Archiv für die Offiziere der Königlich Preußischen Artillerie- und Ingenieur-Korps [55-56]

Table of contents :
Front Cover
I. ...
auch zum Heranschaffen aller Baumaterialien, wie Ziegel, Hauſteine...
dann erſt dürfte aus unserer Feld - Artillerie die gänzliche ...
wendige Ruhe und ein gesichertes Unterkommen zu entziehen, unterliegt ...
Berwirrung sehten, den Sturm erleichtern wollten. Denn mit ...
Es gelang den Türken indeß zu Anfang September, durch ...
und war mit Hülfe des Compaſſes, des Niveaus und ...
Inhalt. ...
behrenden Südstaaten auch derjenigen Hülfsquellen beraubt, die file fich ...
fchen Eisengießerei ausgeführten Verstärkungs-Bersuche genügt es, auf ...
felbft verfahen drei eiserne mit je brei schweren gezogenen Geſchüßen ...
Das seinen Platz beständig verändernde Ziel macht faft für jeden ...
bei dieſen erleichterten Geſchoffen also relativ schwerer geworden, und ...
innerhalb an jeder Gestell-Wand befinden und an lettere ...
60 ...
Nummer ...
+16 ...
Nummer ...
Inhalt. ...
Den Herren Vorgesezten ...
Einleitung. ...
g ...
15° 39' gefunden wurde, die richtige Erhöhung ...
1,8 ...
Ist nun außer x, und y, ein zweites ...
Anhang. ...
werden und die Zeichen der neu hinzutretenden, mit ...
Ihre Königl. Hoheiten der Prinz Friedrich Carl, Prinz ...
Inhalt. ...
Herm. v. Schlagintweit's Scalenrädchen. ...
Archiv ...
Inhalt des sechsundfunfzigsten Bandes. ...
K K:01: ...
Anmerkungen: ...
Nach diesen Ergebniffen betragen die Differenzen der wirklich inne- ...
in Frage gestellt werden darf, ob nicht unter analogen ...
Die auf falich geschäßter Entfernung zu erwartende Wirkung an ...
isolirt. Wäre es 1859 zum Kriege gekommen, so ...
5) ein gegen früher ungleich günstigeres Verhältniß zwischen Kriegs- ...
- ...
hat, so sollte er in dieser Beziehung als Maßstab ...
Mittel ...
Der vorliegende Verſuch soll nur auf den, so viel ...
1984567890 ...
Inhalt. ...
von welchen bei jedem Schanzenbau alle, noch so verschiedenen ...
man beshalb gleich, nöthigenfalls aus der Reserve genügend verstärkt...
naten weit überlegen sind. Auch die gewöhnlichen Kartätſchen könnten ...
IX. ...
X. ...
vallerie-Regimentern, dem braunen Huſaren- und einem Schlesischen ...
XII. ...
XIV. ...
Inhalt. ...
Der Drücker besteht aus einer großen Feder e, deren ...
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Fallhöhe, ...
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82 ...
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rühren), welche auf dem Fuße des Apparates angebracht ...
** Taa ke daher als Typen oder Mufter von Genauigkeit ...
XVI. ...
Berlegung des Schwerpunkts nach rückwärts bewirkt zunächst eine Ab- ...
da. gleich dem Winkel BCB. der Reigung des ...
die Seitenverschiebung ändert und jede Aenderung der letzteren sich zu- ...
44 ...

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Archiv für

die Offiziere der

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Artillerie-

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BIBLIOTHEK DESI& A MILITÄRGMITE Re 24tion

Neumann , Oberst der Artillerie.

v. Kirn, Oberst lieut. a. D., früher im Ing.-Corps.

Achtundzwanzigster Jahrgang. Fünfundfunfzigster Band.

Mit sechs Tafeln.

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Berlin , 1864. Druck und Verlag von E. S. Mittler und Sohn. Kochstraße 69.

Archiv für

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Offiziere der

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Reumann, Oberst der Artillerie.

v. Kirn , Oberft- Lieut. a. D., früher im Ing. -Corps.

Achtundzwanzigster Jahrgang. Fünfundfunfzigster Band.

Mit sechs Tafeln.

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lag von E. S. Mittler und Sohn. Kochstraße 69.

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Inhalt des fünfundfunfzigsten Bandes.

Seite 1.

III . IV.

Befestigung von Antwerpen. ( Mit einer Zeichnung, Taf.I ) Das Scalenrädchen. (Mit einer Zeichnung, Taf. II ) · Das Shrapnel - Geſchoß in England und Belgien ·

1 13 16

Ein Beitrag zu der Frage : wie die fortificatorische Einrichtung unserer jezt bestehenden Festungen zu modificiren

VII.

VIII.

IX.

X.

Beiträge zur Geschichte des Breschelegens mit Minen und Geschütz , besonders im 16. und 17. Jahrhundert . .

47

Artilleristische Aphorismen aus dem gegenwärtigen Amerikanischen Kriege Ansichten aus Amerika über die gezogenen Schußwaffen

95

VI.

22

22

V.

ſei, um der Artillerie beim förmlichen Angriff eine erfolgreiche Geschützvertheidigung zu gestatten .

95

im Amerikanischen Kriege .

139

Beitrag zur Literatures Pfeilgeschoffes für cylindriſch · glattgebohrte Rohre .

154

Abänderung unserer Belagerungs- und Festungs-Laffeten zur Aufnahme gezogener Geschüß- Röhre. (Hierzu eine Zeichnung, Taf. III ) . •

165

Die Ballistit der gezogenen Geschüße.

In elementaren

Formeln und ohne Tafeln dargestellt von Prehn , OberFeuerwerker in der Garde- Artillerie- Brigade. (Mit 2 Blatt

189 Zeichnungen, Taf. V u. VI) . XI . Auszug aus dem Berichte über den am 6. Februar 1864 durch das Brandenburgische Pionier - Bataillon Nr. 3 ausgeführten Brückenschlag über die Schley bei Arnis. 269 (Hierzu eine Skizze, Taf. IV ) XII.

Bericht über die am 17. Februar 1864 über den Egernsund ( Ekensund ) geschlagene Pontonbrücke. (Hierzu eine 277 Skizze, Taf. IV ) . .

18 worden , und demungeachtet hat davon , nach einem amtlichen Berichte, in den der Unterzeichnete Einſicht erlangt hat, so zu sagen auch nicht ein einziger seine Schuldigkeit gethan. Dagegen heißt es in diesem Berichte von den Percussionszündern : ,, daß sie bewundernswürdig ( admirably ) gewirkt haben ". Bei deren Gebrauch gegen die tatarische Kavallerie war diese nach nur einigen Schüſſen vollſtändig auseinander geſtoben und verschwunden. Selbst dann, wenn das Ideal eines Zeitzünders erreicht ist, bleibt dessen nüzliche Anwendung noch vielen Zufälligkeiten unterworfen. Wenn der Zufall es fügt, liefert er ungeheure, sogar die des Percussionszünders noch übersteigende Wirkungen , andererseits aber auch wieder oft Wir kungen , die nicht weniger als Null anzusehen find , als wenn bei der Percussionszündung das Geschoß im Erdboden stecken bleibt. In und vor Festungen und im Feldkriege bei Angriffen oder solchen Eelegen heiten , wo eine Unzuverlässigkeit der Wirkung weniger verhängnißvoll werden kann, dürfte der ihm und zwar nur für Shrapnels anzuweisende Platz sein, während für Granaten kaum ein Fall denkbar sein wird , in dem er dem Percussionszünder in deffen gegenwärtiger , jedoch nur für gezogene Geschüße bestehenden Vollkommenheit auch nur gleich zu stellen sein möchte. In Betreff des Geistes, in dem die Zünder- Angelegenheit und über haupt das ganze Geschützwesen aufzufassen sein dürfte , erscheint das in der vorliegenden Schrift auf Seite 84 mitgetheilte Schreiben des Generals Sir Robert Gardiner, eines Veteranen der Halbinselkriege , vom 6. Oc tober 1848 als wahrhaft muſterhaft. In demselben werden Fälle erzählt, in denen die Shrapnels ganz überraschend große Wirkungen geliefert haben ; "demungeachtet aber werden ihnen darin der einfache und mit größerer Sicherkeit wirkende Kugel- oder Kartätſchſchuß vorgezogen. Einfachheit der Anwendung und Sicherheit der Wirkungen sind es, die für alle zu Kriegszwecken bestimmten Einrichtungen gewiß in erster Linie zu stehen verdienen , und in der Artillerie bei allen Neuerungen zu verlangen sind. Beispielsweise alsdann erst , wenu sich allgemein die Ueberzeugung Bahn gebrochen haben wird, daß man aus gezogenen Ge schüßen nicht allein ungleich sicherer und mit ungleich größerer Geschoß wirkung schießt , als aus glatten , sondern auch noch in thatsächlich ein facherer Weise und selbst sogar rajcher, im Fall dies verlangt wird ; als

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dann erſt dürfte aus unserer Feld - Artillerie die gänzliche Verdrängung der darin noch vorhandenen glatten Geſchüße durch gezogene zu erwarten

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sein. Je mehr hierfür geschieht, um so früher wird dies eintreten. Daß der Kunst des Schießens aus glatten Geſchüßen nicht immer

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der ihr zukommende Werth beigelegt worden ist , weil man ſie häufig mit vergeblicher Mühe angewendet hat, wird die Ueberzeugung nicht stören können, daß das Schießen aus gezogenen Geſchüßen wirklich ungleich leichter und einfacher ist, als aus glatten. Selbstverständlich muß hierbei der Zweck des Schießens im Auge behalten werden , nämlich der : ,, das Ziel zu treffen und gute Wirkungen dagegen zu erhalten “. Wenn nur die Bedienung an und für sich möglichst leicht und einfach von Statten gehen kann , wird ſelbſt durch die größere Künstlichkeit des Geſchüßes dieſe Ueberzeugung nicht beeinträchtigt sein , da es der Kanonier nicht mit deffen Anfertigung zu thun hat, sondern nur mit dem Schießen und Treffen aus demselben und seiner möglichst guten Erhaltung. Besonders für die Feld-Artillerie müssen einerseits die möglichste Einfachheit und Leichtigkeit der Bedienung des Geschüßes und der An wendung der verschiedenen Schußarten, und andererseits unter allen Um ständen , welche eintreten können , eine möglichst große Sicherheit der Wirkung verlangt werden . Sollen Brennzünder in derselben eingeführt werden, so bleibt zu berücksichtigen : „ daß dadurch keine dieser Forde rungen begünstigt wird, und daß es noch keine Brennzünder gegeben hat, welche nicht Zufälligkeiten mannigfacher Art in Betreff ihrer guten Er haltung und bei ihrer Anwendung im Gefolge gehabt haben “. Mit ihrer Einführung für unsere gezogenen Geschüße der Feld-Artillerie dürfte daher keinenfalls in der Ausdehnung vorzugehen sein , wie dies in der vorliegenden Schrift verlangt wird , sondern nur zu besonders in Aus sicht zu nehmenden Fällen für eine verhältnißmäßig geringe Anzahl von Shrapnelschüssen. Dagegen dürfte der Anwendung von Brennzündern für den Ge brauch von Shrapnels im Festungskriege kein Hinderniß irgend einer Art entgegenzusehen sein, in so weit ſelbſtverſtändlich diese Zünder hierfür hinlänglich ausgebildet erscheinen. Noch sei erwähnt, daß sich unter andern Angaben in der vorliegenden Schrift auf Seite 118 auch die vorfindet : ,, daß der von Preußen aus in mehreren Artillerien eingeführte Concuſſionszünder in Deutſchland un 2*

Inhalt des fünfundfunfzigsten Bandes.

1. Befestigung von Antwerpen. (Mit einer Zeichnung, Taf.1 ) II. Das Scalenrädchen. (Mit einer Zeichnung, Taf. II ) · III. Das Shrapnel- Geschoß in England und Belgien IV.

Seite 1 13 16

Ein Beitrag zu der Frage : wie die fortificatorische Ein

222

richtung unserer jest bestehenden Festungen zu modificiren sei, um der Artillerie beim förmlichen Angriff eine erfolg reiche Geschüßvertheidigung zu gestatten . V. Beiträge zur Geschichte des Breschelegens mit Minen und Geschütz, besonders im 16. und 17. Jahrhundert ..

47

VI. Artilleristische Aphorismen aus dem gegenwärtigen Ame rikanischen Kriege

95

VII. Ansichten aus Amerika über die gezogenen Schußwaffen im Amerikanischen Kriege ..

139

VIII. Beitrag zur Literatuses Pfeilgeschoffes für cylindrisch . 154 glattgebohrte Rohre . IX.

Abänderung unserer Belagerungs- und Festungs-Laffeten zur Aufnahme gezogener Geschüß- Röhre. (Hierzu eine . 165 ung, Taf. III

X.

en Geschüße. In elementaren dargestellt von Prehn, Ober

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Artillerie-Brigade. (Mit 2 Blatt . . 189 I) . te i am 6. Februar 1864 rgil ‫عابد‬ La 17 11cb1\

r - Bataillon Nr. 3 Schley bei Arnis. 269 64 über den Egern brücke. (Hierzu eine

277



I. Die Befestigung von Antwerpen.

Mit einer Zeichnung.

Im vorigen Herbste war es dem Verfaffer gestattet, während eines kurzen Aufenthaltes in Antwerpen einige Notizen über die gegenwärtig in der Ausführung begriffenen Befestigungsanlagen zu sammeln , welche in Nachfolgendem zusammengestellt sind. Zur Verdeutlichung einzelner Details find einige, meist aus der Erinnerung gezeichnete Skizzen beigeschloffen. 1.

Die Ausdehnung der Befestigung.

Nachdem die Verhandlungen über die Erweiterung der Befestigung von Antwerpen seit dem Jahre 1855 unter der lebhafteſten Betheiligung von ganz Belgien angedauert hatten, ist seit dem Jahre 1861 ein Project in Ausführung genommen und seit Anfang 1862 in seinem ganzen Umfange definitiv festgestellt, welches noch weit großartigere Berhältnisse entwickelt, als die früher erschienenen Vorschläge von Keller und Comp., die schon durch die Kühnheit ihrer Constructionen ein ungewöhnliches Intereſſe für ſich in Anspruch genommen hatten. Die neue Enceinte von Antwerpen , wie solche in Fig. 1 dargestellt ist, hat eine Entwickelung von 15000m erhalten , d . h. etwa dreimal so viel, als die Befestigung Königsbergs auf dem rechten Pregelufer. Außerdem find 8 detachirte Forts von fast ganz gleicher Größe und Stärke projectirt, deren Abstand unter einander von einem ausspringenden Winkel zum andern gemeffen 2000 m ( = 2660 Schritt ) beträgt, und welche von dem Glacisfuße der Hauptbefestigung zwischen 2000-4500 Meter entfernt liegen. 1 Achtundzwanzigfter Jahrgang. LV. Band.

2 Schon aus diesen Zahlen ergeben sich die ungewöhnlich großen Berhältnisse dieser Befestigungsanlage, welche von Anfang an in ihrem ganzen Umfange mit gleicher Energie in Angriff genommen wurde. Zwei Eisenbahnen vermitteln den Verkehr innerhalb der Hauptenceinte und der durch die detachir ten Forts gebildeten Linie ; beide stehen mit der von Brüffel über Antwerpen nach Rotterdam führenden Eisenbahn in Berbindung. 2. Die Citadelle du Nord. Die Citadelle du Nord, an Stelle des hier früher vorhandenen kleinen Forts du Nord erbaut , ist eine große abgeſtumpfte Lünette , deren linke Flanke dazu bestimmt ist , die Kehle der Stadt zu bestreichen resp. die Tête de Flandre auf dem linken Scheldeufer zu unterstützen. Die vorderen Linien wirken gegen eine Annäherung feindlicher Schiſſe auf der Schelde , die rechte Flanke liegt in der Verlängerung des von hier aus bis zu dem Dorfe Deurne ziemlich gradlinig fortgeseßten Theils der Hauptenceinte. Die Flankirung des nicht revetirten, durch zwei große Schleusen gespeisten nassen Grabens erfolgt durch zwei ganze und zwei halbe Caponieren , deren Mauerwerk einem directen Feuer bloßgestellt werden konnte, da ein regelmäßiger Angriff gegen die Citadelle wegen des vorliegenden leicht zu inundirenden Marschterrains nicht zu befürchten steht. Die beiden Hauptcaponieren haben auf jeder Seite 6 Geſchüßscharten und einen offenen Hof von etwa 6-8 Meter Breite. Es erscheint diese lettere Construction nicht grade empfehlenswerth , und hat man dieselbe auch bei später ausgeführten Caponieren dadurch vermieden, daß man die Caſematten tiefer gemacht und die zwischenliegenden Gallerien überwölbt hat. Der sehr große Hofraum der Citadelle enthält vorläufig keinerlei Rebuitanlage ; dagegen ist in der Kehle ein großer Waffenplatz angebracht, welcher mit dem Innern der Hauptfestung durch breite Zugänge in Verbindung gesetzt werden soll. Die Mauerbauten waren auf dem ganzen Umfange der Citadelle ziemlich vollendet, dagegen die Erdarbeiten nur erst etwa zur Hälfte der profilmäßigen Höhe heraufgenommen.

Die Organisation der Arbeiten.

zeigte eine sehr ausgedehnte Anwendung von Eisenbahnen, nicht nur zum Erdtransport auf mehr oder weniger geneigten Schienensträngen, sondern

3 auch zum Heranschaffen aller Baumaterialien, wie Ziegel, Hauſteine, Sand, Cement und Kall direct aus den Schiffen nach den Abladepläßen und von hier resp. von der großen durch Dampf getriebenen Mörtelmaschine nach den einzelnen Baustellen . Der Transport geschieht mit Pferden und meist mit Kippkarren, welche seitwärts und nach vorne schütten. Außerdem fällt eine sehr ausgedehnte Anwendung der verschiedenartigsten Hebemaschinen und sonstigen mechanischen Hülfsmittel ins Auge , welche den Beweis liefern , daß die bei den vielen Eisenbahnbauten in Belgien gemachten Erfahrungen auch bei dieser Gelegenheit in ausgedehnter Weise benugt werden.

3. Die 5te Section der neuen Enceinte. Die 5. Section der neuen Enceinte , welche von der Spite bei Berchem bis zum Anschluß an die alte Citadelle reicht, enthielt die meiſten fertigen Mauerbauten, und fand daselbst eine sehr vielseitige Anwendung von Schienensträngen zu Zwecken der Bauausführung statt. Außer der innerhalb der ganzen Enceinte entlang führenden Eisenbahn , welche mit Locomotiven befahren wird und auch für die Zukunft zur Verbindung der einzelnen Vorstädte unter einander und mit der Stadt , sowie vorzugsweise für militairische Zwecke erhalten bleiben soll , ist hier eine für Pferdebetrieb eingerichtete Gürtelbahn zum Transport von Erde resp. Baumaterialien vorhanden, und endlich geschieht das Heben der Boden· maſſen aus dem Graben auf mehreren geneigten Schienensträngen, welche durch Pferdegöpel betrieben werden und sich ganz besonders bewährt haben sollen. Die größte , etwa in der Mitte der Section gelegene Caponiere zu 28 Geschützen war im Mauerbau fertig , und ebenso die Anlage zu der Courtine , nach einem Prinzipe gemacht , welches sich bei allen Fronten und Forts der Befestigung von Antwerpen wiederfindet und mit großer Sorgfalt ausgebildet zu sein scheint. Für den Fall , daß nämlich die Caponiere in Bresche gelegt sein und ein Vorwärtsarbeiten des Angriffs in derselben ſtattfinden sollte, ist die kurze Flanke a, Fig. 2, welche gegen jedes directe und indirecte Feuer durch die höher liegende Face der Polygone geschützt scheint , dazu bestimmt, eine leßte wirksame Flankirung dee Eingangs zu übernehmen. 1*

4 Daffelbe würde bei einem unvermutheten Angriff gegen das Thor stattfinden können , wenn die Besatzung des gedeckten Weges entweder nicht aufgestellt gewesen sein , oder nicht ihre Schuldigkeit gethan haben ſollte. Die Eingänge sind durchweg 7 Meter breit gehalten und gestatten ein Hervorbrechen mit großen Maſſen direct aus der Enceinte über das in den Rentrants en contrepente geführte Glacis im Vorterrain. Die Uebergänge über den Graben liegen zu beiden Seiten der Hauptgrabencaponiere, und zwar bestehen dieselben aus theilweise revetirten Dämmen, welche durch je zwei Zugbrücken von einander unterbrochen sind.

Zur

Speisung des später mit Wasser zu füllenden Grabens sind Batardeaux bestimmt, welche entweder sehr gesichert hinter der Mitte der Caponiere oder vor den Baſtionsspißen liegen und dann durch Reversgallerien vertheidigt werden sollen. Die Hauptcaponieren liegen im Durchschnitt 1200 Meter auseinander. Von großem Werthe ist ferner der breite freie Naum hinter der ganzen Enceinte , welcher hier die Unterbringung und Ansammlung von Truppen im größten Maßstabe gestatten würde.

Auf dieſem freien

Raum werden gegenwärtig zugleich mit den Befestigungsanlagen die für die Garnison und die Artillerie nöthigen Schuppen und Depots ausgeführt, soweit für dieselben nicht die zahlreich vorhandenen caſemattirten Räume beſtimmt sind. Ueber die Anlage großer Defenſions - Kasernen hinter jeder Courtine schien ein definitiver Entschluß noch nicht gefaßt zu sein. Der Anschluß an die alte Citadelle , welcher in einer scharf zurückgezogenen Linie erfolgt ist, besteht nur in einer einfachen Mauer , welche auf beiden Seiten von den hochgelegenen alten Baſtionen flankirt werden kann. Die an diesem Punkte durchführende Hauptpaſſage ist durch eine eigenthümliche Rollbrückenvorrichtung geschloffen , welche auch bei den beiden Haupteingängen der Citadelle du Nord in der Ausführung begriffen war. Die Idee soll in Lefterreich vielfach benußt sein und beſteht darin (Fig. 3 ) , daß die 8m breite und 9m lange Rollbrücke aus drei Theilen zusammengesett ist , von welchen a und b seitwärts nach a ' und b ' ( offene Vertiefungen ) geschoben werden , und zwar bewegen sich diese Hälften vermittelst niedriger Eisenbahnräder auf Eisenbahnſchienen , und

5 daß demnächst der Theil e an die Stelle von a und b zurückgezogen wird, worauf nur noch die eisernen Thore zu schließen wären, um die Absperrung herzustellen. Die Manipulation ist eine zeitraubende und complicirte, und hatte man die Absicht, eine Verbesserung dieser Construction dadurch auszuführen, daß statt niedriger Eisenbahnräder dergleichen hohe verwendet werden sollten. Zugbrücken mit Hintergewichten und Brückentellern hat man wegen des hier sehr niedrigen Wafferhorizontts nicht zur Ausführung bringen wollen. 4.

Das Fort Nr. IV .

Das Fort Nr. IV ( Vieux Dien ) , Fig. 4 , war von allen detachirten Forts am weitesten vorgeschritten ; es liegt dicht neben der Eisenbahnstation gleichen Namens, und zwar auf einer unbedeutenden Hebung des Terrains. In der Reihe der vorgeschobenen Werke bildet es die mit der pointe de Berchem in der Stadtenceinte correspondirende ausspringende Spize. Die Hauptgrabencaponiere ist für 14 Geschüße eingerichtet, die beiden rückwärts wirkenden Caponieren unter den Flanken der Halbbaftione, zu je 6 Geschüßen, und stehen mit letteren umfangreiche kaſemattirte Räume in Verbindung.

Das Reduit ſoll die Pilzform erhalten ; es waren aber

erst die Fundamente desselben ausgeführt.

Auf dem vielfach traversirten

und für ein schräges Feuer nach vorne eingerichteten Hauptwall ſollen noch Hohltraversen erbaut werden, welche man im nächsten Jahre in der Höhe des Wallganges auf Sand zu fundamentiren beabsichtigt.

Der ge-

deckte Weg ist auf beiden Flanken en cremaillère geführt und enthält Barbetten für Feldgeschüße. Aus allen diesen Anordnungen ergiebt sich der Charakter einer in jeber Weise vorbereiteten activen Vertheidigung , welche bei der starten Besatzung der einzelnen Forts ( 4 – 5000 Mann ) und den vielen bomben. fichern Räumen ( für 12 - 1400 Mann ) auch möglich erscheint. Neu und großartig ist in dieser Beziehung besonders auch ein unter der vorderen Courtine ausgeführtes Casemattencorps von 150m Länge bei 25m Tiefe, nicht nur zur bombensichern Unterbringung von Borräthen aller Art, sondern vorzugsweise dazu eingerichtet, große Truppenmaffen, welche für einen Ausfall bereit gehalten werden sollen , ganz geschüßt gegen Wurffeuer aufzustellen.

6 Selbst für das Unterfahren bespannter Geſchüße ist ausreichender Raum vorhanden. Das Caſemattencorps ( Fig. 5) , welches sich in zwei ganz symme trischen Hälften zu beiden Seiten der nach der Hauptgrabencaponiere führenden Poterne ausbreitet , enthält in jeder Hälfte zwei große Caſematten für Munition und Lebensmittel , demnächst eine für 4-6 bes spannte Geschüße ausreichende Gallerie, die nöthigen Kücheneinrichtungen, Verbindeplätze 2c. und eine für die Ausfalltruppe bestimmte Gallerie, in welcher auf jeder Seite der Poterne einige hundert Mann während eines Bombardements aufgestellt werden können. Die Erleuchtung dieser Gallerie sowie der sehr tiefen Caſematten findet durch nach unten sehr breit sich öffnende Lichtlöcher statt , welche oben entweder durch ein starkes eisernes Gitter geſchloſſen werden , oder aus der runden in eine viereckige Form übergehend geführt find, so daß fie mit senkrecht hineingestellten Holzblöden zugesezt werden können. Am Ende des Casemattencorps liegt ein Pulver - Magazin , welches mit einem schmalen Luftcorridor und doppelten Eingängen versehen ist. Auch im Fort Nr. IV. fand sich eine umfassende Anwendung von Eisenbahnen, weniger zum Erdtransport , der mit Handkarren aus dem Graben stattfand , als zum Heranschaffen von Baumaterialien nicht nur auf der Gürtelbahn , sondern auch von der seitwärts am Fort vorüber führenden Brüffeler Eisenbahn.

Außerdem war auch hier wieder in einem

langen Fachwerksgebäude hinter dem Hauptcasemattencorps der Courtine eine Dampfmaschine aufgestellt zur Mörtelfabrikation und zum Treiben verschiedener Maschinen in einer daran stoßenden größeren Holzwerkstätte, wo Lehrbögen und Einſchalungen für die Gewölbe vorbereitet wurden, ebenso Fenster und Thüren , Dielungen 2c. Endlich wurden hier auch Reparaturen und Neuanfertigungen von Karren und allerlei Mauerutensilien besorgt, und war die Einrichtung getroffen, daß der Maſchinenraum, die Mörtelfabrikation und die Werkstätten der Holzarbeiter von dem in der Mitte des Gebäudes höher liegenden Baupoſtenbüreau übersehen werden konnten. Ueberall herrschte eine große Thätigkeit ; die Arbeiten griffen augenscheinlich sehr gut in einander, und die häufige Anwesenheit vieler fremden Offiziere , sowie hochstehender Militairs aus Brüssel spornt die arbeitenden Soldaten zu großen Kraftanstrengungen, so daß sich im Ganzen ein sehr ansprechendes Bild eines im großen

7 Styl geführten Festungsbaues ergab. Da übrigens die Verwendung von Soldaten beim Fort Nr. IV in einem vorzugsweise großen Maßstabe erfolgt, so scheint eine Beschreibung der Organisation ihrer Arbeit hier am Orte. 5.

Verwendung von Soldaten zum Festungsbau.

Nachdem die Projecte für die Befestigung von Antwerpen definitiv festgestellt waren , und die Regierung jede Berbindung mit der Gesell. schaft Keller und Comp. abgebrochen hatte, handelte es ſich um den Ausführungsmodus für die Befestigungsarbeiten. Mancherlei Vorschläge erwiesen sich als unpraktiſch ; zulett adoptirte man das für eine solche Situation wohl einzig mögliche Syſtem : mit Unternehmern zu contrahiren und die Arbeiten durch Genieoffiziere beaufsichtigen zu laſſen. Das Haus Poëls und Comp. in Brüssel , die größten Lieferanten für Eisenbahnmaterialien in Belgien , übernahmen gegen bestimmte vorher festgesette Einheitsfäße die Ausführung. Sie stellten die Arbeitermaffen mit den nöthigen Schachtmeistern ; die Genieoffiziere ließen durch die zu den Absteckungen und ſonſt nöthigen Borarbeiten commandirten Mannſchaften der Geniecompagnien die Tracirungen und Nivellements ausführen, und die Arbeit begann gleich auf dem ganzen Umfange der Festung und auf fast allen detachirten Forts. Hierbei stellte sich freilich bald ein fühlbarer Mangel an Erdarbeitern, aber besonders au Maurern heraus .

Dem ersteren Uebelstande wurde durch

eine vermehrte Anwendung von Eisenbahnen , sowohl horizontalen als geneigten, abgeholfen , dem leßteren dadurch , daß man sich entschloß, Mannschaften aus den Regimentern zu commandiren , wie dies ja auch schon bei der Befestigung von Paris in großem Umfange geschehen war. Die Heranziehung von Soldaten zum Bau erfolgt nun in der Weiſe, daß nur solche Leute commandirt werden , welche wenigstens 6 Monate im Camp de Beverloo ausgebildet sind ; nach der vorläufigen Bestimmung sollen sie 2 Jahre bei der Arbeit verbleiben. Es sind Commandirte aus allen Truppentheilen der Jufanterie und Jäger , und besonders fräftig gebaute Leute, die keine Handwerker zu sein brauchen. Die Geschichtesten von ihnen werden zu Maurern ausgebildet, zu welchem Ende sie einen dreimonatlichen Lehrcurſus durchmachen ; sie arbeiten dann unter der Aufsicht von Unteroffizieren und erhalten eine Arbeitszulage

8 pro Cubikmeter fertigen Mauerwerks .

Aehnlich ist es mit den Erdar-

beitern , welche außer ihrem Tractament ( ordinaire ) von fr. 0,53 eine Arbeitszulage von fr. 0,30 erhalten, wovon ihnen die Hälfte in die Hand gegeben wird, die andere Hälfte in einer besonderen Kaffe bis zu ihrem Abgange deponirt bleibt. Außerdem giebt der Staat einen Zuschuß zu der Menage von fr. 0,25 ( Verpflegungszuschuß ), eben so viel geben die Leute von ihrem Tractament zur Menage.

Die Verpflegung der Mann-

schaft ist ausgezeichnet gut und reichlich; ſie erhalten nämlich Morgens 5 Uhr Kaffee, in der Pauſe von 8 — 84 Uhr , litre Genièvre, Mittags zwischen 12 und 1 Uhr sehr kräftige Bouillon und Fleisch ( † Kilog. = 24 Loth im rohen Zustande ) , welches aus einem Königlichen Schlachthause in der alten Citadelle geliefert wird ; in der Pause Nachmittags 4-4} Uhr Brod, Abends 61 Uhr Kartoffeln. Die Mannschaften find regimenterweise unter besonderen Offizieren in Abtheilungen formirt und entweder in naheliegenden Gebäuden ober in Barackenlagern dicht an den Bauplägen untergebracht. Figur 6 zeigt eine Baracke aus dem Lager für die 800 Mann Militairarbeiter , welche bei dem Fort Nr. IV beschäftigt waren.

Troß der etwas tief liegenden

und daher nicht besonders gesunden Gegend, in welcher dieses Lager fich befand, erhielt ich die Versicherung, daß höchst selten Erkrankungen stattfinden , weil man mit großer Strenge auf die Befolgung von sanitätspolizeilichen Vorschriften hielt, welche sich aus der Erfahrung als heilsam bewährt hatten , und welche in verschiedenen gedruckten Exemplaren in den Baracken angeschlagen waren . Besonderen Werth legte man außer auf eine minutiöſe Reinhaltung des Innern und gute Abwässerung der Umgebung, auf gute Vorrichtungen zur Lüftung und auf eine Aufstellung der Bettstellen etwa 1m über dem Erdboden. In der Nähe dieſes Barackenlagers wohnen die Offiziere , entweder in Gebäuden , die zum Abbruch beſtimmt sind , oder in kleinen Häusern, welche die Unternehmer ihnen herstellen und gegen eine bestimmte , von den Offizieren dafür zu zahlende Entschädigung einrichten mußten . Ebenso befinden sich die Bureaus und Werkstätten in der Nähe , wodurch der Dienstbetrieb ſehr concentrirt wird.

Der militairische Charakter erscheint

hierbei außerdem stets aufrecht erhalten , denn die Mannſchaften werden mit der Trommel gesammelt und marſchiren vom Lager nach der Arbeitsstelle und zurück stets in geschlossener Ordnung, die Offiziere an der Spitze.

9 Was nun die Arbeiten selbst anbetrifft , so werden , wie bereits bemerkt, die Erdarbeiten den Unternehmern meist nach einem Einheitssage bezahlt; in einzelnen Fällen wird jedoch die Bezahlung nach Entfernung, Steigung und Bodenclaſſe berechnet. Die Maurerarbeiten ſind ſämmtlich mit absichtlicher Vermeidung jeder Art von Eleganz , aber ſehr ſolide ausgeführt, in welcher Beziehung das vorzügliche Material zu Statten kommt. Riſſe und Sehungen habe ich nirgend bemerkt , wiewohl ſehr ſchnell gearbeitet wird und man mit den Fundamentirungen nicht übermäßig scrupulös zu verfahren schien. Für die sehr niedrig gehaltenen Thore und ebenso für die Façade der unter dem Walle liegenden Caſemattencorps ist ein außerordentlich einfacher, aber geschmackvoller (normännischer) Festungsstyl zur Anwendung gekommen , welcher in ſeinen ſehr maſſigen Formen ganz mit den großartigen Profilverhältniffen in Uebereinstimmung steht.

6. Fortificatorische Details. a) Die Scharten construction à la Haxo wird überall mit beſonderer Vorliebe zur Anwendung gebracht. Fig. 7 zeigt die dabei üblichen Berhältniffe. Was die Anwendung von eisernen Caſemattenschilden betrifft , so war hierüber noch Nichts definitiv festgeseßt, und waren nur überall große Bolzenlöcher ausgespart , um eine Construction à la Thorneycroft an bringen zu können *). Außerdem ist in Fig. 7 die allgemein übliche Anwendung von Drehbolzen zur Befestigung des Schlittens der Caſemattenlaffete angedeutet ; derselbe bewegt sich vermittelst zweier Räder auf einer eisernen Kreisſchiene mit gekrümmter Oberfläche, wodurch es möglich wird, die Seitenrichtung außerordentlich schnell nehmen zu können. Diese convex profilirten Schienen sind auch in England allgemein im Gebrauch. Die gemauerten Scharten ſind ſämmtlich in Hauſteinen und in größeren Verhältniſſen als die unſrigen ausgeführt. Ihre Breite beträgt im Bruch 1m 20 = 434“ , ihre Höhe 1m 40 = 49″. In jeder Cas sematte find ferner mehrere starke Ringe zur Handhabung der Geſchüße, zum Ein- und Auslegen der Röhre u. s. w. angebracht ; sie werden ver*) Bergl. Band 53 des Archivs Seite 201 u . ff.

10 mittelft Schraubenbolzen befestigt und können daher herausgenommen werden. Der lettere Umstand hat sich für ihre Benutzung deshalb als besonders günstig herausgestellt, weil die Ringe jedem beliebigen schrägen Zuge eines Taues nachgeben, ohne daß dadurch der zu ihrer Befestigung im Gewölbe dienende Anker angegriffen wird. b) Der Grundriß der Pulvermagazine in Antwerpen ist hauptsächlich nach den Erfahrungen, welche die Ruffen in Sebastopol gemacht haben , festgestellt und enthält manches Neue , was Beachtung zu verdienen scheint (Fig. 8).

Es muß hierbei jedoch erwähnt werden , daß

die Pulvermagazine auch in Friedenszeiten belegt und benutzt werden sollen ; sie haben deshalb einen Eingang von dem Innern des Forts aus, der in ein kleines und durch ein Fenster erhelltes Vorhaus mündet. Außerdem kann man von hier aus in den 6 ' hohen und 28″ breiten Luftcorridor gelangen , welcher das Pulvermagazin auf zwei Seiten umgiebt. Wo derselbe in die Poterne einmündet , ist ein zweiter Eingang nach dem Pulvermagazin angebracht , der nur für den Fall der Belagerung bestimmt ist.

Dann wird der Friedenseingang nebft Bor-

haus 2c. zugeschüttet, um gegen jede Gefahr, die bei einem Bombardement entstehen könnte, gesichert zu sein ; und die Berausgabung von Pulver 2c. findet ganz unter dem Wall statt , wo der Transport der Munition nach der Caponiere resp. den Dechargencajematten und der crenelirten Mauer vollkommen gesichert stattfinden kann. Für die Herstellung von ausreichender Beleuchtung des Dienstes in dem Pulvermagazin ist nun in einer vortrefflichen Weise gesorgt.

In

den Nischen a und a finden sich nämlich Lampen , welche von dem Luftcorridor aus bedient werden können. Diese Einrichtung soll ebenfalls von den Ruſſen in ähnlicher Weise in Sebastopol gebraucht worden sein. c) Der Apparat zur Erleuchtung der Pulvermagazine (Fig. 9) besteht darin, daß in einer Nische etwa 3′ über dem Boden eine Lampe angebracht , und , um den erforderlichen Luftzug zu erzielen , ein von unten heraufsteigender und an dem Gewölbe des Luftcorridors mündender kleiner Canal in dem Mauerwerk ausgespart ist. Nach dem Pulvermagazin zu befindet sich vor der Lampe eine 24 Centimeter = pp . 1 “ ftarke Glasscheibe , welche ringsherum in dem Mauerwerk befestigt ist. Nach der Seite des Luftcorridors zu wird die Nische geſchloſſen durch

11 eine mit Handhaben versehene 2“ starke Eisenplatte, die vermittelst eben solcher Keile festgestellt werden kann und an welcher nach vorn ein polirter Hohlspiegel befestigt ist. Das Anzünden der Lampe, sowie das Versorgen derselben mit Del, das Pußen des Hohlspiegels erfolgt von dem Luftcorridor aus. Die Stärke der Glas- und ebenso die der Eisenplatte sichern vor jeder zufälligen Beschädigung dieses Beleuchtungsapparats, welchen übrigens die Engländer, wenn auch mit einigen Modificationen, bei den Befestigungs-, anlagen von Portsmouth ebenfalls angewandt haben. Dort hat man statt der geraden Glasplatte eine gekrümmte vorgezogen, wodurch man ſich eine noch bessere Vertheilung des Lichtes nach dem Innern des Magazins verspricht. d) Wenn auch im Allgemeinen das Prinzip der Abwäſſerung über den Cordon festgehalten erscheint, so hat doch an einzelnen Stellen die große Tiefe der Caſematten zu einer Ableitung des Waſſers nach innen gezwungen . Die Vorrichtungen bierzu find mit großer Sorgfalt und ähnlich den uusrigen ausgeführt (Fig. 10 ) ; es scheint mir aber eine hierbei angebrachte Vorrichtung zum Reinigen der Röhren einige Beachtung zu verdienen. In einer Nische des Widerlagers nämlich , in welchem die Abwässerung heruntergeführt wird, die aus muffenförmig über einander geſtellten gußeiſernen Röhren von etwa 8" lichtem Durchmeſſer beſteht, iſt der Ring a, welcher durch eine Schraube zusammengezogen werden kann, so angebracht, daß er auf den beiden kleinen Vorsprüngen bb ruht und die Röhre cd trägt. Der Ring besteht aus zwei durch ein Charnier verbundenen Hälften, die vorn durch eine Schraube zusammengehalten werden.

Deffnet man

dieſe lettere und nimmt den Ring heraus , so fällt die Röhre cd herunter, und es kann nun eine Reinigung der Abfallröhre nach oben und unten stattfinden. Die horizontalen Röhren sind in einen kleinen Canal geführt , der ebenfalls ein Herausnehmen und Reinigen derselben ge= ſtattet. e) Zur Beförderung des Dampfabzuges hat man ganz allgemein eine Vorrichtung angebracht, wie sie Figur 11 zeigt.

Der in

jeder Caſematte vorhandene Kamin hat einen bis zur halben Höhe gemauerten Schornstein, der sich in einer gußeisernen Röhre oder zwischen

12 zwei langen Eisenblechen fortsett. Um resp. neben denselben münden die von den beiden anstoßenden Caſematten kommenden Dampfabzüge. Um den Pulverrauch zu entfernen , wird ein Feuer in dem Kamine angezündet , welches dann die gußeisernen Röhre resp. Bleche schnell erwärmt. Es soll hierauf ein außerordentlich lebhaftes Abziehen des Dampfes eintreten. Man hat mit dieser Vorrichtung sehr befriedigende Bersuche in Braſchaet angestellt. Ueberhaupt ist von den Belgiſchen Ingenieuren eine große Sorgfalt darauf verwandt worden , die Caſematten so zweckmäßig als möglich zu ventiliren und sie so hell als möglich zu machen , weil sie , und gewiß mit Recht, sagen , daß die in ein Fort eingeschlossene Besayung nur in hellen Räumen und in reiner Luft bei gutem Muth und gesund erhalten werden kann.

13

II.

Das

Scalenrädchen

( revolving scale , Molette métrique )

(mit einer Zeichnung) von Herrmann von Schlagintweit, correspondirendem Mitgliede der Academien von Liffabon, Madrid, München , der geographiſchen Geſellſchaft zu Berlin, Paris, St. Petersburg, Wien 2c.

Ein Mitglied der von der englischen Regierung unlängst veranlaßten großartigen Expedition zur Erforschung von Hochaften und Indien, Herrmann von Schlagintweit , hat ein kleines Instrument zum raschen Messen von Curven auf Plänen und Karten construirt und auf diesen ausgedehnten Reisen zum gedachten Zwecke mit dem befriedigendsten Erfolge benutt, welchem er den Namen ,, Scalenrädchen" gegeben hat. Unsere Leser dürften von dieſem kleinen, niedlichen event, an der Uhrkette zu tragenden Instrumentchen nicht ohne Interesse Kenntniß nehmen, da es namentlich zur ſchnellen und genauen Meffung gekrümmter Wege, Flüsse zc. auf Karten sich sehr bequem benußen läßt. Das Instrument*) beſteht aus einer metallenen Radſcheibe, deren Pe. ripherie nach einer gewissen Maßeinheit eingetheilt und diese Eintheilung durch in der Richtung des Radius kurz vorstehende Stahlſpißen markirt ist. Ein in 2 Lappen endender Stiel nimmt die horizontale Achse des Rädchens zwischen denselben auf , ſo daß lezteres über eine gerade oder krumme Linie fortgerollt werden kann, wobei die erwähnten Stahlſpigen feine Punkte hinterlassen. Man erhält also durch das Fortrollen des Rädchens auf einer beliebigen Linie : 1. Die Zahl der an der Peripherie des Nädchens eingetheilten Zolle, Centimeter u. s. w . für die durchlaufene Länge.

*) Es iſt deſſelben bereits durch General Morin in der Sigung der französischen Academie gedacht, Comptes rendus t. LVII , séance Aôut 17, 1863, so wie in Les Mondes, vol . II. 3 livr. und British Assoc. Newcastle, Sept. 1863.

14 2.

Die durchlaufene Linie ist damit in gleiche Theile eingetheilt,

so daß man einzelne Stücke derselben miteinander vergleichen kann, ohne wieder messen zu dürfen. 3. Man kann mit dieſem Rädchen , wenn man es längs eines Lineals hinlaufen läßt, in einem Nu einen beliebig langen Maßſtab eintheilen. Der Stiel kann auch nach Art eines Carabinerhakens dargestellt ſein, ſo daß das kleine Instrument sich bequem an der Uhrkette befestigen läßt. Die Dimensionen , welche der Erfinder für den bequemen Gebrauch am passendsten fand , sind hier für Zolle, Centimeter und für topographische Maße zusammengestellt, wie sie die beiliegende Zeichnung ausweist. a) Für Zolle. Größe des Umfangs von 2 Zollen, wobei die Zahlen 0, 1 , 2, 4, 1 , 11 , 14 und 1 ; über den betreffenden Spitzen in der Radscheibe eingravirt sind, und überdieß der Anfang (0 ) und die Hälfte des Umfanges (1) durch doppelte, neben einander stehende Spißen unterschieden wird.

b) Für Centimeter. In der Zeichnung sind für die Größe des Umfanges 3 Centimeter angenommen , dieſe halbirt und die ganzen Centimeter von den halben durch doppelte Spißen unterschieden. c) Für die topographischen Maße auf Karten, welche nach Meilen zu messen und im Verhältniſſe von 1 : 100000 oder in Theilen dieſer Proportion angefertigt sind , ist als Einheit die halbe geographische Meile zu Grunde gelegt, wobei der Umfang des Nades = 1,37 Pariser Zoll, der Durchmesser = 5,22 Pariser Linien. Es ist dabei für die deutsche geographische Meile nach Bessel der Werth von 3807,23 Toisen angenommen. Für jene Karten, denen das Verhältniß 1 : 144000 oder Multipla davon zu Grunde liegen, ist der Umfang von 2 Zollen in 12 Theile getheilt, was für den Gebrauch am bequemsten ist. Der ganze Umfang entspricht dann einer Duodecimal-Meile oder 24000 Fuß , der einzelne Theil 2000 Fuß ; und das Scalenrädchen ist zugleich das abſolute Maß eines Zolles , von 2 zu 2 Linien getheilt ; der Anfang und die Mitte erhalten dabei Doppelspigen. Auf jedem Rädchen ist überdies der Anfang der Theilung durch einen breiten Strich, der mit der O verbunden ist, und diese ist als

15 eine volle dunkle Ellipse noch besonders deutlich hervorgehoben.

Dies

beschleunigt wesentlich die Anwendung beim Messen , indem man bis hahe dem Ende der zu messenden Linie nicht alle einzelnen Theile, ſondern nur die ganzen Umdrehungen zu zählen braucht. In Beziehung auf die mechanische Construction dürfte noch zu bemerken sein, daß die Kante des Nädchens schmal ist und ringsum geferbt wird , um die Führung zu erleichtern , und daß die Spißen fein und kurz gemacht werden. Wie bei Arbeiten mit dem Zirkel , ſo muß auch hier das Papier nicht auf eine feste glatte Fläche, sondern auf eine etwas weiche Unterlage aufgelegt werden , um das genaue Berühren des Nandes des Rades und das Eindrücken der Spißen zu erleichtern . Die Dicke der Achse, um welche sich das Nädchen dreht, auch das etwaige fich Erweitern der Durchbohrung für die Achſe ſind für die Benußung ohne Einfluß, da unmittelbar die Peripherie das Maß bietet. Auf Karten dürfte vorher der beigezeichnete Maßſtab durch das Rädchen zu unterſuchen sein, um zu sehen , ob sich nicht das Papier nach dem Drucken, wie dies häufig geschieht, meßbar zusammengezogen hat. Die Anwendung ist leicht und mit Präcision auszuführen. Schon der kleine Widerstand beim Eindrücken der Spitzen erlaubt bei dem Zählen der Theile, sie nicht nur zu ſehen, sondern auch zu fühlen ; überdies wird die zu meſſende Linie selbst getheilt und durch die einge, drückten Punkte zugleich controlirt, ob man bei der Führung des Rädchens genau der Linie gefolgt ist. Zugleich ist dadurch die ganze Linie getheilt, was nicht nur für die Länge der Wege, der Flüsse 2c. auf Karten, ſondern auch bei der Untersuchung vieler Curven als Anhaltspunkte in dem ersten Entwurse mathematischer Formeln von Intereſſe iſt. In der Zeichnung stehen der Einfachheit halber Schrift und Zahlen auf einer Seite. Bei der Anfertigung eines solchen Instrumentes wird es besser sein , die Schrift auf der einen, die Zahlen auf der andern Seite anzubringen. Am oberen Ende des Stieles können noch Theile fleiner als die Scalen- Einheiten der Peripherie- Theilung angegeben sein, um damit Reste, welche sich bei der zu meffenden Linie ergeben, genauer zu beſtimmen, als es durch Schäßung geschehen kann.

Siche Taf. II.

16

III.

Das Shrapnel-Geschoß in England und Belgien nebst

Betrachtungen über deſſen Gebrauch im lehten Krimm - Kriege. Eine historisch - technische Skizze bom General - Major Bormann , Adjutanten Sr. Majestät des Königs der Belgier. Ins Deutsche übertragen und mit Anmerkungen versehen von

A. du Vignau, Königl. Preuß. General-Major a. D. Berlin 1863. Druck und Verlag von E. S. Mittler und Sohn.

Diese Schrift gehört zu denjenigen Erscheinungen, welche eine besondere Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen , selbst wenn man mit den darin enthaltenen Ausführungen nicht in allen Punkten einverstanden sein kann. Schon die Namen, welche ihr Titel trägt, würden dies rechtfertigen . Die Aufgabe, einen guten Brennzünder für das Feuern mit Hohl. geschoffen darzustellen, war für den Artilleristen von jeher eine der wichDemungeachtet gehört es in den Bereich eigener Erinnerungen, daß ihre Lösung seit vielleicht einem Jahrhundert um kaum einen Schritt vorgerückt erschien. tigsten.

Um in dieser Hinsicht günstige Erfolge herbeizuführen , gab der aus der englischen Artillerie in andere Artillerien übergegangene Gebrauch der Shrapnels die Veranlassung zu den vielseitigsten Anstrengungen . Zu den hervorragendsten Erfolgen , welche hieraus hervorgegangen find, gehört ohne Zweifel die Erfindung des Generals Bormann. Dem Wesen der Sache nach besteht sie darin : daß bei der Darstellung des Zünders an die Stelle der bis zu ihrem Erscheinen ausschließlich im Gebrauch gewesenen stehenden Saßsäule, welche umständlich und schwer zu tempiren war , eine in mannigfacher Weiſe ſehr leicht tempirbare liegende Saßsäule gebracht worden iſt. Sie iſt es, welche den Gegenstand der vorliegenden Schrift ausmacht , darin als das neue Princip

17 für Zünder bezeichnet wird und thatsächlich im Siemens'schen , Breithaupt'schen und Armstrong'schen Zeitzünder , sowie in allen andern Erfindungen ähnlicher Art anzutreffen ist. Ein geringer Theil dieser Schrift hat allerdings den Zweck der Vertheidigung eines verlegten Eigenthumsrechts ; im Uebrigen aber, nämlich zur Förderung der Sache selbst, kann ihr Inhalt deshalb nicht weniger als ein ungewöhnlich reichhaltiger und ungewöhnlich anregender bezeichnet werden. Der Reiz der Schrift wird in dieser Hinsicht noch durch die Anmerkungen des Herrn Uebersetzers erhöht.

In denselben tritt als be.

sonders beachtenswerth hervor: „ Die Verbannung der glatten Geſchüße aus der Feld-Artillerie “ , eine Verbannung , die sich auch bei uns mit der Beseitigung der Vorwürfe einstellen wird , welche den gezogenen Geſchüßen noch gemacht werden. So groß aber auch immer der Beifall ist , welcher der vorliegenden Schrift zu zollen bleibt, nnd wie anerkannt groß auch der Werth erscheint, welcher guten und leicht tempirbaren Brennzündern für alle diejenigen Fälle beizulegen bleibt , in denen es auf die Erzeugung von Wirkungen ankommt, die von einem Aufschlage des Gefchoffes vor dem Ziele oder dem Terrain unabhängig sein sollen , so kann diesseits doch die Ansicht nicht unterdrückt werden : ,, daß in dieser Schrift der Brennzünder mit liegender Satzsäule, auf Kosten der übrigen Arten von Zündern , und insbesondere der Percussions - Zündvorrichtungen , überschätzt ist “.

Dem

Ausspruche des Verfassers : ,, daß ein mit den Eigenschaften des schönen Ideals behafteter Zeitzünder ein sehr verwickeltes Ding ſei “, kann nur beigeſtimmt werden, während auch noch auf die Umständlichkeit und mehr oder weniger große Unsicherheit des Schusses mit ihnen , so wie auf die Unzuverlässigkeit hinzuweisen bleibt , welche alle bisherigen Zeitzünder, im Vergleich zu den Percuſſionszündern , gezeigt haben , und zwar vorzugsweise alsdann , wenn sie des vom General Bormann mehrfach hervorgehobenen metallischen Schutzes gegen das Verderben durch den Zutritt der Luft beraubt gewesen sind. Welche Aufmerksamkeit auf einen solchen Schuß zu richten bleibt , kann beispielsweise aus den von den Engländern im lezten chinesischen Feldzuge gemachten Erfahrungen entnommen werden. Hierzu waren die Armstrong'schen Zeitzünder , und zwar in besonderen Büchsen , sehr sorgfältig verwahrt , mitgenommen 2 Achtundzwanzigster Jahrgang. Band LV.

18 worden , und demungeachtet hat davon , nach einem amtlichen Berichte, in den der Unterzeichnete Einsicht erlangt hat, so zu sagen auch nicht ein einziger seine Schuldigkeit gethan. Dagegen heißt es in diesem Berichte von den Percussionszündern : ,, daß sie bewundernswürdig ( admirably ) gewirkt haben ". Bei deren Gebrauch gegen die tatarische Kavallerie war diese nach nur einigen Schüffen vollständig auseinander gestoben und verschwunden . Selbst dann, wenn das Ideal eines Zeitzünders erreicht ist , bleibt dessen nützliche Anwendung noch vielen Zufälligkeiten unterworfen.

Wenn

der Zufall es fügt, liefert er ungeheure, sogar die des Percuſſionszünders noch übersteigende Wirkungen , andererseits aber auch wieder oft Wirkungen , die nicht weniger als Null anzusehen sind , als wenn bei der Percussionszündung das Geschoß im Erdboden stecken bleibt.

In und

vor Festungen und im Feldkriege bei Angriffen oder solchen Gelegenheiten , wo eine Unzuverlässigkeit der Wirkung weniger verhängnißvoll werden kann, dürfte der ihm und zwar nur für Shrapnels anzuweisende Platz sein , während für Granaten kaum ein Fall denkbar sein wird , in dem er dem Percuſſionszünder in deffen gegenwärtiger , jedoch nur für gezogene Geschüße bestehenden Vollkommenheit auch nur gleich zu stellen sein möchte. In Betreff des Geistes, in dem die Zünder- Angelegenheit und überhaupt das ganze Geschützwesen aufzufassen sein dürfte , erscheint das in der vorliegenden Schrift auf Seite 84 mitgetheilte Schreiben des Generals Sir Robert Gardiner, eines Veteranen der Halbinselkriege , vom 6. Dctober 1848 als wahrhaft musterhaft. In demselben werden Fälle erzählt, in denen die Shrapnels ganz überraschend große Wirkungen geliefert haben ; “demungeachtet aber werden ihnen darin der einfache und mit größerer Sicherkeit wirkende Kugel- oder Kartätſchschuß vorgezogen. Einfachheit der Anwendung und Sicherheit der Wirkungen ſind es, die für alle zu Kriegszwecken bestimmten Einrichtungen gewiß in erster Linie zu stehen verdienen , und in der Artillerie bei allen Neuerungen zu verlangen sind. Beispielsweise alsdann erst , wenn sich allgemein die Ueberzeugung Bahn gebrochen haben wird, daß man aus gezogenen Geſchüßen nicht allein ungleich sicherer und mit ungleich größerer Geschoßwirkung schießt, als aus glatten , sondern auch noch in thatsächlich einfacherer Weise und selbst sogar rascher, im Fall dies verlangt wird ; als-

19 dann erſt dürfte aus unserer Feld - Artillerie die gänzliche Verdrängung der darin noch vorhandenen glatten Geschüße durch gezogene zu erwarten sein. Je mehr hierfür geschieht, um so früher wird dies eintreten. Daß der Kunst des Schießens aus glatten Geschüßen nicht immer der ihr zukommende Werth beigelegt worden ist , weil man sie häufig mit vergeblicher Mühe angewendet hat, wird die Ueberzeugung nicht stören können, daß das Schießen aus gezogenen Geschützen wirklich ungleich leichter und einfacher ist, als aus glatten.

Selbstverständlich muß hierbei

der Zweck des Schießens im Auge behalten werden , nämlich der : „ das Ziel zu treffen und gute Wirkungen dagegen zu erhalten ". Wenn nur die Bedienung an und für sich möglichst leicht und einfach von Statten gehen kann , wird selbst durch die größere Künstlichkeit des Geschüßes diese Ueberzeugung nicht beeinträchtigt sein , da es der Kanonier nicht mit deffen Anfertigung zu thun hat, sondern nur mit dem Schießen und Treffen aus demſelben und seiner möglichst guten Erhaltung. Besonders für die Feld- Artillerie müssen einerseits die möglichste Einfachheit und Leichtigkeit der Bedienung des Geschützes und der Anwendung der verschiedenen Schußarten, und andererseits unter allen Umständen , welche eintreten können , eine möglichst große Sicherheit der Wirkung verlangt werden . Sollen Brennzünder in derselben eingeführt werden , so bleibt zu berücksichtigen : „ daß dadurch keine dieser Forderungen begünstigt wird, und daß es noch keine Brennzünder gegeben hat, welche nicht Zufälligkeiten mannigfacher Art in Betreff ihrer guten Erhaltung und bei ihrer Anwendung im Gefolge gehabt haben ".

Mit

ihrer Einführung für unsere gezogenen Geschütze der Feld- Artillerie dürfte daher keinenfalls in der Ausdehnung vorzugehen sein , wie dies in der vorliegenden Schrift verlangt wird , sondern nur zu besonders in Aussicht zu nehmenden Fällen für eine verhältnißmäßig geringe Anzahl von Shrapnelschüssen. Dagegen dürfte der Anwendung von Brennzündern für den Gebrauch von Shrapnels im Festungskriege kein Hinderniß irgend einer Art entgegenzusehen sein, in so weit selbstverständlich diese Zünder hierfür hinlänglich ausgebildet erscheinen. Noch sei erwähnt, daß sich unter andern Angaben in der vorliegenden Schrift auf Seite 118 auch die vorfindet : „ daß der von Preußen aus in mehreren Artillerien eingeführte Concussionszünder in Deutschland un2*

20 eigentlich ,,der Preußische Percussionszünder " genannt werde ". Hiergegen kann aus bester Quelle versichert werden, daß die Idee oder das Prinzip zu diesem Zünder aufgefaßt und auf unserm Schießplaße zur Ausbildung gelangt ist , noch ehe man eine Kenntniß davon hatte, daß dasselbe Prinzip auch anderswo zur Geltung gebracht worden ist.

Der

Zünder war bereits fertig, als die Armstrong'schen Erfindungen diesseits bekannt geworden sind.

Auch ist die Nachricht : „ daß man dieſen Zünder

unter andern in dem Handbuche der Artillerie-Wiſſenſchaft u. s. w. des Badischen Hanptmanns Schuberg, Karlsruhe, 1856, Tafel VII , Figur 24 abgebildet findet " , die erste, welche an die Stelle gelangt, wo der Preußische Percussionszünder entstanden ist , und wo man diese Abbildung bis jetzt noch nicht gesehen hat ". Auch hat es eine ganz ähnliche Bewandtniß mit den gezogenen Geſchüßen preußischen Systems.

Dieselben waren noch eher fertig, als die

Armstrong'schen, und so viel dieſſeits bekannt geworden ist, waren ihnen nur die von Cavalli und Wahrendorff vorausgegangen. Daß aber die Preußischen, für welche zunächst die Wahrendorff'sche Einrichtung des Ladens von hinten benutzt worden ist , und die Armstrong'schen gezogenen Geschütze in Betreff des Schießens aus einem und demſelben, und zwar sehr alten Grundgesetze hervorgegangen sind , ist eben in dem Alter dieses Gesetzes begründet und daher keine Erfindung der Gegenwart. Schließlich kann noch versichert werden, daß nach dem Bekanntwerden

der Armstrong'schen und anderer ähnlicher Erfindungen diesseits bis diesen Augenblick keine Veranlassung gefunden worden ist , die bereits bei uns erlangten Einrichtungen auch nur im Geringsten danach zu verbessern, so eifrig man auch bemüht gewesen ist , die bekannt gewordenen Erfahrungen des Auslandes nicht unbenutzt zu lassen. Doch war dies nicht aus nationaler Eitelkeit geschehen ,

die in jedem Lande vorhanden

und als das beste Patent gegen Nachahmungen anzusehen ist. Zeitungsartikel und Schriften über gezogene Geschütze sind jedoch von der Stelle aus , wo die Preußischen entstanden sind, nie in die Welt gesendet worden. Ohne nun noch die wahrhaft ausgezeichneten Leistungen von Sir W. Armstrong irgendwie zu verkennen , sind selbst die eminenten Verdienste, welche er sich um die Artillerie ( Anmerkung Seite 115 der Schrift ) erwarb, indem er die in der Belgischen Artillerie für die Zünder glatter

21 Geschütze zuerst praktisch durchgeführten Grundsäße auch auf die gezogenen angewendet hat, für die Preußische Artillerie bis diesen Augenblick nur insofern nicht vollständig Null geblieben , als man auch in dieser erft innerhalb der letzten Jahre zahlreiche Versuche angestellt hat, in einer von der seinigen abweichenden Weise ebenfalls die in England seit 1852 amt. lich bekannt gewesene Bormann'sche liegende Satzsäule zu verwerthen, und hierfür ein Beiſpiel durch den Armſtrong’ſchen Zünder gegeben war. Das Gesetz, nach dem hierbei die Sahsäule zur Entzündung gebracht wird, ift indeß in Preußen schon im Jahre 1842 bei Versuchen angewendet worden, bei denen 50 &der - Bomben von der Mündung des 25 uber- Mörsers geworfen worden ſind. Ich glaubte alles dies aussprechen zu müffen , da die vorliegende Schrift den Eindruck in mir zurückgelaffen hat : „, daß die aus unsern Versuchen hervorgegangenen gezogenen Geschütze und deren Einrichtungen als eine nachträgliche Nachahmung der desfallsigen Einrichtungen anderer Länder angesehen zu werden scheinen “.

Berlin , den 25. October 1863.

Neumann, Oberft.

22

IV. Ein Beitrag zu der Frage : wie die fortificatorische Einrichtung unserer jezt bestehenden Festungen zu modificiren ſei , um der Artillerie beim förmlichen Angriff eine erfolgreiche Geſchüßvertheidigung zu gestatten.

Eine reiche Ausrüftung mit artilleriftischen Streitmitteln vorausge

ſeßt, ift 1., die

erste Anforderung ,

welche

der Artillerift ftellen

muß, daß ihm ein ausgedehnter Raum zur Entwickelung ſeiner Kräfte für den Fernkampf zur Disposition geftellt werde. Einen Theil des erforderlichen Raumes hat sich die Artillerie ſelbft durch die Vergrößerung der Tragweite ihrer Geschüße geſchaffen, indem gezogene Kanonen jezt auf Collateralwerken Poſition nehmen können, die früher zur Geſchüßvertheidigung nicht zu benußen waren . Die Artillerie disponirt jezt bei der Vertheidigung gegen den förmlichen Angriff : a) über die zuſammenhängende feftgelagerte starke Brustwehr des Hauptwalles der angegriffenen Fronten , welche Brustwehr aber nur bei großen Festungen mit weiter Enceinte eine große Ausdehnung befigt; b) über die Brustwehren der Contregarden , Raveline und detachirten Werke der Haupt- und Nebenfronten .

Diese Brustwehren

allein gestatten aber noch nicht die volle Ausbeute der Geſchüßwirkung, da faßt die Hälfte ihrer Länge durch die unbedingt nothwendige enge Traversirung verloren geht. Es erscheint daher nothwendig , daß der Artillerie zur Ueberwindung des Gegners im Geschüßkampfe und zu einer energischen Verhinderung der Fortschritte des Angriffe auch e) noch die Brustwehr des gedeckten Weges eingeräumt

23 und zur Geschüßaufftellung fortificatorisch eingerichtet werde. Diese Brustwehr ist von noch größerer Ausdehnung , als die des Hauptwalles , und sie ist bei ihrer glacisförmigen Abdachung unzer förbar , während jene durch starke Sprenggeschoffe wenigstens stellen. weise weggesprengt und nicht wieder bis zu ihrer früheren Festigkeit hergestellt werden kann . Von dem Vorhandensein dieser vortrefflichen Brustwehr hat die Artillerie bis jezt nur in so weit Vortheil gezogen , als der gedeckte Weg zur Aufstellung einzelner leichter Wurfgeschüße , namentlich in den eingehenden Waffenpläßen , und einzelner Kartätſchgeſchüße auf Geschüßbänken in den ausspringenden Winkeln benugt worden ist. Daß eine fräftige Kartätschwirkung, eine rasante Beftreichung des Vorterrains überhaupt nur vom gedeckten Wege ausgehen kann , eine mörderische Wirkung gegen Deckungstruppen und Arbeiter und die Verhinderung der Anwendung der flüchtigen Sappe nur von ihm aus zu erzielen, ist schon mehrfach nachgewiesen worden ( namentlich im 48. Bande dieser Zeitſchrift).

Geſchüßbänke, wie wir fie in den aussprin-

genden Winkeln jezt angelegt finden , haben aber den Nachtheil, daß fie mit ihren Rampen und Anlagen viel Raum in Anspruch nehmen, und bei schmalen Rondengängen die Communication sehr beengen, auch gewähren sie nur für wenige Stunden Vortheile, denn nach Eröffnung des Feuers der Ricochett - Batterien ist das aufgeftellte Geſchüß zu erponirt und muß zurückgezogen werden.

Eine Traverfirung des

gedeckten Weges geftattet zwar, eine größere Zahl von Wurfgeschüßen mehr gedeckt zu placiren ; da fie aber die Bestreichung der langen Zweige des gedeckten Weges verhindert, die Communication erschwert, dem Feinde die Anlage von Bresch-Batterien im gedeckten Wege , so wie die Graben- Descente erleichtert, mithin mehr Nachtheil als Vortheil gewährt, so finden wir sie mit Recht nur selten ausgeführt. Das Haupthinderniß , welches sich einer vielseitigen Benußung dieser ausgedehnten unzerstörbaren Brustwehr für artilleristische Zwecke entgegenstellt , ift die mit großen Kosten und einem großen Aufwande von Zeit und Arbeits-Kräften hergestellte Pallifadirung des ge. deckten Weges.

24 Schon vielfach ist darauf hingewiesen worden, daß Palliſaden nur ein ſchwaches Hindernißmittel find , durch Pulversäcke von 25 — 50 U. leicht durchbrochen, auch leicht vom Angreifer mittelft Faſchinen u. s. w. überftiegen werden können , daß sie durch das Ricochettfeuer so wie durch zu kurz gehende Demontirſchüſſe viel leiden, mithin früher zerflört werden, bevor man aus ihnen wesentlichen Nußen zieht, daß sie wegen der Holzsplitterung ein zweifelhaftes Deckungsmittel bilden , ja , bei dem jezt so verbesserten Ricochettfeuer gezogener Geſchüße für die aufgeftellten Schüßen in den Holzſplittern ſehr gefährliche Nebenprojectile liefern. Wenn die Pallisadirung nur ein schwaches Hinderniß ist bei feind. lichen Angriffen, so ift fie dagegen ein sehr bedeutendes für die eigenen offensiven Unternehmungen. Gegen die auf 12-1500 Schritt entfernten ersten Batterien des Angreifers versprechen nur Ausfälle mit bedeutenden Kräften Erfolge ; für solche Ausfälle empfiehlt sich die Tageszeit , namentlich der anbrechende Morgen , mehr als die Nachtzeit. Das Debouchiren einer Colonne durch einen engen Ausgang im eingehenden Waffenplage erfordert viel Zeit und hebt daher bei Tage die Ueberraschung auf; der Ausfall kämpft außerdem mit einem Defilee im Rücken und muß das Defilee beim Rückzuge im feindlichen Feuer mit demselben Zeitaufwande wieder pasfiren , oder zu künftlichen Hülfsmitteln beim Ueberfteigen der Palliſaden seine Zuflucht nehmen . Fällt die Palliſadirung weg, so ist die Anlage breiter Ausfallstufen an der Brustwehr des ge. deckten Weges ermöglicht , das Ausfallen großer Truppenmaffen er leichtert, und dieſen, wenn fie gedrängt werden, auch gestattet, frei nach jeder Richtung und schnell sich wieder unter den Schuß der Werke zu. rückzuziehen . Die eingehenden Waffenpläße des gedeckten Weges find oder werden bei uns mit maſſiven oder hölzernen Blockhäusern verschen, welche in der Regel so liegen, daß von ihnen aus die langen Zweige beftrichen werden können. Eine solche Lage ist bei der jeßigen Ausbildung des indireeten Schuffes gezogener Geſchüße zu gefährdet. Um ſie daher für den Nahkampf zu erhalten, wird man sie durch Traversen , welche den Waffenplag abschließen , decken und die Beftreichung der langen Zweige des gedeckten Weges durch Anlage von Blockhäusern im

25 ausspringenden Winkel erreichen müssen, wo sie durch die nahe liegende Brustwehr des Glacis gefichert sind . Dieſe Blockhäuſer, unterirdisch mit dem Hauptgraben in Verbindung gefeßt, find feste Punkte in der äußeren Enceinte der Festung und werden den gedeckten Weg mehr sichern , als die Pallisadirung , und besonders im Nahkampfe vortreffliche Dienste leisten, da ihre Besaßung vom Hauptgraben aus verstärkt und abgelöst werden kann , und nur der MinenAngriff fie zu beseitigen vermag .

Die kleinen Ausfälle gegen Sappen .

teten würden durch fie außerordentlich begünstigt werden. Ihre Anlage im ausspringenden Winkel wird also , wo sie noch nicht beftehen, ohnedies nothwendig werden.

Zft durch fie aber der ge.

deckte Weg gesichert, so kann die Pallisadirung fortfallen, und es steht nichts Wesentliches mehr im Wege , der Artillerie diese ausgedehnte unzerstörbare Brustwehr zu vielseitiger Benußung zu überweisen. Man hebe zu dem Zwecke bereits im Frieden aus dem Bruftwehrkörper des Glacis Geſchüßftände von etwa 12 Fuß Breite, 18 Fuß Länge aus und lasse diese Stände mit Aehen bleibenden ( incl. Anlage 18 Fuß ſtarken ) Traversen abwechseln. Die gewonnene Erde kann theils zur Erhöhung der Traversen um 1 2 Fuß, oder zu anderen baulichen Zwecken, nament. lich zur Traverſirung des Hauptwalles und zur Errichtung von Masken für exponirtes Mauerwerk :c. benugt werden.

Die Traversen würden

an der Reversseite zum Theil mit Ausfallßtufen zu versehen sein . Da die langen Zweige des gedeckten Weges meistens mehr als 30 Ruthen lang find , für ein Geſchüß incl . Traverse 30 Fuß beansprucht werden, so ließen sich auf jedem Zweige der Angriffs- und der Collateral-Fronten etwa 12 Geschüße gedeckt aufstellen , welche eine unzerstörbare Brustwehr vor sich und unzerstörbare Traversen zur Seite haben. Mehrere dieser Geschüßftände könnten zum Kartätschgebrauch bei Nacht nur bis zur Tiefe einer Geſchüßbank ausgehoben werden ; auch Doppelstände für je ein Bank- und ein Scharten - Geschüß würden. fich empfehlen .

Die in Laffeten mit großer Feuerhöhe liegenden Geschüße können bei fteil abfallendem Glacis aus einer gewöhnlichen flachen Scharte feuern , bei weniger Ateil abfallendem Glacis oder bei Laffeten mit niedriger Feuerhöhe aus einer gebrochenen Erdscarte .

1 26 Diese tief liegenden Scharten sind auf 1000 bis 1200 Schritt mit bloßem Auge kaum zu erkennen ; der dunkle Hintergrund erschwert dem Feinde das Richten außerordentlich * ).

Eine Veränderung der

Schartenrichtungen , eine Verlegung derselben in die Diagonale des Standes ist leicht ausgeführt ; an Erde mangelt es nie wie auf dem Hauptwalle, daher ist auch die demontirte Scharte viel leichter wieder herzustellen. Die aus gewachsenem Boden bestehenden sanft ansteigenden Kasten ſind nicht zu zerstören , weil die Geſchofſe der Demontirbatterien in fie nicht eindringen , ſondern abprallen.

Wurffeuer kann allein niemals

eine solche Zerstörung bewirken. Diese Geſchüßßtände würden daher schwer zu demontiren , in Folge der geringen Breite der Stände und der starken Traversen eben so schwer durch Ricochettfeuer zu bewältigen ſein ; dem Wurffeuer aber bieten sie eine viel zu geringe Zielfläche. Es unterliegt wohl keinem Zweifel , daß diese Geſchüße in den ersten Stadien des Angriffs sowohl am Tage als des Nachts auf der ganzen Länge der Linien thätig werden können , da fie ſich ſelbſt hinreichend stark vertheidigen, ein rasantes Kreuzfeuer auf das vorliegende Angriffsterrain richten und gegen gewaltsame Unternehmungen schon durch die Entfernung, dann aber auch durch die hinterliegenden Werke gedeckt find.

Die in den Batterien ſtehenden Geſchüße des Angreifers

befinden sich in einer viel ungünftigeren , viel mehr erponirten Lage, und müssen doch ihre Aufgaben lösen. Während in der Nacht das Feuer vorzugsweise gegen die AngriffsArbeiten, Deckungstruppen 2c. zu richten ist , können am Tage die ge= zogenen Kanonen am Geſchüßkampfe Theil nehmen , auch wenn die feindlichen Scharten gar nicht sichtbar find . Am Horizonte giebt es immer scharf markirte Punkte, auf welche zielend, man sich doch gegen ein nicht sichtbares tiefer liegendes Objekt einſchießen kann , da eine Beobachtung der Wirkung vom Hauptwalle aus ftattfinden und die Wirkung durch die Beobachtungsposten ſignaliſirt werden kann . *) Kann er das Ziel nicht deutlich sehen , und richtet er in Folge dessen nicht scharf auf die richtige Stelle, so ift der Schuß aus dem gezogenen Geschüß auch sicher ein Fehlschuß . Die Wirfung gezogener Geschüße läßt sich daher am besten ſchmälern , wenn man die Ziele ihrer Form und Farbe nach möglichst undeutlich macht , scharfe Conturen vermeidet und sie event. mit erdfarbenen Vorhängen blendet.

27 Rückt der Angriff weiter vor, und befürchtet man einen Handßtreich gegen diese Geschüße , ſo werden die auf den langen Linien des ge= deckten Weges stehenden in der Nacht in die eingehenden Waffenpläße zurückgezogen , bei anbrechendem Morgen aber wieder aufgestellt . Die im aus, und einspringenden Winkel placirten können dagegen Tag und Nacht ihr Feuer unbedenklich noch lange fortfeßen , da sie durch die dahinter gelegenen Blockhäuser gegen einen Handftreich völlig ſicher gestellt find. Eine durch eine Scharte des Blockhauses gesteckte Leuchtfackel gewährt Licht genug , um durch ein wohlgezieltes Schüßen-Feuer aus unmittelbarster Nähe das Vernageln der Röhre und Zerstören der Laffeten zu verhindern . Es wäre nur für die Artilleriften ein gedeckter Unterkunftsort außerhalb des Blockhauses vorzubereiten, in welchen sie fich beim Vorbrechen des Gegners zurückziehen , um das Feuer des Blockhauses zu demaskiren . ( Eine Communication nach der unterirdischen Verbindung des Blockhauses mit dem Hauptgraben resp . mit den in den ausspringenden Winkeln desselben neuerdings anzulegenden Caponieren würde genügen . ) Erscheint eine solche Geschüß- Verbindung im gedeckten Wege zuläffig, so bleibt es sehr wünschenswerth , die Traversen , welche den eingehenden Waffenplaß absperren , als geräumige Hohltraversen einzurichten, um zurückgezogenen Geſchüßen und Mannſchaften, Ablöſungen oder ruhenden Truppen einen sicheren Unterkunftsort zu gewähren. Stehen die Geschüße im Feuer , so können dieſe Hohl- Traversen als Ladeftellen und Geschoßräume benußt werden. Um weite Transporte zu vermeiden, würde ein unbenußter Geſchüßßtand auf jeder langen Linie als Ladeftelle einzurichten sein . Will man die Ladestelle bombensicher eindecken , was allerdings nicht nothwendig ist, da ein Schuß gegen die Witterung schon ausreichend sein würde, so bedarf es nur einiger eiserner Tragebalken , welche auf die unzerstörbaren Traversen als Widerlager gelegt und mit 1 bis 2zölligen schmiedeeisernen gewalzten Platten eingedeckt werden.

Eine solche Ein-

deckung dürfte, nach den in England und Frankreich mit Voll- und Hohlkugeln ( verschiedenen Kalibers und verschiedener Geschwindigkeit) ausgeführten Versuchen zu urtheilen, bombensicher sein *) . Daß sich durch *) Versuche mit Bomben gegen Eindeckungen, aus eisernen ge walzten Platten hergestellt , find meines Wiſſens noch nicht ges

28 Eindeckung der am längsten im Feuer bleibenden Geſchüße , alſo der im eingehenden Waffenplaße auf eine sehr einfache, wenig Arbeit erfordernde Weise , bedeckte , kaum zerstörbare Geſchüßftände herstellen laffen, leuchtet ein. Um den Ersaß der Munition zu sichern , würde im eingehenden Waffenplaß an der Contreescarpe ein geräumiges Verbrauchsmagazin unentbehrlich werden, von welchem aus die in den Hohltraverſen resp. auf den langen Linien eingerichteten Ladeftellen versorgt werden. Ausgabe- Magazin würde im Ravelin anzulegen sein .

Das

macht worden und würden auch sehr kostspielig sein, da sie gegen diese kleinen Ziele einen großen Munitionsaufwand erfordern würden. Um aber einen Anhalt zu gewinnen für die erforderliche Stärke dieser Platten und die nothwendige Zahl der ihnen zur Unterſtüßung dienenden Tragebalken, würde es genügen , aus 25 und 50 % gen Haubißen Granaten auf nahe Entfernungen gegen ein aus Holz und Eisen entsprechend hergestelltes Ziel zu werfen, so zwar, daß die Endgeschwindigkeit der Granate dem Maximum der Endgeschwindigkeit einer auf 800 bis 1000 Schritt unter der größten Elevation geworfenen Bombe gleichkommt, und der Einfallwinkel zur Fläche des eine Blockhausdecke darfellenden Zieles pr. pr . 75 bis 80 Grad beträgt. Die Widerstandsfähigkeit der Eisenbahnschienen gegen die Sprengwirkung der schwersten Bomben ist bereits durch Bersuche in Coblenz ( 1856 ) und Verona ( 1862 ) erprobt worden. Ueber ihre Widerstandsfähigkeit gegen den Bombenschlag würde sich bei den Schießübungen der Artillerie-Brigaden, welche alljährlich nach Rechtecken und Wallgängen werfen," im Laufe der Zeit eine Reihe von gelegentlichen Versuchsresultaten gewinnen lassen, wenn man in diesen Rechtecken auf den Wallgängen bombenfichere Unterkunftsräume , Geschüßflände 2c. verschiedener Conftruction baute. Zur Eindeckung derselben sind unbrauchbare Eisenbahnschienen ein sehr billiges Material, da dieselben immer den Werth des alten Eisens behalten, fie mögen gebrochen, ver. bogen oder zersplittert sein, auch leicht umzutauschen, ſelbft leihweise zu erlangen find. Bei der Westphälischen Artillerie-Brigade ist in diesem Jahre ein derartiger Verſuch gemacht worden . Es war in einem kleinen als Ziel für die Mörserwürfe abgesteckten Rechteck ein mit Eisenbahnschienen eingedeckter Unterfunftsraum für 30 Mann mit blindirtem Eingange gebaut worden. Auf einem aus einfüßigen Balken auf gewachsenem Boden ge ftreckten Rahmen wurden zunächst mit 13 Fuß Spannung eiserne Tragebalken gelegt , welche aus je 3-18 füßigen Schienen gebildet waren ( 2 Schienen unter, die 3te mit dem Kopf nach unten zwischen die beiden ersten eingekämmt ). Senkrecht da. rüber lag eine gleichmäßige Lage 18füßiger Schienen . Eine

29 Die Completirung der Vorräthe , der Ersaß zerschoffener Theile, der Austausch demontirter Laffeten und Röhre wird am ficherßten durch eine fefte Communication mit dem Ravelin herzustellen sein .

Eine

ſolche bildet sich aber von selbst , da man beabsichtigt, die in Verlängerung der Ravelingräben liegenden Theile der gemauerten Escarpen des Hauptwalles durch eine theilweiſe glacisförmige Ausfüllung des hinteren Endes des Ravelingrabens, gegen den indirecten Brescheschuß Erddecke von 2′ 4″ Höhe brachte die Krone auf 4 ' und sollte aus öconomischen Rücksichten das Zerschellen der Bomben verhüten. Der innerhalb des Rahmens 4' tief ausgehobene Raum war mit Bohlen bekleidet, welche durch kurze 1 ' tief eingegrabene Eisenbahnschienen ( statt der Bankyfähle ) festgehalten wurden. Diese Schienen reichten bis zur Decke und wurden durch diese und die Tragebalken verhindert, dem Drucke der Erde nachzugeben. Der Eingang wurde durch 9füßige Schienen blindirt. Bon den zum Unterricht und zur Prüfung auf 1100 Schritt unter 45° geworfenen Bomben trafen die Eisendecke ( mit einer Endgeschwindigkeit von pr. pr. 285 ' ) : 1 50 uge und 2-25 uge. Von der elastischen Decke wurden sie etwa 2 bis 3 Fuß in die Höhe geschnellt und fielen in das durch die einschlagende Bombe gebildete Loch zurück. Beim Wegnehmen fand_fich_zwiſchen ihnen und den Deckschienen eine Erdschicht von etwa Zoll vor; innerhalb des eingedeckten Raumes war keine Spur einer Veränderung wahrzunehmen. Eine bombensichere Eindeckung überhaupt jezt noch, wo man in den gewalzten schmiedeeisernen Platten oder Schienen ein so vorzügliches Deckungsmittel befißt, durch einen 6 Fuß hohen thurmartigen Bau von 1 ' Holz 2 Faschinenlagen und 4 frisch aufgeschütteter Erde auf einer Grundlage von geringer Aus dehnung, wie sie Blockhäuser, bedeckte Geſchüßflände 2c. bieten, erzielen zu wollen, dürfte um ſo weniger praktiſch ſein, als die deckende Erde durch Sprenggeschoffe gezogener Geschüße leicht abgekämmt wird . Diese Art der Eindeckung wird nur noch für Mörserstände anwendbar bleiben , welche in hohlen Werken gelegen weder dem directen noch indirecten, sondern lediglich dem Bomben-Feuer ausgefeßt find , oder als Nothbehelf da, wo man keine eisernen Platten oder Schienen zur Hand hat, oder der Transport der Schienen zu umständlich ist. Vergleicht man die Eindeckung aus Schmiedeeisen mit der bisherigen, so ergiebt sich: 1) daß , um 1 zu decken , die lettere das Gewicht der eiſernen ſehr bedeutend überſteigt. Es wiegen 1 Cubik- Fuß der Deckbalken pr. pr. 36 U., • 21 • 2 Fuß Faschinen etwa 384 = 5 Cubik- Fuß Erde . Summa: 441 ..

30 zu decken. Wo die Ravelingräben durch Flanken - Batterien am Ende dieser Gräben bestrichen werden , ist sie schon durch die Decken dieſer Batterien gegeben. Zur Verwendung im gedeckten Wege eignen sich allerdings vorzugsweise nur ambulante Rohr-Geſchüße, alſo gezogene 6 &der, bronzene gezogene 12uder , glatte kurze oder Feld - 12uder und 7uder= Haubißen, sowie leichte und mittlere Mörser; wo aber in den Festungen der kurze 24uder noch zahlreich vorhanden ist, würde ſelbſt er aus den Ständen im eingehenden Waffenplaß zum Feuer gegen Sappenteten, zum Kartätſch- und Shrapnel - Feuer benußt werden können .

Von

diesen Geschüßen würde die Mehrzahl der gezogenen vorzugsweise auf Dagegen wiegt 1 gewalztes Schmiedeeisen bei 2″ Dicke nur etwa 78 u , eine doppelte Lage Eisenbahnschienen nur etwa 120 u. Daraus folgt : 2) daß der Unterbau und die Ständerung bei einem Blockhause oder bedeckten Geſchüßſtande mit eiserner Decke leichter conftruirt sein kann ; 3) die Decke von Eisen braucht nicht über die Wände so bedeutend vorzustehen, giebt also ein kleineres Ziel. 4) An ihr zerschellen die Bomben , ohne daß deren Sprengwirkung zur Geltung kommt. Eine gekrümmte Form der Platten nach Art der Gewölbe oder eine wellenförmige Geftalt würde die Widerstandsfähigkeit noch bedeutend erhöhen, ohne die Kosten sehr zu vergrößern . Bei Eisenbahnschienen ( ohne Erdbeschüttung ) dürfte es zweckmäßig sein, 2 Lagen so in eine zu vereinigen, daß beide wie ein Paar gezahnte Stangen in einander greifen. Die Höhe der Decke wächst dann durch die zweite Läge kaum um Zoll. Man gewinnt oben wie unten eine ebene Fläche, deren Fugen sich vollständig schließen . Zu bombensicheren Eindeckungen auf Wallgängen , wo die Erde schwer herbeizuschaffen ist , möchte eine solche Decke am zweckmäßigſten sein. 5) Eine Reparatur der Decke ist ausführbar, bei der bisherigen nicht. 6) Bei der geringen Höhe der Decke braucht das Blockhaus, der Geschüßftand oder die Pulverkammer nicht so tief eingegraben zu werden, um gegen den directen Schuß gesichert zu sein. 7) Bei Abwägung des Kostenpunktes dürfte in Betracht zu ziehen sein , daß sich Eisen gut conserviren läßt , Holz aber durch lange Aufbewahrung bedeutend an Widerstandsfähigkeit verliert. Namentlich für Blockhäuser im gedeckten Wege, welche beim Nahkampfe auch noch der Gefahr ausgefeßt find , in Brand gesteckt zu werden, ist Eisen auch zur Bekleidung der Wände vorzuziehen; ein ovales Loch genügt als Gewehrscharte.

31 den Collateral-Linien, die Mehrzahl der glatten Kartätſchgeſchüße auf den Linien der Angriffsfront aufzustellen sein. Auf dem Hauptwalle , den Ravelinen, Contregarden c. nehmen dagegen Position : 1) die schweren Mörser auf Punkten , wo man Rohrgeſchüße nicht placiren fann (Fuß der Wallgänge, Courtinenpunkte 2c.) ; 2) die schweren Haubißen in den ausspringenden Winkeln , von wo fie aus erhöhten Scharten nach verschiedenen Richtungen werfen ; 3) auf Facen, Flanken, Courtinen der eigentlichen Angriffsfront, in wechselnder Aufstellung , in Gruppen, verschiedene vorbereitete Positionen einnehmend ; gezogene 12 uder , gezogene 24 uder und der Reft der disponiblen ambulanten Geſchüße ; 4) auf den Collateral-Linien der hohen Rahmgeſchüße , bei denen man auf eine wechselnde Aufstellung verzichten muß. Eine derartige Benußung der Brustwehr des gedeckten Weges zur Artillerievertheidigung würde folgende Vortheile ergeben: 1.

Durch die Anlage von Blockhäusern in den ausspringenden

Winkeln ist es möglich gemacht, die Erleuchtungs - Mörser bis in dieſe ausspringenden Winkel des gedeckten Weges vorzuschieben , von wo aus dieſes allerdings ſehr mangelhafte, aber bis jezt noch unentbehrliche Erleuchtungsmittel wenigftens auf größere Entfernungen angewandt werden kann. Durch Aufstellung der Erleuchtungsmörser ledig. lich auf den Courtinen des Hauptwalles verliert man zu viel an Wurfweite.

Diese Mörser unter dem unmittelbaren Schuße der Block-

häuſer ſchon bei der Armirung gegen den gewaltsamen Angriff aufzuAtellen, dürfte gar keinem Bedenken unterliegen, wenn nur die dem An. drange des Feindes ausweichende Bedienungs - Mannschaft hinter dem Blockhause ein gedecktes Unterkommen findet. Eiserne Wallkaften würden den ersten Munitionsbedarf sicher ftellen. 2. Die Artillerie gewinnt zur Abwehr des förmlichen Angriffs eine große Zahl kleiner, gegen das feindliche Feuer ſehr gesicherter und leicht bombenficher einzudeckender Geſchüßßtände , von welchen aus ein raſantes Kartätſch-, Granat- oder Shrapnel - Feuer gegen die ersten Angriffs- Arbeiten gerichtet werden kann. Ebenso finden die kleinen Mörser und Haubißen eine viel gedecktere Aufstellung als bisher.

32 3.

Diese Aufstellungen find vorzugsweise geeignet, das Vorschreiten

der Angriffs, Arbeiten zu verzögern, Ausfälle zu unterſtüßen und ihren Rückzug zu decken. Wird es dem Angreifer möglich sein , bevor dieſe Geſchüße zum Schweigen gebracht sind, mit der flüchtigen Sappe aus der ersten Parallele vorzubrechen und die 2. Parallele mit der flüchtigen Sappe zu erbauen? Wenn diese Frage verneint werden muß , welcher Zeitgewinn erwächst daraus für den Vertheidiger ! Daß aber diese Geschüße schwer zu beseitigen find , dafür bürgt ihre gedeckte Stellung, die Unzerstörbarkeit der Brustwehr und Traversen , die leichte Herstellbarkeit der Scharten und deren tiefe aus größeren Entfernungen nur ungenau zu erkennende Lage. 4. Zu dem eigentlichen Geſchüßkampfe mit den ersten Batterien des Angreifers, welcher hauptsächlich von dem Hauptwalle zc. aus mit

mittleren und schweren gezogenen Kalibern geführt wird, gewinnt man durch Verwendung einer großen Zahl ambulanter, glatter und gezogener Geschüße im gedeckten Wege sehr viel Raum . Bisher bekämpfte man die Angriffs -Batterien einfach in der Weiſe, daß man so viel Geſchüße als disponibel auf den Wällen mit nur einer bestimmten Feuerrichtung placirte. Ein solches Verfahren führt zu einer ercentrischen Zerſplitterung der Wirkung nach allen Richtungen von einer eng gedrängten Aufstellung aus. Eine solche ist aber besonders auf der eigentlichen Angriffsfront verwerflich, deren Linien dem directen, dem bestreichenden und dem Wurffeuer ausgefeßt find ; ein kostbares unerſeßliches Material wird hier auf engem Raume der Zerftörung preisgegeben , und zu einem Manövriren , zu einer Verwen= dung der Geſchüße auch nach einer zweiten oder dritten Richtung fehlt es meistens an Brustwehr. Wird dagegen ein namhafter Theil der Geschüße im gedeckten Wege verwendet , so können für die auf dem Hauptwall thätigen mittleren und schweren gezogenen Geschüße nunmehr 3 bis 4 verschiedene Positionen mit verschiedenen Feuerrichtungen gegen verschiedene Batterien vorbereitet werden, aus welchen sie unter der einheitlichen Leitung des Artillerie-Offiziers vom Plage in wechselnden Aufstellungen gegen die einzelnen Angriffs Objekte ein ge waltiges und überlegenes Feuer concentriren .

Ein entscheidender Er-

33 folg ist nur von einer solchen Concentrirung des Feuers zu erwarten , bei welchem 40 bis 50 Geschüße gegen ein gemeinschaftliches Ziel wirken. Der Feind kann dieses Feuers nur Herr werden , wenn er eine gegen bisher viel größere Zahl von Batterien baut , die er mehr als früher durch Traverſen, Schulterwehren 2c. gegen Seitenfeuer wird decken müſſen. Da diese Batterien nicht alle in der ersten Nacht zu ſchaffen find, müſſen ſie ſpäter unter einem mörderischen Feuer erbaut werden. Die Wirkung der besonders wirksamen, selbst in schräger Schußrichtung gegen die feindlichen Scharten verwendbaren mittleren und schweren Kaliber läßt sich auf diese Weiſe vervielfachen, ohne die Werke zu überfüllen.

Es bleibt auf dem Hauptwalle hinreichend Raum, um

auch leichte Reservegeschüße in Geftell-Laffeten oder auf ambulanten Bettungen überraschend auftreten und zur Erreichung eines wichtigen Zweckes mitwirken zu lassen ; man kann einem überlegenen, auf einzelne Linien gerichteten Feuer zeitweise ausweichen , ohne zur Unthätigkeit genöthigt zu fein; man besißt zur Bezwingung besonders wichtiger Batterien die Geschüßstände im gedeckten Wege als zweite Feuerlinie. 5. Das ganze unerseßbare Artillerie-Material der Festung ist auf einem faft verdoppelten Raume vertheilt und darum weniger der Zerftörung preisgegeben. 6. Der Feind hat eine viel größere Arbeit zu bewältigen , da er eine viel größere Zahl sehr verschiedenartig dirigirter zum Theil kaum zerförbarer Scharten zu demoliren hat, bevor er sich im Geſchüßkampfe als Sieger betrachten kann . 7. In dem zweiten Stadium der Vertheidigung , wenn vom Hauptwalle aus dem Angriffe kaum anders als durch indirectes resp . Wurffeuer entgegenzuwirken ist , werden sich in den Waffenpläßen des gedeckten Weges unter dem Schuße der Blockhäuſer immer noch einzelne event. bombensicher eingedeckte Schartengeſchüße gegen Sappenteten erhalten lassen . 8.

Nicht benußte oder geräumte Geschüßstände im gedeckten Wege

gewähren für Schüßengruppen vortreffliche gedeckte Aufstellungen. Da auf dem Hauptwalle mehr Raum gewonnen wird , kann sich auch hier von den nicht benußten Positionen der Wallgeschüße aus, die Infanterie durch Schüßenfeuer mehr als bisher am Feuergefecht 3 Achtundzwanzigster Jahrgang. LV. Band.

34 betheiligen, wenn ein proviſoriſches leicht zu beseitigendes Banket auf den langen Linien vorbereitet ist. 9. Der Feind verliert ein Stück Brustwehr für das später zu erbauende Couronnement, mit deffen Krete er 18 Fuß weiter abbleiben oder die Geschüßßtände des gedeckten Weges erst ausfüllen muß . Die Anlage von Batterien und Logements im gedeckten Wege ist ihm dadurch wesentlich erschwert. 10) Durch den Wegfall der Palliſadirung auf den wahrscheinlichen Angriffsfronten ist die fortificatorische Armirung der Feftung sehr vereinfacht ; alle Nachtheile der Palliſadirung fallen fort , namentlich sind offenfive Unternehmungen des Vertheidigers durch die Anlage von Ausfallstufen an dèn zahlreichen Traversen sehr erleichtert. An den Traverfen , wo solche Ausfallstufen nicht angebracht werden , laſſen fich schilderhausartige gedeckte Schüßenflände anlegen . Ein Nachtheil für die Sicherheit der Festung oder der Geschüße scheint dagegen aus einer derartigen Einrichtung und Benußung des gedeckten Weges nicht zu erwachsen, da, wie schon hervorgehoben , die Blockhäuser, als fefte Punkte, besonders wenn sie unterirdisch mit dem Hauptgraben in Verbindung gefeßt find , hinreichend sichern. lobt das Verfahren der Russen in Sebastopol , welche während der Belagerung außerhalb der Enceinte neue Werke erbauten und mit schweren Geschüßen armirten und man sollte Bedenken tragen , die schon vorhandene Brustwehr des gedeckten Weges zur Geſchüß-Vertheidigung zu benußen ? II. Eine zweite Anforderung an den Ingenieur ist die baldige Sicherstellung der bombensicheren Wohnräume der Truppen gegen den indirecten Schuß. Daß sich der Feind bemühen wird, durch Anlage besonderer Bombardements- und Demolitions - Batterien ( einerseits gegen die in der Stadt vertheilten Kasernen , andererseits gegen die dem indirecten Schuffe ausgefeßten Defensions -Kasernen, Kernwerke , Reduits , Caponieren und Flanken- Batterien) den von den Strapazen der Kämpfe, des Wacht- und Festungsdienstes erschöpften Mannschaften die noth-

35 wendige Ruhe und ein gesichertes Unterkommen zu entziehen, unterliegt wohl keinem Zweifel. Der Angreifer befißt jest in der großen Tragweite und Zerstörungskraft gezogener Geschüße einen zu gewaltigen Hebel, um ihn nicht in dieser Richtung anzuseßen und den Widerstand der Garnison zu brechen. Die in der Stadt liegenden Kaſernen find gegen ein Bombardement nicht sicher zu stellen , wohl aber laffen sich die an den Wällen liegenden bombensicheren Truppenwohnungen gegen den indirecten Schuß durch Erdmasken ſchüßen . Man wird dagegen einwenden , man gebe alsdann den Vortheil auf, aus ihnen mit Artilleric gegen den Angriff zu wirken , und ſehe fich genöthigt, namentlich da, wo sie wie die Caponieren und FlankenBatterien den Zweck der Grabenbestreichung erfüllen sollen , Neubauten namentlich von leichten Reserve- Caponieren in den ausspringenden Winkeln der Gräben auszuführen .

Daß man sich bei manchen der

älteren Festungen hierzu wird nothwendig entschließen müssen, ist schon von fachkundiger Seite im 50 Bande des Archivs ( Seite 80 ) einge. räumt worden. Um den Verluft zu würdigen, welchen das Aufgeben jenes Vortheils nach sich ziehen würde , muß man auf die Frage näher eingehen : ,,Was hat man überhaupt von dem Feuer aus Caſe= matten beider Bekämpfung des förmlichen Angriffs zu erwarten? / Zunächst ist es schon schwer, das eigene Feuer in einer Caſematte auszuhalten, indem der Knall, der Dampf, der durch den losgerüttelten Berpuß erzeugte Staub die Bedienung der Geschüße sehr erschweren und Ohren, Augen und Lungen der Mannschaften ſehr angreifen . 3ft die Cafematte zur directen Bekämpfung des feindlichen Angriffs bestimmt , so wird sie diesen Zweck nur so lange erfüllen können , bis der Feind seine Batterien zu Stande gebracht hat. Hat er das Feuer gezogener Geschüße gegen die Casematte eröffnet , so wird diese unhaltbar.

Die als Ziel sich scharf markirende Mauerscharte öffnet sich

trichterförmig ; die Geschoffe, welche Sohle und Wangen ftreifen und mit Percuſſionszündung versehen find , crepiren mitten in der Caſematte; Mauer- und Sprengstücke fliegen nach allen Richtungen herum ; die 3*

36 Caſematte wird zur Sprenggrube.

Bei den öfterreichischen Verſuchen

( 1862 ) bei Verona zeigten sich die aufgestellten Puppen vollständig zerfeßt. Geht aber ein Geschoß, ohne zu streifen, durch die Scharte, so wird es durch den Schartenladen oder durch den Aufschlag auf dem Geschüß zum Crepiren gebracht ; bei fehlendem Schartenladen dringt das Geschoß vielleicht ohne Aufschlag in die Reversmauer und bläft dann durch die Sprengladung Eiſen und Mauertrümmer nach rücwärts in die Caſematte. nöthigen.

Wenige Treffer werden das Feuer einzustellen

Diese Uebelstände haben daher auch die Ansicht fest begründet, daß directes Cafemattenfeuer nur da Anwendung finden darf, wo man wie in Küstenforts kein sicheres Feuer gezogener Geschüße gegen ſich haben wird. In Landfeftungen wird man dagegen alles sichtbare Mauerwerk mit seinen Scharten durch Erhöhung der Wälle 2c. gegen den directen Schuß völlig zu decken suchen .

Dieser Grundsaß ist wenigftens im

Prinzipe angenommen , wenn auch die Ausführung der nothwendigen baulichen Veränderungen noch lange nicht vollendet ist. Es fragt sich daher nur noch,,, was werden Caſematten - G eſchüße im indirecten Feuer leißten ?” Alle indirectes Feuer gegen das Angriffsfeld gestattenden Caſematten können auch durch den indirecten Schuß auf 12 - 1500 Schritt Entfernung und um so leichter zerstört werden, je günftiger fie selbst für die eigene Wirkung liegen. Die Leichtigkeit der Zerstörung läuft parallel mit dem durch die Profil - Verhältnisse bedingten Grade vortheilhafter Wirkung aus der Casematte ; sie ist am größten , wenn die Scharten in Verlängerung der Gräben liegen, und die Verlängerung nach außen. ftark mit der Enceinte der Festung divergirt , was bei unseren älteren Festungen häufig der Fall ist. Denkt man sich eine Casematte im Geschüßkampfe mit einer sie indirect beschießenden Batterie begriffen, so ergeben sich folgende Verhältnisse * ) : *) Schießversuche liegen bis jezt nur wenige vor, obwohl es sehr wünschenswerth wäre , die Zulufionen praktisch zu berichtigen, von welchen manche Ingenieure und Artilleristen über die Wirk famkeit des indirecten Feuers aus Casematten eingenommen find.

37 1. Die Caſematte bietet ein großes verticales Ziel , gegen welches beinahe jeder Schuß zum Treffer wird , da das Einschießen auf dieſes Ziel in der Regel dadurch erleichtert wird, daß die Erddecke der Caſematte sichtbar ift, oder naheliegende, fich scharf markirende Punkte des Walles oder der hinter liegenden Stadt als Zielpunkte benußt werden können. Die feindliche Batterie mit ihren flachen, so weit als zulässig ererhöhten Scharten bildet dagegen ein verticales Ziel von mäßiger Breite und einer Höhe von meistens nur 4 , höchstens 7 Fuß. Als horizon. tales Ziel betrachtet, ist ihre Tiefe im Verhältniß zu den bedeutenden Längenabweichungen der feindlichen Geschosse ganz unbedeutend . Der Hofraum der Batterie kann überhaupt nur getroffen werden, wenn der Fallwinkel mehr als 17° beträgt. Ein eigentlich hoher Bogenschuß ist aber aus der Casematte nur bei einzelnen Laffeten anwendbar , da die Scharten nur mittlere Elevationen zu nehmen geftatten. Dieſe Schußart verspricht auch überhaupt nur Erfolg gegen Ziele von größerer Tiefe. Das Caſemattengeſchüß kann daher nur im flachen Bogen mit mehr oder weniger verminderter Ladung feuern und hat ein verticales Ziel vor sich von einer ganz unbedeutenden Höhe.

Dieses Ziel ist in

keinem Punkte dem in der Regel tiefer stehenden Caſematten- Geſchüß fichtbar, welches die Seitenrichtung nur nach Marken auf der vorliegenden Brustwehr nehmen kann.

Das Treffen einzelner Scharten ift

um vieles schwieriger als beim directen Schuffe, da bei ihren geringen Abmessungen, bei ihrer großen Entfernung und bei der Nähe der Zielmarke auf dem vorliegenden Walle eine geringe, nach der Seite veränderte Aufstellung des Caſematten- Geſchüßes auch bei der genauesten Richtung nach der Marke schon eine nicht unbedeutende Seitenabwei. Hung des Geſchoffes zur Folge hat .

Die Absicht kann daher im All-

gemeinen nur auf ein zeitweiſes Treffen der Brustwehr gerichtet sein. Nur wenn die Profil - Verhältnisse die Anwendung der stärksten Ladungen gestatten und die feindliche Batterie eine Horizontal - Batterie ift, wird man bei Anwendung des gezogenen 12 uders und der 25 gen Haubiße auf Erfolg rechnen können. 2. Die anzuwendente Ladung ist bei demselben Geſchüß für den Vertheidiger bedeutend geringer als für den Angreifer. Zener muß,

38 um nicht die eigenen Truppen, die Communication 2c. auf der vorliegenden Walllinie zu gefährden , was namentlich bei dem Feuer aus Kernwerken und Reduits in Betracht kommt , seine Geschosse in bedeutender Höhe über diesen Wall hinwegschießen , während der Angreifer bemüht ist, seine Geschosse mit möglichst starker Ladung dicht über die deckende Brustwehr hinweg zu bringen , wobei er durch zu kurz gehende Geschoffe noch gegen die leßtere eine Nebenwirkung erzielt. Zu einer Verminderung der Ladung nöthigt den Vertheidiger ferner der Umstand, daß die deckende Brustwehr ihm viel näher liegt , als der feindlichen Batterie. An ein im Handbuche für Artillerie - Offiziere auf Seite 482 erläutertes Beispiel anknüpfend, ergiebt fich dort nach den angenommenen Verhältnissen, daß z . B. eine 25 Uder - Haubiße in der Caſematte das Werfen gegen die feindliche Batterie mit 2,8 & Ladung beginnen kann . Ermittelt man fich aber zum Vergleich die Ladung, welche eine 25uderHaubiße aus der Batterie gegen das in jener Caſematte stehende Geschüß anwenden könnte , so ergiebt sich, daß eine Ladung von 4,7 & zulässig wäre. Läßt sich bei einer für den Vertheidiger so sehr verminderten Ladung eine große Trefferzahl, eine große Eindringungstiefe und Zerftörung durch die wirklich treffenden Geschoffe erwarten ? 3.

Die Beobachtung der Wirkung und eine darauf bafirte

Correctur ift dem Angreifer bei der großen Entfernung schwierig . Wenn er nicht zu besonderen Hülfsmitteln seine Zuflucht nimmt *), wird er daher die Demolirung der Caſematten bis zu dem Zeitpunkte verschieben, wo er festen Fuß auf dem Glacis gefaßt hat ; dann aber wird es ihm ein Leichtes sein , die Mauerscharten zu demoliren und jede Berbauung und das Wiederauftreten ambulanter Geſchüße in den erweiterten Schartenlöchern, sei es zur Wirkung gegen das Couronne . ment oder zur Grabenbestreichung , zu verhindern . Die Flankirung der *) Observatorien auf Kirchthürmen oder in Luftballons , welche, durch ein Drahtseil festgehalten , mit den Batterien in telegraphische Verbindung gefeßt werden . Schon bei der Recognoscirung würden leßtere wesentliche Dienste leisten , da fie photogra= phische Aufnahmen der Festungswerke aus halber Bogel - Perspective geftatten.

39 Gräben muß daher jedenfalls durch Reserve - Caponieren in den ausføringenden Winkeln der Gräben ficher geftellt ſein. Für den Vertheidiger ift die Beobachtung der Wirkung von der vorliegenden Walllinie aus erleichtert; doch ist es als ein erheblicher Nachtheil zu betrachten , daß diese Walllinie in der Regel geräumt werden muß, sobald die Casematten- Geschüße ihr Feuer eröffnen, und daß fie besonders bei Kernwerken , Reduits 2c. durch das Ausblasen von Sprengstücken und Mauertrümmern seitens der Sprengladung gefährdet wird, wenn die feindlichen Geſchoffe nicht die Scharten, sondern die Mauer treffen. Eine erhebliche Wirkung gegen die feindlichen Demolitionsbatterien läßt sich also von dem indirecten Casemattenfeuer nur dann erwarten, wenn die Profilverhältniffe die Anwendung der stärksten Ladungen geAtatten und die Festung so reich mit Geſchüßen dotirt ist, daß alle günftig gelegenen Scharten mit wirksamen Geſchüßen beſeßt werden können. Auf eine wesentliche Verzögerung des Vorschreitens der Angriffs. arbeiten ist nicht zu rechnen, schon des beschränkten Gefichtsfeldes wegen und weil die Sappenteten noch kleinere und noch weniger tiefe Ziele bilden, als die Batterien. Eine Batterie läßt sich immer am leichtesten durch den directen Schuß mit starken Ladungen bekämpfen , ihr Feuer am besten durch Wurffeuer unter hoher Elevation stören ,

ihr Bau am sichersten

vom gedeckten Wege aus verhindern , das Vorschreiten der Angriffsarbeiten nur vom offenen Walle aus erheblich verzögern . Um sich daher die Caſematten als Truppenwohnungen zu erhalten , ist ihre Dedung durch vorgelegte Erdmasken erforderlich. Namentlich gilt dies von allen denjenigen Caſematten ( Reduits, Kernwerken 2c .) , deren Scharten nur ein unwirksames Feuer mit schwachen Ladungen gestatten. Will man aber durchaus die einmal vorhandenen Mauerscharten zur Geschüß - Vertheidigung mitwirken laffen, so ift: 1) eine sehr reiche Dotirung der Feftungen mit gezogenen 12 dern unerläßlich *) ; *) Der gezogene 64der ist zwar ein vortreffliches Ricoschett - Geschüß, dagegen ein schlechtes Geschüß für den indirecten Schuß aus Casematten gegen Ziele von geringer Tiefe. Er befißt eine

40 2) der Bau zahlreicher ficherer Unterkunftsräume sogleich bei der Armirung auszuführen, da die Casematten , besonders die DefenfionsKasernen , durch das feindliche Feuer sehr bald werden unbewohnbar werden . Lange Gallerien am Fuße der Wall - Böschungen, mit Eiſenbahnschienen eingedeckt, dürften als Erſaß am geeignetſten ſein. Wünschenswerth bleibt es, die obere Schartenreihe der durch Erdmasken gedeckten Reduits, Caponieren ze . ſo obzuändern, daß über die völlig deckende Maske hinweg Mörferfeuer unter einer Elevation von mindestens 30 Grad gegen die Annäherungs - Arbeiten , namentlich gegen das Couronnement , gerichtet werden kann * ) . Ohne die Casematten der Zerstörung durch feindliche Geſchoffe auszusehen , würde man aus ihren Scharten dann doch einigen Nußen ziehen können , besonders in einem Zeitpunkte , wo auch vom offenen Walle dem Angriffe nicht füglich anders als durch Wurffeuer entgegengewirkt werden kann, und nur noch ein vorübergehendes Auftreten ambulanter Geſchüße, namentlich zur Nachtzeit, möglich sein wird . Hat der Angreifer auch im Minenkampfe gesiegt und die ReserveCaponieren in den ausspringenden Winkeln der Gräben beseitigt, dann würde es an der Zeit sein , auch die Erdmaske vor den Hauptgraben, Caponieren und Flanken -Batterien durch vorbereitete Minen wegzusprengen und dem Feinde zur Verhinderung des Grabenüberganges eine intacte Reihe von Mauerscharten überraschend entgegen zu stellen .

zu geringe Geschoßwirkung, und die Wahrscheinlichkeit, gerade die innere Scharten- Deffnung einer feindlichen Batterie zu treffen, ift beim indirecten Schuffe zu gering, um die Verwendung des 6 Hders ersprießlich erscheinen zu lassen. Besäßen wir dagegen einen gezogenen kurzen 24der, so würde dieser in Caſematten vortreffliche Dienste leisten. * ) Um Hand- und 7uge Mörser nach Art der Schaftmörfer in der Scharte selbst, z . B. auf einer 2' breiten, um die Schartenenge drehbaren Bettung gebrauchen zu können , würde es nur ganz geringer Abänderungen bedürfen.

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III. Eine weitere Anforderung ist , daß den auf dem Walle thätigen Mannschaften für Feuerpausen, für Ablösungen, sowie jum Laden der Geſchoffe sichere Unterkunftsräume vorbereitet, oder die spätere Anlage derselben wenigstens erleichtert werde. Das jeßige Artilleriefeuer charakterifirt sich nicht blos durch eine große Trefffähigkeit, ſondern auch durch die ausschließliche Verwendung von Hohlgeschoffen. Die Verwendung eines Vollgeschoffes gehört zu den Ausnahmefällen. In dieser Sphäre der Gefahr, in welcher sich zeitweise die Sprengftücke nach allen Richtungen kreuzen werden , darf kein Mann ungedeckt verbleiben , der nicht zur Fortseßung des Kampfes unbedingt exponirt werden muß. Die Bedienungsmannſchaft der durch Traversen und Brustwehren gedeckten Geſchüße wird fich daher auch im Rücken und zur Seite durch Errichtung von Splitterwehren besonders dann decken müſſen , wenn ſich im Rücken indirect beschoffenes Mauerwerk befindet. Zur Anlage von zahlreichen Blindagen und Ladestellen ist an der

Brustwehr kein Raum disponibel.

Jeder Fuß breit ist zur Geſchüß-

und Gewehr- Vertheidigung zu verwerthen. An die ſicherßten Stellen, dicht an die Traverſen , find die aus den Scharten zurückgezogenen, aber in fteter Bereitschaft zu haltenden Geſchüße zu deren möglichßter Confervirung aufzustellen . Sehr wünschenswerth bleibt auch für die Geſchüße ein nahe liegender , mehr gedeckter Unterkunftsort. - An Punkten der Brustwehr, wo Rohrgeſchüße nicht verwendbar find , ftehen Mörser. In vollen Werken find also gar keine Stellen gegeben , wo Blindagen und Ladeftellen anzulegen find ; man ift genöthigt , dieselben in den Graben zu verweisen , wodurch die Brauchbarkeit der Blindage illusorisch wird und die Munition von der Ladeftelle zum Geschüß auf weitem Umwege transportirt werden muß. In hohlen Werken kann allerdings, wenn der Wallgang mindestens 12 bis 15' hoch liegt, die innere Wallböschung fteil abgeftochen und der gewonnene Raum zu Ladeßtellen und Blindagen durch schräge Eindeckung

42 mit Kreuzhölzern oder Eisenbahnschienen hergerichtet werden .

Dies

bleibt aber bei der nothwendig sehr großen Zahl derartiger gedeckter Räume immer

ein

nicht

zureichender

und

zeitraubender Noth-

behelf, deffen Benußung an vielen Stellen durch die auf den Wall führenden Rampen unmöglich gemacht wird . Bei Regenwetter wird das Nachstürzen von Erde ftete Reparaturen erfordern , wenn diese Ladestellen nicht sorgfältig verschalt sind . Auch gewähren derartige Blindagen zu wenig Raum , da die blendenden Kreuzhölzer 2c. einen Neigungswinkel von 50 Grad zum Horizont erhalten müffen .

Sie er-

fordern daher, um eine größere Zahl von Artilleriften unterzubringen, sehr viel Bau- Material. Um z. B. 200 Mann durch Blindagen zu fichern, braucht man mindestens 800 Stück 6zöllige Kreuzhölzer. Cafematten und Poternen 2c. liegen oft den Geſchüßen zu fern und werden auch durch die Bereitschaften der Infanterie in Anspruch genommen. Nur wo ausnahmsweise eine hohe Reversmauer vorhanden ist, würden geräumige und haltbare Blindagen und Ladeftellen leicht unter Benußung langer Hölzer 2c . anzubringen ſein. Das befte Mittel zur Abhülfe dieſes in den meisten Feftungen sehr fühlbaren Uebelftandes und für volle Werke das allein zweckmäßige ift die Ausstattung des ganzen Walles mit soliden Hohltraversen. In den meisten Fällen werden dieſe Traversen in Verbindung mit der Brustwehr nur auf 2 Seiten gegen directes und Seiten - Feuer völlige Deckung zu gewähren haben, während auf der 3 ten und 4 ten Seite ein Schuß gegen Sprengstücke ausreicht.

Die vorhandenen Tra.

versen werden daher mit wenig Arbeit und geringen Koßten und ohne den Raum auf dem Walle wesentlich zu beschränken , hiernach abgeändert werden können . Die bombensichere Eindeckung der durch Mauerverkleidung gewonnenen Räume würde erft bei der fortificatoriſchen Armirung durch Eisenbahnschienen zu bewirken sein. Diese gedeckten Räume können, wenn die Geſchüße im Feuer stehen, zu Ladeftellen so wie zur Aufnahme der auf jeder Walllinie zur Ausführung von Handhabungsarbeiten , zu Ortsveränderungen schwerer Geſchüße ftets in Bereitschaft zu haltenden Reserve - Mannſchaften benußt werden. Sind die Geſchüße hinter die Kaften zurückgezogen , so find die Hohltraverſen als Unterkunftsräume für die Bedienungsmann-

43 schaft zu verwerthen ; auf den nicht angegriffenen Fronten bilden fie treffliche Wachtlokale. Außerdem erwächst aus ihrem Vorhandensein der Vortheil : 1 ) daß jede derselben leicht in einen bedeckten Geſchüßſtand umge. wandelt werden kann.

Es bedarf nur der Wegnahme einiger Mauer-

freine und des Durchstechens einer flachen Scharte , um ein Geſchüß mit 60 Zoll Feuerhöhe völlig gedeckt in der kürzesten Zeit überraschend auftreten zu laffen; 2) daß bei enger Traversirung der Raum bis zur nächsten Traverſe leicht zur Einrichtung noch zweier gedeckter Stände benußt werden kann.

Die Arbeit besteht im Wesentlichen nur in dem Aufbau einer

Zwischenwand , in dem Bekleiden der zweiten Traverse , in dem Aufbringen der aus Eiſenbahnſchienen zu bildenden Tragebalken, der Eindeckung mit Eisenplatten øder Eiſenbahnschienen und in dem Blindiren der Rückseite. Dadurch erhält man zwischen zwei Traverſen eine gedeckte Batterie von 3 Geſchüßen, die nur in den flachen, so weit als zulässig erhöhten Scharten verwundbar ist.

Ihre dem directen Feuer in der Breite der

hinteren Schartenöffnung erponirte Decke bietet nur ein Ziel von unbedeutender Höhe.

IV. Umwandlung der bisherigen gedeckten Rohrgeschüßstände in Mörserstände. Daß die bedeckten Rohrgeſchüßßtände der bisherigen Conftruction jezt ihren Zweck nicht mehr erfüllen können, ist nicht blos einleuchtend, sondern schon durch die Schießversuche in Verona überzeugend nachgewiesen worden, Ihre Haupt-Nachtheile find : 1 ) daß sie auf eine 44 Fuß tief eingeſchnittene Scharte baſirt find; 2) daß ihre Aufftellung sehr schwierig, ſehr zeitraubend nur durch fachverständige geübte Arbeiter auszuführen ist. Bedenkt man , daß 20 – 6 spännige Fuhren zur Herbeischaffung der Bauhölzer erforderlich find, und in Friedenszeiten 150 Mann 22 Stunden lang arbeiten mußten, um den Stand für ein Geſchüß herzustellen, so leuchtet ein , daß im feindlichen Feuer , selbst wenn nur selten ein

44 treffendes Geschoß sein Beto einlegt, ihre Aufstellung große Schwierig. feiten bieten wird. 3) Da die Decke 5 bis 6 Fuß über die Brustwehr ragt, so ist das Abkämmen der deckenden Erde durch die Sprenggeschoffe der gezogenen Angriffsbatterien sehr leicht , und es genügt , ein Paar gezogene 6uder der Scharte 12-1500 Schritt gegenüber in einem Laufgraben aufzustellen , um das aufgeftellte Geſchüß zum Schweigen zu bringen und den Stand unbrauchbar zu machen. Sie befißen also die Nachtheile der zum directen Feuer bestimmten Caſematten in noch weit höherem Grade , weil sie den Vertheidiger auch noch durch den Einsturz bedrohen. Eine Wiederherstellung der verschütteten Scharte dürfte in dem auf diesen Punkt gelenkten Feuer unmöglich sein . 4) Neben die bombensichere Decke treffende Bomben durchschlagen beim Crepiren jedes Mal die Seitenwand ; ein Schuß gegen das Seitenfeuer der Ricochett- und Enfilir-Batterien könnte nur durch eine 18' Atarke Schulterwehr gewonnen werden ; 5) baut man ſie dicht neben vorhandenen Traverſen auf, ſo nehmen fie sehr viel Raum ein. Bei so wesentlichen Nachtheilen scheint es geboten , auf die Benußung der bisherigen Conftruction der Rohrgeschüßstände für den beabsichtigten Zweck zu verzichten. Ihre Umwandlung in bedeckte Mörser. ftände ist leicht. Werden in hohlen Werken mehrere dieſer Stände so aufgestellt , daß ihre Decken dicht an einander schließen , so erhält man eine bedeckte Mörserbatterie, die nur dem Bombenwurf ausgeseßt ift und bei Feuerpauſen einen geräumigen und bombenſicheren Unterkunftsort bildet.

Es wird immer ein dringendes Bedürfniß bleiben, einige gezogene Geschüße bis in die leßten Stadien der Vertheidigung gegen das Fortschreiten der Angriffs - Arbeiten im directen Feuer wirken zu lassen . Ein Paar solcher Geschüße in Verbindung mit dem Wurffeuer aus Caſematten und bedeckten Mörserständen , in Verbindung mit häufigen kleinen Ausfällen werden den Angriff sehr aufhalten und zum zeitraubenden Minen - Angriff nöthigen .

Auf dem offenen Walle , dem concentrirten Wurf-, directen und indirecten Feuer und den feindlichen Schüßen ausgefeßt, wird aber kaum noch ein flüchtiges Auftreten am-

bulanter Geschüße zur Nachtzeit möglich sein.

Man wird also den

45 mehr dauernd poßtirten Geſchüßen einen bedeckten Stand anweiſen müssen. Solche Stände werden sich für die mittleren Stadien des Angriffs im gedeckten Wege und für die leßten auf dem Hauptwalle unter Benußung der Hohltraverſen in der vorstehend angedeuteten Weise herftellen laffen. V. Errichtung von Observatorien ; Herstellung telegraphischer Verbindungen und guter Communikationen. Da der Angreifer jeßt meistens gezwungen sein wird, ſeine Parks in einer Entfernung von mehr als einer halben Meile von der Feftung zu etabliren , so werden auch die Vorbereitungen zur Eröffnung des Angriffe der Beobachtung des Vertheidigers mehr entzogen. Dieser befißt jedoch in den Stadtthürmen vortreffliche Observatorien. Die hier placirten Beobachtungsposten find aber mit guten Fernröhren und mit Allarmfignalen ( Kanonenschlägen , Leuchtfeuern 2c. ) zu versehen und in telegraphische Verbindung mit der Commandantur zu feßen. Werden diese Thürme vom Angreifer eingeschoffen , so dürfte nichts Anderes übrig bleiben , als zu Luftballons an Drathſeilen ſeine Zuflucht zu nehmen , deren Füllung bei dem Vorhandensein einer Gasanstalt sehr erleichtert ist. Bei Festungen an Strömen werden Wachtböte, welche, mit Allarmſignalen ausgerüftet, Abends auslaufen und sich in angemessener Entfernung vor Anker legen , im Anfange der Belagerung gute Dienste leisten. Daß telegraphische Verbindungen der Commandantur mit den Hauptwerken , den Waffenpläßen des gedeckten Weges und den detachirten Forts eine Nothwendigkeit sind , um die Zeitdauer zur Erstattung von Meldungen und zur Beförderung von Befehlen möglichst abzukürzen , ist wohl allgemein anerkannt. Ein raſches und übereinftimmendes Eingreifen der Festungs - Artillerie unter Leitung des Artillerie - Offiziers vom Plaße ist nur auf diesem Wege zu erreichen. Wünschenswerth bleibt es aber , fich schon bei Friedensübungen dieſer Hülfsmittel zu bedienen , um Erfahrungen für den Ernstgebrauch zu ſammeln.

Bei Festungen an Strömen würde sich durch Versenken

46 eines Kabels kurz vor der Einschließung selbst eine permanente Verbindung mit der Umgegend herstellen lassen. In Bezug auf die Communicationen ist der Vertheidiger gegen den Angreifer überhaupt ſehr im Vortheil. Er hat kürzere Wege zurückzulegen ; die Wallstraßen find in unseren Feftungen chauffirt oder gepflastert ; hinter detachirten Werken führen

breite feste Colonnenwege dt vorbei , in einzelnen Festungen auch Verbindungs - Eisenbahnen ; der gedeckte Weg , die Wallgänge , die Rampen sind ihrer hohen trockenen Lage wegen bei gutem Wetter auch mit den schwersten Fahrzeugen gut zu pasfiren ; es laſſen ſich daher auch die jest häufiger als früher nothwendigen schnellen Orts - Veränderungen selbst schwerer Geſchüße leicht ausführen. Anders gestalten sich die Verhältniffe bei anhaltend schlechter Witterung ; dann ist auf dem aufgeweichten Lehmboden vieler unserer Wälle kaum fortzukommen und man muß zum Legen fester Bohlengeleise auf der ganzen Länge des Walles schreiten. Tritt im Laufe der Vertheidigung Mangel an Pferden ein, so ift der Transport der mannigfachen Fahrzeuge, Ersaßstücke und namentlich der Munition nach den Angriffsfronten sehr erschwert. Jedenfalls würde es dem Vertheidiger eine noch größere Ueberlegenheit in dieser Beziehung geben, wenn 1 ) der schon so oft ausgesprochene Wunsch realiſirt würde , die zur Communication beſtimmten Theile der Wallgänge und ihre Rampen mit Kies, Schlacken 2c. zu beſchütten oder zu chauffiren ; 2) ' auf den Wallstraßen Verbindungs- Pferde- Eiſenbahnen angelegt würden . Auf die Benußung von Locomotiven oder Locomobilen wird nicht lange zu rechnen sein . Sich derselben im feindlichen Feuer auf den enfilirten Wallstraßen zu bedienen , ist unzulässig ; hier wird der Transport stets durch Pferde oder Menschen bewirkt werden müſſen , durch Anlage eines Schienen -Weges aber sehr erleichtert werden.

Himpe, Hauptm. u . Batterie- Chef in der Weftphäl . Artillerie-Brigade Nr. 7.

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V. Beiträge zur Geschichte des

Breschelegens mit Minen und Geschütz

im

besonders 16ten und 17 ten Jahrhundert.

Von der ersten Anwendung des Geschüßes bis zur Anwendung der ersten gewissen mit Pulver geladenen Mine. Wenn es auch nicht mehr mit Gewißheit zu ermitteln ist, wann zuerst die Geschütze bei den Belagerungen fester Pläge angewandt worden find, so scheint es doch fast zweifellos , daß sie bereits im ersten Viertel des 14. Jahrhunderts in den Kriegen der Spanier mit den Arabern im Gebrauch waren.

Ganz zuverlässige Beispiele ihrer Anwendung finden

ſich aber in immer steigender Anzahl von der Mitte dieses Jahrhunderts ab, ohne daß, wie es in der Natur der Sache liegt , deshalb die alten Maschinen sogleich gänzlich verdrängt worden wären, deren . Gebrauch vielmehr sich, wenn auch vereinzelt, noch bis in den Anfang des 16. Jahrhunderts erhielt. Da die ersten Geſchüße indeß nur von kleinem Kaliber und von Eisenstäben gefertigt , das Pulver mangelhaft zusammengesetzt und gearbeitet war, und nur Steinkugeln angewendet wurden , so konnte man mit ihnen häufig nicht die hinreichende Wirkung zur Erzeugung einer Bresche erlangen, und man sah sich genöthigt, zu anderen Angriffsmitteln seine Zuflucht zu nehmen .

So gaben es die Engländer auf , bei der

Belagerung von Romorentin 1356 ( nach einigen Schriftstellern der ersten Belagerung in Frankreich, bei welcher Geschüße in Anwendung kamen ), eine Bresche zu legen ; sie verwandten vielmehr ihre Geschüße dazu, griechisches Feuer in die Stadt zu werfen , wodurch ein Brand erzeugt wurde, der die Vertheidiger zur Uebergabe zwang. Ebensowenig gelang es ihnen 1357 vor Rennes und 1378 vor St. Malo, hier trotz ihrer 400 Geſchüße eine Bresche zu legen , was fie zur Anwendung der Untergrabung veranlaßte. Auch das Schloß Benteuil

48

fonnte 1381 nur durch Untergrabungen genommen werden , zu deren Ausführung 6 Wochen Zeit erforderlich waren. Um die Wirkung der Geschütze zu erhöhen , hatte man angefangen, die Kaliber bedeutend zu vergrößern ; doch waren diese großen Bombarden häufig nur in sehr geringer Zahl vorhanden , und die Mängel ihrer Construction und die Langsamkeit der Bedienung zu bedeutend , als daß der Erfolg immer ein günstiger hätte sein können . Deshalb waren die Mauern von Brantôme 1405 nach achtwöchentlicher Beschießung nur unbedeutend beschädigt; deshalb konnte der Herzog von Burgund bei der Belagerung von Etampes 1411 trog zahlreicher Artillerie einen Thurm nur durch Untergrabung niederwerfen, sowie sich auch die Franzosen vor Arras 1414 wegen mangelhafter Beschaffenheit des Geschüßes und schlechter Bedienung zur Anwendung der Untergrabung genöthigt sahen. Auch den Hussiten gelang es 1422 vor Carlſtein nicht , troydem , daß ſie mehrere schwere Geschütze hatten, die Mauern niederzuwerfen. Bei der Belagerung von Greifenstein 1444 thaten die Kugeln , nach dem Ausdruck des Chroniſten , den Mauern nicht mehr Schaden als Schneebälle , weshalb man zur Untergrabung schritt.

Doch finden sich

in derselben Zeit auch Beispiele von günstigerem Erfolg ; so gelang es 1420 vor Alibaudibres , das Thor und einige Thürme mit Hülfe der großen Bombarden zur Hälfte niederzuwerfen ; ebenso legten 1437 die Franzosen vor Montereau in kurzer Zeit Bresche. Es waren verschiedene Ursachen , wodurch die Wirkung der großen Bombarden beeinträchtigt wurde. Man wandte, wahrscheinlich wohl, weil man ihnen keine entsprechend starke Ladung geben konnte, und wegen der Höhe der Mauern, fast immer, außer wenn man gegen Thore schoß, wo natürlich schwächere Ladungen genügten, hohe Elevationen an, wodurch namentlich auch in Folge der mangelhaften Einrichtung der Laffeten, die nur aus hölzernen Geſtellen beſtanden , auf denen die Rohre lagen , die Trefffähigkeit sehr gering werden mußte, so daß die Schüſſe häufig mehr den Häusern als den Umfaſſungsmauern schadeten. Daß man dabei die Breschen von oben zu legen ansing , scheint sehr erklärlich, wenn man bedenkt, daß der Angreifer, um seine Arbeiten möglichst unbehindert ausführen zu können , zunächſt die Zinnen herunterschießen mußte , um dem Vertheidiger die Deckung zu benehmen , und daß , wenn dieses gelungen war, es sehr verlockend sein mußte, die von oben begonnene Zer

49 ftörung in dieser Richtung fortzusehen , um ſo mehr , als man , wenn man nicht mit den Geschüßen bis zum Grabenrand vorrückte , was gee wöhnlich nicht geschah , die Mauer doch nicht tief faſſen konnte.

Dieses

Berfahren hatte jedoch den großen Uebelstand , daß die Mauertrümmer den Graben nicht hinreichend füllten , und wenn man auch die Mauern bis auf den Horizont herabgeschoffen hatte, doch noch die Anwendung von Leitern zur Ersteigung des stehen gebliebenen Theiles nöthig wurde, ſo daß die Stürme häufig mißlangen , oder die Mauertrümmer hatten fich so vorgelegt, daß , wenn man die Bresche tiefer legen wollte , man die Trümmer erst wieder fortschießen mußte. Außerdem ging das Breschelegen sehr langsam von statten , da die großen Bombarden nur wenige Male des Tages abgefeuert werden konnten , wodurch der Vertheidiger Zeit gewann , hinter den eingeschossenen Mauertheilen Abschnitte aus Holz und Erde anzulegen , gegen welche die steinernen Geſchoffe wenig wirksam waren ; so geschah es z . B. 1414 zu Compiegne und Soissons, 1420 in Soissons , Meulan und Melun , woselbst man wieder Minen anwendete, und 1425 in Meaux. In diese Zeit scheint auch die erste Anwendung der mit Pulver geladenen Minen zu fallen. So soll nach alten Chroniken schon 1411 ein Luzerner Oberst einen starken Thurm von Bonmåt mit Pulver niedergeworfen haben, und nach andern, wenn auch nicht hinreichend beſtimmten Nachrichten scheint es , als wenn sich die Engländer 1415 vor Harfleur der Pulverminen bedient hätten. Da dieser Ort durch einen Erdwall mit Thürmen und Erdwerken vor den Thoren befestigt war , so wäre hierdurch ihre Anwendung erklärt. Auch bei der Belagerung von Orleans 1428 bis 1429 hatten die Engländer den boulevard des Tournelles, welcher aus Erde, Schutt und Balken erbaut war, unterminirt ; ob dies jedoch Minen waren , die mit Pulver gesprengt werden sollten , oder Untergrabungen alter Art , darüber sind die Ansichten verschieden. Zuverlässiger scheint es indeß, daß die Pulverminen bereits vor der Mitte des 15. Jahrhunderts den Türken bekannt waren. Der Kaiser Napoleon III . führt in Bezug hierauf in feiner Geschichte der Artillerie an , daß das Manuscript du Serail von Paolo Santini , der vor der Eroberung Constantinopels lebte , und das Manuscript von Taccola , welches der Bibliothek von Venedig gehört , beide den Gebrauch des Pulvers in ben Minen beschreiben und erklären, ohne daß sich die Verfasser als ErAchtundzwanzigster Jahrgang. LV. Band. 4

50 finder dieser Anwendung des Pulvers angeben. Santini bespricht im Allgemeinen die Kriegführung im öftlichen Europa , er hatte also wahr. scheinlich von hier diese Idee erhalten.

Zuerst beschreibt er die Minen

mit Stützen , welche man verbrennt und dann mit Voraussetzung eines auf einem Felsen gelegenen Schlosses , den Gebrauch des Pulvers zur Wegsprengung des Felsens und der Mauern. Leztere Minenart be zeichnet er aber als eine ausnahmsweise und als nicht leichter oder wirkſamer als die ältere, und die er nur in dem Falle anwenden will, wenn die andere nicht gelingen würde. Diese Ansicht erſcheint ganz erklärlich, wenn man bedenkt, daß man die Ladungen durchaus nicht zu berechnen verstand , und daß man sich begnügte, ste in eine große Höhlung zu legen, deren Eingang man vermauerte. ,, Diese Ursachen des Nichterfolges der Explosion " fährt der Kaiser Napoleon III . fort ,,, erklären den eigenthümlichen Gebrauch, welcher vom Pulver in den Minen vor der Anwendung zur Zerstörung von Mauern gemacht wurde : man bediente sich desselben, um die unter den Mauern aufgerichteten Stüßen umzuwerfen. In dem Minensystem des Alterthums mußte eine der größten Schwierigkeiten die sein, die Stüßen in diesen Souterrains zu verbrennen, wohin die Luft nicht leicht dringen konnte; man beschmierte das Holz mit fettigen Substanzen, um die Verbrennung zu beschleunigen ; wenn aber die Stüßen theilweiſe ſtehen blieben, so erfolgte der Einsturz nur theilweise, und die Bresche blieb enge. Daher kam es, daß man sich des Pulvers bediente, entweder, um die Verbrennung fortzupflanzen , oder um alle Stüßen zu gleicher Zeit zum Falle zu bringen.

So diente es bei der Einnahme des Neuen Schloffes 1495,

wenn man Paul Jove glauben kann. Francesco de Giorgio hat in einem von Herrn Promis veröffentlichten Werke diese Art von Minen zugleich mit der neueren beschrieben. “ Nach Obigem kann es demnach durchaus nicht für unglaubwürdig gehalten werden, wenn erzählt wird, daß bei den Belagerungen von Belgrad 1439 und 1441 durch die Türken Pulverminen in Anwendung ge= kommen wären. Bei der letzteren Belagerung sollen die Türken ihre Minen nach dem Breschelegen im Augenblick des Angriffs gesprengt haben, was darauf hinweisen würde, daß sie entweder die Bresche zugänglicher machen, oder dadurch , daß sie durch die Explosion den Vertheidiger in

51 Berwirrung sehten , den Sturm erleichtern wollten. Denn mit ihren schweren Geschützen waren sie sehr wohl im Stande, die Mauern niederzuwerfen; so sollen sie z. B. vor Belgrad 1439 mit Kugeln von 100 . Bresche geschoffen haben.

Das gewaltigste Geschüß aber hatten fie für

die Belagerung von Conſtantinopel 1453 durch einen ungarischen Gießer fertigen lassen ; es war dies eine Bombarde, welche 1200 H schoß. Ste wurde durch 50 Paar Ochsen gezogen, und das Laden nahm 2 Stunden in Anspruch. Bei der Beschreibung dieser Belagerung in Hammer's Geschichte des osmaniſchen Reichs findet sich die Andeutung einer der ersten Vorschriften für das Breschelegen mit Geſchüß.

Nach ihm lehrte

ein Gesandter Johanns von Hunyad den Feuerwerker, welcher die große Bombarde richtete, er müſſe einmal 5 6 Klastern rechts , dann 5-6 Klaſtern links widerprellende Schüsse thun, und dann erst wieder in die Mitte dieser beiden Ziele ſchießen, damit die von beiden Seiten geschwächte Mauer um so sicherer zusammenstürze. So unvollständig dieſe Vorschrift nun auch erscheint, so dürfte doch aus ihr hervorgehen , daß man sich nicht mehr begnügte , die Mauern blos von oben nach unten nach und nach abzukämmen, sondern , daß man sie durch allmähliges Abschälen zu schwächen suchte.

Uebrigens erreichten die Türken ihren Zweck , indem

es ihnen gelang, bei dem Thor des heiligen Romanos eine weite Bresche zu öffnen. Außerdem aber bedienten sie sich auch der Minen oder der Untergrabungen. Bei vielen späteren Belagerungen gelang ihnen ebenso das Breschelegen mit Hülfe ihrer ungeheuren Kaliber ; so hatten sie z . B. vor Belgrad 1455 unter 300 Geschützen 22 Stück von 27′ Länge , und vor Scutari 1478 schossen 11 ihrer Kanonen zusammen ein Gewicht von 83 Ctr. Vor Rhodus war es ihnen 1480 zwar auch gelungen , ungeheure Breschen selbst in den stärksten Mauern zu Stande zu bringen, allein die hartnäckige Vertheidigung der Ritter veranlaßte sie hier , zur Unterstützung des Breschirens sich auch der Untergrabung zu bedienen. Inzwischen hatte in Frankreich während der Unabhängigkeitskriege gegen die Engländer das Geschützwesen , besonders durch die Gebrüder Bureau, beträchtliche Fortschritte gemacht , von denen in Bezug auf das Breschelegen die Anwendung der gegossenen Kugeln anstatt der ſteinernen die einflußreichste war. Durch die Kraft , mit welcher sie gegen das Mauerwerk wirkten , wurde das Breschelegen ungemein abgekürzt , was 4*

52 einen solchen moralischen Einfluß hatte, daß bei der Eroberung der Normandie 1450-1451 sich viele Städte ergaben, sobald die großen Bom. barden vor ihnen anlangten, weil ein Widerstand völlig nußlos erſchien. Der Kaiser Louis Napoleon glaubt , daß in diese Zeit eine Vorschrift Bresche zu legen gehört, die in einer Schrift von unbekanntem Datum enthalten ist. Sie lautet : ,, Um einen Thurm zu zerstören und durch wenige Schüffe einzu, stürzen , lade man gewöhnliche Bombarden mit einem guten Pfropfen, der aus gutem , vorher in Wasser eingeweichten Holz gemacht ist; und der Stein, den man schießen will , muß mit zwei eiſernen Reifen übers Kreuz versehen sein , dann muß man einen guten Winkel und richtiges, gutes und vollkommenes Maaß haben , und man muß seine Richtung gut nehmen , um gegen den Thurm zu werfen und zu schießen , zwei Mannshoch über der Erde und seine Schüsse immer den einen neben den andern ſeßen und nicht den einen hoch, den andern tief, ſondern ganz so , wie gesagt worden ist. Und auf diese Weise wird man den Thurm so erschüttern, daß er fallen wird". Diese Vorschrift ist der von Frondsberger in seinem Kriegsbuch mehr als hundert Jahre später gegebenen so ähnlich, daß es sehr zu bedauern ist , daß der Kaiser nicht die Gründe angegeben hat , welche ihn bewogen haben, sie in diese Zeit zu sehen. Wird die Zeit aber als richtig angenommen, so liefert sie den Beweis, daß man sehr früh das Wesentlichste, worauf es beim Breschelegen ankommt, erkannt hatte, nämlich das horizontale Durchschneiden in angemessener Höhe. Diese großen Wirkungen der Geschüße hatten die natürliche Folge, daß man sich durch Verstärkung der Mauern dagegen zu sichern suchte, worin man zuweilen ganz außerordentlich weit ging. So waren die Eckthürme des Schloſſes zu Neapel , welches in der Mitte des 15. Jahr. hunderts erbaut wurde, unten durchgehends von Quadern massiv erbaut, und der Thurm des Schlosses zu Ham, welcher noch existirt, erhielt unter Ludwig XI . 30 Fuß Mauerstärke. Man hatte zwar auch erkannt, daß die Wirkung der Geschosse geschwächt würde, wenn man Erde hinter die Mauern schüttete, aber auch beobachtet, daß durch den Sturz der Erdmassen die Breschen um so zugänglicher würden, weshalb man sich dieses Mittels noch selten bediente.

53 Wenn auch in einzelnen Pläßen das Mauerwerk so sehr verstärkt wurbe, baß dadurch das Breschelegen , wenn auch nicht ganz unmöglich gemacht, doch jedenfalls sehr zeitraubend geworden wäre, so blieben doch im Allgemeinen die Verhältnisse noch dieselben ; deshalb konnte z. B. vor Beaumont 1478 eine große Bombarde , welche die Stadt Valenciennes dem Herzog Maximilian geliehen hatte , am ersten Tage einen Thurm niederwerfen und jeder Schuß durch die Mauer durch und durch dringen. Gelang die Einnahme der Städte nicht, so lag dies an andern Gründen. So konnte Karl der Kühne 1472 Beauvais nicht nehmen , obwohl er ein Thor eingeschossen hatte , weil die Ausrüstung unzureichend war, und in demselben Jahre Neuß , weil er den Belagerten Zeit gelassen hatte, sich zu verschanzen. Vielleicht war hier das Breschelegen ebenso, wie 1476 bei Murten, deshalb langsam vor sich gegangen , weil noch Steinkugeln angewendet wurden. Durch die unter Karl VIII . von Frankreich eingeführten Berbefferungen im Geschüßwesen, welche namentlich im Guß bronzener Geschütze mit Schildzapfen, der Einführung der Wandlaffeten und der erwähnten Anwendung der eisernen Kugeln bestanden , wurde die Artillerie beweglicher und dadurch noch mehr geeignet , sich rasch vor den meist ganz ungedeckten Plätzen aufzustellen und sofort zum Breschelegen zu schreiten. Dadurch gelang es dem Könige nicht nur in Frankreich , sondern auch bei seinem Zuge nach Neapel , eine Menge Städte rasch einzunehmen. So wurde z. B. in das Caſtell dell' Uovo bei Neapel in 3 Stunden mit 300 Kanonenschüssen Bresche gelegt, und unter seinem Nachfolger Louis XII . vor Pisa in 21 Stunden eine 60 Braffen ( etwa 10 Ruthen ) breite Bresche zu Stande gebracht. Bei so günstigen Erfolgen des Geschützes hatte man natürlich keine Beranlassung, die langwierigeren und unsicheren Minen anzuwenden, und sie scheinen , mag man nun annehmen , sie seien schon als wirkliche mit Pulver geladene Minen oder als bloße Untergrabungen bekannt geweſen, in der 2ten Hälfte dieses Jahrhunderts im Abendland so außer Gebrauch gewesen , daß man auch dann nicht dazu schritt , wenn die Wirkung der Geschütze keine ganz genügende war , was wohl zu der Annahme berechtigen möchte, daß die Wirkung der Minen, deren in der ersten Hälfte des Jahrhunderts öfters Erwähnung geschehen ist , keineswegs immer eine befriedigende gewesen sei.

54

Von der erften sicheren Minen - Anwendung bis zu den niederländischen Freiheitsfriegen. a) Bei den christlichen Mächten. Die erste wirklich mit Pulver geladene Mine wurde nach Guicciardini in den westlichen Ländern Europa's durch die Genuesen vor Serezanella 1487 versucht.

Sie gelang nicht , weil man nicht weit genug unter die

Fundamente vorgedrun en war. Ob sie durch Pedro Navarro oder Francisco Giorgio ausgeführt wurde, darüber weichen die Angaben der Schriftsteller ab.

Dagegen gelang Ersterem im Jahre 1500 eine Mine gegen

das Fort St. Georg auf Cephalonia.

Dasselbe lag auf einem steilen

und schwer zugänglichen Felsen , und obwohl die schwere venetianische Artillerie schon Bresche geschoffen hatte , wurden doch alle Stürme durch die Türken zurückgeschlagen. Gonzalvo de Cordoba ließ nun durch einige Minen einen Theil des Felsens und der Mauer wegsprengen, doch gelang der Sturm ebenfalls nicht, hauptsächlich wohl, weil keine practicable Bresche entstanden war , so daß die Spanier sich der Leitern bedienen mußten. Erst durch einen Generalſturm , bei welchem Geſchüß und Minen kräftig mitwirkten, konnte das Fort genommen werden , dessen Vertheidiger bis auf die Kranken und Verwundeten sämmtlich fielen. Eine neue Gelegenheit zur Anwendung der Minen fand Pedro Navarro 1503 bei Neapel. Die Spanier unter Cordoba hatten diese Stadt genommen, und die Franzosen hielten nur noch die beiden Castelle Nuovo und del Uovo besetzt. Nach Einnahme des vorliegenden Thurmes St. Vincent wurde das erstere beschossen , während Pedro Navarro zugleich gegen die äußere Umfaſſungsmauer minirte. Ob man befürchtete, mit dem Geschüß allein keine hinreichende Bresche zu Stande bringen zu fönnen, vielleicht weil das französische Geschüß dem spanischen überlegen war, oder ob man die Mine wählte, um überraschend zu wirken, ist aus den Berichten nicht zu ersehen. Diese Mine hatte einen über alle Erwartung günstigen Erfolg , indem sie die Mauer auf eine große Strecke öffnete , wodurch es den stürmenden Spaniern gelang , bei dem sich im äußern Hof entſpinnenden Handgemenge mit den Frauzoſen vermischt in das innere Schloß einzudringen.

55 Nicht minder glücklich war der Erfolg der hierauf gegen das Caftell del Uovo angelegten Mine. Dasselbe lag auf einem Felsen im Meere, der nur durch eine schmale Zunge mit dem festen Lande zusammenhing. Pedro Navarro näherte sich mittelst kleiner Fahrzeuge dem Fuße des Feljens und sprengte einen Theil desselben mit der darauf befindlichen Mauer fort, worauf die Uebergabe erfolgte. - Wenige Jahre vorher hatten die Franzosen dasselbe durch eine in einigen Stunden gelegte Geschüßbresche erreicht; es kann deshalb die Lage und Beschaffenheit des Plates allein nicht Veranlassung gewesen sein, daß die Spanier jezt fich der Mine bedienten . Vielleicht wandte sie Pedro Navarro , dem diesmal die Leitung des Angriffs überlaſſen war, aus Vorliebe dafür an, da er schon zweimal großen Ruhm dadurch erworben hatte; vielleicht waren aber auch die Spanier nicht so gut mit Geſchüß versehen , als damals die Franzosen. Durch diese glücklichen Erfolge stieg die Meinung, welche man von den Minen hegte , so sehr , daß, wie Guicciardini ſich ausdrückte, man glaubte , weder Mauern noch Festungen würden denselben widerſtehen können.

Dennoch mochte man sehr bald erkannt haben, daß sie in Bezug

auf Sicherheit des Gelingens beim Breschelegen dem Geschüß bei weitem nachstanden , weshalb sie im Laufe des 16. Jahrhunderts meist nur angewandt wurden, wenn der Sturm auf eine mit Geſchütz gelegte Brejche nicht gelingen , oder wenn man irgend einen andern Zweck damit zu erreichen beabsichtigte, während sich nur wenige Fälle finden , in denen das Breschelegen mit Geſchüß überhaupt nicht gelingen wollte. Denn wenn das starke Mauerwerk auch leichteren Geschüßen widerstand, so war bies noch nicht der Fall mit den schweren Bombarden. So war es z. B. dem Kaifer Maximilian 1504 nicht gelungen, die 14' ſtarken Mauern von Kuffſtein mit 7 Kanonen zu zerstören, während er mit zwei nachher herangezogenen ungeheuren Geſchügen seinen Zweck erreichte. Bei der durch die ausgezeichnete Vertheidigung durch die Venetianer berühmten Belagerung von Padua 1509 hatten die Kaiserlichen sehr zahlreiches schweres Geschüß , mit welchem sie trog der nicht sehr geschickten Berwendung bereits nach dreitägiger Beschießung beträchtliche Breschen zu Stande brachten und namentlich ein 400 Schritt vor die Werke vorgeschobenes rundes Bollwerk fast bis auf den Boden niederschoſſen.

56 Nach vielem Bemühen gelang zwar ein Sturm, doch wurden die Angreifer mit Hülfe von Minen wieder hinausgeworfen.

Ein Versuch, durch Minen etwas zu erreichen, scheint hier gar nicht gemacht worden zu ſein, vielleicht , weil man seine ganze Hoffnung auf die Wirkung des Geschüßes gesezt hatte und nun, weil dieſe fehlschlug, den Muth gänzlich verlor ; vielleicht fand sich auch im kaiserlichen Heer noch Niemand, der die Minen anzulegen verstand. Ein Beiſpiel , wie unvortheilhaft das Brescheschießen von oben ſei, lieferte die Belagerung von Ravenna 1512. Es war den Franzosen hier zwar gelungen, eine 20 Toisen breite Bresche zu Stande zu bringen ; allein da sie dieselbe von oben gelegt hatten, so war die Mauer noch 15' hoch stehen geblieben. Bei dem Sturm sahen ſie ſich deshalb genöthigt, sich der Leitern zu bedienen, und da durch Flankenfeuer von einem Baſtion viele Leute getödtet und die Leitern zerbrochen wurden , mußten sie sich mit großem Verluft zurückziehen. Beffer gelang es ihnen bei Navarra 1513, in wenigen Tagen Bresche zu legen , und vor Mezières 1521 brachten die Kaiserlichen mit 5000 Schuß in 3 Tagen zwei Breschen zu Stande . Dieses Beiſpiel kann indeß keinen Maßstab für die Wirkung der Artillerie abgeben, weil Mezières so schlecht befestigt war , daß es ganz aufgegeben worden wäre, wenn sich nicht Bayard erboten hätte, es zu vertheidigen, was ihm auch bis zum Eintreffen des Entſaßes vollſtändig gelang. Ein noch günstigeres Reſultat hatte die spanische und päpstliche Artillerie 1512 vor Bologna gehabt. Es war ihr hier gelungen , in 24 Stunden 100 Brassen Mauer ( etwa 150 Klafter ) in Bresche zu legen und einen Thorthurm so zu zerstören , daß er nicht mehr vertheidigt werden konnte ; dennoch schob man den Sturm auf, weil Pedro Navarro noch eine Bresche mittelst einer Mine legen sollte , um beim Sturm die Aufmerksamkeit zu theilen .

Es widerfuhr ihm aber hier, daß die Mauer,

als die Mine gezündet wurde, zwar ein Stück in die Höhe gehoben wurde, aber wieder auf denselben Ort , auf welchem ſie geſtanden hatte, zurückfiel. so daß keine Bresche entstand. Dieses vermeintliche Wunder erklärte Pedro Navarro ſelbſt auf die natürliche Weise , daß die zu schwache Ladung unter dem Schwerpunkt der Mauer gelegen hätte.

57

Ob dies Ereigniß überhaupt gar nicht stattgefunden habe, wie Einige meinen , weil zwei gleichzeitige Schriftsteller , welche genaue Kenntniß von der Belagerung hatten , es nicht erwähnen , kann hier nicht untersucht werden ; daß es aber wenigstens möglich war , beweist ein ganz ähnlicher Fall , welcher nach Allent's Erzählung den französischen Ingenieuren 1795 bei der Demolirung von Fuentarabia widerfuhr , wö eine lange Curtine durch die Explosion mehrere Fuß in die Höhe gehoben wurde , aber sofort wieder auf ihre Basis zurückfiel , ohne umzufürzen. Hier soll das Mißlingen dadurch hervorgerufen worden sein, daß in dem Mauerwerk sich Luftzüge befanden, deren Vorhandensein den Ingenieuren unbekannt geblieben war. Im Gegensatz zu obiger motivirten Anwendung der Minen scheint Pedro Navarro , der nunmehr in französischen Diensten stand , bei der Belagerung des Schlosses von Mailand 1515 dieselben mehr aus Vorliebe angewandt zu haben.

Er sprengte hier eine Casematte zur Seite

des Eingangs zum Schloß und untergrub nachher ein Stück Mauer nach alter Art, was nach Guiccardini's Zeugniß bereits damals von vielen für zeitraubend und mühsam gehalten wurde. Vielleicht wandte er die alte Methode hier wiederum an, aus Furcht ähnlicher Resultate wie vor Bologna. In demselben Jahre hatten Franzosen und Venetianer die Mauern von Brescia mit Erfolg beschoffen , wagten aber den Sturm nicht , weil die Vertheidiger tüchtige Abschnitte dahinter angelegt hatten. Pedro Navarro legte nun Minen an, die indeß den Erwartungen wenig entſprachen. Im folgenden Jahre 1516 hatte die französische und venetianische Artillerie vor Verona breite Breschen erzeugt, während zugleich ein großes Stück Mauer durch Untergrabung eingestürzt worden war ; dennoch wollte Lautrec immer noch größere Brejchen , weil er wegen der tapferen Bertheidigung und den verdeckten Flankirungen am Gelingen des Sturmes zweifelte. 1522 hatten die Engländer und Niederländer nach 14 tägiger Beschießung in Alt - Hesdin eine 30-40 Klafter breite Bresche gelegt, wagten aber keinen Sturm, da die Franzosen mehrere glückliche Ausfälle gemacht und das Regenwetter ihre Arbeiten zum großen Theil zerstört hatte. Sie zogen endlich nach langer Unthätigkeit ab. Auch vor Arona 1523 schritten die Franzosen erst zur Anwendung

der Minen, nachdem einige Stürme auf die Breschen abgeschlagen worden

58 waren, und versuchten ein großes Stüď Mauer in die Luft zu sprengen ; es ereignete sich aber wieder wie bei Bologna 1512, daß die Mauer aufgerichtet auf ihre Stelle zurückfiel. Daß dergleichen Mißgeschicke ſich öfters ereignen konnten , erscheint bei der geringen Kenntniß, welche man vom Minenwesen damals hatte, nicht auffallend. Ballo, der sein Buch über Befestigung 2c. zuerst 1519 veröffentlichte, beschreibt, daß man mit einer nach oben sich verengenden, mit Bohlen bekleideten Gallerie gegen den Punkt gehen solle, wo man die Mine an zulegen beabsichtigt ; dort wird eine backofenförmige Kammer mit einer Decke construirt , mit feinem Pulver in Fässern besegt, und Pulver in der Kammer verstreut ; alsdann wird verdämmt , indem nur eine Oeffnung für die Leitung gelassen wird. Ein anderes Beiſpiel, wo mit Minen etwas auszurichten gar nicht versucht worden zu sein scheint, bietet die Belagerung von Marseille 1524. Hier hatte der Herzog von Bourbon eine beträchtliche Geſchüßbreſche legen lassen , wagte aber keinen Sturm darauf , weil die Vertheidiger einen tiefen Abſchnittsgraben dahinter angelegt und denselben mit Feuerwerkskörperu gefüllt hatten. Der Angriff wurde deshalb aufgegeben. Vor Peronne 1536 war es den Kaiſerlichen gelungen, mittelst zweier Batterien , davon die eine zu 6 Kanonen, die andere zu 3 Kanonen , in zwei Tagen zwei Breschen zu Stande zu bringen, auf welche man zweimal vergeblich stürmte, da die Vertheidiger Verschanzungen dahinter angelegt hatten. Es wurde nun unter dem großen Thurm des Schloſſes eine Mine angelegt und mit Erfolg gesprengt ; doch gelang der Sturm ebenfalls nicht. Während in obigen Beispielen die Minen meist nur angewandt worden waren , wenn man mit Geschüß seinen Zweck nicht vollständig erreicht hatte, versuchte umgekehrt Franz I. 1537 bei der Belagerung von Hesdin zuerst eine Bresche durch Minen zu Stande zu bringen , weil er befürchtete, daß er mit der Artillerie wegen der großen Mauerstärke und des starken Walles nicht würde Bresche legen können. Es gelang zwar nach 2 - 3 Wochen, einen Thurm zur Hälfte einzuwerfen ; jedoch kam dadurch keine Bresche zu Stande ; Franz I. ließ deshalb nahe am Grabenrande eine Batterie anlegen , mit welcher am dritten Tage eine Breſche von 30 Toisen Breite bewirkt wurde.

59 Wenn es auch auffallend erscheinen kann, daß troß der großen Mengê gelungener Geschüßbreschen Franz I. hier an dem Gelingen zweifelte , fo ist es doch nicht ohne Beispiel , daß Mauerwerk in dieser Zeit dem Geschüßfeuer wirklich sehr gut widerstand. So mußte während der Belage rung von Magdeburg 1551 der Jacobsthurm anfänglich aus 7 , dann aus 12 Geſchüßen von 30 -– 50 u. vom 10. Februar bis zum 13. März beſchoffen werden , bevor es gelang , den oberen Theil der Mauer herunterzuschießen, obwohl an manchem Tage mehrere hundert Schuß geschehen waren. Allerdings aber hatten die Belagerten das Gemäuer mit Wollsäcken behangen und jeden Schaden bald ausgebessert; auch lagen die Batterien entfernt , und mögen vielleicht nicht viele Kugeln getroffen haben. Da es noch nicht allgemein gebräuchlich war, die Breſchbatterien in unmittelbarer Nähe anzulegen, so konnte ihre Wirkung auch durch andere Umstände sehr beeinträchtigt werden. So wurde es bei der Belagerung von Düren 1543 durch Carl V. sehr schwer, das niedere Mauerwerk der Wälle zu treffen, weil es durch vorliegende Deiche gut gedeckt war. In demselben Jahre wurde auch Landrecies aus 50 Geschüßen lange vergeblich beschossen. Während der Belagerung von Metz 1552 war die Wirkung der kaiserlichen Artillerie gegen das Mauerwerk, troydem sie theilweiſe noch steinerne Kugeln hatte, zwar gut, allein theils wegen der unzweckmäßigen Berwendung derselben , theils wegen der ausgezeichneten Vertheidigung des Herzogs von Guiſe nahm die Belagerung doch keinen günstigen Ausgang. Dieser Play hatte eine 3 Meter starke Umfaſſungsmauer mit Thürmen , auf vielen Stellen eine Fauſſebraye und einen schlecht unterhaltenen Graben. Ein Erdwall wurde an den bedrohten Stellen , ſowie viele andere Vertheidigungswerke erst während der Belagerung ausgeführt. Bald zu Anfang derselben , am 10. November , hatte das Feuer aus 12 Geſchüßen gegen das Schloß am Thor Champenèze begonnen, und waren am folgenden Tage bereits 3 Thürme deſſelben ganz oder theilweise zerstört.

An den nächsten beiden Tagen wurde durch 470 Schuß

das runde Bollwerk an dem genannten Thor troß der 18 Fuß ſtarken Mauer unter dem Cordon in Bresche gelegt, und diese in den nächsten Tagen beträchtlich erweitert.

Es wurde indeß kein Sturm darauf ver-

sucht, weil die Vertheidiger fortwährend bemüht waren , die Lücke durch

60 Erde zu schließen , und weil die Bresche wahrscheinlich nicht gangbar wurde, da sie zu hoch lag . Es wurden nun zwei große Batterien gegen den Wall zwischen dem Thor Champenèze und der Plattform St. Marie errichtet, und am 22. und 23. November aus 25 Geschüßen in denselben durch 1448 Schuß zwei der auf dieser Strecke befindlichen Thürme ganz eingestürzt und der dritte ſtark beschädigt ; die Mauer ſelbſt litt dagegen wenig, weil man nicht auf eine einzelne Stelle derselben , sondern auf der ganzen Länge hin und her schoß, was vielleicht geschehen sein mag, um eine schwache Stelle zu suchen.

Am 26. November begann das Feuer , welches etwas schwächer geworden war, auf's Neue aus 36 Geschüßen gegen diese Mauer , und noch vor Ende des Tages waren 3 Breschen in derselben fertig. Nun wurde anch der Höllenthurm beschossen, in welchem am 28. eine Deffnung von 20 Fuß Weite entstand, und der noch an demselben Tage ein. ftürzte , ohne indeß eine gangbare Bresche zu bilden, und auf deſſen Trümmern sich die Vertheidiger möglichst gut verschanzten. An demfelben Tage begann auch ein großes , zwischen zwei der oben erwähnten Thürme liegendes Mauerstück , nachdem es stark beschoffen und tief genug durchbrochen war, sich nach außen zu neigen und von der Erde abzulösen; nach zwei Stunden stürzte es herab , die Trümmer blieben aber größtentheils in der Fauſſebraye liegen, und über der Bresche blieb der Wall 8 Fuß hoch steil stehen , da er aus sehr fetter aus dem Graben entnommener Erde errichtet war. Im Laufe des Dezember wurden noch mehrere Breschen gelegt , sogar beim Thor Champeněze eine 80-100 Schritt breite gangbare Bresche zu Stande gebracht ; allein es wurde kein Anfang desselben Monats hatte man auch an 4 Stellen zu miniren begonnen und war bei Aufhebung der Belagerung mit einer Gallerie bis unter den Höllenthurm gekommen. Sturm unternommen.

Nicht besser gelang das Breschelegen der Kaiserlichen Artillerie vor Terouanne 1553. Nach einem heftigen zehntägigen Feuer hatte sie hier alle Bertheidigungslinien zerstört und eine 60 Schritt breite Bresche gelegt ; allein dieselbe war sehr schwer erſteiglich, da die ganze Bekleidung des Grabens stehen geblieben war , weshalb der mit Leitern versuchte Nachdem der Versuch, die Breschen durch Minen zu vergrößern , ebenfalls mißlungen war , untergruben sie die Brustwehr über der Bresche nach der Länge , und als die Stüßen ver-

Sturm abgeschlagen wurde.

61 brannt wurden, stürzte die Brustwehr so günstig ein , daß die Bresche sehr bequem ersteiglich wurde. Bei der Belagerung von Santia 1555 war es die Construction der Wälle, welche die Wirkung der Artillerie aufhob. Dieſelben waren von Erde aufgeführt, die durch gehörig mit einander verbundene Balken festgehalten wurde, wie dies schon im vorigen Jahrhundert gebräuchlich gewesen war.

Die Kaiſerlichen richteten gegen ein Baſtion und eine Cur-

tine an einem Tage ungefähr 3500 Schuß , und an den zwei folgenden Tagen noch etwa 12 - 1600 Schuß; doch war die Wirkung so gering, daß die Beschädigungen fast augenblicklich wiederhergestellt werden konnten. Glücklicher war dagegen die kaiserliche Artillerie im Jahre 1557 bei der Belagerung des allerdings schlecht befestigten und

ausgerüsteten

St. Quentin , wo es ihr gelang , in 7 Tagen 11 Breschen zu schießen, welche den Sturm möglich machten. Von beiden Seiten war auch minirt worden, doch scheinen die Minen nicht zum Springen gekommen zu sein. Auch den Franzosen war es 1555 vor Vulpiano nicht geglückt , eine praktikable Bresche zu Stande zu bringen ; sie sahen sich vielmehr genöthigt, gegen ein weit vorspringendes Außenwerk, welches in der Mitte einen gut flankirten Abschnitt von Erde hatte, Minen anzuwenden, welche bermaßen günstig wirkten , fönnen.

daß man die Bresche hätte hinaufreiten

Der Marschall von Brissac hatte gleich Anfangs miniren lassen ; allein während feiner Abwesenheit hatte sein Stellvertreter sich durch die Ungeduld der französischen Edelleute verleiten lassen , zu versuchen , den Angriff durch eine Geschüßbresche zu beschleunigen. Die Geschüße waren zu dem Zweck an der Contre- Escarpe aufgestellt worden , was damals noch sehr gefährlich war, da man den hinteren Theil der Batterien gegen das Arkebusenfeuer von den hohen Mauern nicht zu defiliren verſtand. Einen recht geschickten Gebrauch verstand der Herzog von Guiſe bei den Belagerungen der nächsten Jahre von den Geſchüßen zum Breschelegen zu machen. Vor Calais 1558 wurde mit einem Scheinangriff begonnen und dann plötzlich eine Batterie von 15 Geschützen gegen das nicht durch Erbwälle gedeckte Schloß errichtet, womit es gelang, bis zum Abend eine weite gangbare Bresche zu erzeugen.

62 In demselben Jahre ging der Herzog bei der Belagerung des Forts von Guines mit seiner Breſchbatterie von 35 Geſchüßen bis zum Grabenrande vor; nach 24 Tagen hatte er durch 8-10000 Schuß in einem der größten Bollwerke eine gangbare Bresche erreicht. Größere Schwierigkeiten fand dagegen der Herzog von Guiſe ebenfalls im Jahre 1558 bei der Belagerung von Thionville.

Aus den ſehr

von einander abweichenden Erzählungen gleichzeitiger Schriftsteller stellt sich als gewiß heraus , daß der Herzog zuerst von der Moſelſeite hatte Bresche schießen lassen ; nach wenigen Tagen war zwar eine weite Bresche vorhanden, dieselbe war aber sehr hoch , wahrscheinlich weil man wegen der großen Entfernung die Mauer nicht tief genug hälke faſſen können, und der dahinter liegende Wall , welcher mit einem Abstand von 5 — 6 Schritt von der Mauer aus Holz und Erde errichtet war , noch ganz unversehrt, wozu endlich noch die Schwierigkeit kam, die Mosel zu durchwaten. Nach Montluc's Erzählung hatte aber außerdem der Vertheidiger aus 10-12 Geſchüßen plözlich ein so heftiges Feuer auf die Breschbatterie begonnen, daß sie nach wenigen Stunden gänzlich zerstört war, was glaubwürdig erscheint, wenn man bedenkt, daß damals die Batterien nur aus Reihen großer Schanzkörbe bestanden.

Genug, der Angriff auf

dieser Seite wurde aufgegeben , über den Fluß gesetzt und ein neuer Angriff von oberhalb der Stadt begonnen. Hier scheint aber wiederum die Artillerie des Playes die Oberhand behalten zu haben , indem keine Breschbatterie angelegt wurde ; man ging vielmehr mit der Sappe bis an den Fuß eines großen runden Thurmes und setzte hier 2–3 Fuß über der Erde den Mineur an. Die durch denselben gemachte Oeffnung wurde durch 15-20 Schuß erweitert, nachdem ein Geschüß mit großer Mühe hier aufgestellt worden war.

Es entspann sich nun ein intereſſanter

Kampf um den Thurm und eine flankirende Casematte , wobei es indeß nicht zum Sprengen kam . Bei der Belagerung der kleinen , meist schlecht befestigten Plähe während der französischen Religionskriege genügte häufig eine kurze Beschießung , um dieselben mit oder ohne Bresche zur Uebergabe zu bewegen. Einige Orte vertheidigten sich dagegen sehr tapfer ; so mußten z . B. vor Bourges 1562 die Katholiken erst einige von den Hugenotten vor der Stadtmauer angelegte Bastione durch Geſchüß und Minen völlig in Bresche

63 legen.

Bei Rouen legten in demselben Jahre die Katholiken nach Ein-

nahme der Vorſtadt in der Mauer zwischen den Thoren St. Hilaire und Martinville in zwei Tagen eine solche Bresche , daß ganze Kompagnien hätten hinein marſchiren können. Da der Sturm wegen Verwundung des Königs von Navarra aufgehoben wurde, wurde die Bresche erst noch durch 2000 Schuß geebnet ; dennoch wurde der Sturm nach einem hartnäckigen Kampf , der von Mittag bis Abend dauerte , abgeschlagen , und erst am andern Morgen gelang die Einnahme der Stadt. Im Jahre 1568 hatten die Hugenotten zur Belagerung von Chartres nur 4 Geſchüße, mit denen sie am Thor von Dreux nach Einnahme der Außenposten Bresche schoffen, ſo daß sie am sechsten Tage der Belagerung hätten stürmen können , wenn nicht die Katholiken ein Retranchement dahinter angelegt hätten.

Aus demselben Grunde mißlang im folgenden Jahre

den Katholiken der Sturm auf Chatelleraud, woselbſt ſie Bresche geſchoffen hatten. Bei der Belagerung von La Rochelle 1573 wurden ebenfalls die Minen erst angewandt , als die Stürme auf die durch Geschüß gelegten Breschen nicht hatten gelingen wollen. Diese Stadt war noch mit Mauern und Thürmen befestigt , vor welchen durch einen italieniſchen Ingenieur erst wenige Jahre vorher einige Bastione angelegt worden waren. Gegen das am meisten nördlich gelegene Bastion de l'Evangile und gegen die Werke an der Nordwestseite richtete sich hauptsächlich der Angriff.

Die Katholiken hatten dazu 36 schwere und eine Doppelkanone

33 und 42 ). Gleich in den ersten Tagen nach Beginn des Feuers , Anfang März , gelang es ihnen , durch etwa 500 Schuß einen Thurm fast gänzlich einzuſchießen, und bis zum 14. März hatten ſie auf der Angriffsſeite überall den oberen Theil der Mauern herabgeschossen ; die Höhe der Contreescarpe hatte aber verhindert , die Mauern des Bastions de l'Evangile tief genug zu fassen , um Bresche zu legen.

Am 21. März

lounten die vor den Facen derselben angelegten nahen Batterien zu feuern beginnen , und am 24. März stürzte ein Theil der Mauern ein , wobei ſich zeigte , daß die Hugenotten dahinter ein starkes Netranchement von Holz und Erde angelegt hatten.

Nachdem die Breschen noch erweitert

worden waren, wurden mehrere Stürme versucht , welche an der Tapferkeit der Hugenotten scheiterten . Auch hatte zum Mißlingen der Stürme sehr viel beigetragen, daß die Bresche aus einer Casematte flankirt wurde,

64 der man mit dem Geſchüß nicht beikommen konnte. Der Herzog von Anjou ließ deshalb am 12. April eine Mine unter dem Baſtion de l'Evangile beginnen.

Nach zwei Tagen schon lonnte sie gezündet werden ;

allein die Wirkung war für den Angreifer nachtheiliger , als für den Vertheidiger ; denn da die Ladung zu stark gewesen war, wurde die ganze Bastionsspiße eine Strecke gegen die Laufgräben geschleudert und durch die Trümmer eine Menge Soldaten und Pioniere , welche zum Sturme bereit standen, zerschmettert.

Bei einer am 24. April gesprengten Mine

der Vertheidiger zeigte sich dagegen die Unkenntniß in der Bestimmung der Ladungen in entgegengesetter Weise ; sie wirkte sehr wenig , weil sie mit zu wenig Pulver geladen war.

Nicht viel günstiger war die Wir-

kung einer am folgenden Tage von den Katholiken gesprengten Mine. Der Sturm wurde ebenfalls und zwar hauptsächlich mit Hülfe einer wieder in Bertheidigungszustand versetzten Casematte abgeschlagen. Nach einer Bemerkung des Geschichtsschreibers dieser Belagerung vom Jahre 1630 scheint aber auch die Form der Breschen für die Vertheidigung günstig gewesen zu sein.

Derselbe sagt nämlich : „ Die Katholiken er-

kannten den geringen Vortheil , welchen die Minen gewähren , wenn ſie nicht gut geführt sind , indem sie häufig Flanken von Erde, die sie auf beiden Seiten aufwerfen, stehen lassen , hinter denen sich die Belagerten mit Erdsäcken, Tonnen 2. verschanzen und so sicher schießzen , als hinter den besten Schanzkörben."

Indeß wurde der Minenkrieg lebhaft fort-

gesezt, wobei häufig unterirdische Kämpfe vorfielen, und wieder mehrere Stürme abgeschlagen. Am 27. Mai wurden drei Minen nach eine ander gesprengt, von denen die erste nur eine ganz kleine, die folgende aber eine immer größere Bresche hervorbrachte ; bei dem darauf folgenden fiebenten Sturme gelangten die Belagerten zwar auf die Bresche, wurden aber bald mit Hülfe einer ungeheuren Masse von Feuerwerkskörpern heruntergeworfen, was um so eher gelang, als es den Angreifern wegen der großen Mauertrümmer überhaupt schwer geworden war , sich oben zu halten . Nach noch zwei abgeschlagenen Stürmen zog sich die Belagerung noch bis zum 6. Juli hin, an welchem Tage die Capitulation geschlossen wurde.

65 b) Bei den Türken. In den Türkenkriegen dieſes Zeitraumes finden sich ebenfalls viele Beiſpiele von Anwendung der Minen, ohne daß daraus, wie die Betrachtung der einzelnen Fälle zeigen wird , gefolgert werden dürfte , daß die Türken überhaupt vorgezogen hätten, mit Minen Bresche zu legen , wenn fie auch in Folge der Unbeholfenheit ihrer Geſchüße häufiger Veranlassung dazu finden mochten, als die westlichen Mächte Europa's. Dazu kommt, daß ſie in diesem Zeitraum ihre Angriffe mit außerordentlicher Energie führten, während sie in der Regel dem hartnäckigſten Widerstande begegneten, weshalb sie alle Mittel des Angriffs aufboten, um ihren Zweck möglichst rasch zu erreichen. Eine der ersten Belagerungen, in welcher die Türken Minen neuerer Art anwandten, vielleicht die erste, ist die Belagerung von Belgrad 1521 . Sie hatten diesen Play, welcher in der Spitze zwischen der Donau und Save liegt , und der mit einer doppelten , mit vielen kleinen Thürmen verstärkten Mauer befestigt war , seit Anfang Juli zuerst blos von der Landseite, dann auch von der Saveſeite, wo die Befestigung am schwächſten war, beschossen und große Mauerstrecken in Schutt gelegt ; die Vertheidiger hatten aber stets neue Wälle aus Holz und Erd: dahinter aufgeführt und alle Stürme zurückgeschlagen. Als endlich am 8. Auguſt ein neuer Hauptsturm stattfinden sollte , verloren die Bewohner der Stadt, Raizen, den Muth und zogen sich zu den Ungarn ins Schloß zurück. Dieses lag in der Spitze zwischen den beiden Flüſſen und war mit mehreren hohen aus Quadersteinen erbauten Thürmen befestigt, von denen die beiden größten der Fürchtenichts und der Hirsethurm hießen. Die Türken erbauten sogleich vier Batterien gegen das Schloß , von denen eine besonders gegen diesen Thurm gerichtet war. Es gelang ihnen auch, mehrere Breschen in denselben zu schießen ; die Ungarn verrammelten sie aber mit Balken und Bohlen. Es hatte sich indeß auch gleich nach Einnahme der Stadt ein Renegat gemeldet, welcher dem Sultan anbot, die Minirkunst, die er in den italienischen Kriegen gelernt hatte , hier in Anwendung zu bringen. Man ließ daher bereits am 9. August die Arbeit unter dem Hirsethurm beginnen ; doch war die Mine erst am 27. August zum Zünden fertig , obs wohl sie von den Ungarn unbemerkt geblieben und deshalb nicht entgegen. gearbeitet worden war. Indeſſen war die Beſchießung fortgeseßt und '5 Achtundzwanzigfter Jabrgaug. L.V. Band.

66 am 26. Auguft ein Sturm vergebſich versucht worden.

Als die Türken

am folgenden Tage die Mine zündeten, flog ein Theil des Thurmes in die Luft , die Trümmer fielen aber nach einwärts , ſo daß ſie keine zugängliche Bresche bildeten . Troßdem versuchten die Türken einen neuen Sturm, der aber gleichfalls abgeschlagen wurde. Nicht lange darauf mußte sich das Schloß ergeben in Folge der Uneinigkeit zwischen den Raizen und Ungarn. Ein noch merkwürdigeres Beiſpiel bietet die Belagerung von Rhodus 1522. Die Türken hatten hierzu sehr zahlreiches Geschüß, darunter 72 schwere Stücke, herbeigeschafft , von denen die beiden größten Bombarden nach dem Baſtard von Bourbon ſteinerne Kugeln von 11 Spannen Umfang schossen , was einem ungefähren Gewicht von -7 Centnern entspricht.

Sie hatten aber dazu noch keine eigentlichen Laffeten ; die Röhre

lagen vielmehr nur auf nebeneinander gelegten Balken. Die Hauptbefestigung von Rohdus bestand aus einer einfachen Mauer mit 5 Bollwerken und wie es scheint mit einer gemauerten Fauſſebraie, ähnlich wie unsere freistehenden Escarpenmauern. Die Bollwerke wurden nach den Zungen der Ritter benannt, welche sie vertheidigten.

Erst im Laufe der

Belagerung wurden die Mauern durch Holz , Erde und Faschinen ge= ſtützt. Anfänglich wollte es den Türken nicht gelingen, etwas gegen die Mauern auszurichten , weil sie zu hoch feuerten und kaum die Scharten trafen. Sie legten darauf 2 Kavaliere an , welche die Mauern beträchtlich überhöhten, um von hier das Innere des Playes bestreichen zu können ; allein sie litten von dem Feuer der Rhodiser so sehr, daß sie es aufgeben mußten , bei Tage zu feuern ; dagegen gelang es ihnen in der Nacht, durch 500 Schuß einen Theil der einfachen Mauer des Bastion Deutschland in den Graben zu stürzen. Die Ritter hatten jedoch in Voraussicht dieses Ereignisses bereits eine Mauer mit einem Erdwall als Abschnitt dahinter gelegt. Die Türken fuhren nun einen Monat lang fort, alles zu beschießen , wobei sie eine Menge Breschen zu Stande brachten, hinter denen sie immer wieder Abschnitte vorfanden.

Da sie auf dieſe

Weise nicht vorwärts kamen, fingen sie an, mit Minen gegen alle Baſtions vorzugehen ; sie legten dabei immer mehrere Zweige an , welche sich in einem Punkte vereinigten.

Doch auch hiermit konnten sie nur wenig

Boden gewinnen , da die Vertheidiger unter Martinengi's Leitung , der hier das Horchen mit Trommeln erfaud , ihnen fleißig entgegenarbeiteten,

67 Es gelang den Türken indeß zu Anfang September, durch zwei nach einander gesprengte Minen unter dem Baſtion England 6 Toisen Mauer einzuwerfen, deren Trümmer den Graben füllten und eine gangbare Bresche bildeten.

Der hierauf versuchte Sturm wurde aber mit Hülfe

einer dahinter gelegten Traverse abgeschlagen.

Die Türken richteten ihre

Angriffe nunmehr gegen die Bastione Auvergne und Spanien. Während des hierbei entstandenen Minenkrieges wurden beiderseits einigemale Minen gesprengt, welche dem Gegner nicht nur nichts schadeten, sondern sogar zu eigenem Nachtheil ausschlugen ; so verloren z. B. die Türken einmal sogar 150 Mann ; jedoch war es ihnen gelungen , am Baſtion Spanien 2 Toisen Mauer einzuwerfen . Am 24. September versuchten fie einen allgemeinen Sturm, zu welchem sie die Breschen durch Geſchüßfeuer zu erweitern versucht hatten.

Nachdem auch dieser Sturm durch

die glänzende Tapferkeit der Ritter zurückgeschlagen worden war, richtete sich der Angriff hauptsächlich gegen das Bastion Spanien , welches das geringste Grabenprofil hatte. Dies war für den Angriff um so vortheilhafter, als die Ritter von den Caſematten aus die Ausführung der Grabenübergänge den Türken sehr erschwerten. Diese versuchten nun die Faussebraiemauer , welche die Trümmer aufhielt und der mit Geschüß nicht beizukommen war , zu untergraben. Es gelang ihnen auch, einen Theil der Mauer einzustürzen ; ein Abschnitt vereitelte aber wieder den Sturm . Auch gegen die andern Bastione konnten sie trotz der Anwendung aller Angriffsmittel nicht recht vorwärts kommen ; und als sie endlich das Baſtion Italien durch 17 Geſchüße ganz zuſammengeſchoſſen hatten, mußten ſie erst die inneren Abschnitte durch Untergrabung einstürzen , ehe es die Ritter zum größten Theil aufgaben. Das Bastion England wurde, ob. wohl durch Geschütz und Minen fast ganz zerstört , immer noch gehalten. Am 29. November gelang es den Türken , auch noch einen großen Theil der Mauer von Spanien einzuſtürzen, worauf sie es unaufhörlich beschossen. Der am folgenden Tage unternommene Sturm wurde aber wieder abgeschlagen und die Vertheidigung noch bis zum 20. Dezember fortgesezt. Entschiedener als in dieser Belagerung tritt die Anwendung des Geschüßes zum Breschelegen gegen die der Minen in der Belagerung von Wien 1529 zurück. Diese Stadt war mit einer schlecht unterhaltenen 5*

68

faum 6 Schuh dicken Mauer mit Thürmen befestigt, hinter deren schwächsten Stellen pallisadirte Erdwerke und vom Stuben zum Kärnthner Thor, 20 Schritt hinter der alten Mauer, eine neue Mauer mit Graben errichtet wurde. Vor einigen Thoren namentlich auch vor dem angegriffenen Kärnthner- und Burg-Thore, waren hölzerne Bollwerke angelegt. Da alle deckenden Außenwerke fehlten, so würde das Breschelegen mit Geſchüß keine Schwierigkeiten gefunden haben ; allein die Türken hatten ihre meisten schweren Geschütze in Folge der regnerischen Witterung in Ungarn stehen laſſen müſſen, und unter der immer noch sehr bedeutenden Anzahl — ſie wird auf 3400 angegeben befanden sich nur wenige Stücke von Be-

1

lang.

Sie gingen deshalb rasch mit ihren Laufgräben bis zum Grabenrand vor und begannen zu miniren. Die Vertheidiger arbeiteten ihnen fleißig entgegen. Die Anstrengungen der Türken waren hauptsächlich gegen das Kärnthner Thor gerichtet , gegen welches sie auch Geschüße aufgestellt hatten , mit denen sie den Thurm und das nahe Baſtion beschädigten. Nach 11 tägiger Belagerung , den 7. October , sprengten sie am Kärnthner Thor eine Mine , wodurch die Mauern in einer Länge von 13 Klaftern barsten. Sie versuchten indeß noch keinen Sturm, sondern beschoffen den folgenden Tag die Stadt aus allen Geschüßen, wobei das hölzerne Bollwerk vom Kärnthner Thor in Brand gerieth und die Mauern ſo beſchädigt wurden , daß sie in die Stadt zu fallen drohten , weshalb sie von Innen gestützt werden mußten. Indeß errichteten die Berthei-

1

diger hier und an dem rechts vom Burgthor gelegenen Schottenthor neue Bollwerke. Erst nachdem die Türken am 9. October zwei Minen rechts und und links des Kärnthner Thores gesprengt hatten, wagten sie einen Sturm. Obwohl diese Minen kurz vor der Zündung entdeckt und mehrere Tonnen Pulvers aus ihnen fortgenommen worden waren, war die Wirkung doch eine sehr günstige , namentlich links des Thores , wo eine solche Bresche entſtand, daß 24 Mann neben einander anlaufen konnten. Dennoch gelang es den Vertheidigern , drei Stürme abzuschlagen , worauf sie die



Mauer möglichst ausbesserten, die Lücke durch Steine, Balken und Schanz1 körbe schlossen und eine neue Mauer mit einer hölzernen Brustwehr dahinter aufführten. In den Tagen vom 10. bis zum 14. October wurde der Minenkrieg lebhaft fortgesetzt.

Es wurden dabei mehrere Minen

der Türken entdeckt ; dennoch gelang es ihnen mehrere Male, neue Breschen

69 zu Stande zu bringen , die sogleich gestürmt , ftets aber von den Vertheidigern behauptet wurden. Bei einem solchen Kampfe , welcher drei Stunden währte , blieben 1200 Leichen auf dem Plage. Nachdem endlich am 14. October gegen Mittag wieder zwei Minen rechts und links des Kärnthner Thores gesprengt worden waren , wobei ein 24 Klaftern ( nach andern sogar 45 Klaftern ) weiter Wallbruch entstand und wiederholte Stürme wiederum abgeschlagen worden waren, hoben die Türken die Belagerung wegen Käkte und Mangel an Lebensmitteln auf. Aus demselben Grunde wie vor Wien sahen sich die Türken 1532 vor Güns veranlaßt, zur Anwendung der Minen zu schreiten. Dieser Ort hatte zwar auch Mauern uud Thürme, konnte aber nicht als eigentliche Festung angeſehen werden , weshalb die Türken auch sogleich zu stürmen versuchten.

Da dies nicht gelang, fuhren sie ihre Geschütze auf,

von denen die meisten nur Kugeln von der Größe eines Gänseeies schoffen und worunter nur 8 Geschüße von größerem Kaliber waren. Diese wurden auf den benachbarten Höhen aufgestellt, und sie wirkten so günstig, daß nach drei Tagen sämmtliche Hochwehren abgeschossen waren. Nachdem mehrere Stürme abgeschlagen worden waren , wurde an 13 Orten minirt, die Mauern aber stets wieder hergestellt ; endlich gelang es den Türken , 4 Oeffnungen , darunter eine von 8 Klaftern Breite, hervorzubringen , durch welche es ihnen indeß ebensowenig gelang , den Platz zu nehmen. Wie große Geschüße bei den Türken damals in Gebrauch waren, davon giebt die Belagerung von Din 1538 ein Beispiel . Sie führten hier 1 Steinkartaune von 300 & , 1 desgleichen von 200 t, 2 Schlangengeschütze von 150 u. und 1 desgl. von 100 t mit sich . Dennoch wirkten die großen Kanonen und Bombarden während der 14 monatlichen Belagerung von Napoli di Romania 1537-1538 nichts , weil dieses auf einem steilen unzugänglichen Felsen auf einer Landzunge lag. Unter den Geschützen, welche die Türken zur Belagerung von Gran 1543 auf der - Donan herbeibrachten, befanden sich 40 Stück, welche Kugeln von 1 - 3 Centnern ſchoffen und mit denen sie auch bald eine Bresche zu Stande brachten.

Einige Jahre später hatten sie 1552 vor Temeswar 36 große

70 Belagerungsgeschüße, mit denen ſie, sowie bei Erlau, in demselben Jahre Bresche legten. Vor Szolnok, welches nur mit sehr hohen Mauern befestigt war, hatten sie, ebenfalls 1552, 24 große Kanonen herangebracht , deren Wirkung indeß die Bertheidiger nicht abwarteten, sondern den Platz schimpflich übergaben. Aber auch die christlichen Mächte besaßzen in ihren Kriegen mit den Türken das nöthige Geschüß , um damit Bresche legen zu können , wie dies z. B. die Belagerungen von Koron, Patras und Lepanto 1532 unter Andreas Doria zeigen, wo stets in kurzer Zeit Breschen mit Geſchüß zu Stande gebracht waren. So gelang dies ferner den Kaiserlichen 1542 vor Pesth mittelst 40 Stücken und 1550 den Spaniern vor Mendije mit 22 großen Kanonen.

Dieser Ort war mit einer doppelten 12 Klafter

hohen Mauer befestigt ; die Spanier ſchoffen auf 200 Schritt die beiden festesten Thürme hernieder. Mag nun auch manches Beispiel von der Anwendung der Minen in den Belagerungen dieser Zeit von den Schriftstellern, welche die militairischen Einzelheiten gewöhnlich nur sehr obenhin behandeln , unerwähnt geblieben ſein, oder mag manche Quelle, welche dergleichen enthält , hier nicht haben benutzt werden können ; so darf doch wohl mit Bestimmtheit angenommen werden , daß sich auch die Türken in dieser Periode vorzugsweise des Breschelegens mit Geschüt bedienten , da fast überall, namentlich auch bei den Belagerungen von Malta 1565 und von Szigeth 1566, wo sie Minen anwandten, sich die Gründe dazu deutlich erkennen laffen. Vor Malta hatten die Türken eine zahlreiche schwere Artillerie herangebracht, mit der es ihnen zwar auf der Landseite bald gelang , im Fort St. Elmo , einer viereckigen Sternschanze , Bresche zu legen ; allein da die Breschen nicht ohne Leitern ersteiglich waren , mißlang der Sturm. Sie schritten nun erst zur Anwendung von Minen. Bei dem Fort St. Michael scheint sie dagegen die tapfere Vertheidigung der Breschen zu diesem Verfahren bewogen zu haben , um überraschend zu wirken und die Abschnitte unschädlich zu machen.

Wo sie

solche Gründe nicht hatten, oder wo die Wirkung der Artillerie ausreichte, um Breschen hervorzubringen , bedienten sie sich der Minen nicht ; so z. B. 1566 vor dem Schloß Pallota , in welches sie mit 8 Gefchüßen

71 Bresche legten, und vor Gyula, deffen Werke sie fast gänzlich zusammenschoffen. Liest man aber , daß, als sie bei der Bertheidigung von Besprim in demselben Jahre das Feuer der Kaiserlichen lebhaft erwiderten, durch die gewaltige Erschütterung des eigenen Feuers die Mauern einſtürzten , so wird es freilich zweifelhaft , ob bei diesen Belagerungen ſowohl, als bei den weiter oben angeführten der Kaiserlichen es das Verdienst der Artillerie war , daß ſo bald brauchbare Breschen zu Stande tamen. Ganz eigenthümliche Verhältniffe traten bei der berühmten Belagerung von Szigeth 1566 durch dieTürken in Folge der Lage und Art der Befestigung dieses Playes ein. Derselbe bestand aus dem Schloß, der Altstadt und der Neustadt. Ersteres hatte die Gestalt eines bastionirten unregelmäßigen Bierecks, an deffen einer Ecke zwei Bastione dicht neben einander lagen, ſo daß 5 Baſtione vorhanden waren ; dieſe Eđe war von dem übrigen Theil des Schloffes durch einen Waffergraben getrennt und hieß das innere Schloß; es enthielt zugleich das einzige von Backſteinen aufgeführte Gebäude, den Pulverthurm. Das Schloß lag mitten in einem mit Hülfe eines Staudammes hervorgebrachten moraftigen See. Südlich von demselben schloß sich an den Staudamm die Altstadt an, ein Rechtec, an 3 Eden mit Bastionen versehen ; und noch weiter südlich lag die Neustadt innerhalb eines Hornwerks.

Altstadt und Neustadt waren mit

Waſſergräben umgeben. Die Wälle des Schloffes und der Altſtadt waren aus 3 Reihen mit Nägeln und Klammern verbundener Eichenſtämme gebildet und die Zwiſchenräume mit Erde gefüllt. Die Schloßwälle waren 22 Fuß stark, die der Altstadt schwächer. Die Wälle der Neustadt waren nicht widerstandsfähig gegen schweres Geschütz , weshalb dieselbe auch bald zu Anfang der Belagerung aufgegeben wurde. Bom 10. August ab beſchoffen die Türken hauptsächlich die Altstadt von 3 Seiten auf ungefähr 400 Schritt , während sie mit ihren Annäherungsarbeiten durch den Sumpf gegen das Schloß und auf dem Damme vorgingen. Am 19. Auguft hatten sie in dem Wall der Altstadt eine breite Bresche hervorgebracht, durch welche sie dieselbe erstürmten.

Ein Theil der Ver-

theidiger rettete sich über die Brücke ins Schloß.

Dieses wurde nun

auf 150-300 Schritt aus den schwersten Geschüßen von allen Seiten beſcheſſen, während die Annäherungsarbeiten durch den Moraſt, der schon zu trocknen begann , da die Türken den Damm durchſtochen hatten , fort-

72 gesezt wurden.

Am 25. Auguft, also nach etwa 5 Tagen, war das füd-

westliche, zunächst dem großen Staudamme gelegene Bastion zerstört ; der darauf unternommene Sturm wurde aber zurückgeschlagen. Daffelbe wiederholte sich fast täglich bis zum 2. September , während die Zerstörung der Werke immer mehr vorschritt.

Nachdem an diesem Tage

wieder ein Sturm der Janitscharen abgeschlagen worden war , wurde in der folgenden Nacht die Untergrabung des erwähnten Baſtions angefangen. Da in Folge des Abfließens des Waffers und der trockenen Witterung der Morast hier ganz ausgetrocknet war , war es den Türken möglich, sich am Fuß des Baſtions festzuſeßen ; und da sie von ihren überhöhenden Werken aus die Vertheidiger verhinderten , sich hinter den Brustwehren aufzuhalten , blieb diese Arbeit unbemerkt. Nach zwei Tagen und zwei Nächten öffneten sie den Ausgang ins Innere des Schloſſes, um welchen sich sogleich ein hartnäckiger Kampf entſpann ; doch gelang es den Türken, sich in ihrer Gallerie zu behaupten , dadurch , daß sie fortwährend neue Mannschaft vorschoben. In der Nacht vom 4. zum 5. September füllten ſie den Gang mit brennbaren Stoffen aller Art und steckten dieselben am 5ten an.

Das

größtentheils hölzerne Bastion stand nun bald in Flammen ; der Wind breitete das Feuer über das ganze äußere Schloß aus , so daß die Vertheidiger sich ins innere Schloß zurückziehen mußten. Als am 7 ten auch Zriny's Wohnung durch einen Feuerpfeil in Brand gesteckt worden war , entstand ein allgemeiner Brand , den die kleine Besayung nicht zu löschen im Stande war ; Zriny stürzte sich deshalb zum leytenmal mit dem Rest der Seinen unter die Türken , wobei alle blieben. explodirte.

Das Feuer ergriff nachher auch den Pulverthurm, welcher

Bei der Belagerung von Nikosia 1570, auf Cypern, hatten die Türken zuerst ihre Batterien auf nahe gelegenen Höhen errichtet und 4 Tage lang 4 Bastione auf das Heftigſte aus 140 ſchweren Geſchützen beſchoffen, da sie aber ihre Geschüße nicht tief genug senken konnten , so hatten fie den Werken wenig Schaden gethan. Sie legten deshalb neue Batterien in der Ebene an, mit denen sie Breschen zu Stande brachten. Ganz ähnlich verhielt es ſich bei der Belagerung von Famaguſta 1570-71 . Die Türken hatten zuerst 70 schwere Geſchüße auf Kavalieren in einer Entfernung von 250 Schritt aufgestellt und gesucht,

73 Geſchüße und Brustwehren zu zerstören , während sie auch das Innere der Stadt beschoffen. Nachdem sie die Brustwehren zweier Baftione und einer Courtine zerstört hatten , konnten sie sich im Graben feftſeßen , wo fie zu miniren begannen.

Sie gruben eine Mine bis unter das Zeug-

haus und sprengten ; der Sturm wurde aber abgeschlagen.

Den 29. Juni

sprengten sie bas Ravelin vor der Front, verloren aber bei dem 6 ſtündigen Sturm wieder viel Leute ; deshalb bauten sie 7 neue 80 Schritt von der Festung entfernte Kavaliere und beseßten sie mit 80 schweren Geſchüßen , aus denen sie in 24 Stunden 5000 Kanonenſchüſſe thaten. Wahrscheinlich legten sie hierdurch Bresche , was in Corini's Erzählung unklar bleibt ; wenigstens laſſen die 6 Geſchüße , welche die Türken am Grabenrande aufstellten , um die in der Nacht hergestellten wenigen Deckungen zu zerstören , sowie das Herunterreißen der Deckungen durch Sappeure darauf schließen. Nachdem noch bis gegen Ende Juli viel geschossen , gesprengt und gestürmt worden war , warfen die Türken vor das Thor, welches hinter dem Ravelin lag , eine große Maſſe ſehr stark rauchenden Holzes und unterhielten den Brand , den die Griechen und Italiener vergeblich zu löschen suchten, 4 Tage lang.

Inzwischen stellten

sie das Ravelin her, besetzten es mit Geschütz und untergruben die Mauer. Wegen Mangels an Pulver und an Vertheidigern mußte die Festung am 24. Juli übergeben werden.

Ueber die Art der Anwendung des Geschüßes zum Breschelegen im 16. Jahrhundert bis zur Zeit der niederländischen Freiheitskriege. Schon früher ift erwähnt worden , daß in Folge der Einführung eiserner Kugeln und der sonstigen Berbesserungen im Geschüzwesen man angefangen hatte , die ungeheuren Kaliber mehr und mehr aufzugeben. In wie hohem Maße dies bis zu diesem Zeitabschnitt geschehen war, geht aus einer Angabe Frondsberger's hervor, welcher unter 116 Kanonen, die er für eine große Armee rechnet, die ,, auch Stätt , Schlösser, Fleden, Mauern , Pastey , Rundelen , Bollwerk , durch Geſchüß bezwingen soll ", nur 14 Geschüße von mehr als 20 & und 40 Stück ſehr kleine anführt. Allerdings aber schießt darunter die Scharfmeze noch Kugeln von 100 и.

74 In Frankreich waren die Kaliber ungefähr dieſelben ; der Spanier Collado , deſſen Buch über Artillerie in Benedig 1586 zuerst erſchien, führt dagegen als größtes Kaliber nur Kanonen von 45-60 H. an. Was die Anwendung des Geschüßes zum Breschelegen betrifft , so war es noch nicht Gebrauch, die Geschüße , welche zum Zerstören der Brustwehren bestimmt waren , von denen zum Brefchelegen zu trennen, sondern man erbaute, namentlich bei kleineren Plägen , gewöhnlich nur eine große Batterie, in welcher verschiedene Kaliber vereinigt wurden. Dieselbe lag dem einzuschießenden Theil der Befestigung - ſehr häufig zwei Thürme mit der sie verbindenden Mauer gegenüber. Philipp von Cleve und Johann Bythaine , welche um die Mitte dieſes Jahrhunderts schrieben, geben für eine solche Batterie 6 Kanonen, 2 schwere und 4 mittlere Colubrinen und 12 Falkaunen als erforderlich an. Von diesen Geschützen sind nur die ersten 8 schwere Geſchüßze, da die mittleren Colubrinen nur 12 u. Eiſen, die Falkaunen aber 4 — 6 H. Blei ſchoffen. Collado giebt dagegen keine feste Regel für die Zahl der Geschüße einer Batterie, indem diese nach seiner Ansicht von der jedesmaligen Aufgabe der Batterie abhängen muß. In Bezug auf Kaliber verlangt er Kanonen (von 45 - 60 x ), Colubrinen ( 24 — 30 u ) ,,, weil dieſe in die Mauern gut einbringen werden wegen der Kleinheit ihrer Kugeln "; ferner einige - 18 8.) ,,, um die Wehren Sagri (8-10 W ) und halbe Colubrinen ( 12 — zu zerstören ". Die Batterien will er sehr nahe anlegen , womöglich nicht weiter als auf 80 Schritt ; doch hält er die Entfernung von 150 Schritt auch noch für genügend, dagegen die von 300 Schritt schon für schlecht ; am liebsten würde er , wenn nicht die Besorgniß vor den Arkebuſenſchüſſen der Vertheidiger wäre , die Batterie innerhalb des Grabens selbst aufstellen. Sein Zeitgenosse Busca , dessen Werk über Angriff und Vertheidigung der Festungen 1585 erschien , giebt ähnliche Vorschriften . Er sagt , daß diejenigen , welche die Batterien wegen des Feuers aus der Festung weit ablegen wollen, ſie auf 400 Schritt legen , daß dann aber die Wirkung schwach sei , während andere sie auf 150 Schritt oder gar bis an den Grabenrand legen wollen . Er selbst hält 2 -– 300 Schritt Entfernung für die beste, wenn nicht dabei die Geſchüße zur Zerstörung der Brustwehren von unten nach oben schießen müſſen, in welchem Falle er sie so weit zurückziehen will , daß sie möglichst horizontal schießen.

75

Sind von hier aus die Anlagen soweit zerstört , daß man mit den Laufgräben bis an die Contreescarpe gehen kann, ſo ſoll von hier aus Bresche gelegt werden. Nach dem Kaiser Louis Napoleon ist dieses Verfahren zum ersten Mal bei der Belagerung von La Rochelle 1573 praktiſch zur Ausführung gekommen. Ueber das Verfahren beim Brescheschießen giebt Frondsberger in seinem Kriegsbuche mehrere Vorschriften. Die eine derselben ", Wie man durch's Geschütz ein starken Thurm oder Mauern bald fällen soll " lautet wörtlich : ,, So du ein Thurm , oder starke Mauer bald fällen willt , ſo lug daß du versehen seyeſt mit guten Nothschlangen , Scharpfmeßen , Eysen Kugel und gut Pulver , auch alle andere Munition dem yberfluß , oder zur notturft, vund scheuß mit der Nothschlangen zweier Mann hoch, ober der Erden ein schuß neben den andern und alleweg zwischen zween Schlangenschuß, ein schuß mit einer Scharpfmetzen, so boren die Schlangen in das Gemäuer , darnach erschöllen es die Scharpffmeßen , daß es viel eher fallen muß , denn sonst , so du denn das Gemäuer ganz erschöllet haft, magſtn dich der großen Steynbüchsen behelfen, das Gemäuer vollendt damit zu fellen, du solt aber die Steyn Kugeln mit Eysen Ringen creußweiß wol vmbbinden laſſen, ſo ersparstu viel Eysen Kugeln u. s. w. " Unter seinen übrigen Vorschriften findet sich auch eine , wie man einen Thurm nach der Stadt oder nach dem Graben fallen machen soll, welche indeß nicht recht klar ist.

Nach einer anderen soll man Mauern

und Thürme, wo möglich 3 Fuß vom Boden anschießen , die Mauern auf 3-4 Klafter Länge durchbrechen , runde Thürme von Quadern an zwei Stellen nach der Seite durchbrechen und dann von vorn beschießen, viereckige Thürme vorn an der Brust, so daß die Schüſſe kreuzweise in ein Loch zusammen gehen , Thürme von Ziegelsteinen an einer Seite anschießen und zuſammen durcherweitern und danach auch vorn auf die Brust schießen. Wenn diese Vorschriften auch nicht ganz untereinander übereinstimmen, so geht doch aus allen zusammen hervor , daß man erkannt hatte, wie zweckmäßig es sei, in angemessener Höhe erst horizontal durchzubrechen. Dasselbe findet sich daher auch bei Busca vor , der die Höhe des Einschnitts in Mauern auf

bis

der Höhe angiebt.

Bei bastionirten

76 Befestigungen will er die Brede in die Bollwerksface geichoffen haben ; zu dem Ende legt er zwar die Batterie auch gegenüber an , ist aber der Meinung , daß die etwas schrägen Schüffe die meiste Wirkung haben, weil, wenn das Barement einmal abgeschält ist , die Kugeln beſſer eindringen , da die inneren Theile der Maner weicher sind , und daß sie mehr Mauerwerk herabſtürzen. Die Richtigkeit dieſer Ansicht ist durch die neuesten Versuche zu Bapaume und Schweidnig wiederholt bestätigt worden. Daß aber Busca den Grund des beſſeren Erfolges in der größeren Weichheit des inneren Mauerwerks suchte , erscheint dadurch erklärlich , daß die italieniſche Befestigung erst in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts entstanden war, und daß bei vielen in dieser Weise neu befestigten Plähen das starke Mauerwerk innerhalb noch nicht ganz abgebunden haben mochte, wenn es vielleicht schon wenige Jahre nach seiner Erbauung beschossen wurde. Um einen mit Strebepseilern verstärkten Wall einzuschießen , will er die Mauer 1 oder 2 Fuß unter dem Cordon durchschneiden und dann schräge gegen die Flanke der Strebepfeiler ſchießen. Ist die Brustwehr an 2 oder 3 Stellen durchbrochen , so wird sie fallen, und wenn der ſtehen bleibende Theil der Mauer sich über die Trümmer erhebt und schwer erſteiglich iſt, ſo muß man einen tieferen Schnitt machen.

Um denselben

rasch zu erzeugen, soll man lagenweiſe feuern und dann durch einzelne Schüsse den abgeschnittenen Theil zum Einsturz bringen. Busca hat also hier ein Verfahren gelehrt, welches in seinen Grundzügen auch heute noch Gültigkeit hat, und welches, nachdem , wie später gezeigt werden wird , das Brescheschießen durch einen langen Zeitraum ganz regellos betrieben worden war , wieder hervorgesucht und vervollfommnet worden ist. Da übrigens der Cordon bei den damaligen Befestigungen sehr hoch lag, so kann wohl obige Vorschrift nicht für das eigentliche Breschelegen, sondern zunächst für das Zerstören der Wehren, nach dem Ausdruck der damaligen Zeit, bestimmt gewesen sein , wobei es allerdings erklärlich ist, daß man, um rasch damit zum Ziele zu kommen, den obersten schwächsten und auch von Weitem am ehesten sichtbaren Theil zum Ziele erwählt. Gewiß wird man, um wirklich eine gute Bresche zu Stande zu bringen, immer noch den zweiten tieferen Schritt haben machen müſſen.

1

77 Daß gut ausgeführte Wälle von Erde und Holz dem Geſchüßfeuer beffer widerftehen , als Mauerwerk, wird von ihm anerkannt ; allein der Fäulniß des Holzes wegen hält er sie bei beständigen Befestigungen nicht für anwendbar.

Erdwälle will er ebenso wie Frondsberger durch große

steinerne Geschoffe abkämmen , hält aber Spaten und Hacke für noch geeigneter, eine gute Böschung hervorzubringen. Mit wie wenig Vortheil das Geschützfeuer gegen Erdböschungen auch heutigen Tages noch anwendbar ist , davon liefert die Belagerung von Danzig 1807 ein Beispiel. Hier waren durch das fortwährende Geschüßfeuer des Belagerers die Böschungen der angegriffenen Front ganz durchgewühlt und ihre ehemalige Gestalt ganz vernichtet , so daß man in der Festung anfing , wegen der Ersteigbarkeit des Hagelbergers besorgt zu werden. Der Ingenieur vom Platz überzeugte sich aber in einer finsteren Nacht , daß gerade die außerordentliche Verwüstung der Plantage und namentlich die auf der Mitte der Böschung entstandenen vielen Bombentrichter die Ersteigung der 70 Fuß hohen Bastione Schüß und Jerusalem sehr beschwerlich und unter gehörigem Feuer fast numöglich gemacht hatten.

Zustand des Minenwesens in dieser Zeit. Ueber das Minenwesen der damaligen Zeit geben Busca und Collado Auskunft. Beide halten die Anwendung der Minen für unsicher, namentlich will sie Busca wegen ihrer Unsicherheit und wegen der vielen Zeit, welche sie in Anspruch nehmen, nur dann angewendet wiſſen, wenn wegen Unzugänglichkeit des angegriffenen Plates , oder wegen eines anderen Hindernisses die Artillerie , und wegen Härte des Bodens die Sappe nicht anwendbar find. Dagegen erkennt er ihren Vorzug insofern an, als, während bei- den andern Angriffsarten die Zerstörung langsam vor sich geht, so daß der Vertheidiger Gegenmaßregeln treffen kann, sie ganz unerwartet wirken, und der erschreckte und verwirrte Feind ,,nichts nüßliches anzufangen weiß". Troydem soll nach ihm in den Kriegen zwischen Frankreich und Spanien der Gebrauch der Minen so eingebürgert gewesen sein, daß man auch, wo es nicht nöthig war, mit der Aufstellung der Batterie an allen Theilen zugleich auch Minen anzulegen begann.

Unter den Beispielen

78 hierfür nennt er auch die Belagerungen von St. Quentin, Terouanne Guines und Mez. Nach dem , was über diese Belagerungen mitgetheilt worden iſt , ſcheinen die Minen indeß wohl nur bei St. Quentin und Guines ganz unnüß geweſen zu ſein, da hier die Artillerie ihr Ziel ohne Hülfe der Minen erreichte. Uebrigens ist es nicht zu verwundern , wenn die Minen in diesen beiden Heeren zuweilen ohne Noth angewandt wurden, da Pedro Navarro in beiden gedient hatte und durch die glückliche Anwendung der Minen zu hohen Ehren gelangt war. Seine Be wunderer mochten daher wohl noch lange geneigt gewesen sein , sich der Minen zu bedienen. Bei den ersten Versuchen mit Minen war man mehrere Male nicht an den richtigen Punkt gelangt, weil man die Mineu oft schon in großer Entfernung, wenigstens aber an der Contreescarpe anfing und unter dem trockenen Graben durchging und dann die Richtung nicht zu halten verstand. So erzählt Busca , daß vor Cuneo eine französische Mine dadurch mißglückt sei, daß man wegen eines großen Mauerſtücks von der geraden Linie hatte abweichen müssen, aber nicht verstanden hatte , die alte Richtung wieder aufzunehmen, so daß der Minenofen statt unter der Mauer, unter der Grabensohle zu liegen kam. Dieser Uebelstand mochte jetzt weniger zu befürchten sein , da man auf einfache Weise die Entfernung zu meſſen verſtand und den Gebrauch der Boussole und des Quadranten kannte.

Von den oben genannten

Schriftstellern erscheint Busca noch in der Führung der Gallerien schichterner, als Collado, indem er ſie ſtets wagerecht führen und den nöthigen Fall durch senkrechte Schächte erreichen will , während Collado ſich ſchon ein Juſtrument, ähnlich einer Doſſirwage, conſtruirt hat, mit dem er im Stande ist, gleichmäßig zu steigen oder zu fallen. große Aufmerksamkeit dabei.

Doch empfiehlt er

Als Maße der Gallerien verlangen beide solche Abmeſſungen , daß zwei Leute sich ausweichen und ein Mann darin ſteben kann. Als geringstes Maß giebt Busca 4 Fuß Höhe und 34 Fuß Breite an. Die Gallerien sollen nach Erforderniß mit Brettern und Stüßen verkleidet werden. Zu Bezug auf die Richtung der Gallerie giebt Busca an , einige wollten den letzten Theil nicht gerade führen, damit die Mine nicht zu-

79 rückschlagen kann , sondern in Halbzirkeln oder besser in rechtem Winkel zweimal gebrochen.

Lehteres schlägt auch Collado vor, indem er beispiels-

weise bei einer 100 Schritt langen Gallerie zuerst 77 Schritt geradeaus, dann 23 Schritt rechtwinklig zur Seite , 15 Schritt wieder geradeaus, 13 Schritt zurückgewendet und dann wieder geradeaus gehen will. Er giebt aber für die Länge der ersten Wendung noch als Grund an , daß man auf diese Weise die Contreminen leichter entdecken könne , wozu er sich der Erdbohrer, Trommeln mit Schellen oder Erbsen, oder eines Gefäffes mit Wasser bedient. Die zickzackförmige Richtung der Gallerie scheint er für weniger vortheilhaft zu halten. Der Ofen soll nach Beiden etwas höher liegen als die Gallerie, damit nach Collado, „ die Gewalt des Feuers, deffen Natur es ist , nach oben zu wirken , sich nach oben auf den Weg machen und seine Kraft an dieſem Orte äußern könne “.

Er legt hierauf einen so großen Werth,

daß er die Bersäumniß dieser Vorschrift als den wichtigsten Grund, weshalb Minen zuweilen mißglücken , anführt. In der Kammer wurden Bretter gelegt, das Pulver in Fässern oder Kasten hineingestellt und die Leitung mittelst lose gestreuten Pulvers oder mittelst einer Zündschnur in einer Röhre ( Busca) hergeſtellt. Ueber die Verdämmung ſagt dieſer : der legte krumme Theil wird verdämmt, zuerst mit starken Balken, deren Enden im festen Boden stecken, dann mit Steinen und Kalk, und zulegt mit Eichenklößen geschlossen. Wußte man nach Vorstehendem also die Minen hinreichend gut techniſch auszuführen, ſo waren die Auſichten über die Wirkung des Pulvers doch noch sehr mangelhaft ; auch verstand man weder die Ladung, noch die Stärke der Verdämmung zu bestimmen, weshalb der Erfolg der Minen freilich sehr unsicher bleiben mußte. Indeffen mögen, wenn auch die genannten Schriftsteller nichts darüber anführen, unter den praktiſchen Ingenieuren doch manche Erfahrungssäge , welche einigermaßen zur Beſtimmung der Ladung und der Verdämmung dienen konnten , in mündlicher Ueberlieferung bekannt geweſen ſein.

80

Die Zeiten der niederländischen Befreiungskriege. a) In den Niederlanden .

Als die Niederländer zu den Waffen gegen die Spanier griffen, waren ihre Städte faft ohne Ausnahme bloß mit Mauern und Thürmen obne alle Außenwerke befestigt. Bei vielen waren , da diese Provinzen seit langer Zeit im Frieden gelebt hatten, die Mauern in sehr schlechtem Zustande ; bei einigen waren an ihrer Stelle Erdwälle angelegt ; bei nur wenigen fanden sich an besonders wichtigen Punkten einzelne Bastione oder Außenwerke , und nur einige , wie das Schloß Rameken oder Seeburg bei Vliessingen, Charlemont, Philippeville u. s. w. waren gegen Ende der Regierung Carl's V., letztere besonders als Grenzplätze gegen Frant reich, durch italienische Ingenieure befestigt. Die Citadelle von Antwerpen wurde aber erst unter Alba's Leitung durch den Ingenieur , welcher die Citadelle von Turin erbaut hatte , angelegt. Erst im Laufe des Krieges war man bedacht, die Pläge zu verſtärken, wozu man sich natürlich vorzugsweise der Erde bediente. Es kann daher nicht auffallen , daß man sich in den ersten Zeiten dieses Krieges von beiden Seiten nur selten der Minen zum Breschelegen bediente,da der Zuſtand der Befestigung für das Breſchelegen mit Geſchüß ein durchaus günſtiger war. Eine Ausnahme hiervon scheint allerdings Bergen im Hennegau gemacht zu haben, welches Herzog Alba 1572 einen Monat lang mit 24 Kanonen und 8 Nothschlangen beschoß , aus denen 14,455 Schuß geschahen, ohne der Stadt beträchtlichen Schaden zuzufügen. Die Brustwehren und Thürme leisteten hier so guten Widerstand , daß der St. Andreas-Thurm ganz durchlöchert war, ohne einzustürzen. Minen anzuwenden, war aber hier nicht möglich, da die Stadt mit einem dreifachen Graben umgeben war , und die Vertheidiger durch Hakenschützen und bewaffnete Fahrzeuge im Graben die Annäherung und Ueberschreitung desselben verhinderten. Beffer gelang das Breschelegen mit Geschüß in demselben Jahre den Holländern vor Tergoes , wo sie bald in der einfachen Mauer zwei Breschen, davon die eine bei der Hauptpforte 25 Schritt breit, zu Stande brachten, und den Spaniern in der Belagerung von Haarlem, welche vom September 1572 bis zum Juli 1573 dauerte.

81 Hier war es den Spaniern ebenfalls bald gelungen, in der einfachen Mauer in der Nähe zweier Pforten Bresche zu legen ; allein der Sturm wurde abgeschlagen , wie es scheint hauptsächlich, weil die Flankirungen noch nicht zerstört waren.

Sie wandten nun auch Minen an, und zwar

hauptsächlich gegen ein Rundel, wobei es in den Gegenminen oft`zu Kämpfen kam. Als die Spanier aber in dasselbe eingedrungen waren, sprengten die Holländer eine darunter vorbereitete Mine , wodurch ſte denselben einen bedeutenden Verluft verursachten. Nachdem die Spanier die Stadt noch 40 Tage beschoffen hatten, wurde eine 200 Schritt breite Bresche zu Stande gebracht , allein der Sturm auf dieselbe wiederum abgeschlagen, da die Vertheidiger diese lange Zeit gut benutzt und besonders an der Kreuzpforte einen Abschnitt angelegt hatten, welcher, wie Meteeren sich ausdrückt ,,, aus Balken ineinander geflochten und mit Reisig, Erde und Pferdemiſt angefüllt “ war. Die Belagerung ging deshalb in eine Blockade über. Die Holländer wandten ebenfalls Minen an bei der Eroberung des Schloffes Rameten oder Seeburg 1573, welches Carl V. zum Schuß der Einfahrt in die Westerschelde angelegt hatte. Der Grund , weshalb fie fich derselben bedienten , ist aus Meteeren nicht recht ersichtlich ; vielleicht lag er darin , daß die Holländer zur See gekommen waren und deshalb tein schweres Geſchüß mitgebracht hatten , oder daß es ihnen überhaupt daran mangelte , da ſie dazu erst allmählich durch Kauf oder Schenkung fremder Fürsten gelangten. Vor Alkmaar rückten die Spanier 1573 nach Einnahme eines vorliegenden kleinen Forts bis nahe an den Grabeurand , und legten an zwei entgegengesetzten Seiten mit 20-40u - Geſchüßen in einem Tage Bresche. Der bereits am folgenden Tage unternommene Sturm mißlang, wie es heißt, in Folge eines mißverſtandenen Signals, und mußten nun die Spanier den Angriff ganz aufgeben , weil sich die Holländer anschickten, die ganze umliegende Gegend unter Waffer zu sehen . Bei Beuren legten die Spanier 1575 ebenfalls an zwei Seiten mit 75 Stücken Brejchen , welche genügten , um die Stadt mit Sturm zu nehmen , und 1578 übergab sich ihnen Philippeville , nachdem sie eine große Bresche mit Geschüß gelegt hatten. In demselben Jahre legten die Holländer vor Campen mit 6 Karthaunen eine 35 Schritt breite Bresche , wonach die Stadt capitulirte. Größere Schwierigkeiten fanden 6 Achtundzwanzigster Jahrgang. LV. Band.

82 dagegen die Spanier vor Deventer ebenfalls 1578. Diese Stadt war mit einer Mauer mit gut Flankirenden Thürmen befestigt, hinter welcher ein starker Erdwall angeſchüttet war und vor der eine Faussebraye lag. Die Spanier richteten ihren Angriff hauptsächlich gegen einen Thurm, welcher 18′ starke Mauern hatte und die Gegend beherrschte. Nachdem sie die Mauern in der Nähe des Thurmes ohne Erfolg beschoffen hatten , suchten sie durch Untergrabung derselben einzubringen, wobei es, da ihnen die Holländer entgegenarbeiteten, häufig zu hartnäckigen unterirdischen Kämpfen kam. Nachher ſchoffen sie zwar noch einige Breschen, allein dieselben wurden nicht sturmfrei, wahrscheinlich weil sie von oben angefangen hatten und die Fauffebraye die Trümmer aufhielt Ueberhaupt schritt viese Belagerung nur langsam vorwärts , weil sie in Folge der Verschiedenheit der Ansichten ſehr unregelmäßig geführt wurde. In der nun folgenden Periode des Krieges , während welcher die Spanier eine Reihe von Jahren unter Alexander von Parma's Leitung mit Glück gegen die Holländer kämpften , finden sich häufigere Beiſpiele von Anwendung der Minen.

Schon in der ersten unter seiner Leitung

ausgeführten Belagerung, der von Mastricht 1579, spielten sie eine große Rolle. Diese Stadt war nach alter Art mit Mauern und Thürmen befestigt, doch hatte man innerhalb einen Erdwall angeschüttet und einige Außenwerke von Erde angelegt. Die Spanier schoffen zuerst mit 54 Geſchüßen die ( wie es scheint, steinernen ) Brustwehren rings um die Stadt herunter und stellten dann 46 Geſchüße vor dem Thor von Tongern auf. Durch 6000 Schuß war hier bald ein großer Theil der Mauer in der Nähe des Thores eingestürzt ; allein die Trümmer füllten den Graben nicht hinreichend, um den Sturm unternehmen zu können , auch bemerkten die Spanier durch die Bresche einen wohl angelegten Abschnitt , gegen den die Kanonen fast nichts ausrichten konnten. Alexander von Parma beschloß deshalb einen andern Angriff auf der Nordseite , ließ aber , um die Aufmerksamkeit des Vertheidigers zu theilen , bei dem ersten Angriff eine Gallerie anlegen, um unter dem Graben hindurchzugehen.

Sie stieß

indeß auf eine Contremine und mußte nach hartnäckigem Kampf aufgegeben werden. Inzwischen hatte der Ingenieur Plato weiter rückwärts eine andere Gallerie gegen die Spiße des Ravelins vor dem Thor von Tongern angefangen ; er batte dazu einen Brunnen am Grabenrande abgeteuft

I

83 und war mit Hülfe des Compaſſes, des Niveaus und Winkels unter der Grabensohle hindurch an den richtigen Ort gelangt. Als man zündete, wurde die Spitze des Navelins fortgesprengt, und die Spanier feßten sich darauf fest. Während hier mit Miniren und Gegenminiren , woran die Mastrichter Frauen lebhaft Theil nahmen , operirt wurde , schoffen die Spanier unter Mannsfeld mit 23 Geſchüßen an der Nordseite Bresche. Nachdem noch ein Theil des Thurmes von Tongern gesprengt und die Gräben durch die Trümmer und Faſchinen ausgefüllt waren, ließ Alexander von Parma auf beiden Seiten ſtürmen , obwohl eine andere Mine zwiſchen dem Thor und Thurm von Longern mißlang, weil sie nicht weit genug vorgeschritten war. Trotz der größten Anstrengungen der Spanier, welche von des Morgens 5 Uhr bis nach Mittag kämpften , gelang es ihnen nicht, sich festzuseßen ; Alexander erklärte ( nach Strada ) hierauf, er habe bei dieſer Belagerung zweierlei gelernt : daß er sich künftig öfters des Mineurs als des Soldaten bedienen müsse , und daß er nichts unternehmen dürfe , bevor er nicht Alles selbst gesehen habe.

Um sich zahl.

reiche Mineurs zu verſchaffen, zog er jetzt 300 Bergleute aus den Kohlengruben an sich. Die Zeit, während welcher die Feindseligkeiten wegen der Friedensverhandlungen zu Cöln ruhten , hatten die Holländer zur Anlage eines Ravelins mit zweifachem Reduit und hölzernen Caponieren vor dem Brüffeler Thore benußt . Alexander ließ dagegen den berühmten 135 Fuß hohen Kavalier von Schanzkörben anlegen, wodurch die Vertheidiger gezwungen wurden , sich von der Brustwehr zurückzuziehen. Die Spanier ſezten sich darauf fest und nahmen nach einander die beiden Reduits mit Minen und Geſchüß, worauf sie auf dieſelbe Weise auch noch einen Theil der Stadtbefestigung eroberten, bis es ihnen endlich gelang, durch eine schlecht ausgebefferte und schlecht bewachte Brefche die Stadt einzunehmen. Die Zahl der Minen , welche sie hier gesprengt hatten , schätt Meteeren auf zweiundzwanzig. Wie großen Vortheil die Erdwälle im Vergleich gegen Mauern dem Geschütz gegenüber boten , zeigte sich bei den Belagerungen von Harlem 1580 und von Steenwyk 1580 --- 81 recht deutlich. Denn in die 24 Fuß dicken Mauern der Burg an ersterem Ort gelang es den Spaniern, mit 6 Karthaunen etliche Einbrüche zu Stande zu bringen, während sie Steenwyk , welches mit einem Erdwall und naſſen Graben, 6*

84 deffen Breite nirgends über 50 Fuß betrug , befestigt war und welches nur 4-5 Fuß starke Brustwehren hatte und schlecht ausgerüstet und besetzt war , lange vergeblich beschossen. Was den spanischen Führer Renneberg abhielt, Minen anzuwenden , ist aus Meteerens Erzählung nicht zu ersehen. Besondere Schwierigkeiten würden sich für das Anſeßen des Mineurs wohl nicht gefunden haben , da die Befestigungen schlechte Flankirungen hatten. Wie es scheint , war man aber damals noch nicht gewöhnt, erst einen Grabenübergang zu machen oder den Mineur auf einem Floß über den Graben gehen zu lassen ; vielleicht war aber auch Renneberg kein Freund der Minen, da ihm vor Deventer zwei Jahre vorher das Untergraben nicht hatte gelingen wollen. Mehr Vertrauen hatte dagegen Alexander von Parma zu den Minen, weshalb er sie bei der Belagerung von Tournay 1581 anwandte. Dieſe Stadt war mit Mauern und 68 Thürmen und 11 davor gelegten Ravelinen befestigt.

Alexander beschloß den Augriff gegen die lange Linie

zwischen den Thoren von Valenciennes und St. Martin und namentlich gegen das Ravelin in der Nähe des lehteren zu richten , weil hier die Stadt am höchsten liegt und der Graben trocken ist . Zuerst ließ er die Thürme, welche das Ravelin bestrichen , einschießen, und nachdem es eingenommen worden, 5 Geschüße darauf bringen , aus denen die Stadtmauern auf 300 Schritt Länge beschossen wurden.

Unter dem Schuß

dieses Feuers wurden auf drei Stellen Mineure angesetzt.

Von der

Stadt aus wurde denselben entgegengearbeitet. Außerdem aber ließ Alexander 18 Geschütze auf 200 Schritt gegen 4 Thürme und die dazwischen liegende Mauer auſſtellen. Als sie nach 3 Tagen eingeſchoffen war, wurden die Minen gezündet. Sie gelangen vollkommen und gaben Breschen , welche leichter ersteiglich waren, als die mit Geschütz gelegten. Ganz ähnlich, doch mit minderem Erfolg , verfuhr Alexander im folgenden Jahre bei der Belagerung von Oudenarde , welches ebenfalls mit Mauern und Thürmen und 7 vorgelegten Ravelinen befestigt war. Nachdem er das Ravelin vor dem Genter Thor zum Theil eingeschoffen, es nach hartnäckigem Widerstand genommen und den naſſen Graben hinreichend gefüllt hatte , ſette er an die Stadtmauer den Mineur , welcher sich gegen heruntergeworfene Feuerwerkskörper durch blechbeschlagené Schilde und frische Ochsenhäute decken mußte. Indeß muß man die

1

85 Mauern zu ſtark und zu feſt gefunden haben, da nach verſchiedenen Verſuchen diese Arbeit wieder aufgegeben und zur Anwendung von Geſchütz geschritten wurde.

Die mit demselben gelegten Breschen scheinen aber

nicht sehr gelungen zu ſein , da die Stadt ſchließlich durch Leiterersteigung genommen wurde. Daß Alexander aber kein blinder Anhänger der Minen geweſen iſt, und daß er das einzuschlagende Verfahren den Umständen anzupaſſen wußte, zeigen seine späteren Belagerungen. Als er z . B. im Jahre 1584 Dendermonde belagerte, welches mit schlechten Mauern befestigt war und deſſen Hauptstärke in den Waſſergräben lag, leitete er diese ab und schoß mit 15 groben Geſchüßen Sturmlücken , die nach Meteeren wohl 1900 Schuh breit waren . Auch Neuß wurde durch ihn 1586 ohne Anwendung von Minen genommen, nachdem er durch 3000 Schuß aus 30 Geschützen in 24 Stunden eine brauchbare Bresche zu Stande gebracht hatte. Dagegen sah er sich wieder zur Anwendung von Minen vor Sluys 1587 veranlaßt. Er hatte dieſen Ort aus 30 Kanonen und 8 Nothschlangen, nach seiner eigenen Aussage , wie noch nie zuvor einen Ort , beschoffen und 17,400 Schuß gethan, wodurch die Mauern auf 250 Schritt Länge ganz durchlöchert waren. Nachdem die Holländer mehrere Stürme, hauptsächlich wohl mit Hülfe eines Abschnittes, abgeschlagen hatten , sah sich der Prinz genöthigt , den Angriff Schritt vor Schritt weiter zu führen. Da von der Stadt aus gegenminirt wurde , so kam es in den Minen oft zu hartnäckigen Kämpfen , von denen einer ( nach Meteeren ) fünf Stunden dauerte, und wobei an 700 Mann blieben. Wahrscheinlich fanden diese Kämpfe in den zahlreichen Gewölben und Kellern statt, durch welche die Spanier einzudringen versuchten. Da sich in der folgenden Zeit das Kriegsglück mehr auf Seite der Holländer unter Führung des Grafen Morig von Oranien neigte, kommen auch die größeren Belagerungen mehr von Seite derselben vor ; auch sie wendeten die Minen öfters an , doch nur wenn sie durch die Umstände dazu veranlaßt wurden. Bei der Belagerung von Deventer 1591 ließ Graf Morig_mit 4600 Schuß aus 27 schweren Geſchüßen in einem Tage die Mauer längs des Quais an der Yssel über den Fluß hinüber in Bresche legen ; da aber die doppelte Mauer mit Erde dazwischen gefüllt war, waren die Brefchen

86 nicht recht gangbar , und der auf platten überdeckten Schiffen versuchte Sturm mißlang. Im folgenden Jahre 1592 belagerte Graf Moris Steenwyk, welches der Prinz von Parma als regelmäßiges Fünfeck hatte befestigen laffen und dessen Wälle von fetter Erde gebildet und mit ſtarken Hölzern durchzogen waren. Fünftauſend Schuß brachten an den Brustwehren so wenig Wirkung hervor , daß die Belagerten aus Spott die Wälle mit Beſen abfegen ließen.

Nachdem Graf Moriz darauf sich mittelst der Sappe

der Contreescarpe bemächtigt und im Graben festgefeßt hatte , ließ er den Mineur unter das wichtigste Baſtion 23 Fuß weit vorgehen und dann rechts und links wenden. Zur Inſtandſeßung dieser beiden Minen wurden zehn Tage gebraucht. Sie wurden die eine mit 5000 x , bie andere mit 2500 u. Pulver geladen , hatten aber nicht ſo günſtige Wirfung, als man gehofft hatte. Die eine brachte zwar eine so breite Lücke hervor, daß 10 Mann nebeneinander hinaufsteigen konnten , die andere schlug jedoch rückwärts. Wahrscheinlich bezieht sich hierauf die Stelle in Dagens ,,Heutigen Tages übliche Kriegs - Baukunft ", wo er sagt : ,,bei Steenwyl aber hat man aus Unwissenheit der Sprenghöhlengräber nicht wenig Schaden gelitten, denn die Sprenghöhle barft gänzlich rückwärts aus und hat große Stücken von dem Wall und der Mauer auf die Belagerer geschmissen und also 32 der Unserigen erleget u. a. m. Die Sprenghöhlenmeister brachten zur Entschuldigung vor , daß unter dem Walle noch ein Theil von der alten Stadtmauer verborgen gestanden hätte , welche den Rückschlag verursachte “. Die Hauptursache wird aber wohl in der mangelhaften Berdämmung gelegen haben. Indeß war doch die Spiße des Baſtions eingeworfen, und es gelang den Holländern, daffelbe mit Sturm zu nehmen. Ein dahinter angelegter Abschnitt verhinderte zwar das weitere Vorbringen ; indeß mußte sich die Stadt ergeben, da von hier alle Straßen und Pläße eingesehen waren. Auch gegen die Erdwälle von Couorden 1592 wandte er Minen an, während es in demselben Jahre genügte, Otmarſen von früh bis Mittag aus 6 Geſchüßen zu beschießen, um eine hinreichende Bresche zu Stande zu bringen. Auch Nymwegen capitulirte nach 8 tägiger Belagerung, nachdem Graf Wilhelm mit 40 Geſchüßen Bresche geſchoffen hatte.

Die Erd-

87 | wälle von Gröningen zwangen dagegen 1594 den Grafen Morig wiederum zur Anwendung von Minen. Er hatte den Hauptangriff gegen das Ravelin vor dem öftlichen Thore gerichtet. Nachdem ein zweimaliger Sturm mißlungen war , weil das Geſchüß keine gute Bresche hatte zu Stande bringen können , ließ er eine Mine unter dem Ravelin anlegen.

Als

dieselbe fertig war , gaben sich die Belagerer den Anschein , als wollten ſie ſtürmen ; die Belagerten eilten deshalb in Maffe auf den bedrohten Punkt , und als nun die Mine gesprengt wurde , flogen 140 Mann mit in die Luft ; die übrigen wurden getödtet oder vertrieben. Die Holländer gingen nun von diesem Werk weiter mit Minen gegen die Stadt vor, welche capitulirte. Die Spanier wandten in der Belagerung von Hülſt 1596 , einer ihrer letzten Belagerungen in den Niederlanden , wo sie mit Geschüß Bresche gelegt , aber wiederholt vergebens gestürmt hatten , die Minen an.

Der Grund des Mißlingens der Stürme scheint nach Tensini aber

nicht blos in der schlechten Beschaffenheit der Breschen 2c., sondern auch darin gelegen zu haben , daß die Spanier keinen ordentlichen Grabenübergang angelegt hatten.

Einen Beweis von der außerordentlichen

Thätigkeit der Bertheidiger giebt Meteeren's Erzählung, wonach dieselben, nachdem die Brustwehren abgeschoffen waren , Abschnitte angelegt und 3000 Ruthen Wall gefertigt haben , was für die 47 tägige Belagerung und eine Stärke der Beſagung von 2700 Mann jedenfalls sehr beträchtlich ist. Die im folgenden Jahre 1597 durch den Grafen Moriz geleiteten Belagerungen zeigen wiederum , daß derselbe nicht ohne Noth zur Anwendung der Minen schritt. Vor Rheinbergen gelang es ihm , viele Mauern niederzuschießen ; deshalb wurden die Minen, wie es scheint, nur zum Grabenniedergang angewandt. Vor Groll dagegen ließ er Geſchüße aufstellen, welche die Brustwehren und Wälle beschießen mußten, so daß die Bertheidiger davon vertrieben wurden , damit die Mineure um so leichter an den 7 Gallerien arbeiten konnten, welche er gegen zwei Bastione und den zwischenliegenden Wall durch den Graben hatte anlegen laffen. Wegen der Capitulation fam es nicht zum Sprengen. Dagegen zwang er Belfort dadurch zur Uebergabe, daß er ein Rondel von 9 Uhr des Morgens bis 3 Uhr Nachmittags auf das heftigste beschießen ließ, während sich daß Schloß Lingen, deſſen Brustwehren er aus 24 Ge-

88 schüßen beschoffen hatte, erft ergab, nachdem er zwei Rondele zu unterminiren angefangen hatte. Auch bei den Belagerungen von Rheinberg 1601 und Grave 1602 ging er mit Minen vor , ohne daß es zum Sprengen gekommen wäre. Später 1610 schritt Prinz Morig wiederum vor Jülich zur Anwendung von Minen gegen die Citadelle. Wie es scheint, hielt er die von einem deutschen Meister Johann befestigte Citadelle , welche Speckle nächst der Antwerpener für die beste in den Niederlanden erklärt hatte, für zu stark, um sich auf die Wirkung der 30 Geſchüße, welche er zum Breschelegen aufgeſtellt hatte, allein verlaſſen zu können , weshalb er noch 7 oder 8 Gallerien unter die Bollwerke anlegen ließ. Bei der denkwürdigen dreijährigen Belagerung von Oftende in den Jahren 1601 = 1604, wo mit allen Hülfsmitteln der Kriegskunst gestritten wurde , konnte es nicht fehlen , daß man sich auch der Minen bediente ;

177

jedoch wurden dieſelben zuerst durch Erzherzog Albrecht angewandt, nachdem er vergebens seinen Zweck durch Geschütz zu erreichen gesucht hatte. Von Ende Juli bis zum 6. August 1601 hatten die Belagerer bereits 22000 Schuß aus meist mehr als 40gen Geſchüßen gethan , ohne eine gangbare Bresche zu Stande zu bringen. Sie legten nun eine neue Batterie von 3 Kanonen um 50 Ruthen näher gegen das Baſtion Sandhill an und beschossen es mit mehreren 1000 Schuß; die Mauer schien indeß wie von Eisen ; es flog zwar viel Sand in die Luft , doch entstand keine Bresche.

Es waren bis zum 17. Auguſt 35000 Schuß aus 50 schweren

Geschützen geschehen , ohne daß eine brauchbare Bresche zu Stande gekommen wäre. Die Angreifer hatten deshalb auch zu miniren versucht ; es war ihnen aber nicht gelungen.

Man hielt aber das Terrain nicht

für geeignet dazu , wahrscheinlich weil es zu ſandig war. Die Angreifer beschränkten sich von jezt ab und auch bis gegen Ende des Jahres 1603, mehr nur die Stadt und den Zugang zum Hafen zu beschießen , ohne daß es ihnen gelang, das Einlaufen der Schiffe in denselben zu verhindern. statt.

Inzwischen fanden noch zahlreiche Kämpfe um Außenwerke u. s. w.

So war denn bis zum 1. März 1603 die für damalige Zeiten unerhörte Anzahl von 250,000 Kugeln von 30—50 t. verschossen worden, und noch immer keine Bresche zu Stande gebracht. Endlich , als gegen Ende 1603 Spinola die Leitung der Belagerung übernommen und neue Ingenieure mitgebracht hatte, machte der Angreifer wieder entschiedene

89 Fortschritte. Diese Ingenieure verstanden , Schritt vor Schritt gedect vorzugehen , und als sie in den Graben vor Bastion Sandhill angekommen waren, wandten sie wieder die Minen an.

Während die Be-

lagerten durch Gegenminen den Angreifer aufhielten, vollendeten sie ihren bereits 150 Schritt rückwärts angefangenen Abſchnitt und zogen sich nach dieſem zurück. Der alte Wall wurde sogleich von den Spaniern beſeßt und Batterien gegen den Abschnitt angelegt , welcher dem Feuer wegen Trockenheit des Bodens nicht recht widerstehen konnte. Nachdem auch noch eine Springflut die Werke stark beschädigt hatte, ergab sich die Stadt nach mehr als dreijähriger Belagerung. b) In den französischen Bürgerkriegen , den französisch-ſpaniſchen Kriegen 2c. Bei den Belagerungen , welche in dieser Zeit in andern Ländern vorfielen , ist das Breschelegen mit Geſchüß ebenfalls noch vorherrschend In den französischen Bürgerkriegen , wo es sich meist um die Einnahme kleinerer, nach alter Art befestigter Plätze handelte , kamen die GeschützBreschen oft schnell zu Stande; so legten die Katholiken vor Domfront 1574 gleich am ersten Tage über die Mayenne hinweg eine 40 Schritt breite Bresche.

Biele Pläße ergaben sich auch schon ohne Bresche nach

kurzer Beschießung; wo die Befestigung stärker und die Vertheidigung hartnäckiger war , wurden die Minen zu Hülfe genommen ; z . B. 1586 vor Auzonne. Die erneuten Kriege von 1590 ab bieten ebenfalls faft nur Beispiele von Geſchüßbreſchen ; z. B. Dreux , Melun , welches zwar gut befestigt, aber schwach besetzt war , ſo daß die Katholiken es wagen konnten , die hohe und steile Bresche in einem Ravelin zu stürmen ; und Lagny ebenfalls 1590. Hier legte der Herzog von Parma in die mit keiner Erdſchüttung versehenen Mauern mit 12 Geschüßen über die Marne hinweg Bresche, während ein Theil ſeines Heeres dem allerdings mit sehr wenig Truppen zum Ersatz herbeigeeilten Heinrich IV. die Spize bot. Bei dem am folgenden Tage unternommenen erfolgreichen Sturm mußten aber noch Leitern zu Hülfe genommen werden. Auch bei Chartres 1591 gelang den Katholiken das Brescheschießen in die schwachen Mauern ohne Erdſchüttung sehr wohl ; da sie aber wegen Munitionsmangel nur langsam feuern konnten, gewannen die Hugenotten immer wieder Zeit , Abschnitte hinter den Breschen anzulegen. Ferner

90 schoffen sie Bresche in die mit Erdschüttung versehenen Mauern von Noyon 1591 und in die alten Mauern von Epernay 1592. Dagegen sah sich Heinrich IV. vor Rouen 1591-92 genöthigt, zu den Minen seine Zuflucht zu nehmen.

Er hatte den Angriff zunächſt

gegen ein in aller Eile wieder hergestelltes Hornwerk auf einer vorliegenden Höhe gerichtet, gegen den Erdwall aber mit den Geschüßen nichts ausgerichtet ; deshalb war er mit einer Sappe in den Graben gegangen und hatte den Mineur angeſeßt , ohne aber wegen des Gegen - Mineurs vorwärts kommen zu können. Eine in der Mauer am Thor von Beauvais geschoffene Bresche gelang nicht ; ſie blieb enge und steil , weshalb auch hier Minen, aber ohne Erfolg, versucht wurden. Glücklicher war Heinrich im folgenden Jahre, 1593, vor Dreux , wobei er allerdings beffer mit Geschütz versehen geweſen zu ſein ſcheint, als vor Rouen. Er hatte hier bereits am zweiten Tage Breschen in der Stadtbefestigung hervorgebracht, weshalb sich die Vesatzung in das Schloß zurückgezogen hatte.

Sully

schlug vor, den zu demselben gehörigen großen und ſtarken Thurm, la tour grise genannt, mit einer Mine zu öffnen, was auch geschah.

Am ersten

Tage hatten die Mineure einen Einſchnitt in den Thurm gemacht, 5′ hoch, 3' breit und 4' tief.

Die andern Tage ging es nicht so schnell, weil die

Arbeiter mehr beengt waren ; es gelang in 6 Tagen, nur eine Bertiefung von 8-9 Fuß in gerader Linie zu Stande zu bringen ; dann wurde rechts und links gewandt, um die Kammern in der Mitte der Mauerftärle anzulegen. Sie wurden 6-7 Fuß weit, und in der Sohle etwas weiter. Dann wurde jede mit 3 400 &. feinen Pulvers geladen und von der Mitte jeber Kammer eine 3 Zoll weite lederne Zündwurst gestreckt ; beide vereinigten sich.

Die Verdämmung wurde mit Steinen und dem besten Gyps aus-

geführt. Als man zündete, fing die Zündwurſt ſogleich Feuer, allein es dauerte eine halbe Biertelftunde , bevor die Explosion erfolgte. Sie war höchft befriedigend. Der Thurm spaltete ſich von oben bis unten in zwei Hälften, von denen die eine mit allen darin befindlichen Leuten niederstürzte, während die andere den Blicken des Angreifers geöffnet ſtehen blieb. Auch bei der Belagerung von Noyon , hinter deſſen Mauern ein Erdwall angeſchüttet war, wendeten, wahrscheinlich eben aus diesem Grunde, die Hugenotten in diesem Jahre Geschüß und Minen an. Im Jahre 1594 hatten die Königlichen vor Horfleur mit 14 Geschüßen, obwohl sie anfänglich ſehr ſchlecht schoffen, doch am fünften Tage

91 eine Bresche zu Stande gebracht , auf welche ein Sturm unternommen, aber abgeschlagen wurde , weil die Stürmenden in dem abgelaffenen Graben stecken blieben und weil die Hugenotten die Zeit benußt und ein Retranſchement hinter der Breſche angelegt hatten.

Es wurden nun

5 Gefchüße gegen einen Thorthurm und das angrenzende Stück Mauer gerichtet, dieselben heftig beschoffen und noch an demselben Tage , sobald eine kleine Bresche entstanden war, gestürmt.

Die tapfere Vertheidigung

der Hugenotten in Laon 1594 veranlaßte dagegen die Katholiken , den Angriff mit Geſchüß und Minen zu führen.

Als eine Bresche geſchoffen

war, bemerkten ſie einen Erdwall dahinter , weshalb sie erst die Zündung der Minen abwarteten, von denen sie eine große Anzahl angelegt hatten , Die meisten derselben mißlangen zwar aus verschiedenen Ursachen ; doch hatten einige so gute Wirkung , daß der Sturm unternommen werden fonnte. Die mit Geschütz gut ausgerüsteten Spanier fanden ebenfalls wenig Veranlassung, Bresche mit Minen zu legen.

Sie brachten 1594 in la

Capelle, einem bastionirten Viereck , mit 10 Geſchüßen in 12 Stunden eine brauchbare Bresche zu Stande , welche zwar bei dem Sturm mit Glück vertheidigt wurde, jedoch die Uebergabe zur Folge hatte. Auch vor Câtelet 1595 , welches ebenfalls regelmäßig befestigt war, hatten sie mehrere Stellen eingeſchoffen ; doch widerstand die geringe Befaßzung von 600 Mann dem Sturm tapfer , da der Graben nicht ausgefüllt war ; erst als die Leichen einen Uebergang bildeten , gelang der Sturm. In demselben Jahre konnten dagegen die Spanier vor Cambrai keine Bresche zu Stande bringen, weil hier die Artillerie des Vertheidigers die Oberhand behielt und mehreremale mit Hülfe großer Contrebatterien, wie man damals die Geschüßaufstellungen in den Festungen bezeichnete, die Angriffsbatterien zerstörte. Syſtematiſcher , als in den obigen Beiſpielen , war das Verfahren des Erzherzogs Albrecht vor Calais 1596. Derselbe ließ zwei Batterien von 16 und 8 Kanonen auf der Oftſeite gegen einen Thurm und ein Stück Mauer der Vorstadt errichten. Als die Laufgräben bis an den Grabenrand vorgerückt waren, wurde des Morgens das Feuer begonnen, und schon um 2 Uhr Nachmittags lag ein 10 Ruthen breites Stüď Mauer im Graben. Bei der Ebbe wurde die Vorstadt genommen, worauf sich auch bald die Stadt ergab. Während der Unterhandlungen über die

92 Uebergabe der Citadelle arbeitete man von beiden Seiten fort, und die Spanier benußten diese Zeit , um am Grabenrand eine Batterie von 12. Geschützen gegen die rechte Face des östlichen Bastions und eine andere von vier Geſchüßen gegen die Caſematte in der Flanke zu errichten. Als die Feindseligkeiten wieder aufgenommen wurden , begann die Bes schießung des Morgens den 25. April ſo heftig , daß bereits um 2 Uhr Nachmittags die ganze Mauerbekleidung des Bastions und die Casematte in Trümmern lagen , obwohl dieselben in sehr gutem Zustande sich befunden hatten , da sie vor wenigen Jahren erst vollendet waren. Die Breschen gestatteten die Ausführung eines erfolgreichen Sturmes. Gewöhnlich waren die in dieser Zeit mit großer Energie unternommenen Stürme mit sehr großem Verlust verbunden, weil die Breschen schlecht gelegt waren , häufig aber auch , wie oben bei Câtelet erwähnt worden , weil man den Grabenübergang gehörig vorzubereiten verab säumte. Heiurich IV. , welchem wenig Truppen zu Gebote standen, und der dadurch mit Menschen sparsam umzugehen gelernt hatte , wandte 1597 deshalb bei der Belagerung von Amiens , welches von den Spaniern tapfer vertheidigt wurde , die Sappen und Minen an.

Dagegen über-

wältigte Sully 1600 das auf einem hohen Felsen gelegene sehr feste Schloß Montmélian in Savoyen mit 50 schweren Geschüßen in kurzer Zeit, was ihn zu dem Ausspruch veranlaßte, man wisse noch nicht, was eine starke, gut bediente Artillerie bei einer Belagerung vermöge. Im Gegensaß hiervon scheinen die Spanier durch die Belagerung von Oftende das Vertrauen auf die Wirkung des Geschüßes verloren zu haben, weshalb sie sich vor Pläzen, welche ernstlicher vertheidigt wurden, z. B. vor Aremberg und Groll 1606 unter Spinola und später unter Pedro Toledo vor Bercelli 1617 der Minen bedienten. Hier ſcheinen fie ihnen indeß nicht recht gelungen zu sein, denn als sie stürmten , war

I noch keine vollständige Bresche vorhanden . c) In den Türkenkriegen. Auch die Kaiserlichen bedienten sich in den Kriegen wider die Türken mehr des Geschüßes , um Bresche zu legen , und nur wenn ein ernstlicher Widerstand zu erwarten war , oder wenn es nicht recht gelingen wollte, damit zu Stande zu kommen, wandten ſie die Minen an. Dies war bei der Belagerung von Dotis 1598 nicht nothwendig , da es hier

93 Schwarzenberg gelang, mit 10 schweren Kanonen ( wahrscheinlich 40 ) am 1. August von Anbruch des Tages bis 6 Uhr Abends in der Ecbastion des Schloffes eine Bresche zu legen , welche gestürmt werden fonnte. Zur Belagerung von Ofen, ebenfalls 1598, brachte derselbe General 125 Geſchüße, worunter 23 Karthaunen und 35 Mauerbrecher, mit . Am 10. October wurde das an die Donau stoßende Bastion der oberen Vorſtadt und die daran stoßende Mauer aus 3 Batterien mit 25 Kanonen derart beschoffen, daß bereits Nachmittag solche Strecken der Mauer und des Bastions eingestürzt waren, daß gestürmt werden konnte. Nach Einnahme der Vorstadt wurde nun die auf einem Felsrücken gelegene Oberſtadt von drei Seiten beschoffen , und nachdem die Türken eine Aufforderung zur Uebergabe abgelehnt hatten , von der Waſſerſtadt aus auch minirt. Die Arbeiten schritten aber wegen des Regenwetters nur langsam vorwärts. Nach sechstägiger Beschießung hatte man an zwei Stellen Breschen , jede einige Klaftern breit , zu Stande gebracht , mußte aber wegen überaus heftigen Regenwetters den mehrmals angefeßten Sturm verschieben. Juzwischen waren nach 11 tägiger Arbeit die beiden Minen fertig geworden ; sie schadeten indeß den Mauern nicht , weshalb wieder kein Sturm stattfinden konnte. Nach einigen Tagen mußte wegen des Wetters und des Anrückens eines Enthatheeres die Belagerung ganz aufgegeben werden. Ein sehr merkwürdiges Beiſpiel von der Anwendung der Minen zum Breschelegen und zugleich von der Untergrabung eines aus Holz und Erde construirten Bastions bietet die Belagerung von Großz-Wardein 1598 durch die Türken , welche fast gleichzeitig mit der vorigen Belagerung stattfand.

Der Plaß war mit einer kreisförmigen Mauer und vor der-

felben mit einem bastionirten regelmäßigen Fünfeck , mit breitem naſſen Graben, eingeschlossen. Von diesen Bastionen lagen eins nach Norden, eins nach Often , eins nach Süden und zwei nach Westen ; das südliche von diesen beiden war aus Holz und Erde construirt, die übrigen Bastione waren gemauert. Die Türken erbauten ihre Batterien zwischen den Ruinen der an der Westseite liegenden, von den Bertheidigern verlaffenen Stadt, richteten aber gegen die Bastione nicht viel aus .

Nachdem die

Türken zweimal vergeblich versucht hatten , die Palliſaden vor dem hölzernen Bastion in Brand zu stecken , hoben sie am 5. October in dem

94 daffelbe umgebenden Erdaufwurf einen Laufgraben aus und besetzten denselben *). In der Nacht zum 7. October setzten sie an der Spiße des südlichen Bastions die Mineure an.

Dieselben wurden am Tage , als fie

von den Ungarn bemerkt wurden, durch an Stricken herabgelaffene Haiducken vertrieben, kehrten indeß bald wieder und ſcheinen ſich von nun ab gehalten zu haben. In der folgenden Nachtfingen die Türken an, auch das nordwestliche Baſtion zu unterminiren , wobei 8 Mann bis an den Hals im Wasser standen.

Das südwestliche und nördliche Baſtion

feuerten dagegen und tödteten mehrere ; es traten aber sofort neue Leute an deren Stelle, bis sie endlich gedeckt arbeiten konnten. In dem südlichen Baſtion versuchte man Gegenminen anzuwenden , kam damit aber wegen der Bauart im Grunde ( Pfahlroſt? ) nicht vorwärts, weshalb man diese Arbeit ganz aufgab. *) In der Beschreibung dieser Belagerung in der österr. milit. Zeitschrift, woraus diese Erzählung entnommen ist, ist nichts Näheres darüber angegeben, was für ein Erdaufwurf dies war. Er scheint an der Contreescarpe gelegen zu haben. (Fortsetzung folgt. )

Inhalt.

1. Befestigung von Antwerpen. (Mit einer Zeichnung ) II. Das Scalenrädchen. ( Mit einer Zeichnung ) • III. Das Shrapnel - Geſchoß in England und Belgien IV.

V.



Seite 1

.

13

16

Ein Beitrag zu der Frage : wie die fortificatoriſche Einrichtung unserer jezt bestehenden Festungen zu modificiren ſei, um der Artillerie beim förmlichen Angriff eine erfolgreiche Geschüßvertheidigung zu gestatten.

22

Beiträge zur Geschichte des Breschelegens mit Minen und · Geschütz , besonders im 16. und 17. Jahrhundert

47

95

E

NI

VI.

U HA Y IT RU

GE Artilleristische Aphorismen aus dem

A

gegenwärtigen Amerikanischen Kriege.

Die Nachficht, mit welcher meine vorjährige Brochüre über den amerikanischen Bürgerkrieg von den Kameraden aufgenommen wurde, und die gesteigerte Bedeutung , welche der leßtere nicht allein für den eige. nen Welttheil, sondern auch für die europäiſchen Staaten im Verlaufe des lezten Jahres gewonnen hat, haben mich dazu veranlaßt, die begonnenen Schilderungen fortzuſeßen und ſie , wenn es mir vergönnt fein sollte, bis zum dereinstigen Ende des Krieges durchzuführen. Ich habe zu diesem Zwecke mich bemüht, dem Gange der transatlantischen Kriegsereignisse möglichst gewissenhaft zu folgen, und dem Studium der mir zu Gebote stehenden Quellen so viele Zeit zugewendet, als es mir meine dienstlichen Verhältnisse irgend gestatteten. Dank der freundlichen Unterſtüßung des in Frankfurt a . M. refidirenden Generalconsulates der vereinigten Staaten und mit Hülfe verschiedener Gönner und Freunde, ist es mir nicht nur möglich geworden, diese Quellen \nicht unbedeutend zu vermehren , fondern auch mit Persönlichkeiten Beziehungen anzuknüpfen , die theils noch augenblicklich auf dem Kriegsschauplaß weilen , theils nach längerer oder - kürzerer Theilnahme an jenen Kämpfen nach Europa zurückgekehrt find . Bielleicht wird mir das hierdurch, sowie aus der regelmäßigen Durchficht einer größeren Anzahl amerikanischer Zeitungen und Brochüren gewonnene Material, die Möglichkeit gewähren, das zweite Heft meiner Schilderungen etwas ausführlicher und reichhaltiger auszuarbeiten , als es mir beim ersten Versuch vergönnt war . Ich werde indeß auch für die Fortseßung meiner Arbeit der Nachficht der Kameraden in hohem Grade bedürfen. Denn abgesehen von der leidigen Thatsache, daß ich mich der eigenen Anschauung und der persönlichen Theilnahme an den Ereignissen nicht erfreuen konnte , tritt mir auch der Umstand hindernd entgegen , daß beide kriegführende Theile, durch Schaden belehrt , den anfänglichen zügellofen und rücksichtslosen Plaudereien der Preffe und der Lagercorrespondenz scharfe Zügel angelegt haben, die 7 Achtundzwanzigster Jahrgang. LV. Band.

96 es ziemlich schwierig machen , ausführliche und verständliche Berichte über Organisationsverhältniffe , technische Einrichtungen , Stärkeverhältnisse, Operationspläne und Schlachten zu erlangen. Ich würde den beabsichtigten Zweck einer populären , auch für einen nicht militairiſchen Leferkreis berechneten Orientirung verfehlen und die beschränkten Grenzen einer Brochüre weit überschreiten, wollte ich mich in meinen Aufzeichnungen in die Details vertiefen, die zwar für den Fachmann eine willkommene Zugabe ſein möchten, nichts deſto weniger aber der Uebersichtlichkeit und Verftändlichkeit des Ganzen wefentlichen Eintrag thun. Andrerseits bieten aber gerade dieſe Details so

viel Neues

und Intereſſantes , daß ich den Wunsch , sie jezt den Kameraden mitzutheilen, nicht zu unterdrücken vermochte. Ich habe daher im Rachstehenden eine kurze Zusammenstellung derjenigen artilleriſtiſchen Notizen versucht, denen ich im Laufe meines Quellenftudiums begeg= nete. Sie find , wie es auch mit Rücksicht auf die Entfernung des Schauplaßes und die Unmöglichkeit , ſchon jeßt genaue Details auf den noch rauchenden Schlachtfeldern zu sammeln, nicht anders sein kann , unvollständig und hin und wieder vielleicht nicht einmal ganz correkt, werden aber immerhin genügen, uns zu zeigen, welches wirksame und entscheidende Element der Kriegführung aus unserer Waffe gemacht werden kann , wenn sie von den Feſſeln befreit wird , welche pecuniäre Rücksichten ihr anlegen, und wenn ihr die Fortschritte der Technik unverkürzt und zweckmäßig zugewandt werden. Ich schicke voraus , daß die Organiſations - Verhältniſſe und die Gebrauchsweise der Artillerie der conföderirten oder Südstaaten im großen Ganzen ziemlich identisch mit jenen der Unirten oder der NordAtaaten-Artillerie find .

Es ist dies um ſo natürlicher , da beide nicht

blos aus dem gemeinſamen Stamme der regulären vereinigten Staaten-Artillerie entſprangen , ſondern auch in ihrer Entwickelung von gleichen Principien ausgingen. Wenn es gleichwohl nicht zu läugnen ist , daß die Artillerie der Conföderirten gegenwärtig von der der Unirten in manchen Beziebungen übertroffen wird, so ift dies doch nur eine natürliche Folge der nach und nach sehr geschärften Blokade , welche jene , der reichen mecaniſchen , induftriellen und pecuniären Hülfsmittel des Nordens ent-

97 behrenden Südstaaten auch derjenigen Hülfsquellen beraubt, die file fich in den europäiſchen Werkstätten eröffnet hatten. Hierzu kommt noch, daß es den Conföderirten nach Verlauf des nun bereits mehr als 2ļ. jährigen Krieges an Bespannung und Bedienung zu mangeln beginnt, nachdem ihr immer enger werdendes Territorium in Betreff der kriegsfähigen Bevölkerung ebenſo ſehr erschöpft worden ist, wie in Betreff der Schlacht. und Zugthiere. Steht ſonach die Artillerie der Conföderirten in Beziehung auf Maffe, Material und Bespannung der gleichnamigen Waffe der Unir ten nach, so müssen doch selbst die leßteren offen bekennen, daß sie der größten Anftrengungen bedürfen , um sich nicht durch die Manövrirfähigkeit, Wirksamkeit und Bravour der Südstaaten-Artillerie übertreffen zu lassen. Kurz vor dem Ausbruch des gegenwärtigen Krieges , d. h. im Frühjahr 1861 , besaßen die vereinigten Staaten von Nordamerika in

ihrer circa 14,000 Mann ftarken regulären Militairmacht , oder was daffelbe sagen will , in ihrem stehenden Heere , nicht mehr und nicht weniger als 4 Artillerie-Regimenter.

Jedes dieser Regimenter bestand

aus 12 Compagnien , die, wie es in der amerikanischen Armee noch heute Gebrauch ist, nicht durch Nummern , sondern durch Buchstaben, 3. B. Compagnie a, b, c, -- k. dee 1., 2., 3. , 4. Regiments von einander unterschieden wurden . Diese Bezeichnung ist jedoch im Verlauf des Krieges vielfach dadurch modificirt worden , daß die Batterien, welche Gelegenheit hatten , sich besonders hervorzuthun , den todten Buchstaben bei Seite seßten und durch den Namen ihrer durchgängig jugendlich friſchen und tüchtigen Kommandeure erseßten. Die Stärke der regulären Artillerie-Regimenter betrug vor Ausbruch des Krieges 54 Offiziere, und je nachdem der Etat der einzelnen Compagnien mehr oder weniger complet war, 724 bis 1086 Mann. Unter die Zahl von 724 Köpfen durfte die Stärke eben so wenig sinken , als sie die von 1086 übersteigen durfte. Auf jede Compagnie kamen demnach circa Da die Mehrzahl diefer Compagnien zur Be60 bis 90 Köpfe wachung und Beſeßung der Geſchüße in den Küften- und Grenz-Forts verwendet werden mußten, ſo begnügte man sich damit, per Regiment nur eine Compagnie als Feldbatterie auszurüßten und zu bespannen. Traten kriegerische Ereignisse ein , wie z. B. der Feldzug in Florida, 7*

98 der Krieg gegen Mexico, oder machte die Niederhaltung der unruhigen Indianerſtämme eine größere Anzahl von Batterien erforderlich, ſo wurden nach Maßgabe des Bedürfnisses mehr oder weniger Compagnien mit Bespannung versehen . Das personelle Material der Artillerie - Regimenter wurde , der Ergänzung der regulären Armee entſprechend , durch Freiwerbung auf 5jährige Dienfzeit beschafft und bestand zur Hälfte aus verarmten, eingewanderten Deutschen und zum 4. Theile aus Zrländern ; das dann noch übrig bleibende Viertel enthielt die Abenteurer aus aller Herren Ländern ; gleichwohl war die Truppe in Folge der langen Dienstzeit, der außerordentlichen Strenge der Kriegsartikel und der Disciplinargefeße, der guten Verpflegung und Löhnung, und der Achtung , welche fie im eigenen Lande weit über die übrigen Waffengattungen erhob, vortrefflich. Das Offizier- Corps ließ Nichts zu wünschen übrig . Es ergänzte fich nur aus Inländern , die ohne Ausnahme und unter hohen Anforderungen einen vieljährigen wiſſenſchaftlichen und praktiſchen Cursus auf der ausgezeichneten Militair- Akademie zu Weft-Point im Staate New-York absolviren mußten und selbst dann nur zum Eintritt in die Artillerie oder das Ingenieur- Corps gelangen konnten , wenn sie sich bei der Schlußprüfung unter der Zahl der Besten befanden. - Da die amerikaniſchen Artillerie - Offiziere das sämmtlichen Offizieren der regulären Armee zuerkannte Beneficium , nach 5 jähriger Dienstzeit zur Anstellung im Civildienst, berechtigt zu sein, ziemlich häufig benußten, so war nicht blos das Avancement ein verhältnißmäßig günſtiges, ſondern es fand sich auch in Folge deſſen beim Ausbruch des Krieges eine nicht unbedeutende Menge gedienter Offiziere in den bürgerlichen Branchen vor , welche faft ohne Ausnahme und meist mit Rangerhöþungen zur Formation der neu creirten Freiwilligen - Armee benußt werden konnten und gegenwärtig wie nicht wenige ihrer in der regu lären Armee verbliebenen Altersgenossen als 30 bis 40 jährige Regiments-Kommandeure , Brigade- und Divisions- Generale eine hervorragende Rolle spielen. Im Frühjahr 1861 , das heißt unmittelbar vor Ausbruch des Krieges, besaßen die vereinigten Staaten nur 7 bespannte Batterien , von denen jede mit 4 Geſchüßen und zwar glatten 6ugen Kanonen oder

99 124gen Haubißen ausgerüftet und 80 Mann nebft 40 bis 60 Pferde hark war. Diese wenigen Batterien waren überdies über das ganze weite Gebiet der Union, unter anderen in Kanſas , Texas, Mineſota, New-Mexico und Oregon noch dazu nicht immer batterieweiſe, ſondern ſogar zugweise zerstreut und mußten daher zuvörderft, ſo rasch als es die allerdings sehr vervollkommneten Eisenbahnneße ermöglichten, nach dem Sammelplaß der Armee, der Umgegend von Waſhington herangezogen werden ; zwei dieser Batterien legten hierbei mit Geschüßen, Pferden und Mannschaften innerhalb 6 Tage 1500 engliſche Meilen per Bahn zurück. Da die Ereignisse drängten und der Generaliffimus der Armee, der alte hochbejahrte Generallieutenant Scott, von der Anficht ausging, daß schlechte Specialwaffen schlimmer seien, als gar keine, so begnügte man sich in den ersten Monaten des Krieges damit, nur auf die Beschaffung neuer Infanterie- Regimenter Bedacht zu nehmen. Wir finden daher außer einigen gleichzeitig mit den ersten Freiwilligen-Regimentern formirten, wenig oder gar nicht eingeübten FreiwilligenBatterien und Freiwilligen - Schwadronen , bis zum Winter 1861/62 auf Seiten der Nordstaaten nur die regulären 5 Kavallerie-Regimenter und diejenigen Batterien der regulären Artillerie , für deren Ausrüftung fich in den von den Conföderirten und ihren Anhängern geplünderten Arſenalen und Zeughäuſern die erforderlichen Geſchüße und Beschirrungen vorgefunden hatten. Im Feldzug in Weftvirginien ( Sommer 1861 ) in der ersten Schlacht am Bull-Run und sogar noch in den Feldzügen des Jahres 1862 entwickelten demgemäß auch die Conföderirten bei jedem Rencontre eine um so bedeutendere Ueberlegenheit an Kavallerie und Artillerie , je reicher die Mittel waren, die ihnen das in den Südstaaten vorhandene Reiter-Material und das schon seit Jahren unter allerhand Vorwänden vom Norden nach dem Süden hinuntergeschaffte Kriegsmaterial boten. Daß fie diese Mittel vortrefflich benußten und von Hauſe aus ein weit größeres Organisations- Talent an den Tag legten , als der induftrielle, mercantile Norden, ist ein Verdienst, welches dem Süden unbedingt zuerkannt werden muß . Die Conföderitten hatten indes insofern mit großen Schwierig.

feiten zu fämpfen , als sie keine einzige Pulverfabrik und nur wenige unbedeutende Privat- Eiſengießereien besaßen.

100 Beim Einbruch des Winters 1861-62 konnten sich beide trieg. führende Theile nicht länger der Ueberzeugung verschließen , daß mit der steigenden Erbitterung die Aussichten auf eine baldige Beendigung der Feindseligkeiten geſchwunden waren ; man eilte daher auf beiden Seiten, die Winterruhe zu den umfassendßten Rüftungen und Vorbereitungen zu benußen. Während englische, franzöſiſche und deutsche Handelsſchiffe ſowohl nach dem Süden , wie nach dem Norden in raftloser Eile die alten zum Theil unbrauchbaren Diſpoſitionsbestände der europäiſchen Zeughäuser überführten und dadurch dem ersten Bedürfniß der aufgebotenen Freiwilligen-Heere in allerdings qualitativ und finanziell ſehr ungünftiger Weise zu genügen ſuchten, wurden auf beiden Seiten die großartigsten Anstrengungen gemacht , um durch Errichtung und Bergrö herung neuer oder schon vorhandener Militair- Etabliſſements und durch Betheiligung der Privatinduftrie an der Beschaffung der Kriegsbedürfnisse den ferneren Ersaß an Waffen , Pulver, Ausrüftungs- und Bekleidungsgegenständen sicher zu ftellen und durch beffere Fabrikate nach und nach die aus Europa bezogenen schlechten , allen möglichen Syftemen und Zeiten angehörenden Waffen zu erseßen. So schwer dem Süden auch, bei ſeiner kaum nennenswerthen Industrie, die Einrichtung derartiger Etablissements fiel, so zwang ihn doch gerade in dieser Beziehung die eiserne Nothwendigkeit zur Entfaltung der äußersten Energie. Die Seitens des Nordens anfangs sehr unzureichend bewirkte Blokade der Südstaaten-Häfen , war nämlich schon nach einigen Monaten derartig verschärft worden , daß der Süden nur noch einen kleinen Theil seines Kriegsbedarfes durch den Schmuggelhandel zu beziehen vermochte. Namentlich begann es ihm an Pulver zu fehlen. Jefferson Davis, der Präsident der conföderirten Staaten, hatte indeß den Eintritt dieſer Calamität vorausgesehen und zur rechten Zeit für Abhülfe gesorgt.

In seinem Auftrage hatte

gleich nach dem Ausbruch des Krieges ein ehemaliger Offizier der vereinigten Staaten- Armee und Profeffor der Chemie an der MilitairAkademie zu Westpoint, der Oberst G. W. Rams in Augufta , im Staate Georgien, mit 20,000 Dollars Unkosten eine Pulverfabrik angelegt, welche bereits in der Mitte des Jahres 1862 täglich 5000 u. Pulver producirte, im Nothfall aber, und wenn Tag und Nacht gear.

101 beitet wird, 10,000 & zu liefern vermag . Das Pfund des hier fabricirten Pulvers kostet der Regierung circa 4 Pence. Obwohl es anfänglich nicht besonders war und die Gewehre derartig verſchleimte, daß fie schon nach dem 25. Schuß nicht mehr geladen werden konnten , ohne vorher gereinigt zu werden , - ein Umstand , der die Vertheidigung der Insel Roanoke, am 9. Februar 1862, wesentlich lähmte und dadurch zum Berlufte der Insel beitrug ist doch das gegenwärtig dafelbft producirte Pulver von vorzüglicher Beschaffenheit.

Inzwiſchen ist auch in Columbia in Süd - Carolina

eine zweite bedeutende Pulverfabrik errichtet worden , welche hauptsächlich das Bedürfniß der Marine und der Küften - Befestigungen deckt. Hingegen darf nicht außer Acht gelaffen werden, daß die Conföderirten ihren Salpeterbedarf hauptsächlich aus Tennessee bezogen und gegen= wärtig in Folge des Verluftes des genannten Staates empfindlichen Mangel an diesem Hauptbestandtheil der Pulverfabrikation empfinden. In gleicher Weise sorgten fie für die Anlage von Geschüßgießereien und Gewehrfabriken ; von den ersteren ist die bedeutendste in der Nähe von Richmond in Virginien angelegt worden, während sich ihre größte Gewehrfabrik in Atlanta in Georgien befindet.

Die hier gefertigten

Feuerwaffen gehören faßt ausschließlich den gezogenen Systemen von Parrott, Whitworth und Blakely an. In weit höherem und vollkommnerem Grade, als die Conföderirten es vermochten, schritten die Nordstaaten mit der Selbstbeschaffung der Streitmittel voran . Durch ihren Reichthum an Kohlen und Eiſen und durch ihre blühende Privatindustrie auf das vortrefflichßte unterstüßt, konnten sie nicht nur ihre Heere in außergewöhnlich kurzer Zeit mit brauchbaren Gewehren und Geſchüßen ausrüßten, ſondern auch für die mehr als verzwanzigfachte Marine und die größten Belagerungstrains der Neuzeit die schwersten Kaliber in genügender Anzahl beschaf. fen und so reiche Vorräthe an Waffen und Munition anſammeln, daß fie in Betreff der materiellen Mittel dem Süden unendlich überlegen find und jederzeit im Stande ſein werden, selbst die härtesten Verlufte in kurzer Zeit wieder zu decken. Wer sich die Mühe giebt , den Charakter der nordamerikanischen Industrie etwas näher ins Auge zu faffen , den wird diese außerordentliche Productionsfähigkeit nicht in Erstaunen seßen .

Der Norden

102

bat fich eben mit der ihm eigenthümlichen Energie und der ganzen Fülle seines Speculationsgeiftes ten momentanen Verhältnissen accomodirt, und in Folge deffen arbeitet er seitdem mit allen ſeinen Kräften für den Krieg .

Je länger dieſer dauert und je mehr Waffen und Geſchüße bei den Niederlagen seiner Heere verloren gehen, desto größer ift die Nachfrage, desto höher der Verdienst und desto großartiger die Thätigkeit. Faft sämmtliche Fabriken des Nordens , beſonders aber

der sogenannten Neu- England Staaten, sowie alle dafelbft befindlichen Eiſengießereien, Pulvermühlen und Schiffswerften arbeiten nur noch für Rechnung der Staatsbehörde und machen dabei die vortrefflichßten Geſchäfte. Unter den Gießereien ist die Geschüßgießerei zu Cold Spring bei New-York die bedeutendste ; fie wird vom Kapitain Parrott geleitet, auf welchen wir bei Besprechung seines Geſchüß- Syftems weiter unten zurückkommen werden . Bei solcher Energie und solcher Anstrengung konnte es nicht ausbleiben, daß die anfangs so unbedeutende Artillerie sich in kurzer Zeit in quantitativer , namentlich aber in qualitativer Beziehung ſehr bald auf eine Stufe der Vollkommenheit erhob , die unsere höchfte Achtung verdient und in kurzer Zeit, wenn erft die Schilderungen und Berichte über die amerikanische Kriegführung detaillirter und geklärter zu uns gelangen werden, unsere volle Aufmerksamkeit auf die transatlantiſchen Waffengefährten und ihre Leistungen lenken wird. Wir werden Vieles von ihnen lernen , sei es in Bezug auf das Materielle, sei es in Betreff des Gebrauchs unserer Waffe, denn nie. mals find derselben in Hinsicht auf Organisation, Bespannung, Trans. portvarietäten, räumliche Verhältnisse, Terrainschwierigkeiten, Mannig faltigkeit der Gefechtslagen und Verpflegungsmodalitäten, größere Aufgaben gestellt worden, als eben in der amerikaniſchen Artillerie. General Scott hatte bald nach dem halb tragiſchen , halb lächerlichen Ausgang der ersten Schlacht am Bull Run das Zrrige seiner Ansicht, zunächst nur für die Beschaffung von Infanterie sorgen zu müffen , erkannt und war zur Einsicht gelangt , daß eine zahlreiche, gut bediente und bespannte Artillerie das Haupterforderniß und die Grundbedingung der Widerstandsfähigkeit der Infanterie in, zumal wenn dieselbe aus jungen, des Krieges ungewohnten Elementen beſteht.

103 Diese Einsicht bewirkte es, daß ſich jene ursprünglichen fieben beſpannten glatten Batterien der Nordſtaaten-Armee nach Verlauf von kaum zwei Jahren auf mehr als 300 bespannte Feldbatterien mit 1800 meiſt gezogenen Geſchüßen, 50,000 Artilleriften und allen erforderlichen Munitions- und Bagage-Wagen vermehrt haben. In verhältnißmäßiger Progreffion hat die Artillerie der Conföderirten an Zahl und Bedeutung gewonnen. Die Feld-Artillerie der Nordstaaten ist nunmehr in fünf reguläre Regimenter à 6 Batterien , und 40 Freiwilligen -Regimenter ebenfalls á 6 Batterien eingetheilt. Außer dieſen 45 Regimentern existiren noch einige 30 nicht regimentirte Batterien , welche unter besonderen Verhältnissen von den einzelnen Staaten formirt wurden und ihren heimathlichen Regimentern attachirt blieben . Jedes Regiment wird von einem Oberst, und je 3 bis 4 Batterien von einem Major komman dirt. Jede Batterie besteht aus 1 Kapitain , 3 Lieutenants , 6 Sergeanten, 8 Korporälen, 2 Feuerwerkern, 2 Trompetern, 1 Stellmacher, 120 Artilleriften, Summa : 145 Köpfe ; 72 Pferde, 2 Munitionswagen, 1 Feldschmiede, 1 Bagage- Wagen. Bei der Laffetirung ist die BlockLaffete ausschließlich in Gebrauch . Hierzu kommt nun noch die große Menge der Belagerungs-, Feftungs- und Marine- Geſchüße mit circa 114,000 Artilleriften . An die Stelle der alten 6ugen Kanonen ( und der 12 ugen Haubißen) find nachstehende Geſchüßarten und Kaliber getreten : 1. Die sogenannte Napoleons - Kanone. Sie gleicht unserer 12ugen Granatkanone in hohem Grade . Das broncene Rohr wiegt 12 Centner (ift alſo ſchwerer als unser Feld - 12 uder) und hat einen Bohrungs-Durchmesser von 4,62 Zoll . Die mit der Kartusche verbundenen Geschoffe find Bollkugeln, Granaten , Shrapnels und Kartätſchen und haben eine 24 & ſchwere Ladung.

Zu ihrer Laffetirung sind die Laffeten der amerikaniſchen

24 gen Haubiße mittelft einer geringen Abänderung der Richtmaschine aptirt worden. Die Zünder der Granaten und Shrapnels find Bormannsche Zeit-Zünder. Das Geſchüß hat bis auf 1500 Yard (der Yard = 3′) mit Volkugeln und Granaten , bis auf 800 Yard mit Shrapnels und bis auf 400 Yard mit Kartätschen genügende Wirlſamkeit, die sich indeß über diese Entfernungen hinaus ſehr raſch ver.

104 mindert.

Einzelne dieser Batterien haben sich im Laufe des Krieges

bei guter Führung und auf nahe Diſtancen vortrefflich bewährt, die Truppen ziehen ihnen indeß die gezogenen Geſchüße in allen Gefechtslagen bei Weitem vor. 2.

Die 124ge und die 24 uge Haubiße, beide von Bronce, leß-

tere als Pofitionsgeſchüß nur in der Reſerve- Artillerie vorhanden ; erftere ſehr häufig mit gezogenen Geſchüßen zu Batterien á 6 zuſammengestellt und zwar dergeftalt, daß die Batterien zwei gezogene und einen Haubiß- Zug befißen . Die Röhre der Haubißen sind glatt und ihre Geschoffe entweder Granaten , Shrapnels oder Kartätſchen. Die Nord-Amerikaner scheinen den hohen Bogenschuß aus gezogenen Geschüßen oder Feld- 12 &dern nicht anzuwenden , wenigftens habe ich keinen Fall auffinden können, in welchem es geſchehen wäre ; übrigens spricht auch die eigenthümliche Kombination ihrer Haubißen mit ge= zogenen Geschüßen , die sie des meistens bedeckten und waldigen Terrains wegen nicht entbehren können , für die Richtigkeit dieser Annahme. Sie würden jene Kombination sicherlich aufgeben, wenn sie ihre Kanonen als Remplaçants der Haubißen zu gebrauchen vermöchten, oder zu gebrauchen verftänden . 3.

Der Parrottſche 10- und 20uder.

Beide find, wie überhaupt

fämmtliche Parrottgeschüße, gezogene gußeiserne Kanonen , deren Bo denftück mittelft eines um daſſelbe geſchweißten ſchmiedeeiſernen Cylinders verstärkt ist. Sie werden nach dem wirklichen Gewicht ihrer Bollgeschoffe benannt, entſprechen aber in Bezug des Kalibers nahezu unsern gezogenen 4dern, resp . 6udern.

Der Parrottſche 10 &der

hat drei Züge, ſeine Geschosse find theils ſolide Vollgeschosse (10 u), theils Granaten (8 &), Shrapnels und Kartätſchen ; die Ladung beträgt 1 , die Totalſchußweite 5000 Yard . Das Rohr ist 8 Centner 90 u schwer, hat einen Durchmeſſer von 2,90 Zoll, eine Seelenlänge von 70 Zoll und gestattet mit Rücksicht auf seine Laffetirung eine Elevation von 12 bis 13 Grad , wobei eine Schußweite von 3000 bis 3500 Yard erzielt wird ( bei 20 ° 5000 Yard ). Die Geſchoffe bestehen aus einem Eiſenkern mit einer Hülle aus weicherem Metall; ihre nähere Einrichtung werde ich weiter unten mittheilen. Zur Laffetirung

105 des 10Hders wird die frühere 6uder-Laffete , nachdem dieselbe mit der 12 der-Achse versehen worden, benußt. Er wird als leichtes Geſchüß, der 208der dagegen als Poſitions. Der 20uder hat Geſchüß nur in der Reserve - Artillerie verwandt. 5 Züge, fein Bollgeschoß wiegt 20 &, ſeine Granate 18 . Die Ladung beträgt 2 & , die Totalschußweite 4400 Yard bei 15 ° Elevation. Das Rohr ist 174 Centner schwer, hat einen Bohrungsdurchmeſſer von 3,67 Zoll, eine Seelenlänge von 79 Zoll und ist mit der Laffete des 12 gen Kanons verfehen, Außerdem find in der Feldartillerie noch die sogenannten Rod. mans - Geſchüße und gezogene broncene Geſchüße vorhanden.

Die

Rodmans- Geschüße haben gezogene schmiedeeiserne Röhre (über einen gußeiſernen Cylinder find ſchmiedeeiserne Stäbe gewunden ) von acht Ctr. 20 & Gewicht ; das Kaliber entspricht nahezu dem der 10×gen Parrott-Kanone ; das Geschoß besteht aus einem gußeifernen Kern, der mit einem Bleimantel umgeben ist.

Die gezogenen broncenen Kanonen

find ehemalige glatte 6uder , die man etwas ausbohrte, mit 5 Zügen versah und dadurch auf ein Kaliber von 3,80 Zoll erweiterte. Beide Geſchüßarten find nur ein Nothbehelf und werden nach und nach durch Parrotts erseßt. In der Regel werden jeder Diviſion (5–6000 Mann) 3 gezogene und eine glatte ( 128ge) Batterie beigegeben , so daß möglichst jeder Brigade ( 1200-2000 Mann) eine Batterie attachirt werden kann ; außerdem bemüht man sich , es so zu arrangiren , daß wenigstens eine dieser 4 Batterien eine reguläre ift ; der Commandeur der leßteren ift dann in allen den Fällen gleichzeitig der Commandeur der DiviſionsArtillerie, in welchen der vorhandene Artillerie- Stabsoffizier fich im Stabe des Divifionairs befindet , oder als Commandeur der ReſerveArtillerie des Corps fungirt. Die Artillerie der Conföderirten führt im Allgemeinen dieſelben Geſchüßarten und Kaliber wie die der Unirten ; da ihnen indeß die Parrott- Geſchüße nur in dem Maße zur Disposition ſtehen, als fie dieselben in den verschiedenen Gefechten und Schlachten zu erbeuten ver mochten und ihre Etablissements denen der Nordstaaten bei Weitem an Produktivität und Vollkommenheit nachstehen, so bilden ihre Feldbatterien und in noch höherem Grade ihre Feftungs- und Belagerungs-

106

Geschüße eine äußerst bunte Musterkarte aller möglichen Geschüßfyfteme . Sie befißen unter Anderem eine nicht unbedeutende Menge Armfrong . Whitworth , Blackely.Geſchüße und mehrere gezogene 4uder Batterien französischen Muſters ; ja es ſollen sogar , fowohl auf Seite des Nordens , wie auf der des Südens gezogene Gußftahl- Batterien zur Anwendung gebracht worden sein , die dem preußischen Modell nachge. bildet find. Ich habe indeß troß aller Forschungen weder über die durch fie erzielten Reſultate noch über ihr schließliches Geſchick, bis jezt etwas Zuverlässiges in Erfahrung bringen können . Bevor ich zur Gebrauchsweise der amerikanischen Artillerie übergehe, erlaube ich mir zunächst dasjenige mitzutheilen , was mir über das bereits mehrfach erwähnte Parrott- Syftem bekannt geworden ist. So gern auch der Amerikaner von diesem namentlich seit der Belagerung von Charleston Epoche machenden Geſchüßſyſtem ſpricht, weil es seinem Nationalstolz schmeichelt , daß der Erfinder R. P. Parrott ein geborener Amerikaner ist, so wenig Zuverläſfiges und Detaillirtes vermag er doch über daſſelbe mitzutheilen . - Kapitain Parrott weiß nämlich , wie sein Rival , der Geheimerath Krupp , den Werth seiner Erfindung sehr wohl zu schäßen und hält sich mit Hülfe der Regierung jeden unberufenen Wißbegierigen derartig fern, daß kein Uneingeweihter über seine Fabrikationsweise etwas Ausführliches und Zuverlässiges in die Oeffentlichkeit zu bringen vermag . Aus diesem Grunde können auch gerade über diesen wichtigen Gegenstand meine Mittheilungen nur unzulänglich ausfallen. Robert Parrott ist aus dem Staate New - Hampſhire gebürtig ; nach Absolvirung der Militair- Akademie zu Westpoint 1824 in der vereinigten Staaten - Artillerie angestellt und 1836 unter Beförderung zum Kapitain in das Ordonnance- Corps verseßt, quittirte er ſchließlich den Dienst in der regulären Armee , um als Superintendent der großen Eisen- und Kanonen- Gießerei von Cold - Springs in das Civilfach überzutreten . Unter feiner geschichten und umsichtigen Leitung hat dieses bei New -York gelegene, gegenwärtig in ,,Weft - Point- Gießerei" umgetaufte Etablissement nicht bloß eine großartige Ausdehnung gewonnen, sondern liefert auch mittelft seiner durch Parrott verbefferten und neu aufgestellten ingeniösen . Maſchinen so vorzügliche Produkte,

107 daß es die von allen Seiten eingehenden Bestellungen nicht mehr zu bewältigen vermag . Parrott begann bereits 1856 die Versuche , aus welchen sein gegenwärtiges Syftem hervorging , und feßte fie, ohne von der Regierung unterſtüßt zu werden , so eifrig und mit so vielem Glück fort, daß er beim Ausbruch des Krieges große Bestellungen auf 10ge ge. zogene Feldgeſchüße übernehmen konnte.

Die Vortrefflichkeit derselben

bestimmte die Regierung mit der in Angriff genommenen Beschaffung von Whitworth- Geſchüßen inne zu halten und sich ausschließlich dem Syftem Parrott's zuzuwenden ; dieser fühlte sich hierdurch bewogen, ſeine Fabrikationsmethode auch auf ſchwerere Kaliber anzuwenden , und ift ſchließlich dahin gelangt, wöchentlich 33 Geſchüßröhre vom 10 % der bis zum 300 uder (von den ſchwereren Kalibern täglich 1 bis 2) liefern zu können. Bis zum Anfang September 1863 hatte die Armee der NordAtaaten bereits 2500 derartiger Geſchüße aus der in Rede stehendeu Gießerei, die überdies nebenbei wöchentlich 10,000 Geſchoffe liefert, bezogen. Die Parrott'schen Geſchüße find gezogene , von vorn zu ladende Geſchüße, welche nach dem Urtheil der Amerikaner die drei Haupter= forderniffe guterKanonen : Präcision, Percussionskraft und große Schußweite in ganz beſonders hohem Grade in fich vereinigen . Ihre beiden wesentlichsten Eigenthümlichkeiten bestehen in der Verstärkung des Rohres, um ihm selbst bei Anwendung der schwersten Geſchüßladungen genügende Haltbarkeit zu verleihen, und in der besonderen Einrichtung der Geschoffe. Parrott hatte , wie bereits vor ihm viele Andere, die Wahrnehmung gemacht, daß die reagirende Gewalt einer starken resp . zu Atarten Ladung auf das Rohr sich nur auf das Bodenftück und zwar in der Regel bis zu 2′ Seelenlänge vom Boden an gerechnet erstreckt ; hiervon ausgehend , beschloß er die bereits vor Jahrhunderten ausge führte und neuerdings lebhaft ventilirte Idee , die Geschüßröhre durch umgelegte Reifen zu verstärken, zur Ausführung zu bringen . Daß er diese Idee mit dem entschiedensten und besten Erfolg in die Praris zu übertragen verftand , iſt ſein Verdienst, und die Art und Weise, wie es geschieht, seine Erfindung . In seiner beſcheidenen und ruhigen Weiſe macht er auch nur auf das eigenthümliche Verfahren bei der Befeſti-

108 gung feines Verstärkungsringes, als einer von ihm herrührenden neuen Erfindung Anspruch ; und als der engliſche Kapitain Blakely und der Professor Treadwell von Cambridge in Maſſachuſetts die Behauptung aufstellten , bereits früher als Parrott gußeiſerne Reifen-Kanonen erfunden und angefertigt zu haben, trat er in einer von ihm selbst verfaßten und vor Jahresfrift veröffentlichten Brochüre, betitelt : Thatsachen in Betreff der Reifen -Kanone“ , der Beeinträchtigung seines Verdienftes entgegen.

Er beweist in derselben, daß derartige Geſchüße bereits

vor Jahrhunderten angefertigt wurden , giebt auch zu , daß das von ihm angewandte Prinzip ,, der Zuſammenſchrumpfung der Reifen" schon früher bekannt geweſen ſei, nimmt aber die Art und Weise, wie er diese Zusammenschrumpfung bewirkt , als seine eigene Erfindung gegen Blakely und Treadwell in Schuß. So viel bis jest bekannt geworden ist , beſteht das Parrott’ſche Berfahren darin , daß um das Bodenstück des gußeisernen gezogenen Rohres ein geschmiedeter Ring , oder vielmehr ein schmiedeeiserner hohler Cylinder gelegt wird .

Der Ring ist aus verſchiedenen überein-

ander und aneinander geschweißten und gewalzten Reifenbündeln von Schmiedeeisen als ein besonderes Stück fabricirt und befißt eine lichte Weite, die ihn befähigt , auf das Bodenftück des Rohres geschoben zu werden.

Seine Stärke ift gleich dem halben Bohrungsdurchmesser

des zugehörigen Geſchüßes, und seine Länge eben nur so groß, daß er diejenige Stelle des Rohres umgiebt, an welcher Geschoß und Ladung liegen.

Eine größere Länge hält Parrott für nachtheilig .

Sobald

der Ring hergerichtet ift, wird er erhißt und im glühenden Zustande auf die gewünschte Stelle des Rohres geschoben. Dieſes leßtere liegt dabei faft borizontal und nur so wenig nach vorn geneigt , daß der Strom falten Wassers , welcher während der ganzen Procedur ununterbrochen in das Rohr geleitet wird und daſſelbe beſtändig abkühlt, ungehindert abfließen kann .

Unter dem Einfluß des kalten Waffers ift

der geschmiedete Ring genöthigt , sich von Innen nach Außen , anstatt von Außen nach Innen abzukühlen.

Die zuerst kalt werdenden inneren

Theile ziehen sich zuerst zusammen und nehmen allmählich die äußeren wärmeren Theile derartig mit , daß der ganze Ring in der für ſeine eigene Haltbarkeit und die Festigkeit seiner Verbindung mit dem Lauf günftigften Weise zusammenschrumpft.

109 Parrott fertigt gegenwärtig 7 Kaliber und zwar : 10%.der, 20 der (Feld- Geſchüße) 30uder, 60wder, 100 %der, 200uder und 300 der (Feftungs-, Marine- und Belagerungsgeschüße). Die Abmessungen, Gewichtsverhältniffe, Ladungen 2c. des 10- und des 20gen Feld-Kalibers find bereits angegeben , es folgen daher hier nur noch die der schweren Geſchüße. - 30uder : Bohrungsdurchmeffer 4,2 Zoll (entspricht dem 9ugen Kaliber) Seelenlänge 120 Zoll ; Gewicht des Rohres 42 Centner , Ladung 31 , Elevation 31 bis 25 °, Totalschußweite 6700 Yard, (der für die Marine bestimmte 30 &der ift etwas kürzer und leichter, als der für die Feftungs- und Belagerungs - Artillerie beftimmte). 60uder find zwar beftellt , aber bis jezt noch nicht gefertigt worden , da die Gießerei zunächst mit Lieferung von Feldgeschüßen und 200- und 300 H.dern ( leßtere für die Belagerung von Charleſton) vollauf zu thun hat.

Es können daher auch die Abmessungen 2c. des

60 uders hier noch nicht angegeben werden .

100 % der : Bohrungs-

Durchmesser 6,40 Zoll, Seelenlänge 130 Zoll , Gewicht des Rohres 97 Centner, Ladung 10 , Elevation von 31 bis 25 ° , Totalſchußweite 8453 Hard (entspricht dem ehemaligen 328der).

Das Vollgeschoß des

100uders wiegt 99 bis 101 & , die Granate 80 ; 200uder : Bohrungsdurchmesser 8 Zoll, Seelenlänge 136 3oll , Gewicht des Robres 165 Centner , Ladung 16 H.,', Elevation 3

bis 45 ° , Totalschußweite

wenig mehr als die des 100 uders , aber bedeutend größere Percussions, kraft, das Gewicht der Granate 150 . 300 % der : Bohrungsdurch. meffer 10 Zoll, Seelenlänge 144 Zoll, Gewicht des Rohres 260 Centner, Ladung 25 &, Elevation 3 bis 45 ° , Totalſchußweite 9000 Yard, das Gewicht der mit 17 250

. Sprengladung versehenen Granate beträgt

, ihre Länge ift 3 Fuß. Bei Gelegenheit der ersten mit dem 300 der angestellten Ver.

ſuche zerschlug das Vollgeschoß eine 9 Zoll dicke ſchmiedeeiserne Platte und drang durch die dahinter liegende 2 Fuß ftarke Eichenholzwand ; in einem andern Falle durchbohrte sie eine 26 Fuß starke Brustwehr. Was die Laffetirung dieser schweren Geschüße anbelangt, so wird für den 30uder die frühere 18uge Feldlaffete verwendet, während für den 100 , 200 und 300 % der besondere eiserne und hölzerne Laffeten con

'110 ſtruirt werden mußten. beträgt:

Die Geschwindigkeit der Parrott’ſchen Geſchoffe

bei Entfernungen unter 4000 Yard 6000 .

= 900 Fuß 800 in der Secunde. über 6000 =- hinaus = 700

Die Construction der Geschoffe beruht , mit Rücksicht auf das in Anwendung kommende Vorderladungssystem auf anderen Principien, als die Construction der preußischen für das Hinterladungsſyſtem berechneten Geschoffe. Bei leßteren ging man von der Bedingung aus , ,,daß der Bleimantel auf dem Geſchoßkern , während des Schufſes weder innerhalb noch außerhalb des Rohres eine Lockerung irgend einer Art erfahren sollte" -, eine Bedingung , die in Verbindung mit der Rücksicht auf die zu seinem Hineintreiben in die Züge erforderliche Gewalt, die Einrichtung des Ladens von Hinten als eine Nothwendigkeit erscheinen ließ.

Die amerikanischen von Vorn zu ladenden

Geſchüße müssen dieser aus dem Hinterladungsſyſtem, erwachsenden Vortheile, entbehren . Sie bedürfen des Spielraums und werden in Folge deffen, selbst wenn die Geschoßhülle, vermittelst des ExpansionsSystems theilweise in die Züge getrieben wird, sehr oft Veranlafſungen zu einem schlotternden Gange oder wohl gar zu plößlichen Kleinmungen geben . Daß hierdurch nicht bloß die Präcision des Schuffes, sondern auch die Haltbarkeit des Rohres beeinträchtigt werden muß, liegt auf der Hand, und wenn auch Parrott behauptet , daß er durch die Construction seiner Geſchoffe diesen Uebelständen vorgebeugt habe, so sprechen doch mehrfache Vorkommniſſe dafür, daß ihm dies nicht in vollständig befriedigendem Grade gelungen ist.

Andererseits ist es

allerdings nicht zu läugnen, daß die Anwendung des VorderladungsSystems nicht blos eine wesentliche Vereinfachung der Rohr-Conſtruction gestattet, ſondern auch den Vortheil gewährt, ganz davon abſehen zu können , daß es bei den größeren oder vielmehr coloffalen Kalibern und der ihnen eigenthümlichen starken Ladungen sehr schwer sein dürfte, einen Verschluß zu conftruiren , welcher so gewaltigen Ladungen hinreichenden Widerstand entgegenzustellen vermöchte.

Die Kaiserlich Russische Regierung ist bei ihren schweren gezogenen Kalibern ebenfalls dem Vorderladungsſyſtem treu geblieben,

111

wenigftens werden die 200-9zölligen Gußftahlröhre, welche sie zur Berstärkung der Armirung von Kronstadt und zur Bewaffnung der im Bau begriffenen Monitors in der Gußstahlfabrik von Krupp in Beftellung gegeben hat, nach diesem System gegossen. Wie bereits erwähnt, find die Parrott'schen Geſchoffe auf das Expansionsgefeß baſirt. Sie bestehen aus einem maffiven oder hohlen 3 Kaliber langen Eisenkern (Vollgeschoß, Granate oder Shrapnel) und einem an dem untern Theil desselben befestigten Mantel oder Ring von weicherem Metall . Die Angaben über die Detail- Einrichtung der Geschoffe find sehr ungenau und widersprechend ; es läßt sich indeß aus denselben ersehen, daß der cylindrische Theil des Eisenkernes auf seiner äußeren Fläche Falten oder Runzeln hat , welche zum Festhalten des aus einer weicheren Metall-Composition bestehenden Mantels dienen. Dieser Mantel ist jedoch nur dazu beſtimmt, die Züge gegen Beſchädigungen durch den Eisenkern zu schüßen ; die eigentliche Führung des Geſchofſes übernimmt ein kupferner napfförmiger (bei den schweren Kalibern ringförmiger) Anſaß an der Basis des Geschoffes , deſſen Ränder durch die Pulvergafe aufgeweitet und in die Züge gedrückt werden. Sind diese Angaben richtig , dann liegt die Vermuthung nahe, daß die Führung viel zu weit vom Schwerpunkt des Geschosses entfernt liegt, um eine sichere sein zu können. Außer den Parrott'schen Geschossen haben auch die Geschoß- KonAruktionen von James und Sawyer, Shenkt und Hotchkiff in die amerikanische Artillerie Eingang gefunden.

Ihre Anwendung ist indes

nur eine beschränkte und höchst wahrscheinlich nur vorübergehende. Sie beruhen sämmtlich auf dem Expanſionsprinzip : James , welcher bas Minié- System pure auf seine Geschoffe übertrug , ſoll ſehr ungenügende Reſultate erzielt haben ; Sawyer und Hotchkiff wenden mit beiderseitigen geringen Modifikationen einen Geſchoßmantel von weicherem Metall an, dessen Befestigungsweise ein Eintreten der Gase am untern Ende zwischen Kern und Mantel und eine theilweise Ausdehnung des leßteren gestattet.

Shenkt nimmt papier maché . Die Annahme des Expansionssystemes machte die Anwendung des gewöhnlichen Zeitzünders unthunlich ; andererseits genügte der Percuffionszünder für die Shrapnels und für manche Fälle des Feftungs. 8 Achtundzwanzigster Jahrgang. LV. Band.

112 und Seekrieges nicht. Dem Ordnance- oder Artillerie-Departement beiläufig gesagt , eine Art Generalftab der Artillerie , welchem die Sorge für die Arsenale und Zeughäuſer und die techniſchen Inſtitute, übertragen ist, und dem überdies die Leitung und Ueberwachung sämmtlicher Versuche zufällt, - wurden daher in dieser Zünderfrage eine große Menge Verbesserungsvorschläge und neue Erfindungen vorgelegt, welche fast sämmtlich eingehenden Prüfungen und Verſuchen unterworfen wurden , ohne indeß vollständig genügende Reſultate zu ergeben. Das von Shenkle vorgeschlagene Zündersystem scheint unter allen das einfachste und beste zu fein ; er wendet bei Granaten den Percussionszünder , bei Shrapnels eine Combination des Percussionsund Zeitzünders an.

Dieser combinirte Zünder soll gleichwohl einfach

ſein, ſehr regelmäßig brennen und sich sehr sicher entzünden. Des allgemeinen Interesses wegen füge ich noch hinzu , daß ein fertiges 108ges Parrott- Geſchüß 200 Dollars und ein 200 &ges 2000 Dollars koftet. Die Amerikaner behaupten, daß bei der gegenwärtig noch im vollften Gange befindlichen Belagerung von Charleston die 100-, 200und 300 gen Parrott- Geſchüße die Geſchüß- Conſtruktionen Whitworth's, Blakely's , Armstrong's 2c. 20. in jeder Beziehung in hohem Grade überträfen, und wenn die oft an das Unglaubliche ftreifenden Angaben über Schußweite, Percussionskraft und Präcifion wahr und richtig find, so muß man allerdings zugeben, daß Parrott Außerordentliches geleistet hat. Jedenfalls hat er reiche Gelegenheit , die etwa noch an seinem System haftenden Mängel durch die besten und vielseitigßten Versuche, welche ihm der Ernstgebrauch der Geſchüße bietet, aufzusuchen und zu beseitigen , und daß er die ihm gebotene Gelegenheit wirklich benußt, beweist der Umstand , daß er nicht bloß den Guß und die Fabrikation feiner Geſchüße , sondern auch deren Gebrauch vor dem Feinde persönlich überwacht und leitet . Er theilt in der That seine Zeit zwiſchen der Gickerei und den vor Charleston erbauten Batterien. Keinenfalls haben seine Concurrenten in der Verstärkung der Geschüßröhre bisher günstigere Resultate erlangt , als es die ſeinigen find. Blakely's System ist von ihm selbst im „ London mechanics Magazine for Juni 1862“ näher erörtert; in Betreff der von dem Ruffen Semaſchko, Ende 1859 und Anfang 1860 auf der Wreno - Turinski-

113 fchen Eisengießerei ausgeführten Verstärkungs - Bersuche genügt es, auf den von ihm selbst verfaßten, im 52. Bande des Archivs enthaltenen Auffaß hinzuweisen . Was schließlich den Vorschlag des Profeffors Treadwell, Vicepräsident der Akademie der vereinigten Staaten anbe langt, so empfiehlt derselbe in seiner 1856 veröffentlichten Brochüre : ,,Sur la possibilité pratique de construire des canons de grand calibre, susceptibles d'un long service continu à charges entières", das gezo. gene gußeiserne Rohr seiner ganzen Länge nach mit Reifen zu umgeben und zwar das hintere Ende des Rohres mit zwei Lagen, das vordere mit einer Lage ; die Ringe werden an der innern Fläche mit einem Schraubengewinde versehen , welches in ein auf der Oberfläche des Robres angebrachtes Muttergewinde paßt und ein Aufschrauben der Reifen ermöglichen soll . Daß dem Bereifen der gußeisernen gezogenen Röhre in Belgien, Frankreich und Spanien eine ganz besondere Aufmerksamkeit zugewendet wird und daß man in Frankreich und Spanien bereits die Berei. fung der gezogenen gußeisernen Feftungs- und Strandgeschüße offiziell eingeführt hat , ist bekannt. Die vortreffliche Zuſammenstellung aller hierauf bezüglichen Verſuche vom General Frederix (Archiv 52. Band, Seite 175 ) enthält das hierüber Wissenswerthe. Werfen wir nun einen Blick auf die Gebrauchsweise der ameririkanischen Artillerie , wie sie sich im gegenwärtigen Kriege gestaltet bat, so finden wir, daß die ihrem größeren Theil nach erst beim Aus. bruch des leßteren ins Leben gerufenen Batterien einen hohen Grad von Kriegstüchtigkeit erlangt haben und sich fast in allen Fällen den oft auf das Höchfte gesteigerten Anforderungen gewachsen zeigen. Obwohl ihre Bespannung in Folge forcirter Märsche und unregelmäsiger Verpflegung oft sehr reducirt und ermattet ist und in vielen Fällen nur aus Maulthieren besteht , so verstehen sie es doch , in den Gefechten rasch und entſchloſſen aufzutreten ; dabei ſchießen sie mit groHer Sicherheit und verlieren selbst unter den empfindlichsten Verluften weder ihre Ruhe noch ihre Entſchloſſenheit. Im Allgemeinen wird den regulären Batterien der Vorzug vor den neu formirten freiwilligen Batterien gegeben , allein auch diese laffen jest kaum noch Etwas zu wünschen übrig. 8*

114 Der häufige Verluft ganzer Batterien beider kämpfenden Parteien rührt selten von der Ungeſchicklichkeit des Batterie- Commandanten, ſondern meistens davon her, daß die Geſchüße , ſei es in der Offenfive oder in der Defensive, den jungen und nicht immer capitelfesten Jn. fanterie- Regimentern vom ersten bis zum leßten Augenblick als Halt dienen und in den entscheidenden Momenten und mitten im Gewehr. feuer mit ihrem Kartätsch- und Shrapnelfeuer den feindlichen Anprall zurückweisen oder den Widerstand brechen müssen . Selten fällt indeß eine Batterie in die Hand des Feindes, ohne daß die Bespannung vor. ber todt geschoffen und die Bedienung neben ihren Geſchüßen nieder. gestreckt worden wäre.

Ein herrliches Beiſpiel heroiſcher Ausdauer

gab die berühmte Batterie Loomi in der Schlacht am Chickamauga in Georgien am 19. September 1863. Die Batterie bestand aus sechs gezogenen, schwarz angestrichenen Kanonen und hieß eigentlich 1. Michigan Freiwilligen - Batterie, wurde aber wegen der Bravour ihres ersten Commandeurs , des Kavitain Loomi , nur noch nach diesem als „ Loomi's Batterie“ bezeichnet.

Sie zeichnete sich in allen Schlachten,

in welchen sie zugegen war, durch ihre Entschlossenheit und ihre ver nichtende Wirksamkeit aus . Nach dem Tode Loomi's übernahm der Lieutenant van Pelt ihre Führung, und dieser, sowie die Brigade Scribner waren es, gegen welche sich in der Schlacht am Chickamauga die ganze Wucht des feindlichen Stoßes richtete, als die Conföderirten den äußersten linken Flügel der Rosecranz'schen Armee eingedrückt hatten. Obgleich die Brigade und mit ihr die Batterie sofort von den feindlichen Massen umzingelt wurden , wußte van Pelt gleichwohl dem Feinde einige Minuten lang ein vernichtendes Kartätſchfeuer entgegen zu senden.

Aber eben so rasch waren auch seine Pferde und seine

Leute niedergeschoffen, und als der Feind in die Batterie eindrang, sah van Pelt , daß die Brigade zersprengt, seine Bedeckung geflɔhen und er als der Einzige übrig geblieben war . Nichts destoweniger Atürzte er mit geſchwungenem Säbel dem Feinde entgegen und befahl ihm, die Kanonen nicht anzurühren . Von mehreren Kugeln durchbohrt, fiel er in demselben Moment vor den Mündungen seiner Geſchüße nieder. 3n der Schlacht bei Chancellorsville warf sich der Lieutenant Dimnick, als einer der ersten, mit ſeinem Geſchüßzuge dem über die

115 Refte des geworfenen 11. Corps gegen das Centrum heranbrauſenden Jadson'schen Corps entgegen und beftrich die sogenannte Plankroad (Straße) so wirksam, daß die Conföderirten dieſelbe nicht zu betreten wagten und General Pleaſanton Zeit gewann , 25 Geſchüße aufzugreifen, nach und nach in Position zu bringen und hierdurch Zackſons weiterem Vordringen ein Ziel zu ſeßen . Dimnick ſtand hierbei dem Feinde so nahe , daß ein Adjutant des conföderirten General Stuart, durch die Dämmerung irre geleitet , an ihn herangesprengt kam und ihn aufforderte , die Richtung seines Feuers zu ändern, weil er ſeine eigenen Truppen beschöffe. Dimnick ließ sich indeß nicht aus seiner gewohnten Ruhe bringen, sondern begnügte sich, dem Adjutanten, als er ihm auf die Frage ,,wer schickt fie?" erwiedert hatte. ,,General Stuart", beim Arme zu ergreifen und dem Erstaunten zuzurufen, „ Sie find mein Gefangener". Noch am selben Abend fand Dimnick auf dem Felde der Ehre seinen Tod. Glücklicher als van Pelt und Dimnick waren die Batterien Mac und Pennington . Die Erstere wurde im September 1862 in Rochester im Staate New-York formirt, bestand aus 20gen Parrott -Kanonen und machte mit dem 18. New-Yorker Freiwilligen - Regiment im Frühjahr 1863 den Feldzug des General Banks gegen die im nordwestlichen Theil von Louiſiana concentrirten Conföderirten mit. Am ersten und zweiten Tage kam die in der Reserve befindliche Batterie nicht in Activität ; als jedoch am dritten Tage, am 13. April, der Feind in einer sehr starken Position den Kampf ernftlich aufnahm und das Gefecht eine für die Unirten nicht gerade günstige Wendung genommen hatte, fand die Batterie Gelegenheit , die erste Feuerprobe zu beftehen . Der Feind , der circa 15 hinter Erdwerken aufgestellte Geſchüße in Thätigkeit hatte, benußte den Umstand , daß ſein linker Flügel sich an den schiffbaren Bayou Teche anlehnte, um mittelft eines mit einem 42æder und mehreren leichten Geſchüßen armirten Dampf. schiffes die ganze Front seiner Stellung flantiren zu laſſen . Vergeblich waren Banks Kolonnen wiederholt gegen die feind lichen Werke vorgegangen ; fie mußten immer wieder mit großem Verluft zurückgenommen werden. In diesem kritischen Moment erhielt Mack den Befehl, auf dem rechten Flügel vorzugehen und das Dampf-

116 Er ging im Galopp mit seiner Batterie bis auf 800 Yard an das leßtere und an die feindlichen Werke heran , richtete

schiff zu vertreiben.

anfangs sein volles Feuer ausschließlich gegen das Schiff, zwang es nach kurzer Zeit zum schleunigen Rückzug und wandte sich dann erst gegen die bis dahin ganz unbeachtet gelaffenen Erdwerke ; auch dieſe überschüttete er derartig mit Granaten und Shrapnels, daß fie ebenfalls ihr Feuer einstellen mußten . Erst nachdem ſein Auftrag , wobei er 400 Schuß in 14 Stunden gethan hatte , vollständig erfüllt war, kehrte er zurück. Das Glück hatte ihn entschieden begünstigt , denn seine Verlufte waren so geringfügig, daß er unmittelbar darauf aberGeneral Banks sprengte mit seinem Stabe mals vorgehen konnte. der im Schritt zurückkehrenden Batterie entgegen und ließ sie zum Zeichen seiner vollen Anerkennung entblößten Hauptes an sich vorüberziehen. Am treuften und beständigsten hat sich jedoch das Glück an die Schlachtenfahne von Pennington's Batterie geheftet. Es ist dies die reitende Batterie M. des 2. regulären Artillerie - Regiments. Abgeſehen davon , daß es ihr vergönnt war , innerhalb 24 Jahren in 31 Schlachten und Gefechten den rühmlichsten Antheil an den heißeften Kämpfen zu nehmen, hat sie das seltene Glück gehabt, sich unter verschiedenen Commandeuren und troß mehrmaliger Erneuerung ihrer Mannschaften das alte Renommee , die gewandteste und wirkſamfte Batterie der Potomac- Armee zu sein, unvermindert zu bewahren. Sie wird gegenwärtig vom Lieutenant Pennington commandirt und gehört zur Kavallerie-Brigade des General Cufter. Bei dieser Gelegenheit mag erwähnt werden, daß jede amerikaniſche Batterie , wie jedes Infanterie- , jedes Kavallerie- Regiment und die Stäbe der Divifions- und Corps - Generäle eine sogenannte Schlachtenflagge mit sich führen, in deren Tuch die Namen der mitgemachten Schlachten eingestickt werden. Außerdem herricht in den beiderseitigen Armeen der schöne Brauch, daß auf die Röhre der erbeuteten Kanonen, die Namen der Eroberer eingravirt werden . Es ließe sich noch eine große Menge von Fällen anführen, in welchen Batterien und einzelne Geſchüßzüge Gelegenheit fanden, sich in den verſchiedenartigsten Gefechtslagen init Ruhm zu bedecken ; um indeß die Grenzen dieser Aufzeichnungen nicht gar zu weit zu überschreiten,

117 dürfte es gerathen ſein, abzubrechen und die Aufmerkſamkeit für einige Augenblicke auf die Verwendung größerer Artillerie- Maſſen zu lenken. In Betreff dieser läßt es sich glücklicher Weise nicht leugnen, daß die commandirenden Generäle, von denen freilich eine nicht unbedeu. tende Anzahl aus der Artillerie ſelbft hervorgegangen sind , mit wenigen Ausnahmen ihre Artillerie wohl zu schäßen und richtig zu verwenden wiffen. Dieses Verdienst ist aber um so höher anzuschlagen, je schwieriger gerade auf den amerikaniſchen Schlachtfeldern die Verwendung größerer Artillerie- Maffen des bedeckten und unwegsamen, im Allgemeinen sehr waldreichen und nur theilweiſe cultivirten Terrains wegen ist. Wie gewöhnlich, fo pflegt auch im gegenwärtigen amerikanischen Kriege die Artillerie die Gefechte zu eröffnen . Der Angreifer findet dabei den Vertheidiger - wenn dieſer auch nur wenige Stunden zur Vorbereitung erübrigen konnte - ftets in vorbereiteten, durch Erdaufwürfe und gefällte Bäume gezeckten Positionen und Geschüßeinschnitten . So lange der Kampf keine entschiedene Wendung nimmt , bleiben die Batterien auf den Flügeln ihrer Brigade und Divifionen, wobei fie jedoch ftets eine permanente , circa 100 Mann starke Particular-Bedeckung erhalten .

Soll jedoch ein entscheidender Stoß geführt oder

abgewehrt werden, so werden nicht bloß die noch vorhandenen ReſerveBatterien , sondern auch einzelne entbehrliche Divisions-Batterien mit großer Umsicht und Gewandtheit an dem betreffenden Punkte der Schlachtlinie concentrirt und dort selten ohne entscheidende Erfolge verwendet. Vor der Schlacht bei Fredericksburg , am 13. Dezember 1862, concentrirte Burnside faßt seine sämmtlichen Batterien am nördlichen Ufer des Rappahannock und deckte durch ihr überlegenes Feuer den jum Uebergang seines Corps erforderlichen Brückenbau ; in der Schlacht ſelbſt unterließ er es jedoch , den Angriff auf die feindlichen Erdwerke gehörig durch Artilleriefeuer vorbereiten zu lassen , und hauptsächlich in Folge dieses Fehlers sah er sich schließlich genöthigt , feine durch das feindliche Kartätſch- und Granatfeuer zerschmetterten Kolonnen in der Nacht vom 14. zum 15. unverrichteter Sache wieder über den Fluß zurückzuführen .

118

General Roſekrans wußte seine Geſchüße beffer zu gebrauchen. Als der conföderirte General Hardee in der Schlacht bei Murfreesboro, am 31. Dezember 1862, durch Ueberrumpelung in der Morgendämmerung den ganzen rechten Flügel Rosekrans eingedrückt und die Divifionen Johnson, Davis und Sheridan nach Verluft fast aller Geschüße in voller Auflösung auf das Centrum geworfen hatte , poftirte Rosekrans alle nur irgend disponiblen und entbehrlichen Batterien senkrecht zu seiner Schlachtlinie auf dem rechten Flügel ſeines Centrums und trieb durch ihren Kartätschenhagel die heranftürmenden feindlichen Colonnen so empfindlich zurück, daß er die zersprengten Divifionen wieder sammeln und seine Schlachtlinie neu formiren fonnte. In ähnlicher Weise und mit ebenso günftigem Erfolge concentrirte General Pleasanton am 2. Mai bei Chancellorsville 25 Geſchüße und Ateckte damit dem Siegeslauf Stonewall Jackſon's ein Ziel, als dieſer nach Vernichtung des rechten Flügels des Generals Hooker im Begriff war , die ganze unirte Armee aufzurollen. Mit dem Morgengrauen des folgenden Tages ward der erbitterte Kampf erneuert; die Conföderirten richteten hierbei ihre wüthendsten Anfälle zunächst gegen den Angelpunkt, welchen Hooker's zurückgenommene Rechte mit dem Reft seiner noch intakten Schlachtlinie bildete.

Allein Hooker hatte dieſen

Punkt durch Erdwerke und Verhaue im Laufe der Nacht derartig verftärkt und mit Geſchüßen befeßt , daß die Divisionen Heath Coulson und Rodes vergeblich und unter entfeßlichen Verluften dagegen an. ftürmten ; erft als Stuart 20 gezogene Gefchüße auf dem Fairview, Hügel auffahren und durch ihr Feuer die feindliche Position Stunde lang enfiliren ließ , gelang es , die feindlichen Werke zu erstürmen. Niemand konnte es sich erklären , weshalb die Sturmkolonnen, auf den Brustwehren angelangt, mehrere Momente ftußten und das Innere der geräumten Werke zu betreten scheuten ; erst später erfuhr man, daß sie vor dem Anblick zurückgeschreckt waren , welcher sich ihnen in jenem Momente dargeboten hatte ; die Stuart'ſchen Geſchüße hatten nämlich mit so furchtbarer Genauigkeit ihr Ziel zu finden gewußt , daß ganze Reihen der wackeren Vertheidiger in jeder denkbaren Lage zerschmettert, zerfleischt und zerriffen niedergefired worden waren.

119 Bei Gettysburg hatte General Meade den hinter der Stadt gelegenen Kirchhofshügel, den Schlüffel zu ſeiner Stellung , mit 46 Geſchüßen beſeßt. Der Feldherr der Conföderirten, General Lee , wußte indeß die Wichtigkeit dieſes Punktes wohl zu würdigen und ließ, um die ungenügenden Erfolge des vorhergehenden Tages ( 2. Juni 1863) zu vervollständigen, nahe an 100 Geschüße auf der gegenüberliegenden Höhe auffahren und den Kirchhofshügel 3 Stunden lang mit einem wahren Kugelregen überschütten ; Meade verstärkte nach und nach die 46 dort poftirten Geſchüße durch seine Reſervebatterien und wies mit Hülfe derselben alle Versuche der Conföderirten , den Hügel zu erftürmen, erfolgreich zurück. Freilich wurden inzwischen seine Batterien buchstäblich zerschmettert, 15 Proßen flogen in die Luft, Hunderte von Pferden, die Hälfte der Offiziere und Kanoniere wurden getödtet, eine Batterie verlor in Zeit von 20 Minuten 35 Pferde, die Trümmer der zerschoffenen Laffeten flogen in den Batterien umher - allein Meade erreichte seinen Zweck; soviel Geſchüße auch demontirt werden mochten, der Reft derselben schmetterte die leßten feindlichen Sturmkolonnen nieder und sicherte der Union einen neuen Sieg. Wie die erwähnten Schlachten, so find alle übrigen reich an Momenten , in welcher die Wirkung richtig verwandter Artillerie-Maſſen deutlich zu Tage tritt ; ihre vollständige Aufzählung würde indes dazu Beranlassung geben, der Betrachtung der Wirksamkeit der Feftungs-, Belagerungs- und Marine- Artillerie den ihr gebührenden Raum allzu sehr zu verkürzen. Es möge nur noch in der Kürze erwähnt ſein, daß die Amerikaner das System des Kaiſers Napoleon , das Gepäck vor der Schlacht ablegen zu laſſen , in vielen Fällen erfolgreich nachgeahmt haben . General Hooker ging sogar so weit, das ganze Gepäck der Armee zurückzulaſſen, als er im Mai 1863 dem durch das Shenondah - Thal vorausgecilten General Lee durch Gewaltmärsche zuvorzukommen ſuchte. Während er mit ſeinen erleichterten Truppen nach den Höhen von Centreville eilte, wurde das Gepäck mittelft der Bahn nach dem Aquia Greek gebracht und von dort per Schiff nach Waſhington transportirt. Eine andere , alle rettende Artilleriften besonders intereffirende Thatſache ist die, daß sich die amerikaniſchen Kavallerie- Batterien ſehr häufig und sehr gewandt der Attaque mit der blanken Waffe bedienen, um

120 fich allzuläftige feindliche Trupps fern zu halten.

Die glänzendfte

Affaire dieser Art fiel einer der reitenden Batterien zu , welche der Kavallerie- Divifion des Generals Kilpatrick zugetheilt find ; die Batterie ſah fich, als die genannte Division am 10. October dieses Jahres die Potomat- Armee auf ihrem Rückzuge nach dem Rappahannock zu decken hatte und dabei auf das Heftigfte von Lee gedrängt wurde, derartig von feindlichen Plänklern umringt , daß der Commandeur genöthigt wurde, seine Bedienungen zur Attaque zu formiren und die Zudringlichen zurückzutreiben.

Es gelang ihm vollständig , während der Rest

seiner Leute inzwischen abgeproßt hatte und demnächst die zurückkehrenden Reiter durch ihr Shrapnelfeuer aufnahm. Die Anstrengungen, welche die kämpfenden Parteien machten , um ihre Feld-Artillerie auf diejenige Stufe zu erheben, welche der Größe ihrer zahlreichen Heere entſprachen, wurden von den koloſſalen Erweiterungen und den wichtighten Verbesserungen ihrer Belagerungsparks und ihres Feftungs. und Marine- Geſchüßſyſtems faßt übertroffen . Die Vereinigten Staaten besaßen vor dem Beginn des Krieges mit Ausnahme einiger unbedeutender, meist aus Erdwerken bestehender Grenzforts , welche kaum den Namen eines Forts verdienten , sowie mit Ausnahme der zum Schuße. der Häfen angelegten Batterien und Heineren Werke, unter denen das Fort Monroe am Eingang der Chesapeake Bay das bedeutendste war, keine größeren Feftungsbauten . Jene kleinen Batterien und Forts waren überdies durchgängig nur mit glatten Geſchüßen von schwerem Kaliber armirt , unter welchen 24uge, 32uge, 42 uge , 48 uge , 64 uge Kanonen , 8- und 10zöllige Columbiaden, 8- und 13jöllige Seeküsten - Mörser am zahlreichsten vertreten waren . Den Intriguen der Sclavenhalter- Partei war es gelungen, sich beim Ausbruch des Krieges in den Befiß faft aller im Bereich der Süd - Staaten belegenen Forts zu seßen ; mit diesen fielen nicht nur sämmtliche Armirungen in ihre Hände, ſondern sie hatten es auch, wie bereits früher gesagt, verftanden, die in den nördlichen Zeughäufern vorhandenen Vorräthe lange vorher unter allerlei nichtigen Vorwänden in ihren Bereich zu schaffen . Die Conföderirten beſaßen da . her, namentlich im Anfange des Krieges , eine solche Menge schwerer Geſchüße, daß fie die großen Verluste, welche sie gerade in dieſer Waffengattung erlitten , als sich im Verlaufe des Krieges nicht bloß ein

121 Küftenfort nach dem anderen , ſondern auch die an der Mündung des Missisippi belegenen Forts Philipp und Jackson , sowie die Städte New-Orleans, Vicksburgh, Port Hudſon den Unirten ergeben mußten. Sie waren übrigens auch in der Zwischenzeit nicht müßig gewesen und hatten sich mit Aufbietung aller Mittel beftrebt , die verlorenen glatten Geſchüße durch neue und gezogene zu erschen. Den Unirten fehlten dagegen die schweren Geſchüße anfänglich in um ſo empfindlicherem Grade, als sie derselben gleich nach dem Beginn der Feindseligkeiten sowohl zur Armirung der aus der Kauffarthei-Flotte gemietheten, zum Theil neuerbauten Schiffe , als auch zur Bewaffnung neuer Festungswerke und Strandbatterien in großer Anzahl bedurften. Wie hoch fich allein der Geschüßbedarf der Flotte fteigerte, ift daraus erfichtlich, das die im März 1861 nur 35, meist alte und ab= getakelte Segelschiffe und 34 Dampfer starke Kriegsflotte im gegenwärtigen Moment (Ende 1863) bis auf nahe an 500 Kriegsfahrzeuge mit mehr als 4000 Geſchüßen angewachsen ist. Unter den Schiffen befinden sich circa 140 Panzerschiffe mit 700 Geſchüßen des allerschwerften Kalibers . Andererseits erforderten die Belagerungen von Vicksburgh , Port Hudson und Charleston die Formirung und Ausrüstung großer Belagerungstrains und als die größeren den verschiedenen Kriegsschauplägen näher liegenden Städte , wie z. B. Alexandria , Washington, Harpers -Ferry am Potomak, Cincinnati, Louisville am Ohio, St. Louis, Kairo, Memphis, New-Orleans am Miſſiſippi durch Erdwerke gegen einen feindlichen Anprall ſicher gestellt werden mußten , vermochten die unausgefeßt arbeitenden Geſchüßgießereien des Nordens, den von allen Seiten, von der Gesammtregierung sowohl, wie von den Regierungen der einzelnen Staaten einlaufenden Bestellungen kaum noch zu genügen . So hat z . B. allein die Regierung des Staates New -York in dem zum Schuß des Hafens von New York erbauten neuen Werken und Batterien, im Hinblick auf die Möglichkeit eines Krieges mit England, nahe an 800 Geſchüße in Position gebracht ; daß sich hierunter eine Menge alter, aus verschiedenen Zeiten und aus den mannigfachsten Syftemen herstammende Geschüße befinden und daß dieselben ſchwerlich mit genügenden Munitionsvorräthen dotirt sein mögen, ist wohl sehr wahrscheinlich.

Andererseits läßt es sich nicht läugnen, daß die Nord-

122 Amerikaner in ihrer energischen und praktischen Weise die größten AnArengungen machen , um auch aus dieser Branche ihrer Streitmittel das Chaos zu entfernen und mittelft des Erſaßes der alten Kaliber durch gezogene Geſchüße nach und nach Syftem und Einfachheit hineinzubringen. Während die Nordſtaaten zunächſt darauf Bedacht nehmen , ihren Belagerungspark vor Charleston durch Einstellung 200 und 300

ger

Parrott- Geſchüße zu erweitern und die glatte Armirung der Monitors durch gezogene 100- und 200 &der zu erſeßen, haben die Conföderirten ihre wenigen, aber vortrefflichen Kaperschiffe mit schweren gezogenen Whitworth's und Armstrong's armirt und die Vertheidigungsfähigkeit ihrer Werke bei Charleston durch Aufstellung der schwerßten gezogenen Kaliber, unter welchen sich sogar 2–800 uge Blakely-Kanonen befinden in bedeutendem Grade erhöht. Was die Laffetirung dieser schweren Kaliber anbelangt , so ift fie äußerst mannigfach und mitunter aus Mangel an Material und Arbeitskräften ſehr unvollkommen und nothdürftig ; wie bereits erwähnt, werden für die schweren Parrott'schen Kaliber beſondere, größtentheils eiserne Laffeten- Conſtructionen angewandt. Die Geſchüße feuern, so weit fie hinter Erdbrustwehren ſtehen, zum Theil durch Scharten, zum Theil über Bank; Laffeten mit großer Lagerhöhe find indeß nicht in Gebrauch : beim Feuer aus tiefen Scharten bedienen sich beide Parteien der Schartenblendungen und der aus der Vertheidigung von Sebaftopol bekannten Tauwerk- Scheiben, welche zum Schuge der richtenden Nummern auf das Geſchüßrohr gefteckt worden und mit Vifireinſchnitt versehen sind. Die Batterien und Brufiwehren sind durchgängig mit Körben bekleidet , die jedoch der Zeichnung nach größere Höhe , als die bei uns jeßt üblichen 3 füßigen beſißen ; überall wo sich der Feind schwerer gezogener Geſchüße bedient ; werden die Bruftwehrstärken bedeutend, mitunter bis auf 40 Fuß erhöht. Die Anwendung der Traversen, Blendagen , bombensicheren Magazine , Ladeftellen und Unterkunftsräume ift eine überaus reiche und bietet gerade in dieser Richtung die Be. lagerung von Chartefton ein reiches Fold neuer Erfahrungen und Betehrungen dar . Auch macht es dieser Umstand erklärlich , daß bei den durch ihre Heftigkeit ganz abnormen Bombardements der Werke und

123 der unausgefeßten Beschießung der Angriffsbatterien unverhältnißmäßig wenig Verluste an Menschenleben zu beklagen find. Die Eindeckung der Hohlbauten erfolgt ſehr häufig durch Eisenbahnschienen, die sich hierbei ganz vortrefflich bewährten. Als eine Originalität verdient die starke Benutzung der Baum. wollen-Ballen zur Verstärkung der Batteriebauten , Laufgraben, und Wallbrustwehren , sowie zur Deckung der Sappenteten und der über Bank feuernden Geſchüße erwähnt zu werden. Sie finden auf beiden Seiten , ganz besonders aber bei den Angriffs- und VertheidigungsArbeiten der Conföderirten Anwendung, da leßtere ihre angeſammelten Baumwoll- Vorräthe lieber in dieser Weise verwenden , als sie in die Hände des Feindes fallen lassen .

Die große Widerstandsfähigkeit der

Ballen im Verein mit ihrem bei großem Volumen geringen Gewicht und dadurch bedingter leichter Handhabung , gewährt dem Batterieund Sappen-Bau die größten Vortheile und beschleunigt ihn außer. ordentlich ; mit einer genügend starken Erdlage bedeckt, zeigten sie sich überdies dem Feuerfangen durch die Sprengladung der Geſchoffe weniger ausgefeßt, als man es anfangs befürchtet hatte; trat dieſer Fall gleichwohl hin und wieder ein , so erstickte doch sehr bald die darauf lagernde Erde den begonnenen Brand ; dagegen ereignet es ſich ſehr oft, daß die zur Deckung der Bank- Geſchüße und der Sappenteten , sowie zum Schuß der Wände hölzerner Schiffe verwendeten Ballen durch die feindlichen Geſchoffe in Brand geriethen, was im leßteren Falle mehrmals zur Verbrennung des ganzen Schiffes Veranlaſſung gab . Besonders häufig ward die Baumwolle in den vorbezeichneten Fällen bei den Belagerungen von Vicksburgh, Port Hudson und Jackson , sowie im Miſſiſſippi- Geschwader bei der Forcirung der Ufer- Batterien und Seitens der Conföderirten mit außerordentlichem Erfolge bei der Wegnahme des vereinigten Staaten-Kanonenbootes Harriet Lane im Hafen von Galveston in Teras verwendet . Sandsäcke ſcheinen als Verbauungs- und Deckungs- Material äußerst beliebt zu sein und wurden bei den verschiedenen Belagerungen in großen Quantitäten verwendet ; ihre Anwendung zur Verstärkung der Wände der Panzerschiffe im Schiffsraume felbft und zwar im durchnäßten Zuſtande dürfte neu ſein, und mag ihr deshalb weiter unten und an der entsprechenden Stelle noch eine nähere Erwähnung zu Theil werden .

124 Der hier zu Gebote stehende Raum erlaubt es nicht, den Gang der einzelnen Belagerungen im Zuſammenhange mitzutheilen ; ich muß mich daher auf einige ſummariſche Angaben beschränken und in Be. treff der ausführlichen Schilderungen auf die in Arbeit befindliche und demnächst erscheinende Fortscßung meiner Brochüre hinweiſen . Ueber die Fortnahme des Fort Sumter im Hafen von Charleston, der befeAtigten Insel Roanoke im Albemarle- Sund an der Küste von NordCarolina , die Einnahme der Forts Pulasky Philipp und Jackson an der Küste von Süd- Carolina, resp . der Mündung des Missisippi, so wie über die Eroberung der Missisippi-Jnſel Nr. 10. enthält das erſte Heft der citirten Brochüre an mehreren Stellen die erforderlichen Notizen. Betrachten wir die im Jahre 1863 im amerikaniſchen Kriege ſtattgehabten Belagerungen in chronologischer Reihenfolge, so müffen wir mit Vicksburgh am Missisippi beginnen. Die Berennung begann bereits im Januar 1863 ; es gelang indes dem Unions-General Grant erst am 19. Mai, die auf dem sehr hohen linken Missisippi-Ufer belegene Stadt vollständig von der Land und Wafferſeite einzuschließen ; mit diesem Tage begann auch die Eröffnung der Trancheen, und da die in Folge der Erschöpfung der Garnison und des Mangels an Lebensmitteln erfolgende Uebergabe am 4. Juli 1863 stattfand, so hat demnach die Berennung länger als 5 Monate und die eigentliche Belagerung 46 Tage gedauert. Die Befestigung bestand nur aus Erdwerken, die allerdings durch koloffale Profile und eine ungemein reiche Anzahl künklicher Hindernißmittel, sowie durch eine gute Armirung und eine vortreffliche Vertheidigung zum zähen Widerstande geeignet gemacht worden waren . Zwei Versuche, die Stadt durch den gewaltsamen Angriff zu nebmen, schlug der Commandant Generallieutenant Pemberton am 18 . und 22. Mai blutig zurück und zwang hierdurch die Unirten zu den ausgedehnteſten, mit Rücksicht auf die gezogenen Geſchüße, namentlich im Profil sehr starken Angriffsarbeiten . Grant mußte fich ſchließlich des Minenkrieges bedienen, und öffnete Ende Mai durch Wegsprengung der Spiße das die Stadt dominirende Hauptwerk ; gleichwohl fand er im Kampf um den Besiß des Werkes und des Minentrichters einen so energiſchen Widerstand, daß

125 es ihm erst am vierten Tage gelang , die Hälfte des Werkes zu erobern; die andere Hälfte behauptete der Feind durch Anlegung eines Abschnittes bis zur Uebergabe. Die Belagerer hatten ihre Batterien nicht nur durch eine zahlreiche, meist gezogene Feld- Artillerie armirt, sondern auch eine Anzahl schwere , der Flotte entlehnte gezogene Geſchüße in Position gebracht; sie wurden überdies Seitens der Leßteren durch ein permanentes Bom bardement der Stadt wesentlich unterſtüßt. Die Besaßung bestand aus 31,000 Mann, von denen jedoch 5,400 Verwundete und Kranke (ſo viele fanden sich bei der Uebergabe vor) in Abzug gebracht werden müssen . Die ganze Besaßung, incl. ein Generallieutenant, 4 General- Majors , 14 Brigade- Generäle , wurde parolifirt und dann entlassen. Dem Sieger fielen 90 Belagerungsgeschüße , 128 Feldgeſchüße und 35,000 Gewehre in die Hand. Die Munition war bis auf 20 Patronen pro Mann und wenige Schuß per Geſchüß verbraucht ; ganz besonders hatte es an Zündhütchen gefehlt, und in Betreff der Lebensmittel war die Noth so hoch geftiegen , daß das 4. Eſelsfleiſch (das Schlachtvieh und die Pferde waren längst verzehrt) mit 1 Thlr. 10 Sgr. bezahlt wurde, während das ul. Mehl 6 Thlr. 20 Sgr. kostete. Die Belagerungs - Armee war Anfangs 60,000, schließlich 75,000 Mann stark; hiervon mußten jedoch circa 20,000 Mann zur Beobachtung des unter Johnſtone ſich bildenden Entſaßheeres verwendet wer den ; fie verbrauchte während der Belagerung :

19,000 Vollkugeln 72,000 Granaten und Bomben

(gezogene Gefchoffe und Bomben )

47,000 sphärische Geschoffe, 3000 Kartäschen, S. 141,000 Gefchoffe. Dieselbe Bedeutung , welche der Befiß von Vicksburgh für die Conföderirten hatte, mußte auch dem 200 englische Meilen weiter Aromabwärts belegenen Port-Hudſon beigemeffen werden . Beide Pofitionen versperrten den Unirten die freie Schifffahrt auf der zwiſchen ihnen liegenden ganzen Strecke und ſicherten überdies die Verbindung zwiſchen den öftlichen und weftlichen Gebieten der Conföderirten. Dieſe Berbindung war aber um ſo wichtiger, als die Heere der Südstaaten

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nicht bloß ihren Hauptbedarf an Schlachtvieh aus dem noch ganz vom Kriege verschont gebliebenen Teras bezogen , sondern ihnen auch auf diefem Wege mittelft des in Matamoras , an der Grenze zwiſchen Teras und Mexico etablirten großen Schmuggelhandels ein bedeutender Theil des vom Ausland kommenden Kriegsmaterials zugeführt wurde. Ehe daher noch die Unirten Zeit gehabt hatten, von New- Orleans aus diesen wichtigen Punkt zu beſeßen , hatten die Conföderirten fich beeilt, die bereits von Natur ftarke Position in einer Weise zu befeftigen, daß es später mehrmonatlicher Anstrengungen bedurfte, um ihnen dieselbe wieder zu entreißen. Ein Versuch, welchen Admiral Farragut Mitte März unter gleichzeitiger Mitwirkung einer von Baton-Rouge gegen Port Hudson vorgehenden Landerpedition machte, um mittelft seines Geschwaders die Ufer- Batterien zum Schweigen zu bringen, schlug fehl. Die Batterien zeigten sich den Schiffen derartig überlegen , daß diese unter bedeutenden Beschädigungen und mit Verlust des größten Schiffes, des Richmond , den Kampf aufgeben und zurückkehren mußten. Nur dem Admiralschiff Hartford und dem von ihm bugfirten Albatros gelang es , die Vorbeifahrt zu forciren und die zwischen Vicksburgh und Port Hudſon belegene Stromstrecke unter Controlle zu nehmen. Die Landerpedition mußte ebenfalls unverrichteter Sache zurückkehren. ” Am 21. Mai traf General Banks mit circa 35,000 Mann vor Port Hudſon ein, um daffelbe von der Landſeite einzuschließen ; während gleichzeitig die Flotte ihre Operationen vom Fluß aus wieder aufnahm .

Von diesem Tage an datirt ſich auch die nun beginnende

förmliche Belagerung ; ein Versuch , sie durch den gewaltsamen Angriff am 27. Mai abzukürzen, mißglückte vollständig. Die Sturmkolonnen fanden große Schwierigkeiten in den vor den Werken gelegenen ausgedehnten Sümpfen und breiten Verhauen und stießen auf außerordentlich starke, in doppelten und dreifachen Reihen angelegte Erdwerke und Schüßengräben. Es kann daher nicht befremden, daß fie bei dem vernichtenden Feuer der Besaßung troß der größten Bravour nicht zu reuffiren vermochten und ſchließlich mit einem Verluste von 3000 Mann zurückgeschlagen wurden . Die mit großer Energie betriebene fernere Belagerung, zu welcher nicht bloß eine große Menge schwerer, aus New - Orleans herbeige-

127 schaffter Geschüße , sondern auch ein Theil der Flottengeschüße und sämmtliche der Banksschen Armee angehörende Feldbatterien verwen det wurden, fand in der durch General Gardner geleiteten Vertheidigung den rühmlichsten Widerstand. Sie schritt demgemäß nur äußerst langsam vorwärts und nöthigte zur Anlage einer Menge großer stark armirter Angriffsbatterien. Die brave Besaßung litt indeß in noch höherem Grade, als die von Vicksburgh Mangel an Lebensmitteln und fab fich in Folge deffen nach einer 48 tägigen ruhmvollen Vertheidigung genöthigt , als ihr durch den Fall von Vicksburgh jede Aussicht auf Entſaß entzogen war , am 8. Juli zu capituliren . Bei der Uebergabe ftellte es sich heraus, daß die Besaßung , die man während der Belagerung auf 10-12,000 Mann geſchäßt hatte, nur 5500 Mann stark gewesen war ; fie fiel als kriegsgefangen in die Hand des Siegers ; mit ihr 20 schwere , 31 Feld- Geſchüße und 5000 Gewehre. Sowohl in Vicksburgh wie in Port Hudſon hatten die Conföderirten die fteilen und hohen Uferabhänge benußt, um Erdhöhlen anzulegen , in welchen der nicht im Dienst befindliche Theil der Beſaßung ein bombensicheres Unterkommen fand ; auch war für den Schuß der Wachen und Geschüßbedienungen in den Werken selbst durch zahlreiche Traversen und Hohlbauten Sorge getragen worden . Bei Weitem großartiger als die beiden genannten Belagerungen hat fich der gegenwärtig (Ende 1863 ) noch in vollster Heftigkeit wüthende Kampf um Charleston entwickelt. Dieser an der Küste von Süd - Carolina gelegene Hafen befißt nicht allein dadurch eine für beide Parteien hohe Bedeutung , daß er bei der großen Nähe der Bermudas -Inseln , des Hauptstapelplaßes des Schmuggelhandels, den Blokadebrechern willkommene Gelegenheit bie= tet, ihre Cargo's auf kürzestem Wege den Conföderirten zuzuführen, sondern es ist auch die Wiedereroberung deſſelben gleichsam eine Ehrensache für die Nordftaaten geworden. In ihm fiel der erste Schuß gegen die Regierung der vereinigten Staaten ; in ihm senkte sich zum Erftenmale das Sternenbanner vor der Palmetto - Flagge ; und erft wenn Charleston erobert und gedemüthigt ſein wird , wird man glauben der Ehre des Nordens Genüge geleiſtet zu haben. Achtundzwanzigfter Jahrgang. LV. Band.

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128 So lange die Flotte und die Belagerungsparks der Unirten nicht ftark genug waren, um den Kampf mit den unter General Beaure. gards persönlicher Leitung bedeutend verstärkten Hafenbefestigungen aufzunehmen, hatten sie sich damit begnügt, den Eingang zum Hafen durch Versenkung großer Steinflotillen möglichst zu versperren und die Blokade nach Kräften zu verschärfen.

Während der Winterruhe von

1862 auf 1863 rüftete fich Beauregard zum energiſchſten Widerstande. Das die Einfahrt zum inneren Hafen deckende Fort Sumter , welches bekanntlich beim Ausbruch des Krieges eine hervorragende Rolle ge spielt hatte und hierbei ſtark beſchoſſen worden war, wurde vollständig retablirt und mit 104 Geſchüßen, darunter 12 gezogene, 52-10zöllige Columbiaden, 6zöllige Dahlgreen's und 13zöllige Mörser, armirt. In gleicher Weise wurden Fort Moultrie auf Sullivans Island, die Forts: Pinkney und Ripley im innern Hafen, und Fort Johnson auf James Island mit resp . 50, 25, 8 und 8 schweren größtentheils gezogenen Geschüßen bewaffnet und durch eine große Anzahl Strandbatterien und Erdwerke verstärkt. Im Ganzen hatte General Beauregard in den genannten Forts und den 23 Strandbatterien und Erdwerken circa 400 schwere Geſchüße, von denen die Gießerei bei Richmond allein 200 Stück geliefert hatte, zur Vertheidigung des Hafens in Position gebracht. Sämmtliche Batterien 2c. ftanden unter sich und mit Charleſton durch unterirdische Leitungen in telegraphischer Verbindung ; der Eingang zum Hafen selbst war durch große verſenkte Steinkaften , an welchen Flöße von 50 Fuß langen , untereinander durch Eiſenbahnſchienen und Ketten verbundenen Tannenbäumen , befestigt waren , sowie auf den Untiefen durch dreifache Reihen von Pfahlwerk versperrt.

An allen diesen Ver-

rammelungen hingen überdies nicht bloß eine große Anzahl von Höllenmaschinen, von denen die flärkſte 5000 &. Pulver enthielt , ſondern auch ganze Reihen ſtarker Fischerneße, welche bestimmt waren, die Be wegungen der Schiffsschrauben zu hindern. In gleicher Weise, wie die Hafenseite, hatte der unermüdliche und fähige Ingenieur General Beauregard die schon durch das moraftige unwegsame Terrain ziemlich gesicherte Landfront durch Anlage von fünf großen, mit circa 100 Geschüßen armirten Forts gegen Angriffe feindlicher Landungstruppen gesichert. Den Sicherheitsdienst im Hafen

129 felbft verfahen drei eiserne mit je brei schweren gezogenen Geſchüßen bewaffnete Widderschiffe. Die aus circa 30,000 Mann bestehende Bes faßung war zum äußerßten Widerftande entschloffen und durchgängig gut eingeübt. In dieser Verfaffung konnte Beauregard ohne große Besorgnis "die längst in Aussicht geftellte Monitor-Flotte der Unirten am 5. April auf der Rhede von Charleston erscheinen sehen. Der Angreifer hatte eben so wenig wie der Vertheidiger die Zeit der gezwungenen Winterruhe zu benüßen verſäumt, und seine Rüstungen waren in Betreff ihrer Großartigkeit denen des Vertheidigers in jeder Hinsicht ebenbürtig. Monate lang war auf den Schiffswerften, in den Gießereien und Militair-Etablissement des Nordens nur für die Ausrüstung der gegen Charleston bestimmten Expedition gearbeitet worden, und als dieselbe endlich am 1. April dieses Jahres ihren Sammelplaß Port Royal verließ und in der Richtung nach Charleſton fortdamyfte, waren die Blicke von ganz Nordamerika auf sie gerichtet. Sie bestand aus einer Panzer-Fregatte, 7 Monitors, einer großen Anzahl zum Theil hölzerner, zum Theil gepanzerter Kanonenboote und einer beträchtlichen Flotille von Transportschiffen und wurde vom Admiral Dupont befehligt.

Dieser See- Expedition waren circa 20

bis 25,000 Mann Landungstruppen unter General Hunter beigegeben. Nach dem Operationsplan ſollte zunächst nur die Monitor-Flotte die Batterien und Forts, welche die Hafeneinfahrt versperrten , in specie Fort Sumter zum Schweigen bringen, und erst, wenn dies geschehen, ſollten die übrigen Kanonenboote und die Landungstruppen an dem ferneren Kampf um Charlekon Theil nehmen . Demgemäß fuhren die 7 Monitors und die Panzer-Fregatte Zronfides, von denen jeder der erfteren zwei bis drei 11- bis 15zöllige Geſchüße, die leßtere aber 18 Geſchüße führte, am 7. April Mittags auf Schußweite an das Fort Sumter heran und eröffneten hier einen Kampf, der in den Annalen der Kriegsgeschichte nicht seines Gleichen findet. Die Monitors waren schließlich an eine Stelle gelangt , in welche sich sämmtliche Schußlinien der größeren Forts kreuzten , und hier erft begannen die leßtern von der ganzen Wirksamkeit ihrer zahlreichen und schweren Armirung vollen Gebrauch zu machen.

Keine Schilderung vermag eine Vorstellung 9*

130 von der Heftigkeit des gegenseitigen Feuers und der Großartigkeit dieser Scene zu geben. Während der halben Stunde, in welcher die Monitors dem verderblichen Feuer ausgeseßt waren, zählte man in der Minute 60-100 Schuß aus den 10- und 11 zölligen Columbiaden und den schweren gezogenen Kanonen der Conföderirten , und in der That find in der kurzen Zeit 3500 Schüffe auf die Schiffe abgefeuert worden. Die Behauptung , daß das Anprallen der Kugeln an die Panzer der Monitors zuweilen so regelmäßig vor sich gegangen sei, wie das Ticken der Uhr, mag daher nicht ganz unrichtig sein. Der Versuch, bei den Forts vorbeizufahren und in das Innere des Hafens einzudringen, ſcheiterte an den Verrammelungen und mußte auch schon deshalb aufgegeben werden , weil die an denselben befindlichen Neße die Schiffsschrauben ihrer Beweglichkeit beraubten. Der kleine Monitor Koekuk, der troß seiner nur 5 Zoll ftarten Platten bis auf 500 Yards an das Fort Sumter herangefahren war und dasselbe mit seinen 11zölligen Geſchüßen bearbeitete, mußte ſeine Verwegenheit dadurch büßen, daß er von 90 Kugeln getroffen, mit 5 Löchern im Rumpf und durchschoffenen Thürmen zu finken begann. Admiral Dupont, der kurz vor 5 Uhr das Gefecht abgebrochen und die ebenfalls Atark beschädigten übrigen Monitors außer Schußweite gebracht hatte, konnte nicht verhindern , daß der Koekuk , nachdem die Mannschaft gerettet worden war, am andern Morgen auf der Barre in 18 Fuß Wasser versank. Der Angriff war demnach vollständig geſcheitert, denn wenn durch die 151 schweren Geschoffe der Monitor's, und nur so viele wurden von ihnen während des ganzen Gefechts verfeuert, im Revetement des Forts 11 Deffnungen gebrochen waren , von denen einige ſogar eine Breite von 3 Fuß besaßen, so war doch dies Resultat im Verhältniß zu den angewandten Mitteln und zu den entstandenen enormen Unkoften ein durchaus ungenügendes, ja kaum erwähnenswerthes. Außer dem in den Grund gebohrten Koekuk trugen auch die Fronfides und die 6 übrigen Monitors deutliche Spuren des furchtbaren Kampfes an sich , und augenscheinlich hatte sie nur die größere , meißt 11 Zoll betragende Stärke ihrer Panzer vor gleichem Schicksal bewahrt.

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Die Zronfides war 60-70 Mal getroffen worden , ohne jedoch farle Beschädigungen erlitten zu haben ; eine 11zöllige Granate war durch ihren Bug gegangen , aber zwischen der Schiffswand und der 4 Fuß ftarken Fütterung mit naffen Sandsäcken, welche der Commandeur vorsichtiger Weise an den schwächeren Stellen des Schiffes angebracht hatte, ohne zu krepiren, stecken geblieben. Der Weehawken war 59 Mal getroffen ; der Thurm, ſtark eingebogen, drehte fich nur schwer und beeinträchtigte in Folge deffen das Feuer des Schiffes. Der Nahant hatte 30 Schuß erhalten ; von dieſen hatte einer das Lootſenhäuschen so heftig getroffen, daß die Nieten nach Innen herausspran . gen und alle bei der Steuerung beschäftigten Personen verwundet hatten. Aus dem obern Rande des Thurms des Passaik hatte das 10zöllige Projectil eines gezogenen Geſchüßes ein halbkreisförmiges Stück aus der 11 zölligen Platte herausgeriffen und dann noch einen 3 Zoll tiefen Eindruck in der Panzerung des Lootſenhäuschens bewirkt. Ein anderes Projectil hatte die Thurmwand getroffen und sie so eingedrückt, daß auf der innern Wand eine große Beule entstand und einzelne Theile der Eiſenbekleidung losgingen . Dieſe Trümmer fielen in die Fuge, in welcher der Thurm sich dreht, und machten eine fernere Bewegung desselben unmöglich ; in Folge deffen wurde das Schiff kampfunfähig . Auf dem Nantukett warf fich in Folge mehrerer Schüffe der Thurmpanzer derartig, daß die Klappe der Stückpforte nicht mehr geöffnet und das 153öllige Geschüß nicht mehr gebraucht werden Ein 15 zölliges Projectil hatte den Deckgang des Catskill durchbohrt, den darunter befindlichen eisernen Balken zerbrochen und fonnte.

war dann an einem eisernen Strebepfoften abgeprallt. Die beschädigten Monitors wurden nach Port Royal gesandt, um dort reparirt zu werden ; die Fronsides mit einem Theil der Expedition blieb zur Verftärkung der Blokade vor Charleston zurück, und die begonnene Belagerung wurde insofern aufrecht erhalten, als die Landungstruppen Edisto Island, eines der südlich von Charleston gelegenen Eilande beſeßten und ſich auf demſelben verſchanzten. Sie waren indeß mehr die Belagerten, als die Belagerer, und Beauregard ließ sich durch dieſelben nicht im Mindesten stören, Fort Sumter wieder auszubeffern und die bereits vorhandenen Werke in jeder Weise zu vermehren und zu verstärken.

132 Als Ergebnis des Kampfes vor Charleſton führen die Amerikaner Folgendes an: 1. Die Strand- und Ufer · Befestigungen , welche mit Geſchüßen

neuefter resp. gezogener Construction armirt find , find den hölzernen, sowie den gepanzerten hölzernen Schiffen im ftehenden Gefecht überlegen. Nur die nach dem System der Monitors ſolid von Eiſen gebauten, mit mindeſtens 10zölligen Platten versehenen Schiffe werden ihnen auf die Dauer gewachſen ſein. 2. Vertheidigen derartig armirte Werke und Batterien verrammelte Fluß oder Hafen- Eingänge, so werden fie jede Schiffsgattung, felbft die Monitors, von der Forcirung der Paſſage abhalten können. 3. 3ft die Paffage nicht verrammelt , so können felbft die besten Ufer resp. Strandbatterien den Panzerschiffen und den Monitors die Vorbeifahrt oder Einfahrt nicht verwehren.

Die Admirale Farragut

und Porter haben auf dem Miffifippi wiederholt die starken UferBatterien von Vicksburgh, Grand Gulf, Fort Jackson , Philipp, Insel Nr. 10 2c. ohne besonders große Beschädigungen mit ihren Panzerschiffen, theilweise sogar mit hölzernen Schiffen paffirt ; es geschah dies jedoch stets bei Nacht. 4. 4, 5, 6 bis 9zöllige Panzer geben , wie das Schicksal des Koekut beweist, keine genügende Sicherheit gegen 10 bis 15 zöllige Gefchoffe aus gezogenen Geſchüßen. 5. Die Vernietung der Panzerplatten durch Bolzen iſt gefährlich für die eigene Bemannung, da die anschlagenden Geschoffe die Bolzen nach Innen hinaustreiben und durch dieſelben die Leute beſchädigt werden. 6.

Die Drehungsfuge der Thürme ift ein verwundbarer Theil

der Monitor's , da Geſchoffe , welche sie oder den Winkel zwischen der Bafis des Thurmes und dem Verdeck treffen , Einbiegungen und Beulen verursachen , in Folge deren die Drehung des Thurmes erſchwert oder ganz verhindert wird. Um den größeren Theil dieser Uebelstände zu beseitigen , schlug man vor, die Drehthürme durch eine schwere, mit einer kugelfeften Brüftung versehenen Scheibe zu erseßen . Auf dieſer Scheibe ſollen fich die Geſchüße befinden, die mit der Scheibe vermittelst Maschinendruckes in die Höhe resp. aus dem Schiffe herausgehoben werden

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lönnen. Die Geſchüße werden durch einen Mann nach allen Richtungen hingedreht und abgefeuert. 3ft das Geſchüß abgefeuert , so finkt es ſchnell wieder hinab , um geladen zu werden , und eine andere eiserne Scheibe ſchließt inzwischen die Luke. Während der Fahrt auf offener See können dann auch die Geſchüße in den unteren Schiffsraum hinabgelaffen werden , wodurch die Bewegung des Schiffes eine sichere werden muß ; da überdies hierdurch die Tragfähigkeit und Seetüchtig. leit gesteigert wird, so kann man auch bei derartigen Monitors dicere Panzerplatten anwenden . Schließlich würde die eben geſchilderte ConAruction noch die Vortheile einer leichten Ventilation und die Möglichkeit gewähren, daß die Bemannung nicht mehr durch den Pulverdampf der eigenen Geſchüße beläftigt wird . Ob und in wie weit diese Vor. ſchläge bei den seit jener Zeit stattgehabten Neubauten amerikanischer Monitors Berücksichtigung gefunden haben, vermag ich nicht anzugeben . -Nach mehrmonatlicher Unthätigkeit gewannen die Operationen gegen Charleston Anfang Juni 1863 wieder neues Leben , nachdem inzwiſchen Admiral Dupont durch Admiral Dahlgreen, und General Hunter durch General Gilmore erſeßt worden waren. Von den beiden genannten neuen Befehlshabern entwickelte vorzugsweise General Gilmore außerordentliche Thätigkeit und Umficht. Seinen Operationsplänen lag die Idee zu Grunde, daß die Einfahrt in den Hafen nur durch die Eroberung des davorliegenden Mooris Jsland zu forciren sei , da der Befit dieser Insel nicht blos die auf derfelben liegenden Erdwerke und Strandbatterien außer Thätigkeit feßen, fondern es auch geftatten würde, Fort Sumter durch Landbatterien an seiner schwächsten Stelle , der Kehlseite , anzugreifen und zu zer. ftören. Demgemäß dehnte er mittelft der eingetroffenen Verstärkungen die Occupation von Edisto Island ( der südlich von Charleston gelegene Landftrich besteht aus einer Menge sumpfiger, durch Flußarme von einander getrennter inselartiger Terrainabſchnitte ) auf das nördlich von diesem und füdlich von Mooris Island gelegene Folly Jsland aus, indem er sich erft auf der Südſpiße feftſeßte , dort maskirte Batterien anlegte, fie im geeigneten Moment demaskirte und unter dem Schuße ihres Feuers die Werke der Conföderirten erftürmte und die leßteren von der Insel vertrieb.

134 Daffelbe System wandte er auf Mooris Jsland an , auf deffen Südspiße er, nach Demaskirung von 9 auf dem Nordende von Folly Island erbauten und mit 45 Kanonen und Mörsern armirten Batterien, am 10ten Juli in der Morgendämmerung landete und dem überraſchten Feinde nicht blos mehrere Batterien mit in Summa 14 Geſchüßen entriß, ſondern ihn auch unter Mitwirkung der Flotte bis nach dem Erdfort Wagner im nördlichen Theil der Insel zurücktrieb . - Auf die bei dieser Gelegenheit gezeigte geringe Energie der Conföderirten allzu Atark rechnend , machte Gilmore am Morgen des folgenden Tages, 11. Juli , den Versuch , das Fort Wagner durch einen gewaltsamen Angriff nehmen zu lassen ; troß der Bravour der Sturmkolonnen, von denen sogar ein Theil bis auf die Brustwehr des feindlichen Werkes gelangt , flug die Besaßung den Angriff mit großem Verluft auf Seite der Stürmenden zurück. Ein zweiter, kurze Zeit darauf (18. Juli) versuchter Sturm hatte daſſelbe ungünftige Reſultat zur Folge. Unter diesen Umständen ſah ſich General Gilmore genöthigt, nachdem er ſeine neue Poſition auf dem Südende der Insel durch Verſchanzungen gesichert und Verstärkungen aus Monroe und von der PotomakArmee an sich gezogen hatte, zur Eröffnung der Trancheen gegen das ſcheinbar unbedeutende und gleichwohl heldenmüthig vertheidigte Erdwerk zu schreiten. Im Laufe der sich hieraus ergebenen Belagerung nahmen einerseits Fort Gregg und Fort Sumter ſowie die auf James- und SullivanJsland liegenden conföderirten Werke mittelft des weit tragenden Feuers ihrer schweren Geschüße an der Vertheidigung des Forts Wagner thätigen Antheil, während andererseits General Gilmore durch die Operationen der Flotte und beſonders durch die Fregatte Fronfides und die Monitors wirksam unterstüßt wurde. Vergebens überschütteten die Monitors vom 24. bis zum 28. Juli, mitunter auf Schußweiten von 1200 bis 1800 Yard , im Verein mit Gilmore's Landbatterien das Fort mit einem wahren Hagel der schwersten Geschoffe. Die c. 1500 Mann starke Besaßung begnügte sich in der Regel, das wüthende Bombardement

Stunde lang aus ihren wenigen

Geschüßen zu erwidern, dann aber das Feuer gänzlich einzustellen, die Geſchüße hinter die Traverſen zurückzuziehen und in dem großen bombenfeften , hölzernen Reduit , welches der ganzen Besaßung sichern Auf-

135 enthalt gewährte, Schuß zu suchen. -

Brach der Angreifer schließlich das Bombardement ab , welches das Fort mitunter in eine so dichte Rauch- und Staubwolke hüllte, daß die Bedienungen der Angriffs- Geſchüße nicht mehr die Linien des Werkes zu erkennen und die Richtung zu nehmen vermochten, so zeigte es sich, daß die Erdbruftwehren, zwar gründlich aufgewühlt und durchfurcht , hin und wieder auch wohl ein Geſchüß demontirt und das Innere des Werkes mit Bombenſplittern und Bollkugeln angefüllt war , aber eine vollständige Abkämmung der Brustwehr und eine Zerstörung des Reduits konnte niemals erzielt werden. Sobald die Monitors wieder außer Schußweite waren , er ſchien die Besaßung aufs Neue auf den Wällen, befferte im Laufe der Nacht die entstandenen Beschädigungen aus und nahm ihr wirksames Feuer gegen die Landbatterien und die feindlichen Sappenteten wieder mit dem früheren Eifer auf. Regelmäßige nächtliche Ablösungen von Charleston aus ſorgten dafür , daß die Vertheidigung des Forts ftets über frische Kräfte disponiren konnte. Langsam, aber stetig rückte Gilmore während der leßten Hälfte des Juli und der erßten Hälfte Auguft mit ſeinen Parallelen und Batte-

rien dem Fort näher, obschon Beauregard auf der Westspiße von JamesJsland neue Batterien angelegt hatte , welche die Angriffsarbeiten der Unirten in bedenklicher Weise enfilirten und dieſe zu zeitraubenden Traversen und Hohlbauten nöthigten. Nichtsdestoweniger war er am 17. Auguft bis auf 700 Yard an Fort Wagner vorgedrungen und in der Lage, feine Batterien an dem großen Bombardement Theil nehmen zu lassen , welches die Ironsides und die Monitors an diesem Tage zunächst gegen Fort Wagner, und als dieses nach kurzer Zeit zum Schweigen gebracht war , gegen Fort Sumter eröffneten. Während die leßteren bis auf englische Meilen an dies Fort heranfuhren und in das 60′ hohe, 12′ starke Mauerwerk desselben systematisch Bresche legten, suchten die 100- und 200ugen Parrott - Geschüße der Landbatterien über Fort Wagner und Gregg hinweg auf Entfernungen von 6330 bis 4245 Yard die Süd- und Südost-Front von Sumter zu zerstören . Das Bombardement dauerte 7 Tage lang, und da von den 4500 ſchweren Geschossen, welche während dieser Frift allein von den Landbatterien gegen das Fort geschleudert wurden, 2623, also troß der großen Entfernung über die Hälfte trafen,

136 so war es kein Wunder , daß daffelbe ſchließlich in einen unförmlichen Trümmerbaufen verwandelt wurde. Am 21. Auguft forderte Gilmore den General Beauregard auf, die Forts Sumter, Wagner und Gregg zu übergeben , und als dieſer das Anfinnen ablehnte , begann Erfterer in der Nacht des 23. Auguft aus seinen 200 & dern die Stadt Charleſton ſelbſt mittelft Granaten zu bewerfen, die mit sogenanntem griechischem Feuer gefüllt waren. Troß der enormen Entfernung von 9300 Yards erreichten die mit einer Elevation von 35 ° abgeschoffenen Granaten die Stadt und zündeten mehrere Häuser in derselben an . Auf den Proteft des Generals Beauregard und der Conſuln der europäiſchen Mächte ftellte Gilmore nach 15 Schuß die Beschießung der Stadt wieder ein. Obwohl die beiden Oftfronten und die Kehlfront ſowie die Plattform des Fort Sumter vollständig zerstört waren, wehte doch nach wie vor die Flagge der Conföderirten- Staaten über dem Trümmerhaufen. Da die Monitors fich in ziemlicher Entfernung gehalten und von den Conföderirten-Werken das Feuer nicht mit großer Heftigkeit erwidert worden war, so hatten die Erfteren in dem 7 tägigen Bombardement nur geringe Beschädigungen erliten. Anfang September hatte Gilmore nach Erbauung seiner 5 ten Parallele seine Sappenteten bis an das Glacis des Fort Wagner vorgetrieben und fand, nachdem ein gewaltsamer Angriff Seitens der Flottenmannschaft mißglückt und vom Morgen des 5 , Septembers ab ein nochmaliges heftiges Bombardement gegen das Fort eröffnet worden war , im Begriff, das Fort in einer der folgenden Nächte zu erftürmen. Beauregard kam ihm jedoch durch die in der Nacht vom 6. zum 7. September bewerkstelligte Räumung der beiden Forts Wagner und Gregg zuvor , nachdem er sich überzeugt hatte , daß eine längere Bebauptung unmöglich sei und nur zur Aufopferung der Besaßungen führen mußte. Die Unirten beſeßten am folgenden Tage nach einer 57 tägigen Belagerung die verlaffenen Werke und fanden in Wagner 17, in Gregg 7 vernagelte und zum größeren Theil unbrauchbare Geschüße vor; unter diesen war nur ein gezogenes . 3m Fort Wagner, deffen Erdwälle ſehr hohe und in der Brustwehr-Krone 40′ ftarke Profile hatten, zeigte fich das zur Aufnahme von 1400 Mann geeignete, große hölzerne Reduit vollständig unversehrt; mit Rücksicht auf die lange

137 und heftige Beſchießung aus den ſchwerften Kalibern läßt sich die Widerstandsfähigkeit nur dadurch erklären, daß die Wände des Reduits durch starke Traverſen gegen directes und indirectes Feuer vollständig gesichert waren und die Beſaßung eifrig dafür gesorgt hatte , daß die Erbschicht auf der Eindeckung , so oft fie auch durch die Hohlgeschoffe beschädigt worden war , immer wieder erneuert wurde. Der Versuch der Conföderirten , beide Werke nach erfolgter Räumung in die Luft zu sprengen, scheiterte an der fehlerhaften Beschaffenheit der Leitungs. Drähte. General Gilmore hat seit Räumung der Werke die Monate September und October benüßt , um auf der Nordſpiße von Mooris. Jsland Batterien gegen James Jsland, Sullivans - Island und Charlefton anzulegen und dieselben mit Parrott'schen 200 und 300 U.dern zu armiren ; Anfangs November sah er sich im Verein mit der Flotte genöthigt, das noch immer von den Conföderirten behauptete Sumter nochmals mehrere Tage lang zu befchießen, da dieſelben versucht hatten, die untere Etage wieder zur Aufnahme von Geſchüßen herzurichten und sich mit Erde und Sandsäcken aufs Neue in dem bereits gänzlich lampfunfähig gewähnten Trümmerhaufen zu verbauen. Ein am 8. September Nachts ausgeführter Versuch , den leßteren durch Flotten. mannschaften escaladiren und nehmen zu laſſen, wurde blutig abgewiesen, und ebenso resultatløs blieben die ſeitdem unternommenen Beſchießungen der feindlichen Werke auf Sullivans -Island. So lange die Ver rammelungen des Hafeneingangs nicht beseitigt find , ist auf eine erfolgreiche Operation der Flotte und ein energisches Zuſammenwirken derselben mit dem Belagerungs - Corps des Generals Gilmore wenig Hoffnung ; ohne dasselbe ist aber auf eine baldige Befiegung des mit der steigenden Gefahr wachsenden Widerstandes nicht zu rechnen. Die Drohung der Unirten , die Stadt durch ein Bombardement in einen Aſchenhaufen zu verwandeln, ift noch nicht zur That geworden ; die Absicht hierzu scheint indeß noch keineswegs aufgegeben zu ſein und die unablässige Vermehrung der auf Mooris -Island in Pofition gebrachten schweren Parrott- Geschüße, deren Transport und Aufstellung unfägliche Mühe verursacht, sowie die Bestellung einer großen Anzahl 300 uger mit sogenanntem griechischem Feuer gefüllter Geſchoffe deutet darauf hin, daß der unglücklichen Stadt noch das härtefte Loos bevorfteht. -

138 Was jenes griechiſche Feuer anbelangt, ſo iſt es bekannt, daß die unter diesem Namen bekannte Mischung , welche auch unter Waffer fortzubrennen vermochte, 668 nach Chrifti von Kallinicus aus Heliopolis erfunden wurde. Sie blieb 4 Jahrhunderte lang ein Geheimniß der Byzantiner, ward aber schließlich den Sarazenen verrathen , die es mehrfach in den Kämpfen und Belagerungen der Kreuzzüge anwandten . Seit der Erfindung des Schießpulvers trai es außer Gebrauch, und schließlich ging das Geheimniß ſpurlos verloren .

Zahlreiche Versuche,

Mischungen von derselben Wirkung herzustellen , reuſfirten zwar , vermochten aber immer nur flüssige oder gasförmige Substanzen herzuftellen, die für Kriegszwecke nicht geeignet waren . Die vom General Gilmore zur Anwendung gebrachte Subftanz ift die Erfindung eines Americaners Short ; sie ist trocken und wird in 3 Zoll langen, z “ dicken Blechpatronen verpackt , welche auf der inneren und äußeren Seite mit Pech überzogen sind und kleine Zünder haben. Von diesen Patronen werden 4 bis 10 sammt der zur Be wirkung der Explosion erforderlichen Sprengladung in das Geschoß gethan und der etwaige Zwischenraum zwiſchen Geſchoß und Geschoß. zünder ſorgſam mit Bleiweiß verkittet , damit die Gaſe der Geſchüßladung nicht in das Geschoß dringen und , wie es mehrfach vorgekommen, durch Entzünden der außerordentlich leicht feuerfangenden Patronen eine zu frühzeitige Explosion des Geſchoffes erzeugen können. Shorts Substanz brennt unter Wasser und sogar unter naffem Sand. Indem ich hiermit vorläufig meine aphoriftischen Mittheilungen ſchließe , kann ich nicht umhin , dieſelben mit Rücksicht auf die augen. blicklich noch vorhandene Schwierigkeit ihrer Erlangung und Sammlung und im Bewußtsein ihrer Unzulänglichkeit nochmals der nachfichtigen Beurtheilung der Kameraden zu empfehlen . Luxemburg, im Dezember 1863 .

Sander, Hauptmann u. Comp. - Commandeur in der Rheinischen Art. -Brig . Nr. 8.

139 VII. Ansichten aus Amerika

über die

gezogenen

Schuß waffen

im Amerikanischen Kriege .

Der im Dienft der Bereinigten Staaten von Nordamerita in der Schlacht vom 1. bis 3. Juli bei Gettysburg in Pensylvanien gefallene Brigadier, General G. L. Williard hat in einem Auffage unter dem Titel ,, Vergleichsweiser Werth gezogener und glatter Schießwaffen" seine Ansichten darüber hinterlassen, welchen Einfluß die gezogenen Schießwaffen , vorzugsweise die Gewehre , auf die taktiſchen Verhältnisse der Kriegführung in der Neuzeit haben werden. Derselbe begründet seine Ansichten theils auf die in Europa bereits im Kriege in der Krimm und im Jahre 1859 in Italien gemachten und theils auf seine eigenen Erfahrungen, die er in mehreren Schlachten und in sehr vielen Gefechten vom Beginn des Nordamerikanischen Bürgertrieges (Frühjahr 1861) bis zum Monat Februar 1863 als Major der United States Army und später als Colonel des 125. Regiments NewYork Volunteers gemacht hat.

Es dürfte für das militairiſche Publikum nicht ohne Intereſſe ſein, die Ansichten eines in der genannten Armee anerkannt intelligenten Truppenführers zu erfahren , der das Thema mit Rücksicht auf die dortigen Berhältnisse mit Unpartheilichkeit und mit dem sichtlichen Be streben behandelt , sich von vorgefaßten Meinungen nicht beherrschen zu laffen. Wenn auch die constructiven und technischen Einrichtungen der in der Armee der Union vorhandenen Schießwaffen , sowie die elementartaktische Ausbildung der Truppen selbst , der dort vorwaltenden ungünftigen Berhältnisse wegen, nicht mit den Zuständen übereinstimmen, wie fie in den mit vieler Sorgfalt, durch Friedens 2 Berhältnisse begünstigt, eingeschulten Europäischen Heeren stattfinden , so dürfte das von dem

140 Verfasser Mitgetheilte doch als ein Material betrachtet werden können, um bei gehöriger Würdigung des Gesagten nicht zu einer Ueberschätzung des Werthes der gezogenen Handfeuerwaffen und auch der gezogenen Kanonen beim Gebrauch im freien Felde verleitet zu werden. Als Einleitung führt der Verfasser an , daß neuere ausländische Mittheilungen über den mehr oder minderen Werth der gezogenen Gewehre geprüft worden sind ,

und eine Menge Ideen ,

die mit

dem betreffenden Thema in Verbindung stehen, Eingang gefunden haben. Sollte die Aufmerksamkeit der Offiziere der Amerikaniſchen Armee durch die in dem nachstehenden Aufſage enthaltenen Thatsachen auf die Betrachtung des vergleichsweisen Werthes gezogener und glatter Schießwaffen (vorzugsweise Gewehre) gerichtet werden, so ist die Absicht des Verfaſsere erreicht. Hierauf fährt derselbe in der Hauptsache, wie folgt, fort : ,,Im Verlauf der letzten Jahre ist viel über gezogene Gewehre und Geschütze und über die großen Veränderungen , welche dieselben in der Kriegskunst verursachen werden , geschrieben worden. Unglücklicherweise bewährt sich aber das, was der Theorie nach richtig ist , nicht immer in der Praxis als gut , und die Erfinder neuer Waffen haben sich nicht immer genau mit der wirklichen Wirkung derselben bekannt gemacht. Wenn nun behauptet wird , daß die früher im Gebrauch geweſenen Feuerwaffen unter gewissen Umständen wirksamer als die neueren Waffen waren , vorzugsweise auf kurzen Distancen, und daß durch eine sorgfältige Beobachtung der Wirkungen und der Art und Weise der Bewegung der neueren Geſchoffe die Ansicht unterſtüßt wird, daß es ein großer Frrthum ist, gezogene Feuerwaffen mit Auffah bisiren unter vollständiger Ausschließung der glatten Gewehre einzuführen , so ist dies vorzugsweise der wichtige Theil der Frage. Die besonderen Vorzüge der neuen Waffen liegen in deren Ges nauigkeit und in deren großer Schußweite ; aber diese Vorzüge sind durch Aufopferung einiger namentlich für Kleingewehr wichtiger Eigenschaften erreicht worden , nämlich : des horizon. talen Feuers und einer größeren Percuſſionskraft auf kurze Entfernungen. Um den Feind aus einer Stellung zu vertreiben, müssen wir ihn, wenn er Stand hält, mit dem Bajonett angreifen, mit ihm handgemein werden.

141 Es ist daher das erste Erforderniß, für diesen Moment die allerwirksamsten Mittel in Bereitschaft zu haben. Wir sind weit entfernt, rückwärts zu gehen -— aber man sollte die Gefahr, vernichtet zu werden, nicht übertreiben ; man sollte sich nicht der Ansicht hingeben, daß, weil die Tragweite der gezogenen Feuerwaffe fich verdreifacht und die Wahrscheinlichkeit, eine Scheibe zu treffen , sich gleichzeitig mit der Tragweite vergrößert hat, eine Armee in wenigen Stunden niederge mäht werden könnte. Auf solche Weise gestalten sich die Dinge im Kriege nicht ; 4 Praxis und Theorie stehen oft im Widerspruch . - Zur Zeit des letzten Krieges in Italien waren die Feuerwaffen beider Armeen schon zu einer großen Vervollkommnung gebracht worden ; die Franzosen hatten überdem gezogene Geschütze. Hiernach sollten wir den Theoretikern zufolge einen größeren Menschenverlust und ein in anderen Feldzügen noch nicht vor. gekommenes Blutbad annehmen müssen. Doch es fand das Gegentheil statt. Nach einer von einem Deutschen Militairſchriftsteller sorgfältig zusammengestellten vergleichenden Uebersicht der Verluste der verschiedenen Armeen während der Kriege Napoleons I., in denen nur glatte Gewehre *) im Gebrauch waren , und der im Feldzuge 1859 bei dem Gebrauch ge zogener Schießwaffen erlittenen Verluste aufgestellt , haben sich folgende Resultate im Allgemeinen ergeben : Bei Austerlig betrug der Verlust der Franzosen 14 % ihrer Stärke, der der Ruffen 30% , der der Oestreicher 448. Bei Wagram der Verlust der Franzosen 13 % , der der Oestreicher 14 % . An der Moskwa der der Franzosen 378, der der Ruffen 44 % . Bei Banten betrug der Verlust der Franzosen 13 ; und der der Ruffen und Preußen 14. Bei Was terloo hatten die Franzosen 36 Verlust , die Verbündeten 318. Bei Magenta am 4. Juni 1859 betrug der Verlust der Franzosen 7%, der der Oestreicher 8 %. Endlich bei Solferino erlitten die Franzosen und Sardinier einen Verluft von 10 % , wogegen die Oestreicher nur 8 % verloren.

*) Mit Ausnahme derjenigen Armeen, bei welchen Jäger und Schüßen sich befanden , die bekanntlich schon zu jener Zeit mit gezogenen Schießwaffen (Büchsen) bewaffnet waren.

142 Magenta war der Schauplaß einer hartnäckigen Schlacht , und bei Solferino fochten beide Armeen 12 Stunden gleichfalls mit einer merkwürdigen Hartnäckigkeit , und doch sind die in diesen beiden Schlachten erlittenen Verluste der Zahl nach bedeutend geringer, als diejenigen der letzten Tage des ersten französischen Kaiserreiches.

Man kann nicht sagen, daß die Truppen nicht ausgebildet und unerfahren waren ; die Kaiſer von Frankreich und Oestreich hatten nie zuvor so ausgezeichnete Truppen gehabt ; es war auch nicht der Fall, daß dieſelben auf größere Entfernungen von einander blieben ; denn nach den Berichten haben nie zuvor so viele Bajonettangriffe stattgefunden, und doch waren die Verluste geringer, als je zuvor, und es fand dabei noch die merkwürdige Thatsache statt : die Franzosen hatten allein ge zogene Geschüße , und ihr Verlust war größer , als der des Feindes. Um diese merkwürdigen Erscheinungen nach Gebühr würdigen zu können, wollen wir betrachten, welche Verhältniffe bei den neuen Waffen stattfinden. Das gezogene Gewehr hat eine Tragweite von ungefähr 1200 Schritt; es ist eine anf Genauigkeit berechnete Waffe, versehen mit einem Aufſayviſir, welches ziemlich ſchwierig zu handhaben ist und leicht in Unordnung gebracht werden kann. So weit es eine Präciſionswaffe ist, erfordert es viel Einsicht, Tact und kaltes Blut des Manues, der es gebraucht. So lange der Mann diese kostbaren Eigenschaften bewahrt, ist es eine sichere und Verderben bringende Waffe ; doch wir übertreiben nicht, wenn wir erklären, daß } ; derjenigen *), welche dieſe Waffe führen, nicht verstehen, damit umzugehen. Die neuen Schußwaffen haben eine sehr hohe Flugbahn ; das Geschoß wird bei weiten Entfernungen bohrend, und der bestrichene Raum wird auf einige wenige Yards beschränkt und ist selbst bei mittleren Distancen nicht sehr beträchtlich.

Unter den obwaltenden Verhältnissen würde bei

900 Yards (1090 Schritt) ein Irrthum in der Schäßung der Entfernung um 5 Yards (6,1 Schritt) und bei 500 Yards (600 Schritt) ein Frrthum

*) Hier hat der Verfasser wohl nur die Amerikaniſchen Zustände vor Augen gebabt, und ist demselben wohl nicht genau bekannt gewesen, mit welchem Grade der Sorgfalt die Ausbildung des Mannes in der richtigen Behandlung und in dem Gebrauch dieser Waffe in den Europäischen Heeren betrieben wird.

143 von 30 Yards (36 Schritt) das Resultat herbeiführen, daß eine 15 Fuß hohe Scheibe nicht getroffen wird. Ein Resultat, welches hinreichend ift, über eine Cavallerielinie vollständig hinwegzuschießen. Bei dem gezogenen Gewehre giebt die Flugbahn des auf 500 Yards (600 Schritt) visirten Laufes *) folgende Resultate : auf 100 Yards ( 120 Schritt ) geht die Kugel 7 Fuß über die Visirlinie hinweg , auf 200 Yards (240 Schritt) und 250 Yards (300 Schritt) 12 Fuß und auf 300 Yards (360 Schritt) 124 Fuß, um dann plößlich in den nächsten 200 Yards auf O herabzufallen . Wenn nun die Visirlinie 41 Fuß über dem Erdboden liegt , als die gewöhnliche Höhe , in der das Gewehr sich beim Zielen befindet , so wird die Kugel auf 100 Yards Entfernung 11 Fuß, auf 200 Yards 164 Fuß und auf 250 Yards nahe an 17 Fuß über den Fußboden fortgehen. Die Wirkung der gezogenen Waffen steigt in dem Verhältniß , als die Entfernung von dem Zielgegenstande abnimmt , da der bestrichene Raum sich in demselben Verhältnisse vergrößert. Doch ist es sehr schwer, diese Waffe stets wirkungsvoll zu gebrauchen , weil das Viſir bei jedem Wechsel von 100 Schritten in der Entfernung geändert werden muß. Auf 400 bis 450 Schritt muß z. B. auf den Leibgurt und bei 500 Schritt auf die Spitze der Kopfbedeckung gezielt werden. Der Soldat ist fortwährend damit beschäftigt, Entfernungen zu errathen und dieſelben mit den Erhöhungen des Visirs und mit dem Punkte zu combiniren, auf den bei jeder Entfernung gezielt werden muß. Angenommen , die Biſir - Schußweite für das gezogene Gewehr ist auf 250 Yards (300 Schritt) normirt , so ist der Soldat doch zu denselben Veränderungen genöthigt. Die Flugbahn ist noch so hoch, daß selbst ein ansprengender Reiter, der sich vorwärts über sein Pferd herabbiegt, auf die Hälfte jener Entfernung nichts zu fürchten hat , wenn das Gewehr in horizontaler Lage verbleibt. Der Soldat wird demzufolge beim Scheibenschießen angewiesen, niedriger zu zielen.

Bei 150 Yards ( 180 Schritt) Entfernung

wird ihm gesagt, auf einen Punkt am Fuße der Scheibe zu feuern und bei noch größerer Nähe, auf 100 Yards (120 Schritt), ist es in Europa *) Diese Angaben beziehen sich selbstredend nur auf die gezogenen Gewehre, wie sie im Allgemeinen bei Truppen der Unionsarmee zur Zeit im Gebrauch sind. Achtundzwanzigster Jahrgang. LV. Band. 10

144 Praxis , einen Gegenstand etwa 25 Yards (30 Schritt) vor der zu treffenden Scheibe auf den Erdboden zu legen *). Beim glatten Gewehr gestalten sich die Verhältnisse innerhalb Entfernungen von 200 Yards (240 Schritt) ganz anders. Bei horizontalem Visiren, nämlich nach der Brust, wurde der Feind im Schenkel verwundet, und der getroffene Punkt stieg allmählich bei 200, 150, 100 Schritten zum Bauch, zum Gürtel und zur Brust. Mit einem Wort, die Flugbahn der glatten Gewehre war auf kurzen Entfernungen horizontal, d. h. das Geschoß würde einen Mann treffen , der in der Richtung des Schuſſes sich vorwärts bewegt , während dies bei den gezogenen Gewehren nicht der Fall ist. Hieraus ergiebt sich : die große Curve der Flugbahn bei gezogenen Gewehren erfordert eine äußerst genaue Schäzung der Entfernungen, um ein günstiges Resultat zu erlangen. Auf großen Schufweiten ist ein Irrthum von wenigen Yards genügend, daß eine Cavallerie- oder Infanterielinie unversehrt bleibt ; denn bei einer Entfernung von 900 Yards (1090 Schritt) kann ein Irrthum von 5 Yards (6,1 Schritt) nur zu leicht vorkommen und ebenso auch noch auf geringere Entfer nungen. Eine genaue Schätzung von Entfernungen ist nun außerordentlich schwierig, und auf Grund persönlicher Beobachtung behaupten wir , daß es bei und über 500 Yards sehr wenige Scharfschüßen giebt , die nicht getäuscht werden können. Auf großen Entfernungen , 500 Yards und darüber , ist das Feuer gegen einzelne Leute oder deployirte Linien äußerst zweifelhaft. Wir wissen es recht gut, daß in den „ Instructionsschulen für das kleine Gewehr “ Scheiben gezeigt werden, die von Hunderten von Kugeln auf 500 und 600 Schritt durchlöchert sind , und daß man seitdem die gänzliche Vernichtung der Cavallerie und Artillerie voraussagte ; dieſe Schüſſe aber , mit ruhigem Blute und mit Muße auf Entfernungen abgegeben, die vorher sorgfältig abgemessen wurden, sind verschieden von denen, die das Schlachtfeld gezeigt hat. Wenn die möglichen Fälle, auf weite Distancen Truppen in Stellungen zu treffen, deren genaue Entfernung unbekannt ist , nicht zahlreich sind, was kann da erwartet werden, wo die Truppen sich bewegen ? *) Hierüber ist der Verfasser im Irrthum.

145 Das seinen Platz beständig verändernde Ziel macht faft für jeden Schuß eine neue Schätzung der Entfernung nothwendig , wobei die Bistrung ftets geändert und ein Wechsel des Punktes, worauf gezielt werden muß, erforderlich ist. Bei der Aufregung in der Schlacht wird der Soldat wahrscheinlich die Hülfsmittel zum genauen Treffen nicht correct anwenden und am häufigsten zu hoch schießen.

Die in dieser Beziehung von den

Franzosen im Kriege in der Krimm gemachten Erfahrungen sollen Beranlaffung gegeben haben, daß späterhin der Linieninfanterie das Auffagvisir von den Gewehren abgenommen und nur speciellen Truppen belassen worden ist. Salven auf weite Entfernungen werden nur dann wirkſam ſein, wenn sie gegen tiefe Colonnen gerichtet werden oder gegen Gegenstände, deren genaue Entfernungen bekannt sind. In solchen Fällen find weittragende Gewehre von wirklichem Nußen , und keine Armee kann daher ohne dieselben bestehen. Wir geben zu, daß gezogene Gewehre dem in ihrem Gebrauch geübten Soldaten , sowohl auf großen , als auch auf kleineren Schußweiten Vortheile gewähren , welche die älteren Gewehre nicht darbieten. Aber die größere Trefffähigkeit des gezogenen Gewehres kommt dann erst zur vollen Geltung, wenn der Soldat unabhängig handelt. Dieser Umstand hat der Anwendung der Plänkler eine Wichtigkeit verliehen , welche sie nie zuvor hatte , und welche wir in Amerika unglücklicherweise noch nicht genug zu würdigen gelernt Haben. Andrerseits aber hat das Feuer in der Linie nichts gewonnen, sondern es hat im Gegentheil einen Theil ſeiner Wirksamkeit auf kurzen Entfernungen, also in dem allerentscheidendsten Moment, verloren. Wenn die Leute rottenweise oder mit Compagnie, oder Bataillonsſalven feuern, durch die Schlacht aufgeregt , durch feindliche Geschoffe decimirt , von Lärm und Rauch umgeben sind, so werden ſie ſtets, was man auch thun mag , um es zu verhüten , geradeaus und horizontal feuern. Dies ift eine Thatsache, welche alle alten Soldaten, die im Feuer geftanden, beftätigen werden. Es war zur Zeit Friedrichs II. , während der Kriege des ersten Franzöſiſchen Kaiserreiches, und es ist noch heutigen Tages fo! Regeln, Befehle, Anweisungen, sorgfältig erklärt und bei dem Scheibenschießen in Friedenszeiten beobachtet , thun viel ; doch die menschliche 10*

146

Natur läßt sich durch Aufstellung von Vernunftgründen nicht ändern. Im kritischen Moment hält sich der Soldat weder damit auf , zu überlegen, ob er nach den Füßen oder nach dem Kopf zielen soll, noch denkt er daran, die Entfernung zu ſchäßen. Er sieht den Feind vor sich, und instinktmäßig zielt er auf deſſen Brust. Wenn das Aufſayviſir auf war, so bleibt es auf; die Gefahr ist so drohend, daß ganz entſchieden keine Zeit vorhanden ist, es in Ordnung zu bringen. Ueberdem ist aber noch in solchen Augenblicken beim Maffenfeuer die Zahl derjenigen , welche sorgfältig in horizontaler Richtung feuern, eine sehr beschränkte. Die Erfahrungen , welche die Franzosen bei Magenta und Solferino machten, erwiesen sich als eben so richtig bei den Oestreichern, und was bei Solferino vorging, ist auch während des ersten Kaiserreiches beobachtet Im Feldzuge 1859 versagte das Gliederfeuer , welches bei den Destreichern 10 Friedensjahre mit Erfolg geübt worden war, und das sie

worden.

zur Vertheidigung von Quarrees vorgeschrieben hatten , gänzlich seine Wirkung vor dem Feinde. Wir (die Nordamerikaner) werden daher gut thun, nicht zu sehr auf unsere ungeübten Truppen zu vertrauen , indem wir uns doch nicht anmaßzen können, eine größere Geschicklichkeit zu besitzen, als die Veteranen von Frankreich und Destreich. Die vorher aufgeführten Nachtheile sind besonders dann am meisten in die Augen springend, wenn die Infanterie einen Cavallerieangriff abschlagen soll. Betrachten wir den Angriff auf ein Quarree. Die Cavallerie kommt auf 1000 Yards ( 1210 Schritt) in den wirksamen Bereich gezogener Gewehre. Die ersten 700 Yards (850 Schritt) werden im Trabe, die folgenden 200 Yards im Galopp und die letzten 100 Yards in der Carriere zurückgelegt. Die erste Distance wird in 3 Minuten und die andern beiden in einer Minute zurückgelegt. Da nun der Commandeur nicht auf die weitesten Entfernungen feuern wird, weil er gar keine Wirkung auf eine schnell vorübergehende Linie haben würde , und nehmen wir also an , daß er wartet , bis der Feind auf 500 Yards (600 Schritt) herangekommen ist, ehe er mit ſeinem Feuer beginnt, so dürfte eine nähere Betrachtung Folgendes ergeben : Das Aufsatzvisir ist bis zur 3. Kerbe gehoben ; die Pferde legen jetzt ungefähr 4 Yards (5 Schritt) in der Secunde zurück , so daß der gefährdete Raum in 7 Secunden passirt wird , d. h. wenn die Infanterie

147 7 Secunden zu früh oder 7 Secunden zu spät feuert, so wird nicht ein einziger Schuß von Wirkung sein, es sei denn durch Zufall. Nach jenem ersten Schuß muß der Soldat nicht allein wieder laden, sondern muß auch das Bisir niedriger stellen. Welche Aufsaglinie ſoll er wählen ? Soll er die erfte , zweite oder dritte ? Dies Alles , ſo einfach beim Scheibenschießen , ist durchaus unausführbar im Gefecht, ausgenommen beim Plänkeln ; daher wird ein vorsichtiger Commandeur alle diese Schwierigkeiten vermeiden.

Er wird klüglicherweise auf das

Aufsagvisir Berzicht leisten und warten, bis der Feind in Viſirschußweite ist , in der die glatten Gewehre erfolgreich waren. Von diesem Punkt ab und im Verhältniß, als die Entfernung abnimmt, erlangt das gegen Maffen gebrauchte glatte Gewehr eine wirkliche Ueberlegenheit über das gezogene Gewehr.

Der mit dem Ersteren bewaffnete Soldat

ſieht, daß die Wahrscheinlichkeit des Treffens für ihn mit jeder Secunde zunimmt, wenn er gerade auf die Linie zielt, die gegen ihn angaloppirt, d. h. wenn er seine Waffe parallel mit dem Erdboden anschlägt, während der mit dem gezogenen Gewehr bewaffnete Mann diese Wahrscheinlichkeit des Treffens in dem Verhältniß abnehmen sieht , wenn er nicht das Bisir vor jedem Schuß verändert. Ist es für irgend einen Mann möglich, seine Schüffe mitten in dem ihn umgebenden Rauch und Staub mit kaltem Blute zu bedienen , wenn die Schwadronen wenige Schritte von ihm entfernt sind, und wenn er weiß , daß er in wenigen Secunden einen furchtbaren Zusammenstoß auszuhalten hat? Die Französischen Generäle, die gewiß uns in der Ausübung der Kriegskunst gewachſen find, die Ersten, welche die gezogenen Gewehre in größerer Ausdehnung im Felde anwandten , verhehlten sich keinesweges die Nachtheile der neueren Gewehre und warnten beim Beginn des Italienischen Feldzuges ihre Truppen nachdrücklich davor, ihr Feuer auf eine zu große Entfernung abzugeben. Einer der ausgezeichnetsten Offiziere jener Armee, die deren so viele talentvolle zählt , sagte zu seinen Offizieren in einer theoretischen Inftruction über Taktik: ,,Wenn Eure Truppen durch Cavallerie angegriffen werden , so wartet , bis der Feind auf 40 Yards (50 Schritt) heran ist, dann feuert und geht ohne Weiteres zum Bajonettangriff über.“

Weil

die Anfangsgeschwindigkeit des Geschoffes bei den älteren Gewehren 454

148 Yards in der Secunde beträgt , während sie bei dem gezogenen Gewehr nur 312 Yards iſt, ſo ſind die Ersteren auf 40 Yards beffer. Unzweifelhaft werden Cavallerie und Artillerie auf weiten Entfernungen mehr Leute und Pferde verlieren als früher, doch diese Verlufte werden nur eintreten , wenn sie sich in gemäßigten Gangarten bewegen, und die dann in den Gliedern erzeugte Unordnung wird sich leicht beseitigen lassen.

Dagegen haben für den Moment des Angriffs der

Cavallerie oder Infanterie die Chancen, Verluste hinzuzufügen, nicht zugenommen . Diese Chancen haben sich im Gegentheil gegen Truppen , welche Cüraffe haben , vermindert. Das alte glatte Gewehr schoß eine Kugel, die auf 36 Yards (42 Schritt) einen Cüraß durchbohrte , während die Geschoffe des gezogenen Gewehrs nach angeſtellten Verſuchen nur Beulen verursachten *). Es werden daher gezogene Feuergewehre nicht Artillerie zerstören oder Cavallerie vernichten und Cüraffe nutzlos machen. Was in früheren Zeiten Geltung hatte, wird auch noch jezt stattfinden. Man behauptet sogar, daß Cavallerie jezt unerläßlicher ist , als sie je zuvor war! Gezogene Feldgeschüße feuern auf die ungeheuern Entfernungen von 4000 Yards (4850 Schritt) und 5000 Yards (6050 Schritt) mit größerer Genauigkeit, als die glatten Geſchüße sie je erreichen , doch ist bei ihnen die Anfangsgeschwindigkeit ebenso , wie bei den gezogenen Gewehren geringer, und die Flugbahn demzufolge sehr hoch. Auf großen Entfernungen werden die Geschosse der Möglichkeit zu rollen beraubt **) und bleiben beim Niederfallen in der Erde stecken.

Könnte man im Kriege

feuern, wie gegen eine Scheibe , deren Entfernung genau bekannt ist , ſo würden die gezogenen Schießwaffen außerordentliche Resultate herbeiführen. Doch in der Praxis erreicht man diese nicht , denn die Entfer-

*) Dies entspricht nicht den Resultaten der bei den Europäiſchen Heeren eingeführten gezogenen Gewehre. **) Die Amerikaner haben für die Ausdrücke ,, Rollschuß und Ricochettschuß“ dieselbe Bezeichnung „ricochet -fire". Der Unterschied in der Anwendung dieser Schußarten als Rollschuß gegen Truppen im freien Felde und als Ricochettschuß im engeren Sinne gegen Positionen, Schanzen und Festungswerke kann nur aus dem Zu sammenhange ersehen werden.

149 nungen sind nicht bekannt, und das richtige Schäßen derselben wird mit deren Zunahme um so schwieriger. Auf 2000 Yards (2420 Schritt) ist die Höhe eines Mannes kaum wahrzunehmen.

Selbst bei klarer Luft ist dem geübtesten Auge das rich

tige Schäßen der Entfernung nicht möglich.

Selbst bei den besten ge-

zogenen Geſchüßen, und wenn man bei genauer Kenntniß der Entfernung der Scheibe deren Centrum *) trifft , wird ein Frrthum von wenigen Yards Fehlschüffe herbeiführen. Die auf größeren Entfernungen vermehrte Wahrscheinlichkeit des Treffens giebt den gezogenen Geſchüßen allerdings einen erhöhten Werth. Bor ihrer Einführung marſchirten die Armeen in mehr oder weniger tiefen Colonnen gegen einander und deployirten auf der Grenze der Kanonenschußweite, um den Kampf zu beginnen . Hinter der Schlachtlinie wurden die Infanterie-, Cavallerie- und Artilleriereſerven in Maffen so aufgestellt, schwache Punkte schnell unterstützen zu können . Bei Waterloo z. B. deployirten Napoleons Colonnen auf 900 Yards (1090 Schritt) in Front der englischen Stellung und die Maffen der Reserve und „,alten Garde" auf 2000 Yards (2420 Schritt) vor jenen gewaltigen Batterien, welche das Plateau von La Haie- Sainte krönten. Heutigen Tages würden diese Entfernungen nicht mehr zulässig sein , weil solche tiefe Colonnen, für gezogene Geschüße ein zu günstiges Ziel darbietend, decimirt werden würden. Das Deployiren muß daher wenigstens in doppelter Entfernung geschehen , und das Vorrücken muß bis innerhalb des Bereiches der Handfeuerwaffen in Linie ausgeführt werden . Die Reserven müffen durch irgend eine Unebenheit des Terrains womöglich gedeckt oder in kleine Massen so vertheilt werden, daß ſie leicht ſich in Bewegung seßen und wenn es nöthig ist, sich vereinigen können. Ist es unvermeidlich, Truppen aufzustellen , die nicht wirklich am Gefecht Theil nehmen , muß es jedoch von umsichtigen Führern nicht so geschehen, daß dieselben, dem feindlichen Feuer zu ſehr ausgesetzt, eingeschüchtert werden. Gute Führer müſſen das Terrain sorgfältig berücksichtigen und die Truppen durch *) Das Scheibencentrum hat bei den Amerikanern auf 100-300 Yards Entfernung 8 Zoll im Durchmesser. 350-600 2 Fuß. 650-900 4

150 Unebenheiten zu deden , womöglich zu verbergen suchen. Sind solche nicht aufzufinden, so wird dieser Mangel durch Bildung kleinerer Truppenkörper, durch geringere Tiefe derselben und möglichste Beweglichkeit der Colonnen ersetzt werden müſſen. Gerade der Umstand der Regelmäßigkeit des Einschlagens der Geschoffe auf ein und denselben Punkt bietet den Vortheil , die Colonnen durch Bewegung vorwärts oder rückwärts der Feuerwirkung zu entziehn. Auf weite Entfernungen wird die Artillerie nicht im Stande sein, die Resultate ihres Feuers richtig zu beurtheilen oder die von den Truppen zu ihrer Dedung ausgeführte Bewegung genau wahrzunehmen. wird , getäuscht, ihr Feuer auf Punkte richten, wo der Feind außerhalb des wirksamen Bereiches ist, und wenn die Artillerie dies erkennt, wird fie von Neuem Entfernungen abschäßen und Probeſchüſſe machen müſſen, um ein wirksames Feuer zu erzielen. Bei Märschen gegen den Feind sind die Chancen bis dahin, daß die Truppen in den Bereich der mehr bestreichenden Flugbahnen kommen, noch mehr verringert. Die Entfernung ändert sich jeden Augenblick, und der bestrichene Naum ist sehr bald überschritten. Schon früher bei den glatten Geschützen war man bemüht, die geringere Wirksamkeit der Kugel- und Granatschüsse durch Kartätschen [grape * )] auf kurzen und auf größeren Entfernungen, und wenn es das Terrain gestattete, durch Rollschüsse auszugleichen. Leştere , von denen das Schlachtfeld mit Geschossen bedeckt wurde, waren häufig viel wirksamer , als die directen Schüsse auf großen Entfernungen.

Die größere Präcision der gezogenen Geschüße würde die

*) Der Ausdruck „grape“ wird namentlich von Nichtartilleristen sehr häufig für „ Kartätschen“ gebraucht , während für legteres Geschoß die Benennung „ canister“ die richtige ist. In Amerika wird aber meistentheils , wenn das Feuern im Felde mit allen Arten von Geschossen bezeichnet werden soll, von ,,firing with grape, shot and shell" gesprochen, während es genau genommen firing with canister shot, solid shot, spherical - case - shot" oder ( Shrapnel-shot) und ,,shell- shot" heißen müßte. Grape (Weintraube) würde eigentlich die Kartätschart sein, die wir mit ,,Traubenkartätsche“ bezeichnen . Hier enthält ein solcher Kartätschschuß 9 Kartätschkugeln, deren jede bei den verschiedenen Geschützgattungen der Belagerungs-, Festungs- und Küstenartillerie zwischen 6,3 und 1,19 je nach der Größe des Calibers, bei welchem diese Geschoßart angewendet wird, wiegt.

151

Kartätsch- und Rollschüsse nicht beseitigen, und ein Felbartilleriesystem, welches deren Wirksamkeit als Zugabe behält, muß vernünftigerweise bei jeder Armee verbleiben. Die Cavallerie muß in der Stellung als Reserve ihre Angriffe in einer größeren Entfernung vorbereiten und allerdings länger exponirt bleiben ; doch hierin liegt Nichts, was sie nicht mit jeder anderen Waffe der Armee theilt. Wir dürfen die Wirkung der neuen Waffen nicht übertreiben ; diejelben werden mehr auf die höhere Taktik Einfluß haben, als daß sie die Verluste einer Armee vergrößern werden. Die Schlachtlinien und Reserven werden künftig auf größere Eutfernungen aufgestellt werden, die Bewegung in Colonnen wird in Fällen vermieden werden , unter denen ſie ehemals mit der größten Sicherheit ausgeführt werden konnte ;

die Aufmärsche werben schneller geschehen müffen ; Vorrücken in Schlachtlinie entweder in Bataillonsmaffen mit Jutervallen zum Deployiren oder in Divisionscolonnen wird die Regel werden. Die Verwendung von Divisions colonnen , wie sie in dem ausgezeichneten neuerdings vom Kriegsdepartement renovirten taktischen System des Generals Casey gelehrt wird , ist eine Bestätigung dessen , was hier angeführt worden ist *). *) Die Amerikanischen „ Division columns" entsprechen der taktischen Anwendung nach den Preußischen Compagniecolonnen, unterscheiden sich aber in ihrer Formation dadurch, daß sie (statt aus 2 Zügen) aus je 2 Compagnien mit Compagniefront gebildet werden, und daß die einzelnen ,, Divisionen keine Schüßen hinter sich haben, wie die Preußischen Compagniecolonnen sie aus den 3. Gliedern ihrer Züge bilden . Die Amerikanische Infanterie, die ihre Formation meistentheils nach Französischen Mustern nachgebildet hat, rangirt nur in 2 Gliedern. Die Infanterie der hiesigen regulairen Armee bestand vor dem Kriege aus 10 Regimentern , deren jedes nur 10 Compagnien mit im Maximum à 100 Mann zählte und noch zählt , während die im Laufe des jeßigen Krieges formirten 9 Regimenter der ,, regular infantery " jedes 24 Compaguien in 3 Bataillonen à 8 Compagnien erhalten hat. Das neueste im August 1862 vom ,, Secretary of war 66 ge nehmigte System of Infantery Tactics etc. prepared by Brigadier General Gilas Casey U. S. A. " nimmt nur auf die Formation der alten Regimenter à 10 Compagnien Rückſicht. Die Schwäche der Regimenter ist wohl Veranlassung dieser Eigenthümlichkeit im Exercirreglement geworden, daß in demselben die Brigade der Preußischen tactischen Einheit des Regiments entspricht, und daß

152 Eine Armee wird nicht mehr wie früher innerhalb 2000 bis 3000 Yards von den feindlichen Vorposten Lager und Bivouak beziehen, ohne fich der Gefahr auszusehen , mit Geschossen der gezogenen Geschüße beschoffen zu werden. Troz des Uebelstandes der gezogenen Schießwaffen , der durch die große Curve ihrer Geschoffe entsteht, kann jedoch keine Armee jeßt ohne dieselben bestehen. Sie würde dem Gegner gegenüber, der mit den neuen Waffen versehen ist, in eine vollkommen unhaltbare Lage gebracht werden. Ihre Bataillone würden vernichtet, ihre Plänkler auf Schußweiten decimirt werden , wo ihre eigenen Geschüße und Gewehre ohne Wirkung sind, ganz abgesehen von der Nothwendigkeit, daß sie ihre Linien trennen und ihre Reserven in größeren Entfernungen aufstellen muß, als der Feind. Ein gleicher Fehler würde es aber sein , in das andere Extrem zu verfallen und glatte Schußwaffen gänzlich aus der Armee zu entfernen. Die

die einzelnen Regimenter von ihren sonstigen Nummern oder anderweitigen Namen im Brigade - Exerciren einfach als 1., 2., 3., 4. Bataillon nach ihrer Stellung in der Linie vom rechten Flügel ab bezeichnet werden. Die rechte und linke Flügelcompagnie eines solchen Bataillons, ausschließlich für den Tirailleurdienst bestimmt, werden durch die beiden ältesten Capitains commandirt und nehmen an der Bildung von Division columns " nie Theil. Für lettere bleiben also nur 8 Compagnien disponibel, von denen 4 „ Division columns“ gebildet und vom rechten Flügel ab als 1. 2. 2c. Division be zeichnet werden. Um nun für die einzelnen ,,Divisions" stets die ältesten Capitains des Regiments disponibel zu haben , schreibt das Exercirreglement vor, daß, wenn die für die ,,Division columns" disponibeln 8 Capitains des Regiments dem Alter nach mit den Nummern 1 bis 8 bezeichnet werden, dieselben mit den von ihnen commandirten Compagnien sich vom rechten zum linken Flügel hin in folgender Ordnung aufstellen sollen : 1., 5., 4., 8., 3., 7. , 6. , 2. Capitain. Für das Exerciren in der Brigade oder im Bataillon erhalten nun die Compagnien der in obiger Reihenfolge aufgeführten 8 Capitains die Nummern 1 bis 8 vom rechten zum linken Flügel. Oberhalb der Fahne sezen sich zur Bildung von „Division columns" die ungeraden Compagnien hinter die geraden und unterhalb der Fahne die geraden hinter die ungeraden. Der dem Alter nach 3. Capitain im Regiment commandirt dann die 1. Division column, der 4. Capitain die 4., der 5. die 3. (right centre division) und der 6. Capitain die 2. (left centre division) . Nur bei Paraden bilden die beiden Plänklercompagnien resp . den rechten und linken Flügel des Regiments , während für taftische Bewegungen 2c. ihre Stellungen resp. hinter der 1. und 8. Compagnie oder der 1. und 4. Division column find.

153 Nüglichkeit der gezogenen Gewehre mit Aufſaß-Viſiren ist vollkommen erwiesen, wenn sie in die Hände vollständig ausgebildeter ,, leichter Truppen oder Plänkler " gegeben werden.

Unsere Armee hat je-

denfalls Mangel an solchen Soldaten, und dies ist hinreichend, dies wohl zu beachten. Wenigstens ein Regiment in jeder Brigade sollte speciell im leichten Infanteriedienst ausgebildet werden, und in den neuen regulären Regimentern unserer Armee sollte eins der drei Bataillone zu demselben Zweck bestimmt werden.

Diese Truppen würden aber mit den bewähr.

testen gezogenen Waffen auszurüſten ſein und im Gebrauch dieser Waffe zur Verwendung des Dienstes für leichte Truppen auf das Beste ausgebildet werden. Für die übrige Infanterie und für die Kavallerie würden die glatten Gewehre verbleiben.

Der Infanterie sollte man

Kugelpatronen mit Rehposten geben, und bei allen Gewehren, welche nicht von solchen Truppen geführt werden , die ausschließlich für den Dienst der leichten Infanterie resp . Plänkler bestimmt sind, würden bewegbare Bifireinrichtungen wegfallen. Man glaubte , daß es nach den in unserer Armee in zwei Jahren gemachten Erfahrungen gerechtfertigt erscheine, sie gänzlich mit gezogenen Gewehren zu versehen . Dies ist aber nicht der Fall , denn es sind viele gewichtige Zweifel entstanden, und viele unserer besten Offiziere, welche die vorzüglichste Gelegenheit gehabt haben, sich ein Urtheil zu bilden, sind zu der Ueberzeugung gelangt , daß wir entschiedene Vortheile aufgeben , wenn wir das glatte Gewehr mit der Kugelpatrone und Rehposten entfernen. Schlachten müssen ausgefochten und gewonnen werden, wie in ver gangenen Zeiten. Entscheidende Siege können nicht durch Schießen auf weite Entfernungen gewonnen werden ; auf kurzen Entfernungen ist die Kugelpatrone mit Rehposten. jedenfalls wirksamer, und es ist als bewiesen anzunehmen, daß es ein großer Irrthum ist , eine Armee nur ausschließlich mit gezoge nen Gewehren zu versehen. 3m Monat Decbr. 1863.

F. Munther, Ingenieur-Hauptmann a. D. 3. 3. in Washington.

154

VIII . Beitrag zur Literatur des Pfeilgeschosses für chlindrisch glattgebohrte Rohre.

ur Erreichung des Ideales der Artillerie gehört bekanntlich die 3ur Auffindung eines Geschoffes , welches das uns überkommene , einfache, glattgebohrte Vorderladungsgeschüß, bei größerer Perkussionskraft seiner auf geringere Entfernungen abgeschoffenen Projectile , in Bezug auf trefflichere Fernwirkung der Geschoffe erfolgreich mit dem gezogenen Ob man zu diesem Zicle jemals ge. Geschüße concurriren läßt. langen wird , das ist , nach unserem jeßigen wissenschaftlichen Standpunkte, eine Frage der Zeit; für den dahin Strebenden genügt es, das in Rede stehende Problem von den Kategorien eines perpetuum mobile c. mit streng scientifischen Gründen ausgeschloffen zu sehen, und die Militair- Literatur liefert auch den Beweis, daß man bis hierher noch keineswegs gesonnen ist , die Hoffnung auf eine endliche Löfung beffelben aufzugeben. Biernach und mit besonderer Rücksicht auf die intereſſanten Mittheilungen der neuesten Zeit , welche , diese Frage zum Gegenstande babend , neue Anregungen darbieten , dürfte wohl auch eine nachträgliche Berichterstattung von Versuchen noch gerechtfertigt erscheinen, welche , in diefes Gebiet einschlagend , im Jahre 1859 unternommen wurben, um den damaligen Vorräthen von glattgebohrten Feuerwaffen möglicherweise eine größere Wirkungssicherheit vindiciren zu können, unb welche dann später aus eintretendem Mangel an zur Dispofition Stehenden Versuchsmitteln abgebrochen werden mußten. Die Ge banfenfolge, welche diesen Versuchen zur Grundlage diente, ging zwar nur von ganz bekannten Vordersägen aus ; sie mag der Vollständigkeit palber hier aber ebenwohl eine Stelle finden : Zebe Gefchoßrotation nämlich , welche während der Fortbewegung eines Projectiles im widerstehenden Mittel der atmoſphärischen Luft Atattfindet , schwächt einmal die Perkussionskraft deffelben und wirkt bann auch noch insofern gestaltend auf die Curve ſeiner Flugbahn ein,

"

155 als jede Geschoßrotation in und parallel der Schußebene Längenabweichungen des Gefchoffes zur Folge hat , während die senkrecht zur Schußebene ftattfindenden Geschoßrotationen Seitenabweichungen des Projectiles hervorbringen und den zwischen diesen beiden Hauptrichtungen liegenden Geschoßrotationen also Einwirkungen auf die Flugbahn des Geſchoſſes zukommen , welche aus diesen beiden soeben bezeichneten Rotationsergebnissen zusammengeseßt sind .

Es muß hier-

nach als Hauptaufgabe der Technik dastehen, dieſe Kraft abſorbirenden und Abweichungen der verschiedensten Art hervorbringenden Geschoßrotationen unbeschadet der Geſchoßwirkung gänzlich beſeitigen zu können, und nur so lange dieses noch nicht gelungen ist, werden die Palliativmittel des Rohrziehens und der excentrischen Granaten für glattge= bohrte Rohre eine hervorftechende Bedeutung haben, da alle dieſe Einrichtungen lediglich darauf hinwirken , einen Theil der oben bezeichne ten Rotations-Einwirkungen insofern unſchädlich zu machen, als durch fie die jedesmalige Rotationsrichtung des Geschoffes streng geregelt und hierdurch für die Treffsicherheit deffelben dienstbar gemacht wird. Sucht man die Schwierigkeiten auf, welche der Conſtruktion nicht rotirender Geschoffe entgegenstehen, so muß zunächst die Herstellung eines ſphäriſchen Geſchofſes dieser Art als techniſch unmöglich bezeichnet werden, und ferner hat sich bisher auch noch kein allgemein bekannt ge= wordenes Mittel auffinden laffen wollen, der vorherrschenden Neigung länglicher Geschoffe , sich beim Fluge um ihre kurze Querachse zu drehen, erfolgreich entgegentreten zu können . Soll alſo auf dem leßteren, zur Lösung des vorliegenden Problemes hiernach einzig offenen Wege vorgeschritten werden, ſo muß das zu construirende Geſchoß einem durch Pulverkraft abzuschießenden Pfeile zu vergleichen stehen , und es würde daffelbe demnach etwa folgenden Anforderungen zu entsprechen haben : 1.

Die Form des Projectiles muß eine längliche und der Spiel-

raum deffelben im Rohre ſehr gering sein , damit nicht ſchon in leßterem eine Rotation des Geschosses angebahnt wird . 2.

Die Lufteinwirkungen , welche während der fortschreitenden

Bewegung des Geſchoffes auf seine Oberfläche ſtattfinden , müſſen ſich nach Möglichkeit compenfiren , wodurch eine ſymmetriſche Gestalt defſelben indicirt ſein dürfte.

156 3. Das Geschos muß wenigstens eine und bei vollkommen ſymmetrischer Gestaltung also zwei Spigen haben , damit deren beim Geschoßfluge vorn befindliche es die atmoſphäriſche Luft mit größtmöglicher Leichtigkeit durchſchneiden läßt. 4. Der Maffenschwerpunkt dds Geſchofſes muß, so weit nur im mer thunlich , vor dem geometrischen Mittelpunkte seiner Raumform liegen, damit die Flugbahn des Projectiles möglichst raſant werde und etwaige , durch Luftftrömungen hervorgerufene

Seitenabweichungen

desselben, gerade so wie bei dem Pfeile und wie bei der Rakete, durch eben dieſe Luftftrömungen selbst corrigirt werden können. Hiernach hatte man zur Ausführung der in Rede stehenden Versuche cylindroconische, beziehungsweise cylindroconoidische Geschoffe anzuwenden, deren Kopf maſſiv auszugießen war, während der Leib und der Schweiftheil derselben zu ihrer relativen Erleichterung mit einem specifiſch leichteren Kerne versehen werden , nach Umständen auch ganz hohl bleiben konnten . – Auf ein Verjüngen des Schweiftheiles, åhnlich wie bei Schiffen, welches zum beſſeren Durchschneiren des widerftehenden Mittels der atmoſphärischen Luft dienlich gewesen wäre, sowie auf ein Abschneiden des hinteren conischen oder conoidiſchen Geſchoßtheiles zu einer Stoßfläche , welche dem sich entwickelnden Pulvergase der Ladung senkrecht entgegenzutreten hatte , wurde zunächſt, um den vorstehenden Bedingungen nach Möglichkeit zu genügen, verzichtet, dagegen aber sollte , um die Ladung dennoch möglichst kräftig auf das Geschoß einwirken zu laſſen, ein Spiegel vermittelnd eintreten. Sobald nun die Rechnung angelegt wurde , um für irgend ein Kaliber vom Durchmesser d die relativen Größen von Länge, Metallstärke und Gewicht des Geschosses schon im Voraus gegeneinander abwägen zu können , fand sich ,

wenn der Einfachheit wegen ein

cylindroconisches Geschoß angenommen wurde , deren gerade Endkegel jeder eine ein Kaliber lange Achse hatten und weiter nur der vordere Kegel dieses Geſchofſes maſſiv blieb, während die übrigen Theile deſfelben mit einem Einſaßkern von gebranntem Thon versehen wurden, für die specifiſchen Gewichtszahlen von Blei = 11,4, Gußeifen = 7,3 und gebrannten Thon = 2 folgendes : 1. Für ein vier Kaliber langes Geſchoß, deſſen cylindriſcher Theil alſo zwei Kaliber lang war, konnten erft bei dem zweifachen Gewichte

157 der gleichlalibrigen Rundkugel erträgliche Metallstärken erzielt werden, indem für diesen Fall der Durchmesser vom cylindrischen Theile des aus gebranntem Thone gebildeten Einſaßkernes bei einem Bleigeſchoffe gleich 0,8525 und bei einem Eisengeschosse gleich 0,8653 des KaliberDurchmessers werden mußte, die Metallstärken des über den Kern gegoffenen Geschoßtheiles also nur beziehungsweise 0,0737 und 0,0673 des Kaliberdurchmessers betrugen. - Kehrte man aber die Rechnung um , indem der Durchmesser des cylindrischen Theiles vom Thonkerne auf 0,8 Geschoßdurchmesser festgeseßt wurde, wodurch sich für die, diesen Kern umgebenden , äußeren Geschoßwände Metallstärken von 0,1 Kaliberdurchmesser ergaben, welche also z . B. für eine Muskete von 0,68 Zoll Durchmesser 0,068 Zoll betrugen , für einen Sechspfündner vom Kaliber 3,5 Zoll gleich 0,35 Zoll , für einen Zwölfpfündner vom Kaliber 4,42 Zoll gleich 0,442 Zoll 2c. waren, so erhielt man für das Bleigeschoß ein Gewicht vom 2,2 fachen und für das Eiſengeschoß ein Gewicht vom 2,4 fachen des Gewichtes der gleichkalibrigen Rundkugel von demselben Metalle. - Diese vier Kaliber langen Geſchoffe erhiel= ten also für Wandstärken , welche noch auf ein leichtes Ausgießen des der Metalles rechnen lassen konnten , ziemlich bedeutende Gewichte ; Rundderen Bleigeschoffe für eine Muskete vom Kaliber 0,68 Zoll Pfund cölnisch wiegt , kamen nur 8,2 Stück auf ein Pfund fugel cöllnisch, den Sechs- und Zwölfpfünder - Eifengeschoffen aber fielen Der MassenGewichte von respective 14,4 und 28,8 Pfund zu. schwerpunkt dieser Geschosse liegt bei durchaus normaler Bildung und Atreng cylindroconischer Form derselben etwa um 0,2 Geschoßdurchmesser vor ihrem geometrischen Mittelpunkte nach der maffiven Spiße hin. Bei Fortseßung der Rechnung sindet man

2. Für ein drei Kaliber langes cylindroconisches Geschoß derselben Art, deffen cylindrischer Theil also ein Kaliber lang ist , daß bei Metallstärken der Kernhülle von 0,1 Geschoßdurchmesser dem Bleigeschoffe ein Gewicht vom 1,5 fachen und dem Eiſengeschosse ein Gewicht vom 1,6fachen der gleichkalibrigen Rundkugel desselben Metalles zu • kommen, wonach 12 Bleigeschoffe vom Musketenkaliber 0,68 Zoll auf das Pfund gehen , und die eisernen Langgeschoffe der Sechs- und Zwölfyfünder - Kanonen, Gewichte von beziehungsweise 9,6 und 19,2 Pfund erhalten.

Die Achsenlänge des Geſchofſes zwischen dem Schwer-

158 punkte seiner Maffe und dem geometrischen Mittelpunkte seiner durch. aus symmetrischen Raumform wird aber nur etwa 0,1 Geſchoßdurchmesser betragen . Hiernach glaubte man , der günstigeren Schwerpunktlage wegen fich beim Beginne der Versuche zunächft für das vier Kaliber lange Geschoß entscheiden und die thunliche Erleichterung der Munition durch Verkürzung der Geschoffe dann von den Versuchsergebniſſen abhängig machen zu müffen. - Zur Geschoßdarstellung wurden Gypsformen benußt, zum Einsaßkerne wählte man das Material der Form, die Spißen der Geschoffe erhielten die ogivale Form der Schweizer Stußen - Geschoffe, und es begannen die Verſuche mit aus Schnell- Loth (Blei und Zinn ) gegoffenen Geschoffen des Kalibers 0,68 Zoll , von welchem letteren gerade glatte Cavallerie - Pistolen und Infanterie - Musketen zur Hand waren . Die Treibspiegel endlich wurden zunächst aus Holz und zwar in der Weise angefertigt, daß ihre hintere Fläche eine sentrecht zur Achse des Spiegels stehende Ebene bildete , während ihre vordere Aushöhlung der conoidischen Form der Geschoßſpißen entsprach . Der erste Schieß- Versuch wurde mit der Pistole angestellt und hatte ein wirklich glänzendes Resultat , indem das Geschoß sich , bei einer Ladung von c. Loth cöllnisch Pürschpulver und 50 Schritt Zielentfernung wie ein Nagel in die als Scheibe dienende Holzwand einbohrte, und Geschoffe, welche gegen eine Mauer abgefeuert wurden, bei späterer Untersuchung ihrer Deformation 2c. ebensowohl den Beweis lieferten , daß dieselben mit ihrer maſſiven Sviße nach vorn an die Wand angeschlagen waren . Daffelbe Geschoß, mittelft einer Muskete abgefeuert, war aber im Rohre der letteren offenbar einer zu starken Reibung ausgefeßt ge= wesen, indem es, mit Loth Ladung und Kernschußrichtung abgefeuert, schon auf etwa 80 Schritt vor der Mündung kraftlos zu Boden fiel . Es mußte also auf Verminderung dieser Reibungswiderstände gedacht werden , und man ordnete dementsprechend zunächst eine versuchsweiſe allmähliche Abkürzung des cylindriſchen Geſchoßtbeiles auf 1½, 1 , į Kaliber Länge bis zum gänzlichen Verschwinden desselben an . Die günstigsten Resultate wurden hierauf während Abführung der nach dieser Richtung hin liegenden Versuchsreihe mit solchen Geschoffen

159 erzielt , welche in ihrem cylindrischen Theile 1 Kaliber lang waren. Pfeilgeschoffe dieser Art schlugen faft fämmtlich , mit ihrer massiven Spiße nach vorn , fpiß an die Zielwand an und besaßen außerdem auch bei der oben angegebenen Ladung eine solche Percussionskraft, daß fie auf c. 50 Schritt Entfernung drei bis vier einzöllige Tannenbretter, welche mit geringen Zwischenräumen hintereinander aufgeftellt waren , durchschlugen , oder auch in einen Kloß von zähem PappelMafer-Holz etwa vier Zoll tief eindrangen. -- Die Geschoffe wurden hierbei, nach ihrem Durchgange durch die Tannenbretter, so wenig de- . formirt befunden, daß fie theilweise ohne Weiteres wieder zum Schießen benußt werden konnten. — Einige nicht ganz spiß in die Zielwand eingedrungenen Geschoffe zeigten sich bei deren Durchfägen in Bezug auf ihre Kernlage excentrisch, was den mangelhaften Gießvorrichtungen: zuzuschreiben war und zugleich auch ihr Schräg - Gehen genügend erflärte. Bis hierher konnten die Versuchsergebnisse demnach als im Ganzen befriedigend bezeichnet werden. Es handelte fich aber, um die vorliegende Idee in die Praris einführen zu können , nun weiter noch um etwa folgende Punkte : 1 ) Thunlichste Erleichterung des Geschoffes. 2) Erlangung von größerer Treffsicherheit auf weitere Entfernungen und

3) Auffindung eines billigeren und dennoch zweckmäßigen Geschoßmaterials, da das seiner Leichtflüssigkeit wegen bis hierher angewendete Schnell- loth zu theuer war. Da die Erleichterung des Geschoffes durch Verkürzung seines, die Führung im Rohre vermittelnden , cylindrischen Theiles nur bis zur oben angegebenen Grenze von 1 Kaliberdurchmesser räthlich erschien , indem sonft auf eine Stabilität der Geschoß - Längenachſe in tangentialer Richtung zur Flugbahn - Curve nicht mehr gerechnet werden konnte, und da weiter auch selbst für diese Minimal- Länge des cylindrischen Gescostheiles der Spielraum noch in einer die Treffsicherheit des Geſchofſes beeinträchtigenden Weise bedeutend bleiben mußte , wenn ein fortgeſeßtes Laden nicht allzuſehr erschwert werden und Loth Pulverladung die genügende Compensation der Geschoßreibung im Rohre abgeben. ſollte ; so entschloß man fich , nunmehr den Geschoßdurchmesser felbft Achtundzwanzigfter Jahrgang . LV. Band. 11

160 insoweit zu verringern , daß die Führung des Geschoffes im Rohre einem gefetteten Pappspiegel übergeben werden konnte, welcher den hinteren Geschoßtheil bis zur Hälfte seines cylindrischen Theiles umfaffen und in seinem der Ladung zugekehrten Stoßboden kapellenförmig ausgehöhlt ſein ſollte, damit das Pulvergas, nach Analogie des MinièSyftemes, ein feftes Anschließen des Spiegels an die Rohrwand und fomit eine möglichst sichere Geschoßführung erzielen könne. - Zugleich wurde auch der Ladeftock durch Aushöhlen ſeines dem Kaliber entsprechenden Kopfes nach der Geschoßspißenform und durch Zuſchärfen des unteren Kopfrandes so eingerichtet, daß er beim Aufſeßen des Ge= schofses auf die Ladung den oberen Pappípiegelrand feft zwiſchen Geschoß und Rohrwand einpreßte, ſo daß die Längenachſe des Geſchoffes dann genau mit der Seelenachse des Rohres zuſammenfallen mußte. Anfangs zeigten sich bei dieser Ladeweise zwei stark hervortretende Uebelftände ; einmal nämlich verließ die Kugel nach dem Schufſe nicht rasch genug den Spiegel , wodurch sie in ihrer Flugbahn ganz unnöthig gehemmt und gestört wurde, und dann widerstanden ferner auch die Wände der hinteren Höhlung des Spiegels den Einwirkungen der Pulverkraft so sehr, faßt vollständig, daß die beabsichtigte Ausdehnung dieses Spiegeltheiles nicht eintrat. Diesen beiden Mängeln wurde aber durch je vier um 90 ° von einander abftehende Einschnitte in die Wände der vorderen und der hinteren Spiegelhöhlung abgeholfen, welche Einschnitte bis zum massiven cylindrischen Spiegeltheile hinabreichten und ihren Zweck so vollständig erreichten , daß die Spiegel nunmehr nach dem Schuffe kurz vor dem Rohre liegen blieben und dann, bei normaler Bildung, ſich in ihren oberen und in ihren unteren Rändern ftrahlenförmig umgebogen zeigten. Nach der solchergestalt erlangten Beseitigung dieser Fehlerquelle zeigten die Versuchs. resultate dann aber auch um so reiner und ganz deutlich, daß die Verringerung des Geschoßdurchmessers den Schwerpunkt des Gefchoffes allzunahe an den Mittelpunkt seiner Längenachse verlegt hatte, welchem Uebelstande nicht auszuweichen gewesen war , weil es für die Metallftärken des hinteren , über den Kern zu gießenden Geſchoßtheiles ein absolut bestimmtes Minimum als eine Verminderungsgrenze gab, welche eingehalten werden mußte , wenn die Geschosse sich überhaupt noch ausgießen lassen sollten.

Der hintere Geschoßtheil war hierdurch

161 bei dieſen erleichterten Geſchoffen also relativ schwerer geworden , und es lag nun, wie die Versuche zeigten, der Schwerpunkt derselben nicht mehr weit genug nach vorn , um die Längenachſe des Geſchofſes während seiner Flugbahn in einer solchen Weise Atabil erhalten zu können , daß dieselben immer nur mit ihrer maſſiven Spiße an die Zielwand anfchlugen . - Es kam also bei diesen verkleinerten Geſchoffen jeßt ſehr häufig ein Flachanschlagen derselben an die Zielwand vor , wodurch natürlich ihre Unzuverlässigkeit conftatirt war. Um auch hier helfend einzuschreiten und zugleich noch ein billigeres Geschoß-Material mit in den Verſuch hereinzuziehen , wurde von jeßt an auf eine ganz andere Art der Geschoßanfertigung Bedacht genommen . Man verwendete nämlich bleierne, auf Maschinen ausgegoffene Gasröhren von paffendem Durchmesser in der Weise zu Geschoffen , daß abgeschnittene Stücke derselben von angemessener Länge an dem einen ihrer Enden mit einem massiv ausgegoffenen Kopfe versehen wurden, nachdem ihr anderes Ende durch Hämmern über einen entſprechend geftalteten Dorn geschloffen worden war, und erhielt dadurch Geschoffe mit maſſivem Kopfe und ganz hohlem alſo relativ möglichßt erleichtertem Schweiftheile. Der Erfolg war aus dem Grunde kein günftiger, weil diese Geschoffe durch Zusammenpreffen ihrer hohlen Enden schon im Rohre deformirt wurden , der Pappspiegel ihnen also hiergegen keinen genügenden Schuß gewährte , wie fich dies endlich durch in Wolle c. aufgefangene, abgeschoffen geweſene Projectile darthat. Hierauf wurden, um den hinteren hohlen Geschoßtheil gegen Deformation durch Zusammendrücken im Rohre zu schüßen und zugleich auch wenigstens ein billigeres und ein theureres Geschoßmaterial in zweckentsprechender Weise mit einander zu combiniren, zur Geschoßdarftellung unten geschloffene hohle Hülfen von Schnell - Loth gegoffen, welche der Geschoßform bis zum oberen Rande des cylindrischen Theiles derselben entsprachen und in dieſe Hülsen dann cylindroconoidiſche Bleilöpfe mittelft eines cylindrischen Anſaßes eingepreßt 2c. - Dieser Verſuch gelang ebenfalls nicht, und das zwar aus dem doppelten Grunde, weil die beiden Geschoßtheile fich wegen der zu großen Verschiedenheit ihrer mechanischen Momente während des Geschoßfluges meistens von einander trennten und dann ferner auch die Schnell-Loth-Hülſe als hinterer bobler Geschoßtheil der zusammenbrückenden Pulvergas - Wirkung

11 *

162 nicht genügend zu widerstehen vermochte.

Jedoch verdient als ein fich

hierbei ereignender intereſſanter Umstand noch die Thatsache berichtet zu werden, daß in einem der als Kugelfang dienenden Sandkörbe beim Nachsuchen nach Geschoßspuren auch eine der hinteren Geſchoßhülsen aufgefunden wurde, welche mit ihrem geschlossenen , früher die hintere Geschoßspiße gebildet habenden Ende nach vorn in die Korbwand eingedrungen war und weiter durch einen, in ihrer inneren Höhlung befindlichen Grashalm noch den Beweis lieferte, daß fie, nach der Trennung von dem maſſiven Bleikopfe des Geschosses, zuerst mit ihrem hohlen Ende nach vorn , den Rafen- Boden des Schießplaßes geftreift und dann in ihrem weiteren Fluge sich umgedreht hatte , um den nunmehr schwereren geschlossenen Theil nach vorn, d . h . ihren Schwerpunkt, vor dem Mittelpunkte ihrer Längenachſe zu haben. -Als endlich auch Hohlgeschoffe aus Hartguß ( 10 Theile Blei und 1 Theil Antimon ) , welche nebenbei noch schwierig auszugießen waren keine befriedigenden Versuchsreſultate ergaben , glaubte man zu dem Schluffe gelangen zu müſſen, daß durch Verfolgung dieses Weges bei kleinen Kalibern nicht wohl mit den Erfolgen der aus gezogenen Rohren abgeschoffenen Projectile zu rivalisiren sei , da die Hauptbedingungen für einen guten Schuß mittelft eines spiß und sicher an das Ziel anschlagenden Pfeilgeschosses , nämlich eine bedeutende Vorderwichtigkeit des Geschosses und zugleich auch eine sichere Führung deſſelben im Rohre nach dem Vorhergehenden mit hinten hohlen Geſchoffen, deren Wandstärken von einem sich durch die Praris des Gießens ergebenden Minimum an constant bleiben mußten, für kleinere Kaliber nicht zu erreichen ftanden , complicirtere Conftructionen zur Erlangung ungleich schwerer Geschoßhälften von relativ bedeutender Gewichtsdifferenz den Bedürfnissen der Praxis aber wohl nicht entsprochen haben dürften . —Defto wünschenswerther aber erschien ein Versuch mit Geſchüß von dem Augenblicke an, als die Einwendungen gegen ein vergrößertes Gewicht der Geschosse vor der Thatsache verstummen mußten, daß auch das Gewicht der Granaten 2c. für gezogenes Geſchüß ein mehr als zweifaches von dem Gewichte der gleichkalibrigen gußeifernen Rundkugel sei , und als weiter auch die zur Constructionsfrage des Pfeilgeſchoffes bisher gemachten Erfahrungen noch durch gütige Mittheilung eines fich lebhaft für diese Sache interesfirenden, hochgestellten und im

1

163

Seedienfte sehr erfahrenen Herrn dahin complettirt wurden , daß man fich früher in der Dänischen Marine, zur Steuerung von birnförmigen Brantgeschoffen, während der Dauer ihrer Flugzeit, mit gutem Erfolge eines an das hintere, schmälere Geschoßende angeſchleißten Schiffstaues von c. 1 Geschoßlänge bedient habe , durch welches dem beabsichtigten Zwecke , die Brandlöcher der in eine Schiffswand 2. einschlagenden Carcaffe nach vorn gerichtet zu behalten, in einer ganz befriedigenden Weise entsprochen worden sei. Hiernach dürfte fich , für den Fall , daß Neigung und Mittel zur Ausführung derartiger Versuche vorhanden sind, durch Schlußfolgerung aus den oben vorgelegten Erfahrungen etwa ein Geschoß als empfeh= lenswerth darftellen , welches in seiner äußeren Geftalt dem Langblei des preußischen Zündnadelgewehres ähnlich , bei ftumpf ogivalem Kopfe zum Schweiftheile einen abgeftumpften Kegel hat, und an deſſen unterer Abftußungsfläche das Steuertau central angeschleißt wird. Der gußeiserne Kern dieses Gefchoffes würde dann an seinem Kopfe das Mundloch für einen Vercuffionszünder haben und bis zur Gegend unterhalb des größten Geschoßquerschnittes behufs Aufnahme eines umzugießenden Bleiringes nur spindelförmig conftruirt werden , der conische hintere Theil dieses Geſchoßkernes aber mit einem noch zulässigen Minimum von Wandstärken hohl auszugießen sein. Der Geschoßboden erhält central eine Deffnung, welche durch eine Bodenschraube mit Deſe verſchließbar ist, in welcher leßteren dann das Steuertauende befestigt werden fann. - Dieses Tauende wird endlich bei zweckmäßiger Lagerung und Stärke entweder selbst zum Treibſpiegel zuſammengerollt, in welchem Falle es, durch geeignete Mittel, z. B. durch Alaunlösung, unverbrennlich zu machen ist , und nur durch leicht verbrennliche Ludelfäden in seiner Spiegelform erhalten werden darf; oder aber man kann, je nach Umständen , auch noch einen besonderen Treibspiegel zwischen Ladung und Geschoß einschieben, welcher leßteres in ſeinem abgeftumpften Kegel. theile umfaßt und zugleich das zufammengelegte Tauende in sich aufnimmt. Dem um die Kopfspindel des Geschoßkernes herumzulegenden Bleiringe ist am größten Querschnitte des Geſchoſſes äußerlich eine wulftförmige Geftalt zu geben, damit er von den Seelenwänden des Rohres eben nur tangirt wird und so, bei der Geschmeidigkeit seines Materials,

164 mit einem möglichk_geringen Spielraume die Führung der vorderen Gefchoßhälfte übernehmen kann, während das hintere Geschoßende durch den entsprechend eingerichteten und gefetteten Spiegel vor Schlotter. bewegungen behütet wird , welche außerdem das Vorrücken des Ge-

1

schoffes im Rohre beim Schießen begleiten könnten. Daß ein solches Geschoß , wenn es sich in Bezug auf Treffficherheit 2c. praktisch bewähren sollte , dann in den verschiedenen Modificationen der Granate, des Shrapnels und des Brandgeschoffſes zur Anwendung kommen könnte, versteht sich von selbst , und so werden dieſe

I 3deen denn hier in der Hoffnung niedergelegt, daß sich vielleicht irgend Jemand ihrer annehmen und fie , wenn auch hier und da umgeſtaltet und verbessert, durch praktische Versuche zu einem definitiven Abſchluffe bringe, welchem leßteren etwa mit derselben Empfindung entgegengeharrt wird , als sie Beethoven während der Momente gehabt haben mag, wo er, beim Anschlagen eines Septimen - Accordes mit der Bitte, die Suppe einzunehmen, von einem Gastgeber im Klavierſpielen unterbrochen , dann bei Tafel nicht eher wieder zur Ruhe kommen konnte, als bis es ihm , plößlich aufspringend und mit angesteckter Serviette zum Klaviere eilend, gelungen war, dem leßteren dann auch noch den jener Septime entsprechenden Grund- Accord zu entlocken. Caffel , im November 1863.

DY , Artillerie-Hauptmann .

165

IX . Abänderung

unserer Belagerungs-

und

Festungs - Laffeten zur Aufnahme gezogener Geſchüß-Röhre.

Hierzu eine Zeichnung.

u den im 53. Bande dieses Archivs pag. 255 ( 155 ) angegebenen Ab3n änderungen treten noch die folgenden hinzu : I. Für den gezogenen broncenen. 128 der und den gezogenen gußeisernen 6 der find ferner erhöht worden : 1) die 12uge Wall-Laffete vom Jahre 1818 ; 2) die 12uge Wall-Laffete vom Jahre 1832 ; 3 ) die 7uge Feld-Laffete vom Jahre 1816 ; 4) die 10uge Feld-Laffete vom Jahre 1816 ; 5) die 10ge Wall-Laffete vom Jahre 1834. Für die ad 1 und 2 genannten Laffeten ist die Construction bereits durch emanirte Zeichnungen festgestellt , während dies für die übrigen Laffeten noch nicht der Fall ist. Die Erhöhung dieser Laffeten ist ganz in derselben Weiſe construirt, wie es Band 53 pag. 261 ( 161 ) des Archivs angegeben ift. Die aufgeseßten Wandstücke sind von hartem Holz und so stark, wie die Wände der 78gen Feld - Laffete 310b . Da die Wände der 10 ugen Feld - Laffete 350h , der 12ugen Wall - Laffete 375b und der 10ugen Wall-Laffete 400h stark ſind , so wird jede derselben da , wo die Wandstücke aufgesetzt werden, von beiden Seiten abgekantet auf die Stärke von 310b . Die Feuerhöhe beträgt 5'. Die Auseinanderstellung der Wände ist zwischen den Schildzapfen. lagern 1105b ; vor der Aptirung betrug dieselbe : 7uge Feld- Laffete 975h vorne, 1300h 101.ge

10uge Wall-Laffete 1340b 1615b.

12 ge

166 Die umzuändernden Laffeten müssen deshalb auseinandergenommen und die Wände näher zusammengerückt , wobei zugleich die nach hinten divergirenden Laffetenwände ( alle excl. 124ge Wall-Laffete ) parallel gestellt werden.

Die Riegel der Laffete können wieder verwendet

werden, wenn sie nicht , was häufig der Fall , so angefault und geriffen find, daß man sie durch neue erseyen muß . Sie werden sämmtlich verkürzt mit Ausnahme des Stirnriegels der 74gen Feld - Laffete, welcher zu kurz ist und stets durch einen neuen ersezt werden muß. Gleichzeitig werden die sämmtlichen liegenden Bolzen ( mit Ausnahme der vorderen der 7ugen Feld-Laffeten ) abgehauen und mit neuen Gewinden versehen. Die Laffeten erhalten unter dem Schildzapfenlager einen 1550 bis 1800b hohen neuen „ oberen Stirnriegel " mit 2 horizontal durchgehenden Bolzen, während der früher vorhandene der ,,untere Stirnriegel" genannt wird. Da die Laffetenwände zusammengerückt werden, so müssen die Einschnitte für dieselben im Achsfutter der Feld-Laffeten und der hölzernen Achse der Wall-Laffeten durch eingeleimte Stücke Holz ausgefüllt und neue Einschnitte gemacht werden . Bei den niederen Laffeten liegt von der Stirn entfernt :

Laffeten

7uge Feld- Laffete .

10 t ge

do.

10uge Wall-Laffete . 12 # ge

do.

·

Das

Die Mitte des

Schildzapfenlager

Einschnittes für die Achse

1100h

1700h

1250h

1850b

1250b

18621b

1100b

1662h

Bei der Umänderung in erhöhte Laffeten werden die Wände der 10 gen Feld - Laffete 100h , der 10 gen Wall- Laffete 200h vorne am Bruchstück abgenommen ; der Achs- Einſchnitt bleibt unverändert, während das neue Schildzapfenlager bei der 12 gen Walllaffete 1200b , bei den übrigen hier genannten Laffeten 1100 von der Stirne abgelegt wird.

167 Man sieht, das Verhältniß in der Stellung beider Einschnitte ( für Schildzapfen und Achſe ) zu einander ist durch die Umänderung zwar ebenfalls verändert worden ; aber bei der beträchtlichen Entfernung dieser Einschnitte von einander kann die Stellung des Schildzapfenlagers nicht wohl anders sein als so , daß die Senkrechte , vom Lagerpunkte aus ge fällt, bei abgeprogtem Geſchüß etwa 6 " hinter der Mitte der Achse vorbei geht.

Wollte man das Schildzapfenlager weiter nach der Stirn rücken,

so würde das aufgeproßte Geschüß beim Transport zu leicht nach rückwärts überschlagen. Die hier aufgeführten erhöhten Laffeten erhalten alle die nachgenannte neue Richtmaschine. Die neuen Richtwellpfannen von Schmiedeeisen stehen etwa 6" hinter dem ersten Bruch , bei der 12ugen Wall-Laffete gerade über dem Ruhriegel, find 12-16“ hoch, ragen bedeutend über die Laffetenwände hervor und ſind in leştere ſchräge eingelaſſen und mit je 2 Bolzen befeſtigt, ſo daß sie bei abgeproßztem Geschütze senkrecht stehen und sich gleichzeitig durch angeschraubte eiserne ,,Auflager zur Richtwellpfanne" auf die Laffetenwände stügen. Bei der früheren 10tgen Feld-Laffete muß die Richtwellpfanne mehr senkrecht zur Laffete gestellt werden , weil der Mittelriegel die schräge Stellung verhindert.

Die Richtwellpfannen ſind an ihrem oberen Theile

etwas nach innen gebogen und zwar so viel, daß sie im Lichten 860b von einander abstehen und der mittlere Theil der Richtwelle mit einem Spielraum von 10b hineinpaßt. Die Richtwelle, Einsaßmutter und Kurbel sind wie dieselben Theile der eisernen Festungslaffete Nr. 1.

Die Richtschraube ist ebenso, nur um

1" länger ( 1875h lang ), als die der genannten eisernen Festungs- Laffete. Sollte bei der 10ugen Wall - Laffete die Richtschraube bei hohen Elevationen auf den Richtriegel treffen können, so wird letterer ausgeschnitten. Der Mittelriegel der 10 gen Feld-Laffete muß für die Richtschraube vorn eine Nuthe erhalten. Die Richtsohle ist gleich der Nr. I. B für eiserne Festungs - Laffeten (Felb - 12ber), jedoch fürzer ( 3650b lang ) . Der Richtſohlbolzen wird wegen der einarmigen Nichtsohle durch einen stärkeren neuen erseßt und erhält 2 Hülfen. Die Kurbellette fällt ganz fort.

168 Die hier genannten werden , wie die früher beschriebenen erhöhten Laffeten, mit einem Trittbrett zwischen den Wänden , außerdem aber an jeber Wand außerhalb am 1. Bruch mit einem ſchmiedeeisernen Fußtritt versehen, ähnlich dem der erhöhten Belagerungs-Laffeten , zu deffen Befestigung folgende Bolzen benutzt werden :

bei der 7ugen Feldlaffete der durch den Mittelring gehende Bolzen; bei der 10ugen Feld- und 10 % gen Wall-Laffete die beiden durch den Rub- und Mittel-, resp. Richtriegel gehenden Bolzen ; bei der 12 gen Wall-Laffete von 1832 der durch den Ruhriegel gehende und der lezte ftehende Kopfbolzen jeder Wand ; bei der 12 &gen Wall-Laffete von 1818 die vor dem Ruh- und hinter dem Nichtriegel durchgehenden liegenden Bolzen. Die Laffeten erhalten neue Schildzapfenpfannen, welche die ganze Stirn

der Wände

umfaffen.

Dieselben find nach der Con-

ſtruction 1856, bei der 12ugen Wall-Laffete mit 4 ftehenden ( 2 Splintund 2 Kopf - , also ohne Haken) Bolzen, bei den übrigen hier genannten Laffeten jedoch nur mit 3 stehenden Bolzen per Wand ( nämlich 1 Haken1 Splint und 1 Kopfbolzen). Es hat sich später herausgestellt, daß 3 Bolzen nicht genügen, um der Achspfanne die nöthige Festigkeit zu verleihen , und so erhielt jede Wand dieser Laffeten noch einen stehenden Bolzen, welcher aber die Schildzapfenpfanne nicht mit festhält, da er hinter derselben angebracht ist. Es befinden sich demnach 3 stehende Bolzen hinter und nur einer vor dem Schildzapfenlager.

Da diese Bolzen , wie erwähnt, gleichzeitig

die Achspfanne festhalten, und zwar so, daß 2 derselben vor und 2 hinter der Achse liegen , so muß der erste Bolzen hinter dem Schildzapfenlager die Laffetenwand von oben nach unten und von hinten nach vorne schräg durchschneiden, so wie es bei allen Laffeter älteren als des Materials 1842 ftattfand. Die neuen Löcher für die stehenden Bolzen paffen keinesweges mit den alten zusammen und so müffen lettere, sowie alle disponibel werdenden Bolzenlöcher durch Eichenholzpflöcke zugemacht werden. Die vorhandenen stehenden Bolzen können benugt werden, indem man fie faft um das Doppelte verlängert und mit neuen Gewinden resp. Halen versteht.

$169 Die oberen und unteren Laffetenbleche bleiben an der Laffete ; die oberen müffen aber , um die Wandstücke aufsehen zu können , bei den Wall-Laffeten abgehauen , bei der Feld-Laffete jedoch erlegt und bis über den 1. Bruch verlängert werden. Der Laffetenlaften der Feld-Laffeten wird disponibel. An Beschlägen fallen bei der Umänderung fort : Bei der 7 und 10 %gen Feld - Laffete: der Nothhaken, das vorbere Laffetenband auf dem Bruststück , die Richtwellpfannen und Unterlageblätter dazu, die Halen und Desen zur Anbringung von Wischern und Hebebäumen , die Richtringe am Schwanzriegel; die Schlepphaken an demselben werden von den Blechen abgehauen, und der hinterste liegende Bolzen wird ein Armbolzen. Außerdem bei der 10ugen Feld - Laffete, Das Blatt zum Bruſthaken wird verkürzt, und der 2″ durch daffelbe gehende Bolzen fällt fort, da er die Anbringung des oberen Stirnriegels hindert. Das 2. Seitenband ( 1. am Mittelstück) wird auf den 1. Bruch gerückt , um der neuen Richtwellpfanne Platz zu machen. Hemmschuh und Hemmschuhhaken fallen fort. Bei der 10 gen Wall- Laffete fällt das Richtriegelblech fort; bei der 12ugen Wall - Laffete verlieren der Ruh- und der Richt-Riegel ebenfalls ihre Bleche. Die hier beschriebenen erhöhten Laffeten haben am rechten Wandstüc 2 eiserne Kartuschnadel-Desen. Für alle erhöhten Laffeten muß die Abzugsschnur 4' lang sein. Wenn man die Construction der hier genannten erhöhten Laffeten mit derjenigen der im Archiv Band 53 pag. 261 u. ff. beschriebenen vergleicht , so ist ersichtlich , daß mit der fortschreitenden Construction Bereinfachungen und Berbefferungen zu Tage getreten sind. Bei den zuerst conftruirten erhöhten Laffeten ( Archiv Band 53 ) ſind die Richtmaschinen der 12 und 24 ugen Wall - Laffete , namentlich die Richtwellen, zwar ähnlich, aber doch abweichend von denjenigen der eisernen Festungs-Laffeten Nr. II und III genommen , während bei den hier genannten gulegt construirten erhöhten Laffeten die Richtmaschine in ihren wesentlichsten Theilen mit derjenigen der eisernen Festungs - Laffete Nr. I übereinstimmt.

170 Die erste Construction hat den Feftungs-Laffeten teine und nur erst den Belagerungs-Laffeten eiserne Fußtritte gegeben ; bei der zweiten Construction haben alle erhöhten Laffeten außerhalb eiserne Fußtritte erhalten. Endlich find bei der zweiten Construction die verlängerten Kurbelketten ganz für überflüssig erachtet worden . II.

Die gezogenen eisernen Festungs - Laffeten Nr. I, Nr. II und Nr. III.

In dem mehrerwähnten Aufsatze des Archivs ist pag. 261 gesagt, daß die vorhandenen eisernen Festungs-Laffeten Nr. I und Nr. III zunächst für gezogene Geschüßröhre abgeändert sind. Inzwischen sind aber auch 1) die sämmtlichen durch das Ausscheiden des alten Feld - 12 uders aus der Feld - Artillerie disponibel gewordenen 12ugen FeldLaffeten für den Belagerungs Train und die Festungs- Artillerie; 2) die durch das Ausscheiden einer Anzahl glatter 12uder aus der Festungs-Artillerie disponibel gewordenen 128gen Wall. ( aber nicht die 12uge hölzerne hohe Rahm- ) Laffeten für die FestungsArtillerie und 3) diejenigen 12 gen Belagerungs-Laffeten, welche im Belagerungstrain ( nachdem die Aptirung der Laffeten für denselben erfolgt war) überzählig geworden sind, für die Festungs- Artillerie zu erhöhten Laffeten für den gezogenen broncenen 12.der aptirt worden . Anmerkung: Für den gezogenen eisernen 128der der Festungs- Artillerie, welcher nur in wenigen Exemplaren vorhanden ist , find nur die dazu erforderlichen Laffeten, meist eiserne Festungs-Laffeten Nr. II und 12ge hölzerne hohe Rahmlaffeten, abgeändert worden. Endlich sind die durch das Ausscheiden eines großen Theiles der glatten 248 der aus der Festungs - Artillerie disponibel gewordenen Wallund hölzernen hohen Rahm - Laffeten , sowie die im Belagerungs- Train (nach erfolgter Aptirung der Laffeten für denselben ) frei gewordenen 24 gen Belagerungs- Laffeten zu erhöhten Laffeten für den gezogenen 24 der ber Festungs - Artillerie aptirt worden.

171 Diese Abänderungen genügen voraussichtlich nicht, um das Bedürfniß an hohen Laffeten für gezogene Geſchüßröhre der Festungs- Artillerie zu deden ; man mußte auf eine Neuanfertigung eiserner Laffeten Bedacht nehmen. Zu dem Ende ist man bestrebt gewesen , dieſen eine möglichst einfache Construction zu geben , ohne ihre Wirksamkeit zu beschränken, und ſo entstanden die folgenden 3 Laffeten-Arten : 1) die gezogene eiserne Festungs- Laffete Nr. I ( 1863) ift zur Aufnahme des gezogenen eisernen 6uders, des gezogenen broncenen 12 ders und, unter Anwendung von Seitenfuttern und Schildzapfenringen auch des gezogenen Gußſtahl - 6A.ders beſtimmt ; für den eisernen glatten 6uder und den alten Feld - 124der ist sie ebenfalls benußbar. 2) Die gezogene eiserne Festungs - Laffete Nr. II ( 1863 ) ift zur Aufnahme des gezogenen eisernen 128ders bestimmt , gestattet aber auch den Gebrauch des glatten eisernen und des schweren broncenen 12 uders. 3) Die gezogene eiserne Festungs - Laffete Nr. III ( 1863 ) ist zur Aufnahme des gezogenen eisernen oder broncenen 24 uders bestimmt und auch für glatte lange 24 uder verwendbar. Diese Laffeten find eigentlich nichts Anderes, als die gewöhnlichen eisernen Festungs -Laffeten Nr. I, II und III, zur Aufnahme gezogener Geschüß-Röhre eingerichtet , so wie sie pag. 255 , 256 und 259 ( 155, 156 und 159 ) Band 53 des Archivs beschrieben sind. Sie haben dieselbe Feuerhöhe underhalten bei der Aufstellung als hohe Rahm-Laffeten dieſelben Unterſäge, Rahmen und Zubehör , wie die bisherigen eisernen Festungs-Laffeten von gleicher Nummer. Die Construction der gezogenen eisernen Festungs - Laffeten 1863 ist indeß insofern weniger complicirt, wie die der gleichnamigen für gezogene Röhre aptirten eisernen Festungs - Laffeten von 1849 , als man den Vortheil aufgegeben hat , in der gezogenen Laffete Nr. I die 74ge, in der Nr. II die 10 uge Haubiße und den kurzen 24 der und in der Nr. III die 25uge Haubige verwenden zu können. Dadurch sind sowohl die Laffeten ſelber einfacher und leichter darstellbar , als auch weniger Aushülfeftü de für dieselben erforderlich geworden.

172 Jede gezogene eiserne Laffete hat nur zwei Lager für die Nichtwelle. Demnach fallen im Vergleich zu den für gezogene Geſchüßröhre aptirten eisernen Laffeten fort: Bei der gezogenen Laffete Nr. I die Lager zur Richtwelle für die 7uge Haubige und den glatten eisernen 6uder , und bei der gezogenen Laffete Nr. II die Richtwell-Lager für die 10 uge Haubiße und den kurzen 24uber, welche sich in den Richtwellpfannenschienen befinden ; leştere haben nur das hinterste Lager behalten.

Die Richtwellpfannenschienen

dieser Laffeten sind in Folge deſſen gerader , schmaler und leichter geworden. ( S. Fig. III , wo die frühere Richtwellpfannenſchiene punktirt angebeutet ist ). Bei der Laffete Nr. III sind die beiden Richtwellpfannenträger fortgefallen und die Richtwellpfannenschiene hat nur eines von ihren beiden Lagern behalten. Bei allen 3 gezogenen eisernen Laffeten hat also die Richtwellpſannenſchiene ein Lager ; das zweite tiefere Lager zur Nichtwelle befindet sich bei der Laffete Nr. II ( wo es neu hinzutritt ), und bei der Laffete Nr. III ( wo es nach Band 53 pag. 259 des Archivs hinzugetreten ist ) in der Verbindungsschiene; endlich bei der Laffete Nr. I in dem laut Band 53 pag. 255 neu angebrachten Richtwellpfannenträger. Jede gezogene eiserne Laffete hat ferner nur eine Nichtſohle und zwar: Laffete Nr. I die Nichtſohle I. B ( die des alten Feld - 12uders ), Laffete Nr. II die Richtsohle Nr. II. A ( die des 12uders ), für welche die Drehachse in einem mittleren Ständer liegt , welcher an der Strebe und der Richtwellpfannenschiene befestigt und nur der gezogenen Laffete eigenthümlich ist. Statt der Richtsohle Nr. III hat die gezogene Laffete eine etwas längere erhalten , deren Drehachse in einem ganz wie bei der gezogenen Laffete Nr. II befestigten mittleren Ständer liegt , welcher wiederum nur der gezogenen Laffete eigenthümlich ist. Da alle drei Laffeten voraussichtlich nur als hohe Rahmlaffeten verwendet werden , so hat jede nur eine lange Richtschraube erhalten. Im Uebrigen sind die Richtmaschinen wie bei den gewöhnlichen eisernen Feftungs - Laffeten. Die Nichtwellen der gezogenen Laffeten Nr. II und Nr. III haben jedoch jede 2 Paar Zapfen , aus den Band 53 pag. 259 angegebenen Gründen.

173 Alle gezogenen eisernen Laffeten haben einen Nichtſohlriegel, und es fallen die Richtſohlbolzen der aptirten Laffete Nr. II und III mit je drei Hülsen fort.

Ebenſo fällt das Richtkiſſen der aptirten Laffete Nr. II fort.

Das Seitenfutter der Laffete Nr. II und 1 dergleichen der Laffete Nr. 1 fallen fort. Die gezogene Laffete Nr. I und III hat jede 1 Seitenfutter. Wenn nun das Fortfallen verschiedener Ausrüstungsstücke bie quaest. Laffeten und somit unser Material vereinfacht , ſo ist lezteres doch auch um dieſe drei Laffeten vermehrt und die Complicirtheit um so größer geworden , als die einzelnen Theile der gezogenen eisernen Laffete als Ständer, Streben , Richtwellpfannen und Berbindungsschienen mit denselben Theilen der gewöhnlichen eisernen Laffeten von gleicher Nummer in ihren Längen- Abmessungen nicht übereinstimmen . Die gezogene eiserne Feftungs-Laffete Nr. I ist vorzugsweise dazu bestimmt , als oberer Theil der im folgenden Abſchnitt zu erwähnenden Geftell-Laffeten verwendet zu werden, während sie wegen ihrer beschränkten Beweglichkeit und zeitraubenden Aufstellung selten als hohe Rahm-, Walloder Kasematten-Laffete zur Anwendung kommen wird. Die gezogene eiserne Festungs- Laffete Nr. II wird , ebenso wie die aptirte eiserne Feftungs- Laffete Nr. II , vorläufig nicht gefertigt , da der gezogene eiserne 128der den Festungen nicht mehr , sondern statt feiner der gezogene broncene 12 der überwiesen wird. Die gezogene eiserne Feftungs - Laffete Nr. III wird nicht eher neu beſchafft , als bis die durch das Ausscheiden eines Theiles der glatten 24uder disponibel gewordenen 24tgen Wall-, hohen Rahm- , eisernen Feftungs-Laffeten Nr. III und Belagerungs-Laffeten sämmtlich zur Berwendung gelangt find. Nachdem die gezogenen eisernen Festungs-Laffeten Nr. I und Nr. III ebenfalls dargestellt sein werden , so werden wir von diesen Nummern zwei Arten haben : a) die ( für gezogene Geſchügröhre ) aptirten eisernen FestungsLaffeten Nr. I und Nr. III. 1849 ; b) die gezogenen eisernen Festungs-Laffeten Nr. I und Nr. III. 1863.

III. Die Gestell - Laffeten. Bei den bisher beschriebenen Laffeten ist der Zweck des schnellen und überraschenden Auftretens , sowie der Deckung des Geschüßes und

174 der Bedienungsmannschaft noch nicht vollkommen erreicht , denn man muß zur Aufstellung jedes Geschüßes eine Bettung ftrecken und eine flache Scharte einſchneiden , was bekanntlich zeitraubend genug ist , um das überraschende Auftreten zu beeinträchtigen , auch die Bedienungsmannschaften während der Herstellung der Scharte und durch dieselbe exponirt, die Brustwehr schwächt und dem Feinde Gelegenheit giebt, wenn nicht durch Demontiren des Geſchüßes, doch durch Einſchießen der flachen Scharte Ausbesserungen und Zeitverluste herbeizuführen. All diese Uebelstände sollten beseitigt werden durch eine leicht transportable , hinter jedem Theil der Brustwehr schnell aufzustellende Laffete mit möglichst großer Feuerhöhe , welche die Bedienung nicht wesentlich erschwert. Aus dem Bemühen, dieſen Anforderungen zu genügen , ist als Resultat die Gestell - Laffete hervorgegangen.

Sie besteht : a) aus dem Obertheil der eisernen Festungs - Laffete Nr. I -- der Laffete b) dem hölzernen mit Achſe und Rädern versehenen Geſtell. Die Laffete wird auf das Gestell gesetzt und läuft beim Schießen auf demselben zurück.

Das hohe Gestell vertritt alſo den Unterſaß und

Rahmen. Zum Transporte wird die Laffete auf dem Gestell befestigt und das Ganze aufgeproßt.

Wir haben: 1) die Gestell-Laffete Nr. I für gezogene eiserne 6uder in der gezogenen eisernen Festungs - Laffete Nr. I ( welche natürlich auch zur Aufnahme der ad II erwähnten Röhre geeignet ist), 2) die Geftell-Laffete Nr. II für den gezogenen broncenen 12æder in der gezogenen eisernen Festungs -Laffete Nr. I. Beide Gestell-Laffeten haben im Allgemeinen dieselbe Einrichtung, nur ist das Gestell Nr. II länger, stärker und schwerer als Nr. I. Die Feuerhöhe beträgt bei beiden 8025h . Das Gestell besteht aus zwei beschlagenen Wänden nebst Riegeln , der Achse nud den Rädern. Mit Rücksicht auf die erforderliche Leichtigkeit sind die Theile möglichst in Holz, wo es angeht, in leichtem Holz, construirt.

$ 175

Die Achse von Eichenholz durfte , um überall transportirt werden zu können, nicht wesentlich länger werden, als diejenige der Wall-Laffeten ; fie hat die Stärke beim Gestell Nr. I der 68gen, und beim Gestell Nr. II der 128gen Wall- Laffete. Um aber bei der hohen Lage des Rohres ein Schwanken und Umschlagen seitwärts während des Transports zu verhüten , ist das bei der Festungs- Artillerie übliche Geleise von 4′ 4″ (6uge Wall-Laffete jedoch nur 3' 8" ) vergrößert , und bei der GestellLaffete auf 4′ 8″ gebracht worden. Daraus ergiebt sich nun folgende Construction der Achse im Vergleich zu ben erwähnten Laffeten-Achsen.

Gestell Nr. I

Wall-Laffete

Gestell Nr. II

2800 b

4000 h

3580 b

3980b

1775 h

1600h

1925 b

1610h

1775b

1600h

1925h

1610!h

6350h

7200 h

7430b

7200h

68.ge Wall- Laffete

Länge der Mittelachſe

12tl.ge

Länge d. Achsschenkel

Länge der Achse

Die Achsschenkel haben , indem sie kürzer geworden sind , doch die Stärke jener der resp . Wall -Laffeten beibehalten . Die zugehörigen Räder sind die der 6- und 12ugen Wall - Laffete mit am Röhrende verkürzten Naben und Reifen von der Stärke derjenigen der Feld = Artillerie ( 60 ). Die übrigen Beschläge der Achsen und Räder sind gleich denen der Wall-Laffeten ; nur haben die Achsen, abweichend von der 6 ugen Wall-Laffete , unten ein Achseiſen und oben Achsschenkebleche, sowie die Achse der 12ugen Wall-Laffete. Auf der Achse stehen, mit derselben verzahnt, die beiden Wände des Gestelles , welche natürlich parallel laufen müffen , einen Abstand von 1380 haben und von denen jede aus drei tiefernen , nicht verzahnten, aber mittelst Berleimung , Zahndiebeln und Diebelscheiben verbundenen Bohlen zusammengesetzt ist ; auch die später zu erwähnenden stehenden Bolzen dienen zu ihrer Berbindung. 12 Achtundzwanzigfter Jahrgang. LV. Band.

176

Die Gestell Wand ist lang Nr. I 225b, für Gestell Nr. I 9600h , start { Nr. II 250b; Nr. II 11000b; Nr. I 3450b, Nr. I 2300b, boch hinten hoch vorne II 3400 b. Nr. 1900h Nr. II ;

1 'Die Wände werden durch 4 Riegel aus hartem Holz auseinandergehalten , den Vorderriegel , den 1. und 2. Mittelriegel und den Hinterriegel, welche nur mit Zapfen in die Wände eingelassen sind und feine Febern haben.

Durch jeden Riegel gehen zwei Bolzen.

Zwischen den Wänden befinden sich ein Füllbrett a Fig. III und ein mittleres Trittbrett b, welche auf hölzernen, an den Riegeln feſtgeſchraubten Leisten c ruhen. Außerhalb hat jede Wand ein Seiten - Trittbrett d , 5' lang , beinahe 1' ( 1150h ) breit , auf zwei eisernen Trägern festgenietet, von welchen der vordere Trittbrettträger der hintere Trittbügel heißt und etwa 17′ über der Erde einen schmiedeeisernen Fußtritt e hat , vermittelst dessen man auf das Trittbrett steigt. Hinten ist jede Wand von einem eisernen Fuße umfaßt und geſtüßt. Beide Füße sind vermittelst eines eisernen , um x ( einen Charnierbolzen mit Hülse bei welchem lettere überflüssig erscheint) beweglichen, Fußbügel g verbunden. Jeder Fuß ist durch eine feste Steife h und eine bewegliche i abgesteift, welche lettere mittelst der Backen t an der Gestellwand befestigt, aus dem Steifengehäuſe u ( nach Lösung des Splintriemens ) herausgehoben, so daß der Fußbügel g beim aufgeproßten Geschütze zum Transporte umgeklappt und mit der beweglichen Steife i an die Trage-Kette k gehangen werden kann. Jede Gestell-Wand hat oben eine schmiedeeiserne Laufſchiene 1 , auf welchen die Laffete beim Schießen zurückläuft.

Die Laufschienen find

jebe mit 4 ſtehenden, durch die Wände gehenden Bolzen, deren Köpfe in den Schienen versenkt sind, befestigt ; die vorderen derselben dienen gleichzeitig zum Festhalten der Achspfannen , sowie der hintere zum Befestigen der Steife h. Damit die Laffete , sobald sie nach dem Schuß auf dem Gestell zurückgelaufen oder vorgebracht ist, in Folge der plötzlichen Hemmung sich hinten nicht heben und etwa vom Gestell herunterſtürzen kann, ſind zwei Aufhalter m an den hinteren Ständern angeschraubt ( und leicht wieder abzuschrauben ).

Diese Aufhalter fassen unter zwei Blätter , welche sich

177 innerhalb an jeder Gestell -Wand befinden und an lettere mit Hülfe von zwei Unterlegeſcheiben n feſtgeſchraubt ſind. Nur die Gestell-Laffete Nr. II hat eine eiserne Bremſe p mit einem Klinkhaken und 2 Druckschrauben , welche unter die Laufſchienen 1 faßt, und für welche die Nuth o in jeder Gestellwand Nr. II ſich befindet. Zu jeder Gestell-Laffete gehört ein Proßhebel von hartem Holz , welcher, für beide Laffeten gleich , demjenigen für hohe Nahmlaffeten ähnlich ist, jedoch nur 1 Paar Trageringe hat. Ferner als Zubehör : 2 Bettungsbohlen, 78' lang, für die Räder, 1 3 --- 4′ lang, für die hintere Stüße, 4 hölzerne Keile zum Hemmen und 1 Kasten zur Aufnahme des kleinen Zubehörs. Jede Gestell- Laffete muß eine 4′ lange Abzugsschnur haben. Am Aufstellungspunkt muß Schanzzeug vorhanden ſein ( event. mitgenommen werden ) , um das Banket wegräumen zu können . Soll die Gestell-Laffete transportirt werden, so wird 1) die Laffete mit dem Gestell durch die Verbindungsblätter q und r verbunden; 2) der Protzhebel zwischen den Wänden mittelst zweier Bolzen s befestigt; 3) die Laffete auf eine Wallproge , welche mit Proßkette versehen sein muß, aufgeprogt ; 4) die bewegliche Steife i mit dem Fußbügel g in die Tragekette k gehangen ; 5) der Zubehörkasten zwischen den Wänden an der Kramme v, das übrige Zubehör mittelst der 4 Schnürringe an jedem äußeren Trittbrett festgebunden , womit das Geſchüß ( die Gestell-Laffete ) zum Transport fertig ist. Beim Schießen bleibt der Prozhebel am Geschüß , um die Seitenrichtung nehmen zu können , wozu ein Hebebaum durch die Trageringe des ersteren gesteckt wird.

Da der Prozhebel c. 3′ aus der Laffete her-

vorragt, so kann unter Umständen die Communication dadurch gehindert werden. Die Gestell-Laffete incl. Geſchüß -Rohr ist zwar beweglicher als Laffeten mit Rahmen, aber schwerfälliger als erhöhte Laffeten mit eingelegtem Nohr. 12 *

178 Sie hat jedoch vor leyteren den Vortheil, nicht so leicht nach rückwärts zu überschlagen , weil das schwere Gestell dies verhindert. Die SeitenSchwankungen dürften bei Geſtell- und erhöhten Festungs - Laffeten mit gleich schweren Röhren ziemlich gleich sein , denn obwohl die GeftellLaffete eine breitere Basis ( größeres Geleise) hat, als die Festungs -Laffete, so ist sie dafür auch höher. Die erhöhte Feld-Laffete mit dem gezogenen broncenen 12 der hat jedenfalls weniger Seitenschwankungen ( wegen der geringeren Höhe und des breiteren Geleiſes ) als die Gestell-Laffete, was bei einem mit Bombenlöchern befäeten Wallgange von Einfluß auf die Aufstellung des einen oder anderen Geſchüßes ſein kann. Da die Gestell - Laffete keiner Bettung , und , wegen ihrer großen tiefen Scharte Feuerhöhe bei einer 7' hohen Brustwehr einer nur 1 bedarf, so ist die Zeit ihrer Aufstellung und bis zur Feuerbereitschaft kürzer als bei jeder anderen Laffete. Die Gestell-Laffete gestattet daher ein plötzliches , unerwartetes Auftreten an jedem Punkte der Brustwehr und einen leichten und schnellen Wechsel ihrer Aufstellung. Die Bedienung der Gestell-Laffeten ist bei leichten Röhren genügend schnell und sicher ; bei schweren Röhren ist dieselbe schwierig . Die Bedienungs- Manuſchaften sind durch die sehr flachen Scharten gegen directes Feuer mehr gedeckt , als dies bei tieferen Scharten der Fall sein würde , auch bleibt die Brustwehr ungeschwächt , allein eine größere Deckung des Geschüßes als bei allen anderen Laffeten ist nicht erreicht, im Gegentheil ist bei Laffeten mit niederer Feuerhöhe und tiefen Scharten das Geschüß mehr gedeckt. Die Gestell-Laffeten werden vermöge der großen Flächen , welche sie darbieten, durch Flankenfeuer viel zu leiden haben ; ganz besonders wird dies der Fall sein durch seitliches oder durch nur schräges ShrapnelFeuer. Das Aufsehen der Laffete mit Rohr aufs Gestell erfordert ein Hebezeug ( Festungs- und Kasematten-Hebezeug mit Holm sind beide geeignet) . Das Aufrichten einer umgefallenen Gestell- Laffete mit Geschütz- Rohr ist sehr zeitraubend und erfordert ebenfalls ein Hebezeug . Durch die Gestell-Laffeten ist unser Material um die beiden Gestelle, zwei Achsen und zwei Räder-Arten, eine Bremse , einen Prothebel, ver-

179 schiedenes Zubehör und eine reiche Anzahl Benennungen vermehrt, also complicirter geworden. Die Gestell-Laffeten sind theurer , wie jede andere Laffete ( excl. der eiſernen ) ; das Gestell allein kostet für Nr. I 220 , für Nr. II 270 Thlr.; dagegen kostet eine 128der Feld a Laffete 168 Thlr. und eine 12 %der Wall - Laffete 160 Thlr. Das Kiefern-Holz der Geftelle iſt den Einflüſſen der Witterung, bei längerer Aufbewahrung dem Verstocken und dem Wurmfraß ſehr zugänglich. Haben, in Folge nicht ſeſt angezogener Muttern der liegenden Bolzen oder Umwerfens 2c. die Gestell Wände oben sich geworfen und ver bogen, so ist das Geſchütz kampfunfähig, und die Laffete ftürzt, wenn der Fehler übersehen wird, beim ersten Schuß vom Gestell herunter.

Die am Schluffe des oft erwähnten Aufſaßes ( pag. 267 ) angegebene Laffetirung der Geschüß-Röhre erleidet nunmehr folgende Veränderung : Da die glatten Geschüße keine erhöhten Laffeten haben , so müſſen die gegen den gewaltsamen Angriff zur Bestreichung von Gräben, Brücken, Zugängen , sowie die zur Beherrschung des Vorterrains aufzustellenden glatten Geschütz - Röhre niedere Laffeten erhalten.

Die zu

legterem Zweck in der Spitze des ausspringenden Winkels auf der Geschüzbank zu placirenden gezogenen Eder erhalten schmiedeeiserne Casematten-Laffeten. Wenn später nach Eröffnung des Feuers der Ricochettbatterien die Geschüß-Bänke der Angriffsfront abgetragen werden, so erhalten die hier aufgestellten sowie diejenigen gezogenen 64der, welche etwa von den nicht angegriffenen Fronten zurückgezogen werden konnten , Gestell-Laffeten und treten wieder zu den Geschüßen des förmlichen Angriffs über, aus welchen fte entnommen waren.

Die Casemattenlaffeten derselben find zur Auf-

ftellung gezogener Geschüße in Caſematten zu benußen und zwar vorzugsweise mit dem gezogenen bronceuen 12uder, weil derselbe in Casematten eine größere Elevation zuläßt als der 64der. Die in Cafematten aufzustellenden gezogenen 64 der erhalten ebenfalls die schmiedeeiserne Casemattenlaffete.

180 Sollten gezogene 12- oder 24der auf einer Geschüßbank aufgeftelt werden, so erhalten sie erhöhte Laffeten, und die Geschützbank wird so weit abgetragen , daß die Geschütze über die Brustwehr hinwegsehen , so wie jedes andere über Bank feuernde Geschütz. Eine zum Bestreichen von Terrainfalten aufgestellte 25 & ge Haubiße und die zum Beſchießen von Transporten 2c. etwa auf Cavalieren placirten gezogenen 24 der haben die eiserne hohe Rahm-Laffete Nr. III. Leichte Haubigen werden in Feld - Laffeten , kurze 24 uder in Caſematten in der 12 gen niederen Rahm-Laffete aufgestellt. Alle gegen den förmlichen Angriff ( auch die auf den Ravelin 2c. Facen der Angriffsfront) aufzustellenden , sowie die zur Erreichung eines überlegenen Feuers gegen feindliche Batterien 2c. in Reſerve gehaltenen gezogenen 6 4 der erhalten Gestell-Laffeten.

Demnach muß für

jeden gezogenen 64der, excl. der gegen den gewaltsamen Angriff in Casematten aufgestellten , eine Geſtell -Laffete ( nebft ¦ Vorrath ) und außerdem für jeden gegen den gewaltsamen Angriff aufgestellten gezogenen 64der eine schmiedeeiserne Casemattenlaffete vorhanden sein. Die gezogenen broncenen 124der erhalten in Casematten , wie erwähnt, die eiserne Casematten- oder die eiserne Festungs - Laffete Nr. 1 ; auf den Collateral-Linien der Außenwerke, weil sie hier am läugſten ſtehen bleiben, die erhöhte 124ge Wall- und Belagerungs - Laffete, leytere, wenn es die Communicationen , wegen des breiteren Geleiſes, geſtatten ; auf den Facen des Haupt-Walles der Angriffsfront die erhöhte Feld- Laffete ; endlich auf Flanken und Courtinen der Angriffsfront Rahm- Laffeten. Der gezogene 24 der erhält hinter Traditoren- Scharten die eiserne Feftungs-Laffete Nr. III ; auf den Collateral- Linien des Hauptwalles, auf den Facen erhöhte, auf den Flanken Rahm - Laffeten. Von den gegen den förmlichen Angriff beſtimmten glatten GeſchüßRöhren erhalten 12- und 24wder , die auf Linien , welche dem directen Feuer mehr entzogen find, also Flanken, Courtinen, der Angriffsfront 2 . placirt werden sollen , niedere Laffeten mit tiefen Scharten ; alle anderen aufzustellenden dergleichen Geschüße müffen eiserne oder hölzerne RahmLaffeten erhalten.

Die 254gen Haubißen der Collateral-Werke ftchen in

gewöhnlichen hölzernen Laffeten hinter erhöhten Scharten; in Caſematten dagegen erhalten sie die eiserne Festungs- Lassete Nr. III ober die 25 uge niedere Rahm- Laffete. Die leichten Haubigen des gedeckten Weges haben Feld-Laffeten.

181 Die Aptirung in eine erhöhte Laffete loftet : 1., 124g: Feld- Laffete 1816 resp. 187 1818 ober 1832 2., 12uge Wall-

40 Thlr. 62 73

3., 24u.ge 4. , 12uge Belagerungs-Laffete 5., 24 uge

mit eisernem Aufsat

145

155

Nach dem Leitfaden zum Unterricht in der Artillerie haben wir 28 verschiedene Achsen, 43 Räder-Arten, 41

Laffeten ;

zu leşteren treten aus vorstehender Uebersicht hinzu : 17 Laffeten, außerdem 3 gezogene eiserne Laffeten und 2 die 6- und 12uge Feld-Laffete , macht in Summa 63 Laffeten, und wenn man die verschiedenen GebrauchsArten der eisernen Laffete Nr. I - III noch hinzurechnet , so wächst die Zahl der Laffeten auf 67 , wobei fremde Laffeten nicht mitgerechnet sind. Hiernach läßt sich ermessen , welche Zeit ein Kanonier der FestungsArtillerie gebraucht, um Benennung und Zweck dieser verschiedenen kaffeten fich einzuprägen, geschweige denu Bedienung und Handhabung des größten Theiles derselben zu erlernen.

1

Uebersicht

182

ue ber

Nummer

unſerer sämmtlichen gezogenen (excl. Feld-) Laffeten ( ult. 1863 )

Benennung der Laffeten

A. I.

1.

Belagerungs- Artillerie.

Für den gezogenen eisernen 6pfünder und den gezogenen broncenen 12pfänder.

Erhöhte 12pfündige Feld-Laffete v. 3. 1816 u. 1842 resp. 1856 II. Für den gezogenen eisernen 12pfünder.

2.

Erhöhte 12pfündige Belagerungs-Laffete III. Für den gezogenen 24pfünder.

3.

Erhöhte 24pfündige Belagerungs-Laffete

B. I.



Festungs-Artillerie.

Für den gezogenen eisernen 6pfünder.

6pfündige Gestell- Laffete Nr. I.

Conftr. 1863

II. Für den gezogenen eisernen 6pfünder und den gezogenen broncenen 12pfünder. 5.

12pfündige Feld-Laffete v. 3. 1842 resp . 1856 •

6.

12pfündige Feld- Laffete v. J. 1816 .

7.

Eiserne Kasematten-Laffete v. 3. 1855 .

8.

Erhöhte 12pfündige Feld-Laffete v. 3. 1816 u . 1842 resp . 1856

9.

Erhöhte 12pfündige Wall - Laffete (1818 u. 1832)

183

ficht nebst Angabe der Feuerhöhe und Elevations - Grenzen.

ElevaFeuerhöhe

tions-Grenzen

Bemerkungen

Zoll

Grad

60

+17 5

Die Laffete behält ihre Richtmaſchine ; die Richtsohle wird verkürzt.

+16

Eiserner Bock aufgesezt ; behält die broncene Richtwelle und Mutter ; neue lange Nichtschraube ; neue eiſerne Richtſohle.

66

66

+16 -0

80

+16 -- 3

fleine

+14 -10

fleine

-10

Heine

97

1 ± ! + ! + ! + !

+17 5

60

60

ca. +18 -10

do.

Die Laffete wird nur auf besonderen Befehl für gezogene Geschüße abgeändert, gestattet bann größte Elevations- Grenze —7 bis +17° . Ift dieselbe Laffete wie Nr. 1 . Richtmaschine wie eiserne Festungs - Laffete Nr. 1.

Nummer

184

Benennung der Laffete

10.

Erhöhte 7pfündige Feld-Laffete v. J. 1816

11.

Erhöhte 10pfündige Feld- Laffete v. 3. 1816 .

12.

Erhöhte 10pfündige Wall- Laffete 1834 .

13.

I Sohne Untersay Eiserne Festungs-Laffete Nr. 1 {{ mit Untersag .

14.

12pfündige Geftell-Laffete Nr. II ..

15.

Erböbte 12pfündige Belagerungs- Laffete In den ad 4, 7, 13 und 14 genannten eisernen Laffeten ist auch der gezogene gußzstählerne 6pfünder zu gebrauchen, wenn man Seitenfutter und Schildzapfenringe anwendet. III. Für den gezogenen eisernen 12pfünber.

16.

12pfündige Wall- Laffete .

17.

12pfündige Belagerungs-Laffete

18.

Erhöhte 12pfündige Wall- Laffete .

19.

ohne Untersag Eiserne Feftungs- Laffete Nr. II ( mit Untersag

20.

12pfündige hohe Rahm-Laffete

21.

12rfündige hölzerne niedere Rahm -Laffete .

IV. Für den gezogenen eisernen 24pfünder. 22.24pfündige Wall- Laffete . 23.

.'

24pfündige Belagerungs -Laffete

185

ElevaFenerhöhe

tions-Grenzen

Bemerkungen

Grad

60°

+16 4

60

+16 5

60

+18 --- 3

fleine 70

+18 8

In Kasematten jedoch nur —7 bis +15 ° .

+15 3

Richtwelle 2 Paar Zapfen.

66

+16 0

Ganz wie Nr. 9—12, alſo Wände zusammenrüden , hölzerne Wandstilde, Richtmaschine Nr. I.

Pleine

+10 --- 5

fleine

+10 -10

60

+16 3

Neue Richtmaschine ( wie eiserne Laffeten ).

+18 -12

In Kasematten jedoch nur

+16 3

Die Richtschraube ist umgedreht.

80

1 + 1 + 1

1 +

Zoll

Richtmaschine wie eiserne Festungs- Laffete Nr. I.

}

Elevation der unveränderten Laffete.

70

Geftattet nur geringe Elevationen und ist für gezogene Geschüße nicht abgeändert.

kleine

fleine fleine

-5 bis + 124 °.

+9 -11 +9

Elevation der unveränderten Laffete.

Nummer

186

Benennung der Laffete

24. 24pfündige hohe Rahm-Laffete

V. Für den gezogenen eisernen und den gezogenen broncenen 24pfünder. 25.

Erhöhte 24pfündige Wall-Laffete (1833)

26.

Erhöhte 24pfündige Belagerungs-Laffete

27.

ohne Unterfah Eiserne Festungs-Laffete Nr. III { mit Untersag .

187

Eleva-

Feuerhöhe tions -Grenzen

Bemerkungen

Zoll

Grad

70

+16 - 3

Die Richtwelle wie eiserne Laffeten (kürzer als Nr. III). Richtſohle II A.

66

+16

Maximum der Ladung für das broncene Rohr 5 ; Richtmaschine wie eiserne Laffeten, aus Nr. III Richtwelle darzustellen.

66

+16 0

Mit hölzernen Wandstücken, Richtmaschine wie Nr. 3.

fleine 70

+15 - 6

In Kasematten jedoch nur -4 bis + 10 °. Die Laffete verträgt Ladungen bis zu 5 & ; die Richtwelle hat 2 Paar Zapfen.

Doergé, Hauptmann in der Brandenburgischen Artillerie -Brigade Nr. 3.

Dieser nach den offiziellen Bestimmungen bearbeitete Aufsatz ist mit dem zugehörigen, bereits hier früher ( 53. Band , pag. 255 ) veröffentlichten ersten Abschnitt in erweiterter Ausführung mit 3 Blatt Zeichnungen unter dem Titel : "1 Die gezogenen Laffeten “, soeben in derselben Verlagshandlung erschienen.

Inhalt.

Seite VI.

VII.

VIII ,

IX .

Artilleristische Aphorismen aus dem gegenwärtigen Ameritanischen Kriege

95

Ansichten aus Amerika über die gezogenen Schußwaffen im Amerikanischen Kriege .

139

Beitrag zur Literatur des Pfeilgefchoffes für cylindrisch 154 glattgebohrte Rohre . . Abänderung unserer Belagerungs- und Festungs -Laffeten zur Aufnahme gezogener Geschüß - Röhre. (Hierzu eine Zeichnung. )

165

189 X. Die Ballistik der gezogenen Geschüße. In elementaren Formeln und ohne Tafeln dargestellt von Prehn , Oberfeuerwerker in der Garde - Artillerie - Brigade. Mit 2 Blatt Zeichnungen. (Von diesem Aufſak ift ein beſonderer Abdruck erſchienen , der durch jede Buchhandlung bezogen werden kann. ) Vorwort. www Die nachstehende Abhandlung erhält nicht allein einen besonderen Werth durch die große Uebereinstimmung, welche sich zwischen den darin zur Anwendung gekommenen Rechnungen und den Ergebnissen der Erfahrung zu erkennen giebt, sondern auch durch die hiermit verbundene Wahrnehmung : daß durch die Vervollkommnung der Ausübung des Schießens, welche mit der Einführung der gezogenen Geschüße eingetreten ist, ebenfalls der Theorie des Schießens ein sehr wesentlicher Dienſt geleistet ſein dürfte. In allen Wissenschaften sind nämlich die Erfahrungen der Theorie jederzeit weit voraus geeilt gewesen und werden es auch stets bleiben. Wenn nun aber beispielsweise von den Gesetzen, nach denen sich die Geschoffe bewegen oder ihre Bahnen beschreiben , das des Luftwiderstandes, vorzugsweise aber die Geſeße der Einwirkung der Rotation bis zur Stunde bei weitem noch nicht genügend erforscht sind, so dürfte dies ſeinen hauptsächlichsten Grund darin haben : ,, daß man in Folge der nicht zu bewältigen gewesenen, jedoch nur anscheinenden Regellosigkeit des Schießens aus glatten Geschützen nicht im Stande gewesen ist , der Wissenschaft diejenigen Thatsachen , in denen jene Gesetze enthalten sind und ſich in ewig wiederkehrender Weise aussprechen , so zu überliefern , daß dadurch dieselben in möglichst einfacher Weise bestimmt erscheinen und hiermit für ihre Erforschung das größte Hinderniß beseitigt ist, nämlich die fortgesezte übergroße Veränderlichkeit der Thatsachen selbst und deren hiermit verbundene verschiedenartige Auslegungen." Von der Sicherheit des Schießens aus gezogenen Geschüßen dürfte demgemäß auch eine wesentliche Förderung für die Wissenschaft zu erwarten sein. Allerdings erscheinen durch die Art, wie bei dieſem Schießen die Einwirkung der Rotation benutt ist , zunächst nur nach Möglichkeit 13 Achtundzwanzigster Jahrgang. LV. Band.

190 die ftörenden Einflüsse beseitigt , welche sie selbst bei jeder anderen Art ihres Stattfindens auf die Geschoßbahn ausübt , und wie hierfür ein Nachweis in der vorliegenden Schrift gefunden werden kann ; jedoch hat die hiermit bewirkte Bereinfachung und Regelmäßigkeit der Geschoßbahnen auch eine Vereinfachung der auf dieſe anwendbaren Theorien zur Folge, und Bereinfachung ist entweder schon an und für sich gleichbedeutend mit Bervollkommnung , oder doch wenigstens die erste und sicherste Grundlage für jede Bervollkommnung. In der Hauptsache beschäftigt sich die vorliegende Abhandlung mit einem wissenschaftlichen Nachweise der großen Gesetzmäßigkeit , welche in den Ergebnissen des Schießens aus gezogenen Geschüßen anzutreffen ist. Der hiermit betretene Weg dürfte sowohl für die Ausübung als die Theorie des Schießens gegenwärtig noch als der nüßlichste und richtigſte zu betrachten sein , und wird dieser Ansicht nur noch hinzugefügt : daß in beiden Beziehungen der Werth jenes Nachweiſes als ein um so größerer anzusehen ſein wird , je geringer der Zwang ist, unter dem er geführt ift, das heißt : je mehr die nachzuweisende Gesetzmäßigkeit in den Bersuchsergebnissen anzutreffen und nicht umgekehrt auf sie übertragen worden ist ". Von diesen Gesichtspunkten aus empfiehlt der Unterzeichnete die vorliegende Schrift einer allgemeinern Beachtung , die weitere Berfolgung ihres Inhaltes aber vorzugsweise denjenigen jüngeren Kameraden, denen es daran liegt, die stummen, durch die Erfahrung gegebenen Thatsachen durch den Geist der Wissenschaft redend zu machen , und für die ihnen anvertraute Zukunft der Waffe zunächst durch eine vielseitige und dabei gründliche Ausbildung des eigenen Geiftes Sorge zu tragen. Die vorliegende Schrift ist und bleibt in allen Beziehungen das alleinige Werk ihres Verfaffers , und ebenso der Anhang zu derselben, welcher die wissenschaftliche Herleitung der in ihr zur Anwendung gekommenen Grundgleichung zu liefern bestimmt ist, und zwar in ähnlicher einfacher Weise mittelst unbestimmter Coefficienten , wie Seite 63 und folgende des 14. Bandes des Archivs die Integrirung der ballistischen Grundgleichungen durch den Unterzeichneten bewirkt und im 29. Bande Seite 93 und folgende für die Ausübung weiter ausgerechnet worden ist. Berlin , den 29 October 1863.

Neumann, Oberst.

191

Den Herren Vorgesezten diese Arbeit vorzulegen, bewegt den Unterzeichneten nicht die Täuſchung, etwas Neues gefunden zu haben, wohl aber der lebhafte Wunſch , durch den Beifall Derselben das Gefundene brauchbar halten zu dürfen . Nach dem Ausspruche des Herrn Oberst Otto ( Mathematische Theorie des Nicochettschuffes von J. C. F. Otto , Berlin 1833 , pag. VI ) ist die Aufgabe der Ballistik : 1) Ermittelung des wahren Luftwiderstandsgesetzes ; 2) Auffindung der Gleichung für die Geschoßbahn für eine ge-

gebene Anfangsgeschwindigkeit ; 3) Uebertragung der Anfangsgeschwindigkeit in Ladung. Die Resultate jeder Seite VII ebendaſelbſt ſagt der Herr Verfaſſer : " Auflösung müssen , wenn diese nicht zu einer müßigen Speculation werden ſollen, zuletzt in einer solchen Form erscheinen , welche nur die allererſten Kenntnisse der Mathematik voraussetzt , mit dem möglichst kürzesten Zeitaufwande zum Ziele führt u. s. w. " Der Unterzeichnete glaubt , durch die vorliegende Arbeit darthun zu können , daß für unsere gezogenen Geschüße die gestellte Aufgabe für die Praxis ſehr einfach durch Benutzung der bisherigen allgemeinen

Arbeiten zu lösen ist ; nämlich, 1) daß das Newton'sche Luftwiderstandsgesetz (wenn nicht das wahre) das hinreichend genügende ist ; 2) daß die bisherige Coordinatengleichung für die Geschoßbahn in ihren allerersten Gliedern für alle Fälle der Praxis genügt; 3) daß durch ein sehr einfaches empirisches Geseß die Anfangsgeschwindigkeit in Ladung zu übertragen ist. In Folge dessen war es leicht , die Formeln ganz elementar darzuftellen und neben der logarithmischen jede andere Tafel zu vermeiden , selbst bei der Anwendung auf die Berechnung der Flugzeiten . Die gegebene Lösung bezieht sich zunächst auf die beiden 6uder , die beiden 12 der und den 24uder. Es würde nun sowohl für die Wiſſen18 *

192 schaft der Waffe als für die Waffe selbst von hohem Interesse sein , das Berhalten fremder Geschoßconstructionen zu den aufgestellten Formeln prüfen zu können. Daß die Bahnen der Geſchoffe aus Geſchüßen, welche auf denselben Principien wie die preußischen , alſo z . B. aus denen von Sir W. Armstrong , durch diese Formeln bestimmt sind , liegt außer Zweifel. Zunächst aber bietet sich hier die Frage , ob der preußische 48.der werbe in gesteigertem Maße den ausgesprochenen Gesezen folgen ? Die allernächste Zukunft wird diese Frage beantworten , und zwar mit einem Materialreichthum , welcher selten für die Prüfung eines Gesetzes zu Gebote stehen möchte. Der 48uder wird mit verschieden schweren Geschossen für die Reihe verschiedener Ladungen verschiedene Reihen von Anfangsgeschwindigkeiten liefern, bei denen es sich darum handeln wird, die Geseze ihres Zusammenhanges zu untersuchen. Sind diese Geseze unter sich gleich und identisch mit dem , welches sich bei den andern Kalibern herausgestellt hat, so ist daſſelbe kein zufälliges , und es ist dann gewiß gerechtfertigt, auszusprechen , daß ſelten eine so bestimmte Thatsache für die Theorie der Gasspannung dargeboten ist, und daß diese Thatsache werth ist, auch von nicht artilleriſtiſchen Physikern beachtet zu werden. ( Daß das Geſeß sich in noch bestimmtere Formen faffen laffe, wird nicht Gleichzeitig wird dieses Gesetz eine wichtige Basis für die

bezweifelt. )

Theorie der Rotation um eine Längenachſe bieten. Möge nun höheres Wissen über die Brauchbarkeit der Arbeit entscheiden mit der Nachficht , welche eine Erstlingsarbeit zu erwarten nöthig hat.

M. Prehu, Oberfeuerwerker in der GardeArtillerie - Brigade.

193

Einleitung .

Die seit einem Jahrhundert verfolgten Versuche, das Gesetz der balliftischen Curve durch eine Coordinatengleichung auszudrücken , führen auf die Form g x❜ g x' Ordinate y = x tang α s 2 c² cos α2 6 c2 cos a³ k plu eine unendliche Anzahl von Gliedern , welche nach einem nicht allgemein erkannten Geseze die steigenden Potenzen von x ( Absciffe ), c ( Anfangs. geschwindigkeit), Functionen von « ( Elevationswinkel ) und k (Conftante, welche der Größe des Luftwiderstandes nach dem Newton'schen Gesetze zugehört ) enthalten. Seht man in dieser Gleichung Ꭹ k

X = 9,

= u und

kg =

k cos α

so ergiebt sich nach der Division mit k *)

ru2

rus --

q = u sin a —

2!

r

+ 31

+ + r' sin a } 4!

Diejenigen Glieder , welcher in der ersten Potenz enthalten, laffen sich sehr einfach zusammenfaffen, da sie in folgender Weise auftreten

r

u2 + 2 3! (!

+ 4!

51 +

. )

welche Reihe sich ausdrücken läßt durch r ( eu u), mo e die Grundzahl der natürlichen Logarithmen bedeutet. Die Summation des übrigen äußerst verwickelten Theiles ist am vollständigsten durch die Tafeln über den Bombenwurf und die Neuen Ballistischen Tafeln des Herrn Oberst Otto ausgeführt worden, während cfr. Mathematische Theorie des Ricochettschuffes von J. C. F. Otto. Berlin 1833.

194 außerdem von den bedeutendsten älteren Mathematikern und namentlich der älteren und neueren preußischen Artillerie die wichtigsten Arbeiten über diesen Gegenstand in verschiedenen Formen geliefert worden find, deren keiner indeſſen ſo ausgebreitete Tafeln wie die genannten zur Seite ftehen. Für kleine Elevationen hat man sich mit der Gleichung

q= = u sin a — r (eu -

1 - u)

begnügt und Resultate erhalten, welche, bei der großen Streuung glatter Geschütze mit sphärischen Geschossen , als annähernd betrachtet werden konnten. Da aber bei dieſen Geſchüßen im Allgemeinen die Grenze für kleine Elevationen gleichbedeutend ist mit der für kleine Schußzweiten , ſo zeigt fich die Brauchbarkeit der Formel sehr eingeschränkt. Der ganzen Entwickelung fehlt überdies die Berücksichtigung der Einwirkung der Rotation des Gefchoffses , welche die Wirkung des Luftwiderstandes so modificiren kann, daß statt der Verkürzung der Flugbahn möglicherweise eine Verlängerung derselben hervorgeht , wie dies durch die Verwerthung bei unseren excentrischen Geſchoffen ( mit Schwerpunkt oben) hinreichend bekannt und bewahrheitet ist. Die Rechnung war schon schwierig genug ; sie wird es aber durch Beachtung der Rotation in so viel höherem Grade, daß ſie , nach rein wiſſenſchaftlichen Speculationen betrieben , durchaus unausführbar -geworden ist.

Unsere Artillerie befigt troß deſſen eine auf die Benutzung

wirklicher Versuchsresultate geftützte Löſung des balliſtiſchen Problems durch Aufstellung empirischer und auch rein wiſſenſchaftlicher Formeln *) . Diese Lösungen erfordern aber eine so große Anzahl von Tafeln , daß fie kaum in verdientem Maße verwendet werden , um so mehr, als durch die Verwerthung einer graphischen Methode für die Darstellung balliſtiſcher Geseze ein Weg gezeigt ist, welcher mit Leichtigkeit die dringendsten Fragen beantwortet hat.

*) Hilfsmittel für balliſtiſche Rechnungen des Herrn Oberft Otto. Formeln zur Ausführung balliſtiſcher Rechnungen des Herrn Oberfi Nenmann, Archiv 29. Band 2. Heft.

195 Selbst die einfachste Gestalt der eben beregten Formeln X yx tang a + F e k 1 + :) 2x G

- 1-

erweckt bei ihrer Anwendung bedeutende Schwierigkeiten , ſo daß es für das praktische Rechnen gewiß wünſchenswerth ist, einen , wenn auch nur annähernd richtigen , einfachen Ausdruck für die Flugbahncurve zu befizen.

Für die sphärischen Geſchoffe hat sich die Unmöglichkeit lange genug schon gezeigt (wohl auch wegen der nicht großen Uebereinstimmung der Schießergebnisse unter sich) aber bei den Geschoffen der gezogenen Geſchüße haben wir jene Rotation um eine Querachse nicht. Es ist also natürlich, zu unterſuchen , in wie weit die allgemeine Bahngleichung sich für fie verwerthen läßt. Diese Gleichung enthält zwei unabhängige Variable , Elevation und Entfernung, und außerdem die Anfangsgeschwindigkeit und die Luftwiderftandsconſtante in steigenden Potenzen , ſo daß fie , nach einer oder der andern dieser Größen geordnet, die übrigen sehr vernachlässigen würde, wenn sie nicht aus einer bedeutenden Anzahl von Gliedern bestände. Für das sphärische Geschoß bedurfte man wirklich einer großen Anzahl von Gliedern ; es wird sich aber ergeben, daß für unsere gezogenen Geſchüße die Reihe so schnell convergirt , daß wir nicht über das Glied hinauszugehen brauchen, welches die Grundgrößen noch in einfachster Form enthält. Der Gegenstand dieser Arbeit ist nun , darzuthun , daß die Bahn der Geschosse unserer gezogenen Geſchüße dargestellt werden kann durch die geschloffene Gleichung

y = x tang a

gx* 2 c² cos a²

g x³ 6 c² cos a³ k

beren analytische Herleitung im Anhange beigefügt ist. Diese Gleichung, hervorgegangen durch die Convergenz der allgemeinen ballistischen Reihe für die den gezogenen Geschüßen entsprechenden Zahlen.

196 werthe , bietet den Vortheil , daß ste gestattet , für alle Aufgaben der Ballistik elementare Formeln aufzustellen , deren Anwendung jede Tafel außer der logarithmischen ausschließt, und daß, so lange man keine beffere hat, sie nicht bloß als Nothbehelf anzusehen ist, da die Fehler, welche sie macht, selbst bis 5000 Schritt noch äußerst gering sind. Der Nachweis wird durch directe Benutzung von wirklichen Schießergebnissen geführt werden . Es ist hierbei beſonders auszusprechen , daß alle Hypothesen über die Ursache und Art der Seitenabweichungen unberücksichtigt geblieben find. Die Berechtigung dazu wird das Resultat zeigen, und sie liegt außerdem in folgenden Erwägungen : 1) Die Seitenabweichungen haben in Wirklichkeit noch keine andere Gesetzmäßigkeit angedeutet , als daß sie gewöhnlich nach rechts stattfinden, für große Entfernungen größer sind als für fleinere, und daß sie an demselben Schießtage ziemlich gleichmäßig sind ; 2) Störungen durch die Einflüffe der Athmosphäre verändern dieſe Gesetzmäßigkeit vollständig ; 3) trotz der Ungleichmäßigkeit an verschiedenen Tagen üben sie auf die Trefffähigkeit unserer gezogenen Geschütze in Bezug auf die Erhebung über dem Horizonte keinen bemerkbaren Einfluß. Diese geringe sichtbare Gesetzmäßigkeit der Seitenabweichungen, der sonst so großen Trefffähigkeit der gezogenen Geschütze gegenüber , zeigt, daß es zwar Formeln für sie geben kann, daß es aber gar nicht gelingen kann, fie a priori theoretisch zu bestimmen. In der Wirklichkeit lassen sie sich leicht überwinden ; die Praxis fühlt also nicht das Bedürfniß , sie zu berechnen , und übrigens sind sie gar nicht von solcher Bedeutung , daß sie in den meisten Fällen des Eruſtgebrauchs nicht mit mehr Recht dürften vernachlässigt werden, als es bei den glatten Geschüßen durch die Natur der Sache immer von selbst geschehen mußte.

197

§. 1. Um einen anschaulichen Ausdruck für die Wirkung des Luftwiderstandes und in Bezug auf dieselbe einen Vergleich zwischen dem Verhalten der sphärischen Geschoffe aus glatten Geschüßen und der Langgeschoffe aus gezogenen Geschüßen zu gewinnen , ist es zweckmäßig , den wirklich erhaltenen Schußweiten in einem Beispiele die für den luftleeren Raum berechneten gegenüberzustellen. Wir erhalten für den glatten 6uder bei einer Anfangsgeschwindigkeit von 1580 Fuß für 4 Grad Elevation nach der Schußtafel eine Schußweite von etwa 1680 Schritt *) , während die Rechnung 4660 Schritt ergiebt ; der Verlust an Schußweite beträgt danach 2980 Schritt , also etwa 65 Procent. Dagegen giebt der gezogene 6 der bei 1026 Fuß Anfangsgeschwindigkeit mit 4 Grad Elevation eine Schußweite von 1720 Schritt, während die Rechnung 1950 Schritt, alſo einen Verlust von 230 Schritt oder 12 Procent herausbringt. Zu einem solchen Vergleiche kann man auch alle andern Elemente der Flugbahn benuzen, also sowohl Erhöhungswinkel, als Einfallwinkel, als namentlich die Ordinaten der Curve. Diese letteren seien für die vorliegende Arbeit gewählt. Denkt man zwei gleiche Geschosse unter gleicher Elevation mit gleicher Anfangsgeschwindigkeit abgehend , das eine im luftleeren , das andere im lufterfüllten Raume unter der Wirkung eines verzögernden Luftwiderstandes, so wird die Bahn des ersteren fortwährend über der des leşteren liegen, und das Geschoß wird auf der Entfernung x sich um y über dem Punkte befinden, in welchem das andere Geschoß wieder in den Horizont der Geschüßmündung tritt. Die Höhe y ist ein Maß für die Größe der Wirkung des Luftwiderstandes und kann leicht berechnet werden. §. 2. Sei es nun erlaubt , die Gleichung der Flugbahn im luftleeren Raume turz in Erinnerung zu bringen. Die gekrümmte Bahn entsteht durch das Zusammenwirken der Pulvertraft, welche durch die Anfangsgeschwindigkeit c ausgedrückt wird , und der Beschleunigung der Schwere, dargestellt durch die Zahl g = 31,25 Fuß. *) Ballistik des Herrn Hauptmann Roervanß, pag. 68.

198 Während das Geschoß nach der Zeit t in der anfänglichen Nichtung würde den Weg et zurückgelegt haben , ist es um Į g t² gefallen. Seine Höhe über dem Horizonte der Geſchüzmündung würde alſo

gta

y = x tang a

betragen. Die Absciffe x ift der Weg ct, multiplicirt mit dem cos a , also x = ct cos α, woraus sich

X t=

C cos a ergiebt, welches, in die Gleichung für y substituirt, diese reducirt auf y = x tang a

gx2 2 c² cos a²

Diese Gleichung drückt die Flugbahn im luftleeren Raume als Parabel aus. Die rechte Seite derselben bildet zugleich die zwei erſten Glieder der zu Anfang gegebenen allgemeinen Bahngleichung ; so daß man leicht veranlaßt ist, zu untersuchen, wie viele Glieder dieſer leßteren Reihe man der eben gefundenen Parabelgleichung hinzufügen muß , um die aus derselben berechneten y für das Ende der wirklichen Bahn auf Null zu bringen. Prüft man in Bezug hierauf einen Ausbruck, wie es hier mit 8 x3 6 c' cos a' k

geschehen soll, berechnet daraus die Conftante k und findet zunächst für eine Ladung eines Geschüßes für verschiedene Entfernungen nahehin ben. selben Werth ; genügt dann mittelſt dieses Werthes die erhaltene Gleichung auch den Schießergebnissen anderer Ladungen desselben Geschüßes und in unveränderter Gestalt auch denen der andern Kaliber , so scheint fie ein Recht darauf zu haben , als annähernd richtiger Ausdruck für das Gefeß der Bahncurve angesehen zu werden . Die Gleichung u r (e - 1 - u) q = u sin a

bildete für dieselbe untersuchung den Ausgangspunkt. Sehr umfangreiche

199 Rechnungen haben gezeigt, daß fie mit Beränderung der Conftanten ganz gleiche Resultate giebt mit der viel einfacheren

y = x tang a

g x² 2 c² cos a¹

q = u sin a

rus ru2 2! 31

g x³ 6 c² cos a³ k

ober

Sie bietet aber den Nachtheil , daß sie die nothwendigste Bedingung für die praktische Brauchbarkeit , einfach und ohne besondere Tafeln alle ballistischen Aufgaben der gezogenen Geſchüße zu lösen , nicht erfüllen fann (man sehe Anhang ).

§. 3. Sezt man beim eisernen gezogenen Vierundzwanzigpfünder für 4 u. Ladung die Anfangsgeschwindigkeit c = 940 Fuß und benut als wirkliche Schießergebnisse ( reducirt auf den mittleren Treffpunkt)

x =

600, 1200,

1800, 2614,5, 3318, 4232,

a = 1º 30' , 3° 41 ′ , 4 ° 451 ′,

4964 Schritt,

7 ° 7′ , 9º 25′ , 13º 3' , 15 ° 47' ,

so wird für den luftleeren Raum

y = 1,0,

7,6,

27,3,

76,4,

168,5 , 432,1 ,

657,2 Fuß ,

während im lufterfüllten Raume y = o ift. Wenn jedesmal gx³ =y 2 c2 cos a² k gesezt wird, so ergiebt sich nach einander k = 7375,

7753,

7329,

8128 ,

7666,

6442,

7256 Schritt,

woraus als arithmetisches Mittel

k = 7421 Schritt hervorgeht. Dieser Werth ist für die Rechnungen als erste Grundlage benut worden. Es hat sich dann aber herausgestellt, daß k = 7102,4 Schritt fich den

Ergebniffen der übrigen Ladungen genauer anschloß;

und

200 diese Zahl, welche jezt ihrer Bedeutung nach in ganz anderer Weise hergeleitet werden soll , ift in den auf den 24 uder bezüglichen Rechnungen durchgängig benutzt worden. Weitere Untersuchungen werden diese Conftante natürlich schärfer bestimmen können. Ueber die hierbei zu erfüllenden Bedingungen wird weiter unten gesprochen werden .

§. 4. Die Bedeutung von k. Die bezeichnete Flugbahngleichung ist aus der Vorausseßung entstanden, daß der Luftwiderstand abhängig sei von dem Quadrate der Geschwindigkeit des Geſchoffes , daß seine Größe sich also ausdrücken laſſe durch die Form b v² . Die Constante b wurde von Newton in folgender Weise bestimmt : Der Luftwiderstand, welchen eine bewegte Kugel erleidet, ist gleich dem Gewichte einer Luftsäule , deren Basis der größte Kreis der Kugel , und deren Höhe ein gewisser Antheil der Geschwindigkeitshöhe ist , welche der Geschwindigkeit entspricht. Mathematisch erhält dieses Gesetz die Form

λγε

W = F.

γι 2g

2 die Geschwindigkeits-

wo W den Widerstand, F den größten Kreis,

2g höhe , y das Gewicht eines Cubikfußzes Luft und à den gewissen Factor für den Antheil der Geschwindigkeitshöhe bezeichnen , welcher leßterer Factor allein als unbekannt zu betrachten ist, da aus den nächsten Rechnungen v² verschwinden wird. Während wir die Kraft b v² suchen, drückt W den wirklichen Widerstand aus , also die Größe einer der Geschoßbewegung entgegengesetzten Bewegung, hervorgerufen durch dieselbe, und nach dem Grundsaße der Mechanik, daß die Gegenwirkung gleich der Wirkung, ausdrückbar als Produkt der Geschoßmaffe m in b v2 d. h. W = bm v² . Unter der Maffe eines Körpers versteht man sein Gewicht dividirt durch die Zahl g. Wenn also das Gewicht der Kugel Q ist, so erhalten wir die Gleichung b v² = W . g Q

201 Durch Substitution wird jezt

FA Q,

bolà

bv2

also Ελγ

b =

2Q Nun ist FD2 n ; die Luft ist bei 15° R. 823 mal leichter als Waffer ( 1 Cubikfuß deſſelben wiegt 61,7 % ) , folglich ihr cubiſches Gewicht 61,7 u Y = 82 3 ; mithin ift 61,7 u. b = } D ' πλ • 823 2Q 1 In den ballistischen Rechnungen tritt b in der Form 2 b als Faktor 1 = k, so erhält man , wie sich zeigen wirb , k als auf. Segt man 2b Längenmaß, also gewissermaßen als Maßstab, nach welchem, die errechneten Coordinaten als absolute Zahlen betrachtet , die wirklichen Bahnen im Raume ausgeführt erscheinen . Vollzieht man dieſe Subſtitution, so wird

4 Q u. k=

(D" ) 2 π

823 61,7 u.

1

λ,

und betrachtet man Q u als entstanden aus : cubischem Inhalt multiplicirt mit dem cubischen Gewichte h , so ist 4. k =

( D" )³ π.hu. 823 61,7 . (D")² π

1

d. h . k erſcheint als Längenmaß , ausgedrückt in Zollen , Fußen oder Schritten ( = 2,4 Fuß ) . Für die praktische Rechnung ist es immer sehr wichtig , stets sich der Benennung bewußt zu sein , welche man auf der linken Seite der Gleichung erhält , und welche man auf der rechten erhalten will.

Es find den allgemeinen Buchstaben-Ausdrücken also jedes-

mal solche Factoren hinzuzufügen , welche eine Homogenität der Gleichungen herbeiführen. In unserm Falle muß man sich also bei Q jedesmal den Factor 1 denken, je als 1 Cubikzoll, 1 Cubikfuß oder 1 Cubitschritt.

202

Drückt man nun Q in Pfunden, D in Zollen aus, so ift : in Fußen k =

4.823 . Q 4.823.144 . Q = D 2 61,7.2.π 61,7.2.π (1) 4.823.144

4.823.60

Q

=

in Schritten k =

2,4.61,7 . 2π D²

61,7 λ.π

Q • D2

§. 5. Die Zahl 2. Daß man dieses Luftwiderstandsgesetz, welches für die Kugel aufgeſtellt ist, mit der nöthigen Veränderung von à auf ein Geschoß von der Form eines Cylinders mit angesezter Spiße übertragen kann * ) , wenn dasselbe nicht um eine Querachse rotirt , erscheint nicht zweifelhaft , da der nach der Richtung der Horizontalen entgegenstrebende Widerstand, welcher den Cylindermantel trifft und im aufsteigenden Aste als hebende, im absteigenden Aste als drückende Kraft auftritt , nahehin aufgehoben zu werden scheint durch den im aufsteigenden Afte das verticale Steigen, im absteigenden Afte das verticale Fallen hindernden Widerstand , wenn die Achse des Geschosses in der Bahntangente oder nahe in derselben sich bewegt, so daß also nur der Widerstand gegen die Spize übrig bleibt. Nun hat Herr Oberst Otto in den „,Hilfsmitteln für ballistische Rechuungen nachgewieſen , daß die Verſchiedenheiten der complicirtesten Luftwiderstandsgeseße äußerst geringen Einfluß auf die Rechnungsresultate ausüben. Die Luftwiderstandsconſtante k muß in derselben Weise, wie für die Kugel, bestimmt werden , während die Form der Spiße einen andern Werth für 2 erfordert. Newton sezte für die Kugel 2 = 0,5 , während Borda 0,6 annahm und Hutton den Werth selbst je nach der Geschwindigteit variiren ließ. Der für k in §. 3 gefundene Werth 7421 Schritt bietet ein Mittel, näherungsweise den von 2 zu finden.

Sezen wir für F den größten Querschnitt des Geschoffes , so hat dieser den Durchmesser der Wulfte oder den der Züge ; also ist D = 5,82" beim 24u.der, *) Versuch zu einem System der Artillerie-Wissenschaft des Herrn Hauptmann von Schirrmann . Band 1, pag. 148.

203 4,70" beim 12%ber, 68ber. 3,60" Die Durchschnittsgewichte Q sind 54,3 . beim 24u.der, 29 H. 12u.der, 6uder. 13,8 H. a In der im vorigen Paragraphen für k entwickelten Formel

2k =

4.823.60 Q 61,7.π • D2

ist der erste Bruch für die drei Geschoßarten conftant, und zwar ist sein log = 0,20496. Wenn å für gleiche Formen gleichen Werth hat, so heißt diese Formel, 1 1 da k = also b = - nicht anders als der alte artilleriſtiſche 2 b' 2 k Sat : Bei congruenten Geſchoffen ist das specifisch schwerere , bei mathematiſch ähnlichen das größere gegen den Luftwiderſtand im Vortheil ; oder mit anderen Worten : Wenn der 24uder, 128der und 6uder mit gleichen oder sehr nahe gleichen Elevationen gleiche Schußweiten erreichen, so muß die Anfangsgeschwindigkeit des 24uders kleiner ſein als die des 12 uders, und diese kleiner als die des 68bers ; ober : das der Granate congruente Shrapnel hat dieser gegenüber, während das den drei übrigen ähnliche 48 uge Geschoß diesen gegenüber in Bezug auf die Ueberwindung des LuftwiderStandes den Vorzug. Wenn man in dieser Formel für 2 k die Werthe von L ſubſtituirt,

so wird log 2 k = 3,21313 für den 24u.der, 12w.der, 3,12637 3,03545

6uder,

welche Zahlen von dem Werthe von 2 ganz unabhängig find. Seht man für den 24.der

k = 7421, alſo log k

3,87046,

so wird log λ = 3,21313 - 3,87046 = 0,34267 -— 1, also

λ = 0,22.

204 Führt man die in §. 2 angedeutete und in § . 3 für 4 8. Ladung ausgeführte Rechnung auch für andere Ladungen aus, so ergiebt sich der Werth 20,23 als noch paſſender, und mittelst deffelben k = 7102,4 und log k = 3,85140

für den 24 uber.

§. 6. en

Grundgleichung

.

Die Coordinatengleichung der Bahn der Geschoffe der gezogenen Geschüße ist g x3 g x¹ (1). y = x tang α 6 c² cos a k 2 c² cos α2

Hier sehe man k X y k = 9, k cos a = u und g

= r;

dann geht die Gleichung, nachdem man sie durch k dividirt hat, über in

=

X2 gk 2 c2 k² cos a²

x sin a k cos a

X3 gk 2 ca 3 k³ cos a³

ober

q = u sin a —

r

u¹ 1.2

-

u3 r 7 1.2.3

(2) ,

worin nur absolute Zahlen enthalten ſind . Aus diesen Gleichungen (1) und (2) ſollen jezt 1) für gegebene Elevation und Schußweite die Anfangsgeschwindigkeit, 2) umgekehrt die Elevation, 3) umgekehrt die Schußweite, 4) die Einfallwinkel, 5) die Enbgeschwindigkeiten, 6) die Flugzeiten und 7) die Coordinaten des Culminationspunktes zunächst für den 24uder berechnet werden. Dann sollen die gefundenen Geseze durch Anwendung auf die beiden 12uder und die beiden 6uder geprüft werden.

205 §. 7. Berechnung der Anfangsgeschwindigkeit. Für das Ende der Bahn ist y = o , also auch q = 0 ; dadurch verwandelt sich die Gleichung u2 u³ q = u sin a r r 1 2 1.2.3 in ru2 r u³ u sin α = + 1.2 1.2.3 ober ru ru' sin a = 1.2 + 1.2.3 ober ru ( 3 + u ) sin α = 6 g k C2

und, da r =

6 sin a 1 u (3 +u)

also c =

V

u ( 3 + u ) gk . 2,4 6 sin a

Beispiel: Gegeben sei k = 7102,4 Schritt, welches aus dem Werthe 2 = 0,23 berechnet ist; ferner x = 1800 Schritt a = 4º 451 ' , log x = 3,25527, I α == 15 ° 47 ' , log x, = 3,69583, X, 4964 dann findet man resp. c = 941,1 und 940 Fuß. Die zu Grunde gelegten Zahlen gehören wirklichen Schießergebnissen an. Jest fragt es sich : Wie verhalten sich die übrigen Ladungen zu den gemachten Voraussetzungen ? Es ist noch geschossen worden mit 3.u., 2,2 u. und 1,7 % Ladung ; und zwar ergiebt ſich für 3 . Ladung x = 600 Schritt 1200 Schritt 1800 Schrttt, 4° 15 ' α = 2° 23' 6° 33', c = 804,6 801,3 803,9 Fuß, woraus als arithmetisches Mittel c = 803 Fuß ; für 2,2 8. Ladung x = 600 Schritt 1200 Schritt 1800 Schritt, a = 2° 53 '

5° 58'

677,7 c = 677,2 woraus als Mittel c = 680 Fuß; Achtundzwanzigfter Jahrgang. LV. Band.

9° 1 , 687,7 Fuß, 14

206 für 1,7 8. Labung x = 600 Scritt

1200 Schritt 7° 56' 589,3

α = 3° 44 '

c = 596'1

1800 Schritt 12° 12' 595,8 Fuß,

woraus als Mittel c = 594 Fuß. Als Prüfftein für die Brauchbarkeit der aufgestellten Bahngleichung wurde angenommen, daß dieselbe bei demselben Werthe von à für jede besondere Ladung aus verschiedenen Entfernungen nahe dieselbe Anfangsgeschwindigkeit herausbringe. Da die Gleichung hier diese Bedingung erfüllt , ſo iſt noch darauf hinzuweisen, in welchem Wechselverhältniß c und k ſtehen , um aus den Angaben einer Ladung den besten Werth von à zu finden.

Bei gegebener

Elevation und Entfernung ist die Anfangsgeschwindigkeit um so kleiner, je kleiner man den Luftwiderstand , d . h . je größer man k annahui , um so größer also, je größer man 2 seßte.

Der Einfluß einer Veränderung

von 2 ist bei kleinen Entfernungen sehr gering , bei den großen bedeutender.

§. 8. Berechnung der Elevation . Nach der vorigen Entwickelung war 6 sin aru ( 3 + u )

ober

6 sin a =

X gk (3 + cos a k C2

X k cos a '

Wollte man hieraus eine Funktion von a direct entwickeln, so würde man auf eine Gleichung vierten Grades geführt werden.

Diese Unbe-

quemlichkeit kann man umgehen , wenn man sich eine Ungenauigkeit zu Schulden kommen läßt, welche indeß durch eine einfache Correctur leicht X beseitigt werden kann . Wenn man nämlich in demjenigen k cos α, welches in der Klammer enthalten ist, cos a gleich 1 seyt, was bei Elevationen bis zu 2000 Schritt ohne Bedenken geschehen darf, X der Summand namentlich auch, weil in dem Factor 3+ k cos a k

immer sehr klein gegen die Summe ist, so wird

allen und X cos α

207

6 sin a -

X k cos α

g (3

ober

6 sin a COS a = B (3 k + x ) x, woraus also

sin 2 a = 33

g

(k + k

X 3)

ſich ergiebt. Da der Zähler eine Dimension in Schritten mehr enthält als der Nenner , so ist für die numerische Berechnung ihm noch der Factor 2,4 binzuzufügen. Der durch die einmalige Vernachlässigung von cos a entstehende Fehler wird sich bei der Berechnung der horizontalen Schußweite aus weiſen ; er beträgt für 4964 Schritt erst 8 Minuten. Uebrigens ist zu bemerken, daß diese Abkürzung nur einmal benutzt wird , und daß nach Hinzufügung der Correctur zu den berechneten Elevationen dieſelbe keinen Einfluß auf die Schußtafel hat. Alle anderen Aufgaben werden ſtrenge nach der aufgestellten Gleichung gelöst werden . Beispiele:

1. Für 4 u. Ladung sind wirklich gegeben : 600, 1200, 1800, x= 2614,5, 3318, 4232,

4964 Schritt,

a = 1° 30 ' , 3 ° 41' , 4° 45 ', 7 ° 7' , 9° 25′, 13° 3', 15° 47'. Sei dann k = 7102,4 Schritt , c = 940 Fuß , ſo wird der Grad der erreichten Annäherung sich in Folgendem zeigen, wobei eben zu beachten. ist, daß in Folge der Bestimmung von k aus den Verhältnissen des Geschofſes und mittelst eines zu Grunde gelegten Werthes von 2 , die errechneten Reſultate nunmehr nicht als aus den Schießergebniſſen rücwärts abgeleitete , sondern vielmehr als lediglich aus der Bahngleichung errechnete anzusehen sind . Diese Bemerkung gilt namentlich für eine Ladung , welche nicht , wie die von 4 u , den in der Einleitung angestellten Betrachtungen zu Grunde gelegen hat.

Möge ein vollständig

ausgerechnetes Beispiel hier Platz finden , um daran erkennen zu laffen, mit wie geringem Zeitaufwande man im Stande ist , eine Schußtafel für verschiedene Ladungen zu berechnen .

14 *

208

== k=

log

log ( k + 3 1)

log x

3,86347 3,87520

2,77815

7302,4 7502,4 7702,4 7973,9 8208,4 8513

8757

3,88663 3,90167 3,91426

3,93008 3,94236

2,4 g ca k

2,07740 1 10;

3,07918 3,25527 3,41739

3,52088 3,62655 3,69583

daraus folgt als Summe

log sin 2 α

2 α

a

plus Correctur ( §. 9)

8,71902-10 9,03178-10



1° 30'

6° 10'

1° 30' 3º 5'

9,21930- 10 9,39646-10

14° 26'

3º 5' 4° 46' 7° 13'

9,51254-10

190

9º 30'

9° 33'

9,63403-10 9,71559-10

25° 30'

12° 45' 15° 39'

12° 52'

9° 32'

31 ° 18'

4° 46'

7° 14'

15° 47'

2. Für 3 H. Ladung sehen wir nach §. 7 c = 803 Fuß, x = 600, 1200, 1800 Schritt ;

X k + 3

log (k + und

log x wie oben

log x (k + 1 3)

6,64162 6,95438 7,14190

log

2,4 g c2 k

2,21422-10

log sin 2 a

8,85584-10 9,16860-10 9,35612-20

209 Dann folgt

2 α = 4° 7' 8° 29' α a

13° 7' = 2° 31' 4° 14 ′ 6° 33 ' , während = 2° 2 ' 4° 15 ' 6° 33'

direct aus Schießergebnissen entnommen sind. 3. Für 2,2 u. Ladung sehen wir c = 680 Fuß. Wie vorhin ändert sich auch hier und bei allen Ladungen , unter Beibehaltung gleicher Eut-

fernungen, nur der log

2,4 g und so erhält man für c² k

1200, x = 600, a = 2° 52 ′ 5° 56'

1800 Schritt 9° 13 ' , während

a, = 2° 53 ' 5° 58 ′ 9° 1 ' fich aus den Schießreſultaten ergaben, 4. Für 1,7 u. sehen wir c = 594 Fuß und finden für

x =

600,

a = 3° 46' gegenüber

1800 Schritt

1200,

7° 49' 12° 15 '

a, = 3° 44 ' 7° 56′ 12° 12

aus den Schießergebnissen. Ohne Zweifel sind diese Elevationen mit genügender Annäherung

wiedergegeben.

§. 9. Berechnung der horizontalen Schußweite. Um ein sicheres Urtheil zu gewinnen über die Größe des Fehlers bei der Berechnung der Elevation , und um zugleich einen Führer zu haben, diesen Fehler aufheben zu können , ist es nöthig , mittelft der errechneten Elevationen die horizontalen Schußweiten zu bestimmen. Nehmen wir wieder aus §. 8 die Gleichung 6 sin ar (3 u + u² ) , ſo ergiebt sich

6 sin a . c² u¹ + 3 u =

gk . 2,4 also

6 sin a . 3 + 9 + 4 V g k . 2,4 2 und 3 x = k . cos a

(

2

9

+ V

+

6 sin a . gk 2,4

210 Das negative Vorzeichen der Wurzel hat hier offenbar keinen Sinn, da die Schußweiten nur positiv sein können. Die obige Gleichung wurde erhalten, indem man y = o seyte.

Dieser Ordinate entspricht auch die

Schußweite x = 0 , welcher Werth ebenfalls aus der Bahngleichung hervorgeht , welcher hier aber durch die in §. 7 ausgeführte Division mit u verſchwunden ist.

Als Beispiele seien gegeben a = 4° 46′ a, = 15 ° 36 ′ , dazu c = 940 Fuß, k = 7102,4 Schritt. Dann findet man x = 1799,2 , x , = 4934 Schritt. Die große Schnßweite mußte sich zu 4964 Schritt ergeben , weil c = 940 Fuß aus dieser Zahl hervorgegangen war. Hier ist der bei der Berechnung der Elevation begangene Fehler leicht zu erkennen . Wählt man nämlich die Elevation 15° 47 ' , so findet man x = 4965 Schritt. Die Elevation bedarf alſo für diese Entfernung einer Correctur von Grad. Dies ist eine Differenz , welche für die Praxis keine Bedeutung hat , und übrigens , einmal gefunden , leicht zu be seitigen ist.

+8 oder

Bei mittleren Entfernungen bis etwa 2000 Schritt iſt dieſer Fehler noch faft Null ; deshalb ist erst bei größeren Entfernungen auf ihn zu rücksichtigen. Zu dem Zwecke vertheilt man die 8 Minuten je nach Verhältniß der Entfernungen und addirt die Antheile zu der berechneten Elevation. Es kann auch ohne Schaden für den praktiſchen Gebrauch unterlassen werden.

§. 10. Berechnung der Einfallwinkel . Die Kenntniß von Anfangspunkt , Anfangsrichtung und Endpunkt einer Curve reichen noch nicht hin, auf die Form derselben ſchließen zu laffen. Ist aber außerdem der Winkel , welchen die Tangente irgend eines Punktes mit der Abscissenachſe bildet, bekannt , und darf man annehmen, daß die Curve stetig und überall nach derselben Seite gekrümmt sei, was hier doch jedenfalls stattfindet ; oder wenn man also in unserem Falle noch den Einfallwinkel kennt , so ist die ganze Curve bekannt. Wenn dann die Gleichung des Tangentenwinkels, aus einer rein analytischen

211 Rechnung hervorgegangen , diesen Winkel richtig ergiebt , so ift ſte für alle Punkte der Curve gültig , und man ist berechtigt, alle Schlüffe, welche man aus ihr ziehen darf, für wahr zu halten. Für die Prüfung einer die Einfallwinkel ergebenden Gleichung steht uns kein anderes Mittel zu Gebote, als ihre Resultate mit denen einer anderen allgemein bekannten und anerkannten Näherungsformel zu vergleichen. Diese Formel ist die in der Praxis bisher angewendete

tang

=

α1 A tang (a a Α

wo a die zu der Entfernung A und «, die zu der etwas kleineren Entfernung a gehörige Elevation bedeuten. Diese Formel ist aus der Vorſtellung entſtanden *) : 1 ) daß, wenn man für die kürzere Entfernung a den Horizont um die Elevationsdifferenz a a , aufwärts schwenken könnte , beide Bahnen in der bezüglichen Länge congruent sein würden , so daß die größere nur eine Fortsetzung der kleineren bis zu dem natürlichen Horizonte sein würde ; und 2) daß man den lezten Theil einer Flugbahn als Parabelstück ansehen dürfe. Der Grad der Zuverläſſigkeit läßt sich am besten an der Parabel selbst prüfen , welche den Einfallwinkel gleich dem Abgangswinkel giebt. Als Beispiel mögen dienen A = 1000 , 2000, 3000 , 4000 Schritt. Es ist zunächst a zu bestimmen aus

2,4 . g A

sin 2 a =

für c

940 Fuß,

und man findet α = 2° 26' 42 ", 4° 53′ 13", 7° 22′ 34", 9° 55′ 25" ; analog findet man a = 990

1990

2990

a₁ = 2 ° 24′ 36½ " , 4° 51 ′ 44 ″ , 7 ° 21 ′ 3″, also ergeben sich die Differenzen a- α, = 1' 29" 1' 28" 1' 31"

3990 Schritt 9° 53' 52"; 1' 33".

*) Abhandlung über das Schießen und Werfen aus Geschüßen des Herrn Oberst Neumann. Berlin 1855. §. 222 - 225.

212 Mittelft dieser Werthe und der Gleichung A tang ( aa 、 ) wird tang = A α = 2° 26' 30", 4° 56 ', 7 ° 32 ′ 30", 10° 13'. Man sieht, daß die Formel sämmtliche Einfallwinkel zu groß angiebt und zwar um 2' 47" 9'56" 17' 35". α = 25," ዎ Bei dem Vergleiche dieser und der jetzt aufzustellenden Formel müſſen also Differenzen, welche den eben gefundenen entsprechen, zum Vorschein tommen. Nach der Größe derselben wird man einen Schluß auf die Brauchbarkeit beider Formeln ziehen können . Die trigonometrische Tangente des Winkels , welchen die Tangente. einer Curve mit der Abscissenachse bildet , wird in der Analysis durch dy den Differenzialquotienten dx ausgedrückt. Heißt dieſer Winkel 9, so

erhalten wir tang

dy = dx

tang

gx = c² s co a²

ober, indem man durch die Subſtitution von

g x2 2 c² k cos α2

X = u zu den ab. k cos a

soluten Zahlen übergeht, tang

tang a

g k u c2 cos a

tang a

g k 2 c2cos a

g k u2, 2 c❜ cos a

woraus tang

(2 + u ) u.

Der Anfang der Coordinaten liegt in der Geschüßmündung ; deshalb wird für das Ende der Bahn der Winkel ein stumpfer sein , deffen Supplement der Einfallwinkel genannt wird. Es folgt, daß für die Berechnung des Einfallwinkels tang 9 negativ sein muß. Dies findet natürlich für alle Werthe von & des absteigenden Aftes der Bahn überhaupt statt. Die numerische Berechnung dieser Formel ist etwas unbequem ; wenn sich nun die Differenzen ihrer Resultate gegen die der bisherigen Formel nicht zu groß herausstellen , so dürfte für den allgemeinen Gebrauch die lettere, mit Rücksicht auf den Grad von Genauigkeit, welchen man in der Praxis für die Kenntniß der Einfallwinkel verlangt , den

213 Borzug haben. Allerdings ift dabei vorausgeſeßt, daß man eine Schußtafel habe, welche wenigstens auf Minuten abgerundet ift. Ift x = 2000 Schritt , a = 5º 21 ' , x , = 3000 Schritt , a₁ =

8° 26' , x₂2 = 5000 Schritt , az = 15° 54' gegeben , so findet man q = 5° 46', 'i = 9 ° 30 ′ und 9₁₁ = 18 ° 57'. Die Elevationsdifferenz für 100 Schritt ist bei 2000 , 3000 und 5000 Schritt resp. 174' , 194' und 24', alſo giebt A tang ( a α. ) = tang A - a den Winkel & resp. 5 ° 48′, 9° 45′ und 19 ° 144 '. Die erhaltenen Differenzen erscheinen danach unbedeutend , wenn man noch bedenkt, daß für die durch die zweite Art der Berechnung erhaltenen Werthe eine nachträgliche Ausgleichung der ganzen EinfallwinkelReihe durchaus nöthig ist ; und da wir hinfort nur mit dem Cofinus zu thun haben werden, so kann man beide Formeln für einander ſeßen. Um bei Benutzung der älteren Formel von dem nothwendigen Befige einer vollständigen Schußtafel frei zu sein , sei folgende Gleichung für die Differenzen der Elevationen hierher gefeßt : sin 4 α = g (3k + 2x) 4 x 6 c² k cos 2 α Anmerkung ( Figur 1 ) : Man möge dem Verfaffer erlauben, dieser Arbeit einige Notizen für graphische Darstellungen beizugeben,

Construction der Einfallwinkelcurve. Die Gleichung A tang (aa ) tang = A - a ift um so richtiger, je fleiner A - a ist, also für dx ; dann ist tang

=

x da x tang da ober dx dx

da die Erhöhungswinkelcurve in Wahrheit die Größe der zugehörigen da Bogen in Längen irgend einer Einheit ausdrückt. dx bedeutet dann die

da Tangente dieser Curve für den Punkt, deſſen Abscisse x ist, also x = dx'

214 eine Linie , welche dieser Tangente parallel ist und durch den Nullpunkt geht , so daß die Größe von tang immer in der durch den Schnitt dieser Linie begrenzten , zu x gehörigen Ordinate angedeutet ist . Einige solcher Schnittpunkte beſtimmen die Curve tang 4, welche in eine Winkelcurve zu übertragen ist. Bogen und ihre Functionslinien find den Radien proportional ; wurde also 1 Grad durch eine Quadratſeite bezeichnet, so ist der zugehörige Radius auf folgende Weise ermittelt : RɅ = 1, woraus log R R. arc. 180° = R л , alſo R. arc 1' = 180

= 1,75812. So erhalten wir für x = 1500

tang

= 4,17

2500

3500

7,70

12,22

5000 Schritt, 20,16,

also nach Division mit R und mittelst der Logarithmentafel 4° 10' 7° 39′ 12° 2' 19° 24'. Die Curve fällt übrigens bis 2500 Schritt faft genau mit der Curve tang 9 zuſammen, d. h. man hat in diesen Fällen die Einfallwinkel ohne alle Rechnung.

S. 11 . Berechnung der Geschwindigkeit in jedem beliebigeu Punkte der Bahn. Die analytische Mechanik giebt für die Geschwindigkeit in jedem beliebigen Punkte der Bahn unabhängig von dem besonderen Luftwiderftandsgesetze die Gleichung

dx g

( man sehe Anhang ),

do wog den Winkel der Bahntangente mit dem Horizonte bezeichnet nud in jedem beſonderen Falle durch das Luftwiderstandsgesetz bestimmt ist. In §. 10 war

tang

tang a

gk ( 2 u + u³ ) ; 2 c² cos a

wird diese Gleichung nach u differenziirt, so entsteht

do cos 2

=

g k C3 COS &

( 1 + u ) du.

215 Ferner ift

dx

X

du

" da u =

k cos a

k cos a

und die Veränderung nur im Sinne der x genommen ist, also do = g cos p² (1 + u ) C COS α 2 du

ober

c² cos α2

du =

do

g cos p² (1 + u )

woraus

v² =

c² cos a² 2 cos q¹ (1 + u)

hervorgeht als Ausdruck für die Geschwindigkeit der Geschosse unserer gezogenen Geschüße. Es fällt sofort auf, wie nahe diese Formel mit der parabolischen c² cos α 2 = zuſammenhängt. cos q¹2 Troy deſſen darf man beide in der Praxis nicht vertauſchen.

Da

als Einfallwinkel immer größer ist als a, was bei der Parabel nicht vorkommen kann, so ift cos q kleiner als cos a, folglich v größer als c, was nicht der Fall sein kann. Ganz allgemein heißt für das quadratische Luftwiderstandsgesetz der Ausdruck für die Geschwindigkeit , welche dem Tangentenwinkel spricht ,

ent

c2 cos e s/k cos q² wo e die Grundzahl der natürlichen Logarithmen und s die zurüɗgelegte Bogenlänge bedeuten. s/k ist die bekannte Reihe Die Funktion e

s/k e

welche für kleine

S S2 = 1 + / + 21 k

S + 3! k

S k jehr schnell convergirt, ſo daß man näherungsweise

*) Mathematische Theorie des Ricochettschusses des Herrn Oberst Otto , pag. 8.

216

s/k =1+ sehen darf , welches in Verbindung mit unserer Gleichung heißen würde S == 1+

1 +

oder

k

S k

X k cos a.

Aus dieser Gleichung darf aber nicht s = x cos a gefolgert werden, da die Multiplication mit k ( 7102,4 Schritt) eine bedeutende Abweichung hervorbringen würde. Die obige Gleichung heißt auch C cos a

v =

cos

e 2 k

daraus geht für uns die Gleichung c cos a

V u cos g (1+ 2) 1 hervor, welche convergenter ist als diejenige, welche die Quadrate enthält. Für kleine Entfernungen ( bis 1000 Schritt ) wird einfach c v = u 1+ Hiernach ergiebt sich nun beispielsweise die Endgeschwindigkeit für

x = 2000' a = 5° 21'

5000 Schritt 15° 54'

∞ = 5° 48' u = 0,283 V = 830

0,732

19° 20'

701,7 Fuß.

Für 4 u Ladung ergiebt sich unter Mitbenutzung graphischer Inter-

polation folgende Tafel :

217

Endgeschwindigkeit

Entfernung

Endgeschwindigkeit

Schritt

Fuß

Schritt

Fuß

200 400 600 800 1000 1200 1400 1600 1800 2000 2200 2400 2600

927,5 915 903 891 879,5 869 858,5 848,5 839 830 820,5 811 801,5

2800 3000 3200 3400 3600 3800 4000 4200 4400 4600 4800 5000

792,5 783,5 775 766,5 758 750 741,5 733,5 725,5 716 709 701,5

Entfernung

Anmerkung. Die Gleichung der Endgeschwindigkeiten bietet eine Gelegenheit , die Resultate der Methode , welche die ballistischen Geseze graphisch darstellt, mit denen der Rechnung zu vergleichen.

Wir haben allgemein

d x v2 = -

g ዋ

wo do die Veränderung der Winkel 9 für dieſelbe Bahn , alſo für constante a bedeutet.

Für das Ende der Bahn ist 9 der Einfallwinkel

und ſei = a. Geht man nun , wie in § . 10 bei der Bestimmung der Einfallwinkel durch die Formel

tang

=

A tang α, A -a

wieder von der Vorstellung der Congruenz zweier Bahnen für die Entfernungen x und x dx aus , so ist der Einfallwinkel b der kürzeren Bahn bezeichnet durch den Winkel der Tangente mit dem um die Elevations Differenz da aufwärts geschwenkten Horizont. Diese Tangente fällt mit der für denselben Punkt der längeren Bahn bei wirklicher Congruenz ganz, also wenigstens nahe zuſammen ; ihr Winkel e mit dem natürlichen Horizonte ist aber um die Elevations-Differenz dɑ kleiner als der Winkel b, folglich ist die Veränderung der Tangentenwinkel der längeren Bahn ausdrückbar durch ( Figur 2 )

218 (ab + da ) = dp *) ;

also ist δα a b dø == + dx. dx dx a -Der Differenzquotient ift in der Einfallwinkelcurve darged x ftellt durch die Richtung der Tangente in dem Punkte , welcher x entdx spricht und durch die der Tangente der Elevationscurve für daſſelbe x. da b a dx und Die Verhältniffe dx da fönnen ersetzt werden durch a Λα und 4 x und diese direct durch die Winkeldifferenzen für eine kleine Entfernung, etwa 50 oder 100 Schritt, dividirt durch diese Entfernung ; so findet man 3. B. für 2000 bis 2100 Schritt und 4 u. Ladung und die Entfernung 4 x = 100 Schritt 1 a + 1 « = 20 + 17 = 37. Da 9 ein stumpfer Winkel ist, so wird Δι tang 49 = --

also

g 4x wofür man auch tang 19 g 4x jezzen kann. sin 49 =

Dann findet man v = 830 Fuß ; analog wird für 5000 Schritt (4 q = 30'24' 54′) v 691 Fuß , wobei natürlich absolute Genauigkeit nicht erwartet werden kann.

§. 12. Berechnung der Flugzeiten. Die ftrengste Prüfung der aufgestellten Bahngleichung würde der Bergleich einer andern Zahlenreihe bilden, welche von der der Schußtafel zu Grunde liegenden gänzlich unabhängig ist , nämlich der Bergleich der beobachteten Flugzeiten mit den hier zu berechnenden. Diese Zahlenreihe tann wegen der unvermeidlich größeren Beobachtungsfehler nicht dieselbe

*) biſt Außenwinkel des Dreiecks, in welchem da und e liegen.

219 Uebereinstimmung zeigen wie die der Elevationen.

Indessen ist sie durch

graphische Interpolation ausgeglichen , und die so erhaltenen Resultate mögen hier herangezogen werden. Die Mechanik (siehe Anhang ) giebt die Flugzeit S t=

2 k

2 k cos C cos a

e 2 k

c

Sezt man für die Einfallwinkel

cos q = cos α , so wird S

X *

1 ), und wenn

c

2 k

= -1

2 k cos a

ist

t=

ย 2 k (e 2 c

~| =

2 k

1)

Diese Gleichung wurde auch bisher für kleine Elevationen benußt ; fie erfordert aber für ihre bequeme Verwendung eine für em — 1 ausge rechnete Tafel *). ( Anhang. )

Es ist u e

=1 +

u u2 u³ 2 + 2 . 4 + 2.3.8 +

diese Reihe convergirt in unserem Falle so stark, daß wir

u2

=

e

+

seyen dürfen ,

+ 2.4

also

u 2

1=

(1 +

+ 2.4

und

2 k t=

C •

( 1+

=

c u (1 + - ) …………. ( b).

Hätte man s = x gesetzt , wie das für geringe Elevationen zu geschehen pflegt , so würde

--- 1 in ,,Hilfsm mittel für ballistische Rechnungen “. ( Erste Lieferung , Seite 59 ) , und in „ Verſuch zu einem System der Artillerie-Wiſſenſchaft“ . e

Dieſe Tafel findet man unter der Form log

220

2k

X

x2

t=

=

+ 2 k

2.4 k²

(k (* + -) * c k

(c )

geworden sein.

u2 Bernachlässigt man in ( b) auch 2.4 ku

t=

so wird der Ausdruck

X =

c

· (d)

C cos a

noch leichter anwendbar , wofür man in der Praxis obenhin sagen dürfte X t= (e). c Diese fünf Formeln sind zu prüfen, nachdem die Geseze, welche fie ausdrücken, kurz in Worten dargestellt sein werden. Die Formeln d und e zeigen: 1) man erhält annähernd die Flugzeit , wenn man mit der Anfangsgeschwindigkeit in die Entfernung dividirt und umgekehrt ; oder 2) die Flugzeiten verhalten sich für dieselbe Ladung annähernd wie die Entfernungen ; und 3) zeigen a , b , c und e : die Flugzeiten verhalten sich für gleiche Entfernungen umgekehrt wie die Anfangsgeschwindigkeiten. Es möge nun an Beispielen das Verhalten der fünf Formeln a, b, c, d und e gezeigt werden. Die Schußtafel giebt für 4 4 bei 1800 Schritt die Flugzeit 4,77 Secunden.

Die Formel a giebt 4,91 Secunden, b # 4,90 B 4,89 c

4,61 e

2

4,60

Danach find a, b, c gleichbedeutend ; deshalb sei die bequemere Formel c gewählt.

221

Schritt

nach c

nach d

nach e

Beobachtet und

interpolirt

'9 = c 40

4tl.

'= 8 c03

3 น.

'6 =80

2,28

'= 5 c 94

1,7%

600 1200

1,56 3,19

1500

4,03

1800

4,89

600

1,83

1200 1500

3,74 4,72

1800

5,72

1,53 3,07

4,61

5,41

3,83

1,58 3,13 3,94

4,60

4,77

1,79 3,49

1,76 3,60

4,48 5,38

4,55 5,50

600

2,16

2,12

2,10

1200 1500

4,41

4,24 5,29

4,27 5,37

6,36

6,47 2,44 4,90

1800

5,57 6,76

6,43

600

2,43

2,43

1200

5,05

1500

6,36 7,73

4,85 6,06

1800

7,44

7,27

6,17 7,40

Eine weitere Prüfung dieser Formeln werden die Anwendung auf andere Kaliber und der Anhang ergeben.

§. 13. Berechnung von Ordinaten der Flugbahn . Bevor die Beobachtungen in Bezug auf den 24 uber geschloffen werden , wollen wir für eine mittlere Entfernung die Coordinaten des Culminationspunktes und für eine große Entfernung untersuchen , wie fich die Ordinaten in der Nähe des Endpunktes verhalten. Das Geschoß culminir in dem Punkte der Bahn , für welchen die Tangente dem Horizonte parallel, also der Winkel & gleich Null ist. 15 Achtundzwanzigster Jahrgang. LV. Band.

222 1. Wir nehmen für diesen Fall die einfache Form

u2

r tang

= tang a

(u + cos a

daraus folgt sinar (u + oder

sin a u² + 2 u = r

also u

2 c² sin a

- 1+

1+

V

2,4 g k

und

2 c² sin a

x = k cos a ( - 1+

√1 +

2,4 g k

Den so für x gefundenen Werth substituiren wir in die Bahngleichung und finden die zugehörige Ordinate y. So finden wir für 1800 Schritt bei 4 4. Ladung die Abſciſſe des Culminationspunktes gleich 916 Schritt und erhalten y = 7102,4 Schritt [ 0,01075

(0,00505 +0,00022 ) ] = 38,9 Schritt

oder gleich 93,4 Fuß. Um zu erfahren, wie viel die Erhebung über dem Horizonte bei dieſer Entfernung von 916 Schritt durch den Luftwiderstand vermindert ist, haben wir nur das dritte Glied in y mit k zu multipliciren und finden 0,00022 . 7102,4 Schritt . 2,43,7 Fuß. Im Anhange wird eine noch einfachere, aber strengere Manier gezeigt werden, den Culminationspunkt für alle Entfernungen zu bestimmen, während die gegebene Formel nur bis etwa 2500 Schritt annähernd richtig ist und zwar der Art , daß bei 5000 Schritt die jetzige Formel 2606 Schritt ergiebt , während aus der späteren 2630 Schritt folgen werden. 2. Die Berechnung der Schußtafel ist gestützt auf den Werth der Ordinate, welcher gleich Null ist; es müßte nach der Schußtafel die Bahngleichung also auch diesen Werth wieder herausbringen.

Bei der

Berechnung von a ist aber der Fehler begangen worden , daß das dritte Glied nur mit cos a statt mit cos a dividirt worden ist. Deshalb muß nothwendig y etwas zu klein werden.

Es ist aber gleichzeitig die

Correctur bezeichnet worden, so daß, während für 4964 Schritt a gleich

223

15° 39' gefunden wurde, die richtige Erhöhung a, worden ist.

15° 47' ge-

Wir erhalten dann für 15 ° 39' a) y = 2,4 . 7102,4 Schritt [ 0,19580 - 24,03 Fuß; für 15° 47' b) y, = 2,4.7102,4 Schritt [ 0,19759

( 0,15879 +0,03842 ) ] =

(0,15906 + 0,03852) ] = 0 .

ad a) Die Bahn , welche 15 ° 39′ entspricht , muß nach §. 9 den Horizont auf 4934 Schritt schneiden und ist nach 30 Schritt natürlich ein Beträchtliches unter demſelben.

ad b) Die an demselben Ort angezeigte Correctur der Elevation bringt den Treffpunkt in den Horizont , wie es sein mußte. Hätte man für 15° 47′ statt 4965 Schritt die Entfernung 4964 genommen , so würde y =

1,025 Fuß herausgekommen sein.

Einem Schritt entspricht hier

eine Elevationsdifferenz von etwa H Minuten = Minute. Man sieht hier einen der Elementarfehler , welche bei sonst gleichen Verhältnissen auf die Wahrscheinlichkeit des Treffens einwirken , einen Fehler , welcher auch absolut nicht zu vermeiden ist.

§. 14. Zusammenstellung der gefundenen Gefeße. Da die vorläufig wichtigsten Fragen für den 24 der behandelt sind, so wollen wir die darauf bezüglichen Formeln noch einmal zusammenfassen und der Vollständigkeit wegen die im Anhange zu entwickelnden gleichzeitig hierherstellen, während es vorbehalten bleibt, nach der Uebertragung auf die andern Kaliber noch ein intereſſantes und wichtiges Gesetz beizubringen für das Verhältniß zwischen Ladung und Anfangsgeschwindigkeit, und eine Anwendung zu machen für die Bestimmung einer Bahn durch gegebene Coordinatenpaare. Der Grund für die Abweichung der Constanten der bisherigen Formeln von denen der Formeln des Anhanges wird später angegeben werden.

15 *

224

Es ergiebt sich 1) die Bahngleichung g x3 6 k c² cos a

g x2 2 c² cos α¹

y = x tang a

(a)

ober ru3 1.2 . 3

u2

r

q = u sin a

1.2 Wo

u =

q =

oder u sin a -

X g k und r = k cos α

u

r (e

- 1u ). (Anhang. ) (b)

2) Für die Gleichung ( a ) und ihre Folgerungen ist k = 7102,4 Schritt, log k = 3,85140 für den = 3,76464 = k = 5816,2 log k k = 3288, 3,51694 log k für die Gleichung (b) und ihre Folgerungen , also für die

24u.der, 12u.der, 6uder;

Formeln , in

welchen eu vorkommt, ist k, = 8400, log k = 3,92428 für den 24 uder, ☺ 12uder 6739, log k = 3,82861 k, k₁ = 4121, log k = 3,61500

6 uder.

Anmerkung:

log 2,4 . g

1,87506.

3 ) Die Anfangsgeschwindigkeit u (3+ u ) g k C = = V" 6 sin a

Das Resultat ist gleich dem aus (b) mittelst der " Neuen Balliſtiſchen Tafeln" des Herrn Oberst Otto berechneten :

eu

-1- u

c2 u

g k sin a

4) Die Elevation aus

sin 2 α =

g (k c2 k

X x , mittelst k ,

wobei für die größten Entfernungen eine geringe Correctur nöthig ist, oder aus den N. B. T. mittelst k,.

225

5) Die horizontale Schußweite 3 6 ca sin a 9 x = k cos α (- 2 + V 4 + gk oder am leichtesten aus einer noch zu beschreibenden graphischen Darftellung (Figur 3) der Flugbahn aller Kaliber mit allen Ladungen ( mittelft k , ). 6) Der Tangentenwinkel aus tang tang « ---

g k c² cos α ( u + 1/2)

oder aus tang

tang α-

u g kı (e 1 1), c² cos α

am besten aus der graphischen Darstellung ( Figur 3 ) ; als Einfallwinkel aus A tang ( aa ) = tang Α -a wo g (3k + 2A ) (A - a) sin ( α -— α₁ ) = 6 c❜k cos 2 α

7) Die Absciffe des Culminationspunktes ist x = k cos a ( −1+

+ V

2 c² sin a gk

bis 2000 Schritt, oder für alle Entfernungen aus sinar (e 11-1 ) ( mittelft k, ), wo a + 1 ) − log log e log u = log log ( sin « +

und log log e = 0,63778 — 1 .

8) Die Geschwindigkeit in jedem beliebigen Punkte der Bahn aus c v = u für kleine, 1 + 2 C cos a

y =

für alle Entfernungen mittelft k, cos o (1+

oder aus C cos a V =

mittelft k,,

cos o e

226

oder aus dx g dc

v² =

nach graphischen Darstellungen der Elevationen und der Tangentenwinkel.

9) Die Flugzeit aus u 2k1 2 - 1 ) ( in Secunden ) (e a, t = c b,

=

2 k, c u (1 + - ) X X 1) › ( k, + 4 ck ,

d, t =

X c cos a

e, t =

X c

für ganz kleine Entfernungen.

10) Aus a leiten wir ab : u 2k , dt = e 2 c

u

U dxe 2

2

C cos a

Setzen wir dx = 50 Schritt, ſo giebt die Proportion

50.2,4 dt : 1 Secunde =

: V

cos im vierten Gliede die Endgeschwindigkeit bis etwa 3000 Schritt. (Beiſpiele in §. 17. )

§. 15. Uebertragung auf andere Kaliber. Die eben zusammengestellten Geseze gelten auch für andere Kaliber. Die Prüfung möge nun ausgeführt werden für den eisernen und den bronzenen 12uder und die beiden , innerlich ganz gleichen 6uder , und soll in der Berechnung der Anfangsgeschwindigkeiten bestehen.

Ergeben

nämlich alle Entfernungen je einer Ladung gleiche Anfangsgeschwindigkeiten , so sind alle andern Elemente Folgerungen derselben , und ihre Berechnung ist durch bloße Wiederholung zu bewirken. Es sind aber

227

hier einige wichtige Bemerkungen vorauszuschicken .

Wir sehen für die

12 der unverändert 2 = 0,23 , und da

log λ k = 3,12637 für die 12uder war, so ergiebt sich k = 5816,2 und log k = 3,76464 . Für die 6 der paßt aber dieser Werth von 2 nicht. Die Geschoßspizze derselben hat eine von der der 12- und 24 ugen etwas abweichende Constructionsweise . Wahrscheinlich ist es in Folge derselben , daß die 6uge etwas stumpfer wird und deshalb einen größeren Widerstand erregt, wodurch ein größerer Werth von 2 erfordert wird, welcher sich gleich 0,33 ergiebt. Es war für die 6

der log 2 k = 3,03545 , deshalb k = 3288 Schritt ,

log k = 3,51694 . 3m vorigen Paragraphen ist eine zweite Reihe von Gleichungen aufgeführt, obgleich sie erst später wird entwickelt werden , weil die Gleichung der Flugzeiten nicht direct aus unserer abgekürzten Bahngleichung hergeleitet ist und deshalb schon jetzt auf einen weiten Werth von k, welchen

wir k, genannt haben , aufmerksam gemacht werden mußte. Nachdem die Anfangsgeschwindigkeiten werden berechnet sein, wollen wir mittelst der Werthe von k, einige Flugzeiten ermitteln , wobei am vortheilhaftesten sich die in Figur 3 mitgegebene Darstellung der Function e " - 1 würde verwenden lassen , während wir nach X X K • = ( k, + — ) =1 I n rechne wollen . §. 16. Anfangsgeschwindigkeiten der 12

nnd 6 uber.

a) Eiserner 12u.der. 1.

Ladung : 2,1 u. 3000 Schritt,

Gegeben : x = 1000 Schritt, « = 2

gefunden : c

28,

960,3,

8º 19 ',

960,1 Fuß.

2. Ladung : 1,7 % . 2000 Schritt, 1000 Schritt , Gegeben : x 6º 41 ', α = 3º 6', Fuß, 850,2 856,9, gefunden : c im Mittel c = 853,4 Fuß.

228 3. Ladung : 1,1 %. Gegeben: x 1000 Schritt, 2000 Schritt, a = 5° 21, 10° 54', gefunden : c = 673,

671,6 Fuß. 4. Labung : 0,8 th

Gegeben : x 1500 Schritt, α = 11 ° 12', gefunden: c

566,7 Fuß. b) Bronzener 12uder :

1. Ladung : 2,1 H. Gegeben : x = 1000 Schritt, 3000 Schritt, 9º 13', α = 2° 43', gefunden : c = 915,2,

914,1 Fuß. 2. Ladung: 1,7 . Gegeben: x 2000 Schritt, 1000 Schritt, a = 3° 24 ', 7° 101',

gefunden: c = 817,4,

821,6 Fuß, im Mittel c = 819,5 Fuß.

3. Ladung : 1,1 %. Gegeben x 2000 Schritt, 1000 Schritt, a = 5° 37', 12º 41', gefunden: c = 638,1, 640,2.

4. Ladung : 0,8 u. 1500 Schritt, 12° 31 ',

537,9 Fuß. c) Eiserner und gußstählerner 6uber: 1. Ladung : 1,2. log k = 3,51694. 1200, 1800, 2571,3 3242, 4160, 4806 Schritt. « = 1 ° 13 , 2° 35° , 4 ° 4%, 6 ° 10%, 8° 20 %, 11 ° 47%, 14° 32 , 1060, 1058, 1064, 1062, 1063, 1057, c 1056 Fuß. In Bezug auf die Bestimmung von 2 ist zu bemerken , daß es ja mittelst der Methode der kleinsten Quadrate immer möglich ist, für jede

x = 600,

Functionsform Constante zu finden , welche sich mehr oder weniger den Beobachtungswerthen anschließen , daß es aber hier nothwendig ist , daß diese Constanten , aus der Versuchsreihe einer Labung ermittelt, allen

+1

229 Ladungen und gleichzeitig der Analogie mit andern Kalibern genügen. Hierbei find nun die kleinen Entfernungen am wenigsten geeignet, da es doch nicht möglich ist, ihre Elevationen auf einzelne und ſelbſt halbe Minuten genau zu bestimmen *). Die Größe von e hängt aber wesentlich von sin a ab, weshalb Minuten große Veränderungen hervorbringen. Bringen demnach die kleinen Entfernungen die richtige Anfangsgeschwindigkeit, so liegt das in dem scharfen Richten mit dem Aufſaße und in der Reducirung auf einen gemeinschaftlichen Treffpunkt. Dieser störende Umstand verschwindet bei größeren Entfernungen. Darum bestimmen diese den Werth von 2 , während die kleinen Entfernungen für kleine « den verschiedensten Werthen mit gleichem centsprechen können. 2. Ladung: 0,9 .. 1200, 3° 32', « = 1 ° 40 ;, 906, c = 904,

x = 600,

3.

x = 600, a = 2° 13', c = 786,7,

Labung : 0,7 t. 1200, 4° 45', 782,2,

1800 Schritt, 5° 34 ',

908 Fuß.

1800 Schritt, 7° 32 ', 784,6 Fuß.

Flugzeiten nach der Formel: X =** t = ( x + 1) c k, Der Vortheil dieser Formel besteht darin , daß bei genügender Annäherung der ganze Ausdruck X ( k₁ + 2 )— für alle Ladungen eines Kalibers constant ist, und daß man ihn nur durch das variable c zu dividiren hat , wobei auf die gleichmäßige Benennung zu achten ist. *) Ein ganz richtiger Quadrant zeigt 1 Grade gleich 3} Minuten.

230 24 uber.

k , = 8400. Flugzeit

AnfangsEntfernung geschwindigkeit Fuß

Schritt

berechnet

beobachtet

Secunden

Secunden

4 u. Ladung 940

1000 1500

2,63 4,09

2,60 3,94

2000

5,41

5,31

3 u. Ladung

803

1000

3,08

2,98

1500 2000

4,68 6,33

4,55 6,13

1000

3,63

3,55

1500

5,53 7,48

5,37 7,20

4,16 6,33

4,10

8,56

8,28

2,2 & Ladung

680

2000 1,7 594

. Ladung

1000

1500 2000

6,18

Eiserner 12uder. k₁ = 6739.

2,1 4. Ladung 960

1000

2,59

2,61

1500

3,96

3,95

2000

5,37

5,30

1000

2,92

1500

4,46 6,04

2,87 4,35

1,7 8. Ladung 853

2000

5,85

231

Flugzeit

AnfangsEntfernung geschwindigkeit

berechnet

beobachtet

Fuß

Secunden

Secunden

Schritt 1,1

672

. Ladung

1000

3,70

1500

5,66

3,69 5,56

2000

7,67

7,44

1000

4,39

4,40

1500

6,86 9,09

8,80

0,8 H. Ladung 567

2000

6,60

Bronzener 12uder. k, = 6739 *). 2,1 . Labung . 915

1000 1500

2,72 4,15

2,90

2000

5,64

5,63

3,06 4,64 6,26

1,7

819

639

Ladung

1000

3,04

1500

4,64

20 00

6,31

1,1

4,18

Labung

1000

3,90 5,95

4,00

1500

2000

8,07

8,05

1000

4,63

4,73

1500 2000

7,06 9,58

7,10 9,49

6,03

0,8 u. Ladung

538

*) Dieſe Reſultate scheinen besonders beachtenswerth.

232 6uber.

k₁ = 4121.

Flugzeit Anfangsgeschwindigkeit

Entfernung

Fuß

Schritt

berechnet

beobachtet

Secunden

Secunden

1,2 8. Ladung 1060

1000 1500

2,39

2,48

3,72

2000

5,08

3,79 5,14

0,9 8. Ladung 904

1000 1500

4,35

2,83 4,31

2000

5,95

5,83

2,80

0,7 H. Ladung 786

1000

3,22

3,28

1500

5,00

4,96

2000

6,85

6,67

0,5 652

. Ladung

1000 1500

3,88

3,97

6,02

6,00

2000

8,25

8,04

Anmerkung : 1. Die Reihe der Flugzeiten muß offenbar ein Bild der abnehmenden Geschwindigkeiten geben ; d. h. denken wir uns wieder die Congruenz zweier Flugbahnen für wenig verschiedene Entfernungen, so wird die Differenz der Flugzeiten angeben , mit welcher Geschwindigkeit der die kürzere Bahn überragende Theil der längeren zurückgelegt ist. Die Differenz der Bahnlängen wird näherungsweise aus der Differenz der Schußweiten durch Division mit cos & erhalten ; also werden wir bekommen :

233

4x 4t: 1 Secunde =

: V,

cos ዋ wo man cos o bei kleinen Entfernungen vernachlässigen kann. Die Flugzeiten-Differenz ist in § . 15 Nr. 9 gegeben: u 4x . 2 C cos α 4t = d. H. v = บ C cos α cos e 2 wie in §. 11. Beispiel: Für 2000 Schritt und 4 u finden wir beim 24uder, wenn x = 50 Schritt, t = 0,1446, daraus v = 830 Fuß. Hat man also ganz genaue Flugzeit-Beobachtungen , so dienen diese direct zur Ermittelung der Geschwindigkeiten.. 2. Aus der Beachtung der bald größeren, bald kleineren Abweichung der Rechnungs- und der Beobachtungs- Ergebnisse und in Verbindung mit dem Vorigen erhellt, daß die ersteren den letzteren an Werth nicht nachstehen können.

§. 18. Verwandlung von Anfangsgeschwindigkeit in Ladung. Drückt man die Ladungen in Zollpfunden aus und die Anfangsgeschwindigkeit in Fußen , so zeigen alle Kaliber folgende höchst einfache und wichtige Relation zwischen Anfangsgeschwindigkeit und Ladung : Für preußisches Pulver verhalten sich die Anfangsgeschwindigkeiten wie die 1,8 ten Wurzeln aus den Ladungsge= wichten. Da sich dergleichen empirisch gefundene Säße nicht immer theoretisch beweisen lassen , so ist es zunächst wichtig , daß der aufgestellte Sat wahr ist. Sezen wir die Anfangsgeschwindigkeit = 940 Fuß, beim 24u.der mit 4 beim eisernen 12uder mit 2,1 . = 960 Fnß, beim bronzenen 12 der mit 2,1 = 915 Fuß, beim 6uder mit 1,9 u.

1060 Fuß,

so wird behauptet, daß die Anfangsgeschwindigkeiten aller Ladungen durch folgende Gleichungen gefunden werden :

234 Beim 24u.der :

beim eisernen 12u.ber: 1,8

1,8

C₁ = 940

C₁ = 960 VIT

V

beim bronzenen 12 uder : 1,8

C₁ = 915

1,8

C₁ = 1060

V 2,1

a) 24 uder : 1, ul. = 3 u. 801,2 , C1 =

aus der Bahngleichung war c₁ = 803, b) Eiserner 12 uder : 1 , %. = 1,7 %. c, x = 853,7, aus der Bahngleichung war 8 C₁ = 53 , c) Bronzener 12uder : ] , &. = 1,7 u c₁ = 813,7 ,

1,2

2,2 ul. 674,3 ,

1,7 u.

677,

589 Fuß **).

1,1

.

584,4 Fuß;

0,8 tt.

670,3,

561,6 Fuß ;

672,

567 Fuß .

0,8 H.

1,1 %. 638,9,

535,3 Fuß;

639,

538 Fuß.

aus der Bahngleichung war

C₁ = 819, d) Beide 6uder : 1, u. = 0,9 u. C₁ = 904,

aus der Bahngleichung war 904, C₁

0,7 u.

0,5 8 .

786,

652 Fuß ;

786,

650 Fuß.

Für die bequeme Verwendung dieses Geſeßes seien folgende Zahlen aufgeführt. *) Die in der Ballistik des Herrn Hauptmann Roerdanß und hier in der Einleitung aufgeführte Anfangsgeschwindigkeit von 1026 Fuß gehört einem besonderen Rohre mit längerem Ladungsraume an. **) Aus der berichtigten Elevation.

0,3

2,5

2,6

2,8

0,04399

0,06330

0,08118

1,2

1,3

1,4

2,4

0,02300

1,1

0,24842

0,23054

0,22108

6

5 5,5

4,5

4,4

0,19023

2,2

2,1

0,21123

4,2

0,17901

1 0,97458

0,9

4

0,16724

0,94616 1 2

3,8

0,15486

0,8

1,9

I 0,91394

0,7

3,6

0,14182

1,8

1 - 0,87675

0,6

3,4

1,7

1 - 0,83276

0,5

0,12803

1,6

3,2

3

0,11340

0,09783

1,8 Ꮴ gᎢ lo

1 0,77892

1,5

I

0,4

0

0,70951 1

-

1

1,8 VgT lo

9,43231

0,41131

0,38832

0,36290

0,35747

0,34625

0,33448

0,32210

0,30906

0,29527

0,28806

0,26507

1,8 VgT lo

7,5

9,5

12

11,5

11

10,5

10

9

8,5

8

7

6,5

I

0,59955

0,58928

0,57855

0,56733

0,55556

0,54318

0,53013

0,51634

0,50172

0,48615

0,46950

0,45162

1,8 VgT lo

235

236 Ist dieser Sat richtig, so würde daraus folgen : 1) daß weder der Drall noch der Ladungsraum auf das Verhältniß der Anfangsgeschwindigkeiten für verschiedene Ladungen unter sich irgend einen bedeutenden Einfluß haben *), wenn auch beide absolut genommen die Anfangsgeschwindigkeit bedingen ; und also in Verbindung mit dem bisher Entwickelten : 2) daß die Erhebung über dem Horizonte nicht merkbar beeinflußt wird durch die Rotation , ſondern fast nur abhängig ist von der Anfangsgeschwindigkeit und der Form und Schwere des Geschosses ; oder 3) daß Ladungsraum und Drall der preußischen gezogenen Geschüße bei den verschiedenen Kalibern sehr nahe in einem , durch die Natur bedingten, richtigen mathematischen Verhältnisse stehen.

§. 19. Anfangsgeschwindigkeit, durch electro - ballistische Versuche ermittelt. Die Königlich Sächsische Artillerie veröffentlicht im 54. Bande des Archivs für die Offiziere der Königlich Preußischen Artillerie- und Ingenieur-Corps electro-ballistische Versuche zur Ermittelung von Anfangsgeschwindigkeiten. Seite 49 daselbst ist für den gezogenen Gußstahl6uder die Anfangsgeschwindigkeit zu 312,39 Meter für 1,3 . Ladung angeben.

Das giebt 995,3 Fuß preußisch.

Ferner sagt die Anmerkung

auf Seite 37, daß die 1,3 u. sächsischen Pulvers , weil ,, die 24 procentige Kohle sich als zu stark gebrannt erwies " , noch etwas kleinere Schußweiten gab, als nach der preußischen Schußtafel 1,2 u. Ladung. Verwenden wir die eben gegebene Formel, um die preußische Ladung zu ermitteln, welche der sächsischen von 1,3 . entspricht, so ist log 995,3 = 2,99795

log 1060 = 3,02531 Differenz = 0,97264 -- 1.

Dies addirt zu I log 1,2

0,04399

giebt 0,01663 und nach der Multiplication mit 1,8 wird 0,02993 der Logarithmus der zu suchenden Ladung in Zollpfunden, woraus *) Oder dieser Einfluß ist durch unser Gesetz ausgedrückt.

237 1 = 1,07

. *)

wird. Das heißt also : ( 1,2 -— 1,07 u. ) - 3,9 Lth. bewirken eine Vermin. derung der Anfangsgeschwindigkeit von ( 1060-995,3) Fuß = 64,7 Fuß beim 6uder von 1,2 % abwärts. Uebrigens bewahrheiten diese Versuche das in Bezug auf die Benußung kleiner Entfernungen zu ballistischen Rechnungen in §. 16 Geſagte, da die angeführten Werthe von k ( dort b ) außerordentlich verschieden ausfallen , mit ihnen natürlich die von der Conftanten 2. Ob die in derselben Veröffentlichung gemuthmaßte Verschiedenheit zwischen Richtungs- und Abgangswinkel wirklich stattfindet ?

Versuche

haben diese Ansicht hervorgerufen , Versuche haben das Gegentheil auch gezeigt, die Rechnung läßt sie bezweifeln.

§. 20. Der Ricochettschuß und der bestrichene Raum. Die in §. 18 gegebene Relation gestattet die allgemeinften Verwen dungen der Bahngleichung . cochettschuß betrachtet.

Um eine derselben anzudeuten , ſei der Ni-

Seine Aufgabe ist, durch den Anfangspunkt und

zwei gegebene Coordinatenpaare eine Bahn zu beſtimmen , d. h. Ladung und zugehörige Elevation anzugeben. Zu dem Ende denke man zunächſt die Coordinaten eines Punktes x , und y , gegeben und den Endpunkt der Bahn für die ganze Schußweite x im Horizonte der Geſchüßmündung liegend. Da man wohl nicht über 2000 Schritt ricochettiren wird , so haben wir die Gleichung 8 (k + 1 ) x

sin 2 α = c₁ k *) Für diejenigen Artillerien , welche denselben preußischen 6uder, aber wohl mehrere verschiedene Pulversorten besigen , kann diese Relation von Wichtigkeit sein. Mittelst dieser einfachen Rechnung wäre es leicht, für alle diese Artillerien die preußische Schußtafel nuzbar zu machen, während sie ohne dieselbe nicht immer zutreffen dürfte, und während es, für jedes Pulver sie zu erschießen, außerordentliche Kosten an Geld und Zeit verursachen würde. 16 Achtundzwanzigster Jahrgang. LV. Band.

238

und außerdem y₁ = x, tang a -

2 gx 3 gxi 2 c² cos a² 6 c k cos a²

wo im dritten Gliede cos a einmal = 1 geſeßt iſt, ebenso wie bei der Entwickelung von sin 2 a. Die zweite Gleichung kann man schreiben : 2 YI cos a² = sin a cos a - gx , - gx, 2 6 c² c² k X1

Substituirt man

X

g (k + 3

sin 2 α =

c² k und bedenkt, daß

= tang 3 gleich der Tangente des sogenannten TerX1 rainwinkels für y , ist, so wird X g (k + g 1)x 8 (k + 3 tang cos a² = 2 c² k 2 c¹ k Dividirt man dieſe Gleichung durch sin 2 ɑ , so wird

X g (k + 1)x 3

tg

g3 ( k + 11+) * , 3 c² k

cotang a = X

g (k + 3 c² k und nach gehöriger Reduction

cotang α =

( 3 k + x ) x - (3 k + x , ) x , cotang B, ( 3k + x ) x

eine Formel, welche eine hinreichend einfache Gestalt hat. Hieraus wird a gefunden und aus

c? = gk ( 3 + u ) u 6 sin a die Anfangsgeschwindigkeit , welche nach §. 18 in Ladung übertragen wird.

239 Ist nun außer x , und y, ein zweites Coordinatenpaar x ,., und Yıl gegeben, welchem der Terrainwinkel y entspricht , so haben wir cotang α =

=

( 3 k + x ) x - ( 3 k +- x , ) x , cotang B (3 k + x )x

(3 k + x ) x - (3 k + x ,, ) x ,, cotang y. (3k + x ) x

Hieraus ist die ganze Schußweite x als Wurzel einer quadratischen Gleichung leicht zu finden, und durch Substitution ihres Zahlenwerthes in cotang « die Elevation « , mit deren Hülfe sich auch wieder die Anfangsgeschwindigkeit resp. die Ladung ergiebt. Die Bestimmung des bestrichenen Raumes führt auf die Lösung einer gemischten cubischen Gleichung, ist also unbequem. Deshalb zeichne man lieber den lehten Theil der Bahn und entnehme daraus den gesuchten Werth, oder man berechne nach der in der ,,Abhandlung über das Schießen und Werfen aus Geſchüßen“ des Herrn Oberst Neumann ( Berlin, 1855) unter §. 225 gegebenen Formel : X 4h 1 -(1 - Vi x tang wo x die ganze Schußweite und h die Größe der Ordinate ( 6 Fuß oder 9 Fuß) bedeuten. §. 21 . Abhängigkeit der Geschwindigkeit von der Elevation. Die Frage, ob die Anfangsgeschwindigkeit durch die Elevation des Rohres beeinflußt werde , soll hier nicht entschieden werden , wenn es nicht die aus den verschiedensten Elevationen errechneten Zahlen von selbst thun; sondern es soll untersucht werden , ob die Geschwindigkeit für gleiche Entfernungen unbekümmert um die Verschiedenheiten der Höhen über dem Horizonte gleich seien , und ob, ähnlich wie bei der Parabel, die Geschwindigkeit des im absteigenden Afte der Bahn sich be wegenben Geschosses wieder zunehme?

Da die Winkel, welche die Bahntangente mit dem Horizonte bildet, im aufsteigenden Afte bis zu Null abnehmen, so läßt die Formel C cos a Y = cos op (1+

16 *

240 sofort erkennen, daß für den Werth cos y = 1 die Geschwindigkeit entschieden kleiner sein wird , als für einen Werth , welcher für dieselbe Entfernung dem Einfallwinkel einer Bahn entspricht; außerdem gehört zu dem ersteren Werthe nothwendig ein größeres a , also ein kleinerer cos α. Es muß mithin für jeden Punkt des aufsteigenden Aftes die Geschwindigkeit kleiner sein, als für einen der Entfernung nach entsprechenden Punkt jeder tiefer liegenden Bahn ; d. h. die höhere Elevation bedingt im aufsteigenden Afte der Bahn eine größere Geschwindigkeitsabnahme.

Die Geschwindigkeit , welche für den Endpunkt der Bahn berechnet wird , muß mit der in der Reihe der Endgeschwindigkeiten enthaltenen natürlich übereinstimmen. Daraus geht hervor , daß die Abnahme der Geschwindigkeit im absteigenden Afte eine geringere sein muß, als sie in der Reihe der Endgeschwindigkeiten sich ausdrückt, wenn die Endgeschwindigkeit überhaupt kleiner ist, als die Gipfelgeschwin digkeit ; d. h. im absteigenden Aste muß für größe Entfernungen die Bewegung der Geschosse der gezogenen Geschüße mit fast gleichförmiger Geschwindigkeit geschehen, da schon die Abnahme der Endgeschwindigkeiten für diese Entfernungen eine sehr geringe ist. Hiermit stimmt dieReihe der Tangentenwinkel überein, welche in der graphischen Darstellung für den absteigenden Aft fast eine gerade Linie bildet ; oder mit andern Worten : die Differenzen do find nahe gleichmäßig, also kann die Formel dx v2 = - go dø nur sehr langſam abnehmende Werthe für v ergeben. Sollte die Geschwindigkeit im absteigenden Aste wieder zunehmen, müßte die dem Nullpunkte entsprechende ein Minimum werden, und so man könnte nun den Regeln der Differenzialrechnung gemäß fragen , ob die Function C cos a V =

u cos y (1 +

2

oder allgemeiner C cos a V =

überhaupt ein Minimum zuläßt ? =|~

cos o e

241

Da v hier von den beiden Variablen 9 und u abhängig ist , ſo müßten für den Fall eines Minimum die beiden Differenzialquotienten dv dv und do du gleichzeitig zu Null werden. Nun wird dv C cos a = U du 2 ope cos 2 und dv c cos a sin q = 11 do cos q²2 e 2 Die rechte Seite der ersten Gleichung kann offenbar nur Null werden, wenn u unendlich ist , während die der zweiten Gleichung allerdings für 90.verschwindet. Das heißt nun : für die Bahn im luftleeren Raume ist die Geschwindigkeit im Culminationspunkte am kleinsten ; für den lufterfüllten Raum ist das bei Boraussetzung eines quadratischen Luftwiderstandsgeſezes nicht möglich , sondern es findet eine fortwährende Abnahme der Geschwindigkeit statt. Ein ausgerechnetes Beispiel wird das Gesagte am einfachsten zeigen. Beim 24 uber ergeben sich für 4 u. auf 5000 Schritt zunächst folgende Tangentenwinkel :

Entfernung

Entfernung Tangentenwinkel

Tangentenwinkel Schritt

Schritt 15° 54'

2630

0

400

14° 4'

3000

20 38'

800

12° 4'

3400

5º 46' 9º

0

1200

9° 52'

3800

1600

7° 26'

4200

12° 20'

2000

4° 45'

4600

15° 47'

2400

1° 52'

5000

19° 21'

212 Die Differenz für 100 Schritt ist bei 5000 Schritt ungefähr 534 Minuten ; dann wird aus 100 Schritt v² = g sin 53 die Geschwindigkeit gleich 695 Fuß. Die ganze Reihe der Geschwindigkeiten wird :

Entfernung

Geschwindigkeit

Entfernung

Geschwindigkeit

Schritt

Fuß

Schritt

Fuß

0

940

2630

766

400

909

3000

750,5

800

879

3400

735

1200

851

3800

723

1600

825

4200

713,5

2000

801

4600

707

2400

779,5

5000

702

§. 22. Die Percussionskraft. Die Kenntniß der Endgeschwindigkeiten der Geschoffe ober auch ihrer Geschwindigkeiten an beliebigen Bahnpunkten ist von Wichtigkeit für die Beurtheilung der Kraft , mit welcher fie auf das Ziel schlagen. Diese Kraft, welche die Percussionskraft genannt wird, ist das Product aus dem Gewichte des Geschosses in die Geschwindigkeit. Da wir in §. 21 gesehen haben , daß für sehr große Entfernungen die Geschwindigkeiten sehr wenig von einander verschieden sind , z. B. 723 Fuß beim 24 der mit 4 t. Ladung auf 3800 Schritt und 702 Fuß auf 5000 Schritt, so geht daraus hervor, daß es vollkommen angemessen erscheint, Ziele, welche hinreichend groß für die Wahrscheinlichkeit des Treffens find , aus den größten Entfernungen mit gezogenen Geschützen zu beschießen und außer der Sprengwirkung bedeutende Erfolge zu erwarten.

243 In Bezug auf die Percussionskraft zeigt sich die außerordentliche Ueberlegenheit der größeren Kaliber ; denn nicht blos ist z . B. der 24 u.der viermal schwerer als der 61der , sondern trotz der bedeutend größeren Anfangsgeschwindigkeit des 6ders nehmen seine Geschwindigkeiten auch in viel stärkerem Grade ab , wie das am übersichtlichsten aus den unsern Schußtafeln der gezogenen Geschütze angehängten EndgeschwindigkeitsTabellen zu erkennen iſt. Das Eindringen der Geschosse in feste Materialien läßt sich wegen nicht hinreichend erkennbar gesetzmäßig sich äußernder Thatsachen noch nicht in empirisch richtige Formeln fassen. Will man darüber die Erfahrungsergebnisse für sphärische Geschosse in der Abhandlung über das Schießen und Werfen des Herrn Oberst Neumann ( § . 257 und viele folgende ) vergleichen, so wird sich das Gesagte in hohem Maße bestätigen. Dieser vollständigsten Sammlung aller Beobachtungen, welche hier einschlagen, würden die in den lehten Bänden des Archivs gegebenen Resultate englischer Versuche gegen Panzerwände nur hinzuzufügen sein, um die Unzulänglichkeit aller Formeln erkennen zu lassen. Das geht natürlich hervor, daß die Geſchoſſe gezogener Geschütze den sphärisch ge= bildeten gegenüber im Vortheile sind, namentlich auch in Bezug auf das Zerschellen der Hohlgeschosse wegen der doch immer fast massiven Spize der Langgeschoffe , obgleich zu beachten ist , daß bei zu kleinem Anschlagwinkel sehr leicht ein Umschlagen der letzteren stattfinden kann , indem der cylindrische Theil seinen Weg frei fortseyen darf, während die treffende Spize schon abgelenkt wurde *). Will man das Eindringen der Geschosse auch abhängig machen von dem Verhältnisse der lebendigen Kräfte , welche den Quadraten der Geschwindigkeit proportional find, so bietet dieser Satz wohl ein allgemeines Urtheil, wonach Geschosse mit größerer Geschwindigkeit tiefer eindringen ; aber er ist noch immer keine Basis für die praktiſche Rechnung. Neben der Härte und Structur des zu durchdringenden Materials und neben der Geschwindigkeit des Gefchoffes üben die Form ſeiner Spiße, die Größe seines Durchmessers, die Beschaffenheit seines Materials, vor-

*) Es dürfte hierbei sogar geschehen können, daß die Zünderschraube so zur Seite gedrückt wird, daß der vorwärts eilende Nadelbolzen die Zündung derselben nicht mehr treffen kann und das Geschoß deshalb nicht gesprengt wird.

214 züglich die Größe des Anschlagwinkels und ( hier mehr als bei der Bewegung in der Luft ) die Größe des Rotationsmomentes in Verbindung mit der fortschreitenden Bewegung gewiß ihre beachtenswerthen Einflüsse. Für das Leytere ist anzuführen, daß sich die bohrende Wirkung des Geschosses in Mauerwerk vor der Sprengung deutlich genug gezeigt hat.

In Betreff der Wahrscheinlichkeit des Treffens wird darauf aufmerksam gemacht, daß die bis jetzt gefundene Gesezmäßigkeit derselben in den den Schußtafeln beigefügten Trefffähigkeits- Tabellen ausgedrückt ist.

§. 23. Das constante Verhältniß der Anfangsgeschwindigkeiten für Geschosse von verschiedenen Dichtigkeiten. Durch das Auftreten des 48ders , nachdem diese Arbeit schon der Druckerei übergeben war, ist es noch nachträglich gestattet : 1 ) das bei den anderen gezogenen Geschüßen gefundene Gesetz für das Verhalten der Anfangsgeschwindigkeiten gegenüber verschiedenen Ladungen auch bei dieſem Kaliber als bestätigt hinzustellen * ) ; und 2) ein anderes hinzuzufügen : Für Geschosse von verschiedenen Gewichten ( Dichtigkeiten ) verhalten sich die Anfangsgeschwindigkeiten unter soust gleichen Verhältnissen (gleiche Form 2c. ) umgekehrt wie die Quadratwurzeln aus den Gewichtszahlen derselben . Man hat bekanntlich sich immer bemüht, für die auf irgend eine Weise ermittelten Anfangsgeschwindigkeiten Formeln aufzustellen, welche die Berechnung anderer für andere Verhältnisse gestatten sollten. Alle Versuche, sowohl die gegen das ballistische Pendel , als gegen rotirende Scheiben , als auch die electro-ballistischen haben in dieser Richtung für die glatten Geschütze Resultate geliefert, welche in ihrer Allgemeinheit beim Uebertragen auf die Praxis mehr oder minder angezweifelt worden sind, oder mindestens in sehr beschränktem Maße für die Aufstellung allgemeiner Geseze verwendbar waren . Es war eben nicht möglich , alle , selbst die erkennbaren , störenden Einflüsse ( Spielraum u. s. w. ) bei der Benutzung der Versuche der *) In der hier bestimmten Form gilt das Gesetz zunächſt natürlich nur für preußisches Pulver , Gewicht und Maß , während das zweite Gesez allgemeine Gültigkeit hat.

245 Rechnung zu unterwerfen , wenn die Wirklichkeit nicht durch die Einfachheit der Geseze entgegenkam. Das eben ausgesprochene Gesetz ist zwar auch für sphärische Geschoffe unter gewiſſen Verhältnissen behauptet , wohl aber nie mit ſolcher Bestimmtheit an gewöhnlichen Schießergebnissen bewiesen worden, wie es hier geschehen soll, wenn man unter Geſchoffen von verschiedener Dichtigkeit solche verstehen will , welche äußerlich congruent , sich in der Praxis unterscheiden als Granaten von verschiedener Wand- resp . BleimantelStärke, als Bollgeschosse oder Shrapnels. Der Grund , aus welchem das Gesetz bei den gezogenen Geſchüßen fich bestimmter ausspricht , liegt natürlich in der volleren Verwerthung der entwickelten Pulvergase und vielleicht in den in Beziehung zu den glatten Geschüßen sehr kleinen Ladungsverhältnissen. Haben zwei congruente Geschoffe die Gewichte Q , und Q11 , welchen für die Ladungen 1 und L die Anfangsgeschwindigkeiten e und c , resp . C und C, entsprechen, und ist

C : C1 = 18 : L' c, : C₁ = Q₁ ,

: Q, ² ,

so ist

c : C, = 1 4 Q. , † : L

0, 1 ;

oder ist e : C = Q₁ , : Q , 1 1,8 : , ISLES C: C, so ist auch c : C₁ = 1

Qu : L

Q1

Um die Bedeutung dieser Proportionen auszusprechen , nehmen wir beispielsweise an , es wäre die Elevation der 24uder - Granate von dem Gewichte Q für irgend eine Entfernung bei der Ladung 1 bekannt , und man suchte die Elevation des 24 uder - Vollgeschoffes von dem Gewichte Q., für irgend eine andere Entfernung bei der Ladung L , so ist es gleichgültig (nachdem man die Anfangsgeschwindigkeit e der Granate für I berechnet hat ), ob man zuerst mittelst des Ladungsgesetzes die Geschwindigkeit e , für L und dann die gesuchte C, des Vollgeschoffes mittelst des Geschoßgefeßes berechnet, oder ob man diese leßtere findet, indem man

246 zuerst das Geschoß- und dann das Ladungs - Gesez anwendet. Die Reſultate beider Rechnungswege sind jedenfalls identiſch; ſtimmen ſie dann noch mit der Wirklichkeit überein , so sind beide Geseze für beide Geschosse richtig. Für die praktische Verwendung laſſen ſich noch leicht folgende beide Relationen herleiten, welche den etwaigen Mangel an Genauigkeit decken durch ihre für das Gedächtniß bequeme Form ; nämlich : und 1) « 1 : « 1 = 2) X1 : X11 = Q₁ ,

1.

Q. , d. h.:

Bei demselben Geschütze verhalten sich für gleiche

Ladungen, gleiche Schußweiten und verschieden schwere Geschosse die Elevationen nahe wie die Gewichte der Geschosse. 2. Die Schußweiten verhalten sich für gleiche Ladungen, gleiche Elevationen und verschieden schwere Geschosse nahe umgekehrt wie die Gewichte der Geschosse. Haben nämlich alle Buchstaben ihre bisherige Bedeutung und beziehen sich die mit Zeiger versehenen auf die verſchiedenen Geschoffe von den Gewichten Q , und Q . , ; bezeichne ferner a den constanten Theil k und leiten wir von k, nämlich Q'

c² =

( 3k + x ) x g 3 a Q sin 2 a

aus der Gleichung für die Elevationen X xg (k + 3 sin 2 α = c² k ab, so ist ( 3 k , + x ) x g :. ( 3k ,, + x ) xg 2 2 1 ) c , : Cil = 3a Q, sin 2 α, 3 a Q₁, sin 2 a 、、 xg worin die Factoren für diesen Fall gleich ſind, ſo daß alſo 3a

2

11 + x ) (3 k₁1

( 3 k₁1 + x)

: C₁ 2 =

:

Q₁1 sin 2 α, 3ft nun 1

2 =

1 Q

Q₁ sin 2 α ,

217 ſo ist 3 k₁ + x sin 2 a

3k, + x sin 2 a,

wofür man bei nicht großen Elevationen ſeßen kann ( ſiehe Beiſpiele b) sin a , sin a₁₁ = 3k , + x : 3 k₁ , + x oder für die Ausführung X X sin α | = k, + sin a : k, + 3 3 oder selbst sin asin « ,, = k , k , = Q₁1 : Q₁ ,

und zum vorläufigen Anhalt = Q₁1 : Q,,.

2) Sezen wir C 2 : c ,, '2 = (3 k, + x ) x, g : (3k , 1 + x, 1 ) X11 g c₁² 3 a Q. , sin 2 a 3 a Q , sin 2 a (3k , + x₁ ) x

(3 k ,, + x₁1 ) X, 1 . :

Q₁

Q..

so ist also (3k,

x , ) x , = ( 3 k ,, + x

) * 11

ober x , : x₁₁ = ( 3 k₁ , + x ,, ) : ( 3 k , + x , ) . Da x, und x ,, für mittlere Entfernungen in Bezug auf 3 k immer klein sind, so kann man auch segen

XX₁₁ = k₁₁ : k₁ = Q₁₁ : Q₁. Die durch die Abkürzungen erzeugten Ungenauigkeiten stehen bei der wirklichen Rechnung unter einer leicht auszuführenden Controle, und da sie hier immer kleiner sind , als die bei glatten Geschüßen unvermeidlichen , so möge man sie wegen des möglichen Nuzens der Formeln geſtatten. Diese sämmtlichen Säze sollen jetzt durch Beispiele geprüft werden : a) Wählt man beim 484der für zwei Geschoßarten von 107 u. (A) und 125 . (B) die Zahl λ = 0,23, so wird 8294 Schritt, log k = 3,91878 für A, k, 3,98631 - B. log k 11 = 9690 k₁₁ Es geschah ein einziger Schuß des Geschosses mit einer Ladung von 6 unter der Elevation von 4º 30'. Die Schußweite betrug 1423 Schritt , welcher ein Terrainwinkel von

- 6 Minuten , ( also

248 a = 4° 36' entsprach.

Hieraus sollen für beliebige Ladungs- und Ge-

schoß - Gewichte und für beliebige Entfernungen die Elevationen berechnet und mit den wirklich zur Anwendung gekommenen verglichen werden. Die Anfangsgeschwindigkeit für 6 . ergiebt fich c, = 840,1 Fuß ; daraus wird die für 8 u c, = 984,7 Fuß. 1. Mit 8 u. ist geschoffen auf 1442 Schritt bei einer Elevation von 3° 18′ und einem Terrainwinkel von 6 Minuten ( also a = 3 ° 24'). Die Anfangsgeschwindigkeit c = 984,7 Fuß ergiebt a = 3º 234' . 2. Unter welcher Elevation wird das Geschoß A eine auf 1250 Schritt mit einem Terrainwinkel von + 1 Minute stehende Scheibe mit 9. Ladung treffen? Die Anfangsgeschwindigkeit wird 1051,3 Fuß, die Elevation 2 ° 33', und in der That ist die Scheibe mit 2 % Grad 2° 33 ′ getroffen worden. 3.

Unter welcher Elevation wird das Geschoß B mit 8 u. Ladung

dieselbe Scheibe treffen? Die Formel 2 2 = C₁

ergiebt c₁

1 :

= 911 Fuß und a₁ 1 = 3° 23'.

Die Formel sin a , sin a , ₁ = 3 k₁ + x : 3 k₁₁x ergiebt a₁₁ = 3° 23', da ɑ , = 2° 55′ war.

Die Formel

1 : α11 = Q,

Q₁

ergiebt a₁

= 3° 24' ; in

Wirklichkeit ist mit 3, Grad = 3 ° 22 ' getroffen worden . b) Die Granate des 24uders ( 54,3 u. ) hat bei 4. Ladung eine Anfangsgeschwindigkeit e 940 Fuß; wie viel Elevation gebraucht das Vollgeschoß ( 67 u. ) für 2500 Schritt mit 4,2 . Ladung ? Die Granate würde nach dem Ladungsgesetze bei 4,2 u. eine Anfangsgeschwindigkeit e , 965,8 Fuß haben ; daraus folgt die des Vollgeschosses C , = 869,5 Fuß, und daraus die Elevation = 7° 52 ' Es ist mit 151

Zoll Auffah = 7° 50′ getroffen worden.

Um den Werth der Näherungsformeln erkennen zu laſſen , ſei «。 auch nach ihnen berechnet. a , würde sein 6º 29 ' ; dann giebt die Formel sin a ,: sin a ,, = 3 k , + x : 3 k¸ , + x den Winkel « ,, = 7 ° 51 ′ ; sin a¸ ; sin œ , 1 = Q₁ : Q₁₁ ergiebt a ,, = 8°; α₁ : an = Q₁L Q₁ ,1 ergiebt

α₁₁ = 8°.

249 c) 1. Nach den bereits angeführten sächsischen Versuchen ist die Anfangsgeschwindigkeit der 64gen Granate ( Q₁ = 13 & 17 Lth. 4 Qtch. ) C = 312,39 Meter für 1,3 . sächsischen Pulvers ; wie groß ist diejenige C , des Shrapnels ( Q₁₁ = 15 %. 20 Lth . 2,8 Qtch. ) ?

Q, 312,39

= 290,8,

V während die Verſuche 293,68 Meter ergeben haben.

Aus 293,68 würde

man für die Granate finden C , = 315,5 M. Die Abweichung von 3,11 M. liegt nach derselben Veröffentlichung in den Grenzen der mittleren Fehler der Beobachtungen ( Archiv, Band 54, Seite 53 ), welche nebenher auf 28 M. Entfernung Differenzen von 8,85 M., auf 328 M. von 3,66 M., auf 628 M. von 3,95 M. gezeigt haben , woraus hervorgeht , daß die aus den gewöhnlichen Schießergebnissen errechneten Zahlen ziemlich so viel Bertrauen verdienen , als die Mittelzahlen electro - ballistischer Versuche. 2. Das Shrapnel verlangte für den Treffpunkt im Ziele auf 800 Schritt 1° 53,7; daraus ergiebt sich eine Anfangsgeschwindigkeit von 986'. Die Reduction giebt dann für die Granate 1060 Fuß. Nach dem bisher Ausgeführten erscheint es möglich , mit einer für die Praxis hinreichenden Genauigkeit alle Fragen der Ballistik der gezogenen Geschüße auf die einfachste Weise zu beantworten und eine Schußtafel aus wenigen Schüssen (zur Bestimmung der Luftwiderstands - Constanten und der Anfangsgeschwindigkeit ) für die nachherige Prüfung a priori zu berechnen. Im Anhange wird sich zeigen , daß dies mit noch größerer Strenge auf einem sehr einfachen Wege durch graphische Construction geschehen fann.

Berichtigung. Es wird gebeten , Seite 203 , Zeile 11 zu schreiben : log = 3,00817 statt log = 0,20496.

250

Anhang .

Analytische Herleitung der Formeln. Es möchte nicht überflüssig sein , die Entwickelung der vorstehend aufgestellten Bahngleichung und der übrigen aus der Mechanik entnommenen Gleichungen hier in einfacher Weise zu wiederholen , um gleichzeitig den Grad ihrer wissenschaftlichen Berechtigung erkennen zu lassen.

1. Die Mechanik drückt die Geschwindigkeit durch die Gleichung ds dt = v aus , also ihre Ab- oder Zunahme , d . h . die Beschleunigung d2 s dv dv Im lufterfüllten Raume tritt zu der so daß = durch dt d t2 dt Kraft, welcher die Anfangsgeschwindigkeit entspricht, und der Schwere noch der Luftwiderſtand. Dieser, ausgedrückt durch_b v² , und die Schwere, welche gleich g ist, wirken continuirlich, die Pulverkraft als Stoß ; alle drei Kräfte aber in verschiedenen Richtungen.

Um sie gleichzeitig in Rech-

nung stellen zu können, zerlegen wir jede, wie auch die Geschoßbewegung, in eine horizontale und eine verticale Componente. Ist

der Winkel zwischen der augenblicklichen Bewegungsrichtung

und dem Horizonte, so zerfällt ds in ds cos q = dx und ds sing = dy; also wird entsprechend dx dy = v sin 9. = v cos op und dt dt Es werden dann d2 x d2 y und d t² d t2 gleich der Beschleunigung ( resp. Verzögerung ) in der Horizontalen resp. Verticalen sein, Von den beiden Kräften , Schwere und Luftwiderſtand , wirkt die erstere nur in der Richtung der y, die lettere aber auch in der der x ; dieser ist also zu zerlegen in b v² cos q und b v² sin o. Bei der Anwendung auf die Kugel hat diese Zerlegung nie Zweifel erregt.

Das Langgeschoß erhält aber hierdurch statt des Widerstandes

251

gegen die Flugrichtung zwei andere gegen die Seiten , und zwar einerseits gegen die Vorwärtsbewegung , andererseits gegen das Aufwärtssteigen (im aufsteigenden Aste, im absteigenden umgekehrt ). 2. Nimmt man nun als annähernd richtig an , der hintere Theil des Geschosses sei ein vollkommener Cylinder, dessen Seiten der Flugrichtung parallel find, so können wir jede der genannten Componenten des Luftwiderstandes wieder in zwei andere zerlegen , senkrecht zur Cylinderseite und nach der Richtung derselben. Die senkrechten Componenten sind daun : sin q für die x Richtung und b v2 cos cos b v sin y Richtung. Sie sind einander entgegengesetzt und gleich, werden sich also gegenseitig aufheben , während die beiden andern Componenten b v2 cos q und by² sin q² die Seiten des Cylinders entlang gleiten, ohne Widerſtand zu treffen. Es bleibt also nur der Widerstand gegen die Spitze übrig , welchen wir ähnlich behandeln können, wie den gegen eine Kugel. Dabei stellt sich aber der bedeutende Vortheil heraus , daß die Spize nicht, wie die Kugel, um eine Querachse rotirt, welche dazu swingt, eine durch die Drehung hervorgerufene hebende Kraft anzunehmen . Da die Pulverkraft als Stoß wirkt, so ist ihre Beschleunigung = 0, also wirkt der Luftwiderstand in der Horizontalen ohne jede Mitwirkung einer andern Kraft, d. h. wir haben d2 x = - b v² cos o d t2 zu setzen. In der Verticalen wirkt mit dem Luftwiderſtande die Schwere, also wird d2 y = - b v2 sin q ― g. d t2 3. Es kommt nun darauf an, durch Benutzung dieser entwickelten Gleichungen eine Beziehung herzustellen zwischen den Coordinaten der Bahn. Das geschehe mittelst der Methode der unbestimmten Coefficienten, indem man y = A x + Bx² + Сx³ + D x¹ + ... ſeßt. Bekanntlich läßt sich durch Differenziiren und Dividiren mit d x nach und nach immer einer der Coefficienten A, B, C, D . . . . von x befreien.

Seht man dann für die linke Seite in den aus den Bewegungsgleichungen hergeleiteten Werthen die Anfangswerthe der darin enthaltenen

252 Größen und für die rechte Seite x = 0 , so werden A, B, C, D .... .. dy nach und nach bestimmt. Wir erhalten alſo links welches gleich dx ist, weil tang ds sin ዋ d'y d³ y = dann u. s. w., ds cos p dx dx2 d x³ welche lezteren Ausdrücke jezt zu bestimmen sind . Wir hatten d² y = - b v2 sin q - g dt und dx dx2 = v cos , also = v² cos q² ; dt d t2

und aus beiden Gleichungen d² y b v2 sing g = v² cos ¹ dx2 4.

b sin x cos q2

g v³ cos q²

Durch den Summanden b sin o

cos op2 wird die Rechnung in ihrer Allgemeinheit außerordentlich verwickelt und führt auf die in der Einleitung angedeutete Form , während ohne dieſen Ausdruck dieselbe ziemlich einfach wird. Erfahrungsmäßig ist für gezogene Geschüße h sehr klein , ebenso sin p selbst für bedeutende Entfernungen ; deshalb wird , wenn die zu erhaltende Reihe schnell genug convergiren wird, durch die Vernachlässigung dieſes Quotienten kein zu großer Fehler entstehen. Die Bedeutung würde sein , daß wir , in Anbetracht der großen horizontalen Geschwindigkeit gegenüber der verticalen , annehmen , der Luftwiderstand wirke nur der Vorwärtsbewegung der Spize entgegen. Für bedeutende Elevationen dürfen dann die Formeln allerdings nicht in aller Strenge angewendet werden ; indeffen ein allgemeines Urtheil werden sie auch dort noch gestatten.

5. Wir erhalten auf diese Weise d2 y g dx2 y2 cos q Es ist wünschenswerth, daß v cos q sich durch die Anfangsgeschwindigkeit und die Elevation erseßen lasse. Zu dem Zwecke sehen wir statt

253

d' x =

b va cos o

d ta

den Ausbruc dx d dt

d (v cos q ) = dt

b v2 cos ❤ ,

ober

ds d (v cos ) = V cos op

=

bvdt , und, da dt

d ( v cos ❤ ) = V cos o

bds.

Die linke Seite ist nach der Form dx das Differenzial von d . log x = X

);

log ( v cos

also wird log ( v cos q) =

b/ds =

bs + Conftante.

Für die Bestimmung der Conftanten ist s = 0 zu ſeßen , und für v cos y der Anfangswerth c cos a , ſo daß log ( v cos

- bs

α ), log ( c cos a

) = - log ( c cos a) = --- bs,

also log (v cos q ) ober

V cos o log C cos a = und daraus

bs,

- bs V cos o =e C cos α

ober

V cos

=

also va cos p¹

c cos a bs e² cos a² 2bs e

Hierdurch wird 2bs -- ge da y = c¹ cos α dx² Achtundzwanzigster Jahrgang. LV. Band.

17

254

Um

d³ y dx8 auszudrüđen,, ſeßen wir

d

=

2bs

2bs d² y ge = d dx2 c¹ cos α2

2 bds cos α² c²

2bs dx 2 bge c² cos a² cos o

Ferner erhalten wir 2 bs --- 2 bg e d³ y = d d cos c² cos a² 2bs 2bs 2bg 2 be ds cos + e sino do = c² cos α2 cos q²

d

also d'y

2bs 4 b' ge c² cos a² cos q¹

2bs

-

= d x4

2bge

sin o do

c² cos a² cos q³ d x

do dx gefunden wird aus dy d dx d tang = dx dx

oat

also 1 d' y do = • d x2 d x cos q²2 oder do d² y cos p² = dx2 d x

da

2 bs - ge d' y = d x2 c² cos a² so wird do = dx

2bs cos ge c² cos α²

2

ſo daß

2bs 4bs -- 4b ge d' y sin ዋ 2 bg' e = + c² cos a² cos p¹ dx' c² cos a² cos Die folgenden Glieder werden nun natürlich immer complicirter ; wir wollen indeß , da die numerischen Werthe schon verschwindend klein

255

behafteten werden und die Zeichen der neu hinzutretenden , mit dº dx Ausbrücke wechseln, wodurch ihr Werth summarisch noch geringer wird, day nur jedesmal das erſte Glied der Entwickelung von dxn in die Rechnung ziehen und hinterher über die Größe des begangenen Fehlers Auskunft geben. 6. Für die Entwickelung der Bahngleichung sollte gesetzt werden y = AxBx² + Cx³ + Dx' + · •· ; daraus wird dy = A + 2Bx + 3Cx² + 4Dx³ + .... tang dx Wenn x = 0, so wird tang y = tang « ; alſo iſt A = tang α. Die zweite Differenziirung giebt 2bs d2 y g = = 2B +6Cx + 12 Dx² + ... dx2 c² cos a

Wenn x = 0, so wird

2bs e

= 1 und 2 B =

g ca cos a

also wird B = -

g 2 c² cos a

Die dritte Differenziirung giebt 2bs d³ y 2bge = = 6C + 24Dx + .... d x3 c² cos a² cos c

Wenn x = 0, so wird cos y = cos a und

6 C =

-- 2 bg -2bg ;; also wird C = 6 c² cos a³ c² cos a³

Die vierte Differenziirung würde für x = 0 ergeben - 4b2 g D = 24 c² cos a¹ Wir erhalten also 2 bg x³ g x² y = x tang a - 2 c² cos α² 6 c¹ cos a² 4b2 g x 24 c² cos a 17 *

256 ober, indem wir, wie früher, 1 X = = k, 2b k cos a setzen, ru ' ru³ qu sin a 1.2.3 1.2 7.

=r

q,

ru¹ 1.2.3.4

Da die Gleichung für den Endpunkt der Bahn q = 0 heraus-

bringen muß , so muß die Summe der auf u sin a folgenden Glieder sich dem Werthe von u sin a als Grenze nähern. Jede Reihe convergirt, in welcher der Quotient des ( n + 1 ) ten Gliedes durch das nte Glied sich einer Grenze nähert, welche kleiner als Eins ist.

Nun giebt die Diu vision des dritten Gliedes durch das zweite Glied - des vierten durch 3 u u u das dritte und weiter Nehmen wir also einen sehr 5 6

ungünstigen Fall x = 5000 Schritt , c = 940 Fuß , α = 15 ° 54′ , k = 7102,4 Schritt, so werden diese Faktoren 0,2440 ; 0,1830 ; 0,1464 ; 0,1220 u. s. w., welche offenbar sich der Grenze Null nähern. Wir haben aber schon ru2 ru3 ' u sin a α = + 1.2 1.2.3 gesetzt , und es ist jetzt unsere Aufgabe , Rechenschaft darüber zu geben, wie groß der Fehler ist, welcher durch Vernachlässigung des übrigen Theils der Reihe in der Bestimmung von k begangen ist. Bilden wir nämlich wirklich die Reihe, ſo iſt (für 5000 Schritt) -- 0,16150 - 0,03941 - 0,00721 - 0,00105q = 0,20054 Da schon die drei ersten Glieder y nahe zu Null machen , so zeigt sich , daß in aller Strenge der Werth von k zu klein ist, und daß die Summe aller folgenden Gtieder auf die drei erſten vertheilt ist, da ſie neben der Summe derselben in der That ſehr klein ist, nämlich in dieſem ungünstigen Falle etwa den 40 sten Theil beträgt. Man kann sich aber leicht überzeugen , und in dem Obigen ist es geschehen, daß mit Ausnahme der Bestimmung des Culminationspunktes diese abgekürzte Formel sehr nahe richtige Resultate giebt , wie sie für die glatten Röhre noch keine Rechnung geben konnte. 8. Der negative Theil unserer Entwickelung läßt sich zuſammenziehen in r ( e"— 1 — a) ;

257 wenn wir nun die Gleichung u

u sinar ( e

1 — u)

zu Grunde legen , so ergiebt sich für den 24u.der k = 8400, λ = 0,1945, 12 % der k = 6739, λ = 0,1985, 2 6uder k 4121 , λ = 0,2633. Wir wollen für k = 8400 die Reihe bilden, so wird

y = 0,16956 0,13656 — 0,02883 = 0,00417, d. h. etwa der 40ſte Theil des ersten Gliedes oder der Summe der negativen Reihe. Benußen wir jezt diesen Werth, um für 1,7 8. Ladung des 24 ders beispielsweise die Anfangsgeschwindigkeit zu berechnen aus 3° 44 ' Elevation für 600 Schritt , und 12° 12′ für 1800 Schritt , so wird c = 596 resp. 595 Fuß, also genau wie früher aus der abgekürzten Formel, so daß das Gesetz für das Verhältniß der Anfangsgeschwindigfeiten nicht alterirt wird. Ebenso liefern beide Gleichungen C cos a

c cos a

und

v =

U cos o e 2

cos g (1+ 2

mit ihren bezüglichen Werthen von k ganz gleiche Reſultate , z . B. für 5000 Schritt beide 702 Fuß beim 24 uder mit 4 H. Es ist noch anzuführen, daß für die vollständige Reihe die Gleichung der Tangentenwinkel folgende wird r dy e = tang tang a dx cos a (6-1) . 9.

Damit man nun nicht glaube, daß die in 4 und 5 vorgekommenen

Abkürzungen nicht erlaubt seien , so ist nur zu bemerken , daß die vollständige Entwickelung auf die für die Bahnen sphärischer Geſchoffe ( ohne Beachtung der Rotation) durch den Herrn Oberst Otto ausgestellte Formel führen. würde, und daß man nur nöthig hat, mittelſt Tafel VIII der „ Neuen Balliſtischen Tafeln “ das nächste unserer Reihe hinzuzufügende Glied für die Ordinate y zu berechnen , um von der Geringfügigkeit der Abkürzung überzeugt zu sein. Danach würde die Ordinate für den Endpunkt der Bahn von 5000 Schritt um beinahe 2,5′ zu verringern ſein ; das entspricht einer Verkürzung der Bahn von etwa 6 Schritt. Die Constante iſt alſo um ſo viel

258 zu groß, als diese 6 Schritt bedingen ; für kleinere Entfernungen werden die Verhältnisse noch günstiger.

10.

Um die Relation zwischen v , dø und dx aufzustellen ( §. 11 ),

differenziirt man die Gleichung dy v sin o = nach t; V cos o dx es wird dann, indem wir dx dy durch x¹ durch y ' und dt dx

bezeichnen * ), x ' dy ' — y'd x¹ dt v cos =

v cos o d (v sin g) –- v sin o d (v cos y) dt

(sin od v + v cos o do ) — v sin o ( cos y d v — v sin ø d ø) dt аф = v2 dt

Außerdem ist nach ( 2 ) dx ! = - bv² cos op, wo cos y = dt

dy¹ = dt

bv2 sin op -- g, wo sin g =

also dx¹ = - bvy' =-- bvx ' , dt ' ''

und somit x'dy' -y' dx¹ = dt

bvx'y' -

gx' + bvx'y'

dx g x¹ = - g dt . Danach ist do = dt

dx g

ober

dx =

g

• do

Diese Formel enthält das besondere Luftwiderstandsgeseß nur in der Größe von dp , gilt also ganz allgemein. *) Versuch zu einem System der Artillerie- Wiſſenſchaft des Herrn Hauptmann von Schirrmann pag. 34.

259

11.

um auch die Gleichung für die Berechnung der Flugzeit zu

finden, segt man vdt

-- b s V cos o =8 C cos α

ds und

also

dt =

bs ds cos o e C cos a

und, ba o hier conftant ist, durch Integration bs t = cos y e bc cos a + Conftante. 1 und

Für s = 0 wird Conftante = bc

cos

bs

t=

e

-

b c cos α Seht man wieder 2b =

1 so wird k'

S 2k 2 k cos o ― t= e C cos a

da für mittlere Entfernungen & nahe cos = cos a und erhält S 2k 2k - - 1 ). t = - (e с 12.

1 • b c

2k c

a sein wird, ſo ſezt man auch

Man würde jezt nur nöthig haben , die ,, Neuen Ballistischen

Tafeln " zu benußen , um für unsere gezogenen Geschüße die vollſtändigste Lösung des ballistischen Problems in Händen zu haben , und zwar mit einer ungeahnten Annäherung an die Wirklichkeit. Es möge aber gestattet sein, einen Ersaß dieser Tafeln, so weit wir sie gebrauchen, beizubringen, welcher manchem Leser vielleicht intereſſant ſein dürfte, indem wir alle Flugbahnen, ihrer Besonderheiten (Kaliber ) entkleidet, durch eine einzige Curve darstellen, welche in Verbindung mit einer zweiten für die Tangentenwinkel und Flugzeiten alle Aufgaben lösen wird. 13. Vergleicht man : Tafeln für den Bombenwurf " des Herrn Oberst Otto Seite 17 und 18 oder „ Versuch zu einem System der Ar-

260

tillerie -Wissenschaft " des Herrn Hauptmann von Schirrmann Seite 42, so findet man, nachdem die Flugbahnen in absoluten Zahlen ausgedrückt find: ,, Alle möglichen Bahnen, welche zu einem und demselben Asymp totenwinkel gehören, sind nur größere oder kleinere Abschnitte derjenigen Bahn, welche zu dem für diesen Asymptotenwinkel größtmöglichen Elevationswinkel gehört “. Dieser Gedanke mußte zu dem Versuche leiten, bei Zugrundelegung unserer, allerdings nicht absolut richtigen, aber mehr als in gewöhnlichem Sinne annähernden Gleichung qu sin ar (e

u -1

u)

die Flugbahn nicht blos , wie es bei denen der Kugeln geschehen , von k zu befreien , sondern sie ganz unabhängig zu machen von den Eigenthümlichkeiten des Schusses durch die Form der Gleichung u q = -u sin a u). (e - 1 r r Da alle Glieder, welche höhere Potenzen von r und sin a enthalten, für die Praxis verschwinden dürfen , so läßt sich der obige Sat dahin ausdehnen : Die sämmtlichen Flugbahnen unserer gezogenen Geschüße sind bis zu einer gewissen Elevationsgrenze , wenn fie in absoluten Zahlen ausgedrückt werden , Theile einer und derselben Curve, in deren Nullpunkt ihr gemeinschaftlicher Anfangspunkt liegt. Diese Grenze der Gültigkeit ist natürlich dieselbe wie die für die Richtigkeit der Gleichung überhaupt. Da sie für unsere Geschüße über die Elevation für 5000 Schritt hinausliegt ( für dieſe Entfernung interesfirt natürlich nur die stärkste Ladung ) , so ist die Richtigkeit praktiſch unbegrenzt. 14.

Zerlegt man den rechts stehenden Theil der Gleichung , so ist

1 - u der Ausbruck für diese ganz unabhängige Curve, u und wenn wir sie zeichnen, wie in Figur 3, so ist - sin a eine gerade r

offenbar e"

Linie, welche für jede besondere Combination von r und « , das heißt von Ladung, Geschoß, Geſchütz und Elevation den jedesmaligen Horizont bedeutet.

261

Durch diese Veränderlichkeit des Horizontes kann die Curve eine feste Lage haben , und der im Vorigen ausgesprochene Sag heißt nur : Alle Flugbahnen haben einen und denselben Asymptotenwinkel , den wir leicht durch folgende Rechnung finden : Die Gleichung der Tangente ist, wenn wir u 1 u me schreiben, m ober

m oder

m -

m1 = ( e " — 1 ) ( u —- u₁ ) 1 u + u¹ u e ' + 1 + u₁ = ue " 1 — e″ ¹ 1 - 1 e U₁ — u. u +1 = e ue

Sezt man hierin u , =

∞ , so wird

u1- u. m + 1 = u₁ e u, folglich ist die Gleichung der Aſymp1 Nun ist 0 die Grenze von u 1 e

tote

m = - 1 - u, d. h. die Asymptote bildet mit den Axen einen Winkel von 45º und schneidet die Ordinatenachse in - 1 . 15. Ohne jezt die, allerdings interessanten , analytischen Eigenschaften dieser Curve zu verfolgen , wollen wir suchen , fie praktisch zu verwerthen. Bezeichnet -u sin a den Horizont, so find die Entfernungen desselben r q für die Ordinaten der von der Curve eben so viele Zahlenwerthe r wirklichen Flugbahn , während sein Schnitt mit der Curve den Endpunkt der Bahn bedeutet und als Maß die der zugehörigen Ordinate entsprechende Zahl u angiebt , welche mit k cos a multiplicirt die wirkliche Schußweite repräsentirt .

q durch Die wirklichen Ordinaten werden aus r

kr , dagegen die zugeMultiplication mit kr erhalten, alſo y = r .

hörigen Abscissen immer nur aus x = uk cos a. Jetzt bieten sich von selbst einige andere Schlüſſe. Die größte Or dinate muß dem Culminationspunkte entsprechen , und dieser wird ge-

262 funden durch eine dem Horizonte parallele Tangente der Curve , welche man leicht mittelst Lineal und Dreieck ausführen kann. Wir werden indessen eine noch schärfere, bequemere Weise dafür beibringen. Außerdem ist zu bemerken , daß , wenn die Formel für alle Elevau tionen richtig wäre , so müßte für 90° der Ausdruck -- sin α = u r r eine und zwar die größte Schußweite in Zahlen geben. Das ist nun X auch in der That so ; denn bedenken wir , daß u = also hier k cos a • 0 = 0 so ist sehr wohl für jeden Werth von y beim senkrechten Aufwärtssteigen wie beim Fallen eine Zahl u nicht blos denkbar , ſondern für die Berechnung der Flugzeiten nothwendig und hier meßbar. Der in Längenmaß ausgedrückte Werth wird natürlich durch Multiplication 0 auch gleich 0. Diese Darstellung würde ein lehrreiches Beispiel für die Werthe unbestimmter Functionen bilden. mit cos a

16. Es ist von großem Vortheil , mit dieser Curve die der Tangentenwinkel zu verbinden. Machen wir aus r u tang c tang COS α (e" -1) die Gleichung u u cos α = — sin a — u (e " — -1 ) r tang r und zeichnen die Curve

u ( e"- 1 ) ( Figur 3) u

zu der früheren, so werden ihre Entfernungen von der Linie

sin a

r u für jede beliebige Bahn dem Ausdrucke raus

r tang

cos a gleich sein, wo-

leicht zu berechnen ist.

Diese Curve wird den Horizont

sin a ebenfalls schneiden ; für r

den Schnittpunkt wird die genannte Entfernung 0 sein, d . h. er giebt die Abscisse des Culminationspunktes, und seine Entfernung von der Curve 1 - u giebt die Ordinate desselben , und zwar geschicht das mit größerer Schärfe und Sicherheit, als es mittelst der Construction einer

e "

Tangente au die Flugbahncurve geschehen kann.

263 Der Theil der Curve u ( e "— 1 ), welcher zwischen dem Nullpunkte und dieſem Schnittpunkte liegt , wird dem aufsteigenden Afte , der folgende Theil bis zu der Ordinate , welche dem Endpunkte der Bahn ( Schnittpunkte des Horizontes mit der Flugbahn ) entspricht , dem absteigenden Afte angehören. 17. Auch die Bestimmung der Flugzeiten ist mit der zuletzt ge= zeichneten Curve leicht zu verbinden. Schreiben wir statt u k t= (e = 2 c (

1)

die Gleichung u 2

2.2k

=

(

11), )

cu

so ist der für

(e

u 2-

1) 4k zu multipliciren , um die Flugzeit in

abzulesende Werth nur mit cu

Secunden zu erhalten. Wir sehen also, daß die ganze Ermittelung der intereſſirenden Elemente einer Flugbahn mittelst dieser graphischen Darstellung ohne jede Tafel außer der logarithmischen leicht auszuführen ist , und daß mittelst dieser , wie es scheint, neuen und eigenthümlichen Methode für unsere gezogenen Geschütze die vollständige und einfachste Lösung des ballistischen Problems gegeben ist. Beispiele werden das Gesagte erläutern. 18. Wir benutzen die in der Ballistik des Herrn Hauptmann Roerdanß verwendeten Gitterbogen *) und das biegsame Curvenlineal ** ), nachdem wir die Zahlenwerthe der Functionen berechnet haben, nämlich :

*) Vorräthig in der Vossischen Buchhandlung ( Strider ) in Berlin. **) Verfertiger ist Tischlermeister Offyra in der Königlichen Eisengießerei in Berlin.

264 u = 0,1

0,2

0,3

0,4

0,5

u e

1

u = 0,0052 ; 0,0214 ; 0,0499 ; 0,0918 ; 0,1487 ;

u

u (e

-1) = 0,0105 ; 0,0443 ; 0,1050 ; 0,1967 ; 0,3244; u =

u

e

1

u

1 0,7 0,8 0,6 0,9 0,2221 ; 0,3148 ; 0,4255 ; 0,5596 ; 0,7185 ;

u u (e

- 1) = 0,4933 ; 0,7104 ; 0,9804 ; 1,3136 ; 1,7185.

Es werde 0,1 dargestellt durch das Doppelte einer großen Quadratseite, so reichen die Abſciſſen bis 1,05 , die Ordinaten bis 1,3 und jede kleine Quadratseite bedeutet 0,005 , so daß man einzelne Tausendtheile bequem, namentlich mittelst des unter a gegebenen Transversalmaßſtabes ablesen kann. u Die Curve e 1 u muß die Abſciſſenaxe im Nullpunkte tangiren , während u ( e " - 1 ) dieselbe schneidet. 19. Es ist selbstverständlich, daß die großen Differenzen der Schußweiten verschiedene Maßstäbe verlangen, um mit der gehörigen Genauigkeit aufgefaßt zu werden ; deshalb haben wir noch ein zweites Curvenpaar in punktirten Linien gezeichnet , für welche bei den Abscissen 0,1 durch 5, bei den Ordinaten durch 10 Quadratseiten ausgedrückt ist, so daß ein kleines Quadrat 0,002 resp. 0,001 bedeutet. Die Genauigkeit ist abhängig von der Schärfe der Ablesung. Bei den kleineren Entfernungen kann man Fehler von höchstens 0,0005 machen , bei den großen von 0,002. Danach werden die größten Fehler 4 resp . 16 Schritt wegen der Multiplication mit k. u Für die großen Entfernungen sehen wir in r sin a bas u = 1, für die kleineren u = 0,4 , und in Figur 3 haben wir die Punkte, welche sich beziehen auf den 24 der mit einem Fähnchen, auf den eisernen 128der mit zwei , auf den brouzenen 12wder mit drei , auf die 6uder mit vier Fähnchen bezeichnet. 20. 24 uber mit 4 H. und 15º 54'.

log r = log glog 2,4k -2 log c ; log k = 3,92428 ; log r = 9,85308 ; log sin a = 9,43769 ; u = 1 ; u u sin a 9,58461 ; log sin a = 0,3842. r r

265 Verbindet man den hierdurch bestimmten Punkt mit 0 , so wird die u Curve ( e 1 - u ) geschnitten in u = 0,6185 und u ( e"— 1) in

0,3255.

Diese Werthe sind mit k cos a ( log cos a = 9,98306 ) zu

multipliciren , um 4996 Schritt als Schußweite und 2630 Schritt als Abſciſſe des Culminationspunktes zu finden , während die bloße Rechnung 2629 Schritt ergiebt. u Der Einfallwinkel bestimmt sich aus u ( e - 1) für u 0,6185 u u --und sin a oder 0,53 0,237 = tang cosa, also r r 0,293 r

tang

= 0,6185 cos a

oder log tang

= 9,54590 , woraus q = 19 ° 22'. u u Für die Bestimmung der Flugzeit ist = 0,309 unb (e 2 2 = 0,113 ; dann ist ferner 4k . 2,4 = 2,14243 log cu und daraus annähernd

− 1)

t = 15,7 Secunden. 21. Wir haben diese Bahn in Figur 4 dargestellt , und zwar in folgender Weise: q auftreten , ſo find auch die Abſciſſen auf Da die Ordinaten als r u dasselbe Längenmaß gebracht durch Diviſion mit r , also durch r cos α. So ergiebt sich die Absciffe für den Endpunkt 0,6185 cos a = 0,8343, r welche Länge ( de ) nun proportional u = 0,6185 getheilt werden muß,

rechtwinklig daran antragen zu dürfen.

um die Ordinaten

Das

r geschieht am einfachsten, indem man die Länge de zwischen die Ordinaten von 0 und 0,6185 hineinpaßt, wie dies in op ausgeführt iſt, ſo daß die Eintheilung des Gitterbogens direct die Proportionaltheile ergiebt. Die Ordinaten werden dann aus Figur 3 direct mit dem Zirkel übertragen.

266 Die Ordinate des Culminationspunktes findet man aus 0,0655 kr . 2,4 = 942 Fuß. Analog ergiebt die Zeichnung: 24 %.der: u sin a Ladung Elevation r

4 t. 4 พ

9° 33' 12° 52'

2,2 t.

5º 56'

2,1 π.

16º 12'

1,6 8.

6° 23'

aus u

die Schußweite

0,2327 0,401 0,517 0,3123 0,0298 0,1420 Eiserner 128der : 0,7725 0,5087 0,0599 0,269 Bronzener 12uder :

3320 Schritt 4234 1186

5000

B

1801

2,1 u.

17º

0,4843 6uder :

0,743

4795

1,2 u.

10°

0,6344

0,912

3701

Außerdem sind in Figur 5 und 6 die Bahnen des 6uders mit 1,2 . und des 24uders mit 4 8. auf 2000 Schritt zum Vergleiche und zwar im doppelten Höhenmaßstabe gezeichnet. 22.

Durch diese Beiſpiele ist das Verfahren hinreichend erläutert.

Mögen jezt noch einige Worte folgen über die Benutzung zur Anlegung einer Schußtafel. Sind aus einem gezogenen Geschüße mit einer Ladung auf eine große, eine mittlere und eine kleine Entfernung, also etwa auf 4000 bis 5000, 2500 und 1200 Schritt mit der gehörigen Sorgfalt eine Anzahl Schüſſe gethan , ſo werden diese genügen , das vorläufige k zu beſtimmen und mittelst desselben die Anfangsgeschwindigkeit *). Dieſe läßt sich auf irgend eine andere Ladung übertragen , um dann auch für jede beliebige Entfernung mittelst der hierfür gegebenen Formeln die Elevation finden und durch Anwendung derselben von der Nichtigkeit der Constanten überzeugen zu lassen. Die so gefundenen Anfangsgeschwindigkeiten und Elevationen dienen dann , den wirklichen Werth der Luftwiderstands- Constanten k , zu berechnen. Nun ist außer Zweifel, daß die ,,Neuen Ballistischen Tafeln “ für die Erreichung der größten Genauigkeit das beste Mittel bieten. Es ist aber nicht zu übersehen, daß die sonst ermüdenden Rechnungen dadurch wesentlich erleichtert werden , daß wir bei der Benußnng der *) Wobei die rein graphische Methode von Vortheil ift.

267 Curve von einem beliebigen Werthe von u ( in den Tafeln § ) ausgehen und den dem Endpunkte der Bahn entsprechenden von selbst finden. Der Werth von k muß so lange verändert werden, bis Zeichnung und Rechnung genau übereinstimmen. Ist er für eine Ladung richtig gefunden, so ist die ganze Schußtafel für jede Ladung und für jedes dem angewendeten Geschosse äußerlich congruente Geschoß gegeben , und man hat nur nöthig, dieſe nach der Berechnung zu prüfen. Zugleich sind alle Elemente der Flugbahn durch die einfachsten Rechnungen gegeben.

Sucht man z . B. den bestrichenen Raum für irgend

eine Ordinate, so ist diese nur, in Schritten ausgedrückt, durch r zu dividiren und für die gefundene Zahl vom Endpunkte der Bahn rückwärts das zugehörige u abzulesen. 23. Für die Berechnung von Schußtafeln kann das Verfahren noch bedeutend vereinfacht werden, wenn wir, wie dies auch in V. der Neuen Ballistischen Tafeln geschehen ist, setzen sin a u 1 eu = r u

Die durch die Function u e u 1 u ausgedrückte Curve ift in Figur 7 gezeichnet, und ein Beispiel wird zeigen, mit welchem Vortheil sie zu gebrauchen ist. Man hat e u

für u = 1- u

0 0,1

0,2

0,4

0,3

0,5

0,6

= 0; 0,0517 ; 0,1070 ; 0,1662 ; 0,2296 ; 0,2975 ; 0,3702 ;

u für u = e " — 1 -u

0,7

0,8

0,9

1,0

1,1

1,2

1,3

= 0,4482 ; 0,5319 ; 0,6218 ; 0,7183 ; 0,822 ; 0,9334 ; 1,053.

u Wir fanden für den 24uder mit 4 %. und 15º 54' sin a = 0,3842. r Für diesen Ordinatenwerth giebt die Curve als Abſciſſe u = 0,6185, und man erhält u k cos a = 4996 Schritt. Beim 6uder mit 1,2 u. und 15° 23′ ist für eine Ordinate 0,9644 die Abfciffe u = 1,2265 und

daraus x

4987 Schritt.

268 24.

Daß diese Curve sich auch für die Berechnung der Anfangs-

geschwindigkeit eignet, ist leicht einzusehen , wenn man sich erinnert, daß gk r = C2 gesetzt ist. Wir berechnen also X u = • k cos a alſo z. B. u = 0,6185.

Für diese Absciffe erhalten wir die Ordinate

0,3842.

Diese Zahl ist gleich C2 sin a gk Deshalb ist 10 2 log c = 1,875063,92428 +9,58456 - (9,43769 10) = 5,94621 , woraus c = 940 Fuß. Ebenso bietet die in §. 8 gegebene Formel für die Elevation ein

Mittel, in Verbindung mit dieser Curve die Elevationen genau zu beftimmen. 25.

Die vorliegende Arbeit enthält unverfälscht das , was ohne

Vorurtheil der Wirklichkeit entnommen ist ; die Bloßlegung ihrer Schwächen ist deshalb und der Belehrung wegen nicht zu fürchten.

Mögen die-

jenigen Herren Vorgesetzten , deren Werke so oft genannt sind , in der Benutzung Ihrer Arbeiten nur die Liebe für die Wiſſenſchaft der Waffe erkennen. Das nächste Streben wird nun darauf gerichtet sein , die Einflüsse des Thermometer- und Barometerstandes auf die Größe von k zu beobachten. Prehn, Oberfeuerwerker in der GardeArtillerie Brigade.

269

XI. Auszug aus dem Berichte über den am 6. Februar 1864 durch das Brandenburgische PionierBataillon Nr. 3 ausgeführten Brückenschlag über die Schleh bei Arnis . Hierzu eine Skizze, Taf. IV.

Nachdem bei der am 4ten Februar 1864 ftattgehabten Recognoscirung der Schley für den Bau einer Pontonbrücke die Fährstelle bei Arnis als der geeignetste Punkt befunden worden , wurde das Brandenburgische Pionier

Bataillon Nr. 3 angewiesen , am Morgen des 6. Fe-

bruar, sobald das jenseitige Ufer in den Befiß der preußischen Truppen gekommen, eine Pontonbrücke über die Schley zu schlagen. Die Eintheilung der Mannschaften wurde in der Nacht getroffen, nachdem die sämmtlichen Compagnien des Bataillons zur PontonColonne gestoßen waren ; außerdem wurde der Pontontrain des Weftphälischen Pionier - Bataillons Nr. 7 angewiesen , der Colonne des 3. Bataillons zu folgen, während die Pontonier- Compagnie des 7. Bataillons nicht am Brückenschlag Theil nahm , da sie zum Ueberſeßen von Truppen sich bereit halten sollte. Um 4 Uhr Morgens wurde von dem Commandeur der PontonColonne Nr. 3 die Brückenstelle recognoscirt, und fanden sofort die für den Anmarsch der Colonne erforderlichen Arbeiten statt. Diese be= flanden im Zufüllen eines Grabens , Oeffnen eines Knicks , Einebnen und Wegräumen von Baumstämmen und anderen die Paffage hindernden Gegenständen ; außerdem mußte in der Schley eine Strecke aufgeeis't werden, welche zwischen dem Abladepunkte der Pontons und der Brückenftelle lag. - Da die Dänen am Abend zuvor das jenseitige Ufer verlaſſen und die Kanonen vernagelt hatten , so ging der Brückenschlag ohne Störung von jener Seite vor sich. Um 7 Uhr Morgens rückte die Ponton - Colonne an die Abladepunkte vor , um 7

Uhr begann der Brückenschlag felbft mit Legung

des Uferbalkens . Die diesseitige und jenseitige Landbrücke der Fähre 18 Achtundzwanzigster Jahrgang. LV. Band.

270 gaben die Richtungslinie der Brücke ab ; da jedoch die Landbrücke des rechten Ufers schräge zum Stromstrich ſtand , konnte der Uferbalken nicht winkelrecht gelegt werden, wodurch diese Arbeit erschwert wurde. Es lag in der Absicht, mit 13 füßiger Spannung zu bauen, und wurden die ersten Strecken auch in dieser Weise aufgebracht ; da aber eine Messung der Flusbreite nicht hatte stattfinden können, und den Angaben der Fährleute in Betreff der Länge ihres Fährtaues nicht unbedingt Glauben beigemessen werden durfte, so wurde bald in die 15 füßige Spannung übergegangen, um mit Sicherheit darauf rechnen zu können, daß incl. aller Nebenarbeiten das Brückenmaterial ausreichte. Die ganze Brückenlänge betrug 64 Ruthen oder 768 Fuß ; es wurden 49 Pontons und am linken Ufer 1 Bock eingebaut. Die Verankerung war nach beiden Seiten gleich , indem ein Ponton um das andere einen Strom- und einen Windanker erhielt, bei denen der großeu Waffertiefe wegen die Taue einfach angestochen waren . Da ein starker Nordofwind das Wasser von der Seeseite landeinwärts trieb und dadurch die eigentliche Strömung total aufgehoben wurde , so wurde die Bezeichnung ,, Ober- resp . Unterstrom " nach der augenblicklich durch den Wind verursachten Strömung festgestellt und dementsprechend die Ponton- Colonne an die Brückenftelle dirigirt. Wie aus dem Profil der Schley ( f. Taf. IV ) in der Brückenlinie hervorgeht, beträgt die größte Tiefe 23 ' 6 " ; der Untergrund ist fester Schlamm , in welchen sich die Anker tief eindrückten . Um 10 Uhr war die Brücke vollendet ; es hatte somit der Bau derselben 21 Stunde gedauert, wonach auf die Strecke eine Bauzeit von 27% Minute kam. An dem Brückenschlag nahmen Theil : 1) Die Pontonier = Compagnie in der Stärke von . . • 4 Offiz. 10 Unteroffiz. 104 M. · 101 9 2) die 3. Compagnie (2.Sappeurs) 2 3) die 4. Compagnie ( Mineur-

2

=

Compagnie )

9

100

Im Ganzen 8 Offiz . 28 Unteroffiz. 305 M. deren spezielle Eintheilung aus Beilage 1 zu ersehen. Die 2. Compagnie ( 1. Sappeur- Compagnie ) blieb als große Reserve in der Nähe , kam jedoch beim Brückenbau selbst nicht zur Verwendung.

271 Ihre Königl. Hoheiten der Prinz Friedrich Carl , Prinz Albrecht und der Großherzog von Mecklenburg Schwerin wohnten mit anderen hohen Offizieren dem Brückenschlage von Anfang bis zu Ende bei und waren die Erften , welche die Brücke paſfirten , um auf dem entgegengefeßten Ufer die unmittelbar folgenden Truppen an sich vorbei defiliren zu lassen. Die Reihenfolge, in welcher die Truppen übergingen , ergiebt Beilage 2. Unmittelbar nach Beendigung des Brückenbaues wurde der Brückendienst geregelt.

Sicherung der Brücke während des Ueberganges der Truppen und Fahrzeuge. An jedem Eingange der Brücke wurde ein Doppelposten aufgestellt, während auf der Brücke selbst auf beiden Seiten Pontoniere vertheilt waren , um die durch den Uebergang der Truppen gelockerten Rödelbunde festzuziehen , die Ueberstände der Belagbretter zu regeln und lestere erforderlichen Falls auszuwechseln.

Desgleichen waren in den

Kaffen der Pontons zum Nachziehen der Ankertaue die erforderlichen Mannschaften abgetheilt. Die Offiziere der Pontonier- Compagnie beaufsichtigten diese Arbeiten und ertheilten den Truppen , welche durch das General - Commando schon vorher von den Vorschriften über ihr Verhalten beim Uebergange über die Brücke in Kenntniß geseßt waren , die nothwendigen Anweisungen. Wenn auch hin und wieder kleine Stockungen in der Passage vorkamen, so ging das Defiliren im Ganzen doch mit großer Ordnung und ohne Unfall vor sich ; ein einziges Pferd , welches an der Hand geführt wurde, scheute sich und fiel dabei ins Wasser, wurde aber längs der Brücke an das Ufer gezogen und gerettet.

Die Brücke hielt sich troß der großen Spannung vorzüglich. Große Schwankungen zeigten sich nur beim Uebergange der Infanterie im Schritt; dagegen waren sie unbedeutend, wenn der Laufschritt zur Anwendung kam . Cavallerie , Artillerie und Fuhrwerk verursachten ganz unbedeutende Schwankungen . Eine Auswechselung von Belagbrettern, welche durchgetreten waren, fand zehnmal statt, jedoch geschah 18 *

272 dieselbe so schnell, daß Stockungen im Verkehr dadurch nicht herbeigeführt wurden . Besonders gut hielt sich der Belag in den Fugen . Beim Bau der Brücke war ein ganz besonderes Gewicht auf festes Aneinanderschließen der Belagbretter gelegt, - die Brückendecke zeigte nirgends eine Fuge, und diese Dichtigkeit des Belages erhielt sich auch während des Ueberganges der Truppen und Fuhrwerke , so daß ein Verzichen von Fugen nirgends erforderlich war. Sicherung der Brücke gegen Strom , Wind und Eis. Am 7. Februar erhob sich ein so gewaltiger Nordoftwind , daß zu befürchten stand , daß die Stromanker , obgleich deren 26 waren , den gehörigen Widerstand nicht leisten würden. Es wurden daher von der Ortsbehörde 6 schwere Schiffsanker à 2 - 3 Centner nebst den nöthigen Tauen requirirt und durch Pontoniere und von der Ortsbehörde überwiesene Schiffer nach Oberstrom ( auf der Seefeite ) ausgeworfen. Gleichzeitig war durch diesen Nordostwind das Waſſer binnen kurzer Zeit um 19 Zoll gestiegen, wodurch eine entsprechende Erhöhung der Uferbalken und eine Verlängerung der Brücke am linken Ufer um eine ganze Strecke nothwendig wurde. In der Nacht vom 7. zum 8. Februar war der Wind plößlich umgeschlagen und trieb nunmehr aus der entgegengeseßten Richtung , von Südwest , bedeutende Eismaffen von 4–6 Zoll Stärke gegen die Brücke , welche dadurch sehr gefährdet wurde , so daß die Compagnie allarmirt und zur Zerstückelung der großen Eismaffen, damit dieselben zwischen den Pontons hindurchtreiben konnten, angestellt wurde. Bei dieser schwierigen und gefahrvollen Arbeit leißteten die Schiffer des Ortes mit ihren Booten große Hülfe , indem die leßteren so wie die disponiblen Pontons auf die Eisschollen gezogen wurden , die dadurch zum Bersten kamen und , nachdem sie mittelft Eisärte in kleinere Stücke gespalten waren, durch die Brücke hindurchtrieben. Mit dem Umschlagen des Windes war ein plößliches Fallen des Waſſers um 1′3″ verbunden, so daß die Landstrecken wieder entsprechend gesenkt werden mußten , welche Arbeit einen Theil der Nacht und den ganzen Vormittag in Anspruch nahm.

273 In der Nacht vom 8. zum 9. Februar hatten sich in Folge des wieder umgeschlagenen Windes große Eismaſſen auf der Seeſeite vor der Brücke gelagert, ſo daß die Compagnie wiederum allarmirt werden mußte und bei ihren Arbeiten durch die angeftrengtefte Thätigkeit der Schiffer von Neuem unterstüßt wurde , was nicht genug anerkannt werden kann. Des Nachts war die Brücke jedesmal mit den Blendlaternen der Ponton-Colonne erleuchtet.

Abbruch der Brücke. Auf Befehl des Königlichen General - Commandos wurde die Brücke am Nachmittage des 9. Februar wieder abgebrochen , und fand dieſe Arbeit unter den ungünstigsten Witterungsverhältniſſen ſtatt. - Ein Atarker Nordostwind hatte die Schley in hohem Grade aufgeregt ; große Eisstücke wurden von der See landeinwärts getrieben, und ein dichtes Schneetreiben verhinderte die Aussicht selbst in größter Nähe .

Auf

der Brücke ſelbft lag der Schnee 6 Zoll hoch und die Pontons waren theils mit Schnee, theils mit Wasser angefüllt, welches von den hochgehenden Wellen des Stromes in dieselben hineingetragen wurde . Das Thermometer zeigte eine Kälte von 7° R. Zu diesen die Arbeit im höchsten Grade erschwerenden Witterungsverhältnissen kam noch der Uebelstand, daß der Plaß zum Anfahren der Hackets sowie zum Herausschaffen der Pontons aus dem Waffer ein höchft beschränkter war , so daß nur nach Wegräumung von Hecken , Zäunen und größeren Holzmaffen das Umwenden der Hackets mit vier Pferden ermöglicht wurde. Eine weitere Erschwerung beim Abbruche der Brücke trat noch zuleßt dadurch ein, daß die Mineur- Compagnie des Bataillons, die zur Unterflüßung der Pontonier Compagnie zurückgeblieben war, plößlich den Befehl zum sofortigen Abmarſche erhielt und demnach an der Arbeit nicht mehr Theil nehmen konnte. Die Brücke wurde durch die beiden Pontonier - Compagnien des Brandenburgischen und Westphälischen Pionier- Bataillons abgebrochen, nachdem die unbeladenen Hackels zuvor von dem rechten auf das linke Ufer übergegangen waren. In Folge mannigfacher Detachirungen von Mannschaften vermochten diese beiden Compagnien für den Brückenabbruch und das

274 Verladen der Materialien im Ganzen nur 160 Mann zur Arbeit zu ftellen. Bei dieser schwachen Beseßung besonders der Auflade-, Balken= und Bretter - Trupps war ein ungestörter Fortgang der Arbeiten nicht möglich, und ist es, in Anbetracht deſſen, daß nur 1 einfacher Balkenund Brettertrupp vorhanden war, wo reglementsmäßig eine fünffache Beseßung dieser Trupps hätte stattfinden müſſen , mit dem Abbruch schneller gegangen , als es von vorn herein den Anschein gewinnen mußte. Die Arbeit begann um 24 Uhr Nachmittags und währte bis 7 Uhr Abends.

Beilage I. Eintheilung der Offiziere und Mannſchaften beim Aufbrücken. I.

2 Offiziere für die Tete , davon im Speziellen der eine für die Verankerung .

Hülfsarbeiter :

Pontoniere : 1) Fahrtrupp . . . 1 Untoff. 9 M. 2 ) Ankertrupp ( in 3 Strom- und 3 Windanker= = 21 = pontons ) ... 3 10 3) Schnürtrupp • 1 4) Tauanlege= 8. trupp . . . • 1

II. 2 Offiziere f. die Folge der Materialien. 5) Rödeltrupp . . 1 6) 4 Balkentrupps à 1 Uoff. 14 M. 7) 4 Brettertrupps à 2 Uoff. 18 M. 2 Offiziere f. das Depot. 8) Depottrupy .. 2 9) Arbeiterreserve IV. 1 Offizier f. das Abladen der Brückenbedürfnisse. 10. Abladetrupps

3

6 = =

4 Untoff. 56 M. 3. u . 4. Comp . 8

=

72

III.

1355

= =

35 =

2

15

5

58

= 4. Comp.

in Summa 7 Offiz . 9Untoff. 104 M. 19 Untoff. 201 M.

28 Unteroffiziere 305 Mann.

275

Beilage II . Nachweisung der einzelnen Truppentheile, welche die Brücke paffirten . 1.

Der Stab des General - Commandos .

2. Brandenburgisches Husaren-Regiment Nr. 3. 3. 4. Brandenburgisches Infanterie - Regiment Nr. 24. 4. 3. Compagnie Weftphälischen Jäger Bataillons Nr. 7. 5. 1. Bataillon 7. Brandenburgiſchen Infanterie- Regiments Nr. 60. 6. 3. Bataillon Westphälischen Infanterie- Regiments Nr. 13. 7. Weftphälisches Dragoner - Regiment Nr. 7. 8. 3. Comp . Brandenburgischen Pionier-Bataillons Nr. 3. 9. 3. Haubig-Batterie Brandenburgischer Artillerie -Brigade Nr. 3. 10. 3. gezogene Batterie Brandenburgischer Artillerie - Brigade

12.

Nr. 3. 2. reitende Batterie Weftphälischer Artillerie-Brigade Nr. 7. 1. Escadron 2. Brandenburgischen Ulanen-Regiments Nr. 11.

13.

3. Compagnie Weftphälischen Pionier-Bataillons Nr. 7.

14. 15.

Weftphälisches Husaren-Regiment Nr. 8. 1. reitende Batterie Weftphälischer Artillerie- Brigade Nr. 7.

11.

1. Compagnie Westphälischen Zäger-Bataillons Nr. 7. 17. 4. reitende Batterie Weftphälischer Artillerie -Brigade Nr. 7. 18. 3. 12pfündige Batterie Brandenburgischer Artillerie - Brigade

16.

Nr. 3. 19. Weftphälisches Küraffter-Regiment Nr. 4. 20. 3 Escadrons 2. Brandenburgischen Ulanen - Regiments Nr . 11.

21.

2. Weftphälisches Dragoner- Regiment Nr. 7. 3. 12pfündige Batterie Weftphälischer Artillerie -Brigade Nr. 7.

23.

Stab der 13. Division.

24. 6. Weftphälisches Infanterie- Regiment Nr. 55. 25. 4. 12pfündige Batterie Westphälischer Artillerie- Brigade Nr. 7.

26. 27.

2. Weftphälisches Infanterie-Regiment Nr. 15.

5. Westphälisches Infanterie- Regiment Nr. 53. 1. Weftphälisches Infanterie- Regiment Nr. 13 . 29. Krankenträger- Compagnie des 3. Armee- Corps . 30 2. 6pfündige Batterie Brandenburgischer Artillerie -Brigade Nr. 3.

28.

276 31.

2. Haubig-Batterie Brandenburgiſcher Artillerie- Brigade Nr. 3.

32.

1. 12 pfündige Batterie Brandenburgischer Artillerie - Brigade Nr. 3.

33.

1. 12pfündige Batterie Weftphälischer Artillerie-Brigade Nr. 7.

34. Brandenburgisches Infanterie-Regiment Nr. 35. 35.

2. 12 pfündige Batterie Brandenburgischer Artillerie - Brigade Nr. 3.

36.

Leichtes Feld-Lazareth des 7. Armee- Corps .

37.

2. und 3. Bataillon 7. Brandenburgiſchen Infanterie - Regiments Nr. 60.

38.

2. 6pfündige gezogene Batterie Brandenburgischer ArtillerieBrigade Nr. 3. 2. Haubiß -Batterie Weftphälischer Artillerie-Brigade Nr. 7.

39.

40. 3. Haubiß -Batterie Brandenburgischer Artillerie-Brigade Nr. 3. 41. 4. Compagnie Brandenburgischen Pionier- Bataillons Nr. 3. 42. Leichter Feldbrückentrain des 3. Armee - Corps. 43. 44.

Reserve - Schanzzeug - Colonne Nr. 3. 1., 3. , 4., 5. Proviant- Colonne des 3. Armee- Corps .

Die bisher aufgeführten Truppen 2c. pasfirten die Brücke in ununterbrochener Folge von Morgens 10 bis Abends 6 Uhr. Der Uebergang geschah in vorgeschriebener Weise : die Infanterie in Reihen , die Cavallerie zu zweien resp . Einem mit abgeseffenen Mannschaften, die Artillerie zu einem Geſchüß mit aufgeſeſſenen Fahrern , die BedienungsMannschaften zu beiden Seiten der Pferde. Von 6 Uhr Abends passirten die Fuhrwerke des Corps, eines dicht hinter dem andern, die Brücke ununterbrochen bis 2 Uhr Nachts.

Es

waren dies die Bagage- , Gepäck- und Fourage - Wagen des Corps . Die auf den Wagen befindlichen Personen mußten vor der Brücke ab. fteigen. Am 7. Februar begann das Defiliren der Truppen Morgens um 7 Uhr in nachstehender Folge : 45.

2., 4. und 1. Compagnie Westphälischen Pionier - Bataillons Nr. 7, leştere mit den leeren Hackets der Ponton - Colonnen.

46. Kranfenträger- Compagnie Nr. 3. 47. 2. Munitions -Colonne des 7. Armee-Corps .

277

48. 4. und 8. Munitions -Colonne des 3. Armee- Corps . 49. 1. 6pfündige Batterie Weftphälischer Artillerie -Brigade Nr. 7. 50. 1. Haubiß -Batterie Weftphälischer Artillerie - Brigade Nr. 7.

51. 2. Proviant- Colonne des 3. Armee-Corps . 52. 3. reitende Batterie Weftphälischer Artillerie -Brigade Nr. 7. 53. 6. reitende Batterie Westphälischer Artillerie-Brigade Nr. 7. 54. ( Vom linken nach dem rechten Ufer ) die in der dänischen Schanze bei Arnis zurückgelaffenen Geschüße. Diese Truppenübergänge währten bis Mittags 12 Uhr. Am Nachmittage des 7ten , sowie im Laufe des 8. Februar defilirten noch einzelne Fuhrwerke , Detachements , Reconvalescenten sowie die Feldpoft

der Divifion.

XII. Bericht über die am 17. Februar 1864 über den

Egernsund ( Ekenfund ) geſchlagene Pontonbrücke . Hierzu eine Skizze, Tafel IV. Am 16. d. M. Nachmittags traf der Befehl des Königlichen GeneralCommandos bei der Compagnie ein, am andern Morgen mit Tagesanbruch eine Brücke über den Egernsund (Elensund ) zu schlagen, welcher das Nübel- Noor mit dem Flensburger Hafen verbindet . Die hier errichtete Brücke hat den Zweck , für die in das füdliche Sundewitt vorgeschobenen Truppen der Brigade Canftein die Communication nach rückwärts herzustellen . Die Compagnie hatte bereits am 16. durch Ueberspannen eines schweren von einem Seeschiffe requirirten Taues über den Sund die Communication mittelst der Fähre wieder hergestellt und in den AbendAtunden zwischen 6 und 8 Uhr zwei Bataillone des Infanterie- Regiments Nr. 60 übergeſeßt.

278 Als die paffendste Brückenstelle wurde die Fährftelle erkannt , woselbst bequeme Anfahrten an das Wasser vorhanden sind und der Sund am schmalften ist.

Derselbe hat hier, je nach dem wechselnden Waſſer-

ftande , welcher bei den verschiedenen Windrichtungen um 6 bis 8 Fuß differirt, eine Breite zwischen 440 bis 550 Fuß ; das Profil des Sundes an dieser Stelle ist in der Skizze, Fig. 2 auf Taf. IV, für den Waffer. stand am 17. d . M. gegeben. Die Strömung in demselben richtet sich nach dem Winde und deffen Stärke. Am Tage des Brückenschlages waren die Witterungs-Verhältnisse günstig . Zum Bau ftanden die Pontonier - Compagnie des Westphälischen und Brandenburgischen Pionierbataillons zur Disposition . Um den Bau in Verbindung mit dem Anmarsch der Ponton - Colonne zu ermöglichen , waren auch die Mannschaften der 4. Compagnie des Brandenburgischen Pionier - Bataillons zur Arbeit gestellt. Arbeitskräfte betrugen:

Die vorhandenen

1. Comp. 7. Pion. - Bats. 3 Offiziere, 10 Unteroffiziere, 103 Mann , = 3 3. 9 86 = 1. = = 2 4. 8 82 = 3. =

Summa 8 Offiziere, 27 Unteroffiziere, 271 Mann. Durch die Mannschaften der 1. Compagnie des 7. Pionier- Bataillons wurden die Tetentrupps sowie zum Theil das Depot, die Arbeiter-Reserve und ein Balkentrupp beseßt ; durch diejenigen der 1. Compagnie des 3. Pionier-Bataillons die Abladetrupps und zum andern Theil das Depot und die Reserve. Die 4. Compagnie des 3. Bataillons gab die Trupps der Folge . Die Mannschaften traten um 673 Uhr zur Arbeit an , um 74 Uhr begann die Anfahrt des 1. Hackets ; um 81 Uhr konnte erft der fortschreitende Bau der Brücke beginnen, da bei dem eingetretenen weichen Wetter die Abfahrt aus den Wagen - Parks auf Schwierigkeiten und Hinderniſſe stieß. Um 94 Uhr war der Bau der Brücke beendigt und zum Uebergang der Truppen bereit.

Von den beiden Ponton - Colonnen waren

zur Anfahrt beim Brückenbau die 34 Hackets der Ponton - Colonne Nr. 7 und 16 mit eisernen Pontons beladene Hackets der Ponton - Colonne Nr. 3 bestimmt ; das Abladen der 8 leßten Hackets unterblieb. Die fertige Brücke hatte eine Länge von 445 ' ; es waren eingebaut worden

279 3 Bodftreden ( 2 Böcke bei der Alnoerer Landbrücke , 1 Bock bei der Egernsunder) und 28 Pontons bei 14' Spannung. Wegen des oft wechselnden und heftig auftretenden Windes und in Berücksichtigung der Wassertiefe wurde die Verankerung auf beiden Seiten gleich und derartig angeordnet, daß ein über das andere Ponton einen aus zwei Ankern gekoppelten Anker , welche in der Mitte des Sundes mit 400 ′ langen Tauen angeftochen wurden, erhielt. Zur Bewachung der vollendeten Brücke wurden 1 Offizier , 2 Unteroffiziere und 30 Mann Wache und Brückenmannschaft abgetheilt. Zum Schuße der Brücke waren am Tage vorher von der Belagerungs- Artillerie einige Batterien , mit gezogenen 12 Udern armirt , erbaut. In der Nacht vom 17. auf den 18. d . M. erhob sich ein heftiger Nordwestwind, der gegen Morgen in Nordwind umschlug und der ein plögliches Steigen des Waffers im Sunde um ppr. 6' in 3 Stunden veranlaßte. Es wurden dadurch große Eisschollen gegen die Brücke herangeweht, mit deren Beseitigung die Brückenmannschaft während der Nacht beschäftigt war.

Ebenso wurden die Landbrücken durch das steigende

Waffer gehoben und die Anfahrten überschwemmt. Um ein Bataillon des Füfilier- Regiments Nr. 35 mit der 4. Compagnie des Brandenburger Pionier - Bataillons , welche um 8 Uhr zu einer Recognoscirung über die Brücke vorgingen, überlassen zu können, wurden von der Brückenmannschaft in Vereinigung mit der übergehenden Pionier- Compagnie provisorische Landbrücken gebaut, und war der vollständige Umbau derselben diesseits um 9 Uhr Vormittags angeordnet worden. Bereits gegen 8½ Uhr traf jedoch die Meldung ein , daß sich ein dänisches Panzerschiff in Sicht befinde und sich Egernsund nähere. Es wurde sofort die Compagnie allarmirt, um die Landbrücke so schnell als möglich ordnungsmäßig wieder herzustellen . Die Batterien bei Alnoer hatten bereits das Feuer gegen die Panzer-Fregatte eröffnet, welches diese nicht erwiederte und sich in ihrer Annäherung an die Brückenstelle nicht stören ließ . Nachdem sie gegen 9 Uhr sich auf etwa 1200 Schritt genähert hatte , eröffnete sie ihr Feuer auf die Alnoerer Landbrücke. Troß der in der Nähe einschlagenden Kugeln ließen die Mannschaften in ihrer Arbeit sich nicht stören. Nachdem die PanzerFregatte ( nach den eingezogenen Erkundigungen der Rolf - Kroke mit

280 2 Monitor Thürmen versehen ) 4 Schuß auf die Brücke abgegeben hatte, zog sie fich etwas zurück und begann den Geschüßkampf mit den Batterien , welcher etwa 1 Stunde andauerte ; sodann warf sie nochmals, nachdem sie eine kleine Drehung in ihrer Aufftellung vorgenommen hatte , über das hoch gelegene Terrain der Egernsunder Windmühle mehrere Granaten nach der Brücke , welche indeß zu hoch gingen und in das Wasser einschlugen , und zog sich , ohne den geringsten Schaden zugefügt zu haben, aus dem Kampfe zurück. Die Arbeiten an der Brücke wurden durch die Pioniere der Compagnie während des ganzen Gefechtes ununterbrochen fortgefeßt , und war zu Ende deffelben die Verlängerung der Landbrücke auf dem Egernsunder Ufer beendigt ; dann übernahm die Pontonier- Compagnie des 3. Bataillons den Umbau der Alnoerer Landbrücke und war um Mittag die Brücke wieder völlig hergestellt. Sie hatte nunmehr eine Länge von 546 Fuß und beftand aus 5 Bock- und 32 Pontonstrecken .

Inhalt.

Seite X.

Die Ballistik der gezogenen Geschüße. In elementaren Formeln und ohne Tafeln dargestellt von Prehn , OberFeuerwerker in der Garde-Artillerie-Brigade. (Mit 2 Blatt Zeichnungen, Taf. V u. VI )

XI.

Auszug aus dem Berichte über den am 6. Februar 1864 durch das Brandenburgische Pionier - Bataillon Nr. 3 ausgeführten Brückenschlag über die Schley bei Arnis. (Hierzu eine Skizze, Taf. IV )

XII .

189

269

Bericht über die am 17. Februar 1864 über den Egernſund ( Ekenſund ) geschlagene Pontonbrücke. (Hierzu eine 277 Slizze, Taf. IV)

Centimeter B.

1/3 m Centi HOS

Handhabe als CaraHacken .biner

Inc g hes E2n 12 H.OS. V.

Zolle A.

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geoir Medle 11:00000 H.CS.

3. C. 1/2 ge . ogr Meite

e Handhabhte Abgeflac oben in '10 getheilt .

S .vchlagintweit's Herm Scalenrädchen Archiv fArt.u. Ing. Off . LV Band.

Taf . II.

!

Archiv für

die

Offiziere der

Königlich

Preußiſchen

Artillerie-

und

Ingenieur - Corps .

Redaktion :

Neumann, Oberst der Artillerie.

v. Kirn, Oberst-Lieut. a. D., früher im Ing.-Corps.

Achtundzwanzigster Jahrgang.

Sechsundfunfzigſter Band .

Mit neun Tafeln.

EVE

Berlin , 1864 . Druck und Verlag von E. S. Mittler und Sohn. Kochstraße 69.

7

Tafel

Inhalt des sechsundfunfzigsten Bandes.

1. Der Shrapnelschuß bei zu kurz geschäßter Entfernung II. Ueber Bewaffnung und Organisation der Feld-Artillerie III . ` Die Melſens’ſche Pulverprobe. (Hierzu Taf. I. u. II .) IV. Die Probefahrt der französischen Panzerschiffe V. Ueber die Steighöhe der 50ugen Bleibomben VI. Einiges über die Technik des Erd- Schanzenbaues im Felde. (Hierzu die Skizzen Taf. III .) VII. Einige Erläuterungen zu der Schrift: ,, das Shrapnel• Geschoß in England und Belgien 20. · VIII. Die Wirkung frei fallender Körper und geworfener · Bomben IX. Befchreibung eines dänischen Hoblgeschoffes für gezogene · Borderladungs - Geschüße. ( Hierzu Taf. IV.) X. Ueber die Aufstellung von Kammerladungs - Geschüßen in den Feftungen zum Feuern durch Scharten und über • Bank. (Hierzu Tafel V. ) XI. Weitere Erklärung über den Antheil der sechspfündigen Fußbatterie Nr. 9 an der Affaire bei Vauchamps am . 14. Februar 1814 c. XII. Die Kreis-Evolvente als Zugprofil für gezogene Feuer. waffen XIII . Ueber Granaten mit ellipsoidaler Höhlung XIV. Beiträge zur Geschichte des Breschelegens mit Minen 2c. (Fortseßung) XV. Etwas verfürzte Ueberlegung des Memoire d. Lieut. der belg. Artill . P. Le Boulengé über seinen electroballistischen Chronographen 2c. (Hierzu Tafel VI .) XVI. Ueber Bestimmung des Erddrucks auf graphischem Wege. (Hierzu Tafel VII . ) XVII. Zur Gefdoßabweichung. Anbang. (Hierzu Taf. VIII .) XVIII. Das Richten gezogener Feldgeschüße bei geneigtem Geschüßstande. (Hierzu Tafel IX . ) :

Seite 1 13 43 63 88 95

118 138 145

148

160

167 174 177

189 239 246 260

K K : 01: GENIE RALPH

I.

ARCHIV

Der Shrapnelschußz bei zu kurz

geschäßter Entfernung.

Die Wirksamkeit jeder Schußart eines gegebenen Geschüßes ist im Allgemeinen abhängig von der Kenntniß der Entfernung, der Beobachtung der einzelnen Schüffe und der auf diese und die Natur der Schußart gegründeten Correctur. Gegen den Shrapnelschuß mit dem Sprengpunkt des Geſchofſes im absteigenden Aft der Flugbahn herrscht in der Artillerie das ziemlich verbreitete Vorurtheil, daß derselbe eine Schußart ſei, deren Wirkſamkeit bei Weitem mehr als die des Granatſchuſſes davon abhängig, daß : 1) die Entfernung des Zielobjects genau bekannt ist, 2) die einzelnen Schüffe ( und zwar hier der Sprengpunkt der Geschoffe in Bezug auf Intervall und Sprenghöhe ) besonders forgfältig beobachtet, und 3) die Correctur der Erhöhung und Tempirung enthr der

einen oder anderen für sich oder beider in Verbindung mit-einander so zu sagen kunstgerecht ausgeführt, und zu dieſem Behufe nicht ganz einfache Erwägungen angestellt werden ; und daß - wenn beim Schäßen der Entfernung, bei Beobachtung des Sprengpunktes und bei Vornahme der angemessenen Correctur rr. thümer vorkommen - die Wirksamkeit dieser Schußart eine ganz unbedeutende sein, wohl gar ganz verloren gehen werde. Aus diesem Grunde pflegt man den Shrapnelschuß wohl als eine sehr difficile und - abgeſchen von der materiellen Complication auch in der Anwendung sehr complicirte Schußart zu bezeichnen , die Achtundzwanzigfter Jahrgang. LVI. Band. 1

1

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im

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un

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feb aud

2

man in der Regel nur bei ziemlich genau bekannter Entfernung und gegen stehende Ziele gebrauchen dürfe. Und doch möchte dies eben nur Vorurtheil, die Wirksamkeit des Shrapnelschuffes mit Zeitzünder im Vergleich zu der des Granat= schusses , von jenen Elementen ( Entfernung , Beobachtung , Correctur ) eher weniger als mehr abhängig sein. Die auf den Schießpläßen bei abgemessenen Entfernungen, forgfältiger Beobachtung des Sprengpunktes und angemessener Correctur der Erhöhung und Tempirung, gewonnenen Resultate des Shrapnelfeuers find bekannt und weil aus einer größeren Schußzahl ge= zogen - wohl als einwandsfrei zu betrachten . Wie die Ergebnisse des Shrapnelfeuers bei wirklich unrichtiger

Entfernung, bei Ignorirung der Lage des Sprengpunktes in der Flugbahn und bei absichtlich unterlaffener Correctur der Erhöhung und Tempirung fich gestalten , ist aus den nachstehenden Listen - deren Angaben allerdings auf eine leider nur sehr geringe Schußzahl haben zu ersehen. gegründet werden können I. Ergebnisse des Shrapnelschießens aus Feld- 124dern mit 1,9 %. Geschüßladung, 1 Zoll Aufiaß und der Zündertempirung für die Entfer nung von 800 Schritt gegen das für die Schießübungen vorschriftsmäßige Shrapnelziel. ( 3 Wände à 40 Schritt lang ; die vordere 9', die hinteren beiden 6′ hoch ; und mit je 20 Schritt Zwischenraum .)

Der

Treffer per Schuß ( Kugeln und GranatAtücke) gegen alle drei Wände

Entfernung von

Anzahl der

Schritt

Schuß

scharfe

matte

in Summa

800

200 **)

42,6

11,5

54,1

850 900 950 1000

15 16 8 15

34,6 26,1 15,6 9,8

10,3 11,6 17,7 10,3

44,9 37,7 33,3 20,1

*) Diese Schüsse sind während der Schießübung 1862 fämmtlicher Artillerie - Brigaden geschehen ; der Aufſay hat dabei zwischen

850-1000 Schritt .

.dchüffe Sfür

Anmerkungen: Größte Ausbreitung an der 1 ften Wand : 33 38 Schritt

auf

1.

3

Intervallen : zwischen 650 und 820 Schritt Sprenghöhen : zwischen 0 und 30' 2. Blind gegangene , vor dem Rohr oder erft hinter den drei Scheiben gesprungene Gefchoffe find außer Rechnung geftellt . II. Ergebnisse des Shrapnelschießens aus Feld- 12u.dern mit 1,9 u. Geſchüßladung , 43″ Aufſaß und der Zündertempirung für die Entfernung von 1500 Schritt gegen daffelbe Shrapnelziel.

Bei der Entfernung von Schritt

Anzahl der

Treffer per Schuß ( Kugeln und GranatAtücke ) gegen alle drei Wände

scharfe

matte

in Summa

1500

264 *)

17,5

7,4

24,4

1550

3

67,6

12,3

1600

3

1700 800

3 2

33,6 25

17,6 14,6 15 10

79,9 51,2 39,6 29,5

unmertungen: 1.

2.

Größte Ausbreitungen an der 1 ften Wand : 2337 Schritt

26,6 Sfür d.chüffe

14,5 16,6

auf

3

1550-1850 Schritt

Schuß

Intervallen: zwischen 1425 und 1620 Schritt Sprenghöhen : zwischen 2 und 32 Fuß Blind gegangene , vor dem Rohr oder erst hinter den drei Scheiben gesprungene Geschoffe find außer Rechnung gestellt.

1 bis 2 " variirt; entsprechende Tempirungs- Correcturen haben stattgefunden. *) Diese Schüffe find während der Schießübung 1863 fämmtlicher Artillerie-Brig aden geschehen ; der Aufsaß hat dabei zwischen 44" bis 4 " variirt; entsprechende Tempirungs- Correcturen haben stattgefunden. 1*

Nach diesen Ergebniffen betragen die Differenzen der wirklich innegehabten Entfernung und derjenigen kleineren Entfernung , für welche Erhöhung und Tempirung unverändert in Anwendung gebracht worden, für die Ergebniſſe ad I.: für 850 Schritt nahezu 6 Procent = 900 11 ins zu kurze von der wirklich 1= = 3 950 16 innegehabten Entfernung ; = = - 1000 genau 20 =

für = = =

für die Ergebnisse ad II.: 1550 Schritt nahezu 3 Prozent == 6 1600 ins zu kurze von der wirklich · = 1700 12 innegehabten Entfernung; = = = 17 1800

=

1850

20

=

genau

mithin sind Schäßungsfehler ins zu kurze bis zu der innegehabten Entfernung vorausgeseßt, und ist von jeder Correctur der Erhöhung und Tempirung auf Grund der Beobachtung des Sprengpunktes abgesehen worden. Daß nur Schäßungsfehler ins zu kurze vorausgeseßt, also nur auf factisch größere Entfernungen geschoffen worden, als diejenige ift, für welche die nach Schußtafel und Scala passende Erhöhung und Tempirung unverändert angewandt wurde, gründet sich darauf, daß man beim Shrapnelfeuer eine ge= schäßte Entfernung am leichtesten nach wenigen Schüffen

hon als

solche zu erkennen vermag , wenn der Sprengpunkt der Geschoffe mit nur einiger Aufmerksamkeit ins Auge gefaßt wird . Es ist bekanntlich nicht schwer zu erkennen , ob derselbe vorherrschend über das Ziel oder hinter dasselbe fällt, - hierzu genügt schon die Stellung des Beobachters einige Schritt seitwärts in Höhe des Geschüßstandes ; bei Weitem schwieriger aber ist zu erkennen, in welche Entfernung vor dem Ziele derselbe fällt ; dazu gehört in der Regel schon ein in nicht geringer Entfernung feit und vorwärts des Geschüßftandes einzunehmender Beobachtungsstandpunkt , wie solcher in manchen Gefechtsstellungen einer Batterie nicht wohl eingenommen werden kann . Man wird daher eine zu kurz geschäßte Entfernung weit später als solche zu erkennen vermögen ; und da überdies artille-

5 riftische Regel ist, die Entfernungen eher zu kurz als zu weit zu schäßen, so werden diese Schäßungsfehler ins zu Kurze am häufigsten vorkommen. Es erscheint daher wichtiger, ihren Einfluß auf die Wirksamkeit einer Schußart zur Anſchauung zu bringen , als den der entgegengesetzten Schäßungsfehler. Vergleicht man die auf den Entfernungen von 800 resp . 1500 Schritt bei dem Unterrichts- 2. Schießen während der Schießübungen der Artillerie- Brigaden erzielten Ergebnisse mit denen auf 850 bis 1000 resp. 1550 bis 1850 Schritt, so können leßtere wohl kaum anders als durchaus befriedigend bezeichnet werden , wenn ( bei den kleineren Distanzen ) mit Erhöhung und Tempirung für 800 Schritt auf der Entfernung von 1000 Schritt - also unter Vorausſeßung eines Schäßungsfehlers ins zu Kurze von ½ der wirklichen – ohne Correctur noch 20, darunter ca. 10 scharfe Treffer per Schuß , und ( bei den größeren Distanzen ) mit Erhöhung und Tempirung für 1500 Schritt auf der Entfernung von 1850 Schritt – also unter Vorausseßung eines Schäßungsfehlers ins zu Kurze von ebenfalls der wirklichen noch 26 , darunter ca. 17 scharfe Treffer per Schuß erzielt worden. find. Für die Entfernung von 1000 Schritt ist diese Wirkung aller. dings erheblich geringer, als die auf der abgemessenen von 800 Schritt erzielte es scheint aber mehr als fraglich , ob die Wirksamkeit des Granatschusses auf 1000 Schritt mit der Erhöhung für 800 Schritt, trog der geringen Fallwinkel- Differenz für beide Entfernungen , in verhältnismäßig günftigerem Verhältniß ftehen werde. Wenn für die Entfernung von 1850 Schritt die Wirkung faft gleich der auf der abgemeffenen Entfernung von 1500 Schritt fich ergeben, für die Entfernungen von 1700, 1600 und 1550 Schritt leßtere ſogar übertroffen hat, so wird hier nochmals darauf hingewiesen , wie Ergebnisse von je drei Schüffen keinesweges zu vollgültigen Vergleichen mit einem solchen von 264 Schuß berechtigen, obwohl die hier aufge= führten aus dem Grunde wohl nicht als ganz zufällig verworfen werden dürften , weil sie betreffs der summarischen Treffer per Schuß nichts Ungesetzmäßiges aufweisen.

Immerhin aber darf hieraus wenigstens

geschloffen werden, daß auch bei Distancen , welche die äußersten Grenzen der Anwendbarkeit der Shrapnelschuffes bereits überschreiten , deffen Wirksamkeit doch noch ergiebig genug sein werde, und auch wohl hier

in Frage gestellt werden darf, ob nicht unter analogen Verhältniffen die Wirksamkeit des Granatschuffes in beziehungsweise ungünſtigerem Maße abnimmt. Im Allgemeinen endlich kann aus dem Angeführten gefolgert werden, daß man selbst bei erheblich zu kurz geschäßter Entfernung noch auf eine nicht unergiebige Wirksamkeit derjenigen Shrapnelschüsse rechnen darf, welche anfänglich mit der, der commandirten Entfernung entsprechenden Erböhung und Tempirung verfeuert werden , bevor Beobachtung und Erkennung der Sprengpunkte zu angemessener Correctur von Erhöhung und Tempirung geführt haben, man also - wenn hierzu Zeit vorhanden - fich , eingeschoffen “ hat , und daß mithin der Shrapnelſchuß keinesweges die complicirte, zu genügender Wirksamkeit genau bekannte Entfernungen, minutiöse Erwägungen und feststehende Ziele erheischende Schußart ist , als welche sie häufig angesehen zu werden pflegt. Es möchte nicht unintereſſant ſein, und gewiß ist es für das praktiſche Schießen im Felde belehrender , als so manches andere , in Bezug hierauf zur Ausführung kommende, ein mehr oder weniger erkünfteltes Verhältniß supponirende Schießen - wenn die bis jetzt gewonnenen Erfahrungen über die Wirksamkeit des Shrapnelſchuſſes mit dem Sprengpunkt im absteigenden Aßt der Flugbahn bei zu kurz geſchäßter Entfernung noch erweitert , namentlich auf eine größere Schußzahl gegründet werden könnten. Zum Schluß mag hier noch angeführt werden, daß für den Shrapnelschuß mit dem Sprengpunkt des Geſchoffes im aufsteigenden Aft des ersten Sprunges, ebenfalls das Resultat einiger Schüffe unter Zugrund. legung der Annahme von Schäßungsfehlern der Entfernung ins zu Kurze und Unterlassung der Erhöhungscorrectur vorliegt, welches sich, wie folgt, gestaltet:

Mit dem Auffaß für 1300 Schritt wurden auf 1600 Schritt wirk licher Entfernung erzielt : 3 scharfe, 3,5 matte = 6,5 Treffer per Schuß ; mit dem Aufſaß für 1400 Schritt wurden auf 1600 Schritt wirklicher Entfernung erzielt: 7,66 scarfe, 3,33 matte = 11 Treffer per Schuß ;

7 mit dem Aufſaß für 1500 Schritt wurden auf 1600 Schritt wirklicher Entfernung erzielt: 7 scharfe, 1,33 matte = 8,3 Treffer per Schuß, welche Resultate das erste aus zwei , die leßten aus je 3 Schüffen gezogen find. Sofern bei der Verschiedenheit der Geschoffe ein Vergleich mit den Ergebnissen , die oben sub II aufgeführt und aus einer gleichen Schußzahl gewonnen find , überhaupt zulässig erscheint , fällt derselbe wesentlich zu Gunsten des Shrapnelschuffes mit Sprengpunkt im abAteigenden Afte der Flugbahn aus , wie dies selbst bei gleichen Geschoffen aus der Bahn der Sprengpartikel nach dem Springen des Geschoffes auch wohl ohne Vergleichsversuch hergeleitet werden kaun . Der Shrapnelschuß mit Sprengpunkt im ersten Sprunge ift und bleibt nur ein schwaches Surrogat des naturwüchfigen mit Sprengpunkt im absteigenden Aft; im Ernstgebrauch wird ersterer nichts weiter als ein Granatſchuß mit Bleikugelfüllung werden *).

Weigelt , Major und Adjutant der Gen. - Insp. der Artillerie.

Bemerkung * ). Je höher das Intereffe ift, das sich an die vorstehend mitgetheilten Erfahrungen knüpft, und je wichtiger die Folgerungen sind, welche man daraus ableitet oder abzuleiten geneigt ist , um so mehr dürfte auf ihren geringen Umfang hinzuweisen und dabei der Frage etwas näher zu treten fein : ,, mit welchem Rechte man in kommenden Fällen auf ihre gefeßmäßige Wiederkehr zu rechnen haben werde?" Im Allgemeinen dürfte für die hierüber anzußtellenden Erwägungen ein wesentlicher Unterſchied zu machen sein : 1 ) ob Brennzünder oder Percuffionszünder in Anwendung kommen, und 2) ob glatte oder gezogene Geſchüße ? Für die Geschosse der glatten Geſchüße hat man bei aller hierauf verwendeten Kunst und Mühe noch keine hinlänglich befriedigende Per-

8

cuffionszündung erfinden können , so daß es für diese Geschüße als Regel noch keinen Shrapnelschuß mit Sprengpunkt im ersten Sprunge oder bald nach dem ersten Aufschlage gegeben hat. Für die Geſchoffe der ohne Spielraum schießenden gezogenen Geſchüße werden dagegen die mannigfachen Nachtheile, welche mit jeder Art von Brennzündern bisher verbunden gewesen sind und künftig bleiben werden , dadurch nicht unwesentlich erhöht, daß sich hier für diese Zünder die Nothwendigkeit ihrer Verbindung mit einer Percussionszündung ergeben hat. Die desfallfigen Nachtheile erregen in jeder Beziehung für den Feldkrieg noch ernstere Bedenken , als für den Feftungskrieg . 3m Besonderen sei Nachstehendes bemerkt. 3m Feldkriege hat man es der Regel nach mit falsch geſchäßten Entfernungen zu thun . Es möge dies aber der Fall sein oder nicht : für die Wirksamkeit der Artillerie bleibt es eine unerläßliche Bedingung, daß sie sich möglichst bald gegen das von ihr zu treffende Ziel einschießt. Ein rasches Einschießen ist aus glatten Geschüßen nicht zu verlangen, und aus gezogenen mit Brennzündern ungleich weniger , als mit der Percuffionszündung . Es läßt sich nämlich vom Geschüß aus , und insbesondere auf

größere Entfernungen , das Treffen oder Nichttreffen des Ziels nur bei der Anwendung fo kurzer 3ntervallen mit Sicherheit beurtheilen, wie fie für Brennzünder aus noch anzugebenden Gründen als unzuläffig, für die Percuffionszündung aber als angemessen anzusehen find. In dieser Hinsicht kann für das Schießen mit Shrapnels , welche mit der Percussionszündung versehen sind , die Regel aufgeftellt werden : daß bei gleich bleibender Erhöhung auf den kleineren Entfernungen bis , und auf den größeren bis derselben im Ziele und dahinter, die übrigen aber davor zerspringen müssen . Das unmittelbare Treffen des Ziels ergiebt hierbei um ſo weniger einen Fehlschuß, wenn mehrere hinter einander aufgestellte Truppenlinien zu beschießen find . Aus gezogenen Geschüßen wird ein fortgefeßtes Schießen auf Entfernungen, über welche man sich nicht mit Hülfe eines derartigen Maßstabes Aufklärung verschafft hat , nicht zu dulden sein , wenn ihre Geschoffe die Percuffionszündung befißen , ungleich weniger aber mit Brennzündern vermieden werden können .

Die auf falich geschäßter Entfernung zu erwartende Wirkung an und für ſich betrachtet , nämlich abgeſehen von dem eben geforderten Einschießen, so wird hierbei nicht allein das Intervall unrichtig , sondern es wird auch die Sprenghöhe zu dieſem in ein falsches Verhältniß gebracht.

Dies Mißverhältniß bleibt aber beſonders zu betonen, indem

in Folge desselben , abgesehen von der mit der Größe des Intervalls zunehmenden desfallfigen Streuung , ein Uebermaß von Bleikugeln und Sprengstücken entweder vor dem Ziele aufschlägt und hierdurch so gut wie ganz unwirksam gemacht wird, oder darüber hinausgeht und dann nur möglicherweise gegen hinter demselben ftehende Truppen wirksam werden kann.

Meistens gar keine Wirkung ergeben mit Brennzündern

diejenigen Shrapnels , welche mit kleiner Sprenghöhe oder dicht vor ihrem Aufschlage auf dem Boden zerspringen , wenn dies nicht unmittelbar am Ziele oder darin geſchieht.

Ihr Wirkungsbereich wird

hiermit faft zu Null . Zerspringt dagegen ein derartiges Shrapnel kurz nach seinem ersten Aufschlage , so wird es in ähnlicher Weise wirksam, als ein ſolches mit der Percuffionszündung, nämlich mit Bleikugeln und Sprengstücken, deren Bahnen aus einem auffteigenden und einem niederfteigenden Afte bestehen. Das auf falsch geschäßten Entfernungen bei dem Schießen mit Brennzündern die Intervallen und Sprenghöhen ab und zu in ein für das Treffen noch günstiges Verhältniß zu einander gerathen können, wird aus glatten Geſchüßen erwartet werden dürfen , aber nicht aus gezogenen. Für dieſe wird das unrichtige Verhältniß , in welches die Intervallen und Sprenghöhen durch die falsche Schäßung zu einander gebracht sind, ein bleibendes , und hiermit die zu erwartende Shrapnelwirkung um so mehr eine verminderte oder ganz vernichtete sein. Dabei wird in dem Maße, als man größere Intervallen und Sprenghöhen zu erschießen hat und die Entfernung zunimmt , der desfallfige Fehler vom Geschüße aus nicht beurtheilt und verbeffert werden können. Anlangend den vom Sprengpunkt ab beginnenden Wirkungsbereich der Shrapnels mit Percuffionszündung , so ift derselbe allerdings von den Umständen abhängig , welche das Abprallen des hierbei jederzeit noch ungersprengten Geschoffes vom Boden begünftigen oder nicht, jedoch in allen Fällen, in denen dies Abprallen nicht übermäßig beein-

10 trächtigt ist , schon deshalb von Bedeutung , weil hierfür nicht allein der aufsteigende Aft , sondern auch der absteigende der von den Bleikugeln und Sprengstücken beschriebenen Bahnen in Betracht kommen. Auch besteht in dieser Hinsicht ein höchft wesentlicher Unterſchied in den Verluften an Geschwindigkeit, welche einerseits ein noch unzersprengtes Geschoß , und andrerseits einzelne Bleikugeln und Sprengstücke durch einen Aufschlag auf dem Boden erleiden. Nennt man den desfallfigen Schuß , nämlich den Shrapnelschuß mit Percussionszündung , einen Granatschuß mit Bleikugelfüllung , fo bleibt dies insofern als vollständig gerechtfertigt anzuerkennen, als umgekehrt jeder Granatſchuß , deffen Sprengstücke in Folge der dem Geschoffe im Augenblicke seines Zerspringens verbliebenen Geschwindigkeit zur Wirkung gelangen , als ein Shrapnelschuß anzuerkennen ist. Zur Vervielfältigung der Treffer mit einem solchen Schuffe und zu einer wesentlichen Vergrößerung seines Wirkungsbereichs vom Sprengpunkte ab sind jedoch die mit der Bleikugelfüllung und kleiner Sprengladung versehenen Hohlgeschoffe denen vorgezogen , welche mit großer Sprengladung durch ihre wirkliche Sprengwirkung oder Granatwirkung zur Geltung gelangen sollen . Daß für viele Fälle des Feldkrieges beide Geschoßarten ganz ähnliche Wirkungen äußern und die eine an Stelle der andern gebraucht werden darf, möchte der Percuffionszündung, mit der sie versehen sind , eher zum Vortheil als Nachtheil gereichen. Für die Beantwortung der Frage: ,, ob für das Schießen mit Shrapnels den kurzen oder größeren Intervallen der Vorzug zu geben sei ?“ möge jest Folgendes dienen . 1. Auf noch unbekannten und insbesondere größeren Entfernungen müssen zur Beurtheilung des Treffens oder Nichttreffens die Intervallen so klein sein , daß bei gleichbleibender Erhöhung und Zünderlänge nicht alle Geschoffe vor dem Ziele, sondern ein Theil davon auch in demſelben und dahinter zerspringen oder aufschlagen, indem dies der alleinige Maßstab sein wird , mit dem die für das Schießen in Betracht kommenden Entfernungen richtig zu meſſen find. 2. Diese kurzen Intervallen find für die gezogenen Geſchüße und Shrapnels mit der Percuffionszündung nicht allein aus dem eben an-

11 gegebenen Grunde, sondern auch deshalb die angemessenen, weil damit die Genauigkeit des Schießens dieser Geschüße wirklich verwerthet und den Nachtheilen am besten begegnet wird , welche für die Geschoßwirkung auf einer zufällig ſchlechten Bodenbeschaffenheit entstehen können. 3. Für Shrapnels mit Brennzündern find kurze Intervallen nicht weniger bei dem Schießen aus gezogenen Geſchüßen als bei dem aus glatten vorzugsweise von dem Nachtheile begleitet , daß dadurch der Wirkungsbereich vom Sprengpunkte ab sehr eingeschränkt wird und die damit verbundenen kleinen Sprenghöhen ſehr genau inne gehalten werden müssen , wenn nicht für eine größere Anzahl von Schüffen die Wirkung sehr vermindert oder vernichtet ausfallen soll. Ueberdies hat man dabei die öftere Wiederkehr negativer Intervallen und das Blind. gehen von Shrapnels in Folge eines Aufschlags auf dem Boden zu gewärtigen. 4.

Mit größeren Intervallen wird vom Geſchüß aus das Er.

schießen richtiger Sprenghöhen faft zur Unmöglichkeit gemacht , und der Schuß um so mehr dem Zufall Preis gegeben sein , als es zur Aufklärung und Berichtigung der in dieser Hinsicht begangenen Fehler an Zeit und Mitteln gebricht. 5.

Auch bei verhältnißmäßig richtigen Sprenghöhen nehmen die

Anzahl und die Kraft der das Ziel treffenden Bleikugeln und Sprengftücke mit der Vergrößerung des Intervalls in einem steigenden Verhältniffe ab.

Vorzüglich wird hiervon die Wirkung der Sprengstücke

betroffen, welche mit größern Intervallen nicht selten ganz verloren geht, und doch als ein sehr wesentlicher Theil der Gesammtwirkung zu betrachten bleibt. Gegen die kleinen Intervallen , welche aus gezogenen Geſchüßen für die Shrapnels mit Percussionszündung der Regel nach als die beften anzusehen find , wendet man mit Recht ein , daß sich damit die Wirkung oft nur auf wenige Rotten erstreckt; allein an der getroffenen Stelle entsteht alsdann auch eine um so verheerendere Wirkung , an welcher den Sprengftücken ebenfalls noch ein sehr wesentlicher Antheil einzuräumen bleibt. Eine Vervielfältigung der getroffenen Stellen wird eine von selbst fich ergebende Folge des gleichzeitigen Schießens aus mehreren Geſchüßen ſein.

Ueberdies aber wird man den Vortheil nicht hoch genug

12

anzuſchlagen haben :

daß man mit kleinen Intervallen die zu treffenden Stellen nach Belieben auszuwählen , und die Zufälligkeit der dagegen zu erwartenden Wirkung zu einem hohen Grade von Wahrscheinlich-

keit umzugestalten in den Stand geſeßt ift”. Ob für die Shrapnels der gezogenen Geſchüße die Brennzünder eine Nothwendigkeit sind, weil die der glatten noch keine Percuffionszündung gehabt haben und damit, des unregelmäßigen Schießens dieſer Geschüße wegen, auch schlechte Wirkungen geben würden, ist eine Frage, welche im Sinne des vorſtehenden Aufſaßes ſchon oft entſchieden worden ift. Demungeachtet aber beſtehen in dieser Hinsicht noch heute nachAtehende Erwägungen. 1. Bei den Bemühungen zur Auffindung eines brauchbaren Brenn-

zünders für die Shrapnels der ohne Spielraum schießenden gezogenen Geſchüße hat sich, wie ſchon erwähnt, ergeben : „ daß derselbe mit einer Percuffionszündung in Berbindung gebracht werden muß und hiermit seine Nachtheile noch wesentlich gefteigert worden find ". 2. Die Leiftungsfähigkeit der gezogenen Geschüße und die Einfachheit des Schießens mit denselben werden durch die Percuffionszün= dung für deren Geschoffe auf das höchfte Maß gesteigert , aber nicht durch die Brennzünder , so daß diese bei den gedachten Geschüßen nur ausnahmsweiſe , oder wenn hierfür eine wirkliche Nothwendigkeit vorhanden ist, in Anwendung zu bringen sein werden . 3. Für den Feldkrieg insbesondere sind die Möglichkeit des raſchen Einſchießens , die möglichste Einfachheit des Schießens selbst, eine möglichst gesicherte Wirkung und die möglichste Einfachheit der Ausrüstung zu verlangen , und aus diesen Ursachen die tempirbaren Brennzünder nach Möglichkeit zu vermeiden . 4. Durch das Vorhandensein der Percussionszündung find aber im Feldkriege für die Shrapnels gezogener Geschüße die Brennzünder feine derartige Nothwendigkeit , wie für die der glatten . Gegentheils wird hier auch mit Shrapnels im großen Ganzen die Percuffionszün dung ungleich mehr leisten , als die Brennzünder, schon deshalb , weil man es bei der Percussionszündung nur mit den Zufälligkeiten des Bodens zu thun hat, bei den Brennzündern aber mit den Zufälligkeiten der mannigfachsten Art , von denen ebensowohl fie felbft als ihr Gebrauch Atets begleitet sein werden . Die sehr richtige Benennung : „,3u-

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fallsschuß “ wird daher im Feldkriege dem Shrapnelschuß mit Brennzündern in höherem Maße zukommen, als jedem anderen Schuffe, wobei immerhin zugegeben wird , daß er in manchen Fällen , z. B. gegen Schanzen, oder wo mit der Percussionszündung das unmittelbare Hineinschießen in das Ziel als eine nothwendige Bedingung anzusehen ift, noch mehr leisten kann, als der Shrapnelschuß mit dieser. 5. Es muß noch besonders hervorgehoben werden ,,, daß jeder Brennzünder dem Verderben ungleich mehr ausgefeßt ift, als die Percuffionszündung “. 6. Für die Shrapnels des Feftungskrieges sind die Brennzünder einerseits unbedingt nothwendiger, und andererseits ihre Nachtheile von ungleich weniger gefährlichen Folgen begleitet , als für die des Feldfrieges. Berlin , den 1. März 1864. Der Mitredacteur : Oberft Neumann.

II. Ueber Bewaffnung und Organiſation der Feld- Artillerie *) .

Die Artillerie befindet sich gegenwärtig in Betreff der Frage der ArDie mirung der Feld- Artillerie in einer Krise, welche die Infanterie mit Einführung des gezogenen Gewehre für ihre gesammte Mannschaft glücklich beendigt hat. Der Natur der Sache nach treten bei dem Geschütz verschiedene

Fragen , die beim kleinen Gewehr mehr nach einander gehört wurden, zur selben Zeit auf ; nämlich : 1., sollen die glatten Geschütze überhaupt ganz abgeschafft werden ? 2., welches Kaliber sollen die gezogenen Ge*) Der vorliegende Aufſaß ist noch vor dem Beginn der gegenwärtigen kriegerischen Berwicklungen der Redaction zur Ber-

14 schüße erhalten? 3., Border- oder Hinterladungs- Geschüt ? Wenn nun auch durch das Zuſammentreffen dieser Fragen für den Augenblick große Differenzen in den Ansichten über die einzuschlagenden Wege entstanden find, so sollte sich doch im Allgemeinen eine einmüthige Ansicht über das zu erreichende Ziel Bahn brechen. In gleicher Art nämlich, wie bei der Infanterie die Einführung des gezogenen Gewehrs die glückliche Beranlaſſung geworden ist nicht allein zur Verwirklichung der längst ersehnten Kaliber-Einheit in den deutſchen Staaten, sondern auch zu einer einheitlichen Ausbildung der Infanterie selbst, verbunden mit einer gesteigerten Wirkung und Manövrirfähigkeit , so muß in demselben , ja in noch viel höherem Grade die Einführung des gezogenen Geſchüßes den deutſchen Artillerien nicht nur die Kaliber- Einigung unter sich , sondern auch die Kaliber-Einheit in ſich bringen und in Verbindung mit bedeutend verminderten Gewichts- Verhältnissen bei gesteigerter Wirkung am selben Ziele anlangen ; das heißt : am Einheitsgeschüß , an der EinheitsArtillerie. Die Aufgabe der vorliegenden Zeilen soll nun zunächſt ſein, erſt zu zeigen , daß dies wirklich das erreichbare Ziel der gegenwärtigen Bewegung ist , sodann die nothwendigen Consequenzen aus der Erreichung desselben zu ziehen und endlich zu betrachten, was inzwischen zu geschehen hat, um einestheils die Lösung der Aufgabe möglichst anzubahnen, anderntheils jetzt schon den gesteigerten Anforderungen an die Feld - Artillerie gerecht zu werden. Um den Weg, der in dieser Beziehung noch zurückzulegen ist, beffer zu beurtheilen, ist es nicht ohne Vortheil, den schon zurückgelegten zu überblicken. Alle Fortschritts- Bestrebungen in der Artillerie von den napoleonischen Kriegen an lassen sich auf drei Richtungen zurückführen. Es hat sich immer gehandelt um Fortschritt in der Organisation , in der Beweg lichkeit und in der Geschoßwirkung. Während der Kriege selbst waren die zwei leßten Richtungen vernachlässigt, weil Zeit und Mittel zu Versuchen fehlten , und der Haupt-

öffentlichung zugegangen und daher schon einige Zeit vor diesem Beginn geschrieben worden. Die Redaction des Archivs.

1

15 fortschritt bestand darin, daß der schöpferische Geist Napoleons von der Artillerie vollends abstreifte, was von der alten Constablerzunft an ihr hängen geblieben war, und sie durch eine feste , militärische Organisation befähigte, sich von der untergeordneten Rolle einer Hülfswaffe zu der einer entscheidenden Hauptwaffe aufzuschwingen.

Es mag keine kleine

Arbeit geweſen ſein , Ordnung in das damalige Perſonal- und Material- Chaos zu bringen ; aber der Kaiser hatte das Ziel richtig erkannt und das Wort , mit dem er die Schilderung seiner Bestrebungen und seiner Resultate auf diesem Gebiete geschloffen hat , ist mit Recht das Motto geworden für die Artillerie : ,, il faut toujours simplifier ! " Die Kriege wurden beendigt, das Material war ruinirt ; die nächste Sorge war die Herbeischaffung von neuem. Man kann der Artillerie von damals nicht vorwerfen, daß sie die Erfahrungen der Feldzüge nicht zu Rathe gezogen hat. Aber es lag in der Natur der Sache , daß man da zuerst zu helfen versuchte , wo man die größten Mißstände gefühlt hatte.

Das war zweifellos bei der Laffetirung.

Die Schußleistung war

befriedigend , denn sie übertraf das kleine Gewehr unbestritten so viel, daß die Artillerie außer Kleingewehrfeuer eine kräftige dominirende Wirkung hatte. Daß dies schon damals als Lebensbedingung anerkannt wurde, beweist das gänzliche Verschwinden des 3uders nach den Feldzügen. Als mit den dreißiger Jahren die Laffetirungsfrage fast überall geordnet und die Forderung einer erhöhten Beweglichkeit befriedigt war, ging man auch sogleich an die Schußleistung, und die Ausbildung des Shrapnelschusses und der excentrischen Granate zeigen , in welchen Richtungen man die Leistungen zu erhöhen suchte. Anfangs der vierziger Jahre waren auch diese Bestrebungen zu einem Resultate gelangt, und die Fortschritte in Schußleistung , Beweglichkeit und Organiſation hatten die Artillerie auf einen Standpunkt gebracht , auf dem sie auch den Fortschritten der Infanterie gegenüber ihrer Aufgabe , das Schlachtfeld durch ihr Feuer zu beherrschen , gewachsen war. Auch war sie so ziemlich überall gleich organisirt und gleich ausgerüstet. Es repräsentirte für den Schuß die 64.ge Kanone die größte Beweglichkeit bei der kleinsten noch zulässigen Wirkung, die 12uge Kanone die größte Wirkung bei der kleinsten noch zulässigen Beweglichkeit ; für den Wurf war die 7 tge furze oder lange Haubige bestimmt , je nachdem man mehr oder weniger Werth auf den

16 Shrapnel-Wurf derselben legte.

Mit dieser Armirung harmonirte auch

die Organisation. Man hatte eine sehr bewegliche Artillerie in den reitenden Batterien für das Gefecht der Reiterei und zur Verwendung als Reſerve-Artillerie, eine bewegliche in den 64gen Fuß-Batterien für den Kampf der Diviſionen , eine sehr wirkſame in den 12ugen Batterien für große , entſcheidende Schläge. Die Haubißen waren entweder zuſammengestellt oder bei den Kanonen eingetheilt. Dieser Zustand des Gleichgewichts , die Frucht dreißigjähriger Anstrengungen, dauerte aber nur sehr kurze Zeit.

Die Einführung des ge-

zogenen Gewehrs in die Jufanterie störte dasselbe bald sehr empfindlich. Es ist für Fragen , die später weiter erörtert werden sollen , von Wichtigkeit , zu constatiren , daß das ganze Artillerieſyſtem dadurch unhaltbar wurde, daß die 6uge Kanone mit ihrem Feuer das Feld gegen das kleine Gewehr nicht mehr behaupten konnte, und daß der lange 12u.der den gesteigerten Anforderungen an Beweglichkeit nicht mehr entsprach. Der Shrapnelschuß des 6uders war selbst auf die kleinen Entfernungen zu unwirksam, und der Kugelschuß hörte zu bald auf, wirksam zu ſein.

Die

Aufgabe war also offenbar, ein Geschütz zu construiren von der Beweglichkeit des bisherigen 6uders mit einer entschieden größeren Wirkung. Hiezu waren zwei Wege offen : entweder man vergrößerte das Kaliber, oder man ſuchte denselben Weg einzuschlagen , der beim Infanterie - Gewehr zum Ziel geführt hatte, d . h. man gab den Geſchüßen Züge . Da der lettere Weg ohne ein gänzliches Umstoßen des bisherigen Systems nicht betreten werden konnte, so war es natürlich , daß man vorerst den ersten zu gehen versuchte. So unrichtig dies auch theoretisch war , und so klar es ſein mußte, daß eine eigentliche Hülfe schon wegen der schwereren Munition nur im Ziehen der Geschüße und in der Verkleinerung des Kalibers zu erwarten war , so machen doch die vielen , heute noch nicht ganz überwundenen praktischen Schwierigkeiten, auf die man dabei ſtoßen mußte, um so mehr diesen Schritt erklärlich, als es sich um rasche Abhülfe handelte, die auf obigem Wege nicht zu erreichen war. Die erste Frucht dieser Anstrengungen war die franzöſiſche Granatkanone. Man kann mit Berücksichtigung der für dieſes Geſchüß gegebenen

17 Mittel und der Verhältnisse der franzöſiſchen Artillerie den mit ihm damals erreichten Fortschritt nicht hoch genug anschlagen. Zum erstenmal wurde der Versuch gemacht , das bisher ins Reich der Träume verwiesene, Einheitskaliber die nächste Consequenz des Artillerie- Mottos ,, il faut toujours simplifier ", praktisch herzustellen. Es ist ein sehr ehrender Beweis für den richtigen Blick des zweiten Napoleon, daß er über die Bedenken und den Widerstand des Artilleristen vom Fach hinweg die Verwirklichung dieser Idee erzwang, und wenn dieſelbe in der Ausführung auch stark verkümmerte, so darf man nicht vergessen, daß zwei Vorbedingungen für das Gelingen eines der Wirkung des schweren 128ders gleichkommenden leichten 12ugen Geschüßes bei der französischen Artillerie fehlten, nämlich die Würdigung des Shrapnelschuffes und der excentrischen Granate. Die lettere exiftirte dort gar nicht, und welch kleinen Werth die französische Artillerie auf den ersten legte, dafür spricht am besten der Umstand , daß unter 104 Schüffen , die Geschütz und Wagen der Granatkanone mit sich führte , ſich nur 12 Shrapnels befanden. Gerade diese zwei Schußarten aber machen das leichte 124ge Geschütz erst recht lebensfähig ; denn im Shrapnelschuß steht das kurze 12u ge Nohr dem langen selbst bei stärkerer Ladung gar nicht nach ; es übertrifft das längere eher noch, wie auch im Schießen der excentrischen Granate; die lettere aber verschafft dem kurzen Rohr eine indirecte Wirkung , die ses möglich macht, sogar auf die Haubiße zu verzichten. Daß das Geschig, obgleich es demnach seinen Zweck theilweise verfehlte , obgleiches dem alten 12uder gegenüber an Wirkung, dem 68 der gegenüber an Beweglichkeit verlor , dennoch ins Leben trat, beweist, daß die franzöſiſche Artillerie damals schon erkannt hatte , daß im Feld ein gewisses Maß von Wirkung absolute Hauptbedingung ist , und daß man damit erst in zweiter Linie die größtmögliche Beweglichkeit verbinden muß ; mit andern Worten : daß , da die Artillerie den Feind nicht umfahren soll, das Geschützrohr maßgebend ist, und nicht das Fahrzeug. Es geht noch weiter daraus hervor , daß die franzöſiſche Artillerie erkannt hatte , daß man eine Waffe so organisiren und ausrüsten muß, daß sie der Mehrzahl der Feldzwecke genügt und daß man bei Veränderungen in dieser Richtung , durch die man dieser Mehrzahl von Feldzwecken aushilft, Nachtheile für Nebenzwecke in den Kauf nehmen kann 2 Achtundzwanzigfter Jahrgang. LVI. Band.

18 und muß. Daß dies richtig geschlossen war , bewies sofort der KrimmFeldzug. Trotz alles Kopfschüttelns der Männer vom Fach , troß aller Fabeln, die man über das Geschüß ausstreute, bewährte sich dasselbe im Felde, und weit entfernt, die französische Artillerie von einem Vorgehen in der eingeschlagenen Richtung abzuhalten, ermuthigte sie dieser Versuch zum Einheitskaliber zum nächsten Schritt, zum vollständigen Einheits. Geschüß in ihrem gezogenen 4uder. Man hatte sich in richtiger Würdigung der Verhältniſſe nämlich sofort überzeugt, daß dieſe Granatkanone eigentlich doch blos ein provisorisches Auskunftsmittel ſei und nur den einen Theil der entstandenen Schwierigkeiten aus dem Wege räumte, daß aber eine gründliche Abhülfe nur im gezogenen Geschüß zu finden sei , wo man nach Analogie des kleinen Gewehres mit Sicherheit eine gesteigerte Wirkung bei verminderten Gewichts-Verhältniffen zu erzielen hoffen konnte. Verſuche in dieſer Nichtung wurden zur selben Zeit nicht bloß in Frankreich , sondern fast in ganz Europa, in Italien, Schweden, Preußen, England 2c. gemacht. Es charakterisirt aber den moralischen Muth der französischen Artillerie, daß sie zuerst mit den Reſultaten ihrer Versuche auf dem Schlachtfeld erſchien, und je mehr seither bekannt geworden ist , wie unvollendet der gezogene 4u.der vom italienischen Feldzug noch war, um so mehr muß man diesen Schritt anerkennen, ohne den wahrscheinlich heute noch die Frage der gezogenen Geschüße nicht viel aus dem Stadium der Vorversuche herausgetreten wäre.

Die franzöſiſche Artillerie hat noch nicht die lezte Con-

sequenz aus den gezogenen Geschüßen gezogen ; sie hat ihren 4uder zu ihrem Einheitsges ch is gemacht, aber sie hat die Einheitsartillerie nicht organisirt, sondern neben einer fahrenden Artillerie die reitenden Batterien fortbestehen lassen. Die Franzosen sind immer rasch bis zu einem gewiffen Grad vorgegangen, dann aber hartnäckig stehen geblieben. Man sehe sich nur ihr Infanterie- Gewehr von heute an. Einen viel weniger methodischen Verlauf nahm die Entwickelung dieser Sache in den deutschen Artillerien. Man repetirte in allen Tonarten, daß der glatte 6uder dem gezogenen Infanterie- Gewehr das Feld nicht mehr halten könne , ohne zu dem einzigen Entschluß zu gelangen , der wenigstens eine momentane Hülfe versprach , der Wirkung einen kleinen Theil des Gewichts zu opfern und ein leichtes 12uges Geſchüß zu conftruiren. Der einzige Staat , der diesen Weg betrat , Sachsen , blieb

19 Wäre es 1859 zum Kriege gekommen , so hätten die meisten Staaten ihre reitenden Artillerien und ihre leichten Fußbatterien mit dem

isolirt.

glatten 6uder ins Feld schicken müssen und sich überzeugen können , wie richtig ihre eigene Ansicht von der Unzulänglichkeit deffelben war. Das Lehrgeld zahlte für diesmal die österreichische Artillerie. Aus der übereilten Hast aber, mit der man nach dem Feldzug nothdrungen gezogene Geschütze mitführen mußte, entstand ein doppelter Nachtheil. Mit Ausnahme der preußischen Artillerie hatte keine deutsche Artillerie Versuche mit gezogenen Geſchüßen gemacht.

Die Frage war mehr

wissenschaftliches Curiosum gewesen. Die preußische Artillerie aber , defensiver gestimmt, als die französische, und durch das Zündnadelgewehr ohnehin auf die Hinterladung hingewiesen , hatte das gezogene Geschüß mehr vom Standpunkte der Festungs- und Belagerungs - Artillerie ange sehen, als von dem der Felvartillerie.

Als es sich nun darum handelte,

unter jeder Bedingung ein gezogenes Geſchüß einzuführen , hing dem einzigen Geſchüß , welches hierzu reif war , dem gezogenen 6uder auch wirklich so viel vom Festungsgeschüß an, daß es am Ende nicht zu verwundern war, wenn ein Theil der Artillerie zum franzöſiſchen gezogenen Vorderladungs-Geſchüß griff, ein anderer gar an das alte glatte Geschütz sich klammerte, ja daß Preußen selbst sich genöthigt sah , den längst verurtheilten glatten 6uder wenigstens für die reitenden Batterien vorerst beizubehalten. Daraus entstand die nothwendige Folge, daß das gezogene Geschütz, welches der französischen Artillerie die Geschütz- Einheit brachte, uns aus einer sehr bedenklichen Kaliber - Vielfältigkeit in eine ganz trostlose Geschütz-Kaliber- Confuſion versette.

Ein concreter Fall wird diesen Aus-

druck rechtfertigen . Wenn heute eine deutsche Armee ins Feld rückt , ſo führen einzelne Armeecorps derselben eine Artillerie mit sich , die aus 10 verschiedenen Geschüßen mit wenigstens 30 verschiedenen Geschoßarten zusammengesett ist. Ein solches Corps ist der 4te oder 5te Theil einer Armee, wie sie gegen eine französische Armee aufgestellt werden muß, deren ganze Artillerie ein einziges Geschütz mit drei Geschoßarten führt. Man überlege weiter, daß , da die verschiedenen Artillerien desselben verschiedenes Pulver haben , diesen 30 Geschoßarten vielleicht 100 AufsatzScalen entsprechen gegen 3 französische. Da das Gedächtniß und die Geduld der Artillerie- Offiziere am Ende doch nur menschlich iſt, ſo wird man es erklärlich finden , daß sie zum Voraus den Gedanken aufgeben, 2*

20

fich mit dem Material auch nur ihres eigenen Corps vertraut zu machen. Der Vortheil , welcher für die franzöſiſche Artillerie beim Gebrauch im Felde daraus entspringt , ist wohl Jedermann einleuchtend . Ebenso einleuchtend ist der Einfluß , den diese 30 Geschoßarten auf die Zahl und Gattung der Fahrzeuge der Munitions - Colonnen und der Feld-Laboratorien , endlich auf die ungeheure Mannigfaltigkeit der darin enthaltenen Mittel für den Nachschub und die Erzeugung der Munition ausüben. Während jedes französische Geschütz von jedem Munitions - Wagen, dem es begegnet, sich mit Munition versehen kann , muß ein Geſchüß eines solchen Armee - Corps durchschnittlich 6 Wagen passiren lassen, bis ihm . einer die erſehnte Munition giebt, und wenn es Unglück hat, ist es eine Munition , die es nicht einmal kennt, oder für die es wenigstens keine Aufsätze hat. Wer erschricht nicht bei dem Gedanken an den Umfang eines Ar-

tillerie-Handbuches auch nur eines einzigen Armeecorps, das analog dem aide - mémoire oder dem preußischen die für den pünktlichen Dienſt ſo nöthigen Tarife enthielte ! Welche Rücksichten ergeben sich hieraus für die Eintheilung der Batterien in die ordre de bataille , die Bildung der Artilleriereserve, die Commandirung für Detachements und endlich Führung und Dislocation der Munitions -Reſerven ! Man wird zugeben, der Poſten "eines Artilleriedirectors eines solchen Corps im Felde ist kein Nuheposten ! Und nun stelle man sich die Umsicht, die Uebersicht , das Gedächtniß und die Energie vor , die der Artillerie - Director der Armee besitzen muß. Nach dieser Abschweifung , die gezeigt haben wird, daß der Begriff „ Einheitsgeschü " eine sehr reale praktische Unterlage hat, bleibt, um zum gegenwärtigen Standpunkt der Armirungsfrage zu gelangen, noch übrig, Folgendes zu erwähnen. Die preußische Artillerie sah sofort selbst ein, daß durch das gezogene 6ge Geschütz weder die Vortheile der gezogenen Geschüße ausgenußt werden , noch auch der anerkannt unbrauchbare glatte 6uder ersett ſei. Deshalb wurde nach zwei Seiten hin mit aller Energie Abhülfe gesucht. Der glatten 6uder - Noth half der leichte kurze 12æder sofort ab. Um aber die Frage der gezogenen Feldgeschütze zu lösen , wurden 4 uge Geschütze construirt mit verschiedenem Hinterladungs-Modus, mit welchen wir uns näher beschäftigen wollen.

21 Die Versuche mit dieſem gezogenen 4uder beweisen nämlich, daß das System der gezogenen preußischen Hinterla dungs- Geschütze , namentlich nach der bedeutenden Verbesserung desselben durch den Kreiner'schen Berschluß, mehr als jedes andere bisher bekannte geeignet ist , der Feldartillerie ein Geschüß zu geben , welches ihr bei wesentlich gesteigerter Wirkung und Beweglichkeit eine enorme, aber dringend nothwendige Vereinfachung im Material wie in der Orga= nisation auszuführen gestattet.

Der nähere Nachweis dieser Be-

hauptung ist der eigentliche Zweck dieser Arbeit. Für die Beurtheilung dieses gezogenen 4uders muß Folgendes vorausgeschickt werden. So mißlich es im Allgemeinen ist, ein Urtheil zu fällen über ein Geschüß , ohne daß man die mit demselben angestellten Bersuche im Zusammenhang und im Detail kennt , so giebt es doch Fälle, wo man nach Analogie vorhandener Constructionen die Möglichkeit anderer mit aller Bestimmtheit zu behaupten im Stande ist. Ein solcher Fall ist der vorliegende.

Obgleich über dieses 4uge Geschütz

keine offiziellen Berichte vorliegen , so wird doch Folgendes als constatirt angesehen werden dürfen. 1.

Es schießt bei einem Rohr - Gewicht von c. 5 Centner , einem

Granatengewicht von 8,6 . und einer Ladung von 1,1 %. mit derselben Treffsicherheit , wie der gezogene 6uder.

Was er dieſem je an solcher

nachsteht, ersetzt er durch die größern bestrichenen Räume in Folge seiner relativ größeren Ladung. 2. Seine Laffete kann so construirt werden , daß das Geſchüß mit vollständiger Ausrüstung bei zweifelloser Haltbarkeit und mit 50 Schuß in der Proze nicht über 31 , mtt 40 Schuß nicht über 30 Centner schwer ist. Diese Gewichte sind Maximal Zahlen. Geschüß wiegt ausgerüstet mit 50 Schuß 29

Das Wesener'sche 4uder Centner.

Dasselbe soll

wegen mangelnder Haltbarkeit namentlich der Achse nicht zur Einführung gelangt sein. Wenn man bedenkt , daß man mit 100 u. sehr viel an Achse und Laffete verstärken kann , so wird man zugeben müssen , daß das Geſchüß schon mit 304 Centner unbedingt haltbar sein wird. Eine einfache Reduction schon ergiebt, daß, wenn man dieses 4uge Rohr auf

22 dieselbe Laffete legt, welche den Stoß des 6ugen Rohres bei 1,2 & Ladung und 12 u. Geſchoß - Widerstand aushält , das Totalgewicht mit 50 Schuß in der Proße nicht über 31 Centner beträgt. 3. Die Bedienung eines solchen mit Kreiner'schem Verschluß versehenen 4ugen Geschüßes kann austandslos durch 4 Mann und eine Reserve-Nummer ausgeführt werden . Werden nun von diesen 5 Mann 2 auf die Proße geſeßt , die Reserve - Nummer auf den Wagen gewiesen , 2 dagegen beritten gemacht und diesen ein weiterer berittener als Pferdehalter beigegeben , so erhält man ein Geschüß, das bei einem Totalgewicht von höchstens 344 Centner und einer Munitionsausrüstung von 50 Schuß eine Beweglichkeit besigt , die dem beweglichsten der bisher im Felde verwendeten Geſchüße , dem Geſchüß der reitenden Artillerie überlegen , ist und in der Geschoßwirkung mehr leistet, als alle bisherigen glatten Feldgeschütze. Dieses Geschüß mit dem eben erwähnten Modus der Fortschaffung der Bedienungs

Mannschaft ist daher nicht

nur geeignet , alle Geschüßarten und Kaliber von Feld - G eschüßen zu ersehen , sondern es ist auch die durch dasselbe bedingte Art von Artillerie im Stande , die bisherigen 3 Arten von Feld artillerie , nämlich die reitende , die leichte und schwere Fußartillerie in eine einzige, eine Einheitsartillerie zu verschmelzen , und zwar ohne daß die für die Feld- A rtillerie bisher im Ganzen aufgewendeten Kosten vermehrt würden. Ehe nun zur näheren Beleuchtung dieses Vorschlags übergegangen. werden soll, ist es zuvorderst nöthig, zwei Haupt-Vorfragen zu erörtern, nämlich: 1) Ist es möglich, bei dem jezigen Zustand der gezogenen Geschüße die glatten ganz aufzugeben ? 2) Ist es möglich oder auch nur wünschenswerth , auf reitende Batterien ganz zu verzichten ? Wenn man ad 1 die verschiedenen Gründe , welche gegen die ausnahmslose Einführung gezogener Geschüße sprechen sollen, ihrer Wichtigkeit nach classificirt , ſo werden es wohl zwei Bedenken ſein , welche die

23 meiste Beachtung verdienen. Das erste ist die Furcht, daß der Verschluß der Hinterladungs- Geschüße für den Feld- Gebrauch zu complicirt ist, und daß man deshalb diese Geſchüße, ehe sie die sogenannte Feuerprobe durchgemacht haben , nicht ohne Beigabe glatter Geſchüße einführen könne. Man könnte hier erinnern, daß der ganz entschieden complicirtere Hinterladungs-Verschluß der Armstrong-Kanone diese Probe glücklich bestanden hat. Indessen ist dies Beispiel ganz überflüssig. Wer Gelegenheit bekommen hat, mit dem Kreiner'schen Verschluß ( und von diesem ist immer nur in der vorliegenden Abhandlung die Rede) sich im praktiſchen Dienst vertraut zu machen, der überzeugt sich in kürzester Zeit, daß seine Hand, habung in allen Verhältnissen mit der größten Leichtigkeit und Einfachheit vor sich geht, und kann sich bei allem Nachdenken keinen Fall im Feld vorstellen, in dem der Verschluß seinen Dienst versagen sollte ; eine Beschädigung durch feindliches Feuer natürlich ausgenommen , gegen das ja auch das glatte Geſchüß nicht gesichert ist. Damit ſoll nicht geſagt sein, daß nicht möglicherweise ein Anstand entstehen könnte , so gut wie bei dem glatten Geſchüß eine Raumnadel sich verbiegen , eine Cartouche spannen konnte u. s. w. Wenn man aber eine Verbesserung immer dann erſt einführen will, wenn ſie ſich im Feld erprobt hat, so vermeidet man allerdings das Risico beim Feldgebrauch, aber man ist mit seinem Material auch durchschnittlich um eine ganze Fortschrittsperiode zurück. Der Kreiner'sche Verschluß ist wahrscheinlich noch nicht der einfachste und beste, aber er ist, vorausgeseßt , daß man ihm nicht die unnöthige Nebenbedingung zumuthet , ausnahmslos nur mit der Kupferliederung zu feuern, vollkommen kriegstüchtig ; bas ift die Ueberzeugung Aller, die denselben aus eigener Erfahrung kennen. Das zweite Hauptbedenken , welches gegen die gezogenen Geschüße im allgemeinen geltend gemacht wird, ist ihre hohe Flugbahn, die gerade in ihrer Verbindung mit ihrer kleinen Streuung eine genaue Kenntniß der Entfernungen erfordert, wenn man die beabsichtigte Wirkung hervor. bringen will.

Hier aber ist zu bemerken, daß dieser Fehler um so kleiner

wird , je kleiner das Kaliber der gezogenen Geschütze ist , daß ferner die gezogenen Geschüße eine systematische Aufsaß- Correctur erlauben, die sich bei den glatten, wo der Fehler ebensowohl in der falschgeschäßten Entfernung wie in der veränderlichen Stärke des Pulvers liegen kann, bei der Streuung ihrer Geschosse und dem Mangel eines Percussions-

24 zünders verbietet. Daraus geht hervor , daß, während das gezogene Geschütz sehr oft seine volle Wirkung auf das Ziel äußert , das glatte nur selten in diesem günstigen Fall ist , abgesehen davon , daß bei den Per.cuſſions- Geschossen der gezogenen Geſchüße zu kurz gegangene Schüffe durch ihre Sprengstüde noch wirken können . Ueberdies ist der bestrichene Raum der alten glatten 6- und 12ugen Kanonen mit Vollkugeln zu allen Zeiten für genügend im Felde erachtet worden. Vergleicht man aber die bestrichenen Räume derselben mit denen des gezogenen preußischen 4× ders, so ergiebt sich, daß der letztere bis 600 Schritte den glatten Geschützen nachsteht , daß er aber von da an dieſelben übertrifft und zwar auf den größern Entfernungen von 1600-1800 Schritt fast doppelt. Abgesehen nun davon, daß auf den kleinen Entfernungen dieses Mehr der glatten Geschüße ohne allen Werth ist , weil fast die ganze Bahn im bestrichenen Raum ist, wird es noch durch das bedeutende Mehr der gezogenen Geschüße gerade auf den Entfernungen , wo dieser Vortheil schwer wiegt, weitaus übertroffen. Endlich ist wohl zu beachten , daß der französische Borderladungs4uder viel höhere Bahnen hat, als der preußische, daß er dabei in Folge seiner größeren Streuung, seines Mangels an einem Percuſſions - Zünder keine systematische Aufsaßcorrection erlaubt und dennoch von der franzö fischen Artillerie als feldtüchtig in nun 3 Feldzügen erkannt worden ist. Es ist von großem Werthe, daß das Urtheil über diesen Punkt durch die Erfahrungen im Felde bestätigt wird, und daß dies der Fall ist, das beweist der Umstand, daß gerade diejenigen Artillerien , die das gezogene Geſchüß nicht nur auf dem Schießplaß , sondern auch im Felde kennen gelernt haben, dasselbe als Einheitsgeschüß eingeführt haben. Die andern gegen die gezogenen Geschüße geltend gemachten Gründe sind von weit untergeordneter Bedeutung und deshalb theilweise schon jezt zurückgenommen . Es fällt heute wohl Niemand mehr im Ernst ein, den geringen Kartätſchſchuß denselben zum Vorwurf zu machen. Artillerien, welche Shrapnels mit den difficilsten Ringzündern bei ihren glatten Ge schüßen haben, können consequenterweise nicht behaupten , daß die Bedienung eines Kreiner'ſchen Geſchüßes zu viel Zeit und kaltes Blut erfordere. Man kann weder behaupten , daß das gezogene Hinterladungs - Geschüß keinen Zeitzünder habe, denn in der englischen Artilleric ist derselbe

25 schon längst eingeführt, und sowohl preußische wie badische Versuche con statiren die Möglichkeit desselben, noch kann man diesem Zeitzünder vorwerfen, daß er für den Gebranch complicirter ſei , als jeder Siemens'sche oder Breithaupt'sche Zeitzünder. Die größere Schwierigkeit der Erzeu gung aber hat bis jetzt mit Recht nie von einem Fortschritt abgehalten. Um Alles ad 1 Gesagte zu resumiren : ,, Alle Betrachtungen führen zu dem durch die Erfahrungen mehrerer Artillerien bestätigten Resultat , daß dem gezogenen Hinterladungs - Geschüß keine zu einem Feld - Geschüß wesentliche Eigenschaft abgeht , daß deshalb die Abschaffung der glatten Geschüße ohne eine ernstliche Gefahr vorgenommen werden kann , um so mehr , als unser wahrscheinlicher Gegner mit gutem Beispiel längst hierin vorge gangen ist. ad 2. Was die Frage der Abschaffung der reinen reitenden Artillerie anbelangt, so wird dieselbe aus einem doppelten Grunde nothwendig : Fürs erste ist sie eine finanzielle Nothwendigkeit.

Denn durch den

obigen Vorschlag wird die Zahl der Reitpferde dieser Einheitsbatterien gegenüber den bisherigen Fußgeschüßen bedeutend vermehrt. Will man also die der Artillerie zugewiesenen Mittel nicht vergrößern , so bleibt nichts übrig, als die Zahl der Reitpferde der reitenden Artillerie zu vermindern ; für's zweite aber, und das ist der entschieden wichtigere Grund, ist diese Umformung der reitenden Batterien eine nothwendige Consequenz dieses gezogenen preußischen 4uders, wenn man nämlich seine Vortheile ausnutzen will. Diese lezte Consequenz ist , wie schon ausgesprochen, nicht blos das Einheitsgeschütz, sondern auch die Einheitsartillerie. Wie nämlich ein besonderes Kaliber oder eine besondere Geſchüßart dann erst gerechtfertigt ist , wenn die durch dasselbe hervorgebrachte Wirkung so bedeutend von denen der andern differirt , daß man mit der leßten den Feldzweck nicht oder nur sehr ungenügend erreichen könnte , so darf eine besondere Organisation eines Theils der Feldartillerie dann erft er folgen, wenn man dadurch eine wesentlich verschiedene und absolut nothwendige Leistung erzielt.

Dies war früher der Fall beim reitenden glatten

6Uder - Geschüß gegenüber dem fahrenden 6æder und namentllich dem Fuß - 12uder. Es wäre aber durchaus nicht mehr der Fall bei einem

26 reinen reitenden Hinterladungs - 4u.der Geschüß gegenüber einem ſolchen, das, wie oben vorgeschlagen , durch reitende und fahrende Kanoniere bedient wird.

Wenn man nun nämlich zugiebt, daß der alte glatte 6 Uder

der reitenden Artillerie stets genügt hat , um das Gefecht der Reiterei zu unterstützen, und daß derselbe mit dem gegen die napoleoniſchen Kriege viel leichteren Material selbst in den neuesten Kriegen allen Anforderungen an die beweglichste Feldartillerie entsprochen hat , so wird man auch zugeben können, daß der oben beschriebene gezogene 4uder mit 2 Fahrenden auf der Proze, 3 auf dem Wagen , also mit Totalgewichten , die um durchschnittlich 1 Centner kleiner ſind, als die der Fahrzeuge der bisherigen reitenden Artillerien , ferner mit 5 Reitenden ( incluſive Geſchüß- und Wagenführer ) den bisher an die reitende Artillerie gemachten Anforderungen beffer entspricht, als diese ; ( beffer, weil bei allem Bergauffahren und allen Terrainhindernissen die Fahrzeuge um 3-4 Centner erleichtert werden können ) . Nun soll nicht bestritten werden, daß dieses halbe Geschüß als reines reitendes Geschütz also nach Wegfall der fahrenden und Wagennummern noch beweglicher ist , als mit denselben, und daß man von einem so bedienten Geschüße ganz außerordentliche Leiſtungeu erwarten könnte ; allein eine Waffe soll für die Mehrzahl der Feldzwecke und nicht für einzelne armirt und organisirt sein, und der Vortheil, den man aus einer so gesteigerten Beweglichkeit in ganz vereinzelten Fällen ziehen kann, ist weitaus nicht so groß als der Vortheil, daß die gesammte Feldartillerie eine und dieselbe und so beweglich wird , als jezt das beweglichste Geschüß der reitenden Artillerie.

Es versteht sich aber ganz

von selbst , daß hierzu der gezogene 4uder sechsspännig geführt werden muß. Mit dieſer Bedingung ist selbstverständlich nicht ausgeſchloſſen, daß das Geschüß demnach so leicht konstruirt wird , als dies die Rücksicht auf eine möglichst starke Ladung Behufs möglichst flacher Bahnen irgend zuläßt. Dann aber hat der 4spännige Zug nur noch den Einen Vortheil, daß er eine Anzahl von Pferden bei den bisherigen Fußbatterien erſpart, während er es gänzlich unmöglich macht, von dem großen Vortheil der 6 spännigen 48.er Gebrauch zu machen, nämlich mit der Einheit des Geschüßes , auch die Einheit der Organiſation zu verbinden. Der ohnehin problematische Nugen 4spänniger Züge überhaupt wird noch mehr illusorisch durch den Umstand daß die Wagen doch 6 spännig geführt werden müssen.

27 Wir finden bei beiden andern Waffen ähnliche Beispiele. Die Reiterei hat seit längerer Zeit die Dragoner eingehen lassen, nicht als ob nicht auch jezt noch Fälle denkbar wären , wo durch eine so berittene Infanterie einzelne spezielle Erfolge erzielt werden könnten ; allein man fand , daß dieselben zu theuer erkauft seien durch die Complication in der Organisation und Ausbildung. Noch viel schlagender ist das Beispiel der Infanterie.

Bei dieser

find in Folge der Einführung des gezogenen Gewehres alle Unterarten derselben factisch eingegangen. Man verlangt mit Recht von jedem Infanteristen die gleiche Leistung ; denn er hat dasselbe Gewehr, und man giebt ihm dieselben Mittel zur Ausbildung. Wenn in einer Armee der Begriff Jäger nicht bloßer Name ist, wie z . B. in Desterreich , so rührt dies blos davon her, daß dort einzelne Provinzen im Schießen besonders eingeübte Bevölkerungen haben. Die reitende Artillerie iſt ſeinerzeit nur eingeführt worden , weil man dadurch einen Theil der Feldartillerie besonders beweglich machte und befähigte , der Reiterei zu folgen, außerdem aber zu einer Zeit , wo die Artillerie Hülfswaffe war. Sie hat sich seither den Rang einer entſcheidenden Waffe erworben ; dazu bedarf sie viel mehr , als früher, einer einheitlichen Organiſation, und nun, da ihr die Technik die Mittel an die Hand giebt, denselben Zweck einfacher zu erreichen , dürfen Vorurtheile davon nicht abhalten. Es wird Artilleristen geben, welche über diesen Vorschlag gemischter Batterien mit der Bemerkung ,, überwundener Standpunkt " hinweggehen werden. Diese werden sich erinnern , daß die ersten Geschüße Hinterladungsgeschütze waren, daß hierauf die Hinterladung Jahrhunderte lang ebenfalls ,, überwundener Standpunkt " war, bis sie heute wieder neueſter Fortschritt geworden ist. Früher hatten diese gemischten Batterien den großen Nachtheil, daß die reitenden Batterien, die solche waren, immobiler wurden ; heute sollen sie die Beweglichkeit der gesammten Feldartillerie steigern. Damals complicirten sie die Organisation der einzelnen Batterien ; heute vereinfachen fie diejenige der gesammten Feldartillerie auf einen früher nicht geträumten Grad. In Wirklichkeit sind unsere Fußbatterien alle längst gemischte Batterien, und durch diesen Vorschlag würden deshalb die reitenden Batterien

28 etwas an Einfachheit verlieren , winnen.

aber der Feldartillerie bedeutend ge-

Bielleicht könnte diesem Vorschlage, durch den, wie schon bemerkt, die gesammte Feldartillerie die Beweglichkeit der jezigen reitenden Artillerie erlangen würde , noch entgegen gehalten werden , daß dies deshalb überflüssig sei , weil bisher

solch beweglicher Geschüße dem Bedürfniß ge-

nügt habe. Es ist aber hier kaum nöthig , zu erinnern , daß man sich nur deshalb mit begnügt hat , weil die Mittel , das Ganze bei der nöthigen Wirkung ebenso beweglich zu machen , techniſch und finanziell fehlten. Die Batterien können zu langsam auf den Plaz kommen , zu schnell gewiß nie. Nach Erledigung dieser Borfragen sollen nun die Vor- und Nachtheile einer solchen mit dem gezogenen 4u.der ausgerüsteten Einheitsartillerie nach den verschiedenen hierbei zu berücksichtigenden Seiten näher erörtert werden. Geschoß -Wirkung. Man kann diesem gezogenen 4uder drei Arten von Geschoffen geben : Granaten,

Shrapnels , Kartätschen . Was zuerst die Granate anbelangt , ſo hat dieſelbe , wie dies auch bei einem Geschoß, welches ohne allen Spielraum durch ein gezogenes Rohr geführt wird, ganz natürlich ist , bei 1,1 & Pulverladung , 11 Loth Sprengladung und bestrichenen Räumen , die von 600 Schritt an diejenigen der alten glatten Feldgeschütze weit übertreffen , dieselbe Treffwahrscheinlichkeit, wie die gezogene 6uge Granate, d. h. fie trifft auf diejenigen Entfernungen, auf die man im Feld überhaupt wirken. will, also bis 2000 Schritt mit faſt abſoluter Sicherheit. Ihre Wirkung am Ziel ist in Folge der momentanen Wirkung des Zünders und in Folge des Umstandes, daß sich die Geschwindigkeit anf den größeren Entfernungen sehr langsam vermindert , durchschnittlich der Wirkung der früheren Vollkugeln überlegen. Wenn man also auch zugiebt , daß sich durch falsch geschäßte Entfernungen und unrichtiges Beobachten in vielen Fällen die Wirkung auf die Hälfte und auf vermindert , so bleibt im

29 Vergleich mit der alten 128der Vollkugel, deren Treffwahrscheinlichkeit auf 1500 Schritt schon unter den normalſten Verhältnissen auf 33 %, bei Schäßungsfehlern von 150 Schritt, aber auf 8 % gesunken ist, eine allerwenigstens doppelte Geschoßwirkung. Diese Ueberlegenheit aber kann sich in Fällen, wo man ſich der Entfernungen versichern kann, oder wo man systematisch korrigiren kann , bis zum 5 und 10fachen steigern . Nicht viel kleiner ist die Ueberlegenheit über die gezogenen 4 der Vorderladungsgeschütze, wenn man dort namentlich rechnet, daß sie dieſer auf allen Entfernungen in den bestrichenen Räumen voraus ist. Dieselbe Granate kann mit kleinen Ladungen im hohen Bogen gegen

horizontale Ziele mit einer Sicherheit geworfen werden, die diejenige aller bisher angewandten Wurfgeschosse bedeutend übertrifft. Wenn nun auch die kleinere Sprenglabung von 11 Loth die Sprengwirkung der früheren 78gen Granaten mit durchschnittlich 16 Loth Ladung nicht erreichen läßt, so gleicht sich das schon durch die sichere Wirkung des Zünders aus, und es erhöht die früher mögliche Wirkung bedeutend durch die ungleich größere Treffwahrscheinlichkeit und den Umstand , daß jedes Geschüß ein Wurfgeſchüß ist. Auch hier im Werfen ist dieser 4uder der Treffwahrscheinlichkeit , der größern Sprengladung und des Percussionszünders wegen bedeutend wirksamer, als der französische. Die Wirkung gegen feste Ziele ist zwar für das Feldgeschütz von untergeordneter Bedeutung, allein auch hier steht die 4uge Granate wegen der momentanen Sprengwirkung selbst dem alten Feld 128.der nicht nach. Der französische 48.der mit seinem Zeitzünder wird weit überholt. Endlich hat dieſe 44ge Granate in Folge ihres Zünders und der Anzahl von Sprengpartikeln , in die sie zerspringt, den großen Vortheil, daß sie, vor die Ziele geschossen, als Shrapnel, beziehungsweise als Kartätsche wirkt. Diese ihre Wirkung ist so entschieden , daß , wenn man einen hohen Werth auf die größte Einfachheit der Munition legen will, man ohne Gefahr auf diese beiden letzten Geschoßarten verzichten und die Granate als das einzige Geschoß dieses einzigen Geschützes der Feldartillerie einführen könnte. Daß Artillerien , die den Krieg kennen gelernt haben, wie die französische, so wenig Werth auf den Shrapnelschuß legen, daß sie von 32 Schuß per Proze nur 3 solcher Geſchoffe führen, ist bei dem Umstand , daß die französische Granate nicht wie die preußische den Shrapnel erseßt , gewiß ein Beweis , daß derselbe jebenfalls

30 nicht unentbehrlich ist. Was den Kartätſchſchuß anbelangt, so wird weiter unten von demselben die Rede sein. Soviel kann mit Beſtimmtheit von der Granatwirkung dieſes 44 gen Geschüßes behauptet werden, daß sie im Schuß und Wurf alle bisherigen Feldgeschütze bedeutend übertrifft. Was den Shrapnelschuß anbelangt , so ist hier derjenige mit dem Percuſſions- und derjenige mit dem Zeitzünder zu unterscheiden. Die Wirkung des Shrapnels mit Percussionszünder ist von der Wirkung der Percussions - Granate , welche nahe vor dem Ziel crepirt , nicht verschieden genug, um die Anwendung dieses besonderen Geschoffes gehörig zu rechtfertigen, namentlich, wenn man bedenkt, daß seine Wirkung, mehr als die der Granate , von ſubtilen Correctionen und dem Terrain am Ziel abhängig ist. Indessen giebt er immerhin in günstigen Fällen eine sehr bedeutende Wirkung, und wenn man sich der ungeheuern Zahl von Geschoßarten in früherer Zeit erinnert, so ist die Munition auch bei seiner Beibehaltung noch sehr einfach. Giebt man aber dem Shrapnel einen Brennzünder , so fällt natürlich der Vergleich mit den Shrapnels der bisherigen glatten und der gezogenen Vorderladungs - Geschüße schon deshalb bedeutend zu Gunsten der preußischen 4uder aus , weil bei dieſem die Correction , die Hauptschwierigkeit bei allem Shrapnelſchießen , ſich auf eine sichere methodische Art ausführen läßt , was sich bei großen Streuungen , also bei Spielraum- Geſchüßen , verbietet. Man hat sich offenbar von den Schießreſultaten der Granaten und Shrapnels der preußischen Geſchüße auf dem Schießplay verblenden laſſen, als man dieselben dem Zeitzündershrapnel an die Seite sezte.

Durch den Zeitzünder würde nicht nur die Wirkung

der Shrapnels für die Mehrzahl der Fälle bedeutend erhöht , es würde durch dieselben auch der Nachtheil falsch geschätzter Entfernungen bedeutend sich vermindern , und dadurch , sowie durch die Unabhängigkeit der Wirkung vom Terrain am Ziel die ganze Feldtüchtigkeit des Systems wesentlich gehoben. Ein solches Geschoß könnte mit größerem Rechte noch, wie die Granate , als Einheitsgeschoß eingeführt werden , denn es würde sich auch für den Wurf eben so gut , ja beſſer eignen , als die immer doch im aufsteigenden Aſt des zweiten Bogens crepirende Granate. Allerdings wird die Wirkung dieses Geschoffes gegen feste Ziele sehr klein ſein. Es ist aber schon oben aus dem Beiſpiel der franzöſichen Artillerie

31 nachgewiesen, daß man auf diese Wirkung nöthigenfalls auch verzichten kann, und man muß gerade hier noch auf die englische Feldartillerie verweisen, die diese Idee des Einheits- Geſchoffes eben in einem Zeitzünderſhrapnel verwirklicht hat, allerdings mit der das Geschoß sehr complicirenden Beigabe eines Percussionszünders . Im Ganzen genommen fällt die Vergleichung der Shrapnelwirkung des preußischen 4uders mit derjenigen der glatten Geschüße und der gezogenen Vorderladungs - Geſchüße nicht in dem Grad zu Gunsten der 4uder aus, wie die Granatwirkung ; allein sie ist mit einem Zeitzünder dennoch größer , und mit einem Percussionszünder deshalb kein wesentlicher Nachtheil, weil unser wahrscheinlichster Gegner, die französische Artillerie, die Shrapnelwirkung überhaupt geringschäßt. Was die Kartätsche anbelangt , so ist das zweifellos die schwächste Seite der gezogenen Geſchüße, namentlich des 44.ders. Allein man muß kleine Vortheile zu opfern wissen, wenn man große damit erlangen kann. Das Infanteriegewehr schon, mehr noch aber das gezogene Gefchüß verweist den Kampf auf größere Entfernungen. Die alte KartätschschußDistance 200 ist für jeden , der nicht empfindlich gestraft ſein will , auf 600 gerückt. Dort hat auch das glatte Geschütz eine schlechte Wirkung. Gegen Reiterei aber brauchen sich gezogene Batterien nicht mehr wie bisher zu exponiren und können sich getrost auf die eigenen Truppen und in letter Instanz selbst auf ihre Kartätsche verlassen , wenn ſie ſie nahe genug abgeben. Endlich, und das wiegt abermals alle Schlüffe auf, hat ja der französische 4uder dieselbe schlechte Wirkung , obgleich gerade die französische Artillerie bei ihrem Spielraum - Geschüß einen viel größeren Werth auf die Kartätsche legen muß und auch in der That darauf legt. Bei der ganzen bisherigen Betrachtung ist der kurze 12uder mit

seiner excentrischen Granate außer Rechnung geblieben , obgleich , nicht weil dieses Geschoß den ganz eigenthümlichen Vortheil hat , daß es eben auf den Entfernungen, wo das gezogene Geschütz neben der großen Treffwahrscheinlichkeit auch den viel größeren bestrichenen Raum vor der Vollkugel voraus hat , seiner gegenüber dem gezogenen Geschüß immer noch mangelhaften Treffwahrscheinlichkeit durch bedeutende bestrichene Räume aufhilft. Der Grund dieser Nichtberücksichtigung ist einfach. Es wird heute Niemand mehr einfallen, zu behaupten, daß man die gezogenen

32 Geschütze in der Feldartillerie entbehren könne; sie sind ja factisch überall schon eingeführt. Will man also ein Einheitsgeschüß für die Felvartillerie, so muß man auf die glatten Geschüße , selbst wo sie ganz unbestrittene Vortheile haben sollten, verzichten ; denn diese können nun und nimmermehr die gezogenen Geschüße verdrängen, während dies umgekehrt sehr leicht möglich ist. Die bisherigen Ansichten über die Geschoßwirkung der gezogenen preußischen 4u.der werden sich demnach dahin reſumiren laſſen , daß fie im Durchschnitt der der alten glatten Geschüße auf den kleinen Entfernungen unbedeutend nachsteht, sie aber auf den größeren bedeutend übertrifft , und daß sie derjenigen der gezogenen Vorderladungs - 48.der auf allen Distanzen namhaft überlegen ist. Es ist fast überflüssig , hierbei zu wiederholen, daß das gezogene Infanteriegewehr die Distanzen bis zu 600 Schritt zu Ausnahmefällen für die Artillerie macht. Hier ist der Platz, auf eine Consequenz aufmerksam zu machen, die sich aus der Gesammtwirkung dieser preußischen 4u.der ergiebt und die sehr kräftig zu Gunsten der Einheitsartillerie spricht : nämlich die durch dieses Geschütz bedingte Veränderung in der Gefechtsart der Artillerie. Der Umstand , daß dieses Gefchüß seine relativ größte Ueberlegenheit auf den größeren Entfernungen 1000-2000 Schritt hat, und sein schlechter Kartätſchſchuß muß dasselbe veranlaſſen , ſich mehr auf dieſen größeren Entfernungen aufzuhalten. Diese schützen es außerdem gänzlich vor dem Jufanteriefeuer. Die Nothwendigkeit, sich möglichst einzuſchießen, wird eine dringende Aufforderung sein, die Poſitionen so selten als möglich zu wechseln, wozu um so weniger ein Grund vorliegt, als es ja dem Feinde von jeder Stellung 2-3 mal ſo lang mit seinem Feuer folgen kann, als früher der glatte 6uder. Dadurch aber wird die sogenannte rapide Bedienung und das Heranfahren in der Carriere in der großen Mehrzahl der Fälle ein nicht nur nugloſes , ſondern meist nachtheiliges Bravourstück, weil namentlich das erste sich mit der präciſen Bedienung der gezogenen Geschütze nicht recht verträgt. Daraus folgt, daß das Geschütz an und für sich schlecht für ein reines reitendes Geschüß sich eignet, weil gerade die specifischen Vortheile des leßtern nicht recht sich mit der Wirkung des ersten vertragen. Es wird nun Artilleristen geben , die daraus schließen , daß man das gezogene Geschüß deshalb nicht als Einheitsgeschütz verwenden kann ;

33 es wird aber uugleich logischer sein , daraus zu schließen , daß man die reitende Artillerie in ihrer bisherigen Form nicht richtig für diese gezogenen Geschütze verwenden kann, und daß man ſie deshalb mit der Einheitsartillerie verschmilzt, wodurch sie an Wirkung gewinnt, an Beweglichfeit nichts verliert, und wodurch außerdem die gesammte Felbartillerie wesentlich an Beidem zunimmt .

Munitionsausrüstung. Wie oben nachgewiesen , kann man dem 48der 50 Schuß in die Probe geben. Dieſe Zahl ist bei einem so kräftig wirkenden Geschütz, was außerdem nicht zu dem Verzweiflungsmittel des Schnellfeuers zu greifen braucht, so bedeutend, daß man ohne alles Bedenken sogar auf 40 Schuß herabgehen könnte.

Die Maßregel der Munitionsverminderung wird

sich bei dem Wagen unter allen Umständen empfehlen, denn derselbe darf mit drei aufgeſeſſenen Leuten nicht über 38 Centner wiegen ; hierbei wird angenommen, daß beim Wagen dem Pferd 50 u. mehr zugemuthet werden dürfen, was bei der großen Unabhängigkeit des Geſchüßes von demselben auch thunlich ist. Das Geschütz sammt Wagen kann dann immer noch 170 Schuß führen, was bei der sicheren Wirkung und der außerordentlichen Erleichterung des Munitionsaustausches eine vollständig genügende Zahl ist. Der französische 48 der führt 32 Schuß per Proze, 128 per Halbzug. 1859 führten die 12 Batterien eines preußischen Armeecorps 12396 Schuß in Geschütz und Wagen mit ; 12 solcher 4uder - Batterien hätten 16320 Schuß bei sich, und selbst bei 40 Schuß per Proße von Geschütz und Wagen noch 15360 Schuß.

Bedienung. Es ist schon oben bemerkt , daß die Natur des gezogenen Geschüßes und seine Gefechtart eine präzise Bedienung , nicht eine rapide verlangt. Aber auch in letter Beziehung muß auf das schon oben Gesagte verwiesen werden , daß nach den Erfahrungen derjenigen Artilleristen , die praktisch mit dem Kreiner'schen Verschluß vertraut geworden sind , eine schnelle Bedienung bei demselben keinem Anstand unterliegt. Man muß zugeben, daß seine Behandlung beim Reinigen 2c. eine genaue Juſtruction erfordert, die indeffen leicht zu fassen ist , daß aber die Bedienung am Geschütz selbst einfach , sehr leicht einzuüben und ungefährlich ist, in welch letzteren 2 Richtungen das Hinterladungs- Geschütz sogar dem ge3 Achtundzwanzigfter Jahrgang. LVI. Band.

34 zogenen Vorderladungs - Geschüß und dem glatten bei einem excentrischen Granatfeuer überlegen ist. Daß aber die ganze Bedienung durch 5 Mann exclusive des Geschützführers geschehen kann, ist ein großer Vortheil, weil dadurch gegenüber den alten glatten Geschüßen nur die Hälfte der Mannschaft exponirt, außerdem der Ersatz viel leichter ist. Beweglichkeit. In dieser Beziehung wird es genügen , auf das Gewicht des Geschüßes zu verweisen, das mit zwei Fahrenden vollständig ausgerüstet mit 50 Schuß 34, mit 40 Schuß 33 Centner wiegt. Nach den bisherigen Erfahrungen wäre ein solches Geschütz ſowohl für die Zurücklegung größerer Strecken, als namentlich für das Passiren von Hindernissen , wo es um 3 Centner erleichtert werden kann , so beweglich , als irgend im Feld nöthig ist.

Jedes Geschütz könnte der Reiterei folgen, und selbst , wenn

die Pferde der reitenden Nummern entweder gefallen oder für gefallene Zugpferde eingetheilt wären, würde es ein noch sehr bewegliches fahrendes Geschütz sein. Endlich könnte bei der Unabhängigkeit vom Wagen für die Sicherung des letzteren im Gefecht die größte Rücksicht getragen werden, um so mehr , besitzt.

als dieser selbst vollständig genügende Beweglichkeit

Der weitaus größte Nugen aber ergiebt sich für die Organisation; namentlich, wenn man auf die Verhältnisse unserer Bundesarmee zurücktommt.

Es ergiebt sich nämlich sofort : 1) sämmtliche Feldbatterien erhalten für Kriegs- und FriedensFormation einen und denselben Stand an Offizieren, Mannschaft, Reit- und Zugpferden; 2) sämmtliche Feldbatterien tragen zu vollkommen gleichen Quoten an der Bildung derjenigen Körper bei , die im Feld neu aus der Felbartillerie zusammengestellt werden ; 3) bedeutende Vereinfachung und namentlich Verminderung der Munitions-Reserven und der Feldlaboratorien; 4) bedeutende Vereinfachung und Erleichternng der Ausbildung der Feldartillerie;

35 5) ein gegen früher ungleich günstigeres Verhältniß zwischen Kriegsund Friedensstand für sämmtliche Feldbatterien , namentlich an Pferden, also mehr Mittel zur Ausbildung der Mannschaft ; 6) Erleichterung der Ausbildung der Ersatz- Mannschaft für das Feld.

Hierzu kommt vielleicht als wichtigster Vortheil des ganzen Systems eine Erhöhung der Verwendbarkeit und eine Erleichterung des Gebrauchs der Artillerie im Feld , der man nur ein Beiſpiel der jeßigen Organiſation entgegenzuhalten braucht. Man betrachte ſich abermals die Artillerie eines unserer gemischten Armeecorps ; dieselbe kann bestehen aus : 1) gezogenen preußischen 6udern, 2) gezogenen Vorderladungs - 4u.dern, 3) gezogenen Vorderladungs - 6 u.dern, 4) glatten 6dern, 5) glatten langen 12.dern, 6) halblangen 7ugen Haubißen, 7) kurzen 74gen Haubitzen. Man mag nun für die Divisionen Batterien abgeben , welche man will: es bleiben dieselben 7 Geſchüßarten für die Artilleriereserve. Nun stelle man sich die mehr als grausamen Verlegenheiten vor , denen der Commandant dieſer Reſerve ausgeseßt ist , der den Befehl erhalten hat, mit ihr eine Entscheidung durch einen Artilleriemassenkampf herbeizu führen. Schon beim Anmarsch muß der Jammer beginnen. Geht er rasch vor, so kommen die schweren 12- und 7uder nicht mit ; geht er langsam vor, so werden sich die glatten 6uder und die gezogenen Vorderladungs -4uber alsobald erinnern , daß ihr Hauptvortheil die Beweglichkeit ist.

Indessen läßt sich das , wenn auch nicht ohne Reibung , über-

winden. Wo aber fährt er auf ? Möglichst nahe an den Feind in der - sonst verfeuern wir unsere Carriere — werden die glatten 6uder rufen — Munition umsonst. Mittlere Entfernungen und aus dem Infanteriefeuer wird die Meinung der Vorderladungs-4uder sein - das Nahgefecht ist nicht unsere Stärke. Vor allen Dingen nicht zu nahe an die Cavallerie, denn beweglich sind wir nicht überflüssig — denkt der lange 12uder. Ganz ---- meint der gezogene aus dem wirksamen Bereich des feindlichen Feuers — 6uder denn einschießen muß ich mich doch, und habe ich das fertig, so 3*

36 ist der Feind so wie so verloren. Am leichtesten ist der 7æder zu bes handeln, er befindet sich überall gleich unbehaglich. Unglücklicherweise haben sie alle Recht.

Man sieht , man hat blos

die Wahl, entweder auf das Zusammenhalten und damit nothwendigerweise auch auf die Concentration des Feuers d. h. auf die eigentliche Wirfung der Artillerie-Maſſe zu verzichten, oder sie zusammenzubehalten, dann aber stets den größern Theil der Geschüße höchst unvortheilhaft zu verwenden. Diesem Beispiele gegenüber stelle man sich die Einheitsartillerie vor. Jede Batterie, die bei der Hand ist , wird in die Artilleriemaffe eingestellt.

Die ganze Masse fährt auf, wo sie Plag hat ; für die Leitung

des Feuers ist nur Ein Geschüß maßgebend ; die andern find alle gleich. Nicht minder vortheilhaft ist die Verwendung solcher Batterien als Divisions - Artillerie , sei es nun in der eigentlichen Schlacht , sei es in Vor- oder Nachhutgefechten.

Man trifft auf Schanzen ; statt nach der

Haubiybatterie zu seufzen , wirft man Granaten. Ein Verhau hält die Vorhut auf; statt nach 12udern zu schicken, schießt man Granaten. Der Feind geht auf großer Entfernung rasch durch ein Defilee zurück : nur einige Schüsse aus einem gezogenen 6uder , denkt der glatte 6uder ; unser 4uder aber schießt. Man will mit der Reiterei einen Schlag thun, aber es sollte rasch geschehen ; jezt reitende Artillerie vor ; unser 4u.der fährt mit. Welche Vereinfachung für die Eintheilung der Batterien, die Artilleriedirection, den Generalstab! Endlich welche immense Vereinfachung und Erleichterung für die Erzeugung, den Nachschub und den Austausch der Munition. Man erinnere sich in dieser Beziehung der schon entworfenen Schilderung unserer jetzigen Verhältnisse. Zum Schluß soll nun die Einheitsartillerie vom ökonomischen Standpunkte aus betrachtet werden , und der Natur der Sache nach ist hier dreierlei zu berücksichtigen : 1. Die Kosten der Neuanschaffung. Daß diese einmal aufgewendet werden müssen , versteht sich wohl von selbst. Wenn man einen großen Zweck will , muß man die Mittel bezahlen. Man hat sich nirgends einen Augenblick besonnen , die be-

37 deutenden Kosten aufzuwenden , welche die Bewaffnung der Infanterie mit dem gezogenen Gewehr erfordert hat. Desterreich hat 1859 erfahren, was es nüht , am Material zu viel zu sparen, und hat erst in den legten Wochen eine schöne Zahl von Millionen für die Herstellung von 120 Feldbatterien gezogener leichter Geschüße von seinem Reichstag verlangt. 2.

Die Mittel , welche erforderlich sind für den Kriegsstand der Feld artillerie. Daß ein Geschüß, welches mit 5 Mann , incl. 1 Reserve-Nummer,

bedient wird, eine namhafte Ersparniß an dem bisherigen Mannschaftsſtand ermöglicht , ist an und für sich klar , wenn man sich erinnert, daß 10 , der durchschnittlich überall der glatte 68der 7 , der 12uder 9 7uder 8-9 Mann Bedienungs - Mannschaft erfordert hat. Weniger einleuchtend ist vielleicht, daß auch der Pferdeftand für diese Organisation nicht mehr , sondern weniger Mittel in Anspruch nimmt. fachsten weist sich das an einem Beispiel nach.

Am allerein-

Legt man den Pferdestand

zu Grund, der nach dem preußischen Handbuch für Artillerieoffiziere tarifmäßig war für die Feldartillerie eines Armeecorps , so ergiebt sich , daß für den unmittelbaren Dienst der Geschüße und Munition 8wagen folgende Zahlen gültig waren : für eine reitende Batterie 176 Reit- und Zugpferde, für eine 12uge Fußbatterie 162 Reit- und Zug- Pferde, für eine 7uge Haubisbatterie 126 Reit- und Zug- Pferde, folglich für die 3 reitenden 6-128gen und 3-7ugen Batterien 1878 Reit- und Zugpferde. Unter der Voraussehung nun , daß der Stand der Offiziere und Unteroffiziere wie die Zahl der Batteriefahrzeuge ( Vorraths- und GepäckWagen ) sowie die Zahl der Reserve - Pferde nicht geändert wird bei dieſen neu zu formirenden 4 ugen Batterien, wodurch dieselben abermals noch in Vortheil kommen , braucht man mit dieser Zahl blos denjenigen Pferdeftand zu vergleichen , den die Bedienung von je 8 Geschützen 12 solcher Batterien also von 96 Geſchüßen verlangt , denn alles Uebrige bleibt sich gleich. Derselbe beträgt, wenn man jedem Geschüß einen Munitionswagen zutheilt

96.18

1728 Reit- und Zug- Pferde, also erspart 150 Pferde ; wenn man aber je 2 Geſchüßen nur einen Wagen zutheilen würde :

38 48.7 Bferde weniger, also erspart 486 Pferde. Diese 12 glatten Batterien führten hierbei mit ſich

12396 Schuß, gegen 16320 Schuß der 4ugen Batterien im ersten Fall und 10560 Scrß

im zweiten Fall. Hierzu ist aber noch zu rechnen, daß durch Berminderung der Fabr. zeuge der Munitions- und Laboratorien- Colonnen wenigftens noch weitere 100 Pferde erspart werden. Die kleinern deutschen Artillerien werden durchschnittlich eher mehr reitende Artillerie halten , weshalb sich bei dieſen die Bergleichung noch mehr zu Gunsten der Einheitsartillerie geſtaltet. 3. Mittel für den Friedensstand .

Wenn man zu Grunde legt, daß die Friedensformation für Batterien, welche im Feld 8 Geschütze mit 8 oder 4 Wagen führen , 4 bespannte Geschütze ist , daß ferner von den 6 Reitpferden , die zu einem Geſchüg mit Wagen gehören, zur Einübung der Batterien zwei wegfallen können, nämlich das Pferd des Wagenführers und das Pferd einer reitenden Bedienungsnummer, die auf dem Friedensstand ganz gut als 3. Nummer auf der Proze fahren kann; so sind für ein Friedensgeschüt nöthig 6 Zugpferde und 4 Reitpferde , also für die 48 Geschüße 12 solcher Batterien 480 Reit- und Zugpferde. Nun betrug 1860 nach dem preußischen Handbuche der Friedensstand der Feldartillerie eines Regiments an Reit- und Zug- Pferden nach Abzug der Offiziers- Pferde 552 Pferde ; für 48-4uge Geschüße à 10 Pferde = 480 abgerechnet, bleiben 552 — 480 = 72 Pferde zur Vertheilung übrig ; folglich kaun man jeder dieſer Batterien noch 6 Pferde zutheilen , womit man mehr als ausreicht, um die Unteroffiziere , die nicht zum Geschüß gehören , und die Trompeter beritten zu machen. Auch hier ist zu bemerken, daß die Artillerien der kleinern deutschen Staaten ihre reitenden Artillerien verhältnißmäßig besser dotirt haben, als Preußen , daß also für diese die vorhandenen Mittel noch leichter ausreichen. Daß der Mannschaftsstand ebenfalls vermindert werden kann, versteht sich von selbst, wofern man nicht vorzieht, im Intereffe besserer Präsenz Verhältnisse denselben beizubehalten.

39 Man sieht , wenn man nicht die der Feld- Artillerie bis jest gewährten Mittel schmälern will , so reichen diese vollständig aus , um die vorgeschlagene Organisation auszuführen , und zwar für die Kriegsformation sogar noch mit Ueberschuß. Sowohl für das zum Kriegs- wie zum Friedensstand gewählte Beispiel ist indessen noch eine Bemerkung nöthig.

In beiden Fällen sind die Batterien zu 8 Geſchüßen angenommen, nicht weil für die 4gen Geschütze diese Formation besonders angemessen erscheint; für sie so gut wie für alle andern Geschüße ist die Formation zu 6 Geschüßen angemessener , und noch besser die zu 4. Indessen ist das eine andere Frage, und wenn es sich darum handelt, die Koſten zu vergleichen, so muß nur in beiden Fällen auf derselben Basis verglichen werden. Dies ist hier die Formation zu 8 Geschüßen im Feld , 4 im Frieden, weil dem Verfasser für diese die Tarife zur Verfügung stehen, die für die Batterien zu 6 oder 4 Geschüßen fehlen. Die bisherigen im Einzelnen weitläufigen Betrachtungen über die Geschoßwirkung dieses Geschüßes , die Beweglichkeit , die Bedienungsund Munitions - Ausrüstungs - Verhältnisse , sowie die zur Ausführung seiner Organisation nöthigen Geldmittel sind auf die Gefahr hin , den Leser zu ermüden, unternommen worden , um den Vorschlag gründlich vor dem Vorwurfe zu bewahren, daß er sich ins Reich der Träume verirrt habe.

Das Resultat aller bisherigen Ausführungen wird sich

dahin resümiren laſſen : Ohne die gegenwärtig für die Feldartillerie verwilligten Mittel zu überschreiten, ist es möglich, durch Construction eines gezogenen Hinterladungs - 4uders mit Kreiner'ſchem Verſchluß nicht nur die Kaliber- und Geschüß- Einheit in den deutschen Artillerien herzustellen , sondern auch der gesammten Feldartillerie Eine und dieselbe Organisation zu geben, wobei der Hauptsache nach folgende Vortheile gegenüber den bisherigen Armirungen erreicht werden. 1. Bedeutende Steigerung der Gesammt - Geſchoß - Wirkung gegenüber den glatten wie den gezogenen Vorderladungs - Geſchüßen aller Systeme. 2. Die gesammte Feldartillerie erhält eine Beweglichkeit , wie sie jest nicht einmal die reitenden Batterien haben.

40 3.

Eine reichliche Ausrüstung mit Munition. Eine große Erleichterung in der Ausbildung der Truppe. 5. Bedeutend günstigere Verhältniffe für den Uebergang vom Friedens auf den Kriegsstand. 4.

6. Eine wesentliche Erleichterung in der Erzeugung, dem Nachschub und dem Austausch des Materials. und das ist mit dem Vorhergehenden der Haupt7. Endlich allseitige Verwendbarkeit jeder Batterie im Feld und für Vortheil die gemischten Armee Corps die Möglichkeit eines Zusammenwirkens ohne Reibungen, welche die Kräfte vor der Action verzehren . Jubessen , so schön auch Alles klingt , so darf man sich doch nicht verhehlen, daß von dem Augenblick an , wo die Ueberzeugung von der Möglichkeit und der Nothwendigkeit einer solchen Material- und Organisations- Einheit sich Bahn gebrochen haben wird, bis zu dem , wo dieselbe praktisch zu werden beginnt , noch viele Jahre vergehen werden. Man wird sich wohl noch lange Zeit hindurch damit begnügen müſſen, zu verhüten, daß nicht bei den jezt nothwendig werdenden neuen Armirungen durch fehlerhafte Maßregeln die Erreichung des bezeichneten Zieles abermals unmöglich gemacht wird. Wir sind ja noch nicht einmal so weit, daß die erste Vorbedingung zum Gelingen, die Ueberzeugung von der Nothwendigkeit einer SystemEinheit constatirt werden kann. Angesichts der Thatsache, daß drei große Artillerien , welche diese Frage auf dem Schlachtfelde studirt haben, das gezogene Einheitsgeschüt definitiv einführen , drei Artillerien , welche zur Zeit ihres blühendsten Kaliber- Reichthums nie den dritten Theil der Geschüßarten mit sich führten , die heute noch unsere gemischten Armee-Korps mit sich führen : Angesichts dieser Thatsache giebt es noch Artilleristen , welche es für möglich halten, neben dem gezogenen preußischen 6uder einen Vorderladungs - 4u.der in die Feldartillerie einzustellen. Wenn man ſich einmal flar geworden ist, daß die Hinterladungs - Geschüye feldkriegstüchtig sind, und das ist im Grunde genommen überall der Fall , wo man dieselben definitiv in die Feldartillerie eingereiht hat, kann man, ohne eine offenbare Inconsequenz zu begehen , nicht mehr an ein gezogenes Vorderladungs- Geschüt denken. Bei der ungeheuern Gründlichkeit der deutschen. Natur ist es deshalb ein großes Glück , daß die Frage : Vorder- oder

41 Hinterladung unter dem Drang der Ereignisse des Jahres 1860 rasch praktisch entschieden worden ist durch die Einführung des gezogenen preußischen 6uders in sämmtliche deutsche Artillerien.

Es ist indeſſen

von großem Werthe, die Gründe zu prüfen, welche von Artilleristen, die den hohen Werth einer Material - Einigung nicht verkennen , für dieſe Einführung des gezogenen Vorderladungs - Geſchüßes geltend gemacht werden. Wenn man nämlich zugiebt, daß der Kreiner'sche Verschluß dem Hinterladungs-Geſchüß zur unbedingten Feldtüchtigkeit verholfen hat , so bleibt zur Rechtfertigung der erwähnten Maßregel offenbar nur der Grund, daß ein so subtil zu behandelndes Geschüß mit seiner die größte Präciston verlangenden Bedienung namentlich nicht für die Bewaffnung der reitenden Batterien tauge. Das heißt aber die Organisation zum Zweck erheben, während sie blos Mittel sein soll.

Die Organisation der

reitenden Batterien war, um schon Gesagtes zu wiederholen, das Mittel, den leichten glatten 6uder auszunützen .

Wenn nun durch diese Orga-

nisationsform der gezogene Hinterladungs - 4uder nicht recht verwerthet werden kann, so folgt daraus doch nicht, daß deshalb ein Vorderladungs4uder eingeführt werden muß , ſondern man wird daraus folgern , daß man eine andere Form suchen muß, um dem Feldzweck zu genügen und dabei die unbestrittenen Vortheile eines gezogenen Hinterladungs- EinheitsGeschützes auszubeuten. Es versteht sich von selbst , daß hierdurch die unläugbaren Vortheile der Vorderladung nicht geschmälert werden sollen ; nur wäre es eine nußlose Arbeit , diese Frage , die bei uns praktiſch geLöst ist, theoretisch zu behandeln.

Es giebt vortrefflich construirte gezogene

Borderladungs - Geschüße , und die Artillerien , die sie führen, sind auch nach Erprobung von Hinterladungs- Geschützen mit den ersten zufrieden. Aber so wenig es in Frankreich einem Artilleristen einfallen wird, neben ſeinem Geſchüß ein Hinterladungs- Geſchüß einzustellen , ebensowenig ist es bei uns möglich , einen Vorderladungs - 4u.der einzuführen , ohne die Material - Einigung auf lange Zeit unmöglich zu machen. Wenn aber selbst große, nach jeder Richtung centralisirte Armeen , wie die franzöſiſche, die österreichische, die Nothwendigkeit einer Vereinfachung des Materials derart empfinden, daß sie mit großen Kosten zum Einheitsgeschütz greifen , wie viel zwingender müffen diese Gründe für die kleineren Armeen sein, die selbst bei vollständig einheitlichem Material noch immer genug Reibung zu überwinden haben werden , bei dem der Natur der Sache nach nie vollständig zu centralisirenden Personal ? -

42 Welche Aufforderung für uns ,

mit Hinansehung

individueller

Ueberzeugungen die Material- Einigung berbeizuführen ! Was soll aber nun vorerst geschehen , um das in der vorliegenden Stizze geschilberte Ziel zu erreichen ? Fürs erste teine Vermehrung der gezogenen preußischen 6 &der mehr. Nicht als ob derfelbe nicht ein ganz vorzügliches Geschüß wäre. Er ist nicht deshalb Poſitions - Geſchüß , weil er zu schwer ist und zu wenig Munition führt. Er ist nicht schwerer als viele der alten glatten Guder und führt ebensoviel Munition mit fich, als der franzöſiſche 4uder; sondern er ist Positions - Geschüß , weil er als solches neben glatten Geschüßen die größte Leistung äußert. Man ist auch nicht deshalb veranlaßt, zum 4uder zu greifen, weil der 6uder nicht als Manövrir-Geschütz zu gebrauchen ist , sondern blos deshalb , weil der 4uder bei faſt gleicher jedenfalls genügender Wirkung viel leichter und munitionsreicher gemacht werden kann , als der 6uder.

Gerade so find ſeiner Zeit die

alten großkalibrigen gezogenen Gewehre blos deshalb durch das kleine Kaliber ersetzt worden , weil dieses im Schuß das Gleiche leiſtete. So lange der gezogene 4uder nicht existirt, ist der gezogene preußische E &der das beste unserer Feldgeschüße ; aber es darf nicht vermehrt werden, weil der gezogene 4uder ein entschieden besseres Manövrir - Geschüß und die einzige Möglichkeit ist, Einheits - Geschüß zu werden . Firs zweite aber sollten alle für unbrauchbar erkannten Feldgeschüße, und deren zählen wir mehrere Geschüzarten , durch den gezogenen 4uder ersetzt werden. In dieser Richtung wäre zu bemerken , daß der glatte lange 12 der zu schwer, der glatte 6 der zu unwirksam, die 7 uge Haubize aber eines . theils unwirksam , anderntheils von jedem gezogenen Geſchüße auch im Werfen überholt ist. Während diese Gedanken niedergeschrieben sind , haben hoffentlich

die gezogenen preußischen Geschüße ihre Feuerprobe bestanden und damit die Verehrer der glatten und gezogenen Vorderladungs - Geschüße aus ihrer legten Position vertrieben. Der allerwichtigste Fortschritt , die Einigung im Material, die Geschütz- Einheit, kann für uns blos dadurch erreicht werden, daß wir dann den gezogenen 4uder eben so fertig aus den Händen der preußischen

43 Artillerie annehmen, wie seiner Zeit den gezogenen 6uder.

Die Haupts

ſache ist und bleibt , daß ein fertiges Modell vorhanden ist. Hat man erst Gelegenheit, dasselbe praktiſch mit dem 68 der zu vergleichen, so kann die Zeit nicht mehr ferne sein , wo man den letteren an die Festungsund Belagerungs- Artillerie abgiebt und der Feld-Artillerie für das einzig übrig gebliebene Feld Geschütz eine einheitliche Organisation verleiht. Dann erst hat die Feldartillerie den leßten Nußen gezogen aus den immensen Fortschritten , den unsere Waffe in den lezten Jahrzehnten gemacht hat.

III.

Die Melsens'sche Pulverprobe. Hierzu Tafel I.

In dem pro Dezember 1862 herausgegebenen Bulletin der société In d'encouragement pour l'industrie nationale zu Paris ist auf Antrag des Herrn Labaulaye die Beschreibung zweier Apparate veröffent. licht worden, welche von Herrn Melfens , Mitglied der königlich belgischen Akademie, zu dynamometrischen und zu calorimetrischen Untersuchungen des Schießpulvers conftruirt , die AufmerkſamDie dynakeit des artilleristischen Publikums verdienen möchten . mometrische Eprouvette verfolgt den Zweck, von jedem zu untersuchenden Pulver schon im Voraus bestimmen zu können , welche Kraftwir. kungen es bei einer bestimmten Gebrauchsweise , z. B. in einer genau bezeichneten Schießwaffe 2c. hervorbringen wird , und der calorimetrische Apparat soll es ermöglichen , auch darüber Unterſuchungen anftellen zu können, inwieweit sich das Joule'sche Prinzip auf PulverExplosionen anwenden läßt, nach welchem die einer bestimmten mechanischen Arbeit entsprechende Wärmemenge durch die Hervorbringung eben jener Arbeit dann auch wieder verschwinden muß. Die dynamometrische Pulverprobe des Herrn Melsens besteht aus zwei wesentlich von einander verschiedenen Theilen , nämlich aus einem Aerometer , Taucher oder Schwimmer und aus einem Mörser. -

44 Der analog dem Regnier'schen Pulverprobirsysteme * ) conftruirte Taucher bildet einen in starken Dimensionen angefertigten Aerometer mit graduirtem Stiele, welcher, in dem Wasser einer ihn umgebenden Kufe schwimmend, fich durch die Explosion des zu probirenden Pulvers niederſenkt, sobald das Abbrennen desselben in einem auf dem oberen Theil des Aerometerßtieles aufgeſeßten Mörser bewirkt wird . Die Größe der jedesmaligen Eintauchung läßt sich leicht messen , wenn man den graduirten Stiel des Inftrumenies vorher mit einem rothen Pulver 2 . überzogen hatte. Fig . 10 ftellt einen solchen Aerometer mit zugehöriger Wasserkuse dar. - Das zum Taucher verwendete Material besteht größtentheils aus Mesfingblech von 0,001 Meter Stärke. - Der aus einem etwas stärkeren Messingblech angefertigte Stiel von 0,0213 Meter Durchmesser ist von unten nach oben in Millimeter eingetheilt und mittelst einer Schraube auf den oberen Conus des Aerometers aufgeschraubt. Der untere conische Theil des Inftruments beficht massiv aus Messing und ist ebenfalls durch eine Schraube mit dem Ganzen verbunden.

Wird das bis zum Nullpunkte seiner Scale in

Waſſer von 15° Celsius Temperatur eingetauchte Instrument mit einem Gewichte von 100 Grammen belastet , so taucht es dadurch um 278 Millimeter ein ; dem Eintauchen des Aerometers um eine Einheit seiner Scala entspricht also ein Gewicht von 0,360 Grammen. - Um ferner die Beweglichkeit des Inftrumentes erforderlichenfalls auch noch erschweren zu können, besteht der massive untere Theil des Inftruments, durch Figur 11 im doppelten Maßstabe von Figur 10 dargestellt, zum leichteren Anbringen von Ringen , Flügelchen 2c. aus zwei ineinander geschraubten Theilen . Die Durchbohrungen E dieses unteren massiven Theiles find zur Aufnahme eines Stäbchens beſtimmt, an welchem der permanente Ballast des Aerometers angebracht wird. Genügt dieser permanente Ballast in einem besonderen Falle noch nicht dazu , das Juftrument bis zum Nullpunkte seiner Scala in das es umgebende Waffer einzutauchen, so ergänzt man das hierzu fehlende Ausgleichungsgewicht durch Schrotkörner, welche in das Zunere des Tauchers eingeführt werden. Um endlich einzelne Gegenstände , z . B. Mörser 2., welche während des Inftrumentsgebrauches in dem Wasser der den

*) Rouvroy, Vorlesungen über die Artillerie, Thl. 1 , pag. 114.

45 Taucher umgebenden Kufe niederfinken follten , bequem wieder emporheben zu können , befindet sich am Boden der letteren ein Sieb F ( Figur 10 ) , welches mittelft zweier Stiele G , G emporgehoben werden kann. Die fefte Führung der leßteren wird durch einen in den oberen Theil der Kufe eingeseßten Ring, H ( Figur 10 ), bewirkt , und es sind diese Stiele G, G hohl, úm mittelft ihrer zugleich auch, z . B. im Winter warmes Waffer in den unteren Theil der Kufe einführen zu können. Den wesentlichsten und eigentlich charakteriſtiſchen Theil der Melfens’ſchen dynamometriſchen Pulverprobe aber bildet der auf den Stiel des Aerometers aufzufeßende Mörser , welcher für verschiedene Verfuchszwecke mit verschieden gestalteten Ausbohrungen versehen ist und außerdem auch noch durch das Aufschrauben einer Serie von Mundftücken oder sogenannten Lumièren mit verschiedenartig geformten Ausftrömungsöffnungen für das Pulvergas versehen werden kann . - In den Figuren 1, 2, 3, 4, 5 und 6 find die sechs von Melsens adoptirten Grundformen der Mörser im Achsendurchschnitt dargestellt. Die cylindrischen Bohrungen A der Figuren 1 , 2 und 3 unterscheiden sich lediglich durch das Verhältniß ihrer Höhe zu ihrer Weite von einander, während die cylindroconiſchen Bohrungen B der Fig . 3, 4 und 6 mannigfache Arten von Cylindern und Kegeln mit einander combiniren. -- Die Wandftärken dieser Mörser stehen im umgekehrten Verhältnifſſe zum Durchmesser ihrer Ausbohrung oder Kammer , welche leßtere bei größerer Complicirtheit ihrer Form auch wohl aus zwei zuſammengeschraubten Metallstücken gebildet wird. Jeder Mörser hat eine Schwanzschraube C, welche, bei cylindroconischen Mörsern sowohl auf den cylindrischen als auch auf den coniſchen Theil der Bohrung aufschraubbar, den unteren Verschluß der Mörserkammer bildet und zugleich zum bequemen Auffeßen des Mörsers auf den graduirten Stiel des Aerometers eingerichtet ist. Die zum Aufschrauben auf den oberen Theil der Mörserbohrung bestimmten Mundstücke oder Lumièren D sind, wie aus den Figuren 2, 6, 7 und 8 ersichtlich , bald aus einem bald aus zwei Metallftücken zuſammengeseßt und bilden cylindrische oder cylindroconische Ausströmungsöffnungen für das Pulvergas , welche ſich hauptsächlich durch die Größe ihrer obersten Mundlochtheile wesent= lich don einander unterscheiden. Es haben dieſe leßteren nämlich bei Lumière:

46 Nr. 7 (Fig. 8) 0,011 M. Durchmeſſer u . 95,40 □ Millim. Querschnitt, - 63,30 = Nr. 1 (Fig. 6) 0,009 15,95 Nr. 4 (Fig . 2) 0,0045 = 5,30 e Nr. 6 ( Fig. 7) 0,0026 so daß hierdurch annähernd den Größenverhältniffen von 18 : 12 : 3 : 1 - Das Gewicht der Mörser von der Querschnitte entsprochen wird . – einerlei Art ift immer genau daffelbe ; die Bezeichnung derselben sowie die der Mundstücke oder Lumièren , durch die den Zeichnungen beigeſeßten Nummern ist zu Gunsten der Uebereinstimmung mit einer größern auf diesen Gegenſtand bezüglichen Arbeit beibehalten worden, mit deren Veröffentlichung Herr Melsens umgeht. Fig. 2 und 6 ftellen die mit den Mundstücken Nr. 4 und Nr. 1 armirten Mörser Nr. 4 und Nr. 78 ; - Fig . 7 und 8 den Achſendurchschnitt und die obere Anficht der Lumièren Nr. 6 und Nr. 7 dar. Die Gesammtvolumina der inneren Mörser-Ausbohrungen betragen , wenn sämmtliche Mörser mit Lumièren von der Form Nr. 1 ( Fig . 6 ) armirt find, bei Mörser Nr. 1 = Nr. 4 Nr. 12 ร Nr. 77

( Fig . 3 ) 101,5 Cubik- Centimeter, " (Fig . 2) 22,0 9,0 (Fig . 1 ) (Fig. 4) 9,0 =

·

Nr. 65 (Fig . 5) 15,0 Nr. 78 (Fig . 6) 32,0 Zum Einfüllen des Pulvers in die Mörser dient ein Trichter , deſſen -

Form der in Fig. 9 dargestellte Verticaldurchſchnitt angiebt, und welcher zum Gebrauche auf das Mundstück des Mörsers aufgefeßt wird. Der Gebrauch des Inftrumentes bei Ausführung der dyna= mometrischen Pulverprobe geschieht in folgender Weise : Man sest den Aerometer in die zugehörige mit Waffer gefüllte Kufe ein, verficht dann den Mörser mit seiner Lumière, füllt die gewöhnlich 3 Gramme schwere Pulverladung mit dem Trichter ein , stößt den Mörser mit ſeiner Schwanzschraube dreimal auf den Rand der Kufe auf, ſeßt eine Zündschnur durch das Mundloch der Lumière ein, wie dieses die einen geladenen Mörser darftellende Fig . 2 versinnlicht , und ſteckt dann den so armirten Mörser auf den graduirten Stiel des Tauchers auf, wonach der Ballaft des Inftrumentes in der Weise juftirt wird , daß der Nullpunkt seiner Scalen- Eintheilung nahezu mit der Oberfläche des in der

47 Kufe befindlichen Waffers übereinstimmt.

Hierauf bestreicht man den

graduirten Stiel des Tauchers mittelft eines Pinſels mit einer dünnen Lackschicht, welche Ziegelmehl , gepulverten Blutstein 2c. enthält , und notirt sich ganz genau denjenigen Punkt der Scalen - Eintheilung , an welchem die Wafferoberfläche bei rubig gewordenem und in der Mitte der Kufe schwimmendem Instrumente steht. Dann giebt man Feuer und bemerkt sich endlich , wenn der durch die Gewalt der Pulver- Explosion in das Wasser niedergetauchte Aerometer wieder emporgestiegen ift, genau die Anzahl derjenigen Scalentheile des graduirten Stieles, um welche das Instrument durch den Schuß eingetaucht worden war, was an dem, wie oben erwähnt, vorbereiteten Stiele leicht abzuleſen fteht, da es sich hierbei nur um die Differenz der beiden Eintauchungspunkte vor und nach dem Schuffe handelt. - Aus diesem Grunde genügt es daher auch vollständig, wenn das Instrument vor dem Schuffe nur auf einen in der Nähe des Nullpunktes seiner Scala liegenden Eintauchungspunkt juftirt worden ist, was eine Erleichterung gewährt, da es sehr zeitraubend sein würde , wenn man das Instrument bei restirend gebliebenen Pulverzerſeßungsproducten 2c. vor jedem Schufſe immer genau wieder auf den Nullpunkt seiner Scala als Eintauchungspunkt einspielen laſſen müßte. — Dagegen aber ist es von größter Wichtigkeit, daß das Waffer, in welches der Aerometer eintauchen soll, immer genau dieselbe Temperatur hat, welche leßtere Herr Melſens, wie ſchon oben erwähnt wurde , auf 15º C. feftfeßt, und daß ferner die Ladung des Mörsers stets auf dieselbe Weise im Innern deſſelben aufgeschichtet ist, wozu das oben vorgeschriebene dreimalige Aufftoßen des geladenen Mörsers auf den Rand der Wasserkufe , in Verbindung mit den fich stets gleich bleibenden Manipulationen des Laduungsmodus überhaupt dienen soll. - Der Taucher, welchen Herr Melsens zu seinen Pulveruntersuchungen anwendet , wiegt 4,950 Kilogrammen und behält auch bei aufgefeßten Mörfern von 1,4 bis 1,5 Kilogrammen Gewicht noch immer ein stabiles Gleichgewicht. -- Sehr zur Erleichterung der anzuftellenden Versuche dient es, wenn alle anzuwendenden Mörser daſſelbe Gewicht haben ; — find die zu einer vorliegenden Pulveruntersuchung nothwendigen Mörser aber nun einmal verschieden schwer , so juftirt man das Instrument zunächst nur für denjenigen Mörser, welcher das größte Gewicht hat , seht dann in den unteren Theil der graduirten

48 Röhre des Tauchers einen Pfropf ein und legt auf denselben bei zum Versuche kommenden leichteren Mörsern dann immer so viele Schrotkörner auf, als erforderlich find , um den auf diese Weise armirten Taucher oder Schwimmer die Oberfläche des in der Kufe befindlichen Waffers mit einem in der Gegend des Nullpunktes seiner Scala liegenden Theilftrich berühren zu lassen. Für ein Einspielen des Inftrumentes mit dem Nullpunkte seiner Theilung an der Oberfläche von Regenwaſſer, welches eine Temperatur von 15° C hat, finden in dieser Beziehung bei Armirung des Tauchers mit den auf Tafel I dargestellten Mörfern 20. folgende Gewichtsverhältnisse ftatt: • . 4,950 Kilogr. 4,950 Kilogr. . Cylindrischer Mörser Nr. 1 , 12 od . 4 0,650 = 1,150 Nr. 65, 77 - 78 Cylindroconischer -= # • Ballast in der graduirten Röhre 0,500 = 4,550 4,550 im Instrument

Taucher

Totalgewicht 10,650 Kilogr. 10,650 Kilogr.

Die eisernen und kupfernen Inftrumente , welche zum Reinigen des Innern der Mörser und Lumièren dienen , endlich sowie der Schlüffel zum Auf- und Abschrauben der Mundstücke und die kegelförmige Kaliberleere zum Nachmessen der Bohrungsdurchmesser von Mörserund Mundstück bedürfen hier keiner besonderen Beschreibung. -Der calorimetrische Apparat zur Untersuchung des Schießpulvers ferner besteht höchst einfacher Weise aus einem mit Quecksilber gefüllten hölzernen Gefäße b, Fig . 11 , in welches ein mit Schwanzschraube, Lumière und Pulverladung versehener Mörser eingeführt wird. Vier durch die Wände dieses den Mörser umgebenden Holzgefäßes gebende Schrauben e fichern die centrale Lage des ersteren in legterem , so daß dadurch die Achse des Mörsers mit dem Mittepunkte der Gefäß- Deffnung e , welche in der oberen Wand des Holzgefäßes b angebracht ist , zuſammenfällt. Zur Messung der vor und nach dem Schufſe beſtehenden Temperaturen des den Mörser umgebenden Quecksilbers dienen zwei in das Quecksilbergefäß eingetauchte Thermometer, welche so empfindlich conftruirt find , daß sie noch Zehntel- Theile der hunderttheiligen Celfius'ſchen Scala ableſen laſſen.

49 Beim Gebrauche diefes calorimetrischen Pulveruntersuchungs - Instrumentes mißt man zunächst die Temperatur des den geladenen Mörser umgebenden Quecksilbers, entfernt dann die Thermometer, giebt Feuer und verftopft hierauf die Gefäßöffnung e, damit endlich auch die Quecksilber- Temperatur nach dem Schuſse mittelft der wieder eingeführt werdenden Thermometer möglichst genau bestimmt werdenk önne. - Die Differenz beider Temperatur-Beobachtungen dient hierauf als Anhaltspunkt für die Schlußfolgerungen zur Bestimmung der beim Schießen mit dem zu untersuchenden Pulver frei gewordenen Wärmemenge. Zur Verfinnlichung der Resultate , welche bei der Unterfuchung verschiedener Pulversorten mit dem dynamometri schen Apparate erhalten werden, wählt Herr Melsens die grapische Darstellung , indem er sich hierzu eines carrirten Papieres bedient, dessen Seiten der auf ihm verzeichneten kleinen Quadrate die Größe von irgend einer sich gleichbleibenden Anzahl von Einheiten der ScalenEintheilung des Aerometers haben . In den Fig . 12, 13, 14 und 15 Von irgend einem, 3. B. ist diese Seitenlänge gleich 5 Millimetern . als Nullpunkt eines aufzutragenden orthogonalen Coordinatenſyſtems anzunehmenden Eckpunkte dieser kleinen Quadrate aus theilt man dann die horizontale Abfciffenlinie in so viele gleiche Theile von angemessen erachtet werdender Länge ein , als Mörser- und Lumièren - Combinationen zur Prüfung des zu untersuchenden Pulvers angewendet werden. follen , und markirt die diesen Theilpunkten entsprechenden senkrechten Ordinaten durch starke Linien , welche an ihrem oberen Ende die Bezeichnung derjenigen Mörser- und Mundstück - Combination erhalten, deren Schießresultate man auf ihnen aufzutragen beabsichtigt. Diese Bezeichnung geschicht einfach in der Form eines Bruches , dessen Zähler die Nummer des Mörsers und deffen Renner die Nummer desjenigen Mundstückes angiebt , durch dessen Verbindung mit ersterem diejenigen bei einem anzustellenden Schießversuche von der Aerometerſcala abzulesenden Rücklaufszahlen erzielt werden , welche dann auf dieser Ordinate, von der horizontalen Abfciffenlinie als Nullpunkt an, in Theilen der Aerometerscala aufgetragen werden sollen. Zft dieses hierauf bei einem zu prüfenden Pulver für mehrere Mörser- und Lumièren- Combinationen geschehen, so werden die dadurch markirten Punkte der ver4 Achtundzwanzigster Jahrgang. LVI. Band.

50 schiedenenen

verticalen Ordinaten durch

gerade Linien mit

ein-

ander verbunden und fo zur Construction einer gebrochenen Linie benußt, deren Gestaltung dem Auge des Beobachters sofort die Art und Weise versinnlicht, in welcher das zu prüfende Pulver in jeder der angewendeten Zusammenstellungen von Mörser und Mundstück gewirkt hat.

Verfährt man auf dieselbe Weise dann auch mit mehreren Pulver.

forten , so erhält man hierdurch Zeichnungen , welche die Vergleichung von deren Wirkungen mit einander sehr erleichtern.

Die Schießver=

suche , welche den so entstandenen Diagrammen , deren Darstellung in den Figuren 12, 13, 14 und 15 enthalten ist , zu Grunde liegen, find zwar mit einem Apparate angestellt worden, welcher nicht ganz genau mit dem oben beschriebenen übereinstimmt ; Herr Melsens glaubt aber, geftüßt auf seine Versuchserfahrungen , versichern zu dürfen , daß diese Zeichnungen fich reproduciren werden, sobald die in denselben angegebenen Combinationen von Mörsern und Lumièren der in Rede stehenden dynamometrischen Pulverprobe zur Anwendung kommen. Das in Fig. 12 dargestellte Diagramm verfinnlicht die Resultate von Schießversuchen , welche mit vier verschiedenen französischen Pulvern angestellt worden sind, und es haben dieselben hiernach für sechs verschiedene Combinationen von Mörsern und Mundstücken der oben bezeichneten Art in runden Zahlen folgende Resultate ergeben :

Combination von Mörser u. Mundstück

In Millimetern gemessener Rücklauf bei Pulver für Kanonen Musketen Minen Jagd

2141 21

15 100 230

200

260

360

320 380

350 400 390

12

350

370 390

400 420 390

300

300

320

280

400

400 310

Die Rückstöße , welche bei Anwendung des Mörsers Nr. 12 mit Lumière Nr. 1 für diese vier Pulversorten so sehr verschieden von

51 einander ausfallen , find also für den mit Mundstück Nr. 6 armirten Mörser Nr. 1 faft ganz dieselben ; - Jagd- und Musketenpulver schlagen am kräftigften in Mörser Nr. 1 mit Lumière Nr. 4 und haben gleiche Wirkung in den Mörser, und Mundstück- Combinationen 4 und 4 ; - Minen- und Kanonenpulver endlich erhalten das Marimum ihrer Wirkung in dem Mörser Nr. 12 mit dem Mundstücke Nr. 4. Dieselben vier Pulversorten mit einem Regnier'schen Mörser

probirt, bezüglich dessen Construction auf das Bülletin von 1808 Serie 1 Band 4 Seite 93 hingewiesen wird, ergeben für Pulver zu : Minen die Rücklaufszahl 20 Millimeter, 170 Kanonen =

Musketen = = Jagd

230 380

und es läßt sich durch eine einfache Vergleichung dieser Versuchszahlen mit denen des Diagramms schon hiernach ermessen, wie wenig das Sichbegnügen mit einer einzigen Versuchszahl zur Erlangung einer richtigen Vorstellung von den Wirkungsäußerungen eines zu untersuchenden Pulvers geeignet ist, da es nach Ausweis des Diagramms Umstände geben kann, unter denen selbst die gewöhnlichsten Pulversorten ganz denselben Effect hervorzubringen vermögen, wie die noch so sorgfältig zubereiteten. Einen noch weiteren Belag für das Ungenügende einer einzigen Pulverprobe liefert das in Fig. 13 dargestellte Diagramm, in welchem die Reſultate zusammengestellt sind , welche mit fünf verschiedenen durch die Buchstaben A, B, C, D und E bezeichneten Sorten von Geſchüßpulver erhalten wurden , als man sie mit einem Mörser Regnier'scher Construction und den drei Combinationen , und der auf Tafel I dargestellten Mörser und Mundstücke einer dynamometrischen Probe unterwarf. betrug hierbei: Für die Mörser und beziehungsweise Mundstücke.

nach Regnier

Der in Millimetern gemessene Rücklauf

A

35 135 325 370

Bei den Pulversorten B C D | 45 150 325 355

20 50 345 370

15 40 280 350 4*

E 70 200 380 370

52 Es rangiren diese fünf Pulversorten also nach den beiden ersten Proben , welche mit dem Regnier'spen Mörser und mit dem Mörser Nr. 12 nebst der Lumière Nr. 1 angestellt wurden , ihrer hervorgebrachten Wirkung nach in der absteigenden Ordnung : EBA C > D. Die Schießversuche mit Mörser Nr. 12 und Lumière Nr. 4 ergeben das abnehmende Kraftverhältniß :

ECA

BYD

und der Mörser Nr. 4 mit der Lumière Nr. 4 giebt , durch die Reſultate der mit ihm angestellten Schießversuche, den auf die Wirkungsgrößen dieser fünf Pulversorten bezüglichen Aufschluß : E = A= C BY D. Während demnach alle diese Proben in mit einander übereinstimmenden Resultaten E als das stärkste und D als das schwächſte der probirten Pulver ergeben, äußert die Pulversorte C in dem engen Mörser Nr . 12 mit der weiten Mundöffnung von Lumière Nr. 1 eine weit geringere Wirkung , als in demselben Mörser mit der engeren Mundöffnung von Lumièren Nr. 4, und es schlägt diese Pulversorte C endlich in dem weiteren Mörser Nr. 4 mit Beibehaltung der Lumière Nr. 4 sogar gerade so stark als die beste Pulverforte E. In den dienstlich bestehenden Pulverproben Belgiens wirken nach Melsens die vier ersten der genannten Pulversorten bei Anwendung des Probirmörsers mit erleichterter Bombe in den StärkeVerhältnissen :

BY A CD und bei dem Schießen mit dem gegossenen langen 24uder durch Hervorbringung der Anfangsgeschwindigkeiten von CAB D. Die Ergebnisse der belgischen Mörser - Eprouvette ſtimmen also im Allgemeinen mit denen von Mörser Nr. 12 nebft Lumière Nr. 4 , und die des langen 24uders mit denen von Mörser Nr. 4 nebst Lumière Nr. 4 überein, und es erscheint somit der Schluß gerechtfertigt , daß , wenn hierbei auch von einem genauen Uebereinstimmen der bezüglichen Zahlenverhältnisse abzusehen sein dürfte, diese oben beschriebene Pulverprobe denn doch ganz dazu geeignet ist, die dynamischen Werthzahlen verschiedener zur

53 Untersuchung vorliegender Pulversorten mit Regelmäßigkeit und Sicherheit für verschiedene Gebrauchsweisen derselben feft= Aellen zu laſſen. Weiter entspricht das mit . E bezeichnete Pulver mit seiner in dem Diagramm der Fig . 13 enthaltenen Wirkungslinie, nach Melsens, den durchschnittlichen Wirkungen verschiedener Sorten französischen Geſchüßpulvers ; - Proben von englischen und holländischen Pulversorten haben sich in ihren Schießresultaten denjenigen angenähert , welche in demselben Diagramme für die Sorten A und C verzeichnet sind , und endlich haben verſchiedene Sorten deutschen Pulvers, deren quantitative Zusammenseßungsverhältnisse von der Dofirung von Sechs ( 6 : 1 : 1 ) mehr oder weniger abwichen , und welche bei einem specifischen Gewichte von mehr als 0,900 geglättete Körner vom Durchmesser des Musketenpulvers hatten, deren 900 bis 1000 Stück auf einen Gramm gingen , unter den im Diagramme der Fig . 13 angegebenen Bedingungen Schießresultate ergeben, tie im Allgemeinen immer mit denen des Tracé's der Geschüßpulversorte E übereinstimmten , woraus erfichtlich ist, daß auch Pulversorten mit physikalisch und chemisch von einander verschiedenen Eigenschaften unter bestimmten Umständen ihres Gebrauches ganz dieselbe Wirkung äußern können, und wodurch also abermals die Richtigkeit der Behauptung erwiesen wird, daß man über die ballistischen Eigenheiten eines Pulvers , welches nur unter einem einzigen Modus seines Abbrennens probirt wurde, hierdurch allein noch kein richtiges und umfassendes Urtheil haben könne. Vermittelt des in Fig . 14 dargestellten Diagramms , welches die mit einem Minenpulver A, neun Qualitäten von Geſchüßpulver B, C, D, E, F, G, H, I , J , K und einem Jagdpulver L unter den angemerkten Umständen erhaltenen Schießreſultate graphisch wiedergiebt, soll anschaulich gemacht werden, daß mittelst der Melsens'schen Pulverprobe auch die Bedingungen aufgefunden werden können , unter welchen Pulversorten die , in lange Streifen gelegt oder zu Mehlpulver zerrieben , nur langsam abbrennen , ebenfalls bedeutende Kraftwirkungen hervorzubringen im Stande sind , und daß also auch in dieser Beziehung eine einseitige Pulver-

54 probe unter Umständen zu ganz falschen Schlußfolgerungen führen kann. Das Minenpulver A ift französisches mit sphärischen Körnern . — Die acht Kanonenpulver B, C, E, F, H, I, J und K haben zwar sämmtlich die reglementsmäßige Körnung von 0,0014 bis 0,0025 Meter Durchmesser der einzelnen Körner ; fie find aber dennoch sowohl in physikalischer als auch in chemischer Hinsicht von einander abweichend . Das Kanonenpulver D hat sehr starke Körner von 0,004 bis 0,005 Meter Durchmesser und ist genau nach den Verhältniffen von 6 : 1 : 1 dofirt. Das Jagdpulver L endlich ist mit rother Kohle angefertigt, und entspricht den feinsten Sorten, welche Frankreich von dieser Pulvergattung hervorbringt. Classificirt man diese 11 Pulversorten in Bezug auf die Raschheit des Zusammenbrennens ihres Mehlpulvers, so erhält man in abnehmender Reihenfolge: 1 ) H als das am raschesten verbrennende, 2) F und D als weniger rasch verbrennende, 3) L als immer langsamer verbrennende, 4) E, I, J, K } 5) A, B, C als die am langsamsten verbrennenden. Untersucht man dieselben 11 Pulversorten aber mittelst der Regnierschen und der nachverzeichneten vier Combinationen der Melsensschen Pulverprobe, so erhält man in dynamometrischer Hinsicht bei den Mörsern : Nach Regnier immer kleiner werdende Rücklaufszahlen in der Pulversorten - Reihenfolge.

LUKLIFECORA

J

L J

I

Н

Zwischen Nr. 12 und Nr. 4, Mundftück Nr. 1

L K I J F

12/4

4/4

LEICEFIHDRA

4/1

L I K C B E F

K

J Н Ꭰ B

D B A

A

D

55

wobei die Einklammerungen gleiche Rückläufe andeuten . Das Pulver L von mittlerer Raschheit des Zuſammenbrennens seines Mehlpulvers schlägt also in allen diesen Proben am stärksten : -- der langsam abbrennende Pulverfaß von C liefert ein Pulver, welches in den Mörser- und Lumièren - Combinationen und der Melsens'schen Pulverprobe mehr Kraft entwickelt , als die Pulverforte H mit dem am raschesten abbrennenden Mehlpulver, und es hat sich endlich diese dem raschesten Saße angehörende Pulversorte H auch bei sämmtlichen der hier gemachten Proben weniger fräftig erwiesen , als dieses bei den aus relativ langsamem Saße bestehenden Pulversorten IJK der Fall war. Das in Fig . 15 dargestellte Diagramm endlich , welches die Verfuchsergebnisse von sechs Geschüßpulversorten A, B, C, D, E und F enthält, mit denen auch auf dem Polygone der belgischen Artillerie vergleichende Schießversuche im Großen angestellt

worden sind, hat den Zweck, Nachricht darüber zu geben, welcher Combinationen von Mörsern und Lumièren des Melſens’ſchen Apparates man sich zu bedienen hat , um ein für bestimmte artilleristische Zwecke dienen sollendes Pulver sachgemäß auswählen zu können .

Man erhielt nämlich bei Prüfung dieser

Pulversorten durch Anwendung der Melsens'schen Pulverprobe : Die Größenverhältnisse der Rücklaufszahlen :

Mit Mörser und Lumière:

B

C

D

E

12

A

12

(B A > DE > c> F

F

E > { > A > B > F, ng dieser Resultate mit deneichu Vergl bei dann sich und es ergab schen Artillerie mit deren gone en belgi der der auf dem Poly jenig che lel, daß einmal die Reihenfolge Versu Waffen angestellten Paral äten , welche durch Pulverprüfungen mit der Wirkungs - 3ntensit

Mörser Nr. 12 und Lumière Nr. 1 erhalten wird , ganz mit derjenigen übereinstimmt , welche bei Anwendung der belgischen Mörser - Eprouvette zum Vorschein kommt ; - daß ferner durch Anwendung von Mörser Nr . 12 und Lumière Nr . 4 dieselbe

56 dynamometrische Claſſification der zu prüfenden Pulverforten erreicht wird , wie durch Anwendung der belgischen KanonenEprouvette, und daß endlich die relativen Schießreſultate, welche mit Mörser Nr . 4 und Lumière Nr. 4 erhalten werden, durchaus denjenigen analog ausfallen , welche bei Anwendung der belgischen Feld- und Belagerungs - Geschüße sich heraus. ftellen. Die Anzahl der zur Ermöglichung eines sicheren Signalements des zu prüfenden Pulvers nöthigen Mörser und Lumièren anlangend , so läßt sich dieselbe nach vielfachen hierüber angestellten Versuchen auf drei Mörser von den Formen Nr . 1 , 4 und 12, mit cylindrischer Bohrung von verschiedener Weite und auf vier Lumièren von den mit Nr. 7, 1 , 4 und 6 bezeichneten Formen beschränken , indem die hierdurch ermöglichten zwölf Combinationen von Mörsern und Mundstücken allen Forderungen der Praxis entsprechen lafsen dürften. In den meisten Fällen wird man , selbst bei einer conftanten Ladung von 3 Grammen Pulver , zur Bildung des die Pulverwirkung versinnlichenden Diagramms sogar nicht alle die hierdurch ermöglichten zwölf, sondern etwa nur drei bis vier Ordinaten nöthig haben, wofür dann eben so viele passende Mörser- und Mundftück-Combinationen auszuwählen sind , um das zu prüfende Pulver so genau charakterisiren zu können , daß man es dadurch von jeder anderen Pulversorte zu unterscheiden vermag und beziehungsweise auch seine Zdentität mit anderen bereits bekannten Pulversorten in genügender Weise zur Evidenz bringen kann . Sollten aber in einzelnen Fällen noch weitere Anhaltspunkie für die Beurtheilung eines zu prüfenden Pulvers wünschenswerth erscheinen , so lassen sich dieselben mit Seibehaltung der. felben Anzahl von Mörsern und Lumièren schon ganz einfach dadurch gewinnen , daß man die bisher als constant angenommene Ladung variabel macht, was innerhalb der Gewichts - Grenzen von 0,5 und 6 Grammen ohne Anstand geschehen kann . Die Rückläufe der angewendeten Mörser- und Mundstück - Combinationen werden dann bet den zu prüfenden Pulversorten entweder den angewendeten Ladungen proportional fein , oder aber sie werden rascher, beziehungsweise langsamer als dieselben wachsen, wodurch

57 fich noch neue Beobachtungen ergeben , welche den bereits bestehenden zwölf Bestimmungselementen hinzugefügt werden können . Zu einer noch feineren Unterscheidung der Eigenthümlichkeiten verschiedener zu einer Untersuchung vorliegender Pulversorten endlich dient die Anwendung der cylindroconisch ausgebohrten Mörser, wie sie durch die Figuren 4 , 5 und 6 dargestellt werden. Denn einmal ist es durch Versuche klar geworden, daß bei dergleichen, mit derselben Ladung , derselben Lumière und demfelben Volumen der Mörserausbohrung angestellt werdenden Schießversuchen , die durch das Abbrennen der Ladung entstehenden Rückläufe mit dem Durchmesser der lezteren variiren , und dann giebt der Gebrauch dieſer cylindroconischen Formen weiter auch noch die Möglichkeit, die Pulverladungen bald in einer mehr verlängerten und bald in einer mehr in die Breite ausgedehnten Form zur Anwendung bringen zu können , wodurch der Entzündungsmodus derselben geändert wird . Da ferner bei dieser Mörserart die Lumièren sowohl an den cylinals auch an den conischen Theil der Mörser - Bohrung angeschraubt werden können , so hat man durch Anwendung von drei

drischen ,

cylindroconischen Mörserformen , z . B. der von Nr . 77 , 65 und 78, sowie von vier Lumièren, z . B. nach den Formen Nr. 1 , 4, 6 und 7, erforderlichen Falles 24 Combinationen von Mörsern und Lumièren zur Disposition, welche zur Bestimmung des Trace's für die Wirkungslinie eines zu untersuchenden Pulvers durch eben so viele Ordinaten des zugehörigen Diagramms beitragen, und wenn man bei sehr schwierigen und wichtigen Untersuchungen dann auch noch die für gewöhnlich conftanten Pulverladungen wechseln läßt , jedenfalls ein vollkommen ausreichendes Material zur Beurtheilung der dynamischen Eigenschaften irgend eines zur Untersuchung vorliegenden Pulvers abgeben werden. Seht man z . B. die Lumièren 1 , 4 und 6 abwechselnd einmal auf den cylindrischen Gipfel und dann auch auf die coniſche Basis der Ausbohrung des cylindroconischen Mörsers Nr. 77 auf, so erhält man bei conftanten Ladungen von 3 Grammen Gewicht und Anwendung zweier Kanonenpulversorten , von denen das eine ein sogenanntes rasches , und das andere ein sogenanntes langſames ist, als Versuchsrefultate bei :

58

Mörser

Aufgeschraubt

Als in Millimetern gemessene Rückläufe bei

und auf

Lumière

}}

die Basis

190

den Gipfel

115

die Basis

300

den Gipfel

275

330 280

die Basis

350

370

den Gipfel

320

340

v

v

raſchem Kanonen- | langsamem Kanonenpulver pulver 150 45

woraus, ohne in weitere Details eingehen zu wollen, wenigstens ſchon so viel auf den ersten Blick ersichtlich ist , daß die Rücklaufs differenzen , welche durch das Aufschrauben der Lumièren auf Basis oder Gipfel der Mörserbohrung entstehen , um so beträchtlicher ausfallen , je weiter die Gasausströmungsöffnungen der Lumièren sind und je mehr das zu untersuchende Pulver ein sogenanntes langsames ist. Dieser bisher üblich gewesenen Unterscheidung der Pulver

durch die Bezeichnungen rasch und langsam glaubt aber Herr Mel, sens nicht das Wort reden zu dürfen . Er hält dieselbe vielmehr, geflüßt auf umfassende Versuche , welche mit Kriegspulver der verschiedensten Art, Jagdpulvern wechselnder Qualitäten und verschiedenen Minenpulvern angestellt wurden, für ganz dazu geeignet, grundsäßlich zu dem Einschleichen jener Vorurtheile in die Praxis der Artillerie beigetragen zu haben , welche durch die Menge der daraus reſultirenden Täuschungen Prouft zu dem Ausspruche veranlaßt habe, daß man , um das Pulver richtig studiren zu können, sich zunächst der Hypothese hingeben müsse , der Mensch habe das Pulver noch gar nicht erfunden , - Worte, welche das Auseinandergehen der Meinungen von verschiedenen Nationen und Personen noch heutigen Tages zu bestätigen schienen. Seiner Ansicht nach würden sich , - bei aller Vorsicht , welche dieser wichtige

59 Gegenstand erfordere , und mit möglichster Beibehaltung der in den Artillerien bisher üblichen Ausdrücke , welche letteren freilich nicht so scharf bezeichnend seien , als die der exacten Wissenschaften , vielmehr folgende Classificationen von , unter gleichen Umständen geprüften, Pulversorten empfehlen lassen :

1) Pulver

A. Schwache 2) Pulver

3) Pulver B. Starfe .

4) Pulver

langsame oder schwache

mit lebhafter oder rascher Verbrennung ,

langsame oder schwache rasche oder ftarke rasche oder starke

(mit langsamer Verbrennung ; mit lebhafter oder raſcher Verbrennung,

mit langsamer Verbren nung;

wobei ſelbſtverſtändlich dann auch noch der phyfikalischen Eigenſchaften des zu untersuchenden Pulvers, als : äußeres Ansehn, Form und Größe der Körner, spezifisches und absolutes Gewicht derselben , sowie ferner der chemischen Zusammenseßung oder Dosirung des Pulvers, der Natur der zu seiner Anfertigung verwendeten Kohle , der Entzündlichkeit und der größeren øder geringeren Raschheit seines Zuſammenbrennens als Ladung und der Verbrennungszeitdauer feines Saßes oder Mehl. pulvers in gebührender Weise Rechnung zu tragen sei , und wodurch weiter auch der Wahl noch beffer bezeichnender Worte durchaus nicht vorgegriffen werden solle , da diese Bemerkung nur den Zweck hate, die Wichtigkeit des Gegenstandes zu betonen und die Aufmerksamkeit der mit Pulveruntersuchungen beauftragten Offiziere auf die Noth. wendigkeit einer Claſſificationsmethode hinzulenken, welche das Studium der Pulvereigenthümlichkeiten erleichtere und die Dunkelheiten ausschließe , in welche besonders Anfänger, wie er , durch mangelnde Bezeichnungsschärfe und Mehrdeutigkeit der technischen Ausdrücke gerathen müßten. Für den Gang

der

vorzunehmenden Pulverunter-

fuchungen schlägt Herr Melsens folgende allgemeine Betrachtung als maßgebend vor : 3ft irgend ein Pulvertypus gegeben, welcher für die eine oder für die andere Art der dienstli-

60 chen Verwendung sich als gut und brauchbar erwiesen hat, so sucht man die Bedingungen auf, unter denen seine Wirkungen , also bei dem oben beſchriebenen Apparate die Rückläufe des mit Mörser und Lumièren armirten Aerometers erft zu- und dann auch wieder abnehmen und benußt die auf solche Weise gewonnenen Resultate dann als Vergleichungsmaßstab für die Beurthei. lung der zu untersuchenden Pulversorten . 1 So ergaben z. B. verschiedene Arten von Musketenpulver engliſchen , bayeriſchen , belgischen, französischen und holländischen Ursprungs, bei Anwendung eines und desselben Aerometers und conftantem Ladungsgewichte für 12 Mörser und Lumièren 44 4 13 die Rücklaufszahlen v . 190-350 410-430 400-420 330–350 Millim. Ferner erhielt man bei der Anwendung verschiedener Sorten von Kanonenpulver , unter sonst gleichen Umständen , ebenfalls für dieselben 12 Mörser und Lumièren V ㅎ 1

die Rücklaufszahlen von 30-250 300-420 350-420 330–350 Millim. Diese vier Combinationen von Mörsern und Lumièren werden alſo zur Charakterisirung eines zur Untersuchung vorliegenden Pulvers schon vollständig genügend sein , wenn es sich darum handelt, sein dynamisches Verhalten als Musketen- oder als Kanonenpulver festzustellen. Ebenso findet man, daß Jagdpulversorten , von welchen eine besondere Lebhaftigkeit verlangt wird , sich durch Anwendung des cylindrischen Mörsers von der Form Nr. 12 mit geringem Bohrungsvolumen sowie der Lumièren Nr. 7 , 1 und 4 mit genügender Schärfe beurtheilen laſſen. Derselben Anforderung entspricht auch der cylindroconische Mörser Nr. 77 mit geringem Bohrungsvolumen , wenn man zu ſeiner Armirung nach und nach dieselben drei Lumièren Nr. 7 , 1 und 4 benußt. Minenpulver , welche , wie die belgischen und englischen Pulverſorten dieser Art, dem Geſchüßpulver an Qualität ſehr nahe kommen, probirt man zur Feststellung von deren Signalement unter denselben Bedingungen wie leßteres , also ebenfalls mittelft der Mörser- und Mundftück- Combinationen 12 , 12 , 1 und 4, während über solche Pulverſorten, welche , speziell zum Gebrauche des Mineurs bestimmt , aus Natronsalpeter und Sägeſpähnen mit oder ohne Zufaß von Schwefel bereitet wurden, sowie über die mit salpetersaurem Baryt zubereiteten Pulver-

61 arten noch keine Versuchsergebniſſe vorliegen , und derartige Pulverſorten endlich überhaupt auch wohl ein ganz neues Studium erfordern dürften , da sie, wegen der ungemeinen Langsamkeit ihres Saßes , in mit weiten Mundöffnungen versehenen Mörsern zuweilen zerfließen, anstatt zu detoniren und in Mörsern mit enger Mundöffnung bei starker Ladung gewöhnlich erst zerfließen und dann mit großer Heftigkeit erplodiren . Die Gleichförmigkeit der unter gleichen Umständen erlangt werdenden Versuchsreſultate anbelangend , so wird versichert, daß die oben beschriebenen Apparate in dieser Beziehung, und das zwar im directen Gegensaße zu anderen Eprouvetten welche oft so wenig als Vergleichsmaßstab tauglich seien , daß In Atrumente deffelben Modelles unter sonst gleichen Umständen ganz ver schiedene Wirkungen anzeigten, nichts zu wünschen übrig laffen, und als Beweis dafür folgendes Factum angeführt : Zur Zeit der Feststellung des Melsens'schen Apparates wurden in den Musterwerkstätten des Artillerie - Museums zu Paris zwei Serien von Modellen desselben hergestellt, und es ſtimmten dieſe in ihren Versuchsreſultaten so genau miteinander überein , daß zahlreiche zu wiederholten Malen abgebene Schüsse mit zwanzig verschiedenen Pulversorten und allen nur möglichen Mörser- und Mundstück- Combinationen von sechs Mörsern und vier Lumièren immer ganz genau dieselben Rückläufe er= gaben. Die Identität beider Apparate war so groß, daß man versucht ward, fie als ein Spiel des Zufalls anzusehen . Als Schlußbetrachtung wird endlich darauf hingewiesen, daß , wenn Pulversorten , deren Wirkung in den Waffen bereits bekannt ist , durch den Melsens'schen Probir- Apparat mit einer solchen Sicherheit gekennzeichnet werden können , dann umgekehrt auch wohl anzunehmen stehe , daß von den Resultaten dieser Pulverprobe auf das Verhalten eines zu untersuchenden Pulvers in den Waffen sich ein Rückschluß erlaubt werden dürfe , welcher natürlich immer um so zuverläſſiger ausfallen werde , je mehr dabei dann auch noch die zugleich mit beobachteten physikalischen und chemischen Eigenschaften des Pulvers berücksichtigt worden seien. Nach dieser Richtung hin angestellte Versuche haben dann auch, wie weiter mitgetheilt wird, bereits nachgewiesen, daß man,

62 geleitet durch aufmerksames Experimentiren mit der Melsens'schen Eprouvette , im Stande ist , Pulver von ganz genau im Voraus bestimmten Eigenschaften der Verbrennlichkeit und der zu äußernden Wirkungen bereiten zu können. Das Inſtrument beſtätigt oder kritisirt die hierbei gemachten Vorausseßungen mit einer solchen Schärfe , daß der Experimentirende dadurch zur Aussprechung eines beſtimmten Urtheils darüber befähigt wird, ob ein in irgend einer Weise zubereitetes Pulver zu den als sogenannte langsame, oder zu den als raſch und zertrümmernd (brisant) bekannten Pulversorten zu zählen sei. So hat man z. B. als vier ganz besonders zubereitete Pulver verschiedener Qualität mit den in Rede stehenden Apparaten geprüft worden waren, dadurch dann auch schon a priori bestimmen können, in welcher Reihenfolge die Effecte dieser Pulver bei Anwendung des gezogenen Vierpfünders stehen würden, wozu als Vergleichungsmaaßstab lediglich die Beobachtung von vier Schüffen aus dem genannten Geschüße mit einem französischen Kanonenpulver nothwendig gewesen war , dessen Verhalten in der Melsens'schen Eprouvette man bereits kannte. Hiernach dürfte der oben gethane Ausspruch, daß der Melsens’ſche Apparat die Aufmerksamkeit des artilleriftiſchen Publikums verdienen möchte , also wohl gerechtfertigt erscheinen. Die Ausbildungsfähigkeit des dynamometriſchen Theiles dieſes Syſtems, das Pulverprobiren, läßt auf die endliche Ausfüllung einer wissenschaftlichen Lücke hoffen, welche noch immer nicht ganz wegzuläugnen ist, wenn auch die inmittelst mehr ausgebildete praktische Routine heutigen Tages vor Irrthümern schüßen wird , wie sie nach Scharnhorft * ) selbst dem berühmten Gelehrten der Artilleriewiſſenſchaft , Professor Lombard , bei Berechnung der 1787 herausgegebenen Tables du Tir des Canons und in dem Traité du mouvement des Projectiles ( 1797 ) feiner Zeit mitunterliefen ; und ebenso wird auch wohl der oben beschriebene calorimetrische Apparat als für die Wissenschaft der Pulveruntersuchungen interessant bezeichnet werden müſſen, da er vielleicht ganz dazu geeignet ist, Mittel dazu an die Hand zu geben, wie sich der, nach Laboulaye

*) Handbuch für Offiziere in den angewandten Theilen der Kriegswissenschaften. Erster Theil, Seite 199.

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in den Annales du conservatoire mitgetheilten Erfahrung Rumford's eine rationelle Basis liefern läßt : daß bei seinen , mit einem Flintenpendel angestellten Schießversuchen das Rohr nach dem Schusse , unter sonst gleichen Umständen , immer eine höhere Temperatur angenommen hatte , wenn dasselbe nur mit einem Pfropfen geladen worden war , als wenn man eine Kugel auf die Pulverladung des Rohres aufgefeßt hatte, ein Umstand, welchen Rumford sich nicht zu erklären vermochte, während er bei dem jeßigen Standpunkt der Wissenschaft allerdings zur Beftätigung des oben angegebenen Prinzips dienen dürfte , wonach die größere zum Forttreiben einer Kugel erforderliche me= chanische Arbeit auch mehr von der Pulververbrennungswärme in Anspruch nehmen muß , als deren durch das Schießen mit einem leichteren Pfropfen absorbirt werden kann . Caffel, im Dezember 1863.

Darapsky , Artillerie = Hauptmann .

V. Die Probefahrt der französischen Panzerschiffe. (27. September bis 25. November 1863. )

Seitde m durch die ausgedehnte Verwendung des Eisens zum Bau und Peitdem zur Panzerung von Kriegsschiffen die Entwickelung der Schiffsbaukunft in ein ganz neues Stadium getreten ist , hat sie die Aufmerksamkeit in erhöhtem Maße auf sich gezogen , und zwar sind es nächst den neuen Schöpfungen der nordamerikanischen Ingenieure vorzüglich die Schiffsbauten der beiden ersten europäischen Seemächte , welche unser ganzes

64 Interesse verdienen. Nachdem die ersten Versuche der Einführung des Eisenbaues in der Kriegsmarine sowohl in Nordamerika wie in Frankreich und England ungünstige Ergebniſſe geliefert hatten, waren es bekanntlich die Franzosen , welchen der Bau gepanzerter schwimmender Batterien zuerst gelungen war, und als sich die letteren vor Kinburn auch praktiſch bewährt hatten, war es die französische „ Gloire “ , welche als die erste eisengepanzerte Fregatte das hohe Meer betrat. Schon die Beſorgniß, plöglich einen gefährlichen Mitbewerber um die Stellung als erste Seemacht der Welt zu finden , mußte England veranlassen , alle seine reichen Kräfte aufzubieten , um auf dem von Frankreich zuerst betretenen Wege dieſem den Rang wieder abzulaufen. Der Riesenbau des „, Warrior “ war der erste Schritt zur Neubildung der englischen Flotte , an welcher theils durch den Bau neuer Panzerschiffe , theils durch die Umänderung der alten Linienschiffe gegenwärtig noch räftig gearbeitet wird. Da Frankreich natürlich nicht auf halbem Wege stehen blieb , sondern durch den Bau einer ganzen Reihe eisengepanzerter Schiffe seine Flotte ebenfalls in einen neuen, Achtung gebietenden Stand sehte, so sehen wir beide Staaten in einem gewaltigen Ringen nach Schaffung einer überlegenen Seemacht und speziell in einem regen Wetteifer zur Herstellung der besten und friegstüchtigsten Panzerschiffe begriffen.

In Beziehung auf die Wider-

standsfähigkeit der Eisenpanzer gegen Artillerie haben außer den in dem gegenwärtigen nordamerikanischen Kriege gemachten Erfahrungen die vielen englischen Schießversuche in Shoeburyneß ein reiches Material zur Beurtheilung der verschiedenen Arten von Panzerungen geliefert. Wenig ist dagegen bis jezt bekannt geworden über die sonstigen, namentlich nautischen Eigenſchaften der neuen Fahrzeuge, und es wurden in dieſer Beziehung viele Einwendungen und Besorgniſſe laut. So wirft man den Panzerschiffen namentlich vor, daß sie wegen der ungeheuern Laſten, welche sie auf ihren Seiten tragen, entsetzlich schlingern ( querschiffs schwanken), wegen ihrer zu großen Länge schlecht ſteuern, daß in heißen Gegenden die Bemannung furchtbar von der Hiße zu leiden hat , daß namentlich die neuen französischen Schiffe keine genügende Batteriehöhe haben und die geringste Bewegung des Meeres ihr Feuer unmöglich macht u. dergl. m. Der Mangel sicherer Mittheilungen über die neuen Fahrzeuge machte überdies zum Theil mißtrauisch , und das Wenige , was bekannt wurde , schien nicht aus ganz unparteiischer Quelle zu kommen und der Zuverlässigkeit

65 zu entbehren.

Ueber die stattgehabten Probefahrten der englischen Panzer-

schiffe sind uns keine genauen Mittheilungen und nicht viel mehr bekannt geworben, als daß sie zur Zufriedenheit ausgefallen seien. Dagegen haben wir über die französischen Panzerschiffe kürzlich viele interessante Einzelnheiten erfahren. Dieselben haben im leztvergangenen Herbste in einem Geschwader mit den berühmtesten Schiffen der alten Marine eine Probefahrt gemacht, welche sie zwei Monate lang allen Wechselfällen des Meeres, von der vollkommenen Windſtille bis zu einem der heftigsten Stürme im Kanal ausgesetzt hat, und während welcher wichtige Versuche gemacht wurden. Ueber diese Fahrt erstattet Xavier Raymond in der diesjährigen ,, Revue des deux mondes " Bericht und stellt zugleich seine Betrachtungen über die gemachten Erfahrungen an. liche aus diesem Auffage soll hier mitgetheilt werden.

Das Wesent

Zur Leitung und Ueberwachung des ganzen Versuches war von dem Ministerium folgende Commiſſion ernannt worden : Vice- Admiral Charles Penaud als Präsident der Commission und Commandeur des Probege . schwaders , der Staatsrath und Director des Flottenmaterials Dupuy de Lôme, Contre-Admiral Labrousse, die Schiffscapitaine Bourgois, Chevalier und Lefèvre und die Schiffsbau- Ingenieure erster Klasse Mariel uud Robert. Da die genannten Commiſſionsglieder nur zum Theil entschiedene Anhänger der neuen Schiffsgattungen waren, glaubte man eine Garantie dafür zu haben, daß die Versuche mit Einſicht und Unparteilichkeit, sowie mit Eifer und Thätigkeit angestellt würden, und da ferner die Commission ebensoviel Mitglieder zählte wie das Geschwader Schiffe, so konnte an jedem Borde stets einer dieser Herren sich befinden, und jeder derselben während der Fahrt nacheinander die sämmtlichen Schiffe besteigen und kennen lernen , um so einen besseren Ueberblick über das Ganze zu bekommen und die Berechnungen und Protocolle, die Arbeiten und Beobachtungen controlliren zu können, welche doch auf jedem Schiffe in eigener Weise vorgenommen wurden. Das Geschwader bestand aus fünf gepanzerten Schiffen, welche drei wesentlich verschiedene Modelle repräsentirten , und zwei alten Linienschiffen von bewährtem Rufe in der Flotte , welche die Mittel zu den nöthigen Vergleichungen bieten sollten ; die nach dem Muster der Yacht des Prinzen Napoleon von Normand in Havre gebaute Corvette ,, Talisman " von 250 Pferdekraft unter dem Fregattencapitain Deſauly war 5 Achtundzwanzigsler Jahrgang. LVI. Band.

66 dem Geschwader außerdem noch beigegeben, um den Polizeidienst während der Fahrt zu thun.

Von den beiden alten Linienschiffen nahm der

,, Napoleon " unter Commando des Schiffscapitain Pichon den ersten Rang in der Division ein.

Er ist ein hölzerner Zweidecker , welcher in

ſeinen Batterien 90—30 ¼der Kanonen führt , auf dem Kriegsfuße eine Besatzung von 920 Mann hat und mit derselben Bemaſtung versehen ist, wie die alten Segelschiffe zweiten Ranges ; die Oberfläche seiner Segel beträgt 2800 Meter , und seine Maschine von 900 Pferdekraft gleicht gegenwärtig vollständig derjenigen der mit ihm in Vergleich gestellten Schiffe.

Seine Länge beträgt 71 , ſeine Breite 16,8 , sein Tiefgang bei

mittlerer Belastung 7,8 , ſeine Batteriehöhe 1,8 Meter , sein Deplacement (Waſſerverdrängung, d . h. also auch Gewicht des Schiffes mit seiner vollständigen Ausrüstung ) 5200 Tonnen. Wasser führt er für 1 Monat, Lebensmittel und Vorrathsstücke für 3 Monate und 600 Tonnen Kohlen. Vor zehn Jahren war der ,, Napoleon “ der Stolz der franzöſiſchen Marine gewesen und hatte allgemein für das furchtbarste und ſchönſte , wie das schnellste und mächtigste Schiff gegolten, das je in einem Geschwader erschienen war. Während des Krimmkrieges hatte er vorzügliche Dienste geleistet, und obgleich er in seinem dreizehnjährigen, ſehr thätigen Daſein viel beschwerliche Arbeit gethan hat, ſo ſind ſeine Linien doch vollkommen rein erhalten , und er zeichnet ſich immer noch durch die gewaltige Kraft aus , mit der er gegen Meer und Wind kämpft. Wer ihn sah , wie er mit seinem hohen Mastwerk , seinen drei Kanonendecken und den hoch aus dem Waffer ragenden Wänden den heftigen Stürmen Troß bot, in welche die Division gerieth , nachdem sie Cherbourg verlaffen , und wie er gegen die erregte See noch eine Geschwindigkeit von 10 Knoten *) (mehr als 18 Kilometer in der Stunde ) erreichte, der mußte es bedauern, daß die Fortschritte des Jugenieurwesens diesem edlen Meisterftück der Schiffsbaukunft ein so frühes Ende bereiteten. Da er hinsichtlich der nautischen Eigenschaften seinen alten hohen Ruhm noch bewährt *) Ein Knoten, die Entfernung zwischen zwei Zeichen in der Logleine, beträgt 2 engl. Seemeile, deren 60 auf einen Grad gehen. Wenn man sagt , ein Schiff läuft 8, 10 , 12 Knoten , so meint man damit, daß es diese Entfernungen je in der Zeit von einer halben Minute, welche dem Ablaufen eines Logglases entspricht, zurücklegt, also 8, 10, 12 Seemeilen ( à 1851,8515 Meter ) in der Stunde mache.

67 hat, so sollte er in dieser Beziehung als Maßstab für die Vergleichung mit den Schiffen dienen, deren militairische Ueberlegenheit nicht bezwei felt wurde, denen man aber Mangel an Seetüchtigkeit vorwarf. Wenn nun auch die vorzüglichen Eigenschaften des „ Napoleon“ von Niemandem bestritten wurden , so war doch die Ansicht unter den Offizieren ziemlich verbreitet , daß er in einigen Hinsichten nicht gerade als Muster gelten könne, indem er nämlich einmal besonders stark schlingere (querschiffs schwanke ) und zweitens auch in Bezug auf die Leichtigkeit ſeiner Evolutionen den alten Kriegsschiffen des berühmten Sané nachſtände und namentlich dessen ,, Jena “ , dem Lieblingsschiffe des Admirals Lalande. Den ,,Jena" selbst zu einem Vergleiche heranzuziehen, war nicht möglich, da er aus den Listen der Flotte gestrichen ist ; aber ein glücklicher Zufall fügte es , daß gerade, als diese Fragen mit großem Eifer verhandelt wurden , zu der Zeit nämlich , als das Geschwader nach dem Sturm vom 1. October 1863 eine Reihe von Ruhetagen in Brest zubrachte, sich in Cherbourg ein dem ,, Jena " genau nachgebildetes Kriegsschiff in der ersten Reserveclasse, d. h. in solchem Zustande befand , daß es binnen 24 Stunden armirt werden konnte. Es war dies der , Tourville ".

Derselbe unterscheidet sich von seinem Vorgänger nur dadurch,

daß man ihm eine Maſchine von 650 Pferdekraft gegeben hat , und so groß war die Achtung vor dem berühmten Muster , daß man bei der Verwandlung des " Tourville" in ein Dampfschiff mit ihm von der Operation des Verlängerns eine Ausnahme machte , um ihn in seinen Linien und namentlich auch in Bezug auf seine Schwerpunktslage ganz so zu laſſen, wie der ,, Jena " war, als er sich, nachdem er abgeschnitten war ( er war ursprünglich ein Dreidecker mit 110 Kanonen) , so großen Ruf in der Welt der Seeleute erwarb. Der ,,Tourville“ hatte die gegen ihn genommenen Rücksichten auch gerechtfertigt , und namentlich bei der Unternehmung im baltischen Meere , während welcher er die Flagge des Admirals Charles Penaud trug , seinem ruhmvollen Vorbilde Ehre gemacht. Er ist demnach ein hölzerner Zweidecker mit 82 Kanonen , einer Bemannung von 850 Mann , Waſſer für 1 Monat , Lebensmitteln und Borrathsstücken für 3 Monate und 520 Tonnen Kohlen. Seine Länge beträgt 61 Meter, seine Breite 16,88 , sein Tiefgang bei mittlerer Belastung 7,8 , ſeine Batteriehöhe 1,81 Meter, ſein Deplacement 4550 Tonnen. Er trägt dieselbe Bemaftung wie die alten französischen Kriegsschiffe mit 5*

68 90 Kanonen oder dritten Ranges, wie z. B. der „ Suffren “ ; die Oberfläche seines Seegelwerks beträgt 2650 Quadratmeter. Insbesondere weil der „ Tourville “ dafür galt , daß seine Schlingerbewegungen von einer verhältnißmäßig sehr geringen Schwingungsweite seien , und er eine außerordentliche Leichtigkeit in den Evolutionen besize , weil er also in dieser doppelten Beziehung sich ganz besonders als Maßstab zu einem Vergleiche mit den neuen Schiffen eignete, holte man von dem Minister die Vollmacht ein, das genannte Schiff zu armiren , und dasselbe wurde für den zweiten Theil der Fahrt dem Geschwader eingereiht , um nuu endgültig Fragen zu entscheiden , über welche selbst unter den ausgezeichnetsten Offizieren auf das Lebhafteste gestritten wurde. Die Panzerschiffe des Geschwaders waren folgende : 1.

Der „ Invincible " , commandirt von dem Schiffscapitain

Tabuteau.

Er ist eine der ,, Gloire " genau nachgebildete Fregatte mit

36 gezogenen 30 udern ( welche etwa dem 100uder - Kaliber Armſtrong's entsprechen ) und einer Maschine von 900 Nominal - Pferdekraft. Seine Länge in der Wasserlinie beträgt 78 Meter , seine Breite 17 , sein Tiefgang bei mittlerer Belastung 7,75, die Batteriehöhe 1,82 Meter, das Gewicht seines Panzers mit den Bolzen 840 , das Deplacement 5620 Tonnen. Bei einer Bemannung von 570 Mann führt er für 1 Monat Waſſer, für 24 Monate Lebensmittel und Ersatzstücke und 675 Tonnen Kohlen ; ſeine Geschüße sind mit 155 anstatt 110 Schuß ausgerüstet, welch letzteres die Ausrüstung der letzten Schiffe war oder anstatt 70 Schuß, der regel mäßigen Feldausrüstung für die Schiffe des ersten Kaiserreichs. Der Unterschied, welchen der „ Invincible" gegen die „ Gloire " zeigt, besteht in einer geringen Aenderung des Segelwerks und der Bemaſtung.

An-

statt ganz wie eine Goelette getakelt zu sein, trägt er auf seinem Fockmast (Vordermast) eine vollständige Ausrüstung mit Raasegeln (Focksegel, Marssegel, Bramsegel ).

Die Takelage der beiden andern Maſten ist so

geblieben , wie sie war , und die Oberfläche des Segelwerks beträgt 1400 Meter. 2. Die ,,Normandie", befehligt von dem Schiffscapitain Jauregui berry , ist ebenfalls eine Nachbildung der ,, Gloire ". Ihre Fahrt nach Mexico 1862 war der erste Fall , daß ein Panzerschiff über den atlantischen Ocean fuhr. Auf ihrem Rückwege hatte sie in der Gegend von Madeira einen 48 stündigen Sturm auszuhalten , und die Art , wie ſie

69

denselben bestand, war ein Beweis für ihre vortrefflichen nautischen Eigenschaften und die Solidität ihres Baues. In Folge dieser Fahrt hat sie in ihrer inneren Einrichtung einige Veränderung erlitten ; die Wohnungen der Offiziere , welche früher längs den Fregattenwänden in einer tiefen Dunkelheit lagen, wurden nämlich in die Mitte des Schiffes gelegt , wo fie durch die Luken Licht und frische Luft erhalten , so daß man jetzt in den Zimmern freier athmen sowie lesen und schreiben kann, ohne Lampen anſtecken zu müſſen. Wichtiger indeſſen für die Fragen, welche uns hie beschäftigen ſollen , ist die vorgenommene Reduction des Gewichtes und der Maße des auf dem Deck befindlichen Blockhauses ( von 50 auf 15 Tonnen ) , sowie des Mastwerkes im Vergleiche zu dem der ,, Gloire " und des ,,Invincible ". Die Oberfläche des Segelwerks beträgt immer noch 1400 Meter , aber man hat die Höhe der Maste ebenso wie die Länge und Stärke der Raaen geringer gemacht. Die Vertheilung der Schiffsladung ist ebenfalls geändert worden , um dadurch dasselbe Reſultat zu erreichen, nämlich den Schwerpunkt der Fregatte durch Erleichterung der oberen Theile und stärkere Belastung der unteren Schiffsräume tiefer zu legen. Es ist dieses einer der wichtigsten Punkte für das, was weiter unten folgen wird. 2.

Die ,, Couronne “ , befehligt von dem Schiffscapitain Penchoat,

ist eine nach einem besonderen Modelle gebaute Fregatte von 40 Kanonen. Ihre Formen und Abmessungen unterscheiden sich von denen der „ Gloire“ , obgleich sie sichtlich in demselben Geiste construirt worden ist. Ihre Endtheile sind weniger ſpiß, ſondern mehr abgerundet, was ihr ein weit gefälligeres Ansehn giebt. Ihre Länge beträgt 80 Meter , ihre Breite 16,7 Meter, ihr Deplacement 6076 Tonnen , die Batteriehöhe 1,98 , ihr mittlerer Tiefgang 7,6 Meter.

Bei diesem Tiefgang trägt sie Lebens-

mittel und Vorrathsstücke für 3 Mouate, Waffer für 1 Monat und 650 Tonnen Kohlen ; dieser Vorrath könnte leicht im Nothfalle bis zu 1000 Tonnen gesteigert werden. Die Oberfläche des Segelwerks beträgt 1620 Meter, und ist daſſelbe auf drei Maſten vertheilt , von welchen zwei mit Raasegeln versehen sind. Was aber die „ Couronne " hauptsächlich auszeichnet, ist, daß ihr Rumpf mit 2 Centimeter dickem Eisenblech beschlagen ist.

Um die Panzerung auf der Bekleidung anbringen zu können , hat

man diese auf der äußeren Seite durch ein Fachwerk von Rippen verstärkt, dessen Zwischenräume mit Teakholz ausgefüllt find in einer Dide

70 von 28 Centimetern ; hierauf kommt Eiſen in einer Stärke von 34 Millimeter zu liegen, und dieses wird dann wieder durch eine zweite 10 Centimeter dicke Bekleidung von Teakholz von den Platten des eigentlichen Panzers getrennt, welche in der Höhe des Wasserspiegels 10 Centimeter, in den oberen Theilen 8 Centimeter stark find.

Das Vertheidigungs-

system der Fregatte ist also im Ganzen zusammengesetzt aus einer doppelten Holzstärke von 38 Centimetern und einem dreifachen Eiſenbeſchlage, welcher auf dem Wasserspiegel einschließlich des Eisenbeſchlages vom Rumpfe 134 Centimeter ( = ca. 54″ ) ſtark iſt. 1857 haben in Vincennes Bersuche stattgefunden, welche gute Resultate in Beziehung auf die Festigkeit und das vortheilhafte wechselseitige Zusammenwirken der einzelnen Bestandtheile der Schiffswand geliefert haben , und man hofft , daß diese Panzerung besonders deswegen einen größeren Widerstand leisten wird , weil die Wirkung der Geschosse durch die Verschiedenheit der aufeinander folgenden zu durchdringenden Mittel zertheilt werden soll. Freilich hat dieses sinnreiche System den Nachtheil, daß es ziemlich kostspielig iſt, ſo daß die ,, Couronne " bei ungefähr gleichem Gehalte 20 bis 25 Prozent mehr als die ,, Gloire " gekostet hat. Jedenfalls ist aber die ,, Couronne “ ein sehr schönes, elegantes Schiff, und sie hat sich in vielen Beziehungen während der Probefahrt ausgezeichnet.

Nicht ein einziges Mal hat ſie

während derselben ihren Posten verlassen oder die Fahrt der Abtheilung aufgehalten , um irgend einen kleinen Schaden auszubeffern , wie dies so häufig bei Geschwadern von Dampfschiffen vorkommt und dann deren Ordnung stört und die Präcision ihrer Bewegungen beeinträchtigt. Die

"" Couronne “ ist in Lorient nach den Plänen und unter der persönlichen Aufsicht des Marine - Ingenieurs Aubenet gebaut , ihre Maschine von Mazzeline in Havre ausgeführt. 4. Der ,, Solferino " und 5. Der ,, Magenta “. Beide Schiffe sind nach demselben Plane gebaut, und kleine Abweichungen können nur von der verschiedenen Bauart auf den Werften herrühren.

Uebereinstimmend mit den andern Panzer-

schiffen haben sie einen hölzernen Rumpf, find 86 Meter lang und 17,3 breit; ihr Tiefgang beträgt 7,9 , die Batteriehöhe 1,82 Meter , das De placement 6796 Tonnen ; ihre Maschine hat 1000 Nominal - Pferdekraft, und sie führen je 52 gezogene 30 uge Hinterladungskanonen mit einer Ausrüstung von 155 per Geſchüß , für 1 Monat Waſſer , für 75 Tage

71

Lebensmittel und 700 Tonnen Kohlen als reglementarische Ausrüstung ; sie haben drei Maften und dasselbe Segelwerk wie der „ Invincible", nur mit der Ausnahme, daß das ihre 50 Quadratmeter mehr Oberfläche , nämlich 1450 Meter statt 1400 hat ; die Panzerplatten endlich haben ein Totalgewicht von 910 Tonnen für jedes Schiff und wie die der „ Gloire “ eine einzige Eiſenſtärke , welche zwischen 11 und 12 Centimeter (== ca. 4 " ) variirt. Indeffen zeichnen sich beide Schiffe in vielen Beziehungen von den älteren Panzerfregatten aus. Obgleich sie gewöhnlich auch als Fregatten bezeichnet werden, sind es eigentlich Linienschiffe, denn sie haben zwei bedeckte Geschüßetagen mit 26 Geſchüßen in der unteren, 24 in der oberen Batterie und 2 Jagdftücke auf dem Verdecke , welche über Bord feuern. Ihre Artillerie ist also zahlreicher und concentrirter und hat den Vortheil, daß sie auch dann, wenigstens zum Theil, noch feuern kann, wenn die untere Batterie und die Geschüße der Fregatten durch das Wogen der See außer Wirksamkeit gesett wären , obgleich es sehr wenig wahr. ſcheinlich erscheint, daß unter solchen Umständen das Feuer der oberen Batterie von ernstem Nußen sein könne und uns kein Beispiel von einem Seegefechte bekannt ist , wo ein solcher Fall vorgekommen wäre. Sicherlich aber hat diese Artillerie in einem Nahgefechte durch ihre hohe Batterie den Vortheil eines auf die Fregatten gesenkten Feuers , was heut zu Tage, wo die verwundbarsten Stellen der Panzerschiffe unzweifelhaft der unter Wasser befindliche Rumpf und das obere Verdeck ſind, von hoher Wichtigkeit ist. Wenn es nun auch feststeht, daß in Hinsicht auf die Artillerie sowohl bezüglich der Zahl als der Vertheilung der Geschüße bei diesen beiden neuesten Kriegsschiffen eine Ueberlegenheit über die Fregatten erreicht ist, so mußten doch, um dieselbe zu erlangen, einige Opfer gebracht werden. Das Wichtigste derselben ist , daß der „ Solferino “ und der „ Magenta“ nicht vollständig gepanzert sind.

Vom Wasserspiegel an ist das Zwischen-

deck in seiner ganzen Höhe durch den Panzer gedeckt , darüber aber nur die Geschütze. Man wird ohne Zweifel geſchüßt kämpfen ; aber auch vorn und hinten, in der oberen und unteren Batterie ſind große Stücke, welche nicht mehr geschüßt ſind, als es die früheren Schiffe waren, und die den feindlichen Brandgeschoffen eine beträchtliche Wirkung gestatten. Hätte man diese schwachen Stellen auch noch decken wollen , so hätte man das

72 Gewicht der Panzer noch um 3 bis 400 Tonnen vermehren , damit aber alle Bedingungen der Construction ändern und die Dimensionen der Schiffe noch weit bedeutender nehmen müſſen , während sie schon größer find , als Alles, was man vor ihnen geſehn hatte.

Wir dürfen nicht

vergessen , daß das mittlere Gewicht der vollſtändig ausgerüſteten Dreidecker , welche vor 10 Jahren noch die Könige des Meeres waren , 5000 Tonnen nicht überschritt, und daß wir mit dem „ Solferino “ ſchon faft bei 7000, mit dem „, Warrior “ bei 8800 , mit dem von Herrn Laird in " Great Birkenfeld erbauten ,, Agincourt " bei 10 oder 11000 , mit dem „, Eastern " bei 22000 angekommen sind.

Das heißt schnelle Fortschritte

machen, und man darf wohl zweifeln, ob die Engländer großes Lob verdienen , weil sie größere Sprünge machen wollten , als die Franzosen. Der " Great Eastern" hat bekanntlich keine seiner verschiedenen Bestimmungen zu erfüllen vermocht , und auch von dem ,, Warrior " gestand der geschickte Mr. Need , der constructor in chief der engliſchen Marine, noch kürzlich in Greenwich öffentlich ein , daß derselbe eben wegen der Uebertreibung seiner Dimensionen nicht ein Erfolg zu nennen wäre, daß er ein beſſeres Fahrzeug sein würde, wenn er 100 Fuß kürzer wäre, daß er dann viel weniger schlingern und namentlich viel besser steuern würde.

Daß man bei dem ,, Solferino “ und dem „, Magenta “ beträcht-

liche Theile ohne den Schuß des Panzers gelassen hat , giebt für ihre Kriegstüchtigkeit zu ernsten Bedenken Veranlassung , denn es besteht nun wieder die Möglichkeit, daß sie in Brand geschoffen werden.

Ein Brand

ist schon an und für sich der gefährlichste und am meisten gefürchtete Feind des Matrosen , und keine Kanonade , so mörderiſch ſie auch sein mag, bringt eine solche moralische Wirkung hervor, wie die einfachen Worte : ,,Feuer an Bord ! " Ein Brand an Bord eines Panzerschiffes aber würde noch um so mächtiger auf die Gemüther wirken , als der Glaube an die Unverbrennbarkeit fast nothwendig mit dem Begriffe der Panzerung verbunden ist ; die Seeleute würden sich dann für betrogen halten . Um die Feuersgefahr zu beseitigen, werden daher die Ingenieure doch wieder darauf hinarbeiten müffen , die Schiffe vollständig zu panzern, und, wenn keine höheren Rücksichten entgegenstehen , werden die finan ziellen Bedenken dies auch nicht hindern können.

Nur das ist im Kriege

wirklich wohlfeil, was zum Siege verhilft ; und wie hoch auch vollständig

73 gepanzerte Linienschiffe im Preise kommen mögen , man wird sich dem unterwerfen, sobald man dieſe Schiffe wird bauen können. In Hinsicht auf ihre Seetüchtigkeit haben dagegen der ,, Solferino " und der ,,Magenta " durch ihre beiden Batterien durchaus nichts verloren, die von ihnen entfalteten nautischen Eigenschaften, sowohl ihre Schnelligkeit wie die Sanftheit ihres Schlingerns - übertreffen sogar Alles, was ihre eifrigsten Bewunderer von ihnen gehofft hatten. Ferner haben sie in ihren Batterien auch ausnahmsweise bequeme und gesunde Wohnungen für die Bemannung .

Der nicht geschüßte Theil des Vordertheiles dient

in der unteren Batterie als Wohnung für die Deckoffiziere (Unteroffiziere) und in der oberen Batterie als Hospital ; der entsprechende Theil hinten enthält oben das Zimmer des Commandanten und unten die Offizierszimmer, von welchen jedes eine Stückpforte hat , um Luft und Licht zu verschaffen.

Schiffsoffiziere und Deckoffiziere sind nie auf irgend einem

andern Kriegsfahrzeug so gut eingerichtet gewesen. Endlich zeichnen sich diese Schiffe noch von den älteren durch die ganz besondere Gestalt ihres Vordertheils aus.

Während deffen Vorderlinie nämlich bei der „ Gloire“

wie die Schärfe eines Beiles gebogen ist, zeigt sich das Vordertheil des „,Solferino“ und des „ Magenta ", im Profil betrachtet , in einem Winkel gebrochen, deffen Scheitel ungefähr 1 Meter unter dem Wasserspiegel liegt und zur Aufnahme eines Spornes dient. Es ist dies eine ungefähr 12000 Kilogramm wiegende Gußſtahlmaffe , welche etwa 6 Meter über den Vordersteven nach vorn hervorragt und sich in der Form eines Kegels mit zwei langen Füßen , welche den Sturmbändern eines Helmes gleichen , an die Flanken des Schiffes lehnt und mit der Panzerung gleichsam nur ein Körper ist.

Mit Ausnahme des äußersten Endes ist der Kegel hohl, und

seine Wände, welche an ihren schwächsten Stellen immer noch wenigstens eine Dicke von 12 Centimetern haben, sind im Innern so geformt , daß fie sich ganz genau an die Zimmerung des Schiffes anfügen und der Sporn mit diesem ein Ganzes bildet. Wenn auch diese Waffe noch keine Probe bestanden hat , so sehen die Seeleute doch großes Vertrauen in dieselbe. Man denke sich ein Geschoß mit einem Gewichte von 7 Millionen Kilogramm , welchem der „ Solferino “ etwa entsprechen würde, und man braucht wohl nicht zu fragen , was daraus entſtände , wenn er gegen die Seite eines feindlichen Schiffes anrennen würde. Und da der ,,Solferino" eine Geschwindigkeit besigt , wie sehr wenig Schiffe ( man

74 kann vielleicht keine 10 schnellere in der ganzen Welt finden ), so könnte fich ein Gegner dem Angriffe seines Spornes auch nicht durch die Flucht entziehen, denn fliehen hieße sich übergeben. Er müßte im Gegentheil den Chock erwarten und ſo manövriren , daß er immer gerade in dem Augenblicke auswiche , wenn er mit voller Macht angerannt werden soll. Dieses Schiff, welches dem Anprall auszuweichen suchen wollte , müßte fich hierbei als Mittelpunkt eines Kreises betrachten , deffen Umring der Angreifer folgen müßte, bis er einen günstigen Augenblick gefunden hätte, um seinen Feind in der Seite zu fassen. In einer solchen Lage würde allerdings das angegriffene Schiff den großen Vortheil haben, daß seine Evolutionen weit leichter und raſcher auszuführen wären, als die des Feindes ; allein in Seeschlachten , welche noch stets mit einem Handge menge der Schiffe endeten, würde der „, Solferino “ doch sicher sein, von seinem Sporn Gebrauch machen zu können.

Leider fehlt es gänzlich an

Erfahrungen , aus welchen man auch nur annähernd auf den Schaden schließen könnte, den er sich bei einer so kühnen Unternehmung auch allenfalls selbst zufügen könnte. Den nautischen Eigenschaften des Schiffes thut der Sporn eben keinen Eintrag ; nur hemmt er bei auszuführenden Wendungen die Schnelligkeit der Evolution , was aber kein Fehler ist, dem man in der Praxis Rechnung tragen müßte. Wir schließen die Besprechung der einzelnen Schiffe mit der Bemerkung , daß sowohl der ,, Solferino " und der ,, Magenta " wie auch der ,, Invincible “ , die „ Normandie “ und der "„, Napoleon “ sämmtlich die Werke eines Ingenieurs , Dupuy de Lôme, sind , welcher selbst in England als der geschicktefte Constructeur von Kriegsschiffen in Europa bezeichnet worden ist.

Am 27. September verließ das Geschwader um 1 Uhr Nachmittags das Fahrwasser von Cherbourg, um einen der zur Zeit der Aequinoctien losbrechenden Stürme aufzusuchen. Es traf einen solchen früher, als es wohl gewünſcht hätte, denn die Bemannung der Schiffe war nicht vollständig und betrug nur durchschnittlich der reglementsmäßigen Zahl; fie war kaum gebildet worden, und vielen Leuten waren die neuen Schiffsmobelle gänzlich fremd ; manche der Maschinisten hatten nie solche Maschinen gesehen, wie die waren, welche sie nun handhaben sollten. Einige

75 Tage schönes Wetter im Anfange der Fahrt würde daher sehr erwünscht gewesen sein ; allein schon am 28 ften fing die See an hoch zu gehen, und der Wind erhob sich mit solcher Macht, daß die der Abtheilung be gegnenden Schiffe sämmtlich für Sturm getakelt waren. Am 29ften trat zwar wieder eine kurze Windſtille ein , und das Meer fiel ; allein man hatte die untrüglichen Anzeichen von einem bevorstehenden Sturme. In der Nacht vom 30. September auf den 1. October brach dieser dann auch mit seiner ganzen Gewalt aus Nordwesten los. Das Geschwader, welches an der Insel Queffant vorbeisegelte und die weite See suchte, also dem Sturme entgegenfuhr , wurde von dessen Gewalt zerstreut und konnte sich erst am andern Tage , 2. October, wieder sammeln , um am 3ten in Brest einzulaufen und die durch den Sturm verursachten Schäden wieder auszubeffern. Die bestandene Probe war alles, was man wünſchen konnte ; denn man hatte einen der stärksten Stürme des atlantischen Oceans ausgehalten. Ein Beweis für die außerordentliche Stärke des Sturmes waren einmal die Unglücksfälle, welche er an den Küsten Frankreichs und Englands verursacht hatte , und dann auch die an Bord des „ Solferino“ und „ Magenta “ vorgenommenen Meffungen der Wogenhöhen. Diese ergaben die bedeutende Höhe von 9 bis 10 Meter ( gleich ca. 32 Fuß ), deren Bedeutung man würdigen kann, wenn wir erwähnen, daß man z. B. in den Gewässern der Nadelbank an der Südküste Afrila's, wo die Wellen bei schlechtem Wetter die größte Höhe auf dem ganzen Globus erreichen sollen , bei den stärksten Stürmen nicht mehr als 12 Meter messen konnte. Sehen wir nun, was der Sturm vom 1. October für Schaden bei dem Geschwader angerichtet hat.

Von den fünf Panzerschiffen hatte kein

einziges solche Schäden erlitten , welche ihren Grund in der besonderen Bauart desselben gehabt hätten ; auch waren sie nur unbedeutend . Der einzige Verlust des „ Invincible“ und der „,Couronne" waren bei jenem ein, bei dieſer 4 Boote, welche durch die Gewalt des Meeres losgeriffen wurden. Aber auch der ,, Napoleon " verlor troß des Vortheils seiner größeren Erhebung über den Wasserspiegel 2 Boote. Der "„, Magenta " und noch mehr der ,, Solferino " erlitten Unfälle , welche ernst hätten werden können , aber einzig und allein aus einigen Uebelſtänden ihrer Maschinen entstanden, alſo auch nichts in der Frage der Schiffsconſtruction beweisen. Am übelsten wurde von den Panzerschiffen noch die „ Nor-

76 mandie" zugerichtet.

Sie schluckte eine Quantität Meerwasser , als ſie

während des stärksten Sturmes die Wellen absichtlich gegen ihre Seite schlagen ließ, und verlor ihre Vorderstenge ( die erste Verlängerung des Fockmastes ) und ihren Klüverbaum ( die Verlängerung des Bugspriets ). Allein dieses sind ja auch durchaus keine ernste Schäden , und als sich das Schiff dann dem Meere gerade entgegenstellte, schluckte es keinen Tropfen Wasser mehr.

An den Rumpfen der Panzerschiffe war nicht

die geringste Verlegung zu entdecken, als sie später mit der größten Sorgfalt untersucht wurden. Ganz anders war dagegen das Schicksal der nicht gepanzerten Schiffe. Dem „ Napoleon“ wurde, da er den Wogen die Stirn bot, der Schnabel eingestoßen, und man mußte ihn in den Hafen schaffen , um ihn auszubefferu. Der schwächere " Talisman “ konnte schon am 28 ſten der Bewegung des Geschwaders nicht mehr folgen, als dieſes 10 Knoten gegen eine See zurücklegte , welche weit niedriger als bei dem Sturme war, und nahm vorn und hinten Waſſer ein. Auch litt die Schraube dergestalt, daß der Schiffscapitain gezwungen wurde, während des Sturmes beizulegen und ohne Maschine bis zum Rendezvous vor Queſſant zu fahren. Der ,,Talisman " war das einzige Fahrzeug der Abtheilung, welches mit einem Schachte versehen war , der dazu dienen sollte , daß man zur Schraube gelangen könnte ,

um sie zu untersuchen

nöthigen Falls zu schüßen oder auszubessern.

und

Merkwürdiger Weise war

er aber auch das einzige Schiff, welches gerade wegen eines an der Schraube erlittenen Schadens in den Hafen einlaufen mußte. Allein man konnte ſeinen Schaden hier nicht heilen und mußte ihn dazu in die Docks auffahren lassen. Die Vermuthung liegt nahe , daß die in dem Schraubensystem stattgehabte Verbiegung gerade in der durch den Bau des Schachtes erzeugten Schwäche im Hintertheile des Schiffes ihren Grund hatte. Schon die Wirkungen des Sturmes hatten also eine Ueberlegenheit der Panzerschiffe über die Holzschiffe gezeigt , denn die letteren hielten die Abtheilung 17 Tage lang auf der Rhede zurück , während jene nach kurzer Ruhe und Ergänzung ihres Kohlenvorraths zur Fortsetzung der Fahrt bereit waren. Diese sollte in einer Reihe angestellter Versuche noch weiter die Unhaltbarkeit verschiedener den Panzerschiffen gemachter Vorwürfe zeigen.

Der Zustand der See und die Winde waren während

77 der nun folgenden 35tägigen Fahrt über Madeira und die canarischen Inseln nach Cherbourg zurück , veränderlich genug , um bei diesen Verfuchen alle Combinationen genügend in Rechnung bringen zu können. Was zunächst den den Panzerschiffen gemachten Vorwurf betrifft, daß es ihnen an Batteriehöhe fehle , so beträgt lettere , wenn die Schiffe vollständig geladen sind, beim . 1,80 Meter, Napoleon • 1,81 Tourville bei den Panzerschiffen dagegen Normandie . Invincible • •

Couronne Solferino Magenta

. • •

1,82 Meter 1,82 1,98 1,82 1,82

Und bei der Höhe dieser Zahlen führen sie noch 650 und 700 Tonnen Kohlen, deren Verbrauch sie um weitere 60 bis 70 Centimeter aus dem Wasser steigen läßt. Sie stehen also ihren Vorgängern in dieser Beziehung durchaus nicht nach. Könnte man, ohne die andern Eigenschaften des Schiffes zu beeinträchtigen , dieſe Batteriehöhen noch vergrößern, so würde das nur besser sein ; aber man legt diesem Vortheil vielleicht eine zu große Bedeutung bei. Die Abtheilung hat faſt täglich ihre Geschüße abgefeuert und konnte dieses noch bei solchen Zuständen des Meeres, bei welchen ein Gefecht ein fast unmögliches Ding gewesen wäre. Man liefert nur bei gutem Wetter Seegefechte; ist das Meer so erregt, daß die Fahrzeuge Schwingungen ( Schlingern ) von 10 bis 12 Grad machen, so wird das Feuer der Artillerie , selbst bei den besten Geschüßen und den besten Kanonieren , fast illusorisch. Es findet sich in der Geschichte der Seekriege kein Beispiel von einer Niederlage, weder in einer großen Schlacht noch in einem Einzelgefechte, welche ihren Grund darin gehabt hätte, daß einem der beiden Gegner seine Batterien durch das Meer maskirt worden wären , während der andere sein Feuer hätte fortsetzen können, weil seine Batterien höher über dem Waffer gelegen hätten. Was die Schwankungen der Schiffe betrifft , so stehen die Ansichten über das Stampfen , d. h. über die Schwingungen in der Längenrichtung der Fahrzeuge, wohl allgemein fest.

Die Panzerschiffe haben nämlich

außerordentlich sanfte und leichte Stampfbewegungen und haben während

78 der Fahrt bewiesen, daß sie der stürmischsten See gerade entgegen fahren können , ohne auch nur etwas abzufallen , und daß sie vor dem Winde segeln können, ohne daß das Meer hinten eindringt.

Diesen Eigen-

schaften verdanken sie es , daß sie dem Sturme vom 1. October verhältnißmäßig ungestraft und weit beffer troßten , als der „, Napoleon “ und der ,,Talisman “. Ueber die Frage des Schlingerns dagegen ist schon gar vielfach geftritten worden und wird ohne Zweifel noch viel gestritten werden. Aber auch in dieser Beziehung haben die Panzerschiffe bewiesen , daß sie keinen Vergleich zu scheuen brauchen ; denn sie haben weder während des Sturmes noch bei dem folgenden schönen Wetter mehr als die andern geschlingert ; weder die Zahl noch die Weite ihrer Querschwingungen ist größer gewesen , und diese scheinen in der That ganz unabhängig von der Panzerung zu sein. Wenn nun auch hier nicht etwa eine Theorie dieser Schlingerbewegungen , ihrer Ursachen und Wirkungen aufgestellt werden soll , so giebt uns doch der Umstand , daß gegenwärtig selbst die sachverständigsten Männer in dieser Frage sehr verschiedener Meinung zu sein scheinen, Veranlaſſung , hierbei etwas zu verweilen.

Unsere Vor-

fahren, welche nur mit dem Segel fuhren , fühlten eben deswegen nicht das Bedürfniß, diese Frage eingehend zu studiren ; von wahrhaft großer Bedeutung ist sie erst für das Dampfschiff geworden, welches seinen Weg fast immer unabhängig von der Nichtung der Winde und der Strömungen, von dem Zustande des Meeres oder des Wetters , sogar meistens im Widerspruch mit denselben machen muß. Weil es ein Dampfschiff iſt, das seine bewegende Kraft in sich selbst trägt, und nicht weil es gepanzert ist, kann das moderne Schiff beträchtlicheren Schlingerbewegungen ausgesezt sein, als das alte ; der Panzer hat nichts hiermit zu schaffen. Das ist der erste Punkt, welcher aus den eben gemachten Erfahrungen hervor, geht. Bei der Mehrzahl des Publicums und selbst der Seeleute besteht noch der Glaube, daß die Anzahl der Querschwingungen durch die mehr oder weniger rasche Folge der Wellen bestimmt wird, und daß die Weite dieser Schwingungen im umgekehrten Verhältnisse zu der Stabilität des Schiffes steht.

Wenn diese Theorie auch auf den ersten Blick etwas Ein-

leuchtendes haben mag, so ist doch nun gezeigt worden , daß ſie gänzlich falsch ist, und es erlauben auch die während der Fahrt des Panzerge-

79 schwaders gemachten Erfahrungen in dieser Beziehung Schlüſſe von außerordentlicher Wichtigkeit. In einer Hinsicht ist die alte Theorie schon durch den jest ziemlich allgemein angenommenen Sah stark erschüttert worden , daß das stabilfte Schiff durchaus nicht dasjenige ist , welches am wenigsten schlingert , daß es im Gegentheil gerade die lebhaftesten und ermüdendsten Schwankungen macht. Einen lebhafteren Streit wird aber die bereits auch schon aufgestellte Lehre hervorrufen , daß die Anzahl der Querschwingungen eines Schiffes vollständig unabhängig ist von dem Zustande des Meeres und mehr oder weniger von der Schnelligkeit in der Folge der Wellen, daß vielmehr jedes Schiff als ein Pendel betrachtet werden muß , welches bei einem gegebenen Zustande der Belastung eine ihm eigenthümliche conſtante Anzahl Schwingungen macht, und daß die Intenſität und Schnelligkeit der Wellen keinen Einfluß auf die Anzahl, sondern nur auf die Weite der Querschwingungen hat. Es fann trotzdem der Fall eintreten, daß das Schiff, welches heute im Verhältniß zu andern am meisten geſchlingert hat , morgen gerade dasjenige ist, welches am wenigsten schlingert , wenn nämlich das Pendel mit seiner normalen Anzahl Schwingungen zufällig in der Bewegung des Meeres einer Bewegungsursache begegnet , die mit seiner eigenen übereinstimmt, harmonirt, gleichzeitig ist ; dann wird das Schiff durch die Weite seiner Querschwingungen diejenigen in Erstaunen sehen , welche Tags zuvor und vielleicht bei stärkerem Winde, der aber nicht so zu seiner Eigenthümlichkeit stimmte, die Schwäche seiner Schlingerbewegungen bewunderten. Wenn diese Gedanken richtig sind und sie wurden von einer Menge während der Fahrt beobachteter Thatsachen bestätigt und von feiner einzigen widersprochen --- so find sie von großer Tragweite in der Frage des Schlingerns der Panzerschiffe. Sie entfernen die Panzerung selbst ganz aus der Betrachtung und beschränken die Streitfrage so weit, daß sie nur noch die Formen und die allgemeine Schwerpunktslage bes ganzen ausgerüsteten Schiffes in Betrachtung zu ziehen hat. Es fann aber nicht behauptet werden, daß die neuen Schiffe, namentlich der „ Magenta“ und der „ Solferino “ , sich durch die Weite oder Schnelligkeit der Querschwingungen nachtheilig gegen die andern ausgezeichnet hätten. Nächst dem ,, Talisman " hat die „", Normandie “ von allen Fahrzeugen der Abtheilung am stärksten geschlingert , und das Beispiel dieser Fregatte liefert eine nüßliche Lehre. Da fie nämlich ein Jahr nach der „ Gloire"

80 ausgerüstet werden sollte , diese aber in dem Rufe stand , sehr stark zu schlingern, so sollte diesem Fehler bei der „ Normandie“ abgeholfen werden. Ueber das anzuwendende Mittel theilten sich aber die Meinungen. Die Einen , und es war dies die kleinere Zahl, behaupteten , wenn die Fregatte stark schlingere, so müſſe dies daher rühren, daß sie eine zu große Stabilität habe, daß also die in den unterſten Schiffsräumen aufgehäuften Lasten ein zu starkes Uebergewicht gegen die in den obern Theilen vertheilten bildeten ; man müſſe demnach ein beſſeres Gleichgewicht durch Vermehrung der oberen Belastung herstellen. Die Andern behaupteten im Gegentheil, daß die Fregatte stark schlingere, weil es ihr an Stabilität fehle, und um dieſen Fehler zu beseitigen, schlugen ſie gerade das Gegentheil von dem ersteren Rathe vor , nämlich die Fregatte in ihren oberen Theilen zu erleichtern, ihren Schwerpunkt also noch tiefer zu legen und sie selbst dadurch stabiler zu machen. Der lettere Nath ſiegte ; das Maſtwerk wurde leichter gemacht , und das Blockhaus , welches die Fregatte auf ihrem Verdecke trug , von 50 Tonnen auf 15 reducirt. Aber was war die Folge? Weit entfernt davon , etwas gewonnen zu haben, zeigte sich die Fregatte auf ihrer Fahrt nach Mexiko und während des ersten Theiles der hier in Rede stehenden Versuchsfahrt empfindlicher gegen die Bewegungen des Meeres , als es die „ Gloire “ jemals gewesen war, und sie wurde nicht eher ruhiger, als bis man das umgekehrte Verfahren anwandte. Auf der Rhede von Funchal ließ man eine Anzahl Geſchüße und Geschosse im Gewichte von ungefähr 200 Tonnen aus den Schiff8kammern und der Batterie auf das Deck bringen, und nachdem dadurch der Schwerpunkt der Fregatte höher gelegt war , zeigte sie von da an bis zur Rückkehr nach Cherbourg weniger weite und sanftere Schwanfungen. Wenn nun auch diese Erfahrung noch zu keinem sicheren Schlusse berechtigt, so ist sie doch jedenfalls sehr lehrreich , und die aus ihr zu ziehenden Folgerungen wurden überdies noch durch die auf dem „ Magenta" gemachten Beobachtungen bestätigt.

Obgleich derselbe nach dem-

selben Plane wie der „ Solferino" gebaut war, zeigt er doch in Beziehung auf das Schlingern schlechtere Resultate. Man schrieb dieses der doppelten Ursache zu, daß der „,Magenta“ in seinen unteren Kammern 50 Tonnen Kohlen mehr als der „ Solferino “ führte, und daß ſeine obern Holztheile einen geringeren Querschnitt als auf diesem hatten , wodurch sich ein

81 weiterer Unterschied von noch ungefähr 50 Tonnen ergab, so daß er sich in keiner befriedigenden Weise , nämlich unten stärker , oben weniger be laden fand. Betrachten wir nun die Reſultate der während der Fahrt angestellten zahlreichen Beobachtungen, so ist zunächst die Reihenfolge der Schiffe in Bezug auf das Schlingern ; wenn wir mit demjenigen anfangen, welches am wenigsten schlingert : Solferino, Magenta, Napoleon, Tourville, Couronne, Invincible , Normandie.

Ausnahmen von dieser Ordnung

haben indeſſen ſtattgefunden, und ist darüber weiter unten bei Besprechung der Schwingungsweiten Näheres zu sehen. In Beziehung auf die einem jeden Schiffe eigene Anzahl der Querschwingungen ergaben z. B. die Beobachtungen am 26. October: Solferino

Napoleon Tourville

Seitenschwankungen in der Minute, do. .do. do. do. 10 do. 101 do.

Couronne

12

Magenta

9

10

Invincible 12 Normandie 12 Talisman

15

do. do.

do. do.

do. do. do. do.

Bei den verschiedensten Verhältnissen der Zeit und des Wetters änderten fich diese Zahlen für jedes einzelne Schiff nicht , wenigstens nicht merklich, wie auch die Weite der Seitenschwankungen sein mochte. Anders ist es mit dieser Schwingungsweite , welche sich je nach den besonderen Umständen bedeutend ändert. Als z . B. am 26. October das Geschwader mit vier geheizten Kesseln und einer von 7 bis 8 Knoten wechselnden Geschwindigkeit nach Weſtfüdwesten fuhr, dabei von der Seite einen starken, von Nordwesten kommenden Wellenschlag erhielt und gegen einen ziemlich frischen aus Süden kommenden Wind zu kämpfen hatte, ergaben die von 6 Uhr Morgens bis 6 Uhr Abends stündlich aufgezeichneten Querschwankungen in aufsteigender Ordnung folgende Schwingungsweiten:

Achtundzwanzigster Jahrgang. LVI. Band,

6

82 Neigung am

Ganze Steuerbord

Backbord Schwingungsweite.

(rechte Seite) (linke Seite) Solferino

·

Magenta . Napoleon Couronne .

17º,83

17º,25

35°,08

18°,42 19°,83

17°,58 17º,29 19°,73

36°,

.

17º,95 20°,85

Invincible Normandie .

21 °,33

Tourville .

19º,91

37°,12

19º,72

37°,68 40°,57

21°,54 22°,50

43° ,83

41 °,45

Außer einer Abweichung von der oben angegebenen durchſchnittlichen Reihenfolge zeigt diese Tabelle als Differenz zwischen der Schwingungsweite des am wenigsten schlingernden « Solferino » und der am ſtärksten schlingernden « Normandie. 8 °,75 oder für jedes Bord 4º ,37 und zwar vor der in Funchal vorgenommenen Aenderung in der Vertheilung der Lasten an Bord der letteren. Wenn wir von dieser absehn , so beträgt die Totaldifferenz nur 6º ,37 oder 3º , 18 an jedem Borde. An einem Tage aber, dem 18. November, (nach dem Aufenthalt in Funchal) wurde die durch das allgemeine Mittel bestimmte Reihenfolge vollständig umgeworfen. Das Geschwader fuhr bis 3 Uhr Nachmittags mit 2 und dann bis zum Abend mit 3 geheizten Keffeln nach Nordosten und erhielt von hinten eine leichte Brise aus Süd bis Südoft. Mit Hilfe seiner Segel erreichte es am Morgen eine Geschwindigkeit von 7 bis 8 , am Abend von 8 bis 9 Knoten. Das Wetter war sehr schön, ebenso das Meer ; es wurde nur durch einen langen sanften Wellenschlag bewegt, welcher das Geschwader von der Seite faßte. Unter diesen Umständen wurden folgende merkwürdige Beobachtungen gemacht :

Tourville

Napoleon

4

4

8

5

Solferino

5

6

8

90 1

7

7

5 7

34

5

3

4

4º 5º

5

4

4 41

8

5

º 8 °8 5º

12 Uhr .

10

8

1 60 9

7

10

7

10

79 8

4

11

10

Normandie

4



Magent a .

Couronne

Invincible

7

um Morgens

6

7

6,66

7,16

9

9

8

13

11

12

23 16 14 10

13,76 15,50

16 17 12 21

11,25

11,50

12

13

8,83

. Grad

Nachmit tags .

Mittel

15 13 8

11

15 14

19 219

130 °8

6 Uhr .

181

7

5,92

9

4 5

Nachmittags um

20 4 11 14

11

9

4,25

3

770

11

° 7

°8

2

5,83

Morgen .am 1 Grad .

Mittel

()Seobachtet bSeitenschwankungen chlingern

83

776

6*

84 Die für jede Stunde angegebenen Zahlen bezeichnen das in diesem Zeitraume beobachtete Maximum der Seitenschwankungen.

Das Resultat

dieser zwölfftündigen Beobachtungen würde die Schiffe nach der zuneh menden Weite ihres Schlingerne folgendermaßen sich folgen laffen : Invincible • • 7º,33, Couronne • 8º,12, · 8°,58, Magenta

Normandie . Solferino Napoleon Tourville

.

9º,33, . 9º,37, • 9°,83, 11º ,08 .

Es ist dies also eine durchaus andere Ordnung , als die oben angegebene durchschnittliche. Allein es müssen diese Beobachtungen vom 26. October als Ausnahmefälle angesehen werden, deren Veranlaſſungen noch unbekannt sind, welche aber mit aller Genauigkeit in ihrem Zuſammenhange studirt werden müſſen , um dadurch neues Licht für die noch ftreitigen Fragen zu erhalten.

Deshalb wurde auch hier für den vor-

liegenden Fall mehr in die Einzelnheiten eingegangen. Lassen wir jezt die theoretische Frage bei Seite , so darf nach dem Angeführten sicher das als feststehend gelten, daß die französischen Panzerschiffe schon in ihrem gegenwärtigen Zustande viel fanftere Stampfbewegungen haben und nicht stärker schlingern, als die beſten vor ihnen bekannten Schiffe. Einzelne Vorkommnisse, die gegen sie angeführt werden könnten , werden auch auf Ausnahmefällen beruhn. Die während der Probefahrt gemachten Erfahrungen scheinen aber noch weiter zu beweisen, daß sie sich zunächst in Hinsicht auf ihr Schlingern verbessern würden, wenn man die Last in ihren oberen Theilen vermehrte. Eine solche Aenderung kann aber noch weiter in ſehr günstiger Weise ausgebentet werden. Man hatte bis dahin allgemein das Segelwerk der Panzerschiffe nur als leytes Hilfsmittel betrachtet für den Fall, daß ihre Maschinen durch einen erlittenen Schaden außer Thätigkeit gesezt und das Schiff dadurch genöthigt würde, den Wind in den Rücken zu nehmen, um so bald als möglich einen Hafen zu erreichen. Zum großen Erstaunen aller Welt haben aber die Panzerschiffe während der Fahrt auch als Segelschiffe ganz unerwartetes geleistet. Sie sind ganze Tage und Nächte lang mit dem Segel gefahren und zwar in

85 einem Geschwader mit regelmäßig beobachteten Abständen, ohne daß das Ganze in Unordnung gerathen wäre.

Sie haben, ohne ihre Maschinen

zu Hilfe zu nehmen , nur mit ihren Segeln alle Manöver ausgeführt : fie haben lavirt (Schläge gemacht ) , mit der größten Leichtigkeit gegen den Wind gewendet (gestagt) und langsamer aber sicher vor dem Winde gewendet (gehalset) . Sie ſegelten so gut , daß sie der Admiral zwischen den Azoren und den canarischen Inseln , obgleich man mitten zwischen Land, alſo zwischen Gefahren war , mit dem Segel fahren und sie bei Tag und Nacht Bordwechsel ausführen ließ. Das Geschwader war dabei auf zwei Glieder rangirt , und die Abstände wurden nur 3 bis 4 Kabellängen (600 und 800 Meter) groß genommen , ohne daß dadurch ein Unfall veranlaßt worden wäre. Es kam sogar vor, daß der „ Tourville" mehrere Male nicht umlegen konnte , während die Panzerschiffe dieſes Manöver leicht ausführten.

Die folgende Tabelle giebt die Ge-

schwindigkeiten der Schiffe an , als sie nur mit dem Segel und ganz dicht beim Winde auf freiem Wege vorwärts jagen sollten : Napoleon Tourville

8,3 Knoten, 7,4

Magenta Couronne

7,2 7,1

Solferino 7 Normandie 6 Invincible 6 Wenn man die Unterschiede der Deplacements , alſo der zu bewegenden Lasten, und die Oberflächen des Segelwerks , also der Mittel zur Fortbewegung , in Betracht zieht , so sind dieſe Reſultate mehr als befriedigend.

Mit Lebhaftigkeit wurde daher der Vorschlag ergriffen , die

Dimensionen der Maste und Segel auf den Panzerschiffen zu vergrößern, um den angegebenen doppelten Zweck dadurch zu erreichen. Eine Rückſicht darf hierbei aber nicht aus den Augen gelaffen werden .

Da die

Thätigkeit der Schraube bekanntlich leicht gehemmt werden kann , wenn sich schwimmende Gegenstände in die Maschine festseßen , so muß das Schraubenkriegsschiff vor dem Gefechte in einigen Minuten sein Maftwerk mit allem Zubehör auf das Verdeck bringen können.

Die Be-

mastung und die Takelage muß deshalb sehr einfach sein und sehr leicht eingezogen und wieder an ihrem Platze aufgerichtet werden können .

86 Sehr zu empfehlen ist in dieser Beziehung eine englische Einrichtung. Die Engländer errichten auf ihren Panzerschiffen niedrige Maste von Schmiedeeisen, welche allen nautischen und militärischen Anforderungen genügen und welche, da sie hohl sind, zugleich als Ventilationsmittel angewendet werden ; auch in dieser Hinsicht kann diese neue Einrichtung nicht genug der Aufmerksamkeit empfohlen werden, da sie einen sehr be. deutenden Einfluß auf die Gesundheit der Schiffsmannschaft üben wird. Um einen Begriff von der Manövrirfähigkeit der Panzerschiffe zu geben, müssen die mit ihnen angestellten Drehversuche angeführt werden. Daß sie dem Steuer in der befriedigendsten Weise gehorchen, wird allgemein anerkannt ; allein ihre außerordentliche Länge ist daran Schuld, daß sie bei ihren Evolutionen Kreise von größerem Halbmeſſer beschreiben müssen, als kürzere Schiffe. Das wußte man im Voraus, und man kann sich nur darüber wundern , daß der Unterschied dieſer Halbmeſſer, namentlich bei den Schiffen mit Sporn, nicht größer ist.

Eine Verglei

chung der Fahrzeuge des Geschwaders hat sie folgendermaßen geordnet : Tourville, Couronne und Napoleon, Invincible und Normandie , Sol. ferino und Magenta.

Der Halbmesser des von den beiden lehten Schif-

fen beschriebenen Kreisumfanges betrug im Minimum 380 Meter , bei der Couronne nur 305 Meter. In Beziehung auf die Maschinen der Schiffe hat sich wieder der Sag bestätigt, daß die stärkste Maschine nicht nur die größte Schnelligkeit verleiht, sondern auch in der Praxis am wenigsten kostet.

Der

,,Napoleon“ hatte dies schon während des Krimkrieges bewiesen , wo er allein ebenso viel Dienste leistete, wie mehrere Schiffe zusammen. Die so eben gemachten Erfahrungen zeigen diese Wahrheit noch deutlicher. Der ,,Napoleon ", welcher ein Deplacement von 5200 Tonnen und eine Maschine von 900 Pferdekraft, also je 1 Pferdekraft für 5,8 Tonnen hat, wurde bei den Geschwindigkeitsversuchen von dem ,,Magenta“ und „ Solferino“ geschlagen, deren Maschinen 1000 Pferdekraft, alſo je 1 für fast 7 Lasttonnen haben. Bei allen Versuchen mit 2, 4, 6 oder 8 Kesseln find diese beiden Schiffe unveränderlich an der Spitze geblieben , ohne daß die andern ihnen folgen konnten , und wenn man bei langsamer Fahrt die Schnelligkeit der andern Schiffe noch der ihrigen regeln wollte, so stellte sich ein Vergleich der verbrauchten Kohlenmengen stets bedeu tend zu ihren Gunsten heraus, ste zeigten mehr Leistung und weniger

87 Im Vergleiche mit dem " Tourville ", der eine Maschine von 650 Pferdekraft und ein Deplacement von 4550 Tonnen hat , war der Unterschied so bedeutend , daß dieses Schiff während der ganzen Fahrt

Kosten.

mehr Kessel heizen mußte als das übrige Geschwader ; die Folge davon war, daß lezteres schließlich noch genug Brennmaterial in den Schiffskammern hatte , um mit 4 Keſſelu nach Cherbourg zurückzukehren, während der ,,Tourville “ seine Vorräthe verbraucht hatte und dieselben in Lissabon erneuern mußte. Schon unter gewöhnlichen Verhältnissen , noch weit mehr aber im Kriege, ist dieser Vortheil nicht hoch genug anzuschlagen. Der Wirkungskreis der Dampfschiffe, d . h. die Entfernung , welche sie mit ihrem normalen Kohlenvorrath zurücklegen können und die Zeit, welche ihnen derfelbe unterweges zu bleiben gestattet , ist eins der wichtigsten Elemente ihrer Macht. Wir stellen die Reſultate, welche der „ Solferino“ bei ver. schiedener Heizung erhalten hat, und die daraus abgeleiteten Folgerungen für das Leistungsvermögen , welches ihm sein normaler Kohlenvorrath

GeErreichte schwindigkeit.

in Bezug auf Raum und Zeit unter verschiedenen Verhältnissen gestattet, der Uebersicht wegen in eine Tabelle zusammen.

Zahl der geheizten Reffel.

Kohlenverbrauch in

Der nominale Kohlenvorrath von 700 Tonnen

24 Stund.

hätte folglich gereicht für :

2 Keffel

6 Ant. 22,3 Ton. 31 T. 4500 engl.Seem. = 1500Lieues *) 18 -4050 = 1350 bgl.strt. geheizt 9 = 37,5 0 11 = 1320 · 396 47 15 4 Kessel 5 = 745 7,5 223 6 12,494 = 556 8 5 1668 13,9 138 Als der ,, Solferino " mit 8 geheizten Keſſeln fuhr, und das Feuer verstärkt wurde, erreichte er sogar länger als eine Stunde eine Geschwindigkeit von mehr als 14 Knoten, und seine Maſchine bewirkte 57 Schraubendrehungen in der Minute ; als man umgekehrt die Maschine auf ein

*) 60 englische Seemeilen oder 20 französische Lieues gehen auf einen Grad des Aequators .

88 Minimum von Thätigkeit reducirte , so daß sie nur noch gerade im Gange blieb , erhielt man noch eine Geschwindigkeit von 3 Knoten bei nur 12 Umdrehungen in der Minute. Um diese Arbeit zu vervollständigen , hätte man die von den französischen Schiffen erreichten Resultate mit denen der englischen verglei chen müssen ; allein es fehlen die Bedingungen zu einem solchen Vergleiche. Die englische Regierung hat noch keinen speciellen Bericht über die beiden Kreuzfahrten veröffentlicht , welche der „ Warrior“ und ſeine Nachbildungen in denselben Gewässern wie die französischen Schiffe gemacht haben.

Auf alle Fragen in dieser Beziehung hat die englische

Regierung nur geantwortet , daß die Berichte sehr befriedigend seien, über alles Weitere aber fast vollkommenes Stillschweigen beobachtet. Die Behauptung dürfte also vollkommen gerechtfertigt erscheinen , daß die französische Marine keinen Vergleich zu scheuen braucht, und daß ihre Schiffsbauten von der ,, Gloire" bis zum "I Solferino" in beständigem Fortschritte begriffen sind .

V. Ueber die Steighöhe der 50 pfündigen Bleibomben.

Im Herbste 1863 fanden bei Köln Wurfversuche statt , um die Haltbarkeit eiserner Deckenbalken gegen das stärkste Wurffeuer zu erproben . Es kam also darauf an, den möglichst größten Falleffekt zu erzielen. Da der Falleffekt dem Produkte aus Gewicht und Fallhöhe gleich ist, so mußten Beide möglichst groß gemacht werden . Es wurden deshalb die 50 gen Bomben durch Ausgießen mit Blei auf 185 u. Gewicht gebracht , und sollte die größte Steighöhe bei 75° Elevation und 600 Schritt Wurfweite erreicht werden.

Bei den im Jahre 1856 in Coblenz unter gleichen Verhältnissen ausgeführten Wurfversuchen gegen Gewölbe wurde die Steighöhe der Bomben auf 1770 Fuß angegeben. Wie diese Höhe gefunden worden,

89 ift hier unbekannt.

Es war jedoch wichtig , die Steighöhe mit Sicher-

heit zu ermitteln , da man nur auf diese Weise ein Maß des Falleffekts erhalten konnte.

Eine direkte Messung ist wohl selten oder nie vorgenommen worden. Zu einer Berechnung der Steighöhe der Bomben hat man außer der Elevation nur die Faktoren Wurfweite und Flugzeit.

Anfangs- und

Endgeschwindigkeit sind bei hohen Elevationen mit den gewöhnlichen Mitteln nicht leicht zu messen.

Bei der Beobachtung der Flugzeit aber

machen die geringsten Fehler das Resultat sehr unsicher. 3. B. bei 19 Sekunden ganzer Flugzeit der Fehler von 70 Fuß in der Höhe.

So beträgt

Sekunde circa

Aber auch abgesehen davon ist die Rechnung an sich noch unsicher, weil man das Gesez des Luftwiderstandes noch nicht genau kennt. Läßt man den Luftwiderstand , um complicirte Rechnungen zu vermeiden, hier außer Acht , und berechnet die Höhe nach der Parabel , so

.1 ur Fig

erhält man eine weit geringere Höhe, als oben angegeben. K Es ist nämlich, wenn in Figur 1. A den Mörser , C den Treffpunkt und BS die größte Höhe H bezeichnet : B K = AB tg a. H= 2

S

Im vorliegenden Falle ist: AB = 600 Schrt. 720 ', u. a = 75°,

also : H = ¦ · 720 tg 75 ° = 1343,5 Fuß. Die sich hiernach ergebende Diffe

H

Ala

B

renz von 1770 - 1343 = 462½ Fuß schien zu bedeutend , als daß sie durch den Luftwiderstand hätte erklärt werden fönnen, und mußte deshalb die angege-

bene Höhe von 1770 Fuß bezweifelt werden.

Nach der obigen Formel

hätte man diese Höhe erst bei einer Wurfweite von 790 Schritt erhalten. Daß dies annähernd wenigstens der Fall sei, zeigten auch die Versuche. Der zuerst angewandte eiserne Mörser erreichte die Wurfweite von 600 Schritt erſt bei 3 Pfd. 13 Lth . Ladung ; als darauf aus dem broncenen Mörser mit derselben Ladung geworfen wurde, ergab sich eine

90 Wurfweite von 715 Schritt.

Da die Maximal-Ladung nun noch 11 Loth

mehr beträgt, so hätte man bei noch größerer Entfernung unstreitig auch Die beim broncenen Mörser auf eine größere Höhe erzielen können. 600 Schritt Wurfweite nöthige Ladung betrug nur 2 Pfd. 17 Loth. Um nun über die wirklich bei den Versuchen erreichte Höhe eine größere Sicherheit zu erhalten , wurde von dem Unterzeichneten eine direkte Messung der Höhe verſucht. Die gebräuchlichen Instrumente zum Messen vertikaler Winkel erscheinen hier zu komplizirt, da das Auffinden der Bombe in ihrem höchsten Punkte durch Diopter oder Fernrohr zu schwierig ist.

Es kam dar-

auf an , ein Instrument herzustellen , das neben einer leicht und momentan ausführbaren Visirung ein möglichst unbeschränktes Gesichtsfeld gewährt. Zu dem Ende wurde (Fig . 2.) eine Visirlatte a an etnem hölzernen Ständer b mit einer Klemmschraube c

. 2 Figur

so befestigt, daß die Latte jedem leiſen Druck leicht nachgab und doch in jeder Stellung durch die Reibung an dem Ständer festgehalten wurde. Der Ständer stand mit einem runden Zapfen in einem durchlochten Dreifuße d, und war um den Zapfen in der Horizontal, ebene beweglich. Die Messung des anvisirten Winkels geschah durch Aufſegen des Libellen - Quadranten auf die Biſirlatte. Um dabei eine Verschiebung der Latte kontrolliren zu können , wurde vorher an der untern Kante der Latte entlang ein Bleiſtiſtſtrich auf dem Ständer gemacht.

Bei einiger Vorsicht trat jedoch eine Verschiebung

. 3 Fig

nicht ein. Der Quadrant ließ noch 17 Grad auf dem Nonius ablesen. = 1441' MF = 728' AF = 469' M DFC Z MZ MD = 698' BC = 660,5′ AC = 470' DC := 40' BF 659' AD = 468' = MDA 90º. ЖА Die Messungen geſchahen von den Standpunkten A und B (Fig. 3. ) , deren Lage zum Mörserftande M und dem Ziele Z durch zweimalige Messung aller Linien mit der Meßkette genau bestimmt worden war. Zu den

*B

Beobachtungen wurden Tage gewählt , an denen der Himmel mit hellen

91 Wolken bedeckt war , wodurch das Auffinden der Bombe sehr erleichtert wurde. Bei flarem blauem Himmel verlor man die Bombe leicht aus dem Gesicht. Der erste Beobachtungstag wurde bloß zur genauen Einübung des raſchen Auffindens und Anviſirens der Bombe verwendet. Das Erstere ift bei wolkigem Hintergrunde nicht schwer , wenn man die Bombe von der Batterie aus verfolgt. Auch die Beurtheilung der Lage des höchsten Punktes ist dann leicht , weil die Bombe an dieser Stelle die geringste Geschwindigkeit hat. Dahingegen macht das rasche Anvisiren auf dem höchsten Punkte der Bahn im Anfang große Schwierigkeiten. Nach mehrfacher Uebung, und nachdem die ungefähre Lage desselben ermittelt, auch die Visirlatte in dieſe Richtung gebracht war, konnte dies jedoch mit vieler Genauigkeit geschehen , weil die Einfachheit des Instruments alle Sorgfalt auf das Visiren zu verwenden gestattete. Es ergab sich aus den Beobachtungen des ersten Tages , daß die Lage der Vertikalebene durch den Standpunkt A und den höchsten Punkt der Flugbahn bei den einzelnen Würfen wenig variirte und noch innerhalb des Winkels CAD blieb. Es wurden nun von A aus am 27. November 6, und am 7. Dezember 3 Winkelmessungen vorgenommen. Da an leyterem Tage der bedeckte Himmel die Bombe auch vom Standpunkt B aus deutlich erkennen ließ, so wurden auch von diesem entfernteren Standpunkte , der eine größere Staudlinie gewährte, 9 Winkel gemessen. An beiden Tagen war die Ladung 2 Pfd. 17 Loth und die Elevation 75° unverändert geblieben. Die Wurfweiten und Seitenabweichungen wurden bei jedem Wurfe genau aufgenommen. Die am Schluffe beigefügte Tabelle enthält die sämmtlichen Angaben und die daraus berechneten Höhen. Die mittlere Höhe ergiebt sich danach zu 1396 Fuß.

Die

mittlere Flugzeit der Bomben wurde von mehreren Beobachtern zu 19 Sekunden gemessen, was, ohne Berücksichtigung des Luftwiderstandes, eine Höhe von 1441 giebt. Die Berechnung der Höhe aus dem gemeſſenen Winkel geschah unter Berücksichtigung der Seiten- und Längen - Abweichungen in folgender Weise :

92 In Fig. 4. sei wieder m der Mörserstand, z die Mitte des Zieles, A der Standpunkt ; ferner w der Treffpunkt und O der höchste Punkt der Flugbahn. Die Winkel Ax 0 und zvw find Rechte, und der Winfel AFm nahezu ein Rechter, so daß Fx und vw als parallel angenommen werden können.

0 VerticalEbene

.4 Figur

44

m

A HorizontalEbene

Es ist nun:

0x = h = Ax tg ẞ. A x = AF Fx. Fx ist positiv bei Seitenabweichung nach links , und negativ bei Seitenabweichung nach rechts. Fx : vw = mF : m v.

Fx =

m FX vw m v.

Danach ist: h

(

mv

AF + m FX vw m v w) 18 §;

mz + zv, je nachdem zu kurz oder zu weit geworfen worden ist; m FXvw h AF + tg 8. (^ mz + z v

Die Werthe A F, m F und m z sind aus Fig. 3., die Werthe v w z v und aus der Tabelle direkt zu entnehmen.

93 Für die wirkliche Höhe muß man noch 5 Fuß hinzurechnen , da die Drehachse des Meßinstruments 5 Fuß überm Horizonte lag. Die Linie A F tann als Mittel aus AC und AD unbedenklich bei allen Winkelmeſſungen als Standlinie angenommen werden , da der größte Unterschied dieſer Linien (1′) höchstens einen Fehler von 27 Fuß in der Höhe bewirkt. Aehnlich ist die Berechnung für den Standpunkt B. Das gefundene Resultat weicht von der bei den Versuchen in Coblenz angegebenen Höhe so bedeutend ab, daß es nothwendig erscheint, den Grad der Sicherheit, welche die angewandte Messung gewährt,näher zu prüfen. Zunächst könnte man bei der großen Einfachheit des dazu konstruixten Instruments auf größere Beobachtungsfehler schließen . Das Instrument ist allerdings nur ein augenblicklicher Behelf gewesen, und gewiß noch mangelhaft. Indessen ist hier das Sehen und rasche Anvisiren der Bombe die Hauptsache, und das gestattet das Instrument in weit höherm Grade, als irgend ein anderes bekanntes.

Aber ſelbſt kleine Fehler bei der Vi-

firung vorausgesetzt, so ist ihr Einfluß bei den, verhältnißmäßig großen Standlinien nicht bedeutend. Die Standlinie von A aus ist ungefähr ein Drittel , von B aus fast die Hälfte der Höhen , so daß ein schon außergewöhnlicher Visirfehler von

Grad auf dem Standpunkt A nur

circa 13 Fuß in der Höhe, von B aus noch weniger beträgt. Bedenkt man dem gegenüber , daß bei Flugzeitbeobachtungen ein leicht möglicher Fehler von Sekunde hier circa 70 Fuß in der Höhe ausmacht, so erscheint die direkte Messung bei sorgfältiger Ausführung bei weitem den Vorzug zu verdienen . Bei geringeren Elevationen wird die Messung noch leichter sein, da man die Bombe dann weit besser sehen und eine noch größere Standlinie wählen kann. Die direkte Messung der Steighöhe der Bomben wird auch die genauere Berechnung der übrigen Elemente der Flugbahn ermöglichen und dadurch wesentlich zur Berichtigung und Feststellung der balliſtiſchen Theorie beitragen. In dieser Beziehung bleibt noch anzuführen , daß man sehr leicht mit dem beschriebenen Instrumente auch Tangentenwinkel der Flugbahn messen kann , wenn man sich hinter der Batterie in der Richtung der Wurflinie aufstellt.

94 Der vorliegende Verſuch soll nur auf den, so viel bekannt, bis jetzt noch nicht betretenen Weg , die Steighöhe der Bomben zu ermitteln, hinweisen. Ein verbeffertes, jedoch nicht zu künstliches Instrument und

Beobachtung.

Laufende Nr.

Tag der

Dezember A 7.

23456789



1863. November 27. A

genaue Beobachtungen werden in der angedeuteten Weiſe unstreitig zu sicheren Resultaten führen.

Wurfweite.

zu.| kurz. weit. links rechts. Winkel.

B

Standpunkt.

Fuf.

Seitenabweichung.

Grad.

Abgelesen. Complements-

2

Winkel

Grad.

71 72 % 71 % 711 7018

β

701 65 1 64 631 6616 63% 1 64 657 % 68 63

22222

Bemer-

fungen.

Das Mittel aus den 9 ersten Beobachtungen von A aus ergiebt sich auf 1405' , aus den 9 folgenden vom Standpunkt B aus auf 1387′ oder aus allen 18 Beobachtungen 1396 '. Grethen,

Premier Lieutenant im Ingenieur- Corps.

WurfTabelle.

Fuß.

18° 18, 171 18T'E 17,6 18

ដន

16

Der vorliegendeBersuch soll nur auf den, so viel bel noch nicht betretenen Weg, die Steighöhe der Bomber hinweisen. Ein verbessertes, jedoch nicht zu fünfliches genaue Beobachtungen werden in der angedeuteten B : sicheren Resultaten führen. 1984567890

2xe. abwe weit Abgelesen ichung. au Turzwei Comple .lau t. lints rechts mente Winkel. Werk. . Grad

A

B

Sant

12118111

112

Rus.

96 7 ||| 2/11/1/1

24

8198818119

18° 18.

Winter

Grob

720 71. 79

B

1000

65

65 68 63

Wurf Höhe. Buf

4149010

1383 1461 1435 13980 1429 1459 1343 1390 1346 1406 1330 1360 1407 1365 1346 1363 1604 1304

Bemer fungen.

Das Mittel aus den 9 ersten Beobach tungen von A aus ergiebt sich auf 1405', aus den 9 folgenden vom Standpunkt B aus auf 1387' oder aus allen 18 Beobachtungen 1396 '. Grethen,

Bremier Lieutenant im Ingenieur-Ce

Inhalt.

Seite 1. Der Shrapnelschuß bei zu kurz geschätzter Entfernung

·

II. Ueber Bewaffnung und Organiſation der Feld-Artillerie . III. Die Melsens'sche Pulverprobe. Hierzu Tafel I. u. II. • IV. *) Die Probefahrt der französischen Panzerschiffe . • V. Ueber die Steighöhe der 50 t gen Bleibomben

1 13 • 43

· 63 88

*) Ist in der Ueberschrift des Aufſazes irrthümlich mit V. bezeichnet.

K

K : CE : NI MA E T? T

GA

AR

CH

IV

VI. Einiges über die Technik des Erd - Schanzenbaues im Felde.

Hierzu die Skizzen Taf. III. Unter allen Dienftverrichtungen des Pioniers im Felde ift der Schanzenbau mit diejenige , welche an den leitenden Offizier , das Techniſche hier allein in Betracht gezogen , die höchsten Ansprüche macht . Zur guten Leitung eines Schanzenbaues gehört : 1 ) ziemliches Organisationstalent ; denn sowohl bei den Vorbereitungen , wie beim Bau selbst find bedeutende , personelle und materielle Mittel zweckgemäß in Bewegung zu sehen , und dies ge. wöhnlich in verhältnißmäßig sehr kurzer Zeit, zu verschiedenen Zeiten und wieder zu gleicher Zeit , an verschiedenen Orten und wieder zuſammengedrängt an einem Ort; 2) große Energie zur Einleitung und Erhaltung dieser Bewegung bis zur Erreichung der Abficht , unter der endlosen Friction der mannigfaltigen Requifitionen an Arbeitern , Handwerkszeug und Material , der Ungeübtheit der Arbeiter , ihrem nicht immer guten Willen ze.; 3) nicht unbedeutende Erfahrung in Bezug auf die unter den verschiedensten Verhältnissen zu garantirenden Leistungen, eine Garantie , die, wenn auch noch so schwierig , dem Offizier , sobald fie einmal übernommen , nicht erlassen werden kann , da der Gang der kriegerischen Ereignisse sich nicht aufhalten läßt oder ein Zeitgewinn In dieser Beziehung doch lediglich ein zufälliger sein wird ; 4) eine fortgefeßte , nie ermüdende Berückſi ch t í g ung des Gefechtsgedankens , welchen die Schanze repräsentirt , und 7 Achtundzwanzigfter Jahrgang. LVI. Band.

96 welcher nicht nur ihrer Projectirung auf diesem Ort und in dieser Form , sondern auch der ganzen Technik der Bauausführung zum Grunde gelegt werden muß : weil er die Reihenfolge der einzelnen Arbeiten, die Kraft , mit der sie in Angriff zu nehmen find , beſtimmt und das Unerläßliche klar vor dem Wünschenswerthen im Project hervorhebt und nicht über leßterem verzögern läßt. Es ist denn auch der Technik des Schanzenbaues jederzeit viel Aufmerksamkeit in Theorie und Praxis geſchenkt, und es ist auch unternommen worden - troß der Schwierigkeit einer solchen Behandlung diefes Stoffes - durch Instructionen , welche bei der hier nöthigen Allgemeinheit und Elastizität dennoch genügende, positive Anhaltspunkte bieten sollten , dem ausführenden Offizier das schwere Geschäft zu erleichtern. Aber dennoch finden sich bei jeder Bauausführung immer wieder mehr oder weniger begründete Zweifel, weil die einschlagenden Verhältnisse in der That bald hier , bald da jeder vorherigen , auch nur annähernden Berechnung sich entziehen und die gegebene Inftruction oft in wesentlichen Punkten dadurch über den Haufen werfen. Nichts desto weniger soll das Folgende wieder ein Versuch zu einem derartigen Anhalt , also wenn man will , zu einer Art Inftruction sein. Man vergesse nicht, daß es ein Versuch ist, geschrieben lediglich in der Absicht, zur Discussion und Parteinahme in diesem Thema beizutragen , nicht in der Meinung , irgend Neues zu bringen oder den Gegenstand erschöpfend behandeln zu können. Bevor aber weiter gegangen wird , erscheint es durchaus nöthig, sich darüber in's Klare zu seßen, was hier unter einer „ Inftruction “ zu verstehen sein dürfte - hier , wo durch dieselbe etwas geregelt werden soll, das sich anerkanntermaßen so wenig und so schwierig regeln läßt. Daß gerade darum eine Instruction wünschenswerth, scheint gewiß - aber, wie weit ist sie ohne Schaden für die Sache möglich? Es muß nun auch sofort zugegeben werden , daß des Poſitiven in einer solchen Instructionnur wenig sein kann . Dieses Positive sind einzig und allein einige Grundfäße, in welchen die allgemeinen Gesichtspunkte einen präciſen Ausdruck finden,

97 von welchen bei jedem Schanzenbau alle , noch so verschiedenen Methoden der Technik ausgehen müſſen . In einer Instruction dürfen aber nicht bloß die einſchlagenden, allgemeinen Gesichtspunkte, sondern es müssen in ihr auch die paffen . den Mittel angegeben sein, durch welche sie zu erreichen find. Bei der Technik des Schanzenbaues aber betritt man sofort mit der Angabe solcher Mittel mehr, als irgend sonst, das Gebiet persön licher Ansichten, die alle mehr oder weniger Berechtigung beanspruchen . Das Gewagte jedes derartigen Unternehmens ist also klar : es kann schon im Princip , es wird jedenfalls in seinen Einzelheiten ange. griffen werden.

Aber dennoch, glauben wir, laſſen ſich auch hier ver.

schiedene Hauptanordnungen in einer Form feststellen , in welcher sie die Kraft von allgemein gültigen Regeln , faft von Grundfäßen, für jeden Bau gewinnen und daher mit Recht eine Instruction werden können.

Diese Form aber muß natürlich diejenige sein , in welcher

den allgemeinen Gesichtspunkten durchweg am besten Rechnung getragen wird , und muß selbst eine allgemeine sein; d . h . diese Anordnungen dürfen nur Allgemeines regeln .

Es lassen sich endlich in

eine solche Instruction noch Anordnungen , gleichsam als Hülfen aufnehmen, welche, weil sie mehr in's Specielle gehen, zwar nicht mehr die Bedeutung einer allgemein gültigen Norm , aber doch die Bedeu. tung einer, durch zahlreiche Erfahrungen erprobten Maßregel haben. Dieser Gedankengang liegt dem nun Folgenden zu Grunde . Wir hoffen , von ihm geleitet , genügenden Spielraum gelassen und den gelassenen gerechtfertigt zu haben . Wir bemerken nur noch , daß die Schanzen von dem gewöhnlichen Feldprofil, also - worauf es uns hier ankommt - von einer Grabentiefe von höchstens 10 ' ( einmaliger Wurf) und obere Breite von etwa 18 ' ( 2 Reihen Grabenarbeiter ) voraus sezen. Grundzüge einer techniſchen Instruction für den Schanzenbau im Felde.

A. Allgemeine Gesichtspunkte. Man kann als die allgemeinen Grundsäße für die Technik jedes Schanzenbaues folgende aufstellen : 7*

98 1. Die Schanze muß in möglichst kurzer Zeit entsprechend gefechtsfähig sein. II. Die möglichst rasche Gefechtsfähigkeit ist aber herbeizuführen a) durch zweckmäßige Anordnung des Profils , b) durch zweckmäßige Anordnung der Bodenbewegung , abgeſehen hierbei von der Anstellung der Arbeiter, c) durch Anordnungen , welche den Arbeitern eine möglichst hohe Kraftentfaltung geftatten, d. i. durch zweckmäßige Eintheilung der Arbeitspensa, durch zweckmäßige Eintheilung und Anstellung der Arbeiter selbst. Gemäß diesen ganz allgemeinen Grundfäßen ergeben sich nun für die Technik eines Schanzenbaues im Felde folgende Hauptanordnungen.

B. Hauptanordnungen. a) Solche Hauptanordnungen, welche die rasche Gefechtsfähigkeit der Schanze durch zweckmäßige Anordnung des Profils her. beiführen sollen. 1. Der Boden zum Bankett wird, wenn irgend möglich, aus einem inneren Bankettgraben entnommen . Dies vermindert die Weite des Bodentransportes, erlaubt die gleichzeitige Anstellung von mehr Arbeitern an daffelbe Pensum , geftattet in kürzerer Zeit die Ausführung ftärkerer Profile , giebt raschere und erhöhte Deckung . b) Solche Hauptanordnungen, welche die rasche Gefechtsfähigkeit der Schanze durch zweckmäßige Anordnung der Bodenbewewegung (abgesehen von der Anstellung der Arbeiter hierbei) herbei führen sollen. II. Der Boden aus dem Hauptgraben wird von Hauſe aus so weit, wie möglich und nöthig, nach der Feuerlinie geschafft, d. h. der Brustwehrkörper wächst in seiner richtigen Höhe von innen nach außen , nicht in seiner richtigen Dicke von unten nach oben. (Vgl. Taf. III Fig . 3.) Bei folder Organisation der Bodenbewegung erscheint der Bruftwehrkörper sehr rasch - lange vor eigentlicher Vollendung des ganzen Baus - in einem gewiffen, entsprechend gefechtsfähigen Zustand, und das ist Hauptsache.

Etwaige Bekleidungsarbeiten der inneren Bö-

99 schungen können bald , ungestört und ohne zu stören , vorgenommen, und , troß des theilweise wieder nöthigen Aufraums , deshalb raſcher vollendet werden . Der Bodentransport ist - namentlich den Bermarbeitern --wesentlich erleichtert , da er für diese erft in der leßten Schicht in die Höhe stattfindet , und da , bei größerem freien Raum zwischen dem Escarpenrand und der Anschüttung , die Bodenanhäufungen auf einzelnen Stellen nicht so stark werden können . Die Brustwehrarbeiter können den Boden ftets rollen – eine Förderungsmethode, die sich sehr einfach organisiren läßt, von den Leuten rasch verstanden wird , Schubkarren und anstrengenden Wurf überflüssig macht und außerordentlich vorwärts bringt. Sie unterſtüßen die Bermarbeiter mehr, als sonft, da sie mit derselben Tendenz arbeiten müſſen, nämlich : den Boden sämmtlich nach der Feuerlinie hin zu schaffen. Die Grabenarbeiter find vor dem Zurückfallen des auf die Berme geworfenen Bodens gesicherter. Es ist nicht klar, warum man nicht diese Methode der Brustwehrformirung der andern , nach welcher die Brustwehr in richtiger Dicke und gleichmäßigen Säßen von unten nach oben wächst , vorziehen. follte. Der Vortheil eines gleichmäßigeren Seßens und Feststampfens der Bodenmasse ist für Feldschanzen wahrlich nicht so wichtig, daß man ihm den einer möglichst schnell zu erreichenden Gefechtsfähigkeit hier nachstellen dürfte. Zenes ist die Methode einer Friedens arbeit, aber nicht einer Kriegsarbeit. Die Bekleidungen der inneren Böschungen werden bei der von uns befürworteten Organiſation der Bodenbewegung spätestens in der vorletzten Schicht fertig ; bei der andern können sie es erst in der legten sein . Die Berm arbeiter haben bei leßterer schon sehr bald die schwierigere Bodenförderung in die Höhe , und einen beschränkten Arbeitsplaß , wenn auch die oberste Escarpenstufe ftehen bleibt, auf dem - wie die Erfahrung lehrt - - troß der größten Energie in der Leitung Bodenanhäufungen vorkommen , welche theilweise sich wieder in den Graben stürzen , den Wurf der Grabenarbeiter erhöhen und am Ende der Schicht läßtige Nacharbeiten verursachen , weil sich auf

100 dem engen Raum während der Schicht nicht gut mehr Leute anstellen Die Brustwehrarbeiter sollen bei jener Art den Boden nach

ließen.

allen Seiten gleichmäßig vertheilen. Sie merken es daher leicht zu spät , wenn die Bermarbeiter sich den befohlenen weiten Wurf sparen. Weitere Würfe oder Schubkarrentransporte müſſen dann schließlich den Boden an die vernachlässigten Stellen bringen . Die vortheilhafte Arbeitsmethode des Rollens können sie deshalb wenig in Anwendung bringen, weil die Bodenbewegung keine gleichmäßige Tendenz bat, der Eine jest nach rückwärts oder links ausgleichen muß , während der Andere es nach vorwärts oder rechts besorgen will. Daß die Erhaltung der Disciplin in der Arbeit und Durchſeßung eines fördernden Arbeitsplanes für den Schachtmeißter hier schwieriger wird , ist ebenso gewiß. III. Der Boden wird zunächst zur Formirung der innern Böschungen , also des Bankettanlaufs , der innern Brustwehrböschung, sowie zur Herstellung der Rampen und Geſchüßbänke verwendet , und erst , wenn dies Alles vollendet , die Bildung des eigentlichen Bruft. wehrkörpers weiter fortgeseßt. Dies ist eine Consequenz der vorigen Hauptanordnung, und nothwendig ist es ferner , weil den Arbeitern möglichst bald durch das Anseßen der Böschungen eine deutlichere Vorstellung der geforderten Arbeit gegeben werden muß , als sie die geschlagenen Profile allein gewähren. So werden einerseits am besten unnüße Bodentransporte vermieden , andererseits aber wird der allmählige Fortgang der Arbeit auch mehr sichtbar und der deprimirende Eindruck einer scheinbar nichts schaffenden Arbeit fällt weg. Wer aber selbst den Spaten in der Hand gehabt, wird wissen, wie furchtbar es ermüdet, einen immer gleich hoch bleibenden Haufen Boden von der Berme oder in der Brustwehr an eine andere Stelle zu transportiren , wenn dort die Verwendung deffelben nicht gleich einen Maßstab für die eigene Arbeit, ein all. mälig näher rückendes Endziel und das Vertrauen zur Planmäßigkeit des Ganzen ergiebt.

Vor folchen Situationen müſſen Berm- und

Brustwehrarbeiter möglichst gewahrt bleiben ; der Grabenarbeiter ist es auch durch das feste, deutliche Pensum seiner Arbeit.

101 e) Solche Hauptanordnungen , welche die rasche Gefechtsfähigkeit einer Schanze dadurch herbeiführen sollen , daß sie eine möglichst hohe Kraftentfaltung der Arbeiter gestatten, also : durch zweckmäßige Eintheilung der Arbeitspensa ; durch zweckmäßige Eintheilung und Anstellung der Arbeiter selbst. IV. Der Graben wird in gleich hohen Säßen, ohne Stehenlaſſen von Stufen , ausgehoben ; d . h . die betreffenden Stufen werden am Ende jeder Schicht zuleßt mit heruntergestochen. Zunächst ergiebt hierbei die Berechnung jedes Grabenprofils bei den üblichen Anlagen - sehr zweckmäßige , d. h. den erfahrungsmäßigen Leistungen entsprechende Pensa für die einzelnen Schichten. Läßt man, wie gewöhnlich geschieht, die oberste Escarpenstufe bis zuleßt stehen, so ist man nicht selten genöthigt — zur Regulirung der Arbeitspensa complicirtere Vertheilungen des Grabenprofils an den einzelnen Schichten vorzunehmen . Ferner aber find die Bermarbeiter gezwungen, die wirkliche Berme flar zu halten. Die aus dem Graben kommende Bodenmaſſe rückt ohne Weiteres von vorne herein 2-3 ′ näher zur Feuerlinie , und bei der vorgeschlagenen Organisation der allgemeinen Bodenbewegung wird dieser Vortheil gewahrt bleiben , ohne daß der Raum beſchränkt wird. Das Stehenlaffen der obersten Escarpenstufe bis zur allerleßten Schicht ist eine Nachsicht, welche die Bermarbeiter erfahrungsmäßig in den meisten Fällen sofort mißbrauchen. Auch ist es , wie gesagt , bei unferer Bodenbewegung ganz überflüffig . 3n der leßten Schicht , bei höherem Wurf der Bermarbeiter und beschränkterem Raum für fie, wird auch im Graben langsam genug gearbeitet , daß die 2 ' breite Berme ohne Anstrengung rein bleiben kann , ohne daß jene Stufe nöthig. Das nachträgliche Herunterftechen derselben am Ende der letten Schicht hat ferner etwas Niederschlagendes für die Grabenarbeiter , weil sie auf der Sohle und in der Hauptsache sich fertig glaubend - die nicht ganz unerhebliche Bodenmasse der Stufe wieder in den Graben hinabftürzen sehen , mit dem höchsten Wurf wieder herausschaffen und die Sohle von Neuem aufräumen müſſen .

102 Wird die Stufe aber am Anfange oder in der Mitte der Shift heruntergehauen, fo erfüllt fie den beabsichtigten 3wed nur theilweise, und der Eindruck diefer Arbeit ist auch wieder ein ähalis fhärlicher, weil die Leute viel Boden fördern und dog ſehen, daß fie damit ihren Haurtzwed Aushebung des leßten Sages fo lange hinaus ge. schoben sehen. Ein rafches Gelangen in die richtige Tiefe , dann Erhalten dieſer Tiefe und Berbreitern dieser Stelle muß dem Grabenarbeiter möglich gemacht fein, weil es ſeine vortheilhaftefte Arbeitsmethode ift. Dies macht auf ihn denselben ermunternden Eindruck einer etwas schaffenden, Reſultate zeigenden Arbeit, wie auf den Brustwehrarbeiter das fofortige Formiren der Böschungen . Man muß also bei Anordnung der Arbeitspensa die Möglichkeit solcher Hülfen nie aus dem Auge laffen. *) V. Die Bermarbeiter werden den resp . Grabenſchächten attaßirt und in deren Accord eingeſchloſſen . Die Accorde der einzelnen Schächte werden auf der Contreescarpe und Berme deutlich markirt.

*) Es dürfte hier eine Bemerkung erlaubt sein : Das Stehenlaffen der oberen Escarpenstufe hat natürlich einen beffern Grund , wenn keine Berme stehen bleiben soll . In dieſem Falle wird auch der Boden hinreichend ſtandfeſt ſein, daß fie bei der leichten Aufstellung der Arbeiter und ihrer ruhigeren Bewegung die fich häufende Bodenmasse der leßten Schicht bis zuleßt aushält. Dann aber sollte man fie vielleicht überhaupt nicht wegstechen ; denn der steile - wenn auch nur ca. 2-2 hohe - Abſaß ungefähr in der Mitte der ganzen Böschung von der Grabensohle bis zur äußern Brustwehrerete scheint ein nicht unbedeutendes Impediment für die ftürmenden Truppen , und hat im schlimmsten Fall nur die Nachtheile einer gewöhnlicheu Berme, und immerhin einer weit weniger standfeften. Stürzen aber die , fich in Massen auf ihr Sammelnden mit der Stufe wieder in den Graben zurück , so kann dies die Unordnung der Sturmicolonnen nur vermehren. Da Springen in der Praxis wenig zu bedeuten hat , so ist die Verminderung der oberen Grabenbreite um einige Fuß von keinem Belang. Aehnlich ist es , wenn die Stufe als Unterfügung für Ueber. brückungen gebraucht worden ist. Diese sind entweder so lang , daß die Verminderung der Grabenbreite nicht in Betracht kommt und ruhen dann in der Brustwehrböschung selbst; oder sie sind nur durch dieſe Verminderung der Grabenbreite möglich geworden , und dann haben fie an der Stufe ein sehr problematisches Auflager. Auch die Ausfüllung der Grabensohle durch die darauf fürzende Bodenmaffe der etwa nachgebenden Stufe kann keine Bedeutung haben.

103 Das so vereinte Intereffe dieser beiden Arbeiterklaffen wird die Grabenarbeiter eher als Anderes veranlassen , möglichst weit zu werfen, die Bermarbeiter aber anfeuern, durch möglichstes Reinhalten der Berme ein Zurückfallen des Bodens in den Graben zu verhüten. Eine zweckgemäße Ablösung der Bermarbeiter von dem langweilenden Geschäft des bloßen Bodenwerfens zum Hacken im Graben , und umgekehrt, ist möglich. Dieser Wechsel aber erhält beide Theile frischer, läßt sie die Solidarität ihrer Intereffen oben und unten lebhafter empfinden und ist ohne Zeitverlust ausführbar. Man kann gegen Ende jeder Schicht aus den Grabenarbeitern etwa nöthige Verstärkungen der Bermarbeiter ohne Weiteres und mit Recht bestreiten ; die Arbeit oben und unten dadurch in ein richtiges Verhältniß zu einander sehen , ohne jeden Augenblick die eigentlichen Brustwehrarbeiter in ihrer Arbeit stören zu müssen. Wer hat nicht die verdrießlichen Gesichter der Zurückbleibenden und ihre miserablen Leistungen beobachtet , wenn die Grabenarbeiter , in drei Viertel der Zeit fertig, abgingen , und nun den Berm- und BrustwehrArbeitern eine hochgefüllte Berme hinterließen , die noch, nach Verlauf der Schichtzeit, Nacharbeit nöthig machte. Und dieser Fall ist gar nicht so selten , entsteht auch nicht direct durch Faulheit der Bermarbeiter oder Mangel an Energie in der Leitung.

Er entsteht vielmehr zunächst durch

die Planlosigkeit der Bodenbewegung , wenn nicht Jedermann sein festes Pensum hat, dessen Ende er absehen kann, und dann erst durch die allmälich eintretende Unlust, wenn der Bermarbeiter bald hier bald da arbeiten soll und schließlich nicht bemerkt , daß auch der größte Fleiß seine Arbeitszeit um das Geringste kürzen wird , daß er dann noch in der Brustwehr zu thun haben oder an anderen Stellen die Berme aufräumen soll.

Daher scheint die Einschließung der Bermarbeiter in den

Accord der resp. Grabenschächte in der vorgeschlagenen Art viel vortheilhafter, als ihre Zutheilung zu den Brustwehrarbeitern , wie es gewöhnlich geschieht , wo aber ein festes Arbeitspensum den Leuten verloren geht. VI. Die Brustwehr-Arbeiter werden in besondere Schächte eingetheilt und erhalten — unabhängig von Graben- und Bermarbeitern -ihren besonderen Accord pro Schacht , deffen Grenzen durch deutliche Marken in der Feuerlinie anzugeben find .

1-14 Em

va

matric netur, taj

die Zuíammen.

pringām de Bruiners ma Sumunolog , is n ğormation ſoge. 21205-1.11.2 Saten me e Sarunigung der Sa mu Semavere aprinum Grinte , men man einmal mza Šataně snema vel , sỉ các bzzáńcz mājten ; aber : de Kühlungen, nam in da ju que imma isla , würden bei der pija Ang a Šama mn hamik de Expunt na De Sala såne des mizze Strinek m

de pijca tanang da Arm

Tina & roa ēdad me† æ Lát zu groß. Auch e Sarging me da Zatinden für die de Frare primder tiden miñen, da der

de Fumée Irredurigen met, rift den Graben Jahe the, me mprite šema die L:beiter bilden, Man fort alle and dere mac id vi feuin hunter die lšec, ran a berdaänen lenn —

mác a Lifâcherivad, dará de Bermata teräyékezter Shifte Så se myrium libésen mit fanm, je plja da Sách: und je meldzīga fe dibentum , de Artzing an ſo ſémieriger und zamrazbinder; mürat — ran Gudas and Friwehrarbeiter getrennt End - bu Arichung beide gag mein und ebne Berwire rang zugleiá cielgen kann, uden en een Azjen, die Anderen ven innan zat türa belender anmaridiren Nizza .

A-fiberz mattingig von einender

Die rigradise Breakwehrarbeiter haben außerbem in der Fermis rung der BFSungen und Brufwebt gewiñermaßen eine tünklişere Arbeit, in der fie Rd vieleidt erê nach einer Stunde genügend eingearbeitet haben.

Sede nun aber abgelökt werden , so würde der Ja

fanterisk oder vom Lande geftelte Arbeiter , der aus dem Graben oder aus der Berme kommt, wieder einiger Zet bedürfen , um sich in die neue Arbeit nur erst recht bineinzufinden. In der Praxis wird ki$ daher, wie wir glauben, die Abteiung also auch bei durchgebenden Schächten, lediglich auf Berm- und Erabenarbeiten beschränken. Wo also schon so viele, naturgemäße Beranlassung zur Trennung

der Brustwehrarbeiter von den Berm- und Grabenarbeitern iſt, da laſſe man sie lieber gleich von vorn herein getrennt.

105 In sich aber müſſen die Brustwehr-Arbeiter in paſſende Schächte eingetheilt und jedem Schacht sein deutlich markirter Accord gegeben werden, damit Jedermann auch hier genau weiß , was er zu thun hat und wofür er arbeitet. Den Accord den Brustwehr-Arbeitern im Ganzen zu geben, gestattet zwar, diese Leute dahin zu ziehen, wo die Arbeit sich häuft, aber es spricht sich worauf wir nicht für jeden Einzelnen sein Interesse scharf genug aus immer und immer wieder zurückkommen müſſen. Man muß bedenken, daß eine andere Triebfeder in den allermeisten Fällen schöne,Jaber höchst unpraktiſche Voraussetzung bleiben wird. Die Intensität der Leistung nimmt ab , je mehr Leute da sind , auf deren Fleiß Jeder glaubt, sich etwas zu gute thun zu können. Es deprimirt ganz naturgemäß das Gefühl, nie zu wiſſen , ob man dem Ende seiner Arbeit näher gerückt, und das Bewußtsein, jeden Augenblic von einer einmal in guten Gang gebrachten Arbeit - denn von sonstigen Stellen könnte man die Leute nicht wegnehmen ----- an einen andern Ort befohlen werden zu können, um hier Anderen - und zwar, nach des Mannes sicherer Meinung, Faulenzern- auch noch seine Kräfte zu leihen. Für plöglich sich häufende oder allzu langsam fortschreitende Arbeit ist die unter keinen Umständen zu entbehrende , allgemeine Reserve. Also nochmals : - wie überall, so auch hier ein abgegrenztes Pensum. Genügende Größe der einzelnen Accorde wahrt die einheitliche Leitung der Arbeit und gestattet doch die Vortheile dieses Prinzips der Arbeitstheilung. VII. Für die Formirung der Geschüßbänke , Traversen , für die Aushebung des Bankettgrabens sind besondere Schächte zu formiren, entsprechend den Schachtstrecken der Brustwehr Arbeiter : möglichst aus der Reserve, soweit diese geschwächt werden darf ; ( denn die hier anzustellenden Leute gehen den anderen Arbeiten der Reserve verloren , da auch sie Accord bekommen müſſen ) . Die Brustwehrarbeiter werden für die entsprechenden Schichten also die erste , höchstens noch die zweite , auf den Strecken , wo sie mit den Bank-, Traversen- oder Bankett - Grabenarbeitern zusammenstoßen, mit dieſen in einen Accord eingeschloffen ; ihre Marken in der Feuerlinie gelten also auch für dieſe.

106 Für die Formirung der Bänke, Traversen ist die Anordnung besonderer Arbeitertrupps eine bekannte Maßregel. Wir empfehlen sie auch für die Aushebung des Bankettgrabens , die gewöhnlich den höchstens sehr gering verstärkten Brustwehr- Arbeitern verbleibt , welche , wie man annimmt, in der 1. Schicht , in welcher der Bankettgraben auszuheben ist, nicht viel Anderes zu thun haben. Nach unserem Vorschlag haben fie aber zunächst durch Formirung sämmtlicher innerer Böschungen in der 1 Schicht und dann durch den Transport der ganzen Bodenmaſſe nach der Feuerlinie hin weit mehr zu thun, als allerdings bei der bisher gewöhnlichen Anstellung in dieser Schicht auf sie zu kommen pflegt ; daß aber in ihre Accorde die Accorde der Bank- und Bankettgrabenarbeiter mit eingeschlossen werden sollen , folgt daraus , weil die Arbeiten dieſer Arbeiterklassen ganz ähnlich zusammenhängen , wie die der Berm- und Hauptgrabenarbeiter. Die rasche Formirung der Bänke , Traversen , des Banketts scheint dadurch gesicherter. VIII.

Es wird als Regel in vierstündigen Schichten gearbeitet.

Wenn ein Schanzenarbeiter seine volle Kraft entfalten soll , so darf er erfahrungsmäßig an einem Tage nicht zweimal zur Schanzarbeit herangezogen werden, und wenn selbst eine bedeutende Ruhepause zu ermöglichen wäre . Man rechnet nun zwar den Arbeitstag zu 10 Stunden , wird aber für die Praxis sich gewiß vor mancherlei Unannehmlichkeiten schüßen, wenn man von dieſen 10 Stunden 2 auf die Vorbereitungen und Einleitung der Arbeiten, auf die Ablösungen und derartige nicht zu vermeidende Frictionen in Abzug bringt. Hiernach blieben am natürlichsten durchschnittlich zwei vierstündige Schichten pro Tag, in welchen aber auch die angespannteste Thätigkeit von der ersten bis legten Minute verlangt werden kann, da dieselbe gut vorbereitet ist und nicht über die phyſiſche Kraft eines Durchschnittsarbeiters geht. Fünfftündige Schichten ermüden schon sehr. Wer die Leute in der letzten Stunde beobachtet, wird schon recht viel Unluft und schwache Leistungen bemerken .

Diese Zeit

ist also weggeworfen , da sie von frischen Leuten beffer benußt werden könnte. Sie dürften daher möglichst zu vermeiden sein.

Dreistündige Schichten gelten zwar in Bezug auf die Arbeitsleistung der Schicht als die vortheilhaftesten ; aber daß dies in der Ge-

107 sammtarbeitsleistung der Fall ist, ist wohl illusorisch, denn die durch die Ablösungen bedingten Störungen werden vermehrt. Außerdem aber bedarf man einer großen Menge von Arbeitern,

wenn dieselben Leute nicht an einem Tage zweimal arbeiten sollen , was mehr wäre , als eine einmalige vierstündige Schicht und den Vortheil der kürzeren Kraftanstrengung in einer Schicht in der Hauptsache , d. h. in den Augen der Leute, aufhöbe. IX. Hiernach stellt sich die Accorbanordnung für die Schanzenaushebung im Felde , woselbst 4 vierstündige Schichten in den allermeiſten Fällen ausreichen werden, folgendermaßen : a) für Graben- und Bermarbeiter ist der Accord jeder Schicht : Ausheben des Sates incl. Stufen auf die richtigen Dimensionen. Ablieferung einer vollkommen reinen Berme in einer angemessen abnehmenden Breite ; so z . B. 1. Schicht 8′ Breite, 2. 6' 3. = 4' = 4. • 2'

b) für die Brustwehr-, Bankettgraben-, Bank- Arbeiter ist der Accord : in der 1. Schicht : Bollständige Formirung des Banketts , der Bänke und Rampen , des hinteren Traversentheils ; Ansetzen der inneren Brustwehrböschung ganz öder bis zu einer dem Cubikinhalt des 1. Ausschachtungssatzes entsprechenden Höhe ; in der 2. Schicht : Event. Bollendung der inneren Brustwehrböschung, Formirung des zu nächst gelegenen Theils der Brustwehr bis zu einer nach dem Cubikinhalt des 2. Saßes zu bestimmenden Stärke in der Krone oder im Fuße; in der 3. Schicht : Weitere Formirung des Brustwehrkörpers in der angegebenen Weise bis zu einer nach dem Cubifinhalt des 3. Sazes zu bestimmenden Stärke in der Krone oder im Fuße ; in der 4. Schicht : Vollendung der Brustwehr, Formirung des Glacis.

108

Anmerkung. Zur Fermirung des Glacis — nach Bollendung der Brustwehr treten die Berm- und Bruſtwebr - Arbeiter, unter Beibehaltung ihrer Schahtformationen, auf die andere Seite des Hauptgrabens. Sie erhalten auch bier natürlich ihre Accorde, für welche, da die Stärke der Schächte dieſelbe geblieben ist, auch die alten Marken an der Brustwehr geltend find. Die hierdurch in den Glacis - Saillants nothwendig werdende Verstärkung der Glacisarbeiter giebt die Reſerve in ſelbſtſtändigen Schächten.

C. Spezielle Anordnungen (Sülfen. ) Den unter B erörterten allgemeinen Bau -Anordnungen ſchließen fich folgende speziellere an ; nicht von der bervorragenden Bedeutung einer Norm, wie jene — aber mit dem Gewichte guter, durch zahlreiche Erfahrungen erprobter Maßregeln , welche daher den durch den Einfluß der lokalen Verhältniſſe gebotenen Modificationen gleich die richtige und praktische Form andeuten. I.

Das Abstecken und Profiliren.

Das Abstecken und Profilirn wird ſich im Felde gewöhnlich auf ein Minimum beschränken müſſen , da man weder Zeit noch paſſendes Material allzuviel haben wird. Gleichwohl ist es durchaus nöthig, den Arbeitern ein klares Bild der geforderten Arbeit zu geben, aus schon angedeuteten leicht ersichtlichen Gründen. Es gilt daher recht , das Nothwendige von dem Wünschenswerthen zu ſcheiden. Vielleicht dürfte ſich deshalb folgende Reihenfolge der Arbeiten empfehlen. a) Bezeichnung der Feuerlinie in den End- und Bruchpunkten und Endpunkten der Bänke durch Stangen. b) Event. Ermittelung der Höhe der Feuerlinie an denselben. e) Ziehen der Tracen für die Profile in den abgesteckten End- und Bruchpunkten, nach innen und außen. d) Abtragen der Horizontalmaße der Profile auf diesen Tracen und besondere Bezeichnung der Ränder der in der 1. Schicht auszuhebenden Säße im Haupt- und Bankettgraben , und zwar nicht der späteren eigentlichen Grabenränder , sondern zunächst

109 der inneren Ränder der im Anfang der Arbeit stehen zu lassenden Stufen. e) Traciren dieser inneren Stufenränder, auch in den Abrundungen. und Traciren des Fußzes der Böschungen der Geschützbänke, Traversen, des Bankettanlaufs. ( Das Traciren des Fußes der äußeren Brustwehrböschung ist bei uns jetzt nicht erforderlich ). f) Traciren der Schachtaccorde zwischen diesen Stufenrändern und Bezeichnung der Accorde sämmtlicher Arbeiterklassen nach dem darüber früher Gesagten. Für diese bis jezt

angeführten Absteckungsarbeiten scheint eine

Stunde sehr reichlich gerechnet zu sein.

Spätestens also nach einer

Stunde vom Beginn des Absteckens an kann , wenn die Zeit drängt, die Anstellung der Arbeiter erfolgen, während durch die Profilir - Trupps die Profilirung des Werkes mitten in der Bodenarbeit in einer weiteren Stunde in folgender Ordnung beendet wird : g) Einrichten der Zwischenstangen in der Feuerlinie. h) Schlagen der durchgehenden Profile für den Schanzenkörper, erst nach innen, dann nach außen. i) Profilirung der Geschützbänke, Rampen und Traversen. k) Event. Profilirung des Glacis. Wünschenswerth ist es - weil der Anschauung sehr förderlich die oberen Kreten der Bänke und Rampen , sowie die Kronen der Traversen und Bonnetts durch Tracirleinen od. dgl. durchgehend zu bezeichnen. Wünschenswerth ist ferner das Schlagen von Gehrungsprofilen , da dadurch die bedeutendste Bodenbewegung — in den Winkeln — einen feſteren Anhalt bekommt. II. Berechnung der Arbeiter. Man rechnet gewöhnlich an Arbeitern a) Graben-Arbeiter 5 M. 2 b) Bermpro Nuthe mittlerer Grabenlänge. c) Brustwehr-Arbeiter 2 · d) {

dieser Mannschaft als Reserve.

e) Geschützbank - Arbeiter 12 Mann pro Bank. f) Bankettgraben- Arbeiter des Bankettanlaufs 3 Mann pro Ruthe. NB. Die Traversen - Arbeiter liegen mit in dieſen , wenn an den betreffenden Stellen der Anlauf durchgehend gerechnet wird.

110 g) Fix emmaige Bekleidungsarbeiten befendere Trueps in angemeñener Stärke ( ebenso für event Hindernizmittel 2c. ) Die Arbeiterklañen d e, f, g find nur dann und nur insoweit befonders zu requiriren , als fie nicht aus der Reserve beftritten werben können , von der für jeden Augenblic unter allen Umſtänden ein Thei disponibel gehalten werden muß. III. Eintheilung und Anktellung der Arbeiter. a) Die Graben- und Berm - Arbeiter. Tie Graben- und Berm-Arbeiter bilden für c. alle 3º der mittleren Grabenlänge Sdichte à 21 Mann. Zu jedem Scat tritt ein Pionier als Schachtmeiſter ; für jede Linie des Grabens fungirt ein Pionier-Unteroffizier als Aufſeher, deſſen Auffichtsgrenze aber natürlich mit einer Schachtgrenze zuſammenfällt. Die Accorde der Schächte find in angegebener Weiſe tracirt und bezeichnet. Jeder Pionier - Unteroffizier läßt ſeine Schächte — auf das Commando des Offiziers — auf der Contrees carpenſeite seiner betreffenden Linie aufmarichiren, stellt jeden Schacht erst ruhig der Mitte seines Accordes gegenüber, auf deſſen Grenzen er jeden Schacht nun deutlich aufmerksam macht, und giebt dann für alle das Commando ,, Einrücken ! “ Der dem Schacht zugetheilte Pionier hat unterdeſſen dem der Mitte feines Accords gegenüber ſtehenden Schacht die Pläze gezeigt , wohin jeder Mann zu gehen hat , sobald das Commando „ Einrücken “ ge. geben würde. Ist dieses nun erfolgt, ſo laffen die Pioniere ihre 21 Mann über die Contreescarpentrace treten und stellen fie folgendermaßen an : 9 Mann in gleichen Abständen an der Contreescarpentrace. 6 an der Escarpentrace. 6 auf die betreffende Bermstrecke auf jeder Ruthe 2 Mann und diese beiden Front gegen einander ( s. umstehende Figur ) ; beide Glieder Front nach ihrer Trace, damit sie sich ansehen können, wo senkrecht hinunter zu arbeiten iſt.

111 10 -Esc. StufenTrace .

-- 1°

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Esc.- Stufen-Trace. £ £ £

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Ô

8

£ £ £ 30

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8

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Durch diese Aufstellung der Bermarbeiter erhalten die Grabenarbeiter größere Lücken zum Durchwerfen ; die Bermarbeiter aber haben, indem sie nur vor sich arbeiten , bequemen Raum und arbeiten stets zu zwei gegeneinander, was bekanntlich die Arbeit fördert. Hat der Pionir- Unteroffizier diese Anstellung rasch revidirt, kurz noch einmal - wenn nöthig - Accord und Arbeitsweise angegeben , so commandirt er für seine ganze Linie ,, An die Arbeit! " Während dieser Arbeit tracirt er mit seinen Schachtmeistern die

äußeren Grabenränder, sticht Lehren 2c. Etwaige Ablösungen der Graben- und Berm-Arbeiter befiehlt er, wo er es für nöthig erachtet. Die Schachtmeister benußt er, außer zur Aufsicht und zum event. Vorarbeiten, auch zum Umtauschen und Ergänzen des Handwerkszeugs, wenn ihm nicht 1 oder 2 Mann der Reserve dafür zur Disposition gestellt werden können. Es ist unbedingt wichtig , diese erste Anstellung der Arbeiter nicht zu übereilen, und ihr lieber am Anfang jeder Schicht einige Minuten noch zu opfern - eine gleich gute Anstellung bringt diesen Berlust bald ein: Die Leute bekommen eine klare Vorstellung ihres Pensums , überzeugen sich von dem Vorhandensein des nöthigen Raumes, von der Gerechtigkeit der Arbeitsvertheilung , von der Nothwendigkeit gemeinsamer Mit diesem Verständniß wird der gute Wille Hand in -c diesen zu erwecken und zu erhalten, ist und bleibt eine gehen Hand Anstrengung.

Hauptaufgabe. Auch etwaigen Irrthümern kann nur durch die Ruhe der ersten Anstellung am besten vorgebeugt werden . Eine bedeutende Erleichterung für die späteren Anstellungen wird es sein, wenn die Ablösung so zeitig - etwa Stunde vorher - zur Achtundzwanzigster Jahrgang. LVI. Band. હ

112 Stelle gebracht wird , daß man die Schächte abzutheilen und der Mitte ihres späteren Accords gegenüber aufzustellen vermag , bevor die alte Schicht ganz zu Ende ist. reichen suchen.

Man muß dies mit aller Energie zu er

Ist nun auch noch Zeit zum Austreten für die Neuangekommenen, so sind sie doch schon so orientirt, daß sie auf den Ruf : "! Neue Schicht antreten ! " gleich schachtweise bei dem ihnen schon bekannten Schachtmeister und an der richtigen Stelle der Contreescarpe sich sammeln werden . Es ist zweckmäßig, der Beendigung einzelner Schachtarbeiten folgend, die Accorde für die nächste Schicht der Grabenarbeiter durch einige Leute aus der Reſerve traciren zu laſſen, sobald es nur angeht, und nicht damit bis zu Ende der ganzen Grabenarbeit zu warten. Permanente Accordmarken auf Contreescarpenrand und Berme werden dies ſehr erleichtern. b) Eintheilung und Anstellung der Brustwehrarbeiter. Für die Brustwehrarbeiter find alſo, wie erwähnt, die selbstständigen Accorde in der Feuerlinie bezeichnet. Sie werden zweckmäßig in Schächte etwa pro 3º Feuerlinie = 6 Mann formirt, und diese durch das Pionirperſonal, welches hier --— den Grabenschächten ganz analog - zugetheilt ist , von beiden oder einem Ende der Berschanzung beginnend, in die Mitte ihrer Arbeitsstrecken geführt, zwischen der inneren und äußeren Brustwehrcrête in einer Colonne anmarschirend. Auf diesen Streden werden sie nun zunächst längst der Feuerlinie so angestellt , daß ihre Stellung derjenigen der Bermarbeiter entspricht, also pro Ruthe 2 Mann und diese Front gegeneinander. Bei dieser Anstellung ist noch gar keine Rücksicht auf die Winkel genommen, und die an diese schließenden Brustwehrschächte find event. nur soweit verstärkt - nach dem Sage 1 Mann auf 6' Feuerlinie ---daß deren rechtwinklig zur Feuerlinie zu deckende Accordgrenze durch den Bruchpunkt läuft, das Winkelstück fie also gar nichts angeht. Da nun der Bedarf an Brustwehrarbeitern nicht nach der Feuerlinie, sondern nach der mittleren Grabenlänge berechnet worden ist, so werden durch die bisherige Anstellung noch Arbeiter übrig bleiben, welche

113 man beshalb gleich, nöthigenfalls aus der Reserve genügend verstärkt, zu besonderen Saillantschächten zu formiren hat. Jeder Saillant erhält einen solchen selbstständigen Schacht , und

dieser Saillantschacht bekommt wieder einen ganz selbstständigen Accord der Bodenbewegung, der durch die Winkelstange in der Feuerlinie und 2 Pfähle auf der Berme ihm bezeichnet ist. Sind nun im Winkel keine Geschüßbänke zu formiren, so beschränkt sich dieser Accord auf eine solche Bewegung des Bodens nach der Feuerlinie und nach den Seiten hin, daß am Schluß jeder Schicht der Winkel in der befohlenen Breite aufgeräumt sein muß. Geschützbänke zu formiren , so Sind aber -- wie fast immer wird man allerdings zweckmäßig den Accord des Saillantschachtes und der beiden anliegenden Brustwehrſchächte in den der Geſchüßbankarbeiter hineinziehen, und ihn in vollständiger Formirung der Bank nebst Nampe und event. noch eines Theils der Brustwehr bestehen lassen. Immerhin ist aber auch für diesen Fall in der getroffenen Vertheilung des Arbeitsplages die günstigste Organisation der nun gemeinschaftlichen Arbeit gegeben, und sie daher bei der Anstellung aufrecht zu halten. c) Eintheilung und Anstellung der Bankettgraben- und Traversen = Arbeiter. Für ihre Accorde gelten, wie schon erwähnt, die Marken der Bruſtwehrarbeiter in der Fenerlinie , mit welchen Arbeitern sie auf die betreffenden Strecken gemeinschaftliche Sache machen. Sie werden demgemäß durchschnittlich in Schächte pro 3º Feuerlinie = 9 Mann formirt und den correspondirenden Schächten der Brustwehrarbeiter angeschloffen , mit welchen sie unter einem und demselben Schachtmeister anmarschiren. Sind Traversen aufzuwerfen, so dienen die für diese Strecke soust

eigentlich erforderlich gewesenen Bankettgrabenarbeiter , c. 5 Mann , als die nothwendige Verstärkung der Brustwehrarbeiter an dieser Stelle. Anstellung und Eintheilung ändert sich dadurch also nicht ; aber die Accordgrenze wird sich natürlich hierdurch bedingen müſſen . d) Die Anstellung und Eintheilung der Bank und Bekleidungsarbeiter. Sie ergiebt sich ohne Weiteres nach dem Bisherigen. 8*

114

IV. Leistungen. Man kann erfahrungsmäßig für den Feldgebrauch rechnen pro Mann und Stunde: a) Bis zu einer Tiefe von 5' : bei ſehr feftem Boden : 15 Cubikfuß, • mittlerem : 20 . leichtem : 25 (durchschnittlich 20 Cubitfuß bis zu 5' Tiefe ) b) bis zu einer Tiefe von 10': bei sebr feftem Boden : 6 Cubikfuß, : 8 - mittlerem • leichtem

.

: 10

(durchschnittlich 8 Cubikfuß bis zu 10′ Tiefe ) Hieraus folgt eine durchschnittliche Leistung bei sehr festem Boden von : 10 Cubikfuß, • mittlerem . : 14 · leichtem " : 17 und ganz allgemein als überall zulässig eine Durchschnitts-Forderung von 14 Cubikfuß pro Mann und Stunde. Hiermit wäre unser Versuch beendet. - Wir sind hoffentlich unserem ursprünglichen Gedankengange auch in den Augen Anderer treu geblieben. Es bleibt uns nur noch übrig, durch die Behandlung eines einfachen concreten Falles genau in dem eben erörterten Sinn diese Erörterung zu illustriren. Beispiel einer Disposition zu einem Schanzenbau gemäß entwickelten Grundzüge .

der oben

Aufgabe: Es ist eine Schanze zu bauen von dem Profil und und Grundriß Taf. M Fig. 1 u. 2. I. Daten. a) des Profils. 1) Profil des Hauptgrabens = 967 D.-F. 2) · der Brustwehr = 100

3) 4)

盛 ·

d. Bankettgrabens = 18 = 18 des Banketts

115 b) des Grundriffes. 24° 1) Länge der Feuerlinie 2) · mittleren Grabenlänge = 29° NB. Die Verlängerung dieser Linie beträgt - bei Abrundung vom Fuß der äußeren Brustwehrböschung aus - in jedem

Saillant genau 31,48' ; im Ganzen alſo 62,96′ od . rund 5º . 3) Länge des Bankettgrabens rund 16° , wenn man annimmt, daß bei jeder Geſchüßbank 4º abgehen , was faft ganz genau ist. II.

Die Gesammtleistung eines Hauptgrabenarbeiters, bei 5 Mann

auf die Ruthe mittlerer Grabenlänge, muß sein : 96 · Cubitfuß = 232,2 Cubitfuß. Wird die Schanze nun in 2 Arbeitstagen à 10 Stunden ― den Aufenthalt der Borbereitungen und Arbeitseinleitungen abgerechnet oder in 4 Schichten à 4 Stunden ausgehoben , so erhält man die ganz entsprechende Durchschnittsforderung von 14,5 Cubitfuß pro Mann und Stunde. Diese vertheilt sich pro Schicht , bei 21' Tiefe jebes Sases und wenn nie Stufen stehen bleiben , folgendermaßen :

I. Schicht [ 174 + 14 ] . 2,7 = 85,347 Cubiffuß, II. • [ 14 + 101 ] . 2,7 = 67,176 III. [107 ]. 2,7 = 48,924 · [ 74 ]. 2,7 = 30,726 IV. Summa 232,173 Cubiffuß, I. Schicht : 21,3 Cubitfuß,

mithin pro Mann und Stunde

II.

: 16,8

III.

: 12,2

· : 7,7 Man übersicht leicht, daß nirgends die früher angegebenen , außer ordentlich mäßigen Durchschnittszahlen überschritten find.

IV.

III. Die Leistung des Bankettgrabenarbeiters bei 3 Grabenarbeitern auf die Ruthe des Bankettanlaufs ist im Ganzen :

18.1 = 72 Cubiffuß. Dies muß in der 1. Schicht geleistet werden ; mithin wird gefordert : pro Mann und Stunde 18 Cubitfuß.

116 IV.

Die Leistungen der Brustwehrarbeiter gestalten sich folgen. dermaßen: Profil des I. Saßes rund 36 D.-F. II. 28 2 12 。 - III. 20 · IV. 12

Hiernach find die zu leistenden Accorde in runden Maßen : ( vergleiche Taf. III Figur 3 ) .

NB. Maßgebend ist die Breite des zu erreichenden Berm - Aufraums, der sich übrigens auch nach der Standfestigkeit des Bodens richten wird ; hier ist Boden von gewöhnlicher Standfestigkeit angenommen , der sich also etwa unter 45° natürlich abböſcht. V. Jn jedem Saillant wird durch die Ausschachtung gewonnen : durch die gerade Verlängerung : 1954 Cubiffuß, 1100 durch die Abrundung : davon sind nöthig in jedem Saillant zum Brustwehrkeil :

770 Cubikfuß.

zur Bank mit Rampe: 1800 Der 1. Saz im Saillant ergiebt aber nur etwas über 1100 Cubikfuß Ausschachtung. In den Accord des Saillantschachtes und der Geſchüßbankarbeiter wären daher die beiden anliegenden Brustwehrſchächte hineinzuziehen. So würden jedenfalls in der I. Schicht die Bänke fertig und wäre der weiteste Transport überwunden.

VI.

An Arbeitern sind nun für jede Schicht erforderlich excl. Aufsichtspersonal. a ) für die 1. Schicht : Graben-Arbeiter Berm Brustwehr

29.5 145 58 29.2 29.2 = 58

261

Bankettgraben-Arbeiter 16.3 = 48 72, davon 12 aus der Reserve. 2.12 = 24 } Bankarbeiter 17 = Disponible Reserve Summa 350 Mann.

117

b) für jede folgende Schicht : 261 Arbeiter, 29 disponible Reserve, Summa 290 Mann, d. h. fast ganz genau : für die Erdarbeiten incl. Hauptreserve in den folgenden Schichten so viel Mann, als die Feuerlinie Fuße hat.

VII.

Die Formation und Anstellung dieser Arbeiter geschieht

folgendermaßen : für die 1. Schicht: a) Grabenarbeiter und Bermarbeiter. Sie werden formirt in 9 Schächte à 21 Mann, 1 jeber Schacht in 3 Gliedern ,

.

à 14

im ersten Gliede die Berm-Arbeiter, zweiten dritten

Escarpen Contreescarpenarbeiter, und in der früher erwähnten Art angestellt, in einer Colonne von einem Endprofil an aufmarschirend. b) Brustwehr - Arbeiter nnd Bankettgraben - Arbeiter. Ihre Anstellung ist aus der Stizze Taf. III Fig. 4 klar ersichtlich. Ihr Aufmarsch erfolgt in früher angegebener Art, in folgender Colonne etwa, von einem Endprofil aus to

7 Mann 5 76

2 Flankenschächte

5

=

CO CO

} Geschüßbankschacht

44

to

6 6

} die anliegenden Brustwehrſchächte 10

·

Saillantschacht

96

to

9 6

96

2 Frontschächte

118 66

ð

{

Grichüzbankschacht

} die anliegenden Bruſtwehrſchächte 10

Saillantschacht

‫لحان‬

7 5

2 Flankenſchächte

715

in den folgenden Schichten a) Graben- u. Bermarbeiter , wie in der 1. Schicht. b) Brustwehr - Arbeiter: 6 Flankenſchächte à 5 Mann auf je 23 ° Feuerlinie. - 2° 5 Frontschächte à 4 2 Saillantschächte à 4 Mann ; dazu die nöthigen Schachtmeister und 3 Aufsichts- Unteroffiziere , von denen die beiden in der Flanke die resp. Saillantſchächte mit übernehmen.

VII. Einige Erläuterungen zu der Schrift :

,, Das Shrapnelgeschoß in England und Belgien " von Gen. Bormann , überſ. v . Gen. - Maj . du Vignau. Berlin 1863 bezüglich der Besprechung des Königl. Preuß. Artill .- Oberft Neumann im Archiv für die Offiziere der Königl . Preuß. Artillerie- und Ingenieur-Corps.

1. Heft.

Berlin 1864.

Die Bemeisterung des Feuers von Sprenggeschoffen hat feit der Zeit, daß die Schwerpunktslage des kugelförmigen Geschosses in glatten Geschüßröhren berücksichtigt und das Langgeschoß in gezogenen

119 Röhren angewendet wird, eine so ungemein hohe Wichtigkeit erlangt, daß schon diese Wichtigkeit jeden noch so geringen Beitrag rechtfertigen dürfte, der zur Aufklärung in dieser Frage führen kann. Indem ich mich nun durch obgedachte Besprechung des Obersten Neumann, wie durch die Bemerkungen, welche meiner Schrift in ihrer Ueberseßung hinzugefügt worden find, aufgefordert fühle, einen Verfuch in dieser Hinsicht zu machen , ergreife ich diese Gelegenheit um so lieber, als die Veranlassung dazu von einem Artillerie - Offizier herrührt, dem unsere Waffe bereits mehrere Fortschritte verdankt. Nicht alle hier zur Sprache gebrachten Punkte kann ich jedoch in diesem Augenblick berücksichtigen, sondern mich nur vor der Hand auf einige besonders betonte beschränken , und diese auch nur aus allge. meinen Gesichtspunkten betrachten. Höchft erfreulich ist der Umstand, daß in der erwähnten Besprechung. meiner Schrift diese für die Förderung der guten Sache selbst , d. h . für die Lösung jener Lebensfrage für die Artillerie, als von unzweifelhaftem Werthe und als reichhaltig und anregend bezeichnet wird ; denn in der That ist mir leider durch veränderte Dienstverhältnisse nicht vergönnt gewesen , in leßter Zeit mehr zu thun , als eben nur dieses leßtere, wodurch allerdings viel versäumt worden ist , weil fich denn doch erst durch die Anwendung neuer Gedanken die Brauchbarkeit derselben darthun läßt. Der H. Oberft Neumann ist der Meinung,,, daß in dieſer Schrift der Brennzünder mit liegender Saßsäule auf Koßten aller übrigen Arten von Zündern , und insbesondere der Percussionszündvorrichtungen überſchäßt ift“ < meiner Meinung nach ist dies nicht der Fall. Vorerft wird man mir wohl gern einräumen , daß dieser Brennzünder (Zeitzünder , fusée à tems ) allen nach altem Grundſaße ge= schlagenen nicht allein überlegen ist, weil, wie hier gesagt, seine liegende auf der äußeren Oberfläche des Geschoffes ihrer ganzen Länge nach fich entwickelnde Saßsäule ,, in mannichfaltiger Weiſe ſehr leicht tempirbar ift", sondern auch 1 ) weil der Grundsaß , nach welchem die liegende Saßsäule gebildet wird , die Möglichkeit in fich schließt, dem

• Sapprisma vollkommen gleiche Dichtheit in derjenigen Richtung zu geben, nach welcher man daffelbe vom Feuer verzehren läßt ; und 2) weil

120 fich diese liegende Saßfäule unter allen Berhältnißſſen, in allen Kii. maten der Erde und für die größte Ausrüftung vollkommen gleichartig herstellen läßt , so daß die nach diesem Grundsaß gefertigten Zünder fiets genau die Brennzeit des einmal als Mußter feftgeſtellten einhalten müffen. Hierbei hebe ich nicht als eine besonders günstige Eigenschaft hervor, daß beim neuen Brennzünder der Saß und die Zündkammer luft- und waſſerdicht verſchloſſen find , indem man ja auch den alten Zünder in metallene Röhren schlagen und hermetiſch verſchließen kann. So auch kann , wenn eine Artillerie mit besonderer Vorliebe an der alten Form der stehenden, ins Innere des Geſchofſes reichenden SaßSäule hängt, der neue Grundsaß benußt und die Saßsäule in seitlicher Richtung verdichtet werden, wobei fie freilich auf eine bequeme Tempirungsart verzichten und den Nachtheil in den Kauf nehmen muß, welcher durch die Beengung des inneren Raumes des Geschoffes entAcht. Bis hierher dürfte also keine Ueberschäßung stattgefunden baben ; aber auch in Betreff der Concuſſionszünder ift dies nicht der Fall. Nehmen wir zu diesem Erweise den in Preußen und mehreren andern Ländern . wo das preußische Syftem der gezogenen Feldgeschüße Eingang gefunden hat, angenommenen Concuffionszünder zum Vergleich, dessen Bau aus der Schrift „ das gezogene Geschüß.

Von

Kraft Prinz von Hohenlohe- Ingeifingen 2. Berlin 1860 “, Zeichnung Seite 40, zu entnehmen ist, --- so finden wir, das große Mängel, welche die bisherigen Zünder dieſer Art hatten, in dieſem glücklich vermieden worden sind, ausgenommen der nicht unerhebliche Punkt, daß bei dieſem Zünder der Zugang von Feuchtigkeit zu dem Innern des Geſchofſes nicht so vollkommen abgeschlossen ist, als es leicht geschehen könnte. In der That ist bei keinem der mir bekannt gewordenen Concuſſions. zünder die Sicherheit gegen unzeitige wie für rechtzeitige Wirkung deffelben mit so mathematischer Gewißheit begründet , wie hier vermittelft des eisernen Vorfteckers ( V in gedachter Zeichnung ) , welcher durch die Umdrehung herausgeworfen wird, die dem Geschoß im Rohre durch die Züge ertheilt wird, und die es in seiner Flugbahn beibehält ; - ein sehr geistreicher Gedanke von unbeftreitbarem Werthe für die

121 Anwendung , wo man Concussionszünder von höchfter Empfindlichkeit haben will. Dieſem Fortschritt fteht aber der, welcher im Bau des Zeitzünders durch den neuen metallenen Zünder gemacht worden ist, wohl eben, bürtig zur Seite.

Wo zeitweises Fehlschlagen mit dieſem eingetreten

ift, hat dies theils an der unrichtigen Wahl des Metalles oder der Metallmischung ( alliage ) gelegen , welches oder welche zum Guß seines Körpers benußt worden ist, theils in einer fehlerhaften und unachtsamen Anfertigung des Zünders selbst.

Befolgt man aber treu

die Grundfäße , welche ich dafür gegeben habe, so laffen sich so vollkommene Zeitzünder anfertigen , als es die Natur der Dinge zuläßt, und die dann den höchsten Anforderungen entsprechen , welche man vernünftigerweise an einen Zünder machen kann . Diese Zündergrundsäße können natürlich

auf sehr verschiedene

Weise angewendet werden , einzeln oder unter einander verbunden, je nach dem damit zu erreichenden Zweck, so daß eine Reihe von Zündermustern entsteht, die von dem einfachsten Bau -- dem des von mir ursprünglich entworfenen

ftufenweise bis zu dem künftlichsten

vorschreiten , welches lezte Muster einerseits den höchstmöglichen Anforderungen an einen Zeitzünder entspricht , andererseits aber das möglich geringste Maß von Aufmerksamkeit und Arbeit von der Geschüßbedienung erheischt, und welches Muster in dem Zdeal-Zeitzünder seinen Vertreter gefunden hat. Die Künftlichkeit dieſes leßtgenannten Zünders ift deshalb nicht so zu verstehen , wie sie in der Besprechung des Obersten Neumann herausgehoben ist; derselbe ist nur in fo fern der zusammengefeßtefte und theuerste ( S. 188 in der englischen 2. Auflage meiner Schrift. Seite 112 der deutſchen Ueberſeßung ), als er mit den übrigen in vorerwähnter Reihe verglichen wird ; ja faßt man das Ganze -- Zünder und die zu deſſen Aufnahme bestimmten Theile des Geschoffes - zu fammen , so dürfte dieser Zünder am Ende nicht künftlicher befunden werden wie der preußische Concuffions- Zünder. Wenn die natürliche und befte Stellung für den Concuſſionszünder in der Spiße des Langgeschoffes ist , so ist diese für den Zeitzünder erftens auf dem Boden dieses Geſchofſes, die nächst vortheilhafte zwettens auf dem kegelförmigen ( ogivalen ) Theile deffelben hinten , und

122 die am wenigßten vortheilhafte endlich drittens in der Spiße dieſes Theiles. Die Tempirung des Idealzünders ift von der einfachsten Natur. In seiner Stellung auf dem Boden des Geſchofſes beſteht dieſelbe in den drei Verrichtungen :

1) Lüftung einer Druckschraube ; 2) Stellung der Schußplatte auf den gegebenen Punkt der Zeitſcala ; und 3) Wiederanziehen der Druckschraube. In den andern beiden Stellungen können am Ende noch die Lüftung und das Wiederanzichen der Druckschraube durch Anwendung einer starken Spiralfeder vermieden werden , ſo daß nur die Stellung eines Schußkegels durch Drehung auszuführen bleibt. Das Fertigmachen zum Schießen mit dem preußischen Concuffionszünder ift alſo kaum ſo einfach, als das hier mit dem Zdeal - Zeitzünder erforderliche. Versager können bei Zündern aller Art vorkommen. Dies liegt in der Unvollkommenheit aller menſchlichen Einrichtungen, bei welchen eine gewisse Zusammengefeßtheit unvermeidlich ist. Auch Granaten, mit dem preußischen Concussionszünder versehen , find schon blind ge= gangen; ja es ist mir ein Fall bekannt, wo von den Kugelsuchern eine ſolche Granate aufgefunden worden ist , die sogar ihren Borstecker wahrscheinlich erst nach ihrem leßten Aufschlage durch eine nachherige Wendung verloren hatte. Von einem Manne aufgenommen, wurde dieselbe auf die unzeitige Bemerkung eines zweiten, daß dieſe Granaten gefährlich seien, von ersterem wieder auf den Boden geworfen, zersprang und zerschmetterte diesem Unvorsichtigen eine Hand . Ebenso können beim metallenen Zünder Versager vorkommen ; doch bieten, wie gesagt, die jezt vorhandenen Mittel die Möglichkeit dar, deren Zahl ſo herabzusehen, daß man sie faft als gänzlich verschwunden ansehen kann .

In

den Mustern , welche durch Aufftechen tempirt werden , in der Spiße des Geschoffes angebracht sind und von der Flamme der Geſchüßladung entzündet werden müssen , können Versager eintreten , weil von dieſer Art der Entzündung eine gewiffe Unsicherheit des Feuerfangens unzer trennlich ist. Diese Unsicherheit des Feuers verschwinden zu machen, ift eben das Bestreben der neueren Zeit gewesen und beruhet z. B.

123 bei dem Armstrong'schen Muster auf einer Concuffions- Vorrichtung, bei dem Zdealzünder dagegen auf meiner Erfahrung , daß sich das Saßprisma des Zünders an dem gegebenen Punkte der Zeitſcala von der aus der verpuffenden Geſchüßladung entwickelten Hiße , oder von der Hiße irgend eines Feuerftrahles durch die aus einer leicht schmelzbaren Metallmischung bestehende dünne , ftarre Metallschicht hindurch entzünden läßt und daß also — wie General du Vignau ſehr richtig ,,bes in seiner Anmerkung zu Seite 112 seiner Ueberseßung schließt hufs der Regulirung des Zünders das Durchstechen ( Bloßlegen ) des Saßprismas ausgeschloffen " ift. Die Anwendung dieses neuen Grundſaßes hat einen eben so sichern Stüßpunkt, wie die des neuen beim preußischen Concuffionszünder ver. wertheten ; denn wenn bei dieſem die Unfehlbarkeit der Wirkung des Zünders durch die Umdrehung des Geschosses erftrebt wird, so geschieht dies beim Zdealzünder durch die aus der Geschüßladung erzeugte Hiße, deren Eintritt so unfehlbar ist , wie die jener Umdrehung des Geschoffes. Alle dem Brenn- odeer Zeitzünder vom machten Einwürfe fallen jeßt fort , denn fie früheren Zeit an, wie die, welche man sonft Zeit - den Granaten und den Shrapnels

Oberften Neumann gegehören sämmtlich einer - vor nicht gar langer mit Recht gemacht hat.

General Gardiner urtheilt in seinem werthen Briefe an mich ganz richtig , aber nur auf Grund der früheren Zustände in der englischen Artillerie , und wenn die von Armstrong der britiſchen Artillerie ge= lieferten und nach dem neuen Grundsaße gefertigten Zeitzünder auf dem Wege nach China im Jahre 1860 größtentheils durch Feuchtigkeit verdorben find, so beweißt dies eben nichts weiter, als daß er in dieſem Punkte den Bedürfniffen der Artillerie nicht zu entsprechen gewußt hat *).

*) Indem in der Besprechung des Obersten Neumann von dem Schuße die Rede ist , durch welchen i den metallenen Zeitzünder der Einwirkung feuchter Luft zu entziehen empfehle , bemerkt derselbe : ,, Welche Aufmerkſamkeit auf einen solchen Schuß zu richten bleibt, kann beispielsweise aus den von den Engländern im leßten chinesischen Feldzuge gemachten Erfahrungen entnommen werden. Hierzu waren die Armstrong'schen Zeitzünder , und zwar in besonderen Büchsen sehr forgfältig verwahrt , mitgenommen worden, und dessen ungeachtet hat davon , nach einem amtlichen Berichte , in den der Unterzeichnete Einsicht erlangt

124 Mehre von dieſen nach Indien und Auftralien geſendeten Zündern find aber der Einwirkung von Feuchtigkeit entzogen worden und haben dann sehr gute Wirkung geleiftet ; unter andern im Kriege in NeuSeeland ** ). Gleiche Erfolge hätten unter solchen Umständen auch bei dem Breithaupt'ſchen Muster, wo das Sapprisma sogar nur durch eine aufgeschrobene Scheibe geschloffen ist, eintreten müſſen, und es ist auch bereits bei dieſem Mufter eine nachtheilige Einwirkung der Feuch. tigkeit auf den Zünder in der Schweiz in Erfahrung gebracht worden. Die vom Admiral Dahlgren über die Macht der feuchten Luft auf Zünder gemachte höchft werthvolle Beobachtung ( in der Anmerkung hat, so zu sagen auch nicht ein einziger_ſeine Schuldigkeit ge. than. Dagegen heißt es in diesem Berichte von den Percussionszündern : „ daß sie bewundernswürdig ( admirably ) ge= wirkt haben. “ Bei deren Gebrauch gegen die tartariſche Kavallerie war diese nach nur einigen Schüffen vollständig aus. ander gestoben und verschwunden." 3 mus, nur allein zur Rechtfertigung meiner bisher fiets ausgesprochenen Ansichten, bekennen, daß keiner der mir bekannt gewordenen engliſchen Berichte fich so entſchieden gegen die im legten chinesischen Kriege verwendeten metallenen Zeitzünder Armstrong'schen Mufters ausgesprochen hat. In dem gültighten von allen zu meiner Kenntniß gelangten englischen Berichten, in dem von Lord Herbert dem Oberhause vorgelegten ist nur erwähnt, daß einige Munition durch Feuchtigkeit gelitten habe. In den andern hauptsächlich in der Zeitung The Times veröffentlichten Berichten , welche alle den Stempel eines mächtigen Einfluffes Seitens Armstrongs tragen, ist nur die Armstrong - Kanone herausgehoben , und der Antheil, welchen die Munition an deren Wirksamkeit genommen hat, nichts weniger als gebührend erwähnt. In einer Antwort, welche Armstrong einer von seiner Res gierung eingefeßten Commiſſion gegeben hat , und von welcher Antwort in der Beilage A zu diesen Aeußerungen einige Stellen gegeben werden, kommt in Bezug auf die Percussionszünder das vom Obersten Reumann angeführte Wort ' ,, admirably" vor; — sollten diese Angaben und der genannte ,, amtliche Bericht “ einen und denselben Ursprung haben , so sagt Armstrong einige Zeilen tiefer selbst , daß die in China vorbanden geweienen Zeitzünder in der Tbat durch Feuchtigkeit gänzlich verdorben waren " , und es können die mit ſolden Zeitzündern erlangten Wirkungen denn doch nicht der durch gute Percussionszünder erzielten vergleichungsweise gegenüber gestellt werden, am wenigften aber läßt sich aus den selben ein Schluß auf den Werth oder Unwerth des Zeitzünders **) Bericht vom 23. Juli 1863 , p . 120, Antwort auf die Frage Nr. 2847 : ..Those very fuses have been used with very great success in practice in New Zeeland ".

125 zu §. 14 meiner Schrift angeführt) kann nicht ungeftraft unberückſichtigt gelaffen werden. Die Vorzüge , welche der Oberft Neumann von Zeile 8 bis 20 auf Seite 18 seiner Besprechung dem Percuffionszünder vor dem Zeitzünder beilegt, dürften bei dem vervollkommneten Zeitzünder grade diesem zuerkannt werden müſſen. Wenn in der Besprechung die Zulässigkeit einer größeren Künftlichkeit des Geschüßes mit guten Gründen gerechtfertigt wird, fo find es dieselben guten Gründe , welche die größere Künstlichkeit des vervollkommneten Zeitzünders im Vergleich zum alten Zünder dieſer Art rechtfertigen. Ein Grund, worauf sich noch viele Artillerie-Offiziere ßtüßen, um den Concussionszünder zum ausschließlichen Gebrauch für die Feld-Artillerie zu empfehlen, ift die Behauptung , daß sich die Entfernung des zu beschießenden Feindes leichter und sicherer abschäßen lasse, wenn das Geschoß durch seinen ersten Aufschlag zum Springen gebracht wird, als wenn das Zerspringen des Geschosses durch einen Zeitzünder in freier Luft bewirkt wird . Gern will ich zugeben, daß man durch das Springen des Geschoffes bei seinem ersten Aufschlage auf ebenem, undurchschnittenem Boden die Entfernung des Zieles genügend schnell und richtig finden könne, daß leßteres aber ganz allgemein, alſo bei ſummarischerBerücksichtigung aller Terrain - Geſtaltungen im freien Felde, namentlich in durchschnittenem, wellenförmigem Boden, mit Concuffions-Zündern

ziehen. Wären also jene Zeitzünder gut gewesen und richtig gebraucht worden , so hätten sich die Armstrong'schen Kanonen gewiß noch weit wirksamer gezeigt, als dies durch Anwendung Bon Percussionszündern geschehen ist , d . b . in offenem Felde und gegen den hinter Brustwehren stehenden Feind . Bei Zerstörung von Schießscharten nimmt natürlich der Percuſſionszünder den Vorrang über den Zeitzünder. Gedachtes oder das hier in Frage gekommene ZeitzünderMuster hatte nicht nur den großen Fehler, daß seine Concussions. vorrichtung unvollkommen gegen Feuchtigkeit geschüßt war, sondern auch noch den , daß die sogenannte Tempirscheibe eine Federbarzunterlage ( Indian rubber Washer, p, in Fig . 7 meiner Schrift ,, das vreußische System der gezogenen Feldgeſchüße in Belgien 2c. Darmstadt 1861 ″) hatte, welche zuweilen an die aus gefirnißtem Papier bestehende Hülle des Saßprismas anbuk und wodurch bei Drehung der Scheibe dieſe Hülle zerriffen wurde , was natürlich zu schlechten Ergebnissen führen mußte. Die Beilage B klärt dieſen Fall näher auf.

126 leichter und sicherer von flatten gehe , als mit vervollkommneten Zeitzündern, dürfte nicht zugeftanden werden können . Zur Ergründung * ) der fraglichen Entfernung reicht ein einziges Mittel nicht aus ; man bedarf deren viele. Eins der beften ift aber , die Zeitdauer der Flugbahn des Geſchofſes zu beobachten.

Seit der

Zeit, daß man abgewogene Geschüßladungen , gleich schwere Geschoffe, gepolte Gefchoffe in glatt gebohrten Geschüßröhren und gut eingerichtete Langgeschoffe in gezogenen anwendet, ift dieſe Zeitdauer zu einer ungemeinen Gleichförmigkeit gefteigert worden.

Es ist dies im Beson-

deren bei den gezogenen Feltgeſchüßen des preußischen Syktems in so hohem Grade der Fall, daß sich die Flugbahnen mehrer nach einander unter gleichen Verhältnissen abzufeuernde Gefchoffe bis auf Entfernungen wie die von 4000 Metern so gleichförmig gestalten, daß man ein Ziel von verhältnißmäßig äußerst geringer Ausdehnung in Breite und Höhe unfehlbar trifft. Um nun die Entfernung aus der Flugzeit des Geſchofſes zu beftimmen, ist es jedenfalls rathſam, beim ersten Probeſchuß das Geschoß vor dem Ziele aufschlagen zu laffen , es sei mit dem einen oder mit dem andern Zünder versehen , und wobei selbstverständlich dem Zeitzünder eine etwas längere Brennzeit gegeben werden muß, als muthmaßlich die, welche der Weg bis zum ersten Aufschlage erfordert. Angenommen, daß dies Alles gelingt , so ift es wohl eben so leicht, die Entfernung des ersten Aufschlages durch das nicht zerspringende Geschoß zu messen, wie durch das zerspringende , denn die Zeitdauer der Flugbahn muß in beiden Fällen beobachtet und der Abftand des ersten Aufschlages vom Ziele abgeschäßt werden ; ja beim Zeitzünder giebt *) Es ist hier und im Folgenden nicht von einer Ermittelung der Entfernung des Zieles mittelst bloßen Augenmaßes und mittelst Probeschüssen, nach denen , abermals mittelft bloßen Augenmaßes, die nöthigen Correcturen vorgenommen werden , die Rede ; denn dieses bei bedürftigem sofortigen und schnellen Feuer gezwungenermaßen anzuwendende einfachste Verfahren dürfte bei allem Schießen aus Feld- Geschüßen mit Hohlgeschoffen summa. risch gleich große Unvollkommenheiten und Nachtheile mit sich führen; sondern von einer zulässigen , von den Umständen und der Zeit gestatteten genauen Ermittelung der Entfernung, ohne viele unnöthige Probeschüſſe , mittelft Anwendung derjenigen fünftlicheren Mittel, welche durch die Natur des Geschüßes , des Geſchofſes, des mitgeführten Zubehörs, sowie der mitgeführten Schußtafeln dargeboten werden.

127 das spätere Zerspringen des Geschosses einen ferneren Anhalt ; auch fann in allen Fällen die Entfernung noch aus der Zeit beurtheilt werden, welche der von dem zerspringenden Geschoß herrührende Schall bedarf, um bis zum Geſchüß zu gelangen. Oben erwähnte Gleichförmigkeit in den Dauerzeiten der GeschoßFlugbahnen ist von der höchsten Wichtigkeit. Dieselbe kann bei günstiger Witterung bequem durch einen sehr einfachen Halbsecundenpendel, wie er in der belgischen Artillerie schon längst eingeführt ist , gemeſſen werden , und wird durch den neuen metallenen Zeitzünder mit faft mathematischer Genauigkeit bestimmt , daher läßt sich nach demselben die gesuchte Entfernung mit volliommen ausreichender Sicherheit bes urtheilen. Ift die Entfernung des Zieles ermittelt, und die richtige Erhöhung des Geschüßrohres dazu gefunden , so daß das Geschoß das Ziel mit seinem ersten Aufschlage ( oder Anschlage ) treffen müßte , so bedarf es nun keiner weiteren Angaben, um vermittelft des Idealzeitzünders nicht blos mit Granatkartätſchen , sondern auch mit Sprenggranaten eine gute Wirkung sicher zu erzielen , weil man dann diesen Zünder nur um eine bekannte Zeitdauer kürzer zu tempiren hat , als die , welche der vollständigen Flugbahn entsprechend gewesen sein würde. Alle sonstigen Schwierigkeiten sind jeßt verschwunden :

Es ist

nicht mehr nöthig, fich darüber zu quälen , auf welche Höhe über dem Boden, auf welchen Abstand vom Ziele der Sprengpunkt des Geschosses zu legen ist; der Zeitzünder allein reicht zu dieser Bestimmung aus. Noch weniger bedarf es der genauen Kenntniß und der Beschaffenheit des Erdbodens , auf welchem das Ziel ( der Feind ) steht. Mit einem Worte, der Batterie- Commandant hat keine weitere Sorge, als die um die Ermittelung der Entfernung, um seiner Sache gewiß zu sein . Nicht so leicht erreicht er dieses Ziel durch Concussionszünder, wobei außer der Schwierigkeit, das Geschoß auf dem erforderlichen Abstande vor dem Ziele aufschlagen zu laffen , noch die eben genannten des Bodens die Wirkung seiner Geschüße sehr bedeutend beeinträchtigen oder ganz vereiteln können. Betrachten wir wohl verstanden hier nur das Feuer von Feldgeschüßen im freien Felde gegen Truppen, so find alle vorAtehenden, den Zünder betreffenden Schlüffe , wie schon angedeutet, eben 9 Achtundzwanzigfler Jahrgang. LVI. Band.

128 so wohl auf Sprenggranaten als auf Granatlartätschen anwendbar. Die Sprengstücke der erßeren Geſchoffe zerfreuen sich nämlich der Altärkeren Sprengladung wegen noch weit mehr als die Sprengftüde der mit Hagel gefüllten Granaten. Wendet man nun bei dieſen Geschoffen Concuſſionszünder an, und erzeugt vermöge dieſer Anwendung eine Garbe von Granatsprengstücken in auffteigender Richtung vom Boden , so wird dadurch die Wahrscheinlichkeit des Treffens mit diesen Bruchstücken sehr bedeutend verringert, und es läßt sich ein guter Erfolg nur auf näheren Entfernungen , d . h. bei kleinen Aufschlags. winkeln und auf ebenem festen Boden erzielen ; dagegen ist beim Zeitzünder, also bei niedersteigender Feuergarbe, unter allen Berhält nissen die Wahrscheinlichkeit weit größer , daß es oft gelingt , viele dieser Sprengstücke in das Ziel zu bringen. Aus diesen Gründen können bei Feld - Batterien Sprenggranaten felbft ganz in Wegfall kommen ; denn es leuchtet ein, daß es vortheilhafter fein muß, diese Batterien nur mit Granatkartätſchen auszurüften erftens : weil, wie erwähnt, die Feuergarbe dieser Geſchoffe weniger freuet, einen spißeren Kegel bildet ; und zweitens : weil die leeren Räume, welche die Flugbahnen der Granatsprengstücke unter sich lassen , von denen des eingeladenen Hagels so zu sagen ausgefüllt werden, wodurch fich die Wahrscheinlichkeit des Treffens und die Wirkung des Feuers ungemein steigert. Sind diese Schlüſſe richtig, so gebührt, ſelbft nach der Besprechung des Obersten Neumann, dem Zeitzünder der Vorrang vor dem Concussionszünder in der Ausrüstung von Feldbatterien; denn es heißt auf Seite 19 Zeile 8 bis 11 der Besprechung , daß selbstverftändlich der Zweck des Schießens im Auge behalten werden müſſe, nämlich der, das Ziel zu treffen und gute Wirkungen dagegen zu erhalten" , und was sonst noch auf derselben von Zeile 4 bis 17 von den gezogenen Geschüßen verlangt wird, findet unter Anwendung der neuen Zeitzünder ebenfalls ſtatt. Sollen Feldbatterien nur mit Granatkartätſchen ausgerüftet werden, so ist es vortheilhaft , einen guten Theil dieſer Geſchoffe aus BrandHagelgranaten ( §. 18 meiner Schrift ) beſtehen zu laſſen , welche dann die Sprenggranaten in den wenigen Fällen erſeßen können , wo es wünschenswerth erscheint , solche auf dem Boden liegend springen zu laſſen, in allen andern Fällen im offenen Felde aber den Sprenggra=

129 naten weit überlegen sind . Auch die gewöhnlichen Kartätſchen könnten entbehrt werden, indem die einfache Hagel- wie die Brandhagelgranate als solche dienen können , wenn nur vorläufig der Zünder derselben auf Null tempirt wird , wodurch das Geschoß einige Meter vor der Mündung der Kanone springt und ein sehr kräftiger Kartätſchſchuß erzeugt wird * ).

Wo aber ein Wagniß in der Annahme dieſes Aus-

rüftungsgrundiaßes erblickt werden sollte , ist es ja unbenommen, einige Büchsenkartätschen in der Batterie mitzuführen und eine gewiffe Anzahl Sprenggranaten im Hauptpark für die besonderen Fälle zur Verfügung bereit zu halten , in denen eine kräftigere Sprengwirkung, als die, welche die Brandhagelgranate gewähren kann , für nöthig erkannt wird, z . B. gegen Feldschanzen , Gebäude u . dgl . m .

Die Be-

dienung der Geschüße wird dadurch aufs möglichste vereinfacht. Da sich allem dem zufolge annehmen läßt , daß es von jeßt an nur noch in dem Willen eines Staates liegt , in seinen ArtillerieWerkstätten Zeitzünder anfertigen zu laffen , welche so zu sagen keine Bersager mehr geben ; da der Gebrauch dieſer vervollkommneten Zeitzünder in allen den Fällen, wo der Feind auf durchschnittenem Boden fteht, dem Gebrauch des Concussionszünders weit überlegen ist und die Fälle des durchschnittenen Bodens in den angebauten wie in den wilden Gegenden der Welt die große Mehrzahl der im Felde vorkommenden bilden ; so muß im Allgemeinen dem Zeitzünder der Vorrang vor dem Concussionszünder eingeräumt werden. Ungeachtet dieser unbeftreitbaren Wahrheit wird es aber noch viele Artillerie-Offiziere geben, die zur Erforschung der Entfernung des Zieles an dem sichtbaren und zugleich hörbaren Zeichen hängen, welches ihnen die Sprengung des Geschosses, durch deffen ersten Aufschlag bewirkt , ge= währt. Auch scheint sich - wie aus der Besprechnug meiner Schrift

*) In der herzoglich nafsauschen Artillerie, wo der neue metallene Zünder mit ftarrer aufgepreßter , die Zeitſcala tragender Blei. decke für kugelförmige Gefchoffe üblich ist, und wo, Dank ihrer äußerst geschickten Offiziere, dieser Zünder in einer hohen Vollkommenheit (im Laboratorium zu Wiesbaden ) angefertigt wird, wie die Schießübungen dieser Artillerie beweisen entblößt man das ganze Saßprisma durch Abnahme der aufgepreßten Bleidecke, wenn man durch Granatkartätſchen die Büchsenkartätſchen erseßen will . 9*

130 im ersten Hefte von 1864 der Militair - Literatur - Zeitung hervorgeht - eine fernere Hoffnung für einen erweiterten Gebrauch des preußischen Concussionszünders darin zu begründen, daß sich, wahrscheinlich durch Zwischenstellung einer kurzen Zündersaßsäule, die Wirkung desselben auf die Sprengladung des Geschoffes um eine gegebene kurze Zeitdauer verzögern läßt, so daß das Geschoß nicht sofort bei ſeinem ersten Auf- oder Anschlage zerspringt, sondern erft um eine ge= gebene Zeit später. Dieses Auskunftsmittel läßt ſich ſicher bei Sprenggranaten , welche zur Zerstörung von Schießscharten , Blockhäusern, Mauerwerk , Gebäuden , Erdbruftwehren ze. verwendet werden , mit großem, entschiedenem Gewinn verwerthen ; weniger aber von der Feld-Artillerie gegen Truppen, und zwar nur schwierig , um nicht zu ſagen unmöglich , in den Fällen , wo es höchft wünschenswerth wäre, dies zu thun , nämlich da , wo der Feind hinter einem Schirm ſteht, der von Strauchwerk oder Baumäften gebildet wird und den die Geschoffe zu durchbrechen haben , oder wenn die eigene Batterie dicht hinter einem solchen Schirm Stellung genommen hat und ebenfalls hindurchfeuern muß. Aber auch solchen Anforderungen läßt sich noch immer zum Besten des Dienstes genügen, wenn eine Artillerie den festen Willen hat, zur höchsten Vollkommenheit in ihrem vornehmsten Berufe des Schießens zu gelangen , indem man , wie ich in meiner Schrift Anhang VI er wähnt habe , das Geschoß mit beiden Zünderarten verfiehet, und zu welchem Zweck auch der preußische Concuffionszünder unverändert beibehalten werden kann , namentlich wenn der Idealzünder angewendet und auf dem Boden des Langgeſchofſes angebracht wird . Die BatterieCommandanten haben dann freie Wahl , die Entfernung des Zieles mit dem einen oder dem andern Zünder zu erforschen. Es ist oft davon die Rede gewesen , daß der Concuſſionszünder den Zeitzünder , oder dieser leßtere den ersteren verdrängen ſoll ; hier aber ist von keinem Verdrängen die Rede , denn eine gute Artillerie kann weder den einen noch den andern entbehren. Es handelt sich nur darum, gute Zünder beider Art zu haben und diese nach Umständen geschickt zu verwenden: Ferner hört man klagen , daß dem Zeitzünder die erforderliche Branddauer nicht gegeben werden kann. Auch dieſer Einwurf ist durch den neuen metallenen Zeitzünder vollständig beseitigt.

131 Es giebt bis jeßt noch keine Schußweite, und es wird künftighin auch keine geben , für welche sich nicht ein Zünder dieser Art bereiten ließe, sollte man für denselben auch eine Branddauer von mehreren Minuten beanspruchen.

Wo ein solches Ergebniß nicht erreicht worden

ift, hat es nur daran gelegen, daß man die richtigen Wege dazu nicht eingeschlagen hat ; der neue Zünder ſelbft ift daran ſchuldlos . Wenn in der Besprechung des Obersten Neumann folgende Anforderungen an den Zünder geftellt werden : ,, Besonders für die Feldartillerie müſſen einerseits die möglichste Einfachheit und Leichtigkeit der Bedienung des Geschüßes und der Anwendung der verschiedenen Schußarten und andererseits unter allen Umständen , welche eintreten können, eine möglichßt große Sicherheit der Wirkung verlangt werden " so wird diesen Anforderungen bereits buchstäblich durch den Zdealzünder entsprochen , denn er geftattet selbst in dem Falle , wo - wie in meiner Schrift vorgeschlagen - das Geschoß dauernd mit dieſem Zünder versehen und zugleich zur Aufnahme eines Concuſſionszünders eingerichtet ist, dieſen leßteren allein wirken zu laſſen , zu welchem Behuf man nur den Ausschnitt in der Schußplatte oder den des Schußkegels vom Zeitzünder zwischen die Endpunkte des Saßprismas zu ftellen hat , welche Stellung überhaupt die beständige in den Ma= gazinen und auf dem Marsche sein sollte. Wenn meine Schrift in dem Obersten Neumann den Eindruck zurückgelaffen hat, welcher in seinen Schlußworten : ,, daß die aus unsern (preußischen ) Versuchen hervorgegangenen gezogenen Geschüße und deren Einrichtungen als eine nachträgliche Nachahmung der desfalfigen Einrichtungen anderer Länder angesehen zu werden scheinen “ — aus, gedrückt ist, so versichere ich hiermit , daß es wenigstens meine Absicht nicht gewesen ist, einen solchen Eindruck hervorzubringen und, könnten meine Worte so gedeutet werden , so widerrufe ich dies in inniger Ueberzeugung vom Gegentheil aus hoher Achtung für die k. preußiſche Artillerie. Brüffel, im Mai 1864 .

132 Beilage A. Ueberfeßung. Auszug aus dem Bericht des oberßten Artillerie - Comitee.

Auf Ber-

anlaffung des Hauses der Gemeinen gedruckt , den 23. Juli 1863. wwwwwww Sir W. E. Armstrong . Frage Nr. 3228, Seite 144.

18. Mai 1863.

Ich will zuerft von der zerstörenden

Wirkung des Geſchüßes sprechen, wenn es in offenem Felde als Feldgeſchüß gebraucht wird. In einem Gefecht bei Peking ftand eine ungefähr 500 Mann Karke Abtheilung tartariſcher Cavallerie in einer Entfernung von 1500 Yards von einigen unserer Geschüße und hielt sich dafelbft für sicher. Sir Hope Grant beschloß, die Wirkung eines Schußſes auf sie zu verſuchen , und befahl daher einem Geſchüß , Feuer zu geben .

Das

Geschoß , eine gewöhnliche Segment - Granate mit dem gebräuchlichen Concuffionszünder, traf den Boden wenige Yards vor der Front der Tartaren und zersprang in der gewöhnlichen Art.

Augenblicklich flohen

die Tartaren und ließen dreizehn Todte und drei unbrauchbar gewordene Pferde auf dem Plaße zurück. Alles dies war die Wirkung der einen Granate, der einzigen verfeuerten . Ich berichte dies , geftüßt auf die Autorität des Capitain Richard Harriſon vom k. Ingenieurcorps, welcher nahe dabei fland , als der Schuß fiel. Ich berichte ferner auf die Autorität des Major Millward, welcher eine solche Geſchüßbatterie in China commandirte, daß er diese Geſchüße mit sehr großem Erfolge im offenen Felde auf Entfernungen , welche zwiſchen 450 und 2000 Yards wechſelten, gebrauchte. Er berichtet, daß die verheerende Wirkung der Granaten höchft bedeutend war , daß die tartarischen Pferde ſehr ſtarke Pferde waren , daß die Segmente dieselben ganz und gar durchdrungen und an der anderen Seite des Pferdes eine Deffnung gemacht hatten, wie wenn sie mit einem Messer herausgeschnitten worden wäre, und so genau, wie auf der zuerßt getroffenen Seite. Die Granaten und die Concuſſionszünder, verfichert er, wirkten bewundernswürdig –– admirably – ; nichts konnte beſſer ſein, als das Zerspringen der Granaten. Er fand großen Vortheil in den Percuffionszündern durch den Umstand , daß er die Entfernung mit großer Leichtigkeit

133 finden konnte, weil die Stelle, an der die Granate zersprang, deutlich zu sehen war.

Was nun zunächßt die Wirkung der Geſchüße gegen

die durch Erdwerke geſchüßten tartarischen Artillerißten betrifft, so hat Capitain Harrison berichtet , daß in einem langen befestigten Dorfe, genannt Tangku, 16 oder 18 tartarische Artilleristen von einem Geschüß getödtet wurden . Er sagt, daß die Granaten gegen die Mannschaften hinter der Brustwehr sehr zerstörend wirkten. Er sah, wo die Granaten die Brustwehr ftreiften , und wurden die Mannschaften dahinter alle durch die Armstrong- Granate getödtet. Ich berichte ferner auf die Autorität des Major Millward hin, daß seine Batterie auf die Taku - Forts feuerte aus einer Entfernung vonn 2000 Yards, und daß ſpäter bestätigt wurde , es hätten die Granaten eine sehr große Wirkung hervorgebracht. Alle diese Wirkungen wurden durch Munition von den ältesten Mustern erzeugt, welche, wie man leicht vorausseßen kann, weit entfernt von einer Vollkommenheit waren .

Die Sprengladungen zeigten sich unvermögend,

die Granaten ganz zu zersprengen , und sowohl die Zünder als die Sprengladungen hatten durch die Feuchtigkeit , der sie ausgesezt ge= wesen waren , bedeutenden Schaden erlitten. Die Zeitzünder waren wirklich gänzlich verdorben .

Es kann daher kein Zweifel obwalten,

daß die in diesem Kriege erlangten Wirkungen als sehr geringe angesehen werden müssen gegen das , was jezt durch die Munition in ihrer verbesserten Gestalt erreicht werden dürfte. Seite 147. - Da ich jezt von der Angelegenheit der Zünder und

der Munition rede, will ich bemerken, daß ich es nicht für Recht halte, nur allein der Frage der Züge die größte Wichtigkeit beizulegen und die Frage der Munition und der Zünder ganz nebensächlich zu be. handeln , weil ich das Comitee versichern kann , daß ich zehn Mal mehr Schwierigkeit und Arbeit gehabt habe , die Zünder und die Geschoffe zur Vollendung zu bringen , als ich für nöthig fand , auf die Geſchüße zu verwenden. Selbst bis zum heutigen Tage ist die Vervollkommnung eines Zeitzünders für die gezogenen Geschüße ohne Frage das schwierigste Problem , welches für Artillerißten besteht. Obgleich ich den Zeitzünder in seiner jeßigen Gestalt in Bezug auf die Feld- Artillerie für vollkommen befriedigend erachte, so ift er für große Kaliber noch keineswegs ju friedenstellend. Ich habe fünf Jahre an diesem Zünder gearbeitet,

134 und obgleich das allgemeine Prinzip in demſelben bleibt , wie es ursprünglich war , so haben doch Fragen über das Detail den größten Theil meiner Aufmerksamkeit während jener ganzen Zeit in Anſpruch genommen.

Beilage B. Ueberseßung . Auszug aus dem Bericht des oberften Artillerie- Comitee , auf Beran. laffung des Hauses der Gemeinen gedruckt, den 23. Juli 1863. Anhang Nr. 15, Seite 363.

Chemisches Departement , Königl . Zeughaus, Woolwich S. E. , den 9. Dezember 1862. Sir! Ich habe die Ehre , das oberste Artillerie - Comitee zu benachrichtigen , daß ich die sechs Zeitzünder , auf welche in Ihrem Briefe vom 18 ten ult. Bezug genommen ist , sorgfältig untersucht habe , und daß ich nicht im Stande war , irgend einen Fehler chemischer Natur zu entdecken , welchem ein Versagen der Zünder zugeschrieben werden fönnte. Indem ich jedoch versuchte , die Tempir . Scheibe der Zünder zu bewegen, fand ich, daß bei einem derselben die Federharzunterlage ſich von der Oberfläche des Metalles ganz und gar abgelöft und an das Papier fest angehängt hatte , welches über den Zünderſaß geklebt ift. Als ich einen andern Zünder zu regeln versuchte , war das Federharz auch an dem Papier feftgeklebt und theilweise von dem Metall los. gelöft. Diese Umstände dürften die Versager jener besondern Zünder vollkommen erklären, wenn sie ohne Untersuchung der Federharzunterlage eingefeßt würden, da das Festkleben der leßteren auf dem Papier ohne Zweifel verhindern würde , daß der Zünderſaß von der Flamme der zündenden Ladung in Brand geriethe.

gez. F. A. Abel , Chemiker d. Kriegs- Depar tements.

135

Aeußerungen des Generalmajors a. D. du Vignau zu vorstehenden Crläuterungen des General Bormann . www Als ich die Schrift des General Bormann, zu der die vorftehenden Erläuterungen gegeben worden find, ins Deutſche übertrug , war eine der damit verbundenen Abfichten die , dadurch die Verbreitung des für die Vervollkommnung der Feldartillerie von mir für unerläßlich gehaltenen Gedankens zu begünftigen, daß die Zestzeit das einfachste System gezogener Geschüße (z. B. das 9uge Einheitsgeschüß mit 9 u. schwerem Geschoß ) , mit einfachfter, nur in Hohlgeschossen befte-

hender Munition , mit einem vollendet brauchbaren Zeitzünder als allgemeinftes Zündungsmittel der Geschoffe, und mit einem Concussions - Zünder für alle zum vortheilhafteren Gebrauch des leßteren geeignete Fälle für den Feldkrieg im mittleren und öftlichen Europa geftatte und erfordere. Die zuweilen bedürftige Verwendung eines größeren gezogenen Kalibers ( z. B. des 16uders oder 24uders nach dem Gewicht des Geschosses ) im Feldkriege, namentlich zur Bekämpfung von bedeutenden, beinahe den Charakter beftändiger Befestigungen annehmender Feldwerke, wie bei Düppel u. dergl. m , beeinträchtigt meines Erachtens die Befugniß zur Bestimmung eines Einheitsfeldgeſchüßes nicht . Sie führt nur zur Errichtung und zur ausnahmsweisen Mitführung einer Batterie oder einiger Batterien dieses größeren Kalibers im Rücken einer operirenden Armee , ohne die Regel , Feldtruppen nur mit resp . 9udern zu verbinden, zu beeinträchtigen . Die besagte Schrift verfolgte den größten Theil dieſer Absicht auf eine so ingeniöse und überzeugende Weise , und die gegenwärtig von dem H. Verfaffer hinzugefügten Erläuterungen verstärken die Beweise für ihre Richtigkeit und Nüßlichkeit ſo ſehr , daß , was über fie gesagt oder geschrieben wird , auch meine Ansichten in vielen Stücken näher berührt und mich zur Mitvertheidigung des wesentlichsten darin niedergelegten Inhaltes verpflichtet.

136 Hierbei mußte es meine ganze Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen, wenn ein mit der Artillerie - Wissenschaft und Praktik so vertrauter Offizier, wie der Oberft Neumann, über den so unendlich wichtigen Punkt , mit welcher Gattung von Zündern die Hohlgeschoffe der gezogenen Feldgefchüße als Regel zu verſehen und zu gebrauchen wären " eine andere Meinung verficht als ich. Denn, wenn dies ein Concuſſionszünder ſein ſoll, ſo finden nach meiner Meinung nicht allein für das künftige Hohlgeschoßfeuer alle die Beschrän . kungen und Nachtheile ftatt, welche in der Bormannſchen Schrift und in den Erläuterungen dazu so ausführlich dargestellt find, sondern es liegt darin auch ein unübersteigliches Hinderniß gegen die Durch. führung der Abficht, zur höchften Wirksamkeit und Einfachheit der gesammten Feld-Munition zu gelangen. Der in der Mehrzahl aller Gebrauchsfälle im Feldkriege vortheilhaftefte Granatkartätſchſchuß kann dann nicht die Grundlage aller Ausrüstung werden. Wo über die wichtigsten Fragen unserer Waffe zwischen älteren und erfahrenen Männern des Faches diametral entgegengeſeßte Anfichten bestehen, fann -- wenn man die Entscheidung nicht der oft sehr theuer zu erkaufenden Kriegserfahrung allein überlaſſen will — nur ein offener und erschöpfender, auf Wiſſenſchaft und praktiſche Verſuche geftüßter literariſcher Kampf die Sache zu einem gründlichen Austrag bringen. Ich ging deshalb mit dem Gedanken um , diejenigen von dem Obersten Neumann im Archiv ausgesprochenen Urtheile , welche meiner oben niedergeschriebenen Ueberzeugung über die Grundbedingungen einer heutigen möglichst vollkommenen Feldartillerie entgegen treten, zum Gegenstande einer nochmaligen reiflichen Ueberlegung und Discussion zu machen , als mir die vorstehenden Erläuterungen von dem General Bormann mit der Erwartung zugingen , daß sie auch meiner Ueberzeugung entsprechen würden, und mit der Bitte, die Redaction des Archivs zur Aufnahme derselben in ihr Journal zu ers suchen. Leßteres ist geschehen . Auch täuschte der General Bormann fich in seiner Erwartung in so fern nicht, als ich in diesen Erläuterungen das meiste Wesentliche, was ich zur Unterstüßung meines im Eingange dieser Zeilen erwähnten Programms bei dieser Gelegenheit noch ſagen könnte, enthalten finde.

Außerdem aber find darin noch einige theils

137 neue, theils weiter ausgeführte, bis jezt wenig ausgesprochene , einflußreiche Gedanken ausgesprochen . Zu diesen rechne ich vorzugs. weise : 1., die Maßregel , jedes Geschoß der Feld - Artillerie zur will . kürlichen Aufnahme des Ideal =- Zeitzünders und eines Concussions . Zünders ( gegenwärtig des für vorzüglich gehaltenen preußischen Concuffions-Zünders ) geeignet zu machen, und 2., den Ausspruch , daß eine Granatlartätſche die Bafis der gesammten Munition der Feld - Artillerie bilde , Zwecke des kräftigeren Zersprengens der Granate ( z. B. gegen Gebäude, zum Bewerfen von Feldverschanzungen zc. ), des Inbrandfieckens und der Erleuchtung aber nur als secundäre anzusehen , und ohne beachtenswerthe Störung der Einfachheit des Granatkernes und der Gebrauchsmaßregeln zu erfüllen find. V find die betreffe Und - was wohl zu beachten ist nden orschläge keine bloßen Phantasi - Gebilde , sondern ist ihre Ausführba rkeit e und von darauf geßtüßten correcten Schlüſſen , bereits durch Thatsach en nicht wird umftoße können , darwelche der größte Skeptici n smus gethan . Dies sind die Gründe, aus denen ich bei Ueberreichung der neuen Erläuterungen an die Redaction des Archivs diese Erklärung hinzuzufügen mich verbunden glaube.

Peterswaldau , den 8. Juni 1864.

du Bignau, General Major a. D.

138 VIII. Die Wirkung frei fallender Körper

und

geworfener Bomben.

Unſere heutige Befestigungskunst legt mit Recht einen großen Werth auf die Herstellung bombensicherer Unterkunftsräume in den Festungen. Die Stärke unserer Gewölbe hat sich gegen den Schlag der schwersten Bomben ausreichend gezeigt. Dagegen haben wir für die nöthige Stärke der Balkendecken, namentlich eiserner, noch keine genügenden Erfahrungen, und bedarf es dazu noch kostspieliger Versuche.

Die Theorie ist der

Praxis hierbei noch wenig zu Hülfe gekommen ; wenn nun auch die lettere das entscheidende Wort zu sprechen hat, so dürfte es doch wesentlich zur Vereinfachung der Versuche beitragen , auch die Theorie , soweit möglich, festzustellen.

In dem Nachstehenden soll dies verſucht werden,

und soll dabei zunächst vom Luftwiderstande abgesehen werden , um die Geseze selbst klarer darstellen zu können.

Einige Grundbegriffe aus der

Mechanik mögen hier zur Erläuterung des Folgenden kurz angegeben werden. Die Wirkung einer Kraft auf einen ruhenden Körper kann von zweierlei Art sein. Bleibt der Körper in Ruhe , so äußert sich die Kraft als Druck und kann durch Gewicht ersetzt und gemeffen werden.

Wird das

gegen der Körper in Bewegung gesezt , so überwindet die Kraft einen gewissen Widerstand auf eine bestimmte Wegeftrede.

Die Wirkung der

Kraft heißt dann Arbeit , Leistung 2c. und wird durch ,, Fuß-Pfunde ", ,,Kilogramm-Metres " 2c. gemessen.

Der in Bewegung geseßte Körper

vermag nun seinerseits beim Aufstoßen auf einen ruhenden dieselbe Arbeit wieder zu leisten, die nöthig war , um ihn in Bewegung zu setzen, da keine Kraft verloren gehen kann.

Einen sichtbaren Beweis hiervon

geben 2 Billardkugeln von gleicher Masse : stößt man die eine mit einer Geschwindigkeit von etwa 3 Fuß central und in centraler Richtung auf die andere ruhende, so bleibt die erstere stehen , während die zweite die Geschwindigkeit von 3 Fuß erhält. Die Wirkung der ersteren auf die zweite ist also genau so groß, als die zur Bewegung der ersteren nöthige Arbeit. Allgemein ist also die Stoßwirkung eines bewegten Körpers

139 gleich der auf die Bewegung des traft. 1.

Körpers verwendeten Arbeits-

Die Wirkung frei fallender Körper.

Sie ist das Resultat der Anziehungskraft der Erde, alſo nach Vorstehendem gleich derjenigen Kraft, welche dem Körper während des ganzen durchfallenen Weges von der Schwerkraft , ertheilt worden ist. Um denselben Körper wieder auf dieselbe Höhe zu bringen, muß dieselbe Schwerkraft während desselben Weges überwunden werden .

In beiden Fällen

ist also eine gleiche Kraft erforderlich , da dieselbe Arbeit zu leisten ist. Wird nun ein Körper von p Pfund Gewicht um h Fuß gehoben , so ist die dazu nöthige Arbeit gleich ph Fuß-Pfund. Fällt der Körper von h Fuß Höhe frei herab , so hat die Schwerkraft also ebenfalls eine Arbeit von ph Fuß-Pfund geleistet , und dieselbe Arbeit vermag der gefallene Körper beim Aufstoßen wieder auszuüben. Bezeichnet man die Fallwirkung mit F, so ist demnach : I. F = ph *). Das Verhältniß der Endgeschwindigkeit zur Fallwirkung entwickelt sich hieraus leicht nach dem Fallgesetz.

Es ist nämlich, wenn e die End-

geschwindigkeit, t die Fallzeit und g = 314 Fuß die Beschleunigung der Schwerkraft bedeutet :

1) b = 94 3/2 " 2) c = gt. c Aus 2. folgt: t= 1 und dies in 1. gesetzt, giebt : C2 c² = h = g 2'g² 2g Sezt man letzteren Ausdruck für h in I , so folgt 1 II. F = - • Р .c². 2 g Die Formeln I und II liefern natürlich dasselbe Resultat. Will man statt des Gewichtes p die Masse m des Körpers einsehen, so erhält man, da *) Diese Formel iſt im Jahre 1856 von Herrn Major Leuthaus angegeben worden.

140 m =

" also p = mg ist : g

III. F IV. F = 2.

mg h. m c² *) .

Die Wirkung geworfener Bomben.

Wenn eine Bombe senkrecht nach oben geworfen wird , so wird die ihr durch die Pulverkraft ertheilte Geschwindigkeit allmälig burch die Schwerkraft vermindert , bis sie gleich Null ist. Dann fällt die Bombe wegen der Schwerkraft senkrecht wieder herab, und die Fallkraft , womit sie unten ankommt, ist nur das Resultat der Schwerkraft.

Es gelten

also dafür auch die oben entwickelten Formeln. Wird dagegen die Bombe nicht senkrecht geworfen , so wird die Flugbahn eine Curve , und zwar , abgesehen vom Luftwiderstande , eine Parabel, deren Achse, die Senkrechte durch den höchsten Punkt der Flugbahn, die Parabel in zwei gleiche Hälften theilt.

Im absteigenden Afte

der Bahn wirkt die Schwerkraft nun genau in derselben Weiſe beſchleunigend auf die Bombe, wie beim freien Fall. Nach den Fallgesetzen muß ein Körper in derselben Zeit durch den niedersteigenden Aft der Parabel fallen, wie senkrecht in der Richtung der Achse , und erlangt in beiden Fällen dieselbe Endgeschwindigkeit. Die Fallkraft der Bombe ist also wieder nach den obigen Gesetzen zu berechnen. Es ist aber jetzt nicht die Fallkraft allein wirksam , ſondern es verbleibt immer noch ein Theil der Pulverkraft, sobald die Bombe in nicht senkrechter Richtung geworfen wird. Weise zeigen:

Fig. 1. B

Es sei Figur 1,

Dies läßt sich leicht in folgender

a die anfängliche Elevation, und v =

A B die Anfangsgeschwindigkeit der Bombe, so läßt ſich A B nach dem Parallelogramm der Kräfte in eine vertikale Ge-

AL schwindigkeit C B = v . sin a, und eine horizontale A C = v. cos a zerlegen.

Die erstere wird allmälig durch die Schwerkraft ganz

aufgehoben ; die letztere bleibt dagegen nach dem Geseze der Trägheit *) Die Formel IV ist dieselbe, wie sie Dr. Schellen in seiner " Schule der Elementar-Mechanik“ §§ . 117 u. 118 in anderer Weise ausführlich für jede constante Kraft herleitet.

141 fortbestehen und wird nur durch den Luftwiderstand vermindert ; daß diese Kraft selbst bei hohem Bogenwurf noch am Ende der Flugbahn vorhanden ist, geht daraus hervor, daß der Einfallwinkel auch dann noch unter 90 Grad bleibt. Wäre die vorwärts treibende Pulverkraft nicht mehr vorhanden, so müßte die Bombe lothrecht einfallen.

Es ist hiernach klar, daß die oben angegebenen Formeln zu geringe Werthe für diesen Fall liefern, da sie nur die Wirkung der Schwerkraft angeben. Um die ganze Wirkung der Bomben zu erhalten , muß man statt ber blos durch die Schwere erlangten Endgeschwindigkeit e die ganze von Schwere und Pulverkraft zusammen erzeugte Endgeschwindigteit v in die Formel II sezen. Nennt man diese ganze Wirkung L, so ist demnach

Р V. L = { } •. D . v² . g Es dürfte in den meisten Fällen bequemer sein , statt der Endge. schwindigkeit v die Endgeschwindigkeit c resp. die Fallhöhe h einſeßen zu können, und tritt dann namentlich der Unterschied zwischen der Wirfung Fund L klarer hervor. Es ist vorhin bereits angegeben , wie die aufsteigende Geschwindigkeit v . sin a burch die Schwerkraft aufgehoben wird. Im absteigenden Afte der Flugbahn wirkt aber die Schwerkraft genau in derselben Weise und ebenso lange, wie im aufsteigenden , muß also der Bombe dieselbe Geschwindigkeit in lothrechter Richtung wieder ertheilen , die sie ihr im aufsteigenden Aste genommen hat, also v . sin a. Es ist daher c = v . sin a, und daraus C V = sin a

Seht man letteren Werth für v in V ein, so ist : р c2 VI. L = 123 g'sin a² oder auch, da

c =V2gh ist:

VII. L = P .h

1 sin a2

Die Formeln VII und VI zeigen im Vergleich zu denen I und II,

142 1 daß der Falleffect noch mit sin a² multiplicirt werden muß, um die ganze Wirkung der Bomben zu erhalten. Sehen wir zu , welchen Einfluß dies bei den gebräuchlichsten Elevationen der Mörser hat: 1 Ist a = 30°, ſo ift sin a = } , folglich =4 sin a²

#

· = 45°

=

= 60° = = = 75°

V3 ,

#

= 0,96592 = 1

I

=

= 90°

= 2

= VT

= 1,0718 =1

Es ist also: bei 30° Elevation L = 4 F. 45° = 2 F.

= 60° = 75° 90°

=

F.

- = 1,0718 F. == F.

Der Unterschied ist hiernach bis zu 60° Elevation noch bedeutend, bei 75° nur mehr gering und bei 90 ° gleich Null , welches leştere Reſultat mit dem früher entwickelten übereinstimmt. Es ist vielleicht nicht überflüssig, hierbei zu bemerken , daß die Elevation auf die Größe der Wirkung L ohne Einfluß ist.

Diese hängt

vielmehr ganz allein von der Ladung ab, da die Schwerkraft nur so viel an Kraft wiedergiebt, als sie genommen hat. Die Elevation hat deshalb nur auf die Größe des Einfallwinkels Einfluß. 3.

Die Wirkung der 50ugen mit Blei ausgegossenen Bomben.

Bei den im Herbste 1863 bei Cöln ausgeführten Wurfversuchen wurde die Steighöhe der Bomben direct gemessen , und ergab sich im Mittel zu 1396 Fuß. Die mit Blei ausgegossenen 50 &gen Bomben wogen 185 . und wurden bei 2 u 17 Lth. Ladung unter 75° Elevation auf 600 Schritt geworfen. Die Wirkung derselben berechnet sich nach Formel VII: L = 185.1396 .

1 276803 Fuß- Pfund. sin 75¹ =

143 Diese Wirkung haben die Bomben bei 2 u. 17 Lth. Ladung ; da die Maximal-Ladung des 50ugen Mörsers aber noch 1 7 2th. mehr beträgt, so ist die Leistungsfähigkeit derselben weit größer , und müßte die Höhe bei der größten Ladung ermittelt und daraus die größte Leistung der Bomben berechnet werden.

Da nun auch bei derselben Ladung durch

Einflüsse, welche sich der Rechnung entziehen, die Höhen bei verschiedenen Würfen sehr verschieden sind , so müßte man auch darunter die größte beobachtete Höhe der Rechnung zu Grunde legen, um den Maximal-Effect der Bomben zu erhalten. 4.

Ermittelung der nöthigen Stärke von Bombenbalken. Nach dem Vorstehenden kann man die Wirkung der Bomben be-

rechnen und mit der Wirkung frei fallender Körper vergleichen. Daraus erwächst der Vortheil, daß man statt der kostspieligen Wurfversuche auch Fallversuche mit hinreichender Sicherheit anstellen kann, um die erforderliche Stärke von Bombenbalken zu ermitteln. Beispielsweise würde ein Eisengewicht von 69,2 Centner bei 40′ Fallhöhe einen Stoß von 40.6920 = 276800 Fuß-Pfund ausüben, was der Wirkung der 50ugen Bombe bei 2 u. 17 Lth. Ladung entspräche.

Um bei einem

solchen Versuche die Verhältnisse gleich zu machen, ist jedoch noch zweierlei erforderlich. Zunächst muß der Stoß in derselben Richtung auf die zu untersuchenden Balken treffen, wie in der Wirklichkeit.

Dies ist nament-

lich wichtig bei eisernen Balken, da deren Widerstands-Vermögen je nach der Richtung sehr verschieden ist. Es läßt sich dies erreichen , wenn

.2 Figur

man den zu untersuchenden Balken eine geneigte Unterstützung giebt. Ist z . B. der Einfallwinkel der Bombe 75º, so

750

würde die Unterstützung, wie Fig. 2 zeigt, unter 15° gegen den Horizont geneigt sein müssen, um dem Stoße dieselbe Nichtung auf die Balken

45°

zu geben. Eine zweite Bedingung ist die , daß das Fallgewicht in seinem unteren Theile , mit

dem es aufstößt, eine dem Geschosse ähnliche Form erhält, damit Stoß und Reibung ähnlich wie bei der einfallenden Bombe wirken. Zu diesem Zwecke ist vorgeschlagen worden , dem Fallgewichte einen Cylinder vom Durchmesser der Bombe , der unten halbkugelförmig endet , anzugießen, was dem angegebenen Zwecke ganz entspräche. 10 Achtundzwanzigster Jahrgang. LVI. Band.

144 Es dürfte hiernach nicht zweifelhaft sein, daß man die Wurfverſuche durch Fallversuche ersehen kann. 5.

Der Einfluß des Luftwiderstandes auf obige Rechnung.

Der Luftwiderstand vermindert die Bewegung sowohl im aufſteigenden wie im absteigenden Aste der Flugbahn. Die Endgeschwindigkeit wird deshalb geringer als die Anfangsgeschwindigkeit , der Einfallwinkel größer , als der Abgangswinkel. Wurfhöhe, Wurfweite und Wurfzeit werden dadurch verringert.

Die Rotation , in Berbindung mit einer

excentrischen Lage des Schwerpunkts, kann jedoch wiederum eine Steigerung dieser Factoren bewirken. Es muß den Fachmännern überlaffen bleiben, diese verwickelten Elemente zu bestimmen. Ihre Einführung in die obigen Formeln wird dann keine Schwierigkeiten haben. Für die Praxis aber dürften dieſe letteren vorerst ausreichen. Die wirklich erreichte Steighöhe der Bomben läßt ſich direct meſſen. Nimmt man , wie vorhin bereits angegeben, die höchste beobachtete Steighöhe zur Berechnung der Wirkung , so dürfte dies den Maximal- Effect wahrscheinlich genauer angeben, als er aus den berechneten Elementen der Flugbahn zu finden ist , da die Unregelmäßigkeiten der letteren bei Bombenwürfen sehr groß sind.

Cöln , den 1. Mai 1864.

Grethen, Premier Lieutenant und Adjutant der 6. Festungs- Inspection.

145

IX. Beschreibung eines dänischen Hohlgeschosses für gezogene Vorderladungs - Geſchüße. Hierzu Tafel IV.

Unter dem in den Düppeler Schanzen vorgefundenen Material befinden sich Hohlgeschoffe, deren Conſtruction von der in der Königlich Preußischen Artillerie gebräuchlichen so wesentlich abweicht , daß eine detaillirte Beschreibung derselben von Intereſſe ſein dürfte. Aeußere Gestalt. Das Geschoß (Fig. 4) ist ein vorn abgeplattetes Spitzgeschoß und gehört zu gezogenen Vorderladungsgeschüßen, deren Kaliber zwischen dem des 124.ders und des 24 uders liegt. Zur Führung in den 6 Zügen des Rohres dienen eben so viele Paare ailettes ( aus einer Zink-Compoſition ), deren Dimensionen aus Figur 5 ersichtlich sind.

Die dort gleichfalls an-

gegebenen Maße ihrer Stellung zu einander bieten die Elemente zur Berechnung des Dralls. Der Durchmesser des Geschoffes beträgt 4,72", sein Umfang somit 14,83". Auf 3,48" Höhe beträgt die Winkelabweichung ( in Peripherie-Länge des Durchschnitts -Kreises ausgedrückt ) 0,39 ", folglich verhält sich 0,39: 3,48 14,83 : x , und der Drall beträgt hiernach 11 Fuß , der Drallwinkel 6 ° 23 '. Die untere Kante des Geschosses wie die Kante der Abplattung ist mäßig abgerundet.

Innere Einrichtung. Das Geschoß wird aus 2 Theilen zusammengesezt ( Fig. 6 ) : Geschoßcylinder ( a ) und Geschoßkopf ( b ). Beide bestehen aus Gußeisen. Der Geschoßcylinder hat vor dem Stoß eine Stärke von 0,75, in der Wandung eine solche von 0,44“ und paßt mit seinem genau abgedrehten oberen Ende in einen entsprechenden Einschnitt des an dieser Stelle 10 *

146 0,92" starken Kopfes .

Die Verbindung beider Theile wird durch vier

Schrauben (in gleichen Abständen ) bewirkt ( Fig. 5 u. 6 ). Der Geschoßkopf ( Fig. 3 u. 4 ) iſt ſtark abgeplattet und läßt sich daraus, daß die Kanten der Abplattung mit 0,10 abgerundet sind, schließen, daß der zugehörige , an den vorhandenen Exemplaren leider fehlende Zünder nicht die Spitze des Geschosses vervollständigt. Vier gleichmäßig vertheilte, nahe dem Mundloch verlaufende Einschnitte sollen bei dem Crepiren die Bildung mehrerer Sprengstücke begünstigen. Das Mundloch ist 1,00 weit, mit einem Gewinde versehen und oben 0,16 tief ausgetrichtert. Die Trennung des Geschoffes in 2 Haupttheile ist bedingt durch die Art seiner Füllung. Es ist nämlich die Sprengladung in einem unten geschloffenen Hohlcylinder aus 0,015“ starkem Weißblech enthalten, welcher einen bedeutend größeren Durchmesser hat , als das Mundloch ( 2,16 resp . 1,00), und in dem ringförmigen Raum zwischen Geschoßwand und Blechcylinder find (in 7 Schichten à 9 ) 63 Segmentstücke , deren Gestalt Fig. 3 angiebt, aufgeschichtet.

Diese Stücke sind aus Gußeisen gefertigt und zeigen na-

mentlich an der inneren Fläche in Folge der für den Guß erforderlichen Leitrinnen oft bedeutende Unregelmäßigkeiten. Hierdurch ist man augenscheinlich gezwungen worden, die einzelnen Stücke event. kleiner zu gießen als dies die Dimenſionen des ringförmigen Raumes theoretisch zulaſſen. Ja man hat sogar außer den unter c. 40° ausgeschnittenen Stücken Aushülfsstücke von geringerem Centriwinkel gießen und bei der Füllung verwenden müssen. Um der Kammerröhre wie den Segmentstücken eine festere Lage zu geben, find diese unten und oben von den in Fig. 1 dargestellten ring. förmigen Scheiben geschlossen, und um das Schlottern der Stücke mög lichst zu vermeiden , ist zwischen deren oberste Schicht und die obere Scheibe eine so starke Werglage eingebracht, daß der Geschoßkopf gerade noch bis zu der für seine Befestigung nöthigen Tiefe hinuntergedrückt werden kann. Gewichtsverhältnisse. Das zusammengesetzte Geschoß wiegt ohne Sprengladung und Zünderapparat 24 u , der Geschoßcylinder 11 , der Geschoßkopf 7 u. 5 Lth., ein Segment 3 Lth., Zubehör 8 Lth.

147 Artilleristische Beleuchtung des Geschosses.

Das im Vorstehenden geschilderte Geschoß ist eine auf Vorderladungsgeschüße angewendete Segmentgranate der Construction Armstrong. Die äußere Form des Geschosses fällt auf durch die geringe Länge Während die preußischen Spitzgeschoffe doppelt so lang als stark sind ( das 6uge ist verhältnißmäßig noch länger ), verhält sich hier, wenn die Spiße ergänzt gedacht wird , Durchmesser zur Länge 1 : 1,8, ohne diese 1 : 1,69. im Verhältniß zum Durchmesser.

Der Spielraum dieses Geschosses im Rohr ( mehrere broncene Rohre dieses Kalibers befinden sich unter den eroberten Geſchüßen ) beträgt 0,19", und ist somit sehr bedeutend. Betrachtet man nun den starken Drall, die geringe Widerstandsfähig. teit der ailettes und des Rohrmaterials, sowie den großen Spielraum, so folgt, daß das Ladungs-Verhältniß ungünstig , die Flugbahn stark gekrümmt und die Treffwahrscheinlichkeit sehr mäßig sein wird. Die Segmentstücke , welche wohl den interessantesten Theil des Geschoffes bilden, sind unstreitig gewichtige Einzelgeschoffe und nutzen den inneren Naum des Shrapnels sehr gut aus , indem sie eine geschlossene regelmäßige Lagerung mit geringen Zwischenräumen ohne weitere Vorbereitung ermöglichen. Indessen ist einmal, wie bereits angegeben wurde, die Art ihrer Anfertigung ein Hinderniß der vollendet regelmäßigen Lagerung, wodurch jener Vortheil wesentlich vermindert wird, und ferner ist die Flugbahn dieser Stücke nach dem Crepiren des Geschosses wegen ihrer zur Ueberwindung des Luftwiderstandes so sehr ungeeigneten Geſtalt eine sehr stark gekrümmte und somit kurze. Das Geschoß stellt daher, wenn es als Shrapnel verwendet werden soll, Anforderungen an die Pünktlichkeit des Zündapparats, welchen dieser in keinem Fall genügen kann, und hieraus folgt, daß das Geschoß dann nur eine sehr geringe Wirksamkeit äußern wird. Die starke Sprengladung aber, welche augenscheinlich in dem Geschoß zur Verwendung kommt (der zur Aufnahme derselben dienende Hohlcylinder faßt nach preußischen Gewichts Verhältnissen gerechnet

.

Bulver ), berechtigt zu dem Schluß, daß man nicht die Endgeschwindigkeit des Hohlgeschosses hauptsächlich als Anfangsgeschwindigkeit der Segmentund Spreng- Stücke habe benutzen , sondern eine selbstständige Kraft in

148 das Geschoß habe legen wollen, wodurch dieses überwiegend den Charakter der Granate erhält, und in diesem Sinn verwendet, wird es gegen lebendes Material immerhin eine sehr befriedigende Wirkung äußern können.

Berlin, den 14. Juni 1864.

Koettschan, Premier-Lieutenant in der Schlesischen Artillerie-Brigade Nr. 6.

X.

Ueber die Aufstellung von Kammerladungs - Geschützen in den Festungen

zum Feuern durch Scharten und über Bank. Hierzu Tafel V.

Mit der Einführung der gezogenen Geschüße Preußischen Systems find dem Ingenieur neue und große Aufgaben erwachsen, sowohl zur vortheil- als zur Deckung gegen dieſelben , sowie in haften Aufstellung für der Anpassung älterer Werke zu diesen Zwecken. Man hat sich bisher vorzugsweise mit den Maßregeln gegen ihr Feuer beschäftigt ; es scheint jedoch , daß die Einrichtungen , welche für ihre Anwendung getroffen werden können , gleichfalls einer Prüfung be dürfen, um zu erkennen , ob das, was für die Geſchüße aller Art bisher als unerläßlich erachtet worden ist , auch für die Hinterladungsgeschüße nothwendig sei, und ob sie nicht bei größeren Leiſtungen vielleicht geringere Ansprüche machen. Der Versuch, die erste Aufgabe - die Deckung gegen die gezogenen Geschüße des Gegners - zu lösen, muß unsicher und lückenhaft bleiben, wenn man nicht gleich von vorn herein das ganze Wesen der neuen Waffe,

149 wie sie ja auch der Vertheidiger führt , ihre Unterschiede gegen die alte ſcharf hinſtellt, nicht nur die Schneide , sondern auch die Handhabe des Werkzeuges betrachtet ; wenn man das , was mit der alten Waffe aufgeaufgewachsen, und wie Laffete, Bettung, Scharte eine fast stereotype Geftalt angenommen hat, nicht auch auf die Bedingungen , welche die neue Waffe fordert und welche sie zuläßt, aufs Neue in Frage stellt. Hier muß es auffallen , daß die ebengenannten Zubehörden bei Einführung der ersten Feuergeschütze im 14. Jahrhundert eine ganz andere Gestalt hatten - Gestelle , welche den Erfordernissen unmittelbarer zu entsprechen schienen und erst durch zu Tag tretende Nachtheile und durch weiter gehende Wünsche auf die jetzigen Formen gebracht worden sind ; obschon das Geschützrohr keine wesentliche Aenderung erfahren hat. Wir sehen das Rohr in einer engen und kurzen Lade ohne Räder in der Batterie oder auf dem Rüstwagen liegen ; sein Rücklauf ist nicht befördert durch Räder und Schienen , sondern gehemmt durch Pfähle, Ketten und Faschinen. Es reicht weit in die Brustwehr aus Schanzeiner kleinen Geschüßförben hinein oder ist in einer Mauerblende kammer in der Mauerdide - so gebettet, daß es mit seiner Mündung nur wenig durch eine kleine runde Scharte aus der äußeren Mauerfläche hervorsicht. Welche Eigenschaften des Feuergeschüßes veranlaßten , von dieser ursprünglichen Einrichtung abzugehn ? Warum gab man die Vortheile einer so einfachen Laffetirung auf und machte große Treffziele aus ihnen ? Warum verzichtete man auf eine Schartenöffnung , die nur das kleinſtmögliche Zielobject bot, und sperrte sie zu weiten Kugeltrichtern auf und warum unterließ man , den Rücklauf entschieden zu hemmen , und gestattete dem Geschütz, sich so weit von der deckenden Brustwehr zu ent fernen, zu der man es mit Mühe wieder heranziehen mußte? Alles nur wegen der Bequemlichkeit, die der Rücklauf bei einem Geschüß gewährte , welches von vorne geladen werden mußte, das durch Menschenhände hätte müssen zurück gebracht werden , um Raum zum Laden zu gewinnen , wenn nicht schon die Pulverkraft diese Arbeit ver richtet hätte. Die Laffetentheile, welche den Rücklauf erleichterten, wurden so weit ausgebildet , daß aus der Laffete ein Transportfahrzeug wurde , und es

150 bewährte ſich auch hier der Saß , daß eine Maſchine ihre Hauptaufgabe deste schlechter erfüllt, jemehr Nebenaufgaben man ihr zumuthet. Bei den Kammerladungsgeſchüßen bedürfen wir keines Raumes vor der Mündung für die ladende Mannschaft , wir bedürfen des Rücklaufs und alles deſſen nicht, was ibn und das Wiedervorbringen des Geſchüzes erleichtert, wir bedürfen alſo aller zu diesen Zwecken, den Laffeten, Bets tungen und Scharten gegebenen Einrichtungen nicht mehr ; es genügt uns, wenn wir das Bodenstück des Rohres erreichen , zum Zielen mit einiger Freiheit über das Rohr hinſehen und zum Richten ſeine Höhenund Seiten-Directionen bis zu einem gewissen auf große Distanzen sehr beſchränkten Grade ändern können. Bei der großen Wahrscheinlichkeit des Treffens und bei der immer zunehmenden Sicherheit des indirecten Schießens müssenwir bestrebt sein, dem Gegner nur ein so kleines Ziel- und Treffob, ject zu gewähren als möglich, das heißt, nicht nur ihm möglichst wenig zeigen, sondern auch möglichst wenig Raum selbst einnehmen. — Ohne den synthetischen Fußstapfen schrittweise zu folgen , geben wir in den nachfolgenden Vorschlägen einige Resultate, zu denen fie führen können. 1. Die Scharte in Erebrustwehren ist eine gebrochene, deren Sohle von dem Bruch bis zur äußeren Wallböschung nicht unter 15 Fuß, der Eindringungstiefe des 24uders, lang ist. Sie erweitert sich nach Außen ſo viel, als sie durch das Pulvergas erweitert würde.

Die zu nehmenden

Seitenrichtungen werden für große Entfernungen ohnehin nicht viel betragen. Auch ihre innere Erweiterung ist nur durch die beabsichtigte Seitenrichtung bestimmt und wird sich z . B. bei Flankirungsgeschützen faft auf den Parallelismus der inneren Wangen beschränken. Der hintere Theil der Schartensohle liegt so tief ( etwa 2½ bis 3′) unter der Feuerline, daß die Bedienungsmannschaft noch gedeckt ist, wenn sie auf einem Bankett steht, von dem aus sie das Geſchüß von hinten laden und richten kann.

Ihr vor dem Bruch liegender Theil iſt 6 bis

12" höher, oder eigentlich so viel höher, als es durch den Abstand zwiſchen dem Untertheil des Rohres und dem der Laffete angezeigt ist , und gewährt daher dieser eine Deckung. Die innern Wangen sind möglichst senkrecht , die äußeren gar nicht bekleidet , weil jedes in die Bekleidung

151 einschlagende Sprenggeschoß die Scharte unpraktikabel und die zerstörte Bekleidung das Aufräumen schwieriger macht. Ob die Kniebekleidung in die innere Brustwehrböschung oder in eine tiefer eingeschnittene Nische fällt, hängt von der Länge des Rohres und von der Brustwehrstärke ab, welche in der Höhe der Schartensohle schon ftärker als die normale ist.

Wegen der noch bessern Dedung der Be=

dienungs- Mannschaft wird man diese nischenförmigen Ausschnitte gern auwenden und bei kurzen Röhren immer anwenden können , wenn vor der Mündung ein Erdkörper von etwa 15 Fuß die Laffeten-Bruſt deckt. Die Anbringung von Schartenklendungen, zur Vermehrung der Einsicht und zum Schuge gegen Kleingewehrkugeln hat bei dieser Scharte so wenig Schwierigkeit wie bei der älteren. - Klappladen, oben mit einer wagerechten Drehachse, oder Schürzen von Kabel - Matten werden hier ihre Anwendung finden. Die Scharten im Mauerwerk werden in Zukunft dem directen und indirecten Geschützfeuer nicht mehr entgegen zu treten haben, ohne durch Panzerung dagegen geschützt zu sein. Die Mauern , in welche Scharten eingeschnitten sind , werden nur dem Kleingewehrfeuer zu widerstehen haben ; eine 18zöllige Ziegel- Mauer , eine 6 bis 10zöllige Steinplatte, eine einzöllige Eisentafel wird genügen , und die Construction der zur Flankirung von Gräben und Thorpaſſagen bestimmten Scharten wieder ziemlich auf die Formen zurückführen , welche das 15. und 16. Jahrhundert anwandte. Die Lage des Geſchüßes hinter derselben wird der in Erdscharten vorgeschlagenen gleich , die Hemmung des Rücklaufes aber noch leichter sein. Weil es uns bisher an einem laffetirten Geschitt fehlte , welches den sehr bescheidenen Bedingungen entsprach , die wir bei der Flankirung kurzer Gräben machen, so waren wir oft genöthigt, Caſematten und Communicationen zu bauen , welche die für InfanterieBertheidigung bemessenen Dimensionen und Kosten um das Zwei- und Sechsfache überstiegen, -— auf eine Grabenflankirung zu verzichten, oder die umständliche Flankirungs-Maschine kurzer Hand einzumauern. --- Es muß doch möglich sein, dieſen traurigen Alternativen eine vortheilhaftere entgegen zu sehen. 2. Die Bettung liegt auf der Schartensohle vom Bruch an rüďwärts und besteht aus vier Bohlenstücken. Eines, die Vorberschwelle, ist in der Schartenenge wagerecht in den Boden eingesenkt; es hat in

132 Der Witte einen eisernen Nichtbolzen , welcher der Käigabel der Lofieze als Anstoßt bient ; zu beiden Seiten desselben, etwa um den Abfend der Caffetenwände von einander entfernt, stehen zwei eiſerne oder Hölzerne Wellen von 1 bis 2 Zoll Dicke 14 bis 2 Zoll aus der Borderſäwelle Perver, welche in die Löcher der beiden Schleifbohlen paffen und dazu Pienen, biete in ihrer Längenrichtung underíáteklich zu machen. Pie Pinterschwelle ist so lang, wie die vermeßßtliche Seitenritung belilpes es verlangt, und entierist taber der inneren Schartens were, fe hogt etwa um die Nehrlänge hinter der Verderschwelle und Þiður Ben salafboblen als Auflager, jedoch ohne mit denselben fekt vers Busben put fout, weil es die Absicht ist , durß untergelegte Boblenftüde soch. Vote die beiden Schleifbohlen, wenn es nöthig wirb, mehr zu heben psp pie Hauptinclination des Geschüßes zu nehmen. Durch dieſe pong with ber Trehpunkt der Höhenrichtung in den Geſchüßkopf woon be partenenge verlegt, und nur für die feinern Unterſchiede ri alfapid bie Schilbzapfen als Drehachsen beibehalten. Pokon plcboblen liegen so weit auseinander , daß sie den beiden Awifecomeauben afs Unterlage dienen und ihnen erlauben, sich beim NückBand much Bet fleinen durch Hebel oder Wagenwinden zu bewirkenden ellenchiplungen barauf zu bewegen. Sellen genere Seitemichtungen genommen werden , so geschieht kw well, Habem bie Schleifbohlen auf der Hinterschwelle so weit als wedig wechpeben sinb , jedoch ohne ihre Dollen in der Vorderſchwelle Mockaffen au baben . Es schadet nicht , wenn die Schleifbohlen nicht ang auf bem goben aufliegen , sondern erst beim Schuß sich federnd Po

u tom bundbiegen.

4 are Valfete gleicht im Wesentlichen einem Schlitten oder der Melcher Capote, Re besteht daher aus zwei durch Riegel und Bolzen verFunkenen Goblemänben mit den Schildzapfenlagern der Richtvorrichtung *** Wubigabel. Da es die Aufgabe ist , möglichst wenig vom Gepodo su avtact, to muß deſſen Kopf als Drehpunkt auch für die SeitenCorange fellacbalten werden, und es hat der Drehbolzen deshalb auch Jens Vage m bei Schartenenge senkrecht unter dem Geschüykopf erhalten. 44 aber ble Bluft der Lassete nicht so weit vorreicht, so muß die Drehgaret Bund flu @reich von Sisenslangen , oder irgend eine andere un-

153 verschiebliche Verbindung gebildet werden , die sich weit genug vorstreckt, und an deren Spize sich der Einſchnitt für den Drehbolzen befindet. Da man die Hauptelevation durch Verminderung oder Vermehrung der zwischen der Hinterschwelle und den Schleifdielen einzuschiebenden Brettstücke und Keile herbeiführt , so wird die Richtschraube nur einer geringen Länge bedürfen , und es wird bei hohen Elevationen keinen Nachtheil haben, wenn sie unten zwischen den Laffetenwänden etwas vorsteht, da sie bei der hohen Lage der Schleifdielen während des Nücklaufs doch den Boden oder die Hinterſchwelle nicht berühren kann.

An-

deren Falls würde es jedoch auch nicht schwer sein , eine Richtmaschine zu construiren, welche keinen Raum unter dem Rohr beanspruchte. 4. Der Buffer oder die Vorrichtung, um den Rücklauf zu hemmen, ist im Wesentlichen nach Art des an den Eisenbahnwagen gebräuchlichen gleichnamigen Maschinentheils construirt. Unter den Schildzapfen ist in der Mittellinie der Laffete ein starker Haken angebracht , in welchen die Bufferbüchse eingehangen wird. Sie besteht in einem Blechcylinder mit zwei Bodenstücken , welche durch vier Eisenstäbe verbunden sind ; dieſe vereinigen sich oben zu zwei Desen und sind unten verschraubt. In der Büchse ist eine Anzahl Kautschucringe auf einander geschichtet , welche durch ein Stempelstück zusammengepreßt werden , wenn das Hemmseil angespannt wird. Dieses, ein Drathſeil, ist zu dem Zweck in dem trichterförmigen Loch des Stempels durch einen Kegel , durch Umgießen mit Zink oder durch irgend eine andere Vorrichtung festgelegt , während das andere Ende unter oder über der Vorderschwelle hindurch genommen und Diese Verankerung kann auf verschiedene Art geschehen, entweder dadurch, daß man das Hemmſeil einige Zoll in die vordere Schartensohle einschneidet und im Graben oder auf der äußeren Wallböschung um einen quer gelegten Hebel schlingt , oder daß man es mit einem

verankert ist.

breitflanschigen hierzu bestimmten Bohrer verbindet , den man in die Erde einschraubt , oder daß man der Vorderschwelle selbst solche Abmessungen giebt, durch welche sie in Stand gesetzt wird, selbst dem Hemmseil als Anhaltepunkt zu dienen . Es bleibt immer zu beachten, daß die Construction der Laffete den Rücklauf nicht befördert, der Rücklauf der gezogenen Geschütze an sich schon geringer ist, und daß durch den Buffer der Stoß in einen allmälig zu- und abnehmenden Zug verwandelt wird. Ist das Drathseil möglichst straff gezogen und das Geschütz will beim

154 Abfeuern seinen Rücklauf nehmen , so wird es durch den wachsenden Widerstand, den die Kautschukringe dem Zuſammendrüden entgegenfeßen, durch den Winkel, welchen das Hemmseil mit der Rüdlaufrichtung macht, und durch welchen es die Laffete scharf gegen die Bettung zieht und endlich durch eine nach rückwärts ansteigende Lage der Schleifbohlen, zwischen welchen und der Laffete die Reibung durch nichts vermindert wird, daram gehindert, und der Rücklauf wird ohne zum Stoß zu werden — bis auf wenige Zolle beschränkt. 5. Das Feuer über Bank. Bonajuti Lorini *) hat den ſonderbaren Einfall, der Brustwehrkrone einen Fall nicht nach Außen, sondern nach Innen zu geben, und will dadurch besonders die schädliche Wirkung des abfließenden Wassers auf die äußere Wallböschung verhindern. — Die Sache ist jedoch auch in anderer Hinsicht beachtenswerth , weil fie neben den bekannten Nachtheilen doch auch einige Vortheile bietet. Denn es ist nicht zu läugnen, daß bei dem Kronfall nach Außen schon der erste Spatenstich, der hier für eine einzuschneidende Scharte geschieht , von Fern gesehen wird, während bei einem Fall nach Innen diese Arbeit bis zu einem kleinen Endkeil an der äußeren Brustwehrböschung ungesehen ausgeführt werden kann ; daß ein Abkämmen der Brustwehr durch die im absteigenden Aft ihrer Flugbahn ankommenden Geſchoffe nicht ſtattfindet — daß der einzelne Schüße – denn ein Maſſenfeuer , bei dem die Leute ihre Gewehre blindlings parallel der Krone anschlagen und abfeuern, wird beim Feftungskrieg kaum vorkommen — auf der Krone ein passendes Lager für sich und seine Büchse findet , und daß endlich, wenn zum Abschlagen eines Sturmes die Vertheidiger ſich auf der Krone aufstellen, ſie auf einer nach Innen abfallenden einen beſſern Stand haben, als auf einer nach Außen fallenden Krone. Ein sattelförmiger Kronfall nach beiden Seiten würde die Vor- und

Nachtheile beider Profile vermindern , für die von uns vorgeschlagene Geschügaufstellung aber einige weitere Vortheile haben ; wir sehen jedoch davon ab , um dieselbe auf das gebräuchliche Brustwehrprofil anzuwenden. Zum Feuern über Bank wird in die Brustwehrkrone die hintere Hälfte einer Scharte so tief eingeschnitten, daß die Laffetenbrust noch ge. *) Bonaiuti Lorini fünff Bucker von Vestung Bauwen, Ffrt. a. M. 1607.

155

deckt ist -

also etwa einen Fuß.

Der Drehpunkt des Geschüßes für

die Höhenrichtung liegt in den Schildzapfen , der für die Seitenrichtung dicht vor der Laffetenbruft ; deshalb wird hier die Vorderschwelle mit dem Drehbolzen gehettet ; auf sie werden die kurzen aber breiten Schleifbohlen gelegt, welche hinten auf einer langen oder auf mehreren polygonal gelegten Hinterschwellen ruhen. Die Hemmung des Rücklaufs findet wie beim Schartenfeuer statt. Die hintere Weite des Ausschnitts für die Bettung richtet sich nach dem zu gebenden Gesichtsfelde des Geschüßes und wird von einem mit dem Drehbolzen als Mittelpunkt beschriebenen Kreisbogen begränzt. Derselbe tangirt die innere Brustwehrböschung und ist in dieselbe eingeschnitten . Dasselbe geschieht mit den für die Bedienungs- Mannschaften nöthigen Bankets , soweit sie nicht vorgesezt werden müssen. Geschüßbänke und Rampen fallen weg. 6. Transport und Aufstellung der Geſ ch ü ßz e. - Bisher bedurfte man zum Transport der Geſchüße 4 Räder , von denen mindestens zwei beim Geschüß blieben und als treffliches Zielobject sein Schicksal theilten und verschlimmerten .

Vier Räder gebrauchen auch wir,

nur lassen wir dieselben nicht bei ihm stehn , sondern entziehen sie dem feindlichen Feuer, da wir diesem höchstens nur das zum Schießen, nicht auch das zum Transport Nothwendige aussetzen . Hierzu benutzen wir einen Sattelwagen , den wir rechtwinklig gegen die zu armirende Feuerlinie auffahren; seine Langbäume stehn etwas vor den Hinterrädern vor und stüßen sich gegen die innere Brustwehrböſchung , wenn das Geschütz mit seiner Laffete in die Scharte gezogen werden soll. Dies geschieht mit Hülfe des Hemmseils oder eines anderen z . B. aus dem Graben heraufgenommenen Taues , an welches ein Flaschenzug gestochen wird. Obschon ein gewöhnlicher Flaschenzug dieſen Dienſt leisten würde, so geben wir dochden in Antwerpen bei allen artilleristischen Bewegungen angewandten Differenzial-Rollen den Vorzug , da sie sehr einfach sind , sich nicht verwirren, die Anstellung selbst eines Mannes geſtatten und sich eben so gut als Casemattenhebezeug wie zur Ueberwindung steiler Rampen eignen. Wo der Wagen die entsprechende Höhe nicht hat , werden wir es nicht verschmähen , ihn mit ein Paar gemeinen Wagenwinden zu heben und mit Holzstücken zu unterlegen, da wir überhaupt der Meinung sind, daß feit der Einführung des indirecten Schusses und bei der Verfeinerung der Artillerie im Allgemeinen es rationeller sei , durch einfache , überall

156

verwendbare Vorrichtungen eine Arbeit, wenn auch etwas langſamer auszuführen , als durch viele rohe Kräfte bezwingen zu wollen. Das Zurückbringen der Geschütze geschieht mit Hülfe derselben Wagen , die nun am vorderen Ende der Langbäume den Heftpunkt für die Differenzial-Rollen darbieten. 7. Vortheile.

Es scheint nicht angemessen , sich noch weiter

in Einzelheiten zu ergehen , ehe dem Prinzip dieser Geschüßaufstellung Zustimmung oder Ablehnung geworden ist. — So weit wir es thaten, sollte dadurch nur beispielsweise die Möglichkeit veranschaulicht werden, wie man das Geschütz in einer ganz einfachen Laffete in oder auf die Brustwehr stellen , dasselbe auf die Sohle einer Scharte betten , deren Enge weit nach vorn liegt, und ſeinen Nücklauf hemmen könne. Ist das in dieser oder einer beſſeren Art zu erreichen , so sind damit ungeheuer große Vortheile gewonnen. a. Kein Geschütz steht auf dem Wallgang ; das durch Scharten feuernde ist daher weder durch den Ricoschettschuß, noch in den meisten Fällen durch Sprengstücke von Hohlgeschossen erreichbar , und das auf der Krone liegende 'bietet durch seine geringe Höhe und durch den Einschnitt, der seine Laffete birgt , jenen Schüssen und Sprengstücken nur äußerst geringe Trefffläche dar.

Es selbst zeigt gegen Frontalfeuer nicht

mehr Zielfläche als ein Geschüß in der bisher gebräuchlichen Laffete und Aufstellung , während seine viel kürzere und engere Scharte ein viel kleineres Zielobject darstellt --- ein Zielobject, das ganz unscheinbar wird, wenn die äußere Wallböschung nicht mit Gras sondern mit Strauchwerk bewachsen ist. b. Die Bedienungs-Mannschaft steht immer dicht hinter der Bruftwehr , ist also dem indirecten und Ricoschettschuß weniger ausgesetzt. Auch von dem Frontalfeuer wird sie weniger zu leiden haben , weil das Kreissegment von dem aus, und das , auf welchem stehend, sie beschossen werden kann , kleiner ist , als bei der Scharte und Aufstellung älterer Art.

Die Höhe der deckenden Brustwehr wird sich nicht mehr wie beim

Feuer über Bank alter Art nach der Kniehöhe des Geschützes , sondern danach richten , wie hoch das Rohr liegen darf, um noch bedient und gerichtet werden zu können. c.

Der Wallgang ist kaum halb so breit als früher , da er nur

zum Geschütztransport auf Sattelwagen und nicht mehr zu deren Auf-

157 ftellung und Rücklauf dient.

Desto stärker kann die Brustwehr und desto

tiefer können die in sie zu machenden Einſchnitte ſein. Von allen hiermit zusammenhängenden Vortheilen sind nur die zu nennen , daß die Krete der deckenden Brustwehr 12 bis 18 Fuß näher an das etwa dahinter liegende Reduit herangerückt ist und somit 4 bis 6 Fuß mehr von demselben deckt, resp . dasselbe so viel höher zu machen erlaubt , daß der Geschüßtransport auf dem Wallgang , da er um 12 -- '18 Fuß näher der Brustwehr-Krete stattfindet, um so gesicherter ist -- und daß er durch Geschützbänke und Rampen gar nicht , durch Traversen aber nur, soweit man es aus andern Gründen für nöthig erachtet, beschränkt wird.

Die

Bedienungs-Mannschaft wird nur sehr kurzer Traversen bedürfen.

Wir

finden bei allen neueren Belagerungen, daß die Bedienungs-Mannschaften fich neben ihren Geschüßen allerlei nothdürftige Deckungen und Erdlöcher bereitet haben , in welche sie während des heftigsten feindlichen Feuers unterkrochen. Das Bedürfniß ist daher nicht zu bestreiten , sondern zu erfüllen ; wenn wir dort auch keinen Raum zu casemattirten Unterständen haben, so sollen wir es drum nicht verschmähen , in ähnlicher Weise, wie die Leute sie erfanden , ihnen durch niedrige, mannslange Rameaux in Zimmer- oder Mauerwerk Deckungen zu schaffen.

Hierzu

werden die Brustwehren neben den Geschützen und auch die kurzen Traversen noch genügende Gelegenheit geben. 8. Strauchpflanzungen. - Es ist der Strauchpflanzungen auf der äußeren Wallböschung gedacht worden. Dieselben sollen die ganze äußere Wallböschung überziehen , abgetheilt durch Bermen , von welchen aus sie beaufsichtigt und kurz gehalten werden. Es bleibt zu erwägen, ob es besser ist , die Krone nur mit einer 2 Fuß von der Krete entfernten 2 Fuß hohen Hecke zu besetzen , die den Kopf der Schützen maskirt, ohne ihn am Zielen zu hindern, wenn er ſich bis dicht an die Hecke eingeschnitten hat -- oder ob es vorzuziehen sei , die ganze Krone mit alleiniger Freilassung eines 4′ breiten Rondewegs längs der Krete zu dann erst Weißbepflanzen. Am geeignetsten möchten dazu Schlehen sein. Rosen wilden mit und Schwarzdorn, Liguster untermischt Schlehen begnügen sich mit dem geringsten, im Sommer austrocknenden Boden , auf welchem sie kaum der Nachhülfe durch die Scheere bedürfen , um breite und niedrige Dickichte zu bilden.

Weiß- und

Schwarzdorn wachsen zu üppig und verlangen Licht und Luft auch von

158 den Seiten.

Die Wurzeln des Liguster gehn nicht tief genug, auch bildet

er kein Hinderniß. Der Abstand von 4 Fuß , welche die Pflanzungen von der Krete abwärts frei laſſen, ſoll zum ungehinderten Auflegen des Klein - Gewehrs für die Schüßen und als Weg für die Wachen und Patrouillen dienen. Die Sträucher auf der Krone werden im Armirungsfall so ausgelichtet, daß man zwischen den Stämmchen hindurch und unter ihren verwachsenen Kronen hin das Vorgelände übersehen kann , ohne von da aus geſehen zu werden. Die Strauchpflanzungen auf der änßeren Wallböſchung ſollen überhaupt dazu dienen , die Erde zusammen zu halten , damit sie durch die einschlagenden und crepirenden Hohlgeschosse nicht so sehr aufgelockert wird und nicht nachſtürzt ; dann aber sollen sie das Beobachten der Geschoßwirkung, die Correction der Schüsse dem Angreifer erschweren, oder unmöglich machen. Sie sollen dazu beitragen , die Geschützſcharten ſowohl als die Klein - Gewehr - Scharten oder sonstige Aufstellungen der Schüßen zu verstecken ,

sowie überhaupt durch

ihre unbestimmten

Formen und ihre unklare Beleuchtung die scharfen Linien und sonstige Einzelheiten der Werke einhüllen und so verhindern, daß jeder über dem Horizont der Feuerlinie sich erhebende Gegenstand, jeder Kopf des Gegners Aufmerksamkeit erregt. Wälle, deren Außenböschungen mit einem Heckendickicht besezt sind (Berhedderung nannte der General v. Huene diese an der alten Be festigung von Cöln noch vielfach beſtehenden Geſtrüppe ) , würden aber nicht nur den Blicken und Geschossen des Gegners ein Hinderniß ſein, sondern auch dem Versuch , sie zu ersteigen , größere Schwierigkeiten bes reiten, als eine einfache Heckenzeile oder Palliſade. Im Alterthum und im Mittelalter wurden Hedenanlagen jener Art und zu diesem Zweck unter dem Namen der Gebücke im Rheinland, als Gehäge und Hakelwerke im Deutsch - Ordenslande unzählig oft angewendet und bildeten überall die Ergänzung der Erdbauten. Die KriegsBaumeister des 16. und 17. Jahrhunderts versäumten nie , Strauchpflanzen in die äußern Wallböschungen bei der Anlage mit einzulegen.

159

Schluß. Die gemachten Vorschläge haben das für sich, daß sie nicht neu find, und mögen mit manchen guten Dingen das gemein haben, daß sie immer wieder einmal aufs Tapet kommen, von neuem betrachtet und befeilt werden, ehe sie durchbringen , was offenbar auch ein Gewinn ist. - Man kann

die hölzerne und eiserne Wall - Laffete für Musterconstruktionen halten, welche auf der breitesten Basis einer reichen technischen und artilleristischen Theorie und Praxis stehn, und sich davon doch nicht abgeschreckt fühlen, wieder weit hinter sie zu greifen. Nicht alle angefangenen Fäden sind gleich weiter gesponnen worden, und es ist kein Muß, den längsten länger zu ſpinnen ; der , an den wir anknüpfen , hatte Fehler , die uns leichter zu beffern schienen , ſeit wir unsere Hinterladungs - Geschüße haben ; die vorgeschlagene Hemmvorrichtung ließ Manches zu wünschen ; die längere Dauer unseres Feuers müssen wir vielleicht durch Viertelstunden , um welche wir später beginnen , erkaufen. Durch Demolition unserer Scharten mögen manchmal unsere Geschüge verschüttet werden ; es werden sich noch mancherlei Schwierigkeiten erdenken lassen , welche dem vorgeschlagenen Syſtem anhaften ; wenn man aber geneigt ist, dasselbe Nachdenken dann weiter darauf zu wenden , auch seine Vortheile anzuerkennen , so dürften in der Ausbildung der mannigfaltigen Modificationen, deren es fähig ist, und in der Erfindung rationeller Constructionsdetails nicht nur keine Schwierigkeiten , sondern ein Quell neuer Vortheile zu finden sein. Im Juni 1864.

Achtundzwanzigster Jahrgang.

LVI. Band.

11

160

XI.

Weitere Erklärung über den Antheil der sechspfündigen Fußbatterie Nr. 9 an der Affaire bei Vauchamps am 11. Februar 1814 im Verfolg des im 1. Heft des 41. Bandes dieser Zeitschrift unter Nr. III Seite 2 - veröffentlichten Aufſaßes.

In einem bei Alex. Dunder zu Berlin erschienenen Werke : „ von der Bite auf" findet sich eine Stelle , auf die man mich aufmerksam gemacht hat, in welcher von mir und der im Feldzuge 1814 unter meinem Commando gestandenen 64gen Fußbatterie Nr. 9 in einer Weise die Rede ist , die , wenn auch mehrfach abweichend von den Anführungen, benen ich in dem obgedachten Aufsatze habe entgegentreten müssen , doch mit denselben in einzelnen wesentlichen Zügen viele Aehnlichkeit hat. Die betreffende Stelle enthält nämlich die Angabe , daß , als die Batterie in einer der Affairen bei Montmirail , Etoges oder ChâteauThierry zur Abwehr nachdrängender , sehr überlegener feindlicher Cavallerie im Feuer gestanden , mir von einem hinzukommenden höheren Offizier (B) Vorwürfe darüber gemacht worden seien , daß ich in einer so bedrohten Stellung gegen zahlreiche Cavallerie die Langtaue nicht habe anlegen lassen, und daß, obgleich ich entschuldigend eingewendet hätte, daß ich den bereits vermorschten Langtauen in dem tiefen Boden keine Haltbarkeit zutraue , ich mich dem ertheilten Befehle dennoch hätte fügen müssen. Als bald darauf, noch vor den Augen des erwähnten Offiziers, der Moment des Zurückgehens eingetreten sei , wären , wie ich vorhergesagt, sämmtliche Taue wie auf Commando zerriſſen, die Proßen, deren fahrende Artilleristen sich in solchen Fällen nicht eben viel umſähen, und daher kaum gewußt haben möchten , ob die Geschütze folgen oder nicht, wären davongeeilt, und die Batterie wäre von der nacheilenden Cavallerie genommen worden.

Ich selbst wäre zur diesseitigen Cavallerie geeilt,

hätte dort den Generallieutenant v. Zieten getroffen und demselben über den Berlust der Batterie Meldung abgestattet, worauf der General sich sogleich an der Spihe von zwei zur Hand habenden sehr schwachen Ca-

161 vallerie- Regimentern , dem braunen Huſaren- und einem Schlesischen Landwehr - Cavallerie - Regiment auf die franzöſiſche Cavallerie gestürzt und die Batterie im wahrem Sinne des Worts wieder herausgehauen habe.

Die Prozen wären dann wieder herbeigeführt und die Batterien

sonach gerettet worden. Zu diesen Angaben habe ich Folgendes zu bemerken resp. zu berichtigen : Der Vorfall, daß französische Cavallerie in jene von mir 1814 commandirte Batterie eingedrungen, fand in keiner der Affairen bei Montmirail, Etoges oder Château - Thierry statt , sondern in der Affaire bei Bauchamps am 14. Februar ; doch will ich dabei nicht unerwähnt laſſen, daß die letztere Affaire eine Zeitlang vielfach , aber uneigentlich die von Montmirail oder auch Fainvilliers genannt wurde , und erst später die bei den Franzosen gleich übliche präcisere Benennung der Affaire bei Bauchamps auch bei uns durchgängig angenommen wurde. Der Fall, daß ich ungeachtet meiner dringenden Gegenvorstellungen durch höheren Befehl gezwungen wurde , mich der Langtaue in tiefem Boden zu bedienen, hat zwar wirklich einmal stattgefunden, jedoch keineswegs in der Affaire bei Vauchamps, auch nicht beim Zurück- sondern beim Vorgehen der Batterie , und ist der Anfangs - Buchstabe von dem Namen des betreffenden höheren Offiziers nicht ein B. - In einem kurzen Avantgarden-Gefecht bei Etoges am 13. Februar, also an dem der Affaire von Vauchamps vorhergehenden Tage fand dieser Fall statt . Nachdem ich durch das Feuer meiner Batterie die feindliche Artillerie nebst Cavallerie zum Weichen gebracht hatte, verfolgte ich den Feind mit aufgeproşten Geschüßen. Während dieses Vorgehens fand sich ein höherer Artillerie-Offizier bei der Batterie ein und forderte mich zur Anlegung der Taue auf, da das Terrain eben sei.

Ungeachtet meiner dringenden

Vorstellungen, daß bei dem so tief aufgeweichten Boden , in welchen die Räder stellenweise bis zur halben Achshöhe einschnitten , die Taue voraussichtlich reißen würden, mußte ich auf wiederholten kategorischen Befehl abprozen und die Taue zum Avanciren anlegen lassen.

Beim ersten

behutsamsten Anfahren rissen , wie ich vorhergesagt, 6 Langtaue , so daß ich also zum weiteren Vorgehen wieder mußte aufproßen lassen. Da hiernach schon den Tag vor der Affaire bei Vauchamps die Langtaue von 6 Geschüßen zerrissen und gänzlich gebrauchsunfähig ge11*

162 worden waren, so geht hieraus ganz einfach hervor, daß die Batterie in jener Affaire bei Bauchamps am 14. Februar nicht am Tau hat zurüdgehen können , und also auch nicht in dieser Weiſe , ſondern mit aufgeprozten Geschüßen zurückgegangen ist. Hiermit fallen denn die weiteren Angaben in dem Werke „, von der Bite auf": ,, daß die Prozen unter Zurücklaffung der Geschüße davon geeilt wären , daß ich für meine Person zur dieſſeitigen Cavallerie geeilt ſei, woselbst ich den General v . Zieten angetroffen hätte , und daß nach Befreiung der Batterie durch Letteren die Proßen wieder herbeigebracht worden wären "

in sich zusammen. Vielmehr waren, als in jener Affaire bei Bauchamps im Verlaufe des Rückzuges der Batterie die feindliche Cavallerie in dieselbe und zwar kurz nach einander in einen und dann in die vereinigten andern drei Züge eindrang, Geschüße, Proßen, Unteroffiziere und Bedienungs-Mannschaften beiſammen und fielen´mit mir, dem Commandeur, in feindliche Gewalt, ohne daß eine Proße, ein Unteroffizier oder ein Mann sich entfernt hätte. Alles war auf seinem Posten geblieben und blieb auf seinem Posten , wie ich dies schon einmal in der überschriftlich gedachten , in dieser Zeitschrift bereits früher gegebenen kurzen Darstellung des betreffenden Vorfalls erklärt habe. Was nun noch einige in der bezüglichen Stelle aus dem Werke: ,,von der Pike auf" enthaltene unwesentliche Spezialitäten und anders weit gemachte Bemerkungen , zunächst die sogenannte Meldung betrifft, die ich dem General v . Zieten über den Verlust der Batterie abgestattet haben soll, so reducirt sich dieselbe auf Folgendes : Als ich von der in feindliche Gewalt gefallenen Batterie aus nach Verlauf einiger Zeit den General v. Zieten in der Richtung von Bauchamps heraneilen sah, sprengte ich in dem Moment , als er ganz nahe hinter der Batterie, etwa auf 50 Schritt Entfernung vorbeijagte, aus dem Gedränge in der Batterie herausbrechend, auf einen Augenblick an ihn heran mit den Worten : ,,Wenn Excellenz nicht noch Rettung bringen, ist die Batterie verloren ". Nach der kurzen Antwort : ,, Noch nicht, noch nicht “ jagte er mit seinen Adjutanten und Ordonnanzen weiter fort über das weithin mit vereinzelten feindlichen Cavalleristen bedeckte Feld in der Richtung auf meine

163 zurückgewichene Bedeckung, lehrte hiernächst an der Spitze der letzteren, des 7. Schlesischen Landwehr- Cavallerie- Regiments, heranstürmend wieder zurück und hieb die Batterie heraus. An der Attaque zur Befreiung der Batterie hat zwar auch noch ein schwacher Trupp brauner Husaren Theil genommen . Es bestand derselbe, wie ich später erfuhr, aus dem Freiwilligen- Detaschement des betreffenden Regiments. Wie und wo dieses Detaschement zur Vereinigung mit dem 7. Landwehr-Cavallerie-Regiment gekommen, ist mir unbekannt geblieben ; wahrscheinlich ist es dem Landwehr- Cavallerie- Regiment schon zugetheilt gewesen, als letzteres zu meiner Deckung bestimmt wurde. Das braune Husaren-Regiment selbst, welches von Hause aus weit entfernt vorwärts links von Bauchamps gestanden, war aber nicht zur Stelle und hat also an der Befreiung der Batterie keinen Theil nehmen können. In der Stellung, welche ich in der Affaire bei Bauchamps auf einen von jenem Dorfe her vom General v. Zieten mir zugesendeten Befehl : der rechts umgehenden feindlichen Cavallerie , die ich jenseits eines mir bezeichneten Höhenzuges

antreffen würde , unter Deckung durch das

zur Zeit sich allein zur Hand befindende sehr schwache 7. Landwehr-Cavallerie-Regiment, mich entgegenzustellen und sie von weiterem Bordringen abzuhalten , auf jener Höhe, von welcher ich die umgehende, das ganze vorliegende Feld bedeckende franzöfifche Cavallerie (bekanntlich waren es 6000 Pferde) - übersehen konnte , genommen hatte, fand sich zwar auch ein höherer Offizier , aber diesmal ein anderer als der bei Etoges, und zwar ein der vorgedachten Bezeichnung entsprechender, auf kurze Zeit bei der Batterie ein , ohne mir jedoch irgend einen Befehl zu ertheilen. Als ich den Frontal-Angriff feindlicher Cavallerie auf die Batterie durch nahes Kartätschfeuer zurückgewieſen hatte , dann aber meine Bedeckung burch übermächtigen feindlichen Angriff zum Weichen gebracht war und immer weiter zurückwich, ich mithin gänzlich isolirt in meiner Stellung, ohne daselbst noch etwas nützen zu können , auf das Aeußerste gefährdet war, ließ ich nunmehr zum Zurückgehen aufprotzen, bemerkte dabei aber zugleich , daß die beiden einzigen noch mit unzerriffenen Langtauen versehenen Geschüße ( 1stes uub 2tes ) diese angelegt hatten und sie daher auf mein Commando zum Aufproßen um die Proßarme wickelten.

Die

von mir deshalb sofort zur Rede gestellten sehr zuverlässigen Unteroffiziere entschuldigten sich damit, daß die Taue auf das von ihnen und

164 ihren Geschütz - Mannschaften gehörte Commando „ Tau an “ angelegt worden wären. Ich selbst hatte ein solches Commando ſelbſtverständlich nicht gegeben ; ob dies von jenem höheren Offizier geschehen , kann ich nicht behaupten , da ich das Commando nicht gehört habe , weiß aber freilich nicht, von wem sonst es sollte gegeben worden sein. Allerdings hat, außer der besonders tiefen Bodenstelle, auf welcher gerade diese beiden Geschüße standen, auch das Wiederaufwickeln der Taue dazu beigetragen, daß die beiden Geschüße etwas später als die anderen sechs , welche ich der drohenden Lage wegen nicht aufhalten durfte, und daher unter meinem zweiten Offizier in der ihm von mir angegebenen Richtung voraus abmarschiren lies , unter meiner eigenen Führung zum Zurückgehen gelangten. Wäre übrigens in der Affaire bei Bauchamps die Batterie wirklich wie es aber nach den vorstehenden Auseinam Tau zurüfgegangen andersegurgen nicht der Fall war und nicht sein konnte - und wären während folden Zurückgehens die Langtaue wirklich zerrissen, dann hätten, ich ben es völlig überzeugt, bei dem tief aufgeweichten , die höchste Kraftaotiengung der Pferde erfordernden Boden die alten geübten und sehr atccaton Fabrer, auch ohne sich umzusehen , den wieder angeſtrengten Zug Der prede gower bemerkt, sich nunmehr ſofort umgeſehen , und die durchog Mower to Mejily als ein ihnen anvertrautes Heiligthum betrachtenden geute waren ebne baffelbe sicher nicht davongefahren. Auch würden die thickestere und Bedienungs-Mannschaften den Fahrern sofort zuge kalo paben , welchen Zuruf lettere bei dem großen Apell , der in der Matieve pouple, auch gewiß würden angenommen haben, ſelbſt wenn en Mojelu ber Plattevie oder anderes Geräusch es erschwert hätte, während pica ba pie Matterie über ganz weichen Boden zurückging und nur ganz paykal einpetue Kanonschüsse fielen , hier durchaus nicht der Fall war. postulem witibe boch aber der Batterie - Commandeur , deſſen Poften pg oma auf ber dem Feinde nächsten Frontseite befindet , das ZerYou

but Jane augenblicklich bemerkt und die Prozen zurückgehalten

**** ettenn ich mich in dem Avantgarden - Gefecht bei Etoges am 13. FePoker dear Den pöberen Actillerie - Offizier , welcher das Anlegen der Donghae Pefabl, anh nicht des Ausdrucks " „, vermorschten “ bedient habe, To in p Prop pally exttarlich , daß die alten Tane, zwar nicht durch

165 öfteren Gebrauch im Gefecht, doch durch den langdauernden Einfluß der Witterung gelitten haben mußten und eine so excessige Anspannung, wie der tiefe Boden verursachte, um so weniger aushalten konnten , als dies selbst bei ganz neuen Tauen nicht einmal mit Wahrscheinlichkeit zu erwarten war. Sind doch nach meiner eigenen und wohl auch von Anderen bei Friedensübungen gemachten Erfahrung die Fälle nicht selten vorgekommen, daß völlig neue Taue auf sandigem Boden zerriffen sind. Aus meinen vorangeführten Berichtigungen wird sich übrigens der Schluß leicht ziehen lassen, daß die betreffenden Irrthümer in dem Werke "‚ von der Pike auf ” ihren ersten Ursprung unzweifelhaft in der Verwechselung resp. Zusammenwerfung der beiden Gefechte, des bei Etoges am 13. und der Affaire bei Vauchamps am 14. Februar 1814, haben dürften. Die Länge der Zeit seit jenen Kriegs - Vorfällen - fast ein halbes Jahrhundert - hat dann wohl zu den weiteren Gedächtnißfehlern geführt, wie dies namentlich bei Vorfällen , die man nicht selbst erlebt hat, so leicht möglich ist. Daß der Herr Verfasser jenes Werkes die in Rede stehenden Vorfälle bei Etoges und Vauchamps aus Mittheilungen Anderer erfahren, geht auch schon aus dem Werke selbst hervor.

Es

war in la Fere, wo ich die erste Bekanntschaft des Herrn Verfaſſers machte, einen höchft achtungswerthen Offizier und lieben Kameraden in ihm fand, mit dem ich mich auf das Engste befreundete und wir uns sonach unsere Kriegs-Erlebnisse damals gegenseitig mitgetheilt haben.

Diese Mitthei-

lungen sind dann aber auch meinerseits selbstverständlich so erfolgt, wie fich die Thatsachen wirklich zugetragen haben. Ueber den Gebrauch des Langtaues -- jezt Langkette -- im Gefecht bin ich übrigens mit dem gedachten Herrn Verfasser dahin völlig einverstanden, daß derselbe nur in den seltensten Fällen angemessen sein wird, und zwar nur da, wo es auf Zurücklegung kleiner Entfernungen auf ebenem und festem Boden ankommt und man gewiß weiß oder genau übersehen kann, daß kein Terrain-Einschnitt oder Graben 2c. zu paſſiren ift. Die Bewegung auf solchen kurzen Entfernungen wird , wenn fie auch bei Friedens- Manövern wohl öfter , wie gut ist , mag verlangt worden sein , im Ernstgefecht nur höchst selten vorkommen. Denn mit unaufhörlichen Bewegungen und Stellen Veränderungen schlägt die Artillerie keinen Feind, ſondern nur durch die Wirkung ihres Feuers, zu deren ausreichender Hervorbringung in den allermeisten Fällen mehr oder weniger

166 längere Zeit erfordert wird . Selbstverständlich soll damit Nichts gegen den hohen Werth der Beweglichkeit der Artillerie gemeint sein. Diesen in der Preußischen Artillerie anerkannten großen Vorzug hat sich dieselbe auch in hohem Grade zu eigen gemacht. Der Unterschied zwischen der Fähigkeit, sich gewandt und rasch zu bewegen, Hindernisse und Schwierig. teiten des Bodens leicht überwinden zu können und dem Mißbrauch dieser Fähigkeit auf Kosten der Schießwirkung liegt auf der Hand. — Bei der 6ugen Fußbatterie Nr. 9 ist denn auch zu Bewegungen im Gefecht das Langtau faſt nie, ich möchte ſagen gar nicht zur Anwendung gekommen ; wenigstens weiß ich mich eines solchen Falles außer dem vorhergedachten aufgezwungenen - nicht zu erinnern , obgleich ich an allen Schlachten, größeren und kleineren Gefechten, welche diese Batterie mitgemacht, Theil genommen und schon im Feldzuge 1813 vielfach ein zelne detaschirte Züge, eine halbe Batterie derselben selbstständig geführt habe. Und nun zum Schluß noch ein Wort . Ich glaube, man wird mir einräumen , daß die Situation , in welcher ich mich bei Bauchamps be fand, nicht eben zu den angenehmen gehört ; ich kann aber versichern, daß die Situation , in die ich nun bereits zweimal gesezt worden bin, irrige Angaben über jene Affaire berichtigen zu müssen , weit unangenehmer ist. Auch ohne die Anerkennung , die der Batterie damals geworden, würde sie mit dem Bewußtsein, wie immer auch bei Vauchamps ihre Schuldigkeit gethan zu haben , sich vollkommen begnügen. Wiederholt anerkennende Erwähnung bedarf sie sonach nicht. Darstellungen, die fie, wenn auch gewiß überall absichtslos, in einem unrichtigen Lichte könnten erscheinen laſſen , hat sie nicht verdient . Ich hoffe daher , daß man sich an dem bereits Geschehenen genügen lassen werde. Wer ers innert sich nicht gern an die große Zeit der Freiheitskriege ! Auch ich habe gewiß Ursache, jener Zeit freudig zu gedenken , in der es mir vergönnt war , vielfach selbstthätig zu ſein und mir zulegt in dem jugendlichen Alter von 19 Jahren das ſelbſtſtändige Commando eines Truppentheils anvertraut gewesen ist. Aber immer und immer wieder auf KriegsVorgänge jener um ein halbes Jahrhundert zurückliegenden Zeit öffentlich berichtigend zurückkommen zu müssen, das kann, man wird dies zu geben , mir nichts weniger als erfreulich sein und muß mir um so lästiger werden, als solches öffentliche Hin- und Herreden mir überhaupt

167 ftets ganz zuwider gewesen.

Und ich werde daher, wenn wider Verhoffen

die Variationen auf das Batterie-Thema von Vauchamps noch nicht erschöpft sein sollten, durch die gegenwärtige und meine frühere Erklärung wohl einer jeden weiteren Antwort für überhoben erachtet werden können. Breslau , den 26. März 1864.

Ginge r,, v.Lin ger Generallieutenant a. D.

XII. Die Kreis = Evolvente als Zugprofil für gezogene Feuerwaffen.

Den mannigfachen, aus Deutschland und Frankreich hervorgegangenen Vorschlägen zur Construction von Zugprofilen mit excentrischer Baſis reihen sich in neuerer Zeit auch amerikanische und englische dahingehörige Projecte an, von denen besonders ein für Alexander Blakely zu London patentirtes von Interesse sein dürfte, weil es, an sich auf einem durchaus rationellen Grund saße beruhend, die nach ihm bestimmt werdenden Excentricitäten der Züge in einem festen Größenzusammenhange mit denjenigen Drall-Längen erblicken läßt, welche dem Timmerhans’ſchen Syſteme der Drall-Uebertragung von einem Kaliber auf das andere entſprechen. Die Basis für die diesem Projecte entsprechende Gestaltung excén trischer Züge bildet das Gesetz : ,,Profil des Zuges und Form des Geschosses find stets so einzurichten , daß die an irgend einem Punkte des leßteren angreifende Drehkraft stets dieselbe Wirkung äußert " und dem entsprechend wird dann die Constructions - Vorschrift gegeben: ,, Zuerst bestimme man diejenige Entfernung vom Mittepunkte des Projectiles, in welcher die drehende Kraft wirksam ſein wird ; - je kleiner das Kaliber ist , desto näher liegt dieser Angriffspunkt am Centrum. Dann beschreibe man einen Kreis , welcher seinen Mittepunkt in der Rohrachse

168

und zum Radius die oben bezeichnete Entfernung hat, und gebe hiernach den Zügen eine solche Gestalt , daß jede senkrecht auf ihrer Oberfläche stehende Linie zugleich eine Tangente an den so beschriebenen Kreis ist, wie dieses die Zeichnung, Figur 1 , versinnlicht, in welcher ab, cd und ef die Führungsflächen ( bearing sur faces ) der Züge find. Die zu diesen Flächen senkrecht ftehenden Linien a g, hi, bk haben alle dieselbe

a

Entfernung vom Centrum o. Die Formen der Geschosse haben hiermit übereinzustimmen , indem b bei deren Oberflächenbildung genau dieſelben mathematischen Regeln in Anwendung gebracht

werden. " Hiernach soll also das Zugprofil nichts anderes als die Evolvente eines Kreises sein , welcher für das Trägheitsmoment M k2 des Geschosses den Radius k, und zu ſeinem Centrum einen Punkt der Rohr. achse hat. - Der Krümmungsradius e dieser Curve ist für ein dem Centriwinkel wo dieses abzuwickelnden Grundkreises entsprechendes Peripherieſtück kw also: ୧ = kw ; und da dieser Krümmungsradius für ein orthogonales Coordinatensystem, dessen Abscissen radial des Grundkreises durch den Anfangspunkt der Curve gehen, nach allgemeinen Grundsäßen der analytischen Geometrie auch durch die Gleichung ds ୧ = da ausgedrückt wird , wenn mit ds das Differenzial des zu den Coordinaten y und x gehörigen Bogens bezeichnet wird und « der Tangentenwinkel dieser Curve ist, welchen die Gleichung dy tg a dx

=

feststellt , so hat man zur Bestimmung der Abscissen x und der Orbinaten y dieser Curve also die Relation : ds e = kw = -da '

welche endlich in die Bestimmungsgleichung dx dx = kw = cos o d w cos a da

169

übergeht, weil

Vi + und a

dx

2

ds = Vdx² + dy² = dx

=

COS α

180° --- ω ift,

mithin

COS α = --- COS W Aus der Gleichung : sein muß. dx = kw COS @ . dw folgt aber dx = kw cos w dw, und demnach x = k cos @ + kw sin w + C,

weil fw cos w dw = w sin w /sin w dww sin w + cos w Integration hierbei gleich Null , wenn wird Constante der Die C Evolutenkreises an bestimmt, man die Abfciffenlängen vom Centrum des denn es ist in diesem Falle für den Abwickelungswinkel

ift. -

w = 0 und den Radius des Grundkreises gleich k k = k + C, woraus C = 0 folgt.

Für vom Centrum des Grundkreises an gemessene Abscissen x ist also

x = k . cos @ + kw sin w und in analoger Weise erhält man für die zugehörige Ordinatenlänge y die Gleichung: kw.cos w. y = k sin w Die Excentricität der Zugprofil Curve oder die Entfernung E eines dem Abwickelungswinkel w des Grundkreises vom Radius k entsprechenden Punktes derselben von der Rohrachse ist also: E = √x² + y²

= k VI + w².

Für einen anderen Grundkreis vom Radius k , würde man demnach für denselben Abwickelungswinkel wo die Excentricität E₁1 = k, VI + w² erhalten, und es entsteht für diese Excentricitäten der Zugprofils- Curbe

170 also die Proportion E: E

= k : k ,,

welche für solche Langgeschosse von den Kaliberradien R und R ,, die man, der einfachen Rechnung wegen , cylindriſch und von homogener Maſſe annehmen darf, in die Proportion : E : E₁ = R : R , übergeht, weil für derartige Geschosse vom Kaliberradius R und der homogenen Masse M, wenn vom Gewichte der Maſſeneinheit abstrahirt wird , das Trägheitsmoment des um seine Längenachse rotirenden Projectilils : Mk2 = M. R2

ist, also nach

k : k , = R : R, sich verhalten muß. Nach dem Timmerhans'schen Geseße der Drall - Uebertragung von einem Kaliber auf ein anderes soll nun bekanntlich bei ſonft gleichbleibenden Schußverhältnissen , die Drall-Länge H immer gleich demselben Vielfachen n R des Kaliberradius R, alſo H = nR

und demgemäß

H₁ = nR₁ sein, woraus die Proportion H : H₁ = R : R , folgt, so daß also nach Timmerhans' System die Drall - Längen bei größer werdenden Kalibern ganz in demselben Verhältnisse zunehmen müssen , als dieses nach Blakely's Systeme für die Etcentricitäten der zugehörigen Zugprofile erfor derlich ist.

Untersucht man ferner auch noch, wie diese Verhältnisse sich gestalten werden, wenn an die Stelle von cylindrischen Vollgeschoffen homogener Masse irgend eines Kalibers Hohlgeschosse derselben Art treten sollen, so ist, für den inneren Höhlungsradius r derselben , das Trägheitsmoment des um seine Längenachse rotirenden Projectils : R' + r' 2 M₂2 k₂2 = M 2

171 woraus

k₁ = R RVC1 + (-5) ²) folgt. — Für massiwe Geschoffe derfelben Art war nach dem Obigen das Trägheitsmoment derselben Rotationsbewegung aber Mk² = M. † R², wonach k = RVT ift. Es folgen für dergleichen Voll- und Hohlgeschosse nach dem Blately'ſchen Systeme die Excentricitäten E und E , der Züge also der Proportion: E: B : E,

K

,

=R : RVR √ ÷ ( +(7)') 2

= 1: Vi1 + ( 9 )² und nach demselben Verhältnisse müſſen ſich, dem Timmerhansschen Systeme der Drall- Uebertragung entsprechend , auch die Drall. Längen für dergleichen Geschosse ändern , weil nach diesem Systeme der Verhältnißquotient zwischen den lebendigen Kräften der anfänglichen Rotation und der anfänglichen fortschreitenden Bewegung immer derselbe bleiben muß *) und deshalb , unter den gegebenen Voraussetzungen , die Drall-Längen H und H, für volle und hohle Geschosse bezeichneter Art ebenwohl der Proportion H : H₂ = 1 : (5)² · V₁1 + 60' angehören, wie dieses sich, erforderlichen Falles , in folgender Weise zur

Evidenz bringen läßt : Das Maß für die Größe einer constanten Kraft ist das Product aus der Masse eines bewegten Körpers in die Geschwindigkeit, welche er unter dem Einflusse jener Kraft in der Zeiteinheit erlangt hat. Vernachlässigt man also bei dem MassenbeschleunigungsProzesse , welcher durch Entzündung der Pulverladung im Gewehroder Geschützrohre vor sich geht : 1., den Luftwiderstand,

2., die Fric-

Vergl. Band 50 dieses Archivs den Artikel : Ueber das Verhältniß zwischen dem Drall der Züge und dem Kaliber der Rohre von gezogenen Kanonen. Anmerk. d . Einsenders.

172 tion des Geschoffes an der Seelenwand des Rohres, - - 3., die Bibrationen, welche im Geschosse und im Geschüße oder Gewehre entstehen, — 4., die Trägheit der Pulvermaffe und demnach die Quantität der Bewegung, welche dem mit dem Geschoffe zugleich fortgetriebenen Theile des Pulvergases mitgetheilt wurde, 5., den Spielraum- und nimmt man weiter auch noch an , die auf das Projectil stattfindende Pressung im Innern des Rohres habe in jedem Augenblicke dieselbe mittlere Intensität , so ist hiernach : 1) das Maß für die continuirlich wirkende mittlere Stoßkraft K., welche dem Geschoffe von der Masse M während dessen Aufenthaltes im Rohre des Geschützes c. die Initialgeschwindigkeit der fortschreitenden Bewegung gleich V pro Zeitsecunde gegeben hat : MV; K₁ und ferner ist dann auch 2) das Maß für die Größe der continuirlich wirkenden Stoßkraft K₁1, welche diesem Geschoffe vom Trägheitsmomente M k² während seines Aufenthaltes im Rohre des Geschüßes 2c. die initiale Winkelgeschwindig. keit a pro Zeitsecunde ertheilte : K₁₁ = Mk2 w. Das Maß für die Leistung oder Wirkung ( quantité d'action ) einer constanten Kraft aber erhält man ferner , wenn die Größe derselben mit dem Wege multiplicirt wird , während dessen Zurücklegung sie thätig gewesen ist. Bezeichnet man also die Wege, während deren die beiden gradlinig fortschiebend und beziehungsweise drehend auf das Geschoß wirkenden Stoßzkräfte K , und K₁11, thätig gewesen sind , mit S , und S . ,, so sind die Maße W, und W₁11, der in dem Geschosse hierdurch thätig oder lebendig gewordenen Kraftwirfungen: W, ****** K, S, = MVS,

und 11 = Mk² ∞ S₁1. W₁₁ = K₁₁1 S₁₁ Die Wege, welche zwei constante Kräfte eine und dieselbe

Masse in derselben Zeit zurücklegen lassen , sind aber den Geschwindigkeiten proportional, welche sie derselben Masse in derselben Zeit mitgetheilt haben; und man hat also auch die Proportion : S₁ : S11 = V : @ :

173 woraus

ω $ .1 = V • S₁ folgt. Die Kraftwirkungen W, und W.. , welche in dem Geschoffe während seines Aufenthaltes im Rohre lebendig geworden sind , stehen also in der Proportion : W, W₁ , = M V¹ : M k² . w² und das Größenverhältniß dieser Wirkungen zueinander ist demnach W Mk2 w2 k2 w2 = = Q = W MV2 V2

Da ferner das Geschoß für die Drall-Länge H eine volle Umbrehung von 360° macht, also V 2π @ = H ist, so erhält man für obigen Quotienten auch den Werth k2 2 π 2 k2 Q = ÷ (² 1 V2 H ~) = 4 x². H2 ·

welcher für irgend ein anderes Trägheitsmoment Mk2 des Geschoffes 2 und eine andere Drall-Länge H , in den Werth K2 Q₁ = 4π' H2 übergehen wird. Soll dieser Quotient der Pulverkraftwirkungen auf Rotation und Fortbewegung des Geschosses also constant sein, so hat man für Q = Q2 auch kz = H H ₂

oder die Proportion H : H , = k : k₂ , welche, da nach dem Obigen für cylindrische Voll- und Hohlgeschoffe homogener Masse vom Kaliberradius R und beziehungsweise dem inneren Höhlungsradius r sich verhält 2 k : k₂2 = 1 : √ 1 + () * endlich in die Proportion

174

2 H : H₂ = 1 :

V₁ 1 + (5)³ übergeht, deren aus dem Timmerhans'schen Systeme der Drall - Uebertragung sich ergebende Nothwendigkeit hier bewiesen werden sollte. Beide Systeme stimmen folglich darin überein, daß bei Anwendung von Hohlgeschossen die Drall-Längen und die Excentricitäten der Züge mit der zunehmenden Aushöhlung des Geschosses immer mehr und ganz in gleichem Verhältnisse wachsen müssen. Möglichst stark ausgehöhlte Geschosse mit Umhüllungen oder Mänteln von möglichst großem (specifi schem) Gewichte werden also Zugprofile von sehr starker Excentricität bedingen , deren Führungsflächen am wenigsten von der Richtung des Kaliber-Radius abweichen und weiter auch verhältnißmäßig große Drall. Längen erfordern. Cassel, im März 1864.

D4, Artillerie - Hauptmann.

XIII.

Ueber Granaten mit ellipsoidaler Höhlung.

Die Vortheile start excentrischer Gefchoffe culminiren in den Granaten mit ellipsoidaler Höhlung, welche die Herstellung einer bedeutend grö Beren Excentricität gestatten , als Hohlkugeln mit sphärischer Kammer. Da es die Anwendung jener Granaten vor Allem ift, was den kurzen

12 uder , insofern nur die Schwerpunktslagen beim Laden genügend gesichert werden, zu einem so trefflichen Feldgeschüß macht, so dürfte es gerechtfertigt erscheinen, einige Bemerkungen über die zweckmäßigfte Construction jener Hohlgeschoffe folgen zu laſſen. Die excentrisch angebrachte Kammer derselben besteht bekanntlich aus einem Rotations ellipsoid über der großen Achse , zu welcher das Mundloch senkrecht steht. Die Rotation des Geschoffes erfolgt um

175 - Um unsere Andie der großen Ellipsenachse parallele Schwerlinie. ficht von vorne herein auszusprechen , erklären wir gleich an dieser Stelle , daß wir die Wahl der eben bezeichneten Linie als Drehungsare für ungeeignet halten und vielmehr statt derselben die auf ihr senkrecht stehende Schwerlinie vorschlagen möchten , was dann nur eine andere Lage des Mundlochs , nämlich in der Richtung der großen Ellipsenare ( ftatt senkrecht zu dieser ) erfordern würde.

Diese neue

Drehungsare ist stets die des kleinsten Trägheitsmomentes . Zur Begründung unserer hier dargelegten , von der gewöhnlichen Anschauung abweichenden Meinung glauben wir Folgendes geltend machen zu dürfen . 1. Die Rotationsgeschwindigkeit einer Kugel hängt nicht allein von der Stärke der Ladung, der Größe der Ercentricität und der Wahl der Schwerpunktslage ( bei Pfeilspiße oben begünstigt die Reibung die Umdrehung und umgekehrt ) ab , sondern auch von der Größe des der Drehungsare entsprechenden Trägheitsmomentes. Ze kleiner dieses ist, desto größer wird, bei sonst genau gleichen Verhältniffen , die Rotationsgeschwindigkeit sein.

Die Wahl der Axe des

kleinsten Momentes gestattet daher die Herstellung der größten Umdrehungsgeschwindigkeit , was nicht nur für die Rasanz des Schuffes und die Krümmung des Wurfes von hoher Wichtigkeit, sondern auch auf die Stabilität der Drehung von sehr günstigem Einfluß ist . 2. Nach den zu unserer Kenntniß gelangten Ansichten ( fiche z . B. " die Rotation der runden Artillerie- Geſchoffe “ von Müller II., PremierLieutenant in der Brandenburgischen Artillerie- Brigade Nr. 3 ) glaubt man , daß die der großen Ellipsenare parallele Schwerlinie „ ſtets “ die Are des größten Momentes sei , von welcher lepteren man allgemein die größte Stabilität erwartet. sind unrichtig .

Allein beide Annahmen

Es läßt sich durch Rechnung * ) darthun , daß jene

Schwerlinie nur bei concentrischer und auch noch bei geringer ercentrischer Verschiebung der Kammer wirklich Are des größten Momentes ist, während ihr anderenfalls , nämlich bei stärkerer Ercentricität , das

*) Anm.: Die Rechnung ist ausgeführt in des Verfassers vor Kurzem erschienenen Schrift: Die Rotationen der Geschoffe, die durch fie erzeugten Abweichungen sowie die Mittel , leßtere zu beherrschen und zu benußen ". 12 Achtundzwanzigster Jahrgang, LVI. Band.

176 mittlere Trägheitsmoment entspricht. -- Was ferner die Stabilität der freien Achsen im Allgemeinen anlangt, so beziehen wir uns hierbei auf Poinſot's Abhandlung ( ,,Neue Theorie der Drehung der Körper“ von Poinsot. Ueberseßt vom Profeffor Schellbach, Berlin. ), in welcher jener Gelehrte nachweist, daß die einem äußeren (größtes oder kleinßtes) Momente entsprechende Are nur dann genügende Stabilität biete, wenn das betreffende Trägheitsmoment viel vom mittleren verschieden ist, während der Are dieses leßteren gar keine Stabilität gegen kleine Störungen zukommt. Wenden wir diese Wahrheiten auf den vorliegenden Fall an , so ergiebt sich , daß bei etwas bedeutender Excentricität der Granate die der großen Are der Erzeugungsellipſe parallele Schwerlinie ganz ungeeignet als Rotationsare ift , da ihr eben dann das mittlere Moment entspricht. Aber wollte man selbst , auf Kosten der Excentricität und somit der Rotationsgeschwindigkeit, jene Linie zur Are des größten Momentes machen , so würde dieses dann nur wenig vom mittleren verschieden sein, was wiederum den Vortheil einer sehr stabilen Are ausschließt. Da mithin die der großen Ellipsenare parallele Schwerlinie fich keinesfalls zur Rotationsare empfiehlt , und man auch unvermögend ift, dem Geſchoffe eine Drehung um die Verbindungslinie der Mittelpunkte der Kugel und des Ellipsoids zu geben (welcher Linie bei anſehnlicher Excentricität das größte , außerdem aber das mittlere Moment entspricht) , so bleibt eben nichts Anderes , als die Wahl der Are des kleinsten Momentes übrig , welches leßtere mit wachsender Excentricität immer mehr abnimmt und sich mehr und mehr vom mittleren unterscheidet. Sonach erscheint die Are des kleinsten Momentes im vorliegenden Fall nicht nur als die von Haus aus stabilste, sondern ermöglicht auch die Erzeugung der größten Rotationsgeschwindigkeit , was wieder die Stabilität steigern muß. Wie wir hören, sollen die jezt gebräuchlichen, unserer Ansicht nach nicht zweckmäßig construirten Granaten nach einem Aufschlag oft ihre Drehung bedeutend verlegen, was uns durchaus nicht unwahrscheinlich Hlingt. Denn die geringste Störung kann die ursprüngliche Drehung um eine zwar freie , dabei aber nicht genügend stabile Are derart

177 ändern, daß die neue (nicht mehr freie) Are, deren Moment viel vom mittleren verschieden ist , gestört , so geben zwar auch dann die nicht mehr im Gleichgewicht befindlichen Schwungkräfte eine Resultante, welche die neue Are immer wieder ändert , allein diese bleibt dann Atets in der Nähe der ursprünglichen freien Are ( ohne daß jedoch die Drehung wieder um lettere erfolgen könnte ), wodurch ein ansehnliches Verseßen der Drehung verhindert wird. Es erscheinen uns die Vortheile einer veränderten Arenwahl so überwiegend, daß es sich wohl verlohnen möchte, mit solchen Granaten, die nur eine andere Lage des Mundloches erfordern , Versuche anzuftellen.

R. Pfifter , vorm . Lieutenant in der Kurheff. - Artil .

XIV . Beiträge zur Geschichte des Breschelegens mit Minen und Geschütz besonders im 16ten und 17 ten Jahrhundert. (Forts. v. S. 94 d . 55. Bds. )

Am 11. Oktober schlief eine Wache in der Fauffebraie vor der hölzernen Bastion ; sie wurde von den Türken mittelst Nachen überfallen und vertrieben. Sie hieben darauf sogleich die Palliſaden nieder und fingen an , das Erdreich zu untergraben , so daß es in den Graben Atürzte, bis sie zu den hölzernen Stämmen kamen, aus denen das Innere bestand .

Sie hieben dieſe Stämme ab und untergruben weiter, 12 *

178 bis zulegt dreißig Mann an einem Wege zum Sturm arbeiten fonnten. In der folgenden Nacht wurden die Minen unter dem nordwestlichen und füdlichen Bastion geladen und bei Tage , den 12. Oktober, gezündet. Ihre ganze Kraft entlud sich aber nach rückwärts , weil die Eingänge schlecht verdämmt gewesen waren. Da hier nicht geßtürmt werden konnte , versuchten die Türken sogleich den Sturm gegen das hölzerne Bastion , gegen welches fie inzwischen einen Uebergang ange= legt hatten. Derselbe wurde zwar nach mehrstündigem Kampf abgeschlagen , indeß gelang es den Zanitscharen , welche die Brustwehren völlig bestreichen konnten , so daß sich Niemand auf denselben sehen laffen durfte, sich in die Erdabdachungen einzuschneiden. Nachdem die Türken an demselben Tage noch eine Batterie von 4 der schwersten Geschüße aufgestellt , mit derselben aber wegen der zu großen Entfernung nichts bewirkt hatten , wurden am 13. Oktober neue Minen gegen das nordwestliche und füdliche Bastion begonnen, das südwestliche oder hölzerne aber weiter untergraben.

Am 17. Okto-

ber (nach 4 Tagen) wurde um 8 Uhr Morgens die Mine unter dem nordwestlichen Bastion gezündet .

Es wurde dadurch die Spiße nebft

den Facen in einer Breite von 22 Ellen vom Grunde aus in die Höhe gesprengt und das niederstürzende Gemäuer füllte den Graben der Art , daß man trockenen Fußes hinübergehen konnte .

Die Türken

stürmten sogleich gegen dieſes und das hölzerne Bastion ; nach 8ftündigem Kampf auf den Breschen wurden sie zurückgedrängt. Auch am folgenden Tage wurde ein neuer Sturm nach mehrstündigem Kampfe abgeschlagen. Am 20. Oktober konnten die Türken auch ihre Mine unter dem südlichen Bastion zünden. Die Wirkung war sehr beträchtlich, indem in dem sehr starken Mauerwerk eine 29 Ellen breite Bresche entstand . Da aber hier der Graben 160 Ellen breit war und eine ziemliche Tiefe hatte , so wurde derselbe durch die Trümmer nicht so gefüllt , wie vor dem nordwestlichen Bastion . Die Türken brachten zwar rasch eine Brücke von Fässern, Stämmen und Brettern zu Stande, auf welche sie Schanzkörbe ſeßten , die sie mit Erde füllten, und über welche Brücke sie den Sturm versuchten, der aber wieder abgeschlagen wurde.

179 Nachdem am 21. October nochmals eine Mine unter dem nordwestlichen Bastion gesprengt worden war , wurden alle 3 Bastione, aber vergeblich , bestürmt , was sich in den nächsten Tagen noch einige Male wiederholte. Die Türken minirten nun wieder unter den beiden Bastionen und waren am 29. Oktober bis zum Laden fertig.

Als fie

am südlichen Baſtion damit beſchäftigt waren , das Pulver hineinzutragen , wurde dies von einer Schildwache der Festung bemerkt , ein Büchsenmeister schleudert sogleich einen brennenden Pulversack zwischen die Träger , das Pulver geräth in Brand , dieser verbreitet sich nach der Mine und diese zerstört zwar einen Theil des Gemäuers , tödtet aber auch die Mineure und viele andere Türken . Am 1. November waren die Türken mit 2 Kammern unter den Facen des nordwestlichen Bastions fertig, fie zündeten dieselben im Laufe des Vormittags , aber ohne Erfolg . Nicht lange darauf mußte die Belagerung wegen schlech= ten Wetters und Mangels aufgehoben werden . d) Zn den Kriegen der Polen und Ruſſen . Die Anwendung der Minen war den Polen zwar auch bekannt, doch versuchten sie in dieser Zeit ebenfalls zuerst ihren Zweck mit Ges ſchüß zu erreichen , was indeß zuweilen nicht gelang , wie es bei der Belagerung von Wielkie Luki 1581 der Fall war. Die Wälle dieser Stadt waren von Holz erbaut und mit dichtem Rasen bedeckt, weshalb das Geſchüßfeuer nur wenig wirkte. Die Polen wollten nun miniren, kamen damit aber nicht vorwärts, weil der Boden weich und sumpfig war. Sie unternahmen deshalb einen Sturm , bei welchem sie den Rasen herunterriffen und den hölzernen Wall anzustecken versuchten . Es gelang den Ruffen zwar, den Sturm abzuschlagen und den Brand durch verschiedene Mittel, namentlich aber mit naſſen Häuten , zu ersticken, allein in der nächſten Nacht brach das Feuer , welches unbemerkt im Innern fortgeglimmt hatte, mit solcher Heftigkeit aus, daß sie sich ergeben mußten. Zu der Belagerung von Smolensk , welche vom Ende September 1609 bis Mitte Juni 1611 dauerte , hatte König Sigismund kein schweres Geschüß , aber viel Feldartillerie mitgebracht. Diese konnte gegen die 3 Klafter dicken , 20 Ellen hohen Mauern der Cita= delle, die durch 38 runde oder mehreckige Thürme von 9 bis 10 Klaf-

180 tern Durchmesser und in je 200 Klafter Abstand flankirt war , nicht viel ausrichten .

Dennoch hatten die Polen nach verschiedenen ver-

fuchten gewaltsamen Angriffen , es zu Ende Oktober dahin gebracht, einen nach dem Dniepr zu gelegenen Thurm und einen Theil der Mauer zunächst desselben niederzuschießen .

Auch versuchten fie einen

Minenkrieg , mit dem sie aber nicht vorwärts kamen , weil die Ruffen rings um die Mauern Horchgänge angelegt hatten , mit Hülfe deren fie die Angriffsminen bald entdeckten. Endlich im Auguft 1610 erhielten die Polen Belagerungsgeschüß, mit welchem sie auf der weftlichen Seite der Citadelle Bresche legten, hinter derselben aber den alten Wall entdeckten , welcher zur Zeit der polnischen Herrschaft die Befestigung gebildet hatte. Als sie nach längerer Unterbrechung an einer andern Stelle Breiche geschoffen hatten, mißlang der Sturm, weil die Ruffen inzwischen Abſchnitte dahinter angelegt hatten und auch die Flankirungen nicht zerflört worden waren. Die Polen schritten nun aufs Neue zum Minenkrieg, bei welchem ihnen die Ruffen fleißig entgegenarbeiteten und das Pulver fortnahmen. Erft als sie mittelft eines tiefen Brunnens unter den ruffiſchen Horchgängen fortgegangen waren, konnten sie im Dezember 1610 eine Mine vollenden , die aber keine Oeffnung in der Mauer hervorbrachte. Am 13. Juni 1611 fand endlich ein allgemeiner Sturm , aber theilweiſe mit Leitern statt.

Hierbei entdeckten die Polen in der Nähe eines

Thores eine Mine der Russen , sie zündeten dieselbe und brachten da. mit eine Bresche von 12 Ellen Breite zu Stande .

Während des hart-

näckigen Kampfes geriethen die Gebäude in Brand ; derselbe theilte fich auch der Hauptkirche mit, in deren Kellern 1500 Faß Pulver lagen, welche erplodirten und eine furchtbare Zerstörung anrichteten.

Theoretische Ansichten über das Breschelegen von den niederländischen Freiheitstriegen bis zum dreißigjährigen Kriege. Während der vieljährigen niederländischen Befreiungskriege hatte die Belagerungskunst die beträchtlichsten Fortschritte gemacht , namentlich hatten die Erdbefestigungen , die verbesserten Flankirungen , welche , wie bei der italienischen Befestigung, nicht von der Ferne zu zerstören waren,

181 und die Wassergräben den Angreifer gezwungen , statt , wie früher meist nur aus größeren oder geringeren Entfernungen mit Geschütz Bresche zu legen und alsdann bald zum Sturm überzugehen, sich eines mehr kunstmäßigen Verfahrens zu bedienen , was auf der andern Seite aber auch wieder die Folge hatte, daß man ,

um Zeit zu gewinnen , wenn irgend

Aussicht auf Erfolg war , gern den gewaltsamen Angriff oder die Ueber rumpelung versuchte. Bei dem förmlichen Angriff, namentlich der bastionirt oder in Erde befestigten Plätze , hatte man angefangen, vorzugsweise mit Minen Bresche zu legen, während man bei blos mit Mauern und Thürmen befestigten Orten sich wie bisher des Geschüßes dazu bediente. Am bestimmtesten spricht sich hierüber Tensini aus. Derselbe sagt von den Batterien : Die Ersteren, welche angelegt werden , um Festungen zu beschießen, find vor mittelmäßig starken Festungen fast nicht mehr im Gebrauch, wie fie früher angewandt wurden. Denn die Erfahrung hat gelehrt , daß sie mehr schädlich als nüzlich sind . Denn außerdem, daß viel Artillerie in das Feld mitzuführen viel Kosten macht, und dieselbe, um sie zum Breschelegen brauchen zu können , schwer sein muß, wodurch der Marsch der Heere bedeutend verzögert wird , so verliert man auch nachher bei der Anlage der Batterien viel Leute und verbraucht viel Munition .

Aber,

wenn es gegen die Bresche geht , pflegt man , wo eine angemessene Bes sayung ist und wo, wie es gewöhnlich geschieht, die gebührenden Abſchnitte angelegt worden sind , meistens (um nicht zu sagen immer) mit dem größten Verlust an Soldaten und Offizieren zurückgeschlagen zu werden.“ An einer andern Stelle sagt er zu Gunsten der Minen , daß es schwer ist, in eine gute Mauer mit einem ſtarken Erdwall einen guten Aufgang zu Stande zu bringen und daß man die Abschnitte doch mit Minen zerstören müsse. Zur Widerlegung Derjenigen, welche die Batterien anwenden wollen,

um dem Vertheidiger nicht Zeit zu lassen , zu schanzen, und um durch den Zeitgewinn im Vergleich gegen die Anwendung der Sappe und Mine auch an Menschen zu sparen , führt er an, daß die Batterien, um zu wir ten, sehr nahe liegen müssen, daß sie dann aber sehr gefährdet sind, und daß man doch nicht eher zum Sturm schreiten kann , bevor nicht der Grabenübergang vollendet ist , während dessen Ausführung der Vertheidiger doch Zeit gewinnt , Abschnitte anzulegen , so daß auch hierin die Batterien keinen Vorzug vor den Minen haben.

Er will deshalb die

182 Batterien bloß vor Orten , die mit einer Mauer ohne Wall befestigt find, anwenden. Auch Vigenère sagt in seiner Art militaine 1615 , man müſſe ſich mehr an die Erdaushebungen , welche von den Schanzgräben abhängen, als an Batterien , Eskaladen und ähnliche Auftrengungen halten , welche wenig oder nichts ohne die Schanzgräber vermögen und deren sich die Türken besonders gut zu bedienen wiſſen. Und der ſpaniſche ArtillerieKapitain Ujano, der in den niederländischen Kriegen mitkämpfte und deſſen Werk über Artillerie zuerſt 1613 erſchien, nennt die Minen einen kürzeren Weg, die Belagerten zu beängstigen und ihnen beizukommen.

Derselbe giebt

jedoch auch Vorschriften über die Anläge der Breſchbatterien. Auch Freitag , deſſen Architectura militaris zwar erst 1630 erſchien, der aber doch wohl hierher gerechnet werden kann, nennt die Minen den nächsten Weg, die Belagerten zu zwingen. Die Batterien zur Zerstörung der Flanken wurden dagegen allgemeiner angewandt , besonders bei einem nassen Graben , wo man sich nicht wie bei den trockenen Gräben und in den Laufgräben ikberhaupt, durch die Tiefe des Eingrabens gegen das Geſchüßfeuer decken konnte. Von den hohen Cavalieren zur Anlage der Batterien war man allmälig zurückgekommen , weil man von ihnen aus , wie ſich die Schriftsteller jener Zeit gewöhnlich ausdrücken , hauptsächlich nur viel Schaden an den Dächern aurichtete und weil es schwer wurde, von Ihnen aus die Geschütze tief genug zu senken , um Bresche zu legen.

Wegen der ver-

befferten Ausrüstung der Festurgen mit Geschütz genügte es aber in der Regel auch nicht mehr, die Batterien aus großen Schanzkörben zu errichten, sondern man baute sie nach Tensini und Ufano versenkt von Erde und Faschinen ; jedoch giebt Freitag noch an, daß die Höhe derselben sich nach der Höhe des Walles richten solle und daß die gewöhnliche Höhe 4 bis 5 Fuß sei , welche Angabe er den niederländischen Verhältnissen entlehnt zu haben scheint. Was die Entfernung der Batterien betrifft, so war darin keine Aen derung gegen die früheren Zeiträume eingetreten, da man dieselben ihrem Zwecke nach noch nicht so streng sonderte, als es namentlich seit Vauban geschah, weshalb man sie, je nachdem man sie zum Schuß des Vorschreitens der Laufgräben mitbenutzen wollte, was nach Ufano seit wenigen Jahren (sein Buch erschien zuerst 1613) gewöhnlich geschah , früher oder später

183 anlegte; doch will er und Vigenère sie nicht über 300 Schritt entfernt legen. Ersterer will sie zum Breschelegen , wo möglich am Grabenrand haben, weshalb zwei Aufstellungen nöthig werden. Die Kaliber , deren man sich bediente , waren , wenigstens bei den

christlichen Mächten, wiederum schwächer geworden. Das schwerste Kaliber, was in den niederländischen Kriegen vorkam , war das 48uge. Bei den Türken blieben allerdings noch weit schwerere Geschüße im Gebrauch. Als Angriffspunkt wählt Ufano bei großen Städten mit langen Kurtinen dieſe, troßdem sie beſſer flankirt sind , weil die Bastione gewöhnlich stärker gebaut sind und es leichter ist, in ihnen Abschnitte anzulegen, und der Angreifer leichter mit Minen in die Luft gesprengt werden kann. Bei kleineren Plätzen und Citadellen will er dagegen in den Baſtionen Bresche legen, weil hier den Kurtinen nicht so gut beizukommen ist. Zu einer , rechten General - Batterie " gegen eine Kurtine verlangt er 8 ganze, 6 halbe und 4 Viertel-Karthaunen (40, 20 und 10 ) . Die 8 ganzen Karthaunen kommen dann in einer Kamerade (daffelbe , was jezt unter Batterien verstanden wird) in die Mitte , senkrecht gegen die Kurtine, die 6 halben in 2 Kameraden rechts und links , schräge feuernd , und auch dazu bestimmt, die Geschütze auf den Bollwerken zn bekämpfen, die 4 Viertel-Karthaunen sind auf die Flügel rechts und links gestellt und feuern hauptsächlich gegen die Flanken der Bastione. Die Geschüße sollen erfahrungsmäßig durchschnittlich 8 Schuß pro Stunde thun. Vigenère legt die Batterien ebenfalls den Kurtinen gegenüber , verlangt aber 20 Geschütze , von denen die 12 mittleren senkrecht feuern, und 4 von jeder Seite schräge ,,,was man battre en écorchant nennt , denn die geradeaus erschüttern und bringen ein und die schrägen bringen das Erschütterte herunter." Fast ganz gleichlautend ist auch die Vorschrift, welche Sully 1633 in ſeiner Inſtruction über den Gebrauch der Geschütze gegeben hat. Gegen eine Bastion will Ufano ganz dieselben Geschütze, wie gegen die Kurtine ; doch stellt er die 8 ganzen Karthaunen grade auf der Capitale auf, ſo daß je 4 schräge gegen eine Face feuern, die rechts und links vertheilten 6 halben Karthaunen sollen in die Kasematten oder wohin es noth thut , schießen , und mit schrägen Schüssen herunterwerfen , was die Karthaunen zerschellt haben , die 4 Quarten warten auf beiden Seiten auf ihre Gelegenheit.

184 Ganz entgegengesezt ſpricht ſich über die Wahl des Angriffspunktes Tensini aus. Derselbe richtet seinen Grabenübergang und demnächst Minenangriff stets gegen cine Baſtionsface , weil man hier nur von ei ner Flanke zu leiden hat ; die Kurtinen anzugreifen erklärt er für Unſina, da alsdann die Flankengeschüße so weit zurückgezogen werden können , daß sie die Bresche bestreichen, ohne daß sie von außen beschossen werden kön» nen. Auch Freitag erklärt sich für den Angriff des Bastions , weil der Graben hier schmaler und weniger Raum für Abſchnitte als hinter der Kurtine ist. Die Batterien will er dem Wall gegenüber so anlegen, daß die Schüſſe ſich kreuzen, wodurch die Erde erſchüttert wird, ſo daß eine gute Bresche entsteht. Ueber die Art des Brescheschießens giebt Ufano keine Vorschrift. Vigenère dagegen verlangt , daß lagenweise gefeuert werden soll , da 15 bis 20 Schuß auf einmal mehr Wirkung haben, als 100 bis 120 einzelne. Auch sollen die Batterien so dicht wie möglich über die Erde weg zu feuern anfangen , weil dort die Mauer wegen der Erdfeuchtigkeit weicher ist. Ein Zu-tief-feuern konnte , wie der Kaiser Louis Napoleon hierzu bemerkt, nicht wohl vorkommen, da die Batterien nicht nahe genug lagen, Wenn ein Loch gemacht ist, um die Mauer tief faffen zu können. schreibt Vigenère weiter vor , soll 4 bis 5 Toiſen davon ein zweites ge. schoßen werden, dann auf den Zwischenraum gefeuert, der bald herunterfallen wird, und so fort. In Bezug auf das Verfahren beim Breſcheſchießen hatte man alſo teine Fortschritte, man möchte vielmehr sagen, Rückschritte gemacht, denn teiner der oben genannten Schriftsteller giebt eine so gute Vorschrift über die Art des Brescheschießens, wie Fronsberger und Busca, von welchen Ersterer aber allerdings nur Mauerbefestigungen mit Thürmen nud Rundelen vor Augen hatte , während jene Schriftsteller die bastionirte Befestigung in Betracht zogen, bei welcher, bei der damals gewöhnlichen Entfernung, in welcher die Breschbatterien angelegt wurden, das Bresche schießen allerdings schwieriger war.

Weit beträchtlicher waren dagegen

die Fortschritte im Minenwesen , was sich am deutlichsten daran zeigt, daß während Busca und Colado die Anwendung der Minen noch für unsicher erklärten , dieselbe jezt von kriegserfahrenen Schriftstellern ganz besonders empfohlen werden konnten.

185 Eine sehr gute Uebersicht über den Zustand des Minenwesens zu Anfang des 30jährigen Krieges giebt Tenſini. Früher hatte man die Minen gewöhnlich schon an der Contreescarpe angefangen und war damit unter dem Graben hindurch gegangen, wodurch man scheinbar den Vortheil erreichte, daß der Feind über den Punkt des Angriffs im Ungewiſſen blieb ; hatte ihm dagegen defto , mehr Zeit gewährt , mit Contreminen entgegenzugehen , und sich der Gefahr ausgeſeßt, nicht an den richtigen Ort zu gelangen. Dennoch hatte man dieſes Verfahren wahrscheinlich besonders deshalb beobachtet , weil man weder einen Graben-Niedergang noch Uebergang zu machen verstand, Arbeiten, die man erst in den niederländischen Kriegen auszuführen gelernt hatte. Demzufolge verlangt Tensini , daß die Mine stets am Bollwerk felbft angefangen werde, weil man doch im Stande ist, sich dabei gegen das Feuer zu decken , weil man den Ort sicherer trifft und weniger die Contreminen zu fürchten hat ; auch hat man dann zum Sturm nicht soweit zu laufen und verliert deshalb weniger Leute.

Letztere Aeußerung be

zieht sich offenbar auf den früheren Gebrauch, aus den Logements auf die Contreescarpe ungedeckt zum Sturm gegen die Brefche vorzugehen. Auch ist der Zeitgewinn sehr erheblich. So rechnet Tensini, daß eine am Bollwerk begonnene Mine in 2 bis 3 Tagen fertig wird , während, wenn ſie auf 200 Schritt angefangen wird, Monate zu ihrer Vollendung nöthig find, wodurch der Feind Zeit gewinnt, sich zu verschanzen und entgegen. zuarbeiten. Den Mineur , welcher sich eingraben soll, schüßt er durch ein Mantelet von 4zölligen Bohlen, welches oben mit Blech oder friſchen Ochsenhäuten bedeckt ist.

Gegen das Herunterrollen schwerer Körper, welche

das Mantelet zertrümmern konnten , bringt er darüber einige nach dem Graben geneigte Balken an , welche diese Körper ableiten sollen.

Zu

größerer Sicherheit aber soll die darüberliegende Brustwehr mit Musketen und Geschüßfeuer beschoffen werden. Einer besonderen Betrachtung unterwirft er die Art, wie der Mineur in die verschiedenen Bekleidungen der Wälle einbrechen soll. Faschinen sollen mittelst eines Strickes und Hebebaumes herausgewuchtet werden. Bei einer Holzbekleidung , bei der die Stämme mit ihrer ganzen Länge in den Körper des Walles hineintreten und sich nur die Hirnenden an der Böschung zeigen , will er den ersten Stamm mittelst einer

186 Schraube und einer Erdwinde, welche im gedeckten Wege aufgestellt werden, herauswinden, worauf die folgenden leichter zu beseitigen find. Für das Einbrechen in Ziegelsteine giebt er zwei Methoden.

Die

erſte derselben, nach welcher Graf Moriß vor Jülich verfuhr, beſteht darin, daß die Oberfläche zuerst mit Steinhauen zerbrochen und dann mit Meißeln und Brechstangen weiter gearbeitet wurde , auf welche Art in einer Nacht ein 4′ breites und hohes , 12′ tiefes Loch (so stark, wie die Mauer war) zu Stande gebracht wurde , wovon Tenſini selbst Gelegenheit hatte, sich zu überzeugen , da er in Folge der angeknüpften Unterhandlungen am andern Morgen hinausgeschickt wurde. Nach dem andern Verfahren , welches er selbst erfunden hat , soll mittelst eines Bohrers, der durch ein gezahntes Rad von etwa 3′ Durchmesser und ein Getriebe gedreht wird , während ihn ein Mann mittelst einer Scheibe feft in das Mauerwerk drückt , bis auf etwa 4 bis 5 ′ eingebohrt , alsdann das Loc mittelst eines größeren Bohrers bis auf 1 ′ Weite vergrößert und dann mittelst einer Petarde gesprengt werden. Ganz dasselbe Verfahren soll auch bei Mauern von Quadern befolgt werden, nur daß diese vorher mit Essig besprengt werden , um sie mür ber zu machen. Wenn er das Verfahren hierbei auch für langwieriger, als bei Ziegeln erklärt , so behauptet er doch , daß man raſcher damit vorwärts käme , als wenn man den Einbruch schöſſe oder ihn mit MeiBeln ausarbeitete. Leider giebt Tensiai nicht an , ob er sein Verfahren wirklich einmal praktisch versucht hat, um dadurch die Zweifel zu heben, die nothwendig über die Anwendbarkeit desselben in nur einigermaßen festen Steinen entstehen müssen. Die Minen theilt er in große und kleine.

Die großen enthalten

30 bis 60 Tonnen Pulver und dienen dazu, einen Theil des Bollwerks zu zerstören , sich einen Weg zum Sturme zu bahnen und sogleich zu stürmen. Er meint aber, daß dies wohl bei einem Thurm oder kleinem Bollwerk gelingen kann , in einem großen aber nicht , da hier der Feind Abschnitte haben wird .

Die kleinen Minen , welche er Fornellen nenut , unterscheiden sich von den ersten hauptsächlich durch die Pulvermenge , indem sie nur 6, 8 bis 10 Tonnen enthalten. Sie dienen dazu, einen Einbruch zu machen, um sich mit Spaten und Hacke darauf festzusehen und von hier gegen

187 Abschnitte vorzugehen , und werden , wie er fagt , jezt meist angewandt, weil sie weniger Zeit erfordern , deshalb seltener entdeckt und zerstört werden , man dabei weniger Leute und Arbeit riskirt und man so in derselben Zeit und sicherer das Bollwerk und die Abſchnitte nimmt. Was die Richtung der Gallerie betrifft , so will ſie Ufano in gebrochener oder krummer Linie , Vigenère ebenfalls in gebrochener Linie geführt haben, woraus hervorgeht, daß die Minen erst am Bollwerk anzufangen zu ihrer Zeit noch nicht allgemein gebräuchlich war.

Tensini

kann dagegen seine kurzen Gallerien in gerader Linie bis an die Stelle, wo die Kammer angelegt werden soll , führen .

Die Abmessungen seiner

Minengallerien sind , wie bei Busca , 4 Fuß Höhe bei 3 Fuß Breite. Ufano will sie dagegen am Anfange 7 Fuß hoch und 5 Fuß breit machen, was bei langen Gallerien allerdings Vortheile hat , und sie sich bis zur Kammer allmälig so sehr einengen lassen , daß zuletzt nur eine Tonne Pulver hindurch kann, was auch von Freitag, dessen Minengallerien ungefähr dieselben Maße haben , wie oben angegeben , später empfohlen wurde, um leichter und rascher verdämmen zu können . Die Gallerien sollen nach Tensini , wo es erforderlich ist , mit Nahmen von 2zölligen Bohlen, jedoch ohne Sohle , ausgebaut we.den.

Zur

Beobachtung des feindlichen Mineurs bedient er sich der schon bekannten Mittel , besonders aber des Erdbohrers . Hat er mittelſt deſſelben eine Gegenmine entdeckt , so will er dieselbe petardiren und in der eigenen Mine einen Abschnitt anlegen. Der Ofen soll senkrecht unter der Brustwehr liegen, denn geht man nicht so weit, so wirkt die Mine nach rückwärts ; geht man aber zu weit, so wirkt sie nur innerhalb des Bollwerks , ohne die Brustwehr herunterzuwerfen. Hier angekommen , wird rechtwinklig gewendet , 4 bis 5 Fuß vorgegangen und die Kammer nach Maßgabe der Zahl der Tonnen, welche zu 2 bis 3 übereinandergestellt werden , angelegt. Sie wird innerhalb mit starken Eichenhölzern verkleidet , je stärker , desto besser. Die Leitung besteht , wie bei Busca , in einer Zündschnur in einer hölzernen Rinne ; zur Verdämmung wendet er nicht mehr , wie Collado, Steine und Kalk an , sondern nur Bohlen mit Querhölzern und Erde abwechselnd. Die Verdämmung soll wenigstens 10 Fuß lang sein,,, denn in diesem liegt jede gute Wirkung der Mine."

„ Wenn aber, fährt Ten-

fini fort, die Deffnung nicht gut verstopft ist, so wird , weil das Pulver

188 immer nach der ſchwächſten Seite wirkt, die Mine durch dieſe Oeffnung ausblasen." Hat die Festung einen Corridor , welchen Ausdruck er nicht näher erklärt , der aber augenscheinlich eine Escarpengallerie bedeutet, wie fie zum leichteren Vorgehen mit Contreminen schon empfohlen war , so soll man so hoch als möglich über demselben mit der Petarde einbrechen, wodurch auch die Erde von der Brustwehr herabkommen wird , darauf ſoll man ſich mit der Sappe festseßen und mit einer neuen Minengallerie gegen den Abschnitt vorgehen. Wenn der Feind aber von dem Corridor aus eine Gegenmine sprengt , so wird er uns zwar Schaden thun , aber eben dadurch wird das Bollwerk geöffnet werden, was damals allerdings richtig war, da man noch keine Quetſchminen kannte. Der wichtigste Fortschritt, den man seit Collado im Minenwesen gemacht hatte, lag darin , daß man nicht mehr glaubte , das Pulver wirke nach oben , sondern erkannt hatte , daß die Hauptwirkung desselben sich stets nach der schwächsten Seite wende. Hierdurch konnte man erst mit einiger Wahrscheinlichkeit den Punkt für die Kammer bestimmen . Sehr unsicher erscheint nach Teusini's Regel die Kammer stets senkrecht unter der Brustwehr anzulegen , da hierdurch allein noch keineswegs die Lage der kürzesten Widerstandslinie beſtimmt ist , allein ſie mag vielleicht auf die meisten Befestigungen , welche ihm vorgekommen waren , so ziemlich gepaßt haben.

Auch vermißt man bei ihm noch eine Regel für Bestim-

mung der Größe der Ladung. Dagegen führt Freitag an: ,, insgemein hält man davor, daß 1 tonne pulver eine ruthe erden auffwerfe; " man hatte also doch wenigstens den Versuch einer Schäßung gemacht. (Forts. folgt.)

Inhalt.

VI.

Einiges über die Technik des Erd - Schanzenbaues im Felde. (Hierzu die Skizzen Taf. III )

95

VII. Einige Erläuterungen zu der Schrift : ,, das Shrapnel• • Geschoß in England und Belgien 2c. .

118

VIII. Die Wirkung frei fallender Körper und geworfener Bomben .

138

IX .

X.

XI.

Beschreibung eines dänischen Hohlgeschosses für gezogene • Borderladungs - Geschüße. ( Hierzu Taf. IV ) Ueber die Aufstellung von Kammerladungs - Geschüßen

145

in den Feftungen zum Feuern durch Scharten und über Bank. (Hierzu Tafel V ) .

148

Weitere Erklärung über den Antheil der sechspfündigen Fußbatterie Nr. 9 an der Affaire bei Vauchamps am 14. Februar 1814 c. ·

160

XII. Die Kreis - Evolvente als Zugprofil für gezogene Feuer• waffen

167

XIII. Ueber Granaten mit ellipsoidaler Höhlung

174

XIV . Beiträge zur Geschichte des Breschelegens mit Minen 2c . (Fortseßung)

177

189 XV.

Etwas verkürzte Ueberse ßung des Mémoire des Lieut. der belgischen Artillerie P. Le Boulengé über seinen electro - ballistischen Chronographen. Aus der Revue de technologie militaire ou recueil international de mémoires , expériences etc. sous la direction de E. Terssen * ), major d'artillerie, 3me fascicule du Tome III **). Paris et Liège entnommen und mit einigen Worten begleitet von du Vignau, Generalmajor a. D. (Hierzu Tafel VI.)

Es hat bei einem großen Theile der Artillerie-Offiziere aller Länder der electro-balliſtiſche Pendel von Navez bisher für das bequemßte und befte Inftrument zur feinsten Lösung ballistischer Aufgaben gegolten . Seit vorigem Jahre taucht zu gleichen Zwecken in Belgien ein noch einfacherer electro- balliſtiſcher Chronograph des Artillerie - Lieutenant Le Boulengé auf, von dem behauptet wird , daß er noch bequemer fei, als der Navez'sche, und noch genauere Angaben liefere.

Er wird

auf dem Polygone von Brasschaet , woselbst die Uebungen und Erperimente am 1. Juli c. begonnen haben , von Amts wegen geprüft werden.

Dieser Umstand und der zweite, daß die k. belgische Akademie

eine Commiſſion zur Prüfung des Inftrumentes ernannte, deren Vorfißender Professor Melsens, einen äußerst vortheilhaften Bericht über daffelbe vorlegte, zeugen von der Bedeutung , welche dem Inftrument für die Artillerie-Wissenschaft und Praktik bereits zugeschrieben werden, und rechtfertigen den Wunsch , daß die Abhandlung des Lieutenant

*) Die beiden ersten Theile wurden vom Oberften Delobel redigirt. **) Auch als besonderer Abdruck erschienen bei Noblet und Baudry, Herausgeber. Paris und Lüttich 1864 . 13 Achtundzwanzigster Jahrgang. LVI. Band.

190 Le Boulengé schon jeßt beinahe vollständig in das Archiv für preußiſche Artillerie- und Ingenieur-Offiziere aufgenommen werden möchte.

1. Kapitel . Beschreibung des Chronographen. Dieses Inftrument , dessen Bestimmung es ist , mit großer Genauigkeit eine sehr kurze Zeit , namentlich die des Fluges eines Geschoffes zwischen zwei nahe gelegenen Punkten feiner Bahn zu meffen, enthält vier verschiedene Theile , deren Verbindung ein einziges 3nftrument bildet.

( Man sehe die beiliegende Tafel VI , Fig. 1 u . 2 ) :

1 ) den Chronometer, in Ruhe erhalten durch einen Electro-Magneten ; 2) den Drücker (la détente) , dazu bestimmt , auf den in Bewegung befindlichen Chronometer einen Strich zu machen ; 3) das Gewicht, ebenfalls durch einen Electro-Magneten in Ruhe erhalten und dazu bestimmt , den Drücker in Thätigkeit zu ſeßen ; 4) den Ausschalter ( le disjoncteur ) , welcher die Bestimmung hat, gleichzeitig die beiden electriſchen Ströme zu unterbrechen, welche die Electro-Magneten des Chronometers und des Gewichtes in Thätigkeit sehen. Der Chronometer a ist ein cylindrischer Stab von Stahl ; ſein freier ohne Reibung vor sich gehender Fall dient dazu , die Zeit nach dem Betrage seines Falles zu messen. Auf seiner Oberfläche befinden fich zwei Aufnahme - Hülsen ( Receptor - Hülsen ) b und b' ; es find dünne aus geleimtem Papier gerollte Röhren , welche leicht abgenommen und erseßt werden können .

Eine jede Hülſe hat auf dem Cylinder

einen genau vermerkten Siß , indem ihre unterfte Fläche auf einen Vorsprung ce und c'e' aufstößt. Zur Erleichterung des Chronometers und um die senkrechte Richtung feines Falles zu sichern, hat man eine Höhlung in seiner Länge ange. bracht, welche unten durch einen flählernen, mit Schraubengewinde versehenen Stöpsel d geschloffen ist, der als Ballast dient ; dieser Stöpsel bildet zugleich die Stüße der unteren Hülſe.

191 Der Drücker besteht aus einer großen Feder e , deren heweglicher Arm an seinem unteren Ende eine scharfe Schneide f aus gehärtetem Diese Feder wird durch einen Klauenhebel g festgehalten oder gespannt , deſſen von unten nach oben durch eine kleine Feder h gedrückter Schweif den Stoß des Gewichtes aufnimmt. Alle Theile des Drückers bestehen aus Stahl.

Stahl befißt.

Das Gewicht i von Stahl ift cylindro - coniſch gebildet und hat eine abgerundete Spiße ; es ist hohl und hat an seinem unteren Theile einen mit Schraubengewinde versehenen Stöpfel , der als Ballast dient. Der Ausschalter besteht aus einer einfachen ftählernen Klinge j, welche die Ströme durch Berührung mit einem Metalltheile k schließt, den ich die Schraubenpresse des Ausschalters nennen werde. Wenn man auf den Knopf, der auf dem freien Theil der Klinge fißt, drückt, hört der Contact auf, und die Ströme sind unterbrochen. Um die Art der Wirkung dieses Ausschalters verftändlich zu machen, ift es nöthig, in einige Details der Einrichtung der Ströme einzugehen ; ich werde später darauf zurückkommen ; vorläufig wollen wir annehmen, daß er fie genau zu gleicher Zeit unterbricht. Befestigung. - Die beiden Babinen 1, l' und der Ausschalter fißen an einem Ständer aus hartem und trockenem Holze in den bezüglichen in der Figur bezeichneten Lagen.

Eine eiserne Platte, welche

den Fuß des Ständers bekleidet, trägt den Drücker. Das Inftrument ist mittelft Schrauben auf drei vertikalen Bolzen befestigt , welche Theile eine eiserne Sohle bilden.

Leßtere ift mit

Holzschrauben auf dem Tisch , auf dem man operirt , feftgeschraubt. Zur Bewirkung einer vertikalen Stellung bedient man sich eines Bleigewichtes an einem Faden. Art der Wirkung des Inftrumentes. -- Die Ströme des Chronometers und des Gewichtes gehen ein jeder auf einen Scheibenrahmen , der in der Flugbahn des Geschosses , dessen Geschwindigkeit man meſſen will, aufgestellt ist. Die Entfernung E der beiden Rahmen von einander ist so gewählt, daß das Geschoß etwa 0,1 Secunde Zeit gebraucht, um sie zu durchlaufen. Sind der Chronometer und das Gewicht an ihre Electro- Magneten gehängt , und man drückt auf den Ausschalter , so werden die 13 *

192 Ströme gleichzeitig unterbrochen, die magnetiſche Anziehung der ElectroMagneten hört auf, der Chronometer und das Gewicht folgen der' Einwirkung der Schwere.

Das Inftrument ist so aufgestellt, daß das

Gewicht in seinem Falle den Drücker in dem Augenblicke frei macht, wo die untere Hülse bei dem Meißel ( dem Meffer ) vorbeifällt; dieſer greift daher in die Hülſe ein und macht darin einen reinen und permanenten Strich. Es wird darauf das Instrument wieder in seinen ersten Zustand verseßt, und es sei H die Entfernung der beiden horizontalen Ebenen von einander, welche den Strich und den Meißel enthalten. Dann wird H die Höhe bedeuten, von der der Chronometer von dem Augenblicke seiner Bewegung an bis zu dem Augenblick herabgefallen ißt, wo er von dem Meißel getroffen wurde.

T =

ទ giebt die correspondirende Zeit.

Experiment.

Die Formel

2 H *)

Man wiederhole mehrmals dieſes

Findet man dann jedes Mal dieselbe Fallhöhe d . h . die-

selbe Fallzeit , so folgt daraus , daß , wenn der Strom des Chronometers gleichzeitig mit dem des Gewichtes unterbrochen wird , der Chronometer in ein und derselben und bekannten Zeit T ſich bewegt. Wenn nun , anstatt mittelft des Ausschalters die Ströme gleichzeitig zu unterbrechen, diese Unterbrechung nach und nach durch das die Scheibenrahmen durchschlagende Geschoß erfolgt, wird der Fall des Lineals früher erfolgen , als der des Gewichtes, und der Strich wird auf der oberen Hülse eingerissen werden. Sei H ' dieſe zweite Fallhöhe und T die correspondirende Zeit: dann wird T - T genau die Zeit sein, welche zwischen den beiden aufeinander folgenden Unterbrechungen der Ströme verging , d. h . die Zeit , welche das Geschoß gebraucht hat , um den Raum , welcher die beiden Scheiben von eineinander trennt, zu durchlaufen. E

TT wird die Geschwindigkeit sein, welche das Geschoß in der Mitte dieses Zwischenraumes besaß.

*) & = 9,8108 Meter angenommen .

193 Ich habe in dem Vorhergehenden vorausgefeßt : 1 ) daß der Ausschalter die beiden Ströme gleichzeitig unterbricht ; 2) daß in diesem Falle das Instrument eine conftante Fallhöhe hervorbringt. Ich will nun die Mittel vortragen , welche angewendet sind , um diese beiden Bedingungen zu erfüllen . Princip des Ausschalters . -

Der Ausschalter ftüßt sich auf

die Anbringung zweier Batterien , dergestalt, daß deren Ströme , obgleich vollkommen von einander unabhängig, doch einen gemeinschaftlichen Theil in ihrer Leitung besißen. Es genügt dann , diesen gemeinschaftlichen Theil zu durchbrechen , um den Fortgang des electrischen Fluidums in beiden Leitungen zugleich Laffen *).

aufhören zu

Man denke fich nun zwei Batterien von einer gleichen Anzahl Bunsen'scher Elemente , z . B. von drei Elementen ( Fig . 3 ) . Von jeder dieser beiden Batterien gehe ein Strom abcd , a'b'c'd' aus, und zwar von den Zinkpolen a und a' ; von hier auf die Scheiben be und b'e'; dann zu den Babinen d und d' des Chronographen , und nach den Kohlenpolen e und e' zurück. Verbinden wir metalliſch die beiden gleichnamigen Pole e und e', ändern wir nichts in dem Gange der Ströme. Besteht diese Verso bindung , so können wir , anstatt den Ausgangsdraht der Babine d' direct nach seinem Pole e' gelangen zu lassen, ihn in die erste Leitung in f führen; es wird dann der Theil d'e' durch d'fee' erseßt. Durch diese Anordnung erhalten wir zwei vollkommen iſolirte und von einander unabhängige Ströme für die Theile der Leitungen abedf und a'b'c'd'f, welche die Scheiben und die Babinen in sich schließen, während der Reft der Leitungen in einem gemeinschaftlichen Draht fe vereinigt ist. Außerdem bestehen zwei Nebenleitungen agd he und a'g'd'h'e', benen das Fluidum durch dieselben Batterien geliefert wird und deren Zweck weiterhin erklärbar werden wird . Es ist also nur nöthig , den gemeinschaftlichen Draht fe zu zerreißen, um die Wirkung der beiden Hauptströme aufhören zu machen .

*) In Bezug auf diese Aeußerung lese man die Bemerkung des Autors am Schluß des Mémoire. Anmerk. d. Ref.

194 Es bleiben dann nur die beiden Nebenleitungen und eine Drahtentfaltung abedfd'e'b'a' übrig , welche die negativen Pole zweier Batterien verbindet, deren pofitive Pole ebenfalls verbunden find. In diesem Zustande kann nur in den beiden Nebenleitungen eine Strömung stattfinden . Der Ausschalter dient nur dazu , den gemeinſchaftlichen Theil der Hauptströme zu unterbrechen. Zu diesem Behuf lehnt sich die gemeinschaftliche Leitung an die Klinge und geht von der Schraubenpreffe weiter, um nach dem Pole e zurückzukehren. Der Contact der Klinge mit der Schraubenpresse läßt das Fluidum hindurchftrömen .

Regulirung der Ströme.

Der Einfluß des in den Electro-

Magneten nach Unterbrechung der Leitung zurückbleibenden Magnetismus macht ihre Anwendung sehr schwierig und delicat in einem Inftrumente, wo sehr kleine Zeitunterſchiede genau angegeben werden follen. Erwägt man andererseits , daß man bis jeßt keine Batterie kennt , deren Wirkung selbst nur während einer sehr kurzen Zeit conftant ist , so sieht man ein , daß , um genaue Reſultate zu erhalten, die Wirkung der Ströme auf die Electro- Magneten geregelt werden mus. Zu diesem Behuf ist ein zweiter dünnerer Draht auf jede Babine aufgewickelt, der das Fluidum mit dem stärkeren Drahte theilt; das find die Nebenleitungen , von denen weiter oben gesprochen wurde. In diesen Leitungen ist die Richtung der Ströme umgekehrt , so daß, wenn einerseits die Umwicklungen des Hauptdrahtes dem ElectroMagneten einen unteren positiven Pol geben , andererseits die NebenUmwickelungen ihm einen negativen Pol zu geben ſuchen. Wenn man die Hauptleitung allein unterbricht , wirft sich die ganze Kraft der Batterie auf die umgekehrte Leitung , um gewaltsam die Pole des Magneten umzukehren . Auf diese Weise tritt eine Art von Gleichge . wicht in der Wirkung der Batterie ein. Wird ihre Spannung stärker, so wird die directe Leitung in dem Electro- Magneten einen heftigeren Magnetismus entwickeln , welcher fähig ist , seinen Contact nach der Unterbrechung des Stromes länger zu unterhalten ; aber die Kraft des umgekehrten Stromes wird in demselben Verhältniß zunehmen, um diesen Magnetismus zu zerstören.

195 Um die Anordnung der Leitungen zu vereinfachen, ohne den Lauf der Ströme zu beeinträchtigen , gehen die umgekehrten Leitungen wie die directen von dem Zinkpole einer jeden Batterie aus und find, wie diese, bei dem Austritt aus den Babinen in einem gemeinschaftlichen Draht vereinigt.

Es geht aber dieser gemeinschaftliche Draht nicht

nach der Klinge, sondern nach der Schraubenpresse des Ausschalters, von wo die verbundenen Ströme ihren Lauf durch den gemeinschaft= lichen Draht fe vollenden .

Durch diese Anordnung wird der Aus-

schalter verhindert, die umgekehrten Leitungen zu unterbrechen. Es ist oben gesagt worden , daß der Chronometer und das Gewicht aus Stahl bestehen; hieraus folgt, daß fie im Berührungspunkte mit den Electro · Magneten einen permanenten magnetischen Pol darbieten , gleichnamig mit dem, welchen der umgekehrte Strom dem Electro- Magneten zu geben sucht. So wie daher die Wirkung dieses leßteren Stromes vorwaltend wird, müſſen die Contacte fallen. Der Ersaß des Eisens durch Stahl ist daher von der höchsten Wichtigkeit für den regelmäßigen Gang des Inſtrumentes. Ablesen der Striche. Das genaue Ablesen der Fallhöhe, welche einem Striche entspricht, macht keine Schwierigkeit. Die Entfernung der beiden Vorstände des zum Dienst eingestellten Chronometers von der Schärfe des Meißels des Drückers ist ein für alle Male ganz genau gemessen ; man braucht daher nur die Entfernung des Striches bis zum unteren Rand der Hülſe hinzuzurechnen , und diese wird mit einem Zirkel mit Nonius , der Zehntheile eines Millimeters angiebt , ge= messen. Der Strich , oder besser der Einschnitt ( Fig. 4 ) , welcher von der Aufnahme-Hülse durch den Meißel des Drückers gemacht wird , bildet auf seiner unteren Fläche eine Ebene ab , die mit der Are der Hülse parallel läuft.

Ihr Abstand von der Ebene ed kann daher mit aller

wünschenswerthen Genauigkeit gemessen werden , sei es mit dem Zirkel mit Nonius, oder mit irgend einem anderen leicht zu erdenkenden Inftrumente.

196

II. Kapitel. Theoretische und praktische Prüfung der verschiedenen in dem Chronographen getroffenen Einrichtungen . Behandlung des Inftrumentes. - Vom Chronometer . Die Kenntniß der Zeit ermittelt sich aus dem ohne Reibung Kattfindenden Fall eines ftählernen Stabes .

Abgesehen von der Art und

Weise, wie dieser Chronometer in Thätigkeit gelangt , giebt er vor allen anderen folgende Vorzüge zu erkennen : 1. Er ist der einfachßte. 2. Von dem Augenblicke an , wo er sich in Bewegung seßt , bis zu dem Empfange des Striches kann , außer dem Luftwiderstande keine Veranlassung zu einem Frrthum eintreten, da ſein Fall von jeder Verbindung und von jedem Mechanismus frei ist, die ihn ftören könnten. Da er im Verhältniß zu seinem Gewicht der Luft nur eine geringe Oberfläche darbietet, ist der Widerstand dieser Flüssigkeit ohne wahrnehmbaren Einfluß, und dies um so mehr, als der Fall niemals eine bedeutende Geschwindigkeit annimmt. 3.

Die mit der Fallhöhe correspondirende Zeit wird mittelft einer

einfachen und unendlich leicht in Rechnung zu ziehenden Formel ge= funden , so daß eine besondere Tabelle zur Erleichterung der Rechnung kaum erforderlich ist. Die Anwendung dieser Formel erfordert keine vorgängige Operation mit dem Secunden - Chronometer. Das ist ein großer Vortheil, denn diese Art von Beobachtungen ist sehr delicat und kann einen ziemlich bedeutenden constanten Frrthum herbeiführen . 4. Wenn man bei Temperaturen operirt , die von der mittleren bedeutend abweichen , kann man dem Einfluß der Ausdehnung leicht Rechnung tragen ; in den gewöhnlichsten Fällen ist der Einfluß der Temperatur jedoch ohne merkbare Wirkung.

5. Endlich können gewiffe Veranlassungen zu Zrrthümern so klein, als man will , gemacht werden . Es sind die, welche nicht die Zeit, sondern nur die Länge berühren , wie z . B. die Irrthümer beim Ablesen. Da nämlich ein Irrthum im Ableſen 0,1 Millimeter nicht überAteigen kann, und die Geschwindigkeit wie das Quadrat der Zeit wächft, so genügt es , dem Inftrumente folche Abmessungen zu geben , daß

197 dieses Zehntel Millimeter eine außer Acht zu laſſende Zeit repräsentirt. In dem leßten Instrumente, mit dem ich experimentirt habe und das wenig von dem auf dem Plane verzeichneten abweicht , beträgt die Höhe der Ausschaltung ungefähr 0,50 Meter ; bei dieser Höhe entspricht ein Zehntel Millimeter einer Zeit von 0,0000319 Secunden. Die durch den Schuß erzeugte Höhe beträgt ungefähr 0,88 Meter.

Ein

Zehntel Millimeter entspricht dann einer Zeit von 0,0000241 Secunden. Ein solcher Irrthum bewirkt bei einer Geschwindigkeit des Geschosses von 370 Meter nur eine Beeinträchtigung derselben von 0,118 Meter im ersten Fall und von 0,089 Meter im zweiten Fall . Die Zeit kann also durch eine so große Länge, als man es wünſcht, repräsentirt werden ; der Grad der Näherung ist nur durch die Ueblichkeit der Abmessungen begrenzt , welche man einem Znftrumente dieser Art zu geben hat. Ueber die Art des Registrirens * ) und des Ablefens. Der Modus der Einregiſtrirung gestattet das unmittelbare Ableſen vom Chronometer nicht. Es scheint , als wäre dies ein Hinderniß gegen die Schnelligkeit der Operationen ; dies Hinderniß ist aber mehr ein scheinbares als ein wirkliches . Da die Striche auf den Hülsen permanent find , so ist es unnöthig , ihre Höhe während der Experimente zu meſſen .

Drängt die Zeit, ſo genügt es, die Striche zu nu-

meriren ; man kann dann später ihre Höhe mit aller wünschenswerthen Genauigkeit messen. Ich habe diese Aufbewahrung der graphischen , vom Inftrument gelieferten Anzeichnungen sehr vortheilhaft gefunden ;

schon

ihre

alleinige Ansicht giebt eine ziemlich richtige Idee von dem Grade der Regelmäßigkeit der Geschwindigkeiten, und man erhält Gelegenheit, die Ergebnisse des Calculs, wenn man es will , zu berichtigen. Die Feder des Abzugs ist keine Veranlassung zu einem Zrrthum, wenn die Zeit ihrer Ausdehnung , welche in der des Ausschaltens be. griffen ist, nicht von einem Versuch zum andern sich ändert.

Man

kann keine Gründe zu zufälligen Veränderungen in dieser Zeit voraus. *) D. h. des Bestimmens , Erkennens , Messens und Niederschreibens der an dem Chronometer sichtbar gewordenen Längen.

198 ſehen ; aber geſeßt auch, daß fie fattfänden, so beweiset doch die Regelmäßigkeit der Ausschaltungen genugſam , daß fie klein genug sind, um auf die Ergebnisse keinen merkbaren Einfluß auszuüben .

Vom Ausschalter. Da die Art und Weise, die beiden Ströme gleichzeitig zu unterbrechen, nicht auf einem Mechanismus, sondern auf einer Combination der Leitungen beruhet , so gewährt dieser Ausschalter folgende Vortheile : 1.

Seine Wirksamkeit ist sicher , ohne daß es nöthig wird ,

ihn

vorher auf irgend eine Weise zu regeln , denn , indem der gemeinschaftliche Theil der Leitungen unterbrochen wird, tritt nothwendig eine Gleichzeitigkeit der Unterbrechung der beiden Ströme ein. 2.

Er ist einfach in seiner Disposition und in seinem Gebrauch,

und unterliegt keiner zufälligen Störung. 3. Hierbei ist zu bemerken, daß, wenn in einer Leitung sich eine durch Contact geschlossene Unterbrechung befindet, diese in der Regel Veranlassung zu Veränderungen in der Intensität des Stromes giebt, je nach dem größeren oder kleineren Widerstande, welchen dieser Contact dem Durchgange der Flüssigkeit darbietet. Der Ausschalter des Chronographen befindet sich in dieſem Falle; da aber sein Contact die beiden Ströme gleichzeitig durchläßt, so verstärken oder vermindern fie fich zu gleicher Zeit ; sie behalten dieselbe relative Stärke , eine ausreichende Bedingung, daß die Reſultate nicht davon beeinflußt werden. Aufstellung und Handhabung des Inftrumentes. Nachdem die Scheibenrahmen und die Leitungen, welche ihre Verbindung mit dem Instrumente zu bewirken bestimmt find , eingerichtet find, seßt man einen der von dem ersten Rahmen kommenden Drähte mit dem Zinkpole einer der beiden Batterien, welche mit ihren Kohlenpolen vereinigt find , in Relation. Der zweite Draht ist durch eine Schraubenpresse mit der Babine des Chronometers verbunden. Dies felbe Operation nimmt man mit den Drähten des zweiten ScheibenRahmens, mit der zweiten Batterie und mit der Babine des Gewichtes vor.

Darauf bringt man einen Leitungsdraht von der Schrauben-

199 preffe des Ausschalters nach einem der Kohlenpole an, und find damit die directen Leitungen fertig. Um die umgekehrten Leitungen zu bilden , genügt es , dieselben Zinkpole resp. mit den Schraubenpressen der umgekehrten Umwickelungen zu verbinden ; diese Leitungen erhalten durch den gemeinschaft= lichen Draht ihre Vollendung. Im Ganzen find alſo fünf Drähte mit dem Apparate verbunden, und ist es sehr leicht , solche zu führen . Ich muß hierbei bemerken, daß die Ströme immer in demselben ihnen angewiesenen Sinne gehen müffen , um die permanenten Pole des Chronometers und des Gewichtes nicht umzukehren .

Aus diesem Grunde habe ich als Typus

die eben beschriebene Disposition angenommen.

Sobald die Leitungen

eingerichtet sind, ist es gut, bevor man operirt, sich von der Richtung der Ströme und von ihrer Stärke zu überzeugen. Die Richtung er. kennt man leicht mittelft einer kleinen Boussole , welche man wiederholentlich in die Nähe der Electro = Magneten bringt.

Zft der Aus-

schalter geschlossen, so wird ein und derselbe Pol angezogen, während, wenn man den Ausschalter öffnet, der andere Pol durch beide ElectroMagneten angezogen werden muß. Was die Intensität der Ströme betrifft , so muß sie heftig sein und den Chronometer sowie das Gewicht recht fest halten. Die Stärke der umgekehrten Ströme muß hinreichen , um , wenn ſie allein thätig find , einen kleinen eisernen Probecylinder festzuhalten . Sind diese Ströme zu stark und neutralisiren sie zu sehr die Wirkung der directen Ströme, so genügt es, in ihrem gemeinschaftlichen Theile eine WiderAandsbabine oder einen dünnen Kupfer- oder Platindraht von einer gewissen Länge anzubringen . Es ist keineswegs nöthig , daß dieser Widerstand der umgekehrten Ströme genau abgemessen ist. Bei einem Apparat, der ftets in ana= logen Verhältnissen arbeitet, d. h. mit einer Entfaltung von Leitungen von wenig verschiedener Ausdehnung , kann dieser Widerstand ein für alle Male auf dem Instrumente selbst unverändert festgestellt werden. Ich habe gesagt , daß man starker Ströme bedürfe.

Die Praktik

hat mir bewiesen, daß diese Bedingung, weit entfernt, der Regelmäßigkeit zu schaden, solche im Gegentheil befördert.

Diese große Intensität

der Ströme erleichtert sehr die Handhabung des Apparates , denn fie

200 gewährt den Vortheil, jede Schwierigkeit , jedes Probiren in der Art und Weise , die Contacte an ihre Electro - Magnete aufzuhängen , zu vermeiden.

In den gewöhnlichen Umständen des Schießens genügt

es, zwei Bunsensche Batterien von 3 bis 4 Elementen anzuwenden. 3ft der Apparat in Ordnung gebracht, so kann man anfangen zu operiren. Man thut dies in folgender Art : Nachdem der Erperimentirende die beiden Aufnahme-Hülsen auf den Chronometer gesteckt und fich überzeugt hat, daß sie auf den Vorsprüngen fest auffißen , spannt er die Feder des Drückers , hängt den Chronometer und das Gewicht an ihre Electro Magnete und verhindert , wenn es Noth thut , deren Schwingungen . Hierauf bewirkt er eine Ausschaltung , indem er mit dem Finger auf den Knopf des Ausschalters drückt ; der Chronometer und das Gewicht fallen ab , der Meißel trifft die untere Hülſe und drückt darin einen Strich ein .

Der Experimentirende macht ein Zeichen mit Blei-

ftift über dem Strich , um ihn von den folgenden Strichen zu unterscheiden; er schaltet noch ein Mal oder zwei Male aus, wobei er jedes Mal die Hülfe ein wenig dreht, damit die folgenden Striche fich neben einander seßen und nicht in einander fallen. Bei dem Anblick der drei ersten Striche kann der Experimentirende sich versichern , ob die Ausschaltungshöhe sich nicht ändert, oder ob fie in den Grenzen einiger Zehntheile Millimeter verbleibt. Hierauf ftellt er den Apparat zum Schießen fertig auf, wie dies behufs des Ausschaltens geschah , und überzeugt sich vom richtigen Siß der oberen Hülse . 3ft der Schuß abgegeben, so lieft der Experimentirende die Striche ab, verzeichnet ihre Höhe und legt die beiden Hülsen zur Reſerve mit der Aufschrift Nr. 1.

Auf gleiche Weise wird das Schießen fortgeseßt,

wobei zu bemerken ist , daß bei den folgenden Schüſſen die einmalige Ausschaltung genügt, wenn sie von der des vorangegangenen Schuſſes nicht bedeutend abweicht. Immer bleibt es nöthig , wenigstens eine solche vorzunehmen , weil die Ausbesserung der Scheibenrahmen in dem Widerstande der Leitungen Verschiedenheiten erzeugen und die Ausschaltung verändern kann . Die zahlreichen Versuche , welche ich mit diesem Apparate angeftellt habe , beweisen , daß , wenn man die Leitungen nicht verändert, die Ausschaltungen stets mit einer außerordentlichen Regelmäßigkeit

201 erfolgen. Ich habe bisweilen Serien von 50 aufeinander gefolgten Ausschaltungen erhalten , bei denen die Abweichung der größten von der kleinsten nicht einen Millimeter überſtieg, d . h . 0,00032 Secunden. Im Allgemeinen kann man annehmen, daß, wenn man die leßte Ausschaltung als Maß der Zeit gelten läßt , man in dieser Zeit keinen größeren Zrrthum begehen kann , als 0,00016 Secunden.

Schwanken

die Höhen der Ausschaltung ein wenig , und nimmt man als Werth der Ausschaltung die mittlere aus den drei leßten an , so wird man felbft unter den ungünstigsten Umständen nicht ausgeseßt sein , einen größeren Frrthum zu begehen , als den von 0,00032 Secunden. Bei der Annahme , daß das Geſchoß eine Geschwindigkeit von 350 Meter besißt, und daß die Rahmen 35 Meter von einander abstehen , wird der Irrthum in der Zeit im ersteren Falle einen Irrthum von 0,56 Meter und im zweiten Falle einen Frrthum von 1,12 Meter in der Geschwindigkeit erzeugen. Die regelrechte Wirkung des Chronographen erfordert keine andere Vorsichtsmasregel als die besprochene.

Seine Behandlung verlangt weder Geschicklichkeit, noch eine besondere Geeignetheit dazu. Zeder Erperimentirende kann ohne vorherige Lehrzeit mit demselben arbeiten. Diese Leichtigkeit der Behandlung in Verbindung mit der Gleichförmigkeit der Ausschaltungen würden geftatten, mittelft desselben die Aufgabe der Auffindung der Geschwindigkeiten eines Geſchoſſes in verschiedenen Punkten seiner Bahn zu lösen , wenn man sich mehrerer Apparate bediente , deren jeder seinen Experimentator hätte. Es beAteht keine Schwierigkeit, ſie sämmtlich zugleich in das für den Schuß nöthige Verhältniß zu bringen. Das Instrument koftet sehr wenig ; ich kann seinen Preis im Augenhlick nicht genau angeben , er hängt von dem Grade der Vollendung ab, den man seinem Bau geben will. Das, womit ich experimentirte, kostet kaum 50 Franken.

III. Kapitel. Schießversuche mit dem Chronographen . Während meiner Anwesenheit auf dem Polygon war es mir ge. Atattet, einige Schießübungen, namentlich die zur Bestimmung der Ge-

202 schwindigkeiten mit dem Pendel * ), zu benußen , um mit meinem Apparate zu experimentiren. Dabei muß ich bemerken , daß ich mir die Bedingung auferlegen mußte , das Schießen in keiner Art zu stören. Da hiernach der Apparat im Augenblick des Feuergebens ftets zum Gebrauch fertig sein mußte, befand er fich in noch ungünftigeren Berhältnissen als die, von denen ich behufs Auffindung der auf einander folgenden Geschwindigkeiten eines Gefchoffses gesprochen habe. Die in den Tabellen Nr. 1 , 2 und 3 enthaltenen Ergebniſſe wurden mit einem Apparate gefunden , deſſen Chronometer ein hölzernes , in Millimeter eingetheiltes, oben mit einem eisernen Schuh beschlagenes Lineal war. Auch das Gewicht bestand aus Schmiedeeisen. Die umgekehrten Leitungen waren noch nicht angebracht ; man regelte die Wirkung der Ströme , indem mau wie beim Pendel die Kraft der Electro- Magnete minderte. Man wird bemerken ,

daß in

diesen Tabellen die Fallhöhe,

welche der gleichzeitigen Ausschaltung entspricht , größer ift , als die beim Schießen erhaltene.

Diese Eigenthümlichkeit kommt daher , daß

in diesem ersten Apparate die Babinen in gleicher Höhe ftanden und die Ausschaltung daher auf dem oberen Theile des Lineals vermerkt wurde.

Bei den Schießversuchen seßte man die Leitung des Gewichtes

mit dem ersten Rahmen in Verbindung und den des Chronometers mit dem zweiten.

Um die Zeit des Fluges des Geſchofſes zwiſchen

beiden Rahmen zu erhalten, zog man von der Zeit der Ausschaltung die Zeit, welche dem Schießen entſprach, ab. Bei den Versuchen mit dem Stiftgewehre ( Tabelle Nr. 3 ) habe ich zum Ueberziehen der Rahmen schmale Streifen aus dünnen Zinnplatten geschnitten . Auf diese Weise erleidet die Kugel sehr wenig Widerstand und weicht nicht ab , wie dies ſtattfindet , ſelbft wenn man sehr feinen Kupferdraht anwendet. 3h verdanke den größten Theil der in den Tabellen verzeichneten Resultate der Gefälligkeit verschiedener Offiziere der Waffe , welche den Chronographen für diese verschiedenen Versuche bedienten. Die Geschwindigkeit eines Geschoffes findet sich sehr leicht aus den Angaben des Apparates .

Eine Tafel der Zeiten, entſprechend den

*) Hier ist wahrscheinlich der Pendel am Navez'schen electro-magnetischen Apparate gemeint.

203 von Millimeter zu Millimeter wachsenden Fallhöhen ward angelegt, um die Berechnungen zu erleichtern . Sie reicht von 0 bis 1000 Millimeter und giebt die Beträge der Zeit mit sechs Decimalstellen ; die Unterschiede zwischen zwei unmittelbar auf einander folgenden Zeiten find ebenfalls darin vermerkt. Das Inftrument liefert die Fallhöhe in Millimeter und Zehntel Millimeter; die den Einheiten entsprechende Zeit befindet sich in der Tafel neben dieser Zahl ; man braucht nur die dem Decimalbruche entsprechende Zeit hinzuzufügen , welche man erhält , indem man die Differenz in der Tafel mit diesem Bruche multiplicirt. Sobald man die dem Schießen entsprechende Zeit berechnet hat, zieht man die des Ausschaltens ab ; die Differenz giebt die Zeit, welche das Geschoß in seinem Fluge zwischen beiden Rahmen zubringt ; dividirt man den Abstand der Rahmen von einander durch diese Zeit, so erhält man die mittlere Geschwindigkeit des Geschosses während seines erwähnten Fluges. Wir wollen als Beispiel den ersten Schuß der Tabellen Nr. 5 wählen : Der Abstand der beiden Rahmen von einander betrug 28 Meter. Der Chronograph giebt : Fallhöhe entsprechend dem Schießen 834,7 Millimeter. = der Ausschalt. 501,7 Man findet in der Tabelle für 834 Millimeter 0 ",412330 ZeitDifferenz 0,000247, welche mit 0,7 multiplicirt giebt

0',000173 Zeit

Ganze Zeit 0",412503. • 0",319814 Man findet ebenso für 501,7 Millim..

Differenz 0,092689. Geschwindigkeit

28m ,000 0,092689

= 301,00 Meter.

204

Tabellen der Ergebnisse , welche mit dem electro = ballistischen Chronographen bei verschiedenen Schießversuchen auf dem Polygon zu Brasschaet erhalten wurden. Tabelle Nr. I. Geschwindigkeiten für das 24 der gezogene Geschütz Nr. 15,

Mittlere .Abweichung

Mittler Geschwin edigkeit .

Geschwindigkeit zwischen Mitte der in beiden Rahmen .

bei dem Regulirungsschießen mit demselben erhalten am 20 sten Juli 1863.

Größte Abweich ung .

Fallhöhe erzeugt durch die Ausschaltung

Be

gleichzei tige das durch . Geschoß

Schußzwe ite .

in Höhe Scheibe .der

Gattung . Pulvers des

Nummesr Schuffe .des

Gewicht des Geschosses 29,570 Kilogramm ; Ladung 2k,260.

m

m.m.m.m.

merkungen.

m

1

2,615

450,0 175,1 299,44

2

1,90

449,8 173,1,296,79

3

2,18

449,3 174,1 298,64

4

2,10

450,0 175,0 299,29

2,22

449,8 173,8 297,78

Barometer

Thermometer 22° C.

m Entfernung d. ersten Rahmen 299,15 1,46 5,24 von der Mündung 449,5 172,7 296,11 10,m12. 449,5 176,5 301,35 Abstand der 449,3 175,3 300,32 Rahmen von einander 450,0 176,1 300,86 34,-12. 449,3 175,7 300,91 m

6

1,72

7

2,37

8

2,34

9

2,58

10

2,40

E

5

.von 1857 Pulver

760mm.

205 Tabelle Nr. 2.

. Geschwindigkeit Mittlere

Geschwindigkeiten bei dem gezogenen

. Abweichung Größte

.Abweichung Mittlere

Geswwindigkeit n beide zwisc Mitte der in hen n .-Rahme ben Schei

Fallhöhe, erzeugt durch die Ausschaltung

Be-

gleichzei tige das durch Geschoß

. Schußweite

.in Scheibe der Höhe

. Pulvers des Gattung

.der Schüsse Nummer

248.der Nr. 30, gefunden bei dessen Regulirungsschießen am 25. Juli 1863. Gewicht des Geschosses 29,370 Kilogr. - Ladung 2,260 Kilogr.

m.m. m.m.

m

1,69

2

1,80

3

1,78

m

447,6 175,6 301,23 . beobachtet nicht Ward

1

merkungen.

447,0 177,7304,83 448,6 176,0300,91 448,6 177,8 303,51

5

1,80

447,0 176,9 303,66

6

1,60

448,0 174,8 299,73

7

1,68

448,7 175,7 300,44

8

1,73

448,7 176,4 301,39

6

1,84

448,7 176,7 301,83

10

2,10

448,3 179,3 305,79

m

m E

.von 1857 Pulver

42,00

Entfernung des ersten Nahmen bis zur Mündung 10m

302,35 1,70 6,24 Abstand der Rahmen von einander 34m

Achtundzwanzigster Jahrgang.

LVI. Banb.

14

206

Mittlere Geschwin digkeit .

Tabelle Nr. 3.

Größte Abweichung ..

Mittlere Abweichung .

Geschwindigkeit zwischen Mitte der in beiden Rahm en .

Fallhöhe, erzeugt durch die Ausschaltung

Be

gleichzei tige das durch Geschoß

Schußweite .

der Scheibe in .Höhe

Gattung Pulvers .des

Numme r Schusses .des

Geschwindigkeiten bei der Stiftbüchse, gefunden am 19. Juli 1863.

m.m. m.m.

merkungen.

m

1

448,5 202,0 301,87

2

448,0 205,3 307,29

3

448,0 204,2 305,57

4

147,9 203,8 305,57

5 co

6

446,5 198,1 297,79 447,0 202,3 303,67

7

447,0 201,7 302,74

8

447,2 203,0 304,55

Entfernung d. ersten Rahmen bis zur Mündung m m m 303,60 2,10 9,50

0,00

Abstand der Rahmen von einander 30 m

207

Tabelle Nr. 4.

Mitte D. in Geschwindigkeit |der ScheibenAbstands des . einander von rahmen

Electro-ballistisches Schießen mit einer ställernen 48.der-Kanone, mit verschiedenen von H. Melsens, permanentem Examinator

" m

m

Größte Abweichung .

Mittlere Abweichung .

Be=

die durch .gleichzeit das Durch Geschoß

Fallhöhe, gegeben durch die Ausschaltung

Geschwindigkeit .Mittlere

Schußweite .

Scheibe . Höhe der in

. Pulver Gattung

Schüsse Nummer .der

an der Militairſchule, geprüften Pulversorten am 2., 3., 5., 7. September und am 26. October 1863. Gewicht des Geschosses 4,277 Kilogr. - Ladung 0,530 Kilogr.

merkungen.

m.m. m.m.

Entfernung des 1. Rahmen von der Mündung 10 m

E

1

860 u 1859 P).1 ( olygon

2,75 687 198,9 453,4 369,8

2

4

m 1,80 664 197,6 453,4 367,8

9 .Nr

3

2,45 680 197,7 454,2 367,0

m

m

367,9 0,92 3,2

2,20 679 197,7 454,6 366,6 1,75 663 Feuer aus Irrthum

6

2,25 680 196,9451,9 368,3

7

2,85 689 197,7 455,7 365,2 Polygon .1 u 1859 )( 860

5

8

bis zum 46 sten Schuß incl. Wetter stürm.

Nicht normaler Schuß

2,45 680 195,4 466,6 349,2 2,40 680 196,8450,8 369,5

.Nr 8

9

Abstand der Nahmen von einander 38m

m

m

m

366,6 1,87 4,3

102,85 696 195,4 452,2 365,3 11

2,30 680 195,4 -

12

2,35 657 195,3 -

Der Strich ward nichtverzeichn.,ba das Instr. in Unordnung war. 14 *

Mittlere Geschwindigkeit .

Fortsetzung der Tabelle 4.

Größt e Abwei chung .

Mittl ere Abwei chung .

des Abstand s der Scheibe n| Rahmen von einander .

Schußweite .

Höhe in Scheibe .der

Be-

13 14

15

m

m

m.m m m

merkungen.

m

2,35 680 198,5 452,9 370,0

Nr 0 .1

2,65 683 | 197,2453,5 366,9

368,2 1,40 4,7

17

1,75 662 196,1 450,7 363,3

Französisches Mischung )(

2,20 680 197,7 452,7 368,8

19

1,50 652 195,7 452,6 365,3 1,80 663 197,8 460,0 360,5

-

| 1,85 | 664 197,6|

---

21

1,05 634 197,8

-

22

2,15 671 196,4 452,6 366,6

2 2 2

23

.7 Nr

24

P)u 1859 1 .( olygon 860

20

25

m

1,80 663 197,2 451,2 369,9

16

18

m

E

PHölländisch 1859 )( olygon

gleich D. zeitige durch das Geschoß

Gattung Pulver .

Fallhöhe, gegeben durch die Ausschaltung

amy aaqui Biquiailp na la ©

Numme r der Schüsse .

208

360,5

-

2,35 678 197,0452,0 368,4 1,70 658 196,4 454,0 364,9

366,8 1,35 3,5 2,30 679 197,1 452.2 368,3

26

2,00 667 196,8 454,7 364,9

27

|| 2,35 680 197,0452,5| 367,8

Der Strich ward nicht gemacht, da das Instr. nichtin Ordnung war.

Fortsetzung der Tabelle 4. Größte .Abweichung

Mittlere Abweich ung .

Mittl ere gkeit Gesch windi .

Geschwindigkeit in || Mitte der Abstands des Rahmen ]der einander .von

Schuß weite .

Höhe in Scheibe .der

Be

28

29

m

m

m.m. m.m. 3

m

merkungen.

m

E

28 22

.14. Nr Pulver gefertigt ohne (P860 .1Wasser u )1859 olygon

D. gleich zeitige durch das Geichok

Gattung .Pulver

Numme r Schüsse .der

Fallhöhe gegeben durch die Ausschaltung

209

2,30 679 197,0457,4 362,0 2,25 679 196,9 459,2 359,8

30

2,15 679 196,5 455,9 362,9

31

2,10 673 196,8 456,6 362,6

32

2,05 667 196,4 457,0 361,4

33

1,70 663 196,5 458,5 359,9

361,4 1,07 3,1

25 88

34

36

.4.olygon Nr (P 1859

35

40

1).u860 Minenmengung .5. Nr

39

2,40 683 197,2 451,4 369,4 2,35 683 196,7 450,5 369,6

37 38

1,90 667 196,8 451,4 368,7

| 2,45 683 197,6 |452,0| 369,5 2,15 682 197,6 451,0 370,6

2,30 679 197,4 453,4 367,3

41

43

415

44

2,30 680 197,6 456,3 364,7

1859 P)(olygon

42

2,10 681 197,1 450,4 370,5

D. Wetter war trocken, der 369,7 0,40 1,9 Wind ziemlich start.

2,35 679 197,1 453,8 366,2 2,30 681 196,5 455,1 363,8 2,40 683 196,5 456,4 362,3 12,20 | 681 | 197,2454,9| 365,3

364,9 1,33

5,0

Größte Abweich ung .

Mittlere Abweichung .

Mittlere Geschwindigkeit .

Geschwindigkeit Mitt der in Scheibender Abstands des Rahmen einander von .

Fallhöhe, gegeben durch die Ausschal tung

Fortsetzung der Tabelle 4.

Bes

47

1,90 663 197.2 427,0 356,7

48

1,85 664 197,6 428,6 353,9

49

1.55 655 197,6 427,8 356,5

50

2,65 659 197,4 428,7 353,4

51

1,50 652 197,9 426,9 358,2

B

E

m m m.m m.m 2,12 672 197,2 -

merfungen.

E

46

1Langjames . 26. Putocr ,Nr .H. Melsens von verfertigt

d.gleichzeitige durch das Geichoß .

chußzweite .

Scheibe in Höhe der

Gattung . Pulver

Nummer Schüffe .der

210

Abstand der Rahmen von einander

355,9 1,72 4,8

2 3 785

1,70 661 197,1 433,7 348,1

53

0,60 620 197,4 436,5 345,2

54 55

Nr .3 0 6 B)1859 ( olygon

52

56

60

346,0 1,02 4,2

1,10 634 196,8 436,7 343,9

1,25 636 197,6 436.0 346,2

1857

59

1,45 643 197,5 436,2 345,8

1,25 637 197,1 434,8 346,7

an ua

888

58

33,75 m vom 47. Schuß an bis zum 57. inclusive.

2,90 708 197,5 433,1 373,1 2,70 694 198,1 437,7 368,1

3,00 702 198,0 435,6 370,8

370,7 1,70 5,0

Abstand der Rahmen von einander

36 m vom 58. Schuß bis zum 106 ten incl.

Größte Abweich ung .

Mittlere Abweich ung .

Mittlere Geschwindigkeit .

Mitte der in Geschwindigkeit Abstands des Rahmen der .von einander

Schußweite .

Scheibe der in .Höhe

jd gleich.d zeitige das durch Geschoß

.Pulver Gattung

Nummer Schiffe .der

m

m

m.m m.m

merkungen.

m

m

m Ziemlich starker Regen. - Die Geschwindig feiten d. Nr. 63 bis 81 sind nur dem Chro mit 358,5 1,13 4,7 nographen ermittelt, da der Ausschalter des Pendels beschä Digt war. Diese 19 Schüsse gechahen in einer Stunde u. zehn Minuten. E

2,75 686 198,1 445,8 358,2

64

.1 Nr 0 6 1859 von P)( olygon

2,10 682 198,1 444,0 360,0

62

1,80 669 198,0 445,1 358,8 1,80 666 198,5 444,8 360,1

65

2,00 684 197,9 445,2 358,5

66

2,00 673 197,9 447,8 355,4

67

Minenpulver dem aus . Handel französischen

2328 32

Fortsetzung der Tabelle 4.

Bes

61

63

222882

Fallhöhe gegeben durch die Ausschal tung

211

0,70 620 198,4 460,9 341,5

68

0,90 634 197,7 460,9 340,3

69

0,65 621 198,1 462,1 339,7

70

1,30 636 195,4 453,4 344,7

71

1,00 635 194,8 455,4 341,7

72

1,15 635 195,0456,0 341,2

D. Verschieden heit, welche m. in d. Ausschald. Nr.67 tungen 341,5 1,12 5,00 bis 81 bemerkt, fommen daher, Daß man als Bersuch nach 3 Schüssen einer Serie die Rich tung d. Ströme in der Bobine Des Gewichtes änderte.

Mittlere Abweichung .

Größt e Abwei chung .

Mittlere Geschwindigkeit .

Fortsetzung der Tabelle 4.

Bes

1verfertigt Pulver . 27. Nr Melsens H. von

d.gleich zeitige durch das Geichok

Fallhöhe, gegeben durch die Ausschaltung

Mitte der in Geschwindigkeit des || Rahmen der Abstands . einander von

Schußzweite .

.der Scheibe in Höhe

.Pulver Gatung

Nummer . Schüsse der

212

2 2 2

73 74

m

m

m.m m.m

merkungen

m

m

m

m

1,20 663 195,4 441,3 358,7 1,30 663 194,9442,1 356,8

75

1,50 658 194.5 443,9 354,7

76

1,70 667 197,7 447,7 355,2

77

2,30 659 197,6 448,4 354,2

78

1,50 637 197,8 448,4 354,5

80

2,10 689 192,2 433.3 368,4

. 7 185 von

79

Pulver

355,7 1,39 4,50

2,40 665 194,7 433,0 367,8 2,50 679 195,3 432.3 369,8

82

1,83 664 502,0

83

2,12 681 502,6

84 * * 888 8

85 86

87

.1857 von Pulver

81

-

-

368,7 0,73 2,00

Versuche des 26. October.

Chronograph von größeren 2,70 682 501,6 883,2 363,5365,2 1,86 4,7 Dimensionen. Abstand der 1,93 667 502,9 880,4 367,3 Rahmen von einander 38 m. 2,05 679 501,1883,0 363,1

2,46 681 503,1 880,1

367,8

2,13 689 501,1881,0 364,1

Schönes Wetter.

Größte Abweich ung .

Geschwindigkeit .Mittlere

Mittlere Abweichung .

von . einander

Geschwindigkeit Mitte der in

Fortsetzung der Tabelle 4.

Be-

dleich .gD. zeitige durch das Geschoß

Schußweite .

Hähe in Scheibe .der

Gattung . Pulver

Nummer .der Schüsse

the big a

Fallhöhe, gegeben durch die Ausschaltung

213

m.m m.m

m.m

m

.St. Ponce von Pulver

m

E

m

merkungen.

2,55 682 501,2 883,7 362,6

90

90

2,65 679 502,6874,1 373,2

91

2,14 679 502,1 883,8 363,5364,8 1,70

92

2,53 683 502,5 880,8 366,5

93

2,77 689 502,9881,5 366,4

89

35

95

.von Metz Pulver

94 1857 2,49 681 501,1 877,5 367,8

2,40 681 502,4 879,0 367,9

96

2,56 682 501,0879,2 366,1

97

2,14 681 502,8 881,2 366,5

36

98

2,30 680 501,1 881,9 364,0

99

2,50 683 502,0877,2 369,0

100 1857 3,10 7,10 501,0 874,3 370,4

366,7 1,40

m

3,9 Als anormal betrachtet.

Mittler Abweich eung .

Größte Abweich ung .

Mittler Geschwin edigkeit .

Mitte der Geschwindigkeit in Rahmen der Abstandes des , einander von

Schußzweite .

Scheibe dr in .Höhe

Be-

gleichD. zeitige das durch Geschoß

Fallhöhe, gegeben durch die Ausschaltung

Fortsetzung der Tabelle 4.

m.m m.m 2,32 679 501,7 -

m

m

mcrkungen.

m -

102

1,90 665 501,7 892,9 355,7

103

1,84 681 501,5 893,2 355,2

104

1,34 641 501,0 897,2 351,6

105

1,15 636 502,8,900,0 351,3

m

353,4

106 1857 3,10 708 501,8 872,4 372,9

m E

101

Pulver Angoulème .von

Gattung . Pulver

Nummer Schüffe .der

214

2,0 4,4

Bei diesem Schuß setzte maneinen Bor schlag zwischen Ladung und Geschoß.

215 Tabelle Nr. 5. Electro-ballistisches Schießen mit gezogenenen 12udern Mittlere Geschwindigkeit .

Geschwindigkeit Mitte der in Abstands des Rahmen der einander . von

aus Gußeisen , Nr. 3 und 35, zum Vergleich der Stüde. Gewicht des — Geschosses 14,490 Kilogr. Ladung 1,110 Kilogr.

Größte .Abweichung

Mittler Abweich eung .

. Schußweite

Fallhöhe, gegeben durch die Ausschaltung

Be-

d.gD.leich zeitige das durch Geschoß

Höhe in Scheibe .der

.Pulver Gattung

Nummer Schüsse .der

Schießen vom 24. September 1863 — Geschütz Nr. 3.

m

1

501,7 834,7 301,0

2

501,6 832,2 302,09

3

502,7 833,1 304,2

4

502,0 835,5 301,7

5

502,3 835,4 302,01

6

501,0 833,5 302,5

7

502,3 833,7 303,5

8

500,0 833,6 301,2

E

m.m m.m

merkungen.

m

m

Entfernung des 1 sten Rahmen von der MünDung 10m 302,29 0,89 3,20

Abstand der Rahmen von einander 28m

Geschütz Nr. 35.

2

1857 von Pulver

500,9 833,6 302,1

500,9 299,8 2,696,30 501,1 834,5 301,6

4

501,3 842,5 295,8

Anm. b. Ref.: In der Columne der Geschwindigkeit muß sich in den Decimalstellen ein ganz unbedeutender Druckfehler befinden.

Geschwindigkeit || Mitte der in des ] Rahmen der Abstands . einander von

216 Fortsehung der Tabelle 5. . Abweichung Größte

Mittlere . Abweichung

Mittlere Abweichung .

Fallhöhe gegeben durch die Ausschaltung

Be-

D.D. gleichzeitige das durch Geschoß

Schußwe ite .

. Scheibe der in Höhe

Gattung . Pulver

Nummer der Schiffe .

Schießen vom 28. September. - Geſchütz Nr. 3.

merkungen.

m

m

m B

m.m. m.m. 1

491,0823,8 299,7

2

490,7 825,0 298,7

3

489,1 825,2 296,8

298,4 1,08 2,90

Geschütz Nr. 35. 1

89,8818,7 302,6 489,8818,7

2

487,1818,4 300,0

3

490,7827,5 296,4

4

490,8 827,0 297,0

5

490,7825,1 298,3

298,9 1,96 6,20 J

Note I. Erperimentaler Beweis für die Richtigkeit der Angaben des Cbronographen. Um keinen Zweifel über den absoluten Werth der von dem Chronographen bei der Meffung der Geschwindigkeit eines Geschoffee ge.

217 lieferten Resultate übrig zu laffen, habe ich versucht, durch Experimente die Angaben, welche er bei der Messung der Zeit macht, zu bestätigen. Zu diesem Behuf habe ich contro Üirt : 1 ) die Zeit, welche der Apparat bei der gleichzeitigen Ausschaltung angiebt; 2) die Zeit, welche er bei der nach und nach erfolgten Ausschaltung bezeichnet. Contro lle des Ausschalters. - Ich habe in die beiden Leitungen den angemessen regulirten Ausschalter des electro - ballistischen Pendels eingeschoben. Die beiden Ströme gingen durch Dräthe, welche auf einem und demselben Scheibenrahmen dergestalt befestigt waren, daß fie gleichzeitig vom Geschoß zerrissen wurden.

Da diese beiden

Modus gleichzeitiger Ausschaltung immer dieselben Fallhöhen wie der Ausschalter des Chronograpben ergaben, so habe ich daraus geſchloſſen, daß die Richtigkeit der Angaben dieses leßteren auf experimentalem Wege genugsam erwiesen sei. Controlle der bei nach und nach stattfindender Ausschaltung angegebenen Zeit. - Dieser zweite Theil der Richtig. keits-Untersuchung ist länger und schwerer gewesen.

Er erforderte den

Gebrauch eines neuen Instrumentes , das ich den „ Controlleur “ nennen werde. Sein Zweck ist , wie das Geschoß die beiden Ströme nach und nach zu unterbrechen , dabei aber zwischen beiden Unterbrechungen eine genau gekannte Zeit verftreichen zu lassen. Zeigt der Apparat dieselbe Zeit , so wird der Beweis der Richtigkeit desselben geführt sein. Beschreibung des Controlleurs ( Fig . 5 ) . - Dieses InAtrument besteht aus einem Cylinder von Schmiedeeisen, der an einem Doppelt-Electro Magneten aufgehängt ist, den eine besondere Batterie in Thätigkeit ſeßt. Die beiden Stäbe des Electro- Magneten find an ihrem unteren Ende krummgebogen, so daß ein jeder der solchergestalt einander genäherten Pole dem aufgehängten Cylinder einen Contactpunkt bietet. Die magnetischen Stäbe befinden sich isolirt und bilden einen Theil der Leitung des Chronometers . Hieraus folgt, daß diese Lei=

218 tung geschlossen ist, wenn der Cylinder aufgehängt wurde.

Wenn man

die spezielle Leitung des Controlleurs unterbricht, hört die magnetiſche Anziehung auf und der Cylinder fällt herab.

Genau in dem Augen.

blick, wo dieser Fall beginnt , wird die Leitung des Chronometers unterbrochen sein. Indem der Cylinder fällt, schlägt er auf den Schweif eines Hebels, deffen vorderer Theil durch seine Berührung mit einem messingenen Stift die Leitung des Gewichtes schließt. Es ist also in dem Augenblick, wo der Schlag erfolgt, die Leitung des Gewichtes ebenfalls unterbrochen. Kennt man genau die Entfernung der Grundfläche des aufgehängten Cylinders bis zum Schweif des Hebels , so kann man daraus genau die Zeit ableiten , welche zwischen den beiden Unterbrechungen der Leitungen vergehen muß, und diese Zeit muß der Chronograph angeben , wenn kein Grund zu einem Zrrthum in ihm liegt. Bei einer großen Anzahl von Versuchen , in denen die Wirkung des Geschosses durch die des von einer Höhe von 47,9 mm fallenden Cylinders erseßt war, gab der Chronograph wenig veränderliche Zeiten, deren mittlere 0,"099020 betrug . Nach der Fallhöhe des Controlleurs beträgt die Zeit ,

welche die Unterbrechung der Leitungen trennt,

0,098816 Secunden.

Dies giebt eine Differenz von 0“,000204 , um

welche der Chronograph zu viel Zeit zeigte. Nach meinen späteren Experimenten rührt dieser Unterſchied daher, daß das Beharrungsvermögen des eine gewisse Masse enthaltenden Hebels des Controlleurs durch die lebendige Kraft, welche dem Cylinder im Momente des Schlages innewohnt, nicht augenblicklich überwunden wird. Es dürfte daher die Zeit von 0,"000204 die Zwischenzeit repräfentiren , welche zwischen dem Augenblick verläuft , wo der Hebel getroffen wird, und zwischen dem, wo der Hebel sich genügend gehoben hat, um den Strom zu unterbrechen. 3ft diese Auseinanderseßung richtig, so muß , wenn die lebendige Kraft des Cylinders vermindert wird, die zur Ueberwindung des Beharrungsvermögens des Hebels erforderliche Zeit zunehmen. Und das geschicht wirklich. Ich habe eine Reihe von Versuchen mit demselben

219 Controlleur gemacht, der mit immer mehr verlängerten Cylindern verſehen war, so daß die Fallhöhe ftets vermindert wurde. Die Differenz zwischen der Fallzeit und zwischen der am Chronographen vermerkten Zeit hat immer sehr bemerkbar zugenommen. Wenn man die Fallzeit so viel als möglich o nähert, indem man eine hölzerne Platte zwischen dem längsten Cylinder und dem Schweif des Hebels * ) anbringt , so verwandelt man den Controlleur in einen wirklichen mechaniſchen AusDennoch macht sich das Beharrungsvermögen des Hebels immer noch bemerkbar; denn in dieser Art angebracht , läßt der Controlleur den Chronographen immer noch eine Zeit angeben, welche im

schalter.

Mittel um 0,004019 größer ist, als die der Ausschaltung. Als leßten Beweis, daß diese Zeit von 0,004019 wirklich die ift, deren es in dieſem Falle zum Aufheben des Hebels bedarf, habe ich die Ströme im Controlleur umgekehrt, d . h . so , daß der Doppel- Electro Magnet in die Leitung des Gewichts und der Hebel mit seinem Stüßpunkt in die Leitung des Chronometers gebracht ist. 3ft die Hypothese richtig, so muß der Chronograph in diesem Falle dieselbe Zeit weniger zeigen, die er vorher mehr zeigte.

In der That habe ich im

Mittel eine um 0,004002 geringere Zeit erhalten als die der Ausschaltung. Der mittlere Betrag der Zeiten, welcher einesfalls zu viel erhalten wurde , ist von der , welche andrenfalls zu wenig erhalten wurde, nur um 0,000017 verschieden . Man kann sie also für gleich anneh. men, nur mit verschiedenen Zeichen. Als Endresultat aller Controll- Versuche , denen der Chronograph unterworfen worden ist , glaube ich den Schluß ziehen zu dürfen, daß, abgesehen von dem möglichen kleinen Zrrthum über die Ausschaltung (0",00032 im Marimo) , derselbe recht genau die Zeit angiebt, welche die beiden Unterbrechungen der Leitungen von einander trennt. *) Es ist erforderlich , eine isolirende Materie zwischen dem Cy. linder und dem Hebel anzubringen. Ohne diese Vorsicht würde der Contactpunkt zwischen diesen beiden Stücken einen gemeinschaftlichen Punkt in den Leitungen der beiden Ströme abgeben.

220

Note II.

Ueber den Modus des Registrirens . In dem ersten Apparate , mit dem ich experimentirte (Note III), geschah das Registriren durch Festhalten des Chronometers

mittelst

einer Spannfeder. Außer der Zusammengeseßtheit des Mechanismus hatte diese Einrichtung den Uebelstand, den Chronometer am Wirkungs. punkt der Spannfeder schnell zu beschädigen , weshalb ich mich bemühete, auf dem in Bewegung befindlichen Chronometer einen Strich oder einen Punkt machen zu lassen, anstatt ihn anzuhalten. Die Verwirklichung dieses Modus des Registrirens hat ernſte Schwierigkeiten genug dargeboten, um zahlreiche Versuche erforderlich zu machen.

Ich werde in Bezug hierauf einige Details anführen, um

die Einrichtung, welche ich definitiv angenommen habe, zu rechtfertigen. Im Princip ist die Gestalt des Chronometers stets prismatiſch gewesen; auf einer der Flächen war zur Aufnahme des Registrirungszeichens ein Streifen Papier, Pappe oder Pergament, oder ein Blättchen Elfenbein, Blei oder Legirung aufgeklebt oder befestigt. Der Versuch eines ähnlichen Systemes wie des Punktzählers ? (compteur à pointage *] ) von Breguet bot folgende Schwierigkeiten

dar :

1. Die Zeit des Auftrags ändert sich in einer für den Apparat ſehr beachtenswerthen Art, je nach der Flüssigkeit der Dinte und der aufge worfenen Menge. Der Punkt ist felten rein wegen der fallenden Bewegung , er verlängert fich oder macht einen Fleck. 2.

Diese Wahrnehmungen führten mich dahin , die direkte Wirkung eines Kählernen Meißels (Meſſers) zu versuchen , um entweder einen Dintenstrich oder Graphitßtrich oder einen hohlen Eindruck hervorzubringen.

Keines dieser Mittel hat ganz geglückt .

Welches auch die

zur Aufnahme des Merkmales gebrauchte Materie war , es erzeugte fich darin gewöhnlich durch die fallende Bewegung ein Ausreißen, oder es wurden mehrere Striche.

*) Das Inftrument ift dem Referenten unbekannt. Nach dem Folgenden dürfte es eine Vorrichtung zum Machen von Zeichen für die Länge zurückgelegter Räume mittelst ausgeworfener Dintetröpfchen sein.

221 Die Annahme eines cylindrischen Chronometers und eines Receptors in Gestalt einer Hülſe, der mit geringer Reibung auf den Cylinder gleiten könnte, hat allen dieſen Uebelſtänden ein Ziel gefeßt. Dieſe leichte Hülfe , welche mit dem Chronometer nicht mehr feft verbunden ift, wird unter der Einwirkung des Meißels einen Augenblick Atilgehalten , während die Masse des Chronometers seinen Fall fortseßt. Der Meißel macht den Eindruck in einen unbewegten Körper und daþer mit aller wünschenswerthen Reinheit. Außerdem bietet diese Vorrichtung den Vortheil dar , mehrere Striche auf einer und derselben Hülfe erhalten zu können, wenn dem Meißel jedes Mal eine neue Erzeugungsfläche dargeboten wird. Es dürften vielleicht dünne aus einer Legirung von Blei und Zinn gegossene Hülsen in der Praktik die Hülfe aus gerolltem Papiere, welche ich bisher benußte, mit Vortheil erseßen.

Note III. Ueber den Gebrauch der electro - dynamischen Bobinen. Eine electrodynamische Bobine, d. h. eine hohle, durch die Aufrollung eines bedeckten kupfernen Drahtes gebildete Bobine, durch die man einen electrischen Strom gehen läßt , hat die Eigenschaft , in der Richtung ihrer Are einen Cylinder aus Schmiedeeiſen anzuziehen. Giebt man der Bobine eine senkrechte Stellung, so erhält ein genügend ftarker Strøm den Cylinder schwebend feft ; er wird nur herabfallen, wenn man den Strom unterbricht. Es gilt der Grundfaß allgemein, daß in diesem Fall der Cylinder genau in dem Augenblick ſeinen Fall beginnt , wo die Leitung unter brochen ist. Durch den Gebrauch solcher Bobinen, in Stelle der Electro Magneten, würde man also den Uebelktand des zurückbleibenden Magnetismus, welcher bei diesen leßteren besteht, vermeiden, und man würde sich von den Unregelmäßigkeiten befreien, welche von den Schwankungen in der Intenſität der Batterie herrühren . Von diesem Grundsaße geleitet, habe ich in dem ersten nach meiner Anleitung gefertigten Apparate electro-dynamiſche Bobinen angewendet. Ohne in die detaillirte Beschreibung dieses Apparates einzugehen , begnüge ich mich mit der Angabe , daß die Messung der Zeit 15 Achtundzwanzigster Jahrgang. LVI. Band.

222 auf denselben Prinzipien beruhete , welche in dem von mir beſchriebenen Chronographen geltend waren und daß fie auch auf eine ana, loge Weise geschah. Die verschiedenen mit diesem Inftrumente von mir angestellten Experimente haben mir ganz ficher bewiesen , daß , wie bei den Electro-Magneten, der Fall eines durch eine electro- dynamische Bobine gehaltenen Körpers mehr oder wenig schnell erfolgt , je nach der Intenfität des Stromes, welcher die Bobine in Thätigkeit feßte. Beim ersten Ueberblick scheint es jedoch sehr natürlich, anzunehmen, daß ein Cylinder aus Schmiedeeisen , welcher durch die Anwesenheit eines in den Windungen eines iſolirten Drahtes thätigen Stromes direct festgehalten wird, der Einwirkung der Schwere in demselben Augenblick folgen muß, wo die ihn haltende Ursache, nämlich der Strom verschwindet. Allein näher betrachtet , wird man darauf geführt , daß in Folge der Unterbrechung des Stromes sich in der Bobine ein Ertraftrom bildet; ferner verliert der eiserne Cylinder, welcher magnetisch war, seine magnetische Kraft während der ersten Augenblicke ſeines Falles in der Hölung der Bobine und bildet in dieſer einen Inductions - Strom. Können diese beiden neuen Ströme nicht auf den Cylinder zurückwirken und feinen Fall verzögern ? Ihre Wirkung wird in diesem Falle um so empfindlicher sein, als der ursprüngliche Strom intensiver war.

Note IV. Ueber die Anwendung des Inductions - Funkens. Die mechanische Wirkung des Durchschlags des Inductions - Junkens durch Papier bietet ein sehr zuverläſſiges Mittel der Regiſtrirung des Augenblicks , in dem die Unterbrechung der Inductions - Leitung Atattfindet.

Ich habe ebenfalls diese Eigenschaft auf einen Chrono-

graphen angewendet , welcher auf den freien Fall eines Körpers begründet war. Ich gebe hier dessen allgemeine Beschreibung . Ein flaches und eingetheiltes metallisches Lineal hat in seiner Länge einen Ausschnitt, auf dem ein Streifen Papier befestigt ist. Das Lineal hängt an einem Electro- Magneten, deffen Leitung bei der Mündung des Geschüßes vorbeigeht. Indem das Geschoß die Leitung zerreißt, fällt das Lineal.

Während seines ganzen Falles be

wegt sich der Streifen Papier zwiſchen zwei Spißen (ohne sie zu bes

223 rühren), welche auf dem Fuße des Apparates angebracht nnd in denen die Inductions -Leitung endet. Das Geschoß gelangt an einen ersten Scheibenrahmen , nachdem es die Leitung , welche das Lineal schwebend erhielt , unterbrochen hatte, und als dieses schon eine gewisse Schnelligkeit des Falles besaß. Die Unterbrechung des inducirenden Stromes , welches über die Drähte dieses Rahmens läuft, führt zur Entstehung des Inductions - Stromes, welcher vermöge feiner Spannung die zwischen den beiden Spißen gelaffene Deffnung überschreitet. Der Durchgang dieses augenblicklichen Stromes geschieht mit einem Funken, welcher fähig ist, den Streis fen Papier zu durchbrechen und darauf einesehr reine Spur zurückzulaffen. Wegen ter Schnelligkeit dieses Vorganges kann die Bewegung des Lineals dadurch nicht gestört werden.

Die vom Geschoß erzeugte

Unterbrechung in einem zweiten Rahmen wird durch einen zweiten Funken bezeichnet. Wenn man die Entfernung dieser beiden Merk male von dem Anfangspunkt (d. h . von dem Punkte , durch den der Funke gegangen sein würde , wenn das Lineal aufgehängt geblieben` wäre) mißt, so erhält man zwei Fallhöhen H und H ' , die zweien Zeis ten T und T entsprechen. T und T¹ repräſentiren reſpective die Zeit , welche von dem Augenblick an , wo das Lineal fich in Bewegung gefeßt hat , bis zu dem, wo das Geschoß den ersten und darauf den zweiten Rahmen erreicht hat, verfließt.

TT wird also genau die Zeit fein, binnen

welcher das Projectil vom ersten zum zweiten Rahmen gelangt ist. Stellt man mehrere Rahmen, einen nach dem andern auf, so kann man mittelstdieses Apparates die Schnelligkeit eines und desselben Geschoffes in mehreren nicht fern von einander liegenden Punkten seinerBahn meſſen. Es ist zu bemerken , daß der Weg eines von einer Spiße zu einer andern überspringenden Funkens vorgeschrieben und Abweichungen bei weitem weniger ausgefeßt ist, als wenn ein Funken zwischen einer Spiße und einer Fläche springt. Ich werde hier in keine weiteren Details über das Studium dieses Apparates eingehen , und ebensowenig über die von mir ange. tellten Versuche zur Vermeidung des Gebrauchs mehrerer Bobinen von Rhumkorff. 3ch fahre fort, mich damit zu beschäftigen und ich glaube sagen zu dürfen , daß die entgegentretenden Schwierigkeiten 15 *

224 zur Erzeugung des Inductions- Funkens nur dann die Handhabung des Apparates schwierig machen , wenn die inducirende Leitung etwas lang ift. Was die Genauigkeit der Ergebnisse betrifft , so glaube ich , daß man fie fast eine mathematiſche nennen könnte. Um die Länge der inducirenden Leitung abzukürzen , kann man freilich vermeiden, ſie über die Rahmen gehen zu laffen und ihre Unterbrechung vermittelt der Unterbrechung eines Nebenstromes erzeugen, der über die Rahmen geht und durch eine Combination mit einem Electro- Magneten die inducirende Leitung geschlossen erhält .

Allein

in diesem Falle ist es wegen der nicht augenblicklich erfolgenden Vernichtung des Magnetismus, wegen des Beharrungsvermögens und der Adhäsion der in Contact befindlichen Stücke sehr schwer anzunehmen, daß der Augenblick der Erzeugung des Funkens mit dem des Durch. gangs des Geschosses durch den Rahmen genau zusammenfällt.

Tabelle der Zeiten , welche den Fallhöhen entsprechen. (Von 1 bis 1000 Millimeter. )

Diese aus den drei Rubriken ,,Fallhöhen,“ ,,Entsprechende Zeiten" und ,,Differenzen “ beftchende und auf Seite 24-25 bereits erwähnte Tabelle , welche 17 Octavſeiten des Originals einnimmt und nur zu einer Erleichterung der Berechnung der Zeiten dient , ist zur Ersparung des Drucks fortgelaffen , da auch ohne sie sowohl das Verständniß des ganzen Memoire als auch die Anwendung des Chronographen beim praktischen Schießen gesichert ist.

Anmerk. des Referenten.

225

Auszüge aus dem der Königl. belgischen Academie überreichten Bericht des Profeffor Melsens,

im Namen der mit der Prüfung des electro - ballistischen Chronographen des Lieutenant Le Boulengé * ) beauftragten Commiſſion . (Bulletins der Academie, 2. Serie, Theil XVII, Nr. 2.) Apparat des Herrn Le Boulengé . Ohne mich vorher mit der physikalischen Theorie des Apparates zu beschäftigen , und abgesehen von 8den Schießversuchen, welche mit dem Inftrumente des Herrn Le Boulengé in meiner Gegen. wart auf dem Polygone zu Brasschaet ftattfanden und die ich weiter hinten zusammenfaffen werde, habe ich mit und ohne Beihilfe des Erfinders in Gegenwart unseres Collegen Herrn Liagre zahlreiche Experimente angestellt. Herr Major Navez hat uns die Ehre erzeigt, einem unserer Schießversuche beizuwohnen ; immer waren die in den regelrechten Umständen erhaltenen und in dem Memoire beschriebenen Ergebnisse von einer so merkwürdigen Reinheit und Genauigkeit, daß ich teinen Anstand nehme zu erklären : Das von dem Erfinder zur Verfügung Ihrer Commiffäre gestellte Exemplar verwirklicht in jeder Hinsicht die delikaten Forderungen an ballistische Versuchen. Die Academie hat übrigens selbst das Urtheil faffen können , daß dieses Modell hinsichts seiner Form zu wünſchen gebe, und daß , wenn auch die Sorgfalt eines geschickten Conftruktors nicht absolut nothwendig ist, ein beffer ausgeführter Apparat nichts verlieren wird.

Ich ftüße mich hinsichts dieser Worte auf Versuche, bei denen ich den Chronometer des Herrn Le Boulengé und sein Gewicht verändert habe, ohne daß die Ergebnisse dadurch gelitten hätten.

*) Diese Auszüge vervollständigen den Inhalt des vorstehenden Memoire.

226 Alle diese Erperimente, welche in größeren oder kleineren Zwischen. zeiten angestellt und oft wiederholt wurden, bestätigten das Ganze der Angaben des Memoire des Herrn Le Boulengé . Ich glaube nicht, fie detaillirt beschreiben zu müssen ; ich meine , mich mit einem Reſumé derfelben befriedigen zu können. Die folgenden Schlüffe find aus generellen mittleren Zahlen abgeleitet. 1.

Die Unterbrechungen (die Bezeichnung der Zeit 0 mit einem

Worte) find stets merklich dieselben , wenn man mit Sorgfalt operirt und den Vorschriften des Erfinders folgt , was übrigens leicht und einfach ist. 2. Wenn man , nachdem man einige Brechungen mittelft des Ausschalters des Inftrumentes erhalten hat , gleichzeitig durch eine Flintenkugel aus isolirender Materie die Drähte, welche die Leitungen der beiden Batterien schließen , durchschneidet , so entspricht der erhaltene neue Strich sehr merklich den ersteren.

Man kann dieſen Versuch

machen , indem man mittelst einer bleiernen überfirnißten Flintenkugel diefe felbigen isolirten , aber nebeneinander gelegten Drähte durchschneidet ; in allen diesen Fällen findet man die Striche in derselben Entfernung vom gekennzeichneten Punkte des Chronometers. Die Zeit 0 oder der Anfang ist daher vollkommen beſtimmt. 3.

Man stelle die Scheibenrahmen, d. h . die beiden Drähte, welche

die Leitungen des Chronometers und des Gewichtes ſchließen, in ſehr geringem Abftande von einander auf, z. B. 0,100 m , und zerschneide fie gleichzeitig mittelst einer Pistolenkugel in der Reihenfolge, in der ich fie so eben angeführt habe, so erhält man einen neuen Strich ; aber anstatt sich in derselben Ebene zu befinden , wie die bei den vorange. gangenen Versuchen erhaltenen, steht er davon ab und befindet sich ein wenig darüber, und zwar um einen Betrag, der in unseren Verſuchen ungefähr zooo Secunde entsprach. Diese sogleich mehrmals wiederholte Operation hätte dazu dienen können, die mittlere Geſchwindigkeit der Pistolenkugel ziemlich genau zu bestimmen; allein dieses GewaltExperiment würde natürlich Manches zu wünschen übrig laffen. 4.

3ch habe die gegebenen Verhältnisse dieſes leßten Verſuches

umgekehrt und ließ die Leitung des Gewichts zuerst zerreißen, um eine negative Zeit bezeichnen zu laſſen . In diesen neuen Verhältniſſen haben die Ergebniffe bei öfterer Wiederholung nichts zu wünschen

227 übrig gelaffen.

Sie find zu wichtig und zu merkwürdig , um nicht

ganz ausführlich mitgetheilt zu werden ; denn fie laffen die Genauigkeit des Apparates auf eine Weise erkennen , daß kein Zweifel über die wirkliche Giltigkeit der von dem Instrumente angegebenen Geschwindigkeiten übrig bleibt, wenn man in den bestimmungsmäßigen Umständen operirt. Die Zeit des Fluges des Geschoffes zwischen beiden Rahmen wird durch einen neuen Strich bestimmt werden, welcher nicht mehr über den Strichen der Ausschaltung oder der gleichzeitigen Unterbrechung der Leitungen, sondern unter diesen Strichen erscheinen wird ; diese Zeit, obgleich fie eine wirkliche ist, wird auf dem Apparate den= noch als eine negative angezeigt sein. Die Versuche haben dargethan , daß dieser neue Strich fich nicht allein unterhalb befindet, fondern daß sein Abstand von den durch das erfte Schießen und von den durch die gleichzeitigen Unterbrechungen erhaltenen Strichen dergestalt ift, daß dieſe leßteren den ganzen Raum in zwei gleiche Theile theilen, oder mit andern Worten : die pofitiv auf dem Chronometer und die negativ auf demſelben angezeigten Zeiten sind, vom Anfangspunkte an gerechnet, gleich. Dabei ist jedoch zu bemerken, wie dieZeitdes Fluges des Geſchofſes in diesem Raume immer so gewesen ist, daß ein ganz geringer Jrrthum im Sinne einer Verminderung der Geschwindig keit stattgefunden haben würde, daß aber dieser Irrthum bei einer Geschwindigkeit von 350 Meter in der Secunde , welche in den gewöhnlichen Bersuchsverhältnissen auf dem Polygone gefunden worden wäre , sich noch nicht bis zu einem Meter erheben würde. Diese merkwürdige Erfahrung scheint mir schon allein ausreichend um Alles, was Herr Le Boulengé in seinem Memoire anführt, zu be ftätigen, und die Experimente zu rechtfertigen , welche er mit seinem Controlleur gemacht hat.

Aeltere praktische Experimente. Ich habe zahlreiche Serien von Versuchen geprüft, welche in Frankreich, Rußland, England und Belgien mit dem Apparat des Herrn Major Navez angestellt wurden. Dieser geschickte Expe= rimentator handhabte ſelbft ſeinen Apparat bei den belgiſchen Versuchen ;

** Taa ke daher als Typen oder Mufter von Genauigkeit und Kaset betrachten. In den nachstehend bezeichneten Documenten 8.001 man deren Details : Bericht an den Herrn Generallieutenant De Liem , General -Inpoccur der Artillerie, über Versuche, welche 1850 in Lüttich mit einem cccro-balliſtiſchen Apparate angestellt wurden . Bericht über die 1851-1853 zu Lüttich angestellten balliſtiſchen Bersuche. Inftruction über den electro- balliſtiſchen Apparat des Hauptmann Navez. Constructions-Arsenal. Antwerpen, 1858 *). Ballistische Versuche , welche im Laufe des Jahres 1838 in Rusland angestellt wurden. 1859.

Veröffentlicht von Herrn Navez .

Paris,

Bericht über Versuche mit Navez' electro - balliſtiſchem Apparat, vom Cap. Andrew Noble. London , 1862 . Bericht über balliſtiſche Experimente , von W. H. Noble , Lieut. R. A. London, 1863. Die Abweichungen in den Anfangsgeschwindigkeiten der Geſchoffe der Artillerie, Waffen find viel beträchtlicher ** ) als die Abweichungen bei den Schießversuchen , welche Herr Le Boulengé in der seinem Memoire beigefügten Tabelle giebt. Aus diesen Thatsachen würden wir jedoch nicht schließen können, daß der vorgeschlagene Apparat genauere Reſultate liefert als der Apparat Navez; denn das Pulver, die Geschoffe, die Waffen, die Umſtände find verſchieden ; die ersten Versuche wurden zu einer Zeit angestellt , wo der Apparat Navez noch nicht alle ſeine Verbesserungen empfangen hatte; aber alle diese Thatsachen führen uns zu der Annahme, daß der Apparat Le Boulengé bei den Geſchüßen unserer Artillerie fehr regelmäßige Ergebnisse erzeugt, und daß diese Waffen sich in weit vorzüglicherer Verfassung befinden als die gewöhnlichen glatten *) Dieſe Instruction , 1859 in Paris erſchienen , ward im 2. Heft des Jabrganges 1860 der Militair - Literatur - Zeitung ausführ lich besprochen. Ref. kann darauf verweiſen. **) Hier dürften die mittelft des Navez'schen Arparates früher er. mittelten Anfangsgeschwindigkeiten aller belgischen Geſchüße ge. meint sein. Anm . d. Ref.

229 Kanonen , ja ſelbft als die gezogenen so berühmten Kanonen des Sir William Armstrong , ein Beweis , daß entweder der Apparat beffer ift oder daß die Geschwindigkeiten wirklich regelmäßiger find.

Praktische Erperimente mit den beiden Apparaten des Herrn Navez und des Herrn Le Boulengé. Im September und October 1863 wurde ich von dem Herrn Kriegsminister ermächtigt, auf dem Polygone zu Brasschaet ein Schießen mit Pulversorten von sehr verschiedener Beschaffenheit , Fertigung, Mengung 2c. anzustellen * ). Die Anstalten zum Versuch waren so getroffen, daß die Geschwindigkeit desselben Geschosses 35 Meter von der Mündung des Geschüßes mit den beiden überschriebenen, gleichzeitig thätigen Apparaten gefunden werden konnte. Zu diesem Behufe trug jeder Scheibenrahmen eine doppelte Lage auf beiden Seiten ausgespannter Drähte , welche mit den beiden Apparaten verbunden waren. Die folgende Tabelle ** ) enthält die mittleren Geschwindigkeiten für jede Pulversorte, die mittlere Abweichung und das Maximum der Abweichung ; eine leßte Columne giebt die Differenzen der Geschwindigkeiten zwischen dem Apparate Le Boulengé und dem Apparate Navez. Die Apparate waren im September von den Herren Lieutenant Le Boulengé , Unterlieutenant Delbrugière , Unterlieutenant Eleve der Applications - Schule Theunis , und im Oktober von den Herren Lieutenants Le Boulengé, Bremer und Kemppe bedient. Die mittleren Zahlen find im Allgemeinen aus fünf oder sechs Schüffen gezogen ; man hat bei beiden Apparaten einige wenige Schüffe fortgelaffen, da fie nur eine Folge von unvermeidlichen, in einer langen Serie solcher Art von Experimenten vorkommenden Anomalien waren. Das gebrauchte Geschüß war der flählerne gezogene 4uder. *) Anmerk. d . Ref. Der Inhalt der weiter vorn gegebenen Tabelle 4 if unftreitig das, was bei diesen Schießversuchen in Bezug auf den Le Boulengé'ſchen Apparat speciell ermittelt wurde. Rüchichtlich dieser sogleich folgenden Tabelle ohne Nummer verweiſe ich auf die Anmerkung des Referenten unter dieſer Tabelle.

230

Apparat Navez.

Appar. Le Boulengé.]

Bezeichnung

des

Differenz.

Pulvers.

m.

m.

m.

m.

9,1 8,0

367,9 366,6

0,9

3,2

-- 6,0

1,9

4,3

8,4

368,2

1,4

4,7

2,1

5,8

366,8

1,4

3,5

1,7 2,0

7,3 9,3

361,4 369,7

1,1

3,1

0,4

1,9

3,5

14,5

364,9

5,1

5,1

- 4,2

1,0

4,2

369,7

1,6

13,7 10,2 6,5

355,9

352,7

4,6 2,5

1,3 1,7

1,4 - 4,2 - 5,7 - 5,4 - 3,8

4,7

- 6,7 - 4,5

1,7

4,2

364,8

Meg

368,2 366,7

1,9 1,7

1,6

3,5

366,7

1,4

5,0

- 3,4 0,0

Angoulème

351,4

4,3

10,8

353,4

2,0

4,4

+ 2,0

4769,3 33,5111,3 4717,5 18,153,1

51,8

m.

m.

m.

Nr. 9 8

373,9

3,3

376,1

- 10

369,6 371,0

2,0 2,6

m.

7 - 14 · 4 =

5

= 126 3 des Polygons St. Ponce

Summa

3m Mittel

367,1 375,1 368,7 359,1

366,9

Anmerk. d. Ref.

2,6

8,6

346,0 365,2

362,9

1,4

3,9

4,1

9,5 -

- - 4,0

Die auf den Le Boulengé'schen Apparat be-

züglichen Data find aus der Tabelle Nr. 4 entnommen , welche weiter vorn mitgetheilt wurde. Es geht aus dem Anblick dieser Tabelle hervor , daß die Abweichungen in den Ergebnissen des Apparates des Herrn Le Boulengé bedeutend geringer find , als für den Apparat des Herrn Navez und daß die Geschwindigkeiten sich in so engen Grenzen befinden, daß ihre Genauigkeit die Genauigkeit der in den oben angeführten Arbeiten erfichtlich bedeutend übertrifft.

231 Man wird auch bemerken , daß die von dem Apparate des Herrn Le Boulengé gegebenen Geschwindigkeiten im Allgemeinen geringer find , als die von dem Apparate des Herrn Navez angezeigten ; die größte Differenz beträgt 9,5 m weniger bei dem ersteren ; ein einziges Mal von dreizehn Serien zu fünf oder sechs Schüssen ist die Differenz Null, und ein Mal giebt der Apparat Le Boulengé einen um zwei Meter größere Geschwindigkeit . Die allgemeine mittlere Differenz in den dreizehn Serien enthält vier Meter weniger für den Le Boulengé'schen Apparat. Es besteht daher eine Ursache zu einem Zrrthum, zwar eine ziem lich geringe, in dem einen oder in dem andern Apparate und vielleicht in jedem derselben , in welchem Falle Alles uns zeigt, daß sie entgegen= gefeßten Zeichens ist.

Wir machen jedoch darauf aufmerksam, daß die

von den Pulversorten Nr. 8 und Angoulème hervorgebrachten Diffes renzen den Beweis für das Vorhandensein einer sehr delikaten Frage enthalten, deren Lösung der Zukunft anheimfällt.

Vergleich zwischen den Angaben des ballistischen Pendels , des Ap parates des Herrn Navez und des Chronographen des Herrn Le Boulengé. 3m Jahre 1848 war das balliſtiſche Pendel das beste bekannte Inftrument zum Messen der Geschwindigkeiten der Geschosse. Erst nach einem sehr langen und bis ins Kleinste eingehenden Studium konnte der Major Navez aus seinen Erperimenten den Schluß ziehen , daß die mittleren Abweichungen der von seinem Apparate angegebenen Geschwindigkeiten geringer find , als die von dem ballistischen Pendel von Robins gege= benen.

Es ist bekannt, daß der balliſtiſche Pendel zufällige Verſchie-

denheiten hervorbringt , welche man nicht verbessern kann , welche auch nicht zu vermeiden oder zu zerstören sind .

In diesem Instrument

werden die Geschwindigkeiten aus der Größe der Bewegung abgeleitet, welche das Geschoß dem Receptor mittheilt ; ein Theil der lebendigen Kraft wird aber durch verschiedene Ursachen zerstört ; es muß daher geringere als die absoluten oder wirklichen Geschwindigkeiten angeben.

232 Die mittlere Geschwindigkeit ift defto genauer , als die Zahl der Schüsse, aus der sie berechnet wurde, beträchtlich war. Der electro-ballistische Apparat Navez dagegen muß die Geschwindigkeiten zu groß angeben ; denn alle Widerstände, wie der Herr Major Navez dies selbst bemerkt (Reibung der Are des Pendels auf den Unterstüßungspunkten , Widerstand der Luft gegen das oscillirende System , Anziehung eines großen Central Electro Magneten), führen zur Verkleinerung des Bogens , welcher die Zeit angiebt , und dieſe Verkleinerung entspricht einer größeren Geschwindigkeit. Herr Major Navez hat mit der größten Sorgfalt das Verhältniß der Geschwindigkeiten zwischen seinem Apparate und dem balliſtiſchen Pendel für die Kugel der Stiftbüchse bestimmt ; ſein Apparat giebt eine Geschwindigkeit von 343,83 m, wenn der Robins’ſche Pendel nur 340,11 m anzeigt ; das Verhältniß dieser Geschwindigkeiten ist also 34383 == 1,01 m. 34011 Die beiden mittleren Geschwindigkeiten 343,83 m und 340,11 m können also ― fügt der Herr Major Navez darauf hinzu - als Grenzen gelten , zwischen denen die wirkliche Geschwindigkeit liegt, und da diese Geschwindigkeiten wenig von einander abweichen , so muß man schließen , daß die beiden von den beiden Apparaten angegebenen Geschwindigkeiten bis auf Weniges genau find . Stellt man einen analogen Vergleich zwischen den in der ſo eben gelieferten Tabelle befindlichen Geschwindigkeiten des Apparates Navez und des Apparates Le Boulengé an, so erhält man genau -daffelbe Verhältniß, denn wirklich ist 366,9 m = 1,01 m. 362,9 m Aus dieser Zahl glauben wir folgern zu dürfen ,

-

wie der Herr

Major Navez - daß die von den beiden Apparaten gelieferten mittleren Zahlen bis auf Weniges genau find. Neue und zahlreiche Versuche werden kundgeben, wo die abſolute Wahrheit liegt, denn es kann die Frage durch Experimente definitiv gelöst werden. Ohne ein Urtheil fällen zu wollen , glauben wir doch bemerken zu müffen , daß der Apparat des Herrn Le Bou .

233 lengé sehr einfach ift; seine Angaben füßen sich auf ein vollkommen bekanntes Naturgefeß ; kein Mechanismus complicirt die Anwendung dieses Geſeßes ;

seine Auf -

tellung ist einfach ; seine Handhabung ist leicht; es findet feine Reibung , kein passiver Widerstand statt. Der Apparat des Herrn Navez, abgesehen von den von dem Erfinder angegebenen Ursachen, welche ein wenig zu große Geschwindigkeiten zu liefern vermögen , nöthigt zu der Feststellung der Dauer der Schwingungen feines Pendels, was eine delicate Operation ift. Endlich würde der Apparat des Herrn Le Boulengé nach den angeführten Experimenten Reſultate liefern , welche in Allem denen des ballistischen Pendels von Robins gleichen.

Control 2 Versuche. Zwei Drähte von gehämmertem Kupfer find untereinander zwiſchen zwei festen Ständern stark angespannt.

Sie werden durch ein höl-

zernes frei fallendes Meſſer zerschnitten.

An den Enden des Messers

find zwei Massen Eisen von etwa 5 Kilogramme Gewicht aufgehängt. Diese Massen haben die Gestalt von Kegeln , deren gegen den Erdboden gekehrter Gipfel den übrigens sehr geringen Widerstand der Luft zu vermindern vermag . Die Entfernung der Schneide des Meffers vom ersten Drahte beträgt 0,539 m, die vom zweiten Draht 0,927 m . Hiernach würde die Zeit des Falles des Messers zwischen beiden Drähten 0", 103234 betragen, wenn es unter der Wirkung der Schwere frei fiele , wenn die Drähte keinen beachtenswerthen Widerftand leisteten, wenn sie in dem Augenblicke selbst zerrissen wären, wo das Messer fie berührt , und wenn sie sich nicht bögen. Diese Zeit nähert sich der , welche ein aus einer gezogenen Kanone gefeuertes Geschoß gebraucht, um einen Raum von 35 Meter, welcher gewöhnlich die Scheibenrahmen von einander trennt, zu durchfliegen ; die gesuchte Geschwindigkeit wäre also in diesem Falle 35 = 339,036. 0",103234

234 Die allgemeine Mittelzahl aus vier Serien von Versuchen zu drei , vier und sechs Schüffen , auf dieselbe Art berechnet , betrug 338,800; es besteht daher eine Differenz von 0,236 zwischen der Rechnung und der Erfahrung , wie die folgende Tabelle zeigt :

Mittlere Aus-

Geschwin

Controleur.

Zeit.

schaltung.

Geschwin digkeit. digkeit.

mm.

nim.

476,6

841,8

0 ",102553

341,3

476,6

846,8

0 ",103775

337,3

476,6

844,9

0 ",103312

338,8

476,6

843,5

0 ",102968

338,9

476,2

m.

842,0

0 ",102733

340,7

476,7

845,5

0 ",103429

338,4

488,3

863,7

0",104102

336,2

489,8

861,0

0 ",102963

339,9

487,6

857,5

0 ",102820

340,4

483,6

863,7

0 ",104002

336,5

482,3

852,5

0 ",103317

338,8

481,8

852,8

0 ",103547

338,0

482,3

852,0

0 ",103195

339,2

497,3

872,2

0 ",103269

338,9

497,5

872,5

0 ",103277

338,9

497,3

872,0

0 “, 103221

339,0

m.

339,4

338,3 1

¡

338,6

339,0

235 Man gebrauchte vier Bunsen'sche Elemente und , ohne etwas an den Batterien zu ändern , wendete man vier Anordnungen an, deren Details fich in der Columne der Bemerkungen der Tabelle finden.

Mittlere Ab.

Größte

m.

m.

Abweichung der mittleren Geschwindgk.,

Ab-

gegeben vom weichung. weichung . Chronograph. von der des Controleurs .

1,24

4,02

Bemerkungen.

m.

+0,35

Der gebrauchte Chronometer ist ein langer ftählerner Stift von 0,93 m Länge ; er wiegt 258 Gramme. Das Gewicht ift lang mit plattem Kopfe und wiegt 30,2 gr.

1,89

4,19

-- 0,075

Man gebraucht den Chronometer und das Gewicht des Herrn Le Boulengé. Der Chronometer wiegt 124,5 gr. Das Gewicht wiegt 17,35 gr.

0,42

1,15

-- 0,40

1

Man gebraucht den Chronometer des Herrn Le Boulenge und ein Gewicht von 23,2 gr. mit breitem Kopfe.

0,04

0,10

-- 0,04

Man gebraucht den Chronometer von 93 Centimeter und das Gewicht des Herrn Le Boulengé.

236 Man lies keinen Schuß unberücksichtigt; die Höhe der Unter brechungen war zwiſchen 0,4762 m und 0,4975 m veränderlich , d. þ. es beſtand eine Differenz von 0,0213 zwiſchen den äußerfiten Strichen. welche den Anfang bezeichnen . Dieses Schießen geschah mit Zuziehung des Erfinders und des Herrn M. E. Huſſon , meines Repetitors , der mir bei den in dieſem Bericht erzählten Versuchen fiets geholfen hat. Ich glaube auch ganz besonders hervorheben zu müñfen , daß is einen viel größeren Werth auf die Regelmäßigkeit, als auf den abſo. luten Werth der experimentalen Angaben lege , die nag der Tabelle erhalten wurden , da der Berſuch in der Abficht geschah , zu erweisen, daß Chronometer und Gewichte von verschiedener Mañe und von verschiedenem Gewicht die Experimente nicht beeinflußten. Die Zahlen dieser Tabellen bedürfen keiner Commentare ; wir be merken jedoch , daß ein Chronometer von beträchtlicher Maſſe und ein schweres Gewicht, oder ein solches, welches den Electro- Magneten nur mit einer sehr kleinen Fläche berührt , die Bedingungen ausmachen, die zu den regelmäßigften Ergebnissen führten. Hiermit endet unsere Aufgabe und wir können unsern Bericht in einigen Worten refümiren , wenn wir sagen , daß der Ihrer Beurtheilung unterworfene Apparat in aller Hinsicht Ihren Beifall verdient. Er ist so einfach , daß man nicht einmal die Möglichkeit erblickt : es könne deren noch einfachere geben ; er ist leicht zu handhaben ; er ist nicht empfänglich für schädliche Veränderungen ; kein paffiver Widerstand complicirt feine Resultate , die aus dem am besten bekannten Natur. gefeße , aus der Anziehung der Erde , aus der Schwere abgeleitet werden ; er erfordert keine vorgängigen Erperimente ; zwei auf einem stählernen Stifte dauernd ver. merkte Punkte , das ist Alles , was im Voraus gemacht werden muß.

237

Bemerkung des Autors. Wir haben auf Seite 7 des Memoire's gesagt , daß , wenn man den gemeinschaftlichen Draht zerreißt , d . h . wenn man die Unterbrechung bewirkt, kein Strom mehr in den directen Leitungen bestände, und in der That erfolgt das Endresultat , d . h . der Fall des Chronometers und des Gewichtes durch die Umkehrung der Pole bewirkt, genau ebenso , als wenn dem so wäre. Die zahlreichen BestätigungsExperimente, denen dieser Modus der Unterbrechung unterworfen wurde, beweisen es auf das Evidentefte. Wir müssen jedoch zugestehen, daß das Zerreißen des gemeinschaftlichen Drahtes für jede Batterie , außer dem umgekehrten Strome, einen abgeleiteten Strom bestehen läßt, welcher sich über den Leitungscompler hinzieht, der die Scheibenrahmen, die beiden directen Bobinen und den umgekehrten Strom der entgegengeseßten Batterie oder diese Batterie selbst umfaßt. Diese beiden Ströme , welche in entgegengefeßter Richtung in den directen Bobinen sich bewegen , würden fich ganz neutralifiren , wenn die beiden Batterien genau dieſelbe electromotorische Kraft befäßen. Die Erfahrung lehrt, daß im Gebrauch des regelrecht aufgeftellten Apparates die magnetische Kraft , welche die Differenz dieser beiden Ströme auf den Electro - Magneten ausüben könnte , in Gegenwart der energischen von den umgekehrten Strömen ausgeübten Kraft ohne Einfluß ist. In der That weicht der Strich, den man durch eine Unterbrechung auf dem Apparate erhält, nicht von dem Strich ab , den eine gleichzeitige Unterbrechung der directen Ströme durch ein Geſchoß hervorbringt ; man kann selbst die Flüſfig= keit einer der Batterien vermehren oder vermindern und dennoch bleibt diese Thatsache.

Also , obgleich in der Wirklichkeit bei beiden Arten

der Unterbrechung nicht dasselbe electrische Factum ftattfindet, ſo beweiſen doch die Resultate , daß die Umkehrung (Verwandlung ) der Pole des Electro Magneten unter relativ denselben Verhältnissen magnetiſcher Kraft vor sich geht.

Erklärung des Referenten. In den Eingangsworten zu dieser Mittheilung habe ich mich als Referent eines jeden eigenen Urtheils über den muthmaßlichen Achtundzwanzigfler Jahrgang. LVI. Band. 16

238 Werth der neuen Erfindung des Lieutenant Le Boulengé enthalten. Ich wollte , bevor dies geſchehen sollte, den Leser durch eigene Kennt nißnahme und Prüfung des vorliegenden Memoire erft in den Stor geſeßt wiſſen , meinem Urtheile beizutreten oder nicht. Nachdem diet Bedingung erfüllt worden, glaube ich mich – natürlich heute mur nod auf Grund der in dem Memoire enthaltenen, für richtig angenomme. nen Thatsachen — zu der Aeußerung verpflichtet, daß der Chronograph des Lieutenant Le Boulengė die größte Beachtung verdient und direct und indirect Vieles enthält , was nicht allein den Fortschritt in der Erkenntniß der artilleriſtiſchen Balliſtik, sondern auch in der Phyſik und Technik begünstigt. Fern ist es von mir, mit dieſen Worten auf voreilige Weise dem Werth des electro- magnetischen Pendels des Major Navez zu nahe treten zu wollen. Leßterer ist ein in der großen ArteriePraktik seit Jahren bewährtes vortreffliches , ja bis jezt noch das beſte Inftrument zur Messung der Geschwindigkeiten unserer Geicoffe. Allein es ist nicht zu leugnen , daß , wenn der Chronograph des Lieutenant Le Boulengé den Prüfstein der großen Artillerie - Praktik mit demselben Erfolge an fich anlegen laffen sollte , der durch die erften praktiſchen Versuche des Erfinders und des Professor Meliens mit ihren Gehilfen erreicht und beschrieben worden ist , dieser neue Chronograph icon wegen seiner größeren Einfachheit vor dem Navez'ſchen electro-balliſtiſchen Pendel den Vorzug verdienen wird . Bei den geringen Kosten des le Boulenge'schen Instrumentes wenn es auch 200 Franken anstatt der 50 vom Erfinder vorläufig angegeben wären - bleibt zu wünschen, daß es recht bald auf den großen , zu wichtigen Versuchen bestimmten Artillerie - Schießpläßen ciner gründlichen Prüfung unterworfen würde , denn das ihm zum Grunde liegende einfache Princip der Schwere muß festgehalten werden , ſelbſt wenn der Mechanismus , wie er jegt besteht , einem noch bei Weitem fichereren, bequemeren und gefälligeren – wie wahrscheinlich – Plaß machen müßte. Im Sinne des Vorstehenden erblicke ich in der neuen Erfindung auch ein neues , höchft beachtenswerthes Mittel zum einstweiligen Erfaß der bis heute noch lückenhaften Theile der theoretischen Ballistik, ein Mittel zu tieferer und allgemeinerer Einsicht in Alles , was die Wirkung des Schuffes fördert oder benachtheiligt , nicht allein für die

239 Artillerie, sondern auch für die Infanterie auf deren Hauptschießpläßen, und wäre es auch nur in deren Centralschießschule , und endlich auch für die gelehrte und gebildete ,. industrielle Welt einen neuen Belag und ein neues Reizmittel zur Anwendung der einfachsten Naturkräfte auf die Lösung der verwickeltsten phyſicaliſchen und technischen Fragen mittelft der möglichst einfachen und wohlfeilen Mechanismen. Peterswaldau den 17. Aug. 1864.

du Vignau , Generalmajor a . D.

XVI. Ueber Bestimmung

des

Erddruck es

auf graphischem Wege.

(Hierzu Tafel VII.)

Es sei: BCOPQM das Profil eines Erdkörpers ; die Begrenzung desselben OPQ bilde einen beliebigen gebrochenen Zug; QM fei geradlinig ; ABCD das Profil der Revetementsmauer dieses Erdkörpers, deren innere Wand BC mit dem Horizont einen beliebigen Winkel bilden möge ; h die Höhe der Mauer ; p das Gewicht der Cubikeinheit Erde ; 4, der Reibungswinkel für Erde auf Erde; 2 der Reibungswinkel für Erde auf Mauerwerk (wo

tang 9 = f, wenn f der Reibungs - Coefficient ift) . 16 *

240 Um das Marimum des Druckes zu bestimmen , welchen die Erde gegen die innere Mauerwand B C auszuüben vermag , verwandle man zunächst das Polygon BPQ in das inhaltsgleiche ABGQ, deffen Seite GQ in der verlängerten MQ liegt.

Das Prisma COP

des Erdkörpers bleibt außer Betracht, weil es auf BC keinen Druck zu äußern vermag . Dann lege man im Punkte B 91 = LNBK, an die Horizontale BN den = BC = L92 = < СВЕ , = BE 9₁ = LEBJ =

und bilde das ▲ BJK durch Verlängerung der betreffenden Linien. Schlägt man nun einen Kreis über dem Durchmesser JK, errichtet in G eine Normale GL auf JK und macht JA = JL, ſo iſt BGH = BPQH das Prisma vom größten Drucke für die Mauerfläche BC ( 1). Legt man ferner im Punkte B an BH den

¶ 1 == LHBF,

zicht EF parallel BN und bildet das A BEF , so ist , wenn man BE = a seßt, das Maximum II des Druckes auf BE

ABGH

a.h.p

II =



A BCE' oder ebenfalls

II =

a.h.p BH2 a.h.p = · BF2 2 2

L2 C²

wenn man BH = L , BF = C ſeßt. Nachstehendes möge als Beweis beider Behauptungen dienen : Wirkt eine Kraft P (Fig . 2 ) normal auf den Rücken BC eines Keils ABC , fo ist bekanntlich , ohne Berücksichtigung der Reibung , das Verhältniß von P zu den Reſultirenden normal auf AC und AB wirkenden Kräften Q und R gleich dem Verhältniß der Seiten des Keils oder dem Verhältniß der Sinus der diesen Seiten gegenüber liegenden Winkel, also Р R Q = = BC AB AC

1.

oder ebenfalls

P sin a

R Q = sin y sin 3

2.

241 In Wahrheit aber mit Berücksichtigung der Reibung wirken die Kräfte Q und R nicht normal auf A C und A B , ſondern weichen vielmehr von der Normalen um die Reibungswinkel p ' und y“ ab . gʻ = CAF , an AB Legt man also im Punkte A an AC den den " = BAE , so entsteht ein imaginärer Keil AEF , deſſen

BEE:

Seiten AF und AE von den Richtungen der Kräfte Q und R normal geschnitten werden . Für den Keil ABC werden also mit Berücksich= tigung der Reibung die Gleichungen gelten : P R Q = = 3. EF A F AE P R Q = 4, sin ( -g') sin (y-9") sin ( a + ¶' + g" ) wie fich leicht mittelft des Saßes vom Parallelogramm der Kräfte bes weisen läßt.

HRE

Wendet man die Keiltheorie auf den Erddruck an und betrachtet BCH' als den Keil , auf deſſen Seite CH

das Gewicht des Erdprismas CBHPQ normal drückt , so ift , da CBE = 92 , HBF = BEF der zugehörende imaginäre Reibungskeil. Es sei: Q das Gewicht des Prismas HB C P Q ( = B G H) , P der refultirende Druck auf BC , welcher also in der Richtung normal auf BE erfolgt. BE = a , BG = b, BK = c ; JG = n , GK = m ;

LBEF = a, LBGK = ß , LBJG = y ;

Cins

JHz , GH = x , HK = v , EF = u; LGBH = X , LEBF = 2 , ▲ BHG = Y , ▲ EFB = V.

Nach 3 ift P

a = u

Q

alfo a

P =

ah Q = 2

P

uh 2

11

A BGH abp = ah p • 2 ABEF

F

. 5.

242

ah p 2

P =

b' sin ẞ sin X sin Y 2 2

sin & sin Z sin V sin X sin V

bhp sin ẞ 2 a sin a

P =

.

6.

sin Y sin Z

Weil nun 9₁ = LJBE = LHBF , so ist auch Z = LEBF = L JBH

und V

FBN = HBK,

3m ABGH ift sin X = sin 8 im

BJH 2 sin Z = sin y

und aus Division beider Gleichungen : sin y sin X X = Z sin € sin Z

3m

7.

sin V BHK ift endlich : c sin Y

8.

Aus Multiplication von 7 und 8 ergiebt sich dann: sin B XV sin X. sin V = Z sin Y. sin V c siny und diesen Werth in 6 substituirt : b.h. p . sin§¹ 2a . c . sin a . sin y ober, wenn man die Conftante

X.V 9.

P =

XY

bhp sing = C feßt: P = C . 2 a c sin « sin y

Z

Herner JG = 0, GK = m gefeßt, ift x = z − n , v = m + n − 8 , alfo : n- z)

P= C.

(m + n) C m + 20-

243 dP

m + n) o = C

10.

dz

d' P

2 ( mn ) 1 22

= C d

11.

dP

dz = o geſeßt, giebt z man diesen Werth für z in 11., so wird

V(mn) n.

Subftituirt

d2 P negativ, P wird also dz 2

zu einem Marimum für z = V(mo) n , ein Werth, wie ihn die Conftruction der Fig. 1 geometriſch darstellt. Der Marimalwerth von P ist nach 5 : F ah p II = • f 2

F Es ist aber für den Fall eines Marimums von Conft. f F + AF F AF = f f+ Af Af AF sin Ax L2 Af

sin Ax C²

alfo

a

L2

II

• 2

C2

Für den besonderen Fall , daß die obere Erdfläche horizontal ist und die Mauerkrone nicht überragt , wird die Construction , wie Figur 3 zeigt, noch vereinfacht.

Seht man dabei

₂ = EBG = o , so er.

giebt ſich das bekannte Resultat, daß die Bruchfläche des Prismas vom größten Drucke BH den GBV halbirt, welchen die innere Mauerfläche BC mit der natürlichen Böschung der Erde BK bildet. Sollte die Construction ( Fig . 1 ) dahin führen , daß die Bruchfläche BH den Wallgang hinter der Brustwehr schnitte , so wird das Resultat unrichtig, ein Fall, welcher übrigens unter gewöhnlichen Umständen nicht eintritt. Aber auch dann hilft man sich leicht dadurch, daß man den Inhalt des Erdkörpers auf den Wallgang , ftatt auf die Brustwehrkrone reducirt und dann die Construction auf der Ebene deffelben wiederholt. Die dem Vorstehenden zu Grunde liegende Construction iſt, jedoch in anderer Weise nachgewiesen, schon von Poncelet in deffen bedeutender

244 sehr umfassenden Abhandlung : „, Sur la stabilité des revètements et de leurs fondations par M. Poncelet, chef de bataillon *) , " welche im Mémorial de l'officier du génie No. 13, 1840 erſchienen ift, angegeben. Da ein Hauptvorzug dieser Conftruction eben der ist , daß fie die Reibung an der Mauer mit in Rechnung zieht , was bei einem anaIptischen Verfahren ungleich schwieriger sein würde , Poncelet aber, wie Coulomb und alle seine Vorgänger noch der Ansicht war , dieſe Reibung sei durchaus geringfügig und zu vernachlässigen , so ist sie von ihm nur wenig benußt und daher auch nur wenig bekannt geworden. Was nun diese Reibung betrifft, so ist durch den franzöfifchen Capitain Ardant ( im Mémorial de l'offic. du gén. No. 15 ) ſpäter der außerordentliche Einfluß derselben gezeigt und namentlich auch darauf hingewiesen worden, wie dadurch das rationellßte Profil der Erdbekleidung eine von dem bisher üblichen abweichende Form erhielte. Der Reibungswinkel für Erde auf Erde wird in der Regel für mittleres Erdreich 45 ° angenommen ; für wässriges und solches, welches starken Erschütterungen unterworfen ist = 30 ° * ) .

Zn die

leßtere Kategorie werden Brustwehrkörper wohl richtiger zu ftellen sein. Der Reibungswinkel 92 wird (vergl. die citirte Schrift von Ardant) bei dem meisten Mauerwerk > 9 ,; es wird sich aber dann eine dünne Erdschicht an der Mauerwand festseßen , ſo daß thatsächlich eine Reibung von Erde auf Erde erfolgt. Man kann also in der Regel 92 = ₁ feßen und braucht nur für den Fall , daß die Mauerfläche glatter ist als eine Erdfläche, einen besonderen Reibungswinkel anzu wenden ** ). Cohäſion und Reibung der Erde laffen sich wohl kaum in einem Calcül über den Erddruck vereinigen , weil beide nie gleichzeitig in Wirkung gedacht werden können. Die obige Conftruction, in welcher daher die Cohäſion nicht berücksichtigt wird , hat dadurch die Anomalie , daß sie für eine unendliche Ueberhöhung auch einen *) Eine deutsche Ueberseßung dieser Schrift unter dem Titel : Ueber die Stabilität der Erdbekleidungen und ihrer Fundamente von Poncelet, deutsch von Z. W. Lahmeyer, ift 1844 bei G. C. Meyer in Braunschweig erschienen. **) Vergl. darüber ,,Scheffler, Theorie der Gewölbe 2c." Braunschweig 1857.

245 unendlich großen Druck giebt. Militairiſche Erdanſchüttungen haben aber keine solche besondere Höhe ; sie sind zudem heftigen Erschütte= rungen ausgefeßt , ſo daß bei ihnen eine Bruchfläche von der Krone bis zum Fuße der Mauer sehr wohl eintreten kann , welche an der entscheidenden Stelle die Cohäsion völlig zerstört. Der Erddruck äußert sich nun gegen die Revetements - Mauer auf zweifache Weise ; in dem Bestreben einmal , die Mauer um ihre vordere untere Kante A umzuftürzen , und im andern Falle fie auf ihrer Basis AB parallel mit ihrer ursprünglichen Lage vorwärts zu schieben .

Die Erfahrung lehrt gerade dieſen

zweiten Fall als den gefährlicheren erkennen ; schon häufig find Revetementsmauern durch Gleiten auf der Basis ihrer Fundamente nicht unbeträchtlich vorwärts geschoben worden .

Neben vielen andern find

die Escarpen von Ypres und Bergues zu Vauban's Zeiten und noch in neuerer Zeit von Jülich , Brod und Soissons Belege hierfür . Sei nun ABCD ( Fig. 4) eine Revetementsmauer , auf deren Fläche BC der Erddruck P wirkt, und zwar, wie oben gezeigt, so, daß seine Richtung mit BC den Winkel ( 90° - 92 ) einschließt. Sollte durch diesen Druck die Mauer auf der Basis A B vorwärts geschoben werden, so wird die Reibung derselben auf dieſer Baſis, deren Neibungswinkel 3 sein möge, zu überwinden sein . Die Richtung des Widerstandes W schließt einen Winkel (90° 93 ) mit AB ein. Sobald nun P und W einander in gerader Richtung entgegen wirken , wird nach der Lehre vom Keil eine Bewegung in der Richtung von AB auch ohne alles Zuthun des Gewichts der Mauer unmöglich. Dieſe gegenseitige Richtung von P und W findet aber statt, sobald der Winkel ABC = ( 92 +93 ) wird . Giebt man also der Mauer ein Profil, wie es Figur 5 andeutet, so kann, das Gewicht der Mauer sei, welches es wolle, der Fall des Gleitens nie eintreten. Bei einem Revetement von solchem auch nur angenäherten Querschnitt wird man also die Dicke nur für den Fall des Umfturzes zu berechnen haben . A. S.

246 XVII. Zur

Geschoß abweichung. Anhang.

(Hierzu Tafel VIII.) Wir müssen auf unsern im 54. Bande des Archivs unter obiger Aufſchrift enthaltenen Anffaß zurückkommen. Ergänzung der beſtehenden Geschoß- Abweichungs -Theorien, wie der ganze Aufsatz sein soll, müssen wir selbst eine Ergänzung hinzufügen .

Veranlassung hierzu geben uns einige

in Plönnies neueſter Schrift (Neue Studien, 2. Band) angeführte Vers fuchs - Resultate. Darnach soll unter Anderm (wie Versuche in der Schweiz gezeigt haben) mit der Rotation der Geſchoffe ihre Abweichung zunehmen (Pl. II. 258) . Wir haben als Bedingung für eine geringe Abweichung eine rasche Rotation der Geschosse verlangt, mit (im Gegensatz zu der geltenden Anficht) einem die Spize kräftig hebenden Luftwiderstande. Wir haben dieſe Bedingung als unmittelbares Ergebniß der vorhergegangenen Betrachtungen hingestellt, ohne auf Nebendinge Rücksicht zu nehmen. dinge müssen wir jetzt zu sprechen kommen.

Auf diese Neben-

Die angeführten Schweizer-Versuche scheinen unsere Behauptung zu widerlegen.

Denn wenn wir auch rasche Rotation nur als Mittel ge-

brauchten, um eine kräftig hebende Einwirkung des Luftwiderſtandes auf die Geschoßspite möglich zu machen, und diese wiederum nur als Mittel für eine schnelle, also unter ſpiterem Winkel schwingende Kreiselbewegung, so muß doch die der schnelleren Kreiselschwingung entsprechende geringere Abweichung durch die mit rascherer Rotation verbundene größere Abweichung wieder aufgehoben werden.

Es ist also vor Allem zu unter-

suchen , wie die Rotation eine Abweichung der Geschoffe hervorbringen könne ; ob durch sich selbst , oder ob durch ihre Einwirkung auf die Lage des Geschosses. Plönnies nimmt letzteres an : ,,Hier macht sich alſo“ (erflärt er die Erscheinung) gegenüber der (durch die größere Winkelge ſchwindigkeit) vermehrten Richtungsfestigkeit der Achse die seitliche Ver schiebung der Resultante in Folge der rotirenden Luftströmung in überwiegendem Maße geltend“ (Pl. II. 258). So wie wir diese Bemerkung (und eine ähnliche kurz vor und nachher) verstehen, scheint Plönnies die Bewegung der Spitgeschosse weder ausschließlich durch die Kreiselbewe-

247

gung noch ausschließlich nach dem Princip der veränderlichen Rotationsaxen erklärt haben zu wollen. Auf der einen Seite nimmt er eine feste Rotationsare an , und auf der andern eine Kombination der Geschoßrotation mit dem Luftwiderstande ; überdies wird der Einfluß einer rotirenden Luftschicht damit in Verbindung gebracht. Dabei wird das Nähere auf die Theorie von Magnus verwiesen . Allein Magnus gründet seine Theorie , ohne Zuhülfenahme rotirender Luft , auf die Kreiſelbewegung, und die Kreiselbewegung ist eine Unzahl von Vibrationen des rotirenden Körpers, um die Richtung der störenden Kraft zu einem Kegelmantel vereinigt. Schnelle Rotation kann nur die Regelmäßigkeit der Kreiselschwingung erhöhen, und es müßte demnach , aus diesem Gesichtspunkte betrachtet , vermehrte Geschoßrotation, indem sie das Ausbauchen der Kreiselschwingungen verhindert, die Abweichung vermindern. Wir erklären uns die mit der Rotation sich steigernde Abweichung der Geschosse auf andere Art. Wir halten sie für eine Folge der Ver unstaltung der Geschoffe durch das Einpreſſen in die Züge, und des verhältnismäßig langsamern Abnehmens der rotirenden , gegenüber der fortschreitenden Bewegung. Bekanntlich erhält die Mehrzahl der Geschosse und darunter die der Schweizer-Waffen, ihre Rotation unmittelbar durch die Züge , deren Form auf das Geschoß übergetragen wird . So lange nun die Rotation und die Fluggeschwindigkeit unverändert bleiben, wird die Luft die dem Geschoß eingeprägten Furchen durchstreichen, ohne irgend einen Druck auf deren Seitenwände auszuüben. Beacgt sich z . B. ein Geschoß innerhalb eines Zeittheilchens von a nach b, Fig. 1 , so wird in derselben Zeit die Rotation deu Weg fb zurüdlegen ; in zwei Zeittheilchen wird das Geschoß den Weg ac durchlaufen , die Rotation : gc u. s. f. Ein bei a in die Furche ai eintretende Luftschicht wird nach und nach die Punkte b, c, d und e passiren, also längs des Geschosses gerade so hinstreichen , als ob die Furche keine Neigung und das Geschoß keine Rotation hätte. Ebenso würde es sich verhalten, wenn die rotirende und die fortschreitende Bewegung in gleichem Verhältniſſe abnähmen. Allein die Rotation hat nur die unbedeutende und von der Geschwindigkeit unabhängige Luftreibung zu überwinden , während dem Fortschreiten des Geschosses der (mindestens) im Quadratverhältniß mit der Geschwindigkeit wachsende Luftwiderstand sich entgegenstellt. Die Rotation wird daund damit ändert her langsamer abnehmen als die Fluggeschwindigkeit Luftschicht – eintretende ai Furche der in Eine sich das Verhältniß.

248 - wird nun fort im vorigen Fall den geraden Weg ae zurücklegend während seitwärts gedrängt werden , ganz so, als ob sie bei einem nicht rotirenden Geſchoß eine schiefe Furche (ak) durchlaufen müßte, von einer um so größern Neigung, je größer die Abnahme der Fluggeschwindigkeit gegenüber der Abnahme der Rotation ist. Die Folge hiervon muß ein ununterbrochener Druck der abgelenkten Luftschicht auf die ablenkende Seitenwand sein. - Fällt die Geschoßare mit der Flugrichtung nicht zusammen , so wird dieser Druck auf der vordern und auf der hintern Seite des Geschoffes verſchieden sein.

Bewegt sich z. B. ein Geſchoß in

der Richtung ab, Fig. 2, und hat dabei eine Axenlage cd , so kann der Luftstrom die hintere Seite des Geschosses nicht unmittelbar treffen. Der Rotationsdruck (wie der Luftdruck überhaupt) muß auf dieser Seite geringer sein als auf der vordern , es muß demnach der Seitendruď in den vordern Furchen zum vorherrschenden werden ; das Geſchoß wird, diesem stärkern Drucke folgend , in der Richtung ef verdrängt werden, d. i. entgegengesezt der Richtung, in welcher es auf der Seite des größern Luftdrucks rotirt. Betrachten wir nun die Wirkungen dieses Seitendrucks auf

ein

kreiselndes Geschoß in seinen verschiedenen Lagen zur Flugrichtung. Wir haben als eine der beiden Bewegungsformen, die ein rotirendes Langgeschoß annehmen kann, diejenige bezeichnet, in welcher die Geschoßare - aus der Fluglinie heraustretend einen halben Kegelumschwung macht , um in die Fluglinie wieder überzugehen. Behalten wir dieſe Form, als die einfachste, für unsere Betrachtung bei. Darnach wird die Geschoßspite wiederholt die Curve abcde Fig. 3 , durchlaufen (wenn wir , zur Vereinfachung , ein zwar rotirendes, aber nicht fortschreitendes Geschoß annehmen : innerhalb eines Luftftroms , der allmälig von der Richtung as in die Richtung eS übergeht), also die Geschoßare nach und nach die Stellungen bS, cS und dS einnehmen, um mit eS in den Luftstrom wieder überzugehen. Während die Geschoß- Spitze von a nach b schwingt, wird der Luftstrom auf das Geschoßz hauptsächlich von unten wirken, von der Seite während der Bewegung von b nach d, und von oben während der Bewegung von d nach e. Der Rotationsseitendruck wird im Anfange der Kreiselschwingung das Geschoß nach rechts drücken (in der Richtung des Pfeils) , dann abwärts , und gegen das Ende der Kreiselung wieder nach links. Die Ablenkung wird mit einem Wort immer in der Rich,

249 Wenn die Bewegungs- und Druckvertung der Curve ace geschehen. hältniſſe während dieſer ganzen Bewegung unverändert bleiben, so müßte das Geschoß unten eben so viel nach links gedrückt werden, als es oben nach rechts abgelenkt wurde, und nur der Druck nach abwärts würde unaufgehoben bleiben. Allein diese Verhältnisse ändern sich mit jedem Augenblick. Der Luftwiderstand nimmt in (wenigstens) quadratischem Verhältnisse ab , es muß also im Aufange der Kreiselbewegung die Fluggeschwindigkeit schneller abnehmen als gegen das Ende derselben . Dadurch wird die Neigung der Furche ak, Fig. 1, (nach der Vorstellungsform, wie wir sie oben angenommen haben) im Anfange der Kreiselbewegung eine größere als gegen das Ende derselben sein, und auf dieſe größere Neigung wirkt ein schnellerer Luftstrom. Beide Umstände verbinden sich zu einer stärkern Wirkung, und da daſſelbe für alle folgenden Kreiſelschwingungen gilt, so folgt, daß die Rotation an nnd für sich eine Abweichung des Geschosses (in unserm Falle nach rechts ) hervorbringen müſſe und zwar eine um so größere , je größer , bei gleicher Anfangsfluggeschwindigkeit, die zugehörige Rotation ist. So folgerichtig dieſe Schlüſſe auch sein mögen , wir würden ihnen wenig Werth beilegen, wenn wir sie nicht durch Versuche beſtätigen könnten. Doch ehe wir darauf zu sprechen kommen , erlaube man uns einige Bemerkungen , die entweder aus dem Vorhergehenden folgen , oder damit zuſammenhängen. Wenn die Rotation eine Abweichung der Geschoffe hervorbringen

soll, so wird, nach obiger Auffassung, eine furchenförmige Verunstaltung der Gefchoßoberfläche vorausgeseßt. Daß mit der Tiefe, Länge und Anzahl dieser Furchen die Abweichung zunimmt, ist nicht zu bezweifeln, doch wird es nicht in dem Maaße geschehen, als man wohl annehmen möchte. Kann z . B. ein Geschoß mit 1mm tiefen Furchen , der abnehmenden Fluggeschwindigkeit gegenüber, seine Rotation in solcher Größe beibehalten, daß die Furche ai , Fig. 1 , von den Lufttheilchen nach der Richtung ak durchlaufen werden muß, so wird (unter sonst gleichen Verhältnissen) bei halb so großer Furchenticfe die Neigung dieser Richtung ungefähr noch einmal so groß sein können.

Der Rotationsseitendruck wird dann in

beiden Fällen gleich sein , und (unter sich) gleich bleiben müſſen , indem nunmehr das Verhältniß zwischen Rotation und Fluggeschwindigkeit, durch diesen Druck geregelt wird.

Da aber das Geschoß mit den tiefern

250 Furchen das Maximum des Rotationsseitendrucks früher erreicht, so muß auch hier die damit verbundene Abweichung früher beginnen , und nur aus diesem Grunde wird größere Furchentiefe 2c. größere Abweichung Denkt man sich die Tiefe dieser Furchen immer gehervorbringen. ringer , so wird das Maximum des Rotationsdrucks vom Anfange der Flugbahn sich immer mehr entfernen, die Rotations abweichung also immer geringer werden, um endlich bei einem Langgeschoß von ( nach dem Feuern) glatter *) Oberfläche ganz und gar zu verschwinden. Ein solches Geschoß kann nur jene Abweichung haben, welche eine unmittelbare Folge der schiefen Lage zur Flugrichtung ist, und für diese Abweichung halten wir unsere Behauptung aufrecht : daß ihre Größe von der Schnelligkeit der Kreiselschwingung und der Form der Geschoßspite abhängt. Ze schneller die Kreiselung, und je weniger gewölbt die Spitze ist, um ſo geringer wird die Abweichung sein , und wir finden mit Befriedigung (Pl. II. 257. ) , wie die Verlängerung der Langblei- Spize die Derivation Bei dem überwiegenden Einfluß, welchen um die Hälfte vermindert hat. (wie wir bald sehen werden) die Rotations -Wirkung auf die Bahn der Geschoffe hat, wollen wir indeß nicht wiederholt hierauf eingehen. Die Rotationsabweichung wird ferner von der Form der Geschoß - Spize Eine stumpfe oder glatte Spize wird eine schnellere Abnahme der Fluggeschwindigkeit veranlassen , dadurch den Rotationsdruck zu früherer Thätigkeit bringen und so die Abweichung vergrößern . Sie wird endlich, und vor allem, von der Geschwindigkeit der Rotation ſelbſt abhängig sein.

abhängig sein. Denn da die Rotation die Ursache der Rotationsabweichung ist , und der Rotationseffekt im Quadrat-Verhältniß mit der Winkelgeschwindigkeit wächst, so muß auch folgerichtig in demselben Verhältniß die Wirkung d . i. die Abweichung zunehmen. Wollte man bei jenen Gefchoffen, auf welche diese Betrachtungen Anwendung finden , durch geringere Furchentiese 2c. die Abweichung vermindern, so würde man nur ungenügende Reſultate erhalten ; die Rotation aber , als Hauptfaktor , läßt sich nur bis auf eine gewisse Grenze

*) D. h. vollkommen glatter Oberfläche ; da indessen solche Flächen die Geschosse nicht haben können , so werden sie der Luft immer Stützpunkte bieten, die, bei schiefer Lage des Geſchoſſes zur Flugrichtung , den oben beschriebenen ähnliche Erscheinungen hervor. bringen werden.

251 vermindern , wenn die Kreiselbewegung noch regelmäßig vor sich gehen und das Geschoß nicht umschlagen soll. Glücklicherweise findet sich ein Mittel, welches beide Uebelstände

die horizontale wie vertikale Bahn-

Veränderung durch die Rotation - nicht nur als Uebelstände beseitigt, ſondern ſelbſt in Vortheile verwandelt. Damit kommen wir auf die angedeuteten Verſuche zurück. Wenn wir einem rechts rotirenden Geschoß , welches bei einem die Spize hebenden Luftdrucke eine Rechtskreiselschwingung , also auch eine Rechtsabweichung hat , wenn wir einem solchen Geschoß eine LinksKreiselschwingung geben könnten , so müßte auch der Rotationsdruck entgegengesezt wirken. Denn während in Fig. 3 die durch die schiefe Lage des Geschosses verursachte Abweichung und die Abweichung durch die Rotation in gleicher Richtung erfolgen , werden in Fig. 4 (bei RechtsRotation

und Linkskreiselschwingung)

die beiden Ursachen der Ab-

weichung in einander entgegengesetzten Richtungen thätig sein. Im ersten Fall erhalten wir eine Summe der Wirkungen, im zweiten eine Differenz , die nach Umständen gleich Null sein kann.

Ferner , während in Fig. 3

(innerhalb der Kreiselung von ungefähr h bis d) der Rotationsdruck auf das Geschoß niederdrückend wirkt, wird in Fig. 4 ( von b-d) der Rotationsdruck auf das Geschoß hebend einwirken. Die Folge hiervon ist dort eine höhere , hier eine flachere Flugbahn , als sie ein Geschoß von glatter Oberfläche haben wird. Pr. Magnus hat nun durch Versuche gezeigt, daß ein Cylinder von senkrechter , ebener Grundfläche der Richtung eines Luftstroms folgen muß , so lange diese Richtung mit der Are des Cylinders keinen größern Winkel als circa 25° bildet. Ein Geschoß von dieser Form wird demnach durch den Luftwiderſtand fortwährend nach der Fluglinie gedrückt werden , also eine Kreiselbewegung annehmen, welche der Rotation des Geschosses entgegengesett ist . Ob diese Erscheinung nur bei einem Cylinder eintreten könne, hat Magnus nicht unterſucht ; man kann also annehmen , daß , wenn ein Cylinder innerhalb 25° der Stromrichtung folge , dasselbe innerhalb weniger Grade auch bei einem abgeſtumpften Kegel möglich ſei . Betrachten wir nun die neuern Geſchoffe der franzöfifchen Handfeuerwaffen (Kaliber 18-18,5 mm ). Fig. 5, 6 u. 7 zeigt dieselben, wie ſie zur Zeit im Gebrauch find ( Pl. II , Taf. III).

Es sind Expanſionsge-

schosse mit auffallend abgeplatteten Spizen, sie haben sämmtlich verhältniß-

252 mäßig flache Flugbahnen und, was wir hervorheben, nach den umfaffendsten Bersuchen , nicht die geringste Derivation. -- Drängen diese Thatsachen nicht zu der Vermuthung , daß Neßler bereits praktiſch gelöst habe , was wir theoretisch erst finden wollen ? Die ( verhältnißmäßig) flache Flugbahn, die beim Geschoß Fig. 6 , als dem schwersten , durch eine sehr langsam zunehmende Senkung des niedersteigenden Astes (faft rein paraboliſche Gestalt) sich auszeichnet, so daß die bestrichenen Räume auf den Diſtanzen von 600 bis 1000 Schritt denen der süddeutschen Gewehre (Kal. 13,9) ziemlich gleich kommen, - erscheint es nicht wie Widerspruch, wenn man sie (neben dem Geschoßgewicht) durch die langsame Anfangsgeschwindigkeit erklären will?

Und der Mangel aller Derivation , die doch bei allen

Langgeschoffen, selbst jenen des kleinsten Kalibers, beobachtet wurde, wird man ihn einzig durch die Schwerpunktslage erklären wollen ? wird man annehmen wollen , die Geschosse haben eine so günstige Gestalt, daß der Luftwiderstand auf ihre Spize weder hebend noch senkend einwirken könne, daß also die Gefchoffe, ohne Kreiſelbewegung anzunehmen, parallel der ur sprünglichen Lage ihre Bahn durchlaufen? Sagen wir es gerade heraus : wir schreiben die günstige Flugbahn der französischen Geſchoffe ihrer bedeutenden Abplattung zu , wodurch sie bei Rechtsrotation eine Linkskreiselschwingung erhalten und so alle Nach, theile, welche unter andern Verhältnissen die Notation begleiten, in Vortheile verwandeln. Wir werden in dieser Annahme bestärkt durch einen Versuch von so auffallendem Ergebniß, daß er eigens zu unserm Zwed gemacht zu sein scheint. Es ist der Versuch, welchen Neßler mit dem Schweizer - Gewehr angestellt hat , und wie ihn Plönnies Seite 190 des II. Bandes anführt. Das Schweizer - Geschoß ward erſezt durch ein Neßler'sches von gleichem Gewicht und einer vordern Abplattung , die größer als der halbe Geschoßdurchmesser ist (Fig. 8).

Mit einer Eleva-

tion, bei welcher das Schweizer- Geschoß 200 Schritt durchfliegt, erreichte das Neßler'sche Geschoß nahezu 400 Schritt , also die doppelte Distanz. Wie wird man dieses überraschende Resultat erklären wollen ? Plönnies bringt es in Verbindung mit der dabei verwendeten amerikaniſchen Pulversorte eine Meinung , gegen welche sich , als solche , nichts einwenden läßt ; doch halten wir uns lieber an Thatsachen , und Thatsache ist es , wie Plönnies bald darauf bemerkt , daß das Schweizer - Gewehr gegen die verschiedenen Pulversorten eine nur geringe Empfindlichkeit

253 zeigt. Wenn es nun eine größere Fluggeschwindigkeit nicht ist, welche das eine Geschoß bei gleicher Elevation durch weitere Räume bringt, so muß es nothwendig eine Ursache sein , die, wie der Rotationsbruck , der Schwere entgegenwirkt. Wir erwarten nicht, daß man unſerer Vermuthung ſofort beiſtimmen werde; man wird uns einwenden, daß auch andere Geschoffe, z . B. das Podewils-Geschoß , bedeutende Abplattungen haben , ohne deren Folgen zu zeigen.

Dagegen geben wir zu bedenken, daß es für die Abplattung

eine Grenze geben muß, bei welcher der Luftwiderſtand aufhört , auf die Geschoßspite drückend zu wirken * ) , und daß es von Wichtigkeit ist, in welche Entfernung von der Ebene der Spiße der Schwerpunkt des Geſchoſſes zu liegen kommt.

Das bayerische Geſchoß hat, bei größerer Ent-

fernung vom Schwerpunkt , eine geringere Abplattung , als die franzöſischen Geschosse , und es ist sehr wohl möglich , daß zwischen beiden die fragliche Grenze liegt. Die Entscheidung , auf welche Geschoßspitzen der Luftwiderstand hebend und auf welche er senkend wirke , fällt mit der Bestätigung unserer Vermuthung überhaupt zusammen und kann nur nach eigens zu diesem Zwecke angestellten Versuchen erfolgen. Bei der Wichtigkeit der Frage - es handelt sich um die Beseitigung der Derivation und um die Erreichung möglichst flacher Flugbahnen - fönnen wir Versuchen in dieser Richtung entgegensehen, und wir würden hiefür Geschoßformen von (in ihrem Bordertheil) reiner abgeftumpfter Kegelform vorschlagen. Wollte man davon abgehen, so würden wir, vielleicht noch vortheilhafter , einen von der Spitze aus allmähligen Uebergang nach dem hintern Geschoßkörper anrathen (Fig. 9), aus Gründen, die in der Abstoßung der Luft ihre Erklärung finden. Die Größe der Ab-

*) D. h. aufhört , während einer ganzen Kreiselung die Geschoßspige nach der Fluglinie zu drücken ; es iſt anzunehmen , daß dies (bei zu geringer Abplattung und starker Wölbung der Spize) nur so lange geschieht , als der Winkel , den die Geschoßare mit der Flugrichtung bildet , ein sehr spiter ist; vergrößert sich dieser Winkel, so wird der Luftdruck auf die Geschoßspige hebend einwirken und damit die Kreiselbewegung in eine entgegengesepte übergeben: ein Vorgang , welcher , bei der nothwendig unter größerm Winkel schwingenden Kreiselbewegung die Rotationsabweichung horizontale und vertikale vermehren muß ( siehe unten). Es würde uns zu weit führen, wenn wir auch auf diese Verhältnisse näher eingehen wollten. 17 Achtundzwanzigster Jahrgang. LVI, Band.

254 plattung muß dem Verſuch überlaffen werden ; doch wird ſie eher zu groß als zu klein sein müssen. Was ließe sich nach unserer Annahme nicht sonst noch erklären? Die Eigenthümlichkeit z . B. , daß die Infanterie " Langgeschoffe für die größte Schußweite eine Elevation bis zu 40° erfordern (Pt. II , 234). Wenn es wahr ist , daß die Rotation auf die (gewöhnlichen) Geſchoffe drückend wirkt , so muß diese Wirkung durch größere Elevation wieder ausgeglichen werden. Aus demselben Grunde müſſen die von der Notation getragenen französischen Geſchoffe für die größte Schußweite einer um so geringeren Elevation bedürfen, während dieſelben Geſchoffe, oh ne*) Rotation abgefeuert , für die längste Flugbahn eine Elevation erfordern, welche ungefähr in der Mitte zwischen den vorigen liegt. Die Eigenthümlichkeit ferner, daß die französischen Geschosse mit der Verlegung des Schwerpunkts nach rüdwärts ihre Tragweite vergrößern. Neßler hat auf Grund dieser Erscheinung ein eigenes Geschoß gebaut, man muß also wohl die Beobachtung als zuverlässig annehmen.

Die

*) Wobei es (noch mehr als bei den rotirenden Geschoffen für eine gleichmäßige Kreiselschwingung) zur Nothwendigkeit wird , daß die Ebene der Spize senkrecht auf der Geschoßzare steht, wenn letztere in der Fluglinie verharren soll. Bei dieser Gelegenheit können wir eine Bemerkung nicht unterdrücken. Es ist in neuerer Zeit wiederholt der Vortheile gedacht worden , welche nicht rotirende und aus glatten Rohren gefeuerte Langgeschoffe bieten würden (z . B. im 55. Bd. d. Archivs). Man hat gleichzeitig für diesen Zweck passende Geschoßformen in Vorschlag gebracht , die jedoch, ihrer mehr oder minder künstlichen Zusammensetzung wegen, wenig Aussicht aufAnwendung haben. Wie, wenn man mit dem Neßler'ſchen Geschosse Versuche anstellte ? Wenn es gelänge, dasselbe ohne Rotation um die Querare abzufeuern , so könnte man den Erfolg so gut als sicher betrachten; denn wenn einmal das Geschoß die Flugrichtung angenommen hat , so wird es auch in derselben verharren. Ob dies bei dem zum Laden nothwendigen Spielraum gelingt, möchten wir so geradezu nicht bejahen ; doch sind die Vortheile zu bedeutend, als daß man es nicht wenigstens versuchen sollte. Mit Anwendung von Pappspiegeln könnte man 3. B. bei dem glatten Gewehre nicht nur das Kaliber , sondern selbst die Geschwindigkeit der Schweizer- Geschosse erreichen; denn da der Spiegel sammt Geschoß , Fig. 10, eine Bleikugel vom Durchmesser des Spiegels an Gewicht kaum übertrifft, so werden auch die Anfangs- Geschwindigkeiten dieser beiden Geschosse nur wenig von einander abweichen , und die Anfangs - Geschwindigkeit der Infanterie-Rundgeschosse dürfte jener der Schweizer-Langge schoffe ziemlich gleichlommen.

255 Berlegung des Schwerpunkts nach rückwärts bewirkt zunächst eine Abnahme der (um dic Queraxe des Geschoffes) drehenden Wirkung bes Luftwiderstandes ; denn wenn bei einer Axenlage ab, Fig. 11 , und einer Flugrichtung cd der auf die Spizenebene wirkende Luftbruck fich in dem Punkte o vereinigt, so muß seine drehende Wirkung durch eine Zurüdſchiebung des Schwerpunktes S in demſelben Verhältniß abnehmen , als dadurch der Arm Sb des Winkelhebels Sbo an Länge zunimmt. Diese Drehung bestimmt aber die Geschwindigkeit der Kreiselbewegung , und diese Geschwindigkeit wieder die Neigung , unter welcher die Kreiſelung erfolgt. Vollendet z . B. ein Geschoß innerhalb des Bahnstückes ab, Fig. 12, einen Kreiselumschwung , so wird seine größte Neigung zur Fluglinie etwa der Winkel a sein , d. i. ein Winkel , welcher jedenfalls fleiner als die Hälfte des Winkels ß iſt. Vollendet das Geschoß eine Kreiselung innerhalb des halb so großen Bahnstüdes ac , so wird auch seine größte Neigung zur Flugrichtung nur halb so groß ſein können (y). Bon der Neigung der Geschoßare zur Flugrichtung hängt aber die Größe des Unterschiedes zwischen dem Luftdruck auf der vorderen und auf der hinteren Seite des Gefchoſſes ab, und von diesem Unterſchied die hebende Wirkung der Notation, --- mit einem Wort: die Verlegung des Schwer. punktes nach rückwärts bewirkt bei den französischen Geschossen eine Abflachung der Bahn. Bei den Geschossen von nicht abgestumpster Spitze wird dieselbe Ursache , aus anderen Gründen , dieselbe Wirkung hervorbringen. Doch wir enthalten uns eines weiteren Eingehens auf Einzelnheiten, ehe die Richtigkeit unserer Bermuthung überhaupt bestätigt ist. Wir wollten auch nur, neben den bekannten , auf eine neue die Geschoßbahn beftimmende Ursache aufmerksam machen , und wir glauben , durch obige Erörterungen des Vorhandensein einer solchen Ursache wahrscheinlich gemacht zu haben. Die folgenden Bemerkungen betreffen die Geschoßabweichung überhaupt und sie sind gemacht , weil einige von Plönnies angeführte Beobachtungen unseres Erachtens der Erläuterung bedürfen. So gedenkt Plönnies (I, 243) der auffallend geringeren Derivation, welche bei den Geschossen der kleinen Kaliber beobachtet wird , und bringt sie in Verbindung mit ihrer großen Fluggeschwindigkeit und der benöthigten geringen Elevation . Wir wollen nicht untersuchen, inwiefern die Derivation durch die Fluggeschwindigkeit und die Elevation beeinflußt oder 17 *

256 nicht beeinflußt wird, wir wollen nur bemerken, daß — unabhängig von beiden - dieselbe Ursache , welche die Geſchoffe der kleinen Kaliber den Luftwiderstand leichter überwinden macht, auch die Derivation vermindern muß.

Denn wenn , wie feststeht , der Luftwiderstand hauptsächlich am

Geschoßvordertheil thätig ist, wenn ferner die ſchiefe Lage des Geſchoffes zur Flugrichtung die Derivation veranlaßt, so muß es von der größeren oder geringeren Masse, die dem Geschoßvordertheil folgt, abhängig sein, ob der das Geschoß seitwärts drückende Luftwiderstand mehr oder minder überwunden werde.

Die Geſchoſſe der kleinen Kaliber haben , im Ber-

hältniß zu ihrem Durchmesser, eine größere Länge, als die Geschosse der großen Kaliber, folglich eine geringere Abweichung. Auf Seite 88 des II. Bandes führt Plönnies eine Beobachtung an (niederländische Versuche), wonach die Ablenkung durch den Wind bei dem Schweizer Geschoß eine geringere ift , als bei dem 2, 3 mal schwereren holländischen , und behauptet bei dieser Gelegenheit , daß die Annahme : die kleinern Geschosse müßten durch den Wind mehr abgelenkt werden als die größern , eine irrige ist.

Das behaupten wir auch , allein wir

möchten diese Behauptung nicht ausschließlich durch die einander mehr oder minder widersprechenden Versuchsresultate begründet haben. Von den vielen Faktoren, welche den Geschoßflug bestimmen , ist dieser einer von den wenigen , welche der Rechnung unterworfen werden können. Und die Rechnung lehrt, daß die Abweichung der Geschoffe durch den Wind (im Allgemeinen) im umgekehrten einfachen Verhältniß zum Durch. meſſer, und im umgekehrten quadratischen Verhältniß zur DurchschnittsFluggeschwindigkeit steht.

Hat z. B. ein Geschoß des großen Kalibers

einen ungefähr noch einmal so großen Durchmesser als das SchweizerGeschoß, so wird es der Einwirkung des Windes zwar eine noch einmal so große Fläche bieten , dafür aber eine viermal größere Masse befizen. Aus diesem Grunde wird seine Abweichuug in gleicher Zeit nur halb so groß sein als jene des Schweizer- Geschoffes.

Auf der andern

Seite hat das Schweizer- Geschoß eine etwa noch einmal so große Geschwindigkeit, es wird also dieselbe Distanz in der halben Zeit durchfliegen, und da der zurückgelegte Weg eines gleichmäßig [also auch durch den Wind *)] beschleunigten Körpers im Quadratverhältniß zur Zeit der

*) Wenn der zu beschleunigende Körper von bedeutendem ſpecifiſchem

257 Beschleunigung steht, so wird aus diesem Grunde das kleinere Geschoß für dieselbe Entfernung nur den vierten Theil der Abweichung des größern Geschosses haben. Verbindet man beide Verhältniſſe , ſo ergiebt sich für das Schweizer- Geſchoß eine Abweichung durch den Wind, die ungefähr halb so groß ist als, für die gleiche Distanz, die Abweichung eines Geschosses des großen Kalibers. Dieselben (niederländischen) Versuche geben Plönnies Beranlassung zu einer weitern Bemerkung. Die mit aufgestecktem Bajonet eingeschossenen Gewehre geben ohne Bajonet eine auffallend große Derivation und Plönnies glaubt diese Erscheinung durch die ungleiche Stärke der Bajonetdille erklären zu können.

Die wellenförmige Vibration des Rohres

würde durch die einseitige Verstärkung der Dille (durch den Bajonetarm) beeinflußt und dadurch das Geschoß nach der entgegengesetzten Seite abgewiesen.

Sehr wahrscheinlich , und es würde gewiß sein , wenn die

Bajonetdille nicht als Fortsetzung das Bajonet hätte.

Dadurch ergiebt

sich aber , nach unserer Ansicht , eine näher liegende Erklärung.

Das

Pulvergas , aus dem Rohre tretend , wird das Geschoß bald überholen und nach allen Richtungen garbenförmig sich ausbreiten ; das Bajonet muß dieser Ausbreitung größern Widerstand

entgegensetzen als die

atmosphäriſche Luft , es wird deshalb das Geſchoß dem Bajonet entlang einen einseitigen Druck erleiden, der es in der entgegengesetzten Richtung abweist und um so mehr abweist, je breiter das Bajonet ist und je näher es dem Rohre liegt. --Noch müssen wir einer Erscheinung erwähnen , welche zwar mit der Abweichung der Geschoffe nur mittelbar zuſammenhängt , die aber an und für sich wichtig genug ist , um näher betrachtet zu werden. Wir meinen die auffallende Wirkungsweise des Pulvergases nach besondern Richtungen.

" Zufällige Pulverexplosiouen ," sagt Plönnies (II. 217),

,,wirken oft vorzugsweise im einzelnen, wie es scheint, durch die Art der Entzündung und den ersten Gasstrom bedingten, nicht lediglich aus der Beschaffenheit der Umschließung erklärlichen Richtungen. Noch auffallender zeigt sich diese Erscheinung bei der Explosion von Knallpräparaten, deren zerstörende Wirkung fich oft in auffallender Weise in gewissen Richtungen fortpflanzt und scharf begränzt , so daß sie beinahe mit der Wirkung Gewicht und die Zeit der Beschleunigung nur wenige Sekun den ist.

258 eines Projectifs zu vergleichen ist." --- Die außerordentliche Schnelligfeit, mit welcher die Entzündung des Pulvers erfolgt, kann es nicht sein, was die Erklärung dieser Erscheinung schwierig macht ; denn ob wir eine Bewegung mit den Augen oder nur mit den Gedanken verfolgen können, die Bewegungsgesetze müssen für beide Fälle dieselben sein.

Ja, es fragt

fich, ob eine solche Schwierigkeit überhaupt hier vorliegt , ob nicht der Umstand allein , daß die Entzündung, wenn auch noch so schnell , nur allmälig geschehen kann , an verschiedenen Punkten verschiedene Wirkungen nothwendig macht ? Betrachten wir die Entzündung einer Reihe von Pulverkörnern im freien Raum und nehmen wir an, dieselbe erfolge mit gleicher Geschwiudigkeit wie die Ausbreitung des Pulvergases.

Es ist klar , daß unter

dieser Voraussetzung die (sich kugelförmig ausdehnenden) Gaſe der zuerſt entzündeten Pulverkörner alle folgenden umschließen würden , wenn die in Fig. 13 dargestellte gegenseitige Gasdurchdringung möglich wäre; es müßte eine immer größere Gasverdichtung eintreten, zunehmend mit der Länge der Entzündung ; es müßte mit andern Worten die Wirkung des letten Pulverkorns ― durch die Wirkungen aller vorhergehenden unterstützt - größer sein, als die Wirkung des ersten. Diese gleichmäßige Gasburchdringung kann nun allerdings nicht stattfinden ; denn die Ausdehnung der ersten Gaskugel in der Richtung nach b wird durch die Ausdehnung der zweiten in der Richtung nach a gehindert 2c.; - allein in demselben Verhältniß als die erste Kugel in ihrer Ausbreitung ver hindert wird, muß (nach dem Gesetze der Gleichheit zwischen Wirkung und Gegenwirkung) die zweite Kugel selbst verdichteter bleiben , so daß die Aufeinanderwirkung der Gaskugeln mit der (gedachten) Ineinanderwirkung derselben von vollkommen gleichem Effekt ist.

In der That

giebt Fig. 13 einen in der Form zwar abweichenden , im Wesen aber richtigen Ausdrud der Pulverentzündung im freien Raum. ---- Erfolgt die Entzündung innerhalb eines Rohres , so können die Gase fich nur mehr cylinderförmig ausdehnen, ſie werden verdichteter bleiben , alſo die Endwirkung verstärken müssen ; ist dabei das Pulver in Haufenform, so wird der ganze Borgang zwar verwickelter , allein das Resultat muß in der Hauptsache daffelbe bleiben : die Spannung der Gase muß zu. nehmen mit der Länge der Entzündung.

259 Betrachtet man aus diesem Gefichtspunkte die verſchiedenen Zündungen, so findet man für die nicht centrale Zündung eine ungleiche Einwirkung des Pulvergases auf das Geschoß.

Die vom Zündloch ent-

ferntere Ede d, Fig. 14, muß einen größern (ersten) Gasdruck erleiden, als die gegenüberliegende Ece e. Ist das Geschoß von Blei, so muß es deformirt werden , und ist es dabei kurz , der Spielraum groß und das Zündloch, wie gewöhnlich bei den Handfeuerwaffen , seitwärts , so wird es noch überdies schräg in das Rohr eingezwängt werden. Ist das Geschoß von Eisen und das Zündloch , wie bei den Geschüßen , oben , so fallen diese Uebelstände weg ; die nicht centrale Zündung bringt hier sogar den Vortheil, daß die größte Gasverdichtung an einen Ort trifft, wo die Gas- Entweichung den geringsten Spielraum findet. - Die centrale Zündung bewirkt zunächst einen gleichmäßigen Gasdruck auf alle Punkte des Geschoßbodens.

Erfolgt sie von rückwärts, so wird das Gas

! sich nach vorwärts verdichten und im Zustande seiner größten Berdich tung auf das Geschoß wirken ; hieraus erklären wir uns die mit dieser Zündung verbundene größere Anfangsgeschwindigkeit der Geschoffe. Erfolgt die Zündung von vorn nach hinten , so kann die erste und stärkste Gaswirkung sich nur als Rückstoß äußern , und diesem Umstande dürfte die geringe Anfangsgeschwindigkeit des Langbleies mit zuzuschreiben sein. - Die seitliche Zündung wird sich mehr dem ersten oder mehr dem zweiten Falle anschließen , je nachdem das Zündloch weiter hinten oder weiter vorn in die Pulverkammer mündet. Nachdem wir einmal von unserm Thema abgegangen find , können wir uns noch eine weitere Bemerkung erlauben.

Es ist in neuerer Zeit

-neben der Beherrschung des Geschoß-Fluges — der Verschluß der Hinter. labungswaffen, welcher die allgemeine Aufmerksamkeit in Anspruch nimmt. Für die Geschütze dürfte sich ( neben dem Keilverschluß) der Kolbenverschluß als der einfachste und sicherste bereits festgestellt haben ; allein er ift mit einem Uebelstande verbunden, welcher nur durch einen andern Uebelstand beseitigt wird. Der Kolbenverschluß kann an und für sich nicht luftdicht sein. Will man ihn, wie Wahrendorff, durch einen dehnbaren Stahlring luftdicht machen , so erreicht man diesen Zweck nur unvollständig , und wendet man deu Preßspahnboden an , so wird das Laben umständlich. * Wie, wenn man (wenigstens für Feldgeschütze) die Bahrendorff'sche Art beibehielte, nur abgeändert in der Weise , daß der

200

Expansionsring - vergrößert und konisch zugeſpißt - in einen gleichen Kenus des Ladungsraums eingetrieben würde ? Fig. 14 giebt ein Bild unjerer Meinung und zugleich, in der Hauptsache und mit Berücksichtigung des vorhandenen Materials , deren Ausführung. a ist ein dem Berschlußkolben aufgeschraubter Kopf , mit einem um so viel größern Durchmesser, als die nothwendige Ausbohrung des Ladungsraumes er« fordert, ee eine Unterlage , die durch verschiedene Stärke oder verſchiedene Anzahl das Einpaſſen des Kopfes erleichtert , und b der in einen elliptischen abgeänderte Quercylinder , deffen Stärken (große und kleine Axe der Ellipse) um etwa zwei Linien verschieden sind. Eingeführt durch die Hand, wie der Verschlußkolben wird , ist zu ſeiner vollſtändigen Eintreibung in den Konus des Ladungsraums nunmehr eine geringe Bewegung erforderlich , und diese Bewegung giebt die Drehung des Die Sache ist zu einfach, als daß fie einer elliptischen Quercylinders. weitern Auseinandersetzung bedürftig wäre.

Schwarz, Lieutenant.

XVIII. Das Richten gezogener Feldgeschüße bei geneigtem Geſchükßtande. (Hierzu Tafel XIX.) Die Felbartillerie tommt häufig in den Fall, ihre Geschütze auf einem in der Richtung der Laffetenachse gegen den Horizont geneigten Boden aufstellen zu müſſen. Dies äußert zwar keinen Einfluß auf die Geschoßbahnen, muß jedoch beim Richten entsprechend berücksichtigt werden, wenn die Wirkung nicht darunter leiden soll. Gehen wir von einem auf horizontalem Boden stehenden und auf das Ziel gerichteten Geschüße aus , deffen Aufſazhöhe und Seitenver

261 schiebung der zu beschießenden Entfernung entspricht , so würde die Geschoßbahn keinerlei Aenderungen erleiden , wenn das Geschütz vor dem Abfeuern sich um seine unverrückbar gedachte Seelenachſe, um einen bestimmten Winkel drehte, wobei die Möglichkeit einer solchen Drehung vorauszusehen ist.

Indem wir uns den horizontalen Geschützſtand in

fester Verbindung mit Laffete und Rohr vorstellen und sodann diese Drehung um die Seelenachse vornehmen , erhält das Geſchüß einen ungleich hohen Räderstand.

Die mit der Seelenachse nicht parallele Visir-

linie, welche vor der Drehung dem beabsichtigten Treffpunkte begegnete, wird nach derselben eine andere Lage erhalten haben und nicht mehr auf diesen Punkt gerichtet sein. Bei glatten Geschützen , deren Aufsaß keine ſeitliche Verschiebung zuläßt, richtet man daher bekanntlich nach der Seite des höher stehenden Rades und zwar um so viel zur Seite des Treffpunkts und höher als derselbe, als die Neigung des Geſchüßſtandes und die zu beschießende Entfernung verlangt. Beim gezogenen Geschütz dagegen kann man leicht die Aufſaßhöhe und Seitenverschiebung entsprechend ändern , so daß der Bisirpunkt wieder mit dem beabsichtigten Treffpunkt zuſammenfällt oder doch nur unbedeutend von ihm abweicht. Es ergeben fich hieraus Veränderungen im Maß des Aufsatzes und der Seitenverschiebung, welche in der Folge beſtimmt werden sollen. Bei gleich hohem Räderſtande übt es keinen Einfluß auf das Richten des Geschützes aus , wenn der Schweif deffelben höher oder tiefer fteht als die Räder, indem dann die Elevation des Rohres durch geringeres oder vermehrtes Herausschrauben der Richtvorrichtung gegeben wird.

Bei ungleich hohem Räderſtande verhält es sich ebenso , und es

bleibt daher nur die Neigung desselben gegen den Horizont zu berüdfichtigen. Bezeichnet AB (Fig. 1) die gerade Verbindungslinie der tiefsten Punkte beider Rabkränze bei horizontalen und A'B' die Berbindungslinie bei geneigtem Räderstande, den wir uns durch die Drehùng um die Seelenachse S erhalten vorstellen ; find außerdem FG und DE die Tracen zweier durch die Seelenachse auf A B und A'B ' gefällten senk rechten Ebenen, so ist der durch die beiden legteren eingeschlossene Winfel z, der zugleich angiebt, welche Drehung das Rohr um seine Seelen-

da . gleich dem Winkel BCB . der Reigung des *** Kardes gegen den Horizour.

ged

vde Nm derzuleitenden Formeln eme prizez Ilyenenter ♬ geben, queglichenes Geſchüş vorausgelegt. & fer der frima te vou ber Seelenachſe, r der Kasius des sorberen Kisted Slapbabe der Scuftriel atenverschiebung Nompact ( Fig. 2) EFGH unt IKLM zwei zur Seelenadie $$ gh -geligte @benen, von denen die erfiere zugleich duré den besteren ge *** **、

, ble leptere durch den vorderen Bifitpunkt 0 geft ; tñ fe vine bel horizontalem Räterstande durch die Seelemachie

weg gelvgle @bene, so stehen die mit den beiden ersteren Ebenen fið Burdignittstinien BC und AD senkrecht auf SS'. Nimmt

A

"

in leber ber beiden Ebenen EG und IL ein rechtwinkliges aculyftem mit ben Anfangspunkten der Coordinaten in der Seelen-

gyunk N ' Hub mit den Ordinatenachſen AD und BC , se hat Neke Kitpunkt 0, bei horizontalem Räderſtande, die Coordinaten wuk * - 0. Wird das Rohr um seine Seelenachse um den acbeebt, to gelangt der Punkt O nach O' und erhält daher die

Y-

Cos % tr sin z.

N

cvek

telung bezieht sich das obere Zeichen auf das Höherftehen

xx pict. Það untere auf das Höherstehen des linken Rades, welche spong pile bie golge beibehalten bleibt. Aus der Bergleichung der Aatch bew Punktes O vor und nach der Drehung ergiebt sich, daß " bonate prerbund um OP = r ( 1 — cos z ) kleiner , die Absciffe Porr sin

größer geworden ist.

Lagt man mun pie Bewegung des hinteren Visirpunktes während Accbung bew Mopres ganz außer Betracht, und trifft man die Be wong, paß bie burch O' gedende neue Bisirlinie mit NO, potettute bet borizontalem Räderſtande parallel ſei , ſo og To Askmaly von Num PO tieiner, die Abſciſſe aber um POʻ

263 Der Punkt N hatte bei horizontalem Räderftande die Coordinaten ya + Rund x = b. Der neue hintere Visirpunkt N' erhält daher die Coordinaten y = a + R -r (1 - cos z) (1.) und x = br sin z.

(II.)

Daß hierbei die neue Vifirlinie N'O ' in einem Punkt am Ziele ein-

Fact

trifft , der von dem Zielpunkt bei horizontalem Räderstande um weniger als 00′ = r V2 (1— cos z) entfernt ist , hat keine praktische Bedeutung.

Beim gezogenen 6uder Hinterladungsgeschülg beträgt die Größe

00′ bei 12 Grad Neigung des Geschüßstandes gegen den Horizont noch

SS. E

nicht einen Zoll ; bei geringeren Neigungen , welche gewöhnlich vorkommen, ist sie noch kleiner.

intate

Die Coordinaten (Gleichung I und II) von N' bezeichnen die Lage des hinteren Visirpunktes nach der Drehung des Rohres , beziehen sich

BC,i

DieCo

odie m

aber auf die dem horizontalen Räderstande entsprechenden Coordinatenachsen. Läßt man die letzteren sich nun ebenfalls um den Winkel z drehen und bestimmt man die Coordinaten (yʻ, x') von N' bezüglich dieser neuen Achsen , so ergiebt sich , wenn das rechte Rad höher steht , aus Fig.3

y' = N'C = N'B + BC =. N'A + BS sin z COS Z N'A - AB) sin z COS Z + (AS у COS Z + (xy tang z ) sin z und x' = CS = (AS = (x

BS cos z AB ) cos z y tang z ) cos z

Seht man in vorstehende beide Gleichungen die obigen Werthe von von x' und y ein, so folgt ##

(III.) (IV.)

y' = (a + R r) cos z + r + b sinz x' b cos Z- (a + R r) sin z.

264

Steht das linte Rab höher als das rechte, so ergiebt ſich aus Fig. 4 y'

N'C = (AN'

N'B cos z AB ) cos z

== (y (y

AS tang z ) cos z

::(y

x tang z) sin z +

x tang z) cos z CS CB + BS N'B sin z + AS COS Z

COS Z. Werben nun auch hier die Werthe ya + R r (1 cos z) xb -r sin z fubstituirt, so erhält man

(V.)

(VI )

y' = (a + R - r) cos zr - b sin z x' = b cos z + ( a + R − r) sin z.

Versetzt man endlich noch den Anfangspunkt der Coordinaten von #wach T ( gig. 5), so daß die Ordinatenachse yʻyʻ beibehalten bleibt, die mene Abfciffenachſe x" x" aber mit dem Abstand ST = r parallel zu *' *' gelegt wird, so reduciren sich obige Gleichungen (III bis VI ) auf Jelgcube:

(VII ) (VIII )

(a + R - r) cos zb sin z r) sin z, x = b cos z + ( a + R y

won welchen y bie bei geneigtem Geschüßstand zu verwendende Aufſazhibhe, einschließlich des Metallunterschiedes, und x die Seitenverschiebung ausbrüdt. wenn

Leytere wird bei Höherstehen des rechten Rades gleich Null,

tang z =

b ift. a + R -r

Collen nun noch die durch die Neigung des Geschüßftandes veran. faßten Beränderungen im Maß des Auffazes und der Seitenver14hiebung bestimmt werden und bezeichnet F (z) die Veränderung der Auslagböhe, f (z) die der Seitenverschiebung, so erhält man dieselben, wenn bie bei horizontalem Räderstande in Betracht kommenden Größen R − r) von y und b von x abgezogen werben. Es ergiebt sich (

DININ

D ber C y Beränden

El: mas

265

F (z) = (a + R·― r) (cos z - 1) + b sin z f (z) = b (cos z 1) (a + R− r) sin z.

(IX.) (X.)

Aus vorstehenden beiden Gleichungen lassen sich folgende Schlüffe ziehen : 1. Steht das rechte Rad höher , so ist : a) die Beränderung der Aufsatzhöhe anfänglich eine positive , welche mit der Neigung des Geschützstandes wächst, einen größten Werth erreicht und dann wieder abnimmt , worauf sie gleich Null und später negativ wird. Der größte positive Werth von F (z) ergiebt ſich aus d F (z) dz = (a + Rr) sin z + b cos z = 0 für b tang z =

a+ Ꭱ.

T

was sich durch d² F (z) = - (a + Rr) cos z dz 2

b sin z

Die Veränderung wird gleich Null für Z b tang = a+ R ―r' 2

bestätigt.

Man sieht hieraus , daß die größte positive Veränderung der Aufsatzhöhe unter derselben Neigung des Geschüßstandes stattfindet, unter welcher die Seitenverschiebung gleich Null wird. b) die Veränderung der Seitenverschiebung durchaus negativ und wächst rasch mit der Entfernung des Ziels und der Neigung des Geschützſtandes. 2. Steht das linke Rad höher , so sind : a) die Veränderungen der Auffahhöhen sämmtlich negativ ; b) die Veränderungen der Seitenverschiebung aber, welche auch hier rasch zunehmen, find positiv. Unter Anwendung der Gleichungen (IX und X) find die beiliegenden Tabellen (Anlage A) berechnet worden, welche die Veränderungen im Maß der Aufsatzhöhen und Seitenverschiebungen für das gezogene 64 der Hinterladungsgeschütz in runden Zahlen enthalten. Das bei Betrachtung von F (z) für Höherstehen des rechten Rades angedeutete Maximum spricht

266 ſich in den Tabellen nicht aus , indem die ſich ergebenden Zahlen wegen ihrer Kleinheit außer Betracht bleiben mußten und auch die algebraiſcha Borzeichen weggelassen wurden.

Bevor zur Anwendung der Tabellen (Anlage A) übergegangen wird, soll zunächst gezeigt werden, welche Abweichungen der Geſchoſſe entſtehen, wenn man die Neigung des Geſchüßſtandes beim Richten außer Betracht läßt. Bleiben diese Abweichungen so klein, daß man, mit Rücksicht auf die Ausdehnung der Ziele , doch auf Treffer rechnen kann , anch wenn man den schiefen Räderstand nicht beachtet, so unterläßt man am geeignetsten jede Veränderung.

Wird aber durch die unterlassene Berücksichtigung des

geneigten Geschüßstandes ein Fehlschuß bedingt , so dürfte die Anwendung der Tabellen geboten erscheinen. weichungen bezeichne

Zur Bestimmung jener Ab-

e die Entfernung des Zieles von der Mündung, 1 die auf der Seelenachse gemessene Auseinanderstellung von Bistr und Korn,

(z) die Höhenabweichung des Geschosses. (z) die Seitenabweichung } Die beiden letzteren Größen beziehen sich auf den beabsichtigten Treffpunkt, durch welchen wir uns , senkrecht zur Schußlinie, eine lothrechte Ebene (Scheibe) gelegt denken. Man kann daher ø (z) und ¥ ( z) als die rechtwinkligen Coordinaten (y, x) des wirklichen Treffpunkts betrachten , wenn der Ursprung des Coordinatensystems sich im beabsichtig. ten Treffpunkt befindet und die eine der Coordinatenachsen horizontal, die andere vertikal geführt wird . ihre frühere Bedeutung.

Die übrigen Bezeichnungen behalten

Auch bei dieser Betrachtung wird von einem bei gleich hohem Räderstande auf das Ziel gerichteten Geschüße ausgegangen , ſodann die Drehung um die unverrückbar gedachte Seelenachse vorgenommen nnd hierauf untersucht , welche Coordinaten dem Eintreffpunkt der Visirlinie in die Ebene der Scheibe zukommen. Nach der Drehung des Geschüßes um die Seelenachse S (Fig. 6 u. 7.) hat sich der hintere Visirpunkt N um die Größe

267

NP = NT + US -QS = NTUS (GS GQ) = a + R − [ (a + R) cos zb sin z] b sin z == ( a + R) (1 − cos z) gesenkt. fich zu

Die gleichzeitige Senkung des vorderen Visirpunktes ergiebt rr cos z = r (1 --- cos z).

Da nun beide Bisirpunkte sich mit ungleichen Halbmessern bewegt und hierdurch verschiedene Senkungen erhalten haben , so folgt hieraus , daß fich der hintere Visirpunkt um die Differenz beider Größen, nämlich um -- r) (1 — cos z) ± b sin z (a + R − mehr gesenkt hat , als der vordere. Die nach der gedachten Drehung fich ergebende Biſirlinie erhebt sich daher über den beabsichtigten Treffpunkt p (Fig. 8. ) um e b sin z] [(a + R − r) (1 -- cos z) ph = onB :

d. h. man würde, abgesehen von der Seitenrichtung, diesen Punkt treffen, wenn um lettere Größe höher gerichtet würde. Richtet man daher auf den beabsichtigten Treffpunkt A (Fig. 9), so liegt der wirkliche Treffpunkt B um obige Größe tiefer und hat daher eine negative Orbinate. Um nun die Lage von B schon durch das Vorzeichen auszudrücken, wech-

tigten & seln wir dasselbe in obiger Größe und erhalten

(XI.) bechit

❤ (z) =

e [(a + R → Τ

r) (cos z - 1)

b sin z].

In gleicher Weise kann man nun auch die Größe N'P (Fig . 6 u . 7.) herleiten , um welche sich der hintere Visirpunkt N , nach der gedachten Drehung des Rohres um seine Seelenachse, zur Seite bewegt hat. N'P = N'Q = MG

PQ NH

PQ

= (a + R) sin zb cos zb = (a + R) sin zb (cos z -- 1) Auch der vordere Visirpunkt ist durch die gedachte Drehung nach derselben Seite bewegt worden und um r sin z aus der lothrechten Ebene durch die Seelenachse herausgetreten.

Wären nun beide Visir-

punkte um gleiche Größen zur Seite getreten , so würden die vor und

268 nach der Drehung sich ergebenden Viſirlinien in parallelen lothrechten Ebenen liegen. Da dies jedoch nicht der Fall ist und sich der hintere Bisirpunkt um die Größe

r) sin zb (cos z

(a + R

1) = nm

(Fig. 10) weiter zur Seite bewegt hat als der vordere, ſo ſchneiden ſich die lothrechten Ebenen mp und nq , welche durch die Biſirlinien vor und nach der Drehung gelegt werden können, und man erhält daher die Abscisse des Visirpunktes bezüglich des beabsichtigten Treffpunktes zu † ( (a + R -− r) sin z ± b ( cos z -

1)].

Wir schließen daher wie oben, daß der wirkliche Treffpunkt um diese Größe zur Seite des beabsichtigten Treffpunktes liegen wird , wenn die Richtung auf letteren erfolgt. Durch vorstehenden Ausdrud wird nicht bestimmt , auf welcher Seite des beabsichtigten sich der wirkliche Treff, punkt befindet , was sich zwar durch eine einfache Ueberlegung auffinden läßt. Es ergiebt ſich aber auch direct aus der Formel , wenn man in derselben , soweit sie sich auf das Höherstehen des linken Rades bezieht, das Zeichen wechselt.

Man erhält daher mit allgemeiner Gültigkeit

e (XII. )

¥ (z) =

[ b (cos z − 1) ± (a + R − r) sin z] .

Abweichend von der gebräuchlichen Annahme , wonach den rechts der Ordinatenachse liegenden Absciffen das positive, den links derselben liegenden aber das negative Zeichen gegeben wird, deutet der negative Werth von Y (z) auf die Lage des wirklichen Treffpunkts rechts , der positive aber auf die Lage desselben links vom beabsichtigten Treffpunkt hin. Dies erklärt sich jedoch dadurch , daß die Richtung der pofitiven Seitenverschiebung gegeben war und der gebräuchlichen Richtung der positiven Abscissen gerade entgegengesetzt ist. Betrachten wir nun die beiden Gleichungen (XI. und XII. ) näher, so ergiebt sich: 1.

Die Höhenabweichungen

(z) erhalten bei Höherstehen des

rechten Rades sämmtlich das negative Zeichen , d. h. der wirkliche liegt ftets unter dem beabsichtigten Treffpunkt und zwar um so mehr, je größer z wird.

269 2.

Steht das linke Rad höher , so ergiebt op (z) anfangs zunehb mende positive Werthe, welche für tang z = a + R r gleich Null

werden, worauf, bei zunehmender Neigung , negative Werthe erscheinen. Der wirkliche Treffpunkt liegt daher anfänglich über , dann auf glei Her Höhe und später unter dem beabsichtigten Treffpunkt. 3. Aus (z ) läßt sich mit Rücksicht auf den stets sehr geringen Werth von b (cos z -- 1) der Schluß ziehen , daß bei gleichem z die Seitenabweichungen nur wenig von einander verschieden sind , ob nun das rechte oder linke Rad höher steht.

In ersterem Falle giebt

(z)

nur poſitive , in letterem nur negative Werthe ; bei pofitiver Seitenabweichung liegt aber der wirkliche Treffpunkt links, bei negativer Seitenabweichung rechts vom beabsichtigten Treffpunkt. Das Geschoß weicht daher stets nach der Seite des tiefer stehenden Rades ab. Um nun die Beziehungen der Gleichungen (IX. bis XII.) zu einander darzulegen, werde, je nach dem Höherstehen des einen oder andern Rades auf derselben Seite des Functionszeichens ein * beigefügt, so daß also F ( z) , das Höherstehen des rechten , * Y ( z ) das Höherstehen des linken Nades andeutet. Man erhält dann , unter Voraussetzung gleicher Entfernungen und Neigungen des Geschüßstandes : e 4 (z ) × = † · * F ( z) ober (1.)

*F ( z) : 9 (z) * = 1 : e ; sobann e * 9 ( z) = — ·· F ( z) * , woraus

(2.)

F ( z) * : * 9 (z) = 1 : e , oder in Worten : Die Ver-

änderung der Auffahhöhe bei Höherstehen des rechten (linken) Rades verhält sich zur Höhenabweichung bei Höherstehen des linken (rechten) Rades , wie die Auseinanderstellung beider Visirpunkte zur Entfernung. Aus (1.) und (2.) ergiebt ſich: (3.)

* F (z ) : F ( z ) * = 9 ( z) * : * 9 (z).

Ferner ist: e ¥ (z) * = 1. *f (z) , daher : (4.)

* f (z) : 4 (z) * = 1 : e

Achtundzwanzigster Jahrgang, LVI. Band.

18

270 * Y (z) = — . £ (z) + , woraus (5.)

f (z) * : *Y (2) = 1 : e; ober:

Die Veränderung der Seitenverschiebung bei Höherstehen des einen Rades verhält sich zur Seitenabweichung bei Höherstehen des anderen Rabes wie die Auseinanderstellung beider Visirpunkte zur Entfernung.

Aus (4.) und (5.) folgt ſodann : f (z) * ¸f ( z ) = * ¥ ( z) : ¥ (z) «

(6.)

Endlich aus ( 1.) und (4.) : * F (z) : g (z) 。* = * f ( z) : ¥ (z) «, oder : F (z) = * f ( z) = 9 (z ) * : 4 ¥ (z) * (9.) F ( z ) * : f ( z ) * = * 9 (z ) : * Y (z).

(7.) (8.)

In Worten : Bei Höherstehen des einen Rades verhält sich die Verän derung der Aufsatzhöhe zu der der Seitenverschiebung wie die Höhenabweichung bei Höherstehen des anderen Rades zur Seitenabweichung.

Wo es Zeit und Bodenbeschaffenheit erlaubt , bleibt es immer am rathsamsten, sich einen wagerechten Geschüßstand herzurichten und die Anwendung der Tabellen ( Anlage A. ) zu vermeiden.

Mitunter stellen sich

aber einer Verbesserung des Geschüßstandes große Schwierigkeiten entgegen, z . B. im Winter bei Frost , bei felsigem Boden , auf Chaufſeen, gepflasterten Straßen zc. oder die Verbesserung des Geschüßstandes nimmt erheblich mehr Zeit in Anspruch, als mit Rücksicht auf das oft sehr wichtige rasche Beginnen des Feuers verwendbar erscheint, während die Aufsuchung der Neigung des Geschüßstandes und der entsprechenden Beränderung der Auffahhöhe und Seitenverschiebung sich sehr rasch bewerkstelligen läßt. In diesen Fällen wird es sich empfehlen, eine Tabelle der Veränderungen zu besigen.

Sofern es aber nicht zu zeitraubend wird,

den geneigten Geſchüßſtand zu verbessern, muß man lezterem Verfahren ſtets den Vorzug vor der Verwendung der Tabellen geben, weil sich die auf die Beobachtung der Schüſſe ſtützenden Correcturen der Richtung bei gleich hohem Näderſtande leichter ableiten laſſen , bei ungleich hohem Räderstande dagegen zeitraubende Ueberlegungen erfordern. Es hat dies darin seinen Grund , daß jede Aenderung der Aufsatzhöhe zugleich den Abstand des Visirs von der lothrechten Ebene durch die Seelenachse, alſo

271 die Seitenverschiebung ändert und jede Aenderung der letzteren sich zugleich auch auf die erstere erstreckt.

Wird nämlich bei geneigtem Geschütz-

stand die Aufsatzhöhe um die Größe a ' verändert , so wird das Bistr um die Größe a ' cos z lothrecht gehoben oder gesenkt und um a ' sin z wagerecht zur Seite bewegt.

Wird in gleicher Weise die Seitenverschie-

bung um b ' verändert, so wird das Visir um b'cos z zur Seite bewegt und um b ' sin z gehoben oder gesenkt.

Sind nun beim Schießen

in Folge der Beobachtung der Schüffe Correcturen vorzunehmen , so kann man ohne merklichen Fehler die Größe a ' cos z = a ' und b' cos z b' sehen und braucht dieselben daher nicht weiter in Betracht zu ziehen. Anders verhält es sich aber mit b ' sin z und a ' sin z, welche bei nicht zu geringen Neigungen des Geschüßſtandes und wenn die Größen a ' und b ' nicht zu klein sind , berücksichtigt werden müſſen. Die Correcturtabelle (Anlage B. ) zeigt für die verschiedenen Neigungen des Geſchüßſtandes den Einfluß, welchen eine Aenderung der Seitenverſchiebung auf die Aufsatzhöhe äußert und umgekehrt , wie durch eine geänderte Aufsatzhöhe sich auch die Seitenverschiebung ändert.

Es läßt

fich nicht verkennen , daß diese Zahlenangaben von Wichtigkeit für das Schießen find , insbesondere bezüglich der Correcturen der Seitenverschiebung , indem dieselben bei geneigtem Geschüßstand die Auffahhöhen wesentlich verändern können. In Ermangelung einer solchen Tabelle kann man den vorliegenden Verhältnissen beim Schießen auch dadurch Rechnung tragen, daß man den sin 6º, der nahezu gleich ist, im Ge. dächtniß behält, um dann , wenn ein anderer Sinus in Betracht kommt, fich denselben durch Proportion zu bilden.

Dieses, wenn auch nicht voll.

ftändig richtige Verfahren dürfte ebenfalls hinreichend genaue Reſultate liefern. Nehmen wir unsere frühere Betrachtung nun wieder auf.

Gestüßt

auf die Gleichungen (XI. und XII.), ift für den Granatschuß des gezogenen 6uder Hinterladungsgeschüßes die Uebersicht (Aulage C.) derjenigen Seiten und Höhenabweichungen berechnet worden, welche aus der unterlassenen Berücksichtigung des geneigten Geschüßstandes entspringen. Man sieht hieraus , daß beim Granatschuß die Neigung des Geſchüßftandes auf nahe Entfernungen bis zu etwa 1000 Schritten , wo es gewöhnlich auf ein rascheres Feuer ankommt, teine besondere Berüdfichtigung verdient , so lange die Ausdehnung der Ziele nicht zu gering 18*

272 ist. Nur wenn es sich um das Treffen eines sehr schmalen Zieles, z. B. eines feindlichen Geschüßes , handeln sollte , dürfte die Neigung des Ge schützstandes zu beachten sein.

In solchem Falle kann man jedoch, wenn

rasch gefeuert werden muß , der Neigung des Geschüßſtandes in der Art Rechnung tragen , daß man den Zielpunkt mehrere Schritte zur Seite des beabsichtigten Treffpunktes auf der Seite des höher stehenden Rades nimmt , wie es auch bei glatten Geschüßen geschieht , oder daß man den Aufsatz etwas nach der Seite des höher stehenden Rades verschiebt. Auch auf den mittleren Entfernungen bis zu 2000 Schritten kann man von einer Beränderung der Richtung absehen , sofern die Ausdehnung des Zieles hinreichend ist und die Neigung des Geschützstandes nicht mehr als 3 bis 4 Grade beträgt. Bei stärkeren Neigungen dagegen , sowie auf weiteren Entfernungen dürfte es sich aber empfehlen, die Ta bellen der Veränderungen zu verwenden.

In diesem Falle muß vor

dem ersten Schuß eines jeden Geſchüßes die Neigung des Geschüßſtandes gemessen werden , was sich mittelst des Quadranten auf einer der Aufsagplatten rasch bewerkstelligen läßt. Es bleibt dann bei Benutzung der Tabelle zu beachten, daß die Aufsatzhöhe stets um die gegebene Größe zu vermindern , die Seitenverschiebung aber in der Art zu ändern ist , daß der Aufsaß um die entsprechende Veränderung nach der Seite des höher stehenden Rades verschoben wird.

Die

Anwendung der Tabelle ist hiernach sehr einfach und ohne Schwierig. keiten und besondere Ueberlegungen auszuführen , so daß jeder Geſchüßführer sich derselben leicht bedienen kann.

Zu bemerken bleibt noch, daß

das bei Berechnung der Veränderungen mit Hülfe der Gleichungen (IX. und X.) sich ergebende algebraische Vorzeichen in den Tabellen wegbleiben konnte, indem die vorstehenden Regeln dasselbe entbehrlich machen. Die überraschend großen Veränderungen der Seitenverſchiebung, welche beim Granatschuß , auf die weiteren Entfernungen und beim Granatwurf vorkommen , weisen unwiderleglich auf die Nothwendigkeit hin, starke Neigungen der Geschüßstände bei diesen Schuß. arten zu vermeiden , indem die Einrichtung des Aufſages höchstens Zoll Verschiebung zuläßt und daher bei größeren Beränderungen nicht mehr auf das Ziel zu richten erlaubt.

273 Besitzen die einzelnen Geschützstände einer Batterie verschiedene Neigungen , was häufig vorkommen wird , so läßt sich für jedes Geschütz ziemlich rasch die entsprechende Auffazhöhe und Seitenverschiebung finden, wenn die der kommandirten Entfernung zugehörige Aufsatzhöhe und Seitenverschiebung bei jedem Geschütz nach der Tabelle der Veränderungen verbessert und dann jede in Folge angestellter Beobachtung der

M

Schüsse nöthige Correctur der Richtung alsbald bei allen Geschützen berücksichtigt wird.

Diese Berücksichtigung kann jedoch , mit Bezug auf

verschieden geneigte Geschüßstände , nicht bei allen Geschützen dieselbe

I

sein , sondern muß von der jedesmaligen Neigung abhängig gemacht werden. Stände z . B. beim Schießen auf unbekannter Entfernung, welche auf 2000 Schritte geschätzt wurde, das rechte Nad eines Geſchüßes höher als das linke , betrüge die Neigung des Geschützſtandes 9 Grad und sollte der Granatschuß angewendet werden , so würde nach der Ta-

Je m

belle der Veränderungen die Aufsatzhöhe um

ridişt ater to be

bung aber um 1 Zoll vermindert werden müſſen .

Zoll, die Seitenverschie

gebene Hug

Seitenverschiebung aber um 1 Zoll vermehrt werden. Die Vermehrung

Derung zu

weshalb man (mit Rücksicht auf Tabelle B.) 16 † weniger als 1% , also 5½ Zoll nehmen müßte. Gleichzeitig würde aber nun die Aufsatzhöhe

e Edrica

noch weiter um 16 vermehrt werden müſſen, weil durch die Vermehrung der Seitenverschiebung (Verschiebung nach links) der Visireinschnitt wie-

Wäre sodann der

Schuß dieses Geſchüßes 50 Schritte zu kurz unb 10 Schritte rechts gegangen , so müßte nach der Schußtafel die Auffaghöhe um , die

der Aufsazhöhe würde aber zugleich die Seitenverschiebung vermehren,

Der Grif ibt nod, Hunain (D aweghicito

der tiefer gelegt wird. Es müßte hiernach die Correctur der Aufſaghöhe 1 + 1 = 3 } , die der Seitenverschiebung 1% = 5 betra-

ladjen

Neigung hätte, würde obige Ueberlegung zu einem anderen Resultate

verfchebag

führen. Streng genommen ändert obige Zunahme der Auffahhöhe um Seitenverschiebung ; man kann jedoch ohne merklichen } TR nun wieder die

fernunger lich czj t jefenEdu 18 bod ränderunga

gen.

Bei einem anderen Geschütz , deſſen Geschüßstand nicht dieselbe

Fehler davon absehen, besonders da ein so geringer Unterschied der Seitenverschiebung beim Schießen nicht sehr fühlbar wird. Hat man die Tabellen der Veränderungen angewendet , so darf der geneigte Geschüßstand nicht weiter verbessert werden ; vielmehr ist es dann rathſam, das Geschütz nach jedem Schuß wieder genau auf dieselbe Stelle zu bringen, damit dieselbe Neigung beibehalten bleibt.

274 Für den Granatwurf und Granatkartätschschuß find in Tabelle C. keine Abweichungen berechnet worden.

Bei ersterem erkennt

man jedoch aus den bedeutenden Aufsatzhöhen , welche die Schußtafel vorführt , daß die unterlassene Berücksichtigung des geneigten Geschüß . standes zu sehr großen Abweichungen führen muß, welche diejenigen des Granatschusses auf denselben Entfernungen sehr bedeutend übertreffen. Man wird daher beim Granatwurf auf sämmtlichen Entfernungen ent weder die Tabellen der Veränderungen berücksichtigen oder den Geschüßzstand verbessern müssen. Hinsichtlich des Granatkartätschschusses , dessen Aufsatzhöhen und Seitenverschiebungen nicht wesentlich von denen des Granatschusses verschieden sind , haben die Regeln , welche für den Granatschuß auf die Entfernungen bis zu 1000 und beziehungsweise 2000 Schritten herge, leitet wurden , ebenfalls Gültigkeit. Die in der Tabelle der Verände rungen gegebenen Größen beziehen sich auf die Lage des Treffpunktes vor dem Ziel, find aber auch für die Lage des Treffpunktes im Ziel vollständig anwendbar, wovon man sich leicht überzeugen kann.

Darmstadt im Mai 1864. R. , Oberlieut. i. d. Großh. Heff. Artillerie.

6-



Jeder Saillant . 120

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Längs

7211

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12

1 36 6½ 37 397 10

1/2 1/2 22½ 1½ 3

70½ 212 14½ 02 35½ 32 28½ 25 1 7 36 43 39½ 21 18 142

1/2

13

13 1/2 1/2 2 1

25 28

3

3½ 5 44

6

31 38 343 412

39 353 32 42

Nufhauspla Großherzog des Beslischen Solde H interlat . wird beim Grenatsch über Granat verwende D . ieſelbe angeordn so its d , aß hierdurch die entstehend burge

4 €82 40 37 26292332 182 29½ |15 |1 26 22 544172.11 44 403 363 33

12 12 4 2 ½ 1 1 52 2½ み 3 .3 6

3 2

28 24½

55 7 02 2022 17 132 31 27 372 34 40ž 7 3½ 13½ 1 0½ 203 17 23½ 30½ 27 37 33½ 40½

12 4½ 3½ 5.6 11 22 223

11 33½ 24 32 4

19½ 16½ 29½ 26½ 23 39 36 32½

52

1/2 12 221

44 52 16 2 , 22 19 5 32 87 38 35

3 / 1 32 4 3 7

1/21/2 1223 2 2 13

9 6 12½ 15½ 18½ 3½ 21½ 24½ 28 31 34 37

192 16 13 29 252 222 9½ 6½ 382 35 32 6 3 2 13 9½

von . erhält rheinländisch Zoll 50½

-

112 2 12 12 223 ---

11322½ 3 1212 £02 172 14 243 312 28 382 35 41½ 7 3½ 1 14 21 183

1/2 22 12 L3

162 13 10 52 202 2023 33 292

13 113 1/2

22½ 1½

12 21/2 11

-

-

34 37

1 ½2 9 6 ½ | 5½ 2 1½ 87 |2 28 5 31

-

1

1

1

1

1

1

1



1

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1

1

1

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J

1

1

1

1

1

J

1

1

÷ 3 32 4 13233

442 55 6 %

324

2 2 1

V 6 5 5 4

み 344 12 12

1

22½ 3 ½ 1 3

223 3

1 12 12

1

1 1ź 2 1ź

1

22ź ź 3 2 12 12

1

J

i

12 12

1

-

1

11 21 22

4 ½ 3

1 2 4 5

324 + 12 12

6ź 5½ 6

52

12 /

4 ½ 3

242 ½ 3 1/2 12 4

12 12 1/2

18 132 27½ 23 362 32 41 50 453 43 543 9 1 33 18 23 27½ 31½ 36 40½ 49½ 45 54

7 | 8 | 2 1 0 |3 || 4 382 422 47 5 | 235 7 7

12 12 223 3 12 12

1

/ 12132 2

22½ 3 ½ 1 | 3 12 -

132 3 6321

1

1/21/2

1

-

--

1

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1

121 1

J

1212 12 1

-8 2/2

Granatko

1

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12121 23 22 1½

1

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1

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1

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1



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TO 20 30 340 9 82 3P |572 75 77 72 821

1

-

4

1 1

--

1 1

-

1

---

1 I 1

1

1

-

1

1

3637

8 38 3 1 / 1

/

1



78 39 35 34 78 1

1

‫‪54,5‬‬ ‫‪42,9‬‬ ‫‪334‬‬ ‫‪25,4‬‬ ‫‪17,9‬‬ ‫‪11,6‬‬ ‫‪6,6‬‬ ‫‪2‬‬ ‫‪0,5‬‬

‫‪32,9‬‬ ‫‪27,2‬‬ ‫‪21,5‬‬ ‫‪11,415,‬‬ ‫‪7,4‬‬ ‫‪4,3‬‬ ‫‪1,8‬‬

‫‪14,3‬‬ ‫‪11,417‬‬ ‫‪9‬‬ ‫‪5,‬‬ ‫‪4 ,1‬‬ ‫‪3,312‬‬ ‫‪1,‬‬ ‫‪0,‬‬ ‫‪0,2‬‬ ‫‪4‬‬ ‫‪0,‬‬ ‫‪3‬‬ ‫‪0,‬‬ ‫‪9‬‬ ‫‪25‬‬ ‫‪1‬‬ ‫‪22‬‬ ‫‪8‬‬ ‫‪18,‬‬ ‫‪3‬‬ ‫‪15,‬‬ ‫‪4‬‬ ‫‪12,3‬‬ ‫‪10,‬‬ ‫‪#‬‬ ‫‪8,5‬‬ ‫‪4,9‬‬ ‫‪3,7‬‬ ‫‪1,2‬‬

‫‪0‬‬ ‫‪89‬‬ ‫‪12‬‬

‫‪0,2‬‬ ‫‪1,1‬‬ ‫‪0,9‬‬ ‫‪0,6‬‬ ‫‪35,14‬‬ ‫‪28,9‬‬ ‫‪238‬‬ ‫‪19,9 1,447,7‬‬ ‫‪15,1‬‬ ‫‪11,3‬‬ ‫‪7,5‬‬

‫‪+‬‬

‫‪+‬‬

‫‪+‬‬

‫‪+‬‬

‫‪98 +‬‬ ‫‪99‬‬ ‫‪+3‬‬

‫‪+‬‬ ‫‪65 46,6 +‬‬ ‫‪55,1‬‬ ‫‪39,6‬‬ ‫‪32,5‬‬ ‫‪26‬‬ ‫‪20,3‬‬ ‫‪15,2‬‬ ‫‪10,8‬‬ ‫‪7,1‬‬

‫‪+‬‬

‫‪+‬‬

‫‪+‬‬

‫‪+‬‬

‫‪+‬‬

‫‪+‬‬

‫‪2,83‬‬ ‫‪1,9‬‬ ‫‪8‬‬ ‫‪58‬‬ ‫‪8‬‬

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