Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen: Eine Einführung in die Kreislaufanalyse [1 ed.] 9783896448774, 9783896731425

Der Autor gibt eine Einführung in die Analyse des Wirtschaftskreislaufs und stellt die Klassifikationen und Konzepte dar

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Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen: Eine Einführung in die Kreislaufanalyse [1 ed.]
 9783896448774, 9783896731425

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Klaus Schabacker

V olkswirtschaftliche Gesamtrechnungen Eine Einführung in die Kreislaufanalyse

Verlag Wissenschaft & Praxis

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Schabacker, Klaus : Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen : Eine Einführung in die Kreislaufanalyse / Klaus Schabacker. Sternenfels : Verl. Wiss, und Praxis, 2002 ISBN 3-89673-142-4

ISBN 3-89673-142-4

© Verlag Wissenschaft & Praxis Dr. Brauner GmbH 2002 D-75447 Sternenfels, Nußbaumweg 6 Tel. 07045/930093 Fax 07045/930094

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Printed in Germany

Einleitung

1. Kapitel: Produktionsvolumen und Preisniveau ...............................................1 a) b) c)

Das Preisniveau, der Preisindex und die Deflationierung nominaler Wertaggregate................... 5 Die Rate der Preisniveauänderung................................................................................................ 12 Eine formale Darstellung der Preisindizes................................................................................... 14

2. Kapitel: Vermögen, Produktion und Verteilung ...........................................17 a) Vermögensbestände, Kreditbeziehungen und Produktionsprozesse........................................... 19 b) Die Darstellung des Wirtschaftskreislaufs im Europäischen System Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen............................................................................................................... 22 c) Kreditbeziehungen und Produktionsströme in den Theorien von Walras, Böhm-Bawerk und Keynes................................................................................................... 28 d) Ströme und Bestände................................................................................................................... 38

3. Kapitel: Die Vermögensrechnung................................................................ 41 a) Die Geldvermögensrechnungen................................................................................................... 47 b) Die Vermögensrechnungen der Zentralbank und der Geschäftsbanken - eine vereinfachende Darstellung................................................................................................... 54 c) Die Vermögensrechnungen der Unternehmen und der Haushalte.............................................. 61

4. Kapitel: Die industriellen Verflechtungen und ihre Darstellung in der Input-Output-Tabelle................................................. 65 a) b)

Eine stationäre Ökonomie mit Vorprodukten.............................................................................. 69 Nettoinvestitionen und dauerhafte Produktivgüter.......................................................................78

5. Kapitel: Die Theorie der industriellen Verflechtungen................................ 83 a) b) c) d)

Das Beispiel einer Weizenökonomie........................................................................................... 84 Die Analyse der industriellen Verflechtungen: Ein industriellesSystem mit zwei Gütern......... 89 Die Analyse der industriellen Verflechtungen: Fortsetzung........................................................98 Das Preissystem und die industriellen Interdependenzen.......................................................... 108

6. Kapitel: Ein einfaches Modell der Kreislaufzusammenhänge ................... 113 a) b) c) d) e) f)

Unternehmen und I laushalte in einem einfachen Modell des Wirtschaftskreislaufs................114 Die Darstellung des Kreislaufs im Kontensystem: Produktion, Einkommensverwendung, Vermögensbildung und Finanzierung......................................................................................... 119 Reine Finanztransaktionen und Leistungstransaktionen............................................................127 Die Veränderung der Vermögensbestände durch die Stromgrößen.......................................... 130 Die Doppelzählungen................................................................................................................ 132 Identität und Gleichgewicht...................................................................................................... 134

7. Kapitel: Die Unternehmen und die Untemehmensgewinne....................... 141 a) b)

Eine funktionale Betrachtung der Untemehmensgewinne im Kreislauf................................... 142 Die Bestimmung des Preisniveaus aus dem Einkommenskreislauf: die Keynessche Grundgleichung des Geldwerts............................................................................................ 145 c) Die Unternehmen im Europäischen System Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen.............................................................................................................. 148 d) Die Zinsspanne und die unterstellten Bankgebühren................................................................. 155

8. Kapitel: Das Kreislaufmodell einer offenenÖkonomie............................... 159 a) b) c) d)

Ein einfaches Kreislaufmodell der offenen Ökonomieohne Staat............................................. 161 Der Finanzierungssaldo gegenüber dem Ausland...................................................................... 166 Die Grundzüge der Zahlungsbilanz............................................................................................172 Die Zahlungsbilanz der Bundesrepublik Deutschland............................................................... 181

9. Kapitel: Der Staat im Wirtschaftskreislauf................................................. 185 a) b) c) d) e)

Der Staat im Kreislaufmodell einer geschlossenen Ökonomie.................................................. 188 Die Umverteilung der Einkommen............................................................................................ 195 Produktionsabgaben und Subventionen..................................................................................... 200 Der Staat im Kreislauf einer offenen Ökonomie: die Bruttowertschöpfung zu Herstellungs­ preisen, das Bruttoinlandsprodukt und das Bruttonationaleinkommen zu Marktpreisen.. 203 Die Bruttoinvestitionen und der Finanzierungssaldo des Staates............................................ 210

10. Kapitel: Das Kontensystem der gesamten Volkswirtschaft Eine Übersicht........................................................................................213

Literaturverzeichnis .......................................................................................... 221

Einleitung Die ökonomischen Beziehungen, die zwischen den Unternehmen, den Haushal­ ten, dem Staat und dem Ausland bestehen, werden mit dem Begriff des wirt­ schaftlichen Kreislaufs beschrieben. Er umschließt die Vermögensbestände, die Produktions- und Einkommensströme sowie die ökonomischen Verflechtungen, welche die Wirtschaftseinheiten untereinander eingehen. Die Vermögensbestän­ de, deren Eigentümer zum Beispiel die Unternehmen und die Haushalte sind, werden in das Sachvermögen und das Geldvermögen unterteilt; einen wesentli­ chen Teil des Sachvermögens wiederum bildet das Produktivvermögen, das die Unternehmen in ihren Produktionsprozessen einsetzen. Das Geldvermögen ent­ steht aus den Kreditbeziehungen, in denen die Gläubiger den Schuldnern gege­ nübertreten. Indem die Eigentümer über die Verwendung ihres Vermögens ent­ scheiden, setzen sie ökonomische Prozesse in Gang, die zu den wirtschaftlichen Strömen zusammengefaßt werden können. Gliedert man die letzteren nach den logischen Phasen des Kreislaufprozesses, so können diese Ströme zunächst der Produktion, dann der Entstehung, Verteilung und Verwendung des Einkommens, schließlich der Vermögensbildung und ihrer Finanzierung zugeordnet werden. In den wirtschaftlichen Verflechtungen treten nun zusätzlich die wechselseitigen Abhängigkeiten hervor, die zwischen den verschiedenen, zu größeren Gruppen zusammengefaßten Wirtschaftseinheiten bestehen. So zeigt die Struktur der Vermögensbestände - wiedergegeben in den Bilanzen - das Netz der Kreditbe­ ziehungen, welches die Gläubiger und Schuldner geknüpft haben. Betrachtet man die Produktion, so findet man ein Netz der Produktionsverflechtungen, das die Industriezweige der Volkswirtschaft durch die Lieferung von Produktivgütem miteinander verbindet. Die Ökonomie reproduziert sich also in einem Sys­ tem der industriellen und finanziellen Interdependenzen. Den Volkswirtschaftli­ chen Gesamtrechnungen obliegt es, diese Kreislaufzusammenhänge darzustellen und quantitativ zu erfassen. Im ersten Kapitel gehen wir zunächst auf die Verfahren ein, die zur Messung des Preisniveaus und seiner Entwicklung benutzt werden, und betrachten die Unterscheidung zwischen den nominalen und den realen Wertaggregaten. Das zweite Kapitel ist einer im wesentlichen theoretischen Behandlung der Zusam­

IV

Einleitung

menhänge vorbehalten, die zwischen den Vermögensbeständen, den Kreditbe­ ziehungen und den Produktionsprozessen bestehen. Wie die für die ökonomische Theoriebildung richtungsweisenden Arbeiten von Walras, Böhm-Bawerk und Keynes zeigen, wird den Vermögensbeständen und den Stromgrößen ein je be­ sonderer ökonomischer Gehalt gegeben, der ganz unterschiedliche und geradezu entgegengesetzte Sichtweisen auf die ökonomischen Zusammenhänge eröffnet. Die grundlegende Differenz besteht darin, daß Walras und Böhm-Bawerk ihre ökonomischen Analysen auf die Gütervermögen gründen und eine Theorie über die effiziente Verwendung von Güterbeständen formulieren, während die Keynessche Untersuchung vom Begriff des Geldvermögensbestandes ausgeht und eine Theorie der Geldwirtschaft formuliert, in der die Rentabilität von Geldvor­ schüssen die ökonomischen Ströme bestimmt. Die Vermögensrechnungen der Zentralbank, der Geschäftsbanken, der Un­ ternehmen und der Haushalte bilden den Gegenstand des dritten Kapitels. Die Bilanzen geben Aufschluß über die Kreditbeziehungen, die zwischen diesen vier Sektoren bestehen. Zudem wirft die Vermögensstruktur eines jeden Sektors ein bezeichnendes Licht auf die typische wirtschaftliche Tätigkeit, welche die darin zusammengefaßten Wirtschaftseinheiten ausüben. Die Zusammensetzung des Vermögens kennzeichnet die ökonomische Funktion seines Eigentümers. Die in der konsolidierten Bilanz des gesamten Bankensektors zusammengefaßte Geld­ vermögensrechnung der Ökonomie zeigt zudem die Geldmenge als einen - geld­ politisch stets umstrittenen - Ausschnitt aus einer Vielzahl von Liquiditätsaggre­ gaten. Das vierte und das sechste Kapitel bilden eine gewisse Einheit, weil dasselbe Kreislaufmodell das eine Mal in der disaggregierten Form einer Input-OutputTabelle und das andere Mal im aggregierten Schema der Inlandsprodukt- und der Einkommensrechnung behandelt wird. Im vierten Kapitel benutzen wir das Beispiel einer einfachen Modellökonomie, um die interindustriellen Beziehun­ gen, die Produktion und die Einkommensentstehung mit Hilfe der Input-OutputTabellen zu beschreiben. Im analytisch ausgerichteten fünften Kapitel steht die Theorie der industriellen Verflechtungen im Mittelpunkt. Hier geht es um die Frage, unter welchen Bedingungen ein Produktionssystem lebensfähig ist, wel­ che quantitativen Verhältnisse die produzierten Gütermengen erfüllen können, damit eine Gesellschaft ihre verbrauchten Produktivgüter ersetzten und im nach­ folgenden Jahr ihre Produktionsprozesse erneuern kann. Das Mengensystem der Ökonomie steht im Mittelpunkt dieses Kapitels. Zum Verständnis der nachfol­ genden Kapitel ist es nicht notwendig.

Einleitung

V

Zudem fuhren wir im vierten Kapitel die für die Inlandsproduktrechnung notwendige Terminologie ein, die im sechsten Kapitel zur Darstellung der ag­ gregierten Produktions- und Einkommensströme Verwendung findet. Die Unter­ suchung beruht auf einem stark vereinfachten Kreislaufmodell, das nur die Un­ ternehmen und die Haushalte enthält. Ihnen werden die ökonomischen Funktio­ nen in der Weise zugeordnet, daß eindeutige, einander ausschließende Typen der wirtschaftlichen Tätigkeit entstehen: die Unternehmen produzieren und investie­ ren, die Haushalte beziehen das gesamte Einkommen, konsumieren und sparen. Ausgehend von diesem Kreislaufmodell der ökonomischen Beziehungen be­ trachten wir den Zusammenhang zwischen der Produktion und der Einkom­ mensverwendung, der Vermögensbildung und der Änderung der Kreditbezie­ hungen, der in den nachfolgenden Kapiteln durch die Berücksichtigung zusätzli­ cher Sektoren zunehmend komplexer wird. Den Unternehmen und den Untemehmensgewinnen wird ein eigenständiges Kapitel gewidmet. Zwei Gründe rechtfertigen dieses Vorgehen. Zum einen kön­ nen wir an dieser Stelle das Kreislaufmodell behandeln, das Keynes benutzt, um die Bestimmungsfaktoren des Preisniveaus aus dem Einkommenskreislauf zu entwickeln. Zum anderen lenkt die stark ausgeprägte Heterogenität der Unter­ nehmen die Aufmerksamkeit auf die Frage, nach welchen Gesichtspunkten die letzteren zu ökonomisch sinnvollen, größeren Einheiten oder Sektoren zusam­ mengefaßt werden können. Im weiteren Verlauf des sechsten Kapitels gehen wir auf die Gliederung der Unternehmen und die Klassifizierung der Einkommen ein, die im Europäischen System Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen be­ nutzt werden. Wir erweitern das Kreislaufmodell im siebten Kapitel um die außenwirt­ schaftlichen Beziehungen und untersuchen die Export- und Importströme, wel­ che das Inland mit dem Ausland verbinden, die grenzüberschreitenden Einkom­ mensströme sowie die Veränderung in den Kreditbeziehungen, die den Außen­ handel begleiten. Zwei Konzepte müssen nun voneinander unterschieden wer­ den, nach denen die wirtschaftliche Leistung und das Einkommen ermittelt wer­ den können: nach dem gebietsbezogenen Inlandskonzept erfaßt man Wertaggre­ gate wie das Bruttoinlandsprodukt, in der Abgrenzung des personenbezogenen Inländerkonzepts hingegen werden Größen wie das Bruttonationaleinkommen erhoben. Mit dem Staat treten gewichtige, neue ökonomische Stromgrößen im Wirt­ schaftskreislauf auf, die aus seinen Funktionen im Prozeß der Verteilung und Umverteilung der Einkommen entstehen. Der Einkommensumverteilung dienen nicht nur die monetären Sozialleistungen, die vom Staat und den Sozialversiche­

VI

Einleitung

rungssystemen an die Haushalte fließen, sondern auch die sozialen Sachleistun­ gen, deren Produktion zwar vom Staat finanziert wird, deren Verbrauch aber den Haushalten anheimfällt. Berücksichtigt man diese Umverteilungsprozesse, so können die Einkommensverteilung und die Einkommensverwendung zum einen nach dem Ausgabenkonzept und zum anderen nach dem Verbrauchskonzept untersucht werden. Zudem müssen in Gestalt der Produktions- und Importabga­ ben, welche die Unternehmen an den Staat oder an die Europäische Union leis­ ten, sowie der Subventionen, welche die Unternehmen vom Staat oder von der Europäischen Union empfangen, noch zwei weitere Ströme berücksichtigt wer­ de. Im neunten Kapitel werden wir daher die Rolle des Staates am Beispiel zwei­ er Kreislaufmodelle untersuchen: im Rahmen einer geschlossenen Ökonomie betrachten wir zuerst die mit der Staatstätigkeit neu in den Kreislauf aufzuneh­ menden Ströme und die staatlich vermittelten Umverteilungsprozesse; im an­ schließenden zweiten Teil des gehen wir dann auf die offene Ökonomie ein, deren Bruttonationaleinkommen durch die grenzüberschreitenden Abgaben und Subventionen modifiziert wird. Eine zusammenfassende Übersicht für das Kontensystem der gesamten Ökonomie beschließt diese Einführung in die Volks­ wirtschaftlichen Gesamtrechnungen. Für die kritische Durchsicht des Manuskripts und die inhaltlichen Ände­ rungsvorschläge, die sich aus der Diskussion des Textes ergaben, danke ich an dieser Stelle Michael Heine und Hansjörg Herr. Zu Dank verpflichtet bin ich Helmut Maier für wertvolle Hilfe bei der Ausarbeitung des fünften Kapitels über die Theorie der industriellen Verflechtungen.

1. Kapitel

Produktionsvolumen und Preisniveau

Eine der wichtigsten und ökonomisch bedeutendsten Größen, die in den Statisti­ ken der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen ausgewiesen werden, ist das Bruttoinlandsprodukt. Ohne bereits an dieser Stelle auf seine Definition einzu­ gehen, kann es vorläufig als ein Maß für die wirtschaftliche Leistung eines Lan­ des verstanden werden. Ein steigendes Bruttoinlandsprodukt wird im allgemei­ nen mit einem wirtschaftlichen Wachstum, zunehmender Beschäftigung und einem höheren Einkommen verbunden, ein stagnierendes oder sinkendes Brutto­ inlandsprodukt verweist hingegen auf eine Rezession oder auf eine Wirtschafts­ krise. In der Tabelle [1.1] wird seine Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland für ausgewählte Jahre dargestellt. Wie diese Angaben zeigen, wächst das nominale Bruttoinlandsprodukt in dieser Zeitspanne von 302,71 Mrd. DM auf einen Wert von 3541,5 Mrd. DM an, es steigt also um rund das Elffa­ che. Bezieht man jedoch die Preisänderungen in die Untersuchung ein, so liegt die Frage nahe, ob die wirtschaftliche Leistung tatsächlich in diesem Umfang gewachsen ist. Tabelle 1.1: Bruttoinlandsprodukt (BIP) in der Bundesrepublik Deutschland 1960 - 1996 in Mrd. DM Jahr

nominales BIP reales BIP

1960

1970

1980

1990

1996

302,71 1 000,00

675,30 1 543,20

1 472,04 2 018,00

2 426,00 2 520,40

3 541,50 3 054,50

Quelle: Statistisches Bundesamt 1997, S.102. Basisjahr 1991. Bis 1990 früheres Bundesgebiet, 1996 Deutschland.

Der Wert der wirtschaftlichen Leistungen, die in einem Land erbracht wur­ den, unterliegt im Verlauf der zeitlichen Entwicklung größeren oder kleineren

2

Erstes Kapitel

Änderungen, die sowohl vom Volumen der produktiven Leistungen als auch vom Wechsel der Preise abhängen. Steigen die Preise über eine Reihe von Jah­ ren hinweg deutlich an, so wird auch der Wert dieser Aggregate eine starke Zu­ nahme erfahren, ohne daß jedoch das Volumen in gleichem Maße gestiegen wäre. Die nominalen Wertaggregate - wie das nominale Bruttoinlandsprodukt der Tabelle [1.1] - geben beide Einflüsse wieder: die Änderung des Volumens und das Steigen oder Fallen der Preise. Für die Untersuchung bestimmter Frage­ stellungen ist es notwendig, rein rechnerisch beide voneinander zu trennen. In den Ausführungen zum Europäischen System Volkswirtschaftlicher Gesamt­ rechnungen heißt es dazu: „Ein Hauptanliegen der Wirtschaftsanalyse ist die Messung des volumenmäßigen (realen) Wirtschaftswachstums zwischen ver­ schiedenen Zeiträumen. Daher muß die wertmäßige Änderung bestimmter Ag­ gregate in eine Preiskomponente infolge Preisänderungen und eine verbleibende Volumenkomponente aufgeteilt werden.“1 Schließt man die Preiswechsel aus der Rechnung aus, so erhält man ein reales Wertaggregat, das als Maß für das Vo­ lumen einer wirtschaftlichen Leistung aufgefaßt wird. Kehrt man die Fragestel­ lung um, untersucht man also die Veränderung der Preise, so muß die Volumen­ komponente konstant gehalten werden. Um die zeitliche Entwicklung beider Größen: des Volumens - respektive des realen Werts - wie des Preisniveaus zu untersuchen, werden zwei Jahre - das Basisjahr und das Berichtsjahr - miteinan­ der verglichen: hält man die Preise zeitlich konstant, so kann die Veränderung des Volumens erfaßt werden; läßt man hingegen das Volumen zeitlich unverän­ dert, so kann man den Anstieg oder die Verminderung des Preisniveaus messen. In unserem Beispiel aus der Tabelle [1.1] wird die Entwicklung des Bruttoin­ landsprodukts dargestellt. Obgleich seine Preisbereinigung besondere methodi­ sche Probleme aufwirft, weil die wirtschaftliche Leistung eines Landes nicht durch einen Warenkorb wiedergegeben werden kann, wird auch dieses Wertag­ gregat einer Preisbereinigung unterzogen, um das sogenannte reale Bruttoin­ landsprodukt zu ermitteln. Wie die letzte Spalte dieser Tabelle zeigt, steigt der reale Wert des Bruttoinlandsproduktes von 1000 Mrd. DM im Jahr 1960 auf 3054,5 Mrd. DM im Jahr 1996. Geht man von diesen Daten aus, dann verzeich­ net die wirtschaftliche Leistung einen realen Anstieg um das Dreifache. Um die

1

Europäisches System Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen 1995, S.287. Im folgenden werden wir diese Darstellung des neuen Europäischen Systems Volkswirtschaftlicher Gesamt­ rechnungen in der Fassung von 1995, die im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften vom 30.11.1996 als Verordnung der EG, Nr. 2223/96, veröffentlicht wurde, stets als ESVG 1995 zi­ tieren. Unter dieser Abkürzung wird jenes Dokument auch im Literaturverzeichnis aufgeführt.

Produktionsvolumen und Preisniveau

3

Preisänderungen für einen Vergleich der realen Wertaggregate auszuschließen, wurden in der Tabelle [1.1] die Preise des Jahres 1991 für die Rechnung benutzt. Aus diesem Grund ist das reale Bruttoinlandsprodukt des Jahres 1960 größer als dessen nominales. Die ökonomische Bedeutung, die dem Preisniveau - oder spiegelbildlich: dem Geldwert - zukommt, besteht in seiner zeitlichen Veränderung, in den infla­ tionären oder, seltener, deflationären Entwicklungen, welche stets die Gesamt­ heit eines Währungsraumes erfassen. Unter inflationären Prozessen versteht man eine allgemeine Zunahme der Geldpreise. Die Währung verliert ihren Wert ge­ genüber den Gütern und kann erst ihre Funktion, die Vermögenswerte zu sichern und aufzubewahren, nicht mehr erfüllen, schließlich, ist die Inflation weit genug vorangeschritten, geht auch ihre Funktion als Transaktionsmittel verloren. Nie­ mand wird dieses, der Entwertung unterliegende Geld freiwillig anzunehmen bereit sein, es büßt seine zentrale Stellung ein, die es in den Kredit- und Kaufverträgen vormals innehatte. Eine deflationäre Entwicklung hingegen zeichnet sich durch ein fallendes Preisniveau aus. Im Gegensatz zur Inflation gewinnt das Geld beständig den Gütern gegenüber an Wert. Der reale Wert aller Kreditverträge, die auf bestimmte nominale Geldeinheiten lauten, steigt für die Gläubiger wie für die Schuldner. Instabilitäten des Geldsystems - seien sie durch den politischen Mißbrauch oder durch eine fehlerhafte und unzweckmäßige Organisation des Geldwesens hervorgerufen - mögen Adam Smith bewogen haben, die Geldverfassung eines Landes mit einem gewissen Mißtrauen zu betrachten, soweit sie nicht aus­ schließlich auf dem als sicher erachteten Fundament der Gold- und Silbermün­ zen beruhte, sondern überwiegend aus einer sogenannten Papiergeldzirkulation bestand. Als er im Jahr 1776 seine Untersuchung über den Wohlstand der Natio­ nen veröffentlichte, verglich er den Geldumlauf mit Straßen, auf denen die Güter zum Markt transportiert würden - die Banknotenzirkulation indes erschien ihm als ein zwar bequemer, aber unsicherer Luftweg, der die Güter „auf den Daedalus-Flügeln des Papiergeldes“ befördere.2 Ein stabiles, nur geringen Schwan­ kungen unterworfenes Preisniveau ist eine makroökonomische Funktionsbedin­ gung in modernen Gesellschaften. Hängen die Stabilität und die Funktionsfähig­ keit eines Geldsystems also stets mit den Bewegungen des Preisniveaus zusam­ men, so fällt die Aufgabe, den Geldwert zu sichern, letztlich der Zentralbank zu. Folglich bildet die zeitliche Entwicklung des Preisniveaus eine zentrale und handlungsrelevante Größe für die Wirtschaftspolitik im allgemeinen und für die 2

Smith 1776, S.265.

4

Erstes Kapitel

Geldpolitik im besonderen. Diese Einsicht wirft allerdings weitere Fragen auf. Erstens müssen mittels geeigneter Verfahren diejenigen Daten erhoben werden, aus denen eine Kennziffer für die Preisniveauentwicklung gewonnen werden kann. Die wesentliche Schwierigkeit besteht darin, einen Warenkorb zu bestim­ men, dessen Preisanstieg oder Preisverfall als Indikator für diejenige Preisent­ wicklung dienen soll, die als geldpolitisch relevant erachtet wird. Zweitens muß ein Schwellenwert festgelegt werden, bis zu dessen Erreichen von einer Stabilität des Preisniveaus gesprochen werden kann. Diese empirischen Probleme mußten im Rahmen der Europäischen Wäh­ rungsunion entschieden werden. Um eine Meßzahl für die Veränderung des Preisniveaus zu erhalten, wurde ein harmonisierter Verbraucherpreisindex eingefuhrt - kurz: HVPI genannt -, der einen zwischenstaatlichen Vergleich der Infla­ tionsraten in allen, der Europäischen Währungsunion zugehörigen Staaten ge­ stattet. Er bildet einen wesentlichen Bestandteil jener Kriterien, an denen die Europäische Zentralbank ihre geldpolitischen Entscheidungen orientiert. Der Europäische Zentralbankrat sieht das Preisniveau als stabil an, solange die auf der Basis des harmonisierten Verbraucherpreisindex gemessene Inflationsrate für einen gewissen längeren Zeitraum unter zwei Prozent pro Jahr bleibt.3 Im ersten Abschnitt des vorliegenden Kapitels werden wir die Messung der Preisniveauentwicklung mittels der Preisindizes betrachten und die Deflationie­ rung der nominalen Wertaggregate durch geeignete Indizes streifen. Der knapp gehaltene zweite Abschnitt behandelt die Veränderungsraten des Preisniveaus und im dritten Abschnitt tragen wir die formale Definition einiger Wertaggregate und der Preisindizes nach.

3

Siehe dazu Europäische Zentralbank, Jahresbericht 1998, S.51f sowie dies., Monatsbericht Januar 1999, S.50-52. Zum harmonisierten Verbraucherpreisindex und dessen Beziehung zu den nationalen Verbraucherpreisindizes siehe Elbel 1997.

Produktionsvolumen und Preisniveau

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a) Das Preisniveau, der Preisindex und die Deflationierung nominaler Wertaggregate

Um die Änderungen des Preisniveaus statistisch zu erfassen und in Kennziffern darzustellen, werden Preisindizes gebildet. Nach den Statistikern benannt, wel­ che diese Indizes entwickelt haben, unterscheidet man das Paasche-Verfahren vom Laspeyres-Verfahren. Beide sollen im folgenden mit Hilfe eines Beispiels kurz vorgestellt werden.4 In der Tabelle [1.2] werden die beiden Güter Weizen und Eisen aufgefiihrt, deren Mengen im Jahr 2000 jeweils 10 und 15 Tonne umfassen und sich im nachfolgenden Jahr 2001 auf 12 respektive 16 Tonnen belaufen. Diese Güter­ mengen bilden für jedes der beiden Jahre einen Warenkorb, der eine spezifische Zusammensetzung und einen bestimmten Umfang aufweist. In der dritten und vierten Spalte dieser Tabelle werden die Preise angegeben, die in den Jahren 2000 und 2001 für je eine Tonne jeder Waren gezahlt werden müssen. Ausge­ hend von diesen Angaben, kann nun der Wert jedes Warenkorbes berechnet werden, indem die physischen Gütermengen eines Jahres mit ihren zugehörigen Preisen multipliziert werden. Der Warenkorb des Jahres 2000 ist 2000 Euro wert, der Warenkorb des nachfolgenden Jahres 2660 Euro. Als nominale Wert­ größen bezeichnet man jene Aggregate, die entstehen, wenn die Gütermengen eines Jahres mit den Preisen desselben Jahres - also mit ihren jeweiligen Preisen - bewertet werden. Betrachtet man den Nominalwert des Berichtsjahres 2001, so enthält dieser Betrag sowohl die Mengenänderungen als auch die Preisänderun­ gen, die gegenüber dem Vergleichsjahr 2000 - dem Basisjahr - eingetreten sind. Wie kann nun der Preisniveaueffekt rechnerisch isoliert und ermittelt werden? Betrachten wir zunächst den Paasche-Index. Um die zwischenzeitlich einge­ tretene Veränderung des Preisniveaus zu ermitteln, wird ein Preisindex kon­ struiert, der ausgehend vom Warenkorb des Berichtsjahres die Informationen über die Güterpreise beider Jahre miteinander verbindet. Neben dem nominalen Wert des Warenkorbes kann sein realer Wert berechnet werden, indem die Men­ gen des Berichtsjahres 2001 mit den Preisen des Basisjahres bewertet werden. Diese reale Wertgröße gibt den Wert des Güterbündels wieder, der entstünde, 4

Die Preisindizes der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen und der Preisstatistik werden bei von der Lippe (1996, Kapitel 9) und Stobbe (1994, Kapitel 4) ausführlich dargestellt. Eine zu­ sammenfassende Betrachtung und Diskussion der methodischen Probleme, die bei der Berech­ nung von Preisindizes im Rahmen der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen auftreten, fin­ det sich bei Angermann und Stahmer (1976). Siehe dazu ebenfalls die Beiträge in Brümmerhoff und Lützel (Hrsg.) 1997, S.270-277, sowie ESVG 1995, S.287-299.

Erstes Kapitel

6

wenn die Preise konstant geblieben wären. Wie die letzte Spalte der Tabelle [1.2] zeigt, beträgt sie genau 2200 Euro. Tabelle 1.2: Die Veränderung der Gütermengen und der Preise

Warenkörbe (physische Gütermengen in Tonnen)

1

Jahre Weizen Eisen

2

Preise (in Euro)

3

nominaler Wert (Warenkorb eines Jahres in laufenden Preisen)

Warenkorb des Basis­ jahres in Preisen des Berichts­ jahres

Warenkorb des Berichts­ jahres in Preisen des Basisjahres

4

Spl x Sp3

Sp2xSp4

Spl x Sp4

Sp2 x Sp3

2000

2001

2000

2001

2000

2001

2001

2001

10 15

12 16

50 100

55 125

500 1 500

660 2 000

550 1 875

600 1 600

2000

2 660

2 425

2 200

Summe

Dividiert man den nominalen Wert des Warenkorbes durch seinen realen, so kann der Quotient als eine, nach dem Paasche-Verfahren ermittelte Indexziffer des Preisniveaus für das Jahr 2001 interpretiert werden, die wir mit dem Symbol ^2001 kennzeichnen:

2660 P2001 =

2200

und weiter:

PP2qqi ® 1,2091.

Eine solche Indexziffer schließt stets den direkten Vergleich des Berichtsjahres mit dem Basisjahr ein: Sie gibt an, wie sich die Güterpreise im Verhältnis zum Basisjahr entwickelt haben. Definitionsgemäß ist die Indexziffer des Preisni­ veaus im Vergleichsjahr gleich eins, weil der Zähler und der Nenner des Index dieselbe Wertgröße aufweisen. Vergleicht man nun das Preisniveau beider Jahre miteinander, so stellt man einen Anstieg des Preisniveaus fest: Die Indexziffer ist von PP2000 = 1 au^^2001 ~ ^2091 gestiegen - oder von 100 Prozent auf 120,91 Prozent. Im Berichtsjahr ist das Preisniveau mithin um 20,91 Prozent höher als im Basisjahr. Setzt man die Berechnungen fort, die in der Tabelle [1.2] für zwei aufeinan­ derfolgende Jahre begonnen wurden, so kann man eine Reihe solcher Indexzif­

Produktionsvolumen und Preisniveau

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fern aufstellen; jeder von ihnen liegt ein anderer, nämlich der Warenkorb des jeweiligen Berichtsjahres zugrunde. Wechselt die Zusammensetzung des Wa­ renkorbes, dessen Gütermengen zur Gewichtung der Preise herangezogen wer­ den, von einem Jahr zum nächsten, so spricht man von einem variablen Waren­ korb; der Preisindex, der mittels eines solchen Verfahrens berechnet wird, heißt momentangewichteter Preisindex oder: Paasche-Preisindex. Bezeichnen wir das Berichtsjahr mit dem Subskript t und das Basisjahr mit 0, dann können wir den Wert, den der Warenkorb im Berichtsjahr t, bewertet zu Preisen des Jahres t, annimmt, mit dem Symbol angeben, und der Warenkorb des Berichtsjah­ res in den Preisen des Basisjahres lautet in dieser Schreibweise: fVfPr0. An dieser Stelle steht JF abkürzend für den Warenkorb und Pr für das System der Geld­ preise. Kennzeichnen wir zudem die Preisindexziffer für das Berichtsjahr t mit dem Symbol Ptp, so können wir den Preisindex nach Paasche für ein beliebiges Berichtsjahr in der folgenden Form anführen: rp

‘ ~^o' Solche Preisindizes, die nach dem Paasche-Verfahren erhoben werden, kommen in den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen zur Anwendung, um die Preisentwicklung der umfassenden ökonomischen Aggregate zu untersuchen; dazu gehören beispielsweise die Preisindizes für die privaten Konsumausgaben, für die letzte inländische Verwendung oder die Investitionen. Allerdings weist der Paasche-Preisindex einen erheblichen Nachteil auf, sobald die Entwicklung des Preisniveaus in einer fortlaufenden Reihe von Jahren untersucht werden soll, weil die Änderung der Indexziffer Pp von einem Jahr auf das andere nicht allein von den wechselnden Geldpreisen, sondern darüber hinaus auch von der variie­ renden Mengenstruktur des Warenkorbes abhängt. Folglich kann ihr Steigen oder Fallen - über eine Reihe von Jahren hinweg betrachtet - nicht als eine Ent­ wicklung des Preisniveaus im Verhältnis zum jeweils vorangehenden Jahr inter­ pretiert werden; Indexziffern nach Paasche gestatten nur einen Vergleich zwi­ schen dem Preisniveau des Berichtsjahres und dem des Basisjahres. Untereinan­ der sind diese Indexziffern nicht vergleichbar.5 Das voranstehende Beispiel aus der Tabelle [1.2] diente dazu, die Berech­ nungsweise eines Paasche-Preisindex zu erläutern. Wir können nun die Frage-

5

Siehe dazu Angermann und Stahmer 1976, S.l 15 sowie von der Lippe 1997, S.367f.

8

Erstes Kapitel

Stellung umkehren: Statt die Indexziffern aus den Quotienten zweier Wertaggre­ gate herzuleiten, betrachten wir nun, wie nominale Wertgrößen mittels dieser Indizes deflationiert werden. Unter dem Begriff der Deflationierung versteht man ein Verfahren, mit dessen Hilfe eine Wertgröße, die in den Preisen des laufenden Berichtsjahres gemessen wurde, in eine sogenannte reale Wertgröße verwandelt werden kann: Die Preisänderungen, die zwischen dem Basisjahr und dem Berichtsjahr eingetreten sind, werden rechnerisch ausgeschaltet. Zu diesem Zweck dividiert man den Wert, den die Güter in laufenden Preisen annehmen, durch einen geeigneten Paasche-Preisindex; die Umbewertung der Güter erfolgt summarisch und kann durch die Beziehung:

p Gütervolumen = nominales Wertaggregat: Pt wiedergegeben werden. Das Ergebnis dieser Deflationierung ist zwar noch im­ mer eine Wertgröße, in Euro gemessen, es gibt nun jedoch den Wert der Güter ‘in den konstanten Preisen des Basisjahres’ an und wird als das Gütervolumen des Berichtsjahres interpretiert.6 In den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen wird auf diese Weise das Volumen gesamtwirtschaftlich bedeutsamer Größen wie des Produktions wertes, der Vorleistungen, der Konsumausgaben und der Investitionen ermittelt. Diese nominalen Aggregate sind Güterströme, die eine echte Mengenstruktur aufwei­ sen. Ihr Wert wird durch eine Summe gebildet, in der jeder Summand das Pro­ dukt aus einer Gütermenge und dem zugehörigen Preis je Mengeneinheit dieses Gutes ist. Ihm liegen also physisch unterscheidbare Gütermengen zugrunde. Benutzt man einen Paasche-Preisindex, dessen Warenkorb eine passende Men­ genstruktur aufweist, so kann für solche nominalen Wertaggregate eine volu­ menorientierte Deflationierung vorgenommen werden. Darüber hinaus enthalten die Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen auch solche Aggregate wie die

6

Siehe dazu Neubauer 1997, S.72-74. Zur Deflationierung nominaler Wertaggregate im Rahmen der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen siehe auch Bartels 1963, Lützel 1987 und 1997, Angermann und Stahmer 1976 (insbesondere S.107-114), Neubauer 1974 und 1997 sowie Fürst 1971. - Tatsächlich sind geeignete Paasche-Preisindizes nur in wenigen Fällen verfügbar, um nominale Wertaggregate zu deflationieren; in allen anderen behilft man sich damit, daß in tiefer Gliederung Teilaggregate gebildet werden, deren Preisentwicklung man mittels der LaspeyresPreisindizes untersucht. Aus der gewichteten Zusammenfassung dieser Indizes entsteht die Preisindexziffer, die zur Deflationierung benutzt wird. Dieses Verfahren bezeichnet man als ‘Verpaaschung’. Siehe Angermann und Stahmer 1976, S.l 12 sowie Neubauer 1997, S.73.

Produktionsvolumen und Preisniveau

9

Wertschöpfung oder das eingangs betrachtete Bruttoinlandsprodukt, die nicht als Warenkörbe mit einer eigenen Gütermengenstruktur dargestellt werden können, weil sie zum Beispiel aus der Differenz zwischen zwei anderen Wertgrößen berechnet werden. So wird der Wert des Bruttoinlandsprodukts - wie wir an dieser Stelle den späteren Kapiteln vorgreifend einfugen - aus der Differenz zwischen dem gesamten Produktionswert der Ökonomie und ihren Vorleistun­ gen ermittelt. Da das Bruttoinlandsprodukt nicht den Wert einer Gütergesamt­ heit, sondern denjenigen einer wirtschaftlichen Leistung wiedergibt, gestaltet sich die Preisbereinigung in diesen Fällen folglich schwieriger. An die Stelle der direkten Deflationierung mittels des Paasche-Verfahrens tritt die indirekte oder doppelte Deflationierung. Bei diesem - methodisch umstrittenen - Verfahren wird das Volumen des Bruttoinlandsprodukts aus der Differenz zwischen dem realen Produktionswert und dem Realwert der Vorleistungen berechnet.7 Die beiden zuletzt aufgeführten Wertaggregate: der Produktionswert und die Vorlei­ stungen verfugen ihrerseits über eine Gütermengenstruktur. Ein anderes Verfahren, das benutzt wird, um die Veränderungen des Preisni­ veaus zu erfassen, beruht auf dem von Laspeyres entwickelten Index. Zur Be­ rechnung auch dieser Indexziffer bildet man den Quotienten aus dem in jeweili­ gen Preisen und dem in konstanten Preisen gemessenen Wert des Warenkorbes. Im Unterschied zum Paasche-Verfahren legt man jedoch einen Warenkorb zugrunde, dessen Zusammensetzung über eine Reihe von Jahren hinweg kon­ stant gehalten wird. Benutzt man wiederum die Zahlen unseres Beispiels aus der Tabelle [1.2], so kann man den Wert des konstanten Warenkorbes zu laufenden Preisen, i.e. den Preisen des Berichtsjahres, aus der vorletzten Spalte ersehen: Die 10 Tonnen Weizen und die 15 Tonnen Eisen, die wir als den konstant blei­ benden Warenkorb betrachten, werden mit den zugehörigen Preisen des Be­ richtsjahres 2001 bewertet, nämlich mit 55 Euro je Tonne Weizen und 125 Euro je Tonne Eisen; der Wert dieses Warenkorbes in den Preisen des Basisjahres beträgt somit 2425 Euro. Wir erhalten das Ergebnis:

L 2425 P?OO1 zuui =-----200()

7

und weiter:

L Ponni zuui = 1,2125.

Die Einteilung der Wertaggregate in die eine Gruppe, die über eine Mengenstruktur verfügt, und die andere, denen sie fehlt, findet sich in ESVG 1995, S.288-292. Siehe dazu auch Statistisches Bundesamt 1999a, S.34. Zum Verfahren der doppelten Deflationierung siehe auch Angermann und Stahmer 1976, S.l 14 und 122 sowie Neubauer 1974, S.246 ff. und insbesondere S.261-263, Neubauer 1978, S.123f und 1997, S.75f.

10

Erstes Kapitel

Bezeichnen wir den Wert des konstanten Warenkorbes in Preisen des Be­ richtsjahres mit und seinen Wert in Preisen des Basisjahres mit WqPfq, so können wir den Laspeyres-Preisindex für das Berichtsjahr durch den nach­ folgenden Ausdruck angeben:

'

^0 ’

Die Statistik der Verbraucherpreise eröffnet dem Laspeyres-Verfahren einen bedeutenden Anwendungsbereich. Nach dieser Methode wird der Preisindex für die Lebenshaltung aller Haushalte ermittelt. Ihre Verbrauchsgewohnheiten wer­ den in empirischen Untersuchungen erfaßt und in einem Warenkorb dargestellt, dessen Struktur für einen längeren Zeitraum aus analytischen Gründen unverän­ dert gelassen wird. Werden die Preisänderungen der Güter mittels dieses Waren­ korbes erhoben, so erhält man wiederum Indexziffern für eine Reihe aufeinan­ derfolgende Jahre, deren Veränderungen von einem Jahr zum nächsten nun je­ doch, anders als beim Paasche-Verfahren, allein durch steigende oder fallende Güterpreise verursacht werden. Daher kann die Abfolge der Indexziffern bei diesem Verfahren als eine zeitliche Entwicklung des Preisniveaus interpretiert werden, die einen Vergleich zwischen dem Berichtsjahr und seinem vorange­ henden Jahr gestattet. Da auch die Verbrauchsgewohnheiten der Haushalte im Verlaufe der Jahre einem Wandel unterliegen, wird ein vormals festgelegter Warenkorb eines Tages veralten. Folglich muß die Mengenstruktur dieser Wa­ renkörbe in gewissen Zeitabständen - internationalen Konventionen folgend in der Regel alle fünf Jahre - dem gewandelten Verhalten angepaßt werden, damit die erhobenen Daten tatsächlich die Preisentwicklung für die Lebenshaltung der Haushalte wiedergeben. Die grundlegende Schwierigkeit besteht darin, einen Ausgleich zwischen den konfligierenden, aus der methodischen Zuverlässigkeit einerseits und der aussagefähigen Erfassung des aktuellen Verbraucherverhaltens andererseits resultierenden, Anforderungen an die Preisstatistik zu finden. In den Veröffentlichungen des Statistischen Bundesamt heißt es dazu: „(...) auch das Auftreten neuer Güter oder Modelle sowie Veränderungen des Konsumentenge­ schmacks oder der Realeinkommen können dazu führen, daß die Verbrauchs­ strukturen, die der Indexberechnung zugrunde liegen, veralten. Die Verbrau­ cherpreisstatistik steht damit vor einem Zielkonflikt: Einerseits muß sie die Verbrauchsgewohnheiten konstant halten, um die Preisveränderungen sauber von Änderungen in der Menge (oder Qualität) des Verbrauchs trennen zu kön­

Produktionsvolumen und Preisniveau

11

nen. Andererseits soll sie zeitnah sein, muß also die aktuellen Verbrauchsge­ wohnheiten der privaten Haushalte berücksichtigen. Deshalb müssen der Index­ berechnung von Zeit zu Zeit aktuellere Verbrauchsgewohnheiten zugrunde ge­ legt werden.“8 Neben der Statistik der Verbraucherpreise wird das LaspeyresVerfahren auch bei zahlreichen anderen Preisindizes benutzt, die zur Gruppe der Produzentenpreisindizes oder der Großhandelsindizes gehören.9 Während die Aggregate der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen, deren Werte ‘in konstanten Preisen’ wiedergegeben werden sollen, eine echte Güter­ mengenstruktur aufweisen oder aus der Differenz zweier Güterströme berechnet werden, fehlt den reinen Geldbeträgen wie dem Geldeinkommen eines Haushalts oder dem Geldlohnsatz pro Stunde diese Eigenschaft gänzlich. Bei der Deflatio­ nierung bloßer Geldbeträge stellt sich das Problem, daß deren Kaufkraft nur durch die Festlegung solcher Warenkörbe ermittelt werden kann, welche die jeweiligen Käufergruppen tatsächlich mit ihrem Geldeinkommen oder ihrem Lohnsatz erwerben. Im Unterschied zur „volumenorientierten Deflationierung von Wertgrößen mit ‘effektiver’ physischer Komponente“ und zur doppelten Deflationierung, die im Rahmen der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen benutzt werden, handelt es sich hier um eine kaufkraftorientierte Deflationie­ rung, der ein konstruierter Warenkorb zugrunde gelegt wird.10 Um die Kaufkraft der Löhne oder der Haushaltseinkommen zu untersuchen, werden LaspeyresPreisindizes benutzt. Die zeitliche Entwicklung des Geldwerts und die Verände­ rung des Preisniveaus stehen in einer inversen Beziehung zueinander: Steigt das Preisniveau, so sinkt die Kaufkraft des Euro. Kennzeichnen wir die letztere mit dem Symbol so lautet ihre formale Definition:

Die Kaufkraft ist also gleich dem Kehrwert der Preisindexziffer PtL, die wir in dieser Rechnung wieder als Dezimalzahl, nicht als Prozentzahl betrachten. Sie Elbel 1999, S.171. - Abweichend von dem fünfjährigen Rhythmus, in dem das Basisjahr übli­ cherweise umgestellt wird, wurde der besonderen ökonomischen Konstellation wegen, die mit der deutschen Einigung 1990 verbunden war, das Jahr 1991 zum Basisjahr gewählt. 9 Siehe dazu die Übersicht über die vom Statistischen Bundesamt verwendeten Preisindizes bei von der Lippe 1996, S.417. Eine Darstellung und Interpretation der Ergebnisse aus der Preissta­ tistik findet sich beispielsweise bei Szenzenstein 2001. 10 Neubauer 1997, S.72 und 74, sowie Lützel 1987, S.116. Eine grundsätzliche, theoretisch be­ gründete Kritik an der Deflationierung reiner Geldbeträge führt Neubauer (1974, S.242-245). 8

12

Erstes Kapitel

gibt die Anzahl der Warenkörbe wieder, die mit einem Euro - oder anders: mit einem bestimmten Eurobetrag - gekauft werden kann. Da im Basisjahr der Preis­ index definitionsgemäß gleich eins ist, können wir den Preis für einen Waren­ korb zu Beginn dieses Zeitraums mit einem Euro festsetzen. Nimmt seine Kauf­ kraft zu, weil das Preisniveau sinkt, dann stehen einem Euro mehr Warenkörbe gegenüber als im Basisjahr, fällt sie hingegen, so erhalten die Haushalte für einen Euro eine geringere Anzahl solcher Warenkörbe als im Basisjahr.11 Schließlich können wir den Reallohnsatz ermitteln, der sowohl in empiri­ schen Zusammenhängen - dort ohnehin - als auch in den theoretischen Diskussi­ onen eine große Bedeutung erlangt hat. Der Nominallohnsatz, gemessen in Euro pro Stunde, wird am Arbeitsmarkt festgelegt. Allerdings ist diese nominale Grö­ ße für sich genommen wenig aussagefähig, solange man nicht weiß, welche Gütermengen mit diesem Geldbetrag gekauft werden können. Rein intuitiv ha­ ben alle Erwerbstätigen eine Vorstellung davon, ob ein bestimmter Geldlohnsatz hoch oder niedrig ist, weil jeder einen solchen Lohnsatz mit Kaufkrafteinheiten MPtL bewertet; danach kann eine Entscheidung darüber getroffen werden, ob man zu dieser Entlohnung arbeiten will - soweit man überhaupt eine Chance hat zu wählen. Der Quotient aus dem Geldlohnsatz des Berichtsjahres wt und dem Preisniveau PtL kann als Reallohnsatz wJpL interpretiert werden: Er gibt die Anzahl der Warenkörbe an, die mit dem Geldlohnsatz pro Stunde gekauft wer­ den kann.

b) Die Rate der Preisniveauänderung

Der folgenden Untersuchung über die Entwicklung des Preisniveaus legen wir den Laspeyres-Preisindex zugrunde, verzichten jedoch auf seine Kennzeichnung durch das hochgestellte Symbol L. In der unten wiedergegebenen Tabelle [1.3] werden die Indexziffern für die Lebenshaltung der privaten Haushalte aufge­ führt. Das Jahr 1995 dient darin als Basisjahr.12 Jede dieser Preisindexziffem beinhaltet einen Vergleich zwischen dem jeweiligen Berichtsjahr und dem Basis­ jahr 1995. Eine solche Reihe von Indexziffern gibt somit zwar die Entwicklung 11 Greift man auf die Angaben aus der Tabelle [1.3] zurück, um die Kaufkraft der DM für das Jahr 2000 zu ermitteln, so erhält man den Zahlenwert:^ * 0,936. Die Kaufkraft der DM beträgt im Jahr 2000 also nur noch 0,936 Einheiten des der Messung zugrunde liegenden Warenkorbes. 12 In der Tabelle [1.3] werden die Indexziffern als Prozentzahlen angegeben, in allen formalen Darstellungen innerhalb des Textes erscheinen sie hingegen als Dezimalzahlen.

Produktionsvolumen und Preisniveau

13

des Preisniveaus über die interessierende Zeitspanne hinweg an, stets bleibt jedoch das Basisjahr, in dem die Indexziffer definitionsgemäß gleich eins ist oder gleich 100 Prozent gesetzt wird, die Grundlage, auf die sich der Vergleich bezieht. So gibt die Indexziffer 106,9 vH des Jahres 2000 an, daß das Preisni­ veau gegenüber dem Basisjahr um 6,9 vH gestiegen ist. Sobald man jedoch die sogenannten Veränderungsraten des Preisniveaus - die Inflationsraten oder die Deflationsraten - erfahren will, verfolgt man eine andere Fragestellung. Man betrachtet dann nicht mehr die Änderung des Preisniveaus gegenüber dem Basis­ jahr, sondern seinen Anstieg oder seine Verminderung gegenüber dem jeweili­ gen Vorjahr. Strenggenommen richtet sich die Untersuchung auf diejenige Rate, mit der die Indexziffer des Preisniveaus gegenüber dem vorangehenden Jahr steigt oder fällt und interpretiert sie als Änderungsrate des Preisniveaus. Be­ zeichnen wir das Berichtsjahr, über das eine Aussage getroffen werden soll, mit dem Subskript t und kennzeichnen das jeweilige Vorjahr mit (t - 1), dann können die Preisindexziffem dieser beiden aufeinanderfolgenden Jahre mit P( und Ph{ beschrieben werden. Beide Indexziffern werden wieder als Dezimalzahlen dar­ gestellt. Für die Änderungsrate des Preisniveaus - berechnet im Jahr / gegenüber dem Vorjahr - verwenden wir das Symbol Pt, so daß für t > 1 die Definitions­ gleichung:

. Pt-Py Pt = -- ----- — pt-\

oder:

~ Pt Pt = —L~-1 pt-\

gilt. Stellt man die Angaben aus der Tabelle [1.3] auf Dezimalzahlen um, dann können die Änderungsraten des Preisniveaus gegenüber dem Vorjahr mittels dieser Gleichung berechnet werden. Sind diese Raten Pt positiv, so werden sie als Inflationsraten interpretiert, sind sie negativ, als Deflationsraten. Während die Inflationsraten beliebig groß werden können, wie gerade die Hyperinflation in Deutschland zu Beginn der 20er Jahre zeigte, muß die Deflationsrate stets zwischen Null und dem Wert (-1) liegen. Ein Preisverfall um 100 Prozent bedeu­ tete, daß für die Güter nichts mehr bezahlt werden müßte - ihre Preise wären gleich Null.13

13 Nehmen wir sinnvoller Weise an, die Preisindexziffer des Vorjahres erfülle die folgende Un­ gleichung: > 0. Setzt man nun für die Änderungsrate des Preisniveaus ein: Pt = -1, so

Erstes Kapitel

14

Tabelle 1.3: Preisindex für die Lebenshaltung aller privaten Haushalte 1995 2000 und Rate der Preisniveauänderung. Angaben in Prozent

Jahr 1995 Preisniveauindex P 100 Änderungsrate des Preisniveaus

1996 101,4 1,4

1997 103,3 1,9

1998 104,3 1,0

1999 104,9 0,6

2000 106,9 1,9

Quelle: Monatsbericht der Deutschen Bundesbank, März 2000 und Februar 2001, Statistischer Teil. Basisjahr 1995.

c) Eine formale Darstellung der Preisindizes Dieser letzte Abschnitt ist ein Nachtrag zum ersten; wir stellen lediglich einige formale Definitionen für die bisher verwendeten Wertaggregate und Preisindizes zusammen. Der Warenkorb, der zur Berechnung der Indexziffern verwendet wird, umfasse k Güter; die Menge des Gutes i, die in diesem Warenkorb enthal­ ten ist, wird mit dem Symbol xi und der Geldpreis je Mengeneinheit dieses Gutes mit bezeichnet, für i = 1,2, ..., k. Die Gütermengen bilden die Bestandteile des Warenkorbes. Zudem müssen die Gütermengen und die Preise in zeitlicher Hinsicht voneinander unterschieden werden. Um die einzelnen Jahre, über wel­ che sich die Untersuchung erstreckt, gegeneinander abzugrenzen, benutzen wir wiederum das Symbol t. Den Anfang dieser Zeitspanne markiert das Basisjahr, das mit t = 0 gekennzeichnet wird, das Ende des Untersuchungszeitraums das Jahr T\ folglich gilt: t = 0, 1,2, ..., T. Kombiniert man diese Subskripte, so erhält man den Ausdruck xit, welcher die Menge des Gutes i angibt, die im Warenkorb des Jahres t verfügbar ist, sowie mit pit den Preis - gemessen in Euro -, der im Jahr t für eine Mengeneinheit des Gutes i gezahlt werden muß. Demnach beträgt der Wert eines Warenkorbes aus dem Berichtsjahr t, dessen Güter mit laufenden Preisen bewertet werden: k P\t ■Xlt+P2l ■X2t+-+Pkt -xkt = H Pit -xif /=1

folgt aus der angeführten Gleichung die Lösung: 0 =Pt. Wie aus dem Abschnitt (a) dieses Kapi­ tels hervorgeht, impliziert eine solche Lösung: ^QPrt = 0.

Produktionsvolumen und Preisniveau

15

Der nominale Wert eines variablen Warenkorbes, der im ersten Abschnitt des vorliegenden Kapitels eingefuhrt wurde, kann nun durch den Ausdruck:

k ^t^ E PiCxit> Z=1 wiedergegeben werden. Sein realer Wert, der aus dem Produkt der Mengen des Berichtsjahres xit mit den Preisen des Basisjahres piQ hervorgeht, lautet in dieser Schreibweise: k wtp,^='L Pio-Xu 120 Tonnen Weizen. Im Verlaufe eines Jahres produzieren 240 Arbeiter, die 30 Tonnen Weizen als Saatgut einsetzen, ein Bruttoprodukt, das 120 Tonnen Weizen umfaßt; das Net­ toprodukt besteht aus 90 Tonnen Weizen. Dieses System enthält alle wesentli­ chen Informationen: erstens gibt es das Aktivitätsniveau der Ökonomie an, näm­ lich das Produktionsvolumen und die Beschäftigung; zweitens beschreiben diese Mengenangaben die industriellen Verflechtungen des Produktionssystems und geben seine Technik wieder; drittens gestattet es eine Aussage darüber, ob diese Ökonomie auf der Basis der gegebenen Technik lebensfähig ist und sich repro­ duzieren kann. Die Darstellung der Produktionstechnik besitzt in der Form, wie sie oben an­ geführt wurde, den Nachteil, daß die rein technischen Informationen mit den Angaben zum Produktionsvolumen verknüpft sind. Um die ausschließlich tech­ nischen Beziehungen zwischen den Einsatzmengen und der Ausbringungsmenge bei einem gegebenen Produktionsvolumen zu untersuchen, können technische Koeffizienten berechnet werden, indem die Einsatzmengen des Vorprodukts und der Arbeit durch das Produktionsvolumen des Industriezweiges dividiert werden. In unserem Beispiel besteht die Einsatzmenge des Saatguts aus 30 Tonnen Wei­ zen, 120 Tonnen Weizen werden hergestellt, so daß der Produktionskoeffizient für das Saatgut % beträgt: Um eine Tonne Weizen zu produzieren, wird eine viertel Tonne Weizen benötigt. In der gleichen Weise erhält man den Arbeitsko­ effizienten'. In diesem Beispiel müssen zwei Arbeiterjahre eingesetzt werden, um eine Tonne Weizen zu produzieren. Bezeichnen wir den Produktionskoeffizien­ ten mit a und den Arbeitskoeffizienten mit /, dann können wir die Produktions­ technik dieser Weizenökonomie durch den Ausdruck (a, /) beschreiben, und im vorliegenden Zahlenbeispiel gilt:

Die Theorie der industriellen Verflechtungen

a=%

und

85

/ = 2.

Verlassen wir nun dieses Zahlenbeispiel und betrachten den Zusammenhang zwischen der produzierten Weizenmenge und den verschiedenen Verwendungs­ zwecken, denen sie zugefuhrt wird, in allgemeiner Weise. Das Bruttoprodukt ist gleich der Summe aus dem Nettoprodukt und jener Weizenmenge, die als Vor­ produkt eingesetzt wird. Bezeichnen wir die Menge des Bruttoprodukts mit q, das Nettoprodukt mity und die Menge des Vorprodukts mit x, dann können wir das industrielle System durch die nachstehende Mengengleichung beschreiben:

q-x=y.

[5.1]

Für die folgende Untersuchung setzen wir voraus, daß die Produktionstechnik (a, Z) gegeben und bekannt ist. Wir können nun die Beziehungen zwischen den Mengen q, y und x darstellen, indem wir die technischen Koeffizienten in die Analyse einbeziehen. Nehmen wir zunächst an, daß die Einsatzmenge des Saat­ guts x und die Arbeitsmenge, die wir mit dem Symbol L bezeichnen, gegebene Größen sind. Der Umfang der Bruttoproduktion kann dann durch die beiden Gleichungen: x q-~ a

und

L q = —, /

ermittelt werden. Wir erhalten auf diese Weise zwei Produktionsfunktionen, in denen das Produktionsvolumen q die jeweils abhängige Variable ist. Sie zeigen, wie es sich verändert, wenn die Saatgutmenge und die Arbeitsmenge wachsen. Eine weitere Schwierigkeit kommt jedoch noch hinzu, weil die Änderung des Produktionsvolumens nicht nur von der Zunahme der Einsatzmengen abhängt, sondern darüber hinaus auch vom Zahlenwert der technischen Koeffizienten a und l. Letztere können aber selbst wiederum vom Umfang der Produktion beeinflußt werden und beispielsweise mit steigendem Produktionsvolumen eben­ falls wachsen oder umgekehrt sinken oder konstant bleiben. Da diese Abhängig­ keiten schwer vorauszusehen sind, benutzt Leontief eine sehr robuste Produkti­ onsfunktion und nimmt an, daß die technischen Koeffizienten konstant bleiben, wenn das Produktionsvolumen variiert: Er setzt voraus, daß zwischen dem Pro­

Fünftes Kapitel

86

duktionsvolumen und den Einsatzmengen eine proportionale Beziehung be­ steht. 1 Kehrt man nun die Fragestellung, mit der wir soeben die Untersuchung be­ gonnen haben, um und faßt das Bruttoprodukt q als die bekannte Größe auf, so können die Saatgutmenge und die Arbeitsmenge als die Unbekannten begriffen werden; bei gegeben technischen Koeffizienten lauten die Mengenbeziehungen nun:

x=aq

und

L = ql.

Zudem können wir nun die Arbeitsmenge L als Arbeitsnachfrage dieser Weizen­ ökonomie interpretieren. Ersetzt man in der Mengengleichung [5.1] die Variable x durch den Ausdruck a q, um die Menge des Saatgutes wiederzugeben, bezieht den Arbeitskoeffizienten / zur Beschreibung des Arbeitsbedarfs ein und berück­ sichtigt den Umstand, daß die Arbeit keine produzierte Ware, sondern eine exo­ gen gegebene Ressource ist, deren Umfang wir im folgenden mit Lq angeben, dann können wir das Mengensystem dieser Ökonomie nun vollständig durch die folgenden Relationen wiedergeben: q-aq=y

oder {\-a)q=y

[5.2a]

L = lq

[5.2b]

LQ>L

[5.2c]

Das vorhandene ArbeitsvolumenLo, welches als Arbeitsangebot interpretiert werden kann, setzt der Weizenproduktion eine Kapazitätsgrenze, so daß das gesamte Produktionsvolumen nur bis zu dem Punkt ausgedehnt werden kann, an dem die nachgefragte Arbeitsmenge gerade durch das gegebene Angebot ge­ deckt wird. 1

Siehe dazu Leontief 1951, S.37. Eine solche Leontief-Produktionsfunktion weist konstante Skalencrträge auf. Ihre vollständige Form erhielt sie von Dorfman, Samuelson und Solow (1958, S.231, Fn.l), welche sie als eine Minimumfunktion schrieben- im Beispiel: q = min (xla, LH). Sind von den Einsatzmengen Saatgut und Arbeit beliebige Mengen vorhanden, so wird das Pro­ duktionsvolumen durch den kleinsten Wert in der Klammer bestimmt; daher können überschüs­ sige Einsatzmengen auftreten. Kostenminimierende Unternehmen werden eine solche Ver­ schwendung von Produktivgütem jedoch vermeiden, sobald sie die Gelegenheit haben, die Einsatzmengen technisch effizient zu kombinieren. Eine solche Produktionsfunktion wird auch als linear-limitationale Produktionsfunktion bezeichnet.

Die Theorie der industriellen Verflechtungen

87

Wir sind nun in der Lage, die Bedingungen genau anzugeben, unter denen eine Ökonomie lebensfähig ist. In einem rein technischen Sinne kann sich ein industrielles System erhalten und seine verbrauchten Vorprodukte ersetzen, ohne jedoch einen physischen Überschuß zu erzeugen, wenn die Gleichung: 1 - a = 0 erfüllt ist. Wie aus der Gleichung [5.2a] hervorgeht, wird das Nettoprodukt in diesem Fall den Wert Null annehmen. Gilt hingegen die Ungleichung:

l-a>0,

[5.3]

dann schließt seine Reproduktion ein positives Nettoprodukt ein. Setzen wir voraus, daß diese Ungleichung erfüllt ist, dann erhalten wir aus der Mengenglei­ chung [5.2a] die Beziehung:

q-^-a^y.

[5.4]

Sie zeigt, welches Bruttoproduktionsvolumen die Ökonomie herstellen muß, um ein präferiertes Nettoprodukt y zu erhalten. Das Nettoprodukt sehen wir hier als eine gegebene Größe an, die im Verlauf der gesellschaftlichen Willensbildung festgelegt worden ist. Unter diesem Gesichtspunkt betrachtet, können wir es auch als die Endnachfrage y der Gesellschaft auffassen. Kann dieses Gemeinwe­ sen sich ökonomisch reproduzieren, dann ist es fähig, jedes gewünschte Netto­ produkt zu erzeugen, und die Gleichung [5.4] gibt das Bruttoproduktionsvolumen an, das insgesamt benötigt wird, um dieses festgelegte Weizennettoprodukt herzustellen. Allein das gegebene Arbeitsangebot begrenzt die Produktion, so daß die Endnachfrage y nur dann realisiert werden kann, wenn auch die Unglei­ chung [5.2c] erfüllt wird. Die Arbeitsmenge, welche das industrielle System einsetzen muß, um ein festgelegtes Nettoprodukt zu erzeugen, geht aus der Gleichung [5.2b] hervor. Die Arbeitsnachfrage L, die mit einem bestimmten Bruttoprodukt q verbunden ist, folgt dann aus den Gleichungen [5.2b] und [5.4]: L = l(l -ay'y.

[5.5]

Untersuchen wir nun die Wirkungen, die der technische Fortschritt auf das Mengensystem der Ökonomie hat. Wir nehmen an, daß ein neues Produktions­ verfahren zur Herstellung von Weizen verfügbar ist, dessen Produktivität gegen­ über der alten Produktionsmethode gestiegen ist. Wir können diesen Produktivi­ tätsanstieg spezifizieren und festlegen, daß die Produktivitäten aller Einsatzmen­

Fünftes Kapitel

88

gen proportional um den Faktor b angewachsen sind, wobei gilt: b > 1. Wenn die Produktivität steigt, so kann mit einer gleichbleibenden Einsatzmenge an Weizen oder Arbeit ein größeres Bruttoprodukt erzeugt werden oder - umgekehrt - ein gleichbleibendes Bruttoprodukt kann mit geringeren Mengen an Saatgut und Arbeit hergestellt werden. Der Produktionskoeffizient und der Arbeitskoeffizient werden sinken, wenn die Produktivität der Weizenindustrie steigt; somit lauten die neuen technischen Koeffizienten: (alb) und (llb). Folglich wird das produkti­ vere Verfahren durch neue funktionale Beziehungen zwischen den Einsatzmen­ gen und der Ausbringungsmenge beschrieben:2 b-x q =----a

und weiter

a-q x =----b

b- L q =----/

und weiter

l-q L =---- . b

Das Mengensystem kann nun, nachdem die neue Technik eingefuhrt wurde, durch die folgenden Relationen beschrieben werden:

[5.6a]

/ L = —q

und Lq > L.

[5.6b]

Der Vergleich der neuen Technik mit der alten zeigt wegen b > 1:

2

Da die Produktivitäten stets das Verhältnis der Ausbringungsmenge zur Einsatzmenge angeben, wird ein Anstieg der Arbeitsproduktivität auf den Wert (b/l) und ein Anstieg der Weizenproduk­ tivität auf den neuen Wert (b/a) fuhren. Die technischen Koeffizienten sind als Kehrwerte der Produktivitäten definiert, so daß die im Text angeführten Werte für den Wcizenkoeffizienten und den Arbeitskoeffizienten entstehen. - Leontief (1951, S.37) benutzt solche Produktivitätsko­ effizienten, um den technischen Fortschritt innerhalb eines Industriezweiges zu erfassen.

Die Theorie der industriellen Verflechtungen

89

Betrachten wir die Endnachfrage nach Weizen y als eine gegebene Größe und die gesamte Weizenproduktion q als die Unbekannte. Wie aus der soeben ange­ führten zweiten Ungleichung zu erkennen ist, kann das gewünschte Nettopro­ dukt y mit einem geringeren gesamten Produktionsaufwand hergestellt werden: Das industrielle System benötigt ein geringeres Bruttoprodukt, um die Endnach­ frage zu realisieren. Dieses Resultat des technischen Fortschritts wird deutlich, wenn das Bruttoprodukt als die abhängige Variable des Nettoprodukts dargestellt wird, so daß die Gleichung [5.6a] die Form:

y annimmt. Zudem sinkt die Arbeitsmenge, die zur Herstellung dieses Bruttopro­ dukts benötigt wird, ebenfalls, wie der folgende Ausdruck zeigt:

b) Die Analyse der industriellen Verflechtungen: Ein industrielles System mit zwei Gütern

Verlassen wir nun die einfache Weizenökonomie und wenden uns einem indu­ striellen System zu, in dem die beiden Güter Weizen und Kohle hergestellt wer­ den. Wiederum sehen wir von den dauerhaften Produktivgütem ab. Um die Technik und das Mengensystem zu beschreiben, muß die Notation geringfügig verändert werden: im folgenden ist der Weizen das Gut 1 und die Kohle das Gut 2; wir bezeichnen mit q^ und q^ die Bruttoproduktion der Weizen- und der Koh­ lenindustrie, mit und y2 die entsprechenden Nettoprodukte. Wir nehmen an, die Produktionstechnik beider Industrien sei so beschaffen, daß sowohl der Wei­ zen als auch die Kohle in jedem Produktionszweig als Produktivgüter dienen und in beiden selbstverständlich eine gewisse Menge Arbeit benötigt wird. Der Produktionskoeffizient a- mit i,j =1,2 gibt diejenige Menge des Produktivgutes i an, die im Industriezweig j eingesetzt wird, um eine Mengeneinheit des Gutes j zu erzeugen. Somit bezeichnet a2i die Menge Kohle, die zur Produktion einer Tonne Weizen benutzt wird. Ganz ähnlich sind die Arbeitskoeffizienten l^ und l2

Fünftes Kapitel

90

für die Weizen- und für die Kohlenindustrie zu verstehen. Wie bereits zuvor, so nehmen wir auch im folgenden an, daß die Technik bekannt ist. Wird das Pro­ duktionsvolumen eines jeden Industriezweiges wiederum auf eine Mengenein­ heit normiert, dann können wir die Produktionstechnik dieses industriellen Sys­ tems in der folgenden Weise schreiben: ] Weizen © a21 Kohle © /| Arbeiterjahre -> 1 Tonne Weizen

012 Weizen ® a22 Kohle © /2 Arbeiterjahre -> 1 Tonne Kohle. Da voraussetzungsgemäß kein Industriezweig auf den Weizen und die Kohle verzichten kann und zudem eine bestimmte Arbeitsmenge einsetzen muß, sind sämtliche Produktionskoeffizienten und Arbeitskoeffizienten positiv und es gilt: «jj > 0 und lj > 0 mit i, j = 1,2. Für die Mengen der Vorprodukte benutzen wir die gleiche Notation wie für die Produktionskoeffizienten, so daß die Menge des Gutes i bezeichnet, die in der Industrie j zur Herstellung des Bruttoprodukts qj verwendet wird. Die funktionalen Beziehungen zwischen den Einsatzmengen und dem Produktionsvolumen können wie zuvor beschrieben werden, wobei wir wiederum Produktionsfunktionen annehmen, in denen die Ausbringungsmengen proportional mit den Einsatzmengen variieren. Die Symbole L\ und Ä2 geben die Arbeitsnachfrage der Weizen- und der Kohlenproduktion wieder. Die Funktio­ nen lauten: Weizenproduktion

*11

«21

L\ 91=7" '1

*22 L1 92=“—> 92=7“«22 ‘2

Betrachten wir nun das Mengensystem genauer. Mit Hilfe der Produktions­ koeffizienten und des Bruttoprodukts können die Vorproduktmengen erneut durch einen Ausdruck der Form: qj ersetzt und die Arbeitsnachfrage kann durch den Term lj qj angegeben werden. Somit erhalten wir für dieses industriel­ le System die folgenden Mengengleichungen und die Kapazitätsgrenze: “ a\ 1 0 undy2 > 0- Dieses Nettoprodukt können wir wieder als Endnachfrage interpretieren, wobei wir nicht zwischen dem Konsum der privaten Haushalte und den Investitionen unter­ scheiden. In der ersten Gleichung des Systems [5.7] werden sämtliche Verwen­ dungen dargestellt, denen der Weizen zugefuhrt wird: mit q} wird die Wei­ zenmenge bezeichnet, die in der Weizenindustrie als Vorprodukt zum Einsatz kommt; der Ausdruck a12 q^ gibt die Weizenmenge an, mit der Kohle im Um­ fang von 72 produziert wird, und yj ist das Weizennettoprodukt, welches das Gemeinwesen von der Weizenindustrie verlangt. Die zweite Gleichung gibt die analogen Mengen für die Kohlenproduktion an. Diese Mengengleichungen zei­ gen also, zu welchen Zwecken die produzierten Gütermengen verwendet wer­ den. Da die Produktion mit Kosten verbunden ist, werden die Unternehmen gerade diejenigen Gütermengen erzeugen, die nachgefragt werden. Daher kann in den beiden ersten Relationen des Mengensystems [5.7] das Gleichheitszeichen gesetzt werden.3 Die dritte Gleichung können wir wieder als den Arbeitsbedarf der Ökonomie interpretieren, der bei einem Bruttoprodukt (7^ 72) wirksam wird; die letzte Ungleichung setzt dem Produktionsvolumen eine Grenze in Ge­ stalt der verfügbaren Arbeitsmenge. Die Frage, ob ein solches industrielles System sich tatsächlich reproduzieren kann, läßt sich nun nicht mehr so einfach beantworten. Betrachtet man dieses Problem aus einem etwas anderen Blickwinkel, so kann man die Fragestellung untersuchen, ob das Produktionssystem in der Lage ist, das gewünschte Netto­ produkt zu erzeugen. Unter dem einen wie dem anderen Gesichtspunkt geht es um den Nachweis, daß das Produktionssystem hinreichend produktiv ist, um über den Ersatzbedarf an Produktivgütem hinaus einen Überschuß zu erzeugen. Der Grund dafür, daß dieser Nachweis hier schwieriger ist als bei der Weizen­ ökonomie, liegt in dem komplizierteren Muster der industriellen Verflechtungen. Sowohl der Weizen als auch die Kohle dienen in beiden Industrien als Vorpro­ dukt. Daher muß das Bruttoprodukt der Weizenindustrie nicht nur größer sein als deren Eigenverbrauch an Saatgut, sondern es muß darüber hinaus auch aus­ 3

Die Gleichheit der produzierten und der nachgefragten Mengen impliziert in der Tat eine Gleichgewichtskonstellation im Gütermarkt, in der weder Extragewinne noch Extrakosten für die Unternehmen auftreten.

Fünftes Kapitel

92

reichen, um der Kohlenproduktion die benötigte Menge des Produktivgutes Weizen zu liefern. Nur unter der Bedingung, daß die Weizenproduktion den gesamten Ersatzbedarf aller Industriezweige am Vorprodukt Weizen übersteigt, verbleibt ein Überschuß, der einen Beitrag zum Nettoprodukt der Wirtschaft bildet. Produzierte die Weizenindustrie zwar genug, um ihren Eigenbedarf an Saatgut zu decken, aber zu wenig, um der Kohlenindustrie das Vorprodukt Wei­ zen zu liefern, so könnte dieses Land weder Weizen noch Kohle herstellen, weil der Kohlenindustrie der Weizen und der Weizenindustrie die Kohle fehlte. Ganz ähnlich verhält es sich mit der Kohlenindustrie. Diese Verwicklungen kommen durch die industriellen Verflechtungen herein, die so beschaffen sind, daß dieses Gemeinwesen zu seiner ökonomischen Reproduktion auf die Herstellung beider Waren angewiesen ist. Nehmen wir für die folgende Untersuchung an, daß das Gemeinwesen eine Endnachfrage (yj, y2) festgelegt hat, die sowohl Weizen als auch Kohle enthält, so daß gilt: y] > 0 und y2 > 0. Ihrem Umfang und ihrer Zusammensetzung nach ist die Endnachfrage daher determiniert. Eine ökonomisch sinnvolle Lösung für das Mengensystem existiert nur, wenn das Bruttoprodukt positiv ist:

q^ > 0

und

q2 > 0.

Im folgenden untersuchen wir die Bedingungen, welche die Bruttoproduktion eines Landes erfüllen muß, um das gewünschte Nettoprodukt zu realisieren. Damit überhaupt ein positives Nettoprodukt entstehen kann, muß jeder In­ dustriezweig einen Überschuß über den Ersatzbedarf des gesamten Produktions­ systems erzeugen und die Arbeitsnachfrage muß durch das Arbeitsangebot zu­ mindest gedeckt sein. Die ersten beiden Gleichungen des Systems [5.7] verwan­ deln sich daher in Ungleichungen: 71 > «h qx + n12 q2 72 > Ö21 7i + a22 72 Lo >L.

[5.8]

Stellt man die beiden ersten Ungleichungen um, so daß daraus die Relationen:

(1 -

q^ > fl]2 q2

(1 - a22) q2 > ß21 q^

[5.9]

Die Theorie der industriellen Verflechtungen

93

entstehen, dann wird deutlich, daß eine erste Bedingung dafür, daß ein positives Bruttoprodukt (q}, q2) erzeugt wird, darin besteht, daß jeder Industriezweig einen Überschuß über seinen eigenen Verbrauch an selbstproduzierter Ware herstellt. Diese erste Bedingung umfaßt die beiden Ungleichungen: l-aH>0

1 - a22 > 0.

und

[5.10]

Produzierte die Weizenindustrie gerade so viel, wie sie selbst verbraucht, so gälte: 1-^=0 und die erste Ungleichung im vorausgehenden System [5.9] wäre nicht erfüllt. Damit aber nicht genug: Um eine Bruttoproduktion sicherzu­ stellen, die mit dem gewünschten Nettoprodukt einhergeht, müssen neben dem Eigenbedarf auch die Anforderungen erfüllt werden, die aus den Produktionsver­ flechtungen erwachsen. Unter der Voraussetzung, daß ein positives Bruttopro­ dukt existiert und sowohl Weizen als auch Kohle hergestellt werden, gilt:

und wir erhalten aus den Ungleichungen [5.9] die beiden Relationen: 1-011 . Ql

>— «12----71



und

----------, 71 1-^22

welche zu einem Ausdruck zusammengefaßt werden können:

woraus wir schließlich die Bedingung: (1 - #10 (1 - a22) - fl|2 «21 > 0

[5.11b]

erhalten. Erfüllt die Produktionstechnik die Bedingungen [5.10] und [5.11b], dann ist dieses interdependente System produktiv und kann im Rahmen der Kapazitätsgrenze, welche durch das Arbeitspotential gezogen wird, eine beliebi­ ge Endnachfrage realisieren.

Fünftes Kapitel

94

Da alle Produktionskoeffizienten voraussetzungsgemäß positiv sind, gilt: a12 a21 > 0.4 Ist auch die Bedingung: 1 > 0 erfüllt, dann impliziert die Unglei­ chung [5.11b], daß auch 1- a22 > 0 erfüllt ist. Für unser Beispiel eines industriel­ len Systems, das aus zwei Produktionszweigen gebildet wird, folgt somit, daß das gewünschte Nettoprodukt genau dann erzeugt werden kann, wenn die beiden nachstehenden Ungleichungen erfüllt sind:5

[5.12]

^ll >0 (1 - |) (1 - a22) - a12 a21 > 0.

Betrachten wir nun die Lösung für die gesuchten Bruttoprodukte der Weizenund der Kohlenindustrie. Da die Endnachfrage nach Weizen und Kohle als ge­ geben angenommen wurde, erhält man aus dem Gleichungssystem [5.7] die Lösungen für das Mengensystem, indem in den beiden ersten Gleichungen durch Substitution jeweils einer Variable die Größen q^ und q2 isoliert werden. Die Mengenlösungen für die Weizen- und die Kohlenproduktion können durch die beiden Gleichungen:

qX

(1-^22^!+^12^2 (1 ~^11)(1 “«22) ~ö12^21

[5.13]

q2 =--------------------------------

(l-ail)(l-a22)~a12a21

4

Diese Voraussetzung ist über das notwendige Maß restriktiv; die

müssen nicht sämtlich

positiv sein, einige können auch den Wert Null annehmen; diese Annahme sollte nur sicherstel­ len, daß wir ein aus zusammenhängenden Industriezweigen gebildetes und daher interdependen­ tes Produktionssystem vor uns haben, jedoch keines, das aus isolierten Industrien besteht. In den theoretischen Diskussionen im Umfeld der klassischen Schule und im Zusammenhang mit den Arbeiten Sraffas wird zwischen den Basiswaren und den Nichtbasiswaren unterschieden. Die Basiswaren werden direkt oder indirekt zur Produktion aller Waren benötigt, die Nichtbasiswa­ ren weisen diese Eigenschaft hingegen nicht auf. Im vorliegenden Fall sollen beide Waren Ba­ siswaren sein, und diese Eigenschaft kommt ihnen in diesem Beispiel bereits dann zu, wenn gilt: fl12 > 0und n2| >0. Für eine ausführliche Behandlung dieser Fragen siehe Pasinetti 1975,

5

S. 122-128 sowie Kurz und Salvadori 1995, S.63 und S.95f. Siehe dazu auch Dorfman u.a. 1958, S.210-215 sowie Kurz und Salvadori 1995, S.64f.

Die Theorie der industriellen Verflechtungen

95

dargestellt werden. Das gesamte Produktionsvolumen dieser beiden Industrie­ zweige hängt nur noch von der gegebenen Technik und von der Endnachfrage ab. Der Nenner ist in beiden Gleichungen derselbe und mit der linken Seite der Ungleichung [5.11b] identisch, welche die Bedingung dafür enthält, daß eine bestimmte Endnachfrage technisch realisiert werden kann. Ist diese Ungleichung erfüllt, dann ist der Nenner in beiden Gleichungen größer als Null, folglich exi­ stiert eine Lösung. Letztere ist zudem ökonomisch sinnvoll, wenn der Zähler in jeder Gleichung positiv ist. Da wir positive Komponenten des Nettoprodukts angenommen haben, die Produktionskoeffizienten voraussetzungsgemäß positiv sind und die Ungleichungen [5.12] gelten, ist der Zähler in jeder Gleichung positiv, daher sind die Lösungen ökonomisch sinnvoll.6 Die Arbeitsnachfrage kann mit Hilfe der dritten Gleichung aus dem System [5.7] ermittelt werden. Dorfman, Samuelson und Solow benutzen in ihrem umfangreichen Werk Li­ near Programming and Economic Analysis eine graphische Darstellung, die sehr gut geeignet ist, um die Bedingungen zu verdeutlichen, unter denen ein ge­ wünschtes Nettoprodukt tatsächlich erzeugt werden kann.7 Da die technischen Koeffizienten und die Komponenten des Nettoprodukts wieder als bekannte Größen aufgefaßt werden, können die Mengen q^ und q2 als die unbekannten Variablen interpretiert werden. Das Bruttoprodukt (q^, q2) bildet einen Punkt P in der Zahlenebene, der offenbar im positiven Quadranten liegen muß, damit überhaupt eine ökonomisch sinnvolle Lösung existieren kann. Wie die vorange­ hende Analyse gezeigt hat, ist es damit aber noch nicht getan: Bei gegebener Endnachfrage müssen die in beiden Industriezweigen produzierten Mengen bestimmte Verhältnisse einhalten, die aus der benutzten Produktionstechnik resultieren, so daß dieser Punkt P nicht beliebig in der positiven Zahlenebene gewählt werden kann. Greifen wir nochmals das Gleichungssystem [5.7] auf. In den beiden ersten Gleichungen kann die Variable q2 isoliert werden, so daß man eine „Weizengleichung“ und eine „Kohlengleichung“ erhält, in der jeweils die produzierte Kohlenmenge q2 als die abhängige Variable und das Weizenbrutto­ produkt qx als die unabhängige Variable betrachtet werden kann. Jede der beiden Gleichungen beschreibt eine Gerade in der (^p 72)"Ebene:

6

7

So, wie die industriellen Verflechtungen unseres Beispiels beschaffen sind, muß jede Ware produziert werden, damit das gesamte industrielle System sich reproduzieren kann. Daher darf in keiner der beiden Gleichungen der Zähler Null werden. Ökonomisch sinnvolle Lösungen müssen folglich auf Mengen führen, die größer als Null sind. Siehe dazu Dorfman u.a. 1958, S.213f.

Fünftes Kapitel

96

Weizen

1~«11 JI 92 - „ 0 und / > 0.

Die Koeffizientenmatrix ist nichtnegativ: Einige der Produktionskoeffizienten können gleich Null sein, aber nicht alle.11 Zudem setzen wir wie bisher ein Pro­ duktionssystem voraus, in dem jede Ware hergestellt werden muß, damit das gesamte System sich reproduzieren kann. Ferner benötigt jeder Industriezweig eine gewisse Menge Arbeit. Mit den Spaltenvektoren q und y werden das Brut­ toprodukt und das Nettoprodukt bezeichnet:

Die Beziehung zwischen den Einsatzmengen der Vorprodukte im Industrie­ zweig j, dem Produktionsvolumen dieser Industrie und den Produktionskoeffi­ zienten, die wieder als Konstante angenommen werden, kann erneut in einer linearen Funktion wiedergegeben werden; gleiches gilt für die Arbeitsmengen. Man erhält:

Dorfman u.a. 1958, Kapitel 9 und 10; Chenery und Clark 1959, Kapitel 2; Schumann 1968; Pasinetti 1975, Kapitel 4 sowie Holub und Schnabl 1994. 11 Die Kocffizientenmalrix A ist nichtnegativ: A > 0, mit 0 als der Nullmatrix, wenn gilt: ay > 0 und einige ay > 0, mit i,j =1,2,..., n. Diese Bedeutung wird der Relation „größer gleich“ gege­

ben, wenn wir zwei Matrizen miteinander vergleichen.

Fünftes Kapitel

100

XU = a\j

X2J = a2J

•••> xnJ = anJ -> "•

Mit Hilfe der Matrix- und Vektorschreibweise kann das Mengensystem der Ökonomie, das im Gleichungssystem [5.7] für zwei Industriezweige wiederge­ geben wurde, nun für n Industriezweige aufgestellt werden:

q=Aq+y L = lq,

[5.14]

L$>L.

Die Matrizengleichung enthält n Mengengleichungen; in jeder von ihnen wird dem Produktionsvolumen einer Ware ihre gesamte Verwendung gegen­ übergestellt. Der Ausdruck Aq ist ein Spaltenvektor, der die als Vorprodukte eingesetzten Mengen enthält. Aus der Matrixgleichung erhalten wir die Bezie­ hung:

q-Aq=y und weiter:

(I-A)q=y.

[5.15]

Das Symbol I bezeichnet die Einheitsmatrix. Mit der nötigen Vorsicht können wir sagen, daß diese letztere Gleichung der bekannten Mengengleichung [5.2a] entspricht, die für die Weizenökonomie aufgestellt wurde, mit dem Unterschied allerdings, daß statt der eins nun die Einheitsmatrix und statt eines Weizenkoef­ fizienten eine quadratische Koeffizientenmatrix der Ordnung n in den runden Klammem aufgeführt werden und q sowie y keine Mengen, sondern Vektoren sind, die Mengen als ihre Elemente enthalten. Dennoch kann die ökonomische Interpretation jener Gleichung - inutatis mutandis - auf das vorliegende Problem übertragen werden. Ist die Weizenökonomie lebensfähig und kann sie einen Überschuß über die verbrauchten Produktivgüter erzeugen, dann ist die Unglei­ chung: 1 - a > 0 erfüllt, und die Gleichung [5.2a] gibt die Menge des Nettopro­ dukts an, die entsteht, wenn das Bruttoproduktionsvolumen beispielsweise eine Tonne Weizen beträgt. Eine ähnliche Bedeutung erhält die Matrix (/ - A), die als Leontief-Matrix bezeichnet wird12: Sie gibt an, welche Gütermenge jeder Indu­ striezweig zum Nettoprodukt beiträgt, wenn dort - wie wir annehmen - ein Brut­ toprodukt von einer Mengeneinheit hergestellt wird. Um ökonomisch sinnvolle Lösungen zu erhalten, muß eine der Weizenökonomie vergleichbare Bedingung

12 Siehe Leontief 1951, S.144. Dort wird dieser Zusammenhang allerdings in ausführlicher Schreibweise dargestellt.

Die Theorie der industriellen Verflechtungen

101

erfüllt sein, die darin besteht, daß der Ausdruck (/ - A) q keine negativen Ele­ mente enthalten darf. Andernfalls erhielte man negative Werte als Lösungen für das Nettoprodukt, die unter ökonomischen Gesichtspunkten unsinnig wären. Es ist nun jedoch etwas schwieriger, die formalen Bedingungen anzugeben, die erfüllt sein müssen, damit solche ökonomisch sinnlosen Ergebnisse ausgeschlos­ sen werden können. Die Schwierigkeiten haben ihre Ursache darin, daß die industriellen Verflechtungen zunehmend komplexer werden, sobald die Anzahl der Industriezweige steigt. Dennoch geben die vorangehenden Untersuchungen der Weizenökonomie und des aus der Weizen- und Kohlenindustrie bestehenden Produktionssystems einen Hinweis darauf, wie diesen Verwicklungen begegnet werden kann. Ordnet man die n Industriezweige in einer Input-Output-Tabelle an, dann kann man die Analyse der industriellen Verflechtungen mit den ein­ fachsten Zusammenhängen beginnen und sie anschließend schrittweise um je­ weils einen Industriezweig erweitern, so daß sukzessive komplexere Interdepen­ denzen entstehen. Auf diese Weise erhält man quadratische Untermatrizen in der Input-Output-Tabelle, die entlang der Hauptdiagonalen aufgespannt werden. Betrachten wir zunächst nur die erste Industrie - die Weizenproduktion. Sieht man von allen übrigen (n - 1) Industrien ab, an welche die Weizenindustrie ihre Produkte liefert und von denen sie Vorleistungen bezieht, dann befindet man sich wieder in der Weizenökonomie, die den einfachsten Typus einer industriel­ len Verflechtung aufweist. Wir hatten zuvor bereits festgestellt, daß ein solches industrielles System produktiv ist, wenn die Ungleichung: 1 - a > 0 erfüllt ist. Nimmt man nun einen zweiten Industriezweig - und folglich ein zweites Gut hinzu, dann erhält man eine Untermatrix der Input-Output-Tabelle, die aus den ersten beiden Zeilen und den ersten beiden Spalten besteht. Von den Verflech­ tungen, die mit den übrigen (n - 2) Industrien bestehen, sehen wir wiederum vollständig ab. Die Bedingung für die Lebensfähigkeit dieses Untersystems haben wir in den Ungleichungen [5.12] dargestellt. Erweitert man die Untersu­ chung jeweils um einen zusätzlichen Industriezweig, so müssen stets erneut die Bedingungen untersucht werden, unter denen ein solches größeres Subsystem sich reproduzieren kann. Die Produktivität jeder neu hinzukommenden Industrie muß so groß sein, daß letztere in der Lage ist, den Mengenbeziehungen zu genü­ gen, die aus den Produktionsverflechtungen resultieren. Diese Betrachtungswei­ se kann man auf die Leontief-Matrix übertragen und erhält sodann die Bedin­ gung: Eine Technik ist dann produktiv, wenn sämtliche Hauptminoren der Ma­ trix (/ - A) positiv sind. Die Hauptminoren sind die Determinanten der quadrati­ schen Untermatrizen, die entlang der Hauptdiagonalen gebildet werden. Diese

102

Fünftes Kapitel

Voraussetzung für die Existenz ökonomisch sinnvoller Lösungen wird auch als Hawkins-Simon-Bedingung bezeichnet.13 Wir können nun eine neue Fragestellung untersuchen und die Komponenten des Bruttoprodukts q als die Unbekannten interpretieren, für die das Gleichungs­ system gelöst werden soll. Wir nehmen an, daß das Nettoprodukt nichtnegativ ist: y > 0.14 Ferner setzen wir ein produktives industrielles System voraus, so daß die Determinante der Matrix (/ - A) einen positiven Wert annimmt; daher exi­ stiert die inverse Matrix. Aus der Gleichung [5.15] folgt:

q=

[5.16a]

Die Matrix (/ - /4)’1 wird als inverse Leontief-Matrix15 bezeichnet. Ist das indu­ strielle System lebensfähig, dann sind die Komponenten der inversen Matrix nichtnegativ und die Gleichung [5.16a] weist ökonomisch sinnvolle Lösungen für das Bruttoprodukt auf. Betrachten wir die inverse Leontief-Matrix und ihre ökonomische Bedeutung genauer. In expliziter Schreibweise erhalten wir:

«12

...

aXn

a21

a22

-

a2n

-a/H

an2

...

ann-

«11 (/-^)

-1

=

Die Elemente azy, mit i, j = 1, 2, ..., n, dieser inversen Matrix können ebenfalls als technische Koeffizienten interpretiert werden. Ihre Bedeutung wird deutlich, wenn die Gleichung [5.16a] ausgeschrieben wird:

?2 = a21^1 +a22y2 + - + a2nyn In = a»l

[5.16b]

+ °W2 + - +

13 Hawkins und Simon 1949, S.245 ff, Schumann 1968, S.39-47 sowie Kurz und Salvadori 1995, S.97. Hawkins und Simon nehmen allerdings an, daß die Koeffizientenmatrix streng positiv ist. 14 Ein nichtnegativer Nettoproduktvektor bedeutet: y> 0 und y * 0, wobei 0 den entsprechenden Nullvektor darstellt; einige, aber nicht alle Elemente des Vektors können den Wert Null annehmen 15 Siehe dazu Leontief 1951, S.145f.

Die Theorie der industriellen Verflechtungen

103

Die erste Gleichung führt auf der linken Seite das gesamte Bruttoprodukt auf, das die Weizenindustrie erzeugen muß, um den Weizenbedarf des gesamten Produktionssystems zu decken, der mit einem bestimmten Nettoprodukt y ver­ bunden ist. Nehmen wir an, von jeder Ware werde eine Mengeneinheit für den Endverbrauch hergestellt, so daß alle Elemente des Endnachfragevektors eins sind. Der erste Summand aH yj gibt dann die Weizenmenge an, welche insge­ samt benötigt wird, um eine Tonne Weizen für den Endverbrauch zu erzeugen, der zweite Summand a12 y2 welche Weizenmenge insgesamt gebraucht wird, um eine Tonne Kohle für den Endverbrauch zu erhalten und so fort. Was bedeutet es aber, wenn vom gesamten Bedarf an Weizen gesprochen wird, der beispielsweise mit einem Nettoprodukt von einer Tonne Weizen oder einer Ton­ ne Kohle verbunden ist? Nehmen wir das Element dy der inversen Matrix; es gibt den Bedarf an der Ware i wieder, der entsteht, wenn die Industrie j eine Mengeneinheit ihrer Ware j für den Endverbrauch produziert. Der einzelne Ko­ effizient dy kann als Quotient aus dem algebraischen Komplement Dy und der Determinante der Matrix (/ - A) dargestellt werden:

Uli =---------------- >

7

det(/-yl)

i, j =1,2,..., n.

Wie Leontief hervorhebt, zeigt diese formale Beziehung, daß der Koeffizien­ ten dy von der Produktionstechnik des gesamten industriellen Systems und daher von allen Produktionskoeffizienten abhängt.16 Folglich gibt der Ausdruck aH y^ - neben der Tonne Weizen für die Endnachfrage - nicht nur die Saatgutmenge an, die in der Weizenindustrie eingesetzt wird, um eine Tonne Weizen als Netto­ produkt zu erzeugen, sondern darüber hinaus auch diejenige Weizenmenge, welche die Kohlenindustrie als Produktivgut benötigt, um jene Menge des Vor­ produkts Kohle zu erzeugen, welche die Weizenindustrie ihrerseits als Einsatz­ menge braucht, um ebenjene Tonne Weizen für den Endverbrauch herzustellen, und so weiter. In gleicher Weise müssen die Verflechtungen berücksichtigt wer­ den, die zwischen der Weizenindustrie und beispielsweise der Eisenindustrie und 16 Leontief 1951, S.145L - Um die Verwicklungen zu illustrieren, die auftreten, sobald der Ge­ samtbedarf an einer Ware i sich verändert, weil die Endnachfrage nach einer Ware/ zugenom­ men hat oder zurückgegangen ist, führt Leontief an: „The effect of additional consumer’s de­ mand for metal products upon total output of fuels depends, for example, among other factors upon the technical coefficient describing the use of agricultural products as cost element (i.e. als Vorprodukt/ K..S.) of the textile industry“ (Leontief 1951, S.l 46).

104

Fünftes Kapitel

anderen Produktionszweigen bestehen, die den Weizen als Vorprodukt verwen­ den, um der Weizenindustrie die geforderten Einsatzmengen ihrer eigenen Wa­ ren zu liefern. Ein Vergleich der beiden Gruppen von Koeffizienten zeigt: Die Produktionskoeffizienten geben die Einsatzmenge des Gutes i an, welche der Industriezweig j benötigt, um ein Bruttoprodukt von einer Mengeneinheit des Gutes j herzustellen, die technischen Koeffizienten hingegen bezeichnen den Gesamtbedarf an einer Ware f, der entsteht, wenn eine Mengeneinheit der Ware j für die Endnachfrage verfügbar sein soll. Während die Produktionskoeffizienten den direkten Bedarf einer Industrie an deren Vorprodukten angeben, zeigen die Gesamtbedarfskoeffizienten den direkten und indirekten Bedarf im gesamten Produktionssystem, der mit einem bestimmten Endverbrauch verbunden ist. Heben wir die Voraussetzung auf, daß von jeder Ware nur eine Mengeneinheit für die Endnachfrage produziert wird, und lassen statt dessen eine beliebige Zusammensetzung zu, dann zeigt zum Beispiel die erste Gleichung des Mengen­ systems [5.16b] die Wirkung, die von der gesamten Endnachfrage auf das Brut­ toproduktionsvolumen der Weizenindustrie ausgeht. Zudem ist aus dem Glei­ chungssystem [5.16b] zu ersehen, wie eine wechselnde Zusammensetzung der Endnachfrage die Struktur des gesamtwirtschaftlichen Bruttoprodukts verän­ dert.17 Substituiert man in der Gleichung: L = l q den Vektor q durch die rechte Sei­ te der Gleichung [5.16a], dann kann der Umfang der Beschäftigung durch den Ausdruck:

bestimmt werden. Er zeigt, wie die Arbeitsnachfrage bei gegebener Technik von der Endnachfrage abhängt. In ausgeschriebener Form lautet diese Gleichung: L=

(l\ aH + /2a21 + -^lnan\^y\ + a12 + /2 a22 + ... + ln an2)y2 + (/i ain + l2a2n + ... + lnan^

Jeder Summand, der in den runden Klammem vor einer Komponente der End­ nachfrage yj aufgeführt wird, ist ein technischer Koeffizient, der die Beschäfti­ gungswirkung im gesamten Produktionssystem angibt, welche mit einer be­ 17 Siehe dazu auch Pasinetti 1975, S.84-88, sowie Holub und Schnabl 1994, Kapitel 2.

Die Theorie der industriellen Verflechtungen

105

stimmten Endnachfrage nach Weizen, nach Kohle und so fort verbunden ist. Diese Summanden können zudem als Beschäftigungsmultiplikatoren in einem disaggregierten ökonomischen Modell angesehen werden, welche die Wirkun­ gen wiedergeben, die von einer steigenden oder sinkenden Endnachfrage oder von einem Wechsel in ihrer Zusammensetzung auf den Umfang der Beschäfti­ gung ausgehen. Man kann daraus beispielsweise ersehen, um welchen Betrag die Arbeitsnachfrage zunimmt, wenn die Gesellschaft mehr Weizen konsumieren möchte.18 Schließlich bleibt noch ein kurzer Blick auf die Wirkungen, welche der tech­ nische Fortschritt auf das Mengensystem ausübt. Gehen wir wieder von dem allgemeinen Fall aus und nehmen ein Produktionssystem an, das aus n Industrie­ zweigen besteht. Betrachten wir nun die Wirkungen, die ein allgemeiner und gleichmäßiger, alle Industriezweige ergreifender Anstieg der Produktivität auf das Mengensystem dieser Ökonomie hat. Wir setzen zu diesem Zweck voraus, daß die Produktivität aller Einsatzfaktoren in sämtlichen Industrien proportional um den Faktor b steigt, wobei gilt: b > 1. Folglich werden alle technischen Koef­ fizienten um den Faktor \lb kleiner. Die alte Technik wird durch die Koeffizien­ tenmatrix A und den Vektor l beschrieben, die neue und produktivere durch die Matrix Ab und den Vektor lb: «11

fll2

b

b a22 b

b a2n b

an2 b

ann b .

fl21

Ab =

b ^il

. b

/b=r 1 11 \T 7 \b

b

Beide Technologien seien produktiv. Die Endnachfrage nehmen wir wiederum als gegeben an, und es soll gelten: y > 0. Das Bruttoproduktionsvolumen, das mit der alten Technik verbunden ist, werde q genannt und dasjenige, welches ent­ steht, wemi die neue Technik benutzt wird, sei qb. Der technische Fortschritt bewirkt, daß der Gesamtbedarf an Produktivgütem, der bei der Herstellung des gewünschten Nettoprodukts entsteht, kleiner wird. Kommt also die produktivere 18 Siehe dazu Leontief 1951, S.l46 und 159f. Keynes (1936, S.98Q verwendet einen Beschäfti­ gungsmultiplikator im aggregierten Modell.

Fünftes Kapitel

106

Technik zur Anwendung, dann sinkt das gesamte Produktionsvolumen qb, das notwendig ist, um eine gegebene Endnachfrage zu realisieren. Somit ist die Aus­ sage zu beweisen: Wird mit der alten Technik produziert, so ist mindestens jedes Element des Bruttoproduktvektors q größer als die entsprechende Komponente im Vektor qb. Folglich soll die Relation gelten: für; = 1,2,[5.18]

q>Qb

Diese Ungleichung impliziert, daß in jeder Zeile der inversen Leontief-Matrix zumindest ein Element bei der alten Technik größer ist als bei der neuen:

Um die Behauptung [5.18] zu beweisen, entwickeln wir die inverse Matrix in der Form einer Reihe von Potenzen.19 Die Koeffizientenmatrix eines industriel­ len Systems, dessen Technik produktiv im zuvor entwickelten Sinne ist, ist eine konvergente Matrix:

lim A/n=0

mit 0 als der Nullmatrix. Aufgrund dieser Eigenschaft kann die inverse LeontiefMatrix in Form einer Reihe entwickelt werden:

= I + A + Ä2 + A^ + ... Bilden wir die Differenz zwischen dem Bruttoproduktvektor der alten Technik und dem der neuen und setzen zudem voraus, daß in beiden Produktionssyste­ men dasselbe Nettoprodukt y erzeugt wird, so erhalten wir die Gleichung:

woraus sich aufgrund des Entwicklungssatzes ergibt:

q-Qb = U+A +A2 + -)y-U+Ab+Ab2 + -)y 19 An dieser Stelle danke ich ganz besonders Herm Prof. Dr. Helmut Maier für die Hilfe bei der Durchführung des nachfolgenden formalen Beweises.- Siehe zur Reihenentwicklung der inver­ sen Matrix zum Beispiel den mathematischen Anhang bei Pasinetti 1975, S.285-287.

Die Theorie der industriellen Verflechtungen

107

9-^ = (^-4+^2-^2 + -)^ In einer ersten Annäherung an die tatsächliche Lösung können wir wegen der Konvergenz der Matrix A von den höheren Potenzen m = 2, 3, ... absehen und das Problem auf einen linearen Zusammenhang reduzieren. Man erhält sodann die vereinfachte Beziehung: q-q^fA-A^y, die in ausführlicher Schreibweise lautet:

all“ ”~ b a2l a2\~~ b

Q-Qb *

L

an\

an\ , b

a12

a\2~~ b a22 a22~~ b an2

an2 , b

-

•••

a\n a\n~ , b a2n a2n~~ yb ann

ann , b J

Der Nettoproduktvektor ist nichtnegativ und alle Elemente dieser Summenma­ trix sind positiv, weil vorausgesetzt wurde: b > 1. Wir erhalten folglich: A - Ab > 0

und daraus folgt:

q - qb>0.

Der technische Fortschritt wird somit den gesamten Produktivgüterbedarf zur Herstellung eines gegebenen Nettoprodukts vermindern. Damit ist die Behaup­ tung [5.18] bewiesen. Zudem wird auch der gesamtwirtschaftliche Arbeitsaufwand sinken, wenn die produktivere Technik eingesetzt wird. Aus b > 1 folgt unmittelbar, daß die aufgewendete Arbeitsmenge in jeder Industrie kleiner wird: lj - (Ijlb) > 0, und daraus ergibt sich aufgrund der Bestimmungsgleichung der Arbeitsnachfrage und wegen der Ungleichung: q> qb die weitere Ungleichung: ^>0,

wobei wir mit Lb die gesamtwirtschaftliche Arbeitsnachfrage für die neue Tech­ nik und mit L diejenige für die alte Technik bezeichnen.

108

Fünftes Kapitel

d) Das Preissystem und die industriellen Interdependenzen Im ersten Abschnitt des vierten Kapitels betrachteten wir ein ökonomisches System, in dem Maschinen und Bohnen produziert werden. Seine Produktions­ verflechtungen wurden in der Tabelle [4.1] in physischen Mengeneinheiten und in der Tabelle [4.2] in Wertgrößen dargestellt. Um die Gütermengen zu bewer­ ten, muß man ihre Preise kennen; wir haben im vierten Kapitel die Lösung die­ ses Problems vorweggenommen, um die Tabelle [4.2] aufstellen zu können. Obgleich wir uns an dieser Stelle nicht tiefer in das Gebiet der Preistheorie be­ geben wollen, erscheint es dennoch angebracht, abschließend noch kurz auf die Frage einzugehen, wie die Güterpreise in einem interdependenten Produktions­ system bestimmt werden können. Die technischen Beziehungen zwischen den eingesetzten Mengen der Pro­ duktivgüter, der Arbeit und der Ausbringungsmenge in jedem Produktionszweig liefern das Mengengerüst für die Preis-Kosten-Gleichungen, in denen die Pro­ duktionskosten jeder Industrie deren Erlösen gegenübergestellt werden. Die Unternehmen produzieren die Maschinen und die Bohnen nur unter der Bedin­ gung, daß die Kosten nicht größer als die Erlöse sein werden; treten jedoch Ex­ trakosten auf, so unterbleibt die Produktion. Andererseits wird die Konkurrenz eine Situation verhindern, in der sie Extragewinne erzielen und ihre Waren zu Preisen verkaufen können, welche die Produktionskosten übersteigen. Daher können die Preise und die Produktionskosten in einer Gleichung einander ge­ genübergestellt werden. Die Produktionskosten setzen sich aus den Löhnen und den Zinsen zusammen, welche die Unternehmen für ihre Kredite zahlen müssen, sowie aus den Kosten für die Vorprodukte. Von den dauerhaften Produktivgütem sehen wir wie schon zuvor ab. Die Erlöse ergeben sich selbstverständlich als Produkt aus den hergestellten Mengen und den Güterpreisen. Bezeichnen wir wie zuvor den Preis für eine Maschine mitp^, den Bohnenpreis mitp2 und mit w und r den Lohnsatz pro Arbeiterjahr und den Zinssatz, der ebenfalls auf Jahres­ basis berechnet wird. Da in der Maschinenindustrie 20 Maschinen und 40 Arbei­ ter beschäftigt werden, die zusammen 30 neue Maschinen herstellen, betragen die Kosten für die Vorprodukte in diesem Produktionszweig 20 p^ Euro, die Lohnkosten belaufen sich auf 40 w Euro und die Erlöse auf 30 p} Euro.. Da die Unternehmen sich verschuldet haben, um den Kauf der Vorprodukte zu finanzie­ ren, müssen sie ein Zinseinkommen an die Gläubiger leisten, das einen Betrag von 40 p\ r Euro annimmt. Auf die gleiche Weise können die Kosten und Erlöse

Die Theorie der industriellen Verflechtungen

109

für die Bohnenindustrie ermittelt werden. Wir geben der Einfachheit halber das Mengengerüst der Produktionsprozesse nochmals wieder:

20 Maschinen ® 40 Arbeiter -> 30 Maschinen 10 Maschinen 0 60 Arbeiter -» 180 Tonnen Bohnen. Für jeden Industriezweig entsteht daraus eine Preis-Kosten-Gleichung: 20(1 + r) + 40 w = 30p^ 10pj (1 +/’) + 60 w= 180p2>

Dieses System besteht aus zwei linear unabhängigen Gleichungen und enthält vier Unbekannte: die beiden Preise sowie den Lohnsatz und die Zinsrate. Wer­ den zwei Variable exogen festgelegt, dann erhält man die Zahlenwerte für die beiden verbleibenden Unbekannten als Lösungen des Gleichungssystems. Im ersten Abschnitt dieses Kapitels legten wir den Zinssatz fest: r = 2/7. Nehmen wir zudem an, daß eine Tonne Bohnen als derjenige Wertstandard dienen soll, in dessen Einheiten die Preise der Maschinen und der Lohnsatz gemessen werden, und setzen der Einfachheit halber voraus, daß eine Tonne Bohnen einen Euro wert ist, so daß gilt: p2 = 1 Euro, dann erhalten wir für den gesuchten Weizen­ preis und den Lohnsatz aus diesen beiden Gleichungen die Lösung:

P\ = 28/3 Euro

und

w = 1 Euro.

Die Preise werden somit durch das Mengensystem der Ökonomie und einen vorausgesetzten Verteilungsparameter - in unserem Beispiel der Zinssatz - de­ terminiert. Zudem nehmen wir an, daß es eine einheitliche Zinsrate und einen einheitlichen Lohnsatz gibt. Wird im Kreditmarkt, den wir hier nicht weiter betrachtet haben, ein einheitlicher Zinssatz determiniert, dann weisen die Kapi­ talvorschüsse in allen Verwendungen: in der Bohnenindustrie wie in der Weizenindustrie die gleiche Rentabilität auf. Nimmt man einen einheitlichen Lohnsatz für alle Arbeiter an, so ist ihre Entlohnung ebenfalls von dem besonderen Industriezweig, in dem sie beschäftigt werden, unabhängig und das kommt der Annahme gleich, daß die Arbeit homogen ist: Jeder kann alle Tätigkeiten gleich gut ausüben. Das Preissystem muß zwei Bedingungen genügen. Die Güterpreise müssen erstens so beschaffen sein, daß alle Industriezweige sich reproduzieren und die verbrauchten Mengen ersetzen können; zweitens müssen die Preise eine einheitliche Verzinsung des Kapitals

Fünftes Kapitel

110

ermöglichen. Die erste Bedingung stammt aus dem Mengensystem und die zweite aus den Kreditbeziehungen. Legt man das Einheitsniveau der Produktion zugrunde, dann können anstelle der absoluten Mengen die technischen Koeffizienten benutzt werden, um die Preis-Kosten-Gleichungen aufzustellen. Wir erhalten dann das folgende Glei­ chungssystem, das dieselben Eigenschaften wie das vorangehende aufweist:

2 4 — pj(l + r) + — w = pi 3 3

und

11 —p\(\ +r)+ ~w = P218 3

Diese Überlegungen zur Preisbestimmung in einem interdependenten Pro­ duktionssystem können auf ein industrielles System übertragen werden, in dem n Waren produziert werden. Bezeichnen wir die Produktionskoeffizienten wieder mit ag und die Arbeitskoeffizienten mit lj, Erzeugt jede Industrie wiederum nur eine Ware allein durch die Verwendung von Vorprodukten und Arbeit, dann erhält man das Gleichungssystem: («11P1

+r) + /l M’=P1

(al2Pl+a22P2 +- + an2Pn)^+';) + l2w=P2 (a\nP\+a2nP2 +■■■ + amPnW+r^ + lnw=Pn^ Es enthält n linear unabhängige Gleichungen und n + 2 unabhängige Varia­ ble, nämlich die n Preise, den Lohnsatz und die Zinsrate. Dieses System besitzt daher zwei Freiheitsgrade. Wird das Gut 1 als Wertstandard benutzt und die Beziehung: p^ = 1 festgelegt, nimmt man außerdem an, daß der Zinssatz bereits im Kreditmarkt bestimmt wurde und dem industriellen System vorgegeben ist: r = T], dann können alle übrigen Unbekannten, nämlich die n - 1 Preise und der Lohnsatz als Lösungen dieses Gleichungssystems berechnet werden. Ist die Technik gegeben und wird eine bestimmte Zinsrate angenommen, dann ist das Preissystem eindeutig determiniert: Es existiert genau eine Lösung für die Gü­ terpreise und den Lohnsatz. Diese Lösung ist nichtnegativ und daher ökono­ misch sinnvoll, wenn das industrielle System sich reproduzieren kann. Wie eine eingehendere Untersuchung dieses Gleichungssystems zeigt, wird eine höhere oder niedrigere Zinsrate bei gegebener Technik alle Preisrelationen verändern und ein neues Preissystem hervorbringen. Die Güterpreise und der Lohnsatz sind daher von der Zinsrate abhängig. Die Wirkungen, die von einem Wechsel im Zinssatz ausgehen, werden als verteilungsinduzierte Umwertungen bezeichnet.

Die Theorie der industriellen Verflechtungen

111

Diese Lösung für das Problem der Preisbestimmung steht in der Tradition der klassischen Theorie und wird von Piero Sraffa in der 1960 erschienenen Schrift Warenproduktion mittels Waren entwickelt. Ihre theoriegeschichtlichen Ur­ sprünge lassen sich bis auf die Arbeiten von David Ricardo und Adam Smith zurückfuhren. Im Zentrum dieser Preistheorie stehen die Produktionsströme des industriellen Systems. Die Preise werden allein durch die Produktionskosten der Güter bestimmt - das ist die feste Überzeugung, die dieser Theorie zugrunde liegt. Eine Ausnahme davon bilden nur diejenigen Güter, die nicht beliebig pro­ duziert werden können. Das Produktionsvolumen und der Umfang der Beschäf­ tigung bilden keinen Gegenstand der klassischen Preistheorie, sondern werden im Rahmen der Wachstumstheorie behandelt. Völlig offen bleibt in der klassi­ schen Theorie indes die Struktur des Nettoprodukts: Die Präferenzen der Kon­ sumenten und die Nachfrage der Haushalte werden nicht in die Preisbestimmung einbezogen.20 Hier setzt die neoklassische Theorie an: Sie schlägt einen gänzlich anderen Weg zur Bestimmung der Güterpreise im Rahmen eines interdependenten Pro­ duktionssystems ein, und es ist Walras, der diesen Weg bahnt. Seine Preistheorie beginnt anders als diejenige Ricardos nicht mit den Produktionsströmen, sondern mit dem Austausch von Güterbeständen. Ausgehend von einem solchen Tausch, der durch die Erstausstattungen der Einzelwirtschaften und deren Präferenzen geleitet wird, subsumiert Walras im weiteren Fortgang seiner Untersuchung die Produktionsströme seinem Tauschmodell: Das interdependente Marktsystem, das seiner Analyse des Tausches von Güterbeständen zugrunde liegt, findet bei der Untersuchung der Produktion nun auch in den industriellen Verflechtungen seine Entsprechung. Dieser Einteilung seines Gegenstands folgend, entwickelt Walras zuerst das Gesetz von Angebot und Nachfrage, das die Güterpreise be­ stimmt, und nachfolgend das Gesetz der Produktionskosten; folglich müssen diese beiden Gesetze zusammengefuhrt werden, sobald der Austausch im Zu­ sammenhang mit der Produktion betrachtet wird. Walras stellt an diesem Punkt der Untersuchung die rhetorische Frage, ob der Güterpreis durch Angebot und Nachfrage oder durch die Produktionskosten bestimmt werde. „Under these (...) conditions of equilibrium in exchange and production a bottle of wine which sells for 5 francs will have a cost of production amounting to 2 francs in rent, 2 francs in wages and 1 franc in interest charges. Granting this, it still remains to be seen whether it was because 2 francs were paid out in rent, 2 francs in wages and 1 francs in interest that this bottle of wine sells for 5 francs, or whether it is 20 Siehe dazu Sraffa 1960, Pasinetti 1975, Kapitel 5; Kurz und Salvadori 1995.

112

Fünftes Kapitel

because the bottle sells for five francs that 2 francs were paid out in rent, 2 francs in wages and 1 franc in interest.“21 Walras zeigt sodann, daß die Nachfrageprei­ se der Güter mit deren Produktionskosten im Gleichgewicht übereinstimmen. In einem solchen interdependenten System, ob es nun der klassischen oder der neoklassischen Theorie entnommen ist, fuhrt die Frage nach den Konse­ quenzen, die eine Änderung in der Menge eines Gutes für seinen Preis hat, in die Irre, wie Leontief kritisiert. Er hält der partialanalytischen Frage danach, was mit dem Preis eines Gutes geschehen werde, wenn dessen Menge steige oder sinke, entgegen: „The correct answer to such a general question would be ‘Anything, depending upon the nature of the common cause of both variations’.“22 Diese Antwort verweist auf die strukturellen Veränderungen innerhalb des Produkti­ onssystems. Damit sind wir am Ende eines überlangen Kapitels angekommen.

21 Walras 1874, S.211. Siehe dazu auch S.224f 22 Leontief 1951, S.59.

6. Kapitel

Ein einfaches Modell der Kreislauf­ zusammenhänge

In diesem Kapitel setzen wir die modellhafte Betrachtung der Ökonomie fort, die schon die vorausgehenden Kapitel kennzeichnete. Die Fragestellung ist jedoch eine andere: Ging es soeben um die Produktionsverflechtungen innerhalb des industriellen Systems, so stehen im folgenden die Beziehungen zwischen dem Untemehmenssektor und dem Haushaltssektor im Mittelpunkt der Untersu­ chung. Während die industriellen Verflechtungen im Rahmen eines disaggregierten Modells analysiert wurden und die Struktur des Bruttoprodukts und des Nettoprodukts eine besondere Aufmerksamkeit erfuhr, geht es nun um ein aggregiertes Modell: Alle Unternehmen werden zu einem Untemehmenssektor zusammengefaßt, der dem Haushaltssektor gegenübersteht. An die Stelle der Nachfragestruktur tritt nun ein aggregierter Einkommensstrom, den die Haushalte für Konsumausgaben und Vermögensbildung verwenden, und statt der Produktionsstruktur betrachten wir nun die Produktion von Konsumgütern und dauerhaften Produktivgütem. Die Zusammenhänge zwischen den Strömen, welche den Untemehmenssektor mit dem Haushaltssektor verbinden, sowie die Beziehungen, die zwischen den Strömen und den Beständen auftreten, werden vom Statistischen Bundesamt in der Schriftenreihe Konten und Standardtabellen wiedergegeben. Diesem Kapitel legen wir eine Modellökonomie zugrunde, in der die ökono­ mischen Funktionen in klarer und einfacher Weise verteilt sind: nur die Unter­ nehmen produzieren und investieren, allein die Haushalte beziehen ein Einkom­ men, welches sie für die Konsumausgaben und das Sparen verwenden. Die Un­ ternehmen empfangen also kein Einkommen und die Haushalte produzieren nicht. Zudem setzen wir voraus, daß der gesamte Bestand an Produktivvermö­ gen, der sich im Besitz der Unternehmen befindet, ebenso durch Kredite finan-

114

Sechstes Kapitel

ziert wird wie der Umfang der laufenden Investitionen. Von den Untemehmensgewinnen sehen wir zunächst noch vollständig ab. Somit wird das gesamte Ein­ kommen als Lohneinkommen und als Zinseinkommen an die Haushalte verteilt. Ferner setzen wir eine Modellökonomie ohne Staat und ohne außenwirtschaftli­ che Beziehungen voraus. Im ersten Abschnitt des sechsten Kapitels werden wir ein einfaches Modell des Wirtschaftskreislaufs einfuhren, um die ökonomischen Ströme zwischen den Haushalten und den Unternehmen darzustellen. Wir vertiefen diese Untersu­ chung im zweiten und dritten Abschnitt, in denen wir den Zusammenhang zwi­ schen der Produktion und der Einkommensverwendung sowie der Vermögens­ bildung und ihrer Finanzierung eingehender betrachten. Der vierte Abschnitt behandelt die Beziehung zwischen den Stromgrößen und den Bestandsgrößen, außerdem die sektorale Vermögensbildung. Im vorletzten, dem fünften Ab­ schnitt gehen wir unter dem Begriff der Doppelzählungen auf die Rolle der Vor­ leistungen bei der Aggregation der einzelwirtschaftlichen Beiträge zur gesamt­ wirtschaftlichen Wertschöpfung ein. Abschließend fugen wir noch einige Be­ merkungen über die Bedeutung von Identitäten und Gleichgewichtsbedingungen an.

a) Unternehmen und Haushalte in einem einfachen Modell des Wirtschaftskreislaufs

Das ökonomische Modell, das wir der Kreislaufanalyse des vorliegenden Kapi­ tels zugrunde legen, wird in der Abbildung [6.1] dargestellt. Jeder Sektor wird darin durch einen Kreislaufpol vertreten; zusätzlich nehmen wir einen dritten Kreislaufpol auf, der die Vermögensänderung in der gesamten Ökonomie wie­ dergibt. Dieser letztere Kreislaufpol ist kein Sektor im institutioneilen Sinne, wie ihn die Unternehmen oder die Haushalte bilden, er umschließt keine wirtschaft­ lich entscheidenden und handelnden Einheiten. In einem abstrakten Sinne kann die Vermögensänderung als ein Kreislaufpol betrachtet werden, an dem die Vermögensbildung der Unternehmen und der Haushalte dargestellt wird: die ersteren investieren, die letzteren sparen, beiden gemeinsam sind die Kreditände­ rungen, die zu diesem Zweck vorgenommen werden. Damit sind finanzielle Vorgänge verbunden, welche die Forderungen oder Verbindlichkeiten vermeh­ ren oder vermindern; zudem wählen die Wirtschaftseinheiten die Finanzierungs­ instrumente, in denen sie Forderungen halten oder Verbindlichkeiten eingehen.

Ein einfaches Modell der Kreislaufzusammenhänge

115

Diese wirtschaftlichen Tätigkeiten werden am Kreislaufpol der Vermögensände­ rung zusammengefaßt.

Abbildung 6.1: Die Kreislaufbeziehungen der einfachen Modellökonomie

CH

Betrachten wir nun die Transaktionen dieser Modellökonomie im einzelnen. Die Pfeile kennzeichnen die ökonomischen Ströme, die zwischen den Kreislauf­ polen fließen; dabei gibt die Pfeilspitze die Richtung des Stromes an und zeigt auf denjenigen Kreislaufpol, der diesen Strom empfängt. Alle Ströme, die in dieser Abbildung dargestellt werden, sind Geldströme, die Güterströme oder physischen Mengenströme werden nicht aufgefuhrt. Greifen wir auf das Zahlen­ beispiel der Input-Output-Tabelle [4.3] zurück, um die Kreislaufbeziehungen dieses Modells zu verdeutlichen. Die Unternehmen haben in ihren Produktions­ prozessen Arbeitsleistungen eingesetzt und sind Kreditbeziehungen eingegan­ gen; die Löhne und die Zinsen bilden nun einen Einkommensstrom - die Netto­ wertschöpfung NWS -, der unserer Voraussetzung gemäß vollständig den Haus­ halten zufließt. Wie das Zahlenbeispiel der Tabelle [4.3] zeigt, beträgt die Net­ towertschöpfung in dieser Volkswirtschaft 3100 Euro. Die Haushalte ihrerseits haben über die Verwendung ihres Einkommens entschieden und 2600 Euro für den Kauf von Konsumgütem im Unternehmenssektor ausgegeben. Diese Kon­ sumausgaben erhalten das Symbol CH. Somit beträgt die Differenz zwischen ihren Einnahmen und Ausgaben 500 Euro; dieser Einnahmeüberschuß ist gleichbedeutend mit dem Sparen der Haushalte und wird im folgenden mit dem Symbol SH bezeichnet. Er wird als Differenzstrom dargestellt, der zum Kreis­ laufpol der Vermögensänderung fließt. Das Sparen ist eine Art, das Einkommen zu verwenden, und kann so behandelt werden, als ob eine Ausgabe vorläge. Die Unternehmen haben im Verlauf der Produktion 3100 Euro ausgegeben und 2600

116

Sechstes Kapitel

Euro aus dem Verkauf der Konsumgüter eingenommen. Somit verbleibt eine Differenz von 500 Euro, die einen Ausgabenüberschuß bildet. Wenn dieser Sek­ tor 500 Euro ausgegeben hat, dann muß er im Verlauf des Jahres auch 500 Euro eingenommen haben. Es gibt daher einen zweiten Differenzstrom, der diesmal vom Kreislaufpol der Vermögensänderung zu den Unternehmen fließt und die Nettoinvestitionen enthält. Dieser Geldstrom ist für den Untemehmenssektor eine Einnahme und gleicht seinen Ausgabenüberschuß aus. Schließlich verblei­ ben noch die Abschreibungen D; werden sie reinvestiert, so entsteht zunächst ein Geldstrom, der von den Unternehmen zur Vermögensänderung fließt und an­ schließend den ersteren wieder als Ersatzinvestition zukommt. Die Abschreibun­ gen senken zunächst den Wert des Produktivvermögens und kommen daher einer Ausgabe gleich, während ihre Reinvestition diesen Bestand wieder ver­ mehrt. In unserem Zahlenbeispiel belaufen sie sich auf 425 Euro. Faßt man die Nettoinvestitionen und die Ersatzinvestitionen zusammen, so erhält man die Bruttoinvestitionen lb, die 925 Euro betragen. Der Kreislaufpol der Vermögens­ änderung weist Einnahmen in Höhe des Sparens der Haushalte auf und Ausga­ ben für die Nettoinvestitionen, die jeweils einen Wert von 500 Euro haben. Hin­ zu kommen die Abschreibungen als Einnahme und die Ersatzinvestitionen als Ausgabe, wiederum jeweils 425 Euro. Somit gleichen sich alle Ströme, die am Pol der Vermögensänderung beobachtet werden können, genau aus; dort treten also keine Differenzströme auf. Vielmehr nimmt dieser Kreislaufpol alle Diffe­ renzströme der Ökonomie auf, so daß für jeden Kreislaufpol des Modells die Summe der einfließenden Ströme gleich der Summe der ausfließenden Ströme ist. Faßt man die Begriffe Einnahmen und Ausgaben in einem weiten Sinne auf, so daß auch das Sparen noch hinzuzählt, dann ist an jedem Kreislaufpol die Summe der Ausgaben gleich der Summe der Einnahmen. Eine Kreislaufdarstel­ lung, welche diese Bedingungen erfüllt, wird als geschlossener Kreislauf be­ zeichnet; ihr liegt das sogenannte Kreislaufaxiom zugrunde, das die strenge Gleichheit der Ausgaben und Einnahmen an jedem Punkt des Kreislaufs formu­ liert. Wie die vorangehende Untersuchung des Wirtschaftskreislaufs gezeigt hat, sind die Investitionen der Unternehmen gleich dem Sparen der Haushalte: / = SH. In den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen wird diese Gleichheit als eine Identität bezeichnet. Die Variablen, die auf beiden Seiten des Gleichheits­ zeichens stehen, sind so definiert, daß die Gleichung stets erfüllt ist. Nehmen wir an, die Unternehmen hätten zum Jahresbeginn Investitionen von 400 Euro und eine Konsumgüterproduktion zum Betrag von 2700 Euro geplant. Sie haben ihre Entscheidungen unabhängig von den Haushalten getroffen und die Produktion

Ein einfaches Modell der Kreislaufzusammenhänge

117

ausgeführt. Die Haushalte haben hingegen im Verlauf des Jahres nur für 2600 Euro Konsumgüter gekauft und 500 Euro gespart. Unter diesen Umständen wer­ den die Unternehmen ihre einzelwirtschaftlichen Planungen nicht in jedem ein­ zelnen Fall realisieren können, und der gesamte Untemehmenssektor hat für 100 Euro mehr Konsumgüter produziert, als er im zurückliegenden Jahr verkaufen konnte. In den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen wird diese, an der Nachfrage gemessen: überschüssige Produktion im Wert von 100 Euro als eine unfreiwillige oder auch ungeplante Veränderung der Lagerbestände betrachtet, die definitionsgemäß einen Teil der Nettoinvestitionen bildet. Die gesamte Investition /, welche der Untemehmenssektor in diesem Zahlenbeispiel vomimmt, besteht daher aus den geplanten Investitionen von 400 Euro und den ungeplanten Lagerbestandsänderungen von 100 Euro, zusammen also 500 Euro. Somit stellen die ungeplanten Lagerinvestitionen stets die Gleichheit zwischen den gesamten Nettoinvestitionen und dem Sparen der Haushalte her. Eine analoge Unterscheidung kann auch für das Sparen getroffen werden. Können die Haushalte die geplanten Konsumausgaben nicht realisieren, weil die Unternehmen eine zu geringe Gütermenge für diesen Zweck produziert haben, dann tritt zum gewünschten ein ungeplantes Sparen hinzu, so daß die Differenz zu den Investitionen geschlossen wird. Da wir unserer Betrachtung das Kreislaufaxiom zugrunde legen, gelangt man von der Abbildung [6.1] leicht zu einer Darstellung der Kreislaufzusammenhän­ ge in der Gleichungsform, indem die Stromgrößen an jedem Kreislaufpol nach dem Schema: Ausgaben gleich Einnahmen niedergeschrieben werden. Am Un­ ternehmenspol kann die Gleichung: NWS + D = lb + CH

[6-1]

abgelesen werden, deren linke Seite die Bruttowertschöpfung BWS als Summe aus der Nettowertschöpfung und den Abschreibungen angibt; die rechte Seite führt mit den Konsumausgaben und den Bruttoinvestitionen jene Güteraggregate an, welche die Verwendung der Bruttowertschöpfung wiedergeben. Die Brutto­ wertschöpfung kann somit durch die beiden Gleichungen:

BWS = NWS + D oder BWS = lb + CH. definiert werden. Subtrahiert man in der Gleichung [6.1] die Abschreibungen auf beiden Seiten, dann erhält man den Ausdruck: NWS = 1+CH,

[6.2]

Sechstes Kapitel

118

der die Nettowertschöpfung der Ökonomie innerhalb eines Jahres angibt und somit die Einkommen, die bei der Produktion der Konsumgüter und der zusätzli­ chen Produktivgüter entstanden sind. Die Nachfrageaggregate: die Konsumaus­ gaben CH und die Nettoinvestitionen / werden hier benutzt, um den Wert der im Jahresverlauf neu produzierten Güter zu bezeichnen, über welche die Ökonomie frei disponieren kann. Am Kreislaufpol der Haushalte findet man die Beziehung: CH + SH = NWS.

[6-3]

Sie zeigt, daß die Haushalte ihr Einkommen für den Kauf der Konsumgüter und für das Sparen SH verwenden. Schließlich kann man die Gleichungen: lb = SH + D

und weiter

[6.4a]

[6.4b] am Pol der Vermögensänderung ablesen: Die Nettoinvestitionen / sind gleich dem Sparen der Haushalte. Der Kreislauf dieser einfachen Ökonomie wird durch die fünf Gleichungen [6.1] bis [6.4b] beschrieben, in denen alle ökonomischen Ströme enthalten sind. Es zeigt sich jedoch sofort, daß wir die Gleichungen [6.2] und [6.4b] aus dieser Gruppe ausschließen können, weil sie sich aus den unmittelbar vorangehenden Gleichungen ergeben, indem man die Abschreibungen auf beiden Seiten subtra­ hiert. Somit verbleiben die drei Gleichungen [6.1], [6.3] und [6.4a], in denen die fünf Variablen: NWS, D, Ib, CH und SH enthalten sind. Zwei aus der Gruppe dieser drei Gleichungen sind linear unabhängig. So können wir zum Beispiel die Gleichung [6.4a] aus der Addition der beiden anderen Gleichungen erhalten. Es bleiben somit zwei linear unabhängige Gleichungen - beispielsweise [6.1] und [6.3] - mit fünf Variablen, die gleichsam den Kem dieses Kreislaufmodells be­ schreiben. Dieses Gleichungssystem weist drei Freiheitsgrade auf: Werden drei der fünf Variablen als gegebene und bekannte Größen angenommen, dann kön­ nen die verbleibenden zwei Unbekannten als Lösungen des Gleichungssystems berechnet werden. Weiß man also, daß die Haushalte 2600 Euro für den Kauf von Konsumgütem ausgaben, 425 Euro von den Unternehmen abgeschrieben werden und die Bruttoinvestitionen 925 Euro betragen, dann folgt aus den zum

Ein einfaches Modell der Kreislaufzusammenhänge

119

Kem des Modells gehörenden Gleichungen die Lösung für die Nettowertschöp­ fung und das Sparen der Haushalte.1 Schließlich verbleibt noch die Darstellung der Nettowertschöpfung unter dem Gesichtspunkt der Einkommensverteilung, die nicht aus der Abbildung [6.1] ersichtlich ist. Da das gesamte Einkommen des Gemeinwesens aus den Löhnen IV und den Zinseinkommen Qz besteht, gilt:

NWS =

[6.5]

Diese Gleichung gibt die funktionale Einkommensverteilung an, weil die Ar­ beitsleistung der Produzenten und die Eigentumsrechte am Vermögen diese Einkommensarten begründen.

b) Die Darstellung des Kreislaufs im Kontensystem: Produktion, Einkommens­ verwendung, Vermögensbildung und Finanzierung Die Kreislaufbeziehungen dieser Modellökonomie werden nun in der Kontenform dargestellt. Bei dieser Gelegenheit werden wir auch alle mit der Vermö­ gensänderung zusammenhängenden Transaktionen differenzierter untersuchen, als dies bisher geschehen ist. Auf der Grundlage der Voraussetzungen, die wir bereits angeführt haben, erhalten wir ein einfaches Kontenschema, um die wirt­ schaftlichen Tätigkeiten der Unternehmen und Haushalte zu erfassen. Es enthält ein Produktionskonto für den Untemehmenssektor, ein Einkommenskonto für die Haushalte sowie für jeden der beiden Sektoren ein Vermögensänderungskon­ to, das seinerseits wieder in die Vermögensbildung und die Finanzierung unter­ teilt wird. Diese sektoralen Konten werden anschließend zu den gesamtwirt­ schaftlichen Konten zusammengefaßt. Das Kontenschema [6.1] zeigt die sek­ toralen Aktivitätskonten unserer Modellökonomie und greift das Zahlenbeispiel auf, das in der Tabelle [4.3] des vierten Kapitels bereits benutzt wurde. Man kann die graphische Darstellung der Kreislaufbeziehungen oder ihre Beschrei­ bung in der Form eines Gleichungssystems benutzen, um daraus die Konten zu entwickeln. Die Ströme, die an jedem Kreislaufpol auftreten, werden in die zu­ gehörigen Konten übernommen, wobei die Ausgaben auf der linken Seite und l

Siehe zum Kreislaufaxiom und zu einer allgemeinen Darstellung der Abhängigkeiten in diesem System: Krelle 1967, S.20-26.

Sechstes Kapitel

120

die Einnahmen auf der rechten Seite des Produktions- und des Einkommenskon­ tos gebucht werden. In allen Konten der Gruppe III, welche die Vermögensände­ rung zum Gegenstand haben, wird jeweils die linke Seite mit der Bezeichnung: „Veränderung der Aktiva“ und die rechte mit „Veränderung der Passiva“ über­ schrieben. Im Kontensystem der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen wer­ den alle Transaktionen doppelt gebucht, das eine Mal als Ausgabe oder als Ver­ änderung der Aktiva und das zweite Mal unter den Einnahmen oder der Verän­ derung der Passiva. Dieses Buchungsprinzip trägt dem zweiseitigen Charakter der Transaktionen Rechnung, denn jede Ausgabe der einen Wirtschaftseinheit muß für eine andere mit einer Einnahme verbunden sein. Konlenschema 6.1: Die sektoralen Aktivitätskonten der einfachen Modellökonomie Konto 1: Produktionskonto des Unternehmenssektors

1. Käufe von Vorleistungen (VL) 2. Bruttowertschöpfung (B WS)

4760 3525

8285 4760

2.1 Abschreibungen (D) 2.2 Nettowertschöpfung (NWS)

425 3100

925 2600

3. Produktionswert (PW) 3.1 Verkäufe von Vorleistung (KL) 3.2 Bruttoinvestitionen (ft)

3.3 Konsumausgaben (C^)

Konto II: Einkommenskonto 1. Konsumausgaben (C^f) 2. Sparen (Syy)

2600 500

3100

3. Nettowertschöpfung (NWS) (Löhne und Zinsen)

Konto IILl.a: Vermögensbildungskonto der Unternehmen

1. Bruttoinvestitionen (/>) 2. Finanzierungssaldo der Unternehmen (FSy)

925

425

3. Abschreibungen (D)

- 500

Konto ULI.b: Vermögensbildungskonto der Haushalte 1. Finanzierungssaldo der Haus­ halte (FS^)

500

500

2. Sparen der Haushalte (^)

Ein einfaches Modell der Kreislaufzusammenhänge

121

Konto II1.2.a: Finanzierungskonto der Unternehmen 1. Änderung der Forderungen der Unternehmen (AFy)

0

- 500

500

2. Finanzierungssaldo der Unternehmen (FSy) 3. Änderung der Verbind­ lichkeiten der Unterneh­ men (AK^y)

Konto III.2.b: Finanzierungskonto der Haushalte

1. Änderung der Forderungen der Haushalte (AF^)

500

500 0

2. Finanzierungssaldo der Haushalte (FS^) 3. Änderung der Verbindlich­ keiten der Haushalte AFyy

Im Produktionskonto werden alle Transaktionen berücksichtigt, die mit der Produktion von Waren und Dienstleistungen Zusammenhängen. Die rechte Seite enthält alle Positionen, die für die Unternehmen mit Einnahmen verbunden sind. Es handelt sich dabei um Aggregate, die unmittelbar aus den Gütertransaktionen hervorgehen, wie die Einnahmen aus dem Verkauf von Investitionsgütern, Konsumgütem und Vorleistungen. Im Produktions wert der gesamten Ökonomie werden alle Positionen auf der rechten Kontenseite zusammengefaßt. In der graphischen Darstellung des Kreislaufs treten die Vorleistungen nicht auf, weil sie einen in Zmsektoralen Strom bilden, der ausschließlich innerhalb des Unter­ nehmenssektors verbleibt; in die Abbildung [6.1] wurden jedoch nur die intersektoralen Ströme aufgenommen. Obgleich in der aggregierten Darstellung des Kontensystems die Produktionsverflechtungen nicht behandelt werden, treten die Vorleistungen dennoch auf beiden Seiten des Produktionskontos auf, weil sie für den gesamten Untemehmenssektor einmal als eine Einnahme und das andere Mal als eine Ausgabe berücksichtigt werden müssen. Da es sich dabei um Liefe­ rungen zwischen inländischen Unternehmen handelt, haben die Vorleistungen auf beiden Seiten den gleichen Wert. Auf der linken Seite des Produktionskontos werden alle Ströme aufgefuhrt, die mit den Kosten der laufenden Produktion verbunden sind. Die Vorleistungskäufe sind wiederum Gütertransaktionen, die Abschreibungen werden hingegen aus der jährlichen wirtschaftlichen Wertmin­ derung der dauerhaften Produktivgüter ermittelt, wobei deren gesamte Nut­ zungszeit der Berechnung zugrunde gelegt wird. Die Bruttowertschöpfung kann sodann als Saldo des Produktionskontos ausgewiesen werden; sie entsteht aus der Differenz zwischen dem Produktions wert und den Vorleistungen und gibt

122

Sechstes Kapitel

die Wertschöpfung aller Wirtschaftseinheiten an, die an der Produktion beteiligt waren.2 Werden von der Bruttowertschöpfung wieder die Abschreibungen abge­ zogen, so erhält man mit der Nettowertschöpfung das Einkommen der Ökono­ mie. Man kann das Produktionskonto vereinfachen, indem es konsolidiert wird. Das bedeutet, daß gleiche oder einander entsprechende Positionen, die auf einer oder auf gegenüberliegenden Kontenseiten enthalten sind, jeweils auf einer Seite zusammengefaßt werden. Zu diesem Zweck muß bei derjenigen Kontenposition, die auf die andere Seite übernommen werden soll, ein Vorzeichenwechsel vor­ genommen werden. Im Produktionskonto können die Vorleistungen auf beiden Seiten subtrahiert werden; da sie dem Betrage nach gleich sind, verschwinden sie im konsolidierten Produktionskonto, dessen Gleichungsform bereits im Aus­ druck [6.1] angeführt wurde. Die Bruttowertschöpfung kann auf drei verschiedenen Wegen ermittelt wer­ den. Betrachtet man sie erstens von der Venven dungsseite der gesamtwirtschaft­ lichen Produktion, so ist sie gleich der Summe derjenigen Aggregate, die in die letzte Verwendung eingehen, also gleich dem Wert der Konsumausgaben und der Bruttoinvestitionen. Da die Vorprodukte definitionsgemäß weiterverarbeitet werden, zählen sie nicht zur letzten Verwendung. Unter den getroffenen Voraus­ setzungen lautet die Bestimmungsgleichung für die Bruttowertschöpfung: BWS=CH + Ib.

Zweitens kann sie aus der Verteilungsrechnung ermittelt werden, die an der linken Seite des Produktionskontos ansetzt und zur Gleichung: BWS = D + NWS

führt, wobei die Nettowertschöpfung noch weiter nach den Einkommensarten unterteilt werden kann. Schließlich, drittens, ergibt sich die Bruttowertschöpfung aus der Entstehungsrechnung, indem die Beiträge der Produktionszweige zum gesamten Produktionswert addiert und davon die Vorleistungen abgezogen wer­ den. Das führt wieder auf den Saldo des Produktionskontos:3 BWS = PW- VL 2 3

Siehe dazu ESVG 1995, S. 184. Siehe dazu ESVG 1995, S.243.

Ein einfaches Modell der Kreislaufzusammenhänge

123

Ausgehend vom Zahlenbeispiel der Tabelle [4.3] kann man durch eine ge­ eignete Aggregation der Daten das Produktionskonto aufstellen, welches im Schema [6.1] wiedergegeben wurde. Faßt man alle Positionen der Zentralmatrix zum Aggregat der Vorleistungen zusammen und ermittelt aus den Angaben der rechten Randmatrix den Wert aller Konsumausgaben und den Wert der gesamten Bruttoinvestitionen, so erhält man sämtliche Positionen, die auf der rechten Seite des Produktionskontos aufgefuhrt werden. Aus der Zentralmatrix und der unte­ ren Randmatrix können die Posten auf der linken Seite dieses Kontos ermittelt werden. Die Nettowertschöpfung wird im Einkommenskonto gegengebucht. Voraus­ setzungsgemäß fließen alle entstandenen Einkommen den Haushalten zu und werden von ihnen für den Konsum ausgegeben oder gespart. Das Sparen der Haushalte - oder synonym: ihre Ersparnis aus dem laufenden Einkommen - er­ gibt sich als Saldo des Einkommenskontos. Damit kommen wir zu den Vermögensänderungskonten; in ihnen „werden die verschiedenen Ursachen für die Veränderung der Aktiva und der Verände­ rung der Passiva und des Reinvermögens dargestellt“.4 Auf der linken Kontenseite wird die Veränderung der Aktiva mit einem positiven oder einem negativen Vorzeichen gebucht; eine Zunahme der Aktiva erhält ein positives, eine Abnah­ me ein negatives Vorzeichen, und der Nettozugang zu den Aktiva ergibt sich aus der Summe der Zunahmen und der Abnahmen. Dieser Nettozugang zu den Akti­ va kann wiederum eine positive oder negative Zahl sein. Ganz analog verhält es sich mit der Veränderung der Verbindlichkeiten, die jeweils auf der rechten Seite der Vermögensänderungskonten gebucht werden: Ihre Zunahme erhält ein posi­ tives Vorzeichen und ihre Abnahme ein negatives. Die Vermögensänderungs­ konten werden in die Unterkonten der Vermögensbildung und der Finanzierung gegliedert. Das Vermögensbildungskonto zeigt für jeden Sektor die Beziehung zwischen den Nettoinvestitionen und dem Sparen. Daraus entsteht ein Finanzie­ rungssaldo, der im Vermögensbildungskonto stets auf der linken Seite ausgewie­ sen wird und ein positives Vorzeichen hat, wenn es sich dabei um einen Finan­ zierungsüberschuß handelt, und ein negatives, wenn ein Finanzierungsdefizit vorliegt. Das Konto III. 1.a gibt die Vermögensbildung der Unternehmen wieder. Da letztere unter den getroffenen Voraussetzungen nicht sparen und die Nettoinve­ stitionen 500 Euro betragen, realisieren sie einen negativen Finanzierungssaldo: Ihr Finanzierungsdefizit gibt den Betrag an, zu dem der Untemehmenssektor 4

ESVG 1995, S.202.

124

Sechstes Kapitel

sich bei den Haushalten über den bereits vorhandenen Bestand der Verbindlich­ keiten hinaus verschuldet hat. Aus dem Konto III.l.b geht der Finanzierungssal­ do der Haushalte hervor. Da sie voraussetzungsgemäß nicht investieren, ist die­ ser Saldo positiv und gleich ihrem Sparen. Ihr Reinvermögen wächst genau um den Betrag ihrer Ersparnisse aus dem laufenden Einkommen. Somit haben die Haushalte einen Finanzierungsüberschuß, welcher der Vermögensbildung ande­ rer Sektoren gegenübersteht. Die Finanzierungssalden, die in den Vermögensbildungskonten entstehen, werden in den Finanzierungskonten gegengebucht. Aus dem Zahlenbeispiel, das unserer Darstellung zugrunde liegt, geht hervor, daß das Finanzierungsdefizit der Unternehmen im Konto III.2.a einen Nettozugang zu den Verbindlichkeiten und der Finanzierungsüberschuß der Haushalte einen Nettozugang zu den Forderun­ gen im Konto III.2.b begründet. Zusammenfassend gilt also: Das Vermögen eines jeden Sektors wird durch den Zugang zu seinem Sachvermögen - respekti­ ve Produktivvermögen - und durch seinen Finanzierungssaldo gebildet. Betrachten wir die finanziellen Transaktionen etwas genauer. Sie betreffen das Geldvermögen zweier Wirtschaftssubjekte oder zweier Sektoren, indem sie gleichzeitig eine Forderung und die ihr gegenüberstehende Verbindlichkeit schaffen oder auflösen, das Eigentum an Forderungen übertragen oder dazu fuhren, daß Verbindlichkeiten übernommen werden. Solche finanziellen Trans­ aktionen haben Forderungen oder Verbindlichkeiten zum Inhalt und beziehen sich auf alle Arten der Finanzinstrumente: auf Bargeld und Einlagen, auf fest­ verzinsliche Wertpapiere und Anteilsrechte sowie auf sonstige Kredite.5 Das Finanzierungskonto und seine Buchungsregeln werden im ESVG folgenderma­ ßen beschrieben und festgelegt: „Das Finanzierungskonto (eines Sektors oder der übrigen Welt) zeigt auf der linken Seite den Erwerb abzüglich der Veräußerung von finanziellen Vermögenswerten und auf der rechten Seite die Aufnahme abzüglich der Tilgung von Verbindlichkeiten. Der Nettoerwerb von Forderungen abzüglich der Nettoaufnahme von Verbindlichkeiten ergibt als Saldo den Finan­ zierungssaldo (...), und zwar den Finanzierungsüberschuß (+) oder das Finanzie­ rungsdefizit (-).“6 Der Finanzierungssaldo wird stets auf der rechten Seite des Finanzierungskontos gebucht und ist gleich dem Saldo, der im Vermögensbil­ dungskonto ausgewiesen wird. Das Finanzierungskonto selbst hat keinen Saldo; es wird nach Finanzierungsinstrumenten untergliedert und zeigt die Veränderun­ gen der Finanzaktiva und -passiva, die diesem Saldo zugrunde liegen. 5 6

Siehe dazu ESVG 1995, S.125 sowie S.128 für die Gliederung der finanziellen Transaktionen. Eine ausführliche Systematik der Finanzinstrumente findet sich ebd. S. 175-177. ESVG 1995, S.126; siehe auch ebd. S.202.

Ein einfaches Modell der Kreislaufzusammenhänge

125

Kontenschema 6.2: Die gesamtwirtschaftlichen Konten der Vermögensänderung Konto III. I: Gesamtwirtschaftliches Vermögensbildungskonto

1. Bruttoinvestitionen (/^) 2. Finanzierungssaldo (FS)

925 0

500 425

3. Sparen Haushalte (S^f) 4. Abschreibungen (D)

Konto III. 2: Gesamtwirtschaftliches Finanzierungskonto

1. Änderung der Forderungen der Haushalte (AFyy) 2. Änderung der Forderungen der Unternehmen (AF^y)

500

0 0

0 500

3. Finanzierungssaldo (FS) 4. Änderung der Verbindlich­ keiten der Haushalte (AVjf) 5. Änderung der Verbind­ lichkeiten der Unterneh­ men (AVy)

Faßt man die beiden Vermögensbildungskonten III.la und III.l.b zusammen, so entsteht daraus das gesamtwirtschaftliche Vermögensbildungskonto, das im Kontenschema [6.2] wiedergegeben wird. Zu diesem Zweck werden die Positio­ nen, die jeweils auf der linken und der rechten Kontenseite aufgefuhrt werden, in ein Konto aufgenommen, gleichartige Transaktionen werden miteinander ver­ rechnet. Dieses Konto zeigt, daß die Bruttoinvestitionen des Gemeinwesens gleich der Summe aus den Abschreibungen und dem Sparen der Haushalte sind. In der gleichen Weise geht aus den Konten III.2.a und III.2.b das gesamtwirt­ schaftliche Finanzierungskonto hervor. Der gesamtwirtschaftliche Finanzie­ rungssaldo, den wir mit dem Symbol FS bezeichnen, ist in einer geschlossenen Ökonomie gleich Null; er ergibt sich aus der Summe der beiden sektoralen Fi­ nanzierungssalden FS^ und FSh, welche die respektiven Salden des Unterneh­ mens- und des Haushaltssektors angeben. Somit ist die Veränderung der Ver­ bindlichkeiten AF^y, welche die Unternehmen eingegangen sind, gleich der Ver­ änderung derjenigen Forderungen &FH, welche die Haushalte besitzen. Die Än­ derungen in den Verbindlichkeiten der Haushalte &VH und die Änderungen in den Forderungen der Unternehmen AF^ sind gleich Null, wie es unseren Vor­ aussetzungen entspricht. Die gesamtwirtschaftlichen Konten der Vermögensbildung und der Finanzie­ rung beruhen darauf, daß die beiden sektoralen Finanzierungssalden zwar dem Betrage nach gleich sind, sich aber im Vorzeichen voneinander unterscheiden, so daß die Beziehung gilt: FSH = - FSjj. Schreibt man die beiden sektoralen Finan­ zierungskonten in der Gleichungsform, so erhält man:

Sechstes Kapitel

126

AF^F^ + A^

AF^F^ + AK",

die nach ihrer Addition und zweckentsprechenden Umformung in der Glei­ chung: fsh+ fsu=&fh-wh+&fu-wu

zusammengefaßt werden können. Da es in unserem Beispiel nur zwei Sektoren gibt, sind die Forderungsänderungen aller Haushalte an die übrige Ökonomie selbstverständlich gleich den zusätzlichen Verbindlichkeiten, welche die Unter­ nehmen gegenüber den Haushalten eingegangen sind. Folglich gilt für beide Positionen die Beziehung: &FH = AF^. Mit der Forderungsänderung der Unter­ nehmen an die Haushalte und der Änderung im Bestand der Verbindlichkeiten, welche die Haushalte gegenüber den Unternehmen eingegangen sind, verhält es sich ebenso. Berücksichtigt man diese Identitäten, dann folgt aus der eben ange­ führten Gleichung: FSH + FSU= 0 und daher diejenige Beziehung, die dem Kontenschema [6.2] zugrunde liegt. Während die sektoralen Finanzierungskonten die Änderungen wiedergeben, die sich in den Kreditbeziehungen zwischen den Haushalten und den Unterneh­ men ergeben haben, enthält das gesamtwirtschaftliche Finanzierungskonto einer geschlossenen Ökonomie keine neuen Informationen. Es stellt lediglich die Än­ derungen in den Finanzierungsinstrumenten einander gegenüber. Aus dem Um­ stand, daß die Nettoinvestitionen gleich dem Sparen der Haushalte sind und daß die Zunahme der Verbindlichkeiten auf Seiten der Unternehmen gleich dem Zugang zu den Forderungen ist, über welche die Haushalte verfügen, darf nicht der Schluß gezogen werden, die Haushalte hätten durch ihre Ersparnis aus dem laufenden Einkommen die Investitionen finanziert. Ein solcher Schluß ist trüge­ risch, er bringt eine kausale Erklärung in die Beziehungen zwischen Stromgrö­ ßen, die hier nicht zulässig ist, weil die Größen auf beiden Seiten der Gleichung so definiert sind, daß letztere stets erfüllt ist.

Ein einfaches Modell der Kreislaufzusammenhänge

127

c) Reine Finanztransaktionen und Leistungstransaktionen

Wir können nun dazu übergehen, diejenigen Faktoren zu untersuchen, welche die Höhe des Finanzierungssaldos determinieren. Die finanziellen Transaktionen haben - wie der Name nahelegt - finanzielle Vermögenswerte, also Forderungen und Verbindlichkeiten - zum Inhalt. Wird Geld von einer Wirtschaftseinheit auf eine andere übertragen, so liegt eine solche finanzielle Transaktion vor. Handelt es sich dabei nicht um eine Schenkung respektive um einen Transfer, dann steht ihr eine andere Transaktion gegenüber, die entweder ebenfalls finanziell ist, wie die Übertragung eines Wertpapieres, oder nichtfinanziell, wie der Kauf eines Produktivgutes durch ein Unternehmen. Demnach können zwei Konstellationen voneinander unterschieden werden, in denen ein finanzieller Vorgang auftreten kann: entweder steht eine finanzielle Transaktion einer anderen finanziellen Transaktion gegenüber oder einer nichtfinanziellen Transaktion. Jede von ihnen hat eine andere Wirkung auf den Finanzierungssaldo. Betrachten wir zuerst den Fall, in dem zwei finanzielle Vorgänge gleichzeitig auftreten. Kauft ein Haushalt zum Beispiel Wertpapiere - Aktien möglicherweise - und verschuldet sich zu diesem Zweck, so steigen gleichzeitig seine Forderun­ gen und seine Verbindlichkeiten: Der Forderungsbestand wächst, weil er zusätz­ liche Wertpapiere besitzt, und der Bestand an Verbindlichkeiten nimmt zu, weil seine Schulden gegenüber der Bank höher sind als zuvor. Seine Vermögensbi­ lanz wird verlängert, weil die Finanzaktiva und Finanzpassiva sich im gleichen Schritt verändern. Folglich bleibt der Finanzierungssaldo konstant und das Rein­ vermögen ändert sich ebenfalls nicht. Kehrt man diese Transaktionen dergestalt um, daß die Wertpapiere verkauft und die Bankschulden getilgt werden, so ver­ kürzt sich die Bilanzsumme und der Finanzierungssaldo bleibt wiederum kon­ stant. Erwirbt der Haushalt hingegen das Wertpapier, indem er Geld von seinem Bankguthaben mittels einer Überweisung auf den Verkäufer überträgt, so tauscht er zwei Aktiva gegeneinander aus; sowohl der Finanzierungssaldo als auch die Bilanzsumme bleiben in diesem Beispiel gleich. Nach der Bilanzverlängerung, der Bilanzverkürzung und dem Aktivtausch kann schließlich als vierter Fall noch der sogenannte Passivtausch angeführt werden, bei dem zwei Positionen auf der Passivseite der Bilanz umgeschichtet werden. Dieser Vorgang tritt beispielsweise auf, wenn ein Unternehmen seine Verbindlichkeiten begleicht, die aus der Liefe­ rung von Vorprodukten entstanden sind, indem es einen Bankkredit aufnimmt und den geschuldeten Betrag an den Lieferanten überweist. In diesen vier Fällen bleibt die Nettoposition der Wirtschaftseinheiten konstant. Wir werden solche

Sechstes Kapitel

128

Konstellationen, in denen ausschließlich zwei finanzielle Vorgänge auftreten, als reine Finanztransaktionen bezeichnen. In solchen Transaktionen werden die Geldvermögensbestände nur umgeschichtet, die Zusammensetzung der Finanzie­ rungsinstrumente wechselt oder die Forderungen und Verbindlichkeiten verän­ dern sich im gleichen Schritt in dieselbe Richtung. Von diesem Typus der reinen Finanztransaktionen muß ein anderer, zweiter Typus unterschieden werden, der dadurch gekennzeichnet ist, daß die finanziel­ len Vorgänge gleichzeitig mit Güter- oder Verteilungstransaktionen verbunden sind. Diese Konstellation wird als Leistungstransaktion bezeichnet.7 Eine solche Leistungstransaktion liegt vor, wenn ein Haushalt den Kauf einer Ware durch eine Überweisung von seinem Konto bezahlt: Diese Ausgabe wird den Bestand seiner Forderungen senken, sein Nettogeldvermögen wird geringer. Wird dieser Kauf hingegen dadurch finanziert, daß ein Kredit aufgenommen wird, so steigen die Verbindlichkeiten und die Nettoposition wird ebenfalls kleiner. Einnahmen und Ausgaben, die aus den Leistungsströmen hervorgehen, verändern also stets den Finanzierungssaldo einer Wirtschaftseinheit. Oder anders formuliert: Wei­ chen die Einnahmen in einem gewissen Zeitraum von den Ausgaben ab, dann entsteht ein Finanzierungssaldo und die Kreditbeziehungen zwischen den betei­ ligten Wirtschaftseinheiten ändern sich. Treten solche Leistungstransaktionen zwischen Wirtschaftseinheiten auf, die zu einem Sektor gehören, so ändern sich zwar die einzelwirtschaftlichen Finanzierungssalden, aber der Saldo zwischen dem Haushaltssektor und dem Untemehmenssektor bleibt davon unberührt. Er wird nur dann größer oder kleiner, wenn Leistungstransaktionen zwischen den Sektoren stattfinden. Die Unterschiede zwischen den reinen Finanztransaktionen und den Lei­ stungstransaktionen treten deutlich hervor, wenn man die Beziehung zwischen den Vermögensbildungs- und den Finanzierungskonten in algebraischer Form betrachtet. Beginnen wir mit dem Untemehmenssektor. Aus den beiden Glei­ chungen:

P + FSu^D ^Fu=FSu+^l/

erhält man nach ihrer Addition die neue Beziehung: 7

Diese Unterscheidung zwischen reinen Finanztransaktionen und Leistungstransaktionen wird bei Stützel (1958, S.59-63) ausführlich entwickelt, siehe dazu auch Schneider 1967, S.47 und ESVG 1995, S.126.

Ein einfaches Modell der Kreislaufzusammenhänge

-/ = AF^-AK^,

129

[6.6]

die zeigt, daß der Umfang der Investitionen die Höhe des Finanzierungssaldos bestimmt. Voraussetzungsgemäß behalten die Unternehmen keine Gewinne ein und sparen daher nicht. Die Investitionen sind ein Leistungsstrom, der beide Seiten der Gleichung [6.6] erfaßt: Die Gütertransaktion, also der Kauf der Inve­ stitionsgüter, wird auf der linken Seite und der damit verbundene finanzielle Vorgang wird auf der rechten Seite wiedergegeben. Die reinen Finanztransaktio­ nen hingegen, in denen sich nur die finanziellen Vorgänge gegenüberstehen, werden allein auf der rechten Seite der Gleichung berücksichtigt, wo sie entwe­ der nur den Bestand der Forderungen umschichten und AF konstant lassen - so daß ein Tausch zwischen den Finanzaktiva stattfindet - oder nur die Zusammen­ setzung der Verbindlichkeiten verändern, indem Finanzpassiva gegeneinander ausgetauscht werden, aber den Betrag AK, um den die Verbindlichkeiten zuneh­ men oder abnehmen, unverändert lassen, oder die Finanztransaktionen vermeh­ ren oder vermindern gleichzeitig die Forderungen AF und die Verbindlichkeiten AK, so daß der Finanzierungssaldo auch in diesem Fall konstant bleibt. Faßt man die Konten der Vermögensbildung und der Finanzierung für den Haushaltssektor zusammen, so erhält man nach der Addition der beiden Glei­ chungen: = SH bFH=FSH+wH die neue Beziehung: SH = \FH-\VH.

[6.7]

Sie zeigt in gleicher Weise wie die vorangehende Gleichung, daß der Finanzie­ rungssaldo, den die Haushalte realisieren, durch den Leistungsstrom des Sparens bestimmt wird, während die reinen Finanztransaktionen wiederum nur die rechte Seite der Gleichung [6.7] betreffen und die Zusammensetzung der Finanzie­ rungsinstrumente bestimmen.8

8

Die Gleichungen [6.6] und [6.7] eröffnen eine andere Möglichkeit, um zu beweisen, daß die beiden sektoralen Finanzierungssalden dem Betrage nach gleich sind, denn aus der Gleichung [6.6] folgt: - {NWS - Qy) = AK^y und aus der Gleichung [6.7] erhält man nach der Substi-

Sechstes Kapitel

130

d) Die Veränderung der Vermögensbestände durch die Stromgrößen Im ESVG werden die Vermögensbestände zum Jahresanfang und zum Jahresen­ de einschließlich der zwischenzeitlichen Bestandsänderungen ausgewiesen.9 Wie bereits zuvor fassen wir sämtliche Vermögenswerte zu den zwei großen Grup­ pen: Produktivvermögen und Geldvermögen zusammen. Das Bilanzänderungs­ konto jedes Sektors entsteht aus dem zusammengefaßten Vermögensbildungsund Finanzierungskonto und ist im Grunde bereits in den Gleichungen [6.6] und [6.7] enthalten. An die Stelle der Nettoinvestition tritt im Bilanzänderungskonto der Unternehmen der Begriff der Änderung des Produktivvermögens &PV und im entsprechenden Konto des Haushalts heißt es statt Sparen nun Änderung des Reinvermögens \RV. Da wir in unserem Zahlenbeispiel keine Angaben über den Vermögensbestand aufgenommen haben, können wir nur im Bilanzänderungs­ konto die bekannten Zahlenwerte zur Verdeutlichung einsetzen. Die Vermö­ gensbilanzen erhalten im ESVG die Ordnungsziffer IV. In den Bilanzänderungs­ konten wird die linke Seite mit dem Titel: Änderung der Aktiva und die rechte mit: Änderung der Verbindlichkeiten und des Reinvermögens überschrieben. Wir erhalten dann das Schema [6.3] für die sektoralen Bilanzänderungskonten. Kontenschema 6.3: Die sektoralen Bilanzänderungskonten Konto lV.2.a: Bilanzänderungskonto der Unternehmen

1. Änderung des Produktivver­ mögens (APF) 2. Änderung der Forderungen der Unternehmen (AFy)

500

500

3. Änderung der Verbindlich­ keiten der Unternehmen

0

Konto JV.2.b: Bilanzänderungskonto der Haushalte 1. Änderung der Forderungen der Haushalte (AF^)

500

0

500

tution von

den Ausdruck: NWS -

= /SF^ -

2. Änderung der Verbindlich­ keit der Haushalte (AFyy) 3. Änderung des Reinver­ mögens (ARF)

Daraus folgt: AF^ -

AK^y) und weiter: FS^= - FSy.

9

Siehe ESVG 1995, S.l70-177 zur Klassifikation der Aktiva und Passiva.

= - (AFy -

Ein einfaches Modell der Kreislaufzusammenhänge

131

Da wir voraussetzten, daß alle Investitionen durch Kredite finanziert werden, weist der Unternehmenssektor kein Reinvermögen auf. Der Veränderung des Produktivvermögens steht eine genau entsprechende Zunahme der Verbindlich­ keiten gegenüber. In unserer Modellökonomie sind die Verbindlichkeiten der Haushalte voraussetzungsgemäß gleich Null. Daher geht der Zuwachs ihrer Forderungen um 500 Euro mit einem gleich großen Anstieg des Nettogeldver­ mögens einher. Zudem sahen wir vom Sachvermögen der Haushalte ab. Folglich wächst ihr Reinvermögen auch um den Zugang zum Nettogeldvermögen. Das gesamtwirtschaftliche Bilanzänderungskonto entsteht aus der Zusammenfassung und Konsolidierung der beiden letzten Konten und lautet in der Gleichungsform: APK+AF = AK+AÄK

Die Änderung des Produktivvermögens ist in einer geschlossenen Ökonomie gleich der Änderung des Reinvermögens, weil die Bestandsänderungen bei den Forderungen und Verbindlichkeiten sich gegenseitig ausgleichen. Die Änderung im Produktivvermögen ist gleich den Nettoinvestitionen: I = ^PV und das Spa­ ren gleich der Änderung des Reinvermögens: SH = ARV. Schließlich können wir noch die Bilanz der Vermögensbestände aufnehmen. Wir verzichten an dieser Stelle auf die sektoralen Vermögensbilanzen und geben nur das allgemeine Schema der gesamtwirtschaftlichen Bilanz wieder. Die gesamtwirtschaftliche Vermögensbilanz

1. Forderungen 2. Produktivvermögen

2. Verbindlichkeiten 3. Reinvermögens

Da die Forderungen gleich den Verbindlichkeiten sind, ist die Nettoposition der Ökonomie Null und es gilt die Beziehung: PV=RV,

so daß das gesamte Produktivvermögen gleich dem Reinvermögen der Ökono­ mie ist.

132

Sechstes Kapitel

e) Die Doppelzählungen Ein Ziel der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen besteht darin, das Ein­ kommen der Ökonomie zu ermitteln. Wie bereits aus den vorangehenden Teilen dieses Kapitels ersichtlich wurde, stimmt das Einkommen nicht mit dem Wert aller produzierten Güter überein, selbst wenn man von den Abschreibungen absieht, weil die Vorprodukte noch berücksichtigt werden müssen, deren Wert zwar im Produktionswert, nicht aber im Einkommen enthalten ist. Die Differenz zwischen dem Produktionswert und dem Einkommen geht auf sogenannte Dop­ pel- oder Mehrfachzählungen zurück. Konstruieren wir ein Beispiel, um dieses Problem zu verdeutlichen. Nehmen wir eine Ökonomie an, wie sie in der Tabelle [6.5] beschrieben wird. Von den dauerhaften Produktivgütem sehen wir ab, folglich sind die Ab­ schreibungen gleich Null. Um das Endprodukt Brot herzustellen, kommen zwei Produktionsprozesse zum Einsatz: im ersten wird Weizen hergestellt, im zweiten werden Mehl und Brot produziert. Die Weizenindustrie setzt zum Betrag von 20 Euro Weizen als Saatgut ein, auf ihre Nettowertschöpfung entfallen 180 Euro. Somit beträgt ihr Anteil am gesamtwirtschaftlichen Produktionswert 200 Euro. Dieser Industriezweig liefert das Vorprodukt Weizen an die kombinierte Mehlund Brotindustrie, die ihrerseits 180 Euro für den Kauf von Vorleistungen aus­ gibt. Im Verlaufe ihres Produktionsprozesses setzt die letztere dem Produkt eine Nettowertschöpfung von 220 Euro zu, so daß sich ihr Beitrag zum gesamten Produktionswert schließlich auf 400 Euro beläuft. Der Wert des Weizens ist im Produktionswert der gesamten Ökonomie zweimal enthalten: Das erste Mal ist er selbstverständlich gleich dem Umsatzerlös der Weizenindustrie, das zweite Mal bildet er einen Kostenbestandteil der Mehl- und Brotproduktion - die 180 Euro Vorleistungskäufe dieser Industrie -, der in ihrem Umsatzerlös erneut auftritt, sowie die 20 Euro für das Saatgut, die gewissermaßen einen Verkauf der Wei­ zenindustrie an sich selbst darstellen und dazu dienen, das am Jahresanfang vorhandene und im Laufe der Produktion verbrauchte Saatgut zu ersetzen. Ad­ diert man die Beiträge sämtlicher Industriezweige zum gesamtwirtschaftlichen Produktionswert, so erhält man eine Wertgröße, die das Einkommen der gesam­ ten Ökonomie um einen Betrag übersteigt, der gleich dem Wert aller Vorleistun­ gen ist. Damit ist das Problem der Doppelzählungen respektive der Mehrfach­ zählungen benannt. Bei der Berechnung des Einkommens müssen sie ausge­ schlossen werden. Da wir in unserem Zahlenbeispiel von den Abschreibungen absehen und voraussetzen: D = 0, ergibt sich die Nettowertschöpfung der gesam-

Ein einfaches Modell der Kreislaufzusammenhänge

133

ten Ökonomie zum einen aus der Gleichung: PIF - VL = NJVS. Wie die Tabelle [6.5] zeigt, ist das gesamte Einkommen gleich der Summe aus den Beiträgen, die alle Wirtschaftsbereiche zur Nettowertschöpfung leisten. Zum anderen wird deutlich, daß die Nettowertschöpfung gleich dem Wert des Endprodukts Brot ist.

Tabelle 6.5: Die Input-Output-Tabelle einer zweistufigen Produktion des Endprodukts Brot

Industriezweige

Weizen

Mehl und Brot

Endnachfrage (CH)

Produktions­ wert (PW)

Weizen Mehl/Brot

20 0

180 0

0 400

200 400

NWS

180

220

PW

200

400

600

Der Produktionswert der gesamten Volkswirtschaft ist ebenso wie der gesam­ te Wert der Vorprodukte ein Aggregat, das unmittelbar aus den Gütertransaktio­ nen hervorgeht. Je höher der Grad der wirtschaftlich bedingten Arbeitsteilung in einer Volkswirtschaft ist, desto zahlreicher sind die Vorleistungstransaktionen innerhalb des Untemehmenssektors und desto größer ist folglich der gesamtwirt­ schaftliche Wert aller Vorleistungen. Steigt also der Umfang der transaktions­ vermittelten Arbeitsteilung innerhalb der Ökonomie, so wird der Produktions­ wert wachsen, selbst wenn die Nettowertschöpfung konstant bleibt.10 Führen wir in unserem Zahlenbeispiel einen neuen Produktionszweig ein, indem wir die Mehlproduktion von der Brotproduktion trennen und nehmen wir zusätzlich an, daß auf die Mehlproduktion nunmehr ein Beitrag von 80 Euro und auf die Brot­ produktion ein Beitrag von 140 Euro zur Nettowertschöpfung entfallen, während die Weizenproduktion unverändert bleibt, dann steigt der Produktionswert dieses veränderten ökonomischen Systems auf 860 Euro, wenn die Mehlindustrie für 180 Euro Vorleistungen von der Weizenindustrie kauft.

10 Auf diesen Zusammenhang zwischen dem Wert der Vorleistungen und dem ‘Maß, in dem die Unternehmen voneinander kaufen’, wies bereits Keynes hin (1936, S.20, Fußnote 3).

134

Sechstes Kapitel

f) Identität und Gleichgewicht Die Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen betrachten den Wirtschaftskieis­ lauf ex post, indem sie zeigen, welchen Wert die ökonomischen Aggregate im vergangenen Jahr angenommen haben. Wie bereits ausgeführt, werden die Ag­ gregate so definiert, daß alle Gleichungen, mit deren Hilfe der Kreislauf be­ schrieben wird, stets erfüllt sind. Da sowohl die geplanten als auch die ungeplan­ ten Größen in die Berechnung der Aggregate eingehen, werden diese Gleichun­ gen als Identitäten bezeichnet. Sie liefern jedoch keine Informationen darüber, in welchem Umfang die Investitionen oder die laufenden Ersparnisse geplant wa­ ren. Solche Probleme liegen außerhalb der Fragestellungen, mit denen sich die Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen beschäftigen. Aus der Perspektive der involvierten Wirtschaftseinheiten betrachtet, besteht zwischen den geplanten und den ungeplanten Größen selbstverständlich ein großer Unterschied. Unterstellt man den Wirtschaftssubjekten - mit einer gewis­ sen Berechtigung -, daß sie die Transaktionen im Markt dazu nutzen, ihren Vor­ teil zu steigern, dann werden beispielsweise die ungeplanten Lagerbestandsände­ rungen oder das ungeplante Sparen der Haushalte dieses Ziel nicht fordern, son­ dern im Gegenteil den angestrebten Vorteil mindern. Am sinnfälligsten wird dieses Problem bei den Investitionen. Ein Unternehmen, daß einen ungeplanten Zugang zu seinem Lagerbestand hinnehmen muß, weil es seine Waren nicht vollständig verkaufen konnte, wird seine geplanten Erlöse nicht realisieren. Auf der anderen Seite muß es Lohn- und Zinszahlungen leisten und Verbindlichkei­ ten aus Lieferungen begleichen. Eine solche Konstellation, in der die Kosten höher als die Erlöse sind, kann ein Unternehmen nicht lange durchhalten, ohne in Liquiditätsprobleme zu geraten. Für das Unternehmen kommt es gerade dar­ auf an, die geplante Produktionsmenge mit der tatsächlich abgesetzten in Über­ einstimmung zu bringen und ungeplante Änderungen zu vermeiden. Überträgt man diese Überlegung auf die Gesamtheit der Wirtschaftssubjekte, dann müssen alle einzelwirtschaftlich geplanten Größen den tatsächlich realisierten gleichen, und eine solche Konstellation ist offenbar sehr voraussetzungsreich. Greifen wir die Gleichheit zwischen den Investitionen und dem Sparen wieder auf, dann muß die Summe der geplanten Investitionen gleich der Summe der geplanten Erspar­ nisse aus dem laufenden Einkommen sein, damit die einzelwirtschaftlichen Pläne allesamt erfüllt sein können. Daß es sich dabei um kein einfach zu lösendes Problem handelt, folgt schon daraus, daß auf der einen Seite die Unternehmen unabhängig von den Haushalten über den Umfang der Konsumgüter- und der

Ein einfaches Modell der Kreislaufzusammenhänge

135

Investitionsgüterproduktion entscheiden, während auf der anderen Seite die Haushalte unabhängig von den Plänen der Unternehmen festlegen, wie sie ihr Einkommen verwenden wollen. Daraus entsteht die Fragestellung für die öko­ nomische Theorie: Unter welchen Bedingungen stimmen die einzelwirtschaftli­ chen Pläne der Haushalte und der Unternehmen überein, so daß die Investitionen gleich den laufenden Ersparnissen sind? Verfolgt man diese Fragestellung, dann betrachtet man eine Konstellation, die in der Wirtschaftstheorie als ein Gleich­ gewicht bezeichnet wird - nämlich die Übereinstimmung zwischen geplanten Größen.11 Im Gegensatz zur Identität ist das Gleichgewicht keine empirische, sondern eine rein theoretische Kategorie, die ihre Bedeutung aus der kausalen Erklärung ökonomischer Zusammenhänge bezieht. Um die Bedingungen zu untersuchen, unter denen ein Gleichgewicht ent­ steht, ist es zunächst notwendig, Hypothesen über diejenigen Faktoren zu formu­ lieren, welche den Umfang der Investitionen und die Höhe der laufenden Er­ sparnisse bestimmen. Zwei Hypothesen über die Sparentscheidungen liegen nahe: zum einen kann der Betrag des Sparens von der Höhe des Einkommens abhängen, dergestalt daß mit einem steigenden Einkommen mehr gespart wird; zum anderen kann ein steigender Zinssatz die Haushalte veranlassen, mehr zu sparen. Benutzen wir das Symbol r für den Zinssatz, dann können diese beiden Hypothesen über das Sparen in zwei Funktionsgleichungen dargestellt werden:

SH=fx(NWS)

und

SH=f2{r\

wobei der Betrag der laufenden Ersparnis mit dem Einkommen und dem Zins­ satz steigt. In der keynesianischen Theorie wird der Zusammenhang zwischen dem Einkommen und dem Sparen als der entscheidende angesehen, während in der klassischen und der neoklassischen Theorie die Beziehung zwischen dem Sparen und dem Zinssatz hervorgehoben wird. Obgleich es auch in der Investiti­ onstheorie große Unterschiede zwischen diesen beiden Positionen gibt, stimmen sie doch darin überein, daß die Investitionen in umgekehrter Richtung zum Zins­ satz variieren. Wenn die Unternehmen ihre Investitionen durch eine Verschul­ dung finanzieren, dann wird ein steigender Zinssatz die Zinskosten erhöhen und die Anzahl der Investitionsmöglichkeiten einschränken, die zu solchen Zinssät­ zen noch rentabel sind. Die Hypothese über die Investitionen lautet also:

11

Die Gleichgewichtstheorie wird im Unterschied zur Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung häufig auch als ex ante Analyse bezeichnet.

136

Sechstes Kapitel

wobei die Beziehung zwischen dem Zinssatz und den Investitionen invers ist. Betrachten wir nun das Gleichgewicht zwischen dem Sparen und dem Inve­ stieren, dann treten die Unterschiede zwischen der keynesianischen Theorie auf der einen Seite sowie der klassischen und der neoklassischen Theorie, die bei dieser Frage ein hohes Maß an Übereinstimmung zeigen, auf der anderen deut­ lich hervor. In der keynesianischen Theorie werden die beiden Funktionen: = f\(NWS) und I = 1(f) benutzt, um das Gleichgewicht zwischen Investition und Ersparnis zu formulieren: f^NWS) = /(r) ist somit ihre Gleichgewichtsbedin­ gung, während in der klassischen und der neoklassischen Theorie das Gleichge­ wicht zwischen den beiden geplanten Größen durch die Gleichung: /2(Ü = Ar) beschrieben wird. Stellt man diese Gleichgewichtsbedingungen in einen größe­ ren theoretischen Zusammenhang, so erschließen sich daraus völlig verschiedene Auffassungen über die Funktionsweise einer Volkswirtschaft. Um die Konse­ quenzen dieser unterschiedlichen Formulierung des Gleichgewichts, das zwi­ schen den Investitionen und dem Strom der laufenden Ersparnisse besteht, für die Theoriebildung exemplarisch zu verdeutlichen, gehen wir auf zwei Autoren ein: zunächst auf Keynes und anschließend auf Adam Smith als einen Vertreter der klassischen Theorie. Zwar ist Smith ein früher Vertreter der klassischen Theorie, aber die Position, die er vertritt, ist auch heute in der öffentlichen Dis­ kussion noch weit verbreitet. Wie kann nun die Gleichheit zwischen der Investition und dem Sparen, die aus dem Wirtschaftskreislauf folgt, im Rahmen einer Gleichgewichtsbetrachtung theoretisch erklärt werden? In seiner Allgemeinen Theorie setzt sich Keynes ausführlich mit dem Problem auseinander und verwendet allein zwei Kapitel auf die Untersuchung der Kreislaufbeziehungen und auf den Nachweis, daß die Identität zwischen Sparen und Investieren zwingend aus dem Kreislaufzusam­ menhang folgt. Zugleich kritisiert er die weitverbreitete Auffassung, die Spar­ samkeit schaffe die Voraussetzung dafür, daß das Gemeinwesen insgesamt im­ mer reicher werde. Für den einzelnen Haushalt sei es unzweifelhaft richtig, so argumentiert er, daß die individuelle Ersparnis aus dem laufenden Einkommen dessen Reinvermögen vermehre. Aus den Volkswirtschaftlichen Gesamtrech­ nungen gehe hervor, daß der gesamte Reinvermögenszuwachs aller Haushalte gleich ihrem Sparen sei: SH = ARV, und diese Reinvermögensänderung sei wie­ derum gleich den Investitionen und der Änderung im Produktivvermögen, so daß gelte: APV = ARV. Die unbestreitbare einzelwirtschaftliche Vermögensbil-

Ein einfaches Modell der Kreislaufzusammenhänge

137

dung durch Sparen führe zusammen mit der ebenfalls zweifelsfreien Identität zwischen dem Reinvermögenszuwachs und der Summe aller Investitionen zu dem Trugschluß, so Keynes’ Kritik, daß jeder individuelle Akt des Sparens das gesamte Gemeinwesen bereichere und einen Anstieg der Investitionen zum glei­ chen Betrag bewirke. Wie Keynes hervorhebt, legten die Identitäten des Kreis­ laufs die - fehlerhafte - Annahme nahe, „daß die Tätigkeit, durch die sich ein Einzelner bereichert, ohne sichtlich einem andern etwas wegzunehmen, das Gemeinwesens als Ganzes genommen bereichern muß, so daß (...) ein individu­ eller Sparakt unvermeidlich zu einer genau entsprechenden Investitionstätigkeit fuhren muß; denn, ich wiederhole, es ist unbestreitbar, daß die Summe des Ver­ mögenszuwachses der Einzelnen genau gleich dem gesamten Reinvermögens­ zuwachs des Gemeinwesens sein muß.“12 Keynes hält den Vertretern dieser Position entgegen, daß sie sich durch eine ‘optische Täuschung irrefuhren’ lie­ ßen, weil sie von den individuellen Entscheidungen und wirtschaftlichen Aktivi­ täten bruchlos auf gesamtwirtschaftliche Vorgänge schlössen und daher einzel­ wirtschaftliche Verhältnisse in unzulässiger Weise verallgemeinerten. An einer späteren Stelle heißt es bei Keynes: „Es ist richtig, daß ein Einzelner durch Spa­ ren sein eigenes Vermögen vermehrt. Die Folgerung, daß er dadurch auch das Gesamtvermögen vermehrt, übersieht aber die Möglichkeit, daß der Erspamisakt eines Einzelnen auf die Ersparnisse und folglich auf das Vermögen eines ande­ ren Rückwirkungen haben kann.“13 Die unzulässige Verallgemeinerung besteht darin, daß die Rückwirkungen der individuellen Entscheidungen auf die gesamtwirtschaftliche Einkommens­ bildung unberücksichtigt bleiben. Keynes vertritt die Position, daß der Umfang der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage das Produktionsvolumen und die Beschäf­ tigung bestimme. Entschließt sich ein einzelner Haushalt dazu, sein Reinvermö­ gen durch Sparen aus seinem gegebenen Einkommen zu vermehren, so kann dies nur gelingen, wenn alle anderen Haushalte nicht gleichzeitig auch aus dem laufenden Einkommen mehr sparen wollen. In einem solchen Fall sänken die Konsumausgaben aufgrund der höheren Sparneigung allgemein, die gesamtwirt­ schaftliche Nachfrage ginge zurück und schließlich müßten die Produktion und

12 Keynes 1936, S. 18. 13 Keynes 1936, S.72. Zum folgenden siehe auch ebd. S. 176-178. Der Zusammenhang zwischen Sparen und Investieren wird bei Stützel (1958, S.72-82) ausführlich untersucht. Auf die Gesamt­ heit aller Wirtschaftseinheiten bezogen, heißt es bei Stützel (ebd. S.74): „Ein Ausgabenrückgang führt stets zu einem Einnahmerückgang und nie zu einem Einnahmeüberschuß.**

138

Sechstes Kapitel

das Einkommen schrumpfen. Blieben die Investitionen unverändert, so käme der gesamte, durch die höhere Sparneigung ausgelöste Anpassungsprozeß darauf hinaus, daß bei einem nunmehr geringeren Einkommen genau derselbe Betrag gespart würde wie zuvor. Folglich wäre das Gemeinwesen durch seine größere Anstrengung zu sparen nicht reicher als zuvor. Wenn die Ersparnis aus dem laufenden Einkommen auf die Nachfrage nach Konsumgütem ungünstig wirkt, so regt sie andererseits die Investitionen auch nicht an, welche die rückläufigen Konsumausgaben ausgleichen könnten. Key­ nes argumentiert, daß die Entscheidung eines Haushalts zu sparen, mit der Ent­ scheidung, neue, zusätzliche Aktiva zu erwerben, nicht identisch sei. Das indi­ viduelle Reinvermögen kann auch durch den Kauf bereits existierender Vermö­ genswerte vermehrt werden, so daß ein Akt des individuellen Sparens keine Zunahme der Investitionen einschließt: Es findet lediglich eine Übertragung eines bereits existierenden Vermögens wertes gegen Geld statt.14 Schließlich muß Keynes zufolge auch die Anschauung, daß die Investitionen durch das Sparen aus dem laufenden Einkommen finanziert werden, in die Reihe der Trugschlüsse einbezogen werden. Der Investitionsstrom erhält dadurch eine Finanzierung, daß die Eigentümer über die Verwendung ihres Geldvermögens entscheiden. Somit sind die Investitionen nicht auf die Ersparnisse aus einem laufenden Einkommen angewiesen, sondern es verhält sich so, daß die Entschei­ dungen über die Zusammensetzung des Geldvermögens aus liquiden und illiqui­ den Anlagen den Zinssatz bestimmen - bei gegebener Geldmenge -, der wieder­ um jenen Standard der Rentabilität vorgibt, den die Investitionen allererst errei­ chen müssen, um finanziert zu werden. Erfüllen sie diese Bedingungen, so kön­ nen sie durch Umschichtungen bereits existierender Vermögensbestände finan­ ziert werden, die mit einer Umwertung aller bereits vorhandenen Vermögensbe­ stände verbunden sein werden, oder durch Bankkredite. In der Folge werden die Produktion und das Einkommen aufgrund der Investitionsnachfrage wachsen, so daß letztlich aus einem höheren Einkommen und bei gleichbleibender Sparnei­ gung der Haushalte ein größerer Betrag gespart werden kann als zuvor. Im Rah­ men der Keynesschen Theorie induzieren die Investitionen somit durch die Ein­ kommensbildung jenen Betrag an laufenden Ersparnissen, der als Gegenposten zu den Investitionen im Vermögensbildungskonto auftritt.15

14 Keynes 1936, S.l77. 15 Keynes 1936, S.71 f.

Ein einfaches Modell der Kreislaufzusammenhänge

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In den Theorien der klassischen und der älteren neoklassischen Ökonomen wird ein gänzlich anderer Zusammenhang zwischen dem Sparen und dem Inve­ stieren und folglich auch eine andere Theorie über das gesamtwirtschaftliche Wachstum vertreten. Adam Smith als einer der klassischen Autoren begreift das Sparen als Voraussetzung für die Investitionen. Selten fiel das moralische Urteil über die privaten und gesamtwirtschaftlichen Vorzüge der Sparsamkeit so ein­ deutig aus wie bei ihm: „Kapital wird durch Sparsamkeit erhöht und durch Ver­ schwendung und Mißwirtschaft vermindert. (...) So, wie das Kapital eines ein­ zelnen nur dadurch vermehrt werden kann, daß er etwas von seinem Einkommen oder Verdienst im Jahr spart, so kann auch das Kapital eines Landes, das sich mit dem aller Bürger deckt, nur auf gleiche Weise zunehmen.“ Geht es darum, den Wohlstand eines Landes zu mehren, so „erscheint jeder Verschwender als Feind der Allgemeinheit, jeder sparsame Mensch dagegen als ihr Wohltäter.“16 Der Konsumverzicht fungiert hier als Basis des wirtschaftlichen Wachstums und der Prosperität schlechthin. Eine ähnliche Ansicht, wenngleich auch mit einem ge­ ringeren asketischen Sendungsbewußtsein vorgetragen, findet sich bei Walras und Böhm-Bawerk, welche die ältere neoklassische Theorie des späten 19. Jahr­ hunderts vertreten. Insbesondere im theoretischen Modell Böhm-Bawerks folgt diese Auffassung beinahe zwangsläufig aus der Annahme, daß die Produktions­ prozesse von einer gegebenen Konsumgütermenge ihren Ausgang nehmen. Je geringer der Konsum pro Zeiteinheit ist, desto länger kann das Produktionsver­ fahren gewählt werden und um so größer wird das Produktionsvolumen dieses Prozesses sein. Der Zinssatz bringt dann die Ersparnis aus dem laufenden Ein­ kommen mit dem Investitionsvolumen zum Ausgleich.17 In der modernen neoklassischen Theorie des intertemporalen Gleichgewichts wird der Zusammenhang zwischen Investitionen und Sparen nicht mehr in der gleichen Weise wie in der neoklassischen Theorie des 19. Jahrhunderts herge­ stellt; vielmehr hat die Vorstellung einer zinsabhängigen Ersparnis viel von ihrer Erklärungskraft verloren, weil in den modernen Theorien des neoklassischen allgemeinen Gleichgewichts die Wirtschaftsubjekte bereits heute ihre Entschei­ dungen über die Güterverwendung aller nachfolgenden Wirtschafsperioden 16 Smith 1776, S.278 und 281. 17 Über das Sparen und die Kapitalbildung heißt es bei Böhm-Bawerk (1888, S. 137): „Man spart an Genußmitteln, erspart dadurch Produktivkräfte und kann dann mit diesen endlich Kapitalgü­ ter produzieren** Und etwas später (ebd. S.153): „Zur Kapitalbildung ist nun einfach die Tatsa­ che einer Einsparung unerläßlich (...).“ Einen ähnlichen Zusammenhang formuliert Walras (1874, S.269 und 274).

140

Sechstes Kapitel

treffen. Die Güter unterscheiden sich daher nicht nur nach ihren physischen Eigenschaften, sondern auch nach dem Zeitpunkt, zu welchem sie verfügbar sind. Im Markt entsteht ein intertemporales Preissystem, das einen Komplex von Eigenzinssätzen der Güter enthält. Die Güterzinssätze existieren nur noch als Bestandteile der Preise, werden als eigenständige Größen aber funktionslos.18

18 Siehe dazu Bliss 1975. In der neoklassischen realen Makroökonomik wird die klassische Positi­ on aber weiterhin vertreten. Eine kritische Darstellung dieser letzteren Position findet sich bei­ spielsweise bei Heine und Herr 1999, S.203 ff.

7. Kapitel

Die Unternehmen und die Unternehmensgewinne

Neben den kontraktbestimmten Lohn- und Zinseinkommen tritt im Untemehmenssektor noch das residuale Einkommen auf, das im allgemeinen mit der eigentlichen Unternehmertätigkeit in Verbindung gebracht wird. Im vorliegen­ den Kapitel werden wir unsere Kreislaufanalyse um diese letzteren Einkommen erweitern. Wir beginnen mit einem Kreislaufmodell, das Keynes in seiner Schrift Vom Gelde benutzt, um im Rahmen einer wirtschaftstheoretischen Analyse das Preisniveau aus dem Einkommenskreislauf zu determinieren. In dieser theoreti­ schen Untersuchung wird das residuale Einkommen der Unternehmen als Unter­ nehmensgewinn bezeichnet. Da dieser Gewinn aus der Differenz entsteht, die zwischen der Nettowertschöpfung und den kontraktbestimmten Lohn- und Zins­ einkommen verbleibt, muß der Untemehmensgewinn in diesem theoretischen Zusammenhang als eine funktionale Kategorie der Einkommensverteilung be­ trachtet werden. Diese Fragen bilden den Inhalt der ersten beiden Abschnitte. In den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen wird ebenfalls ein residuales Ein­ kommen der Unternehmen ermittelt, seine Abgrenzung beruht jedoch auf ande­ ren Kriterien als denjenigen, die Keynes' theoretischer Analyse zugrunde liegen. Dieses Residualeinkommen wird hier als Betriebsüberschuß bezeichnet. Da in diesem Rechenwerk von eigenständigen, wirtschaftlich handelnden Einheiten ausgegangen wird, kann ein Unternehmen neben seinem residualen Einkommen noch Zinsgewinne aus der Anlage seines Geldvermögens beziehen. Aus diesem Grund ist der Untemehmensgewinn, den die Volkswirtschaftlichen Gesamtrech­ nungen ausweisen, eine institutioneile Kategorie der Einkommensverteilung, die ihrem ökonomischen Gehalt nach vom Unternehmensgewinn bei funktionaler Betrachtung streng getrennt werden muß. Somit steht man hier vor der Schwie­ rigkeit, daß zwei verschiedene Sachverhalte mit dem gleichen Begriff bezeichnet werden. In den nachfolgenden Kapiteln werden wir allerdings zu der streng funktionalen Betrachtung des Kreislaufmodells zurückkehren.

142

Siebtes Kapitel

Im dritten Abschnitt des vorliegenden Kapitels gehen wir auf die Gliederung der Unternehmen im ESVG ein, das keinen einheitlichen Untemehmenssektor enthält, sondern im Unterschied zu unseren vereinfachten, modellhaften Betrach­ tungen die Unternehmen auf drei Sektoren verteilt. Der letzte Abschnitt greift mit der Zinsspanne und den unterstellten Bankgebühren eine Problemstellung auf, die mit der Wertschöpfung der Kreditinstitute in Zusammenhang steht.

a) Eine funktionale Betrachtung der Unternehmensgewinne im Kreislauf Um die Verteilung und Verwendung der Untemehmensgewinne darzustellen, trennen wir unter funktionalen Gesichtspunkten die Untemehmerhaushalte von den übrigen Haushalten, die wir auch als Nichtuntemehmerhaushalte bezeichnen können. Diese Einteilung dient allein analytischen Zwecken; die Untemehmer­ haushalte beziehen als Residualeinkommen die Untemehmensgewinne und die übrigen Haushalte das Lohn- und Zinseinkommen. In der Abbildung [7.1] wird dieses Kreislaufmodell wiedergegeben, das in wesentlichen Zügen dem bereits bekannten entspricht und als weiteren, neuen Kreislaufpol die Untemehmensge­ winne enthält. Dieser Kreislaufpol ist mit den Untemehmerhaushalten identisch, die über die Verwendung der Gewinne, im folgenden mit Qy bezeichnet, für die Konsumausgaben Cy und das Sparen Sy entscheiden. Die gesparten oder einbe­ haltenen Untemehmensgewinne dienen der Vermögensbildung.1 Ordnet man die Stromgrößen wieder nach den Ausgaben, die auf der linken Seite, und den Einnahmen, die auf der rechten Seite des Gleichheitszeichens angeführt werden, dann kann man am Untemehmenspol die folgende Beziehung ablesen:

NWSu/h + D + Qy = Ib + Ch.

1

[7.1]

Dieser Kreislaufpol kann auch in einem ganz abstrakten Sinne das Unternehmen in seiner Ei­ genschaft als Einkommensbezieher verkörpern. In diesem Fall werden die Unternehmen eben­ falls unter funktionalen Gesichtspunkten in eine rein produzierende Einheit und eine einkom­ mensbeziehende Einheit aufgeteilt. Es erscheint dann angebracht, von den Konsumausgaben der Unternehmen abzusehen und anzunehmen, daß die Untemehmensgewinne vollständig gespart und investiert werden oder daß ein Teil derselben als Dividende an die Haushalte ausgeschüttet wird.

Die Unternehmen und die Untemehmensgewinne

143

Das Symbol NWS^/H bezeichnet den Einkommensstrom, der von den Unter­ nehmen zu den Haushalten der Zins- und Lohnempfänger fließt, gibt die Konsumausgaben der Untemehmerhaushalte an und Qy die Untemehmensge­ winne. Das gesamte Einkommen ist gleich der Nettowertschöpfung und wird durch die Gleichung NWS = NWSu/h^Qu

[7.2]

beschrieben. Am Kreislaufpol der Untemehmerhaushalte kann die Gleichung [7.3]

Cu^^Qu

abgelesen werden, für die übrigen Haushalte erhält man wie schon zuvor den Ausdruck: C/7 + 5/z =

NWS™.

[7.4]

Abbildung 7.1: Kreislaufieziehungen und Unternehmensgewinne

CH

Der Kreislaufpol der Vermögensänderung zeigt nach der Konsolidierung seiner Ströme die Gleichung:

I = SH + SÖ.

[7.5]

Betrachtet man die gesamte Nettowertschöpfung unter dem Gesichtspunkt der Einkommensverteilung, dann müssen die Löhne W, die Zinseinkommen Qz

Siebtes Kapitel

144

und die Untemehmensgewinne Qy berücksichtigt werden. Man erhält somit die Verteilungsgleichung:

NWS=W+Qz+Qy,

Dieses Kreislaufmodell legt Keynes seiner Schrift Vom Gelde zugrunde. Be­ trachten wir zunächst die Beziehung zwischen den Untemehmensgewinnen und den anderen Aggregaten, die er in den Mittelpunkt seiner Untersuchung rückt. Löst man die Gleichung [7.3] nach Sy auf und setzt diesen Ausdruck in die Glei­ chung [7.5] ein, dann erhält man die neue Relation:2

Qy^-S^+Cy,

[7.6]

die folgende Interpretationen zuläßt. Erstens: Je höher die Konsumausgaben der Untemehmerhaushalte, desto größer wird der Untemehmensgewinn sein, wenn die Investitionen und das Sparen der übrigen Haushalte gleichbleiben. Zweitens werden die Untemehmensgewinne um so größer sein, je höher die Konsumaus­ gaben der Nichtuntemehmerhaushalte sind; drittens werden die Untemehmens­ gewinne mit dem Umfang der Investitionen wachsen, wobei die übrigen Größen jeweils als gegeben angenommen werden. Keynes weist dem Untemehmensgewinn eine Sondenolle zu und unterschei­ det ihn vom eigentlichen Einkommen, das den Haushalten zufließt, weil dieser Gewinn sich durch die Konsumausgaben der Untemehmerhaushalte gleichsam regeneriert. Wie die Gleichung [7.6] zeigt, können die Unternehmerhaushalte ihr Gewinneinkommen für die Konsumausgaben verwenden und werden diesen Gewinn dennoch nicht erschöpfen, sondern ihn um genau den Betrag ihrer Kon­ sumausgaben vermehren. Keynes bemerkt dazu: „Es gibt eine Eigenart der Ge­ winne (und Verluste), die wir im vorbeigehen feststellen können, da sie einen der Gründe darstellt, weshalb es notwendig ist, die Gewinne von dem eigentli­ chen Einkommen als eine besondere Kategorie zu unterscheiden. Wenn die Unternehmer es vorziehen, einen Teil ihrer Gewinne für den Konsum zu ver­ wenden (und es gibt natürlich nichts, was sie daran hindern könnte), so hat das die Wirkung, den Gewinn aus dem Verkauf liquider Konsumgüter genau um den Betrag der Gewinne zu erhöhen, die auf diese Weise verausgabt worden sind. (...) Somit sind die Gewinne, als eine Quelle der Kapitalakkumulation bei den Unternehmen, unerschöpflich wie der Krug der Witwe, wie viel davon auch 2

Siehe dazu auch Schneider 1967, S.62-64; Krelle 1967, S.55-58; Stützel 1958, S.79f.

Die Unternehmen und die Untemehmensgewinne

145

immer einer ausschweifenden Lebensführung dient.“ Kehrt man diese Konstella­ tion um und nimmt an, daß die Unternehmen Verluste erleiden, so wird eine strengere Sparsamkeit der Untemehmerhaushalte die Konsumausgaben senken und damit auch die Gewinne vermindern: „so wird der Krug der Witwe zu einem Faß der Danaiden, das nie gefüllt werden kann.“3

b) Die Bestimmung des Preisniveaus aus dem Einkommenskreislauf: die Keynessche Grundgleichung des Geldwertes Ausgehend von diesem Kreislaufmodell formuliert Keynes eine Theorie der Preisniveaubestimmung, in der die Kaufkraft des Geldes nicht von der Geld­ menge determiniert wird, sondern von den Einkommensaggregaten.4 Das eigent­ liche Einkommen besteht im Gleichgewichtszustand aus den Löhnen und den Zinsen.5 Die Untemehmensgewinne betrachtet Keynes hingegen als eine Kate­ gorie des Ungleichgewichts. Herrscht eine Gleichgewichtslage, dann nehmen sie den Wert Null an. Nur der Einkommensstrom NWSU/H, der von den Unterneh­ men zu den Haushalten fließt, zählt demnach zum Gleichgewichtseinkommen im Keynesschen Sinne. In dieser Konstellation kann die Einkommensentstehung durch den Wert der Konsumgüter CH und der Investitionsgüter I beschrieben werden, während die Einkommensverwendung durch die Konsumausgaben CH und das Sparen SH angegeben wird. Das Symbol CH erhält hier eine doppelte Bedeutung, weil es einmal den Wert einer Gütermenge bezeichnet und das zwei­ te Mal eine Ausgabe. Ein Gleichgewicht im Gütermarkt ist dann erreicht, wenn das Angebot gleich der Nachfrage ist und daher die Gleichungen:

I ~ Cpj +

oder I=

erfüllt sind. Die Gleichheit zwischen der Investition und der laufenden Ersparnis der Haushalte ist hier nur ein anderer Ausdruck für ein Gleichgewicht im Gü­ termarkt. Aus einer solchen Gleichgewichtskonstellation resultiert das Preisni­ veau; um seine Bestimmungsfaktoren zu betrachten, müssen wir zunächst zwi­ schen dem nominalen Gleichgewichtseinkommen NWSnu/H und dem realen 3 4 5

Keynes 1930, S.l 13f. Siehe dazu Keynes (1930) und dort vor allem die Kapitel 10 und 11. Zur Keynesschen Theorie des Gleichgewichts und der Dynamik des Preisniveaus siehe auch Heine und Herr (1999), S.395434. Keynes 1930, S.101.

Siebtes Kapitel

146

Einkommen NWSV/H unterscheiden. Werden diese Aggregate in die Definiti­ onsgleichung des Preisniveaus eingesetzt, so erhält man den Ausdruck: nws„ih

Nws^'n

Die reale Nettowertschöpfung ist zwar eine Wertgröße, in Euro gemessen, sie wird aber als eine Mengengröße interpretiert. Dieses Aggregat kann als das Pro­ dukt aus der Zahl der jährlich eingesetzten Arbeitsstunden N und der Arbeits­ produktivität a, gemessen im realen Wert der wirtschaftlichen Leistung pro Stunde oder einfacher: gemessen in Stück pro Stunde, angegeben werden. Für die Arbeitsproduktivität, die Menge der eingesetzten Arbeitsstunden und die reale Nettowertschöpfung gelten die Beziehungen: NWsy,H und NWS, a =------------N

= N-a.

Nimmt man nun die Verteilung des nominalen Einkommens auf die Löhne und Zinsen noch hinzu: =

nws„ih

w+qz

und setzt aus diesen Beziehungen in die Definitionsgleichung des Preisniveaus ein, so erhält man die Bestimmungsgleichung:

P =----N-a Da die Lohnsumme gleich dem Produkt aus dem Lohnsatz pro Stunde, w, und der Anzahl der eingesetzten Arbeitsstunden ist: W = w N, folgt nach der Substi­ tution von JV durch w N\ w

Q?

a

a•N

Die Unternehmen und die Unternehmensgewinne

147

Diese Gleichung zeigt, daß das Preisniveau im Gleichgewicht von den Lohn­ stückkosten (w/a) und den Zinsen pro Stück bestimmt wird. Die Lohnstückko­ sten können als Quotient aus dem Geldlohnsatz pro Stunde und der Arbeitspro­ duktivität, gemessen in der realen Nettowertschöpfung pro Stunde, berechnet werden. Bei gegebener Produktivität wird das Preisniveau durch die Gleichge­ wichtseinkommen determiniert; wenn die Arbeitsproduktivität und der Lohnsatz proportional ansteigen, dann bleiben die Lohnstückkosten konstant, und von den Lohnkosten geht kein Druck auf das Preisniveau aus. Zu einer dynamischen Analyse und damit zu den Faktoren, die das Preisni­ veau verändern, gelangt Keynes, indem er die Untemehmensgewinne in die Untersuchung einbezieht. Die Gleichung [7.6] bringt diese Ungleichgewichtsla­ ge zum Ausdruck. Das nominale Einkommen besteht nun aus den Untemehmensgewinnen und dem Einkommen, das den Nichtuntemehmerhaushalten zufließt, so daß die Verteilungsgleichung in der Form:

NWSn=W+Qz^Qu geschrieben werden kann. Ergänzt man die Bestimmungsgleichung des Preisni­ veaus um die Untemehmensgewinne, so erhält man die Keynessche Grundglei­ chung des Geldwerts:6 w

Q7

Qu

a

a•N

a•N

Sie zeigt, daß das Preisniveau im Ungleichgewicht nicht nur von den Löhnen und Zinsen, sondern auch von den Untemehmensgewinnen pro Stück abhängt. Entsteht im konjunkturellen Aufschwung eine Übemachfrage am Gütermarkt, so gilt: Qu = I - SH + Cy> 0 und das Preisniveau wird steigen, weil die Unterneh­ men Gewinne realisieren können. Eine solche Konstellation bezeichnet Keynes als eine Gewinninflation; sie ruft in der Folge einen Anstieg in den Lohnsätzen hervor und löst auf diese Weise eine Einkommens- oder Lohninflation aus, weil zum einen die Unternehmen um die Arbeitskräfte konkurrieren und zum anderen die Gewerkschaften bestrebt sein werden, durch ihre Geldlohnforderungen die Reallohnsenkung zumindest auszugleichen, welche bei einer Gewinninflation eintritt. Die steigenden Lohnstückkosten verursachen sodann einen kräftigen Preisniveauschub. Die umgekehrte Konstellation findet man im konjunkturellen 6

Siehe Keynes 1930, S.l 10-112.

148

Siebtes Kapitel

Abschwung, wenn ein Überangebot an den Gütermärkten vorherrscht. Die Un­ ternehmen werden Verluste hinnehmen müssen, so daß die Gewinne negativ werden: = I - SH + Cuentstehungskonto 1. Arbeitnehmerentgelt (Löhne) 2. Betriebsüberschuß 3. Seibständigeneinkommen

4. Nettowertschöpfung

II. 1.2 Primäres Einkommensverteilungskonto

1. geleistete Vermögenseinkommen 2. Primäreinkommen

3. 4. 5. 6.

Betriebsüberschuß Seibständigeneinkommen Arbeitnehmerentgelt empfangene Vermögenseinkom­ men

II. 1.2.1 Unternehmensgewinnkonto

1. geleistete Vermögenseinkommen (Zinsen und Pachten) 2. Unternehmensgewinne

3. Betriebsüberschuß 4. Seibständigeneinkommen 5. empfangene Vermögenseinkom­ men

II. 1.2.2 Konto der Verteilung sonstiger Primäreinkommen 1. ausgeschüttete Gewinne und Ge­ winnentnahmen 2. geleistete Vermögenseinkommen 3. Primäreinkommen

4. Untemehmensgewinne 5. Arbeitnehmerentgelt 6. empfangene Vermögenseinkom­ men

folgenden Stadien der primären Einkommensverteilung berücksichtigt. Das Einkommensentstehungskonto schließt mit dem Betriebsüberschuß; diese Kate­ gorie erfaßt in der Hauptsache den aus der Produktionstätigkeit der Kapitalge­ sellschaften resultierenden Überschuß. Dazu heißt es im ESVG: „Der Betriebs­ überschuß ist das Einkommen, das den Einheiten (i.e. Wirtschaftseinheiten / K.S.)

Die Unternehmen und die Untemehmensgewinne

153

aus der Eigennutzung ihrer Produktionsanlagen zufließt.“12 Wie das Konto II. 1.1 zeigt, ist er gleich dem Überschuß der Nettowertschöpfung über das Arbeitneh­ merentgelt. Im Sektor der privaten Haushalte - und nur dort - ist neben dem Betriebsüberschuß noch das Seibständigeneinkommen als weitere residuale Ver­ teilungskategorie vorgesehen. Der Grund für die Einführung dieser zusätzlichen Einkommensart im Haushaltssektor liegt darin, daß einigen der Produzenten, die dort aufgefuhrt werden, ein heterogener Einkommensstrom zufließt, der sowohl aus der Unternehmertätigkeit als auch aus der eigenen Arbeitsleistung gespeist wird; können diese beiden Komponenten nicht voneinander getrennt werden, so entsteht ein Seibständigeneinkommen, das sowohl Gewinnbestandteile als auch Elemente des Arbeitslohns enthält. Im strengen Sinne ist es also kein Residual­ einkommen. Das ESVG fuhrt dazu aus: „Im Fall der dem Sektor Private Haus­ halte angehörenden Unternehmen ohne eigene Rechtspersönlichkeit enthält der Saldo des Einkommensentstehungskontos implizit einen Bestandteil, bei dem es sich um die Vergütung für die vom Eigentümer oder von Mitgliedern seiner Familie geleisteten Arbeit handelt und die nicht von seinen in seiner Eigenschaft als Unternehmer erzielten Gewinnen unterschieden werden kann. In diesem Fall spricht man von ‘Selbständigeneinkommen’.“13 Das Konto der primären Einkommensverteilung zeigt die Wirtschaftseinhei­ ten als Empfänger eines Einkommens, das ihnen aufgrund ihrer unmittelbaren Teilnahme am Produktionsverfahren oder als Eigentümer eines Vermögenswer12 ESVG 1995, S.186. Der Untemehmensgewinn im funktionalen Sinne der beiden ersten Ab­ schnitte entsteht nur bei den nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften; er kann näherungsweise durch die Differenz zwischen dem Betriebsüberschuß und den Zinszahlungen berechnet werden, welche die nichtfinanziellen Unternehmen an ihre Gläubiger leisten müssen. Allerdings enthält der Betriebsüberschuß, der in den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen ausgewiesen wird, noch weitere Bestandteile, die insbesondere im zweiten Abschnitt unberücksichtigt blieben, wie beispielsweise den Gewinn, den Unternehmen realisieren können, weil sie als erste eine neue und produktivere Technik einsetzen. 13 ESVG 1995, S. 186. 14 ESVG 1995, S.186. Der Untemehmensgewinn im funktionalen Sinne der beiden ersten Ab­ schnitte entsteht nur bei den nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften; er kann näherungsweise durch die Differenz zwischen dem Betriebsüberschuß und den Zinszahlungen berechnet werden, welche die nichtfinanziellen Unternehmen an ihre Gläubiger leisten müssen. Allerdings enthält der Betriebsüberschuß, der in den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen ausgewiesen wird, noch weitere Bestandteile, die insbesondere im zweiten Abschnitt unberücksichtigt blieben, wie beispielsweise den Gewinn, den Unternehmen realisieren können, weil sie als erste eine neue und produktivere Technik einsetzen. 15 ESVG 1995, S. 186.

154

Siebtes Kapitel

tes zufließt, der anderen zur Nutzung überlassen wurde. Um die ökonomischen Unterschiede zwischen den Stufen der primären Verteilung zum einen sowie diejenigen zwischen den Kapitalgesellschaften und den Haushalten zum anderen darzustellen, wird dieses Konto tiefer untergliedert. Auf der Einnahmeseite des Unternehmensgewinnkontos werden der Betriebsüberschuß und das Seibständi­ geneinkommen aufgefuhrt, zudem die gesamten Vermögenseinkommen, die das Unternehmen aus seinen Aktiva empfängt. Diesen Positionen werden nur dieje­ nigen geleisteten Vermögenseinkommen gegenübergestellt, die mit der Tätigkeit des Unternehmens in einem engen Zusammenhang stehen; dazu zählen die Zin­ sen, welche das Unternehmen auf seine Verbindlichkeiten zahlt, sowie die Pach­ ten. Die Untemehmensgewinne bilden den Saldo dieses Kontos. Im nächsten Schritt wird der Übergang vom Untemehmensgewinn zum Primäreinkommen der Wirtschaftseinheiten vollzogen. Das Konto der Verteilung sonstiger Primär­ einkommen fuhrt daher diejenigen Bestandteile des Einkommens auf, die im Untemehmensgewinnkonto unberücksichtigt blieben. Bei den Kapitalgesell­ schaften fallen die ausgeschütteten Dividenden und - bei einer offenen Ökono­ mie - die reinvestierten Gewinne aus den ausländischen Direktinvestitionen in diese Rubrik; sie werden auf der Ausgabenseite aufgenommen. Für die privaten Haushalte müssen die geleisteten Vermögenseinkommen, insbesondere die Zin­ sen auf die Konsumentenschulden in diesem Konto erfaßt werden, darüber hin­ aus auch das Arbeitnehmerentgelt sowie die empfangenen Vermögenseinkom­ men, soweit sie nicht aus der Unternehmertätigkeit hervorgehen.16 In den Kreislaufmodellen, die wir in den beiden folgenden Kapiteln behan­ deln werden, sehen wir von den Unternehmen innerhalb des Haushaltssektors wieder vollständig ab und nehmen wie zuvor an, daß die Haushalte ausschließ­ lich konsumieren. Ferner schließen wir die Konsumentenkredite aus der Darstel­ lung aus und gehen wiederum von einem einheitlichen Untemehmenssektor aus, in dem die nichtfinanziellen und finanziellen Kapitalgesellschaften zusammen­ gefaßt sind.

16 ESVG 1995, S.l86 und 192.

Die Unternehmen und die Untemehmensgewinne

155

c) Die Zinsspanne und die unterstellten Bankgebühren

Am Schluß dieses Kapitels wollen wir noch kurz auf eine Besonderheit der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen eingehen, die in einer engen Bezie­ hung zu den Zinsgewinnen steht, welche die Banken in ihren Kreditgeschäften realisieren. Haben die nichtfinanziellen Unternehmen sich verschuldet, um ihre Produktionsprozesse durchzufuhren, so müssen sie aus dem entstandenen Ein­ kommen - genauer: aus dem Betriebsüberschuß oder dem Seibständigenein­ kommen - die Schuldzinsen an ihre Gläubiger entrichten. Besteht die Funktion der Banken darin, die Produktionsprozesse zu finanzieren, welche die Unter­ nehmen durchführen, dann bilden die zu leistenden Zinszahlungen einen Be­ standteil in der Wertschöpfung der nichtfinanziellen Unternehmen, der nicht in deren Untemehmensgewinne eingeht, sondern auf die Banken - oder die Vermö­ genshaushalte - übertragen werden muß. Die Banken, auf der anderen Seite, tragen nur durch den Verkauf ihrer Dienstleistungen zur Wertschöpfung bei, den wesentlichen Teil ihrer Einnahmen erzielen sie jedoch aus der Differenz zwi­ schen den Zinsen, die sie für gewährte Kredite von den Schuldnern fordern, und jenen, welche sie selbst an ihre Gläubiger zahlen müssen. Zwar kann man in einem weiteren Sinne auch die Gewährung oder Vermittlung von Krediten sowie die Annahme von Einlagen als eine Dienstleistung betrachten, welche die Ban­ ken verkaufen, ihre Einnahmen indes, die sie aus dem Kreditgeschäft beziehen, hängen von der Zinsdifferenz ab, nicht vom Umfang einer eingesetzten Arbeits­ menge. Die Zinsspanne konstituiert den eigentlichen Profit der Banken - vor Abzug der Vorleistungen, der Abschreibungen und Arbeitsentgelte; er wird um so höher ausfallen, je größer der Abstand zwischen den Aktiv- und den Passiv­ zinsen ist.17 Werden diese ökonomischen Ströme in den sektoralen Konten wiedergege­ ben, dann stößt man bei den Kreditinstituten auf ein ganz eigenes Problem, des­ sen Ursache in der Systematik der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen liegt. Letztere beginnen die Darstellung des Wirtschaftskreislaufs mit den logi­ schen Phasen der Produktion, der Einkommensentstehung und der primären Einkommensverteilung. Das Produktionskonto eines jeden Sektors enthält den Produktionswert, der gleich dem Wert der produzierten Waren und Dienstlei­ stungen ist, und weist die Brutto- oder Nettowertschöpfung als Saldo aus. Die­ sem Verständnis zufolge hängt der Produktions wert der Kreditinstitute von den 17 Genauer gesagt, ist die Zinsspanne gleich der Differenz, die zwischen den empfangenen Vermö­ genseinkommen und den geleisteten Zinsen besteht (siehe Statistisches Bundesamt 2000, S.21).

156

Siebtes Kapitel

Gebühren ab, welche das Publikum für die Bankdienstleistungen wie die Konto­ führung, die Wertpapiergeschäfte etc. entrichten muß. Erst im primären Ein­ kommensverteilungskonto der Banken, das an späterer Stelle im Kontensystem aufgeführt wird, werden sowohl die Zinseinnahmen - eingeschlossen die Zins­ spanne - als auch die geleisteten Zinszahlungen berücksichtigt, die aus den Kre­ ditgeschäften hervorgehen. Da in aller Regel der Produktionswert der Kreditin­ stitute kleiner als der Betrag ihrer Vorleistungskäufe ist, weist ihr Produktions­ konto eine negative Bruttowertschöpfung auf, wie die nachstehenden Übersich­ ten zeigen. Obgleich darin nur die besondere ökonomische Funktion zum Aus­ druck kommt, welche die Banken im Wirtschaftskreislauf ausüben, wird dieser negative Saldo als eine ungebührliche Erscheinung wahrgenommen, die es zu vermeiden gelte. Um den Gleichklang mit den nichtfinanziellen Kapitalgesell­ schaften nicht zu stören, sollten - so die verbreitete Auffassung - auch die Kreditinstitute eine positive Wertschöpfung aufweisen.18 Zu diesem Zweck wird der Wert ihrer Dienstleistungsproduktion künstlich heraufgesetzt, indem die Zinsspanne in eine sogenannte „unterstellte Bankge­ bühr“ verwandelt und dem Produktionswert der Kreditinstitute hinzugerechnet wird. Im ESVG werden diese fiktiven Bankgebühren als Einnahmen interpre­ tiert, welche die Banken aus dem Verkauf von - unterstellten - Bankdienstleis­ tungen an die gesamte Volkswirtschaft erzielt haben. Letztere werden als Vor­ leistungen betrachtet. Von diesen fiktiven Transaktionen werden zwei Konten berührt, nämlich das Produktionskonto und das Konto der primären Einkommensverteilung.19 Wird der Produktionswert der Banken um die unterstellten Bankgebühren erweitert, so enthält das Produktionskonto der Kreditinstitute die nachfolgenden Positionen. Wir legen die Daten für das Jahr 1999 zugrunde. Alle Angaben lauten auf Mrd. DM.20

18 Siehe dazu Kopsch 1987, S.38 und Dorow 1972, S.372f. 19 Die Behandlung der unterstellten Bankgebühren wird im ESVG 1995 beschrieben: sie werden als global zuzurechnende Vorleistungen betrachtet (S.22 Textziffer (Tz.) 1.13, und S.74, Tz. 3.70j); sie werden im Produktionskonto (S.184, Tz. 8.14) und im primären Einkommensvertei­ lungskonto (S.186, Tz. 8.24) gebucht. Siehe auch Statistisches Bundesamt 2000, S.21 fund S.27. 20 Diese Daten dieser und der nachfolgenden Übersicht sind dem Hauptbericht der Volkswirt­ schaftlichen Gesamtrechnungen für das Jahr 1999 entnommen. Siehe Statistisches Bundesamt 2000, S. 145.

Die Unternehmen und die Unternehmensgewinne Einnahmen 1. Produktionswert der Kreditinstitute 1.1 Produktionswert aus der Dienst­ leistungsproduktion 1.2 unterstellte Bankgebühren Ausgaben 2. Vorleistungen Saldo 3. unbereinigte Bruttowertschöpfung

157

186,32 55,22 131,10 69,25

117,07

Die in dieser Übersicht wiedergegebene unbereinigte Bruttowertschöpfung schließt die unterstellten Bankgebühren ein. Im Unterschied zu diesem Wertag­ gregat erhält man die bereinigte Bruttowertschöpfung, indem man den Produkti­ onswert um die unterstellte Bankgebühr vermindert. Als Bestandteil der erwei­ terten - daher bereinigten - Vorleistungen werden sie vom Produktionswert der Banken abgezogen. Die bereinigte Bruttowertschöpfung ist also kleiner als die unbereinigte, umgekehrt sind die bereinigten Vorleistungen größer als die unbe­ reinigten. Die Rechnung lautet nun: Einnahmen 1. Produktionswert (einschließlich unterstellte Bankgebühren) Ausgaben 2. Vorleistungen (einschließlich unter­ stellte Bankgebühren) 2.1 Vorleistungen 2.2 unterstellte Bankdienstleistungen Saldo 3. bereinigte Bruttowertschöpfung

186,32

200,35 69,25 131,10

-14,03

Legt man die unbereinigte Bruttowertschöpfung zugrunde und geht im Kontenschema der Kreditinstitute weiter, so erhält man eine positive Nettowert­ schöpfung sowie, nachdem das Arbeitnehmerentgelt abgezogen wurde, den Nettobetriebsüberschuß, der in das primäre Einkommensverteilungskonto über­ tragen wird. Auf dieser Stufe der Darstellung werden die Zinsen in die Untersu­ chung einbezogen: Allen Zinseinkommen, welche die Banken empfangen haben, stellt man jene Zinszahlungen gegenüber, welche sie geleistet haben. Die Diffe­ renz beider Ströme ergibt die Zinsspanne. Um Doppelzählungen zu vermeiden, muß die unterstellte Bankgebühr, die bereits im Nettobetriebsüberschuß der Kreditinstitute enthalten und nur ein anderer Name für die Zinsspanne ist, auf der Einnahmeseite des primären Einkommensverteilungskontos von diesem

158

Siebtes Kapitel

Überschuß wieder abgezogen werden. Dem unterstellten Vorleistungsverkauf seitens der Banken müssen entsprechende Korrekturposten im Kontensystem der gesamten Volkswirtschaft gegenübergestellt werden. Die gesamten Vorleistun­ gen der Ökonomie werden um die unterstellte Bankgebühr vermehrt; im primä­ ren Einkommensverteilungskonto der gesamten Volkswirtschaft wird diese Posi­ tion wieder korrigiert.21 In der weiteren Untersuchung werden wir von den unterstellten Bankgebüh­ ren absehen. Diese Vereinfachung fällt um so leichter, als wir die Kapitalgesell­ schaften nicht in die finanziellen und die nichtfinanziellen unterteilen, sondern, wie oben bereits angeführt, unseren Kreislaufmodellen einen einheitlichen Un­ temehmenssektor zugrunde legen.

21 Eine ausführliche Darstellung der Buchungen für das ESVG 1970, die in der neue Version von 1995 im wesentlichen übernommen wurde, gibt Dorow 1972, S.380f.

8. Kapitel

Das Kreislaufmodell einer offenen Ökonomie

In den vorangehenden Kapiteln haben wir die Kreislaufzusammenhänge in einer geschlossenen Ökonomie untersucht. Wir gehen nun zu einem - zugegebener­ maßen stark vereinfachten - Kreislaufmodell einer offenen Ökonomie über, dessen außenwirtschaftliche Transaktionen die Produktion, die Einkommensver­ teilung und die Einkommensverwendung beeinflussen und die Vermögensbe­ stände verändern. In den inländischen Produktionsprozessen werden Waren und Dienstleistungen für den Export hergestellt, importierte Güter kommen in den inländischen Unternehmen als Produktionsmittel zum Einsatz oder sie werden von den Konsumenten verbraucht. Darüber hinaus treten grenzüberschreitende Einkommensströme auf, weil inländische Gläubiger Forderungen an das Ausland haben oder inländische Schuldner Zinsen auf ihre ausländischen Verbindlichkei­ ten zahlen müssen. Neben diesen Vermögenseinkommen entstehen grenzüber­ schreitende Einkommen auch dadurch, daß Arbeiter aus dem Inland auspendeln, um im Ausland zu arbeiten. Außerdem wird der Wert der Exporte in der Regel vom Wert der Importe abweichen: Auf diese Weise ändern sich die Kreditbezie­ hungen mit dem Ausland, die Auslandsforderungen oder die Auslandsverbind­ lichkeiten werden steigen oder fallen. Diese außenwirtschaftlichen Transaktio­ nen werden sowohl in den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen, die vom Statistischen Bundesamt erstellt werden, als auch in der Zahlungsbilanzstatistik der Deutschen Bundesbank erfaßt. Letztere berichtet in tiefer Gliederung nach Finanzinstrumenten, nach den beteiligten inländischen Sektoren und nach Wirt­ schaftsregionen des Auslands über alle außenwirtschaftlichen FinanzierungsVor­ gänge. War bislang eher unspezifisch vom Inland und vom Ausland die Rede, so müssen diese beiden Begriffe für die nachfolgenden Untersuchungen genauer definiert werden. Um diejenigen wirtschaftlichen Einheiten zu bestimmen, die zur Ökonomie eines Landes zu zählen sind, betrachtet man das Wirtschaftsgebiet

160

Achtes Kapitel

und die gebietsansässigen Wirtschaftseinheiten. In der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung heißt es dazu: „Zur Volkswirtschaft wird die wirtschaftliche Betätigung aller Wirtschaftseinheiten gerechnet, die ihren ständigen Sitz bzw. Wohnsitz im Wirtschaftsgebiet haben. (...) Für die Abgrenzung ist im allgemei­ nen die Staatsangehörigkeit ohne Bedeutung; ebenso ist es unerheblich, welche Rechtsform die Wirtschaftseinheiten haben. Ständig im Inland befindliche Pro­ duktionsstätten, Verwaltungseinrichtungen usw. zählen deshalb zu den inländi­ schen Wirtschaftseinheiten, unabhängig von den Eigentumsverhältnissen; umge­ kehrt gehören ständig im Ausland gelegene Produktionsstätten, Verwaltungsein­ richtungen usw. im Eigentum von Inländern nicht zu den inländischen Wirt­ schaftseinheiten.“1 Inländer sind folglich diejenigen Personen, die ihren Haupt­ wohnsitz oder Geschäftssitz im Inland haben. Von dieser Definition der Volks­ wirtschaft ausgehend kann man zwei Konzepte voneinander unterscheiden, nach denen die Produktion und das Einkommen erfaßt werden. Nach dem Inlandskon­ zept wird die wirtschaftliche Leistung einer Region oder eines Gebiets ermittelt, nach dem Inländerkonzept wird die wirtschaftliche Leistung einer Personen­ gruppe abgegrenzt, die sich aus Inländern im Sinne der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen zusammensetzt.2 Nach dem Inlandskonzept werden solche Wertaggregate wie das Bruttoinlandsprodukt und das Nettoinlandsprodukt erho­ ben, das Brutto- und das Nettonationaleinkommen beruhen hingegen auf dem Inländerkonzept. So wird zum Beispiel das Einkommen eines Haushalts, das er aus dem Besitz von ausländischen Wertpapieren bezieht, nach dem Inlandskon­ zept zwar nicht zur wirtschaftlichen Leistung eines Landes gezählt, aber nach dem Inländerkonzept bildet es einen Bestandteil der wirtschaftlichen Aktivität der Volkswirtschaft. Es geht in das empfangene und zu verwendende Einkom­ men der Inländer ein. Ähnlich verhält es sich mit dem Einkommen der Pendler, die im Nachbarland arbeiten. In diesem Kapitel werden wir von einer offenen Ökonomie ohne Staat aus­ gehen, um die Kreislaufbeziehungen zwischen den inländischen Sektoren und dem Ausland zu untersuchen. Der erste Abschnitt zeigt mittels eines einfachen Modells, in welcher Weise das Bruttonationaleinkommen mit dem Bruttoin­ landsprodukt verbunden ist. Im zweiten Abschnitt steht der Finanzierungssaldo mit dem Ausland im Mittelpunkt der Untersuchung. Aus dem zusammengefaß­ ten Außenkonto der Ökonomie wird im dritten Abschnitt die Zahlungsbilanz - in ihren Grundzügen - hergeleitet, der ebenfalls das Inländerkonzept zugrunde 1 2

Statistisches Bundesamt 1999a, S.29. Siehe dazu auch ESVG 1995, S.37. Siehe Krelle 1967, S. 102.

Das Kreislaufmodell einer offenen Ökonomie

161

liegt. Wir werden zunächst ein einfaches Schema der Zahlungsbilanz betrachten und daran anschließend im vierten Abschnitt die Positionen in der Zahlungsbi­ lanz der Bundesrepublik Deutschland angeben. Bevor wir mit der Betrachtung der Kreislaufzusammenhänge beginnen, sei noch eine Bemerkung zur Terminologie vorangestellt. Bisher benutzten wir die Begriffe der Brutto- und der Nettowertschöpfung, um die wirtschaftliche Lei­ stung einer Volkswirtschaft zu erfassen. Im vorliegenden Kapitel werden wir an ihrer Stelle die Begriffe: Bruttoinlandsprodukt und Nettoinlandsprodukt verwen­ den, um die gleichen Wertaggregate zu beschreiben. Vorläufig können wir beide Begriffspaare als Synonyme ansehen, ihre ökonomischen Unterschiede werden erst im achten Kapitel mit der Einbeziehung des Staates in den Kreislauf rele­ vant.

a) Ein einfaches Kreislaufmodell der offenen Ökonomie ohne Staat Um ein einfaches Modell der offenen Ökonomie zu entwickeln, benötigt man zusätzlich zu den bisher betrachteten Strömen fünf weitere: die Exporte und Importe von Waren und Dienstleistungen, die mit EXG und IMG bezeichnet werden; hinzukommen die grenzüberschreitenden Faktoreinkommen, die aus einem Strom bestehen, der vom Inland in das Ausland fließt und durch das Sym­ bol YAu5 ausgedrückt wird, und einem zweiten, der sich in der umgekehrten Richtung vom Ausland in das Inland bewegt und das Symbol Y/n erhält. Der tiefgestellte Index gibt jeweils die Richtung des grenzüberschreitenden Stromes an. Schließlich verbleibt als fünfte Stromgröße das Sparen des Auslands, das mit dem Symbol SA wiedergegeben wird und die Differenz zwischen dessen Ein­ nahmen und Ausgaben ausdrückt. Dieser Differenzstrom schließt den Kreislauf­ pol des Auslands. In der Abbildung [8.1] werden diese Ströme zwischen dem Inland und der übrigen Welt3 dargestellt, wobei die Güterexporte EXG und die Faktoreinkommen Yfn, welche die Inländer aus der übrigen Welt erhalten, zu einem Geldstrom zusammengefaßt werden, dessen Pfeilspitze auf den inländi­ schen Untemehmenssektor weist. Umgekehrt verhält es sich mit den Importen und denjenigen Faktoreinkommen, welche das Inland an die übrige Welt leistet. Bei den Exporten muß man beachten, daß zwar die Güter in das Ausland gelie­ 3

Im folgenden benutzen wir die beiden Begriffe „Ausland“ und „übrige Welt“ synonym. Während das Statistische Bundesamt in seinen Publikationen den letzteren verwendet, benutzt die Deut­ sche Bundesbank in ihrer Zahlungsbilanzstatistik den ersteren.

162

Achtes Kapitel

fert werden, der Geldstrom aus den Exporterlösen aber dem Inland zufließt; beim Güterimport fließt der Geldstrom in die übrige Welt.

Abbildung 8.1: Ein Kreislaufmodelt einer offenen Ökonomie ohne Staat

Geht man vom Inlandskonzept aus, dann besteht das Einkommen der Öko­ nomie aus dem Nettoinlandsprodukt - oder gleichbedeutend: der Nettowert­ schöpfung -, das innerhalb ihres Gebietes entstanden ist. Da die Inländer, wie oben ausgeführt, über Auslandsvermögen und Auslandsverbindlichkeiten verfü­ gen und zudem in der übrigen Welt erwerbstätig sind, muß dieses Nettoinlands­ produkt um den Saldo der grenzüberschreitenden Einkommen korrigiert werden, um jenes Einkommensaggregat zu erhalten, über das sie tatsächlich zum Zwecke des Konsums und der Vermögensbildung disponieren können. In der Volkswirt­ schaftlichen Gesamtrechnung wird dieses Aggregat als Nettonationaleinkommen NNE oder auch als Primäreinkommen bezeichnet. Im Unterschied zum vorange­ henden Kapitel betrachten wir am Kreislaufpol der Untemehmensgewinne nun das Unternehmen als eine einkommensbeziehende Einheit, die sämtliche Gewin­ ne einbehält und zur Selbstfinanzierung der Investitionen verwendet. Von den Untemehmerhaushalten sehen wir also ab. Wir ordnen dem Teil des Nettonatio­

Das Kreislaufmodell einer offenen Ökonomie

163

naleinkommens, der von den Unternehmen an die Haushalte verteilt wird, das Symbol NNEU/H zu. Diese beiden Einkommenskategorien enthalten den Ein­ kommenssaldo mit dem Ausland und bilden das gesamte Nettonationaleinkom­ men:

NNE^NNE^n+Qy. Die Beziehung zwischen diesem Einkommensaggregat und dem Nettoinlands­ produkt NIP wird in der Gleichung

NNE = NIP+YIn-YAus

[8.1]

hergestellt. Die Differenz Yin - YAus gibt den Saldo der grenzüberschreitenden Einkommen an. Betrachten wir zunächst die gesamtwirtschaftliche Produktion in der Abgren­ zung des Inländerkonzepts. Am Kreislaufpol der Unternehmen können die ein­ zelnen Ströme wie zuvor nach Ausgaben und Einnahmen gruppiert werden, so daß die Gleichung D + Qa+ NNE^ + IMC + YAus = Ib + CH + EXG + Y{„

[8.2]

entsteht. Im folgenden bezeichnen wir das Bruttonationaleinkommen mit dem Symbol BNE. Faßt man die grenzüberschreitenden Einkommensströme auf der rechten Seite der Gleichung zum Saldo YIn - YAus zusammen und verfährt mit den Güterexporten und den Güterimporten in gleicher Weise, dann erhält man die beiden Gleichungen: D + NNE = lb + CH + EXG - IMg + Y/n - YAus

[8.3a]

BNE = lb + CH + EXg - IMg + Yln - YAus.

[8.3b]

Die rechte Seite der letzten Gleichung enthält die inländischen Nachfrageaggre­ gate und die Nachfrage des Auslands nach Gütern aus der inländischen Produk­ tion, die hier als Saldo der Güterausfuhr und der Gütereinfuhr angegeben wird: EXG - IMG, sowie den Saldo der Faktoreinkommen mit der übrigen Welt; der Wert dieser Aggregate ist gleich dem Umfang des Bruttonationaleinkommens. Um vom Bruttonationaleinkommen zum Bruttoinlandsprodukt überzugehen, muß wiederum der Saldo der Faktoreinkommen mit dem Ausland in die Rech­ nung eingeführt werden. Aus der Beziehung [8.1] folgt:

Achtes Kapitel

164

NIP = NNE-(Yln-YAus), so daß aus den Gleichungen [8.3] nach den entsprechenden Umformungen die beiden neuen Gleichungen

D + NIP = ft + CH + EXG - IMg

[8.4a]

BIP = ft + CH + EXg - IMg

[8.4b]

entstehen, in denen das Bruttoinlandsprodukt durch seine Verwendungsaggrega­ te dargestellt wird, die auf der rechten Seite der beiden Gleichungen aufgefuhrt werden. Schließlich kann man das Bruttonationaleinkommen und das Bruttoin­ landsprodukt einander direkt gegenüberstellen und erhält aus den beiden Glei­ chungen [8.4b] und [8.3b] den Ausdruck: BNE = BIP+YIn-YAus.

[8.5]

Im ESVG 1995 wird die Differenz zwischen dem Wert der exportierten und dem Wert der importierten Güter: EXG - IMG als Außenbeitrag bezeichnet; er bezieht sich ausschließlich auf die grenzüberschreitenden Transaktionen mit Waren und Dienstleistungen.4 Somit ist das Bruttoinlandsprodukt in diesem Kreislaufmodell gleich der Summe aus den Bruttoinvestitionen, den Konsum­ ausgaben der Haushalte und dem Außenbeitrag. Faßt man die gleichgerichteten Ströme aus den Gütertransaktionen und den grenzüberschreitenden Einkommen zusammen:

EX=EXG+Y,n

und IM = IMG+YAus

dann kann das Bruttonationaleinkommen auch durch die Beziehung: BNE = ft + CH + EX - IM bestimmt werden. In der Terminologie des ESVG 1995 wird die Differenz EX - IM als der Saldo der laufenden Außentransaktionen bezeichnet. Die Verwendung des gesamten Nettonationaleinkommens kann an den Kreis­ laufpolen des Haushalts und der Untemehmensgewinne abgelesen werden; diese Beziehungen bieten nichts Neues. Wird das gesamte Sparen des privaten Sektors wie zuvor mit S bezeichnet, dann erhält man wegen Qy = Sy für alle Einkom­ mensbezieher die Verwendungsgleichung:

CH + S = NNE. 4

Siehe ESVG 1995, S.84 und ebd. S.223-226.

[8.5]

Das Kreislaufmodell einer offenen Ökonomie

165

Kommen wir nun zum Kreislaufpol des Auslands. Betrachtet man die Ströme aus der Sicht des Auslands, dann bilden die inländischen Importe dessen Ein­ nahmen und die inländischen Exporte dessen Ausgaben. Aus der Gleichung: EX + SA = IM, welche die Ströme dieses Kreislaufpols zusammenfaßt, erhält man die Definition für das Sparen des Auslands: sa

= im-ex.

[8.6]

Die grenzüberschreitenden Faktoreinkommen sind in den Exporten und Impor­ ten eingeschlossen. Wie das Sparen des Auslands zeigt, besteht ein spezifischer Zusammenhang zwischen der Vermögensbildung des Auslands und den wirt­ schaftlichen Aktivitäten des Inlands. Am Kreislaufpol der Vermögensänderung findet man die Beziehung:

‘ = ^SA,

[8-7]

die den inländischen Investitionen das gesamte Sparen der Inländer und das Sparen des Auslands gegenüberstellt. Setzt man aus der Gleichung [8.6] in die Gleichung [8.7] ein und formt letztere um, dann entsteht der Ausdruck:

S = I+EX-IM. Aus inländischer Sicht wird die Differenz zwischen den Exporten und den Importen durch den Leistungsbilanzsaldo LBS angegeben: 5

LBS - EX - IM, so daß die Beziehung zwischen dem Sparen, den Investitionen und dem Lei­ stungsbilanzsaldo die Form annimmt: S = I + LBS.

[8.8]

Ist der Leistungsbilanzsaldo gleich Null, sind also die Exporte dem Wert nach gleich den Importen, dann ist das Sparen der Inländer gleich den Investitionen, ist er hingegen von Null verschieden, dann weichen das Sparen und die Investi­ 5

Im Abschnitt (b) dieses Kapitels werden wir genauer auf die Leistungsbilanz und deren Saldo eingehen. Von den unentgeltlichen Übertragungen wurde hier der Einfachheit halber abgesehen.

Achtes Kapitel

166

tionen voneinander ab. Nehmen wir an, daß die Exporte größer als die Importe sind; der Leistungsbilanzsaldo ist dann positiv. In diesem Fall setzt sich die Vermögensbildung der Inländer aus zwei Komponenten zusammen, nämlich erstens aus der Bildung des inländischen Produktivvermögens und zweitens aus der Bildung eines Auslandsvermögens. Im umgekehrten Fall eines negativen Leistungsbilanzsaldos gleicht das Sparen der Inländer deren Investitionen nicht aus. Am zusätzlichen Produktivvermögen, ausgedrückt in den Investitionen /, ist daher auch die Geldvermögensbildung des Auslands SA beteiligt. Der Zusam­ menhang zwischen der Vermögensbildung der Inländer und derjenigen des Aus­ lands wird durch die Güter- und Verteilungstransaktionen hergestellt, wie leicht zu sehen ist. Aus der Gleichung [8.7] folgt für das Sparen des Auslands: - SA = S -1 und aus der Gleichung [8.8] erhält man den Ausdruck: S -1 = LBS. Setzt man beide gleich: -SA=LBS,

dann wird deutlich, daß mit den Güter- und Verteilungstransaktionen zwischen den Inländern und der übrigen Welt immer dann eine Vermögensbildung für eine der beiden Seiten verbunden ist, wenn der Leistungsbilanzsaldo von Null verschieden ist. Diesen Zusammenhang werden wir im nächsten Abschnitt dieses Kapitels noch genauer untersuchen und im anschließenden Abschnitt über die Zahlungsbilanz wieder aufnehmen. Anstelle der Kategorie: Sparen des Auslands, die stets die Sicht des Auslands in die Kreislaufbeziehungen der Ökonomie hi­ neinträgt, werden wir von nun an mit dem Begriff: Finanzierungssaldo der In­ länder argumentieren, der - wie der Name sagt - die Ströme und Bestandsände­ rungen aus der Sicht der Inländer beschreibt.

b) Der Finanzierungssaldo gegenüber dem Ausland

Bevor wir näher auf den Finanzierungssaldo eingehen, der aus den außenwirt­ schaftlichen Beziehungen resultiert, welche die Inländer eingehen, fassen wir die Ströme unseres Kreislaufmodells in der Kontenform zusammen. Dem gesamt­ wirtschaftlichen Produktionskonto liegt die, um die Vorleistungen erweiterte Gleichung [8.4a] zugrunde. Die Vorleistungen umfassen allerdings nur die Transaktionen zwischen den inländischen Wirtschaftseinheiten, so daß die erste

Das Kreislaufmodell einer offenen Ökonomie

167

und die vierte Kontenposition im Produktionskonto wiederum nur die Vorlei­ stungsverflechtungen zwischen den inländischen Unternehmen wiedergeben und folglich dem Betrage nach gleich sind. Die importierten Vorprodukte sind in den Importen enthalten, wie umgekehrt alle Vorprodukte, die im Inland hergestellt und in die übrige Welt geliefert werden, einen Bestandteil der Exporte bilden. /. Gesamtwirtschaftliches Produktionskonto

1. Vorleistungen (VL) 2. Importe von Gütern (IMG) 3. Bruttoinlandsprodukt (BIP) 3.1 Abschreibungen (D) 3.2 Nettoinlandsprodukt (NIP)

4. Vorleistungen (VL) 5. Bruttoinvestitionen (/^)

6. Konsumausgaben der Haushalte (Cjf) 7. Exporte von Gütern (EXq)

Dem gesamtwirtschaftlichen Produktionskonto kann man den Produktionswert PW entnehmen, wenn die Güterimporte wieder auf beiden Seiten subtrahiert werden:

PW = VL +Ib + CH +EXG-IMG

oder PW = VL + BIP.

Das gesamtwirtschaftliche Produktionskonto wird nach dem Inlandskonzept erstellt. Die grenzüberschreitenden Faktoreinkommen werden erst im gesamt­ wirtschaftlichen Einkommenskonto berücksichtigt, in dem auch der Übergang vom Inlandskonzept zum Inländerkonzept vollzogen wird. II. Das gesamtwirtschaftliche Einkommenskonto

1. Konsumausgaben der Haushalte (Cjf 2. Sparen (S)

3. Nettonationaleinkommen (NNE) 3.1 Nettoinlandsprodukt (NIP) 3.2 Saldo der grenzüberschrei­ tenden Einkommen ^In "

Das Sparen der Inländer - der Haushalte und der Unternehmen - bildet den Saldo des Einkommenskontos, der im Konto der Vermögensänderung gegenge­ bucht wird. Letzteres besteht aus den beiden Unterkonten der Vermögensbildung und der Finanzierung.

Achtes Kapitel

168

III.l Vermögensbildungskonto

1. Investition (/) 2. Finanzierungssaldo (FSj)

3. Sparen (S)

II 1.2 Finanzierungskonto

1. Änderung der Forderungen an Inländer (AFjj) 2. Änderung der Auslandsforde­ rungen (AF)

3. Änderung der Verbindlich­ keiten geg. Inländern (AFyy) 4. Änderung der Auslandsver­ bindlichkeiten (AF) 5. Finanzierungssaldo (FSj)

In den Konten III.l und III.2 bezeichnen wir mit dem Symbol FSj den Finan­ zierungssaldo der Inländer mit dem Ausland. Im Finanzierungskonto werden zwei Gruppen von Kreditbeziehungen wiedergegeben, nämlich die Forderungen &Fn und die Verbindlichkeiten AP^, die zwischen den Inländern bestehen, sowie die Auslandsforderungen AF und die Auslandsverbindlichkeiten AK6 Aus dem dritten Kapitel ist bekannt, daß in den Kreditverflechtungen zwischen den Inlän­ dern die Summe der Forderungen gleich der Summe der Verbindlichkeiten sein muß; dies gilt auch für die Änderungen dieser beiden Bestandsgrößen. Daher faßt der im Konto II.2 ausgewiesene Saldo FSj nur die Änderungen zusammen, die im Bestand der Auslandsforderungen und der Auslandsverbindlichkeiten zu verzeichnen sind. Die Beziehung des Finanzierungssaldos zum Sparen des Aus­ lands ist aus der Abbildung [8.1] zu erkennen. Aus der Gleichung [8.7], die am Kreislaufpol der Vermögensänderung entsteht, erhält man - wie oben bereits erwähnt - die Beziehung: - SA = S -1; gibt man dem neuen Ausdruck (- SA) den Namen Finanzierungssaldo der Inländer, dann wechselt man den Blickwinkel, aus dem dieser Strom betrachtet wird, und nimmt die Sicht der Inländer ein. Somit legen wir die Identität fest:

^ = -SA.

[8-9]

Dieser Finanzierungssaldo kann positiv oder negativ sein. Ist er positiv, so daß gilt: FSj > 0, dann liegt ein Finanzierungsüberschuß der Inländer vor, ist er nega­ 6

Die Symbolische Darstellung weicht in diesem Kapitel von denjenigen Bezeichnungen ab, die im dritten Kapitel für die Auslandsforderungen und die Auslandsverbindlichkeiten benutzt wur­ den. Letztere werden an dieser Stelle nicht durch einen Index spezifiziert, um eine spätere Dop­ pelindizierung zu vermeiden.

Das Kreislaufmodell einer offenen Ökonomie

169

tiv: FSj < 0, dann hat die Ökonomie in ihren außenwirtschaftlichen Beziehungen ein Finanzierungsdefizit realisiert. Wir können den Zusammenhang, der im Fi­ nanzierungskonto wiedergegeben wird, auch in der Gleichung:

[8.10]

FS^kF-W

ausdrücken. Da der Finanzierungssaldo FSj im Konto III.2 nur aus der Änderung der Kreditbeziehungen zwischen den Inländern und dem Ausland hervorgeht, gibt er die Veränderung der Nettoauslandsposition der Inländer wieder. Das Bilanzänderungskonto zeigt zum einen, ob der Vermögensbestand der Ökonomie durch die binnenwirtschaftlichen und außenwirtschaftlichen Transak­ tionen gewachsen oder geschrumpft ist, und zum anderen die Umschichtungen im Vermögen, die eingetreten sind. Aus dem Vermögensänderungskonto werden die Informationen über die Bildung des Produktivvermögens und über das Spa­ ren, aus dem Finanzierungskonto die Angaben über die Geldvermögensbildung und die Finanzierung der Vermögensänderungen übernommen. Man erhält dar­ aus die Gleichung: I + bF-

welche zeigt, daß die Änderung des Reinvermögens &RVder Gesellschaft gleich dem Sparen der Inländer ist. Werden die Bestandsänderungen bei den Verbind­ lichkeiten wieder auf beiden Seiten der Gleichung addiert, dann kann dieser Zusammenhang im folgenden Konto IV dargestellt werden. IV. Das Bilanzänderungskonto

Änderung der Aktiva 1. Änderung des Bruttogeldver­ mögens 1.1 Änderung der Forderungen an Inländer 1.2 Änderung der Auslandsforde­ rungen (AF) 2. Änderung des Produktiv­ vermögens (APV)

Änderung der Passiva 3. Änderung der Verbindlich­ keiten gegenüber Inländern

4. Änderung der Auslands­ verbindlichkeiten (AF) 5. Änderung des Reinvermögens (ARV)

Schließlich werden die Gegenbuchungen zu allen außenwirtschaftlichen Transaktionen im zusammengefaßten Außenkonto aufgenommen, das alle Vor­ gänge aus der Sicht des Auslands zeigt. Die Exporte des Inlands in die übrige

Achtes Kapitel

170

Welt werden auf der Ausgabenseite und seine Importe auf der Einnahmeseite dieses Kontos dargestellt. Aus der Sicht des Auslands sind die Einnahmen, wel­ che das Inland aus seinen Exporten erhält, gerade die Ausgaben. Ebenso verhält es sich mit den grenzüberschreitenden Einkommensströmen. Da das zusammen­ gefaßte Außenkonto die Gegenbuchungen zu allen außenwirtschaftlichen Strö­ men wiedergibt, somit auch den Finanzierungssaldo FSj, hat es selbst keinen Saldo, sondern ist definitionsgemäß stets ausgeglichen. Wir fassen wiederum die Güterströme und die Verteilungsströme zu einem Aggregat zusammen und erhalten dann das folgende Außenkonto. K Das zusammengefaßte Außenkonto 2. Importe (IM) 3. Finanzierungssaldo (FSß

1. Exporte (EX)

Daraus gewinnt man die Gleichung: FSj = EX-IM

[8.11]

Untersuchen wir den Finanzierungssaldo der Inländer genauer. Ist er positiv, dann haben die Inländer einen Exportüberschuß realisiert und aus der Sicht des Auslands ist ein Finanzierungsdefizit entstanden, weil dessen Verbindlichkeiten gegenüber den Inländern gestiegen sind: Beide Salden sind dem Betrage nach gleich, unterscheiden sich aber im Vorzeichen voneinander. Bezeichnen wir den Finanzierungssaldo des Auslands mit FSA, so gilt die Beziehung: FSj= - FSA. Lediglich das Vorzeichen kehrt sich um, wenn man die Perspektive wechselt, aus der dieser Saldo betrachtet wird. Liegt ein Finanzierungsüberschuß oder ein Finanzierungsdefizit vor, dann erhalten wir die folgenden Konstellationen:

FSj = - FSA

(+)

(-)

oder

FS/ = - FSA .

(-)

(+)

Aus den bislang betrachteten Strömen zwischen der Volkswirtschaft - in der Abgrenzung des Inländerkonzepts - und dem Ausland ergeben sich wichtige Kreislaufbeziehungen von grundlegender Bedeutung, die den Zusammenhang zwischen dem Außenhandel und seiner Finanzierung deutlich hervortreten las­ sen. Wir hatten zuvor den Leistungsbilanzsaldo der Ökonomie als die Differenz zwischen dem Export und dem Import definiert: LBS = EX - IM. Zudem zeigt die

Das Kreislaufmodell einer offenen Ökonomie

171

aus dem Außenkonto gewonnene Gleichung [8.11], daß der Finanzierungssaldo ebenfalls gleich der Differenz zwischen den Exporten und den Importen ist. Aus diesen beiden Gleichungen erhält man folglich die Identität:7 LBS = FSj.

[8.12]

Der Finanzierungssaldo der Inländer wird durch die Gleichung [8.10]: FSj = AF -AK bestimmt. Zusammen mit der Identität [8.12] erhält man daraus die neue Gleichung EX-1M=AF-AK

[8.13]

Sie zeigt, daß der Umfang, in dem sich die Nettoauslandsposition verändert, in einem engen Zusammenhang mit den Güterströmen steht - einschließlich der grenzüberschreitenden Einkommen. Weicht der Wert der Exporte vom Wert der Importe ab, dann muß diese Differenz zwischen den Strömen finanziert werden, und die Kreditbeziehungen zwischen den Inländern und dem Ausland ändern sich. Realisiert ein Land einen Exportüberschuß, dann ist der Nettozugang zu seinen Forderungen AF größer als der Nettozugang zu seinen Verbindlichkeiten AK oder der Betrag, um den die Forderungen insgesamt sinken, ist kleiner als der Betrag, um den die Verbindlichkeiten vermindert werden. Umgekehrt verhält es sich bei einem Importüberschuß. Da der Leistungsbilanzsaldo gleich der Ände­ rung der Nettoauslandsposition FSj ist, sind die grenzüberschreitenden Güter­ und Verteilungsströme stets mit den Kreditänderungen verbunden. Diese Bezie­ hung wird im Rahmen der Zahlungsbilanz eingehender untersucht.

7

Die Gleichheit zwischen dem Leistungsbilanzsaldo und dem Finanzierungssaldo kann auch aus

dem Sparen des Auslands abgeleitet werden, indem die Gleichung£Ä5 = - S^, die aus der Be­ ziehung [8.6] folgt, und die Identität FSj - -

aus [8.9] benutzt werden.

172

Achtes Kapitel

c) Die Grundzüge der Zahlungsbilanz

Die Inländer verfugen über Vermögensbestände, die aus dem Produktivvermö­ gen und dem Geldvermögen bestehen. Zum letzteren gehören zum einen die Inlandsforderungen und die Inlandsverbindlichkeiten; sie konstituieren Kredit­ beziehungen zwischen den Inländern, die sich wechselseitig saldieren und daher im gesamtwirtschaftlichen Finanzierungskonto nicht mehr auftreten. Sie werden erst sichtbar, wenn dieses Konto sektoral disaggregiert wird. Es verbleiben somit die Auslandsforderungen und die Auslandsverbindlichkeiten, die wir hier - der Notation des zweiten Abschnitts folgend - mit F und K bezeichnen. Zieht man von den Auslandsforderungen die Auslandsverbindlichkeiten ab, so erhält man die Nettoauslandsposition der Ökonomie. Zum Bestand der Auslandsforderun­ gen zählen zum einen die Devisen; unter dieser Vermögensposition versteht man die kurzfristig verfügbaren Guthaben in fremder Währung, die Inländer bei aus­ ländischen Banken besitzen. Zum anderen werden diejenigen Kredite zu den Auslandsforderungen gerechnet, welche die Banken als Buchkredite an auslän­ dische Gebietsansässige vergeben haben und die auf Euro lauten oder welche die verbriefte Form von Wertpapieren angenommen haben. Die Auslandsverbind­ lichkeiten können in gleicher Weise unterteilt werden, wobei die Devisenver­ bindlichkeiten in den Verbindlichkeiten aus Bankkrediten in fremder Währung bestehen - so daß die Inländer Zahlungen in fremder Währung leisten müssen; zu den übrigen Verbindlichkeiten zählen wiederum Schuldtitel oder Bankkredite. Die Devisenbestände der Zentralbank werden auch als Währungsreserve be­ zeichnet und gehören zum Geldvermögen der Inländer.8 Wir unterteilen im fol­ genden die Auslandsaktiva und die Auslandspassiva in zwei Kategorien: in die Devisenbestände und die übrigen Bestände des Auslandsvermögens, die wir als Forderungen oder als Verbindlichkeiten aus Kreditgeschäften bezeichnen. Der Finanzierungssaldo des Außenkontos gibt, wie zuvor ausgefuhrt, die Änderungen wieder, die in den Kreditbeziehungen zwischen der Volkswirtschaft - in der Abgrenzung des Inländerkonzepts - und dem Ausland aufgetreten sind. Da wir die letzteren jeweils in Kredite ausschließlich der Devisenforderungen und -Verbindlichkeiten und in die Devisen unterteilt haben, setzt sich eine Ände­ rung in den Auslandsforderungen AF aus den beiden Komponenten: Änderung der Forderungen aus den Krediten AF^ und Änderung der Forderungen aus den 8

Das Gold bildet einen Bestandteil der Währungsreserven eines Landes und gilt aus historischen Gründen als Forderung an das Ausland (siehe Deutsche Bundesbank 1990, S.91). Wir sehen hier vom Gold ab.

Das Kreislaufmodell einer offenen Ökonomie

173

Devisenbeständen AF^ zusammen. In gleicher Weise werden die Änderungen im Bestand der Verbindlichkeiten AK in solche eingeteilt, die aus den Kreditbe­ ziehungen hervorgehen und mit AK^ bezeichnet werden, und die Änderungen in den Devisenverbindlichkeiten AKp. Die gesamte Zunahme oder Abnahme der Forderungen beträgt somit: AF = AF^ + AF^, und die Änderung der Verbind­ lichkeiten lautet sodann: AK= AK^ + AKp. Folglich kann der Finanzierungssaldo aus der Gleichung [8.10] in der Form FSf = AF^ + AFD - (A^ + AKp)

[8.14]

geschrieben werden. Die Höhe und die Struktur dieses Saldos hängen von sehr verschiedenartigen Transaktionen ab. Schneider greift an dieser Stelle seiner Theorie des Wirtschaftskreislaufs die Unterscheidung zwischen den Leistungstransaktionen und den reinen Finanztransaktionen auf, um die Entstehung des Finanzierungssaldos gegenüber dem Ausland zu erklären.9 Wie wir bereits im sechsten Kapitel der vorliegenden Schrift erläutert haben, setzt sich die erstgenannte Kategorie aus den Güter- und Einkommenstransaktionen sowie den zugehörigen finanziellen Vorgängen zusammen, während die letztere allein den Handel mit Forderungen und Verbindlichkeiten umfaßt. Während die grenzüberschreitenden Leistungs­ transaktionen den Umfang und die Struktur des Finanzierungssaldos und damit diejenigen Änderungen bestimmen, welche die Nettoauslandsposition erfährt, beeinflussen die reinen Finanztransaktionen nur die Zusammensetzung der Fi­ nanzierungsinstrumente. Betrachten wir zunächst nur die finanziellen Transaktionen, die in der Glei­ chung [8.14] aufgenommen worden sind, dann können wir ein Kreditänderungs­ konto10 aufstellen, das einen Bestandteil der zu entwickelnden Zahlungsbilanz bildet. Die Änderungen im Bestand der Verbindlichkeiten werden auf der linken Seite dieses Kontos gebucht und die Änderungen im Bestand der Forderungen auf der rechten. In dieser Form geht das Kreditänderungskonto direkt aus der Gleichung [8.14] hervor, nachdem die Verbindlichkeiten auf beiden Seiten ad­ diert wurden. Durch die reinen Finanztransaktionen wird das Auslands vermögen nur um­ geschichtet, der Finanzierungssaldo bleibt hingegen konstant. Betrachten wir ein 9 Schneider 1969,S.82f. 10 Zur Verwendung des Begriffs Kreditänderungskonto in diesem Zusammenhang siehe Stobbe 1994, S.237.

Achtes Kapitel

174

Beispiel: Ein Unternehmen kauft unter Vermittlung einer Geschäftsbank für 100 Euro einen Betrag von 100 Dollar von der Zentralbank, wobei wir einen Wech­ selkurs von 1:1 annehmen. Mit diesen 100 Dollar erwirbt es anschließend aus­ ländische Wertpapiere zum gleichen Betrag. Alles andere als gegeben ange­ nommen nehmen die Forderungen an das Ausland aus dem Besitz von Wertpa­ pieren zu, während die Forderungen aus dem Besitz von Devisen im gleichen Umfang zurückgehen. Es gilt: A7y = 100 Dollar und &FD = - 100 Dollar. Ein weiteres Beispiel illustriert eine Änderung der Verbindlichkeiten. Wir nehmen an, daß eine Geschäftsbank sich im Ausland zum Betrag von 80 Dollar durch die Emission von Wertpapieren verschuldet. Die Verbindlichkeiten der Inländer gegenüber dem Ausland sind um diesen Betrag gestiegen, gleichzeitig verfugen sie jedoch über ein Guthaben von 80 Dollar, so daß auch ihre Auslandsforderun­ gen gestiegen sind. Der Finanzierungssaldo FS] bleibt unverändert, weil die Forderungen und Verbindlichkeiten um den gleichen Betrag gewachsen sind. Wird der Kredit fällig, so werden die 80 Dollar an die Gläubiger übertragen, und die Verbindlichkeit wird damit beglichen sein. Das Kreditänderungskonto Änderung der Passiva

1. Änderung der Verbindlichkeiten aus Krediten 2. Änderung der Verbindlichkeiten aus Devisen (A^) 3. Finanzierungssaldo (FS])

Änderung der Aktiva

4. Änderung der Forderungen aus Krediten (AF^) 5. Änderung der Forderungen aus Devisen (AF^)

Greifen wir nun die Güter- und Verteilungsströme auf, die zusammen mit den finanziellen Vorgängen in das Grundschema der Zahlungsbilanz eingehen. Die Leistungsströme bestehen stets gleichzeitig aus einem finanziellen und ei­ nem güterwirtschaftlichen Vorgang. Daher werden diese Ströme unter dem Ge­ sichtspunkt der Finanzierung im Kreditänderungskonto und im Hinblick auf die Gütertransaktion in einem Güter- oder Leistungskonto dargestellt, das als Lei­ stungsbilanz bezeichnet wird. Demgegenüber erscheinen die reinen Finanztrans­ aktionen allein im Kreditänderungskonto. Daß allein die Leistungstransaktionen die Höhe des Finanzierungssaldos bestimmen, wird sofort ersichtlich, wenn man die Beziehung: EX-IM=\Fk + \Fd -

[8.15a]

Das Kreislaufmodell einer offenen Ökonomie

175

betrachtet, die aus den Gleichungen [8.11] und [8.14] gewonnen wurde. Jede Leistungstransaktion wird einmal auf der linken Seite als Übertragung von Gü­ tern und das zweite Mal auf der rechten Seite als finanzieller Vorgang berück­ sichtigt. Folglich wird die Differenz zwischen dem Wert der Exporte und dem Wert der Importe die Höhe des Finanzierungssaldos bestimmen, während dessen Zusammensetzung von den Finanzierungsinstrumenten abhängt, welche die beteiligten Wirtschaftseinheiten - die Unternehmen, Banken und Vermögens­ haushalte - wählen. Demgegenüber werden die reinen Finanztransaktionen nur auf der rechten Seite der Gleichung wiedergegeben und berühren jeweils zwei Positionen: entweder allein die Auslandsforderungen aus Krediten und die Devi­ sen, oder ausschließlich die Auslandsverbindlichkeiten aus Krediten und Devi­ sen, zwischen denen jeweils eine Umschichtung erfolgt, oder - drittens - diese Finanztransaktionen lassen die Forderungen und die Verbindlichkeiten jeweils um den gleichen Betrag ansteigen oder sinken. Im Grunde enthält diese Gleichung bereits die Struktur, welche einem einfa­ chen Schema der Zahlungsbilanz zugrunde liegt. Ordnet man die Summanden ihren ökonomischen Eigenschaften nach in drei Gruppen, nämlich erstens in die Güter- und Einkommenstransaktionen, zweitens in die Änderungen des Kredit­ bestandes und drittens in die Devisenbestandsänderungen und berücksichtigt zudem die Differenzen zwischen den Strömen jeder Gruppe, indem man ent­ sprechende Salden einführt, dann kann die Gleichung [8.15a] durch drei einzelne Gleichungen dargestellt werden, die auf die drei wesentlichen Teilbilanzen der Zahlungsbilanz führen. Man erhält das folgende System: EX - IM = LBS ^FK-^VK = KBS

[8.15b]

kFD - kVd = DBS,

in dem der Saldo der Kapitalbilanz mit KBS und der Saldo der Devisenbilanz mit DBS bezeichnet wird. Die erste dieser drei Gleichungen enthält die Leistungsbi­ lanz und deren Saldo. Alle Änderungen im Kreditbestand werden zu einem eige­ nen Konto zusammengefaßt, das Kapitalbilanz genannt wird, und dessen Saldo die Differenz zwischen den Forderungen und Verbindlichkeiten wiedergibt. Ganz entsprechend werden alle Devisenbestandsänderungen in der sogenannten Devisenbilanz zusammengefiihrt. Ferner zeigt die bisherige Untersuchung, daß zwischen den Salden der drei Teilbilanzen eine spezifische Beziehung bestehen muß. Aus der Gleichung [8.14] folgt zunächst: FSf = KBS + DBS und wegen der

Achtes Kapitel

176

Identität: LBS = FSj erhält man schließlich die Grundgleichung der Zahlungsbi­ lanz:11

LBS = KBS + DBS.

[8.15c]

Sie zeigt, daß es zwischen „den Teilbilanzen (...) einen inneren Zusammenhang“ gibt, der in der Zahlungsbilanzstatistik der Deutschen Bundesbank folgenderma­ ßen beschrieben wird: Betrachtet man die Leistungsbilanz, „so geht ein Über­ schuß mit einem Nettozuwachs der Forderungen oder einer Nettoabnahme der Verbindlichkeiten einher, ein Defizit führt umgekehrt zu einem Nettozuwachs an Verbindlichkeiten oder einer Nettoabnahme der Forderungen gegenüber dem Ausland. Die Gliederung der Kapitalbilanz und die Veränderung der Währungs­ reserven der Bundesbank lassen dabei erkennen, welche Forderungen und Ver­ bindlichkeiten der Bundesrepublik gegenüber dem Ausland zu oder abgenom­ men haben.“12 Zwar können die Teilbilanzen Salden aufweisen, die von Null verschieden sind, ihre Summe muß jedoch stets gleich Null sein, wie die zuletzt angeführte Gleichung zeigt. Die Veränderung der Nettoauslandsposition, die in der Summe aus dem Kapitalbilanzsaldo und dem Devisenbilanzsaldo zum Aus­ druck kommt, bildet den Gegenposten zum Leistungsbilanzsaldo und gibt dar­ über Aufschluß, wie der letztere finanziert wird. Somit zeigen die Kapital- und die Devisenbilanz, wie das Kreditnetz, das sich über den Produktions-, den Verteilungs- und Verwendungsströmen aufspannt, über die Grenzen eines Landes hinaus ausgedehnt wird. Dieses Grundschema der Zahlungsbilanz, das wir bislang in der Gleichungs­ form dargestellt haben, wurde aus dem zusammengefaßten Außenkonto entwi­ ckelt, indem neben den Güter- und Verteilungsströmen auch die Änderungen im Auslandsvermögen explizit Berücksichtigung fanden, die sich hinter dem Finan­ zierungssaldo verbargen. Ein Leistungsbilanzüberschuß impliziert damit eine Konstellation, in der die Bestandsänderungen bei den Auslandsforderungen per Saldo größer sind als dieselben Änderungen bei den Auslandsverbindlichkeiten, so daß die Gleichung [8.15c] einen positiven Betrag auf beiden Seiten ausweist. Eine solche Lage wird üblicherweise als Kapitalexport oder „Mittelabfluß“ be­ 11 In der Zahlungsbilanz und ihren Teilbilanzen werden Stromgrößen und Bestandsänderungen aufgeführt, die in einer vergangenen Periode aufgetreten sind, sie enthalten keine Bestände und sind mithin auch nicht auf einen Zeitpunkt bezogen. Der Name „Zahlungsbilanz“ für dieses Kontensystem wird aus historischen Gründen beibehalten. 12 Deutsche Bundesbank: Zahlungsbilanzstatistik Mai 2000. Statistisches Beiheft zum Monatsbe­ richt, Reihe 3, S.l04.

Das Kreislaufmodell einer offenen Ökonomie

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zeichnet, im umgekehrten Fall eines Leistungsbilanzdefizits wird hingegen von einem Kapitalimport oder „Mittelzufluß“ gesprochen. In der Zahlungsbilanzsta­ tistik der Bundesrepublik Deutschland wird, übereinstimmend mit den Richtli­ nien des Internationalen Währungsfonds, eine spezifische Vorzeichenregel be­ nutzt, um die Richtung zu kennzeichnen, in welcher die Ströme zwischen den Inländern und dem Ausland fließen. Somit müssen wir das Grundschema der Zahlungsbilanz modifizieren, um dieser Regel zu entsprechen. In den methodi­ schen Erläuterungen zur Zahlungsbilanzstatistik wird sie ausführlich behandelt. „Um die Richtung der Transaktionen oder Wertströme kenntlich zu machen, verwendet man Vorzeichen (+, -) oder, bei kontenmäßiger Darstellung, die der doppelten Buchführung entnommenen Begriffe ‘Credit’ und ‘Debet’. Die Liefe­ rung inländischer Waren, Dienst- und Faktorleistungen (Ausfuhr) und die Abga­ be inländischer Eigentums- und Schuldtitel an Ausländer (Kapitalimport) wird mit Pluszeichen (+) versehen oder auf der ‘Credit’-Seite der Konten verbucht; umgekehrt bezeichnet man den Bezug ausländischer Waren, Dienst- und Faktor­ leistungen durch Inländer (Einfuhr) und den Erwerb von Eigentums- und Forde­ rungstiteln gegen das Ausland (Kapitalexport) mit einem Minuszeichen (-) bzw. als ‘Debet’.“13 Demnach behalten die Exporte und die Importe in der ersten Gleichung des Systems [8.15b] ihre Vorzeichen und der Leistungsbilanzüber­ schuß ist weiterhin eine positive Zahl. In den beiden verbleibenden Gleichungen dieses Systems müssen die Vorzeichen jedoch umgekehrt werden, um der zuvor angeführten Buchungsregel zu genügen. Eine Zunahme der Verbindlichkeiten erhält demnach ein positives und der Zugang zu den Forderungen ein negatives Vorzeichen, ebenso die Salden der Kapitalbilanz und der Devisenbilanz. Um diesen Vorzeichenwechsel durchzuführen, müssen die beiden letzten Gleichun­ gen des Systems [8.15b] mit dem Faktor (-1) multipliziert werden, so daß man die folgenden Beziehungen erhält:

-KBS = kVK-\FK und

-DBS = WD-kFD.

[8.16]

Nehmen wir zunächst einen Leistungsbilanzüberschuß an, dann muß der Fi­ nanzierungssaldo der Inländer, der dem gesamtwirtschaftlichen Finanzierungs­ konto oder dem Außenkonto entnommen werden kann, positiv sein, weil der Nettozugang zu den Forderungen größer ist als der Nettozugang zu den Verbind­ lichkeiten: AF - AF> 0. Interpretiert man diesen Finanzierungssaldo im Rahmen der Vorzeichenregel, welche der Zahlungsbilanz zugrunde liegt, dann kehrt sich 13 Deutsche Bundesbank 1990, S.27.

Achtes Kapitel

178

das Ungleichheitszeichen dieser Relation um und man erhält: AK - AF < 0, so daß aus der ersten Gleichung des Systems [8.16] die Relation:

- KBS0 mit -KBS=NKim (-) (-) -

(-)

DBS>Q mit -DBS = DBD (-)

Ein Defizit in der Leistungsbilanz geht mit einem Nettokapitalimport oder mit einem Devisenbilanzdefizit DBD einher. Beide werden als positive Zahlen dar­ gestellt. Vergleicht man diese beiden Konstellationen miteinander, dann wird deut­ lich, daß ein Leistungsbilanzüberschuß sowohl durch eine Ausweitung der Kre­ dite an das Ausland, i.e. einen Kapitalexport, als auch durch einen Anstieg der Währungsreserven finanziert werden kann; beide Finanzierungsformen erfüllen dieselbe ökonomische Funktion. Ebenso verhält es sich bei den Kapitalimporten und den Devisenabflüssen, die ein Leistungsbilanzdefizit finanzieren. Im ersten

Das Kreislaufmodell einer offenen Ökonomie

179

Fall wird das Nettoauslandsvermögen der Ökonomie steigen, im letzteren Fall sinken. Betrachten wir ein Beispiel, um die Beziehungen zu erläutern, die zwischen den Teilbilanzen bestehen, und nehmen an, daß die Ökonomie einen Leistungs­ bilanzüberschuß von 50 Euro realisiert hat; die Devisenbilanz bleibe zunächst konstant. Der Zugang zu ihren Auslandsforderungen ist somit um 50 Euro grö­ ßer als der Zugang zu den Auslandsverbindlichkeiten. Zudem nehmen wir an, daß die inländischen Geschäftsbanken sich bei der Zentralbank verschuldet und 50 Euro geborgt haben; von Mindestreserven sehen wir ab. Sie können sodann den ausländischen Unternehmen einen Kredit über 50 Euro gewähren, indem sie den letzteren ein Guthaben einräumen. Die Geschäftsbanken verfugen nun über eine zusätzliche Forderung an das Ausland und gleichzeitig über eine zusätzliche Verbindlichkeit aus dem geschaffenen Guthaben; ihre Bilanzsumme ist gestie­ gen. Die ausländischen Unternehmen können nun ihre Verbindlichkeiten bei den inländischen Produzenten begleichen, indem sie das Guthaben auf letztere über­ tragen. Schließlich verfügt der inländische Sektor der Geschäftsbanken über eine zusätzliche Forderung an das Ausland, der inländische Untemehmenssektor besitzt eine zusätzliche Forderung über 50 Euro an die Geschäftsbanken, und neben der Zunahme der Nettoauslandsposition ist auch die inländische Geld­ menge um 50 Euro gestiegen. Der Leistungsbilanzüberschuß wird durch eine Änderung im Geldvermögen der Inländer finanziert, die als ein Kapitalexport interpretiert wird. Hält man hingegen die Kapitalbilanz konstant, dann wird der Leistungsbilanzüberschuß durch zunehmende Währungsreserven finanziert. Die ausländischen Unternehmen kaufen in diesem Fall für 50 Dollar zum Kurs von beispielsweise 1:1 bei inländischen Geschäftsbanken die benötigten 50 Euro, mit denen sie ihre Verbindlichkeiten bei den Produzenten begleichen, und die Ge­ schäftsbanken verkaufen diese Devisen an die Zentralbank, um sich mit Zentral­ bankgeld zu refinanzieren. Die Nettoauslandsposition der Inländer wächst, weil der Devisenbestand um 50 Dollar steigt. Legt man die zuvor dargestellten Vor­ zeichenregeln zugrunde, dann muß dem positiven Leistungsbilanzsaldo ein negativer Saldo der Devisenbilanz gegenüberstehen. Schließlich können diese Transaktionen in einem Kontenschema dargestellt werden. Ausgehend von dem Gleichungssystem [8.15b] wird die Zahlungsbilanz in drei Teilbilanzen untergliedert. Die Änderungen der Verbindlichkeiten wer­ den auf der linken Seite und die Änderungen in den Forderungen auf der rechten Seite berücksichtigt. Die Leistungsbilanz zeigt die Exporte als eine Einnahme auf der linken Seite des Kontos und die Importe als eine Ausgabe auf der rech­ ten. Nehmen wir weiterhin einen Leistungsbilanzüberschuß an, der diesmal so­

Achtes Kapitel

180

wohl durch einen Nettokapitalexport von 45 Euro als auch durch eine Zunahme des Devisenbestandes um 5 Euro finanziert wird. Auf diese Weise erhält man die Tabelle [8.1], in der nicht nur die Salden, sondern auch die jeweiligen Ströme und Bestandsänderungen angegeben werden, für welche wir passende Zahlenan­ gaben einfügen. Übersicht 8.1: Das Grundschema der Zahlungsbilanz

Leistungsbilanz Exporte {EX)

500

450 50

Importe {IM) Saldo der Leistungs­ bilanz {LBS)

Kapitalbilanz Veränderung der Verbindlichkeiten (AJ^) Saldo der Kapitalbilanz {KBS)

35

80

Veränderung der Forde­ rungen {^F^

45

Devisenbilanz Veränderung der Verbindlichkeiten (AKp) Saldo der Devisenbilanz {DBS)

0

5

Veränderung der Forde­ rungen {&fd)

5

Der Vorzeichenwechsel, der im Grundschema der Zahlungsbilanz vorge­ nommen wurde, ändert nichts daran, daß die Salden der Teilbilanzen in der Summe Null ergeben. Diese spezifische Beziehung ergibt sich aus der Gleichung [8.15c]. Liegt ein Leistungsbilanzüberschuß vor, dann gelten für den Nettokapi­ talexport und den Devisenzufluß die folgenden Beziehungen:

- KBS = NKex (+)

und

- DBS = DBÜ, (+)

wobei DBÜ den Devisenbilanzüberschuß ausdrückt. Aus der Gleichung [8.15c] folgt somit:

Das Kreislaufmodell einer offenen Ökonomie

181

LBS+NKEX+DBÜ = 0. w (_) (-) Ganz entsprechend verhält es sich bei einem Leistungsbilanzdefizit. Im vorliegenden Abschnitt haben wir ein stark vereinfachtes Kreislaufmodell benutzt, um auf dieser Grundlage das Schema einer Zahlungsbilanz zu entwi­ ckeln. Wir haben vom Staat abgesehen und darüber hinaus von den sogenannten unentgeltlichen Übertragungen oder Schenkungen. Zudem setzten wir voraus, daß alle Änderungen der Devisenbestände, ob sie nun bei der Zentralbank, den Geschäftsbanken, den Unternehmen oder Haushalten stattfinden, in einer einzi­ gen Bilanz: der Devisenbilanz zusammengefaßt werden. Von dieser Einteilung weicht die tatsächliche Gliederung der Zahlungsbilanz ab: Alle Änderungen in den privaten Devisenforderungen und Devisenverbindlichkeiten, die außerhalb der Zentralbank existieren, werden in der Kapitalbilanz aufgenommen; darüber hinaus werden die Kreditgeschäfte der Zentralbank mit dem Ausland, die nicht zu den Devisentransaktionen rechnen, ebenfalls in der Kapitalbilanz berücksich­ tigt. Mit der Ausnahme der Devisenbestandsänderungen gibt also die Kapitalbi­ lanz alle grenzüberschreitenden Transaktionen des Kapitalverkehrs wieder. Die Devisenbilanz kann somit auch als Bilanz der Währungsreserven bezeichnet werden. Dieses Schema liegt der gegenwärtigen Zahlungsbilanzstatistik zugrunde.

d) Die Zahlungsbilanz der Bundesrepublik Deutschland Die Gliederung der Deutschen Zahlungsbilanz folgt den Prinzipien, die vom Internationalen Währungsfonds erarbeitet und im Balance of Payments Manual aus dem Jahre 1993 festgelegt wurden. In der Zahlungsbilanzstatistik der Bun­ desrepublik Deutschland, die von der Deutschen Bundesbank erstellt wird, wer­ den vier wichtige Teilbilanzen unterschieden: 1. die Leistungsbilanz, 2. die Bi­ lanz der Vermögensübertragungen, 3. die Bilanz des Kapitalverkehrs und 4. die Veränderung der Währungsreserven. In der Tabelle [8.2] wird die Zahlungsbi­ lanz für das Jahr 1999 wiedergegeben; allerdings werden nur die Salden der jeweiligen Bestandsänderungen aufgenommen.

Achtes Kapitel

182

Tabelle 8.2: Die Zahlungsbilanz der Bundesrepublik Deutsch­ land für das Jahr 1999

Position in Mio. Euro I. Leistungsbilanz (Saldo)

- 19,6

1. Außenhandel Ausfuhr (fob)1) Einfuhr (fob)

+ 67,2 506,5 439,3

2. Dienstleistungen 3. Erwerbs- und Vermögenseinkommen 4. laufende Übertragungen

-49,1 - 11,9 -25,7

II. Saldo der Vermögensübertragungen

-0,1

III. Kapitalbilanz (Ncltokapitalexport: -)

-20,6

1. 2. 3. 4. 5.

Direktinvestitionen Wertpapiere Finanzderivatc Kreditverkehr sonstige Kapitalanlagen

-43,6 - 11,9 + 1,9 + 34,3 - 1,2

IV. Veränderung der Währungsreserven zu Transaktionswerten (Zunahme: -)

+ 12,5

V. Saldo der statistisch nicht aufglicderbaren Transaktionen

+ 27,8

Quelle: Deutsche Bundesbank: Geschäftsbericht 1999, S.85. 1) Spezialhandel nach der amtlichen Außenhandelsstatistik einschl. Ergänzungen; Einfuhr ohne Fracht- und Seetransport­ versicherungenkosten, die in den Dienstleistungen enthalten sind. 2) Ohne Zuteilung von Sonderziehungsrechten und ohne bewertungsbedingte Veränderungen.

Die Leistungsbilanz wird in drei Unterbilanzen gegliedert. In der Handels­ und Dienstleistungsbilanz werden die Ausfuhr und die Einfuhr von Waren erfaßt sowie der Dienstleistungsverkehr, der den Reiseverkehr, Transportleistungen, Finanz-, Versicherungs- und Kommunikationsdienstleistungen etc. einschließt.14 14 Siche dazu Deutsche Bundesbank 1995, S.36 und dieselbe: Zahlungsbilanzstatistik Mai 2000, Tabelle 1.4, S.20-29. Angaben zur Zahlungsbilanz finden sich ferner in den Monatsberichten der

Das Kreislaufmodell einer offenen Ökonomie

183

Die - unentgeltlichen - Übertragungen von ökonomischen Werten werden in zwei große Gruppen untergliedert: in die laufenden Übertragungen, die in der Leistungsbilanz erfaßt werden, und in die Vermögensübertragungen, die seit 1995 in einer eigenständigen Teilbilanz aufgeführt werden. Die steigende Bedeutung der grenzüberschreitenden Einkommen und hier insbesondere der Kapitalerträge wird dadurch berücksichtigt, daß ihnen ein eigenes Unterkonto zugeordnet wird. Aufgrund der getrennten Darstellung der Leistungsbilanz und der Vermögensübertragungen muß eine unserer wesentlichen Gleichungen aus dem Grundschema des vorangehenden Abschnitts erweitert werden. Der Finanzierungssaldo der Inländer, der die „transaktionsbedingten Veränderungen des Netto-Auslandsvermögens“15 wiedergibt, muß nun neben dem Leistungsbilanzsaldo auch den Saldo der Vermögensübertragungen umfassen. Die Kapitalbilanz wird in die Direktinvestitionen, die Wertpapiere, die Fi­ nanzderivate sowie den Kreditverkehr und die sonstigen Kapitalanlagen unter­ gliedert. Der Kreditverkehr wird in kurzfristige und langfristige Kredite einge­ teilt. In dieser Unterbilanz werden auch die Devisenbestandsänderungen wieder­ gegeben, welche bei den privaten Wirtschaftseinheiten auftreten. Die Devisenbi­ lanz des Grundschemas findet sich hier in dem Posten: Veränderung der Wäh­ rungsreserven zu Transaktionswerten wieder, der nur die Veränderung in den Währungsreserven der Bundesbank enthält. Ihre anderen Auslandstransaktionen werden in der Kapitalbilanz unter der Position: Kreditverkehr gebucht. Der Sal­ do der statistisch nicht aufgliederbaren Transaktionen ist ein Restposten, der statistische Ermittlungsfehler und nicht erfaßte Transaktionen ausgleicht; er schließt die Zahlungsbilanz rein rechnerisch. Die Zahlungsbilanz leitet zur außenwirtschaftlichen Bestandsstatistik über, die den Vermögensstatus der Bundesrepublik Deutschland gegenüber dem Aus­ land und die Auslandsposition der Deutschen Bundesbank wiedergibt.16 Das Auslandsvermögen der letzteren setzt sich aus den Währungsreserven, die den Deutschen Bundesbank und in ihrem jährlich erscheinenden Geschäftsbericht sowie im Statisti­ schen Jahrbuch der Bundesrepublik Deutschland, das vom Statistischen Bundesamt herausgege­ ben wird. In dem Zahlcnwerk: Zahlungsbilanz nach Regionen, Statistische Sonderveröffentli­ chung Nr. 11, Juli 2000, herausgegeben von der Deutschen Bundesbank, werden für einen länge­ ren Zeitraum neben den Salden auch die Ströme und Bestandsänderungen ausgewiesen. 15 Deutsche Bundesbank 1995, S.36. 16 Der Bestand des gesamten Auslandsvermögens wird in einigen Tabellen auch tiefer nach Sekto­ ren gegliedert. Siehe dazu zum Beispiel Deutsche Bundesbank, Monatsbericht März 2000, Sta­ tistischer Anhang S.70*, sowie dieselbe: Zahlungsbilanzstatistik, Mai 2000, Tabellen II.6 bis II.8, und dieselbe: Zahlungsbilanz nach Regionen, Juli 1999, Tabellen III.1 und III.2, S.102f.

184

Achtes Kapitel

weitaus größten Teil aller Auslandsforderungen bilden, und den sonstigen Aus­ landsforderungen zusammen, zu denen beispielsweise die Kredite an die Welt­ bank gehören. Diesen Positionen stehen die gesamten Auslandsverbindlichkeiten der Bundesbank gegenüber. Die Nettoauslandsposition der Bundesbank ergibt sich aus der Differenz zwischen den gesamten Auslandsforderungen und ihren Auslandsverbindlichkeiten. Aus der Zahlungsbilanz ist nicht unmittelbar ersicht­ lich, wie sich diese Bestandsgröße verändert. Aus diesem Grund gibt die Bun­ desbank nachrichtlich und als ergänzende Information zur Zahlungsbilanz die „Veränderung der Netto-Auslandsaktiva der Bundesbank zu Transaktionswer­ ten“ an.17 Der Vermögensstatus der Bundesrepublik Deutschland gibt die Netto­ auslandsposition der Volkswirtschaft wieder und wird nach Regionen und inlän­ dischen Sektoren gegliedert.

17 Siehe beispielsweise Deutsche Bundesbank, Monatsbericht März 2000, S.68*. Mit den Netto­ auslandsaktiva wird der Saldo aus den Auslandsaktiva und -passiva bezeichnet.

9. Kapitel

Der Staat im Wirtschaftskreislauf

Dem modernen Staat sind im Laufe seiner Entwicklung zahlreiche neue Aufga­ ben übertragen worden, die ihn auf vielfältige Weisen in den wirtschaftlichen Kreislauf des Landes einbeziehen. Er verbraucht Waren und Dienstleistungen, er fragt Arbeitskräfte nach und führt Produktionsprozesse durch, aus denen die Staatsbeschäftigten ein Einkommen beziehen, er bildet das Sachvermögen des Gemeinwesens, indem er dauerhafte Produktivgüter erwirbt, und er geht Kredit­ beziehungen ein, die ihn in eine Gläubiger- oder Schuldnerposition führen. Zu­ dem übernimmt er in einem bedeutenden Umfang solche Funktionen, die der Umverteilung der Einkommen zwischen verschiedene Haushaltsgruppen dienen. Seine Einnahmen bestreitet er hauptsächlich aus Steuern und Sozialabgaben. Die ökonomisch relevanten Tätigkeiten des Staates zeichnen sich vor allem dadurch aus, daß sie dem Markt nicht in der gleichen Weise unterworfen sind wie die Produktion im Unternehmenssektor. Diese Sonderstellung, die der Staat im Wirtschaftskreislauf einnimmt, hebt das Statistische Bundesamt in seiner allge­ meinen Charakteristik der ökonomischen Funktionen des Staates deutlich her­ vor: „Zumeist unabhängig vom Marktgeschehen erfüllt der Staat durch seine Verwaltungsleistungen, seine Maßnahmen zur Umverteilung von Einkommen und Vermögen (...) usw. vielerlei Gemeinschaftsaufgaben. Er stellt die von ihm erbrachten Leistungen der Allgemeinheit zum Teil unentgeltlich zur Verfügung und finanziert sich hauptsächlich durch Zwangsabgaben.“1 Von den ausschließ­ lich monetären Transfers, welche durch die staatliche Verwaltung verteilt wer­ den, kann man die eigentliche Produktion von Waren und Dienstleistungen tren­ nen, die in den Institutionen des Staates stattfindet. Es stellt sich nun jedoch die Frage, wer die vom Staat erzeugten Leistungen tatsächlich verbraucht. In einer ersten, freilich sehr groben Einteilung können zwei große Funktionsbereiche 1

Statistisches Bundesamt 1997, S.24.

186

Neuntes Kapitel

voneinander unterschieden werden, aus denen eine charakteristische Gliederung der Staatsausgaben nach ihren Verwendungszwecken hervorgeht. Das Gewalt­ monopol des Staates, das allererst die Staatlichkeit konstituiert, begründet einen Aufgabenbereich, der als allgemeine staatliche Verwaltung beschrieben werden kann; die Ausgaben, die mit diesen Leistungen verbunden sind, werden für das Gemeinwesen als Ganzes erbracht. Sie werden daher nicht individuell, sondern kollektiv verbraucht. Eine zweite Kategorie der Staatsausgaben geht aus solchen Tätigkeiten hervor, die zwar vom Staat übernommen werden, letztlich aber den privaten Haushalten unmittelbar zugute kommen. Diese staatlichen Leistungen werden individuell verbraucht. Im bisherigen Verlauf der Untersuchung hatten wir stets angenommen, daß die Produktion für den Markt erfolgt und zu Marktpreisen bewertet wird. Auf die privaten Unternehmen trifft diese Annahme fraglos zu. Für die Leistungen des Staates existiert jedoch kein Markt in diesem Sinne, so daß seine Produktion respektive sein Produktionswert auch nicht zu Marktpreisen bewertet und abge­ setzt werden kann. Im ESVG wird die Beziehung, in der die Produktion einer Wirtschaftseinheit zum Markt steht, als Kriterium benutzt, um verschiedenartige Produzententypen voneinander zu unterscheiden. Die gesamte Produktion der Gesellschaft wird demnach in die Marktproduktion und in die Nichtmarktpro­ duktion eingeteilt.2 Im ESVG gilt ein Produktionswert dann als marktbestimmt, wenn die Güter zu ‘wirtschaftlich signifikanten Preisen’ verkauft werden, gibt eine Wirtschaftseinheit ihre Leistungen jedoch unentgeltlich oder zu wirtschaft­ lich nicht signifikanten Preisen ab, so gilt sie als Nichtmarktproduzent? Um die Frage zu entscheiden, ob wirtschaftlich signifikante Preise gezahlt werden, wird im ESVG das sogenannte 50%-Kriterium eingeführt. „Werden mehr als 50% der Produktionskosten durch Umsätze (...) gedeckt, so ist die institutionelle Einheit ein Marktproduzent und wird in den Sektoren nichtfinanzielle und finanzielle Kapitalgesellschaften eingeordnet. Werden weniger als 50% der Produktionsko­ sten durch Umsätze gedeckt, so ist die institutionelle Einheit ein (...) Nicht­ marktproduzent und wird (...) in den Sektor Staat einbezogen.“4 Faßt man unter 2 3 4

Siehe dazu ESVG 1995, S.62-66. Siehe ESVG 1995, S.63L ESVG 1995, S.65. Strenggenommen wird in der Klassifikation des ESVG zwischen den Nicht­ marktproduzenten für die Eigenverwendung und den sonstigen Nichtmarktproduzenten unter­ schieden. Zur ersteren Kategorie zählen beispielsweise die Haushalte der Landwirte, soweit sie sich aus der eigenen Produktion selbst versorgen, oder die Maschinenbauuntemehmen, deren In­ vestitionen auch selbsterstellte Anlagen umfassen; zur letzteren werden neben dem Staat auch die privaten Organisationen ohne Erwerbszweck wie Parteien, Verbände etc. gerechnet. In unse­

Der Staat im Wirtschaftskrcislauf

187

dem Begriff der öffentlichen Produzenten alle Produktionstätigkeiten zusammen, die unter der Kontrolle des Staates stattfinden, dann kann man mit Hilfe des 50%-Kriteriums den marktbestimmten Teil dieser Leistungen von dem nicht­ marktbestimmten abtrennen und den letzteren vollständig dem Staatssektor zu­ weisen.5 Im vorliegenden Kapitel werden wir uns auf die Nichtmarktproduktion des Staates beschränken. In den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen konstituiert der Staat einen eigenständigen Sektor, der in die vier Teilsektoren: Bund - i.e. Zentralstaat Länder, Gemeinden und Sozialversicherung untergliedert wird. Das System der sozialen Sicherung kann weiter in seine verschiedenen Zweige wie beispielswei­ se die Arbeitslosenversicherung, die Rentenversicherung und die gesetzliche Krankenversicherung untergliedert werden. Im ersten Abschnitt des vorliegenden Kapitels gehen wir vom einfachen Kreislaufmodell einer geschlossenen Ökonomie aus und untersuchen die öko­ nomischen Ströme, die den Staat mit den anderen Sektoren verbinden. Der zwei­ te Abschnitt ist den Funktionen gewidmet, die der Staat bei der Umverteilung der Einkommen durch die monetären Transfers und die sozialen Sachleistungen übernimmt. Anschließend fuhren wir die Gütersteuern und Gütersubventionen in das Kreislaufmodell einer offenen Ökonomie ein, um den Unterschied zwischen der Bruttowertschöpfung zu Herstellungspreisen, dem Bruttoinlandsprodukt zu Marktpreisen und dem Bruttonationaleinkommen zu entwickeln. Zum Abschluß dieses Kapitels gehen wir noch kurz auf die Bruttoinvestitionen und den Finan­ zierungssaldo des Staates ein.6

5

6

rem Kreislaufmodell gehen wir weder auf diese privaten Organisationen, noch auf die Nicht­ marktproduktion für die Eigcnverwcndungein. In einer Aufzählung gibt das Statistische Bundesamt (1999a, S.42) jene Wirtschaftsbereiche an, die unter dieser Kategorie zusammengefaßt werden: „Die Nichtmarktproduktion des Staates (einschließlich der Produktion für die Eigenverwendung) verteilt sich auf die Wirtschaftsberei­ che Hilfs- und Nebentätigkeiten für den Verkehr (ohne Gemeinden), Forschung und Entwick­ lung, öffentliche Verwaltung, Erziehung und Unterricht, Gesundheits-, Veterinär- und Sozialwe­ sen sowie Kultur, Sport und Unterhaltung.“ Eine frühe systematische Abhandlung zur Stellung des Staates in den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen legen Bartels und Sievers (1961) vor. Die Gliederung der Staatsausgaben nach Aufgabenbereichen und die Unterscheidung zwischen dem kollektiven und dem individuel­ len Verbrauch der staatlichen Leistungen wird bei Kopsch (1980 und 1984) dargestellt.

Neuntes Kapitel

188

a) Der Staat im Kreislaufmodell einer geschlossenen Ökonomie Um die Funktionen des Staates im Wirtschaftskreislauf zu untersuchen, benutzen wir zunächst ein einfaches Modell: Wir sehen von den außenwirtschaftlichen Transaktionen ab, legen einen einheitlichen Untemehmenssektor zugrunde und schließen die staatlichen Investitionen in dauerhafte Bestandteile des Sachver­ mögens aus. Zudem setzen wir voraus, daß der Staat nicht an den Kapitalgesell­ schaften des Untemehmenssektors beteiligt ist. Verschuldet sich der Staat, so emittiert er Wertpapiere am Kapitalmarkt, die allein von den privaten Haushalten gekauft werden. Besitzt der Staat Forderungen, die aus laufenden Einnahme­ überschüssen des Staatshaushalts stammen, so nehmen wir an, daß sie als unver­ zinsliche Guthaben oder Kassenbestände bei der Zentralbank gehalten werden, die selbst einen Bestandteil des Untemehmenssektors bildet. Wird der Staat in die Kreislaufanalyse einbezogen, dann treten zahlreiche neue Geldströme auf, die vereinfachend zu drei großen Gruppen zusammenge­ faßt werden können: zu den Steuereinnahmen des Staates, seinen Ausgaben und seinem laufenden Sparen. Seine Einnahmen bestehen aus den Einkommenssteu­ ern - einschließlich der Vermögenssteuer - und den Beiträgen zur Sozialversi­ cherung. Obgleich die letzteren zu einem Teil von den Arbeitgebern - und das sind hier die Unternehmen und der Staat selbst - und zum anderen Teil von den Arbeitnehmern gezahlt und im Quellenabzugsverfahren von den ersteren auf das Sozialversicherungssystem übertragen werden, bilden diese Beiträge einen Be­ standteil des Lohns und werden daher in unserem Kreislaufmodell als Teil des­ jenigen Einkommensstromes betrachtet, der von den Arbeitgebern zu den Haus­ halten fließt; zusammen mit den Einkommenssteuern des Haushaltssektors wer­ den sie als Teil des Geldstromes TH auf den Staat übertragen. In der Abgrenzung der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen wird die Summe aus den Brutto­ löhnen und den Arbeitgeberbeiträgen zur Sozialversicherung als Arbeitnehmer­ entgelt bezeichnet.7 Die Einkommenssteuern des Untemehmenssektors werden als gesonderter Strom erfaßt und mit dem Symbol Ty bezeichnet. Somit bestehen die gesamten Einnahmen des Staates aus den Zwangsabgaben, die eine gesetzli­ che Grundlage haben; sie gehen nicht aus den Transaktionen im Markt hervor. Unter den gesamten Ausgaben des Staates, die wir im folgenden mit ASt be­ zeichnen werden, finden sich Geldströme, die aus den Markttransaktionen des Staates mit anderen Wirtschaftseinheiten resultieren, und reine Transferzahlun­ gen. Um seine Leistungen zu erstellen und seine Produktion durchzufuhren,

7

Statistisches Bundesamt 1999a, S.31.

Der Staat im Wirtschaftskreislauf

189

kauft der Staat die benötigten Vorprodukte im Untemehmenssektor und schließt Arbeitsverträge ab. Die Güterkäufe des Staates werden wir mit Gy bezeichnen: Dabei handelt es sich unseren Voraussetzungen entsprechend ausschließlich um Vorprodukte.8 Die Lohnzahlungen des Staates an die Haushalte erhalten das Symbol GH. Hat der Staat sich verschuldet, um seine gesamten Ausgaben finan­ zieren zu können, so muß er Zinsen zahlen, die mit RSt wiedergegeben werden. Schließlich bleiben noch die reinen Geldtransfers an die privaten Haushalte; dieser Strom, im folgenden mit TR beschrieben, enthält die monetären Sozialleistungen und bildet eine wesentliche Komponente der sekundären Einkommensverteilung. Zum Schluß müssen noch - als drittes übergeordnetes Wertaggregat - die laufenden Ersparnisse SSt des Staates genannt werden; sie entstehen, sobald die Steuereinnahmen eines Jahres von den gesamten Ausgaben abweichen. In der Abbildung [9.1] wird der Kreislauf einer geschlossenen Ökonomie dargestellt, der die drei Sektoren: Unternehmen, private Haushalte und Staat enthält. Unter funktionalen Gesichtspunkten wird der Untemehmenssektor in einen produzierenden und einen einkommensbeziehenden Kreislaufpol unterteilt. Ord­ net man die Ströme im ersten Schritt wieder nach den Ausgaben und den Ein­ nahmen, so erhält man am Kreislaufpol der Unternehmen, in ihrer Produzenten­ funktion betrachtet, die Gleichung:

NWSU/H + D + Qö = lb + CH + Gy,

[9.1]

und der Beitrag der Unternehmen zum Einkommen des Landes beträgt:

NWS^n + Qy = I+CH + Gy.

[9.2]

Am Kreislaufpol der Untemehmensgewinne kann wie zuvor die Beziehung:

Sü+T^Qy

[9.3]

abgelesen werden. Wir nehmen hier abweichend vom ersten Abschnitt des sieb­ ten Kapitels an, daß die Untemehmensgewinne vollständig einbehalten und 8

Zu den Vorleistungen, die der Staat und hier vor allem die Krankenversicherung kauft, gehören die Leistungen des Gesundheitssystems wie die Leistungen von Ärzten und Krankenhäusern, Medikamente etc. Nach dem Ausgabenkonzept gehen diese Vorleistungen in die Konsumausga­ ben des Staates ein.

190

Neuntes Kapitel

gespart werden. Folglich gibt es keine Konsumausgaben aus den Untemehmensgewinnen und von den Untemehmerhaushalten sehen wir ab.

Abbildung 9.1: Der Staat im Kreislaufmodell einer geschlossenen Ökonomie

Betrachtet man die ökonomische Tätigkeit des Staates unter einem funktiona­ len Gesichtspunkt, dann kann dieser Sektor ebenfalls in zwei Kreislaufpole diffe­ renziert werden: In seiner Funktion als Haushalt bezieht der Staat Einnahmen, welche er unter anderem für seine Konsumausgaben CSt verwendet; in seiner Funktion als Produzent erstellt er Güter, zu deren Erzeugung Vorprodukte und Arbeit eingesetzt werden. Das besondere Kennzeichen dieser staatlich produzier­ ten Leistungen besteht darin, daß sie „der Allgemeinheit überwiegend ohne spe­

Der Staat im Wirtschaftskreislauf

191

zielles Entgelt zur Verfügung gestellt werden“.9 Es wird in unserem Kreislauf­ modell der Abbildung [9.1] berücksichtigt, dergestalt daß der Staatshaushalt als konsumierende Wirtschaftseinheit diejenigen Leistungen kauft und an die All­ gemeinheit abgibt, die vom Staat in seiner Eigenschaft als Produzent hergestellt werden; diese Waren und Dienstleistungen unterscheiden sich ökonomisch von der Produktion im Untemehmenssektor durch den Umstand, daß sie nicht am Markt verkauft werden und folglich auch keine Marktpreise besitzen. Neben diesen Konsumausgaben erhält der Staatshaushalt eine weitere ökonomische Funktion in der sekundären Einkommensverteilung, indem er einen Teil seiner Einnahmen in Gestalt der monetären Transfers TR auf die Haushalte überträgt. Am Kreislaufpol des Staatshaushaltes findet man die folgenden Ströme:

CSt+ ^St+

+ ^st “ TH + TU-

[9.4]

Die gesamten Steuereinnahmen des Staates können durch die Summe: T= TH + Ty ausgedrückt werden. Seine gesamten Ausgaben ASt setzen sich aus den Kon­ sumausgaben, den Transferzahlungen und den zu leistenden Zinsen auf die Staatsschuld zusammen. Damit erhalten wir den Ausdruck:

A st = ^St + TR + RSt, so daß die Differenz zwischen dem Strom der Ausgaben und dem der Steuerein­ nahmen das Sparen des Staates bildet; es wird durch die folgende Gleichung wiedergegeben:

SSt~T~ASf

[9.5]

Die Zinsen RSt auf den Bestand der Verbindlichkeiten müssen aus den lau­ fenden Einnahmen des Staates und folglich aus der Nettowertschöpfung des Landes bestritten werden, sie bilden aber keinen zusätzlichen Beitrag zur Wert­ schöpfung. Der Betrag der Zinsen RSt ist also bereits ein Teil der Nettowert­ schöpfung, über welchen die Ökonomie insgesamt verfugen kann. Aus ihren Forderungen an den Staat fließt den Haushalten somit ein Teil ihrer Steuerzah­ lungen in Gestalt der empfangenen Zinseinkommen zurück. Die tatsächliche monetäre Belastung der privaten Haushalte, die in unserem Kreislaufmodell die einzigen Wirtschaftseinheiten sind, welche Forderungen an den Staatshaushalt 9

Statistisches Bundesamt 1999a, S.30.

Neuntes Kapitel

192

besitzen, durch die Steuerabgaben kann durch die Differenz: TH- RSt- TR erfaßt werden. Da die empfangenen Zinsen sich nicht proportional zu den geleisteten Steuern verhalten, sondern von der Einkommenslage, der Vermögensposition und dem Sparverhalten der einzelnen Haushalte abhängen, treten auch hier Ver­ teilungseffekte auf: In ihrer Gesamtheit werden die letzteren nicht dadurch är­ mer, daß der Staat Zinszahlungen leisten muß, die aus den Steuereinnahmen finanziert werden, sie erhalten in Gestalt der Zinsen RSt einen Teil ihrer geleiste­ ten Steuerzahlungen zurück. Zwar handelt es sich dabei um eine Umverteilung aus einer Tasche in eine andere, aber diese Taschen können durchaus verschie­ denen Haushalten gehören. Betrachtet man den Staat in seiner Produzentenfunktion, dann stehen den Ausgaben für die Lohnzahlungen und die Güterkäufe diejenigen Einnahmen gegenüber, die er aus dem Verkauf seiner Leistungen an den Staatshaushalt erzielt:

Gy+

= ^St

°der

G = CSt,

[9.6a]

[9.6b]

wobei wir die gesamten Ausgaben des Staates in seiner Produzentenfunktion mit G bezeichnen: G = GH + Gy Da die staatliche Leistungserstellung nicht zu Marktpreisen bewertet werden kann, muß der Wert dieser Produktion „von der Kostenseite her“10 erfaßt werden. Somit ist der Produktionswert des Staates gleich der Summe aller Kosten, die in seinem Produktionsverfahren entstanden sind: Unter den bisher getroffenen Annahmen gehören dazu die Löhne der Staatsbeschäftigten und die Vorleistungskäufe des Staates; später müssen noch die Abschreibungen auf das staatliche Anlagevermögen berücksichtigt werden. Da seine Produktion an den Staatshaushalt verkauft wird, gleicht sein Produkti­ onswert den Konsumausgaben CSt des letzteren. Die wirtschaftlichen Ströme, die im Haushalt zusammenfließen, werden in der Gleichung:

CH + SH + rH = NWSU/H + Gh + RSt + TR

[9.7]

wiedergegeben. Werden die Einkommensströme sowie die empfangenen und geleisteten Übertragungen an den Staat auf einer Seite der Gleichung isoliert:

10 Strohm u.a. 1999, S.268. Siehe dazu auch ESVG 1995, S.69.

Der Staat im Wirtschaftskreislauf

193

NWSU/H + GH + TR + RSt - Th = CH + SH, dann zeigt die linke Seite dieses Ausdrucks das verfügbare Einkommen der Haushalte, das aus den Nettoerwerbs- und Nettovermögenseinkommen sowie den Transfers besteht. Am Kreislaufpol der Vermögensänderung findet man wieder die Gleichheit zwischen den Investitionen und dem laufenden Sparen der gesamten Ökonomie: ft = D + Sy + S]j + S$t

oder I — S + Sgp

[9.8]

wobei das Sparen der privaten Haushalte und der Unternehmen wiederum zu­ sammengefaßt und durch 5 angegeben wird. Um das gesamte Einkommen der Ökonomie zu ermitteln, können wir zu­ nächst die Beiträge aller produzierenden Einheiten zur Wertschöpfung zusam­ menfassen; das betrifft die Unternehmen und den Staat. Addiert man die Glei­ chungen [9.1] und [9.6a], so erhält man nach den entsprechenden Umformungen und Vereinfachungen den Ausdruck:

NWSU/H + Qu+Glf + D = Jb + CH + CSt.

[9.9a]

Daraus folgt für die Brutto- und die Nettowertschöpfung: BWS = Ib + Cl{+CSt

[9.9b]

NWS = I+Cff+CSt mit NWS = NWSu/fl + Qu + GH.

[9.9c]

Auf der rechten Seite jeder Gleichung werden die Verwendungsaggregate ange­ führt, aus denen die Wertschöpfung jeweils besteht.11 11 In unserem Kreislaufmodell haben wir bisher davon abgesehen, daß der Staat neben den Vor­ produkten auch solche Bestandteile des Sachvermögens erwirbt oder hersteTlt, deren Nutzungs­ dauer länger als ein Jahr währt. In typischer Weise handelt es sich dabei um solche Güter wie Straßen, Brücken und Dämme sowie öffentliche Gebäude, welche zur Infrastruktur eines Landes zählen. Wir können die Ströme, die mit der Bildung dieses dauerhaften Sachvermögens verbun­ den sind, in bequemer Weise in unser Kreislaufmodell der Abbildung [9.1] einbeziehen, indem wir den Erwerb dieser langlebigen Bestandteile des Sachvermögens nicht als staatliche Investi­ tionen behandeln, sondern den Konsumausgaben des Staates zuordnen. An die Stelle der Ab­ schreibungen treten dann die Kosten, welche die Erhaltungsarbeiten für diese Güter erfordern. Im ESVG wird ein anderer Weg eingeschlagen; wir werden im letzten Abschnitt dieses Kapitels darauf eingehen.

194

Neuntes Kapitel

Die Saldenbeziehungen, die zwischen den Sektoren dieses Kreislaufs beste­ hen, können ausgehend von den Strömen entwickelt werden, die sich am Kreis­ laufpol der Vermögensänderung zeigen. Wird in der Gleichung [9.8] das Sparen des privaten Sektors isoliert und aus der Definitionsgleichung [9.5] für das Spa­ ren des Staates eingesetzt, so erhält man die Beziehung:

S = I + ASt-T oder S = I + BS,

[9.10]

worin die Differenz zwischen den Staatsausgaben und den Steuereinnahmen als Budgetsaldo BS interpretiert werden kann: ASt - T= BS, Er ist dem Betrage nach gleich dem Sparen des Staates, beide unterscheiden sich aber dem Vorzeichen nach voneinander. Ebenso wie das Sparen des Staates drückt auch sein Budget­ saldo die Differenz aus, die zwischen den beiden Stromgrößen der Steuerein­ nahmen und der Staatsausgaben besteht. Sind die gesamten Staatsausgaben grö­ ßer als die Steuereinnahmen, so entsteht ein Budgetdefizit; unserer Abgrenzung zufolge ist der Budgetsaldo BS in diesem Fall größer als Null, umgekehrt verhält es sich mit einem Budgetüberschuß. Die Gleichung [9.10] stellt zwischen dem laufenden Sparen des privaten Sektors, den Investitionen der Unternehmen und dem Budgetsaldo des Staates eine Beziehung her. Sie zeigt, daß diese drei Grö­ ßen nicht unabhängig voneinander variieren können: Sind zwei Größen gegeben, so ist der Wert der dritten Stromgröße determiniert. Nehmen wir beispielsweise an, die Investitionen der Unternehmen seien gegeben; dann wird sich ein Bud­ getdefizit des Staates - dargestellt mit einem positiven Vorzeichen - darin nieder­ schlagen, daß das laufende Sparen der Privaten den Umfang der Investitionen genau um den Betrag des Budgetdefizits übersteigt. Das Sparen der privaten Haushalte und der Unternehmen bildet den Gegenposten zu den Investitionen und zum staatlichen Budgetdefizit. Betrachtet man nun die Finanzierung dieses Budgetdefizits, so stehen zwei Wege offen: Zum einen kann es durch einen Anstieg der staatlichen Verbindlichkeiten gedeckt werden, der mit einem, um den gleichen Betrag wachsenden Nettogeldvermögensbestand des privaten Sek­ tors einhergeht. Unter den Voraussetzungen, die dem vorliegenden Abschnitt zugrunde liegen, impliziert diese Konstellation, daß das Reinvermögen der pri­ vaten Haushalte expandiert. Zum anderen kann dieses Budgetdefizit dadurch finanziert werden, daß der Staat seine Forderungen an die Unternehmen, bei­ spielsweise an die Zentralbank, reduziert - sofern er über solche Aktiva verfugt. Legen wir in der Gleichung [9.10] hingegen eine umgekehrte Konstellation zugrunde und nehmen an, daß das Sparen in den privaten Sektoren kleiner als der Betrag der Investitionen ist, so muß ein staatlicher Budgetüberschuß vorlie­

Der Staat im Wirtschaftskreislauf

195

gen, der entweder mit steigenden Forderungen an den privaten Sektor, oder mit einer Verminderung im Bestand der Verbindlichkeiten einhergeht. Im Falle steigender Forderungen des Staates an den Untemehmenssektor, zum Beispiel, ist es jedoch nicht sinnvoll, von der Verzinsung dieser Kreditgewährung abzuse­ hen. Im "Kreislaufmodell der Abbildung [9.1] ist ein solcher Strom der staatli­ chen Zinseinnahmen nicht vorgesehen - es spiegelt mithin eine reine Defizit­ konstellation des Staatshaushalts wider. Die Gleichung [9.10] ist eine Identität, die im Rahmen theoretischer Erklä­ rungen wiederum divergierende Interpretationen zuläßt. In der Tradition der Keynesschen Theorie steht die Einkommensbildung im Mittelpunkt. Eine kredit­ finanzierte Expansion der Staatsausgaben steigert die gesamtwirtschaftliche Nachfrage und erhöht auf diese Weise die Produktion und die Beschäftigung. Somit nimmt das Einkommen der Volkswirtschaft zu, die Haushalte können im Gleichgewicht größere Beträge sparen, so daß letztlich das gesamtwirtschaftli­ che, einkommensabhängige Sparen den Umfang erreicht, den es als Gegenpo­ sten zu den Investitionen der Unternehmen, und zum Budgetdefizit des Staates benötigt. In der neoklassischen, makroökonomischen Theorie wird dieser Zu­ sammenhang zwischen dem Sparen der privaten Haushalte, den Investitionen und dem Budgetdefizit unter dem Gesichtspunkt der Finanzierung betrachtet. Demnach muß die laufende Ersparnis der privaten Haushalte ausreichen, um die Investitionen und das Budgetdefizit zu decken. Steigt der Ausgabenüberschuß des Staates und somit dessen Kreditbedarf, so wird die zunehmende Nachfrage nach Kapital zu einer Zinssatzsteigerung fuhren und die Investitionen des Unter­ nehmenssektors verdrängen. Folglich kann eine kreditfinanzierte Ausweitung der Staatsausgaben keine expansiven ökonomischen Wirkungen entfalten. Wäh­ rend Keynes eine konjunkturell bedingte Arbeitslosigkeit als Ausgangslage an­ nimmt, nimmt die Neoklassik eine wirtschaftliche Lage an, in der Vollbeschäfti­ gung heiTscht.

b) Die Umverteilung der Einkommen Ein bedeutsamer Teil der wirtschaftlich relevanten Tätigkeit des Staates erstreckt sich auf die Umverteilung des Einkommens, die zum einen durch die reinen geldlichen Transferzahlungen vom Staat an die privaten Haushalte erfolgt und zum anderen durch die Waren und Dienstleistungen vermittelt wird, welche der Staat kauft oder produziert, um sie den privaten Haushalten zur Verfügung zu

196

Neuntes Kapitel

stellen. Zum Staat in diesem Sinne zählen auch die Institutionen des Sozialversi­ cherungssystems. Aus der gesamtwirtschaftlichen Produktion entsteht ein Einkommen, das als Primäreinkommen an die privaten Haushalte verteilt oder von den Unternehmen als Gewinn einbehalten wird. Der Begriff des Primäreinkommens besagt, daß die Verteilung des Einkommens unter Marktbedingungen stattfindet, also durch die Konstellationen des Arbeitsmarktes und des Kreditmarktes bestimmt wird. Sei­ nem Umfang nach ist es gleich der Nettowertschöpfung, die in der Gleichung [9.9c] wiedergegeben wurde. Daran schließt sich die sekundäre Einkommensver­ teilung an, die, von bestimmten sozialen und ökonomischen Merkmalen der Haushalte ausgehend, mittels der Steuerzahlungen und der monetären Transfers in eine Umverteilung der Einkommen zwischen die Haushaltsgruppen mündet. Berücksichtigt man zudem die Zinsen auf die Staatsschuld, so entsteht aus den, auf dieser Stufe stattfindenden Redistributionsprozessen das verfügbare Ein­ kommen der Haushalte, das in der Übersicht [9.1] dargestellt wird. Das verfügba­ re Einkommen des Staates umfaßt die Steuereinnahmen, von denen die zu lei­ stenden Zinsen und die monetären Transfers abgezogen werden müssen. Über­ steigen seine Konsumausgaben das verfügbare Einkommen, dann wird die lau­ fende Ersparnis negativ. In der Übersicht [9.1] wird der Betrag, der für die staat­ lichen Konsumausgaben aufgewendet werden kann, als verfügbares Einkommen ohne das laufende staatliche Sparen ausgewiesen.12 Die monetären Transfers TR werden auch als monetäre Sozialleistungen be­ zeichnet und können in tieferer Gliederung wiederum in die Geldleistungen der Sozialversicherung, die sonstigen Sozialleistungen des Staates als Arbeitgeber und in die sonstigen sozialen Geldleistungen unterteilt werden.13 Zu den Geld­ leistungen der Sozialversicherung werden in den Volkswirtschaftlichen Gesamt­ rechnungen die Rentenzahlungen, die Geldleistungen der Pflegeversicherung und der gesetzlichen Krankenversicherung sowie die Leistungen der Arbeitslo­ senversicherung gerechnet. Wie das Statistische Bundesamt anfuhrt, werden 12 Das Statistische Bundesamt (1999a, S.31) definiert: „Die Konsumausgaben des Staates entspre­ chen dem Wert der Güter, die vom Staat selbst produziert werden, jedoch ohne selbsterstellte Anlagen und Verkäufe, sowie den Ausgaben für Güter, die als soziale Sachtransfers den privaten Haushalten für ihren Konsum zur Verfügung gestellt werden.“ Die selbsterstellten Anlagen des Staates sind dauerhafte Produktivgüter und zählen daher im ESVG nicht zu den Konsumausga­ ben, sondern zu den Investitionen des Staates. Bei seinen Verkäufen handelt es sich zum Bei­ spiel um Dienstleistungen, die der Staat gegen Gebühren an die Haushalte abgibt; wir sehen in unseren Kreislaufmodellen von diesen Verkäufen des Staates ab. 13 Siehe zum folgenden Statistisches Bundesamt 1999a, S.44.

Der Staat im Wirtschaftskreislauf

197

diese Ausgaben „überwiegend aus tatsächlichen Sozialbeiträgen finanziert“.14 Zur zweiten Kategorie der Geldleistungen gehören hauptsächlich die Pensionen. Die sonstigen sozialen Geldleistungen schließlich umfassen solche Transfers wie die Arbeitslosenhilfe, die Sozialhilfe, das Kindergeld und das Wohngeld; sie werden im wesentlichen aus dem Steueraufkommen finanziert. Übersicht 9.1: Die sekundäre Einkommensverteilung und die Konsumausgaben der privaten Haushalte und des Staates nach dem Ausgabenkonzept

verfügbares Ein­ kommen des Staates abzüglich Sparen (T.RSt-TR-SSt)

monetäre So­ zialleistungen TR

Nettoeinkommen der Haushalte aus Erwerbstätigkeit und Vermögen nwsu/h + gh+rSi - th

verfügbares Einkommen der Haushalte

Konsumausgaben des Staates

NWSU/H +

Gh+ TR + RSt ■ Th

Konsumausgaben der privaten Haushalte CH

Sparen der privaten Haushalte

Unter systematischen Gesichtspunkten betrachtet, geht die zweite Stufe im Prozeß der Umverteilung aus der Einkommensverwendung hervor. Die Konsum­ ausgaben, welche die privaten Haushalte und der Staatshaushalt aus ihren ver­ fügbaren Einkommen bestreiten, dienen dem Erwerb von Konsumgütem, die für den Verbrauch bestimmt sind. Eine Umverteilungskomponente kommt dann hinzu, wenn eine Wirtschaftseinheit ihre Konsumausgaben nicht vollständig für den eigenen Verbrauch verwendet. Diese Differenz tritt regelmäßig beim Staats­ haushalt auf, so daß dessen Konsumausgaben stets auch solche Bestandteile enthalten, die in den Verbrauch anderer Wirtschaftseinheiten eingehen. Gewis­ sermaßen spiegelbildlich zu dieser Konstellation übersteigt der Verbrauch der privaten Haushalte deren eigene Konsumausgaben. So werden zum Beispiel die Ausgaben für das Bildungssystem vom Staat getragen, die Leistungen jedoch, die auf diese Weise produziert werden, gehen in den Verbrauch der privaten Haushalte ein. Das entscheidende Problem besteht darin, die Güter, welche der Staat - in seiner Funktion als Staatshaushalt - durch seine Konsumausgaben erwirbt, dem eigenen Verbrauch und dem Verbrauch der privaten Haushalte 14 Statistisches Bundesamt 1999a, S.44.

198

Neuntes Kapitel

zuzuordnen.15 Im ESVG unterscheidet man folglich zwei Kategorien der Kon­ sumausgaben: zum einen gibt es Ausgaben für solche Waren und Dienstleistun­ gen, „die zur unmittelbaren Befriedigung individueller Bedürfnisse und Wün­ sche“ verwendet werden, zum anderen werden solche Güter erworben, die der Befriedigung „kollektiver Bedürfnisse der Allgemeinheit“ dienen.16 Die Ausga­ ben des Staatshaushalts müssen daher in einen individualisierbaren und einen kollektiven Teil getrennt werden. Als Kriterium für diese Differenzierung gilt die Zurechenbarkeit der Leistungen, die mittels dieser Ausgaben erworben wer­ den. „Als individuell zurechenbar sollen Leistungen dann angesehen werden, wenn sie zugunsten und in der Regel mit Zustimmung einzelner Personen oder klar abgrenzbarer Personengruppen erbracht werden, d.h. wenn der Verbraucher der Leistung individuell zu identifizieren ist. (...) Einzelpersonen (...) müssen einen unmittelbaren und erkennbaren Nutzen aus der Leistung ziehen (...). Die kollektive oder rein öffentliche Leistung ist demgegenüber dadurch gekenn­ zeichnet, daß sie stets auf einen größeren Personenkreis, der vielfach die Ge­ samtbevölkerung eines Landes umfaßt, gerichtet ist. Weder der Staat als Produ­ zent der Leistung kann einzelne Wirtschaftseinheiten, noch können einzelne Wirtschaftseinheiten sich selbst vom Konsum ausschließen.“17 Internationalen Konventionen folgend, werden die Ausgaben des Staates nach Aufgabenbereichen dergestalt differenziert, daß die in ihnen erbrachten Leistungen entweder der individuellen oder der kollektiven Verwendung an­ heimfallen. Legt man diese Gliederung der Aufgaben zugrunde, dann zählen alle Ausgaben zum Individualkonsum der Haushalte, die auf die Gebiete: - Unterrichtswesen, - Gesundheitswesen, - soziale Sicherung, - Sport und Erholung sowie - Kultur

entfallen. Darüber hinaus rechnen auch solche Leistungen zum Individualkon­ sum, die der Staat in den Bereichen: Bereitstellung von Wohnungen, Hausmüll­ und Abwasserentsorgung und Betrieb von Verkehrsnetzen erbringt. Dagegen gehören alle Ausgaben, welche auf die klassischen Staatsfunktionen entfallen, zum eigentlichen Kollektivverbrauch, nämlich: 15 Siehe dazu Bartels und Sievers 1961, S. 135 sowie Kopsch 1980 und 1984. 16 ESVG 1995, S.75. 17 Kopsch 1984, S.289f.

Der Staat im Wirtschaftskreislauf

199

- allgemeine staatliche Verwaltung, - Gewährleistung von Sicherheit und Verteidigung, - Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Gesetzgebung.

Zur erstgenannten Position werden auch die Ausgaben für die Grundlagenfor­ schung gerechnet. Darüber hinaus werden die Aufwendungen für den Umwelt­ schutz sowie für Infrastruktur und Wirtschaftsforderung dem Kollektivkonsum zugeordnet.18 Zusammenfassend kann man sagen, daß der Kollektivkonsum alle Komponenten der staatlichen Konsumausgaben enthält, die nicht individuali­ sierbar sind.19 Auf der Basis dieser Gliederung der Staatsausgaben nach Verwendungsbe­ reichen kann die Umverteilungsfunktion der staatlichen Konsumausgaben unter­ sucht werden, in deren Zentrum die sogenannten sozialen Sachtransfers stehen. Darunter versteht man diejenigen Ausgaben, die der Staat zwar finanziert, die Waren und Dienstleistungen jedoch, die er auf diese Weise erwirbt, werden unentgeltlich den Haushalten übertragen und von diesen letztlich auch ver­ braucht.20 Die Einkommensverwendung kann folglich unter zwei Gesichtspunk­ ten betrachtet werden. Legt man das sogenannte Ausgabenkonzept zugrunde, so erfaßt man die Konsumausgaben in demjenigen Sektor, der sie finanziert hat: Man kann auf diese Weise die Konsumausgaben der privaten Haushalte von denjenigen des Staates unterscheiden. Das Verbrauchskonzept hingegen bietet den analytischen Rahmen, um die gesamten Konsumausgaben in den Individual­ konsum der privaten Haushalte und den Kollektivkonsum des Staates zu untertei­ len. Der Zusammenhang zwischen den Ausgaben und dem letztlichen Verbrauch wird in der Übersicht [9.2] dargestellt. Der Individualkonsum der Haushalte umfaßt zusätzlich zu den eigenen Konsumausgaben auch den Wert der sozialen Sachtransfers. Der Betrag, den die Haushalte und der Staat sparen, ist in der Abgrenzung beider Konzepte gleich, weil sich das verfügbare Einkommen und die Ausgaben respektive der Verbrauch beider Sektoren um den gleichen Betrag, nämlich um den Wert der sozialen Sachtransfers verändern, wenn man vom Ausgaben- zum Verbrauchskonzept übergeht.

18 Siehe dazu ESVG 1995, S.75-78, Kopsch 1984, S.298 ff, Statistisches Bundesamt 1999a, S.44. Die Klassifizierung der Staatsausgaben nach dem Verwendungszweck findet sich im ESVG 1995, S.355f. 19 Strohm u.a. 1999, S.271. 20 ESVG 1995, S.75. Siehe dazu auch ESVG 1995, S.77 sowie Strohm u.a. 1999, S.266.

Neuntes Kapitel

200

Übersicht 9.2: Der Konsum nach dem Ausgaben- und dem Verbrauchskonzept Konsumausgaben (C^ + Cgt)

Konsumausgaben des Staates

Kollektivkonsum (Konsum des Staates nach dem Verbrauchskonzept)

Soziale Sachtrans­ fers vom Staat an die privaten Haushalte

Konsumausgaben der privaten Haushalte

Käufe der inländischen privaten Haushalte

Individualkonsum der privaten Haushalte

der gesamte letzte Verbrauch

c) Produktionsabgaben und Subventionen Gehen wir nun auf das Kreislaufmodell einer offenen Ökonomie ein, das neben den bereits bekannten grenzüberschreitenden Transaktionen auch die Gütersteu­ ern einschließt, welche die Unternehmen an den Staat oder an die Europäische Union zahlen, und die Gütersubventionen, welche sie vom Staat oder von der Europäischen Union empfangen. Unter den Gütersteuem versteht man solche Abgaben, die auf die Mengeneinheit oder den Wert eines Gutes bezogen sind und deren Aufkommen mit dem Umfang der produzierten Waren und Dienstlei­ stungen variiert. Während die Unternehmen diese Gütersteuem an den Staat abfuhren, erfahren sie durch die Gütersubventionen, die zur Unterstützung der laufenden Produktion und der Einkommen gewährt werden, eine Begünstigung. Die Differenz zwischen den Gütersteuem und den Gütersubventionen wird auch als Nettogütersteuer bezeichnet.21

21 Zu den Gütersteuem zählen beispielsweise die Mehrwertsteuer und die speziellen Verbrauchs­ steuern. „Gütersubventionen sind Subventionen, die pro Einheit einer produzierten oder einge­ führten Ware oder Dienstleistung geleistet werden. Unter Subventionen versteht man in den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen laufende Zahlungen ohne Gegenleistung, die der Staat oder Institutionen der Europäischen Union an gebietsansässige Produzenten leisten, um den Um­ fang der Produktion dieser Einheiten, ihre Verkaufspreise oder die Entlohnung der Produktions­ faktoren zu beeinflussen“ (ebd.). Zum Begriff der Nettogütersteuem siehe Statistisches Bundes­ amt 1999a, S.34. Wie die empirische Betrachtung zeigt, hat dieser Saldo stets ein positives Vor-

Der Staat im Wirtschaftskreislauf

201

Bevor wir dieses neue Kreislaufmodell behandeln, ist es zweckmäßig, zu­ nächst noch etwas genauer auf die Abgrenzungen und Definitionen einzugehen, die im Zusammenhang mit diesen neuen Stromgrößen stehen. Im ESVG wird der Begriff der Produktions- und hnportabgaben benutzt, um eine ganze Klasse von Abgaben zu beschreiben, zu denen auch die Gütersteuem zählen. Dabei handelt es sich um Zwangsabgaben, die an den Staat oder die Europäische Union abgeführt werden müssen. Ihre Klassifikation beinhaltet: 1. die Gütersteuern, die weiter in die (a) Mehrwertsteuer, (b) die Importabgaben - bestehend aus den Zöllen und den Importsteuern - und (c) die sonstigen Gütersteuem untergliedert werden sowie 2. die sonstigen Produktionsabgaben. Zu den sonstigen Gütersteu­ ern zählen die Verbrauchssteuern wie beispielsweise die Tabaksteuer, die Mine­ ralölsteuer etc. Die sonstigen Produktionsabgaben umfassen sämtliche Steuern, welche die Unternehmen aufgrund ihrer Produktionstätigkeit und unabhängig vom Wert oder von der Menge der produzierten Güter entrichten müssen; dazu gehören zum Beispiel die Steuern auf Grund und Boden, auf das Anlagevermö­ gen, auf die Zahl der beschäftigten Arbeitskräfte oder auf die Lohnsumme. Die Subventionen werden (1) in die Gütersubventionen, die sich aus den (a) Import­ subventionen und (b) den sonstigen Gütersubventionen zusammensetzen, sowie (2) in die sonstigen Subventionen eingeteilt. Die sonstigen Gütersubventionen werden an Kapitalgesellschaften gezahlt, um „anhaltende Verluste aus ihrer Produktionstätigkeit auszugleichen“.22 Zu den sonstigen Subventionen zählen alle Übertragungen, die keine Gütersubventionen sind, wie Subventionen auf die Lohnsumme und Zinszuschüsse. Investitionszuschüsse werden hingegen als Vermögensübertragungen interpretiert und in diesen Strom nicht aufgenommen. Wir bezeichnen die Gütersteuem mit dem Symbol TGü und die Gütersubven­ tionen mit ZGü, ihr Saldo - die Nettogütersteuern - lautet sodann: TGü - ZGü. Alle Produktions- und Importabgaben werden durch das Symbol Tp/A und alle Sub­ ventionen durch das Symbol Z ausgedrückt, die sonstigen Produktionsabgaben und die sonstigen Subventionen werden mit T$pA und Zso wiedergegeben. So­ dann gelten die folgenden defmitorischen Beziehungen: tpia

= tgü +

tspa

Z = ZGü + Zso'

Zeichen, weil die Gütersteuem um ein Vielfaches größer sind als die Gütersubventionen (siehe ebd. S.149). Diese Abgrenzungen werden ausführlich im ESVG 1995 (S.94-101) dargestellt. 22 ESVG 1995, S.99. Siehe zu diesen Definitionen und zur Gliederung der Produktionsabgaben und Subventionen auch ESVG 1995, S.94-101.

202

Neuntes Kapitel

Der Begriff der Nettoproduktionsabgaben gibt den Saldo der Produktionsund Importabgaben mit den Subventionen wieder: TpiA - Z. Auf die sonstigen Produktionsabgaben und die sonstigen Subventionen, die, quantitativ betrachtet, keineswegs bedeutungslos sind, werden wir an späterer Stelle dieses Abschnitts zurückkommen, zunächst aber auf die Gütersteuem und -Subventionen eingehen. In den vorangegangenen Kreislaufbetrachtungen benutzten wir die beiden Begriffe Bruttowertschöpfung und Bruttoinlandsprodukt synonym, um dieselbe ökonomische Größe zu beschreiben. Sobald jedoch der Staat oder die Europäi­ sche Union Gütersteuem erheben oder Gütersubventionen gewähren, ändert sich das Bild: Obgleich sie sich auf denselben Umfang der wirtschaftlichen Leistung beziehen, bezeichnen die Bruttowertschöpfung und das Bruttoinlandsprodukt nun zwei quantitativ unterscheidbare Aggregate, die um den Betrag der Nettogütersteuem differieren. Die Bruttowertschöpfung beschreibt die wirtschaftliche Leistung des Inlands auf der Basis der sogenannten Herstellungspreise, während das Bruttoinlandsprodukt zu Marktpreisen ausgewiesen wird. Zu diesem Bewer­ tungsproblem führt das ESVG aus: „Die Angaben zu den Strom- und Bestands­ größen basieren (...) auf ihrem Tauschwert, d.h. dem Wert, zu dem sie effektiv gegen Bargeld eingetauscht werden bzw. eingetauscht werden können. Im ESVG erfolgt die Bewertung daher grundsätzlich anhand von Marktpreisen.“23 Berücksichtigt man indes die Gütersteuem und die Gütersubventionen, dann „stellt sich der Wert eines bestimmten Gutes für den Produzenten und den End­ verbraucher häufig unterschiedlich dar. Damit die Sichtweise der Transaktions­ partner gewahrt bleibt, wird im ESVG die Verwendung von Gütern grundsätz­ lich zu Käuferpreisen (Anschaffungspreisen) bewertet, die (...) Gütersteuem abzüglich Gütersubventionen einschließen, während die Produktion von Gütern zu Herstellungspreisen ausgewiesen wird, in die die genannten Elemente nicht eingehen.“24 Unter dem Gesichtspunkt der Produktion betrachtet, werden die Gütermengen zu ihren Herstellungspreisen bewertet, in denen die Gütersubven­ tionen, welche die Produktionskosten für die Unternehmen senken, enthalten und die Gütersteuern ausgeschlossen sind. Auf diese Weise werden der Produk­ tionswert und die Bruttowertschöpfung erfaßt. Diejenigen Güteraggregate hin­ gegen, welche der Verwendung des Inlandsprodukts zugehören, werden zu ihren Anschaffungspreisen berechnet, so daß ihr Wert die Nettogütersteuem ein­ schließt. Nach diesem Verfahren werden die Bruttoinvestitionen, die Vorleistun­ gen und sämtliche Konsumausgaben bewertet. In der gleichen Weise wird das 23 ESVG 1995, S.32. 24 ESVG 1995, S.32; siehe auch ebd. S.60 und 68f.

Der Staat im Wirtschaftskreislauf

203

Bruttoinlandsprodukt wiedergegeben. Der Wert der Exporte wird aus den Grenzübergangspreisen des ausführenden Landes ermittelt und schließt die Ver­ sicherungs-, die Transport- und Verladekosten bis zur Exportgrenze ein; der Wert der importierten Güter wird durch die Einfuhrpreise an der Grenze des importierenden Landes erfaßt und setzt sich aus den ausländischen Ab-WerkPreisen, der Handelsspanne sowie den Versicherungs- und Transportkosten bis zur Einfuhrgrenze zusammen. Legt man diese Abgrenzungen zugrunde, so wer­ den die Exportpreise den Anschaffungspreisen und die Importpreise den Herstel­ lungspreisen konzeptionell gleichgestellt. Die Einführung der Gütersteuem und der Gütersubventionen bewirkt zu­ nächst in der Inlandsproduktrechnung, daß der Produktionswert nicht mehr - wie in unseren bisherigen Kreislaufmodellen - gleich der Summe der Vorleistungen und des Bruttoinlandsprodukts ist. Dieser Zusammenhang wird im nachfolgen­ den Abschnitt deutlich.

d) Der Staat im Kreislauf einer offenen Ökonomie: die Bruttowertschöpfung zu Herstellungspreisen, das Bruttoinlandsprodukt und das Bruttonationaleinkom­ men zu Marktpreisen

Betrachten wir nun den Einfluß der Nettogütersteuem und der Nettoprodukti­ onsabgaben auf die Wertschöpfung, auf das Inlandsprodukt und das National­ einkommen. Ausgehend vom Inlandskonzept zeigen wir zunächst, wie die Brut­ towertschöpfung zu Herstellungspreisen in das Bruttoinlandsprodukt übergeht, das zu Marktpreisen bewertet wird. Daran anschließend untersuchen wir auf der Basis des Inländerkonzepts die Beziehung, welche die grenzüberschreitenden Primäreinkommen zwischen dem Bruttoinlandsprodukt und dem Bruttonational­ einkommen zu Marktpreisen herstellen. Schließlich geben die Volkswirtschaftli­ chen Gesamtrechnungen in Deutschland noch das sogenannte Volkseinkommen wieder. Um diese, den Wirtschaftseinheiten zugeflossenen Erwerbs- und Ver­ mögenseinkommen zu ermitteln, muß man den Übergang vom Nettonationalein­ kommen zu Marktpreisen zum Nettonationaleinkommen zu Faktorkosten be­ trachten. Das Kreislaufmodell, das wir unserer Untersuchung zugrunde legen, zeigt nur zwei Sektoren, die einen Beitrag zur gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung leisten, nämlich die Unternehmen und den Staat in seiner Produzentenfunktion. Um die Bruttowertschöpfung der gesamten Volkswirtschaft zu erfassen, müssen

Neuntes Kapitel

204

die Beiträge beider zusammengefaßt werden. Darüber hinaus muß der Staat hier noch in seiner Funktion als öffentlicher Haushalt berücksichtigt werden. Wir betrachten die Gütersteuem TGü als einen Strom, der bei den Unternehmen als eine Ausgabe, im Staatshaushalt hingegen als eine Einnahme auftritt. Mit den Gütersubventionen ZGü verhält es sich genau umgekehrt: Sie bilden für den Untemehmenssektor eine Einnahme und für den Staatshaushalt eine Ausgabe. Wir behandeln die Nettogütersteuem daher als einen Strom, der den Untemeh­ menssektor mit dem Staat nicht in seiner Produzentenfunktion, sondern in seiner Haushaltsfunktion verbindet. Werden die Stromgrößen nach den Ausgaben und Einnahmen geordnet, so erhält man folglich am Untemehmenspol die Glei­ chung:

NWS™ + Qu + D + TGü = lb + CH + Gö + EXG - IMG + ZGü,

und für den Staat in seiner Eigenschaft als produzierender Einheit: gh+gu=

Gsr

Addiert man diese beiden Gleichungen und gruppiert die Terme in zweckent­ sprechender Weise, so entsteht eine neue Gleichung, welche die Bruttowert­ schöpfung der Ökonomie - bewertet zu ihren Herstellungspreisen^ - wiedergibt: BWS = Ib + CH+ CSl + EXG - 1Mg- (TGa - ZGÜ\

[9.11]

Auf der rechten Seite dieser Gleichung geben die drei ersten Terme und der Exportsaldo die Verwendungsaggregate wieder, die zu Anschaffungspreisen bewertet werden. Die Addition der Nettogütersteuem auf beiden Seiten fuhrt auf die Beziehung:

BWS + TCü - ZGÜ = lb+CH+ CSI + EXg - IMg, deren rechte Seite das Bruttoinlandsprodukt zu Marktpreisen enthält, so daß die Gleichung auch in der Form:

25 Die Bruttowertschöpfung zu Herstellungspreisen enthält die sonstigen Produktionsabgaben, aber nicht die sonstigen Subventionen. Der Saldo beider Größen ist jedoch gering (siehe Statistisches Bundesamt 1999a, S.l40 und Essig 2000, S.88).

Der Staat im Wirtschaftskreislauf

205

BIP = Ib + CH + CSt + EXG - IMG

geschrieben werden kann. Die Bruttowertschöpfung auf der linken Seite der Gleichung [9.11] kann auch im Zusammenhang mit der Entstehung des Inlands­ produkts betrachtet und sodann durch die Gleichung:

PW- VL^BWS

dargestellt werden. Folglich differieren die Bruttowertschöpfung zu Herstel­ lungspreisen - als Kategorie der Entstehungsrechnung betrachtet - und das Brut­ toinlandsprodukt zu Marktpreisen - als Kategorie der Verwendungsrechnung um den Betrag der Nettogütersteuem: bws + tGü-zGij

= bip.

Zieht man auf beiden Seiten dieser Gleichung die Abschreibungen ab, dann erhält man die Nettowertschöpfung NWS zu Herstellungspreisen und das Netto­ inlandsprodukt NIP zu Marktpreisen: nws+tgü-zgü=nip.

[9-12]

Die Gütersteuern, welche der inländische Untemehmenssektor zahlt, fließen dem Staat oder der Europäischen Union zu. Umgekehrt zahlen der Staat oder die Europäische Union die Subventionen, die der inländische Untemehmenssektor empfängt. Vergleicht man nun die beiden Einkommensaggregate miteinander, so zeigt sich, daß die wirtschaftliche Leistung, die durch die Nettoinvestitionen, die Kon­ sumausgaben der Ökonomie sowie durch den Exportsaldo gemessen wird, auf zwei verschiedene Arten bewertet werden kann, sobald Gütersteuem und Güter­ subventionen auftreten. Nehmen wir zunächst an, es gäbe nur die Gütersteuem, aber keine Gütersubventionen; diese Voraussetzung: TGü > 0 und ZGü = 0 fuhrt somit auf den Ausdruck: NWS + TGü = NIP. Je höher die Gütersteuem wären, um so höher lägen auch die Marktpreise der Güter und um so höher fiele das Nettoinlandsprodukt zu Marktpreisen aus, das nominelle Erwerbs- und Vermö­ genseinkommen der Haushalte aber bliebe unverändert, allein die Einnahmen des Staates wüchsen. Umgekehrt kann man eine Konstellation betrachten, in der die Gütersteuern gleich Null wären, der Staat jedoch den Unternehmen Güter­ subventionen zahlte. Da letztere die laufende Produktion unterstützen, senkten

Neuntes Kapitel

206

sie die Produktionskosten und stabilisierten die Einkommen. Lägen die Stück­ kosten der Produktion über dem Marktpreis, so müßte das Produktionsverfahren eingestellt werden, erhielte das Unternehmen keine Subventionen. Aus der Glei­ chung [9.12] entsteht unter dieser Voraussetzung der Ausdruck: NWS = NIP + ZGü; er zeigt, daß höhere Gütersubventionen die Nettowertschöpfung zu Herstel­ lungspreisen ansteigen ließen, folglich nähme die letztere einen größeren Wert als das Nettoinlandsprodukt an. Höhere Gütersteuem wirken daher auf das Preisniveau und höhere Gütersubventionen auf das Einkommen und die produ­ zierten Mengen.26 Geht man nun vom Inlandskonzept zum Inländerkonzept über, so müssen die grenzüberschreitenden Primäreinkommen bei der Berechnung derjenigen wirt­ schaftlichen Leistungen berücksichtigt werden, die von den Inländern erbracht worden sind. Das Bruttonationaleinkommen, ausgedrückt durch das Symbol BNE, entsteht aus dem Bruttoinlandsprodukt, indem der Saldo der Primärein­ kommen mit der übrigen Welt dem letzteren hinzugefugt wird. Bruttonationaleinkommen

= +

-

Bruttoinlandsprodukt zu Marktpreisen Primäreinkommen, welche die Inländer aus der übrigen Welt empfangen haben ‘ Primäreinkommen, welche das Inland an die übrige Welt geleistet hat

Diese grenzüberschreitenden Einkommen enthalten nun jedoch nicht mehr allein die Erwerbs- und Vermögenseinkommen, sondern darüber hinaus auch noch diejenigen Produktions- und Importabgaben, welche das Inland an die Europäische Union leistet, sowie solche Subventionen, welche die inländischen Unternehmen von der Europäischen Union empfangen. Der Anteil der Europäi­ schen Union an den Produktions- und Importabgaben, die innerhalb eines Lan­ des entstehen, und die Direktsubventionen der Europäischen Union zählen nicht zu den Einnahmen und Ausgaben des Staates. Die gesamten Produktions- und Importabgaben werden somit in die Abgaben an den Staat und in den EU-Anteil differenziert; in gleicher Weise wird mit den Subventionen verfahren.27

26 Wir setzen an dieser Stelle voraus, daß in der Folge dieser wirtschaftspolitischen Maßnahmen keine weiteren Mengeneffekte auftreten werden. Somit schließen wir aus, daß beispielsweise steigende Gütersteuem die produzierten und verbrauchten Mengen beeinflussen. 27 In den Finanzierungssaldo des Staates, der aus der Differenz zwischen seinen Einnahmen und Ausgaben entsteht, gehen diese EU-Anteile nicht ein.- Zu den Produktions- und Importabgaben, welche an die Institutionen der Europäischen Union geleistet werden, gehören zum einen solche

Der Staat im Wirtschaftskreislauf

207

Bezeichnen wir die Erwerbs- und Vermögenseinkommen, die den Inländern aus dem Ausland zufließen, wie zuvor mit Yjn, die an das Ausland geleisteten mit YAus, die Produktions- und Importabgaben, welche das Inland - i.e. die in­ ländischen Unternehmen - an die Europäische Union zahlt, mit PIAIn/EU und die Subventionen, welche das Inland von der Europäischen Union empfängt, mit ^EU/hv so können wir die Beziehung, die zwischen dem Bruttoinlandsprodukt und dem Bruttonationaleinkommen besteht - beide in Marktpreisen ausgedrückt -, durch die Gleichung:

BNE = BIP + Y,n - YAus - (PIAIn/EU - ZEU/In) wiedergeben. Zieht man sowohl vom Bruttoinlandsprodukt als auch vom Brut­ tonationaleinkommen die Abschreibungen ab, dann erhält man das Nettonatio­ naleinkommen NNE und das Nettoinlandsprodukt NIP - beide wiederum zu Marktpreisen bewertet: NNE = NIP + YJn - YAus - (PIAJn/EU-ZEU/In\

[9.13]

Diese Gleichung zeigt zwei Salden, die aus grenzüberschreitenden Strömen des Primäreinkommens gebildet werden; zusammen mit dem Nettoinlandsprodukt bestimmen sie den Umfang des Nettonationaleinkommens. Der erste Saldo um­ faßt die Erwerbs- und Vermögenseinkommen, die zwischen dem Inland und der übrigen Welt fließen; der zweite Saldo setzt sich aus den grenzüberschreitenden Abgaben und Subventionen zusammen, die das Inland mit der Europäischen Union verbinden. Im Unterschied zum ersteren umfaßt der letztere Saldo keine Faktoreinkommen, sondern wird im ESVG als ein neues Primäreinkommen interpretiert, das dem Inland aus der Europäischen Union zufließt. Ersetzt man das Nettoinlandsprodukt durch die Nettowertschöpfung zu Herstellungspreisen, dann können wir die Bestandteile des Nettonationaleinkommens in tiefer Gliede­ rung durch die folgende Gleichung angeben: NNE = NWS + TCÜ - ZCÜ + Yln - YAlts - (PIAMEU - ZEU/Jn). Gütersteuem, welche die gebietsansässigen Wirtschaftseinheiten direkt an die EU abführen, und zum anderen die Gütersteuem, die von den einzelstaatlichen Stellen auf Rechnung der Europäi­ schen Union erhoben werden. Diese letztere Gruppe umfaßt die Einnahmen der EU im Rahmen der Agrarpolitik, die Zolleinnahmen aus dem Handel mit Drittländern sowie die Einnahmen aus dem Mehrwertsteueraufkommen der Mitgliedstaaten. Siehe dazu Essig und Hartmann 2000, S.656 sowie ESVG 1995, S.97.

Neuntes Kapitel

208

Schließlich kann man auf der Grundlage des Nettonationaleinkommens auch noch die reinen Erwerbs- und Vermögenseinkommen der Inländer ermitteln, in denen sämtliche Subventionen enthalten, aber die Produktionsabgaben vollstän­ dig ausgeschlossen sind. Dieses Einkommensaggregat wird als Nettonationalein­ kommen zu Faktorkosten bezeichnet - oder auch als Volkseinkommen - und mit dem Symbol Y versehen. Um diese Faktoreinkommen ausschließlich zu erfassen, müssen vom Nettonationaleinkommen zu Marktpreisen diejenigen Produktionsund Importabgaben abgezogen werden, welche der Staat vom Inland empfangen hat, und die Subventionen, welche der Staat an das Inland geleistet hat, müssen ihm hinzugefugt werden: Y= NNE - (TP]A-Z)ln.

Diese letztere Gleichung können wir auch auf einem anderen Wege herleiten, indem wir nämlich mit der Einkommensentstehung und der Verteilung beginnen. Soll das Nettonationaleinkommen zu Faktorkosten allein die sogenannten Er­ werbs- und Vermögenseinkommen der Inländer wiedergeben, so können wir von der Definition:

y-^+Q+YJn+YAus

[9-14]

ausgehen. In dieser Gleichung geben IV die Lohneinkommen und Q die Gewinne in der Abgrenzung des Inlandskonzepts wieder - die Arbeitnehmerentgelte und die Betriebsüberschüsse in der Terminologie des ESVG. Beginnen wir mit den inländischen Produktionsprozessen, so kann das daraus hervorgehende Erwerbs­ und Vermögenseinkommen als Nettowertschöpfung zu Faktorkosten NlVSp bezeichnet werden:

NWSF = W+Q.

Es enthält die Einkommen, die den Unternehmen und den Haushalten tatsächlich zugeflossen sind, schließt daher sämtliche Subventionen ein, jedoch alle Produk­ tionsabgaben aus. Die Nettowertschöpfung zu Herstellungspreisen geht aus die­ sem Faktoreinkommen des Inlands hervor, indem die sonstigen Produktionsab­ gaben Tspa addiert und die sonstigen Subventionen Zso subtrahiert werden: NWS = NWSF+TSPA-Zso.

Der Staat im Wirtschaftskreislauf

209

Ausgehend von diesem Einkommensaggregat ergibt sich das Nettoinlandspro­ dukt zu Marktpreisen in der zuvor dargestellten Weise: NIP = NWSF+TSPA-Zso + TCü-ZGä.

Wegen des oben angeführten definitorischen Zusammenhangs zwischen den gesamten Produktions- und Importabgaben, den Gütersteuem und den sonstigen Produktionsabgaben einerseits, den verschiedenen Kategorien der Subventionen andererseits, kann diese Gleichung vereinfacht werden, so daß man die Bezie­ hung28: NIP = NWSf+Tpia-Z

erhält. Ersetzt man in der Gleichung [9.13] das Nettoinlandsprodukt durch die Terme, die auf der rechten Seite der voranstehenden Gleichung aufgefuhrt wer­ den, so erhält man den Ausdruck: NNE = NWSF + Y,„ - YAus + Tpia - Z - (PIÄMEU - ZEU/„).

Die vier letzten Summanden geben einen Differenzbetrag an, der die vom Staat empfangenen Produktions- und Importabgaben: (TPIA - PIÄIn/EU) abzüglich derjenigen Subventionen umfaßt, welche er an die inländischen Unternehmen geleistet hat: - (Z - ZEU/I^. Die zuletzt angeführte Differenz zeigt mithin die Subventionen, welche die Unternehmen im Inland vom Staat empfangen haben. Wir können somit eine neue Gleichung aufstellen: PIA ■ Qin = TPIA ■ Z ■ ^PIÄjn/EU ’ ^EU/b^

welche das sogenannte Primäreinkommen des Staates wiedergibt. Es wird durch den Inlandssaldo aus den Produktions- und Importabgaben mit den Subventio­

28 Aus den Definitionen folgt: TPIA •1 ~

TGü ■ ZGö + TSPA ■ ZSO- - Wie die vorletzte, im Text

angeführte Gleichung zeigt, enthält die Bruttowertschöpfung den Saldo aus den sonstigen Pro­ duktionsabgaben TP]A und den sonstigen SubventionenZJO> Auf beiden Seiten dieser Gleichung müssen nur die Abschreibungen addiert werden. In gleicher Weise erhält man aus der zuletzt angeführten Gleichung das Bruttoinlandsprodukt; es enthält die gesamten Nettoproduktionsab­ gaben TpjA - Z als Saldo.

Neuntes Kapitel

210

nen: (TPIA - Z)/n gebildet.29 Das Nettonationaleinkommen zu Marktpreisen um­ faßt also über die reinen Erwerbs- und Vermögenseinkommen der Inländer hin­ aus noch das Primäreinkommen des Staates. Im Saldo der grenzüberschreitenden Produktionsabgaben und Subventionen, der als primärer Einkommensstrom einen Bestandteil des Nettonationaleinkommens bildet, kommen die Verflech­ tungen zum Ausdruck, die zwischen der Europäischen Union und dem National­ staat bestehen. Aus dieser disaggregierten Betrachtung erhalten wir schließlich die Gleichung, welche das Nettonationaleinkommen zu Faktorkosten wiedergibt, definitionsgemäß also sämtliche Produktionsabgaben ausschließt und alle Sub­ ventionen einbegreift. Die vorletzte Gleichung können wir vereinfachen, wenn wir die Definitionsgleichung [9.14] berücksichtigen: = Y + TPIA - Z - (PIAln/EV - ZEWln\

Beziehen wir zudem den Ausdruck für das Primäreinkommen des Staates in die Betrachtung ein, so wird die Beziehung zwischen dem Nettonationaleinkommen zu Marktpreisen und zu Faktorkosten durch die Gleichung:

NNE-U(TfU.^n

hergestellt. Daraus folgt die oben angeführte Definitionsgleichung des Volksein­ kommens. In der nachfolgenden Übersicht [9.3] werden die wesentlichen Ag­ gregate dieser Rechnung zusammengestellt. Wir sehen darin von den unterstel­ len Bankgebühren ab, betrachten also die bereinigte Bruttowertschöpfung.

e) Die Bruttoinvestitionen und der Finanzierungssaldo des Staates

Im Unterschied zur vereinfachenden Darstellung des ersten Abschnitts wird der Kauf langlebiger Güter seitens des Staates im ESVG nicht unter den Konsum­ ausgaben erfaßt, sondern als eine Investition behandelt. Der Staat in seiner Ei­ genschaft als Produzent nimmt also Investitionen in dauerhafte Produktivgüter vor, für welche Abschreibungen berücksichtigt werden müssen. Zu seinen Brut­ toanlageinvestitionen zählen auch solche militärischen Anlagegüter, die, wie 29 Siehe dazu auch Strohm u.a. 1999, S.263 ff und S.271 sowie Essig 2000, S.87, der die gesamt­ wirtschaftlichen Einkommensgrößen des Jahres 1998 in der alten Abgrenzung denen gegenüber­ stellt, die sich auf der Basis der neuen Konzepte ergeben.

Der Staat im Wirtschaftskreislauf

211

Krankenhäuser und Fahrzeuge, zivil genutzt werden können. Alle Güter, die ausschließlich militärischen Zwecken dienen, fallen nicht in diese Kategorie; sie bilden einen Bestandteil der staatlichen Vorleistungskäufe. Die Abschreibungen des Staates werden auf die Bestände des reproduzierbaren, dauerhaften Sach­ vermögens bezogen, das zivil genutzt werden kann.30

Übersicht 9.3: Die Berechnung des Primäreinkommens ausgehend vom Produktionswert

II

Produktionswert zu Herstellungspreisen Vorleistungen Bruttowertschöpfung zu Herstellungspreisen Nettogütersteuem (an den Staat oder die EU)

+

§

PW VL oq

-

= BIP

Bruttoinlandsprodukt (zu Marktpreisen)

' 2EU/In

Saldo der Primäreinkommen mit der übrigen Welt Saldo der grenzüberschreitenden Erwerbs- und Vermögenseinkommen Produktions- und Importabgaben, welche von inländischen Unter­ nehmen an die EU geleistet wurden Subventionen, die das Inland von der EU empfangen hat

= BNE - D

Bruttonationaleinkommen (zu Marktpreisen) Abschreibungen

= NNE - ^PIA'^In

Nettonationaleinkommen (zu Marktpreisen) oder Primäreinkommen Primäreinkommen des Staates (Saldo aus den Abgaben, die der Staat von den inländischen Unternehmen empfangenen hat, und den Subventionen, die er an sie geleistet hat.)

+

2In" 2Aus

+ piameu

=

Y

Volkseinkommen oder Nettonationaleinkommen zu Faktorkosten

Diese Änderungen gegenüber dem einfachen Kreislaufmodell des ersten Ab­ schnitts berühren zunächst das Produktionskonto des Staates. Seinem Produkti­ onswert aus der Markt- und der Nichtmarktproduktion stehen auf der Ausgaben­ seite die staatlichen Vorleistungskäufe, die Abschreibungen und die Nettowert­ schöpfung des Staates gegenüber. Von der Marktproduktion des Staates haben wir im gesamten vorliegenden Kapitel abgesehen; da für seine Nichtmarktpro­ 30 Siehe Strohm u.a. 1999, S.258 und 262 und ESVG 1995, S.80.

212

Neuntes Kapitel

duktion selbstverständlich keine Preise existieren, wird ihr Wert - wie bereits ausgefuhrt - durch die Herstellungskosten dieser Leistungen ermittelt. Dieses Verfahren zur Berechnung des staatlichen Produktionswertes wird auch als Ad­ ditionsmethode bezeichnet.31 Lassen wir die staatliche Marktproduktion unbe­ rücksichtigt, so ist der im Einkommensentstehungskonto als Saldo ausgewiesene Nettobetriebsüberschuß des Staates aus dessen Nichtmarktproduktion definiti­ onsgemäß gleich Null, seine Nettowertschöpfung entspricht dem Arbeitnehmer­ entgelt, das an die Staatsbeschäftigten gezahlt wird. Der Finanzierungssaldo des Staates ist aus dessen Vermögensbildungskonten zu ersehen. Zusätzlich zu den Positionen, die wir bereits im ersten Abschnitt angeführt haben, sind unter den Einnahmen und Ausgaben noch die empfange­ nen und die geleisteten Vermögenstransfers des Staates zu nennen; letztere um­ fassen die Investitionszuschüsse und die vermögenswirksamen Steuern. Darüber hinaus wird der Nettozugang an nichtproduzierten Vermögensgütem sowie der Umfang der Bruttoinvestitionen bei der Berechnung des staatlichen Finanzie­ rungssaldos berücksichtigt. Um eine Doppelzählung der Abschreibungen auf dauerhafte Bestandteile des Sachvermögens zu vermeiden, werden die Konsum­ ausgaben des Staates nicht mehr als einheitliche Kategorie aufgenommen, son­ dern in ihre Komponenten zerlegt, wobei die Abschreibungen als Position auf der Ausgabenseite nun als Bestandteil der Bruttoinvestitionen in die Rechnung eingehen.32

31 Statistisches Bundesamt 1999a, S.35. Das vollständige Kontensystem des Staates wird im ESVG 1995, S.390 ff. aufgeführt. 32 Zur Abgrenzung der Einnahmen und Ausgaben sowie zum Finanzierungssaldo des Staates siehe im einzelnen Essig und Hartmann 1999, S.475 sowie Statistisches Bundesamt 1999a, S.42 und die Tabelle 3.4.3.2 der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen.

10. Kapitel

Das Kontensystem der gesamten Volks­ wirtschaft - Eine Übersicht

Das zehnte Kapitel bietet nichts Neues mehr, sondern dient lediglich dazu, eine Übersicht über die Kontenabfolge für die gesamte Volkswirtschaft zu geben. Wir legen das im ESVG wiedergegebene Schema in einer allerdings vereinfachten Form zugrunde. Im Rahmen dieser zusammenfassenden Darstellung der Trans­ aktionen und der Vermögensänderungen werden die wichtigsten Salden und Aggregate am Beispiel der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen für das Jahr 1999 wiedergegeben.1 Das Kontenschema wird mit dem gesamtwirtschaftlichen Güterkonto eröff­ net. Es zeigt, für welche Zwecke das gesamte Güteraufkommen verwendet wird. Letzteres wird auf der linken Seite des Güterkontos aufgeführt und umfaßt den Produktionswert und die Importe. Die Verwendung der Güter wird auf der rech­ ten Seite dieses Kontos angegeben; sie schließt die Vorleistungen, die Konsum­ ausgaben, die Bruttoinvestitionen und die Exporte ein.2 Da das Güteraufkommen zu Herstellungspreisen, die Güterverwendung hingegen zu Marktpreisen bewer1

2

Das vollständige Kontensystem für die Volkswirtschaft findet sich im ESVG 1995, S.357-370. Die empirischen Daten sind dem Hauptbericht der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen für das Jahr 1999 entnommen. Siehe dazu Statistisches Bundesamt 2000, S. 32 ff sowie die Anga­ ben aus den Übersichts- und Standardtabellen, die benutzt wurden, um das hier wiedergegebene Kontenschema auszufüllen. Siehe auch ESVG 1995, S.232f. Im ESVG werden die Begriffe Verwendung und Aufkommen allgemein benutzt, um die Seiten der Transaktionskonten und der Vermögensänderungskonten zu bezeichnen. Im vorliegenden Text haben wir statt der Verwendung stets den Begriff der Aus­ gaben und an der Stelle des Aufkommens den Begriff der Einnahmen verwendet. Eine Ausnah­ me bildet lediglich das vorliegende Güterkonto. Im ESVG wird hier im Unterschied zu allen üb­ rigen Konten das Aufkommen, i.e. die Einnahme, auf der linken Kontenseite wiedergegeben.

214

Zehntes Kapitel

tet werden, müssen die Nettogütersteuem, i.e. die Differenz zwischen den Güter­ steuem und den Gütersubventionen, auf der Aufkommensseite berücksichtigt werden. Das gesamtwirtschaftliche Güterkonto ist definitionsgemäß ausgegli­ chen, es weist keinen Saldo auf. Alle Angaben in den nachfolgenden Konten lauten auf Mrd. DM. 0. Gesamtwirtschaftliches Güterkonto

Aufkommen

Verwendung

6 739,94 415,83 -20,15 1 104,02 3 258,42 2 929,17 860,41 1 141,64

Produktionswert (zu Herstellungspreisen) Gütersteuem Gütersubventionen Importe Vorleistungen (einschließlich unterstellter Bankgebühr) Konsumausgaben Bruttoinvestitionen Exporte

Kommen wir nun zum gesamtwirtschaftlichen Produktionskonto, das die mit dem Produktionsprozeß verbundenen Transaktionen enthält. Es gibt das Nettoin­ landsprodukt an, das aus der Produktionstätigkeit der inländischen Wirtschafts­ einheiten hervorgeht. Auf der Einnahmeseite müssen neben dem Produktions­ wert wiederum die Gütersteuem und die Gütersubventionen, letztere mit negati­ vem Vorzeichen, berücksichtigt werden, damit man das Inlandsprodukt zu Marktpreisen als Saldo dieses Kontos erhält. Im Unterschied zum einfachen Schema des Produktionskontos, das wir in den vorangehenden Kapiteln benutz­ ten, um die Produktion und Wertschöpfung den Aggregaten der Verwendung gegenüberzustellen, wird diese Aufgabe im ESVG zwei gesonderten Konten übertragen, nämlich dem gesamtwirtschaftlichen Güterkonto und dem Produkti­ onskonto. I. Produktionskonto Einnahmen 6 739,94 415,83 -20,15 3 258,42 3 877,20 570,19 3 307,01

Produktionswert (zu Herstellungspreisen) Gütersteuem minus Gütersubventionen Vorleistungen (einschließlich unterstellter Bankgebühr) Bruttoinlandsprodukt, darunter: Abschreibungen Nettoinlandsprodukt (zu Marktpreisen)

Das Kontensystem der gesamten Volkswirtschaft - Eine Übersicht

215

Im Einkommensentstehungskonto wird das unmittelbar aus den Produktions­ prozessen hervorgehende Einkommen wiedergegeben. Die Wirtschaftseinheiten werden als Produzenten betrachtet, die aufgrund ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit einen Beitrag zum Einkommen der Volkswirtschaft leisten. Wie allen bisher aufgeführten Konten liegt ihm das Inlandskonzept zugrunde. In dieser Abgren­ zung wird auch das Arbeitnehmerentgelt erfaßt. Die Produktions- und Importab­ gaben umfassen alle Leistungen der im Inland produzierenden Unternehmen an den Staat und an die Europäische Union; die Subventionen beinhalten sämtliche Mittel, welche die Unternehmen vom Staat oder von der Europäischen Union erhalten haben. Im Jahr 1999 betrugen die Nettoproduktionsabgaben 415,73 Mrd. DM. II. 1.1 Einkommensentstehungskonto

Ausgaben

Einnahmen 3 307,01

2 062,25 495,07 472,10 22,97 - 79,34 - 67,64 - 11,70 829,03

Nettoinlandsprodukt (zu Marktpreisen) geleistetes Arbeitnehmerentgelt (Inlandskonzept) Produktions- und Importabgaben, darunter: 1. Abgaben an den Staat 2. Abgaben an die Europäische Union - Subventionen, darunter: 1. vom Staat geleistete Subventionen 2. von der Europäischen Union geleistete Subventionen Nettobetriebsüberschuß / Seibständigeneinkommen

II. 1.2 Primäres Einkommensverteilungskonto Ausgaben

Einnahmen 829,03 2 060,29 472,10 - 67,64 1 394,45

1 412,55 3 275,68

Nettobetriebsüberschuß / Seibständigeneinkommen empfangenes Arbeitnehmerentgelt (Inländerkonzept) vom Staat empfangene Produktions- und Importabgaben - vom Staat geleistete Subventionen empfangene Vermögenseinkommen (Zinsen, Ausschüt­ tungen etc. einschließlich unterstellte Bankgebühr) geleistete Vermögenseinkommen Nettonationaleinkommen {Primäreinkommen)

Im primären Einkommensverteilungskonto wird die Abgrenzung, nach der die Einkommensströme erfaßt werden, vom Inlandskonzept auf das Inländer­ konzept umgestellt. In diesem Konto werden demnach diejenigen Einkommen wiedergegeben, die den Inländern, i.e. den gebietsansässigen Wirtschaftseinhei-

Zehntes Kapitel

216

ten, aufgrund ihrer Teilnahme am Produktionsverfahren zufließen. Einer geson­ derten Bemerkung bedürfen die Abgaben und Subventionen, die im primären Einkommensverteilungskonto aufgefuhrt werden. Im Unterschied zum Einkom­ mensentstehungskonto werden hier nur diejenigen Produktions- und Importab­ gaben aufgenommen, die von den inländischen Unternehmen an den Staat ge­ leistet wurden, und jene Subventionen, welche die Unternehmen vom Staat emp­ fangen haben. Diesem Saldo entspricht also die Differenz: (TPIA - Z)Ini die wir im letzten Abschnitt des neunten Kapitels als Primäreinkommen des Staates eingefuhrt haben. Er beträgt 404,46 Mrd. DM im Jahr 1999. Das Nettonational­ einkommen bildet den Saldo dieses Kontos.3 An die primäre Einkommensverteilung schließt sich die sekundäre an, wel­ che im Konto II.2 wiedergegeben wird. Ausgehend vom Nettonationaleinkom­ men werden die laufenden Transfers: die Steuern, die monetären Sozialleistun­ gen sowie die sonstigen laufenden Transfers, welche die Inländer geleistet und empfangen haben, in die Betrachtung einbezogen, um das verfügbare Einkom­ men der Inländer zu berechnen, das sich als Saldo im Konto der sekundären Einkommensverteilung ergibt.4 II.2 Konto der sekundären Einkommensverteilung (Ausgabenkonzept)

Ausgaben

Einnahmen 3 275,68 463,90 810,88 782,26 286,14

458,97 808,97 790,84 322,79 3 237,29 3

Nettonationaleinkommen empfangene Einkommen- und Vermögenssteuern empfangene Sozialbeiträge empfangene monetäre Sozialleistungen empfangene sonstige laufende Transfers geleistete Einkommen- und Vermögenssteuern geleistete Sozi al bei träge geleistete monetäre Sozialleistungen geleistete sonstige laufende Transfers verfügbares Einkommen (nach dem Ausgabenkonzept)

Die sonstigen Produktionsabgaben Tpj^ beliefen sich im Jahr 1999 auf 79,24 Mrd. DM und die sonstigen Subventionen Zso betrugen 59,19 Mrd. DM (siehe Statistisches Bundesamt 2000,

4

S.32) Siehe Statistisches Bundesamt 2000, S.39. - Bei den laufenden Transfers handelt es sich um solche Leistungen, welche den Einkommensstrom direkt betreffen. Die sonstigen laufenden Transfers bilden ein Teilaggregat der letzteren; zu ihnen zählen zum Beispiel die Leistungen der Schadensversicherung und die laufenden Transfers im Rahmen der internationalen Zusammen­ arbeit. Von beiden zu unterscheiden sind die später anzuführenden Vermögenstransfers, in denen Bestandsgrößen übertragen werden.

Das Kontensystem der gesamten Volkswirtschaft - Eine Übersicht

217

II.4.1 Einkommensverwendungskonto (Ausgabenkonzept)

Ausgaben

Einnahmen 3 237,29

2 979,17 2 241,14 738,03 430,30 258,12

verfügbares Einkommen (nach dem Ausgabenkonzept) Konsumausgaben, darunter: 1. private Konsumausgaben 2. Konsumausgaben des Staates, darunter: Ausgaben des Staates für den Individualverbrauch Sparen

II.4.2 Einkommensverwendungskonto (Verbrauchskonzept)

Ausgaben

Einnahmen

3 237,29 2 979,17 2 671,44 303,73 258,12

verfügbares Einkommen (nach dem Verbrauchskonzept) gesamter Verbrauch, darunter: 1. Individualkonsum 2. Kollektivkonsum Sparen

Im Einkommensverwendungskonto - auf der Grundlage des Ausgabenkon­ zepts - werden dem verfügbaren Einkommen die Konsumausgaben gegenüber­ gestellt, so daß man das Sparen als Saldo erhält.5 Die privaten Konsumausgaben setzen sich aus den Ausgaben der privaten Haushalte und denen der privaten Organisationen ohne Erwerbszweck zusammen. Gliedert man die gesamten Konsumausgaben zum Betrag von 2979,17 Mrd. DM nach dem Verbrauchskon­ zept, so entfallen im Jahr 1999 auf den Individualkonsum 2671,44 und auf den Kollektivkonsum 307,73 Mrd. DM. Wie im vorangehenden Kapitel entwickelt, setzt sich der Individualverbrauch aus den privaten Konsumausgaben und den Konsumausgaben des Staates für den Individualverbrauch - also den sozialen Sachleistungen - zusammen. Damit haben wir die Transaktionskonten abge­ schlossen und gehen nun zu den Vermögensänderungskonten über, welche in der Kontengruppe III zusammengefaßt werden. Im Konto III. 1.1 werden zusätzlich zum laufenden Sparen die von den Inlän­ dern geleisteten sowie die von ihnen empfangenen Vermögenstransfers berück­ sichtigt, die zusammen ihr Reinvermögen verändern. Dieser Saldo wird im Sachvermögensbildungskonto gegengebucht; es zeigt, in welcher Relation die Bruttoinvestitionen zur Reinvermögensänderung der Inländer und zu den Ab­ schreibungen stehen. Der Finanzierungssaldo, der sich in diesem Konto ergibt, 5

Die Veränderung der betrieblichen Versorgungsansprüche wird ebenfalls in diesem Konto ausgewiesen. Ihr Nachweis ist jedoch nur für eine disaggregierte, sektorale Darstellung sinnvoll.

Zehntes Kapitel

218

war im Jahr 1999 negativ und belief sich auf -31,29 Mrd. DM. Die Inländer realisierten ein Finanzierungsdefizit. Das Ausland hat zum Betrag von 31,29 Mrd. DM an der Finanzierung der inländischen Investitionen mitgewirkt. III. 1.1 Konto der Reinvermögensänderung durch Sparen und Vermögenstransfers

Ausgaben

Einnahmen 258,12 82,69

81,88 258,93

Sparen empfangene Vermögenstransfers geleistete Vermögenstransfers Reinvermögensänderung durch Sparen und Vermögenstransfers

III. 1.2 Sachvermögensbildungskonto Ausgaben

Einnahmen

258,93 570,19

860,41 -31,29

Reinvermögensänderung durch Sparen und Vermögenstransfers Abschreibungen Bruttoinvestitionen Finanzierungssaldo

Alle Transaktionen und Vermögensänderungen, welche das Inland mit dem Ausland verbinden, werden in den Außenkonten gegengebucht6, die sämtlich aus der Sicht des Auslands dargestellt werden; wir behalten jedoch die Bezeich­ nungen für die Ströme bei, die wir ihnen bei der Untersuchung der inländischen Wirtschaftstätigkeit gegeben haben. Im Außenkonto der Gütertransaktionen erscheint - aus der Sicht des Auslands - ein negativer Außenbeitrag, weil das Inland einen Exportüberschuß realisiert hat. Die grenzüberschreitenden Einkommensströme werden im Außenkonto der Primäreinkommen und Transfers wiedergegeben, das die jeweils geleisteten und empfangenen Primäreinkommen und Transfers aufführt. Es weist einen Saldo in Höhen von 32,10 Mrd. DM im Jahr 1999 auf: Somit hat das Inland zu einem höheren Betrag Einkommen und Transfers an das Ausland geleistet, als es von dort empfangenen hat. Es realisier­ te bei diesen Positionen einen Ausgabenüberschuß. Die vom Inland geleisteten Primäreinkommen umfassen die Arbeitnehmerentgelte, die Vermögenseinkom­ men und die an die Europäische Union geleisteten Produktions- und Importab­ 6

Die empirischen Daten für die folgenden Konten sind dem Statistischen Bundesamt 2000, S.32 ff sowie S.181 entnommen. - Die Daten für die gesamtwirtschaftlichen Vermögensbilanzen, welche die Kontengruppe IV bilden, liegen noch nicht vor.

Das Kontensystem der gesamten Volkswirtschaft - Eine Übersicht

219

gaben; die vom Inland empfangenen Primäreinkommen schließen neben dem Arbeitnehmerentgelt und dem Vermögenseinkommen noch die Subventionen ein, welche das Inland von der Europäischen Union erhalten hat. Die Außenkonten, welche die Vermögensänderungen darstellen, zeigen zu­ nächst, wie der Saldo der laufenden Außentransaktionen durch die grenzüber­ schreitenden Vermögenstransfers verändert wird. Im Sachvermögensbildungs­ konto wird dem Saldo der Reinvermögensänderung durch Sparen und Vermö­ genstransfers der Finanzierungssaldo gegenübergestellt. Er ist dem Betrage nach gleich dem Finanzierungssaldo der inländischen Wirtschaftseinheiten, der im Konto III. 1.2 aufgefuhrt wird, unterscheidet sich aber vom letzteren durch sein Vorzeichen. V.I Außenkonto der Gütertransaktionen Ausgaben

Einnahmen

1 104,02 1 141,64 -37,62

Importe Exporte Außenbeitrag

V.II Außenkonto der Primäreinkommen und Transfers Ausgaben

Einnahmen - 37,62 204,37 56,34

173,04 17,95 32,10

Außenbeitrag vom Inland geleistete Primäreinkommen vom Inland geleistete laufende Transfers an das Ausland vom Inland empfangene Primäreinkommen vom Inland empfangene laufende Transfers Saldo der laufenden Außentransaktionen

V.III. 1.1 Reinvermögensänderung durch Sparen und Vermögenstransfers

Ausgaben

Einnahmen 32,10 4,71

Saldo der laufenden Außentransaktionen vom Inland geleistete Vermögenstransfers 5,52 vom Inland empfangene Vermögenstransfers 31,29 Saldo der Reinvermögensänderung durch Sparen und Vermögenstransfers V.III.l .2 Sachvermögensbildungskonto Ausgaben

Einnahmen 31,29

31,29

Reinvermögensänderung durch Sparen und Vermögenstransfers Finanzierungssaldo

220

Zehntes Kapitel

Schließlich bleibt noch ein kurzer Nachtrag zu den unterstellten Bankgebüh­ ren, die im gesamtwirtschaftlichen Güterkonto, im Produktionskonto und im primären Einkommensverteilungskonto aufgefuhrt werden. In den Volkswirt­ schaftlichen Gesamtrechnungen enthält der im Güterkonto und im Produktions­ konto angegebene Produktionswert die unterstellten Bankgebühren. Die berei­ nigten Vorleistungen, die ihm gegenüberstehen, schließen letztere ebenfalls ein, so daß im Produktionskonto die, um die unterstellten Bankgebühren bereinigte Brutto- und Nettowertschöpfung und weiter das Nettoinlandsprodukt berechnet werden kann. Die nachstehende Übersicht zeigt den Zusammenhang zwischen der unbereinigten und der bereinigten Bruttowertschöpfung.7 Übersicht 9.1: Unbereinigte und bereinigte Bruttowertschöpfung

Produktionswert - Vorleistungen (unbereinigt, d.h. ohne die unterstellte Bankgebühr) = unbcrcinigte Bruttowertschöpfung - unterstellte Bankgebühr = bereinigte Bruttowertschöpfung + Nettogütersteuem = Bruttoinlandsprodukt

7

Siehe dazu beispielsweise Statistisches Bundesamt 2000, S.38.

6 739,94 3 127,32 3 612,62 - 131,32 3 481,52 395,68 3 877,20

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