Dramatische Werke: Band 2 [Reprint 2019 ed.] 9783111420806, 9783111056388

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Dramatische Werke: Band 2 [Reprint 2019 ed.]
 9783111420806, 9783111056388

Table of contents :
Inhalt
Ans sieben Stunden
Gewagtes Spiel
Gefunden
Die bilden Mütter
Ein Sonett

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von

Karl Goldschmidt. AuS seinem Nachlasse herausgegeben von

feinen Freunden.

Zweiter Aand.

Berlin. Druck und Verlag von Georg Reimer.

1858.

Die Genehmigung zur öffentlichen Aufführung der in diesem Bande enthaltenen dramatischen Werke bleibt den Erben des Verstorbenen vorbehalten. Die Carl Goldschmidtschen Testaments - Executoren. F. Goldschmidt.

Graf v. Schwerin-Putzar.

Auf sieben Stunden

Seite

1

Gewagtes Spiel............................................................................... -

141

Gefunden...........................................................................................

213

Die beiden Mütter.......................................................................... -

279

Ein Sonett........................................................................................-

339

Ans sieben Stunden. Lustspiel in vier Men von

Gernold. Die zu Grunde liegende Intrigue ist einem altenglischen Lustspiel entlehnt.

Personen Beit Schellenberger. AgneS, seine Tochter.

Sebastian Schnepf.

Gottwalt Volkmar, sein Neffe. Magdalis, dessen Schwester.

Friedrich Sterndald. Florian von Lichtenried.

Felix Rappold. Kaöpar Lutz.

Frau Martha Brachland. Jungfer Rebekka Storch.

Mariandl. Adam Grünlich. Hans Fröschlein. Eine Zofe. Ort der Handlung: Nürnberg.

Zeit: Mitte des 17ten Jahrhunderts.

Erster Akt.

Erste Scene. Gothisches Gemach mit zwei Seitenthüren und einer weiten Mittel­ thür, welche durch einen Vorhang geschlossen ist; ein Schreibpult; daneben ein Astrolabium. Aus einem Tisch astronomische Geräthe; eine Sanduhr, Phiolen, ein Todtenschädel u. s. w. (Felip Ravpold, Kaspar Vuß und eine Zofe)

Rappold. Ich hab' es euch gesagt: die Werkstatt ist

Und bleibt geschlossen.

Unser Meister, Doktor

Stellarius ist an den Hof des Herzogs Von Modena berufen und verläßt Die deutschen Lande.

Zofe. Eben deshalb

Läßt die gestrenge Frau recht dringend bitten, Bevor er reist, ihr von der Schönheitssalbe Ein Dutzend Krüglein noch zu überlassen.

Rappold. Es ist mir leid, allein der Doktor hat ... .

Zofe. Wohl wichtig'res zu thun, das kann ich denken.

Der hat den Lauf der Sterne zu berechnen, Sitzt zwischen seinen Tiegeln und Retorten Und destillirt und laborirt; doch ihr,

4

Auf sieben Stunden.

Ihr könntet mir ja wohl — gewiß, es soll Euch nicht gereun; ich zahle doppelt.

Lutz.

(Lcifcit)

Felix,

WaS meinst du? das wär' mitzunehmen.

Rappold. Nein,

ES geht nicht.

Kurz und gut, mein schönes Kind,

Hier wird nichts mehr verabreicht.

Zofe. Ein paar Krügleiu

Die könntet ihr ... . Lutz.

Versucht uns länger nicht Und geht mit Gott! Vermeldet der gestrengen

Frau Bürgermeisterin, eS sei mir leid, Doch möge sie sich christlich drein ergeben,

Wenn ihre Schönheit unverbessert bleibt.'

Und wenn sie ... .

Zofe. Wehl, ich geh', doch rath' ich euch,

Falls ihr noch Vorrath von der Salbe habt,

Verbraucht den für eu'r eigenes Gesicht — Dem thut es noth, (beiseit)

Solch unverschämtes Volk! (Lie geht durch die Seitenihur linst) Lutz.

Das hat man davon.

Es ist unerhört!

Ich habe mich dem Sternbald stets gefügt, Wie schwer es mir auch manchmal werden mochte,

Doch diese Trennung greift mir an daS Leben.

Hab' ich nicht allzeit treu zu euch gehalten? Und nun gebt ihr mich treulos aus! Wahrhaftig, Ich hätt' es nie geglaubt!

Arrf fieben Stunde«. Rappold. Ser doch gescheidt!

Es geht nicht länger in der alten Weise.

Du wirst wie wir dich darin finden muffen,

Darum sei ruhig! Lutz.

Ruhig? Nimmermehr. Muß ich mich darin finden? Gut.

Doch ruhig?

Nicht ruhig kann ich sein, bevor mein Ingrimm Sich ausgetobt hat.

Denn ....

Rappold. Die Hausthür geht —

Ich bitt' dich, still! Es klopft — herein! Ist's möglich? Der Lichtenried! Willkommen Florian! (Florian von Lichttnricd, durch die Seitcnthür link«)

Lichtenried. Gott grüß' euch, Freunde!. Hab' ich richtig doch

Euch aufgefunden! Nun, wie geht's euch, Felix? Wie dir, mein guter KaSpar Lutz? Dich hörte Ich schon im Vorgemache schrein.

Lutz. Glaubt nur,

Ich hatte Grund zu schreien .... Lichtenried. Wo ist Sternbald?

Wie ist's euch allen in der langen Zeit

Ergangen? Sprecht, erzählt! Rappold.

In unsrer alten

Doch immer neuen Art.

Bald von den Wellen

Des Wohlstands, der Behaglichkeit getragen. Bald von der trüben Fluth der Noth bedrängt;

5

6

Aus sieben Stunden

Doch immer unverzagt und guter Dinge. Habt ihr's doch selbst im letzten Jahr ein Weilchen

Mit uns getrieben.

Seit ihr uns in Ulm

Komödie agiren halst, hat uns

Das Glück bergauf geführt und unserm Sternbald, Der jetzt Stellarius sich nennt, im Bart Und langem Kleide ehrbarlich einhergeht,

Strömt Gold und Ehre zu.

Lichteuried.

In welcher Weise? Rap-old. Zuerst am Hof des Fürsten von Zweibrücken.

Dem half mit großem Eifer unser Doktor Den Stein der Weisen aufzufinden.

Wohl

Drei Monat' und darüber haben wir

Gar fleißig laborirt.

Lichteuried.

Und der Erfolg? Rap-old. Wir zogen ab mit wohlgesülltem Beutel. Wie viel auf Seiner Liebden Antheil kam, Vermag ich nicht zu sagen.

Lichteuried. Und nachher?

Rap-old. Seitdem war unsres Doktors Ruf begründet.

Wir weilten dann in Bremen, Leipzig, Augsburg,

Wo der Magie, Astrologie und jeder Geheimen Kunst beflissen, Tag für Tag

Wir immer größern Zulauf hatten.

Hier

In Nürnberg, unsres Sternbalds Vaterstadt,

Fing eben an sein Ruhm sich zu verbreiten, Als er . . . Lutz. Ihr werdet kaum es glauben, Junker; Nachdem wir beinah' sieben Jahr Genosien In Lust und Leid gewesen, eben jetzt, Da wir so recht im besten Zuge sind, Will er, daß wir unS trennen, daß ein Jeder Von uns auf eignem Weg sein Heil versuche. Wahnsinnig, himmelschreiend ist es. Rappold. Glaubt mir, Der Sternbald hat gar reiflich es erwogen Und geht schon längst mit dem Gedanken um. Flaumbärtige, leichtblütige Gesellen, Durch Noth und Trübsal einer schweren Zeit Aus Heimath und Beruf hinausgedrängt, Gezwungen, durch das Leben unS zu kämpfen — Wer mag es uns verargen, daß wir's thaten So gut es ging, daß, wo die offne Straße Versperrt uns war, wir Nebenwege suchten. Der jahrelange Krieg, der alle Bande Gelockert hatte, mochte viel entschuldigen, Doch unter seiner wüsten Herrschaft sind wir Herangereift zu Männern. Jetzt ist Friede; Und mögen Jahre auch darüber hingehn, Bis alle Wunden, die der Krieg geschlagen. Geheilt, vernarbt sind — uns geziemt eS nun, Dies wilde, lose Wesen abzustreifen, Und im Verein mit allen Gutgesinnten Aus ihrm Trümmern die zerfall'ne Ordnung Neu auferbaun zu helfm und die längst Geschwundne Zucht und Sitte herzustellen.

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Ans sieden Sünden.

Lutz. Bei meiner armen Seele, schön gesprochen!

Die Zucht, die Ordnung, ihr? Ich könnte lachen, Wenn mir das Weinen nicht so nahe wäre — Gesteht es mir, ihr seid des heimathlosen

Vagirtns müde und die Zukunft zeigt euch Ein lächelndes verheißungsvolles Antlitz. Dem Sternbald freilich braucht nicht bang zu fein,

Der ist beliebt bei Männern wie bei Frauen; Er ist ein feiner Kopf, er hat studirt Und promovirt; daS Glück ist stets ihm hold,

Der sich gewandt in jede Lage fügt. Du bist bei unsrer Wirthin Hahn im Korbe;

Die schmucke Wittwe wirft mit Haus und Hof Und reicher Habe sich dir an den HalS. Ihr wollt an eignem Herd der Ruhe pflegen

Und — weiß es Gott, daß ich's euch nicht mißgönne:

Doch was wird aus dem armen Kaspar Lutz? Der nichts gelernt hat, dem kein glatt Gesicht,

Kein schlanker Wuchs, kein wohlgedrechselt Bein Der Weiber Huld gewinnt?

Lichteuried. Dafür ward ihm Ein wackrer Sinn, ein treues Herz gegeben.

Lutz.

Nicht wahr? Das darf ich selber von mir rühmen. In unserer Gemeinschaft nur der kleinste, Hab' ich nach besten Kräften doch gewirkt.

Der ist ein Schelm, der mehr giebt, als er hat, Und ich gab treu, was ich zu geben hatte.

Lichtenried. Bezeugen kann ich's, der ich dich im Titus

Auf sieden Stunden.

Andronikus als Morian gesehen,

Wie du die Augen rolltest, deine Worte Mit so gewallter Stimme von dir gabst,

Daß Frau'n in Krämpfe fielen. Lutz.

O das war DaS wenigste.

Nichts war mir zu gering,

Wenn es das Wohl des Ganzen galt.

Ich habe

In bunter Jacke, mit der Schellenkappe Latwergen, Pflaster, Pillen angepriesen;

Schritt als Indianer seltsam aufgeputzt Auf glüh'nden Kohlen und schlang Kieselsteine; Ließ eS geschehen — und das war nichts kleines —

Daß sie mich, eingenäht in zott'ge Felle,

Mit Schweif und Hörnern ausstaffirt, als Monstrum Von seltner Art für Geld auf Märkten zeigten!

Und waS ist jetzt mein Lohn? Rappold.

In gleichem Maße Hat jeder von uns seine Pflicht erfüllt;

In gleichem Maße wird der Sternbald auch, Verlaß dich darauf, den Gewinn Vortheilen.

Lichtenried. Er wird dein Nather sein, mein guter Kaspar, Er wird dich — doch da ist er selbst. (Friedrich Sternbald, durch die Mittelthür)

Sternbald. So hatt' ich

Die Stimme doch erkannt.

Willkommen Freund!

Das ist mir eine unverhoffte Freude. Sag' wie es dir ergangen, ob der Zufall

9

10

Auf sieden Stunden.

Dich hier uns finden ließ, ob andre Rücksicht Dich hergeführt, ob . . .

Lichteuried. Laß mich'S offen sagen:

Wie ich erfreut auch bin, dir zu begegnen, War's doch nicht deine Spur, die ich verfolgte. Seit wir zuletzt uns sah'n, hab' ich's ein Weilchen

Beim kaiserlichen Heer versucht.

Allein,

An Ungebundenheit gewöhnt, vermocht' ich Nicht lang der strengen Regel Zwang zu tragen.

So schweift' ich denn nach allgewohnter Weise Durch Wald und Flur; die Laute, die ich trug, War mir Gefährtin und Ernährerin.

Ihr Klang und meine Lieder schloffen mir Die Thüren wie die Herzen auf.

In Kostnitz

Fand sich ein fröhlicher Gesell zu mir,

Der aus Italien nach der Heimath kehrte. Und ich, ein Wandrer ohne Zweck und Ziel,

Zog mit ihm bis nach Regensburg, wo seiner Die Schwester harrte, daß er sie nach Nürnberg

Geleiten solle, beider Vaterstadt.

Drei kurze Tage nur konnt' ich des Anblicks

Der holden Jungfrau mich erfreun.

Wir schieden.

Ich wandte nordwärts mich, jedoch das Bild Der schönen Magdalis verließ mich nicht.

Unfähig die Erinn'rung zu verbannen, Lenkt' ich den Schritt zurück, unwiderstehlich

Hieher gezogen, um sie aufzufinden Die ganz und gar mir Herz und Sinn erfüllt. Sternbald. So hör' auch du, was mich hieher geführt.

Dies Leben abenteuerlichen Treibens,

2uf sieben Stunden.

Das, von der Noth des Augenblicks erzeugt. Genährt im Wirrsal einer rauhen Zeit,

Nur allzulange alles niederhielt,

Was gut und edel ist in mir, in uns — Es darf nicht länger währen.

Unter'm Banner

Des Friedens ist's ein thätig nutzreich Dasein, Wonach ich strebe.

Dieses zu begründen

Kam ich hieher nach meiner Vaterstadt,

Die ich seit meiner Kindheit nicht gesehen. Hier ward vor langen Jahren schon mein Erbtheil In eines reichen Kaufherrn Hut gegeben,

Veit Schellenberger, meiner Mutter Bruder. Ob groß, ob klein das Erbe, wie mein Vormund

Damit geschaltet, darum hab' ich mich,

Der sorglos nie der Zukunft dachte, nicht Gekümmert.

Aber jetzt will ich erkunden,

Ob er ein treuer Hüter war, ob nicht.

Lichteuried. Du sprachst ihn schon? Sternbald.

Er ist, wie ich erfahren, Auf kurze Zeit verreist.

Mir ist sein Antlitz,

Ihm meines fremd; er wähnt mich wohl verschollen. Inzwischen habe ich als Astrolog,

Als ein Adept geheimen Wissens kundig,

Der wundersücht'gen Menge Gunst erworben; Und jetzt, da ich den stärksten Zulauf hatte,

AuS triftgem Grunde den Besuchenden Die Thür verschlossen.

Unser Felix hier

Hat sich die muntre Wirthin dieses Hauses

Geneigt gemacht und sie, in allen Kreisen

Der Stadt bekannt, zieht forschend Kunde ein,

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Auf fieden Stunde«.

Damit, kann ich auf gradem Wege nicht

Mein Eigenthum erlangen, ich erprobe

Was Wunderkraft vermag und mir mein Gut Durch einen kühnen Streich erobere, Der unsre Thaten als Fortuna'S Ritter

Beschließen soll.

Rappold. Wir stehen treu zu dir.

Lichtenried.

Bedarfst du mein, so kannst du auf mich zählen. (Frau Martha Brachland ist während der letzten Reden durch die Thür links eingetreten)

Frau Martha. So der Herr Doktor mir gestatten . . .

Sternbald. Siehe, Frau Martha, unsre liebenswerthe Hausfrau!

Freund Rappold sagt mir, daß ihr freundlich euch

Erboten habt . . .

Frau Martha. Ich helfe gern und freudig Wenn ich eS kann, zumal so werthen Herren.

So der Herr Doktor zu erfahren wünscht, Was ich erkundet . . .

Sternbald. Redet ohne Scheu,

Wir sind hier unter Freunden.

Rappold. Wollet mir Vergönnen, theure Frau, den edlen Junker Von Lichtenried euch vorzustellen.

13

Ä»f siede« Stund«. Lichtenried. Oftmals

Hort' ich von Nürnbergs schönen Bürgerinnen

Und bin erfreut . . . Frau Martha.

Mög' es dem Herrn belieben, Mein nicht zu spotten, die ich unerfahren

In der Courtoisie, nicht schöne Worte

Zurückzugeben weiß. Sternbald.

Für jetzt genug Der Komplimente.

Bitte, laßt uns hören,

WaS ihr von Schellenberger wißt. Frau Martha.

Je nun, Reich ist er und ein lieblich Töchterlein

Ist seine einz'ge Erbin, so nicht etwa

Die Zukunft ihm .... Sterubald.

Die Zukunft? Wie? Frau Martha.

Das Männlein

Ist nah den Siebzigen und nicht gar eben Holdselig anzuschau'n; bei alle dem

Beflissen, schönen Frauen zu gefallen, Und wie es scheint mit Glück, denn ihrer drei

Hat er bereits begraben und soll jetzt Bemüht sein sich die vierte zu erwerben.

Allein wie schön gelockt die blonde Atze! Auch sei, die er von Augsburg mitgebracht, Die Gunst der schönen MagdaliS gewinnt

Er damit nicht.

Auf sieben Stunden.

14

Lichteuried. Wie sagt ihr? Magdalis?

Frau Martha. MagdaliS Volkmar, ein anmuthig Mägdlein,

Schon früh verwaist, doch guter Leute Kind.

Lichtenried. Ihr Bruder Maler?

Frau Martha. Richtig.

Eben erst

Aus Welschland heimgekehrt.

Lichtenried. So kennt ihr sie?

O theure Frau, ich bitte, sagt mir alles,

Was von der Jungfrau euch bekannt. Fran Martha.

Gemach!

Was mir bekannt, will ich dem edlen Junker

Gar gern vermelden; doch zuvor vergönn' er Mir eiligst dem Herrn Doktor zu berichten,

Daß noch in dieser Stunde Jungfer Storch, Des Schellenberger Schaffnerin, zur Stelle Erscheinen wird, ihn darum anzugehen,

Daß ihrem Herrn er Rath unb Beistand leiste; Denn diese Gunst versprach ich zu erwirken.

Sternbald.

Vortrefflich.

Rappold. Hab' ich's nicht vorhergesagt? Frau Martha laßt gewähren, die versteht es.

Frau Martha. Ich

war bemüht, der alten Schwätzerin

Bekanntschaft zu erlangen, denn sie gilt

15

Auf sieben Stunden. Im Hause ihres Brodherrn viel und ist

So ganz erfüllt von euren Wundergaben, Daß ihr mit leichter Müh' auS ihrem Munde

Erfahren mögt, was euch zu wissen noth thut. Sternbald.

Nehmt die Versicherung

Ich schuld' euch Dank.

Bis mirS gelingt ihn zu bethätigen.

FraL Martha. Die Jungfer kommt; ich höre auf der Treppe

Ihr Hüsteln.

Ihr habt wohl gethan, daß ihr

Die Thüre vor Besuchern habt geschloffen,

Und darf ich rathen, mache der Herr Doktor Sich erst ein wenig rar und überlaste Herrn Rappold und Herrn Lutz, sie zu empfangen.

Sternbald. Ein kluger Rath.

Wir hören unbemerkt

Dort hinterm Vorhang dem Gespräche zu. lzu »iamit, und Lutz) Ich zähl' auf eure Klugheit.

Kommt!

Frau Martha. Gleich folg' ich. (Sternbald und Lichtenried treten hinter den Vorhang. Jungfer Rebekka Sti’ixb tritt durch di« Tcitcuthür links unter vielen Verbeugungen ein)

Rebekka. So mir gestattet ist . . .

Rappold.

Wer ist die Frau?

Wo kommt sie her? Wer ließ die Hausthür offen? Saht ihr es draußen denn nicht angeschrieben

Mit großen Lettern, daß ... .

Fran Martha.

Verzeiht der Jungfer.

Es ward ihr vorzugsweise zugesagt . . .

Auf sieden Strmden.

16

Rebekka.

Gestrenger und Hochweiser Herr, vergebt,

Daß ich in Reverenz zu nahen wage, Um euch . . .

Frau Martha. Dies ist der Doktor nicht.

Dem läßt

Die nahe Reise keine Muße, aber

Ihr sollt, so sprach er, ohne allen Rückhalt Den beiden Herrn, die seine treuen Jünger Und Helser sind, euch anvertrauen. Rebekka.

Ei, DaS mag gar wohl gemeint sein, doch begreift ihr,

Frau Brachland, daß es Dinge giebt, die man Nicht gleich dem ersten besten . . .

Lutz.

Sapperlot! Sind wir etwa die ersten besten? Frau Martha.

Ruhig! Ihr Jungfer Storch sollt wissen, diese Herren Sind in der That die ersten und die besten, Sind so zu sagen Hand und Fuß des Herrn Doktor Stellarius, durch Lieb' und Pflicht

An ihn gebunden, und der Rath und Beistand, So ihr begehrt, kann nur durch sie allein Vermittelt werden.

Ganz ungescheut.

Drum vertraut euch ihnen

Ich gehe.

Lebet wohl!

Rebekka. Habt Dank, liebwerthe Frau.

Frau Martha,

(im Abgehn $u Lutz)

Führt daS Gespräck Recht laut und nah dem Vorhang.

Lu-. Laßt mich machen. (Frau Martha ab von ter rechten Sette)

Rebekka. Dieweil ich nun an euch gewiesen bin. Vernehmt: mein Name ist Rebekka Storch, Gesandt bin ich von Herrn Beit Schellenberger, Der ganz auf euren wunderthät'gen Meister Sein Hoffen hat gesetzt. Rap-old. So laßt uns wissen Wo's ihm gebricht, wie ihm zu helfen sei. Rebekka. Nun denn, mein Herr, ein ehrenwerther Herr, Gedenkt aufs neue in die Eh' zu treten. Lutz. Den Esel treten will er? und weshalb? Rebekka. Was Esel treten! Wieder sich beweiben, Zu einer neuen Ehe schreiten möcht' er. Lutz. Ja so, der Esel schreit zu mächtig. Nun, DaS ist einmal der Esel Art. Rebekka, (beiseit) Selbst Esel! Ra-pold. Ihr merkt, er hört ein wenig schwer. Rebekka. Ah so! (sehr laut) Herr Schellenberger hat zum Ehgespons Ein hübsches feines Jüngferlein erkiest; Ihr Ohm und Hüter, der sein alter Freund,

Herr Schnepf, hat ihm das Mägdlein zugesagt, Wogegen diesem der Herr Schellenberger Der eignen Tochter Hand versprochen hat. RvPpotd. Hat er der Kinder mehr? Rebekka. Die Agnes ist Bisher sein einzig Kind und wird auch wohl Die einzige Erbin bleiben, denn sein Neffe, Ein Thunichtgut, ist schon vor vielen Jahren Bon Heidelberg, wo er studirt, entlaufen. Es ward seitdem nichts mehr von ihm gehört. Der ist wohl längst gestorben und verdorben, Sein Muttergut ist in des Oheims Händen, Der ihn beerbt. Doch um auf meine Botschaft Zurückzukommen: der Herr Schnepf, der Ohm Des Mägdleins, das mein Herr zur Frau erwählt, Ward, als er — es sind jetzt zwei Jahr — nach Leipzig Mit seinem Kaufmannsgut zur Meffe reiste, Von dem französischen Raubgesindel, das In Sachsen sich umhertrieb, überfallen, Wahrscheinlich auch erschlagen, denn er ist Und bleibt verschwunden, und nun will die Nichte, Die früher schon dem reichen Freier abhold . . . Lutz. Die Jungfer irrt sich, dieser heißt Herr Rappold. Rebekka. (beiseit) Der taube Kerl bringt mich um meine Lunge, (sehr laut) Mit kurzen Worten denn, das dumme Ding, Die Magdalis, hält sich an das Versprechen Des OheimS nicht gebunden und verweigert

Äuf sieben Stunden.

Herrn Schellenberger ihre Hand.

Sie wird

Im Starrsinn noch bestärkt durch ihren Bruder —

Rapp old. Und was kann unser Meister hiebei thun?

Rebekka. Wenn einer helfen kann, ist er's.

Mein Herr

Hofft zuversichtlich auf die Wunderkraft

Des Doktors, der Verborgnes in den Sternen Zu lesen weiß, in schwarz und weißer Kunst Erfahren ist, dem Geister . . . Rappold. Still, ich bitt' euch.

Der Doktor ist ein Mann der Wissenschaft, Doch irrt ihr wenn ihr ihn verbotnen Künsten Ergeben glaubt.

Rebekka. Wir wissen, was wir wissen.

Wenn auch die Obrigkeit die Kunst verpönt,

So nimmt ihr das von ihrem Werthe nichts. Ich habe — unter uns — ein wenig selber

Hineingepfuscht. Lutz.

Ist's wahr? Rebekka.

Nicht eben viel; Die ersten Anfangsgründe — ein paar Sprüchlein, Das Fieber zu vertreiben und den Krampf,

Das Blut zu stillen, Feuer zu besprechen Und wunderkraft'ge Tränklein zu bereiten. Ich hatt' in Würzburg eine alte Freundin,

Die Eva Schnabel — ihr habt ohne Zweifel

Ben ihr gehen — die hat mich mancherlei

19

20

Auf sieden Stunden.

Gelehrt, und manches hätt' ich noch erlernt; Allein sie kam vor's geistliche Gericht

Und hat in Ingolstadt dran glauben müssen. Rappold. Da seht ihr selbst . . . Rebekka.

Ich weiß, Verschwiegenheit Thut noth und darauf konnt ihr sicher zählen.

Mein alter Herr hat einmal in daS Lärvchen

Sich so vergafft — ich glaub', er wär' im Stande Die Hälfte seiner Habe dran zu setzen.

Drum wenn ihr beim Herrn Doktor nur erwirkt,

Daß er Gehör ihm leiht, wird er gewiß Sich dankbar gegen euch erweisen.

Rappold.

Wohl, Ich will versuchen, ob vielleicht dem Meister Jetzt beizukommen ist.

Verweilt indessen (Ab durch d.c Minelchür)

Bei meinem Freunde hier.

Lutz.

So es der Jungfer Beliebt zu sitzen . . . Rebekka. Dank dem Herrn und woü's ihm

Gefallen, mir zu sagen, ob sein Meister, Der hochgelahrte Doktor, in der That

So einen Spiritus besitzt — wie heißt

Er gleich?

Ja Spiritus familiaris,

Der, in ein Fläschlein fest gezaubert, Antwort Auf jede Frage geben muß?

Lutz.

Die Jungfer Dentt wie mir scheint . . .

Rebekka. Gewiß nur Gutes, H;rr — Doch seid auch ihr mit diesem FamiliariS Lhn' allen Zweifel familiär und könntet . . . Lutz. Ihr wär't gern mit dem Teufel familiär? Das läßt sich machen. Rebekka. (beiseit) ’S ist um toll zu werde«, (sehr saut) Ihr mißversteht mich. Sind wir unbelauscht? Lutz. Verlaßt euch drauf. Rebetta. Ich meine, könntet ihr Durch diesen Spiritus mir Auskunft über Gewisse Dinge schaffen, wollt’ ich gern Es mich was kosten lassen. Lutz. Sprecht was ist’s? Doch bitt’ ich, laut. Rebekka. Wenn uns nur Niemand hört. Gewiß nicht? wohl. Kurz, ich bin mit Verlaub Ein Findelkind — ihr seid verschwiegen hoff’ ich — Der Schreiber meines Herrn, Herr Adam Grünlich, Hätt’ ohne diesen Makel — dafür hält er’S — Mich zum Gespons erwählt. Vermöchtet ihr Durch diesen Geist, der sicherlich auch euch Zu Diensten ist, mir über meine Abkunft Ganz zuverläff'ge Kunde mitzutheilen? Lutz. Das möchte sein. Doch muß die Jungfer wissen,

Die Geister solcher Art thun nichts umsonst. Wer etwas heischt, muß ihnen Opfer bringen. Rebekka. Ich bin auch gern bereit . . . Lutz. Versteht mich recht. Ein solcher Spiritus, der festgebannt Im Fläschlein sitzt, damit er niemand schade, Den dürstet nicht nach Geld — der lechzt nach Sünde. Rebekka. Gott steh' mir bei! Lutz. Die Jungfer wolle nicht Zu sehr erschrecken. Ist das Flaschenmännlein Auch nicht ein guter Geist, so ist er deshalb Der allerschlimmsten keiner, und verlangt Nach Mord und argen Frevelthaten nicht; Er läßt an kleinen Sünden sich genügen. Rebekka. Herr, eines tugendsamen Wandels war ich In Züchten und in Ehren stets beflissen. Lutz. Ihr wollt den Handel gern in Ehren schließen? Rebekka, (beiseit) Man möchte gleich . . . Lutz. Die tugendsame Jungfer Erlaube mir, verschiedentliche Sündchen In Vorschlag ihr zu bringen, als zum Beispiel @eij, Hoffart, Neid, Berläumdung . . . Rebekka. Schon genug,

Ärrf sieben Stunden.

23

Trägt doch ein jedes seine Sündenlast; Und in dem Päcklein, das ich aufgeladen, Wird wohl genug . . .

Lutz. Glaubt'S nicht. Der Bursche nimmt Euch mit altbackner Waare nicht fürlieb; Frisch will er sie, brühwarm.

Rebekka. Du liebe Zeit!' Ich will's bedenken wie — wer lachte da? Lutz.

Ihr irrt euch wohl.

Rebekka. Ich hörte eS ganz deutlicli, Dort hinter jenem Vorhang.

Lutz. Ah, dann war es Der Inkubus im Fläschchen, der im voraus Sich auf sein Futter freut.

Rebekka. Es ist entsetzlich. Lutz. Wer kann's dem kleinen Teufelskerl verargen, Der, eingesperrt, sonst kein Vergnügen kennt? Rebekka. Man kann doch nicht . . . Lutz. Nun, denkt darüber nach. Ich will heut Nacht, da just die Sterne günstig, Den Spiritus in euerm Namen fragen; Und ob ich Antwort haben soll ob nicht.

Auf sieben Stunden.

24

Sei euch anheimgestellt und wenn ihr. . . Doch Da kommt der Rappold schon. fFelir Navvold kommt zurück)

Rappold. Da bin ich wieder.

Ihr habt es der Frau Brachland nur zu danken,

Daß sich der Meister willig zeigt dem Wunsche Herrn Schellenbergers zu willfahren.

Aber

Er kann, nachdem er einmal seine Werkstatt

Geschlossen hat, ihn hier nicht sehn und eben So wenig sich zu ihm begeben.

Dennoch —

Heut Abend, wenn es still ist in den Straßen, Etwa um elf, wird der Herr Dottor unter

Den Bäumen hinter Sankt Egidii

Sich finden lassen. Rebekka.

Dank für eu'r Bemühen. Nur fürcht' ich, wird mein Herr . . . Lutz.

WaS meint die Jungfer? Rebekka.'

Die späte Stunde, der entlegene Ort . . . Rappold.

Steht'S doch bei ihm, zu kommen oder nicht,

Er mag sich, wenn er will, begleiten laffen. Rebekka.

DaS ginge . . . Doch wer sollte? . . der Herr Grünlich, Sein Schreiber, dem in allem er vertraut,

Hat keinen Glauben an die hohe Kunst.

Rappold. So besser.

Jst's doch nicht des Meisters Art,

Den Glauben daran Andern aufzudrängen,

25

Auf sieben Stunden.

Weiß er doch, daß die Macht, die ihm gegeben, Den Zweifelsüchtigsten bekehren muß.

Rebekka. Der Glaube meines Herrn und so der meine Stehn felsenfest.

Deß möge der Herr Doktor

Stellarius versichert sein, als welchem ich gehorsamst

Wie auch den Herrn in tiefster Devotion

Empfohlen bleibe.

Lutz. Der sehr werthen Jungfer Ergebne Knechte!

'.Rebekka ab-

Rappold. Beinah' hast du es Zu arg getrieben.

Weshalb sie versuchen?

Lutz. Bersuchen wellt' ich, ob sie der Versuchung Zu widerstehn auch nur versuchen würde.

(Beide ab)

Zweite Scene. Gavtcn. Links ein Theil eines Wohngebäudes sichtbar mit einem Erker im Vordergründe. Rechts eine Mauer mit einer offnen Pforte.

(Magdalis und Agnes)

Agnes. Ich wollte, Magdalis, du könntest sehen Wie besser dich ein heitres Antlitz kleidet

Als solche düstre Stirn.

Weshalb der Unmuth?

Dich darf die Furcht, mein Mütterlein zu werden, Nicht länger peinigen.

Dein Oheim kehrt

Wohl schwerlich je zurück, und käm' er auch,

So hat er längst wohl seinen Sinn geändert.

Magdalis. Und doch quält mich dein Vater stets aufs neue. AgneS. Ist's seine Schuld, daß er in dich verliebt ist? Bin ich's doch selber; wer auch wär' es nicht? Magdalis^ Dein Scherz verwundet mich. Wie auch dein Vater Dir werth sei, ihn entschuld'gen darfst du nicht. Agnes. Rebekka meinte heut . . . Magdalis. Ich bitte dich, Sprich von der Hexe nicht. Kannst du es glauben? Sie ist zu meinem Bruder hergekommen, In deines Vaters Namm, deine Hand Ihm anzutragen, falls er ihm dagegen Die meine zugesteht. Agnes. Warum nicht gar? So wenig als du mich zur Tochter, möchte Ich dich zur Schwägerin. Dein Bruder ist mir Als solcher werth, allein zum Mann . . . Magdalis. Deswegen Sei ohne Sorgen. Denn er ginge nimmer Auf deines Vaters Pläne ein, selbst dann nicht, Wenn er nicht schon — ich hab's ihm abgemerkt — Ein Bräutchm in der Fremde hätte. Agnes. Wirklich? Ich hatte drauf gehofft, er sollte heute Uns zu dem Wundermann Stellarius

Begleiten; aber der ist nicht mehr sichtbar. Er ist, ich weiß nicht mehr zu welchem Fürsten Berufen worden. Magdalis. So erzählt man freilich; Doch glaub' ich, daß er Nürnberg meiden muß Um seiner schnöden Zauberwerke willen, Denn was die Leute davon sich erzählen, Grenzt ans Unglaubliche. Agnes. Ich glaub'S auch nicht. Ich hab' dm Mann ein einzig Mal gesehen, Wie er an Herrn Johannes Pfinzings Seite Aus bessert HauS geschritten kam. Sein Auge Blickt hell und klug, doch auch so gut, so treu! Der hat mit Höllenkünsten nichts gemein. Ein weiser Arzt, des Laufs der Sterne kundig, Der die verborgnen Kräfte, die in Pflanzen Und in Metallen wohnen, zn erforschen Und sie zu nützen weiß, ist drum kein Zauberer. Wer wird gleich alles glauben, was die Mägde Beim Spinnen, was Gevatterinnen sich Am Markt erzählen? Und nun vollmds Dinge, Die ganz unmöglich sind. Magdalis. Sieh doch, wie warm Du dich des Mannes annimmst! Aber sei er Ein Zaubrer oder nicht, so steht doch fest, Daß es dergleichen Künste giebt, und zwar Weiß ich von Dingen, die so wundersam, Ja so entsetzlich sind, daß schon beim Denken Daran das Haar sich sträubt, das Blut erstarrt.

Agnes. Ich glaub' einmal nicht dran. Magdalis. Mein eigner Bruder, Den du doch selber einen Freigeist schiltst, Hat in Italien — ich glaub' es war In Padua — so wunderbare Dinge Erlebt . . . Agnes. Das wäre! Magdalis. Denk', dort lebte einer — Ich kann die welschen tarnen nicht behalten — Der wußte selbst Verstorbne zu beleben, War's auch für keine allzulange Frist, Und möcht' es auch ihr eigner Geist nicht sein, Der in der seelenlosen Hülle wohnte, Genug, sie gingen mondenlang umher, Als ob der Tod sie nie getroffen hätte. Agnes. Ein Märchen! Magdalis. Höre mehr. Mein Bruder hat Dort einen Freund begrüßt den er ein Jahr Zuvor in Rom verlaffen, und als nun Sie nach zwei Tagen wiederum sich trennten, Erfährt er hinterdrein, sein Freund in Rom Sei vor bereits zwei Monaten gestorben, Und so ward er . . . (Mariandl, einen S3 aff ertrug tragend, geht, ein Lied trällernd, über die

Bühne)

Was hör' ich? He Mariandl,

Äuf sieben Stunden.

29

WaS trällerst du da für ein Lied? die Weife

Ist mir bekannt,

(ju Agnes) Es ist der Lieder eines,

Die jener Lunker sang, von dem ich dir

Erzählt.

Wie kommst du zu dem Liede?

Mariandl. Gelt, Es ist 'ne frische nagelneue Weise?

Und ganz so frisch, so herzig wie das Lied, Schaut auch der Spielmann den ichs singen hörte.

Magdalis. Ein fremder Spielmann? Und wo sahst du den?

Mariandl. Vor etwa einer Viertelstunde guckt' ich

Zum Küchenfenster 'naus gen Poppenreuth —

Mein Hans kommt heut zur Stadt — da sahe ich

Ein schmuckes Bürschlein, das der Mauer nah Sich unterm Apfelbaum gelagert hatte

Und das dies Liedlein zu der Laute sang.

Die süße Weise blieb mir im Gedächtniß,

Die Worte hab' ich nicht im Sinn behalten, Es war mir halt zu vornehm.

Magdalis. Sprich, wie sah

Der Sänger aus?

Mariandl. Ein sauber Männlein war's,

So um die Zwanziger, sein braunes Haar

Gelockt und wallend, seine Oberlippe Von einem feinen Bärtlein eingefaßt,

Die Tracht beinahe wie in Erlangen Sie die Studenten tragen.

30

Auf sieben Sturr-en. A^nes. Der gefiel dir

Wohl besser als Hans Froschlein? Mariandl.

Wenn mein Hansel So schmuck und fein und sauber todt’ wie der,

So wär' er halt derselbe Hansel nicht Den ich im Herzen trag'; und mögen sie

Den läppisch, närrisch schelten — immerhin! So wie er einmal ist gefällt er mir.

AgneS. Ei, nichts für ungut, Mariandl; wollt' ich Doch deinen Hans nicht schmähen.

MagdaliS.

Und der Fremde? Mariandl.

Als ich so eben aus dem Gartenthor

Zum Brunnen trat und schöpfte, stand er da. »Ein schöner Garten, Kind» sprach er mich an. »Ist's wohl erlaubt, sich darin zu ergehen?»

»»Das möcht' ich schwerlich für gerathen halten»» Entgegnet' ich, »»der Herren keiner ist

Daheim, nur meine Jungfer, und die müßte Ins Wohnhaus sich zurückziehn, so ein Fremder

Und so ging er fort.

Im Garten wandelt.»»

Magdalis.

Er war es ohne Zweifel. Mariandl.

Wer? Magdalis.

Der Junker, Der, meines Bruders Freund, ihm das Geleit

31

Äuf sieden Stundm. Bis Regensburg gegeben.

Jedenfalls

War'S ungeziemend, ihm die Thür zu Reifen.

Mariandl.

Wie konnt' ich dmke»? . . .

Doch der bleibt nicht fort.

Der kommt schon wieder. RagdaliS. Glaubst du? Mariandl.

Und daS bald. ES schien ihm dran gelegen. — Meiner Treu!

Mir ist als hört' ich Zitherklang.

So ihr

Es wünschet, gehe ich ihn aufzosuchen.

MagdaliS. Warum nicht gar!

Er wird, wenn ihm dran liegt.

Schon meinen Bruder aufzufinden wissen. Du hüllst dich schon in deinen Schleier, Agnes?

Agnes.

Mein Vater hieß mir zeitig heimzukehren, Doch komm ich morgen wieder, zu erfahren, Db sick ter Spielmann blicken ließ.

Magdalis.

Ich gebe Dir taö Geleit bis an das Gitterpförtchen. Mariandl. Wenn ihr den Hansel seht, der heut zur Stadt kommt, Herrn Schellenbcrger seine Pacht zu zahlen,

So grüßt ihn von mir, Jungfer, so ihr's mögt. (Alle drei ah nach dem Hintergründe. Durch die Pforte treten ein: Gettwalt Volkmar und Florian von bichtenncd, letzterer mir der Laute, die er an einen Baum lebnt)

Volkmar. Noch einmal laß mich herzlich dich begrüßen!

32

Ans sieben Stunde«.

Ich hätte nie geträumt, daß ich so bald Des Wiedersehns mich freuen würde. Lichteuried. Sieh, Kaum hatt' ich dich verlassen und den Weg Nach Sachsen eingeschlagen, als ein Sehnen In mir erwachte und so mächtig wuchs, Daß es mich drängte meinen Schritt zu wenden; Und so trieb's mich gewaltsam, unablässig, Bis ich vor Nürnbergs Thoren stand. Wohl hatte Ich bald erforscht, wo du zu finden seist; Doch fühlt' ich mich von banger Scheu beschlichen, Ich möcht' ein unwillkommner Gast erscheinen. Volkmar. Muß ich dir denn aufs neue wiederholen, Wie sehr du mir willkommen bist? Lichteuried. Ich glaub' es. Doch laß mich dir gestehn, ich wär' es gern Nicht dir allein. Volkmar. Versteh' ich recht, so galt Die Sehnsucht, die dich trieb, dem Freunde nicht! Lichteuried. Wie lieb du mir in kurzer Zeit geworden, Die Sehnsucht nach dem Freund' hätt' ich bekämpft, Doch seiner Schwester unnennbarer Liebreiz, Der Taubenblick des unschuldvollen Auges, Ihr anmuthreiches, jungfräuliches Wesen — Sie haben mir das Herz mit tausend Fäden So fest umsponnen, daß bestrickt, gefangen, Es nimmer dock die Bande brechen möchte.

SS

Auf siebe« Stunden.

Bettmar. Hatt' ich's doch fast geahnt.

Lichteuried. Und Magdalis?

Ob sie den Zauber kennt, der ihr verlichen, Der meine Seele ihr zu eigen macht?

Volkmar. Ein Mädchenherz wie ihres, demuthvoll, Gleicht einer zarten unscheinbaren Knospe, Die nimmer sich bewußt ist, welch ein Reichthum

Von Farbe, Glanz und Duft sich in ihr birgt.

Allein dem Strahle dankbar, der die Wunder Des Lebens und der Lieb' in ihr hervorruft,

Kehrt sie ihm gern das Blüthenantlitz zu.

Lichteuried. Und ist's nicht frevelhaft, des eignen Unwerths Nicht eingedenk, nach solchen Schätzen streben?

Volkmar. Wer nimmer strebt wird nimmer auch erringen.

Lichteuried. Glaubst du sie abhold meinem Werben? Fänd' ich

Dich ihm geneigt?

Volkmar. Sei meiner besten Wünsche Und meines Segens sicher.

Alles andre

Machst du am besten mit ihr selber aus.

Dort kommt sie her; ich geh' indeß bei Seite. (Er geht.

Magdalis erscheint im Hintergründe)

Lichteuried. Der Himmels Wonne scheint sie zu umglänzen.

Woher denn nur das Zagen, das mich faßt? — tisülH'd.'nubt, ecfrauf'.’iclt. 2.

3

34

3uf fiebm Stunönt.

Ist mir'S erlaubt, der holden Magdalis In ihrer Heimakh meinen Gruß zu bitten?

MagdaltS. Sieh, Junker Lichtenried!

Ich hätte nicht

Geglaubt, so bald euch hier zu sehn. DaS meinen Bruder freun!

Wie wird

WaS führt euch her?

Ltchteurird.

Habt ihr von Zauberkräften wohl gehört, Die eines Mmfchen Herz unwiderstehlich

In ihrm Kreis zu banne» wissen?

MagdaltS. Doch;

Ist ja die ganze Stadt der Wunder voll. Die hier ein weiser Meister auSgeübt.

Sind sie'S, die euch hieher gelockt? Ltchteurird. Mit nichte«.

Der Zauber, der mich hergezogen, stärker.

Als Doktor Faust zu übm je vermochte, Er wohnt in eines Mädchens sanften Augen.

MagdaltS.

Das sind so Redensarten, wie sie wohl In euren Liedern gang und gäbe sind.

Doch unverblümt wollt ihr damit wohl sagen. Euch zieht ein Lieb, am Ende gar ein Bräutchen Nach Nürnberg? Nicht? Ob ich sie keimen mag?

Ihr nickt? Gewiß ist eS der schönsten eine,

AuS edelstem Geschlecht.

Jst's ElSbeth Holzschuer?

Nicht? oder Katharina Tücher? auch nicht? Ich bitte, nennt sie mir.

Glaubt nur, ich gönn' euch

Die schönste und die edelste von allen.

Äuf siede« Stunden.

35

Lichtenried.

DaS thätet ihr? Hab' ich euch recht verstandm?

Ihr gönnet, sagt ihr, mir die Hand der schönsten

Und besten? Magdalis. Ja, und das von ganzer Seele. Lichtenried.

So gönnet denn mir diese Hand zu fassen. MagdaliS. WaS soll? . . .

Ähr meint . . .

DaS ist nicht fein, Herr

Junker. Daß sich mein Bruder freundlich euch bezeigt,

Daß ich Gefallen fand an euren Liedern, Berechtigt euch nicht mein zu spotten.

Geht!

Mein Bruder soll's erfahren. Lichtenried.

Was ist das? Ihr weint? ihr zürnt?

O fliehet nicht, verweilt!

Nur einen Augenblick!

Wie könnt' ich spotten?

Vergebt mir, wenn ich eitlen Sinns nicht ahnte

Daß ihr mir abhold seid, wohl gar mich haßt. Magdalis.

Das hatt' ich nicht gesagt.

Lichtenried. Und ihr verzeiht.

Daß ich so kühn war, möglich es zu glauben, Ihr könntet mir gewogen sein? Magdalis.

Was ist

Da zu verzeihm?

Wie könnt' ich euch wehren

Zu glauben, was ihr mögt?

-6

Auf Petr» Stund«. Lichtearied.

Ihr zürnt nicht länger? Magdalis.

So ihr nicht Anlaß gebt. Lichtearied.

Ihr haßt mich nicht? Magdalis.

Ich hasse niemand. Lichtearied. Seid ihr mir nicht abhold? Ragdalis.

Nein.

Lichtearied. Könntet ihr ein wenig gut mir sein?

Magdalis. Ihr fragt gar viel und wunderlich.

Doch brauch' ich

Auf jede Frage Antwort nicht zu gebm.

Lichtearied. Ihr braucht nicht, doch eS wär' gar hübsch, ihr thätet'-.

Seit wir in Regensburg geschieden, hab' ich Im Wachen wie im Traume euch allein Im Sina getragen.

Aber ihr habt meiner

Wohl nie gedacht? MagdaliS. Mein Bruder hat gar oft

Bon euch gesprochen. (tof«t) Gott sei Dank, da kommt er!

(Volkmar kommt zurück) Volkmar. Nun Magdalis, hat unsres Freundes Ankunft

Nicht auch dich überrascht?

Hat er schon viel erzählt?

Was sagst du, Mädchen?

37

Ä«f ftrbett Stunde«. 8ttGgboli8.

(beiseit)

Nun fängt auch der

Zu fragen an.

Seit ich der Kinderlehre

Entwachsen bin, hat man mich also nicht

Katechisirt. Volkmar.

Schaff' einen Imbiß, Schwester,

Und einen Trunk für unsern liebm Gast; Du mußt den WillkommSbecher ihm kredenzen. MagdaliS.

Dort in der Laub' ist alles gleich bereit. Vergeßt nicht eure Laute, Junker!

(6 (Lila tritt wieder ein)

Lila. Was wollte daS hübsche junge Mädchen, Mama? Fran von Wartenfteiu. Sie hat sich mir als eine Verwandte vorgestellt. Lila. Eine Verwandte? Der Kellner hat mir vorhin gesagt, sie sei die Tochter der Wirthin. Bitte, wie hängt das zusammen? Frau von Warteustein. Das werd' ich dir zu ge­ legener Zeit erklären. Jetzt ziehe die Glocke! Wir reisen noch heut; in einer halben Stunde. Lila. Wie? Noch heut? wo sich durch diese junge Ver­ wandte und durch Vetter Otto's Ankunft vielleicht Aussicht auf Unterhaltung bietet? Frau von Warteustein. Es geht einmal nicht anders.

Vefun-nr.

268

Lila, ikllnqelt) Du hattest ja doch erst morgen reisen

wollen.

Warum denn nun so plötzlich?

Frau von Wartenstein.

Ich habe meine Gründe;

das sei dir jetzt genug.

(Gottlieb kommt) Gottlieb.

Sie befehlen?

Frau von Wartenstein.

Lassen Sie mein Gepäck so­

gleich nach dem Bahnhof hinüberschaffen.

Ich reise noch mit

dem Abendzuge. Heut? Mit dem Abendzuge? Die gnädige

Gottlieb.

Frau hatten morgen früh . . . Frau von Warten stein.

Ich habe meinen Entschluß

geändert.

Und wie befehlen Sie, daß ich . . .?

Gottlieb.

Fran von Wartenftein.

Ich bedarf Ihrer nicht.

Gottlieb. Sie hatten die Gewogenheit gehabt, verehrte gnädige Frau . . .

Fran von Wartenstein.

gegeben.

Ich habe das Projekt auf­

Denken Sie nicht weiter daran und schweigen Sie

darüber; es kennte sonst zu Ihrem Nachtheil gereichen.

Gottlieb.

Und darf ich hoffen, daß . . .?

Frau von Wartenstein.

mit der Sache und damit gut. Lila.

Genug davon.

Es ist nichts

ß'omtn in den Garten, Lila!

Wenn du mir nur erklären wolltest . . .

Fran von Warten stein.

Gottlieb.

Später, Kind, später.

Gestatten Sie mir nur Ihnen die verlang­

ten Beweisstücke zu überliefern.

Ich eile sie zu holen.

((sc eilt fort. Sabine geht über die Bühne) Fran von Wartenstein,

(ihm nachrufend)

Lassen Sie

mich in Ruhe! Komm, Lila! Lila,

(beiseit)

Wer daraus klug würde!

Frau von Wartenftein.

Ah, da ist die Sabel. Sabel!

Gefunden.

Sabine.

269

Gnädige Frau!

Frau von Wartenstein.

Ich reife mit dem nächste«

Zuge. Sorge dafür, daß mein Gepäck unverzüglich »ach dem

Bahnhof geschafft werde.

Ich geh' einstweilen in den Garten.

Laß mich rufen, sobald es an der Zeit ist. Verlassen Sie sich auf mich.

Sabine.

Frau von Wartenstetn.

Bis dahin möcht' ich gern

ungestört bleiben . . . Besonders dem jungen Menschen dem

Kellner sage, er möge mich mit seinen Zudringlichkeiten ver­

(Ab mit Lila)

schonen.

Was mag die nur mit dem Gottlieb habe»?

Sabine.

(Auf den Hauifiur hinaui rufend)

He, Heinrich, hierher!

(Ein

Haus-'

Rasch das Gepäck aus Nummer zwei und drei

tncdit tritt ein)

nach dem Bahnhof hinüber! (Der Hau-knecht geht hinein und trägt das Gepäck fort) (Nose kommt herzu)

Rose. Wie? Die Damen reisen schon? Was wird nur

der Gottlieb dazu sagen, der so viel Heimlichkeiten mit ihnen hatte?

Sabine. Nose.

Dem Gottlieb soll ich bestellen . . .

Da ist er selbst.

(Gottlieb kommt hastig, ein Päckchen, leicht in Papier gewickelt, in der Hand)

Gottlieb.

Frau von Wartenstein nicht mehr hier? (Er will hinaus)

Sabine.

Beniühen Sie sich nicht, MuSjeh Gottlieb.

Die Dame läßt Ihnen sagen, Sie möchten sie mit Ihren

Zudringlichkeiten ungeschoren laffen. Rose.

Gottlieb! Wie freundschaftlich, wie wohlwollend!

Und von so vornehmen Damen!

Gottlieb.

O schändlich, abscheulich!

Mir so mitzu­

spielen! Rost,

(krschrockcn)

Was ist dir nur begegnet?

Gefunden.

270 Gottlieb.

Pfui über das herzlose ränkevolle Weib!

((yr schleudert daS Päckchen mit Heftigkeit an den Boden; die darin befindlichen Servietten werden sichtbar) Rose. Gottlieb, Gottlieb! (beiseit) Er ist ganz außer sich. Gottlieb.

So ruchlos mit den Hoffnungen, mit dem

Glück eines Menschen zu spielen! — Aber Geduld! Glauben

Sie meine Rechte feien verscherzt, wenn Sie mich fallen las­ sen? — Ich werde sie allein zu verfechten wiffen. Sabine, (bat die Servietten aufgehoben) Was ist denn das?

Ist's glaublich? Wie kommen Sie zu den Servietten, Musjeh Gottlieb? Gottlieb.

Sabine.

Laßt mich zufrieden! Was geht's Euch an? Was

es mich angeht? Das sind dieselben

Servietten — ich kenne sie genau an dem Tulpenmuster und an dem Wappen -- das sind die Servietten, um deretwillen ick den Dienst in Sondheim verloren habe.

Das sind die Servietten, in welche der Gottlieb

Rose.

vor langen Jahren eingewickelt war, wie er als Findling in's

Waisenhaus gebracht worden. Sabine.

Wirklich? Nun ist mir alles

wie ich's mir immer gedacht habe.

klar.

Ganz

Die Christine hat sie mit­

genommen! Die Servietten muß die Frau von Wartenstein sehen.

(Sie will fort)

Rose.

Ein Wort, Sabine! Wer ist die Christine? Was

hat die Frau von Wartenstein damit zu schaffen? Sabine.

Wer Christine ist? Was Frau von Warten­

stein daruit zu thun hat? Das will ich Ihnen sagen.

Die

Christine war Köchin bei der Frau von Sonden, der Tante der Fran von Wartenstein, und ich diente als Hausmagd im

Schlosse.

Nun ward die Christine plötzlich aus dem Dienst

entlasien von wegen einer Liebschaft mit dem Bastian dem Kut­ scher; der Bastian ging ungeheißen.

Und drei Wochen später,

Hefunden.

271

als ich die Tischwäsche abliefern sollte, da fehlten drei Ser­

vietten an einem Gedeck; und deshalb niufjf ich Knall und Fall aus denr Dienst.

Aber es ist nichts so fein gesponnen,

es kommt endlich an die Sonnen. — Daß die Frau von

Sonden gerade jetzt hat sterben müssen! Aber Fräulein Ulrike nluß es wissen.

Die Satisfaetion muß ich haben!

Gottlieb, (kleinlaut)

Hört Sabine! nur einen Augen­

blick. — Was wißt Ihr sonst von der Christine? Sabine.

Nun der Wahrheit die Ehre! Die Christine

war nicht bloß eine perfekte Köchin, sie war auch ein kreuz­ braves Frauenzimmer — und wenn ihr der Bastian nicht so

an's Herz gewachsen war — je nun, sind wir doch allzumal arme Sünder!

Gottlieb. (Mit bewegter Lrimme)

Könnt Ihr mir sagen,

wo sie zu finden ist? Zu finden? Du Lieber Himmel! — Ein Jahr

Sabine.

spater ist sie im Marienstädter Hospital gestorben.

Es hieß

aus Gram über den Bastian, der auf einer Fahrt im Ge­ birge verunglückt und zu Tode gekommen war.

Gott sei den

armen Seelen gnädig! Rose.

Ruhig.

Sabine.

Herzens-Gottlieb, ich bitte dich!

Nehmen Sie sich's nicht allzusehr zu Herzen,

Muöjeh Gottlieb.

Das sind ja jetzt längst vergessene Ge­

schichten . . . Aber die Servietten muß Fräulein Ulrike sehen

ehe sie abreist! Gottlieb. Rose.

(ab)

O Rose!

Mein liebster Gottlieb!

Gottlieb. So aus seinem Himmel herabgeschleudert zu werden! — Und doch, ich fühl' es! der jähe Fall — wie schmerzhaft er auch ist — er hat mich geheilt, gründlich geheilt.

Rose.

Das wolle Gott!

Gottlieb.

Ja Rose, ich bin erwacht aus meinen eitlen

Geftmde».

272

Träumen. Meine unsinnigen hoffärtigen Einbildungen sollen dich nie wieder quälen. Treu und gewissenhaft will ich fort­ an meinem Berufe leben, und meiner Liebe, unsrer Liebe, Rose. Wie lang, wie thöricht hab' ich dich gequält! Vergieb es mir, liebe Rose! Rose. Jetzt erst werden wir unsrer Liebe froh werden. Laß unö treu in ihr zusammenhalten. Gottlieb. Unwandelbar! bis in den Tod! (Umarmung.

Frau Brunold

kommt)

Frau Brunold. Rose! Gottlieb! Ist dies der Ort euch eurer Zärtlichkeit hinzugeben? Rose. Verzeihen Sie uns! Wir sind so gar glücklich. Frau Brunold. Was ist denn vorgefallen? Rose. Ter Gottlieb ist ein anderer Mensch geworden. Frau Brunold. Das wäre freilich ein Glück für ihn wie für dich, aber ich fürchte . . . Rose. Fürchten Sie nicht, ich stehe für ihn ein. Gottlieb. Ach, Frau Brunold, ich bin zu tief beschämt, zu grausam enttäuscht worden, als daß jemals ein Rückfall in meine alten Thorheiten möglich wäre. Sie sollen nie wie­ der über mich zu klagen haben. Frau Brunold. Geb' es der Himmel! Ihr müßt mir bei besserer Muße erzählen wie das gekommen ist. Jehl aber eilt, daß ihr hinunter kommt. (Beide ab.

Die Generalin begegnet ihnen in der Thür-

Generalin. (Gottlieb nachrufend) Ein Zimmer für meinen Sohn! Er folgt mir auf dem Fuße. — Meine theure Frau Brunold, mein Sohn ist angelangt. Er ist beim Aussteigen zufällig auf seinen Obersten getroffen, der ihn noch aushält. Mein Otto ist hochbeglückt durch meine Einwilligung in seine Verbindung mit Ihrer lieben Tochter. Dürft' ich hoffen, daß Sie ihn als Sohn willkommen heißen!

Gesunde«.

273

Frau Bruuold. ^Nach allem, waS ich bisher erfahrm, habe ich keinen Grund zu zweifeln, daß die beiden jungen Leute sich wahrhaft lieben und einander würdig sind, aber so wenig ich eine gewaltsame Störung eines zarten Berhältuiffegut heißen mochte, eben so nachtheilig scheint mir, es zu vor­ zeitiger Reife bringen zu wollen. Generalin. Dies Verhältniß, im Stillen erwachsen, scheint ein völlig gereiftes und nur von Ihum hängt es ab eS zu einem dauernden segensreichen zu machen. Ich glaube überzeugt zu sein, daß Herr Palmer seine Zustimmung nicht versagen wird. Frau Brunold. Herr Palmer hat seit verkürzen Zeit, da ich ihn kenne, mir sein Wohlwollen und sein Vertrauen geschenkt und ich fühle mich dadurch geehrt. Sein guter Rach wird mir bei jeder Gelegenheit schätzbar sein; in diesem Falle aber scheint mir vor allem nöthig daß ich meine Tochter höre. Ich habe von dieser Neigung erst heut und zwar durch dritte Personen erfahren; ich muß zuvor daS Herz meines Kindes erforschen und ich weiß sie wird eS ihrer Mutter unverhohlen darlegen. Generalin. O so zögern Sie nicht. Frau Bruuold. Ich muß — wenn auch nicht ohne Scheu — noch einen Punkt berühren. Der Stellung, die meine Antonie als Gattin Ihres Sohnes vielleicht einzuneh­ men hätte, möchte sie, was ihre Erziehung und ihre geistige Ausbildung anlangt, wohl gewachsen sein. Im übrigen aber — entschuldigen Sie meine Freimüthigkeit — ich kenne die VermögenSuuistände Ihres Herrn SohneS nicht; die meiner Tochter sind allerdings überaus mäßig. Generalin, (be(fcit) Sie weiß wirklich noch nicht— um so bester! (laut) Ueber diesen Punkt seien Sie ganz unbesorgt. Mein Sohn — wenn auch nicht gerade reich — besitzt genug, 18 Go.^scbmldt, Lchauspicle. 2.

um seinen Rang in der Gesellschaft zu behaupten und ich — wenn Sie mich auch in Standesbegriffen befangen gesundm haben — so hab' ich doch Geldriickstchten jederzeit gering ge­ achtet. Und vollends in einem Falle, wo es das Wohl zweier liebenden Herzen gilt. Doch da ist mein Sohn! (Lieutenant von Schneideck tritt ein) Mein lieber Otto, dies ist Frau Pfar­ rerin Brunold. Frau Brunold. Sein Sie mir willkommen! Lieutenant. Nehmen Sie es für keine leere Redens­ art, wenn ich sage, daß ich im Gefühl innigster aufrichtigster Verehrung vor Sie trete. Ich habe soviel des Lieben und Guten von Ihnen gehört. Frau Brunold. Aus parteiischem Munde und mit par­ teiischen Ohren. Lieutenant. Ich habe durch meine Mutter erfahren, daß die Wünsche meines Herzens Ihnen nicht unbekannt ge­ blieben sind. Möchten Sie ihnen gewogen sein! Frau Brunold. Mein Herr von Schneideck, wie sehr Ihre Werbung mich und meine Tochter ehrt, so werden Sie doch einsehen, daß bevor ich diese selbst gesprochen habe, be­ vor sie mir nicht ihr Herz geöffnet hat, ich eine Zusage nicht ertheilen kann die, von mir allein ausgehend, keinen Werth für Sie haben kann. Lieutenant. Dann darf ich mit Hoffnung und Ver­ trauen ihr entgegensehen. (Palmer kommt nut Elise) Geueralin. Hier naht die Entscheidung wie ich hoste. Lieber Better — ich darf Sie doch so nennen? — erlauben Sie mir Ihnen meinen Sohn vorzustellen. Sie, liebes Fräu­ lein, kennen ihn ja schon. Clise. Willkommen Herr von Schneideck! Bringen Sie mir keine Grüße mit?

Gesunden.

275

Lieutenant. Ich hake feit Ihrer Abreise keinen der Ihrigen gesehen. Sind doch seitdem kaum vierundzwanzig Stunden vergangen. Frau Brunold. Sie haben hier an Elisen einen sehr beredten Anwalt gehabt. Elise. Wie hätt' ich anders gekonnt? Und waS sagen Sie zu unsrer Verwandtschaft? Lieutenant. Wie meinen Sie das? Generalin. Hab' ich doch noch nicht Zeit gefunden dir zu sagen, daß hier unser theurer Vetter Palmer, früher Lennau genannt, in der liebenswürdigen Pflegetochter dieser Dame seine längst verlorene Tochter wiedergefunden hat. Lieutenant. Ist das möglich? Elise. Ja so ist es in der That und Sie sehen die seligste aller Töchter vor sich. Palmer. Wie den glücklichsten aller Väter. Meine Tochter hat mir auch schon von Ihnen erzählt; von Ihrer Herzensneigung, an der ich innig Theil nehme. Generalin. Sehen Sie, liebe Brunold, was das liebe Mädchen seiner Bkutter nicht vertraut, hat sie ihrem Vater entdeckt. Ja, die Bande des Blutes sind doch die stärkeren! Palmer. Ich bin selbst sehr begierig, Antonie kennen zu lernen. Generalin. Ich werde ganz irre. Wie ist denn Ihr Name, liebes Kind? Elise. Elise. Generalin. Elise? Und wer heißt denn Antonie? Elise. Meine Schwester. Generalin. Wie? Sie hätten . . . Und du? Du liebst . . . ? Lieutenant. Antonie Brunold, die Tochter dieser wür­ digen Frau. Und da ich die Gewißheit habe, daß ihr Herz 18 *

Gefunden.

276

mir gehört wie meines ihr; und da du, liebe Mutter, unsrer Verbindung deine Zustimmung, deinen Segen verheißen, so

darf ich ja wohl hoffen, daß Antoniens Mutter uns den ih­ rigen nicht versagen werde.

Ich bin noch ganz konsternirt.

Generalin.

Zn der

festen Ueberzeugung, diese junge Dame, die Tochter meiner verstorbenen Cousine Louise, sei deine Erwählte und um einen

Akt der Versöhnung mit diesem Manne hier zu begehen, hatte

ich meine Einwilligung gegeben . . . Die du deshalb nicht zurücknehmen wirst.

Lieutenant.

Meine Sohnespflicht hieß mich sie erbitten, doch diese Pflicht

entbindet mich nicht von einer nicht minder heiligen. Du weißt aber doch . . .

Generalin.

Frau Brunold.

Lassen wir diese Angelegenheit

jel^t ruhen, Frau Generalin.

für

Uebereilen wir nichts, wie ich

Sie schon früher gebeten habe. Gewähren Sie mir ein Wort zu reden.

Palmer.

hochverehrte Frau,

Diese

die meiner Tochter als einem hülflosen

Findling alle Sorgfalt und Liebe einer Mutter zugewendet

hat — nie werd' ich ihr die Schuld des Dankes genügend Aber das möge sie mir gestatten, daß, wie

abtragen können.

sie mein Kind als das ihre angenommen, ich ihre Tochter auch als die meine betrachten dürfe; daß, wie Elise die Erbin

ihrer Großmutter, sie die meinige sei.

Elise.

So ist's recht, mein Vater.

Frau Brunold.

Palmer.

Lieber Palmer, unmöglich kann ich...

Diese geringe Genugthuung, die mir nicht ein­

mal eine Entbehrung auferlegt, dürfen Sie mir nicht wehren. Generalin.

Wahrhaft nobel!

(Gottlieb und Ro^e sind im Hintergründe erschienen)

Gottlieb,

(sich der Generalin nähernd)

Gnädige Frau, das

Zimmer Nummer acht ist für den Herrn Lieutenant hergerichtet.

Gesunde«.

277

Palmer. Und morgen holen wir Antonie und vermeh­ ren durch sie diesen KreiS glücklicher Menschen. Frau Brun old. Komm her, Gottlieb; tritt näher, Rose! Auch er ist ein gefundenes Kind und ist ein wackrer junger Mann geworden. Da er einen verderblichen Wahn abgestreift hat, eine geliebte Braut sein nennt, und ich dem jungen Paare künftig die Verwaltung dieses HauseS anzuver­ trauen denke, so ist, glaub' ich, auch er den Glücklichen beizu­ zählen. Rose. Frau Brunold! (Sie küßt bewegt Ihre Hand) Gottlieb, (ebenso) Sie häufen Wohlthal auf Wohlthat.

Womit hab' ich'S verdient? Elise. Glückauf, Gottlieb! Ja wir sind gefunden, aber wir haben auch gefunden! Palmer. Das haben wir alle, und mögen wir immer der gefundenen Güter werth bleiben!

Die bilden Mütter. Lustsnel in drei Men.

Personen: Gräfin von Hedmar. L«il,

i

Lothar, f

ihre Söhne.

Hofmarschallin von Schönhelm. Edwine,

ihre Tochter.

Baron von Halden. Anna,

seine Tochter.

Emma Fernau.

Aammerherr von Stülpen. Minette.

Jakob. Diener.

Erster Akt. Erste Scene. Garten. (Gräfin von Hedmar und Baron von Halden)

Gräfin. Hieher mein theurer Freund! An dieser Stelle lasten Sie mich noch einmal aus voller Seele Sie willkommen heißen. Kennen Sie die Bank, die Platane noch? Alle- ist an­ ders geworden in meinem elterlichen Hause und im Garten: dies Plätzchen wußte ich vor jeder Umwandlung zu schützen. Hier lasten Sie uns sitzen, wo wir in der Jugend Tagen so oft saßen und nimmer müde wurden eine selige Zukunft zu träumen — bis eine rauhe Hand und wach schüttelte. — ES war ein schmerzliches Erwachen! Baron. Wohl war eS das. Und dennoch! Wie trüge­ risch auch unsre Jugendträume, — die Liebe die sie eingab war eine Wahrheit. Ja Eleonore, die schimmernde Blüthe des Frühlings ist dahin. Aber unter dem Sonnenbrand deS Sommers, unter den Stürmen des Herbstes ist sie zur Frucht gereift, und das Glück, das die innigste Freundschaft und be­ reiten soll, wird kein geträumtes sein. Gräfin. Nein, die Stürme haben die Flamme nicht zu loschen vermocht, die in dem still gewordenen Herzen um so reiner und ungetrübter glüht. Baron. Sechs und zwanzig Jahre seit wir einander Lebewohl sagten! Beinahe ein Menschenalter. Seit ich Sie

Vie beiden Mütter.

282

eines Andern wußte, hatte ich mir gelobt Ihnen fern zu blei­ ben, nimmer Ihre Ruhe zu stören, nie auch nur eine Zeile

an Sie zu richten oder eine von Ihnen zu erbitten.

Aber es

that mir wohl von Ihnen zu hören, zu erfahren welch' all­ gemeine Verehrung Ihnen gezollt wurde; auch von dem Gat­ ten den Sie nicht selbst gewählt hatten. Hedmar war ein edler Mann.

Gräfin.

Wie verschie­

den auch unsre Lebensansichten — er achtete die meinigen und

suchte nie mir seine aufzudrängen. Unser Verhältniß war kein unbeglücktes; eS wurde ein gesegnetes durch das Emporblühen zweier hoffnungsvoller Söhne.

Es war ihm nicht vergönnt

sich ihrer vollen Entwickelung zu erfreuen! — Auch Ihnen ist

ja Vaterfreude zu theil geworden!

Ich danke Gott dafür.

Baron.

genieße ich

Aber erst seit kurzem

ihrer in vollem Maaße. — Mein ungestümer

Sinn hatte nicht so bald sich fügen gelernt. Daß es so nich­ tige konventionelle Rücksichten waren durch die wir von ein­ ander gerissen wurden, daß es die Macht der Armseligkeit war

der wir weichen mußten, hatte ich nicht verwinden sonnen. Als ich später, dem Wunsche meiner Mutter zu genügen, ei­ nem reichen vornehmen Mädchen meine Hand gereicht hatte

— nicht weil sie reich und vornehm war, sondern weil sie mir eine ungefälschte Liebe entgegenbrachte — da ward es mir zur

Qual, daß ich diese Liebe nicht zu erwiedern vermochte, wie sie es verdiente. Gräfin.

Baron.

Armer Freund! Nach kaum zwei Jahren hatte der Tod dies

Bündniß getrennt.

Im Studium der Naturwissenschaften

suchte ich Heilung für die Wunden meiner Seele.

Mächtig

gefesselt ward ich durch die Wunder die es mir erschloß, und

diesen nachzugehen trieb es mich in die Welt hinaus.

Gräfin.

Und Ihr Kind?

Die beiden Mütter.

Baron.

283

Jene elende Vermögens- und Standesrücksichten

an denen unser Jugendmuth gebrochen war, mochte ich nicht ans meine Tochter einwirken lasten.

Ich mußte darauf be­

dacht sein sie dem Einfluß hoffärtiger Verwandten zu entziehen. Zn einem lieblichen Dörfchen unfern der Schweizer Gränze

lebt ein

mir theurer Universitätsfreund in den glücklichsten

Verhältnisten als Pfarrer.

Zu ihm bracht' ich mein Töchter­

chen als es etwa fünf Jahr alt war, daß es mit seinen Kin­ dern als eine entfernte Verwandte unter fremdem bürgerlichem

Namen erzogen werde. — Mit leichterem Herzen konnte ich nun meinem Forschertriebe folgen der mich nach den verschie­ densten Richtungen selbst über Europa hinaus führte.

End­

lich nach langjährigem Umherschweifen ward die Sehnsucht nach meinem Kinde zu mächtig. — Diese und, daß ich's nicht leugne, auch die Aussicht in Ihrer Nähe weilen zu dürfen, trieben mich zur Heimat zurück. — Ein liebliches zur Jung­

frau herangeblühtes Kind fand ich meine Tochter wieder, in einer Familie von einfachen Sitten und hoher Geistesbildung

erwachsen, voll fröhlichen jugendlichen Muthes und voll Liebe

für ihren langentbehrten Vater. Gräfin.

Baron.

Und diese Tochter — wo ist sie? Seit etwa sechs Monaten ist sie meine Beglei­

terin, sie und ihre Gespielin, eine Tochter meines Freundes. Ich habe die interessantesten Theile Deutschlands mit beiden

besucht, und wenn meine Anna an dem Leben der sogenannten höhern Gesellschaft, dem ich glaube sie nicht ganz entziehen

zu dürfen, wenig Gefallen findet, so hab' ich mich doch daran gefreut, mit welchem Geschick und welcher Sicherheit sie sich

in Formen zu finden weiß, die ihr bisher fremd waren.

Gräfin.

O eilen Sie mir sie zu bringen.

Barou.

Erst mußte ich Sie, mußte Sie allein sehen,

meine Ueberzeugung bestätigt finden, daß Sie dem Freunde

Ihrer Jugend die alte herzliche Gesinnung bewahrt haben. Wie freue ich mich darauf sie Ihnen zuzuführen. Ist mir doch schon der Gedanke gekommen wie schön es wäre wenn eine Neigung rein und innig, wie es einst die unsre war, mein Mädchen mit einem Ihrer Söhne verbände! Gräfin. Das würde mich unendlich glücklich machen. Freilich wär' es nur Cecil mein ältester Schn auf dem eine solche Hoffnung sich gründen könnte. Dem Hofleben und allem was daranhängt feind, hat er in Wisienschast und Kunst Be­ friedigung gesucht und gefunden. Nach jahrelanger Abwesen­ heit ist er erst gestern heimgekehrt. Sein Bruder Lothar ist mehr Weltmann wie sein Vater es war; er hat die diplo­ matische Laufbahn erwählt und eine Neigung der ich ihn er­ geben sehe bekümmert mich mehr als sie mich erfreut. Ihret­ willen hab' ich mich jenen Kreisen wieder genähert die ich gern meide so viel ich kann. — Doch wer kommt da? (Hofmarschallin von Echönhtlm hinter der Scene) Hosmarschallin. Lasten Sie es gut sein; hier ist die Frau Gräfin schon. Mein Wagen soll an dem Gartenthor Hallen, (auflrctend) Ah meine liebe Hedmar, im Garten muß man Sie suchen! — Doch ist daS nicht . . .? Baron Halden, nicht wahr . . .? Baron. Meine gnädigste . . . Gräfin. Excellenz Frau Hofmarschatlin von Schönhelm. Hofmarschallin. Erinnern Sie sich meiner nicht mehr? Naive von Hohenbrück? Es sind freilich seitdem viele Jahre vergangen und die mögen ihre Spuren zurückgelassen haben. Baron. Wenn Excellenz sich gnädigst meiner erinnern, so wird Ihnen bekannt sein daß ich immer sehr ungewandt in der Sprache der eleganten Welt gewesen bin und ich habe seitdem keine Fortschritte in dieser Wisienschast gemacht. Hosmarschallin. Wer'S glaubt! Nun äußerlich haben

285

Die beiden Mütter.

Sie sich trefflich konservirt.

Ich darf doch wohl hoffen Sie

bei mir zu sehen? Freilich hat unsre liebe Gräfin ein Borrecht.

L’on revient toujours a ses prcmieres amours. — N’est-ce

piis?

Nun über die Zeit der Sentiments sind wir hinaus.

Ich für meine Person habe eigentlich nie vielen Geschmack daran gefunden; ich habe immer eine Vorliebe für daS Pi­

kante gehabt. Baron.

Es ist mir erinnerlich. Und diese Vorliebe hat sich auf meine

Hofmarschallin. Tochter vererbt.

Sie haben auch eine Tochter, eine schöne

liebenswürdige Tochter wie ich höre.

sie mir zu bringen.

Versäumen Sie nicht

Sie vergönnen mir hoffentlich sie bei

Hofe vorzustellen? Baron.

Sie ist auf dem Vante erzogen und möchte

wenig geeignet sein für Kreise . . .

Hofmarschallin.

DaS überlasten Sie mir, Baron.

Meine Edwine wird sie schon zustutzen.

A propos, ist sie

blond oder brünett?

Baron.

Wie kommen Sie darauf?

Hofmarschallin.

Das will ich Ihnen erklären.

Sic

finden hier alles mit Vorbereitungen beschäftigt zu den Ver-

mählungssesten unsrer Prinzeß Therese.

Wir werden zwei

Quadrillen haben: eine in den Farben unsres Hofes, himmel­

blau und schwarz, die andere in den Farben des herzoglichen Bräutigams, gelb und roth.

Nun sehen Sie ein, daß blau

und schwarz wie gemacht für die Blonden ist, denen gelb und

roth nur ungünstig sein kann.

Sie können denken zu welchen

Differenzen das Anlaß giebt; und ich soll alles ordnen, alles

schlichten, denn die Herzogin hat mir die Ehre erwiesen, alle

Arrangements in meine Hände zu legen.

Ach, ich hatte nicht

geahnt, welche Last mir damit aufgebürdet werden! Bedauern

Sie mich, liebe Hedmar!

286

Vie betörn Mütter.

Gräfin. Das thue ich von ganzem Herzen. Hofmarschallin. Hätt' ich doch fast vergessen was mich zu Ihnen geführt hat, liebe Gräfin. Auf Sie hab' ich gerechnet. Gräfin. Doch nicht für Ihre Quadrille? Sie sehen, die Farbe meines Haars fängt schon an zweifelhaft zu werden. Hofmarschallin. Ich höre Graf Cecil ist wieder hier. Ten müssen Sie mir gewinnen. Gräfin. Sie wissen daß er sich immer fern der großen Welt gehalten und allein seinen Studien gelebt hat. Hofmarschallin. Wenn er auch nicht persönlich mit­ wirken sollte — darauf hat mich sein Bruder schon vorberei­ tet — aber er ist Künstler und zur Anordnung der Kostüme, der Gruppen bedarf cs einer Künstlerhand. Gräfin. Und daran sollte es hier fehlen? Hofmarschallin. Das freilich nicht; der Professor Zwicker und der Herr Reinhard haben ihre Dienste angeboten. Gräfin. Beide Männer von Talent und Geschmack. Hofmarschallin. Das wohl. Aber ihre politische Ge­ sinnung! das hat seiner Zeit röthliche Tendenzen gezeigt; das ist höheren Ortes nicht beliebt. Wenn ich dagegen der Durchlaucht einen Künstler von Familie vorstellen kann, so giebt das dem Ganzen ein Relief, ein Lüstre, und ich darf Allerhöchster Zufriedenheit gewiß sein. Gräfin. Ich sollte kaum glauben daß mein Sohn... Hofmarschallin. In jedem Fall versprechen Sie ihn mir zu schicken. Meine Edwine soll all' ihren Zauber auf­ bieten ihn zu gewinnen. Wenn sie es darauf anlegt, ist sie unwiderstehlich. Nicht wahr, Sie schicken ihn? Und jetzt adieu, theuere Hedmar, adieu, Baron! Ihr Sohn und Ihre Toch­ ter, ich rechne darauf. — Bleiben Sie, Liebe, keine Ceremo­ nien! Mein Wagen hält ganz in der Nähe. (ab)

Baron. Dies Geschlecht bleibt doch unverbesserlich. Las­ sen Sie uns dieser Geist und Herz verdorrenden Atmosphäre fern bleiben. Gräfin. Wir wollen sie meiden so viel wir können. Baron. Ich habe der ersten theuersten Pflicht meines Herzens genügt; ich habe Sie wiedergesehen, Eleonore, und mit leichtem Muthe werde ich jetzt den geschäftlichen Anfor­ derungen genügen die mich für die nächste Zeit in Anspruch nehmen. Sobald ich kann, komm' ich mit meiner Tochter und beffe mich dann der Bekanntschaft mit Ihren Söhnen zu er­ freuen. Leben Sie wohl! Gräfin. Gott mit Ihnen! (Der Larvn geht) Ja, es ist noch der alte gemüthvolle Halden. Daß der Stern, dm ich meinem Leben untergegangen glaubte, seinem Abend noch leuch­ ten soll! — Womit hab' ich es verdient? ((iecil fvnunt)

Cecil. Ah da bist du, liebe Mutter! Ich hörte du ha­ best Besuch und da hatt' ich nicht stören wollen. Gräfin. Wärst du ein paar Minuten früher gekom­ men! Halden war eben hier. Cecil. Wie? Der schlanke Mann der eben den Garten verläßt? Gräfin. Derselbe. Daß ich dir sagen könnte, Cecil, wie tief mich das Wiedersehen des Freundes meiner Jugend ergriffen hat, des Freundes, von dem ich dir so oft erzählt habe; wie ich mich der Aussicht freue, ihn künftig in meiner Nähe zu wissen! Er hat eine Tochter; sie soll ein liebes treff­ liches Kind sein. Ich wünschte sie gefiele dir, Cecil. HaldenS Kind mit vollstem Recht das meine nennen zu dürfen, würde mich unendlich glücklich machen. Cecil. Wenn sie mir gefiele! Könnte das genügen um... Gräfin. Du mußt mich recht verstehm, Kind. Ich

288

Die beiden Mütter.

rede ja nicht von bloßem äußeren Wohlgefallen. Aber war­ um sollt' ich es nicht möglich glauben daß ein Mädchen schön und reichbegabt, wie sie mir geschildert worden, dabei in länd­ licher Stille erzogen, einen tiefen Eindruck auf dein Herz machen könne das ja so empfänglich für alles Gute und Schöne ist? Cecil. Vag mich aufrichtig sein, liebe Mutter, und dir ein Geständniß machen das ich ohne diese Veranlasiung wohl noch ein wenig verschoben hätte. Gräfin. Versteh' ich recht? Dein Herz .... Cecil. Ist gefesselt. Aber nicht von einer flüchtigen -vergänglichen Neigung. Nein, das beseligende Gefühl von dem es mächtig erfaßt worden lebt nach einer zweijährigen Trennung von ihr, die es erweckt hat, in vollster Kraft und Frische und ist ein Bürge für die Göttlichkeit seines Ur­ sprungs. Gräfin. Und wer ist sie? Cecil. Du weißt daß ehe ich meine italienische Reise antrat, ich mich eine Zeitlang unter dem Namen eines Ma­ lers Herrn in Süddeutschland aufhielt um landwirthschaftlicbe Studien zu machen. Dort lernte ich ein Mädchen kennen, deren anmuthigeS, schlichtes, herziges Wesen mich ihr für im­ mer zu eigen gemacht hat und die — ich weiß es — mit ganzer Seele mir ergeben ist. Bürgerlicher Herkunft ahnt sie die meine nicht die ich ihr verschwiegen habe, damit diese kei­ nen Einfluß übe weder auf sie noch auf ihre Angehörigen, die bis jetzt nicht von unsrer Liebe wissen, und denen gegen­ über ich bisher mit meiner Werbung zurückgehalten habe. Nur in den Briefen die ich zuweilen an ihren gastfreundlichen Oheim schrieb, hat sie seitdem ab und zu von mir gehört wie ich von ihr aus des Oheims Antworten, die immer an den Maler Herrn gerichtet waren. Ich weiß zu gut, liebe Mutter,

Die beiden Mütter.

289

wie du über die Verhältnisse denkst die allein mir hemmend entgegentreten könnten, ich weiß auS vollster Ueberzeugung wie würdig mein Aennchen ist dir Tochter zu sein, als daß ich

nicht deines Segens gewiß wäre.

Mein lieber Sohn, dein Geständniß hat mich

Gräfin. überrascht.

Wenn du dich streng geprüft hast und dein Ent­

schluß vor Gott bestehen kann, wie dürste ihm der Segen der Mutter fehlen? Dank, Mutter, Dank! O ich wußte eS.

Cecil.

Aber wenn ich auch auf die Erfüllung de-

Gräfin.

HerzenswunscheS verzichte, den ich dir ausgesprochen habe, so weißt du daß eine nicht standesmäßige Verbindung dich der Rechte beraubt die . . .

Ich habe alles reiflich bedacht, Mutter.

Cecil.

Und

möglich, daß dein Herzenswunsch noch seine Erfüllung findet durch meinen Bruder.

In diesem Falle würd' ich zu seinen

Gunsten auf die Rechte des Erstgebornen verzichten. — Für

meine Bedürfnisse würden die beiden kleinen Güter mehr als hinreichend sein.

Gräfin.

Lothar hegt — wie du schon erfahren hast —

eine Neigung zu dem Fräulein von Schönhelm, einem schönen, vielleicht auch geistvollen Mädchen, das mir aber eitel und

herzlos erscheint.

Seine mäßigen Vermögensumstände haben

ihn bisher abgehalten,

um die Einwilligung ihrer Mutter

nachzusuchen, der nur ein reicher Schwiegersohn willkommen

ist.

Deine Berzichtleistung würde seine Verbindung mit ihr

zur Folge haben, der ich mit Besorgniß entgegen sehe.

Cecil. mir leider

Lothar, wie ich ihn auch als Bruder liebe, ist in mancher Beziehung fremd geworden.

Unsre

Bahnen, unsre Ansichten sind gar sehr auseinander gegangen. Aber laß mich mit ihm reden.

Vielleicht daß die Aussicht auf

einen Besitz, der gewiß für ihn einen größern Werth hat, (Vi'irf.tniitt, erttaufpietc. -•

19

Die beiden Mütter.

290

ihn mindestens geneigt macht, eine Verbindung aufzugeben,

die dir Sorge macht.

Dich und Lothar glücklich zu sehen, ist alles

Gräfin.

was ich wünsche, und wie sollt' ich nicht gern die Hand dazu bieten! Aber deiner beabsichtigten Unterredung mit Lothar sehe

ich mit Bangigkeit entgegen.

Ich bitte dich,

und vor allem schone seine Gefühle.

übereile nichts

Wie sie ihn auch irre

geleitet haben mögen, — er empfindet tief. Fürchte nicht.

Cecil.

Ich werde offen und herzlich zu

ihm reden und er wird fühlen, daß ich ihn wahrhaft liebe. Nun, Gott gebe seinen Segen! Doch das ist

Gräfin.

ja wohl dein Diener der dort steht und dir winkt? Cecil.

Richtig.

Der Bursch war Aufwärter im Gast­

hof jenes Dörfchens, wo ich mein Aennchen kennen lernte. Auf meiner Rückreise ließ mich der Zufall ihm in Salzburg be­ gegnen.

Dienst.

Er war herrenlos und ich nahm ihn

in meinen

Er ist allerdings weder der gewandteste noch der ge-

fcheidteste, aber er ist eine ehrliche Haut und mir eine leben­

dige Erinnerung an mein liebes Schulhof. Auf Wiedersehen denn — und noch einmal:

Gräfin.

übereile nichts.

(ab) (Jakob

kommt)

Cecil.

Nun was willst dn, Jakob?

Jakob.

Verzeihen der Herr Graf.

Ich hatte nur den

Herrn Grafen fragen wollen, ob der Herr Graf mir erlauben thäte, ein Stündchen mit dem Johann dem Kutscher auSzugehen? Cecil.

Gern.

Du hast dich wohl noch gar nicht in

der Stadt umgesehen? Jakob.

Doch, Herr Graf.

Schon gestern hab' ich mich

gehörig umgethan. Cecil.

Und wie gefällt dir's hier?

Die beiden Mütter. Aakob.

291

Wie sollt' eS mir nicht gefallen?

Die breitet

Straßen und die vielen geputzten Leute und die schönen Pferde und die Soldaten und dann die prächtigen Branntweinläden!

Und so vielen Landsleuten bin ich schon begegnet! Cecil. Jakob. hof.

Landsleuten? Ja wohl, Herr Graf, Landsleuten aus Schul­

Zuerst dem TiraS, unsres Herrn Schultheißen Hofhund.

Eigentlich war eS aber doch nicht der Tiras, und war auch nicht unsres Herrn Schultheißen,

Lohnkutscher und heißt Polle.

sondern er gehört einem

Ich hätte aber einen Eid dar­

auf geleistet, daß eS der Tiras aus Schulhof war.

Nach­

her am Markt kam mir meiner Muhme Tochter, das Minnle

entgegen.

Die dient hier alö Jungfer bei einer vornehmen

Dame, einer Frau von Excellenz, und die hat mich auf mor­ gen zum Kaffee eingeladen.

Cecil.

Die Dame?

Jakob.

Nein, Herr Graf, das Minnle.

Und wen ich

noch gesehen habe? das errathen der Herr Graf sicher nicht.

Unsres Herrn Pastors Aennchen. Cecil. Jakob.

cken.

Wen?

Unsres Herrn Pastors Nichte, Fräulein Aenn-

Die müssen Sie ja kennen, Herr Graf. Cecil.

Die hättest du gesehen? Und wo?

Jakob.

Denken Sie nur, Herr Graf, die ist unter die

Kunstreiter gegangen. Cecil. Jakob.

Das hätt' ich nimmer von ihr geglaubt.

Dummes Zeug!

Ja ja, Herr Graf.

Wie ich mit dem Johann

über den großen Platz ging, wo die vielen weißen Puppen stehen, da kommt ein Herr geritten und neben ihm ein Frauen­ zimmer in langem blauem Schleppkleide und einem MannShut

auf dem Kopf mit einer Feder darauf, die faß auch zu Pferde,

aber der Quere und . . .

Die beiden Mütter.

292

Lange herabhängende Locken, nicht wahr?

Cecil.

Jakob.

Richtig.

Und die flogen im Winde!

Der Dame bin ich auch gestern begegnet; auch

Cecil.

mir war, wie sie mir so rasch vorüberflog, eine Ähnlichkeit

mit Pastors Aennchen ausgefallen.

«Die kenn' ich," rief ich, „die ist auS meinem

Jakob. Orte."

„So?" sagte der Johann.

"Das ist die beste Rei­

terin im CirkuS," sagt' er, "die springt ohne abzusetzen durch

vierzig Reifen." Nun geh' nur!

Cecil.

Das wird sich mit Fräulein

Aennchen wohl wie mit dem Tiras verhalten. Für den Tiras hätt' ich geschworen, Herr Graf.

Jakob.

(Er geht)

(allein) Aennchen hier? Kinderei.

Cecil,

war auch größer, schlanker.

Die Reiterin

Wie käm' mein Aennchen zu der

eleganten Haltung? Und das Lockenhaar! Eine zufällige Ähn­

lichkeit, nichts weiter. — Dort tomnit Lothar.

Wie düster

er aussiht! — Ich will ihn anreden.

(Lothar tritt im Vordergründe auf) Lothar, heute.

(fnr sich)

Ich will fort von hier,

fort!

Noch

Fort? Ihm ohne weiteres das Feld räumen? Nim-

mermehr. — Noch einmal reden will ich mit ihr, mit ihr

allein; und wenn dann---------

Cecil, (ihm die Hand auf die Schulter legend) Lothar.

Dich recht freudig, recht herzlich zu begrüßen

Cecil.

dacht' ich.

Haben wir doch seit ich wieder hier bin, kaum

ein paar Worte gewechselt.

Stirn.

Lothar!

Ha, du Cecil! du willst. . .

Und ich finde dich mit umwölkter

Was ist es, was dich drückt? Kann ich dir die Last

nicht abnehmen, so kann ich doch vielleicht sie tragen helfen. Lothar.

Ich danke dir.

nicht leichter werden.

Meine Bürde würde dadurch

Die beiden Mütter.

Hab' Vertrauen zu mir.

Cecil.

293 Sieh, unsre verschie­

dene Berufe, Ansichten, Neigungen haben uns verschiedene

Laß uns deshalb einander nicht fremd sein.

Wege geführt.

Ich habe dir die volle brüderliche Theilnahme bewahrt, laß mich der deinigen nicht entbehren.

Lothar.

Cecil. Lothar.

Cecil. Lothar.

Vertraue mir.

Hast du je geliebt, Cecil?

Ja, und aus vollster tiefster Seele. Und liebst noch?

Kann Liebe jemals enden?

Nun so kannst du vielleicht ermessen, wie tief

der Schmerz ist, da Wankelmuth zu begegnen, wo man voller

uneigennütziger Hingebung gewärtig war.

Cecil.

Armer Lothar! So laß deinen Schmerz selbst

dein Heilmittel sein.

Flattersinn,

wahrer Liebe keine Gemeinschaft.

Wankelmuth haben mit

Die kann nur in voller

Gegenseitigkeit, im innigsten Einssein zweier Seelen bestehen, im ungetrübten Licht der Wahrheit.

Hat aber ein trüglicheS

Spiel sich den heiligen Namen angemaßt, dann mache dich los

aus

den

verderblichen Banden ehe sie dich 'enger um­

garnen.

Lothar.

Du kennst die Welt einmal nicht.

Du siehst

die Liebe mit den Augen des Künstlers, des Dichters an, der

seine Gebilde mit einem Schein umkleidet welcher der Wirk­

lichkeit fremd ist. Cecil.

Aber dessen Kern die Wahrheit bleibt.

Oder

magst du jenem täuschenden Schein daö Wort reden, den eure

sogenannte Welt gebraucht um Hohlheit und Lüge für etwabesseres gelten zu lasien?

Lothar. Laß uns darüber nicht streiten.

Man hat dich

wohl im Voraus gegen ein Mädchen eingenommen, die von solchen falsch beurtheilt wird, die sie nicht genügend kennen,

deren Vorzüge aber ihre Schwächen bei weitem überwiegen für

Vie beiden Mütter.

294

die unsre gute Mutter allein Augen zu haben scheint.

wirst sie kennen lernen.

Du

Der Zauber ihrer Erscheinung, ihre

Anmuth, ihr Geist müssen einen Einfluß auf dich üben und du wirst begreifen daß die Neigung, die mich an sie bindet,

unüberwindlich ist.

Cecil.

Auch wenn sie ihre Neigung einem andern zu­

wendet? Lothar.

O dieser andere!

Wenn er nur einer wäre

den ich achten müßte, den sie selbst achten könnte. Aber dieser Fürst Amidoss, wie reich er sei, wie beliebt in den höchsten

Kreisen, ist ein eitler, rcher Geck und unmöglich kann sie in ihrer Verblendung beharren . . . Aber die hochmüthige eigen­ nützige Mutter steckt dahinter, deren verschwenderischer Prunk­

sucht meine mäßigen Vermögensumstände nicht genügen. Cecil.

Wenn diese das einzige Hinderniß zu deinem

Glücke wären, dem könnte abgeholfen werden.

Lothar. Cecil.

Wie meinst du das? Eine Verzichtleistung auf meine Majoratsrechte

würde dies Hinderniß beseitigen. Lothar.

Cecil! — Ja, du bist noch der alte.

Jedes

Opfers fähig, wenn eine edle Regung dein Herz bewegt.

Aber

kannst du glauben, ich würde je ein solches Opfer annehmen? Cecil. liche

Ich bringe keines.

Ich heirathe eine Bürger­

und bin dadurch selbstverständlich meiner sogenannten

Rechte quitt.

Lothar.

WaS sagst du? Nein, es ist unmöglich.

Der

Kaufpreis wäre zu theuer; für dich wie für mich. — Glaub'

nur, eine Mißheirath bringt nimmer Segen. Cecil.

Eine Mißheirath ist nur die, durch welche zwei

ungleichartige Seelen aneinander geschmiedet werden.

sei du auf deiner Hut. Lothar.

Ich kann, ich darf eö nicht zugebeu.

Deshalb

Wie beiten Mütter.

295

Beruhige dich; ich bin bei diesem Schritt nur

Cecil.

der gewinnende.

Auch unsre Mutter billigt ihn. Das glaub' ich schon.

Lothar.

Hat sie doch immer

deine seltsamen Weltanschauungen begünstigt.

Cecil.

Genug.

Nimm ohne Bedenken, was dein un­

bestreitbares Besitzthum ist.

Möchte es dir eine Quelle deS

Glücks, der Zufriedenheit sein!

Du beschämst mich. — Dieser unerwartete Fall

Lothar.

könnte mich allerdings Edwinen wieder näher bringen.

Aber

wie demüthigend, wenn ich nur ihm verdankte .... Wohl!

Er mag mir dienen sie zu prüfen.

Cecil.

Und bis dahin halte fest an denen, die dich mit

echter Treue, mit voller Wahrheit lieben.

Jetzt laß uns zu

(Velde ab)

unsrer Mutter gehen.

Zweite Tcene. Gartensaal. (Edwine und Lothar)

Lothar,

(eintretend) Sie sind allein.

Möchten Sie mir

eine kurze Unterredung gewähren. Edwine.

Später, lieber Hedmar;

jetzt

muß ich zu

Mama hinüber. Lothar.

Suchen Sie nicht mir wieder zu entschlüpfen.

Nur wenige Worte gönnen Sie mir.

Sie dürfen es mir

nicht versagen; ich habe ein Recht dies zu fordern. Edwine.

Ein Recht?

Ich möchte wisien.... doch

wozu die fruchtlosen Erörterungen erneuern? Lothar.

Ich lasse Sie nicht.

Edwine.

Nun wohl, so komm' ich in wenig Minuten

wieder hieher.

Stülpen ist drüben und ich muß durchaus

etwas über die gestrige Soiree bei Amidoff erfahren.

Lothar. Wie? Sie sind nicht dort gewesen? Ja ich wußt' es, meine Worte mußten einen Eindruck auf Sie ge­ macht haben. Ich danke Ihnen. Edwine. Sie haben nicht Ursach zum Dank. Mama war zur Herzogin befohlen worden. Lothar. Das allein würde Sie nicht abgehaltcn ha­ ben . . . Edwine. Doch. Bei der auffallenden Weise, in wel­ cher der Fürst sich mir nähert, seine Gesellschaften besuchen und vollends ohne von meiner Mutter begleitet zu sein, daS hieße dem Geklätsche wie seinen Hoffnungen neue Nahrung geben. Lothar. So gewähren Sie ihm keine Hoffnung? Ich lebe wieder auf. Edwine. Mißverstehen Sie mich nicht. Sie wissen, Hedmar, daß ich Ihnen gewogen bin. Lothar. Gewogen! haben Sie kein anderes Wort für mich? Edwine. Und wenn ich eines hätte, warum es auösprechen? Sie wissen, daß ich von meiner Mutter abhänge. Eine so distinguirte Partie, der Fürstentitel für ihre Tochter schmeicheln ihrer Eitelkeit zu sehr, um sie so leicht von der Hand zu weisen. Sie bewegt sich einmal gern in glänzenden Kreisen und ich mag nicht leugnen, daß ich selbst mich in die­ ser Sphäre wohl fühle. Sie selbst — gestehen Sie es ehr­ lich — gefallen sich darin; ja, Sie sind durch die Laufbahn, die Sie erwählt haben, auf ein Leben in tiefen Kreisen ange­ wiesen. Aber Sie wissen auch, daß Ihre Talente allein, so wenig als die Schönheit und die Vorzüge die ich besitzen soll, hinreichen uns miteinander würdig darin zu behaupten. Warum müssen Sie nur der zweitgeborene Sohn Ihres Hauses sein? Lothar. Sein Sie aufrichtig, Edwine! Ist es nur diese

Air beiden Mütter.

297

Rücksicht die Sie schwanken macht? Sie würden mir Ihr Herz und Ihre Hand gewähren wenn ich der Erbe meiner väterlichen Güter wäre? Edwine. Wozu nur eine so müßige Frage? Sie kön­ nen unmögliches nicht möglich machen. Lothar. Und wenn sich ein Mittel fände? Mein Bruder.... Edwine. Ist doch nicht gestorben? Lothar. Nein. Aber seit gestern ist er nach langjäh­ riger Abwesenheit wieder hier angekommen. Ich hatte Ihnen von ihm erzählt wie er, allem weltlichen Treiben abgeneigt, keinen besondern Werth auf Reichthum legt. Er ist edel, hochgesinnt, uneigennützig. Er möchte sich bereit finden lasten seine Rechte auf mich zu übertragen. Edwine. Nicht möglich! Und könnte, dürfte er das? Lothar. Es käme darauf an. Er ist ein Sonderling, aber ich bin überzeugt, sein Künstterthum, sein dichterisches Gemüth könne sich gegen Ihre Liebenswürdigkeit nicht ver­ schließen, und hat er erst die Ueberzeugung gewonnen daß... Edwine. O ich muß ihn kennen lernen. Er wird hof­ fentlich nicht so spröde sein es zu weigern? Lothar. Ich hab' ihn schon darauf vorbereitet. Und ich bin gewiß, wie Sie ihm, so wird er Ihnen gefallen, ob­ gleich sein ganzes Wesen in allem von dem abweicht was in unsrer Umgebung gilt. Edwine. Und hat er .... ? Aber ich höre Mama kommen. Lasten Sie uns in den Garten gehen. Sie müsten mir mehr von ihm erzählen. (Beide ab) (Die Hofmarschallin und Kammerherr von Stülpen kommen)

Hofmarschallin. (Edwine nachsehend) Da geht sie hin! Stülpen, (ebenso) Welche Grazie, welche Eleganz in je­ der Bewegung! Ravissante! Ganz wie einst das Fräulein

298

Are beide« Mütter.

Narde von Hohenbrück, als diese noch im Schmelz der Jugmdfülle prangte und der Hofjunker von Stülpen zu ihren Füßen seufzte. Hofmarschallin. Jours de fcte passes! Mit unsrem Jugendschmelz ist's vorüber! Stülpen. Ihnen ist wenigstens die Fülle geblieben. Hofmarschallin. Nun, dem eigenen Kinde räumt man gern den Platz. Glauben Sie nicht, Stülpen, daß sie auch einem Kaiserhofe Ehre machen würde? Stülpen. Wer wollte daran zweifeln! Fürst Amidoff scheint davon überzeugt. Hoswarschallin. In der That? Doch habe ich ihm den Schmuck zurückstellen lasten. Er ist magnifique! Aber Geschenke annehmen und gar Brillanten von so hohem Werthe, das hieße sich etwas vergeben, sich gewissermaßen binden. Stülpen. Et pourquoi non? Wenn auch er sich zu binden geneigt ist! Hosmarschallin. Davon hat er gegen mich noch nichts verlauten lassen. Unter uns, lieber Stülpen, ich habe seit meiner Kindheit immer einen kleinen Frisson gehabt, wenn von Rußland die Rede war. Ich muß immer an Juchten und Kaviar denken, zwei Dinge die mir allezeit eine Horreur waren. Nun, das sind Kindereien über die man hinaus kommt. Madame la Princesse Amidoff! Das klingt allerdings ver­ führerisch und Edwine wird sich, wie ich glaube, auch im Kreise anderer Gestirne zu behaupten wissen. Stülpen. Venus unter den Planeten! Hosmarschallin. Aber welche Stellung würde ich ein­ nehmen? Darüber müßte man int Klaren sein. Haben Sie den Fürsten sondirt? Stülpen. Dem Manne ist schwer beizükommen. Hofmarschallin. Ich möchte mich um alle Welt zu

Aie bethen Mütter.

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keiner untergeordneten Rolle verstehen. Er müßte mir eines seiner vielen Hotels überlassen. Haben Sie den Gegenstand gar nicht berührt? Stülpen. Berührt allerdings, meine Gnädigste. Aber so ein russisches Gemüth ist schwer anzufassen. . Ich wußte wirklich nicht wie ... . Hofmarschallin. Nun Sie sind ja doch sonst nicht blöde den Leuten auf den Zahn zu fühlen. Wenn Sie mich nur nicht überreden wollten zu glauben Sie hätten mir noch das alte Attachement bewahrt. Stülpen. Berkennen Sie mich nicht, Adorabelste. Zwei­ feln Sie nicht an meinem Devouement. Wenn es denn ge­ sagt sein muß — Ihrem Wunsch sich auch nach Rußland überznsiedeln, schien der Fürst durchaus nicht mit Empressement entgegenzllkommen. Hofmarschallin. Nicht? Meint er, ich solle die Tri­ umphe meiner Tochter par distance genießen? Will ich etwa in sein HauSregiment eingreifen? Nur selbstständig dastehen möcht' ich. Stülpen. Nicht mehr als billig. Zuerst suchte er mei­ nen Andeutungen auözuweichen; da ich aber nicht abließ, schien er nicht abgeneigt, einen seiner Landsitze . . . Hofmarschallin. Hoffentlich nahe der Residenz? Stülpen. Da eben sitzt der Knoten. Es ist ein schönes Schloß wie er sagt — aber es liegt unweit des Gouverne­ ments Tobolsk. Hofmarsch a llin. Der Unverschämte! Stülpen. Er kommt jährlich auf ein paar Monate zur Jagd dorthin, und würde dann Ihr Gast sein. Hofmarschallin. Ich glaube er hat sich über Sie lustig machen wollen. Und Sie lassen sich gebrauchen, mir seine Sottisen zu hinterbringen?

Die beibett Mütter.

300 Stülpen.

Lassen Sie es mich nicht entgelte«, wrtreff-

lichste Freundin, wenn ich auf Ihr Dringen Ahnen der Wahr­

heit gemäß berichte. Hofmarschallin.

Tobolsk!

Impertinent! Nur. wohl,

so sagen Sie diesem Zobelfänger . . .

Stülpen.

Chut! Da kommt das Feenkind. Celmiren

Sie sich. (Edwine kvmmt zurück)

Edwine. Stülpen.

Schön, daß ich Sie noch finde, Herr von

Geschwind, wie war es gestern Abend bei Amidoff?

Wer ist von Sternheims dort gewesen? Stulpen.

Edwine.

Stülpen. Edwine.

Stülpen.

Die Ministerin mit beiden Töchtern. Hat der Fürst mit ihnen getanzt?

Nur mit der jüngsten; dreimal. Mit Klotilde? Ei! wie war sie angezogen?

Ich habe bereits Excellenz Mama ausführ­

lichst berichtet; sie kann Ihnen alles auf daö genaueste erzäh­ len. Mich ruft leider der Dienst jetzt zur Durchlaucht.

Ihr

ganz ergebenster, meine Gnädigsten! Edwine.

Leben Sie wohl!

Stülpen, (im Abgehen leise zurHofmarfchallin) Lassen Sie mich machen.

Vertrauen Sie meinem savoir faire.

Edwine.

(ab)

Weißt du, Mama, dieser Amidoff fängt an

ganz unausstehlich zu werden.

Hofmarfchallin.

Mir ebenfalls. Aber was will man

machen? Man muß schon ein Auge zudrücken. Edwine.

Was das betrifft, drückte ich gern beide zu.

Seine Person ist wahrhaftig nicht bestechend.

Und wahrhaf­

tig, eS ist mir leid um den armen Hedmar, der mir wirklich

von ganzem Herzen zugethan ist. Hofmarschallin.

Der junge Mann dauert mich selbst.

Die beide« Mütter.

301

Bon enfant, noble Manieren; und wenn er — doch wir ha­ ben das Kapitel so oft abgehandelt. Edwine. Seine Verhältnisse können sich wenden. Sein Bruder ist angekommen. Hofmarschallin. Ich hab' eS diesen Morgen erfahren und sogleich seine Mutter aufgefordert, ihn zu einem Besuch bei mir zu veranlassen. Ich hoffe, er soll mir bei meinen Arrangements von Nutzen sein. Edwine. Wie Lothar ihn mir geschildert hat, muß die­ ser Cecil ein interessanter Mann sein, wenn auch etwa- ab­ sonderlich in seinen Ansichten. Hofmarschallin. Ich hab' ihn seit seinen Knabenjahren nicht gesehen, aber schon damals klagte sein Papa über seine Fantasterei. Nun, er ist Künstler, und denen muß man so manches zu gute halten. Edwine. Er scheint nicht abgeneigt, seinem Bruder un­ ter gewissen Bedingungen die MajoratSrechte abzutreten. Hofmarschallin. Unter Bedingungen? Und die wären? Edwine. Lothar soll eine Verbindung nach der Wahl seiner Mutter eingehen. Hofmarschallin. So? Nun ja, daß die gute Hedmar dir nicht eben grün ist, hab' ich längst gemerkt. Edwine. Aber denke nur Mama, Lothar hat den Vor­ schlag entschieden abgelehnt. Abgelehnt, weil er seine Liebe zu mir nicht äußeren Rücksichten opfern will. Es ist doch edel! Hofmarschallin. Edel, aber einfältig; da er weiß, daß er in seiner sekendären Stellung niemals auf deine Hand rechnen kann. Wie einmal die Sachen liegen, kann ich nur einem sehr reichen Mann deine Hand gewähren, und bei den Gaben, die dir der Himmel verliehen hat, kann eS dir nicht fehlen. Wenn sich daneben Liebe vorfindet, so weißt du, daß ich dir die von Herzen gönne.

Edwine. Nach allem, was ich so abgesragt habe, scheint der Aeltere eine nicht standesmäßige Verbindung eingehen zu wollen, wodurch er ohnehin seiner Rechte verlustig ginge. Hosmarschallin. Wär' es möglich? Nun, dann hat eS auch mit dem Opfer deines Grafen Lothar nicht so viel auf sich. Uebrigens pflegen an so ansehnlichen Majoraten so viele Bedingungen zu hasten, daß das Abtreten derselben keine so leichte Sache ist. Edwine. Lothar scheint fast gewiß, daß, wenn ich sei­ nen Bruder zu gewinnen weiß, dieser ihm willig seine Rechte übertragen würde ohne weitere Bedingung . . . Hofmarschallin. Ja, ihn zu gewinnen suche auf alle Fälle. Ein Schwärmer, ein Fantast, wie er sein soll, muß er von dir impressionirt werden, wenn es dir ernstlich drum zu thun ist. Drum biete alles auf, ihm zu gefallen. Edwine. Gewiß; ich habe versprochen, eS zu thun. Hofmarschallin. Aber wohlverstanden: gewinnen sollst du ihn dir, für dich selbst. Edwine. DaS wäre eine Perfidie gegen Lothar. Hosmarschallin. Dagegen ließe sich manches einwen­ den. In jedem Fall gehst du sicherer. Der andere hat sich schon an den Gedanken gewöhnt, dir zu entsagen und gönnt dich sicher seinem Bruder lieber als jedem anderen. Edwine. Mein Gewisien sträubt sich dagegen, Mama. Hosmarschallin. Ist es Sünde, dich ihm im vollsten Glanz deiner Liebenswürdigkeit zu zeigen? Edwine. DaS freilich nicht, aber . . . Hosmarschallin. Nun so laß sehen was du vermagst, und für daS übrige laß den liebm Gott sorgen. Edwine. Dm laß auS beni Spiel, Mama. (ab) Hosmarschallin. Ich glaube, ich lasse diesm Russen ablaufen.

»ie bethen Mütter

303

Zweiter Akt.

Erste Scene. Zimmer. (Anna von Halden imb Emma Fernau) Emma,

(am Fenster)

Welch herrliches Wetter!

Und du

willst zu Hause bleiben!

Anna.

ES ist einmal meines Vaters Wunsch, daß wir

während seiner kurzen Abwesenheit das Hauö nicht verlassen. Er kommt vielleicht noch heut, spätestens morgen wieder.

Emma.

Schade! Ob einem wohl Zutritt zu dem schö­

nen Garten hier gegenüber gegönnt würde? So weit dürften

wir uns schon wagen.

Aber freilich, da müßtest du erst der

Besitzerin deinen Besuch machen. Au na.

Emma.

Wer ist die? O daS hab' ich alles schon erforscht.

DaS HauS

und der Garten gehören der dicken geputzten Dame, die dir neulich auffiel, einer Excellenz von Schönhelm, und die ele­

gante junge Dame, die

eben dort in der Allee wandelt, ist

ihre Tochter, eine gefeierte Schönheit und, wie man sagt, mit

einem Grafen Hedmar versprochen. Aana.

nennen.

Hedmar? Den Namen hört' ich meinen Vater

Er hat eine ihm sehr werthe Freundin deS NamenS

hier, bei der er mich einführen will.

EMMS, (»och am offnen Fenster) Wie?

Auua.

Wer?

Ist daS nicht . . .?

Die beide« Mutter.

304

Der Bediente, der dort aus dem Hause tritt

Emma.

... er guckt herauf.

Anna.

Wie käme der hieher?

Er hat uns gesehen — er glotzt unS verwun­

Emma. dert an.

Richtig, des TrauLenwirthS Jakob.

He, Jakob!

Anna.

Emma, was machst du?

Emma.

Was ist da weiter? Er kommt herauf.

Wahr­

haftig, ich hör' ihn schon auf der Treppe. — (Die Thür öffnend)

Nur hier herein! (Jakob tritt ein)

Jst'S möglich? Fräulein Emma und Fräulein

Jakob.

Lennchen! Jst'S denn wahr, daß Sie zu den Kunstreitern ge­ hören, Fräulein Aennchen? Und Sie wohl gar auch? Emma.

Zu den Kunstreitern? wie kommen Sie darauf?

Jakob.

Der Johann hat es gesagt.

Aber ich hab' es

schon gemerkt; hier wollen sie einem gern was aufbinden. Anna.

Sagen Sie nur wie Sie hieher kommen? Sie werden mich doch nicht „Sie« tituliren;

Jakob.

haben mich doch mein Lebtage „Du« genannt.

Denken wohl

gar ich sei hochmüthig von wegen der Treffen am Kragen? Nein, ich bin noch so leutselig wie sonst.

Wie ich herkomme?

Ich hatte mein Glück in der Welt als Kellner versuchen wol­

len; ich war in Stuttgart, in Würzburg, in Bamberg, Gott weiß wo sonst.

Aber nirgend hat eS mir glücken wollen.

Da

mußt' ich in Salzburg dem jungen Maler begegnen, der in Schulhof bei uns wohnte — Sie kennen ihn ja — der aber

gar kein Maler ist; der nahm mich in seinen Dienst. Anna.

Emma. Jakob.

gedreht.

Herr Herm?

Und mit dem bist du hier?

Und der wäre kein Maler? Ei Gott bewahre; der hat uns allen eine Nase

Wenn er auch vielleicht seines Handwerks ein Maler

ist, von Profession ist er ein Herr Graf.

Vie beiden Mütter.

Anna. Jakob.

305

Was sprichst du da? Ja, und wohnt hier bei seiner Frau Mutter,

und heißt auch gar nicht Herr Herm.

Emma.

Nicht? Wie denn?

Jakob.

Seine Gnaden Herr Graf von Hedmar Hoch­

geboren heißt er. Auaa.

Jakob.

Hedmar? (beiseit) Kann daS sein, Emma?

Der wird sich einmal freuen, wenn er hört,

daß Sie hier sind, Fräulein Feldern! Emma.

Macht dein Herr oft in dem Hause drüben

Besuche? Jakob.

Das wußt' ich Ihnen nicht zu sagen, denn

mich nimmt er nicht mit, wenn er Besuche macht.

Aber ich

mache Besuche da drüben.

Emma.

Ei wem denn?

Jakob. Auch einer Landsmännin von uns. Meine Base des Schreiners Minnle aus Schildhof dient in dem Hause.

Anna.

Jakob.

Höre Jakob, willst du mir einen Gefallen thun?

Zehn für einen; wenn ich nur wüßte womit?

Anna.

Erzähle deinem Herrn nicht, daß wir hier sind.

Jakob.

Wie? Ich sollt' ihm nicht die Freude machen?

Nein, meiner Treu, Fräulein Aennchen, da wäre mir ein

Gulden nicht so lieb, als das Vergnügen ihm daS zu er­ zählen. Anna.

Wenn ich dir aber zwei Gulden, wenn ich dir

drei gäbe? Jakob.

Drei Gulden! Freilich dafür kann sich eines

gar viel Vergnügen machen. Anna.

Da nimm! Aber deinen Handschlag darauf daß

du ihm nichts von unsrem Hiersein sagst.

Jakob. warum?

Hier meine Hand.

Wenn ich aber nur wüßte

Die beiden Mütter.

306 Anna.

Das sollst du später erfahren.

Reinen Mund,

Jakob, und du sollst noch ferner belohnt werden.

Jakob.

Verlassen Sie sich drauf.

über meine Zeit von Haus geblieben.

Aber ich bin schon

Grüß Gott, Fräuleins!