Dimensio syllabarum: Studien zur lateinischen Prosodie- und Verslehre von der Spätantike bis zur frühen Renaissance 9783666251917, 3525251912, 9783525251911

134 21 16MB

German Pages [296] Year 1989

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD FILE

Polecaj historie

Dimensio syllabarum: Studien zur lateinischen Prosodie- und Verslehre von der Spätantike bis zur frühen Renaissance
 9783666251917, 3525251912, 9783525251911

Citation preview

HYPOMNEMATA 92

V&R

HYPOMNEMATA U N T E R S U C H U N G E N ZUR ANTIKE U N D ZU IHREM NACHLEBEN

Herausgegeben von Albrecht Dihle/Hartmut Erbse/Christian Habicht Hugh Lloyd-Jones/ Günther Patzig/Bruno Snellf

HEFT 92

V A N D E N H O E C K & R U P R E C H T IN G Ö T T I N G E N

JÜRGEN LEONHARDT

Dimensio syllabarum Studien zur lateinischen Prosodieund Verslehre von der Spätantike bis zur frühen Renaissance Mit einem ausführlichen Quellenverzeichnis bis zum Jahr 1600

VANDENHOECK & RUPRECHT IN GÖTTINGEN

ClP-Titelauftiahme der Deutschen

Bibliothek

Leonhardt, Jürgen: Dimensio syllabarum : Studien zur lateinischen Prosodieund Verslehre von der Spätantike bis zur frühen Renaissance ; mit einem ausführlichen Quellenverzeichnis bis zum Jahr 1600 / Jürgen Leonhardt. - Göttingen : Vandenhoeck u. Ruprecht, 1989 ( H y p o m n e m a t a ; H. 92) Zugl.: München, Univ., Diss., 1985 ISBN 3-525-25191-2 NE: GT

Gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft © Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1989 Printed in Germany. - Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmung und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Herstellung: Hubert & Co., Göttingen

Vorwort Das vorliegende Buch ist die überarbeitete Fassung einer Dissertation, die im Sommersemester 1985 dem Promotionsausschuß der Philosophischen Fakultäten der Universität München vorgelegen hat. Das Druckmanuskript wurde im wesentlichen im Sommer 1987 abgeschlossen; seither erschienene Literatur konnte nur in Einzelfällen berücksichtigt werden. Danken möchte ich an dieser Stelle zuallererst Prof. Dr. Wilfried Stroh. Er hat nicht nur die erste Anregung zu dieser Arbeit gegeben und sie stets mit kritischer Anteilnahme begleitet, sondern mich in den vergangenen Jahren in viel umfassenderer Weise als Philologe und Mensch gefördert. Darüber hinaus weiß ich mich vielen verpflichtet, die an dieser Arbeit in der einen oder anderen Form Anteil genommen haben. Prof. Dr. Franz Brunhölzl habe ich f ü r die Übernahme des Korreferates zu danken. Prof. Dr. Fidel Rädle (Göttingen) hat das gesamte Manuskript, Prof. Dr. Peter L.Schmidt (Konstanz) den die spätantike Grammatik betreffenden Teil kritisch gelesen; beiden gilt f ü r ihre Mühe und ihre wichtigen Hinweise, die mich vor manchem Fehler bewahrt haben, mein herzlicher Dank. Förderung erfuhr die Arbeit in vielen Gesprächen mit Dr. Erwin Rauner (München) sowie durch Jan Beck M . A . (Bochum), der in selbstlosem Freundschaftsdienst die Angaben in Teil Β des Quellenverzeichnisses überprüft hat; f ü r verbliebene Fehler bin ich natürlich selbst verantwortlich. Wichtige Einzelhinweise verdanke ich Prof. Dr. Franz Josef Worstbrock (München) und Dr. Ralph Hexter (New Haven/USA); bei der Manuskriptherstellung und den Korrekturen haben mich Dr. Barbara Bauer, Ursula Knittel und Folkart Wittekind tatkräftig unterstützt. Ausdrücklich erwähnen möchte ich auch die Mitarbeiter der Handschriftenabteilung in der Bayerischen Staatsbibliothek München, die mir stets bereitwillig mit Rat und Hilfe zur Seite standen. Dafür, daß die Arbeit in der Reihe der Hypomnemata erscheinen kann, gilt mein herzlicher D a n k den Herausgebern, vor allem Prof. Dr. Albrecht Dihle (Heidelberg); daß sie in so schöner Form erscheint, ist einem namhaften Druckkostenzuschuß der Deutschen Forschungsgemeinschaft zu verdanken und dem Geschick der Verlagslektorin, Frau Dr. Gudrun Müller. Materielle Hilfe erfuhr die Arbeit im Anfangsstadium durch die Studienstiftung des Deutschen Volkes, der im übrigen

6

Vorwort

auch für alle weitere Anregung und Förderung, die ich von ihr erhalten habe, mein Dank ausgesprochen sei. Der letzte, keineswegs aber der geringste Dank gebührt den Lehrern meiner Studienzeit. So sehr sich diese Arbeit thematisch von meinen früheren Studienschwerpunkten entfernt, so sehr baut sie doch auf den Grundlagen, die sie mir vermittelt haben, auf. Einem von ihnen, Konrad Gaiser, kann ich dies nun nicht mehr persönlich sagen; sein Name sei deshalb stellvertretend für alle hier genannt. Widmen möchte ich dieses Buch den beiden Lehrern meiner Schulzeit, die mir zuerst den Weg zur griechischen und lateinischen Literatur gewiesen haben: Dr. Andreas Breuninger und Reinher Gassert. Hohenbrunn bei München, im Juli 1989

Jürgen Leonhardt

Inhalt 1.

Einleitung

11

1.1 1.2 1.2.1 1.2.2

Die Bedeutung der Metriktheorie f ü r die lateinische Dichtung Ziel und Abgrenzung der Untersuchung Der Interpretationsteil Das Quellenverzeichnis

11 17 17 22

2.

Die Entwicklung der Prosodielehre in der Spätantike

24

2.1

Die Silbenquantitäten in der antiken Grammatik vor dem Verfall der quantitierenden Aussprache 2.2 Die Lehre von den „syllabae finales" 2.3 Ein antiker Ansatz zu einer systematischen Prosodielehre 2.4 Die Ursprünge der systematischen Prosodielehre 2.4.1 Das Problem 2.4.2 Donats Grammatik und die Prosodielehre 2.4.3 Rhetorik und Prosodie: eine verlorene Schrift des D o n a t 2.5 Quantitierende Schulaussprache in der Spätantike 2.6 Priscians Grammatik und die Schrift de accentibus

24 28 32 38 38 44 50 56 66

3.

Neuerungen bei der Prosodielehre im frühen Mittelalter

72

3.0 3.1 3.2 3.3 3.4 3.5

Vorbemerkung Aldhelm, epistula adAcircium Beda Venerabiiis, de arte metrica Hrabanus Maurus, excerptio de arte grammatica Prisciani Dicuil, de primis syllabis Die älteren prosodischen Florilegien

72 72 75 77 79 81

4.

Neuerungen bei der Prosodielehre im Hochmittelalter . . . .

87

4.0 4.1 4.2 4.3

Vorbemerkung Die exem/>/d-Sammlungen Das „System a ante b" Varianten des „Systems a ante b" und seine Anwendung auf mediae und ultimae syllabae Merkverse zum „System a ante b" Die jüngeren prosodischen Florilegien „System a ante b", prosodische Florilegien und Quantitätenlexikon im Vergleich

87 88 90

112

5.

Die Verslehre

116

5.1 5.2

Der Unterschied zwischen antiker und mittelalterlicher Metriktheorie . Einzelne mittelalterliche Verslehren

116 121

4.4 4.5 4.6

. .

99 106 110

8

Inhalt

6.

Artes metricae im Spätmittelalter

6.1

Charakteristik der spätmittelalterlichen Schriften. Die Termini „regulae generales" und „regulae speciales" Das Doctrinale Alexanders de Villa Dei Die italienischen Traktate des Spätmittelalters Die Beschreibung der Positionslänge bei den spätmittelalterlichen Theoretikern

6.2 6.3 6.4

7.

M e t r i k t h e o r i e in d e r i t a l i e n i s c h e n R e n a i s s a n c e

7.1 7.2 7.2.1 7.2.2 7.2.3 7.2.4 7.2.5

128 128 131 137 145

154

Zusammenfassung der Tradition: die humanistische „Vollmetrik" . . . Humanistische Metriktheoretiker in Italien Pier Paolo Vergerio d.A. und Francesco Zabarella Antonio Baratella Niccolo Perotti Pietro da Montagnana Drei kleinere Schultraktate: ein Anonymus, Ognibene da Lonigo, Antonio Mancinelli 7.2.6 Francesco Maturanzio 7.2.7 Giovanni Sulpizio (da Veroli) 7.2.8 Aldo M a n u z i o 7.3 Grundzüge der humanistischen Metriktheorie in Italien

154 155 155 158 160 164

8.

182

Zusammenfassung

167 171 175 176 177

Anhang: D e r Grammatiker Metrorius

187

9.

Einleitung z u m Quellenverzeichnis

189

9.1 9.2 9.2.1 9.2.2 9.3 9.3.1 9.3.2 9.3.3

Aufbau Bibliographische Grundlagen Teil A Teil Β Anlage der Beschreibungen Teil A Teil Β Abkürzungen; Verweise auf den Textteil

189 190 190 192 193 193 194 195

Q u e l l e n v e r z e i c h n i s T e i l A: S c h r i f t e n z u r l a t e i n i s c h e n M e t r i k aus Spätantike u n d Mittelalter. Handschriftlich überlieferte Metriktraktate der R e n a i s s a n c e

196

Al A2 A3 A4 A5

196 197 199 208 220

Die antiken Grammatiker Früheres Mittelalter Die Zeit von etwa 1000 bis etwa 1200 Das Spätmittelalter Frühe Renaissance

Inhalt A6 A7 A8

Prosodische Florilegien Artes lectoriae Zwei Handschriften mit Sammlungen von Metriktraktaten

9 226 228 229

Quellenverzeichnis Teil B: Druckschriften zur lateinischen und griechischen Metrik bis ca. 1600

236

Register der Incipits, der wichtigsten Hauptabschnitte und Definitionen aus Teil A 3-5 und A 8 des Quellenverzeichnisses

284

Stellenindex zum Textteil (S.

1 1-188)

289

Verzeichnis der Bibliographien und der abgekürzt zitierten Literatur

294

1. Einleitung 1.1

D i e B e d e u t u n g d e r M e t r i k t h e o r i e f ü r die lateinische Dichtung

Theoretische Schriften zur lateinischen und griechischen Metrik gibt es in reicher Zahl aus der Antike, dem Mittelalter und der Neuzeit; denn daß zu einem genauen Verständnis eines Gedichtes auch die Kenntnis seiner metrischen Form gehört, ist seit den Anfängen der philologischen Wissenschaft eine Selbstverständlichkeit. Dahinter steht nicht nur analytische Neugier, metrische Gesetze um ihrer selbst willen zu erkennen und zu beschreiben. Mindestens ebenso wichtig sind die Ergebnisse, die eine metrische Untersuchung f ü r das Erkennen der vom Dichter beabsichtigten Klangwirkung und der Struktur des Gedichtes sowie nicht zuletzt - bei mangelhafter Uberlieferung - für die Herstellung des genauen Wortlautes erbringt. D a ß allerdings das, was die früheren Metriktheoretiker schrieben, wirklichen Aufschluß über die Praxis der Dichter gibt, folgt daraus noch nicht. Bei genauerer P r ü f u n g dieser Frage zeigt sich, daß die Antwort doppelt ausfallen muß. Wir betrachten zunächst die antike Metriktheorie. Hier sind uns leider Theoretikerquellen erst aus nachchristlicher, also relativ später Zeit erhalten. 1 Jahrhundertelang hat man nun unbefangen diese spätantiken Schriften als Zeugnisse f ü r die Metrik auch der klassischen - sei es der römischen, sei es der griechischen - Dichtung gewertet; die vorliegende Arbeit wird dies beiläufig an zahlreichen Stellen dokumentieren. In den letzten etwa 250 Jahren versuchte man jedoch, ein neues Bild von der antiken Metrik zu gewinnen. Man erkannte nämlich, daß die spätantiken Grammatiker, die ja z . T . Jahrhunderte nach der klassischen Zeit schrieben, gar keinen sonderlich guten Einblick in die Metrik eines H o mer oder Vergil besaßen, daß bei ihnen manche praxisferne Theorie gelehrt wird und daß im übrigen ihre philologischen Methoden und Fragestellungen f ü r unsere Begriffe recht unzureichend sind. Die Entdekkungen Bentleys und Porsons stehen bereits nicht mehr in der alten Tradition der Metriktheorie, und Gottfried Hermann schließlich markierte in der Vorrede zu seinen 1816 erschienenen Elementa doctrinae metricae deutlich einen Neubeginn: 2 „Poetarum illa perfectissima ars ac disciplina plane periit: grammaticorum autem doctrina nulla ex parte satis1 2

Vgl. die Übersicht im Quellenverzeichnis unter A l . Leipzig 1816, S.XI.

12

Einleitung

facit. Quae si inventa ab his est, cur nobis non idem sit licitum, praesertim quum et aliis in partibus grammaticae hodie multo acutius cernamus, et omnino testium Ulis potius, quam iudicum auctoritas concedenda sit ?" Dieser Ansatz Hermanns hat sich, trotz mancher Versuche, die Bedeutung der Grammatiker zu retten, 3 letztlich durchgesetzt. Größeres Interesse konnte die Interpretation der antiken Metriktheoretiker in den vergangenen einhundert Jahren nur noch bei zwei Fragen wecken: Zum einen glaubte man eine Zeitlang, H o r a z habe sich in seinen Dichtungen an einer antiken Theorie, der sogenannten Derivationstheorie, orientiert, 4 und zum anderen spielte und spielt das Zeugnis der Grammatiker in der Diskussion um die Existenz eines antiken Versiktus eine wichtige Rolle. 5 Im übrigen aber hat sich die Erforschung der antiken Metrik mehr und mehr von den antiken Grammatikerzeugnissen freigemacht; genaue Untersuchungen der Dichterverse selbst, aus denen durch Observation und Abstraktion metrische Gesetzmäßigkeiten zu entwickeln sind, bilden nun das alleinige methodische Fundament der metrischen Wissenschaft. Und in der T a t ist man damit auch wesentlich weiter gekommen. Selbst wenn noch viele Fragen f ü r ein volles Verständnis der antiken Metrik zu lösen sind und selbst wenn man bezweifeln mag, ob alle Informationen, die uns antike Grammatiker hierzu bieten, bereits ausgewertet sind, so kann man doch mit Bestimmtheit sagen, daß der seit Hermann eingeschlagene Weg grundsätzlich richtig ist. Ganz anders sind die Verhältnisse bei der Metrik in den Gedichten, die nach dem Ausgang der Antike entstanden. Zunächst ist zu bemerken, daß in diesen Gedichten zwar die klassischen Versmaße und die klassische Prosodie verwendet werden - lediglich die Metrik der altlateinischen Komödie starb bereits in der Spätantike ab - , daß aber im einzelnen doch zahlreiche Abweichungen vom klassischen Vorbild auftreten. Dies gilt nicht nur f ü r die mittelalterliche Dichtung, sondern auch noch f ü r die der Renaissance, obwohl man sich in jener Zeit doch die antiken Dichter zum ausschließlichen Muster nahm; und als die Humanisten dann auch die Wiederbelebung der Komödienmetrik versuchten, glückte ihnen, wie man längst weiß, 6 nicht einmal das Verständnis der wichtigsten Grundlagen. Die lateinische Metrik nach dem Ausgang der Antike erfordert daher ein eigenes Studium, das die be-

' Hier sind vor allem die Namen Boeckhs und Westphals zu nennen. 4 Zuerst behauptet hat dies W.Christ, Die Verskunst des Horaz im Lichte der alten Überlieferung, SB Bayr.Akad. 1868, I, 1. Eine ausführliche Gegenargumentation bot R. Heinze S. 277-294. - Das Problem scheint mir noch nicht endgültig gelöst zu sein; ich hoffe, an anderer Stelle darauf eingehen zu können. 4 Vgl. etwa G.Schultz, Beiträge zur Theorie der alten Metrik, Hermes 35, 1900, S. 308-325, A. Labhardt, Le probleme de l'ictus, Euphrosyne 2, 1959, S. 65-75 (beide gegen die Annahme eines Iktus); Klopsch S. 1-3 (für den Iktus). 6 Siehe hierzu zuletzt Braun S.74.

Einleitung

13

sonderen Verhältnisse der einzelnen Epochen und Autoren berücksichtigt. Für das Mittelalter ist hier schon einiges getan; es gibt gründliche Einzelstudien 7 und auch bereits erste zusammenfassende Darstellungen. 8 Schlechter steht es für die Renaissance. Hier fehlt, abgesehen von Beobachtungen zu einzelnen Autoren und einer (noch keineswegs abgeschlossenen) Untersuchung der Komödienmetrik, 9 bisher so gut wie alles; P. O. Kristeller hat eine Untersuchung der Metrik als ein Desiderat der neulateinischen Philologie bezeichnet. 10 Bei einer solchen Untersuchung der nachantiken Metrik müssen nun, wie zu zeigen ist, die theoretischen Schriften eine wesentlich wichtigere Rolle spielen als bei der Metrik der klassischen Zeit. Zum einen liegt dies daran, daß wir ja seit dem Ausgang der Antike die jeweils zeitgenössischen Traktate besitzen, an denen die Dichter selbst wenigstens ihre Grundkenntnisse in der Metrik erworben haben. Auf die Antike übertragen, befinden wir uns also in der Situation, als hätten wir die verlorenen Schriften der klassischen Grammatiker von Varro bis Remmius Palaemon, die etwa von Horaz, Persius und Quintilian gelesen wurden. Aber das ist letztlich noch nicht das Entscheidende - wer weiß, ob wir den Hexameter Vergils um so viel besser verstehen würden, wenn die damaligen Metriklehrbücher erhalten wären. Viel wichtiger für die Bedeutung der Metriktheorie nach dem Ausgang der Antike ist, daß sich die Situation der Dichter völlig verändert hat. Dies kam durch die Entwicklung der lateinischen Sprache in den ersten nachchristlichen Jahrhunderten. In der klassischen Zeit war das Lateinische - wie das Griechische - eine quantitierende Sprache; die prosodischen Erscheinungen, nach denen sich der Versbau der metrischen Dichtung regelt - Naturlängen und -Kürzen der Vokale, Positionslängung, Synalöphe, Aphärese u . a . m . - waren selbstverständlicher Bestandteil der Alltagssprache, genauer: der normalen Lateinausspra-

7 Z.B. J . S o u b i r a n , Prosodie et metrique des Bella Parisiacae urbis d'Abbon, J o u r n a l des Savants 1965, S . 2 0 4 - 3 3 1 ; P . S t o t z , S o n d e r f o r m e n sapphischer Dichtung, M ü n c h e n 1 9 8 2 ; D. Schaller, D e r alkäische Hendekasyllabus im f r ü h e n Mittelalter, Mittellateinisches J a h r buch 19, 1984, S. 7 3 - 9 0 ; viele wichtige Beobachtungen zur Metrik bieten auch die von F. Munari besorgten Ausgaben mittelalterlicher Dichter. 8 Die Arbeiten von Norberg (1 + 2) und Klopsch. 9 Grundlegend ist der A u f s a t z von S . M a r i o t t i , La Philologia del Petrarca, Humanitas 3, 1950, S. 1 9 1 - 2 0 6 , in dem die Behandlung des jambischen Senars durch die Renaissancedichter untersucht wird. Vgl. weiterhin E.Cecchini, E. S. Piccolomini, Chrysis, introduzione e testo critico, Florenz 1968, S . X I - X V I I , S.Prete, Camerarius on Plautus, in: F.Baron (Hrsg.), Joachim Camerarius, S. 2 2 3 - 2 3 0 mit Hinweisen auf ältere Literatur; Braun S.74-82. 1 0 Renaissanceforschung und Altertumswissenschaft, in: ders., Humanismus und Renaissance, Bd. 1, München 1974, S . 2 0 5 (auch seitengleich als UTB).

14

Einleitung

che. 11 Die Erlernung der lateinischen Sprache befähigte unmittelbar dazu, metrische Dichtung richtig zu lesen und, bei zusätzlicher Kenntnis der Versmaße, auch selbst zu verfertigen. 12 Das Verhältnis von Sprache und Dichtung kann nicht anders gewesen sein als in jeder modernen Sprache: Jeder ζ. B. des Deutschen oder Englischen Mächtige ist ja in der Lage, die hier gebräuchlichen Versformen als Verse zu erkennen, ihren ästhetischen Reiz zu erfassen und gegebenenfalls auch ohne große Vorbildung einmal selbst Verse zu verfertigen. 13 Dies wurde beim Lateinischen in der Spätantike anders. Es entwikkelte sich nämlich eine neue Lateinaussprache, in welcher der Wortakzent eine verstärkte Bedeutung erhielt, während die ursprünglichen Silbenquantitäten verlorengingen. 14 Über den historischen Verlauf dieses Prozesses ist bisher nur allzu wenig bekannt. Erste Falschmessungen einzelner Silben unter dem Einfluß des Wortakzentes finden sich bereits auf pompejanischen Inschriften, also vor der großen Katastrophe des Jahres 79 n. Chr.,15 und bereits im 4. Jahrhundert muß der Prozeß im wesentlichen abgeschlossen gewesen sein.16 Stimmt die Datierung des Dichters Commodian auf die Mitte des 3.Jahrhunderts, die neuerdings wieder - aufgrund theologischer, nicht sprachgeschichtlicher Erwägungen - vorgebracht wurde, 17 so können dessen metrisch „falsche" 11

M a n hat mehrfach behauptet, daß auch in klassischer Zeit die lateinische Umgangssprache nicht quantitierend gewesen sei; der wichtigste Vertreter dieser These in den letzten Jahren ist E. Pulgram, Latin-Romance Phonology: Prosodies and metrics, M ü n c h e n 1975; er stieß jedoch auf weitgehend einhellige Kritik, z.B. bei K. Strunk, Lachmanns Regel f ü r das Lateinische, Göttingen 1976, S.68f und bei Roncaglia. Mit einer quantitierenden Aussprache rechnen selbstverständlich die klassischen H a n d b ü c h e r der Lateinaussprache: Ε. H . Sturtevant, T h e Pronunciation of Greek and Latin, Philadelphia 2 1940, Nachdruck 1977, Allen (1); vgl. auch Μ. Leumann, Lateinische Laut- und Formenlehre, München 1977 (Handbuch der Altertumswissenschaft 11,2,1), S.16. 12 Die lange Zeit, ja z . T . noch heute, mit viel Leidenschaft verteidigte Ansicht, die Römer hätten - anders als alle anderen Völker - ihre Versmaße nicht ausschließlich aus den tatsächlichen Gegebenheiten des Sprachmaterials entwickelt, sondern sich einer künstlich hinzugebrachten Markierung der Versstruktur, des „Iktus", bedient, lasse ich hier ohne weitere Diskussion als endgültig widerlegt beiseite. Grundsätzliche Überlegungen zum Verhältnis zwischen Vers und Aussprache bietet Allen (2), S. 12-16; ein Uberblick über die Geschichte der „Iktustheorie" und ihrer Widerlegung findet sich bei W. Stroh, Kann man es lernen, lateinische Verse zu sprechen, in: Begegnungen mit Neuem und Altem (Dialog Schule-Wissenschaft, Klassische Sprachen und Literaturen, Bd. 15), S. 62-89. 13 S. hierzu auch S. 116 f. 14 Siehe z.B. V.Väänänen, Introduction au latin vulgaire, Paris 1963, S . 2 9 f f ; Kabell S. 14 ff; Nicolau S . 6 5 f f ; Klopsch S . 3 f . 15 V.Väänänen, Le latin vulgaire des inscriptions pompeiennes, S. 18-19. 16 So H . Rheinfelder, Altfranzösische Grammatik, 1 .Teil, Lautlehre, München Ί 9 5 2 (u.ö.), S. 13; allgemein akzeptiert ist, daß der Quantitätenverfall im 3.Jahrhundert schnell voranschritt; s. Roncaglia S.302, H.Weinrich, Phonologische Studien zur Romanischen Philologie, Münster 1958, S.34. 17 K.Thraede, Beiträge zur Datierung Commodians, Jahrbuch f ü r Antike und Christentum 2, 1959, S. 90-114.

Einleitung

15

Hexameter zeigen, wie weit sich schon damals die Aussprache vom klassischen System der Quantitäten losgelöst hatte. Ob Afrika hier eine Sonderrolle gespielt hat, wird noch diskutiert. 18 Keinesfalls aber war diese Entwicklung auf Afrika beschränkt; auch wenn es vielleicht regionale Unterschiede gegeben hat, so trat der Quantitätenverfall doch ohne Zweifel noch vor dem Ende des römischen Reiches überall ein, wo Latein gesprochen wurde, also auch in Italien und in Rom selbst. Damit ergab sich aber für die Tradition der metrischen Dichtung ein ernstes Problem. Las man mit der neuen Aussprache ein Gedicht des Vergil oder Horaz, so war vom Metrum nur noch wenig zu hören, und noch weniger konnte man auf der Grundlage der neuen Prosodie Verse in diesen Metren schreiben. Es entwickelte sich folgerichtig mit der rhythmischen Dichtung eine neue Art des Versbaus, die nicht mehr auf den alten Silbenquantitäten, sondern auf Silbenzahl und Wortakzent aufbaute. Dies geschah, parallel mit dem Verfall der klassischen Aussprache, noch in der Antike selbst; das erste erhaltene Werk der rhythmischen Dichtung, Augustins Psalmus contra partem Donati, entstammt dem Ende des 4.Jahrhunderts. 19 Gleichzeitig hätte nun eigentlich die metrische Dichtung und überhaupt die Kenntnis der alten Silbenquantitäten absterben müssen. 20 Aber hier setzte sich die literarische Tradition gegenüber der Sprachgeschichte durch. Die Dichtung der klassischen Zeit hatte längst ihren festen Platz in der Kulturtradition; Schule und Bildungsbewußtsein waren von Horaz, Vergil und Ovid fest geprägt, und die Beherrschung der Versmaße, in denen diese Dichter geschrieben hatten, gehörte zum Lehrplan des römischen grammaticus. Diese Situation führte dazu, daß man quantitierende Metrik auch dann noch lehrte und in der Dichtung verwendete, als ihre Grundlage in der Aussprache verlorengegangen war. 21 Sie wurde zu einem Feld gelehrter Tä1 8 Siehe u. S. 6 3 f. " Für die Frühgeschichte d e r r h y t h m i s c h e n D i c h t u n g ist auch eine B e m e r k u n g des ( P s . ) - M a x i m u s V i c t o r i n u s ( P a l a e m o n ; 4 . J a h r h u n d e r t ) , de metris et de hexametro, wichtig (VI, 2 0 6 , 7 f f ) : „Rhythmus quid est? Verborum modulata compositio non metrica ratione, sed numerosa scansione ad iudicium aurium examinata, ut puta veluti sunt cantica poetarum vulgarium." 20 D i e s e r T r a d i t i o n s b r u c h t r a t tatsächlich ein bei d e r vorklassischen Dramenmetrik, und z w a r nicht an d e r G r e n z e z w i s c h e n A n t i k e u n d M i t t e l a l t e r , s o n d e r n in d e r A n t i k e selbst. Bei den spätantiken M e t r i k t h e o r e t i k e r n f e h l t bereits n a h e z u jede E r w ä h n u n g dieser V e r s e , und die d ü r f t i g e n S p e z i a l a b h a n d l u n g e n R u f i n s u n d Priscians z u r T e r e n z m e t r i k belegen im G r u n d e nur, d a ß m a n zu j e n e r Zeit nichts m e h r d a v o n verstand. 2 1 Letztlich ist die B e w a h r u n g d e r klassischen P r o s o d i e u n d M e t r i k nichts w e i t e r als ein Teil d e r Entwicklung, w e l c h e die lateinische S p r a c h e insgesamt in E u r o p a k o n s e r vierte und in G e b r a u c h hielt, als sie längst niemandes M u t t e r s p r a c h e m e h r w a r . Ein S o n d e r f a l l ist die P r o s o d i e j e d o c h d a d u r c h , d a ß sie im M i t t e l a l t e r und in d e r N e u z e i t nicht g r u n d s ä t z l i c h z u s a m m e n mit d e r lateinischen S p r a c h e g e l e h r t w u r d e , s o n d e r n W o r t schatz, F o r m e n l e h r e u n d S y n t a x g e w i s s e r m a ß e n ein Eigenleben o h n e eigene P h o n e t i k f ü h r t e n und f ü h r e n . D a s a u f f ä l l i g s t e K e n n z e i c h e n h i e r f ü r ist, d a ß bis heute Latein in den

16

Einleitung

tigkeit - Α. Kabeil hat sie gar eine Art Rechenkunst genannt 2 2 -, die sich auf lediglich überlieferte, aber nicht mehr lebendig erfahrbare Regeln stützte. Es trat ein, was noch heute fast überall gilt: Wer Latein lernt, versteht noch nicht die lateinische Metrik, sondern muß deren Kenntnis in einem gesonderten Lernschritt dazuerwerben. 2 3 Das erste und vornehmste Hilfsmittel für die Kenntnis der alten Versarten und der alten Prosodie waren natürlich die Dichter selbst. Ihre schriftlich überlieferten Werke waren zugleich N o r m und Anschauungsmaterial, und alle metrische Dichtung der nachfolgenden Zeit ist mehr oder minder, bewußt oder unbewußt, eine Nachahmung antiker Muster. Aber niemandem wird es je gelungen sein, nur mit dem Vergiltext in der Hand einen einzigen richtigen Hexameter zu dichten; man bedurfte vielmehr auch einer theoretischen Anleitung. D i e Grundprinzipien der Prosodie - Positionslänge, Verschleifungen - und die Regeln des Versbaus - Versfüße, Aufbau einzelner Metren usw. - mußten erst einmal vermittelt werden, und für die Naturlängen und -kürzen der einzelnen Vokale waren Nachschlagewerke dringend erforderlich, wollte man sich nicht auf die mühselige Suche nach dem passenden Dichterexempel zur Lösung des konkreten Einzelproblems verlassen. Es ergibt sich daraus, daß der Metriktheorie nun eine grundsätzlich neue Funktion zufiel: Sie wurde zu einer ars metrica in einem ganz eigenen Sinn, indem sie nämlich erst einmal die richtige Silbenmessung, die dimensio syllabarum, vermitteln mußte. Die Prosodielehre wurde und ist bis heute der Ausgangspunkt für eine Beschäftigung mit der metrischen

verschiedensten National- und Regionalaussprachen gesprochen wird, was man sich so bei keiner lebendigen Sprache vorstellen könnte. Die dem klassischen Latein eigene Prosodie war dagegen in späterer Zeit nur noch f ü r die Metrik von Interesse und wurde daher bis in die Gegenwart hinein o f t fälschlich als „dichterische Prosodie" bezeichnet. In der Spätantike allerdings scheint das Bewußtsein, daß es sich hierbei nicht um ein P h ä n o men der Metrik, sondern um die lateinische Prosodie schlechthin handelt, noch ziemlich lang bewahrt worden zu sein; wir werden diese Ubergangszeit in Kap. 2.5 noch genauer untersuchen. 22 S. 121; in dieser Zuspitzung läßt sich dies allerdings nicht halten; vgl. unten Kap. 2.5. 23 Ein ganz ähnlicher P r o z e ß wie im Lateinischen vollzog sich bekanntlich im Griechischen. Auch hier gab es in der Spätantike einen Verfall der Quantitäten in der Aussprache und die Entwicklung einer rhythmischen Dichtung, während gleichzeitig weiterhin auch metrische Verse geschrieben wurden; eine gute Zusammenfassung gibt z.B. H . H u n g e r , Der byzantinische K a t z - M ä u s e - K r i e g , Graz/Wien/Köln 1968, S. 30 ff; speziell über den Ubergang zur rhythmischen Dichtung handelt A. Dihle, Die Anfänge der griechischen akzentuierenden Verskunst, Hermes 82, 1954, S. 182-199. - In einigen Punkten verlief die Entwicklung im Griechischen jedoch anders; vor allem gab es dort nach der Antike keine neue Prosodielehre, wie wir sie im folgenden f ü r das Lateinische zu untersuchen haben. D a im übrigen die griechische Verslehre im Mittelalter keine Berührung mit der lateinischen aufweist, können wir auf eine genauere Betrachtung f ü r die Ziele dieser Arbeit verzichten.

Einleitung

17

Dichtung. 2 4 Ebenso änderte sich die Aufgabe der eigentlichen Verslehre. W ä h r e n d sie in klassischer Zeit eine m e h r wissenschaftlich-deskriptive Angelegenheit war, bekam sie nun in viel stärkerem M a ß e normativen Charakter, und das wichtigste Ziel war es jetzt, unmißverständlich den A u f b a u und die Variationsmöglichkeiten der einzelnen Versarten zu beschreiben. 2 5 Bei den Dichtern seit dem Ausgang der Antike nahm daher die Metriktheorie in weit größerem U m f a n g als in der Antike selbst direkten Einfluß auf das poetische Schaffen; ja man kann sagen, d a ß die M e h r z a h l der Schriften zur lateinischen Metrik, die seit dieser Zeit entstanden, geradewegs als Anleitung f ü r den Dichter, nicht als philologische Ü b u n g entstanden sind. Es wäre deswegen verfehlt, in einer D i c h t u n g des Mittelalters o d e r der Renaissance eine nach unseren Begriffen falsche Silbenquantität o d e r ungewöhnliche Positionslänge als Fehler zu vermerken o d e r gar durch K o n j e k t u r zu beseitigen, wenn eben dieser „Fehler" in der zeitgenössischen T h e o r i e gelehrt wird und daher als richtig im Sinne dieser Zeit zu gelten hat. Das Verständnis der neueren lateinischen Metrik beginnt daher, auch wenn selbstredend die Analyse der Dichterverse nicht vernachlässigt werden darf, mit dem Verständnis der Metriktheorie.

1.2

Ziel und Abgrenzung der Untersuchung

1.2.1

Der

Interpretationsteil

D a ß f ü r eine Geschichte der lateinischen Metriktheorie das meiste noch zu tun ist, braucht nicht erst ausführlich begründet zu werden. Selbst die antiken Grammatiker, deren Texte ja alle längst in N e u a u s gaben vorliegen, sind bei weitem noch nicht hinreichend erforscht; dies zeigen gerade der neueste Forschungsbericht von A. della Casa 2 6 und, speziell f ü r die Metriktheorie, die zusammenfassende Darstellung von

24 D a m i t soll natürlich n i c h t g e s a g t sein, d a ß d i e U n t e r s u c h u n g d e r S i l b e n m e s s u n g nicht s c h o n i m m e r z u d e n A u f g a b e n d e r M e t r i k t h e o r i e g e h ö r t habe; vgl. e t w a A r i s t o t e l e s , P o e t i k 2 0 , 1 4 5 6 b 37: „ ά λ λ α κ α ι τ ο ύ τ ω ν (seil, των σ υ λ λ α β ώ ν ) θ ε ω ρ ή σ α ι τ ά ς δ ι α φ ο ρ ά ς της μετρικής έ σ τ ι ν . " B e i d e s , T r a d i t i o n u n d N e u a n s a t z in d e r S p ä t a n t i k e , w i r d in s c h ö n e r W e i s e in B e d a s M e t r i k s c h r i f t ( A 2 . 3 ) d e u t l i c h , die mit f o l g e n d e n W o r t e n b e g i n n t (VII, 2 2 7 , 1 6 f f ) : „Qui notitiam metricae artis habere desiäerat, primo necesse est distantiam litterarum syllabarumque sedulus discat." D i e Ä h n l i c h k e i t mit d e r F o r m u l i e r u n g d e s A r i s t o t e l e s ist z u g r o ß , als d a ß m a n nicht e i n e n w i e a u c h i m m e r b e s c h a f f e n e n T r a d i t i o n s z u s a m m e n h a n g a n n e h m e n s o l l t e (vgl. z . B . A u g u s t i n , de rnusica 11,1). A b e r es wird a u c h d e r U n t e r s c h i e d klar: W ä h r e n d A r i s t o t e l e s v o n „ t h e o r e t i s c h e r B e s c h ä f t i g u n g " mit d e n S i l b e n q u a n t i t ä t e n spricht, m u ß m a n sie bei B e d a erst e i n m a l lernen; aus „ θ ε ω ρ ή σ α ι " w u r d e „discere". 25

S i e h e Kap. 6. R a s s e g n a di studi sui G r a m m a t i c i Latini ( 1 9 3 4 - 1 9 8 4 ) , B o l l e t t i n o di Studi Latini 15, 1985, S. 8 5 - 1 1 3 . 26

18

Einleitung

G. Morelli, 27 die eigentlich mehr auf Lücken und Aufgaben hinweisen, als daß sie positive Ergebnisse referieren können. 2 8 Für das frühe Mittelalter steht es ähnlich. Zwar sind auch hier die wichtigen Texte inzwischen alle ediert; doch abgesehen von der Metrik Bedas (A 2.3) 29 und der Schrift des Lupus von Ferneres über die Metren des Boethius (A 2.7) 30 hat man sich über die Erschließung des Textes und Ansätze zu einer Quellenanalyse hinaus noch kaum mit dem Inhalt beschäftigt. D i e Metrikschriften der folgenden Jahrhunderte sind noch nicht einmal alle bekannt. Auf einige hochmittelalterliche Traktate hat die Forschung der letzten Jahrzehnte aufmerksam gemacht; 3 1 einige sind sogar ediert worden. 3 2 Aber noch liegt vieles im Dunkeln; und das Spätmittelalter ist, wie bei den meisten anderen lateinischen Literaturgattungen auch, weitgehend terra incognita. Nicht viel besser steht es für die Renaissance, w o ebenfalls eine Quellenzusammenstellung bisher fehlt. 33 N a türlich stieß die Forschung zu einzelnen Renaissanceautoren immer wieder auch auf deren Metriktraktate; aber diese Angaben sind so verstreut, daß sie einer systematischen bibliographischen Erschließung praktisch unzugänglich sind. 34 Eine sorgfältige Untersuchung, die über eine bloße Inhaltsbeschreibung hinausgeht, fanden bisher nur die wenigsten Traktate; 3 5 von einem Gesamtbild schließlich der Metriktheo-

27

La metricologia nel basso impero, in: La cultura in Italia . . . , Bd. 1, S.411-422. Abweichend von Morelli (s. vor. Anm.) glaube ich jedoch, daß jetzt nicht so sehr neue Ausgaben, Indices und Forschungen zur Quellenkritik vonnöten sind (wo Neuausgaben vorliegen wie ζ. B. bei Charisius, hat sich die Forschungssituation dadurch kaum verändert), sondern daß man erst einmal Kriterien f ü r eine angemessene Interpretation dieser Schriften auf dem Hintergrund der kulturellen und sprachlichen Situation in der Spätantike entwickeln muß. 29 Siehe Kap. 3.2. 50 Siehe unten S. 121 f. 31 Zu nennen sind vor allem die Arbeiten von Hurlbut, Gehl und Kneepkens; vgl. A 3.4, A 3.6, A 3.8, A 6.6. 32 Die artes lectoriae des Aimericus (A 7.1), Siguinus (A 7.2) und Magister Willelmus (Λ 7.3). 33 Einige wenige Traktate nennen, mehr oder weniger zufällig ausgewählt, R. Sabbadini, La scuola e gli studi di Guarino Veronese, Catania 1896, S.78/79; F.Eckstein, Lateinischer und griechischer Unterricht, Leipzig 1887, S. 350-352; J.IJsewijn, Companion to Neo-latin studies, A m s t e r d a m / N e w Y o r k / O x f o r d 1977, S.257. 34 Einige Beispiele: C. Krause, Helius Eobanus Hessus, Sein Leben und seine Werke, Gotha 1879; J. Classen, Iacobus Micyllus, Frankfurt 1859; G.Zappacosta (zu Francesco Maturanzio); weiterhin natürlich Artikel in biographischen Lexika und Werkverzeichnisse. 35 Neben der Metrik Luders (A 5.9), die von E. Bockelmann kritisch ediert und kommentiert wurde, vor allem die an versificandi des Konrad Celtis (B 42), f ü r die F.J.Worstbrock eine gründliche Quellenanalyse vorgelegt hat. 28

Einleitung

19

rie im Mittelalter wie in der Renaissance ist die Forschung noch weit entfernt. 5 6 Wenn ich im Folgenden Theoretikerschriften von der Spätantike bis zur Renaissance behandle, erhebe ich jedoch nicht den Anspruch, die ausstehende Geschichte der Metriktheorie mit einem Mal zu liefern. Der weite Rahmen ergab sich erst im Laufe der Arbeit und bedarf einer näheren Begründung. Das ursprüngliche Ziel dieser Arbeit war es, die Theorie in den Metriktraktaten der Renaissance zu untersuchen. Bereits diese Aufgabe ist weit genug, und es hat nicht an warnenden Stimmen gefehlt, die zu einer stärkeren Eingrenzung rieten. Doch in der Praxis erwies sich dies als gar nicht so einfach. W o ich nämlich auch ansetzte, wurde ich stets sogleich über den Rahmen der Renaissanceschriften hinausgeführt. Das betrifft zunächst einmal den unmittelbaren Quellenbefund, da neben den neu entstandenen Schriften damals auch ältere Metriktraktate in erstaunlich großem U m f a n g weiter gelesen und abgeschrieben wurden. Ich nenne einige signifikante Beispiele: Im Cod.Laur. Plut. 47.8, einer humanistischen Sammelhandschrift des 15.Jahrhunderts, finden sich u.a. die ars lectoria des Aimericus aus dem 11.Jahrhundert (A 7.1), ein Lehrgedicht über die Silbenquantitäten aus dem 12.Jahrhundert (A 3.9) und ein prosodisches Florilegium, das gleichfalls mindestens dem 12.Jahrhundert, vielleicht sogar noch einer früheren Zeit entstammt (A6.7). Der Paduaner Kanonikus Petrus de Montagnana (ca. 1400-1478), ein in allen drei klassischen Sprachen beschlagener Gelehrter, der mit Johannes Argyropoulos in Beziehung stand, mithin also ein Mann, der an der Erneuerung der klassischen Studien lebhaft interessiert war, beschäftigte sich mit lateinischer Metrik, indem er mittelalterliche Metriktraktate las und mit kritischen Anmerkungen versah. 37 Im Jahre 1473 wurde der wichtige spätmittelalterliche Traktat eines „Guido" (A4.13) noch gedruckt, und das berühmt-berüchtigte Doctrinale des Alexander de Villa Dei erschien bekanntlich in unzähligen Auflagen bis weit in die erste Hälfte des 16.Jahrhunderts hinein. Was hat da als „die" Metriktheorie der Renaissance zu gelten? Es wäre sicherlich einseitig, nur die neuentstandenen Schriften zu berücksichtigen. Aber selbst dann würde man der Beschäftigung mit älteren Quellen nicht entkommen. F.J. Worstbrock hat unlängst beeindruckend gezeigt, wie der deutsche Erzhumanist Konrad Celtis das Material f ü r seine ars 56 Einen ersten, knappen Versuch, einige Grundlinien der Renaissancetheorie aufzuzeigen, unternahm unlängst Ph.J.Ford (George Buchanan, Prince of Poets, Aberdeen 1982, Kap.2: Neolatin Poetry: the theoretical background). Die mittelalterliche und z . T . auch die antike Tradition kommt hier allerdings entscheidend zu kurz; immerhin hat aber Ford die Bedeutung der theoretischen Schriften für die Dichtung richtig gewürdigt. 37 Siehe Kap. 7.2.4.

20

Einleitung

versificandi, geradezu eine Programmschrift der humanistischen lateinischen Dichtung in Deutschland, fast ausschließlich aus mittelalterlichen Vorlagen schöpft. 3 8 Meine Studien zu anderen Metriktraktaten brachten bald zu Tage, daß Celtis hier keineswegs allein steht, sondern daß auch die italienischen Humanisten bedenkenlos mittelalterliche T h e o retiker heranziehen. Bereits am Beginn der humanistischen Metriktheorie bei Francesco Zabarella und Pier Paolo Vergerio d.Ä. (A 5.4) steht nichts anderes als eine Kompilation von Traktaten des 11., 12. und 13.Jahrhunderts. 3 9 Niccolo Perotti verwendet in seiner Schrift de generibus metrorum (B 120.1), einer der berühmtesten und verbreitetsten Renaissancemetriken, nachweislich eine mittelalterliche Bearbeitung von Servius' Centimetrum, 4 0 und der französische Humanist R. Gaguin schließlich zitiert in seiner Metrik (B 73) mehrmals Petrus Cremonensis, einen wichtigen Autor des 13.Jahrhunderts (A 4.12). Daneben spielen, wie man sich leicht denken kann, in der Renaissance (und im Mittelalter) auch die antiken Metrik- und Prosodieschriften eine nicht geringe Rolle sowohl als direkt verwendete Lehrschriften wie auch als Quellenautoren und Autoritäten f ü r die neu entstehenden Traktate. Die Metriktheorie der Renaissance ist also, was zunächst den Quellenbefund angeht, nicht ausschließlich eine eigene Leistung der Humanisten, sondern integriert nahezu vollständig die ältere Tradition. N u n hätte man ja diese historischen Fragen ausklammern und anhand der Texte unmittelbar die Sachprobleme der damaligen Metriktheorie - insbesondere im Hinblick auf die zeitgenössische Dichtung diskutieren können. Je mehr ich mich jedoch mit der Materie beschäftigte, und je mehr Metriktraktate ich kennenlernte, desto unbefriedigender erschien mir dieser Weg. Es zeigte sich nämlich, daß bei aller Vielfalt im Einzelnen die Metrikschriften der Renaissance untereinander doch ziemlich viel gemeinsam haben, und daß es gerade diese Gemeinsamkeiten sind, die auf das Mittelalter zurückgehen. Dies betrifft vor allem die Prosodielehre, die in den meisten Schriften ganz im Vordergrund steht. Anders nämlich als heute informierte man sich bis weit ins 16. Jahrhundert hinein über die Silbenquantitäten nicht anhand eines Lexikons oder eines „Gradus ad Parnassum", der nur durch wenige allgemeine Prosodieregeln wie etwa die von der Positionslänge ergänzt werden mußte, sondern anhand eines differenzierten Regelsystems, das alle vorkommenden Silbenquantitäten umfaßte oder doch umfassen sollte. Nichts erscheint dem heutigen Leser an den Metrikschriften der Renaissance merkwürdiger und praxisfremder als gerade diese Prosodielehre. Da finden sich unterschiedliche Einzelre38 39 40

Worstbrock S. 469 ff. Siehe unten S. 155 ff. Siehe unten S. 162.

Einleitung

21

geln für die „primae" „mediae" und „ultimae syllabae" der einzelnen Wörter wie ζ. B. f ü r die „primae syllabae" die Vorschrift, daß Reduplikationssilben („mömordi") stets kurz zu messen seien, daß Präpositionen im Kompositum ihre Quantität beibehalten u . a . m . Den H ö h e p u n k t dieser Art von Prosodieregeln stellt aber ohne Zweifel eine umfängliche Auflistung von sogenannten „regulae speciales" dar, mit deren Hilfe die Naturlängen aller Vokale in jedem Einzelfall erfaßt werden sollen und die alphabetisch angeordnet sind. Hier sei eine Kostprobe aus dem Traktat des italienischen Humanisten Sulpitius Verulanus zitiert (B 155.1, fol. [a viii] v ): „A ante b corripitur ut labellum. Excipe crabro, flabam, fabor, fabula, fabilis, flabra, labor laberis, labilis, labes, nabam, nabo, nabilis, pabulum, stabam, stabo; Strabo proprium, tabes, tabo, tabidus. A ante c corripitur ut acerbus. Derne acer quom fortem signißcat ..." Man hat längst gesehen, daß dieses System in allen seinen Einzelheiten auf mittelalterliche Quellen zurückgeht; die Veränderungen der Humanisten beschränken sich auf Korrekturen im Detail. M e h r und mehr stellte sich mir daher die Frage, woher dieses System kommt und wie es im einzelnen entwickelt wurde. Eine Beschäftigung mit der Renaissancemetrik bei gleichzeitiger Ausblendung dieses Hintergrundes schien mir so wenig sinnvoll, wie etwa eine Renaissancerhetorik interpretieren zu wollen, ohne vom antiken System der Rhetorik eine genauere Kenntnis zu besitzen. Die Untersuchungen, die ich zur Vorgeschichte der Prosodielehre machte, und die ursprünglich nur eine Einleitung zur Behandlung der eigentlichen Renaissancetraktate ergeben sollten, überschritten bald den ihnen zugedachten Rahmen und nahmen den Umfang einer eigenen Arbeit an. Insbesondere zeichnete sich bald ab, daß die entscheidenden Weichenstellungen bereits in der Spätantike erfolgten und daß es einer genaueren Interpretation der spätantiken Grammatiker bedurfte, um die H e r k u n f t und das historische Umfeld der ersten Prosodielehren zu bestimmen. Es schien mir daher sinnvoll, nachdem ich einmal - mehr oder weniger unbeabsichtigt - die Untersuchung solcher großräumiger Zusammenhänge begonnen hatte, meine Beobachtungen zu ergänzen und zu einer geschlossenen Darstellung zu vereinigen, um auf diese Weise einen ersten Uberblick auf dem in weiten Teilen unbekannten Gebiet zu ermöglichen. Als zeitliche Endpunkte ergaben sich hierbei einerseits die Spätantike, in der die Entwicklung der Prosodielehre begann, und andererseits die italienische Renaissance, in der, wie zu zeigen sein wird, 41

41

Siehe u n t e n S. 154 f.

Einleitung

22

die Entwicklung der ars metrica als Schriftengattung formal ihren Abschluß fand. Ein literaturgeschichtliches Handbuch, das alle bisher bekannten Schriften gleichmäßig berücksichtigt, nach Kräften exakte Datierungen, Autorenzuweisungen und Klärung der Entstehungsbedingungen bietet sowie die Nachwirkung dokumentiert, darf natürlich nicht erwartet werden. Vielmehr geht es hier darum, die jeweils wichtigsten Neuerungen in der Geschichte der Metriktheorie vorzustellen. Dabei stehen drei Themenkreise im Mittelpunkt: a) die Entwicklung des Systems der Prosodielehre, b) die Veränderung der Verslehre im Mittelalter gegenüber der antiken Metriktheorie und c) die Entwicklung der ars metrica als einer eigenen Schriftengattung. Es erklärt sich hieraus, daß manches Bekannte in der Darstellung fehlt, wie ζ. B. der Kommentar des Remigius von Auxerre zu Bedas de arte metrica (A2.3a), die Metrik des Cruindmelus (A2.10), die Prosodielehre des Johannes von Beauvais (A 3.5) oder die Kommentare zu Alexanders Doctrinale. Auch ist die Klärung historischer Details o f t zurückgestellt, wo die Sachinterpretation, auf die es mir ankam, hiervon nicht betroffen war. So habe ich z.B. in Kap.4.1 versucht, die Sammlungen von prosodischen exempla zu beschreiben, das, was bei ihnen gegenüber der früheren Tradition neu ist, herauszuarbeiten und gleichzeitig die spätantiken Ansätze hierzu aufzuzeigen. Dagegen wird nicht diskutiert, wo oder von wem diese Sammlungen möglicherweise verfaßt worden sind, und f ü r die Datierung genügt mir die - aus der Uberlieferung einigermaßen sicher zu begründende - Feststellung, daß sie nach der Jahrtausendwende entstanden sind. Der Uberblick, den ich gebe, ist also in gewisser Weise einseitig und ohne Zweifel auch unvollständig; noch längst ist ja nicht alles Material bekannt. Da mehrere Fachgebiete zu berühren waren, die mir fremd sind, ist es weiterhin unausweichlich, daß der Spezialist auf seinem Gebiet manches vermissen wird. Doch wenn diese Arbeit durch die erstmalige Zusammenfassung und O r d n u n g des Materials eine Orientierungshilfe gibt, die weitere Spezialforschung erleichtert, so hat sie ihren Zweck erfüllt.

1.2.2

Das

Quellenverzeichnis

Eine systematische Zusammenstellung von Quellen zur Metriktheorie gibt es bisher weder f ü r das Mittelalter noch f ü r die Renaissance. Aus diesem Grund ist dieser Arbeit ein ausführlicher Anhang beigegeben, in dem Metriktraktate bis zum Jahr 1600 verzeichnet sind. D a ß hierbei die Traktate der Renaissance bei weitem den größten Anteil ausmachen,

Einleitung

23

liegt zum Teil in der Entstehungsgeschichte der Arbeit begründet, 4 2 zum Teil aber auch darin, daß in der Renaissance tatsächlich die (erhaltene) Produktion reicher und vielfältiger ist als die aller vorangegangenen Jahrhunderte. Es ergibt sich somit ein gewisses Mißverhältnis zwischen dem Interpretationsteil, der sich vor allem mit der Spätantike und dem Mittelalter beschäftigt, und dem Quellenteil. Dies hätte sich durch entsprechende Kürzungen z w a r leicht beseitigen lassen, aber es schien mir sinnvoller, das Material, das ich bereits gesammelt hatte, nicht zurückzuhalten, sondern auch anderen Forschern zur V e r f ü g u n g zu stellen. Keineswegs wird jedoch mit dieser Quellenzusammenstellung eine umfassende Bibliographie angestrebt; eine solche wäre auch, angesichts vor allem der in zahllosen Bibliotheken verstreuten, oft ungenügend oder g a r nicht katalogisierten einschlägigen Handschriften, von einem Einzelnen nicht zu leisten. In der vorliegenden Form ist der Quellenteil ein Arbeitsinstrument, das meine Untersuchungen auf eine feste Grundlage stellen soll und darüberhinaus eine erste Orientierung über den erhaltenen Bestand an metriktheoretischen Schriften geben kann. Damit eine leichte Ergänzung meiner Angaben möglich ist, habe ich in der Einleitung zum Verzeichnis möglichst genau angegeben, welche bibliographischen Recherchen im einzelnen zugrunde liegen; im übrigen versteht sich von selbst, d a ß die Benutzung weiterer Bibliographien und die Einbeziehung zusätzlicher Bibliotheken das Material stark vermehren würde.

" Siehe oben S. 19.

2. Die Entwicklung der Prosodielehre in der Spätantike 2.1

Die Silbenquantitäten in der antiken Grammatik vor dem Verfall der quantitierenden Aussprache

Ausführungen über Längen und Kürzen der Silben und weitere prosodische Beobachtungen gibt es bei den lateinischen (und vor ihnen bei den griechischen) Grammatikern natürlich nicht erst zu der Zeit, als die Veränderung der Aussprache die klassische Prosodie zum Problem werden ließ. Es empfiehlt sich daher, diese alte Tradition zunächst einmal f ü r sich zu betrachten, um dann die Neuansätze der Spätantike um so schärfer davon abheben zu können. Einschlägig ist hier vor allem das Kapitel de syllaba, das seit der Zeit des Archegeten der antiken Grammatik, Dionysios Thrax (I.Jahrhundert v. Chr.), in allen Gesamtdarstellungen der ars grammatica zwischen der Behandlung der Buchstaben (litterae) und derjenigen der Worte (partes orationis) seinen festen Platz hatte. 1 T r o t z mancher Abweichungen im einzelnen ist der Inhalt im wesentlichen überall der gleiche; er läßt sich etwa in folgendem Schema zusammenfassen (nach Marius Victorinus VI, 26 ff): 2 breuis (uocalis breuis, keine zwei n a c h f o l g e n d e n K o n s o n a n t e n ) ^ u o c a l i s longa natura