Die Wittelsbacher und Europa: Kulturtransfer am frühneuzeitlichen Hof 9783412215811, 9783412208103, 1650173022

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Die Wittelsbacher und Europa: Kulturtransfer am frühneuzeitlichen Hof
 9783412215811, 9783412208103, 1650173022

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Die Wittelsbacher und Europa

Studien zur Kunst 25

Eva-Bettina Krems

Die Wittelsbacher und Europa Kulturtransfer am frühneuzeitlichen Hof

2012 BÖHLAU VERLAG WIEN KÖLN WEIMAR

Gedruckt mit Unterstützung des Förderungs- und Beihilfefonds Wissenschaft der VG Wort

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Umschlagabbildung: Fiktives Reiterdenkmal Max Emanuels vor der Münchner Residenz. Stich aus der Huldigungsschrift Fortitudo leonina zur Rückkehr des Kurfürsten, Frühjahr 1715, Johann August Corvinus nach Cosmas Damian Asam Stadtmuseum München, Maillinger-Sammlung.

© 2012 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Wien Köln Weimar Ursulaplatz 1, D-50668 Köln, www.boehlau-verlag.com Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Gesamtherstellung: WBD Wissenschaftlicher Bücherdienst, Köln Gedruckt auf chlor- und säurefreiem Papier ISBN 978-3-412-20810-3

für Ella und Christian

Inhalt

Vorwort .................................................................................................................. 11

I „Gantz Europa sieht Versailles als ein Wunder=Werck der Welt an“ Die Wittelsbacher als Exemplum 1. Einführung: „L’Europe française“ .............................................................. 14 2. Die Wittelsbacher 1650–1730 .................................................................... 22 Überfremdungsvorwürfe und Differenzierungsversuche: Positionen der Forschung .................................................................................. 22 Erkenntnisinteresse und Methode: Objekte, Akteure, Prozesse, Quellen.................................................................. 33

II „... effectiuement le coutemes de le peis me sanble fort etrange“ Perzeption(en) und Kommunikation 1.  Politische Kultur und kulturelle Praxis...................................................... 44 Souveränität, Gesandtschaftswesen und Internationales System......................... 44 Interdynastisches Ansehen: Heiratsallianzen und Kulturtransfer ........................ 51 Die Wittelsbacher zwischen Habsburg und Bourbon......................................... 52 Kulturtransfer: Reputation, Informationsbeschaffung, Wettbewerb ................... 57 2.  Allgemeine Rezeptionsbedingungen ....................................................... 64 Mentalität: Stereotype, Fremd- und Selbstwahrnehmung .................................. 64 Ökonomische, technische, politische und künstlerische Faktoren ...................... 70 Zur Wahrnehmung des Modells Versailles ......................................................... 77 Objekte der Wahrnehmung im höfischen Kontext............................................. 89 3.  Differenzen und Akkomodationen: Der Wittelsbacher Hof 1650–1670 ..................................................................................................... 95 Zur Wahrnehmung der „Fremden“ am kurbayerischen Hof .............................. 95 Erfahrung von Alterität: Die Turiner Gesandtschaft 1652 ................................. 99 Das „Accomodiren“ der Savoyer Prinzessin ....................................................... 104 Das erste Jahrzehnt Henriette Adelaides in der Münchner Residenz .................. 107 Die Kaiserwahl 1657/58: Zur Außenwirkung des kurbayerischen Hofes ........... 115 Herzog Maximilian Philipps Reisen in den 1660er Jahren ................................. 122

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III „je peus imiter le goût de la France, mais les habitants ne se changent pas“ Modelladaption 1. Adaption von Modellen: Begriff und Differenzkriterien......................... 132 Zum Begriff ...................................................................................................... 132 Polyzentrismus und Anciennität ........................................................................ 135 Institutionelle Faktoren und Adressaten ............................................................ 139 Zeremonielle Divergenzen................................................................................. 144 2.  Die 1660er Jahre: Henriette Adelaide und Ferdinand Maria ..................... 151 Zur Bedeutung der Residenz im Repräsentationsgefüge der Wittelsbacher......... 151 Die Diskrepanz zwischen äußerer und innerer Gestalt der Residenz .................. 155 Die 1660er Jahre: Politischer und ökonomischer Wandel .................................. 165 Umbaumaßnahmen an europäischen Höfen ..................................................... 169 Modifizierungen im Inneren der Residenz: Zur commodité im Appartement ..................................................................................................... 174 Die Distribution im Residenz-Appartement der Kurfürstin .............................. 179 Modelladaption im Konflikt mit dem Zeremoniell: Distribution und Ausstattung............................................................................ 186 Frankreich oder Italien? Modelladaption unter Henriette Adelaide ................... 199 3.  Die 1680er Jahre: Der junge Max Emanuel ............................................. 204 Voraussetzungen und Rahmenbedingungen ...................................................... 204 Die Distribution im Residenz-Appartement des Kurfürsten .............................. 212 Divergenzen und Konvergenzen: Der Audienzbereich ....................................... 222 Divergenzen und Konvergenzen: „Appartements“, „Galas“ und Galerien .......... 234 4. Nach 1715: „Modellwechsel“?.................................................................... 240 Exil 1704–1715................................................................................................. 240 Politisch-kulturelle Restitution ab 1714: Die Wahl des Rollenmodells .............. 250 Planungen für kurbayerische Schlösser um 1714: Die Beteiligung Robert de Cottes ............................................................................................... 264 Schleißheim-Planungen (1714/15): Zu Leitfragen im Wittelsbacher Landschlossbau ................................................................................................. 269 Max Emanuels Rückkehr 1715: Neue Rahmenbedingungen ............................. 290 Dachau: Das Ahnenschloss im Dienst der Legitimation .................................... 294 Modelladaption unter Max Emanuel: Legitimation, Herrschaft, Distinktion .... 302

Inhalt  | 9

5.  Nach 1726: Karl Albrecht – Le goût moderne in Kurbayern? .............. 309 Voraussetzungen und Rahmenbedingungen ...................................................... 309 Das erste Appartement des Kurfürsten Karl Albrecht in der Residenz (1726–29) ......................................................................................................... 313 Die „Reichen Zimmer“ (1730–37): Struktur und Ausstattung........................... 321 Fazit ...................................................................................................................... 327 Modell und Vielfalt, Alt und Neu, Raum und Medium..................................... 327

Anhang Abkürzungsverzeichnis .................................................................................... 333 Archive und Institutionen ................................................................................. 333 Lexika, Wörterbücher, Sammelbände, Zeitschriften........................................... 334 Inventare ........................................................................................................... 334 Bibliographie ...................................................................................................... 336 Literatur bis 1850 (Verkürzt zitierte archivalische und gedruckte Quellen und Schriften) ................................................................................................... 336 Verkürzt zitierte Literatur ab 1851..................................................................... 346 Abbildungsnachweis ......................................................................................... 365 Register ............................................................................................................... 366

Vorwort

Das vorliegende Buch ist die gekürzte und leicht überarbeitete Fassung meiner im Wintersemester 2007/2008 vom Fachbereich Germanistik und Kunstwissenschaften der Philipps-Universität Marburg angenommenen Habilitationsschrift. Es ist mir ein besonderes Anliegen, an dieser Stelle den Personen zu danken, ohne deren Hilfe und Anregungen diese Studie kaum entstanden wäre. Von besonderem Wert waren die intensiven Diskussionen mit Katharina Krause, die das Projekt mit großem Interesse, Engagement und wertvollen Hinweisen begleitet hat. Ulrich Schütte bereicherte die Forschungen mit vielen klugen und wohlwollend kritischen Bemerkungen. Ihnen beiden gebührt mein größter Dank für die höchst anregende Marburger Arbeitsatmosphäre. Den weiteren Mitgliedern der Habilitationskommission danke ich für viele Hinweise: Sabine Henze-Döhring, Sigrid Hofer, Panja Mücke, Dietmar Rübel, Christoph Kampmann und Hellmut Lorenz (Wien). Ein einjähriges DFG-Forschungsstipendium ermöglichte mir die grundlegenden Archivstudien fern des universitären Alltags in Brüssel, Paris, Florenz, Turin, Wien, Warschau und München. Den dortigen Institutionen und Archiven gebührt mein aufrichtiger Dank. Genannt seien besonders: In Paris die Archives du ministère des Affaires étrangères, die Bibliothèque de l’Institut de France, die Bibliothèque nationale de France, die Archives Nationales sowie das Deutsche Forum für Kunstgeschichte; in Turin das Archivio di stato und die Biblioteca Reale; in Wien das Haus-, Hof- und Staatsarchiv und die Österreichische Nationalbibliothek; in Florenz das Kunsthistorische Institut (Max-Planck-Institut); in Warschau die Polnische Akademie der Wissenschaften; in München das Bayerische Hauptstaatsarchiv mit dem Geheimen Hausarchiv, die Bayerische Staatsbibliothek mit der Handschriftenabteilung, das Stadtmuseum sowie insbesondere das Zentralinstitut für Kunstgeschichte. Für anregende Gespräche und vielfältige Hilfe danke ich besonders: Cordula Böhm (München), Guido Braun (Bonn), Dorothea Diemer (München), Johannes Erichsen (München), Thomas W. Gaehtgens (Los Angeles), Ernst Götz (München), Henriette Graf (Potsdam), Peter-Michael Hahn (Potsdam), Britta Kägler (München), Herbert Karner (Wien), Heiko Laß (Hannover), Manfred Luchterhandt (Göttingen), KarlBorromäus Murr (Augsburg), Kathrin Müller (München), Martin Poszgai (Berlin), Amanda Ramm (München), Georg Satzinger (Bonn) und Elisabeth Werdehausen (München). Dank der Hilfe von Dirk Schaber, Angelika Fricke, Berthold Clewing und Robin Schnare konnte ein buchfertiges Manuskript erstellt werden. Für die umsichtige Realisierung des Buches, das mit der Unterstützung des Förderungs- und Beihilfefonds Wissenschaft der VG Wort gedruckt wurde, danke ich Elena Mohr und Julia Beenken vom Böhlau-Verlag. In vielen Lebenslagen hilfreich waren wie immer meine Eltern, die auch dieses Projekt wieder mit großem Interesse, Zuspruch und vielfältiger Unterstützung begleitet ha-

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ben. Doch ohne Christian Bracht hätte ich die Habilitationsschrift und das vorliegende Buch kaum fertigstellen können, nachdem Ella unseren Arbeitsrhythmus durcheinander gewirbelt und unser Leben so sehr bereichert hat. Ihnen beiden ist dieses Buch von Herzen gewidmet. Marburg, im Mai 2011

Eva Krems

1. Einführung: „L’Europe française“

Im Jahre 1681 beginnt der unter dem Pseudonym „Le Sieur Combes“ schreibende Laurent Morellet die Widmung seiner Explication historique der Schlösser Versailles und St. Cloud mit den Worten: Toute l’Europe regarde Versailles comme la merveille du Monde, & comme la plus éclatante marque de la magnificence de nôtre Grand Monarque.1

Mag der Verweis auf das Weltwunder und die Magnifizenz auch topischer Natur sein, so sollte Morellets Bild des nach Versailles blickenden Europa schon bald eine epochale Relevanz entfalten; nicht nur weil seine Explication bereits 1683 und 1684 ins Deutsche und Englische übersetzt wurde.2 Der Reisende Limberg von Roden berichtet 1690 aus Versailles, dieses Schloss würde alle Länder übertreffen.3 Die Vorstellung vom bewundernswerten Versailles unter Ludwig XIV. wird 1716 in den Curiositez de Paris, de Versailles etc. wie nebenbei in die Beschreibung der Decke über dem Escalier des Ambassadeurs einfließen: le fameux le Brun y a peint les Nations des quatre parties du monde, qui admirent les beautez de Versailles, & les Exploits heroiques de Louis XIV. 4

Im Jahre 1720 wird das unsterbliche Versailles „en vers libres françois“ besungen,5 und spätestens in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts ist die große Ausstrahlungskraft des französischen Hofes bereits unverrückbar historisches Allgemeingut geworden: de cette Cour, ainsi que du sein de la lumière, il sortoit des rayons qui portoient la clarté jusqu’au fond du Nord, & qui ranimoient les âmes engourdies.6 1 Combes 1681, Widmung (unpag.). 2 1683 wurde das Büchlein ins Deutsche übersetzt (Historische Erklärung...), 1684 ins Englische (An Historical Explication of what there is most remarkable in that Wonder of the World, the French King’s Royal House at Versailles, and in that of Monsieur, at St. Cloud). Im Deutschen lautet der Passus (aus der Widmung): „Gantz Europa sieht Versailles als ein Wunder=Werck der Welt an und als das gröste Kennzeichen der grossen Herrlichkeit unsers grossen Monarchen. Dieses hat mir Anlass gegeben, dieses Wercklein aufzusetzen.“ 3 Limberg von Roden 1690, S. 749f. 4 Les Curiositez de Paris, de Versailles… 1716, S. 322. Bereits bei Combes 1681, S. 45: „On y void [...] les Nations des quatre Parties du Monde, qui admirent les beautez de Versailles, & les exploits heroiques de nôtre Grand Monarque, & s’attirent à leur tour l’admiration de tous les Curieux & Scavans, tant elles sont belles & naturelles.“ Bei Tessin 1687 (2002), S. 197, der diese Description sicher kannte, wird es etwas abgemildert formuliert: „[...] le Brun a peint des differentes nations, surpris de voir cet escailler [sic].“ 5 Monicart 1720. 6 Caraccioli 1777, S. 28. Das Buch wurde 1778 ins Deutsche übersetzt, vgl. Caraccioli 1778, S. 19: „Und von diesem Hofe, wie aus dem Busen des Lichtes, giengen Strahlen hervor, welche

Einführung: „L’Europe Française“  | 15

Diese Verweise bieten nur einen kleinen Ausschnitt aus der umfangreichen VersaillesLiteratur, die das Jahrhundert nach ca. 1680, also nach dem weiteren großen Umbau des Schlosses unter Ludwig XIV. und der Verlegung der Residenz von Paris nach Versailles, hervorgebracht hat, verbreitet mittels unzähliger Reiseberichte und -diarien.7 Der sich schnell herauskristallisierende Vorbildcharakter des französischen Hofes geht dabei einher mit einer Beschwörung des „Untergangs“ Italiens, dem Ende seiner lange Zeit währenden künstlerischen Vorherrschaft. Es sei wieder zur Beschreibung des Laurent Morellet zurückgekehrt. Dort vermerkt der Autor gleich zu Beginn der Explication, natürlich angesichts des Schlosses von Versailles: L’Italie doit ceder presentement à la France le prix & la Couronne qu’Elle a remportée jusques aujourd’huy sur toutes les Nations du Monde.8

Die so vielfältig beschworene Ausstrahlungskraft des „Modells Versailles“, im weiteren Sinne auch des „Modells Frankreich“, das das „Modell Italien“ ablöste,9 bestimmt bis heute die Forschung zu europäischen, insbesondere zu reichsfürstlichen Höfen des ausgehenden 17. und 18. Jahrhunderts. In Handbüchern und einschlägigen Publikationen, gerade auch von historischer Seite, ist das Leitbild Frankreichs für die Konstituierung einer vorbildhaften Hofkultur, einer „Autoritätskultur“, unumstritten;10 die einzelnen mitteleuropäischen Territorien sind spätestens im 18. Jahrhundert Teil der „Europe française“ – ein Begriff, den Louis Réau 1938 geprägt hat.11 Diese Vorstellung von der „Europe française“ bezog sich im 18. Jahrhundert freilich auf weit mehr als nur auf Kunst und Architektur: Frankreich konnte – wie Italien von ca. 1450 bis 1650 – in vielen Bereichen zugleich, in Kunst, Architektur, Musik, Literatur, Philosophie, Wissenschaft, Politik und Wirtschaft, kulturelle Referenzen im europäischen Raum aufbauen. Die Dif-

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die Klarheit bis in den Grund von Norden brachten, und die erstorbenen Seelen wiederbelebten.“ Die frühere Versailles-Beschreibung von Félibien 1674 (1973) bleibt in weiten Teilen deskriptiv. Vgl. die Übersicht zu den Versailles-Beschreibungen bei Sabatier 1999, S. 466–473. Zu den Reiseführern vgl. Berger 1988. Combes 1681, S. 1f. Zum Diskurs Paris-Rom vgl. besonders Erben 2004. Exemplarisch: Duchhardt 2003, S. 176f.: „An der Stelle Frankreichs als eines Orientierungs- und Leitbild-Staatswesens kann für die Zeit ab etwa 1670 nicht gezweifelt werden. [...] Keine andere Kultur hat [...] eine vergleichbare Ausstrahlung gewonnen.“ Vgl. auch Schlobach 1992, S. 81: „Die Historiker sind sich einig [...]: Frankreich, genauer die französische Hofkultur, von Ludwig XIV. geprägt, übte seit Ende des 17. Jahrhunderts [...] auf viele große und kleine Höfe im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation Faszination und vielfältigen Einfluß aus.“ Kruedener 1973, S.  75: „Versailles und Paris wurden zum europäischen Mittelpunkt einer einheitlich geregelten Autoritätskultur.“ Vgl. den „Klassiker“ Réau 1938. Siehe die jüngsten Studien zum allumfassenden französischen Einfluss im 18. Jahrhundert: Pierre-Yves Beaurepaire, Le mythe de l’Europe française au XVIIIe siècle. Diplomatie, culture et sociabilités au temps des Lumières, Paris 2007; Le rayonnement français en Europe centrale du XVIIe siècle à nos jours, hrsg. v. Olivier Chaline, Jaroslaw Dumanowski u. Michel Figeac, Pessac 2009.

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fusion französischer Kulturgüter über Europa stützte sich auf die Kombination aus politischer Vormacht und technischer, geistiger sowie künstlerischer Neuerungen. Die Rede vom Modell ist daher durchaus berechtigt. Greifbar und anschaulich würde die Vorstellung von der „Europe française“ im Schlossbau von Versailles: „Le palais de Versailles fut copié dans tout l’Europe“ – daran kann ein Historiker wie Lucien Bély keinen Zweifel haben,12 denn unzählige kunsthistorische Abhandlungen operieren mit diesem linearen Rezeptionsvorgang: „cette création du Roi-Soleil [...] a servi de modèle à toutes les Cours de l’Europe.“13 Der Topos der Versailles-Ähnlichkeit, der durchaus zeitgenössische Wurzeln aufweist,14 ist bis heute sehr lebendig. Wenn auch meist in populärer Form vorliegend, so hat sich doch die Vorstellung festgesetzt, etwa mit Schloss Charlottenburg ein „preußisches Versailles“ oder mit dem Dresdener Schloss ein „sächsisches Versailles“ zu haben, um nur zwei Abkömmlinge zu nennen. „Versailles“ im Titel von Baumonographien zu erwähnen, begegnet nicht selten als eine durchschaubare Maßnahme zur Nobilitierung des jeweiligen Schlosses.15 Das „Modell Versailles“ gehört auch für die deutsche Kunstgeschichtsschreibung unantastbar zum Kanon epochenspezifizierender Merkmale.16 Zugleich verdeutlicht dieser Verweis auf die Vorbildhaftigkeit des Schlosses und Hofes in Versailles, dass die durchaus vielgestaltigen künstlerischen Beziehungen zwischen Frankreich und dem Alten Reich um 1700 in der Forschung vor allem auf die Vorstellung reduziert werden, es habe ein einziges, ganz Europa prägendes Modell gegeben. Kulturtransfer um 1700 verengt sich dieser Sicht zufolge auf die Rezeption eines bestimmten Modells. Noch immer wirkt hier die etwa von Louis Réau in der zwischen 1924 und 1933 erschienenen, mehrbändigen Histoire de l’expansion de l’art français moderne geprägte, teilweise höchst einseitige und methodisch fragwürdige Sicht nach17 – zwar ist 12 Bley 1999, S. 136. Als weiteres Beispiel für diese sehr verbreitete Auffassung sei hier verwiesen auf das letzte Kapitel von Burke 1995. 13 Réau 1954, S. 25. Siehe auch die Karten mit „Les Satellites de Versailles“ sowie „Les Places Royales à la Française“ in Réau 1938, S. 280f. 14 Vgl. hierzu den Abschnitt Modell Versailles? in Kapitel 2. 15 Als wahllose Beispiele der jüngeren Verwendung des Versailles-Vergleichs in verschiedenen Regionen, welche Eingang in die Buchtitel gefunden hat: Lunéville: fastes du Versailles lorrain, hrsg. v. Jacques Charles-Gaffiot, Paris 2003; Maurizio Lupo, Venaria, la Versailles del Piemonte, in: La Casana, 47.3, 2005, S. 52–57; Philippe Poindront, Le Nouveau Palais: un gigantesque Versailles prussien. Châteaux et jardins princiers de Prusse, in: Dossier de l’art, 110, 2004, S. 68–77. 16 Keller 1971, S. 67: „Und ebenso muß jedes Schloß in Europa Versailles nachahmen.“ Als jüngere Beispiele: Robert Suckale, Kunst in Deutschland. Von Karl dem Großen bis Heute, Köln 1998, S.  324; Martin Warnke, Spätmittelalter und Frühe Neuzeit (Geschichte der deutschen Kunst, Bd. II), München 1999, S. 270–283, S. 270: „Das barocke Schloß ist in Deutschland durch Einflüsse von außen, durch die Nachahmung des Schlosses von Versailles, zustande gekommen. [...] Allenthalben in Europa entstehen im 18. Jahrhundert neue Residenzen, die dem Anspruch von Versailles nahezukommen suchten.“ Warnke spricht zudem sogar von einem regelrechten „System Versailles“. 17 Louis Réau, Histoire de l’expansion de l’art français moderne, 4 Bde., Paris 1924–33. Als Materialsammlung ist Réaus Opus, dem als Gliederung „Le Monde latin, Le Monde germanique und le

Einführung: „L’Europe Française“  | 17

Réaus Vorstellung weit gemäßigter als die des Literaturwissenschaftlers Louis Reynaud, der 1914, in Zeiten eskalierender politischer Konflikte, formulierte: C’était, d’ailleurs, vers la fin du XVIIe siècle, toute notre littérature qui s’avançait en rangs serrés vers l’Allemagne, aussi redoutable que les armées de Louis XIV. 18

Doch auch bei Louis Réau wird die Vorstellung von einer umfassenden Verbreitung französischer Kunst in Europa mit einem Wortschatz vermittelt, der sich aus Begriffen wie „transplanter“, „pénétration de l’art Versaillais“ oder „francisation“ speist. Die deutschen Fürsten, die selbst in Versailles gewesen seien, „ne rêvent plus à leur retour que de singer le roi de France et d’avoir leur petite Galerie des Glaces“.19 Diese wenigen Stimmen der Forschung lassen bereits erkennen, dass eine Untersuchung der künstlerischen Beziehungen zwischen Deutschland und Frankreich – im Gegensatz zu denjenigen zwischen Deutschland und Italien20 – auf ein Terrain führt, das zuweilen von vehementer politisch konnotierter Polemik besetzt ist, vor allem in Zeiten, als man noch nicht mit weit neutraleren Begriffen wie „künstlerischer Austausch“ oder gar „Kulturtransfer“ operierte.21 Das Thema, gerade was die Beziehungen zwischen Deutschland und Frankreich anbelangt, trifft auf politisch aufgeladene geschichtswissenschaftliche Kontroversen, an denen auch die Kunstgeschichte regen, wenngleich selten reflektierten Anteil hat. Wissenschaftsgeschichtliche Forschungen zur Analyse „nationaler“ Stile und der Dynamik des deutsch-französischen künstlerischen Austauschs im 17. und 18. Jahrhundert in Hinblick auf internationale politische Beziehungen im 19. und 20. Jahrhundert liegen von kunsthistorischer Seite nicht vor.22 Dabei erscheinen Un-

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Monde slave“, schließlich die USA, zugrunde liegen, noch immer unverzichtbar. In unserem Zusammenhang vgl. vor allem Bd. 2: Belgique et Hollande: Suisse, Allemagne et Autriche, Bohême et Hongrie = Réau 1928. Vgl. auch die frühe, mit vielen Quellen operierende und neutrale Untersuchung von Dussieux 1856. Louis Reynaud, Histoire générale de l’influence française en Allemagne, Paris 1914, S. 268. Dieses Zitat entstammt einem späteren Beitrag des Autors: Réau 1954, S. 25–47, hier S. 34. Die „italienische“ Variante des Réau (um es zugespitzt auszudrücken) verfährt vorsichtiger: In den frühen 1930er Jahren wurde eine Reihe mit dem Namen „Opera del genio italiano all’ estero“ begonnen, innerhalb derer 1943 der Band zu den „Artisti in Germania“ von Emilio Lavagnino erschien. Der Begriff „Kulturtransfer“ wurde u. a. eingeführt, um eine von Werturteilen einigermaßen freie Herangehensweise, die der Begriff verspricht, zu gewährleisten; Espagne/Werner 1988, S. 12. Zum „Künstlerischen Austausch“ vgl. Künstlerischer Austausch. Artistic Exchange. Akten des XX–VIII. Internationalen Kongresses für Kunstgeschichte, hrsg. v. Thomas W. Gaehtgens, 3 Bde., Berlin 1993; zu „Künstlerwanderungen“: Troescher 1953/54. Für die Literaturwissenschaft mit einer Forschungsgeschichte zu den literarischen Beziehungen zwischen Deutschland und Frankreich im 17. Jahrhundert vgl. etwa Valentin 1983. Aus Sicht der Geschichtswissenschaft instruktiv: Ernst Hinrichs, Läßt sich die Geschichte mit Brettern vernageln? Bemerkungen zu deutsch-französischen Annäherungen in der Geschichtsforschung, in: Frankreich und Deutschland. Geschichte einer produktiven Nachbarschaft, Hannover 1986, S. 129–143. Mit Blick auf die historische Forschung des 19. und 20. Jahrhunderts, unter besonderer Beachtung des Rheingebiets: Hahn 1988, S. 53–94. Sehr instruktiv ebenso: Gilbert Ziebura,

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tersuchungen zu deutsch-französischen kulturellen Beziehungen bis weit in die 1950er Jahre hinein als ein Reflex auf die je zeitgenössische politische Situation – und zweifellos sind sie es bis heute. Nicht zufällig rief vor allem das Rheingebiet aufgrund seiner geopolitischen Lage weit häufiger Interesse für dieses Themenfeld hervor: Schon früh wurde es Objekt umfassender Publikationen. Louis Réau schrieb 1922 ein Buch zu L’art français sur le Rhin au XVIIIe siècle, welches in vieler Hinsicht eine Vorarbeit zu seiner ab 1924 erschienenen, mehrbändigen Histoire de l’expansion de l’art français moderne ist. Pierre du Colombier publizierte 1930 eine Abhandlung zu L’art français dans les cours rhénanes. Untersuchungen zur Kunst des Rheingebiets seitens der deutschen Forschung erlebten einen neuerlichen Aufschwung in den 1950er Jahren und damit in einer Zeit französisch-deutscher Annäherungen: Es seien Max Braubach (dessen Forschungen bereits in die 1920er Jahre zurückgehen)23 und Wend Graf Kalnein genannt, der 1956 mit richtungsweisender Umsicht (jedoch ohne wirkliche Nachfolge) das Schloss Clemensruhe/Poppelsdorf explizit unter dem Diktum der deutsch-französischen künstlerischen Beziehungen untersuchte.24 Man muss daher feststellen, dass die künstlerischen Bestrebungen der Wittelsbacher am Rhein hinsichtlich ihrer Adaption französischer Vorbilder umfassender bearbeitet wurden als die der bayerischen Wittelsbacher. Doch Kalnein spricht dabei wie seine französischen Kollegen ebenfalls von einem „französische[n] Formen- und Gedankenstrom, der über ganz Deutschland hinwegging“.25 Im selben Jahr 1956 hatte wiederum Pierre du Colombier ein wichtiges zweibändiges Werk zur französischen Architektur in Deutschland publiziert, das jedoch trotz eines großen Quellenfundus weitgehend im Fahrwasser Louis Réaus verblieb.26 Es dominierte somit weiterhin selbst aus deutscher Perspektive, wie das Beispiel Kalnein zeigt, die Vorstellung eines Frankozentrismus, der zumeist mangels überzeugender Quellenkritik mehr beschworen als bewiesen wird. Versailles als „type idéal d’une résidence royale“ zu bezeichnen, verlangt im mindesten, die relevanten Kriterien auf das Fundament einer quellengestützten Rekonstruktion zeitgenössischer Wahrnehmung zu stellen. Eng mit der jeweiligen politischen Situation hängen freilich auch die ästhetischen und moralisch-ethischen Präferenzen der Zeit zusammen, die das Werturteil der Forschung über die Übernahme eines bestimmten Modells geprägt, vielleicht sogar eine

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Die deutsch-französischen Beziehungen seit 1945: Mythen und Realitäten, Stuttgart 1997; Franz Herre, Deutsche und Franzosen. Der lange Weg zur Freundschaft, Bergisch-Gladbach 1983. Vgl. den „Klassiker“: Braubach 1952. Für die Kunstgeschichte ist Braubach 1953 sehr wichtig, weil der Autor hier auch die diplomatische Korrespondenz in die Bewertung von künstlerischrepräsentativen Fragen einbezogen hat. Kalnein 1956; er knüpft freilich an die Forschungen von Renard 1896/97 an. Als ein Beispiel für die Untersuchung von „künstlerischen Beziehungen“ vgl. die Dissertation von Wolfgang Braunfels, François de Cuvilliés. Ein Beitrag zur Geschichte der künstlerischen Beziehungen zwischen Deutschland und Frankreich im 18. Jahrhundert, Bonn 1938; knapp 50 Jahre später überschrieb Braunfels sein Cuvilliés-Buch mit dem Titel „Baumeister des galanten Rokoko“; Braunfels 1986. Kalnein 1956, S. 42. Vgl. etwa Colombiers zweites Kapitel: „Les voies de la pénétration Française“; Colombier 1956.

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Sehweise und ein Urteil zu sehr forciert haben. Denn –­ so die dominierende Sicht von deutscher Seite – der französische, ja selbst der französisch geprägte italienische Stil war nahezu gleichbedeutend mit Genussstreben, Geldverschwendung, Prunksucht und Überfremdung: eine Auffassung, die wesentlich von der Gallomanie seit spätestens der Mitte des 18. Jahrhunderts geprägt wurde und die eine weitere Facette im Historismus unter dem Eindruck der Ereignisse von 1871 gewonnen hat.27 Ein wissenschaftsgeschichtlicher Diskurs, der diese Aspekte bündeln und analysieren würde, wird an dieser Stelle nicht folgen. Dies wäre ein eigenes, sehr lohnenswertes Unternehmen. Jedoch ist der hermetische Zirkel vorgegeben, denn selbst die Hoffnung, zeitgenössische Quellen, die in der vorliegenden Studie eine große Rolle spielen werden, könnten einen „objektiven“ Blick vermitteln, versiegt schnell: Kommentare, etwa die zahlreichen in zeitgenössischen Reise- und Gesandtenberichten festgehaltenen Beobachtungen, erweisen sich als gleichermaßen verstrickt in ein Netz aus politisch-mentalen Vorurteilen und Stereotypen. Man wird auch in spezifisch kunsthistorischen Quellen oftmals mit gehöriger Polemik konfrontiert. Doch gerade dieser Befund sollte Anlass dazu geben, die teilweise bis heute lebendige Perzeptionsebene keineswegs zu ignorieren, sondern sie vielmehr in das Gegenstandsfeld mit einzubeziehen. Das Phänomen der überaus großen Wirkung des Versailler Hofes unter König Ludwig XIV. auf die Fürstenhöfe im Alten Reich ist schon lange in der Gefahr, ebenfalls zu einem Klischee zu erstarren. Ein Ausbruch aus dem hermeneutischen Zirkel gelingt nur dann, wenn man andere Quellen berücksichtigt und diese mit den anschaulichen Befunden abgleicht. Ein kurzer Blick auf den weiteren Forschungsstand soll die heutige allgemeine Ausgangslage skizzieren, bevor ich mich den bayerischen Wittelsbachern im Besonderen widme. Während von französischer Seite der von Réau etablierten Sicht selten gemäßigt entgegengetreten wird – eine Ausnahme bildet ein jüngerer Beitrag von Béhar28 –, finden sich auf deutscher Seite ebenfalls nur vereinzelt Stimmen, die einen differenzierteren Umgang gerade mit der Vorstellung eines „Modells Versailles“ fordern. Die so oft behauptete Rolle von Versailles als Schlüsselbau der gesamten europäischen Schlossbaukunst ab dem Ende des 17. Jahrhunderts wird somit durchaus, wenngleich nur sehr selten bezweifelt.29

27 Zur Überbetonung der kulturellen Tradition von französischer Seite als Kompensation nach Sedan und zur „Heraufbeschwörung der früheren kulturell-politisch-militärischen Überlegenheit zur Zeit Ludwig XIV. als Mittel zur intellektuellen Wiederaufrüstung der Nation und Vorbereitung auf neue Kämpfe“ vgl. Valentin 1983. Erwähnt seien auch die mythisierenden Konstruktionen im 19. Jahrhundert, die im Gegensatz Preußen (aufgeklärt) – Frankreich (Prunksucht) gipfeln. 28 Béhar 1990 mit dem programmatischen Titel La reprise et la modification des formes de l’art français. 29 Als erster hat die Unterschiede an ausgewählten europäischen Höfen Baillie 1967 anhand der Raumfolgen herausgestellt (seine Ausführungen bedürfen jedoch dringend der Aktualisierung). Vgl. auch Walbe 1987, S. 449f.; Möhlenkamp 1992; Eiermann 1995, S. 8. Hingegen nimmt z.B. Gamer 1978, S. 93ff. und passim, den Versailles-Bezug sehr ernst.

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Während also die ubiquitäre Vorstellung von einem sogenannten Paradigmenwechsel im Reich,30 der der Wirkung und hegemonialen Stellung des Versailler Hofes geschuldet sein soll, zwar inzwischen bröckelt, bedarf es zur Entfaltung einer Kritik dennoch einer systematischen, verschiedene künstlerische Gattungen fokussierenden Untersuchung, die zudem unter gewandelten methodologischen Zugriffen erfolgt.31 Die vorliegende Studie möchte somit einen Beitrag dazu leisten, die hartnäckige Vorstellung vom „Modell Frankreich“ und „Modell Versailles“ im 17. und 18. Jahrhundert für die reichsfürstlichen Höfe, welches ein „Modell Italien“ abgelöst habe, über eine differenzierte Darstellung kritisch revidieren. Sie versteht sich zugleich als ein Impuls für eine „transterritoriale Kunstgeschichte“.32 Es ist unabdingbar, bei diesem umfassenden Thema Entscheidungen zu treffen hinsichtlich der exemplarischen Gegenstandswahl: Im Zentrum steht die profan-höfische Kultur und damit ein interhöfischer33 Transfer in einer Zeit der nach dem Dreißigjährigen Krieg bereits weitgehend konsolidierten, in einem Aufschwung begriffenen Phase des Alten Reichs, dem eigentlichen „Zeitalter der Höfe“.34 Die abschließende zeitliche Zäsur bilden die Anfangsjahre der Regierungszeit des Kurfürsten Karl Albrechts (ab 1726), schließlich der Beginn des Österreichischen Erbfolgekrieges (1740–48).35 Sinnvoll erscheint die weitgehende Konzentration auf einen reichsfürstlichen Hof: Es wurde die Dynastie der bayerischen Wittelsbacher gewählt, mit gelegentlichen Seitenblicken (besonders in der Regierungsphase des Kurfürsten Max Emanuel 1680–1726) auf das Kölner Kurfürstentum, die Wittelsbacher am Rhein, unter Kurfürst Joseph Cle-

30 Zum „Modell Italien“ und zum Verlust dieses Status vgl. Braudel 1999 (italienisch 1974, französisch 1989). Die Verlagerung der Handelsschwerpunkte nach Norden (Niederlande) und die Stärkung des atlantischen Raums entzogen Italien einen Teil seiner Grundlage, so dass das Modell laut Braudel im Lauf des 17. Jahrhunderts aufhörte, Modell zu sein. 31 Schieder 2000 hat einen diesbezüglichen Aufruf formuliert. Markowitz 1992 verbleibt in ihrem Beitrag zu den französischen Architekten in Deutschland ohne systematische Verdichtung und Differenzierung. 32 Freilich ist dabei die Geschichte der höfischen Kunst als „europäische“ Kunstgeschichte – transterritorial, transnational – zu begreifen. Methodische Ansätze zum europäischen Diskurs wiederum in den Geschichtswissenschaften; vgl. Europäische Geschichte als historiographisches Problem, hrsg. v. Heinz Duchhardt u. Andreas Kunz, Mainz 1997; Wolfgang Schmale, Europäische Geschichte als historische Disziplin. Überlegungen zu einer „Europäistik“, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, 46, 1998, S. 389–405. 33 Statt von „internationalem“ Kulturtransfer zu sprechen, bevorzuge ich den Begriff des „interhöfischen“, um den in Frage stehenden Raum präziser zu definieren und den für die Zeit um 1700 problematischen Begriff der „Nation“ zu vermeiden. Die Beiträge etwa von Paulus gehen zu sehr von einem „nationalen“ Stil aus. 34 Schilling 1998, S. 16; dazu aus Sicht der zeitgenössischen Zeremonialwissenschaft Vec 1998, S. 287f. – Der sehr lohnenswerte vergleichende Blick auf zeitgenössische Projekte im sakralen Bereich (Klöster und Kirchen) kann leider nicht erfolgen. 35 Zu dem betreffenden Zeitraum vgl. ebenso Klueting 1999. Einen wichtigen Einschnitt bildet auch der mit dem militärischen Desaster im Siebenjährigen Krieg einhergehende Prestigeabfall Frankreichs.

Einführung: „L’Europe Française“  | 21

mens.36 Freilich ist dies angesichts der regionalen Vielfalt im Reich nur eine exemplarische Wahl: Die Spezifika der bayerischen Wittelsbacher – katholisch als konfessionelle Orientierung, Mittelstaat, zusammenhängendes Territorium, alte Dynastie – ermöglichen dabei eine größere Vergleichbarkeit etwa mit den konvertierten sächsischen Wettinern als mit der jungen protestantischen Dynastie Brandenburg-Preußen.37 Komparatistische Aspekte, etwa hinsichtlich der Konfession oder hinsichtlich eines Vergleichs zwischen adeliger und fürstlicher Repräsentation sowie geistlichen und weltlichen Reichsfürsten, müssen hier zurücktreten. Um sich dem Phänomen des wohl kaum mit einem bestimmten Ereignis oder einer präzisen Jahresangabe datierbaren „Modellwechsels“ zu nähern, erscheint es zudem sinnvoll, die Frage nach den Modellen italienischer und französischer Provenienz auf mehrere Generationen auszuweiten, um Kontinuitäten ebenso wie Wandlungsprozesse über einen längeren Zeitraum beobachten zu können. Als sehr wichtig wird es sich herausstellen, die Untersuchung nicht erst kurz vor 1700, sondern bereits in der Mitte des 17. Jahrhunderts zu beginnen, zu einem Zeitpunkt nämlich, als der große Einschnitt des Dreißigjährigen Krieges und die Bestimmungen des Westfälischen Friedens neue Strukturen schufen und eine zwischenstaatliche Dynamik in Gang brachten, an der gerade die künstlerische und architektonische Repräsentation wesentlichen Anteil hatten. Somit stehen drei Wittelsbacher Generationen im Mittelpunkt, die sich in den Rezeptionsbedingungen sowie den jeweiligen politischen und mentalen Voraussetzungen sehr voneinander unterscheiden: Kurfürst Ferdinand Maria und seine aus Savoyen stammende Gemahlin Henriette Adelaide (ca. 1650–1680), Kurfürst Maximilian II. Emanuel (Max Emanuel) und die Habsburgerin Maria Antonia bzw. seine zweite Gemahlin, die polnische Königstochter Therese Kunigunde (ca. 1680–1726), und schließlich die Anfangsjahre des Kurfürsten Karl Albrecht, des späteren Kaisers Karl VII., und der Habsburgerin Maria Amalia (ca. 1726–1740).38

36 Joseph Clemens, Bruder Max Emanuels (* 1671, † 1723; Kurfürst und Erzbischof von Köln ab 1688). – Es wäre auch ein vergleichender Blick auf das dritte Wittelsbacher Territorium Kurpfalz lohnenswert, da sich Kurpfalz zeitweise in großer Feindschaft zum bayerischen Haus Wittelsbach befand. Von der Reichsacht Max Emanuels 1706 profitierte gerade Johann Wilhelm. 37 Zu Brandenburg-Preußen vgl. vor allem Hahn 1998b. Jüngst auch Schütte 2008. 38 1. Ferdinand Maria (* 1636, † 1679; Interimsregierung durch Maria Anna, Erzherzogin von Österreich, der zweiten Gemahlin Kurfürst Maximilians I., bis 1654), ∞ 1652 Henriette Adelaide von Savoyen (* 1636, † 1676). – 2. Maximilian II. Emanuel (* 1662, † 1726; Interimsregierung durch Herzog Maximilian Philipp, den Bruder Ferdinand Marias 1679/80), ∞ 1685 Maria Antonia (* 1669, † 1692), ∞ 1695 Therese Kunigunde (* 1676 , † 1730). – 3. Karl Albrecht (* 1697, † 1745, Kurfürst ab 1726, als Karl VII. Kaiser ab 1742), ∞ 1722 Maria Amalia (* 1701, † 1756).

2.  Die Wittelsbacher 1650–1730 Überfremdungsvorwürfe und Differenzierungsversuche: Positionen der Forschung Ein Verweis gleichermaßen auf einen intensiven kulturell-künstlerischen Austausch39 wie auf die damit einhergehende Ablösung des italienischen durch das französische Modell – vom „italienischen Pomp“ zur „französischen Eleganz“ – findet sich in nahezu jedem der bisherigen Versuche, das Kunstgeschehen in Kurbayern im 17. und 18.  Jahrhundert überblicksartig40 oder anhand von Einzelmonumenten und Künstlerbiographien zu fassen und zu bewerten.41 Als Kronzeugen des „Italienischen“ gelten der Umbau des Kurfürstinnenappartements in der Münchner Residenz ab Mitte der 1660er Jahre, die frühen Arbeiten am Schloss Nymphenburg (ab 1664) oder auch das unter Max Emanuel errichtete Schloss Lustheim (ab 1684). Die Hinwendung zum französischen Vorbild hin39 Aspekte des kulturellen Austauschs zwischen Kurbayern und besonders Italien, aber auch Frankreich waren durchaus schon Gegenstand wissenschaftlicher Beiträge, jedoch herrscht hier eine das vorliegende Material eher beschreibende als strukturierende und synthetisierende Vorgehensweise vor: Paulus 1912b zu Max Emanuel und der französischen Kunst; Luin 1953 zum „künstlerischen Erbe“ Henriette Adelaides; Bosl 1967 im Überblick zu den deutsch-italienischen wissenschaftlichen und künstlerischen Beziehungen; Braunfels 1981 zu den Wittelsbachern und der europäischen Kunst; Deutinger 2001 zum Verhältnis Bayerns zu Österreich-Habsburg. Zuletzt Büttner 2005 zum „Import“ des italienischen Barock. – Hinsichtlich des Kulturtransfers ist in den letzten Jahren besonders Sachsen ins Blickfeld gerückt: Étienne François, Modell Sachsen?, in: Von der Elbe bis an die Seine. Kulturtransfer zwischen Sachsen und Frankreich im 18. und 19. Jahrhundert, hrsg. v. Michel Espagne, Leipzig 1993, S. 12–21; Siegfried Hoyer, Frankreich in der Sicht des sächsischen Hofes und Adels, in: ebd., S. 22–30. Vgl. auch den jüngsten Katalog zu: Splendeurs de la Cour de Saxe. Dresde à Versailles, Ausstellungskatalog, Paris 2006. 40 Aus der Fülle an Überblickswerken sei hier nur verweisen auf: Sigmund Benker, Die Kunstentwicklung vom 16. bis zum Ende des 18. Jahrhunderts, in: Handbuch der Bayerischen Geschichte, Bd. II, München 1988, S. 909–959. Vgl. ebenfalls den sehr oberflächlichen Artikel von Enno Burmeister, Der frühbarocke Münchner Kurfürstenhof als Vermittler italienischer Kultur, in: Arx, 17, 1995, S. 495–502. Ähnlich: Angelika von Schuckmann, The Wittelsbach as Patrons of the Arts, 1650–1730, in: Apollo, 90, 1969, S. 368–375, hier S. 369: „Ferdinand Marias bride [...] arrived in Munich [...] and as a result the High Baroque, Italian style, soon gained a brilliant ascendancy.“ 41 Es geht um die Umbauten in der Residenz, dann die Neubauten Nymphenburg und Parkburgen, Neues Schloss Schleißheim sowie Lustheim, Schloss Dachau, Schloss Fürstenried. Fast in jedem monographischen Beitrag zu den einzelnen Bauten wird der Wandel konstatiert, wenngleich meist unter Beschränkung auf deskriptive Kriterien; es seien hier nur die wichtigsten genannt: Hauttmann 1911; Paulus 1912a; Hubala 1966; Petzet 1971; Heym 1984; Bauer-Wild 1986; Graf 2002. – Während zur Regierungsphase Ferdinand Marias (1651–79) und Karl Albrechts (1726–1743) nur Einzelstudien vorliegen, ist der monumentale Katalog zur Max Emanuel-Zeit noch heute grundlegend: Kat. Max Emanuel 1976; vgl. auch: Kunstpolitik der Wittelsbacher 1980. – Nur wenige Arbeiten widmen sich mehreren übergreifenden „Epochen“: vgl. die fundamentale Studie zum Zeremoniell von Klingensmith 1993; zuletzt zur Residenz auch Graf 2002 sowie Kat. Pracht und Zeremoniell 2002.

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gegen demonstrieren laut Forschung die ab dem zweiten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts, nach der Rückkehr Max Emanuels aus dem französischen Exil 1715, in Angriff genommenen Projekte: der Umbau von Schloss Dachau, der Weiterbau des Neuen Schlosses Schleißheim, die Umbauten in Nymphenburg, Schloss Fürstenried, die Parkburgen bei Schloss Nymphenburg und besonders die sogenannten Reichen Zimmer, das Paradeappartement des Kurfürsten Karl Albrecht in der Residenz. Gerade die Baugeschichte des Neuen Schlosses Schleißheim scheint für die Forschung bestens zur Sichtbarmachung des Modellwechsels geeignet zu sein: Projektiert ab 1693, fällt die unter der Leitung des Italieners Enrico Zuccalli durchgeführte Hauptbauphase in die Zeit zwischen 1701 und 1704, bis Pläne des nur im Rohbau fertiggestellten Schlosses 1714 dem französischen Hofarchitekten Robert de Cotte in Paris zur Überarbeitung vorgelegt wurden und der in Frankreich geschulte Joseph Effner ab 1719 den Bau nach der Rückkehr des Kurfürsten aus dem Exil vollendete. Die Beweislast für das nach Max Emanuels Exil aktuelle „Modell Frankreich“ erscheint geradezu erdrückend, denn sogar der alternde Zuccalli wurde 1719, beim Weiterbau des Schlosses, aus der Verantwortung gedrängt mit den Worten, es werde jetzt besonderer Wert gelegt auf „certi ornamenti alla francese de novo gusto“.42 Gerade Schleißheim dient der Forschung daher als ein Musterbeispiel für die Rezeption des französischen Schlosses, insbesondere des Schlosses von Versailles.43 Als Maßgabe bleibt bis heute ein alle Unebenheiten nivellierender Satz wie jener Max Hauttmanns von 1911 fast unangetastet: Mit der Jahrhundertwende muß die italienische Kunst die lang behauptete europäische Vormachtstellung an Paris abtreten. War in München der italienische Einfluß unter der Kurfürstin Adelaide, einer savoyischen Prinzessin, mächtiger gewesen als anderswo, so ist hier auch die Schwenkung zur französischen Kunst besonders ausgeprägt.44

Freilich herrscht Uneinigkeit, was den Beginn der Rezeption französischer und damit die Ablösung italienischer Vorbilder anbelangt; mal habe Kurbayern eine Vorreiterrolle innegehabt, mal habe es weitaus länger als andere Reichsfürstentümer am italienischen Modell festgehalten.45 Übereinstimmend wird jedoch der „Modellwechsel“ in die Regierungszeit Max Emanuels (1680–1726) gelegt. Ein umfassender Forschungsbericht ist hier nicht die Aufgabe. Doch einzelne Erkenntnisinteressen seien im Folgenden kurz beleuchtet. Dabei geht es um die zeitliche 42 43 44 45

Der ganze Brief bei Paulus 1912a, S. 291. Zuletzt Junkelmann 2000, S. 7. Hauttmann 1911, S. 257. So heißt es zum einen bei Schiedermair 1902, S. 84: „Die italienische Kunst sollte [...] am bayerischen Hofe in der jungen Fürstin [Henriette Adelaide] eine Protektorin finden zu einer Zeit, wo anderwärts bereits das Versailler Muster massgebend war.“ Zum andern wird aber gerade die frühe Neuorientierung Kurbayerns betont, begann sich doch der „Münchner Hof als einer der ersten [...] auf das aufblühende Versailler Vorbild [...] auszurichten“; vgl. Baumstark 1976, S. 174. Vgl. auch Hauttmann 1911, S. 257: „Infolge seiner Erziehung, des langen Aufenthalts in den Niederlanden und der engen politischen und verwandtschaftlichen Beziehungen zu Ludwig XIV. geht Max Emanuel als einer der ersten unter den deutschen Fürsten zur französischen Kunst über.“

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Fixierung des sogenannten Modellwechsels, um die Gründe, die bisher für die Adaption der verschiedenen Modelle angeführt wurden, ferner um die Frage, welche Auswirkung diese auf die höfische Repräsentationskultur in Kurbayern hatte, ob ein Wandel zu beobachten ist. Beginnen wir unseren Überblick mit der ersten Kurfürstengeneration, Ferdinand Maria und Henriette Adelaide (ca. 1650–1680), und der Vorstellung eines „Modells Italien“. Schnell drängen sich Begründungsversuche für die Bevorzugung eines bestimmten Modells auf – Gründe, die deutlich eher dem Zeitgeist des jeweiligen Autors als dem des Untersuchungszeitraums entsprechen. So führte Lipowsky 1831 eine recht einfache, dem hehren Geschmack des Kurfürsten zu verdankende Erklärung für die Übernahme italienischer Modelle an, sei es doch die Reise Ferdinand Marias nach Italien 1667 gewesen, die zu dem Stimmungswandel führte; dort fand er an den schönen Gebäuden und den herrlichen Gärten und übrigen Anlagen so viel Geschmack, daß er nichts sehnlicher wünschte, als sein ganzes Land in Italiens Gefilde umstalten zu können.

Er unterstützte seine Frau mit Geld und Material, beachtend zugleich, daß nur hierdurch Gefühl für das Schöne und Wahre bei seinem Volke veranlaßt, gebildet und erhalten werde, daß nur hierdurch sein Volk Aufklärung erhalte, dann daß hierdurch demselben Bildung, Arbeit, Verdienst und Nahrung verschafft, und so das Geld im Umlaufe, ohne Nachtheil der Staatskassen, gesetzt und gebracht werden solle.46

Der Versuch – wenig überraschend in einer Ferdinand Maria-Biographie –, die Rolle des Kurfürsten im Dienste aufklärerischer Ideen besonders hervorzuheben, bildet eher eine Ausnahme, denn schon seit frühesten Abhandlungen und Kommentaren ist ein dominantes Begründungsmodell erkennbar: Als die treibende Kraft bei der Übernahme italienischer Kunst und Kultur gilt die Kurfürstin Henriette Adelaide, die aus dem zur europäischen Mittelmacht emporstrebenden Herzogtum Savoyen im Nordwesten Italiens stammte und 1652 mit dem noch nicht regierenden jungen Kurfürsten Ferdinand Maria verheiratet wurde.47 Der Transfer verdanke sich ihren „Vorlieben“, ja die Übernahme wird sogar als Mittel zur Heimwehbekämpfung benannt.48 So sah man in den Umbauten in der Residenz Mitte der 1660er Jahre den Versuch Ferdinand Marias, 46 Lipowsky 1831, S. 143f. Interessant ist, dass derselbe Autor in seinem Buch über Karl Albrecht den erbaulichen Zweck von dessen Italienreise 1715 nicht erwähnt. 47 Ferdinand Maria trat im November 1656 die Regierung an. Vorher regierten sein Onkel Herzog Albrecht und seine Mutter; letztere hatte bis zu ihrem Tod 1665 erheblichen politischen Einfluss. 48 Vgl. etwa die Ausführungen bei Bary 2004 (unveränderte Neuauflage der ersten Ausgabe von 1980). Vgl. auch Bosl 1967, S. 520, München sei damals nahezu eine „italienische Stadt“ geworden dank Henriette Adelaide, die, „selbst eine Italienerin, die heimischen Laute um sich hören und die Kunst der Heimat durch heimische Künstler gepflegt sehen wollte“. – Der Blick auf die Regierungsphase des Kurfürstenpaars Ferdinand Maria und Henriette Adelaide erscheint auch deshalb lohnend, weil hier, zwischen den Kurfürsten Maximilian I. und Max Emanuel, ein „blinder Fleck“

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den ohnehin prächtigen Rahmen derselben jene einschmeichelnde Annehmlichkeit zu geben, die seine angebetete Gemahlin allmählig Turin’s Herrlichkeiten vergessen machen sollte.49

Doch neben dem guten Geschmack des Kurfürsten und dem Mitleid für die fern ihrer Heimat lebende Savoyische Prinzessin wird das Bild Henriette Adelaides in der Forschung – und hier leben einige Gedanken des 19. Jahrhunderts bis heute fort – auch durch anekdotenhafte Episoden verdunkelt, die bereits durch die frühe Historiographie geisterten.50 So soll sie ihren Gemahl als Neujahrsgeschenk darum gebeten haben, die Deutschen am Hofe abzuschaffen.51 Noch zu stark wirkt und wütet bis heute der gern zitierte Ausspruch der Kurfürstin, die italienische Künstler nach München zum Bau der Theatinerkirche berief, da sie die „Todeschi“ für „più idioti nell’edificare una fabrica di tanta importanza“ hielt.52 Damit einher geht eine ausgesprochen kritisch beäugte „Überfremdung“ des kurbayerischen Hofes, zudem ein Verlust an Sittlichkeit. So heißt es 1883 bei Haeutle, dass bis zur Ankunft der Savoyerin eine „solide, gediegene Pracht [...] in manchen Dingen einfache Art, ja fast bürgerliche Anspruchslosigkeit geherrscht“ habe, so traten jetzt, seit die Italienerin mit einer Schaar von Landsleuten ihren Einzug in die bayerische Residenz gehalten, allmählig sinnenreizende Ueppigkeit und ein das Auge blendender Luxus hinzu, der sich sogar in sämmtlichen Beziehungen des täglichen Lebens geltend machte [...].53

Riezler sieht es 1911 mit kunstsoziologisch geprägter, aber nicht minder wertender Sicht; die Anfänge höfischer Kunst werden mit Vergnügungssucht und dem Zusammenbruch „bürgerlicher Handwerkskunst“ in einem Atemzuge genannt:

49

50 51 52 53

seitens der kunsthistorischen Forschung besteht. Henriette Adelaide ist von historischer Seite relativ gut erforscht; vgl. Claretta, Heigel, Merkel, Preuss, Doeberl. Die jüngste Biographie von Bary driftet – trotz profunder Quellenkenntnis – in eine etwas populäre Darstellungsweise ab. Haeutle 1883, S. 76. Rittershausen 1787, S. 53 lässt beim Appartement Henriette Adelaides – zu seiner Zeit „kaiserliche Zimmer” genannt – vernehmen, „Kurfürstin Adelheid ließ sie nach italienischem Geschmack selber bauen”, ohne dies näher zu erläutern. Diese Richtung dominiert bis heute (vgl. Graf 2002). Vgl. hierzu den Abschnitt zur Frühen kurbayerischen Historiographie in Kapitel 2. Carl von Spruner, Charakterbilder aus der bayerischen Geschichte, München 1878, S. 150, verweist, ohne genauere Angabe, auf ein „gleichzeitiges Werk“; Ferdinand Maria soll geantwortet haben: „Das könne doch nicht wohl geschehen, weil er sonst seinen eigenen Hof verlassen müsse.“ Paulus 1912a, S. 38. Heym 1997, S. 116, schreibt, dass Henriette Adelaide „gerade für die bedeutenden Bauaufgaben italienische Meister bevorzugte“. Die Quelle entstammt dem TheatinerDiarium, April 1663 (BayHStA, KL Fasz. 471, fol. 145). Haeutle 1883, S. 75. Mit einer Reihe von unreflektierten Stereotypen versehen sind die Beiträge von Karl Trautmann, Italienische Schauspieler am bayrischen Hofe, in: JbMG, 1, 1887, S. 193– 312; ders., Französische Schauspieler am bayrischen Hofe, in: JbMG, 2, 1888, S. 185–335; ders., Deutsche Schauspieler am bayrischen Hofe, in: JbMG, 3, 1889, S. 259–430.

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Unter den Schlägen des Dreißigjährigen Krieges ist die bürgerliche Handwerkskunst, die in München so erfreulich blühte, auf längere Zeit zusammengebrochen. Parallel laufend mit dem Übergewicht autokratischer Fürstenmacht, beginnt das Zeitalter einer überwiegend höfischen Kunst. Am Münchener Hofe ist es zuerst in einer halb italienischen, halb französischen Fürstin verkörpert. Henriette Adelaide hat dem Kunstsinn [...] die Richtung gewiesen; sie vornehmlich hat den Wandel herbeigeführt, daß sich der Münchener Hof wenige Jahre nach den Drangsalen des großen Kriegs schon zu einem der prächtigsten, kunstliebendsten und vergnügungssüchtigsten in Deutschland umbildete und daß auf der ganzen Linie nun italienische Kunst dominierte.54

Interessant ist, dass die vermeintliche Überfremdung in diesem Zeitraum einer „Angeheirateten“, einer „Fremden“ zu Lasten gelegt wird, was schließlich in den nachfolgenden Generationen bei den beiden gebürtigen Wittelsbachern Max Emanuel und Karl Albrecht nicht mehr oder nur noch im Sinne einer „Vererbung“ gelingt.55 Das Thema der „Überfremdung“ ist indes für unsere Fragestellung sehr wichtig, da es bereits früh die Wahrnehmung „fremder“ Modelle geprägt hat und sich dies auch in zeitgenössischen Kommentaren, wie zu zeigen sein wird, widerspiegelt. Die neuere Forschung, beginnend mit den Wittelsbacher Katalogen 1976 und 1980, ist weit weniger fixiert auf das Problem der Überfremdung, jedoch bleibt auch hier das Motiv der Heimatverbundenheit und -sehnsucht der Savoyerin bestimmend für den Kulturtransfer.56 Diese Sicht ist nicht allein einer recht engen Vorstellung von den Mechanismen kulturpolitischer Dynamik geschuldet; vielmehr wäre zunächst einmal darauf zu verweisen, in welchen künstlerisch-kulturpolitischen Rahmenbedingungen der kurfürstliche Hof um 1650/60 zu verorten ist. Denn schließlich entspricht die Rezeption eines „italienischen Modells“ ohnehin der langen, dank Kurfürst Maximilian I. († 1651) genährten Traditionslinie.57 Indes wird zu ermitteln sein, welches „Italien“ eine Savoyerin, 54 Sigmund Riezler, Die Kunstpflege der Wittelsbacher, München 1911, S. 27. 55 Freilich gibt es diesbezügliche Versuche: siehe Gustav Heide, Kurfürstin Adelheid von Bayern, in: Zeitschrift für allgemeine Geschichte, Kultur-, Litteratur- und Kunstgeschichte, 3, 1886, S. 314, über Henriette Adelaide: „ihr Geist [...], übergangen auf ihre Söhne und Enkel, [...] nachdem sie längst vom Schauplatz der Thaten abgetreten: ihren unruhigen Ehrgeiz, der sich jeder Berechnung seiner Mittel entschlägt, ihre ungezügelte Selbstsucht, ihren verblendeten Kultus französischen Wesens und ihre Entfremdung und Illoyalität gegen das eigene Volk erkennen wir wieder in Max Emanuel und Karl Albrecht, die das Erbe ihrer Mutter und Ahne mit Unglück und Verbannung, mit der Armut des Landes und dem Blute ihrer Unterthanen heimzahlten.“ 56 Kat. Max Emanuel 1976; Kat. Wittelsbach 1980. Der Aufbau dieser Ausstellungskataloge steht ganz in der Tradition der großen historischen Strukturfragen (Politik, Hofleben, Kunst, Krieg, Verwaltung etc.). 57 Lange spielte Italien als „gebende“ Kultur eine führende Rolle. Gerade um 1600 boten die italienischen Höfe, vor allem die Medici in Florenz, wichtige Anregungen, besonders in der malerischen Ausstattung und den Dekorationssystemen. Aus der reichhaltigen Forschung zu den künstlerischen Beziehungen zwischen Kurbayern und Italien zur Zeit Maximilians I. vgl. die Beiträge in: Kat. Wittelsbach 1980. Ebenso wurden aus Mailand und Venedig „Tapeten“ bezogen sowie Stoffe für die Betthimmel und Vorhänge: „Baldachin Pötthimmel vnd herzu geherige Pöttzieraten [...]“; Inventar

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zumal die Enkelin des französischen Königs Henri IV,58 überhaupt rezipiert bzw. transferiert. Der Wandel schließt nämlich nicht nur eine womöglich veränderte Orientierung an einem anderen Vorbild ein, vielmehr verschiebt sich auch innerhalb des Modells der Fokus. Im profan-höfischen Kontext war das „Modell Italien“ für die Wittelsbacher im 17. und 18. Jahrhundert keine kontinuierliche, klar definierte Größe. Mag unter Kurfürst Maximilian I. die Repräsentationskultur oberitalienischer Fürstentümer ein wichtiges Vorbild gewesen sein, so erweist sich das Modell Italien in der folgenden Generation, unter Ferdinand Maria und Henriette Adelaide, als ein gleichsam durch die savoyische Brille wahrgenommenes Frankreich des frühen Louis XIV. Schließlich, unter Kurfürst Max Emanuel, zunehmend ab 1700, möchte man das Modell Italien am ehesten mit einem über Wien vermittelten Modell identifizieren, womöglich sogar als ein explizites Gegenmodell zu Frankreich.59 Henriette Adelaides Gemahl Ferdinand Maria wird mehr oder minder, sehen wir einmal von Lipowskys großherzigem Versuch ab, aus dieser bewussten „Italianisierung“ herausgenommen. Er führt zumeist ein Schattendasein in seiner Rolle als „Friedenfürst“ und mit seinem Bemühen um eine Neutralitätspolitik – eine politische Haltung, die ihm in der Historiographie durchaus auch negativ angelastet wird. Hinsichtlich künstlerisch-mäzenatischer Aktivitäten tritt er in der Forschung kaum in Erscheinung. In der vorliegenden Studie wird diese Vorstellung leicht revidiert, auch mit dem Ziel, die Bemühungen um eine angemessene Repräsentation nicht allein der savoyischen Prinzessin und ihrem „nostalgisch-patriotischen“, in Savoyen geschulten Geschmack zu überlassen. Zu den beiden nachfolgenden Kurfürstengenerationen Max Emanuel (reg. 1680– 1726) und Karl Albrecht (reg. 1726–1745) finden sich trotz der sehr umfangreichen Forschung wiederum auf nur wenige Positionen reduzierbare Begründungsvorschläge. Man ist sich einig, dass in Max Emanuels Regierungszeit der Modellwechsel vollzogen worden sei. Mitunter begegnen dabei sogar exakte Datierungsvorschläge für die Anfänge der Rezeption französischer Vorbilder in Kurbayern: Mitte der 1680er Jahre, 1692, 1701 oder auch ab 1709 stehen zur Auswahl. In Enrico Zuccallis Studienreise nach Paris 1684/85 und der Berufung französischer Garteningenieure für den Schleißheimer Park 1688 erkannte Kalnein bereits den „Einbruch der französischen Kunstanschauungen in die vom oberitalienischen Barock bestimmte Formenwelt Bayerns“.60 Dass diese 1680er Jahre eine Hochphase prohabsburgischer Beziehungen markierten mit dem Höhepunkt der Hochzeit Max Emanuels mit der Habsburgerin Maria Antonia, erwähnt Kalnein nicht – offenbar stellte es für ihn keinen Widerspruch dar. 1638 (Residenz). Vgl. hierzu: Haeutle 1883, S. 40. Zur durchgehenden Tradition des künstlerischen Austauschs – in beiden Richtungen – zwischen Italien und Bayern siehe zuletzt knapp Büttner 2005, S. 169f. 58 Der Savoyer Herzog Victor Amadeus hatte 1619 Christine, die Tochter Heinrichs IV. und Maria de Medicis geheiratet, die Schwester Ludwigs XIII. 59 Zu dieser italianità um 1700 in Wien siehe etwa Lorenz 1989, S. 7–24. Zuletzt auch Polleross 2004 zur antifranzösischen Kunstpolitik Kaiser Leopolds I. (mit einer kritischen Differenzierung dieser Vorstellung). 60 Kalnein 1956, S. 35; mit Verweis auf Paulus 1912a, S. 79ff.

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Die späteren „Datierungen“ 1692, 1701 oder ab 1709, die in der kunstwissenschaftlichen und historischen Forschung favorisiert werden, sind jedenfalls deutlich an politische Entscheidungen und den langjährigen Aufenthalt im Westen Europas des – das ist die Voraussetzung dieser Vorstellung – das Kunstgeschehen in Kurbayern lenkenden, auf die Kaiser- oder Königswürde hoffenden Kurfürsten gebunden:61 Das Jahr 1692 markiert den Beginn der Statthalterschaft Max Emanuels in den Spanischen Niederlanden; im Jahr 1701 tritt der Kurfürst im Kampf um das spanische Erbe gegen den habsburgischen Kaiser auf die Seite Frankreichs.62 Die politischen Großmachtträume Max Emanuels hätten also nicht nur zum Bündnis mit Frankreich, sondern auch zur Übernahme französischer Kunst geführt. Gerade das Neue Schloss Schleißheim, ab 1693 über fast drei Jahrzehnte errichtet, dient der Forschung als ein Musterbeispiel für die Rezeption des Schlosses von Versailles.63 Schleißheim gilt zugleich als ein gebauter Kronzeuge der großen politischen Ambitionen Max Emanuels, seines Strebens nach der Königs- oder Kaiserkrone. Unverkennbar sei damit, so eine ebenfalls langlebige Feststellung von Richard Paulus, die stets sich wiederholende Erscheinung eines Zusammengehens politischer Macht und modischer Kunst, somit am Ende des 17. Jahrhunderts den sich vollziehenden Wechsel zurücktretender italienischer Kunstachtung gegen den vollwertig gewordenen französischen Kunstgeschmack.64

Ein die Forschung allgemein dominierender Begründungsversuch wird hier deutlich ausgesprochen: die Vorstellung einer Wechselwirkung von politischen Bündnissen und der Übernahme von Modellen, von „politischer Macht und modischer Kunst“, wie Paulus schreibt. Der Zuccalli-Biograph vollzieht in der Gegenüberstellung von „italienischer Kunstachtung“ und „französischem Kunstgeschmack“ zudem ein unverkennbar wertendes Urteil. Der Historiker Alois Schmid formuliert es vorsichtiger und bindet die Kunst in die Mechanismen der Außenpolitik – die Interdependenz zwischen Kunst und Politik bleibt jedoch als Begründung erhalten: Kunst und Wissenschaft erhalten also einen außenpolitischen Anstrich und orientieren sich demzufolge unverkennbar an der Außenpolitik. Als Max Emanuel im Kampf um das spanische Erbe 1701 eine Kehrtwendung von Österreich nach Frankreich vollzieht, ist eine entsprechende Umorientierung auch der Kunst an seinem Hof die Folge.65

61 Zu den historischen Geschehnissen vgl. besonders Hüttl 1976; Schryver 1996. 62 Diese Daten (seltener 1692, besonders aber 1701) finden sich in den bisherigen Versuchen, das Kunstgeschehen in Kurbayern zwischen 1650 und 1750 überblicksartig zu fassen und zu bewerten; in historischen Beiträgen wird dieser Hang zur eindeutigen Datierung gerne aufgegriffen; so etwa bei Schmid 1987, S. 211. Und zuletzt bei Deutinger 2001, S. 51. Erwähnt wird es u. a. noch bei Baumstark 1976, S. 174; Schmid 1980, S. 10; Graf 2002, S. 12. 63 Zuletzt Junkelmann 2000, S. 7. 64 Paulus 1912b, S. 130. 65 Schmid 1987, S. 211.

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Der Ausbruch des Spanischen Erbfolgekrieges (1701–1714) habe dann, um noch einmal Kalnein zu zitieren, den „völligen Umschwung am Hofe verhindert“.66 Peter Volk indessen erkennt erst in Max Emanuels Anwesenheit in Paris, Versailles und auf weiteren französischen Schlössern der Île-de-France im Jahre 1709 die Wende – die eigene Anschauung sei der entscheidende Faktor gewesen: Es ist dies [...] die entscheidende erste Begegnung mit der Versailler Hofkunst, die in den folgenden Jahren bis zu seinem Tod für alle eigenen Planungen richtungsweisend wird.67

Ein Tenor der Forschung besteht somit darin, dass in dieser Ferdinand Maria nachfolgenden Generation Kurfürst Max Emanuel selbst für die zunehmende „Französisierung“ verantwortlich gemacht wird: Vor allem seine politische Haltung, die französische Bündnispolitik, die nicht selten als „Anbiederung“ gewertet wird, sei ausschlaggebend gewesen. Dies verbindet ihn mit seinem Bruder Joseph Clemens, dem Kölner Kurfürsten, mit dem Max Emanuel in engem Austausch stand: He [Joseph Clemens] was to find, that by allying himself with the French politically, he had formed an alliance with a new sphere of cultural influence.68

Gerade Max Emanuel („rêvant d’imiter Louis XIV“)69 wird dabei eine große Bewunderung der Person Ludwigs XIV. zugesprochen – erstaunlicherweise bis zu parallelen Schicksalsverläufen: Max Emanuel wetteiferte mit dem Herrscherideal eines Ludwig XIV. [...] und durchlief merkwürdiger Weise dieselbe Stufenleiter, von verschwenderischer Pracht zu kasteiender Einsamkeit.70

Der vermeintliche Modellwechsel in Kurbayern verdanke sich also besonders der charakterlichen Disposition der historischen Person Max Emanuels, seinem ihm von vielen Seiten, oft keineswegs zu Unrecht vorgeworfenen unsteten Charakter, seiner moralisch verwerflichen Haltung; so wird etwa auf den „traurigen“ Brief des unter Max Emanuel 66 Kalnein 1956, S. 35. Der Krieg habe den französischen Architekten Alexis Delamair gehindert, nach München zu kommen. Das vermutete auch schon Hauttmann 1911, S. 257; vgl. auch Hauttmann 1913, S. 13, der in der Verpflichtung Delamairs für die Innendekoration „den letzten Schritt, den entscheidenden Wendepunkt in der Entwicklung des französischen Einflusses“ sieht. 67 Volk 1976a, S. 132. 68 Oglevee, in: Joseph Clemens/Robert de Cotte 1712–1720 (1956), S. XV. Es geht um die Zeit ab 1702, der Flucht Joseph Clemens’. Vgl. auch Kalnein 1956, S. 35 zum „Umschwung vom italienisch-deutschen Barock zum französischen Klassizismus Mansartscher Prägung – ein Vorgang, der sich in ganz ähnlicher Form auch in Bayern abspielte und wesentlich von dem persönlichen Schicksal der Wittelsbacher bestimmt war“. 69 So Colombier 1956, S. 39. Max Emanuel habe nach seiner Rückkehr 1715 ein künstlerisches Zentrum eingerichtet. Zu Bayern vgl. S. 38–41 (mit vielen Ungenauigkeiten). 70 Paulus 1912a, S. 62. Vgl. etwa auch Weihrauch, in: Kat. BNM 1956, S. 188: „Da Max Emanuels Vorbild der Sonnenkönig war, ist die Reiterstatuette eine getreue Kopie nach der Statue Ludwigs XIV. in Lyon von Desjardins.“

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entlassenen italienischen Malers Triva verwiesen, der „Einblick [gebe] in die traurigen Schicksale italienischer Künstler nach dem Tode Ferdinand Marias“ als Beweis für den Gegensatz zwischen der Regierungszeit des hochherzigen Ferdinand Maria und den mehr die französische als die italienische Kunst begünstigenden Bestrebungen Max Emanuels.71

Die Verschwendungssucht Max Emanuels kritisierend – unbekümmert sei Max Emanuel gewesen dahingehend, wer seine Schulden Last einst mindern, wohl gar abzahlen würde, und so lebte er in Saus und Braus, unbekümmert um seines Landes Wohl, nur für sich und seine Lieblinge 72

–, beschreibt Lipowsky mit einiger Verbitterung die Einführung des „französischen Hoflebens in seiner Residenz“ unter Max Emanuel, daher auch, da noch unter seinem Großvater, Maximilian I., die deutsche, und unter seinem Vater, Ferdinand Maria, die italienische Sprache, die Hofsprache gewesen, nunmehr die französische dieselbe geworden, und diese Sprache nebst der französischen Hof=Etiquette, Ceremonie, Lebensart, Sitte, Benehmen, Betragen und Kleidung um so mehr an die Tagesordnung gekommen, als viele Franzosen als Hofkavaliere, Hofdiener und sonstige Ministerialen sich bei ihm befunden haben, und auch reichlich von ihm besoldet gewesen.73

Freilich hat man dieses Bild inzwischen zu revidieren versucht; schon früh bei Paulus, wenngleich noch zögerlich: Bei mancher Oberflächlichkeit besaß Max Emanuel ein erstaunenswertes Verständnis für alle Zweige der Kunst, vorzüglich für Architektur, die er mit besonderer Vorliebe während seiner Verbannung in Frankreich pflegte; sein künstlerisches Urteil war treffend und keineswegs nur von Modeströmungen beeinflußt.74 71 Schiedermair 1902, S. 134f. Das andere beliebte Beispiel ist die italienische Malerin Isabella del Pozzo, die 1676 aus Savoyen nach München kam, später todkrank wurde und vergebliche Bittgesuche stellte. Auch Paulus 1912a, S. 69f., verweist darauf, dass Max Emanuel durch die Bevorzugung französischer Maler den italienischen Malern den Boden entzogen hätte. 72 Lipowsky 1830, S. 47. 73 Ebd., S. 54; siehe auch insgesamt ebd., S. 46–60. Nicht explizit, aber implizit schwingt es zumindest mit, dass dieser Zug Max Emanuels wohl laut Meinung Lipowskys auch zu den „Sünden“ gehörte, die er sterbenskrank seinem Beichtvater vortrug. Ebd., S. 75f.; er sei „wenig um das Wohl seines Landes und seiner getreuen Unterthanen besorgt gewesen, daß er nur auf Befriedigung seiner Leidenschaften gedacht, am Hofe allein als Sonne glänzen, und im Felde als Eroberer und Sieger gepriesen seyn wollte [...] und seinen Trost fand er in der Erinnerung, daß ihm seine Unterthanen wegen der ihm eigenen Populariät und Gutherzigkeit stets mit treuer Liebe anhängig gewesen.“ Karl Albrecht habe dann, so Lipowsky, trotz der hervorragenden Ausbildung in Wien, auch in dieselbe Richtung gesteuert, wurde dann, „um den Churprinzen an [...] ein geregeltes Leben zu gewöhnen“, mit der Kaiserstochter Maria Amalia vermählt (ebd., S. 63), verfiel aber schließlich wieder der „Erbsünde“ der Verschwendung, „und übertraf am Ende fast seines Vaters Hof am Glanze, an Pracht, und so auch an Ausgaben aller Art“ (ebd., S. 125, S. 127). 74 Paulus 1912a, S. 62.

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Bestimmend blieb dennoch eine auf das Image des Verschwenders und Bankrotteurs fixierte Charakterisierung Max Emanuels, ohne ihn mit dem gebotenen differenzierten Verständnis für die Notwendigkeiten der fürstlichen Selbstdarstellung zu schildern, die elementare Bestandteile eines gewandelten Regierungscharakters im 17. und frühen 18. Jahrhunderts darstellten. Die neuere Forschung – das Schwergewicht liegt wieder bei dem opulenten Ausstellungskatalog von 197675 – ist ähnlich wie bei der Kurfürstengeneration zuvor in ihren Urteilen und Wertungen leidenschaftsloser. Ihr Interesse gilt den verschiedenen Ausprägungen der höfischen Künste und den ikonographisch-ikonologischen Mustern. Die zeitgenössische Perzeptionsebene, gerade auch der Überfremdungsvorwurf und damit eine wichtige Wahrnehmungskategorie, die sowohl die dynastische als auch die ästhetische Seite der Modellrezeption tangiert und ikonologische Analysen zu ergänzen und korrigieren hilft, bleibt dabei allerdings vollkommen ausgeblendet. Zudem gibt es in der neueren Forschung Differenzierungsversuche: Hubala etwa schlug 1966 vor, für die erste Bauphase des Schleißheimer Schlosses um 1700 von „eingedeutschten Fassungen“ auszugehen und mahnte zur „Korrektur der üblichen Alternative: Italien – Frankreich“; stattdessen wäre von einem „synthetischen Stil“ zu sprechen.76 Im Kontext dieser Vorschläge, die die Transformation von Modellen betreffen, wird eine Übernahme französischer Modelle ohnehin nicht mehr kritiklos in allen Bereichen der höfischen künstlerischen Repräsentation beobachtet.77 Für diese kritische Sicht wird die von den historisch-politischen Gegebenheiten bestimmte Stellung der Wittelsbacher zwischen den Dynastien Habsburg und Bourbon in die Argumentation einbezogen und eine die Forschungsperspektive erweiternde Differenzierung zwischen dem „Modell Habsburg“ und dem „Modell Bourbon“ vor allem ab der Regierungsphase Karl Albrechts vorgeschlagen.78 Aus diesem knappen Gang durch die Vorschläge der Forschung, die Bevorzugung eines bestimmten Modells zu begründen, lassen sich drei bestimmende Faktoren herausfiltern: Das persönliche Interesse einzelner Akteure, wie es vor allem bei der aus Turin stammenden Kurfürstin Henriette Adelaide und ihrer Vorliebe für die Kunst ihres Heimatlandes geltend gemacht wird; die politisch-historische Situation, die besonders Max Emanuel den zeitweiligen Bündnispartner Frankreich zum künstlerischen Modell erklären ließ; schließlich die zunehmende ästhetische Überlegenheit der französischen Kunst, 75 Kat. Max Emanuel 1976, 2 Bde. 76 Hubala 1966, S. 198, Anm. 8; S. 180. In seinem Aufsatz über das Berliner Schloss und die verschiedenen dort tätigen Architekten prägte Hubala zudem den Begriff der „Korrespondenzarchitektur“: Unabdingbar sei die Heranziehung berühmter Architekten für ehrgeizige Projekte gewesen, was die topographischen Unterschiede verschliffen habe; Hubala 1965, S. 311–344. 77 Hierzu besonders Straub 1969b, der ohnehin den Wiener Hof für das wichtigere Vorbild für die Wittelsbacher hält; Klingensmith 1993; Graf 2002. Im Verlauf der vorliegenden Studie folgen weitere Angaben. 78 Dieser nicht unproblematischen Differenzierung werde ich mich später intensiver widmen, da als Grundlage zunächst ein Blick auf weitere Rahmenbedingungen nötig ist; vgl. den Abschnitt Interdynastisches Ansehen und Konkurrenzstrukturen in Kapitel 2.

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vor allem im profan-höfischen Bereich: So könnten laut Hauttmann die von Robert de Cotte dem Kurfürsten Max Emanuel 1714 in Saint-Cloud vorgelegten Pläne für das Neue Schloss Schleißheim die Überlegenheit des französischen Architekten gegenüber dem italienischen (Zuccalli) verdeutlichen, die Hauttmann in der Verbindung des grand style mit gesteigerter Wohnlichkeit und rationellster Raumdisposition erkennt.79 Unschwer ist zu beobachten, dass diese Vorschläge der Forschung auf unterschiedliche Untersuchungsebenen führen. Es wird historisch-politisch argumentiert, auch ästhetisch oder ebenso auf persönliche Motivationen, insbesondere geschmackliche Vorlieben, verwiesen. Die Beschränkung indessen auf eine je einzige Begründungsweise erscheint angesichts der vielschichtigen Prozesse der Wahrnehmung und der Vermittlung und schließlich der Rezeption von Modellen im Reich ebenso wenig angemessen wie der Versuch, von einem klaren und sogar mit Jahresangabe datierbaren Paradigmenwechsel zu sprechen: Die Komplexität dieses Vorgangs – allein was die unterschiedlichen Adaptionsvorgänge innerhalb der einzelnen Gattungen betrifft – verbietet die Festlegung auf einen bestimmten Zeitpunkt. Bevorzugt wird in der Forschung eine Interdependenz zwischen politischen Bündnissen und der Übernahme von Modellen festgestellt – das Beispiel Max Emanuel mit seiner profranzösischen Haltung wird immer wieder angeführt. Diese weit verbreitete Begründungsannahme mag angesichts des diplomatischen Geschenkeverkehrs durchaus eine auch materiell belegbare Relevanz besitzen;80 jedoch greift diese Vorstellung bei den Mechanismen, welche die Übernahme und Umformung von Modellen regulieren, zu kurz. Vielmehr wäre grundlegend zu klären, inwiefern die Ebene der von Krisen und Diskontinuität geprägten politisch-diplomatischen Beziehungen mit der Ebene des künstlerisch-kulturellen Transfers zwischen den europäischen Fürstenhäusern überhaupt in Einklang zu bringen ist. Ein Blick auf die historisch-politischen Rahmenbedingungen ist daher notwendig – denn zweifellos gab es eine Interdependenz von politischem Ereignis und einem gesteigerten Repräsentationsbedürfnis, dessen Ausprägung jedoch hinsichtlich der Inanspruchnahme fremder Modelle zu untersuchen ist. Wichtig ist dabei zudem die geweitete Perspektive, gilt es doch entgegen einer bipolaren Dynamik die Anforderungen und Erwartungen an eine höfische Repräsentationskultur im 17. und 18. Jahrhundert innerhalb eines konkurrenzgeprägten multilateralen, vorsichtig ausgedrückt: eines „europäischen“ Netzes zu analysieren,81 um den Blick für Identitäten und Differenzen schärfen zu können. Dem Begriff der Modellrezeption ist jener der Kon79 Hauttmann 1911, S. 263. 80 Etwa wenn Liselotte von der Pfalz am 13. Mai 1706 aus Marly an Raugräfin Amelie Elisabeth schreibt: „Es kann leicht sein, daß dießer hertzog viel frantzöß silbergeschirr hatt; den er ist lang gutt frantzösch geweßen, da mag er woll viel pressenten bekommen haben.“ Elisabeth Charlotte 1676–1706 (1867), S. 460, Nr. 311; der „hertzog“ ist Anton Ulrich von Wolfenbüttel. Zu den wertvollen Geschenken Ludwigs XIV. an die Kurfürstin Luise Henriette 1666 vgl. Hahn 1998b, S. 27. 81 Dies gilt nicht minder für die Dynastie der Bourbonen selbst. Zum Einfluss des dynastischen Modells „Habsburg-Spanien“ auf das Modell der bourbonischen Monarchie unter Ludwig XIV. vgl. Jean-Frédéric Schaub, La France espagnole. Les racines hispaniques de l’absolutisme français, Paris 2003.

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kurrenz der Modelle zur Seite zu stellen.82 Die Modelle rekrutieren sich dabei nicht nur aus fremden, sondern auch aus eigenen, bereits lang etablierten Strukturen. Das Thema des Kulturtransfers und der Modellrezeption verlangt angesichts dieser Beobachtungen eine weitere Entfaltung, einen theoriegeleiteten Zugang. Das Erkenntnisinteresse, das methodologische Vorgehen und die Gliederung seien im Folgenden erläutert.

Erkenntnisinteresse und Methode: Objekte, Akteure, Prozesse, Quellen Allgemein formuliert, verfolgt diese Studie eine Analyse ausgewählter Aspekte der Repräsentationskultur der Wittelsbacher zwischen 1650 und 1730 mit Blick auf Fragen der Modellrezeption und des Kulturtransfers insbesondere zwischen Frankreich, Italien und den deutschen Reichsterritorien. Das Interesse gilt dabei weniger dem Bemühen, im Einzelnen darzulegen, was – auf rein formaler Ebene – als „französisch“ oder „italienisch“ oder „deutsch“ zu bezeichnen ist. Es wird ebenso wenig eine lückenlose Aufarbeitung des künstlerischen und kulturellen Geschehens in Kurbayern zwischen 1650 und 1730 versucht. Vielmehr wird angesichts der einen Zeitraum von gut achtzig Jahren umfassenden Perspektive ein systematisierender und synthetisierender Überblick angestrebt, bei dem weniger die Chronologie des Geschehens als vielmehr die Strukturen einzelner Prozesse an Beispielen dargelegt werden. Es werden verschiedene Aspekte – von formalästhetischen über mentalitätsgeschichtliche, sozioökonomischen bis hin zu dynastischrepräsentativen – zu berücksichtigen sein, um die künstlerischen Entwicklungen als Teil einer transterritorialen Kommunikation zu verorten. Besonders wichtig erscheinen dabei die Differenzen, die innerhalb des europäischen Diskurses nicht allein in der baulich anschaulichen Gestalt, sondern auch in der zeitgenössischen Wahrnehmung erkennbar werden. Denn hinsichtlich der künstlerischen Beziehungen zwischen Frankreich, Italien und den deutschen Territorien wird man ab dem späteren 17. Jahrhundert mit einer Vielzahl und Vielfalt von Quellen konfrontiert, die den Prozess der Modellrezeption begleiten und kommentieren sowie die Rezeption konstituieren. Das bedeutet zugleich, dass nicht primär die Objekte selbst, sondern die zeitgenössische Wahrnehmung der Objekte im Zentrum steht, auch die ihrer Planungs-

82 Eine Neubewertung der dynastischen Konkurrenz in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts, wie sie in den Geschichtswissenschaften bereits diskutiert wird, hat bisher die Kunstgeschichte nur sehr zögerlich erreicht; einen interdisziplinären Versuch, dieses Desiderat aufzuarbeiten, leistete die Marburger Tagung „Konkurrierende Modelle im dynastischen Europa: Habsburg, Bourbon, Oranien 1700“, 19.–21. Oktober 2006; vgl. Bourbon – Habsburg – Oranien 2008. Siehe auch (mit geringer kunsthistorischer Beteiligung) den Sammelband: Staatsbildung als kultureller Prozess. Strukturwandel und Legitimation von Herrschaft in der Frühen Neuzeit, hrsg. v. Ronald G. Asch u. Barbara Freist, Köln 2005.

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prozesse.83 Die Prämisse bildet freilich die Vorstellung, dass der künstlerische Rezeptionsprozess – sofern man eine soziale Gebrauchsweise von Kunst und Kultur voraussetzt und Architektur als einen in der jeweiligen Mentalität gründenden Ausdrucks- und Funktionsträger versteht – nicht losgelöst von seinem politisch-sozialen und kulturellen Umfeld gedacht werden kann.84 Der hier schon vielfach benutzte Begriff des „Modells“ sei an dieser Stelle kurz erläutert, zumal er sich als nicht ganz unproblematisch erweist.85 Seine unterschiedlichen Ausprägungen – etwa Vorbild, Muster, Exempel, Referenz etc. – besitzen ihre je eigene Valenz im kulturellen, künstlerischen, mentalen oder politischen Bereich und werden zudem in den jeweiligen Fachdisziplinen auch unterschiedlich diskutiert.86 Den vielschichtigen Verwendungsweisen des Begriffs liegt die antike Vorstellung des idealen Maßes – „modulus“ – zugrunde.87 Das Modell „modelliert“ einen Idealtyp; daher bietet sich der Begriff „Modell“ in unserem Zusammenhang an. Modellbildung ist dabei immer mit einer Reduktion von Komplexität bzw. einem Abstraktionsprozess verbunden. Der Begriff des Modells wird somit als „Abstraktion von“ verwendet: Ein Modell beschreibt die Eigenschaften eines realen Systems auf einem hohen Abstraktionsniveau. Es werden generalisierend und vereinfachend komplexe Sachverhalte schematisch dargestellt. Auf diese Weise kann ein Modell der Orientierung dienen. Es sind idealisierte Prototypen oder mustergültige Beispiele, die nicht allein als ein Vorbild oder Muster nützlich sind, sondern in denen sich vielmehr ein Maß widerspiegelt, das eine allgemeine Geltung beanspruchen kann. Natürlich bedarf diese hier sehr abstrakte Defini83 Als ähnliches Interesse in den Geschichtswissenschaften sei auf den Beitrag von Vierhaus verwiesen, in dem er fordert, den Fokus nicht nur auf die Erforschung konkreter historischer Begebenheiten zu richten, sondern vor allem auf „die Formen der Wahrnehmung von Wirklichkeit, ihrer Deutung und Gestaltung durch Wissen; [...] die Denkformen und Handlungsspielräume der Menschen unter den jeweiligen konkreten geschichtlichen Bedingungen, die psychisch und kulturell konstituierten Formen und verhaltenssteuernden Wirkungen der Empfindungen, der emotionalen Sensibilitäten, des Glaubens, des Bewußtseins des Menschen.“ Vierhaus 1995, S. 7–28, hier S. 8f. Zu Tradition und Problematik dieses Ansatzes vgl. Tschopp 2005. 84 Es sei an dieser Stelle exemplarisch auf folgenden Sammelband verwiesen: Architektur als politische Kultur 1996. 85 Prägnant formuliert dies Goodman: „Nur wenige Ausdrücke werden […] vieldeutiger gebraucht als das Wort ‚Modell‘. Ein Modell ist etwas, das man bewundert, oder dem man nacheifert, ein Muster, ein Beispiel für etwas, ein Typ, ein Prototyp, ein Exemplar von etwas, eine Attrappe, eine mathematische Beschreibung – beinahe alles von einer nackten Blondine bis zu einer quadratischen Gleichung“; Nelson Goodman, Sprachen der Kunst. Entwurf einer Symboltheorie, Frankfurt 1973, S. 177. 86 Zur „Modell“-Diskussion aus kunsthistorischer Perspektive vgl. jüngst Erben 2008. Zum „Modell Versailles“ vgl. z. B. unten S. 77ff., bes. 83. 87 Der Begriff „Modell“ geht auf den lateinischen Ausdruck „modulus“ zurück, die Verkleinerungsform von „modus“, dem Maß. „Modulus“ bezeichnete in der Antike aber nicht nur die ideale Proportion eines Gebäudes; zugleich wurde mit „modulus“ der Anspruch erhoben, ein umfassendes, ein universales Maß zu benennen. Zur Begriffs- und Bedeutungsgeschichte vgl. jüngst Ingeborg Reichle, Steffen Siegel u. Achim Spelten, Die Wirklichkeit visueller Modelle, in: Visuelle Modelle, hrsg. v. dens., München 2008, S. 9f.; siehe auch Erben 2008, S. 284f.

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tion der Erläuterung und Konkretisierung in der jeweiligen Verwendung und Relevanz, denn das Modell erweist sich als solches erst in der Praxis, zwischen Wahrnehmung und praktischer Aneignung. Was machte z. B. das „Modell Versailles“ zum Modell? Welche Relevanz hatte es in der praktischen Aneignung? Wie hoch war sein Nachahmungspotential? Im Verlauf der Studie werden die jeweils virulenten Gebrauchsweisen der Modelle zur Diskussion gestellt, kritisch hinterfragt und bisweilen gegenstandsbezogen präzisiert. Von grundlegender Bedeutung ist der methodologische Zugriff. In der Kunstgeschichte wird zumeist unter Berufung auf Künstlerindividualität dazu tendiert, die Rezeption von Modellen über territoriale Grenzen hinweg als ein spezifisch künstlerisches Prinzip zu analysieren und zu bewerten, oft mit dem Ergebnis, ein vermeintliches Gefälle etwa von ästhetischen Qualitäten sichtbar werden zu lassen oder nachhaltig zu modifizieren.88 Statt über normative ästhetische Konzepte zu verhandeln, soll es hier darum gehen, historische Prozesse und Debatten herauszuarbeiten, die jenseits von Baugenesen in weiteren Zusammenhängen sichtbar werden. Auf diese Weise kann man der Gefahr entgegensteuern, in engen schematischen Vorstellungen von einer klar ausdifferenzierten Konstellation aus Geben und Nehmen, aus „Einfluss“ und „Wirkung“ auszugehen. Vielmehr werden Austauschprozesse unter dem Gesichtspunkt von im Verlauf und Ergebnis offenen kulturellen Wechselbeziehungen betrachtet und nicht auf einseitige Übernahmen reduziert. Bewusst wurde daher in der vorliegenden Studie nicht der Weg gewählt, den Fragen eines Modellwechsels und der Adaption verschiedener Vorbilder auf dem breiten Rücken einer Künstlerpersönlichkeit am kurbayerischen Hof, etwa Enrico Zuccalli, Joseph Effner oder François de Cuvilliés, nachzugehen. Auch die personengebundene Orientierung im Sinne einer den drei Kurfürstengenerationen folgenden „Auftraggebergeschichte“ steht nicht im Vordergrund, wobei natürlich die Frage nach der Rolle fremder Modelle für die Physiognomie einer Kunstpolitik eine große Bedeutung haben wird. Eine an einzelnen Künstler- oder Auftraggeberindividuen oder auch an einem einzelnen Bau oder einer Bauaufgabe orientierte Untersuchung würde den Blick auf das Gesamtphänomen der Aneignung von Modellen verstellen. Vielmehr gilt es, den Vorgang der Modelladaption, der weit vor seiner Materialisierung am Zeichentisch des Architekten beginnt, in einem Stadium der Perzeption herauszuarbeiten, die Wege der Vermittlung modellhafter Konzepte transparent zu machen und somit künstlerische Transformationsprozesse zu beobachten. Als methodische Inspiration dient das in den vergleichenden Kultur-, Literatur- und auch Geschichtswissenschaften bereits umfassend angewendete Forschungskonzept des 88 Es finden sich häufig Versuche, die „deutschen” Erzeugnisse zu rehabilitieren, etwa Hauttmann 1913/14, S. 3, zu den Porträtstichen von Amling: „Alles in allem kann man sagen, daß die Amlingschen Porträts wohl neben französischen Durchschnittsarbeiten der Zeit bestehen können. Während diese oft nur eine hohle, unpersönliche Vornehmheit geben, erfreuen sie, auch durch ihre breitere Aufmachung und weniger knappe Führung gleich als deutsche Arbeiten erkennbar, häufig durch einen warmen Gefühlston.“

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„Kulturtransfers“.89 Es widmet sich – als „Alternative zum einfachen Vergleich“90 – der „internationalen Verflechtung von Gesellschaften und Kulturen“;91 es gilt der systematischen Untersuchung interkultureller Beziehungen mit Blick auf die dynamischen Prozesse, die sowohl die Ausgangskultur, die Vermittlungsinstanz als auch die Zielkultur miteinander verbindet. Diese zur Beschreibung und Analyse des Transfers kultureller Errungenschaften entwickelten methodischen Herangehensweisen, die keineswegs einheitlich definiert sind,92 wurden vor allem für die Zeit zwischen 1750 und 1914 angewendet. Der geographische Fokus liegt auf dem antithetisch verstandenen Paar Frankreich/ Deutschland im Rahmen der zu konzipierenden Nationalkulturen. Erst seit kurzem wird von historischer Seite die Brauchbarkeit des Konzepts Kulturtransfer auch für die Frühe Neuzeit, insbesondere für das 16. Jahrhundert, erprobt.93 Doch kann dieses Konzept auch aus kunsthistorischer Perspektive, wie ich an anderer Stelle bereits erläutert habe,94 einen gewichtigen Beitrag zu einer kritisch revidierenden Sicht auf die Rezeption fremder künstlerisch-architektonischer Modelle im Reich zwischen 1650 und 1730 leisten – sofern man eine sensible Anpassung, besonders terminologischer Art, an die Forschungsgegenstände und die -methoden der Kunstgeschichte 89 Von Germanisten/Literaturwissenschaftlern seit den späteren 1980er, von Historikern seit den 1990er Jahren intensiv eingesetzt; es sind vor allem die Germanisten Michel Espagne und Michael Werner zu nennen; vgl. Espagne/Werner 1985, S. 502–510; Kulturtransfer im Epochenumbruch 1997; Marianne – Germania 1998. Zur Forschungsgeschichte, zum theoretischen Fundament und weiterer Literatur vgl. den instruktiven Beitrag von Middell 2001. 90 Espagne 2003, S. 64. Vgl. auch das Konzept der „métissage“: Espagne 1999, S. 1–6. 91 Dieses Zitat entstammt folgender Studie, die den Medien des Transfers wie Zeitschriften, Enzyklopädien und Monographien besondere Beachtung schenkt: Lüsebrink/Reichhardt 1996, S. 9. Dort wird zudem zwischen „Kulturtransfer“ und „Interkulturalität“ unterschieden: „Sie zielen auf unterschiedliche Dimensionen der Beziehungen zwischen Kulturen: zum einen auf Formen, Inhalte und Aneignungsformen des von einer in die andere Kultur Vermittelten (Kulturtransfer); und zum andern auf Formen, Institutionen der Interaktion von Kulturen (Interkulturalität), der auch die Phänomene des Kulturkontakts und seiner soziokulturellen Ausdrucksformen zuzuordnen sind.“ 92 Das liegt vor allem daran, dass die Grenzen zu anderen Forschungsansätzen einerseits durchlässig sind, andererseits dezidierte Abgrenzungsmaßnahmen vorgenommen werden; z. B. lehnt Espagne, der das Konzept des Kulturtransfers favorisiert, die Vergleichsperspektive ab, weil sie die Unterschiede und Gegensätze verabsolutiere; vgl. Espagne 1994, S. 112–121. Sehr instruktiv ist der Literaturbericht von: Paulmann 1998, S. 649–685. Vgl. auch: Geschichte und Vergleich 1996; Werner/ Zimmermann 2002, S. 607–636; Vergleich und Transfer 2003. 93 Vgl. die Sammelbände Metropolen und Kulturtransfer 2001 sowie Kulturtransfer im 16. Jahrhundert 2003, darin besonders die Beiträge von Espagne und Schmale. Eine erweiterte Perspektive liefert auch der Band Kulturtransfer in Europa 2003. Der in der vorliegenden Studie im Zentrum stehende Zeitraum, das 17./18. Jahrhundert, wurde bisher jedoch weitgehend ausgespart. 94 Vgl. Krems 2004 (2007). Ausgangspunkt meines Beitrags war der Umstand, dass zwar der Begriff „Kulturtransfer“ inzwischen fast inflationär auch in der Kunstgeschichte verwendet wird, es jedoch eine Abgrenzung und Anpassung an das vor allem in den Literaturwissenschaften entwickelte methodische Konzept nicht gab. Middell 2001, S. 50, bemerkt zu Recht, dass die Kunstgeschichte bisher zu wenig an der Kulturtransferforschung partizipiert habe; ebenso Schieder 2000.

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nicht aus dem Auge verliert.95 Denn es gibt erhebliche Differenzen: Das Konzept des „Kulturtransfers“ innerhalb der Literatur- und historischen Wissenschaften nimmt primär die Prozesse und Akteure,96 die Kunstgeschichte jedoch die Objekte in ihr Blickfeld. Damit sind wir bei der Frage angelangt, wie man das Phänomen der Modellrezeption im Reich, insbesondere die große Wirkung des Versailler Hofes und des „Modells Frankreich“ – innerhalb des Wirkens verschiedener Modelle – beschreiben und analysieren kann. Welche Strukturen lassen sich aus dem komplexen Geflecht aus Künstler-, Objekt- und Ideenwanderungen herauslesen und welche Etappen können innerhalb der jeweiligen Prozesse ausgemacht werden? Eine Strukturierung wird in der vorliegenden Studie mittels Aspekten der Perzeption und Kommunikation, schließlich – in einem umfangreichen Abschnitt – der Adaption vollzogen. Gleichwohl sind diese Aspekte nur schwer voneinander zu trennen, sie greifen ineinander, bedingen und verändern sich gegenseitig. Das folgende Kapitel der Studie widmet sich somit zunächst Aspekten der Perzeption und Kommunikation. Hier geht es um die Vielfalt der Perzeptionen, innerhalb derer ein Eindruck vermittelt werden soll, wie die Akzeptanz oder Ablehnung sowie ganz allgemein die Wahrnehmung von Kunst und Architektur italienischer und französischer Provenienz erfolgte. Im Zentrum steht hier die Konstituierung des Modells, die sich vor allem seiner Wahrnehmung verdankt. „Wahrnehmung“ wird dabei weniger als Form sensueller Erfahrung, als vielmehr in einem umfassenderen Sinn verstanden: in einem Modus der Perzeption, der sich in „kognitiven, affektiven und ethischen Dispositionen“ entfaltet.97 Nur angedeutet werden kann die Vielfalt der Strukturen und Wege der Vermittlung, das dichte Netz informeller oder formeller Beziehungsgeflechte und kommunikativer Kontakte,98 die Mobilität der „Transporteure“ und der Objekte. Auch hier bietet das Forschungskonzept des Kulturtransfers wichtige Anregungen, geht es doch darum, Räume sichtbar werden zu lassen, die sich jenseits eines territorialen Zusammenhangs bilden,

95 Ich würde dabei deutlich unterscheiden zwischen dem methodischen Konzept des Kulturtransfers und dem Begriff, denn der Begriff „Kulturtransfer“ eignet sich weniger gut zur Umschreibung des Phänomens des interhöfischen Modelldiskurses ab der Mitte des 17. Jahrhunderts, weil „Kulturtransfer“ im Sinne einer betont reziproken Dynamik verstanden wird, was jedoch in diesem Zeitraum nur in wenigen Beispielen (etwa beim Porzellan) der Fall ist. 96 Ich beziehe mich auf Überlegungen von Middell/Middell 1994, S. 107–122, S. 110: „Die Theorie des Kulturtransfers erfaßt die spezifische Konstellation der Ausgangs- und der Rezeptionskultur und den Prozeßcharakter der ablaufenden Vorgänge.“ 97 Ich beziehe mich hier auf Tschopp 2005, S. 45. Näheres zur historischen Perzeptionsforschung in Kapitel 2, Allgemeine Rezeptionsbedingungen. 98 Zur „Kommunikation“ aus historischer Perspektive vgl. zusammenfassend Wolfgang E. J. Weber, Bildung von Regionen durch Kommunikation. Aspekte einer neuen historischen Perspektive, in: Kommunikation und Region, hrsg. v. Carl A. Hoffmann u. Rolf Kießling, Konstanz 2001, bes. S. 47–55. Vgl. auch (zum 16. Jahrhundert) Keller 2003, S. 271–286.

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die sich von den territorialen Grenzen sogar weit unterscheiden, nämlich „europäische Regionen“, die sich durch die Dichte ihrer kulturellen Beziehungen konstituieren.99 Die Wahrnehmung der Reisenden, die entweder im politischen Auftrag – wichtig sind vor allem die Gesandtenrelationen – oder im Rahmen der obligatorischen „Grand Tour“ unterwegs waren, verhelfen dabei nicht nur zur Information über das Andere, sondern auch über das Eigene: Um etwas über die Bedeutung und Rolle des Münchner Hofes in der Phase nach dem Dreißigjährigen Krieg zu erfahren, wird daher exemplarisch die Gesandtschaft des kurbayerischen Diplomaten Graf Kurz nach Oberitalien Anfang der 1650er Jahre und die Reisen des Wittelsbacher Herzogs Maximilian Philipp in den 1660er Jahren untersucht – zu der Zeit also, als sich im Zuge politischer Veränderungen eine Höfe überspannende Repräsentationskultur herauszubilden begann. Das dritte Kapitel der Studie, der umfangreichste Abschnitt, widmet sich dem Prozess der Adaption von Modellen und damit der Frage, wie die Übertragung fremder Modelle in die eigene architektonische und künstlerische Praxis erfolgte. Hier wird der Fokus auf Kurbayern gerichtet, auf München mit seiner Residenz und das die Stadt umgebende Territorium mit den Landschlössern. Eine zunehmende Orientierung an der Kultur des französischen Hofes ab Ende des 17. Jahrhunderts ist weder für die Wittelsbacher noch für unzählige weitere Höfe im Alten Reich zu leugnen: sie steht außer Frage. Doch darf man annehmen – und hier fehlen bisher umfassende Forschungen –, dass dieser Orientierung durchaus auch eine bewusste Abgrenzung von fremden Mustern und damit ein Prozess kulturell-künstlerischer Autonomisierung gegenüber stand, etwa durch Integration oder Bewahrung eigener traditioneller Elemente. In diesem dritten Kapitel gilt es also Differenzkriterien zu ermitteln und ebenso zu fragen, auf welchen Gebieten, in welchen Medien eine Übernahme und Integration fremder Modelle leichter war und wo demgegenüber eine deutliche Resistenz erkennbar ist. Von einer reinen Imitation des Vorbilds kann ohnehin nicht die Rede sein; vielmehr ging es um die Einbindung und Umdeutung neuer, prestigeträchtiger Bausteine des Vorbilds. Eine Auswahl der profan-höfischen Bauten der Wittelsbacher (Residenz und Landschlösser) und Teile ihrer Ausstattung stehen dabei zwar im Vordergrund, jedoch werden keine einzelnen Baumonographien in chronologischer Reihenfolge präsentiert und analysiert.100 Die Bau- und Ausstattungsprojekte werden vielmehr als Beispiele für verschiedene Leitfragen herangezogen, die sich auf die für Aspekte des Kulturtransfers, der Modellkonstituierung und -rezeption wichtigen Kategorien – Zeremoniell, Tradition, Raum – beziehen.101 99 Zum Verständnis vgl. Middell 2001, S. 44ff. Vgl. auch zu „kulturellen Teilsystemen“ Schmale 2003, S. 43ff. – Von kunsthistorischer Seite erstaunlich konsequent multilateral aufgebaut und sehr hilfreich (wenn auch in Einzelheiten korrekturbedürftig): Troescher 1953/54. 100 Eine vorzügliche zusammenfassende Studie liefert Klingensmith 1993. 101 Die vorliegende Studie stößt auf einige Probleme, denn viele der hier virulenten Fragen sind bisher kaum bearbeitet worden. Da es zudem eine Studie mit ausgeprägter Vergleichsperspektive ist, wird man nicht nur mit Forschungslücken zu den Wittelsbachern konfrontiert, sondern auch mit Forschungslücken zu anderen bedeutenden europäischen Höfen. Den Anspruch einer konsequent

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Wenige Erläuterungen seien noch angefügt zu den Quellen, die dieser Studie zugrunde liegen und die insbesondere den Rahmen der Perzeption definieren. Die Bedeutung der zeitgenössischen Wahrnehmung führt in der Kunstgeschichte noch immer ein Schattendasein gegenüber der Bedeutung des anschaulichen Befundes. Eine Rekonstruktion der zeitgenössischen Perzeption wird hier anhand bisher kaum konsultierter Quellenbestände – jenseits beispielsweise der einschlägigen Architektur-Traktatistik – erarbeitet. Es wurde daher neben dem jeweils baulichen Befund eine breite Quellenauswahl konsultiert, die im weitesten Sinne zwischen „offiziellem“ und „inoffiziellem“ Schrifttum rangiert: Landestopographien und Historiographien, auch eine für das Selbstverständnis der Wittelsbacher um 1700 enorm wichtige Schrift wie der Mundus Christiano-BavaroPoliticus von 1711,102 vor allem Gesandtenberichte103 sowie die an die envoyées ergangenen Instruktionen,104 Reisebeschreibungen und Korrespondenzen, also sogenannte Ego-Dokumente oder Selbstzeugnisse werden exemplarisch berücksichtigt.105 Die bisher favorisierten Quellen zur Beschreibung und Analyse von Stil und Rezeption – zumeist die normative Ebene der Architektur- und Kunsttheorie – werden lediglich als Teil des Diskurses betrachtet, auch wenn freilich kein Zweifel daran besteht, dass Traktate und musterhafte Stichsammlungen für die Vermittlung von Modellen eine enorm wichtige Grundlage bildeten.106 Es sei nur an den Wittelsbacher Kurfürsten Joseph Clemens erinnert, dessen Bildung in Architekturtheorie dank einer imposanten Sammlung einschlägiger Werke sehr hoch gewesen sein muss – ein allgemein für die Wittelsbacher geltendes komparatistischen Arbeit kann die vorliegende Studie daher nicht verfolgen. Zum Antagonismus von Modellen vgl. (zu Paris und Rom) Erben 2004; (zu Wien und Versailles) Duindam 2003. 102 Zum Mundus, als dessen Autor der Sohn des Kaspar von Schmid vermutet wird, vgl. Doeberl 1900, Bd. I, S. 2ff., Straub 1969a; Kruedener 1973, S. 81f.; Skalweit 1973. Ich danke Dr. KarlBorromäus Murr (München/Augsburg) für die Einsichtnahme in das transkribierte Manuskript des Mundus. 103 Es handelt sich um die Berichte der französischen und savoyischen Gesandten über den kurbayerischen oder kurkölnischen Hof; die französischen Berichte liegen unter der Correspondance politique (CP) in den Archives du Ministère des Affaires étrangères, Paris (AAE). Die Turiner Berichte liegen im Archivio di Stato, Turin (AST). 104 Das sind die Instruktionen, die den Gesandten jeweils vom Ministère des Affaires étrangères mit auf den Weg gegeben wurden. Sie sind zum großen Teil publiziert. Aus der mehrbändigen Quellensammlung „Recueil des instructions données aux ambassadeurs et ministres de France depuis les traités de Westphalie jusqu’à la Révolution française“ vgl. Instructions (Bavière) 1649–1744 (1889); Instructions (Cologne) 1698ff. (1963). 105 Zu den „Ego-Dokumenten“ zählt Schulze 1996, S. 14 „solche Quellen, die Auskunft über die Selbstsicht eines Menschen geben, vorwiegend und zunächst einmal also autobiographische Texte.“ Hierunter fallen Autobiographien, Memoiren, Tagebücher, persönliche Reiseberichte, Korrespondenzen. Zu einer Präzisierung dieser Definition vgl. ebd., S. 28. Vgl. auch Benigna von Krusenstjern, Was sind Selbstzeugnisse? Begriffskritische und quellenkundliche Überlegungen anhand von Beispielen aus dem 17. Jahrhundert, in: Historische Anthropologie, 2, 1994, S. 462–471. Diese Klassifizierung ist natürlich auch problematisch, denn Ego-Dokumente waren ebenfalls erheblichen Konventionen unterworfen, erfolgten selten ohne Vorgaben. 106 Dazu Colombier 1956, S. 76. Zu Paul Decker vgl. etwa Kutscher 1995, S. 106–110; zu d’Aviler/Sturm Köhler 1997.

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Phänomen.107 Doch haben wir es hier mit hochreflektierten, anspruchsvollen Texten zu tun, in denen sich zumeist Fachleute innerhalb von Wissenschaftssystemen mittels einer Fachterminologie untereinander oder in Hinblick auf ein gebildetes Publikum verständigten. Daher werden diese genuin kunsthistorischen Quellen (nur) herangezogen, um die mögliche Infiltrierung theoretischen Materials in Laiendiskurse zu überprüfen. Gerade die Korrespondenz zwischen dem Bauherrn und dem Architekten, etwa Joseph Clemens und Robert de Cotte, wird dann von Interesse sein, wenn die Vorschläge des Architekten auf ein „praktisches“ Maß heruntergebrochen und theoretische Aspekte in konkreten Projekten über Nationendifferenzen hinweg fruchtbar gemacht werden – denn über den Vorgang der Transformation von Modellen, ihre Anpassung an die jeweiligen Bedürfnisse, geben die Architekturtraktate relativ wenig preis. Gerade der nicht auf eine Quellengattung beschränkte, sondern der auf eine Reihe unterschiedlicher Quellen erweiterte Blick soll die Frage klären, ob ein Modellwechsel und ein damit einhergehender Wandel überhaupt registriert oder sogar kommentiert wurde. Es stehen dabei mehrere Perspektiven zur Auswahl, die den jeweiligen Ort betreffen: zum einen die Wahrnehmung dessen, was denn französische oder italienische Kunst und Hofkultur sei, was also in Frankreich, in Paris und Versailles, oder in Italien vorzufinden ist. Zum andern geht es um den Blick auf die Bewertung von Kunst und Architektur am Wittelsbacher Hof und den dort sichtbaren Wandel. Ziel sollte es sein, den Prozess der Modelladaption mit einem möglichst engmaschigen Netz aus historischem Material zu überziehen – ein Ziel, das angesichts der mangelnden Quellendichte freilich nur als Annäherung zu verstehen ist.108

107 Joseph Clemens’ Interesse ist dem Versteigerungskatalog seines Nachlasses zu entnehmen, der Werke von d’Aviler, Félibien oder auch Kupferstichfolgen Silvestres aufführt; dazu Kalnein 1956, S. 37f. Bei den Wittelsbachern hatte diese Kenntnis des kurfürstlichen Bauherrn freilich Tradition. Die Hofbibliothek Maximilians I. wies einen außergewöhnlich reichen Bestand an theoretischen Büchern auf; Maximilian bewahrte Architekturbücher in seinen Privatgemächern auf; vgl. Rupert Hacker, Die Münchner Hofbibliothek unter Maximilian I., in: Kat. Wittelsbach 1980, Bd. II, S. 357. 108 Es fehlt, gerade von kunsthistorischer Seite, an der systematischen Erschließung von sogenannten Ego-Dokumenten, von Diarien und Chroniken, Memoiren und Reiseberichten. Das betrifft auch die Wittelsbacher-Forschung: So sind etwa die im Turiner und Parmenser Archivio di stato liegenden Briefe Henriette Adelaides an Familienmitglieder in Italien bisher noch zu wenig bekannt oder gar systematisch ausgewertet worden. Sie geben über die Nutzung der Schlösser, über die Funktion einzelner Räume, indirekt auch über die Einschätzungen von Gästen lebhaft Auskunft. Grundlegend, von historischer Seite: Merkel 1892; Bary 2004. Für die vorliegende Studie wurden die in Turin liegenden Briefe durchgesehen. Ebenso sind bisher die Reisen der Wittelsbacher kaum ausreichend untersucht oder die dazu vorhandenen schriftlichen Zeugnisse, auch Tagebücher, ediert. Die Reisediarien ruhen, oft unbearbeitet, in der Handschriftenabteilung der BayStB oder im GHA. Nur die Italienreise Karl Albrechts liegt publiziert vor, jedoch nicht in einer verlässlichen Form; vgl. Reise Karl Albrecht 1715 (1971); vgl. auch das jüngst publizierte Reisejournal Clemens August 1719–1745 (2000). Eine ähnlich lückenhafte Grundlage gilt für die Reisen der Architekten und Künstler.

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Bevor jedoch die künstlerischen Aspekte stärker in den Vordergrund rücken, gilt es, die historischen Rahmenbedingungen zu erläutern, womit ich zum zweiten Kapitel überleite. Sie bilden die Grundlage zum Verständnis der spezifischen Ausprägungen des Kulturtransfers und der Modellrezeption in dem Jahrhundert nach dem Dreißigjährigen Krieg. Es geht mir dabei weniger um die Erläuterung der Ereignisse, um das ständige Auf und Ab der Wittelsbacher Politik. Es geht vielmehr um die Formierung einer spezifischen politischen Kultur nach dem Westfälischen Frieden und besonders ab den 1660er Jahren, deren Koordinaten im interdynastischen Ansehen und in einer ausgeprägten Konkurrenzstruktur innerhalb des europäischen Staatensystems zu suchen sind.

1.  Politische Kultur und kulturelle Praxis

Souveränität, Gesandtschaftswesen und Internationales System Als ein grundlegender Faktor für die Physiognomie der reichsfürstlichen Repräsentationskultur auch in Kurbayern ist die zunehmende politische Souveränität zu nennen, die den Reichsständen ab der Mitte des 17. Jahrhunderts zu Teil wurde. Der Friedensvertrag von 1648, der besonders Frankreich aufgrund der Schwächung der Habsburger-Macht im Westen bedeutende Erfolge brachte, bestätigte die Landeshoheit der Reichsstände, band den Kaiser in der Gesetzgebung und in der Ausübung des ius pacis et belli an die Zustimmung des Reichstages und erkannte das bisher umstrittene Bündnisrecht der Reichsstände mit auswärtigen Mächten an.1 Kurzum, der Wandel der politischen Konstellationen im Reich seit 1648 hatte allgemein ein stark gestiegenes Selbstbewusstsein der Fürsten zur Folge, auch wenn – Montesquieu nannte die Reichsfürsten „les martyrs de la souveraineté“2 – sich die gewonnene Souveränität in der politischen Realität oft weit bescheidener darstellte.3 Bekanntlich wollten die herrschenden Territorial-Fürsten des Reiches – die ja Lehensträger des Kaisers blieben – an europäischen Höfen gemäß gekrönten Häuptern empfangen werden,4 doch wurde diese Erwartung gerade am französischen Hof oft enttäuscht. Dort durften deutsche Potentaten im stolzen Bewusstsein ihrer vermeintlichen territorialen Souveränität mitunter feststellen, dass sie hinter bestimmten Vertretern des nichtsouveränen französischen Schwertadels zurücktreten mussten. Frankreich habe, so Lünig 1719, ob es gleich der Haupt=Sitz aller Höflichkeiten zu seyn praetendiret, dennoch denen Churfürsten in Ansehung des Ceremoniels viel Schwürigkeiten gemacht.5

1 Zur Schwächung der kaiserlichen Position im Reich und damit der Umkehrung der Entwicklung in Frankreich gehört neben der Festschreibung der ständischen Rechte auch die Trennung der österreichischen von den spanischen Habsburgern. Zur Entwicklung nach 1648: Kruedener 1973, Bauer 1997. Zur Rolle Kurbayerns insbesondere Kruedener 1976; Aretin 1986, S. 209– 240. 2 103. Brief, 1717; Montesquieu 1721 (1873), Bd. II, S. 26. 3 Vgl. hierzu etwa Aretin 1986, S. 67ff. 4 Zur Erwartung der kurfürstlichen Ambassadeurs, an europäischen Höfen wie königliche Botschafter behandelt zu werden, vgl. Rousset de Missy 1746, S. 87: „Il est notoire que les Electeurs de l’Empire se prétendent égaux aux Rois & qu’ils suivent, & à la Cour Impériale & ailleurs, immédiatement les Têtes couronnées. C’est aussi un usage ordinaire que l’Ambassadeur ou l’Envoyé d’un Roi donne indisputablement dans son Hôtel & à sa table la Main droite & la Place d’Honneur à un Ambassadeur ou Envoyé Electoral qui lui fait visite [...].“ 5 Lünig 1719, Bd. I, S. 389.

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Das Incognito war der oftmals rettende Anker, entweder um einen zu hohen finanziellen Aufwand oder aber um Präzedenz-Streitigkeiten und damit politische Missstimmigkeiten zu vermeiden.6 Auch der Wittelsbacher Kurfürst Max Emanuel erlebte nie einen offiziellen Empfang seiner Person in Versailles.7 Diese Diskrepanz zwischen ideellem Anspruch und politischer Realität hatte für die Reichsstände einige Konsequenzen auch kulturpolitischer Art: Auf diese Weise wurde – gleichsam als Kompensation – der Umstand gefördert, dass die nur auf dem Papier gewonnene Souveränität im Bereich kultureller Repräsentation nahezu zur Verpflichtung wurde und die Reichsstände vor neue Aufgaben stellte.8 Zunächst, nach dem Dreißigjährigen Krieg, galt es angesichts des kriegsbedingten zivilisatorischen Niedergangs den Anschluss an die kulturelle Entwicklung des Auslands wiederzugewinnen. Das betraf besonders auch Kurbayern. Der Dreißigjährige Krieg, in dessen Anfangsjahre die Erhebung Herzog Maximilians I. in den Kurfürstenstand erfolgt war (1623), hatte aus dem Kurfürstentum Bayern ein zweitrangiges Territorium gemacht. Die langsame Konsolidierung der stark in Mitleidenschaft genommenen Stadt München9 spiegelt sich in der erst um 1660 erkennbaren Wiederaufnahme größerer Bauprojekte. Als die wichtigsten ersten Bauten in der Regierungszeit Ferdinand Marias gelten das Opernhaus am Salvatorplatz (1657 eröffnet) und das großdimensionierte Turnierhaus (1660/61) – zwei Bauten, die eine Funktion innerhalb des Festwesens und damit des wichtigsten Pfeilers der kurbayerischen Repräsentationskultur besaßen.10 Ein weiterer Effekt der gewandelten politischen Konstellationen im Reich nach 1648, der auch für künstlerisch-repräsentative Belange von großem Interesse war, lag in der zunehmenden Intensivierung der zwischenstaatlichen Kommunikation im Rahmen der Entstehung und Entwicklung der neuzeitlichen Diplomatie.11 Die größere Souveränität ließ die Reichsstände zunehmend teilhaben an der internationalen Politik, am Staatensystem.12 Hier liegen bedeutende, fast greifbare Schnittstellen zwischen Politik 6 Rohr 1733 (1990), S. 343, verweist auf das Beispiel des russischen Zaren Peter d. Gr. in Wien 1698. 7 Das verdankt sich während seines Exils in Frankreich (1709–15) indes der Tatsache, dass er aufgrund der Reichsacht 1706 seine Länder und Würden eingebüßt hatte. 8 Zum Beispiel der Hohenzollern vgl. Hahn 1998b. 9 Zur katastrophalen Situation in Kurbayern während und nach dem Dreißigjährigen Krieg (mit dem Höhepunkt der Plünderung durch die Schweden und ihrer deutschen Verbündeten 1632) vgl. Doeberl 1898, S. 162f. Die Bevölkerungsverluste im Dreißigjährigen Krieg beliefen sich in Bayern auf 30–40 %. Vgl. auch Duchhardt 1988, S. 11. 10 Zu den Festen vgl. Straub 1969. 11 Zur kostspieligen diplomatischen Präsenz an den großen Höfen durch ständige Gesandtschaften, also die Unterhaltung einer stehenden Diplomatie, vgl. besonders McKay/Scott 1983. 12 Unter „Staatensystem“ wird laut Duchhardt „eine durch zahlreiche kulturelle, ökonomische und politische Verflechtungen verbundene Vielheit von politischen Organismen“ verstanden; vgl. Duchhardt 1996, S. 1–9, hier: S. 2. Siehe auch: Kontinuität und Wandel in der Staatenordnung der Neuzeit. Beiträge zur Geschichte des internationalen Systems, hrsg. v. Peter Krüger, Marburg 1991; Strukturwandel internationaler Beziehungen: zum Verhältnis von Staat und internationalem System seit dem Westfälischen Frieden, hrsg. v. Jens Siegelberg u.a., Wiesbaden 2000.

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und Kunst, denn die Formen einer intensiveren zwischenstaatlichen Kommunikation bildeten sich deutlich im Schlossbau ab: Mit Blick auf die Orte der Kommunikation und Politik gelangt man zu Raumfolgen, die das Innenleben von Schlössern regulierten anhand der Erfordernisse zeremonieller Funktionsweisen. Das Gesandtschaftszeremoniell und Fragen des Titulaturstils erhielten eine nochmals gesteigerte politische Bedeutung.13 Die Diplomaten waren dabei nicht allein politische Repräsentanten ihres Landesherrn, sondern auch Vertreter ihres Heimathofes. Die Art und Bedeutung dieser Repräsentation des eigenen Hofes und Dienstherrn seitens der Gesandten betont Lünig 1719 eindringlich: Denn weil ein Ambassadeur die Person seines Principalen vorstellen, seine Hoheit und Reichthum außerhalb Landes zeigen, und ihn bey den Ausländern in grossen Credit zeygen soll; so kann es nicht anders seyn, als dass er sich sehr prächtig aufführen muß. Denn dadurch erwirbt sich ein Potentate nicht geringes Ansehen und Hochachtung bey frembden Nationen, indem insgemein dergleichen äusserliche Pracht eher in die Augen, als in den Verstand fällt, und sonderlich den Pöbel in die Gedancken setzet, ein dergleichen Ambassadeur, welcher mit propren Carossen, kostbahren Libereyen, herrlicher Equipage und andern Dingen mehr pranget, sey von einem Potentaten gesendet, unter dessen Regierung die Unterthanen so gesegnet und glücklich, als zu den Zeiten Salomonis leben müßten.14

Gesandte waren also nicht allein Beobachter, Kommentatoren und Gestalter der politischen Situation; sie waren zudem Träger und zugleich Multiplikatoren der aktuellen künstlerischen Repräsentation – eine Aufgabe, die bis in die eigene Wohnsituation an dem Ort ihrer Mission ablesbar ist. Sie sollten nämlich in einem Appartement logieren, das sich in Struktur und Ausstattung fast wie eine kleine Kopie der Behausung ihres Dienstherrn darbietet; so berichtet Lünig 1719 von den baulichen und ausstattungsspezifischen Erfordernissen einer „Ambassadeurs-Wohnung“, die bequem und nett seyn muß. Zur Bequemlichkeit gehöret überhaupt eine gute Situation des Quartiers, eine commode Einfahrt, geraume Stallung, weite und lichte Treppen, gute Keller und Küche, ein geraumes Tafel-Zimmer, ein oder zwei Vorgemächer, ein Audienz und Retirade-Zimmer, ein bequemes Schlaff-Gemach, ein Cantzley-Zimmer und zulängliche Quartierung vor die Domestiquen. Zur Nettigkeit wird insgemein erfordert die allen 13 Früh formulierte dies Heinz Duchhardt, Imperium und Regna im Zeitalter Ludwigs XIV., in: HZ, 232, 1981, S. 555–581, hier S. 562: „Politik wurde im Zeitalter des Absolutismus nicht nur mit Kriegen gemacht, Politik – und das hieß Kampf um Prestige, Wettbewerb um Plazierungen in der Staatengesellschaft [...] – wurde vielmehr in einem ganz erheblichen Maß auf die viel subtilere Ebene des Protokolls und des Zeremoniells verlagert.“ Pointiert formuliert Rahn 2002, S. 23: „Die Statuskonkurrenz zwischen den Höfen wird auf dem agonalen Spielfeld des Zeremoniells ausgetragen.“ Vgl. auch Stollberg-Rilinger 1997. 14 Lünig 1719, Bd. I, S. 386. Dass das einen enormen finanziellen Aufwand verursacht, stellt Lünig freilich auch fest, jedoch spreche die Praxis dafür, so „daß der Nutzen, den [die] von den Ambassaden haben, die daraus gewendete Unkosten weit übertreffen müsse“.

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Standes-Personen erlaubte Meublierung, welche aus schönen Tapeten, Tischen, Stühlen, Vorhängen, Spiegeln, Betten, Tisch-Service und Garderobe &c. bestehet; insonderheit aber die einem Ambassadeur allein zuständige Meublierung, worunter der Dais oder ThronHimmel, der Parade-Stuhl und das Bildniß des Principalen verstanden wird.15

Vor allem das Audienzzimmer und damit der Ort der konkreten politischen Kommunikation sollte besonders kostbar ausgestattet sein.16 Diese Forderung spiegelt sich auch im deutschen Residenzschloss. Denn die veränderten Gegebenheiten mit der intensivierten Teilhabe am europäischen Mächtesystem hatten freilich auch für die Repräsentation am eigenen Hofe weitreichende Folgen: Es galt, einem sich etablierenden und vielfältig kommunizierten Standard zu entsprechen.17 Ablesbar wird der gesteigerte Aufwand an der quantitativen Entfaltung des Hoflebens, der Zunahme an Hofordnungen und vor allem am Wachstum des Hofpersonals, das in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts besonders steil verlief18 – eine Entwicklung, die Liselotte von der Pfalz aus der Perspektive ihres französischen Aufenthalts als Herzogin von Orléans missbilligend beobachtete: Teütschlandt muß unerhört geendert sein seyder meiner abreiße; aber machen sie mehr ceremonien, so wirdt die teütsche vertreülichkeit auffhören undt sich selber in zwang setzen.19

Den höchsten Personalstand wies der Wiener Kaiserhof auf.20 Die Wittelsbacher in München folgten an zweiter Stelle vor den Wettinern in Sachsen.21 Der wachsende Hofstaat 15 Lünig 1719, Bd. I, S. 386. Vgl. auch Rohr 1733 (1990), S. 385f. 16 Rohr 1733 (1990), S. 395. Zur „Ambassadeurs-Wohnung“ als Teil der Repräsentation des Diplomaten gibt es nahezu keine kunsthistorische Forschung. In den Geschichtswissenschaften hat die „neue“ Diplomatiegeschichte im Rahmen der „Geschichte der Internationalen Beziehungen“ bereits seit einigen Jahren Hochkonjunktur. Vgl. zuletzt: Internationale Beziehungen 2006; vgl. besonders auch die Sammelbände Internationale Beziehungen 1989; Internationale Geschichte 2000. – Angesichts der meist unzureichenden Besoldung der Gesandten kam das Amt nur für Personen aus begüterten und hochadeligen Familien in Betracht; es stellte aber zugleich eine wichtige politische Investition dar, da sich nach der Gesandtschaft die Möglichkeit bot, in hohe Positionen am Hof zu gelangen; vgl. Pečar 2003, S. 42f. 17 Vgl. auch Bauer 1997, S. 32. Zur Kommunikation dieser Standards vgl. noch unten den Abschnitt Reputation, Informationsbeschaffung, Wettbewerb. 18 Zum Zusammenhang von Rangerhöhung und stark vermehrtem Aufwand des Hofes vgl. Baumgart 1981, S. 29. Vgl. auch Kruedener 1973 und die Beiträge in Höfe und Hofordnungen 1999. 19 Brief an Raugräfin Luise aus Versailles am 23. November 1703; Elisabeth Charlotte 1676–1706 (1867), S. 333, Nr. 199. 20 Im Jahre 1576 waren es noch 531 Personen, 1674 bereits 1966 und 1730 2175 Personen; Kruedener 1973, S. 4. 21 Zu Beginn des 18. Jahrhunderts wies Dresden 460 Personen auf, 30 Jahre später 700 (Blaschke 1974, S. 148); unter Max Emanuel gab es um 1700 ca. 2000 bayerische Hofmitglieder (Kruedener 1976, S. 120), 1747 noch 1400 (Hartmann 1992a); die Höfe der Kurpfalz und Württembergs stießen in der 2. Hälfte des 18. Jahrhundert in vergleichbare Größenordnungen vor. Siehe auch Müller 1995, S. 30.

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führte dabei auch – das wird noch näher zu betrachten sein – zu strukturell-baulichen Veränderungen in der architektonischen Repräsentation. Doch wird der gesteigerte Aufwand ebenfalls an den höfischen Bauprojekten selbst ablesbar: Die Wittelsbacher – auch dies ein Grund, weshalb sie sich gut als Untersuchungsgegenstand für unsere Fragestellung eignen – haben dabei überdurchschnittlich viel in kulturelle Belange, vor allem auf dem Bausektor, investiert. Die Ausgaben waren am Münchner Hof prozentual bezogen auf die Einkünfte höher als an anderen europäischen Residenzen.22 Nach den Kategorien in Mosers „Hof=Recht“ von 1754 hatten die Wittelsbacher wohl einen „glänzenden Hof [...], wo man bey vilem Pracht grosse Schulden antrifft“.23 Aber es wurde nicht allein zu den Regierungszeiten Max Emanuels und Karl Albrechts an der Grenze der Finanzierbarkeit gelebt und repräsentiert: Schon unter Kurfürst Ferdinand Maria, 1662, klagte der Hofkammerpräsident Mändl über das „Ybermass“,24 und auch Reichsvizekanzler Königsegg berichtete 1673 von dem großen Interesse des Kurfürsten an der „yberflissigen hofhaltung, beschenkchung der Wellischen und dergleichen“.25 Dass Architektur, vor allem der Schlossbau als Herrschersitz und seine Ausstattung, in diesem Zusammenhang einen bedeutenden Teil der Machtprätention darstellte,26 steht außer Frage: „Wer nit weiß, wer Er sey, / betracht sein Faust im Krieg, im Friden sein Gebäu,“ so heißt es über Max Emanuel bei dessen Tod 1726.27 Die Teilhabe der Künste an der frühneuzeitlichen Herrschaftspraxis, zudem ihre Memorialfunktion können kaum deutlicher gemacht werden. Max Emanuel selbst bezeichnete das im Entstehen begriffene Neue Schloss Schleißheim 1703 als „une mémoire en bâtiment pour ma posterité“, als eine gebaute Erinnerung für seine Nachwelt.28

22 Zu diesem Aspekt vgl. besonders Hartmann 1978; Schmid 1987, S. 195–204. 1735 standen an der Spitze der Ausgaben die Hofbauten mit 32000 Gulden; fast die gleiche Summe galt dem Erwerb von Pretiosen; dann folgten das Jagdwesen mit 25000 Gulden, das Hoftheater mit 24800 Gulden und die Hofmusik mit 8142 Gulden. Für die Hofmalerei wurden nur 857 Gulden veranschlagt. 23 Moser 1754/1755, Bd. I, S. 6. Beim Tod des Kurfürsten Max Emanuel 1726 war mit 25 Millionen Gulden ein Höhepunkt des Schuldenberges erreicht; Schmid 1987, S. 204. 24 „Ybermass bey allen Aemtern, alss Frauenzimmer, Cammerer, Music, Cammerdiener, Medici, etc.“; zitiert nach Merkel 1892, S. 362. 25 Königsegg 1673 (1903), S. 2. 26 Vgl. etwa Ehalt 1980, S. 67; Baumgart 1981; Rudolf Vierhaus, Höfe, in: Absolutismus 1986, S. 127; Müller 2004 zu Spätmittellter und Früher Neuzeit. 27 Ansprache des Apollo an seine Musengesellschaft über den betrübten Hintritt S. Kurfürst. Dl. Max Emanuels, Parnassus Boicus, IV. Teil, München 1726. 28 Max Emanuel an Therese Kunigunde aus dem Feldlager vor Augsburg, 5. Dezember 1703 (GHA, Korr. Akt. 752/8) zu Nymphenburg und Schleißheim: „Mes deux Maisons fauorites ie les reguarde sur le pied que Schleisheimb sera une memoire en batiment pour ma posterité et Ninfenbourg un iouir de touts les plaisirs que peut produire une Maison de Campagne [...]“; zitiert nach Junkelmann 2000, S. XVI.

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Indessen bleibt es nicht allein bei der weit vor dem 17. Jahrhundert bereits topischen Memorialfunktion und Machtprätention;29 vielmehr wird dem Schlossbau im Rahmen der gerade vom diplomatischen Zeremoniell gesteuerten symbolischen Praxis eine wichtige Rolle zugewiesen. Daher stehen im Zentrum dieser Studie das herrscherliche Appartement und damit der Ort der unmittelbaren politischen Kommunikation innerhalb eines zeremoniell geprägten Zeichensystems. Die politische Konstellation im Reich erhielt durch zwei Faktoren eine zusätzliche Dynamik: Ab den 1660er Jahren wurde die Frage der Erbfolge in Spanien virulent. Schon früh wurde über Teilungspläne diskutiert.30 Die großen, auch kulturpolitischen Veränderungen in Kurbayern in den 1660er Jahren werden mit dieser Konstellation – dem „Duell um Europa“31 – in Verbindung gebracht.32 Einen zweiten wichtigen dynamischen Faktor bildeten Optionen auf die Königswürde, die höchst begehrt waren, würden sie doch als ein sicheres Souveränitätsindiz den bereits erwähnten Rangstreitigkeiten Einhalt gebieten: Um 1700 sind die zahlreichen Rangerhöhungen auch in ehrgeizigen Bauprojekten ablesbar.33 Während in Kurbayern die frühere Generation mit Ferdinand Maria, dem „Friedensfürst“,34 noch zurückhaltend gewesen war, war die Aussicht auf eine Rangerhöhung gerade für Max Emanuel, der sich früh, 1683 in der Schlacht um Wien, als „Türkensieger“, als Verteidiger des Christentums und des Reichs etablierte, eine wichtige und immer wieder zitierte Triebfeder35 – die ihn auch schließlich scheitern ließ, weil er, wie Aretin formuliert, „zwischen die Mühlsteine verschiedener politischer Systeme geriet“.36 Das Ringen um Erweiterung und, natürlich, Verteidigung des Territoriums prägte somit die angespannte politische Lage, in der sich in einer Situation extremer Staatenkonkurrenz viele Weichen stellen wie auch Möglichkeiten versiegen werden.37 Im Jahre 1699 musste Max Emanuel durch den plötzlichen Tod seines sechsjährigen Sohnes Joseph Ferdinand, den der letzte spanische Habsburger, Kaiser Karl II., testamentarisch als Erben seiner Monarchie eingesetzt hatte, zunächst die berechtigten Hoffnungen auf 29 Zum Topos von der gebauten Erinnerung vgl. den langen Passus bei Liechtenstein 1670 (1910), S. 89–95. 30 Aus der umfangreichen historischen Literatur vgl. etwa Johannes Burkhardt, Konfession als Argument in den zwischenstaatlichen Beziehungen. Friedenschancen und Religionskriegsgefahren in der Entspannungspolitik zwischen Ludwig XIV. und dem Kaiserhof, in: Außenpolitik im Zeitalter Ludwigs XIV. 1991, S. 135–154. . 31 Schilling 1991. 32 Vgl. Kapitel 3. 33 Die „Rangerhöhung“ bzw. die Aspiration darauf wird in der kunsthistorischen Forschung bevorzugt zur Begründung von Bau- und Ausstattungsprojekten angeführt, vor allem auch zur Deutung ihrer Gestalt; vgl. Hubala 1965, S. 337f.; Kat. Residenzen 1966; Kutscher 1995, S. 80ff. 34 Im Schau-Plaz Bayerischer Helden 1681, S. 482, wird er als „O Friedensfürst“ angesprochen. 35 Zu den verschiedenen von Max Emanuel anvisierten Möglichkeiten, den Königstitel zu erhalten, vgl. Aretin 1986, S. 210f. 36 Ebd., S. 236. Die spätere Generation mit Karl Albrecht verfolgte dieses Ziel auf andere Weise. 37 Anschaulich bei: Bély 1999, besonders S. 307–332.

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ein spanisch-wittelsbachisches Weltreich fahren lassen. Nach dem Tod Karls II. im Jahre 1700 schlug sich Max Emanuel auf die Seite des neuen Erben, Philipp V., und dessen Großvater, Ludwig XIV. Diese Allianz übertrug Max Emanuel vorübergehend die Souveränität über die Spanischen Niederlande, jedoch zwang die verlorene Schlacht bei Höchstädt 1704 während des Spanischen Erbfolgekrieges (1701–1714) den Kurfürsten schließlich in das elf Jahre währende Exil, eine Phase, die für Bayern eine entbehrungsreiche Zeit österreichischer Okkupation bedeutete und im Anschluss daran eine politische Neuorientierung erforderte – getragen von einer großen kulturell-künstlerischen Restitution und Umstrukturierung. Die gewaltigen Anstrengungen Max Emanuels nach seiner Rückkehr 1715 trugen dazu bei, dass die Wittelsbacher innerhalb kurzer Zeit kulturell und damit politisch wieder auf Augenhöhe mit der Reichsfürstenschaft agieren konnten – so zumindest vermittelte es das in der aufwändigen Festbeschreibung zur Hochzeit des Kurprinzen Karl Albrecht mit der Habsburgerin Maria Amalia 1722 (Réjouissances et fêtes magnifiques) nach außen propagierte Bild.38 Als der größte politische Einschnitt der Jahrzehnte zwischen 1650 bis 1730 ist somit der Spanische Erbfolgekrieg mit dem langen Exil des Kurfürsten zu nennen. Auch in der vorliegenden Studie wird dieses Exil eine Zäsur markieren. Die Gliederung orientiert sich also nicht streng an den drei Generationen und Regierungsphasen; vielmehr folgt sie den für unsere Fragestellung zentralen Punkten. Die Rückkehr Max Emanuels aus dem Exil 1715 und der Beginn seiner „zweiten Regierung in Baiern“39 habe, so die Forschung, der französischen Kunst zum Siegeszug verholfen. Jedoch verlangt die ständig bemühte, nahezu topische Vorbildhaftigkeit von Versailles gerade in der Übergangszeit zur Régence – Ludwig XIV. stirbt am 1. September 1715 – und auch im Vergleich zur Zeit vor 1700 eine kritische Hinterfragung. Die hier skizzierte angespannte politische Lage mit dem Wettbewerb rivalisierender Mächte war nicht allein wichtige Motivation, über repräsentative Projekte nachzudenken; vielmehr ging es auch darum festzulegen, welche Rolle in Hinblick auf langfristige politische Ziele bestimmte Modelle, gar ein bewusst herbeigeführter Modellwechsel spielen sollte.40 Denn das gesteigerte Repräsentationsbedürfnis machte es nötig zu entscheiden, wie mit der eigenen Tradition umzugehen sei oder wie viel „Neuerung“ Teil der Repräsentation sein solle und dürfe, ohne das Identitätsgefüge zu verletzen – schließlich sahen gerade die Wittelsbacher in der Anciennität ihrer Dynastie ein entscheidendes, gegenüber den Habsburgern stets geltend gemachtes politisches Argument der Herrschaftslegitimation. Es sei daher im Folgenden die Rolle der Wittelsbacher innerhalb des Staatensystems kurz beleuchtet, ihre Bemühungen um interdynastisches Ansehen und ihre Position zwischen Habsburg und Bourbon.

38 Bretagne 1723. 39 So nennt es Sigmund Riezler, Geschichte Baierns, Bd. VIII: Von 1651–1726, Gotha 1914, S. 327. 40 Zu den brandenburgischen Kurfürsten, die sich sehr an den Niederlanden und dem Haus Oranien orientierten, vgl. Hahn 1998b, S. 11.

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Interdynastisches Ansehen: Heiratsallianzen und Kulturtransfer Kurbayerns politische Präsenz war innerhalb eines auf weite Teile Europas ausgedehnten dynastischen Beziehungsgeflechts wirksam; für das interdynastische Ansehen war dies eine notwendige Voraussetzung.41 Es sei an die von Kurfürst Maximilian I. sehr forcierte Heirat seines Sohnes Ferdinand Maria 1652 mit der Savoyerin Henriette Adelaide erinnert, der Tochter der Christine de France und damit Enkelin von Henri IV, welche die Tradition der Vermählungen der Wittelsbacher mit Habsburgerinnen durchbrach. Knapp dreißig Jahre später, 1680, wurde Max Emanuels ältere Schwester, Marianne Christine (1660–1690), die Gemahlin des Dauphin von Frankreich – eine von König Ludwig XIV. intensiv geförderte Verbindung.42 Die dynastischen Beziehungen der Wittelsbacher zu den Bourbonen waren dank dieser Vermählung, die von beiden Seiten jahrelang aufwändig vorbereitet wurde, so eng wie nie zuvor.43 In der kunsthistorischen Forschung wird meist übersehen, dass auch Maximilian Philipp, der Bruder Ferdinand Marias, bereits seit 1668 mit einer Französin, Mauritia Febronia de la Tour d’Auvergne, Prinzessin von Bouillon, verheiratet war.44 Mit ihr war demnach schon ab Ende der 1660er Jahre eine Französin am kurbayerischen Hof, die jedoch einen schweren Stand hatte wegen eines mangelhaften Stammbaums und einer allzu bescheidenen Mitgift.45 Die jüngere Schwester Max Emanuels, Violante Beatrix (1673–1731), wiederum stellte eine Verbindung der Wittelsbacher mit Mittelitalien her: Sie heiratete 1690 Ferdinando III. Medici, den Erbprinzen von Toskana, Großherzog von Florenz. Schließlich schuf die Ehe Max Emanuels mit der Kaisertochter Maria Antonia, der Enkelin Philipps IV. von Spanien, im Jahre 1685 zum ersten Mal in der bayerischen Geschichte eine wichtige Verbindung zur spanischen Monarchie der Habsburger. Diese Ehe brachte Max Emanuel am Anfang des pfälzischen Krieges 1692 die Statthalterschaft über die Spanischen Niederlande ein. Die zweite Ehe Max Emanuels, nach dem Tod der Habsburgerin (1692), wurde 1695 mit der Tochter des polnischen Königs Jan III. Sobieski, seines Mitstreiters während des Türkenfeldzuges, Therese Kunigunde, vollzogen. Dieses über Heiratsallianzen hergestellte dynastische Beziehungsgeflecht, das von Frankreich über Italien, Spanien und Österreich bis nach Polen reichte,­sei jedoch, was den kulturellen Transfer, die Motivation für eine Stilwahl oder sogar einen Wandel in 41 Zu Heiratsplänen als „Kristallisationspunkt dynastischer Geltung und Wertschätzung“ vgl. Hahn 1998b, S. 15. In den Schlossausstattungen kommt es sehr häufig zur Verbildlichung dieser dynastischen Allianzen; ein anschauliches Beispiel liefert die Galerie Henriette Adelaides in der Münchner Residenz, die die Verbindung der Häuser Savoyen und Wittelsbach zum Thema hat. 42 Zu den Verhandlungen vgl. Hüttl 1976, S. 94f. 43 Man wird in Bayern gute Erinnerungen an französische Verbindungen gehabt haben: Bereits im 15. Jahrhundert hatte ihr dynastisches Ausgreifen Ludwig den Bärtigen von Bayern-Ingolstadt in französische Kombinationen und seine Schwester Isabeau de Bavière sogar auf den Königsthron geführt. Vgl. Press 1987, S. 21. 44 Zu den Heiratsverhandlungen Strich 1933, Bd. I, S. 119–146. Vgl. auch später im Abschnitt Herzog Maximilian Philipps Reisen in den 1660er Jahren. 45 Vgl. noch unten Anm. 391.

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der Repräsentationskultur betrifft, ebenso wie die politischen Verbindungen nur als ein „dynamischer Faktor“ gewertet.46 Die Auswirkungen von dynastischen Verbindungen und diplomatischen Beziehungen auf eine kulturelle Praxis hatten eine je unterschiedliche Intensität und Motivation. Grundlegend war zwar das Interesse an einer von außen bezogenen avancierten Repräsentationskultur – dieses konnte jedoch durch die jeweiligen politischen Möglichkeiten stark eingeschränkt oder auch sehr ausgeprägt gewesen sein. Kurzum: Keineswegs hatte die Anwesenheit einer fremden Fürstin am eigenen Hof automatisch eine Auswirkung auf die kulturellen Projekte.

Die Wittelsbacher zwischen Habsburg und Bourbon Neben diesem dynastischen Beziehungsgeflecht war die geopolitische Bedeutung des kurbayerischen Territoriums immens: Der Wittelsbacher Kurfürst verfügte über ein relativ geschlossenes Herrschaftsgebiet,47 dessen Lage aufgrund seiner Nachbarschaft zu den habsburgischen Territorien Böhmen und Ober-Österreich im Osten und Tirol im Süden für die europäischen Mächte, insbesondere für die Habsburger im Osten und die Bourbonen im Westen, von großer Bedeutung war. Als Beispiel seien die trotz des Pyrenäenfriedens (1659) weiterhin bestehenden Probleme Spaniens mit Frankreich angeführt, währenddessen Kurbayerns Haltung allein aufgrund seiner geographischen Lage wichtig war. Mühelos konnte der mit Spanien verbündete Kaiser Leopold I. den Rhein erreichen, sofern der Kurfürst von Bayern den österreichischen Truppenkontingenten freien Durchmarsch gewährte.48 Die Wittelsbacher – sowohl Kurbayern als auch Kurköln49 – spielten dementsprechend für Frankreich eine ebenso bedeutende Rolle:

46 Es sei als Beispiel auf Anna Maria Luisa de Medici verwiesen, bei der von einer konsequenten Förderung der italienischen Kultur am Düsseldorfer Hof trotz ihres gelegentlich geäußerten Wunsches nach Bauten im italienischen Stil keine Rede sein kann; vgl. Elisabeth Hemfort, Die kunstsinnige Fürstin: Zum Anteil Anna Maria Luisas an den Kunstbestrebungen Johann Wilhelms, in: Anna Maria Luisa Medici. Kurfürstin von der Pfalz, Ausstellungskatalog, Düsseldorf 1988, S. 71–80. 47 Das bayerische Territorium hatte sich seit der Zeit Maximilians I. in Größe und Lage kaum verändert; vgl. Hüttl 1976, S. 21f. Obwohl Bistümer und Reichsstädte wie Augsburg, Eichstätt, Regensburg, Nürnberg, Würzburg, Bamberg oder Passau nicht zum Herrschaftsgebiet des Landesherrn zählten, bildete Kurbayern kein geographisches „Streugebiet“, sondern verfügte über ein relativ geschlossenes Staatsareal, ohne dabei von natürlichen Grenzen geschützt zu sein. 48 Vgl. etwa Doeberl 1900, Bd. I, S. 214ff. Dies konnte sich auch ins Gegenteil verkehren: vgl. Pufendorfs Bericht über den Wiener Hof Leopolds I.: „[…] es möchte denn etwan Kurbayern sein, als den ich wegen der in seinem Lande im Schwang gehenden Oeconomie fast für den mächtigsten unter den deutschen Herren rechnen muss, der aber hergegen also situieret ist, dass er gegen Oestreich meist offen stehet und Noth haben würde, den Feind aus den visceribus seines Landes zu halten, wenn er mit Vigueur vom Kaiser attaquieret werden sollte.“ Pufendorf 1671/74 (1862), S. 91. 49 Kurköln verfügte im Gegensatz zu Kurbayern nicht über ein geschlossenes Herrschaftsgebiet; seine geopolitische Bedeutung war dennoch aufgrund seiner Schlüsselstellung am Niederrhein sehr

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La maison de Bavière est, de tout l’Empire, celle qui a receu les marques les plus distinguées de l’affection particulière du Roy [...].50

So wird es 1698 in der Instruktion für den Envoyé extraordinaire de sa Majesté, Phélypeaux, am Hof des Kurfürsten von Köln formuliert. Kurbayern sollte im süddeutschen Raum „balancer la puissance de la maison d’Autriche“.51 Frankreich hatte seit langem ein großes Interesse an einem starken Mittelstaat als Gegengewicht zum Kaisertum, woraus sich auf vielen Feldern der Reichspolitik eine enge Zusammenarbeit ergab52 – eine von den Habsburgern mit Argusaugen beobachtete Konstellation. Hier wird somit – als eine weitere wichtige Rahmenbedingung für die vorliegende Studie – die brisante Stellung Kurbayerns im Spannungsfeld zwischen Habsburg und Bourbon deutlich,53 nicht minder auch später noch für den Kurfürsten Karl Albrecht; so kommentiert Montesquieu bei seinem Münchenbesuch 1729 einen „Zwischenstand“ der labilen Lage: L’électeur est [...] peu porté pour la maison d’Autriche, quoiqu’il ne veuille par perdre la protection de France.54

Von kunsthistorischer Seite wird die Position der Wittelsbacher zwischen Habsburg und Bourbon folgerichtig in die Analysen der künstlerisch-repräsentativen Bemühungen als ein wichtiges Deutungsargument integriert. Sehr häufig begegnet die These, dass die Übernahme französischer künstlerischer Modelle mit einer dezidiert profranzösischen Haltung Kurbayerns zu tun habe; Max Emanuel habe also den zeitweiligen Bündnispart-

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groß. Durch kurkölnisches Gebiet führten wichtige Verbindungswege von Westeuropa nach Norddeutschland; vgl. Hartmann 1978, S. 12. Zitat in: Instructions (Cologne) 1698ff. (1963), S. 96. Der in München weilende Marquis de Villars an Ludwig XIV., 15. Januar 1688; AAE, CP, Bavière, Bd. 40 (1688), fol. 24. Zitiert nach Hüttl 1985, S. 83. Siehe auch den Passus aus der Instruktion an Pierre-Antoine Rouillé vom 3. November 1704: „Il est de l’intérêt de la France, d’agrandir en Allemagne un électeur de Bavière et d’opposer à la maison d’Autriche une puissance assez considérable pour arrêter ses entreprises.“ Vgl. Instructions (Bavière) 1649–1744 (1889), S. XVIII. Zur Politik Ludwigs XIV., deren Schwergewicht auf der Außenpolitik lag, vgl. im Überblick: Ernst Hinrichs, Fürsten und Mächte. Zum Problem des europäischen Absolutismus, Göttingen 2000; vgl. besonders auch Klaus Malettke, Frankreich, Deutschland und Europa im 17. und 18. Jahrhundert. Beiträge zum Einfluß französischer politischer Theorie, Verfassung und Außenpolitik in der frühen Neuzeit, Marburg 1994. Der Antagonismus zwischen den Habsburgern und dem König von Frankreich gehört seit dem 16. Jahrhundert bis zum „renversement des alliances“ (1756) zu den Grundkonstanten der europäischen Politik. Das Reich bildete dabei einen der wichtigsten Schauplätze des Kampfes zwischen den beiden Dynastien. Zu diesem Antagonismus besonders: Braubach 1952; zuletzt: Duindam 2003. Die Stellung der Wittelsbacher zwischen Habsburg und Bourbon bildet ein Dauerthema in der historischen Forschung; zu den diesbezüglichen politischen Implikationen vgl. Doeberl 1900; Strich 1933, Bd. II. Vgl. auch unten Anm. 58. Montesquieu 1728/29 (2003), S. 357.

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ner Frankreich auch zum künstlerischen Modell erklärt.55 Jedoch ist diese Vorstellung einer Interdependenz zwischen politischen Bündnissen und der Übernahme von künstlerischen Modellen kritisch zu bewerten:56 Es sei auf die vielfältigen Perzeptions- und Kommunikationsprozesse verwiesen, die bezüglich verschiedener Modelle im 17. und 18. Jahrhundert wirksam waren. Ihnen werde ich mich später widmen. Die politischen Beziehungen waren ohnehin keineswegs gefestigt, sondern sehr fragil. Temporär engere Bindungen an Frankreich hatten zudem Tradition in Kurbayern,57 und besonders Max Emanuel lavierte stark zwischen den beiden rivalisierenden Mächten Bourbon und Habsburg, um die gesamteuropäischen Entwicklungen zum eigenen Vorteil zu nutzen.58 Von kunsthistorischer Seite wurde jedoch in den letzten Jahren auch eine differenziertere Sicht vertreten: Eine Übernahme französischer Modelle ab dem frühen 18. Jahrhundert wird nicht mehr in allen Bereichen der höfischen Repräsentationskultur beobachtet. Vor allem eine Übernahme des französischen Zeremoniells – was lange Zeit vermutet wurde59 – wird zurückgewiesen. Baillie formuliert bereits 1967: „What France exported was fashion, not ceremonial.“60 Klingensmith hält diese enge Vorstellung jedoch zu Recht für problematisch: Evolution in fashion and manners required a forum in which fashion could be displayed and manners exercised, and French influence thus extended to the development of new social institutions as well.61

Doch jüngst findet sich bei Graf wiederum eine strikte Klassifizierung: Waren die Münchner Wittelsbacher im 17. Jahrhundert ganz von der italienischen Kunst beeinflußt, so änderte sich dies zum Ausgang des Jahrhunderts hin zu einer Vorliebe für das französische in Fragen des Geschmacks und der Dekoration. Jedoch trotz umfangrei55 Vgl. hierzu den Abschnitt Positionen der Forschung in Kapitel 1. 56 Auch Grosser 1989, S. 27, Anm. 33, hat auf Beispiele antifranzösischer Bündnisse hingewiesen, die aber kaum Auswirkungen auf die Bedeutung des kulturellen Vorbilds Frankreichs hatten. 57 Das betrifft sowohl Ferdinand Maria als auch Maximilian I.; Kraus 1983, S. 300. 58 Hierzu besonders Wunder 1974; Hüttl 1985; Braubach 1952. Zu Deutschland-Österreich vgl. Volker Press, Die Erblande und das Reich von Albrecht II. bis Karl VI., in: Deutschland und Österreich. Ein bilaterales Geschichtsbuch, hrsg. v. Robert A. Kann u. Friedrich E. Prinz, Wien 1980, S. 44–88. – Auch bei Joseph Clemens in Bonn geht das Erklärungsmodell „politische Allianzen gleich Kulturtransfer“ nicht auf; gerade die Jahre vor 1701, also auch 1697, als der Baubeginn des Bonner Schlosses anstand, waren eher antifranzösisch geprägt; dazu Mittelsten-Schee 1938, S. 10. 59 Gerade auch mit Hinweis auf eine allzu glatte Bemerkung wie jene Mosers von 1754: „Ludwig XIV. in Franckreich breitete seine Macht, sein Geld und seinen Geist über Teutschland aus und von der Zeit dieses grossen Königs an kann man wohl den genauen Zeitpunct rechnen, da das Französische ungleich freyere Ceremoniel fast allgemein geworden.“ Moser 1754/55, Bd. I, S. 45f. – Renards Sicht, wonach das Zeremoniell Ludwigs XIV. die deutschen Höfe ab Ende des 17. Jahrhunderts vollständig beherrscht habe, wirkte lange nach; Renard 1896, S. 186. Zum Zeremoniell siehe ausführlicher im Abschnitt „Zeremonielle Divergenzen“, S. 144ff. 60 Baillie 1967, S. 193. 61 Klingensmith 1993, S. 18, vgl. auch S. 118ff.

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cher Luxuskäufe in Paris blieben die Bayern als Fürsten des römisch-deutschen Reiches dem diplomatischen Zeremoniell des Wiener Kaiserhofes verhaftet.62

Das ab ca. 1730 unter Max Emanuels Nachfolger Karl Albrecht entstandene Parade-Appartement und seine Ausstattung in der Münchner Residenz, die sogenannten „Reichen Zimmer“, wird dabei zum Kronzeugen. Die Raumdisposition sei gemäß dem Zeremoniell „habsburgisch“ geprägt, die Ausstattung jedoch „französisch“. Damit wird zugleich eine Differenzierung angestrebt zwischen einem „Modell Frankreich“ und einem „Modell Wien“; so schreibt Langer: Das Appartement und seine Möblierung sind somit anschaulicher Ausdruck der Position Bayerns zwischen Wien als übergeordneter politischer Instanz und Paris als Zentrum der höfischen Mode im 18. Jahrhundert.63

Diese Differenzierung ist jedoch problematisch: Das Zeremoniell hatte sich um 1700, besonders aber, wie erläutert, seit der auf dem Westfälischen Frieden für die Reichsfürsten proklamierten (eingeschränkten) Souveränität, als eines der wichtigsten politischen Zeichensysteme für die Reichsfürsten in den hart umkämpften Rangreglements im europäischen Spannungsfeld etabliert: als notwendige Form des Reichsfürsten, sich zu repräsentieren und sich zu behaupten. Das „Modell Habsburg“ ist daher nicht in den zeremoniellen Reglements zu verorten, mag der Kaiser auch weiterhin oberster Lehensherr gewesen sein. Auf der anderen Seite erscheint die Reduzierung des „Modells Frankreich“ auf „Paris als Zentrum der höfischen Mode“ und damit letztlich auf die Dekoration ebenso fragwürdig. Um sich dem jeweiligen Modellcharakter aus der Perspektive der Wittelsbacher zu nähern, sind weitere Differenzierungen zwischen Habsburg und Bourbon vorzunehmen. Frankreich konnte politisch zwar ein Gegner oder auch ein Verbündeter sein – hitzig bekämpft von patriotischen Kreisen in Kurbayern –, Frankreich war aber kein Konkurrent. Diese Rolle im politischen Spektrum nahm Österreich/Habsburg ein, der Erzrivale der Wittelsbacher hinsichtlich des Anspruchs auf die Kaiserkrone. So heißt es auch im Mundus 1711, dass Österreich „wohl sichet, dass es keinen gefährlicheren concurrenten umb die Römische cron haben kann als Bayrn“. Deshalb seien die Habsburger immer bemüht gewesen, „das haus Bayrn mörklich zu schmölern und zu destruieren“. Die Wittelsbacher hätten daher früh schon die Nähe zu Frankreich gesucht, weilen Oesterreichs einzige intention sei, Bayrn ganz zu unterdrücken, solle Frankreich dem [Bayern] kräftigst assistieren.64 62 Graf 2002, S. 12f. 63 Langer 2002, S. 23: „War für Karl Albrecht in der räumlichen Disposition seines Paradeappartements mit seinen vielen Vorsälen für das diplomatische Zeremoniell der Wiener Kaiserhof verbindliches Vorbild, so ist doch die Orientierung am französischen Königshof in der Ausstattungsetikette unübersehbar.“ 64 Zitiert nach Doeberl 1900, Bd. I, S. 3f. Zu diesem Konflikt vgl. auch Strich 1913, S. 329–369, sowie Strich 1933, der das diplomatische Intrigenspiel nachzeichnete, welches Bayern, Branden-

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Bayerische Frankreichpolitik hatte somit in hohem Maße die Funktion bayerischer Österreichpolitik.65 Während etwa ein Übergewicht der Bourbonen für die Bayern keine unmittelbare Bedrohung darstellte, bedeutete ein Machtzuwachs der Habsburger eine große Gefahr. Das von Generation zu Generation tradierte Selbstbewusstsein der Wittelsbacher in ihrem Anspruch auf die Kaiserkrone gründete dabei auf der Überzeugung, das älteste Fürstenhaus Europas zu sein;66 sie seien Nachkommen der Karolinger wie der Agulfinger. So heißt es in einem Bericht des österreichischen Reichsvizekanzlers Königsegg von 1673 über den Münchner Hof: Thuen sein, herrn kurfürstens [Ferdinand Maria], gedanken hoch gehen, und sovil aus einem discurs zu mörken gewesen, sein haus bösser [besser] als das hochlöblichiste haus Oesterreich oder Borbon schezen. Dieses seye ihme noch in der jugend […] eingossen worden; daher erfolge, dass selber sich in seinen consiliis also reguliere, dass er, herr kurfürst, gern keinen thail sich absonderlich unterwirfig erzaige.67

Dementsprechend wurde der kurbayerische Hof fast immer an Habsburg gemessen: Schon 1628 schrieb der päpstliche Nuntius am Wiener Hof, Carlo Carafa, auf einer Reise durch das Reich über den Münchner Hof und den Kurfürsten Maximilian I.: Tiene Sua Altezza punto Spagnuolo nel tratto più di qualsivoglia Prencipe di Germania. Mantiene una nobilissima Corte a pari di quella dell’Imperatore, tanto di guardie come di camerieri con la chiave d’oro et altri officiali superiori.68

Kaum hundert Jahre später hat dieser nahezu topische Vergleich in zeitgenössischen Beschreibungen nicht an Brisanz eingebüßt: 1717, kurz nach der Rückkehr Max Emanuels aus dem Exil, wird der Münchner Hof mit dem Wiener Hof „bey nahe“ auf eine Stufe gestellt.69 Und dies sind nur wenige Beispiele aus der Fülle an Vergleichen zwischen dem Wittelsbacher und dem Habsburger Hof. Für unsere Fragestellung bedeutet das: Die beiden Modelle Habsburg und Bourbon haben aus der Perspektive der Wittelsbacher eine je eigene und sehr verschiedenartige Valenz; sie sind politisch und mental auf unterschiedlichen Rezeptions- und Perzeptionsebenen anzuordnen, innerhalb derer eine Adaption und Transformation künstlerischer Vorgaben zu charakterisieren ist. Denn das politische Agieren und Taktieren Kurbayerns in seiner Stellung zwischen Habsburg und Bourbon ist kaum direkt auf die künstlerische Produktion zu übertragen, zumal die beiden Modelle ebenso auf kulturell-künstlerischem Feld große Unterschiede aufwiesen. In der Forschung heißt es, dass Öster-

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burg, Hannover und Kursachsen in wechselnden Parteiungen zu Lasten des gesamten Reiches um französisches Geld untereinander austrugen. Vgl. besonders Press 1987, S. 21–70. Vgl. dazu etwa Hüttl 1976, S. 536f. Zum dynastischen Selbstverständnis der Wittelsbacher vgl. Moeglin 1993. Königsegg 1673 (1903), S. 1. Carafa 1628 (1860), S. 336. So in der Biographie Karl Albrechts von Moser 1745, S. 9.

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reich-Habsburg, also der Wiener Kaiserhof, als eine Art „Gegenmodell“ zu Frankreich fungierte – im Sinne des Verständnisses der auf Tradition sich gründenden Dynastie der Habsburger gegenüber den auf Neuerung bauenden Bourbonen70 oder auch eines „Kaiserstils“ gegenüber dem „style Louis XIV“.71 Diese Gegenüberstellung ist fragwürdig und wird in der vorliegenden Studie immer wieder zur Diskussion gestellt werden. Dabei ist es vor allem wichtig, die Dualität Habsburg-Bourbon aufzubrechen und um die Reichsperspektive zu erweitern.

Kulturtransfer: Reputation, Informationsbeschaffung, Wettbewerb Vor dem Hintergrund der hier skizzierten politisch angespannten Konstellation wird eine große Bedeutung und Motivation des künstlerischen Austauschs deutlich: Kulturtransfer ermöglichte die Information über den Anderen – und damit zumeist über die Konkurrenz. Das Interesse für Entwicklungen an anderen Höfen war nicht nur ein Bedürfnis, sondern eine Notwendigkeit. Reputation war ein enorm wichtiges Kriterium, Kunst eines ihrer Ausdrucksmedien. Hiermit sind wir bei einer von mehreren Funktionen der Berichte, Instruktionen und Korrespondenzen angelangt: ihrer Vermittlung von Information, die freilich ebenso die Wahrnehmung von Kunst als höfisches Zeichen konditionierte.72 Beispiele dafür gibt es viele: In Dresden wurde 1629 der Kunstagent Philipp Hainhofer von der sächsischen Kurfürstin gefragt, was er bei der Kurfürstin in Bayern und der Erzherzogin in Innsbruck denn „schönes gesehen habe, welche Sie, ohne zweifel, mit rariteten wol weit vebertreffen werden?“73 In einer Gesandteninstruktion von 1660 des Wilhelm von Sachsen-Weimar heißt es für eine Reise nach Wien, dort habe der Gesandte „zu besehen, was an der keyser(lichen) burg bishero gebauet, ingleichen die keyser(liche) sowohl des ertzherzogs schatz- und kunstcammern“, viele weitere Objekte und Bauwerke, so neben Ebersdorf auch „andere keyser lust- und jagthäußer“. Und schließlich habe sich der Gesandte zu erkundigen, was vor kunstreiche mahler, trechsler und andere künstler, sowohl bey der röm(isch) keyser(lichen) m(ajestä)t als dem ertzherzog sich anitzo befinden, derselben nahmen aufzuzeichnen, und worzu ihre keyser(liche) m(ajestä)t sonderbare beliebung. 70 Diese scharfe Polarisierung, die auch in der Antipode Reichtum/Stil bei den Bourbonen gegenüber Mangel/schwerfälliges traditionelles Verharren bei den Habsburgern zugespitzt wird, wird inzwischen zu Recht bezweifelt; vgl. Polleross 2004. Von historischer Seite: Schumann 2003. Es geht in diesem Zusammenhang vor allem um die Wiener Hofburg (im Gegensatz zum Schloss Versailles), die bis weit ins 18. Jahrhundert von den Zeitgenossen als ein unangemessener kaiserlicher Bau wahrgenommen wurde. Vgl. dazu noch weitere zeitgenössische Stimmen in Kapitel 3, bes. S. 135f. 71 Das Konstrukt des „Reichsstils“ im Sinne Sedlmayrs besitzt freilich keine Gültigkeit mehr; vgl. dazu Lorenz 1993. Matsche 2002 plädiert stattdessen für „Kaiserstil“, nicht als formgeschichtliches Phänomen, sondern als ein ideologisch geprägter ikonographischer Stil. 72 Zur Bedeutung der Korrespondenzen vgl. Hahn 1998b, S. 34. 73 Hainhofer 1628/29 (1901), S. 226.

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[...] Was vor schöne gemälde und ob des keysers und ertzherzogs neue contrafait vorhanden, auch ob die belehnung in kupfer gestochen zu bekommen.74

Nicodemus Tessin vermerkt in einem Brief 1699, dass sein Dienstherr, König Karl XII., alles über den französischen Hof wissen möchte.75 Der Architekt Sturm geht an seinem ersten Tag in Paris sofort zu den „Buch= und Kupfer Boutiquen“.76 Auch Balthasar Neumann ist auf seiner Frankreich-Reise 1723 sehr darum bemüht, sich die neuesten Informationen zu sichern: Von Kupfern habe ich schon eine ziemliche Zahl eingekaufet von allerley wie auch den Perain in form wie der Marot ich weiß von Hier vndt von versailie nichts sonderliches neyes.77

Und der englische Reisende Martin Lister nimmt sich bei seinem Besuch 1698 in Paris und Versailles vor: In the next place I will Account for what I saw, that seemed to me singular and new in the Improvement of Arts, or wanting in our Country.78

Es besteht kein Zweifel, dass die Wittelsbacher an dieser Vermittlung von Informationen intensiv partizipierten. Gerade der Kölner Kurfürst Joseph Clemens erweist sich hier, dank der Quellen, als besonders interessiert, etwa wenn ihm der französische Gesandte die Pläne von Versailles überlassen sollte.79 Die beiden Brüder Max Emanuel und Joseph Clemens standen, ähnlich wie ihre Nachfolger Karl Albrecht und Clemens August, in einem ständigen Briefkontakt; nachweislich wurden sie jeweils durch den anderen über ihre Projekte auch informiert.80 Das vielfältige Kommunikations- und Transfernetz offenbart sich freilich auch darin, dass es Transferleistungen ebenso in die Gegenrichtung gab, etwa wenn die bayerische Kurfürstin Henriette Adelaide schon sehr früh kleine Madonnen- und Heiligenminiaturen („la nostre Dame, qui est dans la place“) nach Turin schickte81 oder wenn Max Emanuel seinem Schwager Ferdinando de Medici 1700 ein Selbstbildnis Viviens für 74 Zitat aus der Nebeninstruktion in: Müller 1660 (2005), S. 156. 75 Vgl. Versailles. View from Sweden, Ausstellungskatalog, New York 1988, S. 76. Siehe auch die Korrespondenz zwischen Zar Peter dem Großen mit Tessin, wonach letzterer ihm eine Zeichnung des Stockholmer Schlosses nach St. Petersburg sendet; Verweis bei Thomas DaCosta Kaufmann, Nicodemus Tessin the Younger – Sweden’s First Art Historian, in: Symposium. Nicodemus Tessin the Younger (= Konsthistorisk tidskrift, 72) 2003, S. 16. 76 Sturm 1719, S. 50 (Brief vom 28. August 1716). 77 Brief vom 8. März 1723; Neumann 1723 (1911), S. 23. 78 Lister 1699, S. 137. Lister war Arzt und Gesandtschaftsmitglied. 79 Laut einem Memoire. Vgl. das Zitat bei Braubach 1953, S. 100f. 80 Beispielsweise während der ersten Bauphase von Schleißheim um 1700; vgl. die Korrespondenz in: GHA, Korr. Akt 753/80. Dazu mehr in Kapitel 3. 81 Brief Henriette Adelaides an die Madama Reale, 5. Februar 1653 (AST, LettA, M 20). Erwähnt bei Merkel 1892, S. 335.

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dessen Kabinett in Poggio a Caiano sandte.82 Der polnische König Jan Sobieski überließ Max Emanuel sogar „Curiositäten“, damit dieser sie seiner Schwester, der Madame la Dauphine, in Frankreich übermittelte.83 Architekten wurden von den zumeist sehr gebildeten Bauherren nach Italien, Frankreich und Holland geschickt,84 Stipendien vergeben; es wurde also investiert, um im interhöfischen Wettbewerb mithalten zu können – das alles steht außer Frage. Doch das Interesse der kunsthistorischen Forschung an dem noch immer erst spärlich publizierten Quellenmaterial85 beschränkt sich zumeist darauf, diese Reiseberichte eher als Quellen zur Rekonstruktion von nicht mehr Vorhandenem zu betrachten oder sie im Indizienprozess der Motivübernahmen auf der Suche nach „gesehenen“ Vorbildern zu aktivieren, anstatt in ihnen die Möglichkeit zur Rekonstruktion von Wahrnehmungsmustern und Vermittlungsstrukturen zu entdecken.86 Ein weiterer wichtiger Aspekt, nämlich derjenige der Reziprozität, sei bei dieser Informationsbeschaffung nicht vergessen: Wenn Johann Philipp Franz von Schönborn 1723 seinen Architekten Balthasar Neumann nach Paris schickt87 oder die Wittelsbacher Kurfürstinwitwe Maria Anna ihren Minister Graf Kurz 1652 zur Brauteinholung nach Turin beordert – und diese Gesandtschaft wird uns noch näher beschäftigen –, dann ermöglichten diese Reisen nicht allein die Information über den anderen Hof oder die Adelspalais’, das dortige Kunstgeschehen, die dort herrschenden Standards. Vielmehr wird die Art der Darstellung fremder oder naher Höfe zum Spiegel der eigenen Situation und Stellung: Sie dient zur Selbstvergewisserung der eigenen Reputation innerhalb des engmaschigen und konkurrenzgesättigten kulturellen Beziehungsnetzes, schließlich auch zur Demonstration eigener Aspirationen im europäischen Staatensystem. Bei der Skizzierung der politisch-historischen Rahmenbedingungen war ja bereits auf die nach dem Dreißigjährigen Krieg zunehmende Intensivierung der zwischenstaatlichen Kommunikation hingewiesen worden, die die Reichsstände zunehmend teilhaben ließ an der internationalen Politik. Zweifellos hatte Kunst an der Formung dieses Ansehens, dieser Reputation einen bedeutenden Anteil, denn einher ging damit die Verpflichtung zu ei82 Vgl. Epe 1990, S. 66; es handelt sich um das 1699 datierte Selbstbildnis in den Uffizien, in dem sich der Maler als Apelles seines „Alexander“ Max Emanuel rühmt; dazu Kat. Max Emanuel 1976, Bd. II, Nr. 719 (ohne Verweis auf den Briefwechsel). 83 So schreibt Sobieski 1683 an seine Gemahlin: „[...] dem Churfürsten von Bayern, der allezeit bey mir ist, habe ich drey von meinen Pferden, die Fahnen des Pascha von Ägypten und einen Theil der erbeuteten Artillerie verehret. Ich werde ihm noch ein und andere Curiositäten geben, damit er sie seiner Schwester der Dauphine schicken kann.“ Staats-Geschichte Bayern 1743, S. 226; auch in Finsterwald/Ludewig 1749, S. 2223. 84 Vgl. auch Dussieux 1856. 85 Das (zumeist erst jüngst) publizierte Material zu Reisen etwa von Wolf Kaspar von Klengel, Robert de Cotte, Nicodemus Tessin, Leonhard Christoph Sturm, Balthasar Neumann, Johann Michael Küchel, Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff, Jacques-Denis Antoine etc. bildet nur einen Bruchteil dessen, was Archive noch verwahren. 86 Stellvertretend für die Bedeutung, die die zeitgenössische Reiseliteratur für den kulturellen Austausch hatte, vgl. Europareisen 2002. 87 Neumann 1723 (1911).

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ner gesteigerten Repräsentation. Diese betraf einerseits die Aufnahme von Reisenden „von Condition“, wie der Mundus 1711 vermerkt: Bey dennen ausländern khan ein hocher Potentat seine herrlichkheit, Bracht, vnd Magnificenz sechen lassen, da Er die frembte Passagiers vnd durchraisente von Condition in obacht ziechet, selben seinen Reichthomb zaiget, oder Ihnnen sonderbare Ehren

anthuen lasset.

Zum andern betraf diese die Aussendung der eigenen Familienmitglieder, insbesondere der Prinzen: Item khombt ein Fürst bey dennen ausländern in ansechen, da Er seiner Prinzen „Einen“ mit schennem gevolckh vnd herrlichen Pracht frembte Länder zubesichtigen abschickhet.88

Der reziproke Effekt wird anschaulich in dem ebenfalls im Mundus bemühten Bild der Sonne und ihrer Strahlen: Es gezimmet sich, wan ein fürst vnd herr seine Glory vnd Herrlichkheit, auch ausser Landts verkhündigen will, das Er sich gegen dennen benachbarten vnd ausländern ein grosser Herr zu sein bezaige, die Ehr, so Er Ihnnen an thuet, ist ein Sonnenstrall seiner Mayestätt, welcher durch die Reflexion sich widerumben in seine Persohn ergiesset indeme durch empfangung der gleichen Ehren bezaigungen dennen frembten vnnd ausländern dargegen obgelegen ist, sich aller orthen in desselben Lobsprechung herauszulassen.89

Aus diesen Perzeptionsparadigmen resultiert: Man will im internationalen Konzert auf höchstem Niveau mitspielen, nicht unsichtbar werden; so heißt es etwa über das Stadt88 Mundus 1711, fol. 87v. 89 Mundus 1711, fol. 93rf.

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palais des Prinzen Eugen, dass es alle anderen Wiener Paläste (auch ganz Europas) übertreffe, an welchem ausser der fürtrefflichen Architectur, die dabey zu bewundern ist, keine Kosten zur Magnificence gesparet worden, so daß man in ganz Europa von ihm zu sagen weiß und ihn unter die ansehnlichsten Gebäude mit rechnet.90

Diese Verpflichtung zur Übermittlung und Vergewisserung der eigenen Reputation gilt, was vor allem aus kunsthistorischer Perspektive oft vergessen wird, auch für die andere, die französische Seite: Die Berichte der französischen Gesandten über die Höfe im Reich sind aufgrund ihrer Informationspolitik und ihrer Wahrnehmungsparadigmen ein bisher von der Kunstgeschichte viel zu wenig beachteter Quellenfundus.91 Mögen sie auch nur sporadisch konkrete Äußerungen zur Kunst, zu Bau- oder Ausstattungsprojekten beinhalten – eloquent werden sie hinsichtlich der Raumfolgen im Schloss nur, wenn das Zeremoniell verletzt oder aber den Gesandten eine besondere Ehrerweisung zugebilligt wurde –, so sind sie zweifellos ein Indikator dafür, dass es eine mündliche Ebene gegeben haben muss. So berichtet Denis de la Haye in seinen relations an Ludwig XIV. im Februar 1681, der „Comte de Nogarolet“92 sei angekommen. Er, de la Haye, könne Seiner Majestät gar nicht angemessen übermitteln, de quelle manière agréable il a parlé a M. l’Electeur [Max Emanuel] devant tout le monde des honnestetez et bontez qu’il a receu d’elle, de sa grandeur, de sa liberalité, des beautez de Versailles, de la magnificence de sa Cour, et des honneurs qu’il a receu.93

Gerne würde man natürlich wissen wollen, von welchen „beautez“ genau gesprochen wurde, aber das erläutert der Gesandte nicht. Indessen sollten derartige Übermittlungen an den französischen König kein Einzelfall bleiben, was die sehr wichtige Rolle der Reputation im interhöfischen Diskurs belegt, mag auch Schmeichelei im Dienste der eigenen diplomatischen Karriere mit im Spiel gewesen sein. Im März 1681 berichtet de la Haye von einem „gentilhomme“ (der in Frankreich Gouverneur des jungen Prinzen

90 Prinz Eugen 1739, Bd. VI, S. 1121. Vorher Küchelbecker 1730, S. 628, das „schöne und unvergleichliche Palais“ verdiene unter den Wiener Palästen „mit Recht den ersten Platz, weil es die andern alle, sowohl an Schönheit, als Kostbarkeit übertrifft“. 91 Mit Hilfe der Correspondance Politique können Besuche rekonstruiert werden, wer wann wo war, wo logiert wurde, mit welchem Aufwand etc. Sie kann letztlich auch ein Indikator sein für Veränderungen am Hof, die die Gesandten zwar mit ihrem für politische Zusammenhänge sensibilisierten Auge wahrnehmen, die aber implizit auch baulich-künstlerische Repräsentationen betreffen. Sehr interessant sind die Relationen von Gesandten, die über den Tod eines Kurfürsten hinaus auch die ersten Jahre der neuen Regierung begleiten: Etwa die Berichte des französischen Gesandten Denis de la Haye, der mit Unterbrechungen von 1675 bis 1685 am bayerischen Hof tätig war und somit den Tod Henriette Adelaides 1676 und Ferdinand Marias 1679, die Interimsregierung Maximilian Philipps sowie die ersten Regierungsjahre von Max Emanuel ab 1680 als Beobachter begleitete. 92 Vermutlich der bayerische Kammerherr, Conte Baiardino Nogarola. 93 Denis de la Haye an Ludwig XIV., 5. Februar 1681; AAE, CP, Bavière, Bd. 35 (1681), fol. 49v-50r.

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von Eisenach war), der dem Kurfürsten die Aufwartung machte. Dieser habe von Frankreich erzählt, et de sa Cour comme du Paradis du monde, et de la personne de V. M. avec toutes les louanges possibles, et une veneration très profonde.94

Im Juli desselben Jahres habe diesmal „le grand Escuyer“ aus Frankreich Max Emanuel berichtet de la Cour de V. M., quels plaisir s’y trouvent, De la beauté et de la magnificence de Versailles et de la grandeur de la ville de Paris que M.r l’El.r de Bavière luy avoit respondu qu’il mourroit d’envie de faire un tour en france.95

Ein eng verzweigtes Kommunikationsnetz wird transparent. Kaum nur über Kupferstiche oder Zeichnungen, über Berichte von Architekten und Künstlern, sondern vor allem auch über diesen im politisch-gesellschaftlichen höfischen Rahmen stattfindenden mündlichen Austausch wird – und das schon sehr früh – ein Bild des französischen Hofes in Versailles, in und um Paris entworfen, das zwar in der schriftlichen Berichterstattung mit den gewohnten Schlagworten der beauté, der magnificence und der grandeur operiert, das aber weitere Präzisierungen in den mündlichen Berichten gefunden haben wird.96 Und bedenken wir den frühen Zeitraum, nämlich den Beginn der 1680er Jahre, dem diese Berichte entstammen, so ist zu vermuten, dass auch diese Berichte den Kurfürsten angeregt haben, seinen Architekten Enrico Zuccalli 1684 nach Paris zu schicken. In dieses Kommunikationsnetz gehören auch die Berichte über weitere Höfe: Mit besonderem Genuss – und einiger Übertreibung – scheint der Envoyé den Bericht Max Emanuels über den Wiener Hof dem französischen König im Juni 1683 übermittelt zu haben, weniger freilich wegen der Feststellung des Kurfürsten, „qu’il a veu une belle armee“ (was dem König nicht gefallen haben wird), als wegen der Beobachtung über den Wiener Hof: „une Cour ou il y a peu d’argent, Miserables logements.“97 Max Emanuel 94 Denis de la Haye an Ludwig XIV., 5. März 1681; AAE, CP, Bavière, Bd. 35 (1681), fol. 85r. 95 Denis de la Haye an Ludwig XIV., 9. Juli 1681; AAE, CP, Bavière, Bd. 35 (1681), fol. 218v. Es geht in diesem Schreiben um die Brautwahl für Max Emanuel. Nachdem sich die Verhandlungen mit der Prinzessin von Eisenach als schwierig erwiesen haben, zog man auch eine französische Braut in Erwägung. Max Emanuel würde, so heißt es weiter in der Relation, inkognito reisen, und diese Reise würde ihm kaum größere Schwierigkeiten bereiten als die nach Eisenach. Er fragte den Gesandten noch „si Mad.elle de Valois estoit belle et plusieurs autres questions“ (fol. 219r). 96 Wie sehr auch Reisende an diesen kommunikativen Strukturen Anteil hatten, beweist das Beispiel der Reise Montesquieus, etwa wenn er von seinem Gespräch mit dem savoyischen Prinzen 1729 berichtet (der Prinz regierte ab September 1730 als Carlo Emanuele III.): „Nous avons parlé sur les bâtiments de Turin. ‚Nous avons, dit-il, partout des maisons, et elles ne sont pas achevées’.“ Oder wenn Montesquieu den Herzog von Württemberg im August 1729 davon zu überzeugen versucht, „de bâtir sa résidence entre ses deux villes; ce qui aurait été très commode pour lui et aussi pour ses sujets […]“. Vgl. Montesquieu 1728/29 (2003), S. 102; S. 366. 97 Denis de la Haye an Ludwig XIV., 16. Juni 1683; AAE, CP, Bavière, Bd. 37 (1683), fol. 203r: „Il [Max Emanuel] me dit plusieurs choses generales et assez plaisante de son voyage, qu’il a veu une belle armee, une Cour ou il y a peu d’argent, Miserables logements [...].“ Dass militärische Schlag-

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scheint sehr enttäuscht gewesen zu sein, und diese Enttäuschung übermittelte der französische Gesandte seinem König – in Zeiten erkalteter bayerisch-französischer Beziehungen – mit besonderer Genugtuung. Gesandte, in diesem Fall französische Gesandte, sind also nicht allein Vermittler, sondern auch Multiplikatoren dieses diskursiv geformten Bildes vom französischen Hof an den Höfen der Kurfürsten im Reich. Der Bericht über den eigenen Hof wird Teil der Politik gewesen sein, denn sonst hätten sich die envoyés nicht bemüßigt gefühlt, dies in ihren relations zu vermerken, etwa wie der Glanz des französischen Hofes erstrahle, aber auch der ganz konkrete Verweis darauf, wie die Produktion von Teppichen floriere. Die Rolle der Diplomaten ist auch hier nicht zu unterschätzen; es sei nur auf den französischen Gesandten Vitry verwiesen, der 1674, nach dem Brand der Münchner Residenz, der Kurfürstin Henriette Adelaide sofort anbot, die zerstörten, noch aus savoyischem Besitz stammenden Teppiche durch wertvolle Geschenke, nämlich französische Teppiche, zu ersetzen98 – ein großzügiges Angebot, das mehr als nur Anteilnahme an den schrecklichen Geschehnissen gewesen war. Diese Aspekte unterstreichen die Bedeutung von Kunst und Kulturtransfer auf der politisch-sozialen Ebene. Hinsichtlich eines transterritorialen Austauschs sind jedoch weitere Rezeptionsbedingungen, die in mentalitätsgeschichtlichen Zusammenhängen gründen, von großer Wichtigkeit. Deshalb ist im Folgenden über das Verhältnis bzw. die (Un-)Vereinbarkeit von Vorbild, nationalem Vorurteil und eigenem Selbstverständnis zu verhandeln und damit über die zentrale Frage, ob die gerade in Kurbayern lebendige transnationale dynastische Verschränkung – man denke an die Kurbayern mit Europa vernetzenden Heiratsallianzen – zu einer verstehenden Vereinnahmung fremder Modelle oder zur Formierung einer genuin eigenen künstlerischen Identität mittels gezielter Transformation des jeweiligen Modells, etwa durch Integration oder Bewahrung eigener traditioneller Elemente, geführt hat.

kraft und höfische Pracht, also die ökonomische Potenz, in einem direkten Verhältnis stehen, ist dabei zu bedenken. 98 Vitry an Ludwig XIV., 18. April 1674; AAE, CP, Bavière, Bd. 14 (1674), fol. 379r.

2.  Allgemeine Rezeptionsbedingungen

Mentalität: Stereotype, Fremd- und Selbstwahrnehmung „[...] les Bavarois naturellement n’aiment que les gens de leur nation et ont une violente antipathie pour les étrangers.“99 Diese Einschätzung des Kölner Kurfürsten Joseph Clemens, die er während seines Exils 1712 gegenüber dem französischen Gesandten Marquis de Torcy äußert, umschreibt denkbar schlechte Voraussetzungen für die Rezeption fremder künstlerischer Modelle in Kurbayern. Sie bestätigt zudem eine lange Tradition; so heißt es schon 1638: Die Bayerisch nation ist etwas unhöfliger als die anderen Teutschen / sind auch unfreundlich gege[n] die frembde wie die erfaren / so durch ihr land reysen.100

– ein ungünstiges Bayernbild, welches konturiert wird durch ein weiteres Stereotyp, das auch Montesquieu auf seiner Reise durch Süddeutschland 1729 mit dem auf italienisch gehaltenen Einwurf „Il Bavarese, piu stupido di Germani“ aufgreifen wird.101 Montesquieu bedient sich hier einer offenbar vornehmlich von Franzosen geprägten Einschätzung, die bereits lange zuvor Eingang in die offizielle Historiographie gefunden hat. So heißt es 1743 unter Verweis auf ein weit verbreitetes französisches Werk des 17. Jahrhunderts: Ein gewisser Franzos schreibet: Was die Bayern anbetrift, so seynd sie so unhöflich, so ungeschickt und so grob, daß, wenn man sie mit den andern Teutschen vergleichen will, man sie mit guten Fug, barbarische Leute nennen könnte.102 99 Joseph Clemens an Torcy, 9. Juli 1712; Zitat bei Heigel 1884c, S. 245. Dies ist ein Auszug aus seiner Einschätzung der einzelnen Personen am Brüsseler Hof Max Emanuels, konkret die Einschätzung Graf Monasterols zu einer Zeit, als es um den Tausch Kurbayerns gegen die Spanischen Niederlande und Sizilien und damit die Königswürde ging. 100 Neuwe Archontologia Cosmica 1638, S. 63. 101 Montesquieu 1728/29 (2003), S. 352. Er fährt daraufhin fort: „Les Saxons, plus d’esprit, mais sont les plus mauvaises troupes de l’Allemagne.“ An späterer Stelle (S. 362), nach dem Besuch in Augsburg, fasst er nochmals zusammen: „Les Bavarois sont plus stupides que les Allemands ne sont. Effectivement, l’action sur l’esprit de ces nations n’est pas instantanée. Il faut beaucoup de temps pour que l’âme soit avertie.“ Vor allem geometrische Aufgaben würden sie vor große Probleme stellen. Der französische Gelehrte und Arzt Patin 1670 (1695), S. 92, differenziert: „Les Bavarois me paroissent grossiers. Je ne parle pas des personnes de qualité la naissance les distingue, & l’éducation les polit, il n’y a que le petit peuple & le reste des personnes viles qui ayent ce charactere pesant & terrestre.“ 102 Staats-Geschichte Bayern 1743, S. 396. Man bezieht sich auf das im 17. Jahrhundert in mehreren Auflagen erschienene Werk Les Estats, Empires, Royaumes et Principautez du Monde. Zur Germanophobie vgl. im Ansatz Hugues Marquis, Aux origines de la Germanophobie: la vision de l’Allemand en France aux XVIIe-XVIIIe siècles, in: Revue historique, 115, 1991, S. 283–294.

Allgemeine Rezeptionsbedingungen  | 65

Doch auch umgekehrt erfreuten sich die Franzosen auf Seiten der Bayern keiner großen Sympathien. Diese Frankophobie, ebenso angereichert mit vielen Stereotypen, drang bis ins alltägliche Leben am Wittelsbacher Hof, etwa als die Gemahlin des Kurfürsten Maximilian I., die Habsburgerin Maria Anna, sich 1649 gegen die Einstellung eines französischen Kochs wehrte, den sie nicht ohne Eidesleistung in ihre Küche lassen wollte: [...] ich halde halt mer von ein retlichen Teutschen als eim vagierenden Franzosen. er hat mir sonst schon miessen den ait thon, eh ich ihn hab in die kuchl gelassen.103

Gut zehn Jahre später, 1663, wollte der regierende Kurfürst Ferdinand Maria seinen Bruder, Herzog Maximilian Philipp, auf dessen Grand Tour nicht nach Frankreich reisen lassen; er hatte „unterschiedliche erhebliche Bedenken“, wie er Maximilian Heinrich nach Köln berichtete. Der Kölner Kurfürst wiederum beschwichtigte ihn, er würde es „nicht undienlich zu sein erachten, wann Sie nur mit Leuten, so selbigen Landes und Hofes kundig und erfahren, versehen sind“.104 Die in diesen sporadischen Verweisen lebendigen stereotypen Vorstellungen sind von der Wahrnehmung künstlerischer Phänomene kaum zu trennen: Es gibt Schnittmengen, derer man sich bei der Bearbeitung der Frage nach Perzeption und Adaption fremder künstlerischer Modelle am Wittelsbacher Hof in Kurbayern bewusst werden sollte; nicht zuletzt auch um ein Verständnis für die zeitgenössischen und die späteren Kommentare zu entwickeln. Schlaglichtartig sei hier anhand zweier extremer Positionen die Wahrnehmung des Münchner Hofes im 17. und 18. Jahrhundert beleuchtet: In den späten 1650er Jahren bemerkte ein Franzose, der aus politisch-diplomatischen Gründen in München weilte, über den Wittelsbacher Hof, implizit auf die spanische und damit habsburgische strenge Etikette verweisend: „Il n’est pas de cloître où l’on vive plus régulièrement et avec plus de

103 Brief Maria Annas vom 24. September 1649 an den Hofkammerpräsidenten Mändl nach Wien (er war Vertreter aller Staats- und Privatgeschäfte des Kurfürsten); zitiert nach Karl Mayr, Briefe der Kurfürstin Maria Anna von Bayern, in: Festgabe Karl Theodor von Heigel, München 1903, S.  315. Sie hat sich dann aber doch für die französische Küche entschieden; am 30. Oktober schreibt sie: „Euer französischer koch [...] gibt meinem gemahl und mir gar gute satisfaction mit seinem kochen“; ebd., S. 317. Einher geht mit dieser grundlegenden Franzosenabneigung um 1650 auch eine strikte Kleiderordnung, die die französische Tracht unter Strafe verbietet; dazu Veronika Baur, Kleiderordnungen in Bayern: Vom 14. bis zum 19. Jahrhundert, München 1975, S. 83 u. Tabelle im Anhang ebd. 104 Zu dem Briefwechsel März/April 1663 (GHA, Korr. Akt 654) vgl. Strich 1933, Bd. I, S. 40. In der „Designatio“ der kurfürstlichen Kanzlei heißt es dann schließlich: „Paris – allwo zu beachten, daß Ihre Hochfürstl. Drchl. sich die 3 Monat, nämlich im Dezember, Januar und Februar aufhalten, weil Sommer und Herbst die contagion etwas alldorten regiert und der königl. Hof sich selbiger Zeit niemals einzufinden pflegt.“ Es wurde dann jedoch, gerade weil das Jahr schon zu weit fortgeschritten war, von der Parisreise abgesehen, was wiederum Erleichterung hervorrief. Zu Maximilian Philipps Reise 1663 und der dann 1668 schließlich doch stattfindenden Reise nach Frankreich vgl. unten den Abschnitt Herzog Maximilian Philipps Reisen in den 1660er Jahren.

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sévèrité que dans cette cour.“105 Ungefähr achtzig Jahre und drei Kurfürstengenerationen später, in den 1730er Jahren, wurde der Wittelsbacher Hof von einem kunsthistorisch sehr gebildeten Reisenden, dem Baron Pöllnitz, als „la plus galante & la plus polie de l’Allemagne“106 gerühmt, zweifelsohne in Anlehnung an die den Franzosen vorbehaltene, mannigfach kopierte „Galanterie“. Diese beiden pointierten Bemerkungen, die einen vermeintlichen oder tatsächlichen Wandel am Wittelsbacher Hof umschreiben, verdeutlichen, dass die Wahrnehmung künstlerisch-kultureller Repräsentation von der sozialen Identität der Akteure nicht zu trennen ist. Dazu gehören durchaus auch die eingangs beschriebenen Vorurteile, die in verschiedenen Mentalitäten gründen,107 sowie die erstaunlich langlebigen Stereotypen.108 Hinsichtlich eines Wandels in der höfischen Architektur und allgemein der höfischen Repräsentationskultur der deutschen Territorialfürsten ab den 1660er Jahren, die sich in Anlehnung an oder Abgrenzung von fremden Modellen und schließlich in der Etablierung eigener Modelle manifestiert, ist diese Stereotypenbildung ein jenseits der einschlägigen Architektur-Traktatistik bisher zu wenig beachtetes Phänomen. Es gilt, den damals (wie zumeist noch heute) wirksamen Wahrnehmungsmustern auf die Spur zu kommen. Die Relevanz sowohl der politisch als auch der mentalitätsgeschichtlich orientierten Perzeptionsforschung für die ästhetische Wahrnehmung wird deutlich, wenn man 105 Coulanges 1657/58 (1820), S. 15. Dieses gern zitierte, doch immer aus dem Zusammenhang gerissene Urteil wird an späterer Stelle nochmals untersucht werden; vgl. unten Die Kaiserwahl 1657/58. 106 Pöllnitz 1737, S. 301. Auch schon in den frühen 1660er Jahren hieß es: „Entre les cours de plusieurs Princes d’Allemagne, il n’y en a point de plus galante, n y de plus pompeuse que celle du Duc de Baviere“; Jouvin 1672, Bd. III.1, S. 206. 107 Oesterle 1988, S. 63, macht auf den bislang unzureichend erforschten Zusammenhang von Mentalität und ästhetischer Theorie aufmerksam. 108 Hilfreich erweisen sich hier Forschungsansätze zur historischen Perzeptionsanalyse, zur Imagologie und Stereotypenforschung, die sich dem Wandel von Mentalitäten, der Konstituierung und der Veränderung von Fremd- und Selbstbildern widmen. Ich beziehe mich auf Forschungen zur Perzeptionsanalyse in den Politikwissenschaften. Kai M. Schellhorn, Entscheidungsprozeß- und Perzeptionsanalysen (Phänomenologische Methode), in: Internationale Beziehungen 1989, S. 143, definiert Perzeption als „die der Beurteilung einer außenpolitischen Umweltlage vorangehende selektiv-subjektive Bestandsaufnahme der Wirklichkeit“. Zum Faktor Perzeption in außenpolitischen Entscheidungsprozessen vgl. Schilling 1991, S. 19–46; als instruktive Problemskizze: Tschopp 2005. Zur „Entstehung des nationalen Vorurteils“ und zur „Kultur der Wahrnehmung fremder Nationen in der europäischen Frühen Neuzeit“ vgl. Schulze 1995, S. 642–665; Franz Bosbach, Eine französische Universalmonarchie? Deutsche Reaktionen auf die europäische Politik Ludwigs XIV., in: Médiations – Vermittlungen 1992, Bd. I, S. 53–68; Gottfried Niedhart, Selektive Wahrnehmung und politisches Handeln: internationale Beziehungen im Perzeptionsparadigma, in: Internationale Geschichte 2000, S. 141–157. Zur wechselseitigen Perzeption vgl. die Beiträge in Deutschlandbilder/Frankreichbilder 2001 sowie in Formen internationaler Beziehungen 2001. Zum Blick Frankreichs auf das Reich während der Régence zuletzt: Ulbert 2004. – Die Forschung zu Deutschland-Frankreich ist weit umfangreicher als diejenige zu Deutschland-Italien, in der zudem erwartungsgemäß der Blick auf die Zeit um 1800 dominiert; vgl. Deutsches Italienbild und italienisches Deutschlandbild 1993; Italien in Aneignung und Widerspruch 1996.

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sich weitere Schnittmengen vor Augen führt. Das betrifft die topische Vorstellung über Kreativität, etwa wenn der Abbé Bouhours 1671 – die bekannte Klimatheorie aufgreifend – dem rauhen nordischen Klima eine mangelnde Entfaltung des „bel esprit“ bei künstlerischen Bemühungen zu Lasten legte,109 woraufhin der Leipziger Gelehrte Christian Thomasius in seiner berühmten Vorlesung „Von Nachahmung der Franzosen“ 1687 konterte: Diese offenhertzige Gedancken des Bouhours solten uns nun eine gnungsame Materie geben, eine Satyre zu schreiben, wenn es unser Vorhaben wäre; in Ansehen sich der gute Vater mit seinem bel esprit ziemlich bloß gegeben, indem er zwar die modestie, als ein nöthiges Stück davon [...] erfordert, aber in Warheit sich nicht allein hierinnen sehr immodest bezeuget.110

Den französischen Hochmut prangerte Thomasius auch hinsichtlich der Vorstellung des so oft propagierten Modellwechsels vom Italienischen zum Französischen an: Er [Bouhours] saget daß das vorige Jahrhundert für Italien an schönen Geistern so fruchtbar gewesen sey, als es nach Augusti zeiten iemahls seyn können, das ietzige aber sey für Franckreich, indem man mit guten fug sagen könne, daß alle Weisheit und aller Verstand von der Welt eintzig und allein bey denen Frantzosen anzutreffen sey, und daß alle andere Nationes gegen die Frantzosen gerechnet den Kopff mit Gritze gefüllet hätten.111

Auch im Bereich der diplomatischen Geschenke sind nationenspezifische Werturteile und Kunst, in diesem Fall künstlerische Produkte, nicht zu trennen; so versuchte die Wittelsbacher Kurfürstin Maria Anna 1652 der Abneigung der Savoyer in Turin gegenüber den geizigen Bayern entgegenzuwirken, indem sie, im Dienste der fürstlichen Tugend der Freigebigkeit, ihren Gesandten Graf Kurz anhielt, genug Geschenke von einigem Wert mitzubringen, „vnd Wür hierin nicht, wie daß vorigmahl geschehen, an Vnserer reputation zuleiden haben“.112 Eine weitere Ebene der Verknüpfung von Kunst und Mentalität berührt das ab der Mitte des 17. Jahrhunderts sich massiv formierende Superioritätsgefühl der Franzosen nicht allein gegenüber den Reichsterritorien, sondern gegenüber weiten Teilen Europas. Auch hier gibt es wieder mehrere Perspektiven: Der um 1660 München bereisende

109 Zu den Entretiens des Abbé Bouhours 1671 vgl. Heitmann 1996, S. 9–62; zum Originalzitat: Bouhours 1671 (2003), S. 260. Zum Deutschlandbild der Franzosen siehe auch Fink 1994, bes. S. 16–27. Zur ursprünglich auf Hippokrates zurückgehenden Klimatheorie, die den Kern späterer nationaler Differenzierungen bildete und Eingang in die Methodik der Staatenanalyse fand, vgl. Dreitzel 1992, S. 62–66; Schulze 1995, S. 652. Zur positiven Bedeutung der Klimatheorie im frühen 18. Jahrhundert als Begründung für die Vielfalt der Ingenien vgl. Peter K. Kapitza, Ein bürgerlicher Krieg in der gelehrten Welt. Zur Geschichte der Querelle des Anciens et des Modernes in Deutschland, München 1981, S. 398–413. 110 Thomasius 1687 (1894), S. 28. 111 Ebd., S. 26f. Seine harte Kritik ebd. S. 28. 112 Vgl. dazu Heigel 1890, S. 12; Turiner Mission 1652 (1989), S. 305.

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Franzose Albert Jouvin fügte in seine Beschreibung des Wittelsbacher Hofes folgende Feststellung ein: car pour dire la verité, les Allemans sont devenus de grossiers qu’ils estoient dans leurs mœurs & leurs façons de vivre, fort adroits, & polis dans leurs mœurs, de puis environ cinquante ans qu’ils se sons adonnez à voyager la France, & à entrer dans ses Academies, d’où ils ont tiré cette adresse & cette galanterie, qui est si naturelle à la nation Françoise ; en forte qu’à present on ne peut distinguer la cour d’un Prince de l’Empire d’avec celle d’un Prince François par leur façons de faire, par leurs habits, par leurs mœrs, & mesme par leur langage, y ayant la plus part de la Noblesse qui parle tres bien le langue Françoise.113

Doch derselbe Gedanke eines kulturofferierenden Anspruchs der französischen Nation konnte durchaus auch als ein direkter Vorwurf zum Ausdruck kommen, etwa wenn den Franzosen (freilich zu Unrecht, wie allein Jouvins Beispiel beweist) unterstellt wurde, sie würden gar nicht reisen und trotzdem ihre Bauten als die besten ansehen – so durfte ein Schwede nach der Besichtigung von Versailles in einer 1719 als fiktives Gespräch publizierten, höchst interessanten Beschreibung wettern: allein wann die Franzosen von ihren Dingen reden / erheben sie solche über die ganze Welt / weil sie andere Merckwürdigkeiten außerhalb Landes nicht gesehen. Sie sind des herausstreichens so gar gewohnt / daß man offt über die Einfalt lachen muß / wann sie auch bey Dingen von mittelmäßiger Schönheit und Vollkommenheit / dergleichen an viel andern Orten gefunden werden / immer im Superlativ reden.114

Auch Montesquieu kritisierte in den Lettres persanes diese Haltung seiner Landsleute mit sarkastischem Unterton: „ce qui est étranger leur [den Franzosen] paroìt toujours ridicule.“115 113 Jouvin 1672, Bd. III.1, S. 206f. Es ist nicht genau bekannt, wann sich der Franzose in München aufhielt; vemutlich war es um 1660. 114 Unparteyische Gedancken 1719, S. 269. Der an dem Gespräch beteiligte Deutsche fügt später hinzu: „Die Marställe von Versailles sind schön / daß aber die Franzosen / die etwa nicht weiter als durch den Schwartzwald bis nach Hochstädt kommen / vorgeben / sie wären schöner als manche Fürstliche Schlösser in Teutsch-Land / da sage ich nein zu / sondern es sind im Gegentheil Fürstliche Häuser / welche so schöne Lagen und Gegenden und Annehmlichkeiten haben / dergleichen zu Versailles nicht gesehen werden.“ Ebd., S. 272. Hinsichtlich des im Bau befindlichen Schlosses Weißenstein bei Kassel wird er noch deutlicher: „Wann M. François nur das Modell davon sähe / würde er den Französischen Superlativum und hyperbolische Redens=Arthen bald temperiren und eine andere Sprache führen.“ Ebd., S. 275. Die Beschreibung und damit der Dialog endet damit, dass der Franzose bereit war, die europäischen Länder zu bereisen, um herauszufinden, „ob es wahr sey / daß seine Lands=Leuthe sich ohne Ursache grösser machten als billig wäre“. Ebd., S. 280. 115 „Je te parlois l’autre jour de l’inconstance prodigieuse des François sur leurs modes. Cependant il est inconcevable à quel point ils en sont entêtés: c’est la règle avec laquelle ils jugent de tout ce qui se fait chez les autres nations; ils y rappellent tout; ce qui est étranger leur paroìt toujours ridicule.“ 101. Brief, 1717; Montesquieu 1721 (1873), Bd. II, S. 23.

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Dieses Selbstbild einer kulturofferierenden Nation ist eine wichtige Grundlage bei der Untersuchung der Modellrezeption im Reich, ob sie nun bekämpft oder gepriesen wurde.116 So wurde etwa der Stolz der Franzosen auf „ihr“ Versailles, das alles überrage, in dem eben zitierten fiktiven Gespräch von 1719 von einem Niederländer mit Hinweis darauf gedämpft, dass es großteils Künstler anderer Nationen waren, die an der künstlerischen Produktion größten Anteil gehabt hätten: die berühmtesten Künstler in Paris und anderswo sind Italiäner / Teutschen / Holländer und Engländer / die sich in grosser Menge dahin gezogen / weil sie ihre Arbeit wohl an den Mann bringen können.

Er sage das nur, damit M. François erkennen und begreiffen möge / daß die Franzosen nicht alles in allem seyen / und nicht Ursach haben / sich vor andern Nationen was voraus zu nehmen.117

Zweifellos war das Interesse an den Erzeugnissen und der Lebensweise der Franzosen in deutschen Territorien bereits ab der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts groß – doch ebenso bekannt ist die parallel zu diesem Interesse sich formierende Animosität gegen das, was als kulturelles und ästhetisches Modell Frankreich angesehen wurde.118 Der deutsche Blick registrierte diesen Prozess des sich zum Modell formierenden Frankreich oft mit Bitterkeit; so in den Briefen der Liselotte von der Pfalz, die ohnehin ihrem Gastland Frankreich sehr reserviert gegenüberstand: „[...] aber unßere Teütschen haben daß, alles halten sie vor perfect, waß nur auß Franckreich kompt.“119 Konkret ging es hier zwar um das Amt eines Hofmeisters, doch der von Liselotte 1706 als unkritisch und beliebig beklagte Nachahmungsdrang bezog sich allgemein vor allem auf Sprache, Kleidermode, also das soziale Verhalten, den Habitus. Die Paradoxie, die diesem Akt der Nachahmung eingeschrieben ist, formuliert Johann Michael von Loen auf seiner Frankreichreise 1719 sarkastisch zugespitzt: Die Teutschen verachten die Franzosen und suchen ihnen doch in allem nachzuahmen. Sie tadeln ihre Sitten und mustern doch die ihrigen nach denselben; sie reden ihre Sprache, lesen ihre Bücher und kleiden sich nach ihren neuesten Moden. Sind die Franzosen größere Thoren, daß sie den Teutschen alles vorgaukeln, oder die Teutsche, daß sie ihnen alles nachmachen?120

Als ein Beispiel für die offen kritisierte Frankreich-Rezeption sei auf den bayerischen Adel verwiesen, der gerade nach dem Dreißigjährigen Krieg notwendig reisen musste 116 Für die kritisch-satirische Sicht vgl. besonders die umfangreiche Literatur zum sog. Alamodeunwesen; dazu mit vielen Quellen vor allem Gebauer 1907; Gebauer 1911. 117 Unparteyische Gedancken 1719, S. 279. 118 Zu den Antipathien und Animositäten vgl. Pallach 1992, S. 93: „Die Realität der deutschfranzösischen Beziehungen war von beidem geprägt, von der Abneigung wie von der Anziehung.“ 119 Brief an Raugräfin Luise, 31. Oktober 1706; Elisabeth Charlotte 1676–1706 (1867), S. 320, Nr. 1170. 120 Loen 1749–1752 (1972), Bd. I, S. 86.

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und zwar besonders nach Frankreich, um kulturell den Anschluss an das Ausland wiederzugewinnen; dieser Zwang war vor allem bei denjenigen sehr ausgeprägt, die aufgrund von Landverlusten im Krieg finanziell geschwächt waren und sich daher in große Schulden stürzten121 – was Tiraden seitens der Geistlichkeit motivierte: [...] die Exzesse in Küche, Keller, Garderobe, Argenterei, Kuriositäten, überflüssigen Pferden, Spielen, das überflüssige Reisen der jungen Leute, wo mancher ehrliche deutsche Vater um so viel tausend Gulden [...] mit seinem großen Leidwesen anstatt eines kultivierten Menschen einen an Leib und Seele verderbten Sohn zurückbekommt, der weder der Familie noch dem gemeinen Wesen zu Ehr oder Nutzen ist.122

Die jungen Leute würden in die Welt hinausgeschickt, sie müssten um etliche tausend Gulden, so darauf spendiert werden, die Mode lernen, welche sie sich dergestalt zu eigen machen, daß, wenn sie ins Vaterland zurückkommen, von der Perücke an bis auf die Schuhe nichts mehr für anständig und gut gehalten werden soll, was nicht für etliche Louisd’or – denn für weniger wärs nicht kavaliermäßig – aus Frankreich überbracht worden.123

In diesen großen Investitionen sahen die Prälaten die Gründe für den wirtschaftlichen Niedergang des Adels – auf dem Landtag 1669 stellten die Adeligen sogar die Bitte, es mögen an der Landesuniversität französische und italienische Sprachlehrer sowie Tanzund Fechtmeister angestellt werden, damit ihre jungen Standesgenossen nicht mehr ins Ausland zu reisen brauchten.124

Ökonomische, technische, politische und künstlerische Faktoren Der ab 1664 zwei Jahre am Wittelsbacher Hof unter Kurfürst Ferdinand Maria in München tätige Ökonom und Mediziner Johannes Joachim Becher125 hat die Vorliebe für französische Produkte schon recht früh aus deutscher Sicht mit nicht geringem Sarkasmus und deutlicher Warnung vor den wirtschaftlichen und auch politischen Konsequenzen kritisiert. Eine Sequenz, 1668 in seinem „Politischen Discurs von den eigentlichen Ursachen des Auf- und Abnehmens der Städt, Länder und Republicken“ publiziert, wird hier ausführlich zitiert, um die Vielfalt der Produkte – aufwändig hergestellte Luxusobjekte – deutlich werden zu lassen:

121 Zur wirtschaftlichen Situation des Adels nach dem Dreißigjährigen Krieg vgl. Ksoll 1986, S. 28ff. und passim. 122 Doeberl 1928, S. 12 (ohne genaue Quellenangabe). 123 Ebd., S. 13. Zur finanziellen Belastung durch die Reisen vgl. Leibetseder 2004, S. 54–64. 124 Doeberl 1928, S. 12, Anm. 2. 125 Becher war nur von 1664–1666 am Münchner Hof als „Hofmedicus und Mathematicus“ tätig, wurde aber schon seit 1658 umworben; vgl. Hassinger 1951, S. 27–41, zu Becher in München.

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Ja uns Teutschen ist schier kein Kleid mehr recht / wann es nicht aus Franckreich kombt / worvon jährlich dann nicht nur eine Million aus Teutschland hineingehen / [weil] die Frantzösische Schermesser uns Teutschen den Bart besser scheren / als andere / die Frantzösische Scheren und Zangen schneiden besser die Nägel / und reißen die Haar aus / als unsere / ihre Uhren gehen besser / wann sie die Teutsche zu Pariss gemacht haben / als wann eben selbige Meister solche zu Augspurg gemacht hätten / dann die Luft allda ist besser darzu / ihre Spiegel seynd heller als die Venetianisch / ihrer Weiber Aufsätz / Garniteur / Bänder / Ketten / Perlen / Schuch / Strümpff / endlich gar die Hembder seynd besser / wann sie die Frantzösische Lufft ein wenig perfumirt hat / (wiewohl ehe ich sie anlegen thäte / den guten Geruch erstlich mit Schwebelrauch / als wie man den Brieffen in der Pest thut / vertreiben wolte) man fähre nicht wol in den Kutschen / wann sie nicht die Frantzösische Mode haben / [...] die Frantzösische Perucken schicken sich besser auff die Teutsche Köpff / als der Teutschen Haar selbsten / so lässet sich auch hernach ein solch Frantzösisch Haar von keinem teutschen Kam kämmen / oder anderst / als mit Frantzösische Pudder bestreuen.126

Bechers Plädoyer zielt darauf ab, sich der zunehmenden Vorherrschaft des Westens, besonders Frankreichs, in den feinen gewerblichen Erzeugnissen für die prachtvoll-höfische Lebensweise zu entziehen: Teutschlandt hat zu seinem Schaden / Oder grossen Raserey! / Fremde Kauffleut eingeladen / daß es ja bald Geltarm sey / frembde Wahren welche leider / nichts als frembde Kleider / dardurch wird die teutsche Welt / reich an Hoffart arm an Gelt.

Stattdessen plädiert Becher für die Förderung des eigenen Gewerbes und Handels, von eigenen Manufakturen, auch um die wirtschaftliche Unabhängigkeit zu stärken – durchaus jedoch unter Zuhilfenahme ausländischer Kenntnisse.127 Denn trotz moralischer Vorwürfe („Hoffart“) und ökonomischer Warnungen sei nicht vergessen, dass Becher während seines Aufenthalts am Münchner Hof zugleich derjenige ist, der sich schon in den 1660er Jahren beklagt über die Verfolgungen, denen die Fremden, auch die auswärtigen Künstler, ausgesetzt seien: „weil die Bayern nichts als Bierstutzen und Kirchenfahrten verstehen, sollen andere es auch so machen“; um mit Bitterkeit festzustellen: „Wo andere Tür und Tor aufsperren um künstlerische Leute hereinzubringen, verbieten sie die künstlerischen Erfindungen“.128 Schließlich galt es auch in München dringend, wieder Anschluss zu gewinnen an die künstlerische, vor allem kunsthandwerkliche Produktivität der Zeit vor dem Dreißigjährigen Krieg: Das Münchner Kunstgewerbe, das noch vor dem Krieg in Italien, in Frankreich und Spanien Absatzgebiete gehabt hatte, lag darnie-

126 Becher 1668, S. 70ff. (Kapitel XI). Bis 1754 erlebte das Buch fünf Auflagen. 127 Für die 1665 gegründete (und wenig später gescheiterte) Seidenmanufaktur ließ Becher französische Arbeitskräfte aus Lyon kommen; Kraus 1983, S. 281. 128 Zitiert nach Doeberl 1928, S. 9.

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der.129 Mit der Errichtung der Seidenmanufaktur in München ab 1665 sollte wenigstens auf einem Sektor – zudem auf einem besonders für den Hof bedeutenden Sektor – das französische Monopol in Luxuswaren gebrochen werden, wenngleich diesem Projekt kein großer Erfolg beschieden war.130 Becher verließ München schon im Jahre 1666 auf etwas unrühmliche Weise. Indessen sind mit dem Verweis auf das Wirken Bechers in München wichtige Aspekte angesprochen: Die Frage der Vorliebe für französische Produkte oder auch ihre Ablehnung ist keineswegs allein eine geschmackliche oder ästhetische, sondern eng verbunden mit mentalen, ökonomischen, technischen und schließlich politischen Faktoren.131 Die für den Wittelsbacher Hof kurz angedeuteten wirtschaftlichen Entwicklungen und Maßnahmen in den 1660er Jahren, die teils erfolgreich waren, teils scheiterten, verbunden mit politischen Veränderungen, von denen noch genauer zu sprechen sein wird, sind für das Verständnis der zeitgenössischen architektonischen und künstlerischen Projekte hinsichtlich der Adaption fremder Modelle ausgesprochen wichtig.132 Berühmt ist der in diesem Zusammenhang deutlich eher volkswirtschaftlichen als rein kunstpolitischen und ästhetischen Überlegungen verpflichtete kurfürstliche Erlass an den Geistlichen Rat im Jahre 1670, welcher die Dekoration der Kirchen den einheimischen Schreinern, Malern, Bildhauern, Orgelbauern sichern wollte: Uns ist von den gesamten Malern, Bildhauern und Schreinern unseres Kurfürstentums und Landes unterthänigste Beschwerde vorgekommen, gestalten diejenige Arbeit für Altartafelwerk und anderes Kirchenzierrat [...] mit Hintansetzung ihrer den fremden und ausländischen Meistern überlassen und zugeschoben, wodurch dann denselben ein sonderbarer Nachteil und Schaden zugefügt werde; seitdemalen aber für sich selbst billig, den inländischen Werksleute den ausländischen Malern, Bildhauern und Schreinern vorgezogen und denselben jedesmal überlassen.133

Die Kehrseite war die mangelhafte Ausbildung der einheimischen Künstler, die noch Max Emanuel nach seiner Rückkehr 1715 aus Paris beklagte: War auch der bayerische Hofkistler Adam Pichler jahrelang in Paris ausgebildet worden,134 so konnten doch die 129 München war im Gegensatz zu Turin um die Mitte des 17. Jahrhunderts nicht der Ort, an dem man ohne weiteres Luxuswaren, besondere Stoffe, Parfum o.ä. erhalten konnte, wobei sich dieser Mangel nicht auf München allein beschränkt; so schreibt die junge Kurfürstin Henriette Adelaide: „an toute l’Allemagne il ne san troue point“ (Henriette Adelaide an die Madama Reale, 16. April 1653; AST, LettA, M 20). Daher bittet sie ihre Mutter um Hilfe; vgl. Merkel 1892, S. 346. 130 Hassinger 1951, S. 37f. Es lag vor allem auch an den ungünstigen Wetterbedingungen, die den Gewinn von Seide sehr erschwerten. 131 Duchhardt 2003, S. 177, betont, dass das Faszinosum „der französischen Kultur in ihrem Zusammenspiel von Technik (maschine) und Gestus, von Ästhetik und beherrschter Natur“ läge. 132 Vgl. dazu das Kapitel 3. 133 Erlass des Kurfürsten vom 28. März 1670 (BayStB, Cod. Bav. 2623); zitiert nach Schiedermair 1902, S. 123. 134 Vgl. den Akt im BayHStA, HR I, Fasz. 110/63 (1); 9.5.1715: „Herr Chf. Dlt. in Bayern, unser gd. Herr haben Adam Pichlern, nachdeme er das Küstler und Bluemenwerckh schneiden lange Jahr

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einheimischen Handwerker mit Pichlers Kenntnissen produktiv nichts anfangen – „weillen hisiger Landten von dergleichen nichts sonders bekannt“ –, was die Arbeiten in den Schlössern sehr zum Leidwesen des Bauherrn Max Emanuel stark verzögerte.135 Die lange schwelenden Diskussionen um die technischen Fertigkeiten bzw. die angemessene Ausbildung fasst die Pfalzgräfin Liselotte aus ihrer französischen Perspektive 1706 knapp zusammen, indem sie auf den Transfer künstlerischer Fertigkeiten durch die Hugenotten verweist – das Defizit wurde hier ausgeglichen durch den Import von Kompetenz: Es ist eine thorheit, zu glauben, daß man nichts hübsches, noch magnifiques, alß in Franckreich, machen konne. Es seindt mitt den vertriebenen reformirten schir die besten arbeydtsleütte auß Franckreich gangen; also leicht zu glauben, daß man jetzt in Teütschlandt eben so schönne stoffen undt allerhandt zeüg wirdt haben können, alß man hir hatt.136

Besonders anschaulich wurde die Problematik einer mangelnden Beherrschung neuer Techniken und damit der Abhängigkeit von fremden Produzenten bei den Porzellanmanufakturen im Reich und in Frankreich, was als kultureller Reputationsverlust und politischer Rückschlag zugleich gesehen wurde.137 Die Gefahr, sich über eine kulturelle und ästhetische Dominanz hinaus auch der wirtschaftlichen Macht und den politischen Ansprüchen zu beugen, wurde schon früh thematisiert. In einer anonymen Flugschrift von 1686 erschien Frankreich als ein verführerischer „Irr=Garten“; habe sich nämlich Frankreich zunächst als ein anmuthiger und lustiger Garten denen Ausländischen Nationen vorgestellet / nachmals aber / wenn dieselben darein gerahten / hat es sich in ein verführisch Labyrinth oder Irr=Garten verwandelt.138

Auch hier ging es, wie zwei Jahrzehnte früher in Bechers mahnenden Worten, vornehmlich um Luxusgüter, nicht minder aber auch um Spielsucht oder Konsumexzesse: in Baris auf Chf. Unkosten gelehrnet, und hierinnen zur gd. Satisfaction allerdings profitiert, für einen Hofküstler mit jährl. 400 f. Besoldung gd. benennet.“ Unterschrieben von Max Emanuel und Wilhelm. 135 BayHStA, HR I, Fasz. 110/63, fol. 372 mit einer Rechtfertigung Pichlers von 1730: „eine nur allzu offenbahre und unwiderlegliche Sach ist, daß ich gleich aller Anfangs, da mit Sr. abgeleibt Chf. Dlt. höchstseel. Angedenkens in ao 1715 ich aus Frankreich hieher zukommen die höchste Gnad, und derlei Arbeiten – weillen hisiger Landten von dergleichen nichts sonders bekannt – noch iemandt anderer im Stand gewest, solche nach französischer Fasion verferttigen zu können – zu vernehmen gehabt [...].“ 136 Elisabeth Charlotte 1676–1706 (1867), S. 487, Nr. 338, schreibt an Raugräfin Amelie Elisabeth aus Versailles, 18. November 1706. Pöllnitz 1739, Bd. I, S. 144f., betätigt dies, indem er die Großherzigkeit des preußischen Königs lobt, der die „Franzosen“ empfangen und „integriert“ hatte: „Die Stadt Berlin hat dasjenige, was sie heute ist, vornemlich denen vertriebenen Reformirten aus Franckreich zu dancken.“ 137 Hierzu sehr instruktiv: Pallach 1992, S. 93: „Und schließlich drückte sich solche Dominanz, wie zuverlässig auch immer, in roten oder schwarzen Zahlen der Handelsbilanz aus.“ 138 Das von Franckreich verführte Teutschland 1686, Vorrede (unpag.).

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Massen es [Teutschland] nun so viel Jahr her gantz ausgelassen und ersoffen ist gewesen in denen Frantzösischen Nachaffungen / Galanterien, Waaren / Sitten und dergleicen Geld=verschwenderischen Dingen / wodurch Teutschlands Reichthum in Franckreich gezogen worden; Zugeschweigen / was die Teutschen selbst auf Reisen dahin getragen haben.139

Es wurde sogar befürchtet, dass sich die Deutschen als kulturelle Gemeinschaft, als „Nation“ selbst aufgeben wollen: Teutschland [ist] gleichsam seiner selbst eckelhafft und überdrüssig / und will mit Gewalt fast in allen Stücken denen Frantzosen nachfolgen / und gar Frantzösisch seyn. [...] Diese drei Stücke [Sitten, Sprache und Kleidung] hat Teutschland bißhero von denen Frantzosen mit größter und unersättlicher Begierde an sich genommen / und so gar darinnen vertieffet / daß es sich gleichsam selbst darüber vergessen und verändert hat.140

Und schließlich wurde vor den Gefahren gewarnt: Die „Exempel und Politischen GrundReguln“ zeigten, dass diejenigen Republiquen, welcher anderer Nationen Sprache / Sitten und Kleidung / so eiferig und begierig nachgeäffet / gemeiniglich mit der Zeit in [...] grosse Veränderungen gerathen / ja andern Nationen, welchen sie so nachgeahmet / endlich gar unterthänig gemachet werden.141

Daher rief auch ein weiterer Zeitgenosse die Reichsstände dazu auf, sich diesem „Muster“ zu widersetzen – in diesem Fall sogar mit Verweis auf die Baukunst: Lasset uns derohalben / Hochansehnliche Stände des Römischen Reichs / unsere alte Teutsche Natur wieder annehmen [...] / unsere Teutsche Freyheit soll nit zulassen / daß uns Franckreich in Essen / Kleidern und Gebäuden Gesetz und Muster vorschreibe.142

139 Ebd., S. 22. Später wird wie so häufig noch auf die Sprache und Kleidermode verwiesen. Ganz wichtig ist zudem der Faktor Geld. Es wird dabei betont, S. 31: „Unsere Vor=Eltern waren keine solche verschwenderische und in ausländische Sachen vergaffte Galanterie=Narren / welche sich in dem Frantzösichen Irrgarten so herumführen und um das Geld ziehen lassen; Sondern sie blieben vielmehr bey ihren inländischen Sachen [...]“. 140 Ebd., S. 38. 141 Ebd. Das würde durchaus von Frankreich so beabsichtigt. Diese bekannte Befürchtung griff Johann Michael von Loen über ein halbes Jahrhundert später, in einem Brief von 1744, wieder auf: „Sind wir nicht mit solcher Bewunderung für alles, was aus Franckreich kommt, eingenommen, daß es beynahe das Ansehen hat, als wollten wir keine andre Gesetze und keinen andern König haben? Es war dieses jederzeit ein Kennzeichen einer bevorstehenden Unterwerffung, wann man die Sitten eines andern Volks nachahmte. Diese Hochachtung für dasselbe zeiget zugleich eine natürliche Bereitwilligkeit auch dessen Gesetze und Herrschafft über sich zu erkennen.“ Loen 1749–1752 (1972), Bd. II, S. 397f. 142 Wassenberg 1688, S. 859.

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Freilich gab es parallel auch die weit gemäßigtere Position, wie jene des Leipziger Gelehrten Thomasius, dessen Replik auf den Abbé de Bouhours bereits angeführt wurde. Er registrierte ebenso die großen Änderungen in Deutschland,143 die kulturellen Importe, Nachahmungen, verteidigte diese aber mit dem Hinweis auf moralisch unbedenkliche Elemente dieser Kulturimporte: Eine Nachahmung ist allezeit lobens würdig, wenn die Sache selbst nichts scheltwürdiges an sich hat […]. Also sind die frantzösischen Kleider, Speisen, Haußrath, Sprachen und Sitten solche Dinge, welche wenn sie von Hoffarth, Üppigkeit, Überfluß, närrischer Affectation und andern Lastern entfernt seyn, mit nichten als denen Göttlichen Gesetzen zuwieder ausgeruffen werden können […]. Derowegen sey es so, man ahme denen Frantzosen nach, denn sie sind doch heut zu tage die geschicktesten Leute, und wissen allen Sachen ein recht Leben zugeben.144

Die Nachahmung von Elementen fremder Kulturen erkannte Thomasius durchaus als einen die eigene Kultur bereichernden, kreativen Akt an. Doch er vergaß nicht, in einer Art Gewissensappell, zu eigener Initiative aufzurufen, die eigene Sprache zu fördern usw. – man müsse nicht unbedingt nach Frankreich reisen, um etwa die Galanterie als Mittel der sozialen Distinktion zu lernen, man könne die gute Qualitäten auch bei uns antreffen, wenn wir uns nur von dem gemeinen Pöbel etwas absonderten, und nicht ein iedweder sich einbildete, daß er nach seiner eigenen impression galant genug wäre und le bon gout vollkommen besäße.145

Vor diesem facettenreichen Hintergrund erhält die zeitgenössische Wahrnehmung ästhetischer Phänomene und kunstpolitischer Vorgänge eine große und bisher zu wenig beachtete Relevanz. Denn erst vor diesem Hintergrund konstituiert sich das Modell Frankreich, ist überhaupt der Modellwechsel zu verstehen; hier liegen die Voraussetzungen für die Rezeption, hier werden die Rezeptionsbedingungen transparent: Das Phänomen einer Adaption künstlerisch-architektonischer Modelle ist also mit Blick auf diese Perzeptionsprozesse zu analysieren. Sobald man sich vom einschlägigen historisch-politischen oder moralisch-kritischen Schrifttum entfernt und denjenigen Quellen mehr Aufmerksamkeit schenkt, die sich auch künstlerischen Phänomenen innerhalb des Modelldiskurses widmen – „Fachliteratur“ wie Architekturtraktate, ferner Bemerkungen in Reisebeschreibungen, 143 Thomasius 1687 (1894), S. 3: „Frantzösische Kleider, Frantzösische Speisen, Frantzösischer Hausrath, Frantzösische Sprachen, Frantzösische Sitten, Frantzösische Sünden ja gar Frantzösische Kranckheiten sind durchgehends im Schwange.“ 144 Ebd., S. 5f. Vgl. zu Thomasius z. B. Henning Scheffers, Höfische Konvention und die Aufklärung. Wandlungen des Honnête-homme-Ideals im 17. und 18. Jahrhunderts, Bonn 1980, S. 103–113. In diesem Zusammenhang sei auch an die barocken Sprachgesellschaften erinnert; jüngst: Thorsten Roelcke, Der Patriotismus der barocken Sprachgesellschaften, in: Nation und Sprache. Die Diskussion ihres Verhältnisses in Geschichte und Gegenwart, hrsg. v. Andreas Gardt, Berlin 2000, S. 139–168. 145 Ebd., S. 31.

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Korrespondenzen etc. –, wandelt sich zunächst der bisher geschilderte Eindruck kaum: Verdruss auf Seiten der Rezipierenden und ein übersteigertes Selbst- und Sendungsbewusstsein auf Seiten der Gebenden besetzen die weit auseinanderliegenden Pole auf der Skala der Perzeption, die den Prozess der Modellrezeption begleitet und reguliert. Die französische Sicht formulierte Pierre Patte 1767, ohne Umschweife eine hegemoniale Vision beschwörend, indem er keinen Zweifel daran ließ, dass das Modell als Modell erkannt wird: La plupart des Souverains, pour en profiter, se sont empressés d’attirer dans leurs états des architectes de notre nation. Parcourez la Russie, la Prusse, le Dannemarck, le Wirtemberg, le Palatinat, la Bavière, l’Espagne, le Portugal & l’Italie, vous trouverez par-tout des architectes François qui occupent les premières places, indépendamment de nos peintres & de nos sculpteurs. Paris est à l’Europe ce qu’étoit la Grèce, lorsque les arts y triomphoient: elle fournit des artistes à tout le reste du monde.146

Eine ähnliche Vorstellung eines hegemonialen Anspruchs mittels der Europa mit dem französischen Modell versorgenden Architekten fand sich auch in Adelsdiplomen wie demjenigen des französischen Architekten Louis Philippe de la Guépières von 1764 wieder: Nous avons vu avec satisfaction les Princes de l’Europe accourir à Nous pour avoir des Maîtres qui fussent en état de communiquer cette excellence de goût dont il se trouvent tant de modèles dans notre État.147

Hinsichtlich der künstlerischen Gattungen, gerade auch der Architektur und ihrer Ausstattung, sind indessen zwei Aspekte festzuhalten: Während eine Vielzahl der bisher zitierten Quellen zur allgemeinen politisch-kulturellen Lage in eine Zeit ab den 1660er Jahren datieren, finden sich Quellen zur Wahrnehmung einer Adaption von französischer Architektur und Ausstattungselementen im Reich vermehrt erst ab den 1690er Jahren, zuweilen nüchtern beobachtend und resümierend: „Die französische Auszierung“ sei gegenwärtig, so der Architekt und Architekturtheoretiker Leonhard Christoph Sturm zu Beginn des 18. Jahrhunderts, „an allen Orten meisten beliebet“.148 Doch ist nicht allein die zeitliche Verzögerung um ungefähr eine Generation auffällig, vielmehr gibt es auch eine gewisse Abweichung in der grundlegenden Einschätzung und Bewertung. Bei der Architektur sind die oft größten Kritiker der Nachahmung der Franzosen plötzlich durchaus positiv gestimmt, so Johann Michael von Loen, der zwar Versailles nicht gelungen fand, jedoch feststellte: In Ansehung der Baukünste muß man den Franzosen [...] den Vorzug zuerkennen. Sie bauen so schön, so natürlich, so gemächlich, daß wir ihnen darinnen billig nach146 Patte 1767, S. 7. Impliziert wird damit freilich auch die in der zeitgenössischen Traktatistik lebendige Vorstellung von der Ablösung des „Modells Italien“ durch das „Modell Frankreich“. 147 AN, O1 108, fol. 337/38; zitiert nach Hans Andreas Klaiber, Der württembergische Oberbaudirektor Philippe de La Guèpière. Ein Beitrag zur Kunstgeschichte der Architektur am Ende des Spätbarock, Stuttgart 1959, S. 19. 148 Sturm 1708, S. 127f.

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ahmen sollten. Wir verfallen im Gegentheil noch immer auf das gekraußte gothische Bilderwerck, und fehlen in der Zusammenfügung der Theile im gantzen. Wir lassen der Natur zu wenig Ehre, wo die Kunst nur darzu dienen soll ihre Annehmlichkeit ins Auge zu setzen und alles durch Ordnung und Bequemlichkeit zu beleben.149

Das „Imitieren“ wurde in diesem Zusammenhang, wie es schon Thomasius formulierte, durchaus als eine besondere Tugend betrachtet. Karl Eusebius von Liechtenstein betonte dies in seinem um 1670 entstandenen Werk von der Architektur: Er aber is disfahls der Weislichste, thuet nach und erwehlet, was von denen anderen Nationen das Beste ist, und also sein Manier und Arth zu leben, auch die allerbeste werden kan [...]. Destwegen der Deutsche in vilem zu loben ob dises Imitierens willen.150

Bei der Betrachtung der Adaption im künstlerischen und architektonischen Bereich sind diese Aspekte – die zeitliche Verschiebung und die etwas positivere, neutrale Grundeinschätzung – präsent zu halten.

Zur Wahrnehmung des Modells Versailles Mit Blick auf diese allgemeinen Rezeptionsbedingungen sowie die teils polemisch beschriebene mentale, politische und soziale Situation im 17. und frühen 18. Jahrhundert steht im Folgenden eine hinsichtlich Kulturtransfer und Modellrezeption zentrale Frage im Mittelpunkt: diejenige nach der Relevanz eines „Modells Versailles“, das das „Modell Frankreich“ gleichsam visualisierte und materialisierte. Erinnert sei an die schon eingangs zitierte Versailles-Beschreibung des Laurent Morellet von 1681, in der mit Verweis auf das Urteil kenntnisreicher Kritiker unumwunden festgestellt wird, dass Versailles den ersten Rang unter den Schlössern innehabe: Plusieurs personnes trés habiles en l’Architecture, Peinture & Sculpture, qui ont veu les plus superbes édifices qui sont en Italie, laquelle surpasse tous les autres Royaumes, dans la magnificence des Bâtimens, ont avoüé que Versailles tient le premier rang de toutes les Maisons Royales de Campagne, qui sont aujourd’huy en reputation dans le Monde.151

Versailles hat bekanntlich unzählige dichterische Verklärungen erfahren, wie jene berühmten Zeilen von 1687: 149 Im selben Brief wie in Anm. 141; Loen 1749–1752 (1972), Bd. II, S. 411. Vgl. oben auch Anm. 120. So auch Aufzeichnungen seiner Frankreich-Reise 1719: „Sonsten [also bei den Franzosen] aber findet man daselbst einzelne Stücke, die als rechte Muster in der Baukunst und in der Bildhauerey verdienen bewundert zu werden.“ Ebd., Bd. I, S. 106. 150 Ein längerer Passus, der mit den Worten „Das Weislichste ist, jeder Nation nachzuthun, was jede zum besten hat“ beginnt, widmet sich den Vorzügen und Nachteilen der einzelnen Nationen; Liechtenstein 1670 (1910), S. 194f. 151 Combes 1681, S. 149f.

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Ce n’est pas un palais, c’est une ville entière, Superbe en sa grandeur, superbe en sa matière. Non c’est plutôt un monde, où du grand univers Se trouvent rassemblés les miracles divers.152

Diese panegyrischen topischen, den universalen Charakter betonenden Beschreibungen schürten freilich die Erwartungen der Besucher an das Bauwerk. Die Wahrnehmung vom Schloss zu Versailles wurde zunehmend ab spätestens den 1680er Jahren – dem Höhepunkt der Mächtepolitik Ludwigs XIV. – konditioniert und stark gesteuert;153 so vermerkt der weitgereiste Blainville: „Die Franzosen erheben Versailles auf das äußerste und halten es für das vollkommenste und schönste Gebäude in Europa.“154 In der Reisebeschreibung der Abgesandten von Siam, die 1686 in Frankreich weilten, wird, bevor sie überhaupt Versailles erreichen, bereits beim Besuch von Sceaux angesichts der dort vorhandenen Kostbarkeiten gesagt, daß / wann sie eben alle diese Dinge nicht lobten / wie sie es wohl werth seyen / darum geschehe / weil sie alles Lob für die Schönheit und Zierlichkeit Versailles vorbehielten.155

Doch sind dies zugleich literarisch vermittelte Erwartungen, die nicht selten bei der Besichtigung vor Ort enttäuscht wurden; man denke an die Kritik des Engländers John Northleigh – „The Architecture toward the escury or stables is not so magnificent, and somewhat too mean for the fame that it bears“156 – oder auch an die Zurückhaltung des Barons Pöllnitz, der 1712 das Schloss, „das an allen auswärtigen Höfen so beruffen ist“, besucht: Ich hatte mir von diesem Schlosse eine so ungemeine Vorstellung gemacht, daß ich in den Gedancken stunden, es müsse alles darinnen von Gold und Kostbarkeiten gläntzen, weil ich nicht gleich bey dem ersten Anblick von dessen Schönheit gerühret wurde.157

152 Aus dem Gedicht „Le Siècle de Louis le Grand“, gelesen von Charles Perrault an der Académie française 1687; zitiert nach Pommier 1986, S. 193. 153 Zum „Mythos Versailles“ vgl. Pommier 1986; Emmanuel Bury, Versailles dans la littérature de l’Ancien Régime: les fondements d’un mythe, in: Versailles dans la littérature. Mémoire et imaginaire aux XIXe et XXe siècles, hrsg. v. Véronique Léonard-Roques, Paris 2005, S. 25–37; Hans Ludwig Scheel, Versailles als dichterisches Thema und als Symbol, in: Romanische Forschungen, 72, 1960, S. 277–321; Christa Schlumbohm, De la Magnificence et de la Magnanimité. Zur Verherrlichung Ludwigs XIV. in Literatur und bildender Kunst, in: Romanistisches Jahrbuch, 30, 1979, S. 83–99. Zu den Reiseführern vgl. Berger 1988, S. 131: Es wurden zwischen 1672 und 1703 vier Guides zu Schloss und Garten und noch mal vier zu einzelnen Sehenswürdigkeiten publiziert. Zu den Guides vgl. auch Sabatier 1999, S. 466–473. 154 Blainville 1705 (1764–67), Bd. V, S. 102f. Nur als ein Beispiel für diesen Topos. 155 Reyß-Beschreibung der Abgesandten von Siam 1687, S. 49. 156 Northleigh 1702, Bd. I, S. 71. 157 Pöllnitz 1739, Bd. I, S. 271.

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Die Kritik am Schloss Versailles ist mindestens ebenso topisch geworden wie seine Lobpreisung.158 Ein Italiener lässt 1719 in dem bereits zitierten fiktiven Gespräch von Personen verschiedener Nationalitäten über das Schloss verlauten: daß was das Gebäu selber von Versailles anlange / könne man solches nicht vor ein vollkommenes Meisterstück der Bau-Kunst halten / und hätten Bau-Verständige gefunden / daß es hier und da viel besser hätte können angegeben werden.159

Michael von Loen ist noch nüchterner in seinem Urteil: Das Schloß zu Versalien ist ein aus vielerley Gebäuden zusammen gestückeltes Werck [...]. Niemals hat ein Kunstverständiger gesagt, daß es ein schönes Gebäude sey.160

Kritikpunkte sind zumeist die unterschiedliche Gestalt und Qualität von Haupt- und Gartenfassade, die oft mit dem bewussten Erhalt des väterlichen Jagdschlösschens begründet werden, sowie das Material und die Proportionen.161 Auch Marly – der andere in der Forschung als modellhaft deklarierte Bau162 – wird unter den Zeitgenossen nicht ausschließlich positiv beurteilt. Der notorisch kritische Engländer Northleigh hält nüchtern fest, Marly sei „very gay, but not magnificent; being a low painted Box, at the Head of a Canal“.163 Und Blainville bemerkt: Marly wird so sehr gerühmt, aber es verdient kaum den Namen eines Lusthauses, sondern mehr eines Häuschens, das nicht das geringste Verhältnis gegen die Gärten hat, wenn man es ja nennen soll.164

Doch diese kritischen Beobachtungen an französischen Schlossbauten hindern weder die Franzosen daran, in ihrem Versailles (Abb. 1) das große unangefochtene Vorbild zu sehen – „wer was bauen / ausbauen / schnitzen und mahlen will lassen / der ahmet Versailles 158 Zur zeitgenössischen Kritik am bildkünstlerischen Herrscherbild Ludwigs XIV. vgl. jüngst Hendrik Ziegler 2010, der sich auch der Wahrnehmung des Schlosses von Versailles widmet, ebd., S. 145–185. 159 Unparteyische Gedancken 1719, S. 270. 160 Er war 1719 in Versailles. Loen 1749–1752 (1972), Bd. IV, S. 151 (aus: Critische Anmerckungen über die schöne Künste und Wissenschaften). Er bezieht diese Kritik aber nur auf Versailles, während ihn andere französische Lustschlösser durchaus begeistern (ebd.): „Was die Lust= und Landhäuser betrift, so habe ich solche nirgends niedlicher und besser ausgesonnen gesehen. Der Geschmack der Franzosen, scheinet mir hier denjenigen andrer Völker zu übertreffen, weil er denen reitzenden Annehmlichkeiten der Natur das meiste einräumet.“ 161 Nur als ein Beispiel: Blainville 1705, Bd. V, S. 100: „Man muß aber erstaunen wenn man mitten in dieser ausschweifenden Pracht das alte Haus noch stehen und einen Theil des ganzen ausmachen siehet, welches von seinen Vorfahren als ein bloßes Jagdhaus erbauet worden, und man weiß kaum, wie man die Sparsamkeit, es stehen zu lassen mit den ungeheueren Kosten dessen, was hinzugesetzet worden, reimen soll.“ 162 Im zweiten Kapitel („Les voies de la pénétration Française“) bei Colombier 1956 werden Versailles und Marly genannt. 163 Northleigh 1702, Bd. I, 70. 164 Blainville 1705 (1764–67), Bd. V, S. 99.

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1  Versailles, Schloss, Stich, Matthias Disel, um 1720

nach / so weit sich der Beutel erstrecket“165 –, noch hält es die übrigen Europareisenden davon ab, in fast jedem Schloss, das nach dem Frankreichaufenthalt besucht wird, ein „Versailles“ oder „Marly“ wiederzuentdecken.166 Das gilt auch für die Wittelsbacher Schlösser. Der Baron Pöllnitz hielt sich um 1719 in München und seiner Umgebung auf und notierte: Zufolge der Riße, die ich davon [vom Neuen Schloss Schleißheim] gesehen habe, muß dieses Schloß viel grösser und prächtiger als Nymphenburg werden: So daß man schon sagte, Schleißheim werde mit der Zeit das Bayerische Versailles und Nymphenburg Marly abgeben.167

Der zehn Jahre später, 1729, München besuchende Johann Georg Keyssler wird wiederum den Versailles-Vergleich für das Neue Schloss Schleißheim (Abb. 2) – sogar im Sinne eines konkurrierenden Verfahrens – bemühen: 165 So der Franzose François in dem fingierten Gespräch über Versailles; Unparteyische Gedancken 1719, S. 278. 166 Als Beispiel: Blainville 1705, Bd. I, S. 196, zu Gaibach, „einem Lusthause des Churfürsten von Maynz, welches man hier für das kleine Versailles hält“. 167 Pöllnitz 1739, Bd. II, S. 30.

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2  Neues Schloss Schleißheim, Stich, Matthias Disel, um 1720

Uebrigens könnte Sleisheim ein Werk werden, welches man in der Baukunst dem Schlosse zu Versailles mit Recht entgegen setzen möchte.168

Weit kritischer bemerkt indessen der Franzose Montesquieu, der ebenfalls 1729, ein paar Wochen später, in München war: „Schleissheim est triste: la maison est trop grande pour la cour de l’Electeur [...].“169 Keyssler und Montesquieu sehen binnen weniger Wochen freilich einen Bau, der – nach dem Tode des Kurfürsten Max Emanuel 1726 – eine nur noch untergeordnete Funktion im höfischen Leben unter dem neuen Kurfürsten Karl Albrecht einnahm. Daher verwundert es nicht, dass Montesquieu mit seinem Urteil implizit auf das in seinen Augen nicht beachtete Kriterium der Angemessenheit verweist, das sich auch in der Größe niederschlägt.170 168 Bericht vom 21. Juni 1729; Keyssler 1751, Bd. I, S. 60. 169 Bericht vom 15. Juli 1729; Montesquieu 1728/29 (2003), S. 357. Er geht jedoch nur so lange richtig in der Annahme, Schleißheim sei zu groß, wie er die französischen Richtlinien anlegt. In Frankreich hat es in der Régence und auch unter Ludwig XV. keinen sehr großen Schlossneubau gegeben. 170 Größe bemisst er dabei anhand ganz unterschiedlicher Kriterien, die erst bei der weiteren Lektüre seiner Reiseaufzeichnungen deutlich werden. In Mailand (ebd., S. 93) schreibt er über das „zu große“ chateau: „Il est trop grand, parce qu’il y faudrait 6000 hommes de garnison, au moins, pour le defendre. Il n’y en a actuellement que 5 à 600.“

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Die Kriterien, die einen Vergleich mit Versailles motivieren, scheinen dabei immer wieder andere zu sein. Baron Pöllnitz erkannte in der Stadtfassade des lothringischen Schlosses Lunéville Übereinstimmungen mit Versailles: „Eingang und Vordertheil haben mit dem zu Versailles nach der Seite von Paris viele Aehnlichkeit.“171 Und ebenso beim Jagdschloss Bensberg nahe Düsseldorf bemerkte er: „Das übrige dieses Schlosses kommt dem Schlosse zu Versailles ziemlich bey, nur daß es nicht so weitläuftig und weit höher gebauet ist.“172 Während es bei diesen beiden Schlössern die Staffelung der Baukörper in der Großform der Dreiflügelanlage mit der Cour d’honneur gewesen sein mag, die Pöllnitz den Vergleich mit Versailles nahelegte, können diese Kriterien bei Schleißheim, dem in seinen Augen „Bayerischen Versailles“, nicht zur Anwendung gekommen sein. Pöllnitz hatte nur Pläne gesehen, die vermutlich der Idealansicht des Disel-Stiches (Abb. 2) nahekamen. Keine Dreiflügelanlage, keine Staffelung der Baukörper hat er dort vorgefunden. Was sich hier für ihn als annähernd vergleichbar mit Versailles dargestellt haben mag, kann sich nur auf die Größe und damit die Pracht der Gesamtanlage mit Schloss und Garten, vielleicht auch die Lage außerhalb der Stadt, bezogen haben.173 Diese Beobachtungen, die um unzählige Beispiele ergänzt werden könnten, verdeutlichen: Es geht in erster Linie nicht um die genauen baukünstlerischen Übereinstimmungen dieser Schlösser mit ihrem vermeintlichen Vorbild Versailles. Selbst ein Hinweis auf die „Fehler“ des Schlosses, weshalb es doch nicht nachahmenswert sei – eben deßwegen müßt ihr ja bekennen / daß es besser hätte können gemacht und also nicht vor ein vollkommen Muster der Baukunst gehalten werden müsse 174

– geht in den panegyrischen Paraphrasen unter als ein halbherziger Versuch, das Schloss auf seine architektonische Gestalt zu reduzieren. Hier ist vielmehr ein eigenständiger Diskurs lebendig, der die unterschiedlichsten Diffusionen erfährt. Die Reisenden nähren ihre Eindrücke durch die Guides vor Ort oder durch andere Reiseberichte und tragen auf diese Weise das Bild des alle Kategorien sprengenden Versailles weiter. Der türkische Botschafter Mehmed Efendi, der 1721 in Paris weilte, fasst pointiert zusammen, man müsse einfach alles glauben, was man über Versailles sage:

171 Pöllnitz 1739, Bd. I, S. 519. 172 Ebd., S. 220. Bensberg wurde ab 1705 von Matteo Alberti erbaut. 173 Ein ähnliches Kriterium, nämlich die Lage eines Baus, könnte auch Montesquieu 1729 animiert haben, das Wittelsbacher Schloss Lustheim bei Schleißheim mit dem Trianon nahe Versailles zu vergleichen, wobei es den Franzosen hätte stören müssen, dass Lustheim genau in der Mittelachse den Blick vom Neuen Schloss in die Ferne „verstellt“, eine Disposition, die in Frankreich kaum vorstellbar wäre. Montesquieu 1728/29 (2003), S. 357: „On entre dans les jardins, et, au bout d’une grande antique et vénérable allée, qui sert de mail, on trouve Lustheim, qui est comme Trianon, qui est une petite maison fort jolie.“ 174 Unparteyische Gedancken 1719, S. 270 (diesmal spricht der Holländer Hochstraat).

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[...] c’est un palais dont on n’a point vu le pareil et la renommée publie que l’Europe n’a rien que puisse entrer en concurrence avec lui et avec son jardin. A dire le vrai, il mérite qu’on croie tout ce qu’on en dit.175

In diesem nahezu hilflos verallgemeinernden Sinn ist Versailles durchaus ein Modell, sofern man Modellbildung, wie oben erläutert, als Reduktion von Komplexität versteht.176 Es werden generalisierend und vereinfachend komplexe Sachverhalte schematisch dargestellt. Die Vorstellung vom Modell „Versailles“ verdichtete sich dabei aufgrund von Kriterien wie Monumentalität,177 Pracht oder die Demonstration ökonomischer und technischer Potenz178 – Eigenschaften, die stilistischer und funktionaler, ideeller und pragmatischer Natur sind und das Anspruchsniveau definieren.179 Das Modell wurde dabei nicht als anschauliches Muster, als das zu kopierende Vorbild geltend gemacht, sondern als der ideelle Maßstab, an dem sich ein Schlossneubau, ungeachtet offenbar seiner konkreten architektonischen Gestalt, in den Augen der (reisenden und die Bauten miteinander vergleichenden) Zeitgenossen zu messen hatte. Relevant waren entsprechend Kriterien wie Größe, Pracht und commodité oder auch die zum Topos geronnenen Verweise auf Bau- und Ausstattungskosten, die der Engländer Northleigh bei seinem Besuch in Versailles 1702 auf den Punkt bringt, indem er militärische Schlagkraft und höfische Pracht spannungsreich in ein direktes Verhältnis setzt: [...] and though I have seen the richest of most of the courts in Europe, yet cannot bring any in the least to match it, which makes it almost impossible to conceive, how a King amongst so much dead treasure, can carry on such vigorous and expensive wars.180 175 Mehmed efendi 1720/21 (2004), S. 129. 176 Siehe oben Kapitel 1, S. 34. 177 Freilich konnte die Größe auch ein Negativ-Kriterium sein; vgl. Montagu 1716–18 (1767), Bd. III, S. 77: „I own Versailles appeared to me rather vast than beautiful; and, after having seen the exact proportions of the Italian buildings, I thought the irregularity of it shocking.“ (16. Oktober 1718). 178 Schon in den späten 1670er Jahren heißt es (freilich mit Verweis auf die Worte Colberts) bei Apronius 1677–80 (1723), S. 119: „Er [Colbert] saget nur / daß ihm daucht / Versailles gleichen sey bey 1000. Jahren auff Erden nicht gesehen worden / wegen unvergleichlicher Gebäue / darinn Kunst / Schönheit und Geldes-Kosten es zum achten Wunderwerck der Welt gewiß gemacht haben.“ 179 Zum Begriff des „Anspruchsniveaus“ vgl. Warnke 1976, S. 13. Mit dem Anspruchsniveau wird die soziale Stellung und Funktion von Individuen oder Gruppen sichtbar bestimmt und erfahrbar gemacht. Zur Nachahmung des „Bedeutungszusammenhangs“ hinsichtlich der mittelalterlichen Architekturkopie und zur Gleichgültigkeit gegenüber der Genauigkeit beim Reproduzieren architektonischer Gestaltungen vgl. den grundlegenden Aufsatz von: Richard Krautheimer, Introduction to an „Iconography of Medieval Architecture“, in: Journal of the Warburg and Courtauld Institutes, 5, 1942, S. 1–33. Ebenso unentbehrlich: Günter Bandmann, Mittelalterliche Architektur als Bedeutungsträger, Berlin 1951. 180 Northleigh 1702, Bd. I, S. 72. Zu dem Phänomen, dass Geld identisch war mit militärischer Stärke, politischem Einfluss und Ansehen, vgl. Hartmann 1978, S. 2. Die politische Bedeutung Ludwigs XIV. für die Reichsfürsten bemisst sich u. a. auch daran, dass er die finanzielle Schlagkraft besaß, um Subsidien zahlen zu können.

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Es bleibt darüber hinaus zu bedenken, dass die Konstituierung des „Modells Versailles“ keineswegs ein abgeschlossener Prozess war:181 Das „Modell Versailles“ war 1682, nach der Verlegung der Residenz aus Paris nach Versailles und dem machtpolitischen Höhepunkt Ludwigs XIV., nicht dasselbe wie das der Régence ab 1715 oder gar das von 1665, als Christopher Wren das „Damenhafte“ der Ausstattungen belächelte.182 Bis 1680 war Versailles kein Modell: Der westfälische Adelige Freiherr von Landsberg bemerkt 1675 lediglich, das Schloss – das er im Übrigen ein „Hauß“ nennt, während Fontainebleau ein „Schloss“ ist – sei auf italianische Maniere gebauet [und] mit schönen Simmeren gesiert wie auch mit einem schönen Vorhoff undt einem schönen Garten von hinten.183

In seinem alphabetisch geordneten Ratgeber „Was die Teutschen in Franckreich sehen und lernen können“ erwähnt Schöndörffer 1674 Versailles überhaupt nicht.184 Und John Locke sieht im Juni und August 1677 ein Versailles, welches noch kaum dem späteren, ab 1678 umgebauten und erweiterten Schloss entsprechen sollte; er bemerkt höflich: „the Chasteau there a fine house & a much finer garden“, wenngleich die technische, naturbezwingende Meisterleistung bereits seine vollste Bewunderung erhielt: though a place naturally without water, yet hath more jet d’eaus & water works then are to be seen elsewhere

– das Innere jedoch enttäuschte ihn: the rooms at the Chasteau are but little, & the stairs that goe up into the house seeme very little in proportion either to the greatnesse of the house or the persons are to mount by them.185 181 Die Forschung macht hier keine Unterschiede. So ist sich z. B. Lister 1699, S. 202, dieser unterschiedlichen „Höhen“ durchaus bewusst: „the Palace of Versailles [...] ‘tis without dispute the most magnificent of any in Europe; Yet what of it was first built, and much admired 30 years ago, is now no longer relisht: However this King intends to rebuild it, where it is faulty.“ Diese zeitlich zu differenzierende Modellbildung wäre zudem abzugleichen mit den politischen Gegebenheiten; zu den Höhen und Tiefen der Politik Ludwigs XIV. vgl. z. B. Klaus Malettke, Grundlegung und Infragestellung eines Staatensystems: Frankreich als dynastisches Element in Europa, in: Europäisches Staatensystem 1996, S. 27–62, bes. S. 52ff., 182 Wren 1665 (1998), S. 104: „the Mixtures of Brick, Stone, blue Tile and Gold make it look like a rich Livery: Not an Inch within but is crouded with little Curiosities of Ornaments: the Women, as they make here the Language and Fashions, and meddle with Politicks and Philosophy, so they sway also in Architecture; Works of Filigrand, and little Knacks are in great Vogue; but Building certainly ought to have the Attribute of eternal, and therefore the only Thing uncapable of new Fashions. The masculine Furniture of Palais Mazarine pleas’d me much better.“ Entsprechende Beobachtungen auch bei Bernini 1665; vgl. dazu noch in Kapitel 3, Frankreich oder Italien? Modelladaptionen unter Henriette Adelaide. 183 Landsberg 1675–1678 (1984), S. 71. Zu Fontainebleau S. 83f. 184 Schöndörffer 1674. 185 Locke 1675–79 (1953), S. 151–154, hier S. 152. Er war noch häufiger in diesen Sommer- und Herbstmonaten sowie im darauffolgenden Frühjahr in Versailles. Er hat zudem das alte Trianon (Trianon de Porcelaine) gesehen, S. 153.

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Die durchschlagende literarische Formierungs- und Heroisierungsphase des Schlosses Versailles zum Modell wird erst in den 1680er Jahren erreicht. Dies spiegelt auch die Wahrnehmung der Wittelsbacher, die ansatzweise rekonstruierbar ist. Der erste Wittelsbacher, der Versailles besucht, wird Anfang 1668 der Bruder des Kurfürsten, Herzog Maximilian Philipp, sein. Sein im Tagebuch festgehaltener Eindruck, der an anderer Stelle noch erläutert wird,186 verbleibt ungefähr im Rahmen der oben zitierten Beobachtungen Landsbergs und Lockes aus den 1670er Jahren. Dem Kurfürsten Max Emanuel jedoch, der seine Regierung 1680 und damit in der beginnenden Heroisierungsphase des Schlosses von Versailles antritt, wird bereits ein anderes Bild vermittelt: Es werden seine eigenen Gesandten oder eben die französischen, wie bereits erwähnt, gewesen sein, die ihm in den frühen 1680er Jahren von der Grandeur und Magnificence des königlichen Schlosses und seines Königs berichteten.187 Max Emanuel selbst gelangte 1701 zum ersten Mal nach Versailles, bevor er ab 1709 während seines Exils dort oft (inkognito) zu Gast war. Sein Sohn Karl Albrecht war 1725, zu den Hochzeitsfeierlichkeiten Ludwigs XV., auf den französischen Schlössern und sah sich noch bemüßigt – das topische Vergleichen ist fast zum Zwang geraten –, den Eindruck einer vermeintlichen Unterlegenheit kurbayerischer Schlösser gegenüber französischen Bauten zu zerstreuen, wie er seinem Vater mitteilt: „[...] j’ayoutte que Versailles et Chantilli, ne scauroient me degoutter de Schleisheimb.“188 Noch ein weiterer sehr wichtiger Punkt sei erläutert, der die Versailles-Perzeption in ihrer Vielschichtigkeit und den Modell-Charakter des Schlosses ganz erheblich mitprägt. Denn es ist nicht allein der alle Kategorien sprengende Eindruck, den Versailles als großdimensionierte architektonische Schloss-, Garten- und Parkanlage bei den Besuchern und den Lesern der unzähligen Memoiren und Tagebüchern hinterließ; es ist auch die überaus enge Verknüpfung mit dem Bauherrn, demjenigen des umgebauten Schlosses: mit König Ludwig XIV., die sich in nahezu jedem Verweis wiederfindet. Ein (undatierter), mit einem Vierzeiler versehener Stich vermutlich aus der Mitte der 1680er Jahre macht auch diese Wahrnehmung als gesteuerte Rezeptionsvorgabe deutlich (Abb. 3): Monde vien voir ce que ie voy Et ce que le Soleil admire; Rome dans vn Palais, dans Paris vn Empire, Et tous les Cesars dans vn Roy. 189

Hier wird eine Gleichstellung von Bauwerk und Person auch visuell im Dienste einer von der „Welt“ wahrgenommenen gebauten Panegyrik manifestiert, wie sie im Reich, etwa bei den Wittelsbachern, kaum in Erscheinung trat. Ein seltenes Gegenbeispiel ist der Stich von 1715 aus der Fortitudo leonina (Abb. 51), der Huldigungsschrift der Jesu186 Vgl. später in diesem Kapitel, Herzog Maximilian Philipps Reisen in den 1660er Jahren. 187 Eine direkte Korrespondenz zwischen Max Emanuel und seiner seit 1680 als Gemahlin des Dauphin in Versailles weilenden Schwester Marianne Christine ist bisher nicht bekannt. 188 Karl Albrecht an Max Emanuel, 2. November 1725; GHA, Nachlass Hausurkunden Nr. 1796 1/5 Ia; freundlicherweise hat mir Martin Poszgai, Berlin, seine Transkription übermittelt. 189 Der Spruch erschien zuvor in Verbindung mit dem Louvre (freundliche Mitteilung von Dietrich Erben).

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3  Ludwig XIV. im Porträt oberhalb der Gartenfassade von Versailles, Stich, nach 1682 (Paris, BNF)

iten zur Rückkehr des Kurfürsten nach Kurbayern, die ein fiktives Reiterdenkmal Max Emanuels vor der Münchner Residenz zeigt –­ und die Residenz mag dort ohnehin eher als ein Zeichen für die Rückkehr des Landesvaters in sein Territorium fungieren und damit die gebaute Panegyrik übernehmen. Versailles figuriert, vermittelt in Guiden, Stichen und Medaillen, als Symbol eines „pouvoir absolu“ und „roi absolu“ und damit gleichsam in Personalunion mit dem Sonnenkönig,190 weshalb in englischen Reiseberichten Versailles nicht selten zum Symbol einer Hybris wird,191 oder Friedrich der Große – vielzitiert – im Anti-Macchiavell bemerken konnte, dass sich jeder kleine Fürst in seiner Einbildung für einen kleinen Ludwig XIV. [hält]: er baut sein Versailles, küßt seine Maintenon und hält sich seine Armee.192 190 Zu Versailles als „Monument“ Ludwigs XIV. vgl. jüngst Krause 2008. 191 Dies verwundert nicht, wenn man einen zentralen Passus aus Listers Widmung liest (er war 1698 in Paris): „the court of the great king, who has given Europe such long and vehement disquiet, and has cost England in particular so much blood and treasure.“ Lister 1698, Widmung (unpag.). 192 Friedrich der Große, Antimacchiavell, in: Die Werke Friedrichs des Großen, Friedrichs II., König von Preußen, Berlin 1913, Bd. VII, S. 42. Dass Ludwig XIV. ohnehin als Vorbild für die Reichsfürsten in Anspruch genommen wuirde, erscheint in zahlreichen zeitgenössischen Quellen; vgl. z.

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Um eine getreue „Kopie“ des Schlosses in architektonischer Hinsicht wird es dem Preußenkönig in diesem Vermerk nicht gegangen sein, auch wenn Baron Pöllnitz über einen seiner Vorgänger, Friedrich I., und dessen architektonische Unternehmungen noch schrieb: Meines Erachtens wird es schon genug seyn, wenn ich sage, daß der König alles, was in dem Schloß zu Versailles zu sehen ist, so viel nur möglich gewesen, habe nachmachen lassen. Dieser grosse Monarch hatte sich den König Ludewig den vierzehnden zum Muster vorgestellet, und bestrebte sich daher nach dessen Beyspiel die prächtigsten Gebäude aufzuführen.193

Auch der Mundus – um die kurbayerische Perspektive zu benennen – umschreibt 1711 die große Wirkung des französischen Hofes, jedoch weit gemäßigter: Hier geht es wiederum um die „Pracht“ und „Magnifizenz“ des französischen Hofs unter Ludwig XIV., die zweifellos im Schloss Versailles kulminiert; so heißt es von der [...] Magnificenz, vnd der Pracht bey dem iezigen französ[ischen] Hoff vnder der Regierung Ludovici XIV. welcher seines gleichens in Europa dermahlen nit hat.194

– um im nächsten Satz diesen Anspruch berechtigterweise auf Kurbayern zu übertragen, nicht zuletzt weil die Pracht der eigenen Residenz dies unterstreiche: Ob nun nit eben dergleichen heuntiges Tags von Bayrn möge gesagt werden? Ist meines erachtens nit anzustehen: Bayrn hat nach franckhreich billich vor anderen sich auf zufiehren vrsach, den bracht zaigen dass Wundervolle gepäu [...].195

Doch fallen zwei Aspekte in der Formulierung dieses auf Kurbayern übertragenen Anspruchsdenkens auf: Es wird nicht explizit auf die Pracht und Magnifizenz Ludwigs XIV. verwiesen, sondern auf den unter seiner Regierung stehenden Hof. Zudem wird dieser B. Philipp Wilhelm von Pfalz-Neuburg, der 1674 Ludwig XIV. schrieb, dass sein Sohn Johann Wilhelm auf seiner Kavalierstour auch Paris besuchte und den französischen König als „das vollendete Vorbild für alle Fürsten“ betrachte; zitiert nach Klaus Müller, Französische Einflüsse auf die Residenz- und Verwaltungsstadt Düsseldorf, in: Deutsch-Französische Begegnungen am Rhein 1700–1789. Rencontres franco-allemandes dans l’espace rhénan entre 1700 et 1789, hrsg. v. Heinke Wunderlich u. Jean Mondot, Heidelberg 1994, S. 51. 193 Pöllnitz 1739, Bd. I, S. 150. 194 Mundus 1711, fol. 81v-82r. 195 Ebd., fol. 82rf.

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Anspruch nicht auf Max Emanuel als individuellem Wittelsbacher, sondern auf „Bayrn“ übertragen.196 Nicht Max Emanuel als Individuum und auch nicht die Wittelsbacher als Dynastie werden hier angeführt, sondern vielmehr das Territorium „Bayrn“ – zu einer Zeit, 1711, als dynastische und territoriale Interessen des exilierten und geächteten Kurfürsten auseinanderzugehen drohten.197 In dieser Art der Übertragung des „Modells Ludwig XIV.“ und des „Modells Versailles“ wird somit deutlich, dass es sich um differierende Herrschaftsmodelle handelt, innerhalb derer das Individuum, die Dynastie und das Territorium unterschiedlich gewichtet waren.198 Zusammenfassend ist zur Wahrnehmung des Schlosses Versailles, zum „Modell Versailles“, festzuhalten: Die Bedeutungen, die wahrgenommen und kommuniziert werden, oszillieren zwischen dem als Symbol des roi absolu verstandenen Bauwerk und dem in seiner Baugestalt modellhaften Schloss.199 In dieser Studie ist dabei weniger von Interesse, ob das „Symbol“ Versailles rezipiert wurde, als vielmehr ob die Baugestalt und Ausstattung ein Modell, im Sinne eines Vorbildes, eines Musters, geliefert haben könnten. Es bleibt jedoch fraglich, ob diese Ebenen – die ideelle und die baupraktische – überhaupt voneinander zu trennen sind. In der Forschung gibt es unterschiedliche Verfahren: Eine umfassende Vorbildfunktion wird entweder kategorisch ausgeschlossen,200 oder sie wird auf bestimmte bautypologische Parallelen wie die Dreiflügelanlage und Cour d‘honneur beschränkt201 – zwei nicht unproblematische Sichtweisen. Man könnte vielmehr fragen, ob der Schlossbau von Versailles als ein Modell fungiert haben könnte, das dem allgemein an den europäischen Höfen zu beobachtenden wachsenden Hof und Hofstaat eine zeitgemäß durchdachte und angemessene Unterkunft und Repräsentation bot, in der die Kategorien wie Größe, Pracht und commodité anschaulich wurden. Der Modellcharakter und die Faszination der französischen Architektur und Kunst werden oftmals gerade da-

196 Ich kann daher auch nicht mit Schmid 1987, S. 208, übereinstimmen, der aufgrund dieser Texttstelle des Mundus feststellt: „Es gelte Ludwig XIV nachzuahmen, auf den ganz Europa blickt gerade wegen seiner glanzvollen Hofhaltung.“ 197 Es ist zu bedenken, dass sich Kurfürst Max Emanuel zu dieser Zeit im Exil in Frankreich befand und auch über eine Abtretung Bayerns an Österreich nachdachte, um endlich einen Königstitel für seine Dynastie zu erlangen; vgl. hierzu noch Kapitel 3. 198 Das wird ebenfalls bei den Projekten Max Emanuels nach der Rückkehr aus seinem Exil 1715 deutlich; dazu Kapitel 3. 199 In jedem Fall ist Versailles mit seinem oszillierenden Bedeutungsspektrum als ein Sonderfall zu begreifen. Sich dieses oszillierenden Bedeutungsspektrums hinsichtlich des „Modells Versailles“ ständig bewusst zu sein, ist eine wichtige Voraussetzung für die Frage der Modellrezeption. 200 Beispielsweise beschränkt Walbe 1987, S. 449f., den Vorbildcharakter nur auf bestimmte Einzelformen. 201 Laut Markowitz 1992, 128, hätte die Dreiflügelanlage mit der Cour d’honneur in Versailles eine solche Vorbildfunktion für den deutschen Schlossbau gehabt. – Es gibt durchaus auch in der Architekturtheorie Beispiele dafür, dass Versailles als ein Modell herangezogen wird, etwa wenn Sturm eine Regularität von Hauptgebäude und Vorgebäude fordert; hier sei Versailles ein Vorbild, da es dort eine Regularität gäbe; in Deutschland hingegen fänden sich nur sehr wenige regulär gebaute Vor-Gebäude; Sturm 1718, S. 40.

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rin gesehen, dass hier „Modelle, Typen und Systeme“ entwickelt worden sind, die leicht auf andere Verhältnisse übertragbar waren; so schreibt Harald Keller: Von einer solchen Kunst waren Ausländer leicht und schnell zu überzeugen, weil hier die Fülle der individuellen Lösungen nicht verwirrte, weil jedes Kunstwerk als Variante einer Gattung, eines Grundschemas erschien.202

Doch ist es fraglich, ob französische Architektur und Kunst wirklich leicht auf andere Verhältnisse übertragbar waren angesichts der noch genauer darzulegenden komplexen Adaptionsprozesse, die eine Anpassung gemäß den eigenen politisch-ikonologischen oder auch ästhetischen sowie baupraktischen Konfigurationen erforderten. Die Prozesse der Perzeption, innerhalb derer ein „Modell Versailles“ eine große Relevanz besaß, sind deutlich von jenen der Adaption zu unterscheiden. Griffig formulierte es der Schwede Janson, der in dem fiktiven Gespräch von 1719 auf die Frage des Franzosen François („ob sie nicht auch wie viele andere gestehen müssen / dass nur ein Versailles in der Welt [sei] / welchem nichts gleich komme?“) antwortete: Man muß mit Unterschied davon reden. Freylich ist in der gantzen Welt kein Versailles mehr / das so aussiehet wie dieses; Dagegen sind auch wider anderer Orten Gebäude und Lusthäuser / die ebenfalls prächtig aussehen / denen Versailles nicht beykommt. Jeder Ort hat seine besonderen Eigenschafften / die andere nicht haben.203

Der Grat ist schmal zwischen der Vorstellung, aus der sich das Stereotyp bildet, und jener über wirksame Standards, die Teil des internalisierten und erfahrungsresistenten Erwartungsmusters an eine höfische Repräsentationskultur und -architektur eines jeden Rezipienten waren – ein Rezipient, der einem Ort entstammte, an dem eigene Bedürfnisse, „besondere Eigenschafften“, wie Janson sagt, wirksam waren. An diesem Punkt wird das dritte Kapitel ansetzen, wenn es konkret um die Wittelsbacher Projekte in und um München geht. Die Architektur steht – das wird bei den höfischen Profanbauten immer wieder begegnen – in einem Spannungsfeld zwischen Bedürfnissen der praktischen Nutzung und jenen, die mit der symbolischen Bedeutung von Bau und Ausstattung und dem hierin vermittelten Anspruchsniveau zusammenhängen.204

Objekte der Wahrnehmung im höfischen Kontext Bevor wir uns wieder den Wittelsbachern zuwenden, sind weitere Rezeptionsbedingungen zu beachten, die die ästhetische Wahrnehmung betreffen, auch um die Verlässlichkeit der jeweiligen Beschreibungen in zeitgenössischen Quellen einschätzen zu können. 202 Keller 1971, S. 68. 203 Unparteyische Gedancken 1719, S. 269. 204 Zur ausführlichen Auseinandersetzung mit dem vermeintlichen „Modell Versailles“ beim Bau des Neuen Schlosses Schleißheim siehe unten Kapitel 3, Abschnitt Schleißheim-Projekte (1714/15): Zu Leitfragen im Wittelsbacher Landschlossbau, S. 269ff.

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Es kann an dieser Stelle nur auf wenige dieser Rezeptionsbedingungen verwiesen werden. Grundlegend ist natürlich der gesellschaftliche Stand des Beschreibenden zu bedenken,205 die unterschiedlichen Voraussetzungen, Motivationen und Sozialisationen, nicht zuletzt – gerade hinsichtlich der Frage nach Kulturtransfer – die Nationalität: Es begegnet der Franzose, der durch Italien reist, der Italiener, der Deutschland besucht, der Deutsche, der Frankreich begutachtet,206 der Engländer, der, wie berichtet, sich offenbar bemüßigt fühlt, Versailles grundsätzlich zu kritisieren.207 In unserem Zusammenhang ist jedoch die Frage wichtiger, wie hilfreich Reiseberichte oder auch die Aufzeichnungen in Tagebüchern und Korrespondenzen zur Rekonstruktion von Wahrnehmung der höfischen Repräsentationskultur wirklich sind. Vergegenwärtigen wir uns allein die enorme Zunahme an Mobilität aufgrund infrastruktureller Verbesserungen ab der Mitte des 17. Jahrhunderts,208 die sich in der ständig wachsenden Zahl von Reiseberichten abbildet.209 Ihre quantitative Entwicklung ist enorm, gerade was – auch dies ist kein Zufall – die Beschreibungen von Paris anbelangt.210 Die Stadt, die inklusive Versailles Ende des 17. Jahrhunderts 450000 Einwohner aufwies,211 hatte sich im Laufe des 17. Jahrhundert zum Ziel par excellence für Reisende gewandelt, wissenschaftlich angeleitet durch zahlreiche Apodemiken.212 Manche Reisenden, die einen 205 Z. B. hat Grosser 1989 herausgearbeitet, dass der Adelige (Pöllnitz) mehr Interesse an der Gesellschaft, der Bürger (Corfey, Apronius, Loen) mehr Interesse an der Architektur gehabt habe. 206 Nur selten kann man in Kurbayern Eindrücke von Besuchern aus unterschiedlichen Ländern zu ungefähr derselben Zeit miteinander vergleichen, etwa wenn der Norddeutsche Keyssler und der Franzose Montesquien beide im Sommer 1729 in München sind. Aufschlußreich sind daher die zeitgleichen Beobachtungen der Engländerin Lady Montagu und des Franzosen Rousseau in Wien um 1716. 207 Ich verweise auf Lister, Northleigh, Montagu. 208 Zum Stichwort „Mobilität“ nach dem Dreißigjährigen Krieg vgl. Duchhardt 2003, S.  28ff.; insgesamt sein Kapitel zu „Definition und Erfahrbarkeit eines Kontinents“. 209 Neben der privaten brieflichen Korrespondenz und der öffentlichen Informationsvermittlung über das Buch oder die Fachzeitschrift „spielte die intendierte, zeitlich begrenzte geographische Mobilität von Personen gerade in Zeiträumen, in denen mediale Kommunikationsstrukturen noch unterentwickelt waren, oder auf Gebieten, in denen sie persönliche, konkrete Anschauungen nicht ersetzen konnten, eine kaum zu überschätzende Rolle“; so Grosser 1988, S. 163. Aus der inzwischen kaum mehr überschaubaren Forschungsliteratur zum „Reisen“ in der Frühen Neuzeit vgl. besonders die Beiträge in: Reiseberichte als Quellen 1982; Reisebericht 1989; Europareisen 2002; Grand Tour 2005 sowie Grosser 1988 u. 1989. 210 So dass sich Lister 1698, S. 2, schon selbst fragt, warum es wiederum eine Parisbeschreibung sein solle, „a place so well known to every body here“. Zur quantitativen Analyse bes. Gilles Chabaud, Les guides de Paris du XVIIe siècle au début du XIXe siècle, in: Les Guides imprimés du XVIe au XXe siècle. Villes, paysages, voyages, hrsg. v. dems. u. a., Paris 2000, S. 71–80 ; ders., Les guides de Paris: une littérature de l’accueil?, in: La ville promise. Mobilité et accueil à Paris (fin du XVIIe siècle au début du XIXe siècle), Paris 2000, S. 77–108. 211 Mager 1980, S. 108. Mitte des 17. Jahrhunderts betrug die Einwohnerzahl in Frankreich insgesamt beeindruckende 19–20 Millionen. 212 Zur Apodemik besonders Justin Stagl, Ars Apodemica: Bildungsreise und Reisemethodik von 1560 bis 1600, in: Reisen und Reiseliteratur in Mittelalter und in der Frühen Neuzeit, hrsg. v. Xenia von Ertzdorff, Dieter Neukirch u. Rudolf Schulz, Amsterdam 1993, S. 141–189.

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Bericht hinterließen, waren sich durchaus auch der Problematik dieser Gattung bewusst, die aus der beschriebenen Quantität und Fülle resultierte; so resümiert der Franzose Silhouette aus der Perspektive des weit fortgeschrittenen 18. Jahrhunderts: Il y a une infinité de relations de voyages, & particulierement d’Italie; la plus grande partie ne sont que de mauvaises compilations.213

Aber, so heißt es zuvor in der Widmung, die meisten Autoren seien vor allem den Dichtern gleich, „qu’ils préfèrent la réputation d’homme d’esprit, à celle d’homme véridique“.214 Zudem benennt Silhouette implizit, welchen Stellenwert die künstlerischen Erzeugnisse haben, denn eigentlich solle sich ja ein Reisender für alles interessieren; er zählt auf, und innerhalb dieser sehr reichen Aufzählung nennt er – man überliest es fast – „les ouvrages de peinture, de sculpture & d’architecture“.215 Indessen ist die Bedeutung der Reiseliteratur für die Tradierung von Stereotypen kaum zu überschätzen – Silhouette vergleicht den Nutzen der Reiseberichte mit dem des Lexikons;216 die Wahrnehmung des Reisenden wird also durch die Reiseberichte selbst konditioniert: ils lui apprennent ce qu’il y a dans chaque endroit de plus singulier; c’est ensuite au voyageur de réfléchir sur ce qu’il voit, de remarquer ce qui est bon & oublier ce qui est mauvais, ou de ne s’en souvenir que pour le critiquer.217

– mit dem Ergebnis, dass es unter den Reiseschriftstellern durchaus auch eine eigene Diskursebene gab.218 In diesem Zusammenhang drängen sich Überlegungen auf darüber, was man überhaupt gesehen hat, ob man das Gesehene aus eigener Anschauung beschrieb und mit welchen vorgeprägten Wahrnehmungsfiltern man es beschrieb. Kaum jemand war so ehrlich wie die Engländerin Lady Wortly Montagu, die 1718, gerade aus Genua gekom213 Silhouette 1729/30 (1770), Bd. I, S. VIII (Widmung). 214 Ebd., S. VI (Widmung). Er fügt hinzu: „le lecteur est faisi par un trait vif, il n’examine point, & souvent il n’en est pas capable, s’il examine, il songe moins à se préserver de ce qu’il y a de faux, qu’à goûter une chose qui sera dite avec esprit.“ 215 Ebd., S. XI f. (Widmung): „la religion, les moeurs, la langue, le climat; les productions du pays, le trafic, les manufactures, le gouvernement, les forces, les fortifications, les arsenaux, les monumens antiques, les bibliothèques, les cabinets des curieux, les ouvrages de peinture, de sculpture & d’architecture, particulierement en Italie, où ces trois derniers arts sont portés au point de leur perfection, enfin il doit tâcher de se trouver aux solemnités annuelles, & s’informer, s’il lui est possible, du caractere des différens Princes & de celui des différentes Cours.“ Er gibt aber auch sofort zu, dass er sich nicht allen Bereichen widmen konnte. Seine Ausführungen sind dann auch hauptsächlich von politischen, wirtschaftlichen und fortifikatorischen Aspekten geprägt. 216 Ebd., S. VIII f. (Widmung): „c’est pour lui [le voyageur] ce qu’est un Dictionnaire pour un homme de Littérature.“ 217 Ebd. 218 Als Beispiel sei ein Passus aus Freschot 1705a, Bd. II, S. 70, zur Bonner Residenz angegeben: „Je ne fait par quel chagrin Monsieur Misson dans son Voyage deit que le Palais Electoral de Bonn n’est pas beau; Je n’entrai point dedans, mais l’apparence ne sauroit être plus belle.“

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men, zum Palazzo Reale in Turin formulierte, sie finde ihn zwar „very handsome“, „but I have lately seen such perfection of architecture, I did not give much of my attention to these pieces“.219 Der anonyme Autor der Unparteyischen Gedancken von 1719 etwa gab vor, er wolle sich nicht lange mit der „Beschreibung der Gebäude nach den Regeln der Bau=Kunst“ aufhalten, weil die Kenner ohnehin die Stiche der Bauten konsultieren würden, „welche ihnen in einem Augenblick mehr vorstellen, als die weitläufftigste Beschreibung ihnen erklären wird“; die Unkundigen anderseits würden durch die Beschreibungen auch nicht klüger werden.220 Und Lady Montagu bemerkte in der Galerie des Glaces in Versailles, deren Decke ihr ausgesprochen missfiel („disgusting“), sie wolle auf die Beschreibung derselben verzichten, man könne es ja nachlesen bei den französischen Autoren – mit dem süffisanten Nachsatz: „that have been paid for these descriptions“.221 Architektonische Spezifika wurden zumeist auf griffige Schlagworte wie „Größe“ oder „Weitläufigkeit“ reduziert, Topoi, die dennoch ernst genommen werden sollten, weil sie ein Erwartungsmuster preisgeben. Wenn etwa der Engländer Veryard in den frühen 1680er Jahren durch Europa reiste, belegte er seine Eindrücke nahezu immer mit denselben Kriterien, so in Rom: „The Vatican [...] is Large, Commodious, and Richly Adorn’d“, was sich beim Quirinalspalast nur unwesentlich wandelt: „the Palace and its Apartments are majestick, commodious, and richly adorn’d.“222 Pierre de Bretagne beschrieb 1722 das Innere des Wittelsbacher Schlosses Dachau kaum anders: „Les appartements de ce Palais, sont d’une belle distribution, ceux des Princes sont grands, magnifiques, & richement meublés.“223 Obschon es viele Hinweise auf das große Interesse an den jeweiligen Bauten gab, enthalten Beschreibungen von Schlössern eher selten eine genaue Erläuterung der Architektur,224 vielmehr sind die Quellen hinsichtlich ihrer Urteile und Bewertungen von Architektur eher schweigsam.225 Es bleibt bei den Topoi; diejenigen Autoren, die ästhetisch eher geschult waren, konnten durchaus diejenigen Topoi anwenden, die in architekturtheoretischen Schriften oder auch in popularisierter Form vorlagen. Hier wäre jemand wie Baron Pöllnitz zu nennen: Seine nicht selten klugen Beobachtungen der Einzelformen sind angereichert mit einem topischen komparatistischen Vokabular, welches einer genaueren Analyse jedoch nicht standhält, vielleicht auch nicht standhalten soll. In diesen schriftlichen Zeugnissen gab es zudem eine implizite Auswahl in der Wahrnehmung von Objekten. Das ist wichtig hinsichtlich der Frage, welchen Stellenwert künstlerisch-architektonische Aspekte hatten, ob sie eine Rolle spielten, ob sie registriert wurden und wie sie registriert wurden. Denn zum einen wurde gerade bei denjeni219 12. September 1718; Montagu 1716–18, Bd. III, S. 3. 220 Unparteyische Gedancken 1719, im „Vorbericht“ (unpag.). Die an dem in dieser Beschreibung fingierten Dialog beteiligten Vertreter verschiedener Länder haben zudem jeweils Kupferstiche zur besseren Anschauung und zum direkten Vergleich dabei. Vgl. besonders ebd. S. 276ff. 221 16. Oktober 1718; Montagu 1716–18, Bd. III, S. 78. 222 Veryard 1701, S. 188, S. 190. 223 Bretagne 1723, S. 30. 224 Eine große Ausnahme bildet die Beschreibung der Venaria Reale bei Turin; vgl. Krems 2005. 225 Vgl. etwa die Tagebücher der Reisen der Sächsischen Prinzen; Sächsische Prinzen 1680/90 (1994).

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gen, die im politischen Auftrag reisten, die Wahrnehmung von Kunst und Architektur deutlich von zeremoniellen Reglements überlagert – dies wird bei den noch genauer zu betrachtenden Reiseberichten des Grafen Kurz und des Herzogs Maximilian Philipp anschaulich werden. Zum andern nahm Architektur keineswegs einen der ersten Plätze in den Beschreibungen und Kommentaren ein. Es waren vielmehr vor allem Kutschen und die Ausstattung der Appartements mittels Möbel, die im 17. Jahrhundert zu Status- und Distinktionsobjekten wurden. Mit diesen Objekten konnte der (womöglich gerade neu erworbene) Stand nach außen demonstriert werden; so schrieb im Oktober 1694 der bayerische Gesandte aus Madrid an den bayerischen Residenten am kaiserlichen Hof zu Wien etwas süffisant über den „Baron von Berlips“, der gerade Minister des polnischen Königs in Madrid geworden war: Sa maison est très magnifiquement meublée et son Carosse principal lui a coûté mille pistoles; je vous laisse juger le reste.226

Dass es sich bei der „Carosse“ um eine französische Kutsche handelte, ist sehr wahrscheinlich. Und damit ist ein weiterer wichtiger Punkt angesprochen: Erinnern wir uns an den Verweis auf die Kutschen des in München weilendenden Ökonomen Becher in den 1660er Jahren: „man fähre nicht wol in den Kutschen / wann sie nicht die Frantzösische Mode haben.“227 Hier wird eine Vorliebe persifliert, die selbst am Münchner Hof trotz aller offenen Franzosenabneigung seit langem Einzug gehalten hatte.228 Schon Luigi Montonaro, der savoyische Beichtvater Henriette Adelaides, bemerkte 1652 bei ihrem Einzug in die Stadt München sichtlich beeindruckt, dass die Kurfürstin Maria Anna in einer „carozza alla francesa di veluto nero“ gesessen habe.229 Am Habsburger Hof in Wien – noch notorischer gegen alles Französische gewendet – war das kaum anders. Dort wurde Ende der 1670er Jahre beobachtet: Unter vielen anderen prächtigen Dingen / ward auch eine unvergleichliche Caroß von gesponnen Gold / in Paris gemacht.230

In der vorliegenden Studie kann es lediglich bei dem Verweis auf die hohe Bedeutung der Kutschen für die höfische Repräsentation auch bei den Wittelsbachern – lange bevor französische Architektur und Ausstattung rezipiert wurden – bleiben; dennoch sei ein wichtiges Faktum betont: Nahezu durchgängig von der Generation Ferdinand Marias 226 Baron Paumgarten an Mörmann, 14. Oktober 1694; zitiert nach Anton von Ow, Beiträge zur Geschichte Max Emanuels. Aus den Mörmann’schen Papieren, in: AM, 3, 1901/02, S. 87. 227 Vgl. oben Anm. 126. 228 Vgl. den Kat. Staats- und Galawagen 2002, darin vor allem den Beitrag von Wackernagel 2002. Wackernagel (S. 22) verweist jedoch erst auf die Zeit Henriette Adelaides, gerade in den 1660er Jahren, als in den Quellen zwei Kutschen aus Paris auftauchen. Jedoch gibt es schon unter Maria Anna diesbezügliche Hinweise; vgl. folgende Anm. 229 Brief an die Madama Reale, 28. Juni 1652 (AST, LettP [„M“], M 67). Wackernagel 2002, S. 22, setzt das Interesse für französische Kutschen erst später, in den 1660er Jahren, an, als zwei französische Kutschen nachweisbar seien. Die Quelle belegt jedoch den früheren Zeitpunkt. 230 Apronius 1677–80 (1723), S. 19.

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bis zu Karl Albrecht bildeten Kutschen bei den Wittelsbachern fast einen Einzelfall für einen im städtisch-öffentlichen Raum sichtbaren Frankreich-Bezug. Um die Rolle der höfischen Architektur im Rahmen der repraesentatio magnificentiae zu ermitteln, hilft auch ein Blick auf die Berichte der politischen Gesandten. Wenn diese sich für Zeichen der höfischen Magnifizenz interessierten (und dies in ihren Berichten festhielten), standen eher selten die Bauten im Mittelpunkt. Gerade die Savoyischen Gesandten am Münchner Hof waren sehr viel aufmerksamer, wenn es um die Jagd oder allgemein um Feste ging, um Karnevals- und Geburtstagsfeierlichkeiten,231 von denen sie in ihren relazioni ausführlich bis in die Details berichteten, vor allem wenn es sich um das Fest der sogenannten Wirtschaft handelte, welches „tanto famosa e celebre in tutte le Corti di Germania“ sei.232 Es bestand offenbar ein großes Interesse an diesen Berichten seitens der Empfänger – gerade Turin war freilich eine Dynastie, die Festlichkeiten ebenfalls sehr stark in den Mittelpunkt ihrer Repräsentationskultur gerückt hat.233 Mit diesem Wissen kann man verstehen, dass Henriette Adelaide nach den Feierlichkeiten zur Geburt Max Emanuels 1662 erleichtert schrieb: „Enfin les princes etrangers sont parti disy tout a faict content et satisfaict.“234 Doch meistens waren die ausländischen Fürsten selbst nicht anwesend – dann fungierten die Berichte ihrer Gesandten um so mehr als anschauliches Surrogat, gelegentlich ergänzt durch graphische Darstellungen. So berichtete etwa der Comte Lantery 1685 nach Turin von einem Turnier, um hinzuzufügen, „nel modo che V.A.R. si compiacerà di vedere nell’esemplare in stampa che mi dò l’honore di trasmetterle“.235

231 Vgl. etwa die Briefe von 1674/75, die M. de Cailliere nach Turin an den Herzog von Savoyen sendet und die von seiner großen Begeisterung zeugen; AST, LettM, Baviera, M 2, 2. September/ 9. Oktober. Oder auch Comte Lantery nach Turin an die Altezza Reale, etwa Januar/Februar 1685 vom Karneval; AST, LettM, Baviera, M 8. Vgl. jüngst auch den Bericht des Marchese Federico Pallavicino von der Taufe Max Emanuels 1662; Tipton 2008. 232 Comte Lantery nach Turin an die Altezza Reale, 16. Februar 1685; AST, LettM, Baviera, M 8. Er berichtet von der „ricreatione del Wirtschaft, che è stato de più pomposi che si sieno ancora veduti, non tanto per la varietà de gli habiti, quanto per la vaghezza e ricchezza delli med.mi, per la gran quantità di gioie de’quali la maggior parte de Caualieri, e Dame si uedeuano ornati [...].“ 233 Zu den Savoyer Festen im Überblick: Mercedes Viale Ferrero, Le feste e il teatro, in: Diana trionfatrice 1989, S. 73–81; Lydia Kessel, Le Feste della Corte Sabauda, in: Storia illustrata di Torino, hrsg. v. Valerio Castronovo, Bd. II: Torino Sabauda, Turin 1992, S. 521–540. 234 Henriette Adelaide an die Madama Reale, 6. Oktober 1662; AST, LettA, M 24. 235 Comte Lantery an die Altezza Reale, 2. März 1685; AST, LettM, Baviera, M 8.

3.  Differenzen und Akkomodationen: Der Wittelsbacher Hof 1650–1670 Zur Wahrnehmung der „Fremden“ am kurbayerischen Hof Die bisher bezüglich Kurbayern herangezogenen Zitate ermöglichten nur einen kleinen Einblick in die im 17. Jahrhundert offenbar am Münchner Hof geführten Diskussionen über das Verhältnis der Wittelsbacher zum europäischen Ausland ­– ein grundlegender Aspekt für die Frage nach Kulturtransfer und der Rezeption künstlerischer Modelle. Vor dem Hintergrund der hier dargelegten Allgemeinen Rezeptionsbedingungen wird im Ansatz verständlich, was einen Blick nach Frankreich aus kurbayerischer Perspektive zunächst weitgehend verhindert haben könnte. Und mit diesem Wissen – freilich auch in Anbetracht der allgemeinen politischen Lage236 – gewinnen die harten Urteile historiographischer Schriften aus der Mitte des 18. Jahrhunderts gerade über die Savoyerin Henriette Adelaide ihren Kontext. Es sei ein kurzer Blick auf diese Historiographie gerichtet, weil die dort verdichtete, oftmals polemische Sicht auch für die Wahrnehmung künstlerischer Entwicklungen von großem Interesse ist. Die offensichtlichen Bemühungen der aus Savoyen stammenden Henriette Adelaide, das kurfürstliche München in den 1660er und 1670er Jahren einem europäischen höfischen Standard anzupassen, wurde mit dem Vorwurf der Überfremdung gebrandmarkt. Dieses Urteil wurde, wie wir bereits gesehen haben, unkritisch bis weit ins 20. Jahrhundert übernommen.237 Johann Christian Götzes Abhandlung von 1747 über die Kurfürstinnen von Bayern war einer der wenigen Versuche, die Gemahlin Ferdinand Marias zu rehabilitieren, etwa wenn er Henriette Adelaides Kunstpolitik im Kontext einer erweiterten europäischen Repräsentationsstrategie bewertete:238 Der Vorwurf, daß sie die Ausländer gerne gesehen, und dieselbe die Würkung ihrer fast königlichen Freygebigkeit spüren lassen, rühret von Leuten her, die niederträchtig denken. Grosse Herrschafften breiten nicht nur ihren Ruhm in der ganzen Welt aus, sondern befördern auch das Aufnehmen ihrer Länder, wenn sie, ohne Unterscheid der Völker,

236 Umfassend gerade zu den Beziehungen Bayern – Frankreich, wenn auch einiger Aktualisierung bedürftig: Doeberl 1900. 237 Vgl. Kapitel 1, Positionen der Forschung. Die Abhandlungen etwa von Lipowsky 1820, 1830 und 1831 zu Ferdinand Maria, Max Emanuel und Karl Albrecht schöpfen unkritisch aus der Historiographie des 18. Jahrhunderts – und Lipowsky selbst wird später auch von der Kunstgeschichte intensiv rezipiert. 238 Götze 1747. Diese Abhandlung wurde für die sächsische Braut Max’ III. Joseph geschrieben, „der gegenwärtigen Churfürstlichen Braut Maria Anna Königlichen Hoheit vorgestellet“. Die Vermählung mit Maria Anna von Sachsen fand 1747 statt. Es musste also die durchgehende Tugendhaftigkeit gerade der weiblichen Mitglieder der Wittelsbacher Dynastie betont werden.

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geschickte und wohlverdiente Personen in ihre Dienste nehmen, und ihre Tugenden und Künste reichlich belohnen.239

Götze blieb mit diesem Rehabilitierungsversuch der Gemahlin Ferdinand Marias weitgehend allein. Nur in Gudes Staat von Chur-Bayern, 1706 publiziert, war die „weibliche Klugheit“ Henriette Adelaides, als Mutter Max Emanuels, gepriesen worden, „welche als ein Wunder ihrer Zeiten von männiglich verehret worden“.240 Ein Urteil wie das folgende, 1749 erschienene und von tiefer Franzosenabneigung geprägte, war das gewöhnliche Bild, das von Henriette Adelaide gezeichnet wurde. Es ist der umfangreichen Abhandlung des königlich-preußischen Kanzlers und Geheimen Rats Johann Peter von Ludewig entnommen, die im Rahmen einer den Teutschen Fürsten-Staaten gewidmeten Gesamtdarstellung entstand; Henriette Adelaide habe sich sehr merckwürdig gemacht. Denn sie regierte nicht nur ihren Gemahl, sondern auch das gantze Land, und man giebt ihr Schuld, daß sie ihr Vaterland mehr geliebet als Bayern. Dahero nahmen auch nunmehro an dem Hofe zu München die Italiener und Franzosen überhand. [...] Sie soll auch mehr als königliche Geschencke nach Piemont überschickt, und dem Hause Bayern gantz andere Principia, als bisher daselbst üblich gewesen, beygebracht haben. Da ihre Frau Mutter eine gebohrne Königl. französische Printzessin war, mithin diese ihr auch die Liebe zu Franckreich beygebracht: so hat man seit der Zeit genau wahrnehmen können, daß sich auch die Frantzosen in Bayern eingenistelt, und der dasige Hof immerzu gut Frantzösisch gesinnt gewesen.241

Große Vorbehalte gegen einen Mangel an Reichsloyalität sind hier zu spüren, die ihre Entsprechung in vielen zeitgenössischen, gleichwohl zumeist polemischen Kommentaren finden, wie etwa dem Bericht des Reichsvizekanzlers Königsegg, der 1673, in Zeiten sehr gespannter Beziehungen zwischen München und Wien, entstanden ist. Dort wird eine feindselige Haltung Kurbayerns gegenüber dem Reich angeprangert, nicht nur bei der Kurfürstin selbst („den Teitschen will die frau churfirstin nit wol“), sondern auch bei ihrem Sohn Max Emanuel, was mit seiner Erziehung begründet wird:

239 Götze 1747, S. 51. Damit wendet sich Götze vermutlich in erster Linie gegen den damaligen Obersthofmeister Maximilian Graf Kurz von Senftenau. Vgl. dazu noch später in diesem Kapitel. 240 Gude 1706, S. 6; in dem Abschnitt über Max Emanuel: „[...] Eltern insonderheit aber die mehr als weibliche Klugheit Seiner Frau Mutter der unvergleichlichen Prinzessin Henrietta Adelheid von Savoyen (welche als ein Wunder ihrer Zeiten von männiglich verehret worden) liessen an nichts fehlen / was einiger Massen dienen konnte / aus unsern Maximilian einen solchen Prinzen zu formiren.“ 241 Finsterwald/Ludewig 1749, S. 2200f. Vgl. auch Michaelis 1760, S. 243, zu Henriette Adelaide, „die wegen ihrer grossen Klugheit einen besondern Einfluss an den Regierungsgeschäften hatte, wobei ihr von einigen Schuld gegeben wird, daß sie allzu viel Ausländer an den Baierschen Hof gezogen, dagegen viel Geld ausser Landes geschiffet, und das Band der Freundschaft zwischen dem Oesterreichischen und Baierschen Hause aufgelöset, dieses aber vielmehr mit Frankreich verknüpfet habe, indem ihre Mutter eine französische Prinzessin war“.

Der Wittelsbacher Hof 1650–1670  | 97

Man hat dem churprinzen auslendische kleine knaben, so Wellisch und Französisch reden, deren eltern sich an hof aufhalten, beigeschaffen, damit er, prinz, die sprachen umb sovil bösser erlerne und, wie man auch besorgt, von dem Teitschen abgewendet werde [...].242

Dabei muß jedoch betont werden, dass, ungeachtet dieser Anfeindungen, Henriette Adelaides Leistungen bei kulturellen Projekten, besonders bei Theatinerkloster und -kirche oder auch dem „bezaubernden Lust-Schlosse Nymphenburg“, sehr gewürdigt wurden: [sie] ließ auch den Grund zu dem bezaubernden Lust-Schlosse Nymphenburg [...] legen, und bediente sich bey Aufrichtung desselben eines Italienischen Baumeisters, welchen sie ausdrücklich aus Italien darzu kommen lies.243

Für die Historiographie des 18. Jahrhunderts war es somit naheliegend, die Überfremdung durch französische Personen, Produkte, Objekte und Gebräuche den jeweiligen Gemahlinnen anzulasten, also nicht den eigenen Vertretern der Dynastie.244 Während dies bei Ferdinand Maria und Henriette Adelaide noch nicht als ganz abwegig erscheint,245 so ist ein ähnlicher Versuch bei Max Emanuel schwer nachvollziehbar. Dessen zweite Gemahlin Therese Kunigunde (Hochzeit 1695), die Tochter des polnischen Königs Jan III. Sobieski, wurde für eine zunehmende „französische Gesinnung“ in Bayern verantwortlich gemacht, bis sich schließlich Max Emanuel ganz in diese „französischen Fänge“ verstrickte: Übrigens brachte diese Churfürstin auch die Französische Gesinnung wiederum mit nach Bayern. Denn ihre Mutter [...] war eine gebohrne Französin [...]. Ihre Mutter hatte also derselben die Liebe und Hochachtung vor die Franzosen angebohren, welche sie hernach auch ihrem Gemahl, dem Churfürsten, gar bald auch dermasen einzuflösen wuste, daß Max Emanuel nunmehro gantz andere Staats-Principia ergriff, als die bisherigen gewesen waren, bey welchen er sich so wohl befunden hatte. Der Hof zu Versailles, welcher seine Augen überall hinrichtet und überaus wachsam auf sein Interesse ist, säumte nicht, sich diese gute Gelegenheit zu Nutze zu machen, und den Churfürsten zu Bayern von dem Österreichischen Interesse auf seine Seite zu lencken.246

Indessen waren jedoch, wie andere Quellen belegen, die Verhandlungen und Erörterungen im Vorfeld der erneuten Heirat des Kurfürsten in den Jahren nach dem Tode der einer Frankophilie unverdächtigen Habsburgerin Maria Antonia (†1692) dahin gegangen, 242 Königsegg 1673 (1903), S. 6 und 7. 243 Finsterwald/Ludewig 1749, S. 2201. 244 Auch diese Sicht wurde dankbar aufgenommen im 19. Jahrhundert. Vgl. dazu den Forschungsbericht in Kapitel 1. 245 Wobei auch hier das Engagement der übrigen Wittelsbacher übersehen wird; etwa die Bemühungen des Bruders Ferdinand Marias, Herzog Maximilian Philipp, auf seiner Italienreise 1666, der in Imola mit dem Sänger Juliano verhandelte und von dessen Gesangstechnik berichtete. Zu seiner Italienreise siehe noch später. 246 Finsterwald/Ludewig 1749, S. 2238.

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den Eindruck jeglicher Franzosennähe zu zerstreuen: Eine von Max Emanuel favorisierte Tochter des verstorbenen Herzogs von Hannover wurde in Wien und Madrid sogar gerade wegen ihrer französischen „affiniteten“ abgelehnt: Die education und die affiniteten, die habende Güetter inspiriren einen solchen anhang und dependenz von Frankreich, daß es schwehr fallen dörffte, sich davon loß zu machen.247

Bei Therese Kunigunde selbst achtete man penibel darauf, dass alles eine unverdächtige Richtung nahm: Laut Instruktion an den Gesandten des Kurfürsten, den Kammerherrn Baron Simeoni vom 11. November 1694, die die Vorbereitungen der Reise der Kurfürstin nach Brüssel regelte, sollten sich keine Personen von notorisch französischer Gesinnung in ihrem Gefolge befinden, denn es hätten sich ohnehin schon Gerüchte entwickelt, die bei den Verbündeten Verdacht erregen könnten.248 Die Trauung in Wesel sei „den Spaniern zu gefallen nicht in Französischer, sondern Lateinischer Sprache geschehen“.249 Angesichts dieser dezidiert antifranzösischen Heiratspolitik Max Emanuels und seiner Berater nach dem Tod der ersten Gemahlin Maria Antonia erscheint es wiederum problematisch, dem Vorschlag zu folgen, den vermeintlichen Modellwechsel mit Beginn der Statthalterschaft in Brüssel 1692 anzusetzen, also eine Übernahme französischer künstlerischer Modelle aufgrund der politischen Situation zu vermuten.250 Zudem gewinnen weitere Äußerungen angesichts der omnipräsenten Abneigung der Bayern gegenüber Fremden, insbesondere Franzosen, mehr Transparenz, etwa eine von Kurfürst Max Emanuel 1715, nach seiner Rückkehr aus dem französischen Exil, getroffene höchst interessante Feststellung: „[…] je peus imiter le goût de la France en batiments et jardins, mais les habitants ne se changent pas.“251 Diese postulierte Unvereinbarkeit des französischen goût mit nicht-französischer Gesinnung wird uns an späterer Stelle, wenn es um die Projekte nach der Rückkehr Max Emanuels aus seinem Exil geht, noch beschäftigen. Wichtig ist es bei der Lektüre dieser historiographischen Schriften des 18. Jahrhunderts festzuhalten: Sie lassen kaum eine innere Verbindung oder ein Wechselverhältnis zwischen dem Vorwurf der Überfremdung und der Übernahme eines französischen künstlerischen Formenrepertoires in Architektur und Ausstattung, also ein Wechselverhältnis zwischen einer politisch-mentalen und einer ästhetischen Wahrnehmung, erkennen. Der dominierende politisch-historische Diskurs mit dem Verhältnis zu Frankreich und Österreich/Habsburg als wichtigstem Thema – und genau hier sind die zitierten Überfremdungsvorwürfe vertreten – ist streng von der landestopographischen Beschreibung (mit dem Verweis auf Schlösser, Kirchen etc.) und auch der lobenden Erwähnung der mäzenatischen Leistungen der Wittelsbacher getrennt. Sie folgen, gleichsam als An247 So die Antwort des Kaisers vom 10.10.1693; Zitat nach Heigel 1884a, S. 53f. 248 Zu dieser Instruktion vgl. Heigel 1884a, S. 65. 249 Goetze 1747, S. 72. 250 Vgl. die Positionen der Forschung in Kapitel 1. 251 In einem Brief Max Emanuels an Gräfin Arco vom 6. Juli 1715. Siehe dazu noch unten. S. 291.

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hänge, erst am Ende der Abhandlungen.252 Gewertet wird hinsichtlich einer nationenspezifischen Wahrnehmung in diesen Appendices nicht.253 Zudem sind ihre Ausführungen fast wörtlich den weitverbreiteten Reisebeschreibungen Johann Georg Keysslers oder den meist anekdotisch gefärbten Memoiren eines Marechal de Villars und den Briefen des Baron Pöllnitz entnommen. Diese wiederum beriefen sich meist auf die Landestopographien von Michael Wening (1701) oder die früheren von Anton Wilhelm Ertl (1685) und Philipp Casimir Baur (1678/79). Viele Stereotypen wurden auf diese Weise über Jahrzehnte bereits tradiert. Doch erst im 19. Jahrhundert und darüber hinaus wurde die Verbindung zwischen Frankophilie, Überfremdung und Förderung ausländischer Künstler sowie der Rezeption eines französischen Stilideals in den Schlössern und ihren Ausstattungen stärker forciert. Dies geschah unter, wie bereits gezeigt wurde, zumeist polemischen Vorzeichen, die der für den jeweiligen Forscher des 19. Jahrhunderts wiederum aktuellen politischen Situation geschuldet waren. Gerade die genauere Betrachtung der mit dem Vorwurf der Überfremdung belasteten Kurfürstin Henriette Adelaide am Wittelsbacher Hof in den Jahrzehnten der Konsolidierung nach dem Dreißigjährigen Krieg erscheint besonders sinnvoll – auch um die späteren Entwicklungen unter Max Emanuel und Karl Albrecht zu verstehen. Im Folgenden werden daher die in der Wahrnehmung der Zeitgenossen markierten Differenzen zwischen den einzelnen europäischen Höfen genauer untersucht, die sich auch in der je eigenen künstlerischen Repräsentation manifestieren. Dafür stehen Quellen zur Verfügung: Zum einen die Berichte über die im Zuge der Hochzeit des Kurprinzen Ferdinand Maria mit Henriette Adelaide 1652 durchgeführten Gesandtschaft des Grafen Kurz nach Turin; zum andern die in der Korrespondenz Henriette Adelaides lebhaft geschilderten Bedingungen am Münchner Hof.

Erfahrung von Alterität: Die Turiner Gesandtschaft 1652 Im Frühjahr 1652 begab sich der Obersthofmeister und führende Diplomat Maximilian Graf Kurz von Senftenau mit einer aus 350 Personen bestehenden Gesandtschaft nach Turin, um die mit dem Kurprinzen Ferdinand Maria bereits im Dezember 1650 per procuram verheiratete Prinzessin Henriette Adelaide nach München zu geleiten.254 Die Instruktionen der Kurfürstin Maria Anna für die Reise (Kurfürst Maximilian I. war 252 Vgl. Staats-Geschichte Bayern 1743; Moser 1745; Finsterwald/Ludewig 1749. Gudes nach 1704 angefertigte und 1706 publizierte Erläuterungen bringen wenig zu den Kurfürstlichen Bauten, vermutlich wegen des Spanischen Erbfolgekrieges; Gude 1706. 253 Beispielsweise wird in Mosers Beschreibung des Lebens Karl Albrechts (Moser 1745) lediglich erwähnt, dass Karl Albrecht 1715 nach Italien reist und sich die dortigen Sehenswürdigkeiten anschaut; der Münchner Hof wird um 1717 mal mit dem Wiener Hof „bey nahe” auf eine Stufe gestellt, und in Frankreich wird Karl Albrecht auch zuvorkommend empfangen und bewundert den dortigen Aufwand. 254 Es haben sich von Kurz‘ Gesandtschaften ausführliche, teils handschriftliche (im GHA), teils sogar gedruckte Beschreibungen sowie Instruktionen erhalten; dazu die folgenden Anmerkungen.

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am 27. September 1651 gestorben) lassen zwar außer dem Verweis auf „Regalen“ und „Donatiui“255 von Architektur und künstlerischen Objekten nichts verlauten, doch vermutlich wurde dem Grafen mündlich aufgetragen, auf die je spezifische künstlerische Repräsentation der einzelnen Höfe, die er während seiner Reise passierte, zu achten. Denn seine Berichte sind hinsichtlich solcher Beobachtungen erstaunlich eloquent. Wir werden sehen, dass sich dabei die Beobachtungen zeremonieller Modalitäten mit denjenigen von Details und Elementen der Ausstattung der Schlösser und Paläste mischen. Eine derartige Mischung ist in sehr vielen zeitgenössischen Berichten festzustellen, was für ein Verständnis von Architektur- und Raumwahrnehmung im höfischen Kontext von größter Wichtigkeit ist;256 nicht zuletzt erlaubt sie Rückschlüsse auf bestimmte Motivationen zu Veränderungen in den eigenen Bauten und Bauprojekten. So verdeutlicht der Bericht über die Reise des polnischen Kronprinzen Wasa 1624/25 ein dem Zweck der Reise entsprechendes großes Interesse an zeremoniellen Details.257 Selbst Philipp Hainhofers Münchner Reisebeschreibungen von 1611 und den darauffolgenden Jahre bezeugen neben seiner großen Faszination für kuriose und materiell wertvolle künstlerische Objekte seine Einbindung in zeremonielle Bedingtheiten, die auch seine Wahrnehmung steuerten.258 Und wenn Kurfürstin Sophie von Hannover bei ihrem Besuch in Frankreich 1679 neben den Gewändern und Juwelen dem Empfangszeremoniell mehr Aufmerksamkeit schenkt als der Architektur von Versailles,259 so sollte dies nicht weiter verwundern – auch angesichts der hier im Abschnitt zur politischen Kultur erläuterten großen Bedeutung von Rangreglements und Präzedenzstreitigkeiten. Das Objekt wurde demnach nicht nur als kunstvoll gestaltetes Ausstattungsstück beachtet, sondern auch hinsichtlich seiner zeremoniellen Funktion. So widmet Moser im VII. Buch seines zweibändigen Teutschen Hof-Rechts, das „Von den Gebäuden des Hofs“ handelt, den Möbeln ein ganzes Kapitel,260 während die „Bekleidung und Puz der Zimmer insbesondere an den Wänden“ nur als letzter, sehr knapp gehaltener Paragraph im Anhang des Kapitels „Von den Zimmern bey Hof“ erscheint.261 Es ist also nicht allein ein Topos, wenn der kurbayerische Gesandte Graf Kurz bei einem früheren Aufenthalt in Turin im November 1651 nach München berichtet, dass man auch einem römischen Kaiser nicht mehr Respekt hätte erweisen können als ihm:

255 Vgl. bereits oben Anm. 112. Es gab eine Geheim- und eine Hauptinstruktion. Die Geheiminstruktion galt nahezu ausschließlich politischen Fragen. Die „Haubt Instruction“ ist publiziert in Turiner Mission 1652 (1989), S. 293–306. 256 Vgl. zur „personale[n] und räumliche[n] Hierarchie innerhalb von architektonischen und rituellen Situationen“ Schütte 1997. Vgl. auch Schütte 2006, besonders S. 169ff.; Hahn 1998a. 257 Wasa 1624/1625 (1988). 258 Hainhofer 1611/1636 (1990); auf seine Ausführungen geht ein Großteil der Rekonstruktion der baulichen und ausstattungsspezifischen Gegebenheiten in der Residenz in der 1. Hälfte des 17. Jahrhunderts zurück. 259 Sophie von Hannover 1679 (1990), S. 137–165 (zu Paris und Versailles 1679). 260 Moser 1754/55, Bd. II, S. 303–314. Zu den Mobilien zählen auch Baldachine, Spiegel etc. 261 Ebd., S. 300ff.

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Die ungeheure Pracht etwa des Bettes, „yber und yber mit gold gestickht“,262 in welchem er im Palazzo Agliè übernachtete, formiert sich als ein wichtiges Zeichen dieser Ehrerweisung. Er fühlte sich „königlich traktiert“. Wenige Monate später, diesmal in Trient auf der Durchreise von München nach Turin, berichtet Graf Kurz nicht allein darüber, an welcher Stelle genau der Bischof ihn in Empfang genommen habe – der Bischof sei bis in seinen Vorhof und nicht, wie anderthalb Jahre zuvor, nur bis zur Treppe gekommen –, sondern auch welche Farbe und welches Material die Brokattapete oder das Bett hatten; selbst die Bettdecke findet Erwähnung.263 Offenbar besaß der Bischof ein Paradebett – der Raum war für Besucher also zugänglich – und damit ein Ausstattungsobjekt, das im Reich, insbesondere bei den Wittelsbachern, zu dieser Zeit unvorstellbar war. Die Anzahl der Vorzimmer und vor allem auch ihre Ausstattung werden zumeist genau registriert, so in Brescia, wo Kurz beim Capitan Grande Marin Trepoli sogar fünf Vorzimmer vorfand, dessen Palast überauß groß / prächtig / die Stiegen von lauter Marmelsteinenen Staffeln gemacht / mit einer grossen Corps de Garde in Waffen verwahrt worden / ist er der Capitan Grande mir von 5 AntiCamere (deren die erste mit Gemählden geziert / die anderen zwo mit guldenen Leder / die vierdte mit rothem Damast / die fünffte mit Niederländischer Tapezerey außgezogen) bis in die dritte entgegen kommen / und hat mich mit (Excellenz) tractirt, aber weil ich nur priuat Audienz begehrt / und derselbe die Republic zu Venedig repraesentirt, die rechte Hand genommen / nach der Audienz mich bis an die Stiegen begleitet [...].264

In Mailand, beim spanischen Statthalter, registrierte Kurz den zwar „grossen weitschichtigen Pallast“, schränkte jedoch ein: „aber von gar alten und schlechten untapezierten Zimmern“. Es war verstimmt darüber, dass ihm der Marchese Caracena nicht ins Vorzimmer entgegenging; konstatierte dann jedoch mit Befriedigung, dass ihn der Spanier mit „Vostra Signoria Illustrissima“ angeredet und beim Abschied immerhin „biß durch die dritte AntiCamera auff den grossen Saal“ begleitet habe.265 Aus Turin schließlich, das Kurz im Mai 1652 erreichte, berichtet er vom Palazzo des Conte Torinetti, wo er Quartier nahm:

262 30. November 1651; GHA, Korr. Akt 631/3. 263 22. April 1652; Kurz 1652, S. 8: „Die Zimmer waren [...] mit roth und gelben / auch blaw und gelben mit Golde eingetragenen Broccatell, das Beth sehr köstlich von blaw und silbern Tabin / der ober und under Krantz / auch die Bethdecken mit dergleichen von Goldt gesticktem Zeug aufgezogen / und die Tafel mit einem schönen sameten Teppich / darober ein dergleichen Baldaquin gewesen / auff dergleichen form zwo portienen gestickt / die Bethstatt gantz vergult / ingleichem auch die Sessel von blaw und silbern stuck uberzogen gewesen.“ Aus Brixen berichtet er ebenfalls von der Art seines Empfangs, erwähnt kurz: „Die Residenz ist zimblich groß und weit / darbey ein schönes Gärtlein und springend Wasser“; ebd., S. 7 (18. April 1652). 264 28./29. April 1652; Kurz 1652, S. 11. 265 3. Mai 1652; Kurz 1652, S. 13.

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Ist ein Königlicher Pallast / die Camin durch und durch im ganzen Hauß / von rothem Marmel / die Galerien und Cabinet von dergleichen und Stuckator Arbeit. Die Zimmer inwendig schön hoch als in einer Kirchen / mit Persianischen Atles / zu allen seitten aussgezogen / und überall die Galerien und Gemächer mit schönen kostbaren Gemählen geziert.266

Doch sind seine Beschreibungen von Kunst und Architektur der Paläste während dieses Turiner Aufenthaltes (10.–16. Mai 1652) in dem gedruckten Tagebuch eher spärlich; hier überwiegen deutlich die politischen Verhandlungsnormen. Eine Bemerkung wie jene aus dem herzoglichen Palast, dem Palazzo Reale – „hab ich [...] in der Madama Real Cabinet mein Commission abgelegt“ – bildet eine Ausnahme, die aber für die Frage der Repräsentationsformen während der politischen Verhandlungen von großem Interesse ist. Auf der Rückreise war das Augenmerk des Ministers noch genauer einerseits auf das Verhalten der ihn nun begleitenden Prinzessin Henriette Adelaide, andererseits auf das jeweilige Prozedere des Empfangs gerichtet; hier galt es schließlich, sich ein Bild von der Reputation der Wittelsbacher zu machen – mit Genugtuung, denn Maria Anna schrieb, dass das große Entgegenkommen, welches die Prinzessin überall erfuhr, ihr zeigen möge, „wie dieses Curhauß auch ausser Reich vnnd von außwertigen nationen aestimirt wirdt“.267 Wie schon auf der Hinreise bildete Brescia einen Höhepunkt. Dort wurde die Prinzessin im Palast des Capitan Grande einquartiert: Die Churfürstl. Princessin seynd 5 Zimmer nacheinander / meistens mit rothem Damast  / welcher auff den Naaten mit grossen guldenen passamenten geziert war / und das letzte in ein uberauß schönen Garten / in welchem sonderlich sehr künstliche Wasserwerck zusehen / zaigend zugericht / und in dem letzten Zimmer ein ganz newes roth Damastenes mit Gold gar schön geziertes Beth auffgeschlagen gewest.268

Kaum weniger prachtvoll wurde sie in der Innsbrucker Residenz empfangen und logiert: Der Churfürstl. Princessin Zimmer [die auf den Rennplatz gerichtet waren; Anm. d. Verf.] seynd mit roth und weissen Broccatel auff silber und gulden Boden bekleydt gewest / und hin und her mit köstlichen Schreibtischen / und darauff allerhand von Silber gegossenen Bildern geziert gewest.269

Schließlich wurde die etablierte Farb- und Materialikonographie auch in Rosenheim bestätigt, als sie die kurbayerische Grenze bereits passiert hatten und die Zusammenführung der Brautleute vollzogen war: 266 Zitiert nach Heigel 1890, S. 27. 267 Brief vom 3. Juni 1652; zitiert nach Turiner Mission 1652 (1989), S. 293, Anm. 8. 268 26. Mai 1652; Kurz 1652, S. 31. 269 10. Juni 1652; Kurz 1652, S. 41. Der recht ausgedehnte Aufenthalt beim Erzherzog und seiner Gemahlin wurde genau beobachtet hinsichtlich des „Tractierens“, weshalb der Einzug und die Zeremonien etwa bei der Tafel große Beachtung fanden.

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Allda waren ihre Zimmer von rothem Atles aussgezogen / die Baldaquin von rothen Sammet und guldenen breiten Passamenten, und das Churfürstl Beth von rothem mit Goldt gesticktem Damast aussgerichtet.270

Gleich mehrere für die höfische Repräsentation der Wittelsbacher wichtige Aspekte zeigen sich: Zum einen scheint das Interesse der Kurfürstin Maria Anna an diesen Details groß gewesen zu sein, sonst hätte der Obersthofmeister weniger ausführlich davon berichtet; das von der Forschung gezeichnete Bild einer strengen, wenig auf äußere Pracht abzielenden Kurfürstin, der Schwester Kaiser Ferdinands III. – natürlich auch in der Absicht, damit den Gegensatz zur „prachtliebenden“ Henriette Adelaide zu verschärfen – bestätigen diese Instruktionen und Berichte nicht.271 Schon die Historiographie des 18. Jahrhunderts hatte die „fast spanische Ernsthaftigkeit“ der Habsburger Kurfürstin betont, so Goetze 1747, der sich auf einen Bericht des päpstlichen Nuntius am Wiener Hof, Carlo Carafa, von 1628 berief.272 Goetze erwähnt keinerlei Bemühungen um die Vermehrung der Pracht des Hofes und hebt stattdessen ihre Bedeutung für die kurbayerische Politik hervor. Zum anderen zeigt sich, wie wichtig das (Parade-)Appartement und seine Ausstattung in der zeitgenössischen Wahrnehmung war,273 auch hinsichtlich der jeweiligen Repräsentation und damit der eigenen Reputation. Bemerkungen über die bauliche Gestalt eines Palazzo oder Schlosses sind hingegen ausgesprochen selten. Und schließlich wird wiederum deutlich, dass der soziale und politisch brisante Aspekt – man vergleiche 270 18. Juni 1652; Kurz 1652, S. 45. In Wasserburg einen Tag später heißt es über die Zimmer „mit absonderlichen schönen Niderländischen Tapezereyen / der Balaquin aber von blawen Sammet und weißen silberen Stuck aussgezogen / das Beth von blawen auff silbern stuckboden gewürckten Sammet;“ ebd., 46. Schließlich in Schwaben, im „Fürstl. Lusthauß“, die Zimmer „mit Broccatelli von roth gemasirten Sammet auff silberfarben Atlesen boden behengt / und gleich wie in allen andern Quartiern die Sessel und Teppich von Sammet / mit der farb deß Baldaquins correspondirt, also war auch da der Baldaquin und das Beth / und Teppich von rothem Sammet / mit guldenen passamenten und Gefränß / und die Fürhäng am Beth mit rothem Damast“; ebd., S. 46f. 271 Die Bemerkung von Haeutle, wonach die künstlerischen Bemühungen Maria Annas sehr beachtlich waren, ist etwas in Vergessenheit geraten; Haeutle 1883, Bd. I, S. 74. Zur Vergrößerung des Hofstaats unter Maria Anna vgl. Margit Ksoll, Der Hofstaat der Kurfürstin von Bayern zur Zeit Maximilians I., in: ZBLG, 52, 1989, S. 59–69. Zu sehr teuren Ankäufen der Kurfürstin, selbst während des Dreißigjährigen Krieges, vgl. auch Graf 2002, S. 25. 272 Goetze 1747, S. 31: Carlo Carafa „hat an ihr eine fast spanische Ernsthaftigkeit beobachtet, welcher Nation sie auch an den schwarzen Augen und Haaren ziemlich gleich gesehen. Worzu noch die Spanische Tracht gekommen ist, welche verursachet hat, daß sie von ihrem Teutschen Vaterlande fast nichts, als die Sprache, übrig behalten“. Dazu Carafa 1628 (1860), S. 287, selbst: „Ho scorto in essa, quando le ho baciato le mani, gran giuditio, maniera, prudenza et una gravità quasi Spagnuola, alla quale natione ella si rassomiglia assai negli occhi e nelli capelli, che sono assai negri; onde aggiunto l’habito, che pure è quasi Spagnuolo, non pare che ritenghi altro del Tedesco, che la lingua [...].“ 273 Die Bedeutung des Paradeappartements und seiner Ausstattung für die Repräsentation haben jüngst Graf 2002 und Seeger 2004 formuliert; es fehlen jedoch bei sehr vielen Schlössern und Palästen noch umfassende Forschungen.

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die häufige Erwähnung der Anzahl der Vorzimmer und das zeremonielle Geschehen ebendort – vom künstlerischen, von der Repräsentation der Magnifizenz des jeweiligen Fürsten nicht zu trennen ist. Auch die Briefe Henriette Adelaides aus München an ihre Verwandten in Turin beschreiben eher das Zeremoniell als die künstlerische Ausstattung. Genau diese zeitgenössische Wahrnehmung bildet in der vorliegenden Studie die Grundvoraussetzung bei der Untersuchung der Architektur und seiner Ausstattung. Doch kommen wir zurück zur konkreten kurbayerischen Situation und zur Mission des Ministers Graf Kurz. Noch ein weiteres Moment offenbart sich, welches ebenso für die Beurteilung der künstlerischen Gegebenheiten in Kurbayern ab der Mitte des 17. Jahrhunderts von Belang ist: die Unterschiede zwischen dem Wittelsbacher und dem Savoyer Hof.

Das „Accomodiren“ der Savoyer Prinzessin Als um die Mitte des Jahres 1652 die vierzehnjährige Henriette Adelaide Turin verließ, um die Ehe mit dem erst sechzehnjährigen bayerischen Kurprinzen Ferdinand Maria einzugehen, hatte es zuvor eine Reihe von Maßnahmen und Instruktionen gegeben, die diese Reise und die damit verbundene Anpassung an den Münchner Hof, das „Accomodiren“, vorbereiteten und begleiteten. Der Münchner Delegation, die unter der Leitung des Grafen Kurz nach Turin gesandt wurde, um die Braut einzuholen, wurden eigens Schneider mitgeschickt, damit die savoyische Prinzessin „auf hießigen form gekleydet werde“.274 Zwar erkundigte sich Graf Kurz während seines Turinaufenthalts im vorangegangenen Winter auch nach ihren Schlafgewohnheiten,275 jedoch geschah dies nicht zu dem Zweck, sich als rücksichtsvoll oder nachsichtig aufgrund unterschiedlicher Gewohnheiten zu erweisen. Die Instruktion der Kurfürstinwitwe Maria Anna ist gerade in diesem Punkt der kulturell-sittlichen „Vereinnahmung“ der zukünftigen Kurfürstin Henriette Adelaide höchst aussagekräftig; von der Prinzessin würde, dies sollte Graf Kurz deren Mutter, der Herzogin und Regentin Cristina, in einer Geheimaudienz klarmachen, „respect vnd gehorsamb“ erwartet und ebenso, daß Sie die Jenige delicatezze vnd manier, deren Sie an dem Savoyschen Hof gewohnt, dismittiren, vnd sich in allen nach hiesigem form vnd manier zuleben, richten vnd bequemmen werde müssen, mit dem fernern beysaz, daß wann Sie sich dergestalt accomodiren werde, sie gar gewiß sich eines bestendigen contento von aller orthen werde zuuersichern haben.

274 So die Instruktion Maria Annas; zitiert nach Turiner Mission 1652 (1989), S. 302. 275 8. März 1652; GHA, Korr. Akt 631/5: „[...] hab ich heut abendts inn der Chambre de parade Gelegenheit erlangt, mich bey einem alhir wolpracticirten Schweizerischen Lieutenant informirt zu machen, wie es mit der Herzogin Adelheid durchl. und deren FrauenZimmer des Schlaffens halber gehalten werde.“ Zitiert nach Graf 2002, S. 83, Anm. 26.

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Es wird dann sogar noch deutlicher, was die Habsburgerin von den Savoyer Sitten hält: [...] vnd hoffentlich mehrere gesundtheit pflegen, alß bei der Vnordnung, zu welcher die verwittibte Herzogin die vilfeltige vnd schwere negotia obligirn.276

Auch solle Graf Kurz – der ebenfalls die auf „Äußerlichkeiten“ ausgerichtete Pracht registriert277 – mit der zukünftigen Kurfürstin selbst sprechen, damit diese „gleich von dort auß wisse, in wem vnd waß gestalt Sie Vnß alle satisfaction werde geben khönden“.278 In ähnlicher Weise wurde Henriette Adelaide von eigener Seite präpariert, denn die zu überwindenden Differenzen zwischen dem Turiner und dem Münchner Hof formulierte ebenso die Savoyer Regentin Cristina in ihren Instruktionen an die Tochter:279 Auch sie spricht von „akkomodieren“, wenn sie Henriette Adelaide aufforderte, „per accomodare la sua stima e le sue grazie conforme alla capacità loro“ gerade angesichts der französisch orientierten Sozialisation, e perché una principessa giovine, nodrita con la soave libertà della consuetudine del paese unito di lunga mano con la Francia, potrebbe ricevere disgusti gravi con una alterazione tutta contraria di ritiratezza e di severità, sará cura di chi assiste di persuaderla alla sofferenza, e di rappresentarle che deve con l’amore.

Doch ebenso deutlich erinnerte Madama Reale an die politischen Verpflichtungen ihrer Tochter – und damit der an den ausländischen Hof geschickten Repräsentantin des eigenen Hofes: Deve sapere al tutto mostrarsi di genio indifferente per la Francia e per la Spagna, ma totalmente indirizzata agli avantaggi del marito, non lasciando però sempre di cooperare per la casa paterna, procurando di tener il marito ben unito con la real casa di Savoia, se gli occorra, e con l’autorità e con le aderenze se non potrà con la forza, renda autorevole la parentela [...].280

Bedeutsam für die Repräsentation am fremden Hofe – in diesem Fall auch im architektonisch-strukturellen Inneren der Münchner Residenz – waren weitere Bestimmungen: Es wurde genau festgelegt, welche und wie viele Personen die junge Prinzessin begleiten durften,281 was auf die unterschiedliche Zusammensetzung des Hofstaats in Turin und 276 Turiner Mission 1652 (1989), S. 302. 277 Vgl. Bary 2004, S. 44. 278 Turiner Mission 1652 (1989), S. 304. 279 „Istruzioni datesi a nome della duchessa Cristina di Francia, alla principessa Adelaide sul modo da osservarsi da lei alla Corte di Monaco“; vgl. Claretta 1877, S. 189–192; Merkel 1892, S. 8f. 280 Zitiert nach Merkel 1892, S. 8. 281 Zu den Bemühungen und zur Durchführung der Heirat vgl. auch Merkel 1892, S. 5–11, S. 7: er zitiert aus dem Vertrag zwischen Kurz und dem Turiner Hof (AST, carte d’archivio, Allemagna, LettM, Baviera, M 1), wen sie mitnehmen darf: „4 damigelle d’onore, 4 cameriere, compresa la nutrice, un confessore [den Beichtvater Luigi Montonaro], 2 valetti di camera, un ‚somigliero’, un pristinaio“, einen Koch und seinen Gehilfen. Der Hof von Turin wollte noch einen „chirurgo ed un farmacista“. Vgl. auch Claretta 1877, S. 39. Turiner Mission 1652 (1989), S. 302 (aus der

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München zurückzuführen ist.282 Dabei waren die Bestimmungen – das ist zu betonen – weit weniger rigide als knapp 30 Jahre später, als 1680 die Wittelsbacher Prinzessin Maria Anna Christine als Gemahlin des Dauphin nach Frankreich reiste und ihre Hofdamen an der Grenze zurücklassen musste, um auch personell-repräsentativ ganz dem französischen Hofe zu unterstehen.283 Ebenso penibel wurde die Braut Therese Kunigunde für ihre Hochzeit 1695 mit dem Kurfürsten Max Emanuel vorbereitet. Wie bereits erwähnt, sah eine kurfürstliche Instruktion vom November 1694 vor, dass sich keine Personen von französischer Gesinnung in ihrem Gefolge befinden sollten.284 Deshalb solle sich auch der Botschafter von den französisch gesinnten Prinzen, ihren Brüdern, fernhalten und sich, so oft es das kurfürstliche Interesse erlaube, nach Wunsch und Willen des kaiserlichen Gesandten richten. Simeoni gab sich in einem späteren Bericht zuversichtlich: Die polnische Kurfürstin werde, sobald sie die strenge polnische Sitte abgelegt habe, in allem eine vollendete Fürstin und Gattin sein. Mögen diese Bestimmungen bei der savoyischen Prinzessin Henriette Adelaide 1652 auch weniger rigide gewesen sein, so bleibt dennoch zu betonen, dass ein durchgreifender Prozess kulturell-mentaler Assimilierung vollzogen wurde – mit unterschiedlichen Motiven: von der kurbayerischen Seite aus Angst vor Überfremdung und in dem Bedürfnis, die eigene Identität und Souveränität zu betonen, von Savoyer Seite aus politischem Kalkül. Es sei jedoch auch darauf verwiesen, dass es entgegen dieser erzwungenen Assimilierung – die, wie noch zu erläutern sein wird, in München zunächst nicht den größten Erfolg haben würde – durchaus einen Transfer einer nicht geringen Anzahl künstlerischer Objekte aus der Heimat Henriette Adelaides gegeben hat, die teilweise auch später zur Ausstattung ihres Appartements Verwendung fanden. Dazu gehörten Tapisserien und Porträts.285

Instruktion Maria Annas: „Es seye aber zu solchen ende vonnöhten, daß auch Irer Ld~ mitgegebene, beuorab zu dero Camer gehörige Mannß: vnd WeibsPersohnen sich hierinnen dem hiesigen gebrauch in allem accomodiren.“ 282 Zum Hofstaat und den Hofdamen im internationalen Vergleich vgl. Keller 2005, S. 28f. Dort auch der Verweis darauf, dass Savoyer Herzogin Cristina kurz nach ihrer Heirat ihr Frauenzimmer nach französischem Vorbild neu organisierte. 283 Es wurde zudem noch ein eigenes Zeremoniell, auch hinsichtlich des Umgangs mit anderen Familienmitgliedern, für die verbleibenden Tage der Dauphine in München kreiert; vgl. Strich 1933, Bd. II, S. 191f. 284 Heigel 1884a, S. 65: Instruktion Max Emanuel für Baron Simeoni 11. November 1694. Es ging um die Vorbereitung für die Niederlande. Siehe auch oben Anm. 248. 285 Etwa die großen Tappisserien, die, mit savoyischem und französischem Wappen versehen, in ihren Vorzimmern hingen und 1674 im Residenzbrand untergingen; vgl. später in Kapitel 3. Ebenso wurden natürlich schon früh Porträts versendet. Noch 1652 heißt es in einer Quelle, Filiberto Torret habe Porträts der herzöglichen Familie in Turin für Bayern angefertigt; vgl. Alessandro Baudi di Vesme, L’Arte negli Stati Sabaudi ai tempi di Carlo Emanuele I e della Reggenza di Cristina di Francia (Atti della Società Piemontese di Archeologia e Belle Arti; 14), Turin 1932, S. 516.

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Das erste Jahrzehnt Henriette Adelaides in der Münchner Residenz „[...] set la plus belle chose, qui se puisse voir“ – in diese Worte fasste am 23. Juni 1652 die gerade aus Turin kommende, vierzehnjährige savoyische Prinzessin Henriette Adelaide ihren ersten Eindruck von der Münchner Residenz (Abb. 4).286 Sie befand sich mit dieser lobenden Einschätzung bis weit über die Mitte des 17. Jahrhunderts hinaus in bester Gesellschaft: Die unter Herzog Maximilian I. entscheidend umgebaute und erweiterte Residenz war in ganz Europa berühmt, welches wol ein Königlich Gebäw ist / unnd wo es nicht alle Palatia in Teutschland / Italia unnd Franckreich übertrift.287

Superlative durchziehen ebenso die Berichte der Gesandten und Reisenden. Schon 1628 bezeichnete der päpstliche Nuntius am Wiener Hof, Carlo Carafa, die Münchner Residenz, die er auf einer Reise durch das Reich besuchte, als

4  Ansicht der Münchner Residenz von Westen, Kupferstich von Michael Wening, um 1677 (ohne die Unterschrift eingebunden in Schmids Triumphierendes Wunder=Gebäw von 1685)

286 Henriette Adelaide an die Madama Reale, 23. Juni 1652; AST, LettA, M 20. Vgl. auch Merkel 1892, S. 15 u. S. 335. Über den Reiseweg von Turin nach München sind wir dank der Relationen des Grafen Kurz gut unterrichtet. Dem Empfang in München – Henriette Adelaide zog mit einem Gefolge von etwa 1400 Personen ein – folgten 27 Tage Feste, Besichtigungen und Jagden. 287 Zeiller 1632, S. 277.

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un palazzo superbissimo e superbissimamente addobbato, [...] et è de’migliori, per non dire il meglio di tutta la Germania.288

1652, im Jahr von Henriette Adelaides Ankunft in München, vermerkte ein Leipziger Student, die Residenz sei „ein solches Schloss, dergleichen in Europa nicht zu finden“,289 und ein Engländer notierte gut zehn Jahre später: Above all, the Duke’s palace deserves respect, not to say admiration, it being the most magnificent and sumptuous edifice for a house, that we have any where hitherto seen beyond the seas.290

Während Henriette Adelaide 1652 höchst angetan war von der „plus belle chapelle toute faite come le cabinet de florence“291 und kein Wort über die Appartements verlor, beschrieb ihr Begleiter, der Beichtvater Luigi Montonaro, vor allem die Kaiserzimmer, in der die Prinzessin in den ersten Tagen nach ihrer Ankunft untergebracht war, als bellissimo per l’architettura e numero delle stanze, uaghissimo per le pitture, marmi, stucchi, et altri ornamenti, ricchissimo per le tapezzarie di fiandra effigiate con uiuissimi colori, tessute con oro, argento e seta, e per i letti, baldacchini e tapeti di broccato.292

Die Münchner Residenz schien in ihren repräsentativen Bereichen den Ansprüchen der aus Turin Kommenden, die zudem Reiseeindrücke, etwa den aufwändigen Empfang in Brescia oder in der Hofburg in Innsbruck, noch im Gedächtnis hatten, weitgehend zu entsprechen – „a fin tout e fort beau“.293 Der Reigen hymnischer Urteile ließe sich beliebig fortsetzen. Sie lassen, wie an späterer Stelle noch erläutert wird, einerseits auf bestimmte Standards schließen, andererseits bemühen sie die gängigen Topoi.294 Indessen bliebe ein Urteil über das Wundergebäu 288 Carafa 1628 (1860), S. 337. 289 Gottfried Ehrenreich Berlichius, ein junger Leipziger Student, dessen Vater Rat und geheimer Kammersekretär des Kurfürsten Johann Georg von Sachsen war; BayStB, Cgm. 1282, fol. 266r; vgl. Trautmann 1887b. 290 Der Engländer Ray war 1663 in München; Ray 1663 (1738), Bd. I, S. 91. 291 Vgl. oben Anm. 286. 292 Montonaro an die Madama Reale, 28. Juni 1652; AST, LettP („M“), M 67. Vgl. auch Merkel 1892, S. 334, Anm. 1. In seinen ausführlichen Berichten übernimmt Montonaro die Rolle, jeweils die Angemessenheit der Empfänge, den Aufwand, die Anzahl der Pferde etc. zu schildern. 293 Vgl. oben Anm. 286. Vor allem Montonaro ist sehr angetan, schwärmt von der Musik und den Festlichkeiten. 294 So hatte der Schwedenkönig Gustav Adolf 1632 die Residenz im Dreißigjährigen Krieg verschont; vgl. z. B. Coronelli 1697, S. 150: „Gustavo Adolfo Rè di Svecia, quando nel 1632 prese Monaco, ammirando questo Palazzo, mentre uno de’ suoi Capitani lo persuadeva à rovinarlo saviamente rispose, che si sarebbe molto rammaricato di privare il Mondo di si nobile Tesoro.“ Ebenso bereits Patin 1670 (1695), 85, der es folgendermaßen kommentiert: „La magnanimité paroit par tout, & c’est en avoir les véritables sentimens, de ne pas insulter aux biens de son ennemi.“ Pöllnitz 1739, Bd. II, S. 15, beurteilt die Tat des Schwedenkönigs wie folgt: „wodurch er [Gustav Adolf ] eine herrlichere Großmuth als Alexander gezeiget hat, der den prächtigen Pallast des Darius in die Asche legte.“

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aus der Sicht der Zeitgenossen unvollständig, wenn man nicht auch die kritischen Stimmen berücksichtigte, die die Außenwirkung der Münchner Residenz vor allem bis in die 1660er Jahre begleiteten. Es geht dabei weniger um die architektonische Gestalt als vielmehr um einen allgemeinen Eindruck, den das Gebäude vermittelte – eine Außenwirkung, die besonders die aus Frankreich kommenden Besucher erstaunte: Auffällig erschien den Zeitgenossen das „Abgeriegeltsein“ des Gebäudes und damit auch eine mangelnde öffentliche Präsenz und Repräsentanz seiner Bewohner, also der Wittelsbacher Dynastie als eines politischen Organs. Ein Franzose beschwerte sich 1661 darüber, dass man lange vor dem Stadttor warten musste, was sich als äußerst unbequem („incommode“) erwies und an anderen Orten, etwa in Italien oder in Deutschland (!), auch wenig gebräuchlich war;295 er stellte dann beim Besuch der Residenz fest, wie zurückgezogen das Kurfürstenpaar lebe: Le prince et La duchesse vuiuent dans vne retraitte fort grande. La mode de ceste cour est fort desplaisante, Ils ne se laissent uoir que tres rarement et Lon peut pas mesme Entrer dans les cours du palais sans permission.296

Der Antwerpener Jesuit Daniel Papebroch, der 1660 die Schwierigkeiten bei der Besichtigung des Gebäudekomplexes ebenfalls enttäuscht registrierte, meinte, dass zumindest der südliche Hof allgemein zugänglich sei.297 Diese Verweise auf Perzeptionsmuster im interhöfischen Diskurs lassen durchaus auf ein spezifisches Repräsentationsinteresse der Wittelsbacher um die Mitte des 17. Jahrhunderts schließen – und sie schärfen zudem den Blick und das Verständnis für spätere Wandlungen, auch in den architektonischen Strukturen und Ausstattungen. Die Art der Wahrnehmung des Münchner Hofes durch die junge Henriette Adelaide in ihren Anfangsjahren, die sich in der Korrespondenz mit Mutter und Bruder in Turin niederschlug, lässt die Differenzen zum Savoyer Hof nochmals deutlicher hervortreten, mochte ihre Sicht oft auch sehr subjektiv und zumeist naiv gewesen sein.298 Der Tenor ihrer nach Turin gesendeten Briefe entsprach dennoch allgemein den Eindrücken, die (vor allem französische) Besucher vom Wittelsbacher Hofleben vermittelten. So musste sich die Savoyische Prinzessin im Inneren der Residenz sehr schnell mit Bedingungen anfreunden, die ihr offenbar nicht vertraut waren. Sie war gezwungen, wie es ein Bericht ihres Beichtvaters Luigi Montonaros zeigt, bestimmte Freiheiten und kom295 22. Juli 1661; BayStB, Cod. Gall. 264, fol. 62v. Das bestätigt auch der Engländer John Ray; vgl. Ray 1663 (1738), Bd. I, S. 91. Die große Anzahl von Überwachungspersonal bemerkte auch (um 1660) Jouvin 1672, S. 208f. 296 BayStB, Cod. Gall. 264, fol. 66r. 297 Papebroch 1660 (2002), S. 240. Er war Reisebegleiter des Hagiographen Gotfrid Henschen. 298 Diese Wahrnehmungen sollten zudem nicht auf eine Wendung wie „Es fröstelt die Tochter Italiens in der kalten Luft des deutschen Hofes“ reduziert werden, wie bei Heigel 1890, S. 31, zu lesen ist. Gerade die italienische Forschung quittiert den Gegensatz zwischen München und Turin mit einer Aburteilung des Wittelsbacher Hoflebens (vor allem Claretta 1877 und Merkel 1892). Um 1900 wurde gerade die politische Rolle Henriette Adelaides intensiv diskutiert; vgl. Doeberl 1900; Preuss 1904b.

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munikative Gewohnheiten aufzugeben; sie durfte nur noch den Maggiordomo sehen, keine anderen Cavaliere; „la libera communicatione“ mit ihren Hofdamen war nicht mehr gestattet. Montonaro kommentierte das dergestalt, dass diese Freiheit „oltre che qui è stimata contro al decoro de Prencipi“,299 während Henriette Adelaide nahezu ratlos und verzweifelt erschien: „effectiuement le coutemes de le peis me sanble fort etrange.“300 Die Unterschiede, die zwischen dem Turiner und Münchner Hofleben bestanden, waren ihr sehr wohl bewusst: [...] ma jeunesse et l’être dans un pays étranger où les coutumes et les humeurs sont fort différantes des nôtres me rendaient un peu excusable.301

So erinnert sich auch die Grande Mademoiselle, Herzogin von Montpensier, mit der Henriette Adelaide in einem regen Briefwechsel stand: On dit que la cour de Savoie avoit fort de cet air-là, et le peu de politesse qu’elle avoit trouvée à la cour de Bavière, et la manière dont on y vivoit, qui avoit un peu de celle d’Espagne, l’y confirmoient; car elle ne faisoit que lire tous les romans en toutes langues et des vers.302

Henriette Adelaides Beichtvater Montonaro sollte noch häufiger von der Anpassung an die Gepflogenheiten des Münchner Hofes sprechen.303 Am 1. August schrieb Henriette Adelaide ihrer Mutter von ihren Versuchen, Deutsch zu lernen, was sie offenbar auf Drängen der Madama Reale in Angriff nahm: „Eur Durcheleitt frau muetter habe mir schon etlich mal befolchen mich zu beflaisen die deütsche spach zu lerne.“ Unterschrieben mit: „eur Durcheleitt Untertenige und gehorsame Tochter und dienerin weill ich leb HMAdelaid.“304 Doch schon früh hatte der mit dem Turiner Hof verhandelnde Graf Kurz auf die Notwendigkeit aufmerksam gemacht, dass die Prinzessin sich so schnell wie möglich die deutsche Sprache aneignen möge, um damit auch die fremde Nation besser verstehen zu lernen: non solo per ricevere disgusto nel parlare, ch’ella non intendesse, mà per acquistarsi anco gl’affetti di tutti vniuersalm.te con la peritia della lingua di questa natione.305 299 Montonaro an die Madama Reale, 7. Juli 1652; AST, LettP („M“), M 67. Vgl. Merkel 1892, S. 18. An anderer Stelle schreibt Henriette Adelaide: „[...] je puis dire avoir changé la gloire et la liberté avec esclavage“; 3. Januar 1653; AST, LettA, M 20. 300 Henriette Adelaide an die Madama Reale, 15. Juli 1652; AST, LettA, M 20. Vgl. Merkel 1892, S. 18. 301 Zitiert nach Claretta 1877, S. 115. 302 Montpensier 1627–88 (1859), Bd. IV, S. 405 (1680, aus Anlass der Hochzeit Marianne Christines von Bayern mit dem Dauphin). Zur Korrespondenz der Grande Mademoiselle Anne Marie Louise d‘Orléans mit Henriette Adelaide vgl. Kapitel 3, S. 195. 303 Montonaro an die Madama Reale, 12. August 1652; AST, LettP („M“), M 67 („[...] di conformarsi allo stile di questa corte“). Am 23. September: „si mostra piu constante ne gl’usi di questa Corte.“ 304 Henriette Adelaide an die Madama Reale, 1. August 1654; AST, LettA, M 21. 305 Graf Kurz an den Herzog, 15. Februar 1651; AST, LettM, Baviera, M 1.

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5  München, Residenz, Trakt über dem Antiquarium (mit Pfeil markiert) (Detail des Gesamtplans aus der BIF, Paris, vgl. Abb. 15)

Wie sah die Wohnsituation Henriette Adelaides in der Münchner Residenz aus? Man weiß sehr wenig über ihre Räumlichkeiten, bevor sie ab 1665 das Kurfürstinappartement im Grottenhoftrakt umbauen ließ. Man weiß lediglich, dass sie eine Raumfolge aus Ritterstube, Antichambre, Audienzzimmer, Schlafzimmer und Kabinett im östlichen Teil des Traktes oberhalb des Antiquariums bewohnte (Abb. 5)306 und dass sie eine Galerie hat einrichten lassen, die an den schwarzen Saal bzw. an das „schöne Rondel“ grenzte (Abb. 6, 7).307 Wenige Informationen über Gebrauch und Ausstattung dieses Appartements liefert das Diarium der Theatiner, in dem ein Bericht über eine erste Audienz bei der Kurfürstin im Februar 1662 zu finden ist; von Zurückhaltung, fast Enttäuschung, gerade im Vergleich

306 Klingensmith 1993, S. 30. Vgl. auch Plan D in dessen Anhang, wo er in den Verschaffelt-Plan von 1799 die Räume Henriette Adelaides vermerkt hat. Im Bereich der Kabinette halte ich seine Rekonstruktion jedoch für problematisch: Klingensmith geht von zwei Kabinetten aus; ich halte eines für wahrscheinlicher, auch weil Henriette Adelaide immer nur von einem Kabinett berichtet. – Wening 1701, S. 6 beschreibt Zimmer über dem Antiquarium. 307 Diese 1658 eingerichtete Galerie mit anschließendem Kabinett ist auf einem Plan, der Zucalli zugeschrieben wird (Abb. 6) und einen Zustand nach 1693/95 festhält, zu erkennen. Zu dieser Galerie vgl. CBD 1989, S. 216ff. Die Fassade zum Residenzgarten ist auf Wenings Stich von 1696/97 zu sehen (Abb. 7).

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6  München, Residenz, Grundriss des Hauptgeschosses, Teilplan von Enrico Zuccalli (?) (Paris, BIF, Ms 1039 fol. 11/12, Zustand nach 1693/95)

mit dem Appartement des Kurfürsten, sind die Bemerkungen der italienischen Geistlichen zur Ausstattung geprägt: Non ho’ detto cosa alcuna de’paramenti della Ser.ma Elettrice nelle Stanze, perche poco di uario n’e dall’ordine, che hò detto sopra delle Stanze del Ser.mo Elettore alle sue, essendo parate d’un modo, però colle portiere alla Italiana, e con quadri, e specchi.308

In ihren Briefen äußerte sich Henriette Adelaide kaum explizit zu den dortigen Wohnbedingungen und deren Ausstattung. Nur das Gefühl, ständig überwacht und ausspioniert zu werden, ließ sie wenigstens im Ansatz ihre Räumlichkeiten beschreiben. So berichtete sie ihrer Schwester Luisa im September 1652 von den Bespitzelungen – und gab zugleich etwas über die Gestalt ihres Kabinetts und auch über die Funktion dieses Raumes preis: [...] epuis dans lestuue [stufa] qui est dans mon cabinet il y sont mettre des gens pour oyir se que ie dis auec mes fillies; dans mon cabinet il y at une porte, qui ua sur le deyre des chanbres de mes fames et aussi dans vne gallerie, e de lautre coste il y ont mis vn luchet, que la Contesse de Bolchenstai [Wolkenstein] tient la cley; meis si ie deusses mourir, ie 308 BayHStA, KL Fasz. 471, fol. 9.

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7  München, Residenz, Frühere Galerie Henriette Adelaides (1658) (mit Pfeil markiert) (Detail aus Michael Wenings Stich, vgl. Abb. 11)

le aracherey de la, car il sanble, que ie sois dans vn seralie, epuis par cette porte a toute heure la Contesse peut venir dans mon cabinet, sans que ie i sois; elle ne me lesses pas vn momant.309

Im darauffolgenden Jahr erwähnt Henriette Adelaide nochmals missmutig, dass man von einer Galerie aus – sie meint vermutlich eher einen Korridor, einen Gang, wie er auch in den Plänen zu sehen ist (Abb. 5) – ihr privates Kabinett erreichen könnte; sie berichtet, dass man dieses unbefugterweise betreten hätte.310 Wie wichtig ihr die Zurückgezogenheit dort war, belegt ein Brief vom 20. März 1658: [...] car ie suis melancolique, et ieyme seulement à demurer en mon Cabinet, ou quelque fois il passe des mois, que ie n’en sort, que pour aller a la Messe et a diner.311

309 Henriette Adelaide an die Schwester Luisa, 24. September 1652; AST, LettA, M 20. Vgl. Merkel 1892, S. 25. An späterer Stelle hebt sie noch die genauen Tageszeiten hervor, zu welchen sie bestimmte Dinge tun solle oder dürfe. 310 Henriette Adelaide an die Madama Reale, 3. Januar und 26. Dezember 1653; AST, LettA, M 20. 311 AST, LettA, M 23; vgl. Merkel 1892, S. 76f., S. 360, Anm. 2.

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Zu diesen Beobachtungen Henriette Adelaides ist festzuhalten, dass sie nicht allein Bedingungen betreffen, die für die Savoyerin ungewohnt waren; vielmehr zeigt sich darin auch ein politisch-repräsentatives Verständnis von Raumfunktionen, das Henriette Adelaide in den zumindest ihr zugewiesenen Räumlichkeiten nicht kannte.312 Ein Brief von 1655 macht das noch deutlicher; sie schreibt, que ie parle avec mon Mari, sans qu’il ne laisset des espion a la porte, et quand ie suis en leglise, ou ie croy de pouoir parler libremant, on feict ecouter ce que ie dis; si iey desire d’aller en d’autres chanbres, pour estre plus proche a Monseigneur lelectur, et pour ne demeurer plus dans selles des enffans, l’on dit, que ie veux comancer des modes nouelles.313

Die für eine Savoyische Prinzessin unwürdige Behandlung durch die Schwiegermutter Maria Anna zeige sich darin, [...] de me laisser estrapasser et trecter come vn enfant, ie ne croy pas, que V. A. R. le desire: asteure, que tout le monde reconout M.r lelecteur pour Maistre, et que ie me laise treiter si indignement, cella e trop contrere a vne princesse de la Maison de Sauoye.314

Was für eine Savoyische Prinzessin angemessen war, darüber hatte Henriette Adelaide offenbar andere Vorstellungen als man ihr zugestehen wollte: Sie dürfe nicht tanzen (obwohl dies doch auch ihre Mutter, die Madama Reale, mache), nicht singen, kein Instrument spielen – „sauvoir la Musique cest contre ma reputation“ –, um dann mit der Einsicht gegenüber der Mutter zu schließen: ie fais en tout ce qui importe, qui et pour lhoneur de Dieu et de ma gloire, et de la politique ce quil me conselie.315

In diesen Verweisen Henriette Adelaides auf ihre für sie unbefriedigende Lage und damit allgemein auf die repräsentative Wohnsituation in der Münchner Residenz offenbart sich zugleich der in diesem Gebäude ablesbare politische Charakter des Hauses Wittelsbach

312 Es kann nicht das Ziel sein, diese Bedingungen am Wittelsbacher Hof zu kritisieren, wie es Merkel 1892, S. 26, tut, „illumina anche di una luce poco grandiosa la corte bavarese“. Das Heimweh war sicher unerträglich; aus berufenem Munde, nämlich Liselottes von der Pfalz: „Daß ist kein wunder, daß man von hertzen weindt, wen man die seinigen quittirt undt in ein fremdt landt muß.“ Elisabeth Charlotte 1721/22 (1881), S. 321, Nr. 1300 schreibt an Raugräfin Luise aus St. Cloud am 5. Feburar 1722. Jedoch wird das in der historischen und kunsthistorischen Literatur so vielzitierte und kommentierte „Heimweh“ der Savoyer Prinzessin zu unkritisch in ihre künstlerisch-mäzenatischen Bemühungen übertragen. 313 Henriette Adelaide an die Madama Reale, 25. Januar 1655; AST, LettA, M 21. Vgl. Merkel 1892, S. 55. 314 Ebd. 315 1. Mai 1658; AST, LettA, M 23. Aus dem Brief sprechen die Enttäuschungen über die von Ferdinand Maria abgewiesene Kaiserwürde; teilweise publ. bei Claretta 1877, S. 116; Merkel 1892, S. 77.

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im ersten Jahrzehnt der Regierung Ferdinand Marias,316 der von strenger Regelhaftigkeit und Zurückgezogenheit geprägt war.

Die Kaiserwahl 1657/58: Zur Außenwirkung des kurbayerischen Hofes Wie sehr die Hermetik der Münchner Residenz und damit auch die Zurückgezogenheit der Wittelsbacher ein nicht allein den Reisenden und der jungen Kurfürstin auffallendes Spezifikum war, wird auch deutlich in den Berichten, die die Wochen im Zuge der nach dem Tode Kaiser Ferdinands III. anstehenden Kaiserwahl von 1657/58 vergegenwärtigen: Kurbayern trat kurzzeitig auf die internationale politische Bühne, zahlreiche ausländische Diplomaten fanden sich am Münchner Hof ein. Mazarin hatte den bayerischen Kurfürsten Ferdinand Maria dazu bewegen wollen, sich zur Kaiserwahl zu stellen, freilich mit dem Ziel, das Haus Habsburg aus dem Reich zu drängen und vom Kaiserthron auszuschließen.317 Diese Zeit um 1657/58 wird in der historischen Forschung als erster Vorstoß Henriette Adelaides in Richtung einer profranzösischen Politik begriffen, was aber auf ein entschiedenes Entgegenhalten seitens der Kurfürstinwitwe Maria Anna und ihres wichtigsten Politikers Graf Kurz stieß.318 Henriette Adelaide setzte ihre Beziehungen zu Frankreich ein, was ihr, auch wenn das meiste geheim geschah, im Nachhinein einen schweren Stand gerade unter den prohabsburgischen politischen Vertretern verschaffte.319 Der kurze Blick auf die frühe Historiographie hat das bereits belegt. In diese Zeit datiert das erste eigenhändige Schreiben Ludwigs XIV. an Henriette Adelaide, in dem der französische König nochmals die Bedeutung der Situation hervorhob: Da sehe ich, daß mein Bruder, der Herzog von Bayern, infolge von Ratschlägen, die ihm doch längst verdächtig sein müßten, die schönste Gelegenheit vorübergehen läßt, die sich vielleicht in Jahrhunderten bieten wird, um sein Haus auf die höchste Stufe der Größe zu erheben, auf der es sich jemals befunden hat.320

316 Dieses erste Jahrzehnt war besonders von der Regentschaft der Kurfürstinwitwe Maria Anna geprägt. 317 Kurbayern spielte somit bei dieser Kaiserwahl, die „mit ihrer bewegten Vorgeschichte und ihren weitverzweigten Konsequenzen eine der entwicklungsreichsten Epochen des Jahrhunderts“ bildete, eine führende Rolle; vgl. Preuss 1904a, S. 98–149. Vgl. auch Merkel 1892, S. 204– 270; Doeberl 1900, Bd. I, S. 33–57. Bary 2004, S. 120–129, vor allem zu den Bemühungen Henriette Adelaides, ihren Gemahl auf die Seite Frankreichs zu ziehen, zu Geheimkorrespondenzen etc. 318 Die Rolle Henriette Adelaides im politischen Gefüge und überhaupt das Verhältnis Bayerns zu Österreich und Frankreich ist eine komplexe und gerade um 1900 stark diskutierte Frage, die uns in ihren Einzelheiten hier nicht interessieren muß; vgl. dazu Doeberl 1900; Preuss 1904b. 319 Preuss 1903. 320 1. September 1657; AAE, CP, Bavière, Bd. II (1957), Anlage III, fol. 572. Hier zitiert nach der Übers. bei Preuss 1904a, S. 112.

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Ferdinand Maria hatte dieses Angebot in kluger Selbstbeschränkung abgelehnt, was ein empfindlicher Schlag gegen Frankreich war.321 Für uns ist indessen von Interesse, dass der französische König zur weiteren Unterstützung nicht nur einen italienischen Sänger an den bayerischen Hof geschickt hat,322 sondern auch zwei seiner wichtigsten Gesandten: den Maréchal Duc de Gramont und den Marquis de Lionne. Beide waren zunächst nach Frankfurt gereist. Sehr interessant sind die Memoiren Gramonts, weil sie einen Blick Frankreichs auf Deutschland im ersten Jahrzehnt nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges bieten; sie schildern etwa Gramonts Erstaunen über den aufwändigen Einzug der Kurfürsten in Frankfurt323 und seine offenkundige Überraschung über den guten baulichen – und damit den mutmaßlich restituierten politischen – Zustand in Heidelberg, wohin ihn der Pfälzer Kurfürst eingeladen hatte: La surprise du Maréchal de Gramont ne fut pas mediocre, lorsqu’il trouva son Pais cultivé, ses Villages rebâtis, sa Maison parée des plus beaux meubles.324 

Im Gefolge Gramonts befand sich der Abbé de Coulanges, ein Onkel der Marquise de Sevigné, der sich am 27. September 1657 schließlich nach München begab.325 Von ihm stammt die vielzitierte, jedoch stets dem Kontext entrissene Bemerkung, am Wittelsbacher Hof lebe man nach strengeren Regeln als in einem Kloster: Il n’est pas de cloître où l’on vive plus régulièrement et avec plus de sévérité que dans cette cour.326

Zur Verschärfung seiner Beobachtung, deren Drastik jedoch der politisch angespannten Lage in diesen Wochen zuzuschreiben ist, fügt der Franzose noch den Hinweis auf die dort lebenden Personen hinzu – und natürlich ist die am Turiner Hof aufgewachsene 321 Ein neuralgischer Punkt hinsichtlich des Verhältnisses mit Frankreich; Gründe demnach: Mangel an eigenen Mitteln (finanziellen und militärischen) und die Unzuverlässigkeit und Gefährlichkeit fremder Unterstützung, Nähe Österreichs und der offene Charakter des Landes Bayern, Furcht vor einem Verlust der Kurwürde; vgl. Doeberl 1900, Bd. I, S. 45; Preuss 1904a, S. 98–149; Doeberl 1928, S. 20–29; Kraus 1992, S. 101. 322 Das war der Sänger Melani. Diese Episode wird seit frühester Zeit gerne kolportiert. Götze 1747, 52: „Die Sache ist nicht übel ausgedacht gewesen, und hat die französische Vorstellung Anfangs ziemlichen Eingang gefunden.“ Auf diese Weise hätte der Sänger, da ja der Kurfürst ein großer Liebhaber der Musik gewesen sei, die Briefe, die Ludwig XIV. an Henriette Adelaide geschrieben habe, übergeben können. Siehe auch mit einigen Quellen Preuss 1904a, S. 115. 323 Gramont 1676 (1716), Bd. II, S. 45: „Chacun des électeurs se piqua de faire son entrée dans Francfort la plus magnifique qu’il pouvoit.“ 324 Ebd., S. 26. 325 Coulanges 1657/58 (1820), S. 8. 326 Ebd., S. 15. Er erläutert dies: „on s’y lève tous le jours à six heures du matin; on y entend la messe à neuf, on y dîne à dix ou dix et demie; on est une heure et demie à table; on y assiste à vêpres tous les jours, et il n’y a plus personne au palais à six heures du soir, hors quelques domestiques nécessaires; on soupe à cette même heure, on se couche à neuf, ou a dix, tout au plus tard, et par-dessus tout cela, ils ont tous les avents un rorate qui finit seulement à Noel, et où il faut se trouver dès les sept heures du matin.“

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Henriette Adelaide, die sich nun in dieser strengen Umgebung aufhalten musste, die Hauptperson. Ihr „Schicksal“ verschärfte den Kontrast: C’est ainsi que la belle Adelaide passe sa vie qui doit lui être bien pénible, après avoir été élévée dans la cour de Savoie, la plus agréable et la plus divertissante de toutes les cours.327 

Mag Coulanges auch dieses höchst lobende Urteil über den Turiner Hof an späterer Stelle noch präzisieren, indem er ihn eine Stufe unter den französischen Hof stellt – „la plus belle et la plus magnifique de toutes les cours après celle de France“328 –, so könnte dennoch die Differenz zwischen Savoyen und Kurbayern kaum pointierter dargestellt werden als in dieser nahezu mitleidvollen Beobachtung des Franzosen über das Schicksal der Savoyer Prinzessin. Der vermeintliche Gegensatz wird auch anhand weiterer zeitgenössischer Urteile, vor allem von der piemontesischen Forschung, wirkungsvoll in Szene gesetzt329 – doch kann das Ergebnis der Analyse derartiger zeitgenössischer Beobachtungen nicht darin liegen, diese im Sinne eines ästhetisch-sittlichen Gefälles zwischen dem savyoischen und dem Wittelsbacher Hof zu bewerten, zumal man sich vergegenwärtigen sollte, dass die so plakative Äußerung Coulanges’ nicht allein in eine Phase größter politischer Angespanntheit, sondern in das gleiche Jahr fällt, als gerade das Opernhaus S. Salvator in München eröffnet worden war, dem 1660/61 das große Turnierhaus folgte.330 Die Festkultur der Wittelsbacher konnte durchaus auf höchstem Niveau mit weiteren europäischen Höfen konkurrieren.331 Aus diesen Berichten lassen sich jedoch auch Hinweise über die baulichen und zeremoniellen Repräsentationsformen am Münchner Hof Ende der 1650er Jahre gewinnen, aus einer Zeit also, aus der sich nur wenige bauliche Spuren erhalten haben. Dem Abbé de Coulanges und seinen Begleitern wird es nahezu unmöglich gemacht, den Kurfürsten zu treffen. Diese Episode aus Coulanges’ Memoiren sei hier wegen der Aussagekraft kurz referiert. Allein der Aufwand, nur den Obersthofmeister Graf Kurz zu konsultieren, wird ausführlich beschrieben.332 Doch letzten Endes wurden die Franzosen von Kurz immer wieder vertröstet und hingehalten – auch mit einer Besichtigung der Residenz: 327 Coulanges 1657/58 (1820), S. 15. 328 Ebd., S. 60. Diese Beobachtung erfolgte zu dem Zeitpunkt, als Coulanges selbst in Turin weilte. Zum Savoyer Hof im 17. Jahrhundert vgl. die Beiträge in: Figure del barocco 1988; Diana trionfatrice 1989; Storia illustrata di Torino, hrsg. v. Valerio Castronovo, Bd. II: Torino Sabauda, Turin 1992; Storia di Torino, Bd. IV: La città fra crisi e ripresa (1630–1730), hrsg. v. Giuseppe Ricuperati, Turin 2002. 329 Vgl. oben Anm. 298. 330 Dazu CBD 1989, S. 215. 331 Hierzu besonders Straub 1969b. 332 Coulanges 1657/58 (1820), S. 8: „Dès le lendemain de notre arrivée, après lui avoir demandé audience et l’avoir obtenue, nous fûmes le visiter. Il vint au-devant de nous jusqu’à son antichambre, où il nous reçut avec des civilités et des assurances de services qui nous ravirent; il nous fit passer de là dans sa chambre et ne voulut jamais prendre le pas sur nous. Après nous être entretenus de plusieurs choses, nous le suppliâmes de vouloir bien nous présenter au prince, son maître; il nous assura qu’il ne manqueroit point de l’avertir de notre arrivée, et de nous ménager auprès de lui le temps d’avoir cet honneur; qu’il nous en rendroit réponse dans l’après-dîner.“

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Aussitôt après le dîner, il nous manda par un gentilhomme que M. l’Électeur n’étoit pas visible pour ce jour-là, que cependant, pour nous devertir nous pouvions venir au palais, dont le concierge avoit ordre de nous faire voir toutes les curiosités.333

Es war schließlich Obersthofmarschall Graf Fürstenberg, der ihnen die Situation erklärte: Sie seien Franzosen und sollten in der derzeitigen politisch brisanten Lage nicht mit dem Kurfürstenpaar in Kontakt kommen. Genau das würde Graf Kurz verhindern wollen.334 Fürstenberg gab ihnen aber den Rat, am Sonntag zur Messe in die Hofkapelle zu gehen, wo es möglich sein könnte, dem Kurfürsten zu begegnen, „sans le secours du comte de Curtz“. Sie beherzigten diesen Rat, stießen jedoch bereits bei den Wachen am Portal der Residenz, wo sie sich präsentierten, erneut auf Widerstand – die Wachen hätten Order erhalten „de ne point permettre aux François l’entrée du palais“. Dann erhielten sie aber doch Erlaubnis, in die Kapelle zu gehen, und sie kamen dort an, als der Priester schon am Altar stand. Auffallend ist hier Coulanges’ aufmerksame Beobachtung der fein austarierten Blickbezüge zwischen höfischem Publikum und Fürst, das „Sichdem-Blick-Entziehen“ der fürstlichen Vertreter: Les princes d’Allemagne se mettent ordinairement dans des tribunes faites exprès, d’où ils entendent la messe, voyent tout le monde, et ne sont vus que quand il leur plaît. Nous fûmes donc introduits dans la chapelle, mais au moment où nous levâmes les yeux pour regarder le prince et la princesse, ils disparurent aussitôt.

Dann wurden sie aufgefordert sich zu setzen und zwar auf einen ihnen zugewiesenen Platz, einen sehr ehrenvollen, wie sie betonten – der sei aber wiederum unter der Tribüne gewesen und nous ne pûmes rien voir, et nous nous aperçûmes trop tard que cette civilité ne nous avoit pas été faite pour l’amour de nous, mais pour nous mettre en un lieu, d’où nous ne pussions voir ni l’Électeur ni l’Électrice [...].335

Während somit der Münchner Aufenthalt des Abbé de Coulanges recht unbefriedigend verlief, war dem Duc de Gramont im Januar 1658 ein weit angemessenerer Empfang zuteil geworden, was sicherlich Gramonts hohem Rang als envoyé extraordinaire zu verdanken ist. Besonders hervorzuheben ist dabei, dass das Protokoll vom Zeremoniell seines Empfangs in den französischen Zeremonialakten präzise dokumentiert wurde, auch zu dem Zweck, sich bei späterer Gelegenheit wieder darauf berufen zu können.336 Als eine 333 Ebd., S. 8f. 334 Ebd., S. 10f.: „la véritable cause du refus qu’il nous faisoit étoit notre qualité de François, et que comme la France n’avoit d’autre intérét que de faire prendre l’empire au duc de Bavière, afin d’en frustrer la maison d’Autriche, il appréhendoit que nous n’en glissassions, à l’Électeur ou à l’Électrice, quelque mot qui pût préjudicier à ses intentions, qui tendoient toutes à éloigner le duc de Bavière de cette pensée, et à faire tous ses efforts pour empêcher qu’une telle dignité ne sortît de la maison d’Autriche, par laquelle il étoit gagné.“ 335 Ebd., S. 11f. 336 „Sur le Ceremonial observé a la Cour de Munich en Janvier 1658 pour la reception de M.al Duc de Gramont“; vgl. AAE, MD, Bavière, 2, fol. 264–265v. Sehr wahrscheinlich beruft sich der fran-

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besondere Ehrerweisung wurde betont, dass ihm Ferdinand Maria bis in das Vorzimmer seines Appartements entgegengegangen sei: Qu’Elle [S.A.E.] s’avanceroit jusque dans son antichambre pour le [Gramont] recevoir; Qu’Elle lui seroit donner une chaise egale a la Sienne, et qu’Elle le reconduiroit au même lieu ou Elle l’auroit reçu.337

Dies sei als eine sehr besondere Behandlung zu bezeichnen, die, so habe Graf Kurz versichert, es vorher nicht gegeben habe „pour aucun ambassadeur, ni Prince d’allemagne“.338 Der Vater Ferdinand Marias, Kurfürst Maximilian I., hatte lediglich die kaiserlichen Gesandten im Vorzimmer begrüßt (und sich mit ihnen dann zurückzogen), während er die Besucher geringeren Ranges erst im Audienzzimmer empfing.339 Implizit kann dies also auf eine Gleichstellung des königlichen französischen Gesandten mit dem kaiserlichen am kurbayerischen Hof und damit an einem der wichtigsten Höfe im Reich schließen lassen. Es verwundert daher nicht, dass dieses Zeremonialprotokoll für den französischen Hof eine große Relevanz auch für spätere Generationen besaß. Und es ist umso interessanter, dass sich dieses Zeremoniell in den Nachfolgegenerationen wieder ändern würde.340 Der Duc de Gramont hat ebenso seine Eindrücke über das Kurfürstenpaar festgehalten. Während er Ferdinand Maria nüchtern beschreibt und hervorhebt, „il sçavoit fort bien la langue Italienne“, teilt er bei Henriette Adelaide die Einschätzung des Abbé de Coulanges: C’étoit une des plus belles Princesses qu’on peut voir, & qui avoit tout l’agrément, & le solide dans l’esprit qu’on peut avoir; elle chantoit & jouoit du luth à la perfection […].

Um dann eigens zu betonen: & s’interessoit vivement à tout ce qui pouvoit avoir relation à la grandeur du Roy & de la France.341

Sicherlich sind mit diesem Verweis auf Henriette Adelaides Interesse für die „grandeur du Roy“ nicht allein politische Belange gemeint, sondern höchst wahrscheinlich auch ein Interesse für künstlerisch-repräsentative Neuigkeiten und Neuerungen. Die Diskrepanz zwischen diesem offenkundigen Interesse an der französischen grandeur und den konservativen Bedingungen am Münchner Hof hätte um 1657/58, gerade bei den Ereignissen um die Kaiserkandidatur, kaum größer sein können. Die schon früher von Henriette Adelaide geäußerte Befürchtung – „l’on dit, que ie veux comancer zösische Gesandte Maréchal de Belle-Isle 1741 genau auf diese Mémoire; vgl. zu Belle-Isle Klingensmith 1993, S. 195f. 337 AAE, MD, Bavière, 2, fol. 265v. 338 AAE, MD, Bavière, 2, fol. 265r. 339 Klingensmith 1993, S. 15. 340 Vgl. dazu unten in Kapitel 3 den Abschnitt Differenzen und Konvergenzen: Audienzbereich und Galerien; bes. S. 215 341 Gramont 1676 (1716), Bd. II, S. 84.

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des modes nouelles“342 – wird bestätigt durch die vor allem dem Obersthofmeister Graf Kurz zuzuschreibenden Kommentare, die die zeitgleichen Bemühungen betrafen, den jüngeren Bruder Ferdinand Marias, Herzog Maximilian Philipp, mit einer Braut zu versorgen, „und zwar von deutschem Geblüt, welches verhoffentlich besser als das welsche zuschlagen möchte“;343 man hoffte auf eine Person, die nicht „fremde Damen, auch fremde ministri, mores, consilia und Interessen ins Reich einführte“.344 Bayern trat nach der Kaiserwahl wiederum von der großen internationalen politischen Bühne ab, der Münchner Hof war nicht mehr in dieser Dichte von fremden Diplomaten frequentiert. Stattdessen dominierten „selbstgewählte Ruhe und Zurückgezogenheit, wie sie Bayern seit den Tagen Wilhelms V. nicht mehr gekannt hatte“.345 Einerseits fühlte man sich zurückgesetzt von Ludwig XIV., denn Henriette Adelaide berichtete ihrer Mutter am 23. Dezember 1661 von der „alienation, che la france temoigne desia avoir pour la Maison de Baviere“;346 andererseits spürte man eine Benachteiligung durch die kaiserliche Politik.347 Die bayerisch-österreichischen Beziehungen wurden deutlich schlechter. Die nur kurz währende Episode einer international ausgerichteten Politik bestätigt eher die Grundtendenz in der Beurteilung des Repräsentationsgefüges der Wittelsbacher im ersten Jahrzehnt nach dem Westfälischen Frieden: Die Residenz – beobachtet von zahlreichen Zeitgenossen – bildet die klosterähnliche Introvertiertheit und Regelhaftigkeit des Wittelsbacher Hofes deutlich ab. Vor diesem Hintergrund, nämlich einer in den 1650er Jahren am Wittelsbacher Hof herrschenden gewissen Renitenz gegenüber Aktivitäten in den internationalen Beziehungen, ist der danach einsetzende Wandel, auch künstlerischer Art, zu bewerten: Die künstlerisch-architektonischen Bemühungen der 1660er Jahre verfolgen eine deutlich gewandelte Strategie. Erst vor diesem Hintergrund wird transparent, wo die Bruchstellen, wo die wichtigsten Veränderungen liegen, wo aber auch ein dezidiertes Festhalten an gegebenen Bedingungen, also der bewusste Verzicht, dominiert. Erst mit dem Blick auf die im interhöfischen Diskurs sichtbaren Unterschiede zwischen den einzelnen Höfen, die hier erläutert wurden, werden auch die Prozesse der Adaption und Transformation von künstlerischen Modellen in ihrer Tragweite deutlich. Die diesbezüglichen Überlegungen seien wiederum mit Blick auf mehrere Reisen, diesmal sogar eines Wittelsbachers selbst, eingeleitet. Mit Herzog Maximilian Philipp, dem Bruder Ferdinand Marias, begab sich endlich ein Familienmitglied der Wittelsbacher auf Reisen, zumal in verschiedene europäische Länder – seit Herzog Maximilians 342 Vgl. oben Anm. 313. 343 Strich 1933, Bd. I, S. 22. Dieses Zitat entstammt der Resolution des Kurbayerischen Geheimen Rates. 344 Zitiert nach Strich 1933, Bd. I, S. 20. Dazu sei noch erwähnt, dass man am kurbayerischen Hof den Fortbestand der Wittelsbacher Dynastie in Gefahr sah, da das seit fünf Jahren verheiratete Kurfürstenpaar noch keine Nachkommen aufweisen konnte. Die Hoffnungen wurden in dieser Zeit auf Maximilian Philipp übertragen. 345 Preuss 1904a, S. 182. 346 AST, LettA, M 24; vgl. Merkel 1892, S. 287. 347 Doeberl 1900, Bd. I, S. 69–110. Diese Vorstellung wird bei Preuss 1904b, S. 182, relativiert.

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Reise 1593 nach Italien war eine solche Länderreise bei den Wittelsbachern nicht mehr Usus gewesen. Das Kurfürstenpaar selbst wird zwar 1667 auf eine Bäderreise nach Padua gehen, doch blieb dies die einzige längere Reise Ferdinand Marias und Henriette Adelaides. Die Kurfürstin hat ihre Heimat Turin nie wieder gesehen. Sicherlich ist das Ausbleiben einer Grand Tour oder „Länderreise“348 des Kurfürsten Ferdinand Maria darauf zurückzuführen, dass das Reisen zum einen in den 1650er Jahren angesichts der trotz des Westfälischen Friedens wenig entspannten politischen Lage noch zu unsicher war, zum andern dass sein Vater Maximilian I. sehr früh starb und er nach dessen Tod 1651 sowie der Heirat mit der savoyischen Prinzessin frühzeitig eine große Verantwortung auferlegt bekommen hatte. Ferdinand Marias Sohn Max Emanuel absolvierte ebenfalls keine Länderreise, was ähnlich wie beim Vater der frühen Übernahme der Regierung geschuldet sein könnte. Damit fehlte dem Kurfürsten zunächst auch die Erfahrung einer fremden künstlerischen Repräsentation aus eigener Anschauung,349 was Max Emanuel durch das Aussenden seines Architekten Zuccalli oder auch, wie erwähnt, durch Gespräche mit Gesandten zu kompensieren suchte. Diese Reisen waren nicht allein für die ästhetische Bildung, sondern auch für die politische Formierung von großem Wert, verschafften sie doch dem Reisenden eine gewinnbringende Kenntnis anderer Höfe und Nationen; so räsonnierte der Hofmeister der sächsischen Prinzen während ihrer Frankreichreise 1687 über den Sinn der Reisen, dass nämlich nach erlernung des staats und regierungs form auch der manier mit allen leuten und nationen wohl umbzugehen ihm in vielen würde dienlich seyn, und bey seiner wiederanherokunfft seine conuite gleichfals würde zum besten endern auß der ambition, die er hat etwas vor andern gesehen zuhaben.350

Erst Max Emanuels Söhne Karl Albrecht, Philipp Moritz, Ferdinand Maria und Clemens August begaben sich 1715 nach Italien. Dorthin reisten noch einmal die Herzöge Philipp Moritz und Clemens August 1717/18.351 Im Folgenden werden die Reisen Herzog Maximilian Philipps in den 1660er Jahren im Mittelpunkt stehen, um aus der Perspektive eines Wittelsbachers Einblick zu erhalten 348 Statt des Begriffs der „Grand tour“ oder auch der „Kavalierstour“ wurde mit guten Gründen vorgeschlagen, eher den Begriff der „Länderreise“ zu verwenden; vgl. Norbert Conrads, Politische und staatsrechtliche Probleme der Kavalierstour, in: Reiseberichte 1982, S. 47. 349 Natürlich hat man den Aufenthalt in Paris und Versailles genutzt, um sich alles anzuschauen, die Lustschlösser etc. Vgl. Sächsische Prinzen 1680/90 (1994). Schließlich galt „Kennerschaft“ als wichtige Fürstentugend. Auch der Markgraf Ludwig Wilhelm von Baden begab sich 1670 auf die Länderreise. 350 Haxthausen an den sächsischen Kurfürsten Johann Georg III. aus Paris, 25. Juli 1687; vgl. Sächsische Prinzen 1680/90 (1994), S. 209. 351 Hauptziel der Wittelsbacher war Italien gewesen, doch normalerweise reisten diejenigen, die für eine geistliche Laufbahn vorgesehen waren. Maximilian I. und im frühen 18. Jahrhundert Karl Albrecht sind eine Ausnahme. Vgl. zu den Reisen der Wittelsbacher auch Leibetseder 2004, S. 31f. (jedoch ohne Verweis auf die Reisen Maximilian Philipps).

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in die künstlerischen und zeremoniellen Repräsentationsformen an europäischen Höfen, um Standards ermitteln zu können, um aber auch wiederum Unterschiede zum Münchner Hof transparent werden zu lassen.352

Herzog Maximilian Philipps Reisen in den 1660er Jahren Die Reisen führten Herzog Maximilian Philipp (1638–1705) zunächst (1663)353 in die Niederlande, 1665/66 nach Italien und 1668 nach Frankreich. Für die Kavalierstour junger Prinzen war der Herzog eigentlich schon zu alt, auch wenn gerade die erste Reise in die Niederlande im klassischen Sinne besonders der Förderung des herzoglich-sittlichen Verhaltens dienen sollte; so heißt es in der Designatio zur Reiseroute, es würde nicht unangebracht sein, daß Ihre fürstl. Drchl. sich allda [Brüssel] eine Zeitlang aufhielten und sich in den Fürstlichen exercitiis übten.354

Maximilian Philipps Reisen sind eher als eine Mischung aus der üblichen Kavalierstour und einer Reise, die diplomatischen Zwecken diente, zu begreifen, denn gerade 1663 kamen Gerüchte auf, der Herzog würde Statthalter der spanischen Niederlande werden.355 Für Kurbayern, das 1662 mit der Geburt Max Emanuels endlich einen Stammhalter vermelden konnte, wäre diese Ernennung ein wichtiger politischer Schachzug gewesen. Man darf daher wohl die Reisen des Bruders des regierenden Kurfürsten auch als das Bemühen um eine Öffnung des Wittelsbacher Hofes und der Wittelsbacher Politik ab Beginn der 1660er Jahre verstehen, eine verstärkt auf die großen Dynastien gerichtete Außenpolitik – das werden auch einige Hinweise in den Reisetagebüchern bestätigen. Nicht ohne Grund wurden solche Reisen auch von den Gesandten genau beobachtet, wie die Berichte des französischen Gesandten de Vaux 1722 vermitteln, in denen es um die Reisen des Wittelsbacher Kurprinzen und seines Bruders nach Italien geht.356 352 Von kunsthistorischer Seite wurden diese Reisen, von denen sich Tagebücher und Aufzeichnungen in archivalischer Form erhalten haben, bisher nicht registriert; von historischer Seite gibt es Überlegungen von Strich 1933, Bd. I. 353 Kurz zuvor (1663) hat er laut testamentarischem Wunsch seines Vaters Maximilian I. die Landgrafschaft Leuchtenberg erhalten; Strich 1933, Bd. I, S. 52. 354 GHA, Korr. Akt 654 (Strich 1933, Bd. I, S. 43). Die Bedeutung des angemessenen Verhaltens bei Hofe kommt auch in dem Brief des Hofmeisters Haxthausen an den sächsischen Kurfürsten über die Besuche des Prinzen Friedrich August in Versailles im Juli 1687 zum Ausdruck: „Daneben ich auch vermeinet, daß offte bey hofe zukommen meinem Herren wegen der conversation sehr dienlich seyn würde, alß habe die exercitia dergestalt eingerichtet, daß wir dreymahl in vierzehen tagen nach Versailles fahren können [...]“; Sächsische Prinzen 1680/90 (1994), S. 204. 355 Strich 1933, Bd. I, S. 82ff. 356 Berichte von de Vaux vom 20. und 24. Februar 1722: „[...] vont bientot faire un voyage en Italie.“ AAE, CP, Bavière, Bd. 69 (1722), fol. 16ff. Dort wird genau festgehalten, wohin die Prinzen gehen, was sie planen, und in späteren Berichten, nach der Reise, wird mitgeteilt, wo sie waren, was sie gesehen haben, wie sie empfangen wurden, mit welchen Ehren etc.

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Maximilian Philipps Tagebucheinträge geben zwar nicht sehr viel über die Wahrnehmung von Kunst und Architektur preis, dennoch lassen sich aus den festgehaltenen Beobachtungen einige Rückschlüsse über höfische Repräsentationsformen, gerade in der Wahrnehmung der Differenzen, ziehen. Von Bedeutung sind bereits zwei Aspekte, die die Planung der Reise betreffen: Es zog den Herzog nicht unmittelbar nach Italien, sondern zunächst in die Niederlande,357 was mit dem großen Interesse vor allem für ökonomische Belange in den als Musterland geltenden Niederlande zu begründen ist.358 Und zudem wurde, wie an anderer Stelle bereits kurz erwähnt, 1663 von einer Frankreichreise eher abgeraten;359 diese fand erst 1668 statt. Dank des Tagebuchs ist die niederländische Reise vom 29. März bis 28. Juli 1663 recht gut dokumentiert.360 Noch innerhalb der deutschen Territorien bis zum längeren Aufenthalt in Bonn galt die Reise vor allem der Präsentation des Herzogs an den verschiedenen deutschen Höfen, etwa in Würzburg oder Mainz. Aufmerksam wurde festgehalten, wie er empfangen wurde, wo er logiert hat. So etwa entschuldigte sich der Kölner Kurfürst Maximilian Heinrich dafür, dass er den Herzog, seinen Neffen, in Bonn nicht angemessen empfangen habe (Maximilian Philipp kam unerwartet früh), ging mit ihm zwei Tage später jedoch auf die Reiherbeize auf sein Lustschloss Brühl, um ihm auf diese Art seine Ehre zu erweisen.361 In Köln wetteiferte man geradezu in gastfreundlichem Bemühen um den bayerischen Herzog. Die Demonstration des eigenen Kunstbesitzes war ein gewichtiger Teil davon, etwa wenn man die Gemälde in Metternichs Haus besichtigte.362 Die Bedeutung des Präsentierens von Kunst, von Bauwerken und Gärten, als

357 Es gibt im GHA eine Korrespondenz, anhand derer man die Schwierigkeiten der Organisation der verschiedenen Reisen etc. verfolgen kann (GHA, Korr. Akt 654 „Erziehung und Reisen Max Philipps“). Strich 1933, Bd. I, S. 39–49, hat das Konvolut aus historischer Perspektive ausgewertet, jedoch mit teilweise problematischen Interpretationen. Das Interesse für die Niederlande, das aus einem Brief Maximilian Heinrichs an Ferdinand Maria vom 22. April 1663 hervorgeht, wird damit begründet, dass der Herzog „übersättigt von dem Italienertum“ in München gewesen sei; ebd. S. 39. 358 Der Ökonom Becher war mit diesen Interessen im Auftrag des Mainzer Kurfürsten Johann Philipp von Schönborn ebenfalls 1660 in die Niederlande gereist. 359 Vgl. oben Anm. 104. Als Maximilian Philipp in Bonn war, sollte es Max Heinrich nochmals versuchen, ihn von seiner Paris-Reise abzubringen. „Gott sei Lob“, schrieb Graf Fugger am 19. April 1663 nach München, „daß soweit operiert worden, daß Ihre Drchl. [...] sich die französische Reise gänzlich aus dem Kopf geschlagen“. Und der Präzeptor Herold fügte hinzu: „Allso haben Ihre Drchl. Ihre Gedanken nach Frankreich gern schwinden lassen, verlangen allein Italiam, und zwar ehe sie wieder nach München kommen, den Weg durch andere Orte des Teutschland nehmend, zu sehen [...]“ (17. April). GHA, Korr. Akt 654 (Strich 1933, Bd. I, S. 43). 360 BayStB, Cgm 1973–1976 (in 4 Exemplaren). Die Reise verlief über Augsburg, Würzburg, Mainz, Bonn und zurück über Hamburg, Dresden, Prag etc. 361 Maximilian Heinrich an Ferdinand Maria am 22. April 1663; GHA, Korr. Akt 654 (Strich 1933, Bd. I, S. 42). 362 Bonaventura Fugger an Ferdinand Maria am 19. April 1663; GHA, Korr. Akt 654 (Strich 1933, Bd. I, S. 43).

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ein Zeichen der Ehrerweisung ist unbestritten; so berichtet der sächsische Prinz Friedrich August seinem Vater aus Frankreich im Juni 1687: Dinstages bin ich bey Monsieur und Madame zu St. Clou gewehßen welcher mir gar viel ehre angethan er ist auch so güttig gewehßen und über alle mit mir herum gangen und sein richessen gewissen.363

In Brüssel, wo Maximilian Philipp mit seinen Begleitern am 12. Mai entraf, wurde erstmals größere Verwunderung über zeremonielle Praktiken festgehalten, denn der Statthalter, der Spanier Caracena, bot sich an, ihn persönlich im Gasthof in Empfang zu nehmen (mit 15 Karossen voller Kavaliere). Man fuhr anschließend zwei Stunden durch die Stadt, bevor man den Hof erreichte – eine für den bayerischen Herzog höchst ungewöhnliche Prozedur; er kannte vom eigenen Hof das Verfahren, dass der Kurfürst nur in großen Ausnahmefällen überhaupt dem Gast bis in das Vorzimmer seines Appartements in der Residenz entgegenging.364 Dem Versuch des Statthalters, Maximilian Philipp am drauffolgenden Tag stehend bei der Tafel zu bedienen, bot der bayerische Herzog dann sogar Einhalt: als aber Ihre Dchl. solches nicht zugelassen, er selbst von dem Credenztische Teller und Zubehör genommen und sich an den untersten Platz begeben [...].365

Noch erstaunter war Maximilian Philipp – aus sehr verständlichen Gründen, denn dies entsprach kaum der Vorstellung vom spanischen Zeremoniell –, als man die Gemahlin des Statthalters aufsuchte: Sie fanden die „Frau Marchesin“ angekleidet auf dem Bett liegen und als Ihre Drchl. sie französisch angeredet, hat sie spanisch geantwortet und ihnen die Vermutung gegeben, sie möchte das italienische besser verstehen; auf welches aber der Hofmeister berufen worden, der auf den Knien das Italienische in das Spanische hat verdolmetschen müssen.366

Die außerordentlichen Gunstbeweise, die dem bayerischen Herzog zu Teil wurden („was sich kein Mensch hätte einbilden können“), waren freilich Teil der politischen Strategie des spanischen Königs Philipp IV., der um eine klare Außenwirkung dieses Besuches bemüht war, damit andere Potentaten ersehen mögen, es sei dessen hohe Begierde, daß beide hochlöbliche Häuser bei guter Correspondenz erhalten werden.367 363 Brief des sächsischen Prinzen Friedrich August an seinen Vater am 24.06.1687 aus Versailles (Paris); Sächsische Prinzen 1680/90 (1994), S. 203. 364 Vgl. das bereits erwähnte, besondere Zeremoniell beim Besuch des envoyé extraordinaire in München 1658; oben Anm. 336. 365 BayStB, Cgm 1973–1976 (Strich 1933, Bd. I, S. 44). Vgl. zum spanischen Hofzeremoniell im 17. Jahrhundert Hofmann 1985. 366 BayStB, Cgm 1973–1976 (Strich 1933, Bd. I, S. 44). 367 Johann Herold an Ferdinand Maria, 21. Mai 1663; GHA, Korr. Akt 654 (Strich 1933, Bd. I, S. 45).

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Philipp IV. war sich trotz des Pyrenäenfriedens der französischen Gefahr bewusst; Kurbayern war, wie breits erläutert wurde, schon allein aus geographischen Gesichtspunkten ein wichtiger Partner, um dessen Gunst man sich bemühen musste.368 Für unsere Fragestellung auch hinsichtlich der Motivationen für die Wittelsbacher Bau- und Ausstattungsprojekte in den 1660er Jahren, vor allem den Umbau in der Residenz, ist festzuhalten, dass diese besondere Rolle Kurbayerns in der europäischen Mächtepolitik in München durchaus erkannt und verhandelt wurde – nicht allein betrifft dies die schon bald folgenden Hoffnungen, Maximilian Philipp könnte als Nachfolger Carracenas Statthalter der Spanischen Niederlande werden,369 vielmehr berührt dies auch die besondere repräsentative Rolle, die das Gebäude der Residenz als ein Ort interhöfischer Kommunikation in Zukunft spielen sollte. Es ist eine repräsentative Aufgabe, die mit Blick auf den interhöfischen Diskurs geformt wird und ebenso innerhalb dessen bestehen muss. Maximilian Philipps Reise nach Italien, die er am 9. Dezember 1665 antrat (Rückkehr am 10. April 1666), ist ebenfalls von Interesse für Aspekte des künstlerischen und kulturellen Transfers. Auch hier hat sich ein Tagebuch erhalten.370 Die Empfangszeremonien für Maximilian Philipp deuten wieder auf besondere Gunsterweisungen durch die Gastgeber: Papst Alexander VII. habe dem Wittelsbacher – seit über sechs Jahrzehnten war schließlich kein Wittelsbacher mehr in Rom gewesen – „solche Reverenzen [erwiesen], wie sie dergleichen keinem ausländischen Fürsten oder Potentaten getan“. Seine Heiligkeit habe bei der Audienz im Quirinalspalast nicht in dem gewöhnlichen Sessel gesessen, sondern gleich vor der Tür ihrer langen Galerie Sie erwartet und nachdem Seine Drchl. die allgemeine gewöhnliche Ehrerbietung des Pantoffels- und Fußkusses abgestattet, dieselbe wieder aufstehen lassen und beide fast eine Stunde danach auf und ab spaziert.371

Von der römischen Palast- und Villenarchitektur konnte sich Maximilian Philipp einen guten Eindruck verschaffen; vermerkt sind neben dem Vatikan Besuche der Villen Borghese und Ludovisi auf dem Monte Pincio, im Palazzo Farnese, auch im Palast der Christina von Schweden, ebenso der Galerie und Kunstkammer des Athanasius Kircher. Der Palast des Kardinals Sforza bei San Pietro in Vincoli wurde ihm während seines Aufenthalts zum Wohnen zur Verfügung gestellt. Im Vizekönigtum Neapel erlebte Maximilian Philipp ähnlich wie in Brüssel besondere Aufmerksamkeit, vor allem in Pozzuoli.

368 Dazu Strich 1933, Bd. I, S. 45f.; Doeberl 1900, Bd. I, S. 214f. Dasselbe galt natürlich auch für die französische Seite. 369 Strich 1933, Bd. I, S. 82ff. Es wurde dann schließlich Castel Rodrigo. Von Interesse ist, dass sich in den Jahren 1664/1665 mit Maximilian Philipp allgemein große Hoffnungen auf eine gehobene Stellung in der europäischen Politik verbanden, die aber zunächst ohne Erfolg blieben. 370 Von Graf Bonaventura Fugger verfasst. BayStB, Cgm 1977. Zur Italienreise vgl. wiederum Strich 1933, Bd. I, S. 95–117. Die Korrespondenz ebenfalls unter GHA, Korr. Akt 654. 371 Bonaventura Fugger an Ferdinand Maria, 16. Januar 1666 (Strich 1933, Bd. I, S. 100).

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In Pisa wurde er von dem gerade dort residierenden Großherzog Ferdinando II. Medici empfangen;372 daher widmete er Pisa vier Tage, Florenz hingegen nur zweieinhalb (auch um Venedig noch rechtzeitig zur Karnevalssaison zu erreichen), währenddessen er von Leopoldo „durch den großen Garten des Palastes in Begleitung des Marchese Strozzi und des Conte Rabatta in die große Residenz geführt“ wurde. Im Schloss zu Pisa verwundert ihn bei einem großen Gastmahl: Im übrigen hat kein einziges von den Frauen Zimmern aufgewartet, so nicht anders Brauch ist, sondern haben die Cavaglieri gedient, die Paggi die Speisen aufgetragen und keiner vorgeschnitten.373

Erstaunlich ist, dass in der Nähe von Livorno eigens der Palast eines arminianischen Konvertiten, Antonio Bages Celidi, besichtigt wurde, den Maximilian Philipp sehr lobt, unter anderem die „schöne große und gar saubere Badstube“. Nach knapp dreiwöchigem Aufenthalt zum Karneval in Venedig machte sich Maximilian Philipp am 10. März 1666 über Mailand auf nach Turin. Schon 1663, als im Zuge der Niederlande-Reise ein Turin-Besuch geplant war, hatte Henriette Adelaide ein Empfehlungsschreiben an ihren Bruder Carlo Emanuele II. gesandt.374 Diesem Schreiben sowie dem Bedürfnis des Savoyer Herzogs, sich um ein gutes Einvernehmen mit Kurbayern zu bemühen, ist es zu verdanken, dass der Empfang Maximilian Philipps und sein Aufenthalt sehr aufwändig und mit größten Ehren vollzogen wurde. Davon zeugt auch das Ceremoniale, das sich von Savoyer Seite erhalten hat.375 Bereits in Chierasco vor den Toren Turins, wo Maximilian Philipp zunächst Quartier nahm, erschien der Herzog von Savoyen. Tags darauf fand der sehr aufwändig gestaltete Einzug in Turin statt. Er logierte im Palazzo Madama, laut Ceremoniale im Sommerappartement des Herzogs.376 Das Programm war reichhaltig: Es fand ein großer Empfang im Palazzo Reale statt, ihm wurde die Gemäldesammlung gezeigt, er besuchte die Landschlösser der Umgebung; das Schloss Moncalieri wird erwähnt, aber besonders hatte es ihm die Venaria Reale angetan, das jüngst erbaute Jagdschloss des Herzogs, nordwestlich von Turin gelegen. Maximilian Philipp wurde dort am 29. März zu einer Hirschjagd eingeladen, an der auch Damen teilnahmen, darunter Luisa, die Schwester Henriette Adelaides, und fünf Hofdamen, „so alle in Perruquen, Hüten, Federn und chamarierten gestickten roten Justeaucorps angetan gewesen“.377 Am Abend des 31. März verabschiedete sich Maximilian Philipp 372 Im Tagebuch gibt es auch einen langen historischen Exkurs zur Dynastie der Medici. Das Interesse an genealogischen Reihen war immens. 373 BayStB, Cgm 1977 (Strich 1933, Bd. I, S. 108). 374 Merkel 1892, S. 110. 375 „Memorie per il ricevimento da farsi al Duca di Baviera venendo in Piemonte con un seguito di 400. persone secondo il Ceremoniale praticato nell 1666 in occassione [...] della venuta del Duca Massimiliano“; AST, C, M 1, No 15. 376 Ebd. Darin: „[...] allogiar S.A.E.le nell’alcova dell’appartamento d’estate di S.A.R.“. 377 BayStB, Cgm 1977 (Strich 1933, Bd. I, S. 110). Nach der Birsch habe ein improvisierter Tanz in der Venaria Reale stattgefunden, dabei sei Carlo Emanuele II. „gesprungen und su camelo voltegiret“.

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in der Camera di parata von den Damen und Herren des Hofes und erhielt Geleit vom Savoyer Herzog mit einer Kompagnie von 400 Mann Garde du Corps bis zum Schloss Valentino.378 Während es in diesem Tagebuch meist nur bei der Erwähnung der besuchten Orte bleibt, ist mehr über Maximilian Philipps Wahrnehmung und Wertschätzung der höfischen Repräsentation der Savoyer von Henriette Adelaide selbst zu erfahren. Sie kommentiert lebhaft die Erlebnisse des Schwagers nach dessen Rückkehr in Briefen an ihren Bruder in Turin: Il [Maximilian Philipp] loue toute la Court, la grandeur, Magnificence dicelle, les Costume e fason de uiure, le Palais, la ville [Turin], la venerie [Venaria Reale] fort particulierement, et en ce, quil se perd en louange, cest en la beaute de M.R., sa Majesté, et bonne mine, et en votre bonte et Ciuilte.379

Sicherlich deutet Henriette Adelaide die Erzählungen Maximilian Philipps zuweilen auch sehr phantasievoll, etwa wenn sie Maximilian Philipp damit zitiert, er würde lieber als einfacher Edelmann in Piemont leben wollen, als Fürst in irgendeinem anderen Lande sein, „quil souhaitere de viure gentilhome en piedmont, que prince en un autre pais“.380 Weitere Bemerkungen verdeutlichen die durchaus vom Wittelsbacher wahrgenommenen Unterschiede zeremonieller und auch ausstattungsspezifischer Art. So muss er von der „Chambre de Parade“ im Turiner Palazzo Reale höchst angetan gewesen sein, was Henriette Adelaide veranlasste zu schreiben, „que ie m’asseure, que si S. A. E. fù de son humeur, on lintraduiret des auiourduy en Bauiere“.381 Wir werden noch bei Henriette Adelaides eigenem Appartement in der Münchner Residenz sehen, dass ästhetische Vorlieben und die zeremonielle Praxis kollidieren konnten, was den Transfer fremder Modelle sehr erschwerte. Letztlich waren die positiven Eindrücke des Herzogs eine Genugtuung für Henriette Adelaide in ihrer eigenen schwierigen Situation in München, wo sie gerade zu Lebzeiten der Kurfürstinwitwe (†1665) immer wieder auf Ablehnung gestoßen war: Mes iey une ioye tres grande, que mon beau frere confirme ceque iey dit tant de fois sans qu’on me voulut le croire; ie voudre, que Mad.me lelectrice fù vive, car elle ne vicere [vivrebbe?] plus ghiere, tant la bile noire salteret a ces recit de son propre fils.382

Es ist vor allem Henriette Adelaides Deutung der Savoyer Erlebnisse Maximilian Philipps, die die enge Bindung künstlerischer Repräsentation und politischer Stimmung offenbart.

378 BayStB, Cgm 1977 (Strich 1933, Bd. I, S. 118). 379 Henriette Adelaide an Carlo Emanuele II., 16. April 1666 (AST, LettA, M 24). 380 Ebd. 381 Ebd. 382 Henriette Adelaide an Carlo Emanuele II., 16. April 1666 (AST, LettA, M 24). Vgl. oben Anm. 379.

128  |  Perzeption(en) und Kommunikation

Bevor wir einen genaueren Blick auf die Umbau- und Ausstattungsmaßnahmen in der Münchner Residenz unter Henriette Adelaide werfen, sei noch die letzte Reise Maximilian Philipps in diesem Jahrzehnt beachtet, seine Reise nach Frankreich im Jahre 1668.383 Ab Anfang Februar hielt er sich in Paris auf; es war der Moment, als Ludwig XIV. in die Spanischen Niederlande einmarschiert war und zuvor die Franche-Comté annektiert hatte, was der begleitende anonyme Verfasser des Tagebuchs beeindruckt vermerkte. Dem Tagebuch zufolge hat Maximilian Philipp einige Schlösser besucht, es wurden die zahlreichen Feste registriert, jedoch bleiben die Kommentare in dem erwartungsgemäßen Rahmen, der ihm vermutlich auch durch Beschreibungen vor Ort geboten wurde: Zu St.-Germain-en-Laye bemerkt er, das Schloss sei „tres belle“ und von „meilleure perfection“ gemäß dem großen Geist, der es hatte errichten lassen: „Le nouveau bastiment est fort magnifique et Royal“, es sei „à la moderne“ errichtet; er habe dort „six galleries et quattre ou cinq grottes Soutteraines“ gesehen.384 In Versailles – der König war zu Beginn des Jahres nicht anwesend385 – wird bemerkt, es sei „un chef d’oeuvre des propres dessins et du grand esprit du Roy“.386 Die Beschreibung von Saint-Denis und seines Kirchenschatzes nimmt weit mehr Raum ein.387 Zusammenfassend heißt es, Maximilian Philipp habe sich am wohlsten in Versailles gefühlt: „Mais sur tout S.A.Ser.me se plût à contempler Versailles“, das, so wird weiter berichtet, von Ludwig XIII. begonnen und von seinem Sohn, dem jetzigen König, verschönert wurde, „qui ordonna tout ce qu’il y a de rare tout de son propre genie et jugement“. Es würde – auch dies freilich ein Lobtopos – zu lange dauern, es zu beschreiben, aber S. A. Ser.me en a parffaite cognoissance, et le plan en taille douce tant de sa situation que de sa belle fabrique et ingenieuse structure.388

Herzog Maximilian Philipp hatte somit als erster Wittelsbacher das Schloss Versailles besucht, zu einem Zeitpunkt freilich, bevor es im darauf folgenden Sommer umgebaut und erweitert wurde und lange bevor es in die oben beschriebene Formierungsphase zum „Modell Versailles“ trat.389 Maximilian Philipp würde bis 1680, als die Schwester 383 Hs. in BayStB, Cod. gall. 536: „Itinéraire du voyage de Cologne et de France du Sérénissime Prince Maximilian Philippe par la grace de Dieu duc des deux Bavières, et du Haut Palatinat, comte Palatin du Rhin, et landgrave de Leuchtenberg. Avec la conduite des chemins, et ce qui s’y est rencontré de remarquable“ (f. 1–54): „Continuation du voyage de son Altesse Sérénissime. De Paris à Monaques en Bavière. Seconde partie.“ 384 Ebd., fol. 37vf. 385 Es passierte dort nichts; am 18. Juli war das „Grand divertissement royal“ in Versailles (publiziert von André Felibien mit Kupferstichen von Lepautre: Relation de la feste de Versailles: du 18. juillet mil six cens soixante-huit). 386 BayStB, Cod. gall. 536, fol. 38v. 387 Ebd., fol. 43v. Danach ging es nach St. Cloud, „cette belle et agreable maison et Palais du Roy“ an der Seine gelegen, es sei berühmt für die Gärten und Grotten und Brunnen, ebenso für „le palais de marbre, et des peintures [...] mais fort fameux du monument de Henry III Roy de France et de Pologne“. 388 Ebd., fol. 44. 389 Vgl. oben den Abschnitt „Modell Versailles“?

Der Wittelsbacher Hof 1650–1670  | 129

Max Emanuels, Marianne Christine, mit dem Dauphin verheiratet wurde, der einzige Wittelsbacher „Augenzeuge“ des berühmten Schlosses bleiben. Max Emanuel selbst wird erst Ende des Jahres 1700 kurz in Versailles sein.390 Jedoch geben die von anonymer Seite verfassten Anmerkungen im Reisetagebuch Maximilian Philipps kaum individuelle Äußerungen wieder – mit viel Wohlwollen mag man ein gewisses Interesse des Herzogs an dem Verhältnis von Neubau und bereits bestehendem Baubestand attestieren, dem Verhältnis von Tradition und Neuerung, da zu den Schlössern immer wieder angemerkt wird, was bereits vorher bestanden hat und was Neu- und Anbauten sind. Schließlich war die Reise aber auch, anders als die zuvor unternommene Niederlande- und Italienreise, einem bestimmten Zweck gewidmet, wovon im Tagebuch auch die ständige Erwähnung von genealogischen Reihen zeugt: Im April 1668 fand – in Anwesenheit des französischen Königs – die Hochzeit Maximilian Philipps mit Mauritia Febronia de la Tour d’Auvergne, Prinzessin von Bouillon, auf dem Familiensitz ChateauThierry statt. Der Hochzeit waren komplizierte Verhandlungen vorangegangen, da man die Braut in München für nicht standesgemäß hielt.391 Mit Mauritia Febronia war demnach schon ab Ende der 1660er Jahre eine Französin am kurbayerischen Hof. Henriette Adelaide trat der Neuen jedoch sehr schroff entgegen.392 Der Ärger über die nicht standesgemäße Heirat des Schwagers überwog den Eifer, sich mit Hilfe des neuen Familienmitglieds in der Ausbreitung französischer Kunst und Kultur bestärkt zu sehen. Sogar die Stellung des Herzogs Maximilian Philipp wurde schwächer bei Henriette Adelaide, so der Bericht des Reichsvizekanzlers Königsegg von 1673: „anjezo thuet sie beede wegen der frauen hörzogin nit genuegsam hochen hauses ganz verachten.“393 Es ist in der Forschung nichts bekannt über den durch die Anwesenheit der Prinzessin von Bouillon in München womöglich bereits ab Ende der 1660er Jahre forcierten Transfer von französischen Kunstgegenständen. Vermutlich war dieser ohnehin aufgrund ihres und auch ihres Gatten zunehmend schweren Standes am Wittelsbacher Hof eingeschränkt. Indessen lässt Michael Wenings Beschreibung der Herzog-Max-Burg von 1701, der Residenz des Herzogs Maximilian Philipp in München („Herzog=Wilhelmische Residenz“), durchaus darauf schließen, das dort bereits ab den 1670er Jahren hochwertige französische Objekte verwahrt wurden, denn im Appartement der Herzogin berichtet Wening 1701 von dem „vierdten“ Zimmer, das zwischen Audienzzimmer und Schlafzimmer lag: Es sei ein „durch rare Contrefait vom Herzoglichen Hauß Bouillon und kostbarer Tapetzerey vortrefflich geziertes Cabinet“.394 Es ist anzunehmen, dass die Porträts und auch die Tapisserien aus Frankreich stammten.

390 Die geheime Reise Max Emanuels nach Versailles in einem „Jäger-Habit“ erwähnt die StaatsGeschichte Bayern 1743, S. 251. 391 Zu den Heiratsverhandlungen 1667/68 vgl. Strich 1933, Bd. I, S. 119–146. 392 Strich 1933, Bd. I, S. 147; Merkel 1892, S. 118f. 393 Königsegg 1673 (1903), S. 8. 394 Wening 1701, S. 10. Über den Verbleib dieser Objekte ist mir nichts bekannt.

130  |  Perzeption(en) und Kommunikation

Mit diesem nur kurzen Verweis auf die schon mutmaßlich frühe Präsenz von französischen Porträts und Tapisserien am Münchner Hof nähern wir uns der Frage, wie es in Kurbayern selbst aussah. Ausführlich wurden in diesem zweiten Kapitel die verschiedenen Facetten von Perzeption(en) und Kommunikation, von der Wahrnehmung und Vermittlung fremder künstlerischer Repräsentation – im engen Verbund mit einer spezifischen politischen Kultur – verhandelt. Es erschien sinnvoll, diese komplexen Vorgänge, freilich nur ausschnitt- und beispielhaft, innerhalb der allgemeinen soziopolitischen und mentalitätsgeschichtlichen Rahmenbedingungen zu präsentieren. Hier sind die Grundlagen zu finden, um den Vorgang der Adaption, den Moment der Übertragung fremder Modelle in die eigene architektonische und künstlerische Praxis, der Anpassung an die eigenen Bedürfnisse zu erfassen. Dieser Vorgang der Adaption ist nur als komplementärer Vorgang zu verstehen: komplementär zu den Prozessen der Perzeption und Kommunikation. Daher werden im folgenden dritten Kapitel immer wieder auch – sofern es die Quellenlage zulässt – Verweise auf die Wahrnehmung und die Vermittlung von Modellen im Zentrum stehen.

1.  Adaption von Modellen: Begriff und Differenzkriterien

Zum Begriff Einleitend sei an die Sentenz aus dem fiktiven Gespräch über Versailles von 1719 erinnert, in der der Schwede Janson gegenüber seinem etwas überheblichen französischen Konversationspartner, der Versailles über alles erheben wollte, betont: „Jeder Ort hat seine besonderen Eigenschafften / die andere nicht haben.“1 Dies ist eine ebenso schlichte wie grundlegende Feststellung. Gerade der in der kunsthistorischen Forschung als der französischen Kunst gegenüber so aufgeschlossen bezeichnete Kölner Kurfürst Joseph Clemens wird 1713, bei den Planungen für das Bonner Residenzschloss, den Architekten Robert de Cotte daran erinnern, dass er eigene und zwar andere Bedürfnisse – vor allem andere finanzielle Mittel – habe als der französische König: Laquelle [Seine Majestät] doit avoir avec justice des Pallais qui correspondent à Sa Grandeur et à Sa puissance: mais il fut que mes batimens cadrent à mes moyens, qui ne sont rien en comparaison des siens.2

Mit diesen Verweisen sind wir bei dem Vorgang der Adaption von Modellen angelangt, der vor allem in den Nachbarwissenschaften der Kunstgeschichte bereits mit vielen Begriffen belegt wurde, mit Rezeption, Aneignung/Appropriation, Interferenz, Synkretismus, Akkulturation, Diffusion, er wird als ein Übersetzungsprozess beschrieben, als Akkomodation oder Assimilierung, natürlich auch als Kulturtransfer.3 Eine Prämisse haben alle Bezeichnungen gemeinsam, nämlich die Überzeugung, dass das Entleihen eines Modells dessen Transformation bedeutet. Damit ist keine primär qualitative (im Sinne eines Qualitätsgefälles), sondern neben der formalen Veränderung eine allgemein semantische Umformung gemeint. In unserem Untersuchungszusammenhang wird mit dem Begriff der „Adaption“ ebenfalls ein interpretatives Moment bevorzugt, doch soll dieser Begriff lediglich den Moment der Übertragung eines Modells in die eigene architektonische und künstlerische Praxis beschreiben, ohne bereits die Vielfalt des Umformungsprozesses in einer begrifflichen Engführung zu verleugnen. Freilich muss auch hier betont werden, dass die Prozesse der Perzeption und Kommunikation denjenigen der Adaption begleiten; es sei nur auf die teils Jahrzehnte währende Baugeschichte von Schlössern verwiesen, die 1 Unparteyische Gedancken 1719, S. 269. Siehe Kapitel 2, Anm. 203. 2 Joseph Clemens an Robert de Cotte aus Valenciennes, 25. Juni 1713; Joseph Clemens/Robert de Cotte 1712–1720 (1956), S. 10. 3 Burke 2000, S. 14, hat auf die Vielfalt der Terminologie hingewiesen, er selbst bleibt bei dem Begriff des „Kulturtransfers“. Vgl. auch Interferenzen 1983; Espagne/Werner 1988, S. 21f., sprechen von „Akkulturation“ als einem aus dem Zusammenprall verschiedener Kultursysteme resultierenden Entwicklungsprozess. Espagne 2003, S. 64, nennt es einen „Übersetzungsprozeß“, das heißt eine semantische Umwertung der importierten Güter.

Begriff und Differenzkriterien  | 133

von vielfältigen Perzeptionsvorgängen sekundiert wurden. Und schließlich werden die vollendeten Bauten wiederum Teil kommunikativer Prozesse. Das „Modell Versailles“ ist hier das beste Beispiel. Der Vorgang der Umformung des Modells ist wiederum kaum sinnvoll mit nur einem Begriff zu charakterisieren. Die einzelnen oben aufgeführten Termini umschreiben qualitativ und damit intentional unterschiedliche Prozesse, die durchaus sukzessiv oder auch parallel in Erscheinung treten können – das hängt mit dem Gegenstand, dem Objekt, der Gattung, dem Medium selbst zusammen. Dem erkennbaren Unbehagen mit einem Einzelbegriff, das in das ständige Bemühen um neue Begriffsfavoriten mündet, könnte man also damit begegnen, den Prozess der Adaption in einzelne Etappen zu unterteilen. Ein erster wichtiger Schritt besteht darin, dem aus der eigenen Situation erwachsenen Interesse an dem fremden Modell, also dem Bedürfnis nach einer Anleihe auf die Spur zu kommen, welches die Grundvoraussetzung für einen Transfer bildet.4 Wie prägend ist bei den Akteuren eigentlich wirklich das Interesse an einem „Modell Frankreich“ im bildkünstlerischen und architektonischen Bereich ab der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts? Der Verweis auf eine bevorstehende oder bereits vollzogene „Rangerhöhung“, wie er oft auch beim Bau des Neuen Schlosses Schleißheim begegnet, greift dann zu kurz, wenn als Strategie der Bau eines großen Schlosses französischer Prägung ohne nähere Beweisführung schlicht vorausgesetzt wird – denn die zumeist aus der eigenen Tradition genährten und erstaunlich dominanten Unterschiede werden dabei nicht transparent. Es gilt daher, die Ausgangslage des Rezipierenden zu beschreiben, die Strukturen des bereits Vorhandenen. Dies betrifft in unserem Zusammenhang gleichermaßen die hier bereits erläuterte aktuelle politisch-mentale Situation wie die historisch gewachsenen architektonisch-künstlerischen Gegebenheiten. Dazu gehört ebenso – mit dem Wissen, dass das Konkurrenzsystem innerhalb der zwischenstaatlichen Beziehungen das Anspruchsniveau definiert – die Ermittlung des Adressaten, desjenigen also, den man mit dem adaptierten Modell beeindrucken will. Der zweite Schritt betrifft die je unterschiedlich umfangreiche Modifikation des Modells, die sich an der eigenen architektonischen, künstlerischen und auch institutionellen Praxis bemisst.5 Auf die Bedeutung des „Akkomodierens“ im soziopolitischen Kontext wurde bereits im zweiten Kapitel mit Blick auf die Kurfürstin Henriette Adelaide hingewiesen – ein Vorgang, der nicht minder auch in der Kunst und Architektur mitunter explizit gefordert wird. Es seien zwei Beispiele genannt: Pomponius Gauricus beschrieb 4 Middell/Middell 1994, S. 110: „Transfer einer Kultur deutet nicht auf deren Expansionismus hin, sondern auf die Bedürfnisse der Rezipienten, die gezielt Elemente in ihre Wirkungsfelder integrieren.“ Dementsprechend wird kultureller Transfer als ein „aktiver Aneignungsprozeß“ bezeichnet, „der von der jeweiligen Aufnahmekultur gesteuert wird“. 5 Espagne/Werner 1988, S. 22, sprechen – bezogen auf Verhaltensweisen – von der „Intentionalität der Rezeptionsprozesse“: „Die Praxis des Rezipienten modifiziert die Funktion und Finalität der übernommenen Verhaltensweise, auch wenn sie durch die Aufnahme fremder Elemente ihre eigenen charakteristischen Strukturmerkmale einbüßt. Erst durch diese Intentionalität der Rezeptionsprozesse läßt sich die jeweilige Umdeutung erklären.“

134  |  Modelladaption

1504 für den Bildhauer die inhaltliche und formale Anpassung der Skulptur an den Ort der Aufstellung als collocazione.6 Der Niederländer Hans Vredemann de Vries mahnte um 1600, die Kunst an die Gegebenheiten und die Bedürfnisse des Landes anzupassen, anstatt Vitruv nur sklavisch nachzuahmen; es gehe darum, das „ingenium der Architectur wissen zu accomodieren nach der gelegenhayt dess landts artt und gebrauch“.7 In der Traktatistik werden dabei besonders die klimatischen und materiellen Unterschiede geltend gemacht.8 Leitend ist hier darüber hinaus die Suche nach Unterschieden und Ähnlichkeiten, nach Divergenzen und Konvergenzen in einer soziopolitischen und mentalen Praxis, die sich letztlich auch in der Architektur und ihrer Ausstattung abbilden. Dies verlangt nicht, nationenspezifische Phänomene im Sinne etwa eines Wesens „deutscher“ oder gar „bayerischer“ Kunst herauszupräparieren.9 Ohnehin schweigen sich die Quellen des 17. und 18. Jahrhunderts über stilistische, womöglich sogar nationenspezifische Beurteilungen meistenteils aus. Eine Ausnahme bildet die Bemerkung des Nuntius Carafa von 1628, die Münchner Residenz sei „fatto del presente Duca Massimiliano all’usanza d’Italia“.10 Es herrscht vielmehr ein vages Urteil vor, oder aber es werden, wie der Abschnitt zum „Modell Versailles“ gezeigt hat, modellhafte Bauten als Referenzobjekte angeführt. Es gilt daher jenseits eines Individualstils und rein formaler Übernahmen objektivierbare Kriterien zu ermitteln. Wie schon der Blick auf die zeitgenössische Perzeption gezeigt hat, gebührt ein besonderes Interesse dabei den Differenzen, die innerhalb des europäischen Diskurses in den Ausprägungen höfisch-architektonischer Repräsentation – in Italien, im Reich oder in Frankreich – wahrgenommen wurden und die den Prozess der Adaption und Transformation von Modellen wesentlich geprägt haben. Sie seien im Folgenden als „Differenzkriterien“ näher in Augenschein genommen und zwar in einer Folge beginnend mit allgemein politisch-sozialen Kriterien, die auch für die künstlerische Produktion wichtig waren, bis hin zu den genuin künstlerischen. Freilich können nicht alle hier aufgeführten Kriterien ausführlich behandelt werden – nur eine kleine Auswahl wird daher in späteren Abschnitten exemplarisch näher beleuchtet.

6 Gauricus benennt es in seinen Anforderungen an den Bildhauer: „[...] etenim accommodanda sunt, omnia, ad personarum, locorum, temporum, ac rei naturam.“ Vgl. Pomponius Gauricus, De sculptura (1504), hrsg. u. übers. v. André Chastel u. Robert Klein, Genf 1969, S. 55. 7 Vredemann de Vries 1581, Einführung zur „Dorica“. Es geht hier speziell um die Legitimation der Anwendung nordischer Ornamentik auf die als antik verstandenen Säulenformen; vgl. auch Kruft 1995, S. 189. 8 Vgl. hierzu etwa die Vorrede von Sturm 1708. 9 Ein extremes Beispiel: Hugo Schnell, Der baierische Barock. Die volklichen, die geschichtlichen und die religiösen Grundlagen, sein Siegeszug durch das Reich, München 1936. 10 Carafa 1628, 337. Was indes der mit Rom gut vertraute, seit 1621 am Wiener Hof tätige Carafa mit der „usanza d’italia“ meinte, ob die Außenarchitektur (was mit der gemalten Fassade nur schwer vorstellbar ist), die gesamte Grundrissstruktur (die aber für den von außen kommenden Besucher kaum nachvollziehbar war) oder, am wahrscheinlichsten, die Fassadengliederung des Kaiserhofs, ist kaum zu rekonstruieren.

Begriff und Differenzkriterien  | 135

Polyzentrismus und Anciennität Es wurde bereits bei den Rahmenbedingungen darauf hingewiesen, dass das politische Gesicht des Reiches nach 1648 bestimmt wurde durch eine intensivere Fortsetzung der seit dem Spätmittelalter beginnenden Aufsplitterung in eine Vielzahl von Territorien. Damit liegt zugleich eine erheblich divergierende politische Konstellation vor: das in Italien und Deutschland (mit seinen etwa 350 Höfen) annähernd vergleichbare pluralistische und polyzentrische System11 gegenüber der im Kontext eines Staates institutionalisierten und zentralisierten französischen Kultur.12 Der venezianische Botschafter Marino Giorgi fasst 1671 die aus der Vielfalt resultierende „Dissonanz“ im Reich zusammen: È vastissima la Germania. Raccoglie in se molti Prencipi, che mirand’il proprio seruitio caminano con oggetti differenti, e con massime non uniformi; La diversità di Religione, la discrepanza degl’interessi, et gl’artificij delle Potenze straniere causano la dissonanza in vece dell’armonia.13

Aus dieser Zersplitterung ergibt sich ein zwischen dem Reich und Frankreich differierendes Konzept von Zentrum und Peripherie: Das polyzentrisch strukturierte Reich besaß anders als England, Frankreich oder Spanien, aber ähnlich wie Italien keinen zentralen Hof, der soziales Ansehen und damit auch eine höfische Repräsentationskultur an einen Ort zu binden vermocht hätte.14 Wien als Sitz des Kaisers leistete diese Monopolisierung nicht, zumindest nicht in der Form, wie Paris/Versailles es bewusst zu steuern suchte.15 Gerade die Wiener Hofburg rief als Bau immer wieder Irritationen hervor. Das System aus frei stehenden, durch Gänge nur lose miteinander verbundenen, burgartigen Trakten mit dazwischen liegenden teilweise großen Plätzen und kleineren Verwal11 Wobei hier Gude 1706, S. 66f., zu Recht hervorhebt, dass Italien keinen Reichstag habe: „Denn das Italien / welches gleichfals in mancherley Stände und Fürstenthümer abgetheilet ist / hat keinen dergleichen allgemeinen und grossen Rath / welchen es in der allgemeinen Ruhe gebrauchen könne / als welches sie die Stände nemlich / in ihren allgemeinen Interessen und zur Zeit der Gefahr [...] sehr zerstreuet machet.“ 12 Hierzu die Beiträge in den Sammelbänden Deutschland/Frankreich 1987; Außenpolitik im Zeitalter Ludwigs XIV. 1991; Altes Reich, Frankreich und Europa 2001. Zu den erheblichen Unterschieden im Gesellschafts- und Verfassungssystem vgl. Dreitzel 1992, 78f.; dagegen Schlobach 1992, der in Frankreich ein Modell mit Leitbildfunktion erkennt. Vgl. auch Klaus Malettke, Zur „Ausstrahlung“ des französischen Absolutismus in Deutschland im 17. und 18. Jahrhundert, in: Aufklärungen. Frankreich und Deutschland im 18. Jahrhundert, hrsg. v. Gerhard Sauder u. Jochen Schlobach, Bd. I, Heidelberg 1986, S. 89–114, dort S. 97, zum Nachteil der territorialen Zersplitterung, der auch in zeitgenössischen Schriften thematisiert wird. 13 Die Relationen der Botschafter Venedigs über Deutschland und Österreich im 17. Jahrhundert, hrsg. v. Joseph Fiedler (= Fontes rerum Austriacarum, Bd. 27), 2. Bd.: K. Leopold I., Wien 1867, S. 119. 14 Zum Konkurrenzsystem auf Reichsebene vgl. Bauer 1997, S. 31ff. 15 Das Schloss natürlich nicht aus, dass man sich über Baufortschritte etc. in Wien an der Hofburg auch gründlich informierte; vgl. das Zitat bei Müller 1660 (2005), S. 156. Siehe auch in Kapitel 2, S. 58.

136  |  Modelladaption

8  Wien, Hofburg, Zustand um 1683, Kupferstich, Vogelschau von Daniel Suttinger, 1683

tungsgebäuden prägte das Erscheinungsbild der Hofburg bis weit ins 18. Jahrhundert (Abb. 8).16 Schon 1628 bemerkte der päpstliche Nuntius am Wiener Hof, Carlo Carafa: „Il palazzo, dove habita l’Imperatore, non è di molta apparenza nè bellezza.“17 Nicht weniger enttäuscht waren französische Besucher, so der Pariser Jansenist Charles Le Maistre von der gesamten Stadt, „qui n’est pas fort considérable pour une ville capitale de l’Empire“.18 Und in den frühen 1670er Jahren schrieb ein Franzose über die Hofburg: „Ce bâtiment dont le dehors et le dedans n’a point de la demeure d’un Empereur.“19 Eine zeitgleich aufgenommene Skizze hält diesen Zustand fest (Abb. 9). Auch die Reichsangehörigen waren erstaunt; der thüringische Gesandte Müller bemerkte 1660, die Hofburg sei „nicht gar prächtig erbauet“.20 In diesem Fahrwasser – die notorische Unzufriedenheit und Enttäuschung entwickelten sich zum regelrechten Topos in der Wien-Literatur21 – findet sich das wohl härteste Urteil über die Hofburg, welches Casimir Freschot 1705 nahezu vorwurfsvoll fällte: Das verdrießlichste ist / daß die Kaiserliche Burg ein schlechtes ansehen hat / und daß dasjenige Gebäude / so das schönste und prächtigste unter allen seyn solte / schlechter-

16 Benedik 1990/91, S. 8. Zum Wiener Kaiserhof vgl. die Beiträge in dem monumentalen Sammelband Habsburgermonarchie 2004. 17 Carafa 1628 (1860), S. 229. 18 Le Maistre 1664/65 (2003), S. 118. 19 Wiener Hof 1671/72 (1891), S. 273. 20 Müller 1660 (2005), S. 51. 21 Vgl. dazu Lorenz 1985, S. 247; zuletzt auch Tersch 2005, S. 207.

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9  Blick auf die Innere Burg der Hofburg im Zustand von ca. 1670, Zeichnung (Wien, Österreichische Nationalbibliothek)

dings keine vergleichung mit seinem herrn hat / der es bewohnet / und der den titul des ersten Printzens in der ganzen welt führet.22

Etwas versöhnlicher formulierte Bormastino 1719 zur kaiserlichen Residenz: obwohlen sie nach der jetzigen Bau=Kunst nicht gebauet [ne soit bati à la moderne] / so ist dieselbe dannoch sehr groß und auch formlich gebauet. Es ist ein Kayserlicher Sitz.23

Es gab also innerhalb des Reiches kein mit der universalistisch geprägten Kultur Frankreichs vergleichbares, alternatives Modell – keines zumindest, welches sich in einem modellbildenden, modernen Bau einer kaiserlichen Residenz widergespiegelt hätte. Der 22 Freschot 1705b, S. 3f. In diesen Worten ist deutlich ein Vorwurf zu erkennen, gerade weil Freschot kurz zuvor die „grosse menge paläste und schöne häuser“ bewunderte und diese Beobachtung ihn sogar veranlasste, die Kaiserstadt mit Paris auf eine Stufe zu stellen. Freschot, ein Burgundischer Benediktiner, stammte aus der Franche-Comté. Tersch 2005, S. 193, betont, dass man Freschots Bericht vor dem Hintergrund des Spanischen Erbfolgekrieges lesen müsse, „als Spiegel für die säumige, und damit fehlerhafte Regentschaft Leopolds I.“. Im Einzelnen bemängelt Freschot die plumpen Mauern, die finsteren Treppen, die niedrigen und engen Gemächer und ihre nicht einmal beim schlechtesten Bürger anzutreffende Ausstattung: „Mit einem wort / alles ist so schlecht und einfältig / als wenn es vor Mönche gebauet wäre.“ Seine Negativbeschreibung nimmt er bei den kaiserlichen Lusthäusern wieder auf (S. 25). 23 Bormastino 1719, S. 148f.

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Wiener Kaiserhof, der, wie Freschot an späterer Stelle ausführt, vom Ideal der modestia geprägt sei,24 konnte hinsichtlich der baulichen Konzeption einer „modernen Residenz“ kein Modell bieten. Ob diese „Verweigerung“ und Renitenz bewusst vollzogen wurde, auch bewusst modellbildend sein sollte,25 ist jedoch fraglich, denn es gab genug Versuche, die Hofburg architektonisch zu modernisieren, was selbst Eingang in die Biographie Kaiser Leopolds I. (1713) gefunden hat: Doch ist noch zu gedencken / daß man in willens gehabt / Wien gegen die Donau zu zu vergrössern / und einen kayserlichen palast und garten mit aller magnificenz auffzubauen / welches aber die vielen Kriege unterbrochen.26

Küchelbeckers summarische Beschreibung der Hofburg um 1730 etwa resultiert daraus, dass Johann Bernhard Fischer von Erlach zu dieser Zeit einen Neubau plante; es solle „ein ungemein prächtiges Gebäude werden, und in Teutschland nicht seines gleichen haben“.27 Deutlich wird hier: Das „Modell Habsburg“ erweist sich als sehr komplex; es besteht weniger in einer modernen baulichen Präsenz, als vielmehr in weiteren Facetten modellhaften Bauens und höfischer Repräsentation, vor allem hinsichtlich der quantitativen und qualitativen Hofhaltung.28 Dazu gehört der Umgang mit dem historischen Baubestand und altbewährten, gerade auch den fortifikatorischen Strukturen. Dass diese den Habsburgern zugeschriebenen Kategorien Tradition/Anciennität auch bei den Wittelsbachern als Leitmotive eine große gestaltende Rolle gespielt haben, offenbarte bereits im Ansatz das zweite Kapitel zu Perzeption(en) und Kommunikation. Beim Blick auf die Bau- und Ausstattungsprojekte der Wittelsbacher im 17. und 18. Jahrhundert wird somit die Sichtbarmachung des Spagats zwischen dem Bemühen um Modernität und Aktualität einerseits und einem Arrangieren mit der Tradition, ihrer bewussten und sinngebenden Fortführung andererseits eine wichtige Rolle spielen.

24 Freschot 1705b, S. 6. Dabei wird dem Kaiser durchaus zugestanden, offenbar mehr an das Wohl seiner Untertanen zu denken als an „die ehre / der urheber eines grossen palasts zu seyn“; ebd. S. 25f. 25 Müller 2000 hat darauf verwiesen, dass die Wiener Hofburg durch das Festhalten an der Tradition ein Modell lieferte. Vgl. jüngst auch Lorenz, der das Beharren auf Bestehendem bei der Hofburg, gerade was die Fortifikationen anbelangt, als rühmenswerte herrscherliche Tugend herausarbeitet; Lorenz 2008; vgl. auch Lorenz 1997b. Laut Benedik 1991, S. 178, müsse die kaiserliche Auftragskunst nicht im Sinne von Modernität, sondern von Kontinuität des Hauses Habsburg begriffen werden. 26 Rinck 1713, S. 128. 27 Küchelbecker 1732, S. 657. Folgende Auffassung Pečars ist angesichts der vielfachen Bemühungen um Baumodernisierung problematisch: Pečar 2003, S. 254: „Vielmehr entsprach sie der spezifischen Form kaiserlicher Selbstdarstellung, die ihre Herrschaftslegitimation mit anderen Mitteln zum Ausdruck brachte als mit denen des Palastbaus.“ 28 Zu den Kosten des Wiener Hofstaats und der Anzahl der Hofmitglieder vgl. Müller 1995, S. 30. Vgl. auch oben in Kapitel 2, S. 47.

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Institutionelle Faktoren und Adressaten Die dezentrale Reichsstruktur und mangelnde kulturelle Monopolisierung ermöglichte den einzelnen Reichsständen jedoch auch, eine vom Wiener Kaiserhof weitgehend unabhängige oder gar in bewusster Abgrenzung zu verstehende, künstlerische Entwicklung zu etablieren.29 Vereinfacht, aber anschaulich kann man dies in dem fiktiven Gespräch von 1719 nachlesen, in dem der Deutsche Treumund, vor Versailles stehend und mit anderen Landsmännern diskutierend, über die territorial zerstreuten künstlerischen Leistungen im eigenen Lande räsonniert: So läst sich auch Teutsch=Land noch nichts in diesem Stück von den Frantzosen vorthun / [...] und wir haben bey uns so viel herrliche Gebäude / Gärten / Kunst Kammern und dergleichen / daß wann sie alle an einem Ort so nahe beysammen wären / als wie in und um Paris und Versailles, solche vielleicht einen grössern Ruff und Nahmen haben würden.30

Aus dieser spezifisch reichsständischen Situation ergeben sich differierende institutionelle Vorgänge und administrative Strukturen, die auch die künstlerische Repräsentation berühren.31 Das betrifft die Vorstellung von „Residenz“ und „Residenz-Stadt“ als politisch-institutionellem Faktor und „architektonischem Monumentsystem“32 ebenso wie die Instrumentalisierung von Kunst im Rahmen der höfischen Kultur. Freilich wurde Frankreich ab den 1660er Jahren auch hinsichtlich der beeindruckend erfolgreichen Institutionalisierung und Instrumentalisierung von Kunst unter Ludwig XIV. wahrgenommen. Die penible Organisation – es sei nur als ein Beispiel auf die Reorganisation 1663 der Verwaltung der Sammlungsobjekte, Le Garde-Meuble de la Couronne,33 oder auf die auf Initiative Colberts hin 1671 gegründete Académie royale d‘architecture verwiesen – fand jedoch kaum eine Parallele im Reich. In Kurbayern gab es keinen Le Brun, Louvois oder Mansart, die die Bild- und Ausstattungsprojekte des Fürsten steuerten

29 Dazu kurz: Hellmut Lorenz, Zentrum und Provinz im Heiligen Römischen Reich – zum Wandel der Schwerpunkte künstlerischen Schaffens im 18. Jahrhundert, in: Europa im Zeitalter Mozarts, hrsg. v. Moritz Csáky u. Walter Pass, Wien u. Köln u. Weimar 1995, S. 59–64. 30 Unparteyische Gedancken 1719, S. 272. 31 Jüngst hat Erben 2004 einen Vergleich von päpstlich-römischen mit königlich-französischen institutionellen Strukturen bei der Etablierung einer je spezifischen, jedoch stark aufeinander bezogenen Repräsentationskultur vorgelegt. 32 Zum Verständnis der „Residenz“ als „architektonischem Monumentsystem“ in deutschen Territorien vgl. Eiermann 1995, S. 11ff. und passim. Siehe auch den Passus zur „Residenz“ bei Moser 1754/55, Bd. II, VII. Buch, § 1. 33 Diese Verwaltungsinstitution wurde schon 1604 von Henri IV eingerichtet, vgl. Castelluccio 2002, S. 35. Dort insgesamt zur Organisation der Sammlungsbestände, Ankäufe etc., wer welche Rolle spielte, aus welchen Ländern gekauft wurde, was geschenkt wurde etc. Vgl. auch Apostolidès 1981, S. 141, 148, zu der konsequent gesteuerten Art und Weise der Repräsentation des Königs. Ebenso Burke 1995.

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und dirigierten und die eine klare Stilisierungslinie verfolgten.34 Die erstmalige Errichtung einer Generalbaudirektion, einer zentralen Behörde für das Bauwesen, unter Max Emanuel 1688 war mit einigen Schwierigkeiten verbunden, allein was die Frage der Subordination oder allgemein der Organisation anbelangt. Sie befand sich bald wieder im Auflösungsprozess.35 Es blieb also zumeist nur bei Versuchen, an diese sich in Frankreich etablierenden administrativen und institutionellen Strukturen anzuknüpfen. Auch im Bereich der Stichreproduktion blieben beispielsweise die Jesuiten in Bayern weit dominanter als das Haus Wittelsbach selbst. Aus Wittelsbacher Sicht ist es daher ein gewaltiger Sprung, ab den 1660er Jahren die Publizität ihrer Residenz mittels umfangreicher Beschreibungen stark zu fördern.36 Doch diese Fragen nach der Rolle der Institutionen, den Vermittlern sowie den Prozessen der Entscheidungsfindung und damit der Steuerung der Übernahmen müssen in unserem Zusammenhang zurücktreten. Wichtiger an dieser Stelle erscheint es, auf den divergierenden Adressatenkreis von höfischer Kunst und Architektur zu verweisen. Mit dem Verweis auf den Adressaten – denjenigen also, den man beeindrucken und womöglich überbieten wollte37 – ist ein wichtiges Differenzkriterium und damit ein grundlegender Aspekt im Hinblick auf Modelladaption und -transformation zu erkennen. In den Geschichtswissenschaften wird schon seit geraumer Zeit zu Recht bezweifelt, dass das von Norbert Elias für den französischen Hof etablierte und inzwischen kritisierte Modell auf die deutschen Fürstenhöfe übertragbar sei. Elias’ These besteht in der Annahme, es sei Ludwig XIV. gelungen, durch exorbitante Aufwändungen an Zeit und Geld den Adel zu domestizieren. Der Hof habe als Kontrollinstrument gedient, in welchem die Ambitionen des Hofadels in der Spielform des Zeremoniells gegeneinander ausgespielt und somit neutralisiert wurden.38 Diese These galt lange als eine Art Generalschlüssel für die Analyse auch der reichsfürstlichen Höfe und des Kaiserhofs in Wien.39 34 Seelig 1976, S. 6, vermutet, dass der Geheime Kabinettsekretär Ignaz Xaver von Wilhelm im Ansatz eine solche Rolle innegehabt haben könnte. 35 Die Hofstelle dieser Generalbaudirektion wurde Ferdinand Franz Albrecht Graf v. d. Wahl angetragen; Ende 1692 gab es bereits institutionelle Veränderungen. Vgl. auch zur späteren Entwicklung Paulus 1912a, S. 83ff., 253; Hauttmann 1913, S. 40, 99. Kalnein 1956, S, 39ff., vermutet, dass sich Joseph Clemens am Vorbild der Colbertschen Bauverwaltung orientierte; dies sollte jedoch mit vielen Einschränkungen bedacht werden. 36 Dazu Krems 2006. 37 Zum „Überbietungswillen“ als „latentes Strukturprinzip der Architekturgeschichte“ vgl. Warnke 1996, S. 11. 38 Elias 1998; Elias 1999. Beide Werke wurde bereits in den 1930er Jahren verfasst, fanden aber erst durch eine Neuauflage Ende der 1960er Jahre größere Beachtung. Dazu Müller 1995, S. 94ff. und Bauer 1993, S. 33ff. Viele von Elias’ Thesen wurden historisches Allgemeingut, viele aber auch einer eingehenden Prüfung unterzogen, verworfen oder korrigiert. Zur Kritik an Elias vgl. Müller 1995, S. 95f.; Bauer 1993, S. 38f.; besonders Winterling 1986. Insgesamt ausführlich Duindam 1998. 39 Kruedener 1973 berief sich auf die Analyse des Hofes Ludwigs XIV. von Elias, wonach auch der deutsche Territorial-Hof als Machtinstrument durch Monopolisierung ökonomischer und sozialer

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Die berechtigten Zweifel an dieser Übertragbarkeit – die ohnehin gar nicht von Elias intendiert war – gründen darauf, dass die Hoflandschaft im Reich bei weitem zu vielfältig war und daher stark differierende Strukturen aufwies.40 Der Staatenpartikularismus fand seine Parallele in der großen Anzahl unterschiedlicher Hof-Ordnungen, mit Hilfe derer das höfische Leben in den Schlössern reguliert wurde.41 Wer sich an deutschen Höfen bewegte, musste sich mit ganz verschiedenen Hof-Ordnungen, Rang-Reglements und sonstigen Zeremonialvorschriften auskennen. Der reisende Hofmann war zur mühsamen Lektüre der zahlreich vorhandenen Schilderungen einzelner Zeremonialvorgänge gezwungen. Lediglich den neueintreffenden Gesandten anderer Höfe erleichterte diese Arbeit ein Introducteur des ambassadeurs. Auf französischer Seite bündelten Abhandlungen die Erfahrungen ihrer envoyés und ambassadeurs, damit spätere Generationen sich im Zweifelsfalle auf diese berufen konnten.42 Eine Verallgemeinerung und Typisierung im Sinne eines „deutschen Hofes“ wäre somit verfehlt. Für unsere Fragestellung ist die daraus resultierende Divergenz des Adressatenkreises höfischer Kunst und Kultur von Interesse: Die künstlerisch sanktionierte Demonstration von Rang und Macht galt bei den Reichsfürsten neben den Untertanen besonders anderen Territorialherren des Reiches. Der Mundus von 1711 gibt Hinweise auf die kurbayerische Situation; dort wird erläutert, warum die Magnificenz, vnd der Pracht die mahriste zierde der herrlichkheit einem fürstlichen Hoff erthailt

Chancen sowie durch Manipulation der Lebensführung den Adel im Sinne des absolutistischen Herrschers funktionalisiert habe. Auch Ehalt 1980 hatte in seiner Studie zum Wiener Hof die Thesen Elias’ auf die Verhältnisse der Habsburger Monarchie übertragen. Vgl. hingegen die neuere Sicht bei Pečar 2003. Eine fundierte Zusammenfassung (unter Fokussierung des Verhältnisses von Adel und Hof am Wiener Kaiserhof ) bei Hengerer 2004, S. 12–20. 40 Von historischer Seite dazu Bauer 1993, S. 38f., S. 94ff. Vgl. besonders auch Winterling 1986, S. 22ff.; Duindam 1998, S. 370–387. 41 Nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges gab es an den deutschen Höfen zwar Bestrebungen, die auf ein gemeinsames Zeremoniell abzielten, jedoch brachten die widerstrebenden Interessen diese Versuche zum Scheitern; von dem Bemühen um eine Einigung berichtet Moser ebenso wie vom Scheitern („es scheynet aber nicht, daß es geschehen seye“); vgl. Moser 1754/55, Bd. I, S. 33ff. Zu den verschiedenen Hofordnungen – sie regelten die Einrichtungen der Höfe und Hofämter – vgl. jeweils den Anhang bei Moser (wie oben) und bei Lünig 1719–20. Vgl. ebenso die Sammlung in: Kern 1907. 42 Heute finden sich viele dieser Abhandlungen in den AAE unter den Mémoires et documents. Eine Exemplasammlung findet sich z.B. unter: AAE, MD, France, Bd. 1848, fol. 331–359, „Ceremonial des Envoyez des Roy vers les Electeurs et les Princes de l’Empire“ 1700, Sainctot (Introducteur des Ambassadeurs).

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– denn Pracht und Magnifizenz seien das einzige Mittl, so die Fürsten berüembt machet Bey dennen aussLänderen, vnnd auch einen mehrern gehorsamb, vnnd Respect bey denne vnnderthonnen verursachet.43

Eine binäre Wirkung von Pracht und Magnifizenz wird darin anschaulich: Es geht einerseits um Ruhm und Reputation bei den „aussländeren“, andererseits um Respekt und Gehorsam bei den „vnnderthonnen“. Es gibt also repräsentative Bemühungen, die nach innen und nach außen gerichtet waren44 – und diese sind im Mundus unterschiedlich konnotiert. Denn es werden zugleich zwei unterschiedliche Rezipientengruppen genannt, die Pracht und Magnifizenz auf ihre je eigene Weise wahrnehmen und auf deren Erwartungen die Bau- und Ausstattungsmaßnahmen auch abgestimmt sein müssen. Die „aussländeren“, mit denen wohl die Vertreter der europäischen Höfe, besonders aber die übrige Reichsfürstenschaft als Spitze des hohen deutschen Reichsadels angesprochen sind,45 waren als Rezipienten und Adressaten nicht zu unterschätzen: Sie waren die politischen Rivalen, Konkurrenten oder fürstlichen Verbündeten, ebenfalls hochgebildet und zumeist weitgereist, also mit den neuesten Trends vertraut und mit „Kennerschaft“, der wichtigen Fürstentugend, ausgestattet. Angesichts dieser ästhetischen Kompetenz war nicht Überwältigung, sondern Überzeugung mittels höfischer künstlerischer Repräsentation gefragt. Der primäre Adressat war somit eine Länder und Territorien überspannende „höfische Öffentlichkeit“,46 deren Bindeglied – das wurde bei den politischen Rahmenbedingungen bereits erläutert – die frühmoderne Diplomatie und das Gesandtschaftswesen bildete.47

43 Mundus 1711, fol. 81rf. 44 Auch Zedler erläutert, den Sachverhalt jedoch vereinfachend, unter dem Stichwort „Hof“: „Der Fürst muß bey Fremden sowohl, als bei Einheimischen Ansehen haben. Fehlet dieses, wer wird seinen Befehlen gehorchen?“ Zedler 1732–54, Bd. XIII, Sp. 405. 45 Dazu besonders Winterling 1986, S.156. Jedoch geht Winterling zugleich davon aus, dass eine Zielgruppe höfischer Repräsentation nicht im eigenen Territorium eines Landesherrn zu suchen sei, was fraglich ist. 46 Zu den externen und internen Konkurrenten, d. h. auswärtigen Fürsten und einheimischen Ständen, vgl. Bauer 1997, S. 33: „Dieser Reichsfürstenstand bildete die sogen. ‚höfische Gesellschaft des Reiches’, die sich von der zentralisierten höfischen Gesellschaft etwa Frankreichs radikal unterschied, da sie nicht an einem Monopolhof versammelt war, sondern vielmehr als Kommunikationsund Interaktionszusammenhang zwischen den einzelnen Territorialhöfen und ihren Oberhäuptern existierte. Das inter- oder besser: meta-höfische Netz aktualisierte sich durch permanenten Informationsaustausch zwischen den einzelenn Residenzen mit Hilfe von gegenseitigen Besuchen, Korrespondenzen, Hofkalendern usw.“. 47 Vgl. den Abschnitt Souveränität, Gesandtschaftswesen und Internationales System in Kapitel 1.

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Der andere Adressat, die „vnnderthonnen“, hingegen wurde auf seine primär sinnliche Wahrnehmung reduziert; hier konnte das Prinzip der Überwältigung fruchten – ein aus den Zeremoniellschriften bekanntes Phänomen;48 so heißt es im Mundus: Gleichwie nun gemeltermassen, dise Magnificenz, vnnd herrlichkheit in den herzen der vnderthonnen, als welche sich alleinig durch den eusserlichen Sün [Sinn] anweisen lassen, alles vermag.49

Im konkreten Fall der Wittelsbacher sei jedoch diese im Mundus beschriebene binäre Wirkung – hinsichtlich Reichsfürstenschaft und Untertanen – um eine weitere Zielgruppe ergänzt, deren Aktivitäten vor allem ab dem frühen 18. Jahrhundert auch in der baukünstlerischen Repräsentation an Gewicht gewann: der kurbayerische Adel. Die ab den 1720er Jahren erschienenen Bände von Wenings Topographie zeugen von der sehr engagierten Bautätigkeit des Adels,50 der sich ab dem späteren 17. Jahrhundert in München zunehmend um die Residenzstraße herum und im Territorium ansiedelte.51 Hiermit ist vor allem die Bautätigkeit der Mitglieder des Geheimen Rats, des wichtigsten politischen Organs, gemeint. Auch wenn dieser letzte Aspekt und damit die Bedeutung des Adels für den Kulturtransfer bei den Wittelsbachern in der vorliegenden Studie nur eine kleine Rolle spielen kann, so sei dennoch an dieser Stelle betont, dass sich das Adressatenprofil im Laufe der drei hier im Mittelpunkt stehenden Wittelsbacher Generationen änderte. Das betrifft eben nicht allein die im Reich sich unterschiedlich stark formierenden Fürsten, sondern auch den Adel im eigenen Territorium. In den ersten Jahrzehnten nach dem Dreißigjährigen Krieg sind kaum größere kulturelle Projekte seitens des Adels zu verzeichnen. Dies 48 Lünig 1719/20, Bd. I, S. 5: „denn die meisten Menschen, vornehmlich aber der Pöbel, sind von solcher Beschaffenheit, dass bey ihnen die sinnliche Empfind- und Einbildung mehr, als Witz und Verstand vermögen, und sie daher durch solche Dinge, welche die Sinnen kützeln und in die Augen fallen, mehr, als durch die bündig- und deutlichsten Motiven commoviret werden.“ Rohr 1733 (1990), S. 2: „Der gemeine Mann [...] kan sich nicht allein recht vorstellen, was die Majestät des Königes ist, aber durch die Dinge, so in die Augen fallen, und seine übrigen Sinnen rühren, bekommt er einen klaren Begriff von seiner Majestät, Macht und Gewalt.“ 49 Mundus 1711, fol. 85r. 50 Wening, Bd. II: Rentamt Burghausen, 1721; Bd. III: Rentamt Landshut, 1724; Bd. IV: Rentamt Straubing, 1726. 51 Dennoch ist die Bautätigkeit des kurbayerischen Adels nicht mit derjenigen des Adels in Wien vergleichbar. Zur baulichen Repräsentation des Adels in Kurbayern im 17. und 18. Jahrhundert gibt es kaum Forschungsliteratur, ebenso wenig zu ihren Beziehungen zu Frankreich. Neben nur wenigen monographischen Werken, etwa zum Palais Preysing, vgl. Hierl-Deronco 2001. Von historischer Seite zum Adel im Territorium vgl. zuletzt Maximilian Lanzinner, Zum Strukturwandel des altbayerischen Adels in der Frühen Neuzeit, in: Staat und Verwaltung in Bayern. Festschrift für Wilhelm Volkert zum 75. Geburtstag, hrsg. v. Konrad Ackermann u. Alois Schmid, München 2003, S. 167–192.

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wandelte sich erst ab den 1680er Jahren, zunächst langsam, dann vor allem aber nach Max Emanuels Rückkehr aus dem Exil 1715. Max Emanuel musste sich nach seiner Rückkehr auch im eigenen Territorium gegenüber dem überwiegend prohabsburgisch gesinnten und mit aufwändigen Bauprojekten reüssierenden Adel platzieren.52 Vor diesem Hintergrund bildet sich für die Wittelsbacher ein komplexes Adressatenund Rezipientennetz heraus, das vielfältige Wechselwirkungen aufwies und die Adaption und Transformation künstlerischer Modelle prägte. Wichtig sind dabei folgende Fragen: Waren die Adressaten der künstlerisch-architektonischen Repräsentation zugleich die Konkurrenten? Wer waren die politischen Vor- und Leitbilder? Wer galt überhaupt aus Wittelsbacher Perspektive als nachahmenswert? Das Nachahmungspotential, das der französischen Repräsentationskultur eingeschrieben war, hatte zwar im literarischen Diskurs – das habe ich erläutert – durchaus eine große Relevanz; es wurde jedoch im Vorgang der Adaption und Transformation, gerade was Kunst und Architektur anbelangt, zunehmend diffus.

Zeremonielle Divergenzen Mit dem Wissen um divergierende politisch-administrative Strukturen und Adressatenkreise höfischer Kunst und Architektur nähern wir uns im Folgenden der künstlerischarchitektonischen Repräsentation in den Schlössern und den dort wirksamen Differenzkriterien. Zeremonielle Praktiken sind an erster Stelle zu nennen. Ihnen ist im Dienst der politischen Repräsentation große Bedeutung beizumessen, gerade angesichts der enormen Zunahme des zeremoniellen Aufwandes ab der Mitte des 17. Jahrhunderts, den Rang- und Präzedenzreglements.53 Das Zeremoniell ist gleichermaßen Ranganzeiger und Machtmittel der Fürsten wie Ausdruck der Gebräuche und Praktiken. Der reibungslose Ablauf des Zeremoniells galt als eine der wichtigsten Voraussetzungen für das Ansehen eines Hofes, insbesondere der städtischen Residenz mit der dort präsenten sozialen Ordnung.54 Die Veränderungen in den deutschen Reichsterritorien ab dem fortgeschrittenen 17. Jahrhundert waren auch im zeremoniellen Bereich deutlich sichtbar. Liselotte von der Pfalz beobachtet aus der Perspektive ihres französischen Aufenthalts: 52 Vgl. dazu noch später den Abschnitt Rückkehr 1715: Neue Rahmenbedingungen. 53 Vgl. den Literaturbericht von Stollberg-Rilinger 2000. Ebenfalls sehr instruktiv: Gotthardt Frühsorge, Der Hof, der Raum, die Bewegung. Gedanken zur Neubewertung des europäischen Hofzeremoniells, in: Euphorion, 82, 1988, S. 423–429.. 54 Unter einem Zeremoniell wird die praktische Ausgestaltung einer sozialen Handlung innerhalb einer Hofgemeinschaft verstanden, die formalisiert und in ihrer äußeren Form genau normiert ist. Zu Definitionsfragen vgl. etwa Michail A. Bojcov, Qualitäten des Raumes in zeremoniellen Situationen, in: Zeremoniell 1997, S. 129–153, hier S. 129f. Für ihn ist das Zeremoniell ein System ritualisierter Handlungen, das drei Merkmale aufweisen muss: starre und universale Regeln, institutionalisierte Einrichtungen wie bestimmte Ämter und schriftliche Zeugnisse der zeremoniellen Handlungen.

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10  Julius Bernhard von Rohr, Frontispiz zu seinem Werk Einleitung zur CeremonielWissenschafft der Privat-Personen 1728

Teütschlandt muß unerhört geendert sein seyder meiner abreiße; aber machen sie mehr ceremonien, so wirdt die teütsche vertreülichkeit auffhören undt sich selber in zwang setzen.55

Für Kurbayern hat diese Beobachtung eine große Relevanz, denn dort ist in zeremoniellen Angelegenheiten eine zunehmende Formalisierung festzustellen; so vermerkt auch der Mundus 1711: Diejenigen Kurfürsten und Fürsten, welche nahe an Frankreich und Welschland gelegen, halten viel pünktlicher und genauer auf die Zeremonien als die gegen Norden gelegenen Könige und Fürsten, ja man dürfte sagen, daß am bayerischen und Neuburger Hofe man am steifsten auf die Zeremonien hält.56

Im Frontispiz von Rohrs Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen 1728 (Abb. 10) wird die enge Verbindung von baulicher und zeremonieller Repräsentation in der Gegenüberstellung der „alte[n] Teutschen“ und der „jetzige[n] Teutschen“ 55 Brief an Raugräfin Luise aus Versailles, 23. November 1703; Elisabeth Charlotte 1676–1706 (1867), S. 333, Nr. 199. 56 Zitiert nach Doeberl 1928, S. 263.

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sehr anschaulich: Auf der linken Seite sind zwei im spanischen Habit gekleidete Männer erkennbar; hinter ihnen erstreckt sich eine mittelalterlich geprägte Häuserreihe mit ungleichförmiger Dächerlandschaft.57 Auf der rechten Seite begegnen sich zwei Kavaliere in höfisch-galanter Haltung mit Perücken, während im Hintergrund ein langgestreckter zweistöckiger Bau mit Skulpturen auf der Balustrade, einem davor angeordneten, in regelmäßige Gevierte aufgeteilten Garten und einer überkuppelten Kapelle zu sehen ist. Thematisiert wird hier der Übergang vom schlichten spanischen Hofzeremoniell des 17. Jahrhunderts zur französischen Galanterie des 18. Jahrhunderts, jeweils hinterfangen von einer Architektur, die einen ähnlichen zeittypischen Entwicklungssprung erkennen lässt. „Die Gebäude werden mehrenteils nach der französischen [...] Manier erbauet“, schreibt Rohr und vermerkt zudem, dass an dieser Entwicklung die „Mode Touren“ (womit er hauptsächlich die sogenannten Kavalierstouren gemeint haben wird) großen Anteil gehabt hätten: Ich will hier nicht diejenigen Klagen, die andre deswegen angestimmt, wiederhohlen, sondern nur gedencken, daß von einigen Seculis her, da die Mode Touren unserer jetzigen Passagierer aufgekommen, unsere teutsche Gebräuche sich mehr als die Helffte in Frantzösische verwandelt; es ist fast nicht eine eintzige Haupt-Classe, der zum Ceremonien=Wesen gehörigen Handlungen anzutreffen, die nicht aus Franckreich ihre Vorschrifft hohlen sollte, weil die Vornehmsten unter uns in den Gedancken gestanden, Franckreich sey diejenige hohe Schule, auf welcher man die Regeln des Wohlstandes [...] am besten erlernen könnte.58

Doch Rohr bleibt durchaus kritisch, indem er die Grenzen der Übertragung, des „Applicirens“, französischer Regeln der „Galanterie“ und des „Wohlstandes“ auf die deutschen Verhältnisse deutlich benennt, denn wenn man [...] ihre Regeln auf die Probe stellt, so findet man, daß sie sich nicht in allen Stücken auf unsre teutsche Verfassung wollen appliciren lassen. So wenig als die ausländische Gesetze ohn Unterscheid auf Teutschland passen, so wenig schicken sich auch alle Maximen und Regeln der fremden Völcker, die sie von den Wohlstand ertheilen, auf unsere teutschen Gebräuche und Verfassung.59

Was hier vor allem für das Zeremoniell der höfischen Kommunikation formuliert wird, ist für den Schlossbau in gleicher Weise virulent. Das Zeremoniell bestimmte die Gestalt von Höfen, Treppen und Appartements. Eine allzu glatte Bemerkung wie jene Mosers von 1754 – „das Französische ungleich freyere Ceremoniel [ist] fast allgemein geworden“60 – hält dem vergleichenden Blick auf französische und deutsche

57 Vgl. Rohrs eigene Erläuterung: Rohr 1728 (1990), S. 518ff. 58 Rohr 1728 (1990), S. 14f. 59 Ebd., S. 15. Im Folgenden verweist er darauf, dass man all diese Kompetenzen durchaus auch in Deutschland selbst erlernen könne. 60 Moser 1754/55, Bd. I, S. 45f. Siehe im vorherigen Kapitel Anm. 59.

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Schlossbauten nicht stand.61 Dabei ist eine Unterscheidung des französischen vom deutschen Zeremoniell nicht allein mit der Beobachtung abzuhandeln, dass es im deutschen Residenzschloss kein „Lever“ und „Coucher“ gab.62 Auch der Verweis auf die fast uneingeschränkte Zugänglichkeit französischer Schlösser (besonders in Versailles), die gerade deutsche Reisende bis weit ins fortgeschrittene 18. Jahrhundert mit größtem Erstaunen, ja sogar Euphorie registrierten,63 ist zwar grundlegend, reicht jedoch als Differenzkriterium im höfischen Vergleich – unkommentiert – nicht aus. Rohr hatte 1733 diese graduell unterschiedliche Zugänglichkeit als nationenspezifisch charakterisiert: Auf den Fürstlichen Schlössern in Teutschland darff sich ein Frembder nicht mit solcher Freyheit umsehen, als wie in Frankreich. Daselbst können die Frembden in den meisten Zimmern des Schloßes zu Versailles nicht nur frey und ungehindert aus- und eingehen, ob gleich die Wache dastehet, sondern auch selbst in des Königs Schlaf Gemach.64

61 Im Archiv des Pariser Außenministeriums finden sich neben den Berichten der französischen Gesandten von deutschen Fürstenhöfen auch Mémoires und Abhandlungen zum Zeremoniell, die meist eine verdichtete Zusammenfassung dieser Berichte darstellen. Hier gibt es nicht allein Verweise auf divergierende zeremonielle Handlungen zwischen Frankreich und den deutschen Fürstenhöfen, sondern auch auf Unterschiede innerhalb der Fürstenhöfe. Hinsichtlich des Gesandtschaftszeremoniells vgl. AAE, MD, France, Bd. 1848, fol. 331ff. 62 Die zeremoniellen Unterschiede wurden gelegentlich schon benannt und in diesem Zuge auch auf die Unterschiede zwischen dem deutschen und dem französischen Schlossbau hingewiesen: Klingensmith 1993; Baillie 1967; Möhlenkamp 1992, S. 7; Ottomeyer 1996, S. 11; Annegret Kotzurek, „Von den Zimmern bey Hof“. Funktion, Disposition, Gestaltung und Ausstattung der herzoglich-württembergischen Schlösser zur Regierungszeit Carl Eugens (1737–1793), Berlin 2001; Graf 2002, S. 12; Seeger 2004, S. 51. – Es sind weitere festgezurrte Vorstellungen aufs neue zu hinterfragen: So ist etwa die Vorstellung vom Modellcharakter des spanisch-burgundischen Hofzeremoniells für den Wiener Kaiserhof im 17./18. Jahrhundert und damit auch für die Reichsstände inzwischen brüchig geworden und verlangt nach einer weiteren Differenzierung; Christina Hofmann-Randall, Die Herkunft und Tradierung des Burgundischen Hofzeremoniells, in: Zeremoniell 1995, S. 150–156. 63 Willebrandt 1758, S. 180f.: „Ich kann zu Versailles machen, was ich will [...]; begreifet ihr es nun, was die Ausländer an Frankreich so lüstern macht? Gedenket, wie spanisch ist es dagegen in vielen kleinen fürstlichen Höfen?“ Vgl. zu diesem Aspekt Grosser 1989, S. 349: „[...] schon die Möglichkeit einer noch so entfernten und passiven Teilnahme an dem von den französischen Königen bewußt öffentlichkeitswirksam inszenierten Schauspiel des Hoflebens vermittelte gerade den aufstiegsorientierten Bürgern ein zuweilen emphatisch gepriesenes Gefühl gesellschaftlicher Aufwertung. Während für die Adeligen die Wahrnehmung des Hofes immer von den vielgestaltigen sozialen Binnen-Differenzierungen und Barrieren geleitet blieb, [...] wurde der Blick der deutschen Bürger durch eine quasi-egalistische Perzeption dieses Sozialraumes geprägt.“ 64 Rohr 1733 (1990), S. 76. In besonderer Weise nicht zugänglich waren die Schlafzimmer, so ebd.: „Insonderheit sind die Fürstlichen Schlaf-Zimmer vor andern sehr priviligiert, und wird, zumahl in Teutschland nicht ein iedweder in dieselben hinein gelassen, ob er gleich sonst in den übrigen Zimmern des Schlosses herumgeführet wird.“

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Dem Wittelsbacher Kurfürsten Joseph Clemens waren dank seines eigenen langen Aufenthalts in Frankreich die Differenzen zwischen Frankreich und Deutschland wohlbekannt, die er ebenfalls im Grad der Zugänglichkeit der Räume erkannte: Il y a cette difference dans nos usages, qu’en France tout le monde entre et passe par les appartemens du Roy et des Princes, et que chez Nous tres peu de gens joüissent de cet honneur, et on cet avantage.65

Es geht dabei jedoch nicht allein um den Gegensatz eines weit ins Private vordringenden französischen Zeremoniells gegenüber der restringierten Zugänglichkeit in Reichsfürstenschlössern. Vielmehr sollte dieses Wissen um eine divergierende rituelle Gebundenheit das Verständnis für eine je eigenständige Repräsentationsstrategie fördern – eine Repräsentation, die über den „Gebrauch“ des Schlosses zu ermitteln ist und als Grundlage für weiterführende Aspekte, etwa die Ausstattung, dient. Dieses Verständnis liefert die Ausgangsbasis für die Frage nach der Relevanz eines „Modells Frankreich“ für die Reichsfürstenschlösser. Im Inneren des Schlosses wird Öffentlichkeit durch die Distribution, die Aufteilung der Räume, strukturiert und reglementiert. Die Regelung des Zugangs zum Fürsten etwa war im Wesentlichen eine Frage des Zutritts zu den Vorzimmern des Appartements. Mittels der Raumfolge im Appartement wird somit die Grenze zwischen höfischer Öffentlichkeit und Privatheit definiert; es geht um Grenzbestimmungen sozialer Distinktion. Freilich wird dabei das Begriffspaar „öffentlich/privat“ nicht als Gegensatz verwendet, sondern im Sinne einer graduellen Veränderung und Einschränkung: „Privatheit“ bzw. „privater Raum“ wird gegenüber dem „öffentlichen Raum“ als ein Bereich verstanden, der nur noch auf wenige Personen reduziert ist, ohne die Vorstellung eines im heutigen Sinne „privaten“ Raumes zu evozieren;66 im Schlossbau spricht man auch statt von „privaten“ von „inneren“ Gemächern.67 Die auf der Reglementierung und Formalisierung sämtlicher Lebensbereiche durch das Zeremoniell basierenden Fürstenhöfe zeichneten sich durch eine weitgehende Einschränkung der Privatsphäre aus, die besonders die Regierenden und ihre Familie betraf.68

65 Joseph Clemens an Robert de Cotte, 15. August 1714; Joseph Clemens/Robert de Cotte 1712–1720 (1956), S. 30. Tessin 1687/88 (2002), S. 98, bemerkte 1687 in Versailles ebenfalls, dass die Türen immer geöffnet seien: „dans le Grand Appartement elles [les portes] sont toujours ouvertes“ – ein im Reich unvorstellbarer Zustand. 66 Elias 1999, S. 176, sprach von einer „höfisch-aristokratischen Gesellschaft, deren Menschen keinen „Beruf“ hatten und eine Trennung in eine Berufs- und Privatsphäre im heutigen Sinne nicht kannten“. Zur vieldiskutierten Unterscheidung von Öffentlichkeit und Privatheit vgl. die Beiträge in: Das Öffentliche und das Private in der Vormoderne, hrsg. v. Gert Melville u. Peter von Moos, Köln u. Weimar u. Wien 1998; Stollberg-Rilinger 1997; Bauer 2003. Sehr instruktiv ebenfalls Zeremoniell 1997; Berns 1981. 67 Vgl. zuletzt etwa Puntigam 2006. 68 Einige Historiker gehen noch einen Schritt weiter und sprechen vom Nichtvorhandensein privaten Lebens bei Hofe: Bauer 1993, S. 18, Kruedener 1973, S. 60ff.

Begriff und Differenzkriterien  | 149

Das Appartement ist somit der Ort, an dem die schrittweise Unterscheidung zwischen öffentlicher und privater Sphäre deutlich nachvollzogen werden kann. Die Raumfolge spiegelt zugleich den Rang des jeweiligen Besuchers. Von Raum zu Raum nahm die Kostbarkeit der Möbel zu,69 mit einem Höhepunkt im Audienzzimmer.70 Das Zugangsrecht zum Fürsten war schließlich ein wichtiges Indiz für die gesellschaftliche Stellung des Besuchers, für seine Teilnahme an der höfischen Interaktion.71 So liest man bei Moser 1755: Bei uns [im Reich] setzt die Entrée eine Classification und Rang an Hof zum Grund, nach welchem der Eingang in die nach dem Grad ihrer Würde verschidene Zimmer gestattet wird. Diese Ordnung wird an grossen, auch andern wohl eingerichteten Höfen genau beobachtet.72

Die Raumfolgen, die als Regulatoren von Distinktion das Innenleben von Schlössern strukturieren, sind somit Schnittstellen zwischen der soziopolitischen, rituellen und künstlerischen Ebene. Das Zeremoniell ist ein gleichermaßen Personen und Objekte sowie den Raum involvierendes Zeichensystem. Denn am „Splendor“ und der „grosseren Ehr“ des Hofes haben insbesondere in reichsfürstlichen Schlössern die jeweils zugangsberechtigten Personengruppen wesentlichen Anteil; das verdeutlichen Wortlaute aus Kammerordnungen.73 Die Frage der Differenzen zwischen französischen und deutschen Schlössern ist somit nicht nur über die Objekte direkt, sondern über die Wahrnehmung und Bedeutung der Objekte im Rahmen von symbolischen Handlungen zu analysieren. Daher spielt das Appartement im Verbund mit den angrenzenden Sälen und Galerien in unserem Zusammenhang eine zentrale Rolle: Das betrifft, wie bereits erläutert wurde, die Wahrnehmung der Zeitgenossen, die fremde Höfe besuchten und Differenzen deutlich registrierten. Das betrifft aber auch, wie uns in diesem Kapitel besonders interessieren wird, die Umbauten etwa in der Münchner Residenz, die Anspruch und Verpflichtung neuer politischer Konstellationen spiegeln, innerhalb derer auch die Wittelsbacher ihre Chance suchten. Die Reichsfürsten – so viel Verallgemeinerung sei an dieser Stelle 69 Rohr 1733 (1990), S. 73. 70 Moser 1754/55, Bd. II, S. 289 (im Kapitel „Von den Zimmern bey Hof“): „Das Audienz-Zimmer ist von besonderm Pracht in der Grösse, Tapeten und Meubles.“ Zedler 1732–54, Bd. II, Sp. 723, zum Audienz-Gemach: „Es liegt dieses Zimmer unmittelbar an denen Vorgemächern, und muss jedesmahl von recht ansehnlicher Grösse und ausnehmender Schönheit seyn.“ 71 Dieses Zugangsrecht konnte man sich durch Ämter erwerben; vgl. zur Bedeutung dieser Ämtervergabe am Wiener Kaiserhof Pečar 2003, S. 25ff. Vgl. auch Bauer 2003, S. 45f. zur zeremoniellen Bedeutung räumlicher Distanzen am Hof. 72 Moser 1754/55, Bd. II, S. 294f. Auch dies erfolgt bei ihm in Abgrenzung vom französischen Zeremoniell: „Die so genannte grosse Entrées, wie solche an dem französischen Hof der Unterschid gemacht wird, gehören in das Teutsche Hof-Recht nicht.“ 73 Vgl. die „Aufwartungs-Ordnung“ von 1739 aus der Münchner Residenz: „Demnach Ihro Churfrtl. Drtl. sich genädigist gefallen lassen zu mehrer Ordnung Ihres Hofs, und besserer einrichtung selbigen Ethiquets, forderist zu mehreren Splendor Ihrer AntiCamera, und grosseren Ehr deren, so sye betretten, selbige zu vermehren [...]“; zitiert nach Klingensmith 1993, S. 216.

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erlaubt – belegten in ihren Schlössern andere Orte mit politischen Handlungen, was sich besonders an der Gestaltung des Audienzbereichs ablesen lässt, der sich von französischen höfischen Bauten in großem Maße unterschied. Damit sind für die Frage der Modelladaption, die uns im Folgenden beschäftigen wird, grundlegende Aspekte genannt: Neben der Differenzierung hinsichtlich höfischer Öffentlichkeit und Privatheit, die vom Zeremoniell reguliert werden, sind es die Kategorien von Tradition und Neuerung. Sie betreffen die Identität, also das dynastische Selbstverständnis, und die beanspruchte Zukunft der Dynastie. Es werden vier für unsere Fragestellung wichtige Phasen zwischen 1660 und 1730 näher untersucht: zunächst die 1660er Jahre unter Kurfürst Ferdinand Maria und Henriette Adelaide; dann die vom jungen Kurfürsten Max Emanuel geprägte Phase in den 1680er Jahren; als ein dritter Abschnitt die Jahre um und nach Max Emanuels Rückkehr aus dem Exil 1715 und schließlich die repräsentativen Bemühungen seines Sohnes, des Kurfürsten Karl Albrecht, nach dem Tode des Vaters 1726.

2.  Die 1660er Jahre: Henriette Adelaide und Ferdinand Maria

Zur Bedeutung der Residenz im Repräsentationsgefüge der Wittelsbacher Mit der Münchner Residenz rückt der Stammsitz der bayerischen Wittelsbacher in den Mittelpunkt (Abb. 4, 11). Er eignet sich besonders gut, um einen mutmaßlichen Wandel, der einer Adaption fremder Modelle geschuldet war, zu beobachten und zu bewerten. Vor allem wird dies dahingehend von Interesse sein, ob dieser Wandel einen Teil der repraesentatio majestatis bildete und ob darin eine beabsichtigte Semantik zu erkennen ist. Dabei wird es auch darum gehen, was überhaupt verändert wurde, an welchen Punkten der Umgang mit Tradition wichtiger war als die ostentative Demonstration von Neuerung. Die Residenz, „l’Ornamento più riguardevole della Città“,74 wird in unzähligen zeitgenössischen Quellen erwähnt, weit häufiger als die Landschlösser. Einige Quellen wurden hier schon zitiert, um den Eindruck der Kurfürstin Henriette Adelaide bei ihrer Ankunft 1652 und im ersten Jahrzehnt ihres Aufenthalts in der kurbayerischen Residenzstadt zu rekonstruieren.75 Im Folgenden wird eine andere Perspektive gewählt, um allgemeinen Rezeptionsbedingungen und höfischen Standards auf die Spur zu kommen. Bis weit in die 1660er Jahre hinein durfte, zumindest in den Augen der Zeitgenossen, die Münchner Residenz als ein Palast gelten, der den Standards an europäischen Höfen weitgehend entsprach. So begegnet bei dem Abgesandten der Königin Christine von Schweden, Graf Gualdo Priorato, die mehr als topisches Lob denn als stilkritische Aussage zu verstehende Beobachtung, der „real Palazzo“ sei „così ben architettato alla moderna“; er erläutert dies folgendermaßen, die Residenz contiene in se numero si grande di stanze, sale, loggie, e Gallerie, che può allogiarvi senza alcun incommodo la Corte d’ogni maggior Ré d’Europa.76

Der 1658 gerade zum Kaiser gekrönte Habsburger Leopold I., dem auf der Rückreise von Frankfurt nach Wien in München ein großer Empfang bereitet wurde,77 soll die Residenz so sehr bewundert haben, dass er sich gleich zum Umbau der Wiener Hofburg bewegen ließ.78 Ein Franzose hielt es 1661 sogar für ausgeschlossen, dass es in 74 Pistorini 1644, fol. 5v. 75 Vgl. in Kapitel 2, Das erste Jahrzehnt Henriette Adelaides in der Münchner Residenz. 76 Gualdo Priorato 1668, S. 22. Der Graf war der Abgesandte der Königin Christine von Schweden. 77 Dazu ausführlich Lünig 1719, Bd. I, S. 193f. Er beziffert die Kosten mit 300.000 Gulden. 78 Müller 1660 (2005), S. 48: „[...] und sollen sich Ihre Kayserl. Majest. bey Ihrer jüngsten Anwesenheit zu München an dem Schloß daselbst verliebet haben / und dahero resolviret / die Kayserl. Burg nach demselben und noch prächtiger bauen zu lassen.“ Es heißt, der Leopoldinische Trakt sei daraufhin errichtet worden.

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11  Ansicht der Münchner Residenz von Westen „Das durchleichtigiste Chur=Bayrische Weltberühmte Wunder=Gebäu“, Kupferstich von Michael Wening, Ende 17. Jahrhundert

Deutschland, ja selbst in Italien und Frankreich etwas ähnlich Prachtvolles wie die Kaiserzimmer gäbe.79 Den Kaisersaal hielt Beauveau noch 1674 für „la plus belle & la plus magnifique de l’Europe“80 – eine Einschätzung, die 1662 ebenfalls im Theatiner-Diarium zu finden ist: Es gäbe kaum „una simile in Italia, e anche probatis.te nell’ Europa“.81 Hier wird die „Magnificenza Reale“ der Residenz gerühmt;82 der Bau sei mehr als angemessen „per ogni gran Ré, e per l’ampiezza, e per la nobiltà dell’architettura, e per la richezza degli adobbi“.83 1667 erscheint auf Initiative des Kurfürstenpaares Henriette Adelaide und Ferdinand Maria eine diesen Zustand verewigende ausführliche Beschreibung in italienischer Sprache von Ranuccio Pallavicino. Dies ist die erste publizierte Residenzbeschreibung. Sie wurde im Zuge größerer Baumaßnahmen in den 1660er Jahren angefertigt. Unter Max Emanuel folgten zwei deutsche Bearbeitungen 1685 und 1719.84 79 80 81 82 83 84

BayStB, Cod. Gall. 264, fol. 65r (25. Juli 1661, Fest des Hl. Jakobus). Beauvau 1688, S. 429. Der Saal sei glücklicherweise verschont worden im Residenzbrand. BayHStA, KL Fasz. 471, fol. 42. Ebd., fol. 43. Ebd., fol. 44. Pallavicino 1667. Sie erschien 1680 in zweiter Auflage und wurde 1685 ins Deutsche übersetzt, 1719 nochmals erweitert: Schmid 1685; Kalmbach 1719. Die erste zusammenhängende Residenzbeschreibung von Pistorini blieb ungedruckt: Baldassare Pistorini, Descrittione compendiosa

Die 1660er Jahre: Henriette Adelaide und Ferdinand Maria  | 153

Die Residenz war unbestritten das wichtigste Gebäude und damit der gewichtigste Baustein innerhalb der Repräsentationsmaschinerie der bayerischen Wittelsbacher in dem hier zu verhandelnden Zeitraum, dem Jahrhundert nach dem Dreißigjährigen Krieg. Eine beabsichtigte Verlegung der Residenz nach Schleißheim, wie die Forschung gelegentlich annimmt,85 stand nie zur Debatte.86 Und auch die gern benutzte Bezeichnung des Schlosses Dachau als „Sommerresidenz“ ist unscharf.87 Die ehrgeizige Absicht des Herzogs und ersten Kurfürsten Maximilian I., der den Residenzkomplex zwischen 1612 und 1620 umfassend hatte umbauen und erweitern lassen, ist noch lebendiger Teil späterer Beschreibungen; so berichtet Charles Patin, der 1670 in München weilte: C’est ce Palais, que l’Electeur Maximilien fit bâtir avec tant de dépense, que toute l’allemagne en fût surprise, & ne pût comprendre où il avoit pris ce grand fonds.88

In dieser Demonstration ökonomischer wie politischer Potenz wird der hohe repräsentative Anspruch auch der späteren Wittelsbacher Generationen, selbst mit einem bereits bestehenden und bald kaum mehr modernen Gebäude, deutlich gemacht. Welche wichtige Rolle der Residenz im gesamten Organismus der Repraesentatio majestatis auch unter Kurfürst Max Emanuel zugedacht wurde, vermerkt der Mundus 1711. Denn „das vornembe Geschlecht und die Tugend scheinen alleinig zur Hoheit nit genug bey zutragen“; die „Pracht und Magnifizenz“ seien daher die „mahriste zierde der herrlichkheit“ eines fürstlichen Hofs. Die Residenz wird als Garant an erster Stelle genannt: den bracht zaigen dass Wundervolle gepäu, des Churfürst(lichen) Pallast oder Residenz, die Goltreiche Tappezerey, künsstliche Mallereyen, ganz guldene Servis [...].89

85 86

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88 89

del palagio sede de’ serenissimi di baviera, München 1644; Hs. in BayStB, Cod. ital. mon. 409. Siehe zur Bedeutung dieser Beschreibungen Krems 2006. Z. B. geht Hojer 1976, S. 146, von einer geplanten Verlegung der Residenz nach Schleißheim aus. Klingensmith 1993, 86, macht bei seiner Publikation der Legende des „Gran’ disegno“ zu Schleißheim darauf aufmerksam, dass zwar die bauliche Struktur der Vierflügelanlage und die Aufteilung sowie die Anzahl der Säle auf einen großen Anspruch schließen lassen, jedoch verweist er auch auf das „rural setting“ und das Fehlen einer Stadt, die den Hof permanent hätte aufnehmen können. Zudem, so sei hier hinzugefügt, fehlen Anzeichen der Verlegung der Verwaltung und dementsprechende Vorkehrungen in München. Der etwa von Hager 1961 und Kurz 1988, benutzte Begriff der „Sommerresidenz“ ist problematisch, da das Schloss nur zeitweilig zu besonderen Anlässen, aber keineswegs immer im Sommer benutzt wurde. Die Regierungsgeschäfte konnten nur von dort aus erfolgen, wenn der gesamte Hof einschließlich der Räte folgte. Patin 1670 (1695), S. 83. Er war zudem gerade in München angekommen, als das Fest von der siegreichen Schlacht am Weißen Berge gefeiert wurde. Mundus 1711, fol. 82v.

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Hier entspricht der Mundus den zeitgenössischen Vorstellungen und Topoi, so in der Baumeister-Academie 1707: So werden denn auch prächtige Gebäuden nothwendig erfordert / alß vortreffliche Zeugen der Fürsten und Regneten Macht / Hoheit und magnificence.90

Doch sind es nicht allein die an der aufwändigen Architektur und Ausstattung ablesbare Pracht und Magnifizenz im Sinne einer kostspieligen Materialisation von Pracht, die für die höfische Repräsentation bestimmend sind; es wird vielmehr auch auf das Maßhalten gepocht, auf die fuga luxus, wie sie der erste Kurfürst Maximilian I. seinem Sohn Ferdinand Maria in den Monita paterna empfahl: Die Pflege deines Körpers sei nicht übertrieben. Halte fest auf die Pracht des Hofes, doch sei sie wie ein geschmackvolles Kleid, mehr gefällig als verschwenderisch oder übertrieben.91

Die Magnifizenz in der Stadtresidenz ist als „dynastische Magnifizenz“ zu verstehen, die als Argument auf die Repräsentation einer langen Tradition des Fürstenhauses setzte:92 Daher bietet die Residenz den Ort, der die identitätsstiftende und legitimierende Geschichte und damit Konzepte abbildet, die, personifiziert in dem je neuen Regierungsvertreter, die Zukunft betreffen. Schmid sieht im Jahre 1685 in der Residenz den unschätzbaren Pallast seiner Durchleuchtigisten Fürsten / deren höchstes Stammens Alter unergründlich / deren wundersame Heldenthaten nit gnugsamb zuloben / deren ungemeiner Religons-Eyfer nicht zubeschreiben / deren glückselige Regierungen nicht zufassen

– um dann auf den seit kurzer Zeit regierenden Kurfürsten Max Emanuel als „ruhmwürdigsten Nachfolger“ seiner Wittelsbacher Vorgänger zu verweisen,93 zu einer Zeit, als Max Emanuel als Türkensieger, damit als Verteidiger des Reiches und des Christentums reüssierte. Deutlich wird hier das die Dynastie stützende Fundament aus den Grundpfeilern von Anciennität und Tugend, Religion und Staatskunst benannt. Doch auch prospektive Elemente werden in der Residenz-Beschreibung bemüht, wenn der über das Territorium Kurbayern hinaus weisende politische Anspruch des jungen Kurfürsten und Türkensiegers und damit dessen auch mittels des Wundergebäus der Residenz veranschaulichte Zukunftsvision erläutert wird; so habe Ferdinand Maria

90 Baumeister-Academie 1707, Vorrede. 91 § 2 im Rahmen des Caput II, Officia in se ipsum (Pflichten eines Fürsten gegen sich selbst); vgl. Monita Paterna 1639 (1822), S. 48f./49f. 92 Zur „dynastischen Magnifizenz“, die beispielsweise bei den brandenburgischen Kurfürsten kaum vorhanden war, vgl. Hahn 1998b, S. 12. Schmid 1685, S. 58, bezeichnet „Pracht“ als „Kennzeichen des überhohen Verstands der Großmächtigsten Adelheid“. 93 Schmid 1685, S. 2: „Diser so höchst preyßwürdigisten Helden / und großmächtigisten Fürsten Ruhmwürdigister Nachfolger ist unser Durchleuchtigister MAXIMILIANUS EMANUEL [...].“

Die 1660er Jahre: Henriette Adelaide und Ferdinand Maria  | 155

uns einen dapffern MAXIMILIAN EMANUELEM hinderlassen / nicht dem werthen Bayrland allein / sondern dem Römischen Reich / ja allen Christlichen Ländern zu nutz / dessen ungemeines Martial-Gemüth sich der erschröcklichen Türcken-Macht glorwürdig unnd sigreich widersetzet / ein unerschrockner Handhaber der Teutschen Freyheit / unnd großmütiger Verfechter des Christlichen Glaubens.94

Die tugend-abbildenden, retro- und prospektiven Aufgaben und Implikationen des Wundergebäus der Residenz – als „unfehlbares Zeichen eines hohen Heldengemüts“, als „immerwehrend-lobwürdiges Angedencken“,95 als „una edificata eternità“96 – sind damit fest umrissen.97 Diese in vielen Beschreibungen anschaulichen Bedeutungen der Residenz, die freilich zumeist topischer Natur sind98 – und doch innerhalb dieser Topik eine klare Richtung im Dienste der Wittelsbacher Repräsentation verfolgen –, gilt es präsent zu halten, wenn die Veränderungen in den Blick genommen werden.

Die Diskrepanz zwischen äußerer und innerer Gestalt der Residenz Doch was wurde an der Residenz überhaupt verändert in dem Jahrhundert nach dem Dreißigjährigen Krieg? Wichtig ist es, gleich zu Beginn festzuhalten: Die äußere Erscheinung der Residenz, und damit ist vor allem die Stadtfassade zur heutigen Residenzstraße gemeint, blieb in ihrer unter Maximilian I. zu Beginn des 17. Jahrhunderts

94 Schmid 1685, S. 45. 95 Schmid 1685, Vorrede. Vgl. auch Monita Paterna 1639 (1822), § 5: „Famae studium / Die wahre Ehrbegierde: Der Ruhm, der auf wahre Vorzüge und Tugenden gegründet ist, sei dir heilig, damit du nicht durch Geringschätzung des Ruhmes und der öffentlichen Meinung von dir, die Tugend selbst gering zu achten scheinest. Das Streben nach gutem Namen und Nachruhm ist viel notwendiger für den Fürsten, als für alle übrigen Menschen: denn wenn der Privatmann auch seinen Namen befleckt, so bleibt er in seiner Dunkelheit, und sein Andenken erlischt oft mit ihm; aber der Fürst, vermöge seiner höhern Stellung stiftet sich ein öffentliches und auslöschliches Denkmal der Ehre oder Schande, je nachdem er gelebt hat.“ 96 So heißt es in der ersten ausführlichen Residenz-Beschreibung von Pistorini 1644, fol. 7r. Zu den Topoi in diesen Residenzbeschreibungen vgl. Krems 2006. 97 Wie wichtig der Erhalt eines Stammsitzes ist, veranschaulicht das Briefzitat bei Elisabeth Charlotte 1707–1715, S. 55, Nr. 394, aus Versailles an Raugräfin Luise, 25. Oktober 1708: „Ich bin fro, daß daß gutte ehrliche Schwetzingen wider gebawet ist, aber es ist mir recht leydt, daß Churpfaltz daß arme liebe schloß von Heydelberg nicht wider zu recht lest machen; daß ist heßlich, indem es ja daß stammhauß ist.“ 98 Angeblich soll Colbert Ludwig XIV. 1664 daran erinnert haben: „Ew. Majestät wissen, daß in Ermangelung glänzender Kriegstaten nichts die Größe und den Geist eines Fürsten in höherem Maße beweist, als die Errichtung von Bauwerken.“; zitiert nach Ehalt 1980, S. 309. – Zur Memorialfunktion von Residenzbauten vgl. z. B. Müller 2000. Zum Schloss als „Pracht-Gebäude“ vgl. Schütte 1998, S. 20, mit Verweis auf Vitruv und zum Zusammenhang zwischen der Person des Herrschers, der Idee des Staates und dem öffentlichen Anspruch.

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errichteten Gestalt bis weit ins 18. Jahrhundert (mit Ausnahme des Abschnitts mit dem Kurfürstinnenappartement)99 nahezu unverändert (Abb. 11).100 Die Modifikationen beschränkten sich auf Teile des Inneren, nämlich auf die Wohnund Repräsentationsräume der Kurfürsten und Kurfürstinnen und auch hier nur auf ausgewählte Bereiche; ich werde darauf zurückkommen. Von außen musste die Residenz hingegen als ein die Veränderung und Neuerung scheuendes, die Tradition betonendes Gebäude wahrgenommen worden sein. Dies bestätigen auch einige Reiseberichte, meist jedoch mit Irritation oder sogar offener Kritik: Ein Franzose, gerade von Italien über Wien und Prag in München angekommen, hatte bereits 1661 vorsichtig angemerkt, dass das Äußere nicht der „magnificence“ des Inneren entspreche.101 Balthasar de Monconys bemängelte 1664, dass die Architektur an der Fassade nur gemalt sei.102 Samuel Chapuzeau stellte ein paar Jahre später fest: „Le Palais Electorale ne frape pas la veue au dehors.“103 Doch vor allem der schwedische Architekt Nicodemus Tessin mit seiner an europäischen Residenzbauten geschulten Urteilskraft formuliert 1688 ganz ungerührt: Die architectur von diesem palais ist nicht sonderlich, undt antwortet gantz nicht gegen dem grossen geschreij so man darvon macht.104

Der Baron Pöllnitz lenkt 1730 seinen Blick auf die gesamte räumliche Situation im städtischen Gefüge (Abb. 12), die sich ihm aufgrund des mangelnden Platzes als wenig herrschaftlich darbietet; er weist zudem der Residenz klösterliche Züge zu: Die vornehmste Förder-Seite stösset auf eine ziemlich enge Strasse heraus, und hat dieselbe fast kein anderes Ansehen, als von einem schönen Closter, wozu auch das Marienbild, so über dem großen Thor stehet, noch mehrers beyträgt.105

Mag Pöllnitz auch mit seiner Beobachtung des Standorts der Patrona Boiariae nicht ganz richtig liegen – sie ist zwischen den beiden Eingangstoren platziert (Abb. 13) –, so findet sich bei ihm dennoch ein Perzeptionsmuster, das den Wittelsbachern sicherlich 99 Vgl. dazu unten Anm. 201. 100 Skalecki 1989, 98, erkennt in der Residenzfassade spanische Vorbilder, den Palast Karls V. in Granada. Erst in den 1760er Jahren gab es Umbaupläne von François de Cuvilliés; vgl. Braunfels 1986, S. 158–162. 101 „Le dehors n’approche pas de la magnificence du dedans“; BayStB, Cod. Gall. 264, fol. 65r (25. Juli 1661). Vgl. auch Trautmann 1888. 102 Monconys 1666, Bd. II, S. 351. 103 Chappuzeau 1673a, S. 40. Eine offizielle Beschreibung aus der Mitte des 18. Jahrhunderts windet sich schließlich aus dieser Diskrepanz mit dem Verweis heraus: „Doch übertrifft die innere Schönheit die äussere.“ Vgl. Staats-Geschichte Bayern 1743, S. 405. 104 Tessin 1687/88 (2002), S. 401. Mit dem „geschreij“ könnte er durchaus Pallavicinos Trionfi und Schmids Wundergebäu gemeint haben. Er kannte die Residenz-Beschreibungen; das ist bei ihm nachzulesen: Tessin 1717 (2002), S. 206. Tessin war indes angetan von der „Sauberkeit“ der Residenz, „die überauss grosse propertet, so dass ich mein tage kein palais so reinlich gehalten gesehen habe“; Tessin 1687/88 (2002), S. 402. Die außergewöhnliche „propreté“ hatte auch schon Monconys hervorgehoben: Monconys 1666, Bd. II, S. 352. 105 Pöllnitz 1738, I. Theil, S. 335 (Brief vom 5. Januar 1730).

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12  München aus der Vogelperspektive 1667, Kupferstich, Lucas Schnitzer (München, Stadtmuseum, Maillinger-Sammlung, Bd. I, Nr. 486)

sehr entgegen kam, sie womöglich bewusst gesteuert haben: Vermutlich bauten sie auf diese einem Kloster ähnliche Außenwahrnehmung, denn auch die Lage nahe der südlich angrenzenden Klöster, das der Franziskaner sowie das Riedler-Frauen-Regelhaus, war bewusst gewählt. Dies wird auch in zeitgenössischen Beschreibungen anschaulich, etwa wenn Wening 1701 auf Gänge im Inneren der Residenz hinweist, die in die angrenzenden Klöster führen. Die beiden die Residenztore bewachenden Löwen waren Anfang des 17. Jahrhunderts aus der Michaelskirche transferiert worden, wo sie zwei Seitenaltäre geziert hatten.106 Nach außen ein im christlichen Tugendkreis gründendes und agierendes Herrschergeschlecht zu demonstrieren, wird durchaus eine Absicht der Wittelsbacher gewesen sein.

13  München, Residenz, Westfassade mit der Patrona Boiariae zwischen den beiden Portalen (Detail von Abb. 11)

106 Haeutle 1883, Bd. I, S. 59.

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Einen Pluspunkt der Residenz verzeichnet Pöllnitz, nämlich die immense Größe des Baus: „vielmehr glaube ich dass dessen mehreste Pracht in seine Grösse bestehe.“107 Bei einem früheren Besuch, um 1719, schrieb er: „Meines erachtens ist ausser dem Pallast in den Tuillerien, keiner seines gleichen an Grösse.“108 Die schiere Größe war im Residenzen- und Schlossbau ein Schlüsselkriterium.109 Die um 1700 entstandenen Stiche von Michael Wening (Abb. 4, 11, 13), auf denen die Fassadengestaltung zudem eher plastisch-tektonisch ausgearbeitet und nicht nur als Fassadenbemalung erscheint (Abb. 14), betont diese Monumentalität und damit das, was viele Zeitgenossen an der Residenz besonders beeindruckte: ihre Größe, die sich auch in den unzähligen Fenstern Ausdruck verschaffte,110 ferner die Anzahl der Höfe, die zudem ihre vielfältigen zeremoniellen Funktionen widerspiegeln.111 Ein weiteres Kriterium ist die Regularität, die Gleichheit in der äußeren Erscheinungsform, die Freschot 1704 auch dem Bonner Residenzschloss attestiert: „Grand Palais, d’une structure uniforme, & egale, au moins au dehors.“112 Fehlende Regularität konnte wiederum als Mangel empfunden werden, etwa bei den Tuilerien in Paris (dem Modellbau für „Größe“), wo das Bewahren bereits bestehender Strukturen mit der Forderung nach Regelmäßigkeit kollidierte: weil sie aber nicht auff einmahl gebauet / eine Ungleichheit in den Reguln der Baukunst hat / welches einigen Übelstand verursachet.113

Die Größe, die Regularität und vor allem der klösterliche Charakter – auf diese Außenwirkung ihrer Residenz schienen die Wittelsbacher im fortgeschrittenen 17. und im 18. Jahrhundert Wert zu legen. Modernität zu demonstrieren, war nicht das entscheidende Ar107 Pöllnitz 1738, I. Theil, S. 335 (Brief vom 5. Januar 1730); er fügt kritisch hinzu, die Residenz „ist eines der größten Gebäude in Europa, doch fehlet noch viel daran, daß es so schön seyn sollte, als Mission [Misson] und andere Schriftsteller es beschrieben haben.“ 108 Pöllnitz 1739, Bd. II, S. 10. 109 Vgl. z. B. Addison 1705, S. 442, zu Turin: „the Duke’s Palace […] when finish’d, will be one of the noblest in Italy for its Length.“ 110 So bemerkt auch Freschot 1705a, Bd. II, S. 70, zur Bonner Residenz: „Grand Palais […] dans lequel le peuple dit qu’il y a autant de fénêtres qu’il y a de jours dans l’année, comme l’on dit à Rome du Palais de S. Pierre au Vatican.“ 111 Moser 1754/55, Bd. I, S. 295, spricht auch von „Rechten und Pflichten“ der Schlosshöfe. Vgl. auch ebd., Bd. II, S. 275: „Die Schloß-Höfe und Burg-Plätze haben ihre mehrfache Absicht und Nuzen. Die äusserste dienen 1. zur Pracht, besserm Ansehen und Aussicht des Schloß-Gebäudes, 2. zur Sicherheit der Herrschafft und der Gebäude, da durch die Höfen beygelegte Rechte der Ein- und Zugang dem Pöbel und andere fremden oder verdächtigen Personen verwehrt ist, die innere Höfe dienen 3. zur Erhaltung der Ruhe und Gemächlichkeit der Herrschafft, in so weit nehmlich die Erlaubniß, mit Carossen in selbige zu fahren, sehr eingeschränckt ist, aus welchem Grund 4tens die Abtheilung der Höfe zugleich einen Einfluss in den Rang und das Ceremoniel zuwegen gebracht hat.“ 112 Freschot 1705a, Bd. II, S. 70. Als er 1704 in Bonn war, war der Kurfürst Joseph Clemens bereits geflohen. Er konnte also das Innere nicht besichtigen. 113 Unparteyische Gedancken 1719, S. 24.

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14  München, Residenz, Westfassade

gument an der Außenfassade und damit im öffentlich-städtischen Raum, auch auf die Gefahr hin, dass das Äußere nicht mit dem (modernen) Inneren korrespondierte. Dieses Ringen zwischen Tradition und Neuerung war bekanntlich allgemein bestimmend für den Residenzenbau in Mitteleuropa im 17. Jahrhundert:114 Der Louvre ist so ein Modellfall, ebenso der Vatikanische Palast oder der Lateranpalast in Rom, die Wiener Hofburg oder der Alcàzar in Madrid, um nur wenige Beispiele zu nennen. Gerade der Alcàzar als Sitz der spanischen Habsburger widersetzte sich den Erwartungen der Besucher nach einem angemessenen Bau, dessen Angemessenheit sich in modernen Bauformen zu spiegeln hatte, lange erfolgreich: „Le palais du Roy n’est pas un bastiment qui soit superbe.“115 Hier zeigt sich, dass für die Wittelsbacher – vergleichbar mit den 114 Vgl. zur Zeit davor Müller 2004. 115 An dieser Einschätzung Balthasar de Monconys’, der Madrid 1628 besuchte, wird sich bis ins 18.  Jahrhundert nicht viel geändert haben; Monconys 1666, Bd. III, S. 36. Ein Jahrhundert später, 1730, wird bemerkt: „Au devant de la façade du Palais, on trouve une grande place: deux pavillons terminent la façade qui est régulière, mais c’est la seule qui ait été achevée.“ Silhouette 1729/30 (1770), Bd. IV, S. 129. Selbst bei dem in den 1630er Jahren errichteten Buen retiro nahe Madrid erstaunten Reisende angesichts des eher reizlosen Äußeren. Doch hatten die Spanier ja noch den Escorial, der fast immer hymnisch gepriesen wird: „C’est le plus grand & le plus superbe édifice qu’il y ait dans toute l’Espagne & l’un des plus beaux de l’Europe.“ Ebd., S. 133.

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Habsburgern in Wien116 – das Motiv der Tradition eine große Bedeutung gehabt hat. Die Anciennität der Dynastie, die sich auch in den Monumenten der eigenen Geschichte abbildete, war ein gewichtiges Argument im stets aktuellen Streit gerade mit den Habsburgern um die Kaiserkrone. Ein weiterer grundlegender Unterschied zum französischen und auch zum italienischen Schlossbau ist die Zweiteiligkeit des Baus der Münchner Residenz, die trotz der langen, gleichförmig gestalteten Front anschaulich wird. Sie teilt sich nach außen in den zwei Eingangstoren mit (Abb. 11, 13, 15), die zwei Achsen markieren. Das nördliche Portal, das zum Kaiserhof führt, war zumeist geschlossen, denn der Kaiserhof war nur für besondere zeremonielle Ereignisse zugänglich. Michael Wening vermerkt dies in seiner Residenzbeschreibung von 1701, wenn er bei der „Pforten / so gegen dem Schwabinger Thor ligt“ noch hinzu fügt: „unnd sonsten ins gemain nit offen stehet“, um dann die „andern Haupt=Pforten“ (also das südliche Portal) zu nennen, „wardurch man ins gemain auß= und ein zu gehen pflegt“.117 Dass diese zwei Eingänge in ihrer Zugänglichkeit jedoch nicht nur zeremoniellen Reglements entsprachen, sondern in ihnen auch die territoriale und die Reichszugehörigkeit baumorphologisch zum Ausdruck kam, wird anschaulich beschrieben im Theatiner-Diarium von 1662: Una delle Porte ordinariamente stà chiusa, et è quella che da la strada al Palazzo ô per dir meglio à quella parte oue sta’ l’Appartemento dell’ Imper.re e più Elettori: l’altra conduce alla Residenza de Principi, che hoggidi regnano.118

An der Münchner Residenz fanden umfassende Veränderungsmaßnahmen im Zeitraum von 1660 bis 1740 somit nicht an der äußeren Gestalt, sondern vor allem im Inneren statt. Als Kristallisationspunkte dieser Veränderungen sind, wie so oft, die Generationen- und Regierungswechsel in Augenschein zu nehmen.119 Ab 1666 – nach dem Tod der Kurfürstinwitwe Maria Anna (1665) – ließ Henriette Adelaide ihr Appartement umbauen (B in Abb. 15). Ihr Gemahl, Kurfürst Ferdinand Maria, veränderte oder überformte die Räume seines Vaters nicht; erst sein Nachfolger Max Emanuel wagte es ab 1680, nach seinem Regierungsantritt, einschneidende Modifikationen im Bereich der 116 Vgl. dazu bereits oben in diesem Kapitel in Differenzkriterien: Polyzentrismus und Anciennität. 117 Wening 1701, S. 3 u. S. 4. Dies entspricht dem „traditionellen“ Betreten der Residenz, wie auch schon Hainhofer 1611/1636 (1990), S. 147, schreibt: „hat im eingehen ain schönen, langen, perspectivischen hof, durch welchen man in ainen grossen, runden hof [...] sihet.“ Ähnlich bei Merian 1644/57, S. 48 (lehnt sich fast wörtlich an Hainhofer an). Der Jesuit Papebroch schreibt 1660: „Innen bildet die Residenz insgesamt 4 Gevierte. Das erste zur rechten Hand ist allgemein zugänglich“; vgl. Papebroch 1660 (2002), S. 240. Monconys 1666, Bd. II, S. 351, erwähnt auch zunächst das südliche Tor: „la premiere des ces portes mene dans une cour longue.“ 118 BayHStA, KL Fasz. 471, fol. 48. 119 Neben den Generationenwechsel und Regierungsübernahmen haben noch die beiden verheerenden Residenzbrände von 1674 und 1729 zu Veränderungsmaßnahmen geführt. Der frühere wütete im westlichen Teil des Grottenhoftraktes sowie in den Kaiserzimmern, der spätere zerstörte mehrere Zimmer des gerade neu gebauten und eingerichteten Paradeappartements des Kurfürsten Karl Albrecht.

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15  München, Residenz, Hauptgeschoss, Gesamtplan (Paris, BIF, Ms 1040, fol. 6; zwischen 1616 und 1630; später für Umbaupläne benutzt und teilweise überklebt) A  Appartement des Kurfürsten (Umbau ab 1680 bzw. ab 1726) B  Appartement der Kurfürstin (Umbau ab 1666) 1 Eingangsportal Süd (Westfassade) 2 Patrona Boiariae (Westfassade) 3 Eingangsportal Nord (Westfassade) 4 Kapellenhof 5 Breite Treppe 6 Herkulessaal 7 Ahnengalerie („Contrefaitgang“)

seit Maximilian I. nahezu unverändert gebliebenen kurfürstlichen Raumfolge vorzunehmen (A in Abb. 15). Jedoch verließ er ebenso wie sein Sohn den Standort nicht, es wurde lediglich umgebaut. Nach der Übernahme der Regierung durch Karl Albrecht 1726 wurde das Appartement des Kurfürsten erneut aufwändig umgebaut, erweitert und ausgestattet, während das Appartement der Kurfürstin, so wie es unter Henriette Adelaide gestaltet wurde, bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts weitgehend unverändert blieb. Es gilt im Folgenden, sprechende Momente und Aspekte herauszustellen, die den Vorgang der selektiven Modelladaption und -transformation erkennbar werden lassen.120 Neben architektonischen Indizien werden die Veränderungen auch auf der Perzeptions120 Eine nicht nur für die Münchner Residenz, sondern allgemein für die Residenzenforschung geltende Prämisse sei vorangestellt: Der vorhandene Bestand an Plänen und schriftlichen Quellen, Inventaren, Beschreibungen etc. ermöglicht nur ein lückenhaftes und teilweise höchst problematisches Bild. Trotz umfassender Forschungen zur Münchner Residenz sind in einigen Details noch viele Fragen offen. Überwiegend finden sich monographische Studien zu einzelnen Künstlern, Kunstsammlungsbeständen oder Gattungen. Indes werden Fragen zur Funktions- und Zeremoniellgeschichte noch ausgesprochen zögerlich behandelt; Klingensmith 1993 lieferte einen ersten wichtigen Ansatz, und seit wenigen Jahren ist das Bemühen erkennbar, gesamte Ensembles zu rekonstruieren; das betrifft vor allem die Möbeldisposition in den Räumen: Kat. Pracht und Zeremoniell 2002; Kat. Möbel 1995; Kat. Möbel 1996; Graf 2002.

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ebene herausgearbeitet, um auf diese Weise den Wandel in der Repräsentation der Wittelsbacher zu analysieren. Inwiefern wandelte sich im Laufe der Jahrzehnte das Verhältnis zwischen dem öffentlichen und privaten Bereich, zwischen Orten also, die verschiedenen höfischen Rezipienten zugänglich waren? Wie lassen sich diese Veränderungen bewerten? Waren es notwendige Umbaumaßnahmen? Folgten sie einer neuen Form der Repräsentation, die sich womöglich an europäischen höfischen Standards orientiert? Neben dieser Wahrnehmungsebene gilt das Augenmerk besonders den in den Raumfolgen und -funktionen anschaulichen zeremoniellen Zusammenhängen und damit den in der Praxis anschaulichen Divergenzen. Man konzentrierte sich bei den Änderungsmaßnahmen im Inneren der Residenz weitgehend auf die Raumfolgen um den Grottenhof, die man über das südliche Portal, den Kapellenhof und die Breite Treppe unter dem Uhrturm erreichte (Abb. 15). Andere Bereiche ließ man, mit Ausnahme der Gästeappartements,121 nahezu unberührt. Den Kaisersaal und die Kaiserzimmer (Abb. 16), die über das nur bei besonderen Anlässen geöffnete nördliche Portal zu betreten waren, und damit die berühmten Prestigeräume des frühen 17. Jahrhunderts sowie weitere für die Repräsentation der Wittelsbacher wichtige große Säle – der Herkulessaal oder galerieartige Gänge wie der Theatinergang und der Contrefaitgang, nicht zuletzt Sammlungsräume wie das Antiquarium – bewahrte man mehr oder weniger in dem Zustand, in dem man sie vorfand, selbst wenn sie, wie die Kaiserzimmer, hinsichtlich ihrer architektonischen Aufteilung und ihrer Ausstattung zunehmend an Modernität einbüßten.122 Dies geschah nicht ohne Grund. Offenbar fühlte man sich zu größeren Änderungsmaßnahmen weniger in jenen Bereichen bemüßigt, die, wie die großen Säle oder Porträtgalerien, auf die Repräsentation von Tradition und Dynastie abzielten und diese bewusst weiterführten123 – im Theatiner-Diarium werden etwa auf der Kaisertreppe die 121 Hierzu Klingensmith 1993, S. 58–63. Diese Appartements hatten freilich wichtigen Anteil an der Repräsentation. Patin 1670 (1695), S. 83: „Il y a tant d’apartements differens, qu’outre ceux qui sont occupez, il y en auroit de reste pour l’empereur, le Roy & les Electeurs, aussi commodément que chez eux.“ Zur Bedeutung der Gästeappartements vgl. auch: Esther Janowitz, „Imperiale più che ducale“ – Die Residenz Maximilians I. und die Kaiserbesuche in München, in: Kat. Pracht und Zeremoniell 2002, S. 62. 122 Die Enfilade verlief nicht fensterseitig, zudem war der Zugang vom Vierschimmelsaal noch mittig (Abb. 16), was jedoch die Autoren der Residenzbeschreibungen nicht davon abhielt, von einer langen Enfilade sogar schon vom Kaisersaal aus zu berichten; so schreibt Pistorini 1644, fol. 28r, im Kaisersaal stehend, man sähe von diesem Saal aus in langer Reihe eine Folge von zahlreichen Zimmern: „da questa sala in lungo ordine si vede una serie numerosa d’ altre stanze“ – was aber vom Kaisersaal aus nicht möglich war. Auch nach den Zerstörungen im Residenzbrand 1674 wurden die Kaiserzimmer nicht modernisiert, sondern im alten Zustand wiederhergestellt. Zu den Instandsetzungsarbeiten ausführlich: Haeutle 1883, Bd. I, S. 88–94. Sogar noch 1693 entschied sich Max Emanuel die durch den Brand beschädigten Decken in den Kaiserzimmern wiederherstellen zu lassen; ebd. S. 92. 123 Der Contrefaitgang wurde jeweils um neuere Porträts ergänzt. Ein Raum wie der Herkulessaal blieb nahezu unverändert, allein weil die offensive Herkules bavaricus- und Kaiserthematik über Jahrzehnte angemessen war.

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16  München, Residenz, Kaiserhoftrakt, Detail des Gesamtplans (vgl. Abb. 15) 1 Kaisertreppe 2 Kaisersaal 3a-g Kaiserzimmer 4 Galerie (Theatinergang) 5 Contrefaitgng 6 Herkulessaal 7a-g Ratszimmer (ab 1722 Appartement des Kurprinzen Karl Albrecht und der Kurprinzessin Maria Amalia)

„figure de’ Imper.ri della Casa di Baviera, trà quali è Carlo il Magno, da cui ha questa casa l’origine“ erwähnt124 –, als vielmehr in den Appartements. Dort wurden große Veränderungen vollzogen, die einer aktuelle politische Ziele betreffenden Repräsentation dienten; bemerkenswerterweise dabei zunächst, wie noch näher zu erläutern sein wird, im Appartement der Kurfürstin. Die Münchner Residenz wurde somit im 17. und 18. Jahrhundert von einem Miteinander von Alt und Neu geprägt, das immer wieder neu durchdacht und durch Integrationslösungen neu inszeniert wurde. Die offenbar bewusst in ihrem ursprünglichen Zustand belassenen Bereiche (Säle wie der Herkulessaal, Porträtgalerien wie der Contrefaitgang, aufwändig dekorierte Gänge wie der Theatinergang) dienten dabei als wichtige Verbindungsbereiche zwischen den modernisierten Appartements, gerade wenn auf die Audienz beim Kurfürsten die Audienz bei der Kurfürstin folgte.125 Auch hier zeigt sich ein Unterschied zum französischen Schloss, etwa Versailles (Abb. 17), wo die Besucher 124 BayHStA, KL Fasz. 471, fol. 43. 125 Als Beispiel: Am 30. Januar 1667 war ein Savoyischer Gesandter in München zu Besuch. Nachdem er bei Kurfürst Ferdinand Maria Audienz erhalten hatte, begab er sich nach dem Abendessen in das Appartement Henriette Adelaides, wo „durch die Churfürstin selbsten mit ihren Frauenzimmer ist ein Commedy gehalten worden“. Dazu Graf 2002, S. 21. Bei Bischoff 2003, 77f., heißt es für das 18. Jahrhundert, dass man zuerst bei der Fürstin war; das bestätigen jedoch die Memoriale und Zeremonialprotokolle für das 17. Jahrhundert nicht. Auch unter Max Emanuel folgte erst auf den Besuch beim Kurfürsten derjenige bei der Kurfürstin. Vgl. den Bericht Lanterys vom 1. Dezember 1685 (AST, LettM, Baviera, M 8), wonach der Audienz beim Kurfürsten

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17  Versailles, Grundriss, nach 1702, Detail

die Galerie des Glaces durchqueren konnten, um vom Appartement des Königs in das der Königin zu gelangen. In der Residenz der Wittelsbacher hingegen kehrte man nach Abschluss der Audienz beim Kurfürsten auf demselben Wege zurück; man gelangte zur Kurfürstin, indem man nicht nur den Herkulessaal, sondern auch die daran anschließende Ahnengalerie (Contrefaitgang) durchquerte, die durch diese sehr häufige Nutzung eine große Bedeutung im repräsentativen Gefüge einnahm (Abb. 15, Nr. 7).126 Nach der Hochzeit des Sohnes von Max Emanuel, des Kurprinzen Karl Albrecht mit der Habsburgerin Maria Amalia 1722, bezog das junge Paar zunächst ihre Wohnräume in den sogenannten Trierzimmern, den ehemaligen Ratszimmern, im östlichen Flügel

die Audienz bei der Kurfürstin folgte „nel suo gran gabinetto, presente la Sig.ra Maggiordoma, le Dame della Camera, alla quale prima di rendere la lettera di V. A. R. “. 126 Die Habsburger hatten eine leicht abgewandelte Lösung: In der Wiener Hofburg waren die beiden Appartements durch den „Kontrollorgang“ miteinander verbunden, über den zur Audienz Geladene ohne Durchqueren der kaiserlichen Privatgemächer vom Kaiser zur Kaiserin hinübergeführt wurden; dieser Gang – er führte im Mezzanin des Leopoldinischen Traktes von der Ritterstube des Kaisers zur Wartstube der Kaiserin – war notwendig gewesen, da es nicht erlaubt war, durch das Cabinet des Kaisers hinüber zur Kaiserin zu gehen. Vgl. zu Wien auch Keller 2005, 141. Zur Theorie hinsichtlich der Bedeutung dieser Gänge vgl. Furttenbach 1640, S. 52

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des Kaiserhoftraktes (Abb. 16, Nr. 7a-g).127 Als Karl Albrecht 1726 die Regierung antrat, fand sich der kaiserliche Botschafter zunächst bei ihm zur Audienz ein, danach bei der Kurfürstin, zu der er über den Herkulessaal, den Contrefaitgang, den Theatinergang und schließlich den Kaisersaal gelangte. Die Säle, Galerien und Gänge erhielten auf diese Weise eine bedeutende Rolle – in räumlich-kommunikativer wie inhaltlich-ikonographischer Hinsicht. Diese Beobachtungen sind für unsere Fragestellung außerordentlich wichtig: Der Aspekt einer graduellen und partikularen Adaption fremder Modelle, ihre Anpassung an die gegebenen Bedingungen und an das jeweilige Publikum war schon bei der Fassade und damit der Außenwirkung der Residenz im städtischen Raum – nämlich im Sinne eines Verzichts auf Modernität – deutlich geworden. Es erscheint zudem sehr wichtig, die Veränderungen des 17. Jahrhunderts genau zu betrachten, weil sich in dieser Zeit wie allgemein an den europäischen Höfen die Raumfolge des Appartements weiter ausdifferenzierte,128 weil in dieser Zeit Strukturen geschaffen wurden, auf die auch die späteren Umbauten im 18. Jahrhundert noch gründen oder die bewusst verändert wurden.129 Doch bevor wir uns den Appartements – zunächst demjenigen der Kurfürstin – zuwenden, sei kurz auf Motivationen und Anlässe für die aufwändigen Umbauten verwiesen.

Die 1660er Jahre: Politischer und ökonomischer Wandel Henriette Adelaide ließ ab Mai 1666 das an der Schwabinger Gasse und am Alten Residenzgarten gelegene Appartement der Kurfürstin umbauen (Abb. 15). Zumeist wird diese Maßnahme mit dem Tod der Schwiegermutter Maria Anna (1665) in Verbindung gebracht: Jetzt habe endlich die Möglichkeit bestanden, auch größere Bau- und Ausstattungsprojekte in Angriff zu nehmen.130 Jedoch erscheint dies als eine zu einseitige Begründung, die zudem die Sicht auf die Person Henriette Adelaide, ihr persönliches Bestreben, zu sehr betont. Dabei ist es ohne Zweifel ein Faktum, dass der Tod Maria Annas der nun stärker in den politisch aktiven Mittelpunkt rückenden Kurfürstin „Raum“ verschaffte (schließlich wurden ja die von Maria Anna genutzten Räumlichkeiten umgebaut). Zugleich aber wurden der Kurfürstin neue repräsentative Aufgaben zugedacht.131 127 Graf 2002, S. 156. 128 Das Appartement im europäischen Vergleich stellt in der Forschung noch immer ein Desiderat dar; vgl. die Tagung „L’appartement monarchique et princier en France et dans les pays germaniques 1650–1750: Architecture, décor, cérémonial“, Deutsches Forum für Kunstgeschichte/Centre allemand d‘histoire de l‘art (8.-10.6.2006), Akten im Druck; zur Zeit um 1600 vgl. Hoppe 1996. 129 Ich stimme hier nicht mit Eiermann 1995, S. 16, überein, der die Umbaumaßnahmen an zeremoniell neuralgischen Punkten in deutschen Residenzen zwischen 1700 und 1720 ansetzt. 130 Klingensmith 1993, S. 119; Bary 2004, S. 236. 131 Auch wenn man ihre politische Rolle und Bedeutung nicht überbewerten sollte. Die Einzelheiten der Diskussionen, die vor allem bei Doeberl und Preuss kontrovers sind, sollen hier nicht weiter interessieren.

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So berichtet sie 1666 dem Bruder in Turin von ihrer Aufnahme in den Geheimen Rat132 – ein Zeichen für die seit vierzehn Jahren erhoffte und nun endlich erreichte Gleichberechtigung am Hof. Jedoch gilt es, über die Person Henriette Adelaide hinaus noch auf weitere Hintergründe und Motivationen für den Umbau aufmerksam zu machen, die bereits weit vor dem Tod der Habsburgerin Maria Anna zu beobachten sind und die allgemein auch die nach dem Dreißigjährigen Krieg einsetzende gesamteuropäische Umbauphase einiger Residenzen erklärt. Als grundlegend für die künstlerischen Projekte der Wittelsbacher in den fortgeschrittenen 1660er Jahren sind die politischen und ebenso die ökonomischen Veränderungen zu beachten. Die ab ca. 1663 neu formulierte besondere Rolle Kurbayerns innerhalb der europäischen Mächte, die der zurückhaltenden Neutralitätspolitik des Kurfürsten Ferdinand Maria im vorangegangenen Jahrzehnt entgegensteht, wurde bereits im Zusammenhang mit den Reisen des Herzogs Maximilian Philipp erwähnt. Das bedeutendste Ereignis indes, auch als Motivation für eine gewandelte, nämlich ehrgeizigere kurfürstliche Repräsentation, war die langerwartete Geburt des Kurprinzen Max Emanuel am 11. Juli 1662.133 Sie verschaffte den Wittelsbachern innerhalb der großen politischen Wandlungen dieser Jahre eine optimale Ausgangslage134 – Wandlungen, die stark von dem Kräftespiel zwischen Habsburg und Bourbon geprägt waren. Am 1. November 1661 war der einzige legitime Sohn des spanischen Königs Philipp IV., Felipe Prosper, gestorben. Im selben Jahr meldete das Haus Bourbon die Geburt des Dauphin: Zwischen dem spanischen König und dem Dauphin Frankreichs stand niemand mehr. Bekanntlich begann Ludwig XIV. seine Memoiren, in denen er die damalige imposante Stellung Frankreichs im Rat der europäischen Völker großzügig schildert, mit dem Geburtsjahr des Dauphin, „composé pour le Dauphin“. Nur wenige Tage nach der Geburt des Dauphin wurde Spanien ein neuer Erbe, der spätere König Karl II., geboren, ein schwächliches und krankes Kind. Als somit Philipp IV. 1665 starb, hinterließ er ein unmündiges, kaum lebensfähiges Kind, zudem ein Testament, welches noch einmal die Bourbonen mit allem Nachdruck von der spanischen Nachfolge ausschloss, das jedoch für die Wittelsbacher von großer Bedeutung sein würde.135 Die österreichischen Habsburger traf es kaum besser als die spanischen: Schon im November 1663 schrieb Henriette Adelaide ihrem Bruder Carlo Emanuele II. nach Tu132 Merkel 1892, S. 112. 133 Dem französischen Hof wurde davon nicht berichtet, wie auch der kurbayerische Hof von der Geburt des Dauphin nicht in Kenntnis gesetzt worden war; aber auch Österreich blieb außen vor: Paten des Kurprinzen waren der Savoyer Herzog Carlo Emanuele II. und Kurfürst Maximilian Heinrich von Köln. Als der zweite Sohn 1665 geboren wurde, Prinz Ludwig Amadeus Cajetan, waren nicht mehr die Meldung an den Kaiserhof oder die Gesandtschaft nach Turin primär wichtig, sondern die Benachrichtugung des Königs in Frankreich; Ludwig XIV. übernahm die Patenschaft. 134 Vgl. jüngst auch den Bericht des Marchese Federico Pallavicino von der Taufe Max Emanuels 1662; Tipton 2008. 135 Dazu Karl Theodor Heigel, Kurprinz Joseph Ferdinand von Bayern und die spanische Erbfolge 1692–1699, in: QA, 1884, S. 103 (Auszug).

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rin, dass das Haus Österreich auf sehr schwachem Fundament stünde.136 Im selben Jahr starb der letzte männliche Habsburger, Erzherzog Sigismund Franz von Innsbruck. Die Frage der Wahl eines römischen Königs wurde relevant, und diesmal wäre der Wittelsbacher Kurfürst Ferdinand Maria wohl bereit gewesen. Vorab aber rückte die Möglichkeit ins Blickfeld, bei einem in Aussicht stehenden Aussterben der österreichischen Habsburger die Ansprüche Bayerns auf Teile der Erbländer zur Geltung zu bringen. Wie Lionne, der französische Staatssekretär des Auswärtigen, schon vor dem Tod des Herzogs andeutete, würde Frankreich Bayerns Bestrebungen unterstützen.137 Der Anspruch des Hauses Wittelsbach auf das Habsburgische Erbe bedurfte der europäischen Garantie, die ohne Frankreich nicht denkbar war.138 So wurden auf dem neu einberufenen Reichstag zu Regensburg 1663/64 die Kontakte zu Frankreich seitens der Wittelsbacher intensiviert, während sich die bayerisch-österreichischen Gegensätze vertieften. Weitere personelle Konstellationen in der Wittelsbacher Politik ermöglichten zudem eine Zusammenarbeit mit Frankreich: der Tod des Obersthofmeisters Graf Kurz 1662, der an der Spitze nicht allein der Hof-, sondern auch der Staatsverwaltung gestanden hatte, die Berufung des Grafen von Fürstenberg und schließlich besonders der Eintritt Kaspar von Schmids, des weitsichtigen bayerischen Staatsmannes, in den Geheimen Rat. Ohne jedoch allzu tief in die Verzweigungen der kurbayerischen Österreich- und Frankreich-Politik zu geraten, ist festzuhalten, dass die politische Ausrichtung in den frühen 1660er Jahren „internationaler“ wurde. Die Bemühungen Henriette Adelaides um einen intensiveren Austausch mit Frankreich waren dabei nur ein Mosaikstein dieser Wittelsbacher Politik.139 Der Tod der Kurfürstin Maria Anna, der Witwe Maximilians I., am 25. September 1665 gemahnte wiederum an die alten Ansprüche Bayerns auf die österreichischen Erblande. So heißt es in einem Schreiben Gravels vom Sommer 1665: „La mort de cette princesse avoit laissé l’Electeur en pleine liberté de connaistre ses veritables interets.“140 Schließlich wurde in diesem Zeitraum der Entschluss im Hause Wittelsbach gefasst, die

136 Verweis bei Bary 2004, S. 177. 137 Preuss 1904a, S. 212. Schon am 8. Dezember 1662 erging an Henriette Adelaide der berühmte Brief Lionnes, der auch die Räte des Kurfürsten aufhorchen ließ und neue Perspektiven eröffnete – man berief sich in diesem Brief auf die einstige Verbindung Frankreichs mit Maximilian I. Dazu Preuss 1903, S. 189ff. 138 Kraus 1983, S. 301. 139 Zu Henriette Adelaide und Frankreich vgl. auch Bary 2004, S. 265–275. Ihr Bruder, Carlo Emanuele II., missbilligte indes das blinde Vertrauen und die enge Bindung seiner Schwester zum französischen Hof. 140 Es heißt weiter: „[...] et l’Empereur Leop. se trouvant sans enfant et le seul Prince de sa Maison par la mort de l’Archiduc d’Inspruck arrivée au mois de Juin precedent, l’El. De Bav. crut qu’il estoit tems de songer à parvenir a cette Dignité et qu’il devoit de bonne heure prendre ses mesures pour profiter des circonstances favorables qui pourroient arriver soit par la mort de l’Empereur, soit par le dessein que les Electeurs pourroient avoir d’eslire un Roy des Romains du vivant de l’Empereur.“ Zitiert nach Preuss 1904a, 213f.

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älteste Tochter Marianne Christine mit dem Grand Dauphin von Frankreich zu vermählen.141 Die Heiratsidee ging vom französischen König selbst aus: Le Roy luy [Ferdinand Maria] fit proposer de s’unir avec sa Majesté par une alliance dont le lien seroit une convention de mariage entre Monseigneur le Dauphin et la P.sse Electorale de Bav., fille de cet Électeur.142

Mit dem Tod der Habsburgerin Maria Anna erhielten nicht nur die betont international ausgerichteten, ambitionierten politischen Bestrebungen am Wittelsbacher Hof nochmals einen Schub, sondern es gelangte auch – und das wird noch näher interessieren – eine stark habsburgisch geprägte Kultur an ihr Ende. Die politischen Annäherungen der Wittelsbacher an die Bourbonen erfolgten zu einer Zeit, als Frankreich in den Ruf einer der ersten Finanzmächte Europas kam.143 Wirtschaftliche Faktoren gingen also den Veränderungen im künstlerischen Bereich voraus. Frankreichs Wirtschaftspolitik auf Deutschland zu übertragen, wurde dabei ein Losungswort der französischen, ja selbst der antifranzösisch gesinnten Kreise. Und die französische Diplomatie verstand es, die wirtschaftlichen Erfolge ebenso der auswärtigen Politik dienstbar zu machen.144 Auch in Kurbayern lassen sich diesbezügliche Veränderungen beobachten: Die 1660er Jahre – die Jahre, in denen die ersten großen Bauprojekte zu verzeichnen sind – waren nicht allein von einer politischen Öffnung, sondern auch von ökonomischen Bemühungen und Fortschritten geprägt. In seinem Bericht über den Wiener Kaiserhof erwähnt Pufendorf Anfang der 1670er Jahre: es möchte denn etwan Kurbayern sein, als den ich wegen der in seinem Lande im Schwang gehenden Oeconomie fast für den mächtigsten unter den deutschen Herren rechnen muss [...].145

Dass diese Entwicklung gerade von österreichischer Seite mit Argwohn beobachtet wurde, bestätigen auch die Zeilen des Reichsvizekanzlers Königsegg 1673, der über das große Interesse des Kurfürsten an der „yberflissigen hofhaltung, beschenkchung der Wellischen und dergleichen“ berichtet.146

141 Auch Bombellis Porträtreihe, die 1666 in Auftrag gegeben wird, muss in diesem Kontext verstanden werden. 142 Zitiert nach Preuss 1904a, S. 222. 143 Seitdem Colbert zur obersten Leitung der Finanzverwaltung berufen worden war. In diese Zeit datieren kurbayerische Versuche, auf wirtschaftlichen Weg eine politische Annäherung an Frankreich zu forcieren. Es gab noch ein ein kürzeres und rascheres Verfahren des „tirer de l’argent“, das waren französische Subsidiengelder; diese volkswirtschaftliche Entwicklung wurde in der Umgebung des Vizekanzlers Kaspar von Schmid ventiliert, Bayern würde um etliche 100000 Gulden reicher gemacht, da das Geld im Lande selbst Verwendung fände; „die landleute würden [...] sich nach und nach oder auch bald wieder erholen“. Zit nach Doeberl 1898, S. 195. 144 Doeberl 1928, S. 39. 145 Pufendorf 1671/74 (1862), S. 91. 146 Königsegg 1673 (1903), S. 2.

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Das Wirken des Kurfürstenpaars (nicht allein Henriette Adelaides) ist dabei besonders hervorzuheben: Die Kurfürstin holte – vielleicht auf Anraten des am Münchner Hof 1664–66 beschäftigten und hier bereits mehrfach zitierten Ökonomen Joachim Becher – Vertreter des Handels und des Gewerbes aus Italien nach Bayern; hier harmonierte sie mit den merkantilen Bemühungen ihres Gemahls Ferdinand Maria, dem sehr viel daran gelegen war, nicht nur die unmittelbaren Einkünfte des Fiskus zu mehren, sondern auch den materiellen Wohlstand seiner Untertanen zu heben durch Förderung der Landwirtschaft sowie des Gewerbes und des Handels: Ein landesfürst ist reich genug, wenn in seinem lande viel geld ist; denn der herrschaften schatz und reichtum besteht in der privaten reichtum.147

Bei seinen wirtschaftspolitischen Absichten hat Ferdinand Maria in erster Linie an den Ausbau von Manufakturen gedacht.148 Bestärkt wurde er in dieser Gesamttendenz von Joachim Becher, der, wie schon erläutert, zwar nur wenige Jahre in München, mit mäßigem Erfolg, weilte,149 dessen Anregungen aber doch die Wirtschaftspolitik bis weit ins 18. Jahrhundert bestimmt haben. Das Ziel seiner Maßnahmen war die Anregung zur Gründung eigener Manufakturen im bayerischen Kurfürstentum.150

Umbaumaßnahmen an europäischen Höfen Umwälzende politische und ökonomische Faktoren begleiteten und förderten somit die Wittelsbacher Bauprojekte der 1660er Jahre, jedoch sind darüber hinaus gerade die aufwändigen Umbauarbeiten in der Residenz auch innerhalb eines erweiterten europäischen 147 Doeberl 1898, S. 165, zitiert aus einem ökonomischen Gutachten von 1670. Zudem ist es wichtig zu erwähnen, dass in den 1660er Jahre mehrere Monopole gegründet wurden, etwa das Weißbier- und das Tabakmonopol. 148 Sie erschienen am geeignetsten, der merkantilistischen Grundabsicht zu entsprechen, die eigenen Rohstoffe zu veredeln und dadurch hohe Gewinne ins Land zu ziehen. Vgl. den instruktiven Überblick über die kurbayerische Wirtschaftspolitik bei Kraus 1983, S. 280–298. 149 Der Aufenthalt des Ökonomen Becher am Münchner Hof 1664–66 war indessen nicht so erfolgreich: Seine Vorschläge hinsichtlich eines Kaufhauses und eines Werkhauses scheiterten jedoch nicht am Interesse des Kurfürsten, sondern an den Kaufleuten, die sich in ihrer Handelsfreiheit und ihren Privilegien bedroht fühlten und ein Staatsmonopol fürchteten. Sie erhielten Unterstützung von etlichen Mitgliedern des Geheimen Rates und sogar von der Geistlichkeit. Alle Versuche, das Steuervolumen durch die Etablierung neuer Gewerbezweige, vor allem anhand einer zielgerichteten Einführung von Manufakturen zu vergrößern, schlugen zu jenem Zeitpunkt noch fehl. Erst unter Karl Albrecht war dem mehr Erfolg beschieden. Vgl. noch genauer Kraus 1992, S. 114ff. 150 Dies waren Gewerbebetriebe, die unabhängig waren von den einengenden Produktionsvorschriften der Zünfte, die deshalb in der Lage waren, Fertigungstechniken zu übernehmen, welche durch teilweise Mechanisierung die Produktion von Massengütern ermöglichte; vgl. Kraus 1983, S. 281. Schon Maximilian I. hatte versucht, durch die Einrichtung einer Gobelinmanufaktur in München unabhängig von der Brüsseler Manufaktur zu werden.

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Bezugsfeldes zu analysieren, denn ungefähr zeitgleich sind an einigen europäischen Höfen größere Modifikationen zu beobachten. Sie sind der schon mehrfach genannten zunehmenden Intensivierung der zwischenstaatlichen Kommunikation im Rahmen der Entstehung der neuzeitlichen Diplomatie geschuldet, an deren Gestaltung auch Kunst, das heißt: der künstlerische Austausch und der Diskurs über die jeweilige Repräsentationskultur, einen wichtigen Anteil hatten. Zudem sind allgemein an den europäischen Höfen der wachsende Hofstaat und das dementsprechend aufwändigere, auch kostspieligere Zeremoniell zu beobachten.151 Nicht erst um 1700 sind dabei größere Bauprojekte zu verzeichnen,152 sondern bereits in den 1660er Jahren, wenn auch in einem etwas kleineren Rahmen. Die Planungen für den Umbau des Kurfürstinnenappartements in München Mitte der 1660er Jahre korrellierten also mit Maßnahmen, die ebenfalls an anderen bedeutenden Höfen zu beobachten waren. Man denke an die Diskussionen um den Louvre-Umbau in Paris153 oder auch an den nach dem Regierungsantritt Kaiser Leopolds I. (1658) durch Philiberto Lucchese in Angriff genommenen Bau des Leopoldinischen Traktes der Wiener Hofburg,154 von dem man in München sicherlich wusste. Die auf dem Stich Salomon Kleiners abgebildete Hofburg-Fassade zur Vorstadt (Abb. 18) zeigt eine reich gegliederte kolossale Pilasterordnung, die durchaus den Formen der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts entsprach, während Leopold I. die Burgplatzfassade gemäß dem Vorgängerbau gestalten ließ, hier also eine retrospektive Architektursprache wählte.155 Der Leopoldinische Trakt war 1666 fertiggestellt, rechtzeitig zur Vermählung des Kaisers mit Margareta Theresa von Spanien156 – somit zur selben Zeit, als der Umbau des Kurfürstinnenappartements in der Münchner Residenz gerade begonnen worden war. Diese tatkräftigen Bemühungen der Habsburger um eine zumindest in Teilen aktuelle und angemessene bauliche Repräsentation wurden begleitet von ständigen Reformdiskussionen um Hoftstaatgröße und Zugänglichkeit von bestimmten Räumen im kaiserlichen Appar-

151 Vgl. etwa hinsichtlich des wachsenden Hofstaats bei den Medici, der sich zwischen 1609 und 1692 verdoppelt hat, Fantoni 1994, S. 30. Zu Savoyen vgl. Isabella Massabò Ricci u. Claudio Rosso, La corte quale rappresentazione del potere sovrano, in: Figure del barocco 1988, S. 12–40, Anhang S. 30–38. 152 Um 1700 wird in der Forschung mit Verweis auf zahlreiche Rangerhöhungen bei den Reichsfürsten zumeist die Zäsur gesetzt. 153 Zuletzt Petzet 2000; Erben 2004. Im Rahmen der umfangreichen Literatur zu diesen Umbauarbeiten wird das Innere des Baus mit seiner Distribution relativ zurückhaltend bearbeitet. 154 Seit 1660. Es wurde der den Schweizertrakt mit der Amalienburg verbindende Basteigang umgebaut. Dazu Moritz Dreger, Baugeschichte der K. K. Hofburg in Wien, Wien 1914, S. 180ff. (Baugeschichte), S. 167ff. (zur Außenseite), S. 211ff. (Innen); Benedik 1990/91; Graf 1997, S. 575–583; Graf 2002, S. 112–116. Vorher, also unter Ferdinand III., wurde im ersten Obergeschoss des Schweizertrakts der Hofburg residiert. 155 Benedik 1989, S. 30. 156 Die Hochzeit mit der Tochter König Philipps IV. fand am 12.12.1666 statt.

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18  Wien, Hofburg, Leopoldinischer Trakt, Kupferstich, Salomon Kleiner

tement; so sah etwa eine Habsburger Vorzimmerordnung von 1666 eine weniger restriktive Zugangspraxis als noch unter Ferdinand III. vor.157 Nicht minder wichtig als die in Paris und Wien erkennbaren Unternehmungen sind die Bautätigkeiten und Umbauarbeiten in den Residenzen oberitalienischer Höfe. In Italien hatten sich nach den großen Renaissance-Höfen (Neapel, Mailand, Urbino, Ferrara und Mantua) im 17. Jahrhundert fast zeitgleich vier neue große Höfe herausgebildet: die Medici in Florenz, die Farnese in Parma, die Este in Modena und die Savoyer in Turin.158 Zudem waren die Bindungen dieser Höfe zu Dynastien nördlich der Alpen vor allem ab der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts sehr eng.159 Italien war mit seinen Höfen trotz des zunehmend wichtiger werdenden „Modells Frankreich“ noch immer 157 Dazu Hengerer 2004, S. 233–242, besonders S. 239ff. Auch innerhalb des Appartements war die feine Abstufung der Räume, gerade auch was die Antichambres anbelangt, wichtig. Vgl. auch Rohr 1733 (1990), S. 78, zur Unterscheidung zwischen den Kaisern Leopold und Joseph; letzterer war weitaus strenger. 158 Zu Hof und Hofkultur in Italien vgl. die Beiträge in: Vivere a Pitti 2003; besonders auch Fantoni 1994; Jarrard 2003, besonders S. 116ff. 159 Für unsere Perspektive ist die Vermählung der Schwester Max Emanuels mit dem Großherzog Ferdinando III. Medici 1690 am wichtigsten. Vgl. ebenso Johann Wilhelm von der Pfalz und Anna Luisa de’ Medici sowie Sophia Dorothea von Pfalz-Neuburg und Odoardo Farnese 1688, nach dessen frühen Tod 1693 ihre Vermählung mit Francesco I. Farnese in Parma. Dazu Marzio dall’Acqua, Dorothea-Sophia von Pfalz-Neuburg, Gemahlin des Prinzen Odoardo Farnese und

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von großem Interesse, weil dort – aus der Notwendigkeit der politisch-geographischen Umklammerung, gerade nach den Bestimmungen des Westfälischen Friedens – auf die neuen politischen Veränderungen reagiert wurde,160 mit unterschiedlicher Geschwindigkeit und unterschiedlichem Erfolg. Auch hier gingen die baulichen Veränderungsmaßnahmen mit zeremoniellen Modifikationen, mit Einschränkungen oder Erweiterungen beim Zugangsrecht einher. In Florenz etwa wurden die Bestimmungen nach 1648 eher verschärft.161 Der zeremonielle Aufwand, der zudem viel Geld gekostet hat, ist also auch in Italien zu beobachten; so berichtet der venezianische Botschafter Alvise Sagredo in den 1660er Jahren über den Savoyer Hof in Turin, dass sich dort sehr viel verändert habe –­ der alte Duca, Carlo Emanuele I., sei noch zufrieden gewesen mit „una sola stanza destinata ugualmente al letto, alla mensa, alle udienze ed al dispaccio“.162 Welches Verständnis von „Italien“ aber war am Münchner Hof ab der Mitte des 17. Jahrhundert relevant? Welches „Italien“ war interessant? Es wird vor allem das fürstlich geprägte Italien gewesen sein, besonders der Turiner Hof ohne Zweifel allein aufgrund der verwandtschaftlichen Beziehungen, an dem ebenso um 1660 einige Veränderungen zu beobachten sind; darüber hinaus aber auch der Hof der Farnese in Parma, denn eben dort residierte bis zu ihrem Tod 1663 die Schwester Henriette Adelaides, Margherita Violante, als Gemahlin des Herzogs Ranuccio II. Farnese (seit 1660).163 Schließlich auch der Florentiner Hof der Medici – dort fanden, wie angedeutet, in den 1650er und 1660er Jahren größere Hofumstrukturierungen statt; anschaulich wird das in der Norma per la Guardaroba des Diacinto Maria Marmi 1663. Hier haben sich auch Grundrisszeichnungen erhalten.164 Die Este in Modena waren vermutlich kaum im Fokus des Wittelsbacher Interesses.165 Und auch Venedig wird weniger für das Konzept herrschaftlichen Bauens als vielmehr für die Festkultur von Bedeutung gewesen sein.166 Rom als mutmaßliches Modell erweist sich als noch problematischer: Denn bei den römischen Palästen ist es fraglich, ob mit nicht-dynastisch geprägten Familien ein des Herzogs Francesco Farnese von Parma, in: Das Haus Wittelsbach und die Europäischen Dynastien (= ZBLG, 44, 1981), S. 303–316. 160 Braudel 1999 hat das Bild eines „Untergangs“ des Modells Italien gezeichnet; vgl. als neuere Sicht: Gregory Hanlon, Early Modern Italy, 1550–1800. Three Seasons in European History, London 2000. 161 Vgl. hierzu Tofani 2003, S. 117ff., zur Hofreform von 1648 ebd. S. 127. Auf dem Land und in den anderen Residenzen in Pisa oder Livorno war es nicht so rigide; auch nicht im Sommerappartement im Palazzo Pitti. Im Piano nobile gab es, wie es das regolamento und die dazugehörigen Pläne preisgeben, eine deutliche Unterscheidung zwischen Prima und Seconda Anticamera. 162 Zitat bei Merkel 1892, S. 362, Anm. 2. 163 Die Korrespondenz der Schwestern ist noch nicht umfassend gesichtet worden. Teilweise bei Merkel 1892. 164 Tofani 2003; Fantoni 1994; Palazzo Pitti. L’arte e la storia, hrsg. v. Marco Chiarini, Florenz 2000, S. 79f. 165 Zum besonderen Schicksal der Este vgl. Jarrard 2003. 166 1667 fand die Venedigreise des Kurfürstenpaares statt. Als wichtigstes Festobjekt ist natürlich der an venezianischen Vorbildern orientierte Bucintaur zu nennen; dazu Kurz 1993.

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Identifikationsmoment und damit ein grundlegendes Kriterium des Modellhaften überhaupt zu vermuten ist.167 Der Palazzo Barberini, sicherlich der berühmteste und meist geschätzte römische Palast im 17. Jahrhundert, wird daher eher durch die Adaption und Transformation durch norditalienische Fürsten oder – im Falle der Wittelsbacher – auch durch ehemalige Mitarbeiter Berninis, wie dem ab 1672 als Hofbaumeister in München beschäftigten Architekten Enrico Zuccalli, von Interesse gewesen sein.168 Das „Modell Italien“ ist somit weit schwieriger zu fassen als das „Modell Frankreich“. Das liegt nicht allein an den regierungsspezifischen Unterschieden, sondern vor allem auch an dem Grenzfall Savoyen: Turin als „italienisch“ zu bezeichnen, ist bedenklich. Savoyen lag im italienisch-französischen Spannungsgebiet.169 Beide Sprachen und Kulturen waren dort vertreten. Trotz weitgehender politischer Selbständigkeit des Herzogtums Savoyen-Piemont war dieses Land seit 1361 sogar Lehensgebiet des Heiligen Römischen Reiches, ein Mitglied des Oberrheinischen Kreises. Madama Reale, Cristina di Francia, versuchte für ihren Sohn Carlo Emanuele II. das Reichsvikariat in Oberitalien wieder zu erlangen; ebenso hatte sie für ihn schon bei den Friedensverhandlungen 1648 die neunte Kurwürde beantragt und zwar unter Bezugnahme auf die angeblich sächsische Abstammung des Hauses Savoyen.170 Sie strebte damit nach denselben Befugnissen – Kurwürde und Reichsvikariat –, die sich Kurfürst Maximilian I. für Kurbayern in Münster hat be-

167 Jarrard 2003, 109, verweist zu Recht darauf, dass das römische päpstliche Modell für die Este nicht nachahmenswert für einen Fürsten gewesen sei. 168 Es wird ein „Sr Erigo Zuccalli Architetto“ als Mitarbeiter an den Umbauabeiten des Palazzo Barberini erwähnt. Waddy 1990, S. 268, zitiert eine Quelle (in Übersetzung), wonach dieser am 17.  Juni 1672 bezahlt wurde. Da Rechnungen oftmals später beglichen wurden, könnten sich diese Quellen durchaus auf den Graubündner Architekten beziehen, der sich ab 1669 in München aufgehalten hat. Zu Zuccalli zuletzt: Niedersteiner 1997, S. 299–313; neue Erkenntnisse vor allem zu der Zeit, bevor er an den Münchner Hof kam, S. 302: In einem Brief vom 15.4.1694 schrieb Zuccalli, er sei in Rom gewesen, nach Frankreich gegangen und über Pistoia wieder nach Rom zurückgekehrt, dies liege schon 33 Jahre zurück. Ein weiterer Aufenthalt ist für 1667/68 nachgewiesen. 169 Die schwankende Rolle Piemonts in den Kriegen des 17. Jahrhunderts und im Spanischen Erbfolgekrieg erklärt sich aus den politisch-geographischen Gegebenheiten. Sie sind laut Forschung die Ursache für die oft widersprüchlich erscheinenden Schachzüge der Herzöge von Savoyen. Höhepunkt dieser Schachzüge war der Erwerb der Königskrone im Vertrag von Utrecht 1713. Savoyen nahm zwischen Frankreich und Spanien eine ähnliche Zwischenstellung ein wie Bayern zwischen Frankreich und Österreich. Da Mailand in spanischen Händen war, spielten Savoyen und Turin als Einfallstor nach Italien und als Sperrriegel für die spanische Politik im Interesse Frankreichs immer eine hochbedeutende politische Rolle. Zu Savoyen im 17. Jahrhundert u. a. Sven Externbrink, Le coeur du monde. Frankreich und die norditalienischen Staaten (Mantua, Parma, Savoyen) im Zeitalter Richelieus 1624–1635, Münster 1997; D. Gribaudi, Storia del piemonte, 2 Bde., Turin 1960; Jean Nicolas, La Savoie au 18me siècle. Noblesse et bourgeoisie, 2 Bde., Paris 1978. 170 Frankreich wusste dies im Westfälischen Frieden zu verhindern, um den Schlüssel zu Italien in den Händen zu behalten. Die Ausstattung des großen Festsaals im Turiner Palazzo Reale legt von der „sächsischen“ Abstammung Zeugnis ab.

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stätigen lassen.171 Doch gerade aufgrund der ständigen Bedrohung durch den mächtigen Nachbarn Frankreich war Savoyen zu einer waghalsigen Balancepolitik gezwungen, die um die Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert besonders erfolgreich war, als der Grundstein zum Aufstieg des Hauses Savoyen gelegt wurde.172 Auf die stark französisch geprägte Repräsentationskultur der Savoyer wurde bereits mehrfach im zweiten Kapitel hingewiesen: Die Bemühungen um das „Akkomodieren“ der jungen savoyischen Prinzessin Henriette Adelaide und die Korrespondenz zwischen ihr und den Turiner Familienangehörigen waren diesbezüglich sehr anschaulich. Die in den Umbauten der Münchner Residenz deutlich werdende Diskrepanz zwischen französisch-savyoischen Ausprägungen und den kurbayerischen Gegebenheiten werden daher umso aussagekräftiger sein.

Modifizierungen im Inneren der Residenz: Zur commodité im Appartement Es war das herrscherliche Appartement, welches in der Münchner Residenz besonders intensive Umbaumaßnahmen motivierte, und das überrascht kaum: Mit der Aufgabe „Appartement“ rückte im 17. Jahrhundert – vor allem im Zuge des sich ausdifferenzierenden Gesandtenzeremoniells – eine neue, von auswärtigen Besuchern genau beobachtete und kommentierte Aufgabe in das Blickfeld nicht allein des Architekten, sondern auch des Dekorateurs, des Malers und natürlich vor allem des Bewohners, des kurfürstlichen Repräsentanten. Dieser stand mit seinen an weiteren europäischen Höfen tätigen Beratern oder zeitweiligen Besuchern in enger Verbindung. Die hier vorgestellten Berichte des Diplomaten Graf Kurz, auch jene des Herzogs Maximilian Philipp von seinen Reisen sind sprechende Belege für das große Interesse der Fürsten an Struktur und Dekoration der Appartements ihrer europäischen höfischen Nachbarn und Konkurrenten. Der erhöhte diplomatische und damit zeremonielle Aufwand fand auch in der Münchner Residenz zunehmend im Appartement statt.173 Wie wir sehen werden, bildete das Appartement noch zu Beginn des 17. Jahrhunderts unter Kurfürst Maximilian I. einen mit Ausnahme der Ritterstube, Antekammer und des Audienzzimmers eher privaten Bereich. Wenn der Kölner Kurfürst Joseph Clemens indes im Jahre 1714 die 171 Heigel 1890, S. 7. Mit der von Maximilian I. eingefädelten Hochzeit seines Sohnes mit der Savoyer Prinzessin Henriette Adelaide wurde eine Erweiterung des eigenen Machtbereichs durch verwandtschaftliche Bindungen an Piemont angestrebt. Das bedeutete nach erreichter größerer Unabhängigkeit von den habsburgischen Reichen auch verstärkte Handlungsfreiheit gegenüber Frankreich. Das war keine reichsfeindliche Politik, sondern eine Stärkung des Reiches, weil die, wenn auch vage Möglichkeit bestand, Piemont wieder reichszugehörig zu machen; vgl. dazu auch Herzog 1943, S. 74. 172 Siehe jüngst Elisabeth Werdehausen, Turin 1713–1730. Die Kunstpolitik König Vittorio Amedeos II., Petersberg 2009. 173 Die Zunahme des zeremoniellen Aufwands zeigt sich u. a. anhand der Anzahl der Besuche; vgl. Graf 2002, S. 120.

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große Enfilade seines Appartements in der Bonner Stadtresidenz als „la plus belle chose de tout le palais“ bezeichnen wird,174 dann veranschaulicht diese Aussage die großen Veränderungen ab der Mitte des 17. bis ins frühe 18. Jahrhundert, die die Innendistribution und -ausstattung der Schlösser prägen: nämlich eine neue Gewichtung der politischrepräsentativen Nutzung gerade im Appartement, das sich mit seiner differenzierten Art der Strukturierung von Öffentlichkeit nahezu als Gegenpol zu den großen Zeremonialräumen darbietet. Ein Urteil über die Münchner Residenz wie dasjenige Gualdo Prioratos ist daher bei allen Schmeicheleien, die den gesamten Text durchziehen, sehr aussagekräftig: L’ordine delle stanze non può esser meglio compartito, e vi sono tanti appartamenti, che non hò mai veduto alcun’ altro Palazzo maggiore di questo.175

Was Gualdo Priorato 1668, höchstwahrscheinlich bezüglich der Appartements von Kurfürst und Kurfürstin, als „l’ordine delle stanze“ bezeichnet, ist als ein Verweis auf die commodité und Distribution zu verstehen, also auf die „Brauchbarkeit“, was die Nutzung der Räume anbelangt, sowie ihre Aufteilung und Anordnung.176 Implizit wird damit versichert, dass dank des Appartements (freilich im Verbund mit den Schlosshöfen, der Haupttreppe und dem Saal) der offizielle Empfang eines Gesandten oder hohen Gastes möglich und somit die politische Repräsentation auf angemessenem Niveau gesichert war. Die enge Verbindung künstlerischer Repräsentation und der Repräsentation von Macht benennt auch Furttenbach 1640 in der Erläuterung des Idealplans eines fürstlichen Palasts, indem er fordert, man solle besonderes Gewicht auf die „Commoditeten“ legen, „darmit man Ehr und Ruhm darvon erlangen möge“.177 Ein seit Vitruv lebendiges Prinzip wird hier angesprochen: Bei Vitruv firmiert die commoditas unter utilitas und damit – neben firmitas und venustas – unter einer der drei Hauptkategorien des Bauens.178 Sturm erläutert 1696 die commodité als „Bequemlichkeit“: Durch die Bequemlichkeit / verstehen wir eine solche Außtheilung eines Baues / daß alles zu seinem Gebrauche wohl gelegen und bey der Hand / und in keinem Stücke keine Verhinderung im wege sey.179

174 Joseph Clemens an Robert de Cotte, 11. Juni 1714; Joseph Clemens/Robert de Cotte 1712–1720 (1956), S. 20. 175 Gualdo Priorato 1668, S. 20. 176 Distribution (Disposition) und commodité sind eng verwandte Begriffe, die aber nicht synonym verwendet werden; vgl. Szambien 1986, S. 88f. Zur commodité in der französischen Architekturtheorie vgl. ebd., S. 85–91. Wichtige mit der commodité verbundene Begriffe sind convenance und bienséance. Kruft 1995, S. 158, weist dem Traktat von Cordemoy 1706 eine Schlüsselstellung zu. Vgl. auch Köhler 1996, S. 152–154. 177 Furttenbach 1640, S. 51 (Plan 17). 178 Vgl. aus der Perspektive der deutschsprachigen Architekturtheorie des 18. Jahrhunderts: Schütte 1986, S. 23. Schütte übersetzt firmitas, utilitas und venustas mit Dauerhaftigkeit, Brauchbarkeit und Ansehnlichkeit. 179 Goldmann/Sturm1696, S. 26.

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Der Erfolg des Architekten wird ab dem fortgeschrittenen 17. Jahrhundert zunehmend an der commodité und Distribution im Palast- und Schlossbau gemessen. So schreibt Tessin bei seinem Besuch des Palazzo Barberini 1688 in Rom zur Leistung des Architekten Bernini, er, Tessin, habe bisher „keine bessere plante von vertheilungen der zimbern, sähle und treppen gefunden alss eben dieses“.180 Es überrascht angesichts dieser großen Bedeutung der commodité nicht, dass sich die französischen Architekten gerade auf diesem Feld besonders bemühten – bekanntlich mit immensem Erfolg; so schreibt Pierre Patte 1767 zusammenfassend aus seiner französischen Sicht: Ce qui caractérise principalement l’accroissement que l’architecture a reçu sous ce règne, c’est l’art de la distribution des bâtimens. Rien ne nous a fait plus d’honneur que cette invention. Avant ce temps, on pouvoit dire, avec raison, de l’architecture, que ce n’étoit que le masque embelli d’un de nos plus importans besoins: on donnoit tout à l’extérieur & à la magnificence.181

Die Vorstellung vom großen Wert der französischen commodité verbreitete sich spätestens ab dem frühen 18. Jahrhundert in ganz Europa, unterstützt auch hier wieder von den Beschreibungskünsten französischer Autoren. Germain Brice vermerkt in seinem Paris-Führer 1706 im Zusammenhang mit dem Umbau des Hôtels de Beauvais – „à la mode & dans le goût Modern, qui est incomparablement plus commode & plus agréable“ –, dass man an dieser Stelle unbedingt hinzufügen müsse, que les Architectes François surpassent de bien loin dans cet article, ceux qui les ont précedé, & les Italiens même.182

Dass die Franzosen gerade auf dem Feld der commodité die Italiener übertroffen hätten, vermerkt auch Pierre Patte; vorher habe man sich hinsichtlich der Distribution an der Antike und Italien orientiert, mit dem Ergebnis, riesige und unbequeme Räume – „sans aucune commodité“ – gebaut zu haben: A l’exemple des bâtimens antiques & de ceux d’Italie que l’on prenoit pour modèles, les intérieurs étoient vastes et sans aucune commodité.183

180 Tessin 1687/88 (2002), S. 306. Zur Problematik der Zuschreibung der Umbauarbeiten in den 1670er Jahren vgl. Waddy 1990, S. 268ff. 181 Patte 1767, S. 5f. Zur Bedeutung der Distribution vgl. die Werke von Blondel 1737 und Briseux 1743 mit ihren programmatischen Titeln De la distribution des Maisons de Plaisance und L’art de bâtir des maisons de campagne, où l’on traite de leur distribution. 182 Brice 1706, Bd. I, S. 384f. 183 Patte 1767, S. 6. Er erläutert dies: „C’étoient des sallons à double étage, de spacieuses salles de compagnie, des salles de festin immenses, des galleries à perte de vue, des escaliers d’une grandeur extraordinaire; toutes ces pièces étoient placées sans dégagement au bout les unes des autres: on étoit logé uniquement pour représenter, & l’on ignoroit l’art de se loger commodément & pour soi.“

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Auch der Engländer John Ray bemerkt 1664 auf seiner Reise in Italien: „Yet are the noblemen’s palaces rather great and stately, than commodious for habitation.“184 In Frankreich habe man diesen Fehler laut Patte überwunden und sich auf seine eigene Erfindungskraft verlassen: Toutes ces distributions agréables que l’on admire aujourd’hui dans nos hôtels modernes, qui dégagent les apartemens avec tant d’art; ces escaliers dérobés, toutes ces commodités recherchées qui rendent le service des domestiques si aisé, & qui sont de nos demeures des séjours délicieux & enchantés, n’ont été inventés que de nos jours: ce fut au palais de Bourbon en 1722, qu’on en fit le premier essai, qui a été imité depuis en tant de manières.185

Leonhard Christoph Sturm wird 1699 gerade in der „Commodität“ den Unterschied zur italienischen Architektur benennen.186 Und Keyssler bemerkt auf seiner Europareise Ende der 1720er Jahre: [...] weil mehr auf das äußerliche und prächtige Ansehen als auf die innere Bequemlichkeit reflectiret wird, kömmt es, daß die italienischen Palläste zur Bewohnung gar nicht gelegen gebauet sind, indem die communicationes und degagements fehlen und man öfters durch fünf und mehrere Zimmer, die man schon gesehen hat, wieder zurück gehen muß, ohne eine andere Thüre zu finden.187

Die Defizite französischer Bauten werden aber dennoch wahrgenommen, mögen sie auch in der „Gemächlichkeit“ die italienischen Bauten übertreffen; so schreibt Johann Michael von Loen: Man siehet in Franckreich die schönste und artigste Gebäude; welche in der Gemächlichkeit denen italiänischen noch vorzuziehen sind; allein sie haben lange noch nicht ihr reiches und prächtiges Wesen.188

Mit diesen Verweisen sind wir bei der Problematik angelangt, wie die Kategorie der commodité hinsichtlich verschiedener Ausprägungen in den einzelnen europäischen Ländern zu differenzieren ist. Eine Adaption der französischen commodité in fürstlichen Schlössern des Alten Reichs ist angesichts unterschiedlicher Funktions- und Repräsentationsweisen ein sehr komplexer Vorgang, der von vielen Faktoren beeinflusst wurde – der oft auch überbewertet wird. Es gab zweifellos einige französisch geprägte Elemente auch in kurbayerischen Bauten wie die bei Patte gerühmten dégagements, die sich etwa in den Umbauten des kurfürstlichen Appartements in der Münchner Residenz unter Karl Albrecht (ab 1730) wiederfinden lassen (Abb. 77) – jedoch machten diese dégagements 184 Ray 1663/64 (1738), S. 340. 185 Ebd. Pierre Patte verweist hier freilich auf eine Zeit nach der Regierung Ludwigs XIV.; es geht ihm schließlich um die Monuments érigés en France à la gloire de Louis XV. 186 Sturm 1699 (11696) in der Ausgabe von 1708, Vorrede. 187 Keyssler 1751, Bd. I, S. 619f. 188 Loen 1749–1752 (1972), Bd. IV, S. 151.

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aus einer Raumfolge noch kein französisches Appartement. Es ist vielmehr zu unterscheiden einerseits zwischen der hohen Wertschätzung der commodité als einer Kunst, der man große Beachtung schenken sollte („cette division forme un art qui demande une grande attention“189), und andererseits der regelrechten Übernahme einer spezifisch französischen Distribution, die sich in einer bestimmten Folge von Räumen und deren Funktionen abbildet. Ist die Wertschätzung der commodité im Sinne einer Kunstfertigkeit bei den Wittelsbachern in jedem Fall bei allen Neu- und Umbauprojekten deutlich zu beobachten, so hat die Übernahme einer französischen Distribution im späteren 17. und im 18. Jahrhundert nur sehr vereinzelt stattgefunden. Zumeist blieb dies, wie zu zeigen sein wird, auf einzelne Räume oder auch, wie bereits angedeutet, auf die überlegte Verbindung der Wohn- und Paraderäume mit dégagements beschränkt. Denn natürlich stieß allgemein die Übernahme von spezifischen Raumfolgen und -anordnungen auf große Probleme, was die an den einzelnen europäischen Höfen anschaulichen Differenzen in der Distribution, dem Zeremoniell und der Herrschaftsrepräsentation belegt. Dafür gibt es allerorts prominente Beispiele, so etwa auch in Paris, wo man es bei den Louvre-Planungen 1665 als wenig „königlich“ empfand, als Bernini die Privatappartements des Königspaares um einen quadratischen Innenhof entlang eines umlaufenden Korridors gruppieren wollte.190 Vor diesem Hintergrund, nämlich einer ständigen Korrekturbedürftigkeit des Modells, ist auch die zunehmende Bedeutung der commodité, die um die Wende zum 18. Jahrhundert in der deutschen Architekturtheorie verzeichnet wird, zu bewerten. Sehr anschaulich wird diese Entwicklung bei Leonhard Christoph Sturm beschrieben, der die Schriften Nicolaus Goldmanns herausgegeben hatte. Goldmann (er war bereits 1665 gestorben) habe sich, so stellt Sturm 1718 fest, „um die bequeme Einrichtung und Eintheilung aller zu einer fürstlichen Wohnung gehörige Zimmer [...] so gar nicht bekümmert“.191 Das hätte sich inzwischen geändert. Zudem meint Sturm, dass die französische Distribution – „alles voller Zimmer / so wenig gemeine Plätze als für Communication nötig / viele Treppen“ – beliebter sei als die italienische Manier, nämlich die Zimmer an die Außenfront zu plazieren, mit einem Gang bzw. einer Galerie zur Hofseite.192 Sturm ist neben dieser Feststellung, wie beliebt die französische Distribution sei, aber auch derjenige, der deutlich von „Anpassung“ an die jeweiligen Gegebenheiten spricht; es gelte, die Frantzösische Austheilung der Gemächer auf unsere bequemlichkeit also einzurichten / wie ich es itziger zeit am besten zu seyn befinden werde.193 189 Daviler 1755, Art. „Distribution“. 190 Bernini/Chantelou 1665 (2001), S. 293. 191 Sturm 1718, S. 4. Er bezieht sich damit auf Goldmanns Civilbaukunst (Goldmann/Sturm 1696). 192 Sturm 1718, S. 18. 193 Goldmann/Sturm 1696, 68. Zur Anpassung an die „deutsche Bequemlichkeit“ vgl. jüngst Katharina Krause, Des exemples à suivre absolument? Distribution française et commodité allemande dans le traité et la pratique architecturales au tournant du 18e siècle, in: L’appartement

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Ich möchte im Folgenden die Kategorien der commodité und Distribution und die damit verbundenen Aspekte der Herrschaftsrepräsentation anhand der konkreten Beispiele der Appartements der Kurfürstin und des Kurfürsten in der Münchner Residenz analysieren. Zunächst sind es nur die Umbauten, die bis ca. 1700 vollzogen wurden; die Veränderungen unter Karl Albrecht ab der Mitte der 1720er Jahre werden zu einem späteren Zeitpunkt erörtert.

Die Distribution im Residenz-Appartement der Kurfürstin Henriette Adelaides ab 1666 umgebaute und ausgestattete Räume sind das erste Beispiel für eine umfangreiche Appartementausstattung der Wittelsbacher nach dem Dreißigjährigen Krieg – und ebenso eine der ersten im Reich. Es ist zudem dieses Appartement, welches die Grundstruktur für die weiteren, später umgebauten Appartements der kurfürstlichen Residenz liefern sollte. Zunächst ist zu klären, aus welchen Räumen sich das Appartement der Vorgängerin Maria Anna zusammensetzte, bevor es von Henriette Adelaide umgebaut wurde,194 um hier den wichtigsten strukturellen Veränderungen auf die Spur zu kommen. Der Zugang zum Kurfürstinnenappartement – daran änderte sich bis weit ins 18. Jahrhundert nichts – erfolgte über das Südportal, den Kapellenhof, die Breite Treppe, den Herkulessaal und den Contrefaitgang (mit der Ahnengalerie), wo in Folge des Residenzbrands 1674 vermutlich eine Reihe von Porträts ersetzt werden musste.195 Es gab jedoch auch eine kürzere Zugangs-Variante, nämlich über den Treppenaufgang direkt vom Kapellenhof. Die magere Quellenlage lässt bisher leider keine genauen Schlüsse zu, welche Zugangsform zu welchen Anlässen in Anspruch genommen wurde. Wie die wenigen erhaltenen Pläne (Abb. 19, 20) und das Inventar von 1638 (mit Zustand vor dem Umbau in den Kabinetten 1640/41) im Ansatz zeigen, hatte die Habsmonarchique et princier. Architecture, décor, cérémonial, hrsg. v. Thomas W. Gaehtgens, Marcus A. Castor u. Frédéric Bußmann, 2 Bde., Paris 2012 (im Erscheinen). 194 Auch wenn mit dem Buch von Graf 2002 ein grundlegendes Werk zu den Appartements von Maximilian I. bis Karl Albrecht in der Münchner Residenz vorliegt, kann dieses bei Weitem nicht die großen Lücken in der Rekonstruktion schließen. Das gilt vor allem für die Zeit vor 1660. Auf Graf 2002, S. 25ff., geht die bisher weitreichendste Rekonstruktion zurück; vgl. auch Klingensmith 1993, S. 28f. Die Transkription des Berichts des Marchese Pallavicino von der Taufe Max Emanuels 1662 hat für die Zeit vor dem Umbau nochmals für mehr Klarheit gesorgt; Tipton 2008. Indessen halte ich Tiptons These, dass Henriette Adelaide schon vor dem Umbau in den Räumen an der Residenzstraße dauerhaft gewohnt habe, für problematisch; vgl. Tipton 2008, S. 163. 195 Beauveau 1688, S. 424ff. berichtet vom Residenzbrand 1674: Das Feuer habe die Zimmer der Prinzessin ergriffen und in der dranstoßenden Galerie in wenigen Augenblicken alle Bilder der Herzoge und Herzoginnen (also wohl bis inklusive Maximilian I.) zerstört; S. 430: „une galerie qui est à côté [von dem Prinzessinnengemach], où il [das Feuer] consuma en un instant tous les portraits des Ducs & des Duchesses de Bavière.“ Der Bericht des Duc de Vitry vom 18. April 1674 ist nicht ganz so drastisch; vgl. AAE, CP, Bavière, Bd. 14 (1974), fol. 374–380.

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München, Residenz, Grundriss des Hauptgeschosses, Plan um 1630 (München, BSV) Detail: Grottenhoftrakt, Appartement der Kurfürstin Maria Anna 1 Gardesaal 2 Tafelzimmer = Erstes Vorzimmer 3 Zweites Vorzimmer 4 Audienzzimmer 5 Schlafzimmer 6 Garderobe 7 Herzkabinett (erst 1640) 8 Schreibstüberl (erst 1641) 9 Galerie

burgerin Maria Anna insgesamt drei Repräsentationsräume an der Schwabinger Gasse (der heutigen Residenzstraße), während die Privaträume zum Grottenhof bzw. zum alten Residenzgarten lagen. Zudem führte ein Verbindungsgang am Residenzgarten von den Privaträumen zur Galerie, welche im Inventar 1638 als zum Appartement zugehörig erwähnt wird. Im Einzelnen heißt das: Nach einem großen Gardesaal, der auch unter Henriette Adelaide in seinen Umfassungsmauern unverändert blieb, nennt das Inventar von 1638 die „Frauen Tafelstuben oder Erstes Zimmer“ sowie zwei weitere Zimmer, schließlich ein Schlafzimmer und zwei Privaträume.196 Zwar ist die genaue Lokalisierung eines im Inventar genannten Baldachins (und damit des Audienzzimmers) unklar, ob in dem direkt auf das Tafelzimmer folgenden Raum oder in dem Raum am Ende der En196 1638, fol. 45. Die Bezeichnung der Räume bei Klingensmith 1993, S. 132 und auf seinem Plan B sind nicht korrekt; somit ist auch die Rekonstruktion der Räume unter Henriette Adelaide problematisch; ebd. S. 133. In der Beschreibung des Einzugs in München 1652 von Henriette Adelaide wird auch von einem „Besuch“ der Prinzessin bei der Kurfürstinwitwe berichtet, „die Seiner Durchl. biß auff den Saal ihres äussersten Zimmers entgegenkommen / und nach vollbrachter visita so weit widerumb begleitet“; Kurz 1652, S. 52 (23. Juni 1652).

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20  München, Residenz, Plan der Gesamtanlage, Bauzustand um 1630 (Privatbesitz), Detail: Appartement der Kurfürstin Maria Anna

filade, doch spricht einiges dafür, ihn im letzteren Raum zu vermuten. Zwei Vorzimmer waren also dem Audienzzimmer am Ende der Enfilade vorgelagert, dessen Baldachin das kurbayerische und Habsburger Wappen aufwies, bevor sich in Richtung Osten der verwinkelte Privatbereich des Appartements anschloss. Das Schlafzimmer, welches vermutlich ein gemeinsames Schlafzimmer des Kurfürstenpaares war, lag südlich der Reichen Kapelle,197 während sich das 1640 ausgestattete Herzkabinett an dem bekannten Ort und das 1641 ausgestattete „Schreibstübl“ unmittelbar westlich daneben befand, ungefähr an dem Platz, an dem später das Schlafzimmer Henriette Adelaides eingerichtet werden würde. Vom Schreibstübl aus war die Galerie über den Verbindungsgang zu erreichen.198 Was geschah beim Umbau des Appartements unter Henriette Adelaide ab 1666?199 Mit Hilfe des in Paris aufbewahrten Hauptgeschossplans der Residenz lässt sich feststellen,200 dass diese ersten großen Umbaumaßnahmen im Grottenhoftrakt der Residenz als ein wichtiger Schritt zur Regularisierung der Grundrissstruktur zu bewerten 197 Graf 2002, S. 27, mit überzeugender Argumentation. Das Schlafzimmer wurde gemeinsam genutzt, vgl. ebd., S. 67. 198 Graf 2002, S. 25 vermutet hier einen offenen Arkadengang. 199 Laut Haeutle 1883, Bd. I, S. 79, stammt der Plan von Barelli, die technische Ausführung von Schinagl. 200 BIF, Ms. 1040, fol. VI. Der Pariser Plan ist zwischen 1616 und 1630 entstanden, um 1680 wurde er von Enrico Zucalli für Umbauvorschläge benutzt und zu diesem Zweck teilweise überklebt. Man kann ihn daher sowohl für die Umbauarbeiten in den 1660er Jahren als auch in den 1680er heranziehen. Vgl. Hojer 1976, S. 142ff.; Diemer 1980, S. 137. Bei der Sichtung des Originals im Juli 2005 fehlten die Tekturen im Bereich des Grottenzimmers und Schlafzimmers der Kurfürstin. Eine weitere Quelle liefert am ehesten das Inventar nach dem Tode Henriette Adelaides:

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sind (vgl. Abb. 22 mit Abb. 20 und 21) – eine Regularisierung, die sich auch nach außen in der nun geschlossenen Westfront der Residenzfassade abbildete (Abb. 4, 11). Dies konnte dank des endgültigen Abbruchs des ehemaligen Haslanghauses mit dem Torbau erreicht werden. Lediglich ein dreiachsiger Rücksprung, hinter dem sich im Obergeschoss das Audienzzimmer Henriette Adelaides verbirgt, bleibt auch in Wenings gestochener Ansicht erkennbar (Abb. 4).201 Zudem änderten sich im Bereich der Repräsentationsräume der Zuschnitt und die Größe der einzelnen Zimmer, da man einen Raum, das Audienzzimmer, durch die Verlängerung der Enfilade nach Süden hinzugewinnen und somit die vorderen Räume vergrößern konnte. Die Raumgröße war ebenfalls ein wesentlicher Teil der commodité, aufmerksam beachtet und kommentiert von Besuchern wie etwa John Locke in Paris in den 1670er Jahren, der häufig die Größe der Räume, so im Louvre, errechnete und sich notierte.202 Die Repräsentationsräume, deren Raumzuschnitt sich ebenfalls wandelte – die nahezu quadratische Raumform in den Repräsentationszimmern Maria Annas wich einer deutlichen Längsausdehnung bei Henriette Adelaide203 –, grenzten nun direkt an den Galeriebau. Zudem waren die Türen nicht mehr mittig angeordnet, sondern, den modernen Richtlinien folgend, an der Fensterseite. Darin überwand man auch das ältere Konzept mit den innen angeordneten Türen, wie man es noch in den Kaiserzimmern vorfand, wo zudem der Zugang vom Vierschimmelsaal noch mittig erfolgte (Abb. 16). Die Anzahl der Räume und damit vermutlich auch weitestgehend ihre Funktion, zumindest bis zum Audienzzimmer, wurde indes gegenüber dem Appartement Maria Annas nicht verändert.204 An der Schwabinger Gasse blieb es weiterhin bei drei Räumen, die im Anschluss an den Gardesaal angeordnet waren: Auf zwei Vorzimmer folgte das Audienzzimmer (Abb. 22, Nr. 1–3). Deutlich wird dabei der Weg über den Gardesaal und die beiden Vorzimmer inszeniert. Höhepunkt war der Baldachin auf der Estrade am Ende der Enfilade (Abb. 23) und damit ein Ausstattungsstück, welches eine außerordentliche Bedeutung innerhalb des repräsentativen Bereichs des Appartements hatte: In Inventar 1676 (Residenz) mit eigener Rubrik „Mahlerey“ fol. 41r-45r (insgesamt nach Medien wie Kleinodien, Tappezereij etc. aufgeteilt). 201 Dank des gemeinsamen Sockels wird dieser dreiachsige Trakt mit dem rechts anschließenden Galerietrakt verbunden. Laut Haeutle 1883, Bd. I, S. 80, versah Amort diesen dreiachsigen Fassadenteil „nach Gasse und Garten hin mit 40 lebensgroßen Figuren und 10 Blindfenstern“ in Steinfarbe; die Zwischenräume wurden mit Blumen, Früchten und weiteren Ornamenten verziert. 202 Locke 1675–79 (1953), S. 156: „The bredth of the rooms in the Dauphin’s apartment in the Loover is about 18 or 19 steps, the length of this guard chamber which is the first roome, something more, that of the presence neare about as much, his bed chamber about 9 & his closet within it about 7. The Queen’s apartment which is just over it lies just soe, & the rooms about the same scantling. The King’s bedchamber also a narrow, long thing, but the rooms without on his side much larger.“ Vgl. auch etwa Montesquieu 1728/29 (2003), S. 111, der zu Rivoli meint, dass die Zimmer des ebenerdigen Appartements zu klein seien. 203 Die „camera“ wird auf diese Weise zur „sala“. 204 Graf 2002, S. 28, meint, die Anzahl sei um den Goldenen Saal vergrößert worden, was aber faktisch nicht stimmt, weil insgesamt die Räume vergrößert wurden.

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21  München, Residenz, Grottenhoftrakt, Detail des Gesamtplans (vgl. Abb. 15) mit teils umgeklappten Tekturen

22  München, Residenz, Grottenhoftrakt, Detail des Gesamtplans (vgl. Abb. 15) mit geschlossenen Tekturen: Appartement der Kurfürstin Henriette Adelaide 1 und 2 Vorzimmer 3 Audienzzimmer (Goldener Saal) 4 Grottenzimmer (Großes Kabinett) 5 Schlafzimmer (ehem. Schreibstüberl Maria Anna), Alkoven nicht eingezeichnet 6 Herzkabinett 7a-c Liebszimmer, Galerie, Rosen- und Lilienzimmer 8 Bibliothek

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23  München, Residenz, Grottenhoftrakt, Appartement der Kurfürstin, Detail: Audienzzimmer mit Estrade für Baldachin

italienischen Quellen wird der Baldachin auch als „residenza“ bezeichnet.205 Es ist nicht ausgeschlossen, dass diese auffällige Inszenierung bereits auf das Konzept der Vorgängerin zurückgeht; vielmehr liegt es sogar nahe, dass auch Maria Anna und ebenso ihre Vorgängerin Elisabeth von Lothringen in ähnlich exponierter Weise ihren Audienzbaldachin plaziert hatten. Die abnehmende Größe der Räume, die im Plan anschaulich wird, ist vermutlich der von Raum zu Raum abnehmenden Anzahl an Personen, die dort verkehrten, geschuldet; dies spiegelt wiederum die zunehmende Bedeutung der Räume im Zeremoniell: Die Verkleinerung des Raumes könnte also mit einer Nobilitierung der Personen einhergehen, derjenigen, die dann noch anwesend sein durften. Hier ist somit ein deutlicher Distinktionsfaktor zu erkennen. Auf das Audienzzimmer folgte Richtung Osten das sogenannte Grottenzimmer (Abb.  22, Nr. 4), dessen Funktion als „grosses Cabinet“206 mit dem ehemaligen „Schreibstübl“ Maria Annas kaum mehr etwas gemeinsam hat, denn laut Wening fanden im Grottenzimmer Henriette Adelaides auch „Privat-Audientzen“ statt.207 Der große Unterschied und damit die Neuerung gegenüber dem Appartement der Vorgängerin liegt darin, dass dieser Raum nun zwischen dem offiziellen Audienzzimmer und dem Schlafzimmer situiert war, welches, mit Alkoven versehen, auf das Grottenzimmer folgte (Abb. 22, Nr. 5).208 Ähnlich wie bei der nach Westen gelegenen Enfilade von Vorzimmern und Audienzzimmer war auch hier die Weg- und Blickführung zielgerichtet, diesmal nicht auf den Baldachin, sondern auf den Alkoven (besser zu erkennen auf dem späteren Cuvilliés-Plan, Abb. 77), der direkt gegenüber vom Eintretenden angebracht war, ausgezeichnet und abgeriegelt durch eine Balustrade. In der Mitte der Alkovenwand prangten die beiden Wappen von Savoyen und Bayern (Abb. 24). Vom Alkoven aus war links die Josephskapelle zu erreichen, rechts schloss sich das Herzkabinett an (Abb. 22, Nr. 6) – im wahrsten Sinne im Innersten gelegen und dem205 Tofani 2003, S. 122f. 206 So bei Wening 1701, S. 5. 207 Es ist fraglich, ob dies unter Maria Anna auch der Fall war. 208 Das ist auf dem Pariser Plan nicht ablesbar, weshalb hier auf einen Ausschnitt aus dem späteren Cuvilliés-Plan hingeweisen sei.

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24  München, Residenz, Kurfürstin-Schlafzimmer, Alkoven, um 1666/67 unter Henriette Adelaide, genutzt bis Kaiserin Maria Amalia 1756, Kupferstich (aus: Georg Friedrich Seidel, Die Königliche Residenz in München, Leipzig 1880)

entsprechend im Inventar 1676 als „innerstes Cabinett“ bezeichnet209 –, welches Henriette Adelaide von Maria Anna übernommen hatte und umgestalten ließ. Henriette Adelaide übernahm ebenso die an der Residenzstraße gelegene Galerie,210 die von zwei kleinen Kabinetten flankiert wurde und die über das Grottenzimmer betreten werden konnte (Abb. 22, Nr. 7a-c). Wie aus einem Brief hervorgeht, den Henriette Adelaide im März 1655 an ihre Mutter schrieb, hatte schon Maria Anna ebenso wie später Henriette Adelaide in dieser Galerie Porträts aufbewahrt.211 Durch eine verborgene Tür im südlichen Kabinett gelangte man schließlich in den angebauten sehr schmalen, langge-

209 Inventar 1676 (Residenz), fol. 40r. 210 In diesem Ort befand sich vermutlich seit der ersten Gemahlin Maximilians I., Renata von Lothringen, eine Galerie. Schon auf dem frühen Residenz-Plan von 1630/50 (Abb. 20) wird dieser Raum als „Galeria“ bezeichnet. Zur Abgeschiedenheit von Galerien vgl. Hoppe 2000, S. 172f. 211 Henriette Adelaide an die Madama Reale, 17. März 1655 (AST, LettA, M 21); vgl. Merkel 1892, S. 372. Henriette Adelaide berichtet, dass ihre Schwiegermutter die Kopie eines bestimmten Porträts haben wolle, das in Rivoli hänge, in dem sie und ihre Brüder als Kinder dargestellt seien; Henriette Adelaide habe doch schon mal eine verlangt, also verlangte sie jetzt nochmal danach „a se souenir de luy enuoier [an die Kurfürstin] la copie de ce tableaux, qui est a Riuole, ou nous sommes tous petis, pour mettre en sa Galerie“.

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streckten Bibliotheksgang mit dreizehn Achsen und zwei Erkern, die nach Norden zum Residenzgarten ausgerichtet waren (Abb. 22, Nr. 8).212

Modelladaption im Konflikt mit dem Zeremoniell: Distribution und Ausstattung In dieser rekonstruierten Distribution des Appartements Henriette Adelaides und den kurzen Verweisen auf Funktionen sowie die zeremonielle Nutzung deutet sich bereits ein neuralgischer Punkt an, in dem sich die Unterschiede zwischen der Raumfolge Maria Annas und derjenigen Henriette Adelaides verdichten – und damit sind über die Wittelsbacher Lösung hinaus allgemein für den Residenzenbau und ihre Appartements wichtige Strukturfragen angesprochen. Denn durch den Abriss des alten Torbaus und damit der Neu-Einrichtung des Winkels von Audienzzimmer und Großem Kabinett in Verbindung mit der Galerie zeigt sich viel unmittelbarer als im Appartement Maria Annas die Nahtstelle zwischen dem Repräsentations- und dem privaten Bereich, dem Bereich also mit einer sehr eingeschränkten höfischen Öffentlichkeit. Das Appartement entpuppt sich hier als der Ort, an dem die schrittweise Unterscheidung zwischen öffentlicher und privater Sphäre gut nachvollzogen werden kann. Die oben als „Regularisierung“ beschriebene Veränderung und Angleichung der Räume und der Grundrissstruktur hat diese im Bereich der Kurfürstinnenräume bisher nicht offenkundige problematische Zone heraufbeschworen: Denn unter Maria Anna war der Privatbereich, wie in den Plänen zu sehen (Abb. 19, 20) noch entschiedener von dem öffentlich-repräsentativen getrennt, eine Trennung, die zwar faktisch, vom Zeremoniell her, noch immer auch unter Henriette Adelaide gefordert war, die aber räumlich-architektonisch nicht mehr anschaulich werden sollte und durfte (Abb. 22). Die Grenzen und Schwellen und damit eine Binnenstruktur im Appartement wurden nun durch Türen oder auch durch die Ausstattung manifestiert und konturiert. An einer Schnittstelle wird die Dynamik des unmittelbaren Aufeinandertreffens von Repräsentations- und Privatbereich im neuen Appartement besonders anschaulich, nämlich an der Schnittstelle von Audienzzimmer und Galerie, wo sich offenbar eine Kompromisslösung herauskristallisierte: Unter Henriette Adelaide konnte man die Galerie vom Audienzzimmer kaum betreten, da sich an der Südwand, wie der Pariser Plan zeigt, der Baldachin befand (Abb. 23), der den direkten Zugang versperrt haben wird.213 Vielleicht war sehr ausgewählten hochrangigen Gästen, die auch auf der Estrade Platz nehmen konnten, der Zugang zur Galerie, gleichsam als Nobilitierung ihres hohen Ranges, ermöglicht worden. Oder der Besuch der Galerie war ohnehin nur auf diejenigen We212 Wening 1701, S. 5: „Auch gehet man auss diesem Cabinett durch ein verborgne Thür in einen zwar schmallen doch langen gang, welchen Kurfürstin Adelheid zu ihrer Bibliothek hat richten lassen.“ 213 Heym 2002, S. 35, schreibt noch, man hätte die Galerie direkt vom Audienzzimmer betreten können.

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nigen beschränkt, die Zugang zum Grottenzimmer hatten, dem Raum für die „PrivatAudientzen“. Die erhaltenen Residenz-Beschreibungen aus dem 17. Jahrhundert berichten jedenfalls ausschließlich von einem Zugang zur Galerie über das Grottenzimmer.214 Interessanterweise war dieser Engpass Jahrzehnte später beseitigt, wie der Plan von François de Cuvilliés aus dem 18. Jahrhundert zeigt (Abb. 77): Der Zugang war verbreitert worden, entsprechend der inzwischen gerade bei den Wittelsbachern Usus gewordenen Einbeziehung der Galerien in die Vorsaalsequenz.215 Der Anlass, das Appartement der Kurfürstin teilweise neu zu disponieren und auszustatten, mag ohne Zweifel primär der Übernahme dieses Raumverbunds durch Henriette Adelaide 1666 geschuldet sein, doch erklärt das noch nicht die Entscheidung für die spezifische Gestalt und die Neuerungen gegenüber dem Appartement ihrer Vorgängerin. Zu eingeschränkt geht der vergleichende Blick der Forschung zumeist nur nach Turin, jedoch sind die in Turin in den 1660er Jahren stattfindenden Umbau- und Ausstattungsmaßnahmen im Palazzo Reale (Abb. 25, 26, 27), wie kurz erläutert wurde, nur ein Mosaikstein innerhalb der in diesen Jahren an einigen europäischen Höfen stattfindenden Bau- und Ausstattungstätigkeit. Zweifellos war Henriette Adelaide über die baulichen Gegebenheiten in Turin bestens informiert, wie die noch erhaltene Korrespondenz mit ihrer Mutter und ihrem Bruder Carlo Emanuele II. belegt. Einer der ersten Reiseberichte nach der Fertigstellung des Appartements, derjenige des 1670 in München weilenden Charles Patin („l’apartement de Madame l’Electrice est admirable“), stellte zudem unmissverständlich klar: Ce n’est qu’or & azur […], les meubles y sont magnifiques & les ajustemens si galans, que si je n’avois pas seu qu’elle fût de la Royale maison de Savoye, j’aurois deviné que cette propreté venoit de delà les Alpes. L’Italie en est la source, & le reste du monde n’est en ce point que la copie dont elle est l’original.216

Für Patin bestand also kein Zweifel, dass hier das Turiner Vorbild rezipiert wurde. Und es ist auch bekannt, dass Henriette Adelaide Möbel vom Turiner Hof in ihren Räumen aufbewahrte. Indes wissen wir nicht, wo genau sich Patin im Appartement aufgehalten und was er alles gesehen hat. Zudem war er einer derjenigen Besucher, die offenbar außerhalb des Zeremoniells herumgeführt wurden – er schreibt: „Elle [Henriette Adelaide] eût la bonté de permettre qu’on me le [das Appartement] montrât.“217 Somit konnte er die während des Zeremoniells bestehenden Differenzen zwischen dem savoyischen und 214 Laut Pallavicino 1667, S. 60, Schmid 1685, S. 77, und Wening 1701, S. 5, ging man zunächst in die inneren Gemächer bis zum Herzkabinett, um dann, gleichsam auf dem Rückweg, erst in die Galerie zu gelangen. Hof-Ordnungen aus dieser Zeit, die über die Nutzung der Räume Aufschluss geben könnten, sind bisher nicht bekannt. 215 Zu den Wittelsbacher Galerien vgl. Krems 2010a und Krems 2010b. 216 Patin 1670 (1695), S. 85f. Pallavicino 1667 hält wohl als erster den Zustand des Appartements fest, wobei zu diesem Zeitpunkt die Decken noch nicht fertig waren; das Programm muss ihm aber vorgelegen haben, siehe auch Kemp 1982, S. 132. 217 Patin 1670 (1695), S. 85. Dasselbe bemerkt er für die Räume des Kurfürsten, wobei er dort ausdrücklich bemerkt, er habe (nur) das „Cabinet de curiositéz & ses medailles“ gesehen; ebd. S. 86.

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25  Turin, Palazzo Reale und Palazzo Madama, „Augusta Taurinorum“ Stich aus dem Theatrum Statuum Sabaudiae 1682, Bd. 1, gegenüber S. 16

dem Münchner Hof, die unterschiedliche Nutzung und Funktion von Räumen und Objekten, nicht registriert haben: Seine Beobachtungen und Bewertungen konzentrierten sich auf einzelne formale Aspekte oder Objekte, während die Diskrepanz zwischen einer formalen Gestaltung, einer materiellen Ausstattung und einer zeremoniellen Nutzung unerwähnt blieb. Diese sei im Folgenden erläutert. Werfen wir dazu einen genaueren Blick auf Turin: Madama Reale, Henriette Adelaides Mutter, hatte in den 1650er und frühen 1660er nicht nur ihr Appartement im Castello (dem späteren Palazzo Madama) bauen und ausstatten lassen;218 vielmehr konnte Anfang der 1660er Jahre auch eine größere Umgestaltung des Palazzo Reale abgeschlossen werden.219 Manches in der Münchner Residenz scheint durchaus vergleichbar mit dem Appartement der Duchessa im Palazzo Reale zu sein (Abb. 26): Hier wie dort findet sich eine Raumfolge aus zwei Vorzimmern, einem Audienzzimmer (Camera della Parata), einem 218 Zum Palazzo Madama besonders Luigi Mallé, Palazzo Madama in Torino, Bd. I, Turin 1970, S. 112–116. Zu Cristina di Francia Griseri 1988; Claretta 1868/69. 219 Arbeiten ab 1653. 1658 war die Fassade nach Plänen Amedeos di Castellamonte fertig; 1659 ging die Galerie Zuccaris, die den Palazzo mit dem Castello (Palazzo Madama) verband, in einem Brand unter, wurde aber schon kurze Zeit später durch neue Dekorationen ersetzt (später nochmals von Beaumont umgestaltet). Vgl. kurz, aber mit neuem Planmaterial: Palmas 1986, S. 32f. Grundlegend: Rovere 1858. Vgl. auch die Guiden-Sammlung: Il Palazzo Reale di Torino nelle guide 1999.

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26  Turin, Palazzo Reale, Grundriss, Entwurf, Detail, Amedeo di Castellamonte (?), „Pianta del fabbricati del Palazzo Reale di Torino“ (ca. 1660) (AST, Corte, Carte topografiche e disegni)

Großen Kabinett (Gran Gabinetto), dem Schlafzimmer mit Alkoven, zwei Kabinetten und schließlich der Galerie. Erstaunlicherweise weist diese Grundstruktur wiederum durchaus Ähnlichkeit mit der Anordnung der Repräsentationsräume des Kaisers in der Wiener Hofburg auf, im Leopoldinischen Trakt, der 1666 gerade fertiggestellt war (Abb. 18, 28): Dort bestand die Raumfolge aus der Ritterstube, zwei Vorzimmern, der Ratsstube (in München und Turin entsprechend das Audienzzimmer), der Retirade (in München und Turin das Große Kabinett), Schlafzimmer und Kabinett.220 Leonhard Christoph Sturm wird ein paar Jahrzehnte später, 1700, diese Konfiguration – etwas schematischer – als eine seit längerem übliche Baupraxis benennen. Demnach gehörten zu einem „Haupt=Zimmer“ in einem fürstlichen Schloss 220 Vor der Retirade der Kaiserinnen und Königinnen lagen gleichfalls Vorzimmer, wenn auch in geringerer Zahl: eine Antecamera sowie eine Wartstube. Das Zutrittsrecht zu den Vorzimmern war um die Mitte des 17. Jahrhunderts dem des Kaisers angeglichen; Hengerer 2004, S. 271; Benedik 1989, S. 28. Der Leopoldinische Trakt bestand zur Hälfte aus dem unter Ferdinand I. errichteten Anbau an den Widtmertorturm. In diesen alten Räumlichkeiten lagen die wichtigsten kaiserlichen Repräsentationsräume (Geheime Rathstube und Retirade), was laut Benedik für Leopolds Kontinuitätsstreben und Traditionsbewusstsein spreche. Alle Repräsentations- und Wohnräume der Kaiserin befanden sich im neuerrichteten Teil (1. Stock). Die Kaiserinwitwe bewohnte den gesamten 2. Stock des Leopoldinischen Traktes.

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Turin, Palazzo Reale, Grundriss (Detail von Abb. 26) 1 Saal (Salone della guardia Svizzera) 2 Gemeinsames Vorzimmer von Herzog und Herzogin (Sala delle guardie del corpo) Appartement der Herzogin/Madama Reale 3 Sala delle Paggi 4 Camera della parata 5 Gran gabinetto 6 Camera dell’ Alcova, mit angrenzendem Alkovenzimmer 7 Camera del Letto 8 Kabinett 9 Kabinett 10 Galerie A Schlafzimmer mit Alkoven im Appartement des Herzogs

eine Guarde=Cammer / ein Vorgemach / ein Audientz=Gemach / ein Cabinet, ein Schlaff=Gemach und eine Garderobbe.221

Jedoch ist der funktionale und zeremonielle Charakter der Räume in Turin ein anderer als in München und Wien.222 Während das Große Kabinett, das Gran Gabinetto in Turin 221 Baumeister-Academie 1707, S. 128. Im Gegensatz dazu erfordere ein „königliches Zimmer“ zusätzlich einen Saal für die Garde und drei bis vier Vorsäle. Entsprechene Appartements müssen mindestens für zwei Personen, den Regenten und die Regentin, bereitgestellt werden. Sehr wichtig ist also der Raumverbund und auch die Anzahl der Zimmer; vgl. auch Moser 1754/55, Bd. II, S. 283, § 2: „Die herrschafftliche Personen habe ihre eigene Apartemens. Manchmal wird hierunter nur das zur eigentlichen Wohnung gewidmete Zimmer verstanden; richtig und hof-mäßig aber davon zu reden, besteht ein Apartement aus Einem oder zwey Anti-Chambres, einem Praesenzoder Audienz-Gemach, dem Cabinet, dem Schlaf-Gemach und der Garderobbe.“ 222 Sofern man das anhand der bisherigen Forschungslage sagen kann; am genauesten zu Wien aus historischer Perspektive, jedoch mit falscher Bezeichnung der Zimmer im Schweizer Trakt (S. 219):

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28  Wien, Hofburg, Leopoldinischer Trakt, Planschema der Zeremonial- und Wohnräume im Hauptgeschoss (nach Raschauer 1959)

eine mit München vergleichbare Funktion – nämlich als Raum für private Audienzen – gehabt zu haben schien,223 wird die Diskrepanz besonders deutlich in der savoyischen Camera della Parata, die der Duchessa als Audienzzimmer diente,224 denn dort empfing Madama Reale ihre Gäste offenbar „au lit“, wie es der Bericht des Abbé de Coulanges von 1658 darlegt: Der Franzose scheint dabei das in Turiner Inventaren als „Camera di parata“ bezeichnete Gemach als „Chambre“ (im französischen Sinn) zu verstehen.225 Das Nachlass-Inventar der Madama Reale vom Januar 1664 vermerkt in diesem Raum ein sehr aufwändig gestaltetes Parade-Bett.226 Jedoch war dies eine Möblierung, die gut zwanzig Jahre später, 1687, beim Besuch von Nicodemus Tessin, nicht mehr so vorgefunden wurde: Tessin erwähnt im Audienzzimmer kein Bett mehr, sondern nur noch „une table et deux chaises“.227 Die sehr französisch anmutende Form und Funktion des Hengerer 2004 (zudem nur bis zur Ratstube und nicht darüber hinaus). Vgl. besonders auch Benedik 1989, ders. 1997. 223 So berichtet Kurz aus dem herzoglichen Palast 1652: „hab ich [...] in der Madama Real Cabinet mein Commission abgelegt.“ Zitiert nach Heigel 1890, S. 27. 224 Es geht aus den Tagebucheinträgen von Kurz hervor, dass abends eine kleine Gruppe von Personen Zutritt in die Turiner Chambre de Parade hatte und es Gelegenheit gab, vertraute Gespräche zu führen. Vgl. auch die vorherige Anm. 225 Sein Bericht macht es höchst wahrscheinlich, dass er in dem Raum nach der Antichambre, also der Camera di parata, empfangen wurde; Coulanges 1657/58 (1820), S. 60 f.: „Après avoir traversé quelques salles, nous entrâmes dans l’antichambre de Madame, où étoient ses filles et force hommes bien faits, vêtus à la françoise, jouant et se divertissant agréablement. Après avoir été quelque temps à les considérer, la dame d’honneur sortit de la chambre de Madame, et nous vint dire que nous y pouvions entrer; Madame étoit au lit, et madame la princesse Marguerite, sa fille, dans la ruelle. [...] La chambre étoit remplie de dames belles et bien faites.“ 226 Vgl. Inventar/Turin 1664 (nicht foliiert). Das ist kein Einzelfall, wie auch das Inventar der verstorbenen Principessa Violante Margerita di Savoia, Duchessa di Parma vom November 1663 in der Camera di Parata ebenfalls ein Bett verzeichnet; Inventar/Turin 1663 (nicht foliiert). Doch ist dies kein in ganz Italien anzutreffender Usus. 227 Tessin 1687/88 (2002), S. 227. Tessin erläutert dies noch an späterer Stelle: „In den audientz cammern ist remarqvble dass unter dem himmel eine taffel mit zwejen stuhlen stehet, wenn die audience geschiehet, lieget auf der taffel die crone mit dem scepter, wenn es beijm Hertzog ge-

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Paradezimmers wurde nach dem Tod der Madama Reale, Cristina di Francia, also wieder verändert. In den 1660er Jahren war es indes ja gerade die Camera di Parata, die der Wittelsbacher Herzog Maximilian Philipp nach seiner Rückkehr aus Turin 1666 gegenüber Henriette Adelaide als besonders beeindruckend beschrieben hatte.228 Sicherlich mag hier einiges auf die ebenso stolzerfüllte wie schmeichelnde Erzählung der Kurfürstin zurückzuführen sein, jedoch beweist ihre Bemerkung, man möge die Chambre de Parade doch auch in München einführen – la Chambre de Parade, que ie m’asseure, que si S. A. E. fù de son humeur, on lintraduiret des auiourduy en Bauiere

–, dass diese Differenz zu Turin in München durchaus registriert wurde. Und sie ist ein Indiz dafür, dass Henriette Adelaide über die unverrückbaren Vorstellungen, welche die Raumfolgen und vermutlich auch die jeweilige Ausstattung am Münchner Hof betraf, wohl informiert war: Eine Chambre de Parade als Audienzzimmer in der Art der Camera di Parata des Turiner Palazzo Reale war in München unvorstellbar. Diese Differenz in der zeremoniellen Praxis hatte ebenso Konsequenzen für die Ausstattung. Ein gutes Beispiel, an dem sich mehrere Fragen prüfen lassen, bietet der Alkoven im Schlafzimmer der Kurfürstin (Abb. 24): Korrellierten die Ausstattungsobjekte, die eine bestimmte Funktion erfüllten, mit der Funktion der Räume? Werden Adaptions- und Umformungsprozesse transparent? Gab es unterschiedliche Zonen und Bereiche im Appartement, in denen unterschiedlich ausgeprägte Adaptionsprozesse zu erkennen sind? Denn es zeigt sich, dass sich, je weiter man sich in das Innere des Appartements bewegte, der Umgang mit fremden Modellen wandelte, die Vorbilder weniger stark verändert wurden. Dabei wird jedoch zugleich ein problematisches Verhältnis zwischen den zeremoniellen Gegebenheiten und der Ausstattungsform evident: Den Höhepunkt bilden das Schlafzimmer der Kurfürstin mit Alkoven sowie das dem Alkoven folgende Herzkabinett. Der Alkoven (Abb. 24) – der offenbar das erste Beispiel dieser Art in Deutschland ist229 –­ wird in der Forschung mit einem Turiner Vorbild, dem 1663 fertiggestellten Alkoven im Appartement Carlo Emanueles im Palazzo Reale, in Verbindung gebracht (Abb. 26, 29).230 Man begründete dies damit, dass Henriette Adelaide ein paar Jahre zuschiet, so occupiret er die rechtern stuhl, undt die Hertzogin beij sich den linckeren“ (S. 228). Ebenso erwähnt er zwei Alkoven; der zweite wird bezeichnet als „l’autre alcove ou elle dort“. Tessin bewundert vor allem die Betten in Turin, im guardemeuble, ebd. S. 229. 228 Henriette Adelaide an Carlo Emanuele II., 16. April 1666 (AST, LettA, M 24); vgl. in Kapitel 2, Anm. 379. Wobei nicht ganz sicher ist, ob Maximilian Philipp die Chambre des Herzogs oder die der Herzogin meinte. Und ebenso unklar ist es, ob im Paradezimmer des Herzogs ein Bett stand. 229 Vgl. RDK, Bd. II, Sp. 390. Im Schloss von Celle wurde 1674/76 ein Alkoven angebracht; vgl. die Abb. in Thorsten Albrecht, Schrank, Butze, Bett vom Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert am Beispiel der Lüneburger Heide, Petersberg 2001, S. 162. 230 Baumstark 1976, S. 180; Kemp 1982, S. 135; Klingensmith 1993, S. 39; Bary 2004, S. 235. Graf 2002, S. 52, zieht dies mit guten Gründen in Zweifel. Sie vermutet zudem, unter Heranzie-

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29  Turin, Palazzo Reale, Camera dell’alcova (Carlo Morello), 1662–63

vor ihrem Bruder für Zeichnungen mit „sofites et alcoues“ gedankt habe, gerade als der Raum im Turiner Palazzo Reale vollendet war.231 Doch zog man dabei gar nicht die Möglichkeit in Betracht, dass diese Bitte an den Bruder einfach einem Interesse für seinen neuen, aufwändig gestalteten Raum entsprochen haben könnte. Schließlich hat Henriette Adelaide häufig um Zeichnungen oder Druckgraphiken gebeten oder diese direkt erhalten, wenn ein neuer Bau, etwa die Venaria Reale, gerade fertiggestellt war.232 Doch schwerer wiegt noch, dass der Vergleich der beiden Alkoven-Varianten eine Übernahme aus Turin eher unwahrscheinlich macht: Bei beiden Alkoven erscheinen zwar Karyatiden als seitliche Stützfiguren, jedoch findet sich dieses Motiv sehr häufig in Alkovenrahhung einer Quelle, dass der Alkoven noch aus dem vorherigen Appartement über dem Antiquarium übernommen wurde. Zum Alkoven in Turin, der von Carlo Morello stammt, vgl. Rovere 1858, S. 158. 231 Merkel 1892, S. 374, Anm. 1. 232 Zur Venaria Reale äußert sich Henriette Adelaide aufgrund der Informationen, die sie erhalten hat, sehr überschwänglich: „Les louanges que mon médecin donne à la Vénerie ont bien augmenté le désir que j’ai de la voir: le ciel veuille exaucer mes voeux qu’assurément j’espère de voir en un lieu si agréable, tout ce que j’ai de plus cher au monde et ce qui est de plus aimable sur la terre. Oh! Mon frère que je désire de vous voir.“ Zitiert nach Claretta 1877, S. 140.

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mungen. Zudem sind die seitlichen Figuren in Turin direkt unter dem Gebälk plaziert, während in München jeweils eine schwere, reich verzierte Volute zur eigentlichen Alkovenrahmung vermittelt. Der Alkoven in dem sehr viel größeren Raum im Palazzo Reale in Turin wird schließlich durch zwei weitere freistehende, filigran ausgebildete Stützen, wiederum mit Karyatiden besetzt, ergänzt, die den sehr viel größeren Raumausschnitt transparenter erscheinen lassen (eine Balustrade gehörte dabei sicherlich zur ursprünglichen Ausstattung). In München ist der Gesamtcharakter hingegen kompakter, was den Eindruck eines bildhaften Ausschnitts verstärkt. Doch der größte Unterschied zwischen der Münchner und der Turiner Version liegt in der räumlichen Inszenierung: In Turin (Abb. 26) wurde der Alkoven, was der üblichen Anordnung entsprach,233 gegenüber der Fensterseite disponiert, während man sich im Appartement Henriette Adelaides, vom Grottenzimmer kommend, direkt und axial auf das Ensemble zubewegte. Diese höchst effektvolle Disposition findet weniger eine Parallele in Turin oder überhaupt in Italien als vielmehr in Frankreich: Im Pariser Hôtel de Beauvais, das in den 1650er Jahren von Antoine Lepautre errichtet wurde und welches Bernini (neben dem Hôtel de Lionne) aufgrund der gelungenen Proportion und commodité so gelobt hatte,234 erkennt man eine vergleichbare Inszenierung des Alkovens, wie der Grundriss belegt (Abb. 30).235 Man näherte sich, von der Grande Salle kommend, auch hier direkt axial dem Alkoven. Und es schloss sich ebenfalls ein Cabinet à alcove an, ähnlich dem Herzkabinett in München. Auch für die Form des Münchner Alkovens liegen französische Vorbilder nahe: Henriette Adelaides Alkoven erinnert an die Beispiele, die in Jean Lepautres AlkovenStichserien festgehalten wurden, insbesondere die 1656/57 herausgegebene, sechs Blätter umfassende Serie „Alcôves à l’italienne“ (Abb. 31, 32),236 aus der offenbar verschiedene Elemente für die Münchner Lösung kombiniert wurden: Die weniger tektonisch als bildhaft aufgefasste Rahmung, die vor allem in Lepautres Blatt 3 (Abb. 31) deutlich wird, kombiniert mit den Karyatiden aus Blatt 5 (Abb. 32), die in München als Stützen der schweren Voluten dienen. Henriette Adelaides Interesse für französische Ausstattungen, und zwar für Ausstattungen der Pariser Hôtels particuliers, ist in diesem Residenz-Bereich unübersehbar. Ihre Kontakte zum französischen Hochadel, insbesondere zu Anne Marie Louise d’Orléans, der Herzogin von Montpensier, die bisher noch sehr wenig erforscht sind, können aufschlussreich sein.237 Die Grande Mademoiselle, die Mitte der 1660er Jahre in einem 233 Eine ähnliche Aufstellung ist später im Appartement Max Emanuels zu beobachten. 234 Bernini/Chantelou 1665 (2001), S. 260 (14.10.1665): Bernini habe gesagt, dass es wohl in Paris kein Haus gebe, „où les appartements fussent de si belle proportion et si commodes“. 235 Der Grundriss (publiziert bei Blondel) in: Babelon 1988, S. 197, Abb. 3. Diese Disposition bildet auch im Werk Lepautres eher eine Ausnahme. Das Hôtel wurde für Catherine Henriette Bellier, Gemahlin des Pierre de Beauvais und „première femme de chambre“ der Königin Anne d’Autriche errichtet. 236 Publiziert bei Pierre II Mariette; vgl. Lepautre 1999, S. 86f. (Nr. 1285–1290). 237 Es hat einen intensiven Briefwechsel zwischen Henriette Adelaide und der Grande Mademoiselle, der Cousine Ludwigs XIV., ihrer Cousine, Herzogin von Montpensier, gegeben. Bary 2004, S. 91

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30  Paris, Hôtel de Beauvais, Grundriss, Obergeschoss, Kupferstich (A = Alkoven)

Flügel des Palais du Luxembourg wohnte,238 die die Schlösser von Saint-Fargeau und Eu sowie später Choisy aufwändig hat um- und neubauen lassen und das Bauen als „divertissement“ verstand,239 beschrieb in ihren Memoiren die intensive Korrespondenz und den Austausch von Geschenken mit der Wittelsbacher Kurfürstin: Elle [Henriette Adelaide] avoit pris une amitié pour moi fort grande; elle m’écrivoit souvent, et moi à elle; elle m’envoyoit des présents, et je lui en envoyois de bien plus beaux,

u. Anm. 99 meint, es habe sich in den Archives Nationales, Paris, keine Briefe Henriette Adelaides erhalten. In der Zeit der Korrespondenz mit Henriette Adelaide lebte die Grande Mademoiselle vom Hof verbannt auf ihren Besitzungen (erstes Exil 1654–57; zweites Exil 1662–63). Auf den Briefwechsel verweisen (jedoch ohne genauere Quellenangabe) Kemp 1982, S. 140; Graf 2002, S. 60, Anm. 194. 238 Über die Ausstattung der Appartements ist nur wenig bekannt; Denise Mayer, Mademoiselle de Montpensier et l’architecture d’après des Mémoires, in: XVIIe Siècle, 118–119, 1978, S. 57–71, S.  62f., verweist auf ein Inventar von 1693 mit einer Gemäldeliste, die hauptsächlich Porträts aller Mitglieder der Familie der Mademoiselle aufweist sowie ein oktogonales Deckengemälde mit Zephir und Flora von La Fosse. 239 Baader 1986, S. 134. Auch die Vorliebe für Porträts, das Sammeln von Porträts könnte Henriette Adelaide mit der Grande Mademoiselle gemein gehabt haben.

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31  Jean LePautre, Alcôves à l’italienne, Blatt 3

elle m’envoyoit aussi les livres de tous les ballets qu’elle dansoit, dont elle avoit fait les vers; car elle avoit l’esprit un peu romanesque.240

Es erscheint daher sehr wahrscheinlich, dass über diese Kontakte Kenntnisse nicht nur in schriftlicher Form über die neuesten Schlösser und Hôtels in Paris vermittelt wurden (etwa über das berühmte Hôtel de Beauvais), sondern auch Kupferstiche nach München gelangten: Die Nähe des Alkovens im Kurfürstinnenppartement zu den Stichserien Jean Lepautres und die überlegte Inszenierung, die eine deutliche Parallele im Hôtel de Beauvais findet, können dies bestätigen. Das Interesse Henriette Adelaides an der Kunst des französischen Adels bezieht sich nicht allein auf künstlerische Objekte; die Kurfürstin war vielmehr insgesamt sehr eingenommen von der französischen Kultur, vor allem der literarischen, der höfischen Salonkultur in der Tradition des Hôtels de Rambouillet.241 Henriette Adelaides großes Interesse an der Preziosenliteratur beweist ihr Bibliotheksverzeichnis.242 Höchst bedeutsam in diesem 240 Montpensier 1627–88 (1859), Bd. IV, S. 405 (1680, aus Anlass der Hochzeit Marianne Christines mit dem Dauphin). 241 Zum Hôtel der Marquise de Rambouillet, um 1619, vgl. u. a. Thornton 1681, S. 7ff.; Kat. Arts décoratifs 2002, S. 115. Siehe auch Babelon 1991. Zur Preziosenliteratur besonders Baader 1986. 242 GHA, Korr. Akt 1712, G I 39; vgl. Kemp 1982, S. 150, Anm. 11. Bei Kemp werden auch einige Bücher genannt, wobei Herzog 1943, S. 143, meint, es enthalte wenige französische Werke,

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32  Jean LePautre, Alcôves à l’italienne, Blatt 5

Zusammenhang ist das an den Alkoven angrenzende Herzkabinett, ein Raum, der in seiner Bildausstattung deutlich der französischen Kultur der Préciosité verpflichtet ist.243 Jedoch darf man fragen, inwiefern die materielle Form des aus Frankreich mittels der Stiche transferierten Objekts wie dem Alkoven kollidierte mit der Funktion, die ein solches Ausstattungsstück im neuen Kontext, in München, hatte oder haben konnte. Die Funktion des Alkovens im französischen Appartement – auch diejenige des Alkovens im Turiner Palazzo Reale – war eine andere als in München, wo es nahezu ausgeschlossen ist, dass dort etwa ein „lever“ und „coucher“ stattgefunden hätten.244 In Frankreich war der Alkoven um die Mitte des 17. Jahrhunderts Teil der Chambre, des Empfangs- und Konversations-

auch nicht eine einzige Ausgabe französischer Klassiker, vorwiegend italienisches Schrifttum des 17. Jahrhunderts, außerdem sechs deutsche Werke, darunter Merians Städtechronik in 22 Bänden und Topografia in 5 Bänden, ebenso Hermanus Honst, Virtutes Eleonorae, Mantua/Wien; Nicolas Ritter, Genealogia Imperatorem 1658. 243 Kemp 1982. Kemp zeigt auch schon die Nähe zu Frankreich im Heldinnenzimmer auf; ebd., S. 132. Dies überzeugt jedoch nicht ganz. 244 Vor allem ist die Bemerkung von Kemp 1982, S. 135, höchst problematisch, dass im Münchner Alkoven das Zeremoniell des „lever“ stattfand und dass der Raum als Pendant zum gleichnamigen Raum im Palazzo Reale in Turin entstand. Auch Bary 2004, S. 241, ging davon aus, dass Henriette Adelaide „lever“ und „coucher“ gehalten habe. Quellen werden dafür nicht angeführt.

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33  Paul Decker, Grundriss des Haupt- oder Prunkgeschosses (aus: Decker 1711/1716)

raums.245 Die Chambre war zweigeteilt, der größere Bereich diente als Aufenthaltsort für Gäste, der durch eine Trennwand von einem schmaleren Bereich abgegrenzt wurde. Diese symmetrisch aufgebaute Wand besaß in der Mitte einen breiten Durchgang, der in eine Nische, in der das Bett stand, führte, gerahmt von zwei Türen; eine Balustrade trennte den Nischenraum ab. Der Alkoven verhalf auf diese Weise zu einer Unterteilung und Abgrenzung, zur Distinktion. Diese Funktion ist deutlich erkennbar in der Tapisserie, die den Empfang des Kardinallegaten Chigi 1664 beim französischen König in der Chambre in Fontainebleau festhält. Dem Kardinal war die große Ehre zuteil geworden, hinter der Balustrade gegenüber dem König in unmittelbarer Nähe des Bettes Platz zu nehmen.246 In München jedoch ist diese Funktion und damit die Möglichkeit der Distinktion nicht gegeben: Audienzen fanden in Henriette Adelaides Appartement vornehmlich im Audienzzimmer (Goldener Saal) oder, für einen noch mehr eingeschränkten Personenkreis, im Grottenzimmer, dem „Großen Kabinett“, statt (Abb. 22, Nr. 3 und 4).247 Über 245 In Frankreich hatte sich kurz vor der Mitte des 17. Jahrhunderts der Alkoven stark ausgebreitet. Zum Alkoven in französischen Bauten vgl. Babelon 1991, S. 202f. Pérouse de Montclos 1982, S. 17, macht auf Schwierigkeiten bei der Terminologie zu alcoves, sallettes etc. in Architekturtraktaten aufmerksam. 246 Hierzu jüngst Castelluccio 2006, S. 25. Vgl. auch Thornton 1981, S. 13. 247 Eine Generation später berichtet der savoyische Gesandte Lantery nach Turin, 1. Dezember 1685; AST, LettM, Baviera, M 8: Nach der Audienz beim Kurfürsten habe es eine Audienz bei der Kurfürstin gegeben „nel suo gran gabinetto, presente la Sig.ra Maggiordoma, le Dame della Camera, alla quale prima di rendere la lettera di V. A. R. ...“.

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regelmäßige Empfänge im Schlafzimmer mit Alkoven – auch in der Galerie, wie es am französischen Hof recht häufig vorkam248 – lassen die Quellen nichts verlauten.249 Der Alkoven in München machte aus dem Schlafzimmer im Kurfürstinappartement keine „Chambre de Parade“. Anders wiederum in Turin: Der Bruder Henriette Adelaides, Carlo Emanuele II., hat im Alkoven auch seine Minister empfangen, hat dort regelmäßig die „più gelosi affari dello Stato“ verhandelt.250 Bis 1685 blieb es das letzte Zimmer des Appartements an der Hofseite des Turiner Palazzo Reale (Abb. 26). Mit der Disposition und Funktion des Alkovens in München im Vergleich mit anderen Beispielen ist ein zentraler Punkt der Differenz zwischen den einzelnen europäischen Höfen und damit auch der Adaption und Transformation von Modellen angesprochen. Der Architekturtheoretiker Paul Decker gibt 1711 im Plan seines exemplarischen „Fürstlichen Palasts“ kein separates Audienzzimmer in den rechts und links vom Saal angeordneten Paradeappartements an (Abb. 33):251 Auf jeweils drei Vorzimmer folgt direkt ein Paradezimmer mit Alkoven. Man könnte vermuten, dass sich dies einer Anlehnung an eine französische Distribution verdankt,252 jedoch erläutert Decker im Text, dass das dritte Vorzimmer auch als Audienzzimmer dienen kann, indem man dort Thron und Baldachin aufstellt. Die reichsfürstliche Praxis ist somit entscheidend: Das Audienzzimmer bleibt unverzichtbar. Ähnliches lässt sich auch bei den Wittelsbachern beobachten. Im Neuen Schloss Schleißheim, um 1725 (Abb. 59), und in den Reichen Zimmern der Münchner Residenz, um 1735 (Abb. 77, Nr. 6), werden sich Funktion und Form lediglich annähern. Dort war jeweils das hinter einer Schranke befindliche Bett stärker in die Repräsentation eingebunden – es hatte jedoch nur symbolischen Charakter, denn wirkliche Audienzen fanden in den vorangehenden Räumen statt. Diese symbolische Funktion konnte das jeweilige Schlafzimmer nur besitzen, weil es ein zusätzliches Appartement de privé gab: In der Residenz übernahm das Gelbe Appartement im Erdgeschoss diese Funktion (Abb. 77), in Schleißheim plante der Kurfürst ebenfalls im Erdgeschoss zu wohnen (Abb. 59).

Frankreich oder Italien? Modelladaption unter Henriette Adelaide Wie sind nun die künstlerischen Bemühungen im Kurfürstin-Appartement hinsichtlich der von der Forschung weitgehenden vertretenden Vorstellung zu bewerten, wonach 248 Z.B. empfing Ludwig XIV. den türkischen Gesandten in der Galerie des Appartements der Königin im Château neuf, Saint-Germain 1669; später fanden aufwändige Audienzen in der Galerie des Glaces in Versailles statt; dazu Castelluccio 2006. Vgl. auch Krems 2012. 249 Eine sehr seltene Ausnahme bietet der Bericht des Formalgesandten des Bischofs von Salzburg, 12. Oktober 1668: „bey der Churfürstin Audienz gehabt im Pött.“ Dies war jedoch der angegriffenen Gesundheit der Kurfürstin zuzuschreiben. BayHStA FS 126 1/2, fol. 76; Zitat bei Graf 2002, S. 21. 250 Rovere 1858, S. 211. 251 Decker 1711, 1. Theil, Tafel III. 252 Laut Möhlenkamp 1992, S. 100, hatte Decker französische Vorbilder vor Augen.

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unter Henriette Adelaide das „Modell Italien“ am Münchner Hof dominierte? Freilich konnte hier nur ein kleiner Ausschnitt aus dem gesamten Spektrum der höfischen Repräsentation näher betrachtet werden, aber allein dieser zeigt, dass ein Beharren auf eine einseitige Modellrezeption kaum der Vielfalt und auch Eigenwilligkeit der Architektur- und Ausstattungsformen in den 1660er und 1670er Jahren am Münchner Hof Rechnung trägt. In dem Alkoven und dem Herzkabinett ist eine deutliche Frankreichrezeption im Appartement Henriette Adelaides zu beobachten, die aber freilich auf einzelne formale Übernahmen beschränkt bleibt – Übernahmen, die vermutlich vermittelt wurden durch Kupferstiche wie diejenigen Lepautres. Eine mit Frankreich vergleichbare zeremonielle Funktion des Alkovens kam dabei nicht zum Tragen; auch eine Einbeziehung in die Raumfolge der Camera di Parata nach Turiner Vorbild findet sich nicht. Henriette Adelaides resignierende Feststellung – „effectiuement le coutemes de le peis me sanble fort etrange“253 – wird also durchaus auch bei ihren baukünstlerischen Projekten relevant gewesen sein. Eine konsequente oder ausschließliche Frankreichrezeption ist allerdings nicht erkennbar: Denn im französisch geprägten Herzkabinett begegnen zugleich emblematische Konzepte und Impresen-Darstellungen, die nachweislich aus Turin bzw. aus Oberitalien stammten.254 Und schließlich wurden Teile der übrigen Dekoration früheren Wittelsbacher Austattungszusammenhängen entnommen: Die im Herzkabinett befindliche Scagliola-Dekoration entstammte den Räumen Maria Annas (höchstwahrscheinlich dem „Schreibstübl“).255 Die Veränderungen Henriette Adelaides beschränkten sich im Herzkabinett auf Fries- und Deckenzone, wo Ölbilder unterschiedlichen Formats in eine prunkvoll geschnitzte und vergoldete Holzverkleidung eingelassen wurden. Summarisch festzustellen, der Umbau des Kurfürstin-Appartements sei im „oberitalienischen Barockstil“ vollzogen worden,256 erscheint angesichts dieser Vielfalt fragwürdig. Gerade im Herzkabinett werden verschiedene Repräsentationsstile und Dekorationskonzepte in den einzelnen Ausstattungselementen anschaulich kombiniert: das übergeordnete Konzept eines räumlich mit dem Alkoven unmittelbar verbundenen, der französischen Préciosité verpflichteten Cabinet d’amour;257 ferner die auf die oberitalienische argutezza zurückzuführende Emblemdekoration; schließlich die der regionalen Tradition, die sich – auf das Prächtigste materialisiert – in den Scagliolatafeln abbildet und die somit auch visuell das Wittelsbacher Konzept von dynastischer Kontinuität veranschaulichen mag. Laut Henriette Adelaides Nachlassinventar hingen im Herzkabinett zudem zwei Porträts, eines zeigt Henriette Adelaide selbst (von Paul Mignard) und ei253 Vgl. in Kapitel 2, Anm. 300. 254 Kemp 1982, S. 147; dazu vor allem CBD 1989, S. 244ff. 255 Es handelt sich um die Scagliolatafeln mit dem Wappen Österreich-Bayern (Maria Anna – Maximilian I.) (um 1640); vgl. Kemp 1992, S. 133. Zur Bedeutung dieser Scagliola-Technik vgl. Kat. Möbel 1996. 256 Z. B. Brigitte Langer, in: Kat. Möbel 1995, S. 14. 257 Baader 1986. Vgl. z.B. auch das Cabinet de l’amour im Hôtel Lambert, Paris; Kat. Arts décoratifs 2002, S. 133. Weitere Beispiele bei Thornton 1981.

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nes ihren Bruder Carlo Emanuele II.,258 eine Porträt-Disposition, die weniger die transdynastische als vielmehr die enge familiäre Bindung unterstreicht. Diese Kompilation verschiedener Ausstattungsweisen in den unterschiedlichen Gattungen, die Verbindung von „altem“ kostbaren Material und neuen Dekorationskonzepten, lässt sich nicht auf die einfache Formel einer direkten Übernahme französischer oder auch italienischer Modelle bringen. Eine ähnliche Vorgehensweise im profan-höfischen Raum, nämlich eine kompilierende und synthetisierende Art der Modelladaption, mit dem Ergebnis einer neuen Konfiguration der repräsentativen Ausstattung auf höchstem Niveau,259 wird auch in den nächsten beiden Generationen unter Max Emanuel und Karl Albrecht vorherrschend bleiben – mag auch zunehmend ein Übergewicht an französischen Produkten zu beobachten sein. Werfen wir noch einen kurzen Blick auf die Ausstattung desjenigen Bereichs im Appartement Henriette Adelaides, der einem größeren höfischen Publikum zugänglich war: die beiden Vorzimmer sowie das Audienzzimmer. Ihre Ausstattung entspricht eher den Konventionen: Im ersten und vermutlich auch im zweiten Vorzimmer (Abb. 22, Nr. 1 und 2) werden bis zum Residenzbrand 1674 die Savoyischen Teppiche gehangen haben, die im Bericht des französischen Gesandten Vitry genannt werden.260 Auch standen hier wohl die Turiner Möbel, die ein Hochzeitsgeschenk von Henriette Adelaides Mutter waren. Im aufwändig ausgestatteten Audienzzimmer hingen laut Henriette Adelaides Nachlassinventar von 1676 elf Porträts, fünf davon, gemalt von Paul Mignard, zeigten höchstwahrscheinlich die Mitglieder der kurfürstlichen Familie, sechs weitere waren Porträts der Savoyer.261 Es wird noch an anderer Stelle darauf verwiesen werden, dass eine derartige Porträtpräsenz im 17. Jahrhundert zunächst auf das Appartement der Fürstin beschränkt blieb. Im Appartement des Kurfürsten gab es zunächst keine Porträts.262 258 Inventar 1676 (Residenz), f. 40r („der Churfürstin Controfait vom Mignard, 600 fl. [...] Herzog von Savoya, 30 fl.“). In einer „Specification“ ist zudem vom „original oual contrefait“ bei dem Porträt der Kurfürstin die Rede; GHA, Korr. Akt. 668, III/328. 259 Dass gerade den Kurfürstinnen eine wichtige Funktion hinsichtlich der Etablierung einer Hofkultur auf hohem Niveau zukam, hat Hahn 1998b, S. 31, für die Kurfürstinnen in Brandenburg herausgearbeitet: „Mit Dorotea von Holstein (Heirat 1668) etablierte sich nicht nur Potsdam als Lieblingsort der kurfürstlichen Familie. In ihrer Zeit setzte sich auch eine an Frankreich orientierte Ausrichtung der Hofkultur allmählich durch.“ Vgl. auch unten Anm. 262. 260 Graf 2002, S. 32, vermutete in diesen Vorzimmern niederländische Teppiche und verwies dabei auf das Inventar 1638. Hingegen ist der Bericht des Duc de Vitry vom 18. April 1674 deutlich; vgl. AAE, CP, Bavière, Bd. 14 (1974), fol. 374–380. 261 Inventar 1676 (Residenz), fol. 42v: „5 fürstliche Contrefaits vom Mignard sambt [ihren?] Rahmen 1000 fl. – 6 Savoyische Contrefait in dergleich Rahmen 600 fl.“ Auch wenn im Inventar nur „5 fürstliche Contrefaits“ erwähnt werden, ist es höchstwahrscheinlich, dass es sich um die Serie aus sechs Porträts von Mignard handelt, die sich heute noch erhalten haben (BStGS). 262 Und es entspricht auch der allgemein für die (etwas spätere) Zeit um 1700 geltende Beobachtung eines „Bestrebens, die Ausstattung in den Räumlichkeiten der Frauen jeweils dem neuesten Stand gemäß einzurichten“, was dazu führte, „daß hier häufig Neuerungen im Sinne stilistischer oder künstlerischer Entwicklungen festzustellen sind. An der Rezeption und Verbreitung stilgeschichtlich bedeutsamer Phänomene hatten Fürstinnen erheblichen Anteil;“ vgl. Bischoff 2003, S. 77.

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Erst nach dem Audienzzimmer, beginnend mit dem „Großen Kabinett“, dem Grottenzimmer, und besonders im Schlafzimmer mit Alkoven und Herzkabinett (Abb. 22, Nr. 4–6), erkennt man eine größere Freiheit gegenüber Ausstattungskonventionen; hier möchte man von einem konzentrierten Umgang mit fremden Modellen sprechen, von kreativen Modifikationen und Kompilationen verschiedener Elemente: Eine größere Vielfalt im Umgang mit fremden Modellen war also eher auf die privaten, die innersten Räume des Appartements beschränkt. Bei Henriette Adelaides Wahl des französischen Vorbilds – die Anlehnung an kulturelle Konzept der Preciosité – muss man jedoch betonen, dass es nicht die „große“, politisch vereinnahmte französische Kunstproduktion war, die die Aufmerksamkeit der bayrischen Kurfürstin fesselte. Königliche Projekte, wie etwa die ab 1663 unter der Leitung Charles le Bruns entstandene Galerie d’Apollon im Louvre, interessierten Henriette Adelaide offenbar kaum. Das Paris, welches der bayerischen Kurfürstin über literarische sowie vermutlich druckgraphische Zeugnisse (wie die Lepautre-Stiche) und zum großen Teil über die Korrespondenz mit der Grande Mademoiselle vor Augen gestanden haben mag, ist das der adeligen Salons: eine in Paris selbst keineswegs mehr aktuelle Form; die große Zeit des Hôtel de Rambouillet war vorbei.263 Es ist damit dasjenige Paris, welches nahezu zeitgleich, 1665, von Christopher Wren oder auch Gianlorenzo Bernini sehr kritisiert wurde, besonders was die in ihre Augen „weibischen“ und „kleinteiligen“ Ausstattungen im Appartement betraf; so Bernini laut seinem Begleiter Paul Fréart de Chantelou: Au lieu de tant de cabinets, de vases, de cristeaux et autres semblables choses, il souhaitait au Roi quelque nombre de belles statues grecques et de bustes pour en orner une ou deux salles, et de tableaux d’excellents maîtres.

Chantelou erklärt dies dem Italiener mit der weiblichen Regentschaft: Que ces propretés de cabinets et de cristeux s’étaient introduites dans la régence, qui était un gouvernement de femme.264

Bernini regte stattdessen an, sich nicht an die künstlerische Repräsentation des Adels, sondern an Gelehrte zu halten, so wie es der Papst in Rom mit großem Gewinn auch praktiziere. Die Ausführungen zu den Umbaumaßnahmen in der Residenz in den 1660er Jahren haben gezeigt, dass Henriette Adelaides Sohn Max Emanuel bei seinem Regierungsantritt 1680 weder eine „italienische“ Residenz vorfand, noch wird er, soviel sei vorab bereits festgehalten, bei seinem Tod 1726 eine „französische“ Residenz hinterlassen. Den in der Forschung für seine Regierungszeit propagierten Modellwechsel hat es in dieser umZum Problem der Differenzierung zwischen Fürsten- und Fürstinnenappartements vgl. Bischoff 2003; Puntigam 2006. 263 Siehe oben Anm. 241. 264 Bernini/Chantelou 1665 (2001), S. 159. Vgl. auch das Urteil von Christopher Wren; oben Kapitel 2, S. 84.

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fassenden Konsequenz vor allem im Stammsitz der Wittelsbacher nicht gegeben. Auch wenn durchaus schon in Max Emanuels frühen Regierungsjahren französische Möbel und andere französische Objekte in der Residenz nachweisbar sind,265 erweisen sich die Verhältnisse dennoch keineswegs als so klar, wie sie Hauttmann 1911 formuliert: Infolge seiner Erziehung, des langen Aufenthalts in den Niederlanden [ab 1692 als Statthalter; Anm. der Verf.] und der engen politischen und verwandtschaftlichen Beziehungen zu Ludwig XIV. geht Max Emanuel als einer der ersten unter den deutschen Fürsten zur französischen Kunst über. 266

Die eigene Sozialisation oder politische Bündnistätigkeiten sind keine hinreichenden Bedingungen für eine Stilwahl, nicht nur im Falle Max Emanuels.267 Bei seinem Sohn Karl Albrecht entbehrt diese Sicht jeglicher Grundlage, da der Kurprinz während des Exils seines Vaters sogar weitestgehend in Österreich erzogen wurde,268 was der Bevorzugung französischer Kunst jedoch keinen Abbruch tat. Im Folgenden möchte ich mich anhand ausgewählter Aspekte der künstlerischen Repräsentation unter Max Emanuel mit Blick auf den europäischen kulturellen Austausch widmen und mich dabei zunächst auf das erste Jahrzehnt seiner Regierungszeit konzentrieren, als mit den Türkensiegen und der Vermählung mit der Habsburger Prinzessin große militärische und politische Erfolge zu verbuchen waren. Die Münchner Residenz wird auch hier wieder im Mittelpunkt stehen. Der darauf folgende Abschnitt wird sich mit der Phase um und nach 1715, der Zeit der Rückkehr aus dem französischen Exil, beschäftigen.269 Doch zunächst gilt auch diesmal, die allgemeinen Bedingungen zu skizzieren, die sich in einigen für unsere Fragestellung wichtigen Aspekten von der Regierungszeit der Vorgängergeneration deutlich unterscheiden.

265 Vgl. Kat. Möbel 1995, S. 14. 266 Hauttmann 1911, S. 257. 267 Die zeitnahe Historiographie und auch zeitgenössische diplomatische Berichte haben fast einstimmig Max Emanuels französische Erziehung durch die Mutter gerügt, war doch Henriette Adelaide in der Wahl der zumeist italienischen und französischen Lehrer und Hofmeister maßgeblich. Vgl. den schon in Kapitel 2, S. 97, zitierten Passus von Königsegg 1673. Jedoch driften hier, wie so oft, Polemik und politische Realität teilweise weit auseinander. So hatte die vermeintlich profranzösische Henriette Adelaide kurz vor ihrem Tod 1676 Max Emanuel in einem Memorandum eindringlich aufgefordert, unbeirrt durch falsche Verlockungen fest und treu zu Kaiser und Reich stehen. Sie hatte ihrem Beichtvater Spinelli ein Schriftstück für den Kurprinzen übergeben; vgl. Karl Theodor Heigel, Der Umschwung der bayerischen Politik in den Jahren 1679–1683, in: QA, Bd. II, 1890, S. 62. Dieses Anliegen seiner Mutter wird Max Emanuel in den 1680er Jahren auch in die Tat umsetzen. 268 Vgl. dazu den letzten Abschnitt dieses Kapitels. 269 Zu Max Emanuel vgl. besonders Hüttl 1976; Aretin 1976.

3.  Die 1680er Jahre: Der junge Max Emanuel

Voraussetzungen und Rahmenbedingungen Ein wichtiger Aspekt hinsichtlich eines kulturellen Transfers ist der jeweilige Grad an Mobilität der Wittelsbacher im 17. und frühen 18. Jahrhundert: Während Kurfürst Ferdinand Maria selten sein Territorium verließ und Henriette Adelaide es nicht einmal mehr schaffte, an ihren heimatlichen Hof in Turin zu gelangen, war Max Emanuel ausgesprochen mobil, vor allem auch dank seiner militärischen Aktivitäten.270 Während der Türkenfeldzüge war er beispielsweise in Böhmen, 1691 in Italien, wo er in Savoyen den Herzog Vittorio Amadeo I. traf;271 etliche Male weilte der Kurfürst in Wien, ab 1692 in Brüssel als Statthalter der Spanischen Niederlande und schließlich, weniger rühmlich, lange in Frankreich während des Exils von 1704 bis 1715. Max Emanuel hatte somit sehr viel mehr Kenntnisse auswärtiger Kunstproduktion und Architektur aufgrund eigener Anschauung als die Vorgängergeneration, auch wenn, wie bereits erwähnt wurde, er selbst keine Kavalierstour als Kurprinz absolvierte. In den ersten Jahren nach seinem Regierungsantritt 1680272 wird der junge Max Emanuel in den Gesandtenberichten nahezu euphorisch geschildert. Der französische Gesandte Denis de la Haye, der 1684 auf Anweisung Ludwigs XIV. einen Bericht des kurbayerischen Hofs anfertigte, schließt seine Beschreibung des jungen Kurfürsten mit den Worten: „Il a tous les dispositions pour devenir le plus grand prince de l’Allemagne.“273 Der savoyische Gesandte Conte Lantery sieht schon 1681 in ihm einen jungen Prinzen voller Tatendrang, vivacità und prontezza: Nel rimanente ancorche questo Principe con la sua gran vivacità naturale si mostri indefesso [?] et in un continuo moto esercitandosi ben spesso nella caccia, come anco nel giusa della palla, e del maglio, con tutto ciò non tralascia di stare maravigliosamente applicato a’ quello che risguarda il buon governo de suoi stati, assistendo con ogni puntualità alli consigli, ove intendo che delibera sopra gli affari più ardui con una prudenza, e prontezza tale di spirit, che dona dell’ammiratione ad ogni uno; in modo che si tiene per certo che debba superare i suoi antenati, e rendersi anco più considerabile de Gran Massimiliano suo Avo.274 270 Aretin 1986, S. 214: Eine von Max Emanuels ersten Maßnahmen, mit der er seinen Eintritt in die große Politik vorbereitete, war der Aufbau einer modern ausgerüsteten starken Armee. 271 Dangeau 1684–1720 (1854–60), Bd. III, S. 417, vermerkt im Oktober 1691: „M. de Bavière dit fort qu’il ne veut point retourner en Allemagne qu’il n’ait aussi pris Suse, et ainsi chassé les François de tout le Piémont.“ 272 Kurfürst Ferdinand Maria starb 1679, Max Emanuel übernahm die Regierungsgeschäfte 1680 nach dem knapp einjährigen Interregnum seines Onkels, Herzog Maximilian Philipp. 273 Denis de la Haye an Ludwig XIV., 17. Januar 1685; AAE, CP, Bavière, Bd. 38 (1684), fol. 425r. Die Anweisung Ludwigs XIV. erfolgte am 14. November 1684. 274 Comte Lantery nach Turin an die Altezza Reale, 11. April 1681; AST, LettM, Baviera, M 5.

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Dieser Tatendrang Max Emanuels drückt sich auch in seinen Plänen aus, Schleißheim (das Alte Schloss) umzubauen und offenbar zu erweitern; so berichtet Lantery im selben Brief über den Kurfürsten: Hieri dopo il pranzo uscí a’prendere aria alla volta di Schlaissaim ove nel med.o tempo diede i suoi ordini per la construttione di vn nuovo appartamento da poter habitarvi con maggiore commodità, con tutta la Corte.275

Einen gewichtigen Teil der politischen Repräsentation bildeten somit auch künstlerischarchitektonische Maßnahmen im Landschloss, was von den Gesandten durchaus registriert wurde. Doch ist über entsprechende Maßnahmen im Alten Schloss Schleißheim in den Quellen nichts bekannt. Zunächst sollte es bei den Umbauten in der Residenz und dem Neubau des Jagdschlosses Lustheim bei Schleißheim bleiben. Kritische Stimmen, die die Reputation des Kurfürsten betreffen, ließen jedoch nicht lange auf sich warten: Fünf Jahre nach seinen lobenden Erwähnungen verfasste Lantery, der inzwischen seit neun Jahren am Münchner Hof weilte und die Bedingungen unter Ferdinand Maria noch sehr gut kannte,276 einen höchst kritischen Bericht über die Zustände in Kurbayern; dort sei es vorrangig geworden di pensare al modo come poter trovar danari da supplire alle spese imminenti che si vedono di opere, Teatri, habiti, Tornei, e le frequenti festini, oltre quello che conviene mettere fuori per rimettere le Truppe.277

Die sehr bedauerliche Kehrseite dieser immensen höfischen Ausgaben zeige sich in dem elenden Zustand des Landes, welcher, so erinnerten sich einige, dem Zustand im letzten Kriege gleichkäme.278 In gewisser Weise würde dies zur Verdunkelung des Glanzes führen, des splendore di tante grandezze e magnificenze che si fanno di feste, apparati, festini, giuochi grossissimi, e tante Gale che ogni di si vedono, quando nell’istesso tempo non si sentono che miserie e lamentationi da tutte le parti.279 275 Ebd. 276 Die Regierung Max Emanuels bemühte sich zwar in den ersten Jahrzehnten, die „wirtschaftspolitischen Leitlinien des Merkantilismus“ zu verwirklichen und durch die Förderung der Wirtschaft – insbesondere durch die Gründung von Manufakturen und eines Kommerzienkollegiums (1689) als neuer Zentralbehörde – die politische Macht des Fürsten zu steigern. Seine Zeit ist insgesamt jedoch durch außenpolitische Ambitionen geprägt. Vgl. den Beitrag von Wilhelm Volkert, in Kat. Max Emanuel 1976, S. 418f 277 Comte Lantery nach Turin an die Altezza Reale, 25. Januar 1686; AST, LettM, Baviera, M 9. 278 Ebd.: „Quelli che hanno notitia delle cose passate asseriscono che il paese non si è mai trovato in maggiori miserie, in tempo delle guerre passate, del Ré di Svezia, come è al presente, talmente che ogn’uno dice che questo Principe se ne va spiantato del tutto, e lo sanno ben notare molti forastieri venuti a questa Corte in occasione di queste feste che sentono le esclamationi, che si fanno per la Città per non essersi ancora pagato il quartiero alli stipendiati, e principalmente alli Musici, cosa che non si è mai veduta nelli tempi passati.“ 279 Ebd. Die kurfürstlichen Bauten sind aus dieser Aufzählung ausgenommen – vielleicht weil sie finanziell verhältnismäßig wenig ins Gewicht fielen. Es sieht also in wirtschaftlicher Hinsicht ganz anders aus als unter Ferdinand Maria.

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Neben diesen bereits in den frühen Regierungsjahren mit hohem finanziellem Aufwand betriebenen höfischen Repräsentationsbemühungen sei noch ein weiterer wichtiger Aspekt kurz erläutert. Dieser betrifft, wie bereits bei der Vorgängergeneration Henriette Adelaides und Ferdinand Marias, die Position der Wittelsbacher zwischen Habsburg und Bourbon, zu einer Zeit, als sowohl in Paris/Versailles als auch in Wien eine politische Blütezeit einsetzte. Das Wunschbild der Wittelsbacher von der Beerbung der Habsburger, wofür Frankreichs Unterstützung nötig gewesen wäre, war aufgrund der Geburt eines Habsburger Thronfolgers 1678 vorläufig illusorisch geworden, weshalb auch die Zeit der engen Bindung an Frankreich zunächst an ein Ende gekommen war.280 Das Verhältnis Kurbayerns zu Frankreich kriselte spürbar ab den 1680er Jahren.281 Max Emanuel, der seit seinem Regierungsantritt vom Kaiser wie vom französischen König umworben wurde, trieb nun eine prohabsburgische Politik voran, welche in seiner Hochzeit mit der einzigen Kaisertochter Maria Antonia 1685 gipfelte.282 Zugleich gab es jedoch eine dynastisch geprägte enge Bindung an das französische Königtum: Max Emanuel wurde im selben Jahr Kurfürst von Bayern, als seine ältere Schwester, Marianne Christine (1660–1690), als Gemahlin des Dauphin nach Frankreich übersiedelte (1680). Die Beschreibung der Schlösser von Versailles und Saint-Cloud 1681, deren Passus „Toute l’Europe regarde Versailles comme la merveille du Monde“ die vorliegende Studie einleitete, war mit einer Widmung an Marianne Christine von Bayern versehen, der Madame la Dauphine. Auch wenn dank dieser Vermählung die dynastischen Beziehungen der Wittelsbacher zu den Bourbonen so eng wie nie zuvor waren und der bayerischen Prinzessin sogar attestiert wurde, dass sie sich gebärde, als sei sie französisch geboren,283 gestaltete sich ein Austausch zwischen den beiden Höfen, im Gegensatz etwa zu der ab 1690 am Hof der Medici in Florenz weilenden jüngeren Schwester Violante Beatrix (1673–1731),284 eher träge. Das mag zwei Gründe haben: Marianne Christine starb bereits früh (1690), und zudem fielen ihre Jahre am französischen Hof in eine prohabsburgische Phase seitens Kurbayern.285 280 Prägnant im Überblick: Kraus 1983, S. 303f. 281 Auch schon zu Lebzeiten Henriette Adelaides in den siebziger Jahren war es bereits merklich abgekühlt; vgl. den Bericht (mit antibayrischer Tendenz) des Reichsvizekanzlers Königsegg 1673 (1903), S. 5: „[...] wie sie [Henriette Adelaide] selbsten gegen einer hochen person vermelt, ein cron auf ihrem haubt in alweeg verlanget, Frankchreich eiferig zu befirdern gesuecht, zwar vor disem merer als ietzt.“ Vgl. auch Preuss 1903, S. 355ff. 282 Strich 1933, Bd. II, S. 486–594, besonders S. 555ff. 283 Vgl. das Zitat bei Merkel 1892, S. 147. 284 Insbesondere mit Violante Beatrix’ Gemahl Ferdinando III. Medici gestaltete sich der Austausch etwas intensiver, sofern dies anhand der bisher knappen Forschung einzuschätzen ist (weit nicht so intensiv jedoch wie der Austausch der Medici mit dem kurpfälzischen Hof ). Dieser Austausch betraf vor allem die Gemäldebeschaffung oder die Empfehlung von Künstlern. Vgl. hierzu Epe 1990, S. 64–66. 285 Es liegen nur wenige Quellen vor; kunsthistorische Forschungen gibt es kaum. Von historischer Seite: Peter Claus Hartmann, Zwei Wittelsbacher Prinzessinnen am Hof Ludwigs XIV.: Maria Anna Christina von Bayern und Elisabeth Charlotte von der Pfalz, in: Das Haus Wittelsbach und die Europäischen Dynastien (= ZBLG, 44 [1981]), S. 269–289.

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Dennoch gibt es Hinweise auf das Interesse Max Emanuels an der französischen künstlerischen Produktion, die direkt mit der Schwester zu tun haben. Eine in den Relationen des französischen Gesandten, Denis de la Haye, beschriebene Begebenheit ist sehr aussagekräftig.286 Der Gesandte berichtet am 17. März 1683, dass am Freitagabend mit der Post auch ein Brief und ein Paket der Madame la Dauphine für den Kurfürsten angekommen seien, so dass er sich tags darauf in die Residenz begab: „J’allay a son léver le Samedy matin.“ Der Franzose vermerkt hier zwar ein „Lever“ des Kurfürsten, doch darf dies freilich nicht mit dem französischen lever gleichgesetzt werden; der Hinweis ist vielmehr als eine zeitliche Angabe zu verstehen,287 zumal sich de la Haye nur mit dem Großkämmerer zunächst über das weitere Vorgehen besprach: Je priay le grand Chambellan de luy [Max Emanuel] dire que j’avais une lettre et un paquet pour luy de Mad.e la Dauphine, qui je luy presente s’il le desiroit, ou que je les donnasse [?] luy grand Chambellan pour les luy presenter.

Der Gesandte musste warten: Quelque temps aprez le grand Chambellan me vint dire que je pouvais entrer dans la Chambre, M.r l’El.r est autant tout vestu et mesme tout botté pour aller disner a son Chasteau de Schlaissem. Il estoit assis et un Barbier le peignoit. Il y’avoit plusieurs personnes dans la Chambre, il ne se leve point, Et me fit seulement un signe de tête. Je luy presentay la lettre et le paquet qu’il fit ouvrir. Le paquet ouvert il se leva et regarde quelque temps des Estampes de M.r Le Brun que Mad.e la Dauphine luy ennoyait. Et sans me dire une seule parole il me fit un autre signe de la tête qui signifoit allez vous en _______ [nur ein Strich], Pas en mot d’honnesteté ny de temerciement pour Mad.e la Dauphine. Il ne se leve point quand j’entre dans la chambre en presence de tout le monde. Quand a la personne je ne me plainds pas, Mais ce Prince devoit avoir egard que j’ay l’honneur d’être Ministre de v. M.te.

Diese Quelle ist in mehrfacher Hinsicht von Bedeutung. Sie ist ein Beleg für die Rolle der Dauphine als Senderin wichtiger künstlerischer Objekte, denen Max Emanuel durchaus großes Interesse entgegenbrachte, jedoch offenbaren sich zugleich auch die problematischen politischen Beziehungen: Dass sich Max Emanuel erhebt, um sich die Kupferstiche Le Bruns anzuschauen, registriert der Gesandte genau. Er notiert dies jedoch nicht, um die Ehrerweisung des Kurfürsten gegenüber der Kunst zu betonen, sondern weil sich Max Emanuel zuvor bei seinem, de la Hayes Betreten des Zimmers, nicht erhoben hatte, „il ne se leve point“. Es hat im zeremoniellen Diskurs offenbar etwas sehr Delikates, dass der Kurfürst zwar zur Betrachtung der Kupferstiche aufsteht, nicht aber vor dem Gesandten. Max Emanuel redet kaum mit ihm, lässt kein „mot d’honnesteté“ 286 Denis de la Haye an Ludwig XIV., 17. März 1683 (AAE, CP, Bavière, Bd. 37 (1683), fol. 91r– 92r). 287 Die Anwesenheit beim Lever des Kurfürsten war nur sehr wenigen gestattet. Laut einer kurfürstlichen Kammerordnung von 1748 war es dem Obersthofmeister gestattet, in der Frühe „zum Anlegen Sr. Churfrstl. Durchleucht...“ anwesend zu sein; BayHStA FS 772m, f. 46.

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an die Dauphine ausrichten – und das alles „en presence de tout le monde“. De la Haye berichtet hier also über eine Begegnung, die den Charakter eines diplomatischen Zwischenfalls hat, vor allem wenn er abschließend betont: „Mais ce Prince devoit avoir egard que j’ay l’honneur d’être Ministre de V. M.te.“ Dieser Bericht des Gesandten veranschaulicht erneut die enge Bindung künstlerischer Produkte und politischer Beziehungen im höfischen Umfeld. Im Mai 1684 scheinen sich diese problematischen politischen Beziehungen etwas gebessert zu haben, denn im Journal Dangeaus heißt es, dass ein courrier de Bavière dem französischen König versicherte des bonnes dispositions de cet électeur [Max Emanuel] pour la paix et de l’envie qu’il avoit d’entretenir bonne correspondance avec la France.

Es wird noch hinzugefügt, wie sehr dieser Wandel die Dauphine erleichtert habe: Madame la Dauphine fut sensible au dernier point à cette bonne nouvelle, parce qu’il avoit paru que S. A. E. n’étoit pas bien intentionée pour nous.288

Eines der wichtigsten Ereignisse der frühen Regierungsjahre Max Emanuels war zweifellos seine Vermählung mit der Habsburger Prinzessin Maria Antonia, die den größten Unterschied zur Vorgängergeneration von Ferdinand Maria und Henriette Adelaide unterstreicht: Im Gegensatz zu den 1660er Jahren waren die 1680er Jahre deutlich reichsorientiert. Nicht nur die Heirat bestätigt dies, sondern auch die Türkenkriege,289 was Schmid in seiner Residenzbeschreibung 1685 auf die griffige Formel bringt, Max Emanuel sei nicht dem werthen Bayrland allein / sondern dem Römischen Reich / ja allen Christlichen Ländern zu nutz.290

Die Übernahme der Statthalterschaft in den Spanischen Niederlanden war seit den Heiratsverhandlungen mit der Habsburgerin 1685 ein intensiv diskutiertes und Europa in Atem haltendes Thema, denn der versprochene Besitz der Niederlande würde den Umfang des Wittelsbacher Landbesitzes auf mindestens das Doppelte erweitern – die Erhebung des Hauses Wittelsbach zu voller Souveränität rückte somit näher.291 Zudem konkretisierten sich die Ansprüche von Max Emanuels 1692 geborenem Sohn Joseph Ferdinand auf die Nachfolge Karls II. von Spanien.292 288 Dangeau 1684–1720 (1854–60), Bd. I, S. 13. 289 Vgl. neben Hüttl 1976 auch Strich 1933, Bd. II, S. 556ff. 290 Schmid 1685, S. 45. 291 Preuss 1901, S. 493. 292 Durch die Heirat mit einer potentiellen spanischen Erbin änderte sich in diesem Punkt der ikonographische Bezug Max Emanuels, der sich nicht mehr nur als bayerischer, sondern, trotz der vertraglichen Abstriche, als spanischer Herkules verstanden wissen wollte. Zukünftig sollte er sich von seiner neuen, vielversprechenden Beziehung zu Madrid derart eingenommen präsentieren, dass er beispielsweise bei den in Augsburg stattfindenden Sitzungen des Kurkollegiums 1690, die der Königswahl des Erzherzogs Josef vorausgingen, in spanischer Tracht auftrat und sogar an den

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Die Hochzeit Max Emanuels mit der Habsburgerin – im Ehekontrakt verzichtete Maria Antonia ausdrücklich auf ihre spanischen Erbrechte zugunsten ihres Vaters und dessen männlicher Nachkommenschaft293 – war ein empfindlicher Schlag gegen Ludwig XIV., der die Hochzeit zwar nicht zu verhindern suchte, den Kurfürsten aber sein Missfallen empfinden ließ.294 Max Emanuel hatte sich nicht an sein am 5. Februar 1680 schriftlich gegebenes Versprechen, keine dem französischen König unangenehme Heirat einzugehen, gebunden gefühlt. 1679 hatte Ludwig XIV. eine Doppelhochzeit vorgeschlagen, die München abgelehnt hatte.295 Und Max Emanuel meinte bei Gelegenheit, eher sollte ihn der Teufel holen, als dass er je eine Französin heirate.296 Die Animositäten gegen Frankreich während dieser deutlich prohabsburgischen Phase hinderten Max Emanuel aber nicht daran, sich gerade für die Hochzeitsfeierlichkeiten mit der Habsburgerin großzügig um französische Luxusartikel zu bemühen und Fachkräfte aus Paris zu beauftragen. Für Vermittlungszwecke wurde teilweise auch die Dauphine, seine Schwester, herangezogen.297 Vor allem die Berichte des savoyischen Geaufwändigen Karnevalsveranstaltungen, die in der Münchner Residenz eine lange Tradition besaßen, vornehmlich als Spanier verkleidet auftrat; vgl. Straub 1969b, S. 285, 291. Seit 1686 wurde erstmals ein eigener Gesandter am spanischen Hof installiert: Jean-Baptiste Lancier, ein emigrierter Franzose; Schryver 1996, S. 27, 29; Preuss 1901, S. 488. Zum Wandel in der Ikonographie des Herrscherbildes vgl. auch Seelig 1976. 293 Maria Antonia hatte vor der Hochzeit einen feierlichen Verzicht auf das spanische Gesamterbe zugunsten ihres Vaters zu unterzeichnen. Allein die spanischen Niederlande sollten beim Tode Karls II. an die Kurfürstin und ihre Kinder fallen. Um Max Emanuels Ehrgeiz entgegenzukommen, versprach Leopold I., noch zu Lebzeiten des spanischen Königs eine Abtretung der Spanischen Niederlande an den Kurfürsten zu befördern. 294 Gerade die Entscheidung darüber, dem Kurfürsten die Verwaltung der Spanischen Niederlande zu überlassen, musste Ludwig XIV. als Eingriff in die Rechte des Dauphins ansehen; hierzu besonders Preuss 1901. 295 Der Dauphin und Marianne Christine, Max Emanuel und die Prinzessin Marie-Louise, eine Tochter des Herzogs von Orleans. Dazu Strich 1933, Bd. II, S. 143. 296 Quelle bei Hüttl 1985, S. 88. Auch der Beginn der Statthalterschaft 1692 steht keineswegs für ein profranzösisches politisches Gebaren. Annäherungen an Frankreich sind erst ab dem Frieden von Rijswick 1697 zu verzeichnen: Vom Kaiser enttäuscht, der keine Anstalten machte, sich für seinen Verbündeten einzusetzen (Hüttl 1976, S. 224f.), begann Max Emanuel in Versailles zu sondieren. Dazu in AAE, CP, Bavière, Bd. 42, fol 438–444; Instruktion für Bombarda, den Gesandten, fol. 410–419; vgl. Anna Sinkoli, Frankreich, das Reich und die Reichsstände, Frankfurt 1995, S. 92ff. 297 Im August 1685 versucht Max Emanuel französische Köche aus Paris zu bekommen; diesmal solle Baron Simeoni nach Paris reisen und die Vermittlungsdienste der Madame la Dauphine beanspruchen „per far venire due o tre cuochi francesi di migliori, con un bravo Controlore di Cucina, e due altri Ufficiali di bocca“; Comte Lantery nach Turin, an die Altezza Reale, 17. August 1685; AST, LettM, Baviera, M 8. Weit wichtiger waren aber noch andere Vermittler in Paris, etwa Prinz Fürstenberg, der für die Jagdausstattung des bayrischen Kurfürsten sorgte. Dangeau 1684–1720 (1854–60), Bd. I, S. 239, berichtet am 26. Oktober 1685, dass Max Emanuel das Angebot, welches ihm Prinz Fürstenberg gemacht habe, akzeptiert habe, „de lui envoyer tout son équipage pour la chasse du cerf, et le prince de Furstemberg a fait partir les hommes, les chien et

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sandten Lantery sind aussagekräftig wegen der Vorbereitungen für die Hochzeit, die, wie so oft, einen Höhepunkt in der kurfürstlichen Ankaufspolitik darstellte.298 Oberstes Kriterium bei der Auswahl von Ausstattungs- und Dekorationsartikeln war die Qualität, und die lag Mitte der 1680er Jahre zu einem erheblichen Teil bei französischen Produkten (besonders Kutschen und Kleidung),299 durchaus aber auch bei Produkten aus anderen Ländern, etwa Stoffen aus Turin: L’Aiutante di Camera che doueua essere spiedito a’ Parigi per gli habiti, e carrozze nel modo che hebbi l’honore di dire a’ V. A. R. L’ordinario passato perti Sabbato scorso, e si dice che verrà spedito a’ Torino un Tapezziere per far la compra di stoffe di seta per fare Tapezzarie da estate, letti, et altri mobili.300

Dieses Verfahren, aus verschiedenen Ländern die hochwertigsten Produkte auszuwählen,301 wird knapp vierzig Jahre später bei den Vorbereitungen zum Hochzeitsfest von Karl Albrecht und mit der Habsburgerin Maria Amalia 1722 wieder begegnen, auch wenn Paris zu dieser Zeit unumstritten als Hauptstadt des höfischen Luxus galt. In der publizierten aufwändigen Festbeschreibung des Pierre de Bretagne wird der mit dieser Vielfalt verbundene Ehrgeiz auch deutlich formuliert, indem die Wahl des Besten, die der eigenen Urteilsfähigkeit entspricht, zugleich das Konzept der Überbietung beinhaltet: les chevaux“. Im Februar 1686 meldet Lantery ihre Ankunft in München: „arrivata da Parigi la muta di cani da Caccia che S. A. E. ha comprata dal Principe di Fürstemberg, quale è parimente giunto in questa Città, per tirar il denaro della Compra […]“ – mit dem ironischen Zusatz: „Et ecco un’ altra nuova occasione di una gran spesa.“ Comte Lantery nach Turin, an die Altezza Reale, 15. Februar 1686; AST, LettM, Baviera, M 7. 298 Comte Lantery nach Turin an die Altezza Reale, 16. Februar 1685; AST, LettM, Baviera, M 8. Ders. berichtet von der „ricreatione del Wirtschaft, che è stato de più pomposi che si sieno ancora veduti, non tanto per la varietà de gli habiti, quanto per la vaghezza e ricchezza delli med.mi, per la gran quantità di gioie de’quali la maggior parte de Caualieri, e Dame si uedeuano ornati....“ Im selben Bericht wird auch eine Carrozza erwähnt, „di nuova inventione tutta aperta per dinanzi, et alli due lati, che S. A. E. ha’ fatta venire da Parigi l’estate passata“. 299 Auch das Bett des kurfürstlichen Appartements kam aus Paris. Im Inventar 1707 (Hausschatz), fol. 66, wird es ausführlich beschrieben mit folgender Randnotiz: „Ist das französische Pett, so auf die Hochzeit Ihro Gdn: Antonie auf [sic] Paris verschafft worden.“ 300 Comte Lantery nach Turin an die Altezza Reale, 30. März 1685; AST, LettM, Baviera, M 8. Am 20. April, als die Zeit knapp wird mit den Vorbereitungen, wird nochmal von dem Aiutante di Camera berichtet, „che è andato a Parigi di mandare i Disegni delle gioie che si desiderano, avanti di farle fare, per vedere se piaceranno“. Im Folgenden wird noch von Schwierigkeiten mit Musikern aus Italien berichtet. 301 Vgl. auch Rohr 1733 (1990), S. 79ff.: „einige Fürsten sind keine Liebhaber von veränderungen der Meublen [...] Andere hingegen finden ihr gröstes Vergnügen an offtmahliger Abwechselung, und in Nachahmung alles dessen, was bey den Ausländern an Galanterien und Kostbarkeiten wahrgenommen wird. Sie sind bei der Architektur und Ausmeublirung ihrer Fürstlichen Residentz- und Lust-Häuser nicht mit dem zufrieden, was ihnen die sinnreichsten meister in Franckreich und Italien, Holland und England an die Hand geben, sondern sie müssen auch noch das [...] aus der Türckey, China, und andern Ländereyen ausserhalb Europa, neue Erfindungen herholen.“

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[...] was das Reich an Juwelen [...], was Frankreich und Italien am rarsten, neuesten und reichsten an Stoffen, wie auch goldenen und silbernen Stücken, was Flandern und Holland am schönsten an Leinwand, Spitzen und dergleichen hat, das wurde mit allem Fleiß aufgesucht und dabei weder Mühe noch Kosten gespart.302

Einen letzten hier zu nennenden gewichtigen Unterschied der frühen Regierungsjahre Max Emanuels zur Vorgängergeneration unter Ferdinand Maria und Henriette Adelaide liegt vor allem an der gewandelten Rolle Wiens. Die Kaiserstadt erlebte dank der militärischen Erfolge gegen die Türken in den 1680er Jahren eine politische Hochphase, sie rückte in eine neue geopolitische Lage, nämlich ins Zentrum der „Donaumonarchie“. Mit dem Wiederaufbau der stark zerstörten Vorstädte nach dem Ende der Türkenbelagerung 1683 ging eine große städtebauliche Umbauphase einher.303 Zugleich bildete sich hier ein bedeutendes Zentrum des Lustbauwesens, als der Adel zahlreiche Gärten vor der Stadt neu anlegen ließ. Weniger ist also diese Umbauphase an den höfischen als vielmehr an den adeligen Bauten, an den Stadt- und Landpalais’, abzulesen, was Casimir Freschot, der 1705 die „grosse menge paläste und schöne häuser“ bewunderte, sogar veranlasste, die Kaiserstadt mit Paris auf eine Stufe zu stellen.304 In der höfischen Baukunst indessen hielt man sich auffällig zurück, worauf hier bereits hingewiesen wurde; das wiedererstarkte Reichsbewusstsein und die Herrschaftslegitimation wurden mit anderen Mitteln zum Ausdruck gebracht als mit denjenigen herrscherlicher Baumaßnahmen.305 Hiermit sind die politischen und künstlerischen Rahmenbedingungen der frühen Regierungsphase Max Emanuels skizziert. Sie bilden wichtige Voraussetzungen, um die erneuten Umbauarbeiten in der Münchner Residenz in den 1680er Jahren mit Blick auf Modellrezeption und Kulturtransfer analysieren zu können. Es wird ein Kaiserbesuch sein, nämlich der Besuch Leopolds I. 1690 in München, dessen Berichterstattung die Bemühungen Max Emanuels um eine im europäischen höfischen Konkurrenzfeld angemessene Repräsentation bündelt; so die bei Lünig nachzulesende Beschreibung: Keine Unkosten wurden gespahret, wie hoch sie gleich zu Anordnung eines sehr magnifiquen Luft-Turniers und Aufrichtung eines Opern-Hauses sich belieffen. Insonderheit zeigte sich der welt-beruffene Churfürstl. Pallast zu diesemmahl in einer solchen Zierde, daß man gleichsam die Schätze und Kostbarkeiten vieler Fürstenthümer in demselbigen allein beschauen kunte. Wo man sich darinnen nur hinwandte, sahe man die Gemächer 302 Bretagne 1723, 3. Die Kutsche kam natürlich aus Paris. Vgl. den Bericht des französischen Gesandten de Vaux von der Hochzeit (20. Oktober 1722); AAE, CP, Bavière, Bd. 69 (1722), fol. 120–124. Fol. 120v: am 17. Oktober zur entrée de l’Archiduchesse, die stattfand „avec toutte la magnificence imaginable. Cette Princesse etoit dans un carosse d’une richesse extraordinaire, venu tout nouvellement de Paris“. 303 Zu diesen Maßnahmen vgl. besonders Lorenz 1985; John Philip Spielman, The City and the Crown. Vienna and the Imperial Court 1600–1740, West Lafayette 1993. 304 Freschot 1705b, S. 3. 305 Das höfische Baugeschehen in Wien verlagerte sich ab 1685 vor allem auf die Renovierung der kaiserlichen Schlösser außerhalb von Wien, hatte aber dem Bauschaffen des Adels nichts entgegenzusetzen.

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von Gold und Silber und den raresten Gemählden auf das trefflichste gezieret, und mit kostbahren Crystallinen Leuchtern und Spiegeln behänget, also, daß die Augen der Fremden darüber erstarret, und die Gemüther ganz entzücket wurden. Kurtz zu melden, es war zu einer Ankunfft Kayserl. und Königl. Gäste alles auf das vollkommenste eingerichtet.306

Die Distribution im Residenz-Appartement des Kurfürsten Mit den Räumen der Kurfürstin war bereits in den 1660er Jahren ein im Sinne der commodité sehr überlegt disponiertes und aufwändig ausgestattetes Appartement entstanden.307 Quellen belegen, dass der junge Kurfürst Max Emanuel genau in diesem Appartement seiner Mutter während des Umbaus seiner eigenen Gemächer zu Beginn der 1680er Jahre residierte.308 Zudem sollte die Distribution des Kurfürstinnenappartements grundlegend auch für die späteren Umbauten bis ins 18. Jahrhundert werden, eine Distribution, die sich, wie beschrieben, als eine spezifische Raumfolge der Reichsfürsten darbietet.309 Dieses unter der Kurfürstin entwickelte strukturelle Prinzip wird in den beiden folgenden Kurfürstengenerationen erhalten bleiben, mit interessanten Modifikationen und Erweiterungen, vor allem was die weitere Ausdifferenzierung des privaten und des öffentlichen Bereichs betrifft. Es wird daher bei meiner Analyse des Appartements des Kurfürsten vor allem um Fragen der Distinktion mittels Raumfolgen gehen, um die graduelle Unterscheidung von öffentlichen und privaten Bereichen – Fragen also, die hinsichtlich der Differenzkriterien im Rahmen des interhöfischen Kulturtransfers und einer spezifisch Wittelsbacher Repräsentation von Interesse sind und die auch von Besuchern wahrgenommen wurden. Um ähnlich wie bei Henriette Adelaide den Grad der Veränderung und die Bedeutung der Modifikationen zu begreifen, ist wiederum ein Blick auf das Appartement der Vorgänger unabdingbar. Der Zugang zum Appartement – daran änderte sich im gesam306 Lünig 1719/20, Bd. I, S. S. 195 (der gesamte Bericht S. 195–199). Das unter Ferdinand Maria errichtete Turnierhaus war 1690 erweitert worden; laut Wening 1701, hätten neun bis zehntausend Personen den darin aufgeführten Turnieren und Ritterspielen „gar bequemlich zusehen können“. 307 Ich kann nicht mit der herrschenden Forschungsmeinung übereinstimmen, dass Max Emanuel bei Antritt seiner Regierung eine Stadtresidenz vorgefunden habe, die „den Ansprüchen eines absolutistischen Herrschers der Zeit Ludwig XIV. kaum genügen konnte“. Hojer 1976, S. 142, verweist dabei sogar explizit auf die Räume des Kurfürstinnenappartements, die „noch aus der Zeit seiner Mutter sich verwinkelt zwischen Kapellen- und Grottenhof und den großen Residenzgarten zwängten“. 308 Brief des Comte Lantery nach Turin, 4. April 1681; AST, LettM, Baviera, M 5: Der Gesandte berichtet von seiner ersten Audienz beim Kurfürsten, die stattgefunden habe „nel Gabinetto grande dell’appartamento che teneva la fú Ser.ma Elletrice di gloriosa mem.a habitato al presente dall’ A. S. E.“ Dagegen formuliert Graf 2002, S. 16: „Nach ihrem Tod 1676 standen die Räume leer, bis die erste Gattin Max Emanuels sie wieder bewohnte. Erzherzogin Maria Antonia zog nach ihrer Hochzeit 1685 in das Appartement ein.“ 309 Laut der Beschreibung von Wening 1701, S. 10, wies auch das Appartement der Gattin von Maximilian Philipp eine ähnliche Raumfolge auf, Maximilian Philipps Appartement hingegen nicht.

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34  München, Residenz, Plan der Gesamtanlage, Bauzustand um 1630 (Privatbesitz) Detail: Grottenhoftrakt, Appartement des Kurfürsten Maximilian I.

ten 17. und 18. Jahrhundert nichts – erfolgte wie beim Kurfürstinnenappartement über das Südportal, den Kapellenhof, die Breite Treppe und den Herkulessaal (Abb. 15),310 wobei man auch direkt über die Ritterstube das Appartement betreten konnte (Abb. 34). Nach der von zwei Seiten beleuchteten Ritterstube folgte die Antecamera, von der aus über das „gläserne Gänglein“ die Hofkapelle und Geheime Kapelle zu erreichen waren.311 Ferdinand Maria hatte das Appartement seines Vaters nahezu unverändert belassen, vermutlich auch in seinem zeremoniellen Gebrauch. Dieser hatte bereits unter Maximilian I. eine Ausdifferenzierung gegenüber Herzog Wilhelm V. erfahren. Zwei Hofordnungen sind aus dem späten 16. Jahrhundert überliefert: die Kammerordnung Wilhelms V. (1589) und die Kammerordnung Maximilians I.312 Bei Wilhelm V. bestand die Raum310 Wening 1701, S. 4: „der ordentliche Eintritt aber anderer seyts durch den Herkules-Saal gewiesen wird“. 311 Wening 1701, S. 3: „In der Ante-Cammer (auß welcher ein Thür in das so genannte gläserne Gänglein führet / so mit 18 Fenstern hell erleuchtet / und gnädigster Herrschaft dienet / dadurch in beede Capellen zu gehen) [...]“. 312 Beide sind abgedruckt in Kern 1907, S. 210–223 bzw. S. 223–228. Wolf 2006, S. 170, macht noch auf eine Zeremonialordnung von 1581 aufmerksam, die das Gesandtschaftszeremoniell regelte (BayHStA, FS 109).

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folge demnach aus Saal, Vorcammer, Cammer und offenbar einer Inneren Cammer;313 im Saal wurde morgens, in der Cammer abends gegessen. Bei Maximilian I. werden eine Taflstuben (= Ritterstube), Vorcammer, Cammer und eine Guardaroba genannt, die er eigens gegenüber dem Vorgängerappartement eingeführt hat. Eine Beschreibung Philipp Hainhofers von einer Audienz 1612 bestätigt diese Raumfolge im Appartement des Herzogs Maximilian.314 Hainhofer durchquerte Ritterstube (= Taflstuben) und die (nicht genannte) Antecamera, bevor er in das Audienzzimmer (= Cammer) kam, das er „ihrer durchlaucht zimmer (darinnen sie Audienz geben)“ nennt. Erichsen vermutet daher, dass das Audienzzimmer gleichzeitig als Wohnraum des Herzogs gedient habe, wofür auch die Ausstattung des Raumes mit Ofen und Kamin spreche: „Im Audienzzimmer überschnitten sich somit zeremonieller und privater Bereich des Appartements.“315 In dem Grundrissplan, der einen Zustand aus den späten 1640er Jahren festhält (Abb. 34),316 also zu einer Zeit, als Herzog Maximilian I. bereits seit zwei Jahrzehnten Kurfürst war, ist die Cammer als „Audienzzimmer“ bezeichnet. Nach Osten schließt sich vermutlich die in der Kammerordnung genannte Guardaroba an, die später die Schatzkammer wurde. Über die Räumlichkeiten des Kurfürsten Ferdinand Maria weiß man wenig; das bisher in der Forschung für die Appartements in der Residenz nicht konsultierte TheatinerDiarium von 1662 kann hier weiterhelfen. Es gibt zugleich wiederum Aufschluss über die Wahrnehmung von Differenzen zwischen italienischen und reichsfürstlichen herrscherlichen Appartements. Die Delegation der aus Oberitalien stammenden Theatiner bemerkt während einer Audienz beim Kurfürsten zwar eine „italienische“ Ausstattung und Dekoration („all’uso Italiano”) in den Sälen, durch die sie offenbar zunächst geführt wurden; es wird sogleich aber auf einen ihnen fremden Usus verwiesen, es gäbe nämlich keine portiere wie in Italien – dies sei „il costume Todesco“. Besonders beeindruckt zeigt man sich von der zahlreichen Präsenz der Cavaglieri: Nell’andar passando per molte sale ben adobbate all’uso Italiano però tutte le porte senza portiere, essendo così il costume Todesco, osseruai nella uicina à quella di S. A. E. gran numero di Cauaglieri, à quali pendeua da un canto, una Chiave dorata. È questo un Ordine de Cauaglieri, che seruon immediatamente i Ser.mi P[ad]roni; Soli essi possono 313 Kern 1907, S. 216. 314 Hainhofer 1611/1636 (1990), S. 140. Auch schon 1611 berichtete Hainhofer von seinem Besuch bei Herzog Wilhelm IV., der vor der Messe stattfand: „Zu ihrer D[urchlaucht] gehet man durch zween sääl hinein; in dem ersten stehen auf zwo seiten 100 trabanten mit helleparten [...]. In dem anderen saal (in welchem in der höhin herumb etliche bayrische historia abgemahlet sein) stehen auf zwo seiten 100 carbiner [...]. Auß disem saal gehet man in aine große stuben, die ritterstuben, darin ain schöner ofen, auch die lange tafel under dem baldachino, an deren ihre D[urchlaucht] tafel halten. In diser stuben warten die rät und officier auf, biß ihre D[urchlaucht] auß ihrem zimmer herauß zu der meß gehen [...].“ 315 Erichsen 2002, S. 46. 316 Vgl. zu diesem Plan Erichsen 2002; zur Datierung S. 46: Entstanden sein muss der Plan nach der Chorerweiterung der Hofkapelle 1629/30 und vor dem Umbau des Zimmers der Jahreszeiten (Steinzimmer), offenbar erst nach 1644 und höchstwahrscheinlich vor dem Kaiserbesuch 1653. Auf diesem Plan ist in einer Reihe von Räumen auch deren Funktion eingetragen.

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entrare, di tutti i Cauaglieri della Città, ó Forastieri in quella AntiCamera: e per tale distintione uengono detti uolgarmente Camerieri di S. A. E., ò Caualieri della chiaue d’oro, che saranno più di 100 in numero, se ben tutti non seruono, poiche que’ sono, che si mandan al Gouerno delle Città; 60. ò 70. però sempre ne restano à Corte, et à uicenda hanno il seruiggio ord.o, comparendo poi tutti negli istraordinarij, nelle feste, et in certi giorni destinati.317

Erst im eigentlichen Appartement des Kurfürsten gäbe es dann die portieri: I Portieri cioè quegli che apron le porte (poiche come sopra s’è detto non si usano Portiere come in Italia) tengon in mano certo bastone non più lungo d’uno scettro con certi fornimenti d’argento; e sono persone quei delle più lontane dalla Cam.a di S. A. E. dello stesso carato de’ Serui di Camera.

Mehr Einzelheiten, etwa über die Ausstattung, gibt die Beschreibung an dieser Stelle nicht preis; der offizielle Rahmen – das Zeremoniell – hat, wie so oft, eine eingehende Besichtigung verhindert.318 Ferdinand Maria hatte die Struktur der Raumfolge seines Vaters nicht verändert oder überformt. Nach Ritterstube und Antecammer folgte das Audienzzimmer, es gab also wie bei der Kurfürstin zwei Vorzimmer vor dem Audienzzimmer.319 Es fehlte jedoch ein „Inneres Audienzzimmer“, welches bei Henriette Adelaide – womöglich in Parallele zur kaiserlichen Retirade – eigens eingeführt worden war (Abb. 22). Nur wenige Quellen verraten auch etwas über den Gebrauch und das Zeremoniell im kurfürstlichen Appartement unter Ferdinand Maria. So etwa findet sich – worauf ich an anderer Stelle bereits verwiesen hatte320 – in französischen Zeremonialprotokollen bis ins 18. Jahrhundert hinein die Erwähnung des besonderen Zeremoniells, welches dem Envoyé extraordinaire Duc de Gramont 1658 in München zu Teil wurde, ein Zeremoniell, wie dort betont wird, das weder bei einem deutschen Fürsten noch irgendeinem anderen Botschafter jemals, auch nicht unter Maximilian I., beobachtet wurde: Der Kurfürst habe den Botschafter bereits in der Antichambre empfangen, ihm bei der Audienz sogar einen ihm ebenbürtigen Sitzplatz angeboten und ihn schließlich wieder bis zur Antichambre zurück begleitet. Diese Ungewöhnlichkeit geht implizit aus einem Bericht des französischen Gesandten Denis de la Haye knapp zwanzig Jahre später (1676) hervor: Dort wird die Antecammer zwar als ein wichtiger Raum beschrieben, der allerdings nicht durch die Anwesenheit des Kurfürsten ausgezeichnet wurde:

317 BayHStA, KL Fasz. 471, fol. 7. 318 An späterer Stelle wird ein Besuch – sicherlich in Abwesenheit des Kurfürsten – zum Anlass genommen, weitere Einzelheiten über das Appartement des Kurfürsten mitzuteilen. Dazu später. 319 Diese Parallele war jedoch nicht die Norm im Reich. In Salzdahlum, eingeweiht 1694, hatte die Herzogin von Braunschweig-Wolfenbüttel ein Vorzimmer weniger als der Herzog, sie hatte dafür aber die doppelte Anzahl an Nebenräumen; vgl. Bischoff 2003, S. 74. 320 Vgl. Kapitel 2, S. 119; dort auch das genaue Zitat.

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Il y a deux jours que m’estoit trouvé dans l’antichambre de M. l’El.r de Bavière ou il y avoit grand monde et les principaux de cette Cour, on y parla di l’assemblée qui se fait a Nimegue pour la Paix.321

Dieses Verfahren der bewusst zurückhaltenden Präsenz des Kurfürsten hat bei den Wittelsbachern eine lange Tradition. In einer Zeremonialordnung von 1581 heißt es für den Empfang des Gesandten im Appartement, dass der Herzog Wilhelm V. in seiner Kammer mit ausgewähltem Hofpersonal auf den Gesandten wartete. Bei dessen Ankunft hatte der Herzog dann von dannen heraus [aus seiner Kammer] oder nur bis zu der Thüer, auch wol nur ettlich wenig schrit entgegen [zu] geen, oder gar still [zu] stehen, danach der Herr ist, so den Gesanndten schickht.322

Die Ehre des Entgegengehens, so heißt es weiter, wurde nur einem kaiserlichen Legaten, einem Gesandten des Kaisers oder eines „gewalltigen Kunigs“ zuteil. Der Appartement-Bereich hinter dem Audienzzimmer ist bei Ferdinand Maria, wie auch bei den Vorgängern Wilhelm V. und Maximilian I., weit weniger gut dokumentiert und damit kaum rekonstruierbar. Nur sehr wenige Personen hatten hier Zutritt und dies zumeist nur außerhalb des Zeremoniells. Im Theatiner-Diarium wird jedoch neben der offiziellen, oben bereits beschriebenen Audienz ein weiterer Besuch im Appartement erwähnt, der sicherlich in Abwesenheit des Kurfürsten erfolgte, denn er wurde zum Anlass genommen, weitere Einzelheiten über das Appartement des Kurfürsten mitzuteilen.323 Im Audienzzimmer etwa wird ausführlich die Uhr beschrieben. Schließlich heißt es, „in una stanza contigua“ (damit wird der auf das Audienzzimmer folgende Raum gemeint sein; Abb. 34) gäbe es verschiedene mechanische Intrumente.324 Ein Raum weiter, „in altra propinqua alla stanza sudetta“ werden verschiedene „armarij“ erwähnt. Dieser Raum muss die im Plan bezeichnete „Schlaff Cammer“ sein, jedoch wird ein Bett oder überhaupt die Funktion des Raumes nicht genannt. Die Zuordnung auf dem Plan ist jedoch eindeutig, denn nachfolgend heißt es: „da questa Camera si ricevava il passagio alla Galaria piu pretiosa d’ogn’altra che nel Palazzo ritrouarsi.“ Auch Chappuzeau erwähnt 1673 diesen Zugang vom Schlafzimmer zur Galerie (er nennt sie „Cabinet“) und betont dabei die Exklusivität dieses Bereichs im Appartement: est un precieux reduit dans un cabinet qui touche la chambre de lit de l’Electeur, & où l’on ne donne entrée, ou qu’aux personnes de la haute qualité, ou qu’à peu d’autres qu’on veut particulierement favoriser.325

321 Denis de la Haye an Ludwig XIV., 29. Januar 1676; AAE, CP, Bavière, Bd. 23 (1676), fol. 74v. 322 BayHStA, FS 109; zitiert nach Wolf 2006, S. 172f. 323 Für das folgende vgl. BayHStA, KL Fasz. 471, fol. 49. 324 Das Schreibkabinett, also das Arbeitszimmer befand sich vermutlich in dem ofenbeheizten Raum neben dem Schlafzimmer, das von dem Vorflez aus zu erreichen war. 325 Chappuzeau 1673a, S. 49.

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Es war bereits ein ausdrücklicher Wunsch Maximilians I. gewesen, dass sich die Kammergalerie an das Schlafzimmer anschloss.326 Die Beschreibung der Galerie mit einer langen Fensterreihe zum Residenzgarten und flankiert von einer Terrasse, der Altane, ist im Theatiner-Diarium überschwänglich: Non poco e Lunga la Galleria dicevi esposto altro non si uede, che quadri da quali d’ogni parte sono coperte le mura.

Man wolle sich jedoch aus Unkenntnis nicht über den Wert dieser Bilder äußern, doch sei es commune opinione fra’ più intelligenti che le videro, esser ciascuna di esse un thesoro, non tanto per esser di mano de più celebri pittori dell’Europa, quanto per essere state fatte con peregrini, et ammirabili artificij.327

Die Schatzkammer wird zum Schluss erwähnt, doch müsse man, um zu ihr zu gelangen, zurück in das Audienzzimmer gehen, „d’indi entraremo alla stanza del Tesoro“. Sie war also in dem unbeheizten, östlich an das Audienzzimmer angrenzenden Raum situiert, sicherlich dem in der frühen Kammerordnung als „guardaroba“ bezeichneten Raum.328 Den Theatinern wurde damit eine besondere Ehre zuteil, die auch Patin bei seinem Besuch 1670 beschreibt, als er die „thresors“ des Kurfürsten gesehen habe, „qui ne sont visibles qu’à peu de personnes“.329 Diese Verweise auf die Exklusivität bestimmter Räume sind wichtig, denn sie geben Auskunft über das spezifische Wittelsbacher Repräsentationsinteresse – ein Konzept, das sich unter Max Emanuel wandelte. Bis in die frühen 1680er Jahre und damit bis zum Regierungsantritt Max Emanuels blieb diese Distribution nahezu unverändert, doch Max Emanuel entschloss sich sehr schnell, dieser Tradition nicht zu folgen. Er ließ sein Appartement in ausgewählten Bereichen unter der Leitung von Enrico Zuccalli aufwändig umgestalten. Zunächst gingen die Bauarbeiten – parallel zu seinen Erfolgen in den Feldzügen gegen die Türken – zügig voran, ein Großteil war bereits 1685, zur Hochzeit mit Maria Antonia, fertig. Der weitere Umbau und die Ausstattung anderer Bereiche, vor allem der Kabinette, zogen sich jedoch teilweise bis nach 1715 hin, als er aus seinem elfjährigen Exil nach München zurückkehrte.330 326 Graf 2002, S. 64. Über die Galerie erfolgte auch die Verbindung zum Appartement der Kurfürstin und zum vermutlich gemeinsam genutzten Schlafzimmer. 327 BayHStA, KL Fasz. 471, fol. 49. Die Galerie scheint noch mal unterteilt gewesen zu sein, denn nachfolgend heißt es, fol. 50: „in altra camera alla Galeria propinqua e una fontana tutta formata di corallo, che butta aqua d’intorno, senza saperi oue conserui ciò, che manda fuor delle bocche sue [...].“ In derselben Camera werden viele weitere Ausstattungsstücke erwähnt, u. a. auch das berühmte Bild Raffaels. 328 Die Vermutung von Erichsen 2002, S. 47, kann hiermit bestätigt werden. 329 Patin 1670 (1695), S. 89. 330 Zu Max Emanuels Appartement, den sogenannten „Alexander“- und „Sommerzimmern“, vgl. Paulus 1912a, S. 70–73; Hojer 1976, S. 142–144; Klingensmith 1993, S. 40–44; Graf 2002, S. 70–81.

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35  München, Residenz, Grottenhoftrakt, Detail des Gesamtplans (vgl. Abb. 15) mit aufgeklappten Tekturen im Bereich des kurfürstlichen Appartements, Stand ca. 1640

Was veränderte sich baulich-architektonisch im Appartement Max Emanuels? Sprechend sind die Tekturen des Pariser Plans (Abb. 35, 36):331 Der Repräsentationsbereich – bestehend aus Ritterstube, Antichambre und Audienzzimmer – blieb nahezu unverändert gegenüber dem Vorgängerappartement, er entsprach also bereits den Standards, die auch unter dem neuen Kurfürsten erreicht werden mussten. Selbst unter seinem Sohn Karl Albrecht fast fünfzig Jahre später wurde in diesem Bereich sehr wenig geändert:332 Dieses Beibehalten bewährter Strukturen wird also durchaus Kalkül gewesen sein. Es sind jene Räume, gerade die Ritterstube und das Vorzimmer, in denen ein hoher Grad an höfischer Öffentlichkeit versammelt war, hier hielten sich die meisten Besucher innerhalb des gesamten Appartements auf, wenn sie mit einem Anliegen warteten. Schon bei Palladio waren die weiträumigen, angemessen verzierten Säle betont worden,

331 Der Plan (vgl. dazu oben Anm. 200) ist bereits vor 1630 entstanden und wurde für spätere Umbauarbeiten immer wieder verwendet, weshalb man anhand der Tekturen sehr schön sehen kann, wo offenbar der größte Modernisierungsbedarf bestand und welche Partien über Jahrzehnte hinweg den Standards genügten. 332 Vgl. später in diesem Kapitel.

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36  München, Residenz, Grottenhoftrakt, Detail des Gesamtplans (vgl. Abb. 15) mit geschlossenen Tekturen im Bereich des kurfürstlichen Appartements, Stand ca. 1685 1 Ritterstube 2 „Ante-Cammer“ 3 Äußeres Audienzzimmer 4 „Großes Cabinet“ (Inneres Audienzzimmer) 5 Schlafzimmer mit Alkoven 6 zunächst Ankleidezimmer, ab 1693 Holländisches Kabinett (daran anschließend Musikkabinett) 7 Geheimes Kabinett, oder „innerstes Gemach“ 8 Cäcilienkapelle 9a-d Sommerzimmer 10 Kammergalerie

damit sich an solchen Orten jene mit Vergnügen aufhalten können, die darauf warten, den Herrn zu begrüßen, oder die ihn um eine Hilfe oder Begünstigung bitten wollen.333

Die größten Modifikationen gegenüber dem Vorgängerappartement sind in den Räumen unter Max Emanuel nach dem Audienzzimmer, welches bei Wening 1701 als „Äußerstes 333 Palladio 1570 (1984), S. 113. Palladio, der sich hier auf Vitruv bezieht, meinte damit nicht explizit die Vorzimmer in den Appartements.

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Audienzzimmer“ bezeichnet wird (Abb. 36, Nr. 3),334 zu verzeichnen: Der sogenannte private Bereich, also der Bereich mit einer eingeschränkten Öffentlichkeit, wurde einerseits großzügiger, andererseits aber auch differenzierter gestaltet. Damit wurde zugleich – ähnlich wie wir es im Appartement der Kurfürstin beobachten konnten – die Grenze zwischen höfischer Öffentlichkeit und Privatheit neu definiert. Sehr verdichtet lassen sich daher die Veränderungen im Appartement Max Emanuels beschreiben als eine Ausdifferenzierung von staatspolitisch-repräsentativen Funktionen im Appartement, die sich zunehmend auf den zuvor als eindeutig privat zu charakterisierenden Bereich ausbreiten. Wie bei Henriette Adelaide wurde nun ein „Großes Kabinett“ bzw. „Inneres oder Privat-Audienzzimmer“335 (Abb. 36, Nr. 4), eingerichtet. Max Emanuel übernimmt also eine Distribution, die sich bei seiner Mutter – und nicht bei seinem Vater – bereits bewährt hatte und die es ihm ermöglichte, eine weitere wichtige Distinktionsregulierung vorzunehmen, also bei den Audienzen nochmals deutlicher zwischen einzelnen Besuchern zu unterscheiden.336 Offenbar wurden hier in erster Linie nur Familienmitglieder empfangen. In der Residenzbeschreibung Schmids von 1685 wird dies deutlich: von dannen würd ich in das innere Audienzzimmer beruffen, worinnen Ihro Chur-Fürstliche Durchlaucht den Seinigen pflegt Gnädigstes Gehör zugeben.337

Das „Gerufenwerden“ ist dabei als Hinweis auf einen bedeutenden zeremoniellen Akt zu verstehen.338 Dem „Großen Kabinett“ folgte nach Westen die Kammergalerie (Abb. 36, Nr. 10), nach Osten das Schlafzimmer mit Alkoven, ein wie Schmid es implizit formuliert, höchst intimer Bereich: „Jetzt understehe ich mich, meine vorwitzige Augen gar in die Alcova hineinzuwerffen.“339 Von diesem Alkoven aus war (ähnlich wie das Herzkabinett bei Henriette Adelaide) das „geheime Kabinett“ bzw. „innerste Gemach“ zu erreichen, wo Max Emanuel „jene geheimbe Vor- und Anschläg erweget und abhandlet welche vorderist bis zu seiner Zeit verborgen bleiben sollen“.340 Dem Schlafzimmer folgte zudem

334 Wening 1701, S. 3. 335 Wening 1701, S. 3. Als „Großes Cabinet“ wird es im Inventar 1707 (Hausschatz), fol. 65v bezeichnet. 336 Vermutlich hatten jedoch auch ausgewählte Gesandte Zutritt; zumindest könnte man davon ausgehen, nachdem die Quelle von 1681 (Lanterys Bericht) von einer Audienz im Gabinetto grande berichtet, zu der Zeit noch im Appartement der Kurfürstin. Siehe oben Anm. 308. Vgl. dazu die kaiserliche Raumfolge in Wien: „Die Privat=Audienzen Kayserlicher Majest. werden in der Retirade ertheilt, die öffentliche aber in der Geheimen=Raths=Stube.“ Moser 1754/55, Bd. II, S. 556. 337 Schmid 1685, S. 186. 338 Moser 1754/55, Bd. II, S. 292, zitiert aus der „Chur-Cöllnischen Hof=Ordnung“ 1717: „In das Chur-Fürstliche Cabinet soll niemand hineingehen, wenn Ihro Chur-Fürstliche Durchlaucht ihn nicht ruffen [...]. Wann auch Ihro Chur-Fürstliche Durchlaucht in das Cabinet gehen, niemand nachfolgen. Er werde denn geruffen.“ 339 Schmid 1685, S. 198. 340 Ebd., S. 209.

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37  Münchner Residenz von Westen, Kupferstich von Michael Wening, um 1700 (vgl. Abb. 11), Detail: Kuppel der Cäcilienkapelle

zunächst ein Ankleidezimmer,341 das ab 1693 umgebaut wurde, ein Jahr, nachdem Max Emanuel seine Statthalterschaft in Brüssel angetreten hatte: Es entstand das sogenannte „Holländische Kabinett“, aufwändig ausgestattet mit Spiegeln und Porzellan, vertäfelt mit geschnitzten Chinoiserien. Die gemalte Perspektivkuppel wird auf dem Pariser Plan leicht angedeutet (Abb. 36). Dem holländischen Kabinett folgte ein Musikkabinett, welches ebenso wie die anschließende zweigeschossige, hell durchlichtete ovale Cäcilienkapelle erst nach der Rückkehr des Kurfürsten aus dem Exil 1715 ausgestattet wurde. Im Rohbau war die Kapelle jedoch bereits Ende des 17. Jahrhunderts vollendet; ihre Kuppel ist auf dem Wening-Stich von 1701 zu erkennen (Abb. 37). Auffällig an dieser Disposition der Kapelle unmittelbar im Anschluss an die Kabinette des Appartements ist die Möglichkeit und offenbar erklärte Absicht, die Privat-Kapelle erreichen zu können, ohne dabei allzu vielen Menschen zu begegnen. Der zeremonielle Weg zur Kapelle unter den Augen der Hofgesellschaft blieb der über das Vorzimmer und das gläserne Gänglein erreichbaren Hofkapelle vorbehalten.

341 Ebd., S. 201: „Ohne weiters verziehen komme ich jetzt in das jenige Zimmer, warinnen ihro Chur-Fürstliche Durchlaucht sich an und abzukleyden pflegen.“

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Divergenzen und Konvergenzen: Der Audienzbereich Wie ist diese rekonstruierte Distribution des Appartements Max Emanuels mit seinen einzelnen Funktionsbereichen im Vergleich mit weiteren europäischen Schlossbauten, gerade auch mit dem zunehmend ab 1680 als modellhaft gepriesenen Versailles, zu bewerten? Wir werden sehen: Die Faszination, die der Versailler Hof nachweislich auf den jungen Kurfürsten in den 1680er Jahren ausgeübt hat – es sei nur an die dokumentierten Gespräche mit den Gesandten erinnert342 –, bildet sich in der distributiven Struktur seines im wesentlichen bis 1685 umgestalteten Appartements nur in sehr wenigen Bereichen ab und dann auch nur in einer modifizierten, den eigenen Bedürfnissen massiv angepassten Form. Zwei für die eigene Repräsentation besonders wichtige Zonen im Appartement seien dabei im Folgenden beleuchtet: der Audienzbereich und die Galerie(n) mit der Präsentation der Sammlungsbestände. Auch hier möchte ich zum einen anhand der zeitgenössischen Wahrnehmung, vor allem derjenigen der savoyischen und französischen Gesandten, und zum anderen anhand des rekonstruierten baulichen Befundes vorgehen. Um einen Eindruck von den europäischen Standards im ausgehenden 17. Jahrhundert zu gewinnen, folgen wir dem schwedischen Architekten Nicodemus Tessin auf ein paar Stationen seiner Reise, die ihn Ende der 1680er Jahre, also als Max Emanuels Appartement weitgehend fertiggestellt war, durch Europas bedeutendste Residenzen führte – in den Niederlanden, in Frankreich, in Italien und im Reich. Tessin hat dort in den herrscherlichen Appartements Raumfolgen vorgefunden, die auf den ersten Blick durchaus Ähnlichkeiten untereinander aufwiesen. Betrachten wir vier Beispiele, die der Architekt in den Wintermonaten 1687/88 besucht und kommentiert hat: das Oranierschloss Honselaarsdijk nahe Den Haag, das Schloss Versailles des französischen Königs mit dem Grand Appartement, den Palazzo Reale des Herzogs von Savoyen in Turin und schließlich die kurfürstliche Residenz der Wittelsbacher in München zur Zeit Max Emanuels (Abb. 36, 38–40).343 Die teilweise erhaltenen, akribischen Zeichnungen Tessins mit genauen Beschriftungen der Räume und ebenso einzelne wertende Kommentare im Text bezeugen wiederum das große Interesse an der Distribution im Appartement des im Auftrag des schwedischen Königs reisenden Architekten. In diesen vier europäischen Varianten des herrscherlichen Appartements – drei Schlösser sind Residenzschlösser, eines, nämlich Honselaarsdijk, ist ein Landschloss – finden sich neben den Ähnlichkeiten jedoch auch große Unterschiede. Man muss sogar feststellen, dass Versailles innerhalb dieser Reihe in manchen Punkten eher die Ausnahme, ja sogar einen Sonderfall bildet. Die wenigen Gemeinsamkeiten – und damit ist nicht nur die Existenz eines Raumtyps, sondern auch die vergleichbare Lage gemeint – bleiben auf Gardesaal und Antichambres im vorderen Teil des Appartements sowie auf Kabinette 342 Vgl. in Kapitel 2 den Abschnitt Reputation, Informationsbeschaffung, Wettbewerb. 343 Tessin war zunächst in den Niederlanden; zu Honselaarsdijk vgl. Tessin 1687/88 (2002), S. 143f. Von Juli bis Oktober 1687 hielt er sich in Paris auf; zum Grand Appartement in Versailles vgl. ebd. S. 196–200; im Herbst war er in Turin, vgl. S. 227f.; im Frühjahr 1688 in München, vgl. S. 401.

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im Inneren beschränkt. In den übrigen Bereichen überwiegen die Unterschiede: Die große Bedeutung des Saals, der dem Appartement im Oranierschloss, in Turin und in München vorgelagert ist und der wesentlichen Anteil am repräsentativen Zeremoniell des Hoflebens hatte, kann dabei kaum genug betont werden. Von großer Bedeutung im Appartement ist vor allem der Audienzbereich und damit die Zone zwischen den Antichambres und den Kabinetten – eine, wie schon Henriette Adelaides Appartement offenbarte, überaus komplexe Zone im Schloss, in der sich zudem die größten Unterschiede zwischen den einzelnen Appartementausprägungen zeigen.344 Es sind dabei weniger Unterschiede zu beobachten zwischen dem Reich und Italien oder den Niederlanden als vielmehr zwischen dem Reich und Frankreich. Sie offenbaren sich dann, wenn man verschiedene Aspekte bedenkt und sich der historischen Dimension und Bedeutung dieses Bereichs im Schloss anzunähern versucht. Über die räumlich-distributive Ebene hinaus geht es um eine sozio-politische Praxis, die wiederum die Grundlage für ein Verständnis der ästhetisch-ikonologischen Funktion bildet. Diese verschiedenen Funktionen und Praktiken im Blick zu haben, ist gerade hinsichtlich der Frage nach Modellrezeption bzw. nach den Divergenzen und Konvergenzen im internationalen höfischen Diskurs wichtig, um die Wahrnehmung von Raumstrukturen in ihrer gesellschaftlich-rituellen Gebundenheit verorten zu können. Die Unterschiede zwischen den vier europäischen Varianten (Abb. 36, 38–40) liegen vor allem in dem Verhältnis der Räume zueinander. Das betrifft die Situierung des Audienzzimmers im Verhältnis zum Schlafzimmer ebenso wie zur Galerie bzw. zu den Sammlungsräumen. Unschwer ist zu erkennen, dass in Versailles das Audienzzimmer, also der Thronsaal hinter der Chambre mit dem Paradebett angegliedert sein konnte (Abb. 38). In Frankreich war das kein Einzelfall, aber auch keineswegs die Regel.345 Im deutschen Schlossbau war es indessen so gut wie ausgeschlossen, dass sich das Audienzzimmer hinter der Chambre, dem Schlafzimmer, befand.346 Zudem hat sich in München, wie wir gesehen haben, im Audienzbereich mit dem Großen Kabinett bzw. Inneren Audienzzimmer eine weitere wichtige Ausdifferenzierung etabliert (Abb. 36), die weder in Versailles, in Honselaarsdijk noch in Turin, im herzoglichen Appartement,347 vollzogen wurde. Doch eine deutliche Übereinstimmung zeigt sich zwischen dem Appartement des Kurfürsten Max Emanuel mit der seit den 1650er Jahren bestehenden Lösung im Ora344 Ich halte diesen Audienz-Bereich für den wichtigsten Bereich innerhalb des Appartements; vgl. stattdessen etwa Graf 2002, S. 12, die in der Lage des Schlafzimmers den größten Unterschied zum französischen Schloss sieht: „Der wesentliche Unterschied zwischen den Raumfluchten in Frankreich und denen des römisch-deutschen Reiches war die Lage des Schlafzimmers.“ 345 Das hatte freilich auch mit der Baugeschichte von Versailles zu tun, den Umbaumaßnahmen ab den späten 1670er Jahren. Es gibt noch weitere Beispiele für diese Distribution. In St. Cloud etwa lag das Audienzzimmer hinter der Chambre, was auch Tessin berichtet; vgl. Tessin 1687/88 (2002), S. 209. Auch im Neubau des Stockholmer Schlosses (Nicodemus Tessin 1697) war das Audienzzimmer im Anschluss an das Schlafzimmer und vor der Galerie plaziert. 346 Ein seltenes Beispiel ist das „Gelbe Appartement“ in Brühl. 347 Wie hier erläutert wurde, hatte es dieses Gran gabinetto unter der Madama Reale knapp 30 Jahre früher noch gegeben.

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38  Nicodemus Tessin, Schloss Honselaarsdijk, Skizze aus seinem Reisejournal, 1687 1 Saal 2 Vorzimmer 3 Audienzzimer 4 Schlafzimmer (daran angrenzend Kabinett und Garderobe) 5 Galerie

39  Versailles, Grundriss, Stich nach 1702, Detail 1 Escalier des Ambassadeurs 2 und 3 Vorzimmer 4 Gardesaal 5 Schlafzimmer 6 Thronsaal (Audienzzimmer) 7 Kabinett 8 Galerie

nierschloss Honselaarsdijk (Abb. 38): Hier wie dort konnte man vom Audienzzimmer sowohl das Schlafzimmer als auch die Galerie erreichen – eine von Nicodemus Tessin 1687 als „artig“ gelobte Lösung,

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40  Nicodemus Tessin, Turin, Palazzo Reale, Skizze aus seinem Reisejournal, 1688 E = Audienzzimmer (Vgl. zur Bezeichnung der Räume Abb. 27)

in dem fall dass man die vornembsten zimber kunte durchgehen, undt die alcove, cabinet, undt gvarderobbe doch auf bejden seiten nicht zu passiren.348

Tessin benennt hier implizit ein Problem, das den Architekten von Reichsfürstenschlössern vor größere Herausforderungen gestellt bzw. ihn mit anderen Aufgaben konfrontiert hat als den Architekten eines königlichen Schlosses in Frankreich: nämlich die Grenze oder Schwelle zwischen höfischer Öffentlichkeit und Privatheit, also einer deutlich eingeschränkten Öffentlichkeit, sichtbar werden zu lassen – eine, wie bereits mehrfach angedeutet, für die Frühe Neuzeit höchst umstrittene weil schwer zu definierende und zu markierende Grenze.349 Gerade mit Blick auf den vermeintlichen Modellcharakter des französischen Schlosses offenbart sich hier ein zentrales Differenzkriterium. Denn mit dem Verweis auf die komplexen Kategorien von öffentlich und privat zeigen sich große Unterschiede zwischen dem König in Frankreich und den Territorialfürsten sowie dem Kaiser im Reich. Diese Unterschiede betreffen das jeweilige Herrschaftsverständnis und die Herrschaftspraxis. Im Vergleich französischer mit reichsfürstlichen Schlössern erscheint für den Residenzenbau die Grenzmarkierung zwischen Herrschen und Wohnen mit architektonischen Mitteln als konstitutiv. Der zentrale Bereich, der Audienzbereich also, ist dabei die brisanteste Gelenkstelle im Appartement, deren semantische Definition und räumliche Konturierung mit zu den größten strukturellen Modifikationen im deutschen Residenzschloss geführt hat – bis hin schließlich zur konsequenten Aufteilung in ein Staats- und ein Privatappartement. Der Audienzbereich als Ort der politischen Kommunikation und seine ausdifferenzierte Widerspiegelung im Schloss führt zu zwei grundlegenden Aspekten des frühneuzeitlichen Herrschaftsverständnisses: dem der Präzedenz und dem der Sichtbarkeit des Herrschers.

348 Tessin 1687/88 (2002), S. 144. 349 Zu diesem komplexen Thema vgl. oben Anm. 66.

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Über die Bedeutung der Präzedenz im politischen Diskurs – „Le Point d’Honneur, le Rang, la Préseance sont les Articles les plus délicats de la Foi Politique“350 – wurde bereits verhandelt, gerade was die Reichsfürsten nach dem Dreißigjährigen Krieg betrifft.351 Die Brisanz der Audienzen liegt demnach auf der Hand; so schreibt Moser 1755: Die Materie ist eine derjenigen, so am häuffigsten bey Hof vorkommen, welche die meiste Pointillen mit sich führet, wo am leichtesten angestossen und der Würde was vergeben, oder selbige durch klügliche Einleitung erhöhet werden kan.352

Die aus der zeremoniellen Bedeutung resultierende politische Virulenz des Audienzbereichs im Schloss kann daher kaum genug betont werden: Das Gesandtschaftszeremoniell bildete an den Höfen der Kurfürsten den Rahmen, innerhalb dessen ein konkurrierendes Verhältnis zwischen Habsburg und Bourbon stetige Aktualität gewann.353 Aufmerksam wurden in Wien und Versailles das angemessene Auftreten und die Wirkung ihrer Diplomaten in München, Dresden oder Berlin beobachtet. Die diesbezüglichen Instruktionen fungieren nahezu als Seismographen politischer Beziehungen. Die bereits erläuterte, zwischen Frankreich und dem Reich divergierende Konkurrenzund Adressatensituation prägt dabei nicht allein das Audienz-Zeremoniell selbst und das ihm zugrunde liegende Zeichensystem des Herrschaftsverständnisses, sondern auch dessen architektonische und ausstattungsspezifische sowie ikonologische Signatur. Der Audienzbereich selbst lässt sich zwar nicht auf die Chambre d’audience, in deutschsprachigen Landen die Audienzkammer oder auch Presenz-Kammer genannt, und damit auf die Begegnung von Besucher und König respektive Kurfürst reduzieren. Vielmehr begannen Aspekte der Präzedenzregelung bereits viel früher, weit vor dem Appartement. Dennoch ist die Choreographie des Audienzzeremoniells im Appartement und mit Hilfe des Appartements und seiner Ausstattung nochmals um einiges differenzierter, eine Steigerung, die gleichermaßen auf ästhetisch-materiellen, auditiven und – ganz besonders – personellen Elementen basiert. Sieht man sich die komplexen Beschreibungen von Audienzen genauer an, dann muss man sich schon die berechtigte Frage stellen, wieviel Aufmerksamkeit der Besucher den einzelnen künstlerischen Dekorationen überhaupt widmen konnte, wenn doch die Konzentration schon von der Beachtung des zeremoniellen Handelns stark absorbiert war.354 Das haben hier bereits unzählige Verweise auf Reise- oder Gesandtenberichte 350 So beginnt Rousset de Missy 1746 seine Abhandlung zum Zeremonialwesen. Vgl. auch das bekannteste Handbuch für die diplomatische Praxis nach dem Westfälischen Frieden von Wicquefort 1682 (zuerst 1676). 351 Vgl. den Abschnitt Souveränität, Gesandtenwesen und Internationales System in Kapitel 2. 352 Moser 1754/55, Bd. II, S. 550 (im Kapitel „Von den Audienzen“). 353 Zusammenfassend: Stollberg-Rilinger 2004. Siehe auch Krischer 2002. 354 Ich verweise auf die im Ceremoniale Brandenburgicum 1700, S. 7, beschriebene „Reception des Kayserl. Ambassadeurs am Churbrandenburgischen Hof“ – und ich beschränke mich lediglich auf das Geschehen im Schloss, dem freilich aufwändige und ebenfalls konzentrationsabsorbierende Geschehnisse vorausgingen: Nachdem der Oberkämmerer oder Oberstallmeister den Botschafter oben an der Treppe in Empfang genommen hat, wird dieser vom Kämmerer weiter begleitet bis zum Audienz-Zimmer, „und gehen Seine Churfürstl. Durchl. demselben [dem Botschafter] biß in

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gezeigt. Allein daher ist die Frage nach der Wahrnehmung von Objekten und Raumfolgen in den Schlössern unterschiedlicher Höfe und damit der unterschiedlichen herrscherlichen Repräsentation nicht allein auf die ästhetisch-materielle Ebene zu beschränken.355 Was lässt sich zu dem kurfürstlichen Appartement in der Münchner Residenz aus den Quellen schöpfen? Wo fand dort die Begegnung von Kurfürst und Besucher statt? Worin unterscheidet sich diese vom französischen Zeremoniell? Unbestritten ist, was hier schon mehrfach angesprochen wurde: Ein unter den Augen der Hofgesellschaft erfolgendes lever oder eine Audienz im Schlafzimmer gab es in der Regel nicht. Der Ablauf dieses ersten morgendlichen Erscheinens des französischen Königs war peinlich genau festgelegt. Jede Handlung und jeder Schritt stellte ein Symbol dar, das demjenigen, dem die entsprechende Handlung auszuführen erlaubt wurde, ein großes Prestige zukommen ließ. Dieses elaborierte Zeremoniell, die „Konkurrenzapparatur“, wie Norbert Elias die sensible Organisation der verschiedenen entrées nennt,356 begegnet an deutschen Fürstenhöfen nicht, weil sie keine politische Notwendigkeit hatte. Um Rangunterschiede herzustellen und Auszeichnungen, Gnadenbeweise oder entsprechend auch Missfallensbeweise zu erteilen nutzte der französische König seine privatesten Verrichtungen. Das war für den deutschen Reichsfürsten undenkbar. Dennoch liegen auch hier wiederum Quellen vor, die manche Abweichung von der Regel demonstrieren. So berichtet 1684 der savoyische Gesandte Conte Lantery von einer „udienza“ in Max Emanuels „camera di alcova“, vermerkt aber ausdrücklich, dass dies eine große Ausnahme sei; der Kurfürst sei unpässlich gewesen wegen einer heftigen Erkältung, che l’ha obligato a non uscir fuori della sua Camera, del quale presentemente si trova quasi affatto libero, mi ha [...] fatto l’honore di d’armi udienza nella camera della sua Alcova introdotto dal Gentilhuomo di Camera serviente nell’istessa maniera che ne usa con questo Sig.re Inviato Cesareo, il quale si è trovato nel med.o tempo sopra del luogo per havere parimente udienza da S. A. E. 357 die Thür entgegen / dergestalt / daß Sie mit einem Beine über die Thürschwelle tretten / mit dem andern aber innerhalb derselben verbleiben / hören denselben stehend oder sitzend mit bedecktem Haupte / nöthigen den Ambassadeur zu decken“. Der Unterschied zum Empfangszeremoniell bei der Audienz eines kurfürstlichen Gesandten besteht darin, S. 15: „Seine Churfürstl. Durchl. gehen biß an die Thüre des Audienz-Gemachs entgegen / und reichen Ihm die Hand / hören dieselbe auch sitzend oder stehend mit bedecktem od[er] entblößtem Haupte.“ 355 Es sind die verschiedenen Formen und Ausprägungen des Audienzzeremoniells an den europäischen Residenzen, die es nahelegen, die Diversität von Schlossbauten und ihren Appartements ernst zu nehmen: die Zeremoniell-Schriften sind dementsprechend nach den Reichsfürsten, dem Kaiser und den europäischen Königen untergliedert. Das gilt sowohl für das eher handliche Ceremoniale Brandenburgicum 1700 wie Lünigs ca. 3000 Seiten starkes Theatrum Ceremoniale Historico-Politicum von 1719. Rohr 1733 (1990), S. 401ff., verfährt relativ generalisierend. Zu den verschiedenen Hofordnungen vgl. auch oben Anm. 41. 356 Elias 1999, S. 135. Zum Lever ebd., S. 126–129. Vgl. auch Lünig 1719/20, Bd. I, S. 303–309; Levron 1978, S. 47–78. 357 Comte Lantery nach Turin, an die Altezza Reale, 24. März 1684; AST, LettM, Baviera, M 7. Siehe auch oben Anm. 249 die Ausnahme bei der Kurfürstin Henriette Adelaide.

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Wie groß diese Ehre war und wie ungewöhnlich zugleich, verdeutlicht ein weiterer Bericht, diesmal des Marquis de Villars, der 1687 den Auftrag erhielt, als außerordentlicher Gesandter am Wiener Hof das Beileid des französischen Königs zum Ableben der Kaiserinwitwe zu übermitteln. Er sollte auf der Rückreise in München Station machen, um zu erkunden, ob und wie die traditionelle bayerisch-französische Freundschaft wiederhergestellt werden könnte.358 Noch in Wien hatte Villars schnell das Vertrauen des ebenfalls anwesenden Max Emanuel gewonnen, was sich, so berichtet Villars, vor allem darin äußerte, dass er sogar unangemeldet das Schlafzimmer des Kurfürsten betreten durfte, während alle anderen Diplomaten gemäß den Bestimmungen des Hofzeremoniells im Vorzimmer das morgendliche Lever abzuwarten hatten.359 Aus München jedoch, wohin Villars in der ersten Aprilhälfte 1687 Max Emanuel gefolgt war, findet sich ein solcher Verweis auf eine Zugänglichkeit des Schlafzimmers nicht – dort war eine derartige Negierung zeremonieller Regeln nicht möglich.360 Welchen Raum im kurfürstlichen Appartement gerade die französischen Gesandten indessen mit „la Chambre“ meinten, in der laut ihren Berichten vom Kurbayerischen Hof in den frühen 1680er Jahren die Begegnung mit dem Kurfürsten stattfand, bleibt etwas diffus; es kann sich jedoch nur um das Audienzzimmer oder, eher unwahrscheinlich, um das „Große Kabinett“, das Innere Audienzzimmer handeln.361 Ganz selten darf ein Gesandter in den Bereich hinter dem Inneren Audienzzimmer, so etwa am 5. März 1681, als Max Emanuel dem französischen Gesandten Denis de la Haye vorschwärmt von der zu diesem Zeitpunkt noch bevorzugten Heiratskandidatin, Eleonora Erdmute, der Tochter des Herzogs Hans Georg von Sachsen-Eisenach.362 Max Emanuel führt den Gesandten sogar in sein Kabinett, wo er ihm ein Porträt von ihr zeigt – „il [Max Emanuel] me fit voir son portrait“; in Wirklichkeit sei sie aber noch viel schöner, „qu’elle estoit encore mille fois plus belle“.363 358 Verweis bei Hüttl 1985, S. 105, auf AAE, CP, Bavière, Bd. 39 (1687). 359 Bericht vom 23. März 1687; AAE, CP, Bavière, Bd. 39 (1687), fol. 23. 360 In München war Villars nicht akkreditiert, sondern nur persönlicher Gast und Begleiter des Kurfürsten. Doch gerade diese Unbestimmtheit seines diplomatischen Status eröffnete ihm ein breites Aktionsfeld. Villars begleitete den Kurfürsten zu Festen, Jagden, Lustbarkeiten, nach Nymphenburg und Schleißheim, Leonsberg, Landshut, Geisenfeld oder Haltenberg am Lech; vgl. Hüttl 1985, S. 106. 361 Zudem wird es sich um das vom Kurfürsten genutzte Appartement der Kurfürstin handeln. Vgl. dazu oben Anm. 308. 362 Denis de la Haye an Ludwig XIV., 5. März 1681; AAE, CP, Bavière, Bd. 35 (1681), fol. 82vf. Max Emanuel war dort gerade auf Besuch gewesen, berichtet also von seiner Reise: Er habe mit ihr getanzt; sie beherrsche nahezu perfekt den französischen Tanz („le menuit“), und sie spreche auch sehr gut und sehr oft französisch, schließlich, das fügt de la Haye später hinzu (fol. 83v), war sie, so der Kurfürst, lange in Frankreich gewesen, daher sei der „belle esprit“, den sie habe, nicht verwunderlich. 363 Ebd. Am 6. August 1681 berichtet de la Haye, dass er beim Kurfürsten allein gewesen sei, „et regardant le tableau de Madame la Princesse d’Eysenack qu’il a toûjours dans sa Chambre“; AAE, CP, Bavière, Bd. 35 (1681), fol. 234r. – Im Alten Schloss Schleißheim kam dies auch gelegentlich vor; so berichtet de la Haye 1676, dass er, um eine wichtige Nachricht zu übermitteln, sich zum

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Ein Hinweis auf das außergewöhnliche Zeremoniell, das unter Ferdinand Maria dem französischen Gesandten Gramont zuteil geworden war (1658), nämlich bereits in der Antecammer empfangen zu werden, findet sich in den Quellen zu Max Emanuel nicht. Das könnte der lückenhaften Quellenlage zuzuschreiben sein; es könnte aber auch auf eine bewusste Handlung hindeuten, dass nämlich der Kurfürst Gäste nur noch in seinem Audienzzimmer empfing und die vorgelagerten Räume seinen hohen Hofbeamten zustanden. Indiz dafür ist, dass seine Nachfolger, mit ganz wenigen Ausnahmen, die Gesandten gar nicht mehr in einem der Vorzimmer begrüßten, sondern dies ihren Hofbeamten überließen (was wiederum einen höheren zeremoniellen Aufwand provozierte). Selbst die Prinzen des Reiches begegneten dem Kurfürsten erst im Audienzzimmer; Lantery berichtet von dem Besuch des Prinzen Philipp von Pfalz-Sulzbach, der in der Residenz logiert wurde: incontrato à mezza strada del suo appartamento del Gran Maresciallo, e dal Cameriere Maggiore alla metà della sala, e poi ricevuto dal Ser.mo sù la porta della Camera dell’Udienza.364

Die Differenzen gerade zwischen Frankreich und dem Reich offenbaren sich besonders darin, dass auch der Weg für den Besucher zum jeweiligen Fürsten sehr unterschiedlich inszeniert wurde. Zum Vergleich seien Gesandtenbesuche im jeweiligen Schloss herangezogen, in Versailles und in München, so beispielsweise die berühmte Gesandtschaft des Königs von Siam 1687 in Versailles.365 Dort wurde die lange, prachtvoll ausgestattete Enfilade des Grand Appartement über den Escalier des Ambassadeurs erreicht (Abb. 41). Der Duc de Luxembourg nahm als hochrangiger Militärgeneral die Gesandten an der Schwelle der „ersten Salle“366 in Empfang und begleitete sie „sambt allen Officirern seines Gefolgs“ bis zur Grande Galerie, wo sich auf der gegenüberliegenden Schmalseite der Thron des Königs befand; weitere 1500 Personen waren in der Galerie versammelt. Zweimal hielten die Gesandten inne: das erste Mal unter dem großen Bogen, der den Salon de la Guerre von der Galerie trennt, „und von dannen man dem König ins Gesicht sehen konnte“; das zweite Mal in der Mitte der Galerie, bevor sich die Gesandten dem Kurfürsten Ferdinand Maria nach Schleißheim begeben habe. Als er dort ankam, fand er Ferdinand Maria „dans la chambre de son fils [...]. Un moment apres il me fit entrer dans son cabinet“; Bericht vom 13. Mai 1676; AAE, Bavière, Bd. 23 (1676), fol. 280v. 364 Comte Lantery nach Turin an die Altezza Reale, 15. Februar 1686; AST, LettM, Baviera, M 9. 365 Reyß-Beschreibung der Abgesandten von Siam 1687, S. 82–98. Zu diesem Komplex vgl. ausführlicher Krems 2012. 366 Nicht ganz eindeutig ist zu bestimmen, ob hiermit der Venus-Saal oder der Diana-Saal gemeint ist. Die Quelle lautet: „Die Leybwacht stund in der reyhe und sehr eng in einander auff beyden Seiten der ersten zween Sälen des Königs grossem Losaments. Hertzog von Luxenburg empfinge die Abgesandten bey der Pforte des ersten Saals mit 30. Officirern von der Leibwacht sehr herrlich aufgeputzt in langen blauen Röcken.“ Reyß-Beschreibung der Abgesandten von Siam 1687, S. 91. Hier in Abb. 41 wurde die Schwelle zum Diana-Saal gewählt, da dieser von der Treppe schneller erreichbar war. Denkbar wäre aber durchaus die Möglichkeit, nach der Treppe zunächst den Venus-Saal zu betreten.

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41  Versailles, Grundriss, Stich nach 1702, Detail 1 Empfang durch den Duc de Luxembourg 2 Thron Ludwigs XIV. 3 Haltepunkte der Gesandten

42  München, Residenz, Grundrissplan, François de Cuvilliés, Appartement des Kurfürsten Audienz eines Gesandten, Mitte des 18. Jahrhunderts Haltepunkte 1 am Fuß der Treppe Empfang durch den Truchsess 2 an der Schwelle zur Ritterstube Empfang durch den Obersthofmarschall 3 an der Schwelle zur ersten Antichambre Empfang durch den Oberstkämmerer 4 in der Mitte der ersten Antichambre Empfang durch den Obersthofmeister 5 an der Schwelle zum Audienzzimmer Empfang durch den Kurfürsten

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Thron schließlich näherten.367 Das Grand Appartement zuvor war hingegen ohne weitere Haltepunkte durchschritten worden. In ähnlicher Weise erfolgte der Empfang des Dogen von Genua ein Jahr zuvor.368 Am kurfürstlichen Hof der Wittelsbacher in der Münchner Residenz ist eine deutlich andere Verfahrensweise zu beobachten (Abb. 42): Laut Zeremoniell verlief die Audienz des Gesandten eines gekrönten Hauptes im Appartement dergestalt, dass dieser vom Truchsess am Fuße der „sogenannt grossen Stiege“ empfangen und bis zum Rittersaal begleitet wurde; an dessen Schwelle empfing ihn der Obersthofmarschall; an der Schwelle der ersten Antekammer der Oberstkammerherr (-kämmerer), in der Mitte derselben mit dem Obersthofmeister der ranghöchste Hof- und Staatsbeamte; schließlich wurde der Gesandte bis an die Tür des Audienzzimmers begleitet, wo ihn der Kurfürst in Empfang nahm. Im Audienzzimmer erfolgte dann die geregelte Begegnung mit dem Kurfürsten, bevor sich der Gesandte in der gleichen Weise durch das Appartement zurückbewegte.369 367 Reyß-Beschreibung der Abgesandten von Siam 1687, S. 92: „so bald sie unter dem grossen Schwibbogen waren / der den Gang und den Saal unterscheidet / und von dannen man dem König ins Gesicht sehen konnte / haben die Abgsandten drey mahlen sehr tieff sich geneiget / und ihre Hände zusammen gelegt / so offt empor bis an die Stirne auffgehoben. Ein gleiches geschahe in mitten des Gangs oder Gallerie, in welchem ohngefehr fünffzehnhundert Persohnen sich befunden.“ Die Begegnung mit dem thronenden Ludwig XIV. wurde in einem Almanach-Blatt 1687 festgehalten; vgl. Kat. Almanachs 1995, Kat. 26, S. 84ff. 368 Der Empfang des Dogen fand am 15. Mai 1685 statt; vgl. Mercure galant, May 1685, Paris 1685, S. 318–338 (hier zum Empfang ab dem Escalier des Ambassadeur). Das Durchschreiten der Räume des Grand Appartements wird denkbar knapp geschildert (S. 320ff.): „Aprés que l’on eut monté le magnifique Escalier qui conduit au Grand Appartement de Sa Majesté, on le traversa [Hervorhebung der Verf.] en cét ordre. Cét Appartement est de toute la longueur d’une des aîles de Versailles. On entra dans le Salon qui est au bout, & qui joint la Galerie, & de ce Salon on tourna dans la Galerie, au bout de laquelle estoit le Roy dans le Salon qui fait face à celuy par lequel on venoit de passer. Deux choses sont à remarquer, l’une que cét Appartement & cette Galerie estoient magnifiquement meublez, & qu’il y avoit pour plusieurs millions d’argenterie; l’autre que la foule estoit également grande par tout, quoy que ces Appartemes [sic] & cette Galerie ensemble pussent contenir autant de monde que le plus vaste Palais. Quelque ordre qu’on eust apporté pour laisser un passage libre le long de la Galerie, le Doge eut beaucoup de peine à la traverser. Mr le Maréchal Duc de Duras Capitaine des Gardes du Corps en Quartier, qui l’avoit receu à la porte de leur Sale, l’accompagna jusqu’au pied du Trône de Sa Majesté.“ Dann wird beschrieben, wer alles um seinen Thron versammelt ist. Der Doge wurde drei Tage später, am 18. Mai, nochmals eigens durch das Grand Appartement geführt (S. 349–352). Die etwas weniger bedeutenden Damen des Hofes (die Duchesse etc.) empfingen ihn „au Lit“. Am 23. Mai war er nochmals beim lever des Königs (S. 359); kam aber laut den Memoires des M. de Sourches zu spät und traf den König nurmehr beim Essen an. 369 Ich beziehe mich auf den Ablauf einer Gesandten-Audienz am Wittelsbacher Hof im 18. Jahrhundert, wo es nach Ankunft am Fuße der „sogenannt grossen Stiege“ heißt: „An diesem Platz steiget dann der Herr Gesandte aus und wird mit Voraustrettung seines Cortegio und des Herrn Legations-Secretaire, dan des churfrtl. Hof- und Kammerfouriers durch die zu beyden Seiten paradierenden zwey churfrtl. Leibgarden von dem zu seiner Linken gehenden cfl. Herrn Truchseß bis in den Rittersaal begleitet. An der Schwelle dieses Rittersaals empfanget Hochselben S. Excellenz der churfrtl Herr Obersthofmarschall, an der Schwelle der ersten Antekammer S. Ex. der

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Aus dem Vergleich dieser beiden Verfahrensweisen lässt sich – etwas plakativ – folgern:370 Im Wittelsbacher Schloss ist eine hierarchisch nach dem jeweils höherwertigen Hofamt gestaffelte Folge bestimmend, also eine Sequenzierung der Räume. Gerade in der Inszenierung der Schwellen, die die einzelnen Räume bis zum Audienzzimmer bilden, ist ein wichtiges Element kurfürstlicher Repräsentation zu sehen.371 Im französischen Schloss hingegen dominiert eine nahezu schwellenlose Transparenz oder Durchlässigkeit churfrtl. Oberstkammerherr, und in Mitte derselben S. Ex. der churfrtl. Obersthofmeister, und begleiten Hochselben bis an die Thür des churfrtl. Audienzzimmers. Nach Endigung geschiehet der Zurückzuge in gleichförmiger Beobachtung.“ Aus: „Nota zur Ankunft eines kaiserlichen, königlichen oder churfürstlichen Gesandtens zweyten Ranges an dem churftl. Pfalz-Bayeris. Hofe zu München“; zitiert nach Graf 2002, S. 278f. Vgl. auch die undatierte Quelle zur „Einhollung eines königlichen oder churfürstlichen Gesandten zur Audienz“ am kurkölnischen Hof: „Bei der Stiegen empfangt solchen der Obristsilbercammerer, mittenst der Stiegen der Obristkuchenmeister, vor der Ritterstuben der Obristhofmarchall und etliche Schritt in der Andecammer der Herr Graf von Hohenzollern anstatt des Obristhofmeister, welcher bekleitt wird bis zumb Audienzzimmer, worinnen sich Ihr Churfürstliche Durchlaucht befinden.“ Zitiert nach Wilfried Hansmann, Das Treppenhaus und Große Neue Appartement des Brühler Schlosses, Düsseldorf 1972, S. 14. 370 Es sei darauf verwiesen, dass wir es hier nur mit einem Ausschnitt an Möglichkeiten des AudienzZeremoniells an beiden Orten zu tun haben; die Audienz etwa in der Galerie des Glaces war unter Ludwig XIV. und Ludwig XV. ausgesprochen selten: Castelluccio 2006, S. 24, nennt drei (1685, 1686 und 1715) und noch eine weitere 1742, wobei hier angemerkt sei, dass die Begegnung von Ludwig XIV. und dem Dogen von Genua 1685 nicht in der Galerie, sondern im Salon de la Paix stattfand, laut Mercure Galant, May 1685, Paris 1685, S. 320f.: „On entra dans le Salon qui est au bout [Salon de la Guerre], & qui joint la Galerie, & de ce Salon on tourna dans la Galerie, au bout de laquelle estoit le Roy dans le Salon qui fait face à celuy par lequel on venoit de passer.“ Spätere Bildzeugnisse (Almanachblatt 1686 und Hallés Gemälde von 1710) zeigen wiederum die Galerie des Glaces. In den Mémoires des Marquis de Sourches heißt es: „Tous les gens de la cour, et tous ceux qui étoient venus pour voir cette cérémonie, étoient rangés en deux files, depuis la seconde pièce jusqu’au bout de la galerie, où le Roi étoit assis dans une chaise d’argent en espèce de trône [...].“ Vgl. Mémoires sur le règne de Louis XIV, hrsg. v. G.-J. de Cosnac u. A. Bertrand, Paris 1882, Bd. 1, S. 220. Wichtig ist es jedoch festzuhalten, dass die Räume des Grand Appartements – egal ob die Begegnung von König und Gesandtem in der Chambre, im Salon d’Apollon, in der Galerie oder (zunehmend ab dem frühen 18. Jahrhundert) im Cabinet du Conseil stattfand – in anderer Weise in das Zeremoniell einbezogen wurden als im deutschen Reichsfürstenschloss. Zur Distinktion nach der Herkunft der Gesandten vgl. bei Castelluccio 2006, S. 25ff. Auch bei der Audienz des persischen Botschafters 1715 durchschritt man die Räume des Appartements ohne jegliche Haltepunkte, wie der Augenzeuge Pöllnitz festhielt; Pöllnitz 1739, Bd. I, S. 411. 371 Vgl. auch die sehr informative Liste der Diplomatenempfänge in München, wo genau und von wem die Gesandten empfangen wurden, bei Klingensmith 1993, S. 236–241. Tessin 1687/88 (2002), S. 401, ist in der Münchner Residenz erstaunt darüber, dass „in allen zimbern himmels wahren, im ersten stunden auch zwei umbgewandte stühle darunter, undt giebt er hierinnen die audience an bürgermeister undt rath der stadtt. Im nechsten stunden 4 stühle umbgewandt, die zwej letzteren wahren vor dem Churprintzen undt der Churprintzessin, dem brudher undt der schwester vom churfürsten; undt wahr dieses zimber der ess sahl“. Vgl. auch Tessin 1717 (2002), S. 241: „[…] dans toutes les Chambres de Son Altesse Electorale il y avoient des Dais. Dans la premiere Chambre d’Audience l’on voyoit deux Fauteuils tournès.“

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des Appartements; hier ist die Passage bestimmend.372 Die prachtvolle Ausstattung des Grand Appartement in Versailles dient dabei als Vorbereitung auf die Majesté des Königs. Das wird implizit betont im Mercure galant bei der Audienz des Dogen von Genua 1685: Deux choses sont à remarquer, l’une que cét Appartement & cette Galerie estoient magnifiquement meublez, & qu’il y avoit pour plusieurs millions d’argenterie; l’autre que la foule estoit également grande par tout, quoy que ces Appartemens & cette Galerie ensemble pussent contenir autant de monde que le plus vaste Palais.373

Hinter dieser differierenden Art der Annäherung an den Herrscher und damit seiner Sichtbarkeit und Präsenz im Schloss steckt freilich ein unterschiedliches Herrschaftsverständnis hinsichtlich der Präsenz und Repräsentanz der Dynastie. Dabei ist der entscheidende Faktor nicht allein die Möglichkeit, sich dem König in Frankreich nahezu schwellenlos nähern zu können – diese zum politischen Diktum erklärte Sichtbarkeit und Zugänglichkeit ist bekannt, vielzitiert aus den an den Dauphin gerichteten Mémoires pour l’année 1662: „c’est l’accès libre et facile des sujets au prince.“374 Es ist vielmehr der Charakter einer weder durch Vertreter der Dynastie noch durch Vertreter des Hofstaats vermittelten, sondern einer un-vermittelten Zugänglichkeit, gerade wenn wir zum Vergleich das Prozedere in reichsfürstlichen Schlössern betrachten: In einer Residenz wie der der Wittelsbacher war es ein durch die wichtigsten Amtsträger und Repräsentanten des Hofstaats vermittelter Weg zum Herrscher, den der Gesandte beschritt. Mit dem Obersthofmarschall, Oberstkämmerer und Obersthofmeister erscheint zudem eine Rangfolge, die auf die burgundische Rangordnung zurückgeht.375 Diese Vermittlung erfolgte über die Räume des Appartements, deren je spezifische „Identität“ auch dadurch gesichert wurde, dass sie unter der Aufsicht nicht nur einer, sondern verschiedener Amtspersonen stehen konnten.376 372 Tessin hat bei seinem Besuch 1687 bemerkt, dass die Türen des Grand Appartement ständig geöffnet sind; „elles sont toujours ouvertes“; vgl. Tessin 1687/88 (2002), S. 198. 373 Mercure galant, May 1685, Paris 1685, S. 321. Bei den Gesandten aus Siam wird dies besonders auf dem Rückweg vermerkt; der Weg zum König zuvor hatte sich anders gestaltet: „Weil die Abgesandten durch die Gemächer gangen / ohne die Augen auff ein oder die andere Seite zu wenden / vermeinend alle Augenblick vor dem König zuerscheinen / waren sie anjetzo im heraußgehen über die zierlich- und köstlichkeit der Losamentern verwundert / achteten nunmehr der Ordnung im Gehen nicht / sondern die Begierde hatte den Vorzug.“ Reyß-Beschreibung der Abgesandten von Siam 1687, S. 97. 374 In Abgrenzung von anderen Dynastien: „Il y a des nations où la majesté des rois consiste, pour une grande partie, à ne se point laisser voir [...].“ Vgl. Zitat bei Sabatier 1999, S. 435. 375 Diese Rangordnung wurde seit 1548 am Hof von Graz beachtet; vgl. Reinhard Heydenreuter, Der landesherrliche Hofrat unter Herzog und Kurfürst Maximilian I. von Bayern (1598–1651), München 1981, S. 48, Anm. 15. 376 Rohr 1733 (1990), S. 68. Der Obersthofmeister hatte nicht die Aufsicht über alle Zimmer. – Auf die größere Anzahl von Vorzimmern vor dem Schlafzimmer im Gegensatz zu französischen königlichen Palästen verwies bereits Baillie 1967, S. 183ff. Siehe auch Klingensmith 1993, S. 10f. Sogar der Würzburger Fürstbischof hatte mehr Vorzimmer als der französische König. Zur Distinktion unter den Hofbeamten/Höflingen sehr ausführlich bei Lünig 1719/20 und Rohr 1733

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Die Transparenz, die Durchlässigkeit der französischen Raumfolge, gerade im Grand Appartement in Versailles ab den 1680er Jahren, findet sich in Max Emanuels Appartement nicht. Man kann sogar festhalten, dass Frankreich in dieser für die herrscherliche Repräsentation so bedeutenden Praxis gar kein Modell bieten konnte bzw. ein Gegenmodell darstellte. Bei Max Emanuels Nachfolger Karl Albrecht wird dieser Aspekt – auch in Hinblick auf die Ausstattung – nochmals aufgegriffen werden.

Divergenzen und Konvergenzen: „Appartements“, „Galas“ und Galerien Mit diesen Beobachtungen anhand der deutlichen Divergenzen würde man jedoch aus dem Auge verlieren, dass sich im Appartement Max Emanuels durchaus auch eine Reihe französischer Anregungen finden lassen – freilich mit erkennbaren Anpassungen an die reichsfürstlichen Gegebenheiten, Bedürfnisse und Traditionen. Der Kurfürst ließ nämlich nicht allein das Hauptappartement umbauen, sondern nutzte ebenso die Altane in der Rücklage der Kammergalerie (vgl. Abb. 34) für den Bau der sogenannten Sommerzimmer (Abb. 36, Nr. 9a-d). Zwei Veränderungen brachten diese Umstrukturierungen mit sich: Die Altane wurde überbaut, und die Durchfensterung der Galerie war nun nicht mehr beidseitig, sondern nur noch auf einer Seite. Die Sommerzimmer konnte man über das neu eingerichtete Innere Audienzzimmer, das Große Kabinett, erreichen (Abb. 36, Nr. 4). In diesen zwischen 1680 und 1685 ausgestatteten Räumen wurden die sogenannten Appartements gehalten, Hofgesellschaften, bei denen in den durchgängig geöffneten Räumen ungeachtet zeremonieller Regeln gespielt und getanzt wurde.377 In der Forschung wird dies zu Recht in Parallele zu den Appartements in Versailles gesehen, die ab den frühen 1680er Jahren im dortigen Grand Appartement stattfanden.378 Indessen sollte auch hier betont werden, dass die in München stattfindenden Appartements für einen weit eingeschränkteren Personenkreis zugänglich waren als die Veranstaltungen in Versailles.379 (1990). Vgl. auch Klingensmith 1993, S. 13: „Hierarchies of rank were made to correspond to the hierarchy of anterooms, with entree to the individual rooms becoming increasingly restrive the closer one approached the bedchamber.“ 377 Straub 1969, S. 271. 378 Klingensmith 1993, S. 171; Graf 2002, S. 78. Dabei ist jedoch wichtig festzuhalten, dass das Grand Appartement mit der Verlegung der Residenz von Paris nach Versailles seine Funktion als königliche Wohnung verloren hatte. Zu den „Appartements“: Mercure galant, Decembre 1682: „On disait qu’il y avait appartement lorsque le roi recevait le soir (de 6 h à 10) toute la cour dans son grand appartement; alors le roi jouait au billard en public, il y avait musique, jeux de toutes sortes, et refraîchissements; l’appartement se terminait quelquefois par un bal.“ Elisabeth Charlotte 1676–1706, S. 434, Nr. 287, schreibt an Raugräfin Amelie Elisabeth aus Versailles am 31. Dezember 1705: „Die apartements seindt hir all vor etlich jahren abgeschafft; die ersten wahren all artig, hernach aber würde es sehr langweillig.“ 379 Darauf macht zu Recht Klingensmith 1993, S. 16, aufmerksam; sie waren nur einem engen Kreis von Höflingen zugänglich.

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Eine umfassende Beschreibung der gerade eingeführten Appartements gibt der savoyische Gesandte Lantery im Januar 1686: […] si sono introdotti gli Appartamenti per il giuoco, che cominciano alle sei della sera fin che venga l’hora della cena. Vi si vedono cinque in sei stanze di fila ben adobbate, et illuminate con diverse tavole per il giuoco, mentre nel med.mo tempo si balla in un altra stanza, concorrendovi oltre le Dame di Corte, anche quelle della Città, e tutti i Cavalieri, questa conversatione si tiene tre giorni della settimana cioè la Domenica, il Martedi, e il Giovedi, vedendosi andare sempre intorno gran sottocoppe di acque rinfrescative d’ogni sorte, con ciocolata, e nelle altre sere vi è la Comedia Italiana.380

Die Appartements wurden sogleich auch Markgraf Ludwig Wilhelm von Baden präsentiert, der Anfang Februar 1686 zu Besuch in München war.381 Lantery lässt jedoch nichts darüber verlauten, dass dieser gesellschaftliche Usus der Appartements aus Frankreich stammt. Allgemein bestätigen die Zeitgenossen diese Parallele nicht. Nicodemus Tessin etwa bemerkt über die Sommerzimmer lediglich etwas abfällig, sie bildeten ein eijgen kleines spielappartement, so dass hie eine abscheüliche mengde von zimbern ist, aber doch ohne einige rechte svite, die däcker seijndt meist alle von eine unzägliche arbeit von holtzleisten, oder auch kleinen gibss ornamenten.382

Wichtig ist aber auch hier zu betonen, dass ab 1685, also fast zeitgleich mit den „französischen“ Appartements, an Geburtstagen und Namenstagen der zahlreichen Verwandten auch die sogenannten Galaempfänge beim Kurfürsten eingeführt wurden und damit eine typisch habsburgische Sitte.383 Diese Galas, nämlich an „Galla Sonn- und feürtägen“,384 fanden nicht in den Sommerzimmern, sondern in dem für die Repräsentation weit wichtigeren Hauptappartement statt, wozu die Räume von Ritterstube bis Audienzzimmer ohne Unterbrechung geöffnet und somit ohne Einschränkungen erlebbar waren (Abb. 36, Nr. 1–3) – im Zeremoniell war normalerweise nur die Antecamera geöffnet.385 Das Schwergewicht der politischen Repräsentation lag daher zweifellos auf diesen Galas, weniger auf den Appartements, denn mit Hilfe der Gala-Tage konnte man das dynastische Element – zudem in dem wichtigeren Teil des Kurfürsten-Appartements – zelebrieren, die feste Verankerung innerhalb der weitverzweigten Verwandtschaft, während die Appartements lediglich der spielerischen Zerstreuung dienten und kaum eine politische Konnotation hatten.

380 Comte Lantery nach Turin an die Altezza Reale, 25. Januar 1686; AST, LettM, Baviera, M 9. 381 Comte Lantery nach Turin an die Altezza Reale, 3. (od. 2.) Februar 1686; AST, LettM, Baviera, M 9. 382 Tessin 1687/88 (2002), S. 401. 383 Zu diesen Galas besonders Straub 1969, S. 270f. 384 Kammerordnung 1739; vgl. Klingensmith 1993, S. 217. 385 Die Galas wurden natürlich auch teilweise auf den Landschlössern gefeiert. Dazu Straub 1969, passim.

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Nicht zuletzt dominiert auch hier wieder die Vielfalt, denn die in Karnevalszeiten gefeierte „ricreatione de Wirtschaft“, von der Lantery ebenfalls berichtet,386 ist eine besondere Festlichkeit der Wittelsbacher als Reichsfürsten, die sie weithin berühmt machte.387 Die zeitweilig in den Sommerzimmern stattfindenden Appartements bildeten also nur einen kleinen Teil des gesamten vielfältigen Festkalenders. Die Unterscheidung zwischen dem Hauptappartement des Kurfürsten, wo die Galas stattfanden, und den Sommerzimmern, den Räumen für die Appartements, spiegelt sich auch in der Ausstattung: Während das Hauptappartement des Kurfürsten zum überwiegenden Teil mit Tapisserien ausgestattet war (abgesehen von den Supraporten),388 waren den Sommerzimmern Gemälde zugewiesen. Dies ist auch hinsichtlich der Aufstellung von Porträts interessant, gerade im Vergleich mit dem Appartement der Kurfürstin: Dort waren, ich habe kurz darauf verwiesen, ab dem Audienzzimmer höfische Porträts wesentlicher Bestandteil der Ausstattung und damit auch der Repräsentation der Kurfürstin.389 Im Appartement des Kurfürsten hingegen tauchen Porträts lediglich in diesen Sommerzimmern auf, im ersten Raum waren fünf nicht weiter bezeichnete Porträts,390 im dritten waren acht „Herrschafft Contrafait“.391 Im Appartement Karl Albrechts wird sich dies nochmals ändern. Wichtig ist es in diesem Zusammenhang zu erwähnen, dass Max Emanuel mit der Erweiterung seines Appartements um die Sommerzimmer auch eine Umstruktierung und Umverteilung der Sammlungsbestände vornahm: Die vorherige Kammergalerie (Abb. 36, Nr. 10, südlich der Sommerzimmer) wurde dabei zur „Schatzkammer“,392 während sich in den vom Großen Kabinett ebenfalls erreichbaren Sommerzimmern, die in Quellen durchgehend als „Galerien“ bezeichnet wurden,393 eine große Anzahl von Gemälden befanden. Den Höhepunkt bildete dabei das zweite Sommerzimmer mit sieben Fensterachsen, das von Wening so genannte „mittern salerl (so auch den Namen einer Galerie trägt)“ mit der „volle[n] Versamblung der besten Kunst Gemählen / von Titian, Rubens, Dürer / Raphael d’urbino, Paolo Veronese, Jordan unnd andern“.394 Diese Ge386 Comte Lantery nach Turin an die Altezza Reale, 16. Februar 1685; AST, LettM, Baviera, M 8. Er berichtet von der „ricreatione del Wirtschaft, che è stato de più pomposi che si sieno ancora veduti, non tanto per la varietà de gli habiti, quanto per la vaghezza e ricchezza delli med.mi, per la gran quantità di gioie de’quali la maggior parte de Caualieri, e Dame si uedeuano ornati [...].“ 387 Straub 1969, S, 258, 267. 388 Die Ausstattung lässt sich über das Inventar des „Hausschatzes“ von 1707 im Ansatz rekonstruieren; Inventar 1707 (Hausschatz). 389 Vgl. oben Anm. 261. 390 Inventar 1707 (Hausschatz), fol. 67v: „Fünff Contrafait und ein anderes stuckh Mallerey“. Sie werden bei Wening 1701 nicht erwähnt. 391 Inventar 1707 (Hausschatz), fol. 68v: „Acht stuckh Mallerey verschiden Herrschafft Contrafait“ Sie werden wieder bei Wening 1701 nicht erwähnt. 392 Wening 1701, S. 3: „Aus disem Saal [dem zweiten Sommerzimmer] linker Hand weiset ein Thür den Eingang in die so genannte Schatz-Gallerie.“ 393 So z. B. auch im Inventar 1707 (Hausschatz). 394 Wening 1701, S. 4. Zur Sammlung in der „Kunst-Kammer“ vgl. das Inventar 1707 (Hausschatz), ab fol. 68v.

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mälde, die noch unter Maximilian I. und Ferdinand Maria in der Kammergalerie zwischen den Wandschränken (armoires) aufgehängt waren,395 wurden hier separiert zu einer eigenen, keineswegs kleinen Gemäldegalerie. Mit der Disposition der Galerie, die unter Max Emanuel ebenfalls verändert wurde, zeigt sich zudem eine vom französischen und auch vom italienischen Usus abweichende Form. Zwar wurde der Standort der Münchner Galerie selbst nicht geändert, jedoch hatte die Neueinrichtung des Inneren Audienzzimmers (Abb. 36, Nr. 4) zur Folge, dass die Galerie aus der engen Verbindung mit dem zuvor an diesem Ort befindlichen Schlafzimmer gelöst wurde: Man konnte die Galerie nun erreichen, ohne durch das Schlafzimmer gehen zu müssen – eine Disposition, die Tessin ebenso wie im Oranier-Schloss Honselaarsdijk (Abb. 38) hätte loben können, da man auch in München vom (Inneren) Audienzzimmer sowohl das Schlafzimmer als auch die Galerie erreichen konnte.396 Bei der Erweiterung des Kurfürsten-Appartements im Grottenhoftrakt „wanderte“ somit die Galerie, obwohl sie am selben Ort blieb, innerhalb der Raumfolge nach vorn: Der Raum, der unter Maximilian I. und Ferdinand Maria noch Schlafzimmer war (Abb. 34), wurde zum (Inneren) Audienzzimmer, von dem aus die Galerie zu betreten war. Es hätte andere Lösungen gegeben, um das Appartement zu vergrößern und doch gleichzeitig die Exklusivität für die Kammergalerie zu erhalten; man entschied sich jedoch für eine – sicherlich immer noch höchst restriktive – Öffnung dieses zuvor streng abgeschirmten Ortes.397 Dieses strukturelle Prinzip blieb auch unter Max Emanuels Nachfolger Karl Albrecht erhalten: Im Zuge der Umbaumaßnahmen im Appartement nach dem Tode Max Emanuels (1726) musste die ehemalige Kammergalerie den „Reichen Zimmern“ des Kurfürsten Karl Albrecht weichen, und es wurde eine neue, die „Grüne Galerie“ im Hauptgeschoss disponiert (Abb. 77, Nr. 4b). Der Zugang zur Grünen Galerie, genau gegenüber der Galerie der Kurfürstin, erfolgte indes wiederum über das Audienzzimmer.398 Durch diese Lösung wurde zugleich die bei den Wittelsbachern so langlebige Tradition der Verbindung der beiden Appartements mittels einer Galerie aufgegeben. Die beiden Appartements von Kurfürst und Kurfürstin rückten zusammen und stießen mit ihren jeweiligen Kabinetten direkt aneinander.399

395 So wird es deutlich bei Patin 1695, S. 86: „Aux espaces qui les [die Gemälde] separoient, ont avoit pratiqué des armoires.“ 396 Vgl. oben Anm. 348. 397 Der Zugang vom Audienzzimmer erinnert zudem an die bereits vorgestellten Dispositionen der Galerie in den später entstandenen Bauten in Pommersfelden und dem Wiener Stadtpalais des Prinzen Eugen. Dazu Krems 2010a und Krems 2010b. 398 So heißt es im Inventar 1748 (Residenz): „Dans la Gallerie en entrant par la C[h]ambre du Conseil [a la gauche].“ 399 Interessanterweise gab es nie Anstrengungen, die beiden Appartements symmetrisch rechts und links vom Saal, also vom Herkulessaal, zu disponieren – was in München durchaus möglich gewesen wäre, indem man die sogenannten Trierzimmer im östlichen Kaiserhoftrakt einbezogen hätte. Stattdessen dominierte – im Unterschied übrigens zu den Landschlössern – die Verbindung über die Kabinette oder über eine Galerie, also über den innersten Bereich der Appartements.

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In Frankreich oder auch in Italien war eine derartige Lage der Galerie kaum vorstellbar. In französischen Bauten findet sich die Galerie um 1700 fast ausnahmslos am Ende der Raumfolge, der Zugang erfolgte also über die Räume des Appartements. So war in Versailles, gemäß dem Raum für Raum die Ausstattung beschreibenden Führer von 1716,400 die Galerie des Glaces bekanntlich Ziel- und Höhepunkt einer langen Raumflucht (Abb. 39), sie folgte auf das Grand Appartement, verband das Appartement du Roi mit dem der Königin, ohne freilich einen hohen Grad an Öffentlichkeit auszuschließen.401 Der Unterschied zu der formal übereinstimmenden italienischen Disposition von Galerien – denn in Italien findet sich die Galerie vornehmlich ebenfalls am Ende des Appartements – liegt in der relativen Zugänglichkeit, dem Öffentlichkeitsgrad des Raumes.402 Das französische Zeremoniell ließ – freilich unter strenger Bewachung und Auswahl403 – den Zugang zu den Bereichen jenseits des Audienzzimmers formaliter zu, was einhergeht mit einer variablen Funktion und Disposition der einzelnen Räume; es wurde hier schon kurz darauf verwiesen: Mal fand sich das Audienzzimmer hinter der Chambre, mal davor, oft fanden in der Galerie offizielle Ereignisse, etwa Empfänge statt. Mit der Lage der Galerie in der Münchner Residenz, wie sie im Appartement Max Emanuels anschaulich wird – nicht am Ende des Appartements, sondern in unmittelbarer Nähe des Audienzzimmers404 – etablierten die Wittelsbacher selbst eine exemplarische Lösung, ja ein Modell, das in ihren eigenen Bauten (Schleißheim, Nymphenburg) und auch in anderen Schlössern und Palais’ im Reich wiederkehren wird, etwa in Pommersfelden (Abb. 58) oder im Wiener Stadtpalais des Prinzen Eugen:405 Die Galerie wurde jeweils zwar im engen Verbund mit dem Appartement disponiert, sie wurde gleichzeitig aber aus dessen innerem oder innerstem Verbund, dem Arkanum, herausgelöst und diesem voran- bzw. zur Seite gestellt. Besonders anschaulich wird dies wenige Jahrzehnte später in der Disposition der Galerie im Neuen Schloss Schleißheim (Abb. 59). Dort grenzt die Galerie direkt an den großen Saal und schafft auf diese Weise – gleichsam als großdimensioniertes Vorzimmer – die Verbindung zwischen Saal und Appartement. Die Entscheidung für diese Lösung, die im Kurfürstenappartement der Münchner Residenz 400 Les Curiositez de Paris, de Versailles… 1716, S. 322f. 401 Berühmt ist der Bericht des deutschen Reisenden Nemeitz von 1713/14: in der Galerie des Glaces gingen „täglich eine Menge von cavaliers, Hoffleuten und Frembden / vornemlich / wann der König nach der Messe ging / oder wieder daraus kam, auff- und nieder spaziren“; Nemeitz 1718, S. 388. 402 Zur Galerie als Ort „da trattenersi le persone nobili, e ricche“ vgl. Scamozzi 1615, parte I, libro III, XXIV, S. 328. 403 Blondel 1752–56, Bd. I, S. 37, schreibt sogar ausdrücklich, dass man die Galerie in den Flügel setzen sollte, „parce que l’entrée de ces grandes pieces ne doit pas être ouverte à tout le monde“. Die von Nemeitz (vgl. Anm. 401) in der Galerie des Glaces beschriebene „Freiheit“ muss man dabei eher als eine Ausnahme betrachten. 404 Diese Distribution wurde ja auch schon im Appartement Henriette Adelaides anschaulich, wobei dort die Zugänglichkeit der Galerie aufgrund der schlechten Quellenlage nicht zufriedenstellend zu rekonstruieren ist; vgl. oben den Abschnitt Modelladaption im Konflikt mit dem Zeremoniell. 405 Zu dieser Frage ausführlicher: Krems 2010a und Krems 2010b.

Die 1680er Jahre: Der junge Max Emanuel  | 239

im Kleinen vorweggenommen wurde, kann nur den zeremoniellen Reglements im Reich geschuldet sein: Denn sobald die Galerie im vorderen Bereich des Appartements disponiert wird, ist sie nicht nur einem größeren Besucherkreis zugänglich – und damit ist vor allem der sich in diesem Bereich versammelnde Adel gemeint, dem mitunter, so zeitgenössische Quellen, „die Zeit in den Vorzimmern ihrer Herrschafft blutlang wird.“406 Vielmehr kann die Galerie auf diese Weise Teil des diplomatischen Zeremoniells werden, das seinen Ort in den Räumen bis einschließlich zum Audienzzimmer hatte. Der Galerie wurde offenbar eine auf eine größere und spezifische höfische Öffentlichkeit zugeschnittene repräsentative Wirkungsabsicht zugewiesen, deren Bedeutung mit dem Wissen um den Einfluss zeremoniellen Handelns auf politische Entscheidungen virulent wird.407 Es ist somit anhand der Distribution des Audienzbereichs und auch der Galerie zu beobachten, dass sich in den 1680er Jahren eine spezifische Struktur des reichsfürstlichen Appartements herausbildete, die bis weit ins 18. Jahrhundert hinein Gültigkeit besitzen sollte. Sehr viele Elemente waren bereits im Appartement der Kurfürstin unter Henriette Adelaide in den 1660er Jahren angelegt worden. Diese Konsolidierung der Struktur des Appartements bei den Wittelsbachern unter dem jungen Max Emanuel fand somit parallel zur Formierung des „Modells Versailles“ oder „Modells Frankreich“ statt. Es hat sich jedoch deutlich gezeigt, dass das Appartement im französischen Königsschloss kein Modell für das reichsfürstliche Appartement bieten konnte. Vielmehr führten die politisch-kommunikativen Bedürfnisse zu einer je eigenen Entwicklung im Schlossbau, die letztlich auch auf die Ausstattung ihren Einfluss nehmen wird und damit auf das, was im Reich ab dem frühen 18. Jahrhundert meist generalisierend als „französisch“ dominiert bezeichnet wird. Auch hier wird man differenzierter urteilen müssen. Der nun folgende Abschnitt wird sich daher den Jahren um 1715 widmen, als Max Emanuel nach längerem Exil in Frankreich in sein Territorium zurückkehrte und unter gewandelten Rahmenbedingungen wiederum größere Neubau- und Umbauprojekte in Angriff nahm.

406 Moser 1754/55, Bd. I, S. 209, schreibt über den Hofdienst des Adels, der Adel müsse „zu den gewöhnlichen Stunden der Cour=Zeit sich bey Hof einfinden, die Vorgemächer und Zimmer füllen, die Tafel besetzen und mit daseyn helfen, wann der Regent sich dem Hof zeigt“. Moser zitiert daraufhin Nemeitz: „Ich kenne einige, denen die Zeit in den Vorzimmern ihrer Herrschafft blutlang wird.“ 407 Zur politischen Virulenz des diplomatischen Zeremoniells vgl. z.B. Krischer 2002, S. 164. Siehe auch den Sammelband Die Grenze 1997.

4.  Nach 1715: „Modellwechsel“?

Exil 1704–1715 Der tiefste Einschnitt in der Geschichte der Wittelsbacher im 17. und 18. Jahrhundert war das fast elf Jahre währende Exil des Kurfürsten Max Emanuel nach seiner Niederlage bei Höchstädt am 13. August 1704.408 Dieser Einschnitt ist auch für unsere Fragestellung von zentraler Bedeutung, da Max Emanuel einige Jahre seines Exils in Frankreich verbracht hat und es somit wiederum gewandelte Rahmenbedingungen für den Kulturtransfer in der Rezeption gerade französischer Modelle gab. Kurbayern wurde vom Spanischen Erbfolgekrieg (1701–1714) außergewöhnlich hart getroffen. Es folgten auf die Niederlage des bayrisch-französischen Heeres bei Höchstädt 1704 nicht nur die lange Abwesenheit des Kurfürsten, sondern auch die österreichische Okkupation des Territoriums: An die Stelle des kurbayrischen Geheimen Rates trat die kaiserliche Administration. Reisende mieden das Kurfürstentum. So war etwa der sonst ausführlich über weite Teile Europas berichtende Blainville 1705 nicht in München,409 und der Engländer Joseph Addison schrieb eigens: We were advis’d, by our Merchants, by no means to venture our selves in the Duke of Bavaria’s Country, so that we have the Mortification to lose the Sight of Munich, Augsburg, and Ratisbon.410

1706 wurde über Max Emanuel und seinen Bruder, den Kölner Kurfürsten Joseph Clemens, die Reichsacht verhängt.411 Joseph Clemens hatte Bonn bereits 1702 verlassen.412

408 Vgl. hierzu zuletzt die Beiträge in Kat. Höchstädt 2004. Dort auch zur kurzen Regentschaft der Kurfürstin Therese Kunigunde (bis 1705). Götze 1747, S. 75f., beschreibt die harten Bedingungen für Therese Kunigunde im November 1704, unter denen der Vertrag geschlossen worden war, „worinnen der Churfürstin das Renth-Amt München mit der Teritorial-Gerechtigkeit, sämtlichen Ertragniß und Nutzung, mit allem in der Stadt befindlichen Churfürstlichen Schatz, Antiquitäten, Mobilien, Archiven, Mahlereyen, Pretiosi, Lust-Häusern, und was darzu gehörig seyn mag, überlassen worden. Allein man hat gar bald eine Ursache gefunden zu haben vermeynet, um diesen Accord nicht zu halten“. Therese Kunigunde begab sich im Februar 1705 nach Venedig. Im Mai 1706 wurden die vier ältesten Söhne Max Emanuels nach Klagenfurt abgeführt. 409 Blainville 1705 (1764–67). 410 Addison 1705, S. 518. Freschot 1705a, Bd. I, S. 78–80, war 1704 in Kurbayern, jedoch berichtet er nur über die aktuelle politische Lage. 411 Hüttl 1976, S. 474ff. 412 Der Anschluss an Frankreich hatte die Einnahme Bonns durch die Reichstruppen zur Folge. Nach der Flucht aus Bonn im Oktober 1702 verbrachte Joseph Clemens zwölf Jahre in Frankreich: bis 1704 in Namur, 1704-08 in Lille, 1708–14 in Valenciennes. Danach zog er sich in sein Bistum Lüttich in den Spanischen Niederlanden zurück und konnte erst 1715 (am 25. Februar) in Folge französischen Drucks in seinen Kurstaat zurückkehren. Zu Joseph Clemens und dem Kurfürs-

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Nach der Niederlage bei Höchstädt war Max Emanuel zunächst nach Brüssel zurückgekehrt, wo sich für kurze Zeit das Hofleben ähnlich prachtvoll entfaltete wie vor 1701.413 Persönliche Kontakte zu führenden Künstlern des französischen Hofes wurden aufgenommen, Stoffe, Tapisserien, Möbel, Porzellan, Gold- und Silberarbeiten aus Paris geordert.414 Von Germain Boffrand, der Max Emanuel über seine seit 1701 in Paris weilende Vertraute Gräfin Arco vermittelt wurde, ließ er für das Jagdschloss Bouchefort südlich von Brüssel Entwürfe anfertigen. Der bereits begonnene Bau wurde jedoch nach der Niederlage bei Ramilliés am 23. Mai 1706 wieder eingestellt.415 Max Emanuel flüchtete nach Mons.416 Nach der Niederlage bei Malplaquet am 11. September 1709 konnte er sich nicht länger in den Niederlanden halten und begab sich nach Frankreich ins Exil, wo er bis 1715 blieb. Während die Hofhistoriographen des 18. Jahrhunderts Max Emanuels Exil zum Tabu erklärten417 und weite Teile des bayerischen Adels, vor allem jene, die habsburgfreundlich gesinnt waren, ihrem Kurfürsten vorwarfen, sich mit den Franzosen verbündet,418 sich gegen Kaiser und Reich gestellt und jahrelang als Flüchtling im Ausland, zudem in Frankreich, gelebt zu haben,419 wird von kunsthistorischer Seite der (erzwungene) Frankreich-Aufenthalt als ausgesprochen wichtig, ja als entscheidend für die weitere künstlerische Entwicklung in Kurbayern nach 1715 erachtet. Denn nach der Rückkehr habe tentum Köln vgl. besonders Winterling 1986; zur prekären Besatzungssituation in Bonn siehe Mittelsten-Schee 1938. 413 Im März 1701 war er aus Brüssel nach Kurbayern zurückgekehrt, um in München zu residieren. 414 Hauttmann 1913, S. 13f. Siehe jüngst Tillmann 2009. 415 Im Frühjahr 1705 kommen Carbonet und Boffrand nach Brüssel. Im Frühjahr 1706 beginnt Boffrand in der Nähe von Brüssel das Jagdschloss Bouchefort zu bauen. In Boffrands Livre d’Architecture (Boffrand 1745) sind Risse und Schnitte von Bouchefort veröffentlicht. Die 2. Ausgabe erfolgte durch Pierre Patte, Oeuvres d‘Architecture de Mons. Boffrand, Paris 1753. Es gab bereits Planungen von Zuccalli 1698/99 für das Jagdschloss. Entwürfe dazu wurden bisher nicht aufgefunden; Heym 1984, S. 107. 416 Mit der Schlacht bei Ramilliés war Brüssel verloren, der Herzog von Marlborough zog im Triumphzug am 30. Mai in Brüssel ein; Heigel 1884b, S. 188. 417 Dazu Hüttl 1976, S. 686. 418 Nachdem der Reichskrieg gegen Philipp V. von Spanien und seine Verbündeten am 8. Oktober 1702 erklärt worden war, hatte Max Emanuel nochmals über einen Bündniswechsel verhandelt, was jedoch an seinen Forderungen und der Weigerung des Kaisers scheiterte. Für seinen Wechsel von der französischen auf die kaiserliche Seite forderte Max Emanuel immense Gebietsabtretungen Österreichs an Bayern, darunter die Markgrafschaft Burgau, die Herrschaft Neuburg am Inn sowie das Herzogtum Mailand. Besonders insistierte er darauf, dass das auf diese Weise vergrößerte Kurfürstentum zum Königreich erhoben werde, damit es denselben Rang wie Preußen und Sachsen/Polen erhalte. Man ging auf das Ultimatum Max Emanuels nicht ein. 419 Auf Spottmedaillen und in der Volkslyrik war der Vorwurf dominant, dass sich Gerechtigkeit und Mut des Kurfürsten in Grausamkeit und Feigheit verwandelt hätten. Ein weiterer Kritikpunkt war die Untreue zu Kaiser und Reich, als deren Ursache aber meist die „französischen Tuifeln“ angesehen wurden; Max Emanuels Taten hätten die bayerischen Untertanen ins Unglück gestürzt; vgl. August von Hartmann, Historische Volkslieder und Zeitgedichte vom 16. bis zum 19. Jahrhundert, Bd. 2: Von der Mitte des 17. bis zu der des 18. Jahrhunderts, München 1910.

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das Modell Frankreich, gerade im profan-höfischen Bereich, eine dominierende Stellung eingenommen. Hauttmann spricht von „Stilverpflanzung“.420 Peter Volk erkennt sogar erst in Max Emanuels Anwesenheit in Paris, Versailles und auf weiteren französischen Schlössern der Île-de-France im Jahre 1709 „die entscheidende erste Begegnung mit der Versailler Hofkunst, die in den folgenden Jahren bis zu seinem Tod für alle eigenen Planungen richtungsweisend wird“.421 Problematisch an dieser Beobachtung ist indes nicht nur, dass es bereits vorher zahlreiche Hinweise auf das Interesse des Kurfürsten an französischer Kunst und Architektur gibt, sondern dass die Jahre um 1709 die dunkelste Phase in Max Emanuels politischer Karriere waren. Die eigentliche Verbannung erfolgte nach der erwähnten Niederlage bei Malplaquet im September 1709. Max Emanuel konnte sich glücklich schätzen, dass ihm Ludwig XIV. sein Schloss in Compiègne, etwa 70 Kilometer nordöstlich von Paris gelegen, zum Aufenthalt zuwies. Man kann also keineswegs von eigenverantwortlichen Entscheidungen des verbannten Kurfürsten ausgehen, die seinen Wohnsitz in dieser Zeit betreffen, wie es etwa Hauttmann suggeriert; er begründete damit die Vorstellung, Max Emanuel habe aus künstlerisch-ästhetischen Gründen die Nähe zum französischen König gesucht: „Immer näher legte er auch seinen Wohnsitz an Paris heran [...].“422 Erst kürzlich legte Max Tillmann eine fundierte Analyse des Aufenthalts Max Emanuels in Frankreich vor, die auf einem breiten Quellenspektrum gründet und wichtige Erkenntnisse vor allem hinsichtlich der Künstler und Kunsthandwerker, Berater und Agenten liefert, die der Kurfürst im Exil um sich versammelte.423 Kurz seien im Folgenden exemplarisch die Ereignisse im Herbst 1709 betrachtet, um auch die Bedeutung und Rolle des französischen Exils für spätere künstlerische Projekte bewerten zu können: In Compiègne lebe er, so ein Brief Max Emanuels vom 20. Oktober 1709, „wie ein Kapuziner“, die Jagd sei sein einziges Vergnügen.424 Sein Bruder Joseph Clemens berichtet, Max Emanuel erfreue sich in Compiègne offenbar guter Gesundheit und gehe oft auf die Jagd; insbesondere sei er häufig in Chantilly, „tant pour la beauté des jardins“, aber auch „pour l’agrément de la chasse du cerf“, die, das habe ihm Max Emanuel versichert, so schön sei, wie an keinem anderen Ort der Welt, „qu’en

420 Hauttmann 1913, S. 44: „Die imposante, in Deutschland einzig dastehende Stilverpflanzung, die den Grund zu der Blüte der Münchner Kunst des 18. Jahrhunderts legt, ist das persönlichste Werk Max Emanuels.“ 421 Volk 1976a, S. 132. 422 Hauttmann 1911, S. 260. Auch sein über die Restitution 1714 hinausgehendes Verweilen in Frankreich hatte politische Gründe. 423 Tillmann 2009, bes. S. 81–212. 424 Zitat bei Heigel 1884b, S. 192f. Vgl. auch die Memoiren des Maréchal de Villars’, der ihn zweimal besucht hatte: „Je le trouvai bien différent de l’état brillant où je l’avois vu a Munich: il n’avoit perdu aucun de ses goûts, et il s’occupoit comme autrefois de son tour, des ses maîtresses, de sa musique, de petits bâtimens, au défaut de grands. Il me parut cependant assez affecté de son état, et il me dit des choses très-touchantes sur les malheurs (il se servit de ce terme-là) de l’éloignement que l’on lui avoit donné pour moi.“ Mémoires du Maréchal de Villars, 3 Bde. (Collection des mémoires relatifs à l’histoire de France, Bde. 68–70), Paris 1828, Bd. II, S. 260f.

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aucun Lieu du monde“.425 Die Jagd erweist sich hier freilich nicht nur als willkommener Zeitvertreib, sondern als Zeichen einer standesgemäßen privilegierten Lebensführung, die es nach außen zu demonstrieren galt426 – sie hat während des gesamten Exils einen bedeutenden Stellenwert in der Exil-Hofhaltung im Dienste des fürstlichen Selbstverständnisses eingenommen. Am 15. November 1709 erläutert Max Emanuel der in Venedig weilenden Gemahlin Therese Kunigunde seinen Besuch in Versailles, wo er den König getroffen habe – gezwungenermaßen incognito: […] j’aye pris le nom de Comte de Tachau, pour êstre sur le pied d’incognito et éviter par là tout cérémoniel, qui pourrait porter préjudice à mon rang, qui dans les cours des Roys éstrangers de l’Empire n’est pas reglé avec les électeurs come avec l’Empereur.427

Diese prekäre zeremonielle Situation versucht Max Emanuel durch die Schilderung der gleichsam außerzeremoniellen zuvorkommenden Haltung des Königs zu kompensieren: J’ay veu le Roi débont tous deux dans la chambre et puis en sortant au jardin je me suis couvert avec luy et promené sans façon et assis à son côsté dans la caléche, poussé par les Suisses, de là au Salon, où le Roy m’à mené.

So berichtet auch Liselotte von der Pfalz über dieselbe Begebenheit aus ihrer Perspektive: Gestern sahe ich einen herrn, den ich lengst gern gesehen hette, weillen ich so gar viel von ihm gehört hatte, nehmblich Churbayren. I. L. [Ihrer Liebden] seindt ganz incognito hir, wollen weder vissitten geben noch entpfangen. Er jammert mich recht, den er sicht betrübt auß. Ob I. L. zwar incognito sein, so hatt ihn dich unßer könig neben sich in den rollwagen gesetzt, wie er I. L. den garten gewießen.428

Neben dem König waren auch der Dauphin und die Herzöge von Bourgogne, Berry, Orléans, Maine und Toulouse anwesend. Nach der Promenade und Spazierfahrt allein mit dem König fanden Spiele mit der königlichen Familie im großen Salon statt. Zusammenfassend hält Max Emanuel in dem Brief fest, ihm sei es sehr tröstlich gewesen, dass 425 Briefe Joseph Clemens’ aus Valenciennes an Baron Malknecht im Oktober 1709; GHA, Korr. Akt 753, 42a [R 218] (sind unter 1711 eingeordnet); hier Brief vom 7. Oktober 1709. 426 Zur Bedeutung der Jagd vgl. Hans Wilhelm Eckardt, Herrschaftliche Jagd, bäuerliche Not und bürgerliche Kritik. Zur Geschichte der fürstlichen und adeligen Jagdprivilegien vornehmlich im südwestdeutschen Raum, Göttingen 1976. 427 Max Emanuel an Therese Kunigunde, 15. November 1709; zit. nach Heigel 1884b, S. 192f. Vorher war er bereits in Marly gewesen, ebenfalls incognito, wie Dangeau vermerkt (29. Oktober 1709; Dangeau 1684–1720 (1854–60), Bd. XIII, S. 54). Ebenso in Chantilly; vgl. den Brief der Marquise d’Huxelles an den Marquis de la Garde, 7. Oktober 1709: „L’électeur de Bavière a été reçu à Chantilly de la manière qu’il convient au plus beau lieu du monde, soit pour la chasse et autres plaisirs, monseigneur le Duc en faisant bien les honneurs. Il en reviendra à la cour le 18.“ Dangeau 1684–1720, Bd. XIII, S. 46. 428 Aus Marly an Raugräfin Luise, 9. November 1709; Elisabeth Charlotte 1707–1715 (1871), S. 140, Nr. 447.

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ihm die gleiche zeremonielle Aufnahme zuteil geworden sei, wie wenn er noch Kurfürst von Bayern gewesen wäre.429 1743 heißt es in der Staats-Geschichte Bayern: Zu Anfang des November [1709] that er eine Tour nach dem französischen Hofe. Man bemühete sich, ihn mit allen Divertissements zu ergötzen, allein man will gemercket haben, daß Er die Zeit allda nicht gar zu vergnügt zugebracht. Denn weil man sich wegen des Ceremoniels nicht vergleichen konnte, mußte er unter dem Namen eines Grafen incognito sich aufhalten, welches wider seinen Willen geschahe.430

Man erkennt angesichts dieser vielfältigen Äußerungen, dass sich die Berichte von verschiedensten Seiten über Max Emanuels Aufenthalt in Frankreich oft widersprechen, vor allem was die Freundlichkeit der Aufnahme seitens des französischen Königs betrifft.431 Selbst Liselotte bemerkt kurz nach dem Besuch Max Emanuels in Versailles: Churbayrn ist, gott lob, seyder vergangen mitwog wider weg. Ich gestehe, daß es mich geschmertzt hatt, einen churfürsten zu sehen, wie der hir war, undt ahn einem ort, wo er einen schwager undt zwey neveu hatt, mitt keinem zu eßen, noch keiner die mühe genohmen, ihm Versaillen zu weißen, noch Meudon; daß hatt mich recht choquirt. Den ersten tag ging es gar woll hin, der könig machts recht gutt, aber hernach ging [es] warlich schegt her, aber es ist, gott lob, zum endt.432

Aus Max Emanuel eigenem Bericht wissen wir jedoch, dass der König ihm zumindest die Gärten von Versailles gezeigt hat. Was er im Inneren des Schlosses gesehen haben könnte, darüber lässt sich nur spekulieren. Das Incognito ließ es wohl nicht zu, dass er den offiziellen Weg durch das Grand Appartement oder über den Escalier de la Reine nehmen konnte. Über den Empfang seines Bruders Joseph Clemens weiß man Genaueres dank eines Berichts über die „Honneurs“, die ihm 1706 in Versailles zu Teil wurden.433 Er erreichte das Appartement des Königs über den „petit escalier“ (Abb. 43); seine „officiers“, die ihn begleiteten, mussten in dem „petit sallon“ neben der Treppe und in dem nicht näher bezeichneten „autre pièce“ warten: [Joseph Clemens] se rendit a l’Appartement de Sa Maj.te par le petit Escalier. Elle etoit de bout et sans Chapeau prez de son Bureau dans son cabinet avec M. le Daufin son fils et Mgrs les Ducs de Bourgogne et de Bercy ses petits fils, et ne fit aucun pas en avant pour recevoir l’Électeur.434 429 Vgl. oben Anm. 427. 430 Staats-Geschichte Bayern 1743, S. 291. Ähnlich zurückhaltend wurde auch der Bruder Max Emanuels, Joseph Clemens, in Frankreich im September/Oktober 1706 aufgenommen; dazu Ennen 1851, S. 133; Mittelsten-Schee 1938, S. 43. 431 Vgl. auch August Rosenlehner, Zur Restitutionspolitik Kurfürst Max Emanuels von Bayern, in: FGB, 10, 1902, S. 43. 432 Aus Versailles an Luise, 23. November 1709; Elisabeth Charlotte 1707–1715 (1871), S. 143f., Nr. 449. 433 Vgl. das Dokument: „Honneurs faits en france a l‘Électeur de Cologne Joseph Clement de Bavière en 1706“, 27. September 1706; AAE, MD, Bavière, Bd. 2, fol. 378–387v. 434 Ebd., fol. 379rf.

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43  Versailles, nach 1702, Detail mit der Markierung des Petit Escalier, über den Joseph Clemens bei seiner Audienz 1706 zum Appartement des Königs gelangte 1 Chambre du Roi 2 Cabinet du Conseil

Dangeau berichtet für einen späteren Besuch Max Emanuels in Versailles auch über dessen Benutzung des Petit Escalier, um in das Cabinet de Conseil (Abb. 43, Nr. 2) des Königs zu gelangen,435 ein Ort, der – so in der Beschreibung Liselottes von der Pfalz – ein besonders ehrenvoller für Besucher war. Liselotte erwähnt eine Audienz des Kurfürsten beim König, aber sie, Liselotte, habe nicht die Ehre gehabt, Max Emanuel zu sehen, „den sie gingen nur in deß königs cabinet, wo prophanen, wie ich bin, nicht hinkommen [...]“.436 Das nicht von einem offiziellen Besuchszeremoniell getragene Prozedere schloss freilich nicht aus, dass Max Emanuel und Joseph Clemens jeweils auch die Galerie des Glaces gezeigt wurde – denn diese wurde durchquert, um zum Appartement der Duchesse de Bourgogne zu gelangen, wie es für den Besuch des Kölner Kurfürsten 1706 bezeugt ist: Aprez une demie heure de Conversation Louis 14 mena l’Électeur chez Mad.e la D.esse de Bourgogne par la gallerie.437 435 So sein Bericht vom 27. Februar 1710, Dangeau 1684–1720 (1854–60), Bd. XIII, S.  169: „L’électeur de Bavière, qui a toujours demeuré à Compiègne depuis être parti d’ici, est arrivé à Paris et verra ici [Versailles] le roi dans son cabinet mardi [d.h. am 25.2.]. Il entrera per le petit escalier.“ Am 4. März war er wiederum in Versailles, vgl. ebd. S. 111f.: Der König habe dem Kurfürst eine Audienz gegeben, „qui depuis deux jours étoit venu de Compiègne à Paris. Il entra dans le cabinet du roi par les derrières […]“. 436 Aus Marly an Luise, 28. Mai 1711; Elisabeth Charlotte 1707–1715 (1871), S. 252, Nr. 527. 437 „Honneurs…“ (wie Anm. 433); AAE, MD, Bavière, Bd. 2, fol. 380r. Es wird noch genau berichtet, in welcher Reihenfolge sie gingen, Joseph Clemens zur Linken des Königs, „un peu en arriere, ayant vue grande attention de ne se point mettre directement à costé du Roy“. Auch bei seinen Besuchen in Versailles im Januar 1711 wurde Joseph Clemens ohne Zeremoniell empfangen; Dangeau 1684–1720 (1854–60), Bd. XIII, S. 311: der Kurfürst von Köln sei gestern in Paris eingetroffen; „il vera le roi sans cérémonie avant q’on aille à Marly“; vgl. auch den 4. Januar (S. 315):

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Die für Max Emanuel angespannte politische Situation in dieser frühen Zeit des französischen Exils438 bildete sich auch im Zeremoniell ab, was ihn immer wieder nötigte zu betonen, wie ehrenhaft und zuvorkommend er, der Fürst ohne Land, dennoch behandelt wurde. Dieses sehr reduzierte Zeremoniell wird ebenso die Wahrnehmung der künstlerischen Objekte, der Architektur und Ausstattung, geprägt haben. Doch zweifellos wird der Eindruck immens gewesen sein, den die französischen Schlösser auf Max Emanuel ausübten, ein Eindruck, der ihm nun nicht mehr nur über die Berichte der Gesandten oder der nach Paris geschickten Architekten und Künstler vermittelt wurde, sondern der sich unmittelbar in der Anschauung entfaltete. Welchen großen künstlerisch-repräsentativen Aufwand Max Emanuel selbst bereits in der frühen Zeit des französischen Exils betrieb, verdeutlicht eine Sentenz aus dem Journal von Dangeau 1709: [...] l’électeur de Bavière est attendu ici; tous les lustres et autres ornements sont empruntés de M. de Monasterol pour la dècoration de sa maison, où il logera, et de madame d’Arcques [Gräfin Arco], qui prétend lui donner une fête dans la sienne. Ce qu’il y a de meilleur c’est que M. Desmaretz lui prépare de l’argent comptant.439

Mit Hilfe dieses Journal de la Cour de Louis XIV. von Dangeau oder auch der Briefe Liselottes von der Pfalz sowie weiterer Memoiren und Korrespondenzen weiß man von einigen Schlössern und Hôtels, die Max Emanuel während seines französischen Exils aufgesucht hat: Er verkehrte mehrmals wöchentlich am französischen Hof, nahm beispielsweise teil an dem prachtvollen Empfang des persischen Botschafters im Februar 1715 in der Versailler Galerie des Glaces.440 Unzählige Male war er in Marly, weit häufiger als in Versailles, er war in Fontainebleau, Chantilly, Meudon, Rambouillet, SaintGermain, Montmorency, Blois; er wohnte lange in aufwändig umgebauten oder neugebauten Schlössern in Compiègne und in Saint-Cloud, ebenso im nahe Saint-Cloud gelegenen Suresnes, wo er kostspielige Feste gab.441 Die prachtvolle und herrschaftliche „Le roi, après la messe, donna audience sans cérémonie à l’électeur de Cologne, qui ensuite alla chez madame la duchesse de Bourgogne, où étoit monseigneur le duc de Bourgogne.“ 438 Erst nach dem Tode des Kaisers Joseph I. im April 1711 wird Max Emanuel in den königlichen Schlössern aufmerksamer behandelt. Durch die Intervention Ludwigs XIV. wurden Max Emanuel 1711 von Phlipp V. von Spanien das Herzogtum Luxemburg, die Grafschaft Namur nebst einigen Festungen bis zur Wiedererlangung seiner Erblande als unabhängiges Eigentum für sich und seine Nachkommen abgetreten. 1712 nahm Max Emanuel die Huldigungen der beiden Provinzen Luxemburg und Namur entgegen. 439 4. November 1709 ; Dangeau 1684–1720 (1854–60), Bd. XIII, S. 58. 440 Dangeau 1684–1720 (1854–60), Bd. XV, S. 355, beschreibt am 18. Februar 1715 den genauen Standort Max Emanuels in der Galerie: „l’électeur de Bavière étoit sur le second gradin avec les dames qu’il avoit amenées.“ Vgl. auch Castelluccio 2006, S. 41. 441 Am 21. Mai 1713 berichtet Dangeau, der Kurfürst habe ein Fest in Suresnes gegeben mit vielen Gästen, die in mehr als 500 Kutschen aus Paris anreisten; Dangeau 1684–1720 (1854–60), Bd. XIV, S. 406f. Pöllnitz 1739, Bd. I, S. 268, beschreibt die bewegte Geschichte des Schlosses Compiègne: „Eben dieses Schloß hat auch dem Churfürsten von Bayern, als die siegreichen Waffen des Kaysers diesen Printzen seiner Länder beraubten, zum Auffenthalt gedienet. [Max Ema-

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Hofhaltung in diesen Schlössern sollte dabei die faktische Machtlosigkeit des Fürsten im Exil ohne Territorium und eine gesicherte politische Zukunft kaschieren. Max Emanuel wählte dezidiert französische Repräsentationsformen, hielt lever und coucher in seinen Schlössern, ließ seine Gemächer mit kostbaren Möbeln, Skulpturen, Schnupftabakdosen, Porzellan, Chinoiserien und Stoffen ausstatten. In der aufwändigen gesellschaftlichen Lebensführung zeigen sich sein hoher politischer Anspruch, Standesbewusstsein und ein in diesen Jahren aufgrund gut gewählter Berater an modernsten Erscheinungen verfeinerter künstlerischer Geschmack.442 Schließlich nahm Max Emanuel auf dem Rückweg nach München im April 1715 den Weg über Nancy, Lunéville und Straßburg,443 was ihm Gelegenheit bot, auch die herzoglichen lothringischen Bauten, vor allem jene Germain Boffrands, des ihm schon seit der Brüsseler Zeit wohlvertrauten französischen Architekten, kennenzulernen. Das Chateau de Lunéville war gerade 1715 nach jahrelanger Bauzeit fertiggestellt worden.444 Auch eine Plansammlung des Architekten Alexis Delamair, der zu Beginn des Jahrhunderts Max Emanuels Einladung nach München aufgrund des Ausbruchs des Spanischen Erbfolgekrieges nicht hatte folgen können, wurde dem Kurfürsten 1714 überreicht.445 Sie beinhaltet Pläne von der Maison de Monsieur Brayer, vom Hôtel de Soubise (mit den Verbindungsbauten zum Hôtel de Rohan) in Paris, mehrere Gartenanlagen, nuel] hat allda eine prächtige Hofstat, so nicht die geringste Spuhr seiner Wiederwärtigkeiten von sich blicken ließ.“ Dank neuerer Forschungen kann die großzügige Hofhaltung Max Emanuels in Compiègne, St. Cloud und Suresnes rekonstruiert werden: Tillmann 2009, S. 84–112. Zu Compiègne vgl. auch B.-A. Dervillé, Le Duc de Bavière à Compiègne (1709–1715), in: Bulletin de la Société Historique de Compiègne, 9, 1899, S. 228–252. 442 Ausführlich Tillmann 2009. 443 Am 23. März brach Max Emanuel von Paris auf, am 31. März war er in Nancy, was Leopold, den Duc de Lorraine, sehr gefreut habe; dieser begleitete ihn weiter nach Lunéville. Am 4. April hat Max Emanuel Straßburg passiert, „où il a été reçu magnifiquement; quand il eut passé le pont, il fut reçu par les troupes de l’empereur avec tous les honneurs qu’on lui peut rendre“. Vgl. Dangeau 1684–1720 (1854–60), Bd. XV, S. 389, 393, 394. 444 Zuletzt: Lunéville 2003. Gerade Lothringen war sicherlich interessant für Max Emanuel, da der dort regierende Herzog eine Max Emanuel ähnliche politische Situation zwischen Exil und Stammlande kompensieren musste: Leopold von Lothringen hatte das Land seines Vaters Karls V. von Lothringen erst 1697 im Frieden von Rijswijk nach 28 Jahren französischer Besetzung zurückerhalten und zog 1698 feierlich in Nancy ein; die Gründung der Académie de Lorraine 1699 war eine der ersten Maßnahmen nach der Rückkehr. Doch Neutralität wurde von Frankreich nicht akzeptiert: 1702, im Spanischen Erbfolgekrieg, wurden Nancy und alle wichtigen Plätze von französischen Truppen besetzt. Der Herzog blieb jedoch im Land und wich nach Lunéville aus. Der dort sofort errichtete Neubau des Schlosses durch Germain Boffrand beweist, dass er sich in richtiger Einschätzung der politischen Lage auf eine neue lange Besatzungszeit einrichtete. Entsprechend der Zusicherung im Frieden von Rastatt 1714 räumten die Franzosen endlich das Land. 445 Œuvres d’Architecture d’Alexis Delamair, Architecte a Paris, Dediées & Presentées A Son Altesse Electorale, Monseigneur l’Electeur de Baviere, en 1714 (= BayStB, Cod. Icon. 187). Laut Hauttmann 1913, S. 15, hatte Max Emanuel schon 1711 um diese „Proben seiner Kunst“ gebeten. Vgl. auch Kat. Max Emanuel, Bd. II, S. 296, Nr. 676 (mit Abb.).

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schließlich auch Zeichnungen von Innendekorationen, die, wie dort zu lesen ist, Max Emanuel 1703 hätten vorgelegt werden sollen, „qui sont encore plus convenables pour decorer le Palais d’un grand Prince“.446 Eine zentrale Frage drängt sich angesichts dieser vielfältigen Verweise auf: Welches „Frankreich“ hat Max Emanuel gesehen, welches hat ihn interessiert? Denn es war nicht mehr jenes, das ihm, wie hier erläutert, in den frühen 1680er Jahren dank der Berichte der Gesandten vermittelt wurde.447 Der bayerische Kurfürst war zu einer Zeit in Frankreich, als sich das Land, hervorgerufen durch den Spanischen Erbfolgekrieg, in einer unglücklichen politischen und militärischen Lage befand: Drastische Sparmaßnahmen hatten auch auf den Hof in Versailles ihre Wirkung. Das Hofleben verlor an Glanz; der königliche grand style und die magnificence rückten in den Hintergründ und ein besonders durch den Adel geprägter goût moderne gewann größere Bedeutung.448 Es dominierte nicht mehr die wuchtige und repräsentative Pracht des von französischer Seite angeeigneten italienischen Barock der Regierungszeit Ludwigs XIV. vor 1700, sondern ein nach Leichtigkeit, Eleganz und Wohnlichkeit strebender Stil, der style moderne.449 Das Château Champs-sur-Marne, Jean-Baptiste-Alexandre Le Blonds, Nicolas Dulins und Jacques-François Blondels Maisons de Plaisance entstanden,450 um nur wenige Beispiele zu nennen. Mit der Maison de Plaisance rückte eine andere Bauaufgabe als das Grand Château in den Mittelpunkt.451 Im Gutachten zu Nicodemus Tessins Entwurf für das Schloss Roissy-en-France, 1697, heißt es, man wünsche keine großen Galerien, keinen den Fluss der Enfilade hemmenden großen Salon und keine großen Treppenanlagen mehr. Alles sollte so bequem wie möglich sein.452 Es war somit nicht mehr allein das königliche Frankreich Ludwigs XIV., das Max Emanuel aus nächster Nähe, aus eigener Anschauung erlebte. Das „Modell Frankreich“ wurde spätestens ab dem zweiten Jahrzehnt, besonders dann unter Kurfürst Karl Albrecht, aus dem Kreis prinzlicher Auftraggeber (den „princes du sang“) und dem hohen Adel akquiriert. Max Emanuel hat sich dabei intensiv mit dieser Kultur gerade in Paris 446 Delamair 1714, fol. 40ff. 447 Vgl. in Kapitel 2, S. 61. 448 Zum goût moderne vgl. etwa Brice 1706, Bd. I, S. 384, der hinsichtlich des Umbaus des Hôtel de Beauvais in Paris bemerkt, man habe sich im Juli 1704 entschlossen „on a entierement détruit les dedans de cette maison, pour les mettre à la mode & dans le goût Moderne, qui est incomparablement plus commode & plus agréable que celui que l’on avoit autrefois“. 449 Dieser Stil wird auch synonym mit dem style régence verwendet. Kalnein/Levey 1972, S. 202, lässt in der Zeit um 1710 den Régence-Stil beginnen: „By the time Louis XIV died the style of the Régence was already firmly moulded; there was no clear break.“ Braunfels 1979, S. 195, fast zusammen: „Der Fürstenstil des Spätbarocks wandelte sich zu einem Adelsstil des Rokoko.“ Grundlegend zum Régence-Stil: Kimball 1964; Scott 1995. 450 Zu diesen Bauten vgl. besonders Krause 1996. 451 Kalnein/Levey 1972, S. 228: „The chateau was gradually replaced by the Maison de Plaisance, which corresponded to the new striving for refined simplicity and greater comfort.“. 452 Zu dieser Mémoire vgl. Ragnar Josephson, L’architecte de Charles XII Nicodème Tessin à la cour de Louis XIV, Paris 1930, S. 41.

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vertraut machen können, pflegte viele Kontakte;453 so vermittelt es uns ein Passus aus einem Brief, den Liselotte von der Pfalz drei Jahre nach Max Emanuels Abreise aus Frankreich – mit großem Unverständnis über seine Lebensgewohnheiten – schreibt: Es ist deß churfürsten von Bayern eygene schuldt, dass man ihn hir in Franckreich so nieder gehalten; den er selbst hatt sich erniederigt; ahnstatt sich zu seinen leiblichen neveux zu halten, ist er nur mitt den printzen undt printzessinen du sang umbgangen undt hatt sich contenirt, mitt denen zu eßen undt auff die jagt zu fahren, undt ahnstatt mit damen von qualitet umbzugehen, hat er nur grissetten bey sich gehabt und lautter dergleichen gentillessen. Ihr betriegt Eüch sehr, liebe Louisse, wen ihr meint, dass der Chur-Bayren fro ist, wider in seinem landt undt ehren zu sein. Er regrettiret alle tag dass luderleben, so er hir geführt.454

Jedoch ist es trotz all dieser Sachverhalte nahezu unmöglich, eine dezidierte Wahrnehmung Max Emanuels von französischer Kunst und Architektur zu rekonstruieren. Selbst in der umfangreichen Korrespondenz aus dem französischen Exil, etwa mit der Gemahlin oder dem Bruder, gibt es, wie bereits angedeutet, nur wenige Hinweise. In dem oben zitierten Brief Max Emanuels an Therese Kunigunde von 1709 findet sich kaum etwas über den Eindruck, den das Schloss Versailles bei seinem bis dato erst zweiten Aufenthalt auf ihn gemacht haben könnte.455 Sehr selten schreibt er, dass er sich etwas unbedingt anschauen wollte, etwa die Galerie im Palais-Royal, dem Wohnsitz des zukünftigen Regenten Philippe d’Orléans.456 Er notiert vielmehr das, was alle interessiert: Wie wird man empfangen, von wem, wer ist anwesend usw., das heißt die ästhetische Wahrnehmung von Kunst wird meistenteils, wie schon bei anderen Beschreibungen festgestellt wurde, durch zeremonielle Reglements überlagert. Das erstaunt nicht bei einem Fürsten, der durch die Reichsacht aus der Rang- und Präzedenzregelung – der Seele der politischen Kommunikation um 1700 – herausgefallen war, der sich als Fürst ohne Land im Exil befand und um die politische Legitimation sowie die Zukunft seiner Dynastie kämpfte.457 Und dies wird auch ein Schlüssel sein, um die großen Modifikationen einordnen 453 Dazu jüngst auch Tillmann 2009. 454 Liselotte an Raugräfin Luise aus Paris, 2. Januar 1718; Elisabeth Charlotte 1716–18 (1874), S. 159, Nr. 878. 455 Vgl. oben Anm. 427. 456 Brief Max Emanuels an Therese Kunigunde, November 1709 (?): „Ich will die Galerie des Palais Royal besichtigen und dann anderes, was ich hier noch nicht gesehen habe.“ Zitiert nach Volk 1976a, S. 132. Paulus, auf den der Fund des Briefes zurückgeht, gibt als Datum „November 1709 (?)“ an; Paulus 1912a, S. 286, Anm. 289, und Paulus 1912b, S. 142. Höchstwahrscheinlich ist die Galerie d’Enée gemeint. 457 Vgl. Brief Max Emanuel an Therese Kunigunde, 1. August 1705: „Bin ich ja doch [...] ein Fürst ohne Land, von Ihnen und meinen Kindern getrennt! Nur durch meinen Degen kann ich mir alles zurückerobern, sonst nenne ich nichts mein Eigen; ich darf mir nicht vorspielen, ein großer General zu sein, aber es heißt mit allen Kräften einstehen, um hier die Dinge in Fluß zu bringen.“ – Am 8. August 1705 schreibt er an seine Gemahlin (es geht um zeremonielle Missstimmigkeiten): „Halten Sie fest, daß Ihre sechs Söhne sechs Herzöge von Bayern sind [...]. Es ist in der ganzen Welt kein Monarch, der es sich nicht zu Ehre anrechnete, vom Hause Bayern abzustam-

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zu können, die im Rahmen der Bau- und Ausstattungsprojekte nach seiner Rückkehr aus dem Exil am „Modell Frankreich“ vorgenommen werden. Wichtig an diesen Beobachtungen ist indes, gerade auch im Vergleich zu der ausführlich geschilderten Situation der Wittelsbacher im 17. Jahrhundert, dass Max Emanuel aufgrund seines mehrjährigen Aufenthalts in Frankreich selbst zum Transporteur, zum Importeur fremder Kulturgüter und Modelle wurde. Er erlangte während der Exiljahre eine große Vertrautheit mit dem fremden, dem französischen System gesellschaftlicher Verhaltensmuster, innerhalb dessen die künstlerische Repräsentation zu verorten ist. Max Emanuel wird aber dennoch nach seiner Rückkehr das eigene kurbayerische System respektieren müssen, was die Modelladaption und -modifikation, wie noch zu erläutern sein wird, entscheidend prägte. Leider gibt es keine diesbezüglich aussagekräftigen Äußerungen von Max Emanuel selbst; diese finden sich jedoch bei seinem Bruder Joseph Clemens, dessen Verweis auf die unterschiedlichen zeremoniellen Praktiken zwischen Frankreich und Deutschland, die weitreichende Folgen auch für ausstattungsspezifische Details haben, hier noch einmal zitiert wird: Il y a cette difference dans nos usages, qu’en France tout le monde entre et passe par les appartemens du Roy et des Princes, et que chez Nous tres peu de gens joüissent de cet honneur, et on cet avantage.458

Die Rahmenbedingungen für den kulturellen Transfer zwischen Frankreich und Kurbayern und die Rezeption französischer Modelle sind nach 1715 somit andere als etwa unter der Kurfürstin Henriette Adelaide, die 1652, im Alter von vierzehn Jahren, an den kurbayerischen Hof kam, die mit den dortigen Funktionsweisen und rituellen Gegebenheiten nicht vertraut war, die sich diese langsam aneignen musste und in die künstlerische Repräsentation übernahm – mit einigen Spannungen, wie die Überlegungen zu ihrem Appartement, gerade zur Ausstattung des Schlafzimmers mit Alkoven, gezeigt haben.

Politisch-kulturelle Restitution ab 1714: Die Wahl des Rollenmodells Im Rahmen von Max Emanuels Exil in Frankreich (1709–1715) möchte ich mich im Folgenden besonders dem letzten Jahr widmen. Denn die Zeit ab März 1714 bis zur Abreise im April 1715 unterscheidet sich nochmals von den Jahren zuvor, sowohl in politischer wie in künstlerisch-mäzenatischer Hinsicht.

men [...]. Ich muß aufhören, denn mich würde der Zorn übermannen; ich könnte nicht anders als mit Unwillen hören, daß es in der Welt ein erlauchteres und größeres Haus gäbe, als das meine. Wenn die Kaiser und Könige darin nicht mehr auftreten, so war dies nur der Wille meines Vaters, denn er hätte nur zugreifen dürfen, um Kaiser zu sein, und nur der Tag von Höchstädt hat mich gehindert, es zu werden, und Gott allein weiß, was noch werden kann.“ Zitate bei Heigel 1884b, S. 182. 458 Vgl. oben S. 148.

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Nachdem im Jahre 1706 die Reichsacht über Max Emanuel und seinen Bruder Joseph Clemens verhängt worden war, wurden, so berichtet es Rohr 1733, die Bildnisse der beiden Kurfürsten aus den kaiserlichen Gemächern in der Wiener Hofburg entfernt: Also schaffte man an. 1706 die Portraite der beyden Chur=Fürsten zu Cöln und Bayern, nachdem sie in die Acht erklähret, und die vier ältesten Printzen nach Clagenfurth geführet worden, aus den Kayserlichen Zimmern weg. Es ist dieses eine Revenge, die von dem Triebe der menschlichen Natur entspringt, dieweil niemand gerne die Bilder derjenigen lieben, oder in seinem Zimmer leiden will, die uns alles gebrandte Hertzleid angethan.459

Das Entfernen der Bildnisse war ein deutliches Zeichen der Strafe für das begangene Majestätsverbrechen,460 für die Auflehnung gegen die friedliche Rechtsordnung des Reiches und die Autorität des Kaisers. Die Geächteten wurden aus der Rechtsgemeinschaft ausgeschlossen, ihre Porträts wurden entfernt. Als Max Emanuel 1715 nach dem Exil in seine Heimat zurückkehrte, galt es daher nicht allein, die von der österreichischen Okkupation geprägten Zustände im eigenen Territorium wiederherzustellen, sondern es galt auch, deutliche Zeichen für die Reintegration der Wittelsbacher in die politische Landschaft des Reiches und damit in die gesamteuropäische Politik zu setzen.461 Die verlorenen Jahre mussten kompensiert, die Reputation im Reich wieder hergestellt werden. Die Bemühungen Max Emanuels um diese multiperspektivisch angelegte Reintegration und Kompensation waren immens, und sie waren keineswegs allein politisch,462 sondern vor allem – trotz eines enormen Schuldenberges463 – von aufwändigen kulturell-künstlerischen Unternehmungen getragen. Wie eng auch in diesen Jahren wiederum künstlerische Projekte und die politische Reputation miteinander verwoben waren, verdeutlicht ein Passus aus einem Brief Max Emanuels an seine Gemahlin von 1708, der den Verlust bedeutender Stücke seiner Gemäldesammlung umschreibt; sie waren nach 1704 in die Hände der Gegner – in diesem Fall des Herzogs von Marlborough – geraten. So klagt Max Emanuel: Übrigens schwindet mir auch aller Geschmack an Bildern, wenn ich daran denke, wie man meine Sammlung in München ausgeplündert hat. Sie werden ohne Zweifel schon 459 Rohr 1733 (1990), S. 82. 460 Die Reichsacht war die härteste Strafe, die der höchsten Gerichtsbarkeit des Reichs zur Verfügung stand. Die Verkündigung der Reichsacht folgte einem festen Zeremoniell, das auch auf einem Flugblatt von 1706 genau wiedergegeben ist. Im Rittersaal der Wiener Hofburg befahl der Kaiser dem Reichsvizekanzler die Verkündigung. Der Kaiser als Lehnsherr zerriss die Lehensbriefe, die von Herolden eingesammelt und aus dem Fenster geworfen wurden. An öffentlichen Plätzen Wiens riefen Herolde unter Pauken- und Trompetenschall die Reichsacht aus. Vgl. Hüttl 1976, S. 474. 461 Die Spannung zwischen Reichs- und Territorialinteresse bildete ein grundlegendes Element des Wittelsbacher Selbstverständnisses; dazu Moeglin 1993, S. 597. 462 Es gelang Max Emanuel sogar 1714 noch, einen für Bayern politisch und wirtschaftlich sehr vorteilhaften Bündnisvertrag mit Frankreich abzuschließen, der auch die Wiederaufnahme der Subsidienzahlungen vorsah. Hartmann 1978, S. 35f. 463 Dazu Hartmann 1978, S. 32ff.

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wissen, daß das schöne Gemälde von van Dyck, den König von England zu Pferd darstellend, vom Kaiser dem Herzog von Marlborough zum Geschenk gemacht wurde. Trevisans hat mit eigenen Augen in Brüssel gesehen, wie man es rollte, um es nach England zu schicken, wo es sich jetzt schon befinden mag.464

Als Leitmotive, auch für die Frage der Modellrezeption und nach der Gestalt der künstlerischen Modelle – somit letztlich nach den Bedürfnissen des Rezipierenden – wird es im Folgenden um Kategorien der Kompensation bzw. politisch-kulturellen Restitution und um das Motiv der Legitimation gehen. Freilich wird es Max Emanuel bewusst gewesen sein, dass sich in seiner Abwesenheit die politisch-kulturelle Landschaft des Reiches stark verändert hatte, gerade in den Regionen, die vom Spanischen Erbfolgekrieg nicht so sehr betroffen waren. Dort waren einige architektonische Projekte vorangetrieben worden, die neue Maßstäbe setzten: Es sei auf die nach der Krönung des brandenburgischen Kurfürsten Friedrich III. zum König Friedrich I. von Preußen 1701 intensivierten Bemühungen um den Berliner Schlossbau verwiesen oder daran erinnert, dass 1714 der Herzog und Kurfürst von Hannover als Georg I. König von England geworden war – dabei hatten die Wittelsbacher bereits die Aufnahme des protestantischen Herzogs in das Kurfürstenkollegium zwei Jahrzehnte zuvor stark kritisiert. Der Pfälzer Kurfürst Johann Wilhelm, der von der Reichsacht der Wittelsbacher sehr profitiert hatte, da er aufgrund dessen die Oberpfalz und die vierte Kurwürde für sein Haus erlangen konnte, hatte in Düsseldorf eine erstaunlich moderne und anspruchsvolle Hofhaltung etabliert.465 Die Auseinandersetzung mit Johann Wilhelm hatte indes 1714 eine für die Wittelsbacher erfreuliche Wendung genommen, denn der Pfälzer Kurfürst musste sowohl die Oberpfalz als auch die vierte Kurwürde im Frieden von Rastatt 1714 an die kurbayerischen Wittelsbacher restituieren.466 Wie sah es in Wien um 1715 aus – schließlich waren die Habsburger große Gewinner der Friedensverhandlungen?467 Dort waren Erweiterungsprojekte für die Hofburg aufgrund des Todes Kaiser Josephs I. (1711) wiederum zum Erliegen gekommen.468 Und

464 Max Emanuel an Therese Kunigunde, 23. März 1708; zitiert nach Heigel 1884b, S. 189f. Das bezieht sich auf den Kunstraub aus München nach Wien unter der Leitung des Grafen Mollard (1705). An Marlborough gingen noch drei Gemälde von Rubens und eines von Tintoretto. Siehe dazu auch Krempel 1976, S. 225. 465 Es geht vor allem um Schlossprojekte unter der Leitung der Architekten Domenico Martinelli und Matteo Alberti; vgl. Lorenz 1991; Gamer 1978. 466 Aus Kurpfälzer Perspektive vgl. Volker Press, Zwischen Versailles und Wien. Die Pfälzer Kurfürsten in der deutschen Geschichte der Barockzeit, in: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins, 130, 1982, S. 207–262, hier S. 240ff. 467 Es ging besonders um den beträchtlichen Landgewinn in Italien. Dazu im Überblick Klueting 1999, S. 113ff. 468 Es gab 1699 ein Modell von Hildebrandt für die Wiener Hofburg. Dazu Benedik 1989, S. 32. Aber es kam nur zu einem Modell, der Umfang der Planungen ist nicht bekannt. Dann folgten Pläne Fischers von Erlach, die erstmals einen Neubau, eine Erweiterung in Richtung der Vorstadt vorsahen; ab 1708 Bauarbeiten, aber 1711 beim Tod des Kaisers schon wieder Einstellung der

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so bestätigt der Reisende Johann Michael von Loen 1717 die hier an anderer Stelle bereits zitierten früheren Urteile aus dem 17. Jahrhundert: Der Hof an und für sich hat so viel glänzendes nicht [...]. Die kayserliche Burg ist ein altes, groses und weitläuftiges Gebäude, mit kleinen Fenstern, wo man wenig von einer sinnreichen Baukunst beobachtet. 469

Nicht die Habsburger mit ihrer Hofburg, sondern, sehr zur Irritation der Franzosen,470 der höfische Adel bewegte sich in der künstlerischen Repräsentation seiner Palais’ auf höchstem Niveau471 – dies strahle aber, so die Zeitgenossen, auf das Kaisertum zurück. Herr von Loen bemerkt: [...] allein die vielen Fürsten und große Herren, die sich an demselben [dem Hof ] aufhalten, und die vornehmste Staats- und Kriegsämter besitzen, erhöhen dessen Pracht ungemein. [...] Der Hof selbst gleichet einem Paradiesvogel, der seinen Glanz in seinen Federn zeiget. Einige Staatsdiener und Grosen, welche die Hofämter besitzen, wohnen schier prächtiger als der Kaiser selbst.472

Küchelbecker präzisiert diesen Umstand in seiner Beschreibung von 1730, indem er sogar keinerlei Notwendigkeit für den Kaiserhof sieht, prachtvoll zu bauen – und damit rekurriert er auf die französische Baupolitik: Und obgleich die Kayserliche Burg, Favorita, und andere Lust-Schlösser weder dem Louvre, noch Versailles oder Marly in Frankreich, gleichkommen, so wird man doch seine Augen nicht wenig ergötzen, wenn man um Ihro Kayserliche Majestät und bey Hofe überhaupt lauter grosse Printzen, Grafen und Herren siehet, welche nicht nur gantz ausserordentiche meriten haben, sondern auch grosse Länder und vieles Reichthum besitzen, und daher mit ihren zahlreichen Train und kostbaren Equipages die Magnificence des Kayserlichen Hofes sehr vermehren.473 Arbeiten; vgl. ebd., S. 37. Unter Karl VI. wurde mit umfangreichen Veränderungsmaßnahmen erst 1718 begonnen. 469 Loen 1749–1752 (1972), Bd. I, S. 5. 470 Montesquieu hatte 1729 in Laxenburg auf die Bemerkung, er werde wohl erstaunt sein, den Kaiser so schlecht untergebracht zu sehen, noch höflich bemerkt: „Monsieur, je ne suis pas fâché de voir un pays, oú les sujets sont mieux logés que le maître.“ Zitiert nach Oehler 1944, S. 97. Einen in Wien weilenden Franzosen musste diese Konstellation also befremden; die Episode mit Fouquet und Vaux-le-Vicomte 1661 war sicherlich noch fast jedem geläufig. In Frankreich durfte keiner prachtvoller bauen als der König. Vgl. Krause 1996, S. 145–148. 471 Vgl. auch die Beschreibung der Appartements in den Adelspalais’ in Wien von Lady Montagu 1716; Montagu 1716–18 (1767), Bd. I, S. 30–33, hier S. 30: „[…]’tis true, when you have once travelled through them [die Palais’], nothing can be more surprisingly magnificent than the apartements.“ 472 Loen 1749–1752 (1972), Bd. I, S. 5. 473 Küchelbecker 1730, S. 216. Küchelbecker geht sogar noch einen Schritt weiter, indem er schreibt, dass der Besucher des französischen Hofes zwar glanzvolle Bauten bewundern könne, doch wäre diese Ablenkung der einzige Trost: „Alsdenn siehet man nicht mehr drauff, ob die Ge-

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Einer dieser „Grosen“, der mit seinem Stadt- und Landpalais Maßstäbe gesetzt hat (das Stadtpalais in der Himmelpfortgasse war 1716 weitgehend vollendet, das Untere Belvedere wurde 1712 begonnen),474 war der mit Max Emanuel 1683 als Türkenkrieger vor Wien kämpfende Prinz Eugen. Er stand jedoch – bitter für den Wittelsbacher – in der Schlacht bei Höchstädt 1704 auf der gegnerischen Siegerseite.475 In Wien hatte nach der Zeit Kaiser Leopolds I. der französische Einfluss gerade auch dank des Prinzen Eugen zugenommen, der, in Paris geboren und in Frankreich erzogen, 1683 in Habsburger Dienste getreten war und in Wien als einer der wenigen französische Künstler um sich versammelte. Unter ihnen befand sich der Dichter und Exilant Jean-Baptiste Rousseau, der 1715 die Inneneinrichtung des Stadtpalais’ des Prinzen Eugen lobte; sie übertreffe alle anderen Adelspalais und könne dem Erlesensten in Versailles an die Seite gestellt werden.476 Und Rousseau will sogar – sehr erstaunlich für die Kaiserstadt – allgemein eine französische Lebensart bemerkt haben: Tous les Princes & tous les Seigneurs parlent notre langue, & la pluspart en connoissent les agrémens mieux que nous-mêmes.477

Vermutlich wird Max Emanuel ebenso große Aufmerksamkeit nach Dresden und auf die Wettiner gerichtet haben, wo Kurfürst August II. (der Starke) seit 1697 als König von Polen regierte.478 Baron Pöllnitz bezeichnete Dresden um 1714 als den „Mittel-Punct bäude [in Wien] auf Italiänische Manier angeleget, oder ob die Zimmer à la Françoise meubliret sind, weil die Augen derer Fremden mit dem übrigen großen splendeur genug occupiret sind: Dahingegen in Franckreich ein Fremder seine Augen mit Anschauung derer Gebäude, Gärten und Wasser-Künste, welche an und vor sich unvergleichlich, deßwegen unterhalten muß, weil die dasigen Marquis und Cavalliers zwar grosse Titul, aber wenig Ansehen, und Gewalt, und noch weniger Länder und Geld haben, folglich einen gantz mediocren Aufzug machen.“ In der Präsenz zahlreicher hoher Adeliger erkennt die historische Forschung ein besonderes Strukturmerkmal des Kaiserhofes; dazu zuletzt besonders Pečar 2003. 474 Zu diesen Bauten vgl. besonders Seeger 2003. 475 Auch Marlborough, ein anderer ehemaliger Mitstreiter Max Emanuels, profitierte von der Niederlage des bayerischen Kurfürsten, nicht allein, weil er, wie beschrieben, bedeutende Stücke von dessen Gemäldesammlung, sondern, nachdem er schon 1704 nach dem Sieg bei Höchstädt vom Kaiser in den Fürstenstand erhoben worden war, sogar ein Stück des kurbayerischen Territoriums als Fürstentum erhielt; vgl. Rinck 1712, Bd. II, S. 41: „[...] und endlich, damit er als ein Reichs-Fürst auch unbewegliche, unmittelbahre Reichsgüter haben, und dadurch sitz und stimme erhalten möchte, machte der Kaiser die durch das ableben Herzogs Maximilian von Bayern an Österreich zurück gefallene herrschafft Mindelheim in Schwaben zu einem Fürstenthum, und beschenckte ihn damit.“ 476 gl. das Zitat bei Oehler 1944, S. 52. 477 Das macht er, etwas selbstgefällig, vor allem daran fest, dass er selbst so bekannt sei: „[...] je m’y suis trouvé à la mode avant que j’y fusse arrivé, & que tout ce qu’il y a de plus disingué a montré de l’empressement à me voir.“ An erster Stelle nennt er den Prinzen Eugen. Rousseau 1711–1740 (1749), S. 53. 478 1697 hatte sich Kurfürst August von Sachsen gegen den bereits gewählten französischen Kandidaten Prinz Conti in der Nachfolge der polnischen Krone durchgesetzt; ab 1701 gab es immer wieder Planungen für ein Residenzschloss; vgl. Walter May, Der Bauherr August der Starke, in:

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von allen Lustbarkeiten in Deutschland, und die Schauspiele befanden sich daselbst von denen zu Paris wenig unterschieden“.479 Und der eben noch in Wien weilende Herr von Loen sieht in Dresden um 1718 „den prächtigsten und galantesten Hof von der Welt“.480 Diese kursierenden Urteile werden für die Wittelsbacher Anlass und Ansporn genug gewesen sein, selbst einen hohen Aufwand zu betreiben, um auf Reichsebene schnellstmöglich politisch-kulturell wieder auf Augenhöhe agieren zu können, zumal sie in diesen Jahren in ein direktes Konkurrenzverhältnis mit den Wettinern traten: Dies betraf die Verheiratung ihrer jeweiligen Kurprinzen mit einer Habsburgerin. 1719 feierten die Wettiner die Vermählung des Prinzen Friedrich August mit der älteren Kaisertochter, der Erzherzogin Maria Josepha, die man in München eigentlich für den Kurprinzen Karl Albrecht vorgesehen hatte. Der Wittelsbacher Kurprinz heiratete drei Jahre später, 1722, die jüngere Kaisertochter Maria Amalia. Diese einzelnen Höfe, die nur eine Auswahl darstellen, werden hier aufgezählt, um die multilaterale Konkurrenzstruktur zu betonen, die der Vorstellung einer einseitigen Ausrichtung der Wittelsbacher nach Frankreich oder auch einem bilateralen Spannungsverhältnis Versailles-Wien / Bourbon-Habsburg zur Zeit von Max Emanuels Rückkehr 1715 deutlich entgegensteht – zumal ebenfalls zu bedenken ist, dass sich mit dem Tode Ludwigs XIV. am 1. September 1715 und dem Übergang zur Régence die Wahrnehmung Frankreichs nochmals deutlich wandelte.481 Für die Ausgangssituation Max Emanuels nach seiner Rückkehr 1715 bedeutet dies, dass es während des elfjährigen Exils nicht nur Veränderungen in der politischen Struktur des Reiches, sondern auch in der künstlerischen Repräsentationsstrategie an den einzelnen Höfen gegeben hat – zunehmend vermittelt und kommentiert durch französische Traktate und Stichsammlungen.482 Welche Auswirkungen dieser Wandel wiederum auf die Repräsentationskultur der Wittelsbacher hatte und ob wirklich ein Modellwechsel stattgefunden hat, sei im Folgenden untersucht. Max Emanuels Bemühungen um eine kulturell-politische Restitution begannen jedoch nicht erst, als er im April 1715 in seiner Heimat eintraf, sondern bereits ein gutes August der Starke und seine Zeit (= Saxonia; 1), Dresden 1995, S. 61–71. 1709/10 legte Pöppelmann Pläne für ein Residenzschloss in Dresden vor, die aber nur im Planungsstadium verblieben; vgl. Heidrun Laudel, Projekte zur Dresdner Residenz in der Regierungszeit Augusts des Starken, in: Matthäus Daniel Pöppelmann 1662–1736 und die Architektur der Zeit Augusts des Starken, hrsg. v. Kurt Milde, Dresden 1990, S. 299–312. 479 Pöllnitz 1739, Bd. I, S. 375 480 Loen 1749–1752 (1972), Bd. I, S. 39. 481 Der Regent Philippe d’Orléans verlegte sofort den Regierungssitz von Versailles nach Paris ins Palais Royal. Zur Wahrnehmung Frankreichs aus reichsfürstlicher Perspektive in der Régence vgl. besonders Ulbert 2004. Vgl. auch Pöllnitz 1739, Bd. I, S. 435ff., zu den Veränderungen nach dem Tode Ludwigs XIV. 482 Es sei hier auf wenige architekturtheoretische Schriften verwiesen: Leonhard Christoph Sturm hatte 1700 d’Avilers Cours d’architecture (1691) in Übersetzung publiziert; Paul Deckers Fürstlicher Baumeister, der vor allem zur Verbreitung von Jean Bérains Ornamentik beitrug, wurde 1711 in einem ersten, 1716 in einem zweiten Teil publiziert. Ornamentstichwerke lieferten zahllose Vorlagen. Zu Paul Decker vgl. Kutscher 1995, S. 106–110; zu d’Aviler/Sturm Köhler 1997.

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Jahr früher, noch während seines Aufenthalts auf seinem zwischen Paris und Versailles gelegenen Exilsitz in Saint-Cloud. Als Beginn dieser Maßnahmen ist die formale Wiedereinsetzung in seine Länder und Würden im Frieden von Rastatt am 7. März 1714 deutlich zu erkennen. Künstlerische Repräsentationsaktivitäten und politische Ziele gingen dabei Hand in Hand. Freilich war Max Emanuel auch schon in den Jahren zuvor sehr daran gelegen gewesen, seine prekäre politische Stellung als Exilfürst, der – so seine eigene Sicht – unrechtmäßig in die Reichsacht verwiesen wurde, durch aufwändige künstlerische Maßnahmen zu kompensieren und zu korrigieren. Dazu gehörten neben einem beachtlichen Hofstaat und einer kostspieligen Festkultur die Aufträge für großformatige Porträts, insbesondere die beiden Bildnisse von Joseph Vivien von 1706 (Max Emanuel vor Mons) und 1710 (Max Emanuel in der Schlacht bei Harsan)483 sowie das ebenfalls 1710 von Martin Maingaud gemalte Reiterbildnis.484 Das 1711 von Vivien gefertigte Porträt von Max Emanuel vor Namur485 (Abb. 44) hat auch nach der Rückkehr des Kurfürsten in sein Territorium einen bedeutenden Repräsentationsort in einem seiner Schlösser eingenommen: Spätestens ab 1722 befand es sich in der Antechambre bzw. dem „Salletl“ des Nymphenburger Schlosses als Auftakt zum (neuen) Paradeappartement des Kurfürsten (Abb. 45).486 Mit diesen Auftragswerken hielt Max Emanuel an der früh gewählten Strategie fest: die aktuelle politische Lage, die militärischen Niederlagen, die auch während seines Exils zahlreich waren, und die Demütigung des Banns durch mediale Demonstration zu kaschieren. Das Exil bildete somit eine Zeit der Diskrepanz zwischen übersteigertem Selbstkonzept und (Gering-)Einschätzung seiner Person von außen.487 Sein wichtigstes politisches Ziel, nämlich der Dynastie einen Königstitel zu verschaffen, hat Max Emanuel wieder nicht erreicht, obwohl er nachweislich bis 1715 versuchte, sein Kurfürstentum Bayern gegen eine wo auch immer gelegene souveräne Herrschaft einzutauschen488 ­– ein Ansinnen, gegen das sich vor allem Max Emanuels Bruder Joseph Clemens in einigen Briefen um 1713 vehement aussprach. Er erinnerte an das vorbildliche Zurückweisen der Kaiser- und Königskrone durch Maximilian I., dessen Worte, die diesen klugen Akt begleiteten, sogar im Kaisersaal der Residenz verewigt worden seien: 483 Börsch-Supan 1963, S. 185, Nr. 68 K; Kat. Max Emanuel 1976, Bd. II, Nr. 493; Seelig 1976, S. 3. 484 Kat. Max Emanuel 1976, Bd. II, Nr. 473, S. 207. 485 Börsch-Supan 1963, Nr. 69. 486 Heute hängt das Porträt, vom Saal kommend, auf der linken Seite, auf der rechten Seite ist über dem Kamin ein großformatiger Spiegel platziert, direkt gegenüber rechts neben der Tür zur Galerie das Porträt Therese Kunigundes von Winter. Vgl. auch Inventar 1750 (Nymphenburg), Nr. 118; Inventar 1758 (Nymphenburg), Nr. 62. 487 Zum enormen Imageverlust im Ausland vgl. Schryver 1996; Hüttl 1976. Zu den Vorwürfen aus dem eigenen Territorium vgl. oben Anm. 419. 488 Vgl. Heigel 1884c. Es handelt sich um eine Korrespondenz aus den Jahren 1711 bis 1713. Vgl. zur geringen „Heimatliebe“ auch Jörg Ulbert, Die Angst vor einer habsburgischen Hegemonie im Reich als Leitmotiv der französischen Deutschlandpolitik unter der Regentschaft Philipps von Orléans (1715–1723), in: Deutschlandbilder/Frankreichbilder 2001, S. 63.

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44  Joseph Vivien, Max Emanuel vor Namur, Schloss Nymphenburg, Antechambre (der Wandtisch befand sich ursprünglich im Großen Saal)

45  Schloss Nymphenburg, Hauptgeschossplan (Detail von Abb. 62) 1 Antichambre des kurfürstlichen Paradeappartements

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„Gloriae fumum spernit magnanimitas, ambitio quaerit.“489 Auch ihr Vater, Ferdinand Maria, habe auf die gleiche Weise gehandelt; und in welch blühendem Zustand habe er bei seinem Tode die bayerischen Lande hinterlassen.490 Joseph Clemens fügt hinzu: Ich kann mir nicht denken, daß Euro Hoheit so grausam sein könnte, den in vollster Blüte stehenden Stamm des Hauses Bayern, der durch Karl den Großen seit dem Jahr 800 auf deutschem Boden feste Wurzel faßte, zu Fall zu bringen, um ihn in ein fremdes Land zu verpflanzen.491

Der Tausch und damit die Preisgabe des Territoriums Bayern konnten zwar noch verhindert werden, jedoch ließ Max Emanuel nicht locker in seinem Bemühen um die Rangerhöhung. „Gott allein weiß, was noch werden kann,“ schrieb er bereits 1705.492 Am 20. Februar 1714 schloss er mit Ludwig XIV. in Fontainebleau einen Vertrag, der ihm die Hilfe Frankreichs für den Erbfall sichern sollte.493 Deutlich offenbart sich dabei ein für aktuelle künstlerische wie politische Projekte bestimmender Leitfaktor: Es ging nicht um das Territorium, sondern um die Familie, die Dynastie – es ging um dynastische Macht, nicht um Nation, auch wenn in der Entscheidung für Kurbayern (und gegen den Tausch der Stammlande) der territoriale Faktor wieder an Gewicht gewann. Die Vorbereitungen auf die Rückkehr, auch künstlerisch-repräsentativer Art, waren dementsprechend zu treffen. Das noch 1714 bei dem Bildhauer Guillielmus de Grof in Auftrag gegebene und ausgeführte Kleindenkmal (Abb. 46) veranschaulicht das Motiv einer politischen Restitution mittels Kunst sehr gut. Max Emanuel ließ sich hier im weithin bekannten und unzweifelhaft auf Denkmäler Ludwigs XIV. zurückgehenden Typus des Reiterbildnisses im kleinen Format (Abb. 47) darstellen, gekrönt von der Fama.494 Mit Hilfe der Erweiterung um die ostentative Darstellung Max Emanuels als Türkensieger, wie es vor allem die Sockelreliefs mit der Schlacht bei Mohacz 1687 und der Erstürmung Belgrads 1688 an den 489 „J’espère donc, qu’Elle n’aura pas moins de magnanimité, que notre glorieux ayeul Maximilien, qui a scu refuser la couronne imperiale et la royale de Boheme.“ Vgl. den Brief von 1712 bei Heigel 1884c, S. 238. Hierauf gibt Max Emanuel dann aber in dem Antwortschreiben vom 2. Juli zu bedenken, dass ihr Ahnherr „ein gar zu erleuchter regent“ gewesen sei und er „ein Winterkhönig währ worden, gleich wie es der Pfaltzgraff gewesen“. Außerdem habe Maximilian I. als Lohn für dreißig Jahre Krieg nur die Oberpfalz bekommen, die nicht mehr als 150000 Gulden abwerfe. „Die Niederlandten oder Sicilien seindt von einer weit andern importanz ...“. Dass die Kaiserkrone seinem Großvater angeboten wurde, sei ihm nicht bekannt, „aber wohl unserm Herrn Vattern, welchen es sein Leben lang gereyet, solche nicht acceptiret zu haben.“ Heigel 1884c, S. 242. 490 Ebd., S. 207. 491 Ebd. 492 Max Emanuel an Therese Kunigunde, 8. August 1705; zitiert nach Heigel 1884b, S. 182. 493 Der König erkannte die bayerischen Ansprüche auf Teile der österreichischen Erbländer beim Erlöschen des Habsburger Mannesstammes an und versprach Hilfe für die Erlangung der Kaiserkrone. Die Gegenleistung Bayerns bestand in diplomatischer Unterstützung Frankreichs auf dem Reichstag. Vgl. Doeberl 1928, S. 171. 494 Kat. BNM 1956, S. 190ff.; Volk 1966b, S. 22. Kat. Max Emanuel 1976, Bd. II, S. 215ff., Nr. 489. Siehe auch ausführlicher Krems 2008.

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46  Gullielmus de Grof, Reiterstatuette Max Emanuels, 1714, Höhe (ohne Sockel) 55 cm (München, BNM)

Seiten zeigen (Abb. 48), wird gleichsam im Zeitraffer auf die fast dreißig Jahre zurückliegenden glorreichen Ereignisse verwiesen, als er erfolgreich für das Reich gekämpft hatte und eine entsprechende Reputation genoss. Dieser Verweis in den Sockelreliefs dient als Imagekorrektur und Kompensation für die Jahre des Exils, die, wie erläutert, im eigenen Territorium als Schande empfunden wurden, da sich Max Emanuel gegen Kaiser und Reich gewendet hatte. Die Funktion des Porträts, komplementär oder gar kompensatorisch zur politischen Wirklichkeit tätig zu werden,495 wird bei dieser Reiterstatuette Max Emanuels deutlich auch angesichts weiterer zeitgleich publizierter „Images“ des Kurfürsten, die der Öffentlichkeit von der politischen Wiedereinsetzung des Wittelsbachers vermittelt wurden. Ein französisches Almanachblatt für das Jahr 1715 (Abb. 49)496 stellt propagandistisch die Restitution als ausschließliches Verdienst der ludovizianischen Protektion dar: Ludwig XIV. krönt eigenhändig Max Emanuel, der sich ihm als Bittsteller nähert, 495 Zu diesem Konzept vgl. allgemein Heinz Dollinger, Die historisch-politische Funktion des Herrscherbildes in der Neuzeit, in: Weltpolitik, Europagedanke, Regionalismus. Festschrift für Heinz Gollwitzer zum 65. Geburtstag, hrsg. v. Heinz Dollinger, Horst Gründer u. Alwin Hanschmidt, Aschendorff 1982, S. 19–45. 496 Kat. Max Emanuel 1976, Bd. II, S. 189, Nr. 430.

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47  Reiterstatuette Ludwigs XIV., Höhe (ohne Sockel) 58 cm (Waddesdon Manor)

mit dem bayerischen Kurhut und reicht gleichzeitig desssen Bruder Joseph Clemens die Kölner Kurinsignien. Ohne behaupten zu wollen, die beiden Darstellungen seien bewusst aufeinander zu beziehen, sei auf die Gleichzeitigkeit dieser variierenden Restitutionskonzepte hingewiesen: Nicht die fast demütigende Protektion des übermächtigen französischen Königs, sondern die Taten – wie es die Reiterstatuette zeigt – legitimieren die triumphale Rückkehr des Kurfürsten, dem das Schicksal übel mitgespielt hat. Eine lateinische Inschrift auf dem Sockel lautet in Übersetzung: „Den Unerschütterlichen hat weder das Unglück zerbrochen noch das Glück verdorben.“497 Max Emanuel und seine Berater wussten, dass man in Kurbayern diese Sicht der Dinge favorisierte – dort pries man die triumphale Rückkehr des Landesvaters 1715 kaum weniger euphorisch als Mitte der 1680er Jahre, als Max Emanuel als Türkensieger in seiner Heimatstadt empfangen wurde. Ein sprechendes Beispiel ist ein Schabkunstblatt, das Max Emanuel zu Pferde von allegorischen Figuren umgeben zeigt, darunter zwei Rosen streuende Genien (Abb. 50).498 Berühmt ist ebenso der Stich aus 497 Zitiert nach Kat. Max Emanuel 1976, Bd. II, S. 216. 498 MStM, Maillinger I, Nr. 710. Unten ist das Wappen zwischen zwei Inschriften mit deutschen Versen zu sehen; Geo. Phil. Rugendas inv. fec. Et exc. Aug. Vind. (bezeichnet sich als Burg und Bataillonmaler zu Augsburg).

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48  Gullielmus de Grof, Kleindenkmal Max Emanuels, 1714, Gesamthöhe 202 cm (München, BNM)

der Fortitudo Leonina (Abb. 51), der Huldigungsschrift der Jesuiten zur Rückkehr des Kurfürsten 1715, der ein fiktives Reitermonument Max Emanuels vor der Residenz zeigt.499 Es ist eine Verkennung der politischen Brisanz, wenn – gerade in der kunsthistorischen Forschung – die im Laufe der folgenden Jahre immer wieder auf den Türkensieger rekurrierenden Darstellungen Max Emanuels als ein „nostalgischer, altmodischer“ Zug charakterisiert werden. Und es wäre auch an dieser Stelle zu kurz gegriffen, die Reiterstatuette de Grofs lediglich als retrospektiv ausgerichtete Imagekorrektur und Herrscherlob zu interpretieren – vielmehr zeigt sich hier ein weiterer ebenso für andere Projekte wichtiger Leitfaktor: Die Reintegration in die politisch-künstlerische Landschaft des Reiches erforderte durchaus ein Nachdenken, eine Entscheidung über die Art der Inszenierung. 499 Einführendes Blatt zum zweiten Kapitel; dazu auch Kat. Max Emanuel 1976, Bd. II, S. 211, Nr. 479.

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49  Französisches Almanachblatt zur Restitution der Wittelsbacher 1714

Es lag mit dem „Türkensieger“ Max Emanuel auch prospektiv die Wahl eines positiven Rollenmodells vor, nämlich dasjenige des Verteidigers des christlichen Glaubens und des Reiches, nicht zuletzt auch des Verteidigers des eigenen Territoriums.500 Es ist zudem ein Modell, das für die Wittelsbacher schon sehr bald neuerliche Aktualität erlangte: In den Türkenkriegen 1716/17 kämpften die Söhne Max Emanuels in der Nachfolge ihres Vaters als Verteidiger des Reiches.501 Im Schleißheimer Schloss wurde daher auch wenige 500 Es bestand durchaus die Sorge, dass die Osmanen, sofern sie Wien eingenommen hätten, weiter gen Westen ziehen würden; Max Emanuel habe zu Villars 1687 gesagt, es seien „mes Interets seuls qui m’y [gegenüber dem Kaiser] obligeoint, puisque de la perte ou de la conservation de Vienne dépendoit le salut de mon pais“; Bericht Villars an Ludwig XIV.; zitiert nach Hüttl 1985, S. 84. 501 Hartmann 1985, S. 39. Damit war das Thema des habsburgischen Erbes wiederum ebenfalls angesprochen, zumal Karl VI. keinen Sohn hatte. Glückte die Anknüpfung einer Familienbindung mit dem Kaiserhaus, so konnte Bayern nach Max Emanuels Überzeugung in die Nähe des Habsburgischen Erbes gelangen. Der neue Türkenkrieg ermöglichte eine Annäherung Bayerns an Österreich. 1717 nahmen bayrische Truppen an der zweiten Eroberung Belgrads durch den Prinzen Eugen teil. Der Waffenbrüderschaft folgte eine wohltemperierte Versöhnung Österreichs mit Bayern. In ihrem Gefolge konnte 1722 die Vermählung Karl Albrechts mit der Kaisertochter Maria Amalia erreicht werden.

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50  Schabkunstblatt, entstanden aus Anlass der Rückkehr des Kurfürsten 1715 (München, Stadtmuseum, MaillingerSammlung Nr. I/710)

Jahre später die auf Max Emanueagerichtete Türkensieger-Ikonographie im Speisesaal (Viktoriensaal) um ein Gemälde ergänzt, das die Schlacht bei Belgrad 1717 mit den Söhnen Max Emanuels, Karl Albrecht und Ferdinand Maria Innozenz, zeigt.502 Auf diese Weise wurde das Rollenmodell des Türkensiegers nicht als ein individuelles, sondern als ein dynastisches inszeniert. Unschwer ist somit hinsichtlich der Frage nach Modellrezeption und Kulturtransfer um 1715 zu erkennen, dass Max Emanuel für die ikonographische Ausbuchstabierung seines Rollenmodells freilich kein französisches Vorbild wählt. Die künstlerische Inszenierungsform des Reiterbildnisses indes ist in dieser Zeit nachweislich französisch. Diese französischen Modelli der Reiterstatuette waren hinlänglich bekannt;503 August der Starke ließ sich wenig später, 1716, aus Paris eine ähnliche Statuette mit seinem Conterfei, angefertigt von Le Plat, nach Dresden senden. Damit zeigt sich ein weiterer für den Charakter der künstlerischen Restitutionsbemühungen bestimmender Leitfaktor: Wir haben zwar eine nachweislich französische Form, zumal in künstlerisch ungemein hochwertiger und kostspieliger Ausführung – die bronzene Figur war teilweise vergoldet und die Boulle-Intarsien des Sockels waren von höchster Qualität –; diese 502 Die Maler waren Franz Joachim Beich und Franz Joseph Winter. 503 Volk 1966a.

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51  Fiktives Reiterdenkmal Max Emanuels vor der Münchner Residenz, Stich aus der Huldigungsschrift Fortitudo leonina zur Rückkehr des Kurfürsten, Frühjahr 1715, Johann August Corvinus nach Cosmas Damian Asam

Form jedoch wurde inhaltlich verändert, angepasst, auf die Repräsentationsbedürfnisse, die mit der Rückkehr einhergingen, gleichsam getrimmt. Bevor diese Überlegungen präzisiert werden, möchte ich weitere künstlerisch-politische Restitutionsmaßnahmen in den Blick nehmen.

Planungen für kurbayerische Schlösser um 1714: Die Beteiligung Robert de Cottes Großen Anteil an diesen künstlerisch-politischen Restitutions- und Legitimationsbemühungen sollten die Wittelsbacher Landschlösser haben und damit die bauliche Repräsentation in der Umgebung von München. Dies veranschaulicht eine Briefnotiz bereits vom 30. April 1714, also einen guten Monat nach dem Frieden von Rastatt und ein Jahr vor Max Emanuels Rückkehr. Der Kurfürst, so berichtet sein Bruder Joseph Clemens, habe seiner Tochter nach München geschrieben, er werde unverzüglich einen Architekten zur Fertigstellung seiner Schlösser nach Bayern senden – mit dem wichtigen Nachsatz: Es solle diese Maßnahme dem Volk den Beweis liefern, dass er an nichts weniger denke, als Bayern aufzugeben:

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[...] monsr. l’électeur mon tres cher frere at déclaré, qu’il escrivet à la princesse sa fille, qu’il envoyerat incessement son architecte en Bavière, pour achever ses bastiments devant son arrivée, et par la prover au peuple, qu’il ne songe à rien moins, que d’abandonner la Bavière.504

Sich um die Instandsetzung und Fertigstellung seiner Schlösser zu bemühen, schien somit politisches Zeichen genug zu sein in einer Situation, in der Max Emanuel kurz zuvor noch bereit gewesen war, sein Land zu veräußern, um der Dynastie den ersehnten Königstitel zu sichern. Das Errichten von Schlössern formuliert auch Florinus 1719 als regelrechte Aufgabe des Fürstenamtes: Nützliche und ansehnliche Gebäude aufführen / ist zu allen Zeiten nicht nur vor eine wohl-vergönnete Lust grosser Herren / sondern auch für ein Stück des Amtes eines Regenten gehalten worden.505

Max Emanuel änderte kurzfristig den Plan, seinen deutschen bzw. bayerischen Architekten nach München zu schicken; stattdessen ließ er sich wenige Monate später über den Zustand seiner Schlösser ausführlich informieren und die Pläne seiner Schlösser nach Frankreich senden. Der Oberbaudirektor Ferdinand Maria Freiherr von Neuhaus berichtete dem Kurfürsten in einem Schreiben aus München vom 29. August 1714 über Baufortschritte in Nymphenburg und teilte ihm mit, dass Entwürfe der Schlösser Schleißheim und Nymphenburg nach Paris unterwegs seien.506 Sie sollten dem zu dieser Zeit bedeutendsten französischen Architekten Robert de Cotte vorgelegt werden,507 mit dem Max Emanuel vermutlich dank der Vermittlung durch seinen Bruder Joseph Clemens in Kontakt gekommen war.508 Joseph Clemens korrespondierte bereits seit 1712 sporadisch und um 1714 intensiv mit dem französischen Architekten,509 der seit 1699 Direktor der Pariser Bauakademie und seit 1708 als Hardouin-Mansarts Nachfolger Premier Architecte und Intendant der königlichen Gebäude, Gärten und Manufakturen war.510 504 Joseph Clemens an Marquis de Torcy, 30. April 1714. Joseph Clemens bleibt aber sehr skeptisch, wie er weiterhin schreibt. Brief abgedruckt bei Heigel 1884c, S. 254. 505 Florinus 1719, S. 852. 506 „Euer Churfürstl. Dlt werden zweifelsohne meine underthenigiste Bericht von 5. und 10. Aug., welche beyde sambt dem Schleißhamb. undt Nimphenburg. Rissen durch des Fiaki Gondels Mann von Schairding Sohn, an Baron von Mahlknecht nacher Baaden überschickht, selbiger auch wie ich aus seinem lesteren vernommen, durch Einem ohne deme nacher St. Cloud abgeschückhten Courier an Eure Churf. Dlt. den 21. dis scher zu überbringen ausgegeben habe, welches alles hoffentlich zu dero gnedigisten Handten, seithero werdet seyn geliefert worden.“ Ferdinand Maria Freiherr von Neuhaus, Obristhofmeister Ihrer Kurfürstin und Oberbaudirektor, an Max Emanuel nach St. Cloud, 29. August 1714, den Fortgang der Schlossanlage Nymphenburg betreffend; BayHStA, FS 147d, fol. 304. Vgl. Petzet 1971, S. 179. 507 inige davon haben sich erhalten. Vgl. noch unten Anm. 559. 508 Wobei, mangels Quellen, nicht auszuschließen ist, ob nicht auch Max Emanuel schon früher in Kontakt mit dem französischen Hofarchitekten stand. Aber die gelegentlichen Erwähnungen seiner Person in der Korrespondenz Joseph Clemens’ lassen es eher nicht vermuten. 509 Zu dieser Korrespondenz vgl. Joseph Clemens/Robert de Cotte 1712–1720 (1956). 510 Zu Robert de Cotte besonders: Neuman 1994; Fossier 1997.

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Dass hier ein ursprünglich in Aussicht genommenes Vorgehen geändert wurde, indem nun die Schlösser-Pläne nach Frankreich gesendet wurden, ist ein für diese Jahre typisches Verfahren: Die stetige Modifikation, Anpassung und Transformation von Vorhaben und Plänen sind die leitenden Handlungen. Kontinuität oder gar Stringenz sucht man vergebens. Die jeweiligen Bedürfnisse fungierten dabei als Korrektiv – und die Bedürfnisse, das sei vorweggenommen, wandelten sich ihrerseits, je näher Max Emanuel der Heimat rückte, je länger er dann schließlich wieder in München weilte. Hinsichtlich unserer Frage nach Kulturtransfer und Modellrezeption sei hervorgehoben, dass in der Begegnung von Max Emanuel und Robert de Cotte in Frankreich eine eher seltene Variante des Informationsaustauschs vorliegt. Die bekanntere Praxis ist jene, dass der fürstliche Bauherr seinen Architekten nach Paris schickte, damit dieser mit den dortigen Kollegen über die eigenen Pläne diskutieren und sich Rat holen konnte. So verlief etwa Balthasar Neumanns Parisreise 1723, der zudem die Objekte vor Ort begutachten und sich Material besorgen konnte; er berichtet: Ich bin meines wenigen orths sehr wohl dahier angewißen vndt berathen, in allen vornehmbsten Häußern geweßen, wie auch alles bey vndt in den haus des Monsie le Duc d’orleans gesehen, woh nebst andern raren die antique Mahlerey in abundantz, ich finde wohl einen schönen vndt recht guthen goud in denen außzierungen derer Apartement, habe auch gar viel Kupfer gekauft von allen denen sachen [...].511

Dieser Vorgang unterscheidet sich wiederum von einer weiteren Variante: Dem französischen Architekten wurden Pläne geschickt, die dieser, vermutlich (und teils nachweislich) mit schriftlichen Instruktionen und Erläuterungen dem Bauherrn überarbeitet zurücksandte. So geschah es um 1715 bei den Planungen zum Weiterbau des Bonner Residenz-Schlosses, zu denen der Kurfürst Joseph Clemens ebenfalls Robert de Cotte hinzuzog.512 Schließlich die dritte, im Falle Max Emanuels zutreffende Variante: Der fürstliche Bauherr weilte selbst in Paris und konnte mit dem Architekten über die Pläne seiner Schlösser unmittelbar diskutieren. Diese drei Varianten und die damit einhergehenden Modifikationen in den Planungsprozessen sind mittels einer je unterschiedlich ausgeprägten Quellenlage zu rekonstruieren. Die zweite Variante, das Beispiel der Bonner Residenz, versorgt uns mit einem relativ dichten und vielfältigen Quellenbestand: Neben einigen Plänen in der Pariser Bibliothèque Nationale haben sich auch die Briefe von Joseph Clemens bzw. die des in Bonn agierenden Architekten Guillaume d’Hauberat an Robert de Cotte erhalten, leider 511 Brief aus Paris vom 22. März 1723; Neumann 1723 (1911), S. 32. Neumann etwa verstand sich keineswegs als unkritischer „Empfänger“, in seinen Briefen erscheinen die Umschreibungen „nützlich“, „dienlich“ oder „Hilfestellung“. 512 Dazu die Korrespondenz: Joseph Clemens/Robert de Cotte 1712–1720 (1956). Auch bei Max Emanuel begegnet diese Variante: Im Herbst/Winter 1700/1701 wurden Zuccallis und Carbonets Entwürfe für die Gartenanlage in Schleißheim an den Architekten Claude Desgots in Paris, den Gartenarchitekten Ludwigs XIV., geschickt, den Neffen des im September 1700 verstorbenen Gartenarchitekten LeNôtre, der Max Emanuel früher beraten hatte.

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nicht diejenigen von Robert de Cotte selbst.513 Naturgemäß bergen demgegenüber die erste und die letzte Variante des Informationsaustauschs (Balthasar Neumann bzw. Max Emanuel/Robert de Cotte) eher die Gefahr, durch keine komplementären Quellen erläutert zu werden, da sie hauptsächlich aus nicht dokumentierter mündlicher Kommunikation bestehen. Gücklicherweise hat Balthasar Neumann 1723 Briefe aus Paris geschrieben. Von der Variante, die die Wittelsbacher Schlösser betrifft, besitzen wir lediglich eine Auswahl von Plänen zu Nymphenburg und Schleißheim in der Pariser Bibliotheque Nationale und im Institut de France. Es fehlen jegliche schriftlichen Erläuterungen oder Korrespondenzen. Ebenso unklar ist, wie oft der Kurfürst selbst mit dem Architekten in Verbindung trat, ob ein eigener Architekt, Joseph Effner etwa, ebenfalls anwesend war. Zu vermuten ist – nur gibt es dafür ebenfalls keine Belege –, dass Max Emanuel seinen zu dieser Zeit in Valenciennes weilenden Bruder Joseph Clemens über manche Vorgänge schriftlich informierte, vielleicht sogar – wie es nachweislich um 1700 bei Enrico Zuccallis Planungen für Schleißheim geschah514 – bei ihm Rat einholte. Das Interesse der beiden Wittelsbacher Kurfürsten an französischen Bauten und ihrer Ausstattung war zweifellos sehr groß. Aus Mangel an einschlägigen Quellen zu Max Emanuel sei auf die Korrespondenz seines Bruders Joseph Clemens’ verwiesen. In dessen Briefen an Robert de Cotte finden sich Hinweise darauf, etwa wie sehr er Paris bewundere und verehre, „une ville, qui est le centre des sciences et des beaux-arts“.515 Und dieser Eindruck des Kölner Kurfürsten, sein Erleben des Andersartigen, konnte durchaus Anlass für Planänderungen bei Projekten oder Modifikationen an bereits bestehenden Bauten sein. So schrieb er Robert de Cotte am 25. Juni 1713, zugleich mit der Übersendung des Planes des Bonner Schlosses: „j’ay entierement changée de pensée pour achever ce palais.“516 An anderer Stelle berichtet Joseph Clemens, dass er die eigenen kleinen Appartements nicht mehr ertragen könne, nachdem er in Paris und Umgebung „les vastes et superbes bâtiments“ gesehen habe.517 Um seine Wünsche gegenüber dem Architekten zu präzisieren, bemüht er ständig Vergleichsobjekte, etwa die Tuillerien für seine Rheingalerie am Bonner Schloss oder das Trianon, schließlich das Appartement des Dauphin in Meudon für die Ausstattung des Buen Retiro, des kleinen Privattraktes in der Bonner Residenz.518 Joseph Clemens hatte zudem um 1715 Hofrat von Kempis, seinen Finanzbevollmächtigten in Paris, gebeten, alle bisher erschienenen und künftig bei Mariette erscheinenden Architektur- und Gartenentwürfe zu beschaffen.519 Auf die große Kenntnis architekturtheoretischer Schriften des Kölner Kurfürsten wurde bereits mit Hinweis auf den Versteigerungskatalog seines Nachlasses verwiesen.520 Und schließlich legte Joseph 513 Die Briefe Robert de Cottes sind bisher verschollen. Ihr Inhalt lässt sich nur mühsam über die Briefe Joseph Clemens’ rekonstruieren. 514 Zu dieser Korrespondenz vgl. noch unten Anm. 573. 515 Joseph Clemens/Robert de Cotte 1712–1720 (1956), S. 96 (28. Februar 1719). 516 Ebd., S. 4. 517 Ebd., S. 3. 518 Ebd., S. 58, 90. 519 Quelle bei Braubach 1953, S. 101, 141. 520 Vgl. in Kapitel 1, Anm. 107.

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Clemens auch auf eine am französischen Vorbild orientierte baupraktische Durchführung seiner Projekte größten Wert: Schon im Herbst 1714, noch vor seiner Rückkehr nach Bonn, hatte der Kurfürst Robert de Cotte gebeten, ihm erfahrene Spezialarbeiter auszusuchen, die als Werkmeister in Bonn fungieren sollten.521 Für unser Thema der Modellrezeption haben wir somit, auch was die bayerischen Wittelsbacher anbelangt, eine gute Grundlage: Der berühmte französische Hofarchitekt Robert de Cotte wird 1714 um Vorschläge für die in Plänen vorliegenden Schlossbauten der kurbayerischen Wittelsbacher gebeten. Damit reihen sich Nymphenburg und Schleißheim ein in den Reigen bedeutender europäischer Schlossbau-Projekte von Madrid über Turin bis Würzburg und Frankfurt, für die Robert de Cotte Entwürfe geliefert hat oder um Verbesserungsvorschläge gebeten wurde. Der französische Architekt ging dabei sogar teilweise so weit, nahezu identische Pläne für unterschiedliche Projekte anzubieten, so einen Generalplan mit Gärten (Abb. 57), den er als ein zweites Projekt für Schleißheim entwarf und später für den Buen Retiro nahe Madrid wiederverwendete.522 Wie aber ist diese Tätigkeit Robert de Cottes für die europäischen Fürsten, insbesondere für Max Emanuel, zu bewerten? Mir scheint es problematisch, Kalnein uneingeschränkt darin zu folgen, in den Entwürfen de Cottes für fremde Fürsten habe sich „der französische Schlosstyp, die französische Raumdisposition aus erster Hand über Europa [verbreitet], den Ruhm des Meisters mit sich tragend“.523 Vielmehr muss man Robert de Cottes Wirken in Europa – zumindest aus Wittelsbacher Perspektive – vorsichtig als ein Scheitern beschreiben oder weniger überspitzt: als ein Planungsangebot, das nur sehr zögerlich in die Tat umgesetzt und bisweilen ganz verworfen wurde.524 Damit hat die im zeitgenössischen schriftlichen Diskurs vermittelte Vorstellung, dass es einen von Frankreich aus gesteuerten Baustil für europäische Schlösser gegeben hätte,525 in der Praxis nur eingeschränkt Geltung. Zumindest die Planungen für das Neue Schloss Schleißheim, die um 1714 Robert de Cotte beschäftigten, sind eher Kronzeugen für das Problem der Übertragbarkeit französischer Baustrukturen auf die reichsfürstliche Architektur. Denn man hätte annehmen können und alles deutete darauf hin, dass Max Emanuel die große Chance nutzen würde, das französische Modell mittels der vom französischen Hofarchitekten korrigierten Pläne seiner Schlösser nach Bayern zu transferieren – doch dies ist nicht eingetreten: Die Vorschläge des prominenten Hofarchitekten wurden nahezu komplett abgelehnt. Auch in Bonn entstand trotz der oben beschriebenen Aspekte, die das große Interesse Joseph Clemens’ für französische Bauten und ihre Ausstattung, ja selbst die baupraktische Umsetzung dokumentieren, keine „französische“ Residenz, die 521 Braubach 1953, S. 100f. 522 BNF, Est., Vd 29, R. de C. 106. Vgl. auch Hauttmann 1911, Abb. 3, S. 263, 274; Imhof 1979, Kat. I/10, Abb. 20. 523 Kalnein 1956, S. 46. Er fügt hinzu: „Letzten Endes waren ja auch diese Künstler Vertreter Frankreichs, beauftragt, den Vorrang französischer Kultur in der Welt zu dokumentieren. Es war eine Form der Politik, die sich ebenso wie die Subsidien auf die Dauer als wirkungsvoller erwies als alle Kriege.“ 524 Dazu ausführlicher noch der folgende Abschnitt. 525 Siehe oben Kapitel 2, Modell Versailles?.

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den ab 1697 vom Italiener Enrico Zuccalli geplanten und teilweise bereits errichteten Bau gleichsam ersetzt hätte.526 Es gab zu viele Bereiche im Schloss, in denen die französischen Vorschläge massiv angepasst und daher stark verändert werden mussten, in einem Ausmaß schließlich, dass sie kaum mehr als französisch geprägt erkennbar waren.527

Schleißheim-Planungen (1714/15): Zu Leitfragen im Wittelsbacher Landschlossbau An dieser Stelle möchte ich mich den Schleißheimer Planungen widmen, die noch während Max Emanuels französischem Exil erfolgten.528 Es geht mir dabei weniger darum, auf alle Details der Pläne einzugehen, als vielmehr die Hintergründe und das Ergebnis zu skizzieren, gerade mit dem Wissen, dass die Vorschläge des französischen Architekten nicht akzeptiert wurden und auch die spätere Bauphase (ab 1719) wenig beeinflussten.529 Die Ablehnung dieser Projekte de Cottes wird in der Forschung den finanziellen Engpässen und damit der Undurchführbarkeit der Planungen zugeschrieben.530 Ich möchte die Ablehnung anders begründen, nicht allein weil die begrenzten Mittel auch zu einer kleineren Variante der Pläne de Cottes hätten führen können. Vielmehr gilt es, sich über die allgemein differierenden Strukturen im französischen und Wittelsbacher Schlossbau, vornehmlich in den Landschlössern, Klarheit zu verschaffen, um weitere Ablehnungsgründe in Betracht ziehen zu können. Als Grundlage sind die Bedeutung der Wittelsbacher Landschlösser und ihre Funktion im gesamten repräsentativen Spektrum kurz darzustellen, denn die aufwändigsten Projekte nach der Rückkehr des Kurfürsten betrafen die Schlösser und Gärten im Territorium. Max Emanuel und seine Berater dachten somit räumlich, global, an eine Art 526 Es heißt in der Forschung, Joseph Clemens sei weitaus betonter „französisch“ gewesen; dazu Kalnein 1956, S. 36: „Seine Bonner Bauten nach der Rückkehr aus Frankreich sind denn auch stärker noch als die gleichzeitigen Unternehmungen Max Emanuels reine Ableger der französischen Kunst.“ Diese Aussage halte ich für problematisch, jedoch kann ich mich dem Komplex „Bonn“ hier leider nicht widmen. Auch für Braubach 1953, S. 107, ist es klar, dass Joseph Clemens sich während des französischen Exils „der neuen französischen Kunstrichtung“ zugewandt hatte. Siehe zuletzt auch den Sammelband Kurfürstliches Schloss in Bonn 2007. 527 Ein Beispiel dafür liefert die sogenannte Grande Galerie am Ende der Enfilade; vgl. hierzu Krems 2010a und Krems 2010b. 528 Nur Hauttmann 1911 hat sich bisher ausführlich mit Robert de Cottes Entwürfen für Schleißheim auseinandergesetzt. Schon Petzet 1972, 203, Anm. 8, meinte, die Entwürfe Robert de Cottes für Schleißheim würden eine neue Untersuchung verdienen; bisher ist dies nicht erfolgt. Fossier 1997 folgt Hauttmann nahezu in jedem Detail. 529 Hubala 1966, S. 161, geht davon aus, dass de Cottes Vorschläge die weitere Planung nicht beeinflussten, was aber im Detail nicht aufrecht zu erhalten ist; ein Aufriss der Hoffassade des Südflügels (BNF, Est., Ha 19, R. de C. 130 bis [Rückseite]) war für Joseph Effner durchaus wichtig; er übernahm das grundsätzliche Profil dieser Fassade. 530 Hier folgt die Forschung zumeist den Ausführungen von Hauttmann 1911; Hauttmann 1913, S. 109.

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Schlössersystem, und sie nahmen damit auf eine lange Tradition Bezug.531 Dass sich die Wittelsbacher Kurfürsten allgemein im 17. und 18. Jahrhundert auf diesem Gebiet mit großem Erfolg engagierten – kartographische Quellen belegen dies ebenfalls (Abb. 52, 53)532 –, hat wohl niemand pointierter beschrieben als Baron Pöllnitz während seines Aufenthalts in Kurbayern Anfang des Jahres 1730. Er bemüht dabei wiederum den Vergleich mit Frankreich, will er doch nur noch dem französischen König – in diesem Fall vermutlich Ludwig XV. – schönere Lustschlösser zuerkennen: L’Électeur de Bavière [Karl Albrecht] est de tous les Souverains de l’Europe, après le Roi de France, celui qui a les plus belles Maisons de plaisance. Il en a l’obligation à l’Électeur son Pere [Max Emanuel], qui étoit d’un goût & d’un discernement admirable.533

In der Festbeschreibung der Hochzeit Karl Albrechts mit der Habsburgerin Maria Amalia 1722 wird der große Anteil der Landschlösser rund um München an der Magnifizenz der Wittelsbacher betont: Telle est en effect la Magnificence de l’Auguste Maison de Baviere, de nourrir toute la suite dans les differents Palais hors de Munique.534 531 Zu diesem Schlössersystem gehörten die Schlösser am Würmsee (heute: Starnberger See): Berg, Possenhofen, Starnberg; das Schloss Fürstenried (errichtet 1715–17); dazu gehörten ferner die das Stadtgebiet gen Westen und Norden erweiternden Schlossbauten Nymphenburg, Dachau, Schleißheim. Ismaning hätte den Kranz gen Osten erweitern dürfen. Von den insgesamt etwa dreihundert Schlössern, die Wening 1701–26 verzeichnet, lassen sich mehr als hundert als Wittelsbacher Sitze identifizieren. Am Ende des 18. Jahrhunderts werden 588 kurfürstliche, das heißt wittelsbachische Schlösser und Bauten gezählt; vgl. Lexikon von Baiern 1796/97 (natürlich sind darunter Besitzungen in den Residenzstädten und viele kleine Bauten): Im Rentamt München standen 236, im Rentamt Burghausen waren es 57, im Rentamt Landshut 103 und im Rentamt Straubing 192 kurfürstliche Schlösser und Gebäude, dazu noch einige hundert ständische. Forschungen zu diesem territorialen Schlössersystem der Wittelsbacher gibt es kaum. Mit eher populärem Anspruch wurde 1961 ein Heft der Zeitschrift „Bayerland“ den Wittelsbacher Schlössern gewidmet; vgl. darin besonders Lenk 1961 und Hager 1961. Zu den Jagdschlössern der Wittelsbach er vgl. Loibl 1980. Siehe auch Klingensmith 1993. 532 Ich lege zwei Karten aus der Mitte und vom Ende des 18. Jahrhunderts zugrunde; einen Ausschnitt einer Karte von César-François Cassini de Thury, 1761, und den Ausschnitt einer Karte von Südbayern zwischen Lech und Inn, von Adrian Riedl, ca. 1798. Beide Karten sind der Publikation von Schlögl entnommen; Daniel Schlögl, Raumerfassung und Reformen in Bayern 1750–1800, München 2002, Farbtafel 4 (Cassini de Thury, „Carte des grandes Triangles Formés aux environs de Munich“ 1761, BayStB, Mapp XI, 140 tk; dazu Schlögl s. o., S. 103f.), Beilage 6 (Riedl, zwischen 1796 und 1800, Staatsbibliothek zu Berlin, Kartenabteilung, M 8707; dazu Schlögl s.o., S. 243f.) 533 Pöllnitz 1735, Bd. II, S. 28 (Brief vom 5. Januar 1730). Wie so oft hat sich Moser 1754/55, Bd. II, S. 271, auf Pöllnitz bezogen, wenn er kolportiert: „Die vornehmste Chur=Bayrische Lust=Schlösser seynd: Nymphenburg, Schleisheim, Taco, Fürstenrieth, und Stahrenberg; und hat, nach dem König in Franckreich, kein Herr in Europa schönere Lust-Schlösser, als der Chur-Fürst von Bayern.“ 534 Bretage 1723, S. 19.

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52  Ausschnitt einer Karte von Südbayern zwischen Lech und Inn, von Adrian Riedl, ca. 1798 (Berlin, Staatsbibliothek, Kartenabteilung, M 8707)

Die politisch-repräsentative Bedeutung, die allgemein der Verteilung zahlreicher Landschlösser im Territorium eingeschrieben ist, formuliert Moser 1755: Es ist wohl nicht leicht ein Regent in Teutschland, welcher nicht nebst seiner ordentlicher Residenz noch ein oder etliche Jagd= und Land=Schlösser hätte. Die Sache hat ihren Einfluß und Folgen in das Leben des Regenten und seines Hofs und zugleich in die Regierung selbst.535

Rohr betont ebenfalls die politische Bedeutung, indem er sogar die vom Fürsten geforderte Präsenz einflussreicher Mitglieder des Hofstaats mittels ihrer Schlösser im Territorium hervorhebt: Grosse Herren [...] erbauen sich nicht nur zu ihrem Plaisir [...] prächtige Schlösser und schöne Land= und Lust=Häuser, sondern sie befehlen auch ihren hohen Ministris und vornehmsten Hof= und Kriegs=Officianten an, daß sie sich ebenfalls daselbst anbauen müssen, theils, damit sie dieselben jederzeit um sich haben, wenn sie ihres Raths, oder ihrer übrigen Dienste benöthiget, theils auch, daß hiedurch diejenigen Oerter, die sie gerne wollen angebauet wissen, peupliret, zur Nahrung und in Aufnehmen gebracht werden.536

Die Landschlösser, auch die der Wittelsbacher, wurden somit nicht nur für die Rekreation, sondern ebenso für politische Zwecke genutzt. Nicht allein Feste oder Jagdver535 Moser 1754/55, Bd. II, S. 265. 536 Rohr 1733 (1990), S. 83f.

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53  Cesar-François Cassini de Thury, „Carte des grandes Triangles Formés aux environs de Munich“, 1761 (BayStB, Mapp XI, 140 tk)

anstaltungen, sondern auch offizielle politische Handlungen wie Audienzen fanden dort statt.537 Dieses im Reich sehr typische System eines „Residenzenwechsels“ oder

537 Um nur wenige Beispiele zu nennen: Comte Lantery berichtet am 4. Juli 1681 von einer Audienz in Schleißheim; AST, LettM, Baviera, M 5. Denis de la Haye schreibt am 2. August 1684, dass Max Emanuel immer in Schleißheim sei, wo offenbar auch wichtige Sitzungen stattfanden (z. B. wird ein Conseil genannt); AAE, CP, Bavière, Bd. 38 (1684), fol. 276v. Und wiederum Lantery berichtet am 12. Mai 1684, dass de la Haye und er selbst in Schleißheim Audienz hatten; AST, LettM, Baviera, M 7. Diese den Landschlössern der Wittelsbacher zugewiesene Bedeutung lässt auch die aufwändig geplante räumliche Ausstattung von Nymphenburg in den 1660er Jahren als nicht so ungewöhnlich erscheinen. Henriette Adelaide berichtet selbst in einem Brief von „4 apartement noble, et que chaque apartement ayet trois antichambre, chambre et cabinet, et dautre petit cabinet, et garderobbe, et des Galeries“ ; zitiert nach Merkel 1892, S. 373.

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„Residenzverhaltens“,538 das die Stadtresidenz mit den Landschlössern verbindet, wurde sehr aufmerksam von den ständigen Gesandten am Wittelsbacher Hof beobachtet und in ihre Berichte aufgenommen, so bereits vom französischen Gesandten Denis de la Haye 1676: Nous sommes tousiours dans les Chasses, tantost dans un lieu, et tantost dans un autre, nous avons encore esté samedy, et dimanche nous reposer a Landshout et Monsieur l’électeur [Ferdinand Maria] est arrivé hyer a son Chasteau d’Isereck.539

Nach Max Emanuels Rückkehr aus dem Exil wird sich diese Nutzung des Schlössersystems nicht ändern; der französische Gesandte de Vaux beschreibt 1719 den häufigen Aufenthalt des Kurfürsten auf seinen verschiedenen Landschlössern und natürlich die großen Kosten, die dieser Residenzenwechsel verursachte: L’Électeur de Bavière est neuf mois de l’année en campagne, tantost d’un coté et tantost d’un autre, uniquement occupé de toutes sortes de chasses, et s’il revient en ville de tems en tems, ce n’est que pour une demie journée, et pour se trouver ou à des carouzels, ou à quelques représentations d’opéra et comédies. Ces divertissements et ces plaisirs qui se succèdent les uns aux autres, demandent une grande dépense.540

Als grundlegend für die Analyse der Schleißheim-Planungen 1714/15 ist nochmals zu betonen, dass zu keinem Zeitpunkt nach der Rückkehr Max Emanuels (und vermutlich auch nicht während seines französischen Exils) eine Verlegung der Residenz nach Schleißheim geplant war, um etwa dem französischen Beispiel der Verlegung der Residenz von Paris nach Versailles zu folgen und in Schleißheim ein „bayerisches Versailles“ zu etablieren, auch wenn es 1701, bei Baubeginn des Neuen Schlosses, hieß, Max Emanuel habe beschlossen, „di fabricare una nuova Residenza ad una sua Villa de Piaceri di Schleisheim“.541 Es wurde in der vorliegenden Studie zudem schon auf frühe Quellen verwiesen, die Umbauten in Schleißheim, im Alten Schloss, erwähnen, um Platz für „tutta la corte“ zu schaffen.542 Jedoch bestätigt der Verweis auf den Hofstaat, 538 Hier besteht noch ein Forschungsdesiderat, welches nicht nur die Wittelsbacher betrifft. Vgl. den Ansatz zu Brandenburg-Preußen bei Lorenz 1997a; zu Dresden Blaschke 1974. Das Residenzverhalten der österreichischen Habsburger war noch stringenter als das der Wittelsbacher an jeweils feste Orte gebunden. Die Wintermonate verbrachte Leopold I. (nachfolgend auch seine Söhne Joseph I. und Karl VI.) in der Hofburg, im Frühjahr residierte er in Laxenburg, von Juli bis Oktober in der Favorita und während der Jagdzeit kurzfristig in Ebersdorf. Vgl. hierzu besonders Benedik 1991. Siehe auch Pečar 2003, S. 158ff., zum Residenzenwechsel unter Karl VI. 539 Denis de la Haye an Ludwig XIV., 18. August 1676 ; AAE, Bavière, Bd. 24 (1676), fol. 92. Henriette Adelaide schrieb ihrer Mutter am 29. September 1655, man befinde sich „perpetuelmant en voiage vn peu en sa, vn peu en la“; zitiert nach Merkel 1892, S. 357, Anm. 4. 540 De Vaux an Dubois, 2. Dezember 1719; AAE, CP, Bavière, Bd. 68 (1719), fol. 132rf. Zit. nach Ulbert 2004, S. 278. 541 So in einer handschriftlichen Erläuterung Zuccallis (BayHStA, KS 17811); vgl. Imhof 1979, S. 81–85. 542 Erinnert sei an den Bericht des Comte Lantery nach Turin, 11. April 1681, in dem es um einen Um- oder Ausbau des Alten Schlosses ging; vgl. oben S. 204.

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der dort angemessen Raum finden sollte, wiederum lediglich die hohe politisch-repräsentative Bedeutung der Schlösser auf dem Land. Diese erforderte auch eine größere „Bequemlichkeit“, eine verbesserte commodité, wie es schon im 16. Jahrhundert für Schloss Dachau belegt ist543 und im Jahre 1714 eine Motivation für Max Emanuel gewesen sein wird, die Pläne von Schleißheim dem französischen Architekten Robert de Cotte vorzulegen. Derart bedeutende Landsitze zu unterhalten, die komplementär zur städtischen Residenz genutzt wurden – wobei die Stadtresidenz unumstrittener Mittelpunkt dieses Schlössersystems blieb544 –, findet weniger eine Parallele in dem Schlösserorganismus der Île de France unter Ludwig XIV. mit seinem Satellitensystem, deren Mittelpunkt Versailles bildete,545 als vielmehr in einem Konzept, wie es etwa im Herzogtum Savoyen rund um Turin anzutreffen war. Dort bestand die sogenannte corona di delitie aus einem Kranz mehrerer Schlösser, die um Turin mit seinem Palazzo Reale, der Residenz der Savoyer Herzöge, gruppiert waren (Abb. 54), einer corona, die Stadt und Territorium ähnlich wie in München und Umgebung verband.546 Besonders wichtig ist zudem die Parallele zu dem Konzept, das die Habsburger mit den kaiserlichen Landschlössern in und um Wien pflegten. Küchelbecker beschreibt 1730 die verschiedenen Aufenthaltsorte des Hofes, die „Veränderung der Kayserlichen Residentz“: Zu dem Zeit=Vertreib des Kayserlichen Hofs kan man unter andern auch mit rechnen die Veränderung der Kayserlichen Residentz, denn zu Anfang des Frühlings und zwar im April, begiebt sich der regierende Kayserliche Hof ordentlich nach dem Lust=Schloß Laxenburg, allwo derselbe biß Anfang des Sommers verbleibet, und sich mit der RaigerBeitze daselbst täglich divertiret. Von hier gehet derselbe in die, auf der Wieden bey Wien gelegene, Kayserliche Favorita, und verbleibet allda, biß zu Anfang des Herbsts, da denn nebst der Hirsch=Pürsch und Scheiben=Schiessen, die Kayserliche Herrschafft noch auf verschiedene andere Art und Weise sich divertiret [...] biß dieselbe im October wiederum die Winter=Residenz in der Kayserlichen Burg beziehet, und den Winter hindurch daselbst verbleibet.547

543 Vgl. unten S. 300. 544 Überlegungen, ein Landschloss für „tutta la corte“ auszubauen, hatten nicht zur Folge, die Residenz als Hauptrepräsentations- und Regierungssitz aufzugeben. Dass der Bezugspunkt die Stadt blieb, macht auch die Lage und Ausrichtung von Schloss Fürstenried deutlich: Von einer vierreihigen alten Lindenallee geleitet, fiel der Blick stadtwärts in der Achse der Straße auf die Türme der Frauenkirche. 545 Vgl. hierzu Krause 1996. 546 Publiziert wurde diese Anordnung einerseits in der Schlossbeschreibung zur Venaria Reale (Castellamonte 1672/79) oder auch in dem Theatrum Statuum Sabaudiae 1682. In der Beschreibung der Venaria Reale von Castellamonte wird auch die traditionelle Verwurzelung der Casa savoia im Land betont; dazu Krems 2005, S. 218. 547 Küchelbecker 1730, S. 253. Zu den verschiedenen Schlössern vgl. den Beitrag von Polleross 1998.

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54  Turin und Umgebung, Kupferstich von Gaspar Baillieu, Anfang 18. Jahrhundert

In der Favorita auf der Wieden wurden ebenfalls wichtige Gäste empfangen, mit einem von der Wiener Hofburg leicht abweichenden Zeremoniell.548 Die Deklaration des Erzherzogs Karl zum spanischen König 1703 wurde in der Geheimen Ratstube der Favorita vollzogen.549 Während der Sommermonate fanden dort die öffentlichen Audienzen ebenso wie 1719 die Hochzeit des königlich-sächsischen Kurprinzen Friedrich August (in procuram) mit der Erzherzogin Maria Josepha statt. Der staatspolitische Repräsentationsaufwand musste dabei jedoch nicht mit der Bereitstellung von Gemächern für den 548 So beschreibt Lünig 1719, Bd. I, S. 177ff., das Zeremoniell des Sächsischen Kurfürsten Friedrich August bei dessen Besuch in Wien 1695, wo differenziert wird in der Instrumentalisierung des Baldachins, S. 181: „In dem obgedachten Audienzzimmer, wo sich der Kayser dem Churfürsten gegenüber setzte, war kein Baldachin, wie ordentlich in allen kayserlichen Maisons de Campagne, sondern wo derselbe seyn sollte, war eine rothsammetne Decke an die Wand geschlagen, und ein großer Tisch mit einem dergleichen Teppich bedeckt, dahin gestellet.“ 549 Dies hält ein Stich fest; Erich Schlöss, Die Favorita auf der Wieden um 1700, in: Wiener Geschichtsblätter, 46, 1991, S. 163. Nicht zufällig wurde vorher noch dieser Raum in der Hofburg vermutet; Kat. Prinz Eugen 1986, S. 58.

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Hof korrespondieren, denn in der Favorita waren keine Hofquartiere vorgesehen; die Hofkämmerer und Minister mussten jeden Tag aus der Hofburg hinausfahren.550 In einem weiteren Aspekt unterscheidet sich die Verteilung und Funktion der Schlösser der Wittelsbacher von den königlichen Schlössern in Frankreich, was für die jeweilige künstlerische Repräsentation und damit für die Modelladaption und allgemein den Kulturtransfer relevant ist, gerade auch hinsichtlich der ikonographisch-ikonologischen Ausrichtung. In Frankreich residierten in den Schlössern, die sich um Versailles herum gruppieren, die einzelnen Mitglieder der königlichen Familie.551 Der Engländer Lister beschreibt 1699 dieses dynastisch-familiär geprägte Schlössersystem, „Le berceau des Roys“, sehr anschaulich und bemerkt dabei, dass es nichts Vergleichbares in England gäbe: The Country; round about it [Paris], is full of [...] many Palaces of the King and Princes of Blood; which are not to be equalled with anything we have in England. […] This District may be said to be Le berceau des Roys, or the Nursery of Kings; for the chief of the Blood Royal are lodged here, viz. the King, Monseigneur the Dauphin, and the three Grandsons, the Dukes of Burgundy, d’Anjou, and Berry, Monsieur or the Kings Brother, and his Son the Duke of Chartres, and Mademoiselle his Daughter.552

Auch bei den Wittelsbachern gab es dieses Konzept der auf einzelne Schlösser verteilten Familienmitglieder nicht.553 Dort war es üblich, dass innerhalb eines Schlosses, etwa in Schleißheim oder Nymphenburg, die Prinzen ihr Appartement hatten oder auch die Leistungen der vorangegangenen Generationen noch anschaulich wurden – eine gerade für das Neue Schloss Schleißheim in Verbindung mit dem Alten Schloss des Kurfürsten Maximilian I. wichtiger Gesichtspunkt. Vor dem Hintergrund dieser Beobachtungen über die spezifische Nutzung der einzelnen territorialen Schlösser der Wittelsbacher ist zu vermuten, dass sich der 1714 um Vorschläge für das Neue Schloss Schleißheim gebetene französische Architekt Robert de Cotte zunächst auch mit der Aufgabe eines Landschlosses in einem souveränen Reichsterritorium in irgendeiner Weise vertraut machen musste.554 Im vorliegenden Fall Schleißheim war es das Landschloss eines (ehemaligen) Exilfürsten, der nach langen Jahren in seine Stammlande zurückkehren und seine politisch-künstlerische Repräsentation teils neu, teils der Tradition gemäß konfigurieren würde. Eine Kernfrage betraf daher die Angemessenheit, die convenance und bienséance, die in der Bauform, im Raumgefüge und in der Ausstattung gewahrt bleiben müssen. Und freilich gab es zwischen Frankreich und Kurbayern in der Auffassung der convenance grundlegende Unterschiede. 550 Benedik 1991, S. 176; nur einige Räume waren für die Hofdamen der Kaiserin reserviert. 551 Zu den einzelnen Bewohnern vgl. Krause 1996. 552 Lister 1699, S. 195. 553 Man kann etwa den Sitz des Bruders Ferdinand Marias, Herzog Maximilian Philipp, in der Landgrafschaft Leuchtenberg nicht in einen räumlichen Bezug zu den Wittelsbacher Schlössern rund um München bringen. 554 Die französische Architekturtheorie war für die Frage der reichsfürstlichen Residenz eigentlich irrelevant, da die Bauaufgabe des Residenzschlosses eines souveränen Territorialherren in Frankreich natürlich nicht existierte.

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Wenden wir uns somit konkreter Schleißheim zu: Der Bau des Neuen Schlosses, projektiert ab 1693555 und hauptsächlich in den Brüsseler Jahren der Statthalterschaft Max Emanuels geplant,556 war zwischen 1701 und 1704 unter der Leitung des italienischen Architekten Enrico Zuccalli vorangetrieben worden. Zuccalli hatte, verkürzt gesagt, zunächst zwei Grundtypen vorgeschlagen: zum einen das Neue Schloss als einen breiten Flügeltrakt mit Pavillons parallel in östlicher Richtung zu dem unter Kurfürst Maximilian I. entstandenen Alten Schloss anzulegen; zum anderen einen Vierflügelbau mit quadratischem Innenhof zu errichten, der entweder den Abbruch des Alten Schlosses zur Folge gehabt oder aber dieses integriert hätte.557 Ein diese Vierflügelanlage dokumentierender Plan wurde 1714 nach Paris gesendet (Abb. 55). Das Schloss lag dann seit 1704, als Max Emanuel Kurbayern verlassen musste, in einem halbfertigen Zustand brach: Der Mitteltrakt, das Corps de logis, war im Rohbau vollendet und unter Dach gebracht worden, ebenso vermutlich der südliche Pavillon, während die Verbindungsgalerie nur in ihren Fundamenten bestand.558 Aufgrund des in Paris erhaltenen Planmaterials559 geht man für das Jahr 1714 von zwei Umbau-Projekten Robert de Cottes für Schleißheim aus. Hauttmann sieht in den 555 Dieses Datum wird genannt, weil der Generalbaudirektor Graf v. d. Wahl von „vorhabenden Gebäuen“, für die Zuccalli Entwürfe geliefert habe, spricht, deren Realisierung aber aus finanziellen Gründen verschoben werden solle; zit. bei Hauttmann 1911, S. 256. Zur Planungs- und Baugeschichte des Neuen Schlosses Schleißheim vgl. neben Hauttmann 1911 (zu den Entwürfen Robert de Cottes von 1714) auch: Mayerhofer 1890 (zum gesamten Schlossbau); Paulus 1912a, S. 127–156 (Zuccallis Entwürfe); Hauttmann 1913, S. 106–144 (die spätere Bauphase unter Effner); Hubala 1966 (Zuccallis Entwürfe aus der Sicht der Planungsphase de Cottes); Petzet 1971 (Zuccalli); Götz 1976 (Zuccalli); Riedl 1976 (Zuccalli); Hojer 1976, S. 146–158 (dichte Zusammenfassung); Imhof 1979 (zur Gartenanlage); Heym 1984b; Klingensmith 1993, S.  75–91 (vor allem zur zeremoniellen Nutzungsgeschichte); die Ergebnisse zusammenfassend auch: Schmid 1980, sowie der immer wieder aktualisierte Schleißheimführer. Trotz dieser Fülle an Literatur zu Einzelaspekten ist festzustellen, dass eine Schleißheim-Monographie noch immer aussteht. Unschwer ist zu erkennen, dass die Frühphase unter Zuccalli (bis 1704) in der Forschung bisher die größte Aufmerksamkeit erfahren hat. Grundlegend sind daher für die spätere Bau- und Ausstattungsphase folgende Publikationen: Thon 1976 (zum Treppenhaus und zur Stuckausstattung einiger Räume); CBD 1989 (zur Deckenmalerei); Kat. Möbel 2000 (zur Möbelausstattung, aber mit Konzentration auf die heute noch existierenden Möbel). 556 Zuccalli war von November 1697 bis August 1699 in Brüssel (seine 3. Reise nach Brüssel). Die Brüsseler Zeit ist als Planungsphase des Neuen Schlosses Schleißheim anzusehen, in der Zuccalli vermutlich verschiedene Projekte entwarf und sie mit Max Emanuel mündlich durchsprach. Ein Teil der Grund- und Aufrisse in der Plansammlung des Bayerischen Hauptstaatsarchivs könnte diese Phase dokumentieren. 557 Vgl. besonders Hubala 1966. In der Forschung geht man davon aus, dass keiner der im BayHStA erhaltenen Pläne einen wirklichen Ausführungsplan liefert. Siehe auch unten Anm. 573. Die Vierflügelanlage hätte dem Typus des ab 1697 errichteten Bonner Residenzschlosses entsprochen. 558 Hauttmann 1911, S. 257. 559 Hauttmann 1911 hat den Bestand in der BNF, Est, gesichtet. Erst in den 1970er Jahren konnte Petzet 1971 weitere bis dato verloren geglaubte Zeichnungen in der BIF nachweisen. Im Folgenden nur die Pläne von Schleißheim (nicht Lustheim etc.): Zum Bestand in der BNF, Est: Dessins

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55  Neues Schloss Schleißheim, Enrico Zuccalli, “D. Dissegno in Prospettiva di Tutta la Sittuatione...”, Prospekt von der Gesamtanlage, Detail, 1700, 44 x 221 cm (BIF, Ms 1039, fol. 16)

Planungen des französischen Architekten eine Art „Gegenstück“ zu den Vorprojekten Zuccallis und einen „Markstein in der Geschmackswandlung, die sich in jenen Jahren nicht nur am bayerischen Hofe vollzog“.560 Die von Robert de Cotte dem Kurfürsten vorgelegten Pläne könnten „die Überlegenheit des französischen Architekten gegenüber dem italienischen“ verdeutlichen, die in der „Verbindung des grand style mit gesteigerter Wohnlichkeit und rationellster Raumdisposition“ liege.561 Ob Robert de Cotte, wie Hauttmann schreibt, von Max Emanuel aufgefordert wurde, „eine vorbildliche französische Lösung der Aufgabe“ zu erstellen,562 oder ob Max Emanuel gar, wie Petzet ohne Quellenbelege spekuliert, Robert de Cotte beauftragt habe, „eine Art bayerisches Versailles zu entwerfen“,563 erscheint jedoch höchst fragwürdig, denn dem Kurfürsten und seinem Architekten werden die Bedürfnisse und Anforderungen, die sich mit einem Wittelsbacher Landschloss im eigenen Territorium verbinden, bekannt gewesen sein. Vielmehr können – darum soll es im Folgenden gehen – die Entwürfe de Cottes gerade über die unterschiedliche Nutzung und Funktion des Schlosses in Frankreich und im Reich Aufschluss geben, die sich in der grundlegenden Struktur abbilden. Dabei wird du fonds Robert de Cotte: Vd 29, t. 2, R. de C. 99–108; Ha 19, R. de C. 107, 120–122, 129–130. Zu diesen Zeichnungen auch Fossier 1997, S. 653–658, der Hauttmanns Zuordnung fast im Wortlaut übernimmt. Bei Fossier sind alle Zeichnungen Robert de Cottes verzeichnet, auch die aus dem Institut de France, aber nur sporadisch abgebildet. Vgl. auch Marcel 1906. – Zum Bestand in der BIF: Ms 1037, fol. 3, 11, 13; Ms 1038, fol. 23; Ms 1039, fol. 6–8, 16 (nicht 15 wie bei Petzet und Imhof ), 23, 24. 560 Hauttmann 1911, S. 257. 561 Ebd., S. 263. 562 Ebd., S. 267. 563 Petzet 1971, S. 179.

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das Augenmerk exemplarisch auf einzelne architektonische Bereiche wie Treppe, Saal, die Raumfolge im Appartement oder auch Galerien gelegt, um ihre Bedeutung in einem je unterschiedlichen Gebrauch transparent werden zu lassen. Nicht zuletzt geht es um den Umgang mit der bereits bestehenden Bausubstanz und dessen Integration in die neuen Schlossplanungen: Denn entscheidend für die Ablehnung der Vorschläge de Cottes war, so meine These, in erster Linie die Unvereinbarkeit französischer Raumstrukturen mit reichsfürstlichen und damit die Unvereinbarkeit einer französischen politischen Repräsentation im Schloss mit einer reichsfürstlichen. Damit setzt sich der bereits für die frühe Regierungszeit Max Emanuels herausgearbeitete Trend fort: Die grundlegende Struktur des Wittelsbacher Schlosses wurde trotz der Erfahrungen des Kurfürsten während des mehrjährigen Frankreich-Aufenthalts nicht verändert. Eine umfassende „Geschmackswandlung“, wie Hauttmann schreibt,564 ist in dieser Konsequenz nicht erkennbar. Das erste Projekt Robert de Cottes für Schleißheim hat sich in Grundrissen des Erdund Hauptgeschosses erhalten (Abb. 56).565 Es zeigt eine Dreiflügelanlage, deren breitere seitliche Flügel kleine Binnenhöfe umfassen. Hof- und Außenfassaden sind durch Risalite gegliedert. Im Erdgeschoss weisen sie Arkadenbögen, im Hauptgeschoss Säulenstellungen auf. An der Gartenfassade des mittleren Flügels finden sich zwischen den drei Risaliten noch zwei schmalere Vorlagen – ein insgesamt gigantisches Projekt, deren Flügel jeweils eine Länge von über 200 Meter aufgewiesen hätten.566 Der Plan der Gesamtanlage (Abb. 57) zeigt zudem eine Verbindungsgalerie zwischen den beiden Seitenflügeln, die den inneren Cour d’honneur vom großen Avant-cour mit den flankierenden Stall- und Wirtschaftsgebäuden trennt. Man kann verstehen, dass ein solches Projekt allein aufgrund seiner Dimensionen nur Projekt bleiben musste. Zudem wird vermutet, dass dem Architekten Robert de Cotte zu diesem Zeitpunkt noch keine konkreten Pläne von Schleißheim vorgelegen hatten, da er auf keine bereits bestehenden Gegebenheiten reagierte.567 Diese Überlegung würde ich jedoch einschränken, was die Treppendisposition zeigt (Abb. 56): Robert de Cotte sah ein Vestibül mit einem sich links anschließenden großen Treppenhaus zentral im Corps de logis vor, das einen imposanten einläufigen Treppenlauf mit mehreren Podesten aufwies. In dieser Lage der Treppe im Corps de logis nahm er offenbar auf die Vorarbeiten Zuccallis Rücksicht – oder auf Vorgaben Max Emanuels bzw. seines Architekten, sofern ihm Zuccallis Pläne noch nicht bekannt waren –, denn diese Disposition entsprach weniger dem aktuellen französischen Gebrauch. Treppen fanden sich dort, sowohl in den königlichen Schlössern als auch in den Hôtels particuliers, gemeinhin nicht zentral im Corps de Logis, sondern eher in den Flügeln.568 Ebenso verhielt es sich in Versailles (Abb. 17), 564 Hauttmann 1911, S. 263. 565 BNF, Est, Vd 29, t.2, R. de C. 99–102; Erdgeschoss und Hauptgeschoss, wobei 101 und 102 Ausführungsentwürfe sind (R. de C. 101: 77,5 x 89,5 cm; R. de C. 102: 72,8 x 89,6 cm). 566 Laut der Maßstabsangabe auf den Plänen. Vgl. die genaue Beschreibung dieser Pläne bei Hauttmann 1911, S. 261ff. Dort ebenso zu Theater und Kirche im Erdgeschoss. 567 Hauttmann 1911, S. 267. 568 Es gibt freilich Beispiele für die Lage der Treppe zentral im Corps de logis, etwa in Maisons. In Saint-Cloud war es Ende der 1670er Jahre von Le Pautre geplant; dazu Krause 1996, S. 105. Vgl.

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56  Neues Schloss Schleißheim, Projekt I von Robert de Cotte, Hauptgeschoss, 1714, 72,8 x 89,6 cm (BNF, Est., Vd 29, t.2, R. de C. 102) 1 Gardesaal 2 Antichambre 3 Audienzzimmer 4 Chambre 5 Kabinett 6 Galerie

wo die zentrale Lage nicht der Treppe, sondern dem Paradeschlafzimmer vorbehalten war,569 während sich die Treppen in den Flügeln befanden. Eine so prominente Lage und aufwändige Ausstattung der Treppen wie in Pommersfelden etwa (Abb. 58) oder auch wie im später ausgeführten Neuen Schloss Schleißheim (Abb. 59)570 erscheint eher als ein Gegenmodell zur französischen Praxis. Dort wurde in der Architekturtheorie zudem zu Treppenanlagen im deutschen Schlossbau: Keller 1929; Friedrich Mielke, Geschichte der deutschen Treppen, Berlin 1966. 569 Ebenso findet sich diese Disposition in dem in den 1720er Jahren erbauten Palais Bourbon. 570 Für Effners Treppenanlage in Schleißheim waren vor allem Wiener Vorbilder  prägend (Palais Schönborn, Palais Trautson, Stadtpalais des Prinzen Eugen). Vgl. auch Paulus 1912a, S. 115, 134, 163.

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57  Neues Schloss Schleißheim, Projekt I von Robert de Cotte, 1714, Gesamtplan, 145,7 x 48,4 cm (BNF, Est., Vd 29, R. de C. 106)

empfohlen, die Treppenhäuser zurückhaltend zu dekorieren, um die Steigerungsakzente, die sich erst beim Durchschreiten der Enfilade sukzessiv entfalten sollten, nicht vorweg zu nehmen.571 Der Treppe im Schlossbau des Alten Reichs wird durch die ostentative Pracht und die Lage im Zentrum des Baus eine weit bedeutendere Rolle zugewiesen.572 Zuccalli selbst hatte in seinen ersten Schleißheim-Planungen um 1700 die Treppen zunächst in den Ecken des Hofes vorgesehen: Dies sei ein Fehler, so Joseph Clemens, der 571 Blondel 1675–1683, V. Partie, libre III, S. 571ff. „Pour le choix du lieu, il faut qu’il ne gâte rien à la beauté du déhors qu’il soit en veue, qu’il n’interompe point les appartements, qu’il soit beau, clair, aisé, degagé.“ Im 8. Kapitel handelt er über die Lage der Treppe, ihre Größe, ihre Form, ihre Beleuchtung, ihre Ornamentik, Maße und Höhe der Stufen etc. Im Ornamentkapitel schreibt Blondel, dass das Treppenhaus, da es zuerst gesehen werde, nicht zu aufdringlich ausgeschmückt werden dürfte, damit eine Steigerung des Dekors bis zur Chambre de Parade möglich wäre. 572 Vgl. besonders Keller 1929.

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58 

Pommersfelden, Schloss, Grundriss 1 Treppe 2 Vestibül 3 Saal 4 Tafelzimmer 5 Audienzzimmer 6 Chambre 7 Galerie 8 Kabinett

um ein Urteil gebeten worden war,573 in seinem Gutachten vom 4. Juli 1700 zu einem detaillierten Schleißheim-Entwurf Zuccallis (Abb. 60).574 Die kritischen Punkte waren 573 Viele dieser Diskussionspunkte, die sich in den Planungen Robert de Cottes offenbaren, wurden bereits bei den früheren Schleißheim-Planungen um 1700 zwischen Zuccalli, Max Emanuel und Joseph Clemens erörtert, wie eine hochinteressante Korrespondenz belegt: GHA, Korr. Akt 753/80 (ehemals, bis ca. 2003, unter Korr. Akt 753/42a [R220]; inzwischen aus konservatorischen Gründen separiert unter 753/80). Der Briefwechsel wird in der Literatur mehrfach zitiert (Paulus, Hauttmann, Heym, Imhof, Klingensmith). – Im April 1700 schickte Zuccalli die angekündigten Pläne nach Brüssel. Sie waren numeriert und mit entsprechenden Planlegenden genau erklärt. Aufgrund der Planlegenden, die sich in dem Briefwechsel erhalten haben, konnten von Gabriele Imhof 1979 zwei der Pläne identifiziert werden: Der Erdgeschossgrundriss des Schlosskomplexes (Lit. B = BHStA PlS 8269) und ein Prospekt D der Gesamtanlage, dessen Legende dem Grundriss der Gesamtanlage Lit. A genau entspricht (Paris, Institut de France, Ms 1039 fol. 15 bzw. 16) (Abb. 55). Diesem Planungsstadium außerdem zuzuordnen sind ein Grundriss des Erdgeschosses im Entwurfsstadium (BHStA PlS 8273), ein Grundriss des „terzo piano“, demzufolge das Alte Schloss bis ins 3. Geschoss aufgestockt werden sollte (BHStA PlS 8283), und ein Aufriss des hofseitigen Corps de logis (BHStA PlS 8262). 574 Es handelt sich um das „Premier Dessein en grand du planterrein d‘embas – Lit B“. Gutachten des Kurfürsten Joseph Clemens von Köln zu den Plänen Zuccallis vom 4. Juli 1700; GHA, Korr. Akt 753/80.

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Neues Schloss Schleißheim, Erdgeschoss- und Hauptgeschossgrundriss 1 Vestibül 2 Treppe 3 Großer Saal 4 Speisesaal (Viktoriensaal) 5 Galerie 6-11 Appartement des Kurfürsten

unter anderem, dass die Treppen kein Sonnenlicht erhielten oder allzu großem Gestank ausgesetzt seien. Besonders wichtig ist jedoch der Vermerk des Kölner Kurfürsten, dass Treppen das erste sein sollten, was ein Besucher sieht. Die Treppen seien außerdem zu weit entfernt vom Hauptsaal und den Appartements – sie sollten daher in die Mitte des Corps de Logis verlegt werden: Pour ces escaliers je ne les puis approuver puis qu’ils sont placez de maniere à ne jamais avoir le soleil, et par consequent seront obscurs et exposez à toutes sortes de puanteurs, outre qu’ils sont dans des endroits qui‘il faut aller chercher, ce qui est un tres grand defaut, l’escalier dans les beaux batimens devont toujours etre la premiere chose qui s’offre a la veue. L‘autre difficulté est qu’on n’y pourra mettre pied à terre à couvert, et qu’etant comme j’ay dit dans les angles, ils seront trop éloignés des appartemens où V. A. E. voudra aller, ce qui apportera une grande incommodité à Ellemême premierement, et ensuite à toute sa Cour. 575

Selbst nach seinem Frankreich-Aufenthalt wird Max Emanuel die Treppe – ganz unfranzösisch – als die Seele des Schlossbaus von Schleißheim bezeichnen, „l’anima a quella fabrica“.576 Diese Sentenz entstammt dem Brief an Zuccalli, in dem der lange Jahre als Hauptbaumeister tätige Architekt, wie an anderer Stelle bereits zitiert, aus der Verantwortung gedrängt wurde mit der Begründung, es werde jetzt besonderer Wert gelegt auf 575 Ebd. 576 Max Emanuel an Zuccalli, 12. Mai 1723. Der ganze Brief bei Paulus 1912a, S. 291.

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60  Neues Schloss Schleißheim, Plan, Zuccalli, 1700, 143 x 75 cm (BayHStA, PlS 9562)

„certi ornamenti alla francese de novo gusto“. Max Emanuel, das beweist das Beispiel mit der zentral gelegenen Treppe, wählte also keineswegs konsequent das französische Modell. Ähnliche Unterschiede zwischen dem französischen und dem reichsfürstlichen Schloss wie bei den Treppen finden sich auch beim Saal, der sich an die Treppe anschloss. Nicht allein war die Dekoration großer Säle – wie sie ab 1719 dann Effner in Schleißheim erwartete – keine Aufgabe im französischen Schloss des Style régence; vielmehr war ein zentraler Saal, der sich an Treppe und Vestibül anschließen würde und bei Zuccalli in den früheren Schleißheim-Planungen noch an zentraler Stelle disponiert wurde, in den Planungen de Cottes um 1714 nicht wirklich vorgesehen (Abb. 56). Dieser geht im Gardesaal auf, der mit gekuppelten Vollsäulen an den Wänden in der Enfilade lag. Man gelangt nach dem großzügigen Vestibül direkt in den Gardesaal. Aber auch eine typisch italienische Lösung, wie sie 1700 Zuccalli für Schleißheim projektiert hatte, nämlich einen die gesamte Tiefe des Corps de logis von Ost nach West einnehmenden zentralen Saal, „... nel mezo una grande Sala che corrisponde a due appartamenti Nobilli...“,577 wie er in Lustheim in den 1680er Jahren zur Ausführung kam (Abb. 61), stieß auf Kritik. Dieser würde, so Joseph Clemens in seinem langen Brief vom Juli 1700, die Verbindung zwischen den Appartements von Kurfürst und Kurfürstin stören; man müsse durch den großen Saal, wo sich ständig Leute aufhalten:

577 Enrico Zuccalli an Max Emanuel am 3. April 1700; GHA, Korr. Akt 753/80. Zuccalli erläutert hier das Hauptgeschoss seines Grundrissplanes für das Neue Schloss.

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61  Lustheim, Grundriss

Si j’envisage le dessein de Zuccali, je trouve qu’il empèche entierement la Communication de l’appartement de Mons. L’Electeur avec celuy de Madame L’Electrice à cause du Salon qu’il faut necessairement traverser pour aller de l’un a l‘autre, où il y aura toujours mille personnes differentes. C‘est porquoy j’ay trouvé à propos d’y changer quelque chose.578

Schließlich war die Lage der Galerie, wie Robert de Cotte es 1714 in seinem ersten Projekt vorgesehen hatte (Abb. 56, Nr. 6), eine rein französische Lösung, die auf die Wittelsbacher Normen und Funktionen keine Rücksicht nahm. De Cotte plante eine Einbindung in eine mit Versailles (Abb. 17) vergleichbare, wenn auch abgespeckte zeremonielle Raumfolge: Im Anschluss an den vermutlich als Gardesaal gedachten Raum folgen Antichambre, Audienzzimmer, Chambre und Cabinet, bevor dann die von zwei ovalen Ecksälen flankierte Galerie mit 23 Fensterachsen die gesamte Länge des südlichen Seitenflügels besetzt.579 Diese Art der Disposition der Galerie – als Grande Galerie, nicht als Kabinett – findet sich, wie hier bereits für die Residenz herausgearbeitet,580 in Wittels578 Joseph Clemens an Max Emanuel, 4. Juli 1700 („Explication de mes Cartouches pour le dessein C“), GHA, Korr. Akt 753/80. 579 Pilaster mit vorgelegten Säulen gliedern die Wände. Die beiden Ecksäle erinnern an den Salon de la Guerre und Salon de la Paix in Versailles; dazu auch Hauttmann 1911, S. 262. Im nördlichen Flügel war ebenfalls eine Galerie geplant, sehr viel kleiner, mit schmalen Zugängen zu den Oratorien der Hofkirche. Blondel 1752–56, Bd. I, S. 37, schreibt sogar ausdrücklich, dass man die Galerie in den Flügel setzen sollte, „parce que l’entrée de ces grandes pieces ne doit pas être ouverte à tout le monde“. 580 Vgl. oben den Abschnitt Differenzen und Konvergenzen: „Appartements“, „Galas“ und Galerien.

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bacher Schlössern nicht. Dort wurde die Galerie jeweils zwar im engen Verbund mit dem Appartement disponiert, sie wurde gleichzeitig aber aus dessen innerem oder innerstem Verbund, dem „Arkanum“, herausgelöst und Teil der Vorsaalsequenz, zumeist in direkter Nähe zum Audienzzimmer. In Schleißheim selbst wird in der später ausgeführten Version die Große Galerie als Verbindung zwischen dem Saal und den Appartements fungieren (Abb. 59, Nr. 5).581 In diesem Zusammenhang einer bei den Wittelsbachern üblichen, unfranzösischen Instrumentalisierung der Galerie im erweiterten Verbund des Appartements sind auch die Umbauarbeiten in Schloss Nymphenburg nach Max Emanuels Rückkehr aus dem Exil 1715 von großem Interesse (Abb. 62).582 Zunächst waren die Appartements von Kurfürst und Kurfürstin im Mittelpavillon, nördlich und südlich des Großen Saales, vorgesehen; die nördliche und südliche Galerie fungierte jeweils als Korridor zu den Pavillons mit den Appartements der Prinzen. Doch ließ Max Emanuel seinen Architekten Joseph Effner bereits kurz darauf Umbauarbeiten vornehmen, als deren Ergebnis die Paradeappartements in den beiden äußeren Pavillons eingerichtet wurden. Der Zugang erfolgte noch immer über die Freitreppe und den Großen Saal, so dass die beiden Galerien – ganz unfranzösisch – in die Vorsaalsequenz integriert wurden:583 Im nördlichen Appartement etwa, dem des Kurfürsten, folgte die Galerie auf die Antichambre,584 wo das von Vivien gemalte lebensgroße Bildnis Max Emanuels hing (Abb. 44, 45). Auf diese Weise wurden die Galerien in ihrer Funktion und damit ihrer repräsentativen Aufgabe gleichsam nobilitiert.585 In Robert de Cottes zweitem, sehr viel bescheideneren Projekt für das Neue Schloss Schleißheim (Abb. 63, 64), das hier noch kurz betrachtet wird,586 sind die vorangegangenen Planungen unter Zuccalli sichtbar, wie es in einem Gesamtplan der Anlage gut 581 Hierzu besonders Krems 2010a und Krems 2010b. 582 Dieser Teil der Baugeschichte Nymphenburgs ist bisher kaum beachtet worden; vgl. nur Hauttmann 1913, S. 76–84; Kat. Möbel 2000, S. 10. Zur Baugeschichte bis zum Exil Max Emanuels vgl. Bauer-Wild 1986; dies., Ergänzungen zur Baugeschichte Nymphenburgs unter Max Emanuel 1701–1704, in: Monumental. Festschrift für Michael Petzet, München 1998, S. 564–579. Klingensmith 1993, S. 97f.; Hojer 1976, S. 159ff. 583 Küchel 1737, S. 7: „in der Mitten des gebäus ist ein Saal, und darneben beederseiths die galerien von mahlerey, allwo in der einen alle lustgebäu von Ihro Churfürstl: Durchlaucht recht schön gemahlt seynd.“ 584 In der deutschen Version des Inventars 1750 (Nymphenburg) (Fasz. 200/12/2) wird sie auch Ritterstube genannt. 585 Die (teils noch projektierte) reiche Ausstattung dieser beiden Galerien hält Bretagne fest; Bretagne 1723, S. 49ff. 586 Es geht hier vor allem um den Erdgeschoss- und Hauptgeschossplan: BNF, Est., Ha 19, R. de C. 120 und 121. Robert de Cotte hat in diesem Projekt die beiden neu angelegten Nebengebäude zu beiden Seiten des ersten Hofs weit hinausgerückt, um die Stirnseiten der Flügel frei zu lassen. Nord- und Südflügel des Schlosses werden vorne um ein Stück gekürzt, um so eine offene Dreiflügelanlage zu schaffen. Im Nordflügel sind Schlosskirche und Galerie untergebracht, à la italienne durch zwei Stockwerke durchgehend, der Mittelteil des Osttraktes, das Corps de logis, erhält ein schmales Vestibül gegen den Hof mit schmalen Treppenhäusern auf beiden Seiten und einen tie-

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62  Nymphenburg, Grundriss, Hauptgeschoss (Plan aus dem frühen 19. Jahrhundert, ohne die späteren Anbauten auf Höhe der Galerien)

zu erkennen ist; Robert de Cotte hatte sie wahrscheinlich von einem Mitarbeiter in die aus München gelieferten Pläne übertragen lassen.587 Jedoch wird in dieser Überblendung auch deutlich, welche Bereiche Robert de Cotte einfach ignorierte. Das betraf nicht allein die Stallungen, sondern auch das Alte Schloss, das man oberhalb der halbkreisförmigen Galerie, die die beiden Flügel verbindet, noch schwach erkennen kann. Zuccalli hatte in seiner vierflügligen Anlage das Alte Schloss als vierten Flügel integriert (Abb. 55), und dies, „la communicatione dalla nuova fabricha alla vecchia“,588 war offenbar auch das Ergebnis einer längeren Diskussion Zuccallis mit den beiden Wittelsbacher Kurfürsten um die Einbeziehung des Altbestandes gewesen, wie die Korrespondenz von 1700 belegt. Diese Korrespondenz zwischen Joseph Clemens, Max Emanuel und Enrico Zuccalli lässt dabei durchaus die Unentschlossenheit erkennbar werden, gerade auch im Verweis auf französische Beispiele. Joseph Clemens empfahl Max Emanuel, das Alte Schloss zu entfernen, obwohl er Max Emanuels Wunsch, es zu behalten, kannte; die Cour d’honneur, so Joseph Clemens, könne besser mit einem Eisengitter abgeschlossen werden, wie es die derzeitige Praxis in Frankreich in allen königlichen Häusern vorsähe. Hier scheint Joseph Clemens auch fachkundige Unterstützung erfahren zu haben, denn er hat die Pläne einem mit „B.“ bezeichneten Architekten gezeigt; so heißt es in diesem (leider undatierten, aber wohl Anfang Juli 1700, im Verein mit seiner spiegazione entstandenen) Brief an Max Emanuel: „B. qui regarde la maison“ hinsichtlich der Frage, wie Max Emanuel es intendiere, fen, ebenfalls zwei Geschosse umfassenden Hauptsaal gegen den Garten. Zu diesem Projekt vgl. Hauttmann 1911, S. 265ff. 587 Deutlich wird das in BNF, Est., Vd 29, t.2, R. de C. 105, das eine Gartenskizze des zweiten Projekts de Cottes auf der Grundlage des Zuccallischen Plans zeigt. Man erkennt einskizzierte Korrekturen in einen Plan Zuccallis – die alten Stallungen, das alte Schloss und Zuccallis Neubauplan sind im richtigen Maßstab von anderer Hand und mit hartem Stift. Sie liegen der weichen Skizzierung de Cottes zugrunde. Vgl. auch Hauttmann 1911, S. 265, 268. 588 Enrico Zuccalli an Max Emanuel, 7. Juli 1700; GHA, Korr. Akt 753/80.

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63  Neues Schloss Schleißheim, Projekt II von Robert de Cotte, 1714/15, Erdgeschossgrundriss, 58,8 x 90,2 cm (BNF, Est., Ha 19, R. de C. 120)

64  Neues Schloss Schleißheim, Projekt II von Robert de Cotte, 1714/15, Hauptgeschossgrundriss, 47 x 100,8 cm (BNF, Est., Ha 19, R. de C. 121)

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65  Neues Schloss Schleißheim, Ostfassade

de conserver le vieux batiment, je ne luy en dis rien sans cela je luy conseilleois de ne faire que la façade vers le jardins de tous les deux côtez, jusqu’au num. 25.er da fermer la facade du côter [?] de la basse court avec une grille de fer, comme il se pratique presentement en france dans toutes les maisons Royales.589

Deshalb habe Joseph Clemens auf dem Großen Plan A markiert, wo genau dieses Gitter sein solle; und wenn er dieses Gitter machen ließe, dann habe Max Emanuel „non seulemt. la veue de la basse cour, mais encore auroit l’entrée principale dans le milieu“, denn einen Eingang hätte man ja bisher nur an den beiden Flügeln.590 Überspitzt formuliert deuten diese Diskussionsbeiträge um das Alte Schloss darauf hin, dass Max Emanuel entweder aus Unkenntnis oder aus Überzeugung französische Lösungen nicht derart favorisierte wie sein Bruder. Er bat Zuccalli im Folgenden um eine ökonomischere Lösung beim Corps de Logis und bei der Verknüpfung mit dem Alten Schloss, der „fabrica exista“. Arkadengalerien, die auf Höhe des Piano Nobile Terrassen aufweisen, sollten die beiden Gebäude verbinden.591 Die Erhaltung des Alten Schlosses schien also ein Hauptanliegen Max Emanuels gewesen zu sein, so dass die Ignoranz des französischen Architekten Robert de Cotte vierzehn Jahre später gegenüber dem Alten Schloss sicher ein gewichtiger Grund für die Ablehnung seiner Planungsvorschläge gewesen war. Damit konnte aber auch nicht das, was gerade an Versailles als besonders 589 Joseph Clemens an Max Emanuel, nicht datiert, vermutlich Juli 1700; GHA, Korr. Akt 753/80. 590 Klingensmith 1993, S. 264, Anm. 48 vermutet dann in einem Dreiflügelplan einen diesbezüglichen Vorschlag. 591 Brief Max Emanuel Juli oder August 1700; GHA, Korr. Akt 753/80.

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modellbildend herausgestellt oder allgemein als „zeitgemäß“ bezeichnet wird,592 realisiert werden, nämlich die gestaffelte Dreiflügelanlage mit einer offenen Cour d’honneur. In der ab 1719 fertiggestellten Version des Neuen Schlosses Schleißheim wird schließlich ein in die Länge gestrecktes, um Pavillons erweitertes Corps de Logis bestimmend sein (Abb. 59, 65). Selbst mit den zunächst projektierten und im Disel-Stich sichtbaren Galeriebauten, die das alte und neue Schloss verbunden hätten, die aber nicht zur Ausführung kamen (Abb. 2), wären die wichtigsten Bereiche – die Folge Vestibül, Treppenhaus, Saal, Appartement – im Hauptbau geblieben. Trotz der hier exemplarisch an wenigen Motiven untersuchten Ablehnung der Pläne Robert de Cottes sei keineswegs in Frage gestellt, wie anregend diese Diskussionen mit dem französischen Architekten, an denen vermutlich auch Max Emanuels Architekt Joseph Effner teilnahm, dennoch gewesen sein müssen: Aspekte der commodité, der Bequemlichkeit, und rationellste Raumdispositionen finden sich in späteren kurbayerischen Projekten durchaus wieder. Doch ein „bayerisches Versailles“, wie die Forschung gerne tituliert, hat es nie gegeben.

Max Emanuels Rückkehr 1715: Neue Rahmenbedingungen Während der Kölner Kurfürst Joseph Clemens seine Rückkehr in das Kurfürstentum Köln am 25. Februar 1715 sehr pompös inszenieren ließ,593 muss man den Aufwand beim Eintreffen Max Emanuels in München am 10. April desselben Jahres als eher bescheiden bezeichnen.594 Erst an seinem Geburtstag, dem 11. Juli, wurde ein aufwändiger Einzug gehalten, zu dem auch eine kurze dreiseitige Beschreibung sowie einige Kupferstiche angefertigt wurden.595 Der Grundtenor dieser teils panegyrischen, teils aber auch deutlich politisch mahnenden Aufbauten, Schriften, Gedichte etc. bestand darin, dem Kurfürsten als der in das Vaterland zurückgekehrten „hellschimmernden Gnaden=Sonne“ und dem „Odysseus“ die Verpflichtung gegenüber dem „Volk“ ins Gedächtnis zu rufen „als ein un=überwindlicher Verfechter der wahren Religion und deß Vatterlandts“.596 Während 592 Markowitz 1992, S. 128. Auch Hojer 1976, S. 157, bezüglich Schleißheim: „Es ist zu verstehen, dass in immer wieder neuen Entwürfen versucht wurde, das Alte Schloss zu opfern, um eine zeitgemäße offene Dreiflügelanlage [...] durchzusetzen.“ Genau dagegen spricht jedoch die Korrespondenz. 593 Zu Joseph Clemens Krischer 2002, S. 188; siehe auch Ennen 1851, S. 198–201, mit der genauen Aufstellung des Festzuges. 594 Zunächst wurde die Familie in Schloss Lichtenberg am Lech zusammengeführt. 595 Vgl. Kurze Beschreibung 1715 (3 Seiten, unpag.). Sowie: Unterthänigist getreu devotiste Ehrn-Bezeugung, München 1716. Zu dem Freudenfest am 11. Juli vgl. Straub 1969b, S. 296f. 596 Als „Gnaden=Sonne“ erschien Max Emanuel bei den Jesuiten, als „Odysseus“ ebenfalls bei den Jesuiten (Fortitudo Leonina 1715); Verweis auf Religion und Vaterland in einem Schriftzug auf dem Ehrengebäude der Franziskaner; vgl. Kurze Beschreibung 1715 (unpag.). Zur Rückkehr und den Huldigungsgedichten siehe auch Staats-Geschichte Bayern 1743, S. 296ff.; Finsterwald/Ludewig 1749, S. 2430ff.; August Hartmann, Historische Gedichte aus der Zeit der bayerischen Landes-

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das bereits kurz vorgestellte französische Almanachblatt für das Jahr 1715 (Abb. 49) die Wiedereinsetzung des Kurfürsten Max Emanuel dem ausschließlichen Verdienst der ludovizianischen Protektion zuschrieb, war die Grundstimmung der patriotischen Kreise in Kurbayern davon geprägt, dass der langersehnte Friede erst dann möglich sein würde, wenn sich Bayern von der beherrschenden Führung Frankreichs freigemacht und sich mit Österreich ausgesöhnt habe; Max Emanuel solle das hochsinnige Wort beherzigen: „Non mihi, sed populo“.597 Max Emanuel kehrte nicht nur hochverschuldet, sondern auch widerwillig nach München zurück, so schreibt Joseph Clemens: „Mein Bruder hat allzu große Aversion, wider in bayrn zu wohnen.“598 Die prekäre politische Situation des Kurfürsten hatte sich dank der Restitution zwar einerseits entspannt, andererseits blieb die politische Ausrichtung Max Emanuels, sehr zum Unmut der prohabsburgischen Kreise in Kurbayern, noch lavierend zwischen Habsburg und Bourbon. Von französischer diplomatischer Seite wurde in diesen ersten Jahren nach der Rückkehr eine Abneigung gegen Frankreich auf Seiten der bayerischen Regierung konstatiert; nur Max Emanuel selbst sei Paris noch freundlich gesonnen.599 Dass diese politische Situation kaum von den in Angriff genommenen künstlerischen Projekten zu trennen ist, wird deutlich in einer Äußerung Max Emanuels: Drei Monate nach seiner Rückkehr aus dem Exil, im Juli 1715, schrieb er an Gräfin Arco, seine langjährige Vertraute und Mätresse, nach Paris, es gäbe nichts Bedeutendes zu berichten, er sei die meiste Zeit auf seinen Landhäusern, „je suis toujours à mes maisons de campagne“ – dann fügt er hinzu: […] je peus imiter le goût de la France en batiments et jardins, mais les habitants ne se changent pas.600

erhebung 1705 und der Rückkehr Max Emanuels nach Bayern, in: AM, 1, 1899, S. 33–61; A. Dreyer, Ein Huldigungsgedicht auf die Rückkehr Max Emanuels nach Bayern, in: AM, 5, 1905, S. 148–154. 597 So in einem Gutachten des Hofkanzlers Johann Georg Lueger, das er im Auftrag des Kurfürsten 1712/13 über die Höhe der an den Kaiser zu richtenden Ansprüche erstellen sollte; Verweis bei Doeberl 1928, S. 168. 598 Joseph Clemens an Karg von Bebenburg, vgl. Anhang CXIV bei Ennen 1851. Dangeau 1684– 1720 (1854–60), Bd. XV, S. 388, berichtet vom Abschied in Versailles, im Cabinet des Königs, am 22. März 1715: „Les adieux furent fort tendres; le roi embrassa l’électeur à plusieurs reprises, et l’électeur est toujours de plus en plus charmé du roi et de toutes les amitiés qu’il en re­çoit. Il ne se cache pas de la peine qu’il a à quitter les François, et cela diminue fort la joie qu’il a de son rétablissement.“ Liselotte von der Pfalz beobachtet bei seiner Abreise (Bericht vom 22. März 1715): „Er hatt dicke augen, muß braff geweint haben, welches mich recht wunder nimbt.“ Elisabeth Charlotte 1707–1715 (1871), S. 536, Nr. 694. Zur Situation in Kurbayern ab 1715, zur hohen Verschuldung etc. vgl. zuletzt Ulbert 2004, S. 267–303. 599 Vgl. dazu mit Quellen Ulbert 2004, S. 278f. 600 Max Emanuel an Gräfin Arco (Agnes Lelouchier), 6. Juli 1715; zitiert nach Paulus 1912a, S. 180; Paulus 1912b, S. 143.

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Das Briefzitat Max Emanuels bildet eine wichtige Grundlage für das Verständnis der Modelladaption nach 1715, vor allem der Nachsatz: „mais les habitants ne se changent pas“. Diese Sentenz weist die Rezeption von Kunst als einen Prozess aus, der nicht allein von künstlerisch-ästhetischen, sondern deutlich von mentalen und politischen Aspekten geprägt ist. Die Adressatin des Briefes, Gräfin Arco, die selbst mit französischer Kunst eng vertraut war und eine der wichtigsten Vermittlerrollen für den bayerischen Kurfürsten innehatte,601 wird die resignierenden Zeilen des Wittelsbachers wohl verstanden haben. Diese Resignation verdankt sich mehreren Gründen. Zum einen hat Max Emanuel, wie erwähnt, seine Abreise aus Paris und seine Rückkehr keineswegs herbeigesehnt; zum anderen wird die vom Kurfürsten in Kurbayern vorgefundene Situation ihn nicht begeistert haben. Dies betrifft nicht allein den Zustand seiner kurfürstlichen Bauten, die vermutlich deutliche Spuren der jahrelangen österreichischen Okkupation aufwiesen – es betrifft vor allem die von Max Emanuel sehr gut beobachtete Diskrepanz, die spezifischen Rezipientenkreisen zuzuschreiben ist: „je peus imiter le goût de la France [...], mais les habitants ne se changent pas.“ Mit den „habitants“, die sich nicht ändern würden, wird Max Emanuel vermutlich bestimmte Kreise des Adels gemeint haben – und zwar jene, die habsburgfreundlich gesinnt waren, die es als Schande empfanden, dass sich Max Emanuel gegen Kaiser und Reich gestellt und er jahrelang als Flüchtling im Ausland, zudem in Frankreich, gelebt hatte.602 Auf politischer Ebene versuchte Max Emanuel die Wogen zu glätten, indem er etwa die während der österreichischen Okkupation tätigen Minister weiterhin in ihrem Amt walten ließ.603 Auf künstlerischer Ebene sind seine Projekte ­– vermutlich auch dank des engen Austauschs mit den Beratern – als eine Art Kompromiss und Synthese aus aktuell französischer Kunstproduktion und traditionellen Wittelsbacher Elementen zu begreifen. Auf die Formel „alles ist französisch“, wie Johann Michael von Loen bei seinem Besuch des Wittelsbacher Hofes im Juni 1716 feststellt – vielfach unkritisch reproduziert bis in aktuelle Forschungen –, lassen sich die künstlerischen Projekte nach 1715 keineswegs bringen: Alles formiret sich nach dem Geschmack des Fürsten. Sitten, Lustbarkeiten, Kleider, Sprache, alles ist französisch; nur die Music ist noch italiänisch und eine der besten in Europa.604

Folgen wir Max Emanuel nun bei den künstlerisch-architektonischen Projekten im eigenen Territorium nach seiner Rückkehr. Diese immensen Restitutionsmaßnahmen, die die zaghaften Anfänge in Paris natürlich weit übertrafen, wurden auch von französischer 601 Sie hatte dem Kurfürsten in den späten 1690er Jahren den französischen Maler Joseph Vivien empfohlen und 1705 Boffrand nach Brüssel vermittelt. Siehe auch die Briefe zwischen Max Emanuel und der Gräfin Arco bei Paulus 1912a, S. 261ff. Jüngst auch Tillmann 2009, bes. S. 115– 129. 602 Hüttl 1976, S. 686. Vgl. zum Adel auch Hierl-Deronco 2001. 603 Dazu Hüttl 1976, S. 510. 604 Loen 1749–1752 (1972), Bd. IV, S. 365. Zuvor hatte er bemerkt (S. 364): „Der Churfürst hat ein majestätisches Ansehen. Er wird von seinen Unterthanen sehr geliebt, ob er gleich durch seine unglückliche Anhänglichkeit an Franckreich das Land starck mitgenommen hatte.“

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Seite aus genau registriert, wie die Berichte des französischen Gesandten Saumery bestätigen. Er schreibt schon im Juni 1715, der Kurfürst prend beaucoup de gout pour ses jardins et ses batimens, il en a doné l’intendance depuis peu de jours au Conte de Wahl qui estoit en dernier lieu a S. Cloud. On dit qu’il est fort propre pour cette place.605

Das große Interesse der Gesandten an diesen künstlerischen Bemühungen, auch an der personellen Betreuung, lässt keinen Zweifel daran, dass diese Maßnahmen als Ausdruck des Ringens um politische Anerkennung und Reintegration nach den langen Jahren des Exils zu werten sind.606 Der vollkommen überstrapazierte Kunstbetrieb, der dieses kulturelle Aufrüsten bewältigen musste, kollabierte dabei fast.607 Saumery vermeldet Anfang 1717 über die immensen Ausgaben: Die Ausgaben für seine Hofhaltung sind sehr ansehnlich und seine Bauvorhaben verschlingen große Summen, so daß das Land mit beträchtlichen Abgaben belastet wird, ohne die finanzielle Situation des Kurfürsten nachhaltig zu verbessern.608

Die aufwändigsten Projekte nach der Rückkehr betrafen, wie schon angedeutet, die Schlösser und Gärten im Territorium. Doch wurden nur wenige Neubauten in Angriff genommen (Fürstenried, kleinere Parkburgen in Nymphenburg). Vielmehr wurden bereits bestehende Schlösser aufwändig umgebaut und auch erweitert. Dies betraf nicht allein die in Max Emanuels Regierungszeit entstandenen Bauten, sondern auch diejenigen aus den Vorgängergenerationen.609 Die bereits bestehende Bausubstanz wurde somit bewusst einbezogen und die traditionelle Verwurzelung der Wittelsbacher im Land betont. Der Stammsitz, die Münchner Residenz, der Baron Pöllnitz 1719 attestiert, sie könne

605 Saumery an Marquis de Torcy, 18. Juni 1715; AAE, CP, Bavière, Bd. 65 (1715), fol. 101v. Zu den einzelnen französischen Gesandten etc. am Münchner Hof 1715–23 siehe Ulbert 2004 im Anhang. 606 In der historischen Forschung erkennt man indes in Max Emanuels Bemühungen nach seiner Rückkehr wenig Auftrieb und Reformwillen. Hüttl 1976, S. 546, bemerkte sogar, dass Bayern ihn nur wenig interessierte. Hinsichtlich der künstlerischen Maßnahmen lässt sich dies nicht bestätigen. 607 Zu Misswirtschaft und Korruption im Bauwesen nach Max Emanuels Rückkehr vgl. auch Hauttmann 1913, S. 38–45, 100f. 608 Bericht über die wirtschaftliche Lage nach der Rückkehr Max Emanuels von Saumery 9. Januar 1717, AAE, CP, Bavière Bd. 66, 175r-178v. Hier in der deutschen Übersetzung nach Ulbert 2004, S. 283. Vgl. auch die Beobachtung de Vaux’ über den verschwenderischen Lebensstil Max Emanuels, der nur auf der Jagd sei. 609 Es ist der ungleichen Quellendichte und der Erhaltung des Bestandes zuzuschreiben, dass man meinen könnte, gerade unter Max Emanuel seien die Landschlösser in besonderer Weise gepflegt worden. Zweifellos gab es unter dem Vorgänger Ferdinand Maria nicht so viele Neubauten, aber sein Interesse war dennoch groß, auch über das „Hauptwerk“ Nymphenburg hinaus. Ferdinand Maria hat besonders die Schlösser am Würmsee (Starnberger See) in seine festlichen Aktivitäten einbezogen.

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66  Schloss Dachau, Kupferstich, Michael Wening, um 1700

„mit den Pallästen der mächtigsten Fürsten in gleichem Gliede stehen“,610 blieb hingegen nahezu unangetastet.611 Das Schleißheimer Großprojekt, das mit Robert de Cotte noch in Paris aufwändig diskutiert wurde, ließ Max Emanuel erstaunlicherweise zunächst bis auf notwendige Instandsetzungsarbeiten bis ins Jahr 1719 unberührt. Stattdessen widmete er sich einem anderen Landschloss, dem ca. zwanzig Kilometer nordwestlich von München gelegenen Schloss Dachau (Abb. 66).

Dachau: Das Ahnenschloss im Dienst der Legitimation Noch im Monat seiner Rückkehr, im April 1715, ließ Max Emanuel die Vierflügelanlage des Schlosses Dachau (Abb. 66) nicht nur mit den aus den Niederlanden transferierten Möbeln, Teppichen und Bildern ausstatten,612 sondern beauftragte den am 1. April 1715 zum Hofarchitekten ernannten Joseph Effner, Umbauten an der Gartenfassade des südwestlichen Flügels und den dort befindlichen Sälen vorzunehmen. Die Forschung ist sich einig: Effner wurde die Aufgabe zugewiesen, die Gartenfassade in „neuer, d. h. französischer Manier auszuführen“.613 Quellen als Beleg werden freilich nicht genannt. Zudem gilt die von Effner projektierte und ausgeführte Gartenfassade für Dachau als „frühestes Beispiel der Übernahme des rein französischen Stils“614 – eine problematische, zudem sehr oberflächliche Feststellung, die sicherlich der Korrektur bedarf. Weitere Umbauten des Schlosses, dessen vier Ecktürme, wie die Ansichten Michael Wenings (Abb. 66) zeigen, bereits im 17. Jahrhundert abgetragen waren, betrafen das Innere dieses Gartenflügels: Es wurde hinter den westlichen fünf Fensterachsen ein 610 Pöllnitz 1739, Bd. II, S. 10. 611 Freilich fanden Instandsetzungsarbeiten statt, und die bereits vor dem Erbfolgekrieg projektierten Ausstattungsarbeiten wurden weitergeführt und vollendet (z.B. die Cäcilienkapelle). 612 Inventar 1715 (Dachau); vgl. Hauttmann 1913, S. 67; Kurz 1988, S. 78. 613 So Kurz 1988, S. 79; bei Schmid/Beil 1981, S. 84, mit dem Vermerk „im Sinne der Zeit“. Zu Dachau vgl. auch Hauttmann 1913, S. 67–72. 614 Kurz 1988, S. 88. Ebd. auch zu den genauen Veränderungen.

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67  Joseph Effner, Schloss Dachau, Treppenhaus, nach 1715

ebenerdiges Vestibül sowie ein großzügiges Treppenhaus eingebaut (Abb. 67), dessen einläufige Treppe – wie die Forschung längst erkannt hat – einer französischen Vorgabe verpflichtet ist, nämlich der wenige Jahre zuvor entstandenen Treppe im Pariser Palais du Petit Luxembourg, erbaut von Germain Boffrand (Abb. 68).615 Auch die von Guillielmus de Grof angefertigten Stukkaturen lehnen sich deutlich an die Stuckdekoration im Petit Luxembourg an.616 Diese aufwändigen, zwischen Juni 1715 und Herbst 1717 stattfindenden Maßnahmen sind keineswegs nur als eine „Aufmöbelungskampagne“ für ein altes Wittelsbacher Schloss zu verstehen: Dass sich Max Emanuel als erstes Bauprojekt nach seiner Rückkehr das Schloss Dachau – und nicht etwa Schleißheim – aussuchte, erklärt sich aus der großen Bedeutung dieses Sitzes innerhalb des territorialen Schlössersystems. Dachau war einer der ältesten Sitze der Dynastie.617 Schon im 12. Jahrhundert wurde es zu einem 615 Vgl. z. B. Schmid/Beil 1981, S. 76. Bei Boffrand hatte Joseph Effner in Paris gelernt. Diese Vermutung besteht seit Hauttmann 1913, S. 26. 616 Volk 1966. 617 Vgl. zuletzt Walter Ziegler, Art. Wittelsbach, in: Höfe und Residenzen im spätmittelterlichen Reich. Ein dynastisch-topographisches Handbuch, Teilband I: Dynastien und Höfe, hrsg. v. Werner Paravicini, Ostfildern 2003, S. 218. Zwar starb die Scheyrische Linie mit den Grafen von

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68  Palais Petit Luxembourg, Paris, Treppenhaus, 1709–13

urbarialen, gerichtlichen und militärischen Mittelpunkt des Umlandes – und damit zu einem wichtigen Instrument im Ausbau der Landesherrschaft: eine Bedeutung, die Herzog Wilhelm IV. ab 1546 veranlasst hatte, die mittelalterliche Burg mit einem Neubau zu ersetzen.618 Ein typisches Jagd- oder Lustschloss war Dachau also nicht. Wenings Beschreibung von 1701 ist deutlich, das Schloss sei von Hertzog Wilhelm und Albrecht in Bayrn in gegenwärtiger Form und Grösse gebauet / auch dergestalten erweiteret worden / daß ein Gnädigiste Herrschafft samt Dero Hoffstab auff 6. biß 700. Persohnen füglich darinn zu=wohnen hat / worbey ein sehr grosses fürstliches Tafel=Zimmer / mit kostbaren Gemählen behänget / verhanden.619

Zwei Jahrhunderte nach dem Neubau werden in Dachau Bildnisse nicht allein der Wittelsbacher selbst, sondern auch ihrer französischen, savoyischen, österreichischen, spanischen, sächsischen, italienischen und polnischen Verwandten beschrieben.620 Ein InvenDachau bereits Ende des 12. Jahrhunderts aus, die Grafschaft Dachau gelangte jedoch in den Besitz des ersten Wittelsbacher Herzogs Otto I. 618 Kurz 1988, S. 5ff., zur Geschichte des Schlosses bis ins frühe 17. Jahrhundert. 619 Wening 1701, S. 42. 620 So in der Beschreibung von Rotenstein 1781 (1786), S. 277–80.

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tar von 1754 verzeichnet 394 Porträts.621 Doch Dachau ist nicht erst im 18. Jahrhundert eine Art Ahnenschloss der Wittelsbacher und damit Zeichen des durch die Anciennität und Heiratsallianzen gesicherten interdynastischen Ansehens: Schon Mitte des 17. Jahrhundert wunderte sich die junge Kurfürstin Henriette Adelaide darüber, dass die Porträts ihrer Familie nach Dachau gebracht wurden: Hier in Dachau gibt es viele Porträts. Darunter befindet sich insbesondere eines meiner Schwester Margharita, welches das häßlichste der Welt ist: ich ärgere mich so darüber [...]; und nun kommen alle Kurfürsten und der Kaiser hierher.622

Nicht allein ist dies wiederum ein Zeichen für die von ihr wahrgenommenen Unterschiede zwischen der savoyischen und Wittelsbacher Hofhaltung; Henriette Adelaide kannte es offenbar nicht von den Schlössern in der Turiner Umgebung, eine Art „genealogisches“ oder „Ahnenschloss“ zu inszenieren. Darüber hinaus bestätigt der mit etwas naiver Sorge getränkte Verweis auf den Kaiserbesuch 1653 wiederum die große Bedeutung des Schlosses Dachau: Es diente zum Empfang für den Kaiser Ferdinand III. und die Kurfürsten,623 freilich – im Verbund mit der Porträt-Dichte – als politischdynastisches Argument. Bretagne formuliert 1723 über Dachau: […] c’est lá qué l’on voit tous les portraits, au naturel, des Ducs de l’auguste Maison de Baviere, qui remontént jusqu’á une noble Antiquité, étans les plus anciens Ducs de l’Europe.624

Es sei zudem auf eine konkrete bauliche Disposition, die den Umbaumaßnahmen ab 1715 zu verdanken ist, hingewiesen, die meines Erachtens auch den Charakter der Frankreich-Rezeption erhellt: Denn hinter der von Effner neu gestalteten Gartenfassade (Abb. 69) verbirgt sich der wichtigste Raum des gesamten Schlosses, der große Festsaal (Abb. 70), der sich mit seinen fünf Fensterachsen als eigenständiger Mittelrisalit in der Fassadenarchitektur ausbildet. Dieser Saal war ebenfalls bereits im 16. Jahrhundert entstanden und wurde später um eine Wittelsbacher Bildnisserie ergänzt, „allerseits mit Kayser= und Fürstlichen Lebens groß gemalten Abbildungen ausgezieret“.625 Bei den 621 Vgl. Inventar 1754 (Dachau). In dem Inventar werden nicht die Räume erwähnt, sondern nur die Nummern der Gemälde. Vgl. auch die Liste mit der „Beschreibung der Gemälde, welche aus dem kurfürstlichen Magazin in München ins Schloß Dachau abgegeben wurden am 1. September 1759“, die wiederum hauptsächlich Porträts aufweist; BayHStA I, HR I, Fasz. 22/61/15. 622 Henriette Adelaide an ihre Mutter 28. Mai 1653; zit. in deutscher Übersetzung nach Baumstark 1976, S. 171. Vgl. auch Merkel 1892, S. 342. 623 Auch dies hat Tradition; schon Hainhofer berichtet von seinem Aufenthalt in München und Umgebung 1611: „so soll auch kaiser Carl vnd kaiser Ferdinand gern allda [in Dachau] gewesen sein“; Hainhofer 1611/1636 (1990), Bd. I, S. 200 – Dachau war zudem 1657 als „Residenz“ für den Herzog Maximilian Philipp im Gespräch, zu einer Zeit, als man mehr Hoffnungen in ihn, den jüngeren Sohn Maximilians I., als in den älteren, Ferdinand Maria, setzte; vgl. Strich 1933, Bd. I, S. 23. 624 Bretagne 1723, S. 30. 625 Wening 1701, S. 42.

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69  Joseph Effner, Schloss Dachau, Aufriss der Gartenfassade, nach 1715, Kupferstich (Museumsverein Dachau)

70  Schloss Dachau, Saal, 16. Jahrhundert

Umbauarbeiten nach der Rückkehr des Kurfürsten 1715 sollte der Saal mit seiner für das Selbstverständnis der Dynastie enorm wichtigen Ausstattung auf Wunsch des Kurfürsten erhalten bleiben,626 zweifellos im Dienste der neuerlichen Fixierung der Interessen der 626 So Hauttmann 1913, S. 68. Von Kurz 1988, S. 79, übernommen. Genaue Quellen werden nicht angeführt. Es gab nur wenige Veränderungen: So wurden die kleinen Fenster gegen Hof

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71  Schloss Dachau, Ansicht von Maximilian de Geer, um 1730, Detail (Schloss Nymphenburg, südliche Galerie)

Dynastie – das „Ahnenschloss“ Dachau sollte daran, gerade im Rahmen der Forderung nach der erneuten Führungsrolle der Wittelsbacher im Reich, großen Anteil haben.627 Die kolossale komposite Ordnung mit den paarweise angeordneten Pilastern auf hohen Sockeln, die die mittleren fünf Achsen an der Gartenfassade auszeichnet, nobilitiert diesen Saal mit architektonischen Mitteln als Wittelsbacher Monument – aus der Ferne sichtbar, wie es die Vedute von Maximilian de Geer mit Blick auf das erhöht liegende Schloss zeigt (Abb. 71). Ein Teilgrundriss des Erdgeschosses des Südwest- und Südostflügels von ca. 1806 (Abb. 72) deutet an,628 dass der Saal Auftakt der Raumfolge war; man betrat ihn von dem im Westen neu angelegten Treppenhaus. Damit griff man jedoch in die alte Strukund Garten durch große, rundbogig abschließende Fenster ersetzt. Zur Bedeutung des Saales und seinen späteren Umbauten vgl. auch Schmid/Beil 1981, S. 24–58. 627 Eine Verniedlichung im Sinne Hauttmanns („Dachau muß ein entzückender, fröhlicher Landsitz gewesen sein“) ist völlig fehl am Platz; Hauttmann 1913, S. 72. 628 Abb. 12 bei Kurz 1988.

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72  Schloss Dachau, Teilgrundriss des Erdgeschosses des Südwest- und Südostflügels

tur massiv ein, denn vor dem Umbau war man in den Saal von der Seite des östlich gelegenen Wohntraktes gelangt.629 Der zentrale Wittelsbacher Ahnensaal war somit sowohl im Inneren (Treppe und Vestibül) wie Außen (an der Gartenfassade) von einem an französischen Vorbildern orientierten Formenvokabular umgeben.630 Hauttmann spricht von einem „französisch-klassischen Eindruck“ der Gartenfassade sowie von „zierlichen französischen Formen“ in „heiterer leichter Durchbildung“ (Abb. 69).631 Genaue Vorbilder für diese „französische“ Durchbildung der Fassade nennt er jedoch nicht, und es fällt auch schwer, für Effners Lösung uneingeschränkt Vorbilder gerade in den aktuellen französischen Bauten zu finden. Vielmehr werden auch hier wieder umfassende Transformationsvorgänge des Modells Frankreich erkennbar, die der Funktion und dem Anspruch dieses Landschlosses im Wittelsbacher Repräsentationsspektrum geschuldet sind. Die Öffnung der Fassade zum Garten bzw. zur Altane dank der großen Bogentürfenster ist sicherlich dem französischen Gedanken einer engen Verbindung von Garten und Schloss und der besseren Durchlichtung des Inneren verpflichtet, jedoch findet insbesondere der mittlere fünfachsige Risalit in seiner etwas bemühten Monumentalität mit den hoch 629 Hauttmann 1913, S. 69. Es gab zudem in diesem östlichen Flügelteil eine Wendeltreppe als Verbindungsweg zwischen Erd- und Obergeschoss. 630 Auch die östlich an den Saal grenzenden Räume wurden von ihrem „Täflwerk nach der alten Manier“ befreit und durch neue Fenster, Lambrien, Türverkleidungen, Kamine, Stofftapeten, Cornichen „à la mode“ neu hergerichtet; dazu Hauttmann 1913, S. 69f. 631 Hauttmann 1913, S. 70, 72. Vgl. auch Schmid/Beil 1981, S. 86: „Das flache Relief des plastischen Fassadenaufbaues vermittelt die leichte Eleganz französischer Architekturauffassung.“

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73  Montmorency, Maison de Campagne des Pierre Crozat, Gartenfassade, Kupferstich

aufgesockelten Doppelpilastern mit Kompositkapitellen und dem durch kräftige Konsolen gegliederten Fries kaum eine Parallele in der leichten Eleganz und zurückhaltenden Dekoration aktueller Maisons de Plaisance wie Champs-sur-Marne oder dem Château neuf in Meudon,632 die Joseph Effner während seines langjährigen Aufenthalts in Paris und Umgebung gesehen haben könnte. Die zu Beginn des 18. Jahrhunderts entstandene Maison de Campagne von Pierre Crozat in Montmorency (Abb. 73) ist in ihrer Monumentalität eher als eine Ausnahme zu bezeichnen,633 doch erhoben sich hier an der Hoffassade die kolossalen Pilaster über niedrigen Postamenten. Lediglich an der Gartenseite gab es eine höhere Sockelzone, die aber dem abgesenkten Terrain geschuldet war. Vielmehr sind in der Instrumentierung repräsentativer Elemente wie Doppelpilastern und hohen Postamenten an Effners Dachauer Gartenfassade punktuelle Rückgriffe auf frühere königliche französische Landschlösser zu erkennen, etwa die (gemalte) Fassade des Pavillon du Roi von Marly (1678/79) mit der ebenfalls kompositen Pilasterordnung (Abb. 74). Das Beispiel der Gartenfassade von Dachau verdeutlicht daher die Schwierigkeit, den aktuellen französischen Stil – der ein vom Adel geprägter Stil war – auf ein reichsfürstliches Landschloss zu übertragen, das mit monumentalen architektonischen Würdeformeln operieren musste, um den Anspruch des Bewohners demonstrieren zu können. Der Wandel von der kolossalen zur leicht dekorierten Architektur, wie er in und um Paris ab dem frühen 18. Jahrhundert beobachtet werden kann, konnte in einem repräsentativen reichsfürstlichen Landschloss bei München nur sehr zögerlich umgesetzt werden, und das verdankte sich weniger einer zeitlichen Verzögerung als vielmehr der Diskrepanz in der Funktion und dem Anspruch der jeweiligen Schlossbauten. Das reichsfürstliche Landschloss war mit der Maison de Plaisance eines Adeligen kaum 632 Zu diesen Bauten besonders Krause 1996, S. 260–265, 270–275. 633 Erbaut 1704–09 von Jean-Sylvain Cartaud; vgl. ebd., S. 266–270.

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74  Marly, Pavillon du Roi, Kupferstich (Detail)

zu vergleichen. Es blieb daher zumeist bei Verweisen auf das Modell, die in die eigenen Zusammenhänge integriert und an die Bedürfnisse angepasst wurden.

Modelladaption unter Max Emanuel: Legitimation, Herrschaft, Distinktion Ohne weitere Bauprojekte (etwa das ab Herbst 1715 in Angriff genommene Schloss Fürstenried oder die Umbau- und Erweiterungsarbeiten in Nymphenburg) in die Argumentation einzubeziehen, sei für die Art der Modelladaption unter dem Kurfürsten Max Emanuel festgehalten: Wichtig erscheint die Differenzierung zwischen einem künstlerisch-ästhetischen Modell, einem Herrscher- und einem Legitimationsmodell. Das „Französische“ ist zweifellos in der künstlerischen Inszenierungsform ausschnitthaft präsent, die sich – wie etwa im Fall der neu eingerichteten Treppe im Dachauer Schloss (Abb. 67) – als aktuelle, sogar aktuellste Inszenierungsform darbietet. Diese künstlerische Inszenierung spiegelt jedoch weder das Herrscher- noch das Legitimationsmodell. Es vergegenwärtigt vielmehr ein Anspruchsdenken, ein Anspruchsniveau, als dessen Repräsentanten in zeitgenössischen Wittelsbacher Schriften nicht die Habsburger, sondern die Bourbonen auftraten, insbesondere natürlich König Ludwig XIV.: Im Mundus von 1711 wurde die Vorstellung, die Ludwig XIV. verkörperte, als ein durchaus berechtigtes Modell für die Wittelsbacher angeführt – „Bayrn / hat nach

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franckhreich billich vor / anderen sich auf zufiehren / vrsach“ –, nicht zuletzt weil die Pracht der eigenen Residenz diesen Anspruch unterstreiche: „den bracht zaigen dass / Wundervolle gepäu.“ Die politischen Ziele, die Max Emanuel gerade auch nach 1715 verfolgte, sollten mit den Ausdrucksmitteln von Kunst als erneut berechtigter Anspruch vorgestellt werden. In der Entscheidung für das Französische als aktuellster Inszenierungsform – und dabei ist nochmals zu betonen, dass es sich um eine wohlüberlegte Auswahl und Aneignung dieser Inszenierungsform handelt – wird ein weiteres Moment deutlich: das der Distinktion.634 In der zitierten Briefsentenz – „Je peux imiter le goût de la France...“ – rekurriert Max Emanuel auf den Geschmack, den bon goût, der nicht gleichzusetzen ist mit dem ästhetischen Sinn für Stil.635 Vielmehr tituliert Max Emanuel den ästhetischen Sinn als Sinn für Distinktion, als Wille zur Abgrenzung gegenüber den Adressaten dieser Maßnahmen, den Habsburgern und den übrigen Reichsfürsten. Geschmack, der goût, ein französisch geprägter Geschmack, fungiert dabei als distinktiver Ausdruck einer privilegierten Stellung – einer Position also, die sich Max Emanuel als „homme de goût“ angesichts der starken Konkurrenz in der politischen Landschaft des Reiches als Ziel seiner Reintegrationsmaßnahmen erhoffte. Und auf künstlerisch-architektonischer Ebene gab es im Reich um 1715 sehr wenige vergleichbar hochwertige und vor allem ein territoriales System umfassende Bau- und Ausstattungsprojekte. Das „Modell Frankreich“ war dabei nicht primär das „Modell Versailles“ und nicht das „Modell Bourbon“ – es ging Max Emanuel ab 1715 nicht allein um einen durch den königlichen Ort Versailles nobilitierten goût, weshalb etwa die Ausstattung von Meudon, dem Schloss des Dauphin, oder auch die Pariser Hôtels des hohen Adels wichtiger werden konnten als Versailles.636 Indes zeigt gerade das Beispiel des Schlosses Dachau, dass die Adaption einer in der hohen Adelskultur gründenden Stilprägung auf ihre Grenzen stieß, sich ihre Übertragbarkeit auf eine reichsfürstliche Repräsentation gerade in der Fassade als problematisch herausstellte und gemäß der Repräsentationspflicht von Rang und Status viele Anpassungen und Modifikationen erforderte. Französische Objekte wie Spiegel oder Lambrien hingegen, die Max Emanuel während seines Exils in Frankreich

634 Laut Bourdieu 1987 sind konkrete Ausprägungen von Geschmacksvorlieben (bezogen auf Kunst, Musik, Möbel, Essen, Trinken, Reisen etc.) als Folge des jeweiligen sozialen Status anzusehen; wichtigste Triebfeder sei der Wille zur Abgrenzung, zur Distinktion von anderen (z.B. sozial schlechter gestellten) Personen oder Gruppen. Dabei setzten die Oberschichten die Standards für die jeweils hoch angesehenen Lebensstile. 635 Zum goût im architekturtheoretischen Verständnis vgl. z. B. Szambien 1986, S. 99–110. Vgl. auch Knabe 1972, S. 239–279. Vgl. auch Boffrands Dissertation sur ce qu’on appelle le bon goust in seinem Livre d’architecture; Boffrand 1745. 636 Gerade Joseph Clemens nannte explizit Meudon mit Claude Audrans Grotesken als ein Vorbild für den Buen Retiro seiner Bonner Residenz; Joseph Clemens/Robert de Cotte 1712–1720 (1956), S. 58, 90. Freilich darf man nicht unterschätzen, dass hier auch die „königlichen“ Künstler gearbeitet haben.

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und in den Jahren danach erwarb oder hat anfertigen lassen,637 eigneten sich besser für den Transfer in Form kultureller Referenzen; sie konnten als punktuelle Zeichen des bon goût erkannt werden, im Dienste der Distinktion und damit im Dienste repräsentativdynastischer Interessen. Der nach Außen demonstrierte goût zeigte sich aber vor allem in der richtigen Auswahl: Entscheidend waren die erfolgreiche Suche nach dem Nachahmenswerten, die ästhetische Urteilskraft und damit die Fähigkeit zu unterscheiden zwischen Gutem und Mangelhaftem. Diese richtige Auswahl betraf daher nicht nur französische Modelle, sondern – sofern dies angemessen war – auch diejenigen anderer, beispielsweise italienischer Provenienz. Zwei Jahre nach seiner Rückkehr, 1717, holte Max Emanuel mit dem Venezianer Jacopo Amigoni einen italienischen Maler an den Münchner Hof, der bedeutende Aufträge zur Freskierung in Schloss Schleißheim erhielt. Und Pierre de Bretagne findet in seiner Beschreibung der Hochzeitsfeierlichkeiten des Wittelsbacher Kurprinzen Karl Albrecht mit der Habsburgerin Maria Amalia 1722 eine elegante Erklärung für die Beschäftigung zweier aus unterschiedlichen akademischen Schulen kommender Architekten, Zuccalli und Effner, am Neuen Schloss Schleißheim, um die lange Bauphase mit womöglich disparatem Erscheinungsbild zu beschönigen; denn entscheidend war die richtige Auswahl und damit – sofern es der goût erforderte – die Synthese aus diesen verschiedenen architektonischen Stilen: ces deux habilles architectes ont reüni, tout ce que la France, & l’Italie, les deux plus celebres Academies de l’Europe, ont de plus beau, pour élever un Palais, digne d’un Prince, qui n’oublie rien, pour faire fleurir les Arts dans ses Etats.638

Zu diesem Zweck, sich international zu schulen, hatte Max Emanuel seinen Architekten Effner nicht nur nach Frankreich, sondern 1717 auch zum Studium der wichtigsten Bauten nach Italien geschickt, wo er „daselbst einige Hauptgebäu besichtigen solle“.639 Und aus diesem Grund war es eine besondere Empfehlung bei Künstlern, wenn sie bereits in verschiedenen Ländern ihren Beruf ausüben konnten. So heißt es über den französischen Dekorationskünstler Charles Dubut, der auch in Schleißheim tätig war, in der Festbeschreibung der Hochzeit Karl Albrechts 1722: Monsieur Dubut Parisien, si renommé par plusieurs ouvrages qu’il à fait à Rome, en Prusse & en beaucoup d’autres endroits.640

Es war also wichtig, an verschiedenen Orten gewesen zu sein, sich seinen Ruf an vielen Orten erworben zu haben. Ein Venezianer wie Pietro Liberi hat, bevor er nach München 637 Graf d’Albert war dabei ein wichtiger Kunstagent; vgl. Hauttmann 1913, S. 58; Peter Claus Hartmann, Luxuskäufe des Münchner Hofes in Paris (1718–1727), in: Francia, 1, 1973, S. 350– 360. Besonders jüngst Tillmann 2009. 638 Bretagne 1723, S. 18. Effner hatte ab 1719 den Weiter- und Umbau des Schlosses geleitet. 639 Es gab ein Dekret vom 30. Dezember 1717; Hauttmann 1913, S. 98. Man weiß von Effners Aufenthalten in Venedig, Rom und Neapel. Im Frühjahr 1718 war er wieder in München. 640 Bretagne 1723, S. 45.

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kam, zunächst unter anderem für Leopold I. in Wien gearbeitet.641 Selbst der Hinweis darauf, dass ein Familienmitglied des Künstlers in Paris gearbeitet hat, fand Eingang in Bewerbungsschreiben, etwa demjenigen von Caspar Zuccalli, der sich im Juli 1668 um die Hofmaurermeisterstelle in München bewarb, mit dem Hinweis, dass mein ganze Freundtschaft bey der Pauekunst herkommen, ja sogar bey Ihr Königl. Mayl. in Frankreich dermallen mein nechster Bluets Verwandter in Erpauung der köngl. Residenz unter den vornembsten Hauptpaumeistern ist.642

Den so wichtigen internationalen Ruf konnte man sich also auch mit Verweis auf die Verwandtschaft sichern. Schließlich heißt es in zeitgenössischen Quellen immer wieder, dass die verschiedenen Länder in ihrer künstlerischen Vorbildfunktion unterschiedliche Vorzüge hätten.643 So schreibt etwa Carl Gustav Tessin 1753, auf eine lange Tradition rekurrierend, dass Italien die Kunst der Außendekoration wie Fassaden repräsentiere, dass Frankreich Beispiele böte für die Innendekoration und die commodité, während Deutschland und Holland sich für das Studium des Funktionalen und Praktischen eignen würden.644 Das französische Modell war ab dem frühen 18. Jahrhundert zweifellos ein bevorzugtes Modell an einem reichsfürstlichen Hof wie dem der Wittelsbacher, jedoch musste sich diese aktive Bevorzugung immer durch die richtige Auswahl des Modells, den goût, bestätigen lassen, hatte doch schon Karl Eusebius von Liechtenstein betont: „Er aber is disfahls der Weislichste, thuet nach und erwehlet, was von denen anderen Nationen das Beste ist.“645 Der nächste wichtige Schritt liegt in der Art der Adaption, der Anverwandlung des Modells gemäß den Bedürfnissen des Rezipienten, der gezielt Elemente in seine Wirkungsfelder integriert. Gerade an den Beispielen der nach der Rückkehr Max Emanuels entstandenen Projekte wie dem Umbau des Schlosses Dachau ist zu erkennen, dass selbst nach den zahlreichen Exil-Jahren in Frankreich nicht von einer reinen Imitation des Vorbilds die Rede sein kann. Vielmehr ging es um die Rekonfiguration einer spezifisch Wittelsbacher Repräsentationskultur durch die Abstoßung alter sowie die Einbindung und Umdeutung neuer, prestigeträchtiger Bausteine des Modells.646

641 Lavagnino 1943, S. 67. Für die Kontinuität der Inanspruchnahme italienischer Künstler auch in Süddeutschland vgl. ebd. ff. 642 BHStA, HR I 96 Nr. 26. Niedersteiner 1997, S. 304, vermutet in dem Blutsverwandten Enrico Zuccalli. 643 Vgl. bereits oben, S. 206f., zur Einkaufspolitik anlässlich der verschiedenen Hochzeitsfeierlichkeiten. 644 Carl Gustav Tessin (1695–1770) schreibt dies anlässlich des Todes des Architekten Carl Harleman. Quelle bei Erik de Jong, Nicodemus Tessin the Younger travels to Holland in 1687, in: Symposium. Nicodemus Tessin the Younger (= Konsthistorisk tidskrift, 72) 2003, S. 35. 645 Liechtenstein 1670 (1910), S. 194f. Vgl. in Kapitel 2, S. 77. 646 ch halte es daher für problematisch, von einer Übertragung der in Frankreich erprobten Formen höfischer Rituale in den eigenen Kulturraum im Dienste einer „Re-Inszenierung“ zu sprechen, wie es Tillmann 2009, S. 272 vorschlägt.

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75  Joseph Vivien, Max Emanuel, 1717–19 (Neues Schloss Schleißheim)

Für die Orientierung bei der Auswahl dieser Bausteine und damit über die rein künstlerische Ebene, die Art der Inszenierung, hinaus war das Herrscher- und Legitimationsmodell von großer Bedeutung. In diesem Bereich konnte die noch relativ junge Dynastie der Bourbonen unter Ludwig XIV. für die Wittelsbacher – im Gegensatz etwa zu Brandenburg-Preußen647 – kein Modell bieten. Vielmehr handelte es sich bei den Wittelsbachern und den Bourbonen um divergierende Herrschaftsmodelle, innerhalb derer das Individuum, die Dynastie und das Territorium unterschiedlich gewichtet waren – eine auch für künstlerisch-repräsentative Projekte relevante Differenzierung. Bei den Wittelsbachern wird die Familie inszeniert, nicht der Herrscher allein wie in Versailles, dem „Monument Ludwigs XIV.“648 Vielmehr steht die Kontinuität der Herrschaft über den Erhalt der Dynastie im Zentrum: Max Emanuels Kapital, gerade nach 1715, waren seine sechs Kinder und damit ein dynastisches Kapital: Er kämpfte um den Aufstieg sei647 Dazu Hahn 1998b. Er betont aus der Perspektive von Brandenburg-Preußen, dass seit den 1660er Jahren die herrscherliche Größe des französischen Monarchen immer weniger durch den Rückgriff auf ein der Antike verpflichtetes normatives Ideal gepriesen wurde, stattdessen lobte man seine in der Gegenwart verorteten Herrschertugenden. Weitgehend frei von historischen Bindungen entwickelte man eine Vorstellung königlicher Würde, deren Legitimationsgründe sich durch einen hohen Grad an Universalität auszeichneten. 648 Zu Versailles als „Monument“ Ludwigs XIV. vgl. Krause 2008.

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76  Joseph Vivien, Therese Kunigunde, 1717–19 (Neues Schloss Schleißheim)

ner Söhne mit dem Einsatz aller diplomatischen, finanziellen und künstlerischen Argumente. So gab der Kurfürst im Januar 1717 bei dem französischen Maler Joseph Vivien eine Bildnisserie in Auftrag, die ihn und seine Frau Therese Kunigunde (Abb. 75, 76) sowie, in etwas kleineren Abmessungen, seine Kinder darstellen sollte.649 Zudem bildete das Konterfei Max Emanuels, als amtierendes Oberhaupt der Dynastie, den Abschluss einer Reihe von Büsten aus vergoldeter Bronze, jeweils ca. 40 cm hoch, die Karl den Großen, Otto von Wittelsbach, Ludwig den Bayern, Albrecht III. und Maximilian  I. zeigten.650 Das Porträt war ein wichtiges Legitimitations- und Persuasionsmittel im Rah649 Laut Quellen hat Max Emanuel am 17. Januar 1717 die beiden Porträts von sich selbst und seiner Gemahlin bei Vivien in Auftrag gegeben, am 19. Januar 1717 dann die Porträts seiner Kinder; vgl. Kat. Max Emanuel 1976, Bd. II, S. 206 und S. 222; dass diese Porträts eine Porträtserie hatten bilden sollen, wurde bisher nicht vermutet, ist aber wahrscheinlich. Über einen möglichen Aufstellungsort gibt es bisher auch keine Vermutungen. Es könnte sich um die Porträts handeln, die später im Südlichen Pavillon des Neuen Schlosses Schleißheim erwähnt werden: „Vivien La famille de Baviere de S.A.E. Maximilien“; Inventar 1750 (Schleißheim). In den 1720er Jahren werden die Porträts noch in der Residenz erwähnt. Vgl. auch Börsch-Supan 1963, S. 186, 188, und das eigenhändige Verzeichnis Viviens von den für Max Emanuel geschaffenen Werke (ebd., Arch. 24, S. 194ff.). 650 Kat. Max Emanuel 1976, Bd. II, S. 219, Nr. 492; Kat. BNM 1956, S. 193.

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men der Forderung nach der Führungsrolle der Wittelsbacher im Reich. Das genealogische Argument entspricht dem Legitimationsmodell, das besonders die Habsburger mit einer enormen Vielfalt inszenierten. Die Wittelsbacher, die hierin auch eine lange Tradition aufweisen konnten, traten auf diesem Feld der konkurrierenden Modelle mit den Habsburgern sehr häufig in den Wettstreit. Dies wird auch bei den abschließenden Überlegungen zu den ersten Regierungsjahren des Kurfürsten Karl Albrecht nochmals deutlich werden. Die für die Max Emanuel-Zeit relevante Differenzierung zwischen einem künstlerischen, einem Herrschafts- und einem Legitimationsmodell prägt auch die nachfolgende Kurfürstengeneration.

5.  Nach 1726: Karl Albrecht – Le goût moderne in Kurbayern?

Voraussetzungen und Rahmenbedingungen Ende Juni 1725 reiste Duc de Richelieu nach München, um die Heirat des französischen Königs Ludwigs XV. mit der Tochter des polnischen Königs Stanislas’ I. Leszczynski bekanntzugeben.651 Der Duc berichtet, Kurfürst Max Emanuel habe ihn gebeten de venir diner a une maison de Campagne qu’il a fait batir depuis son retour de France, qu’il vouloit me faire voir.652

Während des Essens wurde über die Hochzeit des Königs gesprochen, nach dem Essen begab man sich „a la promenade“; der Kurfürst zeigte dem Herzog die Gärten und „la maison“. Schließlich fuhr man nach München, wo ihn Max Emanuel bat „de voir son Palais de Münic, son tresor et plusieurs autres Curiositéz de la Ville“.653 Der Franzose resümiert: „la plus grande partie [de cette cour] a du goût et de l’inclination pour les francois“, jedoch gäbe es auch „quelques allemands qui pensent differement“. Er sei indes sicher, „que la partie la plus considerable a l’esprit et le coeur francois“.654 Die Reise des Gesandten nach München diente also nicht allein der Bekanntgabe der königlichen Hochzeit, sondern auch der Erforschung der Atmosphäre in den politischen Beziehungen zwischen Frankreich und Kurbayern. Richelieu erwähnt dabei zwar, dass ihm während seines Besuchs die Wittelsbacher Schlösser gezeigt wurden; er schreibt jedoch nichts über ihre bauliche Gestalt. Sein Interesse galt der politischen Haltung der Hofmitglieder, und er war zuversichtlich, dass die einflussreichen Mitglieder für Frankreich eingenommen seien. In dieser politischen Lage übernahm ein gutes halbes Jahr später, nach dem Tode Max Emanuels am 26. Februar 1726, der Kurprinz Karl Albrecht die Regierung in Kurbayern. Ein kurzer, die Studie abschließender Blick soll im Folgenden den ersten Jahren seiner Regierungszeit gewidmet sein und damit einer Zeit, als das „Modell Frankreich“ – so die Forschung – in den reichsfürstlichen Residenzen weitgehend Einzug gehalten habe. Die Voraussetzungen und Rahmenbedingungen, die die Prozesse des Kulturtransfers und der Rezeption von Modellen betreffen, unterscheiden sich wiederum von denen der beiden vorherigen Generationen. Karl Albrecht, 1697 geboren, hatte eine andere Ausbildung und Erziehung als seine beiden Vorgänger Ferdinand Maria und Max Emanuel genossen. Er hatte die Zeit während des Exils seines Vaters in Österreich verbracht 651 Bericht De Vaux vom 30. Juni 1725: „Il [Duc de Richelieu] est allé hier trouver l’Electeur de Bavière a une des ses maisons de plaisance.“ AAE, CP, Bavière, Bd. 70 (1725), fol. 39. 652 Um welches Schloss es sich handelt, ist leider nicht eindeutig zu klären; vermutlich war es Fürstenried. 653 Bericht des Duc de Richelieu vom 14. Juli 1725; AAE, CP, Bavière, Bd. 70 (1725), fol. 43–50, hier fol. 43. 654 Ebd., fol. 46.

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und war dort erzogen worden.655 1716 stellt Johann Michael von Loen während seines Besuchs in München Karl Albrechts österreichische Prägung fest, vermutet aber einen baldigen Wandel, der sich der Präsenz von Franzosen am Wittelsbacher Hof verdanke: Man siehet an seinem oesterreichischen und ernsthaften Wesen, daß er unter der Vormundschaft des Wiener Hofes ist erzogen worden. Er dürfte aber bald Französische Manieren bekommen; denn es sind lauter Franzosen um ihn.656

Karl Albrechts zukünftige politische Rolle war immer wieder Gegenstand von Überlegungen gewesen, von Wittelsbacher wie von Habsburger Seite. 1712 fand in Namur eine Unterredung Max Emanuels mit einem Gesandten des Wiener Hofes, Graf Löwenstein, statt über die Erwägungen des Kaisers, den Kurprinzen mit der Tochter Josephs I. zu verheiraten. Karl Albrecht sei ja ohnehin österreichisch erzogen, heißt es,657 ihm solle die Stellung eines Erzherzogs eingeräumt werden. Zentrales Thema war hier, wie schon in den Generationen zuvor, das habsburgische Erbe, zumal der Kaiser zu jener Zeit noch kinderlos war. Im Februar 1715, also noch vor der Rückkehr Max Emanuels, wurde Karl Albrecht der Orden vom Goldenen Vlies verliehen,658 eine der höchsten habsburgischen Auszeichnungen. Im selben Jahr begab sich der Kurprinz mit seinen Brüdern Ferdinand Maria und Johann Theodor auf eine Italienreise,659 und auch hier finden sich Hinweise auf die Loyalität gegenüber dem Kaiser; so schreibt Karl Albrechts Biograph Moser, dass Turin eigens ausgespart wurde: Nach Turin aber gieng er nicht, und dieses zwar aus der Ursach, weil er mit dem vom Savoyschen Hause prätendirten Königl. Titul den Kayserl. Hof nicht gerne beleidigen wollte.660

Die österreichische Ehrerweisung zeigt sich umgekehrt etwa in dem Besuch Karl Albrechts in Wien 1717 in Begleitung seines Bruders Ferdinand Maria. Moser berichtet über die zuvorkommende Behandlung durch den Kaiser: 655 Im Mai 1706 waren die vier ältesten Söhne Max Emanuels nach Klagenfurt abgeführt worden. Karl Albrecht wurde also im Grunde österreichisch erzogen. Zur Zeit zwischen 1704 und 1715 sehr ausführlich Finsterwald/Ludewig 1749, S. 2370ff. Vgl. auch die Karl Albrecht-Biographie von Hartmann 1985. 656 Loen 1749–1752 (1972), Bd. IV, S. 364. Vgl. auch den Brief von Joseph Clemens vom 4. November 1715 an Karg von Bebenburg (bei Ennen 1851, S. CXCVII), in dem er den Charakter seiner Neffen beschreibt; zu Karl Albrecht: „Der Churprinz ist ein braver herr und zeiget in mich gar eine grosse confidenz und vor seinen herrn Vattern grossen respect. Es zeiget zwahr sich in ihme ein grosse Inclination vor die Weiber, spilen und den Wein, allein mit der Einwendung, das solches seiner reputation nachtheillig sein kundte, kann man ihn gar leichtlich abhalten.“ 657 Heigel 1884c, S. 203f. 658 Moser 1745, S. 5. Zum Zeremoniell vgl. Staats-Geschichte Bayern 1743, S. 304ff.; es werden verschiedene Zimmer, Neben-Retiraden etc. genannt. Die Verleihung selbst fand statt in der „zu dieser Verrichtung kostbar ausgezierten Inner-Österreichischen geheimen Raths.Stuben [...] allda war ein aufgerichteter Baldachin, darunter Ihro Röm. Kayser. Maiestät Bildniß aufgemacht“. 659 Reise Karl Albrecht 1715 (1971). 660 Moser 1745, S. 6.

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Carl VI. gieng ihm bis an die Thür der Kayserl. Retirade entgegen, und ließ ihn hernach niedersitzen. Er begleitete ihn auch nach diesen wiederum bis an besagte Thür.661

Die Heirat mit der jüngeren Tochter Josephs I. Maria Amalia (1722) festigte die bayerisch-habsburgischen Beziehungen, die jedoch 1725 durch die Reise nach Frankreich anlässlich der Vermählungsfeierlichkeiten des Königs Ludwig XV. mit Maria Lesczynska problematischer wurden, da dieser Besuch als ein Affront am Wiener Hof gelten musste. Kurfürst Max Emanuel hatte die Einladung zu den Hochzeitsfeierlichkeiten angenommen, konnte aber selbst nicht reisen. Als Vertreter des Kurfürsten erschienen neben Karl Albrecht drei seiner Brüder in Fontainebleau.662 Den bayerischen Prinzen wurden Auszeichnungen zuteil, wie sie, um mit den Worten des Kanzlers Unertl zu sprechen, in Wien nicht einmal der regierende Kurfürst empfangen würde, Auszeichnungen, die zu beunruhigenden Gerüchten am Wiener Hof Anlass gaben.663 Einige Wochen war Karl Albrecht in Paris und Versailles. Der Eindruck wird, ähnlich wie bei seinem Vater gut zehn Jahre früher, prägend gewesen sein: So liest man in der kunsthistorischen Forschung, dass dieser Besuch 1725 für Karl Albrecht ebenso wie für seinen Bruder Clemens August ein „Schlüsselerlebnis“ gewesen sei, zumindest habe Clemens August hier den „nachhaltigsten Eindruck empfangen“, welcher ihn zum „Anhänger des Régencestiles“ machte.664 Die Wittelsbacher Prinzen wohnten beim Prinzen Condé in Chantilly, dessen Petit Chateau mit dem Appartement des Prinzen 1722/23 gerade vollendet war. Der Herzog von Bourbon gab ihnen zu Ehren Feste. Der König lud sie zur Jagd ein. Sie besichtigten die königlichen Schlösser und konnten in Paris, im Faubourg St. Germain (Rue de Varenne, Rue de Grenelle), die Neubauten einiger Hôtels bewundern. Jedoch ist auch ein deutliches Selbstbewusstsein den künstlerischen Errungenschaften im eigenen Territorium gegenüber zu spüren: In einem Brief Karl Albrechts an seinen Vater, in welchem er Schleißheim mit Versailles und Chantilly vergleicht, stellt er fest:

661 Ebd., S. 7f. Er verweist auf die Staats-Geschichte Bayern 1743, S. 313f. Es heißt weiterhin, Karl Albrecht sei „im Stratmannschen Haus einlogieret“, welches „mit kayserlichen Kosten und kayserlichen Spalieren auf das prächtigste ausgezieret gewesen“. Er reiste zudem mit dem Kaiser nach Laxenburg, aß dort zu Mittag „und spielete hernach mit ihm“. Siehe auch Rohr 1733 (1990), S. 374f.; ausführlicher noch Lünig 1719/20, S. 186–188. 662 Zur Rekonstruktion der Reise (25. August bis 29. November 1725), die auch in die Niederlande führte, kann das Tagebuch des Grafen Maximilian von Preysing dienen (BayStB, Cgm. 5456; Kalender 1717–63). Graf Preysing und Graf Törring waren Begleiter. Karl Albrecht sollte die Bündnisverhandlungen seines Vaters fortführen. Er reiste incognito als Graf von Haag, Ferdinand als Graf Kling, Clemens August als Abt von Stromberg, Johann Theodor als Abt von Wasserburg. Siehe auch Mercure de France, Nov. 1725, S. 2682ff. 663 Doeberl 1900, Bd. I, S. 586. Es hieß, der König habe dem Kurprinz Karl Albrecht einen Degen verehrt, und Karl Albrecht habe sich verpflichtet, denselben zum Ruhme des Franzosenkönigs zu führen. 664 Vgl. Kat. Clemens August 1961, S. 127.

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„[...] j’ayoutte que Versailles et Chantilli, ne scauroient me degoutter de Schleisheimb.“665 Auch der Reisebegleiter der Prinzen, Graf Preysing, schreibt: Unsere Prinzen sind sehr entzückt über alles Gesehene, sie würden aber ebensowenig wie ich Bayern gegen Frankreich vertauschen wollen.666

Karl Albrecht hatte demnach in frühen Jahren als Kurprinz bereits unterschiedliche Repräsentationsformen an den verschiedenen Höfen in Österreich (wo er während des Exils seines Vaters erzogen worden war), in Italien (wohin ihn 1715 eine längere Reise führte) und in Frankreich (wo er 1725 an den Vermählungsfeierlichkeiten des französischen Königs teilnahm) aus eigener Anschauung kennengelernt. Sein später bevorzugter Architekt François de Cuvilliés – er verdrängte 1728 den Hofarchitekten Joseph Effner von dessen Posten – war Anfang der 1720er Jahre von Max Emanuel erneut nach Paris geschickt worden.667 Paris hatte sich inzwischen fast unumschränkt als Hauptstadt höfisch-adeliger Kunst und Architektur etabliert. Jedoch wird bei Karl Albrecht eine Entwicklung weiter voranschreiten, die sich bereits unter Max Emanuel andeutete und die im Rahmen unserer Fragestellung nach Kulturtransfer und der Rezeption von Modellen von großer Bedeutung ist: die zunehmende Beschäftigung einheimischer Künstler.668 Schon bei Max Emanuel war auffällig, dass er mit dem Dachauer Joseph Effner einen kurbayerischen Architekten zum Hauptbaumeister Schleißheims ernannt hatte. Gezielt schickte er einheimische Künstler wie Joseph Effner, Adam Pichler oder Franz Xaver Joseph Spaett zur Weiterbildung nach Paris oder, im Falle Effners, auch nach Italien. Im Vordergrund stand die hervorragende Ausbildung der Künstler, mit dem Ergebnis, dass einheimische Kräfte zunächst mit diesen Kenntnissen überfordert waren und sich deshalb die Ausführung der Projekte oftmals verzögerte.669 1718 hatte Max Emanuel eine Gobelinmanufaktur gegründet: Wie sein Vater und sein Großvater war auch Max Emanuel bedacht, die Kunstgewerbe, deren Erzeugnisse bisher aus dem Ausland bezogen worden waren, im Inland selbst einzuführen.670 Hierzu berief er zunächst französische Meister, die aber nach und nach von einheimischen Kräften ersetzt wurden. Die Stukkatoren- und Bildhauerwerkstätten Johann Baptist Zimmermanns und seiner Schüler, Johann Baptist Straub und Ignaz Günther, die „französische Schlosserei“ (erst unter der Leitung Antoine Mottés und François Honards, dann unter der Nikolaus Berneckhers), die Werkstätten der Hofkistler Adam Pichler, Joachim Dietrich und Wenzeslaus Mirovsky beschäftigten zahlreiche einheimische Kräfte. 665 Karl Albrecht an Max Emanuel, 2. November 1725; GHA, Nachlass Hausurkunden Nr. 1796 1/5 Ia; siehe bereits in Kapitel 2, S. 85. 666 Preysing an Mörmann, 14. Oktober 1725; Zitat bei: Anton von Ow, in: AM, 6, 1906, S. 114. 667 Braunfels 1986, S. 10. 668 Hauttmann 1913, S. 59. Eine ähnliche Entwicklung kann man in Brandenburg-Preußen beobachten (Schlüter, Eosander Freiherr Göthe, Knobelsdorff). 669 Vgl. in Kapitel 2, S. 72, die Quelle, die darüber Aufschluss gibt, dass die einheimischen Handwerker mit Pichlers Kenntnissen nach dessen Rückkehr aus Paris produktiv nichts anfangen konnten. 670 Vgl. in Kapitel 2, S. 72, und in diesem Kapitel, S. 169, die Bemühungen des Ökonomen Becher in der Regierungszeit Ferdinand Marias.

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Kurfürst Karl Albrecht folgte nicht nur dem Beispiel seines Vaters, sondern verfuhr sogar noch konsequenter: In den höfischen Werkstätten mussten auf landesherrlichen Befehl Landeskinder aufgenommen werden, bei den höfischen Bauten wurden fremde durch einheimische Kräfte ersetzt. Ob sich die Kurfürsten bewusst von einem volkswirtschaftlichen Gedanken leiten ließen, ist nicht erwiesen. Jedenfalls riefen sie dadurch einen großen Aufschwung der Münchner Kunst und des Münchner Kunstgewerbes hervor.671 Ab dem dritten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts waren nur noch wenige französische Künstler in München, was nicht allein der finanziellen Situation zuzuschreiben ist. Indes berief Karl Albrecht nicht nur so gut wie keinen ausländischen Künstler nach München, vielmehr schickte er auch keine jungen einheimischen Künstler zur Ausbildung nach Paris.672 In Schleißheim arbeiteten unter Karl Albrecht 1726–29 fast nur einheimische Künstler. Selbst für François de Cuvilliés, den bevorzugten Architekten Karl Albrechts, gilt, so hat es Braunfels überzeugend herausgearbeitet, dass er keine andere Heimat hatte als den Münchner Hof.673 Das erklärt auch die Eigenwilligkeit eines Baus wie der Amalienburg im Nymphenburger Park, die sich zweifellos an französischen Maisons de Plaisance orientiert, die aber letztlich nicht im Park von Versailles oder Marly hätte errichtet werden können.674 Dort waren zudem ebenfalls nur kurbayerische Künstler tätig: Neben Cuvilliés als Architekt waren es Johann Baptist Zimmermann, Joachim Dietrich, Georges Desmarées und Peter Jakob Horemans. Indes soll hier zum Abschluss wiederum die Münchner Residenz als wichtigster Bau im Wittelsbacher Repräsentationsspektrum im Mittelpunkt stehen, um die Veränderungen in dieser dritten Generation nach Ferdinand Maria und Max Emanuel in Augenschein zu nehmen. Dort begannen neuerliche Umbauarbeiten im kurfürstlichen Appartement nach Karl Albrechts Rückkehr aus Frankreich, ab ca. 1725/26.

Das erste Appartement des Kurfürsten Karl Albrecht in der Residenz (1726–29) Wie an anderer Stelle kurz erwähnt, wohnten Karl Albrecht und Maria Amalia zunächst in den von Joseph Effner umgestalteten ehemaligen Ratszimmern im östlichen Kaiserhoftrakt (Abb. 16), bevor nach dem Tod Max Emanuels 1726 das Kurfürstenappartement im Grottenhoftrakt umgebaut und erweitert wurde. Es gab zwei Umbauphasen unter Karl Albrecht: Das erste Appartement, ab 1726 gebaut und ausgestattet, ist 1729 in einem Brand zu großen Teilen zerstört worden. Das zweite Appartement, das noch 671 Vgl. auch Hans Stöcklein, Meister des Eisenschnitts, München 1911. 672 Hauttmann 1913, S. 104. 673 Er war seit 1706 am Hof Max Emanuels. Max Emanuel hatte ihn 1720–24 nochmals nach Paris geschickt. Vgl. Braunfels 1986, S. 10, zur Einschätzung von Cuvilliés’ beruflichem Werdegang. 674 Braunfels 1986, S. 14. Braunfels weist nach, dass sich die Amalienburg zwar hinsichtlich der Rationalität ihres Grundrisses den Lehren französischer Architekturtraktate fügt, jedoch hätte vermutlich der Außenbau in seiner Bewegung, den geschwungenen Linien, den Formen seines Dekors Kritik bei den Franzosen ausgelöst. Zur Amalienburg vgl. auch Hojer 1986.

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77  München, Residenz, Grundriss des Hauptgeschosses, François Cuvilliés, 1664/65 Detail: Grottenhoftrakt, Kurfürstliches Appartement 1 Ritterstube 2 Erste Antichambre 3 Zweite Antichambre (Inventar 1748 Chambre d’Audience) 4 Audienzzimmer (Inventar 1748 „Chambre du Conseil“) 5a-c Grüne Galerie 6 Treppe 7 Konferenzzimmer oder Großes Kabinett 8 Paradeschlafzimmer 9 Spiegelkabinett 10 Miniaturenkabinett

heute als die „Reichen Zimmer“ (großteils rekonstruiert) besteht, wurde zwischen 1730 und 1737 gebaut und ausgestattet, ergänzt durch den Neubau eines Treppenhauses, das die Verbindung zwischen der zum Paradeappartement gehörenden Grünen Galerie und dem Residenzgarten herstellte (Abb. 77).675

675 Zur Bau- und Ausstattungstätigkeit Karl Albrechts in der Residenz vgl. besonders Klingensmith 1993, S. 44–47; Graf 2002, S. 160–248.

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78  Appartement Karl Albrecht ab 1726, 1729 zerstört, Rekonstruktion anhand der teilweise in den Quellen genannten Fensterachsen; die Wände sind angedeutet (verwendet wurde als Grundlage der Pariser Plan mit Tekturen; vgl. Abb. 36) 1 Französisches Kabinett (2 Fensterachsen, 6 Türen) 2 Bayerisches Kabinett (3 Fensterachsen, 3 Türen) 3 Österreichisches Kabinett (2 Fensterachsen, 4 Türen) mit vermutlich durchbrochener Trennwand zu den Sommerzimmern 4 Schlafzimmer mit Alkoven (2 Fensterachsen) mit vermutlich durchbrochener Trennwand zu den Sommerzimmern 5 Bronzenkabinett (2 Fensterachsen) 6 Indianisches Kabinett (1 Fensterachse)

Drei Aspekte erscheinen an den umfassenden und höchst qualitätsvollen Maßnahmen im kurfürstlichen Appartement als besonders bemerkenswert: Erstens schreitet gegenüber dem Appartement Max Emanuels die Ausdifferenzierung staatspolitisch-repräsentativer Funktionen im sogenannten privaten Bereich weiter voran. Zweitens wurde eine klare Axialität bevorzugt und das Vorgänger-Appartement entsprechend modifiziert. Drittens dehnte Karl Albrecht seine Umbaumaßnahmen auf das Erdgeschoss aus, so dass Erdgeschoss und Hauptgeschoss – verbunden durch die aufwändige Treppe – als Einheit begriffen und gedeutet werden müssen. Der Zugang zum Appartement erfolgte jedoch noch immer, wie bei Max Emanuel, über die Breite Treppe mit ihrem Vorplatz und den Herkulessaal zur Ritterstube (Abb. 15). Auffallend bei diesen Umbauten ist ein Umstand, der schon unter Max Emanuel festgestellt wurde: Wie der Vergleich des Pariser Plans (Abb. 36) mit dem Plan François‘ de Cuvilliés (Abb. 77) veranschaulicht, blieben die ersten drei Räume des Appartements seines Vorgängers (Ritterstube, Antichambre, Audienzzimmer) auch unter Karl Albrecht nahezu unverändert; sie wurden lediglich vergrößert und mit östlich angrenzenden Anräumen (Dégagements) versehen. Nur das Audienzzimmer Max Ema-

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nuels (Abb. 36, Nr. 3) wurde zu einer weiteren Antichambre umgewandelt (Abb. 77, Nr. 3). Die Bemühungen gerade um den Ausbau des privaten Audienzbereichs waren in dem ersten Umbau des Appartements sogar noch augenfälliger. Dieses unter der Leitung Joseph Effners ab 1726 entstandene und im Brand vom 14. Dezember 1729 fast vollständig zerstörte Appartement kann nur noch mühsam rekonstruiert werden. Karl Albrecht berichtet seinem Bruder Clemens August nach dem Brand: Das sogenanndte Cabinet des bronzes, mein Schlaffzimmer, und das österreichische Cabinet ist völlig in rauch aufgegangen; das bayerische ist auch ziemlich ruiniert, und muß also mit meinen Gebäuen wider von neuen anfangen.676

Der durch das Feuer angerichtete Schaden wird unterschiedlich beziffert. Der französische Gesandte meldet, dass fünf oder sechs Räume durch das Feuer zerstört wurden, cinq ou six pieces de l’Appartement qu’il a nouvellement batti avec beaucoup de soin et d’ornement, qui n’etoient qu’a peine achévée, et n’etoint pas même encore meublées tout a fait, ont été entierement consumée. Tableaux rares et prétieux, Bronzes Antiques d’une grande beauté, magnifiques Porcelaines, Meubles riches et d’un grand gout, beaucoup d’autres curiositéz encore.677

Dennoch lassen sich aus von Henriette Graf gehobenen Quellen678 weiterreichende Schlüsse ziehen. Denn dieses Appartement unterscheidet sich in der Anzahl der Räume und der Ausstattung deutlich von den späteren „Reichen Zimmern“. Der Anstoß zum Umbau des Kurfürstenappartements ging noch von dem kränkelnden Max Emanuel Anfang des Jahres 1726 aus, um „in Winterszeit eine bequemliche Wohnung für ihre eigene höchste Person haben können“.679 Ob Max Emanuel, der am 26. Februar 1726, also wenige Wochen nach Planungsbeginn, starb, noch großen Anteil an der Konzeption des Appartements hatte, erscheint eher unwahrscheinlich. Zudem bleibt die in der Forschung herrschende Meinung nur eine Behauptung, wonach der in Frankreich geschulte Joseph Effner „dem nun am Münchner Hof vorherrschenden französischen Geschmack Rechnung tragen“ sollte.680 676 Karl Albrecht an Clemens August, 16. Dezember 1729; zitiert nach Graf 2002, S. 172. 677 De Rezai an Ludwig XV., 17. Dezember 1729; AAE, CP, Bavière, Bd. 78, fol. 229 (ein Postscriptum an seinen eigentlichen Bericht). Vgl. auch die in Kat. Möbel 1995, S. 14, publizierte Quelle (Brief des Grafen Törring an den bayerischen Gesandten am französischen Hof ): Das Feuer habe das „neue Appartement, das aus zwei Antichambres, dem Schlafzimmer, einem großen und einem kleinen Kabinett bestand“ verbrannt. Tagebuch Karls VII. 1740–44 (1883), S. 232f. 678 Es handelt sich um eine Abrechnung des Hofkistlers Johann Adam Pichler vom 11. August 1729 (BayHStA, HR I, Fasz. 120/107, fol. 1–11); publiziert bei Graf 2002, S. 279–284. Trautmann 1893, S. 5, erwähnt die Quellen ebenfalls, nutzte sie aber nicht zu einem Rekonstruktionsversuch. Zu dem Appartement vor allem Graf 2002, S. 167–173. 679 Erlaß vom 25. Januar 1726. Zitiert nach Hauttmann 1913, S. 156 (er schrieb fälschlicherweise 1725). 680 Langer, in: Kat. Möbel 1995, S. 14.

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Diese ersten Umbauarbeiten, die zeitlich parallel zu ebenfalls intensiven Umbauarbeiten in der Wiener Hofburg vonstatten gingen,681 erfolgten im Bereich der unter Max Emanuel eingerichteten Sommerzimmer und der ursprünglichen Kammergalerie (Abb. 78, vgl. auch Abb. 36, 77): Hinter der Ritterstube, dem Vorzimmer sowie dem Audienzzimmer, also Räumen, die denjenigen Max Emanuels entsprachen, lag das sogenannte „Französische Kabinett“ an der Stelle des Großen Kabinetts, dann folgte das „Churfrtl. Rhat- oder Geheime Conferenz-Zimmer“ (das „Bayerische Kabinett“), die „Antechambre“ („aussere Cabinet“)682, auch „Österreichisches Kabinett“ genannt, und das Schlafzimmer mit Alkoven;683 danach schlossen sich zwei Kabinette an: Neben einem „indianischen Cabinetl“ war es das berühmte Bronzenkabinett, dessen Verlust im Brand 1729 von Karl Albrecht besonders bedauert wurde. Im Bereich der ehemaligen Sommerzimmer Max Emanuels befanden sich vermutlich weitere Schatzkabinette und Sammlungsräume.684 In diesem Appartement liegt somit ein vor dem Schlafzimmer disponierter, höchst ausgeklügelter „Innerer Audienzbereich“ vor, der nicht mehr, wie bei Max Emanuel aus einem Großen Kabinett (Abb. 36, Nr. 4) oder der Retirade wie im Leopoldinischen Trakt der Wiener Hofburg (Abb. 28) bestand, sondern im Anschluss an das Audienzzimmer zwei Kabinette vor dem Schlafzimmer aufwies – wobei mangels Quellen die genaue Funktion dieser einzelnen privaten Empfangsräume, der zwei „Inneren Audienzzimmer“, unklar bleibt. Hervorzuheben ist auch die Ausstattung dieser insgesamt drei Kabinette, die durch Spiegel und Porträts dominiert wurde. Hier hingen, wie es der Name des jeweiligen Raumes andeutet – in der Folge „französisches“, „bayerisches“, „österreichisches“ Kabinett – die Porträts der Vertreter des jeweiligen Herrscherhauses. Nur gelegentlich werden in den Quellen genaue Hinweise auf die Dargestellten gegeben, z. B. den Kaiser mit Gemahlin und Prinzessin im Österreichischen Kabinett.685 Die politische Position Kurbayerns zwischen Habsburg und Bourbon erhält hier somit größtmögliche Anschaulichkeit. Dabei war das „Bayerische Kabinett“ (Abb. 78, Nr. 2) als „Rats- oder Geheimes ConferenzZimmer“ der durch drei Fensterachsen ausgezeichnete bedeutendste, wenngleich nicht der am kostbarsten ausgestattete Raum.686 681 Zwischen 1726 und 1728 gab es eine intensive Plantätigkeit in der Wiener Hofburg; dazu Benedik 1989. 682 So wird der Raum in einer weiteren wichtigen, bei Graf 2002, S. 287–294, publizierten Quelle über Vergoldungsarbeiten genannt (hier S. 291). 683 Die genauen Arbeiten am Alkoven werden in der Abrechnung Pichlers beschrieben; vgl. Anm. 678, fol. 4vf. 684 Vom Österreichischen Kabinett gab es eine Tür zur Schatzkammer, weshalb sich dieses vermutlich auf der Höhe des kleinen Balkons zum Residenzgarten befand. 685 Karl VI. mit seiner Gemahlin Elisabeth Christine von Braunschweig und deren Tochter und Erbin der österreichischen Erblande, Erzherzogin Maria Theresia. Das genaue Zitat bei Graf 2002, S. 291. 686 Das waren laut der Rechnungen das Schlafzimmer und das Audienzzimmer (Französisches Kabinett). Allein die Vergoldungen des Plafonds beliefen sich auf eine Summe, die alle anderen Aufwändungen übertraf; vgl. Graf 2002, S. 171.

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Die genaue Anzahl der Bildnisse in den drei Kabinetten lässt sich mit Hilfe der Quellen nicht rekonstruieren. Die Porträts waren teilweise sehr groß, ihre Rahmen reichten „vom poden bis an carnis“,687 und sie wurden flankiert von ebenso großen gerahmten, aus Frankreich stammenden Spiegeln, getrennt durch vergoldete „Pilläster“. Spiegel waren zudem auch oberhalb der Kamine angebracht. Eine Lambris-Zone gab es in diesen Kabinetten offenbar nicht; sie wird hier in den Quellen im Gegensatz zum Schlafzimmer und den darauffolgenden Kabinetten nicht erwähnt. Diese Ausstattung mit Porträts im kurfürstlichen Appartement – außerhalb von Bildnisgalerien – ist in der Münchner Residenz höchst ungewöhnlich. Porträts waren im Appartement Max Emanuels lediglich in den Sommerzimmern, also in einem der Sammlung dienenden Nebenbereich des Appartements, zu finden,688 nicht aber in den Räumen, die einer (auf hochrangige Personen beschränkten) staatspolitischen Repräsentation dienten. Indes gibt es ein Vorbild bei den Wittelsbachern selbst, nämlich in der Residenz des Kölner Kurfürsten in Bonn. Joseph Clemens hatte, erstmals in der Wittelsbacher Repräsentationsgeschichte, eine genealogisch konzipierte Porträtreihe innerhalb seines, also des kurfürstlichen Appartements, anlegen lassen: im sogenannten „Cabinet de Bavière“, das auf das Audienzzimmer (den Thronsaal) als letzter Raum vor dem Schlafzimmer folgte (Abb. 79, Nr. 6). Damit griff Joseph Clemens eine im Wittelsbacher Kontext bisher den Kurfürstinnen vorbehaltene Repräsentationsform auf; im Audienzzimmer Henriette Adelaides hingen, wie erläutert wurde, ebenfalls Porträts, nämlich Savoyer und Wittelsbacher Bildnisse (Abb. 22, Nr. 3).689 Diese Porträt-Ausstattung beschränkte sich aber nur auf den einen Raum, der zudem das offizielle oder äußere Audienzzimmer war, während das „Cabinet de Bavière“ in Bonn als inneres Audienzzimmer, als Chambre du Conseil, diente, entsprechend dem „Großen Kabinett“ im Appartement des Kurfürsten in München. Dennoch war die Anlage im Appartement Karl Albrechts mit drei Räumen und der Präsentation dreier Dynastien im Bildnis noch eine Steigerung der Bonner Lösung mit der Präsentation der Wittelsbacher Porträts in nur einem Raum. In Frankreich finden sich keine vergleichbaren Konzepte. Jedoch im Herzogtum Savoyen gab es eine ähnliche Anordnung, nämlich im nahe Turin gelegenen Schloss der Venaria Reale: Das Inventar von 1711 verzeichnet Bildnisse unterschiedlicher Dynastien sogar in vier nebeneinander liegenden Räumen, wobei es in der „Camera di Parada“ die Bildnisse der Kaiser waren, „ritratti delli Imperatori“, womit die antiken Kaiser gemeint sind. In der „Stanza attinente alla sudetta“ waren es die französischen Könige, in der wiederum angrenzenden Camera die englischen Könige. Die Bildnisse in diesen drei Räumen waren kleinformatig, dafür sehr zahlreich vertreten (40, 36 und 42 Stück), während der vierte Raum mit den (erwartungsgemäß) königlichen Vertretern der Savoyer Dynastie vier großformatige Bildnisse aufwies, „quattro quadri grandi rapresentanti li Reali predecessori della R. Casa

687 Zitat ebd., S. 292. 688 Vgl. oben S. 236. 689 Vgl. oben S. 182.

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Bonn, Residenz, Grundriss, Hauptgeschoss: Appartement des Kurfürsten 1 Erste Anti-Salle 2 Zweite Anti-Salle 2a Speisesaal 3 Erste Antichambre 4 Zweite Antichambre 5 Audienzzimmer 6 Cabinet de Bavière = Chambre de Conseil 7 Chambre de Parade 8 Cabinet des glaces 9 Galerie

di Savoia“.690 Die Präsentation der königlichen Verwandten in England und Frankreich sowie der antiken Kaiser, innerhalb derer die Könige der eigenen Savoyer Dynastie in der Würdeform des Großformats erscheinen, lässt auch den Sinn dieser Anordnung erkennbar werden: die Vorbereitung auf den erhofften Königstitel, dessen man sich würdig erweisen wollte und den man 1713 im Frieden von Utrecht erlangen würde. In München wird ein ähnlicher Gedanke bei dem Ausstattungskonzept der drei Kabinette vor dem Schlafzimmer leitend gewesen sein:691 Man wollte sich im Kreise der bourbonischen und habsburgischen Verwandtschaft als würdig erweisen, die Nachfolge des Kaisers antreten zu können. Die Kaiser selbst waren ebenso im Appartement ver690 Das Inventar der Venaria Reale von 1711 ist publiziert in: Figure del barocco 1988, S. 158–162. Die hier genannten Verweise S. 161f. Wann diese Bildnisse in der Venaria Reale angebracht wurden, ist unklar. 691 Vielleicht war die savoyische Variante bekannt; indes wissen wir, dass Karl Albrecht selbst auf seiner Italienreise 1715 das Herzogtum gemieden hatte.

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treten: In den ersten drei Räumen nach der Ritterstube (Abb. 77) hingen jeweils über der Tür die insgesamt zwölf Kaiserporträts, wobei der zwölfte dargestellte Vertreter der Wittelsbacher Ludwig der Bayer war.692 Im Erdgeschoss, genau unterhalb dieser neu eingerichteten Räume, entstand 1726–30, also zeitgleich mit dem zunächst umgebauten Appartement im Hauptgeschoss, eine weitere Ahnengalerie.693 Diese war über den vorgelagerten Saal zu erreichen, der die ebenfalls ab 1726 neu eingerichteten Gelben Zimmer694 – das Privat-Appartement Karl Albrechts – erschloss. Es bestand aus zwei Vorzimmern, einem Schlafzimmer und Kabinett und war mit dem Hauptgeschoss über die 1731 vollendete prachtvolle Treppe verbunden, die den Zugang zur Grünen Galerie vom Residenzgarten erschloss. Mit dieser Einrichtung eines Appartement privé wurde jedoch nur im Ansatz Neues geschaffen, denn es gab in diesem Bereich des Erdgeschosses bereits ein oder mehrere Appartements unter Maximilian I. und Max Emanuel.695 Erstaunlich neu war hingegen die architektonisch-repräsentative Verbindung der beiden Appartements durch die Treppe.696 Sehr wahrscheinlich hat Joseph Vivien als der meistbeschäftigte Porträtmaler am Hof zumindest die Wittelsbacher Bildnisse für das „Bayerische Kabinett“ geschaffen. In Verbindung mit den großformatigen französischen Spiegeln liegt somit, ähnlich wie es bei Max Emanuels Projekten gerade nach der Rückkehr aus dem Exil zu beobachten war, eine Synthese aus einer französisch geprägten künstlerischen Inszenierungsform mit einem reichsorientierten inhaltlichen Konzept vor. Zudem sind – und das war schon unter Henriette Adelaide evident – die sichtbaren Zeichen des „Französischen“, des bon goût, als Zeichen von Distinktion, besonders im innersten Bereich des Appartements Karl Albrechts präsent: Neben den großformatigen Spiegeln in den Kabinetten des Audienzbereichs befanden sich in den beiden nach dem Schlafzimmer angeordneten Kabinetten und in dem Schlafzimmer selbst (Abb. 78, Nr. 4–6) neueste in Paris erworbene Ausstattungsstücke. Der Pariser Händler Granier, der bereits seit 1717 Objekte an den Wittelsbacher Hof gesendet hat, lieferte 1728 unter anderem ein „bureau [...] de bois violet des indes“, also einen Schreibtisch, „pour le cabinet de tableau“, für das Schlafzimmer „une Comode de bois d’amaranthe“.697 Französische Spiegel waren dort zahlreich vertreten; 692 Laut Inventar 1769 (Residenz) im ersten Vorzimmer: Caligula, Domitian, Augustus, Claudius; im zweiten Vorzimmer: Otho, Servius Galba, Nero, Tiberius; im Audienzzimmer: Vitellius, Vespasian, Julius Cäsar, Ludwig d. Bayer (im Inventar 1748, No. 8, noch Karl d. Gr.). Es handelt sich bei den ersten elf Porträts um Kopien der Kaiserbildnisse nach dem Gemäldezyklus Tizians für Francesco Gonzaga. Sie hingen vorher im Vierschäftesaal des Kaiserhoftraktes. Der zwölfte Wittelsbacher Kaiser stammt von Peter Candid, um 1600, und befand sich vorher im Contrefaitgng. 693 Dazu wurde der Arkadengang unter der alten Kammergalerie geschlossen. Zur Galerie, die ebenfalls unter der Leitung Joseph Effners entstand, vgl. besonders Seelig 1980. 694 Zum Gelben Appartement vgl. Graf 2002, S. 157–160. 695 CBD 1989, S. 120f. 696 Die genaue Funktion dieser Prachttreppe ist bis heute ein Rätsel, da sie mit keinem direkten Zugang von außen verbunden war. 697 Kat. Möbel 1995, S. 21. Es hat sich eine detaillierte Kostenaufstellung über 61043 Livres vom 10. Novmber 1728 erhalten; ebd. im Anhang abgedruckt, S. 296f.

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gerade das Schlafzimmer war also ein exklusiver, mit aktuellsten französischen Möbeln und Ausstattungselementen ausgestatteter Raum.698 Als ein „Paradezimmer“ konnte es jedoch nur im Ansatz dienen; dafür war es mit den zwei Fensterachsen zu klein, trotz der mutmaßlichen Vergrößerung des Raumes durch die durchbrochene Trennwand zu den Sommerzimmern.699 Ausstattung und funktionale Bestimmung des Raumes passten nicht zusammen – noch nicht, denn gerade die Größe der Räume wurde in dem neu aufgebauten Appartement, den „Reichen Zimmern“, ein wichtiges Kriterium.

Die „Reichen Zimmer“ (1730–37): Struktur und Ausstattung Erstaunlicherweise blieb diese Ausstattung, gerade mit Porträts, und auch die Anzahl der Räume nur Episode: In dem nach dem Brand (1729) ab 1730 wieder auf- und erneut umgebauten Appartement (Abb. 77) – diesmal nicht mehr unter der Leitung Joseph Effners, sondern unter der Leitung des 1728 zum Hofarchitekten ernannten François de Cuvilliés700 – gab es zwischen Audienz- und Schlafzimmer einen Raum weniger, und die Porträts wurden bis auf die Supraporten durch großformatige Spiegel ersetzt; eine interessante Wendung, die durchaus einer Wertung bedarf. Doch zunächst zur Distribution und Gesamtanlage des Appartements, das später unter der Bezeichnung der „Reichen Zimmer“ bekannt wurde.701 Im Vergleich mit dem Appartement des Vorgängers, Max Emanuel (Abb. 36, 77), fällt nicht nur die erwartungsgemäße Vergrößerung der Räume auf, sondern auch, dass einige Anstrengungen unternommen wurden, dem Appartement eine Richtung und Axialität zu verleihen: Der Schwerpunkt und damit die Hauptachse bestand unter Max Emanuel aus der Raumabfolge Ritterstube – Vorzimmer – Audienzzimmer – Großes Kabinett, bevor es nach Osten in den angrenzenden Privatbereich bzw. nach Westen zu den Sammlungen ging. Dieser Schwerpunkt verlagerte sich unter Karl Albrecht in den nach Süden als ein Querriegel ausgerichteten Paradebereich (Abb. 77, Nr. 4–9), der mit dem Audienzzimmer (dem ehemaligen „Französischen Kabinett“ des abgebrannten Vorgängerappartements) begann. Von diesem konnte man Richtung Osten die Grüne Galerie erreichen, die, als Galeriebau konzipiert, genau gegenüber der Galerie der Kurfürstin, ebenfalls ein Galeriebau, angelegt war.702 Vom Audienzzimmer gelangte man Richtung Westen in das Konferenzzimmer bzw. „Große Kabinett“. Hier war, daran sei kurz erinnert, in dem ersten Appartement noch ein weiterer Raum angelegt (Abb. 78); 698 Zur Ausstattung Graf 2002, S. 169. 699 Graf 2002, S. 169, vermutet hier trotz der geringen Größe ein Paradezimmer im französischen Sinne. Das halte ich für eher unwahrscheinlich. 700 Zur Bewertung dieser „Wachablösung“ vgl. aus je unterschiedlichen Perspektiven Hauttmann 1913, S. 172, und Braunfels 1986, S. 51. 701 Zu diesem Appartement, das noch heute, im rekonstruierten Zustand, besteht, vgl. Hauttmann 1913, S. 157–165; Braunfels 1986, S. 69–90; Graf 2002, S. 173–231. 702 Es wurde bereits darauf verwiesen, dass mit der Disposition der Grünen Galerie auf eine spezifisch Wittelsbacher Tradition rekurriert wurde; vgl. oben S. 237.

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nun folgte jedoch direkt auf das „Große Kabinett“ das Schlafzimmer mit den anschließenden Kabinetten. Warum diese Folge wieder um einen Raum reduziert wurde, darüber kann man nur spekulieren: Einen naheliegenden bauästhetischen Grund findet sich in dem Zugewinn an Raumgröße, zumal die Größe ein wichtiges Kriterium der commodité war. Dennoch befindet sich hier noch immer ein Raum mehr als im vergleichbaren Trakt der Wiener Hofburg (Abb. 28).703 An dem Appartement Karl Albrechts erkennt man deutlich die gegenüber dem Appartement Max Emanuels weiter fortgeschrittene Entwicklung des Audienzbereichs zu einer ausdifferenzierten Kommunikationszone nationaler und internationaler Politik. Diese im Zeremoniell anschauliche Ausdifferenzierung wird auch in einer für französische Gesandte verfassten Mémoire deutlich: Il y a un Days dans toutes les pieces de l’appartement de l’Électeur, parce que toutes ces pieces sont destinés a y donner audience a differents ordres de personnes.704

Die „Aufwartungs-Ordnung“ von 1739 ermöglicht die genaue Zuweisung der einzelnen Kommunikations- und Repräsentationsorte in den Vorzimmern und dem äußeren Audienzzimmer bezüglich einer städtischen, einer regional-territorialen und einer interhöfischen bzw. internationalen Politik.705 Damit sind auch unterschiedliche Formen höfischer Öffentlichkeit präsent: die städtisch-bürgerlichen Vertreter, die Vertreter der Landstände, die europäischen Fürsten, die mit ihren Gesandten vertreten waren, die adelige Hofgesellschaft, schließlich die eigenen Familienmitglieder, somit die Vertreter der Dynastie – ihnen, „denen gdisten [sic] Herrschafften“ war das „Große Kabinett“ vorbehalten.706 Es erscheint dabei unzulässig, das äußere und das innere Audienzzimmer im Sinne eines öffentlichen und privaten Bereichs zu unterscheiden, denn das „Große Kabinett“, das im Anschluss an das äußere Audienzzimmer disponiert war (Abb. 77, Nr. 4, 6), fungierte als das eigentliche politische Beratungszentrum, in dem der dynastische Staatsapparat repräsentiert wurde: Im „Großen Kabinett“ hatten neben den Familienmitgliedern die „Conferenz- dann Stabsministri“ sowie die jeweiligen Obersthofmeister Zutritt, also das ranghöchste Hofamt. Dass sich hier auch die Familienmitglieder aufhielten, wie in der Kammerordnung vermerkt, ist nicht zu verwechseln mit einer privaten Kategorie: Vielmehr ist hier die Dynastie präsent – und es verwundert daher nicht, dass die 703 Ich kann daher nicht mit Graf 2002 übereinstimmen, die hier das Wiener Vorbild deutlich rezipiert sieht. 704 „Memoire pour le ceremonial de Bavière“ 1750; AAE, MD, Bavière, Bd. 2, fol. 406v. 705 „Aufwartungs-Ordnung“ 1739 (BayHStA, HR I, Fasz. 34/17), publiziert bei Klingensmith 1993, S. 216–218. Auch die stufenweise Unterscheidung der beiden Audienzzimmer findet sich wieder, so berichtet Hauntinger 1784: „Allererst kommen zwei Audienzzimmer, das erste für fürstliche und andere Gesandte von geringem Charakter, das zweite, das mit rotem Samt ausgeschlagen und schön geziert ist, für königliche und kaiserliche Botschafter.“ Hauntinger 1784 (1964), S. 58. 706 „Aufwartungs-Ordnung“ 1739, zitiert nach Klingensmith 1993, S. 217. Vgl. auch die Kammerordnung von 1769, ebd. S. 218–225.

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80  München, Residenz, Konferenzzimmer aus dem Appartement Karl Albrechts

Anstrengungen in dem Vorgängerappartement Karl Albrechts noch dahin zielten, einen weiteren Raum in diesem explizit dynastischen Bereich zu situieren. Dieser Raum fiel jedoch den Umbauarbeiten zum Opfer, vermutlich weil er keine wirklich distinkte Funktion im höfischen Zeremoniell hatte. Die Grundbedingung für die Ausdifferenzierung des ehemals privaten und hier nun als „dynastisch“ bezeichneten Bereichs lag freilich in dem zusätzlichen Appartement de privé, welches Karl Albrecht im Erdgeschoss parallel hat einrichten lassen (Abb. 77).707 Bei den Ausstattungselementen ist unter Karl Albrecht unverkennbar ein großes Interesse an jenen Objekten zu beobachten, die punktuell aus der Referenzkultur Frankreich rekrutiert wurden,. Französische Boiserien, Tapisserien und weitere Luxusartikel wie Spiegel und kleine kunsthandwerkliche Objekte prägen das Innere der Wittelsbacher Schlösser zunehmend ab dem zweiten/dritten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts. Die „Reichen Zimmer“ in der Münchner Residenz (Abb. 80) oder auch die ab 1734 entstandene Amalienburg (Abb. 81) belegen dies eindrucksvoll, zu einer Zeit, als in Paris mit der Ausstattung des ovalen Salon de la Princesse im Hôtel de Soubise von Boffrand 1732 (Abb. 82) oder der Ausstattung des Appartements

707 Siehe auch zur (symbolischen) Funktion des Schlafzimmers bereits oben S. 199.

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81  München, Amalienburg, Spiegelsaal

Ludwigs  XV. in Versailles Höhepunkte der Rokoko-Dekoration, des Louis Quinze, erklommen waren. Der durch den Brand 1729 notwendig gewordene Umbau des kurfürstlichen Appartements in der Residenz ging mit einem Wechsel in der künstlerischen Inszenierungsform einher: Nicht mehr die überformatigen Porträts in dem privaten Audienzbereich, der wie eine über mehrere Räume prolongierte Ahnen- und Verwandtengalerie konzipiert war, dominierten das Erscheinungsbild – und damit ein besonders das Legitimationsmodell abbildendes Konzept –, vielmehr wurden die Porträts wieder aus dem innersten Bereich des Appartements verbannt. An ihre Stelle traten französische Spiegel, aufwändige Wandvertäfelungen, Boiserien, wie sie auch heute noch etwa im Konferenzzimmer (Abb. 77, Nr. 6; Abb. 80) zu sehen sind. Damit wurde jedoch zugleich eine von dynastischen Ikonographien befreite Dekorationsform gewählt. Genau dieser Wandel mag Leonhard Christoph Sturm dazu verleitet haben, nicht nur zu schreiben, dass die „französische Auszierung“ gegenwärtig „an allen Orten meisten beliebet“ sei,708 sondern dass sich dies auch einem ganz bestimmten Grund verdanke: Denn die „französische Auszierung“ sei „nicht allein angenehm / reinlich und zu vieler variirung geschickt“, vielmehr eigne sie sich besonders zur Nachahmung; sie lasse „sich 708 Sturm 1708, S. 127f.

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82  Paris, Hôtel de Soubise, Salon de la Princesse

in allen Ländern / und in gewisser proportion von allen Leuten nachmachen“. Nicht allein in der ästhetischen Form, sondern auch in dem Potential der Übertragbarkeit sieht Sturm somit die entscheidende Begründung für die vielfache Verwendung französischer Dekorationsformen in den Ausstattungen deutscher Schlösser.709 Dass es hier auch Grenzen und Abweichungen gibt, die sich bestimmten ortsspezifischen Bedingungen verdanken, erwähnt Sturm freilich nicht. „Eine Rezeption dieser Muster“, so resümiert Schütte, „verband sich für Sturm offenkundig nicht mit einer Interpretation im Sinne einer politischen Ikonographie“.710 Diese Dekorationsformen französischer Herkunft, denen die Porträts weichen mussten, forderten vom Betrachter weniger eine ikonographische als vielmehr eine ästhetische Sensibilität. Sie finden sich wiederum vornehmlich auf den inneren Bereich des Appartements beschränkt, während die Supraporten mit den zwölf Kaiserporträts in den ersten Räumen bis zum Audienzzimmer erhalten blieben. Die graduelle und partikulare „francisation“, die im Ansatz schon unter Henriette Adelaide beobachtet wurde,711 wird unter Karl Albrecht nochmals besonders evident. Die französisch geprägte Ausstattungsform war in jenem inneren Audienzbereich präsent, der nicht als privater, sondern als dynas709 Zu den nationenspezifischen „Classen“ der „Auszierung“ bei Sturm, die besonders auf das Material und die Verarbeitungsweise zurückzuführen sind, vgl. Schütte 2006, S. 168ff. 710 Schütte 2006, S. 169. 711 Vgl. oben z.B. S. 198.

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tischer Bereich beschrieben wurde mit staatspolitisch hochbrisanten Aktivitäten. Somit wurden in diesem Bereich ab den 1730er Jahren Verweise etwa auf die Anciennität der Dynastie oder ihre Tugenden weitgehend ausgespart; die Legitimation sollte und konnte offenbar über andere Zeichen vermittelt werden, nämlich über das Ornament, die luxuriöse Form und ihre feine Ausarbeitung. Sie dienten als Zeichen der Distinktion, die auf Luxus setzte, um gemäß der Repräsentationspflicht in der scharfen Statuskonkurrenz zu bestehen. Die Bindung zum Vorbild „Frankreich“ blieb dabei konstitutiv. François de Cuvilliés, der nicht nur als Architekt wirkte, sondern auch Entwürfe für die Dekoration der „Reichen Zimmer“ lieferte, hatte allerdings, wie es Braunfels überzeugend dargelegt hat, einen sehr eigenwilligen, ja teilweise unfranzösischen, von strengen Regeln losgelösten Stil entwickelt.712 Als Zeichen für „francisation“, als Verweis auf die Referenzkultur Frankreich – das Frankreich des hohen Adels – sollte jedoch auch seine in eigenwilliger Form entworfenen, zumeist von Johann Baptist Zimmermann ausgeführten Boiserien und Stuckdekorationen noch fungieren.

712 Braunfels 1986, S. 85f. Der Anteil des Stukkateurs Johann Baptist Zimmermann ist dabei immer ein Diskussionspunkt in der Forschung.

Fazit

Modell und Vielfalt, Alt und Neu, Raum und Medium Die großen politischen Veränderungen nach dem Dreißigjährigen Krieg haben in Mitteleuropa eine zwischenstaatliche Dynamik und Konkurrenz in Gang gesetzt, an der die künstlerische und architektonische Repräsentation wesentlichen Anteil haben sollte. Ab der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts hielten viele reichsfürstliche Höfe in den verschiedenen Bereichen staatlichen und kulturpolitischen Handelns nach anderen oder gänzlich neuen Modellen Ausschau. Diese Modelle sollten eine Orientierung bieten, um sich den neuen politischen Herausforderungen angemessen repräsentieren zu können, gerade wenn man sich um eine Statuserhöhung bemühte oder einen soeben erfolgreich erlangten höheren Status zu befestigen suchte. Der kaiserliche Hof in Wien indes hat ein solches Angebot besonders auf dem architektonischen Sektor über fast ein Jahrhundert nahezu verweigert. Es gab somit innerhalb des Reichs kein mit der universalistisch geprägten Kultur Frankreichs vergleichbares, alternatives Modell – keines zumindest, welches sich in einem modellbildenden, „modernen“ Bau einer kaiserlichen Residenz widergespiegelt hätte. Das Frankreich der Bourbonen schien besonders im Schloss Versailles mit seiner auf Luxus, Pracht und technische Überlegenheit setzenden Repräsentation für viele ein überragendes Vorbild zu bieten, weil sich darin der Machtanspruch des Herrschers am überzeugendsten und eingängigsten manifestierte. Nicht zuletzt wurde Frankreich ab den 1660er Jahren auch hinsichtlich der beeindruckend erfolgreichen Institutionalisierung und Instrumentalisierung von Kunst unter Ludwig XIV. wahrgenommen. In der vorliegenden Studie wurde die Relevanz des „Modells Frankreich“ für den reichsfürstlichen Hof der bayerischen Wittelsbacher in München untersucht mit dem Ziel, einen vermeintlichen „Modellwechsel“ um 1700 kritischer und differenzierter unter den Leitaspekten Modellrezeption und Kulturtransfer zu beschreiben und den Blick für die Vielfalt konkurrierender Modelle zu öffnen. Der zeitliche Rahmen wurde weit gefasst, um Kontinuitäten ebenso wie Wandlungsprozesse über einen längeren Zeitraum beobachten zu können. Drei Wittelsbacher Generationen standen ab 1650 bis in die 1730er Jahre im Zentrum. Die Residenz in München fand als wichtigster Bau innerhalb des Wittelsbacher Repräsentationsgefüges besondere Beachtung, ergänzt um Beobachtungen zu den Landschlössern Schleißheim, Dachau und Nymphenburg. Kulturtransfer diente vor allem als methodisches Konzept, weil es den Blick auf die Prozessualität des Phänomens gelenkt hat. Aspekte der Perzeption und Kommunikation spielten als Grundlage für die Adaption des jeweiligen Modells eine wichtige Rolle. Denn der unmittelbaren Rezeption, die sowohl Konzeption wie Realisierung umfasste, musste eine Wahrnehmung der zu rezipierenden Phänomene vorausgehen. Daher wurden Tagebücher und Berichte besonders von Diplomaten und fürstlichen Vertretern im 17. und 18. Jahrhundert genauer untersucht, um über die zeitgenössische Wahrnehmung ästhetischer Phänomene und kunstpolitischer Vorgänge auch die Relevanz fremder Modelle,

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die Wünsche und Erwartungen genauer in Augenschein nehmen zu können. Das Thema der Überfremdung war für unsere Fragestellung sehr wichtig, da sie bereits früh die Wahrnehmung „fremder“ Modelle geprägt hat. Der Vorgang der Modelladaption wurde somit – sofern es die Quellenlage zuließ – in einem Stadium der Perzeption herausgearbeitet, die Wege der Vermittlung modellhafter Konzepte wurden transparent gemacht und künstlerische Transformationsprozesse beobachtet. Das Konstrukt eines „Modells Versailles“ etwa verdankte sich vor allem den vielfältigen zeitgenössischen Wahrnehmungsweisen, die einen eigenen, ja teilweise eher kunstfernen Diskurs entfalteten. Das Interesse für französische Produkte oder auch ihre Ablehnung waren keineswegs allein ein geschmackliches oder ästhetisches Phänomen, sondern eng verbunden mit mentalen, ökonomischen, technischen und schließlich politischen Faktoren. Vor diesem facettenreichen Hintergrund erhielt die zeitgenössische Wahrnehmung ästhetischer Phänomene und kunstpolitischer Vorgänge eine große und bisher zu wenig beachtete Relevanz. Denn erst vor diesem Hintergrund konstituierte sich das Modell Frankreich, ist überhaupt ein mutmaßlicher Modellwechsel zu verstehen. Die Art der Wahrnehmung und Beurteilung von Kunst, von Architektur, von Ausstattungen, Sammlungen hatte regen Anteil an den dynastischen, interessenpolitischen und religiösen, nicht zuletzt auch an den sozialpsychologischen Elementen („das Bild vom Anderen“), die die Traditionslinien von Beziehungen zwischen Dynastien oder Staaten konturierten. Das „Modell Frankreich“ bzw. das „Modell Versailles“ wurde auch in Wittelsbacher Kreisen ab den späteren 1660er Jahren oft mit großer Begeisterung wahrgenommen und diskutiert: Die vorliegende, über einen Zeitraum von mehr als 80 Jahren reichende Analyse zeigte aber zudem, dass dieses „Modell“ oder Vorbild in jeder der drei Wittelsbacher Generationen nicht nur zu einem unterschiedlichen Grad wichtig gewesen war; vielmehr ließ es sich auch je unterschiedlich hinsichtlich der Akteure und Medien charakterisieren: Dasjenige der adeligen Salons unter Henriette Adelaide, das nur zögerlich rezipierte bourbonische Frankreich des Louis XIV unter dem jungen Max Emanuel, schließlich das schon während Max Emanuels französischem Exil weit wichtiger werdende Frankreich des hohen Adels, welches unter seinem Sohn Karl Albrecht durch François de Cuvilliés sehr frei auf die Münchner Verhältnisse übertragen wurde. Vor allem bei Henriette Adelaide und Max Emanuel waren dabei zwei extreme Ausgangsbedingungen zu beobachten: Henriette Adelaide, gewöhnt an einen dank ihrer Mutter französisch geprägten Savoyer Hof in Turin, musste sich den kurbayerischen, in den 1650er und frühen 1660er Jahren recht konservativen Bedingungen anpassen, konnte jedoch gerade in den 1660er Jahren maßgeblich zu der internationalen Ausrichtung des Hofes in München beitragen. Ihr Sohn, Kurfürst Max Emanuel, hat gut fünf Jahrzehnte später die während seines langjährigen französischen Exils intensiv „gelebten“ Repräsentationsmodelle nach seiner Rückkehr nach München nur in kleinen Ausschnitten in das kurbayerische System überführen können; strukturell wurde nur sehr wenig übernommen, wie vor allem die Abänderungen der Pläne Robert de Cottes für das Neue Schloss Schleißheim zeigten. Mit Blick auf die komplexen und keineswegs homogenen Wahrnehmungs- und Adaptionsprozesse bleibt am Ende der Studie festzuhalten: Wirklich „übertragen“ wurde das Modell Frankreich am Hof der Wittelsbacher nicht. Es blieb bei einem mal mehr,

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mal weniger deutlichen Verweischarakter, einer oft ostentativen Geste, nicht selten aber auch bei einer Ablehnung oder Ignoranz. Insgesamt kann man nur von einer selektiven oder partikularen Adaption sprechen. Das Nachahmungspotential des Modells hat in vielen Bereichen deutlich Grenzen gezeigt. Dies hatte mehrere Gründe, die abschließend nochmals verdichtet hinsichtlich der zwei Aspekte Raum und Medium präsentiert werden sollen. Eine Differenzierung hinsichtlich Modellrezeption und Kulturtransfer betraf vor allem den je unterschiedlich konfigurierten Raum.1 Das Bedürfnis nach Neuartigkeit, nach einem „neuen Modell“, das alte Wege ersetzen sollte, blieb auf nur wenige Bereiche beschränkt. In der Residenzstadt München zeigte sich sehr deutlich, dass die Wittelsbacher ihre Repräsentationsstrategie im städtisch-öffentlichen Raum auch unter dem Eindruck neuer Modelle kaum veränderten; die bewusste Entscheidung zu Neuem wurde geradezu vermieden zugunsten einer Repräsentation, die auf Tradition bzw. bestimmte sakrale Aspekte setzte. Die Bewahrung der äußeren Gestalt der Residenz und die Vermeidung von öffentlichen Denkmälern einzelner Dynastievertreter fallen dabei besonders ins Auge.2 Die Kategorien von Tradition und Neuerung betreffen die Identität, also das dynastische Selbstverständnis, und die beanspruchte Zukunft der Dynastie. Der Sicherung der Dynastie galt das vorrangige Interesse; wenn dieses Interesse repräsentiert werden sollte, mussten bestimmte Kriterien beachtet werden, die sich am Modernitätsgrad ablesen lassen. Wahrung der Tradition – sofern Tradition vorhanden war – und damit eine gewisse Negierung von Neuerung waren wichtig einerseits zur Legitimierung des Herrschaftsanspruchs, andererseits zur Disziplinierung der Untertanen. Modernität war indessen gefragt, um im internationalen Kommunikationssystem zu bestehen, sich verständlich zu machen, verstehbar zu bleiben. Die Rezeption des Fremden, des Anderen – und damit ist keineswegs nur Frankreich, sondern, als weitere konkurrierende Modelle, auch etwa Italien oder die Niederlande gemeint – verschafften vermutlich diesen erhofften Zugewinn an Modernität und Dynamik. Die Adaptionsfähigkeit, das Rezeptionsvermögen entschieden darüber, ob man teilhaben konnte an der voranschreitenden Modernisierung, so dass die Überlegung des Fürsten Liechtenstein, die Deutschen gerade „ob dises Imitierens willen“ zu loben,3 durchaus ernst zu nehmen ist. Die Zeichen des Innovativen blieben bei den Wittelsbachern auf bestimmte Räume beschränkt. Beim Blick auf ihre Bau- und Ausstattungsprojekte im 17. und 18. Jahrhundert stand daher die Sichtbarmachung des Spagats zwischen dem Bemühen um Modernität und Aktualität einerseits und einem Arrangieren mit der Tradition, ihrer bewussten 1 Aus der inzwischen umfangreichen Forschung zum „Raum“ vgl. Politische Räume 2003. Julius Chroscicki, Ceremonial Space, in: Origins of the Modern State 1998, S. 193–216, unterscheidet drei Räume: die Kirche, den Palast und das Territorium. Zur Forderung von Sozialwissenschaftlern nach einer eigenständigen Modellierung von kultureller, sozialer oder ästhetischer Räumlichkeit vgl. Jörg Dünne, Stephan Günzel, Vorwort, in: Raumtheorie. Grundlagentexte aus Philosophie und Kulturwissenschaften, hrsg. v. dens., Frankfurt 2006, S. 9–15. 2 Dazu ausführlicher Eva-Bettina Krems, Zwei Konzepte dynastischer Rezeption im öffentlichen Raum: München und Berlin um 1700 (in Vorbereitung). 3 Vgl. in Kapitel 2, S. 77.

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und sinngebenden Fortführung andererseits im Zentrum. Immer wieder wurde deutlich, dass es im Reich eigene Gesetzmäßigkeiten gab, die von einer Modelladaption nicht berührt wurden, weil sie, in Traditionssträngen verwurzelt, nahezu unantastbar waren. Es hat sich beispielsweise gezeigt, dass das Appartement im französischen Königsschloss aufgrund differierender politisch-kommunikativer Bedürfnisse und Regeln kein Modell für das reichsfürstliche Appartement sein konnte. Einen „Kulturtransfer“ im Sinne eines Wandels kultureller und politischer Praktiken hat es meist nur in einem vom Zeremoniell befreiten Bereich gegeben, wie das Beispiel der berühmten „Appartements“, die in den Sommerzimmern der Residenz abgehalten wurden, belegt. Je weiter man jedoch ins Innere der Bauten, vor allem der Münchner Residenz, vordrang, desto offensichtlicher verloren die visuellen Zeichen des Traditionellen an Gewicht, desto häufiger wurde neu- und umgebaut, desto deutlicher wurden die Gesten des „Neuen“ oder auch „Fremden“. Diese Beobachtung lässt sich kontinuierlich durch die drei Generationen verfolgen: Schon im Appartement der Henriette Adelaide war erst nach dem Audienzzimmer, beginnend mit dem „Großen Kabinett“, dem Grottenzimmer, und besonders im Schlafzimmer mit Alkoven und Herzkabinett eine größere Freiheit gegenüber Ausstattungskonventionen erkennbar; hier konnte man von einem konzentrierten Umgang mit fremden Modellen sprechen, von kreativen Modifikationen und Kompilationen verschiedener Elemente. Eine größere Vielfalt im Umgang mit fremden Modellen war also eher auf die innersten Räume des Appartements beschränkt. Es war indes eine kompilierende und synthetisierende Art der Modelladaption mit dem Ergebnis einer neuen Konfiguration der repräsentativen Ausstattung auf höchstem Niveau, die auch unter Max Emanuel und Karl Albrecht vorherrschend bleiben sollte – dort jedoch in der Tat mit einem deutlichen Übergewicht an französischen Produkten. Es sind somit zwei parallel verlaufende Entwicklungen zu erkennen: Zum einen hat sich das deutsche Reichsfürstenschloss, was das Zeremoniell und damit die Raumfolgen, die Präsenz und Repräsentanz des Fürsten in seinem Schloss anbelangt, in sehr eigenständiger Weise formiert. Die Selbständigkeit des Wittelsbacher Systems in Auseinandersetzung mit den reichsfürstlichen Gegebenheiten, die sich besonders in der Gestaltung des Audienzbereichs und der Disposition der Galerien zeigt, kann kaum genug betont werden. Zum anderen war – gleichsam parallel zu diesem Autonomisierungsprozess – schon bei Henriette Adelaide vereinzelt, bei Max Emanuel bereits häufiger und bei Karl Albrecht sehr deutlich ein Interesse an Ausstattungselementen zu beobachten, die punktuell aus der Referenzkultur Frankreich bezogen wurden und die auch als solche erkannt werden sollten von einer in den innersten Bereichen der Schlösser zunehmend restringierten höfischen Öffentlichkeit. Französische Boiserien, Tapisserien und weitere Luxusartikel wie Spiegel oder Möbel prägten das Innerste der Reichsfürsten-Schlösser seit dem frühen 18. Jahrhundert – besonders auch in Kurbayern mit dem Höhepunkt der sogenannten „Reichen Zimmer“, dem Appartement des Kurfürsten Karl Albrecht in der Münchner Residenz. In diesem Zusammenhang sei der Aspekt des Mediums nochmals genauer betrachtet und damit der dem Objekt, der Gattung, dem Medium geschuldete, unterschiedlich

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ausgeprägte Rezeptions- und Adaptionsprozess.4 Im Schlossbau und seiner Ausstattung werden gemäß den unterschiedlichen Planungsvorgängen, Gattungen und Medien verschiedene Transformationsvorgänge sichtbar. Es seien drei Haupt-Ebenen genannt: zunächst die Planungs- und Bauphase der architektonischen Großform, innerhalb derer die konzeptuellen Kategorien wie Klima/Material oder Zeremoniell wirksam wurden; desweiteren die Ebene der Ausstattung der Räume mit Boiserien und der übrigen wandfesten Dekoration; schließlich diejenige der Ausstattung mit mobilen Objekten. Diese medial und material-ikonographisch zu differenzierenden Elemente innerhalb der baulichen Gestalt und der Ausstattung von Schlössern weisen einen je unterschiedlichen Veränderungsgrad während des Transferprozesses auf.5 Hiermit ist die Modifizierungsfähigkeit angesprochen, die Adaptabilität und damit die Frage des Rezeptionsvermögens – auch im Sinne eines Verzichts, denn die bewusste Zurückweisung ist Teil der Rezeption und lässt den bisher zu wenig beachteten Autonomisierungsprozess sichtbar werden. Die unterschiedlichen Grade der Veränderung – man kann unterscheiden zwischen „Konstanten“ und „Variablen“ – sind indes von verschiedenen Faktoren abhängig. Beim Transfer eines Objektes aus Frankreich etwa ist dessen Transformationsresistenz häufig beabsichtigt: Das Möbel, der Spiegel oder die Tapisserie aus Paris – wie auch die etwa von Liselotte von der Pfalz genannten „pressenten“6 – sollen Objekte aus Paris bleiben; die Anverwandlung oder Inbesitznahme, die zugleich die Wahrnehmung prägen, kann aber etwa durch ein appliziertes Wappen demonstriert werden. Diese Objekte bleiben Konstanten innerhalb der Adaption, ungeachtet der unterschiedlich dosierten Anverwandlung, die sich auch in der Neu-Kontextualisierung des Objektes, etwa in der eigene Präsentationsstrategien verfolgenden Kunstkammer, äußern kann. Als Variablen innerhalb des Vorgangs der Adaption erscheinen demgegenüber architektonische Großprojekte oder auch das höfische Porträt: Sie sind beide – nicht in ihrem Objektbezug, sondern in ihrer Semantik – eng verbunden mit dem Fürsten oder der Dynastie und verlangen daher eine Anpassung gemäß den politisch-ikonologischen oder auch ästhetischen sowie baupraktischen Gegebenheiten. Daher wurde hier den vornehmlich ästhetisch definierten Modellen wie dem „Modell Frankreich“ oder „Modell Versailles“ das „Herrscher-“ bzw. „Legimitationsmodell“, etwa das von den Wittelsba4 Grundlegend ist dabei, den Wandel innerhalb einer heterogenen Serie von Repräsentationsmedien und -gattungen zu beobachten, Medien, die meist isoliert und nur selten im Zusammenhang, in ihrem Wechselverhältnis betrachtet werden. Jarrard 2003 bietet zum Hof der Este in Modena einen überzeugenden Ansatz, weil dort verschiedene Medien (Architektur, Porträt, Ausstattung) nahezu gleichwertig untersucht werden. 5 Diese unterschiedlichen Grade der Veränderung sind indes auch von der medialen Vermittlungsform abhängig: Bekanntlich fällt dem Ornamentstich ein großer Anteil in der Vermittlung französischer Kunst zu. Rudolf Berliner hat dabei auf zwei wichtige Aspekte verwiesen: die zeitliche Verspätung des Erscheinens des Stiches im Verhältnis zur Erfindung und der abstrakte, nicht werkstoffgerechte Charakter dieser Kunstgattung, „ohne Rücksicht auf den Ort und den Platz ihrer Anwendung oder auf die Technik, in der sie ausgeführt werden sollen“; Rudolf Berliner, Ornamentale Vorlageblätter des 15. bis 18. Jahrhunderts, Bd. I, Berlin 1926. S. 114. 6 Vgl. in Kapitel 1, Anm. 80.

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cher Kurfürsten gewählte reichsorientierte Rollenmodell des Türkensiegers, als Konkurrenz zur Seite gestellt. Die Variablen haben zugleich eine andere Funktion im gesamten Repräsentationsgefüge als die Konstanten. Sie treffen zudem häufig auf ein anderes Publikum: Der Rezipientenkreis setzt sich nicht allein aus einer höfischen, sondern auch aus einer städtisch-bürgerlichen Öffentlichkeit zusammen, weshalb etwa zwischen einer Residenzfassade und der Innendisposition und -ausstattung hinsichtlich der intentionalen Adaption durchaus zu differenzieren ist. Bei der Münchner Residenz wurde das besonders deutlich. Die vermeintliche „francisation“ ist somit keineswegs als umfassende, sondern vielmehr als eine partikulare, auf ein bestimmtes Publikum beschränkte und abgestimmte „Französisierung“ zu begreifen und zu analysieren. Die exquisiten Zeugnisse französischer Wohnkultur dienten unter dem späten Max Emanuel und Karl Albrecht weniger als Vertreter eines „Modells Frankreich“; vielmehr waren sie Zeichen der Distinktion, die auf Luxus setzt, um gemäß der Repräsentationspflicht in der scharfen Statuskonkurrenz zu bestehen. Im Innersten der Schlösser galt es, Exklusivität zu demonstrieren, die sich ab dem frühen 18. Jahrhundert zunehmend über den „bon goût“ definierte: ein über territoriale Grenzen hinweg lebendiger höfischer Habitus, der die Zugehörigkeit zu einer internationalen aristokratischen Geschmackselite offenbarte. Diese Repräsentationskultur mit ihrer Ornamentik, der luxuriösen Form und ihrer feinsten Ausarbeitung war nicht mehr in erster Linie von Materialreichtum und dynastischen Ikonographien geprägt, sondern verlangte eine neuartige formalästhetische Kompetenz und Sensibilität. Genau darin offenbart sich das große Nachahmungspotential französischer Ausstattungselemente.

Abkürzungsverzeichnis

Archive und Institutionen AAE Archives du ministère des Affaires étrangères, Paris CP Correspondance politique MD Mémoires et documents AN Archives Nationales, Paris AST Archivio di stato, Turin C Ceremoniale, Corti di Allemagna LettA Lettere di Adelaide di Savoia, Duchessa Elletrice di Baviera = Lettere prin cipi (Materie politiche per rapporto all’interno, Savoia, Principi diversi) LettM Lettere Ministri, Baviera (Materie politiche per rapporto all’estero) LettP Lettere particolari (Materie politiche per rapporto all’interno) M Mazzo Ba y L f D Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege, München BayHStA Bayerisches Hauptstaatsarchiv, München (Abteilung I: Ältere Bestände) FS Fürstensachen HR Hof(zahl)amtsrechnung HR Hofamtsregistratur KS Kasten schwarz PlS Plansammlung BayStA Bayerisches Staatsarchiv, München BayStB Bayerische Staatsbibliothek, München Cgm Codex germanicus monacensis Clm Codex latinus monacensis HsAbt Handschriftenabteilung BIF Bibliothèque de l’Institut de France, Paris BNF Bibliothèque nationale de France (ehem. Bibliothèque nationale), Paris Est Cabinet des Estampes BNM Bayerisches Nationalmuseum, München BR Biblioteca Reale, Turin StP, Ms. Storia Patria, manoscritto BStGS Bayerische Staatsgemäldesammlungen, München BSV Bayerische Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen, München GHA Geheimes Hausarchiv (Abteilung III des BayHStA) Korr. Akt Korrespondenzakt HHStA Haus-, Hof- und Staatsarchiv, Wien Bav. Bavarica R.K. Reichskanzlei MRAH Musées Royaux d’Art et d’Histoire, Brüssel MStM Münchner Stadtmuseum Maillinger Maillinger-Sammlung (s. Literaturverzeichnis)

334  |  Anhang

ÖNB StAB StAM

Österreichische Nationalbibliothek, Wien Stadtarchiv Bonn Stadtarchiv München

Lexika, Wörterbücher, Sammelbände, Zeitschriften AM CBD FGB HZ JbMG KAT. MIÖG MJbBK OA ÖZKD QA RDK ZBLG ZfKG ZHF

Altbayerische Monatsschrift Corpus der Barocken Deckenmalerei (s. Literatur ab 1851) Forschungen zur Geschichte Bayerns, 15 Bde., 1893–1907 (bis 1897 Forschungen zur Kultur- und Litteraturgeschichte Bayerns) Historische Zeitschrift Jahrbuch für Münchner Geschichte Ausstellungs- bzw. Museumskatalog Mitteilungen des österreichischen Instituts für Geschichtsforschung Münchner Jahrbuch der bildenden Kunst Oberbayerisches Archiv, herausgegeben vom Historischen Verein von Oberbayern Österreichische Zeitschrift für Kunst und Denkmalpflege Karl Theodor Heigel, Quellen und Abhandlungen zur neueren Geschichte Bayerns, 2 Bde., München 1884/1890 Reallexikon zur deutschen Kunstgeschichte, hrsg. v. Zentralinstitut für Kunstgeschichte, Stuttgart, später München 1937ff. Zeitschrift für Bayerische Landesgeschichte Zeitschrift für Kunstgeschichte Zeitschrift für historische Forschung

Inventare Inventar 1638 (Residenz)

Inventar 1676 (Residenz) Inventar 1707 (Hausschatz)

Inventar 1715 (Dachau)

„Inventarium der Tappezereyen, Aufschläg, Bettzierate, und andere Mobilien, so in Curfurtl. Haubt-Residenz München, Starnberg, und Schleissheim sich befunden, und beschriben worden, den 1. Jul anno 1638“ (BayStB, Cgm 2123) Nachlaßinventar Henriette Adelaide (GHA, Korr. Akt. 675) „Inventarrium über den chur-bayerischen haußschaz, welcher von ihro kayserlichen majestät einer löblichen landtschafft gegen erlegt 150.000 fl. yber lassen worden“ (BayStB, Cgm 1959) „Inventar des Churfürstlichen Schlosses Dachau vom 9. April 1715. Auflistung der aus den Niederlanden mitgebrachten Mobilien“ (BayHStA I, FS 675/II, fol. 252–259)

Abkürzungsverzeichnis  | 335

Inventar 1748 (Residenz)

„Inventaire des Tableaux de la Galerie et du beau appartement dans la Residence de Munich“ (BayHStA I, HR I, Fasz. 22/61/2) Inventar 1750 (Nymphenburg) „Inventaire des Tableaux de la Residence des Nymphenbourg [fait par moy François Turbert de A.E. 11eme du mois de Mars 1750]“ (BayHStA I, HR I, Fasz. 200/20/1) Inventar 1750 (Schleißheim) „Inventaire des Tableaux de la Résidence de Schleisheim fait le 11 du mois de Mars 1750 par moi, Francois Turbert conseiller des Finances de S.A.E. de Baviere“ (BayHStA, HR I, Fasz. 210/17) Inventar 1754 (Dachau) Inventar der Gemälde in Schloß Dachau (BayHStA I, HR I, Fasz. 22/61/14) Inventar 1758 (Nymphenburg) „Beschreibung deren in der Churfürstlichen Residence zu Nymphenburg, dan denen darzue gehörigen Gartten Schlössern befindlichen Mahlereyen, so durch den Churf. Hof Cammer-Rath [...] Georg Benedict Fasman vorgenohmen worden, den 31 October Anno 1758“ (BayHStA I, HR I, Fasz. 199/11) Inventar 1769 (Residenz) „Beschreibung Aller in der Churfrtl.en Residence zu München vorhandenen Meublen und einrichtungs Sachen [...] Anno 1769“ (BayHStA, HR I 22/58) Inventar/Turin 1663 „Lista de Mobili e fardello della fù Ser.ma Duca Violante Margarita di Sauoia Duchessa di Parma, che si ritrovano hoggidi in essere rimessi alla Guardarobba di S.A.R.le, et nelle mani del sig. Gio. Matteo Alemandi“ vom 27. November 1663 (AST, Gioie e Mobili, M 2, No 10) Inventar/Turin 1664 „Inventarj delle gioje, argenterie, e Mobili di Mad.ma R.le Christina di Francia ritrovate dopo la morte della Med.ma“ vom 23. und 26. Januar 1664 (AST, Gioie e mobili, M 2, No 11) Inventar/Turin 1682 „Inventaro mobili presso il Sig. Governatore de’ Reali Palazzi Allemandi 1682“ (Turin, AST, Casa di S. M.) Inventar Venaria Reale 1711 Inventar der Venaria Reale; publ. in: Figure del barocco 1988, S. 158–162 (Barelli / Ghisotti)

Bibliographie

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Bibliographie bis 1850  | 337

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338  |  Anhang

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342  |  Anhang

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Bibliographie bis 1850  | 343

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344  |  Anhang

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364  |  Anhang

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Abbildungsnachweis

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Register

Personen [Kursiv gesetzt sind die Erwähnungen ausschließlich in einer Anmerkung] Addison, Joseph 158, 240 Alberti, Matteo 82, 252 Albrecht III., Herzog von Bayern 24, 307 Alexander VII., Papst 125 Amelie Elisabeth, Raugräfin zu Pfalz 32,73, 234 Amigoni, Jacopo 304 Amling, Carl Gustav 35 Amort, Kaspar 182 Anne Marie Louise d'Orléans, Herzogin von Montpensier (Grande Mademoiselle) 110, 194, 195, 202 Anne d’Autriche, Königin von Frankreich 194 Apronius, Aulus (Adam Ebert) 83, 90, 93 Arco, Gräfin, Agnès (geb. Lelouchier) 98, 241, 246, 291, 292 Asam, Cosmas Damian 264 Audran, Claude III. 303 August der Starke s. Friedrich August I. Bages Celidi, Antonio 126 Barelli, Agostino 181 Baur, Philipp Casimir 99 Beauvau, Henri de 152, 179 Becher, Johannes Joachim 70–73, 93, 123, 169, 312 Beich, Franz Joachim 263 Belle-Isle, Charles-Louis-Auguste, Maréchal de 119 Bérain, Jean 255 Berneckhers, Nikolaus 312 Bernini, Gianlorenzo 84, 173, 176, 178, 194, 202 Berry, Herzog von 243, 276 Blainville, Herr von 78, 79, 80, 240

Blondel – François 281 – Jacques-François 176, 194, 238, 248, 285 Boffrand, Germain 241, 247, 292, 295, 303, 323 Bombarda, Giovanni Battista 209 Bombelli, Sebastiano 168 Bormastino, Antonio 137 Bouhours, Dominique 67, 74 Bourbon, Herzog von, Louis IV. Henri, Prince de Condé 311 Bourgogne, Herzog von 243, 244, 245, 246 Bretagne, Pierre de 50, 92, 210, 211, 286, 297, 304 Brice, Germain 176, 248 Briseux, Charles-Etienne 176 Candid, Peter 320 Caracena, Marchese (Luis de Benavides Carrillo) 101, 124 Caraccioli, Louis Antoine de 14 Carafa, Carlo 56, 103, 107, 108, 134, 136 Carbonet, Charles 241, 266 Carlo Emanuele I., Herzog von Savoyen 172 Carlo Emanuele II., Herzog von Savoyen 126, 127, 166, 167, 173, 187, 192, 199, 201 Carlo Emanuele III. 62 Cassini de Thury, César-François 270, 272 Castellamonte, Amedeo di 188, 189, 274 Chantelou, Paul Fréart de 178, 194, 202 Chapuzeau, Samuel 156 Chigi, Flavio 198

Register  | 367

Christina, Königin von Schweden 125, 151 Cristina di Francia, Herzogin von Savoyen (Madama Reale) 27, 51, 58, 72, 93, 94, 102, 105, 106, 107, 108, 110, 113, 114, 173, 185, 188, 190, 191, 192, 223 Clemens August, Kurfürst von Köln 58, 121, 311, 316 Colbert, Jean-Baptiste 83, 139, 140, 155, 168 Combes s. Laurent Morellet Corfey, Lambert Friedrich 90 Coronelli, Vincenzo 108 Cotte, Robert de 23, 29, 32, 40, 59, 132, 148, 175, 264–269, 274, 276–290, 294, 328 Coulanges, Christophe, Abbé de 66, 116, 117, 118, 119, 191 Crozat, Pierre 301 Cuvilliés, François de 35, 156, 184, 187, 312–315, 321, 326, 328 Dangeau, Philippe de Courcillon, Marquis de 204, 208, 209, 243, 245, 246, 247, 291 Dauphin, s. Ludwig von Frankreich D’Aviler, Augustin Charles 39, 40, 178, 255 Decker, Paul 39, 198, 199, 255 Delamair, Alexis 29, 247 Desgots, Claude 266 Desjardins, Martin 29 Desmarées, Georges 313 Dietrich, Joachim 312 Disel (Diesel), Matthias 80, 81, 82, 290 Doge von Genua 231, 232, 233 Dubut, Charles 304 Dürer, Albrecht 236 Dulin, Nicolas 248 Dyck, Anthonis van 252 Efendi, Mehmed 82, 83 Effner, Joseph 23, 35, 267, 269, 286, 290, 294, 295, 298, 301, 312, 313, 316, 320, 321

Elisabeth Charlotte (Liselotte), Prinzessin von der Pfalz, Herzogin von Orléans 32, 47, 69, 73, 114, 144, 145, 155, 206, 234, 243, 244, 245, 246, 249, 291, 331 Elisabeth Christine von Braunschweig, Erzherzogin von Österreich 317 Elisabeth von Lothringen, Kurfürstin von Bayern 184 Eosander von Göthe, Johann Friedrich 312 Eleonora Erdmute von Sachsen-Eisenach 228 Ertl, Anton Wilhelm 99 Eugen, Prinz von Savoyen, Feldmarschall 61, 237, 238, 254, 262, 275, 280 Farnese, Familie 171, 172 – Francesco I. 171, 172 – Odoardo 171 – Ranuccio II. 172 Félibien, André 15, 40 Felipe Prospero, Sohn Philipps IV. 166 Ferdinand Maria, Kurfürst von Bayern 21, 22, 24, 25, 27, 29, 30, 45, 48, 49, 51, 54, 56, 61, 65, 70, 93, 95, 96, 97, 99, 104, 114, 115, 116, 119, 120, 121, 123, 124, 125, 150–154, 160, 163, 166–169, 204–208, 211–216, 229, 237, 258, 265, 273, 276, 293, 297, 309, 310, 312, 313 Ferdinand Maria Innozenz, Prinz von Bayern 263 Ferdinand III., Kaiser 170, 171, 297 Fischer von Erlach, Johann Bernhard 138, 252 Florinus, Franziskus Philippus 265 Freschot, Casimir 91, 136, 137, 138, 158, 211, 240 Friedrich III., Kurfürst von BrandenburgPreußen, als Friedrich I. König in Preußen 87, 252 Friedrich August I. (August der Starke), Kurfürst von Sachsen, als August II. König von Polen 122, 124, 254, 263, 275

368  |  Register

Friedrich August II., Kurprinz von Sachsen, als August III. König von Polen 255, 275 Friedrich der Große, Friedrich II., König in Preußen 86, 86 Fürstenberg, Hermann Egon, Graf von 118, 167, 209 Gauricus, Pomponius 133, 134 Geer, Maximilian de 299 Georg I., König von England, Kurfürst von Hannover 252 Giorgi, Marino 135 Götze, Johann Christian 95, 96, 116, 240 Goldmann, Nicolaus 175, 178 Gonzaga, Francesco 320 Gramont, Antoine Duc de 116, 118, 119, 215, 229 Grande Mademoiselle, s. Anne Marie Louise d'Orléans, Herzogin von Montpensier Grof, Guillielmus de 258, 259, 261, 295 Gualdo Priorato, Galeazzo 151, 175 Gude, Heinrich Ludwig 96, 99, 135 Guépièrre, Louis Philippe de la 76 Günther, Ignaz 312 Gustav Adolf, König von Schweden 108 Hainhofer, Philipp 57, 100, 160, 214, 297 Hans Georg, Herzog von Sachsen-Eisenach 228 Hardouin-Mansart, Jules 29, 139, 265 Harleman, Carl 305 Haye-Vantelet, Denis de la 61, 62, 204, 207, 215, 216, 228, 272, 273 Heinrich IV., König von Frankreich 27, 51, 139 Henriette Adelaide, Kurfürstin von Bayern 21, 22, 23, 24–27, 31, 40, 51, 58, 61, 63, 72, 84, 93–97, 99, 102–121, 126–129, 133, 150–152, 160, 161, 163, 165–169, 172, 174, 179–188, 192–208, 211, 212, 215, 220, 223, 227, 238, 239, 250, 272, 273, 297, 318, 320, 325, 328, 330

Hildebrandt, Johann Lucas von 252 Honard, François 312 Horemans, Peter Jakob 313 Isabeau de Bavière 51 Johann Theodor von Bayern, Kardinal 310, 311 Johann Wilhelm, Kurfürst von der Pfalz 21, 52, 87, 171, 252 Johann (Jan III.) Sobieski, s. Sobieski Joseph I., Kaiser 246, 252, 273, 310, 311 Joseph Clemens, Kurfürst von Köln 21, 29, 39, 40, 54, 58, 64, 132, 140, 148, 158, 174, 175, 240, 242–245, 250, 251, 256, 258, 260, 264–268, 269, 281, 282, 284, 285, 287, 289–291, 303, 310, 318 Joseph Ferdinand, Kurprinz von Bayern 49, 166, 208 Jouvin de Rochefort, Albert 66, 68, 109 Kalmbach, Christoph 152 Karl Albrecht, Kurfürst von Bayern, als Karl VII. Kaiser 20, 21, 22, 23, 24, 26, 27, 30, 31, 40, 48, 49, 50, 53, 55, 56, 58, 81, 85, 94, 99, 121, 150, 160, 161, 163–165, 169, 177, 179, 201, 203, 210, 218, 234, 236, 237, 248, 255, 262, 263, 270, 304, 308–330, 332 Karl der Große, Kaiser 16, 258, 307 Karl II., König von Spanien 49, 166 Karl XII., König von Schweden 58 Keyssler, Johann Georg 80, 81, 90, 99, 177 Kircher, Athanasius 125 Kleiner, Salomon 170, 171 Knobelsdorff, Georg Wenzelslaus von 312 Königsegg, Leopold Wilhelm Graf, Reichsvizekanzler 48, 56, 96, 97, 129, 168, 203, 206 Küchel, Johann Michael 59, 286 Küchelbecker, Johann Basilius 61, 138, 253, 274 Kurz von Senftenau, Maximilian Graf 96, 99

Register  | 369

Landsberg, Franz Anton Freiherr von 84, 85 Lantery, Antonio Conte 94, 163, 198, 204, 205, 209, 210, 212, 220, 227, 229, 235, 236, 272, 273 Le Blond, Jean-Baptiste-Alexandre 248 Le Brun, Charles 14, 139, 202, 207 Le Maistre, Charles 136 Le Nôtre, André 266 Leopold I., Kaiser 52, 135, 151, 170, 209, 273, 305 Lepautre, Antoine 194 Lepautre, Jean 128, 194, 196, 197, 200, 202 Le Plat, Raymond 263 Liberi, Pietro 304 Liechtenstein, Karl Eusebius von 49, 77, 305, 329 Limberg von Roden, Johann 14 Lionne, Hugues, Marquis de Berny 116, 167 Liselotte von der Pfalz, s. Elisabeth Charlotte Lister, Martin 58, 84, 86, 90, 276 Locke, John 84, 182 Loen, Johann Michael von 69, 74, 76, 77, 79, 90, 177, 253, 255, 292, 310 Löwenstein, Maximilian Graf 310 Louvois, François Michel Tellier 139 Lucchese, Philiberto 170 Ludewig, Johann Peter von 59, 87, 96, 97, 99, 290, 310 Ludwig von Frankreich, gen. Grand Dauphin oder Monseigneur 51, 85, 106, 110, 129, 166, 166, 168, 182, 196, 206, 209, 233, 243, 267, 276, 303 Ludwig VII. von Bayern-Ingolstadt, der Bärtige 51 Ludwig XIII., König von Frankreich 128 Ludwig XIV., König von Frankreich 14, 15, 19, 23, 29, 32, 49, 50, 51, 53, 54, 61, 62, 63, 85, 86, 87, 88, 116, 120, 128, 139, 140, 155, 166, 199, 203, 204, 207, 209, 212, 216, 228, 231,

232, 242, 258, 259, 262, 273, 274, 302, 306, 327 Ludwig XV., König von Frankreich 81, 232, 270, 311, 316 Ludwig der Bayer, Kaiser 307, 320 Ludwig Wilhelm, Markgraf von Baden 121, 235 Lueger, Johann Georg 291 Lünig, Johann Christian 44, 46, 47, 141, 143, 151, 211, 212, 227, 233, 275, 311 Luisa, Prinzessin von Savoyen 112, 113, 126 Luise Henriette, Kurfürstin von Brandenburg 32 Luise, Raugräfin zu Pfalz 69, 155, 243, 244, 245, 249 Mändl, Johann Christoph Freiherr von Deuthofen 48, 65 Maine, Herzog von 243 Maingaud, Martin 256 Malknecht, Johann Alois Freiherr von 243 Margareta Theresa, Infantin von Spanien, Kaiserin 170 Margherita Violante, Prinzessin von Savoyen, Herzogin von Parma 172, 191, 297 Maria Amalia, Kurfürstin von Bayern 21, 30, 50, 97, 163, 164, 185, 210, 255, 262, 270, 304, 311, 313 Maria Anna, Kurfürstin von Bayern 21, 59, 65, 67, 93, 99, 102–104, 106, 114, 115, 160, 165–168, 179–186, 200 Maria Anna, Prinzessin von Polen und Sachsen, Kurfürstin von Bayern 95 Maria Anna Christina (Marianne Christine), Prinzessin von Bayern, Madame la Dauphine 51, 85, 106, 110, 129, 168, 196, 206, 209 Maria Antonia, Erzherzogin von Österreich, Kurfürstin von Bayern 21, 27, 51, 97, 98, 206, 208, 209, 212, 217

370  |  Register

Maria Josepha, Erzherzogin von Österreich, Kurfürstin von Sachsen 255, 275 Maria Lesczynska, Königin von Frankreich 311 Maria Theresia, Erzherzogin von Österreich 317 Marie Louise d’Orléans 209 Marlborough, John Churchill, Herzog 241, 251, 252, 254 Marmi, Diacinto Maria 172 Martinelli, Domenico 252 Mauritia Febronia, Prinzessin de la Tour d'Auvergne, Herzogin von BayernLeuchtenberg 51, 129 Maximilian I., Kurfürst von Bayern 24, 26, 27, 30, 40, 51, 54, 56, 65, 99, 107, 119, 121, 122, 153, 154, 155, 161, 167, 169, 173, 174, 179, 200, 213, 214, 215, 216, 233, 237, 256, 258, 276, 277, 307, 320 Maximilian II. Emanuel (Max Emanuel), Kurfürst von Bayern 21–32, 45–56, 58–62, 64, 72, 73, 81, 85, 86, 88, 93, 94–99, 106, 121, 122, 129, 140, 144, 150, 152–154, 160, 162, 163, 164, 166, 171, 179, 194, 201–212, 217–223, 227–229, 234, 236–295, 302–318, 320–322, 328, 330, 332 Maximilian Heinrich, Kurfürst von Köln 65, 123, 166 Maximilian Philipp, Herzog von BayernLeuchtenberg 21, 38, 51, 61, 65, 85, 93, 97, 120–129, 166, 174, 192, 204, 212, 276, 297 Mazarin, Jules, Kardinal 115 Medici, Familie 26, 48, 126, 170, 171, 172, 206 – Anna Maria Luisa 52, 171 – Ferdinando II. 126 – Ferdinando III. 51, 171, 206 – Leopoldo 126 – Maria 27 Mignard, Paul 200, 201 Mirovsky, Wenzeslaus 312 Monconys, Balthasar de 156, 159, 160

Montagu, Lady Wortley 83, 90, 91, 92, 92, 253 Mollard, Graf 252 Monasterol, Ferdinand Solar, Comte de 64, 246 Montesquieu, Charles de 44, 53, 62, 64, 68, 81, 82, 182, 253 Montonaro, Luigi 93, 105, 108, 109, 110 Montpensier s. Anne Marie Louise Morellet, Laurent 14, 15, 77 Motté, Antoine 312 Neuhaus, Ferdinand Maria Freiherr von 265 Neumann, Balthasar 58, 59, 266, 267 Nogarola, Baiardino Conte 61 Northleigh, John 78, 79, 83, 90 Orléans, Philippe, Duc d’ 249, 255, 256 Otto von Wittelsbach, Herzog von Bayern 307 Palladio, Andrea 218 Pallavicino, Ranuccio Sforza Marchese 152, 156, 187 Pallavicino, Federico Marchese 94, 166, 179 Papebroch, Daniel 109, 160 Patin, Charles 54, 108, 153, 162, 187, 217, 237 Patte, Pierre 76, 176, 177, 241 Philipp IV., König von Spanien 51, 124, 125, 166 Philipp V., König von Spanien 50, 241 Philipp (Florinus) von Pfalz-Sulzbach 229, 265 Philipp Moritz, Herzog von Bayern 121 Philipp Wilhelm von Pfalz-Neuburg 87 Pichler, Johann Adam 72, 73, 312, 316, 317 Pistorini, Baldassare 151, 152, 155, 162 Pöllnitz, Karl Ludwig von 66, 73, 78, 80, 82, 87, 90, 92, 99, 108, 156, 158, 232, 246, 254, 255, 270, 283, 294 Pöppelmann, Matthäus Daniel 255

Register  | 371

Preysing, Johann Maximilian, Graf von 143, 311, 312 Priorato, Gualdo, Graf 151, 175 Pufendorf, Samuel 52, 168 Raffael d’Urbino 217, 236 Rambouillet, Cathérine, Marquise de 196 Ray, John 109, 177 Renata von Lothringen 185 Richelieu, Duc de, Louis-François-Armand de Vignerot du Plessis 173, 309 Rohr, Julius Bernhard 45, 47, 143, 145– 147, 149, 171, 210, 227, 233, 251, 271, 311 Rousseau, Jean-Baptiste 90, 254 Rubens, Peter Paul 236, 252 Sagredo, Alvise 172 Saumery, Jean-Baptiste de 293 Schlüter, Andreas 312 Schmid, Johann (Joanne) 152, 154, 155, 156, 187, 208, 220, 277 Schmid, Kaspar von 39, 167, 168 Schönborn, Johann Philipp Franz von 59, 123 Schöndörffer, Johann Heinrich 84 Siam, König von 229 Siam, Abgesandte von 78, 229, 231, 233 Sigismund Franz, Erzherzog von Innsbruck 167 Silhouette, Etienne de 91, 159 Simeoni, Karl Joseph von 98, 106, 209 Sobieski, Jan III., König von Polen 51, 59, 97 Sophia Dorothea von Pfalz-Neuburg 171 Sophie, Kurfürstin von Hannover 100 Spaett, Franz Xaver Joseph 312 Spinelli, Antonio, Theatiner 203 Stanislas’ I. Leszczynski, König von Polen, Herzog von Lothringen 309 Sturm, Leonhard Christoph 39, 58, 59, 76, 88, 134, 175, 177, 178, 189, 255, 324, 325 Straub, Johann Baptist 31, 39, 45, 117, 209, 234, 235, 236, 290, 312

Tessin, Carl Gustav 305 Tessin, Nicodemus 14, 58, 59, 148, 156, 176, 191, 192, 222–225, 232, 233, 235, 237, 248, 305 Therese Kunigunde, Kurfürstin von Bayern 21, 48, 51, 97, 98, 106, 240, 243, 249, 252, 256, 258, 307 Thomasius, Christian 67, 74, 75, 77 Tintoretto, Jacopo 252 Tizian 320 Törring, Ignaz Felix Graf 311, 316 Torcy, Jean-Baptiste Colbert, Marquis 64, 265, 293 Toulouse, Herzog von 243 Trepoli, Marin 101 Triva, Antonio 30 Unertl, Franz Joseph, Freiherr von 311 Vaux, Comte de 122, 211, 273, 293, 309 Veronese, Paolo 236 Veryard, Ellis 92 Villars, Louis Hector, Marquis de 53, 99, 228, 228, 242, 262 Violante Beatrix, Prinzessin von Bayern, Großherzogin der Toskana 51, 206 Vitruv 134, 155, 175, 219 Vitry, François-Marie, Duc de 63, 179, 201 Vittorio Amadeo I., Herzog von Savoyen 204 Vivien, Joseph 256, 257, 286, 292, 306, 307, 320 Vredemann de Vries, Hans 134 Wasa, Wladyslaw, polnischer Kronprinz 100 Wening, Michael 99, 107, 111, 113, 129, 143, 152, 157, 158, 160, 182, 184, 186, 187, 212, 213, 219, 220, 221, 236, 270, 294, 296, 297 Wilhelm, Ignaz Xaver von 140 Wilhelm IV., Herzog von Bayern 214, 296 Wilhelm V., der Fromme, Herzog von Bayern 213, 216 Wilhelm von Sachsen-Weimar 57

372  |  Register

Winter, Franz Joseph 263 Wolkenstein, Felicitas Gräfin 112 Wren, Christopher 84, 84, 202, 202 Zimmermann, Johann Baptist 36, 312, 313, 326

Zuccalli, Caspar 305 Zuccalli, Enrico 23, 27, 32, 35, 62, 112, 121, 173, 217, 241, 266, 267, 269, 273, 277–289, 304, 305, 350

Orte Augsburg 11, 39, 48, 52, 64, 123, 208, 240, 260 Bensberg 82 Belgrad 258, 262, 263 Berg – Schloss 270 Berlin 73, 226, 252 – Stadtschloss 31, 252 – Schloss Charlottenburg 16 Blois 246 Böhmen 52, 204 Bonn 54, 123, 240 – Residenz 54, 91, 132, 158, 175, 266– 268, 277, 303, 318, 319 – Poppelsdorf, Schloss Clemensruhe 18 Brescia 101, 102, 108 Brühl – Schloss 123, 223, 232 Brüssel 64, 98, 122, 124, 125, 169, 204, 221, 241, 247, 252, 277, 282, 292 – Jagdschloss Bouchefort 241 Burghausen 143, 270

Dresden 47, 57, 123, 226, 254, 255, 263, 273 – Schloss 16 Düsseldorf 52, 82, 87, 232, 252 Ebersdorf, Lusthaus 57, 273 Ferrara 171 Florenz 11, 26, 51, 126, 171, 172, 206 – Palazzo Pitti 172 Fontainebleau 84, 198, 246, 258, 311 Frankfurt 34, 116, 151, 209, 268 Geisenfeld 228 Genua 91, 231, 232, 233 Haltenberg am Lech 228 Heidelberg 87, 116, 135 Höchstädt 50, 240, 241, 250, 254 Honselaarsdijk 222–224, 237 Innsbruck 57, 108, 167 – Residenz 102

Chantilly 242, 243, 246, 311 Champs-sur-Marne 248, 301 Château-Thierry 129 Chierasco 126 Choisy 195 Compiègne 242, 245, 246, 247

Landshut 143, 228, 270 Laxenburg 253, 273, 274, 311 Leonsberg 228 Lichtenberg am Lech 290 Livorno 126, 172 Lothringen 184, 185, 247 Lunéville 16, 82, 247

Dachau – Schloss 22, 23, 92, 153, 270, 274, 294–305, 312, 327

Madrid 93, 98, 159, 208 – Alcàzar 159 – Buen Retiro 268

Register  | 373

Mailand 26, 81, 101, 126, 171, 173, 241 Mainz 20, 123 Malplaquet 241, 242 Mantua 171, 173, 197 Marly 32, 79, 80, 243, 245, 246, 253, 301, 302, 313 Meudon 244, 246, 267, 301, 303 Modena 171, 172, 331 Mohacz 258 Mons 241, 241, 285 Montmorency 246, 301 München passim – Altes Schloss Schleißheim 205, 228, 273, 277 – Frauenkirche 274 – Fürstenried 22, 23, 270, 274, 293, 302, 310 – Herzog-Max-Burg 129 – Neues Schloss Schleißheim 22, 23, 27, 28, 31, 32, 48, 80, 81, 82, 133, 153, 199, 228, 229, 238, 262, 265–290, 304, 306, 307, 311, 312, 313, 327, 328 – Lustheim 22, 82, 205, 277, 284, 285 – Nymphenburg 22, 23, 48, 80, 97, 228, 238, 256, 256, 257, 265, 267, 268, 270, 272, 276, 286, 287, 293, 299, 302, 313, 327 – Amalienburg 170, 313, 323, 324 – Opernhaus S. Salvator 45, 117 – Residenz 22, 38, 51, 55, 63, 86, 105– 115, 127, 128, 134, 149, 151–199, 203–239, 264, 293, 309–327, 330, 332 – Riedler-Frauen-Regelhaus 157 – St. Cajetan, Theatinerkirche 25, 97 – Turnierhaus 45, 117, 212 Namur 240, 246, 256, 257, 310 Nancy 247, 247 Neapel 125, 171, 304 Neuburg am Inn 241 Padua 121 Paris passim – Hôtel de Beauvais 176, 194–196, 248

– Hôtel de Lionne 194 – Hôtel de Rambouillet 202 – Hôtel de Rohan 247 – Hôtel de Soubise 247, 323, 325 – Louvre 85, 159, 170, 178, 182, 202, 253 – Palais Bourbon 280 – Palais du Luxembourg 195 – Palais du Petit Luxembourg 295 – Palais Royal 249, 249, 255 – Rue de Grenelle 311 – Rue de Varenne 311 – Saint Denis 128 – Tuilerien 158 Parma 171, 172, 173, 191 Pisa 126, 172 Poggio a Caiano 59 Pommersfelden 237, 238, 280, 282 Possenhofen 270 Pozzuoli 125 Prag 123, 156 Ramilliés 241, 241 Rastatt 247, 252, 256, 264 Regensburg 52, 167 Rijswijk 247 Roissy-en-France 248 Rom 92, 125, 134, 159, 172, 176 – Lateranpalast 159 – Palazzo Barberini 173, 176 – Palazzo Farnese 125 – Palazzo Sforza 125 – Quirinalspalast 92, 125 – Vatikanischer Palast 125, 159 – Villa Borghese 125 – Villa Ludovisi 125 – San Pietro in Vincoli 125 Rosenheim 102 Saint-Cloud 32, 206, 246, 256, 279 Saint-Fargeau 195 Sceaux 78 Schleißheim s. München Starnberg 270 Starnberger See 270, 293

374  |  Register

St.-Germain-en-Laye 128, 199, 246, 311 Straßburg 247, 247 Straubing 143, 270 Suresnes 246, 246, 247 Trient 101 Turin 11, 25, 31, 58, 59, 67, 94, 99–110, 116, 117, 121, 126, 127, 166, 171– 174, 187–194, 199, 200, 201, 204, 210, 222, 223, 268, 274, 275, 297, 310, 318, 328 – Palazzo Agliè 101 – Palazzo Madama 126, 188 – Palazzo Reale 92, 102, 126, 127, 173, 187, 188, 189, 190, 192, 193, 194, 197, 199, 222, 225, 274 – Palazzo Torinetti 101 – Schloss Moncalieri 126 – Schloss Valentino 127 Urbino 171, 236 Valenciennes 132, 240, 243 Venaria Reale 92, 126, 126, 127, 193, 274, 318, 319 Venedig 26, 101, 126, 135, 172, 240, 243, 304 Versailles – Schloss 14–20, 22, 23, 28, 29, 35, 40, 45, 50, 57, 58, 61, 62, 68, 69, 73, 76–90, 92, 97, 100, 121, 122, 124,

128, 129, 132–135, 139, 145, 147, 148, 155, 163, 164, 206, 209, 222– 230, 231, 234, 238, 239, 242–249, 252–255, 268, 273, 274, 276, 278, 279, 285, 289, 290, 291, 303, 306, 311–313, 324, 327, 328, 331 – Galerie des Glaces 17, 92, 164, 199, 232, 238, 238, 245, 246 – Grand Appartement 148, 222, 229, 231, 232, 233, 234, 238, 244 – Trianon 82, 84, 267 Wien 27, 27, 30, 31, 39, 45, 47, 49, 52, 55, 55, 56, 57, 61, 61, 62, 65, 90, 93, 96, 98, 99, 103, 107, 139, 140, 141, 143, 147, 148, 149, 151, 156, 160, 164, 168, 170, 171, 190, 191, 197, 204, 206, 211, 220, 226, 228, 251, 252, 253, 254, 255, 262, 274, 275, 280, 305, 310, 311, 322, 327 – Favorita auf der Wieden 275 – Hofburg 57, 108, 135–138, 151, 159, 164, 170, 171, 189, 191, 251–253, 273, 275, 276, 317, 322 – Palais Trautson 280 – Palais Schönborn 280 – Stadtpalais des Prinzen Eugen 237, 238, 254, 280 – Unteres Belvedere 254 Würzburg 52, 123, 233, 268

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Die französischen Königsgrabmä­

Cappenberger Barbarossa­kopfes 2013. Ca. 304 S. Ca. 49 s/w- und 8 farb.

Band 23  | Isabel Wünsche

Abb. auf 32 Taf. 2 Faltkarten. Gb.

Kunst & Leben

ISBN 978-3-412-20346-7

Michail Matjuschin und die Russische Avantgarde in

Band 18  | Dietrich Seybold

St. Petersburg

Leonardo da Vinci im Orient

2011. 258 S. Mit 35 s/w-Abb. und

Geschichte eines euro­päischen

17 farb. Abb. auf 12 Taf. Gb.

Mythos

ISBN 978-3-412-20730-4

2011. 368 S. 10 s/w-Abb. Mit CD-Rom-Beilage. Gb.

Band 24  |  Veronica Biermann

ISBN 978-3-412-20526-3

Von der Kunst abzudanken Die Repräsentations­s trategien

Band 19  | Eva Kernbauer

Königin Christinas von Schweden

Der Platz des Publikums

2012. 314 S. 81 s/w-Abb. Gb.

Modelle für Kunstöffentlichkeit

ISBN 978-3-412-20790-8

im 18. Jahrhundert 2011. 338 S. 62 s/w-Abb. Gb.

Band 25  | Eva-Bettina Krems

ISBN 978-3-412-20555-3

Die Wittelsbacher und Europa Kulturtransfer am früh­

Band 20  | Kathrin Iselt

neuzeitlichen Hof

»Sonderbeauftragter des

2012. 374 S. 82 s/w-Abb. Gb.

Führers«

ISBN 978-3-412-20810-3

Der Kunsthistoriker und Museums­ mann Hermann Voss (1884–1969)

RY447

2010. 516 S. Gb.  | ISBN 978-3-412-20572-0

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