Colours: Die Geschichte der Farben 9783806232189

Manganschwarz, Ägyptisch Blau, Ockergelb, Zinnoberrot, Ultramarin, Mumienbraun und Mauve: Hinter jeder Farbe verbirgt si

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German Pages 120 [122] Year 2015

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Colours: Die Geschichte der Farben
 9783806232189

Table of contents :
Front Cover
Titel
Inhaltsverzeichnis
1 Erde und Feuer
Mangan SCHWARZ: Kunst in der Eiszeit
ROTER Ocker: Heilig und gefährlich in Australien
Ägyptisch BLAU: König Tutanchamuns Infrarot-Sender
Griechisch WEISS: Der Mythos der weißen Stadt
GELBER Ocker: Die Farbe des Schlamms
2 Steine, Mineralien, Zweige und allerlei Tierchen
Tyrischer PURPUR: Die köngliche Farbe der Kleopatra
Zinnober, Vermilion und Minium: Tödlich schön
SCHWARZE Tusche: Wer braucht denn schon Farbe?
GOLD: Der Glanz des Mittelalters
GRÜNE Erde: Überirdische Untertöne
Das Zeitalter der LEINWAND: Auf Segel malen
UltramarinBLAU: Aus dem Tal des Steines
Koschenille: Aus der neuen Welt in die Kunst (und auf dem Tisch)
Blauholz SCHWARZ: Puritaner und Piraten
Kobalt: Blau am Tatort
BleiWEISS: Gefährlicher Zauber
INDIGO: Frauenpower in South Carolina
Gainsborough-BLAU: Setze Blau niemals zentral ins Bild
ROSA: Madame de Pompadour und die Farbe des Luxus
Klares LICHT: Und das Zeitalter der Aufklärung
TizianBLAU: Einfach unglaublich
Indisch GELB: Turner, Kühe und Mangos
KrappROT: Die Erfindung des Farbkreises
Grafit: Bleistifte ohne Blei
MumienBRAUN: Ein Pharao wird beerdigt
3 Moderne Farben
MAUVE: Ein missglückter Chemieversuch
PreussischBLAU: Das Blau, das ein Rot sein sollte
SmaragdGRÜN: Das Geheimnis der Gifttapete
Schwarz und Weiß und Sepia: Was man auf Fotos nicht sehen kann
ManganVIOLETT: Monet geht nach draußen
ChromGELB: Eine Farbe aus Sibirien
Patentblau, Tartrazin und Bengalrosa: Mit der Kartoffel zu herrlichen Farben
KadmiumGELB: Mit Kandinsky Farben hören
LitholROT: Eine unendliche Reise der Fantasie
Internationales Klein BLAU: Nicht jedermanns Blau
Orange 36 und Violett 19: Lichtenstein und der Aufstieg der Superhelden
Malen mit Licht: Pixel als Pigment
Bildnachweis
Index
Danksagung
Impressum
Über die Autorin
Über den Inhalt
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VICTORIA FINLAY

COLOURS Die Geschichte der Farben Aus dem Englischen von Gina Beitscher

I N H A LTS V E R Z E I C H N I S 9

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Mangan SCHWARZ Kunst in der Eiszeit

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ROTER Ocker Heilig und gefährlich in Australien

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Ägyptisch BLAU König Tutanchamuns Infrarot-Sender

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Griechisch WEISS Der Mythos der weißen Stadt

19

GELBER Ocker Die Farbe des Schlamms

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Erde und Feuer

Steine, Mineralien, Zweige und allerlei Tierchen

Tyrischer PURPUR Die köngliche Farbe der Kleopatra

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Zinnober, Vermilion und Minium Tödlich schön

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SCHWARZE Tusche Wer braucht denn schon Farbe?

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GOLD Der Glanz des Mittelalters

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GRÜNE Erde Überirdische Untertöne

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Das Zeitalter der LEINWAND Auf Segel malen

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UltramarinBLAU Aus dem Tal des Steines

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Koschenille Aus der neuen Welt in die Kunst (und auf dem Tisch)

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Blauholz SCHWARZ Puritaner und Piraten

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Kobalt Blau am Tatort

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BleiWEISS Gefährlicher Zauber

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INDIGO Frauenpower in South Carolina

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Gainsborough-BLAU Setze Blau niemals zentral ins Bild

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ROSA Madame de Pompadour und die Farbe des Luxus

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Klares LICHT Und das Zeitalter der Aufklärung

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TizianBLAU Einfach unglaublich

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Indisch GELB Turner, Kühe und Mangos

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KrappROT Die Erfindung des Farbkreises

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Grafit Bleistifte ohne Blei

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MumienBRAUN Ein Pharao wird beerdigt

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3

Moderne Farben

MAUVE Ein missglückter Chemieversuch

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PreussischBLAU Das Blau, das ein Rot sein sollte

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SmaragdGRÜN Das Geheimnis der Gifttapete

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Schwarz und Weiß und Sepia Was man auf Fotos nicht sehen kann

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ManganVIOLETT Monet geht nach draußen

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ChromGELB Eine Farbe aus Sibirien

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Patentblau, Tartrazin und Bengalrosa Mit der Kartoffel zu herrlichen Farben

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KadmiumGELB Mit Kandinsky Farben hören

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LitholROT Eine unendliche Reise der Fantasie

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Internationales Klein BLAU Nicht jedermanns Blau

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Orange 36 und Violett 19 Lichtenstein und der Aufstieg der Superhelden

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Malen mit Licht Pixel als Pigment

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Bildnachweis Index Danksagung

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TEIL EINS | ERDE UND FEUER

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1 Erde und Feuer

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TEIL EINS | ERDE UND FEUER

Mangan SCHWARZ An einem Donnerstag im September 1940, mitten im Zweiten Weltkrieg, brachen vier Jungen und ein Hund namens Robot zu einer Entdeckungsreise auf. Es waren unruhige Zeiten: Die Deutschen waren in jenem Sommer nach Frankreich vorgedrungen und standen nur wenige Kilometer nördlich des südwestfranzösischen Dorfes, aus dem die Jungen kamen. Der Älteste aus der Gruppe, der 18-jährige Marcel Ravidat, kannte Geschichten von uralten Gängen unter den nahe gelegenen Wäldern und wollte deshalb den Eingang zu einem Erdloch erkunden, das

KUNST IN DER EISZEIT

Robot zwischen den Wurzeln eines umgestürzten Baums entdeckt hatte. Seine drei Begleiter waren der 14-jährige Jacques Marsal, der 15-jährige Georges Agnel und Simon Coencas, ein 13-jähriger jüdischer Flüchtling aus Paris. Marcel hatte einen Spaten und einige Lampen mitgebracht. Nachdem die Jungen die Öffnung vergrößert hatten, rutschten sie durch einen langen Schacht etwa zwölf „schreckliche“ Meter in die Tiefe hinab. Unten angekommen, entdeckten sie – beinahe wie Alice im Wunderland – eine surreale,

unterirdische Welt, in der nichts ganz so war, wie es schien. Die Jungen fanden sich in einer riesigen Kalksteinhöhle wieder, in der unzählige Stalaktiten von der Decke herabhingen und Stalagmiten vom Boden aufragten. Marcel hielt eine der Petroleumlampen hoch, und im flackernden Licht erkannten sie riesenhafte Tieraugen, die ihnen von den Wänden rings-

Höhlenmalerei von Lascaux, Frankreich, jüngere Altsteinzeit

TEIL EINS | ERDE UND FEUER

Marcel, Jacques und Robot, Frankreich, um 1940

Darstellung eines ausgestorbenen Steppenbisons in der Höhle von Altamira, Spanien, jüngere Altsteinzeit

Die Höhle von Altamira In Europa wurden Höhlenmalereien erst-

mals in der Nähe der spanischen Ortschaft Santillana del Mar entdeckt. Im Jahr 1879 erkundete der spanische Grundbesitzer Don Marcelino Sanz de Sautuola hier mit seiner kleinen Tochter Maria eine Höhle. Während er einige steinzeitliche Werkzeuge untersuchte, die wenige Jahre zuvor entdeckt worden waren, spielte seine Tochter auf dem Höhlenboden. Plötzlich rief das kleine Mädchen ganz aufgeregt: „Papa, schau mal, da sind Stiere!“ Und tatsächlich: An der Wand über ihren Köpfen, in Rot, Gelb, Schwarz und Weiß gemalt, tobten ganze Herden von Wisenten vorüber. Seine Zeitgenossen beschuldigten Sanz de Sautuola zunächst der Fälschung, weil sie nicht glauben konnten, dass die Menschen in der Steinzeit solche Kunstwerke geschaffen hatten. Aber sie irrten sich.

herum entgegenstarrten. Da waren Pferde und Hirsche, Bisons und sogar ein Bär. Und in der Mitte, an der Decke hoch über ihren Köpfen, thronte ein gewaltiger, über fünf Meter langer Stier. Die Malereien muteten so realistisch an, dass sie fast zu atmen schienen. Die Rücken und Flanken der Tiere waren in kräftigen Rot- und Gelbtönen gemalt und mit dicken schwarzen Linien umrahmt. Die vier Jungen waren die ersten Menschen, die diese Malereien seit ihrer Entstehung am Ende der Eiszeit, vor etwa 17 000 Jahren, erblickten. Wie sich später herausstellte, sollten sie zu den wenigen Menschen gehören, die sie jemals mit vollständig erhaltenen, leuchtenden Farben sahen. Rot. Gelb. Schwarz. Weiß. Braun. Das waren die Farben der ersten bekannten künstlerischen Darstellungen auf dieser Erde. Sehr erstaunlich scheint dies nicht zu sein, handelt

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es sich doch um Farben, die leicht in der Natur zu finden sind. Roter und gelber Ocker kommen natürlicherweise in eisenhaltigem Boden vor. Schwarz erhält man durch das Verbrennen eines Zweigs zu Holzkohle oder aus den Rußrückständen eines Feuers. Weiß lässt sich aus Kalkstein oder Kreide gewinnen. Und Braun ist die Farbe von Erde und Schlamm. Wenn man diese Materialien zu Pulver zerreibt und mit tierischem Fett oder einem anderen Bindemittel vermischt, damit sie haften bleiben, dann können sie bei den richtigen Witterungsverhältnissen jahrtausendelang auf Kalksteinwänden überdauern. Das ist allerdings noch nicht die ganze Geschichte der Farben in der Höhle, die von den Jungen entdeckt wurde – und die wir heute als die „Höhle von Lascaux“ kennen. In den 2000er Jahren nahmen französische Wissenschaftler eine winzige Probe

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TEIL EINS | ERDE UND FEUER

Cueva de las Manos, Patagonien, um 11000–7000 v. Chr. An einem abgelegenen Ort in den Bergen Patagoniens, weit im Süden von Argentinien, liegt die Cueva de las Manos („Höhle der Hände“), an deren Wänden eine erstaunliche Sammlung von Handabdrücken zu sehen ist. Es handelt sich größtenteils um die Abdrücke linker Hände, was darauf schließen lässt, dass die Künstler, die ihre Blasrohre hielten, vorwiegend Rechtshänder waren.

von der Nase des großen Stiers. Sie fanden heraus, dass das Schwarz nicht nur aus Ruß oder Holzkohle bestand. Es enthielt auch ein seltenes Manganoxid, Hausmannit, welches durch die Erhitzung von stark manganhaltigem Gestein künstlich hergestellt werden kann. Das Verfahren erfordert jedoch eine Temperatur von ungefähr 900 Grad Celsius, und es ist schwer vorstellbar, dass die steinzeitlichen Menschen in ihren offenen Feuerstellen so hohe Temperaturen erzeugt haben könnten. Vielleicht hat es ein lokales Vorkommen gegeben, von dem wir heute nichts mehr wissen. Es ist aber ebenso möglich, dass der Hausmannit aus den etwa 240 Kilometer entfernten Pyrenäen stammte. Offensichtlich wissen wir nicht genau, wie der Hausmannit zur Höhle von Lascaux gelangt ist. Vielleicht wurde er von Händlern mitgebracht, oder der Stamm schickte junge Männer aus, um ihn herbeizuschaffen; mög-

licherweise kamen auch die Schöpfer dieser Höhlenmalereien, auf ihrem Weg zu einem anderen Ort, von jenseits der Pyrenäen. Jedenfalls könnte es sein, dass manche Farben vor 17 000 Jahren sehr wertvoll waren und es sich lohnte, sie über eine weite Strecke zu transportieren. Aus der Höhle von Lascaux erfahren wir allerdings noch etwas anderes. So waren zum Beispiel Hilfsmittel oder Werkzeuge nötig, um die verschiedenen Effekte in den Malereien zu erzeugen. Die Farbe des großen Stiers wurde aufgetragen, indem man zermahlene Minerale mit einer Flüssigkeit vermischte und die Farbe dann mit dem Mund aufsprühte – entweder direkt oder durch ein Blasrohr. Es schmeckte wahrscheinlich fürchterlich, aber auf diese Idee kamen in der Steinzeit viele Menschen überall auf der Welt. In anderen Höhlen kann man ähnliche Techniken erkennen, und zwar nicht nur in Europa, sondern ebenso in

Australien (in 40 000 Jahre alten Malereien), in der Kalaharisteppe in Afrika, in den patagonischen Bergen in Argentinien oder in Baja California in Mexiko. An einigen dieser Orte kann man sehen, wie die Künstler mit unterschiedlichen Effekten experimentierten und sich die Farbe auch über ihre Hände sprühten, um Handabdrücke zu erzeugen. Andere Farben in Lascaux wurden auf vorhersehbarere Weise aufgetragen – mit den Fingern oder mit Pinseln, die vermutlich aus dem Haar von Rotwild angefertigt worden waren. Manche Konturen zeichnete man jedoch mit Ruß, der mit wachsartigem Lehm vermischt wurde, was darauf schließen lässt, dass die Menschen selbst vor so langer Zeit bereits Farbstifte hergestellt und verwendet haben. Aber welchem Zweck dienten diese erstaunlichen Gemälde? Und wie konnten ihre Schöpfer in der riesigen Höhle so hoch

TEIL EINS | ERDE UND FEUER

Pigmente und Farbstoffe Das Wort „Pigment“ leitet sich von dem lateinischen pingere („malen“) her. Vielleicht sollte es deshalb eher „Pingment“ lauten. In der Kunst werden damit die farbigen Pulver bezeichnet, die mit einem Bindemittel wie Leim, Öl, Ei oder Acryl vermischt werden können, um Malfarben herzustellen. Pigmente bestehen gewöhnlich aus Mineralien, obwohl sie – wie wir noch sehen werden – auch aus Insekten, Knochen und anderen Materialien erzeugt werden können. Das Wesentliche an den Pigmenten ist, dass sie sich im Bindemittel nicht auflösen, sondern frei darin schweben. Farbstoffe sind dünner und lösen sich auf. Sie werden hauptsächlich zum Färben von Stoffen verwendet und müssen normalerweise auf dem Stoff „fixiert“ werden, damit sich die Farbe nicht auswäscht. Die Substanz, die dazu eingesetzt wird, heißt Mordant (Beize) – aus dem lateinischen Wort für „beißen“, weil sich die Farbe durch das Mittel an den Fasern „festbeißt“ und sie hoffentlich nicht mehr loslässt. Beizen enthalten Metalle, Urin oder Alaun, und wie man gelegentlich hört, soll auch Rauch in engen Räumen eine solche Wirkung haben. Farbstoffe können nicht aus Pigmenten erzeugt werden, wohl aber Pigmente aus Farbstoffen, indem man sie mit einem Beizmittel auf einem weißen Trägermaterial fixiert, wie etwa Ton, Knochenmehl oder Salz. Aus Farbstoffen hergestellte Farben werden als Farblacke bezeichnet.

hinaufgelangen? Waren die Künstler Jäger, die ihre Abenteuer darstellten? Oder Priester, die von den Göttern ein günstiges Schicksal erbaten? Vielleicht wurden die Tiere von professionellen Künstlern gemalt, die von Höhle zu Höhle zogen, wie es später im Mittelalter die reisenden Handwerker beim Bau der großen Kathedralen taten. Womöglich stammten die Malereien auch von gelangweilten EiszeitTeenagern, die während des langen Winters nach einem Zeitvertreib suchten. Wir werden es wohl nie erfahren. Was wir allerdings wissen, ist, dass die Höhle beleuchtet war, als die Tiere gemalt wurden – in der Dunkelheit konnten die Bilder nicht entstanden sein. Ebenso gab es Licht, wann immer jemand kam, um sie zu betrachten. Und schaut man sich die Tiere ganz aus der Nähe an, so kann man sehen, dass die Künstler oder Künstlerinnen vor 17 000 Jahren, indem sie bestimmte Farbtöne auswählten und die Schattierung, die Dicke und den Auftrag der Farben variierten, den Eindruck erzeugten, als würde sich das Sonnenlicht auf dem Rücken von lebendigen Wesen widerspiegeln. Wie viele Künstler nach ihnen setzten sie Farbe ein, um Dinge mit Licht und Leben zu erfüllen, die zuvor nur in ihrer Erinnerung oder Vorstellung existierten. Zuerst wollten die Jungen die Höhle geheim halten und niemandem davon erzählen, nicht zuletzt deshalb, weil sich feindliche Soldaten in der Nähe befanden. Doch nach wenigen Tagen strömten bereits die Besucher herbei (Marcel stand am Eingang und verlangte 40 Centimes für eine Besichtigung). In der ersten Zeit rutschte man auf einem Stück Holz oder, wie es der Fotograf des Life-Magazins Ralph Morse später beschrieb, „mit dem Hosenboden auf der blanken Erde“ hinab. Auch der weltberühmte Experte für prähistorische Kunst Abbé Henri Breuil, der sich zufällig in einer nahe gelegenen Stadt aufhielt, eilte sofort herbei, als er davon hörte. Und nachdem er die Höhle mit Taschenlampe und Lupe untersucht hatte, bestätigte er nicht

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nur die Echtheit der Felsmalereien, sondern erklärte zudem, dass es sich dabei wahrscheinlich um die größten bisher entdeckten prähistorischen Kunstwerke überhaupt handelte. Simon kehrte ein paar Tage später nach Paris zurück und kam in ein Internierungslager. Weil er noch nicht 16 Jahre alt war, wurde er jedoch wieder freigelassen, und es gelang ihm, sich während des gesamten Kriegs versteckt zu halten. (Im Jahr 2014, als dieses Buch entstand, war er als Einziger der Gruppe noch am Leben.) Auch Georges kehrte kurz darauf nach Hause zurück, um wieder in die Schule zu gehen. Jacques wurde 1942 festgenommen und als Zwangsarbeiter nach Deutschland geschickt. Marcel schloss sich dem französischen Widerstand, der Résistance, an und versteckte sich in Höhlen nahe jener, die er mit den anderen Jungen entdeckt hatte. Nach dem Krieg wurden er und Jacques zu offiziellen Führern von Lascaux und erzählten immer wieder die Geschichte, wie es gewesen war, durch das Erdloch zu klettern und den großen Stier zum allerersten Mal zu erblicken. 1948 öffnete der Grundbesitzer, dem das Land über der Höhle gehörte, einen Durchgang, und bald darauf strömten täglich über 1 000 Besucher in die Höhle von Lascaux, fast 400 000 Menschen in einem Jahr. Ihr Atem und die warme Luft, die nun in die kalte Höhle gelangte, überzogen die Wände mit einer tauartigen Feuchtigkeit. Dadurch und aufgrund der neuen elektrischen Beleuchtung begannen die kräftigen Farben zu verblassen. In nur 20 Jahren wurden die Malereien, die in der Dunkelheit so viele Jahrtausende überstanden hatten, nahezu unsichtbar. Und dies ist ein weiterer charakteristischer Punkt in der Geschichte der Farben in der Kunst: Erst sind sie da, und dann verschwinden sie. Sie bleiben nicht gleich – und jedes Mal, wenn man ein Gemälde betrachtet, dann verändert man es auch ein ganz klein wenig.

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TEIL EINS | ERDE UND FEUER

ROTER Ocker

HEILIG UND GEFÄHRLICH IN AUSTRALIEN

Die Tiwi-Inseln vor der Nordspitze Australiens werden von nur wenigen Tausend Aborigines bewohnt. Lange glaubten die TiwiInsulaner, dass sie die einzigen Menschen auf der ganzen Welt seien, und auch der Name tiwi bedeutet in ihrer Sprache „wir, die einzigen Menschen“. Im Laufe der Zeit fanden die Tiwi-Insulaner eine Möglichkeit, die Heirat zwischen engen Verwandten zu vermeiden: und zwar mithilfe von Farben. Bereits als kleine Kinder erfahren sie, welche Farbe sie „haben“. Manche sind rot und repräsentieren die Sonne; andere sind schwarz und repräsentieren den Stein; wieder andere sind weiß wie der PandanusBusch; der Rest ist gelb und repräsentiert die Meeräsche. „Rote“ dürfen weder „Rote“ noch „Schwarze“ heiraten, sondern nur „Gelbe“ oder „Weiße“. Die Insulaner verwenden diese vier Farben für viele Dinge, zum Beispiel bei der Herstellung ihrer erstaunlich bemalten Begräbnis-Pfähle, der pukumani, was soviel bedeutet wie „tabu“ oder „gefährlich“. Früher war es Außenstehenden gewöhnlich nicht erlaubt, die Pfähle an den Begräbnisstätten zu sehen. Aber als der erste Tiwi-Fremdenführer in den 1990er Jahren starb, beschloss seine Familie, den Besuchern die für sein Begräbnis angefertigten Pfähle zu zeigen, auf denen seine Lebensgeschichte in einem speziellen Code aufgezeichnet war. Der Mann war ein Roter, so waren die Pfähle vorwiegend in rotem Ocker gehalten, mit Punkten und Strichen, die für die in seinem Leben wichtigen Menschen und Orte standen. Auf einem Pfahl waren oben ringsherum große gelbe Ovale aufgemalt. „Was stellen sie dar?“, fragte ein Besucher mit gedämpfter Stimme. „Ach,

die stehen für den Australian Football. Er liebte es, Football zu spielen.“ Alle Farben der Tiwi stammten von den Inseln. Auf dem Festland mussten die Aborigines dagegen manchmal lange Strecken zurücklegen, um an die besten Farben zu gelangen. Gewöhnlicher roter Ocker ist in Australien vielerorts zu finden. Wenn man

Pukumani-Pfahl, Australien, 2011

aus dem Flugzeug schaut, erscheint der ganze Kontinent rot gefärbt, und in jedem Flussbett gibt es Steine, die, zu Pulver zermahlen, für Farben genutzt werden können. Die Fundstellen von heiligem rotem Ocker waren

TEIL EINS | ERDE UND FEUER

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Wissenswertes über Rot • In der Sprache der Komantschen wird

ein und dasselbe Wort – ekapi – für „Farbe“, „Kreis“ und „rot“ verwendet. • Rot steht in China für Glück. Bräute tragen bei der Hochzeit Rot. Häuser, in denen das Glück wohnt, haben rote Dächer. • 2008 wurden in einer Studie der Samford University in Alabama die Muskelkraft und der Händedruck von 18 jungen Männern untersucht. Ihre Stärke wurde unter rotem, blauem und normalem weißen Licht verglichen. Die Forscher fanden heraus, dass die Männer bei rotem Licht größere Kräfte entwickelten und stärker waren.

Trockenes Flussbett mit Ocker – ein „natürlicher Malkasten“, Jumped Up Creek, Beswick, Australien, 2000

jedoch rar und es lohnte sich, dafür weite Reisen zu unternehmen. Ein Fundort des heiligen Ockers war Wilgie Mia in den Weld-Bergen in Westaustralien, ein anderer die Bookatoo-Mine in Parachilna in Südaustralien. Mindestens bis in die 1880er Jahre gab es Berichte darüber, dass sich alljährlich 70 oder 80 junge Männer aus dem Diyari-Stamm in der Nähe des Lake Howitt zu einer Pilgerreise in den Süden nach Parachilna aufmachten, um die rote Farbe zu sammeln. Es dauerte etwa zwei Monate, bis sie die insgesamt 1 600 Kilometer Hin- und Rückweg zurückgelegt hatten. Sie handelten mit Bumerangs, Äxten und einem Buschtabak namens Pituri, und nachdem sie mit ihren

Possumhaut-Beuteln voller Ocker heimgekehrt waren, verwendeten die Männer des Stammes die Farbe, um ihre Körper für heilige Rituale zu bemalen. Man hielt dieses Rot für so gefährlich, dass es nur bestimmte Männer, niemals aber Frauen sehen durften. Manchmal wurden Menschen auch getötet, weil sie es unerlaubt angesehen hatten. Der Grund, warum gerade diese Farbe so besonders war, ist noch immer ein Stammesgeheimnis. Vielleicht war sie es, weil Rot das Blut und den Tod symbolisiert; einige Anthropologen glauben allerdings, dass diese Farbe deshalb als gefährlich gilt, weil sie glänzt. Bis zur Ankunft der Europäer im 17. und 18. Jahrhundert hatte die indigene

Bevölkerung Australiens weder Metall noch Glas gesehen. Und die einzigen schimmernden Dinge, die sie kannte, waren Schweiß und Blut, Wasser in einem Tümpel nach dem Regen oder Luftspiegelungen in der heißen Wüste. In einer solchen Kultur wurde dem Glanz der roten Farbe möglicherweise eine ungewöhnliche Kraft zugemessen – vielleicht die Kraft, ein Fenster in die Welt der Vorfahren zu öffnen. Die Aborigines in Australien, deren Maltradition über 40 000 Jahre alt ist, waren jedoch nicht die Ersten, die diese Farbe benutzten. In Afrika kannten die Menschen den roten Ocker schon Jahrtausende früher, lange bevor die Menschen in Europa mit ihren Tierhaarpinseln zu malen begannen. Im Jahr 2008 fanden Archäologen in der südafrikanischen Blombos-Höhle die älteste

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TEIL EINS | ERDE UND FEUER

bisher entdeckte Malausrüstung. Sie umfasst Abalone-Schalen, die als Farbnäpfe verwendet wurden und in denen sich noch Reste von rotem und gelbem Ocker befanden, sowie Steinwerkzeuge zum Zermahlen des Pigments und Knochenstücke, die zum Anrühren der Farbe gedient haben könnten. Außerdem entdeckten sie zwei ziegelartige Blöcke aus rotem Ocker, die mit diamantförmigen Gravuren versehen waren. Bei ihnen könnte es sich um die ältesten Kunstwerke der Welt handeln, wenngleich der Ocker – merkwürdigerweise – nicht als Farbe gebraucht wurde, sondern das Kunstwerk selbst war. Die gesamte Malausstattung war vor 80 000 Jahren im Sand vergraben worden. „All diese Artefakte wurden zusammen gefunden“, erklärte ein BBC-Reporter im Jahr 2011, „fast so, als ob sie jemand weggelegt hätte, um sie später wieder hervorzuholen.“ Doch das hat niemand mehr getan.

Süßwasserschildkröte und Warzenschlange von Tony Djikululu, um 1965

Natürliche Pigmente wie Ocker spielen bei einigen traditionellen Malweisen der Aborigines weiterhin eine große Rolle.

TEIL EINS | ERDE UND FEUER

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Roter Ocker und sterbende Sterne

Das meistverbreitete rote Farbpigment

zu größeren und schwereren. Durch die

sich dieser Vorgang, und die Elemente wer-

der Erde ist roter Ocker, auch Rötel oder

Kompression steigt wiederum die Temperatur

den noch schwerer. Und so geht es immer

Roteisenerde genannt. Scheunen in

an, bis sie so hoch ist, dass eine neue nukle-

weiter, bis der Knackpunkt – nämlich eine

Skandinavien sind damit getüncht; Straßen

are Reaktion mit dem Helium erfolgen kann.

Atommasse von 56 – erreicht ist.

werden manchmal damit beschichtet;

Diese Reaktion ist jedoch etwas schwächer, da

rote Ziegel erhalten ihre Farbe von ihrem

Helium weniger leicht verschmilzt. Wenn die

explodiert als eine Supernova, gefüllt mit

Eisengehalt. Warum aber kommt roter

Energie das nächste Mal nachlässt, wiederholt

zahlreichen Elementen, aber auch mit gro-

Denn nun kollabiert der Stern und

Ocker so häufig vor, dass er zu den billigsten

ßen Mengen der schweren Materie, deren

Farben der Welt gehört? Die Antwort finden

Erzeugung zur finalen Explosion geführt

wir in den Sternen und in der Kernfusion.

hat. Der Prozess ist damit allerdings noch

Also aufgepasst: Hier kommt eine ziemlich

immer nicht beendet. Ein solcher Kollaps

atomare Erklärung.

ist ein ziemlich dramatisches Ereignis: Der

Wasserstoff ist das leichteste Element,

Druck steigt erneut an und löst eine wei-

das gewöhnlich nur ein Proton und keine

tere Welle von Kernreaktionen aus, durch

Neutronen besitzt (Atommasse: 1). Und so

die all die schwereren Elemente entstehen

wird ein Stern geboren – nämlich als eine

und im Universum verstreut werden, die

riesige Wasserstoffkugel. Dann beginnt

uns so vertraut sind – darunter Kupfer,

der Druck der Schwerkraft im Zentrum

Arsen, Gold, Silber und Zink. Sie verbinden

des Sterns, die Wasserstoffatome zusam-

sich miteinander und bilden (aufgrund der

menzudrücken. Sie fangen an, mit einer

Schwerkraft) manchmal sogar Planeten.

solchen Kraft zusammenzustoßen, dass sie

Diese Reaktionen produzieren jedoch keine

verschmelzen und sich in Helium (das zweit-

neue Kernfusionsenergie, sondern nur

leichteste Element, mit einer Atommasse

Materie. Das Element mit der Atommasse von

von 4) verwandeln. Dieser Vorgang, der als Kernfusion bezeichnet wird, findet auch in

56, das erzeugt wird, wenn ein Stern zur

der Sonne statt, bei der es sich um einen

Supernova wird, ist – richtig vermutet –

relativ jungen Stern handelt.

Eisen. Es ist das vierthäufigste Element in der Erdkruste. An dritter Stelle steht

Nach mehreren Milliarden Jahren ist nur noch wenig Wasserstoff übrig. Die Energie

Aluminium und an zweiter Silizium.

der Kernfusion lässt etwas nach, und der

Das häufigste Element auf der Erde ist

Stern kühlt langsam ab und schrumpft. Doch

Sauerstoff. Roter Ocker enthält Eisen und

das ist nicht das Ende der Geschichte. Der

Sauerstoff in Form von Eisenoxid (Fe2O3).

gewaltige Druck dieses Abkühlungs- und

So ist es vielleicht nicht verwunderlich, dass

Schrumpfprozesses presst die gesamte

dieses besondere Rot das meistverbreitete

Materie im Inneren des Sterns zusammen und die kleineren Atome verschmelzen

Darstellung der Sonne und der Mondphasen aus: Über die Natur der Vögel, Frankreich oder Flandern, um 1275–1300

Pigment darstellt – und zwar nicht nur auf der Erde, sondern im gesamten Universum.

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TEIL EINS | ERDE UND FEUER

Ägyptisch BLAU Das erste europäische Werk, das eine detaillierte Beschreibung der Pigmente enthält, wurde im 4. Jahrhundert v. Chr. von dem Philosophen und Naturforscher Theophrastos von Eresos in Athen verfasst. Es ist ein kurzes Buch in saloppem Stil, so dass manche glauben, es könnte sich dabei auch nur um die Notizen handeln, die sich einer seiner Schüler während einer Vorlesung

KÖNIG TUTANCHAMUNS INFRAROT-SENDER

gemacht hat. Man stelle sich vor, die eigenen Schulaufzeichnungen wären die einzigen Dokumente, aus denen die Menschen in der Zukunft erfahren würden, was wir heute über ein bestimmtes Thema denken. Dies könnte mit der Schrift Peri Lithon (Über die Steine) geschehen sein. Als frühestes Werk gibt es uns Auskunft darüber, was die antiken Griechen (oder zumindest Theophrastos)

Für eine Statue angefertigtes Glasauge, Ägypten, um 1540–1070 v. Chr.

TEIL EINS | ERDE UND FEUER

Oben: Konservatoren des Getty Conservation Institute untersuchen die Wandmalereien im Grab des Tutanchamun.

Links: Paviane an den Wänden von Tutanchamuns Grab, Ägypten, um 1300 v. Chr. Am 16. Februar 1923 durchbrach der britische Archäologe Howard Carter eine versiegelte Tür und gelangte in das Grab des ägyptischen Kindkönigs Tutanchamun, der im Alter von neun Jahren den Thron bestiegen hatte und zehn Jahre später gestorben war. Die Malereien an der westlichen Wand der inneren Grabkammer zeigten zwölf Paviane, gemalt in Ägyptischblau. Jeder von ihnen repräsentierte eine Stunde der nächtlichen Reise Tutanchamuns in die Unterwelt. „Die Versuchung, mit der Arbeit aufzuhören und hineinzuschauen, war in jedem Moment unwiderstehlich. Und als ich nach etwa zehn Minuten ein Loch geschaffen hatte, das groß genug dafür war, leuchtete ich mit der Taschenlampe hinein. In ihrem Licht bot sich mir ein erstaunlicher Anblick, denn dort, nur einen Meter von der Türschwelle entfernt, erstreckte sich, so weit das Auge reichte, eine allem Anschein nach massive goldene Wand, die den Eingang zur Grabkammer versperrte.“

über Steine und Metalle wussten. Der Verfasser beschrieb darin unter anderem, was geschah, wenn man sie erhitzte oder zerkleinerte – und ob sie sich als Farbpigmente zum Malen eigneten. Vor 2500 Jahren standen den Athener Künstlern die vielfältigsten Farben zur Verfügung. Neben den Rot-, Braun-, Schwarzund Kreidetönen, die wir bereits in der Höhle von Lascaux gesehen haben, gab es metallisches Rot, das in Silber- und Goldminen gefunden wurde, gefährliches Gelb aus Arsen, helles Grün aus Kupfer, das man über Fässern mit saurem Wein aufgehängt hatte, und das strahlendste Weiß aus korrodiertem Blei (ihnen allen werden wir später noch begegnen). Und natürlich Blau. Tatsächlich waren im antiken Griechenland drei Sorten von Blau verbreitet. Das edelste stammte aus Ägypten. Theophrastos war tief beeindruckt von diesem Blau. Er wusste, wie wertvoll es war und dass es die Phönizier – zu jener Zeit zweifellos die

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größten Kaufleute der Welt – ihren wichtigen Handelspartnern zum Geschenk machten. Ihm war auch bekannt, dass dieses Blau nicht in der Erde zu finden war, sondern, nach einem sehr alten Verfahren, durch einen chemischen Prozess erzeugt wurde. Aus heutiger Sicht ist es leicht, die alten Römer, Griechen und Ägypter einfach über einen Kamm zu scheren, insofern sie alle für uns gleichermaßen antike Völker sind. Für Theophrastos lag das alte Ägypten jedoch fast genauso weit zurück und war ebenso schwer vorstellbar wie für uns heute das antike Griechenland. Das Ägyptischblau wurde um 2200 v. Chr. erfunden, als die großen Pyramiden erbaut wurden, also etwa 1900 Jahre bevor Theophrastos in Athen darüber schrieb. Dieses Blau wurde auf ähnliche Weise wie Glas hergestellt, so dass die Materialien relativ leicht zu beschaffen waren. Man benötigte lediglich Kalk (kalzinierter Kalkstein) und Sand sowie ein kupferhaltiges Mineral (wie den Schmuckstein Malachit, blauen Azurit oder auch Bronzespäne). Die Herausforderung bestand darin, dass die Mengen genau aufeinander abgestimmt sein und der Schmelzofen auf 800 bis 900 Grad Celsius erhitzt werden musste. Wenn er zu heiß oder nicht heiß genug war, entstand ein glasig-grünes, unbrauchbares Gemisch. Wenn sie aber die richtige Temperatur trafen, erhielten die alten Ägypter ein opak-blaues, kristallines Material. Die Künstler konnten es zu Pulver zermahlen, mit Eiweiß, Leim oder Gummiarabikum vermischen und damit eine wunderschöne blaue Farbe erzeugen – wie die eines Schwimmbeckens im Sommer. „Es ist das älteste synthetische Pigment“, erläutert der Farbhistoriker Philip Ball, „ein Blau aus der Bronzezeit.“ Ägyptischblau wurde bis in die römische Zeit verwendet und geriet danach in Vergessenheit. Vielleicht ist das auch nicht verwunderlich: Das Herstellungsverfahren war derart kompliziert, dass es, als die

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Technik verloren ging, nahezu unmöglich war, diese zu rekonstruieren. Und später, als die Wissenschaftler im 19. Jahrhundert erneut in der Lage waren, es herzustellen, gab es bereits andere exzellente Blautöne, so dass Ägyptischblau nur noch eine Kuriosität war – bis ein Wissenschaftler eine zufällige Entdeckung machte. An einem Septembermorgen des Jahres 2006 untersuchte der Konservator Giovanni Verri im Röntgenlabor der Getty-Villa in Malibu, Kalifornien, eine 2500 Jahre alte griechische Marmorschale. Darauf waren Achilles’ strahlende Mutter und andere Nereiden abgebildet, wie sie Achilles vor dem Kampf die Waffen überreichen. Mithilfe von Infrarotaufnahmen wollte Verri herausfinden, ob der Künstler vor der farbigen Ausarbeitung

den Entwurf in Schwarz skizziert hatte. (Ruß absorbiert Infrarotstrahlen, so dass eine darunterliegende Zeichnung manchmal unter Infrarotlicht sichtbar wird.) „Meine Wolfram-Infrarot-Strahlungsquelle funktionierte nicht, also musste ich die fluoreszierenden Röhren an der Decke verwenden“, erinnert sich Verri. „Sie werden eigentlich nie für Infrarotaufnahmen eingesetzt, weil sie relativ wenig Infrarotlicht aussenden.“ Als er die Abbildung auf der Schüssel betrachtete, erschien der größte Teil, wie erwartet, dunkelgrau. Als er sich jedoch die Meereswesen ansah, traute er seinen Augen kaum: „Sie waren von glänzendem Licht überzogen“, erinnert er sich. Und als er noch genauer hinsah, stellte er fest, dass der Glanz von der blauen Farbe herrührte.

Verri rief seine Kollegen herbei. Auch sie waren sehr erstaunt. Die Bilder bewiesen, dass Ägyptischblau die fast einzigartige Eigenschaft hat, Infrarotstrahlen abzugeben. Wenn man also grünes oder rotes Licht darauf fallen lässt, wird es von dem blauen Pigment absorbiert und dann als Infrarotstrahlung wieder ausgesendet, ähnlich, wie es die Fernbedienung eines Fernsehers tut. „Dank dieser natürlichen Eigenschaft des Pigments kann man auf jedem Gemälde sehen, wo Ägyptischblau eingesetzt wurde“, erklärt Verri. Selbst wenn auf einem Gegenstand nur eine winzige Menge dieser Farbe haftet und sogar wenn er lange Zeit unter Wasser gelegen hat und mit Verkrustungen überzogen ist, werden die Spuren des alten Blautons unverkennbar leuchten, wenn man eine Kamera mit Infrarotfilter darauf richtet. Und diese außergewöhnliche Eigenschaft kann dazu genutzt werden, herauszufinden, wie antike Kunstwerke einst tatsächlich ausgesehen haben. Oft ist das die einzige Möglichkeit, da alles, was zum Beispiel auf Marmorskulpturen von dem Pigment noch vorhanden ist, mit dem bloßen Auge nicht mehr wahrgenommen werden kann.

clone circle out

Bemalte Marmorschale, griechisch, spätes 4. Jahrhundert v. Chr.

Infrarotaufnahme derselben Schale, mit fluoreszierendem Ägyptischblau

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DER MYTHOS DER WEISSEN STADT Als die Gründerväter der neu entstandenen Vereinigten Staaten von Amerika mit dem französisch-amerikanischen Architekten Pierre Charles L’Enfant 1791 ihre neue Hauptstadt planten, entschieden sie, dass diese einer antiken Stadt ähneln sollte. Sie wollten ihr Land als eine Demokratie gestalten, welche ihren Ursprung in Griechenland hatte, und einige ihrer Politiker sollten in Anknüpfung an die römische Tradition als „Senatoren“ bezeichnet werden. So sollte

auch die neue Hauptstadt – nach dem Vorbild der griechischen und römischen Städte der Antike – gitterförmig angelegt werden. Das Kongressgebäude als Ort der Gesetzgebung sowie der Amts- und Wohnsitz des Präsidenten als des höchsten Repräsentanten sollten mit Säulen, Kapitellen, Sockeln und Marmorstatuen ausgestattet werden, gerade so wie die Akropolis in Athen und das Pantheon in Rom. Und natürlich sollten diese Gebäude wie ihre antiken Vorbilder vollständig in

Das Weiße Haus, entworfen von James Hoban, 1792–80 Für die Malerarbeiten am Weißen Haus benötigte man im Jahr 1800 zwei Tonnen Bleiweiß für das innere Holzwerk und 100 Tonnen Kalkweiß für das äußere Mauerwerk. Heute wird der Amts- und Wohnsitz des US Präsidenten jedes Jahr mit etwa 2160 Litern strahlend weißer Farbe aufgefrischt.

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Weiß gehalten sein. Die meisten wichtigen Bauten im antiken Griechenland und Rom waren allerdings gar nicht weiß. Heute wissen wir, dass fast alle von ihnen einst bunt geschmückt waren, manche sogar mit reinem Blattgold. Aber das passte nicht zu dem, was die Menschen in späteren Jahrhunderten sehen wollten. Sie hielten Farben für frivol und prahlerisch und stellten sich lieber eine idealisierte klassische Welt in makellosem Weiß vor. Seit man im 15. Jahrhundert begonnen hatte, die antiken Marmorschätze in Griechen-

land und Italien auszugraben, kratzten die Händler die Stücke mit Skalpellen ab (oder, was noch schlimmer war, reinigten sie in einem Säurebad), um jede Spur von Farbe zu entfernen und den reinen, weißen Marmor darunter freizulegen. Und wenn wohlhabende Mäzene in der Renaissance und in späteren Zeiten neue Skulpturen in einem Stil in Auftrag gaben, den sie für den „klassischen“ hielten, wollten sie darauf keinerlei Farben sehen. „Bildhauer ... brauchen sich nicht um Farben zu kümmern“, verkündete der große Leonardo da Vinci am Ende des

Phidias zeigt seinen Freunden den Fries im Parthenon von Sir Lawrence Alma-Tadema, 1868–69 Im Jahr 1868 stellte sich der niederländischbritische Maler Sir Lawrence Alma-Tadema vor, wie es gewesen sein mag, als die Marmorschnitzereien an der Spitze des Parthenon-Tempels in Athen vor 2500 Jahren erstmals dem Publikum gezeigt wurden. Alma-Tademas Farbwahl war absichtlich provokativ; denn zu seiner Zeit hielt man den Fries mit seinen Figuren für das Musterbeispiel einer klassischen weißen Skulptur.

Rechts: Statuette von Apollo, des griechischen Gottes der Musik, um 300 v. Chr.

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15. Jahrhunderts. Und für eine ganze Weile blieb dies auch so. Doch dann, im 19. Jahrhundert, entwickelte sich die Wissenschaft der Archäologie. Und die Archäologen nahmen es sehr genau mit den Dingen, die sie im Boden fanden – wie man sie bewahrt und wie alles darüber detailliert und präzise aufzuzeichnen ist. Nachdem sie angefangen hatten, Regeln festzulegen – wie zum Beispiel die, dass keine Farben mehr abzukratzen oder keine Gegenstände in Säure zu tauchen sind –, fanden sie immer mehr Spuren vieler farbiger Pigmente (sie sprachen daher von „Polychromie“ oder Vielfarbigkeit). Sie mussten sich jedoch beeilen: Denn sobald diese wenigen Farbreste, die jahrhunderte-

lang unter der Erde gelegen hatten, mit Luft und Licht in Kontakt kamen, begannen sie – wie die Höhlenmalereien von Lascaux – zu schwinden. Dieser neue Beweis für eine bunte antike Welt regte die Fantasie der Menschen an. In den 1880er Jahren strömten die Besucher zu Ausstellungen, um Gipsabgüsse antiker Statuen zu bestaunen, die in den vermeintlichen Originalfarben bemalt worden waren. Dennoch ließ sich nicht jeder überzeugen. „Ich spüre hier drinnen, dass sie niemals bemalt waren“, beharrte der französische Bildhauer Auguste Rodin, indem er mit der Faust gegen seine Brust klopfte. Zahlreiche Experten hielten an der Idee fest, dass die antiken Skulpturen nur teilweise bemalt waren. Sie bemerkten, dass die Hände und Gesichter der griechischen Statuen gewöhnlich stark poliert waren, wohingegen die Spuren von roten oder gelben Pigmenten (die nach 2000 Jahren noch am besten sichtbar sind) meistens an der Kleidung und am Haar zu finden waren. So nahm man noch bis in die jüngste Zeit an, dass die unbedeckten Körperbereiche der Marmorstatuen unbemalt gewesen sein könnten, während die Kleidung und das Haar farbig waren. Nachdem 2006 allerdings die Aufnahmetechnik zur Identifizierung von Ägyptischblau erfunden wurde, waren die Konservatoren in der Lage, dieses antike blaue Farbpigment allein mithilfe einer Kamera und eines Infrarotfilters aufzuspüren. Und es ist erstaunlicherweise überall zu finden. Man entdeckte Spuren von Blau auf Schwertern, auf Satteldecken und in den Augen. Man fand es am Rücken der Skulpturen, wohin niemand jemals schauen würde. Und die Wissenschaftler waren fasziniert, als sie feststellten, dass es sich auch auf vielen hautfarbenen Bereichen der Statuen, wie Gesichtern und Händen, befand.

Kopf des Hades, Herrscher der Unterwelt, Sizilien, um 400–300 v. Chr.

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Eine neue Erklärung, warum die Hautbereiche so stark poliert waren, lautet nun, dass das Polieren nicht die Bemalung ersetzte, sondern zu ihrer Vorbereitung gehörte. Die Künstler hatten die Oberfläche des Steins vielleicht erst poliert und dann mit einer Mischung aus roter, weißer, gelber, schwarzer und blauer Farbe schichtweise bemalt, bis sie einen realistischen Hautton erzielten. „Wenn dann Licht auf die Skulptur fiel, entstand durch den polierten Marmor eine Art Transluzenz, die durch die bemalte Fläche reflektierte und das Licht streute“, vermutet der Kurator für Antiquitäten des GettyMuseums, Kenneth Lapatin. „Dies verlieh den Statuen Leben und ließ sie von innen her leuchten.“ Diese Entdeckungen bedeuten jedoch nicht, dass alle Statuen vollständig bemalt waren. Sie tragen aber dazu bei, unser Verständnis der Antike zu erweitern. Es ist vorstellbar, dass manche Skulpturen vollkommen bemalt waren und aussehen sollten wie echte Menschen, andere dagegen nicht. Und nach über 2000 Jahren beginnen wir erst jetzt, die antike Welt mit ihren Farben zu verstehen.

© Estate of Duane Hanson/Licensed by VAGA, New York, NY

Cheerleader (1988) und Surfer (1987) von Duane Hanson Als der US-amerikanische Künstler Duane Hanson in den 1960er Jahren begann, seine lebensgroßen Figuren farbig zu gestalten, stellte er fest, dass sich diese Arbeit erheblich vom Malen auf der Leinwand unterschied. So musste er Licht und Schatten an speziellen Stellen wie den Augen stark überzeichnen. Er experimentierte mit unterschiedlichen Materialien, darunter auch mit Buntstiften, um Unregelmäßigkeiten in der Haut darzustellen, und verwendete Nagellack über Ölfarbe für die Fingernägel. Als Joseph Nollekens dagegen seine Venusfigur aus Marmor schuf (Abbildung gegenüberliegende Seite), verspürte er keinerlei Bedürfnis nach Farbe. Und was gefällt Ihnen besser?

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Venus von Joseph Nollekens, 1773, und Apollo krönt sich selbst von Antonio Canova, 1781–82

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Alexander der Große und Campaspe im Atelier des Apelles von Giovanni Battista Tiepolo, um 1740 Einer Geschichte zufolge gab Alexander der Große bei Apelles ein Porträt seiner Lieblingskonkubine Campaspe in Auftrag. Und als Apelles die schöne junge Frau malte (wobei er nur die vier Farbtöne Rot, Weiß, Schwarz und Gelb verwendete), verliebte er sich in sie. Doch statt darüber verärgert zu sein, honorierte Alexander die Arbeit des von ihm bewunderten Künstlers, indem er ihm Campaspe überließ.

GELBER Ocker

DIE FARBE DES SCHLAMMS Apelles war der Lieblingsmaler Alexanders des Großen und eine Berühmtheit. Jedes seiner Bilder war so wertvoll wie eine ganze Stadt – was die bei heutigen Kunstauktionen erzielten Millionenpreise in eine neue Perspektive rückt. (Den höchsten Preis, der jemals für ein Kunstwerk bezahlt wurde, erreichte im Jahr 2011 mit 250 Millionen US-Dollar – damals etwa 190 Millionen Euro – Paul Cézannes Werk Die Kartenspieler.) Das Besondere an Apelles war jedoch, dass er trotz der Vielfalt an bunten Farben, die

ihm zur Verfügung stand, nur vier Haupttöne verwendet haben soll. Dabei handelte es sich wahrscheinlich um dieselben vier Farben, mit denen auch die Maler in der Höhle von Lascaux gearbeitet hatten und die von den Tiwi-Insulanern in Australien genutzt wurden, um ihre Welt zu ordnen: Rot, Weiß, Schwarz und Gelb. Der Rotton stammte von einer Erde aus der heute in der Türkei gelegenen Stadt Sinope. Das Weiß wurde von der griechischen Insel Melos importiert. Der Künstler selbst erfand

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ein Schwarz, das er aus verbranntem afrikanischem Elfenbein gewann (und das von den Griechen daher als elephantinon bezeichnet wurde). Und die gelbe Farbe war ein Ocker aus Athen mit dem Namen „Attisches Sil“ („genau genommen eine Art Schlamm“, wie es der römische Historiker Plinius der Ältere im 1. Jahrhundert beschrieb.) Das Wort „Ocker“ ist ursprünglich von dem griechischen Ausdruck für „blassgelb“ hergeleitet – auch wenn sich seine Bedeutung verändert hat und nun fast jedes Erdpigment umfasst. Es bezeichnet eine eisenreiche Erde, die ihre Farbe von hydratisiertem Hämatit (Fe2O3H2O) erhält oder von dem Eisenmineral Goethit, benannt nach Johann Wolfgang von Goethe, der sich unter anderem sehr für Mineralien interessierte. Diese Erde ist weltweit an vielen Orten zu finden, wenngleich einige der bedeutendsten in Luberon, Südfrankreich, liegen, wo die Hügel in Orange- und Gelbtönen leuchten. Selbst der beste Ocker ist nur eine einfache Farbe, und dennoch konnte Apelles damit scheinbar alle Farben der Welt hervorzaubern.

Wissenswertes über Gelb • Gelb ist die am besten sichtbare Farbe. Wenn man sie als Computerhintergrund verwendet, kann das zur Ermüdung der Augen führen. • In China war Gelb die Farbe des Kaisers. Nur er durfte sie tragen. • Das Blut von Insekten ist gewöhnlich blassgelb. Wenn beim Zerdrücken einer Stechmücke rotes Blut zum Vorschein kommt, dann stammt es höchstwahrscheinlich von dem, der gestochen wurde. • Wenn man zu Oscar Wildes Zeiten von einem „gelben“ französischen Buch sprach, so war damit gemeint, dass es anstößige Erzählungen enthielt.

Attisch-rotfigurige Pelike, Griechenland, um 360 v. Chr. Rotfigurige Vasen sind uns vertraute Artefakte aus dem antiken Griechenland. Einige der schönsten wurden nach dem Brennen mit hellen Farben bemalt. Diese Pelike wurde in Athen hergestellt; gefunden wurde sie jedoch in der Kolonie auf der Halbinsel Kertsch am Schwarzen Meer, so dass sie wahrscheinlich für den Export angefertigt worden war. Sie zeigt Hera (in Rot), Athene (in Malachitgrün) und Aphrodite, die den schönen Prinzen Paris von Troja besuchen, um von ihm zu erfahren, welche Göttin die Schönste sei. Es überrascht nicht, dass seine Entscheidung zu allerlei Ärger führte.

Apelles war für seinen Spott bekannt. Als ihm einer seiner Schüler eine nicht besonders gut gelungene, dafür aber goldglänzende Skulptur der schönen Helena zeigte, sagte er: „Junger Mann, Schönheit konntest du ihr zwar nicht verleihen, aber dafür hast du sie wenigstens reich gemacht.“

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Apelles soll eine Art mühelose Anmut besessen haben, die seine Kunst besonders machte. Als junger Mann stattete er einmal Protogenes, dem damals berühmtesten griechischen Künstler, auf Rhodos einen Besuch ab. Protogenes war jedoch nicht zu Hause, und eine alte Frau bat ihn, seinen Namen zu hinterlassen. Stattdessen nahm er einen Pinsel, der im Atelier lag, und malte mit einem einzigen, äußerst feinen Pinselstrich eine dünne Linie auf eine vorbereitete Holztafel. Als Protogenes nach Hause zurückkehrte, wusste er, dass sein Besucher Apelles gewesen sein musste, denn niemand sonst hätte solch eine perfekte Linie malen können. Er nahm eine andere Farbe, malte eine noch feinere Linie daneben und sagte der alten Frau, sie Apelles zu zeigen, wenn er wiederkäme. Apelles wusste, dass er übertroffen worden war, doch in einer dritten Farbe malte er zwischen die beiden anderen eine neue Linie. Als Protogenes sie sah, musste er zugeben, dass er geschlagen war. Vierhundert Jahre später war dieses Werk zu einem der großen Schätze des Römischen Reichs geworden und wurde auf dem Kapitol in Rom ausgestellt. „Auf seiner großen, weiten Oberfläche zeigte es nichts als die drei Linien, so bemerkenswert fein, dass sie fast unsichtbar zu sein schienen“, schrieb Plinius, der es in seiner Jugend gesehen hatte, bevor es durch ein Feuer zerstört wurde. „Zwischen den kunstvollsten Werken zahlreicher anderer Maler erschien es wie eine leere Fläche; und doch zog es genau deshalb alle Aufmerksamkeit auf sich und wurde höher geschätzt als jedes andere Gemälde dort.“ Es war das erste minimalistische Gemälde, von dem die Kunstgeschichte berichtet – geschaffen mit den denkbar einfachsten Pinselstrichen und Farben. Und es stand am Anfang einer Debatte, die sich über die gesamte Kunstgeschichte fortsetzte. Worum geht es in der Kunst überhaupt? Sind Linien oder Farben wichtiger? Und was macht einen großen Künstler aus?

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TEIL EINS | ERDE UND FEUER

Wie erkennt man, woraus ein Kunstwerk besteht? Dieses Buch enthält zahlreiche Geschichten

wird mit feinen Röntgenstrahlen durchleuch-

über die Materialien, denen die Kunst ihre

tet, die sich dann durch die interagierenden

Farben verdankt: das schwarze Mineral in den

Elemente verändern. Diese Technik wird als

steinzeitlichen Höhlenmalereien, der für eine

Röntgenfluoreszenzanalyse oder RFA bezeich-

mittelalterliche Handschrift zu blauem Pulver

net. Man kann damit beispielsweise feststel-

zermahlene kostbare Edelstein, der Autolack auf

len, ob es sich bei einem weißen Pigment um

einer modernen Skulptur. Aber woher wissen wir

Bleiweiß (seit den ältesten Zeiten bekannt),

überhaupt, was in den Farben enthalten ist?

Zinkweiß (seit dem späten 18. Jahrhundert in

Hier können wissenschaftliche

Gebrauch) oder Titanweiß (erst seit dem frü-

Untersuchungen helfen. Falls möglich, ent-

hen 20. Jahrhundert verfügbar) handelt. Die

nehmen die Konservatoren winzige Proben für

Kenntnis, um welches Weiß es sich handelt,

eine Analyse; manche Kunstwerke sind jedoch

kann sehr wichtig für die Bestimmung der

so klein oder empfindlich – etwa die Malereien

Entstehungszeit eines Gemäldes sein.

in illuminierten Handschriften –, dass sie nicht

Bei einer anderen Methode, der sogenannten

Röntgenfluoreszenzanalyse der Pigmente von Der Erzengel verlässt Tobias und seine Familie von Jan Victors, 1649

einmal die kleinsten Partikel entfernen kön-

Raman-Spektroskopie, werden Laserstrahlen

nen, wenn sie sich nicht von selbst ablösen.

zur Identifizierung der Pigmente eingesetzt.

Gaschromatografie-Massenspektrometrie, bei

Glücklicherweise gibt es wissenschaftliche

Wie bei der RFA wird ein Laserstrahl auf einen

der die Probe eines Stoffgemischs verdampft

Methoden, die keine Proben erfordern. Bei den

kleinen Teil des Gemäldes gerichtet, aber in

und anschließend in ein Instrument gefüllt

meisten davon werden verschiedene Formen

diesem Fall enthält das gestreute Licht nicht

wird, das es in seine Komponenten aufspaltet.

von Licht verwendet – Infrarot-, Ultraviolett-

nur Informationen darüber, welche Elemente

Keine Methode kann alle Fragen beantwor-

und Röntgenstrahlen –, um die Farben zu iden-

vorhanden sind, sondern auch darüber, zu wel-

ten. Im Wissen darüber, welche Substanzen

tifizieren, ohne die Kunstwerke zu beschädigen.

chen spezifischen chemischen Verbindungen

zu welcher Zeit und an welchem Ort in

sie zusammengesetzt sind.

Gebrauch waren, äußern die Konservatoren

Mithilfe von Röntgenstrahlen kann man die chemischen Elemente auf einem Gemälde

Die Raman-Spektroskopie kann unter dem

bestimmen. Der zu untersuchende Bereich

Mikroskop durchgeführt werden, und man ist

den Untersuchungen ähnlicher Werke, auf

damit sogar in der Lage, zum Beispiel einzelne

historischen Beweisen, wie den Briefen oder

Ultramarin- und Azuritpartikel voneinander zu

Tagebüchern von Künstlern, oder auf der

unterscheiden, die in einer Farbe miteinander

Feststellung, ob die Farbe in vorhergesehener

vermischt sind.

Weise auf die veränderten Bedingungen im

Gewöhnlich ist es nicht möglich, die organischen Materialien – wie das zum Binden der

Eine Wissenschaftlerin untersucht mithilfe eines Raman-Spektrometers die Pigmente in dem aus dem frühen 17. Jahrhundert stammenden Manuskript Allgemeine Geschichte von Peru von Martín de Murúa.

also fundierte Vermutungen. Sie basieren auf

Laufe der Zeit reagiert hat. Manche Kunstwerke in diesem Buch wurden

Pigmente verwendete Öl, Harz oder Ei – zu

für bestimmte Kapitel ausgewählt, weil man

bestimmen, ohne eine kleine Probe zu neh-

entweder sicher weiß, dass sie die behandelte

men. Manchmal kann eine Probe mithilfe

Substanz oder Farbe enthalten, oder weil dies

der Fourier-Transform-Infrarotspektroskopie

nach Expertenmeinung höchstwahrscheinlich

analysiert werden. Bei dieser Technik wird

der Fall ist (wenn auch nicht mit hundert-

Infrarotlicht eingesetzt, um zu messen, wie

prozentiger Sicherheit). Andere Kunstwerke

stark jedes Molekül in der Farbe vibriert. Das

werden deshalb gezeigt, weil sie Wichtiges

Vibrationsmuster wird dann mit den in einer

darüber aussagen, auf welche Weise eine Farbe

Datenbank gespeicherten Mustern verglichen,

verwendet wurde – und wieder andere einfach

ähnlich, wie es die Polizei mit Fingerabdrücken

nur, weil sie ganz erstaunlich sind und Sie sie

macht. Eine weitere geläufige Methode ist die

unbedingt sehen sollten!

2 Steine, Mineralien, Zweige

und allerlei Tierchen

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TEIL ZWEI | STEINE, MINERALIEN, ZWEIGE UND ALLERLEI TIERCHEN

Tyrischer PURPUR

Bildnis des römischen Kaisers Aurelian, in Amethyst geschnitten, Rom, 260–280

DIE KÖNIGLICHE FARBE DER KLEOPATRA

Im 2. Jahrhundert v. Chr. wurden die Griechen von den Römern unterworfen, die in der Folge eine Vielzahl ihrer Ideen, ihre Kunst und sogar ihre Götter übernahmen – und natürlich auch ihre Farben. Mit Galeeren, auf Eseln und auf dem Rücken von Sklaven brachte man die vielfältigsten Pigmente und Farbstoffe nach Rom. Die berühmteste aller Farben wurde aus den mazerierten Enzymen einer kleinen Meeresschnecke – vielmehr von Millionen kleiner Meeresschnecken – gewonnen. Die Farbe hieß purpura (worauf das deutsche Wort „Purpur“ zurückgeht) und war ein Modephänomen. Die Menschen in Rom waren so vernarrt in diese Farbe, wie wir uns das heute nicht mehr vorstellen können. Als Julius Cäsar im Jahr 48 v. Chr. nach Ägypten kam, begegnete er Königin Kleopatra und war fasziniert von ihr und ihrem luxuriösen Lebensstil. Mit Purpur gefärbte Segel, ein mit purpurnem Porphyr ausgestatteter Palast (die byzantinischen Kaiser ahmten später diesen Stil nach, was zu der Redensart „in Purpur geboren“ führte) und purpurfarbene Ruhebetten – all das erweckte die Bewunderung Cäsars. Als er nach Rom zurückkehrte, bestimmte er,

Französisches Plakat zum Monumentalfilm Cleopatra von 1963 mit Elizabeth Taylor in der Titelrolle, hier natürlich in einem purpurfarbenen Gewand.

dass nur Cäsaren eine purpurfarbene Toga tragen durften, und der einzige Cäsar weit und breit war er, Julius Cäsar selbst. Purpur war eine ausgesprochen kostspielige Farbe, deren Herstellung äußerst aufwendig war. Über 250 000 Purpurschnecken (Herkuleskeule, Murex brandaris, und Stumpfe Stachelschnecke, Murex trunculus) waren nötig, um 14 Gramm Purpur zu gewinnen, gerade genug für eine einzige Toga. Später erließen die Herrscher Roms verschiedene „Kleidervorschriften“, in denen festgelegt war, wer wie gekleidet sein durfte. Kaiser Nero im 1. Jahrhundert war so unerbittlich, dass es bei Todesstrafe fast niemandem außer ihm selbst gestattet war, Purpur zu tragen. Septimus und Aurelian im 2. und 3. Jahrhundert erlaubten zwar allen Frauen, sich in Purpur zu kleiden, bei den Männern war dies jedoch allein hohen Würdenträgern wie Feldherren oder dem Kaiser vorbehalten. Diokletian, der am Ende des 3. Jahrhunderts regierte, war in dieser Sache sehr gelassen. Er ermutigte alle Untertanen, so viel Purpur wie möglich zu tragen, und erhob dann Steuern auf dieses luxuriöse Vergnügen. Aber Purpur stank. Wer die heute im Südlibanon gelegene Stadt Tyros besucht – von der sich der historische Name „tyrischer Purpur“ herleitet –, kann noch die Ruinen der römischen Stadt besichtigen, die marmornen Kolonnaden und Grabstätten ebenso wie die Überreste der Häuser, in denen die Menschen einst lebten. Und außerhalb der Stadt, in Windrichtung aufgestellt, kann man eine Reihe rechteckiger Steinwannen sehen, etwa so groß wie Schulesstische und genauso tief. Diese Purpurwannen mussten vor den

TEIL ZWEI | STEINE, MINERALIEN, ZWEIGE UND ALLERLEI TIERCHEN

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Der Freitod der Königin Dido vom Boucicaut-Meister, Frankreich, um 1413–1415 Prinzessin Dido war die Tochter des Königs von Tyros. In dieser illuminierten Handschrift wird sie in einem Gewand in der königlichen Farbe gezeigt, für die ihre Heimatstadt berühmt war.

Pazifische Purpurschnecke Bis vor nicht allzu langer Zeit hatten die Frauen der Mixteken aus dem Bergdorf Tehuantepec im mexikanischen Bundesstaat Oaxaca bei der morgendlichen Kleiderwahl nur eine Entscheidung zu treffen: welches ihrer purpurfarbig gestreiften Kleider sie anziehen sollten. Denn sie trugen nie etwas anderes. Die Farbe lieferten ihnen die caracoles, die Meeresschnecken, die an der etwa 240 Kilometer entfernten Küste zu finden waren. Man musste sie nicht töten, sondern nur auf die ungefärbte Baumwolle setzen und warten, bis sie ein pur-

Stadtmauern stehen; denn niemand konnte in der Nähe des fürchterlichen Gestanks leben, der von den fauligen Schnecken ausging, die in abgestandenem, mit Holzasche und Wasser vermischtem Urin eingeweicht wurden. Selbst die damit gefärbten Stoffe hatten einen eigentümlichen Geruch nach Fisch und Meer. Der Historiker Plinius nannte ihn „widerlich“, doch für andere Römer war es der Geruch des Geldes. Die im antiken Rom mit purpura bezeichnete Farbe war nicht notwendigerweise dieselbe, die wir heute Purpur nennen. Wie wir bereits gesehen haben, benötigt ein Farbstoff einen Mordant oder ein Beizmittel, damit er haften bleibt. Das Ergebnis kann je nach dem verwendeten Mordant – Zinn, Kupfer, Aluminium oder Urin – ganz unterschiedlich ausfallen. So kann tyrischer Purpur eine

rosafarbene, blaurote, tief karminrote oder samtschwarze Tönung aufweisen. Wenn das Färben in der Mittagssonne erfolgt, kann er sogar blassblau sein. Im Nationalmuseum der libanesischen Hauptstadt Beirut ist ein Wollmuster ausgestellt, das mit tyrischem Purpur gefärbt worden sein soll – und es ist hellrosa.

purfarbenes Enzym abgegeben hatten. Dann konnte man sie wieder zurück auf die Felsen bringen. In früheren Zeiten machten sich die Männer einmal im Jahr zu Fuß auf den Weg, um den Farbstoff zu sammeln. In den 1970er Jahren fuhren sie mit dem Bus. Heute tragen die älteren Frauen von Tehuantepec noch immer jeden Tag ihre purpurn gestreiften Kleider, wenn sie jetzt auch meistens mit modernen chemischen Farben gefärbt sind.

Gravierter Skaraboid, Griechenland, 5.–4. Jahrhundert v. Chr. Dieser Jaspis aus dem antiken Griechenland trägt, zur Huldigung der begehrten Farbe, das Bild einer Purpurschnecke.

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Zinnober, Vermilion und Minium Wenn die Gladiatoren im antiken Rom einen Kampf im Kolosseum gewonnen hatten, zogen sie manchmal in einem Triumphzug durch die Straßen. Ihre Gesichter waren dabei mit Zinnober bemalt. Dieses sehr helle, glänzende, orangerote Mineral wurde in der Quecksilbermine von Almadén in Zentralspanien abgebaut. Es war ein fürchterlicher Ort für die Arbeiter. Wenn man nur einige Jahre lang die giftigen Quecksilberdämpfe einatmete, konnte das zu einem schleichenden und schmerzvollen Tod führen. Die Römer wussten, wie man Zinnober künstlich herstellen kann (auch wenn dazu nach wie vor Quecksilber aus Almadén nötig war). Man bezeichnet dieses Pigment, vor

TÖD L I C H S C HÖN

allem im englischen Sprachraum, als Vermilion (synthetischer Zinnober), und Künstler verwendeten es bis ins 19. Jahrhundert. Ebenso wie natürlicher Zinnober hat es die chemische Formel HgS. Plinius bezeichnete es als „Drachenblut“ und beschrieb es als einen metaphorischen Kampf zwischen einem Drachen (gelber Schwefelrauch) und einem Elefanten (schweres graues Quecksilber). Die „Ungeheuer“ kämpften, bis sich ihr Blut vermischte und zu Quecksilbersulfid wurde – rein, selten und gefährlich. Die Chinesen kannten Vermilion bereits 2 000 Jahre vor den Römern. Sie zerrieben es zu einem Brei und gebrauchten es als Tinte für amtliche Siegel.

Oben: Wandfragment, Rom, 1. Jahrhundert n. Chr.

In der Nacht leuchtendes Weiß von Han Gan, um 750 „In der Nacht leuchtendes Weiß“ war das Lieblingspferd des chinesischen Kaisers Xuanzong. Alle Stempel aus roter Vermilion-Tinte auf dieser Bildrolle stammen von Bewunderern des Gemäldes. Bei vielen handelt es sich um die Siegel von Kaisern, in deren Besitz es sich im Laufe der Jahrhunderte befand, und einige von ihnen (darunter auch Qianlong, der im 18. Jahrhundert regierte) holten sogar ihre Kalligrafie-Pinsel hervor und schrieben mit schwarzer Tusche Gedichte auf die Rückseite.

TEIL ZWEI | STEINE, MINERALIEN, ZWEIGE UND ALLERLEI TIERCHEN

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Achtung: Farbveränderung! Am Morgen des 24. August im Jahr 79 n. Chr.

als bei den meisten anderen Techniken,

waren drei oder vier Künstler im Haus eines

kein Bindemittel, um die Farbpigmente zu

wohlhabenden Bürgers von Pompeji mit einem

fixieren. Stattdessen vermischen sie das

Wandgemälde beschäftigt. Sie hatten das Bild

reine Pigment mit dem feuchten Putz

von jungen Männern, die zwischen Säulen, Blu-

und tragen es direkt auf die Wand auf.

men und Vögeln in Ziegenwagen um die Wette

Das erfordert Geschick und Schnellig-

fuhren, oben begonnen und arbeiteten sich

keit; denn wenn man die Konzentration

nach unten vor. Die Flächen am Rand wurden

verliert, trocknet der Putz, bevor man

mit Ocker bemalt, was verriet, dass sich die Fa-

fertig ist.

milie zwar die Arbeit professioneller Künstler,

Später an diesem Augustmorgen,

nicht aber die exquisitere Vermilion-Farbe aus

an dem die Künstler so fleißig zu

Spanien leisten konnte.

Werke gingen, sollte die Welt um

Die Künstler arbeiteten mit der Freskotech-

sie herum in Flammen aufgehen. Der

nik, die später in der Renaissance überaus po-

Vesuv brach aus und begrub Pompeji

pulär werden sollte (und die zu verschiedenen

und mehrere Nachbarorte mit vielen

Zeiten an vielen Orten der Welt – von China

ihrer Bewohner unter Asche und Vulkangestein.

über Indien bis ins präkolumbianische Mexiko –

Als die seltsam leichten Bimssteine begannen,

entwickelt worden zu sein scheint). Bei der

auf sie herabzufallen, zögerten die Künstler

Freskomalerei benötigen die Künstler, anders

vielleicht für einen Augenblick: Konnten sie es

Fragment einer Wandmalerei, Rom, um 9 v. Chr.–14 n. Chr.

wagen, wegzulaufen, solange der Putz noch feucht war? Als man im 18. Jahrhundert die ersten Häuser in Pompeji ausgrub, kamen in Europa und Amerika Esszimmer in Mode, die in „Pompejanischem Rot“ gehalten waren. Roter Ocker ist jedoch eigentlich eine dehydrierte Form von gelbem Ocker. Das heißt, dass sich gelber Ocker durch extreme Hitze, die ihm das Wasser entzieht – etwa bei einem Vulkanausbruch –, rot verfärben kann. Im Jahr 2011 präsentierten die Wissenschaftler im Italienischen Nationalinstitut für Optik eine Studie, nach der scheinbar bis zur Hälfte der 246 roten Ockerwände in Pompeji und dem nahe gelegenen Herculaneum vor dem Vulkanausbruch tatsächlich gelb gewesen sind.

Forum von Pompeji mit dem Vesuv im Hintergrund von Christen Schjellerup Købke, 1841

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TEIL ZWEI | STEINE, MINERALIEN, ZWEIGE UND ALLERLEI TIERCHEN

Kalenderblatt aus einem Psalter, Deutschland, um 1240–50 Im Mittelalter wurden ganz spezielle heilige Tage im Kalender mit roter Tinte hervorgehoben, worauf die heutige Redewendung „sich einen Tag im Kalender rot anstreichen“ zurückgeht.

Vermilion war jedoch längst nicht so gefährlich wie ein anderes helles Rot der Römer. Minium ist ein auffallend lebendiger Orangeton, der dem Betrachter sofort ins Auge springt. Die Römer schrieben damit die Initialen oder die Titel ihrer Schriften, und da es selbst auf Gold oder Marmor gut zu erkennen ist, wurde es ebenso für Inschriften verwendet. „Es ist eine bekannte Tatsache“, berichtete Plinius, „dass Minium in Äthiopien sehr geschätzt wird und es bei den vornehmen Schichten dort Brauch ist, sich den ganzen Körper damit zu färben.“ Minium wird im Deutschen auch als Mennige oder Bleimennige bezeichnet und ist wie

Der heilige Lukas, aus einem Evangelienbuch, Äthiopien, um 1504–05

Einsame Nayika, Indien, um 1775–1800

andere bleihaltige Pigmente hochgiftig, wenn es in die Blutbahn gelangt. Mittelalterliche Illuminatoren benutzten es zur Hervorhebung bestimmter Textstellen in der Bibel (so waren Hinweise wie „Ende des 1. Paulusbriefes“ stets „rubriziert“, also in roter Schrift dargestellt) und viele Künstler malten damit strahlende Gewänder oder die Konturen von Heiligenscheinen. Bei den indischen und persischen Moghul-Künstlern des 17. und 18. Jahrhunderts war Minium so beliebt, dass ihre Gemälde aufgrund ihrer typischen Farbe – und nicht etwa wegen ihrer geringen Größe – als „Miniaturen“ bekannt wurden.

TEIL ZWEI | STEINE, MINERALIEN, ZWEIGE UND ALLERLEI TIERCHEN

Herakleides Herakleides war etwa 20 Jahre alt, als er Ende

es durch seine Giftigkeit einen guten Schutz

des 1. Jahrhunderts in Ägypten starb. Seine Fa-

vor Insekten bot. „Oder vielleicht war es ein-

milie bereitete ihm einen schönen Abschied. Sie

fach nur billig.“

konservierten seinen Körper in großen Mengen

Bleirot ist ein Nebenprodukt beim Silber-

von kostbarem Baumharz (selbst heute, nach-

veredelungsprozess, das man erhält, wenn

dem seine Mumie jahrhundertelang in der Wüs-

man die verunreinigten Rückstände sammelt

te ausgetrocknet ist, wiegt sie so viel, dass vier

(Bleiglätte oder Bleimonoxid) und bei hohen

Männer nötig sind, um sie hochzuheben). Dann

Temperaturen brennt. Man kann sich vorstel-

wickelten sie ihn in ein Grabtuch aus Leinen, auf

len, dass sich der Besitzer der spanischen

dem Götter und magische Symbole aufgemalt

Bleimine angesichts der vielen toxischen

waren. Über seinen Kopf legten sie das Porträt

Abfälle verzweifelt fragte, was er

eines gut aussehenden jungen Mannes mit ent-

damit anfangen könnte. Und dann

blößter Brust, was darauf schließen lässt, dass

entdeckt er, dass das hässliche

Herakleides ein Soldat oder ein Priester des

graue Material durch Erhitzen

Thot – des Gottes der Magie und der Schrift –

eine wunderbar rote Farbe be-

gewesen sein könnte.

kommt – und dass in Ägypten

Als das Grabtuch von den Experten des

ein Absatzmarkt dafür besteht

Getty-Museums analysiert wurde, fand man die

und es die Schiffe vielleicht

goldenen, kohlenschwarzen und bleiweißen

sogar billig als Ballast transpor-

Pigmente, die man erwartet hatte. Aber es gab

tieren würden. In Ägypten wur-

auch ein Grün, das aus einer Mischung von gel-

den mehrere Mumien mit roten

bem Auripigment und Indigoblau bestand und

Grabtüchern gefunden und bis-

von dem die Kunsthistoriker geglaubt hatten,

her haben die Analysen ergeben,

es sei erst im Mittelalter erfunden worden. Das

dass das Bleirot der meisten von

Pigment, das die Wissenschaftler jedoch am

ihnen aus ebendieser spanischen

meisten faszinierte, war das Minium, das für den

Quelle stammte.

orangeroten Hintergrund verwendet worden

Im alten Ägypten galt Rot als sehr

war. Aus der Analyse der Isotopen (der Anzahl

kraftvolle Farbe und konnte sowohl

der Neutronen in jedem Atom des Pigments)

Gutes als auch Schlechtes bedeuten.

erfuhren sie, dass es überhaupt nicht aus der

Als positive Farbe wurde sie mit

Nähe von Ägypten stammte, sondern aus der

dem Sonnengott Ra in Verbindung

Río-Tinto-Silbermine in Südspanien.

gebracht und als negative mit den

„Wir wissen nicht genau, warum es von so

angsteinflößenden Wüsten jenseits

weit her geholt wurde“, so die Antiquitätenkon-

der sicheren bewohnten Gegenden.

servatorin des Getty-Museums, Marie Svoboda.

Das englische Wort „desert“ (Wüste)

„Wir wissen auch nicht, warum die Ägypter,

leitet sich übrigens vom altägypti-

nachdem sie jahrtausendelang rote Erde für ihre

schen desher („rot“) her.

Begräbnisse benutzt haben, plötzlich zu rotem Blei überwechselten.“ Vielleicht war es die Neuartigkeit, spekuliert sie, oder die Tatsache, dass

Die Mumie des Herakleides, der um 50–100 n. Chr. im römisch beherrschten Ägypten starb.

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SCHWARZE Tusche

WER BRAU CHT D EN N SCH O N FARBE?

Neun Drachen von Chen Rong, 1244 Als Chen Rong sein fast zweieinhalb Meter langes Tuschegemälde Neun Drachen fertiggestellt hatte, betrachtete er sein eigenes Werk erstaunt. „Aus der Entfernung glaubt man, die Wolken würden schweben und die Wellen schäumen. Aus der Nähe meint man, nur ein Gott könne diese Drachen gemalt haben“, so sein Kommentar, der nicht gerade von Bescheidenheit zeugt.

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Niemand weiß, wann die Tinte erfunden wurde, aber bereits vor 4000 Jahren wurde sie von Ägypten bis China vielerorts verwendet. In Ägypten stellte man schwarze Tinte aus Ruß her, der mit Gummiwasser vermischt wurde, um ihm Haftfähigkeit zu verleihen. Vor 500 Jahren wurde in China die beste Tinte produziert, indem man Öllampen hinter einer Bambuswand abbrennen ließ: Jede halbe Stunde entfernten Arbeiter den Ruß mit Federn aus dem Lampentrichter. Die Zeit der Tang-Dynastie (618–907) war eine Epoche, in der die chinesische Kunst florierte. Die meisten Künstler malten feine schwarze Konturen und füllten sie mit Farbe aus. Dann aber beschloss einer von ihnen, nämlich Wu Daozi, ausschließlich schwarze Tusche zu verwenden, mit freien Pinselstrichen, die mehr aus seinem Herzen als aus seinem Kopf zu kommen schienen. Seine Werke galten als erstaunlich und faszinierend – es schien, als würde die schwarze Tinte bereits alle Farben enthalten. Von da an galten monochrome, also

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einfarbige, Gemälde in China als kunstvoller und höherwertig als jene mit vielen Farben. Im 11. Jahrhundert malte der Künstler und Gelehrte Su Dongpo mit roter Tusche das Bild einer Bambuspflanze. Als ihm vorgeworfen wurde, dass sein Bild unrealistisch sei, fragte er: „Welche Farbe hätte ich denn verwenden sollen?“ „Schwarz natürlich“, lautete die Antwort.

Heiliger Autor von Alex „Defer“ Kizu, aus LA Liber Amicorum, 2013 Das Künstlerbuch LA Liber Amicorum vereint die Werke von über 150 der führenden Graffiti- und Tattoo-Künstler aus Los Angeles. Titel und Idee des Buchs basieren auf einem 400 Jahre alten Manuskript im Getty Research Institute, einem Liber amicorum („Buch der Freunde“, eine Art Poesiealbum), das zahlreiche Künstler mit Wappen, Aquarellen, Gedichten und Kalligrafien zur Erinnerung für den Besitzer gefüllt haben. Defers Zeichnung für das LA Liber knüpft an die noch ältere chinesische Tradition der monochromen Tuschekomposition an.

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GOLD

D ER G LANZ D ES M ITTELALTERS

Die Darbringung im Tempel, Byzanz, 13. Jahrhundert Das Wort „Ikone“ bedeutet nichts anderes als „Bild“. Und obwohl wir bei Ikonen in der Kunst oft an Gemälde auf Holzplatten denken, können sie ebenso auf Stoff gestickt, in Metall graviert oder – wie die abgebildete – mit Pigmenten und Blattgold auf Pergament gemalt sein.

Es herrschte Aufruhr. Eine wütende Volksmenge randalierte auf den Straßen, zertrampelte Gemälde und beschmierte sie mit Exkrementen. Sie riefen, dass Bilder gegen die Gebote Gottes verstoßen würden, und verbrannten ein weiteres Kunstwerk auf

einem öffentlichen Platz. So trug es sich im 8. Jahrhundert in Konstantinopel (dem heutigen Istanbul) zu. Und diese Ikonoklasten oder Bilderstürmer waren Christen, die der byzantinische Kaiser Leo III. selbst dazu angestachelt hatte.

Eine Bischofsversammlung im Jahr 754 kam darin überein, dass die Abbildung von Menschen und lebenden Wesen Blasphemie sei. Gemälde würden die Menschen dazu veranlassen, die Bilder und nicht Gott zu verehren und gegen das zweite der Zehn Gebote der Bibel verstoßen, das lautete: „Du sollst Dir kein Gottesbild machen und keine Darstellung von irgendetwas am Himmel droben, auf der Erde unten oder im Wasser unter der Erde.“ Und es wurden noch mehr Bilder zerstört. In unserer von Bildern beherrschten Zeit ist es schwierig, diese Aufregung zu verstehen. Bilder begegnen uns heute überall – im Telefon und im Computer, in Büchern und auf Plakatwänden, im Bus, auf den Cornflakes-Packungen und unseren T Shirts; sie scheinen ein Teil der Oberfläche des Lebens zu sein. Aber im 8. Jahrhundert befanden sich die einzigen Bilder, die die Menschen in Europa überhaupt zu Gesicht bekamen, in den Kirchen (wo allerdings alle Wände damit bedeckt waren). Und da fast niemand lesen konnte, waren Bilder auch von größerer Bedeutung. Im Jahr 834 kamen die Bischöfe erneut zusammen, und dieses Mal entschieden sie sich zugunsten der Kunst. Sie kamen überein, dass es der Zweck der Ikonen sei, den Menschen bei der Kontemplation über große, unbegreifliche Dinge zu helfen. Und dass die Ikonenmaler, indem sie natürliche Substanzen für ihre Farben verwendeten (Steine, Blumen, Blätter, Eier und Knochen), allein schon durch das Material ihrer Kunstwerke die natürlichen Geschenke Gottes und auf diese Weise den Herrn selbst preisen würden.

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Betrachtet man die Ikonen und die späteren mittelalterlichen Malereien, könnte man denken, dass sie sehr einfach gemalt sind. Es gibt darin keine Schatten (sehen Sie hin – da sind wirklich keine), und auf den meisten finden sich auch kaum Ansätze von Perspektive oder Entfernung. Die Farbpigmente wurden nicht miteinander vermischt, sondern rein oder mit Weiß angerührt in feinen, vielleicht wimpernbreiten Pinselstrichen aufgetragen, so dass die Gemälde fast mosaikartig anmuten. Die Griechen und Römer hatten den Umgang mit Schatten und Perspektive beherrscht und gewusst, wie man Farben mischen kann. All das können wir in Pompeji und ebenso auf den Mumienporträts sehen. Was war also geschehen? Hatten die Künstler diese Kenntnisse verloren? Die Antwort ist, dass die Ikonenmaler Schatten und Perspektive deshalb nicht einsetzten, weil sie es nicht für nötig hielten. Denn die Ikonen sollten keine Nachbildungen der irdischen Welt sein. Wie die „Ikonen“ (Icons) auf unserem Computer waren sie nur als symbolische, nicht aber als realistische Darstellungen gedacht. Die Bildsprache religiöser Ikonen stellte eine Art Schlüssel dar, um das Übernatürliche zu verstehen. Wenn man auf Ikonen von Gebäuden schaut und nicht herausfinden kann, ob der Betrachter nun groß oder klein sein oder ob er links oder rechts stehen soll, dann darum, weil man erfahren soll, wie Gott die ganze Welt auf einmal „sieht“. Und die Figuren haben deswegen keinen Schatten, weil man glaubte, dass Gott keine Schatten sieht. (Wir könnten das wohl auch nicht, wenn wir vollständig aus Licht bestünden.) In der Wahl der Farbtöne und Malfarben liegt ein weiterer Schlüssel. Rot symbolisiert den Sieg über den Tod, Stärke und Königtum

Die Jungfrau Maria mit den Heiligen Thomas von Aquin und Paulus von Bernardo Daddi, um 1335

(was auf die römische Leidenschaft für Purpur zurückzuführen ist). Blau steht für das Mysterium, Grün für das Leben und Weiß für die Reinheit oder die Unschuld. Doch die wichtigste Farbe in der Kunst jener Zeit war Gold. Gold ist als Pigment sehr schwer anzureiben, weil das reine Metall so weich ist und sich kaum in so kleine Partikel spalten lässt, dass es in ein Bindemittel gemischt werden kann. Deshalb wurde es meist zu hauchdünnen Plättchen gehämmert. Nachdem die Goldklumpen auf die Größe von ungefähr einem Tausendstel Millimeter zusammengepresst wurden (für einen Stapel von einem Zentimeter waren also 10 000 Blättchen erforderlich),

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benötigte man etwas, um diese feine Folie auf der Oberfläche eines Gemäldes zu fixieren. Hierzu verwendeten die Künstler manchmal Honig, meistens aber aus Hasenhaut gewonnenen Leim, vermischt mit einer feinen bräunlich-roten Tonerde aus Armenien namens „Bolus Armenicus“. Bisweilen wurde das Blattgold glatt aufgebracht und mit einem Achat poliert, manchmal wurde es aber auch mit einem kleinen spitzen Werkzeug gestanzt, um ihm eine Struktur zu verleihen. Oder der Künstler übermalte es mit einer anderen Farbe und kratzte dann einen Teil davon mit einem Messer wieder ab, um das Gold darunter hervorscheinen zu lassen. Dies nannte man sgraffito (von dem italienischen Wort für „kratzen“),

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und die leicht unebene Oberfläche, die durch die übereinanderliegenden Schichten entstand, streute das Licht, so dass das Gold einen schimmernden Glanz erhielt. Der ehemalige Chefkurator der Abteilung für Malerei des J. Paul Getty Museum, Scott Schaefer, erzählt von einem Besuch bei einem Freund in Paris, der sich als Kunsthändler auf das 14. Jahrhundert spezialisiert hatte: Der Freund lud ihn zum Abendessen ein, „und ich sagte unter der Bedingung zu, dass er mir erlaubte, seine Galerie bei Nacht zu besichtigen und die Gemälde im Kerzenschein zu sehen.“ Die meisten frühen Renaissancegemälde waren so gestaltet, dass sie bei flackerndem Kerzenlicht in einer dunklen Kirche betrachtet werden konnten, und Schaefer hatte schon immer wissen wollen, wie sie dann aussehen würden. „Es war eine Offenbarung für alle“, berichtet er und beschreibt, wie die Flammen die Bilder in Bewegung versetzten und mit Leben erfüllten. Und die Gemälde mit Flächen aus reinem Gold (in der italienischen Renaissancemalerei des 14. Jahrhunderts sind das fast alle) schimmerten auf eine Art und Weise, wie er dies nie erwartet hätte. Manche der Pinselstriche, die bei Tageslicht oder elektrischer Beleuchtung nicht besonders auffällig waren, schienen von innen her illuminiert zu sein. „Es war eine der eindrucksvollsten Erfahrungen meines Lebens.“ Aufgrund von Brandschutzverordnungen und Versicherungsvorschriften wäre so etwas in einem Museum niemals möglich, aber wir können es uns vorstellen. Und wenn wir uns die Kunst des Mittelalters und der Renaissance mit einem größeren Verständnis für die darin verwendeten Farben betrachten wollen, dann müssen wir es uns vorstellen – denn nichts dürfte einem Europäer, der vor dem 16. Jahrhundert lebte, wohl heiliger erschienen sein als eine Kunst, die in Gold erstrahlt.

Ein Igel vor einem goldenen Hintergrund, aus Über die Natur der Vögel, Frankreich oder Flandern, um 1275–1300

Tournesol (Chrozophora tinctoria) In Südfrankreich wächst eine Pflanze,

das Tuch träufelten, erhielten sie Tauben-

deren Blüten dem Weg der Sonne über

blau. Der Farbstoff Tournesol (französi-

den Himmel folgen. Die mittelalterlichen

sche Lehnübersetzung aus dem Lateini-

Buchmaler pressten ihre Samen aus und

schen: „was sich zur Sonne wendet“) ist

tauchten Stoffläppchen in den Saft. Da-

heute kaum mehr in Gebrauch, da er nicht

nach mussten sie das Farbläppchen nur

sonnenbeständig ist. Aus einer bekannten

noch befeuchten, und schon tropfte die

Flechtenart aus Skandinavien lässt sich al-

Farbe auf ihre Paletten. Das Interessante

lerdings ein ähnlicher Farbstoff gewinnen.

war jedoch, dass sich die Farbe unter-

Man findet ihn in jedem Chemielabor der

schied, je nachdem, welche Flüssigkeit

Welt, wo er zum Test des Alkali- (Blau-

sie dafür benutzten. Mit reinem Wasser

färbung) oder Säuregehalts (Rotfärbung)

entstand Purpur, mit einer säurehaltigen

von Substanzen eingesetzt wird. Er wird

Flüssigkeit wie Zitronensaft dagegen

Lackmus genannt, aus den germanischen

Rot. Wenn sie eine alkalische Lösung auf

Wörtern für „Brei“ und „benetzen“.

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GRÜNE Erde

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ÜBERIRDISCHE UNTERTÖNE

Fischer beim Einholen der Netze, aus der Abbey Bible, Italien, um 1250–62

Um das Jahr 1351 schrieb der italienische Maler Cennino Cennini das erste abendländische Handbuch über die Malerei. Er hatte nur bei den besten Meistern gelernt – sein eigener Lehrer war ein Schüler des großen Giotto di Bondone gewesen – und wollte sein Wissen weitergeben, bevor es verloren ging. Dabei verriet er den Lesern unter anderem, wie man aus Käse und Kalk einen Leim mischt (was er von Giotto gelernt hatte), wie man Bilder mit vergoldetem Zinn retuschiert, damit sie alt aussehen, oder grüne Farbe mit einem guten Weinessig herstellt. Cenninis Il libro dell’arte (Das Buch von der Kunst) enthielt so viele

seiner Geheimnisse, dass es immer wieder neu aufgelegt wurde, seitdem das Manuskript 1821 in einem Hinterzimmer des Vatikans wiederentdeckt worden war. Für Künstler, Restaurateure und Historiker ist es von überaus großem Nutzen gewesen ... und ebenso für Fälscher. Der im 20. Jahrhundert tätige britische Kunstfälscher Eric Hebborn befolgte häufig Cenninis Ratschläge, um seinen „alten“ Meistern Authentizität zu verleihen. Cennini hatte auch Sinn für Humor. Das Verfahren, wie Leim auf eine Holztafel aufgetragen wird, verglich er mit einem hungrigen Mann, der nach dem Fasten ein Glas Wein

trinkt: Man muss mit einer kleinen Menge beginnen und sie langsam aufnehmen, bevor man ein ganzes Mahl zu sich nimmt. In der Malerei ist es wichtig, die fleischfarbenen Töne richtig zu treffen. Und wenn man, in der Temperamalerei, Eidotter als Bindemittel verwendete, bestand der Trick darin, nicht mit Rosa oder Braun zu beginnen, sondern mit Grün. „Man nehme etwas grüne Erde und ein wenig Bleiweiß“, lautete Cenninis Rat, „und grundiere damit das ganze Gesicht, die Hände, die Füße und alle anderen nackten Körperstellen in zwei Schichten.“ Die „Dotter von Stadthenneneiern“ waren seiner Ansicht

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nach das beste Bindemittel für die Farbe der Körper jüngerer Menschen, „weil sie weißer sind“. Porträts älterer Personen sollten dagegen mit den mehr ins Rosa gehenden Dottern von Landhennen gemalt werden. Auf vielen Renaissancegemälden ist die grüne Erde unter den Gesichtern und Händen zu erkennen. Manchmal ist der darübergesetzte Rosaton verblasst und nur das Grün ist noch sichtbar – was einen seltsamen Eindruck erweckt, als ob der abgebildeten Person übel sei. Das 14. Jahrhundert war genau die richtige Zeit für ein Buch wie das von Cennini, denn der Kunstmarkt war dabei, zu explodieren. Florenz und Siena waren durch Banken und Handel zu Wohlstand gekommen und in Europa entstand eine neue Schicht von Superreichen. Diese hielten sich für kultiviert und gebildet und mussten deshalb anderen unbedingt zeigen, wie kultiviert und gebildet sie waren. Und eine Möglichkeit, dies zu tun, war es, Kunstwerke in Auftrag zu geben. Zuerst stifteten sie Kunstwerke für Kirchen und sorgten dafür, dass darauf auch der Name des großzügigen Spenders angegeben wurde oder sein Porträt zwischen den Heiligen zu sehen war. Dann aber veränderte sich etwas, und gemalte Kunstwerke hielten Einzug in die Privathäuser der Wohlhabenden. Im Mittelalter hatten zur Innenausstattung lange Zeit Wandteppiche gehört, die sowohl zur Dekoration wie zum Kälteschutz dienten. Wundersame Einhörner, edle Ritter in glänzenden Rüstungen, feuerspeiende Drachen, turbulente Kampfszenen und schöne Jungfern waren dafür besonders beliebte Sujets. Im 14. Jahrhundert kamen solche Wandbehänge jedoch aus der Mode. Die Reichen wollten mehr: ein oder zwei Porträts, ein Schlachtengemälde oder eine leicht frivole Szene aus der Mythologie. Die Menschen begannen, Freude am Besitz von Kunst zu haben, und damit wurden neue Verwendungsformen von Farbe erforderlich.

ROT E R O C K E R Manchmal wird er schon so rot, wie hier abgebildet, in der Erde gefunden. Hin und wieder handelt es sich dabei aber

GELBER OCKER Ein prähistorisches Pigment, das nach der griechischen Bezeichnung für „blasse Erde“ benannt wurde.

auch um gebrannten gelben Ocker.

Unglaubliche Farbenwelt GRÜNE ERDE Die grüne Erde ist mindestens bereits seit römischer Zeit eine Künstlerfarbe. Im Europa des Mittelalters und der Renaissance wurde sie als Grundierung für Gesichter verwendet, was zu einigen erstaunlichen Ergebnissen führte.

H O L ZKO H L E VO M RE B STO C K „Dann gibt es ein Schwarz, welches aus den Weinreben gewonnen wird. Diese Reben müssen gebrannt und sodann in Wasser gekühlt werden ... es gehört zu den besten Farben, die wir verwenden, und ist vollkommen.“ – Cennini

KAO L IN Diese Tonerde ist der wichtigste Bestandteil von Porzellan. Zahlreiche europäische Spione haben einst versucht, das Geheimnis der chinesischen Porzellanherstellung auszukundschaften.

PA R T T WO | R O C K S , M I N E R A L S , T W I G S , A N D B U G S KOSCHENILLE Getrocknete Koschenilleschildläuse liefern ein leuchtendes Rot. Sie MALACHIT gelangten im 16. Jahrhundert Wenn man dieses Mineral zerteilt, hat es aus der Neuen Welt eine Struktur wie die Haut einer Kröte – nach Europa. voller seltsamer Bläschen. Man darf es aber nicht zu fein zermahlen, da die aufgetragene Farbe sonst grau aussieht. 41

AZURIT Aus Sparsamkeit benutzten manche Künstler dieses blaue Kupfermineral für die unteren Farbschichten und setzten dann das teurere Ultramarinblau darüber.

GUMMIARABIKUM Diese Substanz wird aus der Rinde verschiedener afrikanischer Akazienarten gewonnen und dient mit Pigmenten vermischt zur Herstellung von Aquarellfarben. Heute jedoch wird Gummiarabikum als eine Art essbarer Klebstoff vor allem für Erfrischungsgetränke und Süßwaren aller Art gebraucht.

I NDI GO KU C H E N Indigo kam aus Indien und wurde im 15. Jahrhundert in Form kleiner Bohnen verkauft.

LAPISLAZULI Dieser Stein stammt aus einem Gebirge im fernen Afghanistan. Die besten Exemplare sind so tiefblau, dass sie fast schon violett erscheinen.

SCHMALTE Ein Pigment, das aus zermahlenem blauem Glas hergestellt wird. J. M. W. Turner soll es im 19. Jahrhundert in großen Mengen verwendet haben.

SAFRAN Das teuerste Gewürz der Welt: Es färbt Lebensmittel rötlich, und mit Eiweiß vermischt wurde es in mittelalterlichen Handschriften als kostengünstige Alternative zu Gold verwendet.

KRAPPWURZEL Als Farbstoff ergibt sie ein sattes, herbstliches Orange; aus Echtem Krapprosa als Pigment (nach einem geheimen Rezept hergestellt) gewinnt man ein starkes, puderiges Rosa.

BLATTGOLD Um Gold in so hauchdünne Blättchen zu schlagen, müssen starke Männer viele, viele Stunden mit dem Hammer arbeiten.

BRASILHOLZ Das Land Brasilien erhielt seinen Namen von diesem „glühenden Holz“ („pau brasil“), das die Portugiesen dort entdeckt hatten. Aus Brasilholz wurde roter Farbstoff hergestellt; und wenn man es mit Lauge und Alaun kocht, erhält man ein sehr schönes Rosa.

GALLÄPFEL Sie entstehen, wenn Wespen ihre Eier in Eichenbäumen ablegen. Die daraus erzeugte Tinte ist grau, wird aber schwarz, wenn sie auf dem Papier oxidiert.

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TEIL EINS | ERDE UND FEUER

Das Zeitalter der LEINWAND AU F SEG EL MALEN

Was würde geschehen, wenn ein Teenager mit einer Vorliebe für technische Spielereien Zugriff auf die Finanzreserven eines Landes hätte? Um das Jahr 1410 konnte man dies in Portugal erleben. Der dritte Sohn des portugiesischen Königs führte das Land mit seinen Erfindungen beinahe in den Bankrott, doch er leitete ebenso das Zeitalter der Entdeckungen ein und änderte durch einen Zufall den Verlauf der europäischen Kunstgeschichte.

Er hieß Heinrich und sollte als Heinrich der Seefahrer in die Geschichte eingehen, auch wenn er selbst nicht weiter als bis zur Küste von Nordafrika gelangte. 1410 war der 16-Jährige allerdings einfach ein Träumer und Visionär, der sich fragte, warum es bisher noch niemand versucht hatte, von Europa nach Indien oder China zu segeln. Denn bis zu jener Zeit verliefen alle Handelswege dorthin über Land. Die Schiffe, mit denen Heinrich aufgewachsen war, eigneten sich nicht dazu: Sie verfügten nur über einen Mast, fest angebrachte quadratische Segel und einen flachen Rumpf. Sie konnten kaum einem Sturm im Mittelmeer standhalten und wären

TEIL ZWEI | STEINE, MINERALIEN, ZWEIGE UND ALLERLEI TIERCHEN

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Links: Alexander beim Angriff auf die Stadt Tyros Meister des Jardin de vertueuse consolation und Werkstatt, um 1470–75 In den 1470er Jahren, als diese Darstellung entstand, hatten die Schiffe bereits mehrere Masten.

im starken Wellengang des Atlantiks hoffnungslos verloren gewesen. In einer Aktion, die zu seiner Zeit so gewagt war wie die Weltraummissionen des Apollo-Programms 500 Jahre später, begann Heinrich, die Schiffe neu zu konstruieren. Er experimentierte mit den unterschiedlichsten Elementen. So verstärkte er das Tauwerk, ergänzte Masten und erhöhte die Kapazität der Laderäume, so dass seine modernisierten Schiffe mehr Fracht transportieren konnten. Auch verbesserte er die Qualität des Segeltuchs, um die Schiffe in Stürmen widerstandsfähiger zu machen. Das englische Wort für Leinwand, „canvas“, leitet sich von dem lateinischen Ausdruck für „Hanfpflanze“, cannabis, her. Schon vor Jahrtausenden wussten die Griechen, Römer, Chinesen, Inder, Skythen und andere antike Völker alles über die bewusstseinsverändernden Eigenschaften von Hanf. Sie kultivierten die Pflanze jedoch hauptsächlich wegen der Hanffasern, aus denen sie Taue und Seile, Segel und grobes braunes Sackleinen herstellten. Die antiken Künstler benutzten es bei seltenen Gelegenheiten: In einer berühmten Geschichte wird erzählt, wie Kaiser Nero ein Porträt von sich auf einer etwa 35 Meter hohen Hanfleinwand (also in der Größe eines zehnstöckigen Gebäudes) in Auftrag gab. Doch bevor es ausgestellt werden konnte, wurde es von einem Blitz getroffen. Eine Leinwand aus Hanf war allerdings rau und hatte kleine Knötchen im Gewebe, die eine sehr unangenehme Malfläche bildeten, und sie nahm die Farbe niemals ganz auf. Holztafeln waren einfach leichter zu handhaben. Heinrichs neue Segel wurden aus einer anderen Faser gemacht, nämlich aus Flachs, den

Die Anbetung der Heiligen Drei Könige von Andrea Mantegna, um 1495–1505 Hierbei handelt es sich um eines der frühen Gemälde auf der feineren Leinwand.

die Griechen als linon bezeichneten. Er war von einer feineren Qualität und dehnte sich nicht, wenn man daran zog. Auch das deutsche Wort „Linie“ geht in seiner ursprünglichen Bedeutung – „gerade wie eine ausgespannte (Flachs-)Schnur“ – darauf zurück. Und als die europäischen Seefahrernationen bemerkten, welch einen Vorteil Leinensegel für ihre Flotten darstellten, begannen sie, diese massenweise zu produzieren. Bei der Herstellung der neuen, dreieckigen Segel (eine weitere Erfindung Heinrichs) fiel eine Menge kleiner Reste ab, die – vor allem in Hafenstädten wie Venedig – von den Künstlern eingesammelt wurde. Leinen war nicht so uneben wie Hanfgewebe und insgesamt besser zu bearbeiten als Holz: Es war leichter zu tragen, zu schneiden, zu rahmen und an der Wand aufzuhängen. Und wenn man sie sorgfältig vorbereitete, mit Gips und Leim grundierte und mit Knochen und Stöcken tagelang rieb (wie Albrecht Dürer im 16. Jahrhundert schrieb, schaffte er dies in

acht Tagen, wenn er sich beeilte), bot die neue Leinwand eine Arbeitsfläche für die Kunst, die seitdem nicht wirklich verbessert werden konnte. Das beste Bindemittel für das Malen auf der Leinwand war nicht mehr das Ei, sondern Öl, das man aus Walnüssen, Mohnsamen, Färberdistel oder Leinsamen (einem weiteren Flachsprodukt) gewann; das Trocknen dauerte bei jedem Öl sehr lange, aber die Gemälde sahen so gut aus, dass die meisten Auftraggeber diese Wartezeit gern in Kauf nahmen. Zu der Zeit also, als Entdecker wie Bartolomeu Dias (der 1488 als erster Europäer die Südspitze Afrikas umsegelte) und Christoph Kolumbus (der 1492 die erste Expedition nach Amerika unternahm) noch Kinder waren, begannen die Künstler in ganz Europa, mit dem Segeltuch eine neue Art der Malerei zu entdecken, die von vielen bis heute ausgeübt wird – mit Öl auf Leinwand.

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UltramarinBLAU AUS DEM TAL DES STEINES

Der heilige Georg und der Drache, Meister des Guillebert de Mets, um 1450–55

Wenn wir ein Kunstwerk betrachten, denken wir vielleicht „wie raffiniert“ oder „wie schön“ oder wir fragen uns: „Wie hat der Künstler das wohl gemacht?“ Aber wann sehen wir uns schon einmal einen bestimmten Teil eines modernen Gemäldes an und denken dabei, wie teuer es war, diesen Abschnitt zu malen? Für die Menschen im Mittelalter und in der Renaissance war es völlig normal, Kunstwerke in dieser Weise anzuschauen. Eine goldene Fläche verriet ihnen sofort, dass sie etwas wirklich Wertvolles vor sich hatten. Und es gab noch eine andere Farbe, die ihnen das sagte: Ultramarinblau, gewonnen aus dem Halbedelstein Lapislazuli. Jahrelang hatte ich geglaubt, Ultramarinblau werde so genannt, weil es die Farbe des Meeres sei, was mir seltsam vorkam, denn in Gemälden wird es häufiger für den Himmel verwendet. Tatsächlich leitet sich marin zwar vom lateinischen Wort für „Meer“ her, doch ultra bedeutet „jenseits“ oder „über“. „Ultraviolett“ bezeichnet die Lichtwellen jenseits von Violett (und da Violett die kürzeste Wellenlänge ist, die der Mensch sehen kann, befinden sich diese gerade jenseits dessen, was wir mit dem bloßen Auge wahrnehmen können). „Ultramarin“ heißt also „überseeisch“ oder „jenseits des Meeres“, und die Farbe wurde danach benannt, wo sie herkam. Jahrhundertelang kam das ultramarinblaue Pigment

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über den Seeweg aus einem Gebirgsort in Afghanistan namens Sar-e-Sang, dem „Tal des Steines“. Früher legten die Minenarbeiter unter den blauen Felsschichten Feuer an, und wenn die Oberfläche erhitzt war, schreckten sie den Fels mit kaltem Wasser ab, damit er Risse bekam. Danach mussten sie sich häufig schnell vor herabfallenden Gesteinsbrocken und dem giftigen Rauch in Sicherheit bringen. Noch heute kann man in den ersten hundert Metern der Schächte den schwarzen Ruß von

Gravierter Lapislazuli, Rom, 2. Jahrhundert

Seite aus einer Koranhandschrift, Iran, um 1550–75

den Feuern sehen, die zum Teil bereits vor Jahrtausenden entfacht worden waren. Beeindruckend ist auch die Vorstellung, wie ägyptische Händler vor 6 000 Jahren diesen wunderbaren blauen Stein fast 5 000 Kilometer weit durch eine der unwirtlichsten Gegenden der Welt transportierten. Wenn er an seinen Bestimmungsort gelangte, war er ein Vermögen wert. Die Menschen setzten ihn in ihr Geschmeide und ihren Kopfschmuck ein, um zu zeigen, wie unermesslich wohlhabend sie waren. Die alten Ägypter fanden jedoch niemals heraus, wie man daraus eine gute Farbe herstellt. Denn es genügt nicht, ihn zu mahlen und in ein Bindemittel zu mischen. Im Lapislazuli sind so viele andere Bestandteile enthalten – Pyrit, Kalzium, Diopsid, Forsterit, Wollastonit und Muskovit –, dass es sehr schwierig ist, die blaue Farbe in Reinform zu extrahieren. Im Jahr 1916 entdeckte eine Grabungsexpedition des New Yorker

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Metropolitan Museum of Art ein Fragment der Statue einer ägyptischen Königin aus der dritten Dynastie (etwa um 2600 v. Chr.), deren Halsschmuck Spuren von Lapislazuli aufwies. Der Stein war zerrieben und mit einer Art Gummiarabikum vermischt worden. Das Ergebnis war ein recht schwaches Blau, das eigentlich eher ein Grauton war. Erst 3000 Jahre später schaffte es jemand, aus Lapislazuli ein echtes Pigment zu gewinnen. Das Verfahren war so kompliziert, dass es lange Zeit geheim gehalten wurde. Das erste bekannte Beispiel dieser Farbe fand man in Wandmalereien über einer riesigen Buddhastatue aus dem 6. Jahrhundert im Bamiyan-Tal in Afghanistan. (Die meisten dieser Wandgemälde wurden 2001 zusammen mit den Buddhas von den Taliban zerstört.) Als das Geheimnis einige Jahrhunderte später nach Europa gelangte, sorgte es für großes Aufsehen. Alle Kirchen wollten Ultramarinblau in ihren Gemälden haben, und es wurde zur beliebtesten Farbe der Christenheit. Die Künstler und Mönche (was im Europa jener Tage häufig dasselbe war) stellten die Figuren des neuen Testaments nach einem bestimmten Farbenschlüssel dar: Judas wurde in Gelb gemalt, was den Verrat an Christus symbolisieren sollte, während sie heilige Märtyrer wegen des Bluts, das bei ihrem schrecklichen Tod geflossen war, oft in Rot zeigten. Und da das wertvolle Ultramarinblau so hoch geschätzt wurde, gestalteten sie mit diesem erstklassigen Blauton aus Afghanistan das Gewand der Jungfrau Maria – um zum Ausdruck zu bringen, dass sie die Kostbarste von allen war.

Die Verkündigung von Simon Bening, um 1525–30

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Der Schecke von Paulus Potter, um 1650–54

Warum ist der Himmel blau? bedeckt ist, dann müssen nur die kleinsten,

zwar auch gestreut, aber bei Weitem nicht so

sanftesten und kaum wahrnehmbaren Wellen

stark wie die blauen, die unserem Himmel seine

ihren Weg ändern, um ihnen auszuweichen.

wunderschöne blaue Farbe verleihen. Wenn

Stellen Sie sich vor, Sie beobachten, wie die

Etwas Ähnliches geschieht mit dem Sonnen-

das Sonnenlicht, wie bei Sonnenaufgang und

Wellen vom Meer auf den Strand zulaufen.

licht, wenn es in die Erdatmosphäre eintritt.

-untergang, besonders viel Atmosphäre durch-

Wenn die Wellen auf einen großen Felsen

Die kürzesten Wellen, nämlich die blauen und

dringt oder andere Hindernisse im Weg sind

treffen, wird fast jede von ihm abgelenkt. Ist

violetten (und ultravioletten), werden von der

(etwa Salzpartikel am Meer oder Vulkanasche),

der Felsen kleiner, werden nur die mittleren

dicken Schicht winziger Luftmoleküle, die das

wird das gesamte blaue Licht und sogar ein Teil

und kleinen Wellen gestoppt, während die

Leben auf unserem Planeten ermöglicht, am

des grünen Lichts entweder absorbiert oder

großen einfach über den Felsen hinwegrollen.

meisten aus der Bahn geworfen („gestreut“).

vollständig zerstreut – und der Himmel verfärbt

Und wenn der Strand mit kleinen Kieselsteinen

Die längeren grünen und roten Wellen werden

sich in den herrlichsten Rot- und Orangetönen.

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Französisches Ultramarinblau Im Jahr 1824 setzte eine französische Gesellschaft ein Preisgeld von 6000 Francs für die künstliche Herstellung von Ultramarinblau aus. Das natürliche Pigment aus Afghanistan war teurer denn je und, was noch schlimmer war, die Briten in Indien hatten zu viel Kontrolle über seine Handelswege. Zwei Chemiker fanden zur gleichen Zeit eine Lösung – der Franzose Jean-Baptiste Guimet und der Deutsche Christian Gmelin. Der Franzose Guimet erhielt den Preis, und seine Erfindung wurde als Französisches Ultramarinblau bezeichnet, um es von dem natürlichen Pigment zu unterscheiden.

Der Tod der Lara von Eugène Delacroix, um 1824

Geheimrezept für Ultramarinblau Man nehme ein Stück des feinsten Lapislazuli –

ser in Asche und gebe das Gemisch (es wird

und denke einen Augenblick daran, wie kost-

„Lauge“ genannt und ist alkalisch) mit dem

bar er ist und welchen Respekt er darum ver-

Teig in eine Schüssel. Mit einem Stock in jeder

dient. Dann zerstoße man ihn in einem abge-

Hand wird der Teig nun geknetet wie ein Brot-

deckten Bronzemörser, damit der Staub nicht

teig. Wenn die Flüssigkeit mit blauer Farbe ge-

verweht. Den zerkleinerten Stein lege man auf

sättigt ist, gieße man sie in eine Glasschüssel.

eine Platte und bereite ihn auf. Anschließend

Darauf nehme man noch mehr Lauge, wieder-

wird er gesiebt und erneut zerstoßen. Dieser

hole den Schritt und fülle die neue Farblösung

Vorgang ist zweimal zu wiederholen. Danach

in eine zweite Schüssel. Damit ist so lange

vermische man Kiefernharz, Gummiharz und

fortzufahren, bis der Teig keine Farbe mehr

Wachs mit dem blauen Pigment, drücke alles

abgibt. Am Ende stelle man alle Schüsseln in

durch ein Leinentuch und stelle daraus einen

die Sonne, bis das Wasser verdunstet ist und

Teig her. Jetzt reibe man die Hände großzügig

ein blaues Pulver übrig bleibt. Die erste Schüs-

mit Leinsamenöl ein und bearbeite den Teig

sel wird die beste sein und die letzte Schüssel

drei Tage und drei Nächte lang. Noch ist es

wird Ultramarinasche enthalten, die nur noch

nicht an der Zeit, auszuruhen. Man gieße Was-

zum Lasieren verwendet werden kann.

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Natur, Anatomie und Bewegung umfasste.

funktionieren. Die linke Hemisphäre ist für das

Colorito steht dagegen für einen Ansatz, bei

analytische Denken zuständig, mag Worte,

dem die Schichtung und der Aufbau der Farben

Zahlen, Linien und Monochromie. Sie ist der

entscheidend sind und die Bildkomposition oft

Kritiker. Die rechte Seite ist chaotisch, liebt

direkt auf der Leinwand ausgearbeitet wurde.

Spaß und Farben, reagiert stark auf visuelle

renz, seinen venezianischen Konkurrenten Tizi-

Sowohl Künstler wie jene, die über Kunst

Reize und ist spontan, kann aber nicht viel

an in Rom traf, konnte er einen Blick auf dessen

schrieben (denn die Renaissance war die Epo-

mit einer Landkarte anfangen. Man kann sich

neuestes Gemälde werfen. Später wurde er

che, in der die Kunsttheorie geboren wurde),

disegno auch als die linke und colorito als die

von einem Freund gefragt, wie es gewesen sei.

waren von der Frage besessen, was nun der

rechte Gehirnhälfte vorstellen. Doch ist damit

„Schöne Farben“, antwortete Michelangelo.

bessere Weg sei. Sollte man erst die Linien

noch nicht die Frage beantwortet, was besser

„Aber ich wünschte mir, dass die Venezianer

zeichnen und dann die Farbe auftragen? Oder

ist: kreative Ordnung oder organisiertes Cha-

besser zeichnen könnten.“

beginnt man sein Werk lieber mit einer freien,

os? Sind Sie eher disegno oder colorito? Oder

lebendigen Idee, wie das Bild aussehen soll,

möchten Sie, wie Leonardo da Vinci, beide Sei-

Schriftsteller Giorgio Vasari – der an jenem Tag

arbeitet das Licht und die Formen mit den Far-

ten verbinden und Zeichnungen nutzen, um auf

des Jahres 1545 anwesend war – auf literari-

ben aus und geht erst dann ins Detail?

chaotische Weise neue Ideen zu entwickeln?

Die große Streitfrage

Als Michelangelo, der berühmte Maler aus Flo-

Diese Anekdote, die von dem Künstler und

schere Art und Weise erzählt wird, veranschau-

In den 1960er-Jahren untersuchten Hirnfor-

Merken Sie sich allerdings eines: Es gibt

licht eine zentrale Debatte in der Kunst des

scher die beiden Hälften der Großhirnrinde,

keine richtige Antwort. Für jede kreative

15. und 16. Jahrhunderts. Die Streitfrage lautete:

jenen Teil des Gehirns, in dem unsere höheren

Schöpfung, sei es nun ein Gemälde, ein Lied,

disegno oder colorito – Zeichnung oder Farbe?

mentalen Funktionen ablaufen. Sie beobach-

ein Videospiel oder ein Roman, benötigt man

Disegno bezieht sich auf den Einsatz des

teten, welche Verhaltensmuster betroffen sind,

beides. Michelangelo war etwas mehr disegno,

zeichnerischen Elements für den Entwurf einer

wenn die eine oder andere Seite verletzt wird,

Tizian etwas mehr colorito – und sie waren bei-

Komposition, was oft eingehende Studien der

und stellten fest, dass beide unterschiedlich

de brillant.

Venus und Adonis von Tizian, um 1555–60 Studie zur Libyschen Sibylle von Michelangelo, um 1510–11

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Koschenille

AUS DER NEUEN WELT IN DIE KUNST (UND AUF DEM TISCH)

Man schrieb das Jahr 1553, als die Herrscher von Tlaxcala in Mexiko sehr beunruhigt waren: Seit der Ankunft der Konquistadoren vor 50 Jahren bestand in Europa eine so große Nachfrage nach einem speziellen roten Farbstoff, dass die einheimischen Bauern mittlerweile nichts anderes taten, als diesen zu produzieren. „Die Dinge sind nicht mehr so, wie sie früher waren. Der Koschenillekaktus macht die Menschen faul“, klagten sie. „Es werden keine Mais- oder andere Nahrungspflanzen mehr angebaut. ... Viele Felder sind mit Gras überwachsen, und wir sind von Hungersnöten bedroht.“ Jeder Bauer durfte sich nur um zehn Kakteen kümmern, aber die Aufträge aus Übersee wurden immer zahlreicher. Die Koschenilleschildlaus ist etwa so groß wie der kleine Fingernagel eines Kindes und lebt auf Kakteen aus der Gattung der Opuntien, der Feigenkakteen. Ein Befall durch diese Parasiten sieht aus wie weißer Schnee auf den Kakteenblättern und führt zum Absterben der Pflanze. Werden die Koschenillen getrocknet und zerkleinert, erhält man jedoch eine erstaunliche Farbe. Die Maya und Azteken nutzten sie in Farbstoffen und Kosmetika ebenso wie für medizinische Zwecke oder zum Malen. Weiter südlich, in Peru, setzten die Inka sie auch zur Übermittlung von Nachrichten ein. Sie verfügten zwar über keine Schrift, hatten aber ein kompliziertes System farbiger Knotenschnüre entwickelt, das Quipu hieß; und diese Schnüre wurden von Boten zu Fuß durch das ganze Land getragen. Schwarze Knoten bedeuteten Zeit, gelbe signalisierten Gold, Blau stand für die Götter und Rot für die Armeen der Inka.

Ein Quipu-Bote überbringt dem Inkaherrscher eine Nachricht, aus Allgemeine Geschichte von Peru von Martín de Murúa, 1616

Wenn man jemandem also eine rot-schwarz gefärbte und mit bestimmten Knoten versehene Schnur übersandte, wusste der Empfänger, dass es eine Schlacht gegeben hatte, wann und wo sie stattgefunden hatte und wie viele Krieger gestorben waren. Im Laufe des 16. Jahrhunderts wurden jährlich zwischen 50 und 150 Tonnen Koschenille-Farbstoff nach Europa exportiert. Nach Gold und Silber gehörte er zu den wertvolls-

ten Importgütern aus der Neuen Welt. Und er wurde mit begeistertem Jubel empfangen: Zweimal im Jahr, wenn die Handelsschiffe mit dem Passatwind im Hafen von Sevilla einliefen, putzten sich die Menschen heraus und tanzten auf den Straßen. So ein großartiges Färbemittel hatte man seit dem Tyrischen Purpur nicht mehr gesehen. Es gab natürlich auch andere Rottöne. Seit Jahrhunderten hatten die Menschen in Eichenwäldern nach wilden Kermesschildläusen gesucht, die sie zerdrücken und zu einem roten Farbstoff verarbeiten konnten. Von „Kermes“ leitet sich das englische „crimson“ und das deutsche „Karmin“ oder „Karmesin“ her. Dieser Farbstoff hatte jedoch nur ein Zehntel der Leuchtkraft von Koschenille, und Kermesschildläuse waren schwer zu finden. Daneben gab es den Krappfarbstoff, dem wir später noch begegnen werden. Er wurde aus einer bestimmten Wurzel gewonnen und ging eher ins Orange. Koschenilleschildläuse erzeugten dagegen einen kräftigen roten Farbstoff, der genau in der Mitte der Rotskala angesiedelt war. Die Spanier hätten ihn als „Tomatenrot“ bezeichnen können, wenn sie im frühen 16. Jahrhundert

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Bildnis eines jungen Mannes in Rot, Kreis um Raffael, um 1505

Früher gab der Stoff, den jemand trug,

mit Ölfarbe. Und behandle dasselbe etwas

Isabella von Portugal, Werkstatt von Rogier van der

Auskunft über den Reichtum dieser Per-

derber.“ Für den Effekt von Wolle in einem

Weyden, um 1450

son. Bei Künstlern, die luxuriöse Gewebe

Fresko riet er dem Künstler wiederzukom-

Isabella von Portugal war die jüngere Schwester von

realistisch wiedergeben konnten,

men, nachdem das Wandgemälde verputzt,

Heinrich dem Seefahrer. Als dieses Porträt entstand,

standen die Wohlhabenden deshalb

geglättet und auch sonst fertiggestellt sei:

lebte sie in Burgund, im heutigen Nordfrankreich.

Schlange, um sich porträtieren zu

„Nimm ein flaches Brettchen, wenig größer

Ein rotes Kleid wäre damals mit zerkleinerten Ker-

lassen. Hier sind einige Hinweise, die der

als ein Spieltäfelchen. Und indem du mit

messchildläusen gefärbt worden, da kein anderer

italienische Maler Cennino Cennini im

dem Pinsel klares Wasser auf oder über die

kräftiger roter Farbstoff in Europa verfügbar war,

14. Jahrhundert dazu parat hatte: „Wenn

genannte Stelle sprengst, fahre im Kreise mit

bevor Koschenille aufkam.

du einen Samtstoff nachahmen willst, so

diesem Brettchen herum. Der Kalk erscheint

mache das Gewand, in Eitempera, mit

dann rau und schlecht geglättet. Lass es

welcher Farbe du willst. Dann führe mit

stehen und bemale es so, wie es ist, ohne

dem Pinsel von Eichhörnchenhaar das

zu polieren, und es wird gleich einem Tuche

Flaumige aus, welches der Samt hat,

oder Wollstoffe eigentlich erscheinen.“

Links: Von Koschenilleschildläusen befallener Feigenkaktus

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bereits Tomaten – ein anderes Produkt der Azteken – gekannt hätten. Koschenille war zwar ein Färbemittel, aber die Künstler des 16. Jahrhunderts entdeckten sehr bald, dass daraus – wie aus anderen organischen Farbstoffen von Pflanzen und Insekten – eine nützliche Malfarbe bereitet werden konnte. Die aus Koschenille hergestellte Malfarbe wurde „Karmin“ genannt. Raffael verwendete sie ebenso wie Leonardo da Vinci. Wenn man sie über andere Rottöne wie etwa Vermilion setzte, ergab sie ein

sattes Kirschrot. Farben aus Farbstoffen sind allerdings flüchtig. Sie verblassen unter dem Einfluss von Licht, und das kann manchmal verheerend sein. Der englische Gesellschaftsmaler Joshua Reynolds verwendete Karmin im 18. Jahrhundert unglücklicherweise häufig als Rosaton für die Haut, so dass viele der Porträtierten jetzt wie unheimliche blasse Geisterwesen aussehen. Koschenille wird bis heute eingesetzt, wenngleich weniger in Färberbottichen oder auf Künstlerpaletten als vielmehr in Lebens-

mitteln und Kosmetika. Die Hersteller nutzen sie, weil sie zu den ungefährlichsten Farben überhaupt gehört. Wer also Lippenstift, Lidschatten oder Rouge aufträgt oder bestimmte Suppen, Käse oder industriell verarbeitete Schinken verzehrt, begegnet wahrscheinlich auch dem tomatenroten Extrakt dieses südamerikanischen Insekts.

Orientalischer Herrscher in Begleitung seines Hellebardenträgers von Jusepe de Ribera, um 1625–30 Diese Zeichnung wurde mit karminroter Tusche angefertigt.

Türkenbundlilie und Tomate von Joris (Georg) Hoefnagel, Illustrator, und Georg Bocskay, Kalligraf, 1561–62, Illumination ergänzt 1591–96 Hierbei handelt es sich um eine der ersten bekannten Darstellungen einer Tomate. Die Europäer hatten zunächst Angst davor, Tomaten zu essen. Die Pflanze gehört zur Familie der gefährlichen Nachtschattengewächse und wurde daher für giftig gehalten.

Van-Dyck-Braun Anton van Dyck war 16 Jahre alt und bereits ein gewandter Künstler, als er 1615 mit seinem Freund, dem 14-jährigen Jan Brueghel dem Jüngeren, begann, als selbstständiger Maler zu arbeiten. Sein Lehrmeister Peter Paul Rubens hielt ihn für den besten all seiner Schüler. Mit 21 Jahren nahm ihn der englische König Jakob I. in seine Dienste. Van Dyck verwendete verschiedene Rottöne und andere leuchtende Farben, aber auch Brauntöne – vor allem eine transparente Lasur aus Kasseler Erde – vermischt mit Bitumen, der klebrigen, Teer ähnlichen Substanz, die heute als Straßenbelag genutzt wird. Sie verlieh den Gemälden einen schönen Glanz, obwohl sie ebenso abdunkelte; und manchmal, wenn sie von anderen Künstlern zu dick aufgetragen wurde, ließ sie die Gemälde so aussehen, als würden sie zerlaufen. Ein Jahrhundert später wurde diese Farbe ihm zu Ehren als „Van-Dyck-Braun“ bezeichnet.

Agostino Pallavicini von Anton van Dyck, um 1621

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Blauholz SCHWARZ Was machen Piraten, wenn sie ihren Beruf nicht mehr ausüben können? Aufgrund eines Friedensvertrags zwischen England und Spanien wurden 1667 Hunderte englischer Bukanier arbeitslos, nachdem sie jahrzehntelang das Gold und Silber von spanischen Schiffen geraubt hatten. Viele von ihnen wechselten in die Färberbranche. In Nordeuropa gab es zahlreiche Protestanten mit einer Vorliebe für tiefschwarze Kleidung, mit der sie ihre Frömmigkeit und Ernsthaftigkeit zum Ausdruck bringen wollten. Aber schwarzer Farbstoff hatte seine Tücken. Billige Färbemittel, die aus Galläpfeln gewonnen wurden, verblichen innerhalb von Wochen zu Orange, während Walnuss und Brombeeren ein unbefriedigendes Dunkel-

PURITANER UND PIRATEN

grau ergaben. Abgesehen von der äußerst kostspieligen Methode der Dreifachfärbung (in blauen, gelben und roten Färbebottichen, damit das gesamte Licht vollständig vom Stoff absorbiert wird) war das beste Verfahren, um ein dunkles Schwarz zu erzeugen, die einfachere Kombination von Indigo mit einem dunkelroten Farbstoff aus dem Kernholz eines Baumes, der nur in Mittelamerika wuchs: dem Blauholzbaum. Bis 1673 war die Verwendung von Blauholz in England gesetzlich verboten, weil Spanien, dem alle Gebiete gehörten, in denen es vorkam, zu sehr davon profitiert hätte. Nachdem England und Spanien Frieden geschlossen hatten und England mit Britisch-Honduras (dem heutigen Belize) einige Tausend Qua-

dratkilometer für sich beanspruchen konnte, wurde der Markt wieder geöffnet. Der Blauholzbaum wächst tief in den Mangrovensümpfen, und es war eine harte Arbeit, das benötigte Holz von dort herauszuschaffen. In der Regenzeit stiegen die Arbeiter von ihren Schlafplätzen in knietiefes Wasser und blieben den ganzen Tag darin stehen, während sie das Holz fällten und zerkleinerten. Und die Stechmücken taten ein Übriges. Es ist nicht verwunderlich, dass die Männer nach dem Eintreffen der Handelsschiffe ihr ganzes Geld in tagelangen Trinkgelagen wieder verprassten. Ironischerweise wurde die Farbe, die von den Puritanern und anderen Protestanten in Europa und Nordamerika getragen wurde, um Frömmigkeit und Gottesfurcht zu zeigen, also von Männern bezogen, die ihren gesamten Verdienst in Rum, leichte Mädchen und ausgelassene Vergnügungen investierten.

Interieur mit Familiengruppe, Quiringh Gerritsz, van Brekelenkam zugeschrieben, um 1658–60 Kapitän Teach, gewöhnlich genannt Blackbeard, aus Allgemeine und wahre Geschichte über das Leben und die Taten der berühmtesten Wegelagerer, Mörder und Straßenräuber, 1742

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Christus und die Ehebrecherin von Han van Meegeren, um 1941–42, Ausstellung im Museum Boijmans Van Beuningen, Rotterdam, 2010 Zum Vergleich: Ein echter Vermeer ist auf Seite 70 zu sehen.

Deckelvase aus Porzellan, China, um 1662–1722

Kobalt

BLAU AM TATORT

Im Jahr 1943 verkaufte der Amsterdamer Kunsthändler Han van Meegeren einen alten Meister an den deutschen Reichsmarschall Hermann Göring – Christus und die Ehebrecherin, ein unbekanntes Werk des berühmten niederländischen Malers Jan Vermeer aus dem 17. Jahrhundert und außerordentlich wertvoll. Jedoch war es das gar nicht, denn van Meegeren war tatsächlich Fälscher und hatte mit seinen „Vermeers“ und „Pieter de Hooches“ schon einige der größten Kunstexperten der Zeit hinters Licht geführt. 1937 wurde seine Version von Christus und die Jünger in Emmaus nicht nur für eine halbe Million Gulden (heute ungefähr neun Millionen Euro) an ein großes niederländisches Museum verkauft, sondern auch als der beste „Vermeer“ überhaupt bezeichnet. Van Meegeren wurde zum Multimillionär und sammelte sein Geld in großen Holztruhen.

Zum Ende des Zweiten Weltkriegs geriet er allerdings in eine schwierige und ungewöhnliche Lage. Da er Kunst an Nationalsozialisten verkauft hatte, wurde er verhaftet und als Kollaborateur angeklagt. Um einer jahrelangen Zuchthausstrafe zu entgehen, musste er nun beweisen, dass sein Vermeer eine Fälschung war und er nicht mit dem Feind kollaboriert, sondern Göring bewusst getäuscht hatte. Doch das war gar nicht so einfach. Schließlich wurde er in einen Raum eingeschlossen und aufgefordert, einen „Vermeer“ zu malen, um zu zeigen, dass er dazu in der Lage war. Am Ende wurde das Material, das er benutzte, zu einem der entscheidenden Beweisstücke. „Farbe ist fast so verräterisch wie Blut an einem Tatort“, erklärt der Fälscherjäger Philip Mould in einer BBC-Sendung zu diesem Fall. Die Pigmente und die unterschiedliche Art

SILO

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Glasmalerei, Frankreich, um 1410

ihrer Verwendung und Alterung sind für die Kunstsachverständigen die wichtigsten forensischen Hilfsmittel. Und sie haben keine leichte Aufgabe: Man schätzt, dass in manchen Ländern, wie zum Beispiel Russland, etwa die Hälfte der auf dem Markt befindlichen Kunstwerke Fälschungen sind. Van Meegerens Hauptbeweisstück war Kobalt. Das Metall Kobalt war jahrhundertelang zur Herstellung von Glas verwendet worden. Die mittelalterlichen Glasfenster verdanken ihm ihren erstaunlichen Blauton und auch für die Glasur von Porzellan war es von großer Bedeutung. Während der MingDynastie (1368–1644) importierten die Chinesen Kobalt aus Persien und fertigten damit blau-weißes Porzellan, das sie anschließend wieder nach Persien exportierten. Im 16. Jahrhundert verbreitete sich der blau-weiße Wahn und die chinesischen Handelsflotten verschifften das Porzellan nach Europa und sogar zur Ostküste von Afrika. In vielen vornehmen Korallensteinhäusern der Suaheli waren in der Hauptinnenwand spezielle Nischen eingelassen, in denen einzelne blau-weiße Porzellanschalen zur Schau gestellt wurden, um einen feinen Geschmack und Wohlstand zu demonstrieren. Kobalttinte ist unsichtbar, verfärbt sich jedoch bei Hitze grün. Als man dies im 17. Jahrhundert entdeckte, glaubten manche an Hexerei, während andere sie für geheime Botschaften nutzten. Ein Jahrhundert später, im vorrevolutionären Frankreich, gestaltete man damit wandelbare Kaminschirme. Darauf wurde mit normaler Tinte eine Winterlandschaft gemalt, in die man mit unsichtbarem Kobaltchlorid Baumblätter und andere

Vegetation zeichnete. Wenn das Kaminfeuer brannte, verfärbten sich die Kobaltmalereien, und die Landschaft erschien in sommerlichem Grün. Nach dem Erlöschen des Feuers war es wieder Winter. Schließlich gelang es auch, aus Kobalt ein blaues Pigment und eine Glasur herzustellen, indem man Kobaltsalze mit Tonerde in einem Ofen glühte. Vor 1802 wurde dieses Verfahren jedoch noch nicht angewendet. Als man auf dem Gemälde, das van Meegeren an Göring verkauft hatte, Kobaltblau fand, war daher klar, dass es nicht Vermeer in den 1660erJahren gemalt haben konnte.

Die Verwendung von Kobaltblau wäre ein ungewöhnlicher Fehler für van Meegeren gewesen, der, wie fast jeder andere Kunstfälscher in Europa, ein zerlesenes Exemplar der Doktorarbeit des niederländischen Kunstexperten A. M. de Wild aus dem Jahr 1928 besaß. Sie enthielt nicht nur eine Liste der Pigmente mit den Zeitangaben, wann diese von Künstlern verwendet wurden, sondern gab ebenso Aufschluss darüber, wie Experten alte Gemälde an ihrem Craquelé (den typischen Rissen und Sprüngen) erkannten. Zudem waren darin Details über einige Schlüsseltests aufgeführt wie etwa jenen, bei dem mit einem

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Wattebausch etwas Alkohol auf die Ölfarbe getupft wird. Wenn das Gemälde neu ist, dann verläuft das Öl. Bei der Planung seiner Fälschungen in den 1930er-Jahren hatte van Meegeren deshalb sein Bestes getan, um sicherzustellen, dass sie nicht entdeckt wurden. So kaufte er weniger wertvolle Gemälde aus dem 17. Jahrhundert und schabte die oberste Schicht ab, so dass noch das echte Craquelé darunter erhalten blieb. Anschließend übermalte er es, wobei er sich nach den Hinweisen in de Wilds Liste richtete. Nachdem das Gemälde fertig war, rollte er die Leinwand zusammen, um auch auf der Oberfläche feine Risse zu erzeugen. Als Bindemittel benutzte er kein Leinöl, sondern – erfinderisch, wie er war – Bakelit, das zu einem festen, hitzebeständigen Kunststoff aushärtete und gewöhnlich zur Herstellung von Telefonen, Radiogeräten oder Spielzeug diente. Hinterher Glasierter Keramikfliesenboden, Spanien, um 1425–50

Glasierter Keramikteller mit der Abbildung eines Handelsschiffs, Italien, um 1510

steckte er die Gemälde in den Backofen, damit sie gegen den Wattebauschtest gefeit waren. 1947 wurde die schwere Anklage der Kollaboration schließlich fallen gelassen und van Meegeren wurde nur wegen Kunstfälschung verurteilt. Sein Glück verdankte er nicht zuletzt einem anderen Gauner: Er selbst hatte geglaubt, für Christus und die Ehebrecherin echtes afghanisches Ultramarinblau verwendet zu haben, es stellte sich jedoch heraus, dass der Verkäufer die kostbare Farbe mit billigerem Kobaltblau versetzt hatte. Als dies ans Licht kam, blieb dem Gericht keine andere Wahl. Es musste van Meegerens Geschichte glauben.

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Blei

WEISS

GEFÄHRLICHER ZAUBER

Nachdenkliche Dame auf einem Sofa (möglicherweise Maria Gunning) von Jean-Étienne Liotard, 1749

Als die 18-jährige Maria Gunning aus Irland nach London kam, war sie schon so berühmt, dass eine Militäreskorte nötig war, um sie bei ihrem täglichen Spaziergang im Hydepark vor Schaulustigen zu schützen. Nur um ihre Schuhe zu sehen, zahlten die Leute ihrem Schuster einen Sixpence. Maria stammte aus einer Familie, die zwar gute Beziehungen hatte, aber nicht sonderlich wohlhabend war. Und sie war auch nicht übermäßig intelligent.

Ihren Ruhm verdankte sie vielmehr ihrer auffallenden Schönheit, ihrer erstaunlichen Ausstrahlung und ihrer ungezwungenen Art. Man könnte sagen, Maria und ihre drei Schwestern waren die „It Girls“ ihrer Zeit. Maria Gunning trug sehr viel Make-up. Ihr ganzes Gesicht war mit einer Bleiweiß-Creme bedeckt, während sie ihre Lippen und Wangen rot schminkte. Es war ein fragiler, leicht sinnlicher Look, der in der britischen Hauptstadt überaus populär war – denn das Blei verlieh den Frauen ein elfenhaftes Aussehen. 1752, im Alter von 19 Jahren, heiratete die gefeierte Schönheit den sechsten Grafen von Coventry. Als dieser erfuhr, wie gefährlich Bleiweiß war, versuchte er, seine junge Frau zu überreden, darauf zu verzichten. Einer Anekdote zufolge jagte er sie, als sie sich weigerte, um den Esstisch und wischte ihr mit der Serviette das giftige Make-up vom Gesicht. Aber sie wollte noch immer nicht davon lassen. Mit der Zeit führte es zu bläulichen Hautveränderungen, Verstopfungen und Wahnvorstellungen, und letzten Endes zu einem frühen Tod. Sie starb 1760, mit gerade einmal 27 Jahren, in einem versteckten Winkel ihres herrschaftlichen Hauses – nur im Schein eines Teekessels. Sie war so verzweifelt über ihre ruinierte Schönheit, dass sie von niemandem gesehen werden wollte. Maria Gunning war eine von vielen, die aufgrund von stark bleihaltigem Make-up gestorben waren. Jahrhundertelang ignorierte man die Gefahr. Noch in den 1870er-Jahren warb das US-amerikanische Kosmetikunternehmen George W. Laird in New Yorker Magazinen für solche Produkte. Die Comic-

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artigen Annoncen zeigten einen jungen Mann, der aus der Ferne eine schöne Frau bewunderte. Ein älterer Mann verriet ihm, dass sie „schon 45 Jahre alt“ war. Ihr Geheimnis sei das Make-up „Jugendblüte“ von Laird. Unzählige Frauen sahen die Werbeanzeigen, liefen in die Läden und kauften es. Der Hauptbestandteil der „Jugendblüte“ war jedoch Bleiweiß und brachte vielen Frauen, die es benutzten, den Tod. Der römische Historiker Plinius warnte im 1. Jahrhundert vor der giftigen Wirkung von Bleiweiß, wie fast jeder, der sich seither darüber geäußert hat. Vor allem für Künstler lag das Problem aber darin, dass es schon immer die beste weiße Farbe war, die es gab. Bereits im antiken Griechenland wurde sie hergestellt, indem man feine Bleispäne in eine Schüssel mit Essig gab. Die Säuredämpfe führten zu einer chemischen Reaktion, und weißes Bleikarbonat lagerte sich ab. Im 17. Jahrhundert wurde in Holland allerdings ein völlig

Links: Der Astronom bei Kerzenlicht von Gerrit Dou, 1650er Jahre Oben: Stillleben mit Zitronen, Orangen und einem Granatapfel von Jacob van Hulsdonck, um 1620–40

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Oben: Das Begräbnis der Atala von Anne-Louis Girodet de Roussy-Trioson, 1808

Links: Pictura (Eine Allegorie der Malerei) von Frans van Mieris d. Ä., 1661 Dieses Werk ist auf Kupfer gemalt, wodurch es zu leuchten scheint.

neues Verfahren erfunden. Es wurde als „Stapelverfahren“ bezeichnet, weil man dabei ein Gefäß mit Blei über ein anderes mit Essig stellte. Dann schütteten die Arbeiter mehrere Kübel Rinder- und Pferdemist – die neue geheime Zutat – darüber. Der Raum wurde versiegelt, und der Mist lieferte die Hitze zum Verdampfen der Säure und das Kohlendioxid für die Umwandlung von Bleiazetat in basisches Bleikarbonat. Drei Monate später wurde der Raum geöffnet und das Resultat von den Arbeitern herausgeholt – was sicher keine angenehme Aufgabe war. In der Zwischenzeit hatten die dampfenden Exkremente, der saure Wein und das giftige Metall ihre Arbeit getan

und Flocken des schönsten, reinsten Weiß auf das graue Blei „gezaubert“. Es war eines der kleinen Wunder des Malkastens. Und die Künstler liebten diese Farbe, weil keine andere diese besondere Wirkung hatte. Wenn wir einen Blick auf die niederländischen Stillleben und Porträts des 17. Jahrhunderts werfen, die große Meister wie Rembrandt van Rijn nach der Entwicklung dieser neuen Methode gemalt haben, sehen wir den Lichtschein darauf, den winzigen Hauch, der das ganze Objekt zum Leben erweckt, als ob es in einem dunklen Raum von einem Sonnenstrahl getroffen worden sei. Der cremige Schimmer des Kerzenlichts von Gerrit Dous

Astronom, der Lichtschein darunter und auf dem Buch – all das ist Bleiweiß: tödlich, aber schön. In den Vereinigten Staaten wurde Bleiweiß 1977 verboten. Heute verwenden die Künstler weitgehend Titandioxid, ein synthetisches Weiß aus einem Metall, das erst Ende des 18. Jahrhunderts entdeckt wurde, obwohl es das neunthäufigste Element in der Erdkruste ist. Es ist ein gutes und beständiges Weiß, auch wenn es nicht dasselbe sündhafte Glitzern wie Blei besitzt. Und von allen Farben, die wegen ihrer Gefährlichkeit nicht mehr in Gebrauch sind, wird dieses alte Weiß von den heutigen Künstlern am meisten vermisst.

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INDIGO

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FRAUENPOWER IN SOUTH CAROLINA

Eliza Lucas war ebenfalls ein Teenager im 18. Jahrhundert, dessen Schicksal mit der Geschichte der Farben in Verbindung stand. Doch im Gegensatz zu Maria Gunning handelte es sich bei Eliza Lucas nicht um ein Opfer, sondern um eine Gewinnerin. Eliza Lucas war erst 16 Jahre alt, als ihr Vater 1739 gegen die Spanier in den Krieg zog und die Plantagen der Familie in South Carolina ihrer Obhut überließ. Ein Jahr zuvor muss sie sich noch als das glücklichste Mädchen der Welt gefühlt haben. Sie war aus dem Internat in England nach Charles Town gekommen, in die lebendigste Stadt der amerikanischen Südstaaten, voller Musik und Tanz und hübscher junger Männer. Aber jetzt war die Mutter krank, und Eliza trug die alleinige Verantwortung für die 600 Morgen großen Wappoo-Plantagen, ihre kleine Schwester und 60 Sklaven. Schnell wurde ihr klar, dass der Reis, der hier gewöhnlich angebaut wurde, nicht genügend Gewinn abwerfen würde, um alle satt zu bekommen. So begann ihr Vater, George Lucas, von seinem Militärposten auf der Karibikinsel Antigua aus Saatgut nach Hause zu schicken, zunächst Alfalfasamen (Luzerne). Danach empfahl er Eliza, es mit dem Anbau von Ingwer zu versuchen. Keine dieser Pflanzen brachte allerdings eine gute Ernte, und erst, als er ihr Indigosamen zukommen ließ, begann sich das Schicksal von Eliza Lucas zu wenden. „Indigo“ ist ein kurioses Wort. Wie „ultramarin“ bezeichnete es anfangs überhaupt keine Farbe. Es wies nur auf den historischen Herkunftsort hin – nämlich Indien. Erstmals tauchte Indigo vor 5000 Jahren unter dem Namen nila („dunkles Blau“) im Industal auf. Im 7. Jahrhundert v. Chr. verewigten die Men-

schen in Mesopotamien, dem heutigen Irak, Rezepte zur Herstellung des Farbstoffs Indigo in Keilschrift auf ihren Tontafeln. Im frühen 16. Jahrhundert entdeckten die Portugiesen Indigopflanzen im westindischen Goa und brachten sie in den Laderäumen ihrer Schiffe nach Europa. Daraus ließ sich ein besseres Blau gewinnen als aus dem alten europäischen Färberwaid, der zwar schneller wuchs, aber nicht dieselbe Färbekraft hatte. (Der Färberwaid wuchs so ungezügelt, dass sein Anbau in Kalifornien, Utah, Washington, Oregon und Montana verboten war.) Die Waid-Färber der „alten Schule“ gaben jedoch nicht auf. Noch bis 1660 gelang es der Waid-Lobby in England, ein Indigoverbot aufrechtzuerhalten, indem sie behauptete, dass die Pflanze giftig sei. Um 1640 hatten die Franzosen begonnen, auf ihren Karibikinseln Indigo zu produzieren, und machten dem britischen Monopol in Indien Konkurrenz. Der Gouverneur der Britischen Ostindien-Kompanie bezeichnete den französischen Farbstoff als „Fälschung und Betrug“, was er allerdings wirklich meinte, war, dass er so gut war, dass sich der englische nicht mit ihm messen konnte. Deshalb stellten sie die Indigoherstellung in Indien schon bald ein und konzentrierten sich dort stattdessen auf Tee, Opium und andere Erzeugnisse. Die Franzosen hätten ihre Vorrangstellung wahrscheinlich noch länger behalten, wäre es 1745 nicht zum Konflikt mit England gekommen. Dadurch war die britische Admiralität gezwungen, eine neue Bezugsquelle für das Lieblingsblau der Nation zu finden – und Eliza Lucas brachte ihre kleine Produktion hierfür gerade rechtzeitig in Gang. Es hatte einige Jahre gedauert: Die erste Ernte war vom Frost zerstört worden, und das zweite

Indigofera von Georg Ehret, 1760

Anbaujahr 1741 war noch katastrophaler verlaufen. George Lucas hatte einen jungen Mann namens Nicholas Cromwell aus Antigua geschickt, der seine Tochter beim Fermentieren der Indigoblätter und bei der Fertigung der Indigokuchen für den Export unterstützen sollte. Doch Cromwell hatte ganz andere Pläne. Er sah in Elizas Erfolg eine Gefahr für die Plantage seiner eigenen Familie und verdarb deshalb die Farbe in ihren Bottichen, indem er zu viel Kalk als Alkali zusetzte. Zuerst dachte sie, Cromwell sei einfach nur unfähig, als sie aber realisierte, dass es sich um Sabotage handelte, entließ sie ihn. Die dritte Ernte fiel gefräßigen Raupen zum Opfer. Wie häufig in der Geschichte der Farben machte sich die Ausdauer jedoch bezahlt: In der vierten Saison stimmte endlich alles, und Eliza Lucas konnte 1744 die allererste Indigoernte von South Carolina einfahren. Und dann traf diese junge Frau eine ungewöhnliche Geschäftsentscheidung. Anstatt das Geheimnis ihres erfolgreichen Indigoanbaus

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Psyche bei den Korbflechtern, entworfen von François Boucher, gewebt in der Tapisserie-Manufaktur von Beauvais, um 1750 Auch bei der Herstellung luxuriöser Gobelins kam Indigo zum Einsatz.

für sich zu behalten und den Markt zu beherrschen, tat Eliza Lucas genau das Gegenteil. Sie verteilte die Samen an all ihre Nachbarn und bot ihnen zudem Rat und Hilfe an. Denn allein konnte sie den Indigo aus Carolina nicht auf dem Markt etablieren und die enorme Nachfrage der Briten befriedigen. Ihre Strategie ging auf. Im Jahr 1750 wurden etwa 65 Tonnen Indigo aus den beiden Carolinas nach England exportiert; fünf Jahre später betrug die Gesamtmenge fast das Zehnfache. Der Markt für den blauen Farbstoff war nun fest in den Händen der amerikanischen Kolonien. Der Erfolg hielt allerdings nicht lange an. Nachdem die Briten 1783 Amerika verloren hatten, wollten sie keinesfalls auch ihr Blau aufgeben, weshalb sie die indische Indigoproduktion in großem Stil wieder aufnahmen. Dies ging leider mit einer so furchtbaren Ausbeutung der Arbeiter einher, dass es in den 1860er-Jahren zu heftigen Unruhen kam. Noch 1917 trat der sanfte Reformer Mahatma Gandhi in seiner ersten Aktion des zivilen Ungehorsams für die Indigobauern im Norden von Bihar ein. In den Vereinigten Staaten hörte die Liebe zum Indigoblau aber niemals auf. So trugen die Arbeiter einst Hemden mit indigoblauen Kragen, da diese weniger schnell verschmutzten als weiße Kragen. Im Englischen werden einfache Arbeiter daher oft „blue-collar workers“ genannt, im Gegensatz zu den „white-collar workers“, den (höheren) Angestellten. Indigo ist außerdem die Originalfarbe jener Hosen, die sich zwei europäische Einwanderer 1873 in San Francisco patentieren ließen. Sie waren die Ersten, die Hosen mit Nieten verstärkten, so dass sie auch von den einheimischen Schwerarbeitern getragen werden konnten. Sie verwendeten einen blauen Stoff aus New Hampshire, der seinen Namen wiederum von einer südfranzösischen Stadt erhalten hatte: De Nîmes („aus Nîmes“), was bald zu „Denim“ verkürzt wurde. Die daraus gefertigten „waist overalls“ („Hüft-Anzüge“) bezeichnete man später nach Seemannshosen aus Genua (frz. Gênes) und schließlich als „Jeans“. Ihre Erfinder hießen Jacob Davis und Levi Strauss – und ihre Marke ist noch heute unter der Abkürzung „Levi’s“ bekannt.

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Die geheimnisvollste Farbe von allen 19. Jahrhundert erlernte, schrieb er in einem

wird als Indigoweiß oder Leukoindigo (von

Brief an einen Freund: „Es würde eine Woche

griech. leukós, „weiß“) bezeichnet. Wenn

Die traditionelle Indigofärberei ist ein

dauern, um dir von allen Ängsten und Mög-

das Indigoweiß aber mit der Luft in Kontakt

sonderbares Erlebnis. Der Färber gibt fer-

lichkeiten zu berichten, die mit dem Thema

tritt, oxidiert es (was bedeutet, dass es

mentierte dunkelblaue Blätter in einen mit

Indigo zusammenhängen.“

diese zusätzlichen Elektronen wieder ver-

Urin und Alkali gefüllten Bottich, rührt vor-

Was geht dabei also vor sich? Eine Re-

liert) und verwandelt sich in eine unlösliche

sichtig um, und die Flüssigkeit verfärbt sich

duktion ist eine chemische Reaktion, bei der

blaue Farbe, die nun im Stoff gehalten wird.

gelbgrün. Dann gibt er das Garn hinein, und

(was vielleicht verwirren mag) Elektronen

wenn er es ein paar Minuten später wieder

aufgenommen werden. Ihr Gegenteil ist die

Buch Indigo eine andere Methode, die auf

herausnimmt, ist auch dieses keineswegs

Oxidation, bei der Elektronen abgegeben

den Salomonen entwickelt wurde und bei

blau, sondern hat eine schwach blassgelbe

werden. Durch das Zusetzen von Urin und

der die Färber Indigoblätter mit dem Kalk

Färbung. Erst an der Luft beginnt es, wie

Alkali reduziert der Färber den normaler-

von Muschelschalen kauten. Das Ergebnis

von Zauberhand seine Farbe zu ändern.

weise unlöslichen Indigo zu einer Form mit

spuckten sie dann auf Rindentuch und be-

Als der britische Zeichner und Kunsthand-

zusätzlichen Elektronen, die wasserlöslich ist

arbeiteten es mit ihren Fingern, bis sich das

werker William Morris das Verfahren im

und das Gewebe durchdringen kann. Diese

Material blau verfärbte.

Jenny Balfour-Paul beschreibt in ihrem

Arbeiter beim Schlagen von gewässertem Indigo mit Holzpaddeln in einer britischen Fabrik in Bihar, Indien, 1877, Fotografie von Oscar Mallitte Aufgrund der unmenschlichen Arbeitsbedingungen sprach der französische Enzyklopädist Denis Diderot bei solchen Anlagen schon im 18. Jahrhundert von „Teufelsbecken“.

Levi’s-Werbung, um 1899

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The Blue Boy (Der Knabe in Blau) von Thomas Gainsborough, um 1770 Als 1995 eine Röntgenaufnahme (rechts) des Gemäldes gemacht wurde, erlebten die Konservatoren eine Überraschung. Links von der Figur war ein Hund zu erkennen, bei dem es sich höchstwahrscheinlich um Tristram, den Wasserspaniel der Familie Gainsborough, handelte. Röntgenstrahlen durchdringen die meisten festen Substanzen, werden aber von einigen wenigen schweren Materialien abgehalten, zum Beispiel von Blei. Und da Bleiweiß für fast alle Künstler der Zeit das wichtigste Weiß war, ist die Röntgenaufnahme eine ausgezeichnete Möglichkeit, um manche Pentimenti (von ital. „Reue“), also Spuren von Korrekturen, die der Künstler während der Arbeit vorgenommen hat, sichtbar zu machen.

Gainsborough-BLAU Thomas Gainsborough war bereits einer der berühmtesten Porträtisten Englands, als er um das Jahr 1770 las, dass sein Rivale Joshua Reynolds gesagt habe, ein guter Künstler könne Blau niemals im Zentrum eines Bildes verwenden. Reynolds hielt es für eine zu kalte Farbe, die nur für Schatten und entfernte Gegenstände eingesetzt werden sollte. Er glaubte, dass Blau im Mittelpunkt verwirrend sei und die Betrachter nicht erkennen würden, was der Vordergrund und was der Hintergrund

SETZE BLAU NIEMALS ZENTRAL INS BILD

sei. Gainsborough stellte sich der Herausforderung. Er nahm eine alte Leinwand und stellte seine Staffelei im zweiten Stock seines Hauses im gefragten King’s Circus 17 in Bath auf (sein Atelier hatte durch die Fenster auf der Gartenseite gutes Licht von Norden). Und er experimentierte mit Blautönen. Jahrelang dachte man, das Modell von Gainsboroughs berühmtem Gemälde The Blue Boy (Der Knabe in Blau) sei Jonathan Buttall gewesen, der Sohn eines wohlhaben-

den Eisenwarenhändlers aus Covent Garden. Jonathan war zur Entstehungszeit des Porträts jedoch etwa 18 Jahre alt und damit älter, als der Knabe in Blau zu sein scheint. Heute hält man es deshalb für wahrscheinlicher, dass der Künstler seinen 14- oder 15-jährigen Neffen Gainsborough Dupont bat, ihm auszuhelfen und in das historische Kostüm zu steigen. Wie dem auch sei, das Ergebnis ist eines der berühmtesten Gemälde des 18. Jahrhunderts. Es erschien auf Drucken und Postkarten in ganz

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England, und als der Herzog von Westminster 1921 aufgrund von Steuerschulden gezwungen war, es zu verkaufen, kam dies einer nationalen Tragödie gleich. Bevor der Knabe in Blau England verließ, um seinen neuen Platz im Haus von Mr. und Mrs. Henry E. Huntington in San Marino, Kalifornien, einzunehmen, wurde das Gemälde gereinigt und drei Wochen lang in der Londoner Nationalgalerie ausgestellt. Neunzigtausend Menschen standen Schlange, um es sich anzusehen: The Blue Boy war zu einem Star geworden. Gainsborough hatte Anton van Dycks im 17. Jahrhundert entstandenes Porträt von Jakob I. und anderen Mitgliedern der englischen Königsfamilie eingehend studiert. Er wollte herausfinden, wie van Dyck den Eindruck von Satin und anderen glänzenden Geweben erzeugte, der die Auftraggeber so faszinierte (und ihm enorm hohe Honorare einbrachte). Nach Aussage der Kuratoren der Huntington Library, wo sich der Knabe in Blau heute befindet, setzten beide Künstler jedoch recht unterschiedliche Techniken ein. Van Dyck trug seine Farbe mit kurzen aufeinanderfolgenden Pinselstrichen in einzelnen Tupfen auf, während bei Gainsborough „ein Chaos aus unregelmäßiger Farbe und Arbeitsweise“ zu erkennen ist. Der beeindruckende Satin der Jacke des Knaben gelang ihm, indem er die Farbe abwechselnd mit kräftigen und feinen, detaillierten Pinselstrichen auftrug, die er in Schichten übereinandersetzte. Mit dieser Technik schuf er den Schimmereffekt. Das Blau kreierte er aus vielen Pigmenten, unter anderem aus Ultramarin, Kobalt, Schiefer, Türkis, Kohle – und Indigo. Und da der 1770 in England verfügbare Indigo größtenteils von Plantagen in Carolina kam, ist es wahrscheinlich, dass auch der kleine von Gainsborough verwendete Indigokuchen aus den amerikanischen Kolonien stammte, und vielleicht sogar von der Plantage in South Carolina, die bis zu ihrem Tod 1793 von Eliza Lucas Pinckney geführt wurde.

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Warum ist Indigo eine Regenbogenfarbe? Schulkinder in den Vereinigten Staaten erin-

daraus, dass weißes Licht aus allen Regen-

nern sich an Mr. Roy G. Biv. Schüler in Indien

bogenfarben zusammengesetzt sei. 38 Jahre

merken es sich umgekehrt als VIBGYOR. In

später sollte er diese Theorie in seinem Buch

England sagen die Kinder „Richard of York

Opticks veröffentlichen. Er lieferte damit die

gave Battle in Vain“ („Richard von York

erste vollständige Erläuterung, wie die Strahlen,

kämpfte vergeblich“), in Anspielung auf die

aus denen farbiges Licht besteht, durch ein

Schlacht von Wakefield im Jahr 1460. Aber

Prisma in unterschiedlichen Winkeln gebrochen

ohne die Pest hätte es vielleicht nur sechs

werden, und wie die Winkel zusammenhängen.

Regenbogenfarben gegeben und keine dieser

So wird Rot (das langwelligste Licht, das wir

angelsächsischen Eselsbrücken für Red (Rot),

sehen können) am geringsten und Violett (das

Orange, Yellow (Gelb), Green (Grün), Blue

kurzwelligste) am stärksten gebrochen. Und als

(Blau), Indigo und Violet (Violett) würde

er über Rot und Violett schrieb, nannte Newton

funktionieren. (Im Deutschen merken wir uns

auch fünf Farben dazwischen: Orange, Gelb,

die Farben übrigens als ROGGBIV.)

Grün, Blau und Indigo.

Die Pest erreichte 1665 London, und rund

Aber ist „Indigo“ nicht nur eine andere

100000 Menschen fielen ihr zum Opfer. Lon-

Bezeichnung für „Blau“? Wie viele seiner Zeit-

don war für den Verkehr gesperrt, alle Messen

genossen glaubte Newton an eine mystische Be-

und Jahrmärkte wurden abgesagt und selbst

deutung der Zahl Sieben. Die Tonleiter bestand

die beiden englischen Universitäten, Oxford

aus sieben Noten, es gab sieben Planeten, und

und Cambridge, schlossen ihre Tore. Zu den

Newton beschloss, dass ebenso der Regenbo-

Studenten, die man nach Hause schickte,

gen sieben Farben haben sollte. Zudem ist der

gehörte auch der Cambridge-Absolvent Isaac

größte Teil des Sonnenlichts grün. Es ist das

Newton, der wie so einige Studenten, die

stärkste Licht und es befindet sich in der Mitte

nichts zu tun haben, viel Zeit in seinem Zim-

des Spektrums, also wollte Newton, dass sich

mer verbrachte – nur, dass sein Zimmer zum

ober- und unterhalb von Grün jeweils dieselbe

Zentrum des wissenschaftlichen Fortschritts

Anzahl an Farben befand. Als siebente Farbe

wurde.

hätte er vielleicht auch das zwischen Grün und

Durch Experimente mit Dingen, die er in

Blau gelegene Türkis auswählen können. Doch

seiner Umgebung fand, lernte Newton die

stattdessen entschied er sich für den Namen des

Welt als einen Ort kennen, der vollkommen

neuen blauen Farbstoffs aus Indien.

von physikalischen Gesetzen beherrscht wurde. Im Garten beobachtete er, wie ein Apfel zu Boden fiel, und entdeckte das Schwerkraftgesetz. Und er stellte Versuche mit zwei Spielzeugprismen an, die er auf einem Jahrmarkt gekauft hatte. Jeder wusste, dass ein Prisma vor einer Lichtquelle „ein buntes Bild der Sonne“ an die Wand werfen würde. Als er allerdings – und das war Newtons Genialität – das zweite Prisma umkehrte und das bunte Licht hindurchscheinen ließ, verwandelten sich die Farben wieder in ganz gewöhnliches weißes Licht. Newton folgerte

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ROSA

MADAME DE POMPADOUR UND DIE FARBE DES LUXUS

Als in den 1690er-Jahren ein Krieg zwischen Frankreich und seinen Nachbarn tobte und Europa verwüstete, opferten viele Aristokraten auf beiden Seiten ihr Tafelsilber, um die Kämpfe zu finanzieren. Nachdem 1697 endlich Frieden geschlossen worden war, gab es jedoch ein Problem: Von welchen Tellern sollten die vornehmen Leute von nun an essen? Unbemaltes Steingutgeschirr aus Ton wurde von den Armen verwendet und war deshalb denkbar ungeeignet. Chinesisches Porzellan wäre ein würdiger Ersatz gewesen. Es war aber so unvorstellbar teuer, dass man es „weißes Gold“ nannte, und selbst der Adel konnte sich nicht viel davon leisten. Mit einem Mal wurde der Wunsch, das Geheimnis der Porzellanherstellung zu erfahren, zu einem dringenden Anliegen. In Sachsen gelang dies zuerst. August der Starke, Kurfürst von Sachsen und König von Polen, hielt den Alchemisten Johann Friedrich Böttger im Dresdner Schloss gefangen, damit er ein Verfahren zur Umwandlung von gewöhnlichen Metallen in Gold entwickelte. Dort war die Gefangenschaft für Böttger noch erträglich: Er durfte in den Gärten spazieren gehen und von silbernen Tellern speisen. Doch 1705 wurde er auf die unwirtliche Albrechtsburg in Meißen verbracht, wo er bei zugemauerten Fenstern und schlechter Verpflegung in 24 heißen Öfen mit verschiedenen Erden experimentieren musste, die August aus allen Winkeln seines Herrschaftsgebiets herbeischaffen ließ. August sorgte absichtlich für besonders schlimme Bedingungen; Böttger sollte so verzweifelt sein, dass er mit aller Der Alchimist von Cornelis Bega, 1663

Kraft nach einem Rezept zur Herstellung von weißem Porzellan suchen würde. Und um das Jahr 1707 fand er es. Die Lösung lag in einer weißen Tonerde namens Kaolin, die man praktischerweise gerade erst im nicht weit entfernten Erzgebirge gefunden hatte. Sorg-

fältig verpackte Kisten mit „Meissener Porzellan“ wurden schon bald in die Schlösser und Paläste Europas geliefert, hauptsächlich über Wasserstraßen, um die Bruchgefahr möglichst gering zu halten. Das Rezept blieb natürlich ein Staatsgeheimnis.

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Zunächst war das Porzellan vollkommen weiß, damit es der Farbe entsprach, die – wie die Europäer damals glaubten – von den antiken Griechen so geschätzt wurde. Im Jahr 1720 schaffte es die Meißener Manufaktur jedoch, mit einem Unterglasurblau das blauweiße chinesische Porzellan zu imitieren; und danach gelang ihr ebenso die Herstellung anderer Farben sowie die besonders schwierige Vergoldung mit Glattgold. Die Meißener Porzellanmacher fertigten häufig Kopien von japanischem und chinesischem Porzellan an, sogenannte Japonaiserien und Chinoiserien, die damals in Europa sehr gefragt waren. Und die Superreichen, die sich bereits die frühen Modelle leisten konnten, würden sich die neuen Farben nicht entgehen lassen und ein paar Jahre später auch die neueste Kollektion kaufen. Es schien, als konnte man hier unendliche Gewinne erzielen. Für die Franzosen war der Erfolg der Meißener ziemlich frustrierend. Ein erschreckend großer Teil des nationalen Vermögens floss

Fuchs mit Huhn, Figur aus Meissener Porzellan von Johann Gottlieb Kirchner, 1732 Im Jahr 1732 gab August der Starke bei der Meißener Porzellanmanufaktur eine ganze Menagerie von Porzellantieren „in natürlicher Größe und Farbe“ in Auftrag. Die abgebildete Figur ist eine davon. Aber warum hat sie Risse und ist weiß? Das Problem ist, dass jeder Brennvorgang Spannungen im Material erzeugt, und bei einer so großen Figur (der Fuchs ist rund 45 Zentimeter hoch) sind Risse beinahe unvermeidlich. Der letzte Brennvorgang mit Glasurfarben scheiterte jedes Mal. Die Künstler der Manufaktur bemalten die Tiere schließlich mit Ölfarben. Aber diese verfärbten sich und blätterten ab, so dass sie später wieder entfernt wurden. Schaut man sich den Fuchs allerdings genauer an, kann man in seinen Ohren noch rotbraune Farbspuren erkennen. Beim Anblick großer chinesischer Porzellanvasen oder Figuren, die vor Jahrhunderten geschaffen wurden, sollte man deshalb immer daran denken, dass es sich dabei um wahre Wunder der Technik handelt und ihnen mit Sicherheit zahllose misslungene Versuche vorausgegangen sind.

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nach Osten, nach Sachsen, um Teller und Tassen zu bezahlen. Unterstützt vom Bruder des Finanzministers, gründeten französische Unternehmer deshalb 1740 in einer ehemaligen Reitschule im königlichen Schloss von Vincennes eine eigene Porzellanmanufaktur. Vincennes lag so nah bei Paris, dass man heute mit der Metro dorthin fahren kann. Das Geheimnis der Porzellanherstellung kannten sie zwar noch nicht, obwohl sie eine ganze Schar von Industriespionen darauf angesetzt hatten (in China und in Meißen sollen in jedem Kaffeehaus Späher gelauert haben). Aber sie wussten um eine alte, von den Persern übernommene Technik, wie man feine Keramik mit einer weißen Glasur überziehen konnte, die sie wie chinesisches Porzellan aussehen ließ. Und dies musste für den Augenblick genügen. Die Bestandteile waren Seife, Leim, Fritte (ein halb durchsichtiges Glas) und Mergel (eine weiße Mischung aus Ton und Kalk). Das Ergebnis war relativ weich und man konnte es

Waschgeschirr aus der Porzellanmanufaktur von Sèvres, 1757

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Stillleben: Teeservice von Jean-Étienne Liotard, um 1781–83

mit einem Messer verkratzen. Im Unterschied zum hochwertigeren chinesischen Porzellan und deutschen Hartporzellan aus Meißen wurde es als Frittenporzellan bezeichnet. Anfangs gelang es den Töpfern in Vincennes nicht, das Porzellan dauerhaft mit Gold zu überziehen. Doch 1748 stand ein Benediktinermönch, Hippolyte Le Faure, vor den Toren der Manufaktur, der ein Geheimrezept für eine knoblauchhaltige Goldbeize kannte. Er verkaufte es für 3000 Livre (was fast drei Jahreslöhnen eines guten Porzellanmalers in der Manufaktur entsprach).

Nach 1745 gehörte auch eine große Berühmtheit zu den Förderern der Manufaktur von Vincennes. Bereits im Alter von fünfzehn Jahren hatte man den französischen König Ludwig XV. mit der polnischen Prinzessin Maria Leszczyńska vermählt. Doch nachdem sie ihm zehn Kinder geboren hatte und bei ihrer letzten Niederkunft beinahe gestorben wäre, zog sie sich zurück, und Ludwig wandte sich zahlreichen Mätressen zu – darunter der glamourösen Madame de Pompadour. Was immer die Pompadour trug oder tat, das trug oder tat am nächsten Tag die halbe

Damenwelt von Frankreich. Die Porzellanmanufaktur nutzte dies für eine frühe Form von Prominentenwerbung und schenkte der Pompadour ihre neuesten Kreationen. Dafür sollte sie diese zur Schau stellen, aus ihnen Tee trinken (der damals sehr in Mode war) oder einfach ins Gespräch bringen. Als sie einmal eine Überraschungsfeier zum Geburtstag des Königs ausrichtete, dekorierte sie ihr Palais über und über mit bunten Porzellanblüten aus der Manufaktur von Vincennes und parfümierte die Räume mit den passenden Düften.

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Die in Vincennes geschaffenen Farben waren ein Kompromiss zwischen dem Geschmack der Pompadour und dem, was technisch möglich war. Madame de Pompadour liebte Farben, und nach 1745 begannen die Porzellanhersteller mit farbigen Hintergründen zu experimentieren. Den Anfang machte ein Gelb aus einer Mischung von Zinn und Antimon, und auch Himmelblau, Grün, Violett und Karmin waren eine Zeit lang begehrt. Doch die berühmteste Farbe war keine von ihnen, sondern ein kräftiges, leuchtendes Rosa. Es wurde 1757 eingeführt, nachdem die Manufaktur nach Sèvres umgezogen war, das näher zum königlichen Palast in Versailles lag. In Frankreich hieß die Farbe rose oder roze, in England dagegen „rose Pompadour“ oder „Pompadour pink“ – weil sie die Lieblingsfarbe der Pompadour gewesen sein soll (die zu dieser Zeit zwar keine Mätresse des Königs mehr war, aber noch immer als Mode-Ikone galt). Die Glasur hatte eine seltsame Geschichte. Für die Europäer sah sie chinesisch aus, und für die Chinesen war sie europäisch. Sie basierte auf dem Geheimrezept eines Potsdamer Glasmachers aus dem 17. Jahrhundert und bestand aus einer Mischung von Glas und Goldpartikeln, die in aqua regia oder Königswasser aufgelöst wurden. Dabei handelt es sich um eine Mixtur aus konzentrierter Salzund Salpetersäure, die sogar Edelmetalle wie Gold und Platin zersetzen kann. Gold und Glas ergaben zusammen ein sattes Rubinrot. Als das Rezept mit jesuitischen Missionaren im späten 17. Jahrhundert nach China gelangte, nannte man diesen Ton dort yangcai („fremde Farbe“). Später wurde er in zauberhaften Kombinationen mit grünen und anderen zarten Pastelltönen nach Europa reimportiert, wo er als wunderbar fernöstlich galt und unter dem Namen famille rose bekannt wurde. In Sèvres wurde der Ton in Farbkompositionen verwendet, die heute außergewöhnlich anmuten. Ein spektakuläres Zusammenspiel von rosafarbener und grüner Porzellanglasur

kam 1759 in Mode, um nur zwei Jahre darauf von nicht minder auffälligen Kreationen aus Rosa und beau bleu („schönem Blau“) abgelöst zu werden. Das Porzellan aus Meißen, Vincennes und Sèvres kam in einer Zeit des bewussten Konsums auf, als man begann, sich durch die Dinge zu definieren, die man besaß. Zum

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ersten Mal seit römischer Zeit stand so großer Luxus wieder derart hoch im Kurs. Wenn man sich all diesen bunten Tand ansieht und bedenkt, welche enormen Summen die herrschenden Schichten in Frankreich dafür verschwendeten, während Millionen Menschen hungerten, kann man leicht verstehen, warum das Volk 1789 aufbegehrte.

Potpourrivase mit Deckel aus der Porzellanmanufaktur von Sèvres, um 1760 Im 18. Jahrhundert war die Welt ein recht übel riechender Ort. Es gab keine öffentlichen Abwasserkanäle und die Menschen benutzten Nachttöpfe, die sie unter das Bett stellten oder auch in den Kleiderschrank, damit die Urindünste die Motten vertrieben. Verständlicherweise bestand in den Häusern der Wohlhabenden daher eine riesige Nachfrage nach Parfüm und anderen Mitteln, um schlechte Gerüche zu kaschieren. Diese Potpourrivase gehörte zu den kompliziertesten Objekten, die in der Porzellanmanufaktur von Sèvres jemals hergestellt wurden: Sie war ein Triumph der Töpferkunst. Der Deckel hatte Öffnungen, durch die der Duft von getrockneten Blüten langsam freigesetzt wurde, damit der Raum angenehmer roch. Die durchbrochenen Stellen schwächten jedoch die Struktur, weshalb solche Gefäße (mit ihrer Höhe von fast 40 Zentimetern) im Brennofen oft zusammenfielen. Nur etwa ein Dutzend dieser Vasen konnte erfolgreich produziert werden.

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Klares LICHT

UND DAS ZEITALTER DER AUFKLÄRUNG

Der Zeitraum zwischen dem Ende des 17. Jahrhunderts und dem Beginn des 19. Jahrhunderts wird oft als Epoche der Aufklärung bezeichnet, hauptsächlich im metaphorischen Sinn, da die Menschen begannen, ein klareres, wissenschaftlicheres Bild von der Welt zu entwickeln. Neue Forschungsbereiche sollten nach und nach zu einem Verständnis der Radiowellen führen, der Elektrizität, der Farbe, der Chemie und so vieler anderer Dinge, die wichtig für unser heutiges, modernes Leben sind. Doch tatsächlich hat sich auch das Licht verändert. Bis zum 17. Jahrhundert war das Glas für die Fenster in den Häusern sehr teuer. Und selbst wenn man es sich leisten konnte, waren nur kleine, grünliche Scheiben mit Unreinheiten verfügbar, die das in den Raum fallende Licht streuten. Fensterscheiben, wie wir sie heute kennen, gibt es erst seit dem 20. Jahrhundert, allerdings hatten die Menschen zum Ende des 17. Jahrhunderts bereits herausgefunden, wie die Fensterscheiben größer und glatter werden. (Zur selben Zeit hielten Glasspiegel Einzug in die einfacheren Haushalte und brachten neue Lichtverhältnisse und Reflexionen.) Die neuen Fenster hatten kleine, fast klare Scheiben – bei einem Schiebefenster vielleicht 32 Stück (16 über 16). Nach einigen weiteren Fortschritten der Technik waren für diese Fenster nur noch zwölf Scheiben (sechs über sechs) nötig. Und als der französische Porträtmaler Maurice-Quentin Delatour 1739 ein lebensgroßes Bildnis von einem der unermesslich reichen Erben des Rieux-Vermögens anfertigte, galt es als ein wahres Wunderwerk – und zwar nicht nur deshalb, weil er sein Modell mit Pastellkreide so lebensecht

Brieflesendes Mädchen am offenen Fenster von Jan Vermeer, um 1659

abgebildet hatte: Da Pastelle ausgesprochen empfindlich sind und unter Glas geschützt werden müssen, benötigte dieses lebensgroße Porträt – mit etwa zwei Metern Höhe und eineinhalb Metern Breite das größte Pastellbild, das jemals gemalt worden war – die größte Glasscheibe, die hergestellt werden konnte. So etwas hatte man noch nie zuvor gesehen: Es war eine Errungenschaft der Technik. Auch in den Künstlerateliers wurde es heller. Mit mehr Fenstern, hochwertigeren Kerzen und bald sogar mit elektrischem Strom (1881 wurde das Savoy-Theater in London als das erste öffentliche Gebäude der Welt vollständig durch elektrisches Licht beleuchtet) waren die Künstler in der Lage, auf neue Weise über das Licht nachzudenken, darüber, wie es auf den Gegenständen tanzt, und darüber, wie sie diese neue Erfahrung in Gemälden ausdrücken konnten.

Die Katze am Fenster von Jean-François Millet, um 1857–58

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TizianBLAU

EINFACH UNGLAUBLICH

Im Jahr 1795 bekam Benjamin West, der in Amerika geborene Präsident der Königlichen Akademie der Künste in London, Besuch von einer jungen Malerin, Ann Provis, und ihrem Vater, Thomas Provis. West, ein Freund von Benjamin Franklin und Hofmaler von König Georg III., hatte keine Ahnung, dass er zwei der gewieftesten Hochstapler in der Geschichte der Farben vor sich hatte. Sie behaupteten, die Kopie eines 200 Jahre alten Manuskripts zu besitzen, in dem das Geheimnis verraten werde, wie die venezianischen Künstler der Renaissance ihre Farben verwendeten und auftrugen. Das Original sei, wie sie angaben, in Italien von Ann Provis’ Urgroßvater entdeckt worden und Thomas Provis habe es noch von Hand kopieren können, kurz bevor es in einem Feuer zerstört worden sei. Vater und Tochter Provis hatten sich gut über ihr Opfer informiert. Es war allgemein bekannt, dass West Italien besucht hatte und sich so sehr für die alten Meister begeisterte, dass er sogar seinen Sohn Raphael genannt hatte. Und man wusste außerdem, wie enttäuscht er war, dass auch seine größten Bemühungen, ihre Werke zu kopieren, gescheitert waren. Oft stand er vor Tizians Bacchus und Ariadne in der Londoner Nationalgalerie und staunte, wie das ganze Gemälde „von Anfang an mit Farben ausgearbeitet war“. Ihm (und ebenso den anderen Londoner Malern) gelang es einfach nicht, herauszufinden, wie man diese unbeschreibliche Leuchtkraft erzeugen konnte – dieses Licht, das beinahe aus den untersten Schichten hervorzuleuchten schien. Für einen erfolgreichen Betrug gibt es eine ganz einfache Regel: Finde jemanden, der etwas für nichts haben möchte, und gib ihm

Pigmentschaufeln, Winsor & Newton

nichts für etwas. West wollte glauben, dass das Manuskript ihn lehren würde, wie Tizian zu malen. Er ließ Ann Provis bei einem Gemälde mitarbeiten, das er später als sein eigenes Werk ausgab. Und dann erpressten ihn die Betrüger. Sie drohten ihm, aller Welt zu erzählen, er habe ihre „Entdeckung“ gestohlen. Um einen Skandal zu vermeiden, war West damit einverstanden, seinen Namen für eine Interessengemeinschaft herzugeben, in der andere Künstler einen hohen Preis für das „Venezianische Geheimnis“ zahlten. Als der Schwindel zwei Jahre später ans Licht kam, waren die Provis um mindestens 600 Guineas reicher (was heute ungefähr 900 000 Euro entspräche). Aber warum riskierten angesehene Künstler ihre Reputation, nur um zu erfahren, wie die alten italienischen Meister Farben eingesetzt haben? Die Studienpraxis hatte sich verändert. Maler begannen ihre Lehre gewöhnlich nicht mehr im Alter von zehn Jahren wie Tizian. Sie lernten kaum mehr, ihre eigenen Pigmente zu mischen, was bei den Künstlern bis Ende des 17. Jahrhunderts noch zum Handwerk gehörte. Im gerade anbrechenden Zeitalter der Industrialisierung bezogen sie ihre Ölfarben vom Farbenhändler, der sie in Behältern

aufbewahrte und nach Gewicht verkaufte. Die Farben der Künstler ähnelten zwar den Farben, die schon die Meister der Renaissance benutzt hatten, aber sie verstanden sie nicht und machten Fehler bei ihrer Verwendung. Das „Venezianische Geheimnis“ erschien zu gut, um wahr zu sein – und das war es auch. Ein Teil ist zwar verloren gegangen (es wurden nur nach und nach einzelne Kapitel und Hinweise herausgegeben, um die Wissbegierde der Betrogenen zu steigern), wir wissen jedoch, dass es drei Hauptelemente enthielt. Das erste war ein dunkelroter Untergrund, der direkt auf die Leinwand gemalt wurde, nachdem man diese mit Leim oder Hasenleim grundiert hatte. Die zweite Komponente war ein Bindemittel aus verdünntem Leinsamenöl. Und der dritte Teil bestand aus dem, was die Provisens „Tizianblau“ nannten: eine Mischung aus Elfenbeinschwarz mit Preußisch-, Ungarischoder Antwerpenblau. Diese Farbe bildete die mittlere Basis für hellere Pigmente wie Vermilion, Spangrün und Ultramarin, die als semitransparente Lasuren aufgetragen wurden. Als sie das hörten, hätten West und die anderen getäuschten Künstler hellhörig werden müssen, denn Preußischblau wurde erst 1703 erfunden, über 120 Jahre nach Tizians Tod.

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Indisch GELB

TURNER, KÜHE UND MANGOS Aquarellkasten, England, um 1780–1800

Eine Reihe von Künstlern lehnte das „Venezianische Geheimnis“ von Anfang an ab – und einer davon hieß Joseph Mallord William Turner. Er war ein Phänomen für sich: exzentrisch, aufbrausend, geheimnisvoll, geizig und eine wahre Naturgewalt. Ihn faszinierten die Effekte von Farbe und Atmosphäre, und er wollte sie wirklich aus nächster Nähe erleben. Einmal geriet sein Schiff in einen Sturm, als es gerade den Hafen von Harwich verließ. Während sich die anderen Passagiere unter Deck verkrochen, ließ er sich an einem Mast festbinden. Dort verharrte er vier lange Stunden, und als er wieder losgebunden war, skizzierte er alles, was er gesehen hatte. Später sagte er: „Ich habe nicht geglaubt, dass ich das überstehe, aber ich fühlte mich verpflichtet, es festzuhalten, wenn ich überlebte.“ Wenn Turner an der Kontroverse über disegno und colorito teilgenommen hätte, dann sicher auf der colorito-Seite. Und nicht nur die unerhörten Farbkombinationen und Schattierungen, mit denen er Stürme und Feuer entstehen ließ, sprachen dafür, sondern auch sein ganzes Verhalten: Manchmal reichte er sein Gemälde für die Jahresausstellung der Königlichen Akademie so spät ein, dass er erst am Eröffnungstag dort auftauchte, und während die anderen Künstler ihren Werken noch den letzten Schliff gaben, malte er an Ort und Stelle vor aller Augen fast das gesamte Bild. Er arbeitete mit einem Palettenmesser und seinen Fingern, einen Pinsel rührte er selten an. Und das Resultat war meisterhaft. Die anderen Künstler ärgerten sich ungemein, und das sollten sie auch. Turner stand gerne im Mittelpunkt. Um herauszufinden, zu welchem Zeitpunkt im 19. Jahrhundert bestimmte Farben aufkamen, blicken Kunsthistoriker oft auf

die Werke Turners. Sie wissen, dass er neue Farben sofort ausprobierte, sobald er sie nur bekommen konnte. Kobaltblau, Scharlachrot aus Jodquecksilber, Chromgelb – er nutzte alle modernen chemischen Farben, sowie sie erhältlich waren. Manchmal glückten seine Experimente und manchmal nicht. Sein Farbenhändler William Winsor (von Winsor & Newton) war der Verzweiflung nahe. Er warnte den Künstler, dass einige der Pigmente nicht lange vorhalten würden, aber dieser wollte nichts davon hören. Joyce Townsend, leitender Konservator bei Tate Britain, berichtet: „Turner sagte ihm, er solle sich um seine eigenen Angelegenheiten kümmern. Es war ihm egal.“

Turner war ein Meister im schnellen Malen von Ölbildern. Es gab jedoch noch andere Materialien, die zwar weniger modern waren, aber rascher eingesetzt werden konnten und seinem Interesse am wechselhaften Wetter entgegenkamen: Aquarellfarben sind Pigmente, die mit wasserlöslichem Gummi, normalerweise einer Variante des bei den Ägyptern so beliebten Gummiarabikums, vermischt sind. Wasserfarben gab es schon seit Jahrhunderten, waren bisher allerdings meistens schwierig zu gebrauchen: Man kaufte sie in trockenen Klumpen und musste sie dann wie Parmesan reiben. Im Jahr 1766 entdeckte William Reeves, der Lehrling eines Farbenhändlers, dass die Far-

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wurde, die mit Mangobaumblättern gefüttert worden waren. Man ließ die Tiere in Mangoplantagen bei Munger in Bihar umherstreifen (dem ärmsten indischen Staat, nördlich von Kalkutta) und fing danach ihren Harn in Eimern auf. Dieser wurde mit Lehm vermischt und zu krümeligen Kugeln in der Größe von Tischtennisbällen gerollt. Um damit zu malen, musste man die Farbkugel zermahlen und das Pulver mit Akaziengummi binden. Das Ergebnis war ein kräftiges, transparentes und fluoreszierendes Gelb. Als die Produktion 1910 aufgrund der grausamen Haltungsbedingungen für die Tiere eingestellt wurde, sollen viele Künstler betrübt über das Verschwinden dieser leuchtenden Farbe gewesen sein.

ben nicht austrockneten, wenn man zu den Pigmenten und dem Gummiarabikum Honig dazugab. Einige Jahre später, 1832, kamen Winsor (ein Chemiker) und Henry Newton (ein Künstler) dann auf die Idee, Glyzerin hinzuzufügen, das es ermöglichte, die Farben, so wie heute, direkt aus dem Napf aufzutragen. Und plötzlich war es für die Künstler einfacher, im Freien zu arbeiten. Es muss kaum erwähnt werden, dass Turner zu den Ersten gehörte, die mit den neuen „Napffarben“ arbeiteten. Er ging bei jedem Wetter ins Freie und hatte gewöhnlich einen Regenschirm dabei, in dem ein Degen verborgen war, für den Fall, dass er überfallen wurde. Eine der traditionellen Farben in Turners Aquarellkasten war Indischgelb. Wie bereits der Name sagt, stammte dieses Gelb aus Indien; was er nicht verrät, ist, dass es aus dem Harn von Kühen oder Büffeln hergestellt

Der Leuchtturm Longships am Land’s End von Joseph Mallord William Turner, um 1834–35 Dieses Aquarell entstand 1834, kurz nach der Erfindung von Wasserfarben, die direkt aus dem Napf verwendet werden konnten.

Modernes Rom – Campo Vaccino von Joseph Mallord William Turner, 1839 Turners Farbgestaltung mit den leuchtenden Weißtönen und dem neuen Kadmiumgelb war so ungewöhnlich, dass ein Kritiker schrieb, er habe „Gelbfieber“.

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KrappROT

Farbkreis, Scheibe 3, aus Über Farben und ihre gewerbliche Verwendung mithilfe von Farbkreisen von Michel Eugène Chevreul und René Digeon, 1864

Um das Jahr 1820 hatte die Königliche Tapisserie-Manufaktur im Pariser Viertel „Les Gobelins“ ein Problem. Die 1663 gegründete Manufaktur zur Herstellung großartiger Wandbehänge für die Schlösser des Sonnenkönigs, Ludwig XIV., war berühmt für ihr Rot. Tatsächlich hatte der Färber, nach dem sie und die gesamte Gegend benannt worden war, Jehan Gobelin, sein Vermögen mit der erstaunlichen Leuchtkraft seiner scharlachroten Stoffe gemacht. Aber jetzt sahen das Rot und die anderen kräftigen Farben in den königlichen Wandteppichen matt aus und es gab scheinbar nichts, was man dagegen tun konnte. Also ernannten die „Gobelins“ einen bekannten Chemiker, Michel Eugène Chevreul, zum Direktor und hofften, dass er der Sache auf den Grund gehen könne. Mit dreieinhalb Metern Höhe und fünf Metern Breite konnten die Gobelin-Teppiche

DIE ERFINDUNG DES FARBKREISES

riesige Ausmaße haben und ihre Produktion, an der zahlreiche Künstler, Färber, Spinner, Weber und Lehrlinge mitwirkten, war immens kostspielig. Und selbst bei so vielen Beteiligten konnte es Jahre dauern, ein einziges Stück anzufertigen. Man stelle sich einmal vor, man ist einer der Weber und arbeitet seit einem Jahr an einem Gobelin, der schon fast zwei Meter hoch und halb fertig ist – und nun sehen die Farben plötzlich seltsam aus. Das war das Problem, das Chevreul beheben sollte. Ihm fiel auf, dass sich bestimmte Farben zu verändern schienen, wenn man sie nebeneinandersetzte. Neben Orange sah ein und dasselbe Krapprot matter aus als neben Purpur. Und Schwarz erschien neben Blau derart anders als neben Gelb oder Rot, dass die Kunden monierten, man habe schlechte Farben verwendet. Und doch wussten die Weber genau, dass sie die Fäden exakt aus demselben Farbstapel genommen hatten. Wo lag der Fehler? Rot und die außergewöhnlich kräftigen Rosa- und Orangetöne, die man in frühen Gobelins sehen kann, wurden mit einer Mischung aus Koschenille und der rosafarbenen Wurzel eines Strauchs namens Färberkrapp erzeugt, der in der Türkei und im Nahen Osten heimisch war. Im 18. Jahrhundert waren die Europäer ganz versessen auf ein Geheimrezept aus der Türkei, um aus der Krappwurzel ein kräftiges rotes Färbemittel herzustellen. Die Holländer verschafften es sich um 1730 als Erste, und als die Franzosen es schließlich 17 Jahre später in die Hände bekamen, enthielt es auf den ersten Blick keine großen Neuigkeiten für die „Gobelins“. Das türki-

sche Geheimnis umfasste die Anwendung von Alaun, Zinn und Tannin – alles übliche Zutaten für Färbemittel. Allerdings war auch die Rede von Kalzium, was die französischen Wissenschaftler bereits vermuteten, nachdem sie gesehen hatten, was mit den Skeletten von Tauben geschehen war, die Krappstaub aufgepickt hatten. Unerwartet, wenn nicht gar schockierend, war jedoch etwas anderes: Laut dem geheimen Rezept sollte man die Fäden in ranziges Rizinusöl tauchen und ihnen dann Ochsenblut und Kuh- oder Schafsdung zugeben. Es war wahrscheinlich der komplizierteste Färbeprozess, der jemals erfunden wurde. Und es ist schwer zu sagen, welcher Teil des Verfahrens übler roch. Abgestandenes Blut? Kuhmist? Oder das ranzige Öl? Aber das Ergebnis war ein wunderbares Rot. Warum also sah dieses prächtige Rot mit einem Mal furchtbar aus? Chevreul forschte viele Jahre, um das herauszufinden. Zuerst tat er das Naheliegendste und testete die Rohstoffe und Zutaten, sah sich an, woher sie stammten, und überprüfte, ob die Chargen verdorben waren. Doch alles schien in Ordnung zu sein. Da wurde ihm klar, dass das Problem keineswegs in den Materialien lag – sondern in der Kombination der Farben. Chevreul demonstrierte, dass jede Farbe eine bestimmte Komplementärfarbe hat: Für Gelb ist es Violett, für Orange ist es Blau, für Rot ist es Grün. Und es ist der Kontrast zwischen den Komplementärfarben, der dafür sorgt, dass sie sich in einer Komposition scheinbar abheben oder hervorstechen. (Wenn man mich nach meiner Lieblingsfarbe fragt, dann denke ich an ein Orange vor ei-

Die Ankunft Sanchos auf der Insel Barataria, aus der Don-Quijote-Serie der Königlichen GobelinManufaktur, 1772 Auf dem Bild ist eine Episode aus Miguel de Cervantes’ berühmtem Roman Don Quijote zu sehen: Sancho Panza, der treue Gefährte des skurrilen Ritters, wurde in einem Schelmenstreich von einem Herzogpaar zum Statthalter der fiktiven Insel Barataria ernannt und nimmt sie nun in Besitz. Ziehen Sie einmal eine imaginäre Linie über den gesamten Gobelin und stellen sich vor, Sie selbst seien der Weber: Bei jedem Farbwechsel müssen Sie einen neuen Faden aufnehmen und den alten in eine Schleife legen. Dann rücken Sie eine Reihe weiter und beginnen wieder von vorn. Selbst ein geübter Weber benötigt ein Jahr, um nur einen Quadratmeter herzustellen. In großen Tapisserie-Manufakturen wie den „Gobelins“ arbeiteten gewöhnlich mehrere Weber Seite an Seite an einem Stück. Ein solches Team brauchte manchmal ein bis zwei Jahre, oder noch länger, um einen einzigen Gobelin zu weben.

Gobelinweber am Flachwebstuhl, 1771

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Gelborange wird durch Blau komplementiert, aus Die Harmonie der Farben von Édouard Guichard, 1880

nem kräftig blauen Morgenhimmel im Sommer.) Aber es ist noch etwas komplizierter: Wenn man Orange mit Schwarz abdunkelt, dann ist die Komplementärfarbe ein Blau, dem dieselbe Menge Schwarz beigemischt ist; ein helles Orange wird durch ein ähnlich helles Blau komplementiert. So entwarf Chevreul in seinem bahnbrechenden Buch von 1839 Die Farbenharmonie: mit besonderer Rücksicht auf gleichzeitigen Kontrast in Anwendung auf dekorative Kunst, Kostüm und Toilette nicht nur einen, sondern 21 Farbkreise. Er unterteilte seine Kreise in „warme Farben“ (die hervortreten, wie Orange, Rot und Gelb) und „kalte Farben“ (die zurückweichen, wie Blau, Grün und Purpur). Chevreul fand zudem heraus, dass der Rand, an dem sich zwei Farben berühren, einen etwas helleren Farbton zu haben scheint.

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Maler haben das vielleicht auf die Mischung der Pigmente zurückgeführt. Aufgrund seiner Erfahrung in den Gobelinwerkstätten und seiner Experimente, bei denen er verschiedenfarbige Fäden miteinander verdrehte, erkannte Chevreul jedoch, dass das, was er sah, eine optische Täuschung war. Anders als Gemälde haben Tapisserien niemals vermischte oder überlagerte Farben; jede kleine Verbindung zwischen der vertikalen Kette und dem horizontalen Durchschuss ist ein klarer Punkt in der Farbe des Fadens. Und Chevreul konnte zeigen, dass zwei separate reine Farben nebeneinander für das Auge denselben Effekt haben wie gemischte Farben auf einer Palette. Diese Idee wurde Ende des 19. Jahrhunderts von den Pointillisten aufgegriffen, allen voran von dem Franzosen Georges Seurat, dessen Gemälde nur aus kleinen Punkten reiner Farbe bestehen. Die Marne in der Morgendämmerung von Albert Dubois-Pillet, um 1888 Dubois-Pillet malte in der pointillistischen Technik, also mit Punkten reiner, unvermischter Farbe, und überließ es den Augen und dem Gehirn des Betrachters, sie zu einem Bild zu verbinden.

To a Summer’s Day von Bridget Riley, 1980 Die britische Vertreterin der Op-Art („optische Kunst“) Bridget Riley ist bekannt für ihre optischen Illusionen, die sie mithilfe von Streifen bunter Acrylfarben erzeugt. Seit den 1960er Jahren ist sie fasziniert von dem „der Farbe innewohnenden Charakter, wenn sie von jeder Aufgabe befreit ist, Dinge abbilden oder beschreiben zu müssen“. To a Summer’s Day ist fast drei Meter breit. Wenn man das Bild aus der Nähe betrachtet, kann man sehen, wie gewellte gelbe und blaue Streifen mit violetten und rosafarbenen verschlungen sind. Aus einem gewissen Abstand sieht es so aus, als wären auch grüne und braune Streifen dazwischen, und man bekommt den Eindruck, als würde sich unter der Leinwand sogar etwas bewegen. Riley spielt mit einigen der Farbeffekte, die Chevreul 150 Jahre zuvor noch in mühsamer Forschungsarbeit zu verstehen suchte.

Als Nächstes wollte Chevreul wissen, was geschieht, wenn man hellere Streifen eines einzigen Tons nebeneinandersetzt. Er nannte das einen „simultanen Kontrast abgestufter Töne“. Hier erscheinen die Ränder betont, wodurch der Eindruck von Riffeln entsteht. Für den Fall, dass ein solcher Effekt unerwünscht ist, arbeitete Chevreul ebenso aus, wie man die Ränder der dunkleren Töne in etwas helleren Farben malen oder weben muss, um den Eindruck einer Abstufung zu erzielen. Chevreuls Forschungen führten zu einer Theorie, die den Einsatz der Farbe in der europäischen Kunst revolutionieren sollte und etwas erklärte, das die Künstler seit Langem beobachtet, aber kaum zur Sprache gebracht hatten. Zum ersten Mal wurden die Künstler mit Ideen zur aktiven Rolle des Gehirns bei der Entstehung der Farben konfrontiert – und dem Gedanken, dass Farben nur Effekte sind, die in der Welt in unserem Kopf erschaffen werden.

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Es gibt einen Witz über Wissenschaftler der NASA, die in

Grafit

den 1960er-Jahren Millionen für die Entwicklung eines im All einsetzbaren Stifts ausgaben. „Und was verwendet ihr Jungs

BLEISTIFTE OHNE BLEI

eigentlich?“, fragten sie ihre sowjetischen Konkurrenten, nachdem sie ihnen stolz ihre Erfindung gezeigt hatten. „Wir haben einen Bleistift“, lautete die Antwort.

Als Jean-Pierre Alibert 1905 im Alter von 85 Jahren in Paris starb, wurde er wie ein Held gefeiert, und seine Heimatstadt Montauban wollte eine Straße nach ihm benennen. Alibert war ein Abenteurer, der riesige Summen in gute Geschäfte investierte. Auch wenn wir seinen Namen heute nicht mehr kennen, so war er es doch, der den einst seltenen Bleistift zu einem unverzichtbaren Alltagsgegenstand machte – und das nur, weil er am falschen Ort nach Gold gesucht hat. Als Erstes sollte man jedoch wissen, dass der Bleistift gar kein Blei enthält. Wenn das der Fall wäre, hätte man ihn schon vor langer Zeit verboten und es gäbe Horrorgeschichten von Kindern, die schwer krank wurden, weil sie in langweiligen Schulstunden an ihren

Bleistiften kauten. Bleistiftminen bestehen aus Grafit, einem Mineral, dessen Name im 18. Jahrhundert nach dem griechischen Wort für „schreiben“ geprägt wurde und das man vorher irrtümlich für eine Art von Bleiglanz (Galenit) gehalten hatte. Wie der Diamant ist auch der Grafit eine Erscheinungsform von reinem Kohlenstoff, aber im Gegensatz zu jenem ist er nicht das härteste Mineral der Erde, sondern eines mit der geringsten Härte. Er ist so weich, dass sich, wenn man ihn über eine glatte Oberfläche reibt, Schichten ablösen und dort haften bleiben. Als Zweites muss man wissen, dass die Künstler ihre Vorzeichnungen meist mit Kreide, Kohle, Tinte aus Galläpfeln oder Ruß anfertigten, bevor Bleistifte zu einem

Winterszene mit zwei Herren beim Kolf-Spiel von Hendrick Avercamp, um 1615–20

erschwinglichen Preis erhältlich waren. Oder sie nutzten Silberstifte, wobei ein leicht angerauter Untergrund notwendig war, damit sich das Silber von der Stiftspitze abreiben konnte. Gelegentlich wurde auch echtes Blei verwendet, das aber nur für Linealzeichnungen wirklich geeignet war, weshalb es bei den Ingenieuren und Architekten beliebter war als bei den Künstlern. Und als Drittes sollte man schließlich wissen, dass Grafit nicht zuerst für Bleistifte, sondern zur Herstellung von Waffen verwendet wurde. Bevor man Teig in eine Backform gibt, muss man sie einfetten, damit sich das Gebäck später aus der Form löst, ohne zu zerbrechen. Als man vor 400 oder 500 Jahren Kanonenkugeln goss, musste ebenso das Eisen aus der Form gelöst werden, und Grafit war das Fett. Der beste Grafit der Welt wurde 1564, im Geburtsjahr Shakespeares, im englischen Lake District entdeckt, als die Armeen von Königin Elisabeth I. enorme Mengen an Kanonenkugeln für den Kampf gegen die Spanier produzierten. Dieser Grafit war so wertvoll, dass man ihn von bewaffneten Milizen bewachen ließ. Die Bergleute wurden nach jeder Schicht genau durchsucht und ausgepeitscht, wenn sie etwas von dem Mineral gestohlen hatten. Mit der Zeit gelangte der Grafit aus dem Lake District auch in die Ateliers der Künstler, wo man ihn mit einer Schnur oder etwas Schafsfell umwickelte (und später in ein hohles Stück Weichholz fasste). Dieses reine Material erzeugte ausreichend dunkle Linien, die man zudem mit Brotkrumen wieder ausradieren konnte, so dass Korrekturen der Zeichnung möglich waren.

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Pferde und Reiter von Théodore Géricault, 1813–14

Der Bleistift war für viele äußerst nützlich: für Handwerker und Buchhalter, Techniker und Erfinder ebenso wie für Künstler. Und deshalb war er von großer Bedeutung. Mitte der 1790er-Jahre befand sich Frankreich im Krieg mit fast ganz Kontinentaleuropa, und kurz vor den Napoleonischen Kriegen kühlten sich auch die Beziehungen zu Großbritannien ab. Eine nicht sehr schwerwiegende, aber dennoch lästige Folge für Frankreich war, dass es nirgendwo mehr Bleistifte gab. Es musste etwas geschehen. Nicolas-Jacques Conté, ein von Napoleon sehr geschätzter Offizier, war im zivilen Leben Chemiker, Porträtmaler und Erfinder. (Später kommandierte er das Ballonkorps in Napoleons Ägyptenfeldzug. Dabei setzte er einmal aus Versehen einen Heißluftballon in Brand und schlug so unzählige Ägypter in die Flucht, die eine furchtbare Waffe zu sehen glaubten.) Napoleon beauf-

tragte Conté mit der Lösung des Bleistiftproblems, und innerhalb von nur acht Tagen hatte er sie gefunden: eine Mischung aus Ton und einem Pulver aus geringhaltigem französischem Grafit, aus der man Stifte mit verschiedenen Stärken – von hart bis weich – herstellen konnte. Contés Einteilung der Härtegrade hat in Europa bis heute Gültigkeit, von 9B für die schwärzesten Stifte (sehr weich, geeignet für starke Schattierungen) bis 9H für die härtesten (geeignet für Architekturzeichnungen). Die mittlere und nach wie vor beliebteste Stufe zum Zeichnen und Schreiben ist HB. Als Jean-Pierre Alibert 1847 mit seiner Goldwaschpfanne an einem kalten Fluss weit im Osten Sibiriens stand, dürften ihm die Bleistifte von Conté bekannt gewesen sein, denn sie waren ein Teil der Geschichte der Französischen Revolutionszeit. Er wusste mit Sicherheit genug, um das glänzende Mineral

zu erkennen, das vor ihm lag. Und er hatte auch genug gehört, um zu erkennen, dass dieser Grafit, wenngleich es sich dabei nicht um Gold handelte, doch so hochwertig war wie jener in den nahezu erschöpften englischen Lake-District-Minen. Alibert hatte in England eine kaufmännische Ausbildung absolviert und dann einen Fellhandel im russischen St. Petersburg eröffnet. Es ist nicht sehr verwunderlich, dass ein Glücksjäger wie er auch auszog, um eine neue Quelle eines seltenen Minerals aufzuspüren. Interessant wird seine Geschichte aber an der Stelle, als er feststellte, dass die Quelle des Grafits nicht an dem Ort lag, wo er ihn gefunden hatte. Sie war nirgends in der Nähe zu entdecken. Also stellte er eine Expedition zusammen, die dem Fluss, in dem er fündig geworden war, stromaufwärts folgte, erst über 150 Kilometer, dann über 300 Kilometer durch eine Gegend, die so entlegen und kalt war, dass man sie die „Eiswüste“ nannte. Doch Alibert trieb seine Leute immer weiter, und mehrere Hundert Kilometer von der ersten Fundstelle entfernt, nahe der chinesischen Grenze, stieß er schließlich auf seine Grafitquelle. Er gründete hier eine Siedlung (die er Alibertsburg nannte) und schloss später einen Exklusivvertrag mit der Bleistiftfabrik A. W. Faber, die die ersten Stifte mit feinstem sibirischem Grafit auf den Markt brachte.

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Warum sind Diamant und Grafit so unterschiedlich, obwohl sie aus demselben Element bestehen? Auf der Mohs-Skala, die Mineralien nach ihrer Härte in Stufen von null bis zehn einteilt, ist dem Diamanten die Härte Porträt von Lord Grantham von Jean-Auguste-Dominique Ingres, 1816

zehn zugeordnet, während die von Grafit unter eins liegt. Und doch bestehen beide aus reinem Kohlenstoff. Der Unterschied liegt in der Struktur: Beim Diamanten, der sich bei enormer Hitze und unter großem Druck mehrere Kilometer tief unter der Erdkruste gebildet hat, ist jedes Kohlenstoffatom mit vier Nachbaratomen gebunden (die eine Substanz bilden, die so hart ist, dass man sie höchstens mit anderen Diamanten schneiden kann). Grafit ist jedoch weniger komplex; hier ist jedes Kohlenstoffatom nur mit drei anderen Atomen gebunden (so dass freie Elektronen vorhanden sind, die den Grafit zu einem Halbleiter machen, während der Diamant keine Leitfähigkeit besitzt). Dadurch hängen die Atome im Grafit lediglich in zweidimensionalen Schichten zusammen, die übereinanderliegen und leicht auf

So wurden etwa 50 Jahre lang die besten Bleistifte der Welt aus seltenem sibirischem Kohlenstoff produziert, der auf dem Rücken von Rentieren durch ein eisiges, gebirgiges Gelände transportiert wurde. Und zusammen mit Contés Rezept leistete er einen unverzichtbaren Beitrag zur Entwicklung der Kunst des 19. und 20. Jahrhunderts. Der Impressionist Paul Cézanne entwarf mit einem Bleistift seine berühmten Badenden. Der französischstämmige US-Amerikaner John James (Jean-Jacques) Audubon skizzierte viele seiner berühmten Vogelbilder mit dem Bleistift. Und Jean-Auguste-Dominique Ingres verdiente sich als junger Künstler in Rom seinen Le-

bensunterhalt, indem er von wohlhabenden Reisenden Bleistiftporträts anfertigte. Der erste deutsche Reichskanzler, Otto von Bismarck, war übrigens bekannt dafür, dass er sich seine Pfeife mithilfe eines Bleistifts stopfte. Und obwohl sich der Herkunftsort des Grafits mittlerweile geändert hat, stammt das Holz immer noch von der Zeder: Von Florida bis China werden jährlich etwa 60 000 Bäume gefällt, um Holzprodukte herzustellen – darunter auch die etwa 15 Milliarden Bleistifte, die weltweit benötigt werden. Bei einer Gesamtbevölkerung von derzeit über sieben Milliarden Menschen sind das rund zwei Stück pro Kopf.

jeder Oberfläche zurückzubleiben, die ein wenig rau ist, wie zum Beispiel Papier. Wenn man einen Grafitklumpen berührt, fühlt er sich an wie Seife. Der sowjetische Schriftsteller und Dissident Warlam Schalamow, der in einer sibirischen Grafitmine Zwangsarbeit leisten musste, hatte dort viele Stunden Zeit, um über das Material nachzudenken. „Grafit ist Kohlenstoff, der Millionen von Jahren enormem Druck ausgesetzt war“, schrieb er später. „Er hätte zu Kohle oder zu Diamant werden können. Stattdessen ist er zu etwas noch Wertvollerem geworden, zu einem Bleistift, der alles aufzeichnen kann, was er gesehen hat.“

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MumienBRAUN

EIN PHARAO WIRD BEERDIGT

Es war ein kleines Begräbnis, aber mit sehr erlesenen Gästen. Da waren nur ein Junge, der einmal ein weltberühmter Schriftsteller werden sollte, und sein Onkel, der bereits ein bekannter Künstler war, und niemand war dem Verstorbenen tatsächlich begegnet, zumindest nicht im herkömmlichen Sinn des Wortes. In seiner Autobiografie Something of Myself (Etwas von mir) beschrieb der britische Autor Rudyard Kipling, wie er Weihnachten als Kind häufig bei seiner Tante Georgie und seinem Onkel Edward verbrachte, den die meisten Menschen wahrscheinlich besser als den renommierten Maler und Präraffaeliten Sir Edward Burne-Jones kannten. Die „Präraffaeliten“ nannten sich so, weil ihnen nicht gefiel, was im 19. Jahrhundert aus der Malerei geworden war, und sie mit ihren Farben und ihrer Technik eine Rückkehr zu den großen Meistern des Mittelalters anstrebten – in eine Zeit, bevor Raffael (ebenso wie Tizian, Leonardo und Michelangelo) ihrer Ansicht nach

Mumifizierte Köpfe aus Theben, Ägypten, aus Eine Beschreibung Ägyptens von Antoine Maxime Monsaldy, 1812

Jahrhundertelang unter dem Sand begraben, Säulenterrassen des Tempels von Königin Makere (Hatschepsut), Deir el-Bahari, Theben, Ägypten, von Underwood & Underwood, 1904

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alles in Unordnung gebracht hatte. Das Haus der Familie Burne-Jones in Fulham, im Westen von London, war ein Paradies, erfüllt von dem „Geruch nach Farbe und Terpentin, der vom großen Atelier im ersten Stock herabströmte“ und voll mit „fertigen oder halbfertigen Gemälden in wunderschönen Farben“. Eines Tages, um das Jahr 1875, als Kipling etwa zehn Jahre alt war, kam der Künstler Lawrence Alma-Tadema mit seiner Familie zu Besuch. Kipling erinnert sich, wie sein Onkel „im hellen Tageslicht mit einer Tube ‚Mumienbraun‘ in der Hand die Treppe heruntergelaufen kam und sagte, er habe erfahren, dass sie aus verstorbenen Pharaonen hergestellt worden sei, und wir müssten sie deshalb angemessen bestatten. Also gingen wir alle hinaus und halfen dabei ... und bis heute könnte ich den Spaten noch auf einen Fuß genau dort ansetzen, wo diese Tube liegt.“ Wer kam auf eine solche Idee, aus dem toten Körper eines Menschen, der vor vielleicht 3000 oder 4000 Jahren gelebt hat und nun verdorrt und dunkel wie Kohle in uralten Mumienbinden lag, Farbe herzustellen? Tatsächlich wurden Mumien bereits um 1300 als medizinische Substanz verwendet, was vielleicht noch bizarrer ist. Vom Mittelalter bis zur Renaissance wurden so gut wie alle Pigmente, die den Malern bekannt waren, auch als Arzneien genutzt, einschließlich Zinkweiß, Minium, Vermilion, Kalk, Auripigment, Sepia, Ultramarin ... und Mumie. Diese Arzneien wurden von Apothekern angeboten, die zugleich zu den Hauptbezugsquellen der Maler gehörten. Zweifellos war es irgendein Maler, der die Mumiensubstanz eines Tages bei seinem Apotheker sah und bei sich dachte: „Ob man daraus wohl eine gute Farbe machen kann?“ Um 1712 eröffnete in Paris ein Geschäft für Künstlerbedarf mit dem Namen „À la Momie“ („Zur Mumie“), und in einem 1797 in London veröffentlichten Compendium of

Colors (Farbenhandbuch) war zu lesen, das feinste Braun, das Benjamin West, der Präsident der Königlichen Akademie, als Lasur verwende, sei „Mumienfleisch, wobei die fleischigsten Teile die besten sind“. Im Jahr 1809 erhielt der britische Farbenhändler George Field eine Mumien-Lieferung, die ihm der 21-jährige Henry Beechey (Sohn des Künstlers Sir William Beechey) verschafft hatte, der als Sekretär des britischen Generalkonsuls in Ägypten arbeitete. Das Paket traf ein „in einem Klumpen, durchsetzt von Rippen etc. – mit einem starken Geruch, der an Knoblauch und Ammoniak erinnert“. Über das Material schrieb Field, es „lässt sich gut zerreiben und ist eher teigig“. Die Mumie ergab eine dicke, dunkle Farbe, ähnlich wie Bitumen, die sich zum Schattieren eignete, aber als Aquarellfarbe ungeeignet war. Bis 1925 gehörte Mumienbraun zu den gängigen Künstlerfarben, heute ist es allerdings in keinem Farbengeschäft mehr erhältlich. Im Jahr 1964 berichtete das Time-Magazin, dass dem Londoner Farbenhersteller C. Roberson, der seit einiger Zeit der einzige Lieferant war, bereits vor ein paar Jahren das Material ausgegangen war. „Es könnten vielleicht noch ein paar merkwürdig aussehende Gliedmaße irgendwo herumliegen“, erklärte Geschäftsführer Geoffrey Roberson-Park dem Time-Magazin, „aber nicht genug, um daraus weitere Farbe herzustellen“. Als Edward Burne-Jones seine Tuben Mumienbraun in den 1870er-Jahren beerdigte, musste er sich jedoch keine Sorgen machen, dass er damit zukünftig weniger Farben zur Auswahl hatte. Denn es hatte schon eine neue Entwicklung eingesetzt, die dazu führen sollte, dass den Künstlern bald nicht mehr nur einige Dutzend Farben zur Verfügung standen, sondern Hunderte, wenn nicht gar Tausende. Und alles begann mit einem Teenager, der seine Hausaufgaben nicht richtig gemacht hatte.

Wissenswertes über Beige • Das Wort „beige“ stammt aus dem Altfranzösischen und bezeichnete ursprünglich die Farbe von ungefärbter Wolle. • Der Weihnachtsmann war lange Zeit beige-bräunlich gekleidet. Erst der Zeichner Thomas Nast verlieh Santa Claus in den 1890er Jahren für die Zeitung Harper’s Weekly ein rotes Outfit. • Die japanischen Kaiser und ihre Familien trugen traditionellerweise neutrale Farben als Symbol dafür, dass die Wahrhaftigkeit der Natur über der prahlerischen Zurschaustellung bunter Stoffe steht. • Beige war eine Lieblingsfarbe der US-amerikanischen Innenarchitektin Elsie de Wolfe, die Anfang des 20. Jahrhunderts Bekanntheit erlangte. Beim Anblick des Parthenon in Athen rief sie: „Das ist meine Farbe!“ • Im Januar 2002 verkündeten Wissenschaftler der Johns Hopkins University, dass sie die Farbe des gesamten Lichts im Universum entdeckt hätten ... und das war Beige. Der Farbton wurde von den Forschern bald auf den Namen „Kosmisch-Latte“ getauft.

Rechts: Seit Tausenden von Jahren feiern die Hindus in Indien die Ankunft des Frühlings mit „Holi“, dem „Fest der Farben“. Dabei besprengen sie sich gegenseitig mit bunt gefärbtem Wasser oder bewerfen sich mit farbigem Pulver. Traditionellerweise wurden die Farben aus Kräutern und Blüten hergestellt, heute werden die meisten Holi-Farben jedoch industriell produziert.

TEIL EINS | ERDE UND FEUER

3 Moderne Farben

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MAUVE

EIN MISSGLÜCKTER CHEMIEVERSUCH

Selbstporträt von William Perkin im Alter von 14 Jahren, 1852

Für die Osterferien des Jahres 1856 hatte der 18-jährige Chemiestudent William Henry Perkin ein neues Material erhalten, mit dem er zu Hause experimentieren sollte. Zu jener Zeit war es in Londons Straßen noch weitgehend dunkel und unsicher. Die Stadt hatte jedoch mit der Installation von Leuchtgaslaternen begonnen. Und je mehr solcher Straßenlaternen eingesetzt wurden, umso größere Mengen eines klebrig-schwarzen Nebenprodukts, nämlich Steinkohlenteer, fielen im Gaswerk an. Die meisten hielten es für nutzlosen Industrieabfall, Wissenschaftler entdeckten allerdings, dass die zwei Grundelemente der Kohle – Wasserstoff und Kohlenstoff – eine Vielzahl an „Kohlenwasserstoffen“ bilden konnten, von denen scheinbar ein jeder unterschiedliche interessante Eigenschaften besaß. Und die Hausaufgabe, die das Royal College of Chemistry dem Musterstudenten Perkin aufgegeben hatte, bestand darin, aus diesem Kohlenteer einen Wirkstoff gegen Malaria zu entwickeln. Das einzige bis dahin bekannte Arzneimittel wurde aus der Rinde des südamerikanischen Chinarindenbaums gewonnen (der zur selben Pflanzenfamilie gehört wie der Färberkrapp). Es hieß Chinin. Wir kennen es hauptsächlich als Bestandteil von „Tonic Water“ (tonic, engl. „kräftigend“). Chinin bestand aus organischer Materie,

Mauvefarbenes Tageskleid aus Seide, Großbritannien oder Frankreich, 1873

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Mauvefarbenes Muster aus Das amerikanische Handbuch der Färberei von F. J. Bird, 1882

und Kohle hatte sich vor rund 300 Millionen Jahren aus pflanzlichen Resten gebildet, so dass die Idee gar nicht so abwegig war, wie sie vielleicht klingt. Aber es funktionierte nicht. In dem winzigen Labor im Dachgeschoss seines Elternhauses im Londoner East End gelang es Perkin einfach nicht, die richtige chemische Verbindung zu erzeugen. Eines Nachts jedoch, als er ziemlich enttäuscht seine Glaskolben reinigte, bemerkte er darin einen merkwürdigen dunklen Rückstand. „Die Lösung ergab eine eigenartig schöne Farbe“, erzählte er Jahre später einem Journalisten. „Und den Rest kennen Sie.“ „Der Rest“ war, dass dieser seltsam schöne neue Farbstoff zufällig genau jenes zarte, leuchtende Violett war, auf das scheinbar die gesamte elegante Damenwelt im Viktorianischen England ebenso wie im übrigen Europa und in Amerika nur gewartet hatte. Außerdem war er haltbar, sehr gut für Seide geeignet und äußerst billig in der Herstellung. Perkin benannte ihn zuerst nach der Farbe, der vor 2000 Jahren die Römer so verfallen waren: „Tyrischer Purpur“. Doch ein Bezug zur Antike ist nicht immer der Garant für einen guten Markennamen. Daher wurde die Farbe schon bald in

„Mauve“ oder „Mauvein“ umbenannt, nach dem französischen Ausdruck für die Wilde Malve, deren Blütenblätter denselben violetten Ton aufweisen. Und die Welt war ganz vernarrt darin! Es gab Kleider in Mauve, Sofas, Teppiche, Vorhänge und sogar Hundehalsbänder. 1859 spottete die englische Satire-Zeitschrift Punch über diesen Farbenwahn und schrieb, die „Mauve-Masern“ seien ausgebrochen. Selbst Witwen konnten Mauve tragen, da die Kirche Violett für das zweite Trauerjahr gestattete. Ein Jahr nach dem Tod ihres geliebten Gemahls Prinz Albert, 1862, erschien Königin Viktoria in einem mauvefarbenen Kleid, was die Verkaufszahlen sprunghaft ansteigen ließ – und Perkin wurde bereits mit Mitte zwanzig zum Millionär. Nachdem Perkin 1857 sein erstes Patent angemeldet hatte, begannen fast alle europäischen Chemieunternehmen mit Kohlenteer zu experimentieren, um zu sehen, was man noch daraus machen konnte. Und sie entwickelten viele Dinge, die für uns heute selbstverständlich sind, wie Konservierungsstoffe für Lebensmittel, Dünger, Medikamente, Parfüme und Sprengstoff. Der später als Saccharin bezeichnete Süßstoff wurde von einem Wissenschaftler an der Johns Hopkins University in Baltimore entdeckt, der Untersuchungen mit Steinkohlenteer durchführte und eines Tages bemerkte, dass sein Pausenbrot süß schmeckte. Und als das Mauve-Fieber zurückging, folgten neue leuchtende Farben nach. Im Jahr 1859 wurde in Frankreich ein intensiver dunkelroter Kohlenteerfarbstoff erfunden. Seine anfängliche Bezeichnung „Fuchsin“ (nach

Porträt der Marquise de Miramon, geborene Thérèse Feuillant von (James) Jacques Joseph Tissot, 1866 Der auf dem Gemälde zu sehende rosa-violette Morgenrock wurde wahrscheinlich mit Magenta oder einem anderen Kohlenteerfarbstoff gefärbt. Ein Muster des Originalstoffs befindet sich zusammen mit dem Gemälde in der Getty-Sammlung.

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der rötlich-purpurnen Fuchsie) konnte man allerdings zu leicht falsch aussprechen, so dass die Verkaufszahlen erst nach einer Umbenennung stiegen. Die Namensgeberin war nun die norditalienische Stadt Magenta, die im selben Jahr zum Schauplatz einer blutigen Schlacht geworden war. Auch von Krapprot wurde 1869 eine Kohlenteerversion gefunden, die man in Anspielung auf eine Farbkomponente der natürlichen Krappwurzel „Alizarin“ nannte. Neun Jahre später gelang in Deutschland die Herstellung von synthetischem Indigo, jener Farbe, mit der heute die Bluejeans gefärbt werden. Die Massenproduktion bunter Kleidung, Stoffe, Pigmente und Farbstoffe hatte begonnen. Perkins Mauve war der erste moderne synthetische Farbstoff, aber es war nicht das erste moderne synthetische Pigment. Dieses war bereits 150 Jahre früher entdeckt worden – kurioserweise ebenfalls aus purem Zufall.

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Die italienischen Komödianten von Jean-Antoine Watteau, um 1720

Johann Jakob Diesbach stand unter Druck. Der Berliner Färber hatte zugesagt, etwas roten Koschenille-Farbstoff für einen Kunden anzufertigen, und nun, an diesem Tag des Jahres 1703, war er in Schwierigkeiten. Er hatte zwar die getrocknete Koschenille und auch das Eisensulfat (das im Mittelalter dazu verwendet wurde, um Galläpfel zu Tinte zu verarbeiten). Aber was ihm noch fehlte, war frische Pottasche. Dieses Laugensalz wurde, wie der Name schon andeutet, aus Asche in „Pötten“ hergestellt, und zwar indem man die Asche von verbranntem Holz in Töpfen wässerte und auslaugte. Pottasche war so nützlich, dass der englische Forscher, der sie analysierte, das darin entdeckte chemische Element „Potassium“ nannte. Im Deutschen wurde es dagegen als Kalium bezeichnet, was, ebenso wie die Begriffe Alkali und alkalisch, auf den arabischen Ausdruck für Pottasche, al-qalī, zurückgeht (von arab. qalā, „im Topf kochen“). Pottasche (oder Kaliumkarbonat) findet auch heute noch für verschiedene Zwecke Verwendung, zum Beispiel in der Produktion von Seife und Reinigungsmitteln oder in der Fleischverarbeitung. Diesbach benötigte sie jedoch als Beize, um den Farbstoff im Gewebe zu fixieren (wofür sie nach wie vor eingesetzt wird). Glücklicherweise konnte Diesbach noch etwas Pottasche in seinen Abfällen finden. Eigentlich hatte er sie wegwerfen wollen, weil sie mit Tierblut in Berührung gekommen war. Doch er hatte keine Wahl und nahm die verunreinigte Pottasche. Was sollte schon

PreussischBLAU

DAS BLAU, DAS EIN ROT SEIN SOLLTE

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passieren? Koschenille und Blut sind beide rot, dachte er, also sollte es kein Problem sein, einen roten Farbstoff daraus zu machen. Aber er irrte sich. Als Diesbach in seinen Bottich schaute, musste er zu seinem großen Erstaunen feststellen, dass sich die Mixtur blau verfärbt hatte. Daraufhin führte er verschiedene Experimente durch und entdeckte, dass die Koschenille nichts mit dem Endergebnis zu tun hatte. Tatsächlich handelte es sich um eine ziemlich komplizierte (und unwahrscheinliche) chemische Reaktion. Aus der Pottasche und dem Blut hatte sich etwas gebildet, das später als Kaliumferrocyanid (gelbes Blutlaugensalz) bezeichnet wurde. Als Diesbach dieses mit dem Eisensulfat im Färbebottich vermischte, kam es rein zufällig zur Entstehung einer weiteren chemischen Verbindung, nämlich von Eisenferrocyanid. Und dieses ergab in der Tat einen sehr schönen Blauton. Die neue Erfindung des Berliner Farbenherstellers wurde bald als „Preußischblau“ oder „Berliner Blau“ bekannt. „Es gibt wohl

kaum etwas Seltsameres als den Herstellungsprozess von Preußischblau“, schrieb der französische Chemiker Jean Hellot 1762. „Und man muss zugeben: Wenn der Zufall nicht seine Hand im Spiel gehabt hätte, wäre eine profunde theoretische Arbeit notwendig gewesen, um es zu erfinden.“ Als die Berliner Akademie 1710 erstmals in ihrer Schriftenreihe Miscellanea Berolinensia (in lateinischer Sprache) über dieses neue Blau berichtete, waren viele Künstler ganz begierig darauf, damit zu experimentieren. Dazu gehörte der französische Maler JeanAntoine Watteau, der um 1720 in seinem Gemälde Die italienischen Komödianten mit Preußischblau arbeitete. Auch der Venezianer Canaletto verwendete die Farbe schon sehr früh, etwa seit 1721, für seine berühmten Veduten („Ansichten“) der Kanäle seiner Heimatstadt. Denn Preußischblau eignete sich hervorragend zur Darstellung von Wasser. Im Jahr 1842 kam der englische Astronom Sir John Herschel auf eine eher ungewöhnliche Anwendungsidee für Preußischblau. In

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Ansicht des Canal Grande in Venedig: Vom Palazzo Flangini bis zum Campo San Marcuola von Canaletto, um 1738 Solche Stadtansichten von Venedig, mit Kanälen in Preußischblau, wurden für wohlhabende Bildungsreisende aus Großbritannien gemalt, die sie als Erinnerung an ihre „Grand Tour“ durch Europa mit nach Hause nahmen und in ihren herrschaftlichen Häusern an die Wand hängten.

seinem Haus in Bath bestrich er im Dunkeln ein Stück Papier mit Ammoniumeisencitrat und ließ es trocknen. Er wusste bereits, dass sich das Papier nach der Bestrahlung mit Licht und dem Eintauchen in Kaliumferrocyanid ins Preußischblau verfärben würde. Seine Idee war es nun, zwischen der Lichtquelle und dem Papier einen Gegenstand zu positionieren – und die Stellen, an denen dem Licht der Weg versperrt war, blieben weiß, während der Rest, wie zuvor, blau wurde. Das Ergebnis war ein helles Bild vor einem dunkelblauen Hintergrund. Herschel bezeichnete das Verfahren (nach den griechischen Wörtern für „blau“ und „Druck“) als „Cyanotypie“.

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Blaupause, Neubau für „Duveen Brothers“, New York City. Aufriss von René Sergent, 1910

Diese Methode war schon sehr ausgefeilt und führte zu einigen schönen und eigenartigen Bildern. Doch Herschels nächster Streich war schlichtweg genial. Was wäre, wenn er eine Figur auf ein Stück transparentes Papier zeichnen würde und es dann zwischen die Lampe und das Papier hielte, so dass die gezeichneten Linien das Licht behindern? Im Druck entwickelten sich nun weiße Linien auf einem blauen Hintergrund – was wir heute als „Blaupause“ bezeichnen. Architekten fanden das Verfahren sofort sehr praktisch, denn bis dahin hatten sie alle Pläne von Hand zeichnen müssen. Nun konnten sie beliebig viele Kopien herstellen – für den Auftraggeber, den Baumeister und den Innenarchitekten. Die Blaupause war die erste Form der Fotokopie.

Equisetum sylvaticum (Wald-Schachtelhalm) von Anna Atkins und Anne Dixon, 1853 Zu Sir John Herschels Freundeskreis gehörte auch die Botanikerin Anna Atkins. In den 1840er Jahren nutzte sie seine Techniken und kreierte geheimnisvoll-schöne Bilder von Algen und Pflanzen, indem sie diese zwischen der Lichtquelle und dem Papier in Position brachte. Damit gilt Atkins als eine der ersten Fotografinnen überhaupt.

Mit der Zeit wurde das Wort „Blaupause“ auch im übertragenen Sinn verwendet für einen Entwurf oder ein Vorbild zur Realisierung eines Vorhabens. Im Gegensatz zur Pigmentfarbe sind die mit Preußischblau hergestellten Blaupausen allerdings nicht besonders haltbar. Im Jahr 2010 führten Wissenschaftler des Getty-Museums einen MicroFading-Test an einer der Blaupausen in ihrer Sammlung durch. Dieses Verfahren ermöglicht es, die Lichtbeständigkeit von Objekten bei gewöhnlicher Sonnenbestrahlung zu testen,

indem man den Prozess um das Tausendfache beschleunigt. Man beleuchtete also einen Punkt von einem halben Millimeter auf der Blaupause mit einem intensiven Lichtstrahl, „und der Punkt verschwand einfach“, so Jim Druzik, Wissenschaftler am Getty Conservation Institute. „Es ging ungeheuer schnell. Schon nach wenigen Minuten mussten wir die Maschine abstellen.“ Manchmal lässt sich das Verblassen der blauen Farbe übrigens auch rückgängig machen, indem man sie einfach wieder der Dunkelheit aussetzt.

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Wie Preußischblau eine alte japanische Kunstform wiederbelebte Der Farbholzschnitt hatte in Japan eine lange Tradition, erfreute sich aber im 19. Jahrhundert keiner großen Beliebtheit mehr – zum einen, weil man ihn für altmodisch hielt, und zum anderen, weil keine haltbare blaue Tinte zur Verfügung stand. Die blauen Farben der Japaner wurden aus der Indigopflanze gewonnen und verblichen so schnell, dass man die Drucke nicht sehr lange ausstellen konnte. Doch dann, in den 1820er-Jahren, gelangte das Preußischblau nach Japan. Es war eine kräftige Farbe, modern, industriell und westlich – was sie besonders für die jüngere Generation interessant machte, da sich das Land seit den 1630er-Jahren abgeschottet hatte und mit Europa offiziell keine Handelsbeziehungen mehr unterhielt. Und sie erfüllte die alte Tradition mit neuem Leben. Die Anfertigung von Holzschnitten erfolgte in mehreren Schritten: Zuerst zeichneten Künstler einen Entwurf, dann stellten Holzschneider für jede Farbe eine eigene Druckplatte her und zum Schluss wurden alle Platten übereinandergedruckt. Auf diese Weise konnten die Druckereien Tausende von Kopien auf billigem Papier produzieren und zu einem günstigen Preis verkaufen. Rund hundert Jahre später sollten diese einfachen, ausdrucksstarken Kompositionen auch als Anregung für die Manga-Comics dienen. Als der niederländische Maler Vincent van Gogh diese Bilder in den 1880er-Jahren in Paris sah, war er sehr erstaunt darüber, welche Wirkung solche minimalen Linien Suruga-Viertel von Utagawa Hiroshige, um 1856–59 Dies ist ein ungewöhnlicher, symmetrischer Holzschnitt, der eine der belebtesten Straßen in Edo (wie die japanische Hauptstadt Tokio früher einmal hieß) zeigt. Im Hintergrund ist der aus den Wolken ragende Berg Fudschijama zu sehen und auf der linken Seite ein Stoffladen. Heute befindet sich dort Mitsukoshi, eines der größten Warenhäuser Japans.

und Farben in einer Komposition haben konnten. Und sie wurden zu einer der größten Inspirationen seines Lebens.

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SmaragdGRÜN

DAS GEHEIMNIS DER GIFTTAPETE

Im Jahr 1775 stellte der schwedische Chemiker Carl Wilhelm Scheele eine neue Farbe her. Es war ein kräftiger, leuchtender Ton, der an einen tiefgrünen Smaragd erinnerte. Er nannte ihn „Scheeles Grün“. Schon bald verwendete man diese Farbe gerne für gemusterte Kinderzimmertapeten ebenso wie für Teppiche, Stoffe und Kunstblumen, und sie blieb ein Jahrhundert lang in Mode. Aber diese Farbe war mörderisch. Kinder und Kranke oder Schwache starben, wenn sie in solchen grün tapezierten Zimmern schliefen; eine Perserkatze, die man in einem smaragdgrünen Schlafzimmer eingesperrt hatte, war danach über und über mit Pusteln bedeckt. In Viktorianischer Zeit wurde dieses Grün manchmal auch als Lebensmittelfarbe

gebraucht. 1860 bereitete ein Koch einmal einen spektakulären grünen Pudding für ein Festmahl in London zu. Die ganze Stadt sprach über dieses „Wunder“, doch später starben drei der Gäste, die davon gegessen hatten. Bei Scheeles Grün handelte es sich um Kupferarsenit (bei einer späteren Version namens „Smaragdgrün“ wurde Kupferazetat, also Grünspan, zugegeben), und es enthielt das giftige Element Arsen. Mit Arsen lassen sich besonders glänzende Farben machen. Vor Scheeles Grün gab es bereits zwei alte Pigmente, in denen ebenfalls Arsen enthalten war. Auripigment bedeutet „Goldpigment“, und es ergibt eine überaus strahlende Farbe. Alchemisten nutzten es mit Vorliebe, da sie hofften, es würde sich in Gold

Wissenswertes über Grün • Das deutsche Wort „grün“ geht auf das althochdeutsche Verb gruoen zurück, das die Bedeutung von „sprießen“ und „wachsen“ hatte. • Der spätere US-Präsident George Washington freute sich so sehr auf die spangrüne Dekoration seines neuen Esszimmers, dass er sich während des Unabhängigkeitskriegs in seinen Briefen nach Hause häufig danach erkundigte, wie weit die Malerarbeiten schon fortgeschritten seien. • Im 16. Jahrhundert stellten persische Künstler grüne Farbe her, indem sie breite Schwerter oder Säbel aus dünnem Kupfer einen Monat lang über einen Brunnen hingen. Dann schabten sie die grünliche Patina ab und verwendeten sie als Pigment. • Pflanzen erlangen ihre grüne Farbe durch das Chlorophyll (von griech. chlōrós, „hellgrün“, und phýllon, „Blatt“), einen natürlichen Farbstoff, der die Lichtenergie für den Prozess der Fotosynthese absorbiert, grünes Licht aber reflektiert. • Malachit ist ein grüner Halbedelstein, der zu Farbe zermahlen werden kann. Die antiken Ägypter benutzten Malachit als Lidschatten, um ihre Augenlider vor der starken Sonne zu schützen. • Im 9. Jahrhundert gab es in China eine grüne Porzellansorte, die nur der Kaiser besitzen durfte. Sie hieß mi se, was so viel wie „geheimnisvolle Farbe“ bedeutet.

Das Lösegeld von John Everett Millais, 1860–62 Diese Geschichte von einem Vater, der einem Entführer Lösegeld für die Rückgabe seiner Töchter zahlt, wurde von Millais zu einer Zeit auf der Leinwand verewigt, als leuchtend grüne Tapeten im Viktorianischen England gerade sehr in Mode waren.

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Napoleon in seinem Arbeitszimmer von Jacques-Louis David, 1812

verwandeln. Sein naher Verwandter ist das rote Pigment Realgar. Sein Name ist arabischen Ursprungs und bedeutet „Staub der Höhle“ (rahğ al-ঠār). In China war es beliebt für Schnitzereien und wurde zur Erzeugung weißer Leuchteffekte in Feuerwerken genutzt. Im Jahr 1821 starb Napoleon in der Verbannung auf der Insel St. Helena mitten im Atlantischen Ozean. Als man im 20. Jahrhundert eine Haarlocke von ihm untersuchte, wurde festgestellt, dass er mit Arsen in Berührung gekommen war. War er vergiftet worden? Oder hatte das etwas mit den Tapeten in seinem Schlafzimmer zu tun? Da diese allerdings schon längst erneuert worden waren, bestand scheinbar keine Möglichkeit, die Wahrheit zu erfahren. Als 1980 eine BBC-Radiosendung über diese rätselhafte Angelegenheit berichtete, meldete sich jedoch ein Hörer und erzählte von einem Verwandten, der vor langer Zeit einmal auf St. Helena gewesen

sei. Dabei habe er unerlaubterweise einen Tapetenstreifen in Napoleons Schlafzimmer abgerissen und als Souvenir mit nach Hause genommen. Auf dem Streifen war ein kleines grünes Lilienmuster vor einem helleren Hintergrund zu sehen, und als man das Tapetenstück analysierte, konnte man an den Lilien Spuren von Scheeles Grün entdecken. Die Insel hatte ein feuchtes Klima und Napoleon war geschwächt. Auch wenn ihn die Farbe nicht direkt getötet hat, so könnte sie doch zu seiner tödlichen Krankheit beigetragen haben und das Gift in seinem Haar erklären. Noch 1950 wurde die US-Botschafterin in Italien, Clare Boothe Luce, durch eine Arsenvergiftung schwer krank. Die CIA hatte die Sowjets im Verdacht und schickte ein Untersuchungsteam nach Rom. Schließlich fand man heraus, dass der Deckenanstrich ihres Schlafzimmers stark arsenhaltig war. Im darüberliegenden Raum war eine neue Waschmaschine aufgestellt worden, und durch die von der Maschine verursachte Erschütterung hatte sich Arsenstaub gelöst, den die Botschafterin im Schlaf einatmete. Das Entsetzliche ist, dass Scheele von Anfang an wusste, wie gefährlich sein Grün war. 1777 schrieb er in einem Brief an einen Freund, er frage sich, ob man die Nutzer vor der Giftigkeit der Farbe warnen sollte. Doch dann beschloss er, einfach weiterzumachen. Ende des 19. Jahrhunderts war die Gefahr zwar allgemein bekannt, aber weil die Farbe so schön glänzte, wurde sie von Künstlern und Innenausstattern weiterhin eingesetzt.

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Wie wir Farben wahrnehmen Farben existieren für uns nur, weil unser Gehirn sie erschafft. Überall im Universum pulsiert die Energie, die wir als elektromagnetische Wellen bezeichnen. Und die Größe dieser Energiewellen kann enorm variieren: Bei kosmischen Wellen bewegt sie sich im Pikometerbereich (ein Pikometer ist ein milliardstel Millimeter), während die Länge von Radiowellen viele Kilometer betragen kann. Dazwischen liegt eine ganze Bandbreite an Wellen – Infrarot-, Fernseh-, Gamma- und Röntgenstrahlen. Doch obwohl wir wissenschaftliche Instrumente entwickelt haben, um all diese Wellen zu empfangen, kann das menschliche Auge lediglich einen winzigen Bruchteil von ihnen wahrnehmen: nämlich jene mit einer Länge zwischen 0,00038 und 0,00075 Millimetern. Wir bezeichnen sie, natürlicherweise, als „sichtbares Licht“. Wenn unsere Augen nun das gesamte Spektrum sichtbarer Wellen zusammen sehen, erkennt unser Gehirn dies als „Weiß“. Und wenn einige der Wellen fehlen, dann sieht es eine „Farbe“. Wenn wir also „Rot“ wahrnehmen, sehen wir tatsächlich nur den Teil des elektromagnetischen Spektrums mit einer Wellenlänge von rund 0,0007 Millimetern – ohne die anderen Wellenlängen. Pigmente haben die Fähigkeit, einen Teil des sichtbaren Lichts zu absorbieren und den Rest zu reflektieren. So nimmt eine aus einem roten Pigment hergestellte Farbe die blauen und gelben Wellenlängen aus dem weißen Licht in ihrer Umgebung auf und strahlt die roten ab, so dass Rot die Farbe ist, die wir am Ende sehen. Aber was passiert, wenn kein weißes Licht vorhanden ist? Wenn man die Jalousien herunterlässt und das Licht ausschaltet, ist dann diese rote Schale immer

Glasschale, Griechenland oder Rom, Ende 1. Jahrhundert v. Chr.–Anfang 1. Jahrhundert n. Chr.

noch rot?

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Schwarz und Weiß und Sepia Der englische Erfinder des ersten fotografischen Negativs, William Henry Fox Talbot, nannte sie „Mausefallen“. Wir nennen sie heute „Kameras“ (vom lateinischen Wort für „Kammer“). Doch wie immer man sie bezeichnen mag, haben diese kleinen, lichtundurchlässigen Kästen mit einer Linse und einer Blende auf der einen und einem lichtempfindlichen Material auf der anderen Seite eine enorme Rolle im Wandel der Kunst gespielt. Als Fotografien Mitte des 19. Jahrhunderts erschwinglich und populär wurden, erschienen sie wie echte Wunder. Man stelle sich vor: Ganz gewöhnliche Menschen konnten nun Porträts von sich machen lassen, und dazu mussten sie nur für kurze Zeit still sitzen! Es war jedoch nicht immer so angenehm, das eigene Konterfei ohne Zutun eines geschickten Porträtmalers zu sehen. Wenn man Freunden sein fotografisches Abbild zeigte, lautete der übliche Kommentar einem Zeitungsbericht zufolge in etwa folgendermaßen: „Nun ja, es ist nicht besonders schmeichelhaft, aber es muss dir ja ähnlich sehen, weißt du.“ Und wenn man versuchte, ein spezielles Gesicht für die Kamera zu machen, war es noch schlimmer. „Wenn Damen jedoch eine wirkungsvolle Pose einstudieren möchten, verraten wir ihnen ein Rezept für eine schöne Mundstellung: Tun sie so, als wollten sie gerade ‚prunes‘ sagen“ – also eine ganz andere Methode als unser heutiges „Bitte lächeln!“ oder „Sag mal ‚cheese‘!“. Die neue Technik wurde 1839 von Talbot in England und kurz davor von Louis Daguerre in Paris entwickelt. Sie basierte darauf, dass die Blende für genau die richtige Zeitspanne geöffnet wurde, um das Bild vor der Linse auf das lichtempfindliche Material im Inneren

WAS MAN AUF FOTOS NICHT SEHEN KANN

Die Leiter von William Henry Fox Talbot, 1844 „Wenn die Sonne scheint, können kleine Porträts mit meinem Verfahren in ein bis zwei Sekunden angefertigt werden, größere Porträts benötigen jedoch etwas mehr Zeit.“ Das ist einer von 24 Fotodrucken aus The Pencil of Nature (Der Bleistift der Natur) von William Henry Fox Talbot, das als erstes im Handel erhältliches Buch Fotografien enthielt. Die Scheune befand sich auf dem Anwesen Lacock Abbey in Südwestengland, das Talbot um 1800, fünf Monate nach seiner Geburt, von seinem Vater geerbt hatte.

der Kamera zu projizieren. Bei Daguerreotypien bestand das lichtempfindliche Material aus einer Kupferplatte, die mit einer dünnen Schicht Silberjodid überzogen war. Talbots Erfindung ähnelte mehr der späteren Fotogra-

fie mit einem belichteten Film. Er verwendete lichtempfindliches Papier, und sein Verfahren erzeugte ein Negativ, aus dem man beliebig viele Kopien herstellen konnte. Wie auch immer sie entstanden, da waren sie: Bilder in

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Schwarz-Weiß, die zeigten, was die Kamera aufgenommen hatte und wie man von anderen gesehen wurde. Was sollten nun aber die Künstler tun, wenn es mit ihrem Monopol auf realistische Abbildungen vorbei war? Nur eines gab es offensichtlich noch, was die Fotografien nicht leisten konnten ... jedenfalls noch nicht. Die frühen Fotos zeigten lediglich Grautöne oder manchmal auch Brauntöne, die „Sepia“ genannt wurden, nach dem Farbstoff, den man aus der Tinte des Tintenfischs (ital. sepia) gewinnen konnte. Manche Fotos wurden mit Farbpigmenten handkoloriert, so wie das unten abgebildete Mädchenporträt. Das sah zwar hübsch aus, wirkte aber nicht sehr realistisch. Also wandte sich eine neue Kunstbewegung jetzt den Farben zu. Die Fotografen mochten ihnen vielleicht den Spaß an der vollkommen naturgetreuen Abbildung verdorben haben, aber mithilfe von Chevreuls Erkenntnissen konnten sich die Maler nun etwas Altem auf ganz neue Weise widmen: der Harmonie der Farben.

Porträtaufnahme von Edgar Allan Poe, 1849 Diese Daguerreotypie des berühmten amerikanischen Kriminal- und Horrorschriftstellers Edgar Allan Poe entstand 1849, ein paar Monate bevor er im Alter von nur 40 Jahren starb. Sie muss für die Betrachter besonders unheimlich gewesen sein; denn Poe hatte 1842 eine Gruselgeschichte mit dem Titel Das ovale Porträt über das Bildnis einer jungen Frau verfasst, das so realistisch war, als ob es leben würde – und das sie mit dem Tod bezahlte.

Weibliches Modell mit Tiara, Paris von Alphonse (Alfons) Maria Mucha, 1899

Porträt eines Mädchens in blauem Kleid von Antoine Claudet, um 1854 Es war schwierig, handkolorierte Daguerreotypien wie diese lebensecht aussehen zu lassen, aber sie waren dennoch sehr beliebt.

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ManganVIOLETT

Heuschober, Schnee, Morgen von Claude Monet, 1891 Claude Monet war beunruhigt, als er hörte, dass die lokalen Landwirte das Getreide an das Vieh verfüttern wollten, und bezahlte sie, damit sie die Schober über den Winter unberührt ließen. Er wollte sie bei allen möglichen Wetter- und Lichtverhältnissen malen.

MONET GEHT NACH DRAUSSEN

Alles hatte damit angefangen, dass der amerikanische Porträtmaler John Goffe Rand jedes Mal frustriert war, wenn er ein wenig Farbe benötigte. Damals wurden Farben in kleinen Säckchen aus Schweinsblase aufbewahrt, die man mit einer Schnur zuband. Wenn der Künstler Farbe brauchte, stach er mit einer Nadel hinein, drückte etwas Farbe heraus und verschloss die Öffnung danach wieder mit einem speziellen Flickzeug. Die Farbblasen

platzten allerdings oft, was einigen Schmutz machte, und zudem war es überaus lästig, kleine Löcher zu flicken, wenn man eigentlich malen wollte. So erfand Rand die Tube. Sie war aus Zinn und wurde mit einer Zange verschlossen. 1841 ließ er sie patentieren. Und von nun an konnten die Künstler problemlos im Freien malen. Ohne die Farbtube „hätte es weder einen Cézanne oder Monet, noch einen Sisley oder

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Ganz links: Das Portal der Kathedrale von Rouen im Morgenlicht von Claude Monet, 1894

Kathedrale von Rouen, Westfassade im Sonnenlicht von Claude Monet, 1894 Oben an den Türmen und als verschwommene Form im Zentrum der linken Abbildung finden sich gelbe Streifen und Kreise. Gelb ist die Komplementärfarbe zu Violett, und weil hier beide Farben zusammen auftreten, sehen sie lebendiger aus.

Pissarro gegeben: nichts von dem, was die Journalisten später einmal Impressionismus nannten“, erklärte der Maler Pierre-Auguste Renoir seinem Sohn Jean. Doch man konnte jetzt nicht nur viel mehr Farben auf der Palette haben (mit all dem Einstechen und Flicken war bisher keine große Vielfalt möglich gewesen, da die Farben sonst eintrockneten, bevor man sie benutzen konnte). Im 19. Jahrhundert gab es außerdem plötzlich Dutzende neuer, umwerfend aussehender Pigmente, mit denen man die Metalltuben füllen konnte. Eine davon war Manganviolett. Es war das erste opake, reine und erschwingliche

mauvefarbene Pigment – und es galt als ein wahres Wunder. Vor seiner Erfindung im Jahr 1860 mussten die Künstler Rot und Blau miteinander vermischen, um Violett zu erhalten; nun aber konnten sie es direkt aus der Tube drücken. Für den Impressionisten Claude Monet war dies von unschätzbarem Wert, denn seine Leidenschaft war es, die Schatten zu erforschen. Und er wusste, dass Schatten nicht schwarz waren. Tatsächlich wusste er das so genau, dass er seine schwarze Farbe manchmal sogar zu Hause ließ, und viele andere Impressionisten taten es ihm eine Zeit lang gleich. „In der Natur gibt es kein Schwarz“, lautete ihr Motto, obwohl am Ende

viele von ihnen wieder dazu zurückkehrten. Denn es ist nützlich, das Schwarz. Gemäß Chevreuls System der Komplementärfarben ist Violett der Gegensatz zu Gelb. Und Claude Monet wollte in der Malerei untersuchen, ob das Gelb der Sonne zu violetten Schatten führte (bei genauerer Betrachtung seiner Gemälde erkennt man jedoch, dass Monet auch viele andere Farben in seine Schatten einfließen ließ). Zudem wollte er beobachten, was zu verschiedenen Tagesund Jahreszeiten mit dem Licht passiert, und die einzige Möglichkeit, dies zu tun, war es, jeden Tag zur selben Zeit zu malen und jahrelang immer wieder Bilder von ein und

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Schwarz ist das „Neue Schwarz“ Schwarz war lange Zeit eine Farbe der Trauer, aber seit der Französischen Revolution im Jahr 1789 haben viele Franzosen begonnen, auch Alltagskleidung in dieser Farbe zu tragen. Schwarz galt als kultiviert und zeigte vor allem, dass man nicht mehr zu der leichtsinnigen Generation gehörte, die es liebte, sich mit Pompadour-Rosa und Himmelblau zu umgeben. Und mit der Erfindung der Kohlenteerfarben war es sogar möglich geworden, Stoffe zu relativ günstigen Preisen tiefschwarz zu färben. Édouard Manet malte dieses Porträt der Frau eines Freundes, Madame Brunet, die das „Neue Schwarz“ trägt, etwa um dieselbe Zeit, als er mit dem neuen, freieren Stil experimentierte, der sich zum Impressionismus entwickeln sollte. Beim Anblick des Gemäldes soll Madame Brunet in Tränen ausgebrochen sein und gesagt haben, dass sie es nie wieder sehen wolle.

Porträt der Madame Brunet von Édouard Manet, um 1860–63

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demselben Motiv anzufertigen. Beim dritten oder vierten Gemälde war nicht mehr die Form das Thema. Er wusste mittlerweile, wie der Getreideschober oder der Seerosenteich aussahen. Was er nun herauszuarbeiten versuchte, war etwas Wichtigeres als ihr bloßes Erscheinungsbild. Er wollte den Eindruck einfangen, den sie vermittelten, die Impression – und das wollte er mithilfe der Farbe tun. Die Getreideschober, mit denen er dies zuerst erprobte, fand Monet auf einem Feld in der Nähe seines Hauses in Giverny in der Normandie. Vom Winter 1890 bis zum Frühjahr 1891 ging er regelmäßig einige Stunden zu ihnen hinaus, seinen Klapphocker unter dem Arm, mit einer tragbaren Staffelei und einem großen Sonnenschirm. Er erforschte, wie wir die Formen durch das Licht wahrnehmen, das sie reflektieren. Und er studierte auch die Schatten. Wirft ein roter Gegenstand einen roten Schatten? Und wie ist das bei einem grünen (die Komplementärfarbe zu Rot auf dem Farbkreis) oder einem grauen Objekt? Für seine Serie der Kathedrale von Rouen mietete Monet den vorderen Raum eines Wäschegeschäfts gegenüber der Kathedrale und stellte zehn Leinwände auf. Und wie sich das Licht im Laufe der Stunden veränderte, wechselte er von einer Leinwand zur anderen. Auf diese Weise schuf er in drei Jahren 30 Gemälde, von denen ein jedes andere Lichtverhältnisse zeigt. Was Monet damit demonstrierte, war, dass der Kalkstein der Kathedrale (den die meisten Betrachter als ein kräftiges Creme beschreiben würden) je nach Tageszeit und Witterungsbedingung Licht aus anderen Bereichen des Spektrums absorbiert und unterschiedliche Farben reflektiert. „Alles verändert sich, sogar Stein“, sagte er später. Er malte den Stein in Rot, Orange, Gelb und – am weitesten von Creme entfernt – Kobaltblau und Manganviolett. „Ich habe endlich die wahre Farbe der Atmosphäre entdeckt“, erklärte Monet schließlich. „Es ist Violett. Frische Luft ist violett. In drei Jahren wird jeder mit Violett arbeiten.“

Schatten auf dem Roten Planeten Wenn man an einem sonnigen Tag mit der Hand einen Schatten auf ein weißes Blatt Papier wirft, wird man feststellen, dass dieser einen grauen, leicht ins Hellblau gehenden Farbton aufweist. Und dieser Effekt ist auf den blauen Himmel unseres Planeten zurückzuführen. Stünde man dagegen auf dem Mars, wäre der Schatten grau-orange gefärbt. Jim Bell ist ein Astronom und Landschaftsfotograf, den – wie einst Monet – das faszinierende Zusammenspiel von Licht, Schatten und Farben in der

Fotometrisches Kalibrierungsziel des Mars-Rover Opportunity Weil Jim Bell den TV-Wissenschaftsmoderator Bill Nye zu einer Veranstaltung über die MarsRover eingeladen hatte, verrät uns dieses Kalibrierungsziel sogar die Uhrzeit. Nye warf nur einen Blick auf die Form des Ziels und sagte: „Es ist eine Sonnenuhr!“ Und da er sowohl ein Fan von Sonnenuhren als auch Ingenieur ist, half er dabei, das Ziel in eine zeitmessende „Mars-Sonnenuhr“ zu verwandeln.

freien Natur in seinen Bann gezogen hat. Er war zuständig für die einzigartigen Panoramakameras der NASA-Sonden Spirit und Opportunity, die 2004 auf dem Mars landeten und noch immer bemerkenswerte Bilder zur Erde senden. Mit Weltraumkameras die richtigen Farben einzufangen, ist ein schwieriges Unterfangen, erzählt Bell. Aber man kann ein Objekt mitschicken, dessen Farben man kennt und dann Bilder davon in der neuen Landschaft aufnehmen. Wenn bei der Verarbeitung des Fotos die „bekannten“ Farben richtig herauskommen, dann kann man annehmen, dass auch die „unbekannten“ der Realität entsprechen. Die Mars-Rover führten Kalibrierungsziele mit Grauskalen, Farbfeldern sowie einen Schatten werfenden Stab mit sich, um die Messung der Farbeffekte im Tageslicht des Mars zu erleichtern. Dies ermöglichte es Bell und seinem Team, präzise Bilder vom lachsrosa Marshimmel und den grauorangen Schatten zu erstellen.

Ansicht vom Mars, aufgenommen vom MarsRover Opportunity, 2012 Man erkennt die Schatten, die der Rover und die „Mars-Sonnenuhr“ unten links in der untergehenden Sonne werfen.

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ChromGELB

EINE FARBE AUS SIBIRIEN

Iris (Schwertlilien) von Vincent van Gogh, 1889 Van Gogh ließ sich vom japanischen Farbholzschnitt inspirieren, der wiederum entscheidend durch die Farbe Preußischblau geprägt wurde, die bis nach Japan gelangt war.

„Mein lieber Theo, es nützt einfach nichts, zu glauben, dass ich völlig gesund bin“, schrieb Vincent van Gogh aus Frankreich an seinen Bruder, kurz nach jener Nacht Ende 1888, in der er sich das Ohr abgeschnitten und dann einer Prostituierten namens Rachel in seinem Lieblingsbordell geschenkt hatte. Als van Gogh um das Jahr 1881 mit seiner künstlerischen Arbeit begann, verwendete er Ocker- und dunkle Olivtöne, um Feldarbeiter in trostlosen holländischen Landschaften zu

porträtieren. 1886, im Alter von 32 Jahren, ging er jedoch nach Paris. Zunächst war er enttäuscht über die Impressionisten. „Man hört von den Impressionisten und bildet sich schon im Voraus eine hohe Meinung über sie“, schrieb er an Theo. „Und wenn man sie dann zum ersten Mal sieht, ist man bitter enttäuscht – man findet es schlampig, hässlich, schlecht gemalt, schlecht gezeichnet, schlecht in den Farben, ganz erbärmlich.“ Er blieb dennoch in Frankreich und freundete

sich mit einigen der Künstler und auch mit Père Tanguy an, einem Farbenhändler in der Rue Clauzel. Tanguy verkaufte Farben an die meisten Impressionisten, und wenn sie kein Geld hatten, nahm er auch ihre Bilder als Bezahlung an. Van Gogh änderte schließlich seine Meinung über die Impressionisten und entwickelte die Vorstellung, dass „die Farbe selbst etwas ausdrückt“. Er war sich nicht ganz sicher, was das war, aber sein späteres Werk

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war in gewisser Weise der Versuch, dies herauszufinden. Er trug Chevreuls Buch immer bei sich und experimentierte tatkräftig mit dessen Ideen über die seltsamen optischen Täuschungen, zu denen es kommt, wenn man Farben nebeneinander betrachtet. Die Entdeckung des Direktors der Gobelin-Manufaktur, dass durch das Verdrehen verschiedenfarbiger Fäden derselbe Effekt erzeugt wird wie beim Mischen von Farben, faszinierte ihn so sehr, dass er in einer lackierten Schachtel Wollfäden in verschiedenen Komplementärfarben aufbewahrte. Fünf Monate nach der seltsamen Nacht, in der er sich das Ohr abgeschnitten hatte, wies sich van Gogh selbst in die Nervenheilanstalt von Saint-Rémy in Südfrankreich ein. Dort standen ihm Farben und Leinwände zur Verfügung, und als Therapie malte er immer wieder seine Lieblingsbilder, eine Version nach der anderen. Innerhalb dieses einen Jahres, das er in Saint-Rémy verbrachte, schuf er ungefähr 150 Gemälde. In der ersten Zeit

musste er auf dem Anstaltsgelände bleiben, aber als sich sein Zustand zu stabilisieren schien, durfte er dieses auch verlassen. Als er 1889 eines Tages einen Spaziergang außerhalb der Anstalt unternahm, entdeckte er in einem Bauerngarten ein Blumenbeet mit blauen Schwertlilien und gelben und orangefarbenen Ringelblumen in einer rötlichen, feuersteinhaltigen Erde. Er mochte Schwertlilien. Sie hatten diese Kombination aus Gelb und Blau, die für ihn das Schönste auf der Welt war, und so malte er sie immer und immer wieder. „Es gibt kein Blau ohne Gelb und ohne Orange“, schrieb er an seinen Bruder Theo. „Und wenn man Blau ins Bild setzt, dann muss man auch Gelb und Orange hinzufügen, oder?“ Die Studentenblumen an der linken oberen Ecke bilden einen Kontrast zu dem tiefen Violettblau der Schwertlilien. Und wenn man die grünen Blätter betrachtet, so kann man sehen, dass sie sich sogar bei den einzelnen Pflanzen unterscheiden. Im Vordergrund gehen sie mehr ins Bläuliche, weiter hinten mehr ins

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Gelbliche. In einem Gemälde, in dem keine normalen Schatten oder abgestuften helleren oder dunkleren Schattierungen vorhanden sind, stellt van Gogh Tiefe und Entfernung allein mithilfe der reinen Farbe dar. Bald danach erlitt der Maler regelmäßig psychotische Anfälle. Bei einem davon versuchte er scheinbar, chromgelbe Ölfarbe zu schlucken, die er sich direkt aus der Tube in den Mund gedrückt hatte. Chromgelb ist stark bleihaltig und hochgiftig und war seiner geistigen Gesundheit sicher alles andere als zuträglich.

Die Entdeckung der Chromfarben Im Jahr 1762 wurde in Sibirien ein orangerotes Mineral gefunden, das man nach dem griechischen Wort für Safran (krókos) als „Krokoit“ bezeichnete, weil seine Farbe der von getrockneten Safranfäden ähnelt. 1797 fand der französische Chemiker Louis Nicolas Vauquelin heraus, dass Krokoit ein nie zuvor entdecktes Element enthält. Er nannte es (nach dem griechischen Wort für Farbe) „chromium“, da es auf Säure und Alkali mit wirklich ungewöhnlichen Verfärbungen reagiert. In Kontakt mit Säure entwickelt es eine kräftige zitronengelbe Farbe, während es mit Alkali ein leuchtend orangefarbenes Pigment ergibt. Diese Pigmente wurden als „Chromgelb“ und „Chromorange“ bezeichnet. Chromfarben waren sofort heiß begehrt. Im 20. Jahrhundert wurde Chromgelb in den Vereinigten Staaten für Schulbusse und Straßenschilder verwendet, weil eine schwarze Schrift auf gelbem Grund sehr gut lesbar ist.

Nachtcafé von Vincent van Gogh, 1888

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Der Emir von Buchara von Sergei Prokudin-Gorski, 1911 Während die Franzosen mit dem Autochromverfahren experimentierten, beschäftigten sich deutsche Wissenschaftler in Berlin mit der Weiterentwicklung von James Clerk Maxwells Dreifarbenmethode. Im Jahr 1909 erhielt der russische Fotopionier Sergei ProkudinGorski von Zar Nikolaus II. die Genehmigung, das ganze Zarenreich in Farbaufnahmen zu dokumentieren. Dazu verwendete er eine Kamera, die er in Berlin kennengelernt hatte. Sie nahm drei monochrome Negative auf, jeweils durch einen unterschiedlichen Farbfilter, die dann im Studio zusammengesetzt werden konnten. Das Resultat waren noch nie da gewesene Impressionen aus dem vorrevolutionären Russland in über 10 000 Farbfotografien, darunter auch dieses erstaunliche Porträt des Emirs von Buchara, das im heutigen Usbekistan an der ehemaligen Seidenstraße liegt.

Patentblau, Tartrazin und Bengalrosa MIT DER KARTOFFEL ZU HERRLICHEN FARBEN Der schottische Physiker James Clerk Maxwell stellte 1861 das erste Farbfoto her, indem er ein mehrfarbiges Tartanband dreimal fotografierte – nämlich jeweils durch einen blauen, roten und grünen Filter. Die hierdurch entstandenen drei Diapositive waren „Farbtrennungen“, die zusammengesetzt ein vollständiges Farbbild ergaben. Im Jahr 1878

veröffentliche das „Musée du Louvre“ in Paris das erste Buch, in dem Farbfotografien abgebildet waren. Der Trick lag hier allerdings weniger in der Aufnahme als vielmehr im Druck, bei dem für jedes Bild bis zu zwölf Farbtrennungen verwendet wurden. Und mit einem Stückpreis von 300 Francs (was heute einem Betrag von fast 16 000 Euro entsprä-

che) war das Buch so teuer, dass nur ein paar Hundert Exemplare produziert wurden. Diese Erfindungen waren zwar interessant, aber die von vielen erhoffte Kamera, mit der man Farbfotos machen konnte, gab es noch nicht. Die französischen Brüder Auguste und Louis Lumière, die bereits durch die Erfindung der bewegten Bilder (und die Begrün-

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Goldene Tischuhr in Form einer Lyra, Farbaufnahme der Brüder Lumière, um 1898

Stillleben mit chinesischer Ziervase von Frederick S. Dellenbaugh, um 1910

dung der Filmindustrie) reich geworden waren, sollten jedoch eine Lösung finden – und zwar mithilfe der Kartoffel. Indem sie Stärkekörnchen aus Kartoffeln unterschiedlich einfärbten (in Rotorange, Blauviolett und Grün) und dann willkürlich vermengten, fanden die Brüder heraus, dass jedes Körnchen die Farbe beibehielt, in der es gefärbt worden war. Miteinander vermischt, bildeten sie eine Substanz, die wie drei Farbfilter zugleich wirkte. Die Körnchen waren so winzig, dass etwa eine dreiviertel Million auf einen Quadratzentimeter passte. Die Brüder verteilten sie in einer Schicht auf einer Glasplatte, füllten dann die Zwischenräume mit Schwarzpulver aus und bestrichen die andere Seite der Platte mit einer lichtempfindlichen Emulsion. Anschließend steckten sie die Platte vorsichtig in einen lichtundurchlässigen Kasten hinter der Kamera und belichteten sie vor einem farbigen Motiv. Das Ergebnis ähnelte weniger einem Foto als einem Dia – es sah aus wie eine Glasscheibe mit einem bunten Bild in der Mitte. Die Herausforderung für die Lumière-Brüder bestand nun darin, wirklich kräftige Farbstoffe zum Einfärben zu finden, die nicht so rasch wieder

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Kitty Stieglitz von Alfred Stieglitz, 1907

verblassten. Und die Aufstellung der Farbstoffe, die bei den ersten Autochromkameras eingesetzt wurden, liest sich tatsächlich eher wie eine Einkaufsliste für bunte Lebensmittel und Arzneien. Das Grün war eine Mischung aus Patentblau (womit zum Beispiel der CuraçaoLikör gefärbt wird) und Tartrazin (das auch heute noch in gelbem Fertiggebäck zu finden ist). Das Blau bestand aus Enzianblau (das für Kugelschreiber und Tintenstrahldrucker verwendet wird). Und für den kräftig leuchtenden Rotton mischten Auguste und Louis Lumière gelbes Tartrazin mit Bengalrosa (das Augenärzte noch immer zur Sichtbarmachung von kleineren Augenschädigungen nutzen) und Erythrosin (ein Farbstoff unter anderem in Cocktailkirschen und Eis am Stiel). Als der New Yorker Fotograf Alfred Stieglitz im Juni 1907 die große Enthüllung der neuen „Autochrom“-Technik im Pariser Fotoklub miterlebte, war er von den Ergebnissen fasziniert. „Die Möglichkeiten dieses Verfahrens scheinen grenzenlos zu sein“, schrieb er in einem Artikel für die Zeitschrift London Photography. „Alle sind überrascht von der verblüffend realistischen Farbwiedergabe, der wunderbaren Lichtstärke der Schatten – diesem Ärgernis für den Schwarz-Weiß-Fotografen –, die endlose Abstufung der Grautöne und die Fülle der kräftigen Farben. Kurz gesagt, die Welt wird schon bald verrückt nach Farben sein – und Lumière ist daran schuld.“ Stieglitz kaufte mehrere Autochromplatten, machte eine Reihe von Aufnahmen von seiner Frau Emmeline und seiner Tochter Kitty mit verschiedenen Requisiten (Kitty in einem blauen Kleid, Kitty mit einem Schmetterlingsnetz, Emmeline mit roten Blumen und anderes) und brachte die neue Technik mit nach New York. Und obwohl das Autochromverfahren nie zu einem so großen Erfolg werden sollte, wie es Stieglitz und die Brüder Lumière vorausgesagt und erhofft hatten, war die amerikanische Kunstwelt tatsächlich eine kurze Zeit lang ganz versessen auf diese Farbaufnahmen.

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KadmiumGELB

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MIT KANDINSKY FARBEN HÖREN

Als 1895 die erste Ausstellung der Impressionisten in Moskau stattfand, war unter den Besuchern auch ein 29-jähriger Jurist namens Wassily Kandinsky. Er betrachtete einen der Getreideschober von Monet, und plötzlich hatte er eine Offenbarung. Das Gemälde gefiel ihm nicht. „Im Katalog stand, dass es ein Getreideschober war. Ich konnte ihn nicht als solchen erkennen. Aber ich erkannte die ungeahnte Kraft der Farben, die mir zuvor verschlossen gewesen war und die alles überstieg, was ich

mir erträumt hatte.“ Zum ersten Mal in seinem Leben, so Kandinsky, hatte er ein Bild wirklich „gesehen“. Und diese Erfahrung, die Welt auf andere Weise wahrzunehmen, veränderte sein Leben. Ein Jahr später war er nach München gezogen, um seinen Traum von einem Leben als Künstler zu verwirklichen. Und tatsächlich sollte er zu einem der berühmtesten abstrakten Maler aller Zeiten werden. Im Jahr 1911 hatte Kandinsky eine zweite Offenbarung – dieses Mal im Konzertsaal, als er

eine Komposition des österreichischen Komponisten Arnold Schönberg hörte. Zu jener Zeit hatte sich Schönberg bereits von der traditionellen Komposition abgewandt, um Musik zu erschaffen, die es dem Zuhörer ermöglichen sollte, „seine Fantasie vom Spiel der Farben und Formen treiben zu lassen“. Seine Musik wurde von vielen empört abgelehnt (1913 kam es bei einem Schönberg-Konzert in Wien sogar zu Ausschreitungen), aber Kandinsky war begeistert. Er ging nach Hause und malte, was

Impression III (Konzert) von Wassily Kandinsky, 1911

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er „gehört“ hatte. Das Bild war ein Wendepunkt in der Geschichte der Farbe in der Kunst. Es zeigt einen Konzertflügel in Form eines schwarzen Kastens, umgeben von einem Feld der Musik, die Kandinsky an jenem Abend gehört hatte. Und all diese Musik ist gelb. Aber nicht ein Gelb, sondern eine Mischung aus Gelbtönen, Schwarz und möglicherweise Grün: ein Konzert des Lichts. Kandinskys Farbpalette umfasste mindestens drei Gelbtöne: gelben Ocker, Chromgelb und eine andere industriell hergestellte Farbe, nämlich Kadmiumgelb, das 1817 entdeckt worden war und ungefähr seit 1840 als Pigment verwendet wurde. Es enthält dieselbe giftige Chemikalie, die auch in Batterien eingesetzt wird. Wahrscheinlich war Kandinsky Synästhetiker. Das heißt, sein Gehirn könnte Dinge miteinander assoziiert haben, zwischen denen die meisten Menschen keine Verbindung sehen. Manche Synästhetiker „schmecken“ Zahlen, andere „hören“ Farben und wieder andere nehmen Farben als Formen wahr (für Kandinsky war die Form eines Dreiecks eigentlich ein Gelb, Vierecke waren rot und Kreise blau). Der norwegische Maler Edvard Munch stellte sich einen Schrei der Verzweiflung in Form von vorwiegend roten, gelben und blauen Wirbeln vor. Und der finnische Komponist Jean Sibelius wurde einmal gefragt, welche Farbe sein Holzofen haben sollte. Er antwortete: „F-Dur“, und der Ofen wurde wunschgemäß dunkelgrün gestrichen. Anfang des 20. Jahrhunderts war es in Mode, Synästhetiker zu sein: Es schien so, als ob jeder, der etwas war oder sein wollte, plötzlich mit ganz gewöhnlichen Reizen außergewöhnliche Erfahrungen machte. Und zur selben Zeit änderten sich auch die Ansichten darüber, was Kunst war oder sein könnte. Wenn der Juni violett sein kann und ein Konzert gelb, dann liegt immerhin der Gedanke nahe, dass Künstler mehr darstellen sollten als die real sichtbare Welt. Und wie die byzantinischen Ikonenmaler ein Jahrtausend zuvor setzten die Künstler jetzt ebenfalls alle verfüg-

Sternennacht von Edvard Munch, 1893 Munch war Synästhetiker und sah Emotionen als Farben.

baren Materialien ein, um zu erforschen, was sich unter der Oberfläche der Dinge befand. Kandinskys Lieblingsfarbe war hauptsächlich Blau. „Je tiefer das Blau wird, desto mehr ruft es den Menschen in das Unendliche, weckt in ihm die Sehnsucht nach Reinem und schließlich Übersinnlichem“, schrieb er. „Je heller, desto klangloser wird es, bis es zur schweigenden Ruhe übergeht – weiß wird.“ Im Laufe des 20. Jahrhunderts haben die Künstler mit vielem gebrochen, was einst als universelle Wahrheit über das Wesen der Kunst galt. Sie wurden zu kreativen Abenteurern, die neue Wege suchten und beschritten.

Einige der größten Kunstwerke waren solche, die infrage stellten, was Kunst überhaupt ist. Und manche Kunst hatte ganz bewusst nicht die Absicht, irgendetwas zu erforschen. Sobald man zu wissen glaubte, was Kunst ist, bewies ein anderer, dass man sich irrte. Hinzu kam, dass mit einem Mal eine unüberschaubare Menge verschiedenster Farbtöne und Malfarben verfügbar war. Damit änderte sich die Geschichte der Farben in der Kunst von einer Geschichte der Knappheit zu einer Geschichte des Überflusses. Es war von allem so viel vorhanden, dass die Künstler das Besondere neu definieren mussten.

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Und wie wäre es, wenn man auf einem Bild keinen Flügel, keine Menschen und überhaupt keine „Dinge“ sehen könnte – wenn der einzige Gegenstand des Gemäldes die Farbe selbst wäre? Im Laufe der Kunstgeschichte haben Maler häufig einzelne Bereiche mit fast nur einer Farbe gestaltet: die schwarzen Flächen bei Manet, van Dycks braune Hintergründe, Tizians ultramarinblaue Himmel. Gainsboroughs Knabe in Blau war ein Experiment darüber, wie eine große Menge von Blau auf der Leinwand wirkt. Die Künstler fügten jedoch immer noch andere Farben hinzu, so dass insgesamt etwas entstand, das der Betrachter als ein „Bild“ erkannte. Mitte des 20. Jahrhunderts begannen die Künstler sich zu fragen, wie es wohl wäre, wenn man sich auf eine oder zwei Farben beschränken würde. Könnte man damit überhaupt etwas darstellen? Wenn man ohne jede Vorstellung zu malen anfinge und die Farben einfach auf eine beliebige Weise auftrüge, so glaubten sie, könnte etwas Interessantes aus dem Unterbewusstsein hervortreten. „Ein Gemälde ist nicht das Bild einer Erfahrung, es ist eine Erfahrung“, erläuterte der amerikanische Maler Mark Rothko, ein Vertreter des Abstrakten Expressionismus. Angesichts seiner Gemälde, die aus riesigen Feldern reiner Farbe bestehen, erscheint es ziemlich kurios, dass sich Rothko eigentlich gar nicht für die Farbe selbst interessierte. Wie er behauptete, nutzte er sie nur, weil er keine andere Wahl hatte; denn ihm lag noch weniger daran, Bilder von Dingen zu malen. „Wenn es keine Linie mehr gibt, womit kann man dann noch malen?“, fragte er einmal. Rothko interessierte sich mehr dafür, wie die Dinge in diesem Augenblick aussahen, als dafür, wie sie sich in der Zukunft veränderten. Er verwendete viele der relativ neuen Pigmente aus Steinkohlenteer. Eines davon war Litholrot. Es wurde 1899 erfunden und ergab eine kräftige Primärfarbe, die hauptsächlich für kostengünstige Drucksachen zum Einsatz kam. Sie war nicht dafür vorgesehen, länger zu halten, als Mark Rothko, Fotografie von Hans Namuth, 1964

LitholROT

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EINE UNENDLICHE REISE DER FANTASIE

es für Tageszeitungen oder Wochenillustrierte nötig war. Rothko testete auch nie, ob die Farbe lichtbeständig war – und sie war es nicht. Er nutzte sie für eine Serie von fünf Bildern, die er als ein Geschenk für die Harvarduniversität malte und die in einer sonnigen Mensa aufgehängt werden sollte. Sie war überwiegend in Karminrot (der Schulfarbe von Harvard) gehalten und sollte die Passion Christi darstellen. Die dunklen litholroten Töne repräsentierten das Leiden Christi und die helleren die Auferstehung. Man muss sich allerdings auf Rothkos Wort verlassen, denn die meisten Rottöne sind jetzt hellblau. Anscheinend kann man heute anhand der Stärke der Blautöne sogar den täglichen Weg der Sonne durch den Raum nachvollziehen. Die Bilder werden mittlerweile in einem Depot gelagert, doch ein Team von Konservatoren plant, sie in einem radikalen Experiment zu „restaurieren“. Und zwar sollen sie mit einem speziell gefilterten Licht bestrahlt werden, so dass wieder der Eindruck der Originalfarbe entsteht.

In den 1990er-Jahren sprach ich mit Peter Boris von der Pace Gallery in New York, die Rothkos Werke ausstellt. Für ihn sind sie nicht einfach nur Gemälde, sondern ähneln vielmehr Passagen, Korridoren oder dem Raum, den man sich zwischen null und eins vorstellen könnte: „Wenn du davorsitzt, führt dich die Farbe an einen Ort in deiner eigenen Wahrnehmung, den du nicht sehen, sondern nur fühlen kannst.“ Er sagte, es sei unmöglich, dies mit Worten zu beschreiben, und riet dazu, sich vor einen Rothko zu setzen und sich für einige Zeit, vielleicht eine halbe Stunde lang, darauf zu konzentrieren. Auch ich habe das später versucht, auf einer Bank, umgeben von acht riesigen schwarzbraunen Rothko-Bildern, die alle zusammen in einem Raum von Tate Britain in London hingen. Nach einer Weile schienen sie keine Bilder mehr zu sein, sondern sahen eher aus wie Fenster in einer Kapelle bei Einbruch der Nacht. Und Boris hatte recht – es war eine Erfahrung, die man nicht mit Worten beschreiben kann.

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Internationales Klein BLAU NICHT JEDERMANNS BLAU

Im April 1958 lud ein aufstrebender französischer Künstler die Pariser High Society zu einer Ausstellungseröffnung. Uniformierte Wächter standen vor dem Eingang der Galerie, deren Fenster mit einem speziellen intensiven Blau bemalt und verhangen waren. Aber innen ... innen ... war gar nichts – nur ein leerer Raum mit unberührten weißen Wänden. Kein einziges Gemälde war dort zu sehen, und der Abend endete beinahe in einem Tumult. Hätten die Gäste ihre Einladungskarten genau gelesen, hätten sie es vielleicht erahnen können. Denn die Ausstellung trug den Namen Le Vide („Die Leere“). Und die Geschichte des Künstlers, der sich das ausgedacht hatte, ist eine der größten Geschichten über die Farbe in der Kunst im gesamten 20. Jahrhundert. Yves Kleins Mutter war so unkonventionell, dass sie keine Zeit hatte, ihr Kind großzuziehen, und daher verbrachte der kleine Yves einen großen Teil seiner Kindheit bei seiner Tante in Südfrankreich. Er schwänzte die Schule und fiel bei den meisten Prüfungen durch. Im Sommer 1947 – er war gerade einmal 19 Jahre alt und träumte von Abenteuern – saß er mit seinen beiden Freunden Claude Pascal und Armand Fernandez an einem Strand an der französischen Riviera. Sie malten sich aus, wie sie die Welt unter sich aufteilen würden. Ich möchte das Land haben, sagte Armand, der Künstler werden sollte. Und Claude, der angehende Dichter, beanspruchte alle Worte für sich. Und Klein? Er bekam den Himmel und seine Unendlichkeit. Die Freunde hatten den ausgefallenen Traum, auf Pferden nach Japan zu reiten. Klein und Pascal verbrachten sogar einige Zeit in Irland, um dort reiten zu lernen. Wie Klein in

Blauer Globus von Yves Klein, 1962

seinem Tagebuch vermerkte, ernährten sie sich dort monatelang nur von Nudeln. Und obwohl sie so gut wie kein Geld hatten, gingen sie auch nach England, Spanien und Japan, lernten die Landessprachen und trainierten Judo. 1954 war Klein mit einem schwarzen Gürtel der vierten Stufe Inhaber des höchsten Judo-Grads in ganz Frankreich. Aber der französische Judoverband erkannte den in Japan erworbenen Titel nicht an. Da Judo ihn also nicht reich machen würde, beschloss er, Künstler zu werden. Seine Eltern waren beide Künstler, so dass er damit schon etwas Erfahrung hatte. Er konnte zwar nicht richtig zeichnen – doch das muss man vermutlich gar nicht, wenn man sich auf

Monochromen konzentriert, auf Bilder in einer einzigen Farbe. Am Anfang bestand nur das ‚kleine‘ Problem, dass er noch überhaupt keine Werke vorweisen konnte. Aber das war schnell aus der Welt geschafft: Er dachte sie sich einfach aus. Er veröffentlichte ein Büchlein mit dem Titel Yves Peintures („Yves Gemälde“), das neben einem Vorwort von Pascal zehn farbige Abbildungen enthielt. Sie zeigten einfarbige Rechtecke, die so aussahen, als wären es monochrome Gemälde, mit Bildtiteln, die den vermeintlichen Entstehungsort andeuteten – Tokio, Paris, Madrid. Natürlich existierte kein einziges davon. Das Buch selbst war

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Ludwig XII. von Frankreich kniet zum Gebet von Jean Bourdichon, 1498–99 Yves Klein schwärmte für die Kombination aus Ultramarinblau und Gold, die bereits in der Renaissance so beliebt war.

ein „Kunstwerk“, und was es zeigte, war die Illusion der Kunst. Das erste Werk, das Klein 1955 beim „Salon des Realités Nouvelles“, der ersten Pariser Adresse für abstrakte Kunst, einreichte, war ein orangefarbenes Monochrom. Es wurde abgelehnt. „Wenn Yves bereit wäre, wenigstens eine kleine Linie oder einen Punkt oder selbst nur einen Tupfer in einer anderen Farbe hinzuzufügen, dann könnten wir es ausstellen. Aber eine einzige Farbe, nein, nein, wirklich nicht; das ist nicht genug, es ist unmöglich!“, teilte ein Mitglied des Salons Kleins Mutter mit. In einem Gemälde musste eine Farbe gegen eine andere gesetzt werden. Es konnte nicht nur eine Farbe haben. Klein sollte ihm beweisen, dass er unrecht hatte. Die ersten Klein-Monochromen waren grün, rosa, gelb und natürlich orange. 1957 stellte er jedoch fest, dass Blau, die Farbe des Himmels über der Riviera, seine eigentliche Farbe war. Er begann, Objekte zusammenzutragen – weiße Leinwände, Gipsabgüsse von

Skulpturen, die im Louvre als Souvenirs angeboten wurden, eine Kopie von Michelangelos Sterbender Sklave –, und besprühte sie alle mit demselben französischen Ultramarinblau, das er von seinem Farbenhändler in Paris mit einem neuen Bindemittel namens Rhodopas M60A vermischen ließ. Er entschied sich dafür, weil es das Pulver haften ließ, ohne dessen Farbkraft zu schwächen, so dass die Farbe wie eine samtig matte Fläche erschien, tief genug, um darin zu baden. Klein gab der Farbe seinen eigenen Namen: IKB (Internationales Klein Blau). Genau genommen war das, was er bezeichnet hatte, das Verfahren, aber jeder glaubte, er habe die Farbe selbst benannt. Wenn man etwas recherchiert, findet man wahrscheinlich Berichte darüber, dass Klein die Farbe sogar patentieren ließ, was ein weiterer Irrglaube ist. Es war auf jeden Fall unerhört, eine Farbe nach sich selbst zu benennen (auch wenn es in Wirklichkeit das Verfahren war), doch genau das war Kleins Absicht – sich selbst darzustellen. Und die Farbe war wirklich spektakulär. Sie besaß diesen intensiven violetten Ton, den die Künstler der Renaissance so sehr geschätzt hatten. Zu Kleins Genie gehörte es auch, die Bedeutung des Seltenheitswerts zu erkennen. Wenn man jede beliebige Farbe bekommen kann, die man will, in jedem Bindemittel, das man sich wünscht, wären die Farben nichts Besonderes mehr. Sie wären keine offensichtlichen Symbole mehr für bestimmte Werte oder Spiritualität, was in der Vergangenheit einmal so wichtig gewesen war. Und indem Klein einer Farbe Seltenheitswert und ein wenig Einzigartigkeit verlieh und ihre Herstellung zu einer Art Mysterium machte, entdeckte er eines der großen Geheimnisse in der Geschichte der Farben in der Kunst – neben den Effekten und Kontrasten, den komplementären Gegensätzen und der Farbsättigung. Es lautet: Sobald Farben etwas bedeuten, haben sie eine größere Wirkung. Yves Klein schenkte der Kunstwelt „seine“ Farbe – und die Erfahrung, im Geiste in ein reines, ungesättigtes Blau einzutauchen.

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Wissenswertes über Blau • Blau wurde erst im 20. Jahrhundert zur „traditionellen“ Farbe für Jungen. Vorher war Rosa ebenso beliebt. • Picassos „Blaue Periode“ dauerte von 1901 bis 1904. In dieser Zeit malte er alle seine Bilder fast vollständig in Blau oder Blaugrün. Er sagte, der Grund dafür sei seine depressive Verstimmung nach dem Selbstmord eines Freundes gewesen. • Der berühmte Filmregisseur Alfred Hitchcock gab einmal eine Abendgesellschaft, bei der nicht nur die gesamte Einrichtung wie Blumen, Tischdecken, Geschirr und Besteck, sondern auch alle Speisen blau gefärbt waren, einschließlich der Steaks. „Oh, wie interessant“, sagte er und griff zur (blauen) Gabel.

Er schenkte ihr aber ebenso seine eigene Geschichte, die immer experimenteller wurde, bis hin zu nackten Modellen, die sich selbst mit seinem IKB einstreichen und dann auf Papier wälzen sollten. All diese Elemente wurden Teil des Mythos und der Mythos wurde ein Teil der Kunst. Und in den 1950er-Jahren war dieser Mythos aus vielen Gründen willkommen. Einer davon war, dass sich durch den Atombombenabwurf der Vereinigten Staaten auf die japanischen Städte Hiroshima und Nagasaki am Ende des Zweiten Weltkriegs alles verändert hatte. Wenn der Mensch die Welt zerstören kann, was bedeutet die Welt dann noch? In diesen Nachkriegsjahren stellten die Menschen Wissenschaft, Ethik, Religion und auch die Kunst auf eine Weise infrage wie nie zuvor. Und warum sollte in dieser Zeit des Chaos nicht eine einzige Farbe Kunst sein? Warum konnte eine vollkommen leere Galerie keine Kunst sein? Schließlich stand die ganze Welt kopf.

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Orange 36 und Violett 19

Superman kam 1938 vom Planeten Krypton auf die Erde herab und landete gerade zu der Zeit in den Vereinigten Staaten, als die Nationalsozialisten in Europa ihre Macht konsolidierten. Batman, Captain Marvel und Wonder Woman folgten ihm 1939, 1940 und 1941 rasch nach. Als sich der Zweite Weltkrieg ausbreitete, bestand ein deutlicher Bedarf an einer neuen Art von Helden und Heldinnen. Wenn eine „Achse des Bösen“ versuchte, die ganze Welt zu übernehmen, dann wollten die

LICHTENSTEIN UND DER AUFSTIEG DER SUPERHELDEN

Menschen an jemanden glauben, der vielleicht die Kraft hatte, uns alle zu retten Aus diesem Grund wurden die Superhelden erschaffen. Dass sie jedoch – kostengünstig und in Farbe – massenweise verbreitet werden konnten, lag daran, dass der Farbdruck erschwinglich geworden war. Comics waren für jeden zu haben. Und die billigen Farben, mit denen sie gedruckt wurden und zu denen unter anderem das von Rothko so unbedacht verwendete Litholrot gehörte, lieferten eine

breite Palette leuchtender Primärtöne mit kräftigen schwarzen Konturen und weißen Akzenten, die von Generationen von Kindern und Jugendlichen wiedererkannt und geliebt wurden. Auch der amerikanische Künstler Roy Lichtenstein war ein Comic-Fan, als er in den 1930er- und 1940er-Jahren in New York aufwuchs. Ihm gefielen ihre klaren Linien und bunten Farben, er mochte die Abenteuer der Superhelden – und er liebte diese lustigen

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Rechts: Titelblatt der ersten Ausgabe der Action Comics, in der die Superman-Figur ihren ersten Auftritt hatte, Juni 1938

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Benjamin Day und der Penny-Press-Druck Die „Benday Dots“ sind nach Benjamin Day benannt, dem Sohn von Benjamin

Whaam! von Roy Lichtenstein, 1963

Henry Day, der die Zeitung New York Sun gründete. Der junge Ben war Künstler, hatte in Paris studiert und arbeitete später als Illustrator für Magazine wie Harper’s. Dabei kam er auf die Idee, dass es auch möglich sein müsse, für günstige Zeitungen und Zeitschriften (genannt „Penny Press“, da sie für nur einen Penny verkauft wurden) billig Farbdrucke herzustellen. Sein 1879 eingeführtes Verfahren war von der Methode inspiriert, nach der bisher Schwarz-Weiß-Fotos in Zeitungen abgedruckt wurden und bei der man Grautöne auf verschieden große Punkte reduzierte. Days Erfindung war allerdings etwas

„Benday Dots“ (Benday-Punkte), aus denen sie bestanden. Sie hießen so, weil sie in den 1870er-Jahren von Benjamin Day erfunden worden waren, und seit den frühen 1950erJahren zeigte Lichtenstein seine Liebe zu den Comics, indem er sie parodierte. Viele Sujets seiner Gemälde übernahm Lichtenstein direkt von den Comics. Er entwickelte seine eigene Version der „Benday Dots“, indem er große, einfarbig gemalte Punkte in festen Rastern anordnete. Die absichtliche

Ironie bestand darin, dass die Bilder aussahen, als seien sie nur billige Drucke, tatsächlich aber wochenlange Arbeit erforderten. Und sie verkauften sich für Millionen! Im Jahr 2010 erzielte sein Pop-Art-Gemälde von 1964, auf dem eine rothaarige Frau mit Telefonhörer abgebildet ist, die gerade „Ohhh... Alright...“ sagt, bei Christie’s in New York den erstaunlichen Preis von 42,6 Millionen US-Dollar (31,3 Millionen Euro). Drei Jahre später brachte das Lichtenstein-Werk Woman with Flowered Hat (Frau mit Blumenhut), eine Parodie auf Pablo Picassos kubistische Phase, die Rekordsumme von über 56 Millionen US-Dollar (43,4 Millionen Euro) ein. Aber warum wurden diese Gemälde als große Kunst betrachtet oder zumindest als überaus wertvolle Kunstwerke? Sie waren ausdrucksvoll und ironisch, in klaren Linien und einfachen Farben gehalten – und sie riefen bei den Käufern, wie viele andere von Lichtensteins Gemälden, Erinnerungen an jene glücklichen Kindheitserlebnisse wach, als man mit einem Comic der tristen Alltagswelt entschlüpfte.

komplizierter. Er verwendete vier Platten mit Punkten – in Schwarz, Magenta, Zyanblau und Gelb –, die abwechselnd übereinandergedruckt wurden. Kleine, weit auseinanderliegende Punkte ließen die Farbe heller erscheinen, näher aneinandergesetzte Punkte wirkten dunkler. Und zwei Farben übereinander ergaben Grün, Violett, Orange oder Rosa. Als in den 1930er-Jahren bunte Comics populär wurden, lag es nahe, ihnen mit Ben Days Punkten die nötige Farbe zu verleihen. Nahaufnahme von Benday-Punkten

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Wissenswertes über Orange • Als die Niederländer 1673 im Dritten Englisch-Niederländischen Krieg die Kolonie, in der das heutige New York lag, kurzzeitig eingenommen hatten, wurde die Stadt New Orange genannt. • Orange ist eine Warnfarbe. Gefährliche Maschinenteile werden extra in dieser Farbe lackiert. • Die Buddhisten in Nepal schütten orange Farbe über ihre weißen Sakralbauten, die heiligen Stupas, um zu zeigen, dass sie im Tempel eine Spende geleistet haben. • Alexander der Große wusch sein Haar mit Safran, um ihm eine goldene Färbung zu verleihen. • Orangefarbene Nahrungsmittel verbessern die Sicht im Dunkeln. Karotten, Orangen, Papayas, Kürbisse, gelbe Paprika, Steckrüben und Aprikosen enthalten Karotinoide, die sich in Vitamin A verwandeln, das notwendig ist, um bei schwachem Licht gut zu sehen. • Im Dezember 1999 berichtete der britische Kinderarzt Dr. Duncan Cameron, dass sich das Gesicht eines fünfjährigen Mädchens orange verfärbte, nachdem es täglich eineinhalb Liter eines Getränks namens „Sunny Delight“ zu sich genommen hatte. Der Farbstoff Betakarotin hatte sich direkt in ihrem Gesicht abgelagert.

Aber Lichtensteins Gemälde taten noch mehr als das. Es ist relativ leicht, etwas Gefälliges zu schaffen. Wie wir jedoch auf unserem kurzen Ausflug in die Geschichte der Farben in der Kunst gesehen haben, hat über alle Epochen hinweg jede „große“ Kunst auch etwas Neues über die Dinge ausgesagt, die den Menschen in jener Zeit wichtig waren. Und in den 1950er-Jahren stellte man sich unter anderem die Frage, was „echte“ Kunst ausmachte. Wenn man Kunstwerke mithilfe ständig verbesserter fotografischer und drucktechnischer Methoden leicht und billig reproduzieren konnte, warum war es dann so wichtig, das echte Werk, das Original, zu besitzen? Und warum bezahlte man so viel mehr dafür, wenn eine Kopie doch fast genauso aussah? Liegt es daran, dass das Original von einer Person berührt worden war, deren berühmter Name zehntausend Mal mehr wert ist als ein Name, den niemand kennt? Ist die Berührung das Ausschlaggebende? Lichtenstein und andere Künstler der Pop-Art („populäre Kunst“) gingen in dieser Hinsicht bis an die Grenzen. Sie „machten“ Gemälde, die sie tatsächlich überhaupt nicht berührten, außer um sie zu signieren. Lichtensteins Zeitgenosse Andy Warhol entwarf Siebdrucke der Schauspielerin Marilyn Monroe und anderer Berühmtheiten sowie von Massenartikeln wie Suppendosen, und seine Assistenten stellten davon immer wieder neue Drucke in den verschiedensten Farben her. „Ein gutes Geschäft ist die beste Kunst“, sagte Warhol einmal, für dessen Werke Millionen bezahlt wurden. Lichtenstein verbrachte indessen sehr viel Zeit in seinem Studio, um seine Gemälde zu planen und vorzubereiten. Aber vor allem in seinen letzten Jahren wurden die Bilder selbst fast vollständig von seinen Assistenten ausgeführt, deren Namen natürlich nicht auf den Werken vermerkt wurden. War das also „echte“ große Kunst? Darauf gibt es keine klare Antwort, und das ist genau die Idee, mit

der Lichtenstein spielte. „Ich wollte schon immer den Unterschied wissen zwischen einem Fleck, der Kunst ist, und einem, der keine Kunst ist“, sagte er einmal. Für seine „Benday Dots“ setzte Lichtenstein stets Ölfarben ein (denn die Farbe musste langsam trocknen, um den gewünschten Effekt zu erzeugen), doch sein bevorzugtes Malmaterial für den Rest der Leinwand waren Acrylfarben der Marke Magna. Es waren die ersten Acrylfarben, und als sie in den späten 1940er-Jahren auf den Markt kamen, pries man sie in der Werbung als „das erste neue Malmaterial seit 500 Jahren“ an. Lichtenstein liebte sie so sehr, dass er davon aufkaufte, so viel er konnte, als die Produktion eingestellt wurde. Acrylfarben wurden 1941 entwickelt, als ein New Yorker Künstler mit einem Glas Acrylharz zu den Farbenherstellern Sam Golden und Leonard Bocour kam und sie bat, ein Pigment hineinzumischen, damit er es anstelle von Ölfarbe verwenden könne. Golden und Bocour fanden eine Möglichkeit, das Pigment sehr konzentriert zu erhalten, so dass es selbst mit Terpentin verdünnt noch eine kräftige, satte Farbe ergab. Jedes Mal, wenn Bocour die Farbe anrührte, blieb ein kleiner Rest übrig, der nicht mehr in die Tube passte. „Ich wickelte ihn in etwas Wachspapier und legte ihn in diesen Korb“, erzählte er. Und in den frühen 1950er-Jahren kamen dann oft mittellose Künstler wie Mark Rothko, Barnett Newman und Willem de Kooning (der diese neuen Acrylfarben liebte, weil sie so viel schneller trockneten als Ölfarben) vorbei, um zu sehen, ob der Korb eine Kleinigkeit für sie bereithielt. Sie nannten das die „Bocour Bread Line“ („Bocours Suppenküche“). Im Jahr 2005 erhielt das Getty-Museum in Los Angeles eine große Lichtenstein-Außenskulptur aus Aluminium von 1984 mit dem Titel Three Brushstrokes (Drei Pinselstriche). Jahrelang der kalifornischen Sonne ausgesetzt, hatte die Farbe kleine Bläschen geworfen; und in den 1990er-Jahren hatte jemand versucht,

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den Schaden zu beheben, indem er die Skulptur neu anstrich, so dass sich ihre Farben nun von den Originalfarben unterschieden. Die Konservatoren entdeckten zudem, dass die bei der Restaurierung benutzte rote Farbe überhaupt keine rote Farbe war. Es war eine Mischung aus den Colour-Index-Pigmenten Orange 36 und Violett 19. (Die internationale Colour-Index-Liste war in den 1920er-Jahren erforderlich geworden, als man erkannte, wie viele beliebige Bezeichnungen es für die Farben gab.) Zusammen ergaben dieses spezielle Orange und Violett ein extrem leuchtendes Tomatenrot, das häufig in Autolacken eingesetzt wird, die starker Sonnenbestrahlung standhalten sollen. Tatsächlich hatte derjenige, der sich in den 1990er-Jahren an der Restaurierung versuchte, wohl zu einer handelsüblichen Autofarbe gegriffen. Die Frage war: Was sollte das GettyMuseum damit machen? Bei einem Kunstwerk, das gerade von dem Prozess des Malens handelt, schien es ziemlich wichtig zu sein, die Farbe korrekt wiederherzustellen. Nach einer langen Diskussion traf man schließlich eine radikale Entscheidung. Lichtenstein war zwar 1992 gestorben, aber die Konservatoren und Wissenschaftler des Getty-Museums hatten herausgefunden, dass sein Assistent, der am Original gearbeitet hatte, noch lebte und wohlauf war. Also beschloss man, die gesamte Farbe zu entfernen und die Skulptur von demselben Assistenten vollkommen neu bemalen zu lassen – und diesmal mit „echtem“ Rot, so wie es der Künstler beabsichtigt hatte: eine erste Schicht aus rotem Bleichromat, gefolgt von einem im Atelier gemischten Anstrich aus einer kadmiumroten Acrylfarbe von Magna und Polyurethan-Klarlack. Und zuletzt, um sicherzustellen, dass die Farben nicht ein weiteres Mal verblassen, fand man im Getty-Museum auch noch einen neuen Platz für diese Außenskulptur: und zwar innen. Three Brushstrokes (Drei Pinselstriche) von Roy Lichtenstein, 1984

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Der Ärger mit Rot im Freien Die ersten Briefkästen in England waren grün, bis sich die Leute beklagten, dass sie sich ständig daran stießen. Deshalb begann man 1874 damit, alle Briefkästen mit einer leuchtend roten Emaille zu überstreichen. Die Farbe verblasste jedoch rasch und wurde zu einem matten, ungleichmäßigen Rosa. Und nun beschwerten sich die Menschen über die hässliche Farbe. Es gab allerdings keine leuchtende Farbe, die Sommersonne und Winterkälte gleichermaßen überdauern konnte. Die einzige Lösung war es, die Briefkästen immer wieder neu zu lackieren. Und selbst heute, wie das Getty-Museum anhand der LichtensteinAußenskulptur feststellen konnte (die jetzt in den Innenräumen aufbewahrt wird), ist es noch fast unmöglich, eine nicht verblassende Außenfarbe zu bekommen.

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Besucher vor unbetitelten Werken des Künstlers Dan Flavin in der Londoner Hayward Gallery, 2006 In den frühen 1960er-Jahren verzichtete der amerikanische Minimalist Dan Flavin auf die Verwendung von Farben oder Fundobjekten (wie zerbeulte Blechdosen), womit er bisher seine Kunst geschaffen hatte. Stattdessen stellte er nun Kunstwerke aus bunten Leuchtstoffröhren her. Er fand heraus, dass er damit Effekte aller Art erzeugen konnte: „Wenn man eine zweieinhalb Meter lange Leuchtröhre vertikal in einer Ecke positioniert, kann man die Ecke durch das Blendlicht und den doppelten Schatten auslöschen“, erklärte er. In der Kunst ist das Licht ein Symbol für viele Dinge, aber Flavin lehnte es ab, seinem Werk zu viel symbolische Bedeutung zuzumessen. „Es ist, was es ist, und nichts anderes“, sagte er.

Malen mit Licht PIXEL ALS PI G M ENT

Im Jahr 2010 wurde der britische Künstler David Hockney zum stolzen Besitzer eines iPads der allerersten Generation. Er kaufte den Tablet-Computer von Apple direkt aus der Produktion – und nur wegen einer Software-Anwendung namens „Brushes“. Denn er wusste, wie ihm bereits bei der einfacheren Version auf seinem iPhone klar geworden war, dass sie sein ganzes künstlerisches Leben verändern würde. „Brushes“ erlaubte es dem

Künstler, mehrere Farbschichten in unterschiedlichen Transparenzgraden übereinanderzulegen. Außerdem wurden alle Vorgänge der Reihe nach gespeichert, so dass sie in einer Art Film zurückgespult, bearbeitet und korrigiert werden konnten. Auch war es dem Künstler möglich, unter Tausenden verschiedener Nuancen und Schattierungen zu wählen und so seine Bilder in allen möglichen Jahreszeiten und Lichtverhältnissen, einschließlich

fast völliger Dunkelheit, zu entwerfen. Mittels dieser Anwendung war Hockney im Grunde in der Lage, Pixel als Farben zu benutzen. Und „Brushes“ löste letztlich das ewige Problem der Landschaftsmalerei – das Problem, dass sich das Licht schneller verändert, als der Künstler malen kann. „Ich kann rasche Entscheidungen treffen“, erklärte Hockney, „und als Hintergrund jede Farbe wählen, die ich möchte, zum Beispiel ein sehr helles, transparentes Blau für den Himmel. Das kann ich in zwei Sekunden erledigen, und dann setze ich in drei Sekunden ein paar zarte Wolken darüber.“ Er brauchte sieben Monate, um die Technik zu erlernen; zuerst zeichnete er hauptsächlich mit seinen Fingern und später mit einem Computer-Stift. Ihm gefiel, wie seine Kunstwerke auf dem Bildschirm schimmerten. Sie sahen weniger wie Gemälde auf Papier oder Leinwand aus, sondern erinnerten eher an Glasmalereien. „Das wirklich Gute daran ist die Geschwindigkeit“, erzählte Hockney 2011 einem Kurator der Königlichen Akademie der Künste, Marco Livingstone. „Man kann die Dinge sehr schnell realisieren und flüchtige Lichteffekte einfangen, wie es sonst kaum möglich ist. Der Frühling ist in diesem Jahr einfach spektakulär, und ich kann ihn darstellen. Und die Winterbilder sehen wirklich wie Winter aus.“ Heute benötigen wir keine speziellen Materialien mehr, um farbenprächtige Kunstwerke herzustellen. Die Farben sind nicht länger den Reichen oder den Bewohnern von Handelsmetropolen vorbehalten. Sie müssen weder aus fernen Ländern importiert werden, noch ist eine Farbe zwingend teurer als eine

Informationen für Lesergruppen, Schulklassen und sonstige Interessierte sowie andere Quellen finden Sie unter der Internetadresse: www.getty.edu/education/brilliantcolor.

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Das Wort „Pixel“ ist eine Kombination aus den beiden englischen Wörtern „picture“ und „element“ und bedeutet also „Bildelement“. Es bezeichnet einen von Millionen winziger Lichtpunkte, die zusammengesetzt die bunten Fernseh- und Computerbilder ergeben.

andere. Wer Zugang zu einem Computer oder Tablet hat, für den sind Millionen von Farben verfügbar, mit denen er arbeiten und spielen kann. Wir haben den gesamten Regenbogen erobert, jeden Pixel seiner bunten Pracht, aber es besteht darin auch eine Gefahr. Wenn wir alles haben können, was wir wollen, wissen wir manchmal nicht zu schätzen, was wir vor uns haben. Und wenn Farben nicht mehr

Reichtum, Seltenheit, Heiligkeit, Verfall, Macht, Gesundheit oder Gefahr bedeuten, wie sie das einst taten, dann werden wir bei den vielen Schichten leuchtender 3-D-Effekte und elektrisch gefärbter Computerlichter einige entscheidende Erfahrungsebenen verlieren. Und wir werden vergessen, dass Farben in der realen Welt nicht nur Effekte sind, sondern dass sie für das Leben selbst etwas Wichtiges sein und symbolisieren können.

Yosemite I, 16. Oktober 2011 von David Hockney, 2011 Dieses iPad Bild vom Yosemite-Nationalpark wurde ursprünglich in einer Größe von etwa dreieinhalb Metern auf sechs Papierbögen gedruckt.

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Bildnachweis Abkürzungen The Getty Conservation Institute The Getty Research Institute J. Paul Getty Museum

GCJ GRI JPGM

Einband: Pigmente an einem Verkaufstand in Goa, Indien. CC 2.0. Foto: Dan Brady. Schmutztitelseite: Pigmentschaufeln von Winsor & Newton. Abbildung mit freundlicher Genehmigung von Winsor & Newton. Titelseite: Byzantinisch, aus L’Ornement Polychrome von Auguste Racinet. Lithografie von Jetot, 1869–87, GRI 84-B13277. S. 7: Detail einer Achatschale, römisch, 1.–2. Jahrhundert v. Chr.; Achat, H: ca. 4 cm. JPGM 72.AI.38. S. 8: Höhle von Lascaux, obere Felsbilder aus der jüngeren Altsteinzeit, um 15000 v. Chr.; Foto: Sisse Brimberg/National Geographic Creative. S. 9, oben: Zwei Jungen (Entdecker der Höhle von Lascaux) und Robot (Hund), Frankreich, 1940. S. 9, unten: Höhlenmalerei aus der jüngeren Altsteinzeit, Darstellung eines ausgestorbenen Steppenbisons in der Höhle von Altamira, Spanien. Bildarchiv Steffens/Henri Stierlin/The Bridgeman Art Library. S. 10, oben: Handabdrücke in der Cueva de las Manos, in der Schlucht des Río Pinturas, nördlich der Kleinstadt Perito Moreno in der Provinz Santa Cruz, Argentinien, um 11000–7000 v. Chr.; CC 3.0. Foto: Mariano. S. 12: Foto eines Pukumani-Pfahls, Darwin Airport, Australien, 2011. Foto © Steve Passlow. S. 13: Trockenes Flussbett mit Ocker – ein „natürlicher Malkasten“, Jumped Up Creek, Beswick, Australien, 2000. Foto mit freundlicher Genehmigung der Autorin. S. 14, links: Süßwasserschildkröte und Warzenschlange (Fresh Water Turtle and File Snake) von Tony Djikululu (australischer Aborigine-Künstler, 1938–1992), Gupapuyngu Clan, Milingimbi, Zentrales Arnhemland, um 1965. Natürliche Pigmente auf Eukalyptusrinde, ca. 47 x 28,5 cm. Kluge-Ruhe Aboriginal Art Collection der University of Virginia, 1994.0004.766. Mit freundlicher Genehmigung der Kluge-Ruhe Aboriginal Art Collection der University of Virginia/© 2014 Artists Rights Society (ARS), New York/VISCOPY, Australien.

S. 15: Darstellung der Sonne und der Mondphasen, aus Über die Natur der Vögel (De natura avium), Frankreich (vormals Flandern), um 1275–1300. Temperafarben, Feder und Tusche, Blattgold und Goldfarbe auf Pergament, ca. 23,5 x 16,5 cm. JPGM 83.MR.174.149. S. 16, oben: Intarsie in Form eines Auges, Ägypten, um 1540–1070 v. Chr.; Glas und Gips, ca. 1,5 x 4,5 x 1 cm. JPGM 2003.154. S. 16, unten: Paviane an den Wänden von Tutanchamuns Grab, Ägypten, um 1300 v. Chr.; Tempera auf trockenem Putz. © J. Paul Getty Trust und Ägyptisches Ministerium für Altertümer. Foto: Robert Jensen. S. 17, Konservatoren des GCI untersuchen die Wandmalereien in der Grabkammer des Tutanchamun im Rahmen eines gemeinsamen Projekts des Getty Trusts und des Ägyptischen Ministeriums für Altertümer zur Erhaltung des Grabes. © J. Paul Getty Trust und Ägyptisches Ministerium für Altertümer. Foto: Robert Jensen. S. 18, links: Bemalte Marmorschale (Lekanis) mit Thetis und anderen Nereiden, die Achilles Waffen überreichen, Süditalien, spätes 4. Jahrhundert v. Chr.; Polychromie auf Marmor, ca. 30 x 60 cm. Mit Genehmigung des Ministeriums für Kulturgüter, kulturelle Aktivitäten und Tourismus – Oberintendantur für archäologische Güter für Apulien, Taranto/Fotoarchiv.

of Duane Hanson/Licensed by VAGA/New York, New York. Mit freundlicher Genehmigung Van de Weghe Fine Art, New York. S. 23, links: Venus von Joseph Nollekens (englischer Künstler, 1737–1823), 1773. Marmor, H: ca. 124 cm. JPGM 87.SA.106. S. 23, rechts: Apollo krönt sich selbst von Antonio Canova (italienischer Künstler, 1757–1822), 1781–82. Marmor, H: ca. 85 cm. JPGM 95.SA.71. S. 24, oben: Alexander der Große und Campaspe im Atelier des Apelles von Giovanni Battista Tiepolo (italienischer Künstler, 1696–1770), um 1740. Öl auf Leinwand, ca. 42,5 x 54 cm. JPGM 2000.6. S. 25: Attisch-rotfigurige Pelike, Kertscher Stil, Griechenland, um 360 v. Chr.; dem Maler des Hochzeitszugs (wirkte um 362 v. Chr.) zugeschrieben. Terrakotta, Polychromie, Vergoldung, ca. 48 x 27 cm. JPGM 83.AE.10. S. 26, oben: Eine Wissenschaftlerin untersucht mithilfe eines Raman-Spektrometers die Pigmente in den farbigen Illustrationen des Manuskripts Historia general del Pirú (Allgemeine Geschichte von Peru). JPGM 83.MP.159. S. 26, unten: Röntgenfluoreszenzanalyse der Pigmente im Gemälde Der Erzengel verlässt Tobias und seine Familie von Jan Victors, 1649. JPGM 72.PA.17.

S. 18, rechts: Infrarotaufnahme der Lekanis, JPGM. S. 19: Das Weiße Haus, 1792–1800. James Hoban, Architekt. Library of Congress, LC-DIG-highsm-04961. S. 20: Phidias zeigt seinen Freunden den Fries im Parthenon von Sir Lawrence Alma-Tadema (niederländisch-britischer Maler, 1836–1912), 1868–69. Öl auf einer Mahagoniplatte, ca. 72,5 x 110 cm. Hinterlassen von Sir John Holder, Baronet, 1923. Birmingham Museums & Art Gallery, 1923P118, Birmingham Museums and Art Gallery/The Bridgeman Art Library. S. 21, links: Statuette von Apollo, griechisch, um 300 v. Chr.; Terrakotta mit Polychromie, H: ca. 22 cm. JPGM 96.AD.266. S. 21, rechts: Kopf des Hades, Herrscher der Unterwelt, griechisch (Sizilien), um 400–300 v. Chr.; Terrakotta und Polychromie, ca. 27,5 x 20,5 x 18,5 cm. JPGM 85.AD.105. S. 22: Cheerleader (1988) und Surfer (1987) von Duane Hanson (amerikanischer Künstler, 1825–1996). Polyvinyl, bemalt mit Ölfarben und unterschiedlichen Materialien, mit Accessoires. Sammlung Mrs. Duane Hanson. © Estate

S. 27: Spaziergang in der Abenddämmerung von Caspar David Friedrich (deutscher Maler, 1774–1840), um 1830–35. Öl auf Leinwand, ca. 33 x 43,5 cm. JPGM 93.PA.14. S. 28, oben: Bildnis des römischen Kaisers Aurelian, Rom, 260–280. Gravur in Amethyst, ca. 1,9 x 1,4 x 0,6 cm. JPGM 84.AN.856. S. 28, unten: Französisches Plakat zum Monumentalfilm Cleopatra von 1963. akg-images. S. 29, links: Der Freitod der Königin Dido vom Boucicaut-Meister und Werkstatt (französischer Künstler, wirkte um 1390–1430), aus Des cas des nobles hommes et femmes, Paris, um 1413–1415. Temperafarben, Blattgold und Goldfarbe auf Pergament, ca. 42 x 29,5 cm. JPGM 96.MR.17.41. S. 29, rechts: Gravierter Skaraboid, Griechenland, spätes 5.–frühes 4. Jahrhundert v. Chr.; Grün-gelb gefleckter Jaspis, ca. 2,4 x 1,75 x 0,8 cm. JPGM 85.AN.370.7. S. 30, oben: Wandfragment mit einer Mänade, Rom, 1. Jahrhundert n. Chr. Fresko, ca. 81 x 77 x 8 cm. JPGM 83.AG.222.4.2.

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S. 40–41: Künstlermaterial, mit freundlicher Genehmigung von Nancy Turner.

S. 50, unten: Von Koschenilleschildläusen befallener Feigenkaktus. S. 51, links: Bildnis eines jungen Mannes in Rot vom Kreis um Raffael (Raffaello Sanzio, italienischer Maler, 1483–1520), um 1505. Öl auf Holz, ca. 67,5 x 52,5 cm. JPGM 78.PB.364.

S. 31, oben: Fragment einer Wandmalerei, Frau auf einem Balkon, Rom, um 9 v. Chr.–14 n. Chr.; ca. 59,5 x 46,5 cm x 3 cm. JPGM 96.AG.172.

S. 42: Alexander beim Angriff auf die Stadt Tyros vom Meister des Jardin de vertueuse consolation und Werkstatt (flämischer Künstler, wirkte im dritten Viertel des 15. Jahrhunderts), aus Livre des fais d’Alexandre le grant, Lille (Text) und Brügge (Illumination), um 1470–75. Temperafarben, Blattgold, Goldfarbe und Tusche auf Pergament, ca. 43 x 33 cm. JPGM 83.MR.178.61.

S. 31, unten: Forum von Pompeji mit dem Vesuv im Hintergrund von Christen Schjellerup Købke (dänischer Maler, 1810–48), 1841. Öl auf Leinwand, ca. 70 x 88 cm. JPGM 85.PA.43.

S. 43: Die Anbetung der Heiligen Drei Könige von Andrea Mantegna (italienischer Maler, um 1431–1506), um 1495–1505. Tempera auf Leinwand, ca. 48,5 x 65 cm. JPGM 85.PA.417.

S. 32, links: Der heilige Lukas, aus einem Evangelienbuch, Äthiopien, um 1504–5. Tempera auf Pergament, ca. 34,5 x 26,5 cm. JPGM 2008.15.143v.

S. 44: Der heilige Georg und der Drache vom Meister des Guillebert de Mets (flämischer Illuminator, wirkte um 1410–50), aus einem Stundenbuch, Gent, um 1450–55. Temperafarben, Blattgold und Tusche auf Pergament, ca. 19,5 x 14 cm. JPGM 84.ML.67.

S. 30, unten: In der Nacht leuchtendes Weiß von Han Gan (chinesischer Maler, wirkte um 742–56), um 750. Bildrolle, Tusche auf Papier, ca. 30 x 34 cm. Schenkung des Dillon-Fonds. New York, Metropolitan Museum of Art, 1977.78. © The Metropolitan Museum of Art. Bildquelle: Art Resource, New York.

S. 32, rechts: Kalenderblatt aus einem Psalter, Deutschland, um 1240–50. Temperafarben, Blattgold und Silber auf Pergament, ca. 22,5 x 15,5 cm. JPGM 83.MK.93.3v. S. 32, unten: Einsame Nayika, Indien (Mughal), um 1775–1800. Papier, bemalt, ca. 49 x 44 cm. London, British Museum, 1999,1202,0.4.2. © The Trustees of the British Museum/Art Resource, New York. S. 33: Die Mumie des Herakleides, mit Umhüllung und Porträt, römisch-ägyptisch, um 50–100 n. Chr. Wachstempera mit Vergoldung auf Holz, Leinen und Enkaustik, ca. 175,5 x 44 x 33 cm. JPGM 91.AP.6. S. 34–35: Neun Drachen von Chen Rong (chinesischer Maler, wirkte in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts), 1244. Tusche und Farbe auf Papier, ca. 0,46 x 9,58 m (gesamte Bildrolle ca. 0,47 x 14,96 m). Francis Gardner Curtis Fund, Museum of Fine Arts, Boston, 17.1697. Museum of Fine Arts, Boston, Massachusetts, USA/The Bridgeman Art Library. S. 35: Sacred Writer (Heiliger Autor) von Alex „Defer“ Kizu (amerikanischer Künstler, geb. 1971), aus LA Liber Amicorum, 2012. Verschiedene Materialien, ca. 31,5 x 50 cm. GRI 2013.M.8* © The J. Paul Getty Trust. S. 36: Die Darbringung im Tempel, Byzanz, 13. Jahrhundert. Temperafarben und Blattgold auf Pergament, ca. 20,5 x 15 cm. JPGM 83.MB.69.129v. S. 37: Die Jungfrau Maria mit den Heiligen Thomas von Aquin und Paulus von Bernardo Daddi (italienischer Maler, wirkte um 1312–48), um 1335. Tempera und Blattgold auf Holz, ca. 121,5 x 113 cm. JPGM 93.PB.16. S. 38: Ein Igel vor einem goldenen Hintergrund, aus De natura avium (Über die Natur der Vögel), Frankreich (vormals Flandern), um 1275–1300. Temperafarben, Feder und Tusche, Blattgold und Goldfarbe auf Pergament, ca. 23,5 x 16,5 cm. JPGM 83.MR.174.82. S. 39: Fischer beim Einholen der Netze, möglicherweise Simon und Petrus, aus der Abbey Bible, Italien, um 1250–62. Tempera und Blattgold auf Pergament, ca. 27 x 19,5 cm. JPGM 2011.23.62.

S. 45, links: Seite aus einer Koranhandschrift, Iran, um 1550–75. Tusche, opake Wasserfarben und Gold auf Papier, ca. 51 x 33 cm. Shinji Shumeikai Discretionary Fund. Los Angeles County Museum of Art, AC1999.158.1. www.lacma.org. S. 45, rechts: Gravierter Schmuckstein, Rom, 2. Jahrhundert. Lapislazuli, 1,75 x 1,42 x 0,31 cm. JPGM 83.AN.437.44. S. 46: Die Verkündigung von Simon Bening (flämischer Miniaturenmaler, um 1483–1561), um 1525–30. Tempera, Goldfarbe und Blattgold auf Pergament, ca. 16 x 11,5 cm. JPGM 83.ML.115.13v. S. 47: Der Schecke von Paulus Potter (niederländischer Maler, 1625–1654), um 1650–54. Öl auf Leinwand, ca. 50 x 45 cm. JPGM 88.PA.87. S. 48, oben: Der Tod der Lara von Eugène Delacroix (französischer Maler, 1798–1863), um 1824. Wasserfarben mit etwas Deckfarbe und Grafitunterzeichnung, ca. 18 x 25,5 cm. JPGM 94.GC.51. S. 49, links: Studien zur Libyschen Sibylle (Recto) von Michelangelo Buonarroti (italienischer Maler, 1475–1564), um 1510–11. Rote Kreide mit kleinen weißen Akzenten auf der linken Schulter der Figur in der Hauptstudie, ca. 29 x 21,5 cm. New York, The Metropolitan Museum of Art, 24.197.2. © The Metropolitan Museum of Art. Bildquelle: Art Resource, New York. S. 49, rechts: Venus und Adonis, Detail, von Tizian (Tiziano Vecellio, italienischer Maler, um 1487–1576), um 1555–60. Öl auf Leinwand, ca. 1,6 x 1,97 m. JPGM 92.PA.42. S. 50, links: Túpac Inca Yupanqui und ein Quipucamayoc, aus Historia general del Pirú (Allgemeine Geschichte von Peru) von Martín de Murúa (spanischer Chronist, gest. nach 1616), Madrid und La Plata, Bolivien, 1616. Feder und Tinte, koloriert, auf Papier, ca. 29 x 20 cm. JPGM 83.MP.159.51v.

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S. 51, rechts: Isabella von Portugal von der Werkstatt von Rogier van der Weyden (flämischer Maler, 1399/1400– 1464), um 1450, spätere Ergänzungen um 1500. Öl auf Holz, ca. 46 x 36,5 cm. JPGM 78.PB.3. S. 52, links: Türkenbundlilie und Tomate, aus Mira calligraphiae monumenta von Joris (Georg) Hoefnagel (flämischer Illuminator, 1542–1600) und Georg Bocskay (ungarischer Kalligraf), Wien, 1561–62, Illumination ergänzt 1591–96. Wasserfarben, Gold und Silberfarbe sowie Tusche auf Pergament, ca. 16,5 x 12,5 cm. JPGM 86.MV.527.102. S. 52, rechts: Orientalischer Herrscher in Begleitung seines Hellebardenträgers von Jusepe de Ribera (in Neapel tätiger spanischer Maler, 1591–1652), um 1625–30. Pinsel und karminrote Tusche (Koschenille?), mit Feder und brauner Tusche umrahmt, ca. 23 cm x 13,5 cm. JPGM 91.GA.56. S. 53: Agostino Pallavicini von Anton van Dyck (flämischer Maler, 1599–1641), um 1621. Öl auf Leinwand, ca. 2,16 x 1,41 m. JPGM 68.PA.2. S. 54, Interieur mit Familiengruppe, Quiringh van Brekelenkam zugeschrieben (niederländischer Maler, 1622–1669 oder später), um 1658–60. Öl auf Leinwand, ca. 59,5 x 71 cm. JPGM 70.PA.20. S. 54, rechts: Captain Teach Commonly Call’d Black Beard (Kapitän Teach, gewöhnlich genannt Blackbeard), aus A General and True History of the Lives and Actions of the Most Famous Highwaymen, Murders, Street-Robbers (Allgemeine und wahre Geschichte über das Leben und die Taten der berühmtesten Wegelagerer, Mörder und Straßenräuber), 1742. The Art Archive bei Art Resource, New York. S. 55, oben: Christus und die Ehebrecherin, von Han van Meegeren (niederländischer Maler und Kunstfälscher, 1889–1947), um 1941–42, ausgestellt im Museum Boijmans Van Beuningen, Rotterdam, Niederlande, Mai 2010. © ROBIN UTRECHT/epa/Corbis. S. 55, unten: Deckelvase, chinesisch (Kangxi), um 1662–1722. Hartporzellan, H: mit Deckel ca. 59,5 cm. JPGM 86.DE.629. S. 56, links: Kopf eines Engels oder Heiligen, Frankreich, um 1410. Oxidfarben und Silbergelb auf mit blauen, roten und grünen Schmelzfarben bemaltem Glas, ca. 47 x 47 x 1 cm. JPGM 2003.34. S. 57, oben: Keramikfliesenboden, Spanien, um 1425–50. Fayence, ca. 1,22 x 1,83 m. JPGM 84.DE.747. S. 57, unten: Blau-Weißer Teller mit der Abbildung eines Handelsschiffs, italienisch (Cafaggiolo), um 1510. Fayence, ca. 5 x 24,5 cm. JPGM 84.DE.109.

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S. 58: Nachdenkliche Dame auf einem Sofa (Dame pensive sur un sofa) von Jean-Étienne Liotard (Genfer Pastellmaler, 1702–1789), 1749. Pastell auf Pergament, ca. 23,5 x 19 cm. Cabinet d’Arts Graphiques des Musées d’Art et d’Histoire, Genève (Genf), Archiv der Gottfried–Keller-Stiftung, 1930-0002. Musée d’Art de d’Histoire, Genf, Schweiz/Giraudon/The Bridgeman Art Library. S. 59, links: Der Astronom bei Kerzenlicht von Gerrit Dou (niederländischer Maler, 1613–1675), 1650er-Jahre. Öl auf Holz, ca. 32 x 21,5 cm. JPGM 86.PB.732. S. 59, rechts: Stillleben mit Zitronen, Orangen und einem Granatapfel von Jacob van Hulsdonck (flämischer Maler, 1582–1647), um 1620–40. Öl auf Holz, ca. 42 x 49,5 cm. JPGM 86.PB.538. S. 60, links: Pictura (Eine Allegorie der Malerei) von Frans van Mieris d. Ä. (niederländischer Maler, 1635–1681), 1661. Öl auf Kupfer, ca. 12,5 x 9 cm. JPGM 82.PC.136. S. 60, rechts: Das Begräbnis der Atala nach Anne-Louis Girodet de Roussy-Trioson (französischer Maler, 1767–1824), nach 1808. Öl auf Leinwand, ca. 50,5 x 62 cm. JPGM 83.PA.335. S. 61: Indigofera, aus Plantae Selectae Quarum Imagines ad Exemplaria Naturalia Londini, in Hortis Curiosorum Nutrit von Georg Dionysius Ehret (deutscher Pflanzenmaler, 1708–1770), Johann Jakob Haid (deutscher Kupferstecher, 1704–1767) und Christoph Jakob Trew (deutscher Botaniker, 1695–1769), 1760. Abbildung mit freundlicher Genehmigung des Missouri Botanical Garden, www. botanicus.org. S. 62: Psyche bei den Korbflechtern, nach einem Entwurf von François Boucher (französischer Rokokokünstler, 1703–1770), Frankreich (Tapisserie-Manufaktur von Beauvais), um 1750. Seide und Wolle, ca. 3,45 x 2,51 cm. JPGM 63.DD.4. S. 63, oben: Beating a Vat by Hand von Oscar Mallitte (britischer Fotograf, um 1829–1905, tätig in Allahabad, Indien, 1870er-Jahre), 1877. Albumin-Silberdruck, ca. 18 x 23,5 cm. JPGM 84.XO.876.8.9. S. 63, unten: Levi’s-Werbung, Sammelkarte, um 1899. Mit freundlicher Genehmigung der Levi Strauss & Co. Archive. S. 64, links: The Blue Boy (Der Knabe in Blau) von Thomas Gainsborough (englischer Maler, 1727–1788), um 1770. Öl auf Leinwand, ca. 1,79 x 1,24 m. San Marino, Kalifornien, The Huntington Library, Art Collections, and Botanical Gardens. © The Huntington Library, Art Collections & Botanical Gardens/The Bridgeman Art Library. S. 64, rechts: Röntgenaufnahme, The Blue Boy (Der Knabe in Blau). © The Huntington Art Collections, San Marino, Kalifornien. S. 65: Newton’s Optics, Science Photo Library H414/0126. Photo Researchers. S. 66: Der Alchemist von Cornelis Bega (niederländischer Maler, 1631/1632–1664), 1663. Öl auf Holz, ca. 36 x 32 cm. JPGM 84.PB.56.

S. 67, links: Fuchs mit Huhn, Entwurf von Johann Gottlieb Kirchner (deutscher Bildhauer und Modelleur, 1706– 1768), Deutschland (Meißener Porzellanmanufaktur), 1732. Hartporzellan mit Spuren von Ölfarbe, ca. 45,5 x 31,5 x 24,5 x 20 cm. JPGM 2002.47. S. 67, rechts: Waschgeschirr, Frankreich (Porzellanmanufaktur von Sèvres), 1757. Frittenporzellan, Grundfarbe Rosa, polychrome Glasur und Vergoldung, ca. 19 x 14,5 x 8 cm. JPGM 84.DE.88.1. S. 68, links: Stillleben: Teeservice von Jean-Étienne Liotard (Genfer Pastellmaler, 1702–1789), um 1781–83. Öl auf Leinwand, auf Holz aufgezogen, ca. 36,5 x 51,5 cm. JPGM 84.PA.57. S. 69: Potpourrivase mit Deckel, Frankreich (Porzellanmanufaktur von Sèvres), um 1760. Frittenporzellan, Grundfarben Rosa und Grün, polychrome Glasur und Vergoldung, ca. 37,5 x 35 x 17,5 cm. JPGM 75.DE.11. S. 70, oben: Brieflesendes Mädchen am offenen Fenster von Jan Vermeer (niederländischer Maler, 1632–1675), um 1659. Gemäldegalerie Alte Meister, Staatliche Kunstsammlungen Dresden. bpk, Berlin/Gemäldegalerie Alte Meister, Staatliche Kunstsammlungen, Dresden, Germany/Foto: Elke Estel/Hans-Peter Klut/Art Resource, New York. S. 70, unten: Die Katze am Fenster von Jean-François Millet (französischer Maler, 1814–1875), um 1857–58. Kohle, schwarze und weiße Kreide mit Pastellnuancen, ca. 50 x 39,5 cm. JPGM 96.GF.12. S. 71: Pigmentschaufeln, Winsor & Newton. Abbildung mit freundlicher Genehmigung von Winsor & Newton. S. 72: Aquarellkasten, England, um 1780–1800. Holz, Wasserfarben und Künstlerutensilien, ca. 18,5 x 31 x 8,5 cm. GRI 1365-985 910133*. S. 73, oben links: Long Ship’s Lighthouse, Land’s End (Der Leuchtturm Longships am Land’s End) von Joseph Mallord William Turner (britischer Maler, 1775–1851), um 1834–35. Wasserfarben und Gouache, gespachtelt, ca. 28,5 x 44 cm. JPGM 88.GC.55. S. 73, oben rechts: Indischgelbe Pigmentkugeln von Winsor & Newton. Abbildung mit freundlicher Genehmigung von Winsor & Newton. S. 73, unten: Modernes Rom – Campo Vaccino von Joseph Mallord William Turner (britischer Maler, 1775–1851), 1839. Öl auf Leinwand, ca. 92 x 122,5 cm. JPGM 2011.6. S. 74, rechts: Farbkreis, Scheibe 3, aus Des couleurs et de leurs applications aux arts industriels à l’aide des cercles chromatiques (Über Farben und ihre gewerbliche Verwendung mithilfe von Farbkreisen) von Michel Eugène Chevreul (französischer Chemiker und Farbtheoretiker, 1786–1889) und René Digeon (französischer Künstler und Graveur, geb. 1844), 1864. GRI 90-B8575. S. 75, oben: Die Ankunft Sanchos auf der Insel Barataria aus der Don-Quijote-Serie, Frankreich (Königliche Gobelin-Manufaktur), 1772. Seide und Wolle, ca. 3,68 x 4,14 m. JPGM 82.DD.68.

S. 75, unten: Tapisserie de basse-lisse des Gobelins (Gobelinherstellung am Flachwebstuhl), aus Encyclopédie ou Dictionnaire raisonné des sciences, des arts et de métiers, Bd. 9, von Denis Diderot und Jean le Rond d’Alembert, 1771. S. 76, oben: Le jaune orange a pour complémentaire le bleu (Die Komplementärfarbe von Gelborange ist Blau), aus L’harmonie de couleurs (Die Harmonie der Farben) von Édouard Guichard (französischer Designer, geb. 1815), 1880. GRI 94-B21035. S. 76–77, unten: To a Summer’s Day (An einen Sommertag) von Bridget Riley (britische Op-Art-Künstlerin, geboren 1931), 1980. Acryl auf Leinwand, ca. 1,16 x 2,81 m. Privatsammlung. © Bridget Riley 2014. Alle Rechte vorbehalten, mit freundlicher Genehmigung von Karsten Schubert, London. Foto © Christie’s Images/The Bridgeman Art Library. S. 77, oben: Die Marne in der Morgendämmerung von Albert Dubois-Pillet (französischer Maler, 1846–1890), um 1888. Wasserfarben über Spuren von schwarzer Kreide, ca. 16 x 22 cm. JPGM 2008.25. S. 78, links: Winterszene mit zwei Herren beim Kolf-Spiel von Hendrick Avercamp (niederländischer Maler, 1585– 1634), um 1615–20. Bleistift, Feder und Tusche, Gouache, ca. 9,5 x 15,5 cm. JPGM 2008.13. S. 79: Pferde und Reiter von Théodore Géricault (französischer Maler, 1791–1824), 1813–14. Grafitstift, ca. 21 x 28 cm. JPGM 88.GD.46. S. 80: Porträt von Lord Grantham von Jean-Auguste-Dominique Ingres (französischer Maler, 1780–1867), 1816. Grafitstift, ca. 40,5 x 28,5 cm. JPGM 82.GD.106. S. 81, oben: Seiten- und Vorderansicht eines Mumienkopfs aus Theben, Ägypten, aus Description de l’Égypte, ou Recueil des observations et des recherches qui ont été faites en Égypt pendant l’expédition de l’armée française: Antiquités, planches, tome deuxième (Eine Beschreibung Ägyptens, zweiter Band) von Antoine Maxime Monsaldy (französischer Künstler, 1768–1816), danach André Duterte (französischer Künstler, 1753–1842) sowie Henri-Joseph Redouté (französischer Maler, 1766–1852), 1812. Ca. 41,5 x 111 cm. GRI 83-B7948.c1.antiqpl.v2. S. 81, unten: Jahrhundertelang unter dem Sand begraben, Säulenterrassen des Tempels von Königin Makere (Hatschepsut), Deir el-Bahari, Theben, Ägypten, von Underwood & Unterwood, 1904. Historisches Stereofoto. GRI 2008.R.3. S. 83: Hindus bewerfen sich während des Holi-Festes in Barsana und Nandgaon gegenseitig mit bunt gefärbtem Wasser und Pulver. © Himanshu Khagta/Alamy. S. 84, links: Porträt des englischen Chemikers, Sir William H. Perkin, Selbstporträt von William Henry Perkin (britischer Chemiker und Industrieller, 1838–1907), 1852. Science Photo Library, H416/0154. Photo Researchers. S. 84, rechts: Tageskleid, Großbritannien oder Frankreich, 1873. Seide und Rüschen. Schenkung der Marchioness (Markgräfin) von Bristol, London, Victoria and Albert Mu-

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seum, T.51&A-1922. V&A Images, London/Art Resource, New York. S. 85, links: Mauvefarbenes Muster, aus The American Practical Dyer’s Companion (Das amerikanische Handbuch der Färberei) von F. J. Bird, 1882. GRI 84-B25071. S. 85, rechts: Porträt der Marquise de Miramon, geborene Thérèse Feuillant von (James) Jacques Joseph Tissot (französischer Maler, 1836–1902), 1866. Öl auf Leinwand, ca. 128,5 x 77 cm. JPGM 2007.7. S. 86: Die italienischen Komödianten von Jean-Antoine Watteau (französischer Maler, 1684–1721), um 1720. Öl auf Leinwand, ca. 129 x 93,5 cm. JPGM 2012.5.

S. 93, unten rechts: Porträt eines Mädchens in blauem Kleid von Antoine Claudet (französischer Künstler und Fotograf, 1787–1867), um 1854. Daguerreotypie, handkoloriert, ca. 6,5 x 5 cm. JPGM 84.XT.833.17. S. 94: Heuschober, Schnee, Morgen von Claude Monet (französischer Maler, 1840–1926), 1891. Öl auf Leinwand, ca. 65 x 101 cm. JPGM 95.PA.63. S. 95, links: Das Portal der Kathedrale von Rouen im Morgenlicht von Claude Monet (französischer Maler, 1840–1926), 1894. Öl auf Leinwand, ca. 100,5 x 65 cm. JPGM 2001.33.

S. 87: Ansicht des Canal Grande in Venedig: Vom Palazzo Flangini bis zum Campo San Marcuola von Canaletto (Giovanni Antonio Canal, italienischer Maler, 1697–1768), um 1738. Öl auf Leinwand, 47 x 77,78 cm. JPGM 2013.22.

S. 95, rechts: Kathedrale von Rouen, Westfassade im Sonnenlicht von Claude Monet (französischer Maler, 1840– 1926), 1894. Öl auf Leinwand, ca. 100 x 65,5 cm. Chester Dale Collection. Washington, DC, National Gallery of Art, 1963.10.179. Mit freundlicher Genehmigung der National Gallery of Art, Washington.

S. 88, links: Blaupause, Neubau für „Duveen Brothers“, New York City. Aufriss von René Sergent, 1910. GRI 930092.

S. 96: Porträt der Madame Brunet von Édouard Manet (französischer Maler, 1832–1883), um 1860–63, überarbeitet 1867. Öl auf Leinwand, ca. 1,32 x 1 m. JPGM 2011.53.

S. 88, rechts: Equisetum sylvaticum (Wald-Schachtelhalm) von Anna Atkins (britische Botanikerin und Fotografin, 1799–1871) und Anne Dixon (britische Fotografin, 1799–1877), 1853. Cyanotypie, ca. 25,5 x 20 cm. JPGM 84.XO.227.45.

S. 97, links: MarsDial („Mars-Sonnenuhr“, fotometrisches Kalibrierungsziel des Mars-Rover Opportunity). NASA/ JPL/Cornell University/Arizona State University, mit freundlicher Genehmigung von Jim Bell.

S. 89: Suruga-chō (Suruga-Viertel), aus der Serie Hundert berühmte Ansichten von Edo von Utagawa Hiroshige (japanischer Farbholzschnittmeister, 1797–1858), um 1856–59. Farbholzschnitt, ca. 36 x 23,5 cm. Los Angeles County Museum of Art, M.73.75.26. www.lacma.org. S. 90: The Ransom (Das Lösegeld) von John Everett Millais (britischer Maler, 1829–96), 1860–62. Öl auf Leinwand, ca. 1,30 x 1,14 m. JPGM 72.PA.13. S. 91, links: Napoleon in seinem Arbeitszimmer von Jacques-Louis David (französischer Maler, 1748–1825), 1812. Öl auf Leinwand, ca. 2,04 x 1,25 m. Samuel H. Kress Collection. Washington, DC, National Gallery of Art, 1961.9.15. Mit freundlicher Genehmigung der National Gallery of Art, Washington. S. 91, rechts: Schale, griechisch oder römisch, Ende 1. Jahrhundert v. Chr.–Anfang 1. Jahrhundert n. Chr.; Glas, ca. 3,5 x 7,5 cm. JPGM 2003.232. S. 92: The Ladder (Die Leiter) von William Henry Fox Talbot (englischer Fotopionier, 1800–1877), 1844. Salzdruck, ca. 16 x 18 cm. JPGM 84.XZ.571.14. S. 93, links: Weibliches Modell mit Tiara von Alphonse (Alfons) Maria Mucha (tschechischer Künstler und Fotograf, 1860–1939), Paris, Negativ von 1899, Abzug von ca. 1980. Gelatine-Silberdruck in Sepia, ca. 29,5 x 21 cm. JPGM 2009.113.9. S. 93, oben rechts: Porträtaufnahme von Edgar Allan Poe, USA, 1849. Daguerreotypie, ca. 12 x 9 cm. JPGM 84.XT.957.

S. 97, rechts: Ansicht vom Mars, aufgenommen vom NASA Mars-Rover Opportunity, 2012. NASA/JPL/Cornell University/Arizona State University/Don Davis, mit freundlicher Genehmigung von The Planetary Society. © Don Davies. S. 98: Iris (Schwertlilien) von Vincent van Gogh (niederländischer Maler, 1853–1890), 1889. Öl auf Leinwand, ca. 75 x 94,5 cm. JPGM 90.PA.20. S. 99: Nachtcafé von Vincent van Gogh (niederländischer Maler, 1853–1890), 1888. Öl auf Leinwand, ca. 72,5 x 92 cm. New Haven, Yale University Art Gallery, 1961.18.34. S. 100: Der Emir von Buchara von Sergei Prokudin-Gorski (russischer Fotopionier, 1863–1944), 1911. Library of Congress LC-DIG-prokc-21886. S. 101, oben: Goldene Tischuhr in Form einer Lyra von Auguste Marie Louis Nicolas Lumière und Louis Jean Lumière (französische Film- und Fotopioniere, 1862–1954 und 1864–1948), um 1898. Autochrom-Aufnahmen, jeweils ca. 7,5 x 6,5 cm. JPGM 84.XT.838.13. S. 101, unten: Stillleben mit chinesischer Ziervase von Frederick S. Dellenbaugh (amerikanischer Künstler und Forscher, 1853–1935), um 1910. Autochrom-Aufnahme, ca. 16,5 x 11,5 cm. JPGM 84.XH.710.10. S. 102: Kitty Stieglitz von Alfred Stieglitz (amerikanischer Fotograf, 1864–1946), 1907. Autochrom-Aufnahme, ca. 14,5 x 10 cm. JPGM 85.XH.151.5. S. 103: Impression III (Konzert) von Wassily Kandinsky (russischer Maler, 1866–1944), 1911. Öl auf Leinwand, ca.

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77,5 x 100,5 cm. München, Städtische Galerie im Lenbachhaus. Peter Willi/The Bridgeman Art Library. S. 104: Sternennacht von Edvard Munch (norwegischer Maler, 1863–1944), 1893. Öl auf Leinwand, ca. 135,5 x 140 cm. JPGM 84.PA.681. S. 105: Mark Rothko von Hans Namuth (deutsch-amerikanischer Fotograf, 1915–1990), 1964. Cibachrome-Abzug, ca. 34,5 x 50 cm. © 1991 Hans Namuth Estate. Mit freundlicher Genehmigung des Center für Creative Photography, University of Arizona. © 1998 Kate Rothko Prizel und Christopher Rothko/Artists Rights Society (ARS), New York. S. 106: Blauer Globus von Yves Klein (französischer Künstler, 1928 – 1962), 1962. Reines Pigment und Synthetikharz auf Gips, ca. 36 x 21,5 x 19,5 cm. Privatsammlung. Banque d’Images, ADAGP/Art Resource, New York. © 2014 Artists Rights Society (ARS), New York/ADAGP, Paris. S. 107: Ludwig XII. von Frankreich kniet zum Gebet, in Begleitung der Heiligen Michael, Ludwig und Dionysius (Dénis) sowie Karls des Großen, aus dem Stundenbuch Ludwigs XII. von Jean Bourdichon (französischer Illuminator, 1457–1521), Tours, 1498–99. Tempera und Gold auf Pergament, ca. 24,5 x 15,5 cm. JPGM 2004.1.recto. S. 108–109: Whaam! von Roy Lichtenstein (amerikanischer Künstler, 1923–1997), 1963. Acryl und Öl auf Leinwand, ca. 1,73 x 4,06 m. London, Tate, T00897. Tate, London/Art Resource, New York/© Nachlass von Roy Lichtenstein. S. 109, Mitte: Titelblatt der Action-Comics-Ausgabe vom Juni 1938, in der die von Jerry Siegel und Joe Shuster geschaffene Superman-Figur ihren ersten Auftritt hatte. The Granger Collection, NYC Image No. 0115423. S. 109, rechts: Nahaufnahme von Benday-Punkten S. 111, links: Three Brushstrokes (Drei Pinselstriche) von Roy Lichtenstein (amerikanischer Künstler, 1923–1997), 1984. Lackiertes Aluminium, ca. 3,09 x 0,72 x 1 m. Schenkung von Fran und Ray Stark, JPGM 2005.111. © Nachlass von Roy Lichtenstein. S. 111, rechts: Briefkasten. Foto mit freundlicher Genehmigung der Autorin. S. 112: Besucher vor unbetitelten Werken des Künstlers Dan Flavin auf einer Retrospektive seines Werks in der Londoner Hayward Gallery in Londons South Bank, Mittwoch, 18. Januar 2006. Foto: Graham Barclay/Bloomberg via Getty Images © 2014 Stephen Flavin/Artists Rights Society (ARS), New York. S. 113: Yosemite I, 16. Oktober 2011 von David Hockney (britischer Künstler, geb. 1937), 2011. iPad-Gemälde auf sechs Papierbögen gedruckt und auf sechs Dibond-Platten aufgezogen, ca. 3,64 x 3,26 m. © David Hockney.

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Index Abstrakte Kunst, 103–107 Afrikanische Kunst, 13–14, 32 Ägyptische Kunst und Kultur, 16–17, 28, 33, 35, 45–46, 81–82, 90 Alexander der Große, 24, 42, 43, 110 Alibert, Jean-Pierre, 78–80 Alma-Tadema, Lawrence, 20, 82 Apelles, 24–25 Aquarellfarben siehe Wasserfarben Arsen, 15, 17, 91 Atkins, Anna, 88 Aurelian, Römischer Kaiser, 28 Australische Aborigine-Kunst, 12–13 Avercamp, Hendrik, 78 Bega, Cornelis, 66 Beige, 82 Beize, Beizmittel, 11, 29, 68, 86 Benday-Punkte, 109–110 Bening, Simon, 46 Blattgold, 20, 36, 37–38, 41 Blaue Pigmente und Farbstoffe Ägyptisch Blau, 16–18, 21 Blau des Himmels, Erklärung, 47 Gainsboroughs Experimente mit Blau, 64–65 IKB International Klein Blue/Blau, 107 Indigo(blau), 33, 41, 54, 61–63, 65, 85, 89 Kobalt(blau), 55–57, 72, 97 Patentblau, 102 Preußischblau, 71, 86–89, 98 Ultramarin(blau) 26, 41, 44–46, 48, 57, 61, 65, 71, 82, 107 Wissenswertes über Blau, 107 „Blaupause“, Erfindung der, 87–88 Bleistift, 78–80 Bleivergiftung, 32, 58–59, 99 Bocour, Leonard, 110 Böttger, Johann Friedrich, 66 Boucher, François, 62 Boucicaut-Meister, 29 Bourdichon, Jean, 107 Braune Pigmente und Farbstoffe Erde und Schlamm als natürlicher Grundstoff von, 9 Mumienbraun 81–82 Sepia, 82, 92–93 Van-Dyck-Braun, 53 Brazilholz, 41 Brekelenkam, Quiringh van, 54 Burne-Jones. Edward, 81–82 Byzanz, 28, 36

Canaletto, 86–87 Canova, Antonio, 23 Cäsar, Julius, 28 Cennini, Cennino, 39–40, 51 Cézanne, Paul, 24, 80, 95 Chen Rong, 34–35 Chevreul, Michel Eugène, 74, 76–77, 93, 95, 99 Chinesische Kunst und Kultur, 13, 25, 30, 34–35, 40, 55–56, 66–69, 90 Claudet, Antoine, 93 Comics, 108–9 Conte-Nicolas-Jacques, 79–80 Craquele 56, 57 Daddi, Bernardo 37 Daguerre, Louis, 92 David, Jacques-Louis, 91 Day, Benjamin, 109 De Kooning, Willem, 110 Delacroix, Eugène, 48 Delatour, Maurice-Quentin, 70 Dellenbaugh, Frederick S., 101 Diesbach, Johann Jakob, 86–87 Diokletian, römischer Kaiser, 28 disegno oder colorito (Zeichnung oder Farbe)?, 49, 72–73 Dou, Gerrit, 59, 60 Dubois-Pillet, Albert, 77 Dürer, Albrecht, 43 Flavin, Dan, 112 Fresko, 31, 51 Farben, Verblassen von siehe Verblassen Farbstoffe (allgemein) in der Farbfotografie, 101–2 und Gobelins, 62, 74–77 und Pigmente, 11 Rohmaterialien (mit Abbildungen), 40–41 synthetischer, erster moderner, 84–85 Farbwahrnehmung, 44, 47, 65, 91, 97 Fälschung, von Kunstwerken, 9, 39, 55–57, 61 Fotografie, 92–93, 100–102 Gainsborough, Thomas, 64–65 Galläpfel, 41, 54, 78, 86 Gandhi, Mahatma, 62 Gelbe Pigmente und Farbstoffe aus Arsen, 17, 91 Auripigment, 33, 82, 91 Chromgelb, 72, 99, 104 Indischgelb, 72–73

Kadmiumgelb, 73, 104 gelber Ocker, 9, 24–25, 31, 40, 104 Tartrazin, 102 Wisssenswertes über Gelb, 25 Géricault, Théodore, 79 Giotto, 39 Glasfenster, Neuerungen, 70 Glasmalerei, 56 Girodet de Roucy-Trioson, Anne-Louis, 60 Gmelin, Christian, 48 Gobelins (Wandteppiche) 40, 62, 74–77, 99 Golden, Sam, 110 Grafit, 78–80 Griechische Kunst und Kultur, 16–25, 28, 29, 37, 59 Grüne Pigmente und Farbstoffe aus Auripigment-Indigo, 33 Grüne Erde, 39–40 aus Kupfer, 17, 90, 91 Malachit, 17, 25, 41, 90 Wissenswertes über Grün, 90 Guichard, Édouard, 76 Guimet, Jean-Baptiste, 48 Gummiarabikum, 17, 41, 46, 72–73 Gunning, Maria, 58, 61 Han Gan, 30 Hanson, Duane, 22 Hausmannit, 10 Heinrich der Seefahrer, 42–43, 51 Hellot, Jean, 87 Herakleides, 33 Herschel, John, 87–88 Hiroshige, 89 Hoban, James, 19 Hockney, David, 112–13 Hoefnagel, Joris, 52 Höhlenmalerei, 8–11, 21, 26 Holi (Hindufest), 82–83 Hulsdonck, Jacob van, 59 Ikonen, 36–37 Illuminierte Handschriften verwendete Materialien, 26, 32, 38, 41 Abbildungen aus, 15, 29, 32, 38, 39, 42, 44, 45, 52 Impressionismus, 94–99, 103 Inka, 50 Infrarotaufnahmen, 18, 21, 26 Ingres, Jean-Auguste-Dominique, 80 Insekten, 11, 25, 33, 41, 50–52 Isabella von Portugal, 51

INDEX

Japanische Farbholzschnitte, 89, 98 Kandinsky, Wassily, 103–4 Kipling, Rudyard, 81–82 Kizu, Alex „Defer“, 35 Klein, Yves, 106–7 Kleopatra, Königin von Ägypten, 28 Købke, Christen Schjellerup, 31 Lapislazuli, 41, 44, 45– 46, 48 Lascaux, Höhle von, Frankreich, 8–11, 17, 21, 24 Leinwand, Neuerungen, 42–43 Leonardo da Vinci, 20, 49, 52, 81 Levi Strauss & Co., 62, 63 Lichtenstein, Roy, 108–11 Liotard, Jean-Étienne, 58, 68 Lucas, Eliza (Pinckney), 65 Lumière, Auguste und Louis, 100–102 Magenta, 85 Make-up (Kosmetika), 52, 58–59, 90 Manet, Édouard, 96, 105 Mantegna, Andrea, 43 Mars, Farbfotografie auf dem, 97 Maxwell, James Clerk, 100 Meegeren, Han van, 55–57 Meister des Guillebert de Mets, 44 Meister des Jardin de vertueuse consolation, 42–43 Michelangelo, 49, 81, 107 Mieris, Frans van, 60 Millais, John Everett, 90 Millet, Jean-François, 70 Moghul-Kunst, 32 Monet, Claude, 94–95, 97, 103 Mordant siehe Beize, Beizmittel Morris, William, 63 Mucha, Alphonse, 93 Mumien, 33, 37, 81–82 Munch, Edvard, 104 Murúa, Martín de, 26, 50 Napoleon (Bonaparte) 79, 91 Nero, römischer Kaiser, 28, 43, Newton, Henry, 73 Newton, Isaac, 65 Nollekens, Joseph, 22–23 Orange Pigmente und Farbstoffe Chromorange , 99 aus Krappwurzel, 41, 50 Minium, 30, 32, 33 Orange 36 (Colour Index Pigment), 108, 111 Wissenswertes über Orange, 110 Perkin, William Henry, 84–85 Picasso, Pablo, 107, 109

Pigmente (allg.) Acryfarben und, 110 Analyse, wissenschaftliche, der, 18, 21, 26, 33, 64, 88 als Arzneien, 82 Bindemittel und, 9, 11, 26, 31, 37, 39–40, 43, 45, 57, 71 Farbstoffe und, 11 Rohmaterialien (mit Abbildungen), 40–41 synthetisches Pigment, ältestes, 17 Theophrastos über die, 16–17 Piraten, 54 Plinius der Ältere, 25, 29, 30, 32, 59 Poe, Edgar Allan, 93 Pointillistische Technik, 77 Pompadour, Madame de, 66, 68–69 Pop Art, 109–10 Porzellan, 40, 55–57, 66–69 Pottasche, 86–87 Potter, Paulus, 47 Prähistorische Kunst, 8–11, 13–14, 40 Präraffaeliten, 81–82 Prokudin-Gorski, Sergei, 100 Protogenes, 25 Provis, Ann und Thomas, 71 Purpur, Pigmente und Farbstoffe Manganviolett, 95, 97 Mauve, 84–85, 95 bei den Mixteken, 29 Tyrischer Purpur, 28–29, 50, 85 Violet 19 (Colour Index Pigment), 111

Safran, 41, 99, 110 Schalamow, Warlam,, 80 Schatten und Perspektive, 37, 95, 97 Scheele, Carl Wilhelm, 90–91 Schmalte, 41 Schnecken, als Pigment/Färbematerial, 28–29, 93 Schönberg, Arnold, 103–4 Schwarze Pigmente und Farbstoffe Blauholz Schwarz, 54 aus verbranntem Elfenbein (elephantinon), 24–25 aus Holzkohle, 9, 10, 40 Mangan Schwarz, 8–10 als Modetrend, 96 Schwarze Tusche, 34–35 Seurat, Georges, 77 Sgrafitto, 37–38 Sibelius, Jean, 104 Sterne, Entwicklung und Kernfusion, 15 Stieglitz, Alfred, 102 Su Dongpo, 35

Raman-Spektroskopie, 26 Rand, John Goffe, 94 Regenbogenfarben, 65 Rembrandt van Rijn, 60 Renaissance, 20, 31, 38, 40, 44, 49, 71, 82, 107 Reynolds, Joshua, 52, 64 Ribera. Jusepe, de, 52 Riley, Bridget, 77 Rodin, Auguste, 21 Römische Kunst und Kultur, 17, 19, 20, 25, 28–32, 33, 37, 40, 43, 45, 59, 85 Röntgenstrahlen, 26, 64, 91 Rosa Pigmente und Farbstoffe, 41, 66–69, 74, 85 Rote Pigmente und Farbstoffe Wissenswertes über Rot, 13 Koschenille, 41, 50–52, 74, 86–87 Litholrot, 105, 108–9 Krapp, 41, 50, 74, 84, 85 Minium (Bleirot), 30, 32, 33, 82 roter Ocker, 9, 12–15, 31, 40 Realgar, 91 Bengalrosa, 102 Vermilion, 30–31, 32, 52, 71, 82 Rothko, Mark 105, 108–9, 110

Urin, als Pigment/Färbematerial, 11, 29, 63, 73

Talbot,William Henry Fox, 92 Tanguy, Père, 98 Theophrastos von Eresos, 16–17 Tiepolo, Giovanni Battista, 24 Tissot, Jacques Joseph, 85 Tizian, 49, 71, 81, 105 Tournesol, 38 Turner, Joseph Mallord William, 41, 72–73 Tutanchamun, Grab des, 16–17

van Dyck, Anthonis, 53, 65, 105 van Gogh, Vincent, 89, 98–99 Vasari, Giorgio, 49 Vauquelin, Louis Nicolas, 99 Verblassen, von Farben, 11, 21, 29, 40, 52, 88, 105, 110–11 Vermeer, Jan, 55, 56, 57, 70 Warhol, Andy, 110 Wasserfarben, Neuerungen bei den, 72–73 Watteau, Jean-Antoine, 86, 87 Weiße Pigmente Bleiweiß, 17, 19, 26, 33, 39, 58–60, 64 Griechisch Weiß, der Mythos des, 19–22 aus Kaolin (Tonerde), 40, 66 aus Kreide, 9 Weißes Haus (Washington), 15 West, Benjamin, 71, 82 Weyden, Rogier van der, 51 Wild, A. M. de, 57 Winsor, William, 72–73 Wu Daozi, 35

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Danksagung So viele wunderbare Menschen haben mir bei diesem Buch geholfen. Dazu gehören fast alle Kunstexperten des Getty-Museums in Kalifornien; Konservatoren von Kunstgalerien rund um den Globus, die merkwürdige Fragen danach, welche Pigmente in ihren Gemälden verwendet wurden (oder verwendet worden sein könnten) tapfer beantworteten; Fotografen (im Fall des Planeten Mars); Wissenschaftler; Lehrer; Verwaltungsbeamte; Künstler; und nette Leute, die sich sogar an einem arbeitsreichen Tag die Zeit nahmen, um jemanden, den sie gar nicht kannten, bei einer Tasse Kaffee mit ihren Fachkenntnissen zu unterstützen. Wenn ich die im Anschluss aufgeführten Namen lese, denke ich auch an Expeditionen zu verschlossenen, unterirdischen Depots, in denen farbenprächtige Schätze schlummern, an Bibliotheken mit seltenen Manuskripten, an schöne Essen, Gastfreundschaft und Großzügigkeit (und eine nächtliche Tour durch die Hügel von Los Angeles, um einen Kaktus mit echten Koschenillen zu beschaffen). Deshalb danke ich Maite Alvarez, Kirsten Andrews, Sylvana Barrett, John Beer, Jim Bell, Antonia Boström, David Brafman, Charissa Bremer-David, Madeline Bryant, Giacomo Chiari, Don Davis, Jim Druzik, Elizabeth Escamilla, Rob Flynn, Andrew Goodhouse, Mark Heineke, Catherine Hess, Bryan Keene, Martin Kemp, Peter Kerber, Kara Kirk, Edouard Kopp, Ruth Lane, Kenneth Lapatin, Paul Martineau, Melinda McCurdy, Pam Moffat, Elizabeth Morrison, Bill Nye, Alan Phenix, Jerry Podany, Marcia Reed, Carline Roberts, Paul Robinson, Sandy Rodriguez, Scott Schaefer, Karen Schmidt, Natasha Seery, Miramda Sklaroff, Margaret Walton Smith, Theresa Sotto, Dusan Stulik, Marie Svoboda, Yvonne Szafran, Frances Terpak, Karen Trentelman, Nancy Turner, Giovanni Verri, Suzanne Watson, Kimberly Wilkinson, Iris Winkelmeyer, Julie Wolfe, Anne Woollett, William Zaluski und vielen anderen. Sie alle haben mir ungeheuer viel geholfen: für etwaige Fehler, die noch vorhanden sind, trage ich selbst die Verantwortung. Ich möchte auch gerne noch Phil Shepherd und die Kinder der Klasse 7 der Hexthorpe Primary School in Doncaster, Großbritannien, erwähnen. Ihre unerwarteten Fragen über „das Pipi der Kühe in Indien“ und andere spannende Episoden aus der Geschichte der Farben inspirierten mich dazu, die Struktur dieses Buchs zu verändern, so dass es zu dem wurde, was es jetzt ist. Und natürlich auch meinen Mann, Martin Palmer, der mich stets unterstützt und auch versprochen hat, mir zu verzeihen, dass ich ihn einmal über vier Stunden lang durch das Pencil Museum in Keswick geschleift habe. Ohne Getty-Grafiker Kurt Hauser, der die verschiedenen, wahllosen Kästen, Bilder und vielfältigen Textgrößen zu herrlichen Seiten zusammengestellt hat und ohne meine wunderbare (und erstaunlich geduldige) Herausgeberin Elizabeth Nicholson, hätte Die Geschichte der Farben jedoch überhaupt nicht entstehen können. Diese beiden hatten die Idee zu diesem Buch und glaubten solange daran, bis sie Wirklichkeit wurde. Und ich bin so dankbar dafür, dass sie mich dazugeholt haben, um mitzuhelfen, dass dies geschieht. Vielen Dank. Victoria Finlay

T H I R D PAG E S

Die englische Originalausgabe erschien 2014 unter dem Titel The Brilliant History of Color in Art beim J. Paul Getty Museum, Los Angeles Getty Publications 1200 Getty Center Drive, Suite 500 Los Angeles, California 90049-1682 Copyright © 2014 J. Paul Getty Trust Copyright der Übersetzung © 2015 WBG

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung in und Verarbeitung durch elektronische Systeme. Der Theiss Verlag ist ein Imprint der WBG. Sonderausgabe 2018 (2., unveränderte Auflage) © 2015 by WBG (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), Darmstadt Die Herausgabe des Werkes wurde durch die Vereinsmitglieder der WBG ermöglicht. Producing und Satz: Palmedia Publishing Services GmbH, Berlin Einbandgestaltung: Peter Lohse, Heppenheim Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Papier Printed in Germany Besuchen Sie uns im Internet: www.wbg-wissenverbindet.de ISBN 978-3-8062-3679-8 Elektronisch sind folgende Ausgaben erhältlich: eBook (PDF): ISBN 978-3-8062-3217-2 eBook (epub): ISBN 978-3-8062-3218-9

Jegliche Anstrengung wurde unternommen, um von hier abgebildeten Objekten die Eigentümer und Fotografen ausfindig zu machen, deren Namen nicht in den Bildlegenden oder der Abbildungsliste auf den Seiten 114–117 erscheinen. Wer weitere Informationen über die Urheber besitzt, wird gebeten, sich mit Getty Publications in Verbindung zu setzen, damit diese Informationen in künftigen Auflagen berücksichtigt werden können. Die Seiten 114–117 sind eine Fortsetzung des Impressums.

Über die Autorin VICTORIA FINLAY studierte Anthropologie und Journalismus. Von 1991 bis 2003 leitete sie das Kunstressort der »South China Morning Post«. Heute arbeitet sie als freie Autorin und schreibt Kurzgeschichten.

Über den Inhalt VICTORIA FINLAY nimmt uns mit auf eine schillernde Zeitreise durch die Welt der Farben. Sie erzählt vom roten Ocker der Aborigines, dem glänzenden Gold des Mittelalters und dem sonnendurchglühten Gelb van Goghs. Geschichten und Geheimnisse ranken sich um die Bedeutung der Farben. Weltbekannte Kunstwerke begleiten Finlays brillante Spurensuche.

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27.10.2017

10:38 Uhr

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VICTORIA FINLAY

Victoria Finlay erklärt Verwendung, Bedeutung und Wirkung der Farben und entschlüsselt ihre Symbolik. Lebendig beschreibt sie, welche überragende Rolle die Farbe für Gauguin, Vermeer, Monet und andere Künstler von Weltrang gespielt hat. Meisterwerke aus dem J. Paul Getty Museum lassen uns die elementare Kraft der Farbe erleben.

www.theiss.de ISBN 978-3-8062-3679-8

FI N LAY

Manganschwarz, Ägyptisch Blau, Ockergelb, Zinnoberrot, Ultramarin, Mumienbraun und Mauve: Hinter jeder Farbe verbirgt sich eine Geschichte. Victoria Finlay hat sie aufgespürt und zu einer wunderbaren Reise rund um den Globus zusammengestellt. Wie gelang es den Steinzeitmenschen, die ersten Farben herzustellen? Weshalb ist Purpur die Farbe der Cäsaren? Was verrät uns eine grüne Tapete über Napoleons Tod? Und wie entlarvte Kobaltblau einen der größten Kunstfälscher aller Zeiten?

COLOURS

Eine Zeitreise durch die bunte Welt der Farben

COLOURS Die Geschichte der Farben