In Hitlers Hand: Die Sonder- und Ehrenhäftlinge der SS 9783412213114, 9783412205805

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In Hitlers Hand: Die Sonder- und Ehrenhäftlinge der SS
 9783412213114, 9783412205805

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Volker Koop In Hitlers Hand

Volker Koop

In Hitlers Hand Die Sonder- und Ehrenhäftlinge der SS

2010 BÖHLAU VERLAG KÖLN WEIMAR WIEN

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Umschlagabbildungen (von links nach rechts): Rupprecht von Bayern, Kurt Schuschnigg, Léon Blum, Mafalda von Savoyen, Leopold III., Fritz Thyssen, Martin Niemöller © akg-images, Berlin.

© 2010 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Köln Weimar Wien Ursulaplatz 1, D-50668 Köln, www.boehlau.de Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Lektorat: Annalisa Viviani Umschlaggestaltung: Judith Mullan Druck und Bindung: Bercker Graphischer Betrieb, Kevelaer Gedruckt auf chlor- und säurefreiem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-412-20580-5

In­halt

7 Einleitung 13 Deutschland – ein weit gespanntes Gefangenennetz 19 Lager, Schlösser, eine Insel und Hotels für Hitlers Geiseln 50 Deutsche Eliten in SS-Geiselhaft 79 Hitlers »persönliche Gefangene« 95 »Ehrenhaft« für den österreichischen Bundeskanzler 110 Die Verfolgung der französischen Elite 151 SS-Gewahrsam für den belgischen König 164 Italien im Visier Hitlers 178 Terror gegen Osteuropa 209 Hitlers letzte Opfer 219 Das Ende der Odyssee 238 Schlussbemerkung Anhang

241 Anmerkungen 271 Archive

269 Abkürzungen

270 Zitierhinweis

273 Ausgewählte Literaturhinweise

279 Dank

280 Personenregister

Inhalt  5

Einleitung

Unmittelbar nach der »Machtergreifung« Hitlers begannen die Nationalsozialisten, in Deutschland ein gleichermaßen perfides wie perfektes Unterdrückungssystem umzusetzen. Sie konnten damit praktisch jeden Menschen in ihrem Herrschaftsbereich zum Gegner des Staates erklären und inhaftieren. Bereits am 4. Februar 1933 trat eine »Verordnung zum Schutzes des deutschen Volkes« in Kraft, die – nach dem Reichstagsbrand in der Nacht vom 27. auf den 28. Februar 1933 erweitert – eine zeitlich unbegrenzte Haft zuließ. Vor allem Kommunisten, SPD-Mitglieder, Gewerkschafter, Geistliche, Industrielle und Intellektuelle, die in dem Verdacht standen, dem NS-Regime ablehnend gegenüberzustehen oder an der Organisation des Widerstands mitzuwirken, wurden jetzt zu Tausenden verhaftet und rechtlos in »Schutzhaft« genommen. Zum Wesen des NS-Regimes gehörte es, die Menschen in Kategorien einzuteilen, insbesondere im Hinblick auf ihre »rassische« Reinheit. Diese Kategorisierung nahmen sie auch bei ihren Gefangenen vor, auf die im Folgenden noch kurz eingegangen werden wird. Im Fokus dieses Buches stehen die »Sonder- und Ehrenhäftlinge« der SS, wobei allein diese Begriffe den Zynismus der Nationalsozialisten widerspiegeln. Der Ausdruck der »Ehrenhaft« für besonders prominente und wichtige Gefangene wurde gegen Ende der 1930er-Jahre eingeführt. Vorwiegend nahmen die Nationalsozialisten politische oder militärische Repräsentanten besetzter Länder als »Sonder- und Ehrenhäftlinge« gefangen. Einer der ersten »Ehrenhäftlinge« in diesem Sinn war der österreichische Bundeskanzler Kurt Schuschnigg, den man sofort nach dem »Anschluss« der Alpenrepublik im März 1938 isolierte. Zu dieser Häftlingskategorie gehörten auch die französische Elite, die Familie des belgischen Königs Leopold III., Angehörige des italienischen Königshauses oder später Regierungsmitglieder abtrünnig gewordener verbündeter Länder wie Ungarn. In den Unterlagen des früheren Konzentrationslagers Ravensbrück findet sich erstmals am 25. April 1942 ein handschriftlicher Vermerk mit dem Begriff »Sonderhäftling«.1 Die Historikerin Insa Eschebach geht davon aus, dass damit die von der SS auch als »Ehrenhäftlinge« Einleitung  7

bezeichneten Personen oder deren Angehörige mit Geiselstatus gemeint waren, die als Prominente oder im Zellenbau in Einzelhaft gehalten wurden. Im KZ Ravensbrück war es beispielsweise Geneviève de Gaulle, eine Nichte von Charles de Gaulle. In seinen »autobiographischen Aufzeichnungen« definierte der KZKommandant von Auschwitz, Rudolf Höß, diese Häftlingskategorie wie folgt: »Sonderhäftlinge waren Häftlinge, die aus staatspolizeilichen Gründen im oder beim KL gesondert unterzubringen waren, die mit anderen Häftlingen nicht zusammenkommen durften, über deren Haftort, oder deren Haft überhaupt, kein Uneingeweihter etwas wissen durfte. Es waren dies vor dem Krieg nur wenige, im Verlauf des Krieges aber zu einer erheblichen Zahl anwachsend.« 2 Die Kategorien der »Sonder- und Ehrenhäftlinge« voneinander abzugrenzen, ist kaum möglich, da die Gefangenen vielfach unter ähnlichen Haftbedingungen lebten. Zu nennen sind hier beispielhaft Mitglieder der Familie von Kronprinz Rupprecht von Bayern. Während die einen in einem Sonderhaus im Konzentrationslager Sachsenhausen inhaftiert waren, wurde die schwer kranke Prinzessin Albertine in einem Krankenhaus in Jena gefangen gehalten und von einer sadistischen Pflegerin durch Nahrungsentzug gequält. Ferner gab es die »persönlichen Gefangenen des Führers«, zu denen unter anderem Pastor Martin Niemöller und der Hitler-Attentäter Georg Elser zählten. In diesen und anderen Fällen hatte Hitler die Anweisung erteilt, die Häftlinge zeitlebens nicht zu entlassen. Obwohl beide »persönliche Gefangene« waren, unterschied sich ihre Behandlung ganz wesentlich. Pastor Niemöller musste die längste Zeit seiner Gefangenschaft in den Konzentrationslagern Sachsenhausen und Dachau in Einzelhaft und strenger Isolation verbringen. Georg Elser war zwar jeder Kontakt zu Mitgefangenen strikt verboten, aber für ihn wurden drei Zellen zu einer zusammengelegt. Er bekam eine Hobelbank und durfte Zither spielen. Niemöller wurde gegen Kriegsende befreit, Elser hingegen in den letzten Kriegstagen erschossen. Frühzeitig werden in den NS-Akten im Übrigen »Ehrenschutzhäftlinge« genannt, die jedoch mit den späteren »Ehrenhäftlingen« nicht zu verwechseln sind. Oftmals waren es NSDAP-Mitglieder, denen Parteivergehen vorgeworfen wurden und die in Konzentrationslagern »geläutert« werden sollten. Hitler selbst ließ häufig NSDAP-Funkti8  Einleitung

onsträger, die etwa durch übermäßigen Alkoholgenuss aufgefallen waren, als »Ehrenschutzhäftlinge« in Konzentrationslager bringen. So erhielt beispielsweise Anton Lehner, ein führender österreichischer Nationalsozialist, im Konzentrationslager Dachau einen Brief vom Reichsführer-SS, Heinrich Himmler, in dem dieser ihm am 18. Mai 1937 erklärte, er werde ihn erst dann entlassen, »wenn ich zu der Überzeugung gekommen bin, dass Sie völlig dem Alkohol entsagen. Die Strafe wurde nicht vom Führer verhängt, um Ihnen wehe zu tun, sondern um Sie endlich von einem Wege abzubringen, der Sie und ihre Familie bestimmt in den Abgrund gebracht hätte«.3 Nur unzureichend nachvollziehbar sind die Kriterien, nach denen die »Ehrenhäftlinge« behandelt wurden. Nach Jahren der Haft im Wiener Gestapo-Gefängnis, dem Hotel Metropol, wurde der ehemalige österreichische Bundeskanzler Kurt Schuschnigg nach einem längeren Zwangsaufenthalt im Münchener Gestapo-Gefängnis in das KZ Sachsenhausen eingewiesen, wo er mit seiner Frau Vera und Tochter »Sissy« lebte. Hier hatte man für ihn und andere prominente Gefangene eigens vier Häuser errichtet, die über einen damals beachtlichen Komfort verfügten. Der belgische König Leopold III. durfte lange Zeit in seinem Schloss Laeken bleiben, bevor er mit seiner Familie in das zum Gefängnis umgebaute sächsische Schloss Hirschberg und am Ende des Kriegs in eine Villa am österreichischen Wolfgangsee gebracht wurde. Die einen »Ehrenhäftlinge« mussten die gesamte Zeit ihrer Gefangenschaft in Konzentrationslagern verbringen, für andere wurden Luxushotels geräumt und zu KZ-Außenkommandos umfunktioniert, so das berühmte Rheinhotel Dreesen in Bonn-Bad Godesberg oder das nicht minder bekannte IfenHotel im Kleinen Walsertal. Pensionen wurden beschlagnahmt und Sanatorien in schwer bewachte Haftanstalten umgewandelt. Es ging den Nationalsozialisten – in den meisten Fällen jedenfalls – nicht um die physische Vernichtung ihrer »Ehrenhäftlinge«. Sie konnten in der Regel zivile Kleidung tragen, brauchten nicht zu arbeiten und durften die SS-Büchereien in den Konzentrationslagern benutzen. Eine Liste der KZ-Verwaltung Stutthoff führt für den März 1943 zwanzig Bücher auf, die an Ehrenhäftlinge in Block 11 ausgeliehen wurden, so »Löns, das zweite Gesicht, Sick Minnesang, Hedin, Von Pol zu Pol, Brachvogel, Friedemann Bach, Ritter, Kampf um Öl in Mexiko« und andere.4 »Sonder- und Ehrenhäftlinge« erhielten die gleiche VerpfleEinleitung  9

gung wie ihre SS-Bewacher, oftmals sogar sogenannte Diplomatenrationen, die Kognak ebenso beinhalteten wie ausreichend Zigaretten. Hochgestellten Adeligen wie König Leopold III. wurde eigenes Dienstpersonal zugestanden, ebenso den Wittelsbachern oder dem österreichischen Kanzler Schuschnigg. Der Aufwand für die »Ehrenhäftlinge« war immens – das galt auch für die Kosten. Schuschnigg zum Beispiel musste den »Umzug« vom Gestapo-Gefängnis in München nach Sachsenhausen selbst bezahlen, und auch der holländische Ministerpräsident Hendrikus Colijn hatte für seine Internierung im Ilmenauer Hotel Gabelbach aus eigenem Vermögen aufzukommen. Es stellt sich die Frage, was Hitler und Himmler mit der Institution des »Ehrenhäftlings« bezweckten. Auch hier gibt es nicht nur eine Antwort: Pastor Niemöller sollte lebenslang ins Konzentrationslager, weil er Hitler getrotzt hatte, sich nicht brechen ließ und weil das Ausland in ihm einen Märtyrer sah. Dem Industriellen Fritz Thyssen, der den Aufstieg der Nationalsozialisten finanziell mit ermöglicht hatte, verzieh Hitler dessen »Verrat an der Bewegung« nicht. Verräter waren für ihn auch der ungarische Reichsverweser Miklós Horthy und dessen Ministerpräsident Miklós von Kállay, die den Krieg nicht weiterführen wollten. Dasselbe galt für die gesamte Familie des italienischen Königs Viktor Emanuel III. und besonders für dessen Tochter Mafalda und ihren Mann, den Prinzen Philipp von Hessen. Gekrönter Häupter wie des belgischen Königs Leopold III. konnte sich Hitler wegen deren Verwandtschaftsbeziehungen zu anderen europäischen Herrscherhäusern nicht entledigen. Er isolierte sie als »hohe Staatsgefangene«. Zu der Bestrafung für als Verrat betrachtetes Handeln kam als weitere Motivation, »Ehrenhäftlinge« gefangen zu nehmen, die Erwartung, sie als Geisel und Faustpfand einsetzen zu können. Nirgendwo wird dies so deutlich ausgedrückt wie in Dokumenten des Auswärtigen Amtes. Als sich herausstellte, dass sich mit Geneviève de Gaulle eine Nichte des französischen Generals im Konzentrationslager Ravensbrück befand, regte der deutsche Botschafter in Paris, Otto Abetz, einen Austausch gegen den in Frankreich in Gefangenschaft geratenen Generalkonsul Spiegel an.5 Das Auswärtige Amt hielt dies jedoch für nicht angemessen. Angesichts der Verwandtschaft mit de Gaulle sollte seine Nichte, die 1944 verhaftet worden war, vielmehr als Pfand für eine bessere 10  Einleitung

Behandlung der deutschen Kriegsgefangenen in französischer Hand dienen. Das Leben des früheren französischen Innenministers Georges Mandel und anderer »Ehrenhäftlinge« war akut bedroht, als in Nordafrika französische und afrikanische NS-Sympathisanten hingerichtet wurden. Abetz regte in diesem Fall an, führende Persönlichkeiten der Résistance oder des Vorkriegsfrankreich als Abschreckungsmaßnahme hinzurichten. Auf seiner Liste standen an erster Stelle die Namen Léon Blum, Paul Reynaud und Georges Mandel.6 Vor dem Hintergrund des bevorstehenden militärischen Zusammenbruchs ließ Himmler in den Monaten März und April 1945 die meisten der »Sonder- und Ehrenhäftlinge« erst ins Konzentrationslager Dachau und dann nach Österreich bringen. In den Listen der schließlich im Südtiroler Niederdorf befreiten Häftlinge tauchen auch Namen wie Isa Vermehren, Fey von Hassell, Karl Kunkel oder Josef Müller auf. Bei ihnen handelte es sich jedoch um »Sippenhäftlinge« und andere infolge der Attentatsversuche aus dem Jahr 1938 beziehungsweise vom 20. Juli 1944 Festgenommene. Eine Reihe früherer »Sonder- und Ehrenhäftlinge« hat nach dem Krieg ihre Erlebnisse zu Papier gebracht, doch diese sind oft sehr subjektiv gefasst. Die tatsächlichen Vorgänge bei der Befreiung der »Sonderund Ehrenhäftlinge« in Niederdorf nachzuzeichnen, gestaltet sich beispielsweise als schwierig, da es eine Vielzahl einander widersprechender Darstellungen gibt. Die Aufarbeitung dieses Teils des Repressionsapparats der Nationalsozialisten wird auch insofern erschwert, als SS-General Karl Wolff, Chef von Himmlers persönlichem Stab, in der Nacht zum 3. April 1945 den Befehl erteilte, sämtliche Akten, hauptsächlich Geheim- und Geheime Reichssachen sowie Vernehmungsprotokolle und Niederschriften, zu verbrennen.7 Andere Unterlagen, wie die des Gestapo-Amts München, wurden fast vollständig durch Kriegseinwirkungen vernichtet. Wie stets, wenn man sich mit dem Nationalsozialismus befasst, ist man verblüfft über die Perfektion, mit der das NS-Regime auch diesen Aspekt seines Terrorsystems plante und ausführte, selbst dann noch, als das »Großdeutsche Reich« längst in Scherben lag. Erstaunlich und hohen Respekt fordernd war aber das Verhalten der einstigen »Staatsgefangenen« gegenüber dem nunmehr besiegten Deutschland. Als Hoher Einleitung  11

Kommissar trug André François-Poncet zum Wiederaufbau Deutschlands bei. Charles de Gaulle, dessen Schwester Marie-Agnès Cailleau und dessen Nichte Gefangene gewesen waren, erwies sich als großer Freund des demokratischen Deutschland, und die belgischen Könige Baudouin und Albert besuchten ohne Erbitterung Schloss Hirschstein, wo sie als Kinder gefangen gehalten worden waren.

12  Einleitung

Deutschland – ein weit gespanntes Gefangenennetz

Die Nationalsozialisten hatten die Ausschaltung jeglicher Opposition schon lange vorbereitet. Mit der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 setzten sie sie sofort und skrupellos um. In »provisorischen« Konzentrationslagern, die jedoch bald aufgelöst wurden, folterte die SA Tausende von Menschen, doch im Dritten Reich sollte alles seine unerbittliche Ordnung haben. Als kommissarischer Polizeipräsident von München gab Heinrich Himmler am 20. März 1933 die Errichtung des Konzentrationslagers Dachau bekannt, das ausländischen Delegationen, beispielsweise Vertretern des Internationalen Roten Kreuzes, oft als »Muster-KZ« präsentiert wurde. Bestimmt war es für sogenannte Schutzhaftgefangene beziehungsweise politische Häftlinge. Zu ihnen zählten nicht nur Regimegegner, sondern auch »Meckerer, Oppositionelle, Querulanten sowie Wirtschaftsschädlinge«. In »Schutzhaft« genommen wurden »Schwarzhörer« sowie nach Kriegsausbruch die meisten Nichtdeutschen. Im Rahmen der Judenverfolgung und der »Entjudung« Deutschlands und der besetzten Länder wurden Millionen von Juden in den Konzentrationslagern auf brutale Art systematisch umgebracht. Bald überzog ein einziges, riesiges Lagersystem ganz Deutschland. Kriminalpolizei und Gestapo schickten zum Beispiel schwer erziehbare Kinder und Jugendliche in Jugendschutzlager. Rassisch »minderwertig« eingeschätzte, aber volljährig gewordene Jugendliche wurden häufig in Konzentrationslager überstellt. Rund zweihundert Lager für »Arbeits-Erziehungshäftlinge«, die wegen »Arbeitsuntreue« verhaftet worden waren, gehörten zum Unterdrückungssystem des Nationalsozialismus. Oftmals waren sie nur Zwischenstationen für die Überstellung in die Konzentrationslager. Bei »AZR- oder ASR-Häftlingen« handelte es sich um Personen, die unter die Rubriken »Arbeitszwang Reich« oder »Arbeitsscheu Reich« fielen, weil sie durch ihr – aus Sicht der Nationalsozialisten – vermeintlich asoziales Verhalten die Allgemeinheit gefährdeten. Unwillige, disziplinarisch und gerichtlich bestrafte SoldaDeutschland – ein weit gespanntes Gefangenennetz  13

ten, bei denen sich auch in Straf- und Bewährungseinheiten nicht der gewünschte Erfolg gezeigt hatte, wurden im Zuge einer »Sonderaktion Wehrmacht« als »SAW-Häftlinge« in Konzentrationslager überstellt und dort oft besonderen Schikanen ausgesetzt. Unterschieden wurden im Wesentlichen folgende »Haftarten«: a) Schutzhäftlinge mit Schutzhaftbefehl des Reichssicherheitshauptamtes b) Vorbeugungshäftlinge auf Anordnung der polizeilichen Vorbeugungshaft durch das Reichskriminalpolizeiamt.1

Zu den Schutzhäftlingen wiederum zählten: Politische Häftlinge2, die wegen staatsfeindlicher Einstellung bzw. Betätigung die Sicherheit des Reichs gefährden und zur Umschulung eingewiesen werden; Bibelforscher,3 die nach wie vor Anhänger der Internationalen Bibelforscherbewegung ( JVB) bleiben wollen; Ausweisungshäftlinge, die ihrem Strafdelikt entsprechend eingestuft werden und bis die Ausweisungsverfügung vorliegt, im Lager festgehalten werden; Juden, die sich staatsfeindlich betätigt haben und solche, die Rassenschande betrieben haben; Ehemalige Wehrmachtsangehörige, die Sabotage am Wehrdienst verübt haben und trotz 3- bis 6-monatigem Aufenthalt in einem Wehrmachtstraflager wiederholt straffällig geworden sind und somit keine Besserung gezeigt haben, sodass die Ausstoßung aus der Wehrmacht erfolgte; Ehrenhäftlinge, die auf persönliche Anordnung des RF SS eingewiesen werden, eine Besserung bzw. Umschulung wegen ihres hohen Alters und ihrer jahrzehntelangen früheren politischen Betätigung nicht erkennen lassen. Auch solche, die unter Verdacht staatsfeindlicher Betätigung stehen und bis zur endgültigen Klärung bzw. bis zum Abschluss des eingeleiteten Verfahrens in Haft bleiben.4 Erziehungshäftlinge, die als Angehörige der SS und Polizei das Ansehen ihrer Formation schwer geschädigt haben und dadurch die Staatsautorität untergraben haben.

Ferner gab es die Kategorie der Vorbeugungshäftlinge. Darunter fielen:

14  In Hitlers Hand

Berufsverbrecher, die kriminell vorbestraft sind und aus Sicherheitsgründen der Zivilbevölkerung gegenüber in Haft genommen werden und deren letzten 3 Strafen je über 6 Monate betrugen; Asoziale (Arbeitsscheue), mit geringen Vorstrafen, die so lange in Haft bleiben, bis ein erfolgversprechender Arbeitseinsatz nach Anfrage des RPKA wegen eventueller Entlassung befürwortet werden kann; Juden, als Berufsverbrecher, wenn sie kriminell vorbestraft sind; Homosexuelle, die laut § 175 gleichgeschlechtliche Beziehungen unterhalten haben; Sittlichkeitsverbrecher, die laut § 176 mit Jugendlichen unter 14 Jahren beiderseitigen Geschlechts Beziehungen unterhalten haben oder auf Vorgenannte einen Zwang ausgeübt haben. Außerdem alle Sittlichkeitsverbrecher als Gewaltverbrecher.

Zu den sogenannten kriminellen Gefangenen in den Konzentrationslagern zählten die »Sicherungsverwahrten (SVer)«, die dort ihre von der Justiz verhängte Strafe verbüßen mussten. Nach einer Vereinbarung zwischen Himmler und Justizminister Otto Thierack wurden sie von September 1942 an als zusätzliche Arbeitskräfte in die Konzentrationslager eingeliefert. Dasselbe galt für »Polizeilich Sicherungsverwahrte (PSVer)« sowie für »Vorbeugehäftlinge« und »Befristete Vorbeugehäftlinge (BVer)«, die nach Verbüßung ihrer Strafe in Konzentrations­ lager überstellt wurden. Etwa 7000 Personen, vorwiegend Franzosen, wurden als »Nacht-und-Nebel-Häftlinge (NN-Häftlinge)« Sondergerichten übergeben und zumeist ebenfalls in Konzentrationslager eingeliefert. Die Angehörigen wurden bewusst über das Schicksal der Verschleppten im Ungewissen gelassen, um sie und die Bevölkerung einzuschüchtern. »Germanische oder deutsche politische Häftlinge besonderer Art« stellten eine weitere Häftlingskategorie dar, für die spezielle Bestimmungen galten.5 Himmler ordnete am 15. März 1943 an, dass bei Einlieferung solcher Gefangener »aufgrund ihrer Persönlichkeit und insbesondere auch ihrer früheren Stellung im öffentlichen Leben die Beachtung besonderer Vorschriften bei der Verhängung von Lagerstrafen erforderlich bzw. angebracht erscheint«. Gesonderte Anweisungen wurden für »prominente Schutzhäftlinge aus den besetzten Gebieten« erteilt.6 Da einige von ihnen aus Gefängnissen beziehungsweise während der Transporte befreit worden waren, befahl SS-Oberführer ReichskriminaldirekDeutschland – ein weit gespanntes Gefangenennetz  15

tor Heinrich Müller, Chef der Geheimen Staatspolizei im Reichssicherheitshauptamt (auch »Gestapo-Müller« genannt), am 6. Oktober 1943, »wichtige politische Schutzhäftlinge (z.B. führende Personen, Funktionäre usw.) bei denen mit der Möglichkeit der Befreiung zu rechnen oder deren sichere Verwahrung infolge unzulänglicher Haftraumverhältnisse nicht unbedingt gewährleistet ist, (…) schnellstens in das nächste Konzentrationslager zu überstellen, ohne dass es der vorherigen Genehmigung bzw. Anweisung des Reichssicherheitshauptamtes bedarf«. Das Verfahren sollte auf wichtige Fälle beschränkt bleiben. Einen Sonderstatus in den Konzentrationslagern erhielten Tschechen als »Protektoratshäftlinge«. Im Gegensatz zu Polen und Russen wurden sie von den Nationalsozialisten in der Regel nicht als »slawische Untermenschen« betrachtet, sondern als »Angehörige einer benachbarten Bevölkerung«. Sie wurden mit roten Armbinden gekennzeichnet und von den übrigen Lagerinsassen isoliert. Sie durften außerhalb der Arbeitszeit rauchen und lesen. Im KZ Buchenwald, in das nach der Zerschlagung der Tschechei 655 Tschechen eingewiesen worden waren, wurden sie zwar bis 1941 als »Ehrenhäftlinge« geführt, doch hatten sie nicht einmal annähernd dieselben Vergünstigungen wie die tatsächlichen »Ehrenhäftlinge«. Immerhin wurden sie ärztlich betreut und erhielten beispielsweise bei Erkrankung an TBC zusätzliche Verpflegung oder wurden sogar aus der Haft entlassen.7 Andere wurden in die Universitätsklinik Jena oder in das Stadtkrankenhaus Weimar verlegt. In Einzelfällen ernannten Lagerkommandanten eigenständig Gefangene zu »Ehrenhäftlingen«. Dieses Privileg wurde unter anderem Walter Conrad Schultz im KZ Natzweiler-Struthof im Elsass zugestanden.8 Ihm hatte man »Hochverrat, Rotspanienkämpfer, Verdacht auf Spionage und Landesverrat« vorgeworfen. Er wurde in Hamburg verhaftet und vom KZ Fuhlsbüttel1939 ins KZ Sachsenhausen verlegt. Im August 1940 kam er ins KZ Dachau und am 26. Juni 1941 ins KZ NatzweilerStruthof. Ehemalige Mithäftlinge erwähnten später bei Vernehmungen, dass Schultz als »Ehrenhäftling« und erster Schreiber beim SS-Führungsstab in Guttenbach eingesetzt war. Nach ihrer Definition war »ein Ehrenhäftling ein Mann, der sich gegenüber der Führung so einwandfrei benommen hat, dass diese ihn aus dem Lager entlassen hätte, wozu jedoch die Genehmigung vom Reichssicherheitshauptamt in Berlin nicht erteilt wurde. Der Lagerkommandant konnte ihn dann stattdessen 16  In Hitlers Hand

zum Ehrenhäftling ernennen. Ein Ehrenhäftling hatte eine privilegierte Position im Lager, durfte Zivilkleidung tragen, sich außerhalb des Lagers ohne Bewachung bewegen, sich sonntags bis zu 5 km vom Lager entfernen und erhielt ein monatliches Taschengeld von 50 RM.« Schultz hatte beispielsweise ab dem 16. Oktober 1943 die »Erlaubnis zum Tragen von langen Haaren« erhalten, »genehmigt durch den Lagerkommandanten«, bekam Einsicht in geheime und wichtige Dokumente und durfte offenbar sogar Radio hören.

Das Instrument der Sippenhaft Nach dem missglückten Attentat auf Hitler vom 20. Juli 1944 setzten die Nationalsozialisten verstärkt zur Abschreckung das Instrument der Sippenhaft ein, das die erhoffte Wirkung auch erzielte. Da dieses verbrecherische Mittel im Ausland heftig kritisiert und zur Propaganda gegen Nazi-Deutschland eingesetzt wurde, sah sich der Chef des Reichssicherheitshauptamtes, SS-Obergruppenführer Ernst Kaltenbrunner, am 14. Dezember 1944 zu einer »informatorischen Notiz« an alle Befehlshaber und Inspekteure der Sicherheitspolizei (Sipo) und des Sicherheitsdienstes (SD) veranlasst.9 Er wollte damit »von blutrünstigen Phantasien getragenen Gerüchten über ›liquidierte Kinder und ausgerottete alte Frauen‹« entgegentreten. Kaltenbrunner schrieb: »Im Zuge der Untersuchungen zum 20.7. musste eine größere Anzahl von Frauen in Haft genommen werden. Gleichzeitig mit der Inhaftierung wurden die Kinder unter 16 Jahren Heimen der NSV überstellt. Um sie nicht unnötigen Anfeindungen seitens ihrer Umgebung auszusetzen, wurde ihnen für die Dauer ihres Aufenthaltes in den betr. Heimen ein neutraler Name gegeben.« Mit einer längeren Haft sei bei den Frauen von Generaloberst Höpner und General Lindemann zu rechnen. Sie seien wegen ihrer »reaktionären Einstellung« in Konzentrationslager eingewiesen worden. »Zur Betreuung der Frauen, die nach der Verurteilung und Hinrichtung ihrer aktiv am 20.7. beteiligten Männer auf sich allein gestellt sind, hat der Reichsführer-SS den SS-Obergruppenführer [Franz] Breithaupt eingesetzt. Den Frauen wird, insbesondere wenn sie mit Kindern mittellos dastehen, auf Antrag eine Unterstützung gewährt, die den jeweiligen persönlichen Verhältnissen entspricht.« Die gesamte gräfliDeutschland – ein weit gespanntes Gefangenennetz  17

che Linie der Familie Stauffenberg sei in Sippenhaft genommen, die freiherrliche Linie dagegen wieder entlassen worden. Dafür steht Melitta Schenk Gräfin von Stauffenberg. Sie stammte aus einer jüdischen Pelzhändlerfamilie, hatte Mathematik, Physik und Flugmechanik studiert und war erfolgreiche Testpilotin. Angesichts ihrer kriegswichtigen Tätigkeit war ihrem Antrag auf »Gleichstellung mit arischen Personen« stattgegeben worden, sodass ihr und ihrer Familie die Deportation erspart blieb. Durch ihre Heirat mit Alexander Schenk Graf von Stauffenberg war sie Schwägerin des Hitler-Attentäters Claus Schenk Graf von Stauffenberg und wurde nach dem 20. Juli in »Ehrenhaft« genommen. Auf Befehl Himmlers wurde sie jedoch am 7. September 1944 freigelassen. In der entsprechenden Bescheinigung hieß es: Flugkapitän Dipl. Ing. Melitta Schenk Gräfin von Stauffenberg ist auf Weisung des Reichsführers-SS aus der Ehrenhaft entlassen worden und wieder als Vorstand der Versuchsstelle für Flugsondergerät in Berlin-Gatow tätig. Gräfin Schenk fährt heute mit Schlafwagenzug über Augsburg – Ulm nach Lautlingen, um hier ihr gehörendes notwendiges Gepäck abzuholen und über ihr Eigentum zu verfügen. Ich bitte, ihr keinerlei Schwierigkeiten zu bereiten. Außerdem bestehen keine Bedenken, dass sie mit örtlich in Sippenhaft oder noch in Lautlingen befindlichen Verwandten in Verbindung tritt.10

Das Oberkommando der Wehrmacht befahl im November desselben Jahres darüber hinaus die Ausweitung der Sippenhaft auf die Familien von Deserteuren und Wehrmachtsangehörigen, die in der Gefangenschaft »Landesverrat« begangen hatten.

18  In Hitlers Hand

Lager, Schlösser, eine Insel und Hotels für Hitlers Geiseln

Das NS-Regime hielt hochrangige Gefangene aus dem In- und Ausland sowohl in Konzentrationslagern als auch in Schlössern, Burgen und Hotels gefangen, die ausdrücklich zu diesem Zweck in Deutschland und Österreich beschlagnahmt wurden.

Konzentrationslager Im Zusammenhang mit der Unterbringung von »Sonder- und Ehrenhäftlingen« werden an erster Stelle die Konzentrationslager Sachsenhausen, Buchenwald und Dachau genannt. Richtig ist, dass hier die meisten dieser Häftlinge einsaßen. Aber auch in vielen anderen Konzen­tra­ tionslagern befanden sich – zumindest zeitweise – solche Häftlinge. Nachfolgend wird ein Überblick über die Lager gegeben, die in diesem Buch besondere Erwähnung finden. Sachsenhausen

Das KZ Sachsenhausen wurde ab Juli 1936 errichtet und umfasste zuletzt einschließlich der SS-Kasernen und -Siedlungen eine Fläche von 388 Hektar. Es war zugleich das Konzentrationslager für die Reichshauptstadt Berlin. Dies hatte zur Folge, dass hier besonders viele »Sonder- und Ehrenhäftlinge« inhaftiert waren, die direkt aus dem GestapoGefängnis in der Berliner Prinz-Albrecht-Straße nach Sachsenhausen überstellt wurden. Sie wurden häufig zu Verhören nach Berlin gebracht, oder Gestapo-Angehörige suchten sie im Konzentrationslager auf. Häftlinge aus dem Ausland wurden oft nach ihrem Eintreffen in Berlin umgehend nach Sachsenhausen weitergeleitet. Zu ihnen zählten unter anderem die französischen Minister Georges Mandel, Paul Reynaud und Yvon Delbos.1

Lager, Schlösser, eine Insel und Hotels für die Geiseln  19

 Sonderhäuser für »Ehrenhäftlinge«

1

Lageplan des KZ Sachsenhausen.

Das KZ Sachsenhausen nahm wegen seiner Nähe zu Berlin eine hervorgehobene Stellung ein, was sich nicht zuletzt darin äußerte, dass hier im Dezember 1940 eigens vier vom übrigen KZ-Bereich abgetrennte Häuser für »Sonder- und Ehrenhäftlinge« errichtet wurden.2 Zwar wurden die wichtigsten Unterlagen hierüber vernichtet, doch der ehemalige SS-Hauptscharführer Kurt Eccarius gab in einer Vernehmung am 21. Februar 1946 an, dass in »Haus 1« bis Januar 1945 Kurt Schuschnigg, Frau und Kind »logiert« hätten.3 In »Haus 2« waren Rudolf Breitscheid und seine Frau bis Mitte 1944 untergebracht und wurden dann nach Buchenwald verlegt. Prinz Albrecht von Bayern mit Mitgliedern seiner Familie und seines persönlichen Umfelds – nach Kurt von Eccarius’ Erinnerung (dem für die Betreuung von »Sonder- und Ehrenhäftlingen« im KZ Sachsenhausen eingesetzten SS-Hauptscharführer) elf oder zwölf Personen –, begleitet von Gräfin Bellegarde, wurde von Mitte 1944 bis März 1945 in »Haus 2« festgehalten und kam dann nach Flossenbürg. Letzter Bewohner dieses Hauses 20  In Hitlers Hand

2

Am Rand des KZ Sachsenhausen ließ die SS vier Sonderhäuser für prominente Häftlinge errichten. Hier waren unter anderen Kurt Schuschnigg mit Familie und Rudolf Breitscheid mit seiner Frau untergebracht. (Staatliches Archiv Prag)

war Arno Schmidt, der im März 1945 entlassen wurde und nach Niederbayern zurückkehren durfte. »Haus 3« war mit Herbert Blank und Frau und ihren beiden Kindern bis Mitte 1944 belegt. Blank hatte der Gruppe um Otto Strasser angehört und unter dem Pseudonym Weigand von Miltenberg für einen »reinen« Nationalsozialismus gekämpft. Er wurde schließlich ins KZ Ravensbrück gebracht. In »Haus 4« wurde zeitweise der Industrielle Fritz Thyssen mit seiner Frau gefangen gehalten. Erwähnt sei am Rande, dass im KZ Sachsenhausen auch Herschel Grynszpan inhaftiert war. Er hatte am 7. November 1938 den deutschen Legationsrat Ernst vom Rath in der Pariser Botschaft niedergeschossen, weil die Nationalsozialisten seine Familie nach Polen ausgewiesen hatten. Nach der Tat war er von französischen Behörden verhaftet und 1940 von der Vichy-Regierung an die Deutschen ausgeliefert worden. In Sachsenhausen wurde Grynszpan am 18. Januar 1941 unter der Häftlingsnummer 35 181 registriert und in den Listen der Zellenbaugefangenen geführt. Zuerst streng isoliert, war er dann als eine Art Kalfaktor im Zellenbau tätig. Er erhielt Sonderverpflegung, wurde nicht kahl geschoren und genoss eine gewisse Bewegungsfreiheit. 1942 wurde er in das Zuchthaus Magdeburg gebracht und dort wahrscheinlich ermordet. Ravensbrück

Nicht weit von Sachsenhausen entfernt lag das KZ Ravensbrück, das vor allem als Konzentrationslager für Frauen bekannt wurde. Innerhalb des 1939 errichteten Konzentrationslagers befand sich am südlichen Rand das Lagergefängnis mit 78 Zellen. Nach den immer häufigeren LuftanLager, Schlösser, eine Insel und Hotels für die Geiseln  21

griffen auf Berlin wurden im »Bunker« beziehungsweise »Zellenbau« zunehmend auch männliche Gefangene inhaftiert. Zu Verhören wurden sie in der Regel in die nur wenige Kilometer entfernte SS-Polizeischule Drögen gebracht. Zu den bekanntesten »Sonder- und Ehrenhäftlingen« im KZ Ravensbrück gehörten: – Lagi Gräfin Belleström: Die Tochter des ehemaligen Gouverneurs von Samoa, Dr. Wilhelm Solf, versteckte Verfolgte, häufig jüdischer Herkunft, und wurde am 12. Januar 1944 mit ihrer Mutter Hanna verhaftet. Im März 1944 kam sie in den Ravensbrücker Zellenbau. Einem für den 27. April 1945 angesetzten Prozess vor dem Volksgerichtshof entging sie, weil es Ernst Ludwig Heuss, Widerstandskämpfer und Sohn des späteren Bundespräsidenten Theodor Heuss, gelang, sie und ihre Mutter mithilfe gefälschter Entlassungspapiere aus dem Berliner Gefängnis Moabit zu befreien. – Hanna Kiep: Sie wurde wenige Tage nach ihrem Mann Otto Carl Kiep im Januar 1944 verhaftet, weil sie sich kritisch über den Kriegsverlauf geäußert hatte und von einem Spitzel angezeigt wurde. Am 26. Januar 1944 wurde sie in den Ravensbrücker Zellenbau verlegt, in dem sich auch ihr Mann, ehemaliger Reichspressechef und Generalkonsul in New York, befand. Nach Verhängung des Todesurteils gegen ihren Mann durch den Volksgerichtshof am 1. Juli 1944 wurde Hanna Kiep freigelassen. – Karl Kunkel: Der ostpreußische katholische Geistliche wurde am 15. Juli 1944 verhaftet, weil er in Verdacht geraten war, zu dem in die Schweiz emigrierten Reichskanzler der Weimarer Republik Joseph Wirth Kontakt zu haben. Ab 18. Juli 1944 war er im Zellenbau des KZ Ravensbrück, wo er heimlich Tagebuch führte. – Helmuth James Graf Moltke: Verhaftet wurde Moltke, der eine Widerstandsgruppe, den Kreisauer Kreis, begründet hatte, am 19. Januar 1944, nachdem er die sogenannte Teegesellschaft der Widerstandskämpferin Elisabeth von Thadden vor einem Gestapo-Spitzel gewarnt hatte. Im Zellenbau Ravensbrück hatte er als »Sonderhäftling« zunächst noch recht milde Haftbedingungen. Der Kriegsverwaltungsrat im Amt Ausland/Abwehr im Oberkommando der Wehrmacht durfte anfangs weiter Akten für die Abwehr das OKW bearbeiten, erhielt keine Gefangenennummer, trug eigene Kleidung 22  In Hitlers Hand

und hatte täglich Hofgang. Seine Frau durfte ihn einmal im Monat in der SS-Polizeischule Drögen besuchen und ihm Lebensmittel schicken. Im August 1944 entdeckte die Gestapo seine Verbindung zu den Beteiligten des Aufstands vom 20. Juli und verschärfte die Haftbedingungen. Er wurde nach Berlin verlegt und am 23. Januar 1945 hingerichtet. Dachau

Das riesige Gelände des ursprünglich für 5000 Gefangene geplanten und mehrfach erweiterten Lagers Dachau teilte sich in das eigentliche Konzentrationslager und ein Übungslager mit Kasernen und Schulungsräumen für die SS auf. Das »Schutzhaftlager« war von einem elektrisch geladenen Stacheldrahtzaun umgeben. In den letzten Kriegswochen wurden in die Baracken, die ursprünglich für 208 Häftlinge bestimmt waren, bis zu

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Luftaufnahme des KZ Dachau. Von hier aus wurden die »Sonder- und Ehrenhäftlinge« in den letzten Kriegstagen nach Südtirol gebracht. (Archiv der KZGedenkstätte Dachau, Bild 921)

Lager, Schlösser, eine Insel und Hotels für die Geiseln  23

1600 Gefangene gepfercht. Die Wohnblöcke wurden zum Teil verschiedenen Häftlingsgruppen zugewiesen. Neben dem Interbrigadistenblock, in dem die sogenannten Spanien-Kämpfer inhaftiert wurden, gab es auch den Pfarrerblock und den Prominentenblock. In beiden Bereichen des Lagers befanden sich darüber hinaus zahlreiche Fabriken, in denen Häftlinge Zwangsarbeit leisten mussten. Schließlich gab es an der Ostseite des Lagers eine große Kräutergartenanlage. Auf der Südseite war die Wohnsiedlung der SS mit teils stattlichen Villen angelegt. Michael Höck, Regens des Priesterseminars Freising, war am 23. Mai 1941 verhaftet worden. Er kam erst in das Gestapo-Gefängnis am Wittelsbacher Platz in München, dann in das Gestapo-Untersuchungsgefängnis Berlin und ab 25. Juni 1941 in Einzelhaft im sogenannten Kommandanturarrest des KZ Sachsenhausen. Am 11. Juli 1941 wurde er zusammen mit Pfarrer Martin Niemöller und Domkapitular Johannes Neuhäusler nach Dachau überstellt. Er verfasste später eine exakte Beschreibung des KZ-Teils, in dem die »Sonderhäftlinge« gefangen gehalten wurden: »Wir drei waren damals die ersten Schutzhäftlinge des KZ Dachau, die in Form einer ›Sonderhaft‹ im K.A., d.h. Kommandanturarrest (Zellenbau) untergebracht wurden. Die in Sonderhaft befindlichen Häftlinge waren in dem mit S bezeichneten Teil untergebracht, und zwar Niemöller, Neuhäusler und ich. Im übrigen Teil des Abschnittes des K.A. waren ca. 70 Zellen untergebracht, die längs eines Mittelganges auf beiden Seiten hinliefen. Außerdem befanden sich im Eingang sowie gegenüber dem Wachzimmer der Aufenthaltsraum des Häftlings Stevens. Dieser hatte eine ganz besondere Ausnahmebehandlung. Unsere Zellen waren tagsüber offen, und wir konnten uns im Bereich unserer Zellen frei bewegen. In den Hof selbst durften wir anfangs nur mittags und abends, ungefähr eine Stunde, um frische Luft zu schöpfen. Einige Zeit nach meiner Einlieferung wurde unser gesonderter Teil durch eine Zwischenwand vom übrigen Gang abgetrennt, damit wir die übrigen Vorgänge im Bunker nicht beobachten könnten. Nach einer weiteren Zeit (gegen Ende 1944) wurde uns der rot angestrichene Teil G als Aufenthaltsplatz im Freien zugewiesen, wobei eine besondere Türe in die rückwärtige Mauer des Ganges eingebaut wurde, sodass wir durch dieselbe in diesen Garten gelangen konnten. Bei dieser Gelegenheit wurde die Mauer zum K.A. vorverlegt.«4 24  In Hitlers Hand

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Bunkerbau im KZ Dachau. (Archiv der KZ-Gedenkstätte Dachau, Bild Nr. 2304)

Buchenwald

Das KZ Buchenwald, eines der größten Konzentrationslager auf deutschem Boden, wurde am 1. Juli 1937 von der SS auf dem Ettersberg bei Weimar angelegt und als Arbeitslager betrieben. Der Ausbau des Konzentrationslagers dauerte bis 1939. Für Reichsjäger- und Reichsforstmeister Hermann Göring musste 1938 ein Falkenhof in altgermanischem Stil mit Jagdhalle und einer Laube errichtet werden. Im Kommandanturbereich zwischen dem eigentlichen Lager und den Führerhäusern entstand auf Himmlers Befehl 1942 das Lager Fichtenhain für Angehörige der rumänischen Eisernen Legion, die dort von Ende 1942 bis Herbst 1944 inhaftiert waren. Daneben gab es eine von einer drei Meter hohen Mauer umgebene Isolierbaracke für prominente »Ehrenhäftlinge«. Sie brannte am 24. August 1944 nach einem Luftangriff der Alliierten aus und wurde wieder aufgebaut. 54 Personen waren zuletzt dort untergebracht: neben dem Ehepaar Schuschnigg und Fritz Thyssen mit Frau sechs Angehörige der Familie Stauffenberg und die Lager, Schlösser, eine Insel und Hotels für die Geiseln  25

Mitglieder der verhafteten ungarischen Regierung. Ab Februar 1945 reichte der Platz für die »Sonder- und Ehrenhäftlinge« nicht mehr aus. Ein Zellentrakt im Keller einer der SS-Kasernen am Rand des Konzen­ trationslagers wurde nun ebenfalls als Gefängnis verwendet. Schließlich wurde auch das ehemals der Repräsentation dienende »Falknerhaus« vom Frühjahr 1943 bis Kriegsende als Haftanstalt für prominente Gefangene genutzt, unter ihnen Léon Blum mit Frau. Wenig bekannt ist, dass auch der saarländische Großindustrielle Ernst Röchling sowie Kurt Eisner, Sohn des früheren bayerischen Ministerpräsidenten, eine Zeitlang im KZ Buchenwald inhaftiert waren.5 Eine Sonderrolle nahm der französische Schwimmer Alfred Nakache ein. Er war vierfacher französischer Landesmeister, Europa- und Weltmeister und stand im Finale der Olympischen Spiele 1936. Da er Jude war, wurde er vom VichyRegime verhaftet und an die Deutschen ausgeliefert. Die von ihm erzielten Rekorde wurden von den Nazis gestrichen. Nach seinem Zwangsaufenthalt im KZ Buchenwald wurde er nach Auschwitz deportiert. Er überlebte und startete bei den Olympischen Spielen 1952 in Helsinki noch einmal für Frankreich. Stutthof

Dieses Lager war zunächst ein Zivilgefangenenlager, bevor es 1941 zum Konzentrationslager umfunktioniert wurde.6 Mitte August 1939 war mit dem Bau begonnen worden. Anfang 1944 wurde etwa eineinhalb Kilometer vom »Neuen Lager« entfernt ein »Sonderlager« errichtet. Hier sollten hochgestellte Gegner Hitlers und ihre Familien untergebracht werden. Die Arbeiten an diesem Teil des Lagers wurden jedoch nicht beendet. Natzweiler-Struthof

Aus diesem Konzentrationslager, dessen Bau am 1. Mai 1941 begonnen wurde, trafen bereits am 21. Mai 1941 in zwei Transporten die ersten Deportierten im KZ Sachsenhausen ein. Ab dem 15. Juni 1943 wurde Natzweiler Lager für »Nacht-und-Nebel-Häftlinge« aus westlichen Ländern. Allein 1943 wurden 984 »NN-Häftlinge« dort eingeliefert. Sie kamen aus Norwegen, Frankreich, Belgien und den Niederlanden, zu 26  In Hitlers Hand

einem geringen Teil auch aus Polen, Spanien, dem Elsass oder Lothringen. Zu den prominenten Häftlingen dieses Konzentrationslagers gehörte der später ermordete französische General Charles Delestraint. Die meisten deutschen »Sonder- und Ehrenhäftlinge« wurden zwar in Konzentrationslager eingewiesen und erhielten – im Vergleich zu den anderen Häftlingen – einige wenige Vergünstigungen. In der Regel wurden sie in den »Bunkern« und »Zellenbauten« gefangen gehalten. Am 31. Dezember 1943 ordnete jedoch die für die Konzentrationslager zuständige »Amtsgruppe D« des Reichssicherheitshauptamtes unter Berufung auf Himmler an, in allen Lagern besondere Baracken für »Isolierungshäftlinge« zu errichten.7 Diese »Isolierungshäftlinge mit Aufenthaltsbeschränkung« durften Zivilkleidung tragen und sollten lediglich durch eine Armbinde kenntlich gemacht werden. Die Lagerkommandanten wurden aufgefordert, mit Stichtag 15. Januar 1944 der Amtsgruppe eine Aufstellung über sämtliche »Sonderhäftlinge« zukommen zu lassen.

Schlösser und eine Ostseeinsel für 10 000 Gefangene Große Teile des deutschen Adels brachten dem Nationalsozialismus Sympathie entgegen. Am Tag der »Machtergreifung« waren bereits 270 Adelige Mitglied der NSDAP, wie Stephan Malinowski in seiner Dissertation Vom König zum Führer belegt. Hitler, Himmler, Göring und andere Spitzen der NSDAP sonnten sich im Glanz einiger ausgewählter Adeliger und zogen ihren Nutzen daraus. Auf der anderen Seite ließen sie sie fallen, wenn sie ihnen nicht mehr dienlich waren. Prinz Philipp von Hessen ist hierfür ein beredter Zeuge. Wurde der deutsche Adel eine Zeitlang von den Nationalsozialisten hofiert, so gingen sie dem ausländischen gegenüber oft unerbittlich vor. Schlösser und übriges Eigentum besonders des österreichischen und polnischen Adels wurden mit fadenscheinigen Begründungen als »staatsfeindliches Vermögen« eingezogen, ihre Besitzer häufig verhaftet und in Konzentrationslager eingewiesen. Die Rücksichtnahme auf den Adel hörte stets dort auf, wo Hitler und seine Schergen eigenes Interesse in den Vordergrund stellten. In vielen Fällen kümmerte sich Himmler persönlich um die Unterbringung von »hohen Staatsgefangenen« und ließ Lager, Schlösser, eine Insel und Hotels für die Geiseln  27

für sie Schlösser, Villen oder Herrenhäuser suchen und beschlagnahmen. So forderte der Adjutant des Chefs der Sicherheitspolizei und des SD, SS-Sturmbannführer Arthur Scheidler, am 23. September 1943 in seinem Auftrag in einem Blitz-Fernschreiben alle SD-Leitabschnitte auf, ihm im Rahmen eines »reichswichtigen Sonderauftrags« umgehend alle Schlösser zu nennen, die als Aufenthaltsorte für Staatsgefangene tauglich waren. Dem Reichssicherheitshauptamt waren zu melden: 1. sofort bezugsfertige Schlösser und Jagdschlösser (inkl. Beheizung, Licht und sanitäre Anlagen); 2. alle übrigen Schlösser, die sich zur Unterbringung höherer Persönlichkeiten eignen.8

Dabei war ausdrücklich keine Rücksicht darauf zu nehmen, ob die infrage kommenden Schlösser derzeit genutzt wurden. Am 26. Oktober 1943 resümierte Scheidler, die Meldungen »über geeignete Schlösser zur Unterbringung von höheren Persönlichkeiten« hätten alle Erwartungen übertroffen.9 Buchstäblich jedes Schloss in Deutschland, Österreich, Polen und in der besetzten Tschechoslowakei hatte die SS bis dahin unter dem Aspekt untersucht, ob es als Gefängnis für prominente Häftlinge dienen könnte. In Einzelfällen führte dies zu Irritationen. Der Gauleiter des Großgaus Hessen und Reichsverteidigungskommissar, SA-Obergruppenführer Jakob Sprenger, beschwerte sich beispielsweise am 5. November 1943 darüber, dass unter Umgehung seiner Dienststelle in Wiesbaden und Frankfurt »von unbekannten Personen Grundstücke und Bauten besichtigt wurden, die angeblich zur Unterbringung hochgestellter Persönlichkeiten dienen sollen«.10 Den Landräten und Oberbürgermeistern verbot er, Himmlers Abgesandte bei ihrer Suche zu unterstützen. Und der Leiter des SD-Leitabschnitts Posen, SS-Sturmbannführer Rolf-Heinz Höppner, machte am 30. November 1943 darauf aufmerksam, dass »rund um die Schlösser nur Polen wohnen«. Nachdem »zwei SS-Obersturmführer von Ihrer Dienststelle, (…) im Warthegau herumfahren und darüber recht geheimnisvolle Andeutungen machen«, bat er den SD um Auskunft, »wozu die Aktion über die Aufnahme der Schlösser erfolgt«.11 Nicht immer wurden die infrage kommenden Schlösser der SS widerspruchslos überlassen. Schloss Hohenbuchau bei St. Georgen im Taunus 28  In Hitlers Hand

war Eigentum des Russen Salomon Soskin und nach gängigem NS-Muster als »Feindbesitz« beschlagnahmt worden. Die Reichsbahn nutzte den Prachtbau als Lokomotivführerschule und wollte ihn nicht freiwillig an die SS abtreten. Himmler griff ein und machte dem Staatsekretär im Reichsverkehrsministerium, Albert Ganzenmüller, unmissverständlich deutlich, dass er das Schloss für seine Zwecke benötigte und Gauleiter Sprenger sicherlich ein anderes Gebäude für die Lokomotivführer finden werde.12 Ein weiteres Schloss, das Himmler unbedingt requirieren wollte, war das des Erbprinzen zu Reuß in Reuß.13 Ausdrücklich war in einem Vermerk des Amtschefs IV im Reichssicherheitshauptamt, SSObergruppenführer Heinrich Müller, vom 17. Oktober 1944 die Rede davon, Himmler wolle das Schloss »für Zwecke der Verwahrung von Sicherungshäftlingen oder anderer Häftlinge mieten«.14 Die Begehrlichkeit Himmlers hatte auch Schloss Johannisburg in Jauernick, Bezirk Glatz, geweckt. Es war prunkvoll ausgestattet und Wohnsitz des Breslauer Kardinals Adolf Bertram, der »unter allen Umständen bereit [war], das Schloss für einen Sonderzweck zur Verfügung zu stellen«.15 Es gehört zu den Merkwürdigkeiten der Geschichte, dass General Friedrich Olbricht, einer der Beteiligten am gescheiterten Attentat vom 20. Juli 1944, kurz vor diesem Datum Schloss Johannisberg beschlagnahmt hatte, um hier nach erfolgreichem Putsch hohe nationalsozialistische Funktionsträger zu inhaftieren. Für die Unterbringung hoher französischer Offiziere war Schloss Eisenberg in der Nähe von Brix am Südhang des Erzgebirges, heute Tschechien, bestimmt.16 Es gehörte dem vor dem deutschen Einmarsch geflüchteten Fürsten Lobkowitz und war inzwischen beschlagnahmt und auf die Waffen-SS überschrieben worden. Verwaltet wurde es vom Regierungspräsidenten für den Sudetengau, SS-Brigadeführer Hans Krebs, in Aussig. Aus Sicht des RSHA bot es sich als Gefängnis an, da es auf einer Bergnase hundert Meter über dem gleichnamigen Ort lag, unbewohnt war und Platz für hundert Gefangene bot. Während das Schloss selbst nicht umgebaut werden musste, wurden umfangreiche Sicherungsvorkehrungen für notwendig erachtet. »Vom Haupttor aus muss über die Hauptwache entlang der Burgmauer um das Schloss herum und dann vom Wohngebäude durch den Garten zurückführend ein elektrisch geladener Stacheldrahtzaun gelegt werden.« Zur Bewachung und zum Schutz sollten Wachtürme errichtet, Scheinwerfer insLager, Schlösser, eine Insel und Hotels für die Geiseln  29

talliert und eine Zaunbeleuchtung angebracht werden. Weiter hieß es: »Während der Nacht werden die Posten noch durch Zwischenposten verstärkt und können dann ab 22 Uhr abends die Hunde innerhalb des nunmehr gesicherten Raumes frei herumlaufen. Es ist dann auch notwendig, einen Sicherheitsdraht derart zu ziehen, dass die Hunde nicht mit dem elektrischen Draht in Berührung kommen. Voraussichtlich dürften 5000 m Stacheldraht, 8 Holztürme, 7 Scheinwerfer, 200 elektrische Lampen für Zaunbeleuchtung sowie ein Holztor benötigt werden.« Am 1. Juli 1943 waren die Arbeiten beendet. Probleme bereitete lediglich noch die Beschaffung von Relais, um den vorhandenen Strom von 120 auf 3000 Volt zu steigern. Zur selben Zeit beauftragte das Reichssicherheitshauptamt die nachgeordneten Dienststellen im Ostseeraum, nach geeigneten »Aufenthaltsorten für Festungshäftlinge bzw. Ehrenhäftlinge« zu suchen.17 SS-Hauptsturmführer Walter Jagusch, Chef der Sicherheitspolizei Riga, informierte den Kommandeur der Sipo und des SD Ostland, SS-Sturmbannführer Martin Sandberger, über Planungen des RSHA, »eine geeignete Insel in der Ostsee zum Aufenthalt für Festungshäftlinge zu bestimmen«. Die Insel solle für 2000 bis 5000 Personen geeignet sein und jederzeit mit dem Schiff erreicht werden können. Da es vor der lettischen Küste eine solche Insel nicht gebe, solle Sandberger danach forschen und ihm berichten. Diese Zahlenangaben lassen erkennen, in welchen Dimensionen die Verhaftung weiterer prominenter Gegner des NS-Regimes geplant war. Nach dem Muster der amerikanischen Zuchthausinsel Alcatraz sollten sie verbannt und von jedem Kontakt mit der Außenwelt abgeschnitten werden. Am 8. August 1942 hatte man die gewünschte Insel gefunden. In einem Fernschreiben an das RSHA teilte der SD-Befehlshaber Ostland mit, als Aufenthaltsorte für Festungs- bzw. Ehrenhäftlinge kämen zwei dem estnischen Hafen Baltischport vorgelagerte Inseln in Betracht: die Pakri-Inseln.18 Suur-Pakri und Väike-Pakri lagen vier Kilometer vor Baltischport, der Hafenstadt am Eingang des Finnischen Meerbusens, und sechs Kilometer vor dem übrigen Festland und waren durch eine Brücke und einen aufgeschütteten Steindamm miteinander verbunden. In dem Vermerk hieß es: »Für die Unterbringung stehen auf der einen Insel 5 größere Objekte, auf der anderen zwei Objekte zur Verfügung. Es handelt sich um von der Roten Armee gebaute und teilweise noch gut erhal30  In Hitlers Hand

tene Kasernen und sonstige Truppenunterbringungshäuser. Auf der zweiten Insel steht ein Haus zur Verfügung, das lediglich nach wenigen Aufräumungsarbeiten sofort beziehbar ist und mit ca. 250–300 Personen belegt werden kann. Bei den anderen Objekten, die durchschnittlich mit der gleichen Zahl von Personen belegt werden können, sind Ausbesserungsarbeiten zu erledigen, die schätzungsweise in 3–4 Wochen durchgeführt werden könnten. In der Nähe der vorgenannten ehemals russ. militärischen Objekte bestehen Möglichkeiten zur Genüge, in größtem Umfange Baracken zur Unterbringung von insgesamt 7000– 10 000 Personen zur errichten. Die Verpflegung könnte mit einem Küstenboot von Baltischport aus bewerkstelligt werden. Für die Schutzmannschaften stehen gute Unterbringungsmöglichkeiten auf der Insel selbst zur Verfügung. Bau- und Ausrüstungsmaterial für die Instandsetzung der genannten Unterbringungshäuser ist auf der Insel selbst zur Genüge vorhanden. Die Insel ist ihrer Beschaffenheit nach durchaus für den genannten Zweck geeignet. Sie ist eisfrei, nur wenig bewohnt und vom Festland weit genug entfernt.« Die Planungen für diese Gefangeneninsel wurden nicht mehr umgesetzt. Im Winter 1942/43 erlitt die deutsche Wehrmacht bei Stalingrad eine schwere Niederlage, die die Wende im Zweiten Weltkrieg zugunsten der Alliierten einleitete. Damit waren die Pakri-Inseln durch die Rote Armee bedroht und für Himmlers Vorstellungen nicht mehr tauglich. Geiselhaft auf Schloss Itter

Stattdessen mussten nunmehr Unterbringungsmöglichkeiten innerhalb des »Altreichs« oder im besetzten Österreich gefunden werden, die zu dieser Zeit noch nicht durch die Kriegsgegner bedroht zu sein schienen. Eine herausragende Bedeutung kam in diesem Zusammenhang Schloss Itter nahe Kitzbühel in Tirol zu. 902 hatten die Bischöfe von Regensburg eine erste Burg errichten lassen, die den Zugang zum Brixental sicherte. Ende des 19. Jahrhunderts gaben Franz Liszt, Peter Tschaikowsky oder Arthur Rubinstein in dem inzwischen zum feudalen Schloss umgebauten Anwesen Konzerte. Nachdem das Schloss kurze Zeit dem Berliner Eugen Mayr gehörte, kam es 1925 in den Besitz von Rechtsanwalt Franz Grüner. Für Hitler schien das auf einem Hügel geleLager, Schlösser, eine Insel und Hotels für die Geiseln  31

gene Schloss der richtige Ort zu sein, um hochrangige Geiseln des Regimes zu inhaftieren. Am 23. November 1942 übermittelte Himmler SSObergruppenführer Oswald Pohl Hitlers Befehl, Schloss Itter zu kaufen: »Das Schloss soll für einen hohen Staatsgefangenen, der sich bereits in Deutschland befindet, als Aufenthaltsort dienen.« 19 Pohl, der als Chef des SS-Verwaltungshauptamts für die Konzentrationslager verantwortlich war, erhielt den Auftrag, sich mit Generalbauinspektor Albert Speer in Verbindung setzen, um mit allen Kräften das Schloss sofort umzubauen. Innerhalb von vier Wochen müssten sanitäre Anlagen und eine Beheizung eingebaut werden. Außerdem sei eine Neumöblierung erforderlich. Himmler merkte in dem Fernschreiben an, er habe inzwischen die Beschlagnahme veranlasst und erste Gespräche mit SS-Architekten über die Umgestaltung geführt. Von einem Kauf war keine Rede mehr.

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Schloss Itter in Tirol, das zur Unterbringung vorwiegend französischer Prominenter umgebaut wurde. (Archiv der KZ-Gedenkstätte Dachau, Bild Nr. 694)

Für den Umbau von Schloss Itter, das nur noch von zwei Damen bewohnt war, setzte die SS vorwiegend Häftlinge aus dem Konzentrationslager Flossenbürg und aus dem KZ-Außenlager Traunstein ein. In einem Nebengebäude des Schlosses bis zum 6. Februar 1943 untergebrachte französische Kriegsgefangene wurden in andere Lager eingewiesen. 32  In Hitlers Hand

Benötigt wurden nach einem Fernschreiben vom 2. Februar 1943 zunächst vier Maurer, ein Zimmerer, ein Schmied, zwei Installateure, ein Spengler und acht Hilfsarbeiter.20 Am 6. Februar 1943 erließ der Flossenbürger KZ-Lagerkommandant, SS-Sturmbannführer Egon Zill, einen »Sonderbefehl« zum Arbeitseinsatz für dreißig Häftlinge, die auf dem Weg über das Konzentrationslager Dachau nach Schloss Itter gebracht wurden.21 Dabei handelte es sich um neun Häftlingsfachund einundzwanzig Häftlingshilfsarbeiter, die von Angehörigen des in Nürnberg stationierten SS-Nachrichtenregiments nach Tirol begleitet wurden.22 Das Schloss unterstand einem eigens gebildeten »SS-Sonderkommando Schloss Itter« und war Außenkommando des Konzentrationslagers Dachau. SS-Hauptsturmführer Sebastian Wimmer durfte sich »Schlosskommandant« nennen und lebte mit seiner Frau im Hauptgebäude. Die Wachmannschaft bestand aus durchschnittlich fünfzehn SSAngehörigen. Außerdem war eine Aufseherin aus dem KZ Ravensbrück nach Itter abgestellt. Nach einer Aufstellung der Leitung des KZ Dachau hielten sich am 31. März 1945 noch neun Häftlinge zum Arbeitseinsatz auf Schloss Itter auf, zwei Männer und sieben Frauen, fünf weniger als nach dem Sollplan vorgeben.23 Dem Hausmeister, dem jugoslawischen Häftling Zvonimir Cuckovic, sind Einblicke in den Alltag von Schloss Itter als »Staatsgefängnis« zu verdanken. Er war am 10. Dezember 1941 in Prag von der Gestapo verhaftet worden und wurde am 8. Februar 1943 dem »SS-Sonderkommando Schloss Itter« zugeteilt. Seine Beobachtungen fasste er in einem unveröffentlichten Manuskript zusammen.24 Häftlinge des KZ-Außenlagers Traunstein und des KZ Flossenbürg richteten neunzehn Zellen mit vergitterten Fenstern für die künftigen Staatsgefangenen ein. Aus der Schlosskapelle wurden die Madonna und das Kruzifix entfernt und nach Salzburg abtransportiert. Das galt auch für alle übrigen wertvollen Gegenstände, darunter ein vergoldetes Klavier, an dem Liszt und Tschaikowsky komponiert hatten. Schloss Itter wurde mit Drahtverhauen umzäunt, ferner wurden vier Lichtmasten aufgestellt. Die ersten prominenten »Ehrenhäftlinge« trafen laut Cuckovic am 8. Mai 1943 auf Schloss Itter ein: Édouard Daladier, General MauriceGustave Gamélin und Gewerkschaftsführer Léon Jouhaux. Es folgten Paul Reynaud und Jean Borotra (12. Mai), ferner Augusta Brouklin Lager, Schlösser, eine Insel und Hotels für die Geiseln  33

(19. Juni), Christiane Mabire (17. Juli), Marcel Grangers (20. Juli), Francesco Nitti und der Bankier Georgini (1. September), Albert Lebrun und André François-Poncet (3. September), General Weygand und seine Frau (5. Dezember), Michel Clemenceau und Oberst François de la Roque (9. Januar 1944) und schließlich Alfred Cailleau und Frau (15. März 1945). Den SS-Wachen wurde befohlen, ihnen »mit Stillstand und deutschem Gruß« zu begegnen. Die Gefangenen wurden im Allgemeinen höflich behandelt und durften den Sonntagsgottesdienst im benachbarten Hopfgarten besuchen. Ihnen wurde angeboten, die Haft gemeinsam mit dem Ehepartner oder einer anderen nahestehenden Person zu verbringen. Während die »Sonder- und Ehrenhäftlinge« offensichtlich nicht an einen Ausbruch dachten, entwickelten die regulären KZ-Häftlinge – die sogenannten Nummernhäftlinge – immer wieder neue Pläne zu ihrer Flucht. So besorgte Cuckovic im Juli 1944 mehrere Handgranaten, mit denen die SS-Wachen außer Gefecht gesetzt werden sollten. Dieses Vorhaben wurde jedoch aufgegeben. Stattdessen gelang es, ein starkes Schlafmittel, ausreichend für sechzig Mann, in sieben Proberöhrchen aus dem KZ Dachau ins Schloss zu schmuggeln. Die Wachen sollten betäubt werden. Ein Marschbefehl sollte gefälscht werden, nach dem »zwanzig Personen jüdischer Abstammung tief auf Schweizer Boden« gebracht werden sollten, um sie dort zu ermorden. Sonder- und KZ-Häftlinge sollten gemeinsam die 165 Kilometer lange Strecke von Itter über Schwaz, Hall, Innsbruck und Landeck bewältigen und in die Schweiz fliehen. Bis ins Detail wurde das Unternehmen ausgearbeitet, doch die »Ehrenhäftlinge« Jouhaux und Clemenceau bestanden darauf, den Plan aufzugeben. Am 26. April 1945 kam der Lagerkommandant von Dachau, SSObersturmbannführer Eduard Weiter, auf Schloss Itter an und wurde am darauffolgenden Tag tot in seinem Zimmer aufgefunden. Er hatte Selbstmord begangen. Die Verunsicherung unter der SS-Mannschaft wuchs. KZ- und »Ehrenhäftlinge« befürchteten, kurz vor dem Einmarsch der Alliierten ermordet zu werden, doch in den letzten Kriegstagen konnte Cuckovic sich in das inzwischen befreite Innsbruck durchschlagen und die US-Truppen über die Geiseln auf Schloss Itter informieren. Am 4. Mai 1945 erreichten Einheiten der 12. US-Panzerdivision Kufstein. Noch leisteten Teile der 1. Armee, die sich hauptsächlich aus Ein34  In Hitlers Hand

heiten der Waffen-SS zusammensetzten, Widerstand. Das glückliche Ende der Geiselhaft zeichnete sich ab, als ein namentlich nicht bekannter deutscher Major vor Kufstein dem Führer des 23. US-Panzerbataillons, Lieutenant John C. Lee jr., die Kapitulation größerer Einheiten und die Freilassung von vierzehn prominenten französischen Häftlingen auf Schloss Itter anbot.25 Möglicherweise handelte es sich um Major Josef (Sepp) Gangl, der nach Angaben des Tiroler Landesarchivs am 5. Mai 1945 auf Seiten der Befreier in Itter fiel.26 Lee machte sich mit insgesamt sieben Panzern auf den Weg zum Schloss. In der Nacht zum 5. Mai versuchte zwar eine kleine SS-Einheit, den Angriff zurückzuschlagen, aber Jean Borotra gelang es, aus dem Schloss zu fliehen, um aus dem nahen Wörgl Verstärkung herbeizuholen. Noch einmal nahm die SS das Schloss unter Feuer, achtundachtzig Granaten schlugen in die Gemäuer ein. Sie richteten Sachschäden an, konnten die Befreiung der Häftlinge aber nicht mehr verhindern.27 Am 5. Mai 1945 um 17 Uhr verließen die befreiten französischen Geiseln Itter und kamen nach Zwischenstationen in Innsbruck und Augsburg am 7. Mai 1945 im Hotel Bad Schachen in Lindau am Bodensee an. Von dort wurden sie am 10. Mai 1945 nach Paris gebracht. Schloss Schwarzburg – vom Gefängnis zum Gästehaus

Der Bedarf an komfortablen Unterkünften für NS-Staatsgefangene war erheblich. Er konnte nur zum Teil durch Schlösser und Burgen gedeckt werden, da hierbei in der Regel hohe Kosten für den Umbau entstanden. Außerdem war die Bewachung aufwändig. Demgegenüber stand als Vorteil, dass Burgen häufig auf Bergrücken lagen. Sollten früher auf diese Weise Angriffe erschwert werden, ging es nun darum, Ausbrüchen zu begegnen. Diesem Erfordernis entsprach Schloss Schwarzburg im Thüringer Wald in jeder Hinsicht. Schon bald nach der belgischen Kapitulation hatte Hitler im »Altreich« nach Unterbringungsmöglichkeiten für den belgischen König Leopold III. suchen lassen. Mit Schloss Schwarzburg schien das geeignete Objekt gefunden worden zu sein.28 Es befand sich acht Kilometer von Bad Blankenburg entfernt, lag auf einem Felsrücken und war somit leicht zu überwachen. Für Schloss Schwarzburg sprach ferner die Nähe zu Bayreuth und Nürnberg, sodass es, wie Hitlers Architekt Albert Speer in einem Bericht vom 19. Juni Lager, Schlösser, eine Insel und Hotels für die Geiseln  35

6 Die Schwarzburg in Thüringen war als Gefängnis für den belgischen König Leopold III. vorge­ sehen. (Privatarchiv des Autors)

1940 festhielt, später auch noch anderen Zwecken dienen konnte, nämlich als Reichsgästehaus »zur Unterbringung prominenter Gäste des Führers, die zu den Festspielen oder dem Parteitag eingeladen sind«.29 Während Leopold III. noch auf Schloss Laeken in Brüssel gefangen gehalten wurde, reiften die Pläne für seine Internierung im Thüringer Wald. In ihrem Tagebuch notierte die Hausherrin, Fürstin Anna Luise zu Schwarzburg, am 30. Mai 1940, der thüringische NSDAP-Gauleiter Fritz Sauckel habe anfragen lassen, ob sie die Schwarzburg auf ein Jahr als Aufenthaltsort für den belgischen König zur Verfügung stellen wolle.30 Am 2. Juni 1940 erfuhr die Fürstin zu ihrer Überraschung von ihrem Kastellan, dass sie ihr Schloss innerhalb von vier Tagen zu räumen habe, und erbat in einem Telegramm an Sauckel nähere Auskunft darüber.31 Dieser antwortete am nächsten Tag, er bitte »Eure Durchlaucht, 36  In Hitlers Hand

meinen aufrichtigen Dank dafür entgegenzunehmen, dass Sie, wie mir Kreisleiter Bürgermeister Kranich mitteilte, gütigerweise zugestimmt haben, auf das Wohnrecht in Schwarzburg verzichten zu wollen«.32 Er wisse, dass die Fürstin, dieses wunderschöne alte Schloss sehr liebe und wie außerordentlich hoch der Verzicht deshalb zu schätzen sei. Aber die Zeitumstände erforderten von ihm »eine allerschnellste Bereitmachung des Schlosses für den geplanten Zweck«. Die Räumung werde »auf das Sorgfältigste und selbstverständlich ausschließlich auf Kosten des Staates« vonstattengehen. Kurz darauf berichtete ihr Generalbevollmächtigter, Günther von Wulffen, von Hitlers Befehl, dass sie »Schwarzburg für immer aufzugeben hätte, da es anderweitig (wahrscheinlich gar nicht zur Unterbringung des Königs von Belgien) sofort im Innern ausgebaut werden solle«.33 In Berlin war Otto Meißner, Staatsminister und Chef der Präsidialkanzlei, für den geplanten Umbau des Schlosses verantwortlich, worüber er am 8. Juni 1940 Reichsfinanzminister Ludwig Graf Schwerin-Krosigk informierte: »Der Führer hat angeordnet, dass zur etwa erforderlich werdenden Unterbringung hochgestellter Persönlichkeiten aus dem Ausland während des Krieges das Schloss Schwarzburg (Thüringen) umzubauen und neu einzurichten ist. Außerdem steht infrage, ein anderes, noch zu bestimmendes Schloss für gleiche Zwecke herzurichten.« 34 Auf diesem Brief fand sich der handschriftliche Zusatz »für König Leopold«, obwohl der Name eigentlich hätte geheim bleiben sollen. »Die Federführung in dieser Angelegenheit ist sowohl hinsichtlich des Bauvorhabens als auch hinsichtlich der Unterbringung und Betreuung der infrage kommenden Personen mir übertragen«, teilte Meißner mit und unterstrich, bei den von Speer geschätzten Kosten in Höhe von bis zu 1,5 Millionen Reichsmark handle es sich um »Maßnahmen aus Anlass des Krieges«. Mit Umbau und Einrichtung beauftragte Hitler Albert Speer, der wiederum die Ausführung an den NS-Architekten Hermann Giesler delegierte. Am 6. Juni 1940 besichtigten Meißner, Giesler und Sauckel Schloss Schwarzburg, um im Protokoll über eine anschließende Besprechung festzuhalten, es werde für die Unterbringung eines »hohen Gefangenen« benötigt.35 Zwar war generell lediglich von der Unterbringung «hochgestellter Persönlichkeiten« die Rede, doch in einem Vermerk vom 18. Juni 1940 notierte Professor Kallenbach, es bestehe die Lager, Schlösser, eine Insel und Hotels für die Geiseln  37

Absicht, »L.v.B. [Leopold von Belgien] in Schwarzburg unterzubringen«.36 Damit sprach sich schnell herum, wer auf Schloss Schwarzburg inhaftiert werden sollte. So verwies von Wulffen in einem Brief an die Weimarer Reichstatthalterei am 19. Juni 1940 darauf, »Herr Bürgermeister und Kreisleiter Kranich habe die Fürstin gefragt, ob sie gewillt sei, für gewisse Zeit auf ihr Wohnrecht auf der Schwarzburg zu verzichten, weil der König der Belgier dorthin gebracht werden solle«.37 Es sei ein Zeitraum von etwa einem Jahr, »spätestens bis zum Friedensschluss«, genannt worden. Auch Heinrich XXXIII. Reuß zu Köstritz nannte in einem Schreiben an Meißner am 26. Juni 1940 den belgischen Monarchen: »Es heißt, Schloss Schwarzburg solle dem König der Belgier als Wohnsitz angewiesen werden, auf Lebenszeit und solle für diesen Zweck völlig umgebaut werden.« 38 Er könne sich nicht vorstellen, so Reuß, »dass eine staatliche Behörde derart rücksichtslos gegen verbriefte Rechte und gegen eine ehem. Landesmutter die Absicht hat oder haben soll (…)«. Viele preußische Königsschlösser, die an den Staat gefallen seien, stünden völlig leer. »Warum dann nicht eines dieser Schlösser für den König der Belgier verwenden?«, fragte Reuß. Schloss Rudolstadt sei beispielsweise seit dem Tod von Prinzessin Thekla nicht mehr bewohnt. Er könne sich nicht denken, »dass der Führer bei seinem Gerechtigkeitssinn ein derartiges Vorgehen gutheißen würde«.39 In der Antwort belehrte Meißner Heinrich XXXIII. Reuß zu Köstritz am 3. Juli 1940, bei der »Inanspruchnahme des Schlosses Schwarzburg für besondere Reichszwecke handelt es sich keinesfalls um Übergriffe untergeordneter Stellen, sondern (…) um einen mir im Reichsinteresse erteilten persönlichen Auftrag des Führers«.40 Er dürfe darauf hinweisen, »dass der Verwendungszweck des Schlosses den Beteiligten streng vertraulich mitgeteilt worden ist, sodass nicht verständlich ist, wie der Verwendungszweck unbeteiligten Dritten bekannt werden konnte«.41 Er lehne eine Antwort auf die Frage, »warum die Wahl des Führers auf Schloss Schwarzburg gefallen ist, sowie überhaupt die weitere Erörterung der Angelegenheit mit Eurer Durchlaucht ab«. Ursprünglich sollten die Arbeiten in kurzer Zeit abgeschlossen sein. Der vor Ort zuständige Architekt hielt am 18. September 1940 fest: »Der Umbau des Schlosses Schwarzburg erfolgt auf Befehl des Führers. Herr Generalbaurat Giesler war der Auftrag übertragen, das Schloss Schwarzburg innerhalb von drei Monaten soweit wieder herzustellen, 38  In Hitlers Hand

dass es als Wohnung für eine nicht näher zu bezeichnende Persönlichkeit benutzbar würde. Es war demnach zunächst nur daran gedacht, das Schloss durch die Erneuerungsarbeiten und durch den Einbau von Heizung und Wasserversorgung in einen bewohnbaren Zustand zu versetzen. Für diesen Zweck war auch der Bedarf von ungefähr 100 t Eisen vorgesehen. Nach Überprüfung des allgemeinen baulichen Zustandes ergab sich jedoch, dass Teile des Schlosses restlos erneuert bzw. saniert werden mussten, sodass sich der Umfang der Bauarbeiten wesentlich erweiterte.« 42 Um Hitlers Befehl auszuführen, wurden die Baumaßnahmen am 9. November 1940 als kriegswichtig eingestuft. Der belgische König – und später auch Staatsgäste – sollten nach den Vorstellungen der Architekten im ehemaligen Kaisersaalgebäude untergebracht werden. Ihnen hätte ein hundertsechzig Quadratmeter großes Wohnzimmer, eine Galerie, ein Empfangsraum und ein Schlafzimmer mit Ankleide und Bad sowie Räumlichkeiten für die Dienerschaft zur Verfügung gestanden, doch wurde das Vorhaben bei fortschreitendem Kriegsverlauf aufgegeben. Dennoch wurde am 22. Oktober 1941 das Nutzungsrecht am Schloss, das sich seit den zwanziger Jahren im Eigentum Thüringens befand, auf das Deutsche Reich übertragen. In dem Vertrag hieß es unter anderem, »da das Deutsche Reich das Schloss für dringende staatspolitische Zwecke in Anspruch nehmen muss, verzichtet die Fürstin für sich und ihre Erben auf ihre Rechte an Schloss Schwarzburg«.43 Die Fürstin erhielt eine Abfindung in Höhe von 215 000 RM, Prinz Friedrich Günter zu Schwarzburg eine solche in Höhe von 350 000 RM. Im Frühjahr 1942 zeichnete sich die Einstellung der Arbeiten ab, die dann zum 31. März 1943 erfolgte. Über Jahrzehnte blieb die Schwarzburg eine Ruine. König Leopold III. hat das Schloss nie betreten.

Luxushotels als KZ-Außenkommandos für prominente ausländische Staatsgefangene Ins Visier der Nationalsozialisten waren der frühere französische Staatspräsident Albert Lebrun und Frankreichs ehemaliger Botschafter in Berlin, André François-Poncet geraten. Sie hielten sich im August 1943 im italienisch besetzten Südfrankreich auf. Der deutsche Gesandte in Vichy, Lager, Schlösser, eine Insel und Hotels für die Geiseln  39

Hans-Roland Krug von Nidda, informierte am 17. August 1943 das Außenministerium von der Absicht der Italiener, beiden in der Nähe von Florenz einen »Zwangsaufenthalt« zuzuweisen.44 Dies aber sollte verhindert werden. Reichsaußenminister Joachim von Ribbentrop hatte deshalb der italienischen Regierung schon im Juni offiziell mitteilen lassen: Angesichts der ständig weiter um sich greifenden Neigung französischer Persönlichkeiten, die früher in führenden Stellungen waren, zur Dissidenz überzutreten, scheint es uns notwendig zu sein, hiergegen gewisse Vorbeugungsmaßnahmen zu treffen, indem wir, wie das bekanntlich bereits in einer Reihe von Fällen geschehen ist, die betreffenden Persönlichkeiten nach Deutschland verbringen und ihnen dort einen ihrer Stellung angemessenen Zwangsaufenthalt zuweisen. Es liegt auf der Hand, dass es erwünscht ist, wenn diese Maßnahmen natürlich auch für das von den italienischen Truppen besetzte Gebiet zur Anwendung kommen.45

Gemeint waren damit vor allem Lebrun sowie François-Poncet. Scheinheilig bot Ribbentrop der italienischen Regierung an, »beide Persönlichkeiten nach Deutschland zu verbringen«. Italienische Musketiere hatten François-Poncets Haus schon seit Anfang 1943 kontrolliert. Nach Mussolinis Sturz wurden sie am 27. August 1943 abgezogen und noch am selben Tag wurde er von vier Gestapo-Leuten mit vorgehaltener Maschinenpistole verhaftet. In einem Telegramm meldete die deutsche Botschaft am 29. August 1943 Vollzug: Aufgrund dieser Nachricht des Reichssicherheitshauptamtes hat BDS in Durchführung der früheren Weisung des Reichsführers die nötigen Schritte zur Sicherstellung der beiden Persönlichkeiten eingeleitet. (…) SD-Kommando hat Präsident Lebrun mitgeteilt, dass Weisung vorläge, ihn zunächst nach Lyon und wahrscheinlich anschließend nach Paris zu überführen. Lebrun hat zunächst Schwierigkeiten gemacht, sich dann aber der Überführung unterworfen. Bei François-Poncet wurde festgestellt, dass dieser zwei fertig gepackte Koffer hatte, sodass Fluchtverdacht als dringend vorliegend angesehen werden musste. Poncet hat sich Maßnahme ohne Widerstreben gefügt. Beide Persönlichkeiten wurden zunächst nach Lyon und von dort im Zuge nach Paris überführt, wo sie zurzeit in dem von SS-Sturmbannführer bewohnten Haus getrennt untergebracht sind.46 40  In Hitlers Hand

Am 30. August 1943 ordnete Ribbentrop vom Führerhauptquartier Wolfsschanze aus an, Lebrun und François-Poncet nach Deutschland zu bringen.47 Beide wurden auf Schloss Itter bei Kitzbühel interniert, wo bereits Daladier, Reynaud, Jouhaux und General Gamelin inhaftiert waren. Lebruns Frau meldete sich wenig später bei der deutschen Botschaft in Paris, wollte Auskunft über den Gesundheitszustand ihres Mannes und bat darum, bei ihrem Mann bleiben zu dürfen.48 Eine Entscheidung Ribbentrops wurde hinfällig, nachdem Himmler bei Hitler vorstellig geworden war und dieser entschied, »dass Lebrun wegen seines schlechten Gesundheitszustandes aus der Ehrenhaft entlassen wird und nach Frankreich zurückkehren darf«.49 Das geschah am 10. Oktober 1943. Lebrun musste sich jedoch verpflichten, in Frankreich zu bleiben und seinen Wohnsitz in Vizille, Département Isère, nicht ohne Zustimmung der deutschen und französischen Polizeibehörden zu verlassen.50 Das Hotel Ifen im Kleinwalsertal

François-Poncet hielt sich nur kurze Zeit auf Schloss Itter auf. Er war anschließend einer der ersten Staatsgefangenen, die – ab dem 20. Oktober 1943 – im beschlagnahmten Ifen-Hotel im Kleinwalsertal untergebracht wurden. Über dreißig »Ehrenhäftlinge« waren hier interniert, unter anderen: Raymond de Becker, Chefredakteur der Zeitung Le Soir, Brüssel, Carmine Senise, Mailänder Polizeichef unter Mussolini, Vittorio Foschini, Major der Reserve, von Mussolini in der Republik Salò zum Divisionsgeneral ernannt, Francesco Saverio Nitti, ehemaliger italienischer Ministerpräsident, Alessandro Iori, Oberstleutnant der faschistischen Miliz, Luigi Rizzo, italienischer Marineoffizier, mit Tochter, später auch mit Ehefrau, Albert Saurrat, französischer Premierminister, Amaury de la Grange, französischer Senator, Madame Trémeau, Ehefrau von Brigadegeneral Pierre Trémeau, Kommandant der Sahel-Truppen, mit Tochter, Escalier, Gouverneur der Banque d’Algérie, Lager, Schlösser, eine Insel und Hotels für die Geiseln  41

Yves Bouthillier, Staatssekretär für Finanzen, Joseph de La Porte du Theil, Chef des französischen Jugendarbeitsdienstes, Marie-Alphonse Desmazes, General, Robert Jean Antoine Durrmeyer, General, Dragomir Jovanovic, Oberbürgermeister von Belgrad, Anne, Herzogin von Aosta mit ihren Töchtern: Margherita, Prinzessin von Savoyen-Aosta, und Marie-Christine, Prinzessin von Savoyen-Aosta, Irene Herzogin von Aosta mit ihrem 1943 geborenen Sohn Amadeo.51 Letztere hatte sich nach dem Sturz Mussolinis offen auf die Seite der Alliierten gestellt und wurde daraufhin mit ihrem Sohn verhaftet. Nach kurzer Internierung in Pavia wurde sie nach Hirschegg gebracht. Ausgeschlossen ist hingegen, dass sich auch die italienische Prinzessin Mafalda im Ifen-Hotel aufhielt, wie es Klaus W. Jonas in seiner Biographie über den deutschen Kronprinz Wilhelm behauptet.52 Er berichtete vom Ifen-Hotel als Internierungslager für besonders Prominente und bezeichnet es als »Luxus-KZ«. Dorthin habe »die Gestapo ein Jahr [1943] zuvor die Tochter des italienischen Königs, Prinzessin Mafalda von Hessen, die Gattin des Prinzen Philipp von Hessen« gebracht. Richtig ist demgegenüber, dass Mafalda am 22. September 1943 in Rom entführt, direkt nach Berlin und dann ins Konzentrationslager Buchenwald verschleppt wurde, wo sie umkam. Ebenso kann auch Prinzessin Friederike von Hannover, die spätere Königin von Griechenland, nicht im Ifen-Hotel interniert gewesen sein, wie sich eine Zeitzeugin gegenüber Thomas Gayda zu erinnern meint. Sie war bei der Besetzung Griechenlands durch die Wehrmacht über Ägypten nach Südafrika geflohen und blieb bis Kriegsende auf dem afrikanischen Kontinent. Als »Ehrenhäftling« führte François-Poncet Tagebuch. Es befindet sich im Vorarlberger Landesarchiv in Bregenz. Thomas Gayda hat es in verdienstvoller Weise ausgewertet: »Zwar war den Gefangenen, denen man ›eine Behandlung erster Klasse‹ zuteilwerden ließ und die man wie Diplomaten behandelte, verboten, Kontakt zur Bevölkerung aufzunehmen, aber: ›Dieses Verbot war von allen, die uns auferlegt waren, am leichtesten zu umgehen‹, schrieb François-Poncet. ›Trotzdem waren wir immer auf der Hut vor Denunzianten.‹ So lernt der Franzose bei Spaziergängen allmählich die Reize der Landschaft entdecken und entwickelt auch Sympathie für die Talbewohner.«53 Unter der Überschrift 42  In Hitlers Hand

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Die »Ehrenhäftlinge« im mondänen Ifen-Hotel wurden von französischen Truppen befreit. (Privatarchiv Thomas Gayda)

»Ein Zeuge tritt ab« berichtete Der Spiegel am 2. März 1955 über François-Poncets Internierung: Der Auslauf des prominenten Internierten reichte etwa fünf Kilometer bis an die Kirchen der beiden nördlich und südlich gelegenen Dörfer, deren Einwohner ihre Uhren nach den präzisen Mittagsspaziergängen in grauen Knickerbockern zu stellen pflegten. Rot-Kreuz-Konserven ergänzten die schmale Kost. »Ich musste Zusammengekochtes essen«, war später eine der bittersten Erinnerungen François-Poncets an diese Zeit. Im Walsertal gab sich François-Poncet literarischer Arbeit hin. Betrachtungen über Shakespeare und Nietzsche, Rabelais und Dostojewski füllen die Kapitel seiner Internierten-Memoiren, unterbrochen von des Autors Lieblingsschilderungen, liebevoll-boshaften Profilskizzen seiner Mitgefangenen: Paul Reynaud bei der Morgengymnastik (»voll Jugendkraft und Ressentiment«) oder Italiens ExPremier Nitti, mit dem André François-Poncet am Sonntagmorgen in die römisch-katholische Kirche ging und der die ebenfalls internierten Herzoginnen von Aosta samt Kindern und Gouvernanten nicht kennen wollte.54

Man hatte André François-Poncet die Haftgründe nicht mitgeteilt. Er vermutete, er und seine Mitgefangenen würden als Geiseln gehalten, um eventuell in Gefangenschaft geratene hochrangige Nazis auszulösen. Den Kriegsverlauf konnte er auch während seiner »Ehrenhaft« verfolLager, Schlösser, eine Insel und Hotels für die Geiseln  43

gen. Er sei zwar in Gefangenschaft gewesen, doch hätten die Wächter den Häftlingen erlaubt, den deutschen Rundfunk zu hören.55 Je näher der Untergang des NS-Regimes rückte, umso größer wurde unter den Gefangenen die Sorge, sie könnten erschossen werden. Bei Gayda ist zu lesen: »Francois-Poncet unterstützt die Widerstandsgruppe, den Walser Heimatschutz, der im März 1945 ins Leben gerufen worden war und verfasst einen ›Hilferuf‹ an die Alliierten, das Tal zu befreien. Bevor jedoch die Franzosen die Walserschanz am 2. Mai erreichen, hat der Heimatschutz bereits die ›Nazibonzen‹ festgesetzt, ohne dass ein Schuss gefallen wäre.« Dieser »Heimatschutz« unter Führung von Peter Meusburger stand in Kontakt zu den Inhaftierten. Unmittelbar nach dem Einrücken der französischen Truppen bescheinigte ihm François-Poncet »besten Charakter« und formulierte in einem Schreiben an die französischen Besatzungstruppen: »Ich war in der Lage, seinen moralischen Wert und seine aktiven Fähigkeiten zu schätzen und als Zeichen der Anerkennung überreiche ich ihm dieses Empfehlungsschreiben.«56 Er unterzeichnete als »Botschafter von Frankreich, seit 2 Jahren interniert in Hirschegg«. Zwei Jahre später bat Meusburger das französische Hochkommissariat, seine Widerstandstätigkeit zu bestätigen. Dabei ging er auf das IfenHotel ein. Der Heimatschutz habe am 1. Mai 1945 »schlagartig« das sechsundneunzig Quadratkilometer umfassende Walsertal besetzt. »Durch die Unterstützung der französischen Internierten gelang es uns am 2. Mai, unter eigenem Vorantritt, französische Truppen einige Stunden ins Walsertal zu holen. Nach der Befreiung der Internierten im IfenHotel verließen diese Truppen wieder das Walsertal.«57 Sieben Jahre nach Kriegsende besuchte François-Poncet übrigens mit seiner Frau seinen »Luxus-Kerker« und schlief, inzwischen Hoher Kommissar, in seiner alten »Zelle«,58 die allerdings ein geräumiges Hotelzimmer war. Das Rheinhotel Dreesen in Bad Godesberg

Im April 1944 beschlagnahmten die Nationalsozialisten für ihre »Ehrenhäftlinge« auch das berühmte Rheinhotel Dreesen in Bad Godesberg, das zum Außenkommando des Konzentrationslagers Buchenwald umfunktioniert wurde. 44  In Hitlers Hand

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Das berühmte Rheinhotel Dreesen in Bonn-Bad Godesberg wurde zur KZAußenstelle umfunktioniert, um hier vorwiegend französische »Ehrenhäftlinge« festzuhalten. (Privatarchiv des Autors).

In dem Hotel am Rheinufer, in dem Hitler mehrfach logiert hatte, waren bereits vom 11. Februar 1943 bis zum Frühjahr 1944 süd- und mittelamerikanische Diplomaten interniert worden, die bei der Vichy-Regierung akkreditiert waren. Am 18. März 1944 wurden die Diplomaten entlassen und konnten die Heimreise antreten.59 Nunmehr nahm die SS das Hotel in Beschlag, um hier über hundert französische Generäle aus dem inzwischen ebenfalls besetzten, bisher »freien Frankreich« im Rahmen der »Aktion Attention« zu internieren. Das Hotel wurde mit Stacheldraht und Wachtürmen gesichert, die Bewachungsmannschaft stellte die SS. Es erhielt den Decknamen »Winzerstube«. Die prominenteste Gefangene war Marie-Agnès Cailleau, die Schwester von Charles de Gaulle, deren Ehemann, General Alfred Cailleau, im KZ Buchenwald gefangen gehalten wurde. Himmler inspizierte das Rheinhotel Dreesen am 26. Mai 1944 und befahl anschließend: 1. Der Besitzer des Hotels übernimmt die Unterbringung und Verpflegung sowie volle Ausgestaltung des Essens nach seinen Möglichkeiten, zum Gesamtpreis von RM 15,– pro Tag und Mann, einschließlich Bäder, Bedienungsgeld und Nachmittagskaffee. Lager, Schlösser, eine Insel und Hotels für die Geiseln  45

2. Das Wirtschafts- und Verwaltungshauptamt führt dem Hotelbesitzer die möglichst höchste Klasse der Soldatenverpflegung zu. Sollten hier Schwierigkeiten entstehen, sind sie sofort abzustellen. Den Behörden ist mitzuteilen, dass dies keine Frage der Bürokratie, sondern eine Frage rein politischer Natur ist. Die Verpflegung wird lediglich in Form von Bezugsscheinen geliefert, da wir mit der Verpflegung aus dem Truppenmagazin hier nichts anfangen können. 3. Der Hotelbesitzer hat sich bereit erklärt, die 60 Mann Bewachungstruppe ebenfalls zu verpflegen. Für diese wird besonders gekocht, sie erhalten das in der Kaserne übliche, ihnen nach den Soldatenverpflegesätzen zustehende Essen. 60

Am 14. Juni 1944 meldete SS-Obergruppenführer Oswald Pohl, das SSTruppenwirtschaftslager Opladen sei angewiesen worden, »für die Insassen der ›Winzerstube‹ den Verpflegungssatz I auszufolgen«.61 Der Hotelbesitzer erhalte die entsprechenden Bezugsscheine und kaufe die Lebensmittel selbst ein. Den internierten Generälen standen demnach pro Kopf und Woche folgende Zuteilungen zu: »4900 gr. Brot, 1000 gr. Fleisch und Wurstwaren, 50 gr. Brätlingspulver, 420 gr. Butter, Schmalz oder Margarine, 1400 gr. Marmelade, 1050 gr. Frischgemüse oder Hülsenfrüchte, 700 gr. Nährmittel, 8400 gr. Frischkartoffeln oder 3150 gr. Sauerkohl.«62 Einmal in der Woche gab es Käse oder Fischkonserven. Jeder Gefangene bekam zudem wöchentlich 49 Zigaretten oder 16 Zigarren/Zigarillos beziehungsweise 70 Gramm Tabak. In einer Aufstellung des KZ Buchenwald vom 28. Februar/1. März 1945 wird nur noch ein Gefangener im Rheinhotel Dreesen aufgeführt: Es handelte sich offensichtlich um einen Zeugen Jehovas, Otto Weinhonig. Er wurde am 28. März nach Buchenwald verlegt.63 Das Rheinhotel Dreesen und das Ifen-Hotel nahm SS-Obergruppenführer Ernst Kaltenbrunner zum Anlass, um dem Alliierten Militärtribunal in Nürnberg in zynischer Weise weiszumachen, »Sonderbehandlung« sei im NS-Regime etwas Positives gewesen. Wenn er oder Gestapo-Chef Heinrich Müller für Gefangene »Sonderbehandlung« vorgeschlagen hätten, die ohnehin nur Himmler habe genehmigen können, sei es stets um eine Vorzugsbehandlung gegangen, behauptete er. Tatsächlich wurde der Begriff »Sonderbehandlung« erstmals am 20. September 1939 vom Chef der Sicherheitspolizei und des SD, Reinhard Heydrich, in einem Runderlass an alle Staatspolizeistellen verwendet 46  In Hitlers Hand

und verlangte für Gegner des Regimes die Ausmerzung, die Exekution. »Sonderbehandlung« bedeutete immer den Tod und keineswegs eine bevorzugte Behandlung. Kaltenbrunners Zynismus ging so weit, dass er einen der Ankläger, Oberst John Harlan Amen, in Nürnberg fragte: Wissen Sie, was »Walsertraum« im Walsertal und wissen Sie, was »Winzerstube« in Godesberg sind? Wohin diese Fälle Ihrer behaupteten so genannten »Sonderbehandlung« zu bringen sind? »Walsertraum« [das Hotel Ifen] ist das eleganteste fashionabelste Alpinistenhotel des gesamten Deutschen Reiches, und die »Winzerstube«, Godesberg, ist das hochberühmte Hotel, das sich dem Namen nach in Godesberg befindet, welches zu vielen internationalen Tagungen verwendet worden ist. In diesen beiden Hotels sind besonders qualifizierte, besonders angesehene Persönlichkeiten, ich nenne hier M. Poncet und M. Herriot und so weiter untergebracht gewesen und zwar bei dreifacher Diplomatenverpflegung, das ist die 9-fache Nahrungsmittelzuteilung des normalen Deutschen während des Krieges, bei täglicher Verabreichung einer Flasche Sekt, bei freier Korrespondenz mit der Familie, bei freiem Paketverkehr mit der Familie in Frankreich, bei mehrmaligem Besuch dieser Häftlinge und Erkundigung nach ihren Wünschen an all ihren Orten. Das ist das, was wir unter »Sonderbehandlung« verstehen.64

Die beiden »Etablissements« hätten der von ihm »gewünschten bevorzugten besseren Behandlungsweise« gedient. Er bitte das Gericht, »über diese beiden Gaststätten« Erkundigungen einzuziehen und »als Führer der französischen Häftlinge Herrn Poncet über die ihm dort zuteilgewordene Behandlung zu fragen«. Dessen »Glück ist dort so weit gegangen, dass er mit der Frau eines Kriminalbeamten französische Sprachstudien betrieb und ihr die französische Sprache beigebracht hat auf stundenlangen vollkommen unbewachten Spaziergängen«.

Gästehäuser, Villen und Bauden für das RSHA Welche Bedeutung die Requirierung von Schlössern für Staatsgefangene hatte, wird unter anderem daraus erkennbar, dass mit dieser Aufgabe in der Regel die höchsten SS-Ebenen betraut wurden. Am 14. Dezember Lager, Schlösser, eine Insel und Hotels für die Geiseln  47

1942 erhielt SS-Obergruppenführer Oswald Pohl von Himmler den Befehl, die »Bereitstellung von Objekten, die geeignet sind, hohe Staatsund Kriegsgefangene aufzunehmen«: 1. Das Schloss Feistriz [sic] bei Krieglach wird als erstes belegt. 2. Die Villa Kantor H u b e [sic]65 am Millstädter See ist baulich in den Zustand zu versetzen, damit sie sofort bezogen werden kann. (…) 4. Das Gästehaus Heuer bei Hullern in Westfalen66 bitte ich ebenfalls in den Zustand zu versetzen, dass es bei Bedarf sofort bezogen werden kann.67

Bereits am 23. Dezember traf ein SS-Wachkommando auf Schloss Feistritz ein, wie SS-Brigadeführer Richard Glücks, Inspekteur der Konzentrationslager, Himmler am 27. Dezember meldete.68 Um die Unterbringung werde sich SS-Brigadeführer Hans Kammler kümmern. Wiederum nur drei Tage später, am 30. Dezember 1942, erhielt Himmler die Nachricht, dass die Stapoleitstelle Graz den Besitzer des Schlosses, »einen Volljuden, der bis zum 4.1.43 auf dem Schloss wohnen bleiben wollte« befohlen habe, »seine Wohnung auf Schloss Feistritz unverzüglich und endgültig aufzugeben«.69 Trotz intensiver Recherchen konnte leider nicht geklärt werden, ob die Villa Cantor und das Gästehaus Heuer tatsächlich von den Nationalsozialisten beschlagnahmt und als Luxusgefängnisse hergerichtet wurden. Belegt ist dagegen, dass Schloss Hirschberg bei Weilheim ab 1943 als Gästehaus des Reichsaußenministeriums und dann als Gefängnis diente. Für kurze Zeit wurde nach seiner spektakulären Befreiung hier der italienische Diktator Benito Mussolini untergebracht. Anschließend wurde der ungarische Reichsverweser Miklós Horthy mit seiner Familie auf Schloss Hirschberg gefangen gehalten. Josias Erbprinz zu Waldeck, SS-Obergruppenführer und General der Polizei, schlug Himmler am 14. November 1942 ein weiteres Schloss als »Staatsgefängnis« vor: Schloss Adelheidserth in Bad Homburg vor der Höhe mit sieben Herrschafts- und sechs Personalräumen. 70 Das Anwesen gehörte der Preußischen Krongutsverwaltung. Prinz Adalbert von Preußen wolle zwar die Möbel nicht vermieten, aber nach dem Reichsleistungsgesetz sei eine Inanspruchnahme durchaus möglich, meinte zu Waldeck. 48  In Hitlers Hand

Für die Zwecke des Reichssicherheitshauptamtes eigneten sich zudem abgelegene Bauden im schlesischen Riesengebirge. So beschlagnahmte die Sipo am 21. Oktober 1944 die Peter-Baude auf dem Spindler-Pass. Sie lag in 1228 Metern Höhe und verfügte über vierundsechzig Zimmer für neunzig Gäste. Am selben Tag übernahm die Sipo auch die AdolfBaude, ebenfalls auf dem Spindlerpass, die bis dahin als Hotel genutzt wurde. Beide Gebäude lagen zwar abgeschieden, waren aber gut zu erreichen und für damalige Zeiten sehr modern ausgestattet. Die Bauden waren in erster Linie zur Unterbringung von Sippenhäftlingen des 20. Juli 1944 bestimmt. Nach dem Krieg schilderte die in Italien verheiratete Fey Pirziò-Birol, Tochter des Diplomaten Ulrich von Hassell, dass sie zusammen mit anderen Sippenhäftlingen – unter anderem acht Mitgliedern der Familie von Stauffenberg, sechs der Familie Goerdeler und drei der Familie Hofacker – sowie Verwandten von Angehörigen des Nationalkomitees Freies Deutschland in die Hindenburg-Baude bei Bad Reinerz gebracht wurde.71 Es handelte sich um ein Hotel, das zuvor ein beliebtes Ausflugsziel für die Breslauer war. Da keinerlei Fluchtmöglichkeit bestand, durften die Häftlinge jeden Tag eine Stunde ohne SS-Bewachung in den Wäldern um die Baude spazieren gehen. Die Häftlinge blieben bis zum 8. November 1944 in der Hindenburg-Baude, dann wurden sie ins Konzentrationslager Stutthof bei Danzig gebracht, wo man eigens für sie eine neue Baracke errichtet hatte. Hier erfuhren sie von ihrem Status als »prominente Häftlinge«, die auf Befehl Himmlers nicht getötet werden sollten. Im Januar 1945 wurde das Lager geräumt, die Gefangenen kamen nach einem Aufenthalt im Durchgangslager Matzkau nach Buchenwald und schließlich ins KZ Dachau.

Lager, Schlösser, eine Insel und Hotels für die Geiseln  49

Deutsche Eliten in SS-Geiselhaft

Bei der Gefangennahme von »Sonder- und Ehrenhäftlingen« gingen die Nationalsozialisten unterschiedslos gegen alle vor, von denen ihnen vermeintlich Gefahr drohte oder denen sie Verrat vorwarfen. Politiker, Geistliche, Anwälte und Adlige wurden verhaftet, in Konzentrationslager verschleppt und dort von den übrigen Häftlingen isoliert.

Der Fall des Unterstaatssekretärs Martin Luther Selbst Regimeträger konnten im Dritten Reich vor der Einweisung in ein Konzentrationslager nicht sicher sein. Im Folgenden wird beispielhaft das Schicksal von Menschen beschrieben, die aus verschiedenen gesellschaftlichen Schichten stammten, aus höchst unterschiedlichen Gründen inhaftiert wurden und in Konzentrationslagern den Status von »Sonder- und Ehrenhäftlingen« erhielten. Im politischen Berlin sorgte Anfang 1943 der Fall des Unterstaatssekretärs Martin Luther für besondere Aufmerksamkeit und erhebliche Unruhe. Der ehrenamtliche Bezirksstadtrat im Berliner Bezirk Zehlendorf, SA-Brigadeführer und Chef der Deutschlandabteilung im Auswärtigen Amt, wurde Opfer einer Auseinandersetzung zwischen Himmler und Reichsaußenminister Ribbentrop und fand sich von einem Tag auf den anderen als »Ehrenhäftling« im KZ Sachsenhausen wieder. Ursprünglich hatte sich Luther durchaus der Gunst Ribbentrops erfreut und durch ihn Karriere gemacht, doch der unbändige Ehrgeiz Luthers, Streit zwischen den Ehefrauen und schließlich dunkle Geldgeschäfte des Unterstaatssekretärs führten zur Entfremdung. Den Ministerialen im Auswärtigen Amt, aber auch Hitlers Umgebung insgesamt führte die unerwartete Inhaftierung eines so hohen Beamten vor Augen, dass ihnen durch ein unbedachtes Wort Gleiches drohen könnte. Luther hatte im Machtkampf zwischen Ribbentrop und Himmler auf den ReichsführerSS gesetzt, doch der ließ ihn im entscheidenden Moment im Stich. Erst als sich Luther als »Ehrenhäftling« im KZ befand, sorgte Himmler für einige Vergünstigungen. 50  In Hitlers Hand

Ausgangspunkt für den Streit zwischen dem Außenminister und dem Reichsführer-SS war Ribbentrops Versuch, den Einfluss des Sicherheitsdienstes (SD) in den deutschen Botschaften zurückzudrängen. Die Kontrahenten schlossen eine Vereinbarung, die den Vorrang des Auswärtigen Amtes garantieren sollte, doch Himmler hatte nicht vor, sich daran zu halten. In den Botschaften setzte er Polizei-Attachés ein, die formell den Legationschefs unterstanden, ihm aber in wichtigen Angelegenheiten direkt berichten mussten. Zudem ordnete Himmler im August 1942 den Aufbau einer Polizei-Attaché-Abteilung im RSHA an. In dieser ohnehin angespannten Atmosphäre wandte sich SD-Chef Walter Schellenberg – angeblich mit stillschweigender Billigung Himmlers – im Dezember 1942 an Luther, um mit ihm über einen Separatfrieden mit den westlichen Alliierten zu sprechen. Vorher aber müsse der Außenminister gestürzt werden, ließ Schellenberg durchblicken. Nachdem der SD-Chef ihm Rückendeckung versprochen hatte, stellte Luther umfangreiches Material über Ribbentrop zusammen, das in Zweifeln an der Zurechnungsfähigkeit des Außenministers mündete. Er leitete es Himmler zu, den nun jedoch der Mut verließ. Hinzu kam, dass er gegenüber Luther, dem eine gewisse Großmäuligkeit und eine plumpe Vertraulichkeit nachgesagt wurde, eine erhebliche Skepsis hegte. Auf Anraten des Chefs seines persönlichen Stabes und Verbindungsoffiziers der SS zu Hitler, SS-General Karl Wolff, übergab Himmler Ribbentrop das Dossier, der es wiederum Hitler vorlegte. Zwar war Ribbentrops Ansehen bei Hitler äußerst gering, wie das des Auswärtigen Amtes ohnehin, doch musste in diesem Fall der Unterstaatssekretär als »Bauernopfer« herhalten. Es konnte nicht angehen, dass ein Untergebener einen Minister zu Fall brachte. Einige Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes wurden durch die Gestapo verhaftet und verhört, dann befahl Hitler die Einweisung Luthers in das KZ Sachsenhausen. Propagandaminister Joseph Goebbels befasste sich in seinen Tagebüchern auffallend oft mit dem »Fall Luther«, ein Hinweis auf die Brisanz der Angelegenheit. So schrieb er am 12. Februar 1943: »Das Auswärtige Amt scheint den Erfordernissen der Diplomatie augenblicklich nicht gewachsen zu sein. Es haben sich dort zum Teil tolle Zustände entwickelt. Ein Krach tobt zwischen Ribbentrop und dem Unterstaatssekretär Luther. Ein höherer Beamter, Böttcher [richtig: Büttner], hat einen ausführlichen Bericht an den Führer gerichtet, in dem er schwerste AnklaDeutsche Eliten in SS-Geiselhaft  51

gen gegen die Amtsführung Ribbentrops erhebt. Ribbentrop habe, so wird hier behauptet, den Kriegseintritt Brasiliens verschuldet, da er auf die brasilianische Forderung, dass wir uns wegen der Torpedierung eines Schiffes entschuldigen, nicht geantwortet habe, und diese Saumseligkeit mit der Kriegserklärung beantwortet wurde. Luther sollte den Beamten Böttcher [sic] zur Rede stellen, hat sich aber geweigert, das zu tun.« 1 Wenige Tage später, am 23. Februar 1943, wurde Goebbels noch deutlicher und ging auf die Vorwürfe Luthers gegen seinen Vorgesetzten ein: »Ribbentrop hat sehr mit inneren Schwierigkeiten zu kämpfen. Denn Luther, der sich durch seine törichte Denkschrift an den Führer ins Unrecht gesetzt hat, packt nun aus. Was er im Einzelnen vorzubringen hat, ist für Ribbentrop alles andere als angenehm. Unsere Außenpolitik ist augenblicklich ziemlich inaktiv. Wenn ich Außenminister wäre, würde ich jetzt von Hauptstadt zu Hauptstadt fahren und gutes Wetter machen. Ribbentrop aber sieht sich stattdessen amerikanische Filme an.« 2 Der Außenminister sei durch die »Affäre Luther« schockiert und entziehe sich Entscheidungen dadurch, »dass er einfach nicht vorhanden ist«, schrieb Goebbels am 16. März 1943,3 um dann am 30. März 1943 Luther zumindest Illoyalität vorzuhalten: »Ribbentrop hat bei einer Unterredung mit Hunke4 diesem auch Aufschluss über den Fall Luther gegeben. Luther hat sich demnach nicht gerade loyal seinem Herrn und Meister gegenüber benommen. Er hat eine Eingabe an den SD gemacht, mit der Bitte, diese Eingabe über Himmler dem Führer vorzulegen. Diese Eingabe stellte eine ziemlich barsche und brüske Kritik an der gesamten deutschen Außenpolitik im Allgemeinen und an Ribbentrop im Besonderen dar. U.a. wird Ribbentrop in dieser Eingabe als Geisteskranker bezeichnet. Luther ist daraufhin auf Befehl des Führers verhaftet worden. Allerdings hat sich ein großer Teil der nationalsozialistischen Beamten des Außenministers mit ihm solidarisiert. Man kann sich vorstellen, wie außerordentlich peinlich dieser Fall für Ribbentrop und seine Amtsführung insgesamt ist. (…) Luther ist vorläufig in ein Konzentrationslager überführt worden; Ribbentrop hat aufgrund der wiederholten Anschuldigungen Luthers, die er auch bei den Vernehmungen durch die Politische Polizei noch einmal wiederholt hat, abgelehnt, ihn für die Front freizugeben.«5

52  In Hitlers Hand

Der Hauptvorwurf, den Goebbels Luther machte, bezog sich in erster Linie auf dessen Vorgehensweise, wie er am 9. Mai 1943 deutlich machte: »Der Fall des Unterstaatssekretärs Luther hat im Auswärtigen Amt einen ungeheuren Schock hervorgerufen. Luther ist taktisch sehr ungeschickt vorgegangen und hat dabei den Zorn und den Unmut des Führers geradezu herausgefordert.« 6 In diesem Sinn äußerte sich auch Schellenberg: »Nach acht Tagen erhielt Ribbentrop eine Zusammenstellung der Vernehmungsprotokolle und suchte damit Hitler auf. Er kommentierte die ›Affäre‹ mit den Worten, es handele sich um einen unerfreulichen Angriff eines untergeordneten Beamten auf die Außenpolitik, die Hitler selbst befohlen habe. Er verlange daher, dass Luther wegen Ungehorsam seines Amtes enthoben und wegen Defätismus gehängt werde.« 7 Himmler, der sich im entscheidenden Moment nicht vor Luther stellte, wagte nicht, in dessen Angelegenheit selbst Entscheidungen zu treffen, sondern überließ sie Hitler. So auch, als es um den Wunsch von Luthers Frau Irmgard ging, mit ihrem Mann zusammen sein zu dürfen. Am 5. Juni 1944 schrieb Himmler an Schellenberg: 1. Ich habe den Brief der Frau Irmgard Luther vom 10.4.1944 zunächst dem Führer vorgelegt. 2. Der Führer entschied darauf, dass ich den Brief dem Reichsaußenminister zur Stellungnahme zuleiten solle. Dies habe ich getan. 3. Der Reichsaußenminister ließ mir sagen, er möchte dazu nicht Stellung nehmen. Er hielte aber Luther für einen Verbrecher. 4. Ich habe diese Stellungnahme dem Führer gemeldet, worauf dieser, wie folgt, entschied: Der Schutzhaftgefangene, frühere Unterstaatssekretär im Auswärtigen Amt, Martin Luther, kann im Laufe dieses Jahres in einem Haus am Rande des Konzentrationslagers wohnen und auch seine Frau kann dorthin ziehen. Er selbst ist im Lager jedoch in der Buchhaltung oder sonst an einer Bürostelle eines Wirtschaftsbetriebes zu beschäftigen. Seiner Frau ist das Zusammenziehen mit ihrem Mann freizustellen. Luther ist nicht berechtigt, den Lagerbereich zu verlassen. Diese Möglichkeit ist ihm und seiner Frau zu eröffnen. 8

Der »Fall Luther« spielte nach dem Krieg vor dem Nürnberger Militärtribunal eine große Rolle. Der ehemalige RSHA-Chef Ernst KaltenDeutsche Eliten in SS-Geiselhaft  53

brunner sagte dazu am 12. April 1946 aus, er habe am 2. oder 3. Februar 1943 Luther seinen Antrittsbesuch gemacht: »Nichtsahnend unterhalte ich mich mit ihm von vormittags 11.30 Uhr ab bis 2.00 Uhr nachmittags über gemeinsame politische Nachrichtengewinnung. Nachmittags um 4 Uhr ist derselbe Staatssekretär Luther von der Staatspolizei verhaftet und in ein Konzentrationslager verbracht worden.«9 Auch im KZ Sachsenhausen sprach sich die Einlieferung Luthers bald herum. Der KZ-Häftling Emil Büge notierte heimlich: »1941 stolzierte jeden Morgen ein Zivilist von dem Zellenbau zum Revier zur schriftlichen Arbeit. Er wird als Geisel festgehalten und trägt eine Binde mit dem Aufdruck ›Ehrenhäftling‹ am Arm. Möglich, dass es sich um den ehemaligen Reichsminister [sic] Martin Luther, früher Botschafter in den USA, handelt, der sich seit April 1941 hier befinden soll. Er soll auch eines Tages Besuch von dem Oberstaatsanwalt a.D. Teske erhalten haben.«10 Luther wurde zeitweise eines der Sonderhäuser im KZ Sachsenhausen zugewiesen. Über seinen Aufenthalt ließen sich keine Unterlagen finden, ebenso wenig wie über sein weiteres Schicksal. In seinen Memoiren sprach Walter Schellenberg davon, er sei nach der Befreiung durch die Rote Armee umgekommen: »Nach Beendigung des Krieges hörte ich, dass Luther sich beim Einmarsch der Russen unter Berufung auf seine lange KZ-Haft geweigert habe, im Ostsektor Berlins eine Brücke bauen zu helfen. Daraufhin soll er von den Sowjets wegen Gehorsamsverweigerung auf der Stelle erschossen worden sein.«11 Rudolf Rahn, letzter deutscher Botschaft bei der faschistischen italienischen Marionettenregimes Repubblica di Salò am Gardasee, behauptete, Luther sei in Sachsenhausen »mit der Anpflanzung von Heilkräutern beschäftigt« gewesen und habe einen Suizidversuch unternommen.12 Als die Rote Armee Berlin erreicht habe, sei er freigelassen worden und dann »auf mysteriöse Weise« in einem Berliner Krankenhaus an Herzversagen gestorben. Als Todesdatum gibt er den 13. Mai 1945 an. Luthers Todesursache ist nicht mehr zu ermitteln. Allerdings befinden sich im Berliner Landesarchiv Meldekarten, aus denen eindeutig hervorgeht, dass Luther am 31. Mai 1945 »verstorben« ist. Unter dem Aktenzeichen 8 II/30/49 wurde er am 20. April 1949 vom Standesamt Zehlendorf für tot erklärt. Dies ist ein Indiz dafür, dass Martin Luthers Leiche offensichtlich nicht gefunden wurde. Möglicherweise wurde er 54  In Hitlers Hand

in einem Massengrab beerdigt. Derselben Meldekarte ist zu entnehmen, dass Luther »nach 1945 meldepflichtig nicht erfasst« war, was aber, hätte er noch gelebt, Voraussetzung zum Beispiel für den Erhalt von Lebensmittelkarten gewesen wäre.

Fritz Thyssen – von Hitlers Förderer zum »Verräter« Welche Folgen es hatte, von Hitler zum Verräter gestempelt zu werden, musste der Großindustrielle und Finanzier der NSDAP Fritz Thyssen erfahren, der beispielsweise 1930 der NSDAP mit einer großzügigen Spende den Kauf des Barlowschen Palais in München ermöglichte, das zum »Braunen Haus« umgebaut wurde und traurige Berühmtheit erlangte. Thyssen, zunächst Mitglied der Deutschnationalen Volkspartei, trat im Juni 1931 der NSDAP bei. 1933 gründete er mit Hitlers Unterstützung ein »Institut für Ständewesen«, das bald von NS-Reichsorganisationsleiter Robert Ley angefeindet wurde. Mitarbeiter des Instituts wurden in Gefängnisse und Konzentrati9 Der Industrielle Fritz Thyssen onslager eingewiesen. kam mit seiner Frau Amélie erst in eine »Irrenanstalt«, Die Verhaftung Thyssens zeichnete dann ins KZ. (Bundesarchiv, sich ab, als er sich unter anderem für Bild Nr. 102–06788). den in ein Konzentrationslager verschleppten ehemaligen preußischen Wohlfahrtsminister Heinrich Hirtsiefer und den abgesetzten Düsseldorfer Oberbürgermeister Robert Lehr einsetzte und sich gegen die Judenpogrome aussprach. Thyssen lehnte einen Waffengang gegen die westlichen Staaten Europas ab, befürwortete aber den Krieg gegen die Sowjetunion. Am 2. September 1939 emigrierte er mit seiner Frau Amélie in die Schweiz und forderte von dort aus am 1. Oktober 1939 Luftwaffenchef Hermann Göring auf, seine ablehnende Haltung zum Krieg Deutsche Eliten in SS-Geiselhaft  55

öffentlich kundzutun. In einem Memorandum führte er Fälle auf, in denen er sich an Göring gewandt hatte: Als Herr Weitzel, Polizeipräfekt von Düsseldorf, welchen Sie zum Staatsrat ernannt haben, schändliche Flugblätter gegen die katholische Kirche, welcher ich immer treu bleiben werde, verbreiten ließ. Umsonst. Als am 9. November 1938 die Juden in der brutalsten und feigsten Weise bestohlen und misshandelt wurden, als der Präfekt von Düsseldorf, den Sie ernannt haben, beinahe totgeschlagen wurde. Als Zeichen der Protestierung habe ich als Staatsrat abgedankt. (…) Als das größte Unglück von allen kam und als Deutschland wieder einmal in den Krieg hineingezogen wurde, ohne dass das Parlament oder der Staatsrat befragt wurden. Ich erkläre Ihnen offen, dass ich gegen eine derartige Politik bin und ich werde immer dagegen sein, selbst wenn man mich als Verräter betrachten will.13

Um seine Ansichten offen aussprechen zu können, müsse er im Ausland bleiben, sonst wäre er ein »Idiot«. Er erinnere sich daran, wie die Gegner des Regimes 1934 behandelt wurden. Daran habe sich nichts geändert, wie der »Fall Remitz« [sic] beweise. »Er ist tot – in Dachau ohne Todesursache.«14 Das einzig Neue sei, dass Ribbentrop nicht gezögert habe, »den Besitztum des Verstorbenen zu stehlen«. Die Nationalsozialisten antworteten auf dieses Memorandum mit Enteignung und der Ausbürgerung am 4. Februar 1940. Sie warfen Thyssen vor, »seine persönlichen Anschauungen [nicht] den großen Zielen der Partei und des Staates unterzuordnen« und mit »politisch gegnerischen Strömungen in Kontakt zu stehen«.15 Thyssen habe durch »seine Flucht in das Ausland volks- und staatsfeindliche Bestrebungen gefördert«. Vor allem habe er versucht, »einem Staatsmann einer fremden Macht durch einen Mittelsmann eine Denkschrift zugehen zu lassen, die seine ablehnende Stellung zur Politik des Führers (…) begründen sollte«. Thyssen beabsichtigte, mit seiner Frau von der Schweiz nach Argentinien zu emigrieren. In Cannes wurden beide jedoch am 21. Dezember 1940 von Polizisten des NS-hörigen Vichy-Regimes verhaftet und an die Gestapo ausgeliefert. Nach kurzem Aufenthalt in einem streng bewachten Berliner Hotel wurden sie am 9. Januar 1941 in die psychiatrische Abteilung eines Privatsanatoriums in Neubabelsberg bei Potsdam einge56  In Hitlers Hand

wiesen, das die Gestapo seit 1940 für die Inhaftierung prominenter Häftlinge nutzte. Mitte 1942 bat Thyssen mit Rücksicht auf den Gesundheitszustand seiner Frau vergebens darum, an einem ruhigen Ort in der Schweiz oder im bayerischen Darching in menschenwürdigen Verhältnissen leben zu können. Am 11. Mai 1943 wurde das Ehepaar Thyssen in das »Sonderhaus 4« des KZ Sachsenhausen verlegt und erhielt den Decknamen »Müller«. Nachbarn waren unter anderem die Schuschniggs und Angehörige der Wittelsbacher. Kurz vor Kriegsende wurden Fritz und Amélie Thyssen nach Buchenwald und von dort am 16. April 1945 in das KZ Dachau gebracht, wo sie bis zum 26. April 1945 blieben. Sie gehörten dann dem »Prominententransport« nach Südtirol an. Doch während Amélie Thyssen in Versailles bald freikam, war die Odyssee für Fritz Thyssen noch nicht beendet. Er galt den Alliierten als Hauptschuldiger, da er die Nationalsozialisten lange Zeit unterstützt hatte. Mit den übrigen in Niederdorf Befreiten kam er erst nach Capri und im Juni 1945 nach Verona. Im Lager Chesnay begegnete Hitlers einstiger Rüstungsminister Albert Speer dem Industriellen und hielt dazu fest: Einige Tage später fuhr ein großer Omnibus im Schlosshof vor, eine Art Reisegesellschaft wurde bei uns einquartiert, unter ihnen Schacht und der ehemalige Chef des Rüstungsamtes, General Thomas. Es handelte sich um prominente Häftlinge aus deutschen Konzentrationslagern (…) Auch Niemöller sollte dabei sein; wir kannten ihn nicht, aber unter den Neuangekommenen befand sich ein gebrechlicher Mann mit weißen Haaren und schwarzem Anzug, Das, darüber waren Heinkel, der Konstrukteur Flettner und ich uns einig, musste Niemöller sein. Wir hatten mit dem so sichtbar von jahrelanger Haft im Konzentrationslager Gezeichneten großes Mitleid. Flettner übernahm es, dem Gebrochenen unsere Sympathie auszudrücken, doch kaum hatte er seine Ansprache begonnen, als er sich unterbrochen sah: »Thyssen! Mein Name ist Thyssen. Niemöller steht da drüben.« 16

Am 12. November 1946 wurde Thyssen nach Nürnberg überstellt, während seine Frau in Bad Wiessee unterkommen konnte. Der Industrielle wurde schließlich am 2. Oktober 1948 von der Spruchkammer Königstein als »Minderbelasteter« eingestuft und musste 15 Prozent seines in Deutsche Eliten in SS-Geiselhaft  57

Deutschlands erfassbaren Vermögens als Sühne zahlen. Noch im Dezember wanderte er nach Argentinien aus, wo er am 8. Februar 1951 in Buenos Aires starb. Erwähnt sei, dass auch der saarländische Großindustrielle Ernst Röchling im KZ Buchenwald inhaftiert war. Er hatte nach dem Attentat auf Hitler einem Freund des Grafen von Stauffenberg dabei geholfen, in Frankreich unterzutauchen. Der Volksgerichtshof verurteilte ihn am 12. Januar 1945 zu fünf Jahren Zuchthaus.

Geheime Kommandosache Josef Müller Ebenfalls »Sonderhäftling« war der Münchener Rechtsanwalt Dr. Josef Müller – »Ochsensepp«. Am 5. April 1943 wurden er und seine Frau auf Befehl von Oberstkriegsgerichtsrat Manfred Roeder festgenommen. Die ersten Tage seiner Haft verbrachte er im Militärgefängnis in der Münchener Leonrodstraße, dann brachte man ihn nach Berlin. Als »geheime Kommandosache« eingestuft, durfte Müller nicht am Hofgang teilnehmen, selbst der »Deutsche Gruß« war ihm verboten. Seine Frau gab später zu Protokoll, dass sie nach ein paar Tagen im Münchener Gefängnis unter Begleitung von zwei Gestapo-Beamten nach Berlin überstellt worden war.17 Im Polizeigefängnis Charlottenburg durfte sie weder lesen noch schreiben. Bei ihrer ersten Vernehmung nach drei Wochen erfuhr sie, dass man sie der Beihilfe zum Hochverrat bezichtigte. Sie hatte Glück: Am 21. Mai 1943 wurde sie entlassen. Anders dagegen ihr Mann, dem die Nationalsozialisten ebenfalls Hochverrat vorwarfen. Josef Müller hatte dem katholischen Widerstand angehört und als Rechtsanwalt in München NS-Gegner verteidigt. 1934 war er ein erstes Mal von der Gestapo vorübergehend verhaftet worden. Am 5. April 1943 wurde er erneut festgenommen und nach einer Woche ins Wehrmachtsuntersuchungsgefängnis nach Berlin gebracht. Fast ein Jahr später, am 4. März 1944, wurde er vom Reichskriegsgericht in Berlin vom Vorwurf des Hoch- und Landesverrats, der Wehrkraftzersetzung, des militärischen Ungehorsams, des Vergehens gegen das Heimtückegesetz freigesprochen, blieb aber in Haft und wurde ins Gestapo-Gefängnis in der Prinz-Albrecht-Straße verlegt. Kaltenbrunner schrieb in seinen Berichten über die Auslandsbeziehungen der »Verschwörer« vom 20. Juli: 58  In Hitlers Hand

Canaris und Oster unterhielten Verbindungen zum Papst durch den in die Abwehr eingebauten früheren Münchner Rechtsanwalt Dr. Josef Müller. Müller war durch Vermittlung eines Domkapitulars Neuhäusler aus München bei dem damaligen Kardinalstaatssekretär Pacelli [dem späteren Papst Pius XII.] eingeführt und von diesem in der Krypta von St. Peter in Rom getraut worden. (…) Müller nahm dann, insbesondere während des Krieges, und zwar im Herbst 1939, eine enge Verbindung zum Jesuitenpater Robert Leiber, dem Privatsekretär des Papstes, auf. Von Leiber erhielt er eine Reihe von Informationen über die Einstellung des Papstes und der Feindmächte. Er führte mit ihm auch Gespräche über evtl. Friedensmöglichkeiten, wobei ihm Leiber zu verstehen gab, dass die Voraussetzung für einen Friedensschluss ein Regimewechsel in Deutschland sei.18

Über ein Jahr nach seiner Gefangennahme wurde Josef Müller am 26. September 1944 dem Sicherheitsdienst übergeben. In der Berliner Gestapo-Zentrale wurde er vornehmlich von SS-Standartenführer Walter Huppenkothen verhört, einem führenden Mitglied der »Sondergruppe 20. Juli«. Aus dem Gestapo-Gefängnis kam Müller zunächst in das KZ Buchenwald und am 3. April 1945 schließlich ins KZ Flossenbürg, um dann als Mitglied des »Prominententransports« in Niederdorf befreit zu werden. Zu Müllers Zellennachbarn gehörte übrigens auch SS-Obersturmbannführer Herbert Göring, ein Vetter des Reichsmarschalls, der dem Stab des SS-Hauptamtes zugeordnet war und dem Freundeskreis von Himmler angehört hatte, bis er 1944 in Ungnade fiel. Herbert Göring wurde von den Russen verschleppt und kam in einem Kriegsgefangenenlager ums Leben.

Johannes Neuhäusler Der bereits erwähnte Johannes Neuhäusler stammte aus einer elfköpfigen bäuerlichen Familie und war im Juni 1913 im Dom zu Freising zum Priester geweiht worden. Unmittelbar nach der »Machtergreifung« ernannte ihn Kardinal Michael Faulhaber zum Kirchenpolitischen Referenten des Erzbistums Freising und beauftragte ihn unter anderem, die Übergriffe des NS-Regimes gegen die katholische Kirche zu dokumentieren. Zwangsläufig geriet der Domkapitular damit ins Visier der Nazis. Neuhäusler Deutsche Eliten in SS-Geiselhaft  59

wurde am 19. Dezember 1933 das erste Mal verhaftet und eine von ihm einberufene Versammlung von Geistlichen und kirchlichen Mitarbeitern aufgelöst, da – wie es bei der Münchener Polizeidirektion hieß – »sich die dort stattfindende Aussprache gegen den Bestand der nationalen Regierung richten wird«.19 In seiner Vernehmung beklagte er ein »Neuheidentum« und gab an, das Treffen habe dazu gedient, die katholische Kir­ chenzeitung zu fördern, »wie überhaupt der Presse, die, ungeachtet der sonstigen Gleichschaltung, im kulturellen Teil über kath. Leben von nah und fern berichtet, in den Romanen kath. Moral mit Ehegrundsätzen gelten lässt, im Inseratenteil keine anstößigen Anzeigen aufnimmt«.20 Mutig erklärte Neuhäusler den Gestapo-Vernehmern, Ziel müsse es sein: »Hinein in alle Familien, die sich noch katholisch nennen, und erst recht hinein in jene, welche die Verbindung mit der kath. Kirche verloren haben. Überwindung aller Vorurteile, aller Lauheit, allen Freidenkertums, allen Gottlosentums.« Neuhäusler wurde zwar noch am selben Tag freigelassen, stand aber nun unter permanenter Beobachtung der Polizei. Am 19. Februar 1936 forderte die Bayerische Politische Polizei ein Politisches Gutachten über den Domkapitular.21 Es sollten vor allem Hinweise aufgeführt werden, »aus denen sich ergibt, dass die infrage kommende Person die für die Ausübung ihrer Tätigkeit erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt«. Die Berichte führten nicht zu dem von den Nationalsozialisten gewünschten Ergebnis. Dennoch wurde Neuhäusler am 4. Februar 1941 verhaftet und drei Monate lang im Berliner Gestapo-Gefängnis verhört, bevor er am 24. Mai 1941 ins KZ Sachsenhausen überstellt wurde. Am 10. Juli 1941 wurde er zusammen mit Pfarrer Martin Niemöller und Regens Michael Höck ins KZ Dachau gebracht und blieb dort, bis auch er als Angehöriger des »Prominententransports« in Südtirol in Freiheit kam.

Hjalmar Schacht – selbst ernannter Widerstandskämpfer Der im dänischen Tingleff geborene Hjalmar Schacht war von 1923 bis 1930 und dann wieder von 1933 bis 1939 Reichsbankpräsident , unterstützte Hitler auf seinem Weg zum Reichskanzler und wurde 1934 zusätz60  In Hitlers Hand

lich mit dem Amt des Reichswirtschaftsministers betraut. 1937 schied er aus diesem Amt aus, blieb aber bis 1943 Reichsminister ohne Geschäftsbereich. Schacht wurde am 23. Juli 1944 verhaftet. Es folgten tagelange Verhöre, bis er am 28. August in eine Sträflingsuniform gesteckt und ins Moabiter Zellengefängnis in Berlin und danach ins berüchtigte Berliner Gestapo-Gefängnis überstellt wurde.22 Dort blieb Schacht vier Monate und 10 Hjalmar Schacht hatte eine wurde dann ins Polizeigefängnis Potssteile Karriere hinter sich, als er im Zusammenhang mit dam verlegt, wo er unter anderen dem dem Attentat vom 20. Juli ebenfalls in Ungnade gefallenen frühe1944 verhaftet wurde. (Bunren Gauleiter Joseph Wagner begegdesarchiv Bild 102–12733). nete und Hoffnung schöpfte: »Wagner erzählte mir, er habe gerade gute Nachrichten von seiner Frau bekommen.« Alle politischen Häftlinge, die sich in gewöhnlichen Gefängnissen befänden, würden in kurzer Zeit freigelassen, dagegen müssten die in Konzentrationslagern festgehaltenen »einem anderen Schicksal entgegensehen«.23 Kurz darauf erfolgte Schachts Abtransport nach Flossenbürg. Noch eine Nacht musste er in den ausgebrannten Ruinen der Berliner GestapoZentrale verbringen. Die Fahrt ins KZ beschrieb er folgendermaßen: »Zu früher Stunde wurden wir in einen Autobus verladen. Wir waren acht Häftlinge, wozu noch Frau Schuschnigg mit ihrem vierjährigen Töchterchen hinzukam. Die uns begleitende Wachmannschaft zählte mehr als zwölf Mann.« Abends sei man in Flossenbürg eingetroffen, einem Lager, von dessen Existenz Schacht nichts gewusst haben wollte. Er und die übrigen prominenten Häftlinge seien isoliert worden, hätten aber nachts die Erschießungen und die Schreie der Todeskandidaten gehört. »Vormittags konnte ich beim einsamen Spaziergang auf dem Gefängnishof Dutzende von Leichen in langer Kolonne auf Tragbahren vorbeitragen sehen, um im angrenzenden Wald verscharrt zu werden. Ein Galgenplatz befand sich direkt auf dem Gefängnishof, wo wir spazieren gingen.« Deutsche Eliten in SS-Geiselhaft  61

Mit anderen Gefangenen wurde Schacht am 8. April 1945 nach Dachau gebracht, wo »die Zügel schon etwas gelockert« waren. Auf dem Weg nach Südtirol seien dann schließlich »nach und nach eine ganze Reihe von Sippenhäftlingen zu uns gestoßen«.24 Erst jetzt wollte Schacht erfahren haben, »dass Hitler von verdächtigen Personen, deren er nicht habhaft werden konnte, die nächsten Verwandten, Frauen und Kinder, Geschwister und Vettern einsperren ließ, um auf diese einen Druck zu etwaigem Verrat oder um einen Terror gegen die nicht erreichbaren Verwandten auszuüben«. Schacht, der bis 1943 zu den Mächtigen des NS-Regimes gehört hatte, stellte sich nach dem Krieg ahnungslos. Eine »Enttäuschung« bedeutete es für ihn und seine »KZ-Kameraden«, dass ihn die Amerikaner nicht sofort auf freien Fuß setzten, sondern zu den Kriegsverbrechern zählten: »Seit dem Herbst 1938 hatte ich ständig mein Leben gegen Hitler riskiert. Vorher und nachher hatte ich mit allen Mitteln gegen den Krieg gekämpft und nun sollte ich plötzlich Kriegsverbrecher sein.«25 In seiner Abrechnung mit Hitler stellte sich Schacht als einer der aktivsten Widerstandskämpfer gegen das Naziregime dar: »Woher sollte die deutsche Öffentlichkeit auch von meiner Verschwörertätigkeit erfahren haben? Nur wenige Unterrichtete wussten, wo ich kämpfte und wie sehr ich kämpfte.« Vom Nürnberger Militärtribunal wurde Schacht freigesprochen. Seine vorgebrachte Legende, er habe seit 1938 versucht, regimekritische Militärs zum Widerstand gegen Hitler zu bewegen, konnte nicht widerlegt werden: Die von ihm als »Kronzeugen« aufgeführten Generäle Ludwig Beck, Erich Hoepner, Fritz Lindemann und Erwin von Witzleben hatte Hitler hinrichten lassen. Völlig ungeschoren sollte Schacht jedoch nicht davonkommen. Diewürttembergisch-badische Regierung ließ ihn verhaften und ins Gefängnis Ludwigsburg einsperren, wo ihm Ende April 1947 im Rahmen der Entnazifizierung der Prozess gemacht wurde, an dessen Ende die Verurteilung zu acht Jahren Arbeitslager stand. In einem Berufungsverfahren wurde er zwar freigesprochen, doch legte hiergegen die Landesregierung Einspruch ein. Da Schacht in der britischen Besatzungszone lebte, konnte sie nicht tätig werden. Endgültig als »entlastet« eingestuft wurde Schacht am 13. September 1950 von der Lüneburger Spruchkammer und durfte somit auch wieder als Bankier tätig werden. 62  In Hitlers Hand

Friedrich Leopold Prinz von Preußen Der Gutsbesitzer Friedrich Leopold Prinz von Preußen, der in der Berliner Budapester Straße wohnte, war am 25. Mai 1944 in Bad Gastein von der Gestapo verhaftet worden.26 Er hatte »Feindsender« gehört. Am 11. Oktober 1944 wurde er als Untersuchungshäftling in das KZ Dachau gebracht.27 Der Gefangene mit der Nummer 116 474, der in der KZ-Kantine und im KZ-Bordell Dienst tun musste, bat am 3. Februar 1945 »gehorsamst« darum, seine Uhr tragen zu dürfen, was SS-Oberscharführer Edgar Stiller drei Tage später befürwortete: »Benötigt eine Uhr für dienstliche Zwecke.«28 Am 10. Februar wurde sie ihm ausgehändigt. Am 24. April 1945 erhielt er auf Anordnung von Stiller »1 Pelzmantel, 1 Brieftasche mit div. Ausweisen sowie Kleingeld«.29 Er war einer der »Sonderhäftlinge«, die in Niederdorf befreit wurden. Ein weniger prominenter »Ehrenhäftling« war der Münchener Arzt, Atemtherapeut und Homöopath Ludwig Schmidt. Er gehörte zum Umfeld des »Führer«-Stellvertreters Rudolf Heß.30 In Oberbayern legte Schmidt Kräuterkulturen an und baute verschiedene Teesorten an, in Berlin hatte er einen zweiten Wohnsitz und den Chef des Reichssicherheitshauptamtes Ernst Kaltenbrunner als Mitbewohner. Nach dem Schottland-Flug von Rudolf Heß wurde er festgenommen. Im berüchtigten Gefängnis der Berliner Gestapo-Zentrale kümmerte er sich um seine Mitgefangenen. Da er auch Gestapo-Angehörige als Patienten behandelte, gelang es ihm, an Medikamente und Stärkungsmittel zu kommen und einen Teil für die Gefangenen abzuzweigen. Dadurch dass Schmidt den Status eines »Ehrenhäftlings« hatte, war seine Zelle im Gestapo-Keller nicht verschlossen, und seine Wirtschafterin durfte ihn täglich besuchen und Lebensmittel mitbringen. Dennoch versuchte er, sich das Leben zu nehmen, und wurde im letzten Augenblick durch einen anderen Gefangenen gerettet. Auf Fürsprache von SS-Obersturmführer Wilhelm Gogalla, dem Leiter des Gestapo-Gefängnisses, wurde Schmidt Anfang 1945 aus der »Ehrenhaft« entlassen und musste sich verpflichten, auf seinem Hof in der Nähe des Starnberger Sees »einsam und zurückgezogen« zu leben.

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Die Verfolgung der Wittelsbacher Nicht von ungefähr hatte Hitler München mit der fragwürdigen Auszeichnung »Hauptstadt der Bewegung« versehen. Abgesehen davon, dass er dort seine politische Laufbahn begonnen hatte, wollte er mit dieser Bezeichnung ein Zeichen gegen die Monarchisten und die Wittelsbacher insbesondere setzen. Viele Bayern wollten Kronprinz Rupprecht, Sohn des letzten bayerischen Königs Ludwig III. und der Erzherzogin Maria Theresia von Österreich-Este, als neuen bayerischen König sehen, was ihm automatisch den Hass Hitlers und die Verfolgung durch die Nationalsozialisten eintrug. Die Position der Nationalsozialisten in Bayern war nicht so stark, wie aus der Rückschau oftmals fälschlicherweise angenommen wird. So gab der ehemalige Reichsmarschall Hermann Göring am 13. März 1946 vor dem Nürnberger Militärtribunal zu Protokoll: »Am Sonntag vor dem 9. November [1923]31 fand ein großer Aufmarsch in München statt. Die ganze Bayerische Regierung war da: Reichswehr; Polizei, vaterländische Verbände und auch wir marschierten vorbei. Plötzlich sahen wir bei dieser Gelegenheit, dass die Figur, die in den Vordergrund trat, nicht mehr Herr von Kahr32 war, sondern der bayerische Kronprinz Rupprecht33.« Befürchtet wurde, Bayern könne aus dem Reichsgefüge ausscheiden. Diese Ansicht war nicht völlig aus der Luft gegriffen, wie sich neun Jahre später zeigte. Der damalige geschäftsführende bayerische Ministerpräsident Heinrich Held wurde gedrängt, einer Volksabstimmung über die Loslösung Bayerns vom Reich und die Wiedereinführung der Monarchie zuzustimmen. Am Abend des 2. Mai 1932 trafen sich Held und Freiherr Erwein von Aretin, Vorsitzender des Bayerischen Heimat- und Königbunds, um angesichts des Vormarschs der Nationalsozialisten die Einsetzung von Kronprinz Rupprecht von Bayern als König zu besprechen. Dieser Plan musste ebenso fallengelassen werden wie die Absicht, ihn mit dem Amt des Generalstaatskommissars zu betrauen. Kurz nach der »Machtergreifung« durch die Nationalsozialisten fand am 10. Februar 1933 – in Anwesenheit von Kronprinz Rupprecht – im Münchener Staatstheater eine Aufführung der Operette Der Vogelhändler statt, die weitreichende Konsequenzen hatte. Die Bühne war mit einem Meer von weißblauen Fahnen geschmückt, sodass der Eindruck entstand, auf offener Bühne werde einem bayerischen Fürsten gehuldigt. Einige – vorher 64  In Hitlers Hand

11 Der bayerische Thron­ anwärter Kronprinz Rupprecht konnte sich in Italien verstecken. Seine Familienmitglieder hielten die National­ sozialisten in Konzentrationslagern als »Ehrenhäftlinge« gefangen. (Library of Congress, Washington, LC-DIGggbain–31339)

bestimmte – Personen applaudierten, woraufhin sich alle Anwesenden von ihren Plätzen erhoben und Rupprecht als künftigem Träger der bayerischen Krone zujubelten. Dieses Bekenntnis zur Monarchie und damit zugleich gegen Hitler sollte die Wittelsbacher in den folgenden Jahren teuer zu stehen kommen. Als im August 1939 die Kriegsgefahr stieg, hielt sich Rupprecht von Bayern bei seinem Bruder Prinz Franz zu einem Jagdaufenthalt in Ungarn auf, während Kronprinzessin Antonia von Luxemburg und von Nassau zu ihrer Mutter, der Großherzogin von Luxemburg, gefahren war. Beide hatten die Absicht, Anfang September 1939 in ihr Schloss Leutstetten bei Starnberg zurückzukehren. Unmittelbar nach dem Überfall der Wehrmacht auf Polen beschlagnahmte jedoch NS-Gauleiter Adolf Wagner das Schloss, angeblich um dort Flüchtlinge aus dem Saarland unterzubringen. Zwar hatte Rupprecht von sich aus der NSDAP-Kreisleitung angeboten, Flüchtlingen drei eingerichtete Häuser bereitzustellen, doch wurde dies mit dem Hinweis abgelehnt, es seien Deutsche Eliten in SS-Geiselhaft  65

ohnehin alle Gebäude einschließlich des Schlosses beschlagnahmt. Im Juni 1940 wurde Schloss Leutstetten zwar wieder freigegeben, doch Rupprecht erhielt zu dieser Zeit bereits keine Einreiseerlaubnis nach Deutschland mehr. Der Kronprinz war zwischenzeitlich, am 1. Oktober 1939, nach Deutschland zurückgekehrt. Da die ihm verbliebene und teilweise vermietete Wohnung in München nur als Notbehelf dienen konnte, war Kronprinzessin Antonia mit den Kindern vorerst noch in Luxemburg geblieben und kam erst am 23. Januar 1940 mit ihnen nach München. Am 28. Dezember 1939 hatte Rupprecht vom Landrat in Starnberg die erforderliche, allerdings nur bis zum 1. März 1940 befristete Genehmigung zur einmaligen Aus- und Wiedereinreise nach Italien beziehungsweise Deutschland erhalten.34 Der Kronprinz folgte am 30. Dezember 1939 der Einladung des italienischen Königshauses und ging nach Italien ins Exil. Seine Frau folgte ihm am 22. Februar 1940, ebenso ihr Sohn Prinz Heinrich. Dieser hatte sich 1939 als »vorzeitig dienender Freiwilliger« bei der Wehrmacht gemeldet, konnte aber, da er erst im März 1940 das 18. Lebensjahr vollendete, noch nicht einberufen werden. Im Februar 1940 wandelte Prinz Heinrich seine Bewerbung in die für eine Offizierslaufbahn um und wurde zunächst nach Italien beurlaubt. Der Aufforderung, am 20. Juni 1940 seinen Dienst als Wehrpflichtiger in München anzutreten, konnte er nicht nachkommen: Am Vortag wurde er an der Einreise nach Deutschland gehindert. Gleichzeitig erhielten die Behörden »aus zwingenden politischen und staatspolizeilichen Gründen« das Verbot, die Erlaubnis zur Einund Ausreise für Kronprinz Rupprecht zu verlängern. Hitler erkundigte sich wiederholt nach Rupprechts Verbleib und entschied Anfang Mai 1940, ihm solle, falls er dies beantrage, ein Einreisevisum nach Deutschland erteilt werden.35 Dieser Befehl wiederum wurde am 17. Juni 1940 widerrufen.36 Nunmehr sollte dem Kronprinzen und seiner Frau die Einreise nach Deutschland dauerhaft verweigert werden. Diese Bestimmung beruhte auf einer Anweisung Hitlers, wonach Angehörige fürstlicher Häuser, »die im Zusammenhang mit dem Kriegsausbruch oder unter ähnlichen Umständen Deutschland verlassen hätten«, generell nicht mehr in ihr Heimatland zurückkehren durften.37 Die sich ständig widersprechenden Anweisungen zeigen das hohe Maß an Unsicherheit der Nationalsozialisten im Umgang mit den Wit66  In Hitlers Hand

telsbachern. Zum einen waren ihnen die Sympathien der Bayern für den Kronprinzen ein Dorn im Auge. Zum anderen konnten sie nicht offen gegen die Wittelsbacher vorgehen, da diese verwandtschaftlich oder zumindest in enger Freundschaft mit wichtigen Herrscherhäusern in Europa verbunden waren. Das italienische Königshaus hielt seine schützende Hand über Kronprinz Rupprecht und seine Familie. Hierauf mussten die Nationalsozialisten Rücksicht nehmen, war Italien als Achsenmacht bis zu Mussolinis Sturz doch ein wichtiger Verbündeter. Kronprinzessin Antonia war eine Tochter des Großherzogs Wilhelm von Luxemburg und hierüber wiederum verwandt mit Felix Prinz von Bourbon-Parma, Fürst Schwarzenberg, Prinz Louis-Philippe von Thurn und Taxis und Prinz Ernst Heinrich von Sachsen. Eine Rolle spielte auch die belgische Königinmutter Elisabeth, Tochter von Herzog Karl Theodor von Bayern, die finanzielle Mittel für den Aufenthalt von Rupprechts Töchtern in Italien zur Verfügung stellte. Für die deutsche Botschaft in Rom, die Konsulate und die Gestapo war es eine bisweilen kaum noch zu durchschauende Situation. Sie mussten sich lange Zeit darauf beschränken, Rupprecht und sein Umfeld Tag und Nacht zu überwachen und ihre Erkenntnisse nach Berlin zu melden. So fragte am 4. März 1940 das Auswärtige Amt in Rom an, wo Rupprecht sich befinde und ob es stimme, »dass er in Florenz bei einem Juden Wohnung genommen hat«.38 Am folgenden Tag kam die Antwort, die Kronprinzessin wohne zurzeit in Rom im Hotel Eden, während der Kronprinz nach Florenz gefahren sei39 und sich dort in der Villa Franchetti Bello Sguardo40 aufhalte. Diese Villa gehörte der verwitweten Baronin Franchetti, geb. Baronin von Hornstein, und war lange Zeit Treffpunkt des Adels und von Künstlern gewesen. Aus finanziellen Gründen war die Baronin jedoch gezwungen, zahlende Gäste aufzunehmen. Auch Kronprinz Rupprecht benötigte inzwischen Geldmittel, wie sein stellvertretender Adjutant Theodor Christian Freiherr von Fraunberg am 13. Juni 1940 dem Reichswirtschaftsminister schrieb.41 Bis dahin hatte sich die Familie des Kronprinzen auf Einladung des italienischen Königspaars in Florenz aufgehalten, während für vier Töchter auf »hiesigen Instituten« ihre Großmutter Großherzogin Maria Anna von Luxemburg aufkam. Da zu Ferienbeginn alle Kinder nach Florenz gekommen waren und Rupprecht nach dem Eintritt Italiens in den Krieg »in keiner Weise Ihren Majestäten beschwerlich fallen« wollte, Deutsche Eliten in SS-Geiselhaft  67

wurde für die Familie, »bestehend aus S.K.H. selbst, der Frau Kron­ prinzessin, einem Sohn und 5 Töchtern, wozu noch eine Dame der Begleitung und eine Kinderfrau kommen«, der Transfer von monatlich 20 000 Lire aus der Münchener Vermögensverwaltung des Kronprinzen beantragt. Botschafter Hans Georg von Mackensen berichtete dem Auswärtigen Amt am 22. Juni 1940, die italienische Königin interessiere sich »stärkstens« für die Angelegenheit.42 Ihre »Ehrendame«, Marchesa Leonardi di Villacortese, habe erklärt, »dass der Aufenthalt bisher de facto von der Kronprinzessin von Italien finanziert worden sei, während den Gästen gegenüber die Mutter der Kronprinzessin, die Königinmutter Elisabeth von Belgien, geb. Herzogin in Bayern, als Geldgeberin in Erscheinung getreten sei«. Nach dem Willen Himmlers sollten die Wittelsbacher ausgebürgert werden. Im September 1940 trieb er die diesbezüglichen Bemühungen voran und ließ zunächst die Aufenthaltsorte aller Familienmitglieder ermitteln. Kronprinz Rupprecht und Kronprinzessin Antonia sowie Rupprechts Sohn Albrecht aus erster Ehe mit Herzogin Maria Gabriele in Bayern hielten sich in Italien auf. Laut einer Aufstellung von Sipo- und SD-Chef Heydrich, befanden sich Prinz Albrecht von Bayern und seine Frau Maria von Bayern sowie deren Kinder Marie Gabrielle, Marie Charlotte, Franz Bonaventura und Max Emanuel in Budapest.43 Heydrich merkte hierzu an, Prinz Albrecht habe sich wiederholt im Ausland, insbesondere am Königshof in Belgrad aufgehalten und einen bis zum 1. Mai 1940 gültigen Wiedereinreisevermerk. Er habe es – ebenso wie sein Vater – nicht für nötig befunden, innerhalb der gesetzten Frist nach Deutschland zurückzukehren, habe sich im Februar 1940 für einige Tage in München aufgehalten und sei dann nach Jugoslawien ausgereist. Über Herzog Ludwig Wilhelm von Bayern hieß es, dieser habe 1934 geäußert, solange er lebe, werde an seinem Haus keine Hakenkreuzfahne angebracht. Der Herzog sei am 1. August 1939 mit seiner Frau nach Belgien ausgereist und habe sich dort am Hof des belgischen Königs aufgehalten. Ebenso sei Herzogin Eleonore von Bayern einige Zeit Gast am belgischen Hof gewesen, um dann in die USA weiterzureisen. Dort habe sie im Zusammenhang mit dem Elser-Attentat vom 8. November 1939 auf Hitler erklärt: »Es ist sehr schade, dass Hitler nicht getroffen wurde. (…) Es 68  In Hitlers Hand

wäre eine wundervolle Sache für die Welt gewesen, wenn der Bombenanschlag auf die Bierhalle in München erfolgreich gewesen wäre. (…) Aber ein anderes Mal wird es schon gehen.« Zwar bestritt die Herzogin eine solche Aussage, blieb aber im Visier der Nationalsozialisten. Obwohl Himmler auf die Ausbürgerung der Wittelsbacher drängte, wurde das Verfahren im Oktober 1940 vorerst eingestellt.44 Das Auswärtige Amt informierte die Botschaft in Rom darüber, »dass auf Anordnung des Führers Ex-Kronprinz Rupprecht von Bayern und seine Familienangehörigen erst nach dem Krieg ausgebürgert werden sollen«. Als Rupprecht auf ärztliche Anordnung einige Wochen in die Schweiz reisen wollte, äußerte der Chef der Sipo und des SD »erhebliche Bedenken«.45 Das Auswärtige Amt versuchte zwar, die Schweiz zu bewegen, Rupprecht die Einreisegenehmigung zu verweigern, dennoch konnte er im Juni 1942 nach Zürich reisen. Der deutsche Generalkonsul erbat Anweisungen, wie er sich ihm gegenüber verhalten sollte, da er davon ausging, er werde Rupprecht irgendwann treffen, möglicherweise »bei den in Gang befindlichen Züricher Theaterwochen«.46 Unsicher war auch Botschafter von Mackensen.47 Er meldete nach Berlin, Rupprecht sei von Forte dei Marmi, wo er sich während der Sommermonate aufgehalten hatte, wieder nach Florenz zurückgekehrt und habe die Verlängerung der Reisepässe für einige Familienmitglieder beantragt. Das Schreiben werde weisungsgemäß unbeantwortet bleiben. Es werde sich aber auf Dauer der Eindruck nicht vermeiden lassen, »dass das Konsulat Florenz, wenn es die Reisepässe nicht verlängert, auf Grund einer höheren Ortes getroffenen Anordnung handelt. Ich bitte daher um Weisung, wie sich das Konsulat Florenz verhalten soll«. Erst am 6. März 1943 erhielt von Mackensen Bescheid, nachdem Hitler entschieden hatte: »Der Ex-Kronprinz von Bayern und Familie ist zwar nicht rechtlich auszubürgern, es darf jedoch ihm und seiner Familie kein Pass gegeben werden.«48 Kronprinzessin Antonia war unterdessen im Herbst 1942 mit ihrer Hausdame Pauline Gräfin Bellegarde und den Kindern nach Brixen gezogen und quartierte sich dort in einer Pension ein,49 während Kronprinz Rupprecht und Prinz Heinrich in Florenz blieben. Im Sommer 1943 zog die Kronprinzessin nach San Martino di Castrozza in Südtirol, Prinzessin Irmingard hielt sich in Padua auf. Angesichts des Vorrückens der Alliierten wollte Rupprecht von Florenz nach Rom übersiedeln, wo Deutsche Eliten in SS-Geiselhaft  69

man nötigenfalls im Vatikan untertauchen konnte. Demgegenüber glaubte die Kronprinzessin, sie könne sich in den Tiroler Bergen nahe der Schweizer Grenze ebenso gut verbergen. Am 18. April 1944 zog sie mit den vier jüngeren Töchtern und Gräfin Bellegarde nach San Martino die Castrozza um, Prinzessin Irmingard fand Unterkunft bei einer befreundeten Familie am Gardasee. Die Wittelsbacher wurden auf Schritt und Tritt von den Nationalsozialisten überwacht, bis Kronprinz Rupprecht, der sich noch in Florenz aufhielt, zu einer List griff und sie in aller Öffentlichkeit blamierte. Er wandte sich mit folgendem Anliegen an den dortigen Konsul: Da er keinesfalls in die Hände der Briten und Amerikaner fallen wolle, bitte er um Unterstützung bei der Abreise nach Norditalien.50 In Berlin nahm sich SS-Oberführer Friedrich Panzinger, Chef des Reichskriminalpolizeiamtes, der Sache an und legte Himmler ein entsprechendes Gesuch vor. Dieser überließ wiederum Hitler die Entscheidung, ob der Kronprinz »nach Norditalien oder evtl. nach Deutschland verbracht werden solle«.51 Ribbentrop wies am 16. Juni 1944 die inzwischen nach Fasano am Gardasee verlegte deutsche Botschaft an, »für die Übersiedlung des Kronprinzen Rupprecht von Bayern nach Norditalien Sorge zu tragen und dort seine Bewachung sicherzustellen«.52 Eine Übersiedlung nach Deutschland komme dagegen nicht infrage. Rupprecht aber dachte nicht daran, nach Meran zu fahren, sondern bediente sich eines Geniestreichs zur Täuschung der Gestapo. In seinem Tagebuch heißt es dazu: »Ich verabschiedete mich also von verschiedenen Leuten, gab vor, mit einem mir zur Verfügung gestellten Privatauto nach Meran reisen zu wollen, und ließ unser Gepäck auf einem Handkarren nach der Gepäckabgabe der Eisenbahn schaffen, von wo es später auf einem anderen Handkarren nach der Via delle Mantellate gebracht wurde.«53 Noch am 29. Juni 1944 meldete die deutsche Botschaft aus Fasano: »Ex-Kronprinz Rupprecht von Bayern ist mit Familie am 19. d.M. nach Meran übergesiedelt. Überwachung erfolgt durch SD.«54 Davon konnte jedoch keine Rede sein, wie Botschafter Rudolf Rahn am 27. Oktober 1944 zugab: »Nach Feststellungen des BdS Italien (…) ist Ex-Kronprinz Rupprecht von Bayern auf seiner Reise an den dortseits genehmigten neuen Wohnsitz im Alpenvorland von Organen des SD beschattet worden, aber schon auf dem Weg nach Norden spurlos verschwunden. Die 70  In Hitlers Hand

laufenden Ermittlungen des SD nach ihm sind bisher ergebnislos geblieben. Über seinen angeblichen Aufenthalt in Florenz ist dem BDS Italien nichts bekannt.« 55 Aus dem Auswärtigen Amt erhielt Rahn am 29. Oktober 1944 einen Rüffel: »Das spurlose Verschwinden des Ex-Kronprinzen Rupprecht von Bayern hat hier einen peinlichen Eindruck hervorgerufen, insbesondere, nachdem dortseits mit Drahtbericht vom 19.6. gemeldet worden war, dass der Ex-Kronprinz Rupprecht nach Meran übergesiedelt sei, wo Bewachung durch SD erfolge. Reichsaußenminister bittet um nähere Feststellungen, unter welchen Umständen seinerzeit die Abreise des Ex-Kronprinzen und seiner Angehörigen stattgefunden hat und wer für seine Bewachung verantwortlich war. Ferner bittet Reichsaußenminister um Bericht, ob und was nach dortiger Ansicht noch unternommen werden kann, um den Verbleib des Exkronprinzen und seiner Familie zu ermitteln.«56 Die Antwort folgte am 10. November 1944. Der Befehlshaber der Sicherheitspolizei in Italien habe sich folgendermaßen eingelassen: »Der Ex-Kronprinz Rupprecht von Bayern hat dem BdS im Juni mitteilen lassen, dass er Florenz verlasse, um sich nach Meran zu begeben. Auf seiner angeblichen Fahrt nach Meran wurde er von keinem Vertreter des SD begleitet. Eine ausdrückliche Bestätigung seines angenommenen Eintreffens in Meran erfolgte nicht. Die damals sehr dringlichen Aufgaben in Florenz haben eine Abstellung nicht ermöglicht.«57 Achtundfünfzig Tage blieb Rupprecht in seinem Versteck in der Via delle Mantellate, um sich dann den inzwischen eingerückten britischen Truppen zu stellen. Rupprecht wurde vom Papst empfangen, was Propagandaminister Goebbels zu dem wütenden Kommentar veranlasste: »Aus der Vatikanstadt kommt die Nachricht, dass Kronprinz Rupprecht den Papst besucht habe. Es seien ihm dabei königliche Ehren erwiesen worden. Rupprecht hat jahrelang in Florenz gelebt und wechselt jetzt offenbar auf die Feindseite über. Die deutschen Fürsten sind nicht besser als die ausländischen. Das ganze Fürstenpack muss nach dem Kriege liquidiert werden, weil es sozusagen eine Eiterbeule am Körper Europas ist.« 58 Mit dem spurlosen Verschwinden des Kronprinzen und im Zusammenhang mit dem Attentat auf Hitler vom 20. Juli 1944 begann eine Verhaftungswelle, der unter anderem Prinz Albrecht mit seiner Familie zum Opfer fiel. Selbst der schwedische König, der ihn und seine Familie einDeutsche Eliten in SS-Geiselhaft  71

geladen hatte, konnte ihm nicht mehr helfen. In einer Vortragsnotiz für den Reichsaußenminister vom 7. November 1944 hieß es dazu, der von dem Prinzen in Budapest gestellte Antrag auf Durchreisesichtvermerke sei durch seine Überführung, also seine Verhaftung, nach Deutschland überholt. Nach Auskunft des SD sei der Prinz »im Zuge der Maßnahmen gegen die Familienangehörigen des Kronprinzen Rupprecht von Bayern, seinen Vater, in Sippenhaft genommen und zusammen mit seiner Familie nach Deutschland überstellt worden.«59 Die Haft werde andauern, bis Kronprinz Rupprecht den deutschen Behörden wieder zur Verfügung stehe. Am 27. Juli 1944 nahm die Gestapo Kronprinzessin Antonia und ihre Töchter, die sich in den Dolomiten aufhielten, fest. In einem Brief an ihren Vater vom 4. September 1945 schilderte eine der Töchter, Prinzessin Hilda, ausführlich die Ereignisse dieser Tage: Wir wurden am 27. Juli 1944 in San Martino verhaftet. Das Einzige, worüber uns die Gestapo fragte, war: Wo Du wärest, mit wem Du in Florenz umgingest, denn Du hättest öfters den Stauffenberg empfangen und so fiele der Verdacht auf Dich, in das Attentat vom 20. Juli verwickelt zu sein. Mama wurde andauernd verhört, ins Kreuzverhör genommen, und auch wir wurden öfters verhört. Unsere Aussage, dass wir nicht wüssten, wo Du seiest, da Du nicht in Meran angekommen wärest, wie wir erwartet hatten, schenkten sie keinen Glauben. Auch sagten sie, es wäre angegeben worden, dass Du nach Meran kämest und dort auch schon Zimmer bestellt gewesen seien, aber man könnte Dich nicht finden. Am 13.8. mussten wir von San Martino weg und wurden, da es wegen Mamas gesundheitlichen Zustands nicht anders möglich war, auf die Seiseralm gebracht, und von dort nach Plan de Gralba. Dort erkrankte Mama an Rippenfellentzündung und hohem Fieber. Als die Nachricht kam, dass wir in einer Stunde bereit sein müssten, nach Deutschland zu fahren, erklärten zwei Militärärzte Mama als nicht reisefähig. Trotzdem mussten wir am 5.10. fahren. Es war eine schreckliche Fahrt. Nach Innsbruck, wohin man sonst nur 3 Stunden braucht, waren wir wegen Pannen 10 Stunden unterwegs. Als wir ankamen, war Mama schrecklich ermüdet. Wir erfuhren, dass bestimmt worden war, dass wir von Mama getrennt und sofort weiterreisen sollten. Der Zug wurde unseretwegen eine Stunde lang angehalten, aber, Gott sei Dank, kamen wir wegen der vielen Pannen zu spät. Mama wurde ins Krankenhaus gebracht, wo sie Irmingard vorfand, die am 72  In Hitlers Hand

Gardasee war. Sie wurde nachts mit schwerem Typhus und 41 Grad Fieber aus dem Bett geholt und nach Innsbruck gebracht. Wir übernachteten im Hotel und so konnten wir Mama in der Frühe noch einmal sehen. Als wir weg mussten, erfuhr Mama nur, dass wir auf ein Schloss im Thüringer Wald kämen, wohin Irmingard später nachkommen würde. In Weimar angekommen, blieben wir eine Woche, bis man uns sagte, wir kämen in ein Schloss in der Nähe von Berlin. Wir kamen dann nicht in ein Schloss, sondern am 13.10.1944 in das KZ-Lager Oranienburg-Sachsenhausen bei Berlin. Nachbar von uns war Schuschnigg. (…) Nach einer Woche kam Albrecht mit seiner Familie an. Sie kamen auf die andere Seite, durch Mauer und elektrisch geladenen Stacheldraht von uns getrennt. Wir sahen sie immer vom Fenster aus, mussten aber so tun, als ob wir sie nicht kennten. Strengstes Redeverbot. Erst nach 14 Tagen durften wir sie sehen. Sie waren in Ungarn verhaftet worden, und man hatte auch ihnen einen Schlossaufenthalt versprochen! Im Lager erfuhren wir dann, dass wir in Sippenhaft wären, und dies auf persönlichen Befehl Hitlers. Ende Januar kam Irmingard an. Wir erkannten sie kaum, sie hatte alle Haare verloren. Irmingard brachte uns die letzte Nachricht von Mama. Mama war von ihr getrennt und nach Jena gebracht worden. Seitdem hörten wir nichts mehr von ihr. Im Lager waren wir sehr streng gehalten, niemand durfte wissen, dass wir da waren und wer wir waren. Ende Februar, als die Russen immer näher kamen, sagte man, dass wir von Oranienburg wegmüssten. Man versprach uns, dass wir in ein Privathaus in den Bayrischen Wald kämen. Jedes Versprechen war Lüge. Wir wurden in das Konzentrationslager Flossenbürg bei Regensburg gebracht, eines der ärgsten Vernichtungslager. Dort lebten wir zu zwölft in zwei Zimmern in einer der vielen Baracken. Es war eiskalt, da die dünnen Bretterwände voll Ritzen waren, durch welche der Wind blies, die Betten im allgemeinen Schlafsaal feucht, sodass man, trotzdem man die Kleider anbehielt, vor Kälte kaum schlafen konnte. Die Decken waren verdreckt und zerrissen. Den ganzen Tag saßen wir im Zimmer, nur eine halbe Stunde durften wir hinaus, und vom Hügel vor der Baracke sahen wir direkt zum Krematorium. Täglich kamen Lastwägen voll Leichen an, die dort auf den Boden gehäuft, entkleidet und verbrannt wurden. Die Luft war voll Rauch und Asche und der Gestank furchtbar. Überall sahen wir Tote und Halbverhungerte. Die Lazarettbaracke war am ärgsten. Dort lagen die Arbeitsunfähigen, Sterbenden und Toten durcheinander, ohne Pflege und Ernährung. Niemand kümmerte sich um sie. Sie lagen Deutsche Eliten in SS-Geiselhaft  73

auf Strohsäcken ohne Decken, die Baracke ohne Fenster. Wir sahen viele der Gefangenen in den Abfalleimern und am Boden nach Resten von rohen und halb verfaulten Kartoffeln suchen und sie essen. Wo wir konnten, steckten wir ihnen Brot und anderes zu. Aber am Ende hungerten wir selber. Die letzte Zeit lebten wir von wässriger Rübensuppe und zwei kleinen Stücken Brot. Auch in diesem Lager waren Schuschnigg mit Frau und einem 4-jährigen Kind unsere Nachbarn. Als Albrecht die blutige Ruhr erwischte, mit drei Rückfällen, bekam der Kommandant, ein verkrachter Füssener Tischler, Angst und brachte uns in einem Haus außerhalb des Lagers unter. Dort wohnten wir in zwei Zimmern voll von Wanzen. Am Haus kamen täglich die Gefangenentransporte vorbei. Viele starben am Weg. Am 8. April wurden wir nach Dachau gebracht. Dort kamen wir mit 64 anderen Sippenhäftlingen zusammen. Die meisten waren Frauen und Kinder der Generäle von Stalingrad und der Männer vom 20. Juli. Auch mit ihnen durften wir erst spät verkehren. Nach kurzer Zeit kamen wir ins Gebirge in der Nähe von Reutte. Dort verbrachten wir unsere Tage mit Kartoffelschälen, Küchendienst, Böden- und Zimmerreinigen.60

Irmingard von Bayern hatte sich in Castelletto versteckt, als sie im September 1944 von der Gestapo aufgespürt und verhaftet wurde.61 Wegen ihres hohen Fiebers wurde sie ins Innsbrucker Krankenhaus gebracht, wo sie sich wochenlang in einem komaähnlichen Zustand befand. Ihr Leben war in Gefahr, doch da sie als Geisel wichtig war, erhielt sie Bluttransfusionen. Im Krankenhaus begegnete sie ihrer Mutter und dem französischen Ministerpräsidenten Daladier. Wegen der unablässigen Bombenangriffe wurde das Innsbrucker Krankenhaus kurz vor Weihnachten geräumt, die Patienten kamen nach Seefeld. Anfang Januar 1945 wurden Kronprinzessin Antonia und Irmingard von der Gestapo abgeholt und mit dem Zug nach Deutschland gebracht. Kronprinzessin Antonia musste in Weimar aussteigen, Irmingard wurde nach der Ankunft in Berlin in der Gestapo-Zentrale verhört. Nach ergebnislosen Versuchen, etwas über den Verbleib ihres Vaters zu erfahren, wurde Irmingard ins KZ Sachsenhausen eingewiesen. Darüber berichtete sie wie folgt: Wir passierten mehrere Tore und durchquerten das Lager. Endlich kamen wir in einen eigenen abgezäunten Teil, in dem lauter einzelne, mit Mauern umgrenzte Häuser standen; dort wurden die »Sonderhäftlinge« gehalten, meistens politische Personen, die besonders wertvolle Geiseln darstellten. In 74  In Hitlers Hand

einem dieser Häuser waren meine Schwestern mit Pauline Bellegarde untergebracht, im Haus nebenan mein Stiefbruder Albrecht mit seiner Frau Marita, den Zwillingstöchtern Marie Gabrielle und Marie-Charlotte sowie seinen beiden Söhnen Franz und Max. Wir bekamen den Namen Buchholz, meine Mutter wurde als Frau Bingen registriert. 62

Albrecht war in Ungarn verhaftet und mit seiner Frau Marita und den Kindern nach Sachsenhausen deportiert worden. Da er den KZ-Kommandanten Anton Kaindl aus seiner Reichswehrzeit kannte, konnte er ihn dazu bewegen, in der Mauer zwischen den Häusern eine Tür zu öffnen, sodass die Wittelsbacher zusammenkommen konnten. Es zeigte sich im Übrigen, dass im selben Haus wie Irmingard zuvor auch ihr Onkel, Louis de Bourbon-Parma mit seiner Frau Maria, der jüngsten Tochter von König Viktor Emanuel von Italien, gefangen gehalten worden war. Marias Schwester, Mafalda, kam später im KZ Buchenwald ums Leben. Als der Zweite Weltkrieg sich seinem Ende näherte, mussten die im KZ Sachsenhausen inhaftierten Wittelsbacher eine ungewisse Reise antreten, wie Prinzessin Irmingard von Bayern schildert: Diesmal bestiegen wir einen Omnibus. (…) Wir versuchten, vom Fenster aus die Ortsschilder zu lesen: Hof, das war an der bayerischen Grenze. (…) Endlich kamen wir an unseren Bestimmungsort, das Konzentrationslager Flossenbürg an der tschechischen Grenze. Wir zwölf wurden zusammen in eine lange Holzbaracke gesperrt, eine Reihe primitiver Pritschen stand darin. Vor der Baracke war ein eingezäunter Auslauf, wo wir herumgehen konnten, wenn wir einmal am Tag dazu abgeholt wurden. (…) Albrecht war wegen seiner Ruhr in sehr schlechter gesundheitlicher Verfassung und erhob daraufhin bei einem der Lageroberleiter Klage. Er pochte darauf, dass wir als »Sonderhäftlinge« wertvolle Geiseln waren und der Lagerkommandant für unser Wohlergehen und unsere Gesundheit einzustehen habe. Dabei berief er sich auf Heinrich Himmler, dessen Vater früher Erzieher bei dem Sohn meiner Taufpatin, Prinzessin Arnulf von Bayern, gewesen war.63

Da das Lager Flossenbürg überfüllt war, wurden die Wittelsbacher in ein nahe gelegenes Forsthaus am Ortsrand umquartiert. Unter Bewachung Deutsche Eliten in SS-Geiselhaft  75

durfte Pauline Bellegarde hier mit den Kindern Spaziergänge machen, die Erwachsenen mussten im Forsthaus bleiben. Flossenbürg war nicht die letzte Station auf dem Leidensweg: Eines Tages hieß es wieder: »Fertig machen für einen Weitertransport.« Alle wurden in einen mit Planen bedeckten Lastwagen verladen. Es ging in südliche Richtung. (…) In Augsburg wurde eine Pause eingelegt. Die Nacht verbrachten wir auf Pritschen in einer Unterkunft. Zwei Wachtposten standen vor der Türe und begleiteten uns zur Toilette, die im Gang davor war. (…) Am nächsten Tag ging die Fahrt weiter nach Dachau. (…) Da im eigentlichen Lager kein Platz war, wurden wir in den angrenzenden Rot-KreuzBaracken untergebracht. Dort waren auch andere Sippenhäftlinge, so wie die Familienmitglieder von General Paulus, der sich in Stalingrad den Russen ergeben musste. (…) Wir wurden mit den anderen Sippenhäftlingen zusammengelegt zum Weitertransport. (…) In München wurde wegen Fliegeralarm eine längere Pause eingelegt. Unsere Coupés wurden zugesperrt. In der Frühe ging es weiter nach Gauting, die nächste Station war Mühltal, ganz nahe bei Leut­stetten, unserer Heimat. (…) Insgesamt an die zwanzig Inhaftierte stiegen in Reutte aus, um zu Fuß weiterzugehen. (…) Wir marschierten

12 Das Hotel Forelle in Tirol war eines von vielen Nobelhotels, das die Nationalsozialisten zur Unterbringung von »Sonder- und Ehrenhäftlingen« beschlagnahmt hatten. (Privatarchiv des Autors)

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ein Gebirgstal hinauf und kamen an den Plansee. Im Hotel Forelle am Plansee waren französische Gefangene interniert, hauptsächlich höhere Militärs und Diplomaten. (…) Wir stiegen ein gutes Stück weiter hinauf und kamen nach Ammerwald. BMW hatte das Wirtshaus dort als Ferienheim für seine Belegschaft gepachtet. Dieses Gebäude wurde für uns Sonderhäftlinge beschlagnahmt.64

Kronprinzessin Antonia hatten die Nationalsozialisten, wie erwähnt, ebenfalls nach Innsbruck verschleppt. Ihre Töchter blieben einen Tag im Hotel Adler und wurden dann nach Weimar und weiter nach Sachenhausen gebracht. Antonia wurde in Jena unter dem Namen Albertine Bingen in einem Krankenhaus gefangen gehalten. In dem Brief von Prinzessin Hilda ist zu lesen, dass die Kronprinzessin von einer morphiumsüchtigen Pflegerin monatelang gequält wurde.65 Als die Amerikaner in Jena einrückten und Antonia befreiten, wog sie nur noch dreißig Kilogramm. Jean Louis Schlim berichtet: Bereits Ende April 1945 durchforschten internationale Rot-Kreuz-Kommissionen die bereits befreiten und nun im Chaos versinkenden deutschen Lande nach eigenen Staatsangehörigen. Auch das befreite Luxemburg hatte einige solche Kommissionen entsandt. Eine davon kam nach Jena, wo sich ein großes Sammellager befand, in dem man ausländische Insassen des Konzentrationslagers Buchenwald zu einer ersten Pflege vorläufig untergebracht hatte. Als sich der leitende Offizier der luxemburgischen Delegation beim amerikanischen Besatzungskommandanten meldete, erhielt er den merkwürdigen Hinweis, er habe soeben die Meldung über eine schwer kranke Frau erhalten, namens Albertine Bingen, die von sich behaupte, sie sei eine geborene Prinzessin von Luxemburg und Angehörige des bayerischen Königshauses, der Name Albertine Bingen sei ihr lediglich von der Gestapo aufgezwungen. Der Offizier ließ sich zu der Kranken bringen und fand eine seelisch und körperlich völlig gebrochene Frau, deren Gewicht nur noch knapp 72 Pfund betrug. Teilnahmsvoll versuchte er ihre mühsam hervorgestoßenen, zusammenhanglosen Angaben zu verstehen. Sie genügten, ihm schnell die Klarheit zu geben, dass er hier wirklich eine Tochter des großherzoglichen Hauses vor sich hatte. Sofort wurde per Funk die Großherzogin in Luxemburg verständigt, die umgehend mit einem Krankenwagen, Arzt und Pflegepersonal die Kronprinzessin nach Luxemburg überführen ließ.66 Deutsche Eliten in SS-Geiselhaft  77

13 Prinz Albrecht von Bayern mit seinem Sohn Franz und seiner Tochter MarieGabriele im SS-Sonderlager Ammerwald. (Wittelsbacher Ausgleichsfonds, Inventarverwaltung)

Letzte Station des inhaftierten Prinzen Albrecht von Bayern und seiner Familie war das Hotel Ammerwald zwischen dem Plansee und Schloss Linderhof. Von 1943 bis 1945 war das Hotel eine Außenstelle des KZ Dachau, in dem nun Angehörige der Attentäter vom 20. Juli 1944 und führende Militärs der bei Stalingrad aufgeriebenen 6. Armee untergebracht waren. Unter den Gefangenen befanden sich unter anderen Prinz Albrecht von Bayern sowie die Gattin und die Tochter von Generalfeldmarschall Paulus. Albrecht gelang es, mit den heranrückenden französischen Truppen Kontakt aufzunehmen. Von den Franzosen an die Amerikaner übergeben, wurden sie mit einer US-Militärmaschine nach Luxemburg geflogen, wo inzwischen auch die todkranke Kronprinzessin Antonia eingetroffen war.

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Hitlers »persönliche Gefangene«

Unter den »Sonder- und Ehrenhäftlingen« gab es einige wenige, die den Status von »persönlichen Gefangenen des Führers« erhielten. Die bekanntesten unter ihnen waren der Bürgerbräukeller-Attentäter Georg Elser sowie Pfarrer Martin Niemöller.

Georg Elser – der Attentäter aus dem Volk Elser hatte versucht, Hitler am 8. November 1939 durch eine Bombe im Münchener Bürgerbräukeller zu töten, doch der »Führer« verließ an diesem Abend das Lokal vorzeitig und kam mit dem Leben davon. Sieben Menschen starben, sechzig wurden verletzt, als die Decke des NS-Parteilokals einstürzte. Elser wurde kurz darauf verhaftet, ins KZ Sachsenhausen eingeliefert und am 9. April 1945 im KZ Dachau hingerichtet. In den ersten Nachkriegsjahren wurde ihm unterstellt, er sei Mitglied der SA und der SS gewesen, das Attentat sei mit Zustimmung Hitlers lediglich fingiert worden, um einen Kriegsvorwand gegen Großbritannien zu liefern. Selbst Pfarrer Niemöller trug nach Kriegsende zu den ehrabschneidenden Gerüchten bei. Ebenso verbreitete der britische Geheimdienstoffizier Sigmund Best Payne in seinem Buch The Venlo Incident eine Reihe von Unwahrheiten, wie der Georg-Elser-Arbeitskreis in Heidenheim belegt. Dass solche unhaltbaren Vorwürfe überhaupt aufkommen konnten, mag daran gelegen haben, dass der Schreiner aus dem württembergischen Hermaringen in Sachsenhausen wie auch in Dachau eine außergewöhnliche Vorzugsbehandlung erfuhr und kaum Kontakte zu anderen Häftlingen hatte. Fast alle, die sich später zu Elser äußerten, hatten ihn nur kurz oder gar nicht gesprochen. Eine Beschreibung der Haftbedingungen, unter denen Georg Elser im KZ Sachsenhausen lebte, ist dem damaligen Lagerältesten Harry Naujoks zu verdanken, doch auch seine Erinnerungen gaben zu Spekulationen Anlass. Bei ihm ist zu lesen:

Hitlers »persönliche Gefangene«  79

Im Dezember 1940 erfuhren wir, dass im Zellenbau drei Zellen zu einem Komplex verbunden worden waren. Aber wir wussten damals noch nicht für wen; nur, dass dieser Aufwand irgendeinem geheimnisvollen Sonderhäftling galt. (…) Elser wurde hier in einer Wohn-, einer Schlaf- und einer Arbeitszelle untergebracht. Die Gestapo führte ihn unter dem Namen »Eller«. Er durfte mit niemandem sprechen. Zu seiner Bewachung wurden vier SS-Leute aus Oranienburg abgestellt. Elser bekam Sonderverpflegung, erhielt ein Radiogerät, einen Tisch mit Tischdecke und eine Vase mit Blumen, außerdem einen größeren Spiegel. In seiner Arbeitszelle wurde eine Hobelbank aufgestellt. Er soll ein geschickter Handwerker gewesen sein, Holzarbeiten für die SS-Leute hergestellt und sich auch mit Geigenbau beschäftigt haben. An der Wand seiner Zelle hing eine Landkarte, mit der er die Kriegsentwicklung verfolgte.1

Elser kam während seiner gesamten Haftzeit mit anderen Gefangenen nur selten in Kontakt. Zu den wenigen gehörte der Zeuge Jehovas Paul Wauer2, der von Januar bis Mai 1942 im KZ Sachsenhausen als »Bunker-Friseur« eingesetzt war. Er berichtete, ein ihm unbekannter Häftling sei in Begleitung eines SS-Mannes in seine Rasierstube geführt worden: »Der Häftling war in Zivil, klein von Statur, blass und hatte schwarze Haare.« Ein Bunker-Kalfaktor habe ihm gesagt, es handle sich um »Elser, der das Bürgerbräu-Attentat vollführt hat. Hierbei brachte er aus der Bunkerbücherei Illustrierte mit seinem Lichtbild und habe ich den Elser sofort erkannt. Auch den Best, der dort abgebildet war und als Ehrenhäftling im Bunker in Sachsenhausen einsaß, habe ich sogleich erkannt. Von Elser wurde mir gesagt, dass er ein Sonderhäftling des Führers sei, dass für ihn aus drei Zellen eine gemacht worden war, wo er als Kunsttischler arbeitete. Ich wurde gewarnt, hierüber etwas zu sagen, da niemand wissen sollte, wer Elser sei. Elser durfte nur allein spazieren geführt werden. In seiner Zelle war ein Tischtennis und spielte die SS mit ihm und war auch Himmler bei seinem Besuch in Sachsenhausen bei ihm. Ich selbst bin später dann in seine Zelle gekommen und habe auch des öfteren mit ihm gesprochen, jedoch nur belanglose Sachen.«3 In Dachau begegneten die beiden sich wieder. Wauer beobachtete, »wie Elser dorthin eingeliefert und in den Ehrenbunker gebracht wurde«. Er habe Elser begrüßt und sei daraufhin von einem SS-Mann zur Rede gestellt worden. Während Wauer bis dahin Elsers Zelle nicht betreten durfte, konnte er ihm von da an das Essen bringen. Wauer wei80  In Hitlers Hand

ter: »Hierbei habe ich mit ihm des öfteren gesprochen, jedoch meist nur belanglose Dinge. Wenn das Gespräch von mir auf das bevorstehende Kriegsende geleitet wurde, geriet Elser immer in Aufregung und hatte ich den Eindruck, dass ihm um sein Schicksal bange sei.« Als die »Sonder- und Ehrenhäftlinge« gegen Kriegsende von Sachsenhausen nach Dachau verlegt wurden, hatte der katholische Pfarrer Michael Höck, Regens des Priesterseminars Freising und zu dieser Zeit ebenfalls »Sonderhäftling«, Gelegenheit, Niemöller über sonderbare Geräusche, die er Tag für Tag in der Nähe seiner Zelle im Kommandanturarrest des Lagers Sachsenhausen gehört hatte, zu befragen.4 Niemöller erklärte, sie stammten von einer Hobelbank, »die in nächster Nähe unserer Zellen in einem vergrößerten Zellenraum aufgestellt sei«. Dort sei seit Ende 1939 der Attentäter vom Münchener Bürgerbräukeller untergebracht worden. Elser dürfe sich als Kunstschreiner betätigen und habe auch seine Zither in die Zelle mitnehmen dürfen. Höck bestätigte, dass nach Elsers Ankunft verstärkte Sicherheitsmaßnahmen getroffen wurden und ein zusätzlicher SS-Angehöriger vor dessen Zelle aufzog. Der Gefangene habe, wann immer er ihn im Wachzimmer getroffen habe, stets einen niedergeschlagenen Eindruck gemacht. Elser war offensichtlich schon frühzeitig der Überzeugung, dass die Nationalsozialisten ihn ermorden würden, denn den SS-Wachmann Franz Xaver Lechner fragte er einmal, »welcher Tod der bessere sei, ob Genickschuss, Erhängen oder Vergasen«.5 Ähnlich äußerte sich Karl Kunkel, dem Elser angeblich sagte, er sei ein sogenannter »Nacht-und-Nebel-Häftling«, das heißt, ein Häftling, über dessen Schicksal niemand, seine Angehörigen eingeschlossen, etwas erfahren durften. 6 Ob sich Elser derart äußerte, ist zweifelhaft, da die Bezeichnung »Nacht-und-Nebel-Häftling« einer genau definierten Kategorie von Gefangenen zugeordnet war. Johannes Neuhäusler begegnete Elser im KZ Dachau, wo ungewöhnliche Vorbereitungen für diesen »persönlichen Gefangenen des Führers« getroffen wurden.7 In Tag- und Nachtarbeit habe man eine Mauer herausgenommen und eine größere Zelle geschaffen. Auch hier durfte Elser keinen Kontakt mit anderen Häftlingen haben. Lediglich wenn die Häftlinge bei Luftangriffen in den Schutzbunker geführt wurden, gab es Ausnahmen. Elsers sechsjährige bevorzugte Behandlung und anschließende Er­mordung habe ihm der Brite Best, so Neuhäusler, später folgendermaßen Hitlers »persönliche Gefangene«  81

erklärt: „»Sehr einfach! Man wollte Elser für einen großen Schauprozess nach dem Sieg aufsparen, in welchem ›Intelligence Service‹ als Anstifter des Bürgerbräukeller-Attentats bloßgestellt werden solle. Mit Elser waren hierfür schon alle Aussagen eingeübt worden. Aber als man erkannte, dass es mit dem Sieg Essig sei, der ›Schauprozess‹ also ins Wasser falle, musste der Mann, der das Geheimnis des Attentats in seiner Brust barg, mundtot gemacht werden. Ein Bombenangriff sollte eine gute Tarnung für die ›Liquidierung‹ geben.« Es mutet merkwürdig an, dass Niemöller die Version des Briten aufgriff und öffentlich verbreitete, obwohl er weder Elser noch die Umstände seiner Inhaftierung näher kannte. In einer Rede vor der Evangelischen Studentengemeinde Göttingen am 17. Januar 1946 unterstellte er Elser sogar, der SS angehört zu haben: In Sachsenhausen und Dachau habe ich in demselben Zellenbau zusammen gesessen mit dem Mann, der 1939 das Attentat im Bürgerbräukeller auf Hitlers persönlichen Befehl durchzuführen hatte: dem SS-Unterscharführer Georg Elser. Mit diesem Mann sollte ein zweiter Reichstagsbrand vorgeführt werden. Nach geglücktem Attentat – und es glückte ja, denn Hitler hatte kurz zuvor das Bürgerbräu verlassen – wurden in holländischem Gebiet zwei englische Offiziere, der Militärattaché Stephens [sic] und Oberst Best, in Haft genommen, die der SS-Unterscharführer als Anstifter namhaft machen sollte. Nach siegreich beendetem Krieg sollte dann aus dieser Aussage ein Schauprozess gegen Churchill gemacht werden. Georg Elser wurde ausgezeichnet behandelt; er hatte drei Zellen, eine eigene Kunstwerkstatt. Im März 1945 verschwand er aus dem Zellenbau und wurde nicht mehr gesehen.8

Kurz darauf war in der Süddeutschen Zeitung ein Beitrag zu lesen, dessen Überschrift über die geglückte Aufklärung unterrichtete: »Das Attentat im Bürgerbräukeller aufgeklärt«.9 Der Autor des Artikels, Ernst Günther, berief sich darin auf einen »Dr. Rohde«. Ihm soll Elser erzählt haben, dass er eine führende Stellung in der SA hatte: »Eines Tages trat die SS an ihn heran, er sollte im Auftrag des Führers eine große Tat für Deutschland durchführen. Ein Attentat auf Hitler sollte inszeniert werden, um im deutschen Volk eine Kriegsstimmung gegen England hervorzurufen. Als Täter müssten Agenten des Secret Service bezeichnet werden. Eine freie Ausreise nach der Schweiz wurde ihm 82  In Hitlers Hand

nach gelungener Tat zugesichert.« Noch vor der Explosion sei Elser aus München in Richtung Schweizer Grenze geflüchtet, wo ihn die Gestapo verhaftet habe. Man habe ihm erklärt, er müsse aussagen, »dass er in enger Fühlung mit den beiden Leuten des Secret Service Stevens und Best gestanden habe, die bereits seit 1939 in Dachau eingesperrt waren«. Maria Elser, die Mutter des Widerstandskämpfers, bat Niemöller am 13. Februar 1946 um Auskunft über das Schicksal ihres Sohnes. »Ich habe in einer Zeitung gelesen, dass Sie Herr Pastor Niemöller mit meinem Sohn in Dachau beisammen waren. (…) Ich habe seit 39 nichts mehr von ihm gehört. Als Mutter ist es doch meine Pflicht, nach ihm zu fahnden. Im Rundfunk ist in den letzten Tagen etwas über meinen Sohn gekommen, aber nicht, ob er noch lebt.«10 Am 23. Februar 1946 schrieb sie Niemöller erneut und wies zugleich die Behauptung zurück, Georg Elser habe jemals der SS angehört: »Mein Sohn war bis zu seiner Festnahme Nov. 39 nicht bei der S.S.  noch viel weniger S.S. Scharführer, davon weiß ich nichts; eine Mutter muss es doch besser wissen als ein Außenstehender. Das ganze Dorf war empört über diesen Bericht. Können Sie mir beweisen wo er Scharführer gewesen sein soll und zu welcher Zeit? Bis zu seiner Festnahme 1939 weiß ich genau, dass er beim Hitler-Regime in keiner Formation tätig, noch angehört hat, wenn es eines Beweises bedarf können Sie im ganzen Dorfe fragen.«11 Erst am 23. März 1946 antwortete Niemöller. Sie könne fest damit rechnen, dass ihr Sohn nicht mehr am Leben sei, schrieb er und weiter: Dass Ihr Sohn zur SS gehört, ist mir schon in Oranienburg 1940 wie auch später in Dachau von SS-Angehörigen mitgeteilt worden. Er verkehrte mit ihnen auch durchaus kameradschaftlich und stand auf Du und Du mit ihnen. Ich selber kann hier nur Erfahrenes berichten. Er wurde in seiner Gefangenschaft bevorzugt behandelt, bekam SS-Kost, hatte einen eigenen Radioapparat in seiner Zelle und bewohnte nicht eine einzelne Zelle, wie die anderen, sondern mehrere Zellen auf einmal, zwischen denen zum Teil die Wände entfernt waren.12

Niemöller musste am 9. Oktober 1951 einräumen, er habe Elser in Sachsenhausen niemals gesehen und in Dachau »einmal im Wachzimmer Hitlers »persönliche Gefangene«  83

einige Minuten neben ihm gestanden«.13 Umso unverständlicher ist es, dass er sich an der Verbreitung der Gerüchte über Georg Elser aktiv beteiligte. Noch 1956 konnte der ehemalige SS-Unterscharführer Walter Usslepp die angebliche SS-Mitgliedschaft in der Wochenzeitschrift Heim und Welt14 behaupten, eine Lüge, die der Norddeutsche Rundfunk sogar noch 1965 aufgriff.15 Der Historiker Anton Hoch hat sich mit Usslepps Angaben näher befasst und schreibt: »Usslepp war 1943/44 ein ganzes Jahr lang einer der Bewacher des Sonderhäftlings Elser im sogenannten Zellenbau des Konzentrationslagers Sachsenhausen. Soweit er nicht dienstfrei hatte, lebte er mit diesem, meist zwar zusammen mit einem weiteren SS-Bewacher, in einem Raum. Selbst wenn man die strengen Geheimhaltungsbestimmungen in Rechnung stellt, wird man nicht ausschließen können, dass er Gelegenheit hatte, mit Elser in ein gewisses persönliches Verhältnis zu gelangen und von ihm auch etwas zu erfahren, worüber er ›befehlsgemäß‹ anderen gegenüber konsequent geschwiegen hätte.« 16 Usslepp gab an, Elser sei von Himmler nach Berlin eingeladen worden und habe dort auf Kosten der SS-Führung über ein Jahr gelebt. Als Dank für das fingierte Attentat seien ihm ein Haus und eine »Staatspension« in Aussicht gestellt worden. Nach seiner Einlieferung in das Konzentrationslager sei man nur darauf bedacht gewesen, dass der »Sonderhäftling Hitlers« – so Usslepp – »keine Dummheiten mache, d. h., dass er sich nichts antut«, denn er sollte ja nach dem Krieg in einem großen Schauprozess als Kronzeuge auftreten. Elser wurde am 9. April 1945 im KZ Dachau erschossen. Im Zusammenhang mit seinem Tod spielte ein sogenannter »Schnellbrief« eine wichtige Rolle. Er soll vom Chef der Sicherheitspolizei und des SD, Heinrich Müller, gestammt haben und war angeblich an den Kommandanten des KZ Dachau, Obersturmbannführer Eduard Weiter, gerichtet. Zahlreiche Historiker haben sich mit der Frage befasst, ob es sich bei diesem »Schnellbrief« um eine Fälschung handelte, und konnten letztlich zu keiner abschließenden Antwort kommen. Auf Befehl Himmlers »und nach Einholung höchster Entscheidung« waren demnach die »Sonder- und Ehrenhäftlinge« ins KZ Dachau zu überstellen. Wegen der beengten Verhältnisse im Zellenbau sollten die Gefangenen zusammengelegt werden, wobei für den »Häftling Schuschnigg, der den Decknamen Auster führt«, eine größere Wohnzelle vorgesehen war. 84  In Hitlers Hand

Die Frau hat sich freiwillig in die Internierung ihres Mannes begeben, ist daher an sich nicht Schutzhäftling. Ich bitte, ihr dieselbe Freiheit zu belassen wie bisher. (…) Es ist Weisung des RFSS, dass Halder, Thomas, Schacht, Schuschnigg und v. Falkenhausen gut zu behandeln sind. Ich bitte auf jeden Fall, besorgt zu sein, dass der Häftling Best (Deckname Wolf ) keine Verbindung aufnehmen kann mit dem dort bereits befindlichen Engländer Stevens. V. Bonin war im Führerhauptquartier tätig und befindet sich in einer Art Ehrenhaft. Er ist noch aktiv Oberst und wird es voraussichtlich auch bleiben. Ich bitte, ihn daher besonders gut zu behandeln.

In Bezug auf Elser hieß es dann: Auch wegen unseres besonderen Schutzhäftlings ›Eller‹ wurde erneut an höchster Stelle Vortrag gehalten. Folgende Weisung ist ergangen: Bei einem der nächsten Terrorangriffe auf München bezw. auf die Umgebung von Dachau ist angeblich ›Eller‹ tötlich [sic] verunglückt. Ich bitte, zu diesem Zweck ›Eller‹ in absolut unauffälliger Weise nach Eintritt einer solchen Situation zu liquidieren. Ich bitte besorgt zu sein, dass darüber nur ganz wenige Personen, die ganz besonders zu verpflichten sind, Kenntnis erhalten. Die Vollzugsanzeige hierüber würde dann an mich lauten: ›Am … anlässlich des Terrorangriffs auf … wurde u.a. der Schutzhäftling ›Eller‹ tötlich verletzt.‹ Nach Kenntnisnahme dieses Schreiben und nach Vollzug bitte ich es zu vernichten.

Das Wissen um diesen »Schnellbrief« ist allein dem britischen Geheimdienstoffizier Best zu verdanken, denn er will ihn nach der Befreiung der prominenten Geiseln am Pragser Wildsee erhalten haben. Gegenüber dem Landgericht München erklärte Best schriftlich: Am 2. oder 3. Mai 1945 kam ein zu Stillers Wachtruppe gehörender SS Mann zum Prags Wildbad Hotel und verlangte nach mir. Es war ein großer Mann, der eine Lederjacke trug und, ich glaube, einer der Fahrer war. Er zog aus seiner Tasche ein Bündel ungeordneter Papiere und sagte: »Obersturmführer Stiller verbrennt alle Papiere, die er bei sich hat. Ich habe diese in meine Tasche gesteckt, als er nicht hersah. Vielleicht sind sie von Interesse für Sie.« Dann sagte er, er wäre in Wirklichkeit ein Wehrmachtsangehöriger Hitlers »persönliche Gefangene«  85

und nicht ein SS-Mann, und dass [er] zur SS gezogen worden sei, als er aus dem Lazarett entlassen wurde. Er zeigte mir sein Soldbuch, um seine Aussage zu bestätigen, und bat mich, ob ich ihn bei uns lassen wolle, damit er sich mit den Wehrmachtstruppen vereinigen könne, die von General Vietinghof zu unserem Schutz geschickt worden waren. (…) Als ich die von diesem Mann mir gegebenen Papiere überprüfte, fand ich, dass es meistens nur gewöhnliche Tagesbefehle zur Leitung des Sonderbaus waren, aber unter diesen fand ich den Umschlag, der den Schnellbrief enthielt.17

Das Münchener Institut für Zeitgeschichte bezweifelte in einem Gutachten die Echtheit des »Schnellbriefs«.18 Formelle Fehler und stilistische Merkwürdigkeiten, besonders das häufige, bei der Gestapo unübliche »bitte ich« oder »ich bitte« führten zu dieser Einschätzung. Auch die Unterschrift konnte nicht zweifelsfrei als die von SS-Obergruppenführer Heinrich Müller identifiziert werden. Demgegenüber meinte das Münchener Landgericht in der Hauptverhandlung gegen Oberscharführer Edgar Stiller, der »Schnellbrief« sei echt. Zwar seien gelegentlich Vermutungen geäußert worden, es könne sich um eine geschickte Fälschung des englischen Geheimdienstes handeln, »da er von dem Zeugen B.[est] einem Sonderhäftling britischer Nationalität und vermuteten Mitglied dieses Geheimdienstes, beigebracht wurde«. Best solle ihn – was übrigens dessen eigener Aussage widerspricht – Stiller in Niederdorf anlässlich der allgemeinen Auflösung bei Kriegsende zusammen mit einem Briefumschlag entwendet haben. Stiller könne sich zwar nicht mehr daran erinnern, dass sich gerade dieses Schreiben bei den Akten befand, die ihm beim Abtransport der Sonderhäftlinge aus Dachau von der Lagerkommandantur mitgegeben worden seien. Im Gerichtsprotokoll heißt es weiter: In seiner Stellung als Fürsorgeoffizier der Wachtruppe sei ihm die Betreuung der Sonderhäftlinge im KL Dachau übertragen worden. Der Schnellbrief sei ihm daher zur Kenntnisnahme ausgehändigt worden, und er habe hierbei auch von den Anordnungen betreffend der Liquidierung des Sonderhäftlings Elser (»Eller«), dem bis dahin eine Wohnung und eine Werkstatt im KL Dachau zur Verfügung gestanden hatte und der völlig unbehelligt geblieben war, Kenntnis erhalten. Der Zeuge weiß mit Bestimmtheit, dass der Liquidierungsbefehl alsbald nach Eingang des Briefes und gleichzeitiger 86  In Hitlers Hand

Ankunft der darin erwähnten Sonderhäftlinge ausgeführt wurde; ein Luftangriff wurde deshalb nicht abgewartet, weil man die von Elser innegehabten Räume dringend benötigte. Der Zeuge habe gerade an die Liquidierung Elsers eine besondere Erinnerung, weil nämlich, nachdem Elser abgeführt war, die Saiten seiner Gitarre sprangen. Dieses Erlebnis hat den Zeugen ersichtlich tief beeindruckt.19

Immer wieder, auch in den Biographien ehemaliger »Sonder- und Ehrenhäftlinge«, taucht der Name Sigismund Payne Best auf. Es ist deshalb erforderlich, ihn und die Umstände seiner Inhaftierung, die unter dem Namen »Venlo-Zwischenfall« bekannt wurde, zu beleuchten. Bei Walter Schellenberg ist darüber zu lesen, der Chef des RSHA, SS-Obergruppenführer Reinhard Heydrich, habe ihm Mitte Oktober 1939 mitgeteilt, es gebe seit einigen Monaten eine Agentenverbindung zum Secret Service. Man müsse sich entscheiden, ob man weiter irreführende Nachrichten einschleusen oder die Verbindung abbrechen solle.20 Schellenberg bot an, sich – getarnt als »Hauptmann Schemmel von der deutschen Opposition« – mit britischen Geheimdienstoffizieren im holländischen Zutphen zu treffen. Schellenberg alias Schemmel fuhr mit einem Begleiter über die Grenze nach Holland, wo ein Buick auf ihn wartete. Er stieg in den Wagen, der von Captain Sigismund Payne Best gesteuert wurde. In Arnheim trafen sie weitere Geheimdienstoffiziere und man einigte sich auf ein nächstes Treffen für den 30. Oktober 1939, nunmehr in der niederländischen Zentrale des Secret Intelligence Service (SIS) in Den Haag. Mit dem Leiter des Büros, Major Richard Henry Stevens, besprach man diese Ziele: Beseitigung Hitlers und seiner engsten Mitarbeiter, sofortiger Friedensschluss mit den Westmächten und Wiederherstellung der österreichischen, tschechischen und polnischen Selbstständigkeit. Am nächsten Tag erhielt Schellenberg ein englisches Funkgerät, und Best begleitete ihn noch bis an die holländisch-deutsche Grenze. Weitere Begegnungen in einem grenznahen Café fanden am 7. und 8. November 1939 statt. In der Nacht zum 9. November rief Himmler bei Schellenberg an und berichtete ihm von dem Attentat auf Hitler im Münchener Bürgerbräukeller. Verantwortlich sei der SIS. Hitler habe ihm, Himmler, den Befehl erteilt, die englischen Geheimdienstoffiziere festzunehmen und mithilfe eines SS-Sonderkommandos nach Deutschland zu bringen. In einem Venloer Café wartete Schellenberg daraufhin Hitlers »persönliche Gefangene«  87

auf Best und Stevens, die von einem SS-Sonderkommando überwältigt und nach Düsseldorf entführt wurden. Überzeugt, den SIS der Urheberschaft für das Attentat überführen zu können, ließ Hitler sich die täglichen Vernehmungsprotokolle vorlegen. Schellenberg gab später an, sich mehrfach für die Freilassung der Briten eingesetzt zu haben, doch soll Himmler dies ausdrücklich und mit Hinweis auf Hitler abgelehnt haben. 1944 habe er ihm sogar verboten, überhaupt noch diesen Fall anzusprechen. Die Entführten wurden in Konzentrationslager eingeliefert, Best erhielt den Decknamen »Wolf«, der zweite Entführte, Stevens, seit 1938 Angehöriger des SIS, wurde zu »Richard Fuchs«. Es ist ein Ausdruck der Inkonsequenz des Nationalsozialismus, dass keiner der Mithäftlinge die Identität Bests erfahren sollte, obwohl dessen Foto millionenfach veröffentlicht worden war. So schrieb der ehemalige österreichische Bundeskanzler Kurt Schuschnigg, der »Dr. Auster« genannt werden musste, obwohl auch sein Bild bekannt war, am 15. April 1945: »Mr. Best sagt, dass er mich nach früheren Pressefotografien wiedererkannte, ich kann erwidern, dass es umgekehrt nicht anders stand. Denn im November 1939 (im Münchener Polizeigefängnis) war der Völkische Beobachter im Zusammenhang mit der Schilderung des berühmten Attentats auf Hitler im Bürgerbräukeller durch Tage voll mit den Bildern des Intelligence-Service-Agenten Mr. Best, des ›ruchlosen Anstifters des verbrecherischen Mordanschlags auf den Führer‹.« 21 Best machte Schuschnigg weis, er habe Elser »durch Jahre im KZ Sachsenhausen gesehen und auch gesprochen«. Elser sei von der Gestapo eine Summe von 40 000 Mark, nach Kriegsende zahlbar, versprochen worden. Hier zeigt sich erneut, wie unglaubwürdig die Aussagen von Best waren. Denn in seinen schriftlichen Darlegungen für den Untersuchungsrichter beim Landgericht München II erklärte er, er habe Elser in Sachsenhausen nur ein paar Sekunden beim Duschen gesehen, aber über zwei Jahre mit Kassibern mit ihm in Verbindung gestanden.22 Den Aussagen Bests muss auch in anderer Hinsicht mit größter Zurückhaltung begegnet werden. In seinem Buch The Venlo Incident gab er München als Elsers Geburtstort an.23 Tatsächlich aber wurde Elser am 4. Januar 1903 bei Heidenheim geboren. Ebenso schrieb Best, Elsers Mutter sei gestorben, als er noch ziemlich klein gewesen sei. Sie starb 88  In Hitlers Hand

jedoch erst 1960. Falsch ist demnach auch Bests Behauptung, sein Onkel habe ihn »mehr recht als schlecht« erzogen. Desgleichen unterstellte Best Elser fälschlicherweise, dieser sei schon vor dem Attentat als »Asozialer und Arbeitsscheuer« im KZ Dachau inhaftiert gewesen.

Unbändiger Hass auf Pfarrer Niemöller Anders als im »Fall Elser« erregte die Verhaftung des Berlin-Dahlemer Pfarrers Martin Niemöller internationale Aufmerksamkeit. Während Elser in der Anonymität der Konzentrationslager verschwand, setzten sich deutsche und ausländische Geistliche immer wieder für Niemöllers Freilassung ein und bewirkten damit das genaue Gegenteil ihres Anliegens. Niemöller galt als einer der aktivsten Führer der oppositionellen Bekennenden Kirche und war Gründer des Pfarrer-Notbunds. Unter dem Vorwurf der Heimtücke, des Kanzelmissbrauchs und der Aufforderung zum Ungehorsam wurde er am 1. Juli 1937 festgenommen. Obwohl zu dieser Zeit Tausende von Geistlichen verhaftet wurden, richtete sich der besondere Zorn der NS-Führung gegen Niemöller. Albert Speer beispielsweise schrieb in seinen Erinnerungen: Eine weitere ungewöhnliche Erregung verursachte 1937 Niemöller, der wieder einmal eine aufsässige Predigt in Dahlem gehalten hatte; gleichzeitig wurden Protokolle abgehörter Telefongespräche Niemöllers vorgelegt. Mit bellender Stimme befahl Hitler, Niemöller in ein Konzentrationslager zu verbringen und wegen erwiesener Unverbesserlichkeit nie mehr daraus zu entlassen.24

Propagandaminister Goebbels ging in seinen Tagebüchern immer wieder auf Niemöller ein und ließ seinem Hass gegen den Pfarrer und die Kirche insgesamt freien Lauf, so in einer Notiz vom 3. Juli 1937: »Pfarrer Niemöller endlich verhaftet. Ganz kurz in der Presse gebracht. Nun aber verknacken, dass ihm Hören und Sehen vergeht. Nie mehr loslassen.«25 Unter dem 5. August 1937 schrieb Goebbels: »Bericht über die Straßendemonstrationen für Niemöller. Hetzende Pfaffen im Talar im Hintergrund. Die Polizei wie immer sehr ungeschickt. Verhaftet und Hitlers »persönliche Gefangene«  89

lässt wieder laufen.«26 Heftige Kritik äußerte er immer wieder an dem Verfahren gegen Niemöller. Im Vorfeld des Prozesses kritisierte er am 29. Januar 1938, das Richterkollegium sei »sehr ungeschickt zusammengesetzt« und bestehe zum großen Teil aus »Reaktionären«. Er werde retten, was noch zu retten sei. 27 Niemöllers Schicksal war besiegelt, wie aus Goebbels’ Anmerkung vom 5. Februar 1938 hervorgeht: Staatsanwalt und Dr. Crohne vom Justizministerium in Sachen NiemöllerProzess, der am Montag beginnen soll, empfangen. Grundsatz: möglichst kurz, harte Strafe, keine Öffentlichkeit. Die waren gerade im Begriff, schwere Fehler zu machen. Das kann ich noch verhindern. Für Agitation wird nun Niemöller keine Gelegenheit finden. Ich hoffe, es geht alles gut und ist in 3 Tagen zu Ende. Und frei kommt Niemöller sowieso nicht.28

Welche Bedeutung die NS-Führung dem Prozess beimaß, wird aus folgendem Tagebucheintrag vom 8. Februar 1938 ersichtlich: Prozess Niemöller nun vollkommen verfahren. Durch unsere dämliche Justiz. Die ist politisch gänzlich dumm und unbelastet. Lässt sich von diesem geriebenen Jungen vollkommen das Heft aus der Hand nehmen. Die Prozessteilnehmer von der Staatspolizei geben mir davon ein erschütterndes Bild. Ich spreche mit Freisler und sage ihm brutal meine Meinung. Gibt die schweren Fehler zu. Der Vorsitzende ist eine reaktionäre Figur. Die Rechtsanwälte haben ihr Mandat niedergelegt. Niemöller will nun gar nicht mehr aussagen. Schön! Also keinen Prozess machen und den Jungen verknaxen [sic], dass die Schwarte knackt. Das hilft. Stattdessen kann er 7 Stunden lang seinen heldenhaften Lebenslauf erzählen. Mit uns ist man früher nicht so human umgegangen. Ich habe eine Granatenwut. Aber ich denke, jetzt wird es anders werden. (…) Dieses Schwein von Niemöller sollte ich vor der Flinte haben. Die Juristen sind unfähige Tröpfe! 29

Trotz der massiven Einflussnahme auf den Prozess befand das Sondergericht Niemöller am 2. März 1938 zwar der staatsfeindlichen Hetze schuldig, verhängte jedoch ein relativ mildes Urteil von 2000 RM Geldstrafe und sieben Monaten Festungshaft, die durch die Untersuchungshaft als verbüßt galten. Noch am Gerichtsausgang wurde Niemöller auf Befehl Hitlers von der Gestapo erneut verhaftet und nunmehr als »persönlicher 90  In Hitlers Hand

Gefangener des Führers« in das KZ Sachsenhausen gebracht. Dort erhielt er die Nummer 569, die Zelle 1 im Zellenbau und musste Häftlingskleidung mit einem roten Dreieck auf der linken Brustseite tragen. Der »Fall Niemöller« führte zu Protesten im In- und Ausland. Der Münchener Pfarrer Karl Dörfler wandte sich am 8. März 1938 mit folgendem Schreiben an Himmler: Ich halte es für meine Pflicht, Ihnen in Ehrerbietung und vorbehaltloser Wahrhaftigkeit ein Bild von dem zu geben, welche Wirkungen und Gefühle die neuerliche Verhaftung Niemöllers auslöst und auslösen wird. (…) Ein deutsches Gericht hat nach achtmonatiger Voruntersuchung in vieltägiger Verhandlung Niemöller von jeder ehrenrührigen Handlung freigesprochen. (…) Nun aber liegt folgender Tatbestand vor, dass Niemöller nach dem Gerichtsurteil, das seine Festungshaft durch die Untersuchungshaft als abgebüßt erklärte, hätte entlassen werden müssen, durch politische Gewalt jedoch wird er in einem Konzentrationslager festgehalten. (…) Haben Sie doch bitte, hochverehrter Herr Reichsführer, ein Verständnis dafür, dass wir, wenn wir nicht ehrlos und undeutsch werden sollten, gar nicht anders können als bis zum Letzten für Niemöller einzutreten. (…) Der Schaden, der für den Staat durch die Verhaftung Niemöllers entsteht, ist ungleich größer als der Gewinn daraus, dass Niemöller mundtot gemacht ist. 30

Himmler antwortete unter anderem, man werde sich in Deutschland daran gewöhnen müssen, »dass Leute, die für ihre regierungs- und staatsfeindliche Betätigung vom Ausland gelobt werden, automatisch wie Landesverräter in Schutzhaft genommen werden. Es liegt absolut in der Macht des Einzelnen, dieses Lob des Auslandes von sich abzulenken«.31 Der Einsatz besonders des Auslandes schadete Niemöller also erheblich. So antwortete der Chef der Sipo am 21. Februar 1939 auf eine Anfrage aus Norwegen, er sehe sich aus grundsätzlichen Erwägungen »nicht in der Lage, dem Bischof Berggrav eine Möglichkeit zu einem Besuch des Schutzhäftlings Pfarrer Niemöller zu eröffnen«. 32 Zur Begründung führte er die »aufrührerische Propagandatätigkeit des Auslandes für Niemöller« an. Demgegenüber, und dies ist bemerkenswert, hatte das Auswärtige Amt diesen Besuchswunsch unterstützt. Selbst als KZ-Häftling blieb Niemöller im Blickfeld von Goebbels. Dieser schrieb am 22. Dezember 1940: Hitlers »persönliche Gefangene«  91

Niemöller bittet um Gnade. Kommt nicht infrage. Soll gut essen, dick werden, dass niemand ihn mehr mit einem Märtyrer verwechseln kann. Aber auf die Menschheit wird er nicht mehr losgelassen. Das hätte er sich eher überlegen sollen.33

Im Juli 1941 wurde Niemöller nach Dachau verlegt und erhielt hier als »Sonderhäftling« die Nummer 26 679. Erst im Frühjahr 1943 wurden ihm zweistündige Spaziergänge erlaubt. Seine Ehefrau Paula, die in Leoni am Starnberger See lebte, durfte ihn nun besuchen, zuletzt am 21. April 1945 nach seinem 56. Geburtstag. Niemöller gehörte kurz darauf zu den »Sonder- und Ehrenhäftlingen«, die in Südtirol ihre Freiheit wiedererlangten. Angesichts der Bekanntheit Niemöllers spielte sein Fall vor dem Nürnberger Militärtribunal eine besondere Rolle. Dort versuchten die angeklagten NS-Kriegsverbrecher, ihre Hände in Unschuld zu waschen. Hermann Göring gab am 14. März 1946 zu, er habe gewusst, »dass zunächst in Deutschland eine Reihe von Geistlichen ins KZ gebracht worden war«.34 Der Fall Niemöller sei allgemein bekannt gewesen. Hans Fritzsche, Leiter der Rundfunkabteilung im Reichspropagandaministerium, gab sich am 28. Juni 1946 ahnungslos: Selbstverständlich habe er sich »nach so bekannten Persönlichkeiten, wie nach Pfarrer Niemöller oder Schuschnigg [erkundigt] oder nach dem verhafteten Privatsekretär von Heß, Leipkin. Immer erhielt ich beruhigende Auskünfte«.35 Generalfeldmarschall Wilhelm Keitel behauptete am 5. April 1946, in zwei Fällen habe er sich bemüht, Persönlichkeiten aus Konzentrationslagern herauszuholen.36 Auf Wunsch von Großadmiral Erich Raeder und mithilfe von Abwehrchef Wilhelm Canaris habe er versucht, Niemöller zu befreien, das sei nicht gelungen. Im Übrigen habe er natürlich nichts von den Misshandlungen und Folterungen in den Konzentrationslagern gewusst. Alfred Rosenberg, NS-Chefideologe und unter anderem Leiter des Reichsministeriums für die besetzten Ostgebiete, gab sich am 16. April 1946 ebenfalls unwissend. Er habe nur von den Konzentrationslagern Oranienburg und Dachau gehört und nie eines besucht. Als der Prozess gegen Niemöller stattfand, habe er einen Mitarbeiter seiner Dienststelle zur Beobachtung geschickt, weil ihn der Fall »dienstlich und menschlich« interessierte. Hitler habe ihm dazu gesagt: »Ich habe von Pastor Niemöller nur eine bindende Erklärung gefordert, dass er als 92  In Hitlers Hand

Pfarrer nicht gegen den Staat Kampferklärungen abgibt. Das hat er abgelehnt, und ich kann ihn eben nicht freilassen. Im Übrigen habe ich befohlen, dass er auf das Anständigste behandelt wird, dass er als starker Raucher die besten Zigarren bekommt, und dass er alle wissenschaftlichen Forschungsmöglichkeiten erhält, falls er das wollte.«37 Ausgerechnet der berüchtigte letzte Kommandant des Vernichtungslagers Auschwitz, SS-Obersturmbannführer Rudolf Höß, rechtfertigte in seinen autobiographischen Notizen Niemöllers Gefangenschaft und beschrieb sie in den leuchtendsten Farben. In Sachsenhausen habe er alle »überhaupt möglichen Hafterleichterungen« erhalten, Seine Frau habe ihn jeden Monat besuchen und ihm Bücher, Tabakwaren und Lebensmittel bringen dürfen. Niemöller habe zudem »auf Wunsch im Hof des Zellenbaus spazieren gehen« dürfen, und er habe in seiner Zelle auch »Bequemlichkeiten« gehabt: »Kurzum, was angängig war, wurde für ihn getan.«38 In Dachau sei er Niemöller wiederbegegnet. Der Pfarrer habe die Jahre seiner Haft gut überstanden: »Für sein leibliches Wohl war stets ausreichend gesorgt worden, und es ist ihm bestimmt niemand zu nahe getreten. Er wurde stets zuvorkommend behandelt.«

Josef Wagner – Hitlers »Privatgefangener« »Privatgefangener des Führers« war Josef Wagner, einst treuer Anhänger Hitlers. Der in Lothringen geborene Wagner war schon 1922 in die NSDAP eingetreten und wurde im September 1933 zum Preußischen Staatsrat ernannt.39 Er war Leiter des NSDAP-Gaus Ruhr und WestfalenSüd und im Januar 1935 zusätzlich Gauleiter in Schlesien. Sein Aufstieg schien unaufhaltsam, denn im Juni 1935 folgte die Ernennung zum Oberpräsidenten der beiden Provinzen Nieder- und Oberschlesien sowie im Oktober 1936 zum Reichskommissar für die Preisbildung. Wagner erhielt zwar noch das Amt des Reichsverteidigungskommissars für den Wehrkreis VIII – Schlesien – und wurde auch Staatssekretär, doch war er der NS-Spitze längst ein Dorn im Auge. Sein Bekenntnis zur katholischen Kirche, seine angeblich zu großen Sympathien für die polnische Bevölkerung Schlesiens und seine Kritik an der Rassepolitik der Nationalsozialisten brachten ihn schließlich zu Fall. In Breslau hatte er beispielsweise einen Aufruf veröffentlicht, in dem es hieß:

Hitlers »persönliche Gefangene«  93

Es gibt immer noch Menschen, die sich berufen fühlen, einen Kampf gegen das Judentum oder andere hier und da noch aufzufindende Feinde des Staates führen zu müssen. Sie glauben, ihren meist etwas sehr spät erkannten Nationalsozialismus dadurch unter Beweis zu stellen, dass sie jüdische Geschäfte mit Zetteln bekleben oder nach Art wild gewordener Spießer andere antijüdische Kundgebungen veranstalten. Diesen Volksgenossen sei hiermit letztmalig gesagt, dass ich mir diese Kampfmethoden mit aller Entschiedenheit verbitte.40

Später spielten seine Gegner Hitler ein Schreiben seiner Ehefrau zu, in dem diese sich gegen die Heirat ihrer Tochter mit einem konfessionslosen SS-Offizier gewandt hatte. Wagner wurde daraufhin am 9. November 1941 von Hitler selbst aller Ämter enthoben. In Goebbels’ Tagebüchern ist dazu zu lesen, Hitler habe »ein klirrendes Scherbengericht« abgehalten.41 Wagners »klerikale Einstellung [ist] eines Gauleiters unwürdig. Bei Gelegenheit der Verheiratung seiner Tochter mit einem gottgläubigen Kriegsberichterstatter hat seine Frau einen Brief an dieser geschrieben, der einfach jeder Charakterisierung spottet.« Wagner wurde 1942 aus der Partei ausgeschlossen. Zunächst konnte er noch in seinem Haus bleiben. Der Leiter der NSDAP-Parteikanzlei, Martin Bormann, informierte Himmler am 21. Oktober 1943, Hitler wünsche, dass Wagner durch die Gestapo überwacht werde.42 Nach dem gescheiterten Attentat vom 20. Juli wurde Wagner verhaftet. Isa Vermehren begegnete ihm im Potsdamer Polizeigefängnis. Ihr gegenüber bekannte er freimütig, die Arbeit seiner letzten zwanzig Jahre sei ein Irrtum gewesen, der sich zum Verbrechen ausgewachsen hätte.43 Die Umstände der Haft Wagners sind nicht bekannt. Zu seinem Tod heißt es in der Literatur, Wagner sei nach der Befreiung Berlins »durch Unglücksfall« von einem russischen Soldaten in Berlin erschossen worden. Dies stimmt allerdings nicht. Vielmehr finden sich im Landesarchiv Berlin Dokumente, aus denen unzweifelhaft hervorgeht, dass Wagner am 22. April 1945 von Potsdam nach Berlin gebracht und hier in der Gestapo-Zentrale durch Genickschuss getötet wurde.44 Drei Wochen nach dem Mord fand die Witwe, Maria Wagner, ihren ermordeten Mann unter den Leichen von vierzig anderen in den letzten Kriegstagen von der Gestapo Hingerichteten.

94  In Hitlers Hand

»Ehrenhaft« für den österreichischen Bundeskanzler

Die österreichische Regierung erst unter Kanzler Engelbert Dollfuß und dann unter Kurt Schuschnigg stand den Nationalsozialisten weitgehend ablehnend gegenüber. Zwar gab es in Österreich nicht – wie in den meisten besetzten Ländern – eine Landesgruppe der NSDAP, die Hitlers Interessen wahrnahm, doch existierte eine österreichische NSDAP, die weitestgehend von München und später von Berlin gelenkt wurde. Wie in Deutschland terrorisierte diese Partei das Land und versuchte, es zu destabilisieren. Außerdem setzte Hitler nach der »Machtergreifung« die Wiener Regierung mit zahlreichen Repressalien zunehmend unter Druck. Nach dem nationalsozialistischen Putschversuch vom 25. Juli 1934, bei dem Dollfuß getötet wurde und über zweihundert weitere Menschen starben, befürchtete sein Nachfolger Schuschnigg nicht grundlos, ebenfalls den Nationalsozialisten zum Opfer zu fallen. Es wurde daher am 15. Oktober 1934 festgelegt, dass Staatssekretär Hans HammersteinEquord die Amtsgeschäfte übernehmen sollte, falls »der Bundeskanzler und der Vizekanzler ihrer Freiheit beraubt sind oder sonst wie ihren Regierungsgeschäften ihren Regierungsgeschäften nicht nachkommen können«.1 Sollte dies nicht möglich sein, sollten der Wiener Polizeipräsident Michael Skubl beziehungsweise dann Walter Adam vom Bundeskommissariat für den Heimatdienst die Amtsgeschäfte führen. Kurt Schuschnigg versuchte lange Zeit, die Unabhängigkeit Österreichs zu wahren, ging Konzessionen ein und nahm gezwungenermaßen auch Nationalsozialisten in die Regierung auf. Dennoch stellte er immer wieder einen Störfaktor dar, den Hitler beseitigen wollte. Propagandaminister Joseph Goebbels notierte beispielsweise am 15. Dezember 1937 nach einem Besuch bei Hitler: »Papen entwickelt einen Plan, um Schuschnigg zu stürzen. Der Kater lässt das Mausen nicht. Aber das ist ganz gut so. Schuschnigg wird zu stark und zu frech.«2 Als die Wehrmacht in Österreich einmarschierte und Hitler den »Anschluss« offiziell durch das am 13. März 1938 verabschiedete »Ehrenhaft« für den österreichischen Bundeskanzler  95

Gesetz über die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich vollzog, war dies für Schuschnigg gleichbedeutend mit dem Freiheitsverlust für viele Jahre. Vorerst wurde er – bis zum 28. Mai 1938 – im Gärtnerhaus von Schloss Belvedere unter Hausarrest gestellt. Erst stellte die SS die Wachen, dann die sogenannte Österreichische Legion.3 Auf Befehl des Wiener NSDAP-Gauleiters Josef Bürckel wurde er anschließend in das Hotel Metropol gebracht, das der Chef der Sipo und des SD, Reinhard Heydrich, als sein Wiener Hauptquartier beschlagnahmt hatte. Der fünfte Stock des Hotels wurde in den kommenden Monaten als Gefängnis für Kurt Schuschnigg und den gleichfalls verhafteten Bankier Louis Freiherr von Rothschild genutzt. Mit Schuschnigg war auch dessen spätere Ehefrau Vera ins Visier der Gestapo geraten. Die geborene Gräfin Czernin von und zu Chudenitz war in erster Ehe mit Leopold Graf Fugger von Babenhausen verheiratet gewesen und hatte mit ihm vier Kinder. Bereits während ihrer Ehe, die 1936 geschieden und 1937 kirchlich annulliert wurde, war sie mit Schuschnigg liiert und zu ihm ins Schloss Belvedere gezogen. Nun unterlag sie zahlreichen Restriktionen und wurde auf Schritt und Tritt observiert.4 Als besondere Vergünstigung erlaubte ihr Generalfeldmarschall Hermann Göring bei seinem Besuch in Wien im März 1938, mit ihren Kindern, die sich in Bayern aufhielten, zu telefonieren. Um die für die Trauung mit dem inhaftierten Kurt Schuschnigg notwendigen Papiere vorzulegen, musste sie nach Wien in ihre Wohnung in der Theresianumgasse. Dabei wurde sie von einem SS-Führer und einem Kriminalbeamten begleitet, die die Gelegenheit gleich zu einer Hausdurchsuchung nutzten. Am 1. Juni 1938 fand die Heirat in der Wiener Dominikanerkirche unter höchst denkwürdigen Umständen statt. Göring hatte dem Heiratsgesuch zugestimmt, das Reichssicherheitshauptamt es jedoch abgelehnt. Die kirchliche Trauung fand dennoch statt, und zwar ohne Wissen Schuschniggs. Er wurde durch seinen Bruder Artur vertreten. Der Londoner Daily Express titelte am 4. Juni 1938: »Dr. Schuschnigg marries – by proxy – and his countess bride does not know where he is – Dr. Schuschnigg heiratet durch Stellvertreter –, und seine adelige Braut weiß nicht, wo er ist.«5 Vera Schuschnigg erhielt vorerst die Erlaubnis, jeweils freitags ihren Mann unter Aufsicht der Gestapo für zehn Minuten in seinem Zimmer 96  In Hitlers Hand

im Hotel Metropol zu sprechen. Über die Begegnungen wurden Protokolle geführt, beispielsweise am 5. August 1938: Sie hatte einen Koffer mit Wäsche und Früchten mitgebracht, der eingehend untersucht wurde. Bücher wurden zur Überprüfung mitgenommen. Das Gespräch bezog sich auf Fragen der Kindererziehung und Nachrichten aus der Verwandtschaft und »gab zu Beanstandungen keinen Anlass«. Beiden wurde mitgeteilt, dass »wöchentlich je ein Brief herein- und herausgehen dürfe«, sie hätten Gelegenheit, sich an jedem Freitag »mündlich zu besprechen«.6 Offensichtlich überkamen Schuschnigg in dieser Phase seiner Haft Depressionen, denn am 18. August 1938 meinte er gegenüber seiner Frau, so jedenfalls in dem Vermerk der Stapo-Leitstelle Wien, »es wäre wohl für die Frau u. die Kinder besser, wenn er nicht mehr wäre«.7 Daraufhin wurde dem Wachhabenden befohlen, besonders wachsam zu sein und »Schuschnigg beim Rasieren nicht aus den Augen zu lassen«. Am 13. Oktober 1938 ordnete Himmler an, dass ihm wöchentlich ein Bericht über den Gesundheitszustand des Häftlings vorzulegen sei. Schuschnigg wurde von nun an jeweils samstags ärztlich untersucht.8 Am 29. August 1938 verschärfte die Stapo-Leitstelle Wien die Haftbedingungen und nahm als Vorwand die am 17. August 1938 verfügte Errichtung des Staatsgerichts in Wien.9 Mitglieder ehemaliger österreichischer Bundesregierungen konnten demnach zur Verantwortung gezogen werden, falls sie sich einer »volksfeindlichen Handlung« schuldig gemacht hatten. Es sei nicht ausgeschlossen, dass nun Verwandte oder Freunde Gift übermitteln ließen, um Schuschnigg dem Gerichtshof zu entziehen, gab die Gestapo vor. Nur noch Wäsche und Bücher durfte Vera Schuschnigg jetzt ihrem Mann mitbringen. Im Weiteren wurde darauf hingewiesen, »dass Schuschnigg sich inzwischen einen solchen Haarschopf hat wachsen lassen, dass er dringend eines Friseurs bedarf«. Beim Sanitätskorps der SS-Totenkopfverbände sollte versucht werden, »einen Sanitäter oder Feldscher ausfindig zu machen, der dem Schuschnigg die Haare schneidet«. Am 1. September 1938 schlug der Leiter der Stapo-Leitstelle Wien, Humbert Pifrader, beim Geheimen Staatspolizeiamt (Gestapa) in Berlin vor, Schuschnigg ins »Altreich« zu verlegen, ebenso Louis von Rothschild. Schuschnigg sei nun schon drei Monate im Haus und derart nervös, dass »bei Nichtänderung des gegenwärtigen Zustandes in absehba»Ehrenhaft« für den österreichischen Bundeskanzler  97

rer Zeit mit der Abgabe in ein Krankenhaus zu rechnen ist«.10 Dies wurde zunächst abgelehnt, Pifrader solle sich erst einmal mit dem Gestapo-Chef und Inspekteur des Sicherheitsdienstes in den Reichsgauen Wien, Niederdonau und Oberdonau, SS-Brigadeführer Franz Josef Huber, in Verbindung setzen. Bereits am 23. August 1938 hatte das Gestapa Berlin der Gestapo Wien in einem Fernschreiben mitgeteilt, Himmler lehne die Überstellung »Dr. Austers« – hier wurde sein künftiger Deckname bereits vorweggenommen – ins Altreich ab, zumal in einem Konzentrationslager bereits die Bauarbeiten »zur Unterbringung des Dr. A.« einschließlich seiner Frau begonnen hätten.11 Zwischenzeitlich sollten alle Fluchtmöglichkeiten ausgeschlossen werden, unter anderem durch den Einbau von Sicherungstüren. Der Dauerdienst solle nachts öfter Kontrollen durchführen. Die Stapo-Leitstelle wandte sich zwar gegen diese Regelung, doch blieben alle »diesbezüglichen Vorstellungen beim Staatssekretär Kaltenbrunner erfolglos«.12 Am 7. September 1938 übernahm die Wiener Schutzpolizei Schuschniggs Bewachung. Himmler selbst hatte angeordnet, die von der »SSVerfügungstruppe, Standarte SS 3« gestellte Wache abzulösen und sie durch »reichsdeutsche« Polizisten zu ersetzen.13 Nunmehr erneuerte der Leiter der Wiener Stapo-Leitstelle die Forderung nach Überführung von Schuschnigg, da er nach Abzug der SS-Bewachung »die Verantwortung für Sch. im bisherigen Ausmaße nicht mehr übernehmen« könne.14 Drei Revierinspektoren und achtzehn Wachtmeister überwachten Schuschnigg nun rund um die Uhr. Aus der mehrseitigen Wachvorschrift sind vor allem folgende Punkte hervorzuheben: 7. Die Wachmannschaft hat dem Sch. gegenüber ein höfliches, aber militärisch knappes Verhalten an den Tag zu legen. Politische Unterhaltungen sind nicht gestattet. Ebenso ist es verboten, Sch. zu Ordnungsarbeiten heranzuziehen. 8. Die Bewachung ist geheim zu halten. 9. Der Aufenthalt auf dem Gang vor dem Wachzimmer und das Passieren des Ganges ist nur der Wachmannschaft und den durch Parole ausgewiesenen Personen gestattet. 10. Zutritt zu Sch. hat nur derjenige, der sich durch Parole, die täglich um 10 Uhr auf Zimmer 316 abzuholen ist, ausweist. (…)

98  In Hitlers Hand

13. Es ist Sch. gestattet, sich in dem ihm zur Verfügung gestellten Raum frei zu bewegen. Die Tür ist geschlossen (aber nicht verschlossen) zu halten. Das rechte Fenster (von der Tür aus gesehen) bleibt stets geschlossen. Das linke Fenster kann geöffnet werden. Die Öffnung des Fensters erfolgt nur durch den Wachtmeister. Solange das linke Fenster geöffnet ist, ist es dem Sch. nicht gestattet, sich in dem Raum an einer Stelle so aufzuhalten, dass er von dem gegenüberliegenden Gebäude gesehen werden kann.15

Es war ihm gestattet, »sich nach Belieben zu verpflegen«. Speisen und Getränke wurden von dem Bedienungspersonal auf einem Tisch im Gang des fünften Stockwerks abgestellt. Der Wachhabende hatte dafür zu sorgen, »dass kein übermäßiger Verbrauch von Alkohol und Zigaretten erfolgt«. Sollte Schuschnigg an einem Tag mehr als dreißig Zigaretten verlangen, war Meldung zu erstatten. Weiter erhielt er dreimal täglich eine Lubrokaltablette.16 Bei den morgens erlaubten Freiübungen war darauf zu achten, dass er von der gegenüberliegenden Häuserfront aus nicht gesehen werden konnte. Selbst auf dem WC musste Schuschnigg bei geöffneter Tür »in taktvoller Weise« beobachtet werden. Ergänzt wurde die Wachvorschrift durch die Erlaubnis, jeden Samstag in den frühen Abendstunden im vierten Stockwerk in Anwesenheit zweier Wachposten ein Bad zu nehmen.17 Schuschnigg und Rothschild erhielten am 12. Dezember 1938 Besuch von Himmler. Begleitet wurde er vom Inspekteur der Sicherheitspolizei, SS-Standartenführer Werner Stahlecker, und seinem Chefadjutanten, SS-Gruppenführer Karl Wolff. Im Vermerk über diesen Besuch heißt es: »Der Reichsführer begab sich unverzüglich zum 5. Stock, um dort die beiden Häftlinge aufzusuchen. (…) Der Reichsführer hat nach dem Besuch der beiden Häftlinge eine wohnlichere Aus­ gestaltung der Zimmer verfügt und ferner angeordnet, dass in beiden Räumen je ein Radioapparat aufgestellt wird.«18 Er befahl zwar die Neuinstallation von Toiletten im Dachraum, verbot aber, Schuschnigg die dringend benötigte Brille zurückzugeben. Dieser wurde innerhalb des Gebäudes in das bisherige Tageslokal der diensthabenden Wachbeamten verlegt, seine Frau durfte ihn sogar für drei Stunden ohne anwesende Polizisten besuchen. In den nächsten Wochen wurden die Gefangenenräume neu ausgestattet.19 Das Bestandsverzeichnis für Schuschnigg führte unter anderem auf: »Ehrenhaft« für den österreichischen Bundeskanzler  99

»1 Klubgarnitur bestehend aus 3 geschnitzten Sessel mit zwei Polstern, 1 runder Tisch mit Decke und Tischlampe; 2 Holztische mit je einer Tischdecke, 1 Stuhl, 1 Sessel, 1 Bett mit drei Rosshaarmatratzen und drei Flanelldecken, (…) 1 Waschtisch mit Waschbecken, Krug und Wasserkübel, (…) 1 Ottomane, 1 Schreibmaschine, Marke Underwood Nr. 43,108.649, 2 Ölgemälde, 3 Teppiche, 2 Laufteppiche.«20 Im Haftraum von Louis Rothschild fanden sich darüber hinaus eine elektrische Wärmelampe, ein Aschenbecher sowie »2 elektrische Kocher (Eigentum des Häftlings)«. Die Nationalsozialisten hatten Schuschniggs gesamtes Vermögen beschlagnahmt. Lediglich für die Bezahlung der Lehrer, die seinem Sohn aus erster Ehe Privatunterricht erteilten, wurde ein kleiner Teil freigegeben. Für seine Verpflegung musste er selbst aufzukommen. »Frau von Schuschnigg übergibt dem Schuschnigg laufend Geldbeträge, aus denen er seine Lebenshaltungskosten bestreitet«, hieß es in einem Bericht der Stapo Wien aus Anlass des sich ständig verschlechternden Gesundheitszustands des Gefangenen vom 17. Februar 1939.21 Schuschniggs aß immer weniger, erklärte, er habe keinen Appetit und müsse mit den ihm noch verbliebenen wenigen Geldmitteln zugunsten seines Sohnes haushalten. Der zuständige SS-Arzt ordnete zwar an, dass Schuschnigg täglich drei Mahlzeiten einzunehmen habe, doch zweifelten seine Bewacher, dass er dies tun werde. Sie argwöhnten: »Schuschnigg scheint darauf auszugehen, seinen allgemeinen Kräftezustand durch geringe Nahrungsaufnahme so zu verschlechtern, dass seine Überführung in ein Krankenhaus erforderlich wird. Es ist mit ziemlicher Sicherheit anzunehmen, dass Schuschnigg, falls er später gegebenenfalls auf freien Fuß gesetzt wird, die Behauptung aufstellen und verbreiten wird, man habe ihn in Haft genommen und mit angesehen, wie er langsam verhungere.« Um dem entgegenzuwirken, sollten ihm »die vollständigen Mahlzeiten gegeben und die Kosten hierfür auf die Staatskasse übernommen werden«. Am 20. Februar 1939 erging die entsprechende Anweisung, wobei Schuschnigg erklärt wurde, würde er in einem Spital untergebracht, seien die Bedingungen weitaus weniger angenehm als in seinen derzeitigen Hafträumen.22 SS-Brigadeführer Franz Josef Huber nutzte den Bericht an seine Vorgesetzten gleichzeitig, um nochmals nachdrücklich die Verlegung Schuschniggs anzumahnen. Der größte Teil des fünften Stocks des 100  In Hitlers Hand

Dienstgebäudes habe für die Häftlinge umgebaut werden müssen. Schuschnigg könne keine Spaziergänge an der frischen Luft machen. Der vom Arzt angeordnete Frühsport bei geöffnetem Fenster könne das nicht ersetzen. »Eine Erkrankung des Schuschnigg während der Haft im hiesigen Dienstgebäude würde zweifellos zu neuen Gräuelberichten über seine Unterbringung in einem Dienstgebäude der Geheimen Staatspolizei führen«, war die Befürchtung. Zu dieser Ansicht gelangte jetzt auch das RSHA, wie Pifrader nach einem Telefonat mit Reichskommissar Bürckel und SS-Gruppenführer Kaltenbrunner festhielt.23 Bürckel stellte nun »jede weitere Maßnahme gegen Sch. dem Ermessen des Gestapa anheim«, und Kaltenbrunner sprach sich »für einen Zwangsaufenthalt des Sch. und Ehefrau in Gera [im Gespräch waren auch Hildesheim und Detmold] unter Kontrolle des dortigen Höheren SS- und Polizeiführers, SS-Obergruppenführer Erbprinz von WaldeggPyrmont [sic]« sowie für »besondere Maßnahmen, die eine Verbindung des Dr. Sch. mit politischen Akteuren verhindern«, aus. Erwogen wurde ein »probeweiser Zwangsaufenthalt« mit folgende Maßnahmen »gegen Dr. Sch. und Ehefrau«: 1. Örtliche Beschränkung und Verbot des Besuchs öffentlicher Veranstaltungen und Gaststätten. 2. Passentziehung (Die Ehefrau des Sch. ist im Besitze eines gültigen Reisepasses). 3. Briefwechselbeschränkung und Vorlagepflicht ein- und ausgehender Briefe. 4. Aufrechterhaltung der Vermögenssicherung, jedoch monatliche Zuweisung einer bestimmten Summe. 5. Verbot des Haltens eines Rundfunk- und Telefonapparates. 6. Tägliche Aufenthaltspflicht in der Wohnung für bestimmte Tagesstunden, damit stichprobenweise staatspolizeiliche Kontrolle ohne Aufsehen erfolgen kann. 7. Verbot des Besuchsempfanges jeglicher Art ohne Genehmigung der zuständigen Stapo. 8. Wenn Dienstpersonal, nicht Ostmärker [Österreicher]. 9. Zusichnahme seines 11 Jahre alten Sohnes, der zurzeit Privatunterricht genießt, Besuch öffentlicher Schule in Gera. (Vorherige Besprechung mit zuständigem Schulleiter.) 10. Auflage, im Falle der Übertretung eines Gebotes sofortige Trennung von seiner Ehefrau bezw. Inschutzhaftnahme.24 »Ehrenhaft« für den österreichischen Bundeskanzler  101

Ende Juni 1939 zeichnete sich die Verlegung von Schuschnigg ins »Altreich« ab. Am 30. Juni 1939 wurde die Stapo-Leitstelle Wien darüber informiert, auf Befehl Himmlers würden Vorbereitungen getroffen, »den Schutzgefangenen Schuschnigg mit seiner Frau zusammenwohnen zu lassen, wobei zwar Frau Schuschnigg keinesfalls als mit in Haft befindlich angesehen wird, sich jedoch bestimmten Bedingungen zu unterwerfen hat«. 25 Bis spätestens September/Oktober solle diese Anordnung umgesetzt werden. Im Zusammenhang mit der Überstellung nach Deutschland erhielt Schuschnigg einen Decknamen, der ihn bis zu seiner Befreiung im April 1945 begleitete. Das Geheime Staatspolizeiamt Berlin wies am 14. August 1939 an, »in allen Angelegenheiten, die Dr. Schuschnigg betreffen, aus naheliegenden Gründen ausschließlich den Decknamen Dr. Auster zu verwenden«. 26 Nachdem die Stapo-Leitstelle Wien Schuschniggs Verlegung am 2. September 1939 nochmals angemahnt und gefragt hatte, wie lange »Dr. Auster« noch in Wien bleiben solle – schließlich binde er vierundzwanzig Beamte – wurde Schuschnigg am 29. Oktober 1939 nach München in das Gestapo-Gefängnis im Hof der Stapo-Leitstelle, des Wittelsbachpalais, überstellt und kam hier in Einzelhaft. Vera Schuschnigg zog in ein kleines Zimmer in einer Münchener Pension und konnte ihren Mann einmal in der Woche für drei Stunden besuchen. Am 23. März 1941 wurde die gemeinsame Tochter Maria Dolores Elisabeth – »Puppi«, häufig auch »Sissy« – geboren. Vera Schuschnigg blieb zwei Wochen in der Münchener Rotkreuz-Klinik und kehrte dann wieder in die Pension zurück. Bis zum 8. Dezember 1941 blieb Schuschnigg im Münchener Gestapo-Gefängnis, um dann mit seiner Frau in das Konzentrationslager Sachsenhausen gebracht zu werden. Wiederholt, zuletzt am 5. Februar 1940, hatte sie Himmler darum gebeten, bei ihrem Mann bleiben zu dürfen: »Nach reiflicher Überlegung stelle ich die Bitte und das Ansuchen, mir die Erlaubnis zu erteilen, mit meinem Gatten an seinem jetzigen Aufenthaltsort – bis zu einer endgültigen Regelung – zusammenleben zu dürfen. Ich erkläre mich bereit, jede Beschränkung meiner persönlichen Freiheit auf mich zu nehmen und alle Konsequenzen zu tragen. Ich ersuche Sie, meine Bitte an Herrn Reichsführer weiterzuleiten und zu befürworten.« 27 Die letzten Stunden in München und die ersten in Sachsenhausen beschrieb Schuschnigg in Ein Requiem in Rot-Weiß-Rot: 102  In Hitlers Hand

Am 7. Dezember nachmittags erklärte mir ein Beamter der Berliner Gestapo-Zentrale, dass abends der Zug geht. (…) In einem reservierten Abteil der II. Klasse des Nacht-D-Zuges wurde ich von zwei Gestapo-Funktionären nach Berlin begleitet. Vom Anhalter Bahnhof ging es im Auto nach Oranienburg, dem Konzentrationslager Sachsenhausen entgegen.28

Unter dem Datum 9. Dezember 1941 schrieb Schuschnigg die ersten Eindrücke nieder: Ein ungeheurer Komplex; eine Barackenstadt inmitten flacher, sandiger, von schütteren Kieferbeständen durchzogener Landschaft. (…) Hinter der Trostlosigkeit der berüchtigten Mauern haust das Heer des grauen, namenlosen Elends; (…) Am Ende des Lagers, in eigener hermetisch abgesperrter Gemarkung, mit eigenem Maschinengewehrturm und eigener Wache wächst die »Sonderhauskolonie« aus dem Boden; vier gleiche Blockhausbauten mit je etwa 300 m² völlig unbearbeitetem Sandgrund als Zubehör; voneinander und von der Außenwelt getrennt durch mehrfach gezogene, hohe Mauerriegel, die außerdem mit dem üblich elektrisch geladenen Stacheldraht bewehrt sind. (…) Zwischen den Baracken schleppen sich abgehärmte Gestalten, aschfahl im Gesicht – und fast alle mit flackernden Augen. Aber das Schauen und vor allem das Sprechen ist uns streng verboten. Vom Beobachtungsturm sieht uns der Posten fast unmittelbar in die Fenster.29

Vom 9. Dezember 1941 bis zum 6. Februar 1945 blieb Schuschnigg mit Frau und Tochter im Konzentrationslager Sachsenhausen. Vera Schuschnigg führte den Haushalt anfangs allein, bis dem Ehepaar Anfang 1942 eine zweiundzwanzigjährige Haushaltshilfe zugewiesen wurde. Briefe konnte Schuschniggs Frau unter der Anschrift »Dr. Vera Auster, Berlin W 9, Postschließfach 6« erhalten. Selbstverständlich wurde alle Post, die das Ehepaar über diese Adresse erreichte, kontrolliert. Andererseits hatte Schuschnigg die Möglichkeit, Briefe zu schreiben, zumeist an seinen Bruder Artur und an seinen Onkel Hermann. Vera durfte das Konzentrationslager verlassen. Bei ihren Fahrten nach Berlin gab sie die Briefe dort auf.30 Während seiner Unterbringung im Konzentrationslager schrieb Schuschnigg das Oranienburger Tagebuch, dem wichtige Erkenntnisse »Ehrenhaft« für den österreichischen Bundeskanzler  103

über seine Haftzeit, aber auch über das Leben anderer »Ehrenhäftlinge« zu verdanken sind: 2. Juli 1942: Heute Vormittag sind wieder vollbesetzte Camions mit tosendem Lärm an der Mauer vorüber; gepfropft voll mit jungen, uniformierten Burschen – SS-Volk natürlich. Sie äugen krampfhaft herein, um ein Momentbild aus der Siedlung hinter geladenem Stacheldraht zu erhaschen. Und brüllen dazu laut vernehmlich: – SCHUSCHNIGG! Das Pfui dazu hat wohl die lärmende Eile verschlungen. 11. Juli 1942: Kurt gekommen, der nunmehr schon sechzehn Jahre ist. Man hat bewilligt, dass er eine Woche bei mir verbringen darf. Es könnte ja manches ganz schön und erträglich sein. Trotzdem erschöpft sich alles in einem ewigen Hangen und Bangen. Im KZ – umgeben von geladenem Stacheldraht und Maschinengewehrtürmen – lässt sich eben offenbar die flüssige Harmonie einer Sinfonia domestica nicht erzwingen.

In einem Brief an seinen Bruder Artur beschrieb Schuschnigg den Tagesablauf. Um 8.30 Uhr stand er auf, »am Turm nebenan wird zweidutzendmal gemeldet, dass nichts Neues sei, das 1.M.G. geladen und gesichert«.31 Hitler hatte Schuschnigg jetzt einen Radioapparat genehmigt; der eigene war beschlagnahmt, um nicht verbotene Sender hören zu können. Am 6. März 1942 schrieb Schuschnigg an seinen Bruder, der »Volksempfänger« habe begeisterten Anklang gefunden.32 Obwohl zu den übrigen Sonderhäftlingen keinerlei Kontakt aufgenommen werden durfte, blieb ihm nicht verborgen, dass auch Rudolf Breitscheid mit seiner Frau Wilhelmine in einen der Sonderbauten eingewiesen wurde.33 Breitscheid war Vorsitzender der SPD-Reichstagsfraktion, emigrierte, wurde 1941 in Frankreich verhaftet und von der Vichy-Regierung ausgeliefert. Er wurde am 24. August 1944 im Konzentrationslager Buchenwald ermordet. Den Nationalsozialisten reichte es nicht, ihre Gegner zu inhaftieren, in vielen Fällen mussten die Gefangenen sogar für die Kosten ihrer Haft aufkommen. Dies galt auch für Schuschnigg, der sogar für die »Übersiedlung« von Wien beziehungsweise München nach Sachsenhausen zahlen musste. Am 23. Juli 1943 wurde ihm vom Reichssicherheitshauptamt mitgeteilt, er werde künftig monatlich einen Betrag von 450 Reichsmark erhalten. Mehr als die Hälfte musste Schuschnigg jedoch für 104  In Hitlers Hand

den Schulbesuch und die Internatserziehung seines Sohnes Kurt und 60 Mark monatlich an einen Wiener Spediteur zahlen, bei dem seine Möbel eingestellt waren. Die Situation, in der sich Kurt Schuschnigg befand, mutete irreal an. Er selbst in einem für damalige Zeiten recht komfortablen Haus innerhalb eines Konzentrationslagers gefangen gehalten, während wenige Meter von ihm entfernt Tausende von Menschen gefoltert und ermordet wurden. In diesem Umfeld wuchs seine Tochter auf, von der er am 13. November 1942 sagte: »Das Kind ist auch allerliebst und bester Dinge.«34 Mehrere Male durfte sein Sohn Kurt die Ferien bei ihm verbringen. Seine Frau Vera fuhr häufig in die nahe Reichshauptstadt, um einzukaufen oder zum Arzt zu gehen, und »zu Hause« hatte sie eine Haushaltshilfe, zuerst eine gewisse Martha, dann eine Ostarbeiterin, über die Schuschnigg folgendermaßen urteilte: Mit der uns zugeteilten [Haushaltshilfe] ging es beim besten Willen nicht mehr, außerdem wurde sie krank und Vera war durch etliche Zeit ganz allein. Dann wurde uns endlich eine neue geschickt. Der erste Eindruck war nicht beruhigend, denn das Mädel kam direkt aus dem Auffanglager und ist aus einem bäuerlichen Haushalt bei Smolensk. Abgesehen von aller für unsere Begriffe ganz unglaublichen Primitivität und dem völligen Fehlen fast jeder Bekleidungsausstattung, gibt es da natürlich Verständigungsschwierigkeiten. (…) Gottlob sind wir mit unserem Hauptnahrungsmittel – Kartoffeln – gut eingedeckt. 4 Zentner ernteten wir selber und 16 haben wir zur Einlagerung bekommen.35

Zu seiner großen Überraschung erhielt er im Dezember 1942 durch einen unbekannten Spender ein amerikanisches Rot-Kreuz-Paket aus New York.36 Abgesehen davon, dass es »lauter gute Konserven« enthielt, war die Anschrift besonders bemerkenswert: »Au prisonnier de guerre, Chancellor Kurt Schuschnigg, Wien, Metropole, Austria, Germany«. Obwohl für das NS-Regime ein »Dr. Kurt Schuschnigg« nicht mehr existierte, wurde ihm das Paket anstandslos ausgehändigt. Erstaunen mag auch die Tatsache, dass Schuschnigg einerseits »Staatsfeind« war, sein Bruder Artur dagegen zum Arbeitsdienst eingezogen und zeitweise in einem Barackenlager in der Nähe von Sachsen»Ehrenhaft« für den österreichischen Bundeskanzler  105

hausen untergebracht war. Die Brüder sahen sich ein einziges Mal, als Artur ihm vom Tor des Konzentrationslagers zuwinken konnte. Darauf ging Schuschnigg in einem Schreiben an Artur am 28. Oktober 1943 kurz ein: »Das leider nur so ›flüchtige‹ Wiedersehen von unlängst hat mich doch sehr gefreut.«37 Ostern 1944 kam Sohn Kurt auf einen kurzen Urlaub ins Konzentrationslager. Der Berliner Bischof Konrad Graf von Preysing, der ausgebombt in einem Spital in Hermsdorf wohnte, gab ihm in einer kleinen goldenen Kapsel das Sanktissimum mit, sodass »jeder Wohnraum unseres Verbanntenexils für kurze Momente zur Kapelle« wurde. Am Abend des 5. Februar 1945 wurden Kurt und Vera Schuschnigg aufgefordert, das Nötigste zu packen. Angesichts der vorrückenden Roten Armee sollten sie an einen anderen Ort gebracht werden und Bibliothek, Bilder, Wäsche, Porzellan und Möbel zurücklassen. Nach langem Warten wurde das Ehepaar mit der kleinen Tochter in Begleitung von drei schwer bewaffneten Wächtern abtransportiert. Nach einer Zwischenstation in der Berliner Gestapo-Zentrale in der Prinz-AlbrechtStraße ging es am 7. Februar 1945 mit unbekanntem Ziel weiter: Im Autobus mit anderen, zum Teil handgefesselten Patienten verladen. Miteinander sprechen, ist streng verboten und ebenso ist es nicht erlaubt, die Fahrtstrecke anhand von Karten zu verfolgen; aus den Wegtafeln ist ersichtlich, dass die Route über die Reichsautobahn bis in die Gegend von Leipzig führt und dann in Richtung Nürnberg abbiegt. Das Ziel bleibt streng geheim. Nach zwölfstündiger Fahrt kommen wir schließlich in einem unbekannten Konzentrationslager an; Vera und Kind, sowie ich werden in zwei kleine, gesonderte Arrestzellen gesperrt; angeblich sollen wir am nächsten Tag einen gemeinsamen Raum beziehen.38

Einer mit Bleistift gekritzelten Inschrift auf der Innenseite ihres Kleiderspinds konnten sie entnehmen, dass sie sich jetzt im Konzentrationslager Flossenbürg befanden. Geradezu grotesk war es, als ein Posten der Tochter eine hübsch angezogene Puppe zum Spielen brachte. »Unser Kind aber fragt, ob wir nicht zurück nach Sachsenhausen könnten; ›denn dort war es schöner!‹« Nach zwei Monaten in Flossenbürg notierte Schuschnigg am 1. April 1945 über seine Schicksalsgenossen: 106  In Hitlers Hand

Wir dürfen ja eigentlich nichts davon wissen; aber so viel ist sicher, dass die verschiedenen Nummern auf ihren wahren Namen gebracht, ein seltsam buntes Mosaik ergeben: Dänen, Franzosen, Engländer – alle in strengster Einzelhaft und viele unter ihnen Todeskandidaten! Daneben Dr. Hjalmar Schacht, Generaloberst Halder, General d. Inf. Thomas, Admiral Canaris (später aufgehängt) und auch sonstiger Generalstab. – Vis-à-vis von unserem Fenster das Freudenhaus – auch solches hat es gegeben – wurde plötzlich geräumt. Und jetzt haust dort Prinz Albrecht von Bayern mit einer Menge von Kindern. Grund der Verhaftung? Weil er ein Sohn des Kronprinzen Rupprecht ist. Er war übrigens eine Zeitlang schon in Sachsenhausen unser Nachbar gewesen; nachdem vorher im Lauf der Jahre unser Nachbarblockhaus verschiedentlich den Bewohner gewechselt hat: Zunächst war es der frühere preußische Minister und Sozialistentenführer Breitscheid mit Gattin gewesen. Den bejahrten und besonders sympathischen Herrn ereilte in Buchenwald ein tragisches Schicksal. Dann kam Prinz Louis von Bourbon-Parma mit seiner Gattin Prinzessin Maria von Savoyen, einer Tochter des italienischen Königs, und zwei reizenden Kindern, dann schließlich der englische Fliegeroberstleutnant Churchill, der uns die Sensation des Anblicks der ersten englischen Uniform in diesem Kriege verschaffte. In einem anderen der vier »Sonderhäuser« hausten für kurze Zeit Paul Rey­ naud und Daladier, ohne dass es jedoch möglich war, mehr als einen gelegentlichen freundschaftlichen Abschiedsblick zu wechseln, und in weiterer Folge der preußische Staatsrat und Industrielle Fritz Thyssen.39

Am 2. April 1945 bekamen die Schuschniggs dank der – unerlaubten – Mithilfe eines SS-Wächters »Besuch« in ihrem Haftraum: Er nannte seinen Namen: Prinz Philipp von Hessen, ehemals Oberregierungspräsident von Kassel. Haftgrund? Den wusste er selber nicht. Obwohl er ein Schwiegersohn des italienischen Königs war. Jedenfalls wurde er am 8. September 1943 vom Führerhauptquartier weg unter irgendeinem Vorwand nach Berlin gelockt und von dort direkt nach Flossenbürg verschleppt, wo er nunmehr unter falschem Namen seit 1½ Jahren in strengster Abgeschiedenheit vegetierte. Ob wir ihm nichts sagen könnten von seiner Frau, der Prinzessin Mafalda, und seinen Kindern; von seiner Mutter oder sonstigen Verwandten? Ob wir ihm nicht helfen könnten, irgendeine Nachricht

»Ehrenhaft« für den österreichischen Bundeskanzler  107

in die Welt zu senden. Er hatte strengstes Schreibverbot und durfte auch keinerlei Briefe empfangen. Leider wussten wir nichts. Er hat erst sehr viel später erfahren, dass zu diesem Zeitpunkt seine Gattin, Prinzessin Mafalda von Italien, längst nicht mehr am Leben war. Sie befand sich als Häftling im KZ Buchenwalde und fand dort gleich unserem früheren Schicksalsgefährten Breitscheid ein tragisches Ende.40

Mord dort – auf der anderen Seite ordnete der SS-Standortarzt des Konzentrationslagers Flossenbürg an: »Der Sonderhäftling Auster (Arrestbau) wird auf ein weiteres Monat Diät und Weißbrot ärztlicherseits verordnet. Vom 23.3.45 bis 22.4.45.«41 So lange aber blieben Schuschniggs nicht mehr in diesem Konzentrationslager. Am 8. April 1945 bestiegen sie mit vier weiteren Häftlingen »ein dunkles Schubauto, die grüne Liesel«, und dort ereignete sich Ungewohntes. Wir dürfen auf einmal miteinander reden; das erste Mal seit sieben Jahren; die Wache erhebt keine Einwendung. Man stellt sich daher im Dunklen vor: SCHACHT, HALDER42 (ehemals Generalstabschef der deutschen Wehrmacht), THOMAS, Oberst BONIN. (…) Unterwegs steigen drei seltsame Gestalten zu: ein deutscher General in voller Uniform mit leuchtendrotem Mantelaufschlag, den Pour le mérite um den Hals – ein immerhin noch bemerkenswert elegant gekleideter Engländer mit Monokel und vorzüglicher Haltung – und ein junger, ein bisschen melancholisch blickender Russe. Und die drei scheinen unzertrennliche Freunde, wie sie eben gemeinsames Schicksal zusammenschweißt: General d. inf. Von FALKENHAUSEN, Mr. BEST, und der zweiundzwanzigjährige Fliegerleutnant Wassili K., Neffe des russischen Außenministers MOLOTOW. (…) Am späten Abend landen wir in DACHAU!43

Die Sonderhäftlinge wurden in einem abgeschlossenen Trakt des Arrestbaus untergebracht und durften weiterhin miteinander sprechen. Allerdings blieb es verboten, mit den Häftlingen im anschließenden Arresttrakt oder mit sonstigen Lagerinsassen in irgendwelche Verbindung zu treten. Trotz des Verbots, so Schuschnigg, war ab und zu eine flüchtige Begegnung mit den Nachbarn vom anschließenden Zellentrakt möglich: 108  In Hitlers Hand

Pastor Martin NIEMÖLLER ist darunter, ferner dem Vernehmen nach ein französischer Bischof, der frühere ungarische Ministerpräsident KÁLLAY, mehrere andere ungarische und polnische Herren, der Sohn des ungarischen Reichsverwesers HORTHY, der Sohn des italienischen Marschalls BADO­ GLIO, der italienische Partisanengeneral GARIBALDI, der Münchner Prälat Johannes NEUHÄUSLER u.v.a.44

Es war nicht die letzte Station auf dem Weg ins Überleben, in die Freiheit: Am 27. April 1945 hieß es erneut »Abtransport! In überfüllten Autobussen.«45 Nach einem eintägigen Zwischenaufenthalt im Konzentrationslager Reichenau bei Innsbruck am 28. April 1945 erreichte der Häftlingstransport am 29. April 1945 Niederdorf. Zusammen mit den übrigen Gefangenen wurden sie dort befreit und verbrachten dann einige Zeit im Hotel Pragser Wildsee in Südtirol. Nach dem Krieg nahmen viele für sich das Verdienst in Anspruch, Schuschniggs Leben gerettet zu haben. Dazu gehört ausgerechnet auch SS-Gruppenführer Ernst Kaltenbrunner, Chef des RSHA. Vor dem Nürnberger Militärtribunal meinte er am 12. April 1946, er habe am 1. Februar 1945 auf die Frage von Gestapo-Chef Müller, ob man nicht etwas für Schuschnigg tun könne, damit dieser nicht in die Hände der Russen falle, geantwortet: »Wollen Sie oder soll ich dem Führer den Vorschlag mache, die Haft Schuschniggs aufzuheben oder ihn mindestens dorthin zu verbringen, wo er nicht den Russen, sondern den Amerikaner in die Hände fällt, worauf einer von uns, ich weiß nicht wer, vielleicht auch beide, Hitler diesen Vorschlag gemacht haben.«46

»Ehrenhaft« für den österreichischen Bundeskanzler  109

Die Verfolgung der französischen Elite

Der politischen und militärischen Führung Frankreichs begegnete Hitler mit größtem Misstrauen. Die Nationalsozialisten fürchteten ihren Einfluss auf die Bevölkerung. Sie argwöhnten, die Opposition könne sich um sie scharen, die Keimzelle eines Aufstands gegen die Besatzungsmacht bilden oder den Alliierten Informationen liefern. Dies galt für das besetzte Frankreich ebenso wie für das Vichy-Territorium. Hinzu kam als wichtiges psychologisches Moment, dass Hitler, so jedenfalls der Gesandte Rudolf Rahn, den Franzosen die harte Behandlung deutscher Kriegsgefangener im Ersten Weltkrieg nicht verzeihen wollte.1 Überdies verachtete Hitler französische Politiker und Militärs zutiefst, was sich unter anderem darin äußerte, dass er wiederholt General Charles de Gaulle als den einzigen Franzosen bezeichnete, der ihm imponiere.2 Hitler ließ daher ehemalige Regierungsmitglieder ebenso wie die Generalität anfangs unter Hausarrest stellen, ging aber bald dazu über, sie verhaften und nach Deutschland oder in das annektierte Österreich bringen zu lassen. Das von Nazideutschland abhängige Vichy-Regime unter Marschall Philippe Pétain war dabei ein willfähriger Helfershelfer. Im unbesetzten Teil Frankreichs nahm es nicht nur potenzielle oder tatsächliche französische »Dissidenten« gefangen, sondern auch zahlreiche Deutsche, die sich nach Südfrankreich geflüchtet hatten, wie zum Beispiel den Sozialdemokraten Rudolf Breitscheid mit Frau. Sie wurden an die Gestapo ausgeliefert und nach Deutschland verschleppt. Häufig verzichtete die Gestapo aber auch auf Pétains »Amtshilfe« und ging eigenständig gegen Franzosen sowie Deutsche vor, die auf ihrer Fahndungsliste standen. Zwar ließ Pétain sogenannte »Staatsgefangene« teilweise in dem ihm überlassenen Territorium internieren, doch nachdem einigen französischen Generälen die Flucht gelungen war, wurden sie mehrheitlich ins »Altreich« geschafft. Französische Generäle und Politiker erhielten oftmals den Status von »Ehrenhäftlingen« und waren vielfach in Sonderlagern wie dem Rheinhotel Dreesen in Bad Godesberg bei Bonn oder dem Ifen-Hotel bei Hirschegg im Kleinwalsertal untergebracht. 110  In Hitlers Hand

Der frühere Regierungschef Paul Reynaud beispielsweise wurde nach seiner Verschleppung erst in der SS-Unterführerschule Radolfzell isoliert und dann in dem zur KZ-Außenstelle umgebauten Schloss Itter bei Kitzbühel. Demgegenüber mussten der französische Ministerpräsident Léon Blum oder der ehemalige Innenminister Georges Mandel ihre gesamte Haftzeit in Konzentrationslagern verbringen. Mit den zunehmenden Erfolgen der deutschen Kriegsgegner wuchs unter den Nationalsozialisten die Nervosität. So verlangte Himmler am 15. November 1942 von Gestapo-Chef Heinrich Müller und Helmut Knochen, SS-Standartenführer und Befehlshaber der Sicherheitspolizei für das besetzte Frankreich, tägliche Berichte über »Verhaftungen von politisch gefährlichen Elementen und führenden Leuten des früheren Regimes in Frankreich«.3 Ihre Erfassung müsse mit größtem Nachdruck betrieben werden. Die gesamte bisherige französische Führungselite sollte gefangen genommen werden. In einer Reihe von Fernschreiben forderte der Reichsführer-SS im November 1942 die Gauleiter auf, ihm umgehend einen »Aufenthaltsort für hohe Staats- und Kriegsgefangene« zu nennen. Den Thüringer Gauleiter Fritz Sauckel fragte er nach Burg Lauenstein im heutigen Landkreis Kronach, da diese sich leicht bewachen ließ.4 Reichsstatthalter Alfred Meyer sollte prüfen, ob »Schloss Schwalenberg im Lippischen« innerhalb von vierundzwanzig Stunden beschlagnahmt werden könnte.5 Gauleiter Franz Hofer in Innsbruck hatte einen gut zu bewachenden Aufenthaltsort ausfindig zu machen, der »tunlichst außerhalb bewohnter Ortschaften«, in jedem Fall aber »im Altreichsteil des Gaues liegen« sollte.6 Einen ähnlichen Befehl erhielt auch der »liebe Josias«, SS-Obergruppenführer Erbprinz zu Waldeck.

Vorgehen gegen die Generalität Anfang 1943 befanden sich entgegen Hitlers Befehl noch immer zahlreiche wichtige französische Politiker in französischen Internierungslagern. Darauf ging Himmler am 20. Januar 1943 in einem Schreiben an Ribbentrop ein und erinnerte daran, dass Hitler »vor längerer Zeit den Auftrag gegeben [hat], die Franzosen Herriot und Daladier, sowie eine ganze Anzahl in französischem Gewahrsam sitzender schuldiger Politiker nach Die Verfolgung der französischen Elite  111

Deutschland zu überführen«.7 Hitler habe die Angelegenheit mit Ministerpräsident Pierre Laval besprechen wollen, er vermute aber, dass dies nicht geschehen sei. Himmler meinte, »ein Verbleib von Herriot, Daladier und den anderen französischen Politikern in französischem Gewahrsam« sei einigermaßen gewagt, »da man bei der heute ohne Zweifel noch vorhandenen Unzuverlässigkeit der französischen Polizei nie weiß, welche Verbindungen zu diesen ›Gefangenen‹ bestehen und man nie sicher sein kann, ob nicht einer von ihnen entfliehen kann«. Der frühere Staatspräsident Albert François Lebrun halte sich weiterhin in Vizille im Département Isère auf, einem Teil Frankreichs, der italienischer Hoheit unterstehe. Damit sei eine Bewachung von Lebrun durch »meine Polizeikräfte nicht möglich«. Er könne lediglich in völlig ungenügender Weise durch den Nachrichtendienst beobachtet werden. Mit seinem Hinweis auf die Unzuverlässigkeit der Vichy-Polizei sprach Himmler die Flucht einer Reihe von französischen Generälen an, über die ihn SS-Obergruppenführer Müller am 5. Dezember 1942 informiert hatte.8 Bei der Fahndung nach dem Bürgermeister von Lyon und Vorsitzendem der Abgeordnetenkammer Édouard Herriot, so Müller, sei festgestellt worden, dass dieser und mehrere Generäle, unter anderem General Paul Doyen, Leiter der französischen Waffenstillstandskommission, sich in Evaux-les-Bains (Département Creuse) aufhielten. Das Lager bestehe aus einem mit Stacheldraht umzäunten früheren Hotel und werde von einem Polizeikommissar und vierzig Polizisten der »Groupes Mobiles« gesichert. Die Häftlingen seien im zweiten Stockwerk des Hotels in Einzelzimmern untergebracht, die Fenster vergittert. Aus dem Internierungslager Vals-les-Bains seien zwei französische Offiziere geflohen. Sie hätten Eisengitter durchgesägt und seien dann an einer langen Leine vom vierten Stockwerk zweiundzwanzig Meter herabgeklettert. Hinsichtlich Herriots hieß es: »Die Festnahme von Herriot ist (…) nur durch den Einsatz eines starken Kommandos möglich. Gleichzeitig müssen natürlich alle anderen Lagerinsassen festgenommen werden.« Himmler sollte entscheiden, ob ungeachtet möglicher diplomatischer Verwicklungen »in diesem Fall die Aktion durchgeführt werden soll«. Deutlich wurde Gestapo-Chef Müller am 5. Juni 1943 gegenüber dem Reichsaußenminister. Nach einer Besprechung des Oberbefehlshabers West mit dem SD schrieb er: 112  In Hitlers Hand

Zweck der Maßnahmen muss sein, die Flucht weiterer bekannter Militärs aus Frankreich durch vorbeugende Sicherungsmaßnahmen unmöglich zu machen und damit gleichzeitig zu verhindern, dass Persönlichkeiten im Falle eines angelsächsischen Landungsversuches in Frankreich selbst eine Widerstandsbewegung organisieren können. (…) Bei der gegenwärtigen allgemeinen Lage und im Hinblick auf die beabsichtigten Sicherungsmaßnahmen scheint es allen hiesigen Stellen unerwünscht, dass diese Generäle im französischen Gewahrsam verbleiben, weil mit der Möglichkeit gerechnet werden muss, dass sie durch Nachlässigkeit oder durch absichtliche Handlungen des Bewachungspersonals ihre Freiheit wieder erhalten und entweichen könnten. (…) Bei allen Beteiligten der Sitzung bestand Einverständnis darüber, dass derartige Maßnahmen unter allen Umständen und mit größter Beschleunigung durchgeführt werden müssen, und zwar vor allem gegen Familienangehörige der bisher zur Dissidenz übergetretenen Persönlichkeiten (z.B. Familienangehörige der Generäle Giraud, Juin, Georges, des ehemaligen Innenministers Pucheu, der Finanzinspektoren Couve de Murville, le Roy Beaulieu und anderer).9

Müllers Auffassung wurde zügig in die Tat umgesetzt, wie der dem Nürnberger Militärtribunal am 24. Januar 1946 vorgelegte Befehl zeigt: Betr.: Maßnahmen gegen französische Offiziere Im Einvernehmen mit der Deutschen Botschaft Paris und dem Befehlshaber der Sicherheitspolizei und dem SD macht Ob. West folgende Vorschläge: 1. Nachstehende hohe Offiziere werden festgenommen und in Ehrenhaft nach Deutschland überführt: Vom Heer die Generäle Frère, Gerodias, Cattier, Revere, de Lattre de Tassigny, Fornel de la Laurencie, Robert de Saint-Vincent, Laure, Doyen, Pisquendar, Mittelhauser und Paquin. Von der Luftwaffe die Generale Bouscat, Caranyon, de Gefrier d’Harcourt, Medigal, Rozoy und die Obersten Loriot und Fonck. (…) Als Sühnemaßnahme werden Familien verdächtiger Persönlichkeiten, die bereits zur Dissidenz übergetreten sind oder es in Zukunft tun, als Internierte nach Deutschland oder in das Ostw[ärtige] Frankreich überführt. Hierzu muss zunächst die schwierige Unterbringungs- und Bewachungsfrage geklärt werden.10

Die Verfolgung der französischen Elite  113

Die Ermordung Delestraints

Auch General Charles Delestraint, Kommandeur der französischen Untergrundarmee, fiel dem Terrorregime der Nationalsozialisten zum Opfer.11 Am 5. Juli 1944 war in Dachau ein Transport von französischen Gefangenen aus dem Konzentrationslager Natzweiler-Struthof eingetroffen. 952 hatten ihn überlebt, 483 waren unterwegs gestorben. Unter den Überlebenden befanden sich der Bischof von Clermont-Ferrand, Msgr. Gabriel Piguet, und General Delestraint. Er war den Nazis am 9. Juni 1943 in Paris in die Hände gefallen und wurde ab dem 12. März 1945 unter der Häftlingsnummer 103 027 im KZ Dachau in die Liste der »Prominenten« eingetragen.12 Joseph Joos, der selbst Häftling war, schrieb später: Durch geschickte Manipulation gelang die Aufnahme beider ins Revier. Der General, der genau wusste, dass sein Leben verwirkt war und es ihm nur bis auf Weiteres, auf Widerruf, belassen war, litt an hartnäckiger Furunkulose, was ihn vielleicht für einige Monate retten konnte. Bischof und General teilten als treue Schicksalsgefährten miteinander das wenige, was ihnen zustand. (…) Nach wenigen Wochen wurden sie getrennt. Indes der Bischof dem Block der Priester überwiesen war, verblieb de Lestraint [sic] weiter im Revier. Sie trafen sich nach Monaten wieder, als sogenannte Sonderhäftlinge im Zellenbau. Von da rief die SS den General in der Morgenfrühe des 19. April 1945 aus der hl. Messe des Bischofs heraus zur Exekution. 5 Tage darnach ward der Bischof aufgerufen zum Transport in die Tiroler Alpen.13

Der tschechische Arzt Franz Blaha, der als Gefangener von 1941 bis 1945 im Konzentrationslager Dachau Autopsien vorzunehmen hatte, gab als Zeuge am 11. Januar 1946 vor dem Nürnberger Militärtribunal an, kurz vor der Befreiung seien französische Generäle getötet worden: Leider habe ich diese Namen vergessen, ich kann mich bloß erinnern, das habe ich von den Gefangenen, die mit ihnen in den Bunkern gehalten wurden, das waren nämlich die prominenten Personen von Deutschland und anderen Gebieten, war drin auch Pastor Niemöller, dann war drin auch französischer Prinz, war drin Schuschnigg, Mitglieder der französischen Regierung und manche andere, und die haben mir gesagt, dass einer von den 114  In Hitlers Hand

erschossenen Generalen war ein naher Verwandter von dem General de Gaulle. M. Dubost: Wenn ich Sie recht verstehe, dann waren diese Generale Kriegsgefangene, die man in die Konzentrationslager gebracht hatte? Dr. Blaha: Diese zwei Generäle, die waren überhaupt nicht im Konzentrationslager, die wurden mit den anderen prominenten Persönlichkeiten in dem so genannten Kommandanturarrest, das heißt, im Bunker, abgetrennt vom Lager, gehalten. Ich bin zwar bei den verschiedenen Gelegenheiten, wenn sie ärztliche Hilfe gebraucht hatten, mit ihnen in Zusammenhang gekommen, aber das war sehr selten. Sonst mit den anderen Häftlingen sind sie überhaupt nicht zusammengekommen.14

Über die Behandlung der Häftlinge sagte Blaha aus, französische Intellektuelle seien besonders hart behandelt worden. Viele von ihnen seien an Fleckfieber gestorben. Gekannt habe er den Bischof von ClermontFerrand und eine Reihe von Ärzten und Professoren. Die Erschießung von Maurice Mesny

Die brutale Ermordung Delaistrants war kein Einzelfall. Im November 1944 entwickelte das Reichssicherheitshauptamt einen Plan, dem ein weiterer französischer General zum Opfer fallen sollte. Der Mord war als Rache für den Tod von General Fritz Brodowski von Hitler persönlich gebilligt worden. Brodowski war einer der Hauptverantwortlichen beim Massaker von Oradour-sur-Glane, bei dem die Wehrmacht sechshundertzweiundvierzig Menschen getötet hatte. Bei der Befreiung Frankreichs durch die Alliierten wurde er gefangen genommen und bei einem Fluchtversuch aus der Zitadelle von Besançon erschossen. Zu dieser Zeit befanden sich fünfundsiebzig französische Generäle im Lager Königstein. In allen Details wurde der Tod eines von ihnen festgelegt. Fünf bis sechs französische Generäle sollten, jeder in einem anderen Auto, von Königstein verlegt werden: Im Auto befinden sich jeweils der Fahrer und ein deutscher Begleiter. Der Wagen hat Wehrmachtskennzeichen. Die beiden Deutschen tragen Wehrmachtsuniform. Es handelt sich um besonders ausgesuchte Leute. Auf der Fahrt wird der Wagen des Generals Deboisse [sic] eine Panne haben, um ihn Die Verfolgung der französischen Elite  115

von den anderen abzusondern. Bei dieser Gelegenheit soll der General durch einen gezielten Rückenschuss »auf der Flucht« erschossen werden. Als Zeitpunkt ist Dämmerung vorgesehen. Es wird sichergestellt, dass keine Landbewohner in der Nähe sind. Aus Gründen der Nachforschungssicherheit ist geplant, die Leiche zu verbrennen und die Urne nach dem Friedhof der Festung Königstein zu überführen.15

In einem anderen Papier war die Rede von drei Kraftwagen, wobei der »Dienstälteste hier in Frage stehende General in dem letzten allein fahren soll, um ihm seinem Rang entsprechend eine besondere Behandlung zuteilwerden zu lassen«.16 Hierbei wurden zwei Alternativen aufgeführt: Ermordung »durch wohlgezielte von hinten gegebene Schüsse« beziehungsweise »Vergiftung mit Kohlenoxidgas«. Die Türen des präparierten Fahrzeugs sollten abgeschlossen sein, um ein Herausspringen zu verhindern: »Durch eine besondere Apparatur, die vom Vordersitz bedient wird, wird geruchloses Kohlenoxidgas während der Fahrt in den Innenraum eingelassen. Ein paar Atemzüge genügen, um ihn sicher zu töten.« Nach einem Vermerk vom 16. Dezember 1944 hatte die »Führerweisung (…) verschiedene Ausführungsarten ausdrücklich« zugelassen.17 Andere Möglichkeiten, zum Beispiel »der Vergiftung durch Speise oder Trank sind geprüft, aber nach mehreren Versuchen als zu unsicher wieder verworfen worden«, schrieb Kaltenbrunner dem ReichsführerSS.18 Die Mordpläne wurden insofern geändert, als der Name De Boisse des Öfteren am Telefon genannt worden war und eine Geheimhaltung nicht mehr gewährleistet werden konnte. Als Opfer wurde nunmehr General Maurice Mesny bestimmt. Am 17. Januar 1945 setzte Himmler den Plan in die Tat um. In der Nähe von Nossen bei Leipzig, auf der angeblichen Fahrt zum Offizierslager Colditz, wurde Mesny aus dem Wagen gezerrt und hinterrücks erschossen. Pétains Ehrenhaft in Sigmaringen

Das Regime von Marschall Pétain war vom ersten Tag seiner Existenz an von der deutschen Reichsregierung abhängig. Es war lediglich geduldet und nicht mehr als ein »Feigenblatt«, das eine souveräne französische Regierung vorgaukeln sollte. Dieses Bild sollte bis zum Ende aufrecht­ 116  In Hitlers Hand

erhalten werden. Doch der Umzug des Regimes nach Sigmaringen – besser gesagt: die Flucht – zeigte, dass Pétain und sein Kabinett eigentlich Gefangene der Nationalsozialisten waren, wenn auch mit dem Status von »Ehrenhäftlingen«. Pétain hatte nicht die Möglichkeit zu entscheiden, wohin er gehen wollte. Als sich seine Rumpfregierung dann endlich in Sigmaringen befand, wurde sie – allein schon durch die Kontingentierung von Benzin – in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt. Am 9. April 1944 hatte Pétain beschlossen, im Fall einer angloamerikanischen Landung Vichy zu verlassen und wählte Schloss Voisin bei Rambouillet als neuen Aufenthaltsort für sich und seine Marionettenregierung.19 Das Schloss war bezugsfertig, es musste lediglich noch ein Luftschutzkeller eingebaut werden. Gleichzeitig mit diesen Plänen kamen Gerüchte auf, die Vichy-Regierung solle nach Paris verlegt werden. Ihnen widersprach Botschafter Otto Abetz am 9. Mai 1944: Von einer Übersiedlung der französischen Regierung nach Paris, über welche dritte Stellen nach dem Führerhauptquartier berichtet zu haben scheinen, ist niemals die Rede gewesen. (…) Im Zuge der Installierung Marschall Pétains in Schloss Voisin sind nur seine unmittelbare Umgebung, aber keinerlei Regierungsmitglieder und Beamtenkörper von Ministerien nach Paris überführt worden. (…) Ich habe Gesandten [Cécil] von Renthe-Fink heute Vormittag von der Weisung in Kenntnis gesetzt, dass Marschall Pétain Schloss Voisin wieder zu verlassen und ein Schloss östlich von Vichy zu beziehen habe.20

Infrage kamen nach einem Telegramm von Renthe-Fink vom 13. Mai 1944: 1. Schloss Le Lonzat, 20 km nördlich von Vichy. Das Schloss ist bereits für Marschall französischerseits beschlagnahmt und als Ausweichquartier eingerichtet worden. 2. Schloss Busset, 13 km südöstlich Vichy. Sicherungsmäßig günstig, hat aber Nachteil, dass kein Aufzug vorhanden ist und dass sich im Erdgeschoss keine Empfangsräume und keine guten Wohn- und Schlafzimmer befinden 3. Schloss Lapalisse, 25 km nordöstlich von Vichy. Nach Ansicht Militär und SD dürfte sich Schloss Le Lonzat am besten für Marschall eignen, zumal es auch sicherheitsmäßig günstig liegt.21 Die Verfolgung der französischen Elite  117

Noch blieb Pétain in Vichy, und Reichsaußenminister Ribbentrop meinte gegenüber Botschafter Abetz, er solle sich erst einmal mit dem SD in Verbindung setzen und prüfen, »ob für den Marschall vom Maquis und von angloamerikanischer Seite wirklich in Vichy Gefahr droht«.22 Erst wenn dieser Fall eintrete, solle Pétain, »notfalls unter Anwendung von Gewalt«, an einen sicheren Ort gebracht werden. Ebenso sollten sämtliche Regierungsmitglieder überwacht und erforderlichenfalls in den Osten Frankreichs gebracht werden. Die beschriebene Situation trat schneller als erwartet ein. Bereits am 17. August 1944 erhielt Renthe-Fink den Auftrag, Pétain »unter allen Umständen« nach Belfort zu bringen.23 Diese Angelegenheit geriet in mehrfacher Hinsicht zu einer Farce. Eingeschaltet wurde General Alexander Freiherr von Neubronn, Vertreter von Generalfeldmarschall Rundstedt bei Pétain. Formell erklärte Pétain, er werde Vichy freiwillig nicht verlassen, wünsche kein Blutvergießen und verlange einen »symbolischen Gewaltakt«. Vereinbart wurde nun, »dass das Hotel du Parc von deutschen Sicherheitskräften umstellt, vom Eingang bis zu den Wohnräumen des Marschalls verbarrikadiert und verschlossen ist, dass ein Stoßtrupp ohne Anwendung von Gewalt unter Beseitigung aller Hindernisse sich den Weg bis in die Räume des Marschalls bahnen sollte und dass dortselbst General von Neubronn dem Marschall die Entscheidung der Reichsregierung mitteilen sollte«.24 Am 20. August 1944 wurde diese Aktion ab 6.45 Uhr wie abgesprochen durchgeführt. Um 8.00 Uhr befand sich Pétain bereits in einem Zug nach Belfort, wo er am 21. August gegen 19.30 Uhr eintraf und vom 24. August an in einem Schloss in dem vierzehn Kilometer entfernten Dorf Morvillars von Gendarmerie und einer Kompanie der Waffen-SS bewacht wurde. Angesichts des Vorrückens der Alliierten und der unsicheren Lage in und um Belfort entschloss sich die Reichsregierung, Pétain mit seiner Frau, Angehörigen seines Stabes sowie Präsident Laval mit Frau und einige weitere Minister unverzüglich in den Südwesten Deutschlands zu bringen. Der entsprechende Befehl wurde dem deutschen Gesandten in Belfort am 7. September 1944 übermittelt: »Auf Anordnung des Herrn Reichsaußenministers soll Abtransport des Marschall Pétain, der Regierung und des Herrn Laval nach den vom Protokoll bestimmten Ortschaften im Reich sofort durchgeführt werden.«25 Noch am selben Tag antwortete Renthe-Fink: »Marschall abfährt morgen, Donnerstag, früh 118  In Hitlers Hand

von Morvillars nach Freiburg, Zähringerhof, als vorläufiges Reiseziel.«26 Den Vollzug meldete Botschafter Abetz am 10. September 1944: Marschall Pétain ist vorgestern in Sigmaringen eingetroffen. Präsident Laval und die nicht mehr amtierenden Minister sowie Botschafter Brinon und Mitarbeiter einer Delegation eintrafen gestern. Die Ankunft des diplomatischen Korps, Botschafter Mitanis und des italienischen Generalkonsuls Longhini ist für heute vorgesehen. Französische Persönlichkeiten sind vorläufig alle im Schloss einquartiert, das mit verschiedenen Flügeln und Terrassen auf dem Steilufer der Donau aufgebaut ist und eine völlig getrennte Unterbringung ermöglicht. Für Laval wird in der Umgebung auf dem Lande eine Unterkunft gesucht. Die Sicherung des Schlossgebäudes hat ein von SS-Obersturmführer Detering geführtes, bisher mit dem Schutz des Marschalls in Frankreich betrautes SD-Kommando übernommen.27

Geradezu zynisch gestaltete sich die Diskussion um eine Unterkunft für den Vorsitzenden der Französischen Volkspartei, Jacques Doriot, den Hitler als Nachfolger von Pétain in Betracht gezogen hatte. Für ihn hatte man Schloss Wilflingen ausgewählt, doch das kam nach einer Intervention des Reichssicherheitshauptamtes nicht infrage. Es wurde mit der abwegigen Begründung nicht freigegeben, dass »man Doriot nicht zumuten könne, in einem Schloss der Verräterfamilie Stauffenberg Wohnung zu nehmen«.28 Im Übrigen, so wurde dem Auswärtigen Amt am 29. September 1944 mitgeteilt, ziehe es Doriot vor, »in einem Barackenlager zu wohnen«. Die einzige sofort beziehbare Unterkunft für Doriot im Raum Sigmaringen befinde sich auf der von Reichsminister Albert Speer gepachteten Insel Mainau. Es sollten sofort »Wohnbaracken und einige Räume im Schloss, insgesamt Unterkunft bis zu 80 Personen für Unterbringung Doriot zur Verfügung gestellt werden«. Bedenken im Hinblick auf die Nähe der Schweizer Grenze wurden vom zuständigen SD mit dem Hinweis entkräftet, dass die Überwachung in diesem Raum, in dem Ausländer nur mit besonderer Genehmigung Zutritt hatten, besonders scharf durchgeführt wurde. Am 15. Oktober erhielt Botschafter Abetz, nunmehr »Dienststelle Sigmaringen«, die Zustimmung Himmlers.29 Für Laval hatten die Nationalsozialisten die Unterbringung auf Schloss Hühnlich in Logan bei Görlitz vorgesehen.30 Zehn Personen Die Verfolgung der französischen Elite  119

zuzüglich des Personals und zweier Sicherheitskräfte konnten dort untergebracht werden, doch sah das Auswärtige Amt letztlich davon ab. Entscheidend hierfür war, dass die Bewachung Lavals nicht gewährleistet war. Außerdem sollte »die französische Gruppe möglichst geschlossen zusammenbleiben«.31 Andernfalls müsse das Reichssicherheitshauptamt die Verantwortung ablehnen, da es zur »Bewachung einer völlig versprengten Gruppe nicht genügend Personal« habe. Pétain, der den Nationalsozialisten viele Dienste geleistet hatte und über Jahre für sie unverzichtbar gewesen war, wurde samt seiner »Regierung« nicht mehr ernst genommen. Goebbels machte daraus in seinem Tagebuch keinen Hehl, als er am 30. November 1944 schrieb: Pétain ist völlig senil geworden. Er unterhält seine Umgebung mit lächerlichen und skurrilen Fragen. (…) Laval ist immer noch Attentist. Er wartet die weitere militärische Entwicklung ab, um sich, wie er sagt, endgültig zu entscheiden. Allerdings hofft er auf einen militärischen Erfolg wenigstens defensiven Charakters, der uns bevorstünde. Er will sich dann wieder in die aktive Politik einzuschmuggeln versuchen. Sonst spielen die französischen Emigranten in Sigmaringen Regierung.32

Dass Pétain zum Gefangenen geworden war, zeigen eindrucksvoll die beiden nachfolgenden Beispiele: Das Internationale Rote Kreuz hatte über das Deutsche Rote Kreuz Pétain Pakete zukommen lassen wollen. Das aber wurde vom Reichssicherheitshauptamt am 1. Dezember 1944 mit der Begründung abgelehnt, »der franz. Staatschef ist im Reichsgebiet weder in Gefangenschaft noch interniert. Er ist Gast der deutschen Regierung und ihm werden alle Wünsche erfüllt«.33 Eine Zulassung von »Liebesgabenpaketen«, wie es in der NS-Sprache hieß, würde eine indirekte Bestätigung für die im Ausland umlaufenden Gerüchte einer Gefangenschaft von Marschall Pétain bedeuten. Demgegenüber habe der ebenfalls inhaftierte General Gamélin schon früher »Liebesgabenpakete« erhalten. Sie dürften auch künftig an ihn weitergeleitet werden, jedoch nur unter der Voraussetzung, dass im Ausland die Einschaltung des Reichssicherheitshauptamtes nicht bekannt werde. Mit dieser Entscheidung sollte eine Fiktion aufrechterhalten werden, an die die Beteiligten ohnehin nicht mehr glaubten.

120  In Hitlers Hand

Noch deutlicher wurde dies an folgendem Beispiel: Die »Deutsche Botschaft, Dienststelle Sigmaringen« beruhigte am 9. Januar 1945 das Auswärtige Amt, das befürchtete, Pétain, könne sich mit dem Auto in die nahe Schweiz absetzen: Der für Marschall Pétain und die französische Regierung zugeteilte Treibstoff wird von der Botschaft verwaltet. Die Zuteilung ist außerordentlich reduziert, sodass nur die für die wirtschaftliche Versorgung notwendigen Fahrten ausgeführt werden können und für Marschall Pétain nur ein sehr geringes Quantum verbleibt, das für kleine Ausfahrten des Marschalls zur Verfügung steht.34

Bis zum 21. April 1945 blieb Pétain »Ehrenhäftling« in Sigmaringen, um dann doch noch in die Schweiz zu fliehen. Am 26. April 1945 stellte er sich dem Obersten Französischen Gerichtshof und wurde am 14. August 1945 zum Tode verurteilt. Charles de Gaulle begnadigte ihn zu lebenslanger Haft. Eine solche Milde ließ de Gaulle gegenüber dem ehemaligen Ministerpräsidenten Pierre Laval nicht gelten. Über dessen Schicksal berichtete Rudolf Rahn:

14 Das Schloss Sigmaringen galt formell als letzter Regierungssitz von Marschall Pétain. Tatsächlich wurde er von den Nationalsozialisten hier gefangen gehalten. (Privatarchiv des Autors) Die Verfolgung der französischen Elite  121

Dann wurde mir gemeldet, dass Laval völlig verlassen mit seiner Frau und einigen Begleitern irgendwo in der Nähe der Grenze umherirre. (…) Ich ließ ihn suchen. Nach 17 Stunden wurde er gefunden und in recht erschöpftem Zustand nach Meran gebracht. Kesselring und der Chef der Luftwaffe, General Ritter von Pohl, hatten sich bereiterklärt, ihm ein Flugzeug zur Verfügung zu stellen. Am 8. Mai, zwei Stunden vor Inkrafttreten des Waffenstillstandes, flog er nach Spanien ab.35

Laval wurde in Barcelona verhaftet und am 30. Juli 1945 an Frankreich ausgeliefert. Nach einem erfolglosen Selbstmordversuch wurde der Chef der französischen Miliz, der die Nationalsozialisten bereitwillig beim Massenmord an den Juden unterstützt hatte, am 15. Oktober 1945 hingerichtet. Maxim Weygand – Kollaborateur und »Edelhäftling«

Marschall Maxim Weygand nahm innerhalb der »Sonder- und Ehrenhäftlinge« eine besondere Rolle ein. Von ihm sind Protestnoten gegen seine Verhaftung sowie Teile seiner privaten Korrespondenz mit seiner Frau erhalten, sodass die Umstände seiner Inhaftierung recht genau nachvollzogen werden können. Als Befehlshaber der französischen Truppen in Nordafrika schien Weygand zunächst an eine Verständigung mit Deutschland zu glauben. Aber je deutlicher er erkannte, dass die USA eine Niederlage Großbritanniens mit allen Mitteln verhindern würden, umso mehr rückte er von einer Politik der Kooperation mit Deutschland ab. Der deutsche Botschafter in Paris, Otto Abetz, versuchte zwar, die Reichsregierung für den Plan zu gewinnen, durch ein großzügiges Friedens- und Bündnisangebot die französischen Truppen in Nordafrika für Deutschland zu mobilisieren und zusätzlich einige Divisionen unter Weygands Oberbefehl an der Ostfront einzusetzen, doch wurde dieser Vorschlag als »Ausgeburt französisch verseuchter Gehirne«36 zurückgewiesen. Als sich die Zweifel an der Haltung Weygands, der einige Monate auch Verteidigungsminister der Vichy-Regierung war, verstärkten, musste er aus Sicht des NS-Regimes aus seinem Amt entfernt werden, selbst seine Ermordung wurde erwogen. Generalmajor Erwin von Lahousen, Angehöriger der deutschen Abwehr, gab diese Pläne vor dem Nürnberger Mili122  In Hitlers Hand

tärtribunal zu Protokoll. Bei einer Besprechung im Winter 1940 habe Abwehrchef Admiral Wilhelm Canaris berichtet, er werde seit längerem von Generalfeldmarschall Wilhelm Keitel gedrängt, den französischen Marschall zu beseitigen, also zu töten:37 Es wurde befürchtet, dass er als französischer Generalgouverneur mit Sitz in Algier ein Zentrum des Widerstands gegen die Nationalsozialisten aufbauen könnte. Keitel stritt nach dem Krieg Mordabsichten ab und meinte, es habe nicht das geringste Motiv gegeben, »General Weygand übel zu wollen«.38 Niemals habe er einen Befehl erteilt, ihn zu beseitigen. Das wäre ein höchst politischer Akt gewesen und hätte den Bruch zwischen Hitler und Pétain bedeutet. Im Zusammenhang mit der »Überführung des Generals Weygand nach Deutschland aus Anlass der Besetzung des bisher unbesetzten Südfrankreichs (…) weiß ich nur vom Führer selbst, dass er angeordnet hatte, es sollte eine Internierung in seinem eigenen Hause stattfinden ohne Störung des Generals durch die Bewachung, eine Ehrenhaft und keine Kriegsgefangenschaft«. Die Mordpläne wurden aufgeben, doch am 20. November 1941 verlor Weygand alle öffentlichen Ämter und wurde ein Jahr später festgenommen. Die Ohnmacht der Vichy-Regierung zeigte sich besonders im Zusammenhang mit Weygands Verhaftung durch die SS am 12. November 1942. Jean Jardel, Generalsekretär des Staatschefs, und Bernard Ménétrel, enger Berater Pétains, forderten diesen zum Rücktritt auf, sollte Weygand nicht freigelassen werden.39 Als Begründung führten sie einen Brief Weygands vom 11. November 1942 an, in dem er seine Loyalität gegenüber dem Vichy-Regime beteuerte.40 Er habe sich nach Cannes zurückziehen oder einen anderen Wohnsitz suchen wollen. Hingewiesen wurde darauf, das Vorgehen der Deutschen werde »zu einer weitgehenden Dissidenz aller französischen Truppenteile in Nordafrika führen und Auswirkungen auch auf das Heer im Mutterland haben«. Von deutscher Seite wurde entgegengehalten, es gebe genügend Argumente dafür, dass Weygand »zum aktiven Widerstand gegen die einrückenden deutschen Truppen habe aufreizen wollen«.41 Die Festnahme Weygands beschäftigte die französische Öffentlichkeit. Pierre Laval, zu dieser Zeit stellvertretender Ministerpräsident in der Vichy-Regierung, nahm dazu am 24. November 1942 vor der Pariser Presse Stellung. 42 Er habe Weygand wissen lassen, dass sich die Deutschen für ihn interessierten. Deshalb habe er ihm in Gegenwart von Die Verfolgung der französischen Elite  123

Marschall Pétain geraten, sich an einen Ort zu begeben, wo man ihn überwachen könne. Weygand habe dies akzeptiert. Auf dem Weg nach Geret sei er im Namen Hitlers von den deutschen Behörden festgenommen worden. Er befinde sich in Deutschland, sei gut untergebracht und habe, wie er glaube, das Recht, Verwandte zu empfangen. Der französischen Regierung seien als Grund für die Festnahme »unvorsichtige Äußerungen« Weygands genannt worden. Der »Ehrenhäftling« Weygand wurde zunächst in die SS-Unterführerschule Radolfzell gebracht. Streng bewacht, bezog er im zusätzlich umzäunten Kommandeursgebäude eine Wohnung.43 Er erhielt den Decknamen »Lottermann«, sein Aufenthaltsort sollte geheim bleiben und war nur den Wachmannschaften bekannt. Da man von einer längeren Gefangenschaft in Radolfzell ausging, wurden zwei Gruppen zu je neun SS-Unterführern mit drei SS-Hauptsturmführern als Wachhabende zu seiner Bewachung eingesetzt. Ein SS-Unterscharführer erfüllte die Aufgaben einer Ordonnanz. Sofort nach seinem Eintreffen in Radolfzell protestierte Weygand beim Kommandeur der Schule, SSObersturmbannführer Thomas Müller, gegen seine Gefangennahme und verfasste folgende Erklärung: Ich bin beim Verlassen von VICHY44 durch deutsche Soldaten unter Androhung von Waffengewalt angehalten worden und in einem Wagen mitgenommen. Meine Verhaftung erfolgte wie die eines Verbrechers. Der Hauptmann, der stets eine tadellose Haltung zeigte, sagte mir, dass er mich im Namen des Führers verhafte. Ich bin daraufhin in den Wagen eingestiegen. Ich verließ das Haus des Marschalls Pétain, in welchem ich 4 Tage zu Gast gewesen war und begab mich mit seinem Einverständnis und begleitet von drei französischen Polizeibeamten zur Präfektur GERET (Département CREUSE). In meiner Begleitung befanden sich mein Sohn, der Eskadronchef Weygand, der einer meiner Ord.Offz. ist und von seiner Frau begleitet wurde. Wir wurden alle drei nach MOULIN gebracht. Bevor man mich von meinem Sohn trennte, haben uns die deutschen Offiziere gesagt, dass ich nicht Gefangener, sondern Gegenstand einer Vorsichtsmaßnahme sei. In DIJON, als ich allein war, hat man mir erklärt, ich sei auf Befehl des Führers kriegsgefangen und würde nach Deutschland gebracht werden.45

124  In Hitlers Hand

Ferner verlangte Weygand Auskunft über den Grund seiner Verhaftung und forderte, Marschall Pétain von seiner Gefangennahme in Kenntnis zu setzen, »damit er nicht, weil ich verschwunden bin, glauben kann, ich sei Deserteur oder Dissident (auf die Seite seiner politischen Gegner übergetreten)«. Seiner Frau Renée schrieb Weygand Ende November, er werde gut behandelt und hoffe, »dass mein altes Gerippe unter diesem Abenteuer nicht allzu sehr zu leiden haben wird«.46 Er sei zuversichtlich, und im Übrigen wisse seine Frau »ebenso gut wie ich, was ich alles denke«. Nach Zensur durch Gestapo und Außenministerium durfte der Brief am 1. Dezember weitergeleitet werden. Wie es um seinen seelischen Zustand bestellt war, offenbarte Weygand am 3. Dezember 1942. Dieser Brief sei der dritte, den er seit seiner »Entführung« schreibe. Die deutsche Regierung lasse seine Proteste unbeantwortet, ebenso wie die französische: Ich bin in Einzelhaft, weiß nicht, ob meine Briefe Dich erreichen und habe bisher von Dir und den Kindern keine direkte oder indirekte Nachricht erhalten. Da ich ja übrigens auch nichts darüber weiß, an welchem Ort und unter welchen Verhältnissen Du lebst, weiß ich nicht, ob es Dir möglich gewesen ist, an mich zu schreiben. (…) Wenn Du es nicht schon getan hast – aber versucht wirst Du es sicher schon haben – musst Du den Marschall bitten, durchzusetzen, dass ich Nachrichten von Dir erhalte und dass Deine Briefe mir ausgehändigt werden. Unsere Korrespondenz fällt nicht unter die Vorschriften für Gefangene, denn ich bin nicht in einem Gefangenenlager. Offenbar will man den Ort meiner Haft geheim halten, aber das hindert nicht, dass ein Briefwechsel zwischen uns stattfindet.47

Tatsächlich hatten ihm bis dahin sowohl seine Frau als auch sein Sohn Édouard geschrieben, doch durchliefen die Briefe zahlreiche Zensurstellen, bevor sie mit erheblicher Verzögerung ausgehändigt wurden. Auch die italienische Königin erkundigte sich frühzeitig nach Weygands Verbleib. Ihr wurde geantwortet, ihm gehe es gut, er bekomme französische Zeitungen, französische Lektüre und auch echten französischen Cognac.48 Der Kommandeur der Schule suchte Weygand »jeden Abend nach dem Abendessen« auf. Ihm gegenüber äußerte »Lottermann« mehrfach, er sei überzeugt, »ein Opfer eines kolossalen Irrtums zu sein«.49 Meistens Die Verfolgung der französischen Elite  125

hielt sich Weygand in seiner Wohnung auf. Wenn er an die frische Luft wollte, wurde er in geschlossenem Wagen in abgelegene Wald- oder Seengebiete gefahren. Der Garten des Führerheims war für Weygand tabu, da er von einer benachbarten Siedlung aus hätte gesehen werden können. Wiederholt verlangte er, einer ihm mindestens rangmäßig gleichgestellten Persönlichkeit gegenübergestellt zu werden. Seinen Wunsch zum Besuch einer Kirche beziehungsweise Messe mit Beichte lehnte SS-Obersturmbannführer Müller ab. Er regte bei Himmler die Verlegung von Weygand an und meinte, »dass für einen Übergangsaufenthalt von kurzer Dauer die Schule sowohl unterkunfts- wie bewachungsmäßig geeignet ist; jedoch für längere Zeit für einen General (…) untragbar«.50 Das Reichssicherheitshauptamt erlaubte am 9. Juni 1943 »Liebesgabenpakete« für General Weygand, bestand jedoch darauf, dass diese durch Vermittlung des Dänischen Roten Kreuzes an das Deutsche Rote Kreuz geschickt und dann dem RSHA vorgelegt werden mussten.51 In gewisser Weise schien Himmler Weygand zu respektieren. Am 14. November 1942 erhielt SS-Obergruppenführer Hans Jüttner im RSHA den Befehl, ihm täglich »über das Befinden unseres Gastes in Radolfzell« zu berichten.52 Die Behandlung Weygands war jedoch nicht so, wie Himmler möglicherweise gewollt hatte, wie aus ständigen Auseinandersetzungen mit dem Auswärtigen Amt hervorgeht. Am 3. Dezember 1942 erreichte Himmlers Adjutant, SS-Hauptsturmführer Werner Grothmann, ein Fernschreiben aus Radolfzell, in dem folgende Erklärung Weygands wiedergegeben war: Ich bin bereits seit 3 Wochen hier, wie man mir ausdrücklich erklärt hat, als Kriegsgefangener. Meine beiden Briefe, die ich an meine Frau geschrieben habe, sind nach wie vor ohne Antwort geblieben. Diese Tatsache beunruhigt mich von Tag zu Tag mehr und ich halte das bei meinem Gesundheitszustand nicht mehr aus. Die Situation, in der ich mich befinde, wird für mich unerträglich, da ich außerdem keine Nachricht von meiner Familie bekomme, die bisher in Cannes war, von der ich aber bis heute keine Nachricht erhalten habe und nun überhaupt nicht weiß, wo sie nach dem Einmarsch der Italiener geblieben ist. Ich habe das Bedürfnis, mir Kleider, Wäsche und Schuhe schicken zu lassen, da ich nur einen Anzug hier habe. Als Kriegsgefangener steht mir ja das Recht zu, auf dem vorgeschriebenen Wege mit meiner Familie zu korrespondieren.53 126  In Hitlers Hand

Himmler veranlasste daraufhin in einer Aktennotiz für SS-Sturmbannführer Paul Baumert, »dass alle für die Verpflegung Lottermanns notwendigen Dinge über den Persönlichen Stab zur Verfügung gestellt werden, insbesondere Genussmittel wie Rotwein, Rauchwaren usw.«.54 Am 5. Dezember 1942 ordnete Himmler in einem Fernschreiben an SSStandartenführer Walter Schellenberg an: Lottermann ist für sein Leiden ein ausgezeichneter Arzt zur Verfügung zu stellen sowie alle Medikamente. Das Auswärtige Amt ist von Ihnen in dringlichster Form aufzufordern, den Brief von Lottermann innerhalb von 1 Stunde zu zensieren, damit er weitergeleitet werden kann. Ich denke gar nicht daran, wegen der Saumseligkeit des Auswärtigen Amtes in einen Ruf zu kommen, einen alten General als Kriegsgefangenen schlecht zu behandeln. Insgesamt ist überhaupt nicht ersichtlich, warum die persönlichen Briefe des General Weigand [sic] vom Auswärtigen Amt zensiert werden müssen. W. ist Kriegsgefangener. Ich beauftrage das Reichssicherheitshauptamt mit der Zensur der Briefe des Kriegsgefangenen.55

Unter dem Betreff »Lottermann« erhielt Himmlers Adjutant Grothmann am 14. Dezember 1942 einen Bericht über den Gesundheitszustand des Gefangenen.56 Beigefügt war eine Erklärung Weygands, in der er sich lobend über die medizinische Betreuung äußerte, aber anmerkte: Was meinen Gesundheitszustand sehr beeinträchtigt, ist vor allem die Tatsache, dass man mich bis heute im Unklaren über den Grund und die Dauer des Aufenthalts lässt. Der Krieg kann noch lange dauern und ich würde somit hier mein Leben beenden. Im Übrigen fehlt mir nur eines: meine Freiheit. Abgesehen davon fühle ich mich sehr wohl und habe kein Interesse an einem Wechsel meines Aufenthaltortes, da ich hier in überaus zuvorkommender Weise behandelt werde.57

Diese Bemerkung weckte den Argwohn seiner Bewacher, wie aus einem Zusatz des Schulkommandeurs hervorging: Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass »Lottermann« unter allen Umständen versucht, gerade hier in dieser Gegend zu bleiben. Ich könnte mir vielleicht denken, dass er gerade infolge der außerordentlichen Die Verfolgung der französischen Elite  127

Nähe der Schweizer Grenze sich vielleicht von dort aus etwas erhofft. Es ist eigenartig, dass er bei seinen Spaziergängen immer wieder versucht, die genauen Grenzen nach der Schweiz zu erfahren; dass er sich äußerst lebhaft für alle Wegweiser interessiert, wie ich selbst beobachten konnte. Seit Tagen habe ich befohlen, dass bei seinen Spaziergängen außer 2 Führern noch 2 Unterführer mit M.P. in Sichtweite folgen. Zudem habe ich befohlen, dass durch die hiesige Ortspolizeibehörde eine genaue und scharfe Fremdenkontrolle durchgeführt wird, dass bei der Vorlage der Hotelannahmescheine mir über Verdächtige und Schweizer Staatsangehörige Meldung gemacht wird.

Auch Himmler gelangte zu der Überzeugung, dass für Weygand ein anderer Aufenthaltsort gefunden werden müsse. Nach einer Begegnung mit Hitler hielt er am 9. Dezember 1942 fest: »Der Führer hat sich damit einverstanden erklärt, dass Weygand nicht nach Schloss Itter, sondern an den Millstädter See kommt.«58 Am 21. Januar 1943 war Weygand wiederum Thema eines Gesprächs Himmlers mit Hitler.59 Die Familie Weygands bemühe sich um seine Freilassung. Seine Frau habe während ihres Aufenthalts in Paris versucht, von Botschafter Otto Abetz empfangen zu werden, sei aber abgewiesen worden. Weygands ältester Sohn halte sich wahrscheinlich in der besetzten Zone Frankreichs auf, ein anderer Sohn betreibe in Offizierskreisen Propaganda gegen die passive Haltung im Falle seines Vaters. Das Reichssicherheitshauptamt erhielt jetzt den Auftrag, nach einer endgültigen Unterbringungsmöglichkeit für »Lottermann« zu suchen, und SS-Gruppenführer Müller nannte in einem Zwischenbericht vom 5. Januar 1943 diese Objekte: Gut Langerünne bei Biesenthal in der Nähe von Eberswalde, das einem siebzigjährigen Zahnarzt gehörte, »der wegen asozialer Einstellung staatspolizeilich behandelt werden musste«; eine allein stehende Villa eines sächsischen Strumpffabrikanten in Heiligendamm, unmittelbar an der Ostsee mit zehn Zimmern, in der Nachbarschaft des Polizeierholungsheim Heiligendamm; Schloss Garlitz bei Lübtheen, südlich der Bahnstrecke Ludwigslust–Hamburg.60 Noch am 28. Februar 1943 verlangte Himmler von Schellenberg, die Sicherheitsmaßnahmen in Radolfzell zu verschärfen.61 Die wachhabenden SS-Unterführer müssten »eindringlich darauf aufmerksam gemacht werden, was an der Bewachung Lottermanns hängt«. Bald darauf wurde Weygand – nunmehr mit seiner Frau – vorübergehend in Schloss Gar128  In Hitlers Hand

litz, einem Außenlager des KZ Neuengamme in der mecklenburgischen Elbtalaue, untergebracht und schließlich nach Schloss Itter überführt. Den Zynismus der Nationalsozialisten im Umgang mit ihren Gefangenen kann man den folgenden Dokumenten entnehmen. Botschafter Otto Abetz sprach in einem Telegramm vom 4. Februar 1944 davon, das Ehepaar Weygand sei in »ein anderes Quartier für Edelhäftlinge verbracht« worden, nachdem die »Einzelunterbringung“« nicht mehr habe aufrechterhalten werden können.62 Kaltenbrunner berichtete am 4. April 1944 hierüber: General Weygand war nebst Ehefrau bis Anfang 1943 auf einem Landsitz in Norddeutschland [Schloss Garlitz] untergebracht. Da seine Anwesenheit unter den in der Nähe eingesetzten französischen Kriegsgefangenen und französischen Zivilarbeitern bekannt geworden war, und Meldungen über Entführungspläne durch Feindmächte eingingen, musste eine Verlegung erfolgen. Bei der Wahl der neuen Unterkunft musste in erster Linie auf die Sicherheitsbedürfnisse Rücksicht genommen werden. Sie sollte außerdem möglichst wenig durch Bombenangriffe gefährdet sein und dem General W. und seiner Ehefrau das Zusammensein mit Landsleuten ermöglichen. Dementsprechend befindet sich General W. nebst Frau z.Zt. in einem Schloss in Tirol. (…) Die neue Unterkunft ist in ihrer äußeren Gestaltung und in den Bewegungsmöglichkeiten nicht so günstig wie der Landsitz in Norddeutschland. General W. erfreute sich dort einer besonders achtungsvollen und materiell außerordentlich aufmerksamen Behandlung mit erheblichen Bewegungsfreiheiten. Er hat diese achtungsvolle Behandlung, wie sie wohl nie dem Oberkommandierenden einer besiegten Armee entgegengebracht wurde, aber nicht zu schätzen gewusst und in seinen Briefen an seine Angehörigen von einem »Hundeleben« gesprochen. Aus diesem Grunde sind die ihm gewährten Freiheiten etwas eingeschränkt worden. Er erfreut sich jedoch auch heute noch einer großzügigen Behandlung.63

Bis Kriegsende blieb Weygand auf Schloss Itter, bevor er dann von amerikanischen Truppen befreit und von französischen Behörden als Kollaborateur zu einer zweijährigen Freiheitsstrafe verurteilt wurde.

Die Verfolgung der französischen Elite  129

Henri-Honoré Giraud – vom Staatsgefangenen zum Staatsfeind

Neben Weygand gehörte General Henri-Honoré Giraud zu einem der wichtigsten französischen Gefangenen, wenngleich er dazu erst durch seine spektakuläre Flucht wurde. Auf der Festung Königstein, etwa vierzig Kilometer südöstlich von Dresden auf einem Sandsteinfelsen gelegen, waren rund neunzig französische Generäle inhaftiert, unter ihnen Giraud. Er war Kommandant der 6. Militärregion in Metz gewesen; zu seinen Untergebenen zählten unter anderem General Jean de Lattre de Tassigny, der spätere Kommandierende General der 1. Französischen Armee, sowie Charles de Gaulle, Chef des »Freien Frankreich«. Giraud, der sich bereits im Ersten Weltkrieg als Hauptmann in deutscher Gefangenschaft befunden hatte und aus einem Lazarett geflohen war, geriet am 19. Mai 1940 in deutsche Kriegsgefangenschaft. Als er in das Stabsquartier der von ihm übernommenen 9. Armee fuhr, ahnte er nicht, dass es bereits von der Wehrmacht besetzt war. Giraud wurde von deutschen Offizieren verhaftet und auf die Festung Königstein gebracht, die seit 1939 unter der Bezeichnung »Oflag IV b« als Kriegsgefangenenlager diente. Trotz großer Risiken gelang ihm am Morgen des 17. April 1942 mithilfe eines Lothringers die Flucht.64 Von seiner Frau hatte er zuvor in Geschenksendungen Zivilkleidung erhalten. Er seilte sich über sechzig Meter ab, zog sich um und erreichte Schandau, von wo aus er mit dem Zug über Eger und Nürnberg nach Stuttgart fuhr. Bei Liebsdorf betrat er mit seinem Begleiter schließlich unter den Pseudonym Heinrich Greiner Schweizer Boden. Hitler bezeichnete die Flucht als totales Versagen des Sicherheitsdienstes und nahm sie zum Anlass, schlagartig die gesamten noch vorhandenen französischen Truppen zu entwaffnen und den Kriegshafen von Toulon zu besetzen.65 Später bezeichnete Propagandaminister Goebbels in seinem Tagebuch die Möglichkeiten, die Giraud zur Flucht geboten worden seien, als »wahrhaft Staunen erregend« und meinte: »Die mit der Überwachung des französischen Generals betrauten Wehrmachtdienststellen gehörten eigentlich an den Galgen.«66 Dass Giraud geflohen war, hatten seine Bewacher erst am Abend des 17. April entdeckt. An der Suche nach ihm beteiligten sich neben Wehrmacht, SS und SA die Gestapo, die Hitlerjugend und die Abwehrstelle Prag im Protektorat Böhmen und Mähren. Die Wiederergreifung des 130  In Hitlers Hand

Franzosen: »185 cm, große mil. Erscheinung, stattliche Haltung«, der leidlich Deutsch mit französischen Akzent spreche, sei von höchster Bedeutung, hieß es in einer Besprechung in Prag am 18. April 1942.67 Sämtliche Außen- und Grenzstellen sowie Bahnhofswachen müssten sofort verständigt werden, dazu die Luftwaffendienststellen, da die Möglichkeit bestehe, dass für Giraud im Protektorat ein Flugzeug bereitgehalten werde. Drei Tage später gingen die Dienststellen noch immer davon aus, dass Giraud sich im Protektorat aufhalten könnte.68 Am 25. April 1942 notierte Goebbels, Hitler sei »außerordentlich erbost über das Entweichen des französischen Generals Giraud, den wir immer noch nicht ergriffen haben«. 69 Er sei jetzt damit einverstanden, über die Presse nach ihm zu fahnden, und habe eine Belohnung von 100 000 Reichsmark auf seine Ergreifung ausgesetzt. Jeder, der ihm Hilfe oder Schutz gewähre, werde mit dem Tod bestraft. Goebbels bezeichnete Giraud als einen »außerordentlich gefährlichen französischen General«. Wenn er nach England entkomme, werde »er sicherlich General de Gaulle ersetzen, der von einem schwachen geistigen und moralischen Kaliber ist. Das wäre sehr unangenehm, denn die französische Emigrantenbewegung leidet Gott sei dank im Augenblick daran, dass sie kein richtiges Haupt besitzt.«70 Die Flucht Girauds sei nur auf die »Saum­ seligkeit und Nachlässigkeit der Bewachung« zurückzuführen. In den Gefangenenlagern herrsche unter den kommandierenden »alten Reserveoffizieren eine falsche Humanitätsduselei«. In Prag ging man derweil davon aus, Giraud werde »vom Klerus oder vom tschech. Adel in Versteck gehalten«.71 Die Kripoleitstelle leitete vergeblich umfangreiche Suchaktionen ein. Auch im Grenzgebiet zur Schweiz waren alle Kräfte in höchste Alarmbereitschaft versetzt worden. In einem Bericht der Staatlichen Kriminalpolizei Singen ist zu lesen: An der heutigen Aktion nahmen teil: Die Beamten der Kriminalabteilung Singen, die Res.Polizei Komp. (40 Mann) Konstanz, 24 Mann des Polizeireviers Singen, eine Kompanie der SS Unterführerschule Radolfzell, 24 Mann NSKK, 28 Mann SA, 72 Mann Feuerwehr sowie Forstschutzbeamte und Gendarmerie. Während die SS Kompanie mit Wehrmacht die Grenze nach der Schweiz in der Gegend Hilzingen, Rietheim und Weiterdingen abriegelte, wurde unter Revier Leutnant Maier vom Schwärzenhof (am östlichen Fuße des Hohentwiels) eine Suchaktion in westlicher RichDie Verfolgung der französischen Elite  131

tung vorgenommen. Abgesucht wurde das ganze Hohentwielgebiet, das Stauferngebiet und die Waldungen in diesem Gelände.72

Überall wollte man Giraud gesehen haben. Die deutsche Botschaft in der Schweiz telegrafierte am 29. April 1942, er sei mithilfe der Bewachungsmannschaft in deutscher Uniform geflohen und mit einem Pkw bis in die Gegend von Schaffhausen gefahren, wo er die Grenze zur Schweiz überschritten habe.73 Er habe sich in Zürich aufgehalten und wolle nun mit einem Privatflugzeug über Lissabon nach London fliegen. Aus Madrid kam die Nachricht, die Beschreibung Girauds treffe auf einen gewissen Edward Mißlin zu, der im Hotel Nacional wohne und »von mehreren Personen gedeckt« werde.74 Die spanische Polizei stoppte den Zug, mit dem Mißlin und ein Begleiter nach Portugal fahren wollten, doch es stellte sich heraus, dass es sich nicht um den Gesuchten handelte. Endgültige Auskunft über den Fluchtweg erhielt das Auswärtige Amt schließlich von der Schweizer Regierung.75 Sie teilte am 5. Mai mit, am 22. April 1942 sei ein ausländischer Zivilist wegen verbotenen Grenzübertritts bei Puntrut von einer Grenzstreife gestellt worden. Er habe sich am nächsten Tag im örtlichen Gefängnis als General Giraud vorgestellt. Weitere Auskünfte wurden verweigert. Am 30. April 1942 wurde die reichsweite Suche abgebrochen, Giraud befand sich wieder in Frankreich, und mit allen Mitteln wurde versucht, ihn nach Deutschland zurückzuholen. Goebbels schrieb: Unser Botschafter Abetz ist beauftragt worden, dass er auf Giraud einen Druck ausübe, sich freiwillig wieder in deutsche Gefangenschaft zurückzubegeben. Dieser Versuch muss zwar gemacht werden, aber ich verspreche mir nicht allzu viel davon. Giraud wird sich hüten, freiwillig in unsere Hand zurückzukehren. Der Festungskommandant von Königstein verdiente eigentlich, erschossen zu werden. (…) Dieser Kommandant kann sich freuen, dass ich nicht über sein Leben zu bestimmen habe.76

Kurz darauf, am 6. Mai 1942, diktierte er: Wie ich vom Auswärtigen Amt höre, denkt Giraud gar nicht daran, sich freiwillig wieder in deutsche Gefangenschaft zu begeben. Wahrscheinlich wird er 132  In Hitlers Hand

später einmal ein beachtlicher Gegner in der De-Gaulle-Bewegung werden. Leider haben die Aufsichtsorgane der Festung Königstein das Entkommen des Generals viel zu spät erst gemeldet. Dadurch sind drei wertvolle Tage verloren gegangen. Als der SD mit der Sache betraut wurde, war es schon zu spät. General Giraud ist mit einer normalen Fahrkarte bis an die Schweizer Grenze gefahren und hat sich unterwegs sehr eingehend mit einem deutschen Offizier über die Lage unserer Panzerarmee in Nordafrika unterhalten.77

Der deutsche Botschafter in Paris, Otto Abetz, traf sich am 2. Mai 1942 im Hotel de Paris in Moulins-sur-Allier an der Grenze zwischen dem besetzten und unbesetzten Teil Frankreichs mit Giraud. An der Besprechung nahmen Ministerpräsident Pierre Laval und der Kriegsminister der Vichy-Regierung, Admiral Jean François Darlan, teil.78 Giraud schenkte der Versicherung, bei einer Rückkehr ehrenvoll behandelt zu werden, keinen Glauben. Ribbentrop erklärte am 1. April 1946 vor dem Nürnberger Militärtribunal, man habe Giraud für eine Unterredung in Moulins freies Geleit zugesagt. Der General sei dann mit Laval wieder abgefahren. Beinahe allerdings wäre es doch zu einer Verhaftung gekommen, wie bei Admiral Wilhelm Canaris nachzulesen ist.79 Giraud wollte schon wieder abreisen, da erfuhr der sich zufällig auch im Hotel aufhaltende Kommandeur der deutschen 337. Infanteriedivision, dass der viel gesuchte Franzose im Haus war. Augenblicklich wollte er Giraud festnehmen, rief jedoch vorsichtshalber bei Keitel an, der dies wegen des damit verbundenen Vertrauensbruchs ablehnte. Giraud konnte in sein französisches Versteck zurückkehren. Hitler soll getobt haben, dass Abetz ihn nicht sofort hatte verhaften lassen.80 Der Fall Giraud beschäftigte die NS-Führung wie kaum ein anderer. Nachdem der General sich weigerte, sich freiwillig erneut in Gefangenschaft zu begeben, wurden die Haftbedingungen der französischen Kriegsgefangenen wesentlich verschärft. Dazu Goebbels am 8. Mai 1942: Der Führer hat befohlen, dass jetzt entsprechende Repressalien an den französischen Kriegsgefangenen in Deutschland vorgenommen werden. Sie werden sich sehr starke Einschränkungen in ihrer Lebensweise gefallen lassen müssen. Übrigens schlage ich dem OKW vor, man solle doch einfach Giraud, der sich auf illegale Weise aus deutscher Gefangenschaft entfernt hat, auch Die Verfolgung der französischen Elite  133

wieder auf illegale Weise in unseren Besitz zurückbringen. Das wäre sehr einfach zu bewerkstelligen. Man schicke ein halbes Dutzend ausgesuchte SD-Leute in das unbesetzte Frankreich, lasse Giraud ein paar Tage beobachten, ihn dann Hals über Kopf in ein Auto hineinpacken und ins besetzte Gebiet schaffen; dann haben wir ihn wieder.81

Dazu kam es nicht. Stattdessen wurde der Druck auf die französischen Kriegsgefangenen erhöht: »Der Führer hat jetzt scharfe Maßnahmen in der Behandlung der französischen Kriegsgefangenen als Antwort auf das Entweichen des Generals Giraud angeordnet. Die französischen Kriegsgefangenen werden ihrem General zu danken haben, dass sie nun nichts mehr zu lachen haben. Ihre Ausgeherlaubnis wird abgestellt, sie werden schärfstens bewacht und die in unserer Hand befindlichen französischen Generale in Einzelkasematten überführt.«82 Wenig Unterstützung bei der Jagd auf Giraud fanden die Nationalsozialisten übrigens bei Ministerpräsident Laval, wie Goebbels beklagte: »Er [Laval] hat darauf verwiesen, dass General Giraud sich auf eine durchaus zulässige Weise aus der deutschen Kriegsgefangenschaft befreit habe, zum Teil unter Einsatz seines Lebens, man deshalb auch nicht verlangen könne, dass er freiwillig in die Kriegsgefangenschaft zurückkehre.«83 Einen weiteren Versuch, Giraud zur Rückkehr zu bewegen, unternahm der Gesandte Rudolf Rahn. In Gegenwart von Pétain und Laval beschwor er Giraud: »Erklären Sie sich bereit, als freier Mann nach Berlin zu fahren und dort selbst die Betreuung der französischen Kriegsgefangenen in die Hand zu nehmen. Führen Sie dann die Umwandlung dieser Gefangenen in Arbeiter durch und wirken Sie für ein deutschfranzösisches Bündnis ohne Hegemonieansprüche von der einen oder der anderen Seite.«84 Giraud lehnte wiederum ab, sicherte aber zu, sich an der Verteidigung des französischen Kolonialreichs, gegen welchen Angreifer auch immer, zu beteiligen. Für die deutsche Seite soll Rahn die Freilassung von 70 000 Gefangenen angeboten und für die übrigen Haft­erleichterungen versprochen haben,85 wovon in seinen Erinnerungen allerdings keine Rede ist. Diese Behauptung dürfte ebenso der Phantasie von Nachrichtenagenturen entsprungen sein wie Girauds angebliches Angebot – so verbreitete es die Nachrichtenagentur United Press am 22. Mai 1942 aus Vichy –, bis zum Kriegsende freiwillig in König134  In Hitlers Hand

stein zu bleiben, wenn Deutschland 500 000 französische Kriegsgefangene freiließe.86 Welche Bedeutung Giraud zukam und welche Gefahr er für die Nationalsozialisten darstellte, geht aus einem Eintrag in Goebbels’ Tagebüchern vom 11. November 1942 hervor: Um die Mittagsstunde wird von den Engländern amtlich bekannt gegeben, dass Giraud sich in Algerien befindet. Im Auftrage des Generals Eisenhower organisiert er die französische Nationalarmee in Nordafrika. Damit ist eine grundlegende Wandlung in der ganzen Lage eingetreten. Wir glauben jetzt auch nicht mehr daran, dass Darlan auf richtige Weise gefangen genommen worden ist, sondern dass er sich in einem sehr zweideutigen Spiel nach Algerien begeben hat, um dort in Gefangenschaft der Amerikaner zu geraten, damit er keine Entscheidung zu fällen braucht. (…) Anscheinend macht er mit Giraud gemeinsame Sache und versucht uns noch etwas hinzuhalten, um möglichst viel von Nordafrika in den Besitz der antilavalistischen Streitkräfte zu bringen.87

Durch Zufall hatte Rahn zuvor erfahren, dass Giraud sich eine Wohnung an der Südküste Frankreichs mieten wollte und wohl seine Flucht nach Nordafrika vorbereitete. Nach eigenen Worten verzichtete er auf eine Meldung.88 Tatsächlich setzte Giraud sich ab und wurde im Februar 1943 ziviler und militärischer Oberkommandierender in Nordafrika, später zusammen mit Charles de Gaulle Präsident des Nationalen Französischen Befreiungsausschusses.

Weitere prominente »Ehrenhäftlinge« in deutschen Konzentrationslagern De Gaulles Nichte

Während im Rheinhotel Dreesen de Gaulles Schwester Marie-Agnès Cailleau interniert war, hatten die Nationalsozialisten eine weitere Verwandte de Gaulles, seine Nichte Geneviève, am 3. Februar 1945 ins KZ Ravensbrück überführt. Sie war am 27. Dezember 1944 von der Sicherheitspolizei wegen ihrer »führenden Tätigkeit in der französischen Die Verfolgung der französischen Elite  135

Widerstandsorganisation« festgenommen worden.89 Dazu existiert ein Vermerk, den das Auswärtige Amt nach mehreren Anfragen bei der Gestapo zusammengestellt hatte: Die Angelegenheit der Mlle. de Gaulle ist fernmündlich mit Botschafter Abetz besprochen worden. Botschafter Abetz hatte keine Bedenken gegen eine entgegenkommende Behandlung der Dame und stellte einen etwaigen späteren Austausch gegen GK Spiegel zur Erwägung. Das Reichssicherheitshauptamt, ORR Kröning, teilte nach Erkundigungen in Ravensbrück mit, Fräulein de Gaulle, die etwa 24 Jahre und schlechter Konstitution sei, habe anscheinend den Arbeitseinsatz nicht gut vertragen und daraufhin an einem allgemeinen Schwächezustand gelitten. Sie sei daraufhin vor längerer Zeit aus der Arbeit herausgenommen und in der Krankenabteilung des Lagers untergebracht worden, wo sie sich auf dem Wege der Besserung befinde.90

Geneviève de Gaulle war für die Nationalsozialisten eine wichtige Geisel, wie das Auswärtige Amt am 5. Oktober 1944 formulierte. Zwar habe Botschafter Abetz einen etwaigen späteren Austausch gegen Generalkonsul Spiegel in Erwägung gezogen, aber »angesichts des nahen Verwandtschaftsverhältnisses zu de Gaulle dürfte jedoch wohl zu prüfen sein, ob nicht Geneviève de Gaulle als Pfand für eine wichtigere Frage, wie z.B. die vom Internationalen Roten Kreuz angeschnittene Behandlung der deutschen Kriegsgefangenen in französischer Hand, zu betrachten ist«. 91 Es solle geprüft werden, ob »an den Chef der Sicherheitspolizei und des SD herangetreten werden soll mit dem Ziel, die Genannte evtl. als Austauschobjekt frei zu bekommen«. Dazu kam es nicht mehr, im April 1945 wurde Geneviève de Gaulle von den Alliierten befreit. Léon Blum

Der bekannteste französische »Ehrenhäftling« war zweifellos Léon Blum. Der Mitbegründer der Sozialistischen Partei Frankreichs wurde 1936 zum französischen Ministerpräsidenten gewählt und 1938, nachdem er zwischenzeitlich zurückgetreten war, erneut in dieses Amt berufen. Schon frühzeitig warnte er, Deutschland werde über kurz oder lang Frankreich angreifen. Es sei daher verständlich, dass »kein französischer Patriot seine Hand dazu leihen könnte, indirekt eine Aufrüstung zu för136  In Hitlers Hand

dern, die sich gegen das eigene Vaterland richten könnte«.92 Nach dem Einmarsch der Wehrmacht warf ihm die Vichy-Regierung vor, einer der Hauptverantwortlichen der französischen Niederlage zu sein und klagte ihn vor dem Gerichtshof in Riom, im Département Puy-de-Dôme, an, um ihn dann am 3. April 1943 an Deutschland auszuliefern. Für die Nationalsozialisten war er das Feindbild schlechthin. Er war nicht nur französischer Politiker, sondern Sozialist und vor allem Jude. Während seiner Haftzeit im KZ Buchenwald führte Blum Tagebuch. Jede Zeile sei, so schrieb er, »mit dem Gefühl entstanden, dass sie die letzte sein würde«.93 Nach zwei Monaten heiratete Blum seine Großcousine und Sekretärin Jeanne Reichenbach, geb. Levylier, um ihre Deportation in ein NS-Vernichtungslager zu verhindern. Dem Ehepaar Blum stellte die SS einen Diener namens »Joachim«.94 In Buchenwald bewohnte das Ehepaar Blum den »Falknerhof«, den sie nur selten verlassen durfte. Zwischen fünfundzwanzig und dreißig Mann stark war die SS-Wachmannschaft, die »ständig um uns mit umgehängtem Maschinengewehr und dem Hund an der Leine auf dem schmalen Spazierweg zwischen dem Stacheldraht und dem Haus« patrouillierte. Die seltenen Zahnarztbesuche fanden nachts statt: Das Ehepaar Blum wurde im Auto zum Zahnarzt gebracht, damit es niemandem begegnete. Blum resümierte später: »Das Haus war eigentlich weniger ein Gefängnis als ein Keller oder ein Grab; man konnte nur dort leben, wenn man sich für immer von der Welt zurückgezogen hatte.«95 Das Ehepaar Blum gehörte am Ende des Kriegs zu dem »Prominententransport« nach Südtirol. Paul Reynaud und Georges Mandel

Ein anderer Prominenter, den die Nationalsozialisten gefangen hielten, war Paul Reynaud. Nach Édouard Daladier war er – für die kurze Zeit vom 21. März 1940 bis zum 16. Juni 1940 – der vorletzte Ministerpräsident der Dritten Republik gewesen. In einem Dossier der Reichskanzlei wurde er als »einer der hervorragendsten Juristen und Finanzmänner Frankreichs« und »als Staatsmann großen Formats« bezeichnet. Allerdings habe Reynaud wiederholt »seine feindliche Einstellung gegenüber Deutschland« zum Ausdruck gebracht, sei »Deutschenhasser«, habe während der tscheDie Verfolgung der französischen Elite  137

chischen Krise »im Verein mit dem Juden Mandel an der Spitze der sogenannten ›Kriegspartei‹« gestanden und sei »gegen die Friedenspolitik Daladiers Sturm gelaufen«.96 Nachdem Daladier im März 1940 vom Amt des Ministerpräsidenten zurückgetreten war, schrieb das Deutsche Nachrichtenbüro (DNB) am 6. Juni 1940: »Die Ausbootung Daladiers wird in politischen und diplomatischen Kreisen der jugoslawischen Hauptstadt als ein weiteres Zeichen dafür angesehen, dass Reynaud und seine Hintermänner jeden Franzosen zu beseitigen suchen, der die nationalen französischen Interessen jenen der Engländer voranstellen will.« 97 Nach dem schnellen Vormarsch der Wehrmacht hatte Reynaud die Weiterführung des Kampfes verlangt, trat jedoch angesichts mangelnder Unterstützung zurück. Nachfolger wurde Philippe Pétain. Diese NSMarionette ließ Reynaud zusammen mit Georges Mandel, der als Innenminister ebenfalls dem Waffenstillstand mit Nazideutschland widersprochen hatte, am 8. August 1940 in Marokko festnehmen und in Riom vor Gericht stellen. Die Vichy-Regierung hatte den Gerichtshof von Riom durch Dekret vom 30. Juli 1940 errichtet und neben Reynaud und Mandel auch Léon Blum, Premierminister in den Jahren 1936/37, Édouard Daladier, Premierminister von 1938 bis 1940, Maurice Gamélin, Befehlshaber des französischen Heeres, Guy La Chambre, Minister für französische Luftstreitkräfte, und Robert Jacomet, Generalinspekteur der Armeeverwaltung, angeklagt. Nach dem Prozess wurden Rey­ naud und Mandel als Gefangene im Fort du Poralet in den Pyrenäen, fünfzehn Kilometer von der spanischen Grenze entfernt, festgesetzt. Über seine Zelle in dem in aller Eile zum Gefängnis ausgebauten Fort schrieb Mandel, er würde nicht einmal seine ärgsten Feinde dorthin schicken.98 In derselben Zelle wurde übrigens nach dem Krieg Pétain inhaftiert. Mandel und Reynaud durften keinen Kontakt miteinander haben, doch erhielt Mandel Besuch von seiner zwölfjährigen Tochter Claude, von seiner Gefährtin Béatrice Bretty und seinem Sekretär Raymond Amar. Sein Diener Baba Dallo versorgte ihn aus dem nahe gelegenen Dorf Urdos mit zusätzlichen Lebensmitteln.99 Im Frühjahr 1942 erhielt Michel Clemenceau, Sohn des früheren Premierministers, die Erlaubnis, Mandel zu besuchen. Auch er erlitt später das Schicksal eines »Ehrenhäftlings«. Mandel bat ihn, Pétain zu einem Prozess oder zur Freilassung aufzufordern, doch der Marschall antwortete Clemenceau, es seien die Deutschen, die auf der Haft bestünden. 138  In Hitlers Hand

Fluchtgedanken scheiterten nicht zuletzt daran, dass Reynaud sich weigerte, ohne Mandel zu fliehen. Am 11. November 1942, drei Tage nach der Landung der Alliierten in Nordafrika, wollte die SS mit Oberst Helmut Knochen das Fort besetzen, wurde aber aufgehalten, während die beiden Gefangenen sich an den inzwischen wieder als Ministerpräsident eingesetzten Pierre Laval wandten. Dieser erklärte zwar, solange er an der Macht sei, würde er die Politiker den Deutschen nicht übergeben,100 doch am 20. November 1943 übernahm Knochen sie ungeachtet aller Proteste. Laval gab nach dem Krieg vor, er habe die beiden den Deutschen überlassen, um so das Leben anderer Franzosen zu retten.101 Reynaud und Mandel trafen am 24. November in Berlin ein und wurden noch in der Nacht ins Konzentrationslager Sachsenhausen gebracht, ein »Gefängnis für wichtige Persönlichkeiten«, wie man ihnen sagte.102 Karl-Heinz Hoffmann, Leiter des Referats »Besetzte Westeuropäische Gebiete«, gab vor dem Nürnberger Militärtribunal an, die Deportation französischer Minister und Generäle nach Deutschland sei von Himmler in Abstimmung mit dem Höheren SS- und Polizeiführer in Frankreich angeordnet worden. Die Gestapo habe die Weisung erhalten, Reynaud und Mandel in Gefängniszellen unterzubringen, aber erreicht, dass andere Unterbringungsmöglichkeiten gefunden wurden.103 Er selbst habe Kontakt mit Konzentrationslagern nur durch die »Betreuung« von Reynaud und Mandel gehabt, die beide im Zellenbau des KZ Sachsenhausen »gewohnt« hätten. Später sei er mit dem KZ Buchenwald in Kontakt gekommen, »wo Herr Ministerpräsident Blum und Herr Minister Mandel in einem Häuschen in der Führersiedlung wohnten, und bezüglich Schloss Gitter [sic] wurden die Wachmannschaften von den Truppen des KZs Dachau gestellt«.104 Mandel standen schlimme Jahre bevor. Er durfte lange Zeit weder nach außen schreiben noch Post empfangen. Am 20. März 1943 beschwerte er sich über die schlechte Behandlung und beklagte sich bei dem Lagerkommandanten: Ich erinnere daran, dass ich am 20.11.1942 den deutschen Autoritäten übergeben wurde, ich bin also seit vier Monaten eingesperrt, versteckt und ohne jede Verbindung mit den meinen und deshalb ist mein Kind vielleicht in bitterster Not. Ich fordere, dass man dies dem Reichsaußenminister persönlich mitteilt, damit niemand später sagen kann, man hätte dies nicht gewusst.105 Die Verfolgung der französischen Elite  139

Mandel hielt auf Zeitungsrändern mit Bleistift seine Gedanken fest. Alle Streifen wurden aufgefunden – er hatte sie bei seiner Ermordung bei sich, und sie wurden übersehen. Sie offenbaren das Leiden des Gefangenen. Unter dem 12. Dezember 1942 beispielsweise ist zu lesen: »Ich erkläre, wenn ich in meiner Zelle sterbe, ist dies kein freiwilliger Tod.« Erstmals im April 1943 durfte Mandel seiner Tochter und Madame Bretty schreiben. Im selben Monat wurden die Haftbedingungen gelockert, nachdem die Deutschen auch Blum, Daladier und Gamélin inhaftiert hatten. Diese drei wurden als politische »Ehrenhäftlinge« betrachtet, und Reynaud und Mandel sollten gleich behandelt werden. Am 9. April 1943 wandte sich Mandel erneut an den KZ-Kommandanten: »Ich möchte Sie nicht stören, aber dennoch möchte ich Ihnen einige Fragen stellen, insbesondere solche, die meine Gesundheit betreffen. Ich erlaube mir deshalb, Sie zu bitten, in meine Zelle zu kommen, wenn Sie das Gefängnis besuchen.«106 Ende 1943 wurde Mandel an das KZ Buchenwald überstellt und mit Léon Blum und dessen Frau Jeanne in einem kleinen Haus vom übrigen Lager getrennt untergebracht. Béatrice Bretty beantragte, zu Mandel ziehen zu dürfen, doch das lehnte er mit Rücksicht auf sie ab. Er bekam nun ein Radio und konnte sich nach einiger Zeit täglich mit Blum treffen. Pakete und Briefe wurden ihm jedoch gar nicht oder mit monatelanger Verzögerung ausgehändigt. Mandels Gesundheitszustand verschlechterte sich zusehends. Am 16. April 1944 klagte er: »Habe sechs Stunden geschlafen, bin aber jede Stunde aufgewacht. Dauernde Träume. Die Bauchschmerzen werden schlimmer. Das Ergebnis von vier Jahren Gefangenschaft und besonders der Nahrung in deutschen Lagern.«107 Und im Juli hieß es: »Mit den Schlaftabletten des Lagers schlief ich nur fünf Stunden. (…) Bin mit Schmerzen und Übelkeit aufgewacht. Hatte große Mühe, aufzustehen und mich anzuziehen. Nahm nur eine Tasse Tee zu mir. Unter diesen Umständen fühle ich mich sehr allein. Jede Bewegung wird beobachtet.«108 In seinem Tagebuch ist auch folgender Satz zu finden: »Während der Isolation in meiner Zelle, hatte ich nur einen einzigen Gedanken, eine einzige Hoffnung: die Niederlage Deutschlands. Gelebt zu haben, das zu sehen, würde mich für alles entschädigen.«109 Das Leben Mandels und anderer »Ehrenhäftlinge« war akut bedroht, als in Nordafrika französische und afrikanische NS-Sympathisanten hingerichtet wurden. Botschafter Otto Abetz verfiel auf den 140  In Hitlers Hand

Gedanken, nunmehr führende Persönlichkeiten der Résistance oder des Vorkriegsfrankreich zu töten. Er übermittelte Hitler eine Liste, auf der an erster Stelle die Namen Blum, Reynaud und Mandel standen.110 In seinen Tagebüchern griff Goebbels diese Idee am 3. Juni 1944 auf: »Laval ist bedeutet worden, er solle, wenn noch einmal in Nordafrika Erschießungen von Vichy-Anhängern stattfänden, zu Repressalien größeren Umfangs greifen. Zu diesem Zweck sind ihm Reynaud, Mandel und Blum angeboten worden. Er kann sie als Geiseln erschießen lassen, was sicherlich in Algier seinen Eindruck nicht verfehlen würde.«111 Bereits am 30. Mai1943 hatte Hitler angekündigt, er werde die drei Inhaftierten der französischen Regierung zum Erschießen überstellen, wenn die Tötungen nicht aufhörten.112 Als am 30. Juni 1943 der Führer der faschistischen Afrikanischen Phalanx, Colonel Magnien, in Algier zum Tode verurteilt wurde, informierte Abetz Laval, dass die drei Gefangenen jetzt zur Hinrichtung dem Vichy-Regime übergeben würden. Laval gelang es schließlich, die Hinrichtung Magniens zu verhindern. Das Leben der »Ehrenhäftlinge« war damit gerettet, dasjenige Mandels jedoch nur noch für kurze Zeit. Mandel erhielt am 4. Juli 1944 den Befehl, nach Frankreich zurückzukehren. Ihm war bekannt, dass Philippe Herriot, Informations­minister der Vichy-Regierung, kurz zuvor von der Résistance ermordet worden war. Mandel frühstückte noch einmal mit Blum im Konzentrationslager und bat ihn: »Sagen Sie Béatrice Bretty und meiner Tochter, dass ich nichts bereue, was ich getan habe. Ich weiß, dass ich richtig gehandelt habe und dass sie sich meiner nicht schämen müssen.«113 Mandel wurde nach Reims geflogen und dann nach Paris gebracht. Nach drei Tagen bei der Gestapo sollte er angeblich am 7. Juli 1944 ins Gefängnis La Santé verlegt werden. Max Knipping, Chef der Miliz in Nordfrankreich, holte ihn mit einem Konvoi von drei Fahrzeugen ab. Nach kurzer Fahrt in Richtung Fontainebleau hielt der erste Wagen, der Fahrer, Jean Manusuy, gab einen Motorschaden vor. Mandel stieg aus, ging spazieren und wurde von Manusuy aus kurzer Entfernung erschossen. Menschenverachtend hielt Goebbels am 16. Juli 1944 in seinem Tagebuch fest: »Der ehemalige französische jüdische Innenminister Mandel ist bei einer Überführung aus einem Pariser Gefängnis in ein Provinzgefängnis erschossen worden. Er war von uns an die französische Miliz ausgeliefert worden. Unterwegs hat ihn sein verdientes Schicksal ereilt. Über diese Die Verfolgung der französischen Elite  141

Angelegenheit entsteht eine kleine französische Regierungskrise. Laval wendet sich, wie wir aus abgehörten Telefongesprächen entnehmen, in schärfster Weise gegen Darnand, dem er die Schuld an dieser Erschießung beimisst. Als wenn das schon so wichtig wäre, dass Mandel, einer der Hauptschuldigen dieses Krieges, um die Ecke gebracht wird!«114 Am 6. April 1943 meldete L’Écho de Nancy: »Die Expräsidenten Daladier, Blum und Gamelin werden nach Deutschland gebracht, wo schon Reynaud und Mandel sind.« Maurice Gamélin war 1931 zum Generalstabschef des französischen Heeres ernannt worden. Dem deutschen Überfall zeigte er sich nicht gewachsen. Reynaud, zu dem er ohnehin ein gespanntes Verhältnis hatte, löste ihn daher am 19. Mai 1940 durch den reaktivierten General Weygand ab, der aber selbst am 6. September verhaftet wurde. Gamelin war im Februar 1942 im Prozess von Riom als Mitverantwortlicher an der Niederlage Frankreichs angeklagt, aber 1943 aus französischer Haft entlassen und an Deutschland ausgeliefert worden. Ausschlaggebend hierfür war die zunehmende Sorge, die angesehenen Politiker und Militärs könnten die Alliierten unterstützen. Dies ist einem Vermerk vom 8. April 1943 zu entnehmen: Die deutsche Regierung hat aus sicheren Quellen den Beweis erhalten, dass die englischen und amerikanischen Regierungen vorhaben, sich einiger Persönlichkeiten zu bemächtigen, die in Frankreich leben, um eine Gegenregierung aufzubauen und somit Schwierigkeiten und Chaos in Frankreich auszulösen. Deshalb hat die deutsche Regierung entschieden, sie nach Deutschland zu deportieren. Wie schon vorher die Exminister Paul Reynaud und Georges Mandel werden die Expräsidenten Daladier und Blum, sowie der General Gamelin transferiert. Wegen der oben genannten Gründe konnte die deutsche Regierung der Anfrage des Präsidenten Laval, Chef der frz. Regierung, nicht nachkommen, in der er darum bat, die genannten Persönlichkeiten weiterhin in Frankreich zu belassen. Die deutsche Regierung hat aber der frz. Regierung versichert, dass mit ihrem Transport nach Deutschland – der aus militärischen Gründen erfolgte – keinerlei Verschlechterung ihrer bisherigen Behandlung einhergeht. Darüber hinaus hat die deutsche Regierung die frz. Regierung informiert, dass die genannten Personen übergeben würden, sobald es die Umstände zuließen.115

142  In Hitlers Hand

Während Mandel von den Nationalsozialisten besonders schlecht behandelt worden war, weil er Jude war, kam Paul Reynaud schon bald in den zweifelhaften Genuss der Vorteile, die »Ehrenhäftlingen« vorbehalten waren. Am 16. April 1943 war er in eines der »Sonderhäuser« des KZ Sachsenhausen eingewiesen worden. Darüber führte er Tagebuch, dem die folgenden Auszüge entnommen sind: Ein Wärterhaus, und dahinter eine Folge deutscher Villen aus Holz, ohne Steinmauern, mit hohen Dächern, alle gleich. Überall Stacheldraht. Wir gehen zu Fuß zu einem der Häuser. Mein Haus. Begehung durch den Eigentümer mit einem lächelnden Leutnant und dem Übersetzer. Schön. Guter Geschmack. Moderner Komfort: Badezimmer, Küche mit elektrischem Ofen. Im Erdgeschoss Vorzimmer, Büro, Esszimmer, Küche. Im ersten Stock, mein Zimmer, Badezimmer und drei andere Zimmer. Doppelte Fenster, Zentralheizung. Sie fahren ab. Einsamkeit. (…) Samstag, 17.04.1943. Aufwachen in »meinem Haus«. Zum ersten Mal seit mehr als zweieinhalb Jahren, Fenster ohne Gitter! Zweiter Rundgang. Alles ist neu, sauber, von einer einfachen Eleganz. Ich bin mein eigener Herr. Ich verlasse das Zimmer, wann ich will. Ich gehe ins Badezimmer. (…) Sonntag, 18.04.1943. In dem Sandstück, der mein Garten ist, wachsen 17 große Kiefern. Ein Schild an der Wand über dem Stacheldraht: »Hochspannung, Todesgefahr.« Vor meinem Arbeitszimmer, Sonne, aber eine Mauer beherrscht ein Barackenlager. Dienstag, 20.04.1943. Besuch des Leutnants und des Oberfeldwebels. Sie kündigen mir die Ankunft von Borotra für heute Abend, 21.00 Uhr an! Artikel im Matin vom 09.04.1943. Überschrift: »Daladier, Blum, Mandel und die Vereinigten Staaten: Die wirklichen Verantwortlichen der Kriegserklärung sind nicht mehr in Frankreich. Das ist eine Vorsichtsmaßnahme, die notwendig wurde, wegen der Art und Weise, in der der Prozess von Riom geführt wurde und wegen der Intrigen der letzten Tage um die Beschuldigten. Diese Männer waren schon immer die Lieblingskinder der Amerikaner, die in ihnen Minister sahen, die in der Lage wären, eine Regierung zu bilden, die im Gegensatz zu ihrem eigenen Volk steht. Es waren vor allem Reynaud und Mandel, denen besondere Aufmerksamkeit erwiesen wurde.« Mittwoch, 21.04.1943. Borotra wurde von den Deutschen festgenommen, und nach Fresnes gebracht, weil er an den Kämpfen in Nordafrika teilnehmen wollte.

Die Verfolgung der französischen Elite  143

Man gab ihm einen Kaffee, der eine Flüssigkeit enthielt, die ihn willenlos machte. Dienstag, 11.05.1943. Um 11 Uhr erscheint der Oberfeldwebel und teilt uns mit, dass wir um 3 Uhr verlegt werden. Wohin? Geheimnis. Um 5 Uhr Abfahrt. Im Auto mit Major Hoffmann. Bevor wir das umzäunte Gelände verlassen sage ich H.: »Aber das ist Schuschnigg.« Er lächelt und antwortet nicht. Autobahn. Um 9 Uhr Ankunft in Weimar. Das Haus von Goethe. Wir steigen nach 10 km Fahrt in einem Offiziersheim ab.116 Wo sind L. Blum und G. Mandel? Letzterer kam vor drei Tagen hier an. Vor ihm waren Daladier und Gamelin hier. L. Blum ist sehr herzlich, abgemagert und blass. Seine Bewegungen wirken steif, aber sein Geist ist so wach wie immer. G. Mandel ist gut in Form. Er glaubt, dass Laval für die Deportation Blums und Daladiers nach Deutschland verantwortlich sei und dass man Gamelin nicht allein in Bourrassoi habe lassen können. Mittwoch,12.05.1943. Erstes Essen mit Blum und Mandel. (…) 8.00 Abfahrt. Halt an einem modernen Hotel an der Autobahn. 17.00 Uhr Ankunft in Itter.117

Probleme bereitete den Nationalsozialisten offensichtlich der Umgang mit dem ehemaligen Regierungschef Édouard Herriot. Nachdem das Vichy-Regime ihn Ende 1942 unter Hausarrest gestellt hatte, übernahm Mitte 1943 erst die Wehrmacht, dann die SS seine Bewachung. Da ihn der Heeresgruppenarzt als »geisteskrank« einstufte, wurde er am 26. Juni 1943 aus einem Internierungslager in eine psychiatrische Klinik in Vittel in der Nähe von Nancy überführt.118 Zu Beginn seiner Inhaftierung sei an Herriot nichts Auffälliges festgestellt worden, gab der Lagerführer zu Protokoll. Das habe sich erstmals geändert, als ihm ein SSUntersturmführer vorwarf, Briefmarken nicht ordnungsgemäß auf einen Brief geklebt zu haben. »Wenige Tage darauf habe H. sich über Lebensmittelpakete aufgeregt, die ihm von Freunden geschickt worden seien. Er verlangte, aus Angst, wegen Schwarzhandels angeklagt zu werden, dass alle Pakete zurückgeschickt würden.« Das Schicksal der Bourbonen

Die Nationalsozialisten verfolgten aber nicht nur Politiker und Militärs, von denen sie meinten, sie könnten ihnen gefährlich werden, sondern auch den europäischen Adel. Da die Adelshäuser ganz Europas durch 144  In Hitlers Hand

vielfältige verwandtschaftliche Bindungen miteinander verknüpft waren, kam es häufig zu Protesten der Regierungen, die mit Hitlerdeutschland verbündet waren, oder auch des Vatikans, was Hitler und Himmler jedoch keineswegs in ihrem Verhalten beeinflusste. So gehörte auch Louis von Bourbon-Parma zu den Inhaftierten. Er hatte im Januar 1939 Prinzessin Maria von Savoyen geheiratet und nannte sich ausdrücklich »Prinz von Frankreich«. Das Ehepaar mit französischer Staatsangehörigkeit wurde am 14. September 1943 mit seinen beiden Kindern in seiner Villa in der Nähe von Cannes verhaftet.119 Der Generalsekretär des bulgarischen Außenministeriums schaltete sich ein, denn Maria von Savoyen war die Schwester der Mutter von Zar Boris III. Er verlangte Auskunft über den Aufenthaltsort und den Zeitpunkt der Freilassung.120 Adolf-Heinz Beckerle, der deutsche Gesandte in Sofia, warnte eindringlich, »eine Nichtbeantwortung wird zweifellos eine schwere Verstimmung herbeiführen».121 Nach Feststellungen des Auswärtigen Amtes war die Verhaftung des Fürsten und seiner Frau auf Befehl Himmlers erfolgt, nachdem dieser Hitlers Zustimmung erhalten hatte. Dem Fürsten wurde vorgeworfen, »deutschfeindlich eingestellt und verdächtig zu sein, mit anglophilen Kreisen in Frankreich Verbindung gepflogen zu haben«. 122 Gesucht wurde nun ein »endgültiger Verbringungsort – vorgesehen sei ein Schloss oder größere Villa«. Beide wurden nach Deutschland gebracht. Die italienische Regierung, die Apostolische Nuntiatur in Berlin sowie das Internationale Rote Kreuz versuchten, ihren Aufenthaltsort zu ermitteln. Am 17. April 1944 bat die Abteilung Pol. IV a des Auswärtigen Amts um Auskunft, »da die letzten Nachrichten über das Ergehen des Fürsten Bourbon-Parma aus dem Oktober vor.[igen] Jahres waren«.123 Mitgeteilt wurde ihr am 28. April 1944: »Fürst und Fürstin Bourbon-Parma befinden sich noch in Haft, d.h. sie befinden sich in einer Unterkunft, die ihnen zu keinerlei Klagen Anlass geben kann.«124 Ihnen gehe es nach Auskunft des Chefs der Sipo gut. In einem weiteren Telegramm hieß es: »Hier besteht an sich keine Absicht, Fürst und Fürstin Louis Bourbon Parma freizulassen.«125 So wie es häufig der Fall war, durfte der Aufenthaltsort jedoch nicht bekannt werden. Nach Anfragen der Schweizer Regierung zum Schicksal des französischen Außenministers Delbos hatte es beispielsweise geheißen: »Der frühere französische Außenminister Delbos befindet Die Verfolgung der französischen Elite  145

sich noch in Haft. Es geht ihm, wie mir der Sachbearbeiter im RSHA mitteilte, gesundheitlich gut. (…) Besonderer Weisung zufolge, darf der Unterbringungsort nicht mitgeteilt werden. Die Auskunftsbehandlung von Delbos fällt unter den bekannten Nacht- und Nebelerlass.«126 Delbos war unter Léon Blum Außenminister gewesen und hatte sich dem Waffenstillstand widersetzt. Er wurde im April 1943 von den Deutschen gefangen genommen und in das KZ Sachsenhausen gebracht. Das Schicksal eines »Ehrenhäftlings« erlitt auch Prinz Franz Xaver von Bourbon-Parma. Der Bruder der österreichischen Kaiserin Zita war zusammen mit seinen einundzwanzig Geschwistern in Österreich, Italien, Frankreich und England aufgewachsen und hatte 1927 Prinzessin Marie Madeleine von Bourbon-Busset geheiratet. Franz Xaver schloss sich dem französischen Widerstand an, wurde von den Nationalsozialisten gefangen genommen und blieb bis Kriegsende in den Konzentrationslagern Natzweiler und Dachau. Wiederholt versuchte das Internationale Rote Kreuz, Briefe an ihn weiterzuleiten, so am 31. Oktober 1944 und am 8. November 1944.127 Noch am 9. März 1945 bat es um Auskünfte.128 Man habe erfahren, dass sich der Prinz mit französischer Staatsangehörigkeit mit der Häftlingsnummer 101 057 in »Block Revier, Lager Dachau, 3 K, München« seit einiger Zeit in Lazarettpflege befinden solle. Gebeten wurde um den ärztlichen Befund und um Angaben »über seine weitere Lagerfähigkeit«. An das Reichssicherheitshauptamt weitergeleitet wurde die Anfrage erst am 12. April 1945129, sodass eine Antwort kaum mehr erfolgt sein dürfte. Über die Verhaftung des Prinzen Napoleon informierte Himmler Reichsaußenminister Ribbentrop im Januar 1943: Prinz Napoleon, der im Zusammenhang mit gewissen deutschen Kreisen seit Herbst 1940, zumal seit der Überführung der Leiche des Herzogs von Reichstadt aus Wien in den Invalidendom,130 kronprätendistische Vorstellungen gehegt hatte, ist vor Kurzem in der Nähe von Argèles an der Pyrenäengrenze mit noch drei Begleitern von einer deutschen Streife festgenommen worden. Einer seiner Begleiter war René de Sèvres, Mitglied des Mitarbeiterstabes des Marschalls [Pétain]. Er hatte sich am 8. November in die Schweiz geflüchtet (…) De Sèvres überredete den Prinzen Napoleon, der in Berlin Wohnsitz hatte, nach Spanien zu reisen, um von dort Nordafrika zu erreichen und dann mit den Amerikanern zusammen zu 146  In Hitlers Hand

arbeiten, nachdem Deutschland als Vorschub für die Rückkehr in den Bonapartismus nicht mehr in Frage komme und nachdem der Graf von Paris, der royalistische Thronprätendant, ostentativ, nämlich um dem Vorwurf der Komplizität mit den Amerikanern die Spitze abzubrechen, aus Französisch-Marokko nach Spanisch-Marokko übergesiedelt war.131

Sippenhaft in Thüringen

Lange Zeit hatten die Nationalsozialisten, wie oben geschildert, ihre Versuche, Girauds habhaft zu werden, nicht aufgegeben. Von Abwehrchef Canaris kam der Vorschlag, Girauds Familie in Geiselhaft zu nehmen, um an ihn heranzukommen. Sie lebe im deutsch besetzten Teil Frankreichs, dort müsse man zupacken. Falls Giraud seine Familie besuche, könne er wieder gefangen genommen werden.132 Siebzehn Mitglieder der Familie Giraud wurden nach Deutschland verschleppt.133 Nahezu gleichzeitig nahm die Sicherheitspolizei darüber hinaus vierundvierzig Franzosen fest, die zum Teil in der Vichy-Regierung tätig waren.134 Ihnen wurde vorgeworfen, einer »umfassenden Spionageorganisation General Girauds« angehört zu haben. Einem Staatstelegramm an die französische Abordnung am Nürnberger Militärgerichtshof ist zu entnehmen, wie die Nationalsozialisten gegenüber Girauds Familie Sippenhaft praktizierten. Erstes Opfer wurde seine Tochter Renée Granger mit ihren vier Kindern. Frau Granger, Tochter des Generals, 32 Jahre alt, wurde im April 1943 mit ihren vier Kindern im Alter von zwei bis elf Jahren, ihrem jungen Kindermädchen und ihren Schwager, Herrn Granger, in Tunis verhaftet. Die Familie des Generals wurde am 9. Oktober 1943 verhaftet, erst nach Berlin gebracht und dann nach Thüringen, Frau und Kinder sowie das Kindermädchen von M. Granger nach Dachau. Tod von Mme. Granger am 24. September 1943 infolge Mangels an Pflege und Arzneimitteln, trotz wiederholter Bitten, beides zu erhalten. Nach Autopsie ihrer Leiche in Anwesenheit eigens nach ihrem Tode von Paris gerufener französischer Ärzte, erhielt Dr. Claque die Genehmigung, die vier Kinder zuerst nach Frankreich, dann nach Spanien zu bringen, wo sie ihrem Vater übergeben werden sollten. Die Gestapo in Paris widersetzte sich dieser Freilassung, und die Kinder wurden als Geiseln nach Deutschland zurückgeschickt, wo ihre Die Verfolgung der französischen Elite  147

Großmutter sie erst sechs Monate später wiederfand. (…) Gesundheit von Mme. Giraud, ihrer Tochter Marie-Therèse und zweier ihrer Enkelkinder durch die physischen und besonders moralischen Leiden dieser Verschickung schwer erschüttert.135

In einer Notiz des Auswärtigen Amtes vom 2. Juli 1943 las sich das ganz anders: Madame Granger befand sich mit ihren vier Kindern bei Beginn des deutschitalienischen Unternehmens in Tunesien in Tunis. Ihr Mann, Major Granger, ging zu den französischen Dissidententruppen über. Seine Frau und ihre vier Kinder wurden aus dem Kampfgebiet Tunesiens zu ihrer Sicherheit nach Deutschland geschafft. Sie lebt zurzeit mit ihren Kindern völlig frei, jedoch mit Aufenthaltszwang, in einer Stadt in Mitteldeutschland, besucht Theater und Konzerte. Frau G. war nierenleidend, ihr Zustand hat sich aber so verbessert, dass sie einer ärztlichen Behandlung zurzeit nicht bedarf.136

Über die Inhaftierung von Renée Granger hatte es innerhalb der NSFührung Auseinandersetzungen gegeben. Himmler bestand darauf, während Ribbentrop den Reichsführer-SS bat, »noch einmal zu erwägen, ob die Festsetzung politisch zweckmäßig« sei.137 Der Außenminister glaubte, »dass Giraud das Wohlergehen seiner Familie schlimmstenfalls völlig gleichgültig sei und er diese gute Propagandamöglichkeit gegenüber der deutschen Maßnahme rigoros ausnutzen werde«. Himmler bestand jedoch auf der Entführung und ließ Madame Granger am 2. April 1943 zusammen mit ihren vier Kindern im Alter von drei, vier, sieben und elf Jahren sowie einer Hausangestellten durch ein SD-Einsatzkommando in Tunis verhaften und nach Berlin bringen.138 Hier wurde sie zunächst im Hotel Kaiser von Angehörigen des RSHA verhört und dann wegen eines Nierenleidens für zwei Wochen im Staatskrankenhaus behandelt. Anschließend wurden ihr – vom 24. Februar bis zum 15. Oktober 1944 – als Internierungsort zunächst eine Pension auf dem Spießberg bei Friedrichroda und dann vier Zimmer in der Pension Hintzsche in Friedrichroda selbst zugewiesen.139 Die Überwachung übernahm die Staatspolizeistelle Weimar. Noch befanden sich Girauds Ehefrau und weitere Angehörige auf freiem Fuß, doch sollte sich das bald ändern. Himmler wollte erfahren 148  In Hitlers Hand

haben, »dass der in der Schweiz tätige englische Nachrichtendienst mit der in Frankreich lebenden Frau des Generals Giraud Verbindung aufgenommen hat«.140 Unter dem Vorwand, die Bildung eines englischen »Nachrichtenkopfes« zu verhindern, befahl er, Frau Giraud und eventuell noch in Frankreich lebende Kinder des Generals zu verhaften und nach Deutschland zu bringen. Sie sollten »in dem gleichen großzügigen Rahmen behandelt werden« wie Girauds Tochter in Friedrichroda. Am 16. Oktober 1943 meldete die deutsche Botschaft in Paris Vollzug: Wie Zweigstelle Vichy berichtet, hat Chef der deutschen Polizeidelegation in Vichy, Hauptsturmführer Geissler, letzten Sonnabend elf Mitglieder Familie Giraud, darunter Frau, Bruder und Kinder Giraud’s, die sich bisher unter französischer Polizeiaufsicht Süd-Frankreich befanden, in deutschen Polizeigewahrsam genommen. Es war Fluchtabsicht bekannt geworden. Französische Regierung war im Einverständnis mit Reichsführer-SS vorher nicht verständigt worden. Protest wurde nicht eingelegt.141

Die Meldung wurde insofern kurz darauf korrigiert, als die zweiundachtzigjährige Mutter Girauds und eine Enkelin, die sie betreute, in Frankreich bleiben durften.142 Über ihren Transport nach Deutschland sollte Himmler entscheiden: »Im Falle einer Verbringung nach Deutschland sei vorgesehen, sie in einem Landsitz unterzubringen, ähnlich wie Weygand etc.« Die Pläne Himmlers wurden durchkreuzt, als Girauds Tochter infolge ihrer schweren Erkrankung am 24. September 1943 starb. Ihre vier Kinder wurden daraufhin zu ihrer Großmutter nach Frankreich gebracht, hatten dann aber nach Thüringen zurückkehren müssen. Himmler entschied, dass Girauds Mutter ebenfalls »zu ihren Enkelkindern übersiedeln« musste: »Mit ihr zusammen kommen 2 bis 3 weitere Töchter der Frau Giraud, deren Kinder und eine weitere Verwandte, im Ganzen etwa 8 bis 9 Personen.«143 Girauds Mutter befand sich zu dieser Zeit noch in Internierungshaft im französischen Vittel. Ihre Überstellung verzögerte sich, da das sie betreuende Enkelkind erkrankt war.144 Girauds Schwiegersohn André Marguet und sein Bruder Fernand Giraud wurden nach Tirol verschleppt. In Breitenwang im Bezirk Reutte befand sich seit dem 2. September 1944 ein Außenlager des KonzentraDie Verfolgung der französischen Elite  149

tionslagers Dachau. Die Häftlinge wurden jetzt im Hotel Forelle am Plansee untergebracht. Girauds Frau Céline, die Tochter Jeanne Marguet und ihre Kinder Marie-France, Nanny und Bernadette waren erst in Aixen-Provence und in Vals-les-Bains, dann in Saint-Romain-de-Lerps im Département Ardèche interniert und wurden anschließend in das thüringische Friedrichroda verschleppt, wo auch die drei Kinder und die Schwägerinnen der verstorbenen Madame Granger – Fernande und Eve Giraud – sowie das Dienstmädchen Hélène Marche inhaftiert waren. Vom 24. Februar 1944 bis zum 15. Oktober 1944 wurden sie auf dem Spießberg bei Friedrichroda gefangen gehalten und dann in die Pension Hintzsche umquartiert. Anträge des französischen Botschafters in Berlin, Georges Scarpini, die Familie Giraud zu besuchen, wurden stets abgelehnt. Der Chef der Sipo und des SD informierte das Auswärtige Amt am 19. August 1944 hierüber und führte zur Begründung an, die Familie werde gut behandelt, es bestehe kein Anlass zu einem Besuch durch den französischen Botschafter, »der sowieso von dem General Giraud und seiner Familie nicht als offizieller Vertreter seines Landes angesehen wird«.145 Die Enkelkinder wieder nach Frankreich zu bringen, sei wegen der »derzeitigen kriegerischen Verhältnisse nicht möglich«, außerdem befänden sich dort ohnehin keine näheren Verwandten mehr. Am 7. April 1945 wurde Girauds Familie von Soldaten der 3. US-Armee unter Führung von General Patton befreit. Das Vorgehen Hitlers gegen die französische Elite zeigt, mit welcher brutalen Konsequenz sie – auch physisch – ausgeschaltet werden sollte. Inhaftierungen, Entführungen und Morde waren die Mittel, zu denen die Nationalsozialisten griffen. Von Glück konnte sprechen, wer als »Ehrenhäftling« überlebte.

150  In Hitlers Hand

SS-Gewahrsam für den belgischen König

Eine besondere Stellung unter den »Ehrenhäftlingen« nahm der belgische König Leopold III. aus dem Hause Sachsen-Coburg und Gotha ein. Hitler äußerte sich häufig über ihn, in der Regel in äußerst abfälliger Form. Allerdings hielt er sich öffentlich lange Zeit zurück, schließlich war Leopold verwandtschaftlich eng mit dem italienischen Königshaus verbunden, da seine Schwester Maria José den italienischen Kronprinzen Umberto von Savoyen geheiratet hatte. Außerdem war Deutschland ein Bündnis mit Italien eingegangen. In erster Ehe war Leopold mit der schwedischen Prinzessin Astrid verheiratet, die am 29. August 1935 bei einem Autounfall in den Schweiz tödlich verunglückte. 1941 ehelichte er Mary Lilian Baels, die Tochter des ehemaligen belgischen Landwirtschaftsministers und Gouverneurs von Westflandern Henri Baels und verlieh ihr vor der Ehe den Titel einer Prinzessin von Réthy. Diese morganatische Ehe verziehen ihm die Belgier lange Zeit nicht. Ein Dossier des Generalkommandos des französischen Heeres vom 21. Dezember 1938 beschrieb Leopold als »herrschsüchtigen Charakter«, dem das Volk vorwerfe, kein Herz zu haben. Es sei jedoch wichtig, »die Beziehungen zum König mit großer Geschicklichkeit« zu pflegen. Begründet wurde diese Ansicht mit der Bemerkung, dass Leopold der »alleinige Herr der Armee« sei. »Wenn Belgien sich in einem eventuellen Kriegsfall« auf die französische Seite stellen solle, müsse vermieden werden, »die Empfindlichkeit des Souveräns zu verletzen, der imstande wäre, plötzliche und unwiderrufliche Entscheidungen zu fällen«.1 Noch am 21. Juli 1939 sandte Hitler dem König ein Glückwunschschreiben zum belgischen Nationalfeiertag.2 Als deutsche Truppen an den Grenzen zu Belgien, Luxemburg und den Niederlanden aufmarschierten, schickten Leopold und die niederländische Königin Wilhelmina Hitler ein Telegramm, in dem sie ihm ihre Dienste bei einer Friedensvermittlung anboten, »bevor der Krieg in Westeuropa in seiner ganzen Gewalt beginne«.3 Bekanntermaßen ignorierte Hitler dieses Anliegen. Nach heftigen Bombenangriffen durch die deutsche Luftwaffe ließ Leopold am 10. Mai 1940 seine drei Kinder aus erster Ehe – JoséphineCharlotte, Baudouin und Albert – in das Dorf Russy in die Nähe von SS-Gewahrsam für den belgischen König  151

Bayeux, evakuieren und unterstellte am 12. Mai 1940 die belgische Armee dem Oberbefehl der Alliierten. Doch am 28. Mai 1940 ordnete Leopold gegen den Willen der Regierung die Kapitulation an. Hilfsangebote aus Paris und London lehnte er ab. Hitler erließ aus diesem Anlass zwei Verlautbarungen, deren eine mit den Worten begann: Unter dem Eindruck der vernichtenden Wirkung der deutschen Waffen hat der König der Belgier den Entschluss gefasst, dem weiteren sinnlosen Widerstand ein Ende zu bereiten und um Waffenstillstand zu bitten. Er hat der deutschen Forderung nach bedingungsloser Kapitulation entsprochen. Die belgische Armee hat damit am heutigen Tag die Waffen niedergelegt und zu existieren aufgehört.4

In einer weiteren Erklärung hieß es: »Der Führer hat angeordnet, dass dem König der Belgier und seiner Armee gegenüber jene Einstellung gewahrt wird, auf die tapfer kämpfende Soldaten Anspruch erheben können. Da der König für sich persönlich keinen Wunsch geäußert hat, wird ihm bis zur Festlegung seines endgültigen Wohnsitzes zunächst ein belgisches Schloss zum Aufenthalt angewiesen.« Von der eigenen Bevölkerung, aber auch in Frankreich und Großbritannien, wurde Leopolds Kapitulation als Verrat angesehen. Ihm wurde vorgehalten, er richte seinen Blick auf Berlin, um die Zukunft Belgiens als Monarchie zu sichern, die vom Deutschen Reich garantiert werden solle. Der König hielt dagegen, nur so habe er sinnloses Blutvergießen verhindern können. Goebbels triumphierte am 29. Mai 1940 in seinem Tagebuch: Gestern. Ein großer geschichtlicher Tag! Die belgische Kapitulation bestätigt sich. Sie wurde vom König gegen seine Regierung, die mit Gewalt weiter Krieg führen will, beschlossen. Es handelt sich um rund eine halbe Million Soldaten. Reynaud5 beleidigt den belgischen König in einer Rede auf das Gröblichste. (…) Wir bringen den belgischen König vorläufig in ein belgisches Schloss.6

Und am 31. Mai 1940 notierte Goebbels:

152  In Hitlers Hand

Der König hat dem Volke ganz aus dem Herzen gehandelt. (…) Der Führer hat ihm eine Apanage von 50 Millionen Francs ausgesetzt.7

Mit seiner Familie und Bediensteten wurde Leopold auf Schloss Laeken bei Brüssel unter Hausarrest gestellt. Die Kinder wurden erst Ende Juli nach Laeken geholt. Die Bewachung übernahm die Wehrmacht, die auch die Verbindungsoffiziere stellte, unter anderen Oberstleutnant Werner Kiwietz.8 Der König hatte zwar den Wunsch geäußert, in einer kleinen Villa in der Nähe von Brüssel untergebracht zu werden, da er sich als Kriegsgefangener fühle, doch bei einem Gespräch mit dem italienischen Botschafter unmittelbar nach seiner Internierung erklärte dieser, »er halte die deutscherseits angeordnete Unterbringung in Schloss Laaken [sic] für würdiger und daher auch für richtiger«.9 Begleitet wurde der Botschafter vom deutschen Legationsrat Karl Werkmeister, der am 31. Mai 1940 eine Zusammenfassung des Gesprächs an das Berliner Auswärtige Amt telegrafierte. Der König habe erklärt, er wolle sich vor allem das Vertrauen seines Volkes erhalten und daher den Eindruck vermeiden, um jeden Preis »sous la pression d’Allemagne« zu regieren. Er hoffe, dass man von deutscher Seite nichts unternehme, um ihn von seinem Volk zu trennen. Er beabsichtige überdies, zwei neutralen Persönlichkeiten – dem Papst und dem amerikanischen Präsidenten Franklin D. Roosevelt – seine Haltung zur Kapitulation zu erläutern.10 Mehrfach ersuchte der König um ein Gespräch mit Hitler, um Erleichterungen für die Belgier und die Entlassung aller Kriegsgefangenen zu erreichen.11 Hitler wies dies zurück, diese Fragen sollten »einstweilen dilatorisch« behandelt werden. Die Alliierten betrachteten Leopold als einen Verräter, und die Nationalsozialisten in Berlin misstrauten ihm. Am 26. Juli 1940 setzte sich Kiewitz in einem ausführlichen Schreiben für den König ein. Bei den täglichen Spaziergängen habe er dessen Vertrauen gewonnen, Leopold sei »ein bayrisch-sprechender Hochtourist, Naturfreund«, bemühe sich, »der neuen Entwicklung in Europa gerecht zu werden«, und verhalte sich ebenso wie seine Umgebung völlig loyal. Jeder belgische Besucher des Schlosses müsse sich – wenn er nicht schon am Eingangstor abgewiesen werde – in einem Besucherbuch eintragen. Außerdem tue ein in militärischer Abwehr und polizeilicher Überwachung langjährig erfahrener Beamte der Geheimen Feldpolizei im Schloss Dienst. »Der König hat sich uns ordnungsgemäß und vertrauensvoll ergeben«, hieß SS-Gewahrsam für den belgischen König  153

es weiter. »Er hat Anspruch auf ritterliche Behandlung, wie sie ihm der Führer auch wiederholt zugesichert, mir aufgetragen, und in seinem eigenen großherzigen Verhalten gegenüber dem König zum Ausdruck gebracht hat.«12 Solche Sätze schadeten Kiewitz, der von den Nationalsozialisten dem König als zu ergeben betrachtet wurde, und sie schadeten Leopold, dem nach dem Krieg von seinen Landsleuten eine zu nachgiebige Haltung gegenüber den Besatzern vorgehalten wurde. Am 19. November 1940 schließlich empfing Hitler den König doch noch, und zwar auf dem Obersalzberg. Diese Begegnung war vor allem auf Drängen seiner Schwester, der italienischen Kronprinzessin Maria José, zustande gekommen. Der Historiker Max Domarus berichtet, Hitler habe sich seinem königlichen Gast gegenüber zunächst äußerst liebenswürdig gezeigt und ihn nach persönlichen Anliegen gefragt: Persönliche Wünsche waren für Hitler etwa Bitten um mehr Geld, ein schöneres Schloss, einen Radioapparat, wie er ihn in großzügiger Weise der Familie Schuschnigg sogar für den Aufenthalt im Konzentrationslager bewilligt hatte, oder vielleicht eine Freundin, wie sie später Mussolini verlangte. Auf solchen Gebieten bewies Hitler gerne größtes Entgegenkommen. Aber Leopold erklärte, er habe keine persönlichen Wünsche, sondern er sei gekommen, um für sein Land Erleichterungen zu erbitten, vor allem Zusagen für die weitere Unabhängigkeit und für eine baldige Heimkehr der belgischen Kriegsgefangenen. (…) Sofort wurde Hitler reserviert, zählte das ganze Sündenregister Belgiens auf, dessen angebliche Neutralitätsverletzungen usw. und erklärte, Belgien müsse sich in Zukunft politisch und militärisch nach Deutschland hin orientieren. (…) Leopold versuchte, wenigstens für die Lebensmittelversorgung und die innere Verwaltung Belgiens noch etwas herauszuholen, aber Hitlers Antworten lauteten stets negativ.13

Zwar bot Hitler Leopold Gebietserweiterungen bis nach Calais und Dünkirchen an, wenn sich das Land Deutschland völlig unterwerfe, doch der König lehnte ab. Im ersten Halbjahr 1941 – das genaue Datum ist nicht überliefert – besuchte Otto Meißner, Reichsminister und Chef der Reichskanzlei, den belgischen König. Begleitet wurde er von SS-Gruppenführer Gottlob Berger, Chef des SS-Hauptamts, der Himmler am 17. Juni 1941 über das Gespräch informierte. Leopold habe sich darüber beschwert, »dass 154  In Hitlers Hand

in Belgien eine Organisation bestehe (Flämische SS), die ihre Befehle von einer Dienststelle erhalte, die außerhalb des Landes liege. Der König sei der Meinung, dass es hier eines Tages zu irgendwelchen Schwierigkeiten kommen müsse.« Ferner habe er kritisiert, dass die Dynastie in einem Artikel der Zeitschrift SS-Mann angegriffen worden sei. Dabei habe es sich um einen kurzen Hinweis in der Zeitung zu Leopolds »reichlich unklarer Haltung bei Gründung des Kongostaates« gehandelt. Sofort nach Erscheinen des Artikels sei angeordnet worden, dass über den König und die Dynastie nicht mehr berichtet werden dürfe. Im Übrigen habe Meißner zugesagt, Hitler über die Beschwerden zu informieren.14 Für die Nationalsozialisten war Leopold ein ebenso wichtiger wie lästiger Staatsgefangener. Sie hätten es lieber gesehen, er wäre bei der Besetzung Belgiens ins Ausland geflohen. In seinen »Tischgesprächen« ging Hitler mehrfach auf den prominenten »Ehrenhäftling« ein. Am 27. Februar 1942 sprach er beispielsweise vom »maledeiten König« und meinte: »Wäre er nur davongelaufen. Die junge Frau hätte ich ihm nachgeschickt.«15 Am 28. März 1942 erwähnte Hitler, er sei froh, »dass die niederländische Königin Wilhelmina geflüchtet sei und nicht noch wie der Belgier-König durch ihr Vorhandensein einen Faktor darstelle, auf den man Rücksicht nehmen müsse«16, um dann am 27. Juni 1942 zu lamentieren: »Den belgischen Reaktionären sei man bisher überhaupt viel zu rücksichtsvoll gegenübergetreten. Es sei ein Fehler gewesen, den belgischen König nicht in Gefangenschaft abgeführt, sondern mit Rücksicht auf seinen italienischen Fürsprecher dagelassen zu haben. Denn dieser belgische König sei zwar kein Mann von Geist, aber ein Mann von ungeheurer Intrigantenhaftigkeit und ein Kristallisationspunkt reaktionärer Elemente.«17 Kurz darauf, am 24. Juli 1942, klagte Hitler, schwierig sei nur der Fall Belgien. Wenn es gelingen sollte, den belgischen König mit einer Jahrespension von etwa einer halben Million Reichsmark abzuschieben und ihn mithilfe dieser »verfeinerten Klostermethode« in der politischen Versenkung verschwinden zu lassen, würde er das nur begrüßen. Den ihm als Verbindungsoffizier zugeteilten Oberst [Kiewitz] habe er ja bereits »mit allen möglichen Mätzchen ›eingeseift‹«. Es fehle nur noch, »dass er ihn durch Anhängen eines Hausordens zum Hanswursten stempele«.18 Sein abschließendes Urteil über Leopold III. fällte Hitler am 16. August 1942: SS-Gewahrsam für den belgischen König  155

Wenn mir jemals ein Mensch unsympathisch war, so ist das der Belgier, ein ganz durchtriebener Halunke, ein schlauer Fuchs. Jetzt haben wir ihn da. Damals haben wir eine große Torheit begangen. Das kann ich auf das Konto meiner Dummheiten setzen. Ich hätte ihn als Kriegsgefangenen behandeln sollen. Auf der anderen Seite: Seine Schwester ist die Kronprinzessin von Italien. Das ist eine Tragik, persönlich die einzige Frau am ganzen italienischen Hof, eine natürliche Frau; psychisch dort misshandelt.19

Die Sympathie Hitlers für Leopolds Schwester Maria José fand beispielsweise auch darin ihren Ausdruck, dass SS-Oberführer Professor Dr. Karl Gebhardt die Prinzessin – unter dem Decknamen »Frau Mauricio« – auf Wunsch des Königs am 15. Oktober 1940 im Münchener Hotel Vier Jahreszeiten untersuchen durfte. Mehrfach beklagte sich Leopold bei Hitler über die Behandlung Belgiens und seiner Landsleute durch die deutsche Besatzungsmacht und steigerte damit nur dessen Unmut über ihn. Schriftlich protestierte er dagegen, dass die belgischen Freiwilligenverbände auf Hitler vereidigt würden.20 Dieser Brief wurde erst gar nicht beantwortet. Am 9. März 1943 übermittelte SS-Gruppenführer Berger Himmler die Zusammenfassung eines Hitler-Schreibens, in dem dieser Leopold zurechtwies: »Der König habe offensichtlich über die milde Form seiner Kriegsgefangenschaft vergessen, was er tun darf. Es sei unverständlich und eine Beleidigung des deutschen Volkes, von Deportation, Zwangsarbeit, grausamer Behandlung der belgischen Arbeiter, die nach Deutschland zur Arbeit gehen, zu sprechen. Sie arbeiteten unter denselben Bedingungen wie die deutschen Arbeiter. Belgien müsse mithelfen, auf dem Wege der Arbeit, die Gefahr des Kommunismus zu bannen. Belgien trage im Übrigen die Verantwortung dafür, dass es in den Krieg hineingezogen sei. Die Gefahren, die der König für die in Deutschland arbeitenden Mädchen sehe, sei ein Ausdruck des Misstrauens gegen die belgischen Mädchen und die Sache des Königs. Die Gefahren in Belgien seien ebenso groß, wie in Deutschland. Der König möge es in Zukunft unterlassen, Schritte zu unternehmen, wie er es in der Frage der belgischen Arbeiter getan hat, sonst müsse für seine Kriegsgefangenschaft eine andere Form außerhalb Belgiens gefunden werden.«21 Als am 25. Juli 1943 Albert Speer mehr Arbeitskräfte, insbesondere Italiener, für die Organisation Todt verlangte, erhielt er von Hitler die Antwort: »In dem 156  In Hitlers Hand

Moment, in dem die Geschichte zum Platzen kommt, brauche ich auf den Belgier auch keine Rücksicht mehr zu nehmen.22 Dann kann ich diesen Kerl auch sofort abführen lassen, sperre die ganze Verwandtschaft beisammen.«23 Als der Faschistische Großrat Italiens Diktator Benito Mussolini absetzte, war in Hitlers Ausdrucksweise »die Geschichte geplatzt«. Himmler schickte dem Höheren SS- und Polizeiführer Belgien und Nordfrankreich, SS-Brigadeführer Richard Jungclaus, am 30. Juli 1943 ein Fernschreiben, in dem er ihn »im Namen des Führers [beauftragte], mit allen Mitteln dafür zu sorgen, dass der belgische König auf keinen Fall entweichen kann«. Der Militärbefehlshaber habe denselben Befehl von Generalfeldmarschall Wilhelm Keitel erhalten: »Ich mache Sie persönlich dafür verantwortlich. Ergreifen Sie also die notwendigen Maßnahmen. Oberstleutnant Kiewitz darf auf keinen Fall unterrichtet werden.«24 Kiewitz, der sich stets gegen die Deportation des Königs nach Deutschland ausgesprochen hatte, war zu diesem Zeitpunkt längst in Ungnade gefallen. Unter anderem hatte er 1942 einen Brief an den Gesandten Oswald von Hoyningen-Huene in Lissabon gerichtet, in dem er sich auf Veranlassung von Königmutter Elisabeth, Tochter Herzogs Karl Theodor von Bayern, für einen belgischen Musiker einsetzte.25 Himmler warf ihm am 18. Juni 1944 vor, er verhalte sich so, wie ein Landsknecht in früheren Zeiten einem fremden Herrscher gedient habe.26 Das Misstrauen gegenüber Leopold wurde zusätzlich geschürt, als Gerüchte aufkamen, die englische Regierung habe ihm die Krone garantiert, wenn er sich auf die Seite der Alliierten schlagen würde.27 Der fragliche Brief mit dieser Zusage sei ihm durch die Kronprinzessin von Italien übermittelt worden, schrieb SS-Obersturmbannführer Rudolf Brandt von Himmlers Adjutantur am 30. August 1943 dem Auswärtigen Amt, das am 21. September 1943 in seiner Antwort darauf verwies, »ein gut bekannter Großbankier in Brüssel« habe den entsprechenden Brief selbst gelesen.28 Bis zum Beginn der Invasion der Alliierten in der Normandie am 6. Juni 1944 konnte Leopold auf Schloss Laeken bleiben. Nun änderte sich die Situation. Offensichtlich fürchtete die NS-Führung angesichts der militärischen Erfolge der Alliierten und des wachsenden Widerstands der belgischen Bevölkerung gegen die deutschen Besatzer, Leopold SS-Gewahrsam für den belgischen König  157

könne fliehen oder befreit werden. Ursprünglich hatte Hitler beabsichtigt, Leopold im thüringischen Schloss Schwarzburg festzuhalten. Nachdem dies nicht mehr infrage kam, beschlagnahmte der Landrat von Meißen mit Schreiben vom 7. Oktober 1943 Schloss Neuhirschstein – geläufiger unter dem Namen Hirschstein – samt Park und Garten »im öffentlichen Interesse für einen hohen Staatsgefangenen und dessen Gefolge (…) zu Gunsten des Höheren SS- und Polizeiführers Elbe – Inspekteur der Sicherheitspolizei und des SD – in Dresden«.29 Ob und welche Räume der Eigentümerin des Schlosses überlassen werden sollten, war einer späteren Prüfung vorbehalten. Offenbar wurde ihr eine Wohnung in Dresden zugewiesen. Die Beschlagnahme erstreckte sich auch auf die Räume, in denen Sammlungen der Sächsischen Landesbibliothek und der Staatlichen Sammlungen für Kunst und Wissenschaft gelagert waren. Der Entschluss, Leopold III. auf Schloss Hirschstein zu internieren, war offensichtlich schon früher gefasst worden, denn schon am 20. September 1943 hatte der Meißener Landrat »im Auftrage des Reichsministers des Innern und dieser im Auftrage des Führers« die Räumung der von den Staatlichen Sammlungen belegten Wohnräume verlangt.30 Sämtliche im Schloss aufbewahrten Kunstgegenstände sollten auf Befehl von SS-Obergruppenführer Udo von Woyrsch, Höherer SS- und Polizeiführer im Abschnitt Elbe, in der Schlosskapelle zwischengelagert und dann in die Burg Kriebstein bei Waldheim gebracht werden. Am 7. Oktober 1943 wurde zur Sicherung des Schlosses, das den Decknamen »Haus Elbe« erhielt, ein SS-Sonderkommando abgestellt. Ferner wurden hundertfünfzig Häftlinge – fast ausschließlich Italiener – aus dem Konzentrationslager Dachau nach Hirschstein verlegt und dort in Scheunen und Ställen in der Umgebung untergebracht. Die Verlagerung des Kunstgutes verzögerte sich und sollte endgültig am 11. Oktober 1943 vonstattengehen. Zwar standen zum festgesetzten Termin die von der SS avisierten Lastwagen nicht zur Verfügung, doch wurde in Hirschstein ein »aus Wagen bestehender Lastzug [requiriert und] mithilfe der von der SS gestellten Männer (Häftlinge eines Konzentrationslagers sowie Badoglio-Italiener) beladen«.31 Die letzten Kunstgüter erreichten Burg Kriebstein am 13. Oktober. Bis zum 23. Mai 1944 wurden Häftlinge aus den Konzentrationslagern Ravensbrück, Dachau und Flossenbürg zum Bau von Befestigun158  In Hitlers Hand

gen, Drahtsperren und eines Wachhauses für die SS sowie beim Umbau des Schlosses eingesetzt und waren den Grausamkeiten der SS-Schergen ausgesetzt. Allein zwischen dem 10. und 20. November 1943 erschossen SS-Angehörige mindestens vier Häftlinge bei angeblichen Fluchtversuchen. SS-Oberscharführer Arthur Abe erhielt dafür am 18. November 1949 vom Schwurgericht Amberg eine Strafe von vierzehn Jahren Zuchthaus.32 Die Geschworenen sahen es in zwei Fällen als erwiesen an, dass er »an einem nicht näher feststellbaren Tag in der Zeit von Oktober bis Weihnachten 1943 in Neu-Hirschstein an der Elbe, und zwar in nächster Nähe der Baracke des damaligen Kommandoführers einen Menschen, nämlich einen namentlich nicht bekannten Konzentrationslagerhäftling italienischer Herkunft vorsätzlich getötet [hatte], ohne Mörder zu sein«. Außerdem bejahte das Gericht die Frage, ob er den Gefangenen Paul Bültmann, der ebenfalls Fronarbeit beim Umbau von Schloss Hirschstein leisten musste, lebensbedrohlich misshandelt habe. Nachdem Leopold erfahren hatte, dass er nach Deutschland gebracht werden sollte, protestierte er noch am selben Tag beim Militärbefehlshaber in Belgien und Nordfrankreich, General Alexander Freiherr von Falkenhausen.33 Kiewitz habe ihm Hitlers Befehl mitgeteilt, doch aus freiem Willen werde er Belgien nicht verlassen. Auch die belgische Königinmutter Elisabeth, eine bayerische Prinzessin, wandte sich an Hitler, um die Deportation abzuwenden. Sie erhielt aber am 9. Juni 1944 lediglich zur Antwort, ihr stehe es frei, in Belgien zu bleiben, die übrige Königsfamilie werde nach Deutschland gebracht.34 Am 7. Juni 1944 musste Leopold zusammen mit seinem Adjutanten Major Orphée Gierst Belgien verlassen und traf nach der Fahrt über Erfurt und Weimar am 9. Juni 1944 auf Schloss Hirschstein ein. Offiziell begründet wurde die Verlegung damit, der König und seine Familie müssten vor Bombenangriffen der Alliierten geschützt werden. Am 17. Juni 1944 hielt Goebbels in seinem Tagebuch fest, »die Überführung des belgischen Königs in ein bayerisches [sic] Schloss« habe in Belgien Aufsehen erregt, aber das sei »kein Problem von erstklassiger Bedeutung«.35 Kardinal van Roey sprach sich in einem Hirtenbrief gegen die Deportation aus, was Goebbels zu der Bemerkung veranlasste, man gehe »mit diesen Pfaffen viel zu glimpflich um«.36 Zweihundert deutsche Soldaten in gepanzerten Fahrzeugen begleiteten Leopold auf dem Weg in seine deutsche Zwangsunterkunft. Am SS-Gewahrsam für den belgischen König  159

9. Juni folgten Prinzessin von Réthy sowie die Kinder aus seiner ersten Ehe und der erst 1942 geborene Sohn Alexandre. Die Prinzessin hatte vergebens versucht, den Transport abzuwenden, da Prinz Baudouin gerade eine Scharlacherkrankung überstanden hatte und Prinz Albert an Mumps litt. Am 11. Juni 1944 erreichten sie Schloss Hirschstein. Über die Ankunft in ihrem neuen Gefängnis schrieb die Prinzessin später: So geht die wilde Jagd drei Stunden lang, bis wir auf einen Strom stießen und noch einige Kilometer längs des Flusslaufs fahren, über dem sich am Himmel die Umrisse eines mächtigen Felsenkegels abzeichneten, auf dem sind Art [sic] alter Burg thronte und die Straße beherrschte. Unsere Wagen passieren drei Straßensperren mit Stacheldrahtverhauen, bevor sie in den Burghof rollen, dessen Tore sofort wieder von bewaffneten Wachen hinter uns geschlossen und verriegelt werden.37

Das Wachkommando stand unter Befehl von SS-Standartenführer Otto Lürkner, während der König auf Schloss Laeken von der Wehrmacht bewacht worden war. Dieser Wechsel zeigt an, dass Himmler sich gegenüber der Wehrmacht durchgesetzt hatte. Die Kontrolle über die »Sonder- und Ehrenhäftlinge« oblag jetzt ausschließlich der SS. Noch vor der Ankunft der Prinzessin in Hirschstein war Verbindungsoffizier Kiewitz nach Berlin gefahren, um sich beim Chef der Reichskanzlei, Otto Meißner, über die erbärmliche Unterbringung der Königsfamilie zu beschweren. Meißner riet ihm, sich direkt an Hitler zu wenden, der ihn zwar am 13. Juni 1944 in Berchtesgaden empfing, jedoch an der Gefangenschaft in Hirschstein festhielt. Am 15. Juni 1944 musste sich Kiewitz vom König verabschieden. Hitler warf ihm vor, zu sehr von der Königsfamilie beeinflusst worden zu sein. Er wurde degradiert und als Hauptmann beim berüchtigten »Sonderkommando Dirlewanger« zur Partisanenbekämpfung an der zusammenbrechenden Ostfront eingesetzt. Auf Schloss Hirschstein war die königliche Familie von der Außenwelt abgeschnitten. Lediglich den Kindern war es erlaubt, tagsüber den Schlossgarten zu betreten, alle anderen durften nur mit einer Sondererlaubnis das Gebäude verlassen. Es war ihnen jedoch gelungen, ein kleines Radio einzuschmuggeln, mit dem sie allerdings nur deutsche Sender empfangen konnten.38 160  In Hitlers Hand

Angesichts der zu erwartenden Einnahme Sachsens durch die Alliierten wurde im österreichischen Strobl am Wolfgangsee eine weitere Zwangsunterkunft für die königliche Familie vorbereitet. Die Nationalsozialisten beschlagnahmten die Villa Seethurn in Strobl und ließen sie in aller Eile herrichten. Am 7. März 1945, morgens um 4 Uhr, verließ Leopold mit seiner Familie und dem engsten Gefolge in zwei Konvois Hirschstein.39 In München geriet er in einen Bombenangriff und musste unter einer Brücke Zuflucht suchen, bevor die Familie samt Tross von der Gestapo für einige Stunden in einem beschlagnahmten Hotel untergebracht wurde. Am 8. März um 8 Uhr ging es in Richtung Salzburg weiter, wo die Fahrt erneut unterbrochen wurde. Wegen Fliegeralarms hielt der Konvoi drei Stunden in einem Tunnel unter dem Mönchsberg, die Familie musste in den Wagen bleiben. Am späten Abend, gegen 23 Uhr, traf sie in Strobl ein, der letzten Station ihrer Odyssee. Über den Aufenthalt am Wolfgangsee gibt es höchst widersprüchliche Aussagen. Der österreichische Historiker Reinhard Heinisch legte

15 Nach mehrjähriger Gefangenschaft wurden Leopold III. und seine Familie am 7. Mai 1945 im österreichischen Strobl von amerikanischen Truppen befreit. Die Belgier warfen ihm anschließend eine zu nachgiebige Haltung gegenüber den Nationalsozialisten vor. (Landesarchiv Salzburg, Foto E23766, Fotograf: Glenn Kappelman, 7. Mai 1945) SS-Gewahrsam für den belgischen König  161

Prinzessin von Réthy dazu einen schriftlichen Fragenkatalog vor, den sie am 15. Januar 1991 beantworten ließ.40 Danach gehörten neben der engeren Familie zu den Gefangenen: Vicomte Gatien du Parc Lacmaria, der Erzieher Baudouins, Willy Weemaes, Sekretär des Königs, Ordonnanzoffizier Major Gierts und etliche Bedienstete. Die Prinzessin schrieb, die Villa Seethurn sei wie ein Gefängnis hergerichtet und durch einen hohen Zaun gesichert gewesen. Die Bewachung habe aus siebzig SS-Leuten bestanden, die Familie habe Hunger gelitten und sei von der Außenwelt abgeschnitten gewesen. Demgegenüber berichtete Georg Fürstenberg, Mitglied des österreichischen Adels und Vertrauter der Königsfamilie, es habe keinen Stacheldraht gegeben, die Bewachung sei lediglich von etwa zehn Angehörigen des SD in Zivil durchgeführt worden.41 Gemutmaßt wird, Prinzessin von Réthy habe die Umstände der Inhaftierung besonders dramatisch geschildert, um dem häufig erhobenen Vorwurf der Kollaboration zu begegnen und die Rolle der Königs­ familie als Opfer der Nationalsozialisten hervorzuheben. Im April 1945, als die totale Niederlage des NS-Regimes unabwendbar war, kamen Gerüchte auf, die ein Ende der Haftzeit andeuteten. Die Agentur Reuter berichtete von angeblichen Verhandlungen »1. über Auslieferung König der Belgier und 2. über den Verbleib bzw. Nichtabtransport englisch-amerikanischer Kriegsgefangener bei Annäherung feindlicher Streitkräfte«, die bereits abgeschlossen seien.42 Reichsaußenminister Joachim von Ribbentrop wollte in einem Fernschreiben Auskunft über den Wahrheitsgehalt dieser Agenturmeldung haben. Sein Staatssekretär Gustav Steengracht von Moyland teilte ihm daraufhin am 28. April 1945 mit, es habe keinerlei diesbezügliche Gespräche gegeben. Am 7. Mai 1945 erreichten Soldaten des 106. US-Kavallerie-Bataillons Strobl, befreiten die Königsfamilie und nahmen die SS-Wachen gefangen. US-General Alexander Patch stellte eine Ehrengarde und beschlagnahmte die Villa Auhof in Appesbach am Wolfgangsee als vorübergehende Unterkunft. Die Familie hielt sich dort vom 18. Mai bis zum 1. Oktober 1945 auf. König Leopold nahm in dieser Zeit in Salzburg wieder zumindest offiziöse Funktionen wahr, doch erst im Oktober verließ die Familie den Wolfgangsee, um sich in Pregny in der Schweiz niederzulassen. Eine Rückkehr nach Belgien war angesichts seiner in der Heimat umstrittenen Rolle während der NS-Zeit ausgeschlossen. Belgiens 162  In Hitlers Hand

Ministerpräsident Camille Huysmanns plädierte im März 1947 dafür, einen Demokraten auf den Thron zu setzen. Victor Larock, Vorstandsmitglied der Sozialistischen Partei, schlug hingegen vor, Prinz Baudouin die Rückkehr nach Belgien zu ermöglichen, damit er sich auf die Übernahme des Königsamts vorbereiten könne.43 Die belgische Regierung setzte eine Kommission ein, um die Haltung Leopolds III. seit 1936 zu untersuchen. Sie entlastete ihn im Frühjahr 1947 weitgehend. Völlig falsch sei die Behauptung, Leopold habe kapituliert, ohne die Alliierten zuvor zu benachrichtigen, hieß es. Hitlers Einladung auf den Obersalzberg am 19. November 1940 sei der König nur gefolgt, um die Belgier vor Repressalien zu schützen.44 Nach der Unterredung soll Hitler gesagt haben: »Noch ein Monarch, den ich nach dem Krieg loswerden muss.« Um die angespannte Situation in Belgien zu entschärfen, schlug Leopold einen Volksentscheid vor und versprach, auf den Thron zu verzichten, sollte er nicht mindestens 55 Prozent der Wählerstimmen erhalten. Letztlich sprachen sich fast 58 Prozent der Belgier für seine Rückkehr aus. Dennoch konnte Leopold seine Befürworter und Gegner nicht versöhnen. Am 31. Juli 1950 legte er die Königskrone nieder.

SS-Gewahrsam für den belgischen König  163

Italien im Visier Hitlers

Als »Achsenmacht« war Italien für die Nationalsozialisten ein wichtiger Verbündeter. Zwar war die militärische Bedeutung der italienischen Streitkräfte eher gering, umso größer jedoch die als Transitland der Wehrmacht zur Versorgung der deutschen Truppen in Afrika. Mit dem Ausscheren Italiens aus der »Achse« ließ Hitler jede Rücksicht gegenüber dem zuvor hofierten italienischen Adel und den Politikern fallen, in denen er nur noch Verräter witterte.

Mafalda von Savoyen Dem italienischen Königshaus stand Hitler ohnehin skeptisch gegenüber. Er misstraute insbesondere König Viktor Emanuel lII., der zugleich – bis 1941 – Kaiser von Abessinien und von 1939 bis Kriegsende König von Albanien war. Viktor Emanuel hatte als Staatsoberhaupt zwar 1922 Benito Mussolini zum Ministerpräsidenten ernannt und ihm den Weg zum diktatorisch agierenden »Duce« geebnet, aber das zählte für Hitler nicht. Doch ungeachtet der Tatsache, dass die Macht in Italien bei den Faschisten lag, konnte Hitler das italienische Königshaus in seiner Politik nicht völlig übergehen: Zu zahlreich waren die verwandtschaftlichen Beziehungen zu anderen europäischen Herrschern. Viktor Emanuel hatte mit seiner Frau Elena von Montenegro fünf Kinder, darunter Giovanna Isabella, Frau des bulgarischen Zaren Boris III. Sein Sohn, Kronprinz Umberto, war mit der Schwester des belgischen Königs, Maria José, verheiratet, seine Tochter, Prinzessin Maria von Savoyen, hatte Prinz Louis von Bourbon-Parma geehelicht. Die 1902 geborene Prinzessin Maria Mafalda hatte durch ihre Ehe mit Prinz Philipp von Hessen, dessen Großmutter die englische Königin Victoria war, die deutsche Reichsangehörigkeit erhalten, und gerade diese Verbindung machte sich Hitler häufig zunutze. Mafalda hatte den deutschen Prinzen am 23. April 1925 geheiratet, was die Nationalsozialisten und insbesondere Hitler zunächst mit Wohlwollen betrachteten, da es ihrem Ansehen diente und auch einige hand164  In Hitlers Hand

16 Prinzessin Mafalda und ihren deutschen Gatten, Prinz Philipp von Hessen, verfolgten die Nationalsozialisten nach dem Ausscheren Italiens aus der »Achse« mit unerbittlicher Härte. (Archiv von Casa Reale Savoia)

feste Vorteile brachte. Der Prinz trat 1930 in die NSDAP und in die SA ein und übernahm auf Drängen von Hermann Göring am 15. Juni 1933 das Amt des Oberpräsidenten von Hessen-Nassau. Philipp gehörte lange Zeit zum inneren Kreis um Hitler: Er bildete das »Scharnier« zum italienischen Königshaus, zu Mussolini und dem italienischen Außenminister Gian Galeazzo Ciano, Graf von Cortellazzo und Buccari, und nicht zuletzt beschaffte er für Hitler in Italien wertvolle Gemälde und Kunstgegenstände. Beim Schmieden der »Achse Deutschland–Italien« war er behilflich, wie Mussolinis Vertrauter Filippo Anfuso schrieb. Das »Saatkorn« des Zusammengehens der beiden Diktatoren Hitler und Mussolini sei von Philipp von Hessen gelegt worden. Zusammen mit dem dritten Sohn Wilhelms II., August Wilhelm (»Auwi«), sei er von Anfang an von den Nationalsozialisten hofiert worden: »Während er es in Deutschland zum Amtsleiter mittleren Ranges gebracht hatte, war er als Gatte der Prinzessin Mafalda in Italien Schwiegersohn des Königs und zugleich ›Vetter‹, weil der König selbst ihm den Annunziatenorden und Italien im Visier Hitlers  165

damit diesen Titel verliehen hatte.« Damit sei Philipp von Hessen »zum offiziellen und geheimnisvollen Bindeglied der Politik beider Länder geworden«.1 An der Bündnistreue Italiens hatte Hitler erhebliche Zweifel. Als treibende Kräfte hinter einem deutschfeindlichen Kurs betrachtete er das italienische Königshaus und insbesondere Prinzessin Mafalda. 1941 geriet diese das erste Mal ins Visier der Gestapo. Im April hatte Mussolini Montenegro besetzt und zeigte sich bereit, das kleine Land in den Grenzen von 1914 als Protektorat bestehen zu lassen. Außerdem gab er dem Drängen von Königin Elena nach, ihrem Neffen, dem montenegrinischen Thronfolger Michael Petrović, die Königskrone zu überlassen. Mafalda wurde mit der heiklen Mission betraut, die entsprechenden Vorbereitungen in Deutschland zu treffen. Petrović hatte bis zur Besetzung Frankreichs in Paris im Exil gelebt und war dann ins »Altreich« deportiert worden, wo er in Bad Homburg im Grand Hotel unter Hausarrest lebte. Mafalda versuchte, Michael zur Übernahme der Königskrone zu bewegen, doch dieser lehnte ab. Wegen dieser Aktivitäten standen die italienische Prinzessin und ihr Gatte Philipp von Hessen auf der »schwarzen Liste« der Gestapo. Aus seiner Aversion gegenüber Mafalda hatte Hitler nie ein Hehl gemacht, anders als sein Propagandaminister. Joseph Goebbels war der Prinzessin am 4. Juni 1933 bei einem Empfang in Rom erstmals begegnet. Mussolini hatte sie ihm vorgestellt, und Goebbels vermerkte damals: »Liebes Ding!«2 Zehn Jahre später, als sich die »Achsenmächte« im Zweiten Weltkrieg befanden, sah es schon anders aus. So ging es am 20. Mai 1943 in einem Gespräch Hitlers mit Sonderführer Konstantin Freiherr von Neurath um die Bündnistreue Italiens. Daran nahmen auch die Generalfeldmarschälle Wilhelm Keitel und Erwin Rommel teil. Neurath berichtete über die labile militärische Lage nach dem Verlust Nordafrikas. Für Hitler war dies Anlass, eine Schimpftirade gegen das italienische Königshaus loszulassen: »So ein Empfang bei Hofe (…) ist natürlich ein Bild, das einen anekelt nach unseren Begriffen. (…) Ich sollte die Gräfin Edda Ciano zu Tisch führen. Auf einmal platzt der Philipp herein mit seiner Mafalda, und dann auf einmal wurde das ganze Programm umgeschmissen. Große Aufregung. Ich musste also die Mafalda als Tischdame nehmen. Was geht mich die Mafalda an? Für

166  In Hitlers Hand

mich ist die Mafalda die Gemahlin eines deutschen Oberpräsidenten. Punkt, Schluss, weiter nichts.«3 Als Mussolini Hitler in dessen Hauptquartier Rastenburg besuchte und es bei einem ausführlichen Gespräch am 19. Juli 1943 um Informationen des Sicherheitsdienstes aus Rom ging, in denen von Geheimverhandlungen des italienischen Königshauses mit England die Rede war, beorderte Hitler Prinz Philipp von Hessen zu sich. 4 Von ihm wollte er erfahren, was die Königsfamilie in Rom plante. Vor allem Kronprinz Umberto hielt Hitler »zu jeder Schandtat gegenüber Deutschland für fähig«.5 Am 24. Juli 1943 setzte der Faschistische Großrat in Rom Mussolini ab, der König ließ den Duce verhaften. Als neuen Regierungschef ernannte Viktor Emanuel III. Marschall Pietro Badoglio, der sich schon lange zuvor für ein Ende des Kriegs eingesetzt hatte. Hitler ließ seine Wut an Prinz Philipp von Hessen aus: »Dieses verdammte Königshaus! Und dieser Prinz Philipp, der Schwiegersohn des Königs, sitzt hier bei mir herum und tut so, als könnte er nicht bis drei zählen. Der hat doch alles gewusst. Das wird er mir büßen.«6 Nach eigenen Aussagen wurde Goebbels von Hitler beauftragt, den Prinzen in seine »persönliche Obhut« zu nehmen. Dabei erzählte ihm Prinz Philipp von Hessen »einige Intimitäten aus der römischen Gesellschaft. Der italienische Kronprinz habe sich noch fünf Tage vor der Krise Prinz Philipp gegenüber geäußert, dass Mussolini geradezu als Verbrecher bezeichnet werden müsse«. Das Ganze sei, so Goebbels, »mehr Hofklatsch als ernst zu wertende politische Anklage. Man sieht aber an der Darstellung des Prinzen Philipp, dass wir uns auch in Deutschland auf unsere Fürstlichkeiten in keiner Weise verlassen können.«7 Am frühen Morgen des 9. September 1943 wurde Prinz Philipp von SS-Gruppenführer Hans Rattenhuber, Chef von Hitlers Sicherheitskommando, festgenommen, was Goebbels so kommentierte: »Der Führer hat der königlichen Familie gegenüber gleich die Konsequenzen gezogen und Prinz Philipp von Hessen noch in der Nacht im Hauptquartier verhaften lassen. Er ist zur Gestapo nach Königsberg überführt worden. Er war sehr verwundert, als er in Gewahrsam genommen wurde; so etwas hätte er nicht für möglich gehalten. Jedenfalls muss er schon aus staatspolitischen Gründen in Sicherheit gehalten werden; denn er hat in den Wochen, die er im Hauptquartier weilte, so viel erfahren, dass er für uns außerordentlich gefährlich werden könnte.« Im Italien im Visier Hitlers  167

Übrigen sei »der eigentliche Verräter in der feindlichen Clique in Italien (…) Badoglio. Er hat sowohl den Sturz des Duce als auch die ganzen Kapitulationsverhandlungen auf lange Sicht vorbereitet, mit der offenbaren Absicht, uns hinters Licht zu führen und zu betrügen«. Viktor Emanuel III. sei »gefügiges Werkzeug; selbst charakter- und willenlos und für die ehrgeizigen Pläne Badoglios aufs beste zu gebrauchen«.8 Hitler betrachtete die Festnahme des Prinzen als seinen persönlichen Erfolg. Laut Albert Speer rühmte er sich noch Wochen danach, er habe frühzeitig Verdacht geschöpft, der Prinz lasse dem italienischen Königshaus Nachrichten zukommen.9 Er selbst habe ihn beobachtet und angeordnet, seine Telefongespräche zu überwachen. Dabei sei festgestellt worden, dass er an seine Frau Nummernchiffren durchgegeben habe. Heinrich Prinz von Hessen, Sohn des Paares, fand später ein Adressbuch seiner Mutter, das Aufschluss über die Chiffren gab.10 Die Ziffer 1 stand demnach für »Der K. wird sehr bald vorüber sein«, 119 für »Ich habe Angst« und 224 für »Es ist Ruhe!« Prinz Philipp von Hessen wurde erst nach Königsberg und dann in die berüchtigte Berliner Gestapo-Zentrale gebracht. Er erhielt den Decknamen »Herr Wildhof« und Gestapo-Chef Müller machte ihm klar: »Sie müssen vergessen, wer sie sind und wer sie waren.«11 Vom 12. September 1943 bis 15. April 1945 blieb der Prinz in strenger Isolation als Sonderhäftling im Konzentrationslager Flossenbürg und gehörte dann zu denen, die zu Kriegsende ins österreichische Niederdorf verschleppt wurden. Die Ankunft der US-Truppen brachte für ihn jedoch noch nicht die Freiheit, zu sehr war er vor seiner Gefangennahme in das NS-Regime verstrickt. Er wurde zunächst mit anderen NS-Repräsentanten nach Anacapri in das zum Gefängnis umfunktionierte Hotel Paradiso und dann nach Averso gebracht, um schließlich in der Villa von Bergen in Wiesbaden interniert zu werden.12 Dort besuchte ihn im Herbst 1945 sein Sohn Heinrich, der über die erste Begegnung schrieb: »Wir gingen in den Speisesaal: Dort saßen ungefähr dreißig Leute um zwei große Tische, manche in Uniform. (…) Miklós Horthy war da, der bis 1944 Staatsoberhaupt von Ungarn war; Großadmiral Dönitz, Regierungschef nach Hitlers Selbstmord; der letzte Finanzminister Schwerin-Krosigk, der Generaloberst Lindemann und Ritter von Epp.«13 Über Oberursel brachten die Amerikaner Prinz Philipp in das Lager Allendorf und schließlich in das Interniertenlager Darmstadt, bis er 1947 freigelassen wurde. 168  In Hitlers Hand

Ungeachtet des Sturzes seines Verbündeten Mussolini betonte Hitler in der abendlichen Lagebesprechung vom 25. Juli 1943, der Krieg werde unvermindert weitergeführt. Allerdings entlud sich nun sein Zorn auf das italienische Königshaus: Ich werde morgen einen Mann herunterschicken, der dem Kommandeur der 3. Panzergren.Div. den Befehl gibt, mit einer besonderen Gruppe kurzerhand nach Rom hereinzufahren, die ganze Regierung, den König, die ganze Blase sofort zu verhaften, vor allem den Kronprinzen sofort zu verhaften und sich dieses Gesindels zu bemächtigen, vor allem des Badoglios und der ganzen Bagage. Vor allem den Kronprinzen muss ich kriegen.14

Wilhelm Keitel, Chef des Oberkommandos der Wehrmacht, pflichtete ihm bei: »Der ist wichtiger als der Alte«15, und Fliegergeneral KarlHeinrich Bodenschatz ergänzte: »Das muss man organisieren, dass die sofort ins Flugzeug eingepackt und weggebracht werden, (…) damit der Bambino nicht noch auf dem Flugplatz verloren geht.«16 Laut Goebbels erwog Hitler in seiner Wut über den Sturz Mussolinis und den anschließenden Waffenstillstand Italiens mit den Alliierten sogar, eine Fallschirmdivision von Südfrankreich nach Rom zu verlegen. Diese sollte »den König samt seiner Familie sowie Badoglio und Genossen verhaften und mit Flugzeugen nach Deutschland bringen«.17 Dazu kam es nicht, aber Anfang August erteilte Hitler den Befehl zur Befreiung Mussolinis und zugleich zur Festnahme aller an seiner Absetzung beteiligten Personen.18 Sowohl dem König als auch Regierungschef Badoglio war bewusst, dass sie in dem bereits amerikanisch besetzten Teil Italiens Zuflucht suchen mussten. Badoglio begründete dies wie folgt: »Hätte die Regierung in Rom bleiben wollen, wäre sie unweigerlich in Gefangenschaft geraten, und die Deutschen hätten sich beeilt, sie durch eine faschistische Regierung zu ersetzen, die dann sogleich den Waffenstillstand als ungültig erklärt hätte. Diese Möglichkeit galt es, um jeden Preis zu verhindern.«19 In seiner Überzeugung sah sich Badoglio durch das Beispiel Ungarns bestätigt. Dort habe Admiral Horthy »am Morgen den Waffenstillstand verkündet, worauf die Deutschen ihn unverzüglich verhafteten und zwangen, am Nachmittag die vorangegangene Erklärung zu widerrufen und zu versichern, Ungarn werde den Krieg weiterführen«.20 Italien im Visier Hitlers  169

Vor allem König Viktor Emanuel III. drängte auf die Flucht, denn er hatte den belgischen König Leopold III. als abschreckendes Beispiel vor Augen. Leopold war im Machtbereich der Deutschen geblieben und damit politisch völlig bedeutungslos geworden. Vorbilder für den italienischen König waren demgegenüber die Großherzogin von Luxemburg sowie die Monarchen von Holland, Norwegen und Griechenland, die sich dem Zugriff der Deutschen rechtzeitig entzogen hatten. Zwar gelang Pietro Badoglio die Flucht, doch seinen Sohn Mario nahmen die Deutschen fest und inhaftierten ihn laut der Aussage von Lagerkommandant Franz Ziereis unter dem Decknamen »Brausepulver« im Konzentrationslager Mauthausen.21 Die geschilderten Ereignisse fielen zeitlich zusammen mit dem plötzlichen Tod des bulgarischen Zaren Boris III. am 28. August 1943. Prinzessin Mafalda hatte sich einige Wochen in Sofia aufgehalten und an der Beerdigung ihres Schwagers teilgenommen. Dabei wurde sie permanent von der Gestapo überwacht. Das Reichssicherheitshauptamt erhielt beispielsweise am 14. September 1943 folgenden Bericht: Über die Prinzessin Mafalda geht aus einem heutigen Fernschreiben hervor, dass sie auf der Rückreise von den Trauerfeierlichkeiten in Sofia von Budapest am 11.9.1943 um 8 Uhr früh mit einer italienischen Sondermaschine gestartet ist. Als Flugziel wurde zuerst Rom angegeben, das jedoch später in Venedig geändert wurde. Die Landung soll auch in Venedig erfolgt sein. Spuren aber noch nicht gefunden, Feststellungen laufen. Wer sich in ihrer Begleitung befand, konnte nicht festgestellt werden. In Budapest war ihr ein ungarischer Oberstleutnant zugeteilt.22

Gerüchte kamen auf, Hitler habe Boris nach erfolglosen Gesprächen und dem vergeblichen Bemühen, Bulgarien zum Eintritt in den Krieg gegen die Sowjetunion zu bewegen, in seinem Hauptquartier vergiften lassen. Hitler wiederum ließ verbreiten, Prinzessin Mafalda habe Boris III. im Auftrag des italienischen Königshauses vergiftet. Goebbels hielt dazu fest: Der Führer hat die Absicht, dem Prinzen Cyril das Urteil der deutschen Ärzte über die Vergiftung des Zaren Boris zukommen zu lassen. Der Führer ist der Meinung, dass diese Vergiftung wahrscheinlich vom italienischen 170  In Hitlers Hand

Hof aus inspiriert worden ist. Verdächtig ist nämlich, dass die Prinzessin Mafalda, das größte Rabenaas des italienischen Königshauses, sich wochenlang vor dem Tode des Königs Boris in Sofia aufgehalten hat. Sie ist bekanntlich eine Schwester der bulgarischen Königin.23

Und am selben Tag schrieb er: Auch der [italienische] König kann jetzt in unserer Propaganda nicht mehr geschont werden. Der Führer gibt noch einmal seiner Überzeugung Ausdruck, dass die Prinzessin Mafalda das geriebenste Aas aus dem italienischen Königshaus ist. Er traut ihr zu, dass sie ihren Schwager Boris vom Leben zum Tode befördert hat.

Die Verdächtigung war absurd, denn Boris III. war mit Giovanna von Savoyen, einer Schwester Mafaldas, verheiratet und somit zugleich Schwiegersohn des italienischen Königs.24 Mafalda kehrte nach Rom zurück und brachte ihre Kinder vorerst im Vatikan in Sicherheit. Carlo Calvi di Bergolo, der Ehemann von Mafaldas Schwester Jolanda Mar­ gherita von Savoyen, wurde zum Kommandanten der »offenen Stadt« Rom ernannt, doch am 23. September 1943 verhaftet und mit seiner Familie nach Deutschland verschleppt, bevor er nach kurzer Zeit in die Schweiz ausreisen durfte. Mafalda traf am 21. September 1943 mit ihren Kindern im Vatikan zusammen, kehrte aber über Nacht in die Villa Polissena in Rom zurück. Unter dem Vorwand, Mafalda ein Telefonat mit ihrem inzwischen verhafteten Mann Prinz Philipp von Hessen zu ermöglichen, stellte die Gestapo ihr eine Falle. Nicola Marchitto, stellvertretender Polizeipräsident im Dienst des Königshauses, brachte Mafalda am Morgen des 22. September zur Villa Volkonsky, dem Sitz der deutschen Botschaft, und gab später zu Protokoll, dass als Erster ihr Chauffeur verhaftet wurde.25 Mafalda wurde von deutschen Soldaten umringt und von Oberst Edmund Theil gezwungen, mit ihm zum Flughafen Ciampino zu fahren, von wo aus sie unverzüglich nach Deutschland geflogen wurde. Die Kinder wurden noch am selben Tag aus dem Vatikan in die Villa Polissena gebracht und konnten am 28. September 1943 mit ihrer Gouvernante zu ihrer Großmutter nach Bad Homburg fahren. Goebbels frohlockte am 23. September 1943: Italien im Visier Hitlers  171

Es ist unserem SD gelungen, die Prinzessinnen Mia und Mafalda von Savoyen in unsere Hand zu bringen. Sie benehmen sich außerordentlich frech; aber sie werden in eine harte Schule genommen. Jedenfalls können sie uns in schwierigen Fällen sehr gut als Faustpfänder dienen.26

Leonardo Bonino, italienischer politischer Häftling im KZ Buchenwald, wurde am 17. April 1944 zu Arbeiten in der Nähe der Sonderbaracke geschickt, in der Prinzessin Mafalda inhaftiert war.27 Sie berichtete ihm über die Umstände ihrer Verhaftung. Achtzehn Tage lang sah Bonino die Prinzessin fast täglich für einige Minuten. Als er eines Tages nicht zur Arbeit erschien, glaubte sie, er sei erkrankt und schickte ihm durch einen Franzosen 10 Reichsmark, in einem Stück Papier, auf das sie geschrieben hatte: »Tanti saluti.« Über Mafaldas weiteres Schicksal gibt vor allem ein Brief der Witwe Rudolf Breitscheids vom 14. August 1945 an Italiens Königin Elena Auskunft. Sie hatte ihren Mann in das KZ Buchenwald begleitet und schrieb unter anderem: Einen Monat nach unserer harten Sonderhaft traf eine Dame ein und belegte die andere Hälfte der Baracke. Sie war sehr niedergeschlagen. Man nannte sie Frau Weber. Einige Tage später erfuhren wir, dass sie in Wahrheit Prinzessin Mafalda von Hessen war, Ihre Tochter, Majestät. Sie weinte immerfort, und es gelang uns nicht, sie zu trösten; doch nach und nach, als sie begriffen hatte, dass unser Schicksal dem ihren ähnlich war, fasste sie Vertrauen zu uns und erzählte uns die Geschichte ihrer Verhaftung.28

Bei ihrer Entführung hatte Mafalda lediglich ein leichtes Seidenkostüm getragen und hatte sonst nichts bei sich, auch kein Geld. Einen Monat lang musste sie in einem Haus am Kleinen Wannsee in Berlin bleiben, wurde ständig von zwei Polizistinnen überwacht und etlichen Verhören unterzogen. Man hielt ihr vor, über die Änderung des politischen Kurses in Italien Bescheid gewusst und die deutschen Behörden nicht darüber informiert zu haben. Dies aber hätte sie nach Ansicht ihrer Peiniger tun müssen, da sie durch ihre Eheschließung die deutsche Reichszugehörigkeit erhalten hatte. In dem Brief hieß es weiter:

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Die Prinzessin bat, ihren Mann sprechen zu dürfen, ihre Kinder zu sehen, zu erfahren, was aus den beiden Kleinen geworden sei, Kleider und Wäsche zu bekommen, doch man wich ihren Bitten aus und versprach lediglich, die kleine Prinzessin Elisabeth und ihren Bruder Otto zur Landgräfin von Hessen, ihrer Großmutter, bringen zu lassen. Dann gab man ihr einen Rock und etwas Wäsche. Nach einem Monat führte man sie fort, angeblich um sie zu ihrem Mann in eine Villa zu bringen. In Wahrheit aber kam sie ins Konzentrationslager Buchenwald.

Mafalda musste in der 1942 errichteten Isolierbaracke für prominente Häftlinge, auch »Sonderbau 15« genannt, hausen. Im Sommer 1944 wurde ihr mitgeteilt, dass es ihren Kindern gut gehe und der älteste Sohn demnächst in die Wehrmacht eintreten werde. Ihre Bitte, Prinz Moritz vor seiner Einberufung sehen zu dürfen, wurde strikt abgelehnt. Breitscheids Witwe schilderte dann die letzten Tage Mafaldas: Im August 1944 überflogen die amerikanischen Flugzeuge das Konzentrationslager beinahe täglich. Der Grund waren die benachbarten Fabriken, die Rüstungsmaterial produzierten. Wir hatten in der Nähe der Baracke einen offenen Graben, in den wir uns flüchteten. Am 24. August kamen besonders viele Flugzeuge, und so beschlossen wir, den Graben aufzusuchen. Die Prinzessin war zu meiner Linken, mein Mann zu meiner Rechten, und nach wenigen Minuten begann die Bombardierung. Drei Bomben fielen in unmittelbarer Nähe; die zweite verschüttete uns, die dritte setzte die Baracke in Brand. Ich hörte die Prinzessin laut beten; dann verlor ich das Bewusstsein und wachte erst im Lazarett wieder auf. Mein Mann war tot, die Prinzessin hatte überlebt und befand sich im selben Lazarett, doch ihr linker Arm war bis auf die Knochen verbrannt. Auch ich hatte Brandverletzungen, doch sie waren nicht tödlich. Die Prinzessin wurde von einem tschechischen Professor und dem Oberarzt des Lagers [SS-Hauptsturmführer Gerhard Schiedlausky] behandelt. Zu Anfang hofften sie, ihren Arm retten zu können, doch zwei Tage später war es offensichtlich, dass der Arm amputiert werden musste. Die Prinzessin war einverstanden; sie war sehr ruhig, sehr ihrem Schicksal ergeben. Ich versuchte, sie zu trösten, und sagte ihr, dass sie bald ihre Kinder wieder umarmen würde. Die Operation wurde – wenn ich mich nicht irre – am 26. August durchgeführt, doch das Herz der unglücklichen Prinzessin war zu schwach, um die Narkose zu überstehen. In Italien im Visier Hitlers  173

der Nacht vom 26. auf den 27. August starb sie mit einem Lächeln auf den Lippen.29

In Eugen Kogons Der SS-Staat ist zu lesen, Mafaldas Leiche sei zusammen mit den Männerleichen des Tages ins Krematorium gekommen, wo der tschechische Geistliche und Mitgefangene Pater Joseph Thyl sie aus dem Leichenberg herausgezogen und für eine rasche Verbrennung gesorgt habe.30 Von ihrem Haar habe er eine Locke abgeschnitten, die später aus dem Lager herausgeschmuggelt und in Jena aufbewahrt worden sei, um sie den hessischen Verwandten der Prinzessin zu übergeben. Diese Version ist nach heutigem Forschungsstand nicht korrekt: Vielmehr wurde angeordnet, die Leiche Mafaldas nicht zu verbrennen, sondern sie in einem Sarg zu beerdigen. Auf einem Friedhof in Weimar wurde sie unter einem Kreuz mit der Aufschrift »eine unbekannte Frau« mit der Nr. 262 bestattet. Joseph Thyl, der sich die Nummer gemerkt hatte, ermöglichte später die Identifizierung des Grabes. 1951 ließ Prinz Philipp von Hessen die sterblichen Überreste Mafaldas von Weimar nach Kronberg im Taunus überführen.

Mussolinis und Cianos Hausarrest auf Schloss Hirschberg In NS-Arrest geriet auch der gestürzte italienische Diktator Benito Mussolini nach der spektakulären Befreiungsaktion »Unternehmen Eiche« durch das deutsche Fallschirmjäger-Lehrbataillon unter der Beteiligung von Otto Skorzeny am Gran Sasso d’Italia in den Abruzzen, wenngleich dies der Öffentlichkeit so nicht dargestellt wurde. Nach einem Besuch im Führerhauptquartier wurde der Duce mit seiner Familie auf Schloss Hirschberg bei Weilheim untergebracht. Mussolini bewohnte ein kleines Zimmer in diesem »vom ›System‹ vorgesehenen ›Luxusquartier für deutschlandtreue und von ihrer Heimat einstweilig entfernte Regierungschefs‹«. 31 Der Familie wurde das erste Stockwerk des Schlosses am Haarsee zugewiesen, darüber war die SS-Wache untergebracht, die sich, so Anfuso, »nächstens (…) ohne Wissen Mussolinis beachtliche Gelage« gestattete.32

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Mussolini war ein sogenanntes »A-Telefon« genehmigt worden, sodass er mit allen Dienststellen im Reich telefonieren konnte. Seine Gespräche wurden jedoch lückenlos überwacht. Die Ordonnanzen und Diener waren verkleidete SS-Leute.33 Am zweiten Tag seines Aufenthalts kamen Tochter Edda mit Ehemann Galeazzo Ciano aus Oberallmannshausen zum Essen. Darüber schreibt Erich Kuby: »Es werden deutsche Speisen aufgetragen, die zu der depressiven Stimmung beitragen, in der sich die Familie befindet. Rachele ist nicht zu bewegen, Hausfrauenpflichten zu übernehmen; stumm und verbissen lässt sie Ciano spüren, dass sie ihn für den Urheber allen Unglücks hält. Edda springt für die Mutter ein und spielt die Gastgeberin.«34 Eine eindrucksvolle Schilderung des Alltagslebens auf Schloss Hirschberg ist Filippo Anfuso zu verdanken. Er war Mussolinis Vertrauter, und da der Duce über keinerlei Stab mehr verfügte, nahm Anfuso die Aufgabe eines Hausknechts, Sekretärs, Telefonisten und dann Staatssekretärs für Auswärtiges wahr. Er war am 18. September 1943 in Hirschberg eingetroffen: Unter allen Revolten, die sich zwischen den Tannen abspielten und dann zwanzig Monate fortzüngelten, erinnere ich mich am lebhaftesten der unschuldigsten, die sich im Familienbezirk abspielte. Eines Tages hatte mich Mussolini, was nicht häufig vorkam, zum Essen im Familienkreis gebeten, denn er ignorierte Essenseinladungen und eine geschmückte Tafel. Er aß rasch und schlecht, als ob er einen zornigen Anlauf gegen die Speisen nähme. Im Kampf zwischen den deutschen Dienstboten, die vor ihm die für einen Staatschef vorgeschriebenen Tischzeremonien entfalten wollten, und seinem romagnolisch-proletarischen Gepflogenheiten, blieb er freilich immer Sieger: er erhob sich einfach, wenn er fertig war, und ließ die anderen mit der Gabel in der Luft dasitzen. Als wir Hirschberg wieder verließen, kleidete sich Mussolini wieder als Duce, was nichts anderes bedeutete als eine einfache Milizuniform ohne Rangabzeichen.35

Im Herbst des gleichen Jahres wurde übrigens auch der ungarische Reichsverweser Miklós Horthy von Nagybánya mit seiner Familie auf Schloss Hirschberg zwangsinterniert. Das Schicksal eines »Ehrenhäftlings«, das für ihn tödlich endete, hatte Ende August 1943 auch Galeazzo Ciano, den Schwiegersohn MusItalien im Visier Hitlers  175

solinis, ereilt. Ciano hatte am 24. Juli 1943 im Faschistischen Großrat für die Absetzung Mussolinis gestimmt und galt seitdem als Verräter. Nach seiner Verhaftung wurden er und seine Familie mit einer deutschen JU–52 nach München geflogen und – auf Vorschlag von Hanns Johst, dem Präsidenten der Reichsschrifttumskammer – nach Oberallmannshausen in eine Villa am Starnberger See gebracht.36 Sie gehörte Freiherr von Wittgenstein und stand unter SS-Verwaltung. Bis Anfang September erhielt die Familie Ciano 1000 Reichsmark in bar, die ebenso wie die Kosten für Lebensmittel »für die Gäste in Oberallmanshausen« vom Reichssicherheitshauptamt getragen wurden.37 Edda Ciano beklagte sich wiederholt über die für sie ungewohnten Lebensumstände: »Schlechtes Essen, unangenehmes Personal, nur bedingte Freiheit, da die SS immer um uns war.«38 Ein SS-Sturmbannführer namens Otto habe sie besonders brutal behandelt. Als ihnen klar wurde, dass sie im Grunde Gefangene waren, tauchte der Gedanke an Selbstmord auf, so jedenfalls schrieb Mussolinis Tochter nach dem Krieg. Diese Klagen über die Anwesenheit der SS sind allerdings unverständlich, denn am 2. September 1943 hatte sich Edda Ciano an Himmler gewandt und ihm »und Ihrer SS, der ich nunmehr angehöre, alles Glück« gewünscht.39 Am 17. Oktober 1944 erschien SS-Sturmbannführer Wilhelm Höttl in Oberallmannshausen und teilte Ciano mit, dass er nach Italien überstellt werden sollte.40 Die Auslieferung hatte Alessandro Pavolini verlangt, Sekretär von Mussolinis neuer republikanisch-faschistischer Partei. Höttl hatte zwar bei RSHA-Chef Kaltenbrunner versucht, die Auslieferung zu verhindern, doch dieser teilte ihm mit, sie geschehe auf persönlichen Befehl Hitlers. Ciano wurde am 19. Oktober nach Verona geflogen und dann in Scalzi inhaftiert. Ein durch Dekret Mussolinis gebildetes außerordentliches Sondergericht verurteilte den ehemaligen Außenminister und fünf weitere Mitglieder des Faschistischen Großrats zum Tode. Am 11. Januar 1944 wurde das Urteil in Anwesenheit von NS-Vertretern vollstreckt. Weitere italienische »Ehrenhäftlinge« nannte die Dolmetscherin der Gestapo Weimar, Referat IV 5 a, Schutzdienst, Friedel Fahrig, in ihrer Vernehmung am 11. Juni 1945. Demnach waren im Bereich der Gestapo Weimar folgende italienische Generäle inhaftiert:

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– General Foscini mit Frau und Sohn Oscanio, untergebracht in Friedrichroda, Pension Mathilde, zuletzt Bad Blankenburg. – Graf Dolomay, untergebracht Sanatorium Billung, zuletzt Bad Blankenburg – Graf Gini mit Sohn, Oberst Gali waren zuerst in Dachau, dann aus gesundheitlichen Gründen nach Billung verlegt. Graf Gini und Oberst Gali sind im November 44 nach Italien zurückgekehrt.41

Diese Häftlinge seien »aus diplomatischen Gründen sichergestellt« gewesen und hätten »nicht für uns gearbeitet«. Fahrig »betreute« vorübergehend die Familien der Wittelsbacher und von König Leopold III. sowie die belgische Prinzessin Ruspoila, »Friedrichroda, Tabarzerstraße 3«, sowie »Frau Barca-Zinger mit zwei Kindern Renée und Michel«. Deren Mann mit Decknamen »Fritz Fritzsche« war angeblich Amerikaner und soll für die Gestapo gearbeitet haben. Barca-Zinger war mit ihren Kindern ebenfalls in der Tabarzer Straße 3 untergebracht. Die Verfolgung großer Teile des italienischen Adels, der Politiker und Militärs zeigt, dass die Nationalsozialisten sie nur so lange akzeptierten, wie sie ihnen von einigem Wert waren. Dienste, die sie ihnen auf den unterschiedlichsten Ebenen geleistet hatten, galten nichts mehr, nachdem Italien als Verbündeter ausgeschieden war. Die ganze Menschenverachtung der Nationalsozialisten zeigt sich besonders an dem tragischen Schicksal von Prinzessin Mafalda, die im Konzentrationslager umkam, aber auch an der von ihnen betriebenen – oder doch zumindest geduldeten – Hinrichtung des Grafen Ciano.

Italien im Visier Hitlers  177

Terror gegen Osteuropa

In seinem Wahn hatte sich Hitler zum Ziel gesetzt, die Sowjetunion zu erobern und aus ihr eine Kolonie des Deutschen Reichs zu machen. Schon kurz nach dem Überfall auf die Sowjetunion fiel ihm Stalins Sohn Jakob Dschugaschwili in die Hände. Doch der Versuch, die Gefangennahme propagandistisch zu nutzen, um die Rote Armee zu demoralisieren, misslang. Dschugaschwili starb im Konzentrationslager Sachsenhausen. Bei der Umsetzung von Hitlers Plan sollten Verbündete wie Rumänien oder Ungarn behilflich sein, die sich jedoch als wenig verlässlich erwiesen. In Rumänien herrschten chaotische Zustände. Hitler setzte auf Horia Sima, der sich allein durch seinen strikt antisemitischen Kurs den Nationalsozialisten empfohlen hatte. Die ungarische Regierung dagegen lehnte nicht nur Hitlers Rassenpolitik ab, sondern war auch nicht bereit, sich der vorrückenden Roten Armee entgegenzustellen und Ungarn in den Untergang zu führen. Während Sima schließlich von den Nationalsozialisten zum »Regierungschef« ernannt wurde, musste die politische Spitze Ungarns ihren »Verrat« mit der Inhaftierung büßen.

Russen in SS-Hand: Stalins Sohn und Molotows Neffe Südöstlich von Witebsk, bei Ljosno in Weißrussland, fiel der Wehrmacht kurz nach Beginn des Russlandfeldzugs am 16. Juli 1941 neben anderen Offizieren des 14. Haubitzenregiments der 14. sowjetischen Panzerdivision auch Oberleutnant Jakob Dschugaschwili in die Hände. Die Bedeutung dieses Kriegsgefangenen wurde schnell klar: Es handelte sich um den ältesten Sohn des sowjetischen Diktators Josef Stalin aus dessen Ehe mit Jekaterina Swanidse. Die Gefangennahme bedeutete einen ungeheuren Triumph, wenngleich Propagandaminister Joseph Goebbels anfangs zögerte, ihn auszunutzen. Der Bildungsstand »des Sohnes des ersten Mannes des Staates ist ein ziemlich primitiver«, notierte er am 22. Juli 1941, »leider lassen sich seine Aussagen für die Propaganda nicht verwerten«.1 Er sei ein 178  In Hitlers Hand

»aufrechter Bolschewist« und behaupte, sein Vater sei insgeheim ein Judengegner. Zwar gebe er über die Rote Armee ein vernichtendes Urteil ab, doch verfügten die Deutschen über »so viel Propagandamaterial für unsere nach der Sowjetunion wirkenden Sender, dass wir auf diese Aussagen gar nicht angewiesen sind«. Nur einen Tag später korrigierte Goebbels sein Bild von Jakob Dschugaschwili. Seine Antworten seien klug, und von einer Differenz zwischen ihm und seinem Vater könne keine Rede sein.2 Er, Goebbels, habe Hitler per Kurier die Verhörprotokolle geschickt, und dieser meine, sie könnten propagandistisch nicht verwertet werden. Davon aber war nach einer Woche keine Rede mehr. Nun wurde ein verkürztes Vernehmungsprotokoll zuerst im Ausland verbreitet und ab dem 28. Juli 1941 auch für Rundfunk und Presse im Inland verwendet.3 Die Aufzeichnung des Verhörs wurde im Original – also in russischer Sprache – über den Rundfunk verbreitet. Auf diese Weise sollten die Soldaten der Roten Armee zum Überlaufen bewogen werden. In den nationalsozialistischen Zeitungen erhielt der Sohn des sowjetischen Diktators nun breiten Raum. So veröffentlichte der Völkische Beobachter ein Foto des vierunddreißigjährigen Oberleutnants, schilderte die Umstände seiner Gefangennahme und behauptete, er habe »unter ausdrücklichem Hinweis auf seine Verwandtschaft zum Bolschewistenhäuptling (…) die Unsinnigkeit des Widerstands besonders als Grund für seine Waffenstreckung öffentlich hervorgehoben«. 4 Am 29. Juli 1941 druckte der Völkische Beobachter das Protokoll des Verhörs des prominenten Gefangenen ab. 5 Man habe, so das NSDAP-Parteiorgan, den Aussagen eine tiefe Depression angemerkt. Der Gefangene habe »langsam und nachdenkend gesprochen, oftmals wiederholte er sich, um seine Erklärungen zu bekräftigen«. Nachdem er sich ausführlich über die »vollkommene Planlosigkeit der bolschewistischen Armeeführung« ausgelassen hatte, wurde Dschugaschwili mit den Worten zitiert: »Bei uns war alles so liederlich.« Zum Abschluss der Vernehmung wurde er noch zu seiner Familie befragt: »Er hat eine Frau und eine dreijährige Tochter. Ob sein Vater bei der Flucht der Regierung seine Frau mitnehmen würde, beantwortete er unbestimmt: ›Vielleicht ja – vielleicht nein!‹ Es wurde ihm noch angeboten, einige Zeilen an seine Frau zu schreiben. Er dankte für das Entgegenkommen, erklärte aber: ›Vorläufig ist das nicht notwendig.‹« Terror gegen Osteuropa  179

Auch die übrigen gleichgeschalteten nationalsozialistischen Zeitungen nutzten die Gefangennahme jetzt zu Propagandazwecken und titelten, wie beispielsweise der Lappland-Kurier, die »Zeitung für die deutschen Soldaten in Nordfinnland«, in seiner Ausgabe vom 28. Juli 1941, »Stalins Sohn erklärt: Widerstand ist sinnlos«.6 Solche Behauptungen hatten mit der Wahrheit wenig zu tun, machten aber eine Rückkehr Dschugaschwilis in die Sowjetunion selbst nach einer Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft unmöglich. Denn er hatte, indem er sich gefangen nehmen ließ, ausdrücklich gegen den strikten Befehl seines Vaters verstoßen, den Kampf bis zum Tod fortzuführen. Überlebende seien als Verräter anzusehen, war Stalins Auffassung. Familienangehörige müssten als Geiseln behandelt und verbannt beziehungsweise in Straflager geschickt werden. In der Tat ließ Stalin seine Schwiegertochter verhaften und sein Enkelkind in ein Heim bringen. Konsequenterweise hätte sich Stalin– als Vater des »Verräters« – ebenfalls verhaften lassen müssen. Auf russischsprachigen Flugblättern wurden sowjetische Soldaten zur Aufgabe aufgefordert. Abgedruckt wurde ein Brief Dschugaschwilis an Stalin, der wohl kaum seiner tatsächlichen Haltung entsprochen haben dürfte:7 Lieber Vater! Ich befinde mich in Gefangenschaft, bin gesund, werde bald in eins der Offizierslager nach Deutschland befördert werden. Die Behandlung ist gut. Ich wünsche Dir Gesundheit. Gruß an alle Jascha.

Das Flugblatt zeigte ferner eine Aufnahme, auf der Stalins Sohn in nahezu freundschaftlichem Gespräch mit deutschen Offizieren zu sehen war, und verbreitete folgenden Text: Wenn schon ein so hervorragender Sowjetoffizier und Roter Kommandeur sich in Gefangenschaft ergeben hat, so beweist das offensichtlich, dass jeder Widerstand gegen die deutsche Wehrmacht vollkommen zwecklos ist. Daher macht Schluss mit dem Krieg. Bedient Euch unseres Passierscheines und kommt zu uns herüber.8

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Das Schreiben wurde mit Genehmigung des Auswärtigen Amtes an Stalin weitergeleitet, jedoch nur in Fotokopie.9 Das Original verblieb, »um Fälschungen zu vermeiden«, beim Oberkommando der Wehrmacht. Das Schicksal Dschugaschwilis ließ nach Kriegsende zahlreiche Legenden wuchern. In der DDR wurde 1950 bekannt, dass Stalin laut einer kleinen Suchanzeige in der Armeezeitung Sowjetskaja Armija eine Prämie von einer Million Rubel demjenigen ausgesetzt haben soll, der ihm Aufklärung über das Grab seines Sohnes geben könnte.10 Aufgrund dieser Nachricht, die nicht in der DDR, aber in westdeutschen Zeitungen veröffentlicht wurde, meldeten sich in der Bundesrepublik Zeugen, die übereinstimmend aussagten, dass sich Stalins Sohn von Oktober 1941 bis November 1943 im Offiziersgefangenenlager Hammelburg aufgehalten habe. Den Angaben des ehemaligen Chefarztes des Gefangenenlagers Vorwerk bei Lübeck, Dr. Blücher, zufolge soll »der junge Stalin« anschließend Gefangener in diesem Lager gewesen sein. Er sei dann von der SS abgeholt und in ein Konzentrationslager gebracht worden, nachdem er sich geweigert habe, einen deutschen Hauptmann mit dessen Dienstgrad anzusprechen. Es ist unwahrscheinlich, dass ein solcher Anlass zur Einweisung Dschugaschwilis in ein Konzentrationslager führte, dazu war ein deutscher Hauptmann zu unwichtig, Stalins Sohn dagegen eine zu exponierte Persönlichkeit. Tatsächlich aber wurde er im Herbst 1943 auf Anordnung des Reichssicherheitshauptamtes in das KZ Sachsenhausen eingewiesen und dort zunächst im sogenannten Zellenbau, dem Lagergefängnis, inhaftiert, wo er etwa zwei Monate bleiben musste. Anschließend kam er zusammen mit dem russischen Leutnant Wassilij Kokorin, einem Neffen des sowjetischen Außenministers Wjatscheslaw Michailo­ witsch Molotow, in das angeschlossene Sonderlager für russische Kriegsgefangene. Es war aufgrund einer Vereinbarung zwischen dem Oberkommando der Wehrmacht und Himmler eingerichtet worden, nachdem am 17. April 1942 dem französischen General Henri Giraud die Flucht von der Festung Königstein gelungen war.11 In erster Linie war dieses Lager für kriegsgefangene Offiziere bestimmt und grenzte an mehrere eigens für »Ehrenhäftlinge« errichtete Sonderhäuser. Es galt als besonders ausbruchssicher. Umgeben war das vierzig mal vierzig Meter große Sonderlager, das nur aus zwei Baracken bestand, von einer Terror gegen Osteuropa  181

17 Die Todesumstände von Stalins Sohn Jakob Dschugaschwili wurden nie völlig geklärt.Er starb im elektrischen Zaun des Konzentrationslagers Sachsenhausen. (Staatsarchiv München)

etwa drei Meter hohen Mauer mit zwei Wachtürmen. Im Inneren wurde es zusätzlich durch einen zweieinhalb Meter hohen elektrisch geladenen Draht und durch einen fünfzig Zentimeter hohen Stolperdraht gesichert. Wer diesen Draht überschritt, sollte erschossen werden, lautete der Befehl für die Wachmannschaften. 182  In Hitlers Hand

Vor dem Untersuchungsrichter der Staatsanwaltschaft München II wurde am 21. Juli 1967 der frühere SS-Hauptscharführer Kurt Eccarius zu den Haftbedingungen und zu den Umständen, die zu Dschugaschwilis Tod führten, befragt.12 Eccarius war für die Bewachung des Sonderlagers verantwortlich und hatte nach eigenen Aussagen eine schriftliche Anordnung erhalten, den Gefangenen, einen Oberleutnant, »sehr gut zu behandeln«. Obwohl in den offiziellen Papieren nur von »Oberleutnant D.« die Rede war, sei ihm klar gewesen, Stalins Sohn vor sich zu haben, denn dessen Foto sei zuvor in deutschen Zeitungen veröffentlicht worden. Dschugaschwili sollte SS-Kost bekommen und ohne Mithäftlinge unter Bewachung zur Freistunde geführt werden. Er durfte die russische Uniform tragen, jedoch ohne Dienstgradabzeichen. Dies bestätigte Richard Pätzke, ehemaliger Kalfaktor im Zellenbau. Er sagte dazu am 21. Februar 1968 aus, er habe Stalins Sohn oft gesehen, wenn er zum Waschraum gegangen sei. Dabei habe der Gefangene stets seine Uniform getragen, nie Häftlingskleidung.13 Mithäftling Thomas Cushing schrieb 1968 über die Haftumstände: Dschugaschwili wurde in einer der acht Zellen in unserer Baracke einquartiert. In jeder Zelle stand ein Bett mit einer Decke, ein kleiner Tisch, ein Stuhl und ein Koksofen. Jeden Tag konnten wir uns unter Bewachung eine Ration Koks holen. Der Ofen durfte um halb fünf Uhr angesteckt werden; der Koks reichte dann bis zehn Uhr abends. Dschugaschwili bekam wie wir jeden Tag einen halben Laib Brot, etwas Margarine und Wurst. Zum Frühstück gab es Ersatzkaffee, zum Mittagessen meist Kartoffeln mit Sauerkraut oder Kohlrabi, gelegentlich auch Erbsensuppe mit Speck. (…) Der Sohn Stalins wusch und rasierte sich regelmäßig. Er trug russische Soldatenstiefel, Reithosen, abwechselnd ein Khaki- oder ein bläuliches Arbeiterhemd und einen Pullover. (…) Meist war er um halb sieben Uhr früh schon auf den Beinen. Er ging auch viel auf dem Hof spazieren. Doch während wir anderen richtig marschierten, um uns fit zu halten, schlenderte er nur herum.14

Oft wurde Dschugaschwili zu Gesprächen mit der Lagerleitung abgeführt, die übrigen Häftlinge wurden dann eingeschlossen. Bei diesen Gesprächen ging es angeblich darum, Stalins Sohn zu überreden, für die Nationalsozialisten Propaganda zu betreiben.

Terror gegen Osteuropa  183

Am 14. April 1943 starb Stalins Sohn unter Umständen, die nie völlig geklärt wurden. Eine RSHA-Kommission verhörte die Mitgefangenen im »Sonderlager A«, unter anderen die Briten William Murphy, Thomas Cushing, Patrick O’Brien, Bruder des britischen Gouverneurs in Indien, und Andrew Walsh, außerdem Wassilij Kokorin. 15 Zudem gehörten zu den Gefangenen in der Baracke B1 »drei Iren, General Besanow und zwei weitere Russen, in der Baracke B2 (…) 5 englische Offiziere, darunter Peter Michael Churchill, in Baracke B³ (…) 5 griechische Generale und 2 griechische Putzer«. 16 Bei den Vernehmungen unmittelbar nach Dschugaschwilis Tod traten erhebliche Spannungen zwischen den britischen und den sowjetischen Gefangenen zutage. Die Briten wollten demnach nicht mit Kommunisten zusammen untergebracht sein und vermuteten in Molotows Neffen einen Spion.17 Misstrauisch hatte sie unter anderem gemacht, dass Kokorin beim Lagerkommandanten eine neue Uniform beantragt und nicht nur diese erhalten hatte, sondern dazu frische Wäsche, Hemden und Taschentücher.18 Über Dschugaschwili äußerte Kokorin am Tag nach dessen Tod gegenüber Vernehmern der SS: Er hat zu mir das immer gesagt: »Ich muss von hier weg, einen anderen Weg suchen usw. Ich dachte von Anfang an, er macht Spaß und Scherz, ich lachte immer darüber. Wohin kann man denn weglaufen, wenn es steht Neutrale Zone herum und die Posten: Er sagte wieder, ich finde schon Weg, an Familie Tetmann, da sind lauter Bolschewisten und sie helfen mir mit weiterzugehen. Außerdem sagte er: »Mein Vater ist streng und scharf, es gefällt ihm nicht, dass ich mich als Gefangener in Gefangenschaft befinde, es hat keinen Sinn wegzulaufen.«19

Dschugaschwili habe ihm auch von Plänen Cushings berichtet, einen Tunnel von der letzten Baracke des Sonderlagers zu graben, das habe er jedoch abgelehnt. Wie Thomas Cushing 1968 im Spiegel schrieb, zeigte Dschugaschwili ein zunehmend depressives Verhalten, als die nationalsozialistische Propaganda über immer neue Erfolge der Wehrmacht berichtete:

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Die Deutschen hatten im Gang der Baracke einen Lautsprecher aufgehängt, über den in regelmäßigen Abständen englische und russischsprachige Nachrichten des Propagandaministeriums verbreitet wurden. Eines Tages sah ich Dschugaschwili verstört an der Wand unter dem Lautsprecher lehnen. Ich begrüßte ihn, aber er reagierte nicht. An diesem Tag wusch und rasierte er sich nicht, und seine Blechtöpfe mit dem Mittagessen ließ er unberührt vor seiner Tür stehen. Kokorin versuchte, mir in seinem miserablen Deutsch die Ursache für Jakobs Verstörung zu erklären. In den Propagandanachrichten war von sechs Millionen russischen Gefangenen die Rede gewesen. Und die Meldung war mit einem angeblichen Stalin-Zitat garniert: »Hitler hat überhaupt keine russischen Gefangenen, er hat nur russische Verräter, und die werden wir erledigen, wenn der Krieg vorbei ist.« Ferner habe Stalin in dieser Nachrichtensendung dementiert, dass sein Sohn Jakob in Kriegsgefangenschaft geraten sei, und zwar mit der Begründung: »Ich habe gar keinen Sohn Jakob.« Stalins Sohn fühlte sich nach dieser Nachrichtensendung aus Berlin wohl als Verräter eingestuft und verstoßen. Da er von Natur aus unter Depressionen litt, die sich während der Haft noch verstärkt hatten, wollte er an diesem Tag nach meiner Einschätzung freiwillig seinem Leben ein Ende machen. 20

Der Entschluss zum Selbstmord reifte, als Dschugaschwili im März 1943 eine Ausgabe des Völkischen Beobachters erhielt, in der vom Massenmord von Katyn die Rede war.21 Demnach hatte die Rote Armee Tausende von polnischen Offizieren umgebracht und bei Katyn verscharrt. Nunmehr war er offensichtlich entschlossen, seinem Leben ein Ende zu bereiten. Dschugaschwili sei »in starke Erregung« geraten, habe die Zeitung zerknüllen wollen und dabei von einer »Roosevelt-Propaganda« gesprochen, gab Karl Jüngling später zu Protokoll: »Er war völlig durchgedreht und lief erregt im Lager herum. Er war nur mit Mühe zum Essen zu bewegen. Dann lief er wieder herum, schimpfte und schlug mit dem Fuß in den Sand.« Als er am Abend Dschugaschwili aufgefordert habe, in die Baracke zu gehen, habe dieser sich die Kleidung vor der Brust auseinandergerissen und ihn aufgefordert, zu schießen. Auch der herbeigeeilte »Führer vom Dienst« habe ihn nicht dazu bewegen können, seine Baracke aufzusuchen. Stattdessen habe er verlangt, den Lagerkommandanten zu sprechen. Während Jüngling SS-Obersturmführer Petri über den Vorfall unterrichtete, lief Dschugaschwili zwischen den Baracken und der Lagerumzäunung umher und rief angeblich dem Terror gegen Osteuropa  185

Wachposten, SS-Rottenführer Konrad Harfich, zu, er solle ihn töten. Mit einem Stock, wohl einem abgefallenen Kiefernzweig, schlug er dabei auf den Boden. Im Bericht des Amts V des RSHA vom 17. April 1943 heißt es: Plötzlich warf er den Stock weg und ging auf den Draht zu. Er überschritt den Stolperdraht, der die neutrale Zone abgrenzt, bei deren Betreten die Posten gehalten sind, zu schießen. Er stieg daraufhin in den Stacheldrahtverhau und griff gleichzeitig mit der linken Hand einen Isolator des mit Strom geladenen Stacheldrahtes. Danach fasste er mit der linken Hand in den mit Strom geladenen Draht. Die Zurufe des Postens, des SS-Rottenführers Harfichs, zurückzugehen, beachtete er nicht, sondern griff auch mit der rechten Hand den Draht an. Jetzt gab der Posten, der damit rechnen musste, dass Djugaschiwili [sic] sich durch den im Draht kreisenden Strom nicht abhalten lassen würde, auf ihn einen Schuss ab, der den Djugaschwili in der rechten Gesichtshälfte traf und sofort tötete.22

Diese Schilderung deckt sich mit den Aussagen des Todesschützen Konrad Harfich. Er sei zwischen den Wachttürmen T1 und T2 Streife gegangen und habe sich zwischen Mauer und der elektrischen Stacheldrahtumzäunung befunden: Dabei sah ich, wie Jacob D. über den Stolperdraht stieg und sich dem geladenen Zaun von innen näherte. Er rief mir zu: »Posten schießen!« Es war auch den Gefangenen allgemein bekannt, dass die Posten die Anweisung gehabt haben, auf diejenigen Personen zu schießen, die den Stolperdraht überstiegen und sich der elektrisch geladenen Leitung näherten. (…) Ich stand in einer Entfernung von ca. 8–10 m. Ich habe mit meinem Karabiner nach seinem Kopf gezielt. Er brach zusammen und blieb am Drahtzaun hängen. (…) Ich habe mir Jacob D. hinterher nicht mehr angesehen. (…) Ich selbst bin nun noch einige Zeit auf dem Postenweg zwischen dem T1 und T2 hin- und hergegangen. Ich habe dabei Jacob D. im Draht liegen sehen, konnte aber wegen der schwachen Beleuchtung und deshalb, weil ich mich ja dem elektrisch geladenen Zaun unmittelbar nicht nähern konnte, nicht feststellen, welche Verwundung der Jacob D. im Einzelnen durch meinen Schuss davongetragen hat.23

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Mit der Untersuchung der Todesumstände beauftragte das RSHA Reichskriminaldirektor Kurt Amend und beorderte ihn nach Sachsenhausen. In einem Brief an das Landeskriminalamt Wiesbaden schrieb er später: »Eines Tages erhielt die Gruppe Fahndung im Reichskriminalpolizeiamt (Amt V des RSHA), zu der ich gehörte, von Sachsenhausen die Nachricht, dass Stalins Sohn am Abend zuvor, also wie es jetzt heißt, am 14.4.1943, bei einem Fluchtversuch getötet worden sei. Diese Nachricht löste höchstes Erschrecken aus. Der Körper wies sowohl eine Schussverletzung am Kopf wie auch Strommarken, mindestens an einer Hand, auf.« Der SS-Arzt äußerte, der Tod könne bereits durch den Strom eingetreten sein, ehe der Schuss des Wachpostens getroffen habe. »(…) Ich habe den Eindruck, dass es bei der damaligen Berichterstattung wohl in erster Linie darauf angekommen ist, an die Führung die schlimme Nachricht vom Tode des Stalin-Sohns überhaupt zu erstatten.« Dschugaschwilis Leiche blieb über Nacht am Zaun liegen. In dem knappen Bericht des Lagerarztes über den »Tod eines Inhaftierten durch Schussverletzung« vom 15. April 1943 war zu lesen: Bei dem am 14.4.43 besichtigten Inhaftierten stellte ich den Tod durch Kopfschuss fest. Die erbsengroße Einschussöffnung befindet sich ca. 4 cm vom re. Ohr entfernt, knapp unterhalb des re. Jochbogens. Mittelpunkt der Ausschussöffnung in der Mitte des linken Scheitelbeins. Es besteht eine ungefähr kleinhandtellergroße Zertrümmerung des Schädelknochens mit Austritt von Gehirnteilen. Der Tod muss durch diese Schussverletzung sofort eingetreten sein.24

Am 19. Januar 1970 stellte die Staatsanwaltschaft München das Ermittlungsverfahren gegen den Schützen Konrad Harfich mit der Begründung ein, dem Beschuldigten sei allenfalls ein versuchtes Tötungsdelikt nachzuweisen.25 Für ein Handeln des Beschuldigten aus niedrigen Beweggründen, etwa aus überheblicher Missachtung von Angehörigen eines anderen Volkes, fehle jeglicher Anhaltspunkt. Nachweisbar sei allenfalls ein versuchtes Verbrechen des Totschlags. Die Strafverfolgung eines solchen Verbrechens aber sei verjährt, befand die Staatsanwaltschaft. Ein weiterer »Sonder- und Ehrenhäftling« im KZ Sachsenhausen war Wassilij Kokorin, der Neffe des sowjetischen Außenministers Molotow. Terror gegen Osteuropa  187

In den verbliebenen Akten des RSHA taucht sein Namen lediglich im Zusammenhang mit den Vernehmungen über Jakob Dschugaschwilis Tod auf. Allerdings hellt sich das Bild über sein Schicksal ein wenig in den Berichten befreiter Häftlinge nach dem Krieg auf: Am 7. Februar 1945 mussten sich die »Sonder- und Ehrenhäftlinge« des KZ Sachsenhausen zum Abtransport fertigmachen. Aufgerufen wurden Josef Müller (»Ochsensepp«), Arthur Nebe, Chef des Reichskriminalamtes, Pastor Dietrich Bonhoeffer und General Alexander von Falkenhausen. Der Transport führte zunächst nach Buchenwald, jedoch nicht in das eigentliche Konzentrationslager, sondern in das Kellergefängnis der SS-Kasernen. In Zelle 8 waren Wassilij Kokorin und Josef Müller untergebracht, und zwischen beiden entwickelte sich eine Freundschaft, soweit das unter diesen Umständen überhaupt möglich war. Am 4. April 1945 wurden Müller, Kokorin, Hauptmann Ludwig Gehre,26 Hugh Falconer, Squadron Leader der Royal Air Force, der ehemalige deutsche Gesandte in Spanien, Erich Heberlein und Frau27, Korvettenkapitän Franz-Maria Liedig28, Hermann Pünder, Dietrich Bonhoeffer, General von Falkenhausen und der in Ungnade gefallene KZ-Arzt Sigmund Rascher nach Flossenbürg verlegt. Auf der Fahrt hielt der Wagen in Neustadt an der Waldnaab. Neben anderen musste auch Müller aussteigen. Später schilderte er die Situation folgendermaßen: Wassilij Kokorin war mit einem Satz auf der Straße. Er hatte mitbekommen, dass wir drei Aufgerufenen für das Todeslager Flossenbürg bestimmt waren und war fest überzeugt, wir müssten nun für immer voneinander Abschied nehmen. Wassilij umarmte mich herzlich und küsste mich nach russischer Sitte auf die Wange. Im ersten Moment war ich von dieser Szene, die sich vor den misstrauischen Augen unserer Schergen abspielte, überrascht, doch es lag so viel Menschlichkeit und Herzlichkeit darin, dass ich den Abschiedskuss erwiderte. Mit gesenktem Kopf stieg Wassilij wieder ein.29

Müller musste in ein zweites Polizeifahrzeug steigen und kam in den Arrestbau von Flossenbürg. Gestapo-Kommissar Kurt Stawitzki ordnete an, ihm Hand- und Fußfesseln anzulegen. Müller gab später an, dass er bei den Verhören brutal geschlagen und misshandelt wurde. Am 15. April 1945 wurde Josef Müller ein weiteres Mal verlegt, dieses Mal in das Konzentrationslager Dachau. Mit ihm im Gefangenentrans188  In Hitlers Hand

porter waren Jack und Peter Churchill, Wing-Commander Harry Day, der französische Gewerkschafts- und Sozialistenführer Armand Mottet und der dänische Abwehroffizier Hans Lunding. Hier begegnete Müller auch Philipp von Hessen wieder, den er von Flügen nach Rom kannte. In Dachau wurde er sofort in den Bunker, den sogenannten »Kommandanturarrest«, gebracht. Es bestand die Anweisung, ihn von den übrigen Gefangenen streng zu isolieren. Müller durfte weder am Hofgang teilnehmen noch seine Zelle verlassen. In einem Anflug von Menschlichkeit führte einer der Aufseher eines Tages Wassilij Kokorin zu ihm zu Besuch. Müller schrieb über das Wiedersehen: »Mit Tränen in den Augen stürzte der junge Russe auf mich zu, er hatte geglaubt, ich sei bereits tot, umso größer war seine Freude, mich wiederzusehen. Von da an kam er täglich, meist sogar mehrmals zu mir. Es gelang Kokorin sogar, einen Schutzbrief zu schreiben auf einem Bogen, den Anni Haaser, Müllers ehemalige Sekretärin, mit ins Konzentrationslager gebracht hatte: An das Kommando der Roten Armee Im Falle eines Zusammentreffens des Herrn Müller mit einem Kommando der Roten Armee, ersuche ich, Wassilij Wassilijewitsch Kokorin, Neffe des Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten der UdSSR, W. M. Molotow, Leutnant der Luftwaffe der Roten Armee, geboren am 9.1920 in der Stadt Molotowka, Kirow Gebiet, wohnhaft in Moskau, Kreml-Tupik, No. 117, dass unser Kommando ihm, Herrn Müller, Schutz und Hilfe angedeihen lasse. (…) 20. April 1945 Konzentrationslager Dachau, Leutnant W. Kokorin.30

Kokorin half Müller zudem mit einem Paar Schuhe aus. Anni Haaser konnte dem »Ochsensepp« 1000 Reichsmark ins Konzentrationslager bringen, die er an Mitgefangene verteilte. Der holländische Kriegsminister Johannes J. C. van Dyk nahm das Geschenk ebenso dankbar an wie Hjalmar Schacht. Am Morgen des 3. Mai 1945, nach der Befreiung in Österreich, erklärte Kokorin seinem »Freund« Müller, er sei Partisanenoffizier und müsse versuchen, sich wieder seiner Truppe anzuschließen. Er meinte damit Partisanen, die bei Cortina d’Ampezzo gegen die Deutschen kämpften. Kokorin hatte sich, als er während des Kriegs hinter den deutschen Linien abgesprungen war, Erfrierungen an den Füßen zugezogen. Zusätzlich war er durch die lange Haft geschwächt, sodass Terror gegen Osteuropa  189

sein Unternehmen zum Scheitern verurteilt war. Jahre später erfuhr Josef Müller vom sowjetischen General Leonid Georgiew, dass sich Kokorin in den Bergen weitere Erfrierungen zugezogen hatte. Man habe versucht, ihn zu operieren, aber kurz darauf sei er gestorben. Die übrigen in Südtirol befreiten Russen wurden später in das alliierte Hauptquartier nach Caserta in Kampanien gebracht und dann der Roten Armee übergeben. Oberleutnant Nikolaus Rutschenko, ehemaliger »Ehrenhäftling«, hatte sich davor gefürchtet und während eines Transports den US-Fahrer eines Jeeps mit einem Faustschlag außer Gefecht gesetzt. Rutschenko fuhr zum Collegium Russicum bei der Kirche Santa Maria Maggiore, verkleidete sich als Bettler und floh dann nach Paris. 1964 traf er Müller und erfuhr, dass alle übrigen befreiten Russen sich vor einem russischen Kriegsgericht hatten verantworten müssen.

Rumäniens Eiserne Garde In der Zeit des Nationalsozialismus war die Gefahr groß, als Regierungschef oder Regent eines besetzten Landes abgesetzt und verhaftet zu werden. Es gab aber auch den umgekehrten Weg, und diesen ging – mit vielen Hindernissen und keineswegs so von ihm immer selbst gewollt – der rumänische Lehrer für Logik und Philosophie Horia Sima. Er war einer der führenden Köpfe der rumänischen Legion »Erzengel Michael« und sollte für die Nationalsozialisten eine wichtige Rolle spielen: Vom »Sonderhäftling« stieg er zum Ministerpräsidenten auf, wenn auch nur als Hitlers Marionette. Seit 1927 machte in Rumänien die unter Führung des charismatischen Bauernsohns Corneliu Zelea Codreanu stehende, strikt antisemitische Legion »Erzengel Michael« von sich reden. Ihr 1930 gegründeter paramilitärischer Zweig, die Eiserne Garde, beging zahlreiche Terrorakte, wurde 1933 verboten, bestand allerdings unter dem Namen »Alles für das Vaterland« fort. Obwohl die Legion bei den Parlamentswahlen von 1937 mit 15,5 Prozent drittstärkste Kraft wurde, verbot König Carol II. (Karl II.) sie im Februar 1938 erneut. Codreanu und andere Legionsführer wurden verhaftet und zu teilweise langen Freiheitsstrafen verurteilt. Sima floh am 4. Februar 1939 nach Deutschland und kehrte 190  In Hitlers Hand

kurz darauf heimlich von Berlin nach Rumänien zurück. Nach weiteren Terroranschlägen, denen unter anderen Ministerpräsident Armand Călinescu zum Opfer fiel, setzte er sich am 10. Dezember 1939 wiederum nach Berlin ab. Am 5. Mai 1940 machte er sich erneut auf den Weg nach Rumänien, um einen Putsch vorzubereiten, wurde jedoch am 19. Mai 1940 beim Passieren der Grenze verhaftet. Behauptungen, er sei »von deutscher Seite nach Rumänien geschickt worden, um den rumänischen König zu ermorden«, wies er zurück und forderte nunmehr die Legionäre auf, ihre Waffen niederzulegen.31 Um Ruhe im Land herzustellen, beteiligte Ion Gigurtu sie an seiner Regierung. Sima stieg am 28. Juni 1940 zum Unterstaatssekretär im Erziehungsministerium, dann zum Kultusminister auf. Am 6. September wurde er als neuer Führer der Legion bestätigt. Als König Carol II. zugunsten seines Sohns Mihai I. (Michael I.) abdankte, ging die Eiserne Garde am 4. September 1940 eine Allianz mit General – später Marschall – Ion Antonescu ein. Sima und weitere Legionäre wurden mit Regierungsposten belohnt. Dennoch kam es im Januar 1941 zur »Rebellion der Nationalen Legion«, die mit der weitgehenden Zerschlagung der Eisernen Garde endete. Antonescu stellte Hitler vor die Wahl, ihn – und damit den kriegsbereiten Flügel der Regierung – zu unterstützen oder Sima und dessen Legion. Während Himmler und Heydrich sich für Sima aussprachen, folgte Hitler Ribbentrops Rat und stellte sich auf die Seite von Ion Antonescu. Nach dem Scheitern des Umsturzversuchs gab die rumänische Regierung dem deutschen Drängen nach, auf eine Verurteilung der führenden Köpfe der Legion zu verzichten und sie stattdessen in Deutschland zu internieren.32 Zunächst zweihundertsechzig, dann dreihundertzehn Angehörige der Eiserne Garde sollten für fünf Jahre »unter strengster Aufsicht der deutschen Behörden« interniert werden, »und zwar drei Jahre in Lagern und zwei Jahre in Arbeitsstätten«. Ihren Unterhalt wollte die rumänische Regierung, die im Juni 1941 an Deutschlands Seite in den Zweiten Weltkrieg eintrat, bestreiten. Die ehemaligen Führer der Legion, insgesamt vierzehn Personen mit Horia Sima an der Spitze, wurden in Berkenbrück an der Spree bei Fürstenwalde interniert, »um durch eine laufende persönliche Überwachung jede illegale Betätigung zu unterbinden«.33 Die übrigen Legionäre hielten sich – ebenfalls unter Bewachung – in Rostock auf und Terror gegen Osteuropa  191

wurden hier größtenteils bei den Heinkel-Arado-Flugzeugwerken und auf der Neptunwerft eingesetzt. Als Antonescu sich beschwerte, Sima lasse Aufrufe gegen ihn in Rumänien verbreiten, ergab eine diesbezügliche Untersuchung jedoch keine Anhaltspunkte. Reichsleiter Martin Bormann kam sogar zu dem Ergebnis: »Insbesondere seit Beginn des Ostfeldzuges sind sie zu der Erkenntnis gelangt, dass der Weg der Legionäre zwangsläufig zu Marschall Antonescu führt und führen muss.«34 Horia Sima habe Ende Oktober 1941 verbindlich erklärt, er sei bereit, von der Legionärsführung, auch von der nominellen, zurückzutreten, wenn es im Interesse Deutschlands liege. Er wolle der weiteren Entwicklung Rumäniens nicht im Weg stehen. Gleichzeitig habe er »Gefolgschaft und Bereitschaft dem Führer bis zum Tode« versichert. Sima aber dachte nicht daran, sein Wort zu halten. Ihm gelang am 16. Dezember 1942 die Flucht aus der SD-Schule Berkenbrück bei Bernau nach Italien. Dort wollte er Mussolini für den Wiederaufbau der Eisernen Garde gewinnen. Himmler wurde die Flucht zunächst verschwiegen, aber Ribbentrop unterrichtete Hitler, der Geflohene befinde sich in Italien und plane von dort aus einen Putsch in Rumänien. 35 Elf Tage nach seiner Flucht wurde Sima in Italien festgenommen und nach Deutschland verbracht, was Goebbels am 1. Januar 1943 zu dem Kommentar veranlasste: Der Fall Horia Sima hat außerordentliche Wellen geworfen. Wir hatten ihn etwas zu leicht bewachen lassen, und infolgedessen konnte er nach I[tal]ien entwischen. Man kann sich vorstellen, welche Aufregung das in den regierenden rumänischen Kreisen verursacht hat. Es sind erregte Telegramme hin- und hergegangen, und wir haben darauf gedrungen, dass Horia Sima uns von den Italienern ausgehändigt wurde. Der Führer war außerordentlich ungehalten über die Flucht Horia Simas und hatte sich bereits entschlossen, ihn zum Tode zu verurteilen und das Urteil auch vollstrecken zu lassen. Er hat dann doch davon abgesehen, ein solches Exempel zu statuieren; aber Horia Sima muss sich darüber klar sein, dass jetzt von einer Freizügigkeit seiner Person gegenüber keine Rede mehr sein kann.36

Es habe die Gefahr bestanden, so Goebbels, dass Sima nach England fliehen würde, um dort eine nationale Gegenregierung zu bilden. 192  In Hitlers Hand

Als Konsequenz von Simas Flucht aus Berkenbrück ordnete Himmler am 18. Dezember 1942 die »Errichtung eines Isolierungslagers für Ausländer und für ausländische Flüchtlinge und Emigranten in der Nähe von Weimar« an.37 Es wurde unter dem Namen »Fichtenhain« dem Konzentrationslager Buchenwald angeschlossen. »Wie bereits mündlich befohlen, sind in das Lager die rumänischen Legionäre einzuweisen«, hieß es in Himmlers Befehl. Der Kommandant hafte mit seinem Leben dafür, »dass keiner der in dem Lager Isolierten flüchtet oder mit der Außenwelt Verbindung bekommt«. Hundertfünfzig Legionäre wurden unverzüglich »hinter Stacheldraht und unter scharfer Bewachung« nach »Fichtenhain« gebracht, während Hitler persönlich entschied, dass weitere hundertfünfzig Legionäre in Rostock bleiben und dort arbeiten sollten.38 Die Legionäre erhielten den Status von »Sonderhäftlingen« und damit etliche Privilegien. In ihnen wurden potenzielle Kämpfer für den Nationalsozialismus gesehen. Gestattet wurde ihnen im KZ Buchenwald beispielsweise eine Versammlung des Obersten Legionärsforums, das am 1. Januar 1943 eine neue Führung wählte. Begründet wurde dies in einem Schreiben an Himmler, das dieser Hitler vorlegen sollte, mit der »durch den Verzicht auf die Führung der Legionärsbewegung ihres ehemaligen für uns unter unerklärlichen Umständen fortgegangenen Führers Horia Sima« ausgelösten Führungskrise.39 Den in Buchenwald inhaftierten Legionären war demnach nicht bekannt, dass ihr Führer Sima in Sachsenhausen gefangen gehalten wurde. Einstimmig beschloss das Legionärsforum, dass die drei – von ursprünglich fünf – noch lebenden Gründern der Bewegung an die Spitze der Organisation treten sollten: Ilie Garneata, Corneliu Georgescu und Radu Mironovici sollten die Ausrichtung nach den Zielen Codreanus sicherstellen und die höchste Instanz der Legion bilden. Kommandant Vasile Iaşinschi wurde stellvertretender Legionärsführer, als Generalsekretär wurde Corneliu Georgesca bestimmt, während Radu Mironovici das Legions-Elitekorps »Mota Marin« führen sollte. Ilie Gârneată übernahm die Organisation »Die große Familie des Legionärsopfers«. Das Legionärsforum bekräftigte, »organisch und unzertrennlich mit der nationalsozialistischen Ideologie verbunden« zu sein und an der Seite von Hitlers Soldaten für den »Sieg des jungen Europas« zu kämpfen.

Terror gegen Osteuropa  193

Bei Goebbels ist unter dem 9. Januar 1943 zu lesen, Antonescu habe gegenüber Hitler darauf verwiesen, dass er entweder Krieg führen oder sich mit Innenpolitik beschäftigen könne, aber nicht beides zusammen. Infolgedessen müsse er auf eine absolute Autorität im Innern Wert legen und verlange daher eine uneingeschränkte deutsche Unterstützung. Die habe er nun erhalten: Horia Sima ist jetzt in das Konzentrationslager Sachsenhausen eingeliefert worden. Der rumänische Nationalistenführer war eben im Begriff, eine ungeheure Gefahr über das Reich heraufzuführen.40

Neben Sima war auch sein Adjutant Traian Borubaru nach Sachsenhausen gebracht worden, während weitere zwölf führende Legionäre in das Konzentrationslager Dachau eingewiesen wurden, allerdings zu den bevorzugten Bedingungen der »Sonderhäftlinge«. Sie erhielten »zur Befriedigung ihrer persönlichen Bedürfnisse für Reinigungsmittel, Ausgaben für Rauchwaren und Sonstiges« monatlich 50 Reichsmark Taschengeld, die das Reichssicherheitshauptamt aus dem »Sonderkonto ›R‹« bestritt.41 Für Sima bedeutete die Gefangennahme keineswegs das Ende seiner politischen Laufbahn. Die Nationalsozialisten gingen davon aus, ihn und seine Legionäre noch einmal brauchen zu können, denn mit dem rumänischen Regierungschef Antonescu waren sie zunehmend unzufriedener. Dieser habe »während der Krise eine unglückselige Rolle gespielt, insofern als er beim Entweichen Horia Simas den Kopf verloren und sogar für eine kurze Zeit, und zwar auf dem Höhepunkt der Krise, seinen Truppen den Befehl gegeben habe, nicht zu schießen«, kritisierte Goebbels am 8. Februar 1943,42 um am 27. April 1944 noch deutlicher zu werden: Der Führer ist im Augenblick nicht sehr zufrieden mit Antonescu. Antonescu fällt es jetzt sehr schwer, seine Stellung zu halten, weil er über keine Partei verfügt. Hätte er noch die Eiserne Garde zur Verfügung, so würde es ihm viel leichter fallen, das rumänische Volk bis in die kleinste, letzte Zelle zu führen. Der Führer ist froh, dass er Horia Sima noch in deutschem Gewahrsam weiß, denn eventuell könnte man doch auf ihn zurückgreifen, wenn Antonescu nicht mehr sattelfest wäre. Jedenfalls haben wir ihn als letzten Trumpf noch im rumänischen Spiel.43 194  In Hitlers Hand

Hitlers Befürchtungen waren berechtigt. In Rumänien eröffnete der junge König Mihai I. (Michael I.) dem Gesandten von Killinger, er sei durch die militärische Lage gezwungen, Marschall Antonescu abzusetzen und den Gegner um Waffenstillstand zu bitten.44 Er ließ am 24. August 1944 Antonescu verhaften, bot aber an, dass die rumänischen Truppen drei Tage lang den Abzug der Wehrmacht decken würden. Eine Stunde später wurde der königliche Palast von deutschen Flugzeugen bombardiert. Darauf erhielten die rumänischen Truppen den Befehl, sich auf die Seite der Roten Armee zu stellen. In wenigen Tagen verlor die Wehrmacht zwanzig Divisionen. Hitler setzte nun auf die Angehörigen der Eisernen Garde und ließ Sima und die übrigen Legionäre frei. Sima sollte bald darauf sogar noch rumänischer Regierungschef werden, ohne dieses Amt jedoch noch ausüben zu können. Vom Konzentrationslager siedelte er in ein Berliner Hotel um und wurde mit der Bildung einer Marionettenregierung beauftragt. Am 25. August 1944 empfing der Reichsaußenminister Sima, anschließend wurden die Legionäre nach Wien gebracht, wo eine nationalrumänische Regierung zustande kam. Bisweilen meldete er sich öffentlich. Dazu schreibt Goebbels in seinen Tagebüchern: Horia Sima gibt, auf seinen Informationen fußend, ein Interview über die rumänische Situation. Er hat Recht, wenn er betont, dass Antonescu nur deshalb zu Fall gebracht werden konnte, weil er eine Regierung ohne Volk darstellte. Seine damalige Unterdrückungspolitik gegen die Eiserne Garde hat sich zwar spät, aber sehr bitter gerächt.45

Am 10. Dezember 1944 erkannte Deutschland das Kabinett ihres früheren KZ-Häftlings Sima an. Regierungssitz war zunächst Wien, dann Altaussee in der Steiermark. Goebbels resümierte am 10. Januar 1945, der Abfall Rumäniens sei »zum großen Teil auf deutsche Säumigkeit« zurückzuführen: Dazu kam der unglückliche Umstand, dass wir durch eine Festlegung des deutschen Kurses auf Marschall Antonescu dem hinterhältigen Treiben von Mihai Antonescu Tür und Tor geöffnet haben. Die Deutschenfreunde in Rumänien waren in der Eisernen Garde zu suchen.46

Terror gegen Osteuropa  195

Diese Erkenntnis kam für die Nationalsozialisten zu spät. Im österreichischen Altaussee erhielt SS-Obersturmbannführer Adolf Eichmann von RSHA-Chef Kaltenbrunner Ende April/Anfang Mai 1945 den Befehl, Sima und sein »Kabinett«, das noch aus einer Handvoll »Minister« bestand, zu schützen und mit in die Berge zu nehmen.47 Eichmanns Ziel war die Blaa-Alm. Er requirierte für sich und seine Leute Zimmer im Gasthaus, Sima brachte er in der Nachbarschaft unter. Kurz darauf zog er sich mit den Rumänen zur höher gelegenen Rettenbachalm zurück, von wo aus er einen Partisanenkrieg gegen die Alliierten führen sollte. Mit Sima vereinbarte er, mangels Nachrichtenübermittlung und wegen der ständigen Gefahr, durch den Gegner überrollt zu werden, das Lager noch höher ins Gebirge zu verlegen, doch in Anbetracht der Aussichtslosigkeit des Unterfangens verließen Sima und seine »Minister« das Lager im Toten Gebirge und tauschten ihre Uniformen gegen Zivilkleidung. Eichmann wurde am 12. Mai 1945 von den Amerikanern festgenommen; er floh jedoch aus dem Internierungslager und lebte mit gefälschten Papieren und unter falschem Namen erst in einem kleinen Dorf in der Lüneburger Heide, dann wanderte er 1950 nach Argentinien aus, wo er bis zu seiner Festnahme und Entführung durch den israelischen Auslandsgeheimdienst Mossad am 11. Mai 1960 lebte. Er wurde von der israelischen Justiz wegen Verbrechen gegen das jüdische Volk und Verbrechen gegen die Menschheit zum Tod durch den Strang verurteilt und am 31 Mai 1962 in Ramleh bei Tel Aviv hingerichtet. Sima gelang unter dem Namen Josef Weber die Flucht. In Italien, Frankreich und Spanien lebte er weitgehend unbehelligt bis zu seinem Tod 1993.

Hitlers Rache an den unbotmäßigen Magyaren Der österreichisch-ungarische Offizier Miklós Horthy wurde am 1. Mai 1920 von der ungarischen Nationalversammlung zum Reichsverweser und damit zum provisorischen Staatsoberhaupt ernannt. Dieses Amt hatte er bis zu seiner von den Nationalsozialisten erzwungenen Abdankung und seiner Verhaftung am 16. Oktober 1944 inne. Horthy lehnte sich zunächst an das nationalsozialistische Deutschland an, was Ungarn anfangs einige Vorteile brachte, so infolge des Münchener Abkommens 196  In Hitlers Hand

von 1938, mit dem Teile der Slowakei Ungarn zugeschlagen wurden. 1940 trat Ungarn dem Dreimächtepakt bei und erhielt einen Teil Siebenbürgens zurück. In den ersten Monaten des Jahres 1943 verlor Ungarn an der Ostfront rund 150 000 Soldaten, woraufhin Horthy versuchte, mithilfe des Gewährsmanns Otto von Habsburg Geheimverhandlungen über einen Separatfrieden mit den Westmächten zu führen. Bei Filippo Anfuso heißt es dazu: »Kaum war eine deutsche Niederlage bekannt gegeben, so konnte man darauf schwören, dass Horthy eine Botschaft in die Schweiz oder nach Istanbul geschickt hatte, um die Engländer wissen zu lassen, dass Ungarn sie erwarte.«48 Als Rumänien Deutschland den Rücken kehrte und die Rote Armee näher rückte, nahm Horthy Geheimverhandlungen mit Stalin auf. Goebbels meinte noch am 23. September 1943: Was nun die Verratsmöglichkeiten bei den anderen Satellitenstaaten anlangt, so möchte Horthy zwar gern abspringen; aber der Führer hat schon die nötige Vorsorge getroffen. Im Übrigen würde er bei der ersten Äußerung eines solchen Verrates zwei Panzerdivisionen nach Wien legen; ich glaube, das würde auf Ungarn sehr ernüchternd wirken. Kallay, sein Ministerpräsident, ist ein ausgemachtes Schwein.49

Horthy fuhr am 17. März 1943 nach Klessheim, wo Hitler ihm vorwarf, sich nicht an der »Endlösung der Judenfrage« zu beteiligen.50 Ebenso hielt er Ungarn »Verrat« vor, da die Regierung nach schweren Verlusten die »Heimbeförderung« ihrer Truppen angekündigt hatte. Darüber hinaus lehnte es Ungarn ab, sich an der Besetzung Süd-Siebenbürgens zu beteiligen, da dann ein Aufstand der rumänischen Bevölkerung in NordSiebenbürgen zu befürchten stand. Hitler antwortete auf diese Unbotmäßigkeiten mit Vorbereitungen zum »Unternehmen Margarete I«, das die Besetzung Ungarns vorsah. Als Horthy erkennen musste, dass diese nicht mehr abzuwenden war, wollte er sofort abreisen, aber er wurde daran vorerst gehindert. Es wurde Fliegeralarm ausgelöst, außerdem ließ Hitlers Umgebung das Schloss einnebeln und gab vor, die Telefonleitungen seien durch Bomben zerstört. Horthy kündigte an, als Reichsverweser abzudanken, verzichtete aber doch darauf, weil er befürchtete, die Nationalsozialisten würden dann eine Regierung einsetzen, die ausschließlich aus Mitgliedern der ihnen hörigen Pfeilkreuzlerbewegung Terror gegen Osteuropa  197

bestehen würde. Später erfuhr Horthy, dass Hitler bereits den Befehl erteilt hatte, ihn auf dem Rückweg zu verhaften, sollte er sich »störrisch« zeigen. Elf Wehrmachtsdivisionen besetzten nun Ungarn, und die Verhaftungsmaschinerie der Nationalsozialisten lief an. Ministerpräsident Miklós Kállay empfing Horthy am Bahnhof in Budapest und teilte ihm mit, dass bereits neun Mitglieder des Oberhauses und dreizehn Abgeordnete festgenommen worden waren und die Gestapo das Hotel Astoria als ihren Sitz beschlagnahmt hatte. Über Kállays Schicksal berichtet Horthy: In der Tat entkam Herr von Kállay mit seiner Familie nur dadurch der Verhaftung, dass er sich durch die unterirdischen Gänge, die noch aus der Türkenzeit stammten, zu uns in die Burg begab, von wo ihn – allein – dann der türkische Gesandte ins einem Wagen abholte. Auch Graf Stephan Bethlen konnte sich den schon nach ihm ausgesandten Häschern entziehen, während der Innenminister Keresztes-Fischer und sein Bruder, der frühere Chef der Militärkanzlei, am 20. März verhaftet wurden.51

Auf deutschen Druck bildete Horthy eine neue Regierung mit General Döme Sztojay an der Spitze, der vor allem sofort den Forderungen nach Verfolgung der Juden nachkam. Bis Juni 1944 waren bereits 400 000 Juden deportiert worden. Die Deportation weiterer 170 000 Juden aus Budapest verhinderte Horthy, indem er die bei Esztergom liegende Panzerdivion nach Budapest verlegen ließ und den Chef der Gendarmerie anwies, den Abtransport mit Gewalt zu verhindern. Am 29. August 1944 leistete eine neue Regierung mit Generaloberst Géza Lakatos und General Gustav Hennyey als Außenminister den Amtseid und beschloss, den Kampf gegen die Sowjetunion fortzuführen, um Ungarn nicht selbst zum Kriegsschauplatz werden zu lassen. Mit dem Abfall Rumäniens und dem Ausscheiden Bulgariens aus dem Krieg am 26. August 1944 änderte sich die Situation auch für Ungarn dramatisch. Horthy sandte General Náday und den englischen Oberst Howie zu Verhandlungen ins alliierte Hauptquartier nach Caserta in Italien. General Maitland und Sir John Slessor, der Oberbefehlshaber und der Luftwaffenkommandant der 8. Armee, wiesen die Ungarn zurück, sie müssten sich an die Russen wenden. Ende September 1944 schickte 198  In Hitlers Hand

Horthy eine weitere Delegation nach Moskau, um über einen Waffenstillstand zu verhandeln. Nunmehr befahl Hitler Otto Skorzeny den Burgberg in Budapest einzunehmen »und sich all derer zu bemächtigen, die sich im Königspalast und in den Ministerien befinden«.52 Am Morgen des 15. Oktober tagte der ungarische Kronrat, dem Horthy seine Auffassung darlegte, Deutschlands Niederlage sei nicht mehr aufzuhalten, und deshalb führe er Gespräche über einen Waffenstillstand. Ihm sei signalisiert worden, dass Ungarn in einem solchen Fall mit annehmbaren Bedingungen rechnen könne. Währenddessen wurde bekannt, dass die Deutschen Horthys Sohn Miklós (Nikolaus) jr. entführt hatten. Bei seiner Festnahme hatte er einen seiner Häscher erschossen, bevor ihm ein Sack über den Kopf gestülpt und er ohnmächtig wurde.53 Horthy schilderte später die Entführung seines Sohnes, die die Skrupellosigkeit der Gestapo einmal mehr bewies: Der deutsche Sicherheitsdienst hatte meinem Sohn Nikolaus durch Mittelsmänner vorspiegeln lassen, Abgesandte Titos wünschten ihn zu sprechen. Einer ersten Verabredung war mein Sohn ausgewichen, als er vor dem zur Zusammenkunft bestimmten Haus verdächtige Personen bemerkte. Daraufhin wurde eine neue Zusammenkunft für den 15. Oktober, und zwar im Büro des Direktors der Ungarischen Donauhafengesellschaft, Felix Bornemisza, am Eskü-Platz auf der Pester Seite anberaumt. (…) Kaum hatte er im Büro Bornemiszas Platz genommen, so wurde er durch fünfzehn bewaffnete Gestapomänner, die aus dem Nebenzimmer eindrangen, überfallen, blutig geschlagen, und, als er sich ohnmächtig stellte, in einen Teppich gerollt und zu einem bereitstehenden Lastkraftwagen geschafft. Zwischen Haustür und Wagen rief mein Sohn um Hilfe; es kam zu einer Schießerei, bei der ein Ungar und ein Deutscher getötet und ein Ungar verwundet wurden. Fraglos war die Verschleppung meines Sohnes von langer Hand vorbereitet: man wollte ihn als Geisel in Händen haben, um auf mich eine Pression ausüben zu können.54

Horthy hielt dem Reichsbevollmächtigten Edmund Veesenmayer vor, die Deutschen verhielten sich in Ungarn wie in einem besetzten Land, die Gestapo terrorisiere die Bevölkerung. Er habe deshalb beschlossen, den Krieg nicht fortzusetzen, er strebe einen Waffenstillstand an. Anschließend warf Horthy leere Geschosshülsen auf den Tisch und beschuldigte Veesenmayer der Entführung seines Sohnes. Veesenmayer Terror gegen Osteuropa  199

wies die Verantwortung von sich und erklärte, dies sei Angelegenheit von SS-Obergruppenführer Otto Winkelmann. Horthy zeigte sich schließlich bereit, noch einmal den Gesandten Rudolf Rahn zu empfangen, der mit einer Botschaft Hitlers zu ihm unterwegs sei. Rahn beschrieb, was sich in den nächsten Stunden ereignete: Horthy bat mich für den nächsten Tag, den 15. Oktober, um ein Uhr zu sich. Ich übernachtete in der Gesandtschaft. Als wir am Frühstückstisch saßen, erhielten wir die Nachricht, dass der Sohn Horthys bei angeblichen Verhandlungen mit Abgesandten des kroatischen Rebellenmarschalls Tito ertappt, sofort von deutscher Polizei verhaftet und im Flugzeug nach Deutschland gebracht worden sei. (…) Um ein Uhr, als ich Horthys Zimmer betrat, wurde sein Waffenstillstandsangebot durch den Rundfunk bekanntgegeben.55

Horthy verlangte in einem Brief an Hitler die Rückgabe seines Sohnes und die Einhaltung des gegebenen Versprechens. Gesandter von Doernberg meinte zu Rahn in Fasano: »Der Führer lasse mir sagen, dass dies natürlich nicht in Frage kommen könne, nachdem das ganze Ausmaß von Horthys schändlichem Verrat bekannt geworden sei.«56 Die Meldung des ungarischen Rundfunks, Ungarn habe die Sowjetunion um einen separaten Waffenstillstand gebeten, war der Startschuss für das »Unternehmen Panzerfaust«. Am 16. Oktober 1944 besetzten deutsche Soldaten den Burgberg. Festgenommen wurden unter anderem Andreas Kállay, Sohn des Ministerpräsidenten, und General Carol Lazar, die erst nach Wien und dann ins Konzentrationslager Mauthausen verschleppt wurden. Als Marionette setzten die Nationalsozialisten am 16. Oktober 1944 Ferenc Szálasi ein, der sofort mit der von den Nazis geforderten Verfolgung der Juden begann und 76 000 von ihnen an Deutschland auslieferte. Goebbels notierte dazu am 6. November 1944: Szálasi ist jetzt vom ungarischen Parlament einstimmig zum Führer der Nation ernannt und auf der Burg vereidigt worden. Diese Ernennung hat unter dem Druck der Frontlage stattgefunden. Die Magyaren sind froh, jetzt überhaupt jemanden zu haben, der die ungarische Innenpolitik fest in seine Hand nimmt. Sie haben den Horthy-Kurs so lange unterstützt, bis er offenbar im Begriff war, zur Katastrophe zu treiben.57 200  In Hitlers Hand

Für Goebbels waren die Ereignisse Anlass, am 2. Dezember festzuhalten: Ob es Szálasi gelingen wird, in Ungarn eine Volksbewegung auf die Beine zu stellen, die wirklich staatstragend sein könnte, das bleibt noch abzuwarten. Jedenfalls solange Horthy noch da war, gehörte das glatt zu den Dingen der Unmöglichkeit. Horthy hat kürzlich dem Führer einen Brief geschrieben, in dem er ihn darum ersucht, ihm seinen Sohn wieder auszuhändigen, der sich bei näherer Untersuchung als wahrer Verräter an unserer Sache entpuppt hat. Der Führer denkt nicht daran, dem Wunsche Horthys zu willfahren (…) Ob die üble Erbschaft Horthys in Ungarn noch überwunden werden kann, oder ob auch Ungarn zum Untergang bestimmt ist, das wird sich in Kürze entscheiden.58

Horthy wurde am Morgen des 16. Oktober von Veesenmeyer ins Palais Hatvany gebracht, wo er ihm eröffnete, er stehe nun »unter dem Schutz des Führers«. Ihm wurden zwei Zimmer zugewiesen, auf den Korridoren

18 Als Miklós Horthy sich nicht länger am Krieg der Nationalsozialisten beteiligen wollte, ließ Hitler ihn verhaften und auf Schloss Hirschberg fest­ setzen. (Archiv der University of Toronto) Terror gegen Osteuropa  201

waren zahlreiche SS-Posten aufgestellt, selbst in seinem Zimmer befand sich ein SS-Posten. Mehrfach forderte der von den Nationalsozialisten eingesetzte Ministerpräsident Ferenc Szálasi ihn auf, ihn formell auch zu ernennen, was Horthy zunächst verweigerte. Erst beim dritten Anlauf setzte er seine Unterschrift unter das Papier und trat damit gleichzeitig zurück. Ihm war unmissverständlich gesagt worden, das Leben seines Sohnes hänge davon ab. Dem gestürzten Horthy eröffnete SS-Obersturmbannführer Otto Skorzeny, dass er in seinem Sonderzug nach Deutschland gebracht und künftig »Ehrenhäftling« in einem bayerischen Schloss sein werde. Am 17.Oktober 1944 wurde Horthy von einem starken SS-Aufgebot zum Bahnhof Kelenföld gebracht, wo seine Frau, seine Schwiegertochter und sein Enkel in einem Sonderzug bereits warteten. Auf jeder ungarischen Station, die der Zug passierte, war Fliegeralarm gegeben worden. In München bestieg Baron Dörnberg den Zug, und von ihm erfuhr Horthy das Ziel der Reise: Schloss Hirschberg bei Weilheim, das aus Tarnungsgründen in »Waldbichl« umbenannt worden war. 59 Horthy durfte weder Geld noch Wertsachen besitzen, eine Hundertschaft der SS bewachte das mit Stacheldraht umzäunte Schloss. Im Gebäude hielten sich zwölf Mann der Gestapo mit drei Polizeihunden auf. Die Einrichtung stammte teils aus einem Münchener Palais, teils aus Italien. Am 3. Januar durfte Horthy Besuch von seinem Bruder Eugen empfangen, der Lebensmittel und – verbotenerweise – ein kleines Radio mitbrachte. Dem Verhalten von Generalkonsul Hellenthal schreibt Horthy es zu, dass ein möglicherweise erteilter Befehl zur Exekution von der SS nicht ausgeführt wurde. Zwei Tage vor dem Einrücken der Amerikaner am 1. Mai 1945 vertauschte die SS samt ihrem Kommandanten die Uniform gegen Zivilkleidung und verschwand. Anfangs von den Amerikanern höflich behandelt, wurde Horthy über Augsburg nach Göppingen und dann in das US-Hauptquartier zurück nach Augsburg gebracht und durfte am 8. Mai seine noch in Hirschberg zurückgebliebene Familie besuchen. Die nächsten Stationen waren das Schloss Lesbioles bei Spa in Belgien und dann das luxemburgische Bad Mondorf, wo sich zu dieser Zeit auch Göring, Ribbentrop, Keitel und Dönitz befanden Am 9. August ging es nach Wiesbaden – wo die »Zeugen« und Gefangenen der Amerikaner in zwei Villen untergebracht wurden, unter ihnen auch Prinz Philipp von Hessen – und weiter nach Nürnberg. 202  In Hitlers Hand

19 Nach ihrer Befreiung lebte die Familie Horthy vier Jahre in der Weilheimer Pollingerstraße. Die US-Militärbehörde bescheinigte auch Ilona von Horthy, Witwe des bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommenen István von Horthy, nach Deutschland verschleppt worden zu sein. (Archiv der Stadt Weilheim)

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Am 1. Dezember 1945 konnte Horthy seinen Sohn in die Arme schließen. Der Sohn wurde in einer beschlagnahmten Villa untergebracht, sodass er täglich seinen Vater sehen konnte. Am 17. Dezember wurde Horthy aus dem Nürnberger Zuchthaus entlassen und nach Weilheim gebracht, wo seine Familie auf ihn wartete. Vier Jahre blieb Horthy in Weilheim und siedelte dann am 18. Dezember 1948 nach Portugal über. Auch Miklós Kállay erlitt das Schicksal, das die Nationalsozialisten abtrünnig gewordenen ehemaligen Verbündeten zuteilwerden ließen. Er gehörte dem alten ungarischen Landadel an und war 1942 von Horthy beauftragt worden, eine Regierung zu bilden. Schon Anfang 1943 verlangte Hitler die Absetzung Kállays, denn dieser unterstützte zwar den Krieg gegen die Sowjetunion, zeigte sich aber gleichzeitig einer Annäherung an die Westmächte gegenüber offen. Vor allem jedoch lehnte er die Rassenpolitik der Nationalsozialisten und die Judenverfolgung ab. Goeb­bels monierte am 31. Mai 1943: Der ungarische Ministerpräsident Kállay hat eine Rede gehalten. Sie ist alles andere als gut. Er versucht, sich an Italien und an den Duce anzuschmiegen. Offenbar will er ihn gegen den Führer ausspielen. In der Judenfrage nimmt er einen laxen oder, wie er sagt, christlichen Standpunkt ein.60

Kállay hatte sich bei der Besetzung der Budapester Burg in die türkische Botschaft geflüchtet und wies die Aufforderungen der Deutschen zur Aufgabe zurück.61 Am 18. November stellte Ungarns Außenminister Gabriel Kémény der Türkei jedoch das Ultimatum, wenn Kállay nicht bis zum folgenden Tag die Botschaft verlasse, werde sie von der Polizei besetzt. Kállay blieb nichts anderes übrig, als sich in die Hände der Deutschen zu begeben. Goebbels frohlockte am 24. November 1944: Die Türken haben uns jetzt den ehemaligen Ministerpräsidenten Kállay, der sich in ihrer Budapester Gesandtschaft seit Monaten verborgen hielt, ausgeliefert. Kállay ist ein ausgemachter Verräter, und er verdient nur das Schicksal, das jetzt seiner wartet.62

Kállay wurde erst ins Innenministerium gebracht, dann ins MargitkörutGefängnis, das erste von vielen bis zu seiner Befreiung sechs Monate spä204  In Hitlers Hand

ter. Nach zwei Wochen wurde er ins Staatsgefängnis Sopronköhida verlegt, das von politischen Gefangenen überfüllt war. Hier begegnete er unter anderem Kálmán Törekly, dem Präsidenten des Obersten Ge­richtshofs, Prinz Ferdinand Montenuovo, dem früheren Außenministern Mikael Arnothy-Jungerth und Gustav Henyey, Graf Moritz Esterházy und dem späteren Primas von Ungarn József Mindszenty. Kállay wurde von den übrigen Häftlingen isoliert und von einer sechzehn Mann starken SS-Einheit bewacht. Nach einigen Wochen durfte er in die Gefängniskapelle gehen, während des Gottesdienstes standen zwei SS-Männer mit Maschinenpistolen hinter ihm. Am 15. Februar 1945 erhielt er von der Zuchthausleitung die Nachricht, Budapest sei gefallen und er werde nun nach Deutschland gebracht. Man gab ihm zwei Stunden Zeit, seine Habseligkeiten zu packen. Er musste sich im SS-Hauptquartier von Sopronköhida von den meisten seiner Sachen trennen und kam – nach einer Übernachtung in Wien – ins Konzentrationslager Mauthausen. Kállays neue Bleibe war eine isoliert stehende Baracke, die von einer hohen Mauer mit Stacheldraht umgeben war. Außerdem waren zwei Wachtürme mit Suchscheinwerfern ständig besetzt. In der Baracke gab es sechzehn Zellen und an jedem Ende des Gangs eine Dusche. In unmittelbarer Nachbarschaft befanden sich die Gaskammern des Konzentrationslagers und das Krematorium. Kállay wurde die kärglich ausgestattete Zelle Nr. 7 zugewiesen. Zwei Privilegien wurden ihm zugestanden: Er konnte klingeln, wenn er die Zelle verlassen wollte, und er durfte das Licht auch nach neun Uhr abends brennen lassen. Eines Tages hörte er aus einer anderen Zelle, wie gerufen wurde: »Onkel Nikolaus, Ich bin es, Nicky Horthy.« Durch die Tür flüsterte ihm Horthys Sohn zu, dass er von Wien nach Mauthausen verschleppt worden sei und brutal behandelt werde. In Mauthausen wurde er in den Lagerunterlagen unter dem Decknamen »Maus« geführt. Kállay durfte die KZ-Bibliothek benutzen und erfuhr vom Kommandanten, dass auch sein Sohn Andreas sich in Mauthausen befand, der ihn dann auch besuchen durfte. Andreas war in einem erbärmlichen Zustand, und in sein Haar hatten ihm die Nazis ein Kreuz geschoren. Wie es ihm bis dahin ergangen war, konnte Andreas seinem Vater erst später, nach der Befreiung, auf Capri berichten. Er war mit zweitausend anderen Ungarn nach Mauthausen transportiert worden. Unter ihnen befanden sich die FühTerror gegen Osteuropa  205

rer der Bürgerlichen Freiheitspartei beziehungsweise der Sozialistischen Partei, Károly Rassay und Karl Peyer, ferner die Grafen Anton Sigray und Iván Csekonics sowie Priester, Schriftsteller und Künstler. Am 15. April 1945 besuchte Himmler das Konzentrationslager Mauthausen, kurz darauf wurde der Befehl zur Evakuierung erteilt. Vor einem Lastwagen warteten bereits Nicky Horthy sowie Badoglios Sohn Mario. Während der Fahrt durften die Gefangenen leise miteinander sprechen. Kállay erfuhr dabei, dass Horthys Sohn direkt nach seiner Festnahme nach Mauthausen gebracht worden war. Er trug noch dieselbe Kleidung, in der er Monate zuvor gefangen genommen worden war. Am nächsten Tag traf der Transport in Dachau ein. Die Gefangenen kamen in eine große, gut ausgestattete Zelle mit separaten Sanitärräumen; die Zellentüren zum Gang blieben immer geöffnet. Kállay schrieb, er habe sich wie im Himmel gefühlt, weil ihnen unter anderem erlaubt wurde, sich in der SS-Kantine Bier zu kaufen, wozu er sich einige Reichsmark von Molotows Neffen, Fliegerleutnant Kokorin, lieh. Nach einigen Tagen überbrachte ein SS-Mann Kállay sogar die Einladung zum Tee bei Vera Schuschnigg. In dem Brief befand sich eine Nachricht, dass Léon Blum und einige andere Persönlichkeiten auf Kállay warteten. Er traf sich mit Blum, Hjalmar Schacht und Franz Halder zum Tee, zu dem es auch Cognac und sogar Schokolade gab, die Kállay selbst mitbrachte. In Dachau traf er Pastor Martin Niemöller, Fritz Thyssen und Josef Müller. Letzteren bezeichnete er als einen sehr freundlichen Mann, obwohl er wusste, dass sein Todesurteil bereits unterschrieben im Lagerbüro lag. Die illustre Runde von »Ehrenhäftlingen« wurde ergänzt durch Sigismund Payne Best, Fabian von Schlabrendorff und zwei Offiziere namens Churchill – Captain Peter Churchill und Oberstleutnant Jack Churchill. Sie gaben an, mit dem Premierminister nicht verwandt zu sein, wurden aber dennoch als Geiseln festgehalten. Am 24. April 1945 kam der Befehl zum erneuten Aufbruch. Zu Kállays Gruppe gehörten Miklós Horthy, Mario Badoglio, Franz Halder, Hjalmar Schacht, Kokorin, der ehemalige Wiener Bürgermeister Richard Schmitz, Alexander von Falkenhausen und der polnische Graf Alexander Zamoyski. Andere Prominente waren Franz Xaver von Bourbon-Parma, Bruder der letzten österreichischen Kaiserin Zita, Prinz Leopold von Preußen, Cousin von Kaiser Wilhelm, sowie Prinz Philipp von Hessen und nicht zuletzt der Bischof von Piguet-Clermont. Zwi206  In Hitlers Hand

schenstation wurde in Innsbruck eingelegt, wo General Géza IgmándiHegyessy und der ehemalige ungarische Innenminister Peter Baron Schell zu ihnen stießen. Am nächsten Tag erreichten Blum, Schuschnigg und mehrere Frauen und Kinder sowie die Sippenhäftlinge der Familie Stauffenberg das Innsbrucker Lager. Auf dem Weg nach Niederdorf fiel Kállay ein ungewöhnliches Fahrzeug auf: Von einem SS-Mann wurde er darüber aufgeklärt, dass es sich um eine mobile Gaskammer handelte. Für Kállay und die übrigen Häftlinge war der Krieg am 4. Mai 1945 vorüber, als amerikanische Truppen den Pragser Wildsee in Südtirol erreichten. Italienische Partisanen kümmerten sich um Kokorin, und die Amerikaner nahmen Major von Alvensleben als Kriegsgefangenen fest. Die meisten der befreiten Gefangenen wurden mit Bussen nach Verona gebracht und von dort nach Neapel geflogen. Ziel war Anacapri auf Capri, wo sie im Hotel Eden Paradiso wohnten. Sie durften es nicht verlassen, wurden aber gut behandelt. Kállay wurde von englischen Offizieren des Alliierten-Hauptquartiers in Caserta vernommen und musste mit ansehen, wie die Mitglieder der Familie Stauffenberg mit Flugzeugen nach Deutschland gebracht wurden. Da nur noch Ungarn, Dänen und Norweger interniert waren, zogen die Übriggebliebenen in das kleinere Hotel Bella Vista um. Erst Ende August 1945 wurden die ehemaligen Geiseln aus der Internierung auf Capri entlassen. Kállay entschied sich, auf der Insel zu bleiben. Hier erfuhr er, dass seine Frau am 7. Februar 1945, als sie sich noch in der türkischen Botschaft in Budapest befunden hatte, vor die Tür getreten war, um frische Luft zu schöpfen, zusammengebrochen und sofort tot war. Weihnachten 1945 besuchte ihn sein Sohn Mihai nach abenteuerlicher Flucht aus Mauthausen. Er berichtete, dass sein Bruder Miklós sich als Gefangener in den Händen der Russen befand. 1951 emigrierte Kállay in die USA, wo er im Januar 1967 starb. Der erwähnte Józseph Mindszenty, damals Bischof von Veszprém, war wegen einer Denkschrift der ungarischen Bischöfe vom 31. Oktober 1944 verhaftet worden, in der er mit drei Amtsbrüdern die Judenverfolgung verurteilt hatte. Nach einigen Tagen im Gerichtsgefängnis von Veszprém wurde er am 23. Dezember 1944 nach Köhida überstellt. In der Kapelle des Gefängnisses hielt er die Weihnachtsmette:

Terror gegen Osteuropa  207

Ich bedachte, dass auch unser Staatsoberhaupt Horthy eingekerkert war, dass drei Ministerpräsidenten, Graf Móric Esterházy, Miklós von Kállay und Géza von Lakatos, dazu andere Minister, Kurialrichter, Mitglieder des Oberhauses, Abgeordnete, hohe Offiziere, Künstler, Priester und viele andere unbekannte Helden aus dem Volke so wie wir hier Gefangene waren.63

Mindszenty wurde von der Roten Armee befreit. 1956 wandte er sich gegen die Niederschlagung des Volksaufstands durch die sowjetische Armee, flüchtete sich in die US-Botschaft in Budapest und begab sich 1971 ins Exil nach Rom, wo er 1975 starb. Das Vorgehen in Osteuropa zeigt, dass Hitler bei der Suche nach Verbündeten nicht wählerisch war. Dass er sich der rumänischen »Eisernen Garde« bediente, ist hierfür ein Beleg. Vor allem aber demonstrierte Hitler, dass für ihn Menschen nur Marionetten waren, die er – wie Horia Sima – erst ins Konzentrationslager und dann an die Regierungsspitze beförderte. Die ungarische Regierung dagegen ließ er verhaften, als sie ihm nicht mehr dienlich war. Diese Machtpolitik schreckte auch die ab, die – wenigstens nach außen – an der Seite des Dritten Reichs standen und trieb sie in die Arme der Alliierten. Hitler selbst war es, der mit seinem menschenverachtenden Vorgehen seinen eigenen Untergang be­schleunigte.

208  In Hitlers Hand

Hitlers letzte Opfer

Viele »Ehrenhäftlinge« sind in Vergessenheit geraten, obwohl sie für die Nationalsozialisten wichtige Gefangene waren. Zu ihnen gehörte beispielsweise der niederländische Ministerpräsident Hendrikus Colijn. In ihrer Vernehmung durch Kriminalbeamte der Stadt Weimar am 11. Juni 1945 erwähnte die frühere Gestapo-Dolmetscherin Friedel Fahrig lediglich, zu den von ihr betreuten Sonderhäftlingen habe auch »ein holländischer Präsident, untergebracht in Gabelbach bei Ilmenau« gehört. Auf der Internetseite des heutigen Romantik Berg- und Jagdhotel Gabelbach findet sich der Hinweis, Colijn habe »auf eigene Kosten unter Hausarrest [gestanden], lediglich von seiner Frau begleitet. Seine Post wurde streng zensiert und er durfte auch nur höchstselten Besuch (wie z.B. von seinem Enkel) empfangen. Offensichtlich wollte ihn Heinrich Himmler als möglichen Vermittler mit den Briten nutzen, wie er das schon am Ende des Ersten Weltkrieges getan hatte. Seine letzten Jahre in Ilmenau verbrachte er mit umfangreichen Studien, bevor er im September 1944 an einem Herzinfarkt verstarb. Am 6. Oktober 2006 wurde, in einem feierlichen Akt, vor dem Hotelgebäude ein Gedenkstein zu Ehren des H. Colijn enthüllt.« Hendrikus Colijn diente als Offizier, einige Jahre unter anderem in Niederländisch-Indien, wurde das erste Mal 1925 niederländischer Ministerpräsident und dann erneut von 1933 bis 1939. Der konservative Politiker und Calvinist stand den Nationalsozialisten stets ablehnend gegenüber und gehörte zu jenen, die der nationalsozialistischen Unterwanderung bereits vor dem deutschen Einmarsch am 10. Mai 1940 energisch entgegengetreten waren. Der Vertreter des Auswärtigen Amts beim Reichskommissar für die besetzten niederländischen Gebiete, Otto Bene, gab am 16. Januar 1941 folgende Einschätzung ab: »Er ist zu schlau, um sich Blößen zu geben, man kann aber ruhig behaupten, dass er feindlich eingestellt ist und handelt.«1 Colijn habe sich anfänglich der »Unie«, einem »Sammelbecken all derer, die gegen Deutschland eingestellt sind« anschließen wollen, arbeite aber »heute auf eigene Rechnung, indem er seinen großen Einfluss überall ausnutzt«. Colijn war damit für die deutschen Besatzer zu einer Bedrohung geworden, Hitlers letzte Opfer  209

20 Hendrikus Colijn verbrachte die letzten Lebensjahre mit seiner Gattin Helena als »Ehrenhäftling« im Hotel Gabelbach. Für die Kosten musste er selbst aufkommen. (Archiv des Hotels Gabelbach)

zumal er sich seit Herbst an der illegalen Basisarbeit seiner »antirevolutionären Partei« beteiligte. Am 30. Juni 1940 wurde er festgenommen. Über Falkenburg wurde Colijn nach Berlin gebracht und hier immer wieder verhört. Himmlers Sicherheitsdienst versuchte vergeblich, Beweise für eine angebliche Spionagetätigkeit Colijns zugunsten der Briten zu finden. Nach Prüfung der vom SD vorgelegten Unterlagen kam die Politische Abteilung II des Auswärtigen Amtes zu dem Ergebnis, sie reichten nicht aus, um Anklage zu erheben.2 Ungeachtet dessen wurde er nunmehr ab dem 26. März 1942 unter strengster Isolation im Hotel Gabelbach bei Ilmenau in Thüringen interniert. Begleiten durfte ihn lediglich seine Frau Helena Colijn-Groenenberg. Die Kosten für den Zwangsaufenthalt musste er selbst tragen. Am 18. September 1944 erlag Colijn einem Herzinfarkt und wurde auf dem Ilmenauer Friedhof beigesetzt. Die niederländische Militärmission und das Niederländische Rote Kreuz veran210  In Hitlers Hand

lassten nach dem Krieg seine Exhumierung. Am 5. Juni 1947 fand Colijn im niederländischen Gravenhage seine letzte Ruhestätte. Weitere niederländische »Sonderhäftlinge« waren eine Zeitlang im KZ Buchenwald untergebracht. Darunter befanden sich zweihundertzweiunddreißig Geiseln, die im Gegenzug zur Internierung Deutscher in Niederländisch-Indien am 21./22. Juli 1941 und noch einmal hundertvierundzwanzig, die bis Oktober nach Buchenwald gebracht wurden.3 Unter ihnen befanden sich acht Hofbeamte, so Cornelius Dedel, Sekretär von Prinz Bernhard, Wyborgh Sweerts de Landa, Kammerherr der Königin der Niederlande, Charles Verheyen, Stallmeister der Königin, und Jan de Beaufort, Sekretär des Niederländischen Staatsrats. Über die Unterbringung dieser niederländischen Geiseln kam es zu heftigen Kontroversen zwischen dem Auswärtigen Amt und dem Reichssicherheitshauptamt. Anlass war der Tod einer großen Zahl dieser Gefangenen, von denen es in einem Vermerk des Auswärtigen Amts hieß, »der Aufenthaltsort habe sich während des letzten Winters nicht bewährt«.4 Es sei daher beabsichtigt, die Geiseln in Holland unterzubringen. Der Reichskommissar für die besetzten niederländischen Gebiete, Arthur SeyßInquart, habe dem zugestimmt, könne dies jedoch nur dann tun, wenn ihm das Reich einen ausdrücklichen Auftrag erteile. Seyß-Inquart ordnete an, zwei beschlagnahmte Klöster für die zu internierenden Geiseln herzurichten, der Umzug war für Oktober 1941 vorgesehen.5 Dieser Lösung wiederum widersprach Himmler aufs Heftigste, da »aus sicherheitspolizeilichen Gründen stärkste Bedenken« bestünden. »Um die klimatischen Schwierigkeiten für die holländischen Geiseln zu beseitigen« schlug er vor, »sie in dem klimatisch günstigeren gelegenen Lager Dachau unterzubringen«. Dort bestehe die Möglichkeit, »den Geiseln eine gesunde Betätigung zu bieten«. Es sei ihm klar, »dass die Unterbringung der holländischen Geiseln in Dachau insofern zu Bedenken Anlass gibt, als dieses Lager in der deutschfeindlichen Hetzpropaganda im Ausland seit Jahren eine große Rolle spielt. Ich beabsichtige daher anzuordnen, dass die Unterbringung der holländischen Geiseln in einem besonders abgegrenzten Teil des Lagers erfolgt, und zu veranlassen, dass dieser Ort eine andere Bezeichnung erhält.«6 Letztlich musste Himmler nachgeben und der Verlegung der Geiseln nach Holland zustimmen. Am 30. Oktober 1941 informierte der Chef der Sicherheitspolizei und des Hitlers letzte Opfer  211

SD den Chef der Reichskanzlei, Hans Lammers, darüber, dass der Befehlshaber der Sipo und des SD in Den Haag angewiesen worden sei, »für die Einrichtung eines entsprechenden Lagers Sorge zu tragen«.7 Mit einem Sonderzug verließen die Geiseln am 15. November 1941 das KZ Buchenwald und trafen tags darauf im niederländischen Herzogenbusch ein.8 Ein weiterer wichtiger Gefangener, um den es sogar ein Tauziehen zwischen SS und Auswärtigem Amt gab, war der britische Kriegsberichterstatter Giles Romilly, ein Neffe des britischen Premierministers Winston Churchill, der bei der Besetzung Norwegens gefangen genommen und nach Laufen im Berchtesgadener Land in das Lager für britische Zivilinternierte gebracht wurde. Dort blieb er etwa zwei Jahre und wurde nach einem Fluchtversuch in das Kriegsgefangenenlager Colditz südöstlich von Leipzig überführt, »wo unter besonders strenger Bewachung renitente und fluchtverdächtige Offiziere untergebracht«9 waren. Trotz seiner Verwandtschaft mit Churchill wurde Romilly nicht als »Geisel« behandelt. Außerdem versuchte das Auswärtige Amt wiederholt, ihn dem Zugriff Himmlers zu entziehen. In einem an SS-Gruppenführer Müller gerichteten Vermerk vom 3. Juni 1944 bestand die Abteilung Inland II des Auswärtigen Amts auf dem Status Romillys als Zivilinternierter und erinnerte daran, dass für britische Zivilinternierte im Wege der Gegenseitigkeit eine Behandlung nach den Bestimmungen des Kriegsgefangenenabkommens von 1929 zugesichert sei. Das Oberkommando der Wehrmacht stimmte der Überstellung Romillys an die Gestapo jedoch zu, »wie vertraulich mitgeteilt wurde, auf besonderen Wunsch des Reichsführers SS«.10 Doch das Auswärtige Amt äußerte wiederum schwerwiegende Bedenken »gegen eine beabsichtigte, nicht kriegsgefangenengemäße Behandlung« Romillys: Wenn dem Zivilinternierten Romilly durch eine Überstellung an die Geheime Staatspolizei die ihm nach dem Kriegsgefangenenabkommen zustehenden Vergünstigungen (Postverkehr, Liebesgabenempfang), Besuch der Schutzmachtvertreter) entzogen werden, so ist dies ein Verstoß gegen das Abkommen, und es muss mit baldigen Vorstellungen durch die Schutzmachtvertretung und mit Gegenmaßnahmen der britischen Regierung gerechnet werden.11 212  In Hitlers Hand

Noch im August 1944 hielt das Tauziehen um Churchills Neffen an. Auf einem Vermerk, in dem die Vermutung geäußert wurde, dass im Fall Romilly, »wie dies in Fällen der vorliegenden Art geschehe, die Besprechungen ›ganz oben‹ stattgefunden hätten«, fand sich der handschriftliche Vermerk, dass »RFSS Sonderbehandlung angeordnet« hat.12 Erst im Dezember 1944 wurde die Angelegenheit zu den Akten gelegt: »Auf Befehl des Reichsführers-SS verbleibt Romilly im Oflag IV C Colditz.«13 In diesem vermeintlich ausbruchssicheren Kriegsgefangenenlager hielten sich mehrere Gefangene auf, die aus namhaften Familien stammten. Zu ihnen gehörte der amerikanische Bomberpilot John G. Winant jr, dessen Vater US-Botschafter in London war. Er war 1944 über Deutschland abgeschossen und nach Colditz gebracht worden.14 Er begegnete dort neben Giles Romilly folgenden Gefangenen: Charles Hopetoun, Sohn des Vizekönigs von Indien; Captain John Elphinstone, 17. Lord of Elphinstone und Neffe des britischen Königs Georg VI.; George Henry Hubert Lascelles, 7. Earl of Harewood, ebenfalls Neffe Georgs VI. Gefangen gehalten wurde hier auch Graf Tadeusz Komorowski, Oberbefehlshaber der Polnischen Heimatarmee (Armia Krajowa). In Colditz konnten die Gefangenen tagsüber ihre Zellen verlassen und durften Pakete und Post empfangen. Als sich die russische Armee näherte, wurden einige der prominenten Häftlinge in die Festung Königstein bei Dresden verlegt, unter ihnen George Haig und Charles Hopetoun. Sie überzeugten ihre Bewacher, dass sie zum Weitertransport zu krank seien. Zwar erteilte Himmler dem Kommandanten von Königstein noch den Befehl, Haig und Hopetoun müssten sich dem »Prominententransport« anschließen, doch zögerten die beiden das wegen vermeintlicher Krankheit so lange hinaus, bis die Amerikaner Königstein erreichten und sie befreiten. Fürst Ernst von Hohenberg wurde am 16. März 1938 »wegen seiner dem Nationalsozialismus gegenüber feindlichen Einstellung« verhaftet und in das KZ Dachau gebracht.15 Am 11. März 1940 wurde der Sohn des im Juli 1914 in Sarajevo erschossenen österreichischen Thronfolgers Erzherzog Franz Ferdinand in das KZ Sachsenhausen verlegt. Am Hitlers letzte Opfer  213

16. Februar 1943 befürwortete der Chef der Sipo und des SD die probeweise Entlassung aus der »Schutzhaft«, jedoch unter strengen Auflagen. Dabei sollten Hohenbergs an der Höheren Forstlehranstalt in Bruck an der Mur gewonnenen Kenntnisse genutzt werden. Vorgeschlagen wurde, ihn in den fürstlichen schwarzenbergschen Forstbesitz im Reichsgau Donau einzusetzen. Dort unterstehe er der Aufsicht des SS-Obersturmführers Fritz Hesse, einem »absolut zuverlässigen SS-Führer und Parteigenossen«. Mit der Verhaftung Hohenbergs hatte sich Hitler dafür gerächt, dass dieser frühzeitig gegen österreichische Nationalsozialisten vorgegangen war. Vor dem »Anschluss« Österreichs hatte er angeblich im Januar 1938 in Wien ein Schild der Deutschen Reichsbahn mit dem Hakenkreuz zerstört,16 was ihm nach dem Einmarsch der Wehrmacht zum Verhängnis werden sollte. Zudem fand die Gestapo angeblich Beweise dafür, dass der Fürst nach dem in Österreich gescheiterten NS-Aufstand vom Juli 1934 Nationalsozialisten misshandelt und sechs Förster wegen ihrer NS-Gesinnung entlassen haben soll. Seine Frau, Marie-Therese Fürstin Hohenberg, wandte sich am 1. April 1938 an Himmler, weil sie bis dahin keinen Hinweis auf den Verbleib ihres Mannes hatte.17 Am 14. April 1938 erhielt sie eine zynische Antwort: Ihr Mann, Fürst Ernst von Hohenberg, und sein Bruder befinden sich im Konzentrationslager Dachau. Sie werden dort wie jeder andere Schutzhäftling gerecht und ohne jede Gefahr für Leben und Gesundheit behandelt. Den Grund für die Verhaftung müssen Sie in dem furchtbaren Verhalten Ihres Mannes und seines Bruders gegen Nationalsozialisten im Jahre 1934 suchen.18

Bis zur Beschlagnahme des fürstlichen Vermögens hatte Marie-Therese Fürstin von Hohenberg, Tochter des britischen Militärattachés in Wien, Jerves Wood, und der ungarischen Gräfin Rosa von Lonyay, eine monatliche Rente von 1000 Reichsmark für sich und den am 14. März 1937 geborenen Sohn erhalten, die jedoch gestrichen wurde, sodass sie mittellos dastand. Unterstützt wurde sie anschließend von ihrer Schwägerin Nostitz, bei der sie sich in Heinrichsgrün bei Graslitz im damaligen Sudetengau aufhielt.

214  In Hitlers Hand

Nicht zuletzt dem Einsatz von Udo von Woyrsch, dem Höheren SSund Polizeiführer des SS-Oberabschnitts Elbe, war es zu verdanken, dass Himmler schließlich der Entlassung Ernst von Hohenbergs aus dem KZ Sachsenhausen zustimmte. Eine Beschäftigung des Fürsten in einem Rüstungsbetrieb scheiterte, da die Gestapo hiergegen Einspruch erhob.19 Verhaftet worden war auch Fürst Max von Hohenberg. Für ihn hatte sich jedoch Reichsmarschall Göring eingesetzt, sodass er bereits am 24. September 1938 wieder aus der Haft entlassen wurde.20 Max von Hohenberg musste sich verpflichten, »ruhig in Artstetten zu leben, sich einer Meldepflicht zu unterwerfen und das Reichsgebiet nicht zu verlassen«. Da Schloss Artstetten am 15. August 1941 vom Reich eingezogen worden war, musste Max von Hohenberg als Mieter in sein eigenes Schloss einziehen und wurde als Wirtschafstreuhänder des dazugehörenden Gutsbetriebs eingesetzt. Ein ausführlicher Bericht über die Haftumstände der Fürsten ist Emil Büge zu verdanken. Selbst Häftling im KZ Sachsenhausen, notierte der in der Politischen Abteilung eingesetzte Büge heimlich die Neuzugänge und führte Tagebuch. Bei ihm ist zu lesen: Am 23. März 1940 nehme ich auf: Ernst von Hohenberg. (…) Seine Nr. Schutzhftl. 17739 (…) Ernst von Hohenberg ist zusammen mit seinem Bruder Max am 16. März 1938 in das KZ Dachau eingeliefert worden. In seiner Akte finde ich zwar keine Begründung für seine Schutzhaft, ihn selbst habe ich auch nie danach gefragt. Ich bin ohnehin im Bilde, dass die Habsburger den Nazis im Wege gestanden haben. 14 Tage nach Einlieferung in Dachau kam ein Fernschreiben von dort an, von welchem ich noch einige Tage vor meiner eigenen Entlassung – Ernst von Hohenberg wurde acht Tage früher entlassen – Abschrift nehmen konnte und hier zur Kenntnis bringe: »Dr. Stl. Wien, Nr. 1229. 30.3.38 06,55 Uhr = UML An das K.L. Dachau. Der Generalfeldmarschall Göring hat angeordnet, dass die Grafen Hohenberg mit der schwersten und schmutzigsten Arbeit beschäftigt werden sollen. Der Inspektor der Sipo, Dauerdienst Wien.«21

Hieran erkennt man, welchen Charakter ein Offizier gehabt hat, der sich zum Reichsmarschall aufschwang. Ernst von Hohenberg wurde dann auch ein bis anderthalb Jahre lang als »›linkes Pferd‹ am Jauchewagen« Hitlers letzte Opfer  215

beschäftigt. Auch Rudolf Heß interessierte sich für ihn. Im Mai fragte er telegrafisch an, ob H. noch lebte, da die Times behauptet habe, er sei tot. Wenn ich mir diesen Kameraden Ernst von Hohenberg vergegenwärtige und sein Leben mit meinem eigenen vergleiche, so wundere ich mich über den Langmut, mit welchem er die fünf Jahre Haft getragen hat. Er trägt seine Jahre standhafter als ich, er klagt nie, ist stets Vorbild in puncto Lagerdisziplin und teilt seine Postpäckchen selbst mit armen Kommunisten am Tisch. Daran ändert auch nicht, wenn Loritz im Führungsbericht Hohenbergs angibt: »Er ist faul und träge. Führung ist zu beanstanden.« (…) Bei uns im Lager ist Ernst von Hohenberg in der Kanzlei des Krankenbaus beschäftigt. Als ich ab September 1942 im Kreise ausgesuchter Freunde in unserer Politischen Abteilung bei verschlossener Tür über meine Reise und Erlebnisse in Mexiko und anderen Ländern berichte, ist auch Ernst von Hohenberg eifriger Zuhörer. 22

Erzherzog Karl Albrecht von Habsburg-Altenburg und seine schwedische Ehefrau Alice, geb. Ankarcrona, wurden von den Nationalsozialisten verfolgt, weil sie es abgelehnt hatten, einen Antrag auf Aufnahme in die »Deutsche Volksliste« zu stellen.23 Zuständig für diese Fragen war der Volkskommissar für die Festigung des Deutschen Volkstums: Himmler. Der Erzherzog und seine Frau waren am 9. November 1939 verhaftet und ins Gefängnis Teschen gebracht worden. Grundlage war ein Erlass vom 28. Oktober 1939, nach dem deutschstämmige Personen mit »staatspolizeilichen Mitteln« angehalten werden sollten, sich in die Volksliste einzutragen, »erforderlichenfalls [waren] sie in ein KL zu überweisen«.24 Himmler entschied, die Eheleute seien »wegen Versäumung der Antragsfrist ohne weiteres als Polen zu behandeln«. Außerdem hatte sich Erzherzog Karl Albrecht zu Beginn des Überfalls auf Polen einem polnischen Grenzregiment als Oberst angeschlossen, eine polnische Luftanleihe über 100 000 Zloty gezeichnet und einem polnischen Regiment Maschinengewehre gestiftet.25. Das Eigentum wurde entschädigungslos eingezogen, die Familie unter Hausarrest gestellt, und zwar »zur Verhinderung von Störungsversuchen bei der Beschlagnahme des Gutes Saybusch«.26 Der Erzherzogin und ihren beiden Töchtern wurden fünf Zimmer, Balkon und Bad zugewiesen. »Zur weiteren Betreuung, gleichzeitig auch aus Überwachungsgründen, wurde die 216  In Hitlers Hand

Ehefrau des SD-Außendienststellenleiters Teschen, Schiller, zur Verfügung gestellt.« Eine »unfreundliche Behandlung« habe es nicht gegeben, obwohl sie nach Ansicht des RSHA »durchaus angebracht gewesen wäre«. »Sie bezeichnete z.B. den Leiter der Außendienststelle Teschen wiederholt als Erpresser und Verbrecher eines Raubstaates und machte auch sonst bis in die letzte Zeit hinein aus ihrem Hass gegen Deutschland keinen Hehl.« Ungewissheit herrschte lange Zeit über das Schicksal der polnischen Prinzessin Maria Sapieha. Die spanische Botschaft in Berlin verlangte am 30. November 1943 Auskunft über den Verbleib der Prinzessin, »welche von Rom nach Deutschland überführt worden ist«. 27 Die Prinzessin, Tochter des früheren polnischen Finanzministers Jerzy Zdziechowski, hatte 1934 in Warschau Fürst Johann Sapieha geheiratet, der in London der polnischen Exilregierung angehörte. Sie war von italienischen Behörden bei einem Aufenthalt an der französischen Riviera in Nizza verhaftet und in einem Kloster in Rom inhaftiert worden. Das Internationale Rote Kreuz wandte sich an den Auslandsdienst des Deutschen Roten Kreuzes in Ettal, um weitere Auskunft zu erhalten, da die Prinzessin inzwischen nach Deutschland gebracht worden sein sollte.28 Ebenso schaltete sich die schwedische Gesandtschaft ein, um ihr mitteilen zu können, dass sich Eltern und Kinder »wohl befinden«.29 Einem internen Vermerk des Auswärtigen Amts zufolge wurde Sapieha verdächtigt, »sich als polnische Patriotin der Nachrichtenübermittlung schuldig gemacht zu haben«.30 Vernehmungen fänden in Rom und in Berlin statt. Am 20. Oktober 1944 teilte der Chef der Sipo und des SD mit, Sapieha sei überführt und geständig.31 Am 3. November 1944 hieß es in einem Vermerk des Auswärtigen Amts, »aus besonderen Gründen« sei ein gerichtliches Verfahren gegen Sapieha nicht eingeleitet worden, sie befinde sich weiterhin in Schutzhaft.32 Briefe und Pakete könnten ihr über die Gestapo zugeleitet werden. Allein dieser Überblick über Hitlers »vergessene« Geiseln zeigt, wie viele Prominente, vor allem aus Großbritannien, in die Hände der Nationalsozialisten gefallen waren – ein Aspekt, der in der Aufarbeitung des Dritten Reichs bisher weitgehend unbeachtet geblieben ist. Deutlich erkennbar wird die Rücksichtslosigkeit, mit der das NS-Regime auch und gerade gegen den Adel in den besetzten Gebieten vorging, wenn er Hitlers letzte Opfer  217

sich ihnen nicht bedingungslos unterwarf. Ebenso spielte der Gedanke der Rache immer dann eine wesentliche Rolle, wenn die Nationalsozialisten derer habhaft werden konnten, die Widerstand gegen die Besetzung ihrer Länder geleistet hatten. Mögliche diplomatische Verwicklungen mit neutralen Staaten, die sich für die Verhafteten einsetzten, wurden hingenommen, und Interventionen des Internationalen Roten Kreuzes blieben unbeachtet. Nicht nur gegenüber der eigenen Bevölkerung, auch gegenüber ihren ausländischen Geiseln hatte Hitler alle Rechte außer Kraft gesetzt.

218  In Hitlers Hand

Das Ende der Odyssee

Der unaufhaltsame Vormarsch der Alliierten und das Chaos der letzten Kriegswochen brachten für Hunderttausende von Häftlingen in den Konzentrationslagern neue, schlimme Folgen. In ihrem Wahnsinn drängten die Nationalsozialisten ihre Gefangenen auf Todesmärsche. Als Erstes war schon am 1.September 1944 das Hauptlager des KZ Natzweiler-Struthof im Elsass geräumt worden. Zwischen dem 17. und dem 23. Januar 1945 wurden allein aus dem Konzentrationslager Auschwitz über 60 000 Häftlinge vor der anrückenden Roten Armee evakuiert und in Richtung Westen getrieben. Die Räumung des Konzentrationslagers Sachsenhausen begann am Morgen des 21. April, am 30. Mai erreichten sowjetische Truppen das Konzentrationslager Ravensbrück. Mauthausen verließen die letzten SS-Bewacher am 3. Mai. Als die Amerikaner sich Buchenwald näherten, evakuierten die Nationalsozialisten das dortige Lager und schickten über 20 000 Menschen auf Todesmärsche in Richtung Flossenbürg, bis auch dieses Lager am 16. April 1945 aufgelöst wurde.1 Betroffen von den Evakuierungen waren zwangsläufig auch die »Sonder- und Ehrenhäftlinge«, doch blieben ihnen die Todesmärsche erspart. Sie wurden vorwiegend im Konzentrationslager Dachau zusammengezogen und von dort nach Südtirol gebracht, wo sie schließlich ihre Freiheit wiedererlangten. Auf dem Weg in die Freiheit gerieten sie jedoch oft in heikle Situationen. Die Gruppe um Fey von Hassell und weitere Sippenhäftlinge wurde beispielsweise vom Kommandanten des Konzentrationslagers Regensburg wegen »Überfüllung« abgewiesen und musste wie – um nur einige Namen zu nennen – die Ehepaare Blum und Thyssen sowie die Briten Sigismund Payne Best und Richard Henry Stevens oder der Russe Wassilij Kokorin eine Nacht im Regensburger Gefängnis verbringen.2 Tags darauf wurden die Gefangenen für zwei Wochen in einer Schule und in einem Krankenhaus in Schönberg im Bayerischen Wald einquartiert. Den Bewohnern des Dorfes hatte man gesagt, es handle sich um evakuierte SS-Familien.3 Für das Ehepaar Blum wurde die Lehrerwohnung geräumt, die übrigen Gefangenen wurden auf Klassenzimmer verteilt. Das Ende der Odyssee  219

In der Endphase des Zweiten Weltkriegs mussten zahlreiche »Sonder- und Ehrenhäftlinge« bittere Bekanntschaft mit dem Arrestbau des Konzentrationslagers Flossenbürg machen, unter ihnen Prinz Philipp von Hessen, Angehörige der Wittelsbacher, Hans Lunding, der Chef des dänischen Nachrichtendienstes, und Kurt Schuschnigg mit Frau und Kind. Überliefert sind zahlreiche Schilderungen von Betroffenen über die letzten Wochen ihres Daseins als »Sonder- oder Ehrenhäftlinge«, die meist sehr subjektive Wahrnehmungen und Empfindungen wiedergeben. Fey von Hassel ist die Einzige, die in ihren Erinnerungen dies einräumt. Sie weist ausdrücklich darauf hin, dass über die Befreiung schon mehrfach geschrieben worden sei: »Jeder hat es etwas anders erlebt und beschrieben.« Sie gebe es so wieder, wie sie es nach ihrer Rückkehr aufgeschrieben habe.4 Um ein möglichst objektives Bild zu vermitteln, werden im Folgenden vor allem die Dokumente aus den letzten chaotischen Kriegstagen herangezogen. Dazu gehören in erster Linie die Tagebuchaufzeichnungen des bereits erwähnten Königsberger Kaplans Karl Kunkel und des Domkapitulars Johannes Neuhäusler. Karl Kunkel wurde am 15. Juli 1944 wurde er verhaftet und am 18. Juli 1944 in den Zellenbau des KZ Ravensbrück gebracht. Die »Sonderkommission Lange« 5 verdächtigte ihn, mit dem in die Schweiz emigrierten ehemaligen Reichskanzler Joseph Wirth in Verbindung zu stehen. Die mit Misshandlungen verbundenen Vernehmungen Karl Kunkels in der nahen SS-Polizeischule Drögen brachten für die Gestapo nicht das gewünschte Ergebnis. Mithäftlingen blieb er im Gedächtnis, weil er täglich den Segen über den Zellenbau sprach. So berichtete Isa Vermehren in ihrem Buch Reise durch den letzten Akt von einem jungen Kaplan, der »zur bestimmten Stunde nach einem verabredeten Klopfzeichen, das wir untereinander weitergaben, den priesterlichen Segen erteilte über das Haus und seine Bewohner«. In der Haft führte Kunkel heimlich Tagebuch. Seine stenografischen Notizen stellte er 1951 dem Münchner Landgericht im Prozess gegen SS-Obersturmführer Edgar Stiller zur Verfügung.6 Am 23. Februar 1945 war Kunkel, aus dem KZ Ravensbrück kommend, in Dachau eingetroffen. Hier erhielt er den Status eines »Sonderhäftlings«, was für ihn völlig neue Erfahrungen bedeutete: 220  In Hitlers Hand

Bekomme sofort eine Zeitung. Höre die 9 Uhr Nachrichten. (…) Zelle geöffnet von 6.30 Uhr bis 22.00 Uhr. (bliebe noch in Einzelhaft, bis meine Papiere aus Berlin kämen. Ich sehe die 1. Sonderhäftlinge, sie gehen spazieren. Gutes Verhältnis zu den Posten und zu Stiller. Sie begrüßen sich herzlich. Ich staune. Beim Eintreten von SS-Offizieren stehe ich auf. Ich ahne nicht, dass sie auch Häftlinge sind. Sogar ein SS-General.

Er wurde von den übrigen »Sonder- und Ehrenhäftlingen« mit zusätzlichen Lebensmitteln versorgt. Am 25. Februar 1945 notierte er beispielsweise: Zum Frühstück haben mir die Brüder eine schöne Schinkenstulle geschickt. Fast jeden Tag sendet mir Domkapitular Neuhäusler (München) ein solches Zeichen brüderlicher Zusammengehörigkeit. Kuchen, Brot, Geräuchertes, Seife usw. Es ist überwältigend, wie er für mich sorgt

Ferner kam er in den Genuss weiterer Vorrechte für »Sonderhäftlinge«, so erhielt er Zigaretten, Schreibsachen und Trinkbecher. Am 9. April 1945 sprach sich herum, dass weitere »Sonderhäftlinge« erwartet wurden. Für Kunkel bedeutete dies den Umzug in den sogenannten Pfarrer­ block, da seine Zelle für die Neuankömmlinge gebraucht wurde. Pfarrer Niemöller begrüßte ihn hier ebenso wie Prälat Neuhäusler und Bischof Piguet von Clermont-Ferrand. Kunkel konnte sich nun innerhalb eines Sonderbereichs frei bewegen. Am 14. April zog Kunkel wegen weiterer Neuankömmlinge erneut um, nun in den Sonderbau des ehemaligen Bordells, was zumindest bessere räumliche Verhältnisse bedeutete: Einige gute Gemeinschaftsräume; die Zimmer haben lange Fenster mit Drahtgewebe davor. Ich bekomme mit Prälat Neuhäusler Zimmer 3. Der Schlafraum wird zur Kapelle gemacht. Ich hole noch die letzten Sachen vom KA. Mit uns kommen noch einige neue in den SB. Darunter Dr. Pünder, Dr. Häberlein [sic] und Frau, Dr. Hoepner, Vollener vom Secret Service, v. Petersdorff. Wir haben uns gerade eingerichtet, die Kapelle fertig, da kommt ein großer Transport Sonderhäftlinge aus Flossenbürg an. Viele ausländische Offiziere und Generäle. Aus allen Nationen.

Das Ende der Odyssee  221

Am 17. April wurde den Häftlingen der Abtransport nach Südtirol angedeutet. Die Häftlinge des Kommandanturarrestes sollten abtransportiert werden mit Ausnahme derer, die ihre Frauen bei sich hatten. Laut Kunkel weigerte sich Pastor Niemöller, an dem Transport teilzunehmen, »er ließe sich nicht nach Katyn schleppen«. Außerdem wolle ihn seine Frau im KZ besuchen und werde »Zustände bekommen, wenn sie plötzlich hören müsse, er sei verschleppt«. Obwohl die SS-Schergen Niemöller nachgaben und den Häftlingen gewisse Freiheiten gewährten, setzen sie ihr Morden fort. Über den Mord an General Delestraint ist bei Kunkel zu lesen: 18. April: Bei der Messe des Bischofs erscheint plötzlich Fritz, der Assistent von Stiller und ruft den franz. General Delestraint heraus. (…) Er ist zum Krematorium geführt worden; dort ist ihm das Todesurteil verlesen worden. (…) Dann bittet er um zwei Minuten Zeit zur Vorbereitung. Er kniet auf dem Platz nieder und betet. Dann erhebt er sich. Der Ustuf. weist auf eine Blätterwand. Dahinter stehen schon die Mörder. Der General richtet sich auf: die Schüsse fallen. Er sinkt vornüber. Er war der Führer der französischen Widerstandsbewegung. Nur verhört, nie vor einem ordentlichen Gericht gestanden. Lange Zeit im KL Natzweiler und Dachau. Erst seit 6 Wochen im KA.

Aus kaum einem anderen Dokument geht die Dramatik dieser Tage so deutlich hervor wie aus Kunkels Tagebuch. Befehle wurden erteilt, widerrufen oder nicht ausgeführt: 23. April: Früh kommt wieder der Abmarschbefehl: Jetzt alles, mit Ausnahme der Sippenhäftlinge! Wir versuchen ins KA zu kommen, um zu hören, ob Niemöller mitgeht. Dort ist große Aufregung: Lechner sagt es eben durch! Niemöller geht nur mit, wenn zwei üble Posten, die aus Buchenwald mitgekommen sind, zurückbleiben Dann geht es zum Packen – Großalarm! Tiefflieger kreisen ums Lager: schießen aus Bordkanonen. Um 6 Uhr heißt es: wir bleiben; drei Omnibusse sind zerschossen. 24. April: Um 6 Uhr Abmarsch. Das Lager winkt uns zu. Viele Zurufe »Monseigneur«. Er segnet. In der Hand trägt er die violetten Handschuhe. (…) Seit einer Woche sind auch einige »Prominente« bei uns. Darunter Prinz Fried-

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rich Leopold von Preußen und Baron Cerrini, Prinz Xavier de Bourbon; Dr. [Konrad] Praxmayer, ein österreichischer Schriftsteller.

Ein anderer Häftling, dem wichtige Erkenntnisse über den Aufbruch der »Sonder- und Ehrenhäftlinge» von Dachau nach Südtirol zu verdanken sind, ist Joseph Joos. Der gebürtige Elsässer war in der katholischen Männerseelsorge tätig gewesen und wurde wegen seiner Kontakte zum Widerstand am 31. Juli 1940 verhaftet. Er kam ins Internierungslager Weißenburg, dann ins Gestapo-Gefängnis Nürnberg und am 25. Juli 1941 ins KZ Dachau. Über die Endphase im KZ Dachau hielt er in seinen Aufzeichnungen fest: 23. April 1945: Eine Reihe von Persönlichkeiten wird fortgeschafft … Mit mir sind für heute Nachmittag bestellt: Prinz Leopold von Preußen und sein Adjutant Cerrini, der Prinz Xavier de Bourbon-Parma, der Oberbürgermeister Schmitz von Wien und noch einige … Die Kleiderkammer hatte Befehl: Gute Sachen … So, also zur Schneiderei. Und in Rock und Hose der fast nagelneuen Zivilanzüge schnitt man hässliche Löcher, die mit Zebrastreifen übernäht wurden. Alte Handkoffer, Gott weiß, wem die einmal gehört haben, standen zur Verfügung … Tiefflieger im Angriff. Die bereitgestellten Wagen sind in Stücke … Zurück ins Lager. Alles in die Sonderbaracke, nicht mehr auf den Block. Die Sonderbaracke, das Bordell, war schon seit Wochen geräumt und leer. Als wir ankamen, hatten es sich Freunde und Bekannte schon bequem gemacht: die vom Bunker, vom Zellenbau: Msgr. Piguet, der Bischof von Clermont, Domkapitular Neuhäusler, München, Pastor Niemöller und einige, die wir später kennen lernten. 24. April: Wir warten vor dem Tor und staunen: Da stehen ja deutsche Generäle, von Falkenhausen, der einstige Militärgouverneur von Belgien und Nordfrankreich, in Uniform; und englische, griechische und italienische Offiziere und Generalstäbler, alles Häftlinge. … Wir fahren über Rosenheim-Kufstein, Richtung Innsbruck. 25. April: Wir halten. Das Durchgangslager und die Gestapozentrale Innsbruck. Wir kommen unerwartet. 26. April: Weitere Lastwagen haben neue Schicksalsgenossen gebracht. Eben begrüßt Léon Blum sichtlich bewegt den Bischof von Clermont. Der Wiener Oberbürgermeister schüttelt seinem Freund Schuschnigg die Hand, der von Frau und Kind begleitet, bittere Jahre hinter sich hat. Auffallend viele junge Das Ende der Odyssee  223

Frauen unter den Sippenhäftlingen. Familienangehörige der in das Attentat gegen Hitler verwickelten Offiziere und bürgerlichen Politiker, die von Stauffenberg, die Gördeler u.a, hier Graf von Plettenberg, vom westfälischen Adel. Seine Tochter durfte anstelle der kranken Mutter mit in die Haft. Nun ist auch von Halder da, der ehemalige Chef des deutschen Generalstabs, mit seiner Frau, und Dr. Pünder, der ehemalige Staatssekretär in der Reichskanzlei. 27. April: Wir warten und erfahren von anderen, die mit unserem Transport gekommen sind: Rechtsanwalt Dr. Adolf Müller, München, Divisionspfarrer Dr. Hamm, Dr. Horst Hoepner, der Bruder des hingerichteten Generaloberst Hoepner, der Sohn Badoglios, der Sohn Horthys, ungarische Generäle.7

Bei dem von Joseph Joos erwähnten Innsbrucker Durchgangslager handelte es sich um ein Sonderlager der Gestapo. Es befand sich im Arbeitserziehungslager Reichenau, bestand lediglich zwei Tage, am 26. und 27. April, und diente als Zwischenstation für »Sonder- und Ehrenhäftlinge«, die nun als letzter Faustpfand an einen sicheren Ort in den Alpen gebracht werden sollten. Über den Transport der »Sonder- und Ehrenhäftlinge« nach Südtirol gibt es zahlreiche Berichte, die sich jedoch teils widersprechen. Unbestreitbar jedoch ist, dass Oberst Bogislav von Bonin ein Hauptverdienst bei der Befreiung in Niederdorf zukam. Er war am 17. Januar 1945 als damaliger Chef der Operationsabteilung im Oberkommando des Heeres auf persönlichen Befehl Hitlers im OKH-Hauptquartier Zossen verhaftet und in das Berliner Gestapo-Gefängnis eingeliefert worden.8 Hitler hatte die Verhaftung befohlen, weil Bonin zur Vermeidung eines weiteren Blutbads die Räumung Warschaus angeordnet hatte. Damit hatte er gegen einen »Führerbefehl« verstoßen. Am 3. April 1945 wurde er zusammen mit Wilhelm von Flügge und Fabian von Schlabrendorff sowie drei ausländischen Häftlingen nach Flossenbürg gebracht. Bonin kam im Zellenbau sofort in strenge Einzelhaft. Am 9. April 1945 wurde er mit einer Gruppe von zwanzig weiteren Häftlingen über das Behelfs-KZ Schönberg nach Dachau transportiert. In Schönberg kamen drei Gefangene dazu: General Alexander von Falkenhausen, Sigismund Payne Best und Wassilij Kokorin. In Dachau wurden die Häftlinge nach einer Wartezeit von einer Stunde von KZ-Kommandant Eduard Weiter »in bemerkenswert höflicher Form« – so Bonin – begrüßt. Ihnen wurde SS-Hauptscharführer Edgar Stiller vor224  In Hitlers Hand

gestellt, der sie betreuen sollte. Anschließend wurden sie in die Zellen des Bunkers gebracht; Bonin teilte sich seine Zelle mit General von Falkenhausen. Im Bunker selbst und in dem sich anschließenden kleinen Garten hatten die Gefangenen Bewegungsfreiheit und konnten sich gegenseitig besuchen. Am 27. April begann für die »Sonder- und Ehrenhäftlinge« eine Fahrt, von der sie nicht wussten, ob sie sie lebend überstehen würden. Die Verhältnisse waren chaotisch, von einem geordneten Transport konnte keine Rede mehr sein. Prälat Johann Neuhäusler schilderte in seinem Tagebuch besonders anschaulich die heillose Verwirrung, die die SS-Bewacher erfasst hatte: 28. April: Nach etwa 23 km Fahrt brach vor Matrei infolge Überlastung, besonders durch großen Anhänger, unser Motor. Etwa ½ 10 Uhr Warten auf neuen Wagen. Wir unterhielten uns mit 2 Schutzleuten d. Ortes. Es kam dann der Wirt zur »Weißen Rose«, H. Wieser zu uns, unterhielt sich erst einmal mit uns, lud mich und einen H. Mohr zu sich ein, gab Glas Wein, Wurst, Brot und unterhielt sich sehr nett, lud uns ein, bei ihm zu bleiben. Um etwa 1 Uhr kam der neue Omnibus, um etwa ½ 2 Uhr konnten wir abfahren. Um etwa 3 Uhr waren wir am Brenner. Viele rückwandernde Italiener auf Weg, besonders auf Brenner. Um etwa 5 Uhr fahrt Brixen, etwa ½ 7 Uhr nach 32 km Fahrt in Brunneck um etwa ½ 8 Uhr nach 16 km in Weslern. Als wir darauf versuchten in das Bad Alt-Prags zu kommen, wo angeblich für uns 3 Hotels frei sein sollten, kam uns schon ein Untersturmführer entgegen und erklärte, dass das Bad bereits seit 14 Tagen von Wehrmacht, Luftwaffe besetzt sei. Wir sollten auf der Straße warten, geschehen, Brotverteilung, dann um etwa 9 Uhr Marsch ins Dorf Niederdorf um Kaffee zu bekommen, zugleich als Mittagessen Brot, Margarine und Käse. Stimmung ziemlich erregt, zumal die Gefangenen (Frauen, Kinder) nun schon 2. Nacht durchgefahren waren und niemand wusste, was weiter geschehen sollte. Etwa 11 Uhr zurück ins Auto. (…) Nachmittag verlief mit Warten und Entscheid. Zwar kommt Stiller um 2 Uhr ins Auto und verkündet, dass er in 2 Stunden weitere Nachricht bringen werde, bringt aber keine mehr. Ebenso verspricht er, dass die Wagen näher ins Dorf kommen, geschieht aber auch nicht. Nach Abendsuppe warten wir bei Regen im und am Auto auf Entscheid. Um etwa 10 Uhr kommt Nachricht, wir sollen zu Fuß ins Dorf gehen, die Wagen blieben draußen und würden bewacht. Ich weigere mich im Namen der Teilnehmer. Bald darauf dann Entscheid: Die Wagen fahren rein, im Dorf dann Das Ende der Odyssee  225

heißt es: Wagen ganz ausleeren, Unterkunft für Männer auf Stroh, Frauen in Häuser. Ich habe Zusammenstoß mit Stiller, da er keine Auskunft wegen Gottesdienst geben will. Schließlich sagt er doch zu. Dann Gepäckbeförderung ins Gemeindehaus (…) Morgens ½ 11 Uhr dann Gottesdienst; Bischof hält Messe. Nachmittags 2 Uhr Volksversammlung. Ich werde ins Komitee gewählt. Hernach Komiteeäußerung, dann mit Schuschnigg, Schacht, Thomas, Müller zusammen in Küche von Bechmann. Nach Abendessen (dicke Suppe) noch bei verschiedenen Gruppen (Dänen und Griechen). 30. April: Schuschnigg ist da. Bücher heraussuchen lassen für Bibliothek um etwa ½ 6 Uhr Abfahrt nach Hotel Prags/ am Wildsee 1400 m gelegen. Ich bekomme Zimmer 230. Für Abendessen steht nur ein P.Topf (Suppe) zur Verfügung. Besitzerin von Prags ist Frau Heiß. 1. Mai: Messe für Besitzerin, schöne Kapelle. Frühstück ohne Kaffee, da Lebensmittel noch nicht gekommen, ziemliche Unruhe wegen Partisanengefahr. Abends treffen deshalb weitere Wehrsoldaten ein. Abends kommt Nachricht, dass Hitler tot sei. 2. Mai: Messe für Pfarrhof Niederdorf, 11 Uhr fahre ich nach Niederdorf, Im Pfarrhof Mittagessen, dann kurze Vorsprache bei Garibaldi und Ferrero. Dann mit Tamburini, fürchtet um sein Leben, als ich bei Ferrero für ihn ein Wort sprach, deutet er nur auf seinen Revolver, hernach beim Platzkommandanten (Oberstleutnant Frem) Veröffentlichung Gar.[ibaldi] zur Kenntnis Rathaus findet er von Partisanen besetzt. Abends mit Dr. Thalhammer beim … erzählt mir von ursprünglich geplanter Befreiungsaktion für uns.9

Neuhäusler beschrieb den »Prominententransport« aus der Sicht des Häftlings. Er konnte zwangsläufig nicht die konkreten Gefahren erkennen, die für Leib und Leben der Gefangenen weiterhin bestanden. Denn noch waren sie Hitlers Geiseln und in der Hand der SS. Mehrere Personen nahmen später für sich in Anspruch, für die Befreiung der »Sonderund Ehrenhäftlinge« hauptsächlich verantwortlich gewesen zu sein. Im Folgenden werden einige der Varianten wiedergegeben, die es schwer­ machen, den tatsächlichen Ablauf zu rekonstruieren. Angesichts der realen Gefahr, dass die Gefangenen im letzten Moment durch die SS-Wachmannschaften, darunter ein besonderes Kommando des SD, liquidiert werden würden, entschloss sich Bogislaw von Bonin nach dem Eintreffen im Pustertal zu dem Versuch, die SS mithilfe der Wehrmacht auszuschalten. Es gelang ihm, sich der Bewa226  In Hitlers Hand

chung zu entziehen und eine telefonische Verbindung mit dem ihm von früher her bekannten damaligen Chef des Generalstabs der Heeresgruppe Italien, General Röttiger, herzustellen. Zum weiteren Verlauf äußerte sich Bonin am 12. Juni 1948 wie folgt: Ich schilderte diesem kurz unsere Situation und bat ihn dringend um schnellste Entsendung einer Kompanie des Heeres, mit deren Unterstützung ich unsere SS-Wachtruppe ausschalten wollte. General Röttiger sagte mir sofort die erbetene Hilfe zu und übergab sodann den Hörer an den zufällig bei ihm befindlichen SS-Obergruppenführer Wolff, der mir dem Namen nach bekannt war und der offensichtlich meine Unterhaltung mit Röttiger mitgehört hatte. Der damalige Obergruppenführer Wolff sicherte mir auch seinerseits jede nur denkbare Unterstützung zu, betonte seine völlige Loyalität gegenüber dem Heere, insbesondere dem General Röttiger, und versprach alles zu tun, um Leben und Sicherheit aller Mitglieder der erwähnten Gruppe prominenter Häftlinge zu garantieren.10

Bei Allen Dulles, Resident des US-Geheimdiensts in der Schweiz, ist über die dramatischen Stunden im Pustertal zu lesen, Röttiger habe den Kommandanten seines Hauptquartiers, Hauptmann Wichard von Alvensleben, angewiesen, die Lage in Niederdorf zu erkunden. Alvensleben habe noch in der gleichen Nacht die Bewaffnung eines aus acht ausgesucht tapferen und kampferprobten Unteroffizieren bestehenden Eingreifkommandos der Wehrmacht befohlen und sei selbst am frühen Morgen des 29. April nach Niederdorf gefahren. Dort habe er den verantwortlichen SS-Offizier nach seinem Auftrag gefragt, und dieser habe von Alvensleben erklärt: »Mein Auftrag ist erst dann erledigt, wenn die Gefangenen tot sind.« Das Eingreifkommando der Wehrmacht habe daraufhin den Marktplatz abgeriegelt und die im Dorf verstreuten sechsundachtzig Mann der SS-Bewachungseinheit im Rathaus zusammengetrieben. Nachdem die SS gedroht habe, von der Waffe Gebrauch zu machen, habe von Alvensleben eiligst eine etwa hundert Mann starke motorisierte Wehrmachtskompanie aus Toblach herbeibeordert. Sie habe die Lage zugunsten der Wehrmacht entschieden und so das Leben der bedrohten Häftlinge gerettet.11 Soweit die Schilderung von Allen Dulles, die mit der Wichard von Alvenslebens in vielen Punkten nicht übereinstimmt. Der Hauptmann Das Ende der Odyssee  227

war Anfang 1945 Kommandant des Hauptquartiers bei Oberbefehlshaber Süd-West. Er hatte nach eigenen Angaben von General Röttiger, Chef des Generalstabs, einen Anruf mit der Aufforderung erhalten, nach Niederdorf zu fahren. Dort sei ein Transport eingetroffen. Er solle sehen, was da los sei und sich um Unterbringung und Verpflegung kümmern. In Niederdorf eingetroffen, erfuhr Alvensleben von einem SS-Angehörigen, es handle sich um Autobusse und andere Fahrzeuge mit politischen Häftlingen. Ein anderer SS-Mann habe den Häftlingen mitgeteilt, dass sie erschossen werden sollten. Da es schon zu spät gewesen sei, etwas zu unternehmen, sei er zu seiner Dienststelle nach Sexten zurückgefahren und am nächsten Morgen wieder nach Niederdorf zurückgekehrt: Bei meiner Ankunft traf ich am Marktplatz einen anderen SS-Führer in Gesellschaft mehrerer Damen. Auch diesen fragte ich zunächst – ohne mich zu erkennen zu geben – aus und sagte mir derselbe, dass Niederdorf die »letzte Station« sei. Die politischen Häftlinge würden nach Pragser Wildsee verbracht. Der unbekannte SS-Mann wollte zunächst nicht mit der Sprache heraus, und erst über längeres Drängen und auf meine bestimmte Frage, wie lautet ihr Befehl, erklärte er, dass derselbe erst beendet ist, wenn die Leute gestorben sind. Daraufhin erklärte ich dem SS-Mann sofort, dass ich ihn seiner Funktion enthebe und er sich mir zur Verfügung stellen müsse.12

Er habe General Röttiger informiert und gebeten, seine Anordnungen zu genehmigen, nämlich die gesamte SS-Mannschaft nach Bozen zu schicken und die Bewachung der Häftlinge durch die Wehrmacht zu übernehmen. SS-General Wolff sei einverstanden gewesen, »weshalb ich von Sexten zunächst eine Gruppe zuverlässiger Unteroffiziere zu mir beorderte. Mit diesen habe ich die gesamte SS festgenommen und zunächst im Rathaus festgesetzt. Diese Leute wurden dann von mir angewiesen, geschlossen nach Bozen zu fahren.« Der britische Geheimdienstoffizier Sigismund Payne Best begegnete dieser Darstellung in einem Schreiben an den früheren Generaloberst Halder mit Skepsis: Ich würde nicht wünschen, dass Sie von Alvensleben als einen völlig vertrauenswürdigen Zeugen annehmen. Denn nur weniges von dem, was er in diesem Bericht erwähnt hat, hat er auch den alliierten Intelligence-Offizieren 228  In Hitlers Hand

mitgeteilt, die ihn einvernommen haben ungeachtet des Umstandes, dass er versuchte darzutun, dass er unsere Leben gerettet habe. Tatsächlich hat er sich, wie Sie sich erinnern werden, geweigert, uns in irgendeiner Weise zu helfen oder Widerstand gegen die SS zu leisten. Und erst bei der Ankunft seines Vetters Gebhard war es uns möglich, tätig zu werden.13

Dieser Vetter befand sich damals als »Genesender« in einer Fahnenjunkerschule in Landshut am Lech und stellte die Situation, die zur Befreiung der »Sonder- und Ehrenhäftlinge« führte, so dar: Ich war völlig auf mich allein gestellt, als die Angehörigen der Schule einen Marschbefehl an die Front erhielten. Ich betrat die Dienststelle meines Vetters in Niederdorf, als der Oberst von Bonin bereits mit dem General Röttiger in Bozen telefoniert hatte und als mein Vetter von dem SS-Führer Stiller Kenntnis über den Erschießungsbefehl von m.E. acht Häftlingen erhalten hatte. Der SS-Scharführer Stiller hatte sich bereits allein nach Bozen abgesetzt. Erst von diesem Augenblick an war ich Mitagierender auf dem erfolgreichen Weg, die Häftlinge aus ihrer mit Sicherheit tödlichen Situation zu befreien. Auch von der Seite der Häftlinge lagen bereits Versuche vor, sich zu befreien. Bei dem einen durch die Italiener war ich dabei (der Sohn Badoglio, Oberst Ferrara und General Garibaldi). Schließlich und endlich übernahm ich über meinen Vetter den Befehl über die mir unterstellten Soldaten ohne jeden dienstlichen Auftrag, nachdem die SS und die Gestapo die Häftlinge frei gelassen hatte. Mit den Soldaten habe ich meine Schützlinge zum Luxushotel Pragser Wildsee begleitet, deren Verteidigung organisiert und Befehl erteilt, niemanden ohne meine persönliche Zustimmung an das Hotel heran zu lassen.14

Erhellend und bedeutsam, da bisher noch nicht veröffentlicht, ist die Schilderung von Alfred Bottler, damals Kommandeur des Feldersatzbataillons der 90. Panzergrenadierdivision. Er hatte am frühen Morgen einen Anruf des Ortskommandanten von Niederdorf, also von Wichard von Alvensleben, erhalten: Ich sollte eine Kompanie, verstärkt mit einer Maschinengewehr- und Granatwerfergruppe, nach Niederdorf abstellen. Auf die Frage, wozu, meinte der Ortskommandant, das könne er mir nicht sagen, es sei aber sehr wichtig. Das Ende der Odyssee  229

Da der Ortskommandant nicht mein Vorgesetzter war und mein Bataillon andere Aufgaben hatte, lehnte ich ab und vereinbarte vorerst mit ihm, den Grund unter vier Augen von ihm zu erfahren. Erst nach Aufklärung durch den Ortskommandanten über die Lage in Niederdorf (Namen einiger Häftlinge, SS-Zug, Erschießungsbefehl, Einverständnis des General Wolff ) ließ ich die verstärkte Kompanie meines Bataillons mit dem für die besondere Lage ausgesuchten Kompanie-Chef nach Niederdorf abrücken. Gegen Mittag erhielt ich vom Kompanie-Chef die Meldung, dass der SS-Zug verdrängt werden konnte und der Schutz der Häftlinge am Pragser See übernommen wurde.15

Aber auch die Südtiroler Widerstandsbewegung reklamierte die Rettung der Geiseln für sich. Deren Vizekommandant Egon von Petersdorff gab 1953 gegenüber dem Landgericht II München an: »Die Tätigkeit der Südtiroler Widerstandsbewegung (…) bestand darin, dass sie das deutsche Militär über den kommandierenden Generaloberst veranlasste, die SS-Bewachung der Sonderhäftlinge in Niederdorf durch eine deutsche Etappen-Kompanie zu ersetzen.«16 Dies sei geglückt, »kurz bevor sie die Liquidierung der Sonderhäftlinge ausführen konnten«. Die Südtiroler Widerstandsbewegung habe über ihren Schwarzsender veranlasst, »dass die Amerikaner mit ihren Panzern beschleunigt durch die deutsche Front hindurch fuhren und die Sonderhäftlinge dann endgültig befreiten«. Der Innsbrucker Universitätsprofessor Eduard Reut-Nicolussi, Angehöriger der Südtiroler Widerstandsbewegung, berichtete 1946 folgendermaßen über die Befreiung: Die »Südtiroler Widerstandsbewegung« erhielt, sofort nachdem der Gefangenentransport über den Brenner gerollt war, Nachricht von der Ankunft der Geiseln in Niederdorf im Pustertal. Mitglieder der Widerstandsbewegung befanden sich in den amtlichen Stellen, welche mit der Unterbringung der Häftlinge beauftragt waren, sodass die Durchführung einer Befreiungsaktion möglich wurde. Der Plan, die Gefangenen in ein Hotel auf der Hochfläche der Seiser Alm zu bringen und über den Geheimsender alliierte Fallschirmtruppen zur Befreiung anzufordern, scheiterte am Einbruch einer Schlechtwetterperiode. Mitglieder der Südtiroler Widerstandsbewegung begaben sich ins Pustertal, um je nach 230  In Hitlers Hand

Lage der sich ständig ändernden militärischen Entwicklung die Befreiung der Gefangenen durchzuführen. Infolge eines Organisationsfehlers der SS-Führung waren die Gefangenen vorläufig in Gasthöfen von Niederdorf untergebracht worden. Eine Auflockerung des sonst streng geschlossenen Transports war eingetreten, die von den Häftlingen unter Führung des Engländers Payne Best entschlossen ausgenützt wurde, um sich Erleichterungen zu verschaffen. Die Mitglieder der Südtiroler Widerstandsbewegung, von denen der Führer der SS-Begleitmannschaft annahm, Beauftragte des Gauleiters Hofer vor sich zu haben, nahmen Fühlung mit den Gefangenen auf. Es begann nun das äußerst vorsichtig betriebene Spiel der Befreiung, das schließlich ohne Blutvergießen erfolgreich durchgeführt wurde. Der Befreiungsplan beruhte in der Möglichkeit, der Gewalt der SS-Begleitung durch Wehrmachteinheiten entgegenzutreten, da die Widerstandsbewegung mit dem Oberbefehlshaber Südwest, der die deutsche Italienarmee befehligte, schon seit längerer Zeit Verbindungen unterhielt und Verhandlungen über eine Kapitulation und Beendigung des militärischen Widerstandes führte. Ein Mann der Widerstandsbewegung blieb in Niederdorf zurück, während ein zweiter nach Bozen fuhr, um beim Oberbefehlshaber Südwest die militärische Unterstützung einzuleiten. Erst am nächsten Tag konnte mit dem Eintreffen von Wehrmachteinheiten gerechnet werden; um die Zwischenzeit zu überbrücken, wurden die Tiroler Standschützen von Niederdorf und Umgebung alarmiert. Die Standschützen besetzten bei Einbruch der Dunkelheit den Ort; damit war die nicht sehr zahlreiche SS-Mannschaft in Schach gehalten, während andererseits ein Angriff italienischer Partisanen, die sich um diese Zeit bereits vom Süden her bis Cortina d’Ampezzo vorgeschoben hatten, verhindert wurde. Am nächsten Tag traf eine schwer bewaffnete Alarmkompanie der Wehrmacht in Niederdorf ein, die Tiroler Standschützen wurden abgelöst, der Oberbefehlshaber Südwest hatte Unterstützung zugesagt. Der Vertrauensmann der Widerstandsbewegung hatte inzwischen die Unterbringung der Geiseln im Hotel am Pragser Wildsee, der abgelegen in einem Dolomitental liegt, vorbereitet, um bei dem dadurch notwendig gewordenen Transport das SS-Kommando abzuschütteln. Während der Abwesenheit des SS-Führers wurden die Gefangenen auf bereitgehaltene Lastkraftwagen verladen und hinauf zum hoch gelegenen Wildseehotel gebracht. Die Alarmkompanie der Wehrmacht folgte und riegelte den Eingang in den Talkessel, in dem der Wildsee liegt, ab. Am nächsten Tag traf der Verbindungsmann der WiderDas Ende der Odyssee  231

standsbewegung mit der Nachricht ein, dass sich der Generalstabschef beim Oberbefehlshaber zum Handeln entschlossen hatte. Widerstrebende Persönlichkeiten der Wehrmacht sowie sämtliche Funktionäre der Nationalsozialistischen Partei waren in Haft gesetzt und den Alliierten die bedingungslose Kapitulation angeboten worden. Dem Lande war die restlose Zerstörung in der Endphase des Krieges erspart geblieben, und auch das Leben der Geiseln des nationalsozialistischen Systems war gerettet. Die SS-Männer dachten an keinen Widerstand und wurden abtransportiert. Das Tor zur Freiheit stand offen. Ein Lastkraftwagen der Südtiroler Widerstandsbewegung hatte für die Gefangenen Lebensmittel, Gebrauchsgegenstände, Kleidung, Wein und Zigaretten gebracht; die Zeit der Entbehrungen war vorüber. Der Vertreter der Südtiroler Widerstandsbewegung sprach zu den Menschen, die seit Jahren in den Konzentrationslagern gelebt hatten, sie seien nun Gäste der Südtiroler Volksgruppe. Und er gab der Hoffnung Ausdruck, dass ihr schwerer gemeinsamer Weg das Gefühl einer Schicksalsgemeinschaft geboren habe, das nicht ohne Wirkung auf eine kommende friedliche europäische Entwicklung sein dürfe. Im Kreise der Versammelten standen Persönlichkeiten wie Léon Blum, Schuschnigg, der ungarische Ministerpräsident von Kállay, die gesamten griechischen Generäle, standen Männer wie Pfarrer Niemöller, sah man russische Generäle, waren der Bischof von Clermont-Ferrand und der Prinz von Bourbon, befand sich der Organisator der polnischen Freiheitsbewegung, standen bedeutende Vertreter von 22 Nationen. Den Alliierten war über den Sender der Südtiroler Widerstandsbewegung der Aufenthalt der Geiseln bekannt geworden, und nachdem die amerikanischen Truppen den Raum des Pustertals erreicht hatten, wurde die Wehrmacht durch eine amerikanische Kompanie abgelöst.17

Am 4. Mai trafen amerikanische Truppen der 88. Division am Pragser Wildsee ein. Major von Alvensleben und die übrigen Wehrmachtsoldaten wurden entwaffnet und waren nun Kriegsgefangene. Prälat Neuhäusler hielt eine Messe, Pfarrer Niemöller eine Predigt, von der Fey von Hassell sagt, sie sei oberflächlich gewesen: Im Grunde erzählte er seine persönlich erduldeten Leiden auf, wobei er mit der Pfeife im Mund vor seinen Zuhörern auf und ab ging, als befände er sich auf der Kommandobrücke eines Schiffes; tatsächlich war er ja früher Mari-

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neoffizier gewesen. Uns Protestanten machte das ziemlich verlegen; fast schämten wir uns für Pastor Niemöller.18

Am 7. Mai wurde das Hotel von amerikanischen Journalisten überlaufen. Am 10. Mai standen acht Busse für die Älteren und viele Jeeps zur Abfahrt bereit. Am Ende der Kolonne fuhr Fey von Hassell mit Payne Best, einigen Angehörigen der Familie Stauffenberg und den Schuschniggs. Abends traf der Konvoi in Verona ein. Am nächsten Morgen wurden die befreiten Häftlinge mit drei Militärmaschinen nach Neapel gebracht und dort nach Nationalitäten getrennt. Die deutsche Gruppe brachten die Amerikaner im Hotel Eden-Paradiso in Anacapri unter.

Exkurs: Festungshaftanstalt auf »Wanderschaft« Bemerkenswert ist auch eine bisher kaum berücksichtigte Befreiungsaktion von »Ehrenhäftlingen«, die in der Wehrmachtsfestungshaftanstalt Küstrin inhaftiert waren. Ihnen gelang es auf eine Weise freizukommen, die ebenso spektakulär war wie die der »Sonder- und Ehrenhäftlinge« von Niederdorf.19 Letzter Kommandant dieser Haftanstalt im Renaissanceschloss in der Altstadt war der Major der Reserve Friedrich Leussing. Er war zuvor Kommandant der Festungshaftanstalt Germersheim am Rhein gewesen, wo er Generäle und Stabsoffiziere zu betreuen hatte, die beispielsweise wegen des Verlusts von Geheimen Kommandosachen verurteilt worden waren oder sie nicht geheim gehalten hatten. Im Gegensatz zu einer Gefängnis- oder Zuchthausstrafe galt die Festungshaft als nicht »entehrend«. Die Häftlinge galten, so Leussing, als »Ehrenhäftlinge«. In Küstrin befanden sich überwiegend Sippenhäftlinge sowie Angehörige des Heeres, die nach Auffassung der Gestapo im Zusammenhang mit dem 20. Juli eine unklare Haltung eingenommen hatten. Über den konkreten Umgang mit den Gefangenen in Küstrin hatten weder das Reichskriegsgericht noch das Oberkommando der Wehrmacht noch das Reichssicherheitshauptamt Befehle erteilt. Es gab lediglich hin und wieder Verbote, die den Ausgang der Häftlinge in Begleitung, gemeinschaftliche Mahlzeiten, das Hören von Radionachrichten betrafen. Die inhaftierten Offiziere trugen größtenteils Uniform und wurden von den Das Ende der Odyssee  233

Wachmannschaften ihrem Rang entsprechend angeredet. Zu den Inhaftierten gehörten unter anderen die Generäle Speidel, Schaal, Freiherr von Esebeck, Groppe, Sinzinger, Rieger und von Hollwede. Ausländer unter den Gefangenen waren in den letzten Kriegsmonaten der Oberbefehlshaber der niederländischen Armee, Generalleutnant Jonkher van Roell, außerdem zwei zum Tode verurteilte Norweger. Major Leussing ließ den Häftlingen innerhalb der Anstalt Bewegungsfreiheit, die Gefangenen konnten sich gegenseitig in ihren Zimmern besuchen. Er erlaubte es sogar, fremde Sender zu hören. Theodor Groppe, ein General, der seine moralische Haltung nicht der Karriere opfern wollte, verdient in diesem Zusammenhang besondere Beachtung. Die Tatsache, dass er sich mehrfach weigerte, Himmlers Befehle auszuführen, ihre Befolgung den ihm unterstellten Truppen sogar verbot, musste er bitter büßen. Als Kommandeur der 21. Infanteriedivision widerstand er allen Versuchen der Partei, Gottesdienste zu sabotieren. Daraufhin wurde ein Büro eingerichtet, das Beschuldigungen gegen Groppe systematisch sammelte.20 Als im Oktober 1939 die Aufforderung einging, hinter der Front für die Truppe Bordelle einzurichten, lehnte Groppe dies ab. Er begründete es in einem Schreiben vom 25. Oktober 1939 damit, dies müsse als »Beleidigung braver christlicher Männer bedeuten, zum mindesten aber eine gesetzliche Anerkennung des Ehebruches«. Ebenso würden die »daheim gebliebenen Frauen beleidigt«. Auch in Ansprachen an seine Soldaten blieb Groppe bei der Ablehnung von Himmlers Befehl, worauf er am 23. September 1941 aufgefordert wurde, seinen Abschied einzureichen. Groppe schied am 31. Dezember 1941 aus dem aktiven Dienst aus. Nachdem er im Rahmen des allgemeinen Arbeitseinsatzes zeitweise in der Platinschmelze Heraeus eingesetzt war, wurde er am 21. Juli 1944 verhaftet und wegen Wehrkraftzersetzung und Defätismus angeklagt. Himmler nahm in einer seiner Geheimreden kurz zum Fall Groppe Stellung: Generalleutnant Groppe wurde entfernt und auf Disposition gestellt. Er ist auf jeden Fall nicht mehr im Dienst. Durch den Befehl des Oberbefehlshabers des Heers und durch die Versendung dieses Befehls ist die Unruhe, die in die Armee hineingetragen war, glaube ich, im Großen und Ganzen beseitigt.21 234  In Hitlers Hand

Groppe wurde zunächst in das Gestapo-Gefängnis in Darmstadt eingeliefert und dann am 18. Januar 1945 in die Festungshaftanstalt Küstrin überstellt. Auf dem Einweisungsbescheid wurde er zwar als »Untersuchungshäftling« bezeichnet, gleichzeitig hatte jedoch General Maisel handschriftlich hinzugefügt: »Verdient nach Sachlage keine gute Behandlung.« Entgegen diesem Befehl behandelte der Festungskommandant, Major der Reserve Leussing, Groppe stets als »Ehrenhäftling«. Als am 15. Januar 1945 Küstrin zur Festung erklärt wurde, rechneten alle Häftlinge mit dem Tod durch Erschießen, doch Major Leussing und der inhaftierte General Speidel besprachen einen Fluchtplan, den sie am 30. Januar 1945 umsetzten: Sie schlossen die Festungshaftanstalt und »verlegten« sie angesichts der heranrückenden Roten Armee nach Westen. Der Gruppe gehörten acht Sippenhäftlinge an, ferner zehn weitere Offiziere sowie als Untersuchungsgefangene Generalleutnant Theodor Groppe und der slowakische Oberst Ballai, der zum Tode verurteilte Oberbefehlshaber der niederländischen Armee Generalleutnant van Roell und schließlich zwei ebenfalls zum Tode verurteilte norwegische Zivilisten, deren Urteil in Festungshaft umgewandelt worden war. Sie fuhren mit gefälschten Marschbefehlen zunächst in die Lutherstadt Wittenberg und wurden im dortigen Hotel Goldener Adler untergebracht. Am 22. Februar 1945 wurde Leussing am Telefon von Kaltenbrunner mit den Worten »Was, die Hunde leben noch?« zurechtgewiesen, woraufhin Leussing seine Gefangenen mit einem vorher bestellten D-Zug-Wagen in einer viertägigen Irrfahrt nach Ludwigsburg bringen ließ. Hilfreich bei der Festlegung des Ziels waren die Ortskenntnisse des Württembergers General Speidel. Vom 28. Februar bis zum 15. März befand sich die »Haftanstalt« nun im Ludwigsburger Bahnhofshotel, bevor sie am 15. März 1945 in ein Frauenkloster in Oberstenfeld verlegt wurde. Als ein Generalkommando, das in Heilbronn einzog, aufmerksam wurde, flüchtete die Gruppe am 1. April 1945 nach Gönningen, einem Stadtteil von Reutlingen, wo Leussing sie in mehreren Gasthöfen unterbrachte. Am 15. April erfuhr Leussing von einem am Vortag erlassenen Befehl, nach dem alle politischen Häftlinge zu erschießen seien: Nach Bekanntwerden des Befehls vom 14.4.45 haben wir in der darauffolgenden Nacht kopf- und planlos mit einem von mir beschlagnahmten LKW Das Ende der Odyssee  235

und Anhänger Gönningen verlassen und die Nacht in einem kleinen Gasthof auf Stühlen verbracht, da ich von meinem Adjutanten, den ich als Quartiermacher vorausgeschickt hatte, noch auf Nachricht warten musste.

Über Gammerdingen floh die Gruppe nach Pfullendorf, um am 22. April in Kloster Hersberg bei Überlingen am Bodensee Unterschlupf zu finden. Darüber hielt Theodor Groppe fest: Mit rührender Gastlichkeit nahm uns der Pallotiner-Pater Kruck bei sich auf. Endlich konnten wir etwas Ruhe finden und unsere völlig durchnässte Kleidung trocknen. Auf der am Fuße des Klosterberges entlangführenden Straße sah man an den folgenden Tagen Truppen in Auflösung gen Osten ziehen. Man hatte das sichere Gefühl, dass die Alliierten nicht mehr weit entfernt sein konnten.22

Am 23. April 1945 löste Major Leussing die Haftanstalt formell auf und stellte den Häftlingen Bescheinigungen aus, dass sie nunmehr frei seien. Auch das Bewachungspersonal, das inzwischen zivile Kleidung trug, wurde entlassen. Das Versteck im Kloster war jedoch irgendwie bekannt geworden. In der Nacht zum 26. April drangen SS-Männer, die das Kloster im Schutz der Dunkelheit umstellt hatten, in das Gebäude ein, um die Gruppe festzunehmen. Sie war von einem Zahlmeister verraten worden. Major Leussing zog sich eiligst seine Uniform wieder an: Ich habe dem Führer dieser Abteilung geblufft, dass ich in der Nacht noch einen Kurier vom Reichsführer Himmler mit einem Befehl erwartete, dass wir wahrscheinlich zum Allgäu sollten und dass ich dem Reichsführer für das Leben und die Sicherheit der Häftlinge garantierte. Es wäre eine gefährliche Sache für ihn, wenn einer seiner Leute einen der Generäle erkannt hätte, die könnte ihn Kopf und Kragen kosten.

Dann erzählte er der SS, Himmler habe ihm zwei Tage zuvor durch einen Fliegeroffizier die Sicherheit der inhaftierten Offiziere zur besonderen Pflicht gemacht. Es handle sich um hochverdiente, mit den höchsten Auszeichnungen geehrte Generäle, die der Reichsführer-SS für eine besondere Aufgabe vorgesehen habe. Das sichere Auftreten von Leus236  In Hitlers Hand

sing verblüffte den SS-Mann, der sich damit entschuldigte, er sei falsch unterrichtet worden und die Posten wieder abzog. Klar war, dass ein neuer Unterschlupf gefunden werden musste. Leussing schickte Pater Kruck mit seinem Adjutanten in den kleinen Ort Urnau der Frontlinie entgegen, um dort die Häftlinge bei nazifeindlichen Leuten als Flüchtlinge unterbringen zu lassen. Lediglich der Pfarrer des Ortes, Geistlicher Rat Schmieder, und Bürgermeister Rist wussten, um wen es sich handelte. Die Bewohner des Zweihundertachtzig-SeelenDorfs hielten die Gruppe für evakuierte Flüchtlinge. Die Flucht geschah rechtzeitig, denn in Kloster Herzberg tauchte am 27. April erneut ein SS-Kommando auf. Am 29. April rückten französische Panzer in Urnau ein. Der holländische General van Roell fuhr mit dem französischen Kapitän nach Sigmaringen und veranlasste, dass einige Stunden später der französische General Béthouart in Urnau auftauchte. Leussing ließ die Häftlinge beim Bürgermeister zusammenrufen: Er sprach mir seinen Dank aus und bat, dass sich die Generäle, auch mein Adjutant und ich, als Gäste der Franzosen betrachten möchten. Als einige Tage später die Kapitulation erfolgte, konnten die Herren im französischbesetzten Gebiet mit dementsprechenden Bescheinigungen sofort nach Hause fahren, während die übrigen auf eine Entlassung durch den General Eisenhower warten mussten.23

Für einige Generäle, so für Groppe, war die Zeit des Wartens noch nicht vorüber. Sie konnten sich in Urnau zwar frei bewegen, wurden Verhören unterzogen, aber erst im August endgültig freigelassen.

Das Ende der Odyssee  237

Schlussbemerkung

Nach dem Krieg nahmen viele SS-Angehörige für sich in Anspruch, sie hätten das Leben der »Sonder- und Ehrenhäftlinge« gerettet – SSGeneral Karl Wolff ebenso wie SS-Hauptscharführer Edgar Stiller, der Anfang der 1950er-Jahre des Mordes an Georg Elser beschuldigt war. Stiller sagte im September 1951 aus, »ungefähr im März 1945« seien »von Berlin allgemeine Anweisungen über die Evakuierung des KZDachau bei Feindannäherung« eingetroffen.24 Dies habe er vom damaligen KZ-Kommandanten SS-Obersturmbannführer Eduard Weiter erfahren, der ihm Anfang April erklärt habe, er solle sich mit den Sonderhäftlingen nach Theresienstadt absetzen. Das habe er mit der Begründung abgelehnt, »dass, wenn wir dies täten, keiner der Häftlinge mit dem Leben davonkäme, da entweder die Tschechen oder die Russen die Leute umbringen würden«. Schließlich habe sich Weiter damit einverstanden erklärt, sämtliche Häftlinge des Konzentrationslagers Dachau bei Feindannäherung nach Tirol in Marsch zu setzen, und ihm ausdrücklich befohlen, die »Ehrenhäftlinge« nach Innsbruck zu bringen. Zur Zahl der »Sonder- und Ehrenhäftlinge« erklärte Stiller: »Während im März 1945 der Stand der von mir betreuten Häftlinge ungefähr dreißig war, stieg die Zahl durch neue Transporte im April auf ungefähr sechzig, dazu kamen im Laufe dieses Monats weitere Ehrenhäftlinge, die aus verschiedenen Lagern von SD-Leuten eingeliefert worden waren, sodass der Stand um Mitte April 1945 weit über hundert war.«25 Selbst der berüchtigte SS-Obersturmbannführer Adolf Eichmann, einer der Hauptverantwortlichen für die Vernichtung der Juden, gerierte sich in seiner Autobiographie als ihr »Retter«. Er sei am 17. April 1945 in Brixleg (Tirol) mit Himmler zusammengetroffen. Dieser habe ihm berichtet, er stehe mit dem Vizepräsidenten des Schwedischen Roten Kreuzes, Graf Folke Bernadotte, in Verhandlungen. Er, Himmler, wolle »mindestens hundert der prominentesten Juden in unserem Bereich in völliger Sicherheit wissen«. Er habe angenommen, dass Himmler diese Gefangenen als Pfand gegenüber Bernadotte »auszuspielen gedachte«. Dann fuhr Eichmann fort: 238  In Hitlers Hand

Er erwähnte keine einzelnen Namen unter diesen hundert prominenten Juden; wir hatten ja in Theresienstadt eine große Zahl, auch in verschiedenen KZs, wo sie begünstigt untergebracht waren. Ich glaube, unter diesen waren auch Léon Blum, ein österreichischer General, sowie eine ganze Menge Leute, die entweder Minister gewesen waren oder eine sonstige hohe Funktion innegehabt hatten, deren Namen zum Teil Weltgeltung besaß und deren Mehrzahl von europäischer Bedeutung war.26

Nach eigenen Angaben fuhr Eichmann nach Tirol und traf in Linz SSOberführer Dr. Pifrader, Inspekteur der Sipo und des SD in Ungarn und in Oberdonau, um die Unterbringung der Geiseln vorzubereiten. Gauleiter Franz Hofer habe ihn nicht empfangen, weshalb er »massiv« aufgetreten sei. Immerhin sei es um einen Reichsführerbefehl gegangen. Am Brenner habe er »zwei sichere Aufenthaltsorte« ausgesucht und sei dann nach Salzburg gefahren. Noch einer, der während der NS-Zeit einer der treuesten Gefährten Himmlers war, wollte nach dem Krieg im Geheimen gegen das Regime gearbeitet haben: SS-Obergruppenführer Karl Wolff. Er war maßgeblich an der Vernichtung von Hunderttausenden von Juden beteiligt und hatte an der Planung des Buna-Werks Auschwitz der IG Farben mitgewirkt. 1964 wurde er vom Landgericht München wegen Beihilfe zum Mord in mindestens 300 000 Fällen zu fünfzehn Jahren Haft verurteilt, doch schon im November 1968 ließ er über seine Anwälte ein Gnadengesuch stellen. In der Begründung hieß es, Wolff habe sich im Sommer 1939 für die Freilassung des jüdischen Bankiers Louis von Rothschild verwendet und erreicht, dass dieser das Reichsgebiet verlassen konnte.27 Ende 1945 habe er entscheidend mitgewirkt, »ca. 130 prominenten politischen Gefangenen des NS Regimes das Leben zu retten, indem er gemeinsam mit General Hans Röttiger, dem Chef des Generalstabs der Heeresgruppe Süd-West, Maßnahmen unterstützte, welche die Erschießung durch eine SS-Einheit verhinderten«. Außerdem habe er sowohl »die von Hitler befohlene Besetzung des Vatikans durch SS-Einheiten als auch die angeordnete Verschleppung des Papstes Pius XII verhindert«. Wolff wurde jedoch erst 1974 Haftverschonung gewährt. Nur wenige NS-Täter bekannten sich nach 1945 zu ihrer Schuld. Diejenigen, die für Hitlers »Sonder- und Ehrenhäftlinge« die Verantwortung trugen, machten hierbei keine Ausnahme. Eine juristische AufSchlussbemerkung  239

arbeitung dieses Komplexes der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft fand nicht statt. Wegen der Geiselnahme und der unrechtmäßigen Inhaftierung wurde kein Täter jemals angeklagt. Zu Prozessen kam es nur dann, wenn – wie im Fall von Georg Elser – die Opfer ermordet wurden. Selbst dann blieben Verurteilungen häufig aus, oder die Urteile fielen relativ milde aus. Entsprechend fand das Schicksal der »Sonderund Ehrenhäftlinge« auch nicht die gebührende Aufmerksamkeit weder seitens der Historiker noch der Öffentlichkeit. Zu Unrecht. Denn wenn auch die meisten dieser Häftlinge überlebten und es sich nur um einige wenige Hundert handelte, gibt ihr Los doch Aufschluss über die Rücksichtslosigkeit und Perfektion, mit der die Nationalsozialisten ihr Terrorregime sichern wollten.

240  In Hitlers Hand

Anmerkungen

Einleitung 1 Siehe Eschebach, Insa (Hg.): Ravensbrück. Der Zellenbau. Berlin 2008, S. 20. 2 Broszat, Martin (Hg.): Kommandant in Auschwitz. München 2008, S. 121. 3 BArch, NS 19/1273, Schreiben Himmlers an Anton Lehner, Berlin, 18. Mai 1937. 4 ITS, Dok. Nr. 78769936#1, KZ-Verwaltung Stutthoff, ausgeliehene Bücher, Block 11, (Ehrenhäftlinge) undatiert. 5 PAA, R 101188, Vermerk des AA, betr.: Nichte de Gaulles, Berlin, 5. Oktober 1944. 6 CDJC, Dok. CXXV–99, Telegramm von Abetz an Ribbentrop, 13. Mai 1944, zitiert in: Grüner, Stefan: Paul Reynaud. München 2000, S. 992ff. 7 Thüringisches Hauptstaatsarchiv Weimar, NS-Archiv des MfS Objekt 9 ZA 69, Bl. 10f, Aussage der Gestapo-Mitarbeiterin Friedel Fahrig, Stadtvorstand der Landeshauptstadt, Polizeidirektion, Kriminalamt, Weimar, 11. Juni 1945.

Deutschland – ein weit gespanntes Gefangenennetz 1 BArch, NS 19/391, Inspekteur der Konzentrationslager, Gliederung der Häftlinge laut Haftbefehl nach Haftart, Berlin, undatiert. 2 Hervorhebung im Original. 3 Zeugen Jehovas. 4 Beispielsweise Offiziere der Wehrmacht nach dem 20. Juli 1944 als »Festungshäftlinge«. 5 BStU, MfS HA XX, Nr. 4058, RSHA, betr.: Bevorzugte bzw. besondere Behandlung von Schutzhäftlingen in den Konzentrationslagern, Berlin, 15. März 1943. 6 BStU, MfS, HA IX/11, ZUV 12, Akte 1b, RSHA, betr.: Sofortige Einweisung von prominenten Schutzhäftlingen, insbesondere aus den besetzten Gebieten, in die Konzentrationslager, Berlin, 6. Oktober 1943. 7 ITS, 1.1.5.O, Nr. 59, Dok. 78702667#1, KL Buchenwald, Lagerarzt, betr.: Ernährungs- und Kräftezustand der Protektoratshäftlinge, Weimar/Buchenwald, 18. März 1940. 8 Siehe Huth, Arno: Verlagerung von Kommandantur und Verwaltung des KL Natzweiler nach Guttenbach und Birnau an den Neckar. Neckarelz-Mosbach 2009.

Anmerkungen  241

19 BStU, MfS – HA XX, 4047, Schreiben des Chefs der Sipo und des SD, Betr.: 20.7. – Sippenhäftlinge, Berlin, 14. Dezember 1944. 10 RSHA, IV – SK, Bescheinigung, Berlin, 7. September 1944, als Faksimile wiedergegeben in Richardi, Hans-Günther: SS-Geiseln in der Alpenfestung, Bozen 2006, S. 61

Lager, Schlösser, eine Insel und Hotels für Hitlers Geiseln 11 BStU, MfS HA IX/11 RHE-West 330 Bd. 4, Naujoks, Harry: Versuch einer Chronologie des Konzentrationslagers Sachsenhausen 1936–1945, S. 17, Hamburg 1958 12 Ebenda. 13 Archiv Sachsenhausen, Ordner Sonder- und Gestapohäftlinge A‒C. 14 Staatsarchiv München, Staanw 34475/2, Aussage von Michael Höck vor dem Untersuchungsrichter beim Landgericht München II, Freising, 28. August 1951. 15 Der Buchenwald-Report, Dokument 100, Prominente Persönlichkeiten in Buchenwald, S. 291f. 16 Quelle: Stutthof, Historischer Informator Skutnik, Tadeusz, Krajowa Agencija Wydawidnicza, Danzig 1979. 17 ITS, Doc. Nr. 78722814#1, Schreiben der Amtsgruppe D an die Kommandanten der Konzentrationslager, betr.: Unterbringung von Isolierungshäftlingen, Oranienburg, 31. Dezember 1943. 18 BArch, R 58/926, FS des Chefs der Sipo und des SD an alle SD-Leitabschnitte, Berlin, 23. September 1943. 19 BArch, R 58/926, FS Scheidler an alle SD-Leitabschnitte und Abschnitte, betr.: Erfassung geeigneter Schlösser für höhere Persönlichkeiten, Berlin, 26. Oktober 1943. 10 BArch, R 58/926, Schreiben des SD-Abschnitts Frankfurt am Main an das RSHA, betr.: Erfassung geeigneter Schlösser für höhere Persönlichkeiten, Frankfurt, 5. November 1943. 11 BArch, R 58/926, Schreiben SD-Leitabschnitt Posen an den Chef der Sipo und des SD, Posen, 30. November 1943. 12 BArch, R 58/926, Schreiben Himmlers an Ganzenmüller, 8. Oktober 1944. Das Schloss wurde 1961 abgerissen. 13 Heute Saalburg-Ebersdorf. 14 BArch, R 58/926, Vermerk Müllers für Scheidler, Berlin, 17. Oktober 1944. 15 BArch, R 58/926, Vermerk des Amtes VII für Scheidler, 22. Oktober 1944. 16 BArch, NS 3/637, RSHA, Amt C II, Sonderbericht Schloss Eisenberg, Berlin, 17. Februar 1943.

242  Anhang

17 BStU, MfS, HA XX, Nr. 4057, FS der Sicherheitspolizei Riga an den Kommandeur der Sipo und des SD Estland, Riga, 31. Juli 1942. 18 BStU, MfS, HA XX, Nr. 4047, Vermerk des Befehlshabers der Sipo und des SD – Ostland, Reval, 8. August 1942. 19 ITS, 1.1.0.3/0085/00126, FS von Himmler an Pohl, Feld-Kommandostelle, 23.11.1942, Original im BArch. 20 BArch, NS 4/FL–390, FS KZ Oranienburg an Kommandanten Flossenbürg, Oranienburg, 2. Februar 1943. 21 ITS, Doc. 1.1.8.0./00005/00080, KZ Flossenbürg, Sonderbefehl von Lagerkommandant Zill, Flossenbürg, 6. Februar 1943, Original im BArch. 22 BArch, NS 4/FL–390, FS KZ Oranienburg an den Kommandanten Flossenbürg, Betr.: Häftlingsüberstellung, Oranienburg, 11. Februar 1943 23 ITS, Doc. No. 78710299#1/Doc. N. 78722977#1, KZ Dachau, Arbeitseinsatz, Stand der Außenkommandos, Dachau, 31. März 1945/3. April 1945. 24 Archiv der Gedenkstätte Dachau, A 382, Cuckovic, Zvonimir: »Zwei Jahre auf Schloss Itter«, unveröffentlichtes Manuskript 1975. 25 Quelle: 12th Armored Division, »Hellcat News«, Vol. 3, Nr.2, 26. Mai 1945, Heidenheim. 26 Schreiben des Landesarchivs Tirol an den Autor, Innsbruck, 30. Juli 2009. 27 Nach dem Krieg wurde Schloss Itter zu einem Nobelhotel umgebaut, seit Beginn der 1980er-Jahre befindet es sich in Privatbesitz und ist für die Öffentlichkeit nicht mehr zugänglich. 28 Siehe auch Göllner, Enrico: »Hitlers Reichsgästehaus im Thüringer Wald«, in: Thüringer Landesmuseum Heidecksburg Rudolstadt (Hg.): Die Schwarzburg. Rudolstadt 2008, S. 277ff. 29 Zitiert in: Die Schwarzburg, ebenda, S. 278. 30 ThStAR, Nachlass Fürstin Anna Luise Nr. 57. 31 BArch, R 2/4456, Telegramm von Anna Luise zu Schwarzburg an Sauckel, Sondershausen, 2. Juni 1940. 32 BArch, R 2/4456, Telegramm von Sauckel an Anna Luise zu Schwarzburg, Weimar, 3. Juni 1940. 33 ThStAR, Nachlass der Fürstin Anna Luise zu Schwarzburg Nr. 57. 34 BArch, R 2/4456, Schreiben von Meißner an den RFM, Berlin, 8. Juni 1940. 35 THStAW, Thüringisches Finanzministerium, Nr. 3225, Bl. 1. 36 BArch, R 2/4456, Vermerk von Prof. Kallenbach, betr.: Herrichtung des Schlosses Schwarzburg, Berlin, 18. Juni 1940. 37 BArch, R 2/4456, Schreiben von Wulffen an die Reichsstatthalterei Weimar, Sondershausen, Schloss, 19. Juni 1940. 38 ThStAW, Thüringisches Finanzministerium, Nr. 3225, Bl 25r, Schreiben Heinrich XXXIII. Reuß zu Köstritz an Meißner, Berlin, 26. Juni 1940. Anmerkungen  243

39 ThStAW, Thüringisches Finanzministerium Nr. 3225, Bl. 24v, Schreiben von Heinrich XXXIII. Reuß zu Köstritz an Meißner, Berlin, 26. Juni 1940. 40 ThStAW, Thüringisches Finanzministerium Nr. 3225, Bl. 24v, Schreiben Meißner an Heinrich XXXIII. Reuß zu Köstritz, Berlin, 3. Juli 1940. 41 Ebenda. 42 Zitiert in. Früchtel, Michael: Der Architekt Hermann Giesler. München 2008, S. 270. 43 BArch, R 2/4456, Vertragsentwurf vom 28. September 1940. 44 PAA, Inland II g, 373, Telegramm Nr. 5519 der deutschen Botschaft an das AA, Paris, 17. August 1943. 45 PAA, Inland II g, 373, Telegramm Nr. 920, Ribbentrop an die deutsche Botschaft in Rom, Sonderzug, 6. Juni 1943. 46 PAA, Inland II g, 373, Telegramm Nr. 5781, der deutschen Botschaft Paris an das AA, Paris, 29. August 1943. 47 PAA, Inland II g, 373, Telegramm an Botschaft Paris, Wolfsschanze, 30. August 1943. 48 PAA, Inland II g, 373, Telegramm Nr. 6476 der deutschen Botschaft Paris an das AA, Paris, 2. Oktober 1943. 49 PAA, Inland II g, 373, Vermerk des AA, Berlin, 7. Oktober 1943. 50 PAA, Inland II g, 373, Telegramm der deutschen Botschaft Paris an das AA, Paris, 10. Oktober 1943. 51 Quelle ist eine »Anwesenheitsliste Internierter und anderer im Ifen Hotel 1943– 1945« des Historikers Thomas Gayda, der sich intensiv mit der Geschichte des Ifen-Hotels befasst hat. 52 Jonas, Klaus W.: Der Kronprinz Wilhelm. Frankfurt a.M. 1962, S. 278. 53 »Als die ›Ehrengäste‹ um ihr Leben bangten«, in: Das Allgäu, 29. Mai 2005. 54 »Ein Zeuge tritt ab«, in: Der Spiegel 10/55, 2. März 1955. 55 François-Poncet, André: Politische Reden und Aufsätze. Mainz 1949, S. 31. 56 VLA, Nachlass von Peter Meusburger (Heimatschutz Kleinwalsertal), Signatur 5: Empfehlungsschreiben François-Poncet für Peter Meusburger, 2. Mai 1945 (Fotokopie). 57 VLA, Nachlass Peter Meusburger (Heimatschutz Kleinwalsertal), Signatur 5: Peter Meusburger an Hochkommissariat um Bestätigung der Widerstandstätigkeit, Mittelberg, 14. März 1947. 58 »Ein Zeuge tritt ab«, in: Der Spiegel 10/55, 2. März 1955. 59 Benz, Wolfgang/Distel, Barbara (Hg.): Der Ort des Terrors, Band 3. München 2006, S. 377. 60 BArch, NS 19/96, Befehl Himmlers an den Chef der Sipo und des SD und das Wirtschafts- und Verwaltungshauptamt, Godesberg, 26. Mai 1944.

244  Anhang

61 BArch, NS 19/96, Schreiben Pohls an Himmler, betr.: Verpflegung der Insassen der »Winzerstube«, Berlin, 14. Juni 1944. 62 Ebenda. 63 Benz, Wolfgang/Distel, Barbara (Hg.): Der Ort des Terrors, a.a.O., S. 378. 64 Der Nürnberger Prozess, Verhandlung vom 12. April, 1946, Bd. 11, S. 374f. 65 Gemeint war die Villa des Wiener Bankiers Theodor Cantor in Großegg am südlichen Ufer des Millstädter Sees. 66 Heute Ortsteil der Stadt Haltern am See. Es handelte sich um ein luxuriöses Gebäude, das Bergwerksdirektor Wilhelm Tengelmann 1938/39 hatte erbauen lassen. 67 ITS, Dok. 1.1.0.3/0085/00126, FS von Himmler an Pohl, betr.: Bereitstellung von Objekten, die geeignet sind, hohe Staats- und Kriegsgefangene aufzunehmen, Feld-Kommandostelle, 14.12.1942, Original im BArch. 68 BArch, NS 19/3165, FS von Glück an den Persönlichen Stab RFSS, betr.: Schloss Feistritz, Oranienburg, 27. Dezember 1942. 69 BArch, NS 19/3165, FS RSHA Berlin Amt IV, an den RFSS, Betr.: Schloss Feistriz bei Krieglach, Berlin, 30. Dezember 1942. 70 BARch, NS 19/399, FS von Waldeck an Himmler, Arolsen, 14. November 1942. 71 Hassell, Fey von: Niemals sich beugen. München 1993, S. 131ff.

Deutsche Eliten in SS-Geiselhaft 11 Die Tagebücher von Joseph Goebbels, hg. von Fröhlich, Elke. Teil II, Bd. 7, Eintrag vom 12. Februar 1942. 12 Ebenda, Eintrag vom 16. März 1943. 13 Ebenda, Eintrag vom 12. Februar 1943. 14 Heinrich Hunke, Leiter der Auslandsabteilung im Reichspropagandaministerium. 15 Die Tagebücher von Joseph Goebbels, a.a.O., Teil II, Bd. 7, Eintrag vom 30. März 1943,. 16 Ebenda, Teil II, Bd. 8, Eintrag vom 9. Mai 1943. 17 Schellenberg, Walter: Memoiren. Köln 1959, S. 291ff. 18 BArch, NS 19/2172, Schreiben Himmlers an den Chef der Sipo und des SD, FeldKommandostelle, 5. Juni 1944. 19 Das Nürnberger Militärtribunal, Vernehmung von Kaltenbrunner, 12. April 1946. 10 BStU, MfS HA XX, 3107, »Die Hölle von Sachsenhausen«. Ein Bericht über 1470 Einzelschicksale dargestellt nach den heimlichen Notizen von Emil Büge. 11 Schellenberg, Walter: Memoiren, a.a.O., S. 293.

Anmerkungen  245

12 Rahn, Rudolf: Ruheloses Leben. Erinnerungen und Aufzeichnungen. Düsseldorf 1949, S. 210. 13 PAA, R 100110, Memorandum Fritz Thyssen, 1. Oktober 1939. 14 Gemeint ist Gustav Edler von Remiz, ein Neffe Thyssens, der nach der Besetzung Österreichs verhaftet wurde und im KZ Dachau umkam. Seinen Besitz, Schloss Fuschl, eignete Ribbentrop sich an. 15 PAA, R 100110, Schreiben des RSHA an das RMI, betr.: Aberkennung der deutschen Staatsangehörigkeit des deutschblütigen Dr. jur. h.c. Fritz Thyssen, Berlin, 7. Januar 1940. 16 Speer, Albert: Erinnerungen. Berlin 1969, S. 505f. 17 Zitiert in: Müller, Josef: Bis zur letzten Konsequenz, München 1975, S. 171f. 18 Archiv Peter: Spiegelbild einer Verschwörung, Stuttgart 1961, S. 509, Kaltenbrunner an Bormann, Bericht über die Auslandsbeziehungen der Verschwörer vom 20. Juli 1944, Berlin, 29. November 1944 19 Staatsarchiv München, Pol. Dir. München 10120, Vermerk der Polizeidirektion München über die Verhaftung Neuhäuslers, München, 20. Dezember 1933. 20 Ebenda. 21 Staatsarchiv München, Pol. Dir. München 10120, Schreiben der Bayerischen Politischen Polizei an die Polizeidirektion München, DSt. 123, München 19. Februar 1936. 22 Zitiert in: Schacht, Hjalmar: Abrechnung mit Hitler. Hamburg 1947, S. 29ff 23 Ebenda, S. 30. 24 Ebenda, S.30. 25 Ebenda, S. 31. 26 ITS, Dok. 10253252#1, Angabe des Internationalen Informationsbüros für das ehemalige KZ Dachau. Dachau, 17. November 1945. 27 ITS, Dok. 10253254#1, Einweisungsdokument in das KZ Dachau. Dachau, 11. Oktober 1944. 28 ITS, Dok. 10253255#1 KZ Dachau, Abt. II. Antrag des Prinzen Friedrich Leopold. Dachau, 3. Februar 1945. 29 ITS, Dok. 10253255#1, Empfangsbescheinigung von Prinz Friedrich Leopold. Dachau, 24. April 1945. 30 BStU, MfS HA XX, Nr. 6829, Dossier über Ludwig Schmidt, o.U. 31 Hitlers missglückter Putschversuch im Münchener Bürgerbräukeller. 32 Gustav Ritter von Kahr, bayerischer Generalstaatskommissar. 33 Nürnberger Militärtribunal, Vernehmung Görings, 13. März 1946, Bd. 9, S. 273f. 34 PAA, Inland II g, 16–3, Schnellbrief des Chefs der Sipo an das AA, Betr.: ExKronprinz Rupprecht von Bayern, Berlin, 1. März 1940 35 PAA, Inland II g, 163, Notiz des AA, Martin Luther, Berlin, 7. Mai 1940.

246  Anhang

36 PAA, Inland II g, 163, Telegramm des AA an deutsche Botschaft Rom, Berlin, 17. Juni 1940. 37 PAA, Inland II g, 163, Vermerk des RSHA für das AA, Berlin, 5. Juli 1940. 38 PAA, Inland II g, 163, Telegramm des AA an die deutsche Botschaft in Rom, Berlin, 4. März 1940. 39 PAA, Inland II g, 163, Telegramm der deutschen Botschaft in Rom an das AA, Rom, 5. März 1940. 40 PAA, Inland II g, 163, Telegramm der deutschen Botschaft in Rom an das AA, Rom, 6. März 1940. 41 PAA, Inland II g, 163, Schreiben der Stellv. Adjutantur S.K.H. des Kronprinzen Rupprecht von Bayern an das Reichswirtschaftsministerium, Florenz, 13. Juni 1940. 42 PAA; Inland II g, 163, Schreiben Mackensen an das AA, betr.: Ex-Kronprinz Rupprecht von Bayern, Rom, 22. Juni 1940. 43 PAA, Inland II g, 123, Schreiben des Chefs der Sipo und des SD an den RMI, betr.: Aberkennung der deutschen Reichszugehörigkeit des Exkronprinzen Rupp­ recht von Bayern, Berlin, 16. September 1940. 44 PAA, Inland II g, 163, Schreiben des AA an die deutsche Botschaft in Rom, Berlin, o.D., Oktober 1940. 45 PAA, Inland II g, 163, Schreiben des Chefs der Sipo und des SD an das AA, betr.: Exkronprinz Rupprecht von Bayern, zur Zeit in Italien, Berlin, 22. Mai 1942. 46 PAA, Inland II g, 163, Schreiben Deutsches Generalkonsulat Zürich an das AA, Zürich, 5. Juni 1942. 47 PAA, Inland II g, 163, Schreiben von Mackensen an das AA, betr.: Ex-Kronprinz Rupprecht von Bayern, Rom, 5. Dezember 1942. 48 PAA, Inland II g, 163, FS AA an die Botschaft in Rom, betr.: Reisepässe der Familie des Ex-Kronprinzen Rupprecht v. Bayern, Berlin, 6. März 1943. 49 Siehe dazu: Schlim, Jean Louis: Antonia von Luxemburg. München 2005, S. 127ff. 50 PAA, Inland II g, 163, Telegramm Nr. 1597 der Botschaft Rom an das AA, 13. Juni 1944. 51 PAA, Inland II g, 163, Telegramm des AA an Deutsche Botschaft Rom, Berlin, 15. Juni 1944. 52 PAA, Inland II g, 163, Telegramm des AA an die Dienststelle des Bevollmächtigten des Großdeutschen Reiches für Italien in Fasano, Fuschl, 16. Juni 1944. 53 Zitiert in: Schlim, Jean Louis: Antonia von Luxemburg, a.a.O., S. 131. 54 PAA, Inland II g, 163, Schnellbrief der deutschen Botschaft Fasano an den Chef der Sipo und des SD, Fasano, 30. Juni 1944. 55 PAA, Inland II g, 1563, Telegramm Nr. 3024, Botschafter Rahn an das AA, Fasano, 27. Oktober 1944. Anmerkungen  247

56 PAA, Inland II g, 163, Telegramm Nr. 2335, AA an deutsche Botschaft, Fasano, 29. Oktober 1944. 57 PAA, Inland II g, Telegramm Nr. 3128 des RBV Italien an das AA, Fasano, 10. November 1944. 58 Die Tagebücher von Joseph Goebbels, a.a.O., Teil II, Bd. 14, Eintrag vom 6. November 1944. 59 PAA, Inland II g, 163, Vortragsnotiz für von Ribbentrop, betr.: Prinz Albrecht von Bayern und seine Familie, Berlin, 7.November 1944. 60 Aretin, Erwein von: Wittelsbacher im KZ. München 1947, S. 41f. 61 Irmingard, Prinzessin von Bayern: Jugend-Erinnerungen 1923–1950, S. 291ff. 62 Ebenda, S. 306ff. 63 Ebenda, S. 313ff. 64 Ebenda, S, 319f. 65 Aretin, Erwein von: Wittelsbacher im KZ, a.a.O., S. 45. 66 Schlim, Jean Louis: Antonia von Luxemburg, a.a.O., S. 137f.

Hitlers »persönliche Gefangene« 11 Naujoks, Harry: Mein Leben im KZ Sachsenhausen 1936‒1942. Berlin 1989, S. 222f. 12 Bei Sigismund Payne Best: The Venlo Incident. London 1950 findet sich auch die Schreibweise: Paul Wouwer. 13 Staatsarchiv München, Staanw 34475/2, Aussage von Paul Wauer vor dem Untersuchungsrichter beim Landgericht München II, Plattling, 17. Juli 1951, unkorrigierter Originalwortlaut. 14 Staatsarchiv München, Staanw 34475/2, Aussage von Michael Höck vor dem Untersuchungsrichter beim Landgericht München II, Freising, 28. August 1951. 15 Staatsarchiv München, Staanw 34475/2, Aussage Franz Xaver Lechner vor dem Untersuchungsrichter beim Landgericht München II, München, 24. September 1951. 16 Staatsarchiv München, Staanw 34475/2, Aussage von Karl Kunkel vor dem Untersuchungsrichter beim Landgericht München II, Bensheim, 8. Oktober 1951. 17 Siehe dazu: Neuhäusler, Johann: So war es in Dachau. München 1960, S. 33f. 18 Martin Niemöller: Rede vor der Evangelischen Studentengemeinde am 17. Januar 1946 im Göttingen. Autorisierte Nachschrift für die Göttinger Studentengemeinde, Göttingen 1946. 19 Süddeutsche Zeitung, »Das Attentat im Bürgerbräukeller aufgeklärt. Hitler opferte ›alte Kämpfer‹ zur Stimmungsmache«, München, 22. Februar 1946. 10 Staatsarchiv München, Staanw 34475/2, Schreiben Maria Elser an Niemöller, Originalschreibweise, Königsbronn, 13. Februar 1946. 248  Anhang

11 Staatsarchiv München, Staanw 34475/2, Schreiben Maria Elser an Niemöller, Originalschreibweise, Königsbronn, 23. Februar 1946. 12 Staatsarchiv München, Staanw 34475/2, Schreiben Niemöller an Maria Elser, Büdingen, 23. März 1946. 13 Staatsarchiv München, Staanw 34475/2, Aussage Niemöller vor dem Untersuchungsrichter beim Landgericht München II, Vernehmungsprotokoll, Darmstadt, 9. Oktober 1951. 14 Heim und Welt, Jahrgang 1956, Nr. 14. S. 4. 15 NDR-Fernsehen, »Panorama« Nr. 130, 26. Juli 1965. 16 Hoch, Anton: »Das Attentat auf Hitler im Münchener Bürgerbräukeller«, in: Hoch, Anton/Gruchmann, Lothar: Georg Elser: Der Attentäter aus dem Volke. Der Anschlag auf Hitler im Münchener Bürgerbräukeller 1939. Frankfurt a.M. 1980, S. 10f. und 14f. 17 Staatsarchiv München, Staanw 34475/2, Amtliche Übersetzung der Antworten von Best, Chatford, Devon, 7. September 1951. 18 Beleg aufbewahrt in: BArch, MA Freiburg, MSG 162/34, NL Bonin, Schreiben des Staatsarchivs München, betr.: »Kaltenbrunner-Brief« vom 5. April 1945 an den Lagerkommandanten des KL Dachau, SS-Obersturmbannführer Weiter, München, 21. August 1980. 19 Münchener Landgericht, Hauptverhandlung, Fall 420, S. 307f. 20 Schellenberg, Walter: Aufzeichnungen. München 1979, S. 79ff. 21 Schuschnigg, Kurt: Ein Requiem in Rot-Weiß-Rot. Wien 1978,S. 497f. 22 Staatsarchiv München, Staanw 34475/2, Amtliche Übersetzung der Antworten von Best, Chatford, Devon, 7. September 1951. 23 Best, Sigismund Payne: The Venlo Incident. London 1950, S. 128ff. 24 Speer, Albert: Erinnerungen, a.a.O., S 111. 25 Die Tagebücher von Joseph Goebbels, a.a.O., Teil I, Bd. 3, Eintrag vom 3. Juli 1937. 26 Ebenda, Teil I, Bd. 3, Eintrag vom 15. August 1937. 27 Ebenda, Teil I, Bd. 3, Eintrag vom 29. Januar 1938. 28 Ebenda, Teil I, Bd. 3, Eintrag vom 5. Februar 1938. 29 Ebenda, Teil I, Bd. 3, Eintrag vom 8. Februar 1938. 30 BArch, NS 19/1201, Schreiben von Karl Dörfler an Himmler, München, 8. März 1938. 31 BArch, NS 19/1201, Schreiben von Himmler an Dörfler, Berlin, 17. März 1938. 32 PAA, Inland II g, 44, Schreiben des Chefs der Sipo an das Auswärtige Amt, Berlin, 21. Februar 1939. 33 Die Tagebücher von Joseph Goebbels, a.a.O., Teil I, Bd. 4, Eintrag vom 22. Dezember 1940. 34 Nürnberger Militärtribunal, Vernehmung Görings, 14. März 1946, Bd. 9, S. 307f.

Anmerkungen  249

35 Nürnberger Militärtribunal, Vernehmung Fritzsches, 28. Juni 1946, Bd. 17, S. 203. 36 Nürnberger Militärtribunal, Vernehmung Keitels, 5. April 1946, Bd. 10, S. 642. 37 Der Nürnberger Prozess, Vernehmung Rosenbergs, 16. April 1946, Bd. 11, S. 562ff. 38 Broszat, Martin (Hg.): Kommandant in Auschwitz. München 212008, S. 122ff 39 Quelle: Historisches Centrum Hagen, Ralf Blank, Gauleiter der NSDAP im Ruhrgebiet. 40 LA Berlin, B Rep 031-02-01, Nr. 12559/1, Aufruf Wagners, Breslau, 1. September 1935. 41 Die Tagebücher von Joseph Goebbels, a.a.O., Teil I, Bd. 4, Eintrag vom 10. November 1941. 42 LA Berlin, B Rep 031-02-01, Nr. 12559/1, Schreiben Bormanns an Himmler, Berlin, 21. Oktober 1943. 43 Vermehren, Isa: Reise durch den letzten Akt. Hamburg 1946, S. 177. 44 LA Berlin, B Rep 031-02-01, Nr. 12559/1, Akten des Oberverwaltungsgerichts Berlin, Verfahren Maria Wagner gegen das Land Berlin, Urteil vom 21. April 1954.

»Ehrenhaft« für den österreichischen Bundeskanzler 11 BArch, NS 19/890, Vermerk für Himmler, Berlin, 28. November 1934. 12 Die Tagebücher von Joseph Goebbels, a.a.O., Teil I, Bd. 2, Eintrag vom 15. Dezember 1937. 13 Schuschnigg, Kurt: Im Kampf gegen Hitler. Wien 1969, S. 377ff. 14 BArch, R 58/369, Bericht der Stapo-Leitstelle Wien, 20. Juni 1938. 15 BArch, R 58/369, Daily Express, London, 4. Juni 1938. 16 BArch, R 58/369, Vermerk über den Besuch von Vera Schuschnigg bei ihrem Mann, Wien, 5. August 1938 17 BArch, R 58/369, Stapo-Leitstelle Wien, Vermerk über den Besuch von Vera Schuschnigg bei ihrem Mann, Wien, 20. August 1938. 18 BArch, R 58/365, FS des Gestapa an die Stapo Wien, Berlin, 21. Oktober 1938. 19 BArch, R 58/369, Stapo-Leitstelle Wien, Bericht an den Leiter der Stapo-Leitstelle, 29. August 1938. 10 BArch, R 58/369, Stapo-Leitstelle Wien, FS des Leiters der Stapo-Leitstelle Wien an das Gestapa Berlin, 1. September 1938. 11 BArch, R 58/369, FS des Gestapa Berlin an Gestapo Wien, Berlin, 23. August 1938. 12 BArch, R 58/369, Schreiben der Stapo-Leitstelle Wien an das Gestapa Berlin, betr.: Abziehung der Wache der V.T. im Hause, Wien, 5. September 1938. 250  Anhang

13 BArch, R 58/369, Standarte SS 3, SS-Verfügungstruppe, betr.: Schuschnigg-Wache, Schreiben an den Inspekteur der Ordnungspolizei, Wien, 5. September 1938. 14 BArch, R 58/369, Schreiben der Stapo-Leitstelle Wien an das Gestapa Berlin, betr.: Abziehung der Wache der V.T. im Hause, Wien, 5. September 1938. 15 BArch, R 58/369, Wachvorschrift, Wien, 8. September 1938. 16 Beruhigungsmittel. 17 BArch, R 58/365, Ergänzung zur Wachvorschrift, Wien, 21. Februar 1939. 18 BArch, R 58/365, Vermerk Stapo-Leitstelle Wien, 12. Dezember 1938. 19 BArch, R 58/365, Vermerk Stapo-Leitstelle Wien, 7. Januar 1939. 20 Ebenda. 21 BArch, R 58/365, Bericht der Gestapo Wien an das Gestapa Berlin, betr.: Verpflegung des ehemaligen Bundeskanzlers Schuschnigg, Wien, 17. Februar 1939. 22 BArch R 58/365, Vermerk der Stapo Wien, 21. Februar 1939. 23 BArch, R 58/365, FS Pifrader an das Gestapa Berlin, betr.: Dr. Sch. und Ehefrau, Wien, 18. April 1939. 24 Ebenda. 25 BArch, R 58/369, FS Gestapa Berlin an Stapo-Leitstelle Wien, Berlin, 30. Juni 1939. 26 BArch, R 58/369, Schnellbrief Gestapa Berlin an Stapo-Leitstelle Wien, Berlin, 14. August 1939. 27 Zitiert in Schuschnigg, Kurt: Ein Requiem in Rot-Weiß-Rot, a.a.O., S. 377, Schreiben von Vera Schuschnigg an die Gestapo München, 5. Februar 1940. 28 Ebenda, S. 403. 29 Ebenda, S. 403f. 30 Siehe dazu: Binder, Dieter A. (Hg.): Sofort vernichten. Die vertraulichen Briefe Kurt und Vera von Schuschniggs 1938‒1945. Wien 1997. 31 Ebenda, Schreiben an Artur, 8. März 1942, S. 206ff. 32 Ebenda, Schreiben an Artur, 16. März 1942, S. 214. 33 Ebenda, Schreiben an Artur, 2. April 1942, S. 223. 34 Ebenda, Schreiben an Artur, 13. November 1942, S. 260f. 35 Ebenda, Schreiben an Hermann, 17 November 1942, S.262ff. 36 Ebenda, Schreiben an Artur, 18. Dezember 1942, S. 267f. 37 Ebenda, Schreiben an Artur, 28. Oktober 1943, S. 311. 38 Schuschnigg, Kurt: Ein Requiem in Rot-Weiß-Rot, a.a.O., S. 479. 39 Ebenda, S. 480f. 40 Ebenda, S. 484. 41 ITS, ArchivNr. 1419, Anweisung SS-Standortarzt Flossenbürg, 21. März 1945. 42 Hervorhebungen im Original. 43 Schuschnigg, Kurt: Ein Requiem in Rot-Weiß-Rot, a.a.O., S. 486f Anmerkungen  251

44 Ebenda, S. 498. 45 Ebenda, S. 499. 46 Das Nürnberger Militärtribunal, Aussage von Kaltenbrunner, Protokoll vom 12. April 1946.

Die Verfolgung der französischen Elite 11 Rahn, Rudolf: Ruheloses Leben, a.a.O., S. 149. 12 Ebenda. 13 BArch, NS 19/3402, FS Himmlers an SS-Obergruppenführer Müller, Berlin, 15. November 1942. 14 BArch, NS 19/3787, FS Himmlers an Sauckel, Berlin, 12. November 1942. 15 BArch, NS 19/3787, FS Himmlers an Meyer, Berlin, 12. November 1942. 16 BArch, NS 19/3787, FS Himmlers an Hofer, Berlin, 12. November 1942. 17 BArch, NS 19/3402, Schreiben Himmlers an Ribbentrop, nachrichtlich an SSObergruppenführer Wolff, Feldkommandostelle, 20. Januar 1943. 18 BArch, NS 19/2532, FS SS-Obergruppenführer Müller an Himmler, Berlin, 5. Dezember 1942. 19 Der Nürnberger Prozess, Verhandlung vom 24. Januar 1946, Bd. 6. S. 170f. 10 Ebenda, S. 169. 11 Joos, Joseph: Leben auf Widerruf. Olten 1946, S. 149. 12 Anweisung des Kommandanten des KL Dachau, Dachau, 13. März 1945, im Faksimile veröffentlicht in: Comité International der Dachau (Hg.): Konzentrationslager Dachau 1933–1945. Brüssel 71978, S. 103. 13 Joos, Joseph: Leben auf Widerruf, a.a.O., S. 149. 14 Der Nürnberger Prozess, Verhandlung vom 11. Januar 1946, Bd. 5, S. 210f., unkorrigierter Originalwortlaut. 15 PAA, Inland II g, 372, Modalität zur Ermordung von Deboisse, richtig: De Boisse, Berlin, November 1944. 16 PAA, Inland II, 372, Vermerk des AA, Inland II, betr.: Französischen General, Berlin, 13. Dezember 1944. 17 PAA, Inland II, 372, Vermerk AA, Inland II, betr.: Französischen General, Berlin, 16. Dezember 1944. 18 PAA, Inland II, 372, Schreiben von Kaltenbrunner an Himmler, Berlin, 30. Dezember 1944. 19 PAA, Inland II g, 369, Telegramm Nr. 639, Ribbentrop an die deutsche Botschaft Paris, Fuschl, 15. April 1944. 20 PAA, Inland II g, 369, Telegramm Nr. 21340, Abetz an das AA, Paris, 9. Mai 1944.

252  Anhang

21 PAA, Inland II g, 369, Telegramm Nr. 2252, Renthe-Fink an Gesandten Altenburg, Paris, 13. Mai 1944. 22 PAA, Inland II g, 369, Telegramm Ribbentrop an Abetz, Sonderzug Westfalen, 12. August 1944. 23 PAA, Inland II g, 369, Telegramm des RSHA, Schellenberg, an das AA, Sonderzug Westfalen, betr.: Überführung des Marschalls Pétain von Vichy nach Belfort, 27. August 1944. 24 PAA, Inland II g, 369, Telegramm des RSHA, Schellenberg, an das AA, Sonderzug Westfalen, betr.: Überführung des Marschalls Pétain von Vichy nach Belfort, 27. August 1944. 25 PAA, Inland II g, 369, Telegramm Nr. 4026, AA an Diplogerma Belfort, Sonderzug Westfalen, 7. September 1944. 26 PAA, Inland II g, 369, Telegramm von Renthe-Fink an das AA, Belfort, 7. September 1944. 27 PAA, Inland II g, 369, Telegramm Nr. 2, Abetz an das AA, Sigmaringen, 10. September 1944. 28 PAA, Inland II g, 369, Telegramm Nr. 56, deutsche Vertretung Sigmaringen an das AA, Sigmaringen, 29. September 1944. 29 PAA, Inland II g, 369, Telegramm Nr. 214, RSHA an Abetz, Sonderzug Westfalen, 15. Oktober 1944. 30 PAA, Inland II g, 373, Telegramm deutsche Botschaft Sigmaringen an das AA, 3. Dezember 1944. 31 PAA, Inland II g, 373, Vermerk AA, Inland II B, Berlin, 4. Januar 1945. 32 Die Tagebücher von Joseph Goebbels, a.a.O., Teil II, Bd. 12, Eintrag vom 30. November 1944. 33 PAA, Inland II g, 369, Schreiben des RSHA an das Deutsche Rote Kreuz, betr.: Marschall Pétain und General Gamelin, Berlin, 1. Dezember 1944. 34 PAA, Inland II g, 369, Schreiben der deutschen Botschaft Paris, Dienststelle Sigmaringen an das AA, betr.: Treibstoffzuteilung für Marschall Pétain und die französische Regierung, Sigmaringen, 9. Januar 1945. 35 Rahn, Rudolf: Ruheloses Leben, a.a.O., S. 295. 36 Ebenda, S. 186. 37 Der Nürnberger Prozess, Verhandlung vom 30. November 1945, Bd. 2, S. 498. 38 Der Nürnberger Prozess, Vernehmung Keitels am 5. April 1946, Bd. 10, S. 644ff. 39 PAA, Inland II g, 373, Telegramm Nr. 5157, Botschafter Abetz an das AA Berlin, Paris, 13 November 1942. 40 PAA, Inland II g, 373, Telegramm Nr. 5171, Botschafter Abetz an das AA Berlin, Paris, 13 November 1942. 41 PAA, Inland II g, 373, Telegramm Nr. 5171, Botschafter Abetz an das AA Berlin, Paris, 13 November 1942. Anmerkungen  253

42 BArch, NS 19/1929, FS Botschaft Paris an den Reichsführer-SS, betr.: Erklärung Lavals vor der Pariser Presse, Paris, 26. November 1942. 43 BArch, NS 19/3841, Bericht des Kommandeurs an SS-Gruppenführer Jüttner, Radolfzell, 18. November 1942. 44 Hervorhebung im Original. 45 BArch, NS 19/2159, Vermerk für SS-Obersturmbannführer Müller, Radolfzell, 13. November 1942. 46 PAA, Inland II g, 373, Schreiben Weygands an seine Frau Renée, Radolfzell, 24. November 1942. 47 PAA, Inland II g, 373, Schreiben Weygands an seine Frau Renée, Radolfzell, 3. Dezember 1942. 48 PAA, Inland II g, 373, Notiz des AA, Berlin, 5. Januar 1943. 49 BArch, NS 19/3841, Bericht des Kommandeurs an SS-Gruppenführer Jüttner, Radolfzell, 18. November 1942. 50 BArch, NS 19/3841, Bericht des Kommandeurs an SS-Gruppenführer Jüttner, Radolfzell, 18. November 1942. 51 PAA, Inland II g, 373, Vermerk des RSHA, IV D 4, betr.: Liebesgabenpakete für General Weygand, Berlin, 9. Juni 1943. 52 BArch, NS 19/3787, FS RSHA an Jüttner, 14. November 1942. 53 BArch, NS 19/3787, FS SS-Unterführerschule Radolfzell an Grothmann, Radolfzell, 3. Dezember 1942. 54 BArch, NS 19/3787, Aktennotiz für SS-Sturmbannführer Baumert, Feldkommandostelle RF-SS, 2.Dezember 1942. 55 BArch, NS 19/2159, FS Himmler an Schellenberg, RF/V., 5. Dezember 1942. 56 BArch, NS 19/3787, Schreiben SS-Führungshauptamt an Grothmann, betr.: Lottermann“, Berlin, 14. Dezember 1942. 57 BArch, NS 19/3787, Schreiben des Kommandeurs der SS-Unterführerschule Radolfzell an Jüttner und Schellenberg , betr.: Lottermann, Radolfzell, 12. Dezember 1942. 58 BArch, NS 19/2159, Vermerk Himmlers, Feldkommandostelle, Dezember 1942, ohne Angabe des Tages. 59 BArch, NS 19/2289, Meldung Himmlers an den »Führer«, betr.: General Weygand, Feldkommandostelle, 21. Januar 1943. 60 BArch, NS 19/3787, FS von Müller an Himmler, betr.: Lottermann, Berlin, 5. Januar 1943. 61 BArch, NS 19/3527, FS Himmlers an Kaltenbrunner, Berlin, 28. Februar 1943. 62 PAA, Inland II g, 373, Telegramm von Abetz, Nr. 560, Paris, 4. Februar 1944. 63 PAA, Inland II g, 373, Vermerk Kaltenbrunners für das AA, betr.: General Weygand und Ehefrau, Berlin, 4. April 1944. 64 Vgl. dazu: ((Général)) Giraud, Paul: Mes évasions. Paris 1946. 254  Anhang

65 Der Nürnberger Prozess, Verhandlung vom 30. November 1945, Bd. 2, S. 511. 66 Die Tagebücher von Joseph Goebbels, a.a.O., Teil II, Bd. 8, Eintrag vom 12. Mai 1943. 67 BStU, MfS HA IX/11, ZR 920, Akte 125, Abwehrstelle Prag III H, Aktenvermerk zur Flucht von Giraud, Prag, 18. April 1942. 68 Ebenda, Aktenvermerk vom 21. April 1942. 69 Die Tagebücher von Joseph Goebbels, a.a.O., Teil II, Bd. 4, Eintrag vom 26. April 1942. 70 Ebenda, Eintrag vom 27. April 1942, S. 184. 71 BStU, MfS HA IX/11, ZR 920, Akte 125, Abwehrstelle Prag III H, Aktenvermerk zur Flucht von Giraud, Prag, 28. April 1942. 72 Landesarchiv StAF V 200/1 Nr. 65, Bericht der Staatlichen Kriminalpolizei Singen, Betr.: Großfahndung nach General Giraud, Singen, 26. April 1942. 73 PAA, Inland II g, 372, Telegramm 91 an das AA, Bern 29. April 1942 74 PAA, Inland II g, 372, Telegramm Nr. 2471 an das AA, Madrid, 4. Mai 1942. 75 PAA, Inland II g, 372, Telegramm 743 an das AA, Bern, 8. Mai 1942. 76 Die Tagebücher von Joseph Goebbels, a.a.O., Teil II, Bd. 4, Eintrag vom 1. Mai 1942. 77 Ebenda, Eintrag vom 6. Mai 1942, S. 247. 78 Der Nürnberger Prozess, Aussage Ribbentrops am 1. April 1946, Bd. 10. S. 361. 79 Höhne, Heinz: Wilhelm Canaris. Patriot im Zwielicht. München 1976, S. 451f. 80 PAA, Inland II g, 372, Telegramm Nr. 1910 der deutschen Botschaft Paris an das AA, 8. Mai 1942. 81 Die Tagebücher von Joseph Goebbels, a.a.O., Teil II, Bd. 4, Eintrag vom 8. Mai 1942. 82 Ebenda, Eintrag vom 15. Mai 1942. 83 Ebenda, Eintrag vom 15. Mai 1942. 84 Rahn, Rudolf: Ruheloses Leben, a.a.O., S. 187. 85 PAA, Inland II g, Berichte der Funkabhörstelle des AA, 23. Mai 1942. 86 Ebenda. 87 Die Tagebücher von Joseph Goebbels, a.a.O., Teil II, Bd. 4, Eintrag vom 11. November 1942. 88 Rahn, Rudolf: Ruheloses Leben, a.a.O., S. 196. 89 PAA, R 101188, Vermerk des AA, Berlin, 16. Januar 1945 90 PAA, R 101188, Vermerk des AA, Berlin, 3. Oktober 1944 91 PAA, R 101188, Vermerk des AA, Betr.: Nichte de Gaulle, Berlin, 5. Oktober 1944 92 PAA, R 29851, Bericht der deutschen Botschaft Paris an das AA, Paris, 4. Februar 1937.

Anmerkungen  255

193 Blum, Léon: »Le dernier mois (Der letzte Monat)«, übers. von Franka Günther, in: Quellen zur Geschichte Thüringens, II. Halbband. Landeszentrale für politische Bildung Thüringen. Erfurt 42008, S. 317ff. 194 Ebenda, S. 323. 195 Ebenda, S. 323. 196 BArch, R 43 II/1440a, Dossier über Paul Reynaud, undatiert. 197 BArch, R 43 II/1440a, Meldung des DNB, »Warum Daladier gehen musste«, Berlin, 6. Juni 1940. 198 Brief von Mandel an seine Frau, 16. August 1945, zitiert in: Sherwood, John M.: Georges Mandel and the Third Republic. Stanford 1970, S. 279. 199 Brinon, Fernand de: Les procès de collaboration. Paris 1949, Aussage von Michel Clemenceau, S. 172. 100 Noguères, Louis: Le véritable procès du Maréchal Pétain. Paris 1955, S. 342f. 101 Pétain, Philippe: Quatre années au pouvoir. Paris 1949, S. 20f. 102 Archiv Sachsenhausen, Sonder- und Gestapohäftlinge, N–R, Quelle: Reynaud, Paul: Carnets de capitivite 1941‒1945, hg. von Demey, Évelyne. Paris 1997. 103 Der Nürnberger Prozess, Verhandlung vom 1. August 1946, Bd. 20, S. 185f. 104 Ebenda, S. 194. 105 Archiv Sachsenhausen, Ordner Sonder- und Gestapohäftlinge, L–M, zitiert in Stibio, André: Les carnets de captivité de Georges Mandel. Paris 1945, Arbeitsübersetzung Christina Hilgendorff. 106 Ebenda. 107 Sherwood, John: Georges Mandel and the Third Republic, a.a.O., S. 286. 108 Ebenda, S. 286. 109 Ebenda, S. 287. 110 CDJC, Dok. CXXV–99, Telegramm von Abetz an Ribbentrop, 13. Mai 1944, zitiert in: Reynaud, Paul: Carnets de capitivite 1941‒1945, a.a.O., S. 992ff. 111 Die Tagebücher von Joseph Goebbels, a.a.O, Teil II, Bd. 12, Eintrag vom 6. Juni 1944. 112 CDJC, Dok. CXXV–97, Telegramm von Hilger an Abetz, 30. Mai 1944, zitiert in: Baraduc, Jacques: Tout ce qu’on vous a caché. Paris 1949, S. 222 113 Blum, Léon: L’Œuvre, V, Archiv Sachsenhausen, Ordner »Sonder- und Ehrenhäftlinge« L‒M, Carnets de captivité de Georges Mandel, par André Stibio, in: L´Ordre, Arbeitsübersetzung von Christina Hilgendorff, S. 518. 114 Die Tagebücher von Joseph Goebbels, a.a.O, Teil II, Bd. 13, Eintrag vom 16. Juli 1944. 115 Archiv Sachsenhausen, Ordner »Sonder- und Ehrenhäftlinge« N‒R, L’Echo de Nancy, 6. April 1943, Reynaud, Paul, Carnets de captivité, 1941–1945. Paris 1946. Übersetzungsauszug von von Christina Hilgendorff. 116 Reynaud wurde für eine Nacht im KZ Buchenwald untergebracht. 256  Anhang

117 Archiv Sachsenhausen, Ordner Sonder- und Gestapo-Häftlinge, N–R, Reynaud, Paul: Carnets de captivité, a.a.O., Übersetzungsauszug von Christina Hilgendorff. 118 PAA, Inland II g, 372, Gutachtliche Äußerung des beratenden Psychiaters beim Heeresgruppenarzt D, Paris, 14. Juli 1943. 119 PAA, R 101181, FS Nr. 1525 des Gesandten Beckerle an das AA, Sofia 28. September 1943. 120 PAA, R 101181, Telegramm Nr. 1525 der deutschen Botschaft in Sofia an das AA, Sofia, 28. September 1943. 121 PAA, R 101181, Telegramm von Beckerle an das AA, Sofia, 2. Oktober 1943. 122 PAA, R 101181, Telegramm des AA an den Gesandten Sonnleithner, betr.: Verhaftung von Fürst Louis Bourbon-Parma und Gemahlin Maria von Savoyen, Berlin, Sept. 1943. 123 PAA, R 101181, Vermerk AA, Abt. Pol. IV a, Berlin, 17. April 1944. 124 PAA, R 101181, Vermerk AA, Abt. Inland II an Abt. Pol. IV a, Berlin, 28. April 1944. 125 PAA, R 101181, Telegramm AA an Gesandtschaft Sofia, Berlin, Oktober 1944. 126 PAA, Inland II g, 372, Vermerk des AA, Berlin, 29. April 1944. 127 ITS, ArchivNr. 1419, Schreiben des IRK an den Auslandsdienst des DRK, Genf, 31. Oktober und 8. November 1944. 128 ITS, ArchivNr. 1419, Schreiben des IRK an den Auslandsdienst des DRK, Genf, 9. März 1945. 129 ITS, ArchivNr. 1419, Schreiben des DRK an das RSHA, Betr.: Gesundheitszustand des franz. Staatsangehörigen Prinz Xavier de Bourbon-Parme, Ettal, 12. April 1945 130 Gemeint ist die Überführung der Leiche von Napoleon Franz Joseph Karl Bonaparte, späterer Herzog von Reichstadt, der 1832 in Schönbrunn gestorben war und in der Wiener Kapuzinergruft beerdigt wurde. Hitler hatte 1940 seinen Sarkophag in den Pariser Invalidendom überführen und neben dem von Napoleon I. aufstellen lassen. 131 BArch, NS 19/3402, Schreiben Himmlers an Ribbentrop, Feldkommandostelle, Januar 1943. 132 NA, T–175, Blitz-Fernschreiben von Schellenberg an Himmler, Berlin, 9. November 1942. 133 Der Nürnberger Prozess, Verhandlung vom 31. Januar 1946, Bd. 6. S. 433f. 134 PAA, Inland II g, 372, Telegramm 6686 der deutschen Botschaft an das AA, Paris, 15. Oktober 1943. 135 Der Nürnberger Prozess, Verhandlung vom 31. Januar 1946, Bd. 6. S. 433f. 136 PAA, Inland II g, 373, Notiz des AA, Berlin, 2. Juli 1943.

Anmerkungen  257

137 PAA, Inland II g, 372, Gesprächsaufzeichnung für Himmler, Salzburg, 30. Mai 1943. 138 PAA, Inland II g, 372, Schreiben des RSHA an das AA, betr.: Tochter des Dissidenten-Generals Giraud, Madame Granger, Berlin, 21. Mai 1943. 139 Thüringisches Hauptstaatsarchiv Weimar, NS-Archiv des MfS, Objekt 9 ZA 69, Bl 10f, Aussage Gestapo-Mitarbeiterin Friedel Fahrig, Stadtvorstand der Landeshauptstadt, Polizeidirektion, Kriminalamt, Weimar, 11. Juni 1945. 140 PAA, Inland II g, 372, Vortragsnotiz des AA, Salzburg, 27. Mai 1943. 141 PAA, Inland II g, Telegramm N. 6732 an das AA, Paris, 16. Oktober 1943. 142 PAA, Inland II g, 372, Ergänzung zum Telegramm Nr. 6732, Paris, 16. Oktober 1943. 143 PAA, Inland II g, Vermerk des AA, betr.: Tochter des Generals Giraud, Frau Granger und ihre Kinder, Berlin, 27. Januar 1944. 144 PAA, Inland II g, Schreiben des RSHA an das AA, Berlin, betr.: Familie Giraud, 29. Februar 1944. 145 PAA, Inland II g, 372, Schreiben des Chefs der Sipo und des SD, an das AA, betr.: Enkelkinder des Generals Giraud, Berlin, 19. August 1944.

SS-Gewahrsam für den belgischen König 11 PAA, NL Mackensen, Bd. 4, Kriegsministerium, Generalkommando der franz. Armee, 2. Büro, Charakteristik König Leopolds III., 21. Dezember 1938. 12 DNB-Bericht vom 21. Juli 1939. 13 Akten zur Deutschen Auswärtigen Politik, Dokument 346, Bd. VIII, S. 312. 14 DNB-Bericht vom 28. Mai 1940. 15 Gemeint ist der französische Kabinettschef Paul Reynaud. 16 Die Tagebücher von Joseph Goebbels, a.a.O., Teil I, Bd. 4, Eintrag vom 31. Mai 1940. 17 Ebenda, Eintrag vom 29. Mai 1940. 18 Akten zur deutschen auswärtigen Politik, Serie D, Band X, Die Kriegsjahre, 3. Band, Schreiben des Chefs des OKW an den Oberbefehlshaber des Heeres, 14. Juli 1940. 19 PAA, NL Mackensen, Telegramm Werkmeisters, HNOX, 31. Mai 1940. 10 Ebenda. 11 Akten zur deutschen auswärtigen Politik, Serie D, Band X, Die Kriegsjahre, 3. Band, Schreiben des Chefs des OKW an den Oberbefehlshaber des Heeres, 14. Juli 1940. 12 Ebenda, Schreiben von Kiewitz an Oberst Rudolf Schmundt, Chefadjutant der Wehrmacht beim Führer, Schloss Laeken, 26. Juli 1940.

258  Anhang

13 Domarus, Max: Hitler. Reden und Proklamationen 1932‒1945. Wiesbaden 1973, S. 1620f. 14 BArch, NS 19/1539, Schreiben von SS-Gruppenführer Berger an Himmler, betr.: Flandern–Finnland, Berlin, 17. Juni 1941. 15 Heims, Heinrich/Jochmann, Henry (Hg.): Monologe im Führerhauptquartier 1941‒1944. Hamburg 1980, S. 304. 16 Picker, Henry: Hitlers Tischgespräche im Führerhauptquartier. München 2003, Eintrag Nr. 51, 28. März 1942, S. 216 17 Ebenda, Eintrag Nr. 157 vom 27. Juni 1942, S. 558f. 18 Ebenda, Eintrag 189 vom 24. Juli 1942, S. 657. 19 Heims, Heinrich/Jochmann, Henry (Hg.): Monologe im Führerhauptquartier, a.a.O., S. 304 und 341f. 20 Die Tagebücher von Joseph Goebbels, a.a.O., Teil II, Bd. 4, Eintrag vom 29. Mai 1942. 21 BArch, NS 19/2264, Schreiben von Berger an Himmler, betr.: Brief des Führers an den belgischen König, Berlin 9. März 1943. 22 Gemeint war damit das Ausscheren Italiens aus dem Achsen-Bündnis. 23 Heiber, Hemut (Hg.): Hitlers Lagebesprechungen. Die Protokollfragmente seiner militärischen Konferenzen 1942‒1945. Stuttgart 1962, Abendlage vom 25. Juli 1943, S. 322. 24 BArch, NS 19/75, FS Himmlers an Jungclaus, Feldkommandostelle, 30. Juli 1943. 25 PAA, R 27654, Telegramm AA an Gesandten von Rintelen, Berlin, 23. Oktober 1942 26 Quelle: Velaers, Leopold III., S. 848 27 PAA, Inland II g, 17a, FS SS-Obersturmbannführer Brandt an das AA, Betr.: Belgischen König, Berlin, 30. August 1943 28 PAA, Inland II g, 17a, Schnellbrief des AA an Brandt, Berlin, 21. September 1943. 29 Sächsisches Staatsarchiv, Hauptstaatsarchiv Dresden, 10701 Staatskanzlei, Nr. 320/20, Schreiben des Landrats Meißen an die Sächsische Revisions- und Treuhandgesellschaft in Generalvollmacht der Frau Luise verw. Busse, Schloss Hirschstein, Meißen, 7. Oktober 1943. 30 Sächsisches Staatsarchiv, Hauptstaatsarchiv Dresden, 10701 Staatskanzlei, Nr. 320/20, Vermerk, Dresden, 20. September 1943 31 Sächsisches Staatsarchiv, Hauptstaatsarchiv Dresden, 10701 Staatskanzlei, Nr. 320/20, Vermerk, Dresden, 14. Oktober 1943. 32 University Amsterdam Press (Hg.): Justiz und NS-Verbrechen. Amsterdam 1970, Bd. V, S. 603ff.

Anmerkungen  259

33 Falkenhausen wurde nach dem 20. Juli 1944 verhaftet und in den Konzentrationslagern Buchenwald und Dachau inhaftiert. 34 Velaers, Jan van: Leopold III. De Koning het Land de Oorlog. Tielt 2001, S. 859 35 Die Tagebücher von Joseph Goebbels, a.a.O., Teil II, Bd. 12, Eintrag vom 17. Juni 1944. 36 Ebenda, Eintrag vom 20. Juni 1944. 37 Homepage der Gemeinde Hirschstein, http://www.hirschstein.de/p/ d1asp?artikel_id=1082 38 Velaers, Jan van: Leopold III., a.a.O., S. 865. 39 Landesarchiv Salzburg, Quelle: Bouchaute, Roger van: »Drei Könige in Strobl«, in: Johann Steher (Hg.): Strobl am Wolfgangsee. Naturraum, Geschichte und Kultur einer Gemeinde im Salzkammergut. Strobl 1998, S. 215‒220. 40 Heinisch, Reinhard: Die Internierung des belgischen Königs Leopold III. in Strobl im Jahre 1945. Salzburg 1992, S. 292ff. 41 Ebenda, S. 294f. 42 BArch, R 62/12, FS Ribbentrops, ohne Ortsangabe, 27. April 1945. 43 »Könige kommen und gehen«, in: Der Spiegel 1947, Nr. 15, 12. April 1947, S. 9. 44 Der Spiegel, »Astrid blieb unvergessen. 185 000 Worte für Leopold«, «, in: Der Spiegel 1947, Nr. 26, 18. Juni 1947, S. 9.

Italien im Visier Hitlers 11 Anfuso, Filippo: Die beiden Gefreiten. München 1952, S. 23ff. 12 Die Tagebücher von Joseph Goebbels, a.a.O., Teil 1, Bd. 2, Eintrag vom 4. Juni 1933. 13 Heiber, Helmut (Hg.): Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte, Bd. 10, Hitlers Lagebesprechungen. Die Protokollfragmente seiner militärischen Konferenzen 1942‒1945. Stuttgart 1962, S. 207 14 Eberle, Henrik/Uhl, Matthias (Hg.): Das Buch Hitler. Geheimdossier des NKWD für Josef W. Stalin. Bergisch-Gladbach 2005, S. 223ff. 15 Ebenda, S. 224. 16 Ebenda, S. 226. 17 Die Tagebücher von Joseph Goebbels, a.a.O., Teil II, Bd. 9, Eintrag vom 27. Juli 1943. 18 Ebenda, Teil II, Bd. 9, Eintrag vom 10. September 1943, S. 458. 19 Speer, Albert: Erinnerungen, a.a.O., S. 320. 10 Heinrich, Prinz von Hessen: Der kristallene Lüster. Meine deutsch-italienische Jugend 1927‒1947. München 1994, S. 146f. 11 HHStAW, 520 D-Z, Beiakten Bd.I. 12 Heinrich, Prinz von Hessen: Der kristallene Lüster, a.a.O., S. 214ff. 13 Ebenda, S. 217. 260  Anhang

14 Heiber, Helmut (Hg.): Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte, Bd. 10, Hitlers Lagebesprechungen, a.aO., S. 316f. 15 Ebenda, S. 316f. 16 Ebenda. 17 Die Tagebücher von Joseph Goebbels, a.a.O., Teil II, Bd. 9, Eintrag vom 27. Juli 1943. 18 Schellenberg,Walter: Memoiren, a.a.O., S. 301. 19 Badoglio, Pietro: Italien im Zweiten Weltkrieg. Erinnerungen und Dokumente. München 1947, S. 105. 20 Ebenda, S. 105f. 21 Arbeitsgemeinschaft »Das Licht« (Hg.): Beichte des Lagerkommandanten von Mauthausen, SS-Standartenführer Franz Ziereis, Baden-Baden 1946, S. 14. 22 BArch, NS 19/2348, FS an den Pers. Stab RFSS, SS-Obersturmbannführer Baumert, 14. September 1943. 23 Die Tagebücher von Joseph Goebbels, a.a.O., Teil II, Bd. 9, Eintrag vom 11. September 1943. 24 Institut für Zeitgeschichte, München, Goebbels’ Tagebuch, Bl 27031. 25 Heinrich, Prinz von Hessen: Der kristallene Lüster, a.a.O., S. 164ff. 26 Die Tagebücher von Joseph Goebbels, a.a.O., Teil II, Bd. 9, Eintrag vom 23. September 1943. 27 KZ Gedenkstätte Buchenwald, Leonardo Bonino, Bericht 1945, Auszug. 28 Heinrich Prinz von Hessen: Der kristallene Lüster, a.a.O., S. 272ff. 29 Ebenda. 30 Kogon, Eugen: Der SS-Staat. Das System der deutschen Konzentrationslager. München 1974, 2001, S. 215. 31 Anfuso, Filippo: Die beiden Gefreiten, a.a.O., S. 251. 32 Ebenda, S. 257. 33 Kuby, Erich: Verrat auf deutsch. Wie das Dritte Reich Italien ruinierte. Hamburg 1982, S. 289. 34 Ebenda, S. 291. 35 Ebenda, S. 291. 36 Ebenda, S. 257. 37 BArch, NS 19/912, FS Obersturmbannführer Brandt an SS-Hauptsturmführer Schnitzler, Berlin, 4. September 1943. 38 Ciano, Edda: My Truth. London 1977, S. 199f. 39 BArch, NS 19/912, Schreiben von Edda Ciano-Mussolini an Himmler, ohne Ortsangabe, 2. September 1943. 40 Siehe auch Moselay, Ray: Zwischen Hitler und Mussolini. Das Doppelleben des Grafen Ciano. Berlin 1998, S. 219f.

Anmerkungen  261

41 Thüringisches Hauptstaatsarchiv Weimar, NS-Archiv des MfS Objekt 9 ZA 69, Bl 10f, Aussage von Gestapo-Mitarbeiterin Friedel Fahrig, Stadtvorstand der Landeshauptstadt, Polizeidirektion, Kriminalamt, Weimar, 11. Juni 1945.

Terror gegen Osteuropa 11 Die Tagebücher von Joseph Goebbels, a.a.O., Teil II, Bd. 1, Eintrag vom 22. Juli 1941. 12 Ebenda, Eintrag vom 23. Juli 1941. 13 Ebenda, Eintrag vom 28. Juli 1941. 14 »Wie sich der Sohn Stalins den Deutschen ergab«, in: Völkischer Beobachter, Münchener Ausgabe, 24. Juli 1941, S. 1f. 15 Völkischer Beobachter, »Stalins Sohn sagt aus: ›Bei uns war alles so liederlich‹«, in: Völkischer Beobachter, Münchener Ausgabe, 29. Juli 1941, S. 1. 16 Lappland-Kurier, Nr. 11, Rovaniemi, 28. Juli 1941. 17 PAA, R 27653, Brief Dschugaschwilis an seinen Vater Stalin, 19. Juli 1941. 18 PAA, R 27653, OKW, Flugblatt 135 st, August 1941. 19 PAA, R 27653, Vortragsnotiz von Unterstaatssekretär Luther, Berlin, 6. August 1941. 10 BStU, HA IX/11, RF-Pressemappe, »Wird das Schicksal des Stalin Sohnes aufgeklärt? – Prozess in München kann Licht in das Dunkel bringen«, in: Spandauer Volksblatt, 5. Oktober 1967. 11 Staatsarchiv München, Staanw 34753, Schreiben von Reichskriminaldirektor a.D. Kurt Amend an das Hessische Landeskriminalamt, Wiesbaden, 20. Juni 1968. 12 Staatsarchiv München, Staanw 34753, Vernehmung von Eccarius im Untersuchungsgefängnis Fürstenfeldbruck, 7. Dezember 1967. 13 Staatsarchiv München, Staanw 34753, Vernehmung Pätzkes in der Kriminaldirektion Leverkusen, Leverkusen, 21. Februar 1968. 14 Staatsarchiv München, Staanw 34753, Thomas Cushing: »Stalins Sohn fühlte sich verstoßen«, in: Der Spiegel, 25. März 1968. 15 BArch, R 58/657, Untersuchungsbericht Amt V, Gruppe C, Berlin, 17. April 1943. 16 Staatsarchiv München, Staanw 34753, Aussage Karl Jüngling vor dem Amtsgericht Ortenberg, Ortenberg, 27. März 1968 17 BArch, R 58/657, Untersuchungsbericht Amt V, Gruppe C, Berlin, 17. April 1943 18 BArch, R 58/657, Aussage Kokorins gegenüber SS-Rottenführer Johann Onezki, Sachsenhausen, 15. April 1943. 19 Ebenda. Wortgetreue Protokollniederschrift der Übersetzung.

262  Anhang

20 Staatsarchiv München, Staanw 34753, Thomas Cushing: »Stalins Sohn fühlte sich verstoßen«, in: Der Spiegel, 25. März 1968. 21 Staatsarchiv München, Staanw 34753, Vernehmung Jünglings, Amtsgericht Ortenberg, 27. März 1968. 22 BArch, R 58/657, Untersuchungsbericht Amt V, Gruppe C, Berlin, 17. April 1943. 23 Staatsarchiv München, Staanw 34753, Aussage Harfichs vor dem Amtsgericht Dillingen, Dillingen, 26. März 1968. 24 BArch, R 58/657, Der Truppenarzt des SS-T-Wachbtl.Sh, betr.: Tod eines Inhaftierten durch Schussverletzung, Oranienburg, 15. April 1943. 25 Staatsarchiv München, Staanw 34753, Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft beim Landgericht München II, München, 19. Januar 1970. 26 Hauptmann Ludwig Gehre gehörte dem Amt Ausland/Abwehr im Oberkommando der Wehrmacht unter Wilhelm Canaris an. Er war an dem Attentatsversuch beteiligt, den militärische Oppositionelle um Henning von Tresckow im März 1943 vorbereiteten. Im Januar 1944 wurde er verhaftet, konnte jedoch fliehen. Nach dem 20. Juli 1944 wurde verstärkt nach ihm gefahndet. Am 2. November 1944 wurde er erneut festgenommen, kurz zuvor erschoss er seine zweite Ehefrau und versuchte, sich selbst das Leben zu nehmen. Er überlebte jedoch mit einer schweren Kopfverletzung, wurde in das KZ Flossenbürg verschleppt und dort am 9. April 1945 nach einer Standgerichtsverhandlung ermordet. 27 Erich Heberlein war Botschaftsrat an der deutschen Botschaft in Madrid gewesen, wegen seiner Haltung zurückversetzt worden und hatte einen Spanienurlaub genutzt, um auf dem Landgut seiner spanischen Frau Margot Callejo in der Nähe von Toledo zu bleiben. In der Nacht zum 18. Juni 1944 entführten Gestapo-Angehörige das Ehepaar, brachten es nach Deutschland. Trotz des Protestes des spanischen Außenministeriums wurden Erich Heberlein und seine Frau in Konzentrationslager verschleppt und erst von den Amerikanern befreit. 28 Korvettenkapitän Liedig hatte bei der sogenannten »Septemberverschwörung« von 1938 mit Hauptmann Friedrich Wilhelm Heinz und einem Stoßtrupp von 30 Mann in die Reichskanzlei eindringen und Hitler festnehmen sollen. 29 Müller, Josef: Bis zur letzten Konsequenz. München 1975, S. 244 30 Ebenda, S. 262f. 31 PAA, Inland II g, 17 c, Schreiben der deutschen Gesandtschaft Bukarest an das Auswärtige Amt, Bukarest, 1. Juni 1940. 32 PAA, Inland II g, 17 c, Schreiben des rumänischen Außenministeriums an den Gesandten Killinger, Bukarest, 25. Februar 1941. 33 BArch, NS 19/2863, Bericht Heydrichs an SS-Gruppenführer Wolff, Sonderzug Heinrich, 8. Januar 1942. 34 Ebenda. Anmerkungen  263

35 Siehe auch: Schellenberg, Memoiren, S. 289ff. 36 Die Tagebücher von Joseph Goebbels, a.a.O., Teil II, Bd. 7, Eintrag vom 1. Januar 1943. 37 BArch, NS 19/1906, Anordnung Himmlers, Feldkommandostelle, 18. Dezember 1942. 38 PAA, R 27654, Telegramm des AA an Killinger, Sonderzug Westfalen, 26. Januar 1943. 39 PAA, R 27654, Schreiben und Entschließung des Obersten Legionärsforums, Buchenwald, 3. Januar 1943. 40 Die Tagebücher von Joseph Goebbels, a.a.O., Teil II, Bd. 7, Eintrag vom 1. Januar 1943 41 BArch, NS 19/1944, FS Kaltenbrunners an den Reichsführer-SS, betr.: Führende Legionäre im Sonderlager Fichtenhain, Berlin, 15. Februar 1943. 42 Die Tagebücher von Joseph Goebbels, a.a.O., Teil II, Bd. 7, Eintrag vom 6. Februar 1943. 43 Ebenda, Teil II, Bd. 12, Eintrag vom 27. April 1944. 44 Rahn, Rudolf: Ruheloses Leben, a.a.O., S. 268. 45 Die Tagebücher von Joseph Goebbels, a.a.O.,, Teil II, Bd. 14, Eintrag vom 9. Januar 1943. 46 Ebenda, Teil II, Bd. 15, Eintrag vom 10. Januar 1943. 47 Aschenauer, Rudolf (Hg.): Ich, Adolf Eichmann. Leoni 1980, S. 417ff. 48 Anfuso, Filippo: Die beiden Gefreiten, a.a.O., S. 203. 49 Die Tagebücher von Joseph Goebbels, a.a.O.,, Teil II, Bd. 9, Eintrag vom 23. September 1943. 50 Horthy, Nikolaus von: Ein Leben für Ungarn. Bonn 1953, S. 263ff. 51 Ebenda, S. 268. 52 Skorzeny, Otto: Meine Kommandounternehmen. Wiesbaden 1977, S. 288 53 Kállay,Nicholas: Hungarian Premier. A Personal Account of a Nation’s Struggle in the Second Worl War. New York 1954, S. 463. 54 Horthy, Nikolaus von: Ein Leben für Ungarn, a.a.O., S. 284. 55 Rahn, Rudolf: Ruheloses Leben, a.a.O., S. 265. 56 Ebenda, S. 273. 57 Die Tagebücher von Joseph Goebbels, a.a.O., Teil II, Bd. 14, Eintrag vom 6. November 1944. 58 Ebenda, Teil II, Bd. 14, Eintrag vom 2. Dezember 1944. 59 Horthy, Nikolaus von: Ein Leben für Ungarn, a.a.O., S. 295ff. 60 Die Tagebücher von Joseph Goebbels, a.a.O., Teil II, Bd. 8, Eintrag vom 31. Mai 1943. 61 Quelle: Kállay, Nicholas: Hungarian Premier, a.aO., S. 472ff.

264  Anhang

62 Die Tagebücher von Joseph Goebbels, a.a.O., Teil II, Bd. 14, Eintrag vom 24. November 1944. 63 Mindszenty, József: Erinnerungen. Berlin 1974, S. 39.

Hitlers letzte Opfer 11 Akten zur auswärtigen deutschen Politik, Schreiben des Vertreters des AA beim Reichskommissar für die besetzten niederländischen Gebiete, betr.: Lage in den besetzten niederländischen Gebieten, Den Haag, 16. Januar 1941. 12 PAA, Inland II g, Abschlussbericht, Berlin, 26. Januar 1942. 13 IfZ, Akten der Partei-Kanzlei der NSDAP, Fiche 211 00194ff, Anlage von Ernst Wilhelm Bohle zum Schreiben von Alfred Hess an das Rechtsamt der Auslandsorganisation der NSDAP, Aufzeichnung, Berlin, 6. August 1940. 14 BArch, R 43 II/675 a, Vermerk des RAM, betr.: Unterbringung niederländischer Geiseln, Berlin, 29. August 1941. 15 BArch, R 43 II/675 e, Vermerk des RAM in Den Haag, betr.: Internierte in Buchenwald, Den Haag, 19. September 1941. 16 BArch, R 43 II/ 675 e, Schreiben Himmlers an den RAM, betr.: Unterbringung der niederländischen Geiseln, Berlin, 30 September 1941. 17 BArch, R 43 II/ 675 e, Schreiben des Chefs der Sipo und des SD an Lammers, betr.: Überführung der in Buchenwald einsitzenden holländischen Geiseln nach einem Lager in Holland, Berlin, 30 Oktober 1941. 18 BArch, R 43 II/675 e, Schreiben des Chefs der Sipo und des SD an Lammers, betr.: Überführung der in Buchenwald einsitzenden holländischen Geiseln nach einem Lager in Holland, Berlin, 5. Dezember 1941. 19 PAA, R 101211, Vermerk des AA, Berlin, 3. Juni 1944. 10 PAA, R 101211, Vermerk des AA, Berlin, 26. Juni 1944. 11 Ebenda. 12 PAA, R 101211, Vermerk des AA, Berlin, 21. August, handschriftlicher Vermerk vom 24. August 1944. 13 PAA, R 101211, Vermerk des AA, betr.: Britischen Presseberichterstatter Romilly, Berlin, 5. Dezember 1944. 14 Quelle: The 390th Memorial Museum Foundation, High Profile Prisoners of War, Tucson 2002 15 BArch, NS 19/899, Schreiben des Chefs der Sipo und des SD, Heydrich, an den Persönlichen Stab des RFSS, Berlin, 16, Februar 1943. 16 Barch, NS 19/899, Bericht des Chefs der Sipo und des SD, Heydrich, an Göring, betr.: Fürst Ernst von Hohenberg, Berlin, 11. Mai 1938. 17 BArch, NS 19/899, Schreiben der Fürstin v. Hohenberg an Himmler, Wien, 1. April 1938. Anmerkungen  265

18 BArch, NS 19/899, Schreiben des RSHA an Fürstin v. Hohenberg, Berlin, 14. April 1938. 19 BArch, NS 19/899, Schreiben des Höheren SS- und Polizeiführers bei den Reichsstatthaltern in Wien, Niederdonau und Oberdonau im Wehrkreis XVII, Wien, 27. Juli 1943. 20 BArch, NS 19/899, Schreiben des Chefs der Sipo und des SD an den Persönlichen Stab RFSS, Berlin, 6. Januar 1943. 21 BStU, MfS HA XX, 3107, »Die Hölle von Sachsenhausen. Ein Bericht über 1470 Einzelschicksale«, dargestellt nach den heimlichen Notizen von Emil Büge. 22 BArch, NS 19/899, Schreiben des Chefs der Sipo und des SD an den Persönlichen Stab RFSS, Berlin, 6. Januar 1943. 23 Barch, NS 19/662, Der Reichskommissar für die Festigung des Deutschen Volkstums, Schreiben an Himmler, betr.: Volkszugehörigkeit des Erzherzogs Karl Albrecht von Habsburg und seiner Ehefrau Alice, geb. Ankarcrona, Berlin, 19. Oktober 1942. 24 BArch, Erlass des Reichsführers-SS, S II A 2 Nr. 420/VII/41/176, Berlin, 16. Februar 1942. 25 BArch, NS 19/662, Schreiben des RSHA, IV D 2, an Wolff, Berlin,5. April 1940. 26 BArch, NS 19/662, Schreiben RSHA an SS-Obergruppenführer Wolff, betr.: Unterbringung der Familie des Erzherzogs Karl Albrecht von Habsburg auf Schloss Sayburg, Berlin, 25. Mai 1940. 27 PAA, R 99555, Verbalnote der spanischen Botschaft, Berlin, 30. November 1943. 28 PAA, R 99555, Schreiben von Carl J. Burckhardt, IRK, an den Auslandsdienst des DRK, Genf, 7. Dezember 1943. 29 PAA, R 99555, Schreiben von Thaddens an den Chef der Sipo, Berlin, 11. Januar 1944. 30 PAA, R 99555, Vermerk des AA, Inland II B, betr.: Fürstin Sapieha, Berlin 8. März 1944. 31 PAa, R 99555, Schreiben des Chefs der Sipo und des SD an das AA, Berlin, 20. Oktober 1944. 32 PAA, R 99555, Vermerk AA, Inland II B, Berlin, 3. November 1944.

Das Ende der Odyssee 11 Siehe auch: Benz, Wolfgang/Distel, Barbara (Hg.): Der Ort des Terrors, a.a.O., Bd. 4, S. 53f. 12 Hassell, Fey, von: Niemals sich beugen, a.a.O., S. 177ff. 13 Vermehren, Isa: Reise durch den letzten Akt, a.a.O., S. 204. 14 Hassell, Fey von: Niemals sich beugen, a.a.O., S. 188. 266  Anhang

15 Die Kommission war nach Kriminalrat Herbert Lange benannt, der Mitte 1942 ins Reichssicherheitshauptamt gekommen war und »Agents provocateurs« in oppositionelle Kreise schleuste. Anfang 1944 genehmigte Himmler eine von Lange vorgeschlagene Verhaftungsaktion, der unter anderen Elisabeth von Thadden, Otto Carl Kiep und seine Frau Hanna, Johanna Solf und ihre Tochter Lagi Gräfin Bellestrem zum Opfer fielen. Im Verhör nannte Otto Carl Kiep den Namen von Helmuth James Graf von Moltke, der daraufhin am 19.Januar 1944 in Berlin verhaftet wurde. Ludwig Gehre wurde am 2. März verhaftet, konnte fliehen und wurde am 2. November 1944 erneut festgenommen. Zuerst waren einige Gefangene, darunter das Ehepaar Kiep, direkt am Berliner Kurfürstendamm 140 in einer Dienststelle der Gestapo inhaftiert, doch verlegte die »Sonderkommission Lange« ihren Sitz bald in die Sicherheitspolizeischule Drögen bei Fürstenberg an der Havel. Die Gefangenen wurden teils in der Schule, teils im nahe gelegenen Frauenkonzentrationslager Ravensbrück festgehalten. Dorthin wurde beispielsweise der bereits am 30. Juli 1943 verhaftete Albrecht Graf von Bernstorf verlegt. Mit dem Attentatsversuch vom 20. Juli wurde die Kommission auch mit dessen Untersuchung beauftragt. Schon am 21. Juli wurden mindestens fünf hochrangige Offiziere nach Fürstenberg gebracht, am 23. Juli auch Abwehrchef Admiral Wilhelm Canaris. 16 KZ-Gedenkstätte Dachau, Archiv, Nr. A 1087, Aufzeichnungen von Karl Kunkel, S. 8ff. 17 Joos, Joseph: Leben auf Widerruf. Begegnungen und Beobachtungen im KZ Dachau. Olten 1946, S. 194ff. 18 BArch, MA Freiburg, NL Bonin, Aussage von Bonin vor dem Untersuchungsrichter beim LG München II, Reutlingen, 21. November 1951. 19 Staatsarchiv München, Staanw 34475/2, Auszug aus dem Tagebuch seiner Exzellenz des Herrn Weihbischof Dr. Neuhäusler, S. 9ff. 10 BArch, MA Freiburg, MSG 162/34, NL Bonin, eidesstattliche Erklärung von Bonin, Gitter, 12. Juni 1948. 11 Dulles, Allen /Gaevernitz, Gero von: Unternehmen »Sunrise«. Die geheime Geschichte des Kriegsendes in Italien. Düsseldorf 1967, S. 294f. 12 Staatsarchiv München, Staanw 34475/2, Zeugenvernehmungsprotokoll Alvensleben, Göttingen, 19. Dezember 1951. 13 Staatsarchiv München, Staanw 34475/3, Schreiben von Payne Best an Generaloberst a.D. Halder, Okehampton, 4. November 1952. 14 BArch, Militärarchiv Freiburg, MSG 162/34, NL Bonin, Schreiben von Gebhard von Alvensleben, Tostedt, 6. April 1979. 15 BArch, Militärarchiv Freiburg, NL von Bonin, Schreiben von Bottler, Stegen, 3. Mai 1978.

Anmerkungen  267

16 Staatsarchiv München, Staanw 34475/4, Schreiben von Egon von Petersdorff an das Landgericht München II, Merano, 7. Juli 1953. 17 Nicht veröffentlicht, zitiert in: Pünder, Hermann: Von Preußen nach Europa- Lebenserinnerungen. Stuttgart 1968, S. 169ff. 18 Hassel, Fey von: Sich niemals beugen, a.a.O., S. 194ff 19 StA München, Staanw 34475/4, Zeugenvernehmungsprotokoll Friedrich Leussing, Untersuchungsrichter bei dem Landgericht München II, Hamburg 12. März 1954. 20 Marin Thomas (Hg): Theodor Groppe – der »Schwarze General«. Bad Schussenried 2008, S. 13ff. 21 Smith, Bradley F./Peterson, Agnes F. (Hg.): Heinrich Himmler. Geheimreden 1933 bis 1945 und andere Ansprachen. Berlin 1974, S. 123. 22 StA München, Staanw 34475/4, Aufzeichnungen von Theodor Groppe, Landgericht München II, Hamburg 13. März 1954. 23 Ebenda.

Schlussbemerkung 11 Staatsarchiv München, Staanw 34475/2, Aussage von Stiller vor dem Untersuchungsrichter beim Landgericht München II, München, 14. September 1951. 12 Ebenda. 13 Aschenauer, Rudolf (Hg.): Ich, Adolf Eichmann, a.a.O., S. 415f. 14 Staatsarchiv München, Staanw 34865/95, Gnadengesuch Nr. 761/68 an das Bayerische Staatsministerium der Justiz, München, 18. November 1968.

268  Anhang

Abkürzungen

AA ASR AZR Bd BV DDR DNB DRK Gestapa Gestapo GK Inf. IRK K.A. KL, KZ M.P. NKWD NSV Ob. Ord.Offz. Oflag. OKW ORR PSV RAM Rgt. RJM RKPA RMI RSHA SA SAW-Häftlinge SD

Auswärtiges Amt Arbeitsscheu Reich Arbeitszwang Reich Befehlshaber der Sicherheitspolizei Befristete Vorbeugehaft Deutsche Demokratische Republik Deutsches Nachrichtenbüro Deutsches Rotes Kreuz Geheimes Staatspolizeiamt Geheime Staatspolizei Generalkonsul Infanterie Internationales Rote Kreuz Kommandanturarrest Konzentrationslager Maschinenpistole Auslandsnachrichtendienst der UdSSR Nationalsozialistische Volkswohlfahrt Oberbefehlshaber Ordonnanzoffizier Offizierslager Oberkommando der Wehrmacht Oberregierungsrat Polizeiliche Sicherungsverwahrung Reichsaußenminister Regiment Reichsminister der Justiz Reichskriminalpolizeiamt Reichsminister des Inneren Reichssicherheitshauptamt Sturmabteilung Sonder-Aktion-Wehrmacht-Häftlinge Sicherheitsdienst Abkürzungen  269

Sipo SIS S.K.H. SS Stapo SV

Sicherheitspolizei Secret Intelligence Service Seine Königliche Hoheit Schutzstaffel Staatspolizei Sicherungsverwahrte

Zitierhinweis Zitate sind in der Originalform, jedoch in der neuen verbindlichen Rechtschreibung wiedergegeben. Ergänzungen des Autors sind durch eckige, Auslassungen durch runde Klammern gekennzeichnet. Im Personenregister wurden der Übersichtlichkeit halber lediglich die aktiv handelnden Personen genannt, jedoch nicht die ausschließlich in den Zitaten erwähnten Namen.

270  Anhang

Sipo SIS S.K.H. SS Stapo SV

Sicherheitspolizei Secret Intelligence Service Seine Königliche Hoheit Schutzstaffel Staatspolizei Sicherungsverwahrte

Zitierhinweis Zitate sind in der Originalform, jedoch in der neuen verbindlichen Rechtschreibung wiedergegeben. Ergänzungen des Autors sind durch eckige, Auslassungen durch runde Klammern gekennzeichnet. Im Personenregister wurden der Übersichtlichkeit halber lediglich die aktiv handelnden Personen genannt, jedoch nicht die ausschließlich in den Zitaten erwähnten Namen.

270  Anhang

Archive

Archiv der Gedenkstätte Buchenwald Archiv der Gedenkstätte Breitenau, Guxhagen Archiv der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg Archiv der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück Archiv der Gedenkstätte Sachsenhausen Archiv der Stadt Haltern am See Archiv der Gemeinde Hirschstein Archiv der Gemeinde Langenwang, Österreich Archiv der Gemeinde Millstatt, Österreich Archiv der Gemeinde Strobl, Österreich Archiv der Gemeinde Schlangenbad Archiv der Marktgemeinde Schönberg Archiv der Stadt Weilheim BArch – Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde BArch, MA, Bundesarchiv, Militärarchiv Freiburg Bibliothek des Deutschen Bundestags BStU, Beauftragte für die Unterlagen der Staatssicherheit der ehemaligen DDR, Berlin defa spectrum, Potsdam Dokumentationszentrum Oberer Kuhberg e.V., KZ-Gedenkstätte, Ulm Gabelbach, Romantik- und Jagdhotel HHStaW – Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden ITS – International Tracing Service, Bad Arolsen Landesarchiv Berlin Landesarchiv Salzburg Landesarchiv Innsbruck Landesvermessung und Geobasisinformation Brandenburg, Potsdam Progress Film Verleih Berlin Sächsisches Staatsarchiv, Hauptstaatsarchiv Dresden Stadtarchiv Bad Bevensen Stadtarchiv Bad Blankenburg Stadtarchiv Jena Archive  271

Stadtarchiv Stadt Ilmenau StaMü – Staatsarchiv München Steiermärkisches Landesarchiv Thüringisches Hauptstaatsarchiv, Rudolstadt Thüringisches Hauptstaatsarchiv, Weimar VLA – Landesarchiv Vorarlberg Wittelsbacher Ausgleichsfonds, München

272  Anhang

Ausgewählte Literaturhinweise

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Ausgewählte Literaturhinweise  277

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278  Anhang

Dank

Die Recherchen zu diesem Buch waren nur durch die Unterstützung einer Vielzahl von Historikern und Archivaren möglich. Es fällt schwer, einige wenige von ihnen hervorzuheben. Mein Dank gilt Susanne Urban vom ITS Bad Arolsen und Robert Bierschneider vom Staatsarchiv München, den ich, ebenso wie Werner Breunig vom Landesarchiv Berlin, schon so oft behelligt habe. Auch Dr. Frank Boblenz vom Thüringischen Hauptstaatsarchiv Weimar hat mich zum wiederholten Mal unterstützt. Arno Huth von der KZ-Gedenkstätte Natzweiler ist zu nennen, ebenso Monika Liebscher und Manuela Schulz von der Gedenkstätte und dem Museum Sachsenhausen und Albert Knoll von der KZ-Gedenkstätte Dachau, Sabine Stein von der Gedenkstätte Buchenwald und Cordula Hundertmark von der Mahnund Gedenkstätte Ravensbrück. Bernhard Wöll vom Stadtarchiv Weilheim und J. Batsukh vom Romantik- und Jagdhotel Gabelbach haben mir spontan Dokumente und Fotos zur Verfügung gestellt, desgleichen Andreas von Majewski vom Wittelsbacher Ausgleichsfonds in München. Cornelia Albertani, Vorarlberger Landesarchiv Bregenz, und Jaqueline Kowanda, Landesarchiv Salzburg, haben mit einer außergewöhnlichen Bereitschaft zum Gelingen des Buches beigetragen. Keinesfalls vergessen möchte ich den Präsidenten des Bundesarchivs Hartmut Weber und last but not least meine Lektorin Dr. Annalisa Viviani, mit der ich nun schon zum fünften Mal effizient zusammenarbeiten durfte. Mein besonderer Gruß geht aber nach Wien an den Verleger Dr. Peter Rauch, der sich für meine Vorschläge immer wieder aufgeschlossen gezeigt hat.

Dank  279

Personenregister Abe, Arthur, SS-Oberscharführer, verurteilt wegen Tötung von Häftlingen beim Umbau von Schloss Hirschstein 159’ Abetz, Otto, SS-Brigadeführer, deutscher Botschafter in Paris 10f., 117ff., 122, 128, 133, 140 Albert von Belgien, Sohn aus der 1. Ehe Leopolds III., Ehrenhäftling 151 Albrecht, Prinz von Bayern, Haus Wittelsbach, mit den Kindern Maria Gabriele, Marie-Charlotte, Franz von Assisi Bonaventura und Max, Ehrenhäftling (Deckname: Buchholz) 20, 68, 71ff., 107 Alice von Habsburg-Altenburg, geb. Ankarcrona, Frau von Karl Albrecht von Habsburg-Altenburg 216 Alvensleben, Wichard von, Offizier, befreite 1945 prominente SS-Geiseln in Südtirol 207, 227, 229 Amadeo von Savoyen, Herzog von Aosta, Ehrenhäftling 42 Amen, John Harlan, Oberst, Ankläger beim internationalen Gerichtshof Nürnberg 47 Anfuso, Filippo, Mussolinis Vertrauter, 1943–1945 Botschafter der Mussolini-Regierung in Berlin 165, 175 Anne, Herzogin von Aosta, Ehrenhäftling 42

280  Anhang

Antonescu, Ion, rumän. General, später Marschall 191f. Antonia, Prinzessin von Luxemburg und Nassau, Kronprinzessin von Bayern, Frau von Kronprinz Rupprecht von Bayern, Ehrenhäftling (Deckname: Albertine Bingen) 65f., 68f., 72, 74, 77f. Aretin, Freiherr Erwein von, Vorsitzender des Bayerischen Heimatund Königbunds 64 Arnothy-Jungerth, Mikael, ungar. Außenminister 205 Astrid von Schweden, 1. Frau von Leopold III. von Belgien 151 Badoglio, Mario, Sohn von Pietro Badoglio (Deckname: Brausepulver), inhaftiert im KZ Mauthausen 170, 206, 224 Badoglio, Pietro, Marschall, ital. antifaschistischer Ministerpräsident nach Mussolinis Absetzung 1943 109, 158, 167, 169f. Baels, Henry, ehem. belg. Landwirtschaftsminister und Gouverneur von Westflandern 151 Baels, Mary Lilian, 2. Frau von Leopold III., Prinzessin von Réthy, Ehrenhäftling 151, 160ff. Barca-Zinger, Ehrenhäftling (Deckname: Fritz Fritzsche) 177 Barca-Zinger, mit Kindern Renée und Michel, Ehrenhäftlinge 177

Baudouin von Belgien, Prinz, Sohn aus der 1. Ehe Leopolds III., Ehrenhäftling 151, 160, 163 Baumert, Paul, SS-Sturmbannführer, Himmlers Adjutant 127 Beaufort, Jean de, Sekretär des Niederländischen Staatsrats, Sonderhäftling 211 Beck, Ludwig, General 62 Becker, Raymonde de, Chefredakteur der Brüsseler Zeitung Le Soir, Ehrenhäftling 41 Beckerle, Adolf-Heinz, deutscher Gesandter in Sofia 145 Bellegarde, Pauline, Gräfin, Hausdame von Kronprinzessin Antonia (Deckname: Buchholz), Ehrenhäftling 69f., 76 Belleström, Lagi Gräfin von, Sonderhäftling 22 Bene, Otto, Vertreter des AA beim Reichskommissar für die besetzten niederländischen Gebiete 209 Berger, Gottlob, SS-Gruppenführer, Chef des SS-Hauptamts 154, 156 Berggrav, Eivind, Bischof von Oslo, Primas der Lutherischen Kirche Norwegens 91 Bernadotte, Folke, Graf, Vizepräsident, später Präsident des Schwedischen Roten Kreuzes 238 Bertram Adolf, Kardinal von Breslau 29 Best, Sigismund Payne, britischer Geheimdienstoffizier, Sonderhäftling (Deckname: Wolf ) 79, 81f., 85, 87f., 108, 206, 219, 224, 228, 233

Béthouart, Marie Émile, Antoine, frz. General, Oberbefehlshaber in Österreich 237 Blaha, Franz, tschech. Arzt, bis 1945 in deutschen Konzentrationslagern 114f. Blank, Herbert, Sonderhäftling 21 Blücher, Dr., Chefarzt des Gefangenenlagers Vorwerk bei Lübeck 181 Blum, Jeanne, Frau von Léon Blum, geb. Levylier, Ehrenhäftling 26, 136f. 140, 219 Blum, Léon, frz. Ministerpräsident, Ehrenhäftling 11, 26, 111, 138ff. 142, 146, 206, 219, 223, 232 Bodenschatz, Karl-Heinrich, Fliegergeneral 169 Bonhoeffer, Dietrich, Pastor, Sonderhäftling 188 Bonin, Bogislav von, Chef der Operationsabteilung im OKH, Ehrenhäftling 85, 108, 224ff., 229 Bonino, Leonardo, ital. politischer Häftling im KZ Buchenwald 172 Boris III. von Bulgarien, Zar, aus dem Hause Sachsen-Coburg und Gotha 145, 164, 170f. Bormann, Martin, Leiter der NSDAPParteikanzlei 94, 192 Borotra, Jean, frz. Tennisspieler, Kommissar für Erziehung und Sport des Vichy-Regimes, Ehrenhäftling 33 Borubaru, Traian, Adjutant von Horia Sima, rumän. Sonderhäftling 194 Bottler, Alfred, Kommandeur des Feldersatzbataillons der 9o. Panzergrenadierdivision 229

Personenregister  281

Boutillier, Yves, frz. Staatssekretär für Finanzen, Ehrenhäftling 42 Brandt, Rudolf, SS-Obersturmbannführer 157 Breithaupt, Franz, SS-Obergruppenführer, Chef des Hauptamts SSGericht 17 Breitscheid, Rudolf, Sonderhäftling 20, 104, 107, 110 Breitscheid, Wilhelmine, Sonderhäftling 104, 107, 173 Bretty, Béatrice, Mandels Lebensgefährtin 138, 140f. Brodowski, Fritz, General 115 Brouklin, Augusta, Ehrenhäftling 33 Büge, Emil, politischer Häftling im KZ Sachsenhausen 215 Bürckel, Josef, Reichstatthalter der Westmark, Gauleiter Wien 96 Cailleau, Alfred, frz. General, Schwager von Charles de Gaulles, Ehrenhäftling 34, 45 Cailleau, Marie-Agnès, Frau von Alfred Cailleau, Schwester von Charles de Gaulles, Ehrenhäftling 34, 45 Călinescu, Armand, rumänischer Ministerpräsident 191 Calvi di Bergolo, Carlo, Graf, Gemahl von Jolanda Margherita von Savoyen 171 Canaris, Wilhelm, Admiral, Chef der Amtes Ausland/Abwehr im Oberkommando der Wehrmacht, im KZ Flossenbürg gehängt 59, 92, 107, 123, 133, 147 Carol II. (Karl II.), König von Rumänien 190f.

282  Anhang

Cerrini, Fritz Baron, Sonderhäftling 223 Churchill, Winston, brit. Premier­ minister 212f. Churchill, Jack, Fliegeroberstleutnant, brit. Sonderhäftling 107, 189, 206 Churchill, Peter, Captain, brit. Sonderhäftling 189, 206 Ciano, Edda, Frau von Gian Galeazzo Ciano und Tochter Mussolinis 166, 175f. Ciano, Galeazzo, Graf von, Außenminister, Schwiegersohn Mussolinis, Ehrenhäftling 165, 174ff. Clemenceau, Michel, Sohn des frz. Staatsmanns Georges Clemenceau, Ehrenhäftling 34, 138 Codreanu, Corneliu, Führer der antisemitischen Legion »Erzengel Michael«, aus der die faschistische Eisernen Garde hervorging 190, 193 Colijn, Helena, geb.Groenenberg, Frau von Hendrikus Colijn, Ehrenhäftling 210 Colijn, Hendrikus, holländ. Ministerpräsident, Ehrenhäftling 10, 209ff. Crohne, Wilhelm, Jurist, Vizepräsident am Volksgerichtshof in Berlin 90 Cuckovic, Zvonimir, Häftling, Hausmeister auf Schloss Itter 33f. Cushing, Thomas, brit. Häftling im Sachsenhausener Lager A, Mithäftling von Jakob Dschugaschwili 183f.

Daladier, Édouard, frz. Premierminister und Außenminister 33, 41, 74, 111f., 137f., 140, 142 Darlan, Jean François, Admiral, Kriegsminister der Vichy-Regierung 133 Dedel, Cornelius, Sekretär von Prinz Bernhard der Niederlande, Sonderhäftling 211 Delbos, Yvon, frz. Außenminister, Ehrenhäftling 145f. Delestraint, Charles, frz. General, Kommandeur der frz. Untergrundarmee, Ehrenhäftling 27, 114, 222 Desmazes, Marie-Alphonse, frz. General, Ehrenhäftling 42 Dollfuß, Engelbert, österr. Bundeskanzler 95 Dolomay, Graf, ital. Ehrenhäftling 177 Domarius, Max, Historiker 154 Dönitz, Karl, Großadmiral 168, 202 Dörfler, Karl, Pfarrer in München 91 Doriot, Jacques, Vorsitzender der Französischen Volkspartei, Mitglied der Vichy-Regierung 119 Doyen, Paul, General, Leiter der frz. Waffenstillstandskommission 112 Dschugaschwili, Jakob, Oberleutnant, ältester Sohn Stalins, Sonderhäftling 178‒188 Dulles, Allen, Resident des USGeheimdiensts in der Schweiz 227 Durrmeyer, Robert Jean Antoine, frz. General, Ehrenhäftling 42 Dyk, Johannes J. C. van, holländischer Kriegsminister 189

Eccarius, Kurt von, SS-Hauptscharführer, KZ Sachsenhausen 20, 183 Eichmann, Adolf, SS-Obersturmbannführer, Leiter des für die Deportation der Juden zuständigen Referats im RSHA 196, 238f. Eisner, Kurt Sohn des früheren gleichnamigen bayerischen Ministerpräsidenten, Ehrenhäftling 26 Elena von Montenegro, Frau Viktor Emanuels III. von Savoyen 164, 172 Eleonore, Herzogin von Bayern 68 Elisabeth, Herzogin in Bayern, Tochter von Herzog Karl Theodor von Bayern, belgische Königin 67f., 157, 159 Elphinstone, John Lord of, Captain, Neffe des brit. Königs Georg VI., Sonderhäftling 213 Elser, Georg, Hitler-Attentäter (Deckname: Eller), »persönlicher« Gefangener Hitlers 8, 68, 79‒89, 238, 240 Elser, Maria, Mutter von Georg Elser 83 Epp, Franz Ritter von, Reichsstatthalter in Bayern 168 Ernst Heinrich von Sachsen, Prinz 67 Escalier, Gouverneur der Banque d’Algérie, Ehrenhäftling 41 Eschebach, Insa, Historikerin 7 Esterházy, Moritz, Graf 205 Fahrig, Friedel, Dolmetscherin bei der Gestapo Weimar, Referat IV 5a, Schutzdienst 176f.

Personenregister  283

Falconer, Hugh, Squadron Leader der Royal Air Force, Ehrenhäftling 188 Falkenhausen, Alexander von, General der Infanterie, »persönlicher Gefangener« Hitlers 85, 108, 159, 188, 206, 224 Felix, Prinz von Bourbon-Parma, Ehrenhäftling 67 Ferdinand Montenuovo, Prinz 205 Flügge, Wilhelm von, Sonderhäftling 224 Foschini, Vittorio, Major der Reserve, Divisionsgeneral in der Republik von Salò, Ehrenhäftling 41 Foscini, ital. General, Ehrenhäftling, mit Frau und Sohn Oscanio 177 François-Poncet, André, Botschafter Frankreichs im Dritten Reich, Ehrenhäftling 11, 34, 39ff., 42ff., 47 Franz Ferdinand, österr. Thronfolger 213 Franz Xaver von Bourbon-Parma, Prinz, Ehrenhäftling 146, 206, 223, 232 Franz, Prinz von Bayern, Bruder von Kronprinz Rupprecht, Haus Wittelsbach 65 Fraunberg, Theodor Christian Freiherr von, stellv. Adjutant von Kronprinz Rupprecht 67 Friederike von Hannover, Prinzessin, Ehrenhäftling 52 Friedrich Leopold, Prinz von Preußen, Ehrenhäftling 63, 222f. Fritzsche, Hans, Leiter der Rundfunkabteilung im Reichspropagandaministerium 92

284  Anhang

Fürstenberg. Georg, österr. Adeliger und Vertrauter der belg. Königsfamilie 162 Gali, Oberst, ital. Ehrenhäftling 177 Gamélin, Maurice, frz. General, Ehrenhäftling 33, 41, 120, 138, 140 142 Gangl, Josef (Sepp), Major 35 Ganzenmüller, Albert, Staatssekretär im Reichsverkehrsministerium 29 Garibaldi, italienischer General, Ehrenhäftling 109 Gârneată, Ilie, Legionär der Eisernen Garde, Sonderhäftling 193 Gaulle, Charles, General, Präsident des Nationalen Französischen Befreiungsausschusses 110, 115, 121, 130, 135 Gaulle, Geneviève de, Nichte von Charles de Gaulle, Sonderhäftling 8, 10, 135f. Gayda, Thomas, Zeithistoriker 42 Gebhardt, Karl, SS-Oberführer, Leibarzt Himmlers 156 Gehre, Ludwig, Hauptmann, in Flossenbürg ermordet 188 Georgescu, Corneliu, Legionär und Generalsekretär der Eisernen Garde, Sonderhäftling 193 Georgiew, Leonid, sowjet. General 190 Georgini, Bankier, Sekretär von F. Nitti, Sonderhäftling 34 Gierst, Orphée, Major, Ordonnanzoffizier Leopolds III., Ehrenhäftling 159, 162 Giesler, Hermann, NS-Architekt 37f. Gigurtu, Ion, rumän. Ministerpräsident 191

Gini, Graf ital. Ehrenhäftling 177 Giovanna Isabella von Savoyen, Tochter Viktor Emanuels III. und Elenas von Montenegro, Schwester Mafaldas von Savoyen und Frau des bulgarischen Zaren Boris III. 164, 171 Giraud, Céline, Frau des Generals Henri Giraud, Sippenhäftling 147ff. Giraud, Eve, Schwägerin des Generals Henri Giraud, Sippenhäftling 147ff. Giraud, Fernand, Bruder des Generals Henri Giraud, Sippenhäftling 149 Giraud, Fernande, Schwägerin des Generals Henri Giraud, Sippenhäftling 147ff. Giraud, Henri, General, Ehrenhäftling (Deckname Leiermann) 130ff., 147ff., 181 Glücks, Richard, SS-Brigadeführer, Inspekteur der Konzentrationslager 48 Goebbels, Joseph, Reichspropagandaminister 51ff., 89ff., 95, 120, 130ff., 141, 152, 159, 166f., 169ff., 179, 192, 194f., 201, 204 Goerdeler, Anneliese, Sippenhäftling 49 Goerdeler, Benigna, Sippenhäftling 49 Goerdeler, Gustav, Sippenhäftling 49 Goerdeler, Irma, Sippenhäftling 49 Goerdeler, Jutta, Sippenhäftling 49 Goerdeler, Marianne, Sippenhäftling 49 Goerdeler, Ulrich, Rechtsanwalt, Sippenhäftling 49

Gogalla, Wilhelm, SS-Obersturmführer 63 Göring, Herbert, SS-Obersturmbannführer, Vetter des Reichsmarschalls Hermann Göring 59 Göring, Hermann, Reichsmarschall, Reichskommissar für Luftfahrt, Gründer der Gestapo und der ersten Konzentrationslager 25, 27, 64, 92, 96, 165, 202, 215 Grange, Amaury de la, frz. Senator, Ehrenhäftling 41 Granger, Renée, geb. Giraud, Tochter von General Henri Giraud, Sippenhäftling 147ff. Groppe, Theodor, regimekritischer NS-General, am 21. Juli 1944 verhaftet 234ff. Grothmann, Werner, SS-Hauptsturmführer, Adjutant des Reichsführers-SS 126f. Grüner, Franz, Rechtsanwalt, enteigneter Eigentümer von Schloss Itter 31 Grynszpan, Herschel, Attentäter des deutschen Diplomaten Ernst vom Rath in Paris, Sonderhäftling 21 Haaser, Anni, ehemalige Sekretärin von Josef Müller, Sonderhäftling 189 Haig, George, Sohn des brit. Feldmarschalls Douglas Haig, Sonderhäftling 213 Halder, Franz, Generaloberst, »persönlicher Gefangener« Hitlers 85, 107, 206, 224, 228 Halder, Gertrud, Frau von Franz Halder, Sonderhäftling 224

Personenregister  285

Hamm, Anton, Kaplan, Sonderhäftling 224 Hammerstein-Equord, Hans von, Generaloberst. Österr. Staatssekretär 95 Harfich, Konrad, SS-Rottenführer im Sonderlager A, Sachsenhausen 186f. Hassell, Fey von, Tochter des Diplomaten Ulrich von Hassell, verh. Pirziò-Birol, Sippenhäftling 11, 49, 219, 232f. Heberlein, Erich, ehemaliger deutscher Gesandter in Spanien, Sonderhäftling 188, 221 Heinisch, Reinhard, Historiker 161 Heinrich, Prinz von Bayern, Sohn von Kronprinz Rupprecht, Haus Wittelsbach 66, 69 Heinrich, Prinz von Hessen, Sohn von Mafalda von Savoyen und Philipp von Hessen 168 Held, Heinrich, geschäftsführender bayerischer Ministerpräsident 64 Hennyey, Gustav, ungar. General 198, 205 Herriot, Édouard, Vorsitzender der frz. Abgeordnetenkammer 47, 111f., 144 Herriot, Philippe, Informationsminister der Vichy-Regierung 141 Heß, Rudolf, Stellvertreter Hitlers 63, 92, 216 Heuss, Ernst Ludwig, Widerstandskämpfer und Sohn des späteren Bundespräsidenten Theodor Heuss, Sonderhäftling 22 Heydrich, Reinhard, SS-Obergruppenführer, Chef des RSHA 46, 68, 87, 96, 191 286  Anhang

Himmler, Heinrich, Reichsführer-SS 9ff., 13, 15, 18, 25, 27ff., 31f., 41, 45f., 48ff., 53, 68ff., 75, 80, 84, 87, 91, 94, 97ff., 102, 111f., 116, 119, 126ff., 145f., 154, 156f., 181, 191ff., 211ff., 216, 234, 236, 238 Hitler, Adolf, »Führer und Reichskanzler des Deutschen Reiches« 7f., 10. 13 26, 31f., 35, 37ff., 41, 50f., 58, 60, 62, 64, 68, 70f., 73, 79ff., 82f., 87ff., 90, 92ff., 104, 110ff., 124, 128, 131, 133, 141, 150ff., 156ff., 163ff., 169f., 176, 185, 190ff., 195ff., 200, 208, 214, 217, 224, 226, 239 Höck, Michael, Regens des Priesterseminars Freising, Schriftleiter der Münchner Katholischen Kirchenzeitung, entschiedener NS-Gegner, Sonderhäftling 24, 60, 81 Hoepner, Erich, General, Sonderhäftling 62, 221, 224 Hoepner, Horst, Bruder von Erich Hoepner, Sonderhäftling 224 Hofer, Franz, Gauleiter von Tirol-Vorarlberg 111, 231, 239 Hoffmann, Karl-Heinz, Leiter des Referats »Besetzte Westeuropäische Gebiete« 139 Hohenberg, Ernst, Fürst von, Sohn des 1914 in Sarajevo ermordeten österr. Thronfolgers Franz Ferdi­ nand, Schutzhäftling 213ff. Hohenberg, Marie-Therese, Fürstin von, Tochter des brit. Militärattachés in Wien Jerves Wood, Frau von Ernst von Hohenberg 214 Hohenberg, Max, Fürst von, Bruder von Ernst von Hohenberg, Schutzhäftling 214f.

Hopetoun, John, Sohn des Vizekönigs von Indien, Sonderhäftling 213 Höppner, Rolf-Heinz, SS-Sturmbannführer, Leiter des SD-Leitabschnitts Posen 28 Horthy, Eugen von, Bruder von Miklós Horthy sen. 202 Horthy, Ilona von, Frau von István Horthy, Ehrenhäftling 203 Horthy, István von, Sohn von Miklós Horthy sen. 203 Horthy, Miklós (Nikolaus) von, ungarischer Reichsverweser, Ehrenhäftling 10, 48, 109, 168f., 175, 196ff., 200ff., 206 Horthy, Miklós jr. von, Sohn des gleichnamigen ungar. Reichsverwesers, von den Deutschen entführt, Ehrenhäftling (Deckname: Maus) 199, 204ff., 224 Höß, Rudolf, SS-Obersturmbannführer, Schutzhaftlagerführer im KZ Sachsenhausen, Kommandant des Vernichtungslagers Auschwitz 8, 93 Höttl, Wilhelm, SS-Sturmbannführer, Referatsleiter im RSHA 176 Hoyningen-Huene, Oswald von, dt. Gesandter in Lissabon 157 Huber, Franz Josef, SS-Brigadeführer, Inspekteur des Sicherheitsdienstes in den Reichsgauen Wien, Niederdonau und Oberdonau 98, 100 Huppenkothen, Walter, SS-Standartenführer, Chef der »Sondergruppe 20. Juli« 59 Iaşinschi, Vasile, Kommandant,, stellvertretender Legionärsführer der Eisernen Garde 193

Igmándy-Hegyessy, Géza, Generalleutnant, ung. Ehrenhäftling 207 Iori, Alessandro, ital. Oberstleutnant der faschistischen Miliz, Ehrenhäftling 41 Irene, Herzogin von Aosta, Ehrenhäftling 42 Irmingard, Prinzessin von Bayern, Haus Wittelsbach, Ehrenhäftling (Deckname: Buchholz) 69, 73ff. Jacomet, Robert Generalinspekteur der frz. Armeeverwaltung 138 Jagusch, Walter, SS-Hauptsturmführer, Chef der Sipo Riga 30 Jardel, Jean, Generalsekretär des Chefs des Staates der Vichy-Regierung 123 Jolanda Margherita von Savoyen, Tochter Viktor Emanuels III. und Elenas von Montenegro, Schwester Mafaldas, Frau von Carlo Calvi di Bergolo 171 Jonas, Klaus W., Biograph 42 Joos, Joseph, Schriftsteller, frz. Sonderhäftling 114, 223f. Joséphine-Charlotte, belg. Prinzessin, Tochter aus der 1. Ehe Leopolds III., Ehrenhäftling 151 Jouhaux, Léon, frz. Gewerkschaftsführer, Ehrenhäftling 33f., 41 Jovanovic, Dragomir, Oberbürger­ meister von Belgrad, Ehrenhäftling 42 Jungclaus, Richard, SS-Brigadeführer, Höherer SS- und Polizeiführer Belgien und Nordfrankreich 157 Jüngling, Karl, SS-Unterscharführer, Wachhabender im Sonderlager A, Sachsenhausen 185 Personenregister  287

Jüttner, Hans, SS-Obergruppenführer und General der Waffen-SS, Chef des SS-Führungshauptamtes 126 Kaindl, Anton, SS-Standartenführer, letzter Kommandant des KZSachsenhausen 75 Kállay, Andreas von, Sohn von Miklós Kállay, Ehrenhäftling 200, 205 Kállay, Miklós von, ungar. Ministerpräsident, Ehrenhäftling 10, 109, 198, 204ff., 232 Kaltenbrunner, Ernst, Chef der Sipo und des SD, Leiter des RSHA 17, 46f., 53f., 101, 109, 116, 129, 176, 196 236 Karl Albrecht von Habsburg-Altenburg, Erzherzog, Sonderhäftling 216 Karl Theodor von Bayern, Herzog 157, 159 Keitel, Wilhelm, Generalfeldmarschall, Chef des Oberkommandos der Wehrmacht 92, 123, 157, 166, 169, 202 Kémény, Gabriel, ungar. Außenminister 204 Kesselring, Albert, Generalfeldmarschhall 122 Kiep, Hanna, Frau von Otto Carl Kiep, Sonderhäftling 22 Kiep, Otto Carl, ehemaliger Reichspressechef und Generalkonsul in New York, Sonderhäftling 22 Kiewitz, Werner, Oberstleutnant, Begleitoffizier Leopolds III., später degradiert, Hauptmann beim »Sonderkommando Dirlewanger« 153ff., 160

288  Anhang

Knipping, Max, Chef der Miliz in Nordfrankreich 141 Knochen, Helmut, SS-Standartenführer und Befehlshaber der Sipo für das besetzte Frankreich 111, 139 Kogon, Eugen, Publizist, Soziologe und Politikwissenschaftler 174 Kokorin, Wassilij Wassiljewitsch, Leutnant, Neffe des sowjetischen Außenministers Wjatscheslaw M. Molotow, Sonderhäftling 178, 181, 184, 187ff., 206, 224 Komorowski, Tadeusz, Graf, Oberbefehlshaber der Polnischen Heimatarmee, Sonderhäftling 213 Krebs, Hans, SS-Brigadeführer, Regierungspräsident des Sudetengaus 29 Kuby, Erich, Publizist 175 Kunkel, Karl, Kaplan, Sonderhäftling 11, 22, 81, 220ff. La Chambre, Guy, Minister für französische Luftstreitkräfte 138 La Porte du Theil, Joseph de, Chef des frz. Jugendarbeitsdienstes, Ehrenhäftling 42 Lahousen, Erwin, Generalmajor, Leiter der Abteilung für Sabotage und Spezialaufträge des Amtes Ausland/Abwehr 122 Lakatos, Géza, ungar. Generaloberst 198 Lammers, Hans, Reichsminister und Chef der Reichskanzlei 212 Larock, Victor, Vorstandsmitglied der belg. Sozialistischen Partei 163 Lascelles, Hubert, Earl of, Neffe des brit. Königs Georg VI., Sonderhäftling 213

Laval, Pierre, stellvertretender Minis­ terpräsident in der Vichy-Regierung 112, 118ff., 123, 133f., 139, 141f. Lazar, Carol, ungar. General, Ehrenhäftling 200 Lebrun, Albert François, letzter Staatspräsident der 3. französischen Republik, Ehrenhäftling 34, 40f., 112 Lee, John C. jr., Lieutenant, Führer des 23. Tank Battalions 35 Lehner, Anton, Ehrenschutzhäftling Hitlers 9 Lehr, Robert, Oberbürgermeister von Düsseldorf 55 Leiber, Robert, Jesuitenpater, Privatsekretär des Papstes 59 Leipkin, Privatsekretär von Heß 92 Leonardi di Villacortese, Marquise, Ehrendame der ital. Königin 68 Leopold III., König von Belgien, Ehrenhäftling 7, 9f., 35ff., 151‒163, 170 Leopold von Preußen, Prinz 206, 223 Leussing, Friedrich, Kommandant der Wehrmachtsfestungshaftanstalt Küstrin 233ff. Ley, Robert, NS-Reichsorganisationsleiter 55 Lindemann, Fritz, Generaloberst 62, 168 Louis von Bourbon-Parma, Prinz 107, 145, 164 Louis-Philippe von Thurn und Taxis, Prinz 67 Ludwig Wilhelm, Herzog von Bayern, Haus Wittelsbach 68

Lunding, Hans, Chef des dänischen Nachrichtendienstes, Sonderhäftling 189, 220 Lürkner, Otto, SS-Standartenführer, Wachhabender auf Schloss Hirschstein 160 Luther, Martin, Unterstaatsekretär im Auswärtigen Amt, Ehrenhäftling 50ff. Mackensen, Hans Georg von, deutscher Botschafter in Rom 69 Mafalda, Prinzessin von Savoyen, Tochter Viktor Emanuels III., Frau Philipps von Hessen, Ehrenhäftling, in Buchenwald umgekommen 10, 42, 107f., 164‒174 Malinowski, Stephan, Historiker 27 Mandel, Claude, Tochter von Georges Mandel und Béatrice Bretty 138, 141 Mandel, Georges, Innenminister im Kabinett Reynaud, Sonderhäftling 11, 19, 111, 137ff. Marche, Hélène, Dienstmädchen von General Henri Giraud, Sippenhäftling 150 Marchitto, Nicola, stellvertretender Polizeipräsident von Rom im Dienste des Hauses Savoyen 171 Margherita, Prinzessin von SavoyenAosta, Ehrenhäftling 42 Marguet, Jeanne, geb. Giraud, Tochter des Generals Henri Giraud, Sippenhäftling 150 Marguet, André, Mann von Jeanne Giraud, Tochter des Generals Henri Giraud, Sippenhäftling 149 Maria Anna, Großherzogin von Luxemburg 67 Personenregister  289

Maria Gabriele, Herzogin in Bayern, erste Frau von Kronprinz Rupprecht 68 Maria José, Schwester von Leopold III., Frau des italienischen Kronprinzen Umberto von Savoyen 151, 156, 164 Maria von Savoyen, Tochter Viktor Emanuels III., Frau von Louis von Bourbon-Parma, Ehrenhäftling 107, 145, 164 Marie-Christine, Prinzessin von Savoyen-Aosta, Ehrenhäftling 42 Marie-Madeleine von Bourbon Parma, geb. von Bourbon-Busset, Prinzessin, Frau von Franz Xaver von Bourbon-Parma 146 Mayr, Eugen, ehemaliger Eigentümer von Schloss Itter 31 Meißner, Otto, Reichsminister, Chef der Reichskanzlei 37f., 154, 160 Ménétrel, Bernard, enger Berater Pétains 123 Mesny, Maurice, frz. General, von den Nazis erschossen 115f. Meusburger, Peter, Führer des Heimatschutzes Kleinwalsertal 44 Meyer, Alfred, Reichsstatthalter in Lippe und Schaumburg-Lippe 111 Mihai I. (Michael I.), Sohn Carols II., folgte seinem Vater auf dem Thron 191, 195 Mindszenty, József, ungar. Geistlicher, später Kardinal, Sonderhäftling 205, 207f. Mironovici, Radu, Legionär der Eisernen Garde, Sonderhäftling 193 Molotow, Wjatscheslaw Michailowitsch, Volkskommissar für Aus290  Anhang

wärtige Angelegenheiten der UdSSR 108, 178, 181, 184, 187 Moltke, Helmuth James, Graf, Begründer der Widerstandsgruppe »Kreisauer Kreis«, Sonderhäftling 22 Moritz, Prinz von Hessen, Sohn von Mafalda von Savoyen und Philipp von Hessen 173 Mottet, Armand, frz. Gewerkschaftsund Sozialistenführer, Sonderhäftling 189 Müller, Adolf, Münchener Rechtsanwalt, Sonderhäftling 224 Müller, Heinrich, (»Gestapo-Müller«) Chef des Amtes IV (Geheime Staatspolizei) im RSHA 16, 29, 46, 84, 86, 109, 111ff., 168, 212 Müller, Josef (»Ochsensepp«) Rechtsanwalt, aktiv in der katholischen Widerstandsbewegung, Sonderhäftling 11, 58f., 188ff., 206 Müller, Thomas, SS-Obersturmbannführer, Kommandeur der SSUnterführerschule Radolfzell 124, 126 Murphy, William, brit. Häftling im Sachsenhausener Lager A 184 Mussolini, Benito, »Duce«, ital. faschistisches Staatsoberhaupt 40, 42, 48, 67, 157, 164ff., 169, 174ff. Náday, ungar. General 198 Nakache, Alfred, frz. Schwimmer, Ehrenhäftling 26 Napoleon, Prinz, Ehrenhäftling 146 Naujoks, Harry, Lagerältester KZ Sachsenhausen 79

Nebe, Arthur, Chef des Reichskriminalamts 188 Neubronn, Alexander Freiherr von, Generalleutnant, Vertreter von Generalfeldmarschall Rundstedt bei Pétain 118 Neuhäusler, Johannes, Domkapitular, Sonderhäftling 24, 59f., 81, 109, 220f., 223, 225f., 232 Niemöller, Martin, evangelischer Pfarrer, »persönlicher« Gefangener Hitlers 8, 24, 60, 79ff., 89‒93, 109, 114, 206, 222f., 232 Niemöller, Paula, Frau von Martin Niemöller 92 Nitti, Francesco, ehem. ital. Ministerpräsident, Ehrenhäftling 34, 41 O’Brien, Patrick, brit. Häftling im Sachsenhausener Lager A 184 Olbricht, Friedrich, General der Infanterie, beteiligt am Hitler-Attentat vom 20. Juli 1944 29 Oster, Hans, General und Widerstandskämpfer 59 Otto von Habsburg, Oberhaupt des Hauses Habsburg-Lothringen, Gewährsmann Horthys 197 Pacelli, Eugenio, Kardinalstaatssekretär, (später Papst Pius XII.) 59, 239 Panzinger, Wilhelm, SS-Oberführer, Chef des Reichskriminalpolizeiamtes 70 Papen, Franz von, stellvertretender Reichskanzler 95 Patch, Alexander, US-General 162 Patton, George S., General der USArmy 150

Paulus, Friedrich, Generalfeldmarschall 76, 78 Pavolini, Alessandro, Mitglied des Faschistischen Großen Rats 176 Pétain, Philippe, Marschall, Ministerpräsident und Staatschef der Vichy-Regierung 110, 116ff., 134, 138 Petersdorff, Egon von, Vizekommandant der Südtiroler Widerstandsbewegung 221, 230 Petrović, Michael, montenegrinischer Thronanwärter 166 Philipp, Prinz von Hessen, Ehrenhäftling (Deckname: Wildhof ) 10, 42, 107, 164ff., 171, 189, 202, 206, 220 Pifrader, Humbert, SS-Oberführer, Gruppenleiter im RSHA Amt IV 97f., 101, 239 Piguet, Gabriel, Bischof von Clermont-Ferrand, Ehrenhäftling 114, 207, 221, 223, 232 Pirziò-Biroli, Fey siehe Hassell, Fey von Pius XII. siehe Pacelli, Eugenio Plettenberg, Walther, Graf von, Sonderhäftling 224 Pohl, Maximilian Ritter von, Kommandierender General der Luftwaffe in Mittelitalien 122 Pohl, Oswald, SS-Obergruppenführer und General der Waffen-SS 32, 46, 48 Preysing, Konrad Graf von, Berliner Bischof 106 Pünder, Hermann, Staatssekretär in der Reichskanzlei, Sonderhäftling 221, 224

Personenregister  291

Raeder, Erich, Großadmiral 92 Rahn, Rudolf, deutscher Botschafter in Italien 54, 70f., 110, 121, 134f., 200 Rattenhuber, Hans, SS-Gruppenführer, Chef von Hitlers Sicherheitskommando 167 Renthe-Fink, Cécil von, Diplomat, Reichsbevollmächtigter im besetzten Dänemark, danach in Frankreich 117f. Réthy, Prinzessin von siehe Baels, Mary Lilian Reuß zu Köstritz, Heinrich XXXIII., Prinz 38 Reut-Nicolussi, Eduard, Innsbrucker Universitätsprofessor, Südtiroler Widerstandskämpfer 230 Reynaud, Paul, frz. Kabinettschef, Ehrenhäftling 11, 19, 33, 41, 43, 107, 111, 137ff. Ribbentrop, Joachim von, Reichsaußenminister 40f., 50ff., 111, 118, 133, 146, 162, 191, 202 Rizzo, Luigi, ital. Marineoffizier, Ehrenhäftling 41 Röchling, Ernst, saarländischer Großindustrieller, Ehrenhäftling 26 Roeder, Manfred, Oberstkriegsgerichtsrat 58 Roell, van, niederl. General 237 Roey, Jozef-Ernest van, Kardinal 159 Romilly, Giles, brit. Kriegsberichterstatter und Neffe von Premierminister Winston Churchill 212f. Rommel, Erwin, Generalfeldmarschall 166 Roosevelt, Franklin D., US-Präsident 153

292  Anhang

Roque, François de la, Oberst, frz. Faschistenführer, Ehrenhäftling 34 Rosenberg, Alfred, NS-Chefideologe, Leiter des Reichsministeriums für die besetzten Ostgebiete 92 Rothschild, Louis Nathanael, von, Wiener Bankier, Sonderhäftling 96f., 99f., 239 Röttiger, Hans, General, Chef des Generalstabs der Heeresgruppe Italien 227f., 239 Rupprecht, Kronprinz von Bayern, Haus Wittelsbach, Ehrenhäftling 8, 64ff., 107 Rutschenko, Nikolaus, Oberleutnant. Ehrenhäftling 190 Sandberger, Martin, SS- Sturmbannführer, Kommandeur der Sipo und des SD Ostland 30 Sapieha, Maria, poln. Prinzessin, Tochter des früheren Finanzministers Jerzy Zdziechowski, Frau von Fürst Johann Sapieha, Sonderhäftling 217 Sauckel, Fritz, NS-Gauleiter in Thüringen 36f., 111 Saurrat, Albert, französischer Premierminister, Ehrenhäftling 41 Scarpini, Georges, frz. Botschafter in Berlin 150 Schacht, Hjalmar, Reichswirtschaftsminister, Generalbevollmächtigter für die Kriegswirtschaft, Reichsbankpräsident, Sonderhäftling 60ff., 85, 107f., 189, 206 Scheidler, Arthur, SS-Sturmbannführer, Adjutant des Chefs der Sipo und des SD 28

Schellenberg, Walter, SS-Brigadeführer, Chef des SD und der Abwehr im RSHA 51, 53f., 87, 127f. Schlabrendorff, Fabian von, Offizier und Widerstandskämpfer des Attentats vom 20. Juli 1944, Sonderhäftling 206, 224 Schlim, Jean Louis, Biograph 77 Schmidt, Arno, Sonderhäftling 21 Schmidt, Ludwig, Atemtherapeut und Homöopath, Ehrenhäftling 63 Schmitz, Richard, Wiener Bürgermeister, Sonderhäftling 206, 223 Schultz, Walter Conrad, Ehrenhäftling 16 Schuschnigg, Artur von, Bruder von Kurt Schuschnigg 96, 103ff. Schuschnigg, Kurt von, österreichischer Bundeskanzler (Deckname: Auster), Ehrenhäftling 7, 9f., 20, 25, 73, 84f., 88, 92, 95‒109, 114, 220, 223, 232f. Schuschnigg, Kurt von, Sohn aus der ersten Ehe von Kurt Schuschnigg 105f. Schuschnigg, Maria Dolores (»Puppi«, »Sissy«), Tochter von Kurt Schuschnigg 9, 102f., 105f., 220, 223, 233 Schuschnigg, Vera, zweite Frau von Kurt Schuschnigg, geb. Gräfin Czernin von und zu Chudenitz (Deckname: Auster) 9, 25, 61, 96, 101ff., 108, 220, 223, 233 Schwarzburg, Friedrich Günter Prinz zu 39 Schwarzburg, Fürstin Anna Luise zu 35, 39 Schwerin, Kurt Graf von, Schutzhäftling

Schwerin-Krosigk, Ludwig Graf von, Reichsfinanzminister 37, 168 Senise, Carmine, Polizeichef von Mailand unter Mussolini, Ehrenhäftling 41 Seyß-Inquart, Arthur, SS-Gruppenführer, ab Mai 1940 Reichskommissar für die besetzten Gebiete der Niederlande 211 Sima, Horia; rumän. Lehrer für Logik und Philosophie, Führer der rumänischen Eisernen Garde, Sonderhäftling 178, 190‒195, 208 Skorzeny, Otto, SS-Obersturmbannführer, beim »Unternehmen Eiche« am Gran Sasso d’Italia befreite er den abgesetzten Diktator Mussolini aus der Gefangenschaft der Regierung Badoglio 174, 199, 202 Soskin, Salomon, enteigneter Eigentümer von Schloss Hohenbuchau bei St. Georgen im Taunus 29 Speer, Albert, ab 1937 Generalbauinspekteur, ab 1942 Reichsminister für Bewaffnung und Munition, später umbenannt in RM für Rüstung und Kriegsproduktion 32, 35, 37, 57, 89, 156, 168 Speidel, Hans, General, Unterstützer der Widerstandskämpfer des 20. Juli 1944 234f. Sprenger, Jakob, SA-Obergruppenführer, NSDAP-Gauleiter Großgau Hessen und Reichsverteidigungskommissar 28f. Stahlecker, Werner, SS-Standartenführer, Inspekteur der Sipo 99 Stalin, Jakob siehe Dschugaschwili, Jakob Personenregister  293

Stalin, Josef Wissarionowitsch, Vorsitzender des Ministerrats der UdSSR 178, 180f. Stauffenberg, Alexander Schenk, Graf von, Bruder von Claus Schenk von Stauffenberg, Sippenhäftling 18, 25, 49, 207, 224, 233 Stauffenberg, Claus Schenk, Graf von, Hitler-Attentäter 18, 49, 58 Stauffenberg, Elisabeth Gräfin Schenk von, Sippenhäftling 18, 49, 207, 224, 233 Stauffenberg, Melitta Schenk, Gräfin von, Frau von Alexander Schenk von Stauffenberg, Sippenhäftling 18, 25, 49, 207, 224, 233 Stawitzki, Kurt, SS-Sturmbannführer, Kommandant des KZ Flossenbürg 188 Steengracht von Moyland, Gustav, Diplomat, Ribbentrops Staatssekretär 162 Steengracht, Adolf Freiherr von, Staatssekretär im Auswärtigen Amt Stevens, Richard Henry, brit. Major (Deckname: Richard Fuchs) 85, 87ff., 219 Stiller, Edgar, SS-Oberscharführer 63, 85f., 220ff., 224ff., 229, 238 Strasser, Otto (Pseudonym »Weigand von Miltenberg«), Leiter der Untergrundorganisation »Schwarze Front«, der »Kampfgemeinschaft revolutionärer Nationalsozialisten« 21 Sweerts de Landa, Wyborgh, Kammerherr der Königin der Niederlande, Sonderhäftling 211

294  Anhang

Szálasi, Ferenc, ungar. nationalsozialistischer Parteiführer 200ff. Sztojay, Döme, ungar. General 198 Thadden, Elisabeth von, Widerstandskämpferin, nahm an der »Teegesellschaft« von Anna von Gierke und Hanna Solf teil, Sonderhäftling 22 Theil, Edmund, Oberst 171 Thierack, Otto, Reichsminister der Justiz 15 Thomas, Georg, General der Infanterie 57, 85, 107f. Thyl, Joseph, tschechischer Geistlicher im KZ Buchenwald 174 Thyssen, Amélie, Frau von Fr. Thyssen, Ehrenhäftling (Deckname: Müller) 25, 55, 57 Thyssen, Fritz, Industrieller, Ehrenhäftling (Deckname: Müller) 10, 25, 55ff., 107, 206, 219 Törekly, Kálmán, Präsident des Obersten ungar. Gerichtshofs 205 Trémeau, Madame, Frau von Brigadegeneral Pierre Trémeau, Kommandant der Sahel-Truppen, mit Tochter, Ehrenhäftling 41 Umberto von Savoyen, ital. Kronprinz, Sohn Viktor Emanuels III. 151, 164, 167 Usslepp, Walter, SS-Unterscharführer, Elser-Bewacher im KZ Sachsenhausen 84 Veesenmayer, Edmund, SS-Brigadeführer, Gesandter, Reichsbevollmächtigter für Ungarn 199, 201

Verheyen, Charles, Stallmeister der Königin der Niederlande, Sonderhäftling 211 Vermehren, Isa, Schwester des zu den Briten übergelaufenen Diplomaten Erich Vermehren, Sippenhäftling 11, 220 Viktor Emanuel III., König von Italien aus dem Haus Savoyen 10, 75, 164, 167f., 170 Wagner, Adolf, NS-Gauleiter in Bayern 65 Wagner, Josef, »Privatgefangener« Hitlers 93f. Wagner, Maria, Frau von Josef Wagner 94 Waldeck, Josias Erbprinz zu, SS-Obergruppenführer und General der Polizei, Führer des SS-Oberabschnitts Fulda-Werra 48, 111 Walsh, Andrew, brit. Häftling im Sachsenhausener Lager A 184 Wauer, Paul, Zeuge Jehovas, »BunkerFriseur« im KZ Sachsenhausen 80 Weemaes, Willy, Sekretär Leopolds III., Ehrenhäftling 162 Weiter, Eduard, SS-Sturmbannführer, Kommandant des KZ Dachau 34, 84, 224, 238 Werkmeister, Karl, deutscher Lega­ tionsrat 153 Weygand, Édouard, Sohn von Maxime Weygand 125 Weygand, Maxime, frz. General, Verteidigungsminister in der Regierung Pétain (Deckname: Lottermann), Ehrenhäftling 34, 122ff., 142

Weygand, Renée, Frau von Maxime Weygand 125, 129 Wilhelm, Großherzog von Luxemburg, Vater von Kronprinzessin Antonia von Bayern 67 Wilhelmina von Oranien-Nassau, Königin der Niederlande 151, 155, 211 Wimmer, Sebastian, SS-Hauptsturmführer, Kommandant des SSAußenlagers Schloss Itter 33 Winant, John G. jr., US-Bomberpilot, Sonderhäftling 213 Winkelmann, Otto, SS-Obergruppenführer 200 Wirth, Joseph, Reichskanzler der Weimarer Republik, Sonderhäftling 22, 220 Witzleben, Erwin von, General 62 Wolff, Karl, SS-General, Chef von Himmlers persönlichem Stab 11, 51, 99, 227f., 230, 238f. Woyrsch, Udo von, SS-Obergruppenführer, Höherer SS- und Polizeiführer im Oberabschnitt Elbe 158, 215 Wulffen, Günther von, Generalbevollmächtigter der Fürstin zu Schwarzburg 37 Zamoyski, Alexander Graf, poln. Sonderhäftling 206 Ziereis, Franz, Lagerkommandant 170 Zill, Egon, SS-Sturmbannführer, KZKommandant Flossenbürg 33 Zita von Bourbon-Parma, Gemahlin Kaisers Karl I., letzte Kaiserin von Österreich und Apostolische Königin Ungarns 146, 206

Personenregister  295

Volker koop

himmlers letztes Aufgebot Die ns-orgAnisAtion »WerWolf«

Als eine der geheimnisumwittertsten Einrichtungen des Nationalsozialismus gilt die von Heinrich Himmler initiierte NS-Organisation »Werwolf«, die in den letzten Kriegswochen für zahlreiche Morde an deutschen Zivilisten, die mit den Alliierten kooperierten, verantwortlich war. Volker Koop legt mit seinem neuen Buch eine umfassende Darstellung vor, die der Verharmlosung oder gar Heroisierung des »Werwolfs« durch rechtsradikale Kräfte den Boden entzieht. 2008. 309 S. 9 S/w-ABB. gB. mIt Su. 135 x 210 mm. ISBN 978-3-412-20191-3

[Ein] Buch, das wohl das ultimative zu dem Thema sein dürfte. Tagesspiegel Volker Koop hat eine detailreiche Darstellung der Geheimorganisation „Werwolf “ vorgelegt. Himmlers letztes Aufgebot konnte Deutschlands Niederlage nicht verhindern. Die Angst davor aber hat dazu geführt, dass tausende unschuldige Jugendliche verhaftet wurden. Manche bezahlten die Werwolfangst mit ihrem Leben - die letzten Opfer des Krieges. 3sat Kulturzeit böhlau verlag, ursulaplatz 1, 50668 köln. t : + 49(0)221 913 90-0 [email protected], www.boehlau.de | köln weimar wien

Volker koop

»Dem Führer ein kinD schenken« Die ss-organisation lebensborn e.V.

Wissenschaftlich fundiert und kenntnisreich erschließt Volker Koop die Geschichte des Lebensborn e.V. von der zugrunde liegenden Ideologie bis zu dem Nachkriegsschicksal der Betroffenen. Sein Buch ermöglicht neue Einblicke in den praktizierten Rassenwahn dieser SS-Organisation, die unter dem Vorwand, Müttern und Kindern zu helfen, rücksichtslos die »Germanisierung« Europas vorantreiben wollte. 2007. X, 306 S. Mit 11 S/w-Abb. Gb. Mit SU. 155 X 23 MM. iSbN 978-3-412-21606-1

Mit Bilddokumenten, ausführlichen Zitaten aus dokumentarischen Quellen, reichem Faktenmaterial und der Darstellung von exemplarischen Einzelschicksalen vermittelt das sachlich gehaltene Buch ein authentisches Bild der kriminellen Organisation und trägt damit zur Geschichte des Dritten Reiches wie der praktizierten Rassenhygiene/Eugenik bei. Zeitschrift für Geschichtswissenschaft

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K athrin Kompisch

täterinnen Fr auen im nationalsozialismus

Bis auf wenige besonders grausame Beispiele ist die Beteiligung von Frauen an den verbrecherischen Taten der Nationalsozialisten lange aus dem kollektiven Gedächtnis der Deutschen ausgeblendet worden. Erstmals zeigt nun das Buch von Kathrin Kompisch die Bandbreite weiblicher Täterschaft während des »Dritten Reiches«. Eindringlich schildert die Autorin die sozialen und persönlichen Voraussetzungen und Motive der Frauen und stellt die Frage nach ihrer Verantwortung. 2008. 277 S. Mit 20 S/w-Abb. Gb. Mit SU. 155 x 230 MM. iSbN 978-3-412-20188-3

Kompisch beschreibt die Täterinnen wie sie tatsächlich waren – Frauen, die aus Überzeugung am Mordprozess teilhatten, aber keineswegs »von Natur aus« böse Psychopathinnen und damit entschuldbar waren. […] Und das waren neben den prügelnden und mordenden KZ-Aufseherinnen in letzter Konsequenz auch die Fürsorgerinnen oder (braunen) Rot-Kreuz-Schwestern. Und all die bislang wenig beachteten Sekretärinnen und Nachrichtenhelferinnen, kurz: die »vergessenen« Täterinnen – sie waren allesamt Rädchen im großen Getriebe des NS-Staates. Süddeutsche Zeitung böhlau verlag, ursulaplatz 1, 50668 köln. t : + 49(0)221 913 90-0 [email protected], www.boehlau.de | köln weimar wien

PETER GATHMANN, MARTINA PAUL

NARZISS GOEBBELS EINE PSYCHOHISTORISCHE BIOGR AFIE

Joseph Goebbels (1897–1945) war einer der einflussreichsten Politiker des NS-Regimes und einer der Hauptverantwortlichen für den Holocaust. Diese Biografie nähert sich der Persönlichkeit Goebbels mit den Mitteln der Psychohistorie und sucht in den Erlebnissen seiner Kindheit und Jugend die Wurzeln für die späteren politischen Entscheidungen.

„In dieser psychohistorischen Biografie versuchen die Autoren Goebbels quasi posthum auf die Couch zu legen. Und das gelingt ihnen auf weite Strecken in beeindruckender Weise.“ (Profil) Dass sie [die psychohistorische Analyse] zu beeindruckenden Ergebnissen führen kann, zeigen insbesondere die Kapitel über Goebbels Abhängigkeit von Hitler – eine faszinierende Studie über eine „narzisstische Verschmelzung“, in der der Aufstiegshungrige seine Erweckung und Erlösung erlebt. (Frankfurter Rundschau) 2009. 298 S. 16 S. S/W-ABB. GB. M. SU. 155 X 235 MM. ISBN 978-3-205-78411-1

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AndreAs engwert/susAnne Kill Hg.)

sonderzüge in den tod die deportAtionen mit der deutscHen reicHsbAHn eine doKumentAtion der deutscHen bAHn Ag

Die Deutsche Reichsbahn war mit der Deportation zahlloser Menschen beauftragt und damit unmittelbar am Holocaust beteiligt. Ohne den Einsatz der Eisenbahn wäre der systematische Mord an den europäischen Juden, Sinti und Roma im Zweiten Weltkrieg nicht möglich gewesen. Heute schätzt man, dass etwa drei Millionen Menschen aus fast ganz Europa mit Zügen zu den nationalsozialistischen Vernichtungsstätten transportiert wurden. Die vorliegende Dokumentation »Sonderzüge in den Tod – Die Deportationen mit der Deutschen Reichsbahn« ist die Begleitpublikation zur gleichnamigen Wanderausstellung der Deutschen Bahn AG und will an das unermessliche Leid erinnern, das diesen Menschen zugefügt wurde. Sie zeigt Einzelschicksale von Kindern, Frauen und Männern, die von ihren Heimatorten in den Tod transportiert wurden. Überlebende schildern in Zeitzeugeninterviews die grauenvollen Zustände in den Zügen. Die Verantwortlichkeiten sowie die fahrplanmäßige und betriebliche Durchführung dieser Transporte durch die Reichsbahn wird anhand von Dokumenten und Grafiken dargestellt. 2009. 162 S. 102 S/w-Abb. u. 56 fArb. Abb. Gb. 220 x 260 mm. ISbN 978-3-412-20337-5

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BÖHLAU BUCHCOVER 102, 412-20604-8, SU, J. Hermand FORMAT: 135 x 210 mm, WIEN, 11. APRIL 2010 © J. MU LLAN FÜ R BÖHLAU

COVER

KULTUR IN FINSTEREN ZEITEN Nazifaschismus Innere Emigration Exil

Jost Hermand

Kultur in finsteren Zeiten Jost Hermand

naZifascHismus, innere emigr ation, exil

In fast allen politischen Debatten der Zeit zwischen 1933 und 1945 hat der Begriff Kultur eine zentrale Rolle gespielt. Während es dabei in der Inneren Emigration und im Exil fast ausschließlich um hochkulturelle Vorstellungen ging, sind die Nationalsozialisten auf diesem Sektor stets von strategischen Gesichtspunkten ausgegangen. Sie boten jeder Bevölkerungsschicht – trotz aller vorgeblichen Volksgemeinschaftskonzepte – das ihnen Gemäße: der Bildungsbourgeoisie die Werke der klassischen Tradition und den sogenannten breiten Massen eine sie von den mörderischen Fernzielen der NSDAP ablenkende Unterhaltungskultur, deren wichtigstes Ziel es war, sie bei guter Laune zu halten. Jost Hermand zeigt in seinem neuen Buch, daß dieses Kalkül maßgeblich zu jener Erfolgsgeschichte des Nazifaschismus beigetragen hat, die für die Nachgeborenen bis heute ein bestürzendes Phänomen ist. Ihre Gegner in der Inneren Emigration und im Exil – ohne Zugang zu den auf Breitenwirkung zielenden Massenmedien und daher im Bereich der randständigen höheren Künste bleibend – blieben dagegen relativ wirkungslos und konnten erst im Zuge der sogenannten Vergangenheitsbewältigung nach dem Dritten Reich die nötige Anerkennung finden und damit eine Wirkung entfalten. 2010. 337 S. Mit 53 S/w-Abb. Gb. Mit SU. iSbN 978-3-412-20604-8

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L adisL aus Löb

Geschäfte mit dem teufeL die tr aGödie des Judenretters rezsŐ K asztner. bericht eines ÜberLebenden

Mit diesem Buch erhält der Leser eine eindringliche Innensicht in eine wenig bekannte Episode des Holocaust. Es erzählt die Geschichte eines Juden, der den Mut und die Geisteskraft hatte, den nationalsozialistischen Mördern die Stirn zu bieten und Tausende vor einem elenden Tod zu bewahren, bevor er selbst ermordet wurde. Es schildert auch die moralische Debatte, die Rezső Kasztner durch seine »Geschäfte mit dem Teufel« in der jüdischen Welt ausgelöst hat. 2010. 277 S. Mit 27 S/w-Abb. Auf 8 tAfeln. Gb. Mit Su. 155 x 230 MM. iSbn 978-3-412-20389-4

Kasztners Zug, der im Juli 1944 1.700 ungarische Juden 1944 in Sicherheit brachte, war lange Zeit geheimnisumwittert und umstritten. Ladislaus Löb, ein verängstigter Elfjähriger in diesem Zug, legt nun eine gleichermaßen fundierte Verteidigung Kasztners wie ergreifende Erinnerung an die eigene traumatische Kindheit vor. Es ist ein beeindruckendes, kluges und ermutigendes Buch. Ben Shepard, Historiker, Oxford University

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