Doppelverkauf: Zur Rechtsstellung des ersten Käufers im gelehrten Recht des Mittelalters [1 ed.] 9783428498710, 9783428098712

Wegen der Unterscheidung zwischen Verpflichtungsgeschäft und Übereignung der Kaufsache ist der Verkäufer nach Abschluß e

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Doppelverkauf: Zur Rechtsstellung des ersten Käufers im gelehrten Recht des Mittelalters [1 ed.]
 9783428498710, 9783428098712

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Sylvia Sella-Geusen . Doppelverkauf

Schriften zur Europäischen Rechts- und Verfassungsgeschichte Herausgegeben von Prof. Dr. Reiner Schulze, Münster, Prof. Dr. Elmar Wadle, Saarbrücken Prof. Dr. Reinhard Zimmermann, Regensburg

Band 29

Doppelverkauf Zur Rechtsstellung des ersten Käufers im gelehrten Recht des Mittelalters

Von Sylvia Sella-Geusen

Duncker & Humblot . Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

SeDa-Geusen, Sylvia: Doppelverkauf : zur Rechtsstellung des ersten Käufers im gelehrten Recht des Mittelalters I von Sylvia Sella-Geusen. Berlin : Duncker und Humblot, 1999 (Schriften zur europäischen Rechts- und Verfassungsgeschichte ; Bd.29) Zug!.: Köln, Univ., Diss., 1997 ISBN 3-428-09871-4

Alle Rechte vorbehalten

© 1999 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Werner Hildebrand, Berlin Printed in Germany ISSN 0937-3365 ISBN 3-428-09871-4 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 9

Vorwort Die vorliegende Untersuchung entstand überwiegend während meiner Tätigkeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut rur Neuere Privatrechtsgeschichte der Universität zu Köln. Sie hat der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln als Dissertation vorgelegen. Mein besonderer Dank gilt Herrn Prof. Dr. Klaus Luig für den Hinweis auf das Thema sowie rur seine zahlreichen Anregungen. Für Hinweise zum antiken Recht schulde ich auch Herrn Prof. Dr. Andreas Wacke Dank. Schließlich danke ich den Herausgebern rur die freundliche Aufnahme der Arbeit in diese Reihe. Köln, im Juni 1999

Sylvia Sella-Geusen

Inhaltsverzeichnis Kapitel J Einführung

11

I. Problemstellung .......................................................................................................... 11 1. Der Doppelverkauf im geltenden Recht - eine Übersicht ...................................... 11 a) Anspruche des Erstkäufers gegen den Verkäufer .............................................. 12 aa) Auf die Kaufsache gerichtete Anspruche .................................................... 12 bb) Anspruche auf Schadensersatz und auf den Zweitverkaufserlös ................ 20 b) Anspruche des Erstkäufers gegen den Zweitkäufer .......................................... 23 aa) Das Forderungsrecht des Käufers als "sonstiges Recht" im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB ....................................................................................... 23 bb) Der Schutz des Forderungsrechts gemäß § 826 BGB .............................. 25 c) Anspruche des Verkäufers gegen den Erstkäufer .............................................. 26 2. Der Untersuchungsgegenstand .............................................................................. 27 11. Überblick über das antike römische Recht.. .............................................................. 31 1. Die Rechtsstellung des Käufers zur Kaufsache ..................................................... 32 2. Die Rechtsbeziehung zwischen Erstkäufer und Verkäufer .................................... 36 a) Der Anspruch auf Herausgabe des Zweitverkaufserlöses .................................. 36 b) Der Kaufpreisanspruch des Verkäufers gegen den Erstkäufer .......................... 41 3. Der Doppelverkauf aus strafrechtlicher Sicht.. ...................................................... 43 4. Zusammenfassung ................................................................................................. 45

Kapitel 2

Die Glossatoren

46

I. Die Rechtsstellung des Erstkäufers im Hinblick auf die Kaufsache ........................... 47 1. Grundprinzipien des Kaufrechts und deren Auswirkungen auf die Lösung von DoppelverkaufsflilIen ............................................................................................. 47

8

Inhaltsverzeichnis a) Der Kauf als Konsensualvertrag........................................................................ 47 b) Das Traditionsprinzip und seine wichtigsten Einschränkungen ........................ 50

aal Stellungnahmen zum römischen Recht ....................................................... 50 bb) Exkurs: Langobardisches Recht ................................................................. 59 c) Der Streit um den präzisen Erftlllungszwang und seine Bedeutung für den Doppelverkauf. .................................................................................................. 63 2. Zur Frage nach der Abweichung vom Traditionsprinzip im Hinblick auf D. 48.10.21 ............................................................................................................ 69 a)Azo .................................................................................................................... 69 b) Accursius .......................................................................................................... 71 c) Odofredus .......................................................................................................... 75 11. Anspruche des Erstkäufers auf den Zweitverkaufserlös ............................................ 80 1. Glossatoren vor Accursius ..................................................................................... 80 2. Accursius ............................................................................................................... 82 3. Odofredus .............................................................................................................. 96 111. Zusammenfassung .................................................................................................. 116 Kapitel 3 Die Kommentatoren

120

I. Das Zugriffsrecht auf die Kaufsache ......................................................................... 120

1. Das Übergabeerfordemis ..................................................................................... 120 a) Die Ausgangslage ............................................................................................ 120 b) Zur Bedeutung der Strafbarkeit des Verkäufers für ein Zugriffsrecht auf die Kaufsache ........................................................................................................ 126 2. Ansätze zur Bevorzugung des (ersten) Käufers, dem die Sache nicht übergeben worden ist ............................................................................................................ 133 a) Der Prioritätsgrundsatz bei Forderungsrechten ............................................... 133

aal Die Rechtslage bei Fehlen jeglicher Übergabe ......................................... 134 bb) Das richterliche Veräußerungsverbot .... ;.................................................. 137 b) Die Bevorzugung des Erstkäufers auf der Grundlage des Traditionsprinzips . 143

aal Die Konkurrenz verschiedener Übergabeformen ...................................... 143 bb) Die Rechtslage bei Unklarheiten über eine erste Übergabe ...................... 149

Inhaltsverzeichnis

9

c) Der Vorrang des Erstkäufers unter Rückgriff auf das kanonische Recht........ 156

aal Das Konsensprinzip rur res spirituales ......................................................

156

bb) Der Streit um die res temporales .............................................................. 158 d) Zur Bedeutung der bona fides ......................................................................... 181

aal Die bona fides des Verkäufers ..................................................................

181

bb) Die bona fides des Zweitkäufers und die Folgen kollusiven Zusammenwirkens von Verkäufer und Zweitkäufer .................................................. 184 11. Ansprüche des Erstkäufers auf den Zweitverkaufserlös .......................................... 202 I. Die sich auf die Klärung der dogmatischen Grundlagen beschränkenden Stimmen ............................................................................................................... 202 2. Stellungnahmen zu der aequitas-Argumentation des Accursius .......................... 207 3. Alexander Tartagnus zur Bedeutung der Erftlllung durch den Käufer - eine ergänzende Betrachtung ...................................................................................... 220 111. Zusammenfassung .................................................................................................. 227

Kapite/4

Schlußbetrachtung Ein Überblick über die Entwicklung in der Folgezeit

231

I. Die Rechtsstellung des Käufers zur Kaufsache ......................................................... 231

I. Das Traditionsprinzip ........................................................................................... 231 2. Einschränkungen des Traditionsprinzips .............................................................. 234 a) Die gemeinrechtlichen Lehren bis zum Ende des 18. Jahrhunderts ................ 234 b) Die Auswirkungen der Aufgabe des Traditionsprinzips in den naturrechtlichen Lehren .................................................................................................. 239 3. Die deutsche Gesetzgebung seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert sowie die Pandekten wissenschaft .......................................................................................... 241 4. Die Entwicklung in anderen auf der gemeinrechtlichen Tradition basierenden Rechtskreisen ........................................................................................................ 247 a) Österreich ........................................................................................................ 247 b) Frankreich ....................................................................................................... 248 c) Holland und Südafrika .................................................................................... 252

10

Inhaltsverzeichnis

11. Schadensersatz und Verkaufserlös .......................................................................... 253 111. Zusammenfassung ............................................................................................... ... 257 Quellen- und Literaturverzeichnis ............................................................................ 259 Personen- und Sachregister ....................................................................................... 285

Kapitell

EinfUhrung I. Problemstellung "Es ist in der That ein anderes Ding, unbekümmert um die Folgen und das Unheil, das ein Rechtssatz, den man in den Quellen zu lesen oder aus der Consequenz zu entnehmen glaubt, im Leben anstiftet, sich rein theoretisch mit ihm abzufinden oder aber ihn zur Anwendung zu bringen."· So die Einsicht Jherings nach seinem Meinungswandel bezüglich der Lösung eines Doppelverkaufsfalls, der als eines der Schlüsselereignisse filr Jherings Abkehr von der Begriffsjurisprudenz Berühmtheit erlangt hat. Die Beziehung von Autorität des Textes und "Systemdenken" zu Billigkeit stellte sich in Fällen des Doppelverkaufs schon filr die mittelalterlichen Juristen als problematisch dar. Hier liegt der Schwerpunkt der folgenden Untersuchung, wohingegen Jhering und sein Doppelverkaufsfall im Hintergrund bleiben, da dieses Problem bereits eingehend untersucht worden isr. Es stellt sich die Frage, was die Lösung eines Doppelverkaufsfalls filr Jhering, filr uns heute und vor allem filr die Interpreten des römischen Rechts im Mittelalter so schwierig macht beziehungsweise machte. Zur Illustration der von einem Doppelverkauf aufgeworfenen Probleme soll zunächst ein Blick auf das modeme Recht und anschließend auf die Grundlagen im antiken römischen Recht geworfen werden.

1. Der Doppelverkauf im geltenden Recht - eine Übersicht

Zwischen dem Verkäufer und einem ersten Käufer wird ein Kaufvertrag geschlossen. Bevor es zur Übergabe und Übereignung der Kaufsache kommt, wird sie einem Zweiten verkauft und diesem auch übereignet. Die Lösung dieses

1 Jhering, Beiträge zur Lehre von der Gefahr beim Kaufcontract, JhJb 3 (1859), S.450. 2 Dazu Falk, Ein Gelehrter wie Windscheid, S. 52 ff.; Braun, Der Doppelverkauf

einer Sache zwischen denselben Parteien, AcP 193 (1993), S. 556 f.

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I. Kapitel: Einfilhrung

Grundfalles eines Doppelverkaufs3 scheint zunächst recht einfach zu sein. Doch sehr schnell gelangt man zu grundsätzlichen Fragen.

a) Ansprüche des Erstkäufers gegen den Verkäufer aa) Auf die Kaufsache gerichtete Ansprüche Mit dem Abschluß des Kaufvertrages allein ist der Käufer wegen des Trennungsprinzips (Trennung zwischen dem Verpflichtungsgeschäft und dem VerfUgungsgeschäft)4 und des Traditionsgrundsatzes5 noch nicht Eigentümer der Sache geworden. Daher scheitert ein Herausgabeanspruch gemäß § 985 BGB. Der Anspruch auf Übergabe und Übereignung der Kaufsache gemäß § 433 Abs. 1 BGB gegen den Verkäufer verhilft dem Käufer trotz des Grundsatzes der Naturalvollstreckung6 bei dieser Fallgestaltung nicht zu der Kaufsache. Der Verschaffungsanspruch kann nicht (mehr) gemäß § 886 ZP07 durchgesetzt werden, da der Zweitkäufer vom Verkäufer Eigentum erworben hatB, selbst wenn er von dem obligatorischen Recht des anderen wußte 9 • Der Zweitkäufer ist nach geltendem Recht als "beatus possidens" nicht genötigt, sich mit Prätendenten auseinanderzusetzen, die sich auf ältere Erwerbstitel berufen lO • Die geschilderte Konstruktion soll der Umlauffiihigkeit des Eigentums dienen 11. Der Verkäufer kann also "das Recht des Käufers illusorisch machen,,12. In den Motiven heißt es dazu:

Mehrere Fallvarianten schildert und bespricht Filios, S. 92 f. Allgemein dazu Schwab / Prütting, Sachenrecht, S. 8; Baur / Stürner, § 5 IV I, § 51 VIII. 5 Zur Bewertung des (mehrfach eingeschränkten) Traditionsgrundsatzes siehe Baur / Stürner, § 51 I 2, VIII. - Kurzer historischer Überblick bei Ferrari, Vom Abstraktionsprinzip und Konsensualprinzip zum Traditionsprinzip, ZEuP 1993, S. 54 f. 6 Zur Geschichte dieses Grundsatzes siehe Nehlsen-v. Stryk, Grenzen des Rechtszwangs, AcP 193 (1993), S. 529 ff; Repgen, Vertragstreue und Erfilllungszwang in der mittelalterlichen Rechtswissenschaft (1994); H Dilcher, Geldkondemnation und Sachkondemnation in der mittelalterlichen Rechtstheorie, SZRom 78 (1961), S. 277 ff. 7 § 886 ZPO gilt auch filr Ansprüche auf Verschaffung einer Sache, vergleiche Stein / Jonas / Münzberg, § 886 Rn. 6. 8 In der vorliegenden Untersuchung wird davon ausgegangen, daß der Verkäufer Eigentümer der Kaufsache war. Der Verkauf durch einen Nichtberechtigten, der mehrfach den hier zu erörternden Problemkreis tangieren wird, soll aber weitgehend ausgeklammert bleiben. 9 RGZ 62, 137, 138; 83, 237, 239 f. - Zur Frage der Sittenwidrigkeit eines solchen Verhaltens siehe unten S. 17. 10 Dubischar, Doppelverkaufund "ius ad rem", JuS 1970, S. 9. 11 Dubischar, Doppelverkauf, JuS 1970, S. 11. 3

4

I. Problemstellung

13

"Darf der Schuldner, der durch nach einander abgeschlossene Verträge die Verbindlichkeit übernommen hat, denselben Gegenstand verschiedenen Personen zu übertragen, keinem der Forderungsberechtigten gegenüber sich darauf berufen, daß er aus einem älteren oder jüngeren Vertrage Anderen verpflichtet sei, so ist nicht abzusehen, weshalb zwischen den Gläubigem, die unter sich in keinem Rechtsverhältnisse stehen, das Alter der Forderung oder das Zuvorkommen durch Klageerhebung oder durch Erlangung eines rechtskräftigen Urtheiles oder das Loos - vergl. sächs. G.B. § 764, bayr. Entw. Th. 11 Art. 143, 144, hess. Entw. Abth. IV, I Art. 258, dresd. Entw. Art. 318 - einen Vorzug haben soll ... Der allgemeine, für Forderungsrechtejeden Inhalts maßgebende Grundsatz kann nur sein, daß die Entscheidung lediglich von der Erfüllung des Anspruches abhängig gemacht wird (vergl. § 323). Der Wettbewerb um die Erfüllung steht frei und kein Berechtigter braucht dabei auf den anderen Rücksicht zu nehmen". J3

Es erfolgt ein "Wettlauf der Forderungsberechtigten um die Erftillung" 14, weil zumindest formal ein Vorrang des rur wertneutral gehaltenen Sachenrechts vor dem Obligationenrecht besteht. Aufgrund der isolierten Betrachtung der einzelnen schuldrechtlichen Beziehungen wird das Problem der Kollision von Forderungsrechten dadurch gelöst, daß man es auf die vollstreckungsrechtliche Ebene verschiebt, auf der anderweitige persönliche Ansprüche keine Berücksichtigung finden IS. Bei dieser Lösung des Problems soll es sich um eine bewußte Abkehr vom "ius ad rem" des preußischen Allgemeinen Landrechts (ALR) handeln, das von den Redaktoren als die "sachenrechtliche" Folgerung des Prinzips der Rangordnung von Obligationen gesehen worden war l6 . Nach ALR I 10 § 25; I 19 §§ 5 und 6 konnte sich der Zweitkäufer, der von dem früheren Verkauf wußte, gegen den Erstkäufer nicht darauf berufen, daß ihm die Kaufsache übergeben

12 So schon Bornemann in seinem das Traditionsprinzip für das BGB fordernden Gutachten für den 14. deutschen Juristentag (1878), S. 115, in dem er die Vorzüge dieses Grundsatzes gegenüber dem Konsensprinzip des französischen Rechts gerade anhand des Doppelverkaufs darzustellen versuchte. 13 Motive I, S. 276 = Mugdan I, S. 506. 14 Hofmeister, Liegenschaftserwerb, S. 86 (zum - insoweit vergleichbaren - österreichischen ABGB); ähnlich Kohler, Das Verfügungsverbot lebt, JZ 1983, S. 591. 15 Motive I, S. 276 = Mugdan I, S. 506: "Gehen mehrere Forderungsrechte auf eine Leistung, welche vermöge ihrer Beschaffenheit nur einem der Gläubiger zu Theil werden kann, so handelt es sich nicht um eine eigentliche Rechtskollision. Das Wesen der obligatorischen Willensherrschaft schließt die Möglichkeit einer solchen aus. Nicht die Forderungsrechte, nur das Interesse, welches die Gläubiger an der Erfüllung durch Naturalleistung haben, kann in Widerstreit gerathen." - De Boor, Die Kollision von Forderungsrechten, S. 10, meint dazu, es sei eine "kuriose Erscheinung in unserer Rechtsgeschichte, daß der Gesetzgeber sich seines Amtes, Interessenkonflikte zu regeln, weigert, da diese Interessenkonflikte zwar unleugbar vorhanden, aber begriffswidrig seien". 16 Kohler, Das Verfügungsverbot gemäß § 938 Abs. 2 ZPO, S. 244.

14

l. Kapitel: Einfiihrung

worden war 17. Ziel der Konstruktion eines solchen "Rechts zur Sache,,18 oder "ius ad rem", das heißt eines noch nicht (vollkommen) "dinglichen" Rechts, das Drittwirkungen entfaltet, soll es gewesen sein, gewisse durch die Trennung von Schuld- und Sachenrecht verursachte Härten auszugleichen. Ursprung des Terminus l9 und Wesen der Rechtsfigur sind im einzelnen nicht geklärt. Diese kurzen Hinweise auf das sogenannte "ius ad rem" sollen hier genügen. An geeigneter Stelle muß nochmals auf das "ius ad rem" eingegangen werden. Die vorliegende Untersuchung über den Doppelverkauf wird zeigen, daß einem Zugriffsrecht eines Käufers auf die Kaufsache - soweit es in der romanistischen Tradition überhaupt ein solches gab - keine "sachenrechtliche" Beziehung zugrunde lag. Ist es noch nicht zu einer Übereignung des Kaufgegenstandes gekommen, gewinnt der Käufer, der als Erster ein gerichtliches Veräußerungsverbot gemäß §§ 135, 136 BGB, 935, 938 Abs. 2 ZPO beziehungsweise bei Grundstücken die Eintragung einer Vormerkung aufgrund einstweiliger Verftlgung nach §§ 885 Abs. I Satz 1 BGB, 935 ff. ZPO erwirkfo. Der Rang mehrerer Vormerkungen wiederum richtet sich gemäß §§ 879, 883 Abs. 3 BGB nach der Reihenfolge der Eintragungen, nicht nach dem Alter der gesicherten Forderung21 . Durch das Verftlgungsverbot, das zur relativen Unwirksamkeit der verbotswidrigen Geschäfte fUhrt, wird das Prinzip der Gleichrangigkeit der Forderungsrechte 17 Hierzu und zum Folgenden siehe Ogris, s.v. Jus ad rem, in: HRG 11, Sp. 490-492 mit zahlreichen Nachweisen; Coing, Europäisches Privatrecht I, S. 175 f. (zum gemeinen Recht); Dubischar, Doppelverkauf, JuS 1970, S. 9 f.; Hofmeister, Frühe Ansätze einer Lehre über die Beeinträchtigung fremder Forderungsrechte, 181 1972, S. 524. - Nach der Untersuchung von Wesener, Dingliche und persönliche Sachenrechte - iura in re und iura ad rem, in: Festschrift fiir Niederländer, S. 196 ff., hieß "ius ad rem" schlicht "Forderung" im Gegensatz zu dem als "ius in re" bezeichneten dinglichen Recht. 18 Vergleiche ALR I 2 § 124. - Zu Terminologie und Wesen siehe auch Förster / Eccius, Preußisches Privatrecht I, S. 124 f. - In § 307 ABGB ist zwar von einem "persönlichen Sachenrecht" die Rede. Dennoch gibt es im ABGB kein "ius ad rem", vergleiche Hofmeister, Frühe Ansätze einer Lehre über die Beeinträchtigung fremder Forderungsrechte, 181 1972, S. 524 ff.; ders., Liegenschaftsrecht, S. 86; Wesener, Dingliche und persönliche Sachenrechte, S. 212 f. 19 Dazu vor allem Landau, Zum Ursprung des "ius ad rem" in der Kanonistik, in: Proceedings of the Third International Congress of Medieval Canon Law - Strasbourg 1968 (Citta dei Vaticano 1971), S. 99 ff. (mit Nachweisen); Wesener, Dingliche und persönliche Sachenrechte, S. 195 ff. 20 Wacke, Wer zuerst kommt, mahlt zuerst - Prior tempore potior iure, JA 1981, S. 97. - Den Antrag eines Mieters auf Erlaß einer einstweiligen Verfiigung im Falle einer Doppelvermietung hat das OLG Frankfurt, NJW-RR 1997, 77, indes mit dem Argument abgelehnt, daß es zu der Privatautonomie als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes des Schuldners gehöre zu bestimmen, welche Forderung er erfiillt. 21 Wacke, Wer zuerst kommt, mahlt zuerst, JA 1981, S. 97; P. Schlosser, Vollstrekkungsrechtliches Prioritätsprinzip und verfassungsrechtlicher Gleichheitssatz, ZZP 97 (1984), S. 137 f.

I. Problemstellung

15

durchbrochen22 • Die Rechtsfigur der relativen Unwirksamkeit wird als "erfolgreiches Bemühen um eine ausgewogene Verteilung der Verkehrs- und Schutzinteressen" gepriesen 23 • Umstritten ist, wie der Schutz durch gerichtliches Veräußerungsverbot "funktioniert", wenn es zu einer verbotswidrigen Veräußerung einer beweglichen Sache gekommen isf4 . Nach wohl überwiegender Ansicht steht dem Geschützten kein unmittelbarer Anspruch gegen den Dritten auf Übertragung des Eigentums an der beweglichen Sache zu. Vielmehr hat der Verkäufer zunächst die ihm gegenüber dem Erwerber aufgrund der relativen Unwirksamkeit der VerfUgung verbliebene Rechtsrnacht, deren Inhalt umstritten ist, an den Geschützten zu übertragen 25 • Das Erfordernis der Übertragung der dem Verkäufer verbliebenen "Rechtsmacht" ist nach Ansicht Kohlers richtig, weil dies die dogmatische Ablehnung des "ius ad rem" bedeute 26 • Der Schutz durch ein gerichtliches Veräußerungsverbot hat indes eine Schwachstelle: Da es filr bewegliche Sachen keinen der Vormerkung entsprechenden Behelf gibt, dürfte der Erfolg eines Veräußerungsverbotes häufig an der Gutgläubigkeit des Erwerbers, mithin an §§ 932 f., 135 Abs. 2 BGB, scheitern 27 • Weiß der andere Käufer von dem Verkauf und dem zugunsten des Konkurrenten erlassenen Veräußerungsverbot, so hat auch er die Möglichkeit, ein Verfilgungsverbot zu erwirken28 • Die Versagung eines Verfiigungsverbots wegen des älteren Forderungsrechts eines Dritten kommt unabhängig vom Prinzip der G1eichrangigkeit der Forderungsrechte schon aus praktischen GrUnden kaum in Betracht, weil das Bestehen des älteren Forderungsrechts nicht hinreichend

22 Kohler, Das Verfiigungsverbot gemäß § 938 Abs. 2 ZPO, S. 245; ders., Das Verfügungsverbot lebt, JZ 1983, S. 591. 23 Kohler, Das Verfiigungsverbot gemäß § 938 Abs. 2 ZPO, S. 147 bei Note 431. 24 Kohler, Eigentumserwerb des durch Verfiigungsverbot Geschützten an verbotswidrig veräußerten Mobilien, Jura 1991, S. 349 (mit Literaturübersicht). 25 Kurze Übersicht zum Meinungsstand in BGH NJW 1990, 2459, 2460 = BGHZ 111, 364, 367 ff.; Kohler, Eigentumserwerb des durch Verfiigungsverbot Geschützten an verbotswidrig veräußerten Mobilien, Jura 1991, S. 349 ff.; MünchKomm-MayerMaly, § 135, Rn. 33. 26 Kohler, Eigentumserwerb des durch Verfiigungsverbot Geschützten an verbotswidrig veräußerten Mobilien, Jura 1991, S. 349 Note 5. 27 Kohler, Das Verfiigungsverbot lebt, JZ 1983, S. 592 Note 65. 28 Wieling, Jus ad rem durch einstweilige Verfilgung?, JZ 1982, S.841 f.; Kohler, Das Verfiigungsverbot lebt, JZ 1983, S.587; Foerste, Vollstreckungsvorsprung, ZZP 106 (1993), S. 151; P. Schlosser, ZZP 97 (1984), S. 138, sieht darin wenigstens "keine Willkür".

16

I. Kapitel: Einfilhrung

überprüft werden kann 29 • Strittig ist, ob sich die beiden Veräußerungsverbote aufheben, so daß es letztlich wieder allein auf die Erfüllung ankommeo, oder ob - so die herrschende Meinung - das zuerst vollzogene Veräußerungsverbot das folgende suspendieret. Wieling äußert das Bedenken, daß durch die Bevorzugung des ersten Verbotsgeschützten das vom BGB-Gesetzgeber abgelehnte "ius ad rem" entstünde32 • Die soeben beschriebene Schwäche des (ersten) Forderungsinhabers würde nicht bestehen, wenn das konkurrierende Geschäft unwirksam wäre. Indes sind sowohl der zweite Kaufvertrag als auch die Übereignung der Kaufsache an den Zweitkäufer trotz der ersten Verpflichtung wegen ihres selbständigen Inhalts gültig und werden nicht schon grundsätzlich gemäß § 138 Abs. 1 BGB als nichtig angesehen 33 , wenn die am zweiten Verkauf Beteiligten redlich waren. Davon wird man häufig ausgehen müssen, da der Käufer von einem früheren Verkauf oftmals keine Kenntnis hat und auch der Verkäufer möglicherweise nicht (mehr) weiß, daß er oder ein Bevollmächtigter bereits einen Vertrag über die Kaufsache abgeschlossen hae 4 . Doch selbst das Verhalten eines Verkäufers, der bewußt den ersten Käufer übergangen und die Kaufsache dem Zweiten veräußert hat, trägt - rur unsere modeme Gesellschaft bezeichnend - nicht den Makel der Sittenwidrigkeit. Denn, so meint Kötz35 , in einer Wettbewerbsgesellschaft bestehe ein allgemeines Interesse daran, daß das Gut von demjenigen genutzt werde, der den höchsten Preis zu zahlen bereit ist. Den "schwarzen Peter" schiebt man dem Erstkäufer zu, der es sich selbst zuschreiben muß, daß er keine Maßnahmen zur Sicherung seiner obligatorischen Ansprüche getroffen hae 6 • Ein Schutz des For29 Kohler, Das Verfugungsverbot gemäß § 938 Abs. 2 ZPO, S. 245; ders., Das Verfugungsverbot lebt, JZ 1983, S. 587. - Zur entsprechenden Diskussion in Südafrika siehe Scholtens, Double Sales, SALJ 70 (1953), S. 22-31. 30 So Wieling, Jus ad rem durch einstweilige Verfilgung?, JZ 1982, S. 842. 3t Kohler, Das Verfilgungsverbot gemäß § 938 Abs. 2 ZPO, S. 245 Note 106; ders., Das Verfilgungsverbot lebt, JZ 1983, S. 587 bei Note 17; Foerste, ZZP \06 (1993), S. 151 (jeweils mit Nachweisen). 32 Wieling, Jus ad rem durch einstweilige Verfilgung?, JZ 1982, S.842; ders., Schlußwort, JZ 1983, S. 593; dagegen zutreffend Kohler, Das Verfilgungsverbot lebt, JZ 1983, S. 586 f.; ders., Verfilgungsverbot, S. 393 f. 33 RG SeuffArch. 79, Nr. 218, S. 357 = JW 1926, S. 986; Rehbein, Die Verletzung von Forderungsrechten durch Dritte, S. 256 f. (mit Nachweisen); Wieling, Jus ad rem durch einstweilige Verfilgung?, JZ 1982, S. 840; Larenz, Schuldrecht I, § 2 Il, S. 17; Braun, Die doppelt verkaufte "Emma", JuS 1979, S. 46; Sachs, Doppelverkauf, S. 17. 34 So schon die Erwägungen von Windscheid / Kipp, Pandektenrecht (1906), S. 666 f., Note 17. 35 Kötz, Deliktsrecht, S. 243, Rn. 689. 36 Medicus, Bürgerliches Recht, Rn. 625; Staudinger / Schäfer § 826, Rn. 171 (12. Bearbeitung); weitere Nachweise bei Dubischar, Doppelverkauf, JuS 1970, S.8; Eisfeld, lus ad rem, S. 21 (zur älteren Literatur).

I. Problemstellung

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derungsberechtigten gilt weithin als nicht in rechtlichen, sondern allenfalls in moralischen Erwägungen begründet, die aus dem Bereich des Rechts ausgeklammert sein sollen. Das "ius ad rem" sollte nach einer im 19. Jahrhundert und um die Jahrhundertwende vor allem von den Romanisten37 vertretenen Auffassung auf einem "unangebrachten Moralisieren" beruhen38 und scheint bewußt nicht in das Bürgerliche Gesetzbuch aufgenommen worden sein 39 • Als sittenwidrig wird das zweite Veräußerungsgeschäft von Teilen der Rechtsprechung und Literatur selbst dann noch nicht betrachtet, wenn auch der Zweitkäufer von dem ersten Vertrag weiß40 • Das Ausnutzen eines fremden Vertragsbruchs wird aus § 138 Abs. 1 BGB unter Berufung auf die Relativität der Forderungsrechte41 ausgeklammert; Dritte seien durch die Schuldnerpflichten nicht gebunden42 • Die Sittenwidrigkeit des zweiten Verkaufs bei Kenntnis des Zweitkäufers von dem ersten Vertrag wird außerdem mit dem nichtssagenden Argument verneint, daß man ansonsten im Ergebnis das "ius ad rem" ins BGB übernähme 43 •

37 Zum Vergleich von Romanisten und Germanisten siehe Luig, Die sozialethischen Werte des römischen und germanischen Rechts in der Privatrechtswissenschaft des 19. Jahrhunderts bei Grimm, Stahl, Kuntze und Gierke, in: Festschrift fiir Kroeschell, S. 282 ff., 301 ff., insbesondere S. 303. 38 Nachweise fiir und Stellungnahme gegen diese Auffassung bei Wieling, Jus ad rem durch einstweilige Verfiigung?, JZ 1982, S. 840. - Zum Zusammenhang zwischen "ius ad rem" und Moral in der Diskussion im 19. Jahrhundert siehe Hofmeister, Liegenschaftserwerb, S. 86, 192 f.; Dubischar, Doppelverkauf, JuS 1970, S. 10. 39 Staudinger / Schäfer § 823, Rn. 77. Für weitere Nachweise siehe Krasser, Schutz vertraglicher Rechte, S. 133 Note 58; Rehbein, S. 12. 40 BGH MDR 1972, S. 854; RGZ 83, S. 237, 239 f.; RG SeuffArch. 79, Nr. 218, S. 357 = JW 1926, S. 986; RG JW 1922, S. 1390; Wieling, Jus ad rem durch einstweilige Verfiigung?, JZ 1982, S. 840; Kötz, S. 243 Rn. 689; Hamburger, Anmerkung zu RG JW 1931, S. 2238 f; Zachmann, S.33 (zum insoweit vergleichbaren schweizerischen Recht). - Anders noch RGZ 62, S. 137, 139, worin Brandt, Eigentumserwerb, S. 156, seine These vom Fortwirken des ius ad rem bestätigt sieht; zu der auf den ersten Blick einheitlichen, der Sache nach aber schwankenden reichsgerichtlichen Rechtsprechung siehe Krasser, S. 215 ff. - Für eine Sittenwidrigkeit bei Kenntnis von dem Vertragsrecht eines Dritten Larenz, Schuldrecht I, § 2 11, S. 18 Note 21; Löwisch, DeIiktsschutz, S. 113. 4\ Zum relativen Charakter der Forderungsrechte siehe Larenz, Schuldrecht I, § 2 11, S. 15 ff.; Krasser, S. 298. 42 BGH NJW 1998, S. 77 f.; OLG Hamm VersR 1987, S. 509; Medicus, Bürgerliches Recht, Rn. 625; Staudinger / Oechsler, § 826, Rn. 225; MünchKomm-Mertens § 826 Rn. 123. 43 Wieling, Jus ad rem durch einstweilige Verfiigung?, JZ 1982, S. 840 (dagegen Löwisch, Deliktsschutz, S. 113); Hamburger, Anmerkung zu RG JW 1931, S. 2238 f

2 SeIl.·Geusen

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I. Kapitel: Einführung

Sittenwidrig wird das zweite Veräußerungsgeschäft nach herrschender Meinung erst, wenn "besondere Umstände" hinzutreten44 • Das Erfordernis des Hinzutretens besonderer Umstände rur die Annahme der Sittenwidrigkeit ist Konsequenz aus dem Postulat der Unverletzlichkeit der Forderungsrechte durch Dritte 45 , genauer: der Folgenlosigkeit einer solchen Verletzung. "Besondere Umstände" sind gegeben, wenn der Zweitkäufer den Verkäufer zum Vertragsbruch verleitet, indem er ihn etwa von Regreßansprüchen freistellt 46, eine Vertragsstrafe übernimmt47 oder ihm - so die herrschende Meinung - einen deutlich höheren Preis bietet48 . Erforderlich ist, daß "ein Mangel an Loyalität im Rechtsverkehr, insbesondere gegenüber dem Grundsatz pacta sunt servanda hervortritt, und deshalb seine [seil. des Dritten, Anm. d. Verf.] Berufung auf die nur relativen Bindungswirkungen von Verträgen als mißbräuchliches Einspannen der Rechtsordnung rur eigene Interessen erscheint,,49. Diese Schwelle rur die Annahme der Sittenwidrigkeit, die insbesondere bei kollusivem Zusammenwirken des Dritten mit dem Schuldner zur Vereitelung der Ansprüche des Vertragsgläubigers liegen kann, darf nach der Rechtsprechung nicht zu niedrig angesetzt werden 50 . Die öffentliche Hand unterliegt allerdings einer besonderen Pflicht zur "maßvollen Interessenverfolgung,,51, ein Gedanke, der - wie zu zeigen sein wird - bereits in der mittelalterlichen Diskussion auftaucht52 . Wenn man gemäß § 138 Abs. 1 BGB die Sittenwidrigkeit des zweiten Kaufvertrages annimmt, stellt sich die Frage nach der Ausdehnung der Nichtigkeit auf das dingliche Vollzugsgeschäft - bei dessen Nichtigkeit könnte der Erstkäu44 Nachweise zu der anfangs schwankenden Rechtsprechung des Reichsgerichts in RG JW 1931, S. 2238 mit Anmerkung von Hamburger, a.a.O. 45 Das zeigt sich deutlich in BGHZ 12, 308, 317 f 46 RG JW 1931, S. 2238; BGH NJW 1981, S. 2184, 2186; Staudinger / Oechsler § 826, Rn. 227 (mit Nachweisen). Nach OLG Hamm VersR 1987, 509 dagegen ist nicht einmal eine solche Freistellung ausnahmslos als sittenwidrig zu bewerten. 47 RGZ 81, 86, 91 (zu § I UWG; heute gilt jedes bewußte Verleiten zum Vertragsbruch als wettbewerbswidrig, vergleiche BGH WM 1981,624,625). 48 RG JW 1931, S. 2238; BGH WM 1981, 624, 625; weitere Nachweise bei Staudinger / Oechsler § 826, Rn. 227; Rehbein, S. 21. - Die Verleitung zum zweiten Verkauf durch Anbieten eines höheren Kaufpreises ist in RG SeuffArch. 79, Nr. 139, S. 229, 230 f. wegen eines berechtigten Interesses des Zweitkäufers nur als ausnahmsweise nicht sittenwidrig bewertet worden. Wirtschaftliche Interessen ließ das Reichsgericht JW 1922, 1390, im übrigen nicht als berechtigt gelten. - Eine Preisüberbietung wird generell nicht als sittenwidrig angesehen von Medicus, Bürgerliches Recht, Rn. 625. 49 BGH NJW 1981, 2184, 2185; OLG Hamm VersR 1987, 509. 50 BGH NJW 1981,2184,2185. - Sittenwidrigkeit aufgrund planmäßigen Zusammenwirkens wird angenommen in BGHZ 12,308,318 ff.; BGH MDR 1972, S. 854; RG SeuffArch. 79, Nr. 218, S. 358 (=JW 1926, S. 986); RG JW 1916, 1332, 1333; 1922, 1390. 51 BGH NJW 1981,2184,2186. 52 Vergleiche unten S. 166 ff.

I. Problemstellung

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fer den Herausgabeanspruch des Verkäufers gegen den Zweitkäufer gemäß § 985 BGB 53 pfänden und sich überweisen lassen (§§ 829, 835, 886 ZPO). Verftlgungen gelten vom Grundsatz her jedoch als "sittlich neutral", so daß sich die Nichtigkeit in der Regel nicht auf das Erftlllungsgeschäft erstreckt54 • Die Aspekte der Geschäftsmoral, die immerhin so gravierend sind, daß sie das Grundgeschäft (bei dem seinerseits bereits darauf geachtet wird, daß die Moral nicht das "Recht" verdrängt) zerstören, werden damit bewußt außer Acht gelassen. Das Abstraktionsprinzip55, aufgrund dessen das Verftlgungsgeschäft in seiner Wirksamkeit unabhängig von der Wirksamkeit des Verpflichtungsgeschäfts ist56 , stellt eine Besonderheit des deutschen Rechts im Vergleich zu anderen Rechtsordnungen dar, die ebenfalls das Trennungs- und Traditionsprinzip kennen 57 • Die durch das Abstraktionsprinzip herbeigeftlhrte Rechtslage ist jedoch nicht von Dauer und wird auf dem Weg über das Bereicherungrecht an die schuldrechtlichen Verhältnisse angepaßt. Das deutsche Recht ist damit letztlich doch vergleichbar mit dem schweizerischen und österreichischen Recht, die beide der titulus-und-modus-Lehre des gemeinen Rechts treu geblieben sind, nach der zur Übertragung des Eigentums neben einem Verftlgungsgeschäft auch ein gültiges Verpflichtungsgeschäft erforderlich ist58 • Wesentliche Unterschiede zwischen dem Kondiktions- und dem Vindikationsanspruch bestehen allerdings im Konkurs- 59 und Zwangsvollstreckungsrecht60 •

53 Umstritten ist allerdings, ob der Rechtsgedanke des § 817 S. 2 BGB einem Herausgabeanspruch gemäß § 985 BGB entgegensteht, dazu vergleiche H. Hübner, Allgemeiner Teil des BGB, Rn. 920 (mit Nachweisen). 54 Palandt / Heinrichs § 138, Rn. 20; Soergel / Hefermehl § 138, Rn. 52; Staudinger / Sack § 138, Rn. 140; weitere Nachweise bei Staudinger / Wiegand § 929, .. Rn. 22, 24. - Für eine generelle Aufgabe des Dogmas von der "Wertneutralität" der Ubereignung tritt Wiegand, Die Entwicklung des Sachenrechts im Verhältnis zum Schuldrecht, AcP 190 (1990), S. 135 ein. Kritisch auch MünchKomm-Quack, § 929 Rn. 63. S5 ZU dessen Entstehung siehe Ranieri, Die Lehre der abstrakten Übereignung in der deutschen Zivilrechtswissenschaft des 19. Jahrhunderts, in: Wissenschaft und Kodifikation des Privatrechts im 19. Jahrhundert I, S. 90-96; Coing, Europäisches Privatrecht 11, S. 393 ff.; Ferrari, ZEuP 1993, S. 56 ff. S6 Schwab / Prütting, S. 9; H. Hübner, Allgemeiner Teil des BGB, Rn. 918; Ferrari, ZEuP 1993, S. 56 f. 57 Ferrari, ZEuP 1993, S. 55 ff. 58 Zur Eigentumsübertragung nach schweizerischem und österreichischem Recht siehe Ferrari, ZEuP 1993, S. 55 ff. - Das Abstraktionsprinzip galt heftig umstritten zunächst auch in der Schweiz, wurde aber durch ein Urteil des Bundesgerichts aus dem Jahre 1929 aufgegeben, was teilweise als "victoire de la justice materielle sur le droit formel" gefeiert wurde (Ferrari, a.a.O., S. 59 f.). 59 Kilger / Schmidt, Konkursordnung, § 43, Anm. 7. 60 Hartmann, in: Baumbach / Lauterbach / Albers / Hartmann § 771, Rn. 20.

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1. Kapitel: Einführung

Nach herrschender Meinung kommt eine Erstreckung der Nichtigkeitssanktion auf das Erfilllungsgeschäft (Fehleridentität) allerdings in den Fällen in Betracht, in denen die Unsittlichkeit gerade im Vollzug der Leistung liegt61. Dabei soll es sich um eine rein tatsächliche Verknüpfung zwischen dem Verpflichtungs- und dem Verfilgungsgeschäft handeln62 . Nach den Beobachtungen von Wiegand63 besteht die generelle Tendenz, die Dominanz des Sachenrechts zugunsten einer stärkeren Berücksichtigung schuldrechtlicher Wertungen einzuschränken: Für die Beurteilung der Verfilgung muß man auf den Zweck des Geschäftes zurückgreifen, so daß man die zentrale Prämisse von der Selbständigkeit sachenrechtlicher Verfilgungen ignoriert64 • Damit aber stellt sich die Frage nach der Berechtigung des Abstraktionsprinzips schlechthin. Für den Doppelverkauf könnte man damit argumentieren, daß gerade das Vollzugsgeschäft die Rechtslage herstellt, durch die dem Erstkäufer jeglicher Zugriff auf die Sache verwehrt wird. Doch zeigen die Tatbestände der §§ 31 KO, 3 Abs. 1 AnfG (von 1879)65, daß den Gläubiger benachteiligende Geschäfte allenfalls unter engen Voraussetzungen anfechtbar sind, und nur dann gemäß § 138 BGB nichtig sein können, wenn besondere Umstände vorliegen, die noch über die Anfechtungstatbestände hinausgehen66 • Von praktisch untergeordneter Bedeutung ist § 138 BG B außerdem wegen besonders weitgehender Rechtsfolgen, die an die - genau genommen erst nachrangig zu prüfende - Vorschrift des § 826 BGB geknüpft werden 67 .

bb) Ansprüche auf Schadensersatz und auf den Zweitverkaufserlös Wenn dem ersten Käufer ein Zugriff auf die Kaufsache verwehrt ist, wird er statt dessen seine Rechte gemäß §§ 440 Abs. 1,325 Abs. 1,249 BGB (und gegebenenfalls nach § 252 BGB filr den Gewinn aus einer entgangenen Weiterverkaufsmöglichkeit) geltend machen wollen.

6\ Dazu Palandt / Heinrichs § 138, Rn. 20 (mit Nachweisen); Staudinger / Sack § 138, Rn. 143; Schwab / Prütting, S. 10 f.; H. Hübner, Allgemeiner Teil des BGB, Rn. 918. - Weitere Nachweise bei Oeckinghaus, S. 71, Note 17. 62 Schwab / Prütting. S. 10; Ferrari, ZEuP 1993, S. 67 f. 63 Wiegand, AcP 1990, S. 131-135 (mit Nachweisen), S. 124 ff. und passim. 64 Wiegand, AcP 190 (1990), S. 124 ff. 65 Diese Vorschriften sind durch die §§ 129 ff. InsO sowie das Gesetz über die Anfechtung von Rechtshandlungen eines Schuldners außerhalb des Insolvenzverfahren zum 1.1.1999 abgelöst worden. 66 Dazu Soergel / Hefermehl § 138, Rn. 67; RGRK-Krüger-Nieland / Zöller § 138, Rn. 163; Kilger / Schmidt, § 29, Anm. 6. 67 Dazu S. 25 ff.

I. Problemstellung

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Das Vorliegen von Unvennögen kann wie in den Fällen des Verkaufs einer schuldnerfremden Sache aber nicht ohne weiteres bejaht werden 68 , denn ein Rückerwerb der Kaufsache durch den Verkäufer vom Zweitkäufer ist denkbar und dürfte in vielen Fällen nur eine Frage der Höhe des Angebotes sein69 • Der Käufer wird den Weg des § 283 BGB beschreiten und nach Ablauf der Frist Schadensersatz wegen Nichterfiillung verlangen 7o • Ist der Zweitkäufer zum Verkauf bereit, stellt sich das Problem der Überschreitung der "Opfergrenze", der "wirtschaftlichen" Unmöglichkeit, die nach den Regeln des Wegfalls der Geschäftsgrundlage gelöst wird 71 • Doch wie steht es mit dem von dem Verkäufer erzielten Zweitverkaufserlös, der mit einer Sache erzielt wurde, auf die der erste Käufer einen Anspruch hatte? Wenn man im Einzelfall zu dem Ergebnis kommen sollte, daß Unvennögen vorliegt, hat der Käufer gemäß §§ 440 Abs. 1,325 Abs. 1 S. 1,281 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf Herausgabe dessen, was der Verkäufer infolge des Umstandes erlangt hat, der die Leistung unmöglich macht. Ob der Zweitverkaufserlös dazu gehört, war anfangs umstritten, da die Unmöglichkeit durch das die Kaufsache betreffende Verfiigungsgeschäft eingetreten ist, das Kaufgeld dagegen durch selbständiges Verpflichtungs- und Verfiigungsgeschäft erlangt wurden. Hier hat sich schließlich eine wirtschaftliche Betrachtungsweise gegen das Trennungsprinzip durchgesetzt: Nach herrschender Meinung ist der Verkäufer zur Herausgabe des gesamten 73 Verkaufserlöses verpflichtee4 • Das gilt als berechtigt, weil anderenfalls der vertragswidrige Verkauf der geschuldeten Sache

68 Für Unvermögen: Medicus, Bürgerliches Recht Rn. 274; Wacke, Wer zuerst kommt, mahlt zuerst, JA 1981, S. 97; Meincke, Rechtsfolgen nachträglicher Unmöglichkeit der Leistung beim gegenseitigen Vertrag, AcP 171 (1971), S. 21 f.; Riezler, Konkurrierendes und kollidierendes Handeln des Vertreters und des Vertretenen, AcP 98 (1906), S.393 Note 29. - Gegen Unvermögen: Jakobs, Unmöglichkeit, S. 126 ff., 257 ff. insbes. S. 160 Note 109; Roth, JuS 1968, S. 106. - Vermittelnd: Soergel/ Wiedemann § 275 Rn. 52 f., der im Einzelfall nach dem Vertragsinhalt entscheiden will. 69 Roth, JuS 1968, S. 106, 107. - Nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts muß der Schuldner nachweisen, daß er zur Erfüllung durch Wiedererwerb der Sache willens und fahig ist, vergleiche die Nachweise bei RGRK-AijJ§ 275, Rn. 14. Die gleiche Linie verfolgt BGH WM 1973, 1202; NJW 1988,699,700. Ebenso bereits Emerich, S. 45 f. 70 Dazu Larenz, Schuldrecht I, § 22 I, S. 335 f. 71 Larenz, Schuldrecht I, § 21 1 e, S. 297; zur Zumutbarkeit von Beschaffungsanstrengungen siehe G. Wagner, Anspruche auf Unmögliches?, JZ 1998,488 f. 72 Verneinend noch RGZ 91,260,263. Für Einzelheiten siehe Ullrich, S. 105 ff. 73 Die einschränkende Ansicht hat sich nicht durchgesetzt, vergleiche Himmelmann, S. 63 ff.; Ullrich, S. 112 f. 74 Vergleiche RGZ 105, 84, 89 f.; 138, 45, 48; Larenz, Schuldrecht 1 § 21 1 b, S. 309; de Boor, S. 81; Himmelmann, S. 62 ff.; für weitere zahlreiche Nachweise siehe Soergel/ Wiedemann § 281, Rn. 30, 37; Staudinger / Löwisch, § 281, Rn. 29; Ullrich, S. 111; MünchKomm-Emmerich § 281, Rn. 25.

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1. Kapitel: Einftlhrung

an Dritte weitgehend sanktionslos bliebe75 • Damit dient die mit Hilfe einer wirtschaftlichen Betrachtung bewirkte Überwindung des Systemzwanges an dieser Stelle als Sanktion gegen Geschäftspraktiken, die zwar als anstößig empfunden werden, aber aufgrund des Wortlautes des Gesetzes hinzunehmen wären. Entsprechende Überlegungen findet man schon in der mittelalterlichen Rechtslehre 76 • Es stellt sich die Frage, ob sich an dieser Zuweisung des Veräußerungserlöses an den Erstkäufer eine über die Bindung des Schuldners hinausgehende Rechtsbeziehung des Käufers zur Sache zeigt, die durch das Forderungsrecht begründet wird. Doch wird man einen solchen Zusammenhang wegen der Konstruktion des BGB eher verneinen müssen: Zwar hat § 281 BGB seinen historischen Ursprung in dem römisch-rechtlichen Satz, daß die commoda demjenigen zustehen, der die incommoda zu tragen hat77 • Während es aber nach römischem Recht auf der Grundlage des noch ausfiihrIich zu besprechenden Digestenfragments D. 18.4.21 vor allem darauf ankam, daß der Erlös ex re (im Gegensatz zu propter negotiationem) erlangt wurde 78, geht es heute darum, ob der Schuldner den Gegenstand infolge des die Unmöglichkeit verursachenden Umstandes erlangte79 • Entscheidend ist nicht mehr, daß das commodum aus der res, sondern daß es aus deren Untergang stammt. Diese Verschiebung des Blickwinkels durch Verknüpfung mit dem (neuen) Unmöglichkeitsbegriff war von Fr. Mommsen vorgeschlagen und von Windscheid sowie später bei den Gesetzgebungsarbeiten aufgegriffen worden 80 • An die Einbeziehung des Veräußerungserlöses war dabei allerdings nicht gedacht worden 81 . Die nach Inkrafttreten des BGB anflinglich gefiihrte Diskussion um die Einbeziehung des Veräußerungserlöses ebbte nach einer diese Frage bejahenden Entscheidung des Reichsgerichts aus dem Jahre 1922 ab 82 • Mit der Veränderung der Tatbestandsvoraussetzungen, das heißt mit der Anknüpfung an die Unmöglichkeit der Leistung anstatt an die Sache (ex re), hat die Frage nach der Herausgabe des Veräußerungserlöses heute ihre Aussagekraft rur das unmittelbare Verhältnis zwischen Käufer und Kaufsache verloren.

75 Soergel / Wiedemann § 281, Rn. 30; Himmelmann, S. 64; De Boor, S. 81; Planck / Siber, § 281 Anm. 2 c. 76 Vergleiche unten S. 95. 77 Knütel, § 281 BGB beim Rückgewähranspruch, JR 1983, S. 355 bei Note 4. 78 Nachweise ftlr die Diskussion im 19. Jahrhundert bei Ullrich, S. 94 ff. 79 Vergleiche § 281 Abs. 1 BGB. Zu diesem neuen Anknüpfungspunkt siehe UIIrich, S. 95 ff., 103 und passim; ähnlich Himmelmann, S. 8. 80 Ullrich, Doppelverkauf, S. 95 ff. 81 Jakobs, Lucrum ex negotiatione, S. 106 ff. 82 RGZ 105, 84 ff., dazu siehe Ullrich, S. 99-114; Höhn, S. 26-50. Vergleiche auch oben Note 75.

I. Problemstellung

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b) Ansprüche des Erstkäufers gegen den Zweitkäufer aa) Das Forderungsrecht des Käufers als "sonstiges Recht" im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB Vom Grundsatz her hat der Gläubiger "ohne Verfügung des Veräußerers kein Recht an der dem Dritten übereigneten Sache erlangt und gegen diesen auch keine schuldrechtlichen Anspruche erworben,,83. Die strenge Trennung von Schuld- und Sachemecht erfolgt also auch im Deliktsrecht. Die Frage, inwieweit Forderungsrechte als solche Deliktsschutz gegen Dritte genießen, ist umstritten seit es das BGB gibt84 . Zugunsten des Schutzes des Gläubigers wird angefiihrt, daß Forderungen wirtschaftlich zunehmend bedeutsame und daher schutzwürdige Bestandteile des Vermögens seien 85 , so daß das Ignorieren des Forderungsrechts als Gegenstand der Vermögenszuordnung durch das Gesetz nicht mehr der Wirklichkeit entspreche86 . Nach der seit Inkrafttreten des BGB überwiegenden, aber stets bestrittenen Ansicht können Forderungsrechte indessen nicht unter die "sonstigen Rechte" im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB eingeordnet werden, da die obligatorischen Rechte nicht wie die absolut geschützten Rechtspositionen87 von jedem, sondern nur vom Vertragspartner verletzt werden könnten 88 . Ein Eingriff in den An83 So BGH NJW 1990, 2459, 2460 = BGHZ 111, 364, 368, wo es um eine verbotswidrige Veräußerung geht; ähnlich BGH NJW 1994, 128, 129: Der schuldrechtliche Verschaffungsanspruch begründe kein Widerspruchsrecht im Sinne von § 771 ZPO, selbst wenn er durch eine Vormerkung gesichert sei. 84 So Krasser, S. 119 (im Folgenden mit Darstellung der einzelnen vertretenen Ansichten, die von einer völligen Vemeinung bis zur nahezu uneingeschränkten Bejahung eines solchen Schutzes reichen); Christoph Becker, Schutz von Forderungen dl!rch das Deliktsrecht?, AcP 196 (1996), S. 439 ff. (mit historischem und rechtvergleichendem Überblick S. 465-487); Canaris, Der Schutz obligatorischer Forderungen nach § 823 I BGB, in: Festschrift rur Steffen, S. 85 ff.; Rehbein, S. I, 7-15; Haase, S. 35 ff (zum Streitstand zu Beginn dieses Jahrhunderts). 85 Krasser, S. 142; H. e. Ficker, Interference with contractual relations und deliktsrechtlicher Schutz der Forderung, in: Festschrift rur H.G. Ficker, S. 180 f; Koziol, Die Beeinträchtigung fremder Forderungsrechte, S. I; Rehbein, S. 3, 171. 86 H.e. Ficker, S. 180; ebenso Christoph Becker, Schutz von Forderungen durch das Deliktsrecht?, AcP 196 (1996), S. 446 ff.; Canaris, in: Festschrift rur Steffen, S. 89. 87 Zur "Absolutheit" von Forderungen siehe Christoph Becker, Schutz von Forderungen durch das Deliktsrecht?, AcP 196 (1996), S. 457 ff. 88 BGHZ 12, 308,317 f; OLG Hamm VersR 1987,509; RG Gruchot's Beiträge 51 (1907), S. 987, 989; RG JW 1931, 2238; Palandt / Thomas § 823, Rn. 31; Staudinger / Schäfer § 823, Rn. 77 (in Rn. 80 f zu abweichenden Auffassungen), Staudinger / Oechsler § 826, Rn. 225; MünchKomm-Mertens § 826, Rn. 119, 123; Medicus, Bürgerliches Recht, Rn. 625, 610; ders., Die Forderung als "sonstiges Recht" nach § 823 Abs. I BGB?, in: Festschrift rur Steffen, S. 339 ff., 345; Dubischar, Doppelverkauf, JuS 1970, S.7 f; Rehbein, S. 1,7. Vergleiche dazu auch den Überblick bei Krasser, S. 119 ff. - Demgegenüber hatte sich in Rechtsprechung und Literatur der DDR die

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1. Kapitel: Einführung

spruch des anderen, der in der Durchsetzung des eigenen liegt, soll durch die Gleichrangigkeit der bei den Ansprüche gerechtfertigt sein 89 • Das Fehlen eines deliktsrechtlichen Schutzes rur den lediglich obligatorisch Berechtigten wird bisweilen bedauert, doch sieht man darin keinen hinreichenden Grund rur eine auch nur partieIIe Aufgabe des Trennungsprinzips, das "nun einmal unser Vermögensrecht weitgehend beherrscht,,90. Weitere konstruktive Bedenken kommen mit dem Argument zum Tragen, daß das modeme Haftungsrecht in Gefahr sei, Aushilfe rur das Vertragsrecht zu leisten, worur es schon ausreiche, daß eine vertraglich vereinbarte Pflicht zur allgemeinen Rechtspflicht umstilisiert werde91 • Oertmann warnte: "Die Ansicht der Gegner aber würde den üblen Erfolg haben, daß das aus der Vorderthür so energisch herausgewiesene Recht zur Sache zur Hinterthür wieder gemächlich in den Bau des bürgerlichen Rechts hineinspazierte,,92. Die mannigfachen Durchbrechungen des Grundsatzes, daß nur absolute Rechte geschützt sind93 , kommen dem Inhaber des Forderungsrechts auf Übertragung der Sache nicht zugute und zwar mit der Begründung, daß die Forde-

Auffassung durchgesetzt, daß § 823 Abs. 1 BGB auch Forderungsrechte schütze. Die zur Eindämmung einer uferlosen Fahrlässigkeitshaftung erforderliche Einschränkung erfolgte durch eine Differenzierung zwischen fahrlässiger unmittelbarer und lediglich mittelbarer Schädigung (Einzelheiten bei Rehbein, S. 29-33; Christoph Becker, Schutz von Forderungen durch das Deliktsrecht?, AcP 196 [1996], S. 479 f.). 89 So auch diejenigen, die sich gegen die Ausklammerung von Forderungen aus dem Schutz des Deliktsrechts wenden, wie etwa Löwisch, Deliktsschutz, S. 113; Koziol, S. 200; Christoph Becker, Schutz von Forderungen durch das Deliktsrecht?, AcP 196 (1996), S. 461. 90 Paulus, Deliktsschutz für den Vormerkungsberechtigten?, JZ 1993, S. 555 f., 559. 91 Deutsch, Verleitung zum Vertragsbruch und Schutz der Preisbindung gegen Außenseiter: Bemerkungen zu Rudolf Kraßer, Der Schutz vertraglicher Rechte gegen Eingriffe Dritter und der Schutz von Preis- und Vertriebsbindungen gegenüber Außenseitern, JZ 1973, S. 586. - Zutreffend bemerkt Christoph Becker, Schutz von Forderungen durch das Deliktsrecht?, AcP 196 (1996), S. 457 f., daß es nicht darum gehe, eine Vertragspflicht zur allgemeinen Rechtspflicht zu erheben, sondern um die Pflicht, vertragliche Beziehungen anderer zu respektieren. Als ein mögliches Kriterium für die Unterscheidung von relevanten und irrelevanten Schädigungen nennt er das Bewußtsein des Schädigers, daß eine Forderung besteht (S. 456). Wenn man die von Christoph Becker angeführten Fälle betrachtet, in denen er einen Deliktsschutz für angebracht hält, dürfte als weiteres begrenzendes Kriterium das Vorliegen einer unerlaubten Handlung des Dritten gegen den Schuldner zu nennen sein. Zu denken wäre dann an eine besondere Form einer "Drittschadensliquidation". 92 Oertmann, Der Schadensersatzanspruch des obligatorisch Berechtigten, in: Festschrift für Dernburg, S. 81. 93 Vergleiche die Darstellung der Fortentwicklung des § 823 Abs. 1 BGB bei Krasser, S. 201 ff.; Larenz / Canaris, § 76 II 4 g. - Nicht überzeugend ist es, die Möglichkeit der Erwirkung des Veräußerungsverbots als Grund für die Einordnung des besitzlosen Vorbehaltseigentums als "sonstiges Recht" anzusehen (so Staudinger / Schäfer § 823, Rn. 89), weil jeder Käufer ein solches Veräußerungsverbot erwirken kann.

I. Problemstellung

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rung wegen der Trennung zwischen obligatorischer und dinglicher Rechtslage gerade keinen Zuweisungsgehalt habe 94 • Daher erkennen auch diejenigen, die tUr die Einbeziehung der Forderungsrechte in den deliktsrechtlichen Schutzbereich plädieren, im Ergebnis einen Schutz nur in Fällen des Verleitens zum Vertragsbruch an 95 •

bb) Der Schutz des Forderungsrechts gemäß § 826 BGB Der oftmals im Ergebnis unbefriedigende fehlende deliktsrechtliche Schutz von Forderungsrechten wird durch § 826 BGB teilweise aufgefangen, wenn die oben im Zusammenhang mit § 138 BGB bereits erwähnten besonderen Umstände hinzukommen, die das planmäßige Zusammenwirken von Verkäufer und Zweitkäufer als sittenwidrig erscheinen lassen (Kollusion)96. Die Zurückhaltung beim Schutz des Forderungsrechts wird, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen des § 826 BGB erst einmal bejaht sind, abgelegt und durch Großzügigkeit auf der Rechtsfolgenseite kompensiert: Naturalrestitution gemäß § 249 BGB bedeutet nicht nur Schadensersatz in Geld97 oder RUckübertragung des Kaufgegenstandes durch den Zweitkäufer an den Verkäufer98 • Vielmehr hat eine unmittelbare Übergabe an den Erstkäufer zu erfolgen, so wie sie ohne das schadensbringende Ereignis aller Wahrscheinlichkeit nach stattgefunden hätte 99 • Man hält es - wie Ubrigens teilweise schon die mittelalterliche Rechts-

94 Larenz / Canaris § 76 11 4 g (S. 398); Christoph Becker, Schutz von Forderungen durch das Deliktsrecht?, AcP 196 (1996), S. 461. 95 So beispielsweise Koziol, S.201 f.; Löwisch, Deliktsschutz, S.91 f., 113; Rehbein, S. 237-249, 253; weitergehend, weil auf jede vorsätzliche Forderungsverletzung bezogen, H. C. Ficker, S. 184. - Zu weiteren, den obligatorisch Berechtigten schützenden Ansätzen siehe Krasser, S. 142 ff. 96 Vergleiche oben S. 18 f. 97 So noch RGZ 103, 419, 420, unter Betonung des Unterschiedes zwischen dem ALR und dem BGB. 98 So anflinglich RG JW 1922, 1390; RG Gruchot's Beiträge 58 (1914), S.987, 991 f.; Dubischar, Doppelverkauf, JuS 1970, S. 9. 99 RGZ 108, 58, 59 (eine Anrufung der vereinigten Zivilsenate wegen RGZ 103, 419 ff., hat sich wegen der Auflösung eines Senates erübrigt); RG SeuffArch. 79, Nr. 218, S. 358 (= JW 1926,986 f. mit zustimmender Anmerkung von Endemann, S. 987); Dernburg, Bürgerliches Recht III (1908), § 63, S.221 Note 6; Larenz, Schuldrecht I, § 2 11, S. 18, Anm. 21; Staudinger / Oechsler, § 826, Rn. 228; Krasser, S. 244 (mit weiteren Nachweisen); Rehbein, S. 250-254. Entsprechendes gilt nach BGH NJW 1990, 2459, 2460 (linke Spalte unten) im Ergebnis auch für den ähnlich gelagerten Fall einer verbotswidrigen Veräußerung. - Gegen diese Handhabung von § 249 BGB ist Dubischar, Doppelverkauf, JuS 1970, S. 9, wegen der Schwierigkeiten, die dieser "Durchgriff' bei der Rückabwicklung im Verhältnis zwischen dem Verkäufer und dem Zweitkäufer verursachen könne.

I. Kapitel: Einführung

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literatur 100 - für gerecht, daß dem Übeltäter der aus dem Delikt gezogene Vorteil unmittelbar entzogen wird lOl . Auf diese Weise erhält der Schadensersatzanspruch gegen den Zweitkäufer einen vindikationsähnlichen Charakter lO2 . Im Zusammenhang mit dieser Form der Naturalrestitution wird wiederum der Begriff des "ius ad rem" ins Spiel gebracht 103 • Es kann hier dahinstehen, wie man diese Entwicklung im Hinblick auf die Rechtstigur des "ius ad rem" zu werten hat. Festzuhalten ist, daß bei der Frage nach der Rechtsstellung des ersten Käufers die von Wieacker beschriebene Fortbildung der Rechtsordnung nach sozialen Bedürfuissen und moralischen Wertungen deutlich wird 104 •

c) Ansprüche des Verkäufers gegen den Erstkäufer Dem Kaufpreisanspruch des Verkäufers gemäß § 433 Abs.2 BGB steht regelmäßig die Einrede des nichterfüllten Vertrages gemäß §§ 440 Abs. 1, 320 Abs. 1 BGB entgegen. Eine eigentümliche Fallkonstellation entsteht jedoch, wenn ein Grundstück oder ein Schiff zufiillig untergehen, nachdem die Kaufsache dem ersten Käufer übergeben und der Zweitkäufer in das Grundbuch bzw. Schiffsregister eingetragen worden ist. In diesem Fall scheint die Preisgefahr gemäß § 446 Abs. 2 BGB auf den ersten Käufer und gemäß § 446 Abs. 1 BGB auch auf den zweiten überzugehen. Umstritten ist, ob es eine solche Verdoppelung der Gefahr gibtlOS, und insbesondere die sich daran anschließende Frage, ob der Verkäufer, dessen KaufpreisanspTÜche gegen beide Käufer zunächst wirksam entstanden sind, diese nach dem zufälligen Untergang der Kaufsache gegen beide Käufer durchsetzen kann lO6 . Die wohl herrschende Meinung bejaht Dazu S. 185 ff. Endemann, Anmerkung (zu RG JW 1926,986), in: JW 1926, S. 987. 102 Dubischar, Doppelverkauf, JuS 1970, S. 9: "vindikationsartiger Durchgriff". 103 Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, S. 521; Medicus, Bürgerliches Recht, Rn. 625: "Soweit man das [scil. den Herausgabeanspruch gegen den Zweitkäufer, Anm. d. Verf.] bejaht, kommt man zu einer Art ius ad rem"; Staudinger / Schäfer § 826, Rn. 171: "gewisse Verdinglichung des Forderungsrechts". - Gegen eine solche Wertung ist Rehbein, S. 252 ff. 104 Vergleiche Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, S. 514 ff., 521 bei Note 29, S. 530. 105 Das Problem wurde auch bei den Gesetzgebungsarbeiten gesehen, doch heißt es in Motive 11, S. 323 f.: "Jene Schwierigkeiten sind nicht genügend, um ein an sich richtiges Prinzip (i.e. die Anknüpfung des GefahTÜbergangs an die tatsächliche und rechtliche Herrschaft über die Sache; Anm. d. Verf.) zu opfern". 106 Eine Verdoppelung der Gefahr und einen Anspruch des Verkäufers auf beide Kaufpreise bejahte eine um die Jahrhundertwende verbreitete und an gemeinrechtliche Theorien anknüpfende Auffassung, dazu Sachs, S. 77; Herrmann, S. 39 f. - Sachs selbst befürwortet einen doppelten Kaufpreisanspruch bei Mobilien, wenn beide Käufer zur Zeit des Untergangs der Kaufsache in Annahmeverzug waren (S. 28). 100 101

I. Problemstellung

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einen Gefahrübergang auf beide Käufer, gewährt aber bei den Käufern die Rechte aus § 325 BGB I07 , denn dem einen Käufer kann der Verkäufer nicht übereignen, dem anderen nicht übergeben.

2. Der Untersuchungsgegenstand Schon dieser Überblick über das geltende Recht hat gezeigt, daß das Doppelverkaufsproblem im aktuellen Recht eine Schlüsselposition fUr die Fragen nach der Wertigkeit der beiden Forderungsrechte aus dem Kauf untereinander sowie nach dem Verhältnis der Forderungsrechte zu dinglichen Rechten an der Sache besitzt. Das ist keine Besonderheit des geltenden, sondern ein Erbe des römischen Rechts mit den (vermeintlich) in ihm angelegten Systemzwängen 108, genauer: der begrifflichen Unterscheidung von obligatorischem Verpflichtungsgeschäft und dessen Erfiillung. In der Abgrenzung von Forderungsrechten und Herrschaftsrechten, die zu dem hier untersuchten Problem fUhrt, wird eine der wichtigsten Errungenschaften gesehen, die von den kontinentalen Privatrechtsordnungen dem römischen Recht entnommen worden sind lO9• Systemzwänge aber zeigen bisweilen ihre Härte. Einzelfallgerechtigkeit kann daher nicht immer ohne Reparaturen erzielt werden, wenn nämlich das Trennungsprinzip und die Relativität obligatorischer Rechte mit dem das Vertragsrecht tragenden Grundsatz des pacta sunt servanda in Konflikt geraten. Bei der Ermittlung der Rechtsstellung des lediglich obligatorisch berechtigten Käufers im Hinblick auf die von ihm gekaufte Sache kann man beobachten, wie die widerstreitenden Prinzipien austariert wurden. Die Geschichte der Diskussion um den Doppelverkauf ist daher zugleich eine Geschichte der wechselnden Beziehung zwischen Systemdenken und Billigkeit. Aus dieser Geschichte sind Tendenzen ablesbar, die fundamentale Vorstellungen über das 107 So etwa Brox, Besonderes Schuldrecht, Rn. 50; Fikentscher, Schuldrecht, Rn. 672; Medicus, Bürgerliches Recht, Rn. 274; Enneccerus / Lehmann, Recht der Schuldverhältnisse, § 10311 2, S.417; Braun, Die doppelt verkaufte "Emma", JuS 1979, S. 48 f.; Planck (1900) § 446 Anm. 2 b ß und Herrmann, S. 44-54 (nur rur den Erstkäufer); Riezler, AcP 98 (1906) S. 392 ff. (nicht rur den Käufer, an den aufgelassen wurde). - Nachweise zu vorwiegend älterer Literatur bei Braun, a.a.O., S.47 Note 8; Herrmann, S. 39 ff.; Enneccerus / Lehmann, a.a.O.; Filios, S. 93-96. 108 Vermeintlich, weil die "Systematisierung" im Einzelnen starken Wandlungen unterlegen ist: So finden sich beispielsweise in den Institutionen des Gaius wie auch Justinians die Forderungen unter der Rubrik der res incorporales, vergleiche Kaser, Der römische Anteil am deutschen bürgerlichen Recht, JuS 1967, S. 339; Kupisch, Erläuterungen, S. 283; Zwalve, Das System des Vermögensrechts, in: Das römisch-holländische Recht - Fortschritte des Zivilrechts im 17. und 18. Jahrhundert, S. 109 ff. 109 Kaser, Der römische Anteil am deutschen bürgerlichen Recht, JuS 1967, S. 34\.

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1. Kapitel: Einführung

Wesen des Kaufs aufdecken, indem deutlich wird, inwieweit der dem römischen Recht entnommene Versprechensvertrag Übertragungswirkung hatte und inwiefern er eine Bindung der Person des Schuldners oder auch der Sache begründete. Der Doppelverkauf ist aber nicht nur ein Beispiel rur die Entwicklung einer Institution. Vielmehr werden auch methodengeschichtliche Einsichten durch den Weg offenbart, auf dem das jeweils rur richtig erachtete Ergebnis gewonnen wird. Das gilt nicht nur rur die Arbeitsweise der Rechtsgelehrten der Neuzeit, die schon mehrfach Gegenstand von Untersuchungen war llO , sondern auch des Mittelalters, das zum Gegenstand der vorliegenden Arbeit gemacht werden soll. Dabei wird sich zeigen, daß sich unter den mittelalterlichen Juristen Formalisten wie Finalisten lll befanden, die zum Teil sehr einfallsreich waren und im wesentlichen bereits die Lösungen erarbeiteten, die noch in späteren Epochen, wenngleich auch teilweise mit unterschiedlichen gesetzes- und wissenschaftssystematischen Ausgangsvorstellungen 112, akzeptiert wurden. Der Prätendentenstreit der beiden Käufer erweist sich - wie Dubischar bereits rur die Neuzeit festgestellt hat - sowohl in methodischer als auch in inhaltlicher Hinsicht als ein zeitloses Problem 1\3. Weder in der Methode noch im Inhalt beobachten wir den Sieg einer Rechtsidee. Die Entwicklung verlief vielmehr zyklisch. Dabei besteht eine augenfällige Bindung zwischen formalistischer Argumentation und verkehrsfreundlicher Trennung von Grund- und Errullungsgeschäft einerseits und freier, praktischer Methode sowie Berücksichtigung der nur "moralischen" Position des ersten Käufers auf der anderen Seite. Deutlich wird auch, daß sich äußere Rechtsgeschichte und Institutionengeschichte nicht trennen lassen 114. Wenn es heute um den Interessenausgleich zwischen den beiden Käufern geht, taucht immer wieder der Begriff des "ius ad rem" auf 15. Dieser Terminus I \0 Vergleiche Luig, Richterkönigtum und Kadijurisprudenz im Zeitalter von Naturrecht und Usus modemus: Augustin Leyser (1683-1752), in: Das Profil des Juristen in der europäischen Tradition, Symposion Wieacker (1980), S. 304 (zu Leyser); Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, S. 297 (zu Grotius), 311 (zu Pufendorf); Ehrlich, Grundlegung der Soziologie des Rechts, S. 264 (zur Begriffsjurisprudenz) und dazu wiederum wie auch zu Windscheid. Jhering und Mommsen Falk, Ein Gelehrter wie Windscheid, S. 51 tT. 111 Zu diesem von Kantorowicz entwickelten Begriffspaar siehe Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, S. 20 Note 19. 112 Dies zeigt Dubischar, Doppelverkauf, JuS 1970, S. 7 und passim für 18.-20. Jahrhundert. 113 Dubischar, Doppelverkauf, JuS 1970, S. 7. 114 So belegt von Luig anhand des Usus modemus in HRG, S.v. Usus modemus, Sp. 633 ff. mit Vorbehalten gegen Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, S. 16 f. und öfter. 115 Dubischar, JuS 1970, S. 12; vgl. oben Abschnitt 1.

1. Problemstellung

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wird immer wieder als Schlagwort herangezogen und bezeichnet eine RechtssteIlung des ersten Käufers, die nicht nur durch die obligatorische Bindung des Verkäufers, sondern auch durch eine unmittelbare Beziehung zur Kaufsache gekennzeichnet sein soll. Dem BGB ist ein solches Recht fremd 1l6 • Die Materie ist schlecht faßbar. Das "ius ad rem" und dessen Rechtsnatur stellt sich erst seit dem 19. Jahrhundert als ein Problem dar, nachdem man eine Einordnung als eigene Kategorie in ein Begriffssystem versucht hat ll7 , obwohl es - wie Wesener nachgewiesen hat - lediglich das Forderungsrecht im Gegensatz zum dinglichen Recht bezeichnet hatte J18 • In der mittelalterlichen Diskussion des Doppelverkaufs dagegen spielte der Terminus "ius ad rem" keine Rolle. Daher soll hier kein weiterer Versuch unternommen werden, dessen Herkunft aufzuspüren. Eine solche Fragestellung würde wegen des unterschiedlichen Inhalts der einzelnen Termini und der begriffssystematischen Ausgangsvorstellungen zu anachronistischen Begriffsbildungen l19 und damit letztlich zu unzutreffenden Ergebnissen fUhren. Daher muß bei dem Sachproblem selbst angesetzt werden 120: Allein die vom (ersten) Käufer aufgrund des Kaufvertrages erworbene RechtssteIlung und die sie beeinflussenden Umstände sollen Gegenstand der Untersuchung sein. Die Wertigkeit des Forderungsrechts zeigt sich daran, inwiefern der Käufer die Sache bei einem Dritten verfolgen bzw. deren Verkaufserlös vom Verkäufer beanspruchen kann. Ziel der Untersuchung ist nicht die richtige Erkenntnis vom antiken römischen Recht, sondern das Aufspüren der Lösungen, mit denen nach der Vorstel1ung der mittelalterlichen Juristen auf der Grundlage des römischen Rechts materiale Gerechtigkeit erreicht werden sollte. Es wird sich zeigen, daß die mittelalterlichen Juristen kein neues Recht zwischen Schuld- und Sachenrecht erfanden, sondern lediglich eine Sanktion gegen betrügerische Machenschaften zwischen Verkäufer und Zweitkäufer fUr das gemeinschaftliche Hintergehen des (ersten) Forderungsinhabers suchten. Die Lösung war stets nur eine Einzelfallentscheidung unter Betonung des ethischen Moments, fUhrte aber nie zu einer eigenen Kategorie von Rechten. Zugleich erkennt man, daß ein delikts- bzw. strafrechtlicher Schutz des Forderungsrechts außer in den Fällen des kollusiven 116 Ähnliche Schwierigkeiten verursacht das "Anwartschaftsrecht", das dem 8GB zumindest vom Begriff her gleichfalls fremd ist. Probleme entstehen hier gerade dadurch, daß nicht nur eine Rechtsstellung eines noch-nicht-Inhabers eines Rechts "Anwartschaft" genannt wird, sondern daß daran weitere Rechtsfolgen geknüpft werden, siehe dazu Hennrichs, Kollisionsprobleme bei der (Voraus-) Abtretung zukünftiger Forderungen, JZ 1993, S. 228. 117 So z.B. Förster / Eccius, PreußPR I, 123-125; III, 6 f. 118 Wesener, Dingliche und persönliche Sachenrechte, S. 195 ff. 119 Das betont Dubischar, Doppelverkauf, JuS 1970, S. 7, 12; ähnlich bereits Kunkel, Rezension zu Franz Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit und zu Gerhard Wesener, Neuere deutsche Privatrechtsgeschichte, SZRom 71 (1954), S. 512. 120 So die Forderung von Ogris, s.v. Jus ad rem, in: HRG 11, Sp. 491.

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I. Kapitel: Einführung

Zusammenwirkens zwischen Zweitkäufer und Verkäufer auch dann nicht angenommen wurde, wenn er sich nach der Lage der Quellen anbot. Die Untersuchung beschränkt sich - wenn man von den der Orientierung des Lesers dienenden Überblicken über die römisch-rechtliche Grundlage und über die Entwicklung in der Neuzeit absieht - auf das Mittelalter. Dieser zeitliche Rahmen ergibt sich daraus, daß gerade die mittelalterlichen Juristen als Entdecker und erste Bearbeiter des römischen Rechts die Grundlage rur die spätere Entwicklung schufen, indem sie die Vorgaben bestimmten, innerhalb deren sich die Diskussion um die ReC':htsstellung des (ersten) Käufers später vollzog. Ohne Kenntnis der Grundlagen im mittelalterlichen Recht läßt sich die weitere Entwicklung nicht würdigen 121 • Die mittelalterlichen Juristen, deren Texte sich dem modemen Leser mitunter nicht leicht erschließen, haben rur die hier untersuchte Frage unverdientermaßen vergleichsweise geringe Beachtung gefunden. Bislang sind rur die mittelalterliche Diskussion des Doppelverkaufs nur einzelne Aspekte herausgegriffen worden 122, obwohl man durchaus beachtenswerte und beachtete Lösungen gefunden hatte 123 • Die vorliegende Untersuchung soll dazu beitragen diese Lücke zu schließen. Dagegen liegen rur das antike römische Recht sowie rur spätere Epochen, bereits einige Untersuchungen zur Rechtsstellung des Käufers vor l24 , deren Ergebnisse hier lediglich zusammengefaßt werden. Zum Teil wird die Anordnung der Quellen nach einzelnen Sachfragen untergliedert. Das soll die Orientierung des Lesers erleichtern, geht aber auf Kosten einer chronologischen und autorenbezogenen Anordnung des Materials. Andererseits lassen sich methodengeschichtliche Einsichten nur unter Beachtung des quellenmäßigen Zusammenhangs gewinnen bzw. bereits gezogene verifizieren. Das verbietet wiederum ein Herausgreifen einzelner Kernsätze rur eine Darstellung der Sachfrage "in einem Guß". Die gewählte Vorgehensweise und Anordnung entspricht einem Komprorniß zwischen Chronologie, einer Gliederung nach Sachfragen und einer Darstellung der Quellen in ihrem Zusammenhang. 121 So bereits Kunkel, Rezension zu Wieacker / Wesener, in: SZRom 71 (1954), S.512. 122 So von Ankum, Oe Geschiedenis der "Actio Pauliana" (1962) und Jakobs, Lucrum ex negotiatione (1993). 123 Die Bedeutung der Leistungen der mittelalterlichen Rechtswissenschaft für die Entwicklung moderner Staaten in ganz Europa und der Privatrechtsdogmatik betonen Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, S. 93, 85 und passim; Lange, Glossatoren, S. 461 f.; ähnlich für die Scholastik allgemein Strömholm, S. 105. 124 Für das römische Recht: Ullrich, Doppelverkaufund stellvertretendes commodum (Diss. Bonn 1990) sowie die soeben erwähnte Arbeit von Jakobs. Für das 18. bis 20. Jahrhundert Dubischar, Doppelverkauf und "ius ad rem" (JuS 1970, S. 6 ff.), Falk, Ein Gelehrter wie Windscheid (1989); Hofmeister, Die Grundsätze des Liegenschaftserwerbs in der österreichischen Privatrechtsentwicklung seit dem 18. Jahrhundert (1977).

H. Überblick über das antike römische Recht

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Gegenstand der Untersuchung sind die im Literaturverzeichnis angeführten frühen Drucke der mittelalterlichen Rechtsliteratur. Es wird nicht verkannt, daß die Heranziehung von Drucken für die Beobachtung des mittelalterlichen Rechtslebens problematisch sein kann. Letztlich läßt sich bei Druckausgaben ohne Handschriftenvergleich nie mit absoluter Sicherheit sagen, ob man einen echten Text benutzt 125 • Daß gleichwohl nicht auf Handschriften zurückgegriffen wurde, hat zum einen natürlich praktische Gründe. Zum anderen ist davon auszugehen, daß die Qualität des Quellenzeugnisses, sei es nun Handschrift oder Edition, ohnehin nicht (nur) von der zeitlichen Entfernung zum Original, sondern vielmehr von der Qualität der Vorlagen und der Sorgfalt der Schreiber und Setzer abhängt 126. Trotz dieser Unsicherheit soll auf eine Textkritik dennoch weitgehend verzichtet werden, da sie wegen der Vielzahl und des Umfangs der erforderlichen Voruntersuchungen den Rahmen der Arbeit sprengen würde 127. Repgen hat überzeugend dargelegt, daß die Erschließung materiellen Rechts auf der Grundlage der frühen Drucke sogar eine notwendige Vorstudie für die Erstellung textkritischer Ausgaben darstellt, da sich ohne eine solche Vorarbeit eine richtige Lesart nicht ermitteln läßt 128 • Die Zugrundelegung der Druckausgaben rechtfertigt sich auch dadurch, daß die mittelalterliche Rechtsliteratur in der frühen Neuzeit vor allem in ihrer gedruckten Form wirksam geworden ist 129 • Auf relativ sicherem Boden befindet man sich zudem durch den Umstand, daß bereits die mittelalterlichen Rechtslehrer aufeinander - bzw. deren Nachfolger auf frühere Arbeiten - Bezug genommen haben, so daß, wo die Verweisungen zu einem sinnvollen Text führen, Überlieferungsfehler gröberer Art ausgeschlossen sind.

11. Überblick über das antike römische Recht Nunmehr ist ein weiter Bogen in die Vergangenheit zu spannen. Die Fragmente des später sogenannten Corpus iuris civilis sollen kurz vorgestellt werden, die für die Glossatoren und Kommentatoren die wichtigsten Anknüpfungspunkte für die Erörterung des Doppelverkaufs bildeten. Das Interesse gilt nicht dem "richtigen" Verständnis der antiken Texte und der Frage, ob die 125 Coing, Die Anwendung des Corpus Iuris in den Consilien des Bartolus, in: Gesammelte Aufsätze I, S. 125. 126 Vergleiche Kantorowicz, Einführung in die Textkritik, in: Rechtshistorische Schriften, S. 43 ff., 50 und passim, auch zu weiteren die Qualität des Textes beeinflussenden Faktoren. 127 Ähnliche Vorgaben auch bei Coing, Die Anwendung des Corpus luris in den Consilien des Bartolus, S. 125 f.; H. Dilcher, Leistungsstörungen, S. 14, Note 55; Horn, Aequitas, S. 5. 128 Repgen, S. 31 ff. 129 Repgen, S. 37 ff.

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1. Kapitel: Einfilhrung

mittelalterlichen Juristen einen "falschen" Text erläuterten. Im Mittelpunkt der kurzen Betrachtung steht vielmehr der Text Justinians, der den mittelalterlichen Juristen vorlag und nach dessen Richtigkeit sie nicht fragten 130. Daher ist rur eine Interpolationenkritik und eine detaillierte Betrachtung des antiken römischen Rechts kein Raum. Vielmehr wird lediglich der Stand der neueren romanistischen Forschung skizziert.

1. Die Rechtsstellung des Käufers zur Kaufsache Der Kauf war in der Frühzeit der Wirtschaftsgeschichte Barkauf, also ein Realvertrag, bei dem der Vertragsschluß und der Leistungsaustausch zusammenfielen 131. Spätestens im zweiten Jahrhundert vor Christus wurde der Kauf als Konsensualvertrag anerkanne 32 und begrifflich von dem sachenrechtlichen Erwerbsgeschäft gelöst (Trennungsprinzip)\33. Von diesem Zeitpunkt an konnte es zu einem Doppelverkauf, zu einer Konkurrenz mehrerer, auf dieselbe Sache gerichteter Forderungen kommen. Die Frage, welche der beiden Forderungen bevorzugt zu befriedigen ist, stellte sich gleichwohl nicht, da der Verkäufer noch nicht präzise zur Übertragung der Sache gezwungen werden konnte, sondern ein Urteil immer auf eine bestimmte Geldsumme lautete (condemnatio pecuniaria). Somit konnte sich der Schuldner letztlich durch Leistung des Interesses von seiner Verbindlichkeit befreien l34 . Daß ein Recht des Käufers an Zur Verbindlichkeit des Textes siehe Lange, Glossatoren, S. 449-451. Hausmaninger / Selb, Römisches Privatrecht, S.292; Kaser, Römisches Privatrecht, (Studienbuch), § 41 I I (S. 191); ders., Der römische Anteil am deutschen bürgerlichen Recht, JuS 1967, S. 341; Cannata, Compravendita consensuale romana: Significato di una struttura, in: Vendita e transferimento della proprietä nella prospettiva storico-comparatistica, Atti deI Congresso Internazionale Pisa-Viareggio-Lucca 1990, S.414. \32 Hausmaninger / Selb, S. 291; Honsell / Mayer-Mal / Selb, Römisches Recht, S. 304 f.; Kaser, Römisches Privatrecht, (Studienbuch), § 4112 (S. 191). 133 Honsell / Mayer-Mal / Selb, S. 305; Kaser, Das Römische Privatrecht 11, § 236 13; ders., Der römische Anteil am deutschen bürgerlichen Recht, JuS 1967, S. 341. Peters, Periculum est emptoris, in: luris professio, Festgabe filr Kaser, S. 223-232 und ders., Die Verschaffung des Eigentums durch den Verkäufer, SZRom 96 (1979), S. 185 ff., geht allerdings von einer im Kaufvertrag enthaltenen dinglichen Einigung aus. Gegen die Annahme einer dinglichen Einigung Kaser, Römisches Privatrecht, (Studienbuch) § 41 I 3 (S. 192), § 24 V I (S. 116), der dingliche Wirkungen nur rur das nachklassische Recht anerkennt. - Zur Diskussion um die Rückkehr zum Barkauf filr die nachklassische Zeit bis zur Kodifikation Justinians vergleiche die Nachweise bei Siems, S. 222 Note 294. 134 Kaser, Zivilprozeßrecht, S. 286 f.; Jakobs, Unmöglichkeit, S. 174; Zimmermann, The Law of Obligations, S. 771 f.; Dinger, S. 21. - Dieser Grundsatz ist im nachklassischen Kognitionsverfahren und von Justinian rur einzelne Obligationen aufgegeben worden, so Zimmermann, Das römisch-holländische Recht und seine Bedeutung filr Europa, JZ 1990, S. 830; ders., The Law of Obligations, S. 772 f.; H. Dilcher, Geldkon130

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11. Überblick über das antike römische Recht

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der Sache stets deren Übergabe voraussetzte, bestätigt Diokletian C. 3.32.15 pr. (von 293): Quotiens duobus in solidum praedium iure distrahitur, manifesti iuris est eum, cui priori traditum est, in detinendo dominio esse potiorem. § I Si igitur antecedenti tempore possessionem emisse ac pretium exsolvisse apud praesidem provinciae probaveris, obtentu non datorum instrumentorum expelli te possessione non patietur. § 2 Erit sane in arbitrio tuo pretium quod dedisti cum usuris recipere, ita tarnen, ut perceptorum fructuum ac sumptuum ratio habeatur; cum et si ex causa donationis utrique dominium rei vindicetis, eum, cui priori possessio soli tradita est, haberi potiorem convenit. Wenn ein Grundstück als ganzes zweimal wirksarn [iure] verkauft wird, ist es augenscheinlich rechtens, daß derjenige, dem es zuerst übergeben wurde, dem anderen im Innehaben des Eigentums vorgeht. § I Wenn du also dem Präses der Provinz bewiesen haben wirst, daß du die Besitzung früher gekauft und den Preis bezahlt hast, wird er nicht dulden, daß du aus dem Besitz verwiesen wirst unter dem Vorwand, daß dir die Urkunden nicht übergeben worden seien. § 2 Es wird freilich in deinem Belieben stehen, den Preis, den du gezahlt hast, mit Zinsen zurückzuverlangen, so jedoch, daß auch die gezogenen Fruchte und Verwendungen angerechnet werden. So soll auch, wenn ihr beide wegen Schenkung das Eigentum an der Sache beansprucht, derjenige, dem zuerst der Besitz des Grundstücks übergeben wurde, den Vorzug haben.

Wichtig ist insbesondere der erste Satz dieser Konstitution, in dem deutlich wird, daß der Kaufvertrag selbst noch keine Eigentumsübertragung bewirkte. Vielmehr mußte ein Übertragungsakt - in der Regel der Realake 35 der traditio hinzukommen 136. Diese war bei Konkurrenz mehrerer auf denselben Leistungsgegenstand gerichteter Forderungen für den Eigentumserwerb entscheidend. Auf die frühere Entstehung einer Forderung (Prioritätsprinzip) kam es bei dieser Konstruktion nicht an. Eine Ausnahme schienen Zuwendungen an die Kirche, zu frommen Zwecken und an die Gemeinde gebildet zu haben, die nach

demnation und Sachkondemnation, SZRom 78 (1961), S.278; Wollschläger, S. 38 f.; Jakobs, Unmöglichkeit, S. 191 f.; Repgen, S. 45 ff. 135 Entgegen der für das BGB richtungsweisenden gemeinrechtlichen Theorie des 19. Jahrhunderts stellte die traditio eine tatsächliche Veränderung der Besitzverhältnisse, nicht aber ein Rechtsgeschäft dar, vergleiche Honsel / Mayer-Malv / Selb, S. 305 Note 3; Kaser, Römisches Privatrecht (Studienbuch), § 24 IV 2 (S. 115). Dagegen Meinhart, Dogmengeschichtliches und Dogmatisches zum Eigentumsvorbehalt, SZRom 105 (1988), S. 731 ff. \36 Kaser, Römisches Privatrecht (Studienbuch), § 41 I 2, 4 (S. 191 0, § 24 V (S. 116 f.); Wacke, Das Besitzkonstitut, S. 7 f.; Bechmann, Kauf III, S. 6 f.; Zimmermann, The Law of Obligations, S. 271. - Jedoch gab es bereits in der Praxis der klassischen Zeit die Tendenz, die traditio durch fiktive Akte teilweise zu ersetzen, vergleiche Pugliese, Compravendita e transferimento della proprieta in diritto romano, in: Vendita e transferimento della proprieta nella prospettiva storico-comparatistica, Atti dei Congresso Intemazionale Pisa-Viareggio-Lucca 1990, S. 66 f.; Kaser, Das Römische Privatrecht 11, § 242 IV 3. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß sich Diokletian auf einen solchen Fall bezogen hatte: Dem einen Käufer könnten die Urkunden, dem anderen hingegen der körperliche Besitz übertragen worden sein. 3 Sella-Geusen

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I. Kapitel: Einführung

C. 1.2.23 pr. insofern privilegiert sein sollten, als der Eigentumserwerb auch ohne Besitzergreifung erfolgen konnte 137 • Diesem Verständnis steht die Formulierung "antecedenti tempore emisse" nicht entgegen. Derjenige, der zuerst den körperlichen Besitz erlangte, dürfte zugleich derjenige gewesen sein, der zuerst gekauft hatte. Dieser Käufer wird gegenüber dem Inhaber der Urkunden gemäß C. 3.32.15 bevorzugt, wenn die Kaufsache "iure" veräußert worden ist. Im 19. Jahrhundert - die Konstitution findet bei den Romanisten heute keine Beachtung mehr - ist die Apposition "iure" als "rechtsbeständig" verstanden worden 138 oder schlicht als Hinweis darauf, daß der Verkäufer Eigentümer der Sache sein müsse 139 • Schließlich muß nach C. 3.32.15 derjenige, dem übergeben worden ist, auch den Kaufpreis gezahlt haben (pretium exsolvisse). Das Zahlungserfordernis betrifft nicht etwa die Wirksamkeit des Kausalgeschäftes. Vielmehr ist es in Zusammenhang zu sehen mit Inst. 2.1.41. Nach dieser InstitutionensteIle setzte der Erwerb des Eigentums an der Kaufsache die Zahlung des Kaufpreises beziehungsweise dessen Stundung oder eine anderweitige Befriedigung des Verkäufers voraus 140. Es handelt sich hierbei um eine Nachwirkung des alten Barkaufes l41 • Die Konstitution C. 3.32.15 zeigt mithin, daß die Forderung - wie heute noch kein gegen Dritte wirkendes Recht begründete l42 , das dem Eigentumserwerb eines Dritten entgegenstehen konnte. Ob dem antiken Recht aber überhaupt eine konsequente, systematische Unterscheidung zwischen Schuld- und Sachenrecht zugrundelag, wird gleichwohl nicht einheitlich beantwortet l43 • Die Unterscheidung zwischen Forderungsrecht und Herrschaftsrecht soll sich nach 137 So jedenfalls eine von mehreren Deutungsmöglichkeiten, vergleiche Gordon, S. 95; Schrage, Vendita nella storia deI diritto olandese, in: Vendita e transferimento della proprieta nella prospettiva storico-comparatistica, Atti dei Congresso Internazionale Pisa-Viareggio-Lucca 1990, S. 359 f. 138 Stoffregen, Erörterungen eines Rechtsfalls, den zweimaligen Verkauf derselben Sache betreffend, in: Dorpater Studien, S. 96. Dabei soll die Rechtsbeständigkeit gerade aus dem Trennungsprinzip resultieren, da dieses eine Vielzahl von Verpflichtungen hinsichtlich eines Kaufobjekts zulasse. Das Wort "iure" könnte demnach entfallen. 139 Martinius, Der mehrfache Verkauf derselben Sache, S. 15 Note 2. 140 Inst. 2.1.41: " ... venditae vero et traditae non aliter emptori adquiruntur, quam si is venditori pretium solverit vel alio modo ei satisfecerit, veluti expromissore aut pignore dato ... ". - Zur Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift siehe Honore, Sale and the Transfer ofOwnership: the Compiler's Point ofView, in: Studies in Justinian's Institutes in memory of J.A.C. Thomas, S. 56-72; zu deren Interpretationsgeschichte siehe Luig, Übergabe und Übereignung der verkauften Sache nach römischem und gemeinem Recht, in: Satura Feenstra, S. 445 ff. 141 Kaser, Römisches Privatrecht (Studienbuch), § 41 12-4; 24 IV, V. 142 Kaser, Der römische Anteil am deutschen bürgerlichen Recht, JuS 1967, S. 341. 143 Zu dieser Kontroverse siehe Dubischar, Schulsystematische Zweiteilung, S. 3 ff.

11. Überblick über das antike römische Recht

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herrschender Meinung aufgrund der prozeßrechtlichen Unterscheidung zwischen ac/iones in rem und ac/iones in personam ausgebildet haben l44 • Sie wird als eine der wichtigsten Errungenschaften des römischen Rechts betrachtet l45 • Aus dieser prozeßrechtlichen Gestaltung allein ist jedoch nicht sicher zu schließen, daß das römische Recht auf einer Unterscheidung dinglicher und persönlicher Rechte im Sinne eines streng nach sachlogischen Prinzipien aufgebauten materiell-rechtlichen Systems beruhte 146. Wenn auch das Interesse der römischen Juristen der von der konkreten Fallentscheidung gelösten Rechtsfrage ga1t 147 , basierte die römische Rechtsordnung auf einem Fallrecht, nicht auf einem von vornherein geordneten Gefüge von Begriffen 148. Die Trichotomie des gaianischen Institutionensystems personae, res, ac/iones l49 war ein erst relativ spät aus didaktischen Gründen unternommener Ordnungsversuch l50 , in dem die Forderungsrechte nicht neben den als Vermögensgegenstände verstandenen res standen, sondern diesen als res incorporales untergeordnet waren 151. Ein deduktives System des römischen Rechts über die äußere Ordnung der Darstellung hinaus, mit dessen Hilfe man zu neuen Regeln gelangen und nicht nur alte Entscheidungen neu begründen konnte, ist erst in späterer Zeit erstellt worden 152 •

Jast, Die Realobligation, S. 5 ff. Kaser, Der römische Anteil am deutschen bürgerlichen Recht, JuS 1967, S. 341; Jast, S. 5; Jörs / Kunkel / Wenger, Römisches Recht, S. 61; Weyand, Kaufverständnis und Verkäuferhaftung im klassischen römischen Recht, TRG 51 (1983), S. 227. 146 Dubischar, Schulsystematische Zweiteilung, S. 17-23. 147 Repgen. S. 213; Wieacker, Römische Rechtsgeschichte I, S. 574, Note 7. 148 Kaser, Römisches Privatrecht (Studienbuch), § 2 III 3 (S. 24); ders., Der römische Anteil am deutschen bürgerlichen Recht, JuS 1967, S. 339 f.; Caing, Geschichte und Bedeutung des Systemgedankens, in: Gesammelte Aufsätze I, S. 196 ff.; Wieacker, Römische Rechtsgeschichte I, S. 639; Berman, Recht und Revolution, S. 228, spricht von dem "römische(n) Talent zur konsequenten Urteilsfindung", Wacke, Die verschuldete Eviktion, in: Festschrift für Niederländer, S. 179, von einer folgerichtigen Kasuistik. 149 Gaius, Institutiones I, 8: "Omne autem ius, quo utimur, uel ad personas pertinet uel ad res uel ad actiones". 150 Dazu Caing, Systemgedanke, S. 200 f.; Kaser, Das Römische Privatrecht 11, S. VI. 151 Kaser, Der römische Anteil am deutschen bürgerlichen Recht, JuS 1967, S. 339; Kupisch, Erläuterungen, S. 283. Zu den unterschiedlichen Interpretationen und Bewertungen des "Gaius-Systems" vergleiche Dubischar, Schulsystematische Zweiteilung, S. 7 ff. 152 Coing, Systemgedanke, S. 201 ff.; Kaser, Divisio Obligationum, in: Studies in Justinian's Institutes in memory of J.A.c. Thomas, S. 73. 144 145

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I. Kapitel: Einführung

2. Die Rechtsbeziehung zwischen Erstkäufer und Verkäufer a) Der Anspruch auf Herausgabe des Zweitverkaujser/öses

Wichtigste Grundlage der Diskussion um den Doppelverkauf ist eine als schwer erschließbar geltende l53 quaestio des Spätklassikers Paulus 154 , die von den Kompilatoren in D. 18.4.21 aufgenommen wurde 15S • Sie lautet: Venditor ex hereditate interposita stipulatione rem hereditariam persecutus alii vendidit: quaeritur, quid ex stipulatione praestare debeat: nam bis utique non committitur stipulatio, ut et rem et pretium debeat. et quidem si, posteaquam rem vendidit heres, intercessit stipulatio, credimus pretium in stipulationem venisse: quod si antecessit stipulatio, deinde rem nactus est, tunc rem debebit. si ergo hominem vendiderit et is decesserit, an pretium eiusdem debeat? non enim deberet Stichi promissor, si eum vendidisset, mortuo eo, si nulla mora processisset. sed ubi hereditatem vendidi et postea rem ex ea vendidi, potest videri, ut negotium eius agam quam hereditatis. sed hoc in re singulari non potest credi: nam si eundem hominem tibi vendidero et necdum tradito eo alii quoque vendidero pretiumque accepero, mortuo eo videamus ne nihil tibi debeam ex empto, quoniam moram in tradendo non feci (pretium enim hominis venditi non ex re, sed propter negotiationem percipitur) et sic sit, quasi alii non vendidissem: tibi enim rem debebam, non actionern. at cum hereditas venit, tacite hoc agi videtur, ut, si quid tamquam heres feci, id praestem emptori, quasi iIIius negotium agam: quemadmodum fundi venditor fructus praestet bonae fidei ratione, quamvis, si neglexisset ut alienum, nihil ei imputare possit, nisi si culpa eius argueretur. ..

153 So Ullrich, S. 2. In ähnlichem Sinne auch Jakobs, Lucrum ex negotiatione, S. 3; Schrage, Rezension zu Jakobs, Lucrum ex negotiatione, TRG 63 (1995), S. 188; Haymann, Zur Klassizität des periculum emptoris, SZRom 48 (1928), S. 396 f., Note 6; Schulz, Rückgriff und Weitergriff, S. 122. 154 Zu Paulus und dessen Iibri quaestionum Schmidt-Ott, S. 15 ff. 155 In der Interpolationenforschung gehört D. 18.4.21. zu den am meisten umstrittenen Fr~smenten, so Torrent, Venditio hereditatis, S. 177; Ullrich, S.2. - Nach Haymann, Uber die Haftung für custodia, SZRom 40 (1919), 323, ders., Zur Klassizität des periculum emptoris, SZRom 48 (1928), S. 396 f. Note 6, ist die Stelle insgesamt stark überarbeitet, Beseler, Romanistische Studien, TRG 8 (1928), 293 und Genzmer, Der subjektive Tatbestand des Schuldnerverzugs im klassischen römischen Recht, SZRom 44 (1924), S. 153 Note 1, halten sämtliche die mora betreffenden Erörterungen für interpoliert. Cugia, Spunti storici e dommatici sull'alienatione dell'eredita, in: Studi Besta I, S. 542, betrachtet zwar das Ergebnis als paulinisch, die Argumentation jedoch als z.T. byzantinisch. Seckel / Levy, Die Gefahrtragung beim Kauf im klassischen römischen Recht, SZRom 47 (1927), S. 261, geben zwar "mancherlei Umrankungen" zu, schätzen aber auch den Gedankengang als paulinisch ein. - In neuerer Zeit wird das Fragment der allgemeinen Tendenz in der Interpolationenforschung entsprechend (dazu wiederum Kaser, Der römische Anteil am deutschen bürgerlichen Recht, JuS 1967, S. 339) - für überwiegend echt gehalten, so von Weyand, TRG 51 (1983), S. 258 ff., insbesondere S. 259 Note 166; Ullrich, S.2 und passim; Jakobs, Lucrum ex negotiatione, S. 13 ff.; ausführlich Schmidt-Ott S. 136-143; Reichard, S. 77 ff.

11. Überblick über das antike römische Recht

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Diese zentrale Stelle, die hier der besseren Übersicht wegen in Abschnitte unterteilt ist, ist schwer zu übersetzen. Jakobs verzichtet auf eine Übersetzung I56 • Die hier wiedergegebene Übersetzung lehnt sich im wesentlichen an diejenigen von Ullrich und Schmidt-Ott l57 an: Der Verkäufer verkaufte aus einer Erbschaft, nachdem er diese stipuliert hatte, einem Dritten eine Nachlaßsache, die er [bei einem Erbschaftsschuldner] verfolgte. Es fragt sich, was er aufgrund der stipulatio gewähren muß. Denn zweimal verfallt stipulatio jedenfalls nicht, so daß er die Sache und den Wert schuldete. Wenn also der Erbe die Sache [zuerst] verkauft hat und [dann] die stipulatio erfolgt, ist - so glauben wir - der Kaufpreis Gegenstand der stipulatio. Wenn jedoch die stipulatio vorausgegangen ist und [der Erbschaftsverkäufer] erst danach die Sache erlangt hat, dann wird er die Sache schulden. Schuldet er, wenn er also einen Sklaven verkauft hat und jener verstirbt, dessen Preis? Denn der den Stichus Versprechende schuldete nichts, wenn er ihn verkauft hätte und dieser verstorben wäre, vorausgesetzt daß kein Verzug vorgelegen hatte. Wenn ich aber eine Erbschaft und anschließend eine Sache aus ihr verkauft habe, kann man es so sehen, daß ich das Geschäft als eines dieser Erbschaft geführt habe. Aber dieses kann man bei [dem Verkauf] einer einzelnen Sache nicht annehmen. Wenn ich nämlich jenen Sklaven dir verkaufte und ihn, solange er noch nicht übergeben ist, wiederum einem anderen verkaufte und den Kaufpreis annähme und [der Sklave] stürbe, so sähen wir, daß ich dir aus dem Verkauf nichts schuldete, wenn ich nicht mit der Übergabe in Verzug gewesen wäre (der Preis des verkauften Sklaven wurde nämlich nicht aus der Sache, sondern aufgrund eines Geschäfts erlangt), und es ist so anzusehen, als ob ich [ihn] dem anderen nicht verkauft hätte. Denn ich schuldete [nur] die Sache, nicht die actio. Wenn es aber um eine Erbschaft geht, scheint dies stillschweigend so vereinbart zu sein, daß ich für das, was ich als Erbe getätigt habe, dem Käufer hafte, als ob ich dessen Geschäft führen würde, so wie der Verkäufer eines Landguts aus Gründen des guten Glaubens für die Früchte haftet, obgleich er nicht haften würde, wenn er es wie ein fremdes vernachlässigt hätte und ihm eine Schuld nicht zugerechnet werden könnte ...

Der letzte Teil des Fragments, der nicht mehr den Doppelverkauf, sondern vereinfacht ausgedrückt - die Pflicht zur Klagenzession in anderen Fällen betrifft, in denen der Verkäufer eine sich im Besitz eines Dritten befindende Sache verkauft hatte, soll hier nicht wiedergegeben und erörtert werden I58 •

156 Dazu Luig, Rezension zu Jakobs, Die Begründung der geschichtlichen Rechtswissenschaft in Deutschland und ders., Lucrum ex negotiatione, lus Commune XXII (1995), S. 360. 157 Ullrich, S. 7 ff.; Schmidt-Ott, S. 136. Eine weitere Übersetzung, die von einer anderen Lesart ausgeht, findet sich bei Röhle, S. 214-217. 158 Dazu siehe Reichard, S. 77 ff., insbes. S. 86-95; Schmidt-Ott, S. 141-143; Harder, Commodum eius esse debet, cuius periculum est: Über die actio furti als stellvertretendes commodum beim Kauf, in: Festschrift für Kaser, S. 368 f.; Jakobs, Lucrum ex negotiatione, S. 87 ff.; Kaser, Die actio furti des Verkäufers, SZRom 96 (1979), S. 120, 124; Ullrich, S. 63 ff.; Beseler, Miscellanea critica, SZRom 43 (1922), S. 430.

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I. Kapitel: Einfiihrung

Im Zentrum der in Dialogform gehaltenen Erörterung steht die Frage, was ein Erbe aus einem stipulierten Erbschaftsverkauf schuldet, wenn er eine Einzelsache, die zu dem versprochenen Nachlaß gehörte, einem Dritten verkaufte l59 . Ein Anwendungsbereich der stipu/atio des klassischen Rechts, dem mündlichen und an eine feste Frage- und Antwortform gebundene Leistungsversprechen, war die Bekräftigung von Verpflichtungen aus Kaufverträgen 160. Den allgemeinen Kaufregeln folgte im wesentlichen auch der Erbschaftskauf 61 • Mit der stipu/atio emptae et venditae hereditatis sollte erreicht werden, daß nicht nur die Verpflichtung entstand, die sich im Nachlaß befindenden Gegenstände zu gewähren, sondern die Verpflichtung, sämtliche anderweitigen Vor- und Nachteile zu übertragen, die auch künftig im Zusammenhang der Erbschaft anfallen würden. Der Erbschaftskäufer sollte also dieselbe Stellung einnehmen wie der Erbe 162 • Wenn sich der Bestand der Erbschaft ändert, kommt es filr Paulus darauf an, was Gegenstand der stipu/atio emptae et venditae hereditatis geworden ist: Wenn zuerst die Sache verkauft und anschließend der Nachlaß verkauft und stipuliert wird, soll der erlangte Kaufpreis Gegenstand der stipu/atio sein; das hält Paulus allerdings nicht filr zwingend ("credimus") 163. Umgekehrt schuldet der Verkäufer die Sache, wenn zuerst die stipu/atio erfolgte. Die Folge ist, daß der Verkäufer aus dem Verkauf nichts mehr schuldet, wenn der Leistungsgegenstand untergegangen ist, solange der Verkäufer nicht in Verzug war. Der zweite Verkauf einer bereits mit der Erbschaft verkauften Nachlaßsache ist jedoch nicht mit deren - ersatzlosem - Untergang gleichzusetzen: Obgleich Paulus oben dargelegt hat, daß die Sache auch dann Gegenstand des Erbschaftsverkaufs bleibt, wenn diese später verkauft wird, will er die Pflicht des Verkäufers zur Herausgabe des Kaufpreises, die nicht unmittelbar aus der stipu/atio folgen kann, bejahen. Zur Begründung, die erst später erfolgt (zunächst scheint die Feststellung wichtiger zu sein, daß dies filr den mehrfachen Verkauf einer Einzelsache nicht gilt), fUhrt Paulus an, daß zwischen dem Erben und dem Erbschaftskäufer stillschweigend eine Geschäftsfilhrung vereinbart worden

159 Ausfiihrlich dazu Ullrich, S. 12-27; Jakobs, Lucrum ex negotiatione, S. 13-54; Schmidt-Ott, S. 137 ff.; ferner Harder, S.367; Weyand, TRG 51 (1983), S.259 ff.; Haymann, Über die Haftung fiir custodia, SZRom 40 (1919),323 f. 160 Kaser, Römisches Privatrecht (Studienbuch), § 40 I 1-4a. 161 Kaser, Das Römische Privatrecht I, § 177 (176) III 2 (S. 723). 162 Kaser, Das Römische Privatrecht I, § 177 (176) III 2 (S. 723), § 190 11; ders., Römisches Privatrecht (Studienbuch), § 78 11 I; Cugia, S.542; Ullrich, S. 15 ff.; Reichard, S. 78 f. 163 Reichard, S. 79.

11. Überblick über das antike römische Recht

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sei l64 • Diese Annahme verdeutlicht das Bestreben, dem Erbschaftskäufer dieselbe Stellung einzuräumen wie dem Erben. Die Rechtsfolge dieser Geschäftsfiihrung, die Herausgabe des erlangten Kaufpreises, wird an dieser Stelle nicht ausdrücklich genannt. Vielmehr ergibt sich diese aus dem Vergleich mit dem Fall des Verkaufs eines[undus I65 , in dem der Verkäufer zur Herausgabe der Nutzungen verpflichtet sein soll, wenn er ihn weiterhin bewirtschaftet hat, ohne dazu verpflichtet zu sein, dagegen aber nichts weiter geschuldet hätte, wenn er die Bewirtschaftung nach dessen Verkauf unterlassen hätte. Das alles soll aber, wie Paulus in dem Vergleichsfall erläutert hatte, fiir eine doppelt verkaufte Einzelsache nicht gelten: Nach Untergang des Leistungsgegenstandes kann der Erstkäufer vom Verkäufer die Herausgabe des erzielten Erlöses (die actio) nicht verlangen. Dabei erwägt Paulus mehrere Möglichkeiten, aufgrund deren dem Erstkäufer gegen den Verkäufer ein Anspruch aus dem Kaufvertrag hätte zustehen können: Ein Anspruch wäre - so deutet Paulus an - begründet, wenn der Verkäufer mit seiner Leistungspflicht in Verzug gewesen wäre. Schuldnerverzug bewirkte im römischen Recht eine Verschärfung des Haftungsmaßstabes. Die subjektiven Maßstäbe fiir die vertragliche Haftung waren insbesondere fiir die bonae fidei iudicia, die fiir die Klagen aus dem Kaufvertrag gewährt wurden, sorgfältig abgestuft l66 • Von der Perfektion des Kaufes an trug der Käufer die Gefahr des Untergangs der Kaufsache (periculum emptoris)167. Der Verkäufer, der eine Sa164 Zu dieser Annahme einer tacita conventio vergleiche Wacke, Zur Lehre vom pacturn tacitum und zur Aushilfsfunktion der exceptio doli: Stillschweigender Verzicht und Verwirkung nach klassischem Recht, SZRom 91 (1974), S.280; Weyand, TRG 51 (1983), S. 265 ff.; Reichard, S. 83. 165 Jakobs, Lucrum ex negotiatione, S. 81 und passim, sowie Reichard, S. 83, gehen schlicht von einem Grundstück aus. Nach Weyand, TRG 51 (1983), S. 267 Note 202, soll Paulus ein Landgut gemeint haben, das als eine Sachmehrheit einer hereditas vergleichbar sei. 166 Kaser, Das Römische Privatrecht I, § 130 V; § 118 III 3. 167 Seckel / Levy, SZRom 47 (1927), 143 ff.; Hausmaninger / Selb, S. 304; Kaser, Das Römische Privatrecht I, § 130 VI 2; Zimmermann, The Law of Obligations, S. 271, 281 ff.; Honsell / Mayer-Maly / Selb, S. 3 \0; Schwind, Römisches Recht, S. 317; Medicus, Id quod interest, S. 28; Ernst, Periculum est emptoris, SZRom 99 (1982), S. 216, 225 und passim; Ullrich, S. 49 f.; Peters, Periculum, S. 222, 232. Benähr, Synallagma, S. 88 f., 93; Hoffmann-Burchardi, S. 14 f. - Dagegen allerdings Haymann, Textkritische Studien zum römischen Obligationenrecht: Periculum est emptoris, SZRom 41 (1920), 44 ff.; ders., Zur Klassizität des periculum emptoris, SZRom 48 (1928), S. 314 tT.; Betti, Zum Problem der Gefahrtragung bei zweiseitig verpflichtenden Verträgen, SZRom 82 (1965), 3 ff. und 11 f.; Puntschart, S. 198 ff., die die Auffassung vertreten, daß in der klassischen Zeit der Gefahrübergang an die Übergabe geknüpft war. - Rabel, Gefahrtragung beim Kauf, SZRom 42 (1921), 554 ff., verneint das Vorliegen einer festen Regel zumindest für die Klassik.

I. Kapitel: Einführung

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che verkauft, aber noch nicht übergeben hatte, haftete dem Käufer jedoch ähnlich einem Verwahrer rur custodia l68 • Danach haftete er auch ohne Verschulden für Schäden, die typischerweise aus unzureichender Bewachung entstehen, es sei denn, es läge ein Fall von vis maior vor l69 . Als Fall einer von der custodiaHaftung befreienden vis maior galt auch der Tod eines Sklaven 170, so daß der Verkäufer nur dann haftete, wenn der Haftungsmaßstab aufgrund eines weiteren Umstandes zu seinen Ungunsten geändert war, also beispielsweise bei Schuldnerverzug, der zur Haftung rur jeden Zufall ruhrte 171. Da der Verkäufer vorliegend nicht in Verzug war, ist er von einer Haftung befreit. Nachdem eine Haftung wegen Verzugs ausgeschlossen ist, kommt Paulus mit seinen Ausruhrungen, daß der Kaufpreis nicht ex re, sondern propter negotiationem erlangt sei, zu der Frage, ob der erlangte Kaufpreis dem Käufer als commodum gebührt 172 • Die commoda sollten dem Käufer als Ausgleich darur zustehen, daß er von der Perfektion des Kaufes an das periculum trug 173 • Diese Zuweisung der commoda bzw. der incommoda wie auch des periculum zum Käufer von der Perfektion des Kaufes an wird mit Reminiszenzen an den Barkauf erklärt, denn die Kaufsache sei inter partes bereits als dem Käufer gehörend betrachtet worden 174. Auf die Gefahrtragung des Erstkäufers geht Paulus aber nicht ein 175 • Er stellt vielmehr sogleich darauf ab, daß der Kaufpreis ohnehin nicht "ex re" sei, da er Ernst, SZRom 99 (1982), S. 217; Harder, S. 352 f.; Ullrich, S. 47 f. Kaser, Das Römische Privatrecht I, § 118 III 2; Ernst, SZRom 99 (1982), S. 217; Ullrich, S. 47 f; Benähr, Synallagma, S. 89. 170 Ullrich, S. 48; Harder, S. 367; Wacke, Gefahrerhöhung als Besitzerverschulden, in: Festschrift für Heinz Hübner, S. 683 Note 61. 171 Zu den Voraussetzungen und Wirkungen des Schuldnerverzugs vergleiche Kaser, Das Römische Privatrecht I, § 119 II 2, § 130 VI 2 Note 73; Honsell / Mayer-Maly / Seih, S.245 ff.; Wacke, Gefahrerhöhung als Besitzerverschulden, in: Festschrift für Heinz Hübner, S.681-683 und passim (den Pönalisierungsgedanken hervorhebend); Peters, Periculum, S. 232. 172 Die Begriffe "commodum ex re" und "commodum ex negotiationem" gehen laut Ullrich, S. 3, auf das vorliegende Fragment zurück. 173 Zu diesem Ausgleichsgedanken Honsell / Mayer-Maly / Seih, S. 311, Note 53; Knütel, Zum Nutzungszins, SZRom \05 (1988), S. 521 f. Dieser Ausgleich wird heute auch als ratio legis des § 281 BGB betrachtet, vergleiche Knütel, § 281 BGB beim Rückgewähranspruch, JR 1983, S. 355, und die Nachweise bei Ullrich, S. 110 Note 318. 174 Honsell / Mayer-Maly / Seih, S. 3 \0; Harder, S. 352 f., 361 f; Zimmermann, The Law of Obligations, S.290; Ernst, SZRom 99 (1982), S.243 ff.; Peters, Periculum, S.223 ff.; Weyand, TRG 51 (1983), S. 228, 246, 255 und passim; Ullrich, S. 50, 54; Arp, S. 106; Knütel, Zum Nutzungszins, SZRom \05 (1988), S. 521 f 175 Daher ist Herrmann, Mehrfacher Verkauf, S. 4 ff., zuzustimmen, daß dieser Stelle keine positive Regelung der Gefahrtragung und der commoda zu entnehmen ist. Nach anderer Ansicht hat Paulus die Gefahrtragung des (Erst-)Käufers hier als selbstverständlich vorausgesetzt, vergleiche Weyand, TRG 51 (1983), S.261 bei Note 173; Ullrich, 168

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H. Überblick über das antike römische Recht

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(nur) aufgrund eines Geschäftes erlangt worden ist und damit nicht mehr Gegenstand der Leistungspflicht aus dem Verkauf sei. Schließlich erwägt Paulus noch eine Geschäftsfiihrung, die einen Anspruch auf das propter negotiationem Erlangte begründen könnte. Doch Paulus betont, daß die Sache, nicht aber die Abtretung der actio geschuldet sei l76 , da eine stillschweigend vereinbarte Geschäftsfiihrung, im Gegensatz zur Lage beim Verkauf einer Erbschaft, nicht in Betracht komme. Der Abschluß des Kaufvertrages verschob demnach die vermögensrechtliche Zuordnung der Kaufsache weder so, daß dem Käufer die actio negotiorum gestio wie einem Sacheigentümer gewährt werden konnte, noch mittelbar dadurch, daß die Annahme eines entsprechenden pactum tadtum geboten erschien. Das spricht gegen die Auffassung von der Zuordnung des Kaufgegenstandes zum Käufervermögen vom Vertragsschluß an 177 • Die fiir den Doppelverkauf einer Einzelsache durchgefiihrte Trennung von Schuld- und Sachenrecht war indes beim Erbschaftskauf aufgrund der Hilfskonstruktion einer Geschäftsfiihrung abgeschwächt. Da eine Haftung des Verkäufers nicht in Betracht kam, konnte Paulus sagen, daß sich die Situation nach Untergang der Sache im Ergebnis so darstelle, als habe der zweite Verkauf gar nicht stattgefunden 178.

b) Der Kaujpreisanspruch des Verkäufers gegen den Erstkäujer

Das soeben erörterte Fragment gibt (erst) seit dem 19. Jahrhundert Anlaß zu intensiver Erörterung der Frage, ob der Verkäufer einen Anspruch auf Kaufpreiszahlung gegen den Erst- und/oder Zweitkäufer hat. Bei Anwendung der

s. 51 (beide mit Nachweisen); Seckel / Levy, SZRom 47 (1917), S. 261; Rabel, SZRom 42 (1921), S. 547 f. - Puntschart, S. 204-207, indes sieht das vorliegende Fragment als Beleg gegen das periculum emptoris an. 176 Die nicht geschuldete "actio" wird von Jakobs (Lucrum ex negotiatione, S. 79, 87) als ein gegen einen Vierten bestehenden Anspruch gedeutet, von Ullrich (S. 55 f., Note 131) als der Kaufpreisanspruch gegen den Zweitkäufer, von Weyand (TRG 51 [1983], S. 263 f.) dagegen schlicht als ein Tätigwerden für den Käufer. 177 Das konzediert Peters, Periculum, S. 224 Note 26. Zu dieser Frage siehe auch Weyand, TRG 51 (1983), S. 262 f., 269. 178 Aus diesen Worten schließt man, daß es noch nicht zu einer Übergabe der Kaufsache an den Zweitkäufer gekommen war, so daß sich das vertragswidrige Verhalten des Verkäufers im Abschluß des zweiten Vertrages erschöpfte und der Gewinn nicht mit einem tatsächlichen Zugriff auf die Kaufsache (ex re), sondern allein aufgrund eines Verpflichtungsgeschäfts (propter negotiationem), das allein den Erstkäufer noch nicht berührte, erzielt worden sei. Dazu Jakobs, Lucrum ex negotiatione, S. 55-67, insbesondere S. 56 Note 96 (mit Nachweisen zu den verschiedenen Deutungen im Hinblick auf eine Übergabe an den Zweitkäufer); Weyand, TRG 51 (1983), S.262; Ullrich, S.44, Note 90, S. 45. Für eine Übergabe: Haymann, Zur Klassizität des periculum emptoris, SZRom 48 (1928), S. 396, Note 6.

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I. Kapitel: Einführung

allgemeinen Grundsätze des römischen Kaufrechts scheint der Verkäufer einen Anspruch auf Kaufpreiszahlung gegen beide Käufer zugleich zu haben. Daraus, daß im Fall des Doppelverkaufs einer Einzelsache eine Pflicht des Verkäufers zur Herausgabe des Zweitverkaufserlöses verneint wird, wird man schließen können, daß jedenfalls der Zweitkäufer zu zahlen hatte l79 • Für die Zahlungsptlicht des Erstkäufers kann man - wie etwa anflinglich Jhering - anfUhren, daß sich die actio venditi des Verkäufers auf die Zahlung des vereinbarten Kaufpreises richtete; diese entfiel nicht durch den Untergang der Kaufsache, da der Käufer seit Vertragsschluß die Gefahr trug. Da der Verkäufer jeden der beiden Verträge alternativ hätte erfUllen können, konnte der Käufer sich nicht auf die (später sogenannte) exceptio non adimpleti contractus lSO berufen. Daher sollte dem Verkäufer konsequenterweise ein doppelter Anspruch auf Kaufpreiszahlung zustehenIsI. Wäre die Sache dagegen nicht untergegangen, hätte der Verkäufer nur eine Leistungspflicht erfiillen können und hätte letztlich nur einen Anspruch auf Kaufpreiszahlung gehabt. Gerade der Untergang der Sache scheint also bei Anwendung der allgemeinen Regeln zu dem befremdenden Ergebnis fUhren zu können, daß der Verkäufer zwei Ansprüche auf Kaufpreiszahlung wegen des doppelten Verkaufs derselben Sache hatte. Diese Schwierigkeiten entstehen jedoch erst, wenn dogmatische Konstruktionen über die im Corpus iuris civilis unmittelbar geregelten Fälle hinaus im Vordergrund stehen. Im 19. Jahrhundert war der doppelte Verkaufserlös daher eines der am heftigsten umstrittenen Probleme des Kaufrechts 182 • Bis heute wird die Frage von den Romanisten nicht einheitlich beantwortee s3 .

179 Gegen die Zahlungspflicht des Zweitkäufers jedoch Jakobs, Lucrum ex negotiatione, S. 68 ff. 180 Diese Einrede ist eine gemeinrechtliche Fortentwicklung der auf der bona fides beruhenden retentio des antiken römischen Rechts, vergleiche Kaser, Römisches Privatrecht (Studienbuch), § 38 IV 3 (S. 183). 181 So im wesentlichen die Argumentation bei Jhering, Beiträge zur Lehre von der Gefahr beim Kaufcontract, JhJb 3 (1859), 455 f (seine aufgegebene Auffassung referierend); Oester/en, Der mehrfache Verkauf derselben Sache, S. 72 f; ähnlich auch heute noch Ullrich, S. 58, 60. 182 Vergleiche die Nachweise unten S. 256. 183 Heute für den doppelten Anspruch auf Kaufpreiszahlung nach antikem römischem Recht: Weyand, TRG 51 (1983), S. 265 f., Note 194 (ein "in der formalen Konsequenz des periculum emptoris Iiegende(s) Ergebnis".) Boyer, Recherches historiques sur la resolution des contrats, S. 115; Behrends, Rudolph von Jhering (1818-1892): Der Durchbruch zum Zweck des Rechts, in: Rechtswissenschaft in Göttingen, S. 253. - Ullrich, S. 61 f hält dieses Ergebnis, wie bereits F. Mommsen "zur Beruhigung der Richter" (Erörterungen aus dem Obligationenrecht, Heft I: Erörterungen über die Regel: Commodum ejus esse debet, cujus periculum est, S. 110 Note 6), nicht für befremdlich, weil es sich um eine praktisch sehr selten auftretende Konstellation handele. - Dagegen spricht sich aus: Jakobs, Lucrum ex negotiatione, S. 63 ff.

11. Überblick über das antike römische Recht

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Paulus jedenfalls äußerte sich nicht zu den Pflichten des Erstkäufers, weil es ihm lediglich um die Frage ging, ob der Zweitverkaufserlös von der actia empti des Erstkäufers umfaßt war l84 . Da somit ein Anstoß durch die Quellen fehlte, war die Frage nach dem doppelten Kaufpreisanspruch ftir die mittelalterlichen Juristen - mit Ausnahme von Odofredus, der diese Frage kurz ansprach l85 nicht von Bedeutung. Daher soll sie auch hier nicht weiter vertieft werden.

3. Der Doppelverkauf aus strafrechtlicher Sicht

Den doppelten Verkauf einer Einzelsache behandelt auch das wiederum von Paulus stammende Fragment aus dem fiber singularis zum senatus cansultum Turpillianum, welches in den Digestentitel "Oe lege Comelia de falsis" (48.10) als lex 21 aufgenommen worden ist: Qui duobus in solidum eandem rem diversis contractibus vendidit, poena falsi coercetur, et hoc et divus Hadrianus constituit. is adiungitur et is qui iudicem corrumpit. sed remissius puniri solent, ut ad tempus relegentur nec bona iIIis auferantur. Wer dieselbe Sache als ganze durch zwei verschiedene Verträge verkauft hat, wird mit der poena falsi bestraft, wie dies auch der göttliche Hadrian festgesetzt hat. Dazu gehört auch derjenige, der einen Richter bestochen hat. Doch pflegen diese milder bestraft und (nur) auf Zeit (des Landes) verwiesen zu werden, ohne daß ihnen ihr Vermögen genommen wird.

Bei dieser lex handelt es sich um eine der Erweiterungen des Anwendungsbereichs der lex Cornefia de falsis l86 , die unter anderem darauf zurückzuftihren waren, daß die Kaiser aufgrund ihres Rechtes zur Strafschärfung bei argen Unredlichkeiten die Bestrafung nach dem comelischen Gesetz verfUgten 187. Bei wörtlicher Auslegung dieser TextsteIle ist eine solche Verftigung durch Hadrian auch fUr den Doppelverkauf ergangen 188. Danach scheint der Verkäufer, der eine Sache zweimal verkauft hat, mit der poena falsi bestraft worden zu sein, die

184 Jakobs, Lucrum ex negotiatione, S. 65; das Fehlen einer Erörterung dieser Frage betonen auch U/lrich, S. 58; Herrmann, S. 6, 17. - Dieser Umstand spricht für die Richtigkeit der These Ehrlichs, Grundlegung der Soziologie des Rechts, S. 264, daß die römischen Juristen in dieser Frage einen Ausweg gefunden haben. 185 Siehe unten S. 112 ff. 186 Zur Entwicklung und Bezeichnung der lex Comelia de falsis Th. Mommsen, Strafrecht, S. 669 f.; Stein, The Origin of Stellionatus, Iura XLI (1990), S. 80-84 (mit Nachweisen). 187 Th. Mommsen, Strafrecht, S. 676 f. 188 Hofmann, Periculum, S. 146 f., Note 18 erklärt die poena falsi damit, daß es zu der Zeit, als der Doppelverkauf unter Strafe gestellt wurde, noch nicht die an sich näherliegende stellionatus persecutio gegeben habe.

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I. Kapitel: Einführung

hier insofern abgemildert war, als lediglich eine zeitige Verbannung ohne die rur andere/alsa vorgesehene Konfiskation des Vermögens verhängt wurde l89 . Aufflillig ist, daß es in D. 18.4.21 bzw. C. 3.32.15 kein Anzeichen rur die Mißbilligung des Doppelverkaufs wie in D.48.1O.21 gibt. Vielmehr erscheint es als Wertungswiderspruch, daß die Wirksamkeit des anscheinend unter Androhung hoher Strafe verbotenen Geschäfts schlicht vorausgesetzt und dem Täter der Gewinn daraus belassen wird. Die Kriminalisierung des Doppelverkaufs wird bzw. wurde in der Literatur teilweise als Indiz darur dufgefaßt, daß bei dem D. 18.4.21 zugrunde liegenden Sachverhalt keine Übergabe an den Zweitkäufer erfolgt sei l90 . Während bei dieser Vorgehensweise die Auflösung des Wertungswiderspruchs in der Interpretation von D. 18.4.21 zu suchen ist, setzen andere - soweit man sich in der Romanistik überhaupt (noch) mit dieser Frage befaßt - bei D. 48.10.21 an. Erwogen wird, daß der Strafgrund nur die Herstellung eines doppelten (falschen) "Contraktsinstruments" gewesen sei 191, daß allenfalls der Verkauf einer fremden Sache kriminalisiert werden sollte\92, oder daß - so die Mehrzahl der Pandektisten - lediglich der mala fide erfolgte Doppelverkauf im Gegensatz zu dem Doppelverkauf bana fide, der D. 18.4.21 zugrunde liege, zu bestrafen gewesen sei 193. Die vorliegende Untersuchung wird die mittelalterliche Herkunft dieses zuletzt genannten Lösungsansatzes zeigen. Ernst Levy hat die Auffassung vertreten, daß das Paulusfragment gar nicht den Doppelverkauf einer Sache betrar 94 • Er verweist auf D. 18.4.21 und C. 3.32.15 pr., die nichts von Strafbarkeit wüßten und meint, daß lediglich der Verkauf einer fremden Sache wegen der Gefahr der Eviktion strafbar gewesen 189 Aufgrund der lex Comelia de falsis konnten sehr unterschiedliche Strafen verhängt werden, vergleiche Th. Mommsen, Strafrecht, S. 677; Levy, Gesetz und Richter im kaiserlichen Strafrecht, Erster Teil: Die Strafzumessung, in: Gesammelte Schriften 11, S.468. 190 Jakobs, Lucrum ex negotiatione, S. 61, 66 f. (insoweit Anton Faber, Rationalia, folgend); dagegen Reichard, S. 84 f. Note 28; vergleiche auch oben Note 181. 191 Sintenis, Was ist Gegenstand der Klagen aus obligationibus ad faciendum überhaupt und der actio empti im Besonderen, d.i. worauf sind diese nach heutigem Recht zu richten, wie ist die Verurtheilung zu fassen, und wie ist die Hülfe zu vollstrecken, ZCP II (1838), S. 41. 192 Ullrich, S. 45 Note 93 (unter nicht zutreffender Berufung auf Levy; dazu sogleich). - Wie selbstverständlich von einem Verkauf einer verkäufereigenen Sache gehen die Pandektisten aus: Jhering, Beiträge zur Lehre von der Gefahr beim Kaufcontract, JhJb 3 (1859), S. 455; Dernburg, Pandekten 11, § 96 Note 5 a (S. 265); Martinius, S. 37, 15 Note 2; StofJregen, S. 123 ff. (ergibt sich teilweise nur aus dem Zusammenhang). 193 Dernburg, Pandekten 11, § 96 Note 5 a (S.265); Hofmann, Periculum, S. 146; Martinius, S. 37; Oesterlen, Der mehrfache Verkauf derselben Sache, S. I Note 2. 194 Levy, Gesetz und Richter, S. 439 f. mit Note 32; anscheinend zustimmend Stein, The Origin of Stellionatus, lura XLI (1990), S. 84 f.

11. Überblick über das antike römische Recht

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sein könne. Der Inskription entnimmt Levy, daß die nach dem sc. Turpillianum zu verhängende Strafe rur diejenigen, die in unlauterer Weise rur andere als Ankläger auftraten, verschärft werden sollte, wenn sich der Accusator darüber hinaus noch von mehreren bezahlen ließ (seine Dienste also zweimal "verkaufte"), ohne zu offenbaren, daß er schon von anderer Seite gedungen war. Für die Interpretation Levys spricht, daß Paulus im nächsten Satz auf die sachlich nahe Richterbestechung eingeht und ein sachlicher Zusammenhang zwischen Richterbestechung und Doppelverkauf einer Sache nicht zu erkennen ist. Da es hier nicht um das "richtige" Verständnis dieses Textes geht, bedarf es keiner abschließenden Stellungnahme. Wichtig ist allein die Feststellung, daß rur D. 48.10.21, wie bereits rur D. 18.4.21, eine Vielzahl von Interpretationsmöglichkeiten besteht.

4. Zusammenfassung Das Eigentum an der Kaufsache wurde durch einen besonderen Übertragungsakt, traditio, übertragen. Das schlug sich in C. 3.32.15 nieder. Nach dieser Konstitution wurde die Konkurrenz zwischen den bei den Käufern zugunsten des Käufers entschieden, dem die Kaufsache tradiert wurde und der den Kaufpreis bezahlt hatte. Voraussetzung war ferner, daß dieser Verkauf "iure" erfolgte. Es ist unklar, wie diese Apposition zu deuten ist. Die Lösung von D. 18.4.21 rur den Doppelverkauf der einzelnen Sache beruhte partiell auf dem Grundsatz des periculum emptoris. Die Auskehr des Zweitverkaufserlöses nach Geschäftsruhrungsrecht kam nicht in Betracht, weil der Erlös propter negotiationem erlangt wurde. Die Frage nach dem Gegenanspruch des Verkäufers gegen den Erstkäufer wurde in D. 18.4.21 nicht angesprochen. Bis heute ist unsicher, wie sie nach römischem Recht gelöst wurde. Die mittelalterlichen Juristen fanden danach in den zitierten Quellen folgendes vor: Nach 0.48.10.21 schien der Doppelverkauf mißbilligt zu sein, gemäß C. 3.32.15 schien ein Doppelverkauf hingegen "iure" erfolgen zu können, und nach D. 18.4.21 verblieb der Zweitverkaufserlös beim Verkäufer, wenn die Einzelsache nach dem zweiten Verkauf untergegangen war. Der Wertungswiderspruch, der entstehen kann, wenn man die in diesem Sinne verstandenen Fragmente nicht nebeneinander sieht, sondern zueinander in Beziehung setzt, ist auch von den modernen Romanisten noch nicht endgültig aufgelöst worden. Als Fazit rur das antike römische Recht ist festzuhalten, daß das Problem des Doppelverkaufs angesichts der Lage der Quellen bisher nicht zu allseitiger Zufriedenheit geklärt ist.

Kapitel 2

Die Glossatoren Von der Methode der Glossatoren wird gewöhnlich folgendes Bild entworfen: Wie Theologie und Philosophie war auch die Rechtswissenschaft von der textgebundenen Argumentation der Scholastik geprägt, da die Arbeit der Glossatoren vor allem auf der Vorstellung beruhte, daß Justinian Werkzeug Gottes, die Kodifikation gottgewolle und daher die Rechtssätze des Corpus iuris civilis "ratio scripta" seien, also Wahrheit und Gerechtigkeit schlechthin verkörperten 2 • Den Glossatoren ging es bei ihrer Arbeit nicht darum, mit ihren logischen Mitteln die Wahrheit der überlieferten Texte zu überprüfen, sondern darum, sie zu beglaubigen3 • Widersprüche innerhalb des Textes erschienen als nur scheinbarer Natur, weil sie an Justinians Versicherung4 glaubten, daß die Digesten keine Widersprüche enthaltens. Die - rur die Glossatoren nur vermeintlichen Widersprüche ("diversa sunt, non adversa"t wurden daher durch Auslegung in einem umfassenden Sinn im Wege distinktiver Harmonisierung aufgelöst und zwar so, daß sich jeder Satz auf einem begrenzten Gebiet neben dem anderen behaupten konnte'. Die im Laufe des 12. und 13. Jahrhunderts erfolgende vollständige Erfassung des Inhalts des Corpus iuris civilis verschaffte dem Sam1 Behrends, Treu und Glauben: Zu den christlichen Grundlagen der Willenstheorie im heutigen Vertragsrecht, in: Christentum, Säkularisation und modemes Recht, S. 981. 2 Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, S. 55 f; Coing, Europäisches Privatrecht I, S. 92; Lange, Glossatoren, S. III f, 449; Guzman, Ratio scripta, S. 11; Berman, Recht und Revolution, S. 215 ff., 230 ff.; Strämholm, Rechtsphilosophie, S. 115 f. 3 Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, S. 55. 4 Const. tanta, 15: Contrarium autem aliquid in hoc codice positum nullum sibi locum vindicabit nec invenitur, si quis suptili animo diversitatis rationes excutiet... 5 Stein, Regulae Iuris, S. 131 ff.; Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, S. 54 ff., 58 f; Lange, Glossatoren, S. 362 und passim; Weimar, Die legistische Literatur der Glossatorenzeit, in: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Rechtsgeschichte, Band I: Mittelalter (1100-1500), S. 130 ff., 142; Berman, Recht und Revolution, S. 215; Fuchs, Iusta causa traditionis, S. 32 f.; Genzmer, Die Iustinianische Kodifikation und die Glossatoren, Auszug der Atti dei Congresse Intemazionale di Diritto Romano in Bologna 1933, Vol. I (Pavia 1934), S. 384. 6 Zu dieser scholastischen Maxime siehe Kuttner, The Revival of Jurisprudence, in: Renaissance and Renewal in the twelfth century (1986), S. 310 f 7 Zu diesem Vorgang vergleiche oben Note 5 sowie H. Dilcher, in: HRG I, S.v. Glossatoren, Sp. 1709; Otte, Die Rechtswissenschaft, in: Die Renaissance der Wissenschaften im 12. Jahrhundert, S. 127 ff., 133; Stintzing, Geschichte I, S. 103 ff.

I. Die Rechtsstellung des Erstkäufers im Hinblick auf die Kaufsache

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melwerk eine innere Einheit, die es zuvor nicht hatte8 • So entstand ein Lehrgebäude von (formal) widerspruchsfreien Sätzen, eine erste juristische Dogmatik, sofern man darunter ein über die Sachanalyse des FaIIes hinausgehendes harmonisierendes Lehrgebäude versteht9 . Die Aussagen des römischen Textes zum Doppelverkauf erscheinen, wie gezeigt, widersprüchlich, so daß sich die Glossatoren auch hier mit dem Problem der Harmonisierung auseinandersetzen mußten. Es soII im Folgenden gezeigt werden, ob und wie die Glossatoren die innere Einheit des Textes herzusteIIen versuchten.

I. Die Rechtsstellung des Erstkäufers im Hinblick auf die Kaufsache 1. Grundprinzipien des Kaufrechts und deren Auswirkungen auf die Lösung von Doppelverkaufsfällen a) Der Kauf als Konsensualvertrag

Seit der Mitte des 12. Jahrhunderts wird die FallkonsteIIation des Doppelverkaufs angesprochen - zunächst aIIerdings ohne Problembewußtsein. Vacarius lO erwähnt den Doppelverkauf innerhalb einer Passage, in der es in der Hauptsache um das Problem der Geltung eines dem Gesetz entgegenstehenden und aus Gesetzesunkenntis entstandenen Gewohnheitsrechtes geht l1 : Legern non ignorancium secundum quosdam, ne error impediat consensum. Sed quid nocere potest error qui rem penitus non contingit nec circa eam uersatur? Quemad-

8 Seckel, Die Anfange der europäischen Jurisprundenz im 11. und 12. Jahrhundert, SZRom 45 (1925), S. 393; H. Dilcher, in: HRG I, s.v. Glossatoren, Sp. 1709. 9 Wieacker, Privatrechtsgeschichte ster Neuzeit, S. 54, 58 f.; Stein, Regulae Iuris, S. 129 ff.; Berman, S. 228 f; Otte, Rechtswissenschaft, S. 139 f.; Lange, Glossatoren, S. 455 f, 465. 10 Zu Vacarius, der als erster Lehrer des römischen Rechts in England den Liber pauperum im Jahre 1149 (oder geringfügig später) verfaßte, siehe Kantorowicz, Kritische Studien: Zur Quellen- und Literaturgeschichte des römischen Rechts im Mittelalter, SZRom 49 (1929), S. 63 (im folgenden auch zur vorliegenden Ausgabe des Liber pauperurn); Lange, Glossatoren, S. 246-254, 58 tf.; Genzmer, Iustinianische Kodifikation, S. 413 f.; Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, S.65 (mit Nachweisen); Wesenberg / Wesener, S. 75-78; Koschaker, Europa und das Römische Recht, S. 74 f - Zur vorliegenden Ausgabe Weimar, in: Handbuch der Quellen und Literatur I, S. 252 f. 11 Für eine Erläuterung der Glossen des Vacarius zum Problem der Geltung von Gewohnheitsrecht siehe Zulueta, Introduction, S. LXXV ff. - Das Verhältnis von Gewohnheitsrecht zu Gesetzesrecht gehörte zu den vieldiskutierten Fragen, siehe dazu Lange, Glossatoren, S. 104 ff.

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2. Kapitel: Die Glossatoren modum si emisses a me rem quam alii uendidissem te ignorante. Nam isto errore non inpediretur consensus. 12 Das Gesetz gilt nach Ansicht einiger als nie unbekannt, so daß ein Irrtum den Konsens nicht verhindert. Aber was kann ein Irrtum schaden, der die Sache kaum berührt und auch nicht auf sie gerichtet ist? So beispielsweise, wenn du eine Sache von mir kauftest, die ich einem anderen verkauft habe, was du nicht wußtest. Denn durch diesen Irrtum würde der Konsens nicht verhindert.

Vacarius erläutert den Grundsatz, daß Gesetzesunkenntnis einem vertraglichen Konsens nicht entgegensteht. Das Gesetz gilt als allgemein bekannt, d.h. ein diesbezüglicher Irrtum ist unbeachtlich, so daß das Gesetz ohne besondere Abrede Grundlage einer vertraglichen Vereinbarung sein soll. Ein Rechtsirrtum konnte allerdings schon im antiken Recht unter gewissen Umständen berücksichtigt werden. Er wurde aber seltener fiir entschuldbar und daher fiir berücksichtigungsflihig gehalten als ein Tatsachenirrtum \3. In der späteren gemeinrechtlichen Literatur wurde daher die Unterscheidung zwischen verschuldetemlunbeachtlichen und unverschuldetemlbeachtlichen Irrtum bisweilen anhand der Abgrenzung error iuris - error facti getroffen l4 . In ähnlicher Weise scheint Vacarius hier einen Rechtsirrtum stets mit dessen Unbeachtlichkeit gleichzusetzen. Als Beispiel fiir die Unbeachtlichkeit des Rechtsirrtums fiihrt er einen Fall eines Doppelverkaufs an, und zeigt damit zugleich, daß eine strenge Trennung zwischen Rechts- und Tatsachenirrtum bei den Legisten wohl nicht erfolgte: Der dem zweiten Käufer unbekannte Umstand, daß die Kaufsache bereits verkauft ist, soll dem vertraglichen Konsens und damit der Wirksamkeit des zweiten Vertrages nicht im Wege stehen. Einem Rechtsirrtum steht die Unkenntnis des Verkauftseins insofern nahe, als dieser Umstand etwa einen Rechtsmangel darstellen könnte 15. Dergleichen kommt aber fiir Vacarius nicht in Betracht: Der frühere Verkauf wird nicht als ein Tatbestand gewertet, der etwa zur Nichtigkeit des zweiten Verkaufs (weil der Konsens fiir diesen Konsensualvertrag fehlte) oder zu einem der Sache anhaftenden Rechtsmangel fiihrte. Dieser Unbeachtlichkeit des anderweitigen Verkaufs liegt die Unterscheidung zwischen Verpflichtungsgeschäft und Eigentumsübertragung zugrunde. Nur aus diesem Grund kann Vacarius sagen, daß der Irrtum über das Verkauftsein der Sache diese nicht unmittelbar betreffe (error qui rem penitus non contingit); der Verkauf bindet die Person, aber nicht die Sache.

12 Vacarius, Liber Pauperum, Lib. I, Tit. 8 (de legibus et constitutionibus senatusque consultis et longa consuetudine), GI. omnium zu D. 1.3.32.1, S. 15. 13 Honsell / Mayer-Maly / Seih, S. 125. 14 Haupt, S. 18 f. 15 Zu dem Abgrenzungsproblem aus moderner Sicht siehe Roxin, Die Abgrenzung von untauglichem Versuch und Wahndelikt, JZ 1996, S. 981 ff. (insbesondere S. 982, 986 zum Doppelverkauf).

I. Die Rechtsstellung des Erstkäufers im Hinblick auf die Kaufsache

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Der aus dem römischen Recht entnommene und bei Vacarius erkennbare Grundsatz, wonach der Konsens ein notwendiges, wenngleich nicht immer hinreichendes Element aller Verträge darstellt, gilt in der mittelalterlichen Rechtswissenschaft unangefochten J6 • Das belegen auch die Exceptiones Petri 17: Res vendita dicitur postquam inter venditorem et emtorem circa idem de pretio conventum est, etsi res nondum tradita est, nec pretium solutum est, nec arrha data, nec ullum aliud factum est, quod usualiter per plura loca in venditione intervenire solet, ut percussio manus et bibaria vini... 18 Die Sache gilt als verkauft, wenn zwischen dem Verkäufer und dem Käufer ein Preis darüber vereinbart worden ist. (Das gilt auch), wenn die Sache nicht übergeben ist, der Preis nicht gezahlt oder eine arrha übergeben ist, oder wenn nichts anderes erfolgt ist von dem, was gewöhnlich an vielen Orten (dem Abschluß) eines Verkaufs hinzugefügt wird, wie der Handschlag oder der Weintrunk ...

Als Hauptelement des vertraglichen Konsenses wird hier die Festsetzung des Kaufpreises genannt, da die Einigung über den Kaufgegenstand unproblematisch ist. Entsprechend äußern sich auch Lo Codi (" ... quando emptor et uenditor concordant et faciunt conuencionem de precio, ualet uendicio,,)19 und die Summa Trecensis ("Contrahitur enim solo consensu habita pretii conuentione,,)2o. Dagegen ist die Zahlung des Kaufpreises, die im frühen Mittelalter sowohl im deutschen wie auch im römischen Rechtskreis fiir die Wirksamkeit des Kaufs

Nanz, Die Entstehung des allgemeinen Vertragsbegriffs, S. 31. Bei den Exceptiones legum Romanorum des Petrus handelt es sich um eine in der Mitte des 12. Jahrhunderts, wahrscheinlich in Südfrankreich entstandenen Schrift; dazu und zu weiteren Einzelheiten siehe Weimar, in: Handbuch der Quellen und Literatur I, S. 137 f., 253-257, 276 f.; Lange, Glossatoren, S. 387-395; Kantorowicz, Les origines fran~aises des Exceptiones Petri, in: Rechtshistorische Schriften, S. 197 ff. (insbesondere S. 197-199 und 227-229); Kantorowicz / Buckland, S. 112 ff.; Conrat, Geschichte der Quellen und Literatur, S. 516 ff.; Fuchs, S. 28-30. 18 Petrus, Exceptiones legum Romanorum, Liber 2, Caput 14 (De contrahenda Emtione et Venditione), S. 356. 19 Lo codi, Tit. De empcione et uenditione (IV, 58), §§ I f., S. 122 f. - Für Einzelheiten zu der in der Mitte des 12. Jahrhunderts in provenzalischer Sprache verfaßten und noch vor dem Jahre 1176 ins Lateinische übersetzten Codexsumme vergleiche Weimar, in: Handbuch der Quellen und Literatur I, S. 200; Lange, Glossatoren, S. 415-421; Fitting, Vorbemerkungen, S. *6, *25, *30 ff., *61; Kantorowicz, Les origines, S. 228 f.; Genzmer, Iustinianische Kodifikation, S. 409; H. Dilcher, Leistungsstörungen, S. 9, Note 10. 20 Summa Trecensis, Tit. De contrahenda e[m]ptione et venditione (IV, 38), § 2, (S. 114). - Zu dieser Codex summe aus dem 12. Jahrhundert, deren Verfasser und genaue Datierung unsicher sind, siehe Weimar, in: Handbuch der Quellen und Literatur I, S. 198 f.; Lange, Glossatoren, S. 402-407; Kantorowicz, Les origines, S. 228 f. (für Rogerius als Verfasser); Fitting, Summa Codicis des Irnerius, S. LIV f. (für Irnerius); Kantorowicz / Buckland, S. 43 f., 145, 154; Genzmer, lustinianische Kodifikation, S. 408 Note 259; Besta, L'opera d'Irnerio, S. 208 ff. 16

17

4 Sell.·Geusen

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2. Kapitel: Die Glossatoren

als erforderlich erachtet worden isr l , nicht - auch nicht in der Fonn einer arrVoraussetzung rur die Begründung der vertraglichen Verpflichtung. Die Fonnfreiheit betont der Verfasser der Exceptiones Petri zusätzlich dadurch, daß er noch nicht einmal einen Handschlag oder Umtrunk entsprechend regionalen Gewohnheiten zur Bekräftigung des Abschlusses und zur Beweissicherung rur erforderlich hälr 3 .

htJ22 -

b) Das Traditionsprinzip und seine wichtigsten Einschränkungen

aa) Stellungnahmen zum römischen Recht Nach Ansicht aller Glossatoren vollzieht sich der Eigentumsübergang nach dem Traditionsprinzip. In Lo codi heißt es: Quamuis aliquis emisset rem ab eo cuius erat, et quamuis pagasset ei precium, si non dedit ei possesionern, iIIe idem qui uendidit bene poterit eam uendere postea alii, et si hoc fecerit et prius dederit ei possesionern, iIIe qui prius habebit possesionem habebit meliorem dricturam in re et poterit eam petere omnibus hominibus, et alius non poterit redire ni si contra iIIum qui uendidit rem. 24 Wenn jemand eine Sache von dem kaufte, dem sie gehörte und wenn er ihm den Preis bezahlt hätte, (und) wenn er ihm nicht den Besitz gäbe, könnte jener, der verkaufte, sie später wohl einem anderen verkaufen, und wenn er dieses machte und er gäbe ihm zuerst den Besitz, dann hätte jener, der zuerst den Besitz erlangt hätte, das bessere Recht25 auf die Sache und könnte sie von allen herausklagen und der andere könnte allenfalls auf den zurückgreifen, der die Sache verkaufte.

21 Hofmeister, in: HRG IV, s.v. Realvertrag, Sp. 218; Ogris, in: HRG I, s.v. arrha, Sp. 230; Ourliac / Malafosse, Droit romain et ancien droit: Les Obligations, S. 265 f.; Kaser, Das Römische Privatrecht 11, § 264 I, 2 b. Gegen dieses Bild vom Barkauf rur das frühmittelalterliche römische Recht Siems, S. 237 ff. 22 Der Arrhalvertrag bildet die Zwischenstufe in der Entwicklung vom Realvertrag zum Konsensualvertrag. Bereits früh im Mittelalter kommt der arrha wie auch der Vorauszahlung zunehmend Beweissicherungsfunktion zu. Für Einzelheiten siehe Bechmann, KauflI, S. 415-425; Hofmeister, in: HRG IV, s.v. Realvertrag, Sp. 218; Ogris, in: HRG I, s.v. arrha, Sp. 230-232; Kaser, Das Römische Privatrecht 11, § 264, 2 b; Siems, S. 238, 260, 297; Hausmaninger / Seih, S. 302. 23 Zu diesen Funktionen des Weinkaufs siehe Fischer, in: HRG V, s.v. Weinkauf, Sp. 1234 f. 24 Lo codi, Tit. De rei vindicatione (111, 26), § 13 (S. 59). 25 Der Begriff "drictura" dürfte dem französischen "droiture" entsprechen, das im Altfranzösischen nicht nur die Rechtschaffenheit meinte (wie heutzutage), sondern auch "droit, justice, droits", vgl. Greimas, Dictionnaire de I'ancien fran~ais jusqu'au milieu du XIVe siecIe, s.v. droiture.

I. Die Rechtsstellung des Erstkäufers im Hinblick auf die Kaufsache

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Kauf und Eigentumsübergang werden hier - wie auch an anderer Stelle26 sowie in der Summa Trecensis 27 - deutlich unterschieden. Die in C. 3.32.15 angeordnete Rechtsfolge wird erklärt, daß nämlich der Zweitkäufer, dem die Sache übergeben worden war, von jedem, der sie später in die Hand bekommt, mittels der rei vindicatio herausverlangen kann. Der Inhaber eines Forderungsrechts kann hingegen nicht vindizieren. Dieser Grundsatz wird zu Beginn des 12. Jahrhunderts auch in dem Traktat eines unbekannten Verfassers 28 betone9 • Das Forderungsrecht wird nicht durch die Zahlung des Kaufpreises verstärkt. Insbesondere bewirkt die Zahlung nicht die Eigentumsübertragung, wenngleich sie auch eine Voraussetzung darur ist. Rechte aufgrund des Kaufvertrages - die actio venditi - können dem Erstkäufer somit allenfalls gegenüber dem Verkäufer zustehen und erstrecken sich nicht auf die Sache. Trotz der Wendung "b e n e poterit eam vendere postea alii" erfolgt in Lo codi wohl keine Billigung des Doppelverkaufs. Vielmehr wird hier wertfrei und ohne Bezug auf D. 48.10.21 erklärt, wie es zu der in C. 3.32.15 angeordneten Rechtsfolge kommt. Der Doppelverkauf dient lediglich der Veranschaulichung des Traditionsgrundsatzes. Ein Billigkeitsproblem stellt sich rur den Autor nicht. Eine ähnliche Erläuterung des Traditionsprinzips findet sich auch in den etwa aus derselben Zeit stammenden Exceptiones Petri: Si quis rei suae venditionem fecerit, quarnvis jarn pretium acceperit, tarnen si nondum rem tradiderit, hoc est, si nondum emtorem corporaliter induxerit in possessio-

26 Lo codi, Tit. De empcione et uenditione (IV, 58), § 2 (S. 123): "uenditor est obligatus emptori ad rem tradendarn, id est debet eum mittere in possesione rei uendite, et hoc modo res transit ad emptorem, si res que transit erat uenditoris." - Der Verkäufer ist verpflichtet, dem Käufer die Sache zu übergeben, das heißt, er muß ihm den Besitz an der verkauften Sache übertragen, und auf diese Weise geht sie auf den Käufer über, wenn die Sache, die übergeht, dem Verkäufer gehörte. 27 Summa Trecensis, Tit. De contrahenda e[m]ptione et uenditione (IV, 38), § I (S. 114):" Emtio ... ex qua causa dominium... transfertur, si ilIo qui tradidit dominus est" - Der KauList die causa für den Übergang des Eigentums, wenn jener, der übergab, Eigentümer ist. 28 In der mittelalterlichen Literatur gibt es zahlreiche Werke unbekannter Verfasser (so beispielsweise auch Lo codi und die Summa Trecensis). Daß die Namen nicht angegeben sind, mochte schlicht darauf beruhen, daß eine Zuordnung für eine solche Zusammenstellung von teilweise bedenkenlos übernommenem Schul gut problematisch erschien, vgl. Lange, Glossatoren, S. 386. 29 Tractatus de diligentia et dolo et culpa et !ortuitu casu, ed. von Dolezalek, in: Aspekte europäischer Rechtsgeschichte (1982), Appendix, S. 121, Zeilen 34-36: "Set hoc plus habet petitor hereditatis ut possit uendicare, etiarn non apreensa possessione, cum alias emptor uel alius ante aprehensarn possessionem non possit" - Aber [über den Anspruch auf den Verkaufserlös] hinaus kann der Erbschaftsprätendent vindizieren, auch wenn er zuvor den Besitz nicht hatte, anders als der Käufer oder ein anderer, der dies vor der Besitzergreifung nicht kann.

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2. Kapitel: Die Glossatoren nem, adhuc ipse dominus est; et ideo, si postea aliquo titulo alii tradat vendendo aut donando, facit eum dominum; ... 30 Wenn jemand seine Sache verkauft und den Preis empfangen hat, so bleibt er dennoch Eigentümer, wenn er die Sache noch nicht übergeben hat, das heißt, wenn er den Käufer noch nicht körperlich in den Besitz eingewiesen hat. Deshalb, wenn er sie später aufgrund irgendeines Titels einem anderen übergibt, sei es aufgrund eines Verkaufs oder schenkungshalber, macht er ihn zum Eigentümer.

Bedeutsam ist hier, daß der Verfasser das Erfordernis einer körperlichen Übergabe zum Erwerb des Eigentums3l unterstreicht. Das Problem der Konkurrenz verschiedener Übergabeformen wird erst von den Kommentatoren eingehend erörtert32 • Ferner wird deutlich, daß der Übertragungsakt kausal gebunden ist. Eine (iusta) causa rur den Eigentumsübergang erfordert schon das römische Reche 3 . Auf die Kontroverse um den causa-Begriff soll im folgenden aber nicht eingegangen werden 34 • Diese Beschränkung ist geboten, weil bei der hier zu untersuchenden Fallkonstellation stets zwei Kaufverträge, die als iustae causae anerkannt waren 35 , vorliegen. Wichtig ist hier, daß der Kaufvertrag - wie es dem Befund der Quellen entspricht - Grundlage rur den Eigentumserwerb darstellte, jedoch nicht selbst den Eigentumsübergang bewirkte.

30 Petrus, Exceptiones legum Romanorum, Liber 2, Caput 13 (De Venditione propriae rei), S. 355. 31 Der Begriff des dominium wird bei den Glossatoren und Kommentatoren in sehr unterschiedlicher Weise aufgefaßt, in der Regel als Synonym von "ius". Dazu und zu den verschiedenen Arten von dominia, die viele "dingliche" Rechte umfaßten, siehe Villey, Le ,jus in re" du droit romain classique au droit modeme, in: Conference faites a l'Institut de Droit Romain en 1947 (1950), S. 199 f., 211 ff., 216 f. 32 Siehe unten S. 59 ff. und 144 ff. 33 Vergleiche D. 41.1.31 pr.: Numquam nuda traditio transfert dominium, sed ita, si venditio aut aliqua iusta causa praecesserit, propter quam traditio sequeretur. - Zu diesem Fragment siehe Oeckinghaus, S. 16 Note 30. Zu den weiteren, für die Kontroverse um die iusta causa traditionis bedeutenden Fragmente siehe Fuchs, S. 14 f. 34 Siehe dazu Coing, Europäisches Privatrecht I, S. 179 f.; Oeckinghaus, S. 16-27; Kaufmann, "Causa debendi" und "causa petendi" bei Glanvill sowie im römischen und kanonischen Recht seiner Zeit, in: Traditio - Studies in the ancient and medieval history, S. 124-136; Hofmann, Titulus, S. 41; Fuchs, S. 71 ff.; Mayer-Maly, Kauf und Eigentumsübergang im österreichischen Recht, in: Vendita e transferimento della proprieta nella prospettiva storico-comparatistica, Atti dei Congresso lntemazionale PisaViareggio-Lucca 1990 (1991), S. 278; Brandt, S. 30; Meinhart, Dogmengeschichtliches und Dogmatisches zum Eigentumsvorbehalt, SZRom 105 (1988), S. 734 f. 35 Birocchi, Vendita e transferimento della proprieta nel diritto commune, in: Vendita e transferimento della proprieta nella prospettiva storico-comparatistica, Atti dei Congresso lntemazionale Pisa-Viareggio-Lucca 1990 (1991), S. 141 mit Nachweisen; Zimmermann, The Law ofObligations, S. 271. Siehe auch D. 41.1.31, oben Note 33.

I. Die Rechtsstellung des Erstkäufers im Hinblick auf die Kaufsache

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Auch Accursius 36 erklärt in der Glosse priori zu C. 3.32.15, daß diesem Text das Traditionsprinzip zugrundeliegt, welches einen Doppelverkauf erst ermöglicht: narn remansit venditor dominus etiarn post venditionem, & ideo erit dominus, cui prius tradidit... 37 Denn der Verkäufer bleibt auch nach dem Verkauf Eigentümer, und deshalb wird Eigentümer, dem zuerst übergeben wird ...

Dieser Traditionsgrundsatz wird in Accursius' Glosse petentis zu D. 6.2.9.4 näher erläutert und mit mehreren Einschränkungen versehen: ... vt patet ibi in hac distinctione, distrahitur eadem res duobus in solidum. Quandoque ab vno, qui fuit dominus: & tunc qui prius traditionem nactus est, potior est, si tarnen soluerit pretium: vt C. de rei vindi. I. quotiens. & Instit. de re. diui. §. venditae. nisi prior privilegiatus esset: vt Ecclesia: vt C. de sacrosan. eccle. i. fi 2. Quandoque ab vno non domino: & tunc idem: vt tarnen non distinguatur sit preti um solutum, vel non: ... & hic, quandoque ab vno non domino vni, & eodem postea domino alteri: & tunc idem erit. Et hoc est notabile hoc casu, quod Publiciana praefertur directae rei vin ... 38 .. Wie es offensichtlich ist bei dieser Unterscheidung, wird dieselbe Sache zweimal ganz verkauft. Wenn sie von einem (veräußert wurde), der Eigentümer war, dann setzt sich der durch, dem zuerst übergeben wurde, vorausgesetzt er bezahlte den Preis, wie in C. 3.32.15 und Inst. 2.1.41, es sei denn, der Erste wäre privilegiert, wie die Kirche in C. 1.2.23. 2. Wenn von einem Nichteigentümer (gekauft wird), gilt dasselbe, wobei jedoch nicht unterschieden wird, ob der Kaufpreis bezahlt wurde oder nicht...Und wenn der eine vom Nichteigentümer (kauft) und der andere dieselbe (Sache) später vom Eigentümer, auch dann wäre es dasselbe. Und das ist bemerkenswert in diesem Fall, in dem die Publiciana unmittelbar der rei vindicatio vorgezogen wird ...

Auch hier geht Accursius vom Traditionsgrundsatz aus. Da die Privilegierung des Zweitkäufers gemäß C. 3.32.15 den Erwerb des Eigentums voraussetzt, betont Accursius, daß der (Zweit-)Käufer die Sache gemäß C. 3.32.15 und gemäß Inst. 2.1.41 39 bezahlt haben müsse. Den Hinweis, daß die Zahlung des Kaufpreises eine weitere Voraussetzung für den Eigentumserwerb und damit für die sich aus C. 3.32.15 ergebende Rechtsfolge sei, geben ferner Azo ("obtinet quod in I. ista dicitur, vt is cui prius res tradita est, sit possessor: s. soluto pre36 Für Einzelheiten zu Leben und Werk des Accursius (gest. 1263) siehe H. Dilcher, in: HRG I, s.v. Accursius, Sp. 24 f; Lange, Glossatoren, S. 335 ff.; Savigny, Geschichte V, S. 264 ff.; Schlosser, S. 32 f 37 Accursius, Codicis ON. Iustiniani repetitae praelectionis Libri Ouodecim, Glosse priori zu C. 3.32.15, Sp. 694. Für eine weitere - wichtigere - Glosse zu C. 3.32.15 siehe S. 71 ff 38 Accursius, Corpus iuris civilis iustinianei, Glosse petentis zu O. 6.2.9.4, Sp. 835. 39 Zur Interpretation dieser InstitutionensteIle durch die Glossatoren und Kommentatoren siehe Luig, Übergabe und Übereignung der verkauften Sache nach römischem und gemeinem Recht, in: Satura Feenstra, S. 445 ff.

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2. Kapitel: Die Glossatoren

tio,,)40, Karolus de TOCC041 ("is potior est in petendol & detinendo dominiol cui primo res tradita estl si satisfecerit de precio,,)42 und Odofredus43 (" ... est verum hoc si iIle qui per traditionem accepit soluit precium ... aliter enim non esset translaturn dominium,,)44. Sodann nennt Accursius einen Ausnahmefall von dem in C. 3.32.15 zugrundegelegten Traditionsprinzip. Er bezeichnet es als eine Privilegierung, daß die Kirche gemäß C. 1.2.23 die rei vindicatio geltend machen könne, ohne die Sache zuvor durch traditio erlangt zu haben (vindicat sine traditionet 5• Wenn also eine Sache zuerst einer Kirche verkauft wurde, geht diese in jedem Falle einem späteren Käufer vor, weil sie bereits mit Abschluß des Kaufvertrages Eigentum erworben hat. Accursius betont auch in der Glosse In rem zu C. 1.2.23, daß es sich hierbei um einen Ausnahmefall handele: Item quid si vni ecclesiae prius vendidit & solutum fuit pretium; non tarnen tradidit: deinde alij ecclesiae vendidit, & tradidit, quae erit potior? Resp. prima.. .licet sit argu. contra infra de rei vind. 1. quoties. Sed illa in priuato loquitur, & extraordinaria est. 46 So, wenn man einer Kirche verkauft, der Preis bezahlt, (die Sache) jedoch nicht übergeben wird. Daraufhin verkauft und übergibt man einer anderen Kirche. Welche wird vorgezogen? Ich sage, die Erste, obwohl dem C. 3.32.15 entgegensteht. Aber jene [lex] ist, unter uns gesprochen, sehr außergewöhnlich.

40 Azo (Portius; gest. um 1230), Ad singulos leges XII. liberorum Codicis iustinianei commentarius, Glosse recipere zu C. 3.32.15, S. 225, Rn. 2. Zur vorliegenden Ausgabe siehe Converso, Einleitung, S. V-VII; Weimar, in: Handbuch der Quellen und literatur I, S. 180; Lange, Glossatoren S. 265 f. 41 Zur (romanistischen) Methode der Kommentierung des Gesetzestextes durch Karolus de Tocco vergleiche Troje, in: HRG 11, s.v. Karolus de Tocco, Sp. 657 ff.; Astuti, Prefazione, S. 19 ff.; Conrat, S. 413. Zur Bestimmung der Entstehungszeit der Lombarda-Glosse und zu deren Bedeutung siehe Neumeyer, Notizen zur Literaturgeschichte des langobardischen Rechts, SZGerm 20 (1899), S. 250 ff. und 256 f.; Lange, Glossatoren, S. 306 ff. 42 Karolus de Tocco, Leges longobardorum, Glosse de his zu Lomb. 2.19.1 (S. 267). - Nach langobardischem Recht kommt der Preiszahlung sogar maßgebliche Bedeutung fllr die "Unangreifbarkeit" des Kaufs zu (Siems, S. 130). 43 Zu den Vorlesungen des Odofredus de Denariis (gest. 1265, Kollege des Accursius) aus den Jahren 1236 bis 1265 siehe Weimar, in: Handbuch der Quellen und Literatur I, S. 176; Lange, Glossatoren, S. 330 f. 440dofredus, In primam Codicis partem praelectiones zu C. 3.32.15, fol. 171 v , Rn. 2. 45 So auch Accursius, Codicis DN. lustiniani repetitae praelectionis Libri Duodecim, in der Glosse In rem zu C. 1.2.23, Sp. 64 und in der Glosse Hypothecariarn a.a.O.: ,,2. Item & rei vindicatione quae datur non tradita possessione... ". - Zu diesen Glossen siehe Gordon, S. 98 Note I. 46 Accursius, Codicis DN. lustiniani repetitae praelectionis Libri Duodecim, Glosse In rem zu C. 1.2.23, Sp.64. Diese Glosse bespricht Schrage, Vendita e transferimento della proprieta nella storia dei diritto olandese, in: Vendita e transferimento della proprieta nella prospettiva storico-comparatistica, Atti dei Congresso Internazionale PisaViareggio-Lucca 1990, S. 360.

I. Die Rechtsstellung des Erstkäufers im Hinblick auf die Kaufsache

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Diese von Accursius als außergewöhnlich bezeichnete Einschränkung von C. 3.32.15 und des Traditionsprinzips zugunsten der Kirche, die gleichfalls den Kaufpreis bezahlt haben mußte, erörterte bereits AZ047 • Odofredus weist darauf hin, daß der Zusammenhang zwischen C. 1.2.23 und C. 3.32.15 erstmals von Johannes Bassianus geknüpft worden sei 48 • Im zweiten Teil der Glosse petentis vergleicht Accursius den Doppelverkauf vom Eigentümer mit dem vom Nichteigentümer. Wenn ein Nichteigentümer eine Sache zweimal verkauft, soll es im Ergebnis wie bei C. 3.32.15 bleiben. Das entspricht wohl der herrschenden Meinung unter den Glossatoren49 • Rechtsgrundlage ist die ac/io Publiciana, weil der Käufer von einem nichtberechtigten Verkäufer - wie es bereits in Lo codi 50 und der Summa Trecensis51 angedeutet wird - unmittelbar kein Eigentum erwerben kann. Der Übergang des Eigentums mit der Übergabe der Kaufsache, der die Bevorzugung des Zweiten begründete, vollzog sich nach römischem Recht nicht, wenn der Verkäufer nicht Eigentümer war, da dem römischen Recht das Institut des Erwerbs vom Nichtberechtigten weitgehend fremd war52 • Gleichwohl war ein Kaufvertrag über eine res aliena wirksam 53 • Der Verkäufer hatte dem Käufer ohnehin nur den ungestörten Besitz (das habere licere) zu gewähren54 , wenn auch der Eigentumserwerb letztlich das Ziel des römischen Kaufs gewesen sein wird 55 • Der von einem Nichtberechtigten kaufende (gutgläubige) Käufer, dem zuerst tradiert wurde, erlangte zwar nur possessio, war aber gleichwohl gegen

47 Azo, Ad singulos leges XII. liberorum Codicis iustinianei commentarius, Glosse recipere zu C. 3.32.15, S. 225, Rn. 3. 480dofredus, In primam Codicis partem praelectiones zu C. 3.32.15, fol. 171 v, Rn. 2. 49 Vergleiche etwa Karolus de Tocco, Leges longobardorum, Glosse De his zu Lomb. 2.19.1 (S. 267) und Odofredus, In primam Codicis partem praelectiones zu C. 3.32.15, fol. 171 v, Rn. 3: "et fere est hoc casu idem". 50 Siehe oben Note 26. 51 Siehe oben Note 27. 52 Zum Vindikationsprinzip des römischen Rechts siehe Huwiler, Vindikationsprinzip versus Hand wahre Hand: Dogmengeschichtliches zur Rechtsfertigung des gutgläubigen Eigentumserwerbs, in: Nit anders denn liebs und guets, Kolloquium Bader, S. 77-79; Apathy, Die publicianische Klage, S. 12; Söllner, Der Erwerb vom Nichtberechtigten in romanistischer Sicht, in: Festschrift für Coing (1982), S. 369 ff. 53 Das gilt für das antike wie für das gemeine Recht, vgl. Zimmermann, Der Kaufvertrag, in: Das römisch-holländische Recht - Fortschritte des Zivilrechts im 17. und 18. Jahrhundert (1992), S. 172 f. 54 Peters, Die Verschaffung des Eigentums durch den Verkäufer, SZRom 96 (1979), S. 173 f.; Wacke, Die verschuldete Eviktion, in: Festschrift für Niederländer, S. 143, 148. 55 Peters, Die Verschaffung des Eigentums durch den Verkäufer, SZRom 96 (1979), S. 176 ff.

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2. Kapitel: Die Glossatoren

Dritte - auch gegen einen weiteren Käufer derselben Sache - geschützt56 • Einschlägig war hier die actio Publiciana, die der rei vindicatio nach Funktion und Wirkung ähnelte 57 • Es handelte sich dabei um eine prätorische Klage, die qualifizierten Besitzern (vor allem den Ersitzungsbesitzern, denen zum Eigentumserwerb lediglich die Vollendung der Ersitzungsfrist fehlte und die ihren Besitz verloren hatten) gegen weniger qualifizierte Besitzer zustand 58 • Der Ersitzungsbesitzer wurde dabei so gestellt, als habe er die Ersitzungsfrist bereits vollendet59 . Der aus der actio Publiciana Berechtigte war Inhaber eines (seit Petrus de Bellapertica sogenannten) quasi-dominium60 • Die actio Publiciana kam schon im antiken Recht insofern auch den Eigentümern zugute, als ihnen die Beweisschwierigkeiten der rei vindicatio erspart blieben61 • Der Beweis des Eigentums war besonders schwierig, da es wegen des Fehlens des Rechtsinstituts des Erwerbs vom Nichtberechtigten erforderlich war, auch das Eigentum der vorherigen Eigentümer zu beweisen62 • Wie Accursius hier angemerkt hat, erübrigte sich auch der Nachweis der Kaufpreiszahlung63 • Als befremdlich erscheint zunächst der Hinweis, daß sich der Besitzer auch gegen einen Käufer durchsetzen könne, der vom Eigentümer gekauft hat, denn 56 Zu dieser Fallkonstellation Burdese, Editto Publiciano e funzioni della compravendita romana, in: Vendita e transferimento della proprieta nella prospettiva storicocomparatistica, Atti dei Congresso Internazionale Pisa-Viareggio-Lucca 1990, S. 126 ff.; ausfilhrlich Apathy, Die actio Publiciana beim Doppelverkauf vom Nichteigentümer, SZRom 99 (1982), S. 175 ff.; Martinius, S. 22. 57 Coing, Zur Eigentumslehre des Bartolus, SZRom 70 (1953), S.364; Honsell / Mayer-Maly / Selb, S. 539 f. 58 Kaser, Römisches Privatrecht (Studienbuch) § 27 II1 (S. 129 f.); ders., Das Römische Privatrecht I, § 102 I; Burdese, S. 119 ff.; Apathy, Die publicianische Klage, S. 12. 59 Kaser, Römisches Privatrecht (Studienbuch) § 83 11 6 (S. 372 f.). 60 Feenstra, Der Eigentumsbegriff bei Hugo Grotius im Licht einiger mittelalterlicher und spätscholastischer Quellen, in: Festschrift tUr Wieacker (1978), S. 212; ders., Dominium and ius in re aliena, in: New Perspectives in the Roman Law ofProperty, Essays for Barry Nicholas, S. 113; ders., Action Publicienne et preuve de la propriete, pricipalement d'apres quelques romanistes du moyen age, in: Fata iuris romani, S. 134, jeweils mit dem Hinweis darauf, daß die mittelalterliche Terminologie nicht einheitlich sei; Coing, Zur Eigentumslehre des Bartolus, SZRom 70 (1953), S. 365 (zu Bartolus); Lange, Glossatoren, S. 107 f. 61 Kaser, Römisches Privatrecht (Studienbuch) § 27 JII (S. 130); Apathy, Publicianische Klage, S. 12 f., 17 f.; ein Beispiel gibt Wacke, Die verschuldete Eviktion, in: Festschrift tUr Niederländer, S. 164 bei Note 96. 62 Kaser, Römisches Privatrecht (Studienbuch) § 27 I 3 (S. 126); Feenstra, Action Publicienne, S. 126, 133, 137. 63 Auf die Entbehrlichkeit der Kaufpreiszahlung tUr die Erhebung der actio Publiciana weist bereits Azo, Ad singulos leges XII. liberorum Codicis iustinianei commentarius, Glosse recipere zu C. 3.32.15, S. 225, Rn. 3, hin. Dazu auch Feenstra, Reclame en revindicatie, S. 300.

I. Die Rechtsstellung des Erstkäufers im Hinblick auf die Kaufsache

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nach D. 19.1.31.2 i.f. 64 wird der Käufer, der vom Eigentümer erwirbt, dem vorgezogen, der vom Nichtberechtigten kauft65 . Accursius meint mit der Bevorzugung des Käufers vom Nichteigentümer nicht den Fall eines Doppelverkaufs von verschiedenen Verkäufern66 , sondern von einem zunächst nichtberechtigten Verkäufer, der vor dem zweiten Verkauf Eigentümer der Sache geworden ist. Das stellt er in der Glosse tuendus est zu D. 19.2.31.2 klar ("deinde postquam est factus dominus, alij vendat. vnde praefertur qui primo emit... ,,)67. Nur bei einer solchen Fallkonstellation68 soll sich die actio Publiciana des Käufers gegen die rei vindicatio des Verkäufers oder des Zweitkäufers durchsetzen können 69 . Entscheidend ist der Traditionsgrundsatz im Rahmen der actio Publiciana filr Accursius allerdings nur dann, wenn der Empflinger die Sache noch besitzt. Daß nämlich Accursius die actio Publiciana als eine possessorische Klage aufgefaßt hat, wie es D. 6.2.9.4 (Lf.)70 nahe legt, zeigt seine Glosse adprehendit zu D. 19.1.31.2: hoc quando contra extraneum. sed inter se potior est possessor. sic & quando duo ab eodem domino: vt C. de rei vind. I. quotiens. Sed contra ad id, quod hic dicitur: quia possessor videtur potior quando a diuersis non dominis emimus: vt supra de pub. I. siue autem. vers. vt si quidem. quae est contra. Sol. hic loquitur, cum iIIe possidet, 64 D. 19.1.31.2: Uterque nostrum eandem rem emit a non domino, cum emptio venditioque sine dolo malo fieret, traditaque est: sive ab eodem emimus sive ab alio atque alio, is ex nobis tuendus est, qui prior ius eius adprehendit, hoc est, cui primum tradita est. si alter ex nobis a domino emisset, is omnimodo tuendus est. 65 Es sei denn - wie Karolus de Tocco in der Glosse De his zu Lomb. 2.19.1 (S. 267) anmerkt - der Verkäufer hätte, beispielsweise als Prokurator, das Recht zur Veräußerung. 66 So aber versteht Wacke D.6.2.9.4, vgl. Wacke, Die verschuldete Eviktion, in: Festschrift für Niederländer, S. 166 f. 67 Accursius, Corpus iuris civilis iustinianei, Glosse tuendus est zu D. 19.1.31.2, Sp. 1808. 68 Da nach der Vorstellung des Accursius anscheinend nicht nur ein Kaufvertrag abgeschlossen worden ist, sondern die Sache auch mehrfach übergeben worden sein muß, dürfte es sich hier um ein Problem der Wertigkeit der verschiedenen Übergabeformen handeln. 69 Das ist allgemeine Ansicht unter den Glossatoren, vergleiche Lo codi, Tit. De rei vindicatione (II1, 26), § 14 (S. 59); Azo, Ad singulos leges XII. liberorum Codicis iustinianei commentarius, Glosse recipere zu C. 3.32.15, S. 225, Rn. 3; Karolus de Tocco, Leges longobardorum, Glosse De his zu Lomb. 2.19.1 (S. 267); Odofredus, In primam Codicis partem praelectiones zu C. 3.32.15, fol. 171 v, Rn. 4. - Für eine Erläuterung des römischen Rechts siehe Honsell / Mayer-Maly / Seih, S. 540; Burdese, S. 127 f.; Martinius, S. 23. 70 D. 6.2.9.4: Si duobus quis seperatim vendiderit bona fide ementibus, videamus, quis magis Publiciana uti possit, utrum is cui priori res tradita est an is qui tantum emit. et Iulianus Iibro septimo digestorum scripsit, ut, si quidem ab eodem non domino emerint, potior sit cui priori res tradita est, quod si a diversis non dominis, melior causa sit possidentis quam petentis. quae sententia vera est.

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2. Kapitel: Die Glossatoren cui primo tradita est res, vel forte cum neuter possideret. sed Pub!. contra extraneum experiuntur. si autem agerent inter se, semper possessor potior est: cum a duo bus diuersis non dominis bona tide emerint... 71 So hinsichtlich eines Außenstehenden. Aber untereinander setzt sich der Besitzer durch. So ist es auch, wenn zwei von demselben Eigentümer (kaufen), wie in C. 3.32.15. Das steht dem entgegen, was hier gesagt wird, weil der Besitzer anscheinend bevorzugt wird, wenn wir von verschiedenen Nichteigentümern kaufen, wie in D. 6.2.9 bei (den Worten) ut si quidem, was dagegen steht. Die Lösung: Hier ist davon die Rede, daß jener besitzt, dem die Sache zuerst übergeben wurde oder daß sie vielleicht keiner von beiden besitzt. Aber die actio Publiciana wird gegen einen Außenstehenden gerichtet. Wenn (die Käufer) aber untereinander streiten, setzt sich immer der Besitzer durch, wenn sie von zwei verschiedenen Nichteigentümern guten Glaubens gekauft haben, ...

Während nach D. 19.1.31.2 die frühere Übergabe entscheidet, kommt es nach 0.6.2.9.4 darauf an, wer besitzt72 • Accursius harmonisiert den Widerspruch, indem er in erster Linie auf den Besitz abstellt. Die frühere Übergabe soll rur die actia Publiciana nur ausnahmsweise entscheidend sein, wenn derjenige, der die Sache zuerst erhalten hat, sie (wieder) besitzt - also wenn Besitz und erste Übergabe sich ohnehin decken - , oder wenn keiner der Käufer die Sache mehr besitzt und sich daher mangels Besitzes der Prätendenten die Frage stellt, wem die Klage gegenüber dem besitzenden Dritten zustehe3 . Da Accursius die rei vindicatia und die actia Publiciana säuberlich trennt, dürfte die Allegation von C.3.32.15 in diesem Zusammenhang keine Verwechselung des Privilegs des Besitzenden in der actia Publiciana mit dem Traditionsprinzip darstellen. Vielmehr will Accursius nur zeigen, daß die Lage hier bei einem Streit mit einem Dritten nach der actia Publiciana im Ergebnis dieselbe ist, als ginge es um die Geltendmachung der rei vindicatia. Diese Darstellung der Bedeutung des Besitzes beziehungsweise der ersten Übergabe findet sich auch bei Karolus de TOCC0 74, AZ0 75 sowie bei Odofredus 76 •

71 Accursius, Corpus iuris civilis iustinianei, Glosse adprehendit zu D. 19.1.31.2, Sp.1808. 72 Zur modernen Kontroverse siehe Apathy, Die actio Publiciana, SZRom 99 (1982), S. 160 ff.; Burdese, S. 126 ff.; Wacke, Die verschuldete Eviktion, in: Festschrift rur Niederländer, S. 166 f. 73 Die Klage hat hier einen petitorischen Charakter, wohingegen Apathy, SZRom 99 (1982), S. 180; ders., Die publicianische Klage, S. 16, von einem possessorischen Schutz durch die actio Publiciana ausgeht. 74 Karolus de Tocco, Leges longobardorum, Glosse De his zu Lomb. 2.19.1 (S. 267): "ut agimus inter nos / aut contra extraneum: primo casu potior est qui possidet...secundo casu prior praefertur... " 75 Azo, Ad singulos leges XII. liberorum Codicis iustinianei commentarius, Glosse recipere zu C. 3.32.15, S. 225, Rn. 3: "si vero diuersis non dominis eadem res duobus

I. Die Rechtsstellung des Erstkäufers im Hinblick auf die Kaufsache

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In der Privilegierung des aktuellen Besitzers liegt zwar eine Einschränkung des Traditionsgrundsatzes, weil nicht darauf abgestellt wird, wem die Sache zuerst übergeben worden ist. Doch kommt dem beim Kauf vom Nichtberechtigten keine Bedeutung rur einen Eigentumserwerb zu. Die oben wiedergegebenen Glossen machen deutlich - gerade deshalb sind sie fiir die vorliegende Untersuchung von Interesse -, daß die Glossatoren streng zwischen Erwerb von Eigentum und lediglich publicianisch geschütztem Besitz unterscheiden. Eine Bedeutung des Regelungskomplexes der aclio Publiciana in bezug auf eine Eigentümerstellung hat sich erst im Laufe der Zeit dadurch ergeben, daß die actio Publiciana Vorbild rur gesetzliche Eigentumsvermutungen zugunsten des Besitzers geworden ist77 • Bei der actio Publiciana geht es nicht - wie in der hier zu untersuchenden Grundkonstellation eines Doppelverkaufs - um die sich aus der Forderung ergebenden Rechte des (Erst-)Käufers, die mit einem dinglichen Recht konkurrieren. Die actio Publiciana wird von den Glossatoren vielmehr als eine Regelung der Konkurrenz unter mehreren Besitzern verstanden. Lediglich die Ergebnisse beim Doppelverkauf vom Berechtigten wie auch vom Nichtberechtigten sind wegen des Traditionsgrundsatzes auf der einen Seite und dem Privileg des Besitzenden auf der anderen oftmals dieselben. Das Verständnis der Glossatoren von der actio Publiciana erlaubt es demnach, auf diese Fallgestaltung, die überwiegend einen fremden Themenkreis berührt, im Folgenden nicht weiter einzugehen, obwohl sich die Glossatoren wie später auch die Kommentatoren oft zur gemeinsamen Erörterung bei der Fälle veranIaßt gesehen haben.

bb) Exkurs: Langobardisches Recht Eine scheinbare Einschränkung erflihrt der Traditionsgrundsatz rur den Doppelverkauf im langobardischen Recht. In der sogenannten Lombarda (Kurzform von lex Longobarda)78 wurde dem römischen Recht die Stellung einer lex omnium generalis eingeräumt rur den vendatur, & isti contra tertium experiantur, potior est is cui prius tradita res est...Sed inter se potior est possessor. .. " 760dofredus, In primam Codicis partem praelectiones zu C. 3.32.15, fol. 171 v, Rn. 5: "Si plures qui emerunt a diuersis non dominis eandem rem ad inuicem litigant, potior & melior est condicio posidentis ... si autem contra tertium litigant melior est conditio illius cui prima tradita est.." 77 Feenstra, Action Publicienne, S. 120. Das ist fiir § 1004 BGB allerdings umstritten, vergleiche Kiefner, Qui possidet dominus esse praesumitur, SZRom 79 (1962), S. 294 (mit Nachweisen zu Befiirwortem einer gennanistischen Herkunft), und Feenstra, a.a.O. 78 Zur Geschichte und Bedeutung des langobardischen Rechts Weimar, in: Handbuch der Quellen und Literatur I, S. 165; Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit,

60

2. Kapitel: Die Glossatoren

Fall, daß eine Regelung im langobardischen Recht fehlte 79 • Das Personalitätsprinzip, aufgrund dessen das römische Recht als Recht der eingesessenen italienischen Bevölkerung fortgalt 80, ilirderte sicherlich die römischrechtliche Beeinflussung des langobardischen Rechts. Die Lombarda, in der das bereits romanisierte langobardische Recht eine systematische Form erhielt81 , war möglicherweise ebenfalls Gegenstand des Rechtsunterrichts in Bologna82 , mit der Folge, daß sie schließlich in einigen Teilen Italiens den Quellen des ius commune zugerechnet wurde 83 • Die im folgenden besprochene Stelle wird im weiteren Verlauf der Untersuchung noch von Bedeutung sein84 • Daher soll die Lombarda mit in die Betrachtung einbezogen werden: De his qui proprietates suas habent et spontanea voluntate alicui delegant, et postea fraudulenter ab alio aliquo ignoranti pretium de eisdem rebus venundantes suscipiunt, et is cui eaedem res prius traditae fuerint cognito negotio anno integro silens non contradixerit, sed propter iIIusionem tacens, ut emptorem iIIudere possit, si infra patriam anni spatium, ut dictum est, fuerit, prior traditio nichil ei valeat. lIIe vero qui post primam traditionem res vendiderit, si vivens comprobatus fuerit hanc iIIusionem fecisse, bannum dominicum componat, id est 60 solidos, si vero bannum unde componat non habuerit, verberetur. 85 Von denen, die eigene Sachen aufgrund eines freiwilligen Entschlusses einem anderen versprechen und später von einem weiteren, der von jenem anderen nichts wußte, den Preis rur dieselben Sachen, die er verkauft, annehmen, und (dem ersten Käufer), dem diese Sachen zuerst übergeben wurden und der ein ganzes Jahr schwieg und nicht widersprach, obwohl er den Handel (mit dem zweiten Käufer) kannte, aber wegen der Vorstellung schwieg, daß er den Käufer täuschen könnte, (handelt diese Vorschrift). Wenn (der erste Käufer) innerhalb des Landes ein Jahr lang, wie bereits ge-

s. 41;

Stein, Regulae Iuris, S. 127 f.; G. Dilcher, in: HRG 11, s.v. Langobardisches Recht, Sp. 1614; Astuti, S. 10 ff.; Lange, Glossatoren, S. 24 f., 90 ff., 308 f. 79 Vaccari, Diritto longobardo e letteratura longobaristica intomo al diritto romano, IRMAE I 4b ee, S. 7; Kuttner, The Revival of Jurisprudence, S. 302; G. Dilcher, in: HRG 11, s.v. Langobardisches Recht, Sp. 1616; Brunner, Deutsche Rechtsgeschichte, S. 563; Siems, S. 155; Stein, Regulae Iuris, S. 128. 80 Otte, Die Rechtswissenschaft, S. 129. 81 Genzmer, Iustinianische Kodifikation, S. 376 f. 82 G. Dilcher, in: HRG 11, s.v. Langobardisches Recht, Sp. 1607, 1617; Astuti, S. 26; Kuttner, The Revival of Jurisprudence, S. 306; Brunner, S. 563; Genzmer, Iustinianische Kodifikation, S.389. Weimar, in: Handbuch der Quellen und Literatur I, S. 165 und Lange, Glossatoren, S. 91 f., geben Nachweise zu den kontroversen Auffassungen. 83 Horn, Die legistische Literatur der Kommentatoren und die Ausbreitung des gelehrten Rechts, in: Handbuch der Quellen und Literatur I, S. 358; G. Di/cher, in: HRG 11, s.v. Langobardisches Recht, Sp. 1617; Genzmer, Iustinianische Kodifikation, S. 389; Koschaker, S. 59. 84 Vergleiche unten S. 193. 85 Lombarda, Cap. Lotharii, c. 31 = Lomb. 2.19.1, abgedruckt bei Padelletti, Fontes iuris italici medii aevi I, S. 407. Weitere Ausgaben bei v. Brünneck, Ueber den Ursprung des sogenannten jus ad rem, S. 20 f.; Astuti, S. 267-269 (mit der Glosse des Karolus de Tocco).

I. Die Rechtsstellung des Erstkäufers im Hinblick auf die Kaufsache

61

sagt, schwieg, ist ihm die erste Übergabe nichts wert. Jener aber, der nach der ersten Übergabe die Sachen verkaufte, falls rechtsgültig bewiesen ist, daß er diese Täuschung beging, muß die königliche Strafe zahlen, das heißt 60 solidos. Wenn er aber das Strafgeld nicht hätte, würde er ausgepeitscht.

In dem hier geschilderten Fall soll sich der (erste) Käufer nicht auf die zuerst an ihn erfolgte traditio berufen können. Daß bei diesem "unechten Doppelverkauf' mehrere Traditionen erfolgt sind, ergibt sich aus den angefilgten Prozeßformeln, in denen von einer besonderen Form der traditio (per cartam) die Rede ist, nach der eine weitere Übertragung nicht möglich sein soll: "Petre, te appellat Martinus, quod tu tenes sibi malo ordine terram in tali loco. - Ipsa terra mea propria est per cartam quam michi fecit Marcoardus, et quid tibi pertinet? Per cartam quam michi fecit ipse Marcoardus. - Contra legern est, quia, postquam fecit michi unam traditionern, non potuit tibi facere aliam ... ,,86. Lothar scheint hier einen Fall vor Augen gehabt zu haben, in dem der zu einer Geldstrafe87 zu verurteilende Verkäufer gemeinsame Sache mit dem ersten Käufer gegen den zweiten Käufer gemacht hat, wohl in der Erwartung, der Erste könne die ihm nicht körperlich übergebene Sache als Eigentümer bei dem Zweiten evinzieren. Wenn nun der erste Käufer trotz der Kenntnis von dem zweiten Verkauf ein Jahr lang schweigt, verliert er sein durch die frühere traditio per cartam erworbenes Eigentum an den zweiten Käufer. Wie bei der Ersitzung von beweglichen Sachen im römischen Recht88 wird der ungestörte Eigenbesitz während eines Jahres vorausgesetzt. Eine nicht körperliche Übergabe wird bei der Konkurrenz verschiedener Übergabeformen zunächst einmal wenn es nämlich nicht mehr zu einer Ersitzung durch den zweiten Käufer kommt - als gleichwertig neben die reale Übergabe gestellt. Daher entscheidet auch hier, entgegen dem ersten Eindruck, entsprechend dem Traditionsgrundsatz die Priorität der Traditionen. Das Kapitular und die Erörterung des Doppelverkaufs durch Karolus de Tocco an dieser Stelle zeigen, daß die Grenzen zum Erwerb durch Nichtberechtigte fließend waren. Das galt gleichermaßen filr das römische Recht, was ein weiterer Grund filr die vorliegende kurze Darstellung ist. Durch eine Anerkennung von traditio-Formen, die eine körperliche Übergabe der Kaufsache ("corpore et tactu necesse adprehendere possessionem" [D. 41.2.1.21], sogenannte traditio vera) entbehrlich machten, wurde das Traditionsprinzip aufge86 Abgedruckt bei Pade/letti, Fontes iuris italici medii aevi I, S. 407. - Zu den Prozeßformeln des langobardischen Rechts allgemein siehe G. Dilcher, in: HRG 11, s.v. Langobardisches Recht, Sp. 1616; Vaccari, Diritto longobardo e letteratura longobardistica intomo al diritto romano, IRMAE I 4b ee, S. 14 f. 87 Zu ähnlichen Strafen in einem italienischen Statut siehe v. Brünneck, S. 97 f. 88 Dazu Kaser, Römisches Privatrecht (Studienbuch), § 25 11 (S. 119 f.); Hinz, S. 19; Huwiler, S. 78 f.; Sö/lner, Der Erwerb vom Nichtberechtigten in romanistischer Sicht, S. 370 ff.

62

2. Kapitel: Die Glossatoren

weicht. Diese Übergabesurrogate waren im langobardischen Recht verbreitet89, wie es auch das oben wiedergegebene Kapitular und insbesondere die dazu erstellten Prozeßformeln verdeutlichen. Die Angleichung beider Rechte erfolgte von entgegengesetzten Ausgangspunkten her. Während das langobardische Recht schon immer symbolische Übergaben kannte, wurde nach römischem Recht erst allmählich eine zunehmende Zahl von Übergabesurrogaten anerkannt90 . Bereits im nachklassischen römischen Recht wurde die Übergabe einer die Traditionserklärung enthaltenden Urkunde als ausreichend angesehen (traditio per cartam, traditio fictal l ; möglicherweise war gerade ein solcher Vorgang (entgegen den Vorstellungen der mittelalterlichen Juristen) der Hintergrund rur C. 3.32.15 gewesen. Für die Vereinbarung eines seit Tiraquellus sogenannten constitutum possessorium (der rur diese Bezeichnung wiederum auf Azo zurückgrift)92, wurden schon in den Exceptiones Petri verschiedene Rechtsverhältnisse aufgezählt, deren Vereinbarung eine Übergabe ersetzen sollte93 , obwohl an gleicher Stelle auch das Postulat der körperlichen Übergabe aufgestellt wurde 94 • Die Vereinbarung eines Besitzkonstituts war formlos möglich95 und gewann bei den Glossatoren und Kommentatoren zunehmend an Bedeutung96 • Die Ersatzformen der körperlichen Übergabe wurden jedoch nicht als traditio solo animo betrachtet97 • Sie galten vornehmlich rur Immobilien, wohingegen rur bewegliche Sachen weitgehend am Erfordernis der körperlichen Übergabe festgehalten worden sein 89 Meijers, Jus ad rem, S. 180 f.; Paradisi, Oiritto canonico e tendenze di scuola nei glossatori da Irnerio ad Accursio, in: Studi sul medioevo giuridico 11, S. 590 f. 90 Meijers, Jus ad rem, S. 180 ff. - Zu den symbolischen Übergaben im fränkischen Recht siehe H-J. Becker, s.v. Investitur, in: HRG 11, Sp. 403 ff. 91 Wacke, Besitzkonstitut, S. 17; Zur Schlüsselübergabe als Traditionsersatz nach einem westfränkischen Formular siehe Siems, S. 414 ff. 92 Gordon, S. 106; Biermann, Traditio ficta, S. 51 f.; Ourliac / Malafosse, S.267; Wacke, Besitzkonstitut, S. 18 f. 93 Petrus, Exceptiones legum Romanorum, Liber 2, Caput 13 (Oe Venditione propriae Rei), S. 355: "Pro traditione etiam rei habetur, quocunque modo res vendita remaneat apud venditorem nomine emtoris, sive nomine depositi, sive commodati, sive conductionis jure; vel etiam, si venditor usumfructum retinuerit, pro traditione habetur". Als traditio wird es auch angesehen, wenn die verkaufte Sache im Namen des Käufers beim Verkäufer bleibt, sei es nach den Regeln der depositio, des commodatum oder der conductio. Es wird auch als traditio anerkannt, wenn der Verkäufer den ususfructus behält. 94 Vergleiche oben S. 51. - Zum Traditionsprinzip in den Exceptiones Petri siehe Fuchs, S. 29 f. 95 Gordon, S. 112; Biermann, S. 53; Ourliac / Malafosse, S. 267. 96 Wacke, Besitzkonstitut, S. 18-20; Biermann, S. 62 f. 97 Gordon, S. 102; Biermann, S. 78 ff.; Schrage, Vendita, S. 362 (zu den Kommentatoren), mit einer Autlistung der gebräuchlichen Termini für die verschiedenen Übergabeformen. Zu den bei den Glossatoren anerkannten Arten des unkörperlichen Besitzerwerbs siehe Biermann, S. 40 ff.

I. Die Rechtsstellung des Erstkäufers im Hinblick auf die Kaufsache

63

so1l98. Mit der Konkurrenz von traditio jieta an den Erstkäufer und der traditio vera an den Zweitkäufer haben sich erst die Kommentatoren eingehend auseinandergesetzt99 • Als Fazit rur diesen Abschnitt läßt sich feststellen, daß das Doppelverkaufsproblem von den Glossatoren auf der Grundlage des Traditionsprinzips gelöst wurde. Das gilt auch rur das langobardische Recht, in dem das Problem der Abgrenzung von Doppelverkauf und Erwerb vom Nichtberechtigten wegen der Zulassung verschiedener Übergabeformen deutlich wurde. Eine Ausnahme vom Traditionsprinzip und von C. 3.32.15 machte - bei allen - entsprechend den gesetzlichen Vorgaben nur der Verkauf an eine Kirche.

e) Der Streit um den präzisen Erfüllungszwang und seine Bedeutung

für den Doppe/verkauf

Hier ging es um die äußerst praxisrelevante Frage, ob der Verkäufer gezwungen werden konnte, dem Käufer die Kaufsache zu übergeben, oder ob er sich durch die Leistung des Interesses befreien konnte 100. Bereits im Corpus iuris civilis wurde nicht mehr voll an dem Prinzip des klassischen Formularprozesses festgehalten, daß jede obligatio mit der eondemnatio auf eine Geldleistung umzustellen ist lOl •

98 Carey Miller, Transfer of Ownership, in: Das römisch-holländische Recht - Fortschritte des Zivilrechts im 17. und 18. Jahrhundert, S. 528; Gordon, S. 101. 99 Biermann, S. 89. Vergleiche unten S. 144 ff. 100 Die Praxisrelevanz unterstreicht Nehlsen-v. Stryk, Die Grenzen des Rechtszwangs: Zur Geschichte der Naturalvollstreckung, AcP 193 (1993), S. 540, durch den Hinweis darauf, daß selbst die sonst sehr fragmentarischen deutschen mittelalterlichen Quellen Regelungen dazu enthielten. 101 Nehlsen-v. Stryk, AcP 193 (1993), S.538-540; Zimmermann, Das römischholländische Recht und seine Bedeutung rur Europa, JZ 1990, S. 830; ders., The Law of Obligations, S. 771 ff.; H. Dilcher, Geldkondemnation und Sachkondemnation, SZRom 78 (1961), S. 278; Repgen, S. 47 ff. - Nach der aus dem 5. Jahrhundert stammenden interpretatio der Paulussentenzen wird indes der Verkäufer, der den Kaufpreis entgegengenommen hat, zur Übergabe gezwungen: "Si eam rem, quam aliquis accepto pretio facta venditione distraxerit, tradere distulit, ad traditionem rei, quam vendidit, omnibus modis compellendus est." (Paulussentenzen I, 13,4, Interpretatio, in: Lex Romana Visigothorum, S. 348). - Zur Textentwicklung von den Paulussentenzen, in denen von einem generellen Erfiillungszwang beim Kauf die Rede ist, hin zu dieser Interpretatio siehe Siems, S. 242. Zur Interpretatio der Paulussentenzen allgemein, siehe Levy, Vulgarization of Roman Law in the Early Middle Ages, as illustrated by successive versions of Pauli Sententiae, in: Gesammelte Schriften I, S. 231 ff.; ders., Besprechungen, a.a.O., S. 143.

64

2. Kapitel: Die Glossatoren

Nach dem, was von der Kontroverse bei den Glossatoren in den Sammlungen der dissens iones dominorum der Anonymi vetus co/lectio J02 beziehungsweise der des Hugolinus de Presbyteris lO3 überliefert ist, beftlrwortete Martinus J04 entgegen allen übrigen Rechtslehrem vor allem aus Billigkeitsgründen den präzisen Erftlllungszwang beim Kauf'°s. Dabei hat Martinus anscheinend auch D. 18.4.21 in seine Argumentation einbezogen: "Legitur alias D. de Hered. vel act. vend. (18, 4.) L. Venditor (21.), utique rem esse praestandam"J06. Diesen den Doppelverkaufbetreffenden Text soll Martinus nach Angabe des Hugolinus also entnommen haben, daß die Sache zu leisten sei. Martinus dürfte sich dabei vor allem auf die Passage von D. 18.4.21 bezogen haben, in der es heißt: "Tibi enim rem debebam, non actionern" . Die Anhängerschar des Martinus in dieser Frage blieb klein lO7 • Die herrschende Meinung sprach sich im Anschluß an Bulgarus 108 gegen einen präzisen Erfiillungszwang beim Kauf aus lO9 , was die unmittelbare Auswirkung auf die Rechtsstellung des (Erst-) Käufers hatte, daß ihm noch nicht einmal gegenüber seinem Vertragspartner ein durchsetzbares Zugriffsrecht auf die Sache zustand. Das wird beispielsweise in Lo codi deutlich: Si iIIe qui uendidit rem non uult eam dare emptori, emptor poterit tantum ei petere quantum proficuum emptor haberet si rem habuisset. et uenditor poterit rem uendere cuicumque sibi placuerit, si primus emptor non fuerit missus in possesione. set si primus emptor fuerit missus in possesione, ipse est dominus rei, si iIIe qui uendidit erat dominus, ... I 10

102 Vetus collectio, § 60, S. 46 ff. - Zu dieser um 1150 entstandenen Sammlung, siehe Weimar, in: Handbuch der Quellen und Literatur I, S. 244; Lange, Glossatoren, S. 147. 103 Hugolinus, § 409, S. 528 ff. - Einzelheiten zu dieser zu Beginn des 13. Jahrhunderts entstandenen umfangreichen Dissensionensammlung bei Weimar, in: Handbuch der Quellen und Literatur I, S. 245; Lange, Glossatoren, S. 148 f. 104 Zu Lebensgeschichte und Bedeutung des Martinus siehe Lange, Glossatoren, S. 170 ff. 105 Repgen, S. 53 ff.; Lange, Glossatoren, S. 173. - Paradisi, in: Studi sul medioevo giuridico H, S. 590 f., sieht hier einen Einfluß der Vulgarrechte, Nehlsen-v. Stryk, AcP 193 (1993), S. 544, den der kanonistischen Vertragslehre. 106 Hugolinus, § 409, S. 529. 107 Repgen, S. 65 ff - Vergleiche etwa Hugolinus, § 409, S.528: "Dissentit M. ab omnibus Aliis,... ". 108 Zu Leben und Bedeutung des Bulgarus siehe Lange, Glossatoren, S. 162 ff. 109 Für Einzelheiten zum Verlauf der Diskussion bei den Glossatoren siehe Nehlsenv. Stryk, AcP 193 (1993), S. 540 f.; H. Dilcher, Geldkondemnation und Sachkondemnation, SZRom 78 (1961), S. 287, 291; Repgen, S. 65 ff.; Paradisi, in: Studi sul medioevo giuridico H, S. 590 ff.; Sintenis, zep 11 (1838), S. 22. - Zum präzisen Erfiillungszwang im späteren gemeinen Recht siehe Zimmermann, Das römisch-holländische Recht, JZ 1990, S. 830 f.; ders., The Law ofObligations, S. 773 f. 110 Lo codi, Tit. De empcione et uenditione (IV, 58), § 4 (S. 123).

I. Oie Rechtsstellung des Erstkäufers im Hinblick auf die Kaufsache

65

Wenn jener, der die Sache verkaufte, sie dem Käufer nicht geben will, kann der Käufer von ihm nur soviel verlangen, wie (sein) Vorteil (betrüge), wenn er die Sache besäße. Und der Verkäufer wird die Sache verkaufen können, wem er wollte, wenn der erste Käufer noch nicht in den Besitz gesetzt wurde. Und wenn der erste Käufer in Besitz gesetzt wurde, ist er selbst Eigentümer der Sache, wenn jener, der verkaufte, Eigentümer war.

Es zeigt sich hier wie auch an einer anderen Stelle l1 \ daß der Verkäufer nach Lo codi auf das Interesse haftet ll2 . Der Käufer soll durch den Schadensersatzanspruch wirtschaftlich so gestellt werden, als hätte er die Kaufsache erhalten. Diese Grundsätze gehen auch aus den Exceptiones Petri hervor und sollen hiernach gleichermaßen tUr den Käufer wie tUr den Verkäufer gelten 113. Der Anspruch des Käufers geht damit auf das heute sogenannte positive Interesse, ein Terminus, der der mittelalterlichen Rechtstheorie allerdings noch unbekannt war l14 • An anderer Stelle in Lo codi sowie in den Exceptiones Petri wird der Anspruch auf das Doppelte des gezahlten Kaufpreises beschränkt: "interesse debet intelligi in hoc casu quantum res esset cara emptori, si tarnen non sit ultra bis tantum quantum precium fuit quod fuit datum" I 15. Die Beschränkung hat ihre Grundlage in C. 7.47.1, wonach das Interesse bei Klagen auf ein certum auf das duplum beschränkt ise l6 • Während die frühen Glossatoren - wie etwa hier Lo codi - den gezahlten Preis als Berechnungsgrundlage tUr das duplum annehmen, wird später das interesse commune, das dem Sachwert entspricht ll7 , oder der jeweils höhere der bei den Werte als maßgeblich angesehen 118 • Die Folgen der Geldkondemnation werden klar herausgestellt, ohne daß eine Überprüfung des Ergebnisses auf seine Billigkeit hin erfolgt: Der Doppelverkauf ist zulässig und kann von dem Erstkäufer nicht verhindert werden, sofern diesem die Sache noch nicht übergeben worden ist.

111 So auch Lo codi, Tit. Oe dimandamento quod erit de uenditione et empcione (IV, 62), § 2 (S. 128). 112 Zur Frage des Erfüllungszwanges in Lo codi vgl. Repgen, S. 76 f. 1I3 Petrus, Exceptiones legum Romanorum, Liber 2, Caput 13 (Oe Venditione propriae Rei), S. 355 f.: "sed prior emtor petet interesse propter fidem ruptam a venditore: in quo interesse computabitur, et damnum, quod passus est, et lucrum quod posset fecisse, si esset ei res tradita. Similiter et emtor non cogitur ajure solvere pretium; sed si non solverit, habebit necesse interesse praestare, quod etiam ad damnum et lucrum computabitur". 114 Medicus, Id quod interest, S. 313. 115 Lo codi, Tit. Oe dimandamento quod erit de uenditione et empcione (IV, 62), § 2 (S. 128); Petrus, Exceptiones legum Romanorum, Liber 2, Caput 13 (Oe Venditione propriae Rei), S. 355: "Lucrum tamen non computabitur ultra duplum pretii rei". 116 H. Dilcher, Leistungsstörungen, S. 124 (zum duplum nach justinianischem Recht). Zu dieser Konstitution siehe Sossna, S. 15 ff. 117 Lange, Schadensersatz, S. 23; Medicus, Id quod interest, S. 342. 118 H. Dilcher, Leistungsstörungen, S. 130 f., 141.

5 SeIl.·Geusen

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2. Kapitel: Die Glossatoren

Auch von Odofredus wird ein präziser Erftlllungszwang m seiner Glosse venditor ex hereditate zu D. 18.4.21 abgelehnt: vnde teneris rem tradere vel interesse prestare: vt infra de ver. oblig. I. si ex legati causa. et saltim veniet in interesse precium quod solui. lI9 Und deshalb bist du verpflichtet, die Sache zu übergeben oder das Interesse zu leisten, D. 45.1.23. Und zumindest flUlt der Preis, den ich bezahlt habe, unter das Interesse.

Der hier wiedergegebene Text stellt nur einen kleinen Ausschnitt aus der Erläuterung des Odofredus zu D. 18.4.21 dar. Einzelheiten, insbesondere die Frage nach der Herausgabe eines Zweitverkaufserlöses, sollen erst später im Gesamtzusammenhang dargestellt und erläutert werden I2O • An dieser Stelle genügt die Feststellung, daß sich der Verkäufer gegenüber dem Erstkäufer auch nach Odofredus' Ansicht durch die Leistung des Interesses befreien kann 121. Wie die Wortwahl zeigt, sieht Odofredus eine Wahl schuld als gegeben an und behandelt die Interesseleistung nicht lediglich als Inhalt des Klageanspruchs. Das Interesse soll weitgehend den vom Erstkäufer gezahlten Preis umfassen und gegebenenfalls darüber hinaus gehen. Eine obere Grenze wird hier nicht angegeben. Wie später noch zu zeigen sein wird, ist der Zweitverkaufserlös nicht von dem Schadensersatzanspruch umfaßt. Die Rechte des Erstkäufers und das Problem des präzisen Erftlllungszwangs erörtert Accursius im Zusammenhang mit dem Lehnsrecht 122 • Bei der Investitur stellt sich ein dem Kaufrecht ähnliches Problem, weil der Investitur noch die Besitzübertragung folgen mußte 123 • In der Glosse Dominum possessionem feudi zu Libri Feudorum (L.F.) 2.26.15 behandelt Accursius die Frage, ob der Lehnsherr nach erfolgter Investitur zur Besitzübergabe verpflichtet ist oder sich durch Interesseleistung befreien kann. Nach der Feststellung, daß der Lehnsherr nur bei der eigentlichen Investitur (investitura propria) 124 zur Übergabe verpflichtet 1I90dofredus, Super digesto veteri Commentaria, ohne Paginierung. Zu dieser Ausgabe Weimar, in: Handbuch der Quellen und Literatur I, S. 176. 120 Siehe unten S. 96 ff. 121 Für weitere Stellungnahmen des Odofredus in dieser Frage siehe Repgen, S. 117 ff. 122 Bei der accursischen Bearbeitung des Lehnsrechts handelt es sich möglicherweise um eine nur geringfügig überarbeitete Fassung der Erläuterungen des Jacobus Columbi, dazu siehe Weimar, in: Handbuch der Quellen und Literatur I, S. 187; Lange, Glossatoren, S. 348, 88; Savigny, Geschichte V, S. 94 ff. 123 So nach der Jacobus de Ravanis zugeschriebenen summa de feudis. Dazu und zu den Voraussetzungen der Investitur, siehe Landau, Jus ad rem, S. 99 ff. (mit Nachweisen); Dubischar, Doppelverkauf, JuS 1970, S. 10 Note 41. - Ursprünglich war das Schutzverhältnis nicht zwangsläufig mit Landvergabe verbunden (Berman, S. 477 f.). 124 Diese Investitur mit Besitzeinweisung soll so aufgefaßt worden sein, daß sie unmittelbar das ius in re verschaffte, siehe Hofmann, Titulus, S. 28; Ogris, in: HRG 11, S.V. Jus ad rem, Sp. 490; V. Brünneck, S. 44.

I. Die Rechtsstellung des Erstkäufers im Hinblick auf die Kaufsache

67

sei 125 , erörtert Accursius die investitura verhaUs, die - wie Accursius in einem hier nicht wiedergegebenen Teil dieser Glosse anmerkt - durch die Überreichung eines Symbols vol1zogen wurde l26 . Weiter heißt es: Sed quid si alium postea quam istum inuestiuerat, & ei possessionem tradidit antequam isti: nunquid tunc liberabitur soluendo interesse? & quare non si cut, si vendisset duobus, vt tunc habeo locum, si res vendita non traditur, &c. vt tf. de actio empt. & vendi. I. j. 127 Aber was ist, wenn er später einen anderen als diesen investiert hatte und ihm vor diesem den Besitz übergab: Ob er dann durch Interesseleistung befreit würde? Und warum nicht, so als ob er zweimal verkauft hätte, dann habe ich die gleiche Stellung, wie wenn die verkaufte Sache nicht tradiert wird etc., wie in D. 19.1.1.

Accursius vergleicht hier die Stel1ung des zuerst Investierten mit der des Erstkäufers. Beiden gegenüber sol1 sich der Versprechende durch Interesseleistung befreien können, da er nicht gezwungen sein sol1, präzis zu errul1en. Das der investitura verhaUs mit lediglich symbolischer Übergabe entspringende Recht wird als ein einfaches Forderungsrecht begriffen, das nicht mit der Möglichkeit der Realexekution ausgestattet ist 128 • Da der Verkäufer ebensowenig wie der Belehner präzise gezwungen werden kann, kommt es nicht darauf an, ob er die Sache ein weiteres Mal verkauft hat, oder ob er sie lediglich dem Käufer nicht tradieren will. Jedenfal1s muß der Verkäufer Schadensersatz nach der actio empti leisten. Vom Umfang des Schadensersatzanspruchs, insbesondere von einer Herausgabe des Zweitverkaufserlöses als Bestandteil des Schadensersatzanspruchs, ist hier nicht die Rede. Aus dieser Glosse läßt sich auch eine Einsicht rur die Diskussion um die Herkunft des vermeintlichen "ius ad rem" gewinnen: In der Glosse fehlt nicht nur der Terminus "ius ad rem,,129. Vielmehr ist ein "ius ad rem" im Sinne eines Rechts mit einem "dinglichen Charakter", weil es etwa den Zugriff auf die Sa-

125 Accursius, Feudorum Iibri duo, Glosse Dominum possessionem feudi zu L.F. 2.26.15, Sp. 73: "si de propria inuestitura loqueretur nulla esset dubitatio ad quid enim tenetur dominus tradere possessionem". 126 Dazu auch Biermann, S. 61. 127 Accursius, Feudorum Iibri duo, Glosse Dominum possessionem feudi zu L.F. 2.26.15, Sp. 73. Zu dieser Glosse sowie weiteren Glossen zur Frage des präzisen Erfüllungszwanges vergleiche Repgen, S. 89-114, insbes. S. 99. 128 Das scheint die allgemeine Lehre gewesen zu sein, vergleiche Ogris, in: HRG 11, s.v. Jus ad rem, Sp. 490; v. Brünneck, S. 44. 129 Landsberg, S. 88 f.; Landau, lus ad rem. S. 10 1; Wesener, Dingliche und persönliche Sachenrechte, S. 197 - alle gegen Meijers, lus ad rem, S. 177, der zur Unterstützung seiner Gegenthese eine Glosse anführt, in der von einem "agere ad rem" mit dem Ziel der Besitzerlangung die Rede ist. - Zur Diskussion um das ius ad rem siehe S. 189.

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2. Kapitel: Die Glossatoren

che gegen den Dritten ennöglicht, auch der Sache nach - im Lehnsrecht wie auch im Kaufrecht - unbekannt 130 • Geht man dem Hinweis auf D. 19.1.1 pr. \31 nach, so zeigt sich in der Glosse zum Wort agitur J32 ein weniger eindeutiges Bild in der Kondemnationsfrage. Accursius erörtert dort das Für und Wider anhand etlicher Allegationen und scheint beide Ansichten, insbesondere auch die des Martinus "ut aequiorem", gelten lassen zu wollen. Demnach scheint Accursius auch ein Zugriffsrecht des (ersten wie auch des zweiten) Käufers auf die Sache gegenüber dem Verkäufer filr möglich zu halten, wenn man die Argumentation von Martinus zugrundelegt. Gleichwohl wird diese Glosse nicht als Beleg dafilr angesehen, daß Accursius sich Martinus angeschlossen habe 133 • Diese Glosse und auch der Vergleich zur ebenfalls den Doppelverkauf erwähnenden Glosse Dominum possessionem feudi zu L.F. 2.26.15 134 , wo Accursius wie selbstverständlich von der Geldkondemnation ausgeht, zeigt, daß Accursius schwankt lJS . In der zweiten Bearbeitung seiner Institutionenglosse, die wahrscheinlich der Bearbeitung des Digestum vetus folgte 136, hat sich Accursius filr den Kauf der Lehre des Martinus und seiner Anhänger angeschlossen I37• Selbst unter Zugrundelegung der Lehre des Martinus bleibt filr den Doppelverkauf unklar, ob der Inhaber des älteren Forderungsrechts gewinnt, oder derjenige, der zuerst klagt. Folgendes ist damit festzuhalten: Ein Zugriffsrecht des (ersten) Käufers auf die sich beim Verkäufer befindende Kaufsache bestand nach herrschender Meinung unter den Glossatoren nicht. Hier - wie schon bei den Ausfilhrungen zum

130 Ein ius ad rem in der Glosse verneinen auch Dubischar (Schulsystematische Zweiteilung, S. 39), Landsberg (S. 88 f.) und Landau (lus ad rem, S. 101) gegen Meijers, Jus ad rem, S. 177. 131 D. 19.1.1 pr.: Si res vendita non tradatur, in id quod interest agitur, hoc est quod rem habere interest emptoris: hoc autem interdum pretium egreditur, si pluris interest, quam res valet vel empta est. 132 Accursius, Corpus iuris civilis iustinianei, Glosse agitur zu D. 19.1.1 pr., Sp. 1777: "Quid autem si praecise velit habere rem, an potest? Dicit M. quod sic ... & pro eo est...2. Bul. autem, & loan. & Azo, & Hu. dicunt eum Iiberari semper praestando interesse, etiam sic haberet rem: & pro se habet... Si velis primam opinionem vt aequiorem sequi..." - Zu dieser Glosse ausführlich Repgen, S. 98 f. 133 H. Dilcher, Geldkondemnation und Sachkondemnation, SZRom 78 (1961), S. 288; ausführlich Repgen, S. 97 ff. 134 Vergleiche oben S. 67. 135 Nehlsen-v. Stryk, AcP 193 (1993), S. 543. 136 Weimar, in: Handbuch der Quellen und Literatur I, S. 174. - Zum Problem der Überarbeitungen von Teilen der Glosse durch Accursius siehe Schrage, Utrumque lus, S. 43; Lange, Glossatoren, S. 353 ff. 137 H. Dilcher, Geldkondemnation und Sachkondemnation, SZRorn 78 (1961), S. 287, 290. - Zur Frage nach einer späten Abkehr vom Grundsatz des non praecise cogi siehe Repgen, S. 107 ff.

I. Die Rechtsstellung des Erstkäufers im Hinblick auf die Kaufsache

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Traditionsprinzip - diente der Doppelverkauf den beiden Auffassungen zur Kondernnationsfonn lediglich der Veranschaulichung wichtiger Prinzipien.

2. Zur Frage nach der Abweichung vom Traditionsprinzip im Hinblick auf D. 48.10.21 Aus dem bisherigen ergibt sich, daß die Glossatoren den Doppelverkaufsfall als geeignetes Beispiel rur die Illustration wichtiger Grundsätze ansahen, weil sich daran sehr kraß der Unterschied zwischen dem durch Übergabe erworbenen dinglichen Recht des Zweitkäufers und dem lediglich obligatorischen Recht des Erstkäufers zeigt. Doch stellt sich die Frage, wie das auf der Grundlage des Traditionsprinzips gefundene Ergebnis von den Glossatoren im Hinblick auf D. 48.10.21 gesehen wurde.

a)Azo Die anscheinend älteste überlieferte Äußerung zum Verhältnis zwischen stammt von Azo:

c. 3.32.15 und D. 48.10.21

Assignatur contra .ff. ad leg. Cor. de Fal. qui duobus. quia per I. iIIam qui duobus in solidum vendidit, poena falsi coercetur. sed hic dicit quod vendidit primo & secundo: & ita tenet iure. nec intellige iure id est, quod commendata sit secunda venditio, cum videatur decipere primum: quia qui duobus obligat, tenetur de crimine stellionatus. qui duobus vendidit, crimine falsi, & ita per I. iIIam punitur. sed non tenet contractus in vtroque, vt hic: quia & rem alienam vendere possum: vt notatur supra eodem, mater. 138 Dagegen wird verwiesen aufD. 48.10.21, weil nach jenem Gesetz mit der poena falsi bestraft wird, wer zweimal ganz verkauft. Aber hier steht, daß (der Verkäufer) einem Ersten und einem Zweiten verkaufte, und daß man dies als rechtens begreift. Verstehe rechtens nicht so, daß der zweite Verkauf gebilligt wäre, denn (der Verkäufer) scheint den Ersten zu betrügen. Denn wer zweimal verpflindet, macht sich eines Betruges [stellionatus] schuldig, wer zweimal verkauft, eines crimen falsi, und er wird bestraft nach jenem Gesetz. Aber der Vertrag bindet nicht beide Seiten, wie hier. Weil ich auch eine fremde Sache verkaufen kann, wie es angemerkt ist bei C. 3.32.3.

Azo konstatiert zunächst den Widerspruch zwischen der Strafbarkeit gemäß D.48.10.21 einerseits und C. 3.32.15 andererseits, wo es heißt, daß ein Doppelverkauf "iure" sein könne. Den Widerspruch will Azo nicht etwa dahingehend auflösen, daß der Doppelverkauf zu billigen wäre. Vielmehr soll sich der Schuldner grundsätzlich strafbar machen. "lure" hat demnach nichts mit der strafrechtlichen Bewertung zu tun, die ihrerseits keinen Einfluß auf die zi138 Azo, Ad singulos leges XII. liberorum Codicis iustinianei commentarius, Glosse quotiens &c. zu C. 3.32.15, S. 224 pr. und Rn. I.

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2. Kapitel: Die Glossatoren

vilrechtliche Gültigkeit des Vertrages hat 139. Der Eigentumsübergang ist somit unabhängig von einer strafrechtlichen Bewertung. Die allgemeine Lehre von einer grundsätzlichen Unterscheidung zwischen Strafbarkeit und zivilrechtlicher Wirksamkeit findet sich bereits in der Summa Codicis des Rogerius sowie bei Placentinus l40, ohne daß dort aIlerdings eine Bezugnahme auf den Doppelverkauf erfolgte. Karolus de Tocco dagegen will eine Diskrepanz zwischen rechtlichem Können und Dürfen nicht anerkennen, da er D. 50.17.55 rur maßgeblich hält, wonach dolus fehlt, wenn man nur von seinen Rechten Gebrauch macht ("videtur dolo carere, qui suo iure vtitur,,)141. Azo jedenfalls schließt sich rur den Doppelverkauf der Lehre des Rogerius und Placentinus an. Die Harmonisierung durch die getrennte Wertung desselben Vorgangs rur zwei Rechtsgebiete geht im Prinzip nicht über die bloße Feststellung des Widerspruchs innerhalb der Rechtsordnung hinaus, der damit hingenommen wird. Im weiteren Verlauf der Glossierung erwähnt Azo eine ähnliche betrügerische Machenschaft durch doppelten Vertragsschluß, nämlich das crimen stellionatus, das bei doppelter Verpfändung gegeben sein soll. Bei dem crimen stelIionatus handelte es sich um ein erst in der späten Kaiserzeit entwickeltes Delikt, das vomfortum nicht erfaßte Betrugsarten pönalisierte l42 . Dazu zählte auch die mehrfache Verpfändung einer Sache ohne Aufklärung darüber, daß ein vorrangiges Pfandrecht besteht l43 . Da die Erwähnung der Doppelverpflindung durch Azo lediglich als aIlgemeiner Hinweis darauf zu verstehen ist, daß es in einer anderen Fallgestaltung ebenfalls einen strafbaren Vertragsschluß gibt, bedürfen Stellionat wie Doppelverpflindung hier keiner weiteren Erörterung. Schließlich bezieht Azo sich auf den letzten Satz der Konstitution (Erit sane in arbitrio tuo pretium quod dedisti cum usuris recipere ... ), indem er deutlich macht, daß der hintergangene Käufer sich von dem Vertrag lösen darf ("sed non tenet contractus in utroque"). Der Käufer ist daher, wie bei einem negotium 139 Noch Jhering, Beiträge zur Lehre von der Gefahr beim Kaufcontract, JhJb3 (1859), S. 455, verneint einen Zusammenhang zwischen Strafbarkeit einer Handlung und ihrer zivilrechtlichen Wirksamkeit. 140 Chorus, S. 197-205, insbes. S. 198,201 f. 141 Karolus de Tocco, Leges longobardorum, Glosse tacens fuerit zu Lomb. 2.19.1 (S. 268), bezogen allerdings auf den ersten Käufer in dem oben, S. 60 ff., beschriebenen vermeintlichen Doppelverkaufsfall. 142 Liebs, Römisches Recht, S. 197. Zur Herkunft und Entwicklung des Stellionats siehe Stein, The Origin ofStellionatus, Iura XLI (1990), S. 79 ff. 143 Wacke, Beweislast im Pfandrechtsprätendentenstreit, TRG 37 (1969), S. 399 f., 405; Stein, The Origin of Stellionatus, Iura XLI (1990), S. 83 ff. - Eine Mehrfachverpfändung war durchaus zulässig und führte zu mehreren Pfandrechten verschiedenen Ranges an derselben Sache, siehe Wacke, a.a.O., S. 370 ff.; Kaser, Römisches Privatrecht I, § 110 III.

I. Die Rechtsstellung des Erstkäufers im Hinblick auf die Kaufsache

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claudicans eines Unmündigen 144, aus dem Kaufvertrag berechtigt, aber nicht verpflichtet. Der Verkäufer hingegen bleibt an den Vertrag gebunden.

Mit der Allegation von C. 3.32.3 145 verdeutlicht Azo, daß die dem Erstkäufer gegenüber fortbestehende Verpflichtung des Verkäufers nicht die Wirksamkeit des zweiten Vertrages beeinträchtigt. Azo entnimmt dieser Konstitution, wie sich aus seiner der Glosse mater &c. ergibt, daß der Verkauf einer fremden Sache an sich gültig ist; allerdings entfaltet er auch keine negativen Wirkungen gegen den neuen Eigentümer, der vindizieren kann 146, da das römische Recht den Erwerb vom Nichtberechtigten nicht kennt. Auf den Doppelverkaufübertragen bedeutet dies: Wenn schon der Verkauf einer fremden Sache möglich ist, dann erst recht der Verkauf einer einem Dritten lediglich geschuldeten Sache, weil Verträge an sich nur die Vertragsschließenden binden. Daher sind Doppelverkäufe zivilrechtlich zulässig und wirksam, wenngleich sie unter bestimmten Umständen strafrechtlich verboten sein mögen.

b) Accursius

Accursius glossiert C. 3.32.15 pr. wie folgt: iure. id est in praeiudicium suum non teneatur vtrique. 2. Vel iure, id est non dolo. lure, id est bona tide, vel sine dolo secundum quosdarn. Vel iure quantum ad vendentis praeiudicium, non autem iure, quia incidit in legern Corneliarn de falsis: vt ff. ad leg. Cornel. de fal. I. qui duobus. 147 lure. Das bedeutet, daß er zu seinem Nachteil nicht beide Seiten bindet. 2. lure heißt auch ohne Vorsatz. lure bedeutet guten Glaubens oder ohne Vorsatz, wie manche Interpreten meinen. Oder iure im Hinblick auf den Nachteil des Verkaufenden, nicht aber iure insofern, als er sich eines crimen falsi schuldig macht.

In dem ersten und dritten Satz dieser Glosse erkennt man unschwer die Formulierung Azos, des Lehrers von Accursius l48 , wieder. Rechtsfolge eines "iure" erfolgten Doppelverkaufs soll es sein, daß nicht beide Vertragspartner an den Vertrag gebunden sind, sondern nur der Verkäufer. Dazu Kaser, Römisches Privatrecht (Studienbuch), § 14 II 2 b. C. 3.32.3: Mater tua vel maritus fundum tuum invita vel ignorante te vendere iure non potuit, sed rem tuarn apossessore vindicare etiarn non oblato pretio poteris. Sin autem postea de ea venditione consensisti vel alio modo proprietatem eius arnististi, adversus emtorem quidem nullarn habes actionern, adversus venditricem vero de pretio negotiorum gestorum exercere non prohiberis. 146 Azo, Ad singulos leges XII. liberorum Codicis iustinianei commentarius, Glosse mater &c. zu C. 3.32.3, S. 221, Rn. 1: "si enim res aliena vendatur, tenet venditio in substantia sua, non tarnen tenet in praeiudicium domini, quia poterit vendicare, ... " 147 Accursius, Codicis ON. Iustiniani repetitae praelectionis Libri Duodecim, Glosse iure zu C. 3.32.15, Sp. 694. 148 Schlosser, S. 32; Savigny, Geschichte V, S. 270. 144 145

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2. Kapitel: Die Glossatoren

Der letzte Satz zeigt, daß Accursius ebenso wie bereits Azo an eine Unterscheidung der zivilrechtlichen und strafrechtlichen Folgen eines zweiten Verkaufs denkt. "lure" ist in zivilrechtlicher Hinsicht als Wirksamkeit des zweiten Verkaufs zu verstehen. Das geht zulasten des Verkäufers, der im Gegensatz zum Erstkäufer durch den zweiten, gleichfalls wirksamen Vertrag nicht von seiner Verpflichtung gegenüber dem Erstkäufer befreit werden kann (so im ersten Satz). Zugleich wird der zweite Verkauf grundsätzlich strafrechtlich mißbilligt. Diese Lehre von der Unterscheidung zwischen zivilrechtlicher Wirksamkeit des Vertrages und dessen strafrechtlicher Bewertung, die bereits Azo vertreten hat, hat bei den Kommentatoren zahlreiche Anhänger gefunden und wird von diesen Accursius zugeschrieben. Als noch wichtiger erweist sich der in der Mittelpassage vorgenommene, nicht von Azo übernommene Definitionsversuch rur den Terminus "iure", der zugleich einen weiteren Harmonisierungsversuch darstellt: C. 3.32.15 soll nur die "iure" erfolgten Doppelverkäufe betreffen, D. 48.10.21 dagegen nur die unrechtmäßigen. Hier ruhrt Accursius das Begriffspaar bona fides - dolus an 149 • Inhaltlich soll "iure" mit bona fides gleichzusetzen sein.

Fides hatte eine doppelte Sinngebung, nämlich Glaubenstreue und Vertragstreue l50 . Das hatte auch dogmatische Folgen rur das mittelalterliche Privatrecht, denn die Pflicht, Verträge zu halten, war damit Gebot Gottes l51 • Bonafides bezeichnete allgemein das Prinzip redlicher Gesinnung im Rechtsverkehr und war innerer Geltungsgrund rur die Verbindlichkeit von Verträgen 152. In den Kaufvertrag wurde die bona fides als verpflichtender Verhaltensmaßstab schon im klassischen römischen Recht integriert 153 • Die bona fides gilt sogar als ein Grundmotiv der römischen Sozialordnung l54 . Dolus als auf Schädigung abzie149 Die Begriffe iure/bona fide/sine dolo haben hier den gleichen Umfang und bilden daher eine Definition im eigentlichen Sinne. Zur Prüfung, ob eine Definition vorliegt, siehe Olte, Dialektik, S. 107 (fUr weitere Einzelheiten zur Definitionslehre der Glossatoren S. 98-120). 150 Behrends, Treu und Glauben, S. 982; Pringsheim, Jus aequum und jus strictum, SZRom 42 (1921), S. 651 f., 668; Merzbacher, Die Regel "Fidem fragenti fides frangitur" und ihre Anwendung, SZKan 68 (1982), S. 339 ff. (dort auch zu weiteren Begriffen und der Bedeutung der fides). 151 Behrends, Treu und Glauben, S. 988; Trusen, De contractibus mercatorum: Wirtschaftsethik und gelehrtes Recht im Traktat Johannes Niders (+ 1438), in: lus et commercium, S. 52; ders., Spätmittelalterliche Jurisprudenz, S. 22; Troje, s.v. Guter Glaube, in: HRG I, Sp. 1867. 152 Horn, Aequitas in den Lehren des Baldus, S. 104, 162; Kaser, Römisches Privatrecht (Studienbuch) § 33 IV 3, S. 157; Merzbacher, SZKan 68 (1982), 339 ff. 153 Hausmaninger / Selb, S. 64; Kaser, Römisches Privatrecht (Studienbuch) § 33 IV 3, S. 157. 154 Kunkel, Fides als schöpferisches Element im römischen Schuldrecht, in: Festschrift fUr Koschaker, S. 5.

I. Die Rechtsstellung des Erstkäufers im Hinblick auf die Kaufsache

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lende Gesinnung wurde als deren Gegensatz aufgefaße 55 , was Accursius vorliegend ebenfalls deutlich macht. Accursius fordert, daß keiner der Beteiligten dolo gehandelt haben dürfe, wenn der zweite Verkauf "iure" sein soll. Ein Doppelverkauf ohne dolus ist auch auf Seiten des Verkäufers durchaus denkbar und dürfte etwa dann vorliegen, wenn der Verkäufer irrig annahm, der erste Verkauf sei nichtig oder der Käufer werde in die Aufhebung der Vertrages einwilligen l56 , oder wenn der Verkäufer den ersten Verkauf schlicht vergessen hat l57 • Das Merkmal non dolo könnte darauf zurUckzufilhren zu sein, daß ein Kaufvertrag einen dolus als Grundlage des consensus grundsätzlich nicht duldete. Zur Unwirksamkeit des Vertrages filhrte dolus bei den Glossatoren indessen nur, wenn der Getäuschte durch den Betrug zum Vertragsabschluß bestimmt worden ist (dolus causam dans) 158. Nach dieser Lehre wurden die Unwirksamkeitsfolgen also keineswegs an den gegen einen Dritten (den Erstkäufer) gerichteten dolus geknüpft. Die Kriterien bona fides und dolus bei Accursius an dieser Stelle scheint v. BrUnneck l59 unter Hinweis auf ein Pisaner Statut, das v. BrUnneck als Regelung eines Doppelverkaufs mißverstehe 60, auf "germanische Rechtsanschauungen" zurückfUhren zu wollen. Eine solche Herleitung der Anwendung des bereits das römische Kaufvertragsrecht insgesamt umfassenden Leitgedankens der bona fides aus einem einzelnen Statut, das den Fall noch nicht einmal genau triffi:, ist jedoch nicht zulässig. Auch der dortige Hinweis auf Libri Feudorum (L.F.) 2.34 pr. (1) stützt diese These nicht, da Accursius bei der Erörterung des Textes nicht auf den Kauf eingeht und auch sonst Kaufrecht und Lehnsrecht unterschiedlich behandelte l6l • Des weiteren stellt diese Glosse nicht - wie v. Brünneck behauptet - eine Anlehnung an bzw. eine Erweiterung der actio

Horn, Aequitas, S. 104 (zu Baldus). Das ist die Konstellation in Jherings berühmtem Kohlefall, vergleiche Jhering, Beiträge zur Lehre von der Gefahr beim Kaufcontract, JhJb 3 (1859), S. 451-453, zusammengefaßt bei Falk, Ein Gelehrter wie Windscheid, S. 53 f. 157 So die Beispiele von Windscheid / Kipp, Lehrbuch des Pandektenrechts (1906), S. 666 f. Note 17. 158 Wacke, Circumscribere, gerechter Preis und die Arten der List (Dolus bonus und dolus malus, dolus causam dans und dolus incidens) unter Berücksichtigung der §§ 138 Abs.1I und 123 BGB, SZRom 94 (1977), S. 237 f. - Eine Unterscheidung zwischen Verträgen bonae fidei und stricti iuris im Zusammenhang mit der Doktrin des dolus causam dans contractui cessat consensus trifft beispielsweise Baldus im Zivilrecht, vergleiche Horn, Aequitas, S. 167 f. 159 v. Brünneck, S. 93-95. 160 Vergleiche unten S. 192 ff. 161 Vergleiche unten S. 95. 155

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2. Kapitel: Die Glossatoren

Pauliana dar. Das wird im Kapitel über die Kommentatoren zu zeigen sein l62 • Die Überlegungen v. Brünnecks über die Grundlagen fUr diese Glosse sind demnach nicht stichhaltig. Mangels besonderer Hinweise kommt man bei der Frage nach dem Ursprung dieser Lehre über Spekulationen nicht hinaus. Ob Accursius non iureldolo dennoch nicht nur als Tatbestandsmerkmal, sondern auch als Rechtsfolge versteht und damit die Unwirksamkeit der den Ersten schädigenden Veräußerung bezeichnet, bleibt insofern offen, als er die zivilrechtlichen Folgen eines unredlichen Doppelverkaufs nicht benennt. Die zivilrechtlichen Folgen von gesetzwidrigen Rechtshandlungen waren umstritten 163. Accursius geht - wie der letzte Satz zeigt - nicht generell von der Unwirksamkeit verbotswidriger Rechtshandlungen aus l64 • Auch der Umkehrschluß aus C. 3.32.15, daß dem Käufer bei einem non iure erfolgten Doppelverkauf ein unmittelbares Zugriffsrecht auf die Sache bei dem Dritten zustehe, dürfte nach Ansicht des Accursius nicht zulässig sein, da er ein solches Zugriffsrecht noch nicht einmal gegenüber dem Verkäufer sicher befUrworten und eindeutig eine Sachkondemnation zulassen will. Selbst wenn die zweite Veräußerung unwirksam wäre, wäre damit zudem nicht die Übertragung der Sache auf den Erstkäufer vollzogen, die ohnehin nicht erzwungen werden kann. Eine klare Aussage dazu fehlt jedoch, weil es dafUr an einem Aufhänger in dem zu glossierenden Text fehlt. Schließlich bleibt das Verhältnis dieser Harmonisierungsversuche zueinander zu klären, denn einerseits scheint sich der Verkäufer - entsprechend dem Vorschlag von Azo - grundsätzlich strafbar zu machen, andererseits nur, wenn er unredlich war. Ein solches Nebeneinander verschiedener Lösungsvorschläge ist keineswegs ungewöhnlich oder ein Zeichen fUr eine unzureichende Durchdringung des Stoffes, da es den Glossatoren vor allem darum ging zu zeigen, daß es überhaupt Lösungsmöglichkeiten gibt. Die Frage, welche von mehreren Lösungen die Richtige ist, stellte sich erst, wenn die Richtigkeit einer bestimmten Lösung zum Gegenstand der Kontroverse gemacht wurde l65 • Um letzteres aber geht es Accursius hier augenscheinlich nicht. Festzuhalten bleibt, daß Accursius einerseits seinem Lehrer Azo mit der grundsätzlichen Unterscheidung zwischen zivilrechtlicher Gültigkeit und strafrechtlicher Bewertung des zweiten Verkaufs folgte. D. 48.10.21 und C. 3.32.15 wurden insofern isoliert betrachtet. Darüber hinaus überlegte Accursius eine Distinktion zwischen iurelbona fide erfolgtem Verkauf im Sinne von C. 3.32.15 Siehe Seite 185 ff. Chorus, S. 197 ff. 164 Zu den Differenzierungen des Accursius hinsichtlich der Folgen verbotswidriger Geschäfte siehe Chorus, S. 178 ff. 165 Das Nebeneinander verschiedener Lösungen bei den Glossatoren erläutert Otte, Dialektik, S. 181 f. 162

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I. Die Rechtsstellung des Erstkäufers im Hinblick auf die Kaufsache

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und non iure erfolgtem Verkauf gemäß D. 48.10.21. Auf die zivilrechtIichen Folgen eines unredlichen zweiten Verkaufs ging Accursius nicht ein.

c) Odofredus

Odofredus' Arbeitsweise erlaubt es ihm, seine Auffassung von C. 3.32.15 erheblich ausftlhrlicher als Accursius zu erläutern. Im Gegensatz zu Accursius beschränkt Odofredus sich nicht auf Glossen zu den einzelnen Worten des Textes. Vielmehr erfolgt eine knappe Glossierung im Anschluß an eine introductio legis l66 , die ergänzt wird von einem ausfiihrlichen, zusammenhängenden Text, der bereits der Arbeitsweise der Kommentatoren entspricht l67 . Odofredus kann damit als später Glossatorl 68 und gleichermaßen auch als früher Kommentator bezeichnet werden. In seiner Glosse iure zu C. 3.32.15 heißt es: tex. iure. in bona fide vel dicatis iuris .s. permittente. 169 tex. iure. Mit bona fides, oder ihr sollt sagen: iuris heißt erlaubtermaßen.

Auch Odofredus benennt hier dieselbe Voraussetzung rur einen als "iure" zu bewertenden Doppelverkauf wie Accursius, die bona fides. Außerdem nennt er als Synonym rur "iure" die Zulässigkeit des Doppelverkaufs. Die ausftlhrliche Erläuterung der stichwortartigen Glosse mit den dort genannten Interpretationsvarianten bona fide und permittente befindet sich in seinem sich daran anschließenden Kommentar: ... primus casus recipit magnarn dubitationem: narn in primo casu dicitur, quod si vendis praedium tuum duobus in so lide, quod iure permittatur: & iIIe erit potior cui primo traditum est: sed I. dicit, quod qui vendit duobus insolide, falsum committit: sed hodie iudices pro tali falsitate minorem penarn imponant, quarn imponat I. cor. de fal. vt ff. ad. I. cor. de fal. I. qui duobus. vel esto quod non esset falsum quod est. vt dici specialis I. tarnen dolum committit: igitur crimen stelli. committit. vt .ff. de crimi. stelli. I. iij. Ad istud potest dici dupliciter, & vno modo sic. quod dicitur hic. quotiens duobus praedium solidum iure distrahitur i. bona fide. narn potest esse, quod venditor errabat in iure: narn credebat quod rem venditam vni, posset vendere alij: & dicitur bona fide 166 Mit Hilfe von introductiones titulorum oder legum soll dem Studenten das zu behandelnde Rechtsgebiet nähergebracht bzw. Tatbestand und Entscheidung einer bestimmten lex zum besseren Verständnis zusarnmengefaßt werden (Weimar, in: Handbuch der Quellen und Literatur I, S. 141). 167 Zu dieser Entwicklung der Arbeitsweise der Glossatoren hin zu der der Kommentatoren siehe Weimar, in: Handbuch der Quellen und Literatur I, S. 139, 169 f.; Die legistische Literatur und die Methode des Rechtsunterrichts der Glossatorenzeit, Jus commune 11, S. 76. Die Arbeitsweise des Odofredus wird detailliert beschreiben von Robinson I Fergus I Gordon, S. 78 f. 168 So Robinson I Fergus I Gordon, S. IOl. 169 Odofredus, In primarn Codicis partem Praelectiones zu C. 3.32.15, fol. 171.

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2. Kapitel: Die Glossatoren vendere, quod ignorat ius: quare bona fidei possessor est &c. vt. ff. de petit. heredi. I. sed et si. § scire & tf. de Iibera. ca. I. igitur. § vlt. Vel potest dici iur. distrahitur. i. iure permittente & patiente: ius eum patitur, sed ius non dicit facias hoc: sed dicit. qui facit hoc penam patitur. I. cor. de falsis. vel potest dici iure distrahitur. non refertur ad vendentem, sed ad ementem: quare si secundus emptor ignorauit de primo, bona fide emit... Cum pluribus eadem res venditur siue distrahitur. aut ab eodem domino: vbi gra. tu eras dominus alicuius rei. eandem rem primo vendidisti titio: postea eandem rem mihi vendidisti: in isto casu. si hoc sciens prohibitum fecisti, committis falsum. vt tf. ad I. cor. de fal. qui duobus, & teneris crimine stelli. vt. tf. de crimi. stelli. I. iij. & hoc casu ille est potior, qui primo per traditione accepit: non qui primo loco emit... 170 Der erste Fall enthält sehr Zweifelhaftes, denn im ersten Fall wird gesagt, daß es rechtlich erlaubt ist, daß du dein Grundstück als Ganzes zweimal verkaufst, und daß sich jener durchsetzt, dem zuerst übergeben ist. Aber das Gesetz sagt [auch], daß jemand, der zweimal ganz verkauft, ein falsum begeht. Aber heute verhängen die Richter fIlr diese Fälschung eine kleinere Strafe als sie die lex Cornelia de falsis gemäß D. 48.10.21 vorsieht, so als wäre sie kein falsum, was sie aber ist. Wie jedoch in einem speziellen Gesetz gesagt wird, handelt er dolos, begeht also ein crimen stellionatus. Dazu kann man zweierlei sagen und auf der einen Seite so: Jemand verkauft ein Grundstück als Ganzes iure in gutem Glauben, denn es kann sein, daß der Verkäufer in seinen Rechten irrte. Denn er glaubte, daß er die dem einen verkaufte Sache einem anderen verkaufen könnte. Und es wird gesagt, daß der in gutem Glauben verkauft, der das Recht nicht kennt, und daher ist er gutgläubiger Besitzer etc., wie D.5.3.25.6, D. 40.12.12.6. Oder es kann gesagt werden, daß iure veräußert wird, weil es das Recht erlaubt und duldet. Das Recht duldet dies, aber es sagt nicht, daß du dies machen sollst, sondern es sagt, daß der, der dies macht, Strafe erleidet gemäß D. 48. 10.21. Oder es kann gesagt werden, daß iure distrahitur sich nicht auf den Verkäufer bezieht, sondern auf den Käufer, weil, wenn der zweite Käufer von dem ersten nichts wußte, er guten Glaubens kauft. Wenn mehreren dieselbe Sache verkauft oder veräußert wird, aber von demselben Eigentümer, du warst beispielsweise Eigentümer irgendeiner Sache und diese Sache hast du zuerst dem Titius verkauft. Danach hast du mir diese Sache verkauft. In diesem Fall, wenn du weißt, daß du etwas Verbotenes tust, begehst du ein falsum gemäß D. 48.10.21. und du haftest [auch] mit dem crimen stellionatus gemäß C. 9.34.3. Und in jenem Fall setzt sich durch, wer [die Sache] zuerst durch traditio erhalten hat, nicht wer an erster Stelle gekauft hat.

Odofredus beginnt seine Kommentierung mit der Gegenüberstellung von C. 3.32.15 mit D. 48.10.21. Daß diese beiden Stellen einander widersprechen, versucht er mit der Beobachtung abzuschwächen, daß die Richter in seiner Zeit rur ein solches falsum nur eine noch geringere Strafe verhängen, als es nach D. 48.10.21 vorgesehen ist, obwohl bereits danach eine mildere Strafe, als sie

1700dofredus, a.a.O, fol. 171 und 171 v, Rn. I, 2. Die Aufteilung in mehrere Abschnitte erfolgt nicht nur der besseren Übersicht wegen, sondern ist auch im Original angedeutet.

I. Die Rechtsstellung des Erstkäufers im Hinblick auf die Kaufsache

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sonst filr falsa üblich ist, zu verhängen ist l71 • Demnach wurde ein Doppelverkaufvon den Richtern des 13. Jahrhunderts als geringfilgiges Vergehen aufgefaßt. Im übrigen dürfte diese Äußerung als Beleg filr die These zu werten sein, daß die Glossatoren auch praxisbezogen arbeiteten 172 • Wer vorsätzlich handelt, begeht nach der Auffassung des Odofredus stets ein crimen. Der betrügerische Verkäufer soll nicht nur vergleichbar sein mit dem absichtlich mehrfach Verpflindenden, der wegen eines crimen stellionatus zu bestrafen ist. Vielmehr scheint Odofredus davon auszugehen, daß der Verkäufer zugleich wegen eines crimen falsi wie auch wegen eines crimen stellionatus zu bestrafen sei (so im letzten Abschnitt). Einzelheiten zum Verhältnis der beiden Delikte zueinander teilt Odofredus nicht mit. Odofredus versucht statt dessen, möglichst viel Information am Rande zu geben, auch zu Fragen, die neben der Sache liegen. So weist er nebenbei darauf hin, daß der Stellionat nicht zu den crimina publica l73 , das heißt zu den Delikten, bei denen die Anklage jedermann offensteht, gehört, sondern zu denjenigen, die nur auf Antrag des Verletzten verfolgt werden 174 • Auch Odofredus definiert wie bereits Accursius, den er aber nicht nennt, "iure" mit bona fide und überlegt, wann ein zweiter Verkauf als redlich bezeichnet werden kann. Die filr einen als "iure" zu bezeichnenden Doppelverkauf erforderliche und zugleich einfalsum ausschließende bonafides l7s soll dann gegeben sein, wenn sich der Verkäufer in einem Verbotsirrtum befand, denn Odofredus versteht unter dolus nur die bewußte Treuwidrigkeit 176 • Daß ein Rechts- bzw. Verbotsirrtum dolus entfallen läßt, entnimmt Odofredus D. 5.3.25.6 177, wo es ausdrücklich heißt, daß ein Rechtsirrtum zum dolus-Ausschluß filhrt, was in

\7\ D. 48.10.21 sieht zeitige Verbannung ohne die fUr andere falsa vorgesehene Beschlagnahme des Vermögens vor (" ... sed remissius puniri solent, ut ad tempus relegentur nec bona iIIis auferantur"). - Zur Strafe fUr den nichtberechtigten (vermeintlichen) Doppelverkäufer nach langobardischem Recht siehe oben S. 60 f 172 Lange, Glossatoren, S. 101,452 ff.; Otte, Rechtswissenschaft, S. 133 ff. (mit Einschränkungen); Weimar, in: Handbuch der Quellen und Literatur I, S. 136 f; Koschaker, S. 84 f (mit Vorbehalten). Ein Beispiel zeigt Heymann, Verschulden, S. 99, 87. Kantorowicz, Die Epochen der Rechtswissenschaft, in: Rechtshistorische Schriften, S. 5, spricht dagegen noch von einem vollendeten lebensfernen Historismus. - Unabhängig von der Frage nach der Praxisbezogenheit haben jedenfalls die Werke des Odofredus insofern einen besonderen Wert, als sie (wie hier) zahlreiche Mitteilungen aus seiner Lebenszeit enthalten, dazu Lange, a.a.O., S. 328. \13 C. 9.34.3: Stellionatus accusatio inter crimina publica non habetur. \74 Kaser, Zivilprozeßrecht § 66 VI; ders., Das Römische Privatrecht 11, § 142 III 2. \15 Diesen Zusammenhang erklärt Odofredus ausfUhrlicher an anderer Stelle, vergleiche unten S. 103 ff. \76 So bereits das klassische römische Recht, vergleiche Kaser, Das Römische Privatrecht 11, § 258 IV 2 und Band I, § 118 III 4 a.

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2. Kapitel: Die Glossatoren

D. 40.12.12.3 178 als allgemein geltender Grundsatz bezeichnet wird, so daß dessen Anwendung auf den Doppelverkauf als gerechtfertigt erscheint. Es entsprach zudem der allgemeinen Meinung unter den Glossatoren, daß dolus gleichzeitig das Bewußtsein der Rechtswidrigkeit voraussetzte, also bei einem Irrtum über die Rechtswidrigkeit nicht vorliegtl79, und daß auch ein falsum dolus erforderte l80 . Auf die Entschuldbarkeit des Irrtums kam es nicht an 181. Gerade die hier von Odofredus angefilhrten Fragmente wurden von den Rechtslehrem vielfach zur Begründung dieses Grundsatzes herangezogen l82 • Das Bewußtsein der Rechtswidrigkeit wurde allerdings regelmäßig bei einem Verstoß gegen die aequitas naturalis, also gegen eine Vorschrift, die von jedermann erkannt werden kann, vermutet I83. Die Lehre von einer Ableitung des subjektiven Wissenstatbestandes aus äußerlich erkennbaren Sachverhalten als dolus praesumptus (im Gegensatz zum dolus verus), die zunehmend Anerkennung fand, stammte wahrscheinlich von Accursius l84 . Doch schon Karolus de Tocco ließ filr den Verkäufer eine Doluspräsumtion gelten, da er stets wisse, daß er bereits einem anderen verkauft habe: "semper presumitur dolose agere/ quare sciuit se alij alienasse"l85. Odofredus hingegen sagt nichts dazu, daß dolus des Verkäufers zu vermuten sei. Im Gegenteil, der Hinweis darauf, daß der Verkäufer einem Rechtsirrtum unterliegen könne, zeigt, daß Odofredus eine Vermutung der Unredlichkeit nicht als berechtigt ansieht. Wie später noch zu zeigen sein wird l86 , ist Odofredus jedoch nicht prinzipiell gegen die Lehre vom dolus praesumptus.

177 D. 5.3.25.6: Seire ad se non pertinere utrum is tantummodo videtur, qui factum seit, an et is qui in iure eITavit? .. et non puto hunc esse praedonem qui dolo caret, quarnvis in iure eITet. 178 Die Allegation von D. 40.12.12.6, nach heutiger Zählweise der letzte Paragraph dieser lex, ergibt wenig Sinn. Vielmehr ist statt dessen wohl D. 40.12.12.3 gemeint: Et generaliter dicendum est, quotiens quis iustis rationibus ductus vel non iustis, sine calliditate tarnen putavit se liberum et in Iibertate moratus est, dicendum est hunc in ea causa esse, ut sine dolo malo in Iibertate fuerit atque ideo possessoris commodo fruatur. 179 Engelmann, Irrtum, S. 250, 267 ff., 304 f.; ders., Schuldlehre, S. 41. 180 Engelmann, Irrtum, S. 291. 181 Engelmann, Irrtum S. 250-254; ders., Schuldlehre, S. 41. 182 Vergleiche Engelmann, Irrtum, S. 270,271. 183 Engelmann, Schuld lehre S. 43 ff. (vorwiegend zu den Kommentatoren); Horn, Aequitas, S. 13, 104 (zu Baldus). Die Präsumtion des dolus hat allerdings eine geringere Strafe zur Folge (Engelmann, Schuldlehre, S. 45 ff.). 184 H. Dilcher, Leistungsstörungen, S. 26 f., 31. 185 Karolus de Tocco, Leges longobardorum, Glosse De his zu Lomb. 2.19.1 (S. 267). 186 Siehe unten S.104.

I. Die Rechtsstellung des Erstkäufers im Hinblick auf die Kaufsache

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In der Konstitution ist nur von einer Veräußerung, also von der Verkäuferseite die Rede. Accursius spricht lediglich allgemein von fehlendem dolus der Beteiligten. Hier dagegen findet sich konkret die Erwägung, daß sich iure/bona fide auch auf die fehlende Tatsachenkenntnis des Zweitkäufers beziehen könnte. Es scheint keinen Unterschied auszumachen, wer irrte und ob der Irrtum über die Rechtmäßigkeit des Verkaufs auf Rechtsunkenntnis (des Verkäufers) oder Tatsachenunkenntnis (des Zweitkäufers) beruht. Die Gleichbehandlung dieser beiden Formen des Irrtums über die Rechtmäßigkeit entspricht der allgemeinen Handhabung unter den italienischen Legisten 187• Für eine zweite Harmonisierungsmöglichkeit soll es nach Odofredus auf die Feststellung der bona fides der Beteiligten zunächst nicht ankommen, da "iure" auch so zu verstehen sein soll, daß das (Zivil-)Recht den Doppelverkauf dulde, obgleich derVerkäufer nach D. 48.10.21 zu bestrafen sei. Diesen Ansatz findet man bereits bei AZO I88 • Außerdem klingt hier eine unter den Legisten wohl verbreitete Auffassung an, nach der es Geschäfte praeter legem geben soll, die lediglich geduldet, nicht aber mit Hilfe des Gesetzes durchgesetzt werden können l89 • Wie die Wortwahl zeigt ("ius eum patitur, sed ius non dicit facias hoc: sed dicit qui facit hoc poenam patitur" [zweiter Abschitt]), hat Odofredus diesen Gedanken übernommen. Da der Tatbestand eines falsum jedoch seinerseits dolus erfordert, treten Wertungswiderspruche zwischen Zivilrecht und Strafrecht nicht ein. Ein Doppelverkauf ist mithin als falsum dann strafbar, wenn er non iure ist, das heißt, wenn die Beteiligten vorsätzlich gehandelt haben. Odofredus geht nicht auf das Verhältnis der beiden Interpretationsvarianten untereinander ein, die er - wie bereits Accursius - nebeneinander stehen läßt. Wie Accursius nennt auch Odofredus die zivilrechtlichen Folgen eines noniure erfolgten Doppelverkaufs nicht. Um diesen Fall geht es in den Quellen nicht. Die Gegenüberstellung von "in isto casu", in dem der Verkäufer ein crimenfalsi begeht, und "in hoc casu", in dem sich der zweite Käufer durchsetzt, deutet auf einen Umkehrschluß zu C. 3.32.15, auf eine Zugriffsmöglichkeit des ersten Käufers auf die Kaufsache in dem zuerst genannten Fall hin. Gegen die Annahme, daß Odofredus als Umkehrschluß aus C. 3.32.15 ein Recht des Erstkäufers auf die Verfolgung der Sache bei dem Zweitkäufer befürwortet, spricht indes schon Odofredus' Befürwortung der Geldkondemnation, die verdeutlicht, daß das Forderungsrecht die Rechtsstellung im Hinblick auf die Kaufsache seiner Ansicht nach nicht unmittelbar beeinfluße 90 • Selbst wenn also non iure die Vergleiche Enge/mann, Irrtum, S. 251 ff. und oben S. 48. Dazu oben S. 69 ff. 189 Chorus, S. 180, 195 ff. (zu den frühen Glossatoren). 190 Vergleiche oben S. 66. 187 188

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2. Kapitel: Die Glossatoren

Unwirksamkeit der zweiten Veräußerung bezeichnet, wird der Erstkäufer nicht erfolgreicher als der Zweitkäufer sein. Wegen des Prinzips der Geldkondemnation besteht wohl allenfalls Gleichrangigkeit unter den Prätendenten. Nach alledem ergibt sich, daß Odofredus zu C. 3.32.15 die Auffassung von Azo und von Accursius teilt. Einerseits wird D. 48.10.21 ausschließlich dem Strafrecht, C. 3.32.15 dagegen nur dem Zivilrecht zugeordnet. Kauf und Eigentumsübertragung sind damit unabhängig von einer strafrechtlichen Bewertung. Andererseits interpretiert Odofredus wie bereits Accursius "iure" mit bona fide. Dem wird ein non iure vorgenommener Doppelverkauf nach D. 48.10.21 gegenübergestellt. Odofredus nennt Fallbeispiele filr bona fide erfolgte Doppelverkäufe, kommt aber ebensowenig wie Accursius auf die zivilrechtlichen Folgen unredlicher Doppelverkäufe zu sprechen. Wie Accursius läßt auch Odofredus beide Harmonisierungsvarianten nebeneinander stehen. Eine Kontroverse um das Verhältnis zwischen C. 3.32.15 und D. 48.10.21 hat es bei den Glossatoren demnach nicht gegeben.

11. Ansprüche des Erstkäufers auf den Zweitverkaufserlös 1. Glossatoren vor Accursius In den Schriften der älteren Glossatoren, soweit sie bisher ediert sind, findet das Problem des Zweitverkaufserlöses keine Erörterung. Die Bezugnahmen auf D. 18.4.21 erschöpfen sich entweder in kleineren, unbedeutenden Worterklärungen, so etwa bei Imerius l91 , oder in schlichten Inhaltsangaben, so etwa im Tractatus de diligentia 192 eines unbekannten Verfassers aus der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts. Der Text wird demnach von den älteren Glossatoren nicht als problematisch angesehen l93 .

1911rnerius, Glosse inedite d'Imerio al Digestum vetus, S. 183. Dieser Befund gilt auch für die Glossen von Johannes Bassianus, Martinus Gosia, Placentinus und Rogerius enthaltende Handschrift der Staatsbibliothek Bamberg, Msc. Jur. 12, fol. 185 (S. 369). Zu dieser Handschrift siehe Dolezalek, Verzeichnis I, s.v. Bamberg (mit Nachweisen) und Savigny, Geschichte IV, S. 295. 192 Tractatus de diligentia et dolo et culpa et !ortuitu casu (ediert von Dolezalek), in: Aspekte europäischer Rechtsgeschichte (1982), S. 121, Zeilen 30-33. 193 Eine ähnliche Beobachtung machte Repgen, S. 130, der eine vertiefte Auseinandersetzung mit dem Problem des präzisen Erfüllungszwangs erst bei den jüngeren Glossatoren vorfand.

11. Ansprüche des Erstkäufers auf den Zweitverkaufserlös

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Ähnlich ist der Befund bei Azo. Er schreibt in der Glosse committitur zu D. 18.4.21 194 : Scilicet ut rem et pretium consequi possit. hoc enim esset iniquum ut infra de act. empti. emptorem § qui autem. committitur tarnen bis ... 195 Das heißt, daß man die Sache und den Preis erlangen könnte. Das wäre ungerecht, wie in D. 19.1.11.18. Erfolgt [die Stipulation] aber zweimal...

Entgegen einem ersten Anschein bezieht sich diese Glosse nicht auf die hier untersuchte Fallgestaltung eines Doppelverkaufs und nimmt daher nicht etwa Stellung zu der Frage, ob der Käufer einen Anspruch auf die Sache und den Zweitverkaufserlös hat. Vielmehr enthält sie, wie auch der Anknüpfungspunkt an den Gesetzestext verdeutlicht, eine Erläuterung zum Regelungskomplex der stipulierten Erbschaft, dem ersten Teil von D. 18.4.21. Es sei ungerecht, meint Azo, den Stipulationsschuldner mit der Sache und dem pretium zugleich haften zu lassen, wenn er die Erbschaft nur einmal stipuliert hatte. Hier fUhrt er als Paralle\fall D. 19.1.11.18 an, wo unter anderem eine Vereinbarung als mit den bonae fidei contractus unvereinbar erklärt wird, die zum Inhalt hat, daß der Käufer die Sache verlieren und der Verkäufer gleichwohl den Preis soll behalten können 196. Obwohl sich die Allegation auf die Rechtsstellung eines Käufers (nach erfolgter Eviktion) bezieht, bedeutet dies nicht, daß Azo hier nun auch die Rechtsstellung des Käufers ansprechen will. Vielmehr zeigt die Fortsetzung der Glosse mit "committitur tarnen bis", daß Azo hier in enger Anlehnung an den Text immer noch von der Rechtsstellung desjenigen spricht, der eine Erbschaft stipuliert und eine einzelne Sache aus dieser Erbschaft verkauft. Dieser soll aus Billigkeitsgründen ebenso wenig wie der Käufer in D. 19.1.I1.l8 durch den Verlust von Sache und Preis über Gebühr belastet werden. Azos Glosse committitur zu D. 18.4.21 ist somit fUr die Doppelverkaufsproblematik nicht ergiebig. Dies war hier zu zeigen, weil sich Azo anscheinend an einer anderen, bislang unbekannten Stelle mit dem Doppelverkaufbefaßt hat 197 .

194 Azo Por/ius hat wahrscheinlich einen großen und einen kleinen Apparat zum Digestum vetus geschrieben, vergleiche dazu Weimar, in: Handbuch der Quellen und Literatur I, S. 173; Savigny, Geschichte V, S. I ff. 195 Azo, Digestum vetus, Msc. Jur. 11 der Staatsbibliothek Bamberg, fol. 217 v . Zu dieser Handschrift siehe Dolezalek, Verzeichnis, s.v. Barnberg (mit Nachweisen); Savigny, Geschichte V, S. 13. 196 D. 19.1.11.18: ... neque enim bonae fidei contractus hac patitur conventione, ut emptor rem arnitteret et pretium venditor retineret... 197 Dazu S. 90 und \09 f.

6 SeIl.·Geusen

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2. Kapitel: Die Glossatoren

2. Accursius Unmittelbare Äußerungen über die Haftung des Verkäufers gegenüber dem Erstkäufer sind erst von Azos Schüler Accursius überliefert. Als introductio legis dient ihm die Glosse venditor zu D. 18.4.21: Diuiditur haec lex in tres partes. Prima est, vendidit mihi Titius hereditatem: & interposita est stipulatio emptae, & yen. hered. deuenit ad Titium quaedam res hereditaria, quam vendidit, & pretium habuit: quaeritur quid veniat in stipulatione? .. tunc tantum pretium venit: licet res interierit. Secunda pars est, quod haec non sic seruantur in re singulari mihi vendita, & non tradita, & postea ab eodem alij vendita. nam nec res, nec pretium venit, si res interiit: & sic quasi ex sua negotiatione venditor pretium lucratur: nec potest fingi vt negotium gerat primi emptoris: sicut in hereditate. 198 Diese lex ist in drei Teile geteilt. Der erste ist, daß Titius mir eine Erbschaft verkauft hat und eine stipulatio emptae et venditae hereditatis erfolgt ist. Eine Erbschaftssache gelangt zu Titius, die er verkauft und den Kaufpreis angenommen hat. Es fragt sich, was aus der stipulatio folgen soll? .. dann erlangt Titius den Preis, selbst wenn die Sache untergegangen ist. Der zweite Teil ist, daß dies nicht gilt, wenn mir eine Einzelsache verkauft und nicht tradiert wurde und später von (dem Verkäufer) einem anderen verkauft wurde. Denn weder die Sache noch der Kaufpreis werden erlangt, wenn die Sache untergeht. Und so hat der Verkäufer gleichsam aus seinem Geschäft den Kaufpreis als Gewinn erzielt. Man kann nämlich nicht fingieren, daß er das Geschäft des Erstkäufers geruhrt hat, wie es bei der Erbschaft ist... Festzuhalten ist hier, daß der Verkäufer im Gegensatz zum stipulierten Verkauf von Erbschaftssachen nach doppeltem Verkauf der Einzelsache "pretium lucratur", das heißt den Preis im Sinne einer Bereicherung gewinnt l99 • Die Bezugnahme auf die negotiorum gestio zeigt, daß "pretium,,2OO den vom Zweitkäufer gewonnenen Erlös bezeichnet. Accursius versteht Paulus so, daß sich der Verkäufer bereichern kann, weil er den durch den zweiten Verkauf erzielten Erlös behalten darf. Unklar ist, wie es mit dem vom Erstkäufer zu entrichtenden KaufPreis steht. Das Verb "Iucrari" deutet darauf hin, daß dem Verkäufer auch ein Zahlungsanspruch gegen den Erstkäufer zusteht. Doch da es Paulus nicht um diesen Gegenanspruch des Verkäufers gegen den Erstkäufer geht, scheint auch Accursius keine Veranlassung zu sehen, diese Frage zu erörtern. Da Accursius diesen Text so verstanden hat, daß der Verkäufer sich mit dem Zweitverkaufserlös bereichern darf, ist es bemerkenswert, daß er in seiner über 198 Accursius, Corpus iuris civilis iustinianei, Glosse venditor zu D. 18.4.21, Sp. 1754. Die zitierte Ausgabe Lyon 1627 ist hier (bis auf die Interpunktion an zwei Stellen) identisch mit der Ausgabe Lugduni 1572, Sp. 1781. Zur Ausgabe Lyon 1627 siehe Troje, Graeca leguntur, S. 151-182; Repgen, S. 89 f. 199 Heumann / Seekei, s.v. lucrari (S. 322): Einen Gewinn machen, etwas gewinnen, sich mit etwas b,ereichern. 200 Zu den vielfältigen Bedeutungen des Wortes "pretium", das nicht nur den Preis oder Sachwert bezeichnet und noch nicht einmal auf Geld bezogen sein muß, siehe Siems, S. 389.

11. Ansprüche des Erstkäufers auf den Zweitverkaufserlös

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diese Inhaltsangabe hinausfilhrenden Glosse propter negotiationem zu D. 18.4.21 das Folgende schreibt: sic & heres: quia agit de sepul. vio. non enim hereditatem agnoscit. ex sua enim astutia eam exercet, vel ad vindictam: non autem tamquam hereditariam: vt infra de sepul. vio. I. pe. sic etiam si heres inopem hereditatem multum vendidit, non prodest legatariis: cum ex sua negotiatione, vel emptoris stultitia habere videatur: vt infra ad. leg. Fal. I. ij. in princ. & §. j sic & supra man. I. ita vt omnes. §. j. & supra de pecu. I. eo tempore. §. fin. in fin. & infra de damn. infect. I. damni. in fin. & infra so. mat. I. si vero. §. item quicquid. Sed quidam de aequitate dant pretium primo emptori: vt supra si cert. pet. I. si eum servum. Sed certe ibi iam erat res iIIius, cuius pretium redditur. Item nonne crimen falsi committit: vt infra de faI. I. qui duobus. ergo ex eodem facto non debet poenam, & praemium consequi. vnde ex his approbo hanc opinionem, quod pretium debet dari priori emptori, quod a secundo emptore acceptum est: vt facit venditor vini: vt infra de peri.& com. I. j. §. Iicet. & arg. C. de iudi. I. placuit. 201 So auch der Erbe. Nur weil er die actio sepulchri violato erhebt, nimmt er nämlich nicht die Erbschaft an. Er macht sie nämlich aus Verschlagenheit oder Rache geltend, nicht aber gleichsam filr die Erbschaft, so unten bei D. 47.12.10. So nützt es auch den Vermächtnisnehmern nichts, wenn der Erbe eine dürftige Erbschaft filr einen hohen Preis verkauft. Denn das Erlangte scheint er aus seinem Geschäft oder der Einfalt des Käufers zu haben, so unten bei D. 35.2.3 pr. und oben bei D. 17.1.36.1 und oben bei D. 15.1.50.3 am Ende und bei D. 39.2.18.6 am Ende und unten bei D. 24.3.64.5. Aber einige geben den Preis aus Billigkeit dem ersten Käufer wie oben bei D. 12.1.23. Aber sicherlich gehörte die Sache dort schon jenem, dem der Preis gegeben wird. Ob der Verkäufer damit also nicht schon ein crimen falsi begeht wie unten bei D. 48.1O.21? Wegen ein und derselben Tat soll er nicht Strafe zahlen und Lohn erhalten. Aus diesen Gründen billige ich die Meinung, daß er den Preis, den er von dem zweiten Käufer entgegengenommen hat, dem ersten Käufer herausgeben muß: Denn so macht es der Weinverkäufer unten bei D. 18.6.1.3 und mit dem Argument C.3.1.8.

Zuerst will Accursius einem bei der Lektüre von D. 18.4.21 leicht auftretenden Mißverständnis begegnen und legt anhand von D. 47.12.10 202 dar, daß nicht 201 Accursius, Corpus iuris civilis iustinianei, Glosse venditor zu D. 18.4.21, Sp. 1755 der Ausgabe Lyon 1627, nahezu identisch mit der Ausgabe Lugduni 1572, Sp. 1782. Die Unterteilung der Glosse in zwei Abschnitte erfolgt hier aus Gründen der Übersichtlichkeit. 202 Die Allegation bereitet insofern Schwierigkeiten, als es die genannte lex "pe" in dem zitierten Titel nicht gibt. In den Glossatorentexten sind Fehler, die durch mehrfache, unsorgfliltige Abschriften und Editionen entstehen, recht häufig (Weimar, in: Handbuch der Quellen und Literatur I, S. 152 f.), wohingegen Accursius Parallelstellen sehr genau zitiert (H. Dilcher, in: HRG I, S.V. Accursius, Sp. 25). Nach den einfilhrenden Worten von Accursius paßt genau die lex 10 ("qe"). - D. 47.12.10 lautet: Quaesitum est, an ad heredem necessarium, cum se bonis non miscuisset, actio sepu\chri violati pertineret. dixi recte eum ea actione experiri, quae in bon um et aequum concepta est: nec tamen si egerit, hereditarios creditores timebit, cum etsi per hereditatem optigit haec actio, nihil tamen ex defuncti capiatur voluntate, neque id capiatur, quod in rei persecutione, sed in sola vindicta sit constitutum.

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2. Kapitel: Die Glossatoren

jedes Geschäft, das im Zusammenhang mit einer Erbschaft erfolgt, eine Geschäftsfilhrung filr die Erbschaft darstellt. In dem allegierten Text geht es um einen Erben, der die Erbschaft nicht angetreten hat, gleichwohl aber die actio sepulchri violati erheben kann, ohne den Zugriff der Erbschäftsgläubiger filrchten zu müssen. Denn die Klageerhebung soll keine Geschäftsfilhrung filr die Erbschaft sein, sondern auf der persönlichen Beziehung zum Erblasser beruhen. Außerdem unterstreicht Accursius, daß "propter negotiationem" das erlangt wird, was man aufgrund eigener Geschäftstüchtigkeit erzielt203 • Das veranschaulicht er anhand von 0.35.2.3 pr. 204 . Dort ist von einem Erbschaftsverkäufer die Rede, der eine dürftige Erbschaft verkauft hat und der den Gewinn nicht den Legataren herausgeben muß, weil er ihn nicht der Erbschaft, sondern der Dummheit der Käufer verdankt. Dieser Gedanke soll sich auch aus den zahlreichen weiteren Allgationen ergeben, die hier zwar im einzelnen nicht weiterfilhren, aber zeigen, daß Accursius ihn als ein allgemeines Prinzip versteht. Das belegt die Richtigkeit von Landsbergs Beobachtung, daß es bei Accursius üblich ist, allgemeine Grundsätze nicht als solche zu benennen, sondern sie anhand von Allegationen zu verdeutlichen 205 • Nach der Darlegung dieses Prinzips kommt er - im zweiten Teil - zur Sache. Entgegen diesem Grundsatz will Accursius einen Anspruch auf Herausgabe des Zweitverkaufserlöses an den Erstkäufer aufgrund von Billigkeitserwägungen schließlich doch bejahen. Am Ende der Glosse wird deutlich, daß Accursius mit "dant pretium" nicht lediglich die Rückerstattung des von dem Erstkäufer geleisteten Kaufpreises meint. Er spricht dort ausdrücklich von dem Preis, den der Verkäufer von dem Zweitkäufer erhalten hat: "pretium ... quod a secundo emptore acceptum est". Da Accursius aber - wie die Glosse venditor zeigt - Paulus so verstanden hat, daß ein Anspruch auf Herausgabe des Erlöses zu verwehren sei, scheint es sich hier um eine Entscheidung gegen das Gesetz zu handeln. Bevor man dies bejaht, ist aber auszuschließen, daß dieser offene Widerspruch auf Fehler bei der Textüberlieferung beruht. Es ist davon auszugehen, daß es zwischen dem 13. bis zum 15. Jahrhundert eine gewisse "Textentwicklung" gegeben hat206 • Zudem sind Fehler in Glossatorentexten, die durch mehr-

203

Stelle.

So auch das Verständnis von Jakobs, Lucrum ex negotiatione, S. 77 f., von dieser

204 D. 35.2.3 pr.: Si heres institutus eam hereditatem quae solvendo non est vendiderit, vix quidem poterit persuaderi non fuisse eam hereditatem solvendo, quae emptorem invenerit: vera autem ratione nihil legatariis debebitur, quia magis ex stultitia emptoris habere videtur heres institutus quam ex bonis defuncti. nam et e contrario si male vendiderit res hereditarias, non erit hoc legatariorum detrimentum: ita ergo commodum debet esse heredis, si bene res administraverit. 205 Landsberg, S. 48. 206 Lange, Glossatoren, S. 349.

11. Ansprüche des Erstkäufers auf den Zweitverkaufserlös

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fache, unsorgtaltige Abschriften und Editionen entstanden sind, recht häufig207 • Schließlich wird die hier zugrundegelegte Glossenausgabe Lyon 1627 zu mediaevistischen Zwecken filr nur bedingt geeignet gehalten, da in großem Umfang die von der humanistischen Forschung gewonnenen Erkenntnisse in sie aufgenommen wurden208 • Doch heißt das im wesentlichen nur, daß Text und Glossierung nicht zusammenpassen. Auch der Umstand, daß sich in dieser Ausgabe unter anderem auch Noten von Gothofredus und Contius, sowie die casus von Vivian finden, macht die Vorlage nicht unbrauchbar, da die Zusätze als solche erkennbar sind209 • Trotz aller Bedenken ist eine Autorschaft des Accursius hinsichtlich beider Glossen anzunehmen. Die hier in Rede stehenden Glossen sind identisch mit dem Text der Ausgabe Lyon 1572, bei der Gothofredus seine Hand nicht im Spiel hatte, so daß beide Ausgaben allenfalls eine gemeinsame fehlerhafte Vorlage haben können. Für eine Authentizität der einfilhrenden Glosse venditor spricht, daß sich die Texterläuterung keineswegs in den casus, deren Autor Vivian ist, sondern in einer einfilhrenden Glosse befindet, filr die es keinen Hinweis auf einen anderen Autor als Accursius gibt. Darauf deutet auch der argumentative Aufwand hin, mit dem in der Glosse propter negotiationem die gegenteilige Entscheidung begründet wird. Die Echtheit der Glosse propter negotiationem wird aber vor allem dadurch belegt, daß sie bereits den Kommentatoren bekannt ise lO • Accursius empfindet es als nicht hinnehmbaren Wertungswiderspruch, den Verkäufer nach D.48.1O.21 zu bestrafen und zugleich gemäß D. 18.4.21 mit dem Zweitverkaufserlös belohnen2ll . Im römischen Privatstrafenrecht unterlagen zwar ursprünglich viele Delikte nicht der öffentlichen, sondern lediglich der privaten Verfolgung durch den Verletzten 212 , was wiederum eine Unterscheidung zwischen Schadensersatz und Strafe erschwerte2l3 • Allerdings wurde die Kriminalstrafe stets deutlich von der Privatstrafe unterschieden 2l4 . Da das Delikt von D. 48.10.21 nicht der privaten, sondern der öffentlichen Verfolgung unterlag und keine Vermögensstrafe, sondern zeitige Verbannung vorgesehen

Vergleiche oben Note 202. Troje, Graeca leguntur, S. 151, 182; Lange, Glossatoren, S. 351. 209 Zu Einzelheiten siehe Troje, Graeca leguntur, S. 160 und Weimar, in: Handbuch der Quellen und Literatur I, S. 175; Lange, Glossatoren, S. 367 ff. 2\0 Siehe unten S. 209 ff. 211 So beinahe wörtlich auch noch Jhering, Beiträge zur Lehre von der Gefahr beim Kaufcontract, JhJb 3 (1859), S. 477. 212 Liebs, Römisches Recht, S. 188. 213 Liebs, Klagenkonkurrenz, S. 263 f. 214 Liebs, Klagenkonkurrenz, S. 266 und S. 267 f. (auch zur lex Comelia de falsis). 207

208

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2. Kapitel: Die Glossatoren

war, bewirkte diese lex selbst keinerlei Ausgleich zwischen dem Schädiger und dem Geschädigten. Accursius meint, daß der Verkäufer dennoch durch das Delikt keinen fmanziellen Vorteil erwirtschaften dürfe. Damit hat Accursius einen dem römischen Recht innewohnenden Grundsatz vom Ergebnis her richtig erfaßt, der dahin ging, einem Verkäufer aus seiner Vertragsuntreue keinerlei Vorteil zu lassen2\S. Daher wird dieser Glosse von Jakobs der noch "unentwickelte Gedanke der Haftung auf den Eingriffserwerb" zugeschrieben216 • Daß sich der Grundsatz vom Bereicherungsverbot bei Accursius auch außerhalb des Kondiktionenrechts ausdrückt, ist bereits von Coing in anderem Zusammenhang festgestellt worden 217 • Dieser Ansatz zeigt, um was es Accursius bei der Herausgabe des Zweitverkaufserlöses wirklich geht: Es geht nicht um den umfassenden Schutz des Forderungsrechts des (Erst-)Käufers, sondern um die Ahndung des Betruges durch den Verkäufer, der nämlich - laut Odofredus - in der Praxis des 13. Jahrhunderts nur geringfügig bestraft wurde 2l8 • Mit dieser Lehre gerät Accursius in Widerspruch mit dem obersten Grundsatz der scholastischen Jurisprudenz, daß nämlich das Corpus iuris civilis als Inbegriff denatio und aequitas als höchste Autorität anzusehen ist. Ein solcher Autoritätsglaube läßt im Prinzip eine Gesetzeskorrektur unter BiIIigkeitsgesichtspunkten, ohne daß eine Rechtfertigung durch den Text möglich ist, nicht zu2l9 . Es ist also bemerkenswert, wenn Accursius sich vor allem aus Billigkeitsgründen gegen die nach seiner Vorstellung in D. 18.4.21 vorgesehene Rechtsfolge entscheidet. Das Verhältnis zwischen ius und aequitas war Gegenstand einer Kontroverse zwischen den Schulen von Bulgarus und Martinus. Während die Schule des Bulgarus ihrer Tendenz nach dem strengen ius den Vorzug gab, bevorzugte Martinus Gosia aequitas-Erwägungen22o • Probleme bereitete den Glossatoren die Zu lässigkeit von BiIIigkeitserwägungen wegen der Antinomie von C. 3.1.8 221 und C. 1.14.1 222 • Diese wurde durch Bulgarus und die späteren Glos-

Medicus, Id quod interest, S. 44 (zum römischen Recht). Jakobs, Lucrum ex negotiatione, S. 62. 217 Coing, Zur Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung bei Accursius, SZRom 215

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80 (1963), S. 399. 218 Vergleiche oben S. 76. 219 Coing, Europäisches Privatrecht I, S. 41. 220 Lange, Ius aequum und ius strictum bei den Glossatoren, SZRom 71 (1954), S. 326 f.; ders., Glossatoren, S. 165 f., 171 ff.; Landsberg, S. 15 ff.; Guzman, S. 12. 221 C. 3.1.8: Placuit in omnibus rebus praecipuam esse iustitiae aequitatisque quam stricti iuris rationem.

11. Ansprüche des Erstkäufers auf den Zweitverkaufserlös

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satoren durch Distinktion so aufgelöst, daß die aequitas non seripta, also eine Billigkeitserwägung, die nicht durch das Corpus iurs eivilis belegt werden konnte, dem Kaiser vorbehalten blieb 223 • Eine wegen C. 3.1.8 erlaubte aequitasBegründung in Praxis und Lehre bedurfte dagegen eines schriftlichen Beleges (aequitas seripta)224. Auch die Frage nach dem Verhältnis von ius zu aequitas wurde mithin als ein Problem der Textharmonisierung durch Interpretation gesehen 225 • Martinus hingegen ist vorgeworfen worden, Billigkeitserwägungen willkürlich über den überlieferten Text hinaus rur zulässig gehalten zu haben 226 • Tatsächlich aber hatte Martinus die aequitas (non seripta) nicht offen über das ius gestellt227, sondern lediglich billige Rechtssätze des Corpus iurs eivilis analog angewandt und sie dem rigor iuris vorgezogen, auch wenn die Texte unmittelbar eine strenge Entscheidung zu verlangen schienen 228 • Accursius wird tendenziell eher der Schule des Bulgarus zugeordnef 29 . Die Unsicherheit bei der Einordnung läßt sich damit erklären, daß sich beide Schulen trotz des unterschiedlichen Ansatzes in den praktischen Ergebnissen nicht sehr unterschieden230 • Was nämlich die aequitas bei Martinus war, war die dem Wortsinn vorgehende ratio legis bei den Formalisten im Stil von Bulgarus231 • Für diese ergab sich die rur die Analogie 232 erforderliche Gleichheit der ratio

222 C. 1.14.1: Inter aequitatem iusque interpositam interpretation em nobis solis et oportet et Iicet inspicere. 223 Guzman, S. 13 tf.; Horn, Aequitas, S. 25 f.; Schott, Rechtsgrundsätze, S. 61; Lange, Ius aequum, SZRom 71 (1954), S. 325 f., 330 ff. 224 Lange, Ius aequum, SZRom 71 (1954),346; Schott, S. 61. 225 Guzman, S. 13; Lange, Ius aequum, SZRom 71 (1954), S. 333, 345 f. und passim. 226 Zu dieser Kritik siehe Lange, Glossatoren, S. 172; Savigny, Geschichte IV, S. 129 f.; Meijers, Le conflit entre I' equite et la loi chez les premiers glossateurs, TRG 17 (1941), S. 120, 122 ff.; Kantorowicz I Buckland, S. 88. 227 Dagegen heißt es in den Exceptiones Petri ausdrücklich, daß die aequitas rudis vorzuziehen sei (Kantorowicz, Les origines, S. 199). 228 Lange, lus aequum, SZRom 71 (1954), S. 330; ders., Glossatoren, S. 172. 229 So von Lange, Glossatoren, S. 171 f.; Landsberg, S. 18; Kantorowicz I Buckland, S. 88. - Hervorzuheben ist die (auch hier sichtbare) Bereitschaft, sich mit der anderen Auffassung auseinanderzusetzen, dazu Lange, Glossatoren, S. 361. 230 Kantorowicz I Buckland, S. 88; Meijers, L'equite, TRG 17 (1941), S. 131 f., 135; Genzmer, Kritische Studien zur Mediaevistik I, SZRom 61 (1941), S. 315. 231 Meijers, L'equite, TRG 17 (1941), S. 132 f.; Genzmer, Kritische Studien, SZRom 61 (1941), S. 315. m Die juristische Lehre von der Analogie entstammt dieser Interpretations- und aequitas-Lehre der Glossatoren, siehe Steinwenter, Prolegomena zu einer Geschichte der Analogie, in: Festschrift für Fritz Schulz (Band 11), S. 348 f. - Zum Ähnlichkeitsvergleich zwischen Fällen und der Gleichsetzung der aequitas mit der aequalitas bei Azo siehe Herberger, Dogmatik, S. 177 f.

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2. Kapitel: Die Glossatoren

wiederum aus der aequitas233 , mit deren Hilfe letztlich die einzelnen Rechtssätze gegeneinander ausgespielt werden konnten234 . Die Glosse In omnibus rebus zu C. 3.1.8 zeigt, daß auch Accursius wie Bulgarus zwischen der aequitas scripta und non scripta unterscheidet: ("Et nota quod hic loquitur de aequitate scripta,oo.,,235). Daher kann sich Accursius filr die Begründung der Herausgabepflicht nicht - wie es Jakobs meint, der in der Glosse propter negotiationem zu D. 18.4.21 keinen Harmonisierungsversuch erkennen kann 236 - schlicht auf die Feststellung des Wertungswiderspruchs zu 0.48.10.21 beschränken. So gibt denn auch Accursius TextsteIlen an, aus denen sich die gewünschte Rechtsfolge, hier die Pflicht des Verkäufers zur Auskehr des Zweitverkaufserlöses an den Erstkäufer, ergeben könnte. Accursius erörtert zuerst das von Africanus stammende Fragment D. 12.1.23 237 , in dem es um einen Sklaven geht, der nicht im Besitze dessen ist, dem er vermacht wurde. Der Besitzer verkauft den Sklaven und muß nach dessen Tod dem Berechtigten den Kaufpreis im Wege der condictio herausgeben. Da eine rei vindicatio wegen des Untergangs der Sache nicht möglich ist, wird gegen den Verkäufer aus Billigkeitsgrunden eine condictio auf den empfangenen Kaufpreis gewährt, damit der Berechtigte an der Sache nicht aus formaljuristischen GrUnden leer ausgehf 38 . Daß der Vermächtnisnehmer nicht mit der actio negotiorum gestio vorgehen zu können scheint, ist möglicherweise auf die fehlende Fremdgeschäftsfilhrungsabsicht des Verkäufers zurUckzufilhren239 •

OUe, Dialektik, S. 204; Steinwenter, S. 349. Lange, lus aequum, SZRom 71 (1954), S. 345. 235 Accursius, Codicis DN. lustiniani repetitae praelectionis Libri Duodecim, Glosse In omnibus rebus zu C. 3.1.8, Sp. 558; dazu Caron, "Aequitas et Interpretatio" dans la doctrine canonique aux XIII et XIVe siecles, in: Proceedings of the third International Congress ofMedieval Canon Law - Strasbourg 1968 (1971), S. 140 bei Note 47 mit Anführung weiterer Glossen. - Es sei noch darauf hingewiesen, daß sich die Glosse zu C. 3.1.8 in der Ausgabe Lyon 1627 um einen Text rankt, zu dem sie nicht geschrieben wurde, da der Text der Konstitution von den Humanisten verändert wurde, siehe Troje, Graeca leguntur, S. 98, 127, 155. 236 Jakobs, Lucrum ex negotiatione, S. 62, 78. 237 D. 12.1.23: Si eum servum, qui tibi legatus sit, quasi mihi legatum possederim et vendiderim, motuo eo posse te mihi pretium condicere lulianus ait, quasi ex re tua locupletior factus sim. - Dieses Fragment gilt als Vorbild rur § 816 Abs. I Satz I BGB, vergleiche Kaser, Zur Frage einer condictio aus gutgläubigem Erwerb oder gutgläubiger Leistung im römischen Recht, in: Festschrift rur Felgentraeger, S. 278; Jakobs, Lucrum ex negotiatione, S. 61 Note 107. 238 Kaser, Zur Frage einer condictio aus gutgläubigem Erwerb, S. 278 f. Jhering, Abhandlungen, S. 78-81, kritisiert diesen Text aus dogmatischen Gründen als ,juristische Anomalie". 239 Zur negotiorum gestio und D. 12.1.23 siehe Honsell / Mayer-Maly / Selb, Römisches Recht, S. 348 f.; Mayer-Maly, Probleme der negotiorum gestio, SZRom 86 (1969), S. 427 und Jhering, Abhandlungen, S. 58 f., 78-82, sowie Seiler, Bereicherung 233

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11. Ansprüche des Erstkäufers auf den Zweitverkaufserlös

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In D. 12.1.23 geht es allerdings nicht um einen Doppelverkauf, sondern um den Verkauf einer fremden Sache. Dieser Unterschied ist aber grundsätzlich wichtig, weil der Anspruchsteller beim Verkauf der fremden Sache Eigentümer ist, was für den Erstkäufer beim Doppelverkauf gerade nicht gilt. Diesen Punkt trifft Accursius genau, wenn er meint, daß diese Stelle wegen der unterschiedlichen Ausgangslage keinen Anspruch des Erstkäufers auf Herausgabe des Kaufpreises begründe, weil die Sache im Fall von 0.12.1.23 schon dem gehörte, dem letztlich der Erlös herauszugeben ist ("et certe ibi iam erat res illius ... "). Accursius vergleicht hier die Ausgangslagen zwecks Prüfung einer Analogie und kommt zu einem negativen Ergebnis. Daß die Auskehr des Zweitverkaufserlöses an den Erstkäufer nach Ansicht des Accursius auch aus weiteren, grundsätzlichen Überlegungen heraus ohnehin nicht mit D. 12.1.23 zu begründen ist, zeigt auch die Glosse condicere zu D. 12.1.23, in der Accursius hervorhebt, daß es sich im Fall von D. 12.1.23 bei dem herauszugebenden Erlös um ein commodum ex re handele: (" ... Item no. hic. arg. quod pretium loco rei succedit...Sed. arg. contra in eo tit. 1. venditor ex hereditate"z4o). Paulus dagegen spricht in D. 18.4.21 vom Zweitverkaufserlös als von einem commodum ex negotiatione. Die Begründung eines Herausgabeanspruchs mit D. 12.1.23 würde demnach aus der Sicht des Accursius die Grenzen der aequitas scripta überschreiten. Allerdings hätte es bei dieser Deutung hier korrekt "cui pretium redditur" heißen müssen. Bei wörtlicher Übersetzung des statt dessen gebrauchten Wortes "cuius" müßte man Accursius hingegen so verstehen, daß der Sklave nach des Accursius' Ansicht demjenigen gehörte, der den Preis gezahlt hat. Doch dieses Verständnis würde nicht zu dem Fall des Africanus passen, in dem der wahre Berechtigte sein Eigentum behalten hat und der nach dem bei dem Käufer eingetretenen Tod des Sklaven, wenn schon nicht diesen, so doch wenigstens den Verkaufserlös erlangen soll. Demnach ist hier von einem Überlieferungsfehler auszugehen. Der Fehler besteht darin, daß - wohl in einer als Vorlage dienenden Handschrift - das Kürzel für "us" dem Wort "cui" angehängt wurde. Ein solcher Flüchtigkeitsfehler kann nach dem Wort "illius", das häufig von einem Genetiv gefolgt wird, leicht unterlaufen.

und negotiorum gestio, in: Iuris professio, Festschrift für Kaser (1986), S. 256, der darlegt, daß sich Africanus selbst einmal für die condictio, ein anderes Mal für die actio negotiorum gestio ausgesprochen habe. - Accursius will die actio negotiorum gestio im Fall von D. 12.1.23 nach Genehmigung hilfsweise gewähren, vergleiche Accursius, Corpus iuris civilis iustinianei, Glosse condicere zu D. 12.1.23, Sp. 1221: "scilicet certi condict. general i. cum enim veniat in act. neg. gest. te habente ratum in subsidium ... " 240 Accursius, Corpus iuris civilis iustinianei, Glosse condicere zu D. 12.1.23, Sp. 1221. - Diesen Unterschied betont auch noch Jhering, Abhandlungen, S. 58.

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2. Kapitel: Die Glossatoren

Der Argumentation des Accursius scheint eine strikte Trennung von Schuldund Sachenrecht, wie sie der modeme Jurist kennt, zugrundezuliegen. Ansätze zum Aufbau und zur Anwendung eines "Systems" im Sinne einer über den Einzelfall hinausgehenden Sachanalyse zur Erstellung eines inneren Begründungszusammenhangs der Rechtssätze sind sichtbar. Wichtig ist nämlich, daß der Käufer nicht so gestellt wird, als hätte er aufgrund seiner Forderung bereits die Sache erlangt. Die schuldrechtliche und die sachenrechtliche Ebene bleiben hier streng getrennt. Daß durch den Kaufvertrag noch keine Beziehung zwischen dem Käufer und der Kaufsache hergestellt wird, steht auch in Übereinstimmung mit der oben gezeigten ursprünglichen Tendenz zu einer Favorisierung der Geldkondemnation. Da Accursius den Meinungswechsel zur Sachkondemnation erst im Laufe der zweiten Bearbeitung der Institutionen vollzogen haben soll, kann dieser fiir die zeitlich frühere Bearbeitung des digestum vetus keine Rolle spielen241 . Wer kein Recht an der Sache hat, dem wird auch der Erlös verwehrt. Wenn Accursius nun dem Erstkäufer im Ergebnis dennoch den Zweitverkaufserlös gewähren will, warum macht er sich solche Mühe mit der Begründung, daß D. 12.1.23 diese Entscheidung nicht trägt? Offensichtlich ist D. 12.1.23 von den "quidam" fiir diese Entscheidung zugunsten des Erstkäufers angefiihrt worden 242 • Wer sich hinter "quidam,,243 verbirgt, wird nicht mitgeteilt. Es drängt sich der Verdacht auf, daß Accursius nicht verraten will, daß es sich hierbei - wie sich unten 244 zeigen wird - um angesehene Lehrer, wahrscheinlich um Johannes Bassianus und seinen Lehrer AZ0 245 handelt, die das argumentum ab auctoritati 46 fiir sich hätten. Da D. 12.1.23 wegen der unterschiedlichen Ausgangslage nicht geeignet scheint, die auch von Accursius gewünschte Rechtsfolge zu begründen, fiihrt er eine die Entscheidung seiner Ansicht nach besser tragende Parallel stelle an, die sein Argument zu einem aus aequitas scripta macht und in der einem Erstkäufer der Zweitverkaufserlös zugesprochen wird.

Siehe oben S. 68. Dies meint auch Jakobs, Lucrum ex negotiatione, S. 62, Note 110. 243 Mit der Bezeichnung "quidam" begnügt sich Accursius des öfteren, so Lange, Glossatoren, S. 361. 244 S. 109 f. 245 Lange, Glossatoren, S. 259. - Aufschlußreich die Aufstellung Langes betreffend die Zahl der Zitate der verschiedenen älteren Glossatoren in der Glosse (a.a.O. S. 360 f.), wonach Azo den ersten Rang einnimmt. 246 Dazu Sbriccoli, Politique et interpretation juridique dans les villes italiennes du Moyen age, Archives de Philosophie du Droit 17 (1972), S. 109; OUe, Dialektik, S. 210 f. - Horn, Argumentum ab auctoritate in der legistischen Argumentationslehre, in: Festschrift für Wieacker (1978), S. 263 ff. (insbesondere S. 270), betont, daß dieser modus arguendi erst in der Zeit der Kommentatoren große Bedeutung erlangt habe. 241

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11. Ansprüche des Erstkäufers auf den Zweitverkaufserlös

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Im Fall von D. 18.6.1.3 247 geht es um einen Weinverkäufer, der den geschuldeten Wein bei Annahmeverzug des Käufers vernichten 248 oder rur Rechnung des Käufers verkaufen darf. Der doppelte Verkauf wird also ausdrücklich in Form eines Selbsthilfeverkaufs gestattet. Obwohl Gläubigerverzug im römischen Recht regelmäßig noch keine Befreiung des Schuldners von der Leistungsverptlichtung, sondern lediglich eine Haftungsmilderung bewirkte, eine Haftung rur dolus also bestehen blieb 249, wurde die Preisgabe des Weins nicht als dolus gewertet2SO • Es handelt sich also bei der Ermöglichung des Selbsthilfeverkaufs um eine Ausnahmebestimmung, die darauf beruhen mochte, daß die in den Boden eingelassenen Standfilsser unbedingt bis zur nächsten Ernte geleert sein mußten, also die Verwahrung des Weins rur den Verkäufer unzumutbar wurde 2Sl • Als Ausgleich stand dem ersten Käufer der erzielte Erlös, der mit dem Kaufpreis zu verrechnen war2S2 , zu. Trotz des den Quellen zu entnehmenden Verbots, Ausnahmevorschriften analog anzuwenden 2S3 , will Accursius diese vornehmlich auf den Schutz des Verkäufers abzielende Ausnahmebestimmung generell auf den Doppelverkauf zugunsten des Erstkäufers und zu Lasten des Verkäufers anwenden. Er glaubt nämlich, daß die in der Regelung von D. 18.6.1.3 zum Ausdruck gekommene Wertung, daß dem ersten Weinkäufer der Kaufpreis zusteht, im Wege der Analogie auf den Fall des Doppelverkaufs gemäß D. 18.4.21 übertragbar sei und somit D. 18.4.21 anders zu interpretieren ist, als es der Wortlaut zu erzwingen scheint. Accursius kann sich nicht - wie es Sbriccoli bei sehr weitgehenden Interpretationen insbesondere des Statutarrechts durch die mittelalterlichen Juristen beobachtet har 54 - auf eine Lückenhaftigkeit des Textes berufen. Es liegt 247 D. 18.6.1.3 (Ulpian): Licet autem venditori vel effundere vinum, si diem ad metiendum praestituit nec intra diem admensum est. effundere autem non statim poterit, priusquarn testando denuntiet emptori, ut aut tollat vinum aut sciat futurum, ut vinum effunderetur. si tarnen, cum posset effundere, non effundit, laudandus est potius: eapropter mercedem quoque dolorium potest exigere, sed ita demum, si interfuit eius inania esse vasa in quibus vinum fuit (veluti si locaturus ea fuisset) ve1 si necesse habuit alia conducere dolia. commodius est autem conduci vasa nec reddi vinum, nisi quanti conduxerit ab emptore reddatur, aut vendere vinum bona tide: id est quantum sine ipsius incommodo tieri potest operarn dare, ut quarn minime detrimento sit ea res emptori. 248 Möglicherweise bezeichnet effundere nicht das Ausgießen, sondern das UmfUllen in andere Behälter, was also nicht zur Vernichtung, sondern nur zur Verschlechterung des Weines fUhren würde, vergleiche zu dieser Erwägung HanseIl / Mayer-Maly / Selb, S. 249 Note 47. 249 Kaser, Das Römische Privatrecht I, § 119, III 3. 250 Kaser, Das Römische Privatrecht I, § 119, III 3 d. 251 HanseIl / Mayer-Maly / Selb, S. 249; Jörs / Kunkel / Wenger, S. 186 Note 10. 252 Bürge, S. 191. 253 So in D. 1.3.14-16, insbesondere lex 15. Dazu siehe Stein, Regulae luris, S. 96 ff. 254 Sbriccali, Politique et interpretation juridique dans les viIles italiennes du Moyen age, Archives de Philosophie du Droit 17 (1972), S. 105 f.

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2. Kapitel: Die Glossatoren

vielmehr eine Um interpretation auf der Grundlage von D. 18.6.1.3 vor, die durch den als solchen empfundenen Wertungswiderspruch zu 0.48.10.21 veranlaßt worden ist. Die Rechtfertigung sieht Accursius ausdrücklich in C. 3.1.8, mithin darin, daß nur dieses Ergebnis der aequitas (scripta) entspricht. Accursius hat also die Ausnahmebestimmung D. 18.6.1.3 gegen D. 18.4.21 gesetzt und sich mit Hilfe von C. 3.1.8 als Konkurrenzregel fiir die Anwendung des ersten Textes entschieden. Demnach folgern die Herausgabe des Zweitverkaufserlöses nicht nur die "quidam" aus der aequitas - wie es Jakobs meint2SS -, sondern auch Accursius, der demnach zu Unrecht von Jakobs als zu vorsichtig getadelt wird 2s6 • Hier zeigt sich sehr deutlich die bereits mehrfach beschriebene Argumentationsmethode der Glossatoren. Jeder beliebige Satz, der eine Beziehung zu dem Problem aufweist, konnte herangezogen werden 2S7, jede Rechtsentscheidung oder -regel wurde als eine Art innerhalb der Gattung Recht angesehen, die es den Glossatoren ermöglichte, jeden Teil des Rechts zum Aufbau des Ganzen und gleichzeitig umgekehrt das Ganze zur Deutung eines jeden Teils heranzuziehen 2s8 • So wurden die zu einzelnen Entscheidungen gegebenen Begründungen ohne Rücksicht auf den Kontext als generalisierbaren Rechtssatz betrachtet2S9 • Es ging also letztlich nicht um die einzelnen Fälle, sondern um die darin enthaltenen Prinzipien260 • Daher kann auch hier die Beobachtung bestätigt werden, daß die Analogieflihigkeit von Normen rur die Glossatoren nicht davon abhing, ob sie lex generalis oder specialis waren, sondern davon, ob der geregelte und der nicht geregelte Fall (hier besser: der nicht in gewünschter Weise geregelte Fall) dieselbe ratio enthielten261 • Eine solche Handhabung des RegelAusnahme-Verhältnisses hielt Accursius ausdrücklich rur zulässig ("... nam exceptio est de aequitate, regula de rigore: & sic magis est sequenda excep-

255 Jakobs, Lucrum ex negotiatione, S. 75 unten, 62, 78. - Auf den letzten Satz der Glosse, der die Argumentation des Accursius enthält, geht Jakobs nicht ein. 256 Jakobs, Lucrum ex negotiatione, S. 78. Auch Schrage hält diese Kritik in der Rezension des Werkes von Jakobs, TRG 63 (1995), S. 189, rur unberechtigt. 257 Weimar, in: Handbuch der Quellen und Literatur I, S. 143; Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, S. 59; Olte, Die Rechtswissenschaft, S. 138. 258 Berman, S. 229. 2590lte, Die Rechtswissenschaft, S. 138; Lange, Ius aequum, SZRom 71 (1954), S. 323, 333 ("generalisierende Methode"); Berman, S. 229; Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, S. 84. 260 Berman, S. 229. 261 Olte, Dialektik, S. 203; Wieacker. Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, S. 59; Lange, lus aequum, SZRom 71 (1954), S. 333 tT., 342 ff.

11. Ansprüche des Erstkäufers auf den Zweitverkaufserlös

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tio ... "i62 • Dieses Argument gibt letztlich doch der aequitas den Vorrang. Dadurch hat die Interpretation weiten Spielraum. Man wird dennoch nicht sagen können, daß Accursius der Versuchung der Manipulation dieser Auslegungstechnik, auf die Wieacker hinweise63 , erlegen wäre. Das wissenschaftliche Ziel des Accursius, wie der Glossatoren überhaupt, war nur die richtige Auslegung264, Kritik sollte von vornherein ausgeschlossen sein 26s • Deshalb ist Accursius bei dem Bestreben, den als solchen empfundenen Wertungswiderspruch zu 0.48.10.21 aufzulösen, sorgfliltig bemüht, seine Abweichung von D. 18.4.21 durch den Text (0. 18.6.1.3) abzusichern. Daher hat Accursius mit Hilfe der Allegationen sicherlich nach seiner Vorstellung eine methodisch saubere Entscheidung zugunsten des Erstkäufers gegen den Wortlaut von D. 18.4.21, aber auch gegen den Grundsatz, daß dem Nichteigentümer ein commodum nicht gebührt, getroffen. Das zweifellos vorhandene Methodenbewußtsein bei Accursius vermag ihn nicht daran zu hindern, über den Wortlaut hinauszugehen. Hier zeigt sich der von Otte beschriebene Zwiespalt der Glossatoren zwischen Autoritätsglauben und Begriffssystem auf der einen und dem unsystematischen, allein an einem beliebigen Ziel orientierten Argumentieren auf der anderen Seite266 • Dieser Zwiespalt ist die notwendige Folge des paradoxen Ansatzes, von der absoluten Autorität der Bücher auszugehen, obwohl die offensichtliche Widersprüchlichkeit erkannt wurde 267 • Mit dem an der grammatisch-logischen Methode sichtbaren philologischen Interesse, das Coing rur vorrangig hält268 , läßt sich diese accursische Lösung nicht erklären. Die Glosse propter negotiationem geht auch über die lediglich formale Überprüfung der Richtigkeit von Sätzen, eine Beschränkung, die Strömholm als (notwendige) Folge der Arbeit mit der aristotelischen Logik bezeichnet269, hinaus. Sie entspricht daher auch nicht dem von Kantorowicz generell gezeichneten Bild von der Verdrängung wertender Gesichtspunkte durch einen formallogischen Schematismus 27o • Die Glosse propter negotiationem ist vielmehr, wie Jakobs zutref-

262 Accursius, Codicis DN. Iustiniani repetitae praelectionis Libri Duodecim, Glosse In omnibus rebus zu C.3.1.8, Sp.558; dazu auch Lange, Ius aequum, SZRom 71 (1954), S. 342. Zu einer anderen Passage dieser Glosse siehe oben S. 88. 263 Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, S. 59. 264 Dazu oben S. 46. 265 Stintzing, Geschichte I, S. \05. 266 OUe, Dialektik, S. 228; ähnlich Berman, S. 215 ff. 267 Zu diesem Paradoxon der scholastischen Methode siehe Berman, S. 215 und oben S.46. 268 Coing, Zur Geschichte des Begriffes "subjektives Recht", in: Gesammelte Aufsätze I, S. 249. 269 Strömholm, Rechtsphilosophie, S. 120 f. 270 Kantorowicz, Epochen, in: Rechtshistorische Schriften, S. 4. Ihm folgen Strömholm, S. 121; Schlosser, S. 212.

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2. Kapitel: Die Glossatoren

fend festgestellt hat, "gar nicht... der Art, die uns die mittelalterliche, glossatorische scheint,,271. Es steht weniger der Wortlaut der Quellen im Vordergrund, sondern eine praktische, auf Wertungen beruhende Entscheidungsfindung272 • Nunmehr stellt sich die Frage, ob diese Entscheidung des Accursius grundsätzliche Bedeutung rur die Einordnung der dem Erstkäufer zustehenden Rechte in ein Schema von dinglichen und persönlichen Rechten hat. Das methodische Vorgehen jedenfalls ist wegen des durch die Arbeitsweise bedingten engen Quellenbezuges (Glossierung) - wie Landsberg273 und Coing274 schon konstatiert haben - nicht systematisch. Solange es um die Ablehnung der Analogie zu D. 12.1.23 geht, spielen systematische Erwägungen, genauer: die vielerorts den Quellen zu entnehmende Unterscheidung zwischen dinglichem Recht und Forderungsrecht, sowie die Differenzierung von commoda ex re sowie ex negolialione, dennoch eine wichtige Rolle 27S • Es bestätigt sich die bereits vielfach getroffene Feststellung, daß die Glossatoren ein aus Einzelfällen ableitbares, bereits vorhandenes "System" im Sinne eines inneren Begründungszusammenhangs der Rechtssätze durch Klassifizierung des vorgefundenen Stoffes aufspüren und damit argumentieren können276 . Otte nennt dies "die kleinen Begriffssysteme" und betont, daß man nicht den größeren Zusammenhang umgreifender Systeme voraussetzen dürfe 277 . Das triffi auch hier zu, denn die von Accursius gefundene Lösung wird nicht zu weiterfilhrenden, übergreifenden Rechtsprinzipien, wie beispielsweise dem des Schutzes des Forderungsrechts durch extensive Auslegung strafrechtlicher Bestimmungen oder durch die Betonung der bona fides im Vertragsrecht weiterentwickelt. Eine sich vom Wortlaut der Quellen lösende, über den vorgegebenen Stoff ins Allgemeine vordringende Systematik zeigt sich - entsprechend 271 Jakobs, Lucrum ex negotiatione, S. 62. Die Bedeutung ethischer Argumente betont auch Repgen, S. 326. 272 Weitere Beispiele nennt Engelmann, Wiedergeburt, S. 183 f. 273 Langsberg, S. 48. 274 Coing, Systemgedanke, in: Gesammelte Aufsätze I, S. 20 I; ders., Subjektives Recht, in: Gesammelte Aufsätze I, S. 249; ähnlich auch Repgen, S. 89. - Zur Kontroverse um den systematischen bzw. analytischen Charakter der Distinktionen siehe Otte, Dialektik, S. 96 f. 275 Die fehlende Ausbildung von Systemen durch die römischen Juristen im Gegensatz zu den Glossatoren betonen Berman, S. 221 ff., 245 und Coing, Systemgedanke, in: Gesammelte Aufsätze I, S. 196 f. 276 Berman, S. 229, 245; Stein, Regulae Iuris, S. 131; Dubischar, Schulsystematische Zweiteilung, S. 41; Kantorowicz, Les Origines, in: Rechtshistorische Schriften, S. 198; Genzmer, Iustinianische Kodifikation, S. 381 ff. - Für Beispiele siehe Coing, Subjektives Recht, in: Gesammelte Aufsätze I, S. 250; H. Dilcher, Leistungsstörungen, S. 282 ff.; ders., Geldkondemnation und Sachkondemnation, SZRom 78 (1961), S. 283; Repgen, S. 206 ff. (zu Bartolus). 277 OUe, Dialektik, S. 229.

11. Ansprüche des Erstkäufers auf den Zweitverkaufserlös

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den Beobachtungen VOn Coing, Otte und Dubischa~7s - auch an dieser Stelle nicht. Sogar weitere den Doppelverkauf betreffende Texte wie C. 3.32.15 bleiben unbeachtet. Die Begünstigung des Erstkäufers durch die Gewährung eines Anspruchs auf den Zweitverkaufserlös ist daher eine auf Billigkeit beruhende Einzelfallentscheidung, eine Sanktion gegen das falsum. Es geht Accursius nur darum, daß der betrügerische Verkäufer den Erlös nicht behalten soll ("ex eodem facto nOn debet poenam, & praemium consequi"). Also gewährt er den Erlös ausnahmsweise dem Erstkäufer, dem er damit aber noch nicht prinzipiell einen Vorrang vor dem Zweitkäufer einräumen will. Die Herausgabe des Erlöses ist damit nicht Folge eines Vorranges, den man als "ius ad rem,,279 bezeichnen könnte. Es gibt keine dritte Kategorie subjektiver Rechte zwischen dinglichen und persönlichen Rechten, denn Accursius zieht gerade nicht die sich auf ein dingliches Recht stützende actio negotiorum gestio oder condictio aus D. 12.1.23 heran. Schließlich bleibt noch der Widerspruch zwischen der Glosse propter negotiationem und der Glosse Dominum possessionem feudf so zu erklären, in der Accursius dem Grundsatz der Geldkondemnation folgt und den Erstkäufer schlicht auf Schadensersatz verweist. In der Glosse Dominum possessionem feudi geht es vor allem um die Investitur, nicht aber um das Kaufrecht, das lediglich zum Vergleich und zur Verdeutlichung herangezogen wird. Wenn es auch in beiden Fällen um die Leistung einer Sache geht, unterscheiden sich Kauf und Lehen stark, da dem Lehnsherrn bei der Investitur von dem Zweitinvestierten nichts geleistet wird, was an den Ersten wie etwa ein Zweitverkaufserlös herausgegeben werden könnte. Daher kommt hier ohnehin allenfalls Schadensersatz in Betracht. Ein Anlaß zur Erörterung der Frage nach dem Zweitverkaufserlös besteht an jener Stelle nicht. Für wie wenig vergleichbar Accursius das Feudalrecht und das Kaufrecht im übrigen hält, zeigt der Umstand, daß er zu Libri Feudorum 2.34 pr. (l)28\, wo es um eine mehrfache Belehnung geht, nichts zur Rechtsstellung der Käufer bei mehrfachem Verkauf anzumerken hat. Wenn auch das Ergebnis, die Auskehr des Erlöses an den Erstkäufer, auf voraccursischem Gedankengut der sich hinter dem Wort "quidam" verbergenden Autoren zu beruhen scheint, so erschöpft sich die Leistung des Accursius durch seine selbständige Argumentation jedenfalls an dieser Stelle keineswegs -

278 Coing, Systemgedanke, in: Gesammelte Aufsätze, S. 201 f.; ders., Subjektives Recht, a.a.O., S. 249; Dubischar, Schulsystematische Zweiteilung, S. 41; Offe, Dialektik, S. 95, 120,229. 279 Dieser BegritTfindet sich nicht in der Glosse, vergleiche oben S. 67. 280 Siehe oben S. 67 f. 28\ Accursius, Feudorum libri duo, Glosse Si autem inter duos pares zu L.F. 2.34. pr. (I), Sp. 88.

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2. Kapitel: Die Glossatoren

wie es die bisher vorherrschende Meinung war82 - in der Kompilation der produktiven Leistungen seiner Vorgänger. In ähnlicher Weise auf Vorarbeiten aufbauende, aber auch selbständige weiterftJhrende Lösungen sind bereits von Stein und Repgen beobachtet worden 283 . Für die Glosse iure zu C. 3.32.15 muß man die Frage nach der eigenständigen Leistung hingegen mit ja und nein zugleich beantworten. Während Accursius die Lehre von der grundsätzlichen Trennung von zivil- und strafrechtlicher Bewertung beim Doppelverkauf von Azo übernommen hat, gibt es rur die Interpretation "iure/bona fide,,284 keinen Hinweis auf eine andere Urheberschaft, so daß Accursius auch hinsichtlich dieser Glosse nur eingeschänkt als Kompilator bezeichnet werden darf. Gemeinsam ist den hier besprochenen Glossen des Accursius zu C. 3.32.15 und zu D. 18.4.21, daß er nicht über den "Horizont" der im Gesetz vorgegebenen Fallgestaltung hinausschaut. So fehlen in der Glosse iure zu C. 3.32.15 Überlegungen zu den Rechtsfolgen bei einern nicht "iure" erfolgten Doppelverkauf85 . In der Glosse propter negotiationem zu D. 18.4.21 verrnißt man die Herstellung einer Verbindung zwischen den Vorschriften des Kaufrechts und der Glosse Dominum possessionem feudi, in der mit dem Doppelverkauf argumentiert wird. Während die Glosse iure zu C. 3.32.15 ohne weiteres in das GefUge der allgemein anerkannten Lehren paßt, muß man die mit vergleichsweise hohem argumentativem Aufwand gegen den Wortlaut des Textes erfolgte Bejahung des Anspruchs auf den Zweitverkaufserlös fUr einen Juristen der Scholastik als gewagt bezeichnen.

3. Odofredus Odofredus bezeichnet D. 18.4.21 in seiner introductio legis als ein gutes, aber sehr schwieriges Gesetz, weil man die angeordnete Rechtsfolge möglicherweise als ungerecht empfinde, wenn man es nicht richtig verstehe286 . Die 282 So aber Otte, Beziehungen zwischen den ältesten Summen und der Glosse, SZRom 83 (1966), S.374; Lange, Rezension zu Dilcher, Leistungsstörungen, in: SZRom 79 (1962), S. 507; Landsberg, S. 53 ff.; Fuchs, S. 39; Savigny, Geschichte V, S.289-291. 283 Stein, Regulae Iuris, S. 146 (allerdings mit der Einschränkung, daß gleichwohl der größte Teil der Glosse eine Verschmelzung der Arbeiten der Vorgänger sei); Repgen, S. 89 ff. - H. Dilcher, in: HRG I, s.v. Accursius, Sp. 24 f., und nunmehr auch Lange, Glossatoren, S. 341 f., 346, 364 f., lassen die Frage offen. 284 Vergleiche oben S. 73. 285 Siehe oben S. 74. 286 Odofredus, Super digesto veteri Commentaria, Glosse Venditor ex hereditate zu D. 18.4.21 (ohne Paginierung): "I. ista bona. I. est. & argumentabilis & reputatur valde difficilis: sed quantum ad casum & literam in veritate non est difficilis: sed quantum ad intellectum est difficilis: quia videtur dicere quoddam que videtur magnam iniquitatem

11. Ansprüche des Erstkäufers auf den Zweitverkaufserlös

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Bezeichnung als gutes Gesetz weist bereits darauf hin, daß Odofredus die Rechtsfolge billigt. Nach dieser introductio legis und einer knappen Glossierung folgt eine ausfilhrliche Erörterung in einem fortlaufenden Text, also bereits entsprechend der Arbeitsweise der Kommentatoren287 • Or, signori ad I. istam instatur & signatur duo contraria: & statim opponitur ad secundum casum. vos habuistis hic in secundo casu si tu vendidisti mihi stichum & postea vendis alij accepto precio et stichus decessit non teneris ad rem nec ad precium. ad rem non: quia Iiberaris interitu speciei ex quo mortus est antequarn esses in mora. ad precium non: quia ex industria tua habes & tuum negocium gessisti & non meum: sed nonne commisisti falsum alij secundo vendendo: certe dicit lex sic vt infra ad I. comelia de fal. I. qui duo bus. si commisisti falsum non debet remanere impunitum: vt supra ad I. aquilia I. ita vulneratus. in fine: sed iarn remanebis impunitum si non teneris ad rem nec ad precium. Ad solutionem cuius contrarij vos dicetis sic: qui vendit rem duo bus dolo malo committit in I. comelia de fal. vt in I. contra. & ista. I. non excusat eum a pena. I. comelia de fal. sed excusat eum si vendit alteri & perijt antequarn esset in mora vt non teneatur ad rem vel ad precium. ad rem non: quia perijt antequarn esset in mora. ad precium non: quia ex sua industria percepit. vel dicatis si quis vendit rem duobus insolidum dolo malo committit in I. cor. de falsis: quia falsum si ne dolo non committitur. vt C. ad I. comelia de fal. I. nec exemplo. et. infra ad. I. comel. de fal. I. i. & videris dolo malo vendere duobus. si primo mihi vendidisti rem & solui tibi precium: & postea alij vendidisti hoc in dolo es. & sic loquitur. I. iIIa qui duobus. sed si vendis mihi stichum pro. x. & non solui precium non es in mora: si vendis alteri vt habeas precium non videris dolo facere. igitur. I. comelia de falsis non teneris quia non eras in dolo: ad rem non teneris quia Iiberaris interitu speciei: ex quo non es in mora. ad precium non teneris: quia habes hoc ex negociatione tua: & hoc modo soluitur istud contrarium. sed dns. Joan. et Azo qui signant istud contra. non soluunt: sed volant per aera dum credunt soluere. modo veniamus ad maximarn iniquitatem vos habetis in secundo casu sicut dixi: quod si prima vendis mihi rem singularem et postea vendis alteri accepto precio & perijt res antequarn esses in mora ad rem non teneris: quia Iiberaris interitu speciei ad precium non teneris: quia habes ex tua negociatione: sed nonne es hoc maxima iniquitas quod habeas a me precium & ab iIIo. & sic locupletaberis cum aliena iactura quod esse non debet: vt supra de condict. inde. I. nam hoc natura & de regu. iur. I. iure nature. Item nonne sine facto meo careo re & precio quod est iniquum. vt. infra de act. emt. & yen. I. ex empto. in prin. Item nonne quilibet venditor sic poterat decipere quemlibet emptorem: quid ergo dicemus dns. Jo. & Azo vadunt huc & iIIuc & dicunt. ita non tenetur reddere precium acceptum a secundo quod habet ex industria sua. vt arg. infra ad. I. fal. si heres. & infra de sepul. vi. I. sepulchri. verum quia videtur absurdum: Iicet emptor act. ex empto non possit petere precium quod accepit: a secundo tarnen poterit condicere: quia occasione rei quarn mihi debebas tradere locupletior es factus & bonum & equum est quod mihi reddas &c. vt. supra si. cert. pe. I. sed & me.

continere: nisi alio colore coloremus earn... " - Dieses Gesetz ist ein gutes Gesetz und erörterungswürdig und es wird als sehr schwierig angesehen: aber was den Fall und den Text angeht, ist es in Wirklichkeit nicht schwierig, wohl aber was sein Verständnis anbelangt, denn es scheint etwas zu sagen, das offensichtlich eine große Ungerechtigkeit zu enthält, wenn wir es nicht mit einer anderen Färbung versehen. 287 Dies unterstreicht Jakobs, Lucrum ex negotiatione, S. 62 f., Note 110. 7 Sella-Geusen

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2. Kapitel: Die Glossatoren Sed vos dicetis aliter quam dicant dns. Jo. & Azo. & dicetis quod iste casus intellegitur de re singulari vendita quod non teneris ad rem: quia Iiberaris si non es in mora interitu speciei: nec ad precium: quia habes ex industria tua: sed si res extat teneris rem reddere vel interesse prestare vt infra de actione empt. & yen. I. i. sed si res perijt non teneris ad rem vel ad precium si non solui tibi precium vel non satisfeci tibi vel non est fides habita de precio: non teneris ad rem quia Iiberatus es interitu speciei: nec ad precium: quia precium rei tue debes habere & hoc non est iniquum. sed quando diceris esse in mora. Respondeo si solui tibi precium vel aliter tibi satisfeci de precio vel fides est mihi de precio re ipsa es in mora: vt C. in qui. ca. in integ. resti. non est neo I. in minorum persona. & C. de act. empt. & vend. I. curabit. hoc casu si vendis alteri accepto precio non es Iiberatus interitu speciei: vnde teneris rem tradere vel interesse prestare: vt. infra de ver. oblig. I. si ex legati causa. & saltim veniet in interesse precium quod solui: & hoc casu possum te etiam accusare. I. corneI. de faI. vt. in. I. qui duobus. sed in primo casu scilicet quando non solui vel aliter satisfeci: vel non habuisti mihi fidem de precio si offero postea tibi precium: numquid assequar a te rem vel precium vel interesse. videtur quod sie: quia vltima mora nocet vt infra titu. proxi. I. iIIud. sed potest dici quod refert si vendidisti rem secundo antequam soluam vel offeram: quo casu si perijt non teneris ad rem vel ad precium & si nunc tibi offero non constituis te mihi debitorern: quia non fit ista oblatio congruo tempore. vt infra de solu. I. si soluturus. si autem antequam alteri vendas & tradas offero tibi precium: hoc casu constituo te in mora. vnde si perijt teneris mihi ad precium. vt. infra de actione emp. & vendi. I. iuI. §. offerri ... 288 ... Also, meine Herren, diese lex betriill und zeigt zwei entgegengesetzte Fälle, und wir wenden uns sogleich dem zweiten Fall zu. Ihr habt es hier in dem zweiten Fall so, daß du mir den Stichus verkauft hast, den du nachher einem anderen unter Entgegennahme des Preises verkaufst, und Stichus stirbt, dann würdest du weder auf die Sache noch auf den Preis haften. Auf die Sache nicht, weil du durch den Untergang der Speziessache befreit bist, weil der Sklave gestorben ist, bevor du in mora warst. Auf den Erlös [haftest du] nicht, weil du ihn durch eigenen Fleiß hast und du dein Geschäft, nicht meines, geführt hast. Ob du aber nicht ein falsum begangen hast, als du dem Zweiten verkauft hast? Sicherlich sagt das die lex D. 48.10.21. Und wenn du ein falsum begangen hast, darfst du nicht unbestraft bleiben, wie oben D. 9.2.51.2 am Ende. Aber du bliebest schon unbestraft, wenn du weder auf die Sache noch auf den Erlös haftetest. Zur Lösung dieses Gegensatzes sagt ihr folgendes: Wer eine Sache dolo malo zweimal verkauft, begeht ein falsum gemäß D. 48.10.21, gleichsam der entgegengesetzten lex, und diese lex befreit ihn nicht von der Strafe nach D. 48.10.21. Aber sie befreit ihn von Strafe, wenn er [die Sache] einem anderen verkauft und diese untergeht, bevor er in mora wäre, so daß er weder auf die Sache noch den Preis haften würde: Auf die Sache nicht, weil diese untergeht, bevor er in mora wäre, auf den Erlös nicht, weil er ihn durch eigenen Fleiß erlangt hat. Oder ihr sollt sagen, daß [nur] jemand, der eine Sache zweimal dolo malo ganz verkauft, gegen die lex Cornelia de falsis verstößt, weil ein falsum ohne dolus nicht begangen wird, dazu C. 9.22.20 und D. 48.10.1, und du scheinst dolo malo zweimal zu verkaufen, wenn du mir zuerst eine Sache verkauft hast und ich habe dir den Preis bezahlt, und nachher hast du [die Sache] einem anderen verkauft, dann bist du in dolo und davon spricht jene lex D. 48.10.21. Aber wenn du mir den Stichus für 10 verkaufst und ich habe dir den Preis nicht bezahlt, dann bist du nicht in mora. Wenn du einem anderen

288 Odofredus, Super digesto veteri Commentaria zu D. 18.4.21 (ohne Paginierung). Diese TextsteIle ist aus Gründen der Übersichtlichkeit in Abschnitte unterteilt worden.

11. Ansprüche des Erstkäufers auf den Zweitverkaufserlös

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verkaufst, damit du den Preis erhältst, scheinst du nicht dolos zu handeln. Also, gemäß der lex Cornelia de falsis würdest du nicht haften, weil du nicht unredlich warst. Auf die Sache würdest du nicht haften, weil du durch den Untergang der Speziessache befreit bist, da du nicht in mora bist. Auf den Preis würdest du nicht haften, weil du diesen aus deinem Geschäft hast. Und auf diese Weise wird dieser Widerspruch aufgelöst. Aber die Herren Azo und Johannes, die auf diesen Widerspruch hinweisen, lösen ihn nicht auf, sondern sie fliegen durch die Luft und glauben doch, ihn aufzulösen. Auf diese Weise kämen wir zur größten Ungerechtigkeit und ihr haltet es im zweiten Fall wie ich es gesagt habe: Denn wenn du mir zuerst eine Einzelsache verkaufst und nachher verkaufst du [sie] unter Annahme des Kaufpreises einem anderen, und die Sache geht unter, bevor du in mora wärest, dann würdest du nicht auf die Sache haften, weil du durch den Untergang der Spezies befreit bist, und auf den Erlös würdest du nicht haften, weil du [ihn] aus deinem Geschäft hast. Aber ist es nicht eine sehr große Ungerechtigkeit, daß du den Preis von mir und von jenem behalten sollst und du so durch fremden Schaden bereichert wärest, was nach D. 12.6.14 und D. 50.17.206 nicht sein darf? Ist es nicht ebenso ungerecht, wenn ich ohne mein Dazutun die Sache und den Preis verliere [trotz] D. 19.1.1 I pr.? Könnte so nicht außerdemjeder beliebige Verkäufer jeden beliebigen Käufer betrügen? Was also sagen wir den Herren Johannes und Azo, die diesem und jenem beipflichten und es so sagen? [Wir sagen], daß [der Verkäufer] nicht zur Herausgabe des von dem Zweiten erlangten Kaufpreises verpflichtet ist, den er aus seiner Tätigkeit hat, gemäß D. 35.2.3 und D. 47.12.6. Es scheint nämlich widersinnig zu sein, daß der [erste] Käufer, obgleich er mit der actio ex empto nicht auf den Preis klagen kann, den [der Verkäufer] von dem Zweiten angenommen hat, ihn dennoch soll kondizieren können, weil du durch den Untergang der Sache, die du mir zu übergeben schuldetest, bereichert wärest und es &ut und gerecht wäre, wenn du ihn mir herausgeben müßtest gemäß D.[l2.1.23]2 . Aber ihr werdet es anders sagen, als es Johannes und Azo sagen. Ihr werdet sagen, daß dieser Fall so verstanden wird, daß er von einer verkauften Einzelsache handelt und du weder auf die Sache haften sollst, weil du durch den Untergang der Sache befreit bist, wenn du nicht in mora bist, noch auf den Erlös, weil du ihn aus deiner Tätigkeit hast. Aber wenn die Sache erhalten bleibt, ist man verpflichtet, die Sache herauszugeben oder man haftet auf das Interesse, wie unten D. 19.1.1. Aber wenn die Sache untergeht, dann haftest du weder auf die Sache noch auf den Erlös, wenn ich dir nicht den Preis bezahlt habe und der Kaufpreis nicht gestundet ist. Du haftest nicht auf die Sache, weil du durch den Untergang der Spezies befreit bist, und nicht auf den Preis, da du dann den Preis der Sache haben mußt. Das ist nicht ungerecht. Wenn ihr aber sagt: Bei mora. [Dann] antworte ich, daß du, wenn ich dir den Kaufpreis bezahlt habe oder dich anderweitig fiir den Kaufpreis befriedigt habe oder mir der Kaufpreis fiir die Sache gestundet ist, in mora bist, dazu C. 2.40(41).3 und C. 4.49.5. Wenn du in diesem Fall einem anderen unter Annahme des Kaufpreises verkaufst, wirst du durch den Untergang der Sache nicht befreit. Und deshalb bist du verpflichtet, die Sache zu übergeben oder du haftest auf das Interesse, dazu 289 Die zitierte lex "sed et me" gibt es nicht. Ein Vergleich mit der Glosse des Accursius zu D. 18.4.21 deutet darauf hin, daß es sich bei der Allegation um D. 12.1.23 (lex si eum servum anstelle des optisch wie akustisch ähnlichen sed et me) handelt, vergleiche oben S. 88. - Zum Versprechen und Verlesen bei einander ähnelnden Worten sowie zu weiteren typischen Flüchtigkeitsfehlern, die zu vielen irrigen Allegationen fiihrten, siehe Kantorowicz, Einfiihrung in die Textkritik, in: Rechtshistorische Schriften, S. 60 f.

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2. Kapitel: Die Glossatoren

D. 45.1.23. Und zumindest fällt der Preis, den ich bezahlt habe, unter das Interesse. Und in diesem Fall kann ich dich auch verklagen nach D. 48.10.21. Aber im ersten Fall, d.h. wenn ich nicht bezahlt habe oder dich auf andere Weise befriedigt habe oder du mir nicht den Kaufpreis gestundet hast, und wenn ich dir nun später den Preis anbiete, würde ich dann von dir die Sache, den Preis oder das Interesse bekommen? Es scheint so zu sein, weil gemäß D. 18.6.18 (17) die letzte mora schadet. Aber es kann gesagt werden, daß sich dieser [Text] darauf bezieht, daß du die Sache dem Zweiten verkauft hast, bevor ich [den Preis] bezahlt oder angeboten habe. Wenn [die Sache] in diesem Fall untergeht, haftest du nicht auf die Sache oder den Erlös und wenn ich dir nun [den Preis] anbiete, machst du dich nicht zu meinem Schuldner, weil dieses Angebot nicht zur rechten Zeit gemacht worden ist, wie in D. 46.3.39. Wenn ich dir aber den Kaufpreis anbiete, bevor du verkaufst und übergibst, in diesem Fall setze ich dich in mora, woraufhin du mir, wenn die Sache untergeht, auf den Preis haftest gemäß D. 19.1.13.8...

Odofredus sieht einen Widerspruch zwischen D. 18.4.21 und D. 48.10.21 darin, daß D. 48.10.21 die Bestrafung eines Doppelverkaufs vorsieht. Einerseits möchte er aus D. 9.2.51.2 290 als allgemeinen Grundsatz entnehmen, daß jedes Delikt zu bestrafen sei. Andererseits greift Odofredus den Prämiengedanken des Accursius auf, denn auch er bewertet die Befreiung des Verkäufers von der Haftung auf den Erlös bzw. auf die Sache gemäß D. 18.4.21 wie eine Straflosigkeit (sed iam remanebis impunitum si non teneris ad rem nec ad precium), die im Widerspruch zur Strafandrohung nach D. 48.10.21 steht. Zuerst werden, den Text mehr oder minder nacherzählend, die dogmatischen Grundlagen geklärt. Odofredus spricht wiederholt von einer Haftungsbefreiung (non teneris oder liberaris) durch den (zuflilligen) Untergang der Kaufsache vor Eintritt des Lieferverzuges (interitu speciei ex quo mortus est antequam es ses in mora) und betont damit, daß maßgebliches Leistungshindernis der Untergang der Sache, nicht aber bereits deren zweiter Verkauf ist. Die Regeln des antiken römischen Rechts werden veranschaulicht. Der Käufer trägt von der Perfektion des Kaufes an die Gefahr filr den zuflilligen Untergang der Kaufsache. Das hatten bereits die frühen Glossatoren unterstrichen, wie etwa Placentinus ("Et certe post contractam uenditionem, id est, ante traditionern, & commodum, & periculum, ad emptorem pertinet,,)291 oder die Summa Trecensis ("periculum statim ad emptorem spectat"i92 . Dies galt filr Placentinus wie filr die anderen Glossatoren nicht, wenn die custodia-Haftung des 290 D. 9.2.51.2: ... cum neque impunita maIeficia esse oporteat... 291 Placentinus, Summa in Iibrum quartum Codicis, Tit. 48 (De periculo et commodo rei venditae), S. 178. Aus diesem Zusammenhang geht nicht hervor, ob commodum das stellvertretende commodum, also etwa den Verkaufserlös bezeichnet, oder auf das akzessorische commodum beschränkt ist. - Zu dieser in den 70er Jahren des 12. Jahrhunderts in Montpellier entstandenen Codexsumme siehe Weimar, in: Handbuch der Quellen und Literatur I, S. 201 f. und Lange, Glossatoren, S. 211 f., jeweils mit weiteren Einzelheiten. 292 Summa Trecensis, Tit. De periculo et commodo rei vendite (IV, 44) § 2 (S. 118).

11. Ansprüche des Erstkäufers auf den Zweitverkaufserlös

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Verkäufers wegen Abhandenkommens der Sache gegeben war ("In summa sciendum est, quod uenditor debet custodiam"i93 oder sich der Verkäufer in Lieferverzug befand ("Idem si fuerit uenditor in mora tradendi, mora enim trahit ad se periculum,,)294. Auf diese bereits bei den älteren Glossatoren anerkannten Regeln fiihrt Odofredus in enger Anlehnung an D. 18.4.21 die Befreiung des sich nicht in mora befindenden Verkäufers von jeglicher Haftung ohne Unterscheidung zwischen Primär- und Sekundäransprüchen295 zurück296 , ohne daß allerdings - wie auch in D. 18.4.21 - der Begriff des periculum fiele. Die Frage, wie die Lage wäre, wenn die Sache beim Zweitkäufer nicht untergegangen wäre und welche Folgen sich daraus ergeben würden, wird nicht gestellt, obwohl die Berücksichtigung hypothetischer Kausalverläufe Gegenstand einer Debatte zwischen Martinus und Johannes Bassianus war. Die Unterlassung mag darauf zurückzufiihren sein, daß die Mehrzahl der Glossatoren mit Johannes Bassianus einen hypothetischen Kausalverlauf außer Acht ließ297 oder darauf, daß der Gesetzestext fiir solche Überlegungen keinen direkten Anstoß gibt. Auch der Aspekt des versari in re illicit~98 durch einen zweiten Verkauf mit der Folge einer casus-Haftung des Verkäufers wird nicht angesprochen, da im Text allein von mora die Rede ist, ohne deren Vorliegen ein zweiter Verkauf nach Ansicht des Odofredus nicht unlauter ist. Den Gedankengang von Paulus wiedergebend erläutert Odofredus, daß der Verkäufer zu einer Herausgabe des Erlöses nicht verpflichtet sei, weil es sich um ein commodum handele, das aus einem Geschäft des Verkäufers mit einer eigenen Sache gewonnen worden sei. Damit werden auch Ansprüche aus einer Geschäftsfilhrung fiir den Käufer abgelehnt. Geht die Kaufsache dagegen nicht unter, besteht der Anspruch des Käufers auf die Sache oder das Interesse fort, ohne daß es auf mora ankäme.

293 Placentinus, Summa in Iibrum quartum Codicis, Tit. 48 (Oe periculo et commodo rei venditae), S. 178 f. - Zur Gefahrtragung bei Placentinus und bei weiteren Glossatoren siehe H. Dilcher, Leistungsstörungen, S. 192 ff. 294 Placentinus, Summa in Iibrum quartum Codicis, Tit. 48 (Oe periculo et commodo rei venditae), S. 178. 295 Wegen des Grundsatzes der condemnatio pecuniaria des römischen Rechts bestand ursprünglich kein Bedürfnis nach einer materiellrechtlichen Regelung der Konkurrenz von Primär- und Sekundäransprüchen, siehe dazu Jakobs, Unmöglichkeit, S. 173 ff. 296 So auch noch Jhering, Beiträge zur Lehre von der Gefahr beim Kaufcontract, JhJb 3 (1859), S. 461: "die Quelle der Unbilligkeit"; Seckel / Levy, Die Gefahrtragung beim Kauf im klassischen römischen Recht, SZRom 47 (1927), S. 261. 297 Zu dieser Diskussion H. Dilcher, Leistungsstörungen, S. 114 f.; Schrage / Schoen, TRG 57 (1989), S. 96; Lange, Rez. Dilcher, SZRom 79 (1962), S. 503 f. 298 Zur Entwicklung dieser bisweilen bestrittenen casus-Haftung bei den Kanonisten vergleiche Kuttner, Schuldlehre, S. 200 ff.

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2. Kapitel: Die Glossatoren

Odofredus sieht einen Wertungswiderspruch nicht als gegeben an. Vielmehr fiihrt er aus, daß nicht jeder Doppelverkauf ein falsum darstelle, da D. 18.4.21 und D. 48.10.21 jeweils unterschiedliche Fallgestaltungen zugrundelägen. Diese Differenzierung findet sich als Ausgangspunkt jeder Harmonisierung auch oben bei den Erörterungen von C. 3.32.15, wo dolus und bona fides die maßgeblichen Entscheidungskriterien waren 299 • Hier dagegen wird auf mora abgestellt. Mora bezeichnete die schuldhafte Verzögerung der Erfiillung einer Verbindlichkeie oo, ist aber keineswegs mit Verzug im heutigen Sinne gleichzusetzen. Der Tatbestand der mora wurde in der mittelalterlichen Rechtslehre nicht in die zwei selbständigen Haftungstatbestände der Nichterfiillung, nämlich Unmöglichkeit und Verzug, aufgegliedert30I • Vielmehr war allein entscheidend, ob die Nichterfiillung dem Schuldner zuzurechnen war302 • Odofredus meint, die Befreiung von einer zivilrechtlichen Haftung stelle sich hinsichtlich der Strafvorschrift nicht mehr als widersprüchlich dar, wenn es an einem falsum fehlt, was wiederum dann der Fall sei, wenn der Doppelverkauf erfolgte, ohne daß der Verkäufer in mora war. Weil der Verkäufer sich ohnehin nicht strafbar gemacht hat, kann D. 18.4.21 auch nicht von Strafe befreien. Die mehrfache Nennung der mora in D. 18.4.21 wertet Odofredus nicht nur als Bezugnahme auf die Gefahrtragung, sondern als besonderen Hinweis darauf, daß mora den Schlüssel fiir die Lösung des Gegensatzes zwischen D. 18.4.21 und D. 48.10.21 darstellt. Nur der Vollständigkeit und damit dem didaktischen Ziel der Förderung des Allgemeinwissens dient die Allegation von C.2.40.3 und C.4.49.5 303 , womit Odofredus verdeutlichen will, daß mora auch ohne Mahnung allein aufgrund der Verzögerung eintreten kann (mora ex re)304, was eine Ausnahme des in

Vergleiche oben S. 72 ff. (Accursius) und S. 75 ff. (Odofredus). Wal/schläger, S. 41; Heumann / Seckel, s.v. mora, Anm. b, S. 351. 301 Wal/schläger, S. 40-42. - Die heute mit erheblichen Schwierigkeiten verbundene Differenzierung zwischen Unmöglichkeit und Verzug - beispielsweise, wenn nicht feststeht, ob der Schuldner die Sache vom Zweitkäufer zUTÜckerwerben kann - ist demnach nicht erforderlich. 302 Wallschläger, S. 40; Jakabs, Unmöglichkeit, S. 173 f1, insbesondere S. 179, 181 (zu den Haftungstatbeständen nach römischem Recht). 303 C. 2.40.3: In minorum persona re ipsa et ex solo tempore tardae pretii solutionis recepto iure moram fieri creditum est, .... C. 4.49.5: ... et minoris aetatis favor, licet nulla mora intercesserit, generavit. - Bei der zweiten Konstitution handelt es sich um die Fortsetzung der hier zuerst angefUhrten, was auch der Grund dafUr sein dürfte, daß Odofredus die letztere hier anfUhrt. Zu diesen Konstitutionen siehe H. Dilcher, Leistungsstörungen, S. 46 f. 304 Zur mora ex re siehe HanseIl / Mayer-Maly / Selb, S. 246; H. Dilcher, Leistungsstörungen, S. 45 ff., 53; Lange, Rez. Dilcher, SZRom 79 (1962), S. 503; Schrage / Schaen, Mora debitoris dans le droit savant avant accurse, TRG 87 (1989), S. 87-92. 299

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11. Ansprüche des Erstkäufers auf den Zweitverkaufserlös

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D. 45.1.23 305 (auch dieses Fragment wird von Odofredus allegiert) genannten Grundprinzips der Erforderlichkeit der Mahnung306 darstellt. Der Verzug mit der Kaufpreiszahlung kann, worauf Odofredus am Ende wiederum nur ergänzungshalber hinweist, gemäß D. 18.6.18 (17i07 nicht durch das spätere Angebot der Zahlung geheilt werden. Der Grundsatz, daß Schuldner- und Gläubigerverzug durch spätere Leistungs- bzw. Annahmebereitschaft geheilt werden können (purgatio morae), gilt danach nicht, wenn das Zahlungsangebot wegen des vorherigen Untergangs der Kaufsache verspätet, also nicht mehr "congruo loco et tempore" ise08 • Folge dieser Verspätung soll es sein, daß der Käufer gemäß D. 46.3.39 309 die Gefahr sowohl fiir die Kaufsache wie auch rur das Kaufgeld zu tragen hat. Diese Allegationen treffen den vorliegenden Fall aber insofern nicht genau, als Odofredus hier als maßgeblichen Zeitpunkt fiir die Beachtlichkeit eines nachträglichen Angebots zur Zahlung nicht - wie sonst - erst den des Untergangs der Kaufsache ansieht, sondern bereits den des zweiten Verkaufs. Die Vorverlegung des Zeitpunkts, bis zu dem ein Zahlungsangebot nicht als verspätet gilt, soll verhindern, daß einem zunächst berechtigten Selbsthilfeverkauf nachträglich die rechtfertigende Grundlage entzogen wird. Allerdings stellt sich hier die Frage, warum es rur D. 48.10.21 auf die mora des Verkäufers ankommen soll und warum Odofredus hier nicht etwa wie bei seiner Erörterung von C. 3.32.15 auf die bona fides abstellt. Ohne seine Überlegungen zu C. 3.32.15 zu erwähnen, stellt Odofredus diesen Zusammenhang dadurch her, daß er bei mora des Schuldners zugleich dolus annimmt. Dolus soll zugleich eine Voraussetzung fiir das Vorliegen eines falsum sein, ein Grundsatz, den Odofredus C. 9.22.20310 sowie D. 48.10.1 311 entnimmt und der

305 D. 45.1.23: Si ex legati causa aut ex stipulatu hominem certum mihi debeas, non aliter post mortem eius tenearis mihi, quam si per te steterit, quo minus vivo eo eum mihi dares: quod ita fit, si aut interpellatus non dedisti aut occidisti eum. Zum Erfordernis der Mahnung Honsell / Mayer-Maly / Seih, S. 245 f. 306 Dazu Schrage / Schoen, Mora debitoris, TRG 57 (1989), S. 91 f. 307 D. 18.6.18 (17): ... sed si per emptorem mora fuisset, deinde, cum omnia in integro essent, venditor moram adhibuerit, cum posset se exsolvere, aequum est posteriorem moram venditori nocere... 308 Zur purgatio morae bei den Glossatoren siehe Schrage / Schoen, Mora debitoris, TRG 57 (1989), S. 97; H. Dilcher, Leistungsstörungen, S. 158 ff.; Lange, Rez. Dilcher, SZRom 79 (1962), S. 504. 309 D. 46.3.39: ... quid enim, si inopportuno tempo re vel loco optulerim? his consequens esse puto, ut etiam, si et emptor nummos et venditor mercem, quod invicem parum fidei haberent, deposuerint, et nummi emptoris periculo sint (utique si ipse eum, apud quem deponerentur, elegerit) et nihilo minus merx quoque, quia emptio perfecta sit. - Zu diesem Fragment und dessen Bedeutung rur die Interpretation des Regelungskomplexes der Gefahrtragung nach dem klassischen römischen Recht siehe Peters, Periculum, S. 229 f. 310 C. 9.22.20: ... non nisi dolo falsum committentes crimini subiugentur...

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anscheinend auch seinen AustUhrungen zu C. 3.32.15 zugrundelag3\2. Mora und dolus des Verkäufers und damit zugleich der subjektive Tatbestand tUr ein falsum sollen dann gegeben sein, wenn der Erstkäufer den Kaufpreis zur Zeit des zweiten Verkaufs bereits bezahlt hat. Hat der Erstkäufer dagegen den Kaufpreis noch nicht entrichtet, ist der zweite Verkauf nicht unredlich, gleichsam ein Selbsthilfeverkauf (si vendis alteri ut habeas precium non videris dolo facere). Dolus zeigt hier seine Doppelfunktion. Er ist nicht nur im Strafrecht, sondern auch im Bereich der Leistungsstörungen als gewolltes NichtIeisten von Bedeutung gewesen 313 . Nach der Untersuchung von Heymann 314 wurde der mora von den Kanonisten und vom überwiegenden Teil der Legisten Deliktsnatur zugeschrieben, was zur Folge hatte, daß mora stets Verschulden voraussetzte. Andere sahen mora hingegen nicht (nur) als Delikt, sondern betrachteten sie - verschuldensunabhängig - unter dem Aspekt des Interesses. Auf Einzelheiten kann an dieser Stelle nicht eingegangen werden. FestzuhaIten ist nur, daß bei dolus die subjektiven Voraussetzungen rur mora stets vorlagen. Für die Annahme von dolus setzt Odofredus die Schwelle niedrig an. Odofredus knüpft nämlich allein an die Leistungspflicht an, nicht aber an die Kenntnis von dieser Pflicht. Der Verkäufer soll sich schon dann in mora befinden, wenn der Erstkäufer den Kaufpreis bereits entrichtet oder - wie er in der letzten Passage seiner Erörterung austUhrt - rechtzeitig angeboten hat. Dem liegt sicherlich die Erwägung zugrunde, daß jemand, der den Kaufpreis bereits empfangen hat, sich nicht auf die Unkenntnis von seiner Leistungspflicht, also auf eine die Nichtleistung entschuldigende und daher mora ausschließende iusta causa wird berufen können3l5 . Von den objektiven Umständen der Fälligkeit der Leistung und der Entgegennahme des Kaufpreises wird auf das subjektive Merkmal dolus geschlossen. Der zweite Verkauf an sich reicht dagegen tUr eine dolus-Präsumtion nicht aus 316 • Das ergibt sich auch aus Odofredus' Erläuterungen zu C. 3.32.15 317 • Odofredus hält einen zweiten Verkauf demnach nicht tUr

JIl D. 48.10.1 pr.: Poena legis Corneliae irrogatur ei, qui falsas testationes faciendas testimoniave falsa inspicienda dolo malo coiecerit... 312 Siehe oben S. 77 ff. 313 H. Dilcher, Leistungsstörungen, S. 23 ff., 38 ff.; Heymann, Verschulden, S. 93. 314 Zum Folgenden siehe Heymann, Verschulden, S. 75-105. 315 Zur Unkenntnis von der Leistungspflicht als entschuldigende iusta causa vergleiche H. Dilcher, Leistungsstörungen, S. 41. Wissen und Wissenkönnen von der Leistungspflicht hielten die Kommentatoren filr gleichwertig, siehe H. Dilcher, Leistungsstörungen S. 42 f. 316 So auch noch heute die Sicht von Jakobs, Lucrum ex negotiatione, S. 72 f., zum römischen Recht. 317 Siehe oben S. 78.

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anstößig - jedenfalls solange der Verkäufer den Kaufpreis noch nicht entgegengenommen hat. Damit sieht er den Käufer als vorleistungsptlichtig an3\8. Nach justinianischem Recht jedoch war keine Partei vorleistungsptlichtig3l9 . Eine Vorleistungspflicht des Käufers blieb weitgehend auf die nachklassische Periode bis zur Kodifizierung beschränkt32o • Dem Verkäufer stand bis zur Zahlung lediglich ein pfandartiges ZurUckbehaltungsrecht (retentio) zu, das sich aus der bona:fides-Klausel der actio empti ergab 321 • Im 13. Jahrhundert soll sich die allgemeine Formel eines Leistungsverweigerungsrechts gebildet haben, rur den Fall, daß jemand aus einem gegenseitigen Vertrag klagt, ohne seinerseits die von ihm geschuldete Leistung erfilllt zu haben 322 . Doch scheint das Leistungsverweigerungsrecht vornehmlich dem Verkäufer zuzustehen. Bereits Placentinus hat gemeint, daß dem Verkäufer ein ZurUckbehaltungsrecht zustehe, das auf eine Vorleistungspflicht des Käufers hinauslaufe, denn der Käufer habe zuerst zu zahlen, bevor die Sache zu übergeben sei: illud sciendum est, quod res uendita quasi pignus retinetur quo ad pretium soluatur, ac si aperte diceretur, prius debet pretium offerre, quam res tradi. 323 Man muß wissen, daß die verkaufte Sache wie ein Pfand zurückgehalten wird, bis der Preis bezahlt wird. Oder man könnte offen sagen, man muß den Preis erst anbieten, bevor die Sache übergeben wird.

Die Zahlung des Kaufpreises schon bei Abschluß des Vertrages, also die Vorleistung des Käufers, wird einer (soliden) Geschäfts- und Wirtschaftspraxis des innerstädtischen Kleinhandels im Mittelalter entsprochen haben 324 • Noch 318 Wenn man eine Vorleistungspflicht des Käufers für gegeben hält, läge es nahe, in einer Übergabe der Kaufsache ohne Entgegennahme des Kaufpreises bereits eine Stundung und damit auch einen Eigentumsübergang zu sehen. Das Gegenteil jedoch dürfte der Haltung des Odofredus in der Frage, ob die Stundung zu vermuten sei, entsprechen, vergleiche Luig, Übergabe und Übereignung der verkauften Sache, S. 448-450. 319 Harder, S.356; Benöhr, Synallagma, S.2 und passim; Bechmann, KaufIII, S.200; Kaser, Das Römische Privatrecht 11, § 264 I, 1, 2. Dagegen: Jhering, Beiträge zur Lehre von der Gefahr beim Kaufcontract, JhJb 3 (1859), S. 464 f. 320 Kaser, Das Römische Privatrecht 11, § 264 I, I, 2. 321 Kaser, Römisches Privatrecht (Studienbuch), § 38 IV 3, S. 183; Harder, S. 369; Benöhr, S. 20 ff., 34, 94 f.; Bürge, S. 187 f. Der umgekehrte Fall einer Abweisung der actio venditi, weil der Kläger noch nicht geleistet hat, ist (bezeichnenderweise) nicht überliefert (Benöhr, S. 95). 322 Seherner, Rücktrittsrecht, S. 54; Merzbacher, SZKan 68 (1982), S. 350 f.; Zimmermann, Der Kaufvertrag, S. 165. Zur seit dem 15. Jahrhundert sogenannten Einrede des nichterfüllten Vertrages siehe Zimmermann, The Law of Obligations, S. 801, Note 133. 323 Placentinus, Summa in librum quartum Codicis, Tit. 49 (De actionibus empti et venditi), S. 180. 324 Boyer, La resolution des contrats, S. 285; Thiemann, S. 32. - Der Bereich der Barkäufe scheint zumindest in späteren Zeiten ausgedehnt worden zu sein, denn Verträge mit kurzen Zahlungsfristen bis etwa sechs Wochen wurden (angeblich im Anschluß

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Ende des 16. Jahrhunderts sprach Anton Faber allen römischen Grundsätzen zum Trotz im Zusammenhang mit D. 18.4.21 von einer Vorleistungspflicht des Käufers 325 • Die Vorleistungsptlicht des Käufers bestand daher nicht nur ftlr den Fall, daß er seinen Anspruch gerichtlich durchzusetzen versuchte326 • Andererseits geht man heute auch davon aus, daß der Kreditkauf seit dem 12. Jahrhundert zunehmend Verbreitung fand, da sich nur so das Bedürfuis nach der Ausdehnung des kanonischen Wucherverbots auf Kreditkäufe erklären lassen soll327. Der gewöhnliche Kleinhandel dürfte von dieser Entwicklung hin zum Kreditkauf jedoch weniger betroffen gewesen sein328 • Selbst eine Ausbreitung des Kreditkaufs spricht nicht dagegen, daß dieser stets als Sonderfall betrachtet wurde und die sofortige Erftlllung oder die Vorleistung durch den Käufer der Regelfall blieb. Es stellt sich die Frage nach dem Grund ftlr die von Odofredus beschriebenen rechtlichen Wirkungen der Zahlung. Trotz des Zahlungserfordemisses wurde der Kauf von den Glossatoren schließlich nicht als Arrhal- oder gar Realvertrag aufgefaßt, so daß die Zahlung eines Angeldes oder des gesamten Kaufpreises keine haftungsbegründende Wirkung hatte 329 • Die vertragliche Bindung zeigt sich bei Odofredus daran, daß er den Verkäufer weiterhin haften lassen will, sofern die Kaufsache nicht untergeht. Da die Zahlung somit keinen Einfluß auf die Begründung der vertraglichen Pflichten hat, könnte es sich bei der Berechtigung zum Verkauf nach Ausbleiben der Zahlung um einen Rücktritt des Verkäufers vom Vertrag wegen Nichterftlllung handeln. Eine allgemeine Theorie des Rücktrittsrechts kannten die Glossatoren und die Kommentatoren ftlr die Nominatkontrakte nicht. Statt dessen gab es eine Fülle von Sonderregeln ftlr den Fall, daß die Gegenpartei nicht richtig erftlllte330• Gegen das Vorliegen einer solchen Sonderregel des Rücktrittsrechts wegen Nichterftlllung spricht hier jedoch, daß der Verkäufer gerade durch den Untergang der Sache, nicht aber wegen des Zahlungsverzugs an die Glosse) noch nicht als Kreditgeschäft betrachtet. Dazu Zimmermann, Der Kaufvertrag, S. 163, Note 129; Feenstra, Eigendomsovergang bij koop en terugvorderingsrecht van de onbetaalde verkoper, THRHR 50 (1987); S. 137; Carey Miller, S. 533. 325 Jakobs, Lucrum ex negotiatione, S. 67. 326 So aber Zimmermann, Der Kaufvertrag, S. 165, zur Vorleistungspflicht nach römisch-holländischem Recht. 327 Berman, S. 404; Schiemann, Über das pactum reservati dominii während der Rezeptionen des römischen Rechts in Italien, SZRom 93 (1976), S. 176; Endemann, Studien 11, S. 50 f.; Sandmann, S. 21 f. (für den Bereich des deutschen Rechts). 328 Vergleiche die von Schiemann, SZRom 93 (1976), S. 192, 178 tT., angeführten Kreditkäufe. 329 Siehe oben S. 47 ff. 330 Scherner, Rücktrittsrecht, S. 16 f., 28 f.; Leser, Der Rücktritt vom Vertrag, S. 2-4. Siehe auch unten S. 225 tT.

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von seiner Pflicht zur Leistung der Sache befreit werden soIl: Die Rechte des Erstkäufers aus der actio empti - Herausgabe der Kaufsache oder Interesseleistung gemäß 0.19.1.1 331 - soIlen unabhängig von einem zweiten Verkauf solange bestehen bleiben, wie auch die Kaufsache existiert (quia Iiberaris si non es in mora interitu speciei...sed si res extat teneris rem reddere vel interesse prestare). Der Käufer erhält auch keineswegs schlicht den von ihm geleisteten Kaufpreis zurück, sondern das Interesse, das zwar den gezahlten Kaufpreis enthält, gegebenenfaIls aber darüber hinausgehen kann (et saltim veniet in interesse precium quod solvi). Auch in der späteren gemeinrechtlichen Rechtsprechung und Literatur ist noch betont worden, daß es sich bei der Rückforderung des pretium bei NichterftlIlung durch den Verkäufer um die Geltendmachung des Interesses handele und nicht um die Auflösung des Vertrages 332 • Im übrigen faßte man ftlr den umgekehrten FaIl des Zahlungsverzugs das Recht zu einem weiteren Verkauf auch nicht als ein Rücktrittsrecht auf 33 • Die Verpflichtung aus dem ersten Vertrag bestand also unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen filr den erlaubten zweiten Verkauf (gleichsam ein Selbsthilfeverkauf) fort, solange die Sache nicht untergegangen war. Die Zahlung des Kaufpreises hat somit keinen unmittelbaren Einfluß auf die Entstehung und den Fortbestand der vertraglichen Verpflichtung. Sie dient aber insofern einer Aufwertung des Forderungsrechts, als der Verkäufer durch die Entgegennahme des Kaufpreises hinsichtlich seiner Verpflichtung in Verzug gerät und sich von nun an durch den zweiten Verkauf strafbar macht. Durch die ErfilIlungshandlung rückt der Käufer der Sache ein wenig näher. Dies ergibt sich auch aus einem indirekten Hinweis auf Inst. 2.1.41, konkret daraus, daß eine anderweitige Befriedigung oder die Stundung des Kaufpreises einer Zahlung gleichstehe, was den Voraussetzungen entspricht, die Inst. 2.1.41 für den Erwerb des Eigentums an dem Kaufgut aufsteIlt. Erst nachdem der Käufer geleistet, also seinerseits zugleich gemäß Inst. 2.1.41 die Voraussetzungen filr den Eigentumserwerb geschaffen hat und ihm die Sache damit so gut wie gehört, kann der Verkäufer in mora geraten und sich durch den Verkauf der Sache, auf die ein anderer ein Anrecht hat, strafbar machen. Das Forderungsrecht steIlt also filr sich allein noch keine wirklich tragfiihige Grundlage filr auf die Sache ge331 Zum Inhalt des interesse nach D. 19.1.1 pr. im klassischen römischem Recht siehe Medicus, ld quod interest, S. 29 ff. und Honsell, Quod interest, S. 13 ff. Die Glossatoren lassen hier die Berechnung nach dem interesse singulare zur Anwendung kommen, vergleiche unten S. 108. 332 Scherner, Rücktrittsrecht, S. 83. 333 Scherner, Rücktrittsrecht, S. 73. Eine Auflösungswirkung bestand aber darin, daß sich zwei Aktionen auf Geld gegenüberstanden, die aufrechnungsfähig waren (Scherner, Rücktrittsrecht, S. 83 f.). Eine Ausnahmeerscheinung stellt Alexander Tartagnus dar, siehe unten S. 221 ff.

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richtete Rechte dar, da der Verkäufer weiterverkaufen darf, was sich schon aus der von den Glossatoren noch favorisierten Geldkondemnation334 ergibt. Daß Odofredus dem Verkäufer stets die Möglichkeit gewähren will, sich durch die Interesseleistung zu befreien, klingt im vorliegenden Text mehrfach an (teneris rem tradere vel interesse prestare). Diese Möglichkeit verliert er zwar nicht, wenn er den Kaufpreis entgegengenommen hat, aber er macht sich strafbar. Nach der Erftlllung durch den Käufer genießt dessen Forderungsrecht einen gewissen, wenn schon nicht zivilrechtlichen, so doch strafrechtlichen Schutz. Die Rechtfertigung des Doppelverkaufs bei Zahlungsverzug des Erstkäufers bedeutet jedoch nicht Haftungsbefreiung schlechthin. Diese tritt nämlich nur ein, wenn die Sache untergegangen ist. Solange die Sache existiert, haftet der Verkäufer genauso auf das Interesse, als ob er in Verzug gewesen wäre. Das aufgrund der Obligationsverletzung zu leistende Interesse soII zumindest den von dem Erstkäufer bezahlten Kaufpreis umfassen (et saltim veniet in interesse precium quod solvi)335, also gegebenenfaIIs auch Zuschläge. Es dürfte sich hier um das interesse singulare handeln, bei dem auch einer besonderen affectio oder einer nach objektiven Wertmaßstäben zu bestimmenden utilitas des Gläubigers Rechnung getragen wurde 336, und das die Glossatoren bei der actio empti zur Anwendung kommen ließen 337 • Eine beachtliche utilitas dürfte etwa dann vorliegen, wenn der Käufer die Kaufsache zu einem höheren Preis hätte weiterverkaufen können, so daß der Anspruch im Ergebnis wohl eher einem heute sogenannten positiven als einem negativen Interesse entsprechen dürfte 338 • Das dem Sachwert entsprechende interesse commune339 wird Odofredus dagegen auch aus dem Grund nicht gewähren wollen, weil er die Herstellung einer Verbindung zu der Sache selbst ablehnt. Auf die uferlosen Lehren von den Interesseeinteilungen kann hier nicht weiter eingegangen werden 340 • Wichtig ist aber, daß ein Anspruch auf Herausgabe des Zweitverkaufserlöses - wie die AusfühSiehe oben S. 63 ff. Bereits nach klassischem römischem Recht stand dem Käufer bei Nichtleistung mindestens die Rückzahlung des Kaufpreises zu, vergleiche Medicus, Id quod interest, S. 30; Peters, Die Verschaffung des Eigentums durch den Verkäufer, SZRom 96 (1979), S. 196; Kaser, Das Römische Privatrecht I, § 130 VI 2 Note 73; ders., Periculum locatoris, SZRom 74 (1957), S. 181. 336 Medicus, Id quod interest, S. 342 f 337 Lange, Schadensersatz, S. 22 f. - Repgen, S. 118, hat gezeigt, daß Odofredus dem Käufer, dessen Forderung nicht erfilllt wurde, auch an anderer Stelle das interesse singulare gewähren wollte. 338 Dieses Begriffspaar ist den mittelalterlichen Juristen allerdings nicht bekannt, siehe oben S. 65. 339 Dazu oben S. 65. 340 Vergleiche dazu etwa die Abbildung des "arbor super interesse" des Rebuffus bei Lange, Schadensersatz, S. 30. Einzelheiten zur mittelalterlichen Lehre vom interesse auch bei Endemann, Studien 11, S. 243 ff.; H. Dilcher, Leistungsstörungen, S. 120-148. 334 335

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rungen zur Gegenansicht verdeutlichen, auf die sogleich eingegangen werden soll - nicht von dem Interesse nach der actio empti umfaßt ist. Die Beziehung des Käufers zur Kaufsache wird selbst nach Eintritt des Verkäuferverzuges, das heißt nach Zahlung des Kaufpreises, weder mit Hilfe der actio negotiorum gestio, noch mit Hilfe der actio empti so nahe, daß ein Anspruch auf das commodum entstünde. Soweit zu des Odofredus eigener Lehre, wie sie sich aus dem ersten und dem dritten Teil seiner Vorlesung ergibt. Odofredus' Ansicht, daß der Käufer selbst bei mora des Verkäufers allenfalls (nämlich bei Fortbestand der Sache) einen Anspruch auf Rückzahlung des von ihm geleisteten Kaufpreises beziehungsweise auf ein darüber hinausgehendes Interesse hat, nicht aber auf Auskehr des von dem Zweitkäufer erlangten Erlöses, steht der angeblich von Azo und einem weiteren Rechtslehrer vertretenen Auffassung entgegen, auf die Odofredus in der Mittelpassage eingeht. Nach der Gegenauffassung soll der Erstkäufer gemäß D. 12.1.23 einen Anspruch auf den Zweitverkaufserlös haben. Bei dem genannten "Jo."= Johannes dürfte es sich um Johannes Bassianus341 handeln, dessen Sigle häufig durch die beiden Anfangsbuchstaben gebildet wird342 und der Lehrer des angeblich gleichfalls diese Auffassung vertretenden Azo war343 • Diese Angaben können anhand des zur VertUgung stehenden Quellenmaterials weder bestätigt noch widerlegt werden. Eine über einfache Worterklärungen hinausgehende Glossierung zu D. 18.4.21 des Johannes Bassianus befindet sich in der dem Verfasser zugänglichen, unter anderem auch Glossen des Johannes Bassianus enthaltenden Bamberger Handschrift344 nicht. Azos Glosse committitur zu D. 18.4.21 345 , die den Gedanken der Austauschgerechtigkeit betont, bezieht sich - wie oben dargelegt - auf die Rechtsstellung des Erbschaftsverkäufers, nicht aber auf die des Erstkäufers nach doppeltem Verkauf einer Einzelsache. Auch von D. 12.1.23 ist dort nicht die Rede. Es ist kaum anzunehmen, daß Odofredus gerade diese Stelle auch als auf die Rechtsstellung des Erstkäufers bezogen verstanden hat. Daß es eine sich auf D. 12.1.23 stützende Ansicht überhaupt gegeben hat, nach der dem Erstkäufer der Zweitverkauferlös auszukehren ist, kann aber nach

341 Zu Johannes Bassianus, einem Schüler des Bulgarus, siehe Lange, Glossatoren, S. 215 ff.; Savigny, Geschichte IV, S. 291. 342 Lange, Glossatoren, S. 216; Seekei, Paläographie der juristischen Handschriften des 12. bis 15. und der juristischen Drucke des 15. und 16. Jahrhunderts, SZRom 45 (1925), S. 14 f.; Savigny, Geschichte IV, S. 289 f. 343 Lange, Glossatoren, S.216; Robinson / Fergus / Gordon, S.79; Weimar, in: Handbuch der Quellen und Literatur I, S. 212; Savigny, Geschichte IV, S. 291. 344 Vergleiche oben Note 191. 345 Siehe oben S. 81.

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der Glosse propter negotiationem zu D. 18.4.21 des Accursius 346 als sicher geIten. Unklar bleibt lediglich, ob die Bezugnahme auf Azo und Johannes Bassianus fehlerhaft, oder - was wahrscheinlicher ist, da Odofredus die Schriften des Azo zum digestum vetus gut kannte 347 - das hier vertUgbare Quellenmaterial unvollständig ist. Für die Richtigkeit der Bezugnahme spricht auch, daß Azo und dessen Schüler Accursius die Ansichten des Johannes Bassianus oft übernommen haben sollen348 , was vorliegend, was das Ergebnis angeht, tUr Accursius zuträfe. Andererseits wäre die Urheberschaft des Johannes Bassianus und des Azo tUr eine Korrektur von D. 18.4.21 insofern bemerkenswert, als sowohl Johannes Bassianus wie auch Azo als Anhänger des Bulgarus gelten349 und als solche mit Billigkeiterwägungen zurückhaltend gewesen sein sollen. Auf die aequitas scheint sich die Gegenansicht aber ausdrücklich zu berufen. Das zeigt die Glosse propter negotiationem des Accursius (sed quidam de aequitate dant pretium primo emptori: ut supra si cert. pet I. si eum servumi 50 • Wegen der Bezugnahme auf D. 12.1.23 dürften Johannes Bassianus und Azo - ihre Urheberschaft unterstellt - ihre Ansicht allerdings als im Text hinreichend fundiert und damit als aequitas scripta3S \ betrachtet haben, obschon dieser Text, wie Accursius gezeigt hat, den Analogieschluß nicht trägt: Der Ähnlichkeitsvergleich zwischen den Fällen, den Azo im Prinzip anstellen wi\l3S2, hätte in diesem Fall negativ ausfallen müssen. Doch stellt auch die (unzutreffende) Berufung auf die aequitas (scripta) durch die Gegenansicht keinen zwingenden Grund tUr die Unrichtigkeit des Hinweises auf Azo und Johannes Bassianus dar, sondern bestätigt eher die These von der praktischen Annäherung der Schulen des Bulgarus und des Martinus3S3 • Daher soll, wenn auch mit einem kleinen Fragezeichen, von der Urheberschaft des Johannes Bassianus und des Azo tUr diese Gegenansicht ausgegangen werden 354 • Odofredus fUgt entsprechend der scholastischen Methode 355 nach dem Aufwerfen der quaestio bezüglich der widersprüchlichen TextsteIlen und seiner Siehe oben S. 83 ff. Savigny, Geschichte V, S. 12. 348 Savigny, Geschichte IV, S. 293; Kantorowicz / Buckland, S. 88. 349 Lange, Glossatoren, S. 218 f., 256 (mit Nachweisen); Savigny, Geschichte IV, S. 129 f.; Kantorowicz / Buckland, S.88; Lange, Ius aequum, SZRom 71 (1954), S. 329; Meijers, TRG 17 (1941), S. 123; Stein, Regulae Iuris, S. 137, 142. 350 Siehe oben S. 83. 35\ Vergleiche die Definition der aequitas scripta bei Azo: " .. .Ioquitur de aequitate scripta quae in corpore iuris est collocata" (zit. bei Guzman, S. 15, Note 38). 352 Dazu die Nachweise oben Note 232. 353 Siehe oben S. 87. 354 So auch die Vermutung von Jakobs, Lucrum ex negotiatione, S. 62, Note 110. 355 Dazu Berman, S. 242 tf. und passim. 346 347

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III

propositio (seinem Lösungsvorschlag im ersten und dritten Abschnitt) eine Reihe von Argumenten an, die filr die Gegenansicht und damit gegen eine Verweigerung der Herausgabe des Erlöses an den Erstkäufer sprechen. Bei diesen oppositiones, also möglichen Einwänden gegen die vorgetragene eigene Interpretation 356 , dürfte es sich nicht um Argumente handeln, die von Azo und Johannes Bassianus vorgetragen wurden, da Accursius in seiner Glosse propter negotiationem zwar gleichfalls den Lösungsansatz D. 12.1.23 nennt, nicht aber auf diese Argumente eingeht. Die Widerlegung einer gegnerischen Behauptung (hier: der Verkaufserlös ist herauszugeben), indem aus ihr durch eine Folge von Fragen und Antworten (hier: die oppositiones) Folgerungen abgeleitet werden, die widersprüchlich oder sonstwie unannehmbar sind (hier: die fehlende Textgrundlage), ist eine der dialektischen Grundfiguren 357 • Bei dieser Form der Beweisfilhrung werden Problemlösungen nebeneinandergestellt und in ihren Vor- und Nachteilen verglichen 358 • Daher ist davon auszugehen, daß Odofredus diese Einwände entsprechend dieser Argumentationstechnik selbst ersonnen hat und daß sie nicht etwa von der Gegenansicht stammen.

Als ersten möglichen Einwand nennt Odofredus den Umstand, daß der nicht säumige Verkäufer bei der von ihm vorgetragenen Lösung die von beiden Käufern erzielten Erlöse behalten dürfe (habeas a me precium et ab ilIo), was möglicherweise D. 12.6.14359 sowie dem annähernd gleichlautenden Fragment D. 50.17.20636 also dem Grundsatz, daß man sich nicht auf Kosten anderer soll bereichern dürfen, widerspricht. Die Bereicherung beruht darauf, daß der Erstkäufer vom Verkäufer keinen Ausgleich dafilr erhält, daß er die Gefahr des Untergangs der Kaufsache trägt. Der römische Gedanke der Austauschgerechtigkeit, wonach das commodum dem gebührt, der auch die Gefahr trägt, ist zwar auch von den Glossatoren übernommen worden361 • Odofredus aber billigt hier die Diskrepanz zwischen Gefahrtragung und Anspruch auf den Erlös, weil er diesen nicht als ein commodum im Sinne dieses Grundsatzes ansieht.

°,

Ohne weiter darauf einzugehen, stellt Odofredus die letztlich gleiche Frage, ob der Verlust von pretium und Sache gerecht sei, obgleich dem Käufer gemäß D. 19.1.11 pr. 362 eine Klage, die actio ex empto, zustehe, die sich hier aber als

356 Zu den oppositiones im Aufbau der lectura bei Glossatoren und Kommentatoren siehe Horn, in: Handbuch der Quellen und Literatur I, S. 324 f.; Berman, S. 242. 357 Zu diesem Muster siehe Berman, S. 217. 358 Fikentscher, Methoden I, S. 381. 359 D. 12.6.14: Nam hoc natura aequum est neminem cum alterius detrimento fieri locupletiorem. 360 D. 50.17.206: lure naturae aequum est neminem cum alterius detrimento et iniuria fieri locupletiorem. 361 Vergleiche oben S. 100 f. 362 D. 19.1.I1 pr.: Ex empto actione is qui emit utitur.

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2. Kapitel: Die Glossatoren

inhaltslos erweist. Nachdem unmittelbar zuvor davon die Rede war, daß sich der Verkäufer mit Hilfe beider Verkaufserlöse bereichern könne, dürfte Odofredus mit pretium hier das Kaufgeld des die Gefahr tragenden Erstkäufers meinen, das dieser verliert, ohne dafilr die Sache erhalten zu haben, so daß der Erstkäufer den der Bereicherung des Verkäufers entsprechenden Verlust zu tragen hat. Denn nur wenn der Verkäufer auch den Kaufpreis vom Erstkäufer behält, kann er sich - wie Odofredus in der ersten Frage andeutet - auf dessen Kosten durch dessen Schaden bereichern. Als Geschädigter kommt aber der Zweitkäufer, der die Sache erhalten hat, nicht in Betracht. Beide Fragen gehen also dahin, ob es gerecht sei, daß der Verkäufer beide Kaufpreise lukriert. Abermals ohne dies zu kommentieren, kommt Odofredus schließlich zu der diese Auslegung bestätigenden Erwägung, ob die von ihm gefundene Lösung betrügerischen Machenschaften Vorschub leistet. Gegen all diese Überlegungen, die letztlich auf Billigkeit beruhen, setzt Odofredus seine Prinzipienstrenge. Odofredus hält es filr unzulässig, dem Käufer, dem noch nicht einmal die actio ex empto hilft, auf dem Umweg über die condictio nach D. 12.1.23 gleichwohl den Verkaufserlös zuzugestehen. Den Befiirwortern einer solchen condictio wirft Odofredus vor, in der Luft zu schweben, also die sichere Textgrundlage verlassen zu haben: ("sed dns. Joan. et Azo ... contrarium non solvunt: sed volant per aera dum credunt solvere"). Odofredus dagegen beruft sich auf den Grundsatz, daß Erlöse aus eigenen Geschäften mit eigenen Sachen nicht herauszugeben sind. Diesen Grundsatz der Belohnung eigener Geschäftstüchtigkeit will Odofredus verallgemeinernd 0.35.2.3 pr. 363 entnehmen, wo es heißt, daß Gewinne, die aufgrund der Einfalt der Käufer erzielt werden, beim Verkäufer verbleiben sollen. Diesen Grundsatz hat bereits Accursius in seiner (wohl älteren 364) Glosse propter negotiationem zu D. 18.4.21 erörtert, unter anderem auch unter Allegation diese Textes365 • Die gleichfalls hier herangezogene actio sepulchri violato steht nach 0.47.12.6 366 dem zu, dem die Sache gehört. Das bedeutet filr Odofredus367, daß nur der Eigentümer einer Sache, nicht aber der Inhaber eines Forderungsrechts auf Verschaffung der Sache, auf die Sache bezogene Ansprüche geltend machen kann. Zum Wortlaut dieses Fragments siehe oben Note 204. Accursius' Apparat zum Digestum vetus dürfte vor 1243 entstanden sein, wohingegen die Nachschriften der Vorlesungen des Odofredus aus den Jahren 1236-1265, also überwiegend aus späterer Zeit stammen, vergleiche Weimar, in: Handbuch der Quellen und Literatur I, S. 174, 176. 365 Siehe oben S. 84. 366 D. 47.12.6: Sepulchri violati actio in primis datur ei, ad quem res pertinet... 367 Es handelt sich hier um Argumente, die Odofredus für seine Argumentation gegen Johannes Bassianus und Azo gebraucht, nicht aber umgekehrt um Allegationen durch die zuletzt Genannten für die Begründung eines Herausgabeanspruchs. Dieses Mißverständnis ist Ursache daflir, daß Jakobs, Lucrum ex negotiatione, S. 62, Note 110, aus der Ansicht von Johannes Bassianus und Azo "nicht recht klug" wird. 363

364

11. Ansprüche des Erstkäufers auf den Zweitverkaufserlös

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Letztlich verwirft Odofredus die Argumentation mit D. 12.1.23 aus denselben Gründen wie Accursius, der gleichfalls unter Hinweis auf das Fehlen der Eigentumsposition eine Analogie zu D. 12.1.23 abgelehnt hat. Im Gegensatz zu diesem jedoch hält Odofredus das seiner Ansicht nach methodisch sauber gewonnene Ergebnis ausdrücklich rur gerecht: ("non teneris ad rem quia liberatus es interitu speciei: nec ad precium: quia precium rei tunc debes habere et hoc non est iniquum"). Im Gegenteil, Odofredus hält die Gegenansicht wegen der ihr fehlenden Textgrundlage rur ungerecht: ("modo veniamus ad maximam in iquitatem"). Es zeigt sich hier die GrundeinsteIlung, daß dem ius aequum neben dem ius strictum nur wenig Raum zu gewähren ist. Diese offenbart sich auch in der an anderer Stelle geübten Kritik an Martinus Gosia368 • Auf die dieses Ergebnis korrigierende Billigkeitsargumentation des Accursius geht er nicht ein. Wenngleich Odofredus die Meinung seines Kollegen Accursius wahrscheinlich gekannt hat, wird Accursius von Odofredus überhaupt nur selten erwähnt, was auf Rivalitäten zwischen Odofredus und Accursius zurückgeführt wird369 • Odofredus bestätigt hier die These, daß die Juristen des 13. Jahrhunderts keine kritiklose Haltung gegenüber der Glosse eingenommen haben 370• Mit der deutlichen grundsätzlichen Ablehnung eines Anspruchs auf den Zweitverkaufserlös ist die Rechtsstellung des Erstkäufers nur teilweise, nämlich hinsichtlich seiner Anspruche geklärt. Was die aus dem Vertrag stammenden Pflichten angeht, so wird die im Rahmen der oppositiones aufgeworfene rhetorische Frage, ob es gerecht sei, daß der Käufer sein Kaufgeld und die Sache beziehungsweise deren commodum verliert und der Verkäufer zwei Kaufpreise einstreicht (sed nonne es hoc maxima iniquitas quod habeas a me precium et ab iIIo), nicht mit der wünschenwerten Klarheit beantwortet. Da Odofredus - im dritten Abschnitt - ein nach Untergang der Kaufsache erfolgtes Zahlungsangebot rur verspätet hält, könnte man den Schluß ziehen, daß der Erstkäufer schlechthin von seiner Zahlungspflicht befreit sein soll. In diesem letzten Teil der Erläuterung ist jedoch ausschließlich von den Rechten des Erstkäufers die Rede, nicht von dessen Ptlichten. Eine Befreiung von einer Zahlungsptlicht ist insofern zweifelhaft, als der Verkäufer grundsätzlich auf die Sache oder auf das Interesse haften soll, also selbst dann, wenn er zum Selbsthilfeverkauf berechtigt ist - sofern die Kaufsache nicht untergeht. Dieser Haftung steht aber grund368 Dazu siehe Savigny, Geschichte IV, S. 129 f. (insbesondere Note g.); Lange, lus aequum, SZRom 71 (1954), S. 329. 369 Savigny, Geschichte V, S. 290 f., 359; Schrage, Utrumque lus, S. 42 f.; Lange, Glossatoren, S. 326 f. 370 Robinson / Fergus / Gordon, S. 101; Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, S. 63; Koschaker, S. 86; Enge/mann, Wiedergeburt, S. 196 f. - Piano Mortari, L'azione revocatoria, S. 141 sowie ders., in: Enciclopedia deI diritto, s.v. Commentatori, S. 795, spricht allerdings schon für das späte 13. Jahrhundert von einer "sorta di tirannia della Glossa". 8 Sella-Geusen

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2. Kapitel: Die Glossatoren

sätzlich ein Zahlungsanspruch des Verkäufers gegenüber371 • Der Anspruch dürfte auch nach dem Untergang der Kaufsache fortbestehen, denn daß der Kaufpreis auch dann gezahlt werden muß, wenn die Sache vor der Übergabe untergeht, war gerade Sinn des Satzes perfecta emptione periculum rei venditae statim ad emptorem pertiner 72 • Demnach mußte der Erstkäufer zahlen, wenn er die Gefahr trug. Daher kann man allenfalls daran denken, daß sich der Haftungsmaßstab durch den zweiten Verkauf zugunsten des Erstkäufers verändert haben könnte. Regelmäßig hatte der Verkäufer bei Lieferverzug immer, im übrigen nur rur custodia einzustehen373 • Mora liegt ausdrücklich nicht vor. Im übrigen stellt Odofredus auf den zufiUligen Untergang der Sache ab und nicht auf deren Abhandenkommen durch den zweiten Verkauf. Das spricht gegen eine custodia-Haftung. Im Gegenteil, die Betonung, daß der Verkäufer zum Verkauf berechtigt und durch den Untergang befreit sei, ergäbe bei Annahme eines haftungsauslösenden Abhandenkommens durch den zweiten Verkauf keinen rechten Sinn mehr. Ebensowenig kann davon ausgegangen werden, daß die Gefahr sogleich von dem ersten auf den zweiten Käufer, der bei Odofredus außer Betracht bleibt, übergehen soll. Ein solcher GefahrUbergang wäre sicherlich erwähnenswert gewesen. Es scheint, als solle der Zahlungsanspruch des Verkäufers gegen den Erstkäufer trotz des zweiten Verkaufs fortbestehen, wenn die Kaufsache zufiillig untergegangen ist. Da die vertragliche Beziehung des Verkäufers zum Zweitkäufer von der zum Erstkäufer unabhängig zu sein scheint, scheint der Verkäufer gegen jeden der Käufer einen Zahlungsanspruch zu haben, ohne nach dem Untergang der Sache beiden gegenüber zu haften. Diese Bereicherung zu Lasten des Erstkäufers ist unbillig, so daß die Annahme naheliegt, daß Odofredus nicht daran gedacht hat, daß seine Lösung auf eine solche Bereicherung des Mehrfachverkäufers hinausläuft. Das aber hat Odofredus auf keinen Fall übersehen. In den oppositiones erwägt er ausdrücklich, ob diese Bereicherung des Verkäufers eine Schwäche seiner Lösung darstellt. Fraglich ist daher allein, ob er dieses Ergebnis billigt oder ob er glaubt, ihm ausweichen zu können. Odofredus weist alle oppositiones nur pauschal zurück, ohne an irgendeiner Stelle auch nur anzudeuten, daß es nach seiner Lösung nicht zu den in den oppositiones angesprochenen Folgen kommt, die die konsequente Anwendung der Gefahrtragungsregeln nahelegt. Anstatt diesem Ergebnis auszuweichen, rechtfertigt er es damit, daß es wegen seiner Texttreue gerecht sei.

Das gilt jedenfalls rur das klassische römische Recht, siehe dazu Harder, S. 353. Harder, S. 371 Note 102; Kaser, Das Römische Privatrecht I, § 130 VI 2; ders., Periculum locatoris, SZRom 74 (1957), S. 181; ders., Römisches Privatrecht (Studienbuch) § 41 IV (S. 195); Medicus, Id quod interest, S. 28; MacCormack, Periculum, SZRom 96 (1979), S. 133. 373 Siehe oben Seite 101. 371

312

11. Ansprüche des Erstkäufers auf den Zweitverkaufserlös

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Dieser Interpretation könnte man entgegenhalten, daß ein das Mittelmaß überragender Jurist mit einem Minimum an Verantwortungsgefühl eine solche Begünstigung des Verkäufers nicht vertreten würde 374 • Doch ist es nicht auszuschließen, daß bereits Accursius D. 18.4.21 in diesem Sinne verstanden hatm . Odofredus wäre auch sonst nicht der einzige Jurist von Bedeutung, dessen Systerntreue dem Verkäufer zu einem doppelten Verkaufserlös verhülfe. Eine Reihe von Pandektisten und auch modeme Romanisten sehen sich wegen der Quellenlage (zum Teil widerwillig) veranIaßt, den Mehrfachverkäufer zu bereichern376 • Es wird nicht verkannt, daß die Diskussion bei den Pandektisten für Odofredus unmittelbar nichts besagen kann. Vielmehr soll lediglich dem Einwand begegnet werden, daß man nach der Quellenlage nicht zu dem Ergebnis kommen könne, auf das der odofredische Lösungsansatz hinausläuft. Eine Ausweichmöglichkeit für das erkannte Problem bietet Odofredus nicht. Daher drängt sich der Verdacht auf, daß bereits Odofredus der Faszination der "strenge(n) Consequenz ... , selbst wenn sie zu den unrichtigsten Resultaten führt,,377, der "Begriffsmathematik,,378 erlegen sein könnte 379 . Das Systemdenken, besser: das Erkennen eines im Corpus iuris civilis angelegten Systems, verbunden mit dem Glauben an den als gerecht vorausgesetzten autoritativen Text scheint Odofredus zu einer Lösung zu zwingen, die er als gerecht verteidigt, gerade weil sie sich aus dem Text ergibt. Er zeigt die oft gerügte Schwäche des geschulten Juristen, die - so Wieacker - in der "Verdrängung praktischer Sachvernunft und Gerechtigkeit durch den Kult der Autorität und des logischen Formalismus,,38o liegt. Dieser Befund entspricht dem bereits vielfach gezeichneten Bild von den Glossatoren 381 . Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß Odofredus bei der Interpretation von D. 18.4.21 sehr nahe am Text bleibt. Den Widerspruch zu D. 48.10.21 löst 374 So Falk, Ein Gelehrter wie Wind scheid, S. 52; Jhering, Beiträge zur Lehre von der Gefahr beim Kaufcontract, JhJb 3 (1859), S. 461: " ... hier wird sich das gesunde Rechtsgeflihl gegen die doppelte Zahlung des Kaufpreises entschieden auflehnen."; Rabel, Die Haftung des Verkäufers wegen Mangels im Rechte, S. 156: "von allen guten Geistern verlassen". 375 Vergleiche oben S. 82. Allerdings hat Accursius einen Ausweg gefunden. 376 Vergleiche oben S. 42 f. und unten S. 255 ff. 377 Dies ist im Streit um den Mehrfacherlös der Vorwurf F. Mommsens, Erörterungen, S. 110 Note 6, gegen Jhering. 378 So titulierte Ehrlich, Grundlegung der Soziologie des Rechts, S. 263, diese Lösung eines Doppelverkaufsfalls. 379 Anders Jakobs, Lucrum ex negotiatione, S. 63, der Jhering rur den ersten Vertreter einer solchen Lösung hält. 380 So Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, S. 69; Jakobs, Lucrum ex negotiatione, S. 63. - Olte, Rechtswissenschaft, S. 140, spricht von einem Juristentyp, der im wahrsten Sinne des Wortes zu allem fliliig sei. 381 Vergleiche oben S. 46 f., 93 f.

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2. Kapitel: Die Glossatoren

er auf dem Weg einer Distinktion mit Hilfe des Merkmals "mora" auf. Solange der Käufer nicht gezahlt hat, ist der Verkäufer nicht in Verzug. Der zweite Verkauf wird dann wie ein strafloser Selbsthilfeverkauf gewertet - allerdings nur (hier ist das Konzept nicht stimmig), wenn die Sache später untergeht. Für die aequitas sieht Odofredus mangels Rechtfertigung durch den Text keinen Raum. Damit ist das Problem für ihn beseitigt. Entsprechende Überlegungen von Johannes Bassianus und Azo werden mit den gleichen Argumenten abgelehnt, die schon bei Accursius genannt sind: Wem die Sache gehört oder wer geschäftstüchtig ist, behält den Erlös. Während Odofredus zu D. 18.4.21 einen eigenen Lösungsvorschlag macht, erweist er sich bei seiner Erörterung zu C. 3.32.15 als wenig erfinderisch. Dort hat er die Unterscheidung zwischen zivilrechtlicher Gültigkeit und der strafrechtlichen Bewertung von Verträgen von Azo, die Defintion von iure = bona fide von Accursius übernommen. Odofredus selbst hat diese Glosse lediglich mit Beispielen und eher nebensächlichen Erklärungen versehen. Demnach ist Odofredus bei seiner Erläuterung von C. 3.32.15 als Kompilator zu bezeichnen. Die Diktion, die nebensächlichen Erläuterungen sowie zahlreichen Wiederholungen offenbaren die Ausführungen zu C. 3.32.15 und zu D.18.4.21 als Vorlesungsmitschrift. Trotz des Umfangs der Erörterungen sollte man Odofredus nicht als "Schwätzer" abtun 382 • Bei der Bewertung sollte man aber nicht übersehen, daß es sich um eine Vorlesungsmitschrift handelt, daß es also primär um den Lernerfolg bei den Zuhörern ging und nicht darum, ein Nachschlagewerk für spätere Juristengenerationen zu schaffen. Vor allem aber hat sich Odofredus auch bemüht, entsprechend der dialektischen Methode die Richtigkeit seiner Lösung zu beweisen. Ein solcher Beweis läßt sich nicht mit einem knappen Satz führen. Nicht beipflichten kann man ferner der These Jakobs, daß Odofredus, der nach der Einschätzung von Savigny zu den berühmtesten Lehrern seiner Zeit gehörte 383 , keinen besonderen Einfluß auf die weitere Entwicklung genommen haben so1l384. Dies ist im folgenden Kapitel zu zeigen.

III. Zusammenfassung Der Kaufvertrag galt als Konsensualvertrag. Das darin begründete, mit relativer Wirkung ausgestattete Forderungsrecht beeinflußte die Rechtsstellung des 382 So aber Jakobs, Lucrum ex negotiatione, S. 66, Note 122; ähnlich Lange, Glossatoren, S. 327, 140. 383 Savigny, Geschichte V, S. 359 ff., 365 f. 384 Jakobs, Lucrum ex negotiatione, S. 66, Note 122. Vergleiche dagegen schon Jakobs, Lucrum ex negotiatione, S. 67 Note 126 oben.

III. Zusammenfassung

117

anderen Käufers vom Grundsatz her nicht. Die Eigentumsübertragung setzte dem Traditionsprinzip gemäß, das C. 3.32.15 zugrunde lag, die (körperliche) Übergabe der Kaufsache voraus, sowie die Zahlung des Kaufpreises. Eine allgemein anerkannte Ausnahme von C. 3.32.15 bestand zugunsten der Kirche, rur deren Eigentumserwerb gemäß C. 1.2.23 eine Übergabe nicht erforderlich war. Die Glossatoren haben erkannt, daß die im Gesetz im Zusammenhang mit der actio Publiciana geregelten Fälle nicht die Frage nach dem Eigentumserwerb betrafen. In Lomb. 2.19.1 zeigte sich das Problem der Konkurrenz verschiedener Übergabeformen, das erst in späterer Zeit diskutiert wird. Eine Übergabe der Kaufsache durch den Verkäufer konnte der Käufer nicht erzwingen, da die herrschende Meinung unter den Glossatoren rur den Kauf an der Geldkondemnation festhielt. Da dem Käufer ohnehin kein Zugriffsrecht auf die Sache zustand, wurde einem weiteren Verkauf (zunächst) keine besondere Bedeutung beigemessen. Von den älteren Glossatoren wurde C. 3.32.15 zum Anlaß genommen, das Traditionsprinzip zu erklären, ohne die Problematik - insbesondere im Hinblick auf D. 48.10.21 - zu vertiefen. Erst Azo, Accursius und Odofredus gingen auf das Harmonisierungsproblem ein und zeigten letztlich gleiche Wege rur die Harmonisierung von C. 3.32.15 mit D. 48.10.21. In die Erwägungen wurde nicht D. 18.4.21 einbezogen. Azo betonte in seiner Glosse quotiens &c. die Unabhängigkeit der Kaufverträge voneinander. In zivilrechtlicher Hinsicht war ein Doppelverkauf an sich nicht zu mißbilligen und gültig. Gleichwohl machte sich der Verkäufer immer strafbar. Der gesamte Vorgang des Verkaufs, also auch die Eigentumsübertragung, blieb frei von der im Strafrecht vorgenommenen Wertung. Auch Accursius traf die bereits von Azo vorgenommene Unterscheidung zwischen zivilrechtlicher Gültigkeit und strafrechtlicher Mißbilligung des Doppelverkaufs. Accursius nahm eine Harmonisierung außerdem dadurch vor, daß D. 48.10.21 nur die "dolo" erfolgten Doppelverkäufe im Gegensatz zu "iure/bona fide" nach C. 3.32.15 umfassen sollte. Die zivilrechtlichen Folgen eines unredlichen Zweitverkaufs nannte Accursius nicht. Sie dürften aber ein unmittelbares Zugriffsrecht des Erstkäufers auf die Sache gegen den Zweitkäufer nicht beinhaltet haben. Odofredus definierte "iure" wie bereits Accursius, den er aber nicht erwähnte, mit "bona fide" Ein Zweitverkauf erfolgte "iure" und schloß D.48.1O.21 aus, wenn ein (Rechts-) Irrtum des Verkäufers oder ein (Tatsachen-) Irrtum des Zweitkäufers vorlag. Weiterhin erwog Odofredus wie schon Azo und Accursius eine Harmonisierung durch Differenzierung zwischen zivilrechtlicher Gültigkeit und Strafbarkeit. Da der Tatbestand eines falsum dolus voraussetzte, traten WertungswidersprUche zwischen Zivilrecht und Strafrecht nicht ein. Bei Odofredus war ein Zugriffsrecht auf die Sache beim Zweitkäufer mittels eines Umkehrschlusses bei unredlichen Doppelverkäufen unwahrscheinlich. Der Traditionsgrundsatz blieb damit unangetastet.

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2. Kapitel: Die Glossatoren

Bei der Interpretation von D. 18.4.21 kamen die Glossatoren zu unterschiedlichen Ergebnissen. Ein Teil der älteren Glossatoren sah in D. 18.4.21 kein Problem. Andere, wahrscheinlich Johannes Bassianus und Azo, sprachen sich unter Berufung auf D. 12.1.23 aus Billigkeitsgründen ftlr eine Kondiktion des Erlöses beim Verkäufer durch den Erstkäufer aus. Accursius wich bewußt von D. 18.4.21 ab. Die Herausgabe des Zweitverkaufserlöses im Fall von D. 18.4.21 war in der Interpretation von Accursius nach dem Wortlaut nicht möglich. Doch widersprach die Versagung eines Anspruchs auf den Zweitverkaufserlös dem Rechtsgeftlhl des Accursius. Daher wollte er unter Heranziehung einer Parallelstelle, dem Weinverkäuferfall in D. 18.6.1.3, zeigen, daß es sich bei seiner Billigkeitsentscheidung nicht um eine Entscheidung gegen das Gesetz handelte, sondern daß diese die Grenze der aequitas scripta nicht überschritt. Er setzte somit die aequitas der Privatrechtsordnung insgesamt gegen die formale Rigidität von D. 18.4.21. Accursius löste sich nicht von der Textgrundlage, ging aber unter Einsatz eines (Ausnahme-) Falles, der ftlr ihn ein allgemein gültiges Prinzip ergab, wenn es die Billigkeit erforderte, frei mit ihr um. In der Sache wurde das Forderungsrecht nicht "dinglich" geschützt. Da es Accursius nur um eine Ahndung des falsum ging, war der Schutz des Forderungsrechts nur ein Nebenprodukt. Daß es sich um eine Einzelfallentscheidung handelte, zeigte auch die Erörterung im Rahmen von L.F. 2.26.15. Dort hatte Accursius den Käufer schlicht auf einen Anspruch auf Schadensersatz gegen den Verkäufer verwiesen. Allerdings hatte Accursius an dieser Stelle nicht zu klären, ob dies auch gilt, wenn die Kaufsache wie bei D. 18.4.21 zufiillig untergegangen ist. Auch die schwankende Haltung in der Frage des Erftlllungszwangs mag bei der Divergenz eine Rolle gespielt haben. Wahrscheinlich war Accursius schlicht mit der Lösung von einzelnen Problemen an der jeweiligen Stelle und nicht erst mit umfassenden und übergreifenden Lösungsansätzen zufrieden. Odofredus erwies sich als Formalist. Mit einer eng an den Text gebundenen Interpretation harmonisierte er D. 18.4.21 mit D.48.10.21 im Wege der Distinktion dadurch, daß er den Texten unterschiedliche Fallgestaltungen im Hinblick auf das Vorliegen eines Verkäuferverzuges zugrundelegte. Dem Erstkäufer wurden nur die Rechte aus der actia empti zugestanden. Folglich hatte der Käufer unter der Voraussetzung des Lieferverzuges zur Zeit des zweiten Verkaufs einen Schadensersatzanspruch, der auf Rückzahlung des von ihm geleisteten Kaufpreises, gegebenenfalls auf ein darüber hinausgehendes Interesse gerichtet war. Der Zweitverkaufserlös wurde davon aber nicht umfaßt. In Verzug geriet der Verkäufer jedoch nur, wenn der Erstkäufer das Kaufgeld bereits entrichtet und damit seinerseits alle Voraussetzungen rur den Erwerb des Eigentums erftlllt hatte. Damit stand der Käufer bei pünktlicher Zahlung (was rur Odofredus bedeutet: bei Vorauszahlung) am Ende bestenfalls so da, als wäre der Vertrag nicht geschlossen worden. Ein durch Erftlllung der Gegenforderung aufgewertetes Forderungsrecht unterlag strafrechtlichem Schutz. Das brachte

HI. Zusammenfassung

119

aber keine über die actio empti hinausgehenden Ansprüche (etwa auf den Zweitverkaufserlös) mit sich. Hatte der Käufer noch nicht gezahlt, stand ihm nicht nur der Schadensersatzanspruch nicht zu, sondern er scheint sogar weiterhin dem Zahlungsanspruch des Verkäufers ausgesetzt zu sein, der sich zudem noch durch den Zweitverkaufserlös bereichern zu können scheint Gedenfalls in dem Fall, daß die Sache vor Übergabe an den zweiten Käufer zufiillig untergegangen ist). Das Vorliegen eines auf einem Verstoß gegen das Bereicherungsverbot beruhenden Gerechtigkeitsproblems bestritt Odofredus - im Gegensatz zu Accursius - wegen der ausdrücklichen Regelung in D. 18.4.21. Wenn Vorsichtigkeit - wie Jakobs meint - ein Zeichen von Mittelmäßigkeit ist, so hat allenfalls Odofredus, nicht aber Accursius diese Bewertung verdient385 • Odofredus ging in seiner Erörterung zu D. 18.4.21 weder auf C. 3.32.15 noch auf seine Erläuterung dieser Konstitution ein, obwohl dies ohne besondere Schwierigkeit möglich gewesen wäre, da es nach des Odofredus Ansicht rur beide Texte letztlich auf das Vorliegen des dolus bei dem Verkäufer ankam. Eine unterschiedliche Färbung entstand lediglich dadurch, daß dolus im Zusammenhang mit C. 3.32.15 als Kenntnis des Verbots, doppelt zu verkaufen, interpretiert wurde, bei D. 18.4.21 hingegen als Kenntnis von der Leistungspflicht als subjektives Tatbestandsmerkmal rur mora. Insgesamt läßt sich feststellen, daß die Glossatoren weitestgehend an den sich aus dem Text Justinians unmittelbar ergebenden Grundprinzipien des römischen Rechts festgehalten haben. Das Bestreben nach Systematisierung im Sinne einer Klassifizierung des vorgefundenen Stoffes ist deutlich geworden. Zu einer Entwicklung neuer übergreifender Prinzipien ist es nicht gekommen. Ein Gesamtbild des Doppelverkaufs wurde nicht erstellt, da die Interpretationen der einzelnen TextsteIlen nebeneinander standen und nicht aufeinander abgestimmt wurden. Dieses Nebeneinander von Lösungen konnte insbesondere innerhalb der Glossen zu C. 3.32.15 beobachtet werden386 •

385

386

Jakobs, Lucrum ex negotiatione, S. 78 mit Note 147; dazu auch oben S. 91 ff. Vergleiche oben zu Accursius S. 71 ff. und zu Odofredus S. 75 ff.

Kapitel 3

Die Kommentatoren Der Arbeitsweise der Kommentatoren entsprach es, die wichtigen Lehren im Zusammenhang mehr oder weniger vollständig vorzutragen I, denn das Ziel juristischer Tätigkeit wurde in der Herstellung einer geschlossenen doctrina, eines Lehrgebäudes mit systematisch begrifflicher Einheit gesehen2 , nachdem die Glossatoren die Probleme des Textverständnisses weitgehend geklärt hatten3 • Als eine Fortentwicklung tur die Lösung des Doppelverkaufsproblems durch die Kommentatoren sollte man daher erwarten können, daß diese sich nicht mehr nur mit einer Hannonisierung in Teilbereichen begnügten und die Rechtsstellung des ersten Käufers umfassend erörtern.

I. Das Zugriffs recht auf die Kaufsache 1. Das Übergabeerfordernis a) Die Ausgangslage

Auch die Kommentatoren legten tur die Lösung des Doppelverkaufsproblems das Traditionsprinzip zugrunde, so daß sich gemäß C. 3.32.15 grundsätzlich zunächst derjenige Käufer durchsetzte, dem die Sache (zuerst) übergeben worden ist. Das scheint so unproblematisch, daß sich die Kommentierung des Bartolus zu C. 3.32.15 in einer knappen Inhaltsangabe erschöpft: IIIe est potior in dominio, cui prius res traditur, licet alius in tit. praevenerit. hoc intendit ista lex breve. 4 Derjenige geht im Eigentum vor, dem die Sache zuerst übergeben wurde, wenn auch ein anderer mit dem Titel vorher kam. Dieses, kurz gesagt, meint diese lex. I Piano Mortari, in: Enciclopedia dei diritto VII, s.v. Commentatori, S. 801; Wolter, S. 37; Engelmann, Wiedergeburt, S. 205; Calasso, S. 369; Wohlhaupter, S. 68. Beispiele für das Bestreben nach Systematisierung gibt H. Dilcher, Leistungsstörungen, S. 18 f. und passim, insbesondere S. 282. 2 Herberger, S. 203 f. zu Bartolus und Baldus. 3 Horn, in: Handbuch der Quellen und Literatur I, S. 326. 4 Bartolus de Saxoferrato (1313-1357), Commentaria in primam Codicis partem zu C. 3.32.15, fol. 109. Im diesem Sinne auch Bartolus, Consilia, cons. 74, fol. 20, Rn. 1.

I. Das Zugriffsrecht auf die Kaufsache

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Bartolus lehnt eine Übereignung solo ex contractu ab. Gemäß C. 3.32.15 kommt es rur die Bewertung der Rechtsposition der Käufer nicht auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses, sondern auf den der Übergabe an. Das ist unbestritten, wie belegt wird durch die Erörterungen von Cinuss, Jacobus Butrigarius 6 , Ludovicus Romanus 7, Angelus Aretinus 8, Baldus de Ubaldis 9 und Jason de MaynolO, sowie durch die Aufnahme des Traditionsprinzips, wie es sich in C. 3.32.15 zeigt, als Ausgangsregel in die "Regulae" des Bartholomaeus Socinus: "Emptorum duorum iIle potior est cui prima possessio tradita fuit..."lI. Das Problem des Doppelverkaufs wird von Bartolus nicht weiter ausgeftlhrt. Auch Quellenzitate, hinter denen Bartolus seine Überlegungen gern verbarg 12 , finden sich hier nicht, obwohl gerade die Kommentare des Bartolus als die vollständigsten und inhaltsreichsten gelten 13. Gegenstand der Vorlesungen war neben dem Quellentext auch die Glosse, so daß die Kommentare nur das enthal-

5 Cinus da Pistoia (ca. 1270-1336), In Codicem Commentaria zu C. 4.39.6, siehe unten S. 122. 6 Jacobus Butrigarius, Lectura super Codice zu C. 3.32.15, fol. 108. - Zu Jacobus Butrigarius (ca. 1274-1348), der ein angesehener Rechtslehrer (unter anderem von Bartolus de Saxoferrato) und Verfasser von Lecturae zu Digesten und Codex war, siehe Horn, in: Handbuch der Quellen und Literatur I, S. 270; Robinson / Fergus / Gordon, S. 111; Peter, in: HRG I, s.v. Bartolus de Saxoferrato, Sp. 319. 7 Ludovicus Romanus (de Ponte; gest. 1439), Lectura super secunda parte Codicis zu C. 6.50.7, fol. 66 v, Rn. 29; ders., Consilia, cons. 270, fol. 136, Rn. 1. 8 Angelus Aretinus (a Gambolionibus; gest. nach 1451), In quatuor Institutionum Iustiniani Iibros Commentaria zu Inst. 4.6.10, fol. 249 v, Rn. 54. 9 Baldus de Ubaldis (1327-1400), Commentaria in primum, secundum & tertium Codicis libros zu C. 3.32.15, fol. 241 v, pr. - Dem schließt Baldus allerdings eine umfangreiche Erörterung dieses Textes und seiner Ausnahmen an. Das Traditionsprinzip betont Baldus auch in In usus feudorum Commentaria zu L.F. 2.26.15 (fol. 48 V), in Commentaria in primam Digesti veteris partem zu D. 6.2.9.pr. und D. 6.2.9.4 (fol. 326) sowie in Consilia sive responsa, vol. 1 (cons. 36, fol. 13, Rn. I; vergleiche bei Note 70) und vol. 5 (cons. 303, fol. 76, Rn. 4 am Ende). - Zu Person und Werk des Baldus siehe Horn, in: Handbuch der Quellen und Literatur I, S. 269 f., 273 und passim; Schlosser, S. 37; Savigny, Geschichte VI, S. 213 und passim; Wesenberg / Wesener, S. 33. 10 Jason de Mayno, Consilia sive responsa, vol. I, cons. 117, fol. 149, Rn. 1. - Jason de Mayno (1435-1519) genoß bis ins 18. Jahrhundert hohes Ansehen, vergleiche Dolezalek, in: HRG III, s.v. Postglossatoren, Sp. 1843. Er war als einer der letzten der Kommentatorenschule Lehrer des Alciat (Horn, in: Handbuch der Quellen und Literatur I, S. 270, 275; Schlosser, S. 38). 11 Bartholomaeus Socinus (1436-1507), Regulae et fallentiae iuris, reg. 155, S. 262. - Zur Bedeutung solcher Regeln im mittelalterlichen Rechtsleben siehe Sbriccoli, Archives de Philosophie du Droit 17 (1972), S. 109. 12 Coing, Zur Eigentumslehre des Bartolus, SZRom 70 (1953), S. 371. 13 Horn, in: Handbuch der Quellen und Literatur I, S. 323; Engelmann, Wiedergeburt, S. 207; Genzmer, Kritische Studien, SZRom 61 (1941), S. 325. Ein Beispiel rur die herausragenden Fähigkeiten des Bartolus gibt Repgen, S. 190 ff.

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3. Kapitel: Die Kommentatoren

ten, was in der Vorlesung darüber hinausgehend gesagt wurde l4 • Auf diese Weise erfolgte eine Konzentration auf praktisch wichtige und schwierige Fragen 15. Da Bartolus das Harmonisierungsproblem sicherlich nicht übersehen hat, kann man davon ausgehen, daß ihm die Frage schlicht nicht als ergänzungs bedürftig erschien l6 . Die unterlassene Stellungnahme dürfte daher als ein Zeichen dafilr zu werten sein, daß Bartolus, wie sich auch später noch zeigen wird 17, mit der schwachen Rechtsstellung des Forderungsinhabers, die sich aus der konsequenten Anwendung von C. 3.32.15 und D. 18.4.21 und aus der - allerdings erklärungsbedürftigen - Glosse iure zu C. 3.32.15 des Accursius ergibt, einverstanden ist. Cinus da Pistoia begründet unter Bezugnahme auf C. 3.32.15 die Bevorzugung dessen, dem übergeben wurde . ... Ratio est, quia ius reale non transfertur sine traditione ex solo contractu, imo personalis est obligatio tantum. Et scire debetis, quod iura realia potiora sunt, quod patet: quia in eis non duplicatur titulus dominij, vt Institu. de act. §. fuerat. sed in personalibus non sie. & ideo non est mirum, si ille sit potior, cui prima res traditur: quia prima sibi ius reale acquiritur. 18 Der Grund ist, daß das dingliche Recht nicht ohne traditio allein aufgrund des Vertrages übertragen wird, die Obligation ist nämlich nur persönlich. Und ihr müßt wissen, daß die iura realia stärker sind, was offensichtlich ist. Denn bei diesen wird der s Eigentumstitel nicht verdoppelt, wie Inst. 4.6.29. Aber bei persönlichen (Rechten) ist das nicht so. Daher ist es nicht verwunderlich, daß der im Vorteil ist, dem die Sache zuerst übergeben wird, weil dieser zuerst das dingliche Recht erwirbt.

Cinus unterscheidet hier streng zwischen dinglichen und persönlichen Rechten. Die Vorrangstellung der dinglichen Rechte begründet er damit, daß diese absoluten Rechte im Gegensatz zu den Erfiillungsansprüchen aus dem Kaufvertrag nicht ohne weiteres verdoppelt werden können. Als Beleg filhrt Cinus Inst. 4.6.29 an. Mit dieser Norm hatte lustinian die actio rei uxoriae auf Rückforderung der dos durch eine actio ex stipulato ersetzt l9 • Diesem Text entnimmt 14 Horn, in: Ius commune 11, S. 91; ders., in: Handbuch der Quellen und Literatur I, S. 323; Robinson / Fergus / Gordon, S. 107; Coing, Zur Eigentumslehre des Bartolus, SZRom 70 (1953), S. 349, 351. 15 Engelmann, Wiedergeburt, S. 178. 16 Mit der fehlenden Ergänzungsbedürftigkeit erklärt Horn, in: Ius Commune 11, S. 91 und in Handbuch der Quellen und Literatur I, S. 323, die bisweilen vorzufindende Lückenhaftigkeit. 17 Vergleiche unten Seite 206 ff. 18 Cinus da Pistoia, In Codicem Commentaria zu C. 4.39.6, S. 261, Rn. I. In diesem Sinne auch Cinus zu C. 3.32.15, S. 170, Rn. I. - Die Codex-Lectura entstand in den Jahren zwischen 1312 und 1314, (Calasso I, S. 571; Savigny, Geschichte VI, S. 79 f.) und hat die Blütezeit der Kommentatorenschule eingeleitet, so Horn, in: Handbuch der Quellen und Literatur I, S. 269, 321; Engelmann, Wiedergeburt, S. 206; Schlosser, S.37. 19 Kaser, Das Römische Privatrecht 11, § 223 11 2.

I. Das Zugriffsrecht auf die Kaufsache

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Cinus den Gedanken, daß ein dingliches Recht zwar durch ein anderes ersetzt, nicht aber beliebig vennehrt werden kann. Allein das durch tradi/io erworbene dingliche Recht an einer Sache, das ebensowenig wie die Sache selbst vermehrbar ist, stellt im Gegensatz zu einem beliebig vennehrbaren Forderungsrecht auf eine Sache ein ius in re, ein Recht an der Sache dar. Daß der (erste) Käufer vor der Übergabe ein lediglich persönlich wirkendes Forderungsrecht erwirbt, derjenige hingegen vorgeht, der aufgrund der Übergabe das Eigentum an der Kaufsache erworben hat, unterstreicht Albericus de Rosate2o : Op. de regula qui prior est tempore, potior est iure dic., quod quaedam consumantur consensu solo, & in iIIis habet locum dicta regula. Quaedam traditione sive apprehensione, vt supra de pac. I. traditionibus. & in his habet locum haec I. ratio patet, quia antequam aIteri ius integrum quaeratur per traditionern, uel apprehensionern, remanet dominium penes vendentem, uel alienantem, & ideo in alium potest transferre, & ideo si in alium per traditionem transferat, potior est, vt hic, ... 21 Zu dem Widerspruch zu der Regel, daß wer zeitlich zuerst ist, auch im Recht vorgezogen wird, sage ich, daß gewisse (Rechte) allein durch den Konsens entstehen und auf diese findet die besagte Regel Anwendung, gewisse andere (Rechte aber) durch Übergabe oder Besitzergreifung, wie C. 2.3.20, und auf diese findet diese Vorschrift Anwendung. Der Grund ist klar ersichtlich, denn bevor jemand von einem anderen das volle Recht durch Übergabe oder durch Besitzergreifung erwirbt, bleibt das Eigentum völlig beim Verkaufenden oder Veräußernden und deshalb kann er es auf einen anderen übertragen, und also, wenn er es durch traditio einem anderen überträgt, hat dieser den Vorrang.

Auch rur Albericus de Rosate ist es offensichtlich, daß nach C. 3.32.15 der (Zweit-) Käufer, dem die Sache übergeben worden ist, bevorzugt wird, weil er Eigentum erworben hat. Er unterstreicht, daß der Eigentumsübergang sich nicht durch bloßen Konsens, sondern durch Besitzergreifung vollzieht und beruft sich hierfiir auf C. 2.3.20 22 , die Konstitution, aus der sich das Traditionsprinzip in aller Klarheit und Kürze ergibt. Albericus de Rosate unterscheidet davon den Prioritätsgrundsatz, der im römischen Recht rur alle dinglichen Belastungen einer Sache galt und Folge des Satzes war, daß niemand mehr Rechtsrnacht übertragen kann, als er selbst hae 3 • Eine Übertragung von Rechten an der Sache aber erfolgt durch den Abschluß des Kaufvertrages noch nicht.

20 Albericus de Rosate (1290-1360) war Praktiker und arbeitete erst im Ruhestand seine Kommentare aus, so Schulte, Quellen 11, S. 245; Savigny, Geschichte VI, S. 127. 21 Albericus de Rosate, In primam Codicis partem Commentarij zu C. 3.32.15, fol. 170. 22 C. 2.3.20: Traditionibus et usucapionibus dominia rerum, non nudis pactis transferuntur. - Zu dieser Konstitution siehe Gordon, S. I ff. 23 Zu diesem Grundsatz Wacke, JA 1981, S. 95 f.

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3. Kapitel: Die Kommentatoren

Dieselbe Erklärung findet sich auch bei Jacobus Butrigarius24 sowie bei Paulus de Castro25 • Jason de Mayno schreibt in seiner sehr umfangreichen Kommentierung zu C. 3.32.15, die in der vorliegenden Arbeit nicht im Zusammenhang, sondern wegen des besseren Überblicks über die Sachfragen nur als Erörterung einzelner Teilfragen an der jeweils entsprechenden Stelle wiedergegeben wird: ... si postea vendat & tradat, quia per primam venditionem in ratam non erat, quaesiturn dominium, vel aliquod ius in re, non impedit quin transeat dominium in secundum cui res traditur, & cum sumus in ratione huius I. supra in prin. assignata. 26 ... wenn man später verkauft und übergibt, (und) der erste Verkauf noch nicht wirksam geworden ist, verhinderte es das fragliche Eigentum oder ein anderes ius in re nicht, daß das Eigentum auf den Zweiten überging, dem die Sache übergeben worden ist, und so haben wir den Sinn dieser lex wie er oben am Anfang aufgezeigt ist. Auch noch gegen Ende der Blütezeit der Kommentatoren ändert sich demnach nichts am Traditionsgrundsatz und an der Auffassung über die dogmatische Grundlage von C. 3.32.15. Ein Consilium des Marianus Socinus jr. aus dem Jahre 1539 zeigt, daß der Traditionsgrundsatz auch in die Praxis umgesetzt wurde: Sed ex eo, quod Malvetijs remaneret obligatus non impeditur, quin castrum iIIud, & ius, & dominium transierit in Campegios mediante traditione, sicut haec omnia probantur in prael. I. quoties. cum materia C. de rei ven. Nam qui secundo vendidit, & tradidit, transfert dominium in secundum emptorem, non tamen Iiberatur a primo, etenim ei tenetur ad omne suum interesse ... 27 Aber dadurch, daß er den Malvetis verpflichtet blieb, wird nicht verhindert, daß diese Burg, das Recht und das Eigentum auf die Campegios mittels Übergabe übergeht, wie dies alles in der Vorlesung anhand von C. 3.32.15 bewiesen wird. Denn wer dem Zweiten verkauft und übergibt, überträgt das Eigentum auf den zweiten Käufer, wird jedoch nicht gegenüber dem Ersten befreit, weil er ihm nämlich auf sein gesamtes Interesse haftet. Hier wird besonders deutlich, daß der Kaufvertrag den Verkäufer bindet, nicht aber die Sache erfaßt. Daher hat der erste Käufer lediglich einen Anspruch auf Schadensersatz gegen den Verkäufer. Ob der Anspruch auf das gesamte Interesse auch den von dem Zweitkäufer empfangenen Kaufpreis umfaßt, ergibt sich aus den Ausfilhrungen nicht. In einem anderen Consilium beschreibt Marianus Socinus jr. den Vorgang des Eigentumserwerbs folgendermaßen: Jacobus Butrigarius, Lectura super Codice zu C. 3.32.15, fol. 108. Paulus de Castro (gest. nach 1441), In primam Codicis partem Commentaria zu C. 3.32.15, fol. 160v, Rn. I. 26 Jason de Mayno, In primam Codicis partem Commentaria zu C.3.32.15, fol. 149v, Rn. 36. 27 Marianus Socinus jr. (1482-1556), Consilia, vol. 2, cons. 93, fol. 126, Rn. 16-17. 24

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I. Das Zugriffsrecht auf die Kaufsache

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Sic ergo in primum non fuit translaturn dominium, & ideo ei praefertur secundus; quia eo casu in acquirendo dominio requiritur titulus, & possessio, quae non in primo, sed in secundo reperiuntur concurrere ... 28 Wenn also das Eigentum nicht auf den Ersten übertragen worden ist, wird der Zweite bevorzugt, weil man in diesem Fall für den Eigentumserwerb Titel und Besitz benötigt, die nicht beim Ersten, sondern beim Zweiten vorgefunden werden.

An dieser Stelle klingt der Traditionsgrundsatz bereits ansatzweise in der Form der später sogenannten titulus-und-modus-Lehre des Johann Apel an29 • Schließlich sei darauf hingewiesen, daß die Kommentatoren, wie bereits die Glossatoren 3o, das Zahlungserfordernis rur den Eigentumserwerb betonten3 !. Das wird sich bei den einzelnen Teilfragen noch als bedeutsam erweisen. Das Traditionsprinzip galt bei den Kommentatoren im Ergebnis weitgehend gleichermaßen rur den Doppelverkauf vom Eigentümer wie vom Nichteigentümer, denn auch mit der actio Publiciana setzte sich durch, wer zuerst den Besitz erlangt hatte 32 . Allerdings bestand der bereits erörterte Unterschied, daß der Käufer im letzten Fall kein Eigentum erwerben konnte. Betont wurde vielfach, daß dem Käufer mit der actio Publiciana insbesondere der Beweis der Kaufpreiszahlung erspart blieb, der rur den Erwerb des Eigentums, mithin also auch rur die rei vindicatio erforderlich war. Daher meint Paulus de Castro, daß das quasi-dominium der actio Publiciana leichter erworben werde als das Eigentum, das Voraussetzung rur die rei vindicatio sei ("nec requiritur: quod ille solverit pretium ... & sic facilius acquiritur quasi dominium ex publiciana quam dominium ex rei vendi... ,,)33. Diese bereits bei den Glossatoren anzutreffende Ansicht von sicherlich großer praktischer Bedeutung war zuvor schon von Bal-

Marianus Socinus jr., Consilia, vol. 3, cons. 48, fol. 66, Rn. 7. Dazu siehe unten S. 231. 30 Vergleiche oben S. 53 f. 3! So etwa PhiliP,fus Decius zu 1. contractus, reg. 19, fol. 120; Angelus Aretinus zu Inst. 4.6.10, fol. 249 , Rn. 54. - Für Einzelheiten zur Frage nach der Bindung des Eigentumserwerbs an die Kaufpreiszahlun~ bei den Ko~entatoren siehe Feenstra, Reclame en revindicatie, S. 11 ff. und Luig, Ubergabe und Ubereignung der verkauften Sache nach römischem und gemeinem Recht, S. 448 ff. 32 Baldus, In primum, secundum & tertium Codicis libros zu C. 3.32.15, fol. 241 v , Rn. 3; Ludovicus Romanus, Lectura super secunda parte Codicis zu C. 6.50.7, fol. 66 v, Rn. 29; ders., Consilia, cons. 270, fol. 136, Rn. 1; Bartholomaeus Salicetus, In HI. & IIII. Codicis libros Commentaria zu C. 3.32.15, fol. 58 v, Rn. 3; Angelus Aretinus, In quatuor Institutionum Iustiniani libros Commentaria zu Inst. 4.6.10, fol. 249 v, Rn. 54; Paulus de Castro, In primam Codicis partem Commentaria zu C. 3.32.15, fol. 161, Rn. 4; vergleiche auch - obwohl nicht mehr den Kommentatoren zuzurechnen - Antonius Gabrielius Romanus, Communes Conclusiones, Lib. III (Oe empt. & uendit.), concl. 2, S. 305, Rn. 9, 7. 33 Paulus de Castro, In primam Codicis partem Commentaria zu C. 3.32.15, fol. 161, Rn. 4. 28

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3. Kapitel: Die Kommentatoren

dus 34 und Angelus Aretinus 35 vertreten worden. Von dieser Ausnahme abgesehen ergeben sich rur den Doppelverkauf vom Eigentümer wie vom Nichteigentümer, der schließlich in beiden Fällen auf das habere lieere gerichtet ist, keine wesentlichen Besonderheiten, die in diesem Rahmen von Bedeutung sind. Vielmehr gilt hier, wie bereits rur die Glossatoren, daß der Problemschwerpunkt beim Erwerb vom Nichtberechtigten nicht derselbe wie beim Doppelverkauf vom Berechtigten ist. Daher soll der Doppelverkauf vom Nichteigentümer im folgenden nicht mehr gesondert betrachtet werden.

b) Zur Bedeutung der Strafbarkeit des Verkäufers für ein ZugrifJsreeht auf die Kaufsaehe

Nach dem Wortlaut von C. 3.32.15 geht der den Besitz an der Kaufsache erlangende Käufer vor, wenn der Verkauf "iure" erfolgte. Bereits Azo, Accursius und Odofredus haben die Auffassung vertreten, daß es rur C. 3.32.15 und damit rur die Übertragung des Eigentums auf den Zweitkäufer durch Übergabe der Sache ohne Einfluß sein soll, daß der zweite Verkauf einen Straftatbestand ertUllt. Bei Rainerius de Forlivi036 heißt es: Ibi coercetur. nec obst. in fra de regu. iur. nullus videtur dolo. vt not. & vide quod nota. supra de here. vel acti. vendi. I. venditor ex hereditate. 31 In diesem Fall wird bestraft, und D. 50.17.55 steht nicht entgegen. Das merke dir und schaue dir die Anmerkung zu D. 18.4.21 an.

Mit der Allegation von D. 50.17.55 38 , wonach nicht dolos handelt, wer von seinem Recht Gebrauch macht, betont Rainerius, daß der Verkäufer trotz des ersten Vertrages die Rechtsrnacht und die Befugnis hat, einen zweiten Kaufvertrag über dieselbe Sache abzuschließen. Daß der Verkäufer eine solche Befugnis haben kann, ergibt sich auch aus dem von Rainerius genannten Fragment D. 18.4.21. Wann der Verkäufer allerdings seine Befugnisse überschreitet und daher gemäß D. 48.10.21 bestraft wird, sagt Rainerius an dieser Stelle nicht. 34 Baldus de Ubaldis, Commentaria in quartum & quintum Codicis Iib. zu C. 4. 39 (rubr.), fol. 126, Rn. 30. - Zur Bedeutung der Kaufpreiszahlung rur den Eigentumserwerb bei Baldus siehe unten S. 154. 35 Angelus Aretinus, In quatuor Institutionum lustiniani Libros Commentaria zu Inst. 4.6.10, fol. 249 v, Rn. 54. 36 Rainerius de Forlivio (Oe Arsendis), gest. 1358, war als angesehener Rechtslehrer sowohl Lehrer als auch Kollege von Bartolus de Saxoferrato (Horn, in: Handbuch der Quellen und Literatur I, S. 270, 276; Savigny, Geschichte VI, S. 187; Calasso I, S. 580; Peter, in: HRG I, s.v. Bartolus de Saxoferrato, Sp. 319). 31 Rainerius de Forlivio, Lectura super Digesto novo zu 0.48.10.21, fol. 124V . 38 D. 50.17.55: Nullus videtur dolo facere, qui suo iure utitur.

I. Das Zugriffsrecht auf die Kaufsache

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Das dürfte sich aus seinen Erläuterungen zu D. 18.4.21 ergeben 39, auf die Rainerius hier verweist. Albericus de Rosate erwähnt Rainerius an anderer Stelle40 im Zusammenhang mit Odofredus und dessen Glosse venditor ex hereditate, allerdings ohne daß dem mit Sicherheit entnommen werden könnte, daß Rainerius die gesamte Argumentation des Odofredus geteilt hat. Cinus schreibt zu dem Verhältnis von C. 3.32.15 zu D. 48.10.21: haec 1. supponit, quod duobus res iure distrahitur, Contra imo non iure, sed contra ius, & malle distrahitur, vt ff. ad 1. Cor. de faI. 1. qui duobus. Respon. de iure fit venditio quia de se tenet cum non reprobetur contractus: Tamen sic vendens punitur, sicut & alias matrimonium de se tenet infra luctus tempora contractum, tamen contrahentes sunt infames, vt in Auth. de resti. & ea quae parit 11. mense. §. VIt. 41 Diese lex unterstellt den Gegensatz, daß eine Sache zweimal rechtens verkauft wurde. Dagegen wird sogar nicht nur nicht rechtens, sondern gegen das Gesetz und boshaft verkauft, wie in D. 48.10.21. Ich antworte, daß der Verkauf rechtmäßig ist, weil er von sich aus wirksam bleibt, weil der Vertrag nicht mißbilligt wird. Jedoch wird derjenige, der so verkauft, bestraft, wie auch im übrigen die Ehe wirksam bleibt, wenn sie in der Zeit der Trauer geschlossen wurde, obgleich die Eheschließenden ehrlos sind, wie in Nov. 39. "Iure" soll nach Cinus also die zivilrechtliche Wirksamkeit des zweiten Kaufs bezeichnen und nicht zugleich Rechtmäßigkeit im Sinne eines Ausschlusses der Strafbarkeit nach D. 48.10.21. Zivilrechtliche GUitigkeit und Strafbarkeit des Geschäfts werden getrennt und damit Hannonisierungsprobleme vom Ansatz her beseitigt. Auf eine einheitliche Bewertung kommt es nicht an. Im Gegensatz zu den Glossatoren, die die Diskrepanz schlicht feststellten, nennt Cinus zur Begründung einen Parallelfall. Nach der Novelle 39 soll eine innerhalb der Trauerzeit geschlossene neue Ehe gültig sein, obgleich die Eheschließenden deswegen rur ehrlos erklärt werden. Mit diesem rur jedennann leicht verständlichen Fall zeigt er, daß eine jeweils isolierte Betrachtung desselben Lebenssachverhaltes von zwei Seiten keine Ausnahmeerscheinung darstellt. Nach der Vereinbarkeit des Ergebnisses mit rechtsethischen Grundsätzen wird nicht gefragt, obgleich sich dieses Problem aufdrängt, wenn man mit D. 48.10.21 eine Nonn, die dem Schutz eines der Beteiligten dienen könnte, in Teilbereichen schlicht außer Betracht läßt. Diese den Forderungsinhaber benachteiligende Unabhängigkeit des Zivilrechts von der strafrechtlichen Bewertung, die Wertneutralität oder "Abstraktheit" (in einem weiten Sinne) der Eigentumsübertragung, wirkt sich nur rur den Käufer, dem übergeben worden ist, positiv aus, der wegen der Gültigkeit der Übertragung vor Ansprüchen des an-

39 Diese sind nicht ediert, vergleiche Horn, in: Handbuch der Quellen und Literatur I, S. 327. 40 Albericus de Rosate, in Secundam ff. Veter. Part. Commentarij zu D. 18.4.21, foI. 141, Rn. 2, siehe unten S. 209 ff. 41 Cinus da Pistoia, In Codicem Commentaria zu C. 3.32.15, S. 170, Rn. 4.

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3. Kapitel: Die Kommentatoren

deren Käufers selbst dann geschützt bleibt, wenn der Verkäufer durch den zweiten Verkauf eine Straftat begangen hat. Es gibt Anlaß zu der Annahme, daß Cinus nicht der Urheber der neuen Begründung tUr den im Kern alten Ansatz ist, denn Albericus de Rosate schreibt: vel dic secundum An, quod in eodem potest reperiri aliquid licitum, & aliquid iIIiciturn, ut I. ita ut si fur. sup. commo. & C. de dona. inter ur.& uxo. I. si maritus. & de mino. I. Pap. & ita est hic: nam actus iIIicitus est, quia uendidit duobus, & sic commisit falsum. Sed actus licitus est uenditio, in qua est consensus & est separata ab i1licito, & sic non est mirum si habet pretium ex contractu licito. & pro hoc in Auth. de restitu. & ea quem parit. circa medium, ubi iIIicitus actus quandoque ualet. 42 Sage nach Andreas, daß aus demselben (Umstand) etwas Erlaubtes und etwas Unerlaubtes entstehen kann, wie in D. 13.6.16, C. 5.16.10, D. 4.4.20 und dieses geht so: Denn es ist eine unerlaubte Handlung, weil man zweimal verkaufte, und so ein falsum begangen hat. Aber die erlaubte Handlung ist der Verkauf, in dem der Konsens enthalten ist und der von .dem Unerlaubten getrennt ist, und so ist es nicht verwunderlich, daß er den Erlös aus der erlaubten Handlung erhält. Dafür spricht Nov. 39, ungefiihr in der Mitte, wo eine unerlaubte Handlung dennoch wirksam ist.

Die auch von Cinus vorgetragene Argumentation wird von Albericus de Rosate auf eine breitere Textgrundlage gestellt. Neben der bereits erörterten Novelle 39 nennt Albericus de Rosate D. 13.6.16, wonach selbst ein Dieb wegen der von ihm verliehenen fremden Sache die actio commodati erheben kann. Den beiden von Albericus zuletzt genannten Allegationen kann man den Gedanken der Unabhängigkeit des Zivilrechts vom Strafrecht jedoch allenfalls schwach entnehmen 43 • Albericus versucht, die Übereinstimmung seiner Lehrmeinung mit dem Gesetz durch Allegationen zu zeigen, die heutzutage fernliegend erscheinen. Es kommt also weniger darauf an, daß die Allegation den Fall genau triffi:, sondern zumindest auch auf die Zahl der Parallelstellen. Diese bisweilen nicht recht einleuchtende, an das Gesetz gebundene Argumentationsweise hat bereits Repgen insbesondere bei den jüngeren Kommentatoren beobachtet44 • Schon die Aufzählung weiterer Fragmente spricht tUr eine von Cinus unabhängige Bearbeitung. Albericus de Rosate bezieht sich hier denn auch auf Andreas Bonellus de Baru1045 , der Vorbild auch filr Cinus gewesen sein könnte. An anderer Stelle jedoch beendet Albericus de Rosate eine inhaltlich gleiche 42 Albericus de Rosate, In Secundam ff. Veter. Part. Commentarij zu D. 18.4.21, fol. 141 v, Rn. 2. 43 Nach C. 5.16.10 ist die Beschuldigung, die Ehefrau habe ihren Mann getötet, keine Grundlage dafUr, die ihr von ihrem Mann zugewandten Geschenke wegzunehmen. In D. 4.4.20 pr. heißt es, daß die venia aetatis, womit wohl die Vorschriften zur Begünstigung Minderjähriger gemeint sein dürften, nichts mit einem delictum zu tun habe. 44 Repgen, S. 318. 45 Andreas Bonellus de Barulo (gest. nach 1291), schrieb wichtige Abhandlungen zum langobardischen Recht, aber auch Glossen zu Digesten und Codex (Calasso I, S. 549; Savigny, Geschichte V, S. 408-416).

I. Das Zugriffsrecht auf die Kaufsache

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Erläuterung mit der Sigle des Cinus 46 • Dies allein stellt jedoch keinen hinreichenden Grund rur die Annahme dar, daß der Hinweis auf Andreas Bonellus de Barulo fehlerhaft ist. Albericus de Rosate könnte sich an der zuletzt genannten Stelle auf Cinus als den berühmteren Juristen, die größere Autorität, beziehen. Am naheliegendsten ist es jedoch, die unterschiedliche Zurechnung damit zu erklären, daß die Lehrmeinungen anderer von den Juristen freimütig übernommen worden sind und daher eine Zurechnung schwierig war47 • Da die Bezugnahme auf den älteren Autor sicherlich nicht aus der Luft gegriffen ist, dürfte auch nach Ansicht des Andreas Bonellus de Barulo die Strafbarkeit des Verkäufers keinen Einfluß auf den zivilrechtlichen Bestand der Veräußerung an den Zweitkäufer haben. Zu dem Harmonisierungsproblem äußert sich Albericus de Rosate außerdem in seinem Kommentar zu D. 48.10.21: No. quod mitius punitur committens falsum quo loquitur \. ista. Sie & falsus testis punitur pro qualitate delicti. C. de test. \. nullum, & secundam qualitatem laesionis, quo faeit parti. 3. q. 9. c. nihilominus & per Inno. de crimine falsi. c. j. mitius ergo punitur delinquens ex contractu, q. e. contractu ex puro maleficio, ut supra de vi, & vi ar. \. merito. in fi. & ibi in g\. & est ratio, quia malefieia sunt semper prohibita, contractus autem de se sunt liciti, licet secundam quid possint esse illiciti: & ista est ratio quare in hoc crimine consummato, licet poenitere, ... 48 Merke, daß diejenigen milder bestraft werden, die das falsum begehen, von dem diese lex spricht. So wird der falsche Zeuge nach der Art des Delikts bestraft, C. 4.20.14, und nach der Art der Rechtsverletzung, an der er teilnimmt, C.3 q. 9 c. 16 und Innocenz de crimine falsi c.j. Milder wird auch der Täter wegen des Vertrages bestraft, gleichsam wegen eines Vertrages, der ein reines Verbrechen ist, wie in D. 43.16.19 am Ende und in der Glosse [zu C. 3.32.15). Der Grund ist, daß nämlich Verträge an sieh immer erlaubt sind, obgleich sie wegen besonderer Umstände unerlaubt sein können. Und das ist der Grund, warum es nach Begehung dieses Delikts erlaubt ist, Reue zu üben. Für seine Unterscheidung zwischen strafrechtlicher Mißbilligung und zivilrechtlicher Gültigkeit des zweiten Verkaufs beruft Albericus sich auf die Glosse iure des Accursius und nicht etwa auf Azo, bei dem dieser Gedanke bereits früher anzutreffen ist. Die älteren Glossatoren sind anscheinend nur von untergeordneter Bedeutung. Albericus versteht Accursius so, daß sich der Verkäufer durch den zweiten Verkauf grundsätzlich strafbar macht. Gleichwohl unterstreicht er, daß der Vertrag in zivilrechtlicher Hinsicht erlaubt und gültig ist. Hier zeigt sich deutlich die "Relativität" der Forderungsrechte, die fehlende Drittwirkung des Kaufvertrages auf die andere vertragliche Beziehung. 46 Albericus de Rosate, In primam Codicis partem Commentarij zu C. 3.32.15, fo\. 170, Rn. I (am Ende). 47 Zu diesem Vorgang bei den Glossatoren siehe Lange, Glossatoren, S. 456 ff. 48 Albericus de Rosate, In primam partem ff. Novi Commentaria zu D. 48.10.21, fo\. 190, Rn. 1 ff.

9 Sella-Geusen

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3. Kapitel: Die Kommentatoren

Dem Anknüpfungspunkt rur diese Erörterung entsprechend nimmt die Frage nach der Strafbarkeit und der Schwere der Strafe breiten Raum ein. Albericus de Rosate legt besonderen Wert auf die Feststellung, daß der Verkäufer im Vergleich zu Tätern anderer falsa einer relativ geringen Strafe unterliegt und erörtert, warum dies in D. 48.10.21 so angeordnet ist. Daß die Strafe bei einem geringen Vergehen mild ausfallen müsse, entnimmt Albericus C. 4.20.14 49 , wo es - wie Albericus referiert - heißt, daß falsche Zeugen nach der Schwere des falsch bezeugten Vergehens zu bestrafen seien. Diesen Grundsatz findet Albericus de Rosate filr die falschen Zeugen auch im kanonischen Recht50 und bei Innocenz ("hic punitur iuxta modum laesionis,,)51. Der Verkäufer ist mild zu bestrafen, weil ihm lediglich ein Vertragsschluß zur Last gelegt wird. Diesen Gedanken schränkt Albericus de Rosate durch die Erkenntnis ein, daß auch ein Vertrag - wie D. 43.16.1952 zeigen soll - ein Verbrechen darstellen kann. Insgesamt betrachtet gibt sich Albericus de Rosate aber recht viel Mühe, den doppelten Verkauf als ein geringfilgiges Vergehen darzustellen53 . Baldus äußert sich folgendermaßen: Oppo. ista lex praesupponit quod possit res insolidum duo bus, vni prius alteri posterius vend. contra: immo incidit venditor in crimen falsi: vt ff. de fal. I. qui duobus. Solutio, aut loquitur vtrum venditio procedat de iure respectu contractus & traditionis, & procedit: vt hic. Aut respectu delicti, & dico quod non iure fit: cum faciens punitur. in dicta .1. qui duobus. quarn .1. intellige, si prius emptor non cessabat in pretij solutione: narn si cessabat, impune res venditur posteriori emptori, secundum Odofred. qui ita notat, ff. de haereditate vendit. I. venditor ex hereditate. 54 Es besteht der Widerspruch, daß diese lex voraussetzt, daß eine Sache zweimal ganz, dem einem zuerst, dem anderen später, verkauft werden kann. Dagegen spricht, daß der Verkäufer sogar ein crimen falsi gemäß D. 48.10.21 begeht. Die Lösung: Entweder ist die Rede davon, daß der Verkauf rechtens vor sich geht in bezug auf Vertrag und Übergabe und sich so vollzieht wie hier. Oder man stellt auf das Delikt ab, und dann sage ich, daß dies nicht rechtens geschieht, weil der Handelnde bestraft wird in der genannten lex D. 48.10.21. Verstehe dieses Gesetz so, daß der erste Käufer nicht mit der Kaufpreiszahlung in Verzug war. Denn wenn er in Verzug war, wird die Sa-

49 C. 4.20.14: ... testes, quorum voces falsitate vel fraude non carere perspexerint, pro qualitate videlicet delicti animadvertendi licentia. 50 C. 3 q. 9 c. 16: Nichilominus quoque puniendi sunt testes, qui ad calumpniarn aliquid testificantur, nec eorum uoces tarnquarn plurium admittuntur, quos temporum quidem diuersitas simul interfuisse prohibuit. 51 Innocenz, In quinque Iibros Decretalium apparatus, Glosse Falsidicus zu X 5.20.1, fol. 338. 52 In D. 43.16.19 heißt es, daß derjenige, der einen anderen von seinem Grundstück vertrieben hat, wegen dieses Delikts und außerdem wegen der Verzögerung mit der Rückgabe Ersatz leisten müsse. 53 Diese Tendenz zeigt auch Ricardus Malumbra, vergleiche unten S. 203. 54 Baldus, Commentaria in primum, secundum & tertium Codicis lib. zu C. 3.32.15, fol. 241 v, Rn. 2.

I. Das Zugriffsrecht auf die Kaufsache

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che ungestraft dem späteren Käufer verkauft, nach Odofredus, der dies so bemerkte bei D. 18.4.21.

Auch Baldus will Zivil- und Strafrecht prinzipiell unabhängig voneinander sehen. Der Wertungswiderspruch durch eine isolierte Betrachtung von Strafrecht und Zivilrecht hinsichtlich der Eigentumsübertragung erscheint als wenig gravierend, weil ein solcher nach Odofredus' Ansatz rur den Fall des Zahlungsverzuges des Erstkäufers nicht besteht. Wie aus der Baldus-Stelle hervorgeht, wird die Strafvorschrift von Baldus entsprechend der Lehre des Odofredus in diesem Fall auf der Grundlage des Zivilrechts (D. 18.4.21) interpretiert, so daß der Verkäufer bei Zahlungsverzug des Käufers zum Verkauf an einen anderen befugt ist und straflos bleibt55 • Bemerkenswert ist, daß Baldus hier die drei wichtigsten Stellen des Corpus iuris civilis zum Doppelverkauf in einen Zusammenhang gebracht hat. An anderer Stelle56 filhrt Baldus an, daß sich der Verkäufer allerdings gemäß D. 48.10.21 strafbar mache, wenn er wahrheitswidrig versichert, die Sache sei noch nicht verkauft. Ein Zugriffsrecht des Erstkäufers auf die Kaufsache ergibt sich aber in keiner Fallgestaltung. Später wird noch zu zeigen sein, daß nicht nur das Verhalten des Erstkäufers, sondern auch das des Zweitkäufers rur Baldus von Bedeutung ist und daß es dann auch um die Kaufsache selbst geht57 . Auf die Harmonisierung von C. 3.32.15 und D.48.1O.21 durch die Glosse beruft sich Jacobus Butrigarius58, allerdings ohne Erläuterung zu seinem Verständnis von dieser Glosse. Das signalisiert Zustimmung, bringt aber keine neuen Erkenntnisse. Im Gegensatz zu den bisher besprochenen Erörterungen der Kommentatoren geht Salicetus auch auf die Glosse ein: Opp. prima quod iure praedium duobus distrahi non possit insolidum, quia in crimen falsi incidit qui uendidit. ut ff. de fal. I. qui duobus. & sic non iure. quia tunc poenam non meretur, ut I. Grachus. cum si. infra de adul. So. ut in glo. quia intelligitur iure respectu contractus, & eius solennitatis, ita quod in se quilibet contractus fuit ualidus. sed non iure fecit, respectu delicti resultantis in duplici contractu, & uendicatione efficaci, & ualida .. 59. Veruntamen Odofre. in I. venditor ex hereditate. ff. de haer.

55 Das entspricht der unter den Kommentatoren herrschenden Meinung, vergleiche unten S. 218. 56 Baldus, Ad tres priores libros Decretalium zu X 2.22.10, fol. 216. 57 Vergleiche unten S. 184 ff. 58 Jacobus Butrigarius, Lectura super Codice zu C. 3.32.15, fol. 108. 59 Zu den an dieser Stelle folgenden Ausfiihrungen zur zweiten von der Glosse vorgeschlagenen Interpretationsmöglichkeit mit dem Kriterium der bona fides siehe unten S. 183 ff.

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3. Kapitel: Die Kommentatoren

vel ac. vend. dicit. quod si primus emptor cessasset in solutione pretij, poterat venditor impune vendere alteri. quod no. 60 Der erste Widerspruch ist der, daß man nicht ein Grundstück rechtens zweimal ganz verkaufen kann, weil derjenige, der verkaufte, ein crimen falsi beging wie in 0.48.10.21, daher nicht rechtens (verkaufte) und daß er dann wie in C. 9.9.4 keine Strafe verdiente. Die Lösung wie in der Glosse, daß das Wort "i ure" in bezug auf den Vertrag verstanden wird und dessen Förmlichkeit, so wie von sich aus jeder beliebige Vertrag wirksam ist. Aber man hat nicht rechtens gehandelt unter dem Gesichtspunkt des Delikts, das sich aus dem zweifachen Vertrag ergibt, dem wirksamen und gültigen Verkaufi ... Gleichwohl sagt Odofredus zu 0.18.4.21, daß wenn der erste Käufer mit der Kaufpreiszahlung säumig ist, der Verkäufer ungestraft dem anderen verkaufen durfte, was man sich merken muß.

Salicetus beruft sich rur die der Sache nach gleiche Argumentation ausdrücklich auf die Glosse. Er betont in besonderem Maße die zivilrechtliche Gültigkeit beider Verträge und letztlich auch der Eigentumsübertragung, so daß sich aus der möglichen Strafbarkeit des zweiten Verkaufs noch kein Ansatz rur Ansprüche des Erstkäufers gegen den Zweitkäufer ergeben kann. Trotz der Wirksamkeit des zweiten Vertrages soll der Verkäufer nicht wie der Delinquent aus C. 9.9.462 generell straflos ausgehen. Vielmehr soll er unter den von Odofredus beschriebenen Voraussetzungen, also abhängig davon, ob der Erstkäufer bezahlt hat, zu bestrafen sein. Die Trennung von zivilrechtlicher und strafrechtlicher Bewertung gilt daher nur, soweit die Beziehung zum Zweitkäufer betroffen ist und bewirkt die Versagung eines Zugriffsrechts des Erstkäufers auf die Kaufsache. Innerhalb der vertraglichen Beziehung zwischen dem Erstkäufer und dem Verkäufer werden D. 18.4.21 und D. 48.10.21 dagegen auch von Salicetus in einem Zusammenhang gesehen, genauer: D. 48.10.21 wird anhand von D. 18.4.21 interpretiert. Eine getrennte Betrachtung der Fragen nach zivilrechtlicher Wirksamkeit und Strafbarkeit und damit eine generelle Wirksamkeit der Eigentumsübertragung unabhängig von der Bewertung nach D. 48.10.21 beftlrwortet auch Jason de Mayno: "Contrarij 1. qui duob. ff. de faI. dicit quod venditio potest iure

60 Bartholomaeus SaUcetus, In III. & HH. Codicis libros Commentaria zu C. 3.32.15, fol. 58 v, Rn. 2. - Der Codexkommentar ist das umfassendste Werk des Bart-

holomaeus Salicetus (Savigny, Geschichte VI, S. 266) und zählt zu den gründlichsten Bearbeitungen dieses Teils der justinianeischen Kompilation durch die Schule der Kommentatoren überhaupt (Calasso I, S. 580). 61 Es ergibt keinen Sinn, wenn man den in der vorliegenden Ausgabe verwendeten Begriff "vendicationen" nicht als einen Schreibfehler betrachtete, sondern als ein Herausgaberecht verstünde, denn es ist nicht anzunehmen, daß Salicetus ohne weiteres von einer C. 3.32.15 widersprechenden Rechtsfolge ausgeht. 62 In C. 9.9.4 geht es um einen Rechtfertigungsgrund für einen Totschlag.

I. Das Zugriffsrecht auf die Kaufsache

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fieri duob. quantum ad contractum, sed non quantum ad evadendum poenam.,,63 Man kann somit feststellen, daß wegen der allgemein rur richtig befundenen, von den Glossatoren bereits vorgeschlagenen isolierten Betrachtung von zivilrechtlicher Gültigkeit (C. 3.32.15) und Strafbarkeit (D. 48.10.21) des zweiten Verkaufs ein Anspruch des Erstkäufers gegen den Zweitkäufer, dem die Sache übergeben worden war, nicht gegeben sein kann. Die beiden Kaufverträge können einander in ihrer Wirksamkeit nicht beeinträchtigen, die Bewertung des Verhaltens des Verkäufers spielt rur das Verhältnis zwischen den Käufern keine Rolle, weil sie keinen Einfluß auf die Wirksamkeit der Eigentumsübertragung hat, die in diesem weiten Sinne "abstrakt" ist. Daher bewirkt D. 48.10.21 keinen Schutz des ersten Käufers, der nur Inhaber einer Forderung ist.

2. Ansätze zur Bevorzugung des (ersten) Käufers, dem die Sache nicht übergeben worden ist a) Der Prioritätsgrundsatz bei Forderungsrechten

Vorauszuschicken ist an dieser Stelle, daß sich bei den Kommentatoren durch die Haltung zur Frage des präzisen Erfiillungszwangs das Verhältnis zwischen Forderungsrecht und Sache verändert hat. Nunmehr konnte ein Käufer, der Erstkäufer gleichermaßen wie der Zweitkäufer, eine Übergabe der Sache erzwingen. Bei den Glossatoren war die Frage nach dem präzisen Errullungszwang beim Kaufnoch umstritten gewesen64 • Die Mehrzahl der Kommentatoren hat sich jedoch - wie es Jason de Mayno feststellt - darur ausgesprochen: "dominus qui vendit si habet facultatem rei tradendae, cogitur ad tradendum praecise secundum opin. magis communiter approbatam,,65. Im Anschluß daran stellte sich rur Jason de Mayno noch die Frage nach der Abgrenzung zwischen einem Verkaufsversprechen und einem Verkauf, denn der Bruch eines Verkaufsversprechens machte den Versprechenden lediglich schadensersatzpflichtig66 .

63 Jason de Mayno, In primam Codicis partem Commentaria zu C. 3.32.15, fol. ISO, Rn. 48. 64 Vergleiche oben S. 63 ff. 65 Jason de Mayno, In primam Codicis partem Commentaria zu C. 3.32.15, fol. 149, Rn. 34. Zur Sachkondemnation bei Jason de Mayno siehe Repgen, S. 286 ff. 66 Dies problematisiert Jason de Mayno, Consilia sive responsa, vol. I, cons. 117, fol. 149, Rn. 2. - Zu dieser Abgrenzungsfrage bei Christian Woljfsiehe unten S. 240.

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3. Kapitel: Die Kommentatoren

Die Sachkondemnation befilrworteten erst recht die Kanonisten, so etwa Johannes ab Imola67 ("nam potest cogi..., ut precise rem tradat, si habet facultatem ipsam dandi, ut no. glo. secundum opi. Mar... quam opi. communiter tenetur..."/8. Einzelheiten zum Problem des ErfilIlungszwangs bei den Kommentatoren können an dieser Stelle nicht besprochen werden 69 . Festzuhalten ist lediglich, daß eine Zugriffsmöglichkeit auf die Sache besteht, solange sie sich beim Verkäufer befindet.

aa) Die Rechtslage bei Fehlen jeglicher Übergabe Daß sich die Kaufsache vor einer traditio noch im Vermögen des Verkäufers befindet, stellt Baldus sehr akzentuiert dar: " ... est enim ad rem incorporandam in bonis alicuius regulariter necessaria traditio vel quasi: vt ff. de rei vendica. I. si ager. C. de pac. traditionibus. & si nulli traditur, in nuIlius bonis est res.,,70. Doch kann man daraus nicht folgern, daß die schuldrechtlichen Titel der beiden Käufer vor einer Übergabe gleichwertig wären. Johannes ab Imola schreibt: si autem neutri sit tradita res, & concurrant ambo, videtur quod praeferendus sit iIIe cui primo facta fuit venditio, per ea, quae habentur in d. I. operis. ff. loca. sive fuerit iurata, sive non. 7 ) Wenn aber die Sache keinem übergeben ist und (beide Käufer) konkurrieren, scheint es, daß jener zu bevorzugen ist, dem zuerst verkauft wurde, gemäß dem, was sich aus D. 19.2.26 ergibt, ob (der Verkauf) nun beschworen wurde oder nicht.

Johannes ab Imola begründet die Bevorzugung des ersten Titels mit einer Parallelnorm aus dem Mietrecht72 , nach der bei doppelter Dienstrniete ausdrücklich der erste locator auch zuerst zu befriedigen ist. AuffiiIlig ist die Beto-

67 Johannes Nicoletti ab Imola (gest. 1436) war Schüler des Baldus de Ubaldis, so Schulte, Quellen 11, S. 275, 296. Sein Dekretalenkommentar umfaßt nur die ersten drei Bücher, siehe Nörr, in: Handbuch der Quellen und Literatur I, S. 381. 68 Johannes ab Imola, In secundum Decretalium Commentaria zu X 2.24.28, fol. 206, Rn. 85. - Die Haltung des Johannes ab Imola zur Sachkondemnation beim Kauf beschreibt Repgen, S. 268 ff. 69 Dazu siehe Repgen, S. 133 ff.; Nehlsen-v. Stryk, AcP 193 (1993), S.540ff.; H. Dilcher, Ge1dkondemnation und Sachkondemnation, SZRom 78 (1961), S. 287 ff., 299 ff.; Zimmermann, JZ 1990, S. 830. 70 Baldus, Consilia sive responsa, vol. 1, cons. 36, fol. 13, Rn. 1. - Vergleiche auch oben S. 121. 7) Johannes ab Imola, In secundum Decretalium Commentaria zu X 2.24.28, fol. 206, Rn. 85; tUr eine andere Passage aus dem Kommentar zu dieser Stelle vergleiche auch unten Note 102. 72 D. 19.2.26: In operis duobus simul locatis convenit priori conductori ante satisfieri.

I. Das Zugriffsrecht auf die Kaufsache

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nung, daß dies gleichermaßen gelten soll, wenn einer der Verkäufe beeidet wurde. Ein Eid beinhaltete regelmäßig eine Anrufung Gottes als Zeugen fUr die Wahrheit einer Aussage oder zum Bürgen fUr die ErfUllung eines Versprechens73. Die zunächst kritische Haltung der Kirche gegenüber dem Eid wurde seit dem fUnften Jahrhundert allmählich aufgegeben, so daß dieser sowohl staatsrechtliche Bedeutung gewann 74, als auch in der Vertragslehre eine zentrale Rolle spielte7s • Der Bruch eines Versprechenseides stand einem Meineid gleich 76 . Meineidsstrafen, die das römische Recht allenfalls als Majestätsverbrechen kannte, fanden sich im Mittelalter vor allem in Form von kirchlichen Sanktionen bis hin zur Exkommunikation 77 • Die weltliche Gesetzgebung dagegen erfaßte meist nur den vor Gericht geschworenen Eid78 • Johannes ab Imola spielt mit der Erwähnung des Eides auf die Diskussion um den präzisen ErfUllungszwang an. Insbesondere in der Kanonistik bestand die Tendenz, eidlich bekräftigte ErfUllungsversprechen grundsätzlich in natura zu vollstrecken 79 • Diese Auffassung vertritt auch Johannes ab Imola; sie kann wohl als herrschend fUr die Spätzeit der Epoche der Kommentatoren bezeichnet werden 80 • Der rur den Kauf ohnehin anerkannte präzise ErfUllungszwang wird aber durch einen Eid nicht in der Weise verstärkt, daß der beeidete Verkauf einen höheren Rang hätte und vorrangig zu erfUllen wäre. Vorrangig zu erfUllen ist nach Ansicht des Johannes ab Imola der erste Kaufvertrag. Doch ist dies unter den Kanonisten nicht unbestritten. Nach der Feststellung, daß obligationes dandi präzise zu errullen seien, schreibt Antonius de Butrio: ... si primo uni promisi tradere rem, postea secundo iuro alij tradere, primum possum servare, et secundum, in primo solvendo interesse, et secundo actu implendo. 8 Wenn ich zuerst dem einen versprochen habe, die Sache zu übergeben, und später schwöre ich zweitens einem anderen, sie zu übergeben, dann kann ich das erste und

Teutsch, S. 4, 8 (mit weiteren Nachweisen); Helmholz, S. 52. Landau, in: TRE IX, S.v. Eid, S. 383 f. 75 Nehlsen-v. Stryk, AcP 193 (1993), S. 544. 76 G. Dilcher, in: HRG I, S.v. Eid, Sp. 869. 77 Landau, in: TRE IX, S.v. Eid, S. 384 f. 78 Landau, in: TRE IX, S.v. Eid, S. 385 f., 389. 79 Dazu Nehlsen-v. Stryk, AcP 193 (1993), S. 543 f.; H. Dilcher, Geldkondemnation und Sachkondemnation, SZRom 78 (1961), S. 304 f. 80 Repgen, S. 270 ff., 316. 81 Antonius de Butrio (gest. 1408), Pars secunda super secundo Decretalium zu X 2.24.16, fol. 77 v f., Rn. 7. - Zu dieser Textstelle und zur Haltung des Antonius de Butrio zum Problem des präzisen Erfiillungszwangs siehe Repgen, S. 251 ff., insbesondere S. 253; zum Kommentar des Antonius de Butrio zum Liber extra siehe Nörr, in: Handbuch der Quellen und Literatur I, S. 381, 367. 73

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3. Kapitel: Die Kommentatoren

das zweite (Versprechen) halten, das erste, indem ich Schadensersatz leiste, das zweite durch Erfiillung.

Antonius de Butrio hält es für den sachgerechtesten Weg aus dem Dilemma, den beschworenen, das heißt den Gott versprochenen Verkauf, vorrangig zu erfüllen. Der Bruch eines einfachen Vertrages, sei es auch der vielleicht sonst vorrangig zu erfilllende erste Vertrag, erscheint im Vergleich zum Bruch eines Versprechenseides als das kleinere Übel, obwohl die Kanonistik keinesfalls eine Lehre vom blinden Eidesgehorsam entwickelt hat82 • Das Prinzip der Priorität tritt daher bei Antonius de Butrio hinter die Bindungswirkung des Eides zurUck. Das Prioritätsprinzip für Forderungen befilrwortet unter den Legisten Jason de Mayno mit annähernd wörtlicher Wiedergabe der Erläuterung von Johannes ab Imola: si autem una res fuisset diuersis temporibus duob. vendita, seu neutri eorum fuisset tradita, & ambo concurrant, tunc quia ambo habent solum titulum, iIIe praefertur cui prius fuit vendita, per ea quae habentur I. in operis ff. loc ... 83 Wenn aber eine Sache zu verschiedenen Zeiten zweimal verkauft, aber keinem übergeben wurde, und wenn beide (um die Sache) streiten, dann wird, weil beide nur einen Titel haben, derjenige bevorzugt, dem sie zuerst verkauft wurde, nach dem, was sich aus D. 19.2.26 ergibt...

Auch Jason begrUndet den Vorrang des ersten Forderungsrechts mit dem von Johannes ab Imola allegierten Text aus dem Mietrecht. Mit seiner Auffassung, daß der erste Mieter vorgehe, scheint sich Jason bei den Legisten allerdings in der Minderheit zu befinden. Nach Angaben des Antonius Gabrielius Romanus nämlich spricht sich die Mehrheit gegen Jason auch bei doppelter Vermietung für den Traditionsgrundsatz aus 84 • Daß Jason de Mayno und Johannes ab Imola eine Sonderstellung einnehmen, gilt auch filr den Kauf. V. BrUnneck85 sieht einen großen Unterschied zwischen dem Doppelverkauf und der doppelten locatio conductio, da im letzten Fall eine sukzessive Befriedigung möglich sei. Die durch Heranziehung dieser TextsteIle begrUndete Bevorzugung des Erstkäufers durch Jason (Johannes ab Imola wird von v. BrUnneck nicht genannt) soll dem Wesen der römischen Obligationen widersprechen und eine Abkehr vom römischen Recht zugunsten germanischer Rechtsgedanken darstellen. Die Allegation dieser Norm soll danach die Funktion haben, sich lediglich dem äußeren Schein nach der Autorität des römischen Rechts zu unterwerfen. Das betont Landau, in: TRE IX, s.V. Eid, S. 387. Jason de Mayno, In primam Codicis partem Commentaria zu C. 3.32.15, fol. 149, Rn. 34. 84 Antonius Gabrielius Romanus, Communes Conclusiones, Lib. III (Oe empt. & uendit.), concl. 2, S. 305, Rn. 5. 85 V. Brünneck, S. 88 f. 82

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I. Das Zugriffsrecht auf die Kaufsache

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Ein dem Doppelverkauf vergleichbarer Fall liegt jedoch vor, wenn die Leistung vom conductor rur dieselbe Zeit zweimal versprochen wurde, weil in einem solchen Fall die Leistung an den einen conductor diejenige an den anderen ausschließt. Die Redewendung "duobus simul" (zweimal zugleich) in D. 19.2.26 deutet daraufhin, daß Ulpian in der Tat einen solchen Fall vor Augen hatte 86 • D. 19.2.26 ist also entgegen v. BrUnneck so zu verstehen, daß keine sukzessive Befriedigung beider Gläubiger möglich war. Jedenfalls konnte dieser Text von Jason ohne weiteres in dem soeben beschriebenen Sinne verstanden werden, ohne daß man - wie etwa v. BrUnneck - allein aus dessen Heranziehung rur das Kaufrecht von einer Abkehr vom römischen Recht zugunsten einer Hinwendung zum germanischen Recht ausgehen dürfte. Gegen das Vorliegen germanischer Rechtsgedanken spricht hier auch, daß der Kanonist Johannes ab Imola Urheber dieses Gedankens zu sein scheint, den Jason sich hier lediglich zueigen gemacht hat. Als Fazit läßt sich festhalten, daß der Inhaber des älteren Titels nach Ansicht von Johannes ab Imola und Jason de Mayno im Vorteil ist, allerdings nur, solange es nicht zu einer anderweitigen tradi/io gekommen ist. Einen solchen Vorzug des älteren Titels lehnt Antonius de Butrio gegen Johannes ab Imola ab, wenn der zweite Vertrag beeidet worden ist.

bb) Das richterliche Veräußerungsverbot Für eine umfassende Bevorzugung des ersten Titels ist es erforderlich, daß der Erstkäufer eine Vollendung der Tatsachen durch Übergabe der Sache an den Zweitkäufer verhindern kann. Baldus lehnt einen solchen Schutz des Forderungsrechts kategorisch ab: Extra no. quod ista materia facit ad quaestionem, utrum emptor cui nondum res est tradita, possit pro suo interesse opponere se ne tertius in possessionem mittatur, & die quod non. vt not. Iac. But. C. de fur. I. manifestissimi & I. is cui ff. de furtis cum simi & ff. de dona. I. ad eum § final. 87 Darüber hinaus beachte, wie sich diese Materie zu der Frage verhält, ob der eine der bei den Käufer, dem die Sache nicht übergeben worden ist, sich in seinem Interesse dem widersetzen kann, daß ein Dritter in Besitz gesetzt wird. Das ist zu verneinen, wie Jacobus Butrigarius zu C. 6.2.22 und D. 47.2.13, D. 39.5.35.1 feststellt.

Baldus ist der Ansicht, daß die Inhaberschaft eines Forderungsrechts nicht ausreicht, um Rechte, die auf diese Sache bezogen sind, durchsetzen zu können. 86 Auch Honsell / Mayer-Maly / Selb, S. 328 bei Note 5, gehen anscheinend nicht davon aus, daß ein Fall gemeint gewesen wäre, in dem eine sukzessive Befriedigung möglich war. 87 Baldus, In usus feudorum commentaria zu L.F. 2.2 pr., fol. 31, Rn. 3.

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3. Kapitel: Die Kommentatoren

Er beruft sich vor allem auf Jacobus Butrigarius. An der von Baldus angegebenen Stelle heißt es: ... dicebatur quare intererat eorum & dicebatur quod emerant rem: sed non receperant per traditionem & ego dicebam eos non debere audiri quare solus ti. non dat probabile interesse. sed ius quod habeo in re & extimatur & duplatur ius quod habeo in re. 88 Sie sagten, warum es ihr Interesse betraf [wenn ein Diebstahl begangen würde] und sie sagten, daß sie die Sache gekauft, aber nicht durch Übergabe empfangen hatten. Ich sagte, daß man sie nicht hören dürfte, weil der Titel allein noch kein hinreichendes Interesse gibt. Nur ein dingliches Recht, das ich innehabe - so glaubt man - verdoppelt das Recht, das ich an der Sache habe.

Anknüpfungspunkt rur die von Jacobus Butrigarius vorgetragene Erörterung ist C. 6.2.22. Dort heißt es, daß nur demjenigen die Diebstahlsklage zustehe, der ein Interesse daran hat, daß der Diebstahl nicht begangen wird. Jacobus Butrigarius ist der Meinung, daß der Käufer vor der Übergabe noch kein schutzwUrdiges Interesse an der Kaufsache habe, da hierfilr ein dingliches Recht erforderlich sei. Wer dagegen ein dingliches Recht innehat, dem steht auch die Diebstahlsklage zu, so daß Butrigarius davon sprechen kann, daß sich das Recht gleichsam verdoppele. Baldus belegt seine Ansicht, daß es dem Käufer an einem hinreichenden Interesse fehlt, das Grundlage rur ein Veräußerungsverbot darstellen könnte, außerdem mit zwei Parallelstellen. Nach D. 47.2.13 89 kann auch ein Stipulationsgläubiger noch nicht die Diebstahlsklage erheben, was die Richtigkeit der von Jacobus Butrigarius vorgetragenen Ansicht unterstreicht. Aus D.39.5.35.1 9o, wo es heißt, daß eine Verpfiindung einer verschenkten, aber noch nicht übergebenen Sache durch den Schuldner gültig sei, entnimmt Baldus als allgemeinen Grundsatz, daß der Schuldner bis zur Übergabe zu Verfügungen über die geschuldete Sache befugt bleibt. Das soll nicht nur für eine Verpfiindung, wie im Fall von D.39.5.35.1, sondern auch für anderweitige Veräußerungen gelten. Daher kann der Käufer eine Veräußerung an einen Dritten nicht verhindern.

Jacobus Butrigarius, Lectura super Codice zu C. 6.2.22, fot. IIII. D. 47.2.13: Is, cui ex stipulatu res debetur, furti actionem non habet, si ea subrepta sit, cum per debitorem stetisset, quo minus eam daret. 90 Gemeint sein dürfte D. 39.5.39.1, obwohl dieser Text nach moderner Zählweise noch nicht - wie von Baldus angegeben - der letzte Paragraph ist. D. 39.5.35.1 lautet: Lucius Titius fundum Maeviae donavit et ante traditionem eum fundum post dies paucos Seio pignori obligavit et intra dies triginta Maeviam in vacuam possessionem eiusdem fundi induxit: quaero, an donatio perfecta sit. respondit secundum ea quae proponerentur perfectam: verum creditorem firmam pignoris obligationem habere. 88

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I. Das Zugriffsrecht auf die Kaufsache

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Jason de Mayno schränkt diesen Grundsatzjedoch ein: ... emptor cui nondum est res tradita, non potest se opponere pro suo interesse, & impedire ne tertius in possessionem mittatur ita dicit BaI. in c. I in I. col. pro iIlum text. in tit. quod sit inuesti. in vsib. feu. & communiter emptor cui nondum est res tradita, non potest pro iudicem petere inhiberi quominus alteri uendat & tradat. tarnen Inn. in c. bonae. de appel. dat singularem cautelarn, quod prius emp. appellet a venditione fienda, dum tarnen in appellatione inserat causarn talern q. necessario conc\udat uenditorem alteri uendere non posse. Narn non poterit postea alteri vendere, & tradere: & si fecerit, reuocabitur tanquarn attentatum pendente appellatione. Et potes tu exemplificare de causa necessaria, quando uenditor iurauit, iuxta gl. fi. in I. si pecuniarn, in prin. in uerbo, necesse habeas, ff. de condi. ob causarn. Quod tene menti pro practica... 9 \ Der Käufer, dem die Sache noch nicht übergeben ist, kann sich nicht in seinem Interesse (einem zweiten Verkauf) entgegenstellen und verhindern, daß ein Dritter in Besitz gesetzt wird, so sagt es Baldus zu L.F. 2.2 pr. Und allgemein kann der Käufer, dem die Sache noch nicht übergeben wurde, nicht vor dem Richter darauf klagen, daß verhindert wird, daß (der Verkäufer) dem anderen verkauft und übergibt. Jedoch gibt Innocenz in X 2.28.51 eine singuläre Sicherung, daß der erste Käufer gegen den durchzuführenden Verkauf appelliert, wenn nur in die Appellation eine solche causa eingeführt wird, aus der sich zwingend ergibt, daß der Verkäufer dem anderen nicht verkaufen darf. Denn dann könnte er später dem anderen nicht verkaufen und übergeben, und wenn er es täte, dann würde angefochten werden als Verstoß gegen die anhängige Appellation. Und du kannst ein Beispiel geben für die erforderliche causa, nämlich den Fall, daß der Verkäufer geschworen hat, wie bei der letzten Glosse zu D. 12.4.5 pr. bei den Worten "necesse habeas". Merke dir das für die Praxis ...

Jason gibt hier zunächst beinahe wörtlich den von Baldus aufgestellten Grundsatz wieder, wonach eine Verhinderung der Übergabe an den Zweitkäufer durch eine richterliche Anordnung ohne weitere Begründung abzulehnen sei. Dem will Jason jedoch nicht in jedem Fall folgen, denn er hält einen Gedanken des Innocenz92 zu den Formen und Voraussetzungen des Besitzschutzes durch richterliches Inhibitorium auch beim Doppelverkauf zugunsten des Erstkäufers rur anwendbar93 • Nach Innocenz hat ein Verstoß gegen die richterliche Anordnung zur Folge, daß der Kläger in den Zustand, der zum Zeitpunkt des Erlasses des Inhibitoriums bestand, zurückversetzt wird ("... reducendus est in statu quo 9\ Jason de Mayno, In primarn Codicis partem Commentaria zu C. 3.32.15, fol. 147v, Rn. 3. 92 Der bedeutende Dekretalenkommentar des Papstes Innocenz IV (Sinibaldus Fliscus, gest. 1254) soll sich durch eine besondere Präzision auszeichnen, (Schulte, Quellen 11, S. 92). Innocenz halten Robinson / Fergus / Gordon, S. 134, für einen Kanonisten, der weniger durch originelle Gedanken auffiillt, als durch sein Traditionsbewußtsein. Der Mangel an Ideen scheint man Innocenz an dieser Stelle jedoch nicht vorwerfen zu können. 93 Zum Ursprung dieses vorläufigen besitzrechtlichen Rechtsmittels siehe v. Brünneck, S. 90 ff. In einem solchen dem Besitzrecht entlehnten Inhibitorium zugunsten des Erstkäufers sieht v. Brünneck, S. 90 ff., eine Bestätigung dafür, daß dem Erstkäufer bereits ein ius ad rem in Sinne eines dinglichen Rechts zugestanden habe.

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3. Kapitel: Die Kommentatoren

erat tempore appellationis ... ,,)94. Eine appellatio extra iudicium ist dabei nicht erst zulässig, wenn die Besitzstörung bereits erfolgt ist, sondern bereits dann, wenn lediglich eine entsprechende Absicht vorliegt ("... contra eius appellationem facere, non tantum qui expoliavit, sed etiam si contra eius voluntatem eam tenet.")95. Neben der zumindest als beabsichtigt dargelegten Störung nennt Innocenz als weitere Voraussetzung eine iusta causa vera rur die Appellation ("appellans extra iudicium non tantum debet probare causam appel. iustam, sed etiam veram, ... ,,)96. Für den Fall des Doppelverkaufs präzisiert Jason die erforderliche causa dahingehend, daß der Verkäufer wegen dieser causa außerstande sein müsse zu verkaufen. Als Beispiel einer solchen causa nennt Jason unter Bezugnahme auf die Glosse zu D. 12.4.5 pr. den Eid, der nach dem, wie Accursius von den Kommentatoren verstanden wurde, dazu fUhrt, daß ein Schuldner gezwungen ist, die versprochene Handlung vorzunehmen97 • Die Ermahnung an seine Schüler, in der Praxis an diesen Rechtsbehelf zu denken, unterstreicht dessen Bedeutung im Rechtsleben jener Zeit. Unklar ist, warum ein Eid eine hinreichende causa fUr eine richterliche Anordnung darstellen soll, die die Übergabe an den Zweiten verbietet beziehungsweise eine Anfechtung der dem Verbot widersprechenden Veräußerung ermöglicht und so zu einem mittelbaren Zugritfsrecht des Erstkäufers auf die Sache fUhrt. Der Verweis auf die Glosse zu D. 12.4.5 pr. deutet zunächst darauf hin, daß Jason dies mit dem präzisem Erftillungszwang begründen will, zu dem jeder Eid ruhrt. Das steht jedoch im Widerspruch zu der auch von Jason in etwas modifizierter FoFfn vertretenen herrschenden Meinung, wonach der Kaufvertrag generell, also bereits ohne Beeidung präzise zu errullen ist98 . Entgegen dieser Überlegung scheint es noch denkbar, daß nicht der präzise Erftillungszwang an sich, sondern der zum präzisen ErfUllungszwang fiihrende Eid Transportfunktion haben und damit ein Zugritfsrecht auf die Sache entstehen lassen soll. An anderer Stelle hat Jason immerhin ausgefUhrt, daß ein Eid die Grundverpflichtung qualifiziert, also deren Wirksamkeit erhöht99 • Eine translative Wirkung soll dem Eid jedoch nicht zukommen:

94 Innocenz, In quinque libros Decretalium Comrnentaria zu X 2.28.51, Glosse Versimilibus, fol. 214 v, Rn. 3. 95 Innocenz, In quinque libros Decretalium Commentaria zu X 2.28.51, Glosse eiecerint, fol. 214, Rn. I. 96 Innocenz, In quinque libros Decretalium Comrnentaria zu X 2.28.51, Glosse eiecerint, fol. 214, Rn. I. 97 Glosse necesse habeas zu D. 12.4.5 pr.: "ut quia iurasti". Diese Glosse war der Anknüpfungspunkt für die Kommentatoren für das Problem des präzisen Erfüllungszwangs bei beeideten Versprechen (Repgen, S. 111 ff. und passim). 98 Repgen, S. 300. 99 Repgen, S. 293 ff.

I. Das Zugriffsrecht auf die Kaufsache

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quaero ... nunquid ista \. procedat si prima venditio, vel donatio est facta cum iuramento, deinde eadem res fuit uendita simpliciter & tradita secundo, nunquid praefertur secundus primae uenditioni iura[t]ae? dic quod standum est secundae uenditioni, per hanc \. iuncto c. sicut ex literis, de sponsa. ita in specie decidit 10. de Imo. in prae\. commen. c. cum contingat, de iure iu. in duob. loc. s. in co\. 234 & in co\. seq. quod bene no. per ampliatione huius \. & potest confirmari, quia iuramentum positum in prima uenditione, non impedit translationem dominii, licet videtur praecise obligare ad factum, prout tenuit ~Io. sing. communiter approbata in \. si pecuniam in prin. super ver. necesse habes ... 1 Ich frage, ob dieses Gesetz (C. 3.32.15) angewandt wird, wenn der erste Verkauf beziehungsweise die Schenkung mit einem Eid erfolgte und daraufhin dieselbe Sache einfach verkauft und dem Zweiten übergeben wurde, ob der zweite gegenüber dem ersten beschworenen Verkauf bevorzugt wird? Ich sage, daß man zu dem zweiten Verkauf stehen muß gemäß diesem Gesetz in Verbindung mit X 4.1.22. So entschied besonders Johannes de Imola im Kommentar zu X 2.24.28, was du dir gut merken sollst. Zur Erweiterung dieses Gesetzes kann man bestätigen, daß der auf den ersten Verkauf gegebene Eid die Übertragung des Eigentums nicht verhindert, obwohl er zur präzisen Erftlilung verpflichtet zu sein scheint, wie es die allgemein gebilligte Glosse necesse habeas zu D. 12.4.5 pr. gehalten hat.

Jason folgt hier lOl exakt einer Argumentation von Johannes ab Imola, auf den er hier verweiseo2 • Wie Johannes ab Imola will Jason C. 3.32.15 in Zusammenhang sehen mit X 4.1.22, wonach ein Eheversprechen durch eine anderweitige Eheschließung selbst dann hinfiillig wird, wenn es beschworen war. Die Beeidung steht nicht der Erfüllung des Versprechens gleich, indem ihm nun eine Transportfunktion zukäme, wie sich Jason in einem seiner Consilien ausdrUckt ("per inobservantiam iuramenti appositi in prima conventione de vendendo non perdatur dominium,,)lo3. Ebensowenig blockiert es eine anderweitige Erfüllung oder einen dem ersten Vertrag entgegenstehenden zweiten Vertragsschluß. Daß ein Eid dem Kaufvertrag nicht zu translativer Wirkung verhilft, war allgemein anerkannt 104.

100 Jason de Mayno, In primam Codicis partem Commentaria zu C. 3.32.15, fo\. 149 f., Rn. 36. 101 So auch in Consilia sive responsa, vo\. 1, cons. 117, fo\. 149, Rn. 3,4. 102 Johannes ab [mola, In secundum Decretalium Commentaria zu X 2.24.28, fo\. 206, Rn. 85: " ... in ipsam rem habendam potior est ille cui sit res tradita, etiam si prima venditio fuisset facta cum iuramento, per ea, quae habentur in \. quoties. C. de rei. vendi. iuncto eo, quod habetur in ca. sicut ex literis, infra de spon... " - Jener darf die Sache behalten, dem sie übergeben wurde, auch wenn der erste Vertrag beeidet wurde, gemäß dem, was sich aus C. 3.32.15 ergibt, in Verbindung mit X 4.1.22. 103 Jason de Mayno, Consilia sive responsa, vo\. 1, cons. 117, fo\. 149, Rn. 4. 104 Vergleiche die LiteratuTÜbersicht bei Antonius Gabrielius Romanus, Communes Conc1usiones, Lib. III. (De empt. & uendit.), conc\. 2, S. 305, Rn. 3.

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3. Kapitel: Die Kommentatoren

Nur ohne jegliche traditio besteht eine Privilegierung des älteren Titels "sive fuerit iurata, sive non,,105. Der Eid hat trotz seiner zentralen Rolle bei der Diskussion um den präzisen Erfilllungszwang bei den obligationes fadendi keinen Einfluß auf die Grundsätze des Kaufs: Es bleibt beim Traditionsprinzip sowie nach Ansicht von Johannes ab Imola und Jason de Mayno - beim Grundsatz der Priorität, wenn es nicht zu einer Übergabe gekommen ist. Weder der beim Kauf ohnehin bestehende präzise Errullungszwang noch der Eid an sich haben somit eine unmittelbare Auswirkung auf die Rechtsbeziehung des Käufers zur Sache. Es bleibt daher unklar, warum Jason die "einfach" präzis zu erfiillende Obligation, zu der auch der Verkauf gehört, im Gegensatz zu einem beeideten Verkauf filr .den Erlaß eines richterlichen Veräußerungsverbots nicht ausreichen läßt. Die Unterscheidung mag darauf zurückzufilhren sein, daß der Bruch eines Eides, der immerhin einem Meineid, einer schweren Sünde, gleichkam 106, weit schwerer wiegt als ein nach D.48.1O.21 strafbarer, aber schon im Vergleich zu anderen falsa geringrugig zu bestrafender "einfacher" Doppelverkaufo7 • Das richterliche Urteil erhielte so eine filrsorgende und warnende Funktion, indem durch die richterliche Anordnung ein Meineid verhindert und der Verkäufer so möglicherweise vor dessen Folgen bewahrt würde. Ein solcher Fürsorgegedanke wäre keine Ausnahmeerscheinung. So plädierten beispielsweise die Kanonisten bisweilen entgegen dem Grundsatz des favor aequitatis lO8 rur eine extensive Auslegung von Strafgesetzen, um den Delinquenten vor dem periculum animarum zu schützen 109 • Andererseits waren die Kanonisten allerdings zurückhaltend mit der Annahme des Schuldnerverzuges, der gleichfalls als sündhaft betrachtet wurde llO . Zusammenfassend kann man festhalten, daß der erste Käufer trotz des von Johannes ab Imola und Jason de Mayno vertretenen Prioritätsgrundsatzes vor einer Übereignung die Veräußerung an einen Dritten nicht verhindern konnte. Lediglich in dem Ausnahmefall eines eidlich bekräftigten Verkaufs konnte nach

105 So Johannes ab lmola, In secundum Decretalium Commentaria zu X 2.24.28, fol. 206, Rn. 85, vergleiche oben S. 134. 106 Vergleiche oben S. 135. - Zu beachten ist allerdings, daß jeder Verstoß gegen die von der Kirche approbierte Rechtsordnung, sei es das kanonische Recht oder subsidiär das römische Recht, als Sünde angesehen wurde (Trusen, Wirtschaftsethik, S. 52; ders., Spätmittelalterliche Jurisprudenz, S. 22). 107 Zur milden Bestrafung des Doppelverkaufs siehe Albericus de Rosate zu D. 48.10.21, oben S. 129 f. 108 Der Grundsatz, daß Gesetze im milderen Sinn auszulegen waren, galt bei Legisten und Kanonisten (Engelmann, Wiedergeburt, S. 138). 109 Fedele, Nihil aliud est aequitas quam Deus, in: Etudes d'histoire du droit Canonique, dediees a Gabriel Le Bras, S. 80 f. 110 Endemann, Studien 11, S.259; Heymann, Verschulden, S. 75 ff.; Zimmermann, The Law ofObligations, S. 794 f.; Wol/schläger, S. 48.

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Ansicht des Jason ein richterliches Veräußerungsverbot ergehen. Das negative Urteil über Jason de Mayno, daß er lediglich Kompilator der von anderen Rechtslehrern vertretenen Auffassungen, nicht aber selbst zu schöpferischen Leistungen in der Lage sei 111, kann hier nicht bestätigt werden.

b) Die Bevorzugung des Erstkäufers auf der Grundlage des Traditionsprinzips

aa) Die Konkurrenz verschiedener Übergabeformen Trotz dieser in der Theorie eindeutigen Rechtslage, die den (Zweit-)Käufer begünstigte, dem die Sache übergeben worden ist, hatte jedoch (unter Laien?) anscheinend die Auffassung eine gewisse Verbreitung, die Kaufsache werde bereits durch den Kaufvertrag übereignet. Es muß nämlich dem ersten Käufer verschiedentlich gelungen sein, die Sache bei dem die Sache körperlich besitzenden zweiten Käufer zu evinzieren. Das zeigt sich in der folgenden Äußerung des Paulus de Castro: Item si emptori res evincitur per alium ex iure, quod habuit a venditore, licet potuerit illum repellere, si tarnen non repulit, habet regressum de evict. contra venditorem, qui non potest sibi imputare culparn quare illum non repulit, cum dederit causarn agendL I11 Wenn die Sache bei dem Käufer von dem anderen mit einem Recht evinziert wurde, welches dieser von dem Verkäufer hatte, hat [der Käufer] - obwohl er [den Evinzierenden] hätte abweisen können und er ihn dennoch nicht zurückgewiesen hat - einen Regreßanspruch wegen der Eviktion gegen den Verkäufer, der diesem keine Schuld vorwerfen kann, weil er jenen nicht abgewiesen hat, weil er selbst den Klagegrund gegeben hat.

Dem Käufer, dem die Sache tradiert wurde, soll hiernach ein Anspruch auf Schadensersatz nach der actio empti zustehen, wenn er dem (unberechtigten) Eviktionsverlangen des anderen Käufers nachgegeben hat. Eviktion im Sinne des Corpus iuris civilis war die Herausgabe der rechtsmängelbehafteten Sache durch den Käufer an einen Dritten oder die Verurteilung zur Ersatzleistung ll3 , also insbesondere die Eviktion durch den Eigentümer nach dem Verkauf und der Übergabe durch einen Nichtberechtigten. Diese Fallgestaltung meint Paulus de Castro aber nicht. Die hier wiedergegebene Passage steht am Beginn der Kommentierung von C. 3.32.15 und handelt wie es sich aus dem Gesamtzusammenhang wie auch aus dem AnknüpfungsSavigny, Geschichte VI, S. 406-408. Wie hier: Repgen, S. 305 f. Paulus de Castro, In primarn Codicis partem Commentaria zu C. 3.32.15, fol. 160v, Rn. 1. 113 H. Dilcher, Leistungsstörungen, S. 243 (mit Nachweisen). 111

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punkt ergibt - von Kauf bzw. Schenkung vom Eigentümer, im ersten Fall ohne Übergabe, im zweiten mit Übergabe der Kaufsache. Der zweite Käufer hätte die Sache aber nicht herausgeben müssen, da er Eigentum erworben hatte. Das deutet zunächst darauf hin, daß es sich hier um eine deplazierte, da nicht C.3.32.15 betreffende Kommentierung zum Verkauf durch Nichtberechtigte handelt. Die folgende Erwägung, die im Falle einer berechtigten Eviktion (also bei einem Verkauf durch einen Nichtberechtigten) unnötig wäre, zeigt aber, daß Paulus de Castro gleichwohl von dem hier zu untersuchenden Doppelverkaufsfall spricht: Ein Schadensersatzanspruch kommt dem Grundsatz nach filr Paulus de Castro zwar nur dann in Betracht, wenn der Käufer sich dem Eviktionsbegehren nicht widersetzen konnte; es entsprach der allgemeinen Meinung unter den Kommentatoren, daß eigenes Verschulden des Käufers die Eviktionshaftung des Verkäufers ausschloß 1I4 • Obwohl der Zweitkäufer die Kaufsache schuldhaft verloren hat (er war Eigentümer), soll ihm dennoch ein Anspruch auf Schadensersatz gegen den Verkäufer zustehen. Ausschlaggebend ist, daß der Verkäufer die entscheidende Ursache filr den Rechtsirrtum des zweiten Käufers hinsichtlich seiner Herausgabepflicht gesetzt hat, so daß dem Käufer die unterlassene Verteidigung nicht vorgeworfen werden kann. Denselben Gedanken tragen auch Salicetus llS , Jason de Mayno 1l6 und der unbekannte Verfasser des Corpus legum per modum Institutionum vor 1l7 • Die Eviktionsproblematik soll hier nicht weiter vertieft werden, da sie vor allem das Rechtsverhältnis zwischen dem Verkäufer und dem Käufer betriffi, dem die Sache übergeben worden ist. Das Eviktionsproblem bei Doppelverkäufen hatte seine Ursache sicherlich nicht (nur) in der Gesetzesunkenntnis von juristischen Laien, von denen die Sache zu Unrecht evinziert wurde. Vielmehr erschwerte die Zulassung verschiedener Übergabeformen die Feststellung der Eigentumslage. Es stellte sich insbesondere die Frage, ob sich ein Erstkäufer gegen den körperlich besitzenden Zweitkäufer mit dem Nachweis einer früher erfolgten traditio jicta durchsetzen kann. Nach dem kurzen Hinweis darauf, daß man den mittelbaren Besitz vom Nichtbesitz zu unterscheiden habe, schreibt Albericus de Rosate: H. Dilcher, Leistungsstörungen, S. 253 f. Bartholomaeus SaUcetus, In III. & IIII. Codicis Libros Commentaria zu C. 3.32.15, fol. 58, Rn. I. 116 Jason de Mayno, In primam Codicis partem Commentaria zu C. 3.32.15, fol. 150, Rn. 47 f. 117 Corpus legum per modum Institutionum (erschienen im Jahre 1567 und daher kaum noch der Kommentatorenzeit zuzurechnen) unter der Überschrift "de emptione & venditione", Sp. 520. 114 115

I. Das Zugriffsrecht auf die Kaufsache

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Et ex hoc dicit Dy. quod si uendo rem meam & constituto me possidere nomine emptoris, deinde uendo & trado secundo, quod secundus potior est in possessione, de quo dixi. C. de rei uen. \. quoties. 118 Und aus diesem Grunde sagt hier Dynus, daß, wenn ich meine Sache verkaufe und ich aufgrund eines Konstituts im Namen des Käufers besitze, und ich danach verkaufe und dem Zweiten übergebe, dann ist der Zweite hinsichtlich des Besitzes besser gestellt, nach dem, was ich zu C. 3.32.15 gesagt habe.

Albericus de Rosate scheint hier dem den körperlichen Besitz ergreifenden Zweitkäufer den Vorzug vor einem lediglich mittelbar besitzenden Erstkäufer geben zu wol1en. Dynus de Muge110, auf den Albericus de Rosate sich ohne Nennung einer genauen Fundstel1e bezieht, definiert die fiir den Erwerb eines Benefiziums erforderliche institutio - wie es zu dieser Zeit üblich war l19 - als "corporalern possessionem inductio,,120. Jedoch ergibt sich daraus kein Vorzug desjenigen, der die Sache körperlich besitzt. Vielmehr geht Dynus in seinem Traktat von einem Be'griff der quasi-possessio aus, der eine Konkurrenz mit der regulären possessio schlicht ausschließt. Diese quasi-possessio sol1 es nämlich nur rur unkörperliche Sachen geben können, so daß eine Konkurrenz beider Besitzformen hinsichtlich derselben körperlichen Sache nicht möglich sein soll. Außerdem unterscheidet Dynus die verschiedenen Formen symbolischer Investitur und legt dar, daß nur eine Investitur mit Schlüsselübergabe Besitz begründe, weil die anderen Symbole "nichil habe[n]t commune cum rebus qu. in beneficio continentur"l2I. Aus diesen auf das Benefizialwesen bezogenen Äußerungen des Dynus de Muge110 ergibt sich nicht - wie Albericus de Rosate dem ersten Anschein nach behauptet - ein Vorzug des real besitzenden Zweitkäufers. Daß die Bevorzugung des besitzenden zweiten Käufers durch Albericus de Rosate allein auf die besitzrechtliche Seite beschränkt ist, zeigt sich an der folgenden Stel1e: Sed quid si vendidi Titio, & constitui me eius nomine possidere, deinde vendidi Seio, & similiter constitui, vel ei tradidi, quis erit potior. Dic quod primus, pro quo primo constitui me possidere, quod pro traditione habetur, ut ff. eo. \. quaedam mulier de acquir. pos. \. quod meo. quod verum est, quo ad dominium, sed quo ad possessionem potior est secundus, cui tradita est, cum enim possiderem nomine primi, traden-

118 Albericus de Rosate, In primam partem ff. Noui Commentaria zu D. 41.2.18 pr., Rn. 1, fo\. 84, 84 v. - Zu dieser Kommentierung von Albericus de Rosate siehe Gordon, S. 140 f.; Biermann, S. 89. 119 Vergleiche H-J. Becker, s.v. Investitur, in: HRG 11, Sp. 406. 120 Dynus de Mugello (gest. nach 1298), Tractatus super Juris, Tit. "Beneficium eccIesiasticum non potest licite sine institutione canonica obtinere", ohne Paginierung. Zu Leben und Werk des Dynus de Mugello siehe die Nachweise bei Horn, in: Handbuch der Quellen und Literatur I, S. 275. 121 Dynus de Mugello, a.a.O.

10 Sella-Geusen

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do postea secundo, vel constituendo me tenere pro eo, interverti possessionem primi, & eum possessione privavi, ut ff. de vi. & vi ar. I. si colonus. 122 Aber wenn ich an Titius verkauft habe und ich besitze nun in seinem Namen und danach habe ich dem Seius verkauft und ein ähnliches Konstitut geschlossen oder ich habe ihm übergeben, wer wird vorgezogen? Ich sage, der Erste, denn daß ich festlegte, rur den Ersten zu besitzen, wird wie in D. 6.1.77, D. 41.2.18 rur eine Übergabe gehalten. Das ist richtig im Hinblick auf das Eigentum. Aber im Hinblick auf den Besitz wird derjenige bevorzugt, dem übergeben worden ist. Wenn ich aber im Namen des Ersten besäße und ich später dem Zweiten übergäbe oder vereinbarte, rur ihn zu besitzen, hätte ich dem Ersten den Besitz entzogen und ihn des Besitzes beraubt, wie D.43.16.20.

Bei der Konkurrenz mehrerer Konstitute soll grundsätzlich der erste Besitzer bevorzugt werden, weil auch mittels Vereinbarung eines Besitzkonstituts Besitz übertragen werden könne. Dies entnimmt Albericus de Rosate D. 6.1.77 und D. 41.2.18, einigen der wichtigsten Texte zum Besitzkonstitue 23 , aus denen sich dessen Wirkung als Übergabesurrogat ergibt. Die Wendung,,& similiter constitui, vel ei tradidi" deutet schon an, daß der Vorzug der ersten (fIktiven) Übergabe auch gelten soll, wenn es gegenüber dem Zweiten sogar zu einer realen Übergabe gekommen ist. Nur scheinbar schränkt er dies sogleich ein, indem er sagt, daß die Bevorzugung des Ersten nur hinsichtlich des durch traditio ficta erworbenen Eigentums bestehen soll. Den Besitz kann der Erste hingegen nach Aufgabe des Besitzes durch den Besitzmittler verlieren. Der Verweis auf D. 43.16.20 124 deutet darauf hin, daß das Interdikt unde Vi l2S dem Ersten zugestanden werden soll. Nach dem genannten Fragment soll der Eigentümer diese Klage auch rur den Pächter erheben können. Die Allegation könnte so zu verstehen sein, daß Albericus de Rosate diesen vorläufIgen Besitzschutz in gleicher Weise dem Erstkäufer, also dem Eigentümer und zugleich mittelbaren Besitzer, zugesteht. Damit aber würde sich auch auf dem Umweg über die besitzrechtliche Klage letztlich der erste Käufer durchsetzen und diese Kommentierung im Widerspruch stehen zu der Bevorzugung des Zweitkäufers, die Albericus de Rosate in seiner Kommentierung zu D. 41.2.18 pr. 126 zu behaupten scheint. Doch erscheint letztere Kommentierung nun im Zusammenhang mit derjenigen zu C. 3.32.15 in einem anderen Licht, denn auch dort wird lediglich von "secundus potior est in possessione", also allein von der possessorischen Lage gesprochen. Durchsetzen wird sich letztlich der erste Käufer, dem fIktiv tradiert

122 Albericus de Rosate, In primam Codicis partem Commentarij zu C. 3.32.15, fol. 170 Rn. I. - Zu dieser Stelle siehe auch Gordon, S. 140 f. 123 Diese Texte erläutert Gordon, S. 16 ff., 27 ff. und passim. 124 D. 43.16.20: Si colonus tuus vi deiectus est, ages unde vi interdicto ... 125 Zum vorläufige Besitzschutz nach dem interdictum unde vi siehe Kaser, Das Römische Privatrecht H, § 240 I I a und 11, I (S. 257, 260). 126 Oben S. 144.

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worden ist. Dafilr sollen ihm zwei Rechtsbehelfe zur Verfiigung stehen, das interdictum unde vi und die rei vindicatio. Da sich die den Erstkäufer begünstigende Ansicht des Albericus de Rosate zu dieser Frage erst nach dem Vergleich beider Kommentierungen ermitteln läßt, ist es zu dem Mißverständnis gekommen, er trete als nahezu Einziger bei der Konkurrenz mehrerer Übergaben fiir die Bevorzugung des zweiten, körperlich besitzenden Käufers ein l27 • Die Ansicht, daß der erste mittels traditio ficta erwerbende Käufer dem zweiten, real besitzenden Käufer vorzuziehen ist, soll nach den Untersuchungen von Biermann 128 sowie Gordon 129 von Guido de Suzaria begründet und zunächst von Oldradus sowie Johannes Andreae aufgegriffen und schließlich zur allgemeinen Ansicht unter den Kommentatoren geworden sein\3O. Letzteres belegen auch die Literaturübersichten von Guido Papa \31, Antonius Gabrielius Romanus 132 (vorwiegend Legisten) und Johannes Azorius 133 (Kanonisten). Die Bevorzugung des Erstkäufers ist darauf zurückzufilhren, daß der traditio ficta die vollen Wirkungen der traditio vera beigelegt wurden\34, der Erstkäufer also Eigentum erwarb. So unterstrich etwa Oldradus, daß es niemanden gebe, der den das Besitzkonstitut begründenden Worten keine besitzübertragenden Wirkungen beimessen würde ("Nec dicat aliquis per illa verba, per quae constituit donans se nomine donatarij possidere possessionem non esse translatam")13S. An dieser Stelle bestätigt sich die These Biermanns, daß zwar die Möglichkeit einer Eigentumsübertragung solo verbo energisch bestritten worden ist l36 und So Biermann, S. 89; unklar Gordon, S. 140 f. Biermann, S. 89 f. 129 Gordon, S. 140. 130 Den in den genannten Untersuchungen zitierten Quellen sind noch folgende hinzuzurugen: Philippus Decius, In tit. FF. de Regulis iuris, reg. 18, fol. 119 ff.; Bartolus, Consilia, cons. 74, fol. 20, Rn. 1; Baldus, In quartum & quintum Codicis Iib. Commentaria zu C. 4.39 (rubr.), fol. 126, Rn. 28 ff. und ders., Consilia sive responsa, vol. 5, cons. 369, fol. 93 v sowie vol. 1, cons. 36, fol. 13, Rn. 1; Bartholomaeus Socinus, Regulae, reg. 155, S. 262; Guido Papa, Decisiones, qu. 112, S. 126 f.; qu. 81, S. 90 f. - Zum Ursprung des Besitzkonstituts und dessen Entwicklung bei Glossatoren und Kommentatoren siehe die genannten Untersuchungen von Gordon und Biermann sowie den Überblick von Wacke, Besitzkonstitut, S. 17 ff. 131 Guido Papa, Decisiones, qu. 112, S. 126. 132 Antonius Gabrielius Romanus, Communes Conclusiones, Lib. III (De empt. & uendit.), concl. 2, S. 306, Rn. 18. lJ3 Johannes Azorius, Inst. moralium tom. III, Tit. de empto & uendito, Lib. VIII, cap. XVIII, Sp. 680. 134 Gordon, S. 140; Biermann, S. 88. 135 Oldradus de Ponte (gest. 1335), Consilia, cons. 114, Rn. 2 fol. 54 v . - Zu Leben und Werk siehe die Nachweise bei Horn, in; Handbuch der Quellen und Literatur I, S. 275 f. 136 So auch Schrage, Vendita, S. 362. 127

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3. Kapitel: Die Kommentatoren

daß sich dagegen durch die Zulassung des Besitzübergangs durch Vereinbarung eines Besitzmittlungsverhältnisses solo verbo das Konsensprinzip eingeschlichen habe, indem nur das verbum ausgewechselt worden sei 137 • Das gilt aber nicht rur jede Form fiktiver Übergabe, so beispielsweise nicht rur die Wirkung des Zuschlags bei der Versteigerung: Quia iIIa traditio calami, vel baculi, quae fit per preconem de nullo operatur saltem quoad translationem poss. vt dicit Host. in sumo in tit. de causa poss. in ver. sed quid ergo si vendas. & ibi dicit, quod errant fatui Notarij, qui dicunt tradi possessionem per traditionem calami. idem etiam sentit Dynus de reg. iur. c. beneficium. vers. Tertio posset quaeri, &c. Dicit etiam dominus Iacob. de Godablo officialis praesentis, officialis Gratianop. provt ab eo audiui, quod lex quoties duobus. C. de rei vend. non haberet locum in emptore, qui prima possessionem fictam per precarium habuerit, sed quae realem traditionem habuerit, per verbum ibi traditum, &c. vt etiam scripsi infr. qu. 112. 138 Weil jene traditio durch Halm oder Stock, die von einem öffentlichen Ausruf begleitet ist, nicht als Übertragung des Besitzes angesehen werden kann, wie es Hostiensis in seiner Summa sagt. Dort sagt er, daß die dummen Notare irren, die sagen, daß man den Besitz durch traditio des Halmes überträgt. So urteilt auch Dynus. Auch Jacob de Godablo, Offizial in Grenoble, sagt, wie ich gehört habe, daß C. 3.32.15 nicht gelte für einen Käufer, der zuerst einen fiktiven Besitz aufgrund einer Gebrauchsüberlassung erhalten hat, sondern für diejenigen, die die reale Übergabe erhalten haben nach den Worten die dort [Co 3.32.15] überliefert sind und wie ich geschrieben habe in qu. 112.

In der Tat findet Hostiensis 139 an der von Guido Papa genannten Stelle die von ihm zitierten groben Worte rur die Notare, die einem real besitzenden Zweitkäufer keinen Vorzug geben 140. Jedoch bezieht sich diese Auffassung des Hostiensis lediglich auf die investitura per baculum vel /estuca I41 , nicht aber auf alle Formen der traditiones jictae schlechthin. Hostiensis unterscheidet wie Dynus verschiedene Formen fiktiver Übergaben. In der aus einer späteren Zeit

Biermann, S. 80-82. Guido Papa, Decisiones, qu. 22, S. 26, Rn. I. - Zu dieser Schrift siehe Dolezalek / Nörr, in: Handbuch der Quellen und Literatur I, S. 853 Note I. 139 Zu Hostiensis (Henricus de Segusio, gestorben 1271), dem wohl bedeutendsten Kanonisten seiner Zeit, siehe Robinson / Fergus / Gordon, S. 134. 140 Hostiensis, Summa Aurea, Tit. de causa possessionis, Sp. 527, Rn. I: "Quid ergo, si vendas mihi fund um, & inuestias me per baculum vel festucam? Quidam dicunt possessionem traditam ar. in dictis legi. & optime facit ad hoc. supra de consuet. c. 2. Sed contra est, secundum dom in um meum: quia actus corporalis necessarius est, ideo errant tabelliones fatui, qui dicunt. Et tradidit ei possessionem inuestiendo cum baculo vel festuca." 141 Zu diesen Formen symbolischer Übergabe siehe H.-J. Becker, s.v. Investitur, in: HRG H, S. 404 f. 137 138

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stammenden Anmerkung von Ranchin 142 zu einer Decisio Guido Papa heißt es, daß eine Traditionswirkung der traditio ca/ami auch in der Praxis nicht anerkannt werde (,,verum haec subtilitas de consuetudine non observatur"143). Jedoch scheinen einige Praktiker noch weiter gegangen zu sein, da hier 144 von einem Offizial von Grenoble überliefert ist, daß er dem zweiten, körperlich besitzenden Käufer grundsätzlich den Vorzug vor dem mittelbar besitzenden Erstkäufer gegeben hat. In der südfranzösischen Praxis hat man demnach vor allem auf die Publizitätswirkung der körperlichen Übergabe und damit auf Rechtssicherheit gesetzt. Daß die Gleichstellung der traditio vera mit einigen Formen der traditio jicta, also die Einschränkung des Publizitätsprinzips in Teilbereichen, wie sie die überwiegende Zahl der Kommentatoren befUrwortete, in der Praxis zu den oben beschriebenen Schwierigkeiten bei der Feststellung der materiellen Rechtslage fUhren und Mißbräuche begünstigen mußte, erkannten auch die Rechtslehrer. Daher sahen sie sich auf der Grundlage dieser Lehre von den Wirkungen der traditio jicta zu Erörterungen über simulierte Geschäfte veranlaße 45 . Als eine Reaktion auf solche Mißbräuche gilt ein Statut von Vincenza, nach dem einem constitutum possessorium nur bei Beurkundung vor dem Rate Drittwirkung sollte zukommen können l46 . Da die Frage nach der Traditionswirkung der verschiedenen Übergabeformen und der Wirkung simulierter Geschäfte das Problem des Doppelverkaufs nur mittelbar betriffi, muß fUr weitere Einzelheiten auf die bereits mehrfach zitierten Untersuchungen von Biermann und Gordon verwiesen werden. Festzuhalten ist, daß die Rechtsposition des Käufers durch die Zulassung von Übergabesurrogaten verbessert wurde. Die Einschränkung der Publizitätsfunktion der Übergabe durch die Zulassung von Übergabesurrogaten hat jedoch ein erhebliches Maß an Unsicherheit im Rechtsverkehr verursacht.

bb) Die Rechtslage bei Unklarheiten über eine erste Übergabe Die Bevorzugung des ersten Titels zeigt sich auch in dem Fall, in dem lediglich nicht feststeht, welchem der Käufer die Sache zuerst übergeben wurde. Zu 142 Guillaume Ranchin (um 1600), dazu Nachweise bei Holthäfer, Die Literatur zum gemeinen und partikulären Recht in Italien, Frankreich, Spanien und Portugal, in: Handbuch der Quellen und Literatur 11/1, S. 481. 143 Ranchin, Annotatio zu Guido Papa, Decisiones, qu. 81, S. 91. 144 Von dieser Auffassung berichtet Guido Papa auch in Decisiones, qu. 112, S. 126. Dazu Gordon, S. 140; Biermann, S. 89. 145 Biermann, S. 123 ff. 146 Biermann, S. 121 f.

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3. Kapitel: Die Kommentatoren

dieser Schwierigkeit konnte es gerade wegen der Gleichwertigkeit von traditia ficta und körperlicher Übergabe kommen. Cinus schreibt dazu: Hic dicitur, quod secundus emptor qui conuenitur, probat rem emptam prius etc. sed contra, quia imo onus proband i actori incumbit non conuento possessori, vt 1. actor. infra de proba. Respon. actor probat quod prius emerat, & sic propter prioritatem contractus praesumebatur rem si bi ante traditam, nisi possessor contra probet, secundum Iaco. de Are. sic intelligitur hic. 147 Es wird gesagt, daß der zweite Käufer, der gerichtlich in Anspruch genommen wird, beweist, daß er die Sache zuerst gekauft hat etc., aber dagegen soll gemäß C. 4. 19.23 die Beweislast den Kläger treffen und nicht den verklagten Besitzer. Ich antworte, daß der Kläger beweist, daß er zuerst gekauft hat und wegen der Vorzeitigkeit des Vertrages wird angenommen, daß ihm zuerst übergeben wurde, wenn nicht der Besitzer das Gegenteil beweist. Nach Jacobus de Arena wird dieses so verstanden.

Von Jacobus de Arena l48 scheint die Meinung vertreten worden zu sein, daß der gegen den Zweitkäufer klagende Erstkäufer lediglich beweisen müsse, daß er die Sache zuerst gekauft hatte, nicht aber auch, daß sie ihm zuerst tradiert wurde. Das steht im Gegensatz zu C. 4.19.23 149, wonach der Kläger, der das Vorliegen einer Tatsache behauptet, die Beweislast trägt, nicht dagegen der Beklagte, der deren Vorliegen leugnet l5o. Cinus, der sich durch die Stellungnahme zu beweisrechtlichen Problemen als an praktischen Fragen interessiert zeigtl51, stimmt Jacobus zu, daß eine Vermutung dafür bestehe, daß dem ersten Käufer auch zuerst tradiert worden sei. Danach wird von dem bewiesenen Sachverhalt des früheren Verkaufs auf die Übergabe der Sache durch traditia ficta geschlossen, sofern nicht der Zweitkäufer, der die Sache inzwischen in Besitz hat, diesen Schluß durch den Beweis des Gegenteils widerlegt 152. Damit gewinnt der Abschluß des Kaufvertrages große Bedeutung und bevorzugt den mit der rei vindicatia klagenden Erstkäufer gegenüber dem Zweitkäufer, der nun beweisen muß, daß ihm die Sache bereits vor dem Erstkäufer übergeben worden ist. Mit dieser Cinus da Pistoia, In Codicem Commentaria zu C. 3.32.15, S. 170, Rn. 4. Jacobus de Arena, gestorben um 1296, trat als Verfasser kleinerer Traktate mit Blickrichtung auf die Praxis hervor, siehe Horn, Handbuch der Quellen und Literatur I, S. 269, 341. Die Lehren des Jacobus de Arena werden von Cinus häufiger erwähnt (Engelmann, Wiedergeburt, S. 206). 149 Q: 4.19.23: Actor quod adseverat probare se non posse profitendo reum necessitate monstrandi contrarium non adstringit, quum per rerum naturam factum negantis probatio nulla sit 150 Zu den Grundregeln des römisch-kanonischen Beweisrechts "actor prob are debet" und "reus in exceptione actor est", siehe Musielak, S. 261; Budischin, S. 184. 151 Zur Verwertung praktischer Erfahrungen durch Cinus, der bei Abfassung des Werkes noch nicht als Lehrer tätig war, siehe Savigny, Geschichte VI, S. 89. 152 Die modeme Unterscheidung zwischen Rechts- und Tatsachenvermutungen sowie "tatsächlichen Vermutungen" war dem römischen Recht unbekannt, siehe Kaser, Zivilprozeßrecht, § 91 IV 2. 147 148

I. Das Zugriffsrecht auf die Kaufsache

151

Vennutung wird der Beweiswert eines einzelnen Indizes, hier der Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrags, und der daraus abzuleitende Schluß, der Zeitpunkt der Übergabe, nach der legalen Beweistheorie nonniert. Das kommt im Ergebnis einer Beweislastumkehr gleich l53 • Der römisch-kanonische Prozeß war von der sogenannten legalen Beweistheorie beherrscht, deren Ziel es war, an die Stelle einer freien Würdigung durch den Richter feste und klare Richtlinien zu setzen, auf deren Grundlage der Einzelfall zu entscheiden war l54 • Daher entwickelten die italienischen Juristen des Mittelalters eine ausfUhrliche Lehre von Vennutungen, die im mittelalterlichen Prozeß eine besonders wichtige Rolle spielten 155. Hier zeigt sich, daß die fonnale Gleichwertigkeit der Titel, das Traditionsprinzip sowie die Lösung der Frage nach der zivilrechtlichen Wirksamkeit von der nach der Strafbarkeit eines Rechtsgeschäfts 156 nicht zu Ergebnissen fUhren, die als befriedigend empfunden wurden. Sie bedurften daher an dieser Stelle der Korrektur. Auf Billigkeitserwägungen wird jedoch nicht offen zurückgegriffen, obwohl einus einen solchen Rückgriff nach eigenen Angaben nicht scheut l57 • Für die Vennutung einer früheren Übergabe an den Erstkäufer spricht sich auch Albericus de Rosate unter Berufung auf Odofredus aus (Sed quare probat reus. dic ideo, quia actor probaverat se emisse, & ideo expedit, quod possessor probet sibi prius venditam & traditam. Odo. & Iac.)I58. Auch Baldus befürwortet unter Berufung auf Jacobus de Arena an mehreren Stellen eine solche Vennutung, ohne näher auf die Frage einzugehen 159. Ausführlicher befaßt sich Baldus in seinem Kommentar zum Lehnsrecht mit diesem Problem: ... si vterque probauit de traditione, & non constat de tempore, praesumitur res tradita prius priori emptori tanquam iustior, vt no. Iaco. de Are. & Cyn. in d. 1. quoties de rei

153 Wegen der engen Verwandtschaft ist eine Unterscheidung zwischen Beweislastvorschrift und Vermutung schwierig und von den Juristen des Mittelalters nicht getroffen worden (Musielak, S. 257, zum aktuellen Recht S. 58-82). 154 Musielak, S. 249. 155 Endemann, Studien 11, S. 258; Musielak, S. 254 f. - Zur Bindung des Richters an feste Beweisregeln siehe auch Budischin, S. 227 ff. 156 Siehe oben S. 127 ff. 157 Vergleiche Caron, "Aequitas" Romana, S. 78 bei Note 108 und ders., Aequitas et interpretatio, S. 141, Note 50. 158 Albericus de Rosate, In primam Codicis partem Commentarij zu C.3.32.15, fo1. 170 (pr.). 159 Baldus, Commentaria in primam Digesti veteris partem zu D. 6.2.9 pr., sowie zu D.6.2.9.4, fo1. 326, und ders., Ad tres priores libros Decretalium Commentaria zu Dist. 3 qu. 3 cap. 3, fo1. 25.

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3. Kapitel: Die Kommentatoren

vedicat. quod verum est quando vterque probat de numeratione pretij. Sed si vnus probauerit de numeratione, alter non; tunc ei praesumo prius traditam, qui pretium numerauit, vt institu. de re divi. § venditae. & in ista materia pridie de facto consului, ... 160 Wenn beide die traditio bewiesen haben und es nicht feststeht, wann (sie erfolgte), dann wird vermutet, daß die Sache zuerst dem ersten Käufer übergeben wurde, weil es gerechter ist, wie Jacobus de Arena und Cinus zu C. 3.32.15 bemerken. Das ist richtig, wenn beide die Zahlung des Kaufpreises beweisen. Wenn aber einer die Zahlung bewiesen hat, der andere dagegen nicht, dann vermute ich, daß dem zuerst übergeben wurde, der den Preis bezahlt hat, wie Inst. 2.1.41. Zu dieser Frage habe ich kürzlich ein Gutachten erstellt.

Baldus schließt sich unter der Voraussetzung, daß beide Käufer eine Übergabe beweisen können, der Auffassung von Jacobus de Arena und Cinus an. Im Gegensatz zu letzterem begründet er sie kurz: Er hält es für "iustior", die frühere Übergabe an den Erstkäufer zu vermuten l61 , greift also im Gegensatz zu Cinus offen auf Billigkeitserwägungen zurück. Er verweist dagegen nicht auf den gewöhnlichen Lauf der Dinge, etwa indem er darlegt, daß demjenigen, der zuerst gekauft hat, in der Regel tatsächlich auch zuerst übergeben werde. Wegen der bei den Kommentatoren üblichen strengen Unterscheidung zwischen dem schuldrechtlichen Titel und der sachenrechtlichen Stellung gibt es für diese Vermutung keinen anderen Grund als die iustitia. Die Begriffe aequitas und iustitia wurden von Baldus in engem Zusammenhang betrachtet, ja inhaltlich als identisch angesehen l62 , wenngleich er auch die aequitas tendenziell mehr auf den Einzelfall bezog l63 • Iustitia gehörte zu den in der mittelalterlichen Ethik wichtigen Tugenden, deren Inhalt die Verwirklichung des Rechts, der aequitas, war l64 • Der begriffliche Gegensatz zur aequitas, rigor, konnte entweder eine Regel bezeichnen, die filr den jeweils Betroffenen hart war oder eine gesetzliche Regelung in ihrer allgemeinen Fassung, die auf die Besonderheiten des Einzelfalls keine Rücksicht nahm 165. Zu dem rigor in dem zuletzt genannten Sinne meinte Baldus, daß man zwischen bloßer Buchstabentreue und wahrer Gesetzestreue unterscheiden müsse l66 . Die in dieser Bemerkung zum Ausdruck kommende Freiheit gegenüber dem Text zeigt sich auch im vorliegenden Fall.

Baldus, In usus feudorum commentaria zu L.F. 2.26.15, fol. 4S v, Rn. 3. In dieser Abweichung von einer römisch-rechtlichen Grundregel sieht v. Brünneck, S. 57, die Ausprägung eines germanischen Rechtsgedankens. 162 Horn, Aequitas, S. 14 bei Note 1, S. 20 f. - Zu aequitas und iustitia im kirchlichen Bereich Fedele, S. 74 ff. 163 Horn, Aequitas, S. 17. 164 Horn, Aequitas, S. 14 f., 17. 165 Horn, Aequitas, S. 23 f. 166 Horn, Aequitas, S. 24. 160

161

I. Das Zugriffsrecht auf die Kaufsache

153

Die zu überprüfende allgemeine gesetzliche Regelung ist hier die Beweisregel aus C. 4.19.23, nach der der Kläger alle anspruchsbegründenden Tatsachen, also insbesondere die frühere traditio, zu beweisen hat. Diese rur den Erstkäufer nachteilige Ausgangsposition wird dem Standpunkt des Baldus nicht gerecht, daß der Erstkäufer den besseren Titel auf die Kaufsache hat l67 • Die aequitas war dem rigor iuris auch nach der unter den Kommentatoren herrschenden Lehre, an der prinzipiell auch Baldus festhielt, nur dann als aequitas scripta vorzuziehen, wenn sie auf einen Quellentext gestützt wurde 168. Allerdings war rur Analogie oder restriktive Auslegung nur Raum, wenn ein Fall nicht eindeutig unter eine bestimmte Vorschrift, hier: C. 4.19.23, fie1 169 • Es flUlt auf, daß Baldus hier keine TextsteIlen angibt, sondern einen Kunstgriff anwendet, indem er scheinbar den zugrundegelegten Fall ändert. Er stellt seine Vermutung nicht als eine generelle Beweislastumkehr dar, was C. 4.19.23 offen widerspräche und daher einer besonderen Rechtfertigung durch einen Text bedurft hätte - wenn man eine restriktive Auslegung angesichts des eindeutigen Wortlauts überhaupt als zulässig angesehen hätte. Er vermittelt vielmehr den Eindruck, daß er sich lediglich auf die allgemeine Lebenserfahrung berufen will. Der Hinweis auf die iustitia anstatt auf den gewöhnlichen Geschehensablauf verrät aber, daß es gleichwohl um eine grundsätzliche Verbesserung der Rechtsposition des Erstkäufers im Sinne einer generellen Beweislastumkehr und weniger um eine auf den Einzelfall bezogene Einbringung der Lebenserfahrung ins Beweisrecht geht. Bei dieser allgemeinen, von keinem Text unterstützten Vermutungsregel, mit der er die an sich einschlägige Konstitution umgeht, dürfte es sich um einen Fall der von Horn beschriebenen aequitas in specie handeln 170, die - wie der von Baldus gebrauchte Terminus klarstellt - der Gerechtigkeit im Einzelfall dienen soll. Diese Stelle paßt zu der Feststellung von Horn 171, daß Baldus eine bemerkenswerte Freiheit gegenüber dem Gesetzestext gewonnen hat 172 • Daß Baldus aber vorgibt, den zugrundegelegten Fall zu ändern und ihn so dem Regelungsbereich von C. 4.19.23 entzieht, belegt andererseits, daß er sich auch hier nicht offen über das geschriebene Recht hinwegsetzt l73 • In

167 Allerdings reicht die Rechtsposition nicht rur die Erwirkung eines Veräußerungsverbotes aus, dazu oben s. 137 f. 168 Horn, Aequitas, S. 26,21,45 f.; Lange, SZRom 71 (1954), S. 331. Zur aequitas siehe auch oben S. 86 ff. 169 Horn, Aequitas, S. 38 f. 170 Dazu Horn, Aequitas, S. 33 ff., 214 ff. 171 Horn, Aequitas, S. 29, 33 ff., 213 und passim. 172 Zur bedeutsamen Rolle ethischer Grundsätze in der Jurisprudenz des Baldus siehe auch Horn, Philosophie in der Jurisprudenz der Kommentatoren, lus Commune I (1967), S. 122, 143; Repgen, S. 237. 173 Einen ähnlichen Fall, in dem Baldus für eine aequitas-Erwägung mit einem casus omissus argumentiert, schildert Horn, Aequitas, S. 216.

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3. Kapitel: Die Kommentatoren

der Sache zeigt sich erneut, daß die Titel beider Käufer nicht als gleichwertig angesehen werden, denn der Erstkäufer steht der Sache näher als der Zweitkäufer. Für diese Vermutung soll jedoch nach Baldus nur dann Raum sein, wenn der Erstkäufer bezahlt hat. Das stellt nicht allein ein Hinweis auf die Lebenserfahrung dar. Für diese weitere Voraussetzung wird nämlich auf Inst. 2.1.41 verwiesen, wonach ein Käufer das Eigentum an einer Sache nur dann erwerben kann, wenn er bezahlt oder den Verkäufer auf andere Weise sichergestellt hat. Die tradi/ja-Vermutung wird eingeschränkt, weil auf diese Weise eine Begünstigung eines Erstkäufers verhindert wird, der mangels Kaufpreiszahlung ohnehin kein Eigentum erwerben könnte und daher dem Rückforderungsverlangen des Verkäufers ausgesetzt bliebe \74. Der vertragsuntreue Erstkäufer kann mithin auch dem Zweitkäufer gegenüber die rei vindicatia nicht erfolgreich geltend machen. Hier bestätigt sich die Beobachtung von Luig 175 , daß Baldus die Bindung des Eigentumserwerbs an die Kaufpreiszahlung streng gehandhabt hat. Ludovicus Romanus fUhrt in seinen "Singularia" zur Erläuterung des Traditionsprinzips und der Konstitution C.3.32.15 die Vermutung des Jacobus de Arena an, sowie die von Baldus genannte zusätzliche Voraussetzung der Kaufpreiszahlung l76 . Eine weitere Begründung gibt Ludovicus Romanus nicht. Interessant als Hinweis auf die Praxis ist die Bemerkung, daß Baldus der Stadt Ancona ein entsprechendes Gutachten erteilt habe. Dabei dürfte es sich wohl um das bereits von Baldus erwähnte Gutachten handeln 177 • Zweispältig ist die Haltung von Alexander Tartagnus (de Imola)l78. Ohne nähere Erläuterung befUrwortet er in seinem Kommentar die Vermutung einer früheren Übergabe an den ersten Käufer: "Item facit quod primo emptori praesu-

174 Die Einrede des "dolo facit, qui petit quod statim redditurus est" ist bereits Baldus in dieser Formulierung bekannt, so daß er sich in Consilia sive responsa, vol. 5, cons. 2\0, fol. 55 v, Rn. 4, damit begnügt, sie mit wenigen Worten anzudeuten: " ... dolo facis, quod petis &c ... " - Zur Herkunft und Bedeutung dieser Regel siehe Wacke, Dolo facit, qui petit quod (statim) redditurus est, JA 1982, S. 477 ff. - Zu dem Rückforderungsrecht des Verkäufers siehe Luig, Das Verhältnis von Kaufpreiszahlung und Eigentumsübergang nach deutschem Recht, in: Vendita e transferimento della proprieta nella prospettiva storico-comparatistica, Atti deI Congresso Internazionale PisaViareggio-Lucca 1990, S. 225 ff. und ders., Übergabe und Übereignung der verkauften Sache nach römischem und gemeinem Recht, S. 451 Ir; Scherner, S. 74 ff. 175 Luig, Das Verhältnis von Kaufpreiszahlung und Eigentumsübergang nach deutschem Recht, S. 234; ebenso Zimmermann, Kaufvertrag, S. 163 f., Note 129. 176 Ludovicus Romanus, Singularia, sing. 377, fol. 33. 177 Vergleiche oben S. 152. 178 Alexander Tartagnus, gest. 1477, war Legist und Kanonist (Weimar in: Handbuch der Quellen und Literatur I, S. 270). Zu seinen bedeutendsten Schülern gehörten Jason de Mayno und Bartholomäus Socinus, siehe Savigny, Geschichte VI, S. 316.

I. Das Zugriffsrecht auf die Kaufsache

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matur prius tradita possessio quam secundo emptori"l79. Obwohl Alexander sich im weiteren Verlauf des Textes nicht nur auf Jacobus de Arena, sondern auch auf Baldus beruft, erwähnt er das Erfordernis der Kaufpreiszahlung nicht. Wie in dem sogleich wiederzugebenden Consilium und auch später l80 noch zu zeigen sein wird, mißt Alexander der Kaufpreiszahlung dennoch große Bedeutung ftlr die Rechtsstellung des (ersten) Käufers bei. Zu Beginn eines seiner Consilien schreibt Alexander Tartagnus hingegen: ... secundus emptor est potior eo, qui habet fundatam intentionem ex titulo emptionis suae, quantumcunque posterioris attento, quod pretium soluit, & res sibi tradita fuit, nisi per priorem emptorem probaretur rem ab ipsomet uenditore sibi Wius traditam. 1. quoties. C. de rei uendica. & 1. siue autem. § si duobus. ff. de public. 81 Der zweite Käufer geht vor, weil er den Klageanspruch aus dem Kauf hat, soweit der letztere den Preis bezahlt und ihm die Sache übergeben worden ist, wenn nicht vom ersten Käufer bewiesen würde, daß ihm die Sache vom Verkäufer selbst früher übergeben worden ist, C. 3.32.15, D. 6.2.9. Von einer von den üblichen Regeln abweichenden Beweislastverteilung zugunsten des ersten Käufers, wie Alexander sie in seiner Codex-Vorlesung beftlrwortet hat, ist hier wie auch im weiteren Verlauf des Consiliums keine Rede. Vielmehr bleibt es dabei, daß der Erstkäufer als Kläger eine früher erfolgte Übergabe zu beweisen hat - wenn der Zweitkäufer seinerseits bereits gezahlt hat. Mit den Allegationen betont Alexander Tartagnus das Traditionsprinzip, geht aber (noch) nicht auf das beweisrechtliche Problem ein. Welcher der beiden Käufer die Sache zuerst erhalten hat, war in dem zu begutachtenden Fall aber durchaus schwierig zu beurteilen. Bei dem ersten Vertrag handelte es sich nämlich um einen Kaufvertrag, der zwischen zwei Miteigentümern einer Mühle geschlossen worden war, mit dem der eine dem anderen seinen Anteil an der Mühle verkaufte. Die Übergabe dieses Anteils war streitig. Alexander Tartagnus entscheidet hier aufgrund einer Kette von Vermutungen und erweist sich entgegen dem ersten Anschein dennoch als Anhänger der Lehre des Baldus: Praeterea in dubio cum venditor non recepisset pretium, & consequenter non teneretur tradere, praesumendum esset in dubio quod venditor non consenserit consocio in re commun[i] aliquid facienti, quantum est pro eo, quod concernit partem ipsius tacentis, ... 182 Im Zweifel aber, weil der Verkäufer den Kaufpreis nicht erhalten hat und er folglich nicht zur Übergabe verpflichtet war, ist bei Unklarheit zu vermuten, daß der Ver-

179

Alexander Tartagnus, In primam et secundam Codicis partem Commentaria zu

C. 6.33.1, fol. 161, Rn. 2. 180 Siehe unten S. 220 ff. 181

182

Alexander Tartagnus, Consilia, lib. 6, cons. 86, fol. 43, Rn. I f. Alexander Tartagnus, Consilia, Iib. 6, cons. 86, fol. 43 v, Rn. 7.

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3. Kapitel: Die Kommentatoren

käufer nicht zustimmte, daß sein Mitgesellschafter mit der gemeinsamen Sache etwas tue, das sich auf etwas bezieht, was ein Teil dessen, der schweigt [i.e. des Verkäufers], betrifft.

Entscheidend filr die Ablehnung des Anspruchs des Ersten ist, daß nicht dieser, wohl aber der zweite Käufer die Zahlung des Kaufpreises beweisen konnte. Diese Begründung setzt voraus, daß Alexander Tartagnus hier wie bereits in seiner Codex-Vorlesung l83 die Lehre des Baldus zugrunde legt, obwohl er diese nicht ausdrücklich erwähnt. Jason de Mayno unterstützt eine Vennutung der ersten Übergabe an den Erstkäufer, wenn dieser den Kaufpreis bezahlt hat l84 • Dabei werden die Ausfilhrungen des Baldus ohne eigene Anmerkungen referiert und lediglich der Meinungsstand wiedergegeben. Die Lehre von der Vennutung einer früheren Übergabe an den Erstkäufer kann demnach als herrschend bezeichnet werden. Trotzdem ist die Beobachtung, die man insbesondere anband des Consiliums des Alexander Tartagnus machen kann, wichtig, daß die zahlreichen Übergabesurrogate, die zur Verfilgung standen, nicht wie in Frankreich 185 dazu gefilhrt haben, schon im Abschluß eines Kaufvertrages den Vollzug einer traditio ficta zu sehen. c) Der Vorrang des Erstkäufers unter Rückgriff auf das kanonische Recht Vom Traditionsgrundsatz, das den (zweiten) Käufer, dem die Sache übergeben word~n war, begünstigte, gab es zahlreiche Ausnahmen, die häufig im Zusammenhang mit der Erörterung zu C. 3.32.15 genannt wurden. Auch hierin zeigt sich das Bestreben nach der Schaffung eines Gesamtbildes, eines "Systems". Die wichtigsten Sonderfiille betrafen das Lehnsrecht und vor allem Doppelverkäufe unter Beteiligung von Kirche oder Klerikern.

aa) Das Konsensprinzip filr res spirituales Eine Sonderstellung nahm, wie bereits die Glossatoren bemerkten, die Kirche ein, weil sie gemäß C. 1.2.23.4 unabhängig von einer traditio Eigentum er-

Vergleiche oben bei Note 179. Jason de Mayno, In primam Codicis partem Commentaria zu C.3.32.15, fol. 149v, Rn. 37 und zu C. 1.2.21, fol. 25 v, Rn. 28. 185 Vergleiche unten S. 248 fT. 183

184

I. Das Zugriffsrecht auf die Kaufsache

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warb l86 . Diesen Unterschied zwischen dem Traditionsprinzip und dem im innerkirchlichen Bereich geltenden Konsensprinzip stellt Johannes ab Imola dar: .. .in alienationibus rerum temporalium c1ericorum, vel etiam ecclesiae non videtur procedere dictum 10. An. quia ex solo titulo non transfertur dominium rerum temporalium sine traditione .1. traditionibus. C. de pac. & no. supra de consue. C. ij. salvo nisi fieret in ecclesia speciale, quod transit dominium si ne traditione .1. fin. C. de sacrosan. eccl... 187 Bei der Veräußerung von res temporales der Kleriker wie auch der Kirche gilt das von Johannes Andreae Gesagte nicht, weil das Eigentum an der Sache durch den Titel allein ohne traditio nicht übergeht, C. 2.3.20, und merke dir X 1.4.2, es sei denn, daß die Veräußerung innerhalb der Kirche erfolgt, weil dann die Besonderheit gilt, daß das Eigentum ohne traditio übergeht, C. 1.2.23.

Auf die von Johannes Andreae vertretene Ansicht soll sogleich eingegangen werden. Vorab ist anhand dieser sehr deutlichen Stelle lediglich festzuhalten, daß das Konsensprinzip generell rur alle res spirituales, die kirchlichen Zwekken dienenden Sachen l88 , galt. Das war insoweit allgemein anerkannt l89 • Den Gegenbegriffbildeten die von Johannes ab Imola erwähnten res tempora/es, die nicht unmittelbar geistlichen Charakter hatten 190. Dieses Begriffspaar ist vor

186 Vergleiche oben S. 54 f. - Diese Privilegierung der Kirche galt auch tUr das quasidominium beim Erwerb vom Nichteigentümer, siehe Baldus, In primam partem Digesti Veteris Commentaria zu 0.6.2.9.4, fol. 326. 187 Johannes ab Imola, In tertium Decretalium Commentaria zu X 3.10.2, fol. 139, Rn. 8. - So auch Alexander Tartagnus, Consilia, Iib.5, cons. 122, fol. 107v, Rn. 5-7; Panormitanus, Commentaria in tertium Decretalium librum zu X 3.10.2, fol. 63, Rn. 5; Jason de Mayno, In primam Codicis partem Commentaria zu C. 1.2.21, fol. 25 v, Rn. 29; Antonius de BuMo, Super tertio Iibro Decretalium zu X 3.10.2, fol. 69; Innocenz, In quinque libros Decretalium Commentaria zu X 3.5.17, fol. 233; Rn. 3 (zitiert unten in Note 250). 188 Die kirchlichen Zwecken dienenden Sachen wurden wiederum in verschiedene Gruppen eingeteilt (Friedberg, S. 581). Sie konnten im Gegensatz zu den römischen res sacrae generell Gegenstand von Rechtsgeschäften sein, siehe Friedberg, S. 581; Zimmermann, Kaufvertrag, S. 159 (zum römisch-holländischen Recht). 189 So von Albericus de Rosate, In primam partem Codicis Commentarij zu C. 3.32.15, fol 170 (pr.); Jacobus Butrigarius, Lectura super Codice zu C. 3.32.15, fol. 108; Antonius de BuMo, Super tertio libro Decretalium zu X 3.10.2, fol. 69; Baldus, In primum, secundum & tertium Codicis libros Commentaria zu C. 3.32.15, fol. 241 v, Rn. 3; Bartholomaeus Salicetus, In III. & 1111. Codicis libros Commentaria zu C. 3.32.15, fol. 58 v, Rn. 2; Jason de Mayno, In primam Codicis partem Commentaria zu C. 3.32.15, fol. 147v, Rn. 4; Bartholomaeus Socinus, Regulae, reg. 155, S. 262; Paulus de Castro, In primam Codicis partem Commentaria zu C. 3.32.15, fol. 160v, Rn. 2; Alexander Tartagnus, Consilia, lib. 5, cons. 122, fol. 107\ Rn. 5-7; weitere Nachweise bei Antonius Gabrielius Romanus, Communes Conclusiones, Lib. III. (Oe empt. & uendit.), Conl. 2, S. 305, Rn. 16. - Zu dieser und weiteren Privilegierungen der Kirche auf zivilrechtlichem Gebiet siehe Biondi I, S. 392 f. 190 H.-J. Becker, s.v. Temporalien, in: HRG (33. Lieferung), Sp. 144.

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3. Kapitel: Die Kommentatoren

dem Hintergrund des Investiturstreits zu sehen, nämlich dem Bemühen der Kirche, den Einfluß der Laien auf die Temporalien zu beschränken 191. Auf die umstrittene und von Johannes ab Imola hier verneinte Frage, ob das Konsensprinzip gleichermaßen rur die res temporales der Kleriker beziehungsweise der Kirche gilt, ist im Folgenden näher einzugehen.

bb) Der Streit um die res temporales Die Wurzeln dieser Diskussion liegen bei Hostiensis, der in der Glosse Robur firmum zu X 3.10.2 schreibt: Sic patet, quod quarnuis secundus primo adeptus sit corporalem possessionem, quarn is, qui primo collationem recipit, secundus remouebitur, & assignabitur illi, cui primo facta fuit collatio. sic. supra de conces. praeben. proposuit. sed contra. C. de rei vend. quoties. Dic aliud in diuersis donationibus factis a laicis. in quibus praeualet receptio. vt ibi. Aliud in ecclestisticis, vt hic ait, & bene probatur s. de elec. cum inter canonicos Saonen. & hoc distin. infra de iure pa. cum autem. Ratio diuersitatis haec est, quia ecclesia non adhibet fraudem suis contractibus infra. de dona. per tuas. nec alicui laqueum iniicit. xxvii. qo. j. viduis ij. Secus in laicis, quibus licitum est se adinuicem naturaliter decipere, ff. de min. in causae. ij. §. pen. Item quia spiritulis consensus fortior est quarn carnalis. vt patet. ff. de pac. ab emptione. & infra de spon. duorum. c. vlti. Et ideo non est mi rum, si fortius operetur supra de translat. epi. inter corporalia. & per hoc reprobatur intellectus communis. no. supra de rescrip. capitulum. 192 Es ist sicher so, obwohl der Zweite früher den körperlichen Besitz erhalten hat, als jener, der als Erster die collatio l93 erhalten hat, daß der Zweite entfernt und (die Sache) demjenigen zugewiesen wird, dem zuerst die collatio erteilt wurde, so X 3.8.4. Dagegen steht C.3.32.15. Ich sage, daß es etwas anderes ist, wenn verschiedene Schenkungen durch Laien erfolgt sind, bei denen es auf den Empfang ankommt, wie oben (e. 3.32.15). Anderes gilt in kirchlichen (Angelegenheiten), wie es hier heißt, und wie es gut belegt wird durch X 1.6.21, und dies ist verschieden von X 3.38.24. Der Grund rur diesen Unterschied ist folgender: Weil sich die Kirche bei ihren Verträgen keinen Betrug zuschulden kommen läßt, so X 3.24.5, und niemandem eine Falle stellt, so e. 27 q. I c. 42. Anders ist es bei Laien, denen es erlaubt ist, sich natürlich gegenseitig zu hintergehen, D. 4.4.16.4. Außerdem, weil der consensus spiritualis stärker ist als der consensus carnalis, wie es offensichtlich ist in D.2.14.58, X 4.4.5. Und deshalb ist es nicht erstaunlich, wenn er stärker wirkt, so X 1.7.2 und dadurch wird das allgemeinen Verständnis (von C. 3.32.15) zurückgewiesen, merke dies rur X 1.3.30.

191

H.-J. Becker, s.v. Temporalien, in: HRG (33. Lieferung), Sp. 144 f.

Hostiensis, In tertium Decretalium librum Commentaria, Glosse Robur firmum zu X 3.10.2, fol. 44 v, Rn. 1-4. 193 Collatio bezeichnete die Übertragung der Pfründe, die sich an die Benennung der Person anschloß und der noch die Besitzeinweisung folgen mußte. Dazu H.-J. Becker, s.v. Investitur, in: HRG 11, Sp. 405 f. 192

I. Das Zugriffsrecht auf die Kaufsache

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AnknUpfungspunkt für die Erörterung ist die Dekretale X 3.10.2 194, nach der die Kirche an eine durch einen Abt mit Billigung des Konvents erfolgte erste Vergabe von Pfründen gebunden bleibt. Hostiensis stellt fest, daß eine Sache ohne Rücksicht auf C. 3.32.15 bei mehrfachen Bepfründungen dem Ersten zuerkannt und gegebenfalls dem Zweiten weggenommen werden müsse. Das ergibt sich für ihn aus X 3.8.4 195 , wonach eine durch ein mandatum apostolicum verfügte Bepfründung,. die ohne die erforderliche Zustimmung des diesem päpstlichen Auftrag widerstehenden Kapitels erfolgte, gegenüber späteren Bepfründungen durch das Kapitel Bestand haben soll. Das päpstliche Besetzungsrecht an niederen Pfründen hatte seinen Ursprung in einer entsprechenden päpstlichen Bitte an das Kapitel. Seit Mitte des 12. Jahrhunderts schon wurde sie als Befehl (mandatum apostolicum) formuliert und die Ausführung durch päpstliche Exekutoren überwacht. Dieses päpstliche Provisionsrecht wurde - wie es sich auch aus der von Hostiensis angeführten Dekretale ergibt - seit Innocenz 111. auf die päpstliche plenitudo potestatis gestützt l96 • Begründet wurde die Bestandskraft der früheren Bepfründung in X 3.8.4 - ohne daß es hier der päpstlichen plenitudo potestatis bedurft hätte, die gleichwohl betont wurde - damit, daß der erste Benefizient mit einer bereits vakanten Pfründe investiert wurde und eine solche nicht lediglich in Aussicht gestellt wurde. Der Rechtserwerb vollzog sich also bereits mit der päpstlichen Verfügung. Die Wirksamkeit von "Anwartschaften" auf noch nicht vakante Pfründe - und der Handel damit - entwickelte sich erst später l97 . Die X 3.8.4 entgegenstehende Konstitution C. 3.32.15 soll nach Hostiensis nur bei Schenkungen durch Laien geIten. Im kirchlichen Bereich soll dagegen die Bindung an den ersten Rechtsakt bestehen bleiben. Aus der von Hostiensis 194 X 3.10.2: ... respondemus, quod concessio decimae ab abatissa prius facta, si conventu sciente et non contradicente facta est, robur firmum debet habere... 195 X 3.8.4: ... Licet autem intentionis nostrae non sit, investituras de vacaturis factas contra canonum instituta ratas habere, qui secundum plenitudinem potestatis de iure possumus supra ius dispensare: attendentes tarnen, quod idem presbyter non de vacatura, sed de vacante per praedecessorem nostrum fuit investitus, utpote quae post cassationem concessionis a vobis factae intelligabatur vacare, discretioni vestrae per apostolica scripta mandarnus atque praecipimus, quatenus, arnoto ab ea praebenda quolibet detentore, earn ipsi T. ornni dilatione, excusatione et appellatione postpositis, conferatis, et permittatis ab ipso pacifice possideri, ei stall um in choro et locum in capitulo cum plenitudine honoris canonici assignetis. 196 Zum päpstlichen Provisionsrecht siehe Heymann, Jus ad rem, S. 1174 ff. - Für Einzelheiten zum Rechtserwerb an und Formen von Pfründen siehe Gillmann, Zum Ursprung des ius ad rem, AKKR 113 (1933), S. 467 ff.; Landau, Jus ad rem, S. 81 ff.; Stutz, Lehen und Pfründe, in: SZGerm 20 (1899), S. 213 Note I; Pöschl, Die Entstehung des geistlichen Beneficiums, in: AKKR \06 (1926), S. 17-37; H.-J. Becker, S.V. Investitur, in: HRG 11, Sp. 406. Zum kirchlichen Benefizialwesen allgemein siehe Landau, S.V. Beneficium, in: LexMA I, Sp. 1905 f. 197 Heymann, Jus ad rem, S. 1175 f.

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3. Kapitel: Die Kommentatoren

zuletzt allegierten Dekretale X 1.3.30 198 soll sich gleichfalls die Bevorzugung des ersten Benefizienten ergeben. Der Dekretale X 1.6.21 199, wonach eine Bischofswahl so verbindlich wie ein eheliches Band sein soll, entnimmt Hostiensis den Gedanken der Verbindlichkeit vertraglicher Vereinbarungen2OO . Vertragliche Treue und christlicher Glaube waren derart miteinander verschmolzen, daß Augustinus die Vertragsfähigkeit der Häretiker, also der Anhänger einer perfidia, bezweifelt hatte 20I . Diese doppelte Sinngebung des Begriffes fides als Glaubens- und Vertragstreue stellte die Basis des kanonischen Vertragsrechts dar0 2 und beeinflußte auch das mittelalterliche Privatreche03 • Sie filhrte im Verlaufe des Mittelalters zur Verbindlichkeit aller Parteivereinbarungen204 . Die Dekretale X 3.38.24 205 betrifft den Fall mehrfacher Präsentationen, in dem nur bei Präsentation durch Kleriker der zeitlich Frühere zwingend Vorrang genießt und daher einen Anspruch auf Verleihung des Beneficiums hat. Wer dagegen bei Vorschlägen durch einen Laienpatron bevorzugt werden soll, bleibt ausdrücklich dem Ermessen des Bischofs überlassen. Dem Laienpatron wird hier demnach ein ius variandi zugestanden206, er ist also nicht an sein Versprechen gebunden. Mit der Allegation dieser Dekretalen rechtfertigt Hostiensis zum einen die Privilegierung der ersten Bepfründung mit dem Gebot der Vertragstreue gegen den Grundsatz aus C. 3.32.15 und weiterhin die unterschiedliche Behandlung von Laien und Klerikern. Eine unterschiedliche Behandlung von Laien und Klerikern in Fragen der Vertragstreue findet man nicht nur bei Hostiensis. So erkannte Baldus beispielsweise die Klagbarkeit der pacta nuda nur filr Kleriker

198 X 1.3.30: oo.mandarnusoo., qui ad eos prius mandatum apostolicum reportavit praefatas sententias iuxta formarn ecclesiae sublate appellationis obstaculo relaxetis, alteri super praebendali beneficio in eadem ecclesia silentium imponentes. 199 X 1.6.21: ut per mutuum consensum eligentium et electi quasi coniugale vinculum spiritualiter sit contractum,oo. 200 Diesen Grundsatz betont Hostiensis auch in seiner Kondemnationslehre, dazu Repgen, S. 120 f. und passim. 201 Behrends, Treu und Glauben, S. 969. 202 Helmholz, S. 50. 203 Siehe oben S. 72. 204 Nanz, S. 49, 56; vergleiche auch Repgen, S. 325 und passim, zu den mittelalterlichen Kondemnationslehren. 205 X 3.38.24: oo.quis eorum alteri praeferatur, iudicio episcopi credimus relinquendum, si laicus fuerit, cui ius competit praestandi. Verum si collegium veI ecclesiastica persona praesentationem haberet, qui prior est tempore, iure potior esse videtur. 206 Landau, Jus ad rem, S. 88 (auch zur Bedeutung der Dekretale X 3.38.24 und der Einschränkung des ius variandi für die Entwicklung eines "ius ad rem"). 00.

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und diejenigen Laien an, die der kirchlichen Gerichtsbarkeit unterworfen waren207 • Hostiensis greift - man möchte meinen: selbstverständlich - durch den Hinweis auf X 3.24.5 208 und C. 27 q. 1 c. 42 209 auf die christliche Ethik zurilck21O , indem er betont, daß die Kirche nicht betrügerisch handeln dürfe. Eine Trennung von Recht und Ethik war nach mittelalterlicher Vorstellung ohnehin nicht möglich211 • Daher ist es an und für sich bemerkenswert, bei diesem Ansatz aber· nachvollziehbar, daß das Gebot der Ehrlichkeit nicht auf die Laien ausgedehnt, sondern im Gegenteil betont wird, daß diese sich gegenseitig hintergehen dürften. Dies belegt Hostiensis mit D. 4.4.16.4 212 , wo es heißt, daß sich die Vertragspartner hinsichtlich der Höhe des Kaufpreises übervorteilen dürfen, einen Text, an dem viele mittelalterliche Theologen und Kanoniker Anstoß nahmen 2l3 • Als Freibrief für üble Handelspraktiken wurde dieses Fragment im Mittelalter daher nicht verstanden 2l4 • Auch Hostiensis will mit dem Hinweis auf diesen Text sicherlich keine generelle Erlaubnis für Betrügereien unter Laien erteilen. Vielmehr geht es ihm um die Erläuterung des kanonischen Rechts, die hier aus didaktischen Grilnden in Form eine Gegenüberstellung mit dem Zivilrecht erfolgt. Auf diese Weise dient die überspitzte Rechtfertigung ftlr Betrügereien unter Laien lediglich der Betonung der Ehrlichkeit als Maxime ftlr kirchliches Handeln. Zurilckführen läßt sich diese Erwägung letztlich auf die den rigor iuris korrigierende aequitas canonica2l5 . Schließlich ftlhrt Hostiensis neben dem ethischen noch ein rechtsdogmatisches Argument an, indem er auf eine stärkere, allerdings nicht weiter präzisierte Wirkung des Konsenses bei Klerikern hinweist. Die Zulässigkeit einer

Wolter, S. 49 f. X 3.24.5: ... Nos igitur attendentes, quod ecclesia in actibus suis fraudem non debet aliquam adhibere ... 209 Vergleiche C. 27 q. I c. 42: '" Nos autem nullum talibus laqueum inicere ... 210 Zur Bedeutung moraltheologischer Wertungsmaßstäbe siehe Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, S. 77; Wolter, S. 6 f. 211 Trusen, Spätmittelalterliche Jurisprudenz, S. 22, 28, 33; ders., Wirtschaftsethik, S. 51 f. Dies gilt in besonderem Maße rur das kanonische Recht, Bayer, S. 212 ff. 212 D. 4.4.16.4: Idem Pomponius ait in pretio emptionis et venditionis naturaliter licere contrahentibus se circumvenire. 213 Wacke, SZRom 94 (1977), S. 185 f. 214 Wacke, SZRom 94 (\ 977), S. 188. 215 Zu diesem Begriffspaar Wolter, S.45; Caron, Aequitas et interpretatio, S. 139; Fedele, S. 76. 207

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3. Kapitel: Die Kommentatoren

einvernehmlichen Vertragsauthebung im Zivilrecht, die sich aus D. 2.14.58 216 ergibt, soll die in X 1.7.2217 getroffene Feststellung bestätigen, daß der von Laien geäußerte vertragliche Willen korrigierbar und diesem daher eine relativ schwächere Wirkung beizumessen sei als dem der Kleriker. Aus der erhöhten Bestandskraft eines durch Kleriker geschlossenen Vertrages, von dessen Durchfiihrung nicht oder nur unter erschwerten Voraussetzungen Abstand genommen werden kann, ergibt sich noch keine translative Wirkung. Der Zwang zur Durchfiihrung des ersten Vertrages, der auch praktisch umgesetzt werden konnte 2l8, kommt jedoch einer Traditionswirkung gleich. Bei Geschäften unter Laien dagegen besteht dieses Zugriffsrecht auf die Sache nach Ansicht des Hostiensis ausdrücklich nicht. Das Traditionsprinzip, wie es sonst allgemein verstanden wird, wird damit der kanonischen Vertragstreue und letztlich der aequitas gegenübergestellt. Hostiensis hat oftmals versucht, mit Hilfe der aequitas die Grenzen der Interpretation der durch den Menschen geschaffenen strikten Gesetze zu überschreiten und dem Ideal einer vollkommenen göttlichen Gerechtigkeit entgegenzustreben 2l9 . Dieses Streben beruhte auf dem Gedanken, daß aequitas nichts anderes ist als christliche Barmherzigkeif20 . Die misericordia aber bedeutete die Begünstigung des wirtschaftlich Schwachen, unter Umständen auch contra legem 221 • Die Kennzeichnung des Hostiensis als "Gosianer,,222 erweist sich hier als zutreffend. Noch eindrucksvoller wäre der Beleg, wenn Hostiensis den Erstkäufer als den (vor Übergabe der Sache) formal Schwächeren auch bei Doppelverkäufen durch Kleriker schützen wollte. Da der Doppelverkauf nicht ausdrücklich erwähnt wird, ist es aber wahrscheinlich, daß Hostiensis das ius civile lediglich 216 D. 2.14.58: Ab emptione vendidione, locatione conductione ceterisque similibus obligationibus quin integris omnibus consensu eorum, qui inter se obligati sint, recedi possit, dubium non est... 217 X 1.7.2: Inter corporalia et spiritualia eam cognovimus esse differentiam, quod corporalia facilius destruuntur quam construantur, spiritualia vero faciliter construunter quam destruantur... 218 Dieser Zwang bestand darin, daß die Urteile der geistlichen Gerichte mit der Androhung der Exkommunikation rur den Fall der Weigerung, den Vertrag dem Urteil gemäß zu erfiillen, verbunden waren (Helmholz, S. 60 Note 49). 219 Caron, Aequitas et interpretatio, S. 139. 220 Elsener, Gesetz, Billigkeit und Gnade im kanonischen Recht, in: Summum ius summa iniuria, S. 185. 221 Elsener, S. 177. 222 Wohlhaupter, S.69 und Meüers, L'Equite, TRG 17 (1941), S. 130 f. - Zur Bedeutung des aequitas bei Hostiensis siehe auch Caron, Die "aequitas canonica", Concilium 13 (1977), S. 438; ders., "Aequitas" Romana, S. 75 fund ders., Aequitas et interpretatio, S. 131 ff.; Lefebvre, s.v. Equite, in: DDC V, Sp. 398. Eine Stellungnahme des Hostiensis zugunsten des Martinus Gosia gibt Fedele, S. 78, wieder.

I. Das Zugriffsrecht auf die Kaufsache

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allgemein vom Benefizialrecht abgrenzen wollte, und daß die Erörterung nicht den Doppelverkauf von Temporalien durch Kleriker betrifft. Jedoch werden seine Ausftlhrungen in der Folgezeit auch auf den Doppelverkauf bezogen und so zum Objekt der Diskussion. Johannes Andreae223 folgt der Differenzierung zwischen Geschäften von Klerikern und Laien. Dabei wird die Argumentation von Hostiensis nahezu wörtlich übernommen224, so daß sich eine Wiedergabe dieser Stelle erübrigt. Johannes Andreae wird demnach zu Recht als fleißiger Kompilator bezeichnet225 , der sich bei der Frage nach dem Inhalt und dem Stellenwert der aequitas Hostiensis zum Vorbild genommen har26 • Bei Johannes Andreae wird ebensowenig wie bei Hostiensis deutlich, ob die Ausnahme vom Traditionsprinzip auf das Benefizialrecht beschränkt sein soll, oder ob sie generell rur die Geschäfte der Kleriker mit Temporalien gelten soll. Auch Ludovicus Romanus betont die Inpflichtnahme der Kirche. Nach Darstellung des Traditionsprinzips aus C. 3.32.15 beziehungsweise Darlegung der Lehre des Hostiensis und des Johannes Andreae schreibt er: Nihilominus fallit in pio loco: vel ecclesiastica persona vendente.quoniam vendentibus illis ille preferetur, cui facta est venditio: licet alteri cui secundo erit vendita, prius sit tradita possessio. Hoc est singulare verbum Joan. Andr. & leg. & canonist. communiter incognitum in .c. continebatur. extra de his que flunt aprela. sine consensu capit. Et hoc mihi placet, & est equitate plenum duabus rationibus. Prima: quod in contractibus per se celebrandis non debet ecclesia aliqua fraude vti. extra de dona. c. per tuas. sed hoc esset fraudulentum vni prima vendere, & alteri ex postfacto tradere possessionem: igitur &c. Secunda quod & si laicis sit permissum tali modo variari, nunc vni, & nunc alteri vendendo: nihilominus prohibitum esse videtur clericis & ecclesiasticis personis: vt singulariter habetur extra de iure patro. c. cum autem vbi dicit papa, quod licet permissum sit patrona laico variare plures presentando adeo, vt vltimus, qui possessionem habet ecclesie prima presentato preferatur: nihilominus clericis hec variatio non est permissa. Quoniam prior tempore presentationis, potior est in iure. Est enim maxime in talibus personis variatio abbominabilis: vt clem. cum illusio. de renunc. 227 Nichtdestoweniger greift dies (i.e. C. 3.32.15) in pio loco, oder wenn eine kirchliche Person verkauft, nicht ein. Bei jenen Verkäufen wird der bevorzugt, dem verkauft wurde, auch wenn demjenigen, dem an zweiter Stelle verkauft wurde, zuerst der Besitz übergeben wurde. Das sind die einzigartigen Worte von Johannes Andreae, die 223 Johannes Andreae, gest. 1348, verfaßte als Laie neben den Novella zu den Dekretalen einen hervorragenden Kommentar zum liber sextus, siehe Nörr, in: Handbuch der Quellen und Literatur I, S. 367, 376. 224 Johannes Andreae, Novella super iij. iiij. et v. Decretalium zu X 3.10.2 (ohne Paginierung). 225 So von Nörr, in: Handbuch der Quellen und Literatur I, S. 380. 226 Caron, Aequitas et interpretatio, S. 135; Fedele, S. 77. 227 Ludovicus Romanus, Lectura super secunda parte Codicis zu C. 6.50.7, fol. 66 v, Rn. 29.

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bei Legisten und Kanonisten zu X 3.10.2 allgemein unbekannt sind. Und diese (Ansicht des Johannes Andreae) getallt mir und sie entspricht offensichtlich aus zwei Gründen der Billigkeit: Erstens, weil die Kirche beim Abschluß ihrer Verträge grundsätzlich keinerlei Betrug begehen darf, so X 3.24.5. Aber es wäre betrügerisch, dem einen zu verkaufen und dem anderen anschließend den Besitz zu übertragen. Zweitens, wenn es den Laien erlaubt ist, in solcher Weise ihren Entschluß zu ändern, indem sie jetzt dem einen, gleich dem anderen verkaufen, scheint es nichtsdestoweniger den Klerikern und kirchlichen Personen verboten zu sein, wie einzigartig in X 3.38.24 ausgedrückt wird, wo der Papst sagt, daß, obwohl es dem Laienpatron erlaubt sei, den Entschluß zu ändern und mehrere zu präsentieren und daß deshalb der letzte, der besitzt, vor dem der Kirche zuerst Präsentierten bevorzugt wird, nichtsdestoweniger Klerikern dieser Wechsel nicht erlaubt ist, weil derjenige, der zuerst präsentiert wird, das bessere Recht hat. Bei solchen Personen ist ein Wechsel nämlich besonders abscheulich, so Clem. 1.4.

Das Traditionsprinzip aus C. 3.32.15 soll bei einer pia causa - mit diesem Thema hat sich Ludovicus Romanus intensiv auseinandergesetzt228 - nicht zur Anwendung kommen. Zu den causae piae gehörten alle Zuwendungen an Hilfsbedürftige (miserabiles personae) oder an die Kirche beziehungsweise an kirchliche Personen zum Zwecke des Gottesdienstes229 • Die Beteiligung von Klerikern sowie das Vorliegen einer pia causa bedeuten rur Ludovicus Romanus, daß kanonisches Recht anwendbar und damit auch das geistliche Gericht zuständig ist (privilegium lori der Klerikeri 30 • Während es bei den Ausfilhrungen von Hostiensis und Johannes Andreae nicht recht deutlich wird, ob die Ausnahme von C. 3.32.15 auf das Benefizialwesen beschränkt bleiben soll, spricht Ludovicus Romanus ausdrücklich von Doppelverkäufen durch Kleriker ("ecclesiastica persona vendente"). Wie Hostiensis und Johannes Andreae betont Ludovicus Romanus die gesteigerte Pflicht der Kirche zur Ehrlichkeit. Einen weiteren wesentlichen Unterschied zwischen weltlichen Geschäften und piae causae sieht er in dem ius variandi, das Klerikern nicht zustehen soll. Sowohl der Aspekt der Ehrlichkeit als auch der der Vertragstreue und die damit verbundene Einschränkung des ius variandi werden ausdrücklich auf die aequitas zurückgefilhrt, die - wie sich hier zeigt - in bedeutendem Umfang als Korrektiv gegen den römischrechtlichen rigor iuris eingesetzt wird. Im Gegensatz zur aequitas-Lehre der Legisten, bei denen die aequitas eher als Ausnahme gehandhabt worden ist231 , konnte bei den Dekretalisten auch eine aequitas non scripta in besonders gelagerten Fällen ge-

228 Zu den bedeutendsten Schriften des Ludovicus Romanus gehört "Oe relictis ad pias causas", (Schulte, Quellen 11, S. 395). 229 Di Renzo Villata, s.v. Causae piae, in: LexMA 11, S. 1587. 230 Vergleiche zur Zuständigkeit der geistlichen Gerichte Trusen, in; Handbuch der Quellen und Literatur I, S. 483-487 und unten S. 174. 231 Fedele, S. 83. Dazu auch oben S. 152 f.

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gen den rigor iuris zum Zuge kommen232 • Die aequitas canonica konnte nämlich nicht auf den Inhalt der in heidnischer Zeit entstandenen aequitas des römischen Rechts beschränkt bleiben233 • Dennoch ist Ludovicus Romanus um eine Absicherung durch einen Gesetzestext bemüht und führt neben den bereits von Hostiensis und Johannes Andreae genannten Dekretalen noch eiern. 1.4. 234 an, worin das Ehrlichkeitsgebot und auch das Gebot der Vertragstreue dadurch besonders deutlich zum Ausdruck kommen, daß Wechselmütigkeit getadelt wird. Ludovicus Romanus befürwortet den von ihm auch auf den Doppelverkauf bezogenen Ansatz des Hostiensis und des Johannes Andreae mit im wesentlichen gleicher BegrUndung auch an anderer Stelle235 • Darüber hinaus tritt er dort auch für eine Ausdehnung dieses Grundsatzes bei Doppelverkäufen durch den Kaiser ein: Quod autem ipsae rationes per 10. And. in ecclesia assignatae & in principe locum habeant, patet, quia & princeps in terris lex est, & consequenter iustitia animata. vt in authe. de consuli. ad fin. nec fraudem seu circumventionem author esse debet... 236 Aber dieselben GrUnde, die Johannes Andreae für die Kirche genannt hat, sollen auch für den Kaiser gelten, was offensichtlich ist, weil der Kaiser in seinem Gebiet Gesetz und die Seele der Gerechtigkeit ist, so Nov. 105 am Ende, und daher nicht Urheber von Betrug und Umgehung sein darf.

Das Konsensprinzip war unumstritten für Staatsgeschäfte des Kaisers sowie für das Lehnswesen. Bei Lehen kam es wie auch bei den kirchlichen Pfründen nicht auf die Erlangung des Besitzes, sondern auf den Zeitpunkt der Investitur an 237 • Auch die anderen Kommentatoren leiteten diesen Grundsatz wie Ludovicus Romanus aus der Novelle 105 (cap. 2, § 4) ab, wonach der Kaiser le232 Caron, in: LexMA I, s.v. Aequitas canonica, Sp. 186; ders., Aequitas et interpretatio, S. 138 f.; Genzmer, Kritische Studien, SZRom 61 (1941), S. 314. 133 Elsener, S. 170; Woller, S. 45. - Zur Entwicklung des Begriffes der aequitas canonica siehe Caron, Aequitas canonica, Concilium 13 (1977), S. 437 ff.; ders., Aequitas et interpretatio, S. 131 ff.; Wingren, in: TRE VI, s.v. Billigkeit, S. 642; Hollerbach, in: Staatslexikon I, s.v. Billigkeit, Sp. 811. 234 Clem. 1.4. Quum iIIusio et variatio in personis ecclesiasticis maxime sint vitandae... 235 Ludovicus Romanus, Consilia, cons. 298 (297), fol. 147, Rn. 2. 236 Ludovicus Romanus, Consilia, cons. 298 (297), fol. 147, Rn. 3. 237 Baldus, In primum, secundum & tertium Codicis Iibros Commentaria zu C. 3.32.15, fol. 241 v, Rn. 5; Ludovicus Romanus, Consilia, cons.298 (297), fol. 147, Rn. 2; Bartholomaeus Salicelus, In III. & IIII. Codicis libros Commentaria zu C.3.32.15, fol. 58v, Rn. 3; Jason, In primam Codicis partem Commentaria zu C. 3.32.15, fol. 149, Rn. 30; so auch später noch Ferrerius, annotatio zu Papa, qu. 112, S. 128; Antonius Gabrielius Romanus, Communes Conclusiones, Lib. III. (De empt. & uendit.), Conl. 2, S.306, Rn. 33, 39 ff. (mit einer Literaturübersicht zu verschiedenen Fallgestaltungen).

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bendes Gesetz (tamquam vivam legern) ist und daher auch ohne besonderen physischen Übertragungsakt Eigentum übertragen kann 238 • Allerdings betont Ludovicus Romanus nicht die Gleichsetzung von rechtsgeschäftlichem und gesetzgeberischem Willen, sondern die mit der Rechtsstellung des Kaisers (iustitia animata) verbundene ethische Verantwortung239 • Einen ähnlichen Standpunkt vertritt Marianus Socinus in einem Consilium aus dem Jahre 1540: Quinimmo etiam Deus ipse ex sua promissione obligatur, vt inquit BaI. in I. prin. ff. de pact. Et si secus diceremus, & vellemus Principem non obligari ex contractu, ipsi Principi esset damnos um, quia sic priuaretur quodammodo hominum consortio, seu commercio, quia nullus reperiretur, qui secus contrahere vellit quod certe iIIi esset grave, & quasi poenale, arg. I. Ii qui sanctam, C. de aposta. 240 Sogar Gott selbst ist aus seinem Versprechen verpflichtet, wie Baldus zu D. 2.14.1 fragt. Und wenn wir es anders sagen würden und wollten, daß der Kaiser nicht aus dem Vertrag verpflichtet wäre, wäre das rur diesen Kaiser schädlich, weil man ihm damit die Gemeinschaft mit den Menschen und die Möglichkeit, Handel zu treiben, nehmen würde, weil sich niemand finden würde, der noch anderweitig (mit ihm) kontrahieren würde, was sicherlich schlimm rur ihn wäre und wie eine Strafe gemäß C. 1.7.3 wirkte.

Bemerkenswert ist hier, daß nicht die besondere Ptlichtenstellung des Kaisers betont wird oder eine besonders intensive Wirkung des Konsenses. Vielmehr beruht die Bindung des Kaisers an seinen zuerst geäußerten vertraglichen Willen auf einem Fürsorgegedanken. Der Kaiser soll sich nicht durch Vertragsuntreue außerhalb der menschlichen Gemeinschaft stellen können. Für die Betonung der Vertragstreue beruft sich Marianus Socinus auf Baldus, der die Ansicht geäußert haben soll, daß sogar Gott an Versprechen gebunden bleibe. Das soll erst recht filr den Kaiser gelten. Doch Baldus gibt an der genannten Stelle lediglich ohne eigenen Kommentar ein entsprechendes Zitat von Aristoteles wiede~41. Obgleich die Schriften antiker Autoren unkritisch als Wahrheit akzeptiert wurden, wird hier nicht ganz deutlich, inwieweit Baldus

Robinson / Fergus / Gordon, S. 118 f.; Gordon, S. 156 f. Auch im aktuellen Recht unterliegt die öffentlichen Hand gesteigerten Anforderungen an die Rechtsmoral, dazu BGH NJW 1981, 2184, 2186. 240 Marianus Socinus, Consilia, vol. 2, cons. 94, fol. 126v, Rn. 2. 241 Baldus de Ubaldis, In primam partem Digesti Veteris Commentaria zu D. 2.14.1, fol. 134, Rn. I: "vnde Arist. ad Alexandrum ait, 0 Alexander, obserua fidem datam, & faedera confirmata: alius malus finis sequetur: sicut ipse ponit in lib. qui vocatur, Secreta secretorum, & magister sententiarum dicit. quod etiam Deus obligaretur ex promissione ... " - Zu den häufigen Aristoteles-Zitaten in den Kommentaren des Baldus siehe Horn, Philosophie in der Jurisprudenz der Kommentatoren, Jus commune I (1967), S. 109 ff., 131 f. und passim; ders., Argurnenturn ab auctoritate in der legistischen Argumentationstheorie, S. 268. 238

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sich diese Äußerung zu eigen gemacht hat. Das konzediert auch Marianus Socinus, wenn er sagt: "inquit Baldus". Marianus Socinus bezieht sich filr seine Argumentation ferner auf C. 1.7.3. Nach dieser Konstitution sind Ketzer nicht zu verbannen, sondern von jedem Rechtsverkehr auszuschließen. Wie einem solchen Ketzer würde es nach des Socinus' Ansicht letztendlich dem Kaiser ergehen, wenn er Verträge nicht hielte. Die Argumentation läuft demnach bei (Doppel-) Verkäufen durch den Kaiser auf das Konsensprinzip hinaus. Zu diesen allgemein gehaltenen Ausruhrungen muß man aber ergänzen, daß in dem zu begutachtenden Fall von mehreren Prätendenten um Lehen, nicht aber um eine gewöhnliche Kaufsache gestritten wurde. Die Betonung der Bindung des Kaisers an den vertraglichen Willen fiillt in diesem Zusammenhang besonders leicht. Ob Marianus Socinus den Kaiser daher im Falle eines einfachen Doppelverkaufs dem Konsensprinzip unterworfen hätte, kann demnach nicht mit Sicherheit angenommen werden. Baldus, auf den sich Socinus rur seine Argumentation berufen hat, hat die Rechtslage bei Geschäften des Kaisers anders gesehen. Zwar heißt es zunächst: Hoc verum regulariter fallit in principe, si intendit transferre ius in re ex ipso priuilegio, quod ex verbis ipsius priuilegij liquere potest secundum Andream de Isernia. 242 Dieses (i.e. C. 3.32.15) gilt aber regelmäßig nicht im Falle des Kaisers, wenn er beabsichtigt, ein dingliches Recht aufgrund seines Privilegs zu übertragen, was sich offensichtlich nach Andreas de Isernia aus dem Privileg selbst ergibt. Baldus betont hier das Konsensprinzip bei Rechtsgeschäften des Kaisers und beruft sich rur diese Ausnahme von C. 3.32.15 auf Andreas de Isernia. Doch schränkt Baldus diesen Grundsatz bald ein: ... cum principe contrahatur & in tali contractu seruandum est ius commune: vt vi delicet post fidelitatem princeps sit obligatus ad tradendum, & ante traditionem non acquiritur dominium & possessio, unde I. omnes .&. I. bene a Zenone. C. de quad. praescr. debent intelligi interueniente traditione. 243 Wenn mit dem Kaiser ein Vertrag geschlossen wird, ist für einen solchen Vertrag das ius commune zu beachten, so daß der Kaiser in der Tat aufgrund der (Vertrags-) Treue zur Übergabe verpflichtet ist und vor der Übergabe Eigentum und Besitz nicht erworben werden. Denn C. 7.37.2 und 3 müssen so verstanden werden, daß eine Übergabe erfolgt ist. Für die privaten Geschäfte des Kaisers soll danach das Traditionsprinzip zur Anwendung kommen und der Kaiser dem Erfiillungszwang unterliegen. Der Umstand, daß Baldus hier nicht von bestimmten Verträgen spricht, läßt darauf schließen, daß rur den Kaiser aufgrund der fidelitas ein Erfiillungszwang unab-

242 243

Baldus de Ubaldis, In usus feudorum Commentaria zu L.F. 2.7.1, fol. 34v, Rn. 2. Baldus de Ubaldis, a.a.O., Rn. 3.

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3. Kapitel: Die Kommentatoren

hängig von der Art des geschlossenen Vertrages gelten soll. Die von Baldus erwähnten Konstitutionen sollen diesem Gedanken nicht entgegenstehen. Dort heißt es zwar, daß gegen alle, die vom Kaiser gekauft haben, dingliche Klagen nur innerhalb einer Frist von vier Jahren erhoben werden können. Doch soll dies nach Baldus so zu verstehen sein, daß die besagten Käufer das dingliche Recht nicht allein durch den Titel, sondern daß sie auch den Besitz an der Sache erhalten haben. Wenn Baldus auch darlegt, daß C. 7.37.2 und 3 dem Traditionsprinzip bei privaten Geschäften des Kaisers nicht entgegenstehen, fehlt die positive Begründung filr die Anwendung des Traditionsprinzips auf den Kaiser. Er scheint von einem Subsidiaritätsprinzip auszugehen, dergestalt, daß die Regeln des ius commune filr den Kaiser gelten, sofern keine Sonderregeln eingreifen. An anderer Stelle fUhrt Baldus die Bindung des Kaisers an das ius commune im wesentlichen auf die aequitas zurück244 • Der Differenzierung zwischen den privaten Geschäften des Kaisers, fUr die mit dem ius commune das Traditionsprinzip gilt, und dem Staats- beziehungsweise Lehnsrecht, in dem das Konsensprinzip zur Anwendung kommt, folgen Jason de Mayno ("quia Iicet verum sit quod princeps per uiam priuilegij possit transferre dominium sine tradLtamen super aliqua re contrahat...non videtur quod magis transferat dominium sine tradi. quam priuatus ..."i4s sowie Petrus Paulus Parisius ("Et dispositio d.l. quoties procedit etiam in principe contrahente, ex cuius contractu non transit dominium absq. traditione, ... ,,)246 und kann wohl als die herrschende Lehre bezeichnet werden 247 • Auf Einzelheiten soll hier nicht weiter eingegangen werden, da weniger der Doppelverkauf, sondern vielmehr eine staatsrechtliche Problematik, die Frage nach einem "Sonderprivatrecht" filr den Fürsten, im Vordergrund steht. Festzuhalten bleibt, daß die überwiegende Zahl der Kommentatoren das Traditionsprinzip auch fUr die privaten Geschäfte des Kaisers befilrwortete. Doch nun zurück zum kanonischen Recht. Antonius de Butrio möchte der den ersten Käufer (ohne Übergabe) begünstigenden Lehre nicht folgen und schreibt: Respondit Inno. & notabiliter valde differentiam esse inter contractus laicorum ex una parte & contractus c1ericorum ex alia parte: quare primo casu attenditur prioritas 244 Baldus de Ubaldis, Commentaria in sexturn Cod. lib. zu C. 6.23.3, fol. 64 v : "Aut quo ad solennitatem, & idem, vt in auth. de non alic. §. finimus. aut quo ad aequitatem, quae in contractibus requiritur, & tunc vtitur iure communi. & obligatur de iure genti-

um .. ,"

245 Jason de Mayno, In primam Codicis partem Commentaria zu C. 3.32.15, fol. 148, Rn. 10. In diesem Sinne auch Jason de Mayno, a.a.O., fol 147 v, Rn. 5. 246 Petrus Paulus Parisius (1473-1545), Consilia, vol. I, cons. 11, fol. 26 v, Rn. 16 (mit weiteren Nachweisen). 247 Vergleiche auch die Angaben bei Antonius Gabrielius Romanus, Communes Conclusiones, Lib. 111. (De empt. & uendit.), Conl. 2, S. 307, Rn. 39-46.

I. Das Zugriffsrecht auf die Kaufsache

169

traditionis non contractus ut in contrario: ita in effectu dicit. Secundo casu semper attenditur prioritas contractus & concessionis: & prefertur secundo habenti concessionem et traditionem. Ratio differentie est quia laicis est licitum ali qualiter inter se decipere .1. in cause .§. in precio .ff. de mino. sed non sic in clericis: quare ecclesia nemini parat laqueum .xxvij. q. i. de viduis. Item quia tales varietates sunt clericis prohibite. infra de iure pa. qu. autem & in C. patoralis: sed laicis sint permisse ut ibi. Item quia fortior est consensus spiritualis quam carnalis & ideo fortius operatur .de transla. prela. C. ij. No. bene hoc dictum pro limitatione .1. quotiens: prealle. & similium: quia ille leges omnes essent correcte in contractibus clericorum: dum loquuntur de rei vendicatione: vel publiciana danda primo vel secundo contrahenti. sed hoc dictum sic late intellectum mihi non placet quia lex non est corrigenda ex opi. docto. cum non reperiatur expresse correcta. de elec. cum expediat lib. vj. unde restringo hoc a concessionem iurium spiritualium: quia in istis transfertur ius nuda voluntate: sine traditione infra de preben. si ti bi absenti in vj. de rescrip. gratia. e. li. & no. per Compo. de consti. cum omnes. unde in istis potior est primus: quia plenum ius habet. Sed in alienationibus rerum temporalium clericorum non puto hoc verum: quia non transfertur dominium temporalium sine traditione iuxta infra de privi. pastoralis: & supra de consue. c. ij. salvo nisi fieret in ecclesiam alienatio ut .1. fi. de C. de sac. san. eccl. & no. in d. c. ij. & hoc tenendo: quia quod d. 1. fi. locum habeat quando ab ecclesia in ecclesiam fit alienatio: sed ibi loqui videatur quando a privato in ecclesiam fit: puta ubi ex concessione transfertur ius in re ... 248 Innocenz antwortet, es bestehe bekanntlich ein Unterschied zwischen Verträgen der Laien auf der einen Seite und Verträgen der Kleriker auf der anderen Seite. Denn im ersten Fall gilt die Priorität der Übergabe, nicht aber im Gegenteil die des Vertrages. So sagt man es in der Tat. Im zweiten Fall gilt immer die Priorität des Vertrages oder der Bewilligung (concessio) und (der Erste) wird dem zweiten Inhaber, der die concessio und Übergabe hat, vorgezogen. Der Grund rur die Unterscheidung ist, daß Laien sich gegenseitig hintergehen dürfen, D. 4.4.16.4. So aber nicht die Kleriker, weil die Kirche niemandem eine Schlinge legen darf, C. 27 q. 1 c. 42. Außerdem, weil solcher Wankelmut den Klerikern verboten ist, X 3.38.24 und X 3.38.29. Aber den Laien ist dies erlaubt, wie oben. Außerdem ist der Konsens in geistlichen Dingen stärker als der Konsens in weltlichen Angelegenheiten und wirkt deshalb stärker, X 4.4.5. Merke gut, was hier zur Einschränkung der zuvor genannten Konstitution C. 3.32.15 und ähnlicher (Vorschriften) gesagt wird, weil jene Gesetze alle rur Verträge der Kleriker richtig sind, wenn man von der rei vindicatio oder der actin Publiciana spricht und diese dem ersten oder zweiten Vertragschließenden gewährt. Aber so weit verstanden gefällt mir das Gesagte nicht, weil das Gesetz durch die Ansicht der Gelehrten nicht berichtigt werden kann, wenn eine ausdrückliche Korrektur nicht gefunden wird, so VI 1.6.29. So beschränke ich dies auf die concessio iurium spiritualium. Denn hier wird das Recht allein durch den Willen übertragen, ohne Übergabe, VI 3.4.17, X 1.3.7. Und merke Bemardus Compostellanus zu X 1.2.6, wo der Erste bevorzugt wird, weil er das volle Recht hat. Aber ich glaube nicht, daß das bei der Veräußerung von Temporalien der Kleriker richtig ist, weil das Eigentum an Temporalien ohne Übergabe nicht übertragen wird, so X 5.33.19 und X 1.4.2, ausgenommen es wäre eine Veräußerung an die Kirche, wie in C. 1.2.23 und dem besagten canon 2 (X 1.4.2). Und das ist festzuhalten, weil die letzte Vorschrift gilt, wenn eine Kirche der anderen Kirche veräußert. Aber dort scheint man davon zu

248

Antonius de Butrio, Super tertio libro Decretalium zu X 3.10.2, fol. 69.

170

3. Kapitel: Die Kommentatoren

sprechen, daß ein Privater an die Kirche (veräußert), daß etwa das dingliche Recht wie bei einer concessio übertragen würde.

AusfiihrIich gibt Antonius de Butrio die von Hostiensis, Johannes Andreae und Ludovicus Romanus vorgetragene Argumentation wieder. Soweit die Priorität jedoch grundsätzlich auf alle Geschäfte der Kleriker ausgedehnt und damit dem Ersten die rei vindicatio gegen den besitzenden Zweitkäufer gewährt werden soll, lehnt er diese Lehre ab. Er ist nämlich der Ansicht, daß hier eine Gesetzeskorrektur, die gemäß VI 1.6.29249 zu vermeiden ist, nicht möglich sei, weil es nicht auf die Meinungen von Gelehrten, sondern auf den Gesetzestext ankomme. Zu diesem Ergebnis gelangt Antonius de Butrio, weil er unter Berufung auf Innoceni50 streng zwischen (inner-) kirchlichen Angelegenheiten und Geschäften der Laien beziehungsweise Geschäfte betreffend die res temporales der Kleriker unterscheidet. Zu den (inner-)kirchlichen Angelegenheiten zählt Antonius de Butrio nur die Veräußerungsgeschäfte, die auf dem ius spiritualis beruhen und fiir die daher das Konsensprinzip gilt. Das betriffi: auch Bepfründungen, wie es der Hinweis auf die concessio in dem letzten der oben zitierten Sätze ergibt. Das Konsensprinzip bei Bepfründungen, zu dem sich anscheinend auch Bernardus Compostellanus geäußert hat, soll sich unter anderem aus VI 3.4.17251 ergeben. Dem stellt Antonius de Butrio die Veräußerung von res temporales entgegen, bei denen die Rechte an der Sache nicht ohne besonderen Übertragungsakt verloren werden. Abgrenzungskriterien werden nicht genannt. Antonius beruft sich auf X 5.33.19252 , wo es heißt, daß eine Besitzeinweisung in das Eigentum des Bistums nicht ohne Zustimmrnung des Bischofs erfolgen kann, woraus Antonius de Butrio schließt, daß es zur Eigentumsübertragung grundsätzlich einer traditio bedarf. Weiterhin beruft sich Antonius de Butrio auf X 1.4.2, eine Vorschrift, die in etwa C. 1.2.23 entspricht. Danach kann die Kirche bei Zuwendungen von Todes wegen wie bei der Veräußerungen von Kirche zu Kirche Eigentum erwerben, weil nur ausnahmsweise schon die Schenkung als Besitz-

249 VI 1.6.29: Quum expediat concordare iura iuribus, et eorum correctiones, si sustineri valeant, evitari... 2501nnocenz, In quinque Iibros Decretalium Commentaria zu X 3.5.17, fol. 233, Rn. 3: "Item dici speciale esse in beneficiis & spiritualibus, ut a quocunque peti possunt facta permutatione, & maxime authoritate Papae. Posset etiarn dici, quod ... statim ius habent in iuribus permutatis permutantes, secus est in rebus corporalibus permutatis". 251 Nach VI 3.4. I 7 soll dann, wenn der Konsens über eine Bepfründung einmal hergestellt ist, eine anderweitige Bepfründung nicht mehr möglich sein. VI 3.4.17 lautet: ... Antequarn tarnen ipsum contulerit, tuum poteris, non obstante, quod lapsus sit terminus, praestare consensum, et extunc de ipso non poterit aliter ordinari. 252 X 5.33.19: ... suo episcopo inconsulto in possessionem ipsarum eis non est licitum introire ...

I. Das Zugriffsrecht auf die Kaufsache

171

einweisung angesehen wird253 • Diese Vorschriften läßt Antonius de Butrio als die einzigen Ausnahmen vom Traditionsprinzip bei Veräußerung von res temporales gelten. Die gesteigerte Verbindlichkeit von Verträgen erkennt Antonius de Butrio nur im innerkirchlichen Bereich, in dem seit jeher das Konsensprinzip gilt, und tUr Bepfründungen an. Bei anderen res temporales betreffenden Geschäften bleibt es hingegen beim Traditionsprinzip. Die aequitas kommt mithin gegen den rigor scriptus nicht zum Zuge. Das entspricht der strengen Grundhaltung des Antonius de Butrio, der wegen eines Gegengutachtens gegen Baldus von diesem angeblich als "humana bestia" bezeichnet worden war54 . Johannes ab Imola stellt zunächst den Unterschied zwischen der Vergabe von Pfründen und einer Eigentumsübertragung, wie sie in C. 3.32.15 vorausgesetzt wird, dar und gibt die Lehre des Hostiensis und Johannes Andreae wieder, die er auf alle Geschäfte der Kleriker bezieht255 • Sodann geht er auf den Widerspruch von Seiten des Antonius de Butrio ein und ergänzt ihn folgendermaßen: secundum eum .1. non est corrigenda ex opinione alicuius doctoris, cum non reperiatur expresse correcta per id, quod habetur in c. cum expediat. de electio. in vj. Sed certe huic rationi posset responderi. quod hic non agitur de correctione, sed restrictione & Iimitatione, quod facilius fieri potest, ut voluit Bar. in I. si constante. in ix. q. primae partis .ff. sol. ma... Et quod d. I. quoties. habeat locum in rebus c1ericorum videtur etiarn tenere domi. Pe. & hanc opinionem etiarn puto verarn, tene tarnen menti dictum 10. An. & Host. quia eorum auctoritas non est modica in practica, & praecipue in foro ecclesiastico. Nec. ob. his quod dixi circa dictam I. quoties, inqu. tarnen tenuit iIIarn habere locum etiarn in c1ericis si dicatur quod constitutio legalis non habet comprehendere c1ericum, vel ecclesiam per id, quod habetur c. eccl. sanctae Mariae. de const. & xcvj. di. c. bn. quidem. quia iIIa iura procedunt in statutis inferiorum a Principe secus in I. imperiali coi. quia iIIa valet etiarn quo ad ecclesias. & c1ericos dummodo non concernat darnnum ecclesiarum, vel c1ericorum per id quod habetur not. x dist. c. j. & iJ. I. infra. de ope. no. nunc. c. j. & notavit 10. An. post Host. in c. fi. infra de solu ... 56 Nach (dem Bericht von Antonius de Butrio) kann diese Vorschrift (i.e. C.3.32.15) durch die Ansichten von Gelehrten nicht korrigiert werden, weil sie nicht als Berichtigung verstanden werden gemäß dem, was sich aus VI 1.6.29 ergibt. Aber sicherlich kann man mit der Begründung antworten, daß es sich hier nicht um eine Korrektur handelt, sondern um eine Beschränkung und Begrenzung, die leichter erfolgen kann, wie es Bartolus zu D. 24.3.24.1 meint... [es folgt die Wiedergabe der Lehre des 253 X 1.4.2: ... mandarnus, quatenus donationes eorum, quae sub obtentu consuetudinis c1austris, ecclesiis vel quibuslibet locis religiosis pie ac provide conferuntur vel etiarn sunt collocata, faciatis irrevocabiliter observari, quum huiusmodi signum, quod scotatio dicitur, non tarn factae donationis, quarn traditae possessionis sit evidens argumentum ... 254 Schulte, Quellen 11, S. 292. 255 JDhannes ab Im DIa, In tertium Decretalium Commentaria zu X 3.10.2, fol. 139,

Rn. 8.

256lbidem.

172

3. Kapitel: Die Kommentatoren

Antonius de Butrio] Und daß C. 3.32.15 rur Angelegenheiten der Kleriker gelten soll, scheint auch Petrus de Ancharan0 257 zu vertreten und auch ich halte es für wahr. Jedoch halte das von Johannes Andreae und Hostiensis Gesagte im Gedächtnis, denn ihre Autorität ist in der Praxis nicht unbedeutend, besonders vor dem geistlichen Gericht. Dem, was ich oben gesagt habe zu besagter Konstitution C. 3.32.15, steht nicht entgegen, daß jene dennoch auch bei Klerikern Anwendung findet, obwohl gesagt wird, daß eine weltliche Konstitution nicht rur Kleriker oder die Kirche gilt nach dem, wie man X 1.2. \0 und Dist. 96 c. I versteht. Denn jene Rechte gelten für niedere Statuten eines Fürsten, nicht aber rur eine allgemeine kaiserliche Konstitution, weil jene auch rur die Kirche und die Kleriker gilt, vorausgesetzt, dies geht nicht einher mit einem Schaden für die Kirche oder Kleriker, so wie man Dist. 10 c. I und 2 versteht, und was Johannes Andreae nach Hostiensis zu X 3.23.4 bemerkte.

Nach Johannes ab Imola ist hier nicht das Verbot, Gesetze durch Lehrmeinungen zu berichtigen, betroffen. Vielmehr soll es sich lediglich um eine zulässige restriktive Auslegung von C. 3.32.15 handeln, wenn man im kirchlichen Bereich teilweise das Konsensprinzip gelten läßt. Es erfolgt also eine methodische Abgrenzung zwischen restriktiver oder extensiver Auslegung sowie Analogie und Gesetzeskorrektur. Extensive Auslegung und Analogie wurden von den Kommentatoren nicht unterschieden 258 • Die aequitas canonica diente beiden Zwecken 259 • Während Auslegung beziehungsweise Analogie als zulässig betrachtet wurden, war eine Abänderung der Gesetze durch Gelehrtenansichten, die nicht durch andere Texte gestützt werden, nach Johannes ab Imola - wie schon nach Antonius de Butri0260 - nicht möglich 261 • Johannes ab Imola beruft sich auf Bartolus, der an der genannten Stelle262 darlegt, daß mehrere leges einander nicht derogieren, sofern sie nur unterschiedliche Fälle betreffen. Johannes ab Imola will damit sagen, daß es sich bei der Bevorzugung des Ersten nach kanonischem Recht nur dann nicht um eine unzulässige Gesetzeskorrektur handelt, wenn ein anderer als der in C. 3.32.15

257 Petrus de Ancharano, gest. 1416, Legist und Kanonist, war Autor eines Kommentars zum Liber extra und Lehrer des Antonius de Butrio (Nörr, in: Handbuch der Quellen und Literatur I, S. 381, und Schulte, Quellen 11, S. 289). 258 Horn, Aequitas, S.30 (zu Baldus); Van de Kamp, S.242. Zu den politischen Zwecken, denen diese Auslegungstechniken letztlich auch dienten, siehe Sbriccoli, Archives de Philosophie du Droit 17 (1972), S. 106 ff. 259 Fedele, S. 76. - Zu den Grundsätzen der analogen Gesetzesanwendung bei den Kommentatoren siehe auch Wesenberg / Wesener, S. 31 f. 260 Siehe oben S.171. 26\ Auch Baldus versuchte, die extensio legis und die correctio legis voneinander abzugrenzen, (Horn, Aequitas, S. 30 f.). 262 Bartolus, Commentaria zu D. 24.3.24.1, fol. 14v, Rn. I: " ... Mihi autem videtur, quod circa hoc sunt tria iura, s. ius fforum, & hoc prouidet mulieri plene. lus Codicis, & hoc prouidet plenius. Et ius Authenticorum & hoc prouidet plenissime & nullum alteri derogat, immo diuersis casib. loquuntur".

I. Das Zugriffsrecht auf die Kaufsache

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genannte Fall betroffen ist. Das ist gegeben, wenn eine andere, spezielle Vorschrift, die den vorliegenden Fall genauer trifft, durch Auslegung erweitert und der Anwendungsbereich von C. 3.32.15 dadurch entsprechend eingeengt wird. Eine Anwendung kanonischer Vorschriften hält Johannes ab Imola jedoch allenfalls bei solchen Geschäften rur zulässig, die ausschließlich im innerkirchlichen Bereich abgewickelt werden. Bei Laienbeteiligung dagegen soll die Privilegierung des Erstkäufers keine zulässige (analoge) Anwendung kanonischer Vorschriften, sondern eine Korrektur von C. 3.32.15 darstellen, da dieser Fall bereits von der Konstitution geregelt ist. Dies deckt sich mit der in dieser Zeit rur das weltliche Recht herrschenden Lehre, wonach eine analoge Anwendung von Statuten oder Gewohnheitsrecht contra legem scriptam nicht als zulässig erachtet wurde263 • Nachdem Johannes ab Imola die Lehre des Antonius de Butrio referiert und ihr zugestimmt hat, erfolgt noch eine die Praxisnähe des Johannes ab Imola offenbarende Warnung an seine Schüler, daß man die (angeblich) von Hostiensis und Johannes Andreae vertretene Ansicht nicht als unbedeutend abtun dürfe, weil die Genannten vor den geistlichen Gerichten großen Einfluß hätten. Offensichtlich setzte sich die Praxis über alle Auslegungslehren hinweg264 • Am Ende kehrt Johannes ab Imola noch einmal zu dem - höchst praktischen Rechtsquellenproblem265 zurück. Jetzt geht es allerdings nicht um die Frage, ob kirchliches Recht weltliches beschränken dürfe, sondern umgekehrt darum, ob und inwieweit weltliche Vorschriften rur Kleriker oder Kirche gelten. In X 1.2.10 nämlich wird die Unabhängigkeit der Kirche und der Kleriker von weltlicher Autorität behauptee66 • Unter dem Begriff des ius utrumque wurde kirchliches und weltliches Recht als eine Einheit angesehen 267 , so daß insbesondere unter den Kommentatoren eine zunehmende gegenseitige Beeinflussung beider Rechtsgebiete zu beob-

Engelmann, Wiedergeburt, S. 160 f; Schlosser, S. 35. Zum Problem der Ausweitung der Grenzen der Auslegung Luig, Macht und Ohnmacht der Methode, NJW 1992, S. 2536 ff. (auf das 20. Jahrhundert bezogen; zugleich Besprechung von Rüthers, Die unbegrenzte Auslegung - Zum Wandel der Privatrechtsordnung im Nationalsozialismus). - Zu der weitgehende Interpretationen zulassenden mittelalterlichen Auslegungslehre siehe Sbriccoli, Archives de Philosophie du Droit 17 (1972), S. 105 ff. 265 Das betont Schlosser, S. 34 f 266 X 1.2.10: ... Nos attendentes, quod laicis etiam religiosis, super ecclesiis et personis ecclesiasticis nulla sit attributa facultas, quos obsequendi manet necessitas, non auctoritas imperandi, ... - Dist. 96 c. 1 § 4: ... quia non Iicuit laicis statuendi in ecclesia preter Romanum Papam habere aliquam potestatem ... 267 Wolter, S. 23 f.; Calasso I, S. 470; Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, S.79. 263

264

174

3. Kapitel: Die Kommentatoren

achten ise68 • Während eine allgemein anerkannte Subsidiaritätsregel das eine Recht dort Anwendung finden ließ, wo das andere keine klare Aussage machte269, wurde rur den Fall einander widersprechender Regelungen 270 von den Kommentatoren die dualistische Bereichslehre entwickelt, wonach in terris ecclesiae zunächst grundsätzlich das kanonische, in terris imperii dagegen das römische Recht vorzuziehen war, es sei denn, daß die Anwendung des römischen Rechts zu einer Sünde ftlhrte 271 • Außerdem konnten Laien im Fall eines Defekts der weltlichen Gerichtsbarkeit geistliche Gerichte in rein zivilen Angelegenheiten anrufen 272 • In einzelnen Fragen wurde aber durchaus einmal von dieser Bereichslehre abgewichen 273 • Johannes ab Imola vertritt den Standpunkt, daß lediglich die Statuten der einzelnen Staaten keinerlei Geltung gegenüber der Kirche hätten. Die kaiserlichen Gesetze dagegen sollen auch rur Kirche und Kleriker gelten. Gemeint ist hier die (subsidiäre) Geltung des römischen Rechts inforo ecclesiastico, die hier in Betracht kommt, weil das kanonische Recht keine ausdrückliche, von C.3.32.15 abweichende Sonderregelung rur Verkäufe von res temporales kennt. Die hier außerdem vorausgesetzte Zuständigkeit geistlicher Gerichte bei Klerikerbeteiligung, das sogenannte privilegium fori 274, ist - im Gegensatz zu anderen Zuständigkeiten, die die Kirche rur sich in Anspruch genommen hae 75 Wolter, S. 29; Trusen, Wirtschaftsethik, S. 51 f. Wolter, s. 30; Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, S. 79; Coing, Europäisches Privatrecht I, S. \04; Trusen, in: Handbuch der Quellen und Literatur I, S. 487. 270 Im Bereich der Leistungsstörungen herrschte zwischen dem Zivilrecht und dem kanonischen Recht nach den Beobachtungen von H. Dilcher, Leistungsstörungen, S. 287, weitgehende Übereinstimmung. Das kanonische Recht war allerdings von einer Überlagerung des römischen Obligationenrechts mit christlichen Moralvorstellungen geprägt (Boyer, S.2\3). Zur Geltung römischen Rechts innerhalb des kanonischen (Vertrags-)Rechts siehe auch Helmholz, S. 52; Munier, S. 943, 954. 271 Zur terra-Lehre des Bartolus siehe Lange, Die Rechtsquellenlehre in den Consilien Paul de Castros, in: Aktuelle Fragen aus modernem Recht und Rechtsgeschichte, S.428; Calasso I, S.488; Van de Kamp, S.225 f.; Wolter, S. 37 ff., insbesondere S. 43 ff. 272 Wolter, S. 30 Note 108; Nörr, in: Handbuch der Quellen und Literatur I, S. 485, 487; Caron, Les Iimites entre le pouvoir civil et le pouvoir eccle~iastique dans I'interpretation medievale de I'epitre gelasienne (c. \0 D. XCVI), in: Etudes de civilisation medievale, S. 115. - Zur strengen Trennung der Gerichtsbarkeiten siehe auch Munier, S.954. 273 Ein Beispiel nennt Repgen, S. 299. 274 Zu dessen Entstehung Biondi I, S. 374 ff. 275 Die Zuständigkeit der kirchlichen Gerichtsbarkeit dehnte sich ständig weiter aus vgl. Munier, S. 954; Calasso I, S. 486; Kirn, Der mittelalterliche Staat und das geistliche Gericht, SZKan 46 (1926), S. 164-174; Robinson / Fergus / Gordon, S. 144; Trusen, in: Handbuch der Quellen und Literatur I, S.488; Helmholz, S. 51 f. - Der Anknüpfungspunkt rur die sich ausdehnende Zuständigkeit der kirchlichen Gerichtsbarkeit im (zivilen) Vertragsrecht und damit die große Bedeutung des kanonischen Rechts rur 268 269

I. Das Zugriffsrecht auf die Kaufsache

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seit alters her anerkannt gewesen 276 und muß daher von Johannes ab Imola nicht mehr angesprochen werden. Die Abgrenzung der Zuständigkeiten der weltlichen und der geistlichen Gerichtsbarkeit war im übrigen weniger eine juristische, sondern vielmehr eine politische Frage277 • Das deutet sich auch in den folgenden Ausfiihrungen an. Voraussetzung filr die Geltung der kaiserlichen Gesetze soll es sein, daß diese nicht zum Schaden der Kirche beziehungsweise der Kleriker filhrt. Hier wird man vor allem an den Fall denken dürfen, daß die Kirche beziehungsweise Kleriker als Erstkäufer Gefahr laufen, wegen C. 3.32.15 leer auszugehen, nicht dagegen an den einst von Ludovicus Romanus gemeinten entgegengesetzten Fall eines Doppelverkaufs durch Kleriker, der unter Abweichung von den zivilrechtlichen Regeln filr den Doppelverkauf mit dem Hinweis auf die christliche Ethik von vornherein nicht möglich sein sollte. Die Abweichung von den zivilrechtlichen Regeln, mit der ursprünglich das Anliegen verfolgt wurde, das Handeln der Kirche verstärkt den Handlungsmaximen der christlichen Ethik zu unterstellen, hat anscheinend nunmehr - außer bei rein innerkirchlichen Geschäften und Bepfründungen - lediglich die Funktion, die Interessen der Kirche und der Kleriker zu schützen. Diese Privilegierung anstelle einer Inpflichtnahme wird von Johannes ab Imola mit Vorschriften begründet, aus denen sich unmittelbar lediglich die Unabhängigkeit der Kirche und Kleriker vom kaiserlichen Recht bei innerkirchlichen Streitigkeiten ergibt278 , die aber darüber hinaus - wie Johannes ab Imola bemerkt - Johannes Andreae zur Rechtfertigung der Regel dienten, daß vorteilhafte Gesetze grundsätzlich, nachteilige aber ebenso grundsätzlich nicht übernommen werden 279 • Diese filr das/orum ecc/esiasticum geltenden Regeln scheinen von den Kanonisten allgemein gebilligt worden zu sein 280 •

das Zivilrecht waren vor allem die eidlich bekräftigten Versprechen, die durch kirchliche Sanktionen abgesichert wurden (Landau, in: TRE IX, S.v. Eid, S.382, 388). Die Verdrängung der kirchlichen Gerichtsbarkeit im Vertragsrecht war erst eine Konsequenz des vom Staat in Anspruch genommenen Zwangsmonopols (Landau, a.a.O.). 276 Robinson / Fergus / Gordon, S. 144; Kirn, SZKan 46 (1926), S. 163 ff.; Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, S. 76; Nörr, in: Handbuch der Quellen und Literatur I, S. 483 f., 492. 277 Calasso I, S.490; Kirn, SZKan 46 (1926), S. 174; Wolter, S.28 f.; Nörr, in: Handbuch der Quellen und Literatur I, S. 488 ff. 278 Die canones beinhalten das für den Kaiser und andere Laien geltende Verbot, sich dem kanonischen Recht widersprechende Befugnisse anzumaßen, Dist. 10, c. I: Lege Imperatorum non in omnibus ecclesiasticis controuersiis utendum est, presertim cum inueniantur euangelicae ac canonicae sanctioni aliquotiens obuiare ... Ecce quemadmodum imperali iudicio non possunt eccelsiastica iura dissolui. - Dist. 10, c. 2: Non Iicet imperatori, vel cuiquam pietatem custodienti aliquid contra diuina mandata presumere, nec quicquam, quod euangelicis, propheticis aut apostolicis regulis obuiet, agere. 279 Johannes Andreae, Novella super iij. iiij. et v. Decretalium zu X 3.23.4 (ohne Paginierung) unter Berufung auf Hostiensis: " ... Leges principum ecclesijs vel c1ericis damnose reprobantur: favorabiles admittuntur super quo due dantur regule. Prima lex

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3. Kapitel: Die Kommentatoren

Das Traditionsprinzip und C.3.32.15 gelten demnach auch filr Verkäufe durch Kleriker, so daß der Zweitkäufer, dem tradiert worden ist, bevorzugt ist. Das Konsensprinzip findet bei Verkäufen innerhalb der Kirche, sowie (wahrscheinlich) bei Verkäufen an Kleriker und im Benefizialwesen Anwendung. Die Geltung der kaiserlichen Konstitution in dem von Johannes ab Imola beschriebenen Rahmen unterstreicht auch Alexander Tartagnus 281 , der dieser Argumentation nichts Neues hinzuzufilgen hat. Panormitanus gibt die Lehre von Johannes Andreae beziehungsweise Hostiensis282 , die auch er so versteht, als sei sie auf die Verkäufe von res temporales durch Kleriker bezogen, ausfilhrlich wieder 83 und nimmt sodann folgendermaßen Stellung: Sed hoc dictum videtur multum singulare, si esset uerum. Sed non placet communiter modernioribus, quia dispositio iIIius legis non reperitur correcta per aliquem canonem, ideo non debet corrigi per gl. mag. Sed posset saluari iIIud dictum in concessione rerum spiritualium: Narn in iIIis ex so la concessione transfertur ius in re, & est text. no. in c. si ti bi absenti, de praeb. li. 6. & facit c. fin. de spons. duo. & quod dixi post Inn. in c. inter cetera, de praeb. Posset etiarn saluari, cum eccl. vendiderit ecclesiae, ut so la concessione sit translaturn dominium in ecclesiarn, arg. in l. fi. C. de sacros. eccl. & sic non proderit secunda concessio cum translatione. lila tarnen lex non loquitur, quando ecclesia contraxit cum ecclesia... 284 Aber das hier Gesagte scheint einzigartig zu sein, wenn es wahr wäre. Aber dem wird allgemein von den Moderneren nicht zugestimmt, weil die Bestimmung diese Gesetzes (i.e. C. 3.32.15) von keinem Kanon korrigiert wird und deshalb gemäß der großen Glosse nicht korrigiert werden darf. Aber das Gesagte kann gerettet werden bei Vergabe von res spirituales. Denn bei ihnen geht das ius in re allein durch den Veräußerungsvertrag über, siehe den bemerkenswerten Text in VI 3.4.17 und das macht auch X 4.4.5 und das sage (auch) ich nach Innocenz zu X 3.5.17. Man könnte auch daran denken, das aufrecht zu erhalten, wenn eine Kirche einer anderen verkauft hat,

imperialis favens ecclesijs semper est recipienda nisi per sedem apostolicam reprobetur. Secunda lex imperialis ecclesie contraria vel ipsarn impugnans nunquarn est admittendarn nisi per sedem apostolicarn approbetur. Colliguntur hoc ex lectis & no. x. di. c. j. & ij. & per totum xxxvij. di. si quid. & c. se. de privile. c. ij. de no. ope. num. c. j ... " 280 Siehe Lange, Rechtsquellenlehre, S. 428, 432, 436 zu Paulus de Castro. Lange, a.a.O., S. 436, führt auch einen Fall an, in dem sich die Kirche in einer ausschließlich weltlichen Frage auf eigene (dort rein zufällig günstige) Grundsätze berief, ohne daß die römisch-rechtlichen Regeln diese speziell benachteiligt hätten. 281 Alexander Tartagnus, Consilia, Iib. 5, cons. 122, fol. l07v, Rn. 5-7. 282 Vergleiche oben S. 158 ff. 283 Die Breite der Darstellungen bei Panormitanus wird von Schulte, Quellen II, S. 3 12, getadelt. 284 Panormitanus (Nicolaus de Tudeschis. Abbas Siculus, gest. 1445), Commentaria in tertium Decretalium Iibrum zu X 3.10.2, fol. 63, Rn. 5. - Bei diesem Werk handelt es sich um den wohl einflußreichsten Dekretalenkommentar, dazu Robinson / Fergus / Gordon, S. 136; Nörr, in: Handbuch der Quellen und Literatur I, S. 381; Schulte, Quellen 11, S. 312; Wohlhaupter, S. 71.

I. Das Zugriffsrecht auf die Kaufsache

177

daß das Eigentum allein durch den Veräußerungsvertrag auf die (andere) Kirche übergeht gemäß C. 1.2.23, und daher würde die zweite Veräußerung mit Übergabe nicht gelten. Aber jene lex (i.e. C. 3.32.15) spricht nicht davon, daß eine Kirche mit einer anderen einen Vertrag abschließt...

Die - angeblich - von Johannes Andreae vertretene Ansicht wird in bezug auf den Doppelverkauf von einer Gegenmeinung, die Panonnitanus die "Moderneren" nennt, und die anscheinend im Laufe der Zeit in zunehmendem Maße Zustimmung hat, abgelehnt. Danach bestehen keine WidersprUche, da C. 3.32.15 und die canones jeweils unterschiedliche Fälle betreffen sollen. Dies wird weder näher ausgefilhrt, noch werden Antonius de Butrio oder Johannes ab Imola erwähnt. Der Hinweis darauf, daß die communis opinio unter den jüngeren Rechtslehrern den Ansatz von Hostiensis und Johannes Andreae - dessen Ausruhrungen als auf den gewöhnlichen Doppelverkaufbezogen verstanden werden - mißbilligen, scheint Panonnitanus filr den überzeugendsten Grund rur eine Ablehnung zu halten. Die Kanonisten betonten im Gegensatz zu den Legisten bereits seit dem 13. Jahrhundert die Maßgeblichkeit der communis opinio, von der nur abgewichen werden durfte, wenn diese evident falsch oder durch rationes probabiles zu widerlegen war 85 • Bei der Berufung auf die communis opinio handelt es sich um ein Argument in sich mit starker konservativer Wirkung286 , das aber andererseits als nicht textgebundenes Argument freie Lösungen ennöglichte287 • Die Bedeutung der opiniones beruhte auf der elementaren Argumentationshypothese der Juristen, daß jedes Argument mit dem Anspruch auftritt, aus dem Gesetz und nicht etwa dagegen entwickelt zu sein 288 • Wie Antonius de Butrio und Johannes ab Imola läßt Panonnitanus das Konsensprinzip in einem Teilbereich gelten, denn nur die Veräußerung von res spirituales (dazu gehören Bepfründungen) beziehungsweise Verkäufe unter Kirchen stellen einen Ausnahmefall zu C. 3.32.15 dar, weil hier das ius in re bereits mit dem Vertragsschluß übergeht.

285 Robinson / Fergus / Gordon, S. 114; Genzmer, Kritische Studien, SZRom 61 (1941), S. 326. - Diese Entwicklung erfolgte bei den Legisten lediglich etwas später, vergleiche Dolezalek, s.v. Postglossatoren, in: HRG III, Sp. 1843. Zum loeus ex auctoritate und zum Wechsel der Autoritäten siehe außerdem Otte, S. 210 f.; Horn, Argumentum ab Auctoritate in der legistischen Argumentationstheorie, S. 270 ff.; Wesen berg / Wesener, S. 34. 286 Sbrieeoli, Archives de Philosophie du Droit 17 (1972), S. 109. Der Kritik durch Savigny, daß dadurch alle Originalität verloren gegangen sei, widerspricht Dolezalek, s.v. Herrschende Lehre, in: HRG 11, Sp. 114 f. (dort auch zu der Kritik durch Savigny). 287 Vergleiche unten S. 199 ff. 288 So Horn, Argumentum ab Auctoritate in der legistischen Argumentationstheorie, S.272. 12 Sell.·Geusen

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3. Kapitel: Die Kommentatoren

Die Differenzierung zwischen Laien und Klerikern soll sich auch aus den Erörterungen von Autoritäten aus Legistik und Kanonistik ergeben, worur Panormitanus Innoceni89 und die "große Glosse" nennt. Letzeres dürfte sich kaum auf die (vermeintlichen) Korrekturvorschläge zu C. 3.32.15 in den Glossierungen von Hostiensis oder Johannes Andreae beziehen. Gemeint sein dürfte vielmehr die Glosse des Accursius, die wegen ihrer überragenden Bedeutung Glossa Magna genannt wurde 290 . In der Glosse articulis zu C. 1.2.21 291 harmonisiert Accursius die Konstitution C. 1.2.21, welche den Verkauf von res spirituales verbietet und deren Herausgabe durch den Käufer anordnet, mit D. 6.1.23.1. In dieser Digestenstelle heißt es, daß diese Sachen lediglich nicht im Wege der actio in rem herausverlangt werden können. Accursius unterscheidet zwischen Klerikern, denen diese Klage zustehen soll, und Laien:"".Solut. quod ibi dixit, rem sacram rei vendicat. peti non posse, verum est a priuato & laico: sed ab ecclesiasticis potest,,292. Wichtig ist es augenscheinlich rur Pamormitanus, bei dem die communis opinio eine entscheidende Rolle spielt, daß selbst die "große Glosse", die im kanonischen Recht nur rur Fragen des weltlichen Rechts beachtet wurde 293 , zwischen Klerikern und Laien unterscheidet. Im Gegensatz zu Hostiensis, Johannes Andreae und insbesondere Ludovicus Romanus betont Panormitanus (wie bereits Antonius de Butrio und Johannes ab Imola) nicht die (größere) Verbindlichkeit des ersten Vertrages unter dem Gesichtspunkt der Vertragstreue. Vielmehr vermeidet er eine wertorientierte Argumentation, indem er für einen Teilbereich das Konsensprinzip gelten läßt, das rur Bepfründungen allgemein anerkannt ist und sich rur Veräußerungen an Kirchen schon aus C. 1.2.23 ergibt. Dies entspricht seiner Zurückhaltung gegenüber der aequitas, von der nach seiner Meinung keine Rede sein kann, wenn man vom Gesetz abweicht294 . Für Doppelverkäufe von res temporales durch Kleriker soll es gemäß C. 3.32.15 beim Traditionsprinzip und damit bei der Privi legierung des besitzenden (Zweit-) Käufers bleiben. Auch Jason de Mayno schließt sich den "Modemen" an: ... si venderent unarn rem duob. dato, quod prius traderent secundo, tarnen praeferret primus emptor, quia ecclesia in suis contractibus non arnat istum rigorem. 1ta determinat Host. & 10. An. in c. continebat per iIIum tex. de his quae fi. a praela. si ne consen. capi. quod dictum sequitur, & summe exclarnat Lu. Ro. in rep. auc. similiter C. ad I. fal. in 12. specialiter quod habet pia causa inter contractus, vbi dicit, quod istud dictum est singulare, & communiter incognitum Legistis, & Ca. & quod putat

289 Vergleiche oben Note 250. 290 Zur Bedeutung der Glosse Schrage, Utrumque ius, S. 43.

291 Accursius, Codicis DN. 1ustiniani repetitae praelectionis Libri Duodecim, Glosse articulis zu C. 1.2.21, Sp. 60. 292 1bidem. 293 Lange, Glossatoren, S. 385. 294 Vergleiche Wohlhaupter, S. 71.

I. Das Zugriffsrecht auf die Kaufsache

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verum, & aequum duab. rationib. ibidem per eum assignatis. istud dictum non est verum, nec tenendum. iIIud reprobant omnes Canonistes, d. Ant. de But. Pe. de Anch. late Imo in d. c. continebat. & ibidem Pan. vna viua ratione, quia cum regula sit d. I. quoties & d. § si duob. & ab ista regula non sit tex. qui excipiat eccIesiasticas personas, certe debet seruari etiarn in foro canonico inter eccIesiasticas pso ... saluat tarnen Pan. dictum Host. & 10. And. in duobus casib ... 295 ... wenn (die Kleriker) eine Sache zweimal verkaufen, angenommen, daß sie dem Zweiten zuerst übergeben hätten, dann würde dennoch der erste Käufer vorgezogen, weil die Kirche in ihren Handlungen diese Strenge nicht schätzt. So entscheidet Hostiensis und Johannes Andreae zu dem Text X 3.10.2. Aus dem Gesagten folgert und behauptet arn extremsten Ludovicus Romanus in einer größeren reportatio zu C. 9.22.11, daß eine pia causa in dem Vertrag vorhanden sei. Dort sagt er, das Gesagte sei einzigartig und gemeinhin unbekannt bei Legisten und Kanonisten, und er glaubt, daß es wahr und gerecht sei aus zwei Gründen, die dort von ihm angegeben werden. Diese Aussage ist weder richtig noch haltbar. Alle Kanonisten mißbilligen sie, von Antonius de Butrio, Petrus de Ancharano bis Imola zu X 3.10.2 und dort auch Panormitanus mit der guten Begründung, daß C. 3.32.15 die Regel sei, und daß es keinen von dieser Regel abweichenden Text gebe, der die Kleriker ausschließt. Sicherlich muß (C. 3.32.15) auch im forum canonicum unter Klerikern beachtet werden, ... Panormitanus folgt jedoch dem von Hostlensis und Johannes Andreae Gesagten in zwei Fällen ...

Jason de Mayno ruhrt das Konsensprinzip auf die Ablehnung des Fonnalismus durch die Kirche zurück. Der Fonnalismus wurde im Mittelalter - wie auch hier - mit dem Begriff rigor iuris der aequitas canonica gegenübergestellr96 • Für die Lehre von der Ausdehnung des Konsensprinzips auf alle Geschäfte der Kleriker werden gleichennaßen Hostiensis, Johannes Andreae und Ludovicus Romanus angeruhrt. Das von Ludovicus Romanus behauptete Vorliegen einer pia causa bereits dann, wenn ein Kleriker beteiligt ist, wie auch dessen gesamte Lehre hält Jason rur unzulässige aequitas non scripta. Anstelle genauerer Ausfilhrungen beruft er sich wie schon Pamonnitanus auf die communis opinio bei Legisten und Kanonisten. Man erkennt daran die überragende Bedeutung, die die communis opinio im 15. Jahrhundert auch bei den Legisten erlangt har97 • Die Breite der Darstellung298 und der Umstand, daß Jason weniger mit dem Gesetzestext, sondern vielmehr mit den zu einer Stelle geäußerten Meinungen arbeitet, entspricht der typischen Arbeitsweise seit der Mitte des 15. Jahrhun-

295

Jason de Mayno, In primarn Codicis partem Commentaria zu C. 1.2.21, fol. 25 v,

Rn. 29.

296 Fedele, S. 74 f. - Zur Ablehnung des Formalismus im kanonischen Recht siehe auch Helmholz, S. 50; Wolter, S. 7; Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, S. 77. 297 Ein weiteres Beispiel dafür gibt Repgen, S. 327 und passim. Dazu siehe auch unten S. 212 sowie 199 ff. 298 Die Tendenz zu einer breiten Bearbeitung, die während der Kommentatorenzeit zunahm, erklärt sich aus der Furcht, etwas Wichtiges auszulassen (Robinson / Fergus / Gordon, S. 109).

ISO

3. Kapitel: Die Kommentatoren

derts 299 • Jason de Mayno gilt als der repräsentativste Vertreter der Rechtswissenschaft dieser Zeieoo . Auch an anderer Stelle301 erläutert Jason de Mayno das Verhältnis von ius canonicum und ius civile bei Doppelverkäufen durch Kleriker. Für Doppelverkäufe von res tempora/es durch Kleriker soll das ius civi/e gelten. Dabei handelt es sich exakt um den Ansatz, der bereits bei Johannes ab Imola zu finden iseo2 • Diese Erörterung soll daher an dieser Stelle nicht wiedergegeben werden. Herausgehoben sei nur, daß auch Jason de Mayno dort meint, daß die Anwendung des römischen Rechts nicht zu einem Schaden tUr die Kirche filhren dürfe. Zusätzliche Erläuterungen gibt Jason nicht. Gleichsam den Schlußpunkt unter diese Debatte setzt Petrus Paulus Parisius. Nach Darstellung der das Konsensprinzip auf alle Geschäfte der Kleriker ausdehnenden Ansicht stellt er unter Bezugnahme auf Jason de Mayno fest: Tarnen Cano. communiter in d. c. continebatur reprobant hoc dictum, & concIudunt, dipositionem dictae I. quoties locum habere etiarn in personis eccIesiast. ut diffuse persequitur las ... 303 Dennoch mißbilligen die Kanonisten das bei X 3.10.2 Gesagte und schließen daraus, daß die Anordnung der besagten Konstitution C. 3.32.15 auch für kirchliche Personen gilt, wie es Jason ausführlich darstellt...

Mit der in dieser Epoche nunmehr endgültig allein bestimmenden herrschenden Meinung unter den Rechtslehrern wird somit die Ausdehnung kanonischer Prinzipien zum Schutz des ersten Käufers, dem die Sache nicht übergeben worden ist, abgelehnt. Man kann demnach zusammenfassend festhalten, daß die Hostiensis und Johannes Andreae mißverstehende Lehre des Ludovicus Romanus, nach der nicht nur bei Bepfründungen, sondern auch bei Doppelverkäufen von res temporales wie auch bei den Verkäufen durch den Kaiser der erste Käufer zu bevorzugen sei, keine Anhänger gefunden hat. Da Hostiensis von seinen mittelalterlichen Kollegen so verstanden wurde, daß er eine solche Ausdehnung des Konsensprinzips betUrwortet hat, kann man die Beobachtung304 bestätigen, daß Hostiensis tUr seine - hier nur vermeintlich von ihm stammende - weitgehende aequitasLehre wenig Gefolgschaft fand. Der ethische Aspekt spielte bei der Diskussion durch die Gegner dieser Lehre keine Rolle. Im Vordergrund stand dagegen die

Vergleiche dazu Engelmann, Wiedergeburt, S. 239. Piano Mortari, s.v. Commentatori, in: EncicIopedia deI diritto VII, S. 799. 301 Jason de Mayno, In primarn Codicis partem Commentaria zu C.3.32.15, fol. 14S v, Rn. 21. 302 Vergleiche oben S. 171. 303 Petrus Paulus Parisius, Consilia, vol. I, cons. 11, fol. 26 v, Rn. 20. 304 Elsener, S. ISS. 299

300

I. Das Zugriffsrecht auf die Kaufsache

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Rechtsquellenlehre. Anzahl und Umfang der Kommentierungen zu dieser Frage belegen die Bedeutung, die dieser Frage beigemessen wurde. Nach später einhelliger Meinung waren Verkäufe von res temporales dem römischen Recht zu unterwerfen, wenn dies keinen Schaden rur die Kirche mit sich brachte. Im Widerstreit der Prinzipien - kanonische Vertragstreue contra Traditionsprinzip gewann letzteres bei res temporales, soweit es nicht um den Vorteil der Kirche, um das Benefizialwesen oder um Verkäufe ging, rur die die Geltung des Konsensprinzips ohnehin schon gesetzlich angeordnet zu sein schien (C. 1.2.23)305.

d) Zur Bedeutung der bona fides Bereits die Glossatoren stellten bei ihren Erörterungen rur die Abgrenzung zwischen rechtmäßigen und unrechtmäßigen Doppelverkäufen auf die bona fides ab, wobei es nach der Glosse zu C. 3.32.15 sogar auf die bonafides aller Beteiligten ankommen sollte. Hier ist nun zu prüfen, wie dieser Ansatz von den Kommentatoren weiterentwickelt wurde und ob die Diskussion im kanonischen Recht um den Schutz des (ersten) Käufers, dem die Sache noch nicht übergeben worden ist, Auswirkungen gehabt hat.

aa) Die bona fides des Verkäufers Für die Kommentatoren stellt sich im Anschluß an die Glosse die Frage, wann ein Verkäufer redlich doppelt verkaufen kann. Albericus de Rosate schreibt: In gl. 2. ibi secundum quosdam, & die, quod ideo carebat dolo, quia ignorabat ius, & credebat posse Iieite duobus distrahere. Vel. die. quod hoc verbum iure ad emptorem refertur, qui bona tide emebat, non a venditorem. Od. 306 In der Glosse 2 [zu C.3.32.15] bei [den Worten] secundum quosdam sage, daß der dolus deshalb fehlte, weil (der Verkäufer) das Recht nicht kannte und glaubte, er könne erlaubterweise zweimal verkaufen. Oder sage, daß sich das Wort iure auf den Käufer bezieht, der in gutem Glauben kaufte, nicht aber auf den Verkäufer. Odofredus.

Albericus de Rosate kombiniert die accursische Glosse mit einer Überlegung des Odofredus. Auch er glaubt - wie Accursius -, daß bei dem zweiten Verkauf gemäß C. 3.32.15 kein dolus im Spiel sein dürfe. Dies präzisiert er mit Hilfe 305 Ein Beispiel für die Zurückhaltung bei der Anwendung kanonisch-rechtlicher Prinzipien auf zivile Verbindlichkeiten beschreibt Repgen, S. 314; allgemein Lange, Glossatoren, S. 99. 306 Albericus de Rosate, In primam Codicis partem Commentarij zu C. 3.32.15, fol. 170, Rn. I.

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3. Kapitel: Die Kommentatoren

von Odofredus, der geäußert hatte, daß nur ein Verkäufer, der sich über die Rechtmäßigkeit eines zweiten Verkaufs in einem Irrtum befmdet, bona fide verkaufen könne. Im übrigen will Albericus wie bereits Odofredus rur einen "iure" erfolgten Doppelverkauf auf die Redlichkeit des Zweitkäufers abstellen. Zu einer Berufung auf einen Rechtsirrtum des Verkäufers schreibt Jacobus Butrigarius: Sol. vt glo. ex qua collige argumentum, quod si quis vendens rem suam duobus dicat se errore iuris fecisse putans se posse vendere cognato suo, Iicet primo alij vendiderit, quod non erat in crimen falsi, sed hoc est verum, si probet se credidisse, nam praesumitur non ignorare ius. 307 Die Lösung wie in der Glosse (zu C. 3.32.15), der die (folgende) Argumentation zu entnehmen ist: Wenn jemand, der seine Sache zweimal verkauft, sagt, daß er im Rechtsirrtum gewesen sei, weil er glaubte, daß er einem Verwandten verkaufen könne, obgleich er zuerst einem anderen verkauft hat, und daß das kein crimen falsi darstelle, ist dieses (nur) wahr, wenn er beweist, daß er es geglaubt hat, denn es wird nicht vermutet, daß er das Recht nicht kennt.

Auch nach Jacobus Butrigarius soll ein Rechtsirrtum dolus und crimen falsi entfallen lassen 308 • Aus dieser Erörterung ergibt sich aber, daß eine Berufung auf einen Rechtsirrtum in der Praxis wohl wenig erfolgreich gewesen ist, da die Vermutung gegen einen Rechtsirrtum streitet. Daß der Irrende daher den Rechtsirrtum zu beweisen hat, scheint die überwiegende Meinung unter den Kommentatoren gewesen zu sein309 • Dieser Beweis dürfte nicht allzu oft gelungen sein. Im Gegenteil, von der These ausgehend, daß jeder insolvente Schuldner ein Betrüger sei, glaubte man in der mittelalterlichen Legistik unschwer auf dessen Arglist schließen zu können 3lO • Dieser Gedanke galt wohl nicht nur rur den von Gerhardt untersuchten Bereich der Gläubigeranfechtung, sondern entsprechend sicherlich auch rur den doppelt Verkaufenden. Daß insbesondere Rechtsgeschäften mit Verwandten nicht nur bei Insolvenz des Schuldners mit besonderem Mißtrauen begegnet wurde3ll , zeigt deren Erwähnung hier im Zusammenhang mit dem Doppelverkauf. Mit dem Lösungsansatz des Accursius, der bona fides bei allen Beteiligten rur einen iure erfolgten Doppelverkauf voraussetzt, dürfte man in der überwiegenden Zahl der Fälle zu dem Ergebnis kommen, daß der Verkauf nicht rechtens war. Die Folgen rur ein etwaiges Zugriffsrecht des Erstkäufers auf die Sache werden von Jacobus Butrigarius nicht erläutert.

307 Jacobus Butrigarius, In primam et secundam Veteris Digesti partem (Tomus secundus) zu D. 20.5.1, fol. 291, Rn. 2. 308 Das ist schon seit den Glossatoren unbestritten, vergleiche oben S. 77 ff. 309 Enge/mann, Irrtum, S. 290 f. 310 Gerhardt, S. 77. 311 Zu dieser Haltung Gerhardt, S. 77 f.

I. Das Zugriffsrecht auf die Kaufsache

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Diesem Interpretationsvorschlag des Accursius wird jedoch anscheinend keine besondere Bedeutung beigemessen. Die Unbrauchbarkeit des dolus des Verkäufers als Abgrenzungskriterium im Hinblick auf das Merkmal "iure" hebt Salicetus deutlich hervor: 312 licet glo. I. dicat iure, id est bona fide, & sine dolo. non tarnen bene dicit, quia bon. fid. non interuenit, cum scienter duobus insolidum uendit. Praeterea, & si ex parte uenditoris dolus interuenit, non potest ipse dolum suum allegare inuito aduersario. ut supra de transactio. !. transactione, finita. 313 Obwohl die Glosse 1 sagt: "iure, id est bona fide, & sine dolo", sagt sie es nicht gut, weil bona fides dann nicht vorliegt, wenn man wissentlich zweimal zu gleichem Recht verkauft. Weiterhin, auch wenn von Seiten des Verkäufers dolus vorliegt, kann er sich selbst auf seinen dolus nicht gegen seinen Gegner berufen, wie in C. 2.4.30.

Salicetus bestreitet, daß es rur die Abgrenzung rechtmäßiger von unrechtmäßigen Doppelverkäufen auf die bona fides aller Beteiligten ankomme, da ein Verkäufer nicht unwissentlich doppelt verkaufen könne. Eine solche Sichtweise muß also in der Praxis ohne Relevanz sein. Außerdem ist Salicetus der Ansicht, daß der dolus des Verkäufers sich ohnehin nicht nachteilig tUr den Zweitkäufer auswirken dürfe, was er mit C. 2.4.30314 belegt. Aus dieser Konstitution ergibt sich, daß jemand, der sich bei einem Vergleich einen noch schwerwiegenderen dolus zuschulden kommen ließ als sein Gegner, nicht die Aufhebung des Vergleichs beantragen darf, da er sich auf diese Weise letztlich nur selbst bezichtigen würde. Salicetus folgert daraus, daß der dolus des Verkäufers nicht zu Lasten des Zweitkäufers gehen dürfe, da es die Wirksamkeit des Geschäfts erst recht dann nicht beeinträchtigen soll, wenn im Gegensatz zu dem Fall aus C. 2.4.30 nicht beide Parteien, sondern nur einer der Vertragsschließenden unredlich gehandelt hat. Da der dolus des Verkäufers keinen Einfluß auf die Wirksamkeit des Geschäfts hat, kann ein gutgläubiger Zweitkäufer seine Rechtsposition nicht an den Erstkäufer verlieren. Das paßt zu der unter den Kommentatoren herrschenden Lehre, daß die Stratbarkeit des Verkäufers keinen Einfluß auf die Rechtsstellung des Zweitkäufers hat3l5 • Der Fall eines Verkaufs an einen bösgläubigen Zweitkäufer wird hier nicht erwähnt, sondern von Salicetus an anderer Stelle besprochen316 •

312 Für die Bemerkungen des Salicetus zu der in der Glosse iure zu C. 3.32.15 des Accursius vorgeschlagenen anderen Interpretationsvariante siehe oben S. 131 ff. 313 Bartholomaeus Salicetus, In III. & UII. Codicis libros Commentaria zu C. 3.32.15, fo!. 58, Rn. 2. 314 C. 2.4.30: Transactione finita, cum ex partibus tuis magis dolum intercessisse quarn eorum, contra quos preces fundis, confitearis, instaurare grave nec non criminosum tibi est. 315 Vergleiche oben S. 127 ff. 316 Vergleiche unten S. 193 ff.

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3. Kapitel: Die Kommentatoren

bb) Die bona fides des Zweitkäufers und die Folgen kollusiven Zusammenwirkens von Verkäufer und Zweitkäufer Als entscheidendes Beurteilungskriterium erweist sich die bona fides des Zweitkäufers, denn daß sich ein bösgläubiger Zweitkäufer nicht gegen den Erstkäufer auf die durch den Vertrag erworbenen Rechte soll berufen können, klingt in vielen der oben angefiihrten Kommentierungen an. Auf welchem Wege der Erstkäufer in diesem Ausnahmefall - wenn überhaupt - die Kaufsache erlangt, wird jedoch nicht dargestellt. Einen solchen Weg beschreibt erst Baldus, der den Doppelverkauf aus einem völlig neuen Blickwinkel betrachtet, indem er diesen an den Anfang seiner Erörterungen über das Anfechtungsrecht wegen Gläubigerbenachteiligung stellt: Mirabiles conclusiones videntur inferri in hanc materia. vendidisti mihi rem aliquarn & antequarn tradas, vendidisti, & tradidisti earn Titio, in fraudem mearn. narn in rei vindicatione, & publicana potior est Titius, tarnen si fraudem participauit, reuocabo. Si autem fuit sibi donata, reuocatur etiarn si fraudem non participauit...Et nota, quod ista actio datur in subsidium, quando est debitum quantitati~, secus si debetur species alienata: cum hac distinctione intellige, quod non requiritur excussio: quia quod debetur, est ipsa species alienata... 317 Erstaunlich erscheinen die Ergebnisse, die diese Materie mit sich bringt. Du verkaufst mir irgendeine Sache, und bevor du sie übergibst, hast du sie dem Titius verkauft und übergeben, um mich zu betrügen. Denn hinsichtlich der rei vindicatio und der (actio) publiciana ist Titius besser gesteHt. Wenn er jedoch an dem Betrug teilgenommen hat, werde ich anfechten. Wenn ihm aber (die Sache) geschenkt worden ist, kann ich anfechten, auch wenn er nicht an dem Betrug teilgenommen hat... und merke, daß diese actio nur hilfsweise gewährt wird, wenn es sich um eine Gattungsschuld handelt. Anders ist es, wenn eine veräußerte Speziessache geschuldet wird: Dann verstehe die Angelegenheit mit dieser distinctio so, daß eine VoHstreckung nicht erforderlich ist, weil das, was geschuldet wird, genau die geschuldete Einzelsache ist...

Entgegen D. 18.4.21 und insbesondere gegen C. 3.32.15 spricht Baldus dem Erstkäufer gegen den die Sache besitzenden Zweitkäufer, gegen den er weder mit der rei vindicatio (mangels Eigentums) noch mit der actio Publiciana (mangels Besitzes) vorgehen kann, ein Recht auf Anfechtung des zweiten Verkaufs in zwei AusnahmefiiIIen zu. Grundsätzlich aber soll der Zweitkäufer nicht weniger schützenswert sein als der Erstkäufer und seine Rechtsposition nicht schon dann verlieren, wenn der Verkäufer beim zweiten Verkauf seine ihm noch zustehende Rechtsmacht mißbrauchte. Der Traditionsgrundsatz bleibt unangetastet. Vielmehr muß erst ein Umstand hinzukommen, der die nach der Übertragung des Eigentums an der Kaufsache bestehende Vermögenslage untragbar erscheinen läßt, so daß sie in diesem Sonderfall der Korrektur durch eine revocatio bedarf. Diese besonderen Umstände sind insbesondere das kollusi317 Ba/dus, In vij. viij. ix. x. & xj. Codicis Iibros Commentaria zu C. 7.75 (rubr.), fol. 146v Rn. 1-2.

I. Das Zugriffsrecht auf die Kaufsache

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ve Zusammenwirken von Verkäufer und Zweitkäufer in der Absicht, das Forderungsrecht des Erstkäufers zu beeinträchtigen (in fraudem participavit) sowie die Unentgeltlichkeit des zweiten Geschäfts, die wohl gleichfalls das Vorliegen einer Unlauterkeit nahe legen soll. Bartolus und Baldus haben rur den Bereich der Schein- und Umgehungsgeschäfte Präsumtionsregeln aufgestellt, mit deren Hilfe vom Vorliegen gewisser objektiver Gesichtspunkte auf den subjektiven Tatbestand geschlossen wurde 3l8 . Im vorliegenden Fall jedoch hat der Schluß von Unentgeltlichkeit auf /raus in C.7.75.5 319 schon eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage. Böser Glaube soll entsprechend dem Grundsatz mala fides (superveniens) nocet, der Kehrseite des Prinzips der bona fides als ethische Grundlage eines jeden Vertrages 320, schaden, denn die Schwäche der Forderungsrechte, der Mangel an Publizitäe 21 , besteht bei Kenntnis des Dritten von dem Forderungsrecht nicht. Der in der aktuellen Diskussion sogenannte "Schutz des Forderungsrechts gegen Dritteingriffe", die Überwindung des Relativitätsgrundsatzes, erfolgt bei Baldus durch eine auf eine actio in factum praetoria gestützte revocatio. Die Bedeutung der ac/io revocatoria322 soll wegen der damaligen sozialen und ökonomischen Verhältnisse in den italienischen Kommunen groß gewesen sein323 • Bei den ac/iones in factum des antiken Rechts handelte es sich um prätorische Neuschöpfungen, bei denen die Formel in Anpassung an den individuellen Sachverhalt aus freier Hand gestaltet wurde, wenn sich das Begehren des Klägers nicht unter eine ediktale Formel bringen ließ324 • Die ac/io revocatoria in factum richtete sich gegen den Zuwendungsempfanger, der die Benachteili-

318 Coing, Simulatio und fraus in der Lehre des Bartolus und Baldus, in: Festschrift für Paul Koschaker, S. 415-418. - Im Gegensatz zu einem Handeln in fraudem alterius filhrte ein Handeln in fraudem legern grundsätzlich nicht nur zur Anfechtbarkeit, sondern zur Nichtigkeit des Geschäfts (Coing, a.a.O., S. 410). Einer revocatio bedurfte es dann nicht (Piano Morari, L'azione revocatoria, S. 207). 319 C. 7.75.5: ... per actionem in factum contra emptorem, qui sciens fraudem comparavit, et eum, qui ex lucrativo titulo possidet... .. 320 Zu dieser Umkehrung des bona-fides-Gedankens siehe Biondi 11, S. 75. 321 Koziol, S. 174 f., 181, und Dulckeit, S. 43, 48 ff., unter Bezugnahme auf das moderne Recht. 322 Die actio revocatoria wird im Anschluß an D. 22.1.38.4 auch als actio Pauliana bezeichnet, vergleiche Kaser, Das Römische Privatrecht 11, § 202 III 2 Note 27; Wacke, Zur Geschichte und Dogmatik der Gläubigeranfechtung, ZZP 83 (1970), S.420; Gerhardt, S. 53, 59; Honsell / Mayer-Maly / Seih, S. 376 Note 4 und Piano Morari, L'azione revocatoria, S. 17. 323 Piano Mortari, L'azione revocatoria, S. 3-17. 324 Kaser, Zivilprozeßrecht, § 32 III 2, § 47 11 4; Hausmaninger / Seih, S. 477; Honseil / Mayer-Maly / Seih, S. 218 Note 6.

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3. Kapitel: Die Kommentatoren

gungsabsicht kannte 325 oder gutgläubig war, aber unentgeltlich erworben hatte 326 • Diese Kriterien werden auch von Baldus genannt. Das factum, das den Klagegrund rur diese actio in factum darstellt, ist im ersten Fall der dolus des Zweitkäufers327 • An anderer Stelle erklärt Baldus den der revocatio zugrundeliegenden Gedanken, daß nämlich den guten Sitten widersprechende Geschäfte grundsätzlich aufzuheben seien: " ... dolus dedit causa huic contractui. Et quod malo more gestum est, debet rescind[i],,328. Weitere Voraussetzung rur eine solche actio nach antikem Recht war die Zahlungsunfiihigkeit des Schuldners329 • Die Anfechtungsklage war ursprünglich nur wegen Geldforderungen zulässig und nicht auf eine Sache, sondern auf einen Vermögenswert gerichtee 30 . Die Realisierung der Ansprüche der Gläubiger nach Anfechtung des Veräußerungsgeschäfts erfolgte nämlich durch die distractio bonorum, die Versteigerung der einzelnen Gegenstände33I . Baldus unterscheidet zwischen Gattungs- und Speziesschuld, denn bei einem Gattungskauf soll eine revocatio gegen den Dritten lediglich hilfsweise stattfinden, wenn nämlich die vorherige Vollstreckung beim Verkäufer erfolglos war. Dabei dürfte der Gedanke zugrunde liegen, daß der Käufer einer Gattungssache bei einer Vollstreckung entweder den geschuldeten oder einen gleichartigen Gegenstand erhält oder ihn anderweitig noch beschaffen kann. Baldus erklärt nicht, wie er sich einen doppelten Verkauf von Gattungssachen vorstellt. Dem römischen Recht war der Gattungskauf im heutigen Sinn nicht bekannt, weil immer eine bestimmte Sache Gegenstand des Versprechens

325 D. 42.8.1 pr.: Ait praetor: Quae fraudationis causa gesta erunt cum eo, qui fraudem non ignoraverit, de his curatori bonorum vel ei, cui de ea re actionem dare oportebit, intra annum, quo experiundi potestas fuerit, actionem dabo... - Ebenso C.7.75.5, vergleiche oben Note 319. - Vergleiche zu diesen Texten Honsell / Mayer-Maly / Seih S. 376; Piano Morari, L'azione revocatoria, S. 6 ff. 326 So gemäß C. 7.75.5, vergleiche oben Note 319. Im Fall der Unentgeltlichkeit mußte sich der Erwerber nicht gegen einen drohenden Schaden, sondern nur gegen den Verlust eines Vorteils verteidigen (Ourliac / Malafosse, S. 184). Die Gläubigeranfechtung nach klassischem römischem Recht ist auch heute noch nicht vollends erforscht. Die Schwierigkeiten bei der Rekonstruktion des klassischen Rechts - aber auch bei der Anwendung des justinianischen Rechts - beruhen auf der Verschmelzung verschiedener klassischer Rechtsbehelfe zu einer einheitlichen Anfechtungsklage. Zu diesem Problem siehe Wacke, ZZP 83 (\970), S. 420 ff.; Gerhardt, S. 46 ff., 59 ff.; Piano Morari, L'azione revocatoria, S. 3-17. 327 C.F. Koch, § 200, S. 902. 328 Baldus, In vij. viij. ix. x. & xj. Codicis Iibros Commentaria zu C. 7.75 (rubr.), fol. 146v, Rn. 6 (4). 329 Eisfeld, S. 3; v. Brünneck, S. 95; Hugueney, S. 27. 330 Ankum, S. 183; Eisfeld, S. 3; v. Brünneck, S. 95. 331 Zum Verfahrensablauf nach klassischem und nachklassischem Recht siehe Gerhardt, S. 50 ff., 59 f.

I. Das Zugriffsrecht auf die Kaufsache

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und damit auch geschuldet war332 • Bereits die Glossatoren hingegen unterschieden zwischen Gattungs- und Spezieskauf 33 . Wahrscheinlich denkt Baldus hier an einen doppelten Verkauf eines Vorrats. Die beschränkte Gattungsschuld wurde zwar seit Jacobus de Ravanis einer Speziesschuld weitgehend gleichgestellt334 , doch weist die vorliegende Kommentierung darauf hin, daß dies nicht ausnahmslos galt. Die Möglichkeit der anderweitigen Beschaffung eines rur den Gläubiger gleichwertigen Gegenstandes besteht nach einem doppelten Verkauf von Speziessachen nicht, da eine Vollstreckung beim Verkäufer dem Erstkäufer die Sache nicht mehr verschaffen kann, wenn sie erst einmal dem Dritten übertragen worden ist. Daher läßt Baldus in diesem Fall abweichend von dem grundsätzlichen Standpunkt, daß persönliche Klagen auch bei Doppelverkäufen nicht gegen den Dritten angestrengt werden können ("sed actio personalis tarnen, quae non datur contra tertium possidentem: quia actio personalis non sequitur fundum ... ,,)335, eine revocatio ohne vorherige Vollstreckung unmittelbar gegen den bösgläubigen Dritten zu. Grundlage dieser Überlegung ist anscheinend die Lehre vom präzisen Errullungszwang beim Kauf 36 , die Ausrichtung des Anspruchs auf einen bestimmten Gegenstand und nicht lediglich auf einen Vermögenswert. Baldus sieht keine Notwendigkeit filr eine Begründung, obwohl er den Anwendungsbereich der actio revocatoria in factum hier erheblich erweitert. Der Verzicht auf das Insolvenzerfordemis, der eine genaue Zuordnung dieses Problemkreises innerhalb dieses Codextitels nicht erlaubt, hat wohl dazu gefiihrt, daß Baldus den Doppelverkaufvorab erörtert337 • Das Voranstellen dieser Erörterung belegt, daß die Erweiterung des Anwendungsbereiches der actio revocatoria bewußt erfolgt und nicht lediglich auf einem Mißverständnis des römischen Rechts beruht338 • Dies zeigt sich auch darin, daß Baldus an einer anderen, nicht dem Doppelverkauf gewidmeten Stelle durchaus die Notwendigkeit einer vorherigen Vollstreckung betont, weil nur so der Nachweis des Betruges möglich sein so1l339. Auf die Vollstreckung will Baldus zugunsten des Gläubigers ansonsten nur verzichten, wenn die Insolvenz des Schuldners allgemein bekannt

332 Zimmermann, The Law ofObligations, S. 236 f., 279; ders., Kaufvertrag, S. 157. Vom Gegenteil geht aus: H. Dilcher, Leistungsstörungen, S. 277. 333 H. Dilcher, Leistungsstörungen, S. 278 ff. 334 H. Dilcher, Leistungsstörungen, S. 279 ff. m Baldus, Consilia sive responsa, vol. I, cons. 36, fol. 13, Rn. I. 336 Dinger, S. 24 f.; Hugueney, S. 27. 337 Ankum, S. 183. 338 So im Ergebnis Groß, S. 299; dagegen wohl Wesener, Dingliche und persönliche Sachenrechte, S. 203; unentschieden Ankum, S. 183. 339 Baldus, In vij. viij. ix. x. & xj. Codicis libros Commentaria zu C. 7.75 (rubr.), fol. 147, Rn. 2.

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3. Kapitel: Die Kommentatoren

ise 40, da die Vollstreckung in diesem Fall sinnlos erscheint. Letzteres trifft nach Ansicht von Baldus auch rur den Doppelverkauf zu. In diesem der Zivilrechtsdogmatik - wegen des Verzichts auf den Nachweis vorheriger vergeblicher Vollstreckung - fremden Weg des Käuferschutzes glaubte v. BrUnneck eine Veränderung des rechtlichen Charakters des geltend gemachten Rechts erkennen zu können, da der Gegenstand der actio in factum nicht mehr ein Vermögenswert, sondern die Sache selbst sei und folglich dem Erstkäufer bereits mit dem Vertragsschluß ein dingliches Recht zur Sache, ein "ius ad rem", zustehe 341 • Der Ursprung des Begriffes "ius ad rem" sowie dessen Inhalt sind umstritten 342 • Die in Abweichung vom römischen Recht erfolgte Anerkennung eines "ius ad rem" wird sowohl dem kanonischen und feudistischen Recht zugeschrieben. Für die Ansicht, das "ius ad rem" habe seinen Ursprung im "germanischen" Reche 43 , gibt es keine Belege344 • Das langobardische Lehnsrechts unterschied zunächst zwischen einer Investitur mit Besitzübertragung (investitura propria) und einer symbolischen Investitur ohne BesitzUbertragung (investitura abusiva)34S. Hatte der ohne Besitzeinweisung Investierte gegenüber einem in den Besitz eingewiesenen Vasallen dem römischen Traditionsprinzip gemäß - zunächst das Nachsehen, so wurde ihm seit dem 13. Jahrhundert ein Recht auf Besitzeinweisung gegenüber dem Belehner und dem Dritten zugesprochen 346 • Das entsprach in etwa der Rechtslage im kanonischen Benefizialwesen347 • Das "ius ad rem" des Lehnsrechts soll 340 Zu dieser Erleichterung des Nachweises vorheriger vergeblicher Vollstreckung siehe Piano Mortari, L'azione revocatoria, S. 191 ff., und Baldus an der soeben genannten Stelle. 34\ v. Brünneck, S. 95 f - Während Jason beispielsweise noch meinte, daß alle actiones revocatoriae in rem scriptae seien, wird heute der persönliche Charakter dieser Klage betont, dazu Piano Mortari, L'azione revocatoria, S. 212 f, 13. - Zum Streit über die Rechtsnatur dieser Klage siehe auch Gerhardt, S. 49 ff.; DUo, S. 2 ff.; zum modemen Recht siehe Wacke, ZZP 83 (1970), S. 418 ff. 342 Nachweise bei Wesener, Dingliche und persönliche Sachenrechte, S. 196 f; Ogris, in: HRG 11, s.v. Jus ad rem, Sp. 491; Heymann, Jus ad rem, S. 1167 f.; Gillmann, AKKR 113 (1933), S. 463 f 343 v. Brünneck, S. 89 und passim; Kaser, JuS 1967, S. 341; referierend: Wieling, JZ 1982, S. 839; Heusler, § 77 11, S. 380 ff. 344 So gibt es auch in den von Siems, S. 376 ff., 395 ff., vorgestellten frühmittelalterlichen Kaufurkunden keinen Anhaltspunkt für ein "ius ad rem". 345 Siehe oben S. 66 ff. 346 Ogris, in: HRG 11, s.v. Jus ad rem, Sp. 490. 347 Vergleiche oben S.159 ff. - Die Parallele drückt sich auch in der Terminologie aus: Der Begriff des beneficium bezeichnete zunächst nur kirchliche Pfründe, wurde aber seit dem 11. Jahrhundert synonym mit feodum gebraucht, dazu Spieß, in: HRG 11, s.v. Lehnsrecht, Sp. 1729; Ganshof, in: HRG I, s.v. Beneficium, Sp.369; Pöschl, AKKR \06 (1926),28; Verhulst, s.v. Beneficium, in: LexMA I, Sp. 905.

I. Das Zugriffsrecht auf die Kaufsache

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die Funktion einer Aushilfskonstruktion gehabt haben, um Widersprüche zwischen dem Lehnsrecht und den Prinzipien des römischen Rechts auszugleichen348 • Urheber dieser feudistischen Lehre ist nach bestrittener Ansicht Jacobus de Ravanis349 • In der Vergangenheit ist im Anschluß an v. Brünneck auch auf einen deutschrechtIichen Ursprung eines dinglichen Vertrages, der ein zwischen Obligation und Eigentum anzusiedelndes Recht begründet habe, verwiesen worden, den Ravanis lediglich übernommen habe 350 • Der Umstand, daß die Kommentatoren das Lehnsrecht im Rahmen der oppositiones als eine Ausnahme zu der Regelung des C. 3.32.15 anfilhren, zeigt, daß es zumindest nach dem Verständnis der Kommentatoren ein mit dem Lehnsrecht vergleichbares "ius ad rem" als eine eigene Kategorie von Rechten beim Kauf nicht geben kann. Schon die strenge Unterscheidung zwischen dinglichen und persönlichen Rechten 35 \ spricht gegen die Existenz eines solchen Zwitters. Der Unterschied zwischen Lehns- und Kaufrecht drückt sich auch darin aus, daß doppelte Belehnung nicht gemäß D. 48.10.21 strafbar sein soll352. Die Entwicklung eines Rechtsinstituts "ius ad rem" wird andererseits auch rur die Kanonistik in Anspruch genommen 353 oder eine parallele Entwicklung im kanonischen und feudistischen Recht behauptet354 • Nach Landau355 soll Tankred als erster der bologneser Dekretalisten diesen Begriff gebraucht haben. Groß356 verweist auf Innocenz, der von einem "ius ad petendum beneficium" gesprochen habe, das inhaltlich einem "ius ad rem" entspreche. Daß aber Innocenz kein wie auch immer bezeichnetes "ius ad rem" des Erstkäufers kannte, legt seine Unterscheidung zwischen den Erfordernissen rur die Übertragung von Benefizien und Spiritualien einerseits und körperlichen Sachen andererseits nahe 357 •

348 Landau, Jus ad rem, S. 100; R. Hübner, Deutsches Privatrecht, S. 178 f. 3490gris, in: HRG 11, s.v. Jus ad rem, sp. 490. Gegen diese Zuordnung ist beispielsweise Meijers, Le soi-disant ,jus ad rem", in: Etudes d'histoire du droit IV (1966), S. 178 f 350 v. Brünneck 10-12, 26, 32, 33, 89; Feine, Kirchliche Rechtsgeschichte, S.272, Note 2; Hofmann, Titulus, S. 28 f. 35\ Siehe oben S. 124 ff. 352 Jason de Mayno, In primam Codicis partem Commentaria zu C. 3.32.15, fol. 150, Rn. 49. 353 So von Groß, S. 138 ff., 166; Dubischar, Schulsystematische Zweiteilung, S. 40; Wesener, Dingliche und persönliche Sachenrechte, S. 197; Landau, Jus ad rem, S. 99 ff.; Gil/mann, AKKR 113 (1933), S. 484 f 354 Heymann, Jus ad rem, S. 1183 f; R. Hübner, Deutsches Privatrecht, S. 178 f. (mit der Betonung, daß dieser Entwicklung ein germanischer Rechtsgedanke zugrundeliegt). 355 Landau, Jus ad rem, S. 97 f. 356 S. 175 ff. 357 Vergleiche oben Note 250.

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3. Kapitel: Die Kommentatoren

Das Kernproblem der soeben skizzierten Kontroverse ist vor allem terminologischer Art, denn schon die Übertragung von dem öffentlichen Recht angehörenden Rechtsinstituten auf das Privatrecht fiihrt zu Mißverständnissen358 . In der kanonischen Diskussion bzw. im Lehnsrecht ging es außerdem bei der Überlassung von Pfründen oder Lehen um eine Nutzung, nicht aber um die Übertragung von Eigentum359 . Die obige Untersuchung hat zudem ergeben, daß die Ausdehnung kanonischer Vorschriften auf Fälle des Doppelverkauf... von res temporales durch Kleriker überwiegend abgelehnt wurde. Das gilt erst recht bei Laienbeteiligung. Schon allein dadurch, daß Baldus diesen Rechtsbehelf nicht im Zusammenhang mit C.3.32.15 und dem Traditionsprinzip erörtert, zeigt sich, daß er den Erstkäuferschutz als eine Einzelfallentscheidung, als Ahndung des fraudulösen Zusammenwirkens von Verkäufer und Zweitkäufer konzipiert hat. Eine besondere Kategorie von Rechten hat Baldus erkennbar nicht im Sinn. Vor allem aber stellen die im 19. Jahrhundert begriffsjuristisch geprägten Termini wie "beschränkt wirkendes dingliches Recht,,360 usw. in ihrer Anwendung auf das mittelalterliche Recht Anachronismen dar361 , die zur Lösung der Sachfrage im Ergebnis wenig beitragen362 . Wenn auch eine Beteiligung an dem Streit über den Inhalt und die Herkunft des Begriffs "ius ad rem" nicht die Aufgabe dieser Arbeit ist, so stellt sich dennoch die Frage nach einem Vorbild filr die Entwicklung der actio revocatoria als Rechtsbehelf filr den betrogenen Erstkäufer durch Baldus. Auch darüber ist bereits viel spekuliert worden. Wie sich aus den obigen Ausfilhrungen zum "ius ad rem" bereits ergibt, glaubt v. Brünneck363 hier germanische Rechtsgedanken wiederzufmden. Wenn v. Brünneck auch konzediert, daß der Baldus'sche Ansatz bereits von Accursius in seiner Glosse iure zu C. 3.32.15 364 angedeutet ist, so glaubt er gleichwohl, daß dieser schon in eini-

Groß, S. 299 ff. Dubischar, Schulsystematische Zweiteilung, S. 40. 360 SO Z.B. Eisfeld, S.2; "Persönliche Sachenrechte" (Wesener, in der Titelüberschrift); "relativ-dingliches Recht" und "werdendes Sachenrecht" (so nicht näher bezeichnete Literatur, zitiert von Heymann, Jus ad rem, S. 1168); weitere Termini bei Ogris, s.v. Jus ad rem, Sp. 491. 361 Brandt, S.44 ff.; Dubischar, Doppelverkauf, JuS 1970, S. \0: "Typisches Beispiel neuzeitlicher Theorienbildung". Auch Hofmann, Titulus, S. 29, betont die Inhaltsänderung der Begriffe. 362 Weitgehend zutreffend daher Heusler, § 77 11, S. 384: "Wie das jus ad rem schon im Mittelalter eine doctrinäre Künstelei ohne innere Wahrheit gewesen ist, so kann auch die in neuerer Zeit versuchte Wiederbelebung desselben als eines ,relativ dinglichen Rechtes', d.h. eines persönlichen Rechts mit Realexecution, nicht gelingen und scheitert an der Halt- und Wesenlosigkeit des Begriffes." 363 v. Brünneck, S. 93 ff. 364 Vergleiche oben S. 71 ff. 358 359

I. Das Zugriffsrecht auf die Kaufsache

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gen älteren Rechtsquellen zu fmden sei. Verwiesen wird dabei vor allem auf ein Pisaner Statue65 und auf ein Capitular Lothars 1. 366 • Es ist zwar davon auszugehen, daß Baldus, der einige Zeit in Pisa weilte, mit den dortigen Statuten gut vertraut war367 • Doch ist in dem ersten von v. Brünneck genannten Statut368 keine Rede von einem Kläger, der als Käufer gegen einen bösgläubigen (beziehungsweise gutgläubigen und unentgeltlich erwerbenden) Dritten vorgehen kann. Dieses aber schließt v. Brünneck aus dem Wort "habere", das er mit ,,(erst noch) erlangen möchten" übersetzt. Da die Norm vom Besitzschutz handelt, lassen sich aber die Worte "recuperare vel habere" als Synonyme und damit als Bekräftigung des klägerischen Begehrens, die Sache zurückzuerhalten, auffassen. Es ist nicht ersichtlich, daß der Besitzschutz wie v. Brünneck meint - auf einen Käufer ausgedehnt wUrde, der zuvor noch keinen Besitz an der Sache hatte. Die Anfiihrung eines zweiten Statuts369, nach dem in Fragen des Besitzschutzes der stärkere Titel entscheidet, läßt Ausfilhrungen darüber vermissen, wer "potior in obligatione" sein soll. Gerade die formale Gleichwertigkeit der beiden Titel stellt das Hauptproblem des Doppelverkaufs dar. Das angefilhrte Capitular Lothars I. dagegen betrifft keinen Doppelverkauf, sondern die Veräußerung durch einen ehemaligen, also nicht mehr berechtigten Eigentümer, der gemeinsam mit dem ersten Käufer versucht, den Zweiten zu betrügen37o . Gleichwohl will v. Brünneck den Doppelverkauf und den Erwerb v. Brünneck, S. 93. v. Brünneck, S. 96. 367 Ankum, S. 184; Piano Mortari, in: Enciclopedia dei diritto VII, s.v. Commentatori, S. 798. 368 Statuten von Pisa, Titel de possessionibus injuste ablatis, vel invasis, zit. bei Delbrück, S. 199 f., Piano Mortari, L'azione revocatoria, S. 134 f., Note 191 und v. Brünneck, S. 93 Note 42: Novum malum et bonis hominibus ut credimus inopinatum resecare cupimus. Quidam enim possessionem rerum habentes, quas per rationem ab adversario suo credere debent se defendere non posse, callida machinatione judicia deluserunt. Cum enim possessiones violentas vel alio modo injustas haberent, vel quas per contumaciae sententiam vel diffinitivam restituere deberent, illas in detrimentum alterius partis in alios transtulerunt vel eas derelinquerunt ut aliis aperiretur locus eas detinere. Sive etiam illas vi amiserunt et hoc modo delusi illi qui eas possessiones recuperare vel habere debeant: nullo jure eas habere potuerunt. Quod nos ne de cetero contingat providentes constituimus, talern possessionem etiam per multas iverint manus apud quemcunque inveniantur ei qui taliter dei usus restitui debere, ni si apud quem inveniantur nesciens fraudem titulo emptionis vel alio justo non tamen lucrativo ut donatione possideat; qui enim dono habuerit, quamvis fraudem nesciat, possessionem restituat, salva proprietatis quaestione in ea curia unde esse videbitur. 369 Breve Pisani communis a. 1286, c. III. desentiis: Qui justior est in possessione ille defendatur, nec prosit ei qui est antiquior in possessione si alius potior est iure et justior in possessione. Et intelligatur potior et justior, qui est potior in obligatione, zitiert bei v. Brünneck, S. 94, Note 43. 370 Vergleiche oben S. 60 ff. 365

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3. Kapitel: Die Kommentatoren

vom Nichtberechtigten auf eine Stufe stellen, mit dem Argument, daß im langobardischen Recht die Begriffe traditio und venditio abwechselnd zur Bezeichnung desselben Vorganges gebraucht worden seien371 • Auf diese Weise käme diese langobardische Regelung nur dann als Grundlage rur die Theorie des Baldus in Betracht, wenn auch Baldus das Capitular als Regelung eines Doppelverkaufsfalles (miß-)verstanden hätte. Dies aber ist wegen der bei den Kommentatoren im allgemeinen und bei Baldus im besonderen anzutreffenden strengen Unterscheidung zwischen traditio und venditio372 unwahrscheinlich. Zudem fehlt der Nachweis, daß Baldus unmittelbar durch die genannten Normen, die lediglich (entfernte) Parallelen zum Doppelverkauf und der Lösung des Baldus zeigen, zur Entwicklung der actio revocatoria zugunsten des Erstkäufers veranlaßt worden ist. Dies gilt vor allem vor dem Hintergrund, daß der dolus des Zweitkäufers lange zuvor schon in der legistischen Literatur von Bedeutung war, indem man den zweiten Verkauf nur dann als "iure" betrachtete, wenn der Zweitkäufers redlich war373 . Baldus hat den Doppelverkauf mit der revocatio des zweiten Verkaufs bei kollusivem Zusammenwirken der Beteiligten also keineswegs neu und entgegen den früheren Lehren entschieden. Es scheint vielmehr, als habe er einen alten Ansatz zu Ende gedacht, indem er einen Weg aufzeigte, auf dem der Erstkäufer an das Eigentum des Zweitkäufers gelangt, wenn der zweite Verkauf nicht "iure" im Sinne von C. 3.32.15 war. Belegen läßt sich dies jedoch nicht. An Nachweisen fehlt es auch rur die These, daß dieser Schutz des Erstkäufers, dem die Sache nicht übergeben worden ist, außer auf dem Statutarrecht und Lehnsreche 74 vor allem auf kanonischem Gedankengut beruhe 75 • Der in zunehmenden Maße angegriffenen Lehre von einer Bevorzugung des Erstkäufers, wie sie von Ludovicus Romanus vertreten worden ist376, ist zwar der Gedanke zu entnehmen, daß die christliche Ethik einen Schutz des Erstkäufers gebiete. Daß das kanonische Recht insbesondere in wirtschaftsethischen Fragen nicht übergangen werden konnte 377 , mußte zudem insbesondere rur den Kanonisten Baldus gelten, der beide gelehrten Rechte als eine Einheit ansah 378 • Bei den v. Brünneck S. 97, 65. Siehe oben Seite 121. 373 Entsprechende Hinweise finden sich bei Accursius, Odofredus (vergleiche oben S. 71 ff.) und Albericus de Rosate (oben S. 181 f.). 374 Hierfiir beruft sich Ankum auf die Ausfilhrungen von v. Brünneck und Meijers. Die von Meijers, Jus ad rem, S. 180 f., zitierten Capitula betreffen vor allem die Konkurrenz verschiedener Übergabeformen. 375 Ankum, S. 183 f.; dem folgt auch H. Dilcher in der Rezension des Werkes von Ankum, SZRom 80 (1968), S. 509. 376 Siehe oben S. 163 ff. 377 Trusen, Wirtschaftsethik, S. 52. 378 Wolter, S. 24. 371

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I. Das Zugriffsrecht auf die Kaufsache

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Kanonisten hat aber der Ansatz zur Erweiterung des Erstkäuferschutzes, bei dem ein dolus des Zweitkäufers zudem keine Rolle spielte, keinen Erfolg gehabt. Das Konsensprinzip blieb auf den innerkirchlichen Bereich und auf das Benefizialwesen beschränke 79 • Nach all dem kann man in dem Baldus'schen Ansatz, der in dieser Form soweit ersichtlich noch nirgends zu fmden ise80, nicht das Ergebnis einer monokausalen Entwicklung sehen. Dies gilt umso mehr, als Baldus ein Universalgelehrter ist, der mit der legistischen, feudalrechtlichen und kanonistischen Literatur gut vertraut ist. Gerade auch in der restlosen Beherrschung des gesamten damals geltenden Rechts wird die Bedeutung des Baldus gesehen 38 ). In der Kanonistik wie auch an verschiedenen Stellen in der Legistik beobachtet man die Tendenz, den Erstkäufer aus allgemeinen Gerechtigkeitsgründen heraus zu bevorzugen (so etwa durch die zu einer Beweislastumkehr fiihrende Vermutung der früheren Übergabe an den Erstkäufer), was nur unter Durchbrechung von Grundprinzipien möglich ist. Da viele Wurzeln fiir die Lehre des Baldus in Betracht kommen, kann auch die Suche nach einem einzelnen unmittelbaren Vorbild fiir den Lösungsweg des Baldus nicht zu einem eindeutigen Ergebnis fUhren. Festzuhalten bleibt lediglich, daß Baldus zu Recht als ideenreich gilt382 , weil er schon bestehende Ansätze fortentwickelt 383 und eine neue dogmatische Grundlage fiir einen alten Rechtsgedanken aufgezeigt hat. Die Lehre des Baldus wird zunächst nur mit Zurückhaltung aufgenommen. Salicetus schreibt: Quaero primo, si debitor tenetur mihi ad certam speciem dandam, & ipsam in alium alienat, an habeat locum ista materia, ut agi possit reuocatoria. BaI. super ista rub. dicit, quod possum, si in fraudem est facta alienatio, distinguendo tamen, quo titulo possideat accipiens, vt superius dixi & probat per I. I in fi. & I. seq. & dicit hoc procedere etiam, si debitor alia bona habeat. & hoc ideo, quia excussio non est necessaria, quare debitor non est quantitatis, sed ilIius speciei, quam alienavit in fraudem, in qua constat eam non esse soluendo, & sic, vt per se notum, per executionem non est probandum, vt no. glo. in I. si cer. pet. ex hoc infert, quod si Titius rem mihi vendidit, & re non tradita alteri vendidit, & ilIi tradidit. & sic in rei vendi. & pub Iiciana ilIa est potior, vt supra de rei yen. I. quoties, quod sic probo, quod in fraudem

Vergleiche oben S. 158 ff., 181. So auch Ankum. S. 183 (rur die legistische Literatur). 381 Peter, in: HRG I, s.v. Baldus de Ubaldis, Sp.285; Savigny, Geschichte VI, S. 230; Schulte, Quellen 11, S. 276; Piano Mortari, in: Enciclopedia del diritto VII, s.v. Commentatori, S. 798. 382 So das allgemeine Urteil über Baldus, vergleiche Engelmann, Wiedergeburt, S.236; Tarducci, S.435; Piano Mortari, in: Enciclopedia dei diritto VII, s.v. Commentatori, S. 798; Wesenberg / Wesener, S. 33. 383 So beispielsweise auch durch Aufstellen des Zahlungserfordernisses im Zusammenhang mit der Übergabevermutung zugunsten des Erstkäufers (oben S.154 ff.) und bei der Frage nach der Herausgabe des Zweitverkaufserlöses, vergleiche unten S. 217 ff. 379 380

\3 Sella-Geusen

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3. Kapitel: Die Kommentatoren

mei vendidit, & emptor sciuit, quod in factum reuocatoria agere possum: & idem si donauit in fraudem, Iicet tunc accipientis scientia non necessitet ad proband um, propter titulum quem habet lucratiuum. Ego dubito ex eo, quia factus est debitor quantitatis, quia ad interesse tenetur, vel saltem praestando interesse Iiberatur, vt ff. de actio. emp. I. I. & sic excussio videtur necessaria. vnde si habet, vnde hoc interesse soluat, non videtur revouatoria agere posse, contra emptorem. Item si tenebatur ad speciem dandam, adhuc dubito, quia prius est condemnandus, vt det, & si non potest dare, condemnatur, vel saltem fit executio, in aestimatione, vt I. si servum § qu. sequitur. de ver. obI. vnde executio videtur prius necessaria; & in subsidium reuocationi tunc est locus. & istud est notabile remedium contra istos fraudatores: sed quia interdum ista scientia faciliter non probat. vide alia remedia, quae scripsi in d. I. quoties in x. oPEo. & etiam vide, quod dixi in I. si post motam in ver. empt. supra de peti. haeredita. 84 Ich frage erstens, wenn der Schuldner verpflichtet ist, mir eine bestimmte Sache zu geben und er dieselbe an einen anderen veräußert, ob diese Materie hier anwendbar ist, so daß mit der Anfechtungsklage geklagt werden kann. Baldus im Rubricum sagt hierzu, daß ich es kann, wenn die Veräußerung betrügerisch erfolgte. Zu unterscheiden ist jedoch, mit welchem Titel der Empflinger besitzt, wie ich oben gesagt habe und wie es die lex 1 am Ende und die folgenden leges385 beweisen, und (BaIdus) sagt, daß dieses auch dann gilt, wenn der Schuldner weiteres Vennögen hat, weil die Vollstreckung nicht nötig ist, weil der Schuldner nicht eine Gattungssache schulde, sondern eine Speziessache, welche er betrügerisch veräußert hat, in bezug auf welche feststeht, daß er sie nicht herausgeben kann, was daher wie von selbst klar ist und nicht durch eine Vollstreckung bewiesen werden muß, wie die Glosse zu C. 4.2.17 bemerkt. Daraus schließt (BaIdus), daß, wenn Titius mir eine Sache verkauft und sie dann vor Übergabe an mich einem anderen verkauft und übergibt, dann hat jener bei der rei vindicatio und der Publiciana nach C. 3.32.15 ein besseres Recht. Wenn ich aber beweise, daß er, um mich zu schädigen, verkauft hat und der Käufer das weiß, dann steht mir eine Klage in factum zu. Ebenso, wenn er die Sache zu meinem Nachteil verschenkt hat, obgleich dann Kenntnis des Empflingers nicht bewiesen werden muß, weil der Titel, den er hat, unentgeltlich ist. Ich bin darüber im Zweifel, soweit es sich hier um den Schuldner einer Gattungssache handelt, weil (der Verkäufer) auf das Interesse haftet und er daher durch Interesseleistung befreit wird wie in D. 19.1.1, und daher scheint die Vollstreckung notwendig zu sein. Wenn der Verkäufer Geld hat und das Interesse bezahlt hat, scheint er nicht mit der revocatoria gegen den (Zweit-)Käufer klagen zu können. Auch wenn er verpflichtet ist, eine Einzelsache zu geben, zweifele ich, weil er zuerst dazu zu verurteilen ist, daß er gibt, und wenn er nicht geben kann, wird er verurteilt, oder es erfolgt wenigstens eine executio in aestimatione wie in D.45.1.91.3, wo zuerst eine Vollstreckung erforderlich scheint und erst hilfsweise eine revocatio statt hat. Und diese ist ein bemerkenswertes Hilfsmittel gegen jene Betrüger. Aber weil bisweilen diese Kenntnis nicht leicht zu beweisen ist, siehe die anderen Hilfsmittel, über die ich zu C. 3.32.15 in 10 oppositiones geschrieben habe, und siehe auch, was ich gesagt habe zu C. 3.31.2.

Wie Baldus unterscheidet Salicetus zwischen Gattungs- und Speziessachen. Im Unterschied zu Baldus aber hält Salicetus eine revocatio bei doppeltem Ver384 Bartholomaeus Salicetus, In vij. viij. & ix. Codicis Iibros Commentaria zu C. 7.75.5, fol. 105. 385 Gemeint sind C. 7.75.1 ff., insbesondere C. 7.75.5.

I. Das Zugriffsrecht auf die Kaufsache

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kauf von Gattungssachen filr grundsätzlich ausgeschlossen, da der Verkäufer ohnehin berechtigt sei, sich durch Interesseleistung zu befreien - auf der Grundlage der Geldkondemation würde die Bejahung eines Anfechtungsrechts nämlich dazu filbren, daß dem ersten Käufer gegen den Zweitkäufer weitergehende Rechte zustünden, als jener gegenüber dem Verkäufer hat. Die Argumentation überrascht insofern, als Salicetus wie die übrigen Kommentatoren bei der actio empti durchweg die Sachkondemnation befilrwortee 86 und er damit dort gegenüber dem Verkäufer ein gewisses Zugriffsrecht auf die Sache bestehen läßt. Im Gegensatz zu Baldus will Salicetus auch bei Speziessachen nicht von vornherein von dem Vollstreckungserfordernis absehen 387 , so daß der Käufer zuerst auf Herausgabe der Sache beziehungsweise des Sachwertes klagen muß. Salicetus argumentiert mit D. 45.1.91.3 388, dem römischen Prinzip der Verewigung des Schuldverhältnisses filr den Fall, daß der Schuldner die Nichtleistung zu vertreten hat389 • Aufgrund der perpetuatio obfigationis des römischen Rechts erfolgte die Verurteilung des Schuldners in den Sachwert des untergegangenen Leistungsgegenstandes390, dessen Berechnung - wie auch Salicetus hier andeutet - noch ein gerichtliches Schätzverfahren (arbitrium fitis aestimandae) erforderte 391 • Der Hinweis auf das Schätzverfahren unterstreicht, daß die Vollstreckung nicht auf die Sache selbst, sondern nur auf deren Wert gerichtet ist und daß sich der Käufer also weiterhin an seinen Schuldner halten muß. Ein Vorgehen gegen einen Dritten ist daher weder geboten noch möglich. Auch die hilfsweise Zulassung einer revocatio filr den Fall, daß der Erstkäufer wegen des Betruges aufgrund der Erfolglosigkeit der Vollstreckung völlig leer auszugehen droht, würde eine Erweiterung der römischen Gläubigeranfechtung darstellen. Denn nun wäre die Klage auf die Kaufsache, nicht auf ihren Wert gerichtet. Salicetus scheint sich auf eine Anfechtung und damit auf eine Erweiterung der Regeln über die Gläubigeranfechtung nicht festlegen zu wollen. Er sagt nur, wann er sie in jedem Fall ablehnt - nämlich wenn eine Vollstreckung noch nicht unternommen worden ist. Die revocatio, die Salicetus filr ein gutes Hilfsmittel gegen Betrüger hält, leidet nach seiner Ansicht daran, daß die betrügerische Absicht nur schwer nach386 Repgen, S. 260; H. Dilcher, Geldkondemnation und Sachkondemnation, SZRom 78 (1961), S. 299 ff. (insbesondere auch S. 300 zu Salicetus). Siehe auch oben S. 133 f. 387 Die Allegation der Glosse zu C. 4.2.17 führt hier nicht weiter. 388 D. 45.1.91.3: Sequitur videre de eo, quod veteres constituerunt, quotiens culpa intervenit debitoris, perpetuari obligationem. .. 389 Zur perpetuatio obligationis siehe Kaser, Römisches Privatrecht (Studienbuch) § 37 I 2; Honsell / Mayer-Maly / Seih, S. 245. 390 Honsell / Mayer-Maly / Seih, S. 245. 391 Kaser, Zivilprozeßrecht, § 20 111.

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3. Kapitel: Die Kommentatoren

zuweisen ist. Abhilfe schafft zum einen die Konstitution C. 7.75.5 392 , die sich gleichsam als gesetzliche Vennutung des dolus bei Unentgeltlichkeit der Geschäfte darstellt, und zum anderen eine weitere Beweiserleichterung, die Salicetus zu C. 3.31.2 393 erläutert, wonach man aus dem Umstand, daß ein Käufer die Sache schon besaß, bevor er den Titel erwarb, entnehmen können soll, daß das Geschäft zwecks Gläubigerbenachteiligung lediglich vorgetäuscht wurde ("Sed attende, contra istam fraudem tu habes vnum singulare remedium scilicet, ut sufficiat probare, quod ante titulum acquisitum iIIe possedit, cum peti. haere. conueniri potuit..."i 94 • Unklar ist, ob diese Ausfilhrungen zur Durchsetzung der Anfechtung eine kleine Abschweifung und nur auf die gewöhnliche Gläubigeranfechtung bezogen sind, oder auch auf die Anfechtung eines zweiten Verkaufs, was eine Billigung der Baldus'schen Lehre - unter der Voraussetzung vorheriger Vollstreckung - signalisieren würde. Auch in seinen Ausfilhrungen zu C. 3.32.15, auf die er hier verweist, findet man keine Antwort auf diese Frage. Die Lehre des Baldus ist dort lediglich in den additiones erwähnt und wird dort als "multum solenne & notabile" bezeichnet395 • Wegen des Verweises von Salicetus ist es zwar nicht unwahrscheinlich, daß der erste Teil dieser additio von Salicetus stammt und daß nur die sich daran anschließenden Hinweise auf Jason in späterer Zeit hinzugefilgt worden sind. Die Wendung "vide alia remedia, quae scrips i in (c. 3.32.15)" legt nahe, daß Salicetus lediglich allgemein - unabhängig von einem Anfechtungsrecht - auf das Problem des Doppelverkaufs, das er bei C. 3.32.15 erörtert, hinweisen wollte. Der Verweis auf die Ausftlhrungen zu C. 3.32.15 belegt somit nicht die Urheberschaft des Salicetus filr die additio. Jedenfalls aber ist auch dieser additio wie schon der Kommentierung zu C. 7.75.5 weder eine ausdrückliche Billigung noch eine Ablehnung der Lehre des Baldus zu entnehmen. Angesichts des Umstandes, daß die Kommentatoren allgemein 396 und Salicetus im besonderen397 eine ablehnende Haltung sehr deutlich zum Ausdruck zu bringen pflegen, dürfte Salicets Haltung letztlich als vorsichtige Zustimmung zu der Lehre des Baldus filr einen Teilbereich aufzufassen sein.

Zu dieser Konstitution siehe oben Note 319. Nach C. 3.31.2 haftet der wissentlich während eines Erbschaftsprozesses erwerbende Käufer einer Erbschaft mit der hereditatis petitio auf Herausgabe der Früchte, da der Verkauf einer res Iitigiosa ungültig ist. 394 Bartholomaeus Salicetus, In BI. & IIII. Codicis Iibros Commentaria zu C. 3.31.2, fol. 46 v, Rn. 5. 395 Bartholomaeus Salicetus, In BI. & BH. Codicis Iibros Commentaria zu C. 3.32.15, additio b, fol. 58 V • 396 Vergleiche etwa die Diskussion um das kanonische Recht (S. 160 ff.) oder die Bemerkung von Hostiensis zur traditio ficta (Note 140). 397 Vergleiche unten S. 212 ff. und S. 183. 392 393

I. Das Zugriffsrecht auf die Kaufsache

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Die allenfalls ftir den Fall vorheriger erfolgloser Vollstreckung gegen den Verkäufer einer Speziessache zugelassene revocatio gegenüber dem Zweitkäufer läßt das Bestreben erkennen, in stärkerem Maße als Baldus auf der Grundlage des Textes zu bleiben. Die Tendenz zur Beftirwortung des Anfechtungsrechts tUr den Erstkäufer ebenso wie die auf den dolus bezogenen Beweiserleichterungen weisen aber zugleich auf die Bereitschaft hin, diese im Falle grober Unbilligkeit bewußt zu verlassen. Dabei zeigt sich hier trotz der in der Einschränkung liegenden Kritik bereits die (selbst den Gesetzestext) überragende Autorität, als die sich Baldus bereits seinen Zeitgenossen gegenüber darstellte398 • Besonders deutlich wird diese Autorität bei Angelus Aretinus: Et quod dixi de necessitate fieri excussionem, procedit, nisi debeatur illa species alienata, quia quod debetur, est ipsa species. ergo non est o~us excussione. ita dicit BaI. in rub. de revoc. ijs quae in frau. credo circa principium... 99 Und daß ich gesagt habe, daß es nötig sei, die Vollstreckung durchzuführen, gilt, wenn nicht eine veräußerte Einzelsache geschuldet wird, weil das, was geschuldet ist, genau jene Sache ist und daher eine Vollstreckung nicht nötig ist. So sagt es Baldus zu C. 7.75 rubr. arn Anfang.

Angelus Aretinus geht hier nicht auf das Traditionsprinzip ein4°O. Ihn interessiert an dieser Stelle allein das vollstreckungsrechtliche Problem40I • Der Verzicht auf eine vorherige Vollstreckung in der Lehre des Baldus wird damit begründet, daß eine Spezies geschuldet sei. Eine Vollstreckung soll unnötig sein, weil nur durch die Anfechtung dem Interesse des Erstkäufers an der Kaufsache gedient sei. Der gleiche Gedanke, daß nämlich Geldersatz den Gläubiger nicht befriedigen könne, lag der bei den Kommentatoren zur herrschenden Meinung avancierten Theorie vom präzisen Erfilllungszwang zugrunde. Eine Begründung tUr den Erstkäuferschutz auf der Grundlage des Textes erfolgt nicht. Den Verweis auf Baldus hält Angelus Aretinus tUr überzeugend genug. Die Entscheidung rur eine der Autoritäten, tUr den Text oder rur Baldus, fiel Jason de Mayno schwer. Allerdings findet Jason keine Kompromißlösung wie anscheinend Salicetus: Nono principaliter limita istarn 1. non procedere, quando secunda uenditio fieret in fraudem primi emptoris: narn si secundus emptor fuit sciens uenditionis prima alteri factae, & consequenter participauit de fraude, certe licet per uenditionem postea factarn mediante traditione, sit in secundum emptorem translatum dominium, & propteZu dem Einfluß des Baldus siehe Wesenberg / Wesener, S. 33 ff. Angelus Aretinus, In quatuor Institutionum Iustiniani libros Commentaria zu Inst. 4.6.6, fol. 2 )2v, Rn. 11. 400 Eine kurze, nicht weiterführende Darstellung des Traditionsprinzips und der Lehre des Baldus erfolgt bei Angelus Aretinus, In quatuor Institutionum Iustiniani libros Commentariazu Inst. 4.6.6, fol. 214, Rn. 27. 401 Zur Vollstreckungsproblematik im Rahmen der actio revocatoria bei Angelus Aretinus siehe Piano Mortari, L'azione revocatoria, S. 192 ff. 398 399

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3. Kapitel: Die Kommentatoren

rea praeferatur primo, tarnen primus ratione fraudis potest talern rem reuocare per actionem in factum praetoriarn competentem ad reuocandum alienata in fraudem. Ita singulariter inquit Bald. in rubr. C. de reuo. his qui in fraudem credi. circa princ. Item uult Sal. hic, in 10. opp. & c\arius Albe. de Ros. qui ponderauit ita forte uelle glo. I. hic, super ver. recipere, secundum alium intelI. ad iIlarn gl. dum requirit bonarn fi. Et ad hoc de secundo emptore sciente primarn venditionem, adde tex. iunctis ibi no. in I. si ea res. § .fi. ff. de act. emp. q. § incipit, vterque nostrum ... sed si primus haberet titulum onerosum, secundus autem lucratiuum, puta quia dominus primo vendidisset rem vni, deinde eandem alij donasset & tradidisset, quarnuis verum sit, quod in secundum transfertur dominium, tarnen in effectu primus praefertur quia poterit reuocare a donatario, dato quod donatarius non participauerit de fraude, nec sciuerit de prima uenditione. ita mirabiliter & singulariter decidit BaI. in rubr. C. de his qui in priorum cre. loco suc. circa principium. Et pro certo mirabilis est decisio & fortis de qua non inuenio fieri alicui specialem mentionem. 402 Neuntens, beschränke dieses Gesetz [i.e. C. 3.32.15] grundsätzlich so, daß es nicht eingreift, wenn der zweite Verkauf zum Betrug des ersten Käufers erfolgt. Denn wenn der zweite Käufer wußte, daß dem anderen zuerst verkauft wurde und er folglich an dem Betrug teilnahm, und obwohl sicherlich durch den späteren Verkaufvermittelt durch die Übergabe - das Eigentum auf den zweiten Käufer übertragen wurde und er deshalb dem Ersten vorgezogen werden könnte, so kann doch der Erste wegen des Betruges die Sache mit der prätorischen actio in factum zurückrufen, weiche dazu geeignet ist, durch Betrug Veräußertes zurückzurufen. So sagt einzigartig Baldus im Rubricum zu C. 7.75 arn Anfang. So will es auch Salicetus in zehn oppositiones und noch deutlicher Albericus de Rosate, der überlegt, daß die Glosse I zu dem Wort "recipere,,403 dieses vielleicht so will, mit einem anderen Verständnis jener Glosse, indem er bona fides verlangt. Und dazu, wenn der zweite Käufer von dem ersten Verkauf weiß, füge hinzu und merke, daß der Text verbunden ist mit D. 19.1.31.2 bei dem Paragraphen, der mit "uterque nostrum" beginnt... Aber wenn der Erste einen entgeltlichen, der Zweite aber einen unentgeltlichen Titel hat, angenommen, daß der Eigentümer die Sache erst dem einen verkaufte und dann dem anderen schenkte und übergab, dann - obwohl es richtig ist, daß das Eigentum auf den Zweiten übertragen wurde - wird dennoch im Ergebnis der Erste bevorzugt, weil er beim Beschenkten anfechten kann, selbst wenn der Beschenkte nicht an dem Betrug teilnahm und von dem ersten Verkauf nichts wußte. So entschied bemerkenswert und einzig Baldus im Rubricum zu C. 7.75. Und mit Sicherheit ist diese Entscheidung erstaunlich und bedeutend, weil sie sonst nirgendwo Erwähnung findet.

Jason will hier Baldus in vollem Umfang folgen, begründet seine Entscheidung allerdings nicht mit dem Text. Statt dessen versucht er, die Ausfiihrungen anderer anerkannter Rechtslehrer, zunächst die Salicets, damit in Einklang zu bringen. Salicets Haltung zu dieser Lehre ist jedoch nicht ganz eindeutig. In dessen von Jason de Mayno genannten Kommentar zu C. 3.32.15 wird diese Lehre nur in den nicht mit Sicherheit von ihm stammenden additiones erwähnt. Die von Salicetus zu C. 7.75.5 - wenn überhaupt - vorgeschlagene restriktive Anwendung einer revocatio erwähnt Jason nicht. Die Glosse und Albericus de 402 Jason de Mayno, In primarn Codicis partem Commentaria zu C. 3.32.15, fol. 148 v, Rn. 26 f. 403 Zu C. 3.32.15.

I. Das Zugriffsrecht auf die Kaufsache

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Rosate404 stellen für die Rechtmäßigkeit des zweiten Verkaufs zwar auf die bona fides der Beteiligten ab, erwähnen aber ein Anfechtungsrecht nicht. Die Bezeichnung der Lehre als "singulariter" und der Hinweis "Et pro certo mirabilis est decisio & fortis de qua non invenio fieri alicui special ern mentionem" ist ein Eingeständnis, daß die Berufung auf weitere Autoritäten nicht korrekt ist, weil diese zu dem Lösungsweg nicht unmittelbar Stellung genommen haben, sondern lediglich vom Ergebnis her mit dem Vorschlag des Baldus weitgehend in Übereinstimmung gebracht werden können. Diese vermeintliche communis opinio zugunsten der revocatio soll auch hier eine Argumentation auf der Grundlage des Gesetzestextes als entbehrlich erscheinen lassen4os , denn Jason beläßt es bei einem Verweis auf den keineswegs gleich gelagerten Fall von D. 19.1.31.2, wo das Problem eines Doppelverkaufs durch einen Nichteigentümer behandelt wird. Der Rechtfertigung eines von einer Übergabe unabhängigen Zugriffsrechts des Erstkäufers kann auch dieser Text nicht dienen, da auch hier die erste Übergabe entscheidet406 • Beachtenswert ist noch die KlarsteIlung, daß sich trotz des dolus an der Eigentumsübertragung an den Zweiten nichts ändern soll. Das spricht ganz entschieden gegen den vielfach vermuteten dinglichen Charakter des dem ersten Käufer zustehenden Rechts. Die Entscheidung paßt auch zu der bei den Kommentatoren herrschenden Auffassung, daß der zweite Verkauf, also auch die Eigentumsübertragung, an sich wertneutral, mithin in einem weiten Sinne "abstrakt" ist407 • An anderer Stelle erläutert Jason de Mayno, daß er nicht nur bei Notorietät der Insolvenz auf das Erfordernis eines vorhergehenden Vollstreckungsversuches verzichtet408 : Secus autem si esset debitor in specie: vt si aliquis deberet, puta librum in specie, & illum alienaret in fraudem creditorum, posset creditor agere ad reuocandum contra eum, in quem alienauit, nulla penitus excussione facta; quia quod debetur, est species: in ipsa ergo non est opus excussione. Istud est, quod multum singulariter voluit Baldus in rubr. C. de reuo. his, quae in frau. cre. circa medium j. colum. in verb. & nota quod ista actio. Et credo quod istud dictum alibi scriptum in iure non inuenientis. 409

404 Vergleiche oben S. 181. Zum (unbedeutenden) Beitrag des Albericus zur Lehre von der actio revocatoria siehe Piano Mortari, L'azione revocatoria, S. 185-187. 405 Vergleiche dazu oben S. 179. 406 Zum Doppelverkaufvom Nichteigentümer vergleiche oben S. 125 ff. 407 Dazu oben S. 127 ff. 408 Zum Verzicht Jasons auf das Vollstreckungserfordemis bei Notorietät siehe Piano Mortari, L'azione revocatoria, S. 219. 409 Jason de Mayno, Oe actionibus titulus Institutionum Iustiniani zu Inst. 4.6.6, Rn. 76, fol. 85; in diesem Sinne auch a.a.O., fol. 90, Rn. 116.

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3. Kapitel: Die Kommentatoren

Anders aber, wenn er Schuldner einer Species wäre: so wenn irgendwer etwas schuldete, angenommen ein spezielles Buch, und jener veräußerte es unter Gläubigerbenachteiligung, dann könnte der Gläubiger mit der actio revocatoria gegen den vorgehen, an den veräußert wurde, auch wenn eine Vollstreckung nicht vollständig durchgeführt ist, weil das, was geschuldet wird, eine Einzelsache ist. Und daher ist die Vollstreckung nicht nötig. Das ist es, was Baldus einzigartig wollte in C. 7.75. rubr. ungefllhr in der Mitte in der ersten Spalte bei den Worten ,,& nota quod ista actio". Und ich glaube, daß das hier Gesagte anderswo in anderen juristischen Schriften nicht gefunden werden kann.

Als ebenso sinnlos wie die Vollstreckung bei einem bekanntermaßen insolventen Schuldner erscheint Jason de Mayno - wie bereits Angelus Aretinus - der Vollstreckungsversuch, wenn sich die geschuldete Sache nicht mehr beim Verkäufer befindet. Außerdem unterstreicht Jason de Mayno, daß die Vollstreckung auf einen Vermögenswert gerichtet ist, der dem Inhalt des Forderungsrechts entspricht, das auf die bestimmte Kaufsache bezogen ist. Mit der Betonung, daß diese Lehre in anderen juristischen Schriften nicht zu finden sei 41O , zeigt Jason, daß man sich hier auf sehr unsicherem Boden befindet. Jason favorisiert eine revocatio, überläßt es aber letztlich dem Leser, sich rur die gewagte Lösung des Baldus oder rur die näher am Text orientierte Ablehnung einer revocatio zu entscheiden. Marianus Socinus schreibt im Jahre 1540411 : Secunda etiam ad regulam d. I. quoties videtur posse responderi, quod non procedit in casu isto ex eo: quia reueren. Cardinalis, cui facta fuit secunda concessio cum translatione possessionis, vt asseritur, sciebat primam concessionem factam Mijs., propter quod videtur de fraude participasse. & ideo videtur, quod revocatoria quadam actione teneatur, vt sic in effectu mediante tali reuocatoria actione praeferantur praedicti nobiles de Mijs., ita signater post Albe. BaI. & Saly. per eum allegatos firmat las. in d. I. quoties. col. 6. versic. 9 principaliter Iimita, & in § item si quis. col. 24 versi. extra glo. instit. de actio. 412 Zweitens scheint man auch zu dem Grundsatz aus C. 3.32.15 antworten zu können, daß er in diesem Fall keine Anwendung findet aus folgendem (Grund): Weil der verehrungswürdige Kardinal, dem gegenüber die zweite Veräußerung und Besitzübergabe erfolgte, wie versichert ist, wußte, daß eine erste Veräußerung an die Malvetis erfolgt ist. Deshalb scheint er mit der actio revocatoria zu haften, so daß letztlich, vermittelt durch die actio revocatoria die genannten Herren von Malveti bevorzugt werden. So schrieben Albericus, Baldus und Salicetus. Das bekräftigt Jason mit den von ihm Angeführten zu C. 3.32.15 und zu lnst. 4.6.6.

Nach Marianus Socinus soll das C. 3.32.15 zugrunde liegende Traditionsprinzip nicht gelten, wenn der Zweite von dem ersten Vertrag wußte. An410 In primam Codicis partem Commentaria zu C. 1.2.21, Rn. 28, fol. 25 v, bezeichnet Jason de mayno die Lehre als "singularia decisio". 411 Diese Datierung ergibt sich aus der Bezugnahme auf das Gutachten "aus dem Vorjahr" (Consilium 93, siehe oben S. 124), das im Jahre 1539 erstellt wurde. 412 Marianus Socinus, Consilia, vol. 2, cons. 94, fol. 126v , Rn. 7.

I. Das Zugriffsrecht auf die Kaufsache

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stelle eigener Begründung beruft er sich auf die von Jason - zum Teil unzutreffend - angefilhrten Rechtslehrer. Obgleich diese Stelle als uneingeschränkte Zustimmung zur Lehre des Baldus in der Praxis verstanden werden kann, gilt zu beachten, daß es rur die Bevorzugung des Ersten im vorliegenden Fall nicht angekommen ist, weil es sich um ein Geschäft mit Lehen gehandelt hat, rur die, wie Marianus Socinus zuvor dargestellt hatte, ohnehin nach dem Konsensprinzip zu entscheiden war. Auch in einem weiteren Consilium zieht Marianus Socinus die Lehre des Baldus als eine zusätzliche BegrUndung filr eine ohnehin gegebene Begünstigung des Ersten heran 4l3 • In dem zu beurteilenden Fall ging es um eine Zession, bei der es nach Ansicht des Marianus Socinus rur die Geltendmachung der Forderung keines weiteren Übertragungsaktes bedurfte414 • Dennoch wird man schon aus der Erwähnung der revocatio auf eine Zustimmung zu dieser Lehre schließen können. Die Bedeutung dieser neuen Lehre rur die Praxis auch außerhalb von Doppelverkaufsfällen zeigt sich bei Petrus Paulus Parisius: iste D. Gaspar erat sciens & plenarn habebat notitiarn dictarn donationis, & in fraudem iIIius curauit habere relaxationem & transac. & isto casu iste secundus actus relaxationis, & transac. etiarn habens traditionem, seu quasi, minime praeferendus erit primae donationi, secundum BaI. in rubr. C. de revo. his. q. in fraudem credito. circa prin. Albe. de Ros. & Sal. in d. I. quoties. & las. ibi in 9. limi. nu. 26. 415 Jener D. Gaspar war eingeweiht und hatte volle Kenntnis von der besagten Schenkung und um jenen zu betrügen sorgte er dafür, daß er die Zuwendung und Übertragung erhielt. In diesem Falle ist jener zweite Akt der Zuwendung und Übertragung, auch wenn eine traditio oder quasi-traditio erfolgte, keineswegs gegenüber dem zuerst Beschenkten zu bevorzugen, gemäß Baldus zu C. 7.75 ungefähr arn Anfang, Albericus de Rosate und Salicetus zu C. 3.32.15 und Jason zu C. 3.32.15.

Die Richtigkeit dieser Lehre wird nicht mehr überprüft. Parisius gibt keine Begründung, sondern verweist ebenso wie Marianus Socinus auf die von Jason wenig zutreffend genannten Autoritäten. Die unkritische Übertragung der den Erstkäufer schützenden Lehre auf das Schenkungsrecht deutet den Siegeszug an, den diese Lehre in der Folgezeit antreten wird416 • Zusammenfassend ist festzuhalten, daß Baldus dadurch, daß er die Anfechtung des zweiten Verkaufs durch den Erstkäufer in einem Sonderfall zuließ, einen umfassenden Schutz des Forderungsrechts gegen das kollusive Zusammen-

Marianus Socinus, Consilia, vol. 3, cons. 48, fol. 66, Rn. 10. So Marianus Socinus, a.a.O. Rn. 8. - Zu der von den Glossatoren und Kommentatoren uneinheitlich beantworteten Frage nach dem Erfordernis eines besonderen Übertragungsaktes bei der Zession siehe Luig, Zessionslehre, S. 13-16. 415 Petrus Paulus Parisius, Consilia, vol. 3, cons. 69, fol. 122, Rn. 158. 416 Dazu unten S. 234 ff. 413

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3. Kapitel: Die Kommentatoren

wirken von Verkäufer und Zweitkäufer erreichte, ohne das Traditionsprinzip an sich aufzugeben. Ein Vorbild ftlr Baldus bei der Entwicklung dieses Rechtsbehelfs, mit dem einem Sonderfall Rechnung getragen werden sollte und der daher kein Recht einer besonderen Kategorie begründete, ist nicht zweifelsfrei auszumachen. Salicetus zögerte mit der Zustimmung zu dieser Lehre und scheint sie allenfalls bei Speziesschulden nach vorheriger vergeblicher Vollstreckung zugelassen zu haben. Die jüngeren Kommentatoren stimmten Baldus vorbehaltlos zu.

11. Ansprüche des Erstkäufers auf den Zweitverkaufserlös Odofredus hatte mit einer detaillierten, textorientierten Lösung einen Anspruch auf Herausgabe des Zweitverkaufserlöses abgelehnt, da dieser lediglich ein commodum ex negotiatione begründete. Selbst wenn der Erstkäufer den Verkäufer durch die Kaufpreiszahlung in Verzug gesetzt hat, beftlrwortete er allenfalls einen Anspruch auf Schadensersatz. Accursius dagegen bejahte aus Billigkeitsgründen einen Anspruch auf den Zweitverkaufserlös.

1. Die sich auf die Klärung der dogmatischen Grundlagen

beschränkenden Stimmen

Albericus de Rosate Uberliefert folgende Auflösung des Wertungswiderspruchs zwischen D. 18.4.21 und D. 48.10.21 durch Ricardus Malumbra417 : non. ob. quod incidat in crimen falsi, per I. qui duobus. quia secundum Richar. iIIa falsitas purgatur per mortem hominis uenditi ante moram, cum amplius nihil intersit emptoris, & falsum quod non nocet, non punitur infra de fal. I. si legatum. & C. de fal. I. nec exemplum. sic & alias purgatur ex postfacto falsitas. C. ne tutor uel cur. uectig. condu. I. unica. & de crim. stellio. I. prima. 418 Dem steht nicht entgegen, daß er ein crimen falsi begeht gemäß D. 48.10.21, weil nach Ricardus jene Falschheit durch den vor dem Verzug eingetretenen Tod des verkauften Sklaven bereinigt wird, weil offenbar auf Seiten des Käufers kein Schaden besteht und ein falsum, das nicht schadet, nicht bestraft wird, D.48.1O.6 und C. 9.22.20. So und auf andere Weise soll im Nachhinein der Rechtsverstoß bereinigt werden, C. 5.41.1 und C. 9.34.1.

Ricardus Malumbra lehnte sich offenbar ftlr die Vemeinung des Wertungswiderspruchs zwischen D. 18.4.21 und D. 48.10.21 an den Vorschlag des Odo417 Zu Ricardus Malumbra (gest. 1334; Lehrer von Johannes Andreae und Albericus de Rosate) vergleiche Horn, in: Handbuch der Quellen und Literatur I, S. 270; Herberger, S. 197 f.; Schulte, Quellen 11, S. 207, 245. 418 Albericus de Rosate, In secundam ff. Veter. part. Commentarij zu D. 18.4.21 fol. 141 v, Rn. 2.

11. Ansprüche des Erstkäufers auf den Zweitverkaufserlös

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fredus an, indem er den Verzug des Verkäufers auch zu dem filr D.48.10.21 letztlich entscheidenden Kriterium bestimmte. An einer anderen Stelle bestätigt Albericus de Rosate, daß Ricardus Malumbra zur Gefolgschaft des Odofredus gehörte und D. 48.10.21 anband von D. 18.4.21 interpretierte, also die Herausgabe des Zweitverkaufserlöses ablehnte419 • Befand sich der Verkäufer nicht in Verzug, hatte der Erstkäufer die Gefahr des Untergangs der Kaufsache zu tragen und hätte daher ohnehin nichts von dem Sklaven gehabt. Ricardus argumentierte demnach mit der fehlenden Kausalität des betrügerischen zweiten Verkaufs filr einen Schaden, weil er voraussetzte, daß die Sache im Fall von D. 18.4.21 auch ohne den doppelten Verkauf untergegangen wäre. Da das falsum von Ricardus - wie von den Kommentatoren Uberhaupt420 - als Vermögensschädigungsdelikt angesehen wurde, entflillt in diesem Sonderfall die Strafbarkeit gemäß D. 48.10.21 und ein Wertungswiderspruch zu D. 18.4.21. Zur Rechtfertigung der Argumentation sind nach dem Bericht von Albericus de Rosate mehrere TextsteIlen allegiert worden. Als Beispiel dafilr, daß ein Betrüger straflos bleibt, wenn er keinen Schaden verursacht hat, wurde mit D. 48.10.6 auf eine TestamentsflUschung verwiesen, die nicht strafbar war, wenn das geflilschte Schriftstück kein Testment hätte darstellen, also dem wahren Berechtigten ohnehin kein Schaden hätte entstehen können. Mit der Allegation von C.9.22.20 421 betonte Ricardus Malumbra das Vorsatzerfordemis. Kombiniert wurde das alles mit Beispielen dafilr, daß eine Strafbarkeit nachträglich entfallen kann. In den genannten Texten geht es jedoch um Fälle, in denen der Täter selbst zur Schadensminderung aktiv wurde und nicht - wie im Fall von D. 18.4.21 - lediglich zuflillig ein Schaden nicht eintritt oder gar erst nachträglich entflillt. Hier zeigt es sich wiederum, daß TextsteIlen beliebig als Beleg herangezogen wurden, wenn sie nur ganz abstrakt die gewünschte ratio - keine Strafbarkeit eines keinen Schaden verursachenden falsum - enthielten. Bei anderen Kommentatoren steht die Zivilrechtsdogmatik und nicht ein Wertungswiderspruch im Vordergrund. Cinus schreibt: Quinto quaeritur, nunquid idem sit in re debita, verbi gratia: Debes mihi Stich um, vendidisti eum, & peremptus est, nunquid habebo vtilem act. ad pretium? Videtur quod sie, argum. huius I. Econtra videtur quod non, quia plus fauet I. obligation i in rem suam, quam obligationi in rem si bi debitam, vt patet ff. de usu. I. videamus. §. si actionern. Quid dicemus? Ista quaestio indiget maiori indagatione. Nam oportet videre qualiter mora trahit ad se periculum, quia refert, an res pereat ante moram, & tune debitor Iiberatur, vt ff. de alien. iu. mu. ca. I. non solum. §. haec actio, & de noxa. I. electio. §. si iso & ff. de actio. & oblig. I. is, qui. ADDITIO. Et de haere. vel act.

419 420 421

Zitiert unten S. 209 ff. Vergleiche Hupe, Falsum, S. 134-136. Gesetzestext oben S. 103.

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3. Kapitel: Die Kommentatoren

vend. I. venditor ex haereditate. §. si ergo. ibi, non enim, &c. vbi est casus. Cyn. aut res debita perijit post moram ... 422 Fünftens fragt sich, ob etwa dasselbe gilt, wenn eine Sache geschuldet wird, zum Beispiel: Du schuldest mir den Stichus, du hast ihn verkauft und er ist gestorben, werde ich die actio utilis auf den Kaufpreis haben? Es scheint so mit dieser lex als Argument. Dagegen spricht, daßI das Gesetz den Anspruch, der auf Eigentum beruht, mehr begünstigt als den aus einem Forderungsrecht, was sich aus D. 22.1.38.7 ergibt. Was sagen wir? Diese Frage bedarf einer größeren Untersuchung. Denn man muß sehen, wie der Verzug die Gefahr nach sich zieht, weil es darauf ankommt, ob eine Sache vor Verzug untergeht und der Schuldner daher befreit wird, D.4.7.4.5, D. 9.4.26.4, D.44.7.45. (Zusatz: Bei D. 18.4.21, § si ergo, bei "non enim etc." ist dieser Fall. Cynus), oder ob die geschuldete Sache nach (Eintritt des) Verzuges untergeht...

Anknüpfungspunkt filr die Erörterung ist die Konstitution C. 3.32.3 423 , die von der Pflicht zur Herausgabe des Verkaufserlöses an den Eigentümer der verkauften Sache handelt. Deutlich unterscheidet Cinus auch hier424 zwischen dem auf dem Eigentumsrecht beruhenden Anspruch (in rem suam) und dem Forderungsrecht (in rem sibi debitam). Dem Käufer bleibt nach Ansicht des Cinus auch ein Anspruch auf den Verkaufserlös verwehrt, solange er noch keine sachenrechtliche Beziehung zu der Sache hat. Dafilr beruft sich Cinus auf D. 22.1.38.7. Dort heißt es, daß kein Anspruch auf die FrUchte der versprochenen Sache besteht, wenn kein Verzug vorliegt425. Als Frucht der geschuldeten Sache sieht Cinus auch den Verkaufserlös an, der mit der Geschäftsfilhrungsklage nicht verfogt werden kann, weil es am Eigentum an der Sache fehlt. Zur Vertiefung der Verzugsproblematik nennt er D. 18.4.21 und weitere Vorschriften, in denen es um die Haftungsbefreiung nach dem Untergang der geschuldeten Sache geht. Daß Cinus damit umgekehrt eine Herausgabe des Zweitverkaufserlöses befilrwortet, wenn der Verkäufer in Verzug war, wäre zwar konsequent, ist aber unwahrscheinlich, weil er in seinen Ausfilhrungen nichts dazu sagt und es angesichts der ausdrücklichen commoda-Regelung in D. 18.4.21 einer besonderen BegrUndung bedurft hätte. Cinus beläßt es bei einer dogmatischen Begründung der angeordneten Rechtsfolge, ohne ein Billigkeitsproblem zu sehen. Auch Guilelmus de Cuneo426 grenzt D. 18.4.21 von C. 3.32.15 ab: Sed quaero quod esset in re mihi debita vt pone tu debebas mihi rem vendidisti res desijt extare nunquid habeo actionem ad precium dico quod tex. est I. quod non qua-

Gnus da Pistoia, In Codicem Commentaria zu C. 3.32.3, S. 166 a, 167, Rn. 9. Zum Wortlaut dieser Konstitution siehe oben S. 71. 424 Vergleiche oben S. 122 ff. 425 D. 22.1.38.7: Si actionem habeam ad id consequendum quod meum non fuit, veluti ex stipulatu, fructus non consequar, etamsi mora facta sit.. 426 Zu Guilelmus de Cuneo, gest. 1335, siehe Horn, in: Handbuch der Quellen und Literatur I, S. 278. 422 423

11. Anspruche des Erstkäufers auf den Zweitverkaufserlös

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re si vendidisti servum & alij tradidisti non possum agere ad precium .ff. de here. vel actio. yen. I. venditor ex hereditate. § j.427 Ich frage aber, wie es wäre, wenn mir eine Sache geschuldet wäre: Nimm an, du schuldetest mir eine Sache, du verkaufst sie, sie geht unter. Ob ich dann einen Anspruch auf den Erlös habe? Ich sage, daß ich nach dem Text der lex nicht, weil du den Sklaven verkauft und einem anderen übergeben hast, auf den Erlös klagen kann, D.18.4.21.

Ebenso wie Cinus setzt Guilelmus de Cuneo dem Eigentumsrecht, das Grundlage ftlr die Klage aus C. 3.32.3 sein soll, das Forderungsrecht gegenüber. Letzteres begründet noch keine Rechtsbeziehung zu der gekauften Sache, so daß der zweite Verkauf kein ftlr den Verkäufer fremdes Geschäft darstellt. Gerade D. 18.4.21 soll diese Zusammenhänge veranschaulichen. Eine Überprüfung des Ergebnisses findet auch hier nicht statt. Da die hier erörterten Kommentare des Cinus und des Guilelmus de Cuneo an eine Konstitution anknüpfen, überrascht es nicht, daß die Billigkeitserwägungen des Accursius zu D. 18.4.21 keine Erwähnung fmden. Eine Erörterung erwartet man hingegen im Kommentar des Bartolus zu D. 18.4.21, der als ein Jurist gilt, der Probleme in ihrem Gesamtzusammenhang sehen und lösen konnte428 • Bartolus schreibt: Tertio no. quod licet venditionem rei meae possum ratam habere re perempta in subsidium, vt pretium consequar, vt I. vlt. de neg. ge. & I. mater. C. de rei uen. tamen non contingit in re mihi debita. 429 Drittens merke, daß ich den Verkauf meiner Sache genehmigen kann, so daß ich, wenn die Sache zerstört ist, ersatzweise den Preis erlange, wie in D. 3.5.48(49) und C. 3.32.3. Aber dieses gilt nicht, wenn mir eine Sache geschuldet ist.

Bartolus ftlhrt hier D. 3.5.48 (49)430 an. Diesem Text entnimmt Bartolus, daß der Eigentümer einer Sache einen mit der Geschäftsftlhrungsklage zu verfolgenden Anspruch auf den Verkaufserlös hat, wenn die Sache von einem Nichtberechtigten verkauft wurde und inzwischen untergegangen ist. Wenn der Eigentümer den Verkauf genehmigt, soll er außerdem gemäß C. 3.32.3 die Herausgabe des Erlöses verlangen können. Dabei betont Bartolus, daß dieses Recht demjenigen nicht zustehe, dem die - abermals verkaufte - Sache lediglich geschuldet Guilelmus de Cuneo, Lectura super Codice zu C. 3.32.3, fol. 49, Rn. 10. 428 Ein Beispiel ist die umfassende Kondemnationslehre. Dazu und zur Methodik des Bartolus siehe Repgen, S. 212-214 und passim. - Auch Coing, Die Anwendung des Corpus Iuris in den Consilien des Bartolus, in: Gesammelte Aufsätze I, S. 132, meint, daß Bartolus vom Gedanken der Einheit des Rechts beherrscht sei. 429 Bartolus de Saxoferrato, Commentaria in secundam Digesti veteris partem zu D. 18.4.21, fol. 113 v, Rn. 2. 430 D. 3.5.48 (49): Si rem, quam servus venditus subripuisset a me venditore, emptor vendiderit eaque in rerum natura esse desierit, de pretio negotiorum gestorum actio mihi danda sit, ut dari deberet, si negotium, quod tuum esse existimares, cum esset meum, gessisses... 427

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3. Kapitel: Die Kommentatoren

sei. Bartolus unterscheidet also auch hier streng zwischen dem dinglichen Recht an der Sache dem bloßen Forderungsrecht431 , das im Hinblick auf die Sache selbst keine Rechtsposition begründet, die zur Geltendmachung der Geschäftsftlhrungsklage berechtigen würde. Das entspricht den Überlegungen von Cinus und Guilelmus de Cuneo. Einen umfassenden Schutz des Forderungsrechts erwägt Bartolus trotz entsprechender VOTÜberlegungen von Accursius zu dem von Bartolus hier kommentierten Text nicht. Die Glosse wird noch nicht einmal erwähnt. Es zeigt sich, daß die Glosse rur Bartolus nicht zu den als autoritativ verstandenen Schriften gehörte, obgleich sie die Grundlage der Vorlesung war432 • Bartolus erklärt lediglich, wie es technisch zu den von ihm dargelegten Rechtsfolgen kommt, vermeidet aber Wertungen, indem er die Billigkeit des Ergebnisses nicht nachprUft und die abweichende Rechtslehre nicht einbezieht, genauer: Seine Wertung, daß die Versagung des Zweitverkaufserlöses in Ordnung ist, wird hinter der Rechtsdogmatik versteckt. Das paßt zu dem Bild eines Juristen, der - so Coing - die Gesetztestexte wie seine Zeitgenossen als überhistorische Autorität ansah433 • Die Beobachtung, daß Bartolus trotz der strengen Beachtung der Texte zu kühnen Analogien flihig gewesen sei, um seine schöpferischen Gedanken zu stützen434 , bestätigt sich hier dagegen nicht. Vielmehr orientiert sich Bartolus eng am Text und an dem darin angelegten "System,,435. Das wiederum dürfte darauf zuTÜckzuftlhren sein, daß Bartolus nur in Fällen grober Unverhältnismäßigkeit offen von der Anwendung einer an sich einschlägigen Norm absehen wollte436 • Eine solche grobe Unverhältnismäßigkeit sieht Bartolus im Falle des betrogenen Erstkäufers nicht als gegeben an. Obwohl Bartolus als der be-

431 Siehe auch S. 121. - Eigentum und Forderungsrecht werden jedoch nicht konsequent gegenübergestellt. Bartolus rechnet beispielsweise das obligatorische Recht des usus fructus sehr wohl zum (weiten) Begriff des dominium, so Coing, Zur Eigentumslehre des Bartolus, SZRom 70 (1953), S. 349, 353; Feenstra, Der Eigentumsbegriff bei Hugo Grotius, S. 211 Note 10. 432 Vergleiche oben S. 121f. 433 Coing, Die Anwendung des Corpus luris in den Consilien des Bartolus, in: Gesammelte Aufsätze I, S. 130 f. Die herausragende Autorität des Gesetztes für Bartolus betont auch Repgen, S. 236. 434 Coing, Die Anwendung des Corpus Iuris in den Consilien des Bartolus, in: Gesammelte Aufsätze I, S. 130; Peter, in: HRG I, s. v. Bartolus de Saxoferrato, Sp. 319. 435 Ein "induziertes System", das aus vielen Einzelfällen gewonnen wird, hat zuletzt Repgen, S. 212 ff., bei Bartolus beobachtet. Ähnlich Van de Kamp, S. 239. - Coing, Die Anwendung des Corpus Iuris in den Consilien des Bartolus, in: Gesammelte Aufsätze I, S. 129, zeigt ein Beispiel für die strenge Unterscheidung zwischen obligatorischem und dinglichem Recht bei Bartolus, betont aber, daß dem nicht die Systematik der Begriffsjurisprudenz zugrundeliege. 436 Caron, "Aequitas" Romana, S. 80 f.

11. Ansprüche des Erstkäufers auf den Zweitverkaufserlös

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deutendste Vertreter der Schule der Kommentatoren gilt437 , hat er zur Lösung des Doppelverkaufsproblems nichts beigetragen438 • Der Umstand, daß auf die Billigkeitsargumentation des Accursius von den bisher genannten Kommentatoren, die einen Herausgabeanspruch grundsätzlich ablehnen, nicht eingegangen wird439, wirft die Frage auf, warum diese Kommentatoren trotz entsprechender VOTÜberlegungen durch die Glossatoren nicht bereit sind, die auf der Grundlage des Textes gefundenen Ergebnisse auf ihre Billigkeit hin zu überpTÜfen. Für das kanonische Recht seit dem 13. Jahrhundert ist die Tendenz zu einer "scholastischen Begriffsjurisprudenz" beobachtet worden, in der der rigor iuris eine größere Bedeutung erlangt haben soll als die aeqUitas440 . Auch Wieacker stellt fest, daß die Kommentatoren gelegentlich formalistischer und buchstabengetreuer verfahren sind als die Glossatoren44 ). Ähnliches ist anscheinend schon von zeitgenössischen Kanonisten beobachtet worden. So attakierte Hostiensis Innocenz IV., der - so der Vorwurf - mit seiner übertriebenen Beachtung des rigor dem Beispiel der Legisten folge 442 • Diese Strenge wird auf die wirtschaftlichen Bedürfnisse dieser Epoche zuTÜckgefiihrt443 • Auch Biondi meint, jede Epoche habe ihre eigene Vorstellung von aequitas und iustitia, die aus dem jeweiligen sozialen Klima resultiere444 • Darin mag auch die Ursache filr einen Formalismus liegen, der die bisher angefilhrten Kommentatoren das Ergebnis, die Versagung des Zweitverkaufserlöses, erst gar nicht hinterfragen läßt.

2. Stellungnahmen zu der aequitas-Argumentation des Accursius Auch die Juristen, die auf die Frage nach der Herausgabe des Zweitverkaufserlöses eingehen, verneinen diese überwiegend und lehnen die diesbezügliche

437 Horn, in: Handbuch der Quellen und Literatur I, S. 269 f; Peter, in: HRG I, s.v. Bartolus de Saxoferrato, Sp. 319; Savigny, Geschichte VI, S. 153; Calasso I, S. 573. 438 Vergleiche auch oben S. 121 f 439 Es besteht demnach entgegen Jakobs, Lucrum ex negotiatione, S. 62, schon vor Faber und Cujas die Tendenz, die Glosse propter negotiationem nicht zur Kenntnis zu nehmen. 440 Elsener, S. 184-189. 441 Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, S. 82 (mit weiteren Nachweisen). 442 Caron, Aequitas et interpretatio, S. 132 f. 443 Elsener, S. 188 f. - Auch Van de Kamp, S. 246, und Piano Mortari, in: EncicIopedia deI diritto VII, s.v. Commentatori, S.798, betonen, daß Bartolus das römische Recht in der Form anzuwenden hatte, die den wirtschaftlichen Bedürfuissen der Zeit entsprach. 444 Biondi 11, S. 38. - Zur aequitas siehe oben S. 152 f

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3. Kapitel: Die Kommentatoren

Glosse des Accursius ab. Eine Sonderstellung nimmt allerdings Jacobus Butrigarius ein: Item opp. de I. si eum seruum supra si cert. pet. Sol. vt glo. quia petit quis pretium rei suae, & in subsidium, cum nullum auxilium aliud habeat, hic petit rei pretium sibi debitae, & non in subsidium, cum habeat actionem ex empto. 445 Außerdem besteht ein Gegensatz zu D. 12.1.23. Die Lösung wie in der Glosse. Denn dort verlangt jemand den Preis rur seine Sache, und das hilfsweise, weil er kein anderes Hilfsmittel hat. Hier fordert jemand den Preis rur die ihm geschuldete Sache, und das nicht hilfsweise, weil er die actio ex empto hat.

Jacobus Butrigarius meint unter Berufung auf Accursius, daß der Erstkäufer zu der Geschäftsfilhrungsklage auch nicht auf Umwegen soll gelangen können. Vorbild ist ihm an dieser Stelle - wie die Wortwahl verrät - weniger die Glosse propter negotiationem zu D. 18.4.21, sondern vielmehr die Glosse condicere zu D. 12. 1.23. N ach der Glosse condicere zu D. 12.1.23 steht dem Berechtigten gegen den als Nichtberechtigter Verkaufenden zunächst - wie es D. 12.1.23 vorsieht - die Bereicherungsklage zu. Die Geschäftsfilhrungsklage ist dagegen nur nach der Genehmigung des Verkaufs hilfsweise möglich:" ... cum enim veniat in act. neg. gest. te habente ratum in subsidium... ,,446. Während hiernach im Fall von D. 12.1.23 fiir den wahren Berechtigten gegen den scheinbaren Vermächtnisnehmer neben einer condictio hilfsweise eine Geschäftsfiihrungsklage nach dem Verkauf des Vermächtnisgegenstandes filr zulässig gehalten wird, soll dies im Fall eines Doppelverkaufs nicht möglich sein. Auch das kann der Glosse condicere entnommen werden447 • Insoweit entspricht die Meinung des Jacobus Butrigarius noch der herrschende Lehre. Jacobus Butrigarius begründet die Ablehnung eines Herausgabeanspruchs nach Geschäftsfiihrungsrecht damit, daß es einmal an dem zur Klage berechtigenden Eigentumsrecht an der Sache fehlt, ein Gedanke, den die oben angefilhrten Kommentatoren aufC. 3.32.3 stützen. Außerdem soll fiir eine hilfsweise Anwendung im Fall von D. 18.4.21 kein Raum sein, weil dem Erstkäufer statt dessen die - ins Leere gehende - actio ex empto zustehen soll. Deren Inhalt wird zwar nicht näher präzisiert, doch gehört mit Sicherheit der Zweitverkaufserlös nicht dazu. Jacobus Butrigarius folgt Accursius aber nicht nur hinsichtlich der Ablehnung der Geschäftsfilhrungsklage, denn er schreibt sodann:

445 Jacobus Butrigarius, In primam et secundam Veteris Digesti partem (Tomus secundus) zu D. 18.4.21, (dort angegeben als D. 15.4.21), § Quod si rem, fol. 238, Rn. 1. 446 Accursius, Corpus iuris civilis iustinianei, Glosse condicere zu D. 12.1.23, Sp. 1221. 447 Dieser letzte Teil der insgesamt umfangreichen Glosse zu D. 12.1.23 ist wiedergegeben oben S. 89.

11. Ansprüche des Erstkäufers auf den Zweitverkaufserlös

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Item opp. cum emptor ex dubio suo hoc consequatur, non debeat retinere, hoc fatetur gl. vt bene applicabitur fisco, vel actori emptori, qui fraudem non participauit. 448 Außerdem ist es ein Gegensatz (zu D. 18.4.21), daß der Käufer (den Erlös) in seinem (des Accursius) Zweifel erhalten soll und (der Verkäufer) ihn nicht zurückhalten dürfte. Das bekennt die Glosse, daß man (den Erlös) gut dem Fiskus geben kann oder dem klagenden Käufer, der an dem Betrug nicht teilgenommen hat.

Jacobus Butrigarius äußert zwar nicht ausdrücklich, wohl aber der Sache nach den Gedanken des Accursius, daß man den Lohn aus einer Straftat nicht behalten dürfe. Als Empfänger kommen sowohl der Fiskus als auch der Erstkäufer - als derjenige, der sich nichts hat zuschulden kommen lassen - in Betracht. Jacobus Butrigarius geht es demnach wie bereits Accursius weniger um den Schutz des Erstkäufers, sondern um die Abschöpfung des aus dem unlauteren Geschäft erlangten Gewinns. Die Berufung auf die dem Gesetzeswortlaut widersprechende Glosse ersetzt tUr jacobus Butrigarius eine eigene Begründung auf der Grundlage des Textes. Daher kann man - nur hier - von einer den Gesetzeswortlaut überragenden Autorität der Glosse sprechen449 , die sich hier von einer Rechtserkenntnisquelle zu einer Rechtsquelle entwickelt hat4so • Doch zeigt sich sogleich, daß Jacobus Butrigarius eine Ausnahmeerscheinung darstellt. Albericus de Rosate folgt Accursius und Jacobus Butrigarius nur in der Ablehnung einer GeschäftstUhrungsklage gemäß D. 12.1.23 zugunsten des Erstkäufers, mit einer Argumentation, die derjenigen des Jacobus Butrigarius annähernd wörtlich entspricht4S1 • Mit der von jacobus Butrigarius im Anschluß an Accursius vorgeschlagenen Herausgabepflicht ist Albericus de Rosate hingegen nicht einverstanden: Item oppo. quod cum emptor habeat pretium secundae uenditionis ex dolo & delicto suo, quia falsum commisit, ut info ad legern Come. de fal. 1. qui duo bus. non debeat lucrari pretium. hoc fatetur glo. & eum sequitur Iac. But. & dicit quod non retinebit pretium: sed uel applicabitur fisco tanquam ab indigno, uel applicabitur primo emptori, secundum glo. qui fraudem non participauit. & pro glo. facit, quia ex improbitate sua non debet consequi commodum. infra de furt. 1. itaque fullo. haec tarnen opinio communiter reprobatur, per Odof. Andr. Ricar. Rayn. & communiter omnes, quia est expresse contra texturn huius 1. quae dicit quod pretium reddere non tenetur, cum habeat ex sua negotiatione ... venditio facta duobus dicitur iure fieri. 448 Jacobus Butrigarius In primam et secundam Veteris Digesti partem (Tomus secundus) zu D. 18.4.21, § quod si rem, fol. 238, Rn. 1. 449 Von einem solchen Autoritätenkult spricht Savigny, Geschichte V, S. 293 ff.; VI, S. 298 f. - AA Engelmann, Wiedergeburt, S. 204 Note 4, 191; Genzmer, Kritische Studien, SZRom 61 (1941), S. 324. Siehe auch unten S. 212 und 214. 450 Zu dieser Entwicklung siehe OUe, Dialektik, S. 210 f.; differenzierend Lange, Glosssatoren, S. 373 ff. 451 Albericus de Rosate, In secundam ff. veter. part. Commentarij zu D. 18.4.21, fol. 141 v, Rn. 2.

14 Sella-Geusen

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3. Kapitel: Die Kommentatoren

C. de rei uend. I. quoties. uel secundum Odofr. dic quod in I. qui duo bus. uenditor quando vendidit secundo, iam erat in mora primo emptori: quia pretium sibi soluerat, vel aliter satisfecerat. ar. C. de act. emp. I. curabit. hie secus. & ideo primo emptori non praestat rem: quia per interitum ante moram est Iiberatus: nec pretium, quia iIIud habet, non ex re, sed ex sua negotiatione, ut in litera. ibi, pretium enim &c ... non ob. I. I. § Iicet. infra de pericu. & commo. rei vend. quam glo. allegat, quia ibi res extabat ex qua pretium erat praeceptum, & ideo restituit: hic autem intererat, & ideo pretium non restituit. & hoc innuit expresse textus huius I. ut dixi: quia non habet ex re, sed ex negotiatione. non ob. I. placuit. C. de iud. quia hic est rigor scriptus, & aequitas non scripta: & ideo praevalet rigor, ut no. & dixi in d. I. placuit. & de leg. 1. Sed quaero, supposito quod ista opinio sit vera, sicut credo, numquid prior emptor possit offerre pretium venditori, ut habeat pretium secundi emptoris, quod forte est maius? quod videtur per I. Iul. §. offerri infra de act. empt. die contra. quia res interiit, & sic oblatio non fit congruo tempore. argu. infra. de solu. I. soluturus. secundum Odof. & Ray.452 Ebenso besteht der Widerspruch, daß wenn der [Ver]käufer den Erlös aus dem zweiten Verkauf aufgrund des dolus und seines Deliktes hat, er den Erlös nicht gewinnen darf, weil er ein falsum gemäß D. 48.10.21 begangen hat. Dieses bekennt die Glosse und dieser folgt Jacobus Butrigarius und er sagt, daß er den Erlös nicht behalten soll. Aber entweder würde er der Staatskasse gegeben werden wie der Erlös aus einer Straftat oder nach der Glosse dem ersten Käufer, der nicht an dem Betrug teilgenommen hat. Und filr die Glosse spricht, daß er aus seiner Unredlichkeit keinen Gewinn erlangen darf, so D. 47.2.12. Jedoch wird diese Meinung allgemein mißbilligt von Odofredus, Andreas, Ricardus, Rainerius, von allen gemeinsam, weil es ausdrücklich gegen den Text dieser lex ist, die sagt, daß man den Erlös nicht zurückgeben muß, weil man ihn aus seinem Geschäft erlangt habe... Es wird gesagt, daß ein Verkauf rechtmäßig zweimal durchgefilhrt wird, C. 3.32.15, oder sage mit Odofredus, daß in D. 48.10.21 der Verkäufer, als er zum zweiten Mal verkaufte, dem ersten Käufer gegenüber schon in Verzug war, weil der den Preis schon bezahlt hatte oder er ihn anders zufriedengestellt hatte, C. 4.49.5. Hier ist es aber anders und deshalb schuldet er dem ersten Käufer die Sache nicht, weil er nämlich durch den Untergang vor Verzug befreit ist, und den Preis nicht, weil er diesen nicht aus der Sache, sondern wegen eines Geschäfts erlangt habe, wie es im Gesetzestext steht, bei pretium enim etc ... D. 18.6.1.3 steht dem nicht entgegen, was die Glosse anfUhrt, weil dort die Sache vorhanden war, aus der der Erlös erlangt wurde, und er ihn deshalb herausgeben muß. Hier aber war sie untergegangen und deshalb gibt er den Preis nicht heraus. Dies sagt ausdrücklich der Text dieser lex, und ich habe gesagt, weil er ihn nicht aus der Sache hat, sondern aus dem Geschäft. Dem steht C. 3.1.8 nicht entgegen, weil es sich hier um den rigor scriptus und die aequitas non scripta handelt, und deshalb geht der rigor vor; merke, was ich zu C. 3.1.8 gesagt habe. Aber ich frage, angenommen diese Ansicht wäre richtig, wie ich glaube, könnte vielleicht der erste Käufer dem Verkäufer den Kaufpreis anbieten, so daß er den Preis des zweiten Käufers erlangen könnte, der vielleicht höher ist. Es scheint so wegen D. 19.1.13.8, aber weil die Sache untergegangen ist und daher das Angebot nicht zur rechten Zeit gemacht worden ist, (ist dies nicht so) mit dem Argument D. 46.3.39 nach Odofredus und Rainerius ...

452

Albericus de Rosate, In secundam ff. veter. part. Commentarij zu D. 18.4.21,

fol. 141 v, Rn. 2.

11. Anspruche des Erstkäufers auf den Zweitverkaufserlös

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Im Vordergrund steht für Albericus de Rosate die technisch saubere Lösung, die für ihn die Verneinung einer Herausgabepflicht mit sich bringt. Den Ausgangspunkt des Accursius scheint Albericus aber zu billigen, denn auch er betont, daß aus der Unredlichkeit kein Gewinn entstehen dürfe und fUhrt eine Stelle453 an, die diesen Rechtsgedanken noch unterstützt. Für eine Herausgabe an den Fiskus, den Jacobus Butrigarius vorgeschlagen hat, fehlt es wohl an einer Rechtsgrundlage. Doch darauf geht er nicht näher ein. Im Mittelpunkt steht die Frage nach der Herausgabe des Erlöses an den Erstkäufer, ohne daß er aus der Überlegung, daß man aus der Straftat keinen Gewinn erzielen dürfe, Konsequenzen zöge. D. 18.4.21 spricht zu deutlich dagegen. Er ist sich unschlüssig, ob das Merkmal "iure" in C.3.32.15 überhaupt mit D.48.1O.21 in Zusammenhang gesehen werden kann, was Albericus in dem schon oben454 wiedergegebenen Teil seiner Kommentierung zu D. 18.4.21 mit Cinus beziehungsweise Andreas Bonellus de Barulo sowie in seiner Erörterung zu D. 48.10.21 455 verneint hat. Außerdem überlegt er, ob dem anderen Lösungsvorschlag des Odofredus (zu D. 18.4.21) zu folgen sei 456 , wonach für das Vorliegen des Verkäuferverzuges, der zur Unrechtmäßigkeit des zweiten Verkaufs führt, vor allem das Leistungsverhalten des Käufers entscheidend ist, der als vorleistungspflichtig angesehen wird. Folge der Vorleistungspflicht ist es, wie Odofredus schon dargelegt hat, daß der Erstkäufer das Versäumnis der Kaufpreiszahlung durch nachträgliches Anbieten des Kaufpreises wegen Unzeitigkeit des Angebots nicht mehr heilen kann, so daß es bei der Rechtmäßigkeit des zweiten Verkaufs bleibt. Es wäre aber verfehlt, bei pünktlicher Zahlung durch den Erstkäufer VOn der Strafbarkeit eines zweiten Verkaufs auf eine Pflicht zur Herausgabe des commodum ex negotiatione zu schließen, denn dieses Ergebnis entspräche der Glosse, deren Argumentation Albericus ablehnt. Gegen die Glosse argumentiert Albericus, daß der angeführte Weinverkäuferfall im Gegensatz zu dem in D. 18.4.21 beschriebenen Doppelverkauf insofern eine völlig andere Ausgangslage betreffe, als der Wein nach dem Selbsthilfeverkauf gerade nicht untergegangen sei. Nach Albericus soll der zufällige Untergang der Kaufsache, also die Gefahrtragung durch den Käufer, der Grund dafür sein, daß der Verkäufer den Erlös hier im Gegensatz zum Weinverkäuferfall behalten darf. Der Zahlungsverzug des Erstkäufers und daher die Zulässigkeit des zweiten Verkaufs sind dagegen allein im Hinblick auf die Strafbarkeit VOn Bedeutung.

D. 47.2.12.1: ... sed nemo de inprobitate sua consequitur actionem ... Siehe S. 128. 455 Vergleiche oben S. 129. 456 Albericus de Rosate bezieht sich häufig auf Odofredus, so Savigny, Geschichte VI, S. 135. 453

454

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3. Kapitel: Die Kommentatoren

Albericus will dem Erstkäufer auch nicht mit C. 3.1.8 zu dem Erlös verhelfen, weil eine solche Entscheidung auf der aequitas non scripta basieren würde, da der von Accursius genannte Weinverkäuferfall zur Rechtfertigung eines abweichenden Ergebnisses mangels Vergleichbarkeit der Ausgangslage nicht herangezogen werden dürfe: Die hier mangels Rechtfertigung durch die Quellen vorliegende aequitas non scripta soll, entsprechend der herrschenden Meinung unter Glossatoren und Kommentatoren gegen den geschriebenen rigor iuris nicht zum Zuge kommen 457 • Diese Strenge entspricht einer Grundhaltung des Albericus, der unter Berufung auf Cicero zu C. 3.1.8 sagte, daß er nicht allzu gerecht sein möchte, da eine Übertreibung immer schädlich sei458 • Albericus bleibt damit fest auf dem Boden der Textgrundlage und läßt sich weder dadurch, daß es mit D. 48.10.21 eine anscheinend widersprechende TextsteIle gibt, noch dadurch, daß das Ergebnis nach der Ansicht einer (von Albericus hier nicht als solchen empfundenen) Autorität wie Accursius nicht gerecht ist, dazu bewegen, die sichere Textgrundlage zu verlassen. Diese Abweichung von der Glosse ist keineswegs eine Ausnahme, denn Albericus tadelte die Richter wegen deren kritiklosen Haltung der Glosse gegenüber459 • Die Verteidigung der communis opinio gegenüber der Glosse zeigt zudem, daß die überwiegende Lehrmeinung zu Beginn des 14. Jahrhunderts bei den Legisten im Gegensatz zu späteren Zeiten noch nicht die Bedeutung erlangt hat, daß sie nicht mit Argumenten aus dem Text unterstützt werden müßte460 • Auch bei Salicetus steht die Auseinandersetzung mit der Billigkeitsargumentation des Accursius im Vordergrund: Quaero igitur, an de aequitate priori emptori detur actio contra venditorem ad pretium receptum a secundo emptore, & quidam dixerunt, quod sic, per I. cum servum. supra. si cer. pe. Sed gl. dicit, quod lex iIIa non urget, quia ibi servus erat eius cui pretium solvitur. hic vero erat primi emptoris. Sed Iicet I. iIIa non urgeat, tamen gl. eandem opi. tenet ex eo, quia vendendo duobus eandem rem, incidit in poenam falsi. vt I. qui duobus. info de fal. ergo praemium ex eodem facto non debet percipere. vt supra. de neg. ge. I. sive haereditaria. Et sic pretium iIIud retinere non potest. ar. info de peric. & comm. rei yen. I. I §. licet. Ego non percipio istam aequitatem locum habere posse, maxime ubi primus emptor non solvit pretium. sufficit. n. quod actione

Vergleiche oben S. 152 ff. Albericus de Rosate, In primam Codicis partem Commentarij zu C. 3.1.8, fol. 133: " ... Noli esse nimis iustus, & Cicero ait, summum ius, saepe sit summa iniustitia. Insani quoque sapiens nomen feret equius iniqui ultra quod satis est, virtutem si petat ipsam. Nimietas enim in omni re vitiosa esse dignoscitur." - Die Kenntnisse über die antiken Schriftsteller beruhen auf dem Trivium, das dem Rechtsstudenten als propädeutisches Studium diente, siehe Horn, Philosophie in der Jurisprudenz der Kommentatoren, Jus commune I (1967), S. 125. 459 Engelmann, Wiedergeburt, S. 194; Lange, Glossatoren, S. 375. 460 Vergleiche oben S. 179 ff. 457

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11. Ansprüche des Erstkäufers auf den Zweitverkaufserlös

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ex empto possit petere interesse suum, alias inconveniens esset, quod suum, & alienum pretium haberet. 461 Ich frage also, ob man wegen der aequitas dem ersten Käufer eine actio gegen den Verkäufer auf den von dem zweiten Käufer erlangten Kaufpreis gewähren soll, und einige sagen, daß ja, so wegen D. 12.1.23. Aber die Glosse sagt, daß jene lex nicht zwingend sei, weil dort (Le. bei D. 12.1.23) der Sklave dem gehörte, dem der Erlös bezahlt wurde. Das aber wäre hier der erste Käufer. Aber obwohl diese lex nicht zwingend sein soll, vertritt die Glosse trotzdem diese Meinung, weil zweimal dieselbe Sache verkaufen die poena falsi eintreten läßt wie in D. 48.10.21, und man aufgrund derselben Handlung keine Belohnung erhalten dürfe gemäß D.3.5.21(22). Und deshalb dürfe er den Preis nicht behalten, wie in D. 18.6.1.3. Ich finde nicht, daß diese aequitas hier Platz greifen kann, besonders wenn der erste Käufer den Preis nicht bezahlt hat. Es genügt, wenn man sich merkt, daß er mit der actio ex empto auf sein Interesse klagen kann. Andererseits wäre es unpassend, daß er seinen und den fremden Erlös erhielte. Salicetus setzt sich hier nicht mit dem Gesetzestext auseinander, sondern ausschließlich mit der Glosse des Accursius462 • Salicetus kommt sofort zu dem entscheidenden Kriterium, wenn er danach fragt, ob die aequitas dazu zwinge, dem Erstkäufer den Erlös zuzusprechen. Er unterstreicht, daß schon nach der Glosse propter negotiationem zu D.18.4.21 das Fragment D. 12.1.23 beim Doppelverkauf nicht zur Herausgabe des Erlöses an den Erstkäufer zwinge. So wird mit Hilfe der Glosse nicht nur jene Ansicht abgetan, die dem Erstkäufer mit D. 12.1.23 zum Zweitverkaufserlös verhelfen wollte. Vielmehr steht damit schon das Ergebnis tUr die gesamte Frage fest. Denn auch die aequitas soll hier mangels Rechtfertigung durch den Text entgegen der Glosse nicht zum Zuge kommen, was besonders dann gelten soll, wenn der Erstkäufer seinerseits nicht bezahlt hat. Das ist insofern bemerkenswert, als Salicetus an anderer Stelle davor warnte, allzu leichtfertig von der Glosse abzuweichen463 • Auf die Rechtsfolgen bei pünktlicher Zahlung durch den Erstkäufer geht Salicetus nicht ein. Doch läßt schon seine Wortwahl darauf schließen, daß die Verweigerung eines Anspruchs auf den Zweitverkaufserlös grundsätzlich auch bei pünktlicher Zahlung durch den Erstkäufer, erst recht aber bei Zahlungsverzug gelten soll. Ansprüche, die über die normalen Rechtsbehelfe der actio empti hinausgehen, lehnt Salicetus explizit ab. Mit Hilfe der actio empti soll der Erstkäufer in der Lage sein, die Herausgabe des von ihm gezahlten Kaufpreises erfolgreich geltend zu machen. Der Verkäufer soll sich nämlich nicht mit einem doppelten Kaufgeld bereichern können464 • Ausdrücklich aber soll die actio empti keinen 461 Bartholomaeus Salicetus, In secundam ff. veteris partem Commentaria zu D. 18.4.21, fol. 112, Rn. I. 462 Salicetus hat sich auch ausfilhrlich mit der Glosse iure zu C. 3.32.15 des Accursius auseinandergesetzt, siehe oben S. 131 ff. 463 Engelmann, Wiedergeburt, S. 198 f. 464 Dies ist im 19. Jahrhundert sehr umstritten, vergleiche oben S. 41 ff., 113 ff.

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3. Kapitel: Die Kommentatoren

Anspruch auf den fremden Erlös umfassen. Das entspricht genau der Lösung des Odofredus, der hier nicht genannt wird. Die Erläuterungen von Albericus und Salicetus und der Umstand, daß ein Teil der Kommentatoren die Lehre des Accursius schlicht übergeht, zeigen, daß bei den Kommentatoren von einem blinden Autoritätenkult, einer "tirannia della Glossa,,465, keine Rede sein kann. Eine Ausnahme stellt nur Jacobus Butrigarius dar466 . Selbständige Entscheidungen von Rechtsfragen durch die Glosse, die sich weniger auf Quellenstellen, sondern vielmehr auf eigenen Zweckmäßigkeits- oder Billigkeitserwägungen gründeten, wurden nach der Beobachtung von Engelmann oftmals nicht anerkannt, wenn sie sich als Entscheidung contra legem erwiesen467 - so auch hier bei der Frage nach der Auskehr des Zweitverkaufserlöses. Vorsichtige Zustimmung zu seiner Billigkeitsargumentation scheint Accursius außer bei dem bereits erwähnten Jacobus Butrigarius jedoch bei Baldus zu finden: Tertio in dicto ver. sed hoc in re singulari, videtur tex. quod licet venditionem rei meae tuo nomine factarn, ego possum habere ratam in subsidium re perempta, vel praescripta: vt per hoc ego consequar precium. vt l. mater. C. de rei vendi. supra de neg. gest. l. fin. supra si cer. pe. l. si eum servum. tamen hic tex. videtur velle, quod secus sit in re mihi debita. tarnen hoc intellige, vt in glo. quae incipit, sic & haeres, vbi gl. videtur velle, quod sit idem, non secus, quod tene menti pro intellectu d. l. mater. 468 Drittens, in den besagten Worten "sed hoc in re singulari" scheint es in dem Text, daß ich den Verkauf meiner Sache, obgleich er in deinem Namen geschah, genehmigen kann und als Ersatz rur die zerstörte oder ersessene Sache dann den Erlös verlangen kann, wie in C. 3.32.3, C. 2.18( 19).24, D. 12.1.23. Jedoch scheint dieser Text zu wollen, daß es anders sei, wenn mir die Sache nur geschuldet ist. Jedoch verstehe dies wie in der Glosse, die mit den Worten "sic et haeres,,469 beginnt, wo die Glosse zu wollen scheint, daß es ebenso gehalten werde und nicht anders, was du rur das Verständnis von C. 3.32.3 im Kopfbehalten sollst.

465 Piano Mortari, in: Enciclopedia deI diritto VII, s.v. Commentatori, S. 795 f., und ders., L'azione revocatoria, S. 141. 466 Vergleiche oben S. 208 f. 467 Engelmann, Wiedergeburt, S. 183; Horn. Argurnenturn ab auctoritate in der legistischen Argumentationstheorie, S. 270 f. - Die Unabhängigkeit der Juristen des 14. Jahrhunderts von der Glosse, aber auch vom Text, wird in engem Zusammenhang mit den politischen Umwälzungen, der Unabhängigkeit von der Autorität des Kaisers, gesehen (Piano Mortari, in: Enciclopedia deI diritto VII, s.v. Commentatori, S.796, 798; Wesenberg / Wesener, S. 32). 468 Baldus de Ubaldis, Commentaria in secundam Digesti veteris partem zu D. 18.4.21, fol. 155 V• 469 Accursius, Glosse propter negotiatione zu D. 18.4.21, vergleiche oben S. 83 ff.

11. Anspruche des Erstkäufers auf den Zweitverkaufserlös

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Zur Klärung der Frage, ob der Verkäufer dem Käufer die Herausgabe des Erlöses schuldet, stellt auch Baldus zunächst fest, daß der Eigentümer gemäß c. 3.32.3 von dem nichtberechtigten Verkäufer mit der Geschäftsftihrungsklage die Herausgabe des Kaufpreises wegen des durch Untergang eingetretenen Verlusts der Sache verlangen kann. Baldus ftihrt weiterhin D. 12.1.23 an, die Vorschrift, die von den von Accursius als "quidam" Bezeichneten (wahrscheinlich Johannes Bassianus und Azo) zur Begründung einer Herausgabepflicht herangezogen worden war. So zu dem Hauptproblem kommend, stellt Baldus die Frage, ob ftir einen Herausgabeanspruch aus der Geschäftsftihrungsklage nach C.3.32.3 oder ftir die Bereicherungsklage gemäß D. 12.1.23 ein Forderungsrecht ausreichend ist, oder ob diese Texte ein ius in re voraussetzen. Angesichts des Umstandes, daß Paulus den Erstkäufer ausdrücklich leer ausgehen lassen will und daß die herrschende Meinung unter den Kommentatoren ftir diese Klagen Eigentum voraussetzt, zeigt schon die an der vorsichtigen Ausdrucksweise" videtur velle" anstatt "vult" erkennbare Untertreibung bei der nur vorläufigen Verneinung der Frage, daß Baldus im Ergebnis sehr wohl auf eine Herausgabe des Erlöses hinaus will. Ausdrücklich sagt er nämlich anschließend, daß gleichwohl das Forderungsrecht mit dem Eigentum auf eine Stufe zu stellen und daher der Interpretation durch die Glosse zu folgen sei (tamen intellige, ut in glo., .. quod sit idem, non secus). Baldus gibt daftir aber keine Gründe an, sondern ftigt lediglich hinzu, daß diese Auslegung von D. 18.4.21 ftir die Interpretation von C. 3.32.3 von Bedeutung sei. Das legt den Schluß nahe, daß die Herausgabe des Erlöses mit Hilfe einer Geschäftsftihrungsklage analog C. 3.32.3 verfolgt werden soll. Baldus weist nicht darauf hin, daß er sich hiermit der herrschenden Meinung - vertreten etwa von Bartolus470 und Cinus471 - entgegenstellt, die der Konstitution C. 3.32.3 eine strenge Unterscheidung zwischen res suae und res sibi debitae zugrundegelegt haben, mit der Folge, daß dem Erstkäufer die Herausgabe des Zweitverkaufserlöses verweigert wird. Überhaupt hat Baldus die Ansichten des Bartolus nicht selten bestritten472 • Nicht erörtert wird vor allem das Problem, daß die Glosse, der Baldus hier wohl folgen will, nur schwer mit dem Gesetzeswortlaut in Einklang zu bringen ist. Das paßt zu einem Juristen, der zwischen Buchstabentreue und wahrer Gesetzestreue unterscheiden will473 • Auf die von anderen Juristen geübte Kritik an den Billigkeitserwägungen des Accursius geht Baldus nicht ein. Baldus scheint

Vergleiche oben S. 205. Oben S. 203. 472 Van de Kamp, S. 168 f.; Piano Mortari, in: Enciclopedia deI diritto VII, s.v. Commentatori, S. 798. 473 Vergleiche oben S. 152 ff. 470 471

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3. Kapitel: Die Kommentatoren

nicht nur mit dem Ergebnis, sondern auch mit der Argumentation des Accursius einverstanden zu sein. Die kommentarlose Bezugnahme auf Accursius zeigt, daß dieser ftlr Baldus eine besondere Autorität besitzt, die keiner weiteren argumentativen Stütze bedarf. Das ist insofern bemerkenswert, als Baldus an anderer Stelle betont, daß die auctoritas glossae argumentativ durch Berufung auf den Quellentext überwunden werden könne474 • Eine Ablehnung der Glosse unter Berufung auf den Quellentext wäre auch hier, wie die Ausftlhrungen von AIbericus de Rosate und von Salicetus belegen, problemlos möglich gewesen. Die sowohl auf den Gesetzestext wie auch auf die Glosse bezogene Ausdrucksweise "videtur velle" läßt auf eine Unsicherheit bei Baldus schließen: Er konzediert damit, daß Text und Glosse viele Interpretationsmöglichkeiten zulassen und läßt zugleich eine andere Interpretation gelten, wodurch er vielleicht dem Vorwurf der bewußten Textuntreue begegnen will. Die unsichere Haltung gegenüber der Glosse ist keine Ausnahmeerscheinung: Baldus hat bisweilen in seinen Kommentaren die Meinung der Glosse bestritten und doch als Gutachter gleichwohl dem Richter empfohlen, dieselbe zu befolgen47S • Wie unsicher Baldus in dieser Frage ist, zeigt die sich im Anschluß an diese Kommentierung zu D. 18.4.21 befindende additio zum doppelten Verkauf einer Einzelsache. Als additiones werden Exkurse und Ergänzungen bezeichnet, die an manche lecturae zu den verschiedenen Stellen angeftlgt worden sind476 • Diese nahmen gegen Ende der Epoche immer mehr überhand477. Additiones sind teils in der Niederschrift des Autors oder von dessen Schülern überliefert478 • Sie sind von Bruchstücken von lectura bisweilen nicht eindeutig zu unterscheiden479 • Die unten wiedergegebene additio scheint ein Fragment aus einer anderen Vorlesung zu D. 18.4.21 zu sein, denn daß es sich um Ergänzungen aus verschiedenen Vorlesungsreihen handelt, zeigen die ftlr D. 18.4.21 weiter unten angeftlgten additiones mit den Überschriften "ex lectura antiqua" oder "nova additio". In dem vorliegenden Kommentar finden sich keine Hinweise auf eine Urheberschaft Dritter. Die additiones stammen also wahrscheinlich von Baldus selbst beziehungsweise sind von ihm autorisiert. Dort heißt es: Secundo no., quod si ego vendidi tibi Stichum primo pro .x. postea vendo alij pro .xv. quod ego non sum obligatus primo emptori ad .xv. sed ad rei restitu. & ideo re perempta ante moram Iiberor a toto: secus in venditore haereditatis, quia videtur ge474 Horn, Argumentum ab auctoritate in der legistischen Argumentationstheorie, S. 270 f. 475 Enge/mann, Wiedergeburt, S. 198,200 f.; Lange, Glossatoren, S. 373. 476 Horn, in: Handbuch der Quellen und Literatur I, S. 322. 477 Horn, in: lus commune II (1969), S. 98. 478 Horn, in: Handbuch der Quellen und Literatur I, S. 332. 479 Horn, in: lus commune II (1969), S. 98.

11. Ansprüche des Erstkäufers auf den Zweitverkaufserlös

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rere negocium emptoris, & non proprium administrando. quod est not. & si tu dicas, quomodo in singulari potest esse, cum sit in mora, iterum vendendo cum incidit in crimen falsi. Respondeo, quod non incidit in crimen falsi, eo quia primus emptor non solvit precium. & ideo non incidit in crimen secundo loco vendendo, secundum Odofr. quod esset expeditum in his, qui non possunt vendere nisi presenti pecunia siue orecio. vt infra de re iud. I. a diuo Pio. § si post adiectum vbi est expressum, & no. 48b Zweitens merke, daß ich, wenn ich dir zuerst den Stichus ftir zehn verkauft habe, und später verkaufe ich einem anderen filr filnfzehn, dann dem ersten Käufer nicht zu filnfzehn verpflichtet bin, sondern dazu, die Sache herauszugeben, und deshalb bin ich gänzlich befreit, wenn die Sache vor Verzug untergegangen ist. Anders ist es bei einem Verkauf einer Erbschaft, weil er ein Geschäft filr den Käufer zu filhren scheint, welches er nicht als sein eigenes verwaltet. Und merke, wenn du sagst, wie es denn bei einer Einzelsache sein könne, wenn man in Verzug sei und man abermals verkaufe, man dann ein crimen falsi begehe. Ich antworte, daß man nur dann kein crimen falsi begeht, wenn der Erste im Kauf den Preis nicht bezahlt hat, und deshalb begeht man kein crimen, wenn man ein zweites Mal verkauft, so nach Odofredus, was klar ist, weil (die Verkäufer) nicht verkaufen können, wenn nicht Geld beziehungsweise Kaufpreis gezahlt werden, wie in D. 42.1.15.7 48 \ wo dies ausgedrückt ist.

Anband dieses Beispielsfalls verneint Baldus knapp eine Verpflichtung des Verkäufers zur Herausgabe des Erlöses, wenn der Verkäufer bei Untergang der Sache nicht in Verzug gewesen ist. Die Herausgabe des Erlöses will Baldus hier nur bei doppeltem Verkauf von Erbschaftssachen ausdrücklich gestatten, weil dies ein Fall der negotiorum gestio sei. Das ergibt sich unmittelbar aus D. 18.4.21. Weder die accursische Glosse zu D. 18.4.21 noch seine oben wiedergegebene Erörterung zu D. 18.4.21, in der er unter Berufung auf Accursius den Anwendungsbereich der Geschäftsfiihrungsklage zugunsten des Erstkäufers erweitert hat, werden erwähnt. Damit scheint er sich mit der oben erörterten Kommentierung in Widerspruch zu setzen, so daß man an der Urheberschaft Baldus' zweifeln mag. Der Argumentation des Odofredus stimmt Baldus hinsichtlich der Strafbarkeit zu, wonach der nach D.48.1O.21 doppelt verkaufende Verkäufer bereits den Kaufpreis vom Erstkäufer empfangen haben müsse, da anderenfalls ein Verkäufer nicht wirklich (doppelt) verkaufen könne. Baldus bestreitet die Wirksamkeit eines Kaufes ohne sofortige Zahlung. Er verweist datUr auf D. 42.1.15.7 482, wonach der Käufer bei der Versteigerung einer Pfandsache zur

480 Baldus de Ubaldis, Commentaria in secundam Digesti veteris partern, additio zu D. 18.4.21, fol. 155 V .

48\ Dem Wortlaut nach ist D. 42.1.15.6 zitiert. Jedoch ergibt sich eine Pflicht zur sofortigen Barzahlung erst aus der lex 7. Die Paragrapheneinteilung der Baldus vorliegenden Digestenausgabe weicht an dieser Stelle also geringftigig von der heute üblichen ab. 482 Gesetzestext unten Note 512.

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3. Kapitel: Die Kommentatoren

Barzahlung verpflichtet und widrigenfalls der Verkauf an einen Dritten zulässig ist. Worauf diese Unwirksamkeit beruht, erklärt Baldus nicht. Die Annahme, daß Baldus den Kauf als einen Realvertrag aufgefaßt hätte, erscheint vor dem Hintergrund, daß insbesondere Baldus die Versprechenstreue betont483 , als unwahrscheinlich. Auch von den anderen Kommentatoren wurde der Kauf als Konsensualvertrag aufgefaßt484 • Vielmehr dürfte Baldus dem Verkäufer ein Rücktrittsrecht eingeräumt haben. Auf die Vertragstreue des anderen soll sich nur derjenige verlassen können, der seinerseits vertragstreu ist. Jedoch verkehrt sich hier Gedanke der Versprechenstreue rur den Käufer ins Gegenteil, weil ein weiterer Verkauf (in diesem weiten Sinne ein "Selbsthilfeverkauf') bei Zahlungsverzug des Erstkäufers erlaubt ist. Die Gestattung eines zweiten Verkaufs bei Zahlungsverzug des Erstkäufers, rur die erstmals Odofredus eingetreten ist und die Baldus auch an anderer Stelle betont485 , ist bei den Kommentatoren unbestritten486 : Dies belegen Erörterungen von Albericus de Rosate487 , Salicetus488 , Angelus Aretinus 489 , (eingeschränkt) Alexander Tartagnus490 und Jason de Mayno491. Diese Rechtslehrer beschränken sich auf die Wiedergabe der Lehre des Odofredus und enthalten nichts Neues. Daher ist deren Erörterung an dieser Stelle entbehrlich. Für die Epoche der Kommentatoren gilt also nicht - wie es Jakobs rur die Humanisten und rur das 19. Jahrhundert beobachtet hat492 - daß die Interpretation des Odofredus zu D. 18.4.21 niemanden beeinflußt hätte. So etwa in seiner Kondemnationslehre, dazu Repgen, S. 237. Besonders deutlich Angelus Aretinus zu Inst. 4.6.10, fol. 246 v, Rn. 11: "Videamus aliqua in contractu emptionis, de quo hic in principio fit mentio, nam solo consensu perficitur ... nam eo ipso, quod ego vendo tibi istum Iibrum pro .10. & tu dicis, emo, per verba de praesenti. contracta est emptio... " 485 So Baldus, In usus feudorum commentaria zu L.F. 2.26.15 und ders., In primum, secundum & tertium Codicis Iibros Commentaria zu C. 3.32.15, vergleiche oben S. 130. 486 Ein derartiger Selbsthilfeverkauf scheint auch im deutschen Recht vor der Rezeption zulässig gewesen zu sein, vergleiche Seherner, Rücktrittsrecht, S. 7. Für die Zeit bis zum Vernunftsrecht siehe Seherner, S. 79 ff. 487 Albericus de Rosate, In secundam ff. veter. part. Commentarij zu D. 18.4.21, fol. 141 v, Rn. 2. 488 Bartholomaeus Salicetus, In III. & IIII. Codicis Iibros Commentaria zu C. 3.32.15, fol. 58 v, Rn. 2, siehe oben S. 131. 489 Angelus Aretinus, In quatuor Institutionum Iustiniani Iibros Commentaria zu Inst. 4.6.10, fol. 249v, Rn. 54. 490 Alexander Tartagnus, siehe unten S. 220 ff.; ders., Consilia, lib. 6, cons. 86, fol. 43, Rn. 2. 491 Jason de Mayno, In primam Codicis partem Commentaria zu C. 3.32.15, fol. 150, Rn. 48. 492 Jakobs, Lucrum ex negotiatione, S. 66, Note 122. 483

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11. Ansprüche des Erstkäufers auf den Zweitverkaufserlös

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Daraus, daß Verzug als Nichterftlllung einer Verbindlichkeit im Mittelalter ohnehin als Sünde angesehen wurde493 , erklärt sich auch die besondere Bedeutung des Zahlungs verzugs des Erstkäufers. Bei dem Legisten und Kanonisten Baldus dürfte es zudem eine Rolle gespielt haben, daß man sich nach kanonistischer Vorstellung vom Geld als Quelle allen Übels möglichst früh zu trennen hat494 . So erklärt sich, daß hier weniger der Verzug des Verkäufers - wie es D. 18.4.21 nahe legt - im Mittelpunkt steht, sondern (entsprechend Odofredus' Ansatz) der des Käufers. Die mindere Wirksamkeit eines nicht sofort erfiillten Kaufs ist Grundlage rur die Ablehnung des Anspruchs auf den Zweitverkaufserlös und rur die Straflosigkeit des Verkäufers. Andererseits argumentiert Baldus nicht wie etwa Salicetus mit den Rechten aus der actio empti. Daher wird die Herausgabe des Zweitverkaufserlöses an den Erstkäufer nicht grundsätzlich verweigert. Ob es im umgekehrten Fall durch pünktliche Zahlung zur Aufwertung des Titels kommt und mithin der Zweitverkaufserlös herauszugeben ist, wie er in der Kommentierung zu D. 18.4.21 erwägt, bleibt in der additio offen. Davon wird man aber ausgehen müssen, denn Baldus scheint die Lehre des Accursius mit Teilen der Lehre des Odofredus (was die Verzugs- und Strafbarkeitsproblematik495 , nicht aber was die Frage nach dem commodum angeht) zu kombinieren. Demnach besteht zwischen der Kommentierung und deren additio zu D. 18.4.21 kein Widerspruch, der gewichtige Bedenken gegen die Autorschaft des Baldus rur beide Stellen begründen würde. Vielmehr scheint es, daß Baldus dem Erstkäufer einen Anspruch auf den Zweitverkaufserlös zugesteht, wenn dieser seinerseits den Kaufpreis geleistet hat. Auch hier zeigt sich wieder, daß der Wert des Forderungsrechts rur Baldus maßgeblich von der Erbringung der Gegenleistung abhängt496. Wie schon bei der Frage nach dem auf die Sache gerichteten Herausgabeanspruch des Erstkäufers gegen den Zweitkäufer zeigt sich, daß Baldus in der Lage ist, die Fälle von allen Seiten zu betrachten. Während sich die anderen Juristen im Zusammenhang mit C. 3.32.15 überwiegend darauf beschränkt haben, die Unabhängigkeit des Zivilrechts von der strafrechtlichen Wertung zu betonen497 und den Widerspruch zwischen D. 48.10.21 und C. 3.32.15 allein rur die

Dazu oben S. 142. Endemann, Studien 11, S. 13, 81. 495 In dieser Hinsicht folgt Baldus Odofredus auch in seinem Kommentar zu C. 3.32.15, oben S. 132. 496 Siehe oben S. 154. 497 Vergleiche oben S. 127 ff. Diesen Standpunkt teilt Baldus vom Grundsatz her auch, siehe oben S. 130. 493

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3. Kapitel: Die Kommentatoren

"iure" erfolgten Doppelverkäufe auflösen498 , ist Baldus als erster auch auf den umgekehrten Fall eingegangen und hat die Pflicht des unredlichen Zweitkäufers zur Herausgabe der Kaufsache begründet. Ähnlich ist es auch hier bei der Frage nach der Herausgabe des Erlöses aus dem zweiten Verkauf. Seine Kollegen meinen (wie auch Baldus), daß der zweite Verkauf bei Zahlungsverzug des Erstkäufer rechtens und der Erlös nicht herauszugeben sei499 • Den umgekehrten Fall werten die Rechtslehrer in der Mehrzahl nicht umgekehrt, sondern sie weisen daraufhin, daß man trotz des Wertungswiderspruchs zu D. 48.10.21 die in D. 18.4.21 angeordnete Rechtsfolge zu akzeptieren habe (keine Herausgabe des commodum der lediglich geschuldeten Sache)soo. Baldus hingegen folgt - wenn auch vorsichtig - Accursius und bleibt konsequent bei seiner Wertung, daß einem Käufer, der bezahlt hat - aber nur diesem! -, die Sache schon so gut wie gehört: Wenn der Erstkäufer gezahlt hat, steht ihm der Zweitverkaufserlös zu und nicht dem Verkäufer, der durch den zweiten, strafbaren Verkauf nicht belohnt werden soll. Eine entsprechende Wertung zeigt sich auch darin, daß Baldus zugunsten des ersten Käufers eine früher erfolgte Übergabe vermuten will, sofern dieser den Preis gezahlt hatSOl.

3. Alexander Tartagnus zur Bedeutung der Erfüllung durch den Käufer - eine ergänzende Betrachtung

Die Bedeutung der ErtUllung für den Wert des Forderungsrechts wird bei Alexander Tartagnus besonders deutlich. Dessen austUhrliche, vor allem auf die Frage nach der Strafbarkeit des Doppelverkaufs ausgerichtete Kommentierung soll daher an dieser Stelle als Exkurs wiedergegeben werden, auch wenn sich daraus nur mit Einschränkungen eine Aussage tUr einen Anspruch auf den Zweitverkaufserlös ergibt: ... Secundo Iimita singulariter d. I. qui duobus. non habere locum, vbi primus emptor non soluat precium ita singulariter dicit BaI. in .1. quoties. C. de rei yen. & in c. si facta. si de feu. fue. contro. inter domi. et agna. referens ita tenere Old. 502 in .1. venditor ex hereditate supra de here. vel act. yen. et istud reassumpsit BaI. in d. I. venditor, qui ita intelligit iIIam .1. venditor in reportatis antiquis facit .1. quandiu. C. de distra. pign. In contrarium pondera tex. hic per arg. a speciali nec iura supra alleg. recte intuenti contrarium probant. Quam .1. venditor inducit sic, nam tex. ibi dicit, quod si quis vendidit rem particularem puta stichum pro decem titio, demum vendiderit eundem sticilum scio pro .xv. cum eum non tradidisset primo emptori, si po498 So etwa Salicetus, siehe oben S. 131, sowie diejenigen, die ebenfalls einen zweiten Verkauf gestatten, dazu oben S. 220. 499 Siehe oben S. 218. 500 Dazu oben S. 203 tf. 501 Vergleiche oben S. 152 ff. 502 Richtig ist hier die Sigle "Od." rur Odofredus.

11. Ansprüche des Erstkäufers auf den Zweitverkaufserlös

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stea contingat stichum perire non tenebitur venditor ad aliquid primo emptori si venditionem fecit priusquam moram fecisset primo emptori. modo dicit baI. quomodo esse poterat in casu .d. I. venditor, quod venditor emptori non videretur facere moram primo occupanti vendendo secundo antequam traderet primo. attento quod vendendo secundo incidebat in penam falsi et respondet, quod ideo ibi non incidebat in penam falsi, quia debet intelligi, quod primus emptor cessabat soluere pretium venditori. Sed aduertatis, quia contra eos videtur tex. hic per locum a speciali, nam ideo hic non incidit in falsum vendendo secundo quando prius non soluit, quare prima venditio fieri non poterat nisi presente pecunia et ideo aliter facta est nulla, ideo videtur quod vbi potuisset haberi fides de precio in prima venditione, secus esse per istum tex. Nec ob. d. I. venditor, quia probatur ibi iIlud quod dicit Odof. et BaI. quia ibi nihil dicitur, quia primus cessaret soluere precium, nec ibi negat. quod vendens inciderit in penam falsi. Nec. ob. dum dicitur ergo esset in mora, quia nego consequentiam illam esse veram incidit venditor in pena falsi vendendo, videtur ergo comrnittere moram in non tradendo primo, nam bene dicitur comrnississe culpam: sed non moram, et quod maius est mora quam culpa .1. si vehenda § j. cum glo. in ver. dolo, et culpa. supra ad. I. rho. de jac. nec ob. si dicatur quod vendendo secundo fecit quominus prestare possit primo, ergo est in mora, sicut quando occidit .1. servum in prin. infra de ver. obli. quia respondeo negando, quia potest postea redimere a secundo et praestare primo, secus in d. I. si servum. Tamen sustinendo opi. Odof. et BaI. potestis dicere, quod licet opi. sua non videatur probari per d. I. venditor tamen per aliam rationem verum valet quod postquam primus emptor non seruat fidem soluendo precium potest venditor vendente alteri, et primo emptori fidem impune non seruare, quia fragenti fidem etc. I. cum proponas Ia. ij. C. de pac ... 503 ... Zweitens beschränke ausnahmsweise die lex D. 48.10.21, die dann keine Anwendung findet, wenn der erste Käufer den Preis nicht bezahlt hat. So sagt es Baldus als Ausnahme bei C. 3.32.15 und bei L.F. 2.26.15, sich auf Odofredus, der es so zu D. 18.4.21 hält, beziehend. Dies Ueift Baldus auf zu D. 18.4.21, der jene lex venditor auch in einer alten reportati0 5 zu C. 8.27(28).6 so versteht. Dagegen erwäge diesen Text mit Hilfe des argurnenturn a speciali, ob die oben angeführten Rechte nicht das Gegenteil beweisen, wenn man sie richtig betrachtet. Denn D. 18.4.21 beginnt so, daß der Text dort sagt, daß wenn jemand eine bestimmte Sache verkauft hat, angenommen den Stichus für lOdern Titius, und danach verkaufte er denselben Stichus jemandem, der die Lage kennt, für 15. Wenn er diesen dem ersten Käufer noch nicht übergeben hätte, und wenn Stichus später stürbe, würde der Verkäufer dem ersten Käufer auf nichts haften, wenn der Verkauf erfolgte, bevor er dem ersten Käufer gegenüber in Verzug geriet. Baldus sagt, wie es dazu kommen konnte im Fall von D. 18.4.21, daß der Verkäufer dadurch, daß er dem Ersten zuvorkam und dem Zwei503 Alexander Tartagnus, In primam et secundam Digsti novi partem Commentaria zu D. 42.1.15.7, fol. 167v, Rn. 6. 504 Reportationes sind Vorlesungsnachschriften durch einen eigens mit dieser Aufgabe betrauten reportator, die die Erörterungen einzelner Rechtsprobleme oder gar vollständige Berichte über Vorlesungen enthalten können und vom Lehrer selbst zumindest korrigiert wurden (Weimar, in: Handbuch der Quellen und Literatur I, S. 148, Horn, in: Handbuch der Quellen und Literatur I, S. 321). Da nicht genau zwischen den commenta, als von dem Autor selbst geschrieben, und lectura als bloßer Nachschrift unterschieden wurde (Horn, in: Handbuch der Quellen und Literatur I, S. 321, Note 9), ist hier möglicherweise der Kommentar zu C. 8.27(28).6, fol. 173 gemeint. Baldus hält in seinem Kommentar zu der soeben genannten Konstitution jedoch lediglich eine mehrfache Verpflindung für möglich, ohne sich zu den hier interessierenden Fragen zu äußern.

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3. Kapitel: Die Kommentatoren

ten verkaufte, bevor er dem Ersten übergab, sich dem ersten Käufer gegenüber nicht in Verzug zu setzen schien. Erkennend, daß der Verkauf an den Zweiten ein crimen falsi darstellt, antwortet er, daß hier deshalb kein crimen falsi vorliege, weil man die Sache so verstehen müsse, daß der erste Käufer die Kaufpreiszahlung versäumte. Aber paßt auf, weil dagegen der Text (zu sprechen) scheint, locum a speciali, denn deshalb beging er kein falsum, als er dem Zweiten verkaufte, solange der Erste nicht bezahlt hat, weil der erste Verkauf nicht geschlossen werden konnte, wenn nicht (auch) das Geld gegeben wurde, und deshalb ist das, was anders gemacht wurde, unwirksam. Deshalb scheint es, daß es anders ist, wenn der Kaufpreis gestundet werden konnte. Dem steht D. 18.4.21 nicht entgegen, weil dort (etwa) das bewiesen würde, was Odofredus und Baldus sagen, weil dort nichts davon gesagt wird, daß der Erste die Bezahlung des Kaufpreises versäumt, noch wird dort verneint, daß das Verkaufen zur poena falsi fUhrt. Es steht dem auch nicht entgegen, wenn gesagt wird, daß er also in Verzug gewesen sei, weil ich es verneine, daß jene Folgerung wahr ist, daß der Verkäufer durch das Verkaufen der poena falsi unterliegt, er sich also in Verzug zu setzen scheint, wenn er dem ersten nicht übergibt, denn man kann gut sagen, daß eine culpa vorliegt, nicht aber Verzug, und daß Verzug mehr ist als culpa, dazu D. 14.2.10.1 und die Glosse zu den Worten "dolo et culpa". Es steht dem auch nicht entgegen, wenn man sagt, wenn er dem Zweiten verkauft hat, daß er deshalb dem Ersten nicht leisten könne, also sei er in Verzug, wenn (der Sklave) beispielsweise stirbt, D. 45.1.91 pr., weil ich verneinend antworte, weil er später von dem Zweiten wiederkaufen und dem Ersten leisten kann, anders als in D. 45.1.91 pr. Jedoch könnt ihr zur Unterstützung der Meinung von Odofredus und Baldus sagen, daß, obgleich ihre Meinung nicht durch D. 18.4.21 bewiesen werden kann, sie jedoch aus einem anderen Grund als wahr gilt, daß nachdem der erste Käufer die Vertragstreue nicht hielt, indem er den Preis nicht bezahlte, der Verkäufer dem anderen verkaufen durfte und dem ersten Käufer ungestraft die Vertragstreue nicht halten mußte, denn "quia fragenti fidem etc ... ", C. 2.3.21...

Alexander kommt zu demselben Ergebnis wie Odofredus, Baldussos und SaIicetusS06, indem auch er rur die Frage nach der Strafbarkeit des Doppelverkaufs darauf abstellen will, ob der Erstkäufer den Kaufpreis bezahlt hat. Alexander bezieht sich hier augenscheinlich auf die oben erörterte additio zu der Kommentierung des Baldus zu D. 18.4.21, was deren Authentizität bestätigt. Er wählt einen übergeordneten Ausgangspunkt, den auch schon Baldus andeutet und mit dessen Hilfe Alexander Tartagnus den Umweg über den Verzug des Verkäufers als Kriterium rur die Harmonisierung von D. 18.4.21 und D.48.10.21 vermeidet: Der Verkäufer soll nicht mehr zur Vertragstreue angehalten sein, wenn der Erstkäufer sich selbst als nicht vertragstreu erweist. Odofredus und Baldus, die den Verzug des Verkäufers als wichtigstes Abgrenzungskriterium ansehen wollen, wirft Alexander ein falsches Textverständnis vor und will das Gegenteil, daß es nämlich nicht auf den Verzug des Verkäufers ankommt, mit Hilfe eines argumentum a speciali beweisen.

505 506

Vergleiche oben S. 130 und S. 217. Vergleiche oben S. 131.

11. Ansprüche des Erstkäufers auf den Zweitverkaufserlös

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Auch Alexander scheint davon auszugehen, daß ein Kauf ohne besondere Abrede immer Barkauf ist. Alexander will dem ersten Verkauf nur dann volle Gültigkeit beimessen, wenn sofort bezahlt wurde. Ein Barkauf ohne sofortige Erfilllung soll nicht nur ein ZurUckbehaltungsrecht des Verkäufers begründen, wie Alexander es in einem seiner Consilien formuliert hat ("cum venditor non recepisset pretium, & consequenter non teneretur tradere ..."io7 • Vielmehr unterstreicht er hier die Unwirksamkeit eines solchen Kaufs (quia prima venditio fieri non poterat nisi presente pecunia et ideo aliter facta est nulla). Diese Erwägung ist bereits bei Baldus angeklungenS08 , was Alexander unterschlägt. Die anderen Rechtslehrer, die dem Verkäufer bei Zahlungsverzug des Käufers einen weiteren Verkauf gestattenS09, werden eine ähnliche Überlegung gleichfalls vorausgesetzt haben. Ohne Zahlung kann der erste Verkauf allenfalls aufrechterhalten werden, wenn der Kaufpreis gestundet ist. Es liegt filr Alexander also nicht etwa deswegen kein falsum vor, weil der Verkäufer wegen des ein ZurUckbehaltungsrecht begründenden Zahlungsverzugs des Käufers nicht in Verzug geriet, sondern weil es bereits an einem wirksamen ersten Vertrag fehlt. Dieses von Alexander loeus s1o a speciali genannte Argument scheint dem überlicherweise als loeus a minore bezeichneten zu entsprechen. A minore argumentiert, wer "erst recht" in dem Sinne sagt, daß wenn das eintreffe, womit man weniger rechnet, dann auch das, was eher zu erwarten sei511 • Auf die Argumentation von Alexander bezogen lautet der loeus aminore: Wenn schon bei einem zweiten Verkauf trotz eines ersten wirksamen Verkaufs kein falsum vorliegen soll, dann gilt dies erst recht, wenn es einen gültigen ersten Vertrag gar nicht gibt. Diese Argumentation soll filr den vorliegenden Text, also filr D. 42.1.15.7 512 , nicht gelten, denn bei einer Pfandversteigerung ist ein Doppelverkauf auch dann erlaubt, wenn der Erstkäufer nicht in Zahlungsverzug geriet, weil nämlich bereits die Stundung unzulässig war. Alexander Tartagnus, Consilia, Iib. 6, cons. 86, fol. 43 v, Rn. 7, siehe oben S. 155. Vergleiche oben S. 218. 509 Zu den Befilrwortem der Zulässigkeit eines zweiten Verkaufs siehe die Nachweise oben Seite 218. 510 Zu den loci allgemein siehe Otte, Dialektik, S. 186 ff.; Stintzing I, S. 114 ff. 511 So zu den Glossatoren alte, Dialektik, S. 204 ff. 512 D. 42.1.15.7: Sed si emptor, cui pignora sunt addicta exsequente iudice, pretium non solvat, utrum adversus emptorem porrigere manus debeant idem iudices, qui sententiam exsequuntur, videndum est. et non puto eos ultra procedere: ceterum longe res abi bit. quid enim dicemus? condemnabunt emptorem et sic exsequentur adversus eum sententiam, an statim pro iudicato habebunt? et quid si neget se emisse aut exsolvisse contendat? melius igitur erit, si non se interponant, maxime cum nec habeat actionem adversus eum is, cui iudicatum fieri desideratur. nec iniuria adficietur: oportet enim res captas pignori et distractas praesenti pecunia distrahi, non sic, ut post tempus pecunia solvatur. certe si se interponant, hactenus debebunt intervenire, ut ipsam rem addictam capiant et distrahant, quasi nondum vinculo pignoris Iiberatam. 507

508

224

3. Kapitel: Die Kommentatoren

Als Begründung weist Alexander ausdrücklich (quia fragenti fidem etc ... ) auf die aus dem kanonischen Recht abgeleitete Formel des Huguccio5IJ hin: "Fidem fragens fides frangatur eidem"sI4. Diese ist als Ergebnis der Überlegung anzusehen, daß bei einem gegenseitigen Vertrag die Erfüllung durch eine Partei die stillschweigende Bedingung für die Verpflichtung der anderen istSlS • Die Grundlage dieser Formel war die aequitas canonicaSl6 • Diese sich bei den Kanonisten schnell verbreitende Lehre von der Vertragsauflösung wegen Nichterfüllung SI7 wurde auch von den Legisten für die Innominatkontrakte übernommen Sl8 • Für die Nominatkontrakte, zu denen auch der Kauf gehört, wurde ein allgemeines Rücktrittsrecht allerdings abgelehnt, da es mit etlichen CodexSteIlen nicht vereinbar zu sein schien und daher von den Legisten nicht aus dem kanonischen Recht übernommen werden konnteSl9 • Daher ist bei Odofredus wie bei der überwiegenden Ansicht unter den Kommentatoren nicht die Rede davon, daß der Verkäufer schlicht von dem Verkauf Abstand nehmen dürfe. Vielmehr darf er einen zweiten Verkauf, in diesem Sinne einen "Selbsthilfeverkauf", vornehmen S20 . Wolter meint, trotz der Betrachtung des ius utrumque als eine Einheit, sei die Einfügung kirchlichen Rechts in das weltliche punktuell geblieben, weil sie allein in Anknüpfung an einzelne gesetzliche Vorschriften erfolgteS21 • Diese lediglich partielle Anwendung kanonischer Gedanken zeigt sich in der Ablehnung einer Vertragsauflösung wegen Nichterfüllung für Nominatkontrakte durch die Legisten. Anders aber Alexander. Zur Rechtfertigung der Übernahme der kanonischen Regel in das Zivilrecht bedient sich Alexander mit C. 2.3.21 S22 einer Norm aus dem Zivilrecht, wonach sich derjenige nicht auf einen Vergleich berufen darf,

5I3 Zu Huguccio, gest. 1210, und dessen Decretum-Summe siehe Weimar, in: Handbuch der Quellen und Literatur I, S. 326, 367; Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, S. 74; Feine, S. 280; Robinson / Fergus / Gordon, S. 130. 514 Scherner, Rücktrittsrecht, S. 10; Boyer, S.225. Diese Regel taucht in mehreren Redewendungen auf, ohne daß sich der Sinngehalt dadurch ändern würde (Boyer, S.223). 515 Scherner, Rücktrittsrecht, S. 9 f.; Boyer, S. 224. 516 Fedele, S. 82. 517 Scherner, Rücktrittsrecht, S. 10; Boyer, S. 235. 518 Scherner, Rücktrittsrecht, S. 10 ff., insbesondere S. 14; Besta, Le obbligazioni, S. 188 f.; Scherrer, S. 30 f. Allerdings wurde bei den Legisten nicht mehr mit einer Bedingung, sondern mit dem Kondiktionenrecht gearbeitet. 519 Scherner, S. 16 f. 520 Vergleiche dazu die Nachweise oben S. 218. 521 Vergleiche Waller, S. 51 f. 522 C. 2.3.21: ... nec adversario tuo transactione uti concedendum, nisi ea quae placita sunt paratus est adimplere.

11. Ansprüche des Erstkäufers auf den Zweitverkaufserlös

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der seinerseits nicht bereit ist, sich an die getroffene Vereinbarung zu halten. Diese Stelle ist verschiedentlich von Legisten zur Begründung eines Leistungsverweigerungsrechts herangezogen worden 523 • Alexander geht aber noch weiter, indem er nicht lediglich ein Leistungsverweigerungsrecht, sondern gemäß der kanonistischen Lehre eine Lösung vom Vertrag befürwortet. Alexander versucht, zunächst die Konstruktion des Odofredus, dem die herrschende Meinung unter den Kommentatoren gefolgt ist524, Stück für Stück zu widerlegen. So führt er an, daß in D. 18.4.21 nicht von Zahlungsverzug die Rede sei, sondern nur von Verzug des Verkäufers. Das ist richtig, aber es spricht auch gegen seine eigene Lösung, in der er gleichfalls auf die Zahlung durch den Erstkäufer abstellt. Man erkennt daran, daß es Alexander vornehmlich um die Erschütterung der Gegenmeinung geht. Der Verzug des Verkäufers soll nicht schon aufgrund des zweiten Verkaufs vorliegen, was Odofredus für den Fall bejaht hatte, daß der Erstkäufer bereits bezahlt hatte. Da eine Rückkaufinöglichkeit besteht, soll allenfalls cu/pa gegeben sein. Dieses angedeutete Stufenverhältnis zwischen mora und cu/pa ist nicht ohne weiteres verständlich, da die cu/pa als subjektives Tatbestandsmerkmal der mora angesehen wurde 525 • Doch geht es in der angeführten Glosse zu 0.14.2.10.1 526 um die Befreiung des für Zufall haftenden Schuldners durch Berücksichtigung der hypothetischen Kausalität. Während Martinus den hypothetischen Kausalverlauf zugunsten des Schuldners generell berücksichtigen wollte, verneinte die Mehrzahl der Glossatoren seit Johannes Bassianus den Wegfall der Schuldnerhaftung trotz eines hypothetisch auch bei ordnungsgemäßer Leistung zum Untergang führenden Kausalverlaufs, wenn zwischenzeitlich eine Veräußerungsmöglichkeit bestanden hatte527 • Die Ursache für diese Unterscheidung hinsichtlich einer Veräußerungsmöglichkeit sah Accursius darin, daß in dem einen Fall, in dem der hypothetische Kausalverlauf zu berücksichtigen ist, cu/pa, im anderen dagegen mora vorliegen sollte528 • Diese Zweiteilung ist

Scherner, Rücktrittsrecht, S. 41. Vergleiche oben S. 218. 525 H. Dilcher, Leistungsstörungen, S. 52. 526 Accursius, Corpus iuris civilis iustinianei, Glosse dolo et culpa zu D. 14.2.10. I, Sp. 1437: " ... Et nota quod hoc videtur contra 10. qui dicit quem teneri de casu post morarn, erat, vel non erat res peritura penes actorem ... Sed dic esse aliud cum quis est in mora: & aliud cum in culpa" 527 H. Dilcher, Leistungsstörungen, S. 114 f. - Die Mehrheit der Glossatoren hat damit das antike Recht zutreffend erfaßt, vgl. Wacke, Gefahrerhöhung als Besitzerverschulden, in: Festschrift für Heinz Hübner, S. 681-683. Die Auffassung des Martinus dagegen hat im Ergebnis in § 287 Satz 2 BGB ihren Niederschlag gefunden, vgl. Wacke, a.a.O. 528 H. Dilcher, Leistungsstörungen, S. 115, vergleiche oben Note 526. 523

524

15 Sella-Geusen

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3. Kapitel: Die Kommentatoren

auch rur die Kommentatoren die Grundlage ihrer Überlegungen geblieben529 • Die casus-Haftung des Schuldners, die bei mora bestehen bleibt, bei cu/pa aber unter Berücksichtigung der hypothetischen Kausalität entfallen kann, macht die mora rur Alexander zu einem schwerwiegenderen Haftungstatbestand als cu/pa (maius est mora quam culpa). Alexander will auch bei D. 18.4.21 den hypothetischen Kausalverlauf in der Form berücksichtigen, daß der Verkäufer durch den Verkauf allein noch nicht in Verzug geraten soll, weil der Sklave auch beim Verkäufer gestorben wäre und außerdem die Möglichkeit bestanden hat, die geschuldete Sache zurückzukaufen. Der zweite Verkauf stellt somit - wie schon Paulus in 0.18.4.21 sagt530 - kein beachtliches Leistungshindernis dar, nach der Terminologie Alexanders keine mora (was man heute in diesem Zusammenhang mit "Unmöglichkeit" übersetzen müßte). 0.45.1.91 pr., wonach der Schuldner rur die Vereitelung der Forderung (durch Zerstörung der Sache) haftet, selbst wenn er zuvor nicht in Verzug warm, läßt Alexandet nicht als Einwand gegen seine Argumentation gelten. Eine Haftung des Verkäufers wegen Vereitelung des Forderungsrechts soll wegen der Rückkaufmöglichkeit nicht in Betracht kommen. Den von Odofredus geknüpften Zusammenhang zwischen D. 18.4.21 beziehungsweise Verzug und Strafbarkeit nach D. 48.10.21 streitet Alexander ab. Denn, so meint er, auch in D. 18.4.21 sei nicht die Rede davon, daß sich der Verkäufer nicht strafbar mache. Dagegen lehnt Alexander das von Odofredus erzielte Ergebnis (keine Strafbarkeit des zweiten Verkaufs nach Zahlungsverzug des Erstkäufers) keineswegs ab. Er wendet sich nur gegen einen Rückgriff auf D. 18.4.21 rur die restriktive Interpretation von D. 48.10.21 sowie gegen das Hineinlesen des Zahlungsverzugs des Erstkäufers in D. 18.4.21. Vielmehr geht es ihm um das übergeordnete Rechtsprinzip, mit dessen Hilfe er den Anwendungsbereich von D. 48.10.21 klärt: Wenn der Erstkäufer nicht vertragstreu ist, entfällt rur den Verkäufer die vertragliche Verpflichtung (Rücktrittsrecht), so daß der zweite Verkauf nicht strafbar ist. Dem Forderungsrecht des Käufers muß erst durch Zahlung ein Wert verliehen werden, um strafrechtlichem Schutz zu unterliegen und zivilrechtlich weiterhin Bestand zu haben. Die besondere Bedeutung der Kaufpreiszahlung rur den Wert des Forderungsrechts bei Alexander Tartagnuns zeigt sich auch daran, daß er eine frühere Übergabe an den ersten Käufer nur vermuten will, wenn dieser bereits gezahlt hatm.

H. Dilcher, Leistungsstörungen, S. 120. "Sic sit, quasi alii non vendidissem." 531 D. 45.1.91 pr.: Si servum stipulatus fuero et nulla mora intercedente servus decesserit: si quidem occidat eum promissor, expeditum est. 532 Vergleiche oben S. 155. 529

530

III. Zusammenfassung

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Zugleich kann der Argumentation entnommen werden, daß dem säumigen Erstkäufer wegen der Lösung der vertraglichen Bindung kein Anspruch auf Auskehr des Zweitverkaufserlöses zusteht. Ob im umgekehrten Fall ein solcher Anspruch besteht, kann den Ausfilhrungen, mit denen Alexander betont, daß es ihm hier gerade nicht aufD. 18.4.21 ankommt, nicht entnommen werden.

111. Zusammenfassung Aufflillig ist, daß die Mehrzahl der besprochenen Äußerungen aus Kommentaren und weniger aus Consilien stammt. Das dürfte weniger damit in Zusammenhang stehen, daß der Doppelverkauf - obwohl eher alltägliche Erscheinung - ein rein akademisches Problem darstellte S33 • Denn eine solche Vermutung würde voraussetzen, daß man den Juristen abspricht, praktische Bedürfnisse zu befriedigen. Vereinzelte Hinweise auf die Praxis belegen die Relevanz des Problems. Die Einschätzung von Coing, daß es sich bei den Kommentaren lediglich um Paraphrasen über die im Corpus iuris civilis niedergelegten Grundsätze handelte und daß die allgemeinen Lehren eine weitgehend in sich geschlossene Sondertradition darstellten534, mag hier allenfalls rur die eng am Text orientierten Erörterungen zutreffend sein. Dagegen haben sich die Kommentatoren an zahlreichen Stellen über die allgemeinen Grundsätze hinweggesetzt und haben damit gezeigt, daß es ihnen nicht nur um die Darstellung theoretischer Grundprinzipien geht, sondern darum, auf gerechte Ergebnisse in der Praxis hinzuwirken. Die Kommentatoren unterschieden streng zwischen dem unmittelbar aus dem Kaufvertrag stammenden Titel und dem ius in re an der Kaufsache, das erst aufgrund der traditio erworben wird. Der Erstkäufer ging gemäß C. 3.32.15 nach traditio der Kaufsache an den Zweitkäufer grundsätzlich leer aus. Es entsprach der allgemeinen Meinung unter den Kommentatoren, "iure" im Sinne von C. 3.32.15 allein auf die - stets gegebene - zivilrechtliche Gültigkeit des zweiten Verkaufs und der gleichsam "abstrakten" Eigentumsübertragung zu beziehen, auf die es keinen Einfluß hatte, daß der zweite Verkauf strafrechtlich mißbilligt wird. Die auf Verschaffung einer Sache gerichteten Forderungen galten - wie sich Cinus ausdrückt - im Gegensatz zu deren Gegenstand als beliebig vermehrbar. In den Fällen, die sich als Konkurrenz mehrerer Forderungen darstellen ließen, ging die ältere vor. Johannes ab Imola und Jason betonten den Vorrang des 533 Diese ähnliche Beobachtung machte bereits H. Dilcher, Leistungsstörungen, S. 13, für das sicher nicht unbedeutende Gebiet des Leistungsstörungsrechts. 534 Coing, Die Anwendung des Corpus luris in den Consilien des Bartolus, in: Gesammelte Aufsätze I, S. 124.

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3. Kapitel: Die Kommentatoren

ersten Titels für den Fall, daß eine traditio noch nicht erfolgt ist. Verhindern konnte der Erstkäufer eine bevorstehende traditio an den Zweitkäufer nach Ansicht des Baldus jedoch nicht. Dem widersprach Jason de Mayno. Er wollte dem Käufer mit einem richterlichen Inhibitorium helfen, allerdings nur, wenn der erste Verkauf durch einen Eid bekräftigt worden war. Der Eid hatte keine trans lative Wirkung. Vielmehr führte er allein zu einer besonderen Verwerflichkeit, nicht aber zu einer Ungültigkeit des zweiten Verkaufs, und stellte zugleich die erforderliche causa für die richterliche Anordnung dar. Daß ein beeideter Verkauf einem einfachen Verkauf grundsätzlich vorging, bejahte Antonius de Butrio gegen Johannes ab Imola, der auch in diesem Fall auf die Priorität der Titel setzte. Obwohl man vom Grundsatz her starr beim Traditionsgrundsatz blieb, wich man in Teilbereichen bereitwillig davon ab, wenn dies ohne Aushebelung dieses Grundsatzes möglich war. Die Publizitätsfunktion des Traditionsprinzips erfuhr durch die Zulassung einiger von der ganz überwiegenden Ansicht als gleichwertig betrachteten Übergabesurrogate eine Einschränkung. Die Rechtsposition des Erstkäufers wurde dadurch aufgewertet, weil er die Sache bei dem Zweiten vindizieren konnte, wenn sie ihm früher "fiktiv" tradiert worden war. Eine Bevorzugung des ersten Titels ergab sich auch durch die die Beweislast für eine früher erfolgte traditio auf den Zweitkäufer verschiebende Präsumtionsregel der herrschenden Lehre, nach der von dem früheren Abschluß des Kaufvertrages auf eine frühere (fiktive) Übergabe an den Erstkäufer geschlossen wurde. Ein Vorgehen des Erstkäufers mit der rei vindicatio gegen den Zweitkäufer wurde damit erheblich erleichtert und so ein Zugriffsrecht auf die Sache begründet. Eine solche, letzIich auf Billigkeitserwägungen beruhende Vermutung hielten Baldus, Alexander Tartagnus und Jason de Mayno nur dann für sachgerecht, wenn der Erstkäufer den Kaufpreis bereits bezahlt und damit seinerseits die Voraussetzungen für den Eigentumserwerb erfilllt hat. Das Erfordernis der Kaufpreiszahlung belegt, daß das Forderungsrecht des Käufers für die zuletzt Genannten an sich kein Zugriffsrecht auf die Sache zu begründen vermochte. Der erste Anwärter wurde im kanonischen Benefizialrecht unter Betonung des Ehrlichkeitsgebots, mithin der aequitas canonica, gegenüber dem Zweiten bevorzugt. Unsicher ist, ob dieser Grundsatz von Hostiensis und von Johannes Andreae auch auf Verkäufe von res temporales durch Kleriker ausgedehnt wurde. Ludovicus Romanus sprach sich unter Berufung auf die soeben Genannten für das Konsensprinzip bei Verkäufen von res temporales bei der Beteiligung von Klerikern aus. Von den anderen Legisten und Kanonisten wurde diese Lehre abgelehnt. Eine Ausnahme galt (außer im Benefizialwesen) nur dann, wenn die Kirche als Käuferin auftritt - das war seit jeher unbestritten, da es sich unmittelbar aus C. 1.2.23 ergibt - beziehungsweise dann, wenn die Nichtanwendung von C. 3.32.15 die Kirche begünstigte. Auf die von Hostiensis, Johannes

III. Zusammenfassung

229

Andreae und Ludovicus Romanus herangezogenen ethischen Aspekte wurde später nicht mehr eingegangen. Statt dessen betonte man die Anwendbarkeit des römischen Rechts und des Traditionsprinzips. Kanonisches Recht wurde damit nicht zum Vehikel rur eine Aufwertung des Forderungsrechts des (ersten) Käufers. Eine von Ludovicus Romanus vorgeschlagene Ausdehnung des Konsensprinzips außerhalb des Lehnsrechts auf gewöhnliche Doppelverkäufe durch den Kaiser lehnte man gleichfalls allgemein ab. Der bona jides des Verkäufers wurde von den Kommentatoren insbesondere mangels praktischer Relevanz kaum Bedeutung beigemessen. Dagegen sollte es fiir die Rechtmäßigkeit des zweiten Verkaufs im Sinne von C. 3.32.15 auf die bona jides des Zweitkäufers ankommen, ohne daß zunächst dargelegt wurde, welche Folgen sich aus der Bösgläubigkeit des Zweitkäufers ergeben sollten. Diese erörterte erst Baldus, bei dem der Erstkäuferschutz insgesamt sehr ausgeprägt war. Mit der (bei Gattungskäufen nur hilfsweisen) Zulassung einer Anfechtung des zweiten Verkaufs durch den Erstkäufer erreichte Baldus durch eine Analogie zu den Vorschriften über den Schutz vor Gläubigerbenachteiligung in einem Sonderfall einen umfassenden Schutz des Forderungsrechts des Erstkäufers vor dem kollusiven Zusammenwirken von Verkäufer und Zweitkäufer beziehungsweise vor den Käufer benachteiligenden unentgeltlichen Geschäften. Der Rückgriff auf dieses Rechtsinstitut zeigt, daß es Baldus um eine Abschöpfung des aus dem unredlichen Geschäft erlangten Vorteils ging. Vom Traditionsgrundsatz wollte er nicht abweichen. Daher argumentierte er auch nicht mit dem Merkmal "iure" in C. 3.32.15. Nicht der zugrunde liegende Rechtsgedanke, sondern lediglich der verfolgte Lösungsweg war neu. Salicetus wollte eine revocatio allenfalls bei doppeltem Verkauf von Speziessachen und selbst dann nur zulassen, wenn eine vorherige Vollstreckung gegen den Verkäufer erfolglos war und der Erstkäufer Gefahr läuft, völlig leer auszugehen. Angelus Aretinus, Jason de Mayno, Marianus Socinus und Petrus Paulus Parisius folgten Baldus bereits ohne Einschränkung. Von einem besonderen "ius ad rem", dessen Entwicklung fiir das Lehnsrecht als eine besondere Leistung der Kommentatoren gilt53S , findet sich in dem hier untersuchten Bereich keine Spur. Für die Frage nach dem Zweitverkaufserlös ist das Folgende zusammenzufassen: Ricardus Malumbra sah keinen Wertungswiderspruch zwischen D. 18.4.21 und D. 48.10.21, weil der zweite Verkauf wegen des Sachuntergangs keinen Schaden verursacht habe. Nach der herrschenden Meinung unter den Kommentatoren blieb dem Käufer, dem die Sache noch nicht übergeben worden war, ein Anspruch auf den Zweitverkaufserlös verwehrt, da nur einem Inhaber eines ius in re nach dem Verkauf der Sache (durch einen Nichtberechtigten) die Geschäftsfiihrungsklage zustehen sollte. Während sich der größere Teil der 535 Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, S. 85, Note 18; Wesenberg I Wesener, S. 45.

230

3. Kapitel: Die Kommentatoren

Kommentatoren auf die Klärung des dogmatischen Hintergrundes beschränkte, gingen Salicetus und Albericus de Rosate auf die Glosse propter negotiationem zu D. 18.4.21 des Accursius ein. Sie erwiesen sich jedoch gleichfalls als Formalisten und lehnten den Vorschlag ab, daß der Verkaufserlös dem Erstkäufer aus Gründen der aequitas herauszugeben sei. Sie begründeten dies mit der Unzulässigkeit einer Bevorzugung des aequitas non scripta vor dem rigor iuris. Statt dessen favorisierte insbesondere Albericus de Rosate den Vorschlag des Odofredus, wonach der Zweitverkaufserlös grundsätzlich nicht herauszugeben sein sollte. Ebenso wie Jacobus Butrigarius folgte hingegen Baldus - wenn auch unsicher - der Billigkeitsargumentation des Accursius, dessen Ziel es war, den auf unlautere Weise erzielten Erlös zu entziehen. Baldus gestand den Anspruch auf den ZweitverkaufserIös nur dem Erstkäufer zu, der den Kaufpreis gezahlt und damit seinen Titel aufgewertet hatte. Beachtenswert ist, daß sich der Glossator Accursius in dieser Frage als freier und flexibler als die meisten Kommentatoren erwiesen hat. Als Quintessenz der Kommentierung durch Alexander Tartagnus läßt sich feststellen, daß das aus dem kanonischen Recht entwickelte Rücktrittsrecht, das auf dem Gedanken des heute sogenannten "funktionellen und konditionellen Synallagrna" basierte, das entscheidend ftir die Bewertung der zivil- und strafrechtlichen Rechtspositionen der am Doppelverkauf Beteiligten war. Ohne sofortige Zahlung sollte der erste Kauf folgenlos, mithin letztlich unwirksam sein. Er konnte keinen Anspruch auf Herausgabe des Zweitverkaufserlöses begründen. Wenn auch Alexander diesen Gedanken als einziger auf ein allgemeines Rücktrittsrecht zurtickfilhrte, so wurde ein solches auch bei vielen anderen Kommentatoren angedeutet, die dem Verkäufer im Anschluß an Odofredus bei Zahlungsverzug des Erstkäufers eine Fonn von Selbsthilfeverkauf zugestanden. Noch mehr als bei der Frage nach dem Zugriffsrecht auf die Sache selbst erwies sich hier das Forderungsrecht ohne Erfilllung des Gegenanspruchs als von geringem Gewicht im Vergleich zu der dem Verkäufer verbliebenen und der vom Zweitkäufer erlangten Rechtsposition.

Kapitel 4

Schlußbetrachtung Ein Überblick über die Entwicklung in der Folgezeit Zur Rechtsstellung des (ersten) Käufers in der Neuzeit gibt es bereits zahlreiche Untersuchungen. Dieser Umstand erlaubt eine Beschränkung auf die Zusammenfassung der dort gewonnenen Ergebnisse in groben Zügen und weitgehend ohne eigenen Rückgriff auf die Quellen. Hinzu kommt, daß dieser Zeitraum außerhalb der eigentlichen Grenzen der vorliegenden Arbeit liegt. Es geht lediglich um die Vervollständigung des Bildes und um die Frage nach dem Einfluß der mittelalterlichen Juristen auf die spätere Entwicklung.

I. Die Rechtsstellung des Käufers zur Kaufsache 1. Das Traditionsprinzip

Das Traditionsprinzip galt bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts in Deutschland als Bestandteil der herrschenden titulus-und-modus-Lehre fort 1• Diese gehört zu den von Johann Apel entwickelten Lehren2 , deren Ansätze sich bereits bei den italienischen Kommentatoren, insbesondere bei Apels Zeitgenossen Marianus Socinus jr. finden 3 . Nach dieser gemeinrechtlichen Lehre wurden dingliche Rechte erworben, wenn ein Erwerbstitel (Grundgeschäft) und ein modus acquirendi (Besitzerlangung durch traditio) gegeben sind. Das Grundgeschäft

1 COing, Europäisches Privatrecht I, S. 303 ff.; Gordon, S. 188; Brandt, S.50 ff.; Fuchs, S. 70-81; Eisfeld, S. 9 f. - Aus der älteren Literatur: Westphal, System, § 486 S. 390; Glück, Band 17, S. 215 f.; Felgentraeger, S. 6 ff.; Litewski, S. 133 ff. (zum Preußischen Landrecht von 1620). - MayerMaly, Kauf, S. 278, meint, daß diese Lehre lediglich den Anforderungen entsprochen habe, die das römische Recht an den Eigentumserwerb durch traditio stelle. 2 Ibidem. - Apel betont außerdem die Dichotomie Eigentum-Schuldverhältnis, sowie die Gegenüberstellung von ius ad rem und ius in re, vergleiche Kupisch, Erläuterungen, S.284; Van der Walt, Der Eigentumsbegriff, in: Das römisch-holländische Recht, S.499. 3 Vergleiche S. 125.

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4. Kapitel: Schlußbetrachtung

stellte damit auch einen Teil des dinglichen Rechtserwerbs dar, so daß die Schuldverträge Teile des Sachenrechts wurden4 • Das Traditionsprinzip entsprach rur Fahrnis möglicherweise außerdem deutscher Rechtstraditions. Im Liegenschaftsrecht wurde zwischen sala, der bereits ein "dinglicher" Charakter zugesprochen wurde, und Investitur unterschieden6 • Die älteren deutschen Quellen kommen rur den Doppelverkauf zu unterschiedlichen Ergeonissen. Das geht bis zur salomonischen Lösung des ostfriesischen Landrechts, nach der die versprochene Sache geteilt werden sollte? In vielen Fällen soll der Erstkäufer in der Lage gewesen sein, gegen den Zweiten vorzugehen8 • Allein der Verstoß gegen die Beschränkung der Dispositionsbefugnis des Veräußerers scheint Voraussetzung filr einen Rechtsbehelf gewesen zu sein9 • Daher ist die Rechtsfigur des "ius ad rem" im Sinne eines mit dinglichen Wirkungen ausgestatteten Rechts auch germanischem Rechtsdenken zugeordnet worden 10. Von mehreren Käufern setzte sich im gemeinen Recht derjenige durch, dem zuerst übergeben worden istli, sei es auch - das war im Gegensatz zum Mittelalter umstritten - durch traditio jicta l2 • Die dem ersten Käufer nach einer mündlichen "Übergabe" eingeräumte Befugnis, die Kaufsache zu einem beliebigen 4 Wieling, JZ 1982, S.839; Wesenberg I Wesener, S. 127, 136 f.; Oeckinghaus, S. 25 tT.; Hofmann, Titulus, S. 3-41; Eisfeld, S. 9 f.; Mayer-Maly, Kauf, S. 275-278. 5 Mitteis I Lieberich, S. 111; Gierke, Deutsches Privatrecht II, S.544 tT.; a.A. Brandt, S. 44 ff. 6 Mitteis I Lieberich, S. 88 tT.; Brandt, S. 19-29. - Die Investitur wird zunehmend durch Symbole ersetzt, Oeckinghaus, S. 86 ff. 7 Löning, S. 388 f. (mit Nachweisen); Laband, S. 272 ff. S Vergleiche Gierke, Deutsches Privatrecht II, S.609 Note 2; Laband, S.272 ff.; Stobbe, Deutsches Privatrecht III, § 175, S. 153 ff.; Heymann, Jus ad rem, S. 1168 f. 9 Dazu Laband, S. 27 ff.; Stobbe, Deutsches Privatrecht III, § 175, S. 154 n. 11. 10 Zu dieser Zuordnungsfrage siehe S. 188 ff. 11 Coing, Europäisches Privatrecht I, S. 303. Vergleiche außerdem: Cujas, Observationes zu C. 3.32.15, cap. 31, in: Operum, Tom. IV, S.442, Anm. A und B; Faber, Codex, lib. 3, tit. 22, Def. IV, S. 224; Wissenbach zu C. 3.32.15, S. 446; Westphal, System, § 484, S. 389. - Rechtsquellen: Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis (IV, 4 § 19), Bayerisches Landrecht (VII, 6), Nürnberger Stadtrechtsreformation von 1477 (28, 14), das Landrecht für die Herzogtümer Jülich und Berg von 1555 (Kap. 97, 7. Abs.) und die Wiener Stadtordnung Ferdinands I. von 1526 (alle nach Wesener, Dingliche und persönliche Sachenrechte, S.204-207), Reformatio Norica, Tit. 16 (zitiert bei Solger [Beck], § 12, S. 19 f.). 12 Vergleiche dazu Faber, Codex, lib. 3, tit. 22, Def. IV, S. 224 (mit einem Hinweis auf ein entsprechendes Urteil aus dem Jahre 1613); Wagner (Böttieher), Thes. 15. - Für eine Priorität der traditio vera vor der traditio ficta sprechen sich indessen Leyser und Domat aus (vergleiche Eisfeld, S. 5, 18). - Zu diesem Streit siehe auch Birocchi, Vendita e transferimento della proprietft nel diritto commune, in: Vendita e transferimento della proprietft nella prospettiva storico-comparatistica, Atti del Congresso Internazionale Pisa-Viareggio-Lucca 1990, S. 144, 149.

I. Die Rechtsstellung des Käufers zur Kaufsache

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Zeitpunkt abzuholen, wurde noch nicht als translatio dominii angesehen, so daß der zweite Erwerber, der die Sache besaß, vorging 13. Wie schon bei den Glossatoren und Kommentatoren betonte man, daß Eigentumsübergang und daher auch C. 3.32.15 die Kaufpreiszahlung voraussetzen l4 . War es noch nicht zu einer traditio gekommen, ging weiterhin der erste Käufer vor, dem die Sache zu übergeben war l5 . Stand nicht fest, an wen zuerst übergeben worden war, wurde vermutet, daß die erste Übergabe an den ersten Käufer erfolgt war l6 . Wesentliche Veränderungen der mittelalterlichen Lehre haben sich im gemeinen Recht demnach nicht ergeben. Das Traditionsprinzip zeigte sich auch im Fall des Doppelverkaufs eines Wiener Bürgerhauses im Jahre 1625 17 : Der Erstkäufer (Doktor beider Rechte und zuvor Dekan der juristischen Fakultät der Universität Wien) hatte sich vor dem Stadtrat mit der Behauptung durchgesetzt, daß ihm (zuerst) tradiert worden und dem Verkäufer lediglich der Fruchtgenuß vorbehalten geblieben seilS. Die niederösterreichische Regierung (zweite Instanz) verwarf dies als spitzfindig und entschied zugunsten des zweiten Käufers. Sie verwies dabei auf die Aufsandung (das entspricht der Auflassung), Übergabe des Kaufbriefs und Einschreibung der Gewähr im Grundbuch l9, auf die es nach dem Stadt- und Landsbrauch in Österreich, der keine traditio ficta kenne, ankommen sollte. Die traditio vera hatte demnach Vorrang. Das Höchstgericht (dritter Rechtszug) stellte

\3 Leyser, Meditationes, Vol. 1, spec. 39, med. 8, S. 320 berichtet von einem entsprechenden Wittenberger Responsum aus dem Jahre 1709; dazu Luig, Richterkönigtum und Kadijurisprudenz im Zeitalter von Naturrecht und Usus modemus: Augustin Leyser (1683-1752), in: Das Profil des Juristen in der europäischen Tradition, S. 303 f. und Birocchi, S. 149 f. - Zur Betonung des Traditionsprinzips bei Leyser siehe Wesener, Dingliche und persönliche Sachenrechte, S. 206 und Eisfeld, S. 4 Note 2. 14 Wagner (Bötticher) Thes. 16; Stirn, cap. 2 § 6, S. 29. 15 Bayerisches Landrecht (VII, 6) von 1616 und Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis (IV, 4 § 9), zitiert bei Wesener, Dingliche und persönliche Sachenrechte, S. 207, 204 f.; Wagner (Bötticher) Thes. 11; Solger (Beck) § 4, S. 8 ff.; Glück, Band 17, S. 215. 16 So Covarruvias, zitiert bei Scholtens, SAU 70 (1953), S. 27. 17 Dargestellt und erläutert von Demelius, Doppelverkauf eines Wiener Bürgerhauses zur Rezeptionszeit (1625), SZRom 93 (1976), S. 312-317. 18 Vermutlich erfolgte diese Entscheidung unter Berufung auf die Stadtverordnungsvorschrift von 1526, wonach der (erste) Käufer, der in "possess" war und den Kaufbrief erhalten hatte, demjenigen vorging, der in das Grundbuch eingetragen worden war. Zu dieser Vorschrift siehe Demelius, SZRom 93 (1976), S. 317; Wesener, Dingliche und persönliche Sachenrechte, S. 205. - Nach Coing, Europäisches Privatrecht I, S.306, und Laband, S.274, soll es entgegen dieser Vorschrift in der Regel auf die Auflassung und weniger auf die Besitzübertragung angekommen sein. 19 Für die nach zahlreichen territorialen Vorschriften erforderlichen besonderen Voraussetzungen für die Übertragung des Eigentums an Grundstücken siehe Coing, Europäisches Privatrecht I, S. 306. Zur Entstehung des Grundbuchwesens Mitteis / Lieberich, S. 90 ff.

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4. Kapitel: Schlußbetrachtung

filr die Ablehnung der Klage dagegen darauf ab, daß der Erstkäufer mit der Zahlung des Kaufpreisrestes in Verzug gewesen sei, der Verkäufer daher zu dem zweiten Verkauf berechtigt gewesen sei und der Zweitkäufer dagegen bar bezahlt hätte. Demelius betont, daß sich die Bevorzugung des zweiten Käufers aus dem Stadt- und Landsbrauch in Österreich ergeben habe, der die Anwendung einer gemeinrechtlichen Vorschrift ausgeschlossen habe, und folgert daraus, daß der Grundstückskauf nach Wiener Stadtbrauch in der Rezeptionszeit bis hin zum 18. Jahrhundert ungestört von fremdem Recht vor sich gegangen seeo. Eine Bestätigung hierfilr sieht Demelius in den Ausfilhrungen zur Kaufpreiszahlung in einem Fall, in dem es um das Rechtsverhältnis zwischen den beiden Käufern gegangen sei und nicht um die Beziehung zwischen Käufer und Verkäufer. Doch dieser Schluß ist nicht zutreffend, denn man kann hier unschwer C. 3.32.15 und den unter den Kommentatoren zur herrschenden Meinung avancierten Gedankengang von Odofredus wiedererkennen, filr den die Kaufpreiszahlung sehr wohl Bedeutung filr das Rechtsverhältnis zwischen den Käufern hatte: Weil der erste Käufer mit der Kaufpreiszahlung in Verzug war, war der Verkäufer zum Zweitverkaufberechtigt, so daß der Zweitkäufer "iure" im Sinne von C. 3.32.15 erwerben konnte. Wegen der aufgezeigten Parallele ist eine Bedeutungslosigkeit der auf der mittelalterlichen Jurisprudenz aufbauenden gemeinrechtlichen Theorie filr die Entscheidung dieses Falles ganz unwahrscheinlich. Dieser Vorgang zeigt auch, daß Rechtsgeschichte nicht allein die äußeren Akte der Rechtsetzung und Rechtsanwendung zugrundelegen kann. Nur wenn Institutionengeschichte in die Untersuchung einbezogen wird, ist es möglich, die richtigen SchlUsse zu ziehen.

2. Einschränkungen des Traditionsprinzips a) Die gemeinrechtlichen Lehren bis zum Ende des 18. Jahrhunderts Das Traditionsprinzip galt nicht bei Verkäufen und Käufen durch den Kaiser21 oder die Kirche 22 sowie im Lehnsrechf 3 • Im Verhältnis des Käufers zum Demelius, SZRom 93 (1976), S. 317. Faber, Codex, lib. 3, tit. 22, def. XI, S. 227; Wissenbach zu C. 3.32.15, S. 448; Brunnemann zu C. 3.32.15, Rn. 5 f. (mit zahlreichen Nachweisen) differenzierte und ließ dies wie ein Teil der mittelalterlichen Rechtslehrer nur rur eine concessio gratiosa gelten, nicht aber rur den contractus, für den das allgemeine ius commune anzuwenden sei. 22 Glück, Band 17, S. 218; Brunnemann zu C. 3.32.15, Rn. 4 (beide mit zahlreichen Nachweisen); Solger (Beck) § 7, S. 13; Bayerisches Landrecht (VII, 6) von 1616 und 20

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Verkäufer war das Traditionsprinzip mittelbar eingeschränkt durch den nach der herrschenden Meinung im Usus modernus bestehenden Zwang zur präzisen Erftlilung des Kaufvertrages, aufgrund dessen der Käufer die Kaufsache vom Verkäufer geradezu "vindizieren" konnte 24 . Insoweit hat die gemeinrechtliche Theorie die Lehren des Mittelalters nicht verändert. "lure" im Sinne von C. 3.32.15 bedeutete auch ftlr Cujas "sine dolo malo,,25. Faber6 zeigte sich als Formalist, dem es vor allem auf die Rekonstruktion des römischen Rechts ankam. "lure distrahitur" sollte die Verftlgungsbefugnis des Verkäufers bezeichnen, die in jedem Fall gegeben sei. Als dem ersten Verkäufer zustehende actio kam nach Faber weder die rei vindicatio noch die actio revocatoria in Betracht. Er meinte, erstere stehe dem Erstkäufer nicht zu, weil die mala fides zwar den Eigentumsübergang auf den Zweiten verhindern möge, ihn selbst bei einer Anerkennung des präzisen Erftlllungszwangs aber nicht zum Eigentümer mache. Für eine actio revocatoria sollte hingegen das Schadenserfordernis nicht erftlllt sein, wenn der Erstkäufer noch nicht gezahlt hat. Zuletzt betonte Faber, daß nur ein durch Insolvenz verursachter Schaden ersetzt werde und daß die Rechtsfigur einer "missio in bona rei venditae servandae gratia" nicht existiere. Auch Pacius verwarf die Lehre des Baldus wegen des Verstoßes gegen das Insolvenzerfordernis, zeigte sich aber gleichwohl erstkäuferfreundlich, denn: "propter malam fidem posterioris emptoris priorem praeferri et esse potiorem in re vindicanda", woflir er sich auf die actio Publiciana berief7. Er hielt also den der actio Publiciana zugrunde liegenden Fall, daß der Käufer von einem Nichteigentümer kauft, ftlr vergleichbar mit dem Fall, in dem der Käufer weiß, daß er

Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis IV, 4 § 9 (beide Vorschriften zitiert bei Wesener, Dingliche und persönliche Sachenrechte, S. 207, 204 f.) 23 Klock, Consilia, Tom. 2, cons. 4, S. 47, Rn. 223; Wagner (Bötticher), Thes. 20. Seine Auffassung, daß das Traditionsprinzip kein Rechtssatz des Natur- oder Völkerrechts sei, belegte Grotius unter anderem mit diesen allgemein anerkannten Ausnahmen zugunsten der Kirche und des Staates, vergleiche Oeckinghaus, S. 90 f. Note 22. 24 Luig, Leibniz als Dogmatiker des Privatrechts, in: Römisches Recht in der europäischen Tradition (1985), S. 241. 25 Cujas, Observationes zu C. 3.32.15, cap. 31, in: Operum Tom. IV, S.442, Anm. C. 26 Antonius Faber, De Erroribus Pragmaticorum Pars IV, Decas 75, Errores VIII, IX. Diese Quellenangabe wie auch die nachstehenden Ausfilhrungen beruhen auf Ankum, S. 211-214. 27 Julius Pacius, Methodicorum ad Just. Cod. libri III, De Emptione cap. 8, n. 123 (zitiert nach Ankum, S. 211 f.).

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4. Kapitel: Schlußbetrachtung

eine bereits verkaufte Sache erwerben wilf 8 • Unklar bleibt, worauf das fiir eine Vindikation erforderliche Eigentumsrecht des ersten Käufers beruhe9 • Von besonderer Bedeutung fiir die Ausbreitung der Lehre des Baldus waren die spanischen Spätscholastiker30, die das Traditionsprinzip, wie es in C. 3.32.15 seinen Ausdruck findet, anerkannten. Doch galt dies nach Covarruvias ,,proculdubio" nur, wenn der zweite Käufer bona fide war. Gegen einen von dem ersten Verkauf wissenden Zweitkäufer standen dem Erstkäufer nach Covarruvias ein Revokations- und Eviktionsrecht zu, da hier ein Betrug zu vermuten sein sollte31 • Dem Erstkäufer wurde zum einen mit dem Revokationsrecht der erweiterten actio Pauliana geholfen. Außerdem verhinderte die mala fides des Zweitkäufers nach Ansicht des Covarruvias den Eigentumerwerb und ermöglichte dem Erstkäufer eine Eviktion. Mit der Benennung der Folgen eines mala fide erfolgten Erwerbes wurde der Gedanke der mittelalterlichen Juristen zu C. 3.32.15 zu dem Ende gesponnen, zu dem diese sich an dieser Stelle nie eindeutig geäußert hatten. Der Schwachpunkt dieser Argumentation liegt - wie Faber gezeigt hat - darin, daß dem Erstkäufer ein Recht zur Eviktion nur zustehen kann, wenn er Eigentum erworben hatte, wofiir der Kaufvertrag nicht ausreicht. Die Zweigleisigkeit der Argumentation zeigt, daß es Covarruvias nicht auf den Lösungsweg, sondern auf das Ergebnis ankam: Bei einem Doppelverkauf unter kollusivem Zusammenwirken von Verkäufer und Zweitkäufer sollte der Erstkäufer den Zugriff auf die Sache haben. Damit stand der Theologe und Kanonist Covarruvias dem Legisten und Kanonisten Baldus sehr nahe. Eine erweiterte Anwendung der actio Pauliana zugunsten des Erstkäufers beftlrwortete ferner aus Antonius G6mez - trotz der Einsicht, daß dieses Billigkeitsergebnis "in puncto iuris non videtur vera" - und Ludovicus Molina32 • G6mez, der von einer "communis opinio" sprach 33 , trennte sauber zwischen EigentumsUbergang und Revokation und befiirwortete keinen generellen Zugriff auf die Sache beim bösgläubigen Zweitkäufer34 • Vielmehr hielt auch er, wie bereits Salicetus, die Einschränkung fiir geboten, daß der Zugriff auf die Kaufsa-

Ankum, S. 212. Ankum, S. 212. 30 Ankum, S. 259. 31 Covarruvias, Variarum Resolutionum Iibri quattuor, Lib. 11, Cap. XIX, num. 5 (abgedruckt bei Dinger, S. 14 f.). 32 Ankum, S. 259 (mit dem Zitat von G6mez). 33 Vergleiche das Zitat bei Dinger, S. 17, 24. G6mez' Beobachtung bestätigt das im Jahre 1581 in Lyon edierte anonyme Werk "Communium opinionum syntagma", wo sich der RUckgriff auf die actio Pauliana zugunsten des ersten Käufers laut Ankum, S. 260, unter den "communes opiniones" befand. 34 Vergleiche das Zitat bei Dinger, S. 16. 28 29

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che nur möglich sei, wenn der Erstkäufer sich beim Verkäufer wegen dessen Insolvenz nicht schadlos halten könne 35 • Auch in Deutschland fand die Lehre des Baldus Anhänger, so beispielsweise in dem Kameralisten Gaill 36 , was auf einen Eingang in die Rechtspraxis hinweist37 • Bachov38 setzte sich im Zusammenhang mit der Verteidigung der Naturalvollstreckung39 austUhrlich mit Faber auseinander. Die Naturalvollstreckung sollte seiner Ansicht nach zwar unmittelbar nichts mit der Frage nach der actio Pauliana zu tun haben. Je stärker jedoch der Verkäufer durch den präzisen ErfUllungszwang dem Käufer gegenüber gebunden sei, desto schwerwiegender war nach Bachovs Auffassung der Betrug, wenn die Sache ein zweites Mal verkauft wird. Bachov meinte, wegen der Lieferverpflichtung könne bei dem zweiten Verkauf keine Rede sein von "iure" in Sinne von C. 3.32.15, so daß der Zweitkäufer wegen seines bösen Glaubens kein Eigentum erworben habe und die Kaufsache zurückgeben müsse. Die Bevorzugung des Ersten begründete Bachov aber nicht nur mit der actio empti, sondern auch mit der actio revocatoria: Das Argument Fabers, daß die Insolvenz des Verkäufers erforderlich sei, sollte nur tUr die actio revocatoria directa gelten, nicht aber fiir eine entsprechende actio utilis. In der Folgezeit wurde die Anwendung der actio Pauliana zugunsten des ersten Käufers von der Mehrzahl der deutschen Juristen des usus modernus pandectarum 40 anerkannt41 • Ein später BetUrworter einer analogen Anwendung der actio Pauliana auf den Doppelverkauf war v. Jhering nach seiner Abkehr von der Begriffsjurisprudenz42 •

Ankum, S. 259. Gaill (1526-1587; Nachweise zur Biographie bei Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, S. 174, Note 19), Pract. Obs. Lib. II, Obs. 55 n. 11 (nach Ankum, S. 259). Zitat auch bei Wesener, Dingliche und persönliche Sachenrechte, S. 204. 37 Auf die "Augustissima Imperialis Camera" beruft sich auch Klack, Consilia, tom. 2, cons. 4, S. 48, Rn. 224. 38 Zum Folgenden ausfiIhrIich Ankum, S. 259 f 39 Die Bedeutung des präzisen Erfilllungszwangs filr die Ausbreitung der Lehre des Baldus unterstreicht Ankum, S. 261 bei Note 6. 40 Zu dieser Epoche, die man in eine ältere römischrechtlich und eine jüngere naturrechtlich orientierte Phase aufteilen sollte, siehe LUig, s.v. Usus modernus, in: HRG (35. Lieferung), Sp. 628 ff., insbesondere Sp. 632 f 41 Ziebarth, S. 201; Eisfeld, S.4 und CF. Koch, § 200, S.902 n. 7, § 47, S. 179 n. 2; Dinger, S. 11. - Ankum, S. 261, gibt Nachweise zu Hilliger, Klock, Carpzov, Brunnemann, Stryk, Böhmer, und Berger. Leyser wird zitiert von: Eisfeld, S. 4 f, n. 3, 4; Gruchot, Gruchot's Beiträge 8 (1864), S. 603 f. und Wesener, Dingliche und persönliche Sachenrechte, S. 206. - Siehe außerdem: Stirn cap. 2 § 6, S. 28 f.; Wagner (Bötticher), Thes. 22; Michael, in: Klock, Consilia, tom. 2, cons. 42, S. 396, Rn. 93 (mit zahlreichen Nachweisen). 35

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Eine Mindenneinung wollte den Erstkäufer gegen das kollusive Zusammenwirken zwar nicht mit der Erweiterung der actio Pauliana, sondern mit einer allgemeinen actio doli helfen43 • Abgelehnt wurde ein Zugriffsrecht auf die Sache beim unredlichen Zweitkäufer selten 44 • Eine Sonderregelung zu Lasten des bösgläubigen Zweitkäufers fand sich in der Frankfurter Refonnation von 1578 45 , im Bayerischen Landrecht von 1616 und im Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis46 • Zur Tenninologie sei Folgendes kurz angemerkt: Das Schutzobjekt der erweiterten actio Pauliana wurde als "ius ad rem" bezeichnet und ausschließlich als Forderungsrecht verstanden47 • Der Ausdruck "ius ad rem" hat sich seit dem 16. Jahrhundert im Zivilrecht generell fiir das obligatorische Recht eingebürgert48 • Darjes spaltete das obligatorische Forderungsrecht in ein eigentliches Forderungsrecht, auf facere gerichtet, und in das Recht zur Sache "ius ad rem,,49. Seit dieser Begriffsbildung ist wiederholt die Frage gestellt worden, ob es sich bei dem "ius ad rem" um eine Zwischenfonn zwischen dinglichem und obligatorischem Recht handele 50 , zumal der Kaufvertrag nach der titulus-undmodus-Lehre zugleich Bestandteil der Rechtsübertragung war. Das ist aber wie Wesener gezeigt hat - zu verneinen.

42 Jhering, Die Reflexwirkungen oder die Rückwirkung rechtlicher Tatsachen auf dritte Personen, JhJb 10 (1871), S. 330 f. 43 Solger (Reck) § 7, S. 13. 44 So aber von Hommel, der lediglich Schadensersatzanspruche gegen Verkäufer und Zweitkäufer anerkannte (vergleiche Hommel, Rhaps. VI, obs. 883 nach dem Zitat bei Gruchot, Gruchot's Beiträge 8 (1864), S. 604). Dem folgt Glück, Band 17, S. 219. 45 Nassall, S. 253 (mit Nachweisen und einem Hinweis auf einen Doppelverkaufsfall in Freiburg). 46 Wesener, Dingliche und persönliche Sachenrechte, S. 207. 47 Wagner (Rötlicher), Thes. 11 und 12: " ... prior emptor vera contra eum (seil. den zweiten Käufer) nec reali nec personali actione experiri valet. Non reali, quoniam ex sola venditione nec dominium nec possessionem consecutus est...non personali dum secundus emptor neque ex lege neque ex conventione, neque ex delicto est obligatus ... ". Ebenso Stirn, cap. 2 § 6, S. 28. 48 Wesener, Dingliche und persönliche Sachenrechte, S. 208 f.; Coing, Europäisches Privatrecht I, S. 175 f.; Eisfeld, S. 11; Villey, S. 206; Hofmeister. Liegenschaftserwerb. S. 88 (zu Österreich). 49 Dazu Eisfeld, S. 11; Wesener, Dingliche und persönliche Sachenrechte, S. 207 f. (mit Zitat); Dubischar, Doppelverkauf, JuS 1970, S. IOn. 31. 50 Bejahend Eisfeld, S. 11 ff.; wohl auch Wieling, JZ 1982, S. 839. - Zum Bedeutungswandel dieses Begriffes siehe auch Coing, Europäisches Privatrecht I, S. 195 f.; Ogris, in: HRG 11, s.v. Jus ad rem, Sp. 491; R. Hübner, Deutsches Privatrecht, S. 179; Eisfeld, S. 10 f.

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b) Die Auswirkungen der Aufgabe des Traditionsprinzips in den naturrechtlichen Lehren Dem Kaufrecht des Vernunftrechts lag ein anderer Ansatz zugrunde. Nach der Lehre des Hugo Grotius vom derivativen Eigentumserwerb konnte die Übereignung nach dem Naturrecht bereits durch den obligatorischen Vertrag erfolgen 51 . Vorrang hatte der Wille der Parteien52 . Bei doppeltem Verkauf kam es daher darauf an, welcher die Übertragung des Eigentums beinhaltete, "sive per traditionem sive aliter"s3. Im Gegensatz zum willenstheoretischen Ausgangspunkt bewirkte die Übergabe zwar nicht die Eigentumsübertragung, sie wurde aber doch zu deren Merkmal 54 . Hobbes ging weiter. Er hielt allein den ersten Vertrag für bindend, da man durch den ersten Vertrag das betreffende Recht auf eigene Handlung auf den Vertragsgegner übertragen habe. Der zweite Vertrag sei daher "illicitus,,5s. Schon seit dem 15. Jahrhundert ging nach englischem Recht das Eigentum an einer beweglichen Sache mit dem Abschluß des Kaufes auf den Käufer über56 . Für den Käufer eines Grundstücks war dagegen selbst ein Schadensersatzanspruch wegen N ichterfilllung überhaupt erst seit Doige's case (1441-1443, ein Doppelverkauf)57 anerkannes, wenn der Verkäufer sich vorsätzlich außerstande 51 Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, s. 293; Brandt, S. 54 f.; Tanaka, S. 382,380; Oeckinghaus, S. 89 f.; Carey Miller, S. 522; ausführlich Gordon, S. 172 ff. 52 Luig, Das Verhältnis von Kaufpreiszahlung und Eigentumsübergang nach deutschem Recht, S. 236. Teilabdruck der einschlägigen Passage bei Gruchot in den von ihm herausgegebenen Beiträgen 8 (1864), S. 600 Note 5. 53 Grotius, De iure belli ac pacis 11 12 n. I, dazu Luig, Das Verhältnis von Kaufpreiszahlung und Eigentumsübergang nach deutschem Recht, S. 236 f. 54 Luig, Das Verhältnis von Kaufpreiszahlung und Eigentumsübergang nach deutschem Recht, S. 237. - Zur uneinheitlichen Haltung der NaturrechtIer zur traditio siehe auch Gordon, S. 174 ff. 55 Diesselhorst, S. 39. Ähnlich auch die Inleiding von Grotius, vergleiche Nanz, S. 140 ff. 56 Diesselhorst, S. 39 f.; Dinger, S. 56; Brandt, S. 188 f.; Chianale, S. 366 ff. - Inwiefern dies in früheren Zeiten galt, ist unsicher (Baker, S. 433; Simpson, S. 161). Wie im französischen Recht (vergleiche unten S. 248) diente das Besitzmittlungsverhältnis als Vehikel für das Konsensprinzip: Früh schon wurde nämlich die Übergabe an den Käufer fingiert und der Verkäufer als Verwahrer (bailee) angesehen, vergleiche Baker, S. 433; Diesselhorst, S. 42. - Heute wird die translative Wirkung des Kaufvertrages dadurch eingeschränkt, daß der Verkäufer nach Sale ofGoods Act sec. 25 als zum Verkauf an einen redlichen Dritten berechtigt gilt, wenn er den Besitz an der Kaufsache behalten hat. Dazu Chianale, S. 180 ff.; Wacke, Besitzkonstitut, S. 46 n. 110; Rehbein, S. 100 f.; Brandt, S. 189. - Bei Liegenschaften ging dagegen immer der redliche Zweitkäufer vor (Chianale, S. 193 ff.; McKerron, SALT 4 (1935), S. 182). - Zur "notice" des Zweitkäufers in der englischen Rechtsprechung siehe Chianale, S. 194 ff. 57 20 Hen. VI, T. f. 34, pI. 4 (Fifoot, S. 347; Baker / Mi/som, S. 390 ff.; Simpson, S. 255 ff. und 364 ff.).

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gesetzt hatte, zu leisten59 . Hier zeigt sich, daß der Doppelverkauf Unzulänglichkeiten von Konkliktlösungsregeln offenbaren kann. Die Hobbes'sche Lehre von der zweiten Rechtsübertragung soll allerdings wesentlich von ihren staatsrechtlichen Folgen her konzipiert sein, so daß das parallel ausgestaltete englische Kaufrecht wenig Einfluß gehabt haben dUrfte 60. Nicht eindeutig war die Konstruktion bei Pufendorf. Bei einem Doppelverkauf sollte der erste Käufer vorgehen - wenn es zu keiner traditio gekommen ist61 • Mit dieser Einschränkung erweckt er den Eindruck, daß auch er ein Verfechter des Traditionsprinzips gewesen sei62 • Pufendorf ließ indes an einer anderen Stelle einem zweiten Vertrag über dieselbe Leistung keine Wirkung zukommen, weil bereits das erste Versprechen das Recht auf die Leistung übertrage63 • Heineccius und Christian Wolffvertraten das Konsensprinzip in reiner Form: Der Kaufvertrag hatte translative Wirkung64 • Heineccius hielt die römische Bevorzugung des besitzenden Zweitkäufers nach naturrechtlichen Maßstäben rur unbillig65 • Da der Verkauf fremder Sachen nach Auffassung Wolffs nichtig war, galt dies gleichermaßen rur einen zweiten Verkauf derselben Sache66 • Eine Bevorzugung des Zweitkäufers aufgrund eines Publizitätsprinzips ist nicht ersichtlich. Eine Abschwächung erfuhr diese rigide Regelung durch die Erwägungen Wolffs zum Verkaufsversprechen. War nämlich der Verkauf einer Sache dem einen nur versprochen, die Sache daraufhin dem anderen verkauft worden 67 , so 58 59 60 61

S.27.

Baker, S. 384. Simpsan, S. 258; Baker, S. 384. Dazu Diesselharst, S. 39 ff., 44. Pufendarf, Jus naturae et gentium V 5 § 5, zitiert bei Schaltens, SAU 70 (\953),

62 Zum Eigentumserwerb nach den Vorstellungen Pufendorfs, die insbesondere im Hinblick auf das Besitzerfordernis unklar sind, siehe Brandt, S. 55 f.; Carey Miller, S. 523; Gardan, S. 175 f. 63 Wallschläger, S.80; Brandt, S. 55 f. - Trotz dieser Unwirksamkeit war dem zweiten Gläubiger Ersatz zu leisten, dazu Wallschläger, a.a.O. 64 Wolff, Grundsätze des Natur- und Völkerrechts, Theil 2, § 594 (S. 381 f.); ders., Jus naturae methodo scientifica pertractatum, pars IV, cap. IV, § 1147 (S. 816); zweideutig allerdings ders., JN pars IV, cap. IV, § 939 (S. 646): " ... qui alteri rem dat, dominum ejus in eum transfert ... ". - Zu Heineccius siehe Tanaka, S. 380, 379. 65 Tanaka, S. 380 f. mit Note 66. 66 Wolff, Grundsätze des Natur- und Völkerrechts, Theil2, § 593 (S. 381); ders., Jus naturae methodo scientifica pertractatum, pars IV, cap. IV, § 1147 (S. 816); dazu Luig, Die Ptlichtenlehre des Privatrechts in der Naturrechtslehre von Christi an Wolff, in: Libertas - Grundrechtliche und rechtsstaatliche Gewährungen in der Antike und Gegenwart (1991), S. 247 f. Diese naturrechtlichen Grundsätze referieren bereits Saiger (Beck) § 8, S. 14. 67 Zu einem solchen Auslegungsergebnis dürfte man schnell gelangen, wenn der Preis nicht bezahlt worden ist, denn das Eigentum an der Kaufsache ging entsprechend

I. Die Rechtsstellung des Käufers zur Kaufsache

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hatte der Versprechensempfänger lediglich einen Anspruch auf Schadensersatz gegen den Verkäufer68 , Damit blieb das "Recht zu der Sache" trotz des entgegengesetzten theoretischen Ansatzes mit der herrschenden gemeinrechtlichen Lehre als rein schuldrechtlich aufgefaßt69 , Weder römischrechtlich noch rein naturrechtlich war der Ansatz von Leibniz: Nach ihm hatte der Käufer, dem die Sache noch nicht übergeben worden ist, vom Grundsatz her zunächst kein Zugriffsrecht auf die sich bei einem Dritten befindende Kaufsache 70 , Leibniz vermied aber besondere Härten, indem er ausnahmsweise das "ius (personale) ad rem,,7l des ersten Käufers mit der Sache selbst auf den zweiten Käufer übergehen ließ, wenn etwa dem ersten Käufer besonders viel an der Sache lag 72 , Jedoch mußte der Erstkäufer dem Zweitkäufer den bereits gezahlten Kaufpreis erstatten73 , Leibniz war sich bewußt, daß er mit dieser elastischen Lösung die römisch-rechtliche Trennungsmauer zwischen Schuld- und Sachenrecht einriß74 ,

3. Die deutsche Gesetzgebung seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert sowie die Pandektenwissenschaft Der Erwerb des Eigentums setzte nach dem preußischen Allgemeinen Landrecht in Fortführung der gemeinrechtlichen Tradition einen Titel und Übergabe voraus 75 , Der reale Besitzer wurde auch gegenüber dem Buchbesitzer bevorzugt, so daß sich häufig ein Auseinanderklaffen von Buchstand und materieller Rechtslage ergab (sogenannte Eigentumsduplizität)76, Von mehreren Titeln Inst 2.1.41 auch nach Wolff nur über, wenn der Kaufpreis gezahlt worden ist, vergleiche Luig, Pflichten lehre, S. 249 f. 68 WoljJ, Jus naturae methodo scientifica pertractatum, pars IV, cap. IV, § 1148 (S. 816 f.). - Zur Verschiebung der Doppelverkaufsproblematik auf die Versprechenslehre siehe Luig, Ptlichtenlehre, S. 247. 69 Luig, Ptlichtenlehre, S. 247 f. 70 Luig, Leibniz, S. 241. Ein Zugriffsrecht bestand nur gegenüber dem Verkäufer (präziser Erfiillungszwang). 71 Mit diesem Begriff bezeichnete Leibniz keine gesteigerte Beziehung des Käufers zur geschuldeten Kaufsache, keine Vorform eines dinglichen Rechts (Luig, Leibniz, S. 227 f.). n Luig, Leibniz, S. 241, 229 f. 73 Luig, Leibniz, S. 241 f. 74 Luig, Leibniz, S. 243. 75 Vergleiche ALR I 10 § l. - Zum Eigentumserwerb nach dem ALR siehe auch Brandt, S. 83 ff., 109 f.; Wesener, Dingliche und persönliche Sachenrechte, S. 210; COing, Europäisches Privatrecht 11, S. 393; Hofmann, Titulus, S. 33; Gierke, Deutsches Privatrecht 11, S. 609 f. 76 Hofmeister. Liegenschaftserwerb. S.218, 297 f.; Brandt, S.94; Buchholz, S. 146 ff.; Schubert, S. 97 f. 16 Sella-Geusen

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wurde der zeitlich erste bevorzugt, solange es nicht zu einer Übergabe gekommen war77 • Auch dies entsprach einer bereits bei den Kommentatoren vorzufindenden Lehre. Forderungsrechte auf eine Sache wurden im Anschluß an Darjes als "Rechte zur Sache" bezeichnee8 • Vom Traditionsprinzip bestimmte das ALR in I 10 § 25 eine Ausnahme zugunsten des ersten Käufers, wenn der Zweite zum Zeitpunkt der Übergabe von dem ersten Titel wußte 79 • Das entsprach der auf der Lehre des Baldus basierenden gemeinrechtlichen Theorie. Diese Lehre war ursprünglich als Regelung eines Sonderfalles konzipiert worden und blieb auch im ALR Ausnahmeregel, so daß von einer eigenen Kategorie von Rechten keine Rede sein kann. Von der Rechtsprechung ist diese Bestimmung des ALR so ausgelegt worden, daß der Erste einen Herausgabeanspruch unmittelbar gegen den Zweiten geltend machen konnte 80, wie es auch bei der actio revocatoria der Fall war. ALR I 10 § 25 zeigt das Bemühen der Redaktoren, Moralvorstellungen unmittelbaren Einfluß auf die Gestaltung der Rechtsverhältnisse zu verschaffen 81 • Diese Ausnahmebestimmung war bereits bei den Redaktionsarbeiten vergeblich von Suarez kritisiert worden 82 • Die gemeinrechtliche Lehre überwog zu diesem Zeitpunkt noch. Bald darauf trat die Lehre v. Savigny's von der abstrakten Übereignung ihren Siegeszug gegen die titulus-und-modus-Lehre an und wurde zur herrschenden Meinung in der Pandektenwissenschaft83 • Damit einher ging die rigide Unterscheidung zwischen dinglichen Rechten und Forderungsrechten, denen konsequent auch von preußischen Wissenschaftlern jede Drittwirkung ALR I 10 § 21 ff. Wesener, Dingliche und persönliche Sachenrechte, S. 210; Eisfeld, S. 13; Hofmann, Titulus, S. 33 f.; Wieling, JZ 1982, S. 839. 79 ALR I 10 § 25: "Auch der, welcher zur Zeit der Eintragung oder Uebergabe den früher entstandnen Titel eines Andem weiß, kann zum Nachtheile desselben die früher erhaltene Eintragung oder Uebergabe nicht vorschützen"; ähnlich auch ALR I 19 §§ 5, 6. - Zur Diskussion über die Bedeutung der Formulierung "nicht vorschützen" und die der Vorschrift zugrunde liegende rechtliche Konstruktion siehe Hofmeister, Liegenschaftserwerb, S. 84 f. (mit Nachweisen); Wesener, Dingliche und persönliche Sachenrechte, S. 210; C. F. Koch, § 47, S. 179. - Nach Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, S. 332 f., soll hier auch das naturrechtliche Konsensprinzip von Bedeutung gewesen sein. 80 Gruchot, Gruchot's Beiträge 8 (1864), S. 609 f. (mit ausführlichem Zitat einer Entscheidung des Obertribunals aus dem Jahre 1851). 81 Hofmeister, Liegenschaftserwerb, S. 84; Dubischar, Doppelverkauf, JuS 1970, S. 10; Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, S. 332. 82 Für die Stellungnahme von Suarez siehe Gruchot in den von ihm herausgegebenen Beiträgen 8 (1864), S. 606. 83 Eisfeld, S. 20 f.; Felgentraeger, S. 27 tf., 41 ff.; Ranieri, S. 90 ff. (mit den methodischen und dogmatischen Hintergründen der Konstruktion); Schubert, S. 101; Ferrari, ZEuP 1993, S. 56 f.; Buchholz, S. 1 ff.; Brandt, S. 8, 66 ff.; Coing, Europäisches Privatrecht 11, S. 393 ff. 77 78

I. Die Rechtsstellung des Käufers zur Kaufsache

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abgesprochen wurde 84 . Schnell schlug daher auch im Hinblick auf die den Erstkäufer schützenden Vorschriften des ALR die Stimmung um 85 : Da die persönlichen Rechte als untereinander gleichwertig betrachtet wurden, sollte - liberalistischen Grundsätzen entsprechend - gewinnen, wer selbst dafür sorgte, eine dingliche Rechtsposition zu erhalten. Das "ius ad rem" des ALR wurde als eine unzulässige begriffliche Vermengung von dinglichen und persönlichen Rechten kritisiert86 . Lenz meinte, das ALR enthalte eine "Billigkeitstyrannei der bona fides", eine "dünne, blutlose Moral,,87. Ihre Grundlagen fand diese Auffassung von der strengen Trennung von Recht und Moral vor allem in der Kant'schen Normenlehre, in der es unter anderem hieß, daß die Billigkeit eine "stumme Gottheit" sei, die nicht gehört werden könne 88 . Gelobt wurde am ALR hingegen die Eintragungspflicht für die Begründung von Hypotheken. Der sich hierin niederschlagende Publizitätsgedanke wurde auf die deutsche Rechtstradition zurückgeführt und dem römischen Recht mit seinen Übergabesurrogaten gegenübergestellt89. Der Streit um das "ius ad rem" kann als beispielhaft für die ideologiebehaftete Rechtswissenschaft des 19. Jahrhunderts 90 bezeichnet werden: Der systematische Ansatz der Begriffsjuristen erforderte eine Einordnung des "ius ad

Eisfeld, S. 20; Felgentraeger, S. 44. Vergleiche etwa Ziebarth, S. 201. - Zur Wandlung der in diesem Zusammenhang bedeutsamen Rechtsquellenlehre zu Beginn des 19. Jahrhunderts siehe Luig, Die sozialethischen Werte des römischen und germanischen Rechts in der Privatrechtswissenschaft des 19. Jahrhunderts bei Grimm, Stahl, Kuntze und Gierke, in: Festschrift flir Kroeschell (1987), S. 292 f. 86 Zu dieser Kritik Hofmeister, Liegenschaftserwerb, S. 192; Buchholz, S. 150; Eisfeld, S. 20; Wieling, JZ 1982, S. 840; P. Koch, S. 93 f. 87 Zitat bei Gruchot in den von ihm herausgegebenen Beiträgen 8 (1864), S. 605 ff.; Hofmeister. Liegenschaftserwerb. S. 192 f.; Dubischar, Doppelverkauf, JuS 1970, S. 10; Eisfeld, S. 21; Wieling, JZ 1982, S. 840; Buchholz, S. 150. 88 Zum Verhältnis von Recht und Moral bei Kant sowie dessen Einfluß auf die Schaffung und die Interpretation von ALR und ABGB siehe Schott, S. 86 ff.; Luig, s.v. Pandektenwissenschaft, in: HRG III, Sp. 1423, 1427 sowie Hofmeister. Liegenschaftserwerb. S. 65 (zum Doppelverkaufnach ABGB). 89 Hofmeister. Liegenschaftserwerb. S. 193 f.; Buchholz, S. 9 f. - So auch das sächsische Hypothekengesetz von 1843. Dies hatte zur Folge, daß C. 3.32.15 nicht mehr zugunsten des Zweiterwerbers wirkte, wenn der Ersterwerber eingetragen war, vergleiche die Entscheidung in SeuffArch. 11 (1857), Nr. 116, S. 74 (ohne Angabe des erkennenden Gerichts). 90 Dazu Luig, Die sozialethischen Werte, S. 281 f., 284 ff. (mit einer Liste von Attributen, die beiden Rechtskreisen [römisches Recht und germanisches Recht] zugeschrieben wurden), 299 ff.; zu Ideologisierung und Begriffsbildung siehe auch Kroeschell, Zur Lehre vom "germanischen" Eigentumsbegriff, in: Festschrift flir Thieme, S. 69 f. 84

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rem,m. Da man glaubte, das Wesen dieser Rechtsfigur nach deren historischen Wurzeln ermitteln zu können 92 , entstand die Kontroverse um deren Ursprung93 . Die germanistische Doktrin verteidigte diese Rechtsfigur gegen die romanistischen Kritiker, denn sie sah im "ius ad rem" eine Vorstufe eines dinglichen Rechts, ein zu erhaltendes Rechtsinstitut des vaterländischen Rechts aus der guten alten Zeit, in der Sitte und Treue noch etwas galten 94 , einen Triumph des "christlich-deutschen Rechtssinns über das abstracte Römische Recht,,9s. Dernburg dagegen paßt nicht in dieses Bild. Er unterschied zwar zwischen dem (reinen) römischen Recht und einer "älteren Praxis", enthielt sich aber - äußerlich - einer Wertung96 • Obwohl er nicht als Systematiker gilt97 , unternahm er einen (zutreffenden) Einordnungsversuch: "das Rechtsmittel (ist) aufzufassen als eine eigenthUmliche Species der Dolusklage". Als Beleg wies er auf die actio Pauliana und deren Erweiterung durch Baldus hin98 . Die Kritik an dieser Rechtsfigur schlug sich in der Gesetzgebung nieder. Das sächsische 8GB von 1863 setzte rur den Liegenschaftserwerb eine rechtsgrundunabhängige Eintragung voraus (§§ 276 ff. Sächsisches BGB) beziehungsweise rur Fahrnis den abstrakten dinglichen Vertrag99 • Bei Fehlen eines Rechtsgrundes stand dem Verletzten (Verkäufer) eine schuldrechtliche Restitutionsklage gegen

9\ Zur Frage nach der Dinglichkeit des Rechts vergleiche statt aller Förster / Eccius, Preußisches Privatrecht III, § 156, S. 3-8; Ziebarth, S. 215 und passim. 92 So beispielsweise Heymann, Jus ad rem, S. 1169. - Zur historischen und systematischen Methode des 19. Jahrhunderts siehe Luig, Die Theorie der Gestaltung eines nationalen Privatrechtssystems aus römisch-deutschem Rechtsstoff, in: Wissenschaft und Kodifikation des Privatrechts im 19. Jahrhundert I, S. 223. 93 Dazu oben S. 188 ff. sowie Dernburg, Preußisches Privatrecht I § 184, S.379 Note 2; Dubischar, Doppelverkauf, JuS 1970, S. 11. 94 Dubischar, Doppelverkauf, JuS 1970, S. 11; Luig, Die sozialethischen Werte, S. 303 (zu Stahl). Weitere Beispiele: Hofmann, Titulus, S. 33; Ziebarth, S. 205, 213. 95 So Bornemann, zitiert von Hofmeister, Liegenschaftserwerb, S. 192, n. 13. Vergleiche auch Luig, Die sozialethischen Werte, S. 303 (zu Stahl). 96 Dernburg, Preußisches Privatrecht I, § 184, S.379, § 37, S. 62 f.; Bürgerliches Recht III, § 63, S. 219 f[ - Dernburgs positive Grundhaltung gegenüber dem Schutz des Erstkäufers (vergleiche dazu Luig, Heinrich Demburg [1829-1907] - Ein "Fürst" der Spätpandektistik und des preußischen Privatrechts, in: Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, S. 245) zeigte sich auch daran, daß er mit RGZ 62, 137 einen Verstoß gegen die guten Sitten annehmen wollte und als Naturalrestitution im Sinne von § 249 BGB die Herausgabe der Kaufsache ansah (Bürgerliches Recht III § 63, S. 221, Note 6). Noch in RGZ 103, 419, 420 wurde dagegen lediglich Schadensersatz in Geld gewährt, vergleiche oben S. 25. 97 Sinzheimer, S.73 ff.; Luig, Demburg, S. 241 ff., insbesondere S. 244 f.; ders., Rez. Süß, NJW 1992, S. 888. 98 Dernburg, Preußisches Privatrecht I, § 184, S. 379. 99 Brandt, S. 110; Ranieri, S. 95.

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die Eintragung zu, die aber einem Erstkäufer nicht zugute kam 100. Das Sächsische Bürgerliche Gesetzbuch kannte indessen noch eine Rangordnung der Forderungsrechte, solange es nicht zu einer Erfüllung gekommen ist: In § 764 wurde entsprechend der gemeinrechtlichen Tradition der Vorzug des älteren Forderungsrechts normiert lO1 • Die Tendenz zu einer strengen Trennung von Forderungs- und Herrschaftsrecht setzte sich mit dem preußischen Eigentumserwerbsgesetz lO2 fort, das sich in allen wesentliche Fragen von den Bestimmungen des ALR entfernte lO3 • Nach §§ 4, 15 des Eigentumserwerbsgesetzes stand die Kenntnis vom älteren Forderungsrecht eines Dritten einem Erwerb, der durch Eintragung erfolgt, nicht entgegen 104 ; ALR I 10 § 25 war fiir Grundstücke fortan ohne Wirkung 105. Der tiefgreifende Wandel der Wertvorstellungen zeigte sich im ausdrücklichen Verzicht auf moralische Gesichtspunkte lO6, so daß es zu einer ungehinderten Entfaltung des freien Wettbewerbs mehrerer Forderungsberechtigter kam 107 • Als Ausgleich diente die Vormerkung dem Schutz des Forderungsberechtigten lO8 •

Hofmeister. Liegenschaftserwerb. S. 237-239; Buchholz, S. 379. Eine Rangordnung der Forderungen kannten auch der bayerische, hessische und Dresdener Entwurf, vergleiche Motive I, S. 276 (zitiert oben S. 13 f.). 102 Gesetz über den Eigenthums-Erwerb und die dingliche Belastung der Grundstükke, Bergwerke und selbständigen Gerechtigkeiten vom 5.5.1872. 103 Hofmeister. Liegenschaftserwerb. S. 296 ff.; Buchholz, S. 306. - Im Entwurf eines Gesetzes über das Hypothekenwesen (1864) blieb ALR I 10 § 25 noch unangetastet (Hofmeister. Liegenschaftserwerb. S. 299 f., 308; Buchholz, S. 277). Weitere Einzelheiten zur Vorgeschichte bei Brandt, S. 90 ff. 104 Hofmeister. Liegenschaftserwerb. S.308 (die genannten Vorschriften sind dort abgedruckt); RG Gruchot's Er!. 35 (1891), S. 1101; Brandt, S. 89; Wesener, Dingliche und persönliche Sachenrechte, S. 210; Dernburg, Preußisches Privatrecht I, § 185, S.382. 105 RG Gruchot's Beiträge 33 (1889), Nr. 48, S. 949 f 106 Zu den Motiven der Gesetzesvorlage von 1868 siehe Hofmeister. Liegenschaftserwerb. S. 308 f. 107 Hofmeister. Liegenschaftserwerb. S. 309; Brandt, S. 108, 13; Dubischar, Doppelverkauf, JuS 1970, S. 10. - Hier haben sich die Redaktoren der Regierungsvorlagen gegen den heftigen Widerstand der Herrenhauskommission durchgesetzt (Hofmeister. Liegenschaftserwerb. S. 310 f.; Brandt, S. 97 ff.; Eisfeld, S. 21 f; Buchholz, S. 306-309). Auf der gleichen Linie liegt der hier vollzogene Ubergang vom sogenannten materiellen Legalitätsprinzip (dazu Brandt, S. 89; Buchholz, S. 151 ff.) zur rechtsgrundunabhängigen dinglichen Einigung, bei der ebenfalls materialethische Gesichtspunkte zugunsten einer erhöhten Bewegungsfreiheit im Rechtsverkehr zurückgestellt wurden (Hofmeister. Liegenschaftserwerb. S. 309; Buchholz, S. 152 f). 108 Hofmeister. Liegenschaftserwerb. S. 312 ff. - Dernburg, Preußisches Privatrecht I, § 185, S. 383, fand an dieser Rechtsfigur nichts Befremdliches. Der Umstand jedoch, daß die Eintragung der Vormerkung ohne Bewilligung des Eigentümers auf Ersuchen des Richters erfolgen kann, hielt Dernburg rur einen Durchbruch der "unrömischen Anschauung", wonach der Vertrag ein "Anrecht auf die Sache" gewährt. 100 101

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Der Rechtsfigur der erweiterten actio Pauliana zugunsten eines ersten Käufers wurde im Anschluß an das Anfechtungsgesetz (1879)109 eine endgültige Absage erteilt. Gemäß § 2 AnfG ist eine Anfechtung von Rechtsgeschäften nur zulässig, wenn eine Zwangsvollstreckung nicht zur vollständigen Befriedigung des Gläubigers geruhrt hat. Das Reichsgericht hielt eine Anfechtungsklage nicht rur möglich, wenn der Schuldner nur einzelne geschuldete Gegenstände verkauft hat, im übrigen aber noch zahlungsflihig ist, da sich der Schuldtitel nach der Veräußerung in einen Anspruch auf das Interesse verwandele und insofern eine Befriedigung des Gläubigers noch möglich sei llo . Der Redaktor der ersten Kommission rur das Sachenrecht Johow folgte der Lehre der Pandektenwissenschaft vom abstrakten dinglichen Vertrag und betonte die Eigenständigkeit des Sachenrechts insbesondere im Hinblick auf die Eigentumsübertragung ill . Die Forderungsrechte waren untereinander gleichberechtigtll2. Wegen des relativen Charakters des Forderungsrechts sollte es auf die Kenntnis von dem Forderungsrecht eines anderen Gläubigers nicht ankommen ll3 . Die erste Kommission lehnte auch eine Vormerkung zum Schutz obligatorischer Rechte ab ll4 . Die antipandektistisch-antiliberalen Kritiker des Entwurfs bemängelten - insbesondere rur das Mobiliarrecht, weniger rur das Immobiliarrecht -, daß das Abstraktionsprinzip dem Rechtserwerb jede sittlich-inhaltliche Rechtfertigung entziehe ll5 , es sei lebensfern und allzu konstruiert 116. Allerdings scheint nur von einer Minderheit ein "ius ad rem" gefordert worden zu sein ll7, so daß diese

Vergleiche dazu oben S. 20. RGZ 18, 145, 146 ff.; Eisfeld, S. 22. 111 Buchholz, S. 389 f.; Brandt, S. 116 f.; Eisfeld, S. 23; Dubischar, Doppelverkauf, JuS 1970, S. 11; Schubert, S. 101 tf., 144 ff. 112 Vergleiche oben S. 13; Buchholz, S. 391; Schubert, S. 101; vergleiche Motive 11, S. 3. - In der zweiten Kommission war lediglich umstritten, ob der dinglichen Einigung Vertragscharakter zukommen sollte (Brandt, S. 119). 113 Motive 11, S. 2 f. dazu Dubischar, Doppelverkauf, JuS 1970, S. 11; Schubert, S.102. 114 Hofmeister. Liegenschaftserwerb. S. 312 n.98 (mit weiteren Nachweisen); Wieling, JZ 1982, S. 840; Schubert, S. 141-143. 115 Buchholz, S. 392 f. (mit Nachweisen); Schubert, S. 118 ff.; Ferrari, ZEuP 1993, S.57. 116 Vgl. Brandt, S. 120 n. 4 mit zahlreichen Nachweisen; Knütel, Vendita e transferimento della proprietil nel diritto tedesco, in: Vendita e transferimento della proprietil nella prospettiva storico-comparatistica, Atti dei Congresso Internazionale PisaViareggio-Lucca 1990, S. 297 ff.; Bähr, Zur Besitzlehre, JhJb 26 (1888), S. 320. - Befürwortet wurde das Trennungs- und Traditionsprinzip von Bornemann in seinem Gutachten für den 14. deutschen Juristentag, S. 113 ff., aufgrund eines Vergleichs zum französischen Recht in DoppelverkaufsflUlen. 117 Vergleiche Schubert, S. 121 f. \09

1 \0

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Rechtsfigur im weiteren Verlauf der Gesetzgebungsarbeiten nicht mehr erörtert wurde. Versuche, ohne Einbettung in das BGB ein Zugriffsrecht auf die Sache bei einem bösgläubigen Dritten zu beleben, wurden im Zuge der "nationalsozialistischen Rechtserneuerung" unternommen 118.

4. Die Entwicklung in anderen auf der gemeinrechtlichen Tradition basierenden Rechtskreisen a) Österreich

Eine Abkehr von der gemeinrechtlichen Lehre von der actio Pauliana zugunsten des Erstkäufers bei Kenntnis des Zweitkäufers vom ersten Verkauf zeichnete sich - zeitgleich mit Preußen - auch in Österreich ab. Die frühen auf der gemeinrechtlichen titulus- und modus-Lehre basierenden Entwürfe beinhalteten noch Ausnahmen vom Traditionsprinzip bzw. dem Eintragungsgrundsatz bei Liegenschaften, wenn dem Zweitkäufer der frühere Verkauf bekannt war. Der Zweitkäufer und der Verkäufer wurden wie Betrüger bestraft. War es noch nicht zu einer Übergabe gekommen, ging auch hier wie in der mittelalterlichen Lehre der erste Titel vor 1\9. Im Entwurf Martini (1796)120, im Bürgerlichen Gesetzbuch rur Westgalizien (11 § 178 [1798]) wie auch später im ABGB (§§ 430, 440)121 ging eine körperliche Übergabe einem Besitzkonstitut vor l22 • Die Kommentatoren waren dagegen von der Gleichwertigkeit dieser Übergabeformen ausgegangen. Der Traditionsgrundsatz wurde nicht mehr zu Lasten des bösgläubigen Zweitkäufers eingeschränkt 123 • Bedeutsam war auch hier das rur das kritische Naturrecht charakteristische Bestreben, Moralgesetze Wieling, JZ 1982, S. 840. Zu den Regelungen des Doppelverkaufs im Codex Theresianus und im Entwurf Horten siehe Wesener, Dingliche und persönliche Sachenrechte, S. 211 f.; Hofmeister, Liegenschaftserwerb, S. 41 f., 85. 120 Dieser enthielt bereits einen abstrakten dinglichen Vertrag, vergleiche Brandt, S. 62 ff. 121 Letzteres basierte wieder auf der titulus-und-modus-Lehre, vergleiche Wieling, JZ 1982, S. 839 Note 6 mit Begleittext; Hofmann, Titulus, S. 34; Brandt, S. 65; Coing, Europäisches Privatrecht 11, S.393; Mayer-Maly, Kauf, S. 275 f; Petronio, Vendita, transferimento della proprieta e vendita di cosa altrui nella forrnazione dei Code civil e deli' Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch, in: Vendita e transferimento della proprieta nella prospettiva storico-comparatistica, Atti dei Congresso Internazionale PisaViareggio-Lucca 1990, S. 170, 187 f. 122 Hofmeister, Liegenschaftserwerb, S. 45 f; Hofmann, Titulus, S. 34; Petronio, S. 193. - Im Liegenschaftsrecht entschied allein der Bucheintrag (Hofmeister, Liegenschaftserwerb, S. 105). 123 Wesener, Dingliche und persönliche Sachenrechte, S. 212 f; Hofmeister, Liegenschaftserwerb, S. 44, 85. 118

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und die rechtlichen Vorschriften streng zu trennen l24 • Dementsprechend wurde schon in einer Entscheidung der Obersten JustizsteIle aus dem Jahre 1812, in der noch nach gemeinem Recht zu urteilen war, das Traditionsprinzip betont und eine Ausnahme zu Lasten eines bösgläubigen Zweitkäufers ausdrücklich nicht (mehr) zugelassen 125 • Dennoch wurden vereinzelt auch Versuche unternommen, die neuen Vorschriften bei Unredlichkeit des Zweitkäufers restriktiv auszulegen oder mit Mitteln des Schadensersatzrechts und mit dem Prinzip der Naturalrestitution einen Drittschutz des Forderungsrechts zu erreichen l26 • Eine deutliche Abkehr von einem Schutz des Erstkäufers erfolgte durch die österreichische Rechtsprechung erst im Jahre 1873 - bemerkenswerterweise ein Jahr nach Inkrafttreten des preußischen Eigentumserwerbsgesetzes 127 • Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts hat die Ansicht an Bedeutung gewonnen, nach der dem älteren Naturalbesitzer der Vorzug gegenüber dem bösgläubigen jüngeren Tabularbesitzer einzuräumen sei 128 • Seit den 70er Jahren dieses Jahrhunderts wird der Doppelverkauf nicht mehr unter dem Gesichtspunkt der Konkurrenz verschiedener Besitzformen erörtert, sondern (wieder) unter dem Aspekt des Schutzes des Forderungsrechts gegen Dritteingriffe 129 •

b) Frankreich In Frankreich hatte die aus dem Lehnsrecht stammende c/ause dessaisinesaisine bei Immobilien und das Besitzkonstitut bei Mobilien, also die traditio ficta (tradition feinte), im Laufe des 17. und 18. Jahrhunderts zunehmend an Bedeutung gewonnen 130. Mit dieser Klausel, mit der der Veräußerer erklärte, fortan detentor rur den Erwerber sein zu wollen, wurde ein Eigentumserwerb des Erstkäufers ohne Besitzübertragung ermöglicht, ohne daß die Geltung von 124 125

tat.

Hofmeister, Liegenschaftserwerb, S. 65, 86, 95. Wesener, Dingliche und persönliche Sachenrechte, S. 213 mit ausführlichem Zi-

126 Hofmeister, Liegenschaftserwerb, S. 154 ff., 162-164; ders., JBI 1972, S.523525; Ziebarth, S. 205 Note 9. 127 Hofmeister, Liegenschaftserwerb, S.319, 343; Hofmann, Titulus, S. 34 f. (zur Literatur). 128 Hofmeister, Liegenschaftserwerb, S. 344 ff., 352 f. 129 So etwa von Koziol, S. 205 und passim. Zu dieser Diskussion siehe auch Hofmeister, Liegenschaftserwerb, S. 354 ff.; Wesener, Dingliche und persönliche Sachenrechte, S. 213; Rehbein, S. 51 f. 130 Ankum, S.324; Eisfeld, S. 16 ff.; Oeckinghaus, S. 88 f.; Saint-Alary Houin, Le transfert de propriete depuis le Code civil, in: Vendita e transferimento della proprieta nella prospettiva storico-comparatistica, Atti dei Congresso Intemazionale PisaViareggio-Lucca 1990, S. 198; Chianale, S. 30.

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C. 3.32.15 und C. 2.3.20 bestritten worden wäre\3l. Auf diese Weise erfolgte eine Annäherung an das Konsensprinzip 132, auch ohne Einfluß naturrechtlicher Lehren l33 . In den coutumes von Toulouse und Vennandois (13. bzw. 15. Jahrhundert) setzte sich hingegen ein zweiter Käufer, der den realen Besitz erhalten hatte, gegen den ersten Käufer durch l34 . Für den Vorrang der traditio vera vor der traditio jicta entschied sich auch Domat, der meinte, es bestehe ein öffentliches Interesse daran, daß man den Besitz nicht durch geheime Käufe angreifen könne l35 . Wie in Deutschland wandte man sich demnach zumindest teilweise auch in Frankreich von der bei den Kommentatoren allgemein anerkannten Gleichwertigkeit von traditio vera und traditio jicta ab. Der Schutz des Erstkäufers gegen den bösgläubigen Zweitkäufer durch die erweiterte Anwendung der actio Pauliana erscheint in den coutumes einiger nordfranzösischer Provinzen möglich, wenngleich nicht sicher 136 • Despeisses schränkte mit Berufung auf Baldus, Gomez und Pacius den Anwendungsbereich von C. 3.32.15 insofern ein, als der von dem ersten Verkauf wissende Zweitkäufer zur Herausgabe der Kaufsache verpflichtet war, auch wenn er den Besitz zuerst erhalten hatte 137 ; er wies auf entsprechende Urteile aus dem 16. Jahrhundert hin, in denen aber nicht ausdrücklich von der actio Pauliana gesprochen wurde l38 . Die Fonnulierung "car la loy [gemeint ist C. 3.32.15] s'entends lorsque l'acheteur a eu bonne foi,,\39 deutet auf die Interpretation des Accursius hin. In anderen arrets wurde hingegen mit C. 3.32.15 das Traditionsprinzip ohne Ausnahme tUr den bösgläubigen Zweitkäufer betont l4o . Pothier verwies den Erstkäufer auf einen Schadensersatzanspruch gegen den Verkäufer l4l . Lediglich im Falle von dessen Insolvenz sollte der Erstkäufer von dem unredlichen Zweitkäufer mit Hilfe der actio Pauliana die Herausgabe der

Ankum, S. 323 f. Eisfeld, S. 15 f.; Oeckinghaus, S. 89 ff.; Coing, Europäisches Privatrecht 1, S. 305; Ferrari, ZEuP 1993, S. 6l. 133 Oeckinghaus, S. 89 f. 134 Eisfeld, S. 18; Oeckinghaus, S. 149. 135 Eisfeld, S. 18. 136 Ankum, S. 326 f. 137 Despeisses wird zitiert von Ankum, S. 324. 138 Ankum, S. 324 f. Diese arrets werden auch genannt von Hugueney, S. 35 Note 7. 139 Parlement de Bordeaux (1582) nach einem Bericht von Automne, Conference, ad C. 3.32.15 (zitiert bei Ankum, S. 325). 140 Ankum, S. 325 mit Nachweisen; Oeckinghaus, S. 89 Note 20. 141 Ankum, S. 328. 131

132

250

4. Kapitel: Schlußbetrachtung

Kaufsache verlangen können 142. Das entsprach der von Salicetus begründeten und etwa auch von G6mez l43 vertretenen vermittelnden Lehre. Im droit intermediaire galt nach dem Gesetz vom brumaire des Jahres VII (November 1798) rur Immobilien das Transkriptionsprinzip l44. Eine Einschränkung der Rechtsstellung eines bösgläubigen Zweitkäufers durch die Rechtsprechung erfolgte nicht l4s . Der Eigentumsübergang regelt sich im Code civil nach dem Konsensprinzip, artt. 711, 1138, 1583 C.C. 146 • Demnach erwirbt der erste Käufer mit Abschluß des Kaufvertrages das Eigentum an dem Kaufgegenstand l47 • Dieser Grundsatz wird jedoch stark eingeschränkt: Gemäß art. 2279 (en fait de meubles la pos session vaut titre) kann ein Käufer (Eigentümer) gegen den späteren Erwerber nicht mehr vorgehen, wenn dieser den Besitz an der Kaufsache durch den Veräußerer erlangt hat und er - so die herrschende Meinung - guten Glaubens war l48 • Für den Doppelverkauf fmdet sich eine spezialgesetzliche Regelung in art. 1141 C.C. 149 • Danach wird der Zweiterwerber bevorzugt, wenn er den realen Besitz an der Sache gutgläubig erworben hat ISO. Als Ursprung der Regelung

Ankum, S. 328; Eisfeld, S. 17; Hugueney, s. 46. Vergleiche oben s. 14. 144 Ankum, S. 329 ; Biville, S. 2 f, 24 f Zur Herkunft des Eintragungsgrundsatzes und dessen Wirkungen siehe Bivil/e, S. 7 ff.; Chianale, S. 151. 145 Chianale, S. 153; Ankum, S. 329 (mit Nachweisen). 146 Eisfeld, S. 14 ff.; Oeckinghaus, S. 91; Biville, S. I; Chianale, S. 384 f; Petronio, S. 169; Saint-Alary Houin, S. 197; Coing, Europäisches Privatrecht 11, S.396. Dem folgt das italienische Recht, vergleiche Coing, a.a.O., S. 397. - Zum Einfluß des Naturrechts siehe Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, S. 293; Petronio, S. 175 ff.; Chianale, S. 396. 147 Zu dem Streit, ob sich der Eigentumsübergang als gesetzliche Folge des Verpflichtungsgeschäfts vollzieht oder der Kaufvertrag einen juristisch zu trennenden dinglichen Vertrag enthält (Trennungsprinzip; herrschende Meinung) siehe Oeckinghaus, S. 93 ff.; Hugueney, S. 44 ff. 148 Eisfeld, S. 14; Hugueney, S. 48 ff. - Zur Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift siehe Luig, Les Origines de I'artic\e 2279 Code ci vii dans I'ancien droit franfi:ais comme exemple d'un "usus modemus iuris romani", in: Confluence des droits savants et des pratiques juridiques (1979), S. 299 ff., insbesondere S. 308 f. 149 Saint-Alary Houin, S. 219; Schrage, Vendita, S. 369 f. - Art. 1141 C.c. ist annähernd wörtlich von Pothier übernommen worden (Hugueney, S. 46; Eisfeld, S. 17), obwohl er vom römischen Traditionsprinzip ausging, vergleiche Eisfeld; Oeckinghaus, S. 91, Note 26. 150 Eisfeld, S. 14 f; Oeckinghaus, S. 149; Biville, S.2; Wacke, Besitzkonstitut, S. 45 f. - Wieling, JZ 1982, S. 839, Note 8 sieht darin die Übernahme des ,jus ad rem" vom Ergebnis her; anders: Hugueney, S. 45 f 142

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I. Die Rechtsstellung des Käufers zur Kaufsache

251

kommen die gemeinrechtliche Tradition l51 ebenso in Betracht wie möglicherweise auch der dingliche Vertrag des germanischen Rechts 152. Ähnliches gilt im Ergebnis fUr das Immobiliarsachenrecht: Nach einem Gesetz vom 23.3.1855 entfaltet eine Eigentumsübertragung nur dann Wirkungen gegen Dritte, wenn eine transcription im Grundbuch erfolgt ise 53 . Ist bei Immobilien eine transcription zugunsten des Zweitkäufers erfolgt, wird dieser Eigentümer, ohne daß es auf dessen bona jides ankommt. Der Erstkäufer kann allerdings mit der Anfechtungsklage gemäß art. 1167 C.c. gegen den späteren Erwerber vorgehen i54 . Die französische Rechtsprechung hat sich dafUr sogar auf das "droit commun" berufenISS. Im französischen Recht besteht somit ein Interesse an der Aufrechterhaltung der Transaktion (Verkehrsschutz)156, doch steht der Erwerb vom Nichtberechtigten zum Schutz des wahren Berechtigten unter gesteigerten Publizitätsanforderungen l57 . Demnach gilt im französischen Recht beim Doppelverkaufletztlich doch das Traditionsprinzipl58 (zugunsten des zweiten Käufers), es sei denn, der Zweiterwerber hatte Kenntnis l59 von dem ersten Vertrag. Dies entspricht den Rechten des Erstkäufers gemäß §§ 826, 249 BGB 160. Auch im englischen 161, italienischen 162 und holländischen Liegenschaftsrecht kommt es im Ergebnis - wie bereits in der gemeinrechtlichen Tradition - darauf an, ob der Zweitkäufer von

151 Vergleiche Accursius zu C. 3.32.15 (oben s. 71 ff.) und vor allem Baldus zu C. 7.75 (siehe oben s. 184 ff.). 152 Hofmann, Titulus, S. 35. - Zum Streit um den Ursprung der Regelung vergleiche Biville, S. 19; Hugueney, S. 26 f.; Chianale, S. 158, 161 ff. (zu Italien), 384 f., 395. 153 Dazu Eisfeld, S. 15; Biville, S. 2 f.; Schrage, Vendita, S.370; Chianale, S. 154, 395; Coing, Europäisches Privatrecht 11, S. 397. 154 Dazu siehe Eisfeld, S. 15; Biville, S.4 f., 19 ff.; Chianale, S. 154 ff.; Krasser, S. 60 ff., 69. 155 Chianale, S. 156. 156 Hugueney, S. 55. 157 Wacke, Besitzkonstitut, S. 47. 158 Saint-Alary Houin, S. 219 f.; Brandt, S. 53, 189; Wacke, Besitzkonstitut, S. 46 Note 110 (auch mit Nachweisen zu entsprechenden Regelungen im skandinavischen und US-amerikanischen Recht). 159 Chianale, S. 171 ff. - Hugueney, S. 55 f., fordert mit Hrnweis auf den Doppelverkauf von Immobilien auch rur Mobilien als Tatbestandsvoraussetzung ein fraudulöses Zusammenwirken von Verkäufer und Zweitkäufer. Dazu auch Biville, S. 4 ff.; Chianale, S. 156 f., 159 f. (zur frühen französischen Rechtsprechung). 160 Vergleiche oben S. 25 ff.; Krasser, S. 69; Rehbein, S. 72 f. 161 Vergleiche oben Note 56. 162 Busnelli, Variazioni casistiche in tema di doppia vendita immobiliare, in: Vendita e transferimento della proprieta nella prospettiva storico-comparatistica, Atti del Congresso Intemazionale Pisa-Viareggio-Lucca 1990, S. 881 ff., 886 ff.; Chianale, S. 158 ff., 167 ff.

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4. Kapitel: Schlußbetrachtung

dem ersten Vertrag wußte l63 • Damit besteht trotz des entgegengesetzten prinzipiellen Ansatzes international Rechtseinheit l64 •

c) Holland und Südafrika

Nach der holländischen Rechtsprechung des 17. und 18. Jahrhunderts bestand - wie schon bei den Kommentatoren - eine Vermutung ftlr eine erste Übergabe an den Erstkäufer l65 • Die meisten niederländischen Juristen sprachen die Erweiterung der actio revocatoria nicht an 166 • Hingegen wurde sie von Voee 67 kurz erwähnt und nur von van Leeuwen und Schomaker, der von einer entsprechenden Entscheidung des Stadtgerichts von Doesburg aus dem Jahre 1651 berichtet, ausdrücklich beftlrwortee 68 . Eine erstkäuferfreundliche Lösung erzielte man stattdessen mit einer restriktiven Interpretation von C. 3.32.15 169 - dazu kommt man, wenn man den Ansatz des Accurius zu C. 3.32.15 zu Ende denkt -, oder man bestimmte die Privilegierung des Erstkäufers bei Bösgläubigkeit des Zweitkäufers ohne nähere Begrundung 170. In den südlichen Niederlanden hatte die actio Pauliana zugunsten des Erstkäufers dagegen breite Zustimmung gefunden und war in den Rechten von Henegouwen, Mechelen, Namen und Reckheim übernommen worden l7l . Das holländische Zivilrecht von 1838 folgte dem Traditionsgrundsatz 172 • Das Prinzip von der paritas creditorum fand - wie auch in der deutschen Rechtsprechung - seine Grenze bei kollusivem Zusammenwirken von Verkäufer und Zweitkäufer. Der in einem solchen Fall gewährte Schadensersatzanspruch Chianale, S. 188 Note 137, 194 ff. Wacke, Besitzkonstitut, S. 47; Oeckinghaus, S. 151. - Zur Annäherung des deutschen Rechts an das französische durch Lockerung des Übergabeprinzips siehe auch Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, S. 522; Ferrari, ZEuP 1993, S. 53, 78. 165 Scholtens, SAU 70 (1953), S. 26 ff. 166 Ankum, S. 261 f. 167 Ankum, S.229. Die einschlägige Passage von Voet ist abgedruckt bei Dinger (S. 15), Gruchot (Gruchot's Beiträge 8 [1864], S. 603) und Eisfeld (S. 4 Note 5). Die bei den zuletzt Genannten halten Voet fiir einen Befiirworter der erweiterten actio revocatoria. 168 Ankum, S. 363. Die genannte Stelle bei van Leeuwen ist auch abgedruckt bei Dinger, S. 16. Auf der Grundlage von diesen Quellen möchte Ankum, gegen Dinger, S. 17, noch nicht auf eine allgemeine Ansicht schließen. 169 So etwa Antonius Matthaeus, zitiert bei Ankum, S. 364. 170 Ankum, S. 364 nennt Schorer, Loenius und das Landrecht von Overijsel. 171 Ankum, S.364-366. - Dinger, S. 17 Note I, fiihrt außerdem das Landrecht von Roermond an. 172 Zum folgenden Schrage, Vendita, S. 370-374. 163

164

11. Schadensersatz und Verkaufserlös

253

konnte auch die Herausgabe der Kaufsache beinhalten 173. Die Rechtsprechung, nach der dem älteren Forderungsrecht grundsätzlich größeres Gewicht beizumessen war, hat - nach Angaben von Schrage - im neuen holländischen Zivilgesetzbuch seinen Niederschlag gefunden. Bei Unklarheiten darüber, an wen die erste Übergabe erfolgt ist, ist die (modernere) Rechtsprechung in SUdafrika uneinheitlich: In einigen Entscheidungen wird der Vorrang des ersten Käufers betont, in anderen die Auffassung von der Gleichwertigkeit der Forderungsrechte 174 . Entscheidend ist wohl, welcher der beiden Käufer im Falle des Unterliegens einen größeren Schaden zu tragen hat 175. Der Erstkäufer wird im Falle des kollusiven Zusammenwirkens zwischen Verkäufer und Zweitkäufer durch ein Anfechtungsrecht - also entsprechend der Baldus'schen Lehre - geschützt 176 • Der Zugriff auf die Sache erfolgt in der Weise, daß der Verkäufer den wegen der Unwirksamkeit des Zweitverkaufs bestehenden Herausgabeanspruch gegen den Zweitkäufer an den Erstkäufer abtreten muß 177 • Außerdem kann der Erstkäufer ein Veräußerungsverbot erwirken, wenn der Zweitkäufer von dem ersten Vertrag weiß 178 •

11. Schadensersatz und Verkaufserlös Cujas teilte in seiner Erläuterung zu D. 18.4.21 179 den Ausgangspunkt mit seinen mittelalterlichen Kollegen, daß man nicht zugleich den Erlös behalten und wegen eines crimenja/si bestraft werden dürfte. Ein crimenja/si sollte aber nicht vorliegen, wenn die Kaufsache vor Eintritt des Verzuges untergegangen ist, da damit die vertragliche Verpflichtung des Verkäufers entfallen sei l80 . Dies entsprach der von Odofredus vorgeschlagenen textnahen Interpretation, der sich die herrschende Meinung unter den Kommentatoren angeschlossen hatte 181.

Dazu außerdem Chianale, S. 188, Note 137. Dazu Scholtens, SAU 70 (1953), S. 22 ff. 175 Vergleiche McKerron, SALT 4 (1935), S. 180 und Leibniz, oben S. 241. 176 Scholtens, SALJ 70 (1953), S.34 und passim; McKerron, SALT 4 (1935), S.180f. 177 McKerron, SALT 4 (1935), S. 180. 178 McKerron, SALT 4 (1935), S. 179. 179 Cujas, Operum postumorum ad Julij Pauli Jurisconsulti Libros Quaestionum XXV, Sp. 1121-1124. - AusfiihrIich zu dieser TextsteIle und Grundlage der folgenden Ausführungen zu Cujas und Anton Faber: Jakobs, Lucrum ex negotiatione, S. 54-74. 180 Cujas, Operum postumorum ad Julij Pauli Jurisconsulti Libros Quaestionum XXV, Sp. 1124, Randnote D. 181 Von daher kann man ihn entgegen Jakobs, Lucrum ex negotiatione, S. 66, Note 122, durchaus an die Seite des "Schwätzers" Odofredus stellen. 173

174

254

4. Kapitel: Schlußbetrachtung

Doch wurden diese mit keinem Wort erwähne 82 • Cujas äußerte sich lediglich zu Accursius und den von ihm zur Begründung herangezogenen Weinverkäuferfall, den Cujas rur nicht einschlägig hielt, da es sich dort um einen Spezial fall handele\83. Da es Cujas auf die Exegese und weniger darauf ankam, ob der Verbleib des Zweitverkaufserlöses beim Verkäufer unbillig ist l84 , unterbreitete er keinen eigenen Harmonisierungsversuch rur den Fall eines strafbaren Doppelverkaufs. Anton Faber hielt es rur "absurdum ", daß der nach D. 48.10.21 strafbare Verkäufer den Erlös sollte behalten dürfen l8s • Ein strafbarer Doppelverkaufbegründete seiner Ansicht nach eine Pflicht zur Herausgabe des Erlöses, weil es so gesehen werde, als sei der Sklave nach Eintritt des Verzuges gestorben. Daraus folgerte Faber - diese Interpretation ist neu 186 -, daß es im Fall von D. 18.4.21 noch nicht zu einer Übergabe der Kaufsache an den Zweitkäufer gekommen sein könne, da der Verkäufer ansonsten nicht nur nicht in mora, sondern auch in cu/pa gewesen wäre 187. Der Verkauf an den zweiten allein begründete somit keine mora l88 • Faber sah keinen Grund, den Verkäufer, der noch nicht einmal mehr mit dem Sklaven haftet, nun mit dem Veräußerungserlös haften zu lassen 189 und filhrte den heute sogenannten Relativitätsgrundsatz an: Der Erlös stamme aus einer negotiatio des Verkäufers, welche als solche Dritten weder nützen noch schaden dürfe 190 und die keinerlei Rechte "in re" oder "in rem" begründe l91 • Die Lösung des Accursius verwarf Faber wegen ihres offenen Widerspruchs zu den Quellen. Er meinte, eine Herausgabe des Zweitverkaufserlöses sei auch nicht billiger als eine Entscheidung stricti iuris, da ein crimen fa/si, wie Odofredus richtig erkannt habe, nicht gegeben sei, solange der Verkäufer den Kaufpreis 182 Hier zeigte sich die Geringschätzung des mos italicus. Zu der Kritik durch die Humanisten siehe Luig, in: HRG III, s.v. mos gallicus, mos italicus, Sp. 694-697; Schlosser, S. 36 f. 183 Cujas, Operum postumorum ad Julij Pauli lurisconsulti Libros Quaestionum XXV, Sp. 1124, Randnote D, E. 184 Jakobs, Lucrum ex negotiatione, S. 66. 18S Faber, Rationaliazu D. 18.4.21, Anm. d, S. 386. 186 Fabers Vermutungen zum römischen Recht gibt oftmals auch die moderne Kritik noch recht, so Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, S. 167. Ein Beispiel dafiir ist die Interpretation von D. 18.4.21 (Jakobs, Lucrum ex negotiatione S. 61 und passim). 187 Faber, Rationalia zu D. 18.4.21, Anm. d, S. 386. 188 Dies sieht Philipp Matthaeus, I. 55, S. 324 f., Rn. 14-19, als gegeben an: Im Fall von D. 48.10.21 soll es sich um einen zweiten Verkauf handeln, nachdem dem ersten Käufer verkauft und übergeben worden sei, also um einen Verkauf durch einen Nichtberechtigten. 189 Faber, Rationalia zu D. 18.4.21, S. 386. 190 Faber, Rationalia zu D. 18.4.21, Anm. d, S. 387. 191 Faber, Rationalia zu D. 18.4.21, Anm. b, S. 386.

11. Schadensersatz und Verkaufserlös

255

noch nicht von dem Erstkäufer empfangen habe und deshalb in mora geraten sei. Ein Bedürfnis für eine auf aequitas begründete generelle Pflicht zur Herausgabe des Erlöses sah Faber demnach nicht. In der Folgezeit wurde die Frage nach der Herausgabe des Zweitverkaufserlöses nicht mehr problematisiert l92 . Das scheint jedoch nicht darauf zurückzuführen zu sein, daß die Faber'sche Interpretation alle Probleme aus der Welt schaffte l93 , denn sie scheint nicht übernommen worden zu sein: Glück etwa ging von einer Übergabe an den Zweitkäufer aus und verneinte wie Odofredus und die herrschende Meinung unter den Kommentatoren eine Stratbarkeit gemäß D. 48.10.21, wenn die Kaufsache ohne Verzug des Verkäufers untergegangen war l94 • Die Stratbarkeit 195 stand - in Fortführung der mittelalterlichen Tradition - der Rechtsbeständigkeit des zweiten Verkaufs nicht entgegen l96 . Ein Anspruch auf Schadensersatz gegen den Verkäufer wurde generell gewährt, wenn ein Fall eines stratbaren Doppelverkaufs vorlag 197 . Bezeichnenderweise ging es in der Diskussion im 19. Jahrhundert nicht um die Bewertung der Versagung eines Herausgabeanspruchs des Erstkäufers gegen den Verkäufer. D. 18.4.21 spricht zu deutlich dagegen l98 • Gegenstand einer Kontroverse war im 19. Jahrhundert vielmehr der bei Anwendung der allgemeinen Regeln des römischen Kaufrechts anscheinend gegebene Gegenanspruch des Verkäufers gegen den Erstkäufer auf Zahlung des Kaufpreises im Falle von

192 Jakobs, Lucrum ex negotiatione, S.61 (auf den Ansatz des Accursius bezogen). So gingen So/ger (Beck) und Wagner (Böttieher) in ihren Dissertationen nicht auf den Zweitverkaufserlös ein. 193 So aber die Einschätzung von Jakobs, Lucrum ex negotiatione, S. 61. 194 Vergleiche Glück, Band 16, S.336 Noten 99, 100. - Eine Fortsetzung dieses D. 18.6.1.3 ähnlichen Gedankens findet sich in der den Selbsthilfeverkauf gestattenden Regelung von artt. 354, 343 ADHGB sowie § 373 HGB. Einen Selbsthilfeverkauf gestattete auch das Rechtsboek van den Briel (Anfang des 15. Jahrhunderts; vergleiche Mitteis, S. 194 ff.). - Zum Selbsthilfeverkauf siehe auch Seherner, S. 73 f. 195 Zur Strafbarkeit des Verkäufers siehe Saiger (Beck) § 11, S. 18 f; Wagner (Bötlieher) Thes. 12; Stirn, cap. 2 § 6, S. 28. - Auch nach vielen deutschen Rechtsquellen der Rezeptionszeit machte sich der Verkäufer strafbar, vergleiche Löning, S. 390 f. (mit Wiedergabe einzelner Vorschriften) und Wesener, Dingliche und persönliche Sachenrechte, S. 205; Gierke, Deutsches Privatrecht 11, S. 545 Note I; Brandt, S. 44; Schaffstein, S. 288, 281 f. - Im ALR fehlte eine D. 48.10.21 entsprechende Regelung, vergleiche C. F. Koch § 200, S. 901, Note 4. 196 Glück, Band 17, S. 216 Note 12; Wissenbach zu C. 3.32.15, S. 447 f; Westpha/, Kauf, § 579, S. 437; Sintenis, zep II (1838), S. 41, 43. 197 Vergleiche dazu Stirn, S. 28; Solger (Beck), § 10, S. 17; weitere Nachweise bei Scherner, S. 73 f - Eine Schadensersatzpflicht wurde auch statutarrechtlich normiert, vergleiche So/ger (Beck), § 10, S. 19 f.; Fischer, S. 34; Wesener, Dingliche und persönliche Sachenrechte, S. 205. 198 Dazu etwa Glück, Band 16, S. 333, 336 Note 100. Weitere Nachweise bei Ullrich, S. 94 f.

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4. Kapitel: Schlußbetrachtung

0.18.4.21 199. Odofredus scheint einen solchen Anspruch bejaht zu haben, Bartholomaeus Salicetus hatte ihn wie selbstverständlich in einem Nebensatz abgelehnf oo . Jhering glaubte zunächst (1844), die Bereicherung des Verkäufers nicht vermeiden zu können20I . Ein solcher Sieg der Konstruktion über die Einzelfallgerechtigkeit war, so meint Falk, nur im klassischen Zeitalter des Positivismus mit seiner strengen theoretischen Trennung von Recht und Ethik mögIich 202 . Die Verantwortung wurde auf Paulus geschoben 203 . Trotz des bedenklichen Ergebnisses fand die Jhering'sche Lösung Anhänger04 - und wurde damit zum Beleg rur die spätere Kritik an der Begriffsjurisprudenio5 . Doch schon F. Mommsen kritisierte die Bereicherung des Verkäufers und warnte vor dem "Verfiihrerische(n) der strengen Consequenz,,206. Jhering distanzierte sich im Jahre 1859 - außergewöhnlich deutlich - von seiner früheren theoretischen Abhandlung, nachdem er als Gutachter mit einem praktischen Fall konfrontiert worden war07 • Dieser Meinungswandel Jherings steht in engem Zusammenhang mit seiner Abkehr von der Begriffsjurisprudenz208 . Die im 19. Jahrhundert wohl herrschende Meinung vermied mit sehr unterschiedlichen Lösungsansätzen einen doppelten Anspruch209 .

Siehe oben S. 41 ff. Vergleiche oben S. 110 ff., 213. 201 Jhering, Abhandlungen, S. 59, 71. 202 Falk, Der wahre Jurist und der Jurist als solcher, RJ 1993, S. 611. - Das ist nur zutreffend, wenn man von Odofredus absieht. 203 Vergleiche Jhering, Abhandlungen, S.86 und Falk, Ein Gelehrter wie Windscheid, S. 58 f. 204 Dernburg, Pandekten 11, S. 264 f., n. 5 a (dazu Falk, RJ 1993, S. 611) und Gelbcke, AcP 59 (1876), S. 419 (allerdings nur für den bona tide erfolgten Doppelverkaut); StojJregen, S. 111. 205 So für Ehrlich, S. 264. 206 Dazu Falk, Ein Gelehrter wie Windscheid, S. 56 ff. 207 Jhering, Beiträge, JhJb 3 (1859), S.450, 453. Jhering versuchte die Notlösung, den Kaufpreis für den Fall des Untergangs der Kaufsache in eine (gesetzliche) Versicherungsleistung, die nur einmal erfolgt, umzudeuten (ibidem, S. 486). Zu diesem Vorgang siehe auch Behrends, Rudolph von Jhering (1818-1892) - Der Durchbruch zum Zweck des Rechts, in: Rechtswissenschaft in Göttingen, S. 254; Falk, RJ 1993, S. 610. 208 Braun, AcP 193 (1993), S. 557; detailliert Falk, Ein Gelehrter wie Windscheid, S. 51-72; Behrends, Rudolph von Jhering, S. 253 ff. 209 F. Mommsen, Erörterungen, S. 110, Note 6; ders., Unmöglichkeit, S. 297, Note 16; Martinius, S.27; Rabel, Haftung, S. 156 mit Note 3; Goose, JhJb 9 (1870), S. 209; Puntschart, S. 366 f., 369 f.; Hofmann, Periculum, S. 138 ff.; Bechmann 111, S. 193; Herrmann, S. 6 ff. (allerdings nur soweit man sich für die Begründung des Anspruchs auf D. 18.4.21 beruft). - Weitere Einzelheiten zu dieser Diskussion bei: Ullrich S. 58-62; Falk, Ein Gelehrter wie Windscheid, S. 51-72; Windscheid / Kipp, Pandekten, § 390, Note 17 (S. 667); Martinius, S. 26 ff.; Puntschart, S. 360 ff. (letztere beiden zu einem frühen Stand der Diskussion). - Zu dem entsprechenden Problem im BGB siehe oben S. 26 f. 199

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III. Zusammenfassung

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IH. Zusammenfassung Die Frage nach dem Zugriffsrecht des Erstkäufers auf die sich beim Zweitkäufer befindende Kaufsache hat deutlich das Pendeln zwischen formalistischer, logisch-begrifflicher Rechtsfindung einerseits und einer eher freien, wertenden Methode andererseits gezeigt. Für den Umfang des Zugriffsrechts auf die Kaufsache baute die gemeinrechtliche Lehre in Deutschland lange Zeit auf den von den Kommentatoren gefundenen Lösungen auf, die zwischen Billigkeit und römischen Systemzwängen vermittelten. Das Traditionsprinzip wurde abgeschwächt durch den vor einer Übergabe maßgeblichen Prioritätsgrundsatz, durch die Vermutung einer früheren Übergabe an den ersten Käufer sowie durch das Anfechtungsrecht des Erstkäufers bei kollusivem Zusammenwirken von Verkäufer und Zweitkäufer. Damit hatte man sich von einem starren Versagen eines Zugriffsrechts auf die Kaufsache bei dem Zweitkäufer, das wahrscheinlich noch der Haltung der Glossatoren entsprach, gelöst, allerdings ohne sich vom Grundsatz her von Traditionsprinzip abzuwenden. Das galt insbesondere tUr die Ausdehnung des Anwendungsbereichs der actio revocatoria zugunsten des ersten Käufers. Sie war, wie schon die Anknüpfung an das Anfechtungsrecht wegen Gläubigerbenachteiligung zeigt, eine Sanktion gegen betrügerisches Verhalten, kein "ius ad rem" als eine eigene Kategorie von Rechten. Die Grundsätze der romanistischen Lehre wurden auch in das ALR übernommen. Kurz nach dessen Inkrafttreten schlug das Pendel zurück. Die Grundprinzipien der Relativität und der Gleichwertigkeit der Forderungsrechte und der strengsten begrifflichen Trennung zwischen Forderungsrechten und Herrschaftsrechten, die Aushilfskonstruktionen wie das sogenannte "ius ad rem" nicht erlaubten, erhielten überragende Bedeutung. Diese Prinzipien fanden im BGB ihren Niederschlag. Sie wurden aber wiederum bald - wie schon in der EintUhrung gezeigt - durch die Rechtsprechung abgemildert. Die von den mittelalterlichen Juristen im Hinblick auf das GeschäftstUhrungsrecht als problematisch empfundene Trennung von Schuld- und Sachenrecht ist nach der Schaffung der deliktsrechtlichen Generalklausel im Deliktsrecht relevant geworden, da (wieder) das Ventil einer spezialgesetzlichen Regelung, wie etwa ALR I 10 § 25, fehlt. Das der erweiterten actio revocatoria in der Lehre des Baldus entsprechende Ergebnis wird heute auf dem Weg über §§ 826, 249 BGB erzielt, denn Naturalrestitution wird als Herausgabe der Sache unmittelbar an den Erstkäufer verstanden. Auf der Grundlage der Revolution der methodischen und (gesetzes-) systematischen Grundvorstellungen im 19. Jahrhundert ist man in diesem Teilbereich zu der auf der mittelalterlichen Lehre aufbauenden gemeinrechtlichen Tradition zurückgekehrt. Ein Teil der Glossatoren betUrwortete einen Anspruch auf Auskehr des Erlöses aus dem zweiten Verkauf an den ersten Käufer, um eine Bereicherung des betrügerischen Verkäufers zu vermeiden. Die Mehrzahl der Kommentatoren 17 Sella-Geusen

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4. Kapitel: Schlußbetrachtung

wie auch die Humanisten erwiesen sich als formalistisch und lehnten unter Hinweis auf D. 18.4.21 eine solche Pflicht ab. Diese Frage wurde dann Ober Jahrhunderte hinweg nicht mehr erörtert und erst nach Inkrafttreten des BGB wieder aufgegriffen. Heute rechnet man den Zweitverkaufserlös zu dem nach § 281 BGB herauszugebenden Surrogat. Damit soll - entsprechend den Überlegungen von Accursius210 - der aus dem anstößigen Geschäft erzielte Gewinn abgeschöpft werden 211 • Der Anspruch des Verkäufers gegen den Erstkäufer auf Zahlung des Kaufpreises spielte bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts keine bedeutsame Rolle in der Diskussion. Odofredus schien einen solchen Anspruch zu bejahen, Salicetus lehnte ihn in einem Nebensatz ab. Erst Jhering entfachte eine passionierte Debatte um den doppelten Kaufpreisanspruch. Einzelheiten sind fiir eine dem Fall von D. 18.4.21 entsprechende Fallgestaltung auch heute noch ungeklärt. Einigkeit besteht lediglich darin, daß dem Verkäufer kein doppelter Anspruch auf Kaufpreiszahlung zustehen dürfe. Nach alledem ist die mittelalterliche Rechtswissenschaft vor allem fiir die Frage nach dem Zugriffsrecht auf die Kaufsache fiir die weitere Entwicklung in den folgenden Jahrhunderten bedeutsam gewesen. Die vorliegende Untersuchung bestätigt demnach fiir die Diskussion des Doppelverkaufs in der mittelalterlichen Rechtswissenschaft die Auffassung Strörnholms2l2 , daß das scholastische Denken durchaus bemerkenswerte und bleibende Ergebnisse gebracht hat.

Oben S. 82 ff. Vergleiche oben S. 21 f. 212 Strämholm, S. 105; ebenso Lange, Glossatoren, S. 461 f. 2\0

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Wollschläger, Christian: Die Entstehung der Unmöglichkeitslehre. Zur Dogmengeschichte des Rechts der Leistungsstörungen. Köln, Wien 1970. Wolter, Udo: lus canonicum in iure civili. Studien zur Rechtsquellenlehre in der neueren Privatrechtsgeschichte. Köln, Wien 1975. Zachmann, Nico: Die Kollision von Forderungsrechten. Basel, Stuttgart 1976. Ziebarth, Karl: Die Realexecution und die Obligation mit besonderer Rücksicht auf die Miethe: erörtert nach römischem und deutschem Recht im Vergleich mit dem preußischen. Halle 1866. Zimmermann, Der Kaufvertrag, in: Das römisch-holländische Recht. Fortschritte des Zivilrechts im 17. und 18. Jahrhundert. Herausgegeben von Robert Feenstra, Reinhard Zimmermann. Berlin 1992, S. 145-200. Das römisch-holländische Recht und seine Bedeutung für Europa, in: JZ 1990, S.825-838. The Law of Obligations. Roman Foundations of the Civilian Tradition. Cape Town, Wetton, Johannesburg 1990.

Zulueta, Francis de: The Liber Pauperum of Vacarius. Herausgegeben von Francis de Zulueta. Publications ofthe SeIden Society, Vol. XLIIII. London 1927.

284

Quellen- und Literaturverzeichnis

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Personen- und Sachregister Abstraktionsprinzip 19 f., 242 Accursius 53 ff., 66 ff., 71 ff., 77 ff., 82 ff., 100, 110 ff., 116 ff., 122, 129, 140, 178, 181 ff., 190, 193, 203, 206 ff., 235, 249, 254, 258 Actio Pauliana bei siehe actio revocatoria Actio Publiciana 53 ff., 117, 125, 184, 235 Actio revocatoria 185 ff., 229, 235 ff., 242, 244, 246 f., 249 f., 252, 257 Aequitas 78, 86 ff., 110, 116, 118, 152, 161 ff., 168, 171f., 178 f., 207 ff., 224, 228 ff., 255 Aequitascanonica 161,165,172,179, 224,229 Albericus de Rosate 123, 127 ff., 144 ff., 151, 181, 199, 201 ff., 210 ff., 214, 216, 218, 230, 258 Alexander Tartagnus 219 ff., 228, 230

155 ff., 176,

ALR 13, 242 ff., 257 f. Angelus Aretinus 200,218,229 Antonius de Butrio 177 ff., 228

121, 126, 197 f., 135 ff., 168 ff.,

Antonius Gabrielius Romanus 136, 141, 147, 157, 165, 168

Azo 53, 62, 69 ff., 74, 80 f., 96 ff., 109ff., 117f., 126, 129,215 Azorius, Johannes 147

Baldus de Ubaldis 121, 126, 130 ff., 137 ff., 151 ff., 161, 166 f., 171, 184 ff., 214 ff., 228 ff., 235 ff., 242, 244,249,253,258 Bartholomaeus Salicetus Salicetus

siehe bei

Bartholomaeus Socinus 154, 157

121, 147,

Barkauf 32,35,41,50,223 Bartolus a Saxoferrato 120 ff., 171 f., 185,205 ff., 216 Bayerisches Landrecht (1616) 232 f., 235,238 Begriffsjurisprudenz 238,244,256

11, 115, 207,

Besitzkonstitut 62, 145 ff., 149, 247, 248 Bona fides 71 ff., 75 ff., 102 ff., 160, 181 ff., 229, 236, 251 Brunnemann, Johannes 234 f., 237 Bulgarus 64, 86 ff., 110

125,

Apel, Johann 125,231

Cinus da Pistoia 121 ff., 127 ff., 150 ff., 203 ff., 227

Arrha 49 f., 106

Code civil 250 f.

286

Personen- und Sachregister

Codex Maximilianeus Bavaricus CiviIis 232 tf., 238 Communis opinio 236

177 ff., 199, 212,

Grotius, Hugo 235, 239 Guido Papa 147 f. Guilelmus de Cuneo 204 f.

Coutumes 249 Heineccius, Johann Gottlieb 240

Cujas, Jacques 235, 253 f.

Hobbes, Thomas 239 f.

Custodia 40, 100 f., 114

Holländisches Recht 251 f.

Decius, Philippus 125, 147

Hostensis (Henricius de Segusio) 148, 158ff., 169, 171, 173, 176ff.,207, 228

Demburg, Heinrich 244

Hugolinus 64

Darjes, J. G. 238, 242

Dynus de Mugello 145, 148 Inhibitorium 139 ff., 227 Eid 135f., 140 ff., 174 f., 227 Englisches Recht 239 f., 251 Erfilllungszwang, präziser Naturalvollstreckung

siehe bei'

Ersitzung 56, 61 Erwerb vom Nichtberechtigten 55 ff., 61 ff., 71, 126, 143 f., 191, 205, 208, 229, 251 siehe auch actio Publiciana Eviktion 45, 143 f., 236 Exceptiones Petri 49 ff., 62, 65,

Innocenz IV (Sinibaldus Fliscus) 130, 139 f., 176 f., 189, 207 Investitur 66 ff., 95, 145, 148, 157, 165, 188 Irnerius 80 ius ad rem 13 ff., 26, 29, 67, 95, 188 ff., 229, 232, 238, 243 ff., 257 Iustitia 152 ff., 207

Jacobus Butrigarius 121, 124, 131, 13 7 f., 181 f., 207 ff., 213 f., 229 Jacobus de Arena 150 ff.

Faber, Anton 44, 207, 235 ff., 254 f. Fehleridentität 20 Französisches Recht 248

Jason de Mayno 121, 124, 132 f., 136 f., 139 ff., 144, 156, 168, 178 ff." 197 ff., 218, 227 f. Jhering, Rudolf v. 11, 42, 70, 85, 88, 100, 114 f., 238, 256, 258

Gefahrtragung 26 f., 39, 41 f., 45, 100, \02, 111 ff., 202f., 211

Johannes ab Imola 133 ff., 141 f., 156 f., 171 ff., 227

Geldkondemnation siehe bei Naturalvollstreckung

Johannes Andreae 147, 157, 162 ff., 169,171,173,175 ff., 228

G6mez 236, 249 f.

Personen- und Sachregister Johannes Bassianus 55, 90, 101, 108ff.,115,214,225

Kanonisches Recht, Kanonisten 105, 130, 133, 135, 142, 147, 151, 156ff., 188 ff., 192 f., 217, 223 f., 228 f., 236 Karolus de Tocco 54,58,61,70,78 Kirche 34, 53 ff., 63, 116, 134, 156 ff., 228, 234 Kollusion 18, 25, 30, 183 ff., 228, 236, 238, 252 f., 257 Konsensprinzip 13, 148, 156 f., 165 ff., 192, 200, 228, 240, 249 f.

287

Österreichisches Recht 19,233 f., 247 Odofredus de Denariis 54 f., 66, 75ff., 86, 96 ff., 127, 130 ff., 151, 181,202,209 ff., 217 ff., 221 ff., 229, 234, 253 ff. Oldradus de Ponte 147

Pacius, Julius 235, 249 Pandektenwissenschaft 241 Panormitanus (Nicolaus de Tudeschis) 157, 176ff. Paulus de Castro 124 f., 143 f., 157, 175 Paulussentenzen 63

Langobardisches Recht 128, 188, 191,

54, 59 ff.,

Lehnsrecht 65 ff., 73, 151, 156, 165 ff., 188 ff., 234, 248 Leibniz, Gottfried Wilhelm 241 Leyser, Augustin 232 f., 237

Periculum emptoris siehe Gefahrtragung Petrus Paulus Parisius 168, 180, 20 I, 229 Placentinus 70,79,99, 105 Pufendorf, Sarnuel 240

Lo Codi 49 ff., 55, 64 f. Lombarda siehe Langobardisches Recht Ludovicus Romanus 121, 154, 163 ff., 169, 175, 178 ff., 228

Quasi - dominium 56, 125 Quasi - possessio 145

Rainerius de Forlivio 126 Ranchin, Guillaume 148 f.

Marianus Socinus 124, 165 ff., 200 f. Martinus 64, 68, 86 ff., 10 I, 110, 112, 162,225

Naturalvollstreckung 12, 63 ff., 118, 133 ff., 140, 142, 167, 187, 195, 197,235,237

Rigor (iuris) 87,92, 152 f., 161, 164, 170,179,207,211,229 Rogerius 70 Rücktrittsrecht 229 f.

Sala 232

106 f., 217, 224 ff.,

288

Personen- und Sachregister

Salicetus 125, 131 f., 144, 182 f., 193 ff., 212 ff., 218, 222, 229 Solger, Conradus Christopherus 232 ff., 238, 240 Stellionat 44, 69 f., 76 f.

Traditio per cartam 61 f.

Unmöglichkeit 21 ff., 101,225

Vacarius 47 ff.

Stipulatio 37 ff., 81 Summa Trecensis 49,51,55, 100

Veräußerungsverbot 14 ff., 25, 137 ff., 253 Vorleistungspflicht 104 ff., 211

Temporalien 157 ff., 228 Titulus-und-modus Lehre 231,238,242,247

19, 125,

Wissenbach, Johann Jacob 232, 234, 255

Traditio ficta 62 f., 144, 146 ff., 156, 232 f., 248 f.

Wolff, Christi an 240 f.

Traditio vera 61, 63, 147, 149, 249, 232

Zurückbehaltungsrecht 104 f., 222