between Catholicism and Orthodoxy, in: Davids/Poljakov (Hgg.) 2008, S. 119-135 Čoupek, Jiří: Velehradské spolky, in: Kordiovský (Hg.) 1993, S. 253-255 IV. Unionistický kongres na posv. Velehradě 1924 Cuhra, Jaroslav: Staat und Kirche in der Tschechoslowakei, in: Schulze Wessel, Martin/Zückert, Martin (Hgg.): Handbuch der Religions- und Kirchengeschichte der böhmischen Länder und Tschechiens im 20. Jahrhundert, München 2009, S. 555-616

D Dahm, Helmut/Ignatow, Assen (Hgg.): Geschichte der philosophischen Traditionen Osteuropas, Darmstadt 1996 Dandova, M./Zagradnikova, M.: Obzor fondov russkoj ėmigracii meždu dvumja mirovymi vojnami v Literaturnom archive Muzeja češkoj literatury, in: Russkaja, ukrainskaja i belorusskaja ėmigracija v Čechoslovakii 1995, S. 112-120 Danilenko, Boris (Hg.)/Glubokovskij, Nikolaj: Archiepiskop Natan Sederbljum, kak christianskij i «ėkumeničeskij» dejateľ (po ličnym vpečatlenijam, nabljudenijam i vospominanijam), in: Davids/Poljakov (Hgg.) 2008, S. 95-117 Das Christentum des Ostens und die christliche Einheit, Würzburg 1965 Davids, Adelbert J. M. /Poljakov, Fedor B. (Hgg.): Die russische Diaspora in Europa im 20. Jahrhundert. Religiöses und kulturelles Leben, Frankfurt am Main 2008 (= Russkaja kuľtura v Evrope. Russian Culture in Europe, Bd. 4) Deml, Jakub: Zapomenuté světlo, in: ders. Sen jeden svítí, Praha 1991, S. 112-221 Deml, Jakub: Zakázané světlo. Výbor z korespondence z let 1930-1939, Praha/Litomyšl 1999 Deml, Jakub: Šlépěje XVII, Brno 22000 Deml, Jakub: Šlépěje XVIII, Brno 22001 Deppermann, Maria (Hg.): Russisches Denken im europäischen Dialog, Innsbruck/Wien 1998 Dobuševa, Marina/Krymova, Viktorija (Hgg.): Dom v izgnanii. Očerki o russkoj ėmigracii v Čechoslovakii 1918-1945, Praga 2008 Dodenhoeft, Bettina: Vasilij von Biskupskij – Eine Emigrantenkarriere in Deutschland, in: Schlögel

Archiv- und Literaturverzeichnis

413

(Hg.) 1995, S. 219-228 Dolejší, Vojtěch: Noviny a novináři. Z poznámek a vzpomínek, Praha 1963 Dolenský, Ant. (Hg.): Kulturní adresář ČSR. Biografický slovník žijících kulturních pracovníků a pracovnic, roč. 1, Praha 1934 und roč. 2, Praha 1936 Doležal, Josef: Řím – Moskva, Praha 1930 Döpmann, Hans-Dieter: Die Russische Orthodoxe Kirche in Geschichte und Gegenwart, Berlin 1977 Dr. Valerij S. Vilinský: V Rusku boj trvá, in: Apoštolát sv. Cyrila a Metoděje, Jg. 24, 1933, Klappentext Durych, Jaroslav: Odpověď Rusům, in: Rozmach, Jg. 2, Nr. 18, 15.09.1924, S. 266-272 Durych, Václav: Durych v troskách komunismu, in: Bloudění časem a prostorem 1997, S. 59-68 Durych, Václav: Jaroslav Durych 2.12.1886-7.4.1962 (stručný životopis), in: Jaroslav Durych 2000, S. 5-40 Dvořák, Miloš: Smích Jakuba Demla (Náčrt k studii), in: Host do domu, Jg. 16, č. 15, 1969, o. S. (Glosář zwischen S. 24 und 25) Dvořáková, Jiřina: Bedřich Pokorný – vzestup a pád, in: Sborník Archivu ministerstva vnitra, Nr. 2, 2004, S. 233-279 Dvořáková, Jiřina: Státní bezpečnost v letech 1945-1953 (Organizační vývoj zpravodajských a státně bezpečnostních složek), Praha 2007 (= Sešity, Bd. 16)

E Eisner, Jan: Předmluva k českému vydání, in: Niederle, Lubor: Rukověť slovanských starožitností. K vydání připravil akademik Jan Eisner, Praha 1953, S. 9-11 Eisner, Paul: Über Jaroslav Durych […], in: Prager Presse 10, č. 250, 11.09.1930, S. 8 Eisner, Pavel: Milenky. Německý básník a česká žena, Praha 1992 [11930] Emigrace ze SSSR v meziválečném Československu. Přinos vědě a kultuře (Národní knihovna v Praze. Katalog výstavy z fondů Slovanské knihovny), Praha 1991 Esterházy, Péter: Verbesserte Ausgabe, Berlin 2004 Esterka, Peter: Toward Union. The Congresses at Velehrad, in: Journal of Ecumenical Studies, Jg. 8, Nr. 4, 1971, S. 10-51

F Feiner, Johannes: Kommentar, in: Becker/Feiner 1969, S. 40-126 Fiala, Alois: Zpráva o činnosti „Růže Sušilovy“ v Brně za správní rok 1928-29, in: Museum, Jg. 60, 1929, S. 160f. Filipi, Pavel: Od Unitatis redintegratio k Ut unum sint. Ekumenická otázka 30 let po II. vatikánském koncilu, in: Hanuš et al. 1997, S. 59-66 Firt, Julius: Záznamy – I, in: Svědectví, Jg. 10, Nr. 40, 1971, S. 517-539 Florian, Gabriel/Mlejnek, Josef (rozhovor): Otec byl po celý život ve finanční tísni, in: Zborovská, Zina/Mlejnek, Josef (Hgg.): Dobré dílo, špatná doba. Sborník příspěvků z konferencí Křesťanská univerzita Josefa Floriana a Literatura a totalita, Havlíčkův Brod 2006, S. 33-40 Florovskij, Georgij: Chitrosť razuma, in: Ischod k vostoku. Predčuvstvija i sveršenija, Sofija 1921 (= Utverždenija evrazijcev, Bd. 1), S. 28-39 Flusser, Vilém: Bodenlos. Eine philosophische Autobiographie, Düsseldorf/Bensheim 1992 Franz von Baader, in: Beumer, Johannes S. J. (Hg. und Einl.): Auf dem Wege zur christlichen Einheit. Vorläufer der ökumenischen Bewegung von den Anfängen des Humanismus bis zum Ende des 19. Jahrhunderts. Ausgewählte Texte, Bremen 1966, S. 289-297 Frejka, Ludvík: 25. únor 1948 v československém hospodářství, Praha 31949 Fuchs, Alfred: Sjednocení církví (Unionismus), Praha 1924 Fuchs, Alfred: Autorita, Praha 1930 Fuchs, Alfred: Novější papežská politika, Praha 1930a Fuchs, Alfred: Oltář a rotačka, Praha 1930b Fuchs, Alfred: Propaganda v demokracii a v diktaturách, Praha 1938 Fuchs, Friedrich: Von der echten und der unechten Unionsidee, in: Hochland, Jg. 22, Nr. 9, 1924/25, S. 347-351

414

Anhang

G Gabriel, Jiří (Hg.): Slovník českých filozofů, Brno 1998 Gabriel, Jiří: Josef Kratochvil, in: ders. (Hg.) 1998, S. 303ff. Gaede, Käte: Russische Orthodoxe Kirche in Deutschland in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, Köln 1985 Gahbauer, Ferdinand R.: Der orthodox-katholische Dialog. Spannende Bewegung der Ökumene und ökumenische Spannungen zwischen den Schwesterkirchen von den Anfängen bis heute, Paderborn 1997 Galahad, Sir [d. i. Berta Eckstein-Diener]: Idiotenführer durch die russische Literatur, München 1925 Galitis, Geordios: Die orthodoxe Kirche im Dialog, in: Nyssen/Schulz/Wiertz (Hgg.) 1997, S. 245-257 Gavrinev, Vladimir: Russkij nekropoľ. Spisok memoriaľnych zachoronenij starogo russkogo kladbišča na Oľšanach, in: Dobuševa/Krymova (Hgg.) 2008, S. 433-452 Gazdik, Jan/Navara, Luděk: Špion pomohl Gottwaldovi vyhrát Únor. Sám pak skončil ve vězení, in: MF DNES, Jg. 19, Nr. 47, 25.02.2008, S. A/3 Gladkova, T. L./Osorgina, T. A. (Red.): L ’Émigration Russe. Revues et recueils, 1920-1980. Index général des articles, Paris 1988 Glenny, Michael: The Emigration, in: Shukman, Harold: The Blackwell Encyclopaedia of the Russian Revolution, Oxford 1995, S. 160-163 Głombik, Czesław: Český novotomismus třicátých let. Iniciativy, kulturní kontext, polemiky, Olomouc 1995 Golubinskij, E.: Istorija russkoj cerkvi. Tom I. Period pervyj, Kievskij ili domongoľskij. Pervaja polovina toma, Moskva 21901 Gorbunov, Vladimir V.: Ideja sobornosti v russkoj religioznoj filosofii (pjat’ izbrannych portretov), Moskva 1994 Götz, František: Jaroslav Durych, in: ders. Jasnící se horizont. Průhledy a podobizny, Praha 1926, S. 146-156 Górka, Leonard: Doktryna ekumeniczna kongresów welehradzkich (1907-1936). Studium z zakresu historii katolickiej myśli ekumenicznej, in: Myśków, Józef (Hg.): Studia ekumeniczne. Tom 1, Warszawa 1982, S. 5-122 Górka, Leonard: Dziedzictwo ojców. Ekumeniczny charakter tradycji welehradzkiej, Warszawa 1995 Górka, Leonard: Biskup Juraj Josip Strossmayer a Vladimír Solovjov předchůdci slovanského ekumenismu. Ke stoletému výročí úmrtí Vladimíra Solovjova 1900-2000, in: Ambros, P./Górka, L./Grib, S. A./Komorovský, J./Lebrecque, N./Novotný, J./Petchuk, I./Pugačev, O./Sutton, J./Tenace, M./Žust, M.: Vladimír Solovjov a jednotná Evropa, Olomouc/Velehrad 2001, S. 21-31 Górka, Leonard: Święci Cyryl i Metody a pojednanie. Słowiańskie dziedzictwo w służbie jedności Kościołów i narodów, Warzawa/Lublin 2001a Górka, Leonard: Svatí Cyril a Metoděj. Ekumenická dimenze smíření, Olomouc 2007 [= tsch. Ausgabe von Górka 2001a] Górka, Leonard: Trvalé hodnoty velehradské tradice. Ke 100. výročí založení velehradských kongresů (1907-2007), in: Ambros (Hg.) 2007, S. 42-57 Gorlin, Michael: Die philosophisch-politischen Strömungen in der russischen Emigration, in: Osteuropa, Jg. 8, Oktober 1932 – September 1933 [Reprint Graz 1967], S. 279-294 Gracová, Blažena: Zur Rolle der Presse im Okkupationsregime des Protektorats Böhmen und Mähren. Anpassung, Aktivismus, Widerstand und das Beispiel der antipolnischen Kampagne, in: Heumos (Hg.) 1997, S. 189-216 von Graevenitz, Gerhart/Marquard, Odo (Hgg.): Kontingenz, München 1998 von Graevenitz, Gerhart/Marquard, Odo: Vorwort, in: dies. (Hgg.) 1998, S. XI-XVI Graus, František: Lebendige Vergangenheit. Überlieferung im Mittelalter und in den Vorstellungen vom Mittelalter, Köln/Wien 1975 Grivec, František: Slovanští apoštolé sv. Cyril a Metoděj, přeložil Fr. Jemelka, Olomouc 1927 Grivec, F.: Samobytnosť Vladimira Solov’eva, in: Berg (Hg.) 1927, S. 287-295 Grivec, František: Pokřesťanění kijevské Rusi, in: Apoštolát sv. Cyrila a Metoděje, Jg. 29, Nr. 4,

Archiv- und Literaturverzeichnis

415

April 1938, S. 97-100 Grundmann, Christoffer H.: In Wahrheit und Wahrhaftigkeit. Für einen kritischen Dialog der Religionen, Hannover 1999 Gruša, Jiří: Das graue Prag, in: ders. Gebrauchsanweisung für Tschechien, München/Zürich 1999, S. 113-127 Guillén, Claudio: Zur Frage der Begriffsbestimmung des Pikaresken, in: Heidenreich, Helmut (Hg.): Pikarische Welt. Schriften zum europäischen Schelmenroman, Darmstadt 1969, S. 375-396 Gülden, Josef: Die Union der katholischen mit den slavischen und orientalischen Kirchen, in: Acta V. Conventus Velehradensis 1927, S. 273-280 [ursprünglich in: Allgemeine Rundschau, Nr. 34, 27. August 1927, S. 536ff.] Gumilev, Nikolaj: Výbor z díla, přeložil Zdeněk Spilka, Praha 1933

H Haase, Felix: Die russische Kirche und die Union, in: Hollnsteiner (Hg.) 1928, S. 39-51 Halperin, Charles J.: Russia and the Steppe: George Vernadsky and Eurasianism, in: Forschungen zur osteuropäischen Geschichte, Berlin 1985, S. 55-194 Hanuš, J./Štampach, O. I./Ryšková, M./Fiala, P./Filipi., P./Kunetka, F./Smolík, J./Ventura, V./Spousta, J.: Ve znamení naděje. Proměny teologie a církve po II. vatikánském koncilu, Brno 1997 Hanuš, Jiří/Vlček, Radomír (Hgg.): Interpretace ruské revoluce 1917, Brno 2008 Hanzlík, František: Únor 1948 výsledek nerovného zápasu. Tajné služby na cestě k moci, Praha 1997 Harbuľová, Ľubica: Interpretácie a dezinterpretácie októbra 1917 na Slovensku, in: Hanuš/Vlček (Hgg.) 2008, S. 145-155 Hauptmann, Peter: Die Orthodoxe Kirche auf ihren Wegen ins tschechische Volkstum, in: Kirche im Osten, Jg. 11, 1968, S. 38-64 Hausmann, Guido: Universität und städtische Gesellschaft in Odessa, 1865-1917. Soziale und nationale Selbstorganisation an der Peripherie des Zarenreiches, Stuttgart 1998 Havelka, Jiří (Hg.): Slovník veřejného práva československého. Svazek 1. A až CH, Brno 1929 Heidenreich, Julius (Hg.): Co číst? z literatury ruské, ukrajinské a běloruské posledních let, Praha 1935 Heiler, Friedrich: Römisch-katholische Stimmen zur Wiedervereinigung der christlichen Kirchen, in: Eine heilige Kirche, (20. Jg. der Hochkirche), Januar/April 1938, S. 30-45 Hettlage, Robert: Der Fremde: Kulturmittler, Kulturbringer, Herausforderer von Kultur, in: Lipp, Wolfgang (Hg.): Kulturtypen, Kulturcharaktere. Träger, Mittler und Stifter von Kultur, Berlin 1987, S. 25-44 Heumos, Peter (Hg.): Polen und die böhmischen Länder im 19. und 20. Jahrhundert. Politik und Gesellschaft im Vergleich, München 1997 Hlaváčková, Miroslava: Dobré dílo Josefa Floriana, in: Josef Florian. Dobré dílo, Roudnice n. L. 1992, S. 7-58 Hlídka unionistická, in: Apoštolát sv. Cyrila a Metoděje, Jg. 15, 1928, S. 22 Hlinka, Andrej: Spolok sv. Vojtecha s hľadiska slovensko-katolíckeho, in: Katolícke Slovensko 1933, S. 527-530 Hodrová, Daniela: Praha jako město deziluze v českém románu přelomu století, in: Město v české kultuře 19. století, Praha 1983, S. 168-177 Hodža, Milan: Agrarism, Praha 1930 (= Cyklus přednášek „O ideologii českoslov. politických stran“, Bd. 1) Hoensch, Jörg K.: Die Verfassungsstruktur der ČSR und die slowakische Frage, in: Bosl (Hg.) 1975, S. 83-120 Hoensch, Jörg K.: Polen und die Tschechoslowakei – oder das Scheitern der slawischen Solidarität, in: Bosl 1976, S. 277-313 Hoensch, Jörg K.: Polen und die Tschechoslowakei. Ihr Verhältnis im Spannungsfeld der internationalen Politik 1932 bis 1934, in: Bohemia, Jg. 25, 1984, S. 295-312 Hoensch, Jörg K.: Geschichte Böhmens. Von der slavischen Landnahme bis zur Gegenwart, München 31997

416

Anhang

Hoensch, Jörg K.: Die Slowakei im Jahre 1945 [1971], in: Lemberg, Hans/Marek, Michaela/Förster, Horst/Machilek, Franz/Seibt, Ferdinand (Hgg.)/ders. Studia Slovaca. Studien zur Geschichte der Slowaken und der Slowakei, München 2000, S. 299-350 Hösch, Edgar: Geschichte der Balkanländer von der Frühzeit bis zur Gegenwart, München 1999 Hollnsteiner, Johannes (Hg.): Die Union mit den Ostkirchen. Bericht über die Wiener Unionstagung Pfingsten 1926, Graz und Leipzig 1928 Horák, Jiří (Hg.): Slovanská vzájemnost. 1836-1936. Sborník prací k 100. výročí vydání rozpravy Jana Kollára o slovanské vzájemnosti, Praha 1938 Horský, Antonín: [Vorwort], in: Miklucho-Maklaj, N. N.: Mezí Papuánci, Praha 1954, S. 5f. Horyna, Břetislav: Josef Lukl Hromádka, in: Gabriel (Hg.) 1998, S. 199 Hrabovec, Emilia: Der tschechische Katholizismus nach dem Ersten Weltkrieg aus der Sicht des Heiligen Stuhls, in: Bohemia, Jg. 45, 2004, S. 396-429 Hrabovec, Emilia: Die Tschechoslowakei und der Heilige Stuhl 1945-1948: Einige Aspekte eines schwierigen Verhältnisses, in: Mueller, Wolfgang/Portmann, Michael (Hgg.): Osteuropa vom Weltkrieg bis zur Wende, Wien 2007, S. 99-130 Hrabovec, Emilia: Die Atmosphäre und die Strömungen im slowakischen Katholizismus der Zwischenkriegszeit, in: Bendel (Hg.) 2007a, S. 103-179 Hrodek, Dominik a kolektiv (Hgg.): Slovanství ve středoevropském prostoru. Iluze, deziluze a realita, Praha 2004 Hromádka, J. L.: Cesty dnešního pravoslaví II, in: Přítomnost, Jg. 3, Nr. 49, 16.12.1926, S. 779-781 Hryniewicz, Wacław: Ökumene in Osteuropa. Einige Reflexionen über große Herausforderungen unserer Zeit, in: Ostkirchliche Studien, Jg. 48, 1999, S. 163-179 Hrynioch, Joannes: Widerhall der cyrillo-methodianischen Idee auf dem II. Vatikanischen Konzil, in: Zagiba, Franz (Hg.): Geschichte der Ost- und Westkirche in ihren wechselseitigen Beziehungen. Acta Congressus historiae Slavicae Salisburgensis in memoriam SS. Cyrilli et Methodii anno 1963 celebrati, Wiesbaden 1967, S. 196-202 Huber, Augustinus Kurt: Die „Burg“ und die Kirchen, in: Bosl (Hg.) 1974, S. 181-196 Hučko, Ladislav: Gréckokatolícka Cirkev v Československej republike, in: Koníček, Jiří (Hg.): Katolická církev v první Československé republice (1918-1938), Olomouc 2006, S. 4-8 Hünermann, F.: Die Unionsbestrebungen der Gegenwart, in: Bonner Zeitschrift für Theologie und Seelsorge, Jg. 4, 1927, S. 219-242 Hupchick, Dennis P./Cox, Harold E.: The Palgrave Concise Historical Atlas of Eastern Europe, New York/Hampshire 2001

I Ibler, Reinhard/Pospíšil, Ivo (Hgg.)/Frank Wollman: Die Literatur der Slawen, Frankfurt am Main et. al. 2003 (= Vergleichende Studien zu den slavischen Sprachen und Literaturen, Bd. 7) [= dt. Ausgabe von Wollman 1928] Ignatow, Assen: Zur Frage nach den Verhältnissen zwischen westlichem und russischem Philosophieren, in: Dahm/Ignatow (Hgg.) 1996, S. 230-256

J Jablonický, Jozef: Podoby násilia, Bratislava 2000 Jaeger, Kardinal Lorenz: Das Konzilsdekret „Über den Ökumenismis“. Sein Werden, sein Inhalt und seine Bedeutung. Lateinischer und deutscher Text mit Kommentar, Paderborn 1965 Janát, Bohumír: Velehrad, in: Rozmluvy. Literární a filozofická revue, Londýn, Nr. 6, 1986, S. 3-6 Janhuba, František: Velehradský unionizmus. Apoštolát sv. Cyrila a Metoděje pod ochranou Bl. Panny Marie, in: Theologos, Jg. 4, Nr. 1, 2002, S. 5-14 Janhuba, František: Unionistické sjezdy na Velehradě, in: Theologos, Jg. 4, Nr. 3, 2002a, S. 5-15 Jaroslav Durych. Život, ohlasy, soupis díla a literatury o něm, Brno 2000 Jaworski, Rudolf: Die polnische und die tschechische Variante des Neoslawismus, in: Heumos (Hg.) 1997, S. 43-55

Archiv- und Literaturverzeichnis

417

Jemelka, František/Prečan, Leopold: Proti náboženskému teroru sovětských vlád na Rusi. Protestní projev Ústředí Apoštolátu sv. Cyrila a Metoděje sdružujícího všechny diecésní svazy v čsl. republice i zahraniči, in: Našinec, Jg. 66, Nr. 9, 12.01.1930, S. 1 Jirásek, Josef: Rusko a my. Studie vztahů československo-ruských od počátku 19. století do r. 1867, Praha 1929 Jochims, I.: Aspekte des religiösen Lebens russischer Emigranten orthodoxen Glaubens in der ČSR zwischen den Weltkriegen, in: Russkaja, ukrainskaja i belorusskaja ėmigracija v Čechoslovakii 1995, S. 685-696 Jochims, Isabel: Flüchtlinge russischer Nationalität in der Tschechoslowakei zwischen den Weltkriegen. Ein Beitrag zur Migrations- und Eingliederungsforschung, Köln 2002 Josten, Josef: Oh my Country, London 1949 Jubilejnyj sbornik. 1921 – Brno – 1931. Jubilejní sborník. Svaz ruských studentů, Brno 1932 Jurák, O. Jeronym M.: Rus – hlasatel unionismus – Valerij S. Vilinskij, in: Hlas, Jg. 59, Nr. 4378, 15.04.1932, S. 2 Jurák, P. Jeroným M. O. P.: Co s Židy?, in: Hlas, Jg. 60, Nr. 4499, 13.06.1933, S. 2 Just, Klaus Günther: Essay, in: Stammler, Wolfgang (Hg.): Deutsche Philologie im Aufriß, Bd. II, Berlin 21960, Sp. 1897-1948

K Kääriäinen, Kimmo: Die Russische Orthodoxe Kirche und ihr Verhältnis zu anderen Konfessionen, Köln 1995 (= Berichte des Bundesinstituts für ostwissenschaftliche und internationale Studien) Kadlec, Jaroslav: Přehled českých církevních dějin II, Řím 1987 Kalikin, E.: Národní svaz ruské mládeže v zahraničí, in: Jedinstvo, Nr. 19, 10.07.1931, S. 4 Kalikin, E.: Několik myšlenek o těžkém boji ruských emigrantů proti bolševismu, in: Hlas, Jg. 59, Nr. 4358, 05.02.1932, S. 3 Kalikin, E.: Jak komunističtí agenti svádějí ruskou mládež mezi emigrací, in: Hlas, Jg. 60, Nr. 4465, 14.02.1933, S. 3 Kalikin, E.: Pribinovskie toržestva, in: Rossija i Slavjanstvo, Jg. 5, Nr. 224, September 1933, S. 5 Kalinovska, Vera Fyodorovna: A Lonely Exile, in: Stone/Glenny (Hgg.) 1990, S. 256-259 Kaplan, Karel: Dva retribuční procesy. Komentované dokumenty (1946-1947), Praha 1992 Kaplan, Karel: Nekrvavá revoluce, Praha 1993 Kaplan, Karel: K politickým procesům v Československu 1948-1954. Dokumentace komise ÚV KSČ pro rehabilitaci 1968, Praha 1994 Kaplan, Karel: Největší politický proces „M. Horáková a spol.“, Praha 1995 Kaplan, Karel: Pět kapitol o únoru, Brno 1997 Kaplan, Karel: Nebezpečná bezpečnost. Státní bezpečnost 1948-1956, Brno 1999 Kaplan, Karel/Paleček, Pavel: Komunistický režim a politické procesy v Československu, Praha 2001 Karsavin, L.: Filosofija istorii, Berlin 1923 Karsavin, Lev Platonovič: Křesťanská metafysika a dějiny, in: Pelikán, Ferdinand (Hg.): Současná ruská filosofie. Sborník statí, Praha 1929, S. 59-79 Karsawin, Leo: Der Geist des russischen Christentums, in: v. Bubnoff, Nicolai/Ehrenberg, Hans (Hgg.): Östliches Christentum. Dokumente. II. Philosophie, München 1925, S. 307-377 Karsawin, L. P.: Die russische Idee, in: Der Gral. Katholische Monatsschrift für Dichtung und Leben, Jg. 19, Nr. 8, 1925a, S. 351-360 Kartašev, A. V.: Puti edinenija, in: Rossija i latinstvo 1923, S. 141-151 Kartašev, A. V.: Die Orthodoxe Kirche des Ostens – ein geschichtliches Gesamtbild, in: Kyrios. Vierteljahresschrift für Kirchen- und Geistesgeschichte Osteuropas, Jg. 1, Nr. 3, 1936 [Reprint Graz 1969], S. 217-232 Kasalaj, Anton: Das Cyrillo-Methodianische Velehrad und seine Unionskongresse, in: Slovak Studies 12, 1972 (= Cyrillo-Methodiana, Bd. 2), S. 153-191 Kaššovic, Ján/Klinovský, Karol (Hgg.): Pamätnica III. kongresu slovanských katolíckych akademikov a seniorov v Bratislave, 1931 Katkov, Georgy Mikhailovich: Masaryk’s Guests, in: Stone/Glenny (Hgg.) 1990, S. 254f.

418

Anhang

Katolícke Slovensko. 833-1933, Trnava 1933 Kirschbaum, Stanislav J.: Die Stellung der slowakischen Volkspartei zur Außenpolitik Prags, in: Bosl (Hg.) 1976, S. 315-335 Kissel, Wolfgang: Im Exil: Die mnemopoetische Moderne (1922-1940), in: Städtke, Klaus (Hg.): Russische Literaturgeschichte, Stuttgart/Weimar 2002, S. 277-289 Kistjakovskij, Bogdan: Zur Verteidigung des Rechts (Die Intelligencija und das Rechtsbewußtsein), in: Vechi 1990, S. 212-250 Klíčový muž únorového převratu: agent V-101, in: Lidové noviny, Jg. 21, Nr. 47, 25.02.2008, S. 1 und 4 Klimek, Antonín: Muž, který rozbíjel Československo. Příběh otce Slovenského státu Andreje Hlinky, in: Respekt, 27.09.-03.10.2001 Klímová, Milena: Slovanská knihovna a Slovanský ústav, in: Slovanský ústav v Praze. 70 let činnosti. Sborník statí. Bibliografie, Praha 2000, S. 50-53 Kmeťko, Karol: Význam Pribinovho chrámu, in: Katolícke Slovensko 1933, S. 399-406 Kobilinski-Ellis, L.: Das „heilige Rußland“ – sein Wesen und seine Sendung innerhalb der ökumenischen Kirche Christi, in: Theologie der Zeit (= Theologische Beihefte zum „Seelsorger“), Folge 2, 1937, S. 57-86 Kocourek, Ludomír: Unionismus jako jeden z výrazů vztahů k východní Evropě, in: Vodička, Stanislav/Goněc, Vladimír (Hgg.): Sborník vojenské akademie v Brně věnovaný mezinárodní konferenci Češi a Slováci a východní Evropa ve 20. století, Řada C (společenskovědní). Mimořádné číslo, Brno 1994, S. 257-261 Kohák, Erazim: Domov a dálava. Kulturní totožnost a obecné lidství v českém myšlení, Praha 2009 Köhler, Erich: Der literarische Zufall, das Mögliche und die Notwendigkeit, Frankfurt am Main 1993 Kohler, Gun-Britt: Boris de Schloezer (1881-1969). Wege aus der russischen Emigration, Köln/Weimar/Wien 2003 Kokoška, Stanislav/Pivcová, Zuzana: Generál Eliáš a Schmoranzova skupina tiskových důvěrníků, in: Historie a vojenství, Jg. 45, Nr. 6, 1996, S. 138-158 Kolejka, Josef/Šťastný, Vladislav: Die cyrillomethodische und großmährische Tradition im tschechischen politischen Geschehen im 19. und 20. Jahrhundert, in: Magna Moravia. Sborník k 1100. výročí příchodu byzantské mise na Moravu, Praha 1965 (= Spisy University J. E. Purkyně v Brně. Filosofická fakulta, Bd. 102), S. 587-609 Kolesnyk, Alexander: Modernes Denken im Katholizismus, in: Kučera, Zdeněk/Lášek, Jan B. (Hgg.): Modernismus. Historie nebo výzva? Studie ke genezi českého katolického modernismu, Praha 2002, S. 48-97 Kolísek, Karel (Hg.)/Kolísek, Dr. Alois: Cyrillo-Methodějství u Čechů a u Slováků, Brno 1935 Kollár, Jan: Rozpravy o slovanské vzájemnosti. Souborné vydání uspořádal Miloš Weingart, Praha 1929 Kolpinsky, Diodor: Die psychologischen Schwierigkeiten der Union mit den Russen, in: Hollnsteiner (Hg.) 1928, S. 52-57 Končelík, Jakub/Köpplová, Barbara/Kryšpínová, Jitka (Hgg.): Český tisk pod vládou Wolfganga Wolframa von Wolmara. Stenografické zápisy Antonína Fingera z protektorátních tiskových porad 1939-1941, Praha 2003 Konfessionalizm i interkonfessionalizm v christianskom studenčeskom dviženii, in: Duchovnyj mir studenčestva. Vestnik russkogo christianskogo studenčeskogo dviženija v Evrope, Praga, Nr. 5, 1925, S. 12-15 Kopf, Franz Rudolf: Nikolaj Berdjajew. Leben und Schaffen, in: Theologie der Zeit (= Theologische Beihefte zum „Seelsorger“), Folge 2, 1937, S. 117-128 Kopřivová, Anastasie: Bludné cesty ruské emigrace, in: Terlecký 1997, S. 175-183 Kopřivová, Anastasie: Střediska ruského emigrantského života v Praze (1921-1952), Praha 2001 Kopřivová-Vukolová, Anastasie: Osudy ruské emigrace v ČSR po r. 1945, in: Veber (Hg.) 1993, S. 80-94 Kordiovský, Emil (Hg.): XXII. Mikulovské sympozium 1992, Brno 1993 Kosatík, Pavel: Kde leží Rhodos. Karel Horký (1879-1965), in: Respekt, Nr. 33, 10.-16.08.2009, S. 60f.

Archiv- und Literaturverzeichnis

419

Kostincová, Jana: Poustevna básníků – básníci Poustevny. Ruská poezie 20. a 30. let 20. století v pražském exilu, Praha 2008 Kostrba-Skalicky, Oswald: Pathologie einer Beziehung: Die Sowjetunion und die Tschechoslowakei 1918-1938, in: Bosl (Hg.) 1976, S. 153-182 Kouřil, Miloš: Unionismus nebo panslavismus? K historii „Apoštolátu sv. Cyrila a Metoděje“, in: Kordiovský (Hg.) 1993, S. 127-132 Kovalev, M. V.: Russkie istoriki-ėmigranty o pričinach revoljucii 1917 g., in: Saburova, Taťjana A. (Hg.): Sociaľnye konflikty v istorii Rossii. Materialy vserossijskoj naučnoj konferencii, Omsk 2004, S. 58-62 Kozlovsky, Vladimir: Der Eurasismus – Ideengeschichte und Entwicklung einer russischen Bewegung, in: Kaiser, Markus (Hg.): Auf der Suche nach Eurasien. Politik, Religion und Alltagskultur zwischen Russland und Europa, Bielefeld 2004, S. 139-172 Kozeński, Jerzi: Die Historiographie der polnisch-tschechoslowakischen Beziehungen 1918-1945, in: Lemberg/Nitsche/Oberländer (Hgg.) 1977, S. 392-407 Kratochvil, Jiří: Vroucně nenávidím, in: Lidové noviny, 05.03.2001 Kratochvil, J./Černocký, K./Charvát, O.: Filosofický slovník, Brno 31934 und 41937 Krebs, Engelbert: Die Unionsmöglichkeiten für die katholische und russische Kirche, in: ders. Die Kirche und das neue Europa. Sechs Vorträge für gläubige und suchende Menschen, Freiburg im Breisgau 1924, S. 181-188 Kryšpínová, Jitka (Hg.): Řízení legálního tisku v Protektorátu Čechy a Morava (Edice tiskových konferencí z let 1939-1945) [CD], Praha 2010 Kšicová, Danuše: Češskie perevody K. D. Baľmonta, in: Balmont, K. D.: Duše Českých zemí ve slovech a činech, Brno 2001, S. 323-331 Kubíček, Tomáš s kolektivem (Hg.): Literární Morava. Vlastivěda Moravská. Země a lid. Nová řada. Sv. 11, Brno 2002 Kubíček, Tomáš: Katolická literatura od konce 19. století do roku 1939, in: Kubíček s kolektivem (Hg.) 2002, S. 167-187 Kudělka, Milan: [Einleitung], in: Šťastný (Hg.) 1968, S. 5-15 Kudělka, Milan/Šimeček, Zdeněk/Šťastný, Vladislav/Večerka, Radoslav: Československá slavistika v letech 1918-1939, Praha 1977 Kulikowski, Mark: Eine vernachlässigte Quelle: Die Bibliographien russischer Emigrantenveröffentlichungen seit 1917, in: Schlögel (Hg.) 1994, S. 373-385 Küng, Hans: Projekt Weltethos, München/Zürich 31991 Küng, Hans/Kuschel, Karl-Josef: Erklärung zum Weltethos. Die Deklaration des Parlaments der Weltreligionen, München 21996

L Lacko, Michael: Unionsbewegungen im slavischen Raum und in Rumänien, in: Nyssen, Wilhelm/Schulz, Hans-Joachim/Wiertz, Paul (Hgg.): Handbuch der Ostkirchenkunde. Band I, Düsseldorf 1984, S. 269-286 Lambrechts, Antoine: L’activité ecclésiale de Pierre E. Kovalevsky. Au service de l’Unité de l’Église, in: Davids/Poljakov (Hgg.) 2008, S. 165-172. Lappo-Danilevskij, Konstantin: „V Rime, – govoril ja, uezžaja iz Rossii, – choču umereť!“ Pervye gody ėmigracii Vjačeslava Ivanova, in: Göbler, Frank (Hg.): Russische Emigration im 20. Jahrhundert. Literatur – Sprache – Kultur, München 2005, S. 241-259 Lášek, Jan Blahoslav: Počátky křesťanství u východných slovanů, Praha 1997 (= Pontes Pragenses, Bd. 3) Lášek, Jan B.: Cyrilometodějská tradice od roku 1880 do současnosti, in: ders./Tonzarová, Hana (Hgg.): I oni jsou otcové naši … Cyrilometodějský sborník, Brno 2005, S. 9-18 Lašťovka, M./Ledvinka, V. a kol.: Pražský uličník. Encyklopedie názvů pražských veřejných prostranství. 1. díl (A-N), Praha 1997 Laub, Gabriel: Die Stadt ist eine Frau, in: Fischer-Diehl, Gerlind (Hg.): Ein Lächeln zwischen den Zeilen, München 1999, S. 55-57 Lemberg, Hans: Tschechen und Russen. Die slavische Idee in der Tschechoslowakei 1918-1938, in: Bosl (Hg.) 1975, S. 185-200

420

Anhang

Lemberg, Hans: Die Tschechoslowakei in der Kleinen Entente, in: Bosl (Hg.) 1976, S. 265-276 Lemberg, Hans: Die agrarischen Parteien in den Böhmischen Ländern und in der Tschechoslowakischen Republik, in: Gollwitzer, Heinz (Hg.): Europäische Bauernparteien im 20. Jahrhundert, Stuttgart/New York 1977, S. 323-358 Lemberg, Hans: Gibt es eine tschechoslowakische Geschichte? Versuche einer nationalen Geschichtsintegration, in: ders./Nitsche/Oberländer (Hgg.) 1977a, S. 376-391 Lemberg, Hans/Nitsche, Peter/Oberländer, Erwin (Hgg.): Osteuropa in Geschichte und Gegenwart. Festschrift für Günther Stökl zum 60. Geburtstag, Köln/Wien 1977 Lemberg, Hans: Die Slawistik in der tschechoslowakischen Republik. Wissenschaft im politischen Spannungsfeld, in: Bosl/Seibt (Hgg.) 1982, S. 289-301 Lemberg, Hans: Die Tschechoslowakei im Epochenjahr 1933, in: Bohemia, Jg. 25, 1984, S. 313-332 Lemberg, Hans: Unvollendete Versuche nationaler Identitätsbildungen im 20. Jahrhundert im östlichen Europa: die „Tschechoslowaken“, die „Jugoslawen“, das „Sowjetvolk“, in: Berding, Helmut (Hg.): Nationales Bewußtsein und kollektive Identität. Studien zur Entwicklung des kollektiven Bewußtseins in der Neuzeit 2, Frankfurt am Main 1994, S. 581-607 Letnjaja konferencija v Šternberge, in: Duchovnyj mir studenčestva. Vestnik russkogo christianskogo studenčeskogo dviženija v Evrope, Praga, Nr. 2, Oktober 1923, S. 14-19 Letz, Róbert: Aprílová dohoda ako podmienka volebného víťazstva Demokratickej strany v roku 1946, in: Medvecký (Hg.) 2006, S. 11-30 Libosvar, Zdeněk: Arcibiskup Stojan. Život a dílo, Brno 1995 Literární archív. Ročník 26, sv. 2 (P-Ž). Průvodce po fondech literárního archívu PNP, Praha 1993 Literaturnyj konkurs O-va (1927 g.). Protokol zasedanija komissii-žjuri po ustanovleniju premii imeni d-ra Simeona Sabova […], in: Karpatskij svet, Jg. 1, Nr. 1-2-3, 1928, S. 4-6 Lobkowicz, Nikolaus: Die Europäische Bedeutung der Heiligen Cyrill und Methodius. Zur Enzyklika „Slavorum Apostoli“, in: Forum katholische Theologie, Jg. 1, Nr. 4, 1985, S. 241-263 Losskij, N. O.: Vospominanija. žizn’ i filosofskij put’, München 1968 Lukes, Igor: Czechoslovakia between Stalin and Hitler. The Diplomacy of Edvard Beneš in the 1930s, New York/Oxford 1996 Luks, Leonid: Die Ideologie der Eurasier im zeitgeschichtlichen Zusammenhang, in: Jahrbücher für Geschichte Osteuropas, Jg. 34, Nr. 3, 1986, S. 374-395 Luks, Leonid: Zwischen Bruch und Kontinuität – Zur Ideengeschichte der „ersten“ russischen Emigration (1920-1939), in: Müller/Klehr (Hgg.) 1992, S. 129-140 Lurker, Manfred: Wörterbuch biblischer Bilder und Symbole, München 41990 Lustigová, Martina: Karel Kramář. První československý premiér, Praha 2007

M Mácha, Karel: Die philosophischen Traditionen im Gebiet der vormaligen Tschechoslowakei, in: Dahm/Ignatow (Hgg.) 1996, S. 389-447 Máchal, Jan: Slovanské literatury. Díl I-III, Praha 1922-1929 Machilek, Franz: Welehrad und die Cyrill-Method-Idee im 19. und 20. Jahrhundert, in: Archiv für Kirchengeschichte von Böhmen-Mähren-Schlesien, Band VI, Königstein/Taunus 1982, S. 156-183 Machilek, Franz: „Velehrad ist unser Programm“. Zur Bedeutung der Kyrill-Method-Idee und der Velehradbewegung für den Katholizsimus in Mähren im 19. und 20. Jahrhundert, in: Bohemia, Jg. 45, 2004, S. 353-395 Mágr, A. St.: Die Zukunft des Kongresses der slavischen Geographen und Ethnographen, in: Slavische Rundschau, Jg. 3, 1931, S. 101-110 Magris, Claudio: Prag als Oxymoron, in: Neohelicon, Jg. 7, Nr. 2, 1979, S. 11-65 Mandát, Jaroslav: Vzpomínka na S. G. Vilinského, in: Sborník prací filozofické fakulty brněnské univerzity, D 33, 1986, S. 125-126 Maner, Hans-Christian/Schulze Wessel, Martin (Hgg.): Religion im Nationalstaat zwischen den Weltkriegen 1918-1939. Polen – Tschechoslowakei – Ungarn – Rumänien, Stuttgart 2002 Marek, Luboš: Dějiny křesťanství na Rusi. I. Kyjevská Rus, Hostinné 1996 Marek, Pavel: Český katolicismus 1890-1914. Kapitoly z dějin českého katolického tábora na přelomu

Archiv- und Literaturverzeichnis

421

19. a 20. století, Olomouc 2003 Marek, Pavel: Církevní krize na počátku první Československé republiky (1918-1924), Brno 2005 Marianov, Ivan: K základům katolického unionismu, Sonderdruck Brno 1948 Masaryk, Tomáš Garrigue: Hus českému studentstvu, in: ders. Jan Hus. Naše obrození a naše reformace, Praha 1990, S. 107-118 Masaryk, T. G.: Rusko a Evropa I, Praha 1995 (= Spisy T. G. Masaryka, Bd. 11) Masaryk, T. G.: Rusko a Evropa II, Praha 1996 (= Spisy T. G. Masaryka, Bd. 12) Masaryk, Tomáš Garrigue: Pomoc Rusku Evropou a Amerikou, in: ders./Beneš, Edvard: Otevřít Rusko Evropě. Ruská otázka v roce 1922, Praha 1997, S. 7-19 Masaryk, T. G.: Česká otázka. Naše nynější krize. Jan Hus, Praha 2000 (= Spisy T. G. Masaryka, Bd. 6) Masaryk, T. G.: Česká otázka, in: Masaryk 2000 [nach 41936], S. 11-169 Masaryk, T. G.: Jan Hus. Naše obrození a naše reformace, in: Masaryk 2000, S. 310-366 Mastyľak, Ivan: Význam Vladimíra Solověva, in: Vyšehrad, Jg. 1, Nr. 25-27, 24.04.1946, S. 4-7 Med, Jaroslav: Spisovatelé ve stínu. Studie o české literatuře, Praha 1995 Medvecký, Matej (Hg.): Posledné a prvé slobodné (?) voľby – 1946, 1990, Bratislava 2006 Meyrink, Gustav: Walpurgisnacht. Phantastischer Roman, Berlin 21987 Michajlov, Oleg N.: Literatura russkogo zarubež’ja, Moskva 1995 Michlova, Maria: Komitet po obespečeniju obrazovanija russkich studentov, in: Dobuševa/Krymova (Hgg.) 2008, S. 55-58 Mikula, Karel, unter Mitarbeit von Schubert, Erich (Red.): Zeitungen und Zeitschriften im Protektorat Böhmen und Mähren, Prag 1941 Milotová, Jaroslava: Organizace nacistické propagandy a její působení v Protektorátu Čechy a Morava, in: Historie a vojenství, Jg. 49, Nr. 1, 2000, S. 87-99 Mirskij, Dmitrij Svjatopolk: Die Dichtung nach 1910, in: ders. Geschichte der russischen Literatur, München 1964, S. 438-444 Mlynárik, Ján: Osud banderovců a tragédie řeckokatolické církve, Praha 2005 Moravec, Emanuel: Pět let kulturní práce, in: Po pěti letech 1939-1944, Praha 21944, S. 141-154 Mrchožrútstvo, in: Slovák, Jg. 13, Nr. 172, 02.08.1931, S. 1 Mrštík, Vilém: Santa Lucia. Román, Praha 1952 Muckermann, Friedrich: Vom östlichen Christentum, in: Theologische Revue, Jg. 25, Nr. 6, 1926, Sp. 201-205 Müller, Eberhard/Klehr, Franz Josef (Hgg.): Russische religiöse Philosophie. Das wiedergewonnene Erbe: Aneignung und Distanz, Stuttgart 1992 Müller, Ludolf: Die Taufe Rußlands. Die Frühgeschichte des russischen Christentums bis zum Jahre 988, München 1987 Müller-Funk, Wolfgang: Erfahrung und Experiment. Studien zu Theorie und Geschichte des Essayismus, Berlin 1995 Muratova, K. D. (Hg.)/Alekseev, A. D.: Literatura russkogo zarubež’ja. Knigi 1917-1940. Materialy k bibliografii, Sankt-Petersburg 1993 Myslivec, J.: Cyrillus (Konstantin) und Methodius, in: Braunfels, Wolfgang (Hg.): Lexikon der christlichen Ikonographie, Bd. 6, Rom/Freiburg/Basel/Wien 1974 [Sonderausgabe 1990], Sp. 23-26

N Nabokov, Vladimir: Erinnerung, sprich. Wiedersehen mit einer Autobiographie, Reinbek 1999 Naschér: Die tschechoslowakische Provinzpresse, in: Zeitungswissenschaft, Nr. 3, 1934, S. 126-129 Nécsey, Eduard: Apoštolát sv. Cyrila a Metoda, in: Katolícke Slovensko 1933, S. 500-504 Nemec, Ludvik: The Czech Jednota, the Avant-garde of Modern Clerical Progressivism and Unionism, in: Proceedings of the American Philosophical Society, Jg. 112, Nr. 1, Februar 1968, S. 74-100 Neruda, Jan: Jak si nakouřil pan Vorel pěnovku, in: ders. Povídky malostranské, Praha 2004, S. 137-142 Neumann, Stanislav Kostka: Československá cesta, in: ders. Stati o umění a politice, Praha 1980, S. 231-242

422

Anhang

Novák, Arne und Jan V.: Přehledné dějiny literatury české od nejstarších dob až po naše dny, Olomouc 41936-1939 [Reprint Brno 1995] Nyssen, Wilhelm/Schulz, Hans-Joachim/Wiertz, Paul (Hgg.): Handbuch der Ostkirchenkunde. Band III, Düsseldorf 1997

O Olšr, Josef: Služebník boží. Antonín Cyril Stojan. Olomoucký arcibiskup, Řím 1966 Omeľčenko, N. A.: V poiskach Rossii. Obščestvenno-političeskaja mysľ russkogo zarubež’ja o revoljucii 1917 g., boľševizme i buduščich suďbach rossijskoj gosudarstevennosti, Sankt-Peterburg 1996 Orden za bor’bu s bezbožiem, in: Jedinstvo, Nr. 40, 04.12.1931, S. 2 Otčet o sostojanii i dejateľnosti russkogo juridičeskogo fakuľteta v Prage za 1926-1927 učebnyj god s obščim obzorom ego pjatiletnej dejateľnosti (1922-1927), Praga 1927

P Pacner, Karel: Československo ve zvláštních službách. Pohledy do historie čekoslovenských výzvědných služeb 1914-1989. Díl III. 1945-1961, Praha 2002 Pasák, Tomáš: Aktivističtí novináři a postoj generála Eliáše v roce 1941, in: Československý časopis historický, Jg. 15, Nr. 2, 1967, S. 173-192 Pasák, Tomáš: Problematika protektorátního tisku a formování tzv. skupiny aktivistických novinářů na počátku okupace, in: Příspěvky k dějinám KSČ, Jg. 7, Nr. 1, 1967a, S. 52-80 Pasák, Tomáš: Soupis legálních novin, časopisů a úředních věstníků v českých zemích z let 1939-1945, Praha 1980 Pavlincová, Helena: Alfred Fuchs, in: Gabriel (Hg.) 1998, S. 139f. Pecka, Dominik: České katolictví 20. století v evropském kontextu, in: Neradová, Květoslava (Hg.): Katolická ročenka 1970, S. 60-70 Pehr, Michal: Slovanství a třetí republika aneb Slovanství v programech českých poválečných politických stran, in: Hrodek a kol. (Hgg.) 2004, S. 166-173 Pesch, Otto Hermann: Das Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965). Vorgeschichte – Verlauf – Ergebnisse – Nachgeschichte, Würzburg 21994 Pfeilschifter, Georg: Die kirchlichen Wiedervereinigungsbestrebungen der Nachkriegszeit, München 1923 Pfleger, Karl: Wladimir Solovjeff als Philosoph des Gottmenschentums und der Unionsidee, in: Hochland, Jg. 25, Nr. 1, Dezember 1927, S. 225-237 und 405-421 Pfleger, Karl: Berdjajew, der ostchristliche Gnostiker, in: ders. Geister, die um Christus ringen, Salzburg/Leipzig 1934, S. 275-304 Podaný, Václav/Barvíková, Hana (Hgg.): Ruská a ukrajinská emigrace v Československé republice 1918-1938: Přehled archivních fondů a sbírek uložených v České republice, Praha 1996 Podaný, Václav/Barvíková, Hana: Emigrace z Ruska v meziválečném Československu. Prameny v českých, moravských a slezských archivech, Praha 2000 Podhájecká, Tat’jana: Ruský periodický tisk vycházející v Praze v meziválečném období, in: Slovanský přehled, Jg. 79, Nr. 1, 1993, S. 75-83 Podivinský, Mirek: Kirche, Staat und religiöses Leben der Tschechen in der ersten Republik, in: Bosl/Seibt (Hgg.) 1982, S. 227-240 Podlaha, Antonín/Tumpach, J. (Hgg.): Český slovník bohovědný. Sv. 1, Praha 1912 und Sv. 2, 1916; nur noch Podlaha (Hg.): Sv. 3, 1926; Sv. 4, 1926a und Sv. 5, 1932 [unvollendet] Pojsl, Miloslav/Hyhlík, Vladimír: Velehrad. Bazilika Nanebevzetí Panny Marie a sv. Cyrila a Metoděje, Velehrad 1997 (= Církevní památky, Bd. 19) Poljakov, Fedor B.: Nikolaj Trubetzkoys eurasische Vision: Hintergründe und Wirkung, in: Trubetzkoy, Nikolaj S.: Russland – Europa – Eurasien. Ausgewählte Schriften zur Kulturwissenschaft, Wien 2005 (= Schriften der Balkan-Kommission, Bd. 45), S. 315-414 Poljakov, Fedor: Soblazn dialoga: predposylki mežkonfessionaľnoj pozicii evrazijcev v načale 1920-x godov, in: Davids/Poljakov (Hgg.) 2008, S. 173-191 von Popow, Sergius: Ein „ost-westlicher“ Wegversuch, in: West-östlicher-Weg, Jg. 2, Nr. 4, April

Archiv- und Literaturverzeichnis

423

1929, S. 85-91 Poppe, Andrzej: Das Reich der Ruś im 10. und 11. Jahrhundert, in: Jahrbücher für die Geschichte Osteuropas, Jg. 28, Nr. 3, 1980, S. 334-354 Pospíšil, Ivo: Srdce literatury: Alois Augustin Vrzal (1864-1930), Brno 1993 Pospíšil, Ivo: Alois Augustin Vrzal: Koncepce a dokumenty, in: Sborník prací filosofické fakulty brněnské university, D 40, 1993a, S. 53-62 Pospíšil, Ivo: Sergij Vilinskij an der Masaryk-Universität in Brünn: Fakten und Zusammenhänge, in: Wiener Slavistisches Jahrbuch, Jg. 42, 1996, S.223-230 Pospíšil, Ivo/Zelenka, Miloš: René Wellek a meziválečné Československo (Ke kořenům strukturální estetiky), Brno 1996 Pospíšil, Ivo: Mitteleuropa und Tschechoslowakei: Suche nach einem literaturwissenschaftlichen Kompromiss, in: ders. (Hg.): Litteraria Humanitas XI. Crossroads of cultures: Central Europe, Brno 2002, S. 143-158 Pospíšilová, L.: Spolky ruské meziválečné emigrace v Brně, in: Veber (Hg.) 1993, S. 46-62 Postnikov, S. P. (Hg.): Russkie v Prage. 1918-1928, Praga 1928 [Reprint Praha 1995] Poznámky a zprávy, in: Archa, Jg. 26, 1938, S. 94 Poznámky a zprávy, in: Archa, Jg. 28, 1940, S. 227 Pražák, Albert: Cyrilometodějské a velkomoravské prvky v české slovesnosti, in: Kurz, Josef/Murko, Matyáš/Vašica, Josef (Hgg.): Slovanské studie. Sbírka statí věnovaných prelátu univ. profesoru Dr Josefu Vajsovi k uctění jeho životního díla, Praha 1948, S. 232-254 Prečan, Vilém: Slovenský katolicizmus pred februárom 1948, Bratislava 1961 Prečan, Vilém: Únorový převrat 1948 v Československu v mezinárodním kontextu. Bezprostřední a dlouhodobé důsledky, in: Beneš, Zdeněk/Kováč, Dušan/Lemberg, Hans (Hgg.): Hledání jistoty v bouřlivých časech. Češi, Slováci, Němci a mezinárodní systém v první polovině 20. století, Ústí nad Labem 2006, S. 345-413 Pred tribúnou, in: Slovák, Jg. 15, Nr. 183, 15.08.1933, S. 4 Program 1100 ročných jubilárnych osláv založena prvého kresťanského chrámu kniežaťom pribinom v Nitre, Nitra 1933 Przywara, Erich: Die Problematik der Neuscholastik, in: Kant-Studien, Jg. 33, Nr. 1-2, 1928, S. 73-98 Putna, Martin C.: Rusko mimo Rusko. Dějiny a kultura ruské emigrace 1917-1991, I, Brno 1993 Putna, Martin C.: Česká katolická literatura v evropském kontextu 1848-1918, Praha 1998 Putna, Martin C.: Kulturní aktivity olomouckých dominikánů a jejich místo v dějinách české katolické literatury, in: Souvislosti, Jg. 11, Nr. 3-4 (45-46), 2000, S. 65-77 Putna, Martin C.: Jaroslav Durych, Praha 2003

Q Quintus unionisticus congressus Velehradii anno MCMXXVII, Olomouc 1927

R Rabas, Josef: Die Cyrill- und Method-Idee in den Reformbestrebungen des tschechischen Klerus, in: Suttner, Ernst Chr./Patock, Colestin (Hgg.): Wegzeichen. Festgabe zum 60. Geburtstag Prof. Dr. Hermenegild M. Biedermann, Würzburg 1971, S. 333-347 Rachůnková, Z./Řeháková, M./Vacek, J.: Práce ruské, ukrajinské a běloruské emigrace vydané v Československu 1918-1945, Teil 1, Praha 1996 Rademacher, Arnold: Die Wiedervereinigung der christlichen Kirchen, Bonn 1937 [Radioprogramm], in: Český deník, Jg. 29, Nr. 114, 26.04.1940, S. 6 Raeff, M.: Russians Abroad. A Cultural History of the Russian Emigration 1919-39, Oxford 1990 Raev, Mark: Rossija za rubežom. Istorija kuľtury russkoj ėmigracii 1919-1939, Moskau 1994 [= russ. Ausgabe von Raeff 1990] Riasanovsky, Nicholas V.: The Emergence of Eurasianism, in: California Slavic Studies, Nr. 4, 1967, S. 39-72

424

Anhang

Rimscha, Hans v.: Rußland jenseits der Grenzen 1921-1926. Ein Beitag zur russischen Nachkriegsgeschichte, Jena 1927 Rimscha, Hans v.: Die Entwicklung der rußländischen Emigration nach dem Zweiten Weltkrieg (1. Teil), in: Europa-Archiv, Jg. 7, Nr. 16, 1952, S. 5103-5112 Ripka, Hubert: Únorová tragédie. Svědectví přímého účastníka, Brno 1995 Rokosová, Šárka: O charakterových vlastnostech a povaze JUDr. Valerije Vilinského […], Praha 2003 [Typoskript] Romin-Petrov, I.: Unionismus u Vladimíra Solověva, in: Vyšehrad, Jg. 1, Nr. 25-27, 24.04.1946, S. 20-23 Rossija i latinstvo. Sbornik statej, Berlin 1923 Rostinsky, Josef Normon: Jakub Demľs Proximity to the Czech Avantgarde, Brown University 1981 [University Microfilms] Rusové děkují sv. Otci za jeho lásku k Rusku, in: Hlas, Jg. 57, Nr. 4166, 04.04.1930, S. 3 Russkaja, ukrainskaja i belorusskaja ėmigracija v Čechoslovakii meždu dvumja mirovymi vojnami. Rezul’taty i perspektivy issledovanij. Fondy Slavjanskoj biblioteki i pražskich archivov, Praga 1995 Různé zprávy. Dr. Valerij Vilinský, dopisovatel „Hlasu“ vyznamenán, in: Hlas, Jg. 59, Nr. 4342, 11.12.1931 Rychlík, Jan: Češi a Slováci ve 20. století. Česko-slovenské vztahy 1945-1992, Bratislava 1998 Rychlík, Jan: Metamorfóza slovanské myšlenky a idejí panslavismu v období komunismu, in: Hrodek a kol. (Hgg.) 2004 S. 127-134

S/Š S., Dr.: Záchrana slovanských národů v sjednocení s Římem, in: Našinec, Jg. 71, Nr. 165, 21.07.1938, S. 1f. Salajka, Antonín: Dva příspěvky k otázce církevního sjednocení, in: Apoštolát sv. Cyrila a Metoděje, Jg. 31, 1940, S. 346 Salaville, S.: Ľunité de ľ eglise et le probléme de la réunion des chrétiens séparés, in: Acta Academiae Velehradensis, Jg. 14, Nr. 1, 1938, S. 25-45 Šalda, František Xaver: Z nové literatury o Otokarovi Březinovi, in: Šaldův zápisník. IV. 1931-1932, Praha 1991, S. 24-35 Šalda, František Xaver: „Ubohý Březina“?, in: Šaldův zápisník. IV. 1931-1932, Praha 1991a, S. 274-276 Saňka, Antonín (Hg.): Tváří k východu. Příspěvky k poznání křesťanského východu 1, Brno 1948 Šaur, Josef: Ruské revoluce v pojetí ruské emigrace na příkladu P. N. Miljukova, in: Hanuš/Vlček (Hgg.) 2008, S. 54-68 Savickij, I./Savickaja, E.: Grustnyj jubilej. K 70-letiju dnja otkrytija Russkogo juridičeskogo fakuľteta v Prage, in: Gosudarstvo i pravo, Nr. 6, 1992, S. 96-105 Savickij, Ivan: Specifika Pragi kak duchovnogo centra ėmigracii, in: Běloševská, L. (Hg.) 1999, S. 47-95 Savickij, Ivan: Praga i zarubežnaja Rossija, Praga 2002 Savickij, Petr N.: V bor’be za evrazijstvo, Paris 1931 Sborník družiny literární a umělecké k padesátým narozeninám P. Emanuela Masáka, Olomouc 1933 Sborník Moravana k pětadvacátému výročí trvání, Brno 1931 Schärf, Christian: Geschichte des Essays. Von Montaigne bis Adorno, Göttingen 1999 Schenk, Klaus: Essayistik der Migration. Essayistisches Schreiben als kulturelle Übersetzung bei Libuše Moníková und Yoko Tawada, in: ders. et al. (Hgg.): Migrationsliteratur. Schreibweisen einer interkulturellen Moderne, Tübingen 2004, S. 97-114 Scherrer, Jutta: Die Petersburger Religiös-Philosophischen Vereinigungen. Die Entwicklung des religiösen Selbstverständnisses ihrer Intelligencija-Mitglieder (1901-1917), Wiesbaden 1973 Schlögel, Karl: Wiedergelesen am Ende des 20. Jahrhunderts. T. G. Masaryks „Rußland und Europa“, in: Masaryk, Tomáš G.: Russische Geistes- und Religionsgeschichte. Erster Band, Frankfurt am Main/Wien 1992, S. V-XXVII Schlögel, Karl: Der große Exodus. Die russische Emigration und ihre Zentren. 1917 bis 1941,

Archiv- und Literaturverzeichnis

425

München 1994 Schlögel, Karl: Einführung, in: ders. (Hg.) 1994, S. 9-20 Schlögel, Karl: Berlin: „Stiefmutter unter den russischen Städten“, in: Schlögel (Hg.) 1994, S. 234-259 Schlögel, Karl (Hg.): Russische Emigration in Deutschland 1918 bis 1941. Leben im europäischen Bürgerkrieg, Berlin 1995 Schlögel, Karl: Russische Emigration in Deutschland 1918-1941. Fragen und Thesen, in: ders. (Hg.) 1995, S. 11-16 Schmid, Wolf: Jak si nakouřil pan Vorel pěnovku. Událostnost v Nerudových Povídkách malostranských, in: Česká literatura, Jg. 42, Nr. 6, 1994, S. 570-583 Schmid-Egger, Barbara: Klerus und Politik in Böhmen um 1900, München 1974 Schmitt, Bertram: Eine Zwischenbemerkung. Zu dem vorausgehenden Aufsatz von S. v. Popows und dem nachfolgenden Aufsatz Dr. W. Wilinskij’s, in: West-östlicher Weg, Jg. 2, Nr. 4, April 1929, S. 91-93 Schmitt, Bertram: Zur russischen Frage, in: West-östlicher Weg, Jg. 2, Nr. 6, Juni 1929a, S. 137-139 Schultze, Brigitte: Mythen, Topoi, Kulturthemen und andere sinntragende Ordnungen in neueren Identitätsdebatten. Am Beispiel der russischen, polnischen und tschechischen Kultur, in: Turk, Horst/Schultze, Brigitte/Simanowski, Roberto (Hgg.): Kulturelle Grenzziehungen im Spiegel der Literaturen: Nationalismus, Regionalismus, Fundamentalismus, Göttingen 1998, S. 220-238 Schulz, Hans-Joachim: Der Ökumenische Dialog zwischen der katholischen Kirche und den orthodoxen Kirchenfamilien, in: Nyssen/Schulz/Wiertz (Hgg.) 1997, S. 211-244 Schulz, Karel: Próza, in: Chvatík, Květoslav/Pešat, Zdeněk (Hgg.): poetismus, Praha 1967, S. 123-125 Schulze Wessel, Martin: Konfessionelle Konflikte in der Ersten Tschechoslowakischen Republik: Zum Problem des Status von Konfessionen im Nationalstaat, in: Maner/Schulze Wessel (Hgg.) 2002, S. 73-101 Schweikle, Irmgard: Essay, in: Schweikle, Günther und Irmgard (Hgg.): Metzler-Literatur-Lexikon. Begriffe und Definitionen, Stuttgart 21990, S. 139f. Ščukin, Vasilij: O zakonomernosti russkogo zapadničestva, in: Evropa. Žurnal poľskogo instituta meždunarodnych del, Jg. 2, Nr. 3 (4), 2002, S. 55-72 Šebek, Jaroslav: Der Tschechische Katholizismus im Spannungsfeld von Kirche, Staat und Gesellschaft zwischen den Weltkriegen, in: Maner/Schulze Wessel (Hgg.) 2002, S. 145-156 Šebek, Jaroslav: Die geistliche Erneuerung und ihre Reflexion in den politischen Aktivitäten tschechischer und deutscher Katholiken in der Tschechoslowakei in der Zwischenkriegszeit, in: Bendel (Hg.) 2007, S. 83-101 Sedmidubský, Miloš: Jan Nerudas „Kleinseitner Geschichten“ als Antiidylle. Zur Geschichte des Idyllischen in der tschechischen Literatur, in: Setschkareff, V./Rehder, P./Schmid, H. (Hgg.): Ars philologica slavica. Festschrift für Heinrich Kunstmann, München 1988, S. 412-428 Seide, Georg: Verantwortung in der Diaspora. Die Russische Orthodoxe Kirche im Ausland, München 1989 Seide, Gernot: Geschichte der Russischen Orthodoxen Kirche im Ausland von der Gründung bis zur Gegenwart, Wiesbaden 1983 Seifert, Josef Leo: Die Rolle der Slawen in der Geschichte Europas, in: Abendland, Slawentum und Ostkirchen 1926, S. 5-25 Seifert, Josef Leo: Jaroslav Durych. Der katholische Dichter der Tschechen, in: Hochland, Jg. 25, Nr. 1, Oktober 1927-März 1928, S. 540-547 Sekera, Jon: Einleitung, in: Tiso, Jozef: Die Wahrheit über die Slowakei (Verteidigungsrede gehalten am 17. und 18. März 1947 vor dem „National“-Gericht in Bratislava), o. O. [In der Emigration] 21948, S. 3-17 Senderov, Valerij: Das Eurasiertum – ein Mythos des 21. Jahrhunderts?, in: Luks, Leonid (Hg.): Das Christentum und die totalitären Herausforderungen des 20. Jahrhunderts, Köln/Weimar/Wien 2002, S. 115-131 Serapionova, E. P.: Rossijskaja ėmigracija v Čechoslovackoj respublike (20 - 30-e gody), Moskva 1995

426

Anhang

VII. unionisticus congressus Velehradii anno MCMXXXVI, Olomouc Šimeček, Zdeněk: Ruští a ukrajinští slavisté v meziválečném Československu, in: Slovanský přehled, Jg. 79, Nr. 1, 1993, S. 25-37 Simmel, Georg: Exkurs über den Fremden, in: ders. Soziologie. Untersuchungen über die Formen der Vergesellschaftung, Frankfurt am Main 1992 (= Gesamtausgabe, Bd. 2), S. 764-771 Singer, Mona: Fremd. Bestimmung. Zur kulturellen Verortung von Identiät, Tübingen 1997 (= Perspektiven, Bd. 6) Skalický, Karel: Radost a naděje, Řím 1968 Skalický, Karel: Katolická filosofie a teologie zvláště tomistická v české společnosti XIX. a XX. století, in: Slovo a naděje. Sborník, Řím 1978, S. 45-79 Skalický, Karel: Osudy katolické církve v Československu (1918-1988), in: Studie, Nr. 130-131, Apri/Mai 1990, S. 358-376 Skalický, Karel: Ekumenismus na druhém vatikánském koncilu, Kostelní Vydří 1997 Skalický, Karel: Gaudium et spes po třiceti pěti letech. Předmluva k 2. vydání, in: ders. Radost a naděje. Církev v dnešním světe, Kostelní Vydří 2000, S. 17-45 Škrášek, Josef: Dělník na cyrilometodějské líše. Život a dílo preláta ThDr. Františka Cinka, Olomouc 1996 Sládek, Oldřich: Zločinná role gestapa. Nacistická bezpečnostní policie v českých zemích 1938-1945, Praha 1986 Sládek, Zdeněk: Russkaja i ukrainskaja ėmigracija v Čechoslovakii, in: Sovetskoe slavjanovedenie, Nr. 6, 1991, S. 24-36 Sládek, Zdeněk: Ruská emigrace v Československu. (Problémy a výsledky vyzkumu), in: Slovanský přehled, Jg. 79, Nr. 1, 1993, S. 1-13 Sládek, Zdeněk: Prag: Das „russische Oxford“, in: Schlögel (Hg.) 1994, S. 218-233 Sládek, Zdeněk: Ruské a ukrajinské školství v Československu, in: Veber (Hg.) 1996, S. 15-21 Sládek/Běloševská (Hgg.): Dokumenty k dějinam ruské a ukrajinské emigrace v Československé republice (1918-1939), Praha 1998 Sládek, Zdeněk: České prostředí a ruská emigrace (1918-1938), in: Běloševská, L. (Hg.) 1999, S. 7-46 Sládek, Zdeněk: Malá dohoda 1919-1938. Její hospodářské, politické a vojenské komponenty, Praha 2000 Sládek, Zdeněk: Revoluční mesianismus a nerevoluční kontinuita, in: Švankmajer, Milan/Veber, Václav/Sládek, Zdeněk/Moulis, Vladislav/Dvořák, Libor: Dějiny Ruska, Praha 42004, S. 339-355 Slavík, Jan (Red.)/Postnikov, S. P.: Bibliografie ruské revoluce a občanské války (1917-1921). Z katalogu knihovny R. z. h. archivu, Praha 1938 [Reprint Neudeln 1976] Slenczka, Reinhard: Ostkirche und Ökumene. Die Einheit der Kirche als dogmatisches Problem in der neueren ostkirchlichen Theologie, Göttingen 1962 Slonim, Mark L.: Po zolotoj trope. Čechoslovackie vpečatlenija, Paris 1928 Šmelhaus, Stanislav: Velehradské zvony. K jubilejnímu cyrilometodějskému roku 1963 vydal Český umělecký klub v Chicagu pod záštitou Národního svazu českých katolíků, Chicago 1962 Šmigeľ, Michal: Ruská a ukrajinská politická emigrácia v Česko-Slovensku (1918-1945) a spôsoby jej likvidácie v povojnových rokoch, in: Hrodek a kol. (Hgg.) 2004, S. 326-344 Smolitsch, Igor: Geschichte der russischen Kirche. 1700-1917. Erster Band, Leiden 1964 Sňatek pana JUDr. Valeria Vilinského, spolupracovníka „Hlasu“, se sl. Vojtěškou, rozenou Žižkovou, in: Hlas, Jg. 60, Nr. 4441, 22.11.1932, S. 1 Snow, Edgar: Američan se dívá na Sovětský svaz, Praha 1947 Sokolov, Alekseij G.: Sud’by russkoj literaturnoj ėmigracii 1920-x godov, Moskva 1991 Soldán, Ladislav: „Duch moderní se vší závaznou kletbou tohoto slova …“ (J. Durych v kontextu katolické literární kritiky 20. a 30. let), in: Bloudění časem a prostorem 1997, S. 327-335 Soltykoff, Graf Alexander: Das doppelte Gesicht Rußlands, in: Hochland, Jg. 18, Nr. 1, Oktober 1920, S. 15-42 Soltykoff, Graf Alexander: Ex occidente lux. Der Stand des religiösen Lebens im gegenwärtigen Rußland,

Archiv- und Literaturverzeichnis

427

in: Hochland, Jg. 25, Nr. 1, November 1927, S. 113-138 Souborný přehled pokynů pro tiskovou přehlídku platných ode dne 17. září 1939, in: Končelík/ Köpplová/Kryšpínová (Hgg.) 2003, S. 467-488 [= Příloha a] Soukup, Emilian: Filosofie náboženství. Studijní přehled, Praha 1935 Sousedík, Stanislav: Tschechoslowakei, in: Coreth, E./Neidl, W. M./Pfligersdorffer, G. (Hgg.): Christliche Philosophie im katholischen Denken des 19. und 20. Jahrhunderts. Band 2. Rückgriff auf scholastisches Erbe, Graz/Wien/Köln 1988, S. 837-845 Špaček, Michael: Apoštolát svatého Cyrila a Metoděje a jeho současný ekumenický význam, in: Ambros (Hg.) 2007, S. 58-71 Spektator: Zrcadlo odpůrců družstevní svépomoci (O hospodaření v obchodnických družstvech), Praha 1935 Špidlík, Tomáš: Russische Spiritualität, Regensburg 1994 Spiknutí proti republice. Dokumentární vylíčení cílů, organisace, rozsahu a vývoje odhaleného protistátního spiknutí na Slovensku, Praha 1947 Spilka, Zdeněk: Úvod, in: Gumilev 1933, S. 7f. Srkal, Viktor: Ocel, beton a statečné srdce říšského vojáka […] und V prvních liniích mezi Karlsruhe a Saarbrücken, in: Národní politika, Jg. 58, Nr. 66, 07.03.1940 und Nr. 67, 08.03.1940, jeweils S. 3 Štampach, Odilo Ivan: Nástin ekumenické teologie. Informace a úvahy s ohledem na českou ekumenickou situaci, Praha 1995 Stasiewski, Bernhard: Geschichtliche Überlegungen zur kirchlichen Trennung zwischen Orient und Okzident, in: Das Christentum des Ostens und die christliche Einheit 1965, S. 13-40 Stasiewski, Bernhard: Päpstliche Unionshoffnungen – Die selbständigen und die mit Rom unierten Ostkirchen, in: Jedin, Hubert (Hg.): Handbuch der Kirchengeschichte. Band VI. Die Kirche der Gegenwart. Zweiter Halbband: Die Kirche zwischen Anpassung und Widerstand (1878-1941), Freiburg/Basel/Wien 1973, S. 345-387 Šťastný, Vladislav (Hg.): Slovanství v národním životě Čechů a Slováků, Praha 1968 Stojan, Antonín Cyril: Katolíci! Dítky cyrilometodějské!, in: Cinek 1933, S. 248-250 Stojan, Antonín Cyril: O idei cyrilometodějské [Rede auf dem III. Katolický sjezd, Brno 1903], in: Cinek 1933, S. 457-462 Stone, Norman/Glenny, Michael (Hgg.): The Other Russia, London 1990 Strakoš, Jan: Na obranu Durychovy Religiosity (Několik poznámek ke Götzově „podobizně“ Durycha), in: Tvar, Jg. 1, Nr. 2, 1927, S. 31-40 Strakoš, Jan: Das katholische Schrifttum der Tschechoslowaken, in: Katholische Leistung in der Weltliteratur der Gegenwart. Dargestellt von führenden Schriftstellern und Gelehrten des In- und Auslandes, Freiburg im Breisgau 1934, S. 301-310 Stránský, Jaroslav: Poslanec píše vládě, Praha 1933 Striedter, Jurij: Der Schelmenroman in Russland. Ein Beitrag zur Geschichte des russischen Romans vor Gogoľ, Berlin 1961 Struve, G. (Vil’danova, R. I./Kudrjavcev, V. B./Lappo-Danilevskij, K. Ju. [Hgg.]): Russkaja literatura v izgnanii. Kratkij biografičeskij slovar’ russkogo zarubež’ja, Paris/Moskau 31996 (New York 11956) Struve, Nikita: Die Christen in der UdSSR, Mainz 1965 Štúr, L.: Das Slawenthum und die Welt der Zukunft. Slovanstvo a svět budoucnosti. Na základě německého rukopisu vydal v původním znění, s kritickými poznámkami a úvodem Dr Josef Jirásek, Bratislava 1931 Šutaj, Štefan: Občianske politické strany na Slovensku v rokoch 1944-1948, Bratislava 1999 Suttner, Ernst Christoph: Die katholische Kirche in der Sowjetunion, Würzburg 1992 Svoboda, Václav: Die innere Entwicklung des tschechischen Katholizismus in den letzten hundert Jahren, in: Seibt, Ferdinand (Hg.): Bohemia sacra. Das Christentum in Böhmen 973-1973, Düsseldorf 1974, S. 162-174 Svozil, Oldřich/Vrbík, Stanislav (Hgg.): Poselství. Almanach k dvacátému pátému výročí Družiny literární a umělecké, Olomouc 1938

428

Anhang

Svozil, Oldřich: Osudy býv. Družiny literární a umělecké v Olomouci v letech 1939-1954 / Doplněk k almanachu „Poselství“ [Typoskript]

T Tabery, Erik: Přítomnost bourá mýty. Listování v legendárním časopise 1. republiky odhaluje tajemství, kdo jsme, in: Respekt, Nr. 4, 19.-25.01.2004, S. 13-15 Taube, Michael Freiherr von : Rom und Rußland in der vormongolischen Zeit (X. bis XIII. Jahrhundert), in: Berg (Hg.) 1927, S. 196-223 Tavard, Georges: Geschichte der ökumenischen Bewegung, Mainz 1964 Tejchmanová, Světlana: Rusko v Československu. Bílá emigrace v ČSR 1917-1939, Praha 1993 Terlecký, Nikolaj: Curriculum vitae, Praha 1997 Tisková konference dne 24. listopadu 1939, in: Končelík/Köpplová/Kryšpínová (Hgg.) 2003, S. 25-28 Tisková konference 24. XI. 1939. [Referát Dra F. Hofmana], in: Končelík/Köpplová/Kryšpínová (Hgg.) 2003, S. 34-41 Tkadlčík, Vojtěch: Minulost a budoucnost velehradských kongresů, Velehrad o. J. [1993] Tkadlčík, Vojtěch: Cyrilometodějský kult na křesťanském západě, Olomouc 1995 Tomeš, Josef: Hubert Ripka známý i neznámý, in: Ripka 1995, S. 7-19 Torke, Hans-Joachim: Adel, in: ders. (Hg.): Lexikon der Geschichte Rußlands. Von den Anfängen bis zur Oktober-Revolution, München 1985, S. 11-16 Trapl, Miloš: Politické strany v Československu v letech 1918-1938, in: Kordiovský (Hg.) 1993, S. 39-57 Trapl, Miloš: Tisk Československé strany lidové 1918-1948, in: Marek, Pavel (Hg.): Tisk a politické strany. Sborník referátů připravených pro nerealizovanou konferenci „Tisk, jeho místo a role v dějinách a současnosti politických stran na území českých zemí a Československa v letech 1860-2000“ v Olomouci ve dnech 24.-25. října 2000, Olomouc 2001, S. 89-95 Trapl, Miloš: Vývoj římskokatolické církve na Moravě v letech 1918-1938, in: Acta Universitatis Palackianae Olomucensis, Facultas Philosophica. Historica, Nr. 31, 2002, S. 255-263 Trávníček, Mojmír: Konec epopeje, in: Deml 22001, S. 66-68 Tret’jakov, Sergej: Strana-perekrestok. Dokumental’naja proza, Moskva 1991 III. kongres slovanských katolických akademikov a seniorov. Bratislava slovanská ožila – Slavianskí hostia v našom hlavnom meste, in: Slovák, Jg. 13, Nr. 150, 08.07.1931, S. 3 Tschaadajew, Peter: Apologie eines Wahnsinnigen. Geschichtsphilosophische Schriften, Leipzig 1992 Tschižewskij, Dmitrij: Das heilige Rußland. Russische Geistesgeschichte I. 10.-17. Jahrhundert, Hamburg 1959 Tschižewskij, Dmitrij: Zwischen Ost und West. Russische Geistesgeschichte II. 18.-20. Jahrhundert, Reinbek bei Hamburg 1961

U UB, o. T., in: Našinec, Jg. 71, Nr. 129, 04.06.1935, S. 2 Urban, Rudolf: Die Tschechoslowakische Hussitische Kirche, Marburg 1973 Ursíny, Ján: Z môjho života (Príspevok k vývoju slovenskej národnej myšlienky), Martin 2000

V vá.: Sergij Grigorjevič Vilinskij, in: Slavica na univerzitě J. E. Purkyně v Brně (Filologie, Literární věda, historiografie, uměnovědy), Brno 1973, S. 255-256 vá, M. M.: Sergij Grigorjevič Vilinskij, in: Slavica na Masarykově univerzitě v Brně. Literární věda, jazykověda, historiografie, uměnovědy, Brno 21993, S. 252-253 Vacek, J.: Interakce ruské a ukrajinské emigrace s českou a slovenskou vědou a kulturou v letech 1919-1945, in: Veber (Hg.) 1994, S. 1-40 Vacek, Jiří/Babka, Lukáš: Hlasy vyhnaných. Periodický tisk emigrace ze sovětského Ruska (1918-1945), Praha 2009

Archiv- und Literaturverzeichnis

429

Valenta, Jaroslav: Slovanství v samostatném českoslovesnkém státě, in: Šťastný (Hg.) 1968, S. 366-399 Vaněčková, Galina (Hg.)/Bulgakov, Valentin: Slovar’ russkich zarubežnych pisatelej [1940], New York 1992 Vaněčková, Galina: Ličnosť Valentina Fedoroviča Bulgakova, in: dies. (Hg.)/Bulgakov 1992, S. XXIVff. Vašica, Josef: Přechůdce Solověvův, in: Vyšehrad, Jg. 1, Nr. 25-27, 24.04.1946, S. 28-31 Vašica, Josef: Český unionism, in: Tomeš, J. (Hg.): Co daly naše země Evropě a lidstvu – II. Obrozený národ a jeho země na fóru evropském a světovém, Praha 21999, S. 328-336 Vaško, Václav: Neumlčená. Kronika katolické církve v Československu po druhé světové válce. I, Praha 1990 Veber, Václav (Hg.): Ruská a ukrajinská emigrace v ČSR 1918-1945. Sborník studií, sv. 1, Praha 1993 Veber, Václav (Hg.): Ruská a ukrajinská emigrace v ČSR v letech 1918-1945. Sborník studií, sv. 2, Praha 1994 Veber, Václav (Hg.): Ruská a ukrajinská emigrace v ČSR v letech 1918-1945. Sborník studií, sv. 3, Praha 1995 Veber, Václav: Emigranti z Ruska a 30. léta, in: ders. (Hg.) 1995, S. 7-13 Veber, Václav (Hg.): Ruská a ukrajinská emigrace v ČSR v letech 1918-1945. Sborník studií, sv. 4, Praha 1996 Veber, Václav: Osudové únorové dny. 1948, Praha 2008 Vechi. Wegzeichen. Zur Krise der russischen Intelligenz, übersetzt und eingeleitet von Karl Schlögel, Frankfurt am Main 1990 Velehradské slavnosti 1950. Modlíme se za mír, pracujeme pro mír, Praha Ventura, Václav: Ekumenické snahy na Východě, in: Hanuš et al. 1997, S. 83-93 Vilinský, S. G.: V Bolgarii v 1920-23 godach (Iz ėmigrantskich pereživanij), in: Jubilejnyj sbornik 1932, S. 40-46 Vladyková, Věra: Soupis díla Jaroslava Durycha a literatury o něm, in: Jaroslav Durych 2000, S. 351-782 Vlašín, Štěpán: Dvacetiletí mezi válkami, in: Kubíček s kolektivem (Hg.) 2002, S. 198-227 Vopravil, J.: Slovník pseudonymů v české a slovenské literatuře, Praha 1973 Voráček, Emil: Eurasijství v ruském politickém myšlení. Osudy jednoho z porevolučních ideových směrů ruské meziválečné emigrace, Praha 2004 Vries, Wilhelm de: Das Problem der Wiedervereinigung mit dem getrennten Osten, in: Das Christentum des Ostens und die christliche Einheit 1965, S. 103-126 Vystrčil, Jaroslav: Křesťanský východ, Olomouc 1992

W Wdzięczność rosji emigranckiej, in: Przegląd katolicki, Jg. 68, Nr. 17, 27.06.1933, S. 266 Weingart, Miloš: Slovanská vzájemnost. Úvahy o jejích základech a osudech, Bratislava 1926 Weiß, Otto: Der Modernismus in Deutschland. Ein Beitrag zur Theologiegeschichte, Regensburg 1995 Wells, Herbert George: Angličan se dívá na svět, Praha 1922 Werfel, Franz: Der veruntreute Himmel. Die Geschichte einer Magd, Frankfurt am Main 61999 Wiederkehr, Stefan: Die eurasische Bewegung. Wissenschaft und Politik in der russischen Emigration der Zwischenkriegszeit und im postsowjetischen Rußland, Köln/Weimar/Wien 2007 William, Robert C.: Culture in exile. Russian emigrés in Germany, 1881-1941, Ithaca/London 1972 Willich, Heide: Lev L. Kobylinskij-Ėllis: Vom Symbolismus zur ars sacra. Eine Studie über Leben und Werk, München 1996 Winkler, Martina: Karel Kramář (1860-1937). Selbstbild, Fremdwahrnehmungen und Modernisierungsverständnis eines tschechischen Politikers, München 2002 (= Ordnungssysteme. Studien zur Ideengeschichte der Neuzeit, Bd. 10) Winter, E.: Der unionistische Gedanke, in: Katholiken-Korrespondenz [= Bonifatius-Korrespondenz], Jg. 18 (NF 5), Nr. 9, 1924, S. 178-181 Winter, Eduard: Russland und das Papsttum. Teil 2. Von der Aufklärung bis zur Grossen Sozialistischen Oktoberrevolution, Berlin 1961

430

Anhang

Winter, Eduard: Die Sowjetunion und der Vatikan. Teil 3 der Trilogie Russland und das Papsttum, Berlin 1972 Wollman, Frank: Slovesnost Slovanů, Praha 1928 (= Slované. Kulturní obraz slovanského světa, Bd. 2) Wollman, Frank: Český slavismus, jeho minulost a program, in: Macůrek, Josef (Hg.): Slovanství v českém národním životě, Brno 1947, S. 224-241 Wollman, Frank: Slavismy a antislavismy za jara národů, Praha 1968 Wolkonskij, Peter: Um einen bodenständigen Katholizismus in Rußland, in: Stimmen der Zeit, Jg. 120, Nr. 1, 1931, S. 26-36 Wolkonski, Fürst Peter: Der Exarch Leonid Fjodorow. Eine kurze biographische Skizze, in: Die Schildgenossen. Katholische Zweimonatsschrift, Jg. 18, 1939, S. 91-120 Wöll, Alexander: Jakub Deml. Leben und Werk (1878-1961). Eine Studie zur mitteleuropäischen Literatur, Köln/Weimar/Wien 2006 Wöll, Alexander: Mezi apoteózou a tabu. Přehled bádání o Jakubu Demlovi, in: Fedrová, Stanislava (Hg.): Otázky českého kánonu. Sborník příspěvků z III. kongresu světové literárněvědné bohemistiky (Svazek 1), Praha 2006, S. 381-398 Wurmová, Milada: Valerij Sergeevič Vilinskij 1924-1929. Inventář. Státní archiv v Brně, Brno 1962

Z/Ž Žáček, Pavel: V – 101. Agent, ze kterého se dalo žít, in: Medvecký (Hg.) 2006, S. 102-159 Žáček, Pavel: Hvězdná chvíle agenta V-101, in: Lidové noviny, Jg. 21, Nr. 47, 25.02.2008, S. 11 Zach, Aleš: Stopami pražských nakladatelských domů. Procházka mizející pamětí českých kulturních dějin, Praha 1996 Zadražilová, Miluše: Emigrace jako osud a volba. Několik kapitol z dějin ruské meziválečné emigrační literatury, in: Světová literatura, Jg. 37, Nr. 5, 1992, S. 120-139 Zahradníková, Marta: Konstantin A. Čcheidze, Sergej J. Savinov, Michail A. Sukennikov, Alexandr A. Umancev, Valerij S. Vilinskij, Konstantin K. Viskovatyj: Pisemné pozůstalosti (fragmenty), Praha 1993 Zajíček, Břetislav: Lekář se dívá na SSSR, Olomouc 1937 Žák, Fr.: K otázce unionismu, in: Časopis katolického duchovenstva, Jg. 70 (95), Nr. 4, 1929, S. 321-332 Závada, V.: Chvílka u Alfreda Fuchse, in: Rozpravy Aventina, Jg. 6, Nr. 9, 19.11.1930, S. 102 Z činnosti Akademie velehradské, in: Našinec, Jg. 67, Nr. 274, 29.11.1931, S. 1 Zernov, N.: Russkoe religioznoe vozroždenie XX. veka, Paris 1974 Zinner, Paul E.: Communist Strategy and Tactics in Czechoslovakia, 1918-48, New York 1963 Zlámal, Bohumil: Die Entwicklung der kyrillo-methodianischen Tradition in der tschechoslovakischen Geschichte, in: Salajka, Antonín (Hg.): Konstantin-Kyrill aus Thessalonike, Würzburg 1969, S. 77-157

o. A., o. T. in: Národní politika, Jg. 50, Nr. 355 (Morgen), 24.12.1932, S. 3 in: Našinec, Jg. 71, Nr. 220, 24.09.1935, S. 2 in: Lidové noviny, 14.06.1949, S. 3

Internetquellen

Antonij Vasiľevič Florovskij, in: http://www.ras.ru/avflorovsky/about.aspx?print=1; 10. Mai 2010 Báze NK ČR – Báze AUJ-Jmenné autority NK ČR; 2. Juni 2000 Belás, Ladislav: Unionistické kongresy na Velehrade, in: http://158.194.150.2/sympozium/ 2000/Unie.html; 16. Februar 2004 Český národní korpus – syn2000, in: http://ucnk.ff.cuni.cz; 23. April 2007 Ioannes XXIII: Magnifici eventus, in: http://www.vatican.va/holy_father/john_xxiii/apost_letters/documents/hf_j-xxiii_apl_196305 11_magnifici-eventus_lt.html; 1. Februar 2010 Kongregation für die Glaubenslehre: Note über den Ausdruck „Schwesterkirchen“, in: http://www.vatican.va/roman_curia/congregations/cfaith/documents/rc_con_cfaith_doc_20000630_c hiese-sorelle_ge.html; 21. Januar 2008 Kongregation für die Glaubenslehre: Erklärung „Dominus Iesus“. Über die Einzigartigkeit und die Heilsuniversalität Jesu Christi und der Kirche, in: http://www.vatican.va/roman_curia/congregations/cfaith/documents/rc_con_cfaith_doc_20000806_dominus-iesus_ge.html; 21. Januar 2008 Kongregation für die Glaubenslehre (unter Präfekt William Kardinal Levada): Antworten auf Fragen zu einigen Aspekten bezüglich der Lehre über die Kirche, in: http://www.vatican.va/roman_curia/congregations/cfaith/documents/rc_con_cfaith_doc_20070629_responsa-quaestiones_ge.html; 19. Juli 2007 Kongregation für die Glaubenslehre: Kommentar zu den Antworten auf Fragen zu einigen Aspekten bezüglich der Lehre über die Kirche, in: http://www.vatican.va/roman_curia/congregations/cfaith/documents/rc_con_cfaith_doc_20070629_commento-responsa_ge.html; 19. Juli 2007 Lambrechts, P. Antoine: Les contacts entre l’Eglise orthodoxe russe et le Monastère d’Amay-Chevetogne 1925-2003 [übernommen aus: Irénikon 2003], in: http://zarubezhje.narod.ru/texts/chevetogne.htm; 18. Juli 2007 Leo XIII: Aeterni patris, in: http://www.vatican.va/holy_father/leo_xiii/encyclicals/documents/hf_lxiii_enc_04081879_a eterni-patis_en.html; 1. Februar 2010 Ponomarev, E.: Rossija, rastvorennaja v večnosti. Žanr žitijnoj biografii v literature russkoj ėmigracii [ursprünglich in: Voprosy literatury, Nr. 1, 2004], in: http://magazines.russ.ru/voplit/2004/1/pon6-pr.html; 20. Dezember 2005 Pučkin, D. Ė.: Blaž. Leonid Fedorov i latinskij obrjad, in: http://www.crusader.org.ru/fedoroff.html; 10. Januar 2005 Religioznye dejateli i pisateli russkogo zarubež’ja, in: http://zarubezhje.narod.ru/av/v/v_039.htm; 27. September 2004 Rödling, Jan: Causa Karla Wernera před Národním soudem (Bakalářská diplomová práce), Brno 2007 [pdf ], in: http://is.muni.cz/th/103064/fss_b/; 30. März 2007

432

Anhang

Ščukin, Vasilij: Poľskie ėkskursii v oblasť duchovnoj biografii (Obzor poľskich issledovanij russkogo filokatoličestva) [ursprünglich in: Novoe literaturnoe obozrenie, Nr. 69, 2004], in: http://magazines.russ.ru/nlo/2004/69/sh31-pr.html; 11. Januar 2010 Stanovy „Centrum Aletti Velehrad – Roma“ v Olomouci, in: http://www.aletti.cz/index.php?zobraz= aletti&file=stanovy; 7. März 2007 Tichi/Stenzl/Eckert/dr. Korlath/Mayer/Koczor/dr. Hanreich/Bollmann/Schubert/Nitsch/SzentIvany/dr. Holota/Halke/Hodina/Fussy/Platzer/Fisher/Zierhut/Bohm/dr. Spina/Heller: XVI/97. Interpelace poslance Frant. Navratila a druhu ministru zemedelstvi o nepristojnostech v moravske zemedelske rade, in: http://psp.cz/cgi-bin/eng/eknih/1925ns/ps/tisky/0097_02.htm; 20. Juli 2007 tundra84: Severní vítr je krutý, počítej, lasko má, s tím … Ja vernulas’. K sožaleniju [20.11. 2007], in: http://tundra84.livejournal.com/18274.html; 9. Februar 2010 Vozraženija o. Vladimira Dlusskogo na doklad o. Pavla Grečiškina i otvet na nich poslednego, 1951 g., in: http://vselenstvo.narod.ru/library/dis1951.htm; 5. Februar 2007

Bildnachweis Titelblatt von Rus se dívá na Č.S.R., 1931 (S. 106): Umschlagsentwurf von Josef Kaplický. Uměleckoprůmyslové museum v Praze, Photo: Ondřej Kocourek Manuskriptblatt (S. 164 und 221): LA PNP, fond Vilinskij, Manuskript Praha, S. 84 und Auszug aus S. 24, Photo: Robert Langer, Bearbeitung: Hagen Hultsch Statuengruppe der hll. Cyrill und Method von F. Neumann (S. 238): Postkarte Refugium, Velehrad, Photo: Petr Titz Titelblatt von K slovanské otázce, 1930 (S. 306): Umschlagsentwurf von Josef Kaplický alle Graphiken: Hagen Hultsch